Die Ordnung des Berges: Formalisierung und Systemvertrauen in der sächsischen Bergverwaltung (1470-1600) 9783412521028, 9783412521042, 3412521027

Franziska Neumanns Studie untersucht Formalisierungsprozesse und die Ausbildung formaler Organisationen in frühneuzeitli

169 60 6MB

German Pages 411 [417] Year 2021

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die Ordnung des Berges: Formalisierung und Systemvertrauen in der sächsischen Bergverwaltung (1470-1600)
 9783412521028, 9783412521042, 3412521027

Citation preview

NORM UND STRUKTUR Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit

Franziska Neumann

Die Ordnung des Berges Formalisierung und Systemvertrauen in der sächsischen Bergverwaltung (1470–1600)

NORM UND STRUKTUR STUDIEN ZUM SOZIALEN WANDEL IN MITTELALTER UND FRÜHER NEUZEIT IN VERBINDUNG MIT GERD ALTHOFF, HEINZ DUCHHARDT, PETER LANDAU (†), GERD SCHWERHOFF HERAUSGEGEBEN VON

GERT MELVILLE Band 52

DIE ORDNUNG DES BERGES Formalisierung und Systemvertrauen in der ­sächsischen Bergverwaltung (1470–1600) von

FRANZISKA NEUMANN

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und der Akademie der Wissenschaften in Hamburg

Zugl. Dissertation Universität Dresden 2019 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Cie. KG, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Open Access: Wo nicht anders festgehalten, ist diese Publikation lizenziert unter der Creative-­Commons-Lizenz Namensnennung BY-NC-ND-4.0; siehe http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0 https://doi.org/10.7767/9783412521042 Umschlagabbildung  : Fugger, Wolfgang: Ein nutzlich vnd wolgegrundt Formular Manncherley schöner schriefften Als Teutscher Lateinischer Griechischer vnnd Hebrayscher Buchstaben sampt vnterrichtung wie ein yede gebraucht vnd gelernt soll werden, Nürmberg, 1553 [VD16 F 3337] © Münchner Digitale Bibliothek Korrektorat: Dore Wilken, Freiburg Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : Hubert & Co. BuchPartner, Göttingen Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52102-8 (Print) ISBN 978-3-412-52104-2 (OpenAccess)

In Erinnerung an Tjark Neumann

Inhalt Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

TEIL A: EINLEITU NG – FR AGESTELLU NG, BEGR IFFE U ND ­M ETHODEN

1. Alles kommt vom Berg­werk her: Einleitung und Fragestellung der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffe und Ansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Formale Organisation und Formalisierung: Forschungsstand und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Neue Ansätze der jüngeren Verwaltungsgeschichte. . . . . . . . 3. Quellen, Aufbau und Thesen der Arbeit.. . . . . . . . . . . . . . .

13 20 20 23 29

TEIL B: DER SÄCHSISCHE BERG­B AU – EINE KUR ZE ­E INFÜHRU NG

1. Die Montanregion Erzgebirge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Es kann nur einen geben? Die Wettiner und das Berg­regal. . . . 1.2 Mit saurem Nasenschweiß: Finden, Fördern, Verarbeiten . . . . 1.3 Zentren sächsischer Urbanisierung: Die erzgebirgischen Berg­ städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Der lokale Adel.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behördengeschichte der sächsischen Berg­verwaltung . . . . . . . . 2.1 Das lokale Berg­amt.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Das ‚Oberbergamt‘. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Finanzierung des Berg­baus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Gewerkschaften und das Kuxsystem. . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Herkunft des Kapitals: Der auswärtige Gewerke als Topos und Realität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 47 51

53 59 66 66 71 78 80

86

6

Inhalt

TEIL C: DIE FOR MA LISIERU NG DER B ­ ERG­V ERWA LTU NG – ­M ITGLIEDSCHAFT, NOR MEN, PR A KTIK EN

1. Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Zutritt nur für Mitglieder? Regeln der Mitgliedschaft . . . . . . 1.1.1 Eintritt in die und Austritt aus der Berg­verwaltung. . . . . 1.1.2 Von Amts wegen: Die soziale Rolle als Amtsträger . . . . . 1.1.3 Mitgliedschaft als Partialinklusion? Berg­verwaltung und Knappschaft im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.4 Amt, Stand und Besoldung.. . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.5 Qualifikationen: Berg­verständigkeit und Tauglichkeit . . . 1.2 Praktiken der Ämterbesetzung: Exspektanz, Patronage und Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Fließende Grenzen: Amtsträger und familiäre Netzwerke . . . . 1.3.1 Der familiäre Nukleus: Funktionsträger und ihre Frauen .. 1.3.2 Soziale Netze und die Ausbildung von Amtsträgerdynastien: Die Familie Röhling . . . . . . . . . 1.3.3 Mitgliedschaft und Normenkonkurrenz: Adlige Amtsträger in der Berg­verwaltung. . . . . . . . . . . . . . 1.4 Formalisierung und das Problem der Informalität.. . . . . . . . 1.4.1 Die Formalisierung des Informellen? Der Berg­beamte als Gewerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Korruptionskommunikation und Mikropolitik. . . . . . . 1.5 Die Berg­verwaltung als formale Organisation: Mitgliedschaft, Zwecke und Hierarchien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formale Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Berg­ordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Die Entwicklung des sächsischen Berg­rechts . . . . . . . . 2.1.2 Die Entstehung der Ordnungen. . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Aufbau von Berg­ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Rezeption der Berg­ordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Berg­ordnungen als formale Regeln . . . . . . . . . . . . . 2.2 Formale Regeln jenseits der Berg­ordnung. . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Gewohnheitsrechte.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Bestallungsbriefe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Schauseiten und Vertrauen: Funktionen formaler Regeln.. . . . 3. Administrative Praktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Informationserhebung und -dokumentation . . . . . . . . . . .

95 95 100 105 112 114 120 126 136 136 139 151 160 162 169 185 193 194 194 201 206 210 214 217 217 222 226 233 235

7

Inhalt

3.1.1 Pragmatische Schriftlichkeit: Amtsbücher im Berg­bau . . . 3.1.2 Praktiken der Informationserhebung: Berichte, Aufstände und Handsteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Dreieckskommunikation: Supplikationen.. . . . . . . . . 3.2 Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die Berg­rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Zubußen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Die Zehntrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Vergleichende Perspektiven auf die Formalisierung von ­Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235 260 272 280 284 297 303 310

TEIL D: ERWARTU NGSERWARTU NGEN – V ERWA LTU NG U NTER BEOBACHTU NG

1. Der auswärtige Gewerke als methodisches Problem . . . . . . 2. Krisen und Erwartungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Öffentlichkeiten: Die kurfürstliche Visitation 1570 . . . . 2.2 Schauseiten: Heinrich von Schönberg. . . . . . . . . . . . 2.3 Grenzstellen: Schichtmeister, Steiger und Kuxkränzler als ­Exklusionsfiguren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschließende Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vormoderne formale Organisationen?. . . . . . . . . . . . . . Alles kommt vom Berg­werk her?.. . . . . . . . . . . . . . . . Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organigramm Berg­amt und mittlere Berg­verwaltung . . . . 2. Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ungedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Nachschlagewerke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Internetressourcen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

. . . .

. . . .

317 323 323 331

. . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . .

335 341 341 345 348 353 353 354 355 355 358 361 406 407 408

Dank

Aber Sie dürften wohl kaum eigene praktische Erfahrungen gemacht haben, was administrative Ekstase bedeutet und welche Bewandtnis es damit hat? Administrative Ekstase? Ich weiß nicht, was das ist. Dostojewski, Böse Geister

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Januar 2019 an der Technischen Universität Dresden verteidigt wurde. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Gerd Schwerhoff, der mich in vielfa­ cher Hinsicht und weit über den begrenzten Rahmen der Betreuung der Arbeit seit meinem Studium unterstützt und gefördert hat. Über die Jahre hat er mir Vertrauen geschenkt und die Freiheit gegeben, meine Interessen zu entwickeln und mich auszuprobieren, was ich ihm nicht hoch genug anrechnen kann. Dan­ ken möchte ich ebenfalls Hillard von Thiessen, der nicht nur das Zweitgutachten für die Arbeit übernommen hat, sondern mir darüber hinaus in Rostock eine neue akademische Heimat gegeben hat. Auch danke ich Birgit Emich, die mit konstruktiver Kritik wesentlich zur Weiterentwicklung meines Projekts beige­ tragen hat. Für die Aufnahme in die Reihe Norm & Struktur sei den Reihen­ herausgeberInnen, für die Betreuung der Arbeit von Seiten des Böhlau Verlags Frau Julia Beenken gedankt. Danken möchte ich auch der DFG, die durch ihre Projektförderung diese Arbeit überhaupt erst ermöglicht hat, sowie dem Son­ derforschungsbereich 804 der TU Dresden und dem Sonderforschungsbereich 1150 der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster für Stipendien, die zu einer sorgenfreien Arbeit an der Dissertation beigetragen haben. Zudem wurde der Druck der Arbeit durch eine finanzielle Unterstützung der Boehringer Ingel­ heim Stiftung für Geisteswissenschaften und der Akademie der Wissenschaften in Hamburg ermöglicht. Daneben gilt auch den verschiedenen Bibliotheken und Archiven und deren MitarbeiterInnen mein herzlicher Dank. Allen voran seien hier das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden und das Berg­archiv Freiberg genannt, ebenso die SLUB Dresden, die Bibliothek der Berg­akademie Freiberg, das Stadtarchiv Frei­ berg und Annaberg-Buchholz, das Germanische Nationalmuseum Nürnberg, die Bayerische Staatsbibliothek München sowie die Eisenbibliothek Schlatt. Die Zeit in Schlatt ist eine der besonderen Erfahrungen meiner Promotions­ zeit, die ich nicht missen möchte. Die Arbeit verdankt viel den verschiedenen

10

Dank

Kollquien, Workshops und Tagungen, auf denen ich die Arbeit zur Diskussion stellen durfte. Zu nennen sind hier Dresden, Rostock, Münster, Göttingen, Erlangen, Annaberg, Berlin, San Diego, London und Warwick. Vor allem möchte ich mich bei Ulrike Ludwig und Alexander Kästner bedan­ ken, die mich seit meiner Studienzeit mit Kritik, Anregungen und Hilfe unter­ stützt haben und ohne die ich mir diese Arbeit und meinen bisherigen akademi­ schen Weg nicht vorstellen kann und möchte. Mein Dank gilt auch Beat Kümin: Meine Zeit in Warwick hat mich nicht nur menschlich und intellektuell berei­ chert, sondern auch den Grundstein für eine tiefe Faszination für England gelegt. Keine Danksagung wäre vollständig ohne den Verweis auf die zahlreichen Flurgespräche, Kaffeepausen und vergnüglichen Abende mit FreundInnen und KollegInnen. Danken möchte ich daher vor allem Matthias Pohlig, Elodie Duché, Sebastian Frenzel, Sabine Peinelt-Schmidt, Kristin Neumann und Peter Eisewicht, Benjamin Seebröker, Eric Piltz, Matthias Bähr, Andrea Tonert, Anja Nitsche, Line Ahrens und Kristoffer Klammer. Meinen Eltern Dorothee und Rainer, meinem Bruder Max und meiner Schwägerin Stefanie und meiner Groß­ mutter Hildegard Teichgräber danke ich von Herzen für ihre Unterstützung. Vor allem aber danke ich Matthias. Ihm – und darüber freue ich mich wirk­ lich sehr – ist dieses Buch gewidmet.

TEIL A: EINLEITUNG – FRAGESTELLUNG, BEGRIFFE UND METHODEN

1. Alles kommt vom Berg­werk her: Einleitung und Fragestellung der Arbeit

Das 16. Jahrhundert war das Jahrhundert des Berg­baus. Bei Tag und Nacht wurden in den europäischen Revieren in mühsamer Handarbeit Unmengen an Edelmetall aus dem Gestein geschlagen.1 Neue Technologien ermöglichten den Abbau in bislang ungeahnten Tiefen und sorgten für einen steten Strom an Sil­ ber in die heimischen Münzstätten und europäischen Metallmärkte.2 Globale Handelsnetze ließen dalmatinisches, ungarisches oder sächsisches Silber und Kupfer über Venedig bis in die Levante zirkulieren, um den nie versiegenden Bedarf an Edelmetallen zu befriedigen.3 Zwischen den Berg­revieren herrschte ein reger Transfer an Menschen, Wissen und Gütern, der nicht nur eine euro­ päische, sondern, etwa durch die Ausbeutung der Lagerstätten in Potosí, auch eine globale Dimension annahm. In der Blütezeit des Berg­baus waren Berg­ städte wie das in Tirol gelegene Schwaz mit 20.000 Einwohnern, das sächsische Annaberg mit 12.000 oder das böhmische Jáchymov ( Joachimsthal) mit 18.000 Einwohnern die kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zentren ihrer jeweiligen Regionen.4 Den Puls der Zeit gab nicht zuletzt das sächsisch-böhmische Erzgebirge vor. Im Zuge der Entdeckung neuer Silbererzlagerstätten in den 1470er Jahren, dem sogenannten zweiten Berg­geschrey, setzte eine dynamische Transforma­ tion der Region ein. Gerüchte über sagenhafte Silberfunde machten die Runde und lockten in der Hoffnung auf reiche Ausbeute zahlreiche Berg­leute in die Region. Namenlose Siedlungen schossen wie Pilze aus dem Boden und ent­ wickelten sich rasant zu regelrechten ‚Boomtowns‘. Erzgebirgische Berg­leute waren gefragte Spezialisten, die von Norwegen bis zum Potosí ihr Auskommen fanden. Die Annaberger Berg­ordnung von 1509 gilt bis heute als ‚Mutter aller Berg­ordnungen‘ und wurde weit über den sächsischen Raum hinausgehend rezi­ piert. Zahlreiche Innovationen, von der Ehrenfriedersdorfer Radpumpe bis hin zum gemauerten Kunstschacht, kamen aus dieser Region. Das 16. Jahrhundert 1 Vgl. Wagenbreth/Wächtler: Freiberger Berg­bau, S. 30. 2 Vgl. Sokoll: Berg­bau, S. 18 ff.; Kraschewski: Das Spätmittelalter, S. 253 ff. 3 Ebd., S. 255 f. 4 Vgl. Majer: Die Waldwirtschaft und Holzverwendung, S. 221. Siehe hierzu auch Bartels: Berg­bau der Agricola-Zeit, bes. S. 161.

14

Einleitung – Fragestellung, Begriffe und Methoden

war nicht zuletzt auch „the great age of mine and metallurgical literature both in terms of quantity and originality“:5 Erzgebirgische Humanisten wie etwa der Chemnitzer Bürgermeister und Arzt Georg Agricola oder der Freiberger Stadtphysikus Ulrich Rülein von Calw arbeiteten an der Etablierung neuer Wissens- und Ordnungssysteme über das Wesen der Metalle und Mineralien.6 Von Calws kleines Berg­büchlein (um 1500) und vor allem das 1556 herausge­ gebene „De Re Metallica“ Georg Agricolas waren en vogue.7 Diese und andere Schriften fanden reißenden Absatz und führten zu einer bis dahin ungeahnten Popularisierung bergbaukundlichen Wissens.8 Ausgaben von „De Re Metallica“ waren auf Lateinisch (1556) und Deutsch (1556), in Auszügen auf Spanisch (1569) und schließlich im 17. und 18. Jahrhundert auf Französisch, Englisch, Niederländisch und 1644, durch die Übersetzung des Jesuiten Johann Adam Schall von Bell, sogar in Teilen auf Chinesisch verfügbar.9 Eine Besonderheit des sächsischen Berg­baus war nicht zuletzt sein innovatives Finanzierungssystem. Um 1470 kam im Schneeberger Revier das sogenannte Kuxsystem auf: Investoren aus allen Teilen des Reichs erwarben ideelle Anteile an Zechen, die sogenannten Kuxe, und ließen ihr Geld über diese Wertpapiere in Zechen mit verheißungsvollen Namen wie Reiche Fundgrube, Himmelsfürst, Unverhofft Glück oder Gute Hoffnung arbeiten.10 Berühmt ist etwa die  5 Long: The Openness of Knowledge, S. 319.  6 Rülein von Calw: Ein nutzlich bergbuchlẽy; Agricola: De Re Metallica. Zur Akku­ mulation bergbaukundlichen Wissens siehe auch Smith: Codification; Baumgärtel: Vom Berg­büchlein zur Berg­akademie; Long: The Openness of Knowlegde. Zur Verbin­ dung von Wissenschaft und Humanismus vgl. einführend Hannaway: Georgius Agricola as Humanist; Blair/Grafton: Reassessing Humanism and Science; Hoeniger: How Plants and Animals.   7 Eine Zusammenstellung von bergbau- und hüttenkundlichen Schriften des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit findet sich hier: Conolly: Problems of Textual Transmittion, S. 14 ff.  8 Vgl. Jenny: Die Übersetzungen von Agricola; Naumann: 450 Jahre „De re metallica li­ bri XII“, S. 33 ff.   9 Mit der chinesischen Übersetzung Georg Agricolas und Formen des Wissenstransfers zwischen Europa und China beschäftigt sich ein Projekt von Hans Ulrich Vogel am Institut für Sino­ logie der Universität Tübingen. Die Übertragung westlicher Naturwissenschaft, Technologie und Medizin ins China der späten Ming-Zeit: Konvergenzen und Divergenzen im Lichte des Kunyu gezhi (Untersuchungen des Erdinneren; 1640) und des Taixi shuifa (Hydromethoden des Großen Westens; 1612). Siehe https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/philosophische-fa kultaet/fachbereiche/aoi/sinologie/forschung/kunyu-gezhi-taixi-shuifa-dfg/, letzter Zu­ griff: 17.09.2020. 10 Vgl. Schreiber: Der Berg­bau in Geschichte, S. 291 f.

Alles kommt vom Berg­werk her: Einleitung und Fragestellung der Arbeit

15

Himmlisch-­Heer-Fundgrube in Schneeberg, in der Montanunternehmer wie der Annaberger Bürgermeister Caspar Kürschner mit nur wenigen Berg­teilen in kurzer Zeit mehr als 300.000 fl Gewinn einfahren konnte.11 Doch nicht nur investitionsfreudige Unternehmer profitierten von den sächsischen Gruben; auch die Wettiner als Regalherren konnten aus dem Berg­bau gewaltige Gewinne ziehen. Der sächsische Berg­bau war also in hohem Maße mit anwesenden, aber auch mit abwesenden Akteuren konfrontiert. Die wirtschaftliche, administra­ tive, technologische, kulturelle und soziale Dynamik, die durch den Berg­bau entfacht wurde, findet ihre Zuspitzung in dem erzgebirgischen Sprichwort: „Alles kommt vom Berg­werk her“.12 Es ist ein etabliertes Narrativ, dass der Aufstieg der Wettiner zu reichspoliti­ scher Größe eng mit den gewaltigen Rohstoffreserven des Erzgebirges verbunden war.13 Der kursächsische Staatsbildungsprozess, so etwa Uwe Schirmer, stand in einem Zusammenhang mit dem Berg­bau: „Natürlich war die Entfaltung frühmoderner Staatlichkeit nicht von einem florierenden Berg­bau abhängig; doch beschleunigte die Verfügbarkeit über ausreichend Bargeld den Staatsbil­ dungsprozess.“14 Eine besondere Bedeutung komme dabei der sächsischen Berg­ verwaltung zu. Der Aufstieg der Wettiner und der ertragreiche Berg­bau gehen, so die klassische Lesart, auf einen besonders früh ausgebauten Verwaltungsap­ parat zurück. Um ihre Berg­werke zu verwalten, etablierten die Wettiner seit dem späten 15. Jahrhundert einen komplexen, hierarchisch gestaffelten Ver­ waltungsapparat nach dem sogenannten Direktionsprinzip. Kennzeichnend für das Direktionsprinzip war der Anspruch des Landesherrn, alle wirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Aspekte des Berg­baus über seinen Verwaltungsap­ parat zu kontrollieren. Schirmer zufolge ist der Auf- und Ausbau der sächsischen Berg­verwaltung nach dem Direktionsprinzip in Beziehung zur Verdichtung von Territorialherrschaft im 15. und 16. Jahrhundert zu setzen: „Infolge von Herr­ schaftsverdichtung sowie auf Grundlage von Professionalisierung und Bürokra­ tisierung wurde es möglich, das Direktionsprinzip erfolgreich auszuformen und 11 Vgl. Werner: Der Annaberger Bürgermeister, S. 40. Siehe hierzu auch Laube: Silberberg­ bau, S. 92. 12 So findet sich das Sprichwort etwa prominent auf der Webseite des UNESCO-Welterbes ‚Mon­ tanregion Erzgebirge/Krušnohoří‘. Vgl. URL: http://www.montanregion-erzgebirge.de/welt erbe-erfahren/der-wirtschaftsstandort-erzgebirge.html, letzter Zugriff: 17.09.2020. 13 Vgl. Gross: Die Wettiner, bes. S. 39 ff.; Schirmer: Staatsfinanzen, S. 21; ders.: Direktions­ prinzip, S. 146; ders.: Zank und Streit, S. 75 ff. 14 Schirmer: Direktionsprinzip, S. 146.

16

Einleitung – Fragestellung, Begriffe und Methoden

auch durchzusetzen.“15 Historisch fassbar, so Schirmer, ist dieser Prozess in der Entwicklung eines Beamtenapparats und findet seinen „greifbaren Niederschlag in Form von Rechnungen, Protokollen, Beschlüssen und Urteilen“ sowie den zahlreichen Berg­ordnungen des 15. und 16. Jahrhunderts.16 Adolf Laube hingegen sieht aus einer dem historischen Materialismus ver­ pflichteten Perspektive im Ausbau des Direktionsprinzips den Ausdruck einer zunehmenden Frontstellung zwischen „bürgerlichen“ und „feudalistischen“ Kräften im Umfeld der Frühbürgerlichen Revolution und des Bauernkrieges. „Der aus diesen Ursachen erwachsene Klassenkampf der Gewerken wie der Berg­arbeiter fand in den unterschiedlichen reformatorischen Ideologien eine neue, ideologische Ausdrucksform.“17 Kern der und Ursache für die auch im Erzgebirge 1525 entstandenen Unruhen seien jedoch ökonomisch-soziale Kri­ sen gewesen, in deren Folge die territoriale Herrschaft nicht zuletzt durch eine straffere Organisation der Berg­verwaltung ausgebaut worden sei. Durch die Unterdrückung der Protestbewegung im Umfeld des Bauernkrieges durch den Landesherrn wurden Laube zufolge die Weichen zur „absoluten Vorherrschaft des Territorialfürstentums gestellt“.18 Dies führte nicht nur zum „völlige[n] Ver­ lust jeder städtischen Selbstständigkeit“, sondern lähmte langfristig die „Investi­ tionsfreudigkeit der Gewerken“. Das Direktionsprinzip trug nach dieser Lesart „[…] zum wesentlichen Teil Mitschuld an dem Niedergang des Silberbergbaus und der Berg­städte nach der Mitte des 16. Jahrhunderts“.19 Laube sieht also im Ausbau von Verwaltungsstrukturen ebenso einen wesentlichen Faktor für eine vorreformatorische Krise, wie er die ‚Durchsetzung‘ des Direktionsprinzips auf lange Sicht als eine Ursache für den Niedergang des Berg­baus im 17. Jahrhun­ dert interpretiert: „Durch diese, der Stärkung ihrer Macht und der Zentralisie­ rung des Territorialstaates dienende Ausbeutung des Berg­baus, hemmten die Fürsten zugleich den weiteren kapitalistischen Fortschritt und trugen damit – neben anderen Faktoren – zum Niedergang des Silberbergbaus nach der Mitte des 16. Jahrhunderts bei.“20 Die Berg­verwaltung erscheint hier gleichermaßen als Unterdrückungsorgan wie als Ursache für den langfristigen Niedergang des Berg­baus. 15 Ebd. 16 Ebd. 17 Laube: Silberbergbau, S. 223. 18 Ebd., S. 235. 19 Ebd. 20 Ebd., S. 282.

Alles kommt vom Berg­werk her: Einleitung und Fragestellung der Arbeit

17

Sowohl Laube als auch Schirmer interessieren sich also für den Zusammen­ hang zwischen Staatsbildung, Wirtschaft und dem Aufbau von Verwaltungs­ strukturen. Auch wenn sie diesen Zusammenhang unterschiedlich bewerten, gehen beide Autoren von einer besonders stark ausgeprägten Ausbildung von Verwaltungsstrukturen im erzgebirgischen Berg­bau aus. Beide Autoren vertre­ ten dabei die jeweils unterschiedlich akzentuierte These, dass der frühe und intensive Aufbau einer Verwaltung auf die spezifischen wirtschaftlichen Rah­ menbedingungen zurückgeht. Diese These ist aus zwei Perspektiven zu kritisieren und im Anschluss zu modifizieren. Erstens sind die beobachteten Phänomene, etwa die straffe Behör­ denorganisation mit mehreren Instanzenzügen, Hierarchien und ein hohes Maß an administrativer Schriftlichkeit und formalen Regeln keinesfalls exklusiv im Berg­bau zu finden. Vielmehr lässt sich überall im Alten Reich seit dem späten 15. Jahrhundert ein vermehrter Aufbau von Verwaltungsstrukturen nach diesem Muster beobachten.21 Es ist daher diskussionswürdig, wie exzeptionell die Ent­ wicklung der Berg­verwaltung ist und wie hoch der Einfluss der wirtschaftlichen Rahmung des Berg­baus tatsächlich veranschlagt werden kann. Zweitens und grundsätzlicher lassen sich aus der Perspektive einer neueren Kulturgeschichte der Verwaltung die großflächigen Entwicklungsnarrative Laubes wie Schirmers diskutieren. Das Deutungsschema der Frühbürgerlichen Revolution (bei Laube) wie auch das auf Max Weber zurückgehende Modell der zunehmenden Bürokratisierung (bei Schirmer) haben inzwischen an Charme eingebüßt und wurden aus unterschiedlichen Perspektiven und mit guten Argu­ menten hinterfragt. Die Einwände sind bekannt und sollen hier nur summarisch wiedergegeben werden: Die älteren Prozessbegriffe wurden unter sozial- und kulturgeschichtlichen Perspektiven kritisiert, und statt statischen und teleologi­ schen Modernisierungsprozessen steht nun die Vielschichtigkeit und Ambivalenz von Herrschaft und Verwaltung im Fokus. Dichotome und top-down-orientierte Konzeptionen von Herrschaft sind dynamischeren Vorstellungen gewichen, die Herrschaft als Aushandlungsprozess unter asymmetrischen Bedingungen refor­ mulieren.22 Vormoderne Gesellschaften und so auch der landesherrliche Hof und 21 Auf die zahlreichen regionalen und lokalen Studien zur Verwaltungsgeschichte der Vormo­ derne kann an dieser Stelle nicht einzeln eingegangen werden. Klassisch immer noch Jeserich u. a. (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1; Hesse: Amtsträger; Hochedlinger u. a. (Hg.): Hof und Dynastie; ders./Winkelbauer (Hg.): Herrschaftsverdichtung. 22 Vgl. hierzu etwa die Beiträge in Blockmans u. a. (Eds.): Empowering Interactions; Brakensiek/Wunder (Hg.): Ergebene Diener?; ders. u. a. (Hg.): Herrschaft und Ver­

18

Einleitung – Fragestellung, Begriffe und Methoden

seine Verwaltung waren von zahlreichen personellen Netzwerken, Seilschaften und Patronagebeziehungen durchwoben, deren Bedeutung als Strukturmerk­ mal der Vormoderne in zahlreichen Arbeiten herausgestellt wurde.23 Herrschaft als soziale Praxis musste sich akzeptanzorientiert in zahlreichen Kräftefeldern bewähren.24 Das heißt, dass neben den Bürokratisierungs- und Formalisierungs­ prozessen ‚staatlicher‘ Behörden immer stärker auch vormoderne Eigenlogiken und informelle Faktoren sichtbar werden. Der kulturgeschichtliche Blick auf klassische Themen der Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte hat sich auf die Bedeutung von symbolischer Kommunikation, performativen Sprechakten und Ritualen gerichtet oder eher wissensgeschichtlich die Funktionen administrati­ ver Schriftlichkeit, Wissens- und Informationserhebung diskutiert.25 Diese Perspektivverschiebungen innerhalb der Forschung zur frühneuzeitli­ chen Verwaltungsgeschichte laden dazu ein, die von Schirmer und Laube auf­ geworfene Frage nach dem Zusammenhang von Wirtschaft, Herrschaft und Verwaltung unter kulturgeschichtlicher Perspektive neu zu stellen. Denn Laubes wie Schirmers Befund, dass der frühe und intensive Aufbau der sächsischen Berg­­ verwaltung etwas mit der wirtschaftlichen Dynamik zu tun hat, wird sich, wie im Weiteren zu zeigen ist, bestätigen. Allerdings muss dieser Zusammenhang in zweierlei Hinsicht anders gefasst werden. Erstens: In der Tat wird sich erweisen, dass die wirtschaftliche Dynamik und die große Bedeutung von nicht vor Ort waltung; Asch/Freist (Hg.): Staatsbildung als kultureller Prozess; Haas/Hengerer (Hg.): Im Schatten der Macht; Meumann/Pröve (Hg.): Herrschaft. 23 Diese Dynamik ist modellhaft am Beispiel des Pontifikats Paul V. von Wolfgang Reinhard und seinen Schülern und Schülerinnen herausgearbeitet und in der Folge in zahlreichen Ar­ beiten bestätigt worden. Vgl. exemplarisch Reinhard: Paul V. Borghese; Emich: Bürokratie und Nepotismus; Reinhardt: Macht und Ohnmacht. Auf die reichhaltige Literatur zu vormoderner Patronage kann an dieser Stelle nur summarisch verwiesen werden. Vgl. etwa von Thiessen: Diplomatie und Patronage; Asch u. a. (Hg.): Integration. 24 Vgl. Lüdkte: Herrschaft als soziale Praxis; Brakensiek: Herrschaftsvermittlung im alten Europa; ders.: Akzeptanzorientierte Herrschaft. Eine Anwendung des Konzepts der „akzep­ tanzorientierten Herrschaft“ aus einer Norm-Praxis-Perspektive am Beispiel des Umgangs mit Selbsttötungen in Kursachsen findet sich bei Kästner: Tödliche Geschichte(n), bes. S. 28–35. 25 Für eine kulturgeschichtliche Ausrichtung plädieren Fisch: Verwaltungskulturen; Becker: Überlegungen; Haas: Die Kultur der Verwaltung; kritisch in Bezug auf den Begriff Ver­ waltungskulturen, der die Gefahr eines „Catch-all-Begriffs“ mit sich führe, Emich: Verwal­ tungskulturen. Ebenfalls für eine kulturgeschichtliche Neuorientierung, wenngleich nicht unkritisch, ist auch Wunder: Verwaltung als Grottenolm. Zu Fragen nach Wissenserhe­ bung, Wissenstransfer und administrativer Schriftlichkeit vgl. Brendecke: Imperium und Empirie; Friedrich: Der lange Arm Roms.

Alles kommt vom Berg­werk her: Einleitung und Fragestellung der Arbeit

19

anwesenden Investoren immensen Einfluss auf den spezifischen Auf- und Ausbau der Strukturen der Berg­verwaltung hatten. Zweitens: Statt von einer mehr oder minder selbstverständlichen Einbettung der Entstehung der Berg­verwaltung in größere entwicklungsgeschichtliche Rahmungen einfach auszugehen, scheint es sinnvoller, bei den Phänomenen anzufangen: Warum bildeten generell Ver­ waltungen seit dem späten 15. Jahrhundert – durchaus prozesshaft, mitunter gebrochen und zum Teil unintendiert – überhaupt zunehmend Elemente aus, die den Kern dessen ausmachen, was in der Organisationssoziologie als formale Organisation beschrieben wird?26 Und spezifischer auf den Berg­bau bezogen: Wie und warum wurde die Berg­verwaltung überhaupt auf- und ausgebaut? Wel­ che Wechselwirkungen bestanden zwischen der wirtschaftlichen Rahmung des Berg­baus und dem Aufbau von Verwaltungsstrukturen? Um diese Fragen zu beantworten, rückt in dieser Arbeit der Begriff der ‚For­ malisierung‘ in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Ebenso wenig wie etwa Büro­ kratisierung ist Formalisierung als Akteur oder Explanans historischen Wandels zu verstehen. Vielmehr handelt es sich in einer ersten Annäherung um einen Beschreibungsbegriff. Formalisierung und formale Organisation sind unscharfe Sammelbegriffe, die auf unterschiedliche Phänomene abzielen und in der For­ schung unterschiedlich weit oder eng verstanden werden. Das Bedeutungsspek­ trum des Begriffs reicht dabei von der Stabilisierung von Verhaltenserwartungen (dies wäre ein sehr weiter Formalisierungsbegriff ) über die Ausbildung organisa­ tionaler Elemente wie Hierarchien und Mitgliedschaft bis hin zur Engführung des Formalisierungsbegriffs auf schriftlich fixierte formale Regeln. Die folgende Untersuchung geht dabei nicht von einer engen Formalisierungsdefinition aus (also einer Verengung auf formale Regeln), sondern versteht den Begriff als Oberbegriff und analytische Kategorie, die auf unterschiedliche, allerdings ten­ denziell in dieselbe Richtung zielende Phänomene und eine nicht-teleologische Prozesshaftigkeit angewendet wird. Um den Begriff mit Leben zu füllen, soll eine organisationssoziologisch ins­ pirierte Perspektive auf das Verhältnis von Ursachen, Funktionen und Folgen des Auf- und Ausbaus formaler Organisationen eingenommen werden. Was also kann ‚Formalisierung‘ aus einer solchen Perspektive bedeuten? Um dies deutlich zu machen, sind einige theoretische Umwege und Erklärungen notwendig. In einer ersten Annäherung muss der Begriff der formalen Organisation geklärt werden, um sich in einem zweiten Schritt mit dem Begriff der Formalisierung auseinanderzusetzen und ihn heuristisch für diese Arbeit nutzbar zu machen. 26 Vgl. hierzu einführend Luhmann: Funktionen und Folgen.

2. Begriffe und Ansätze

2.1 Formale Organisation und Formalisierung: Forschungsstand und Thesen Formale Organisationen, die ihre idealtypische Ausprägung in Verwaltungen haben, werden in der Organisationssoziologie durch unterschiedliche Merkmale und Funktionen charakterisiert, etwa durch formale Regeln, eine spezifische Form administrativer Schriftlichkeit, durch eine Orientierung an Zwecken, die Koordination von Entscheidungen im Rahmen hierarchischer und arbeitstei­ liger Ämterorganisation, eine Trennung von Amt und Person. Mit all diesen Merkmalen versteht sie etwa eine auf Max Weber zurückgehende Tradition als Instrument bürokratischer Herrschaft.27 Einen besonders produktiven Ansatz, formale Organisationen analytisch zu begreifen, liefert Niklas Luhmann.28 Gegen Max Weber und dessen rationalistisches Zweck-Mittel-Schema setzt Luhmann ein systemisches Verständnis formaler Organisationen. Statt Organisationen ausschließlich von ihrer internen Struktur und ihren Entscheidungsprogrammen her zu begreifen, verschiebt er die Perspektive auf das Verhältnis von Umwelt und System, ohne dieses aber instrumentalistisch zu verkürzen.29 Im Kern geht es um die Frage, wie unter den Unwägbarkeiten und der Kontingenz einer sich permanent verändernden Umwelt Erwartungssicherheit und Stabilität herge­ stellt werden kann. „Statt der rein inneren Rationalität widerspruchsfreier Ord­ nung rückt die Problematik der Erhaltung eines Systems in einer ‚schwierigen‘ Umwelt in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses.“30 Für Luhmann strukturiert formale Organisation Verhaltenserwartungen, und zwar in einer Weise, die sie von anderen sozialen Ordnungsformen, etwa Korporationen oder Assoziationen, unterscheide. Das zentrale Merkmal ist nach Luhmann die Definition von Mitgliedschaftsbedingungen, aus der sich zahlreiche Implikationen ableiten. Mitgliedschaft als soziale Rolle struktu­ riere auf grundsätzliche Weise Verhaltenserwartungen, nicht nur von Seiten der formalen Organisation und ihrer Mitglieder, sondern auch in Bezug auf 27 Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 31. 28 Ebd. 29 Luhmann: Zweck, S. 132. 30 Ebd., S. 148. Siehe hierzu ausführlich Drepper: Organisation der Gesellschaft, S. 70.

Begriffe und Ansätze

21

die organisationale Umwelt. Formale Organisationen sind in diesem Zuschnitt eng mit Formalisierungsprozessen verbunden. Formalisierung dient nach Luhmann sehr allgemein „dem Aufbau einer gene­ ralisierten und differenzierungsfähigen Erwartungsstruktur, die zugleich die Grenzen des Systems definiert“.31 Damit fokussiert Formalisierung sowohl auf die Strukturierung von Verhaltenserwartungen nach innen als auch – und für diese Arbeit wesentlich – zwischen der Organisation und ihrer Umwelt. Forma­ lisierung ist „der soziale Prozess, in dem die Anerkennung, Befolgung sowie der Orientierungswert von Verhaltenserwartungen an die Mitgliedschaft gekoppelt werden. Danach ist Formalität eine Qualität bestimmter Verhaltenserwartungen, nicht jedoch eines sozialen Systems als Ganzem.“32 Formalisierung, so Barbara Stollberg-Rilinger im Anschluss an Luhmann, bedeutet in einer sehr allgemeinen Fassung das Explizitmachen geltender sozia­ ler Regeln.33 Indem implizit geltende soziale Regeln explizit gemacht, das heißt, in aller Regel verschriftlicht werden, stabilisieren sie im besten Fall Verhaltens­ erwartungen. Akteure können, müssen sich jedoch nicht an ihnen orientieren, aber es ist im Großen und Ganzen erwartbar, dass sie dies tun. Die Formalisierung sozialer Regeln führt zu einer Verallgemeinerung von Verhaltenserwartungen. Die Untersuchung von Formalisierungsprozessen kann sich jedoch nicht nur auf die Bestimmung formalisierter Bereiche (etwa Regeln der Mitgliedschaft, Hierarchien und Zwecke, administrative Schriftlichkeit, Verfahren, Normen etc.) beschränken, sondern muss danach fragen, warum und mit welchen Folgen sich soziale Systeme – zum Beispiel Verwaltungen – formalisieren. Nun geht es in dieser Arbeit nicht um eine sklavische Luhmann-Exegese. Viel­ mehr bietet Luhmanns frühe Organisationssoziologie ein attraktives Angebot, um eine andere Perspektive auf die Ausbildung von Verwaltungsstrukturen zu gewinnen. Mit dieser Perspektivierung auf Formalisierungsprozesse geht eine Akzentverschiebung einher: Während etablierte Großnarrative der Verwal­ tungsgeschichte, wie etwa das Theorem der Bürokratisierung, sich in aller Regel auf innerbehördliche Vorgänge beziehen, die einen gewünschten Zweck, etwa die Rationalisierung von Entscheidungsprogrammen oder eine Effizienzstei­ gerung,34 erreichen sollen, geht es bei der Untersuchung von Formalisierungs­ prozessen nach Luhmann um das Verhältnis von Stabilität, Komplexität und 31 32 33 34

Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 21. Ebd., S. 38. Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 5 ff. Siehe hierzu Emich: Formalisierung des Informellen (2011), S. 81 f.

22

Einleitung – Fragestellung, ­Begriffe und Methoden

Erwartungshaltungen innerhalb eines sozialen Systems und zwischen System und Umwelt. Diese Nuancierung ist, so wird zu zeigen sein, gerade für die säch­ sische Berg­verwaltung mit ihrer komplexen, aus anwesenden, aber eben auch abwesenden Akteuren bestehenden wirtschaftlichen Umwelt interessant. Aus den hier vorgestellten Überlegungen zum Verhältnis formaler Organi­ sationen und Formalisierungsprozessen lassen sich verschiedene methodische Vorüberlegungen ableiten, die im Folgenden für die Untersuchung bedeutsam sein werden: Erstens: Der Begriff der formalen Organisation dient hier als heuristisches Instrument, um das Organisationsförmige in vormodernen Verwaltungen sicht­ bar zu machen. Der Begriff der formalen Organisation wird bewusst als ‚kon­ trollierter Anachronismus‘ verwendet.35 Er ist als Idealtypus zu verstehen, der so in der historischen Wirklichkeit nicht existiert hat, und dient dazu, ein besseres Gespür für Besonderheiten, Abweichungen, aber auch längerfristige Dynami­ ken der Ausbildung von Verwaltungsstrukturen zu entwickeln.36 Von diesem Punkt ausgehend kann dann genauer nach den spezifischen Bedingungen und Ambivalenzen von Formalisierungsprozessen in der Vormoderne gefragt werden. Denn organisationssoziologische Ansätze zielen auf einen Idealtypus formaler Organisationen ab, der am Vorbild der Moderne entwickelt worden ist, und schon deshalb tut man gut daran, für die Frage nach der Entstehung formaler Organisationen in der Vormoderne mit einem vielschichtigen Formalisierungs­ begriff zu arbeiten. Es kann also nicht darum gehen, moderne Theorieangebote ohne Rücksicht auf Verluste auf die Vormoderne zu übertragen oder aber die Vormoderne in ein Raster von ‚gibt es schon‘ oder ‚noch nicht‘ zu stecken und damit erneut ein teleologisches Modernisierungsnarrativ zu bedienen.37 Viel­ mehr geht es darum, ein differenziertes Verständnis für die Komplexität von Verwaltungsbildung in der Vormoderne zu entwickeln. Die Untersuchung von Formalisierungsprozessen erlaubt zudem, eine in der Frühneuzeitforschung 35 Vgl. hierzu instruktiv von Moos: Das Öffentliche und das Private, bes. S. 10 ff. 36 Als Idealtypus wird nach Weber die fokussierte und zugespitzte Betrachtung von Untersu­ chungsgegenständen in Hinblick auf einzelne Aspekte verstanden. Es geht um „hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandene[ ] Einzelerscheinungen, die sich zu jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedanken­ bilde“. Weber: Objektivität, S. 73. Ziel ist also weniger die historisch korrekte Beschreibung von Phänomenen, sondern die Erstellung eines ‚Idealtypus‘, der als heuristisches Instrument die Funktion eines Kontrastmittels besitzt, um ausgehend von dem ‚Idealtypus‘ die spezifi­ schen und einzigartigen Ausprägungen historischer Phänomene zu untersuchen. 37 Vgl. Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 3 ff.

Begriffe und Ansätze

23

bislang nur selten aufgegriffene Frage zu diskutieren, nämlich nach der Entste­ hung formaler Organisationen.38 Zweitens: Formalisierung von Verwaltungen ist nicht als gezieltes Projekt oder als Gegenstand zu begreifen, sondern als ein vielschichtiger Prozess.39 Dieser Prozess verlief weder kausal noch war er Ergebnis eines gezielten Planungsaktes, sondern muss in vieler Hinsicht als kontingent beschrieben werden.40 Damit ist jedoch noch keine brauchbare Arbeitsgrundlage geschaffen, um den Begriff der Formalisierung empirisch fruchtbar zu machen, sondern zunächst einmal nur ein erster Überblick über die konzeptionellen und theoretischen Grundlagen dieser Arbeit gewonnen. Daher soll im Folgenden mit Fokus auf organisationssoziologische Perspekti­ ven ein Blick auf die jüngere Verwaltungsgeschichte geworfen werden, um davon ausgehend ein methodisches Angebot zu entwickeln, wie Formalisierungspro­ zesse in der sächsischen Berg­verwaltung untersucht werden können.

2.2 Neue Ansätze der jüngeren Verwaltungsgeschichte Die jüngere Verwaltungsgeschichte hat unterschiedliche Impulse gesetzt, wie die Organisationssoziologie und insbesondere Luhmann für die Erforschung der Vormoderne und vor allem für den Auf- und Ausbau von Verwaltungsstrukturen genutzt werden können. Ich möchte im Folgenden auf verschiedene Ansätze eingehen, die für diese Arbeit von herausgehobener Bedeutung sind. Zunächst ist die Arbeit von Ulla Kypta zu nennen, die sich mit der Bedeutung von Routinen für Organisationsbildung am Beispiel des englischen Schatzamts im 12. Jahrhundert beschäftigt hat.41 Kypta zufolge wird in der kulturgeschicht­ lich inspirierten Verwaltungsgeschichte zwar die Veränderung gesellschaftli­ cher Ordnung als evolutionärer, unintendierter Prozess und damit ohne den teleologischen Überbau der alten Prozessbegriffe wie Bürokratisierung und Rationalisierung diskutiert. Deutlich seltener hingegen wird das Entstehen von Organisationen und Institutionen in den Fokus genommen.42 Dabei verwen­ 38 Siehe hierzu Neumann: Vormoderne Organisationen. 39 In dieser Perspektive sind Organisationen „an achievement, a process, a consequence, a set of resistances overcome, a precarious effect“. Law: Notes, S. 390. 40 Vgl. Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 3 f. 41 Vgl. Kypta: Die Autonomie der Routine. 42 Vgl. ebd., S. 22.

24

Einleitung – Fragestellung, ­Begriffe und Methoden

det Kypta einen etwas anders akzentuierten Organisationsbegriff, den sie vom Begriff der ‚Institution‘ abgrenzt. Mitgliedschaft, Regeln und Zwecke sind in ihrer Organisationskonzeption weniger entscheidend als der Unterschied zwi­ schen Organisation und Institution. Im Gegensatz zu Institutionen streben Organisationen danach, „ihr Bestehen zu sichern, und besitzen deshalb eine gewisse Eigenlogik“. Organisationen werden als Einheiten verstanden, die auf „Identität und Legitimität gründen, wohingegen Institutionen bestimmen, was als Grundlage von Identität und Legitimität herangezogen werden kann“.43 Am Beispiel des englischen Schatzamts argumentiert sie, dass Routinen ein wich­ tiger Motor für die Entwicklung von Organisationen sind. Routinen definiert sie als „selbststrukturierte und selbststrukturierende Prozesse […], die auf dem hauptsächlich impliziten Wissen der Akteure beruhen und wiederholt werden, ohne darüber zu reflektieren“.44 Routinen schaffen das, was für Organisationen so essenziell ist, nämlich Legitimation und Stabilität. Die Schaffung, der Ausbau und die Veränderung von Verwaltung basierte in dem von Kypta untersuchten Fall weniger auf gezielten Planungsakten, sondern wurde durch „Routinehan­ deln von Praktikern“ angestoßen.45 Die Entstehung von Verwaltung basiere daher nicht nur auf Normen, Regeln und Symbolen, sondern auch und nicht unwesentlich auf „wiederholt ausgeübten, unreflektiert angewandten Routinen“.46 In die gleiche Kerbe schlägt auch Birgit Näther, die am Beispiel der lan­ desherrlichen Visitationen im Bayern in der Frühen Neuzeit das komplexe Zusammenwirken von Normen und administrativen Routinen untersucht.47 Weder sei es sinnvoll, von der Norm auf die Praxis zu schließen, noch in der flexiblen Auslegung von Vorgaben in der Verwaltungspraxis ein eigensinniges Unterlaufen der Norm zu konstatieren. Die Gestaltungsspielräume lokaler und mittlerer Instanzen bei der Verfahrensorganisation zeigen deutlich, dass in der „Sequenz aus Norm, Praxis und Folgenorm“ administrative Handlungsspiel­ räume möglich werden.48 Eine arbeitspragmatisch bedingte Differenz zwischen Anordnung und Verfahren sei nicht zwingend dysfunktional, sondern sogar ein funktio­nales Grundelement administrativer Praxis. Dieser „Arbeitspragmatis­ mus“ führte im Beispiel der bayerischen Visitationen zu Routinen, die durch 43 Vgl. ebd., S. 277. 44 Ebd., S. 12. 45 Ebd., S. 302. 46 Ebd., S. 309. 47 Vgl. Näther: Pragmatismus; dies.: Normativität des Praktischen. 48 Näther: Pragmatismus, S. 38.

Begriffe und Ansätze

25

stete Wiederholung über Jahrzehnte eine hohe Verbindlichkeit entwickelten und ihrerseits zur Grundlage einer dynamischen Verfahrensentwicklung wurden.49 Die Stellung von Routinen war dabei ambivalent, sie waren gleichermaßen die „Grundlage von Stabilität und Wandel des Verfahrens“.50 Beide Autorinnen – Kypta wie Näther – verdeutlichen die zentrale Bedeutung von Routinen und deren flexib­lem Verhältnis zu formalen Regeln und administrativen Praktiken, die auch für diese Arbeit eine wesentliche Rolle spielen wird. Angesichts einer gewissen Skepsis gegenüber einer zu statisch gedachten Formalisierung ist in jüngerer Zeit die Unterscheidung von Formalität und Informalität bedeutsamer geworden.51 Von herausragender Bedeutung sind hier die Arbeiten von Birgit Emich.52 Am Beispiel des römischen Kardinalnepoten beschäftigt sich Emich eingehend mit der Dynamik zwischen formalen und informellen Faktoren, zwischen der Formalstruktur einer Organisation und ihrer ‚sozialen‘ Dimension. Durch die formale Einbindung informeller Patron­ agepraktiken in den römischen Behördenapparat wurden nach Emich die Vor­ teile persönlicher Bindung und klientelärer Beziehungen ohne direkte Interak­ tion genutzt und zugleich der Behördenausbau vorangetrieben. Als Vermittler fungierte der päpstliche Neffe als formalisiertes Alter Ego des Papstes. Im Fall des Kardinalnepoten könne geradezu von einer Formalisierung des Informel­ len gesprochen werden. Das Informelle stehe nicht antagonistisch zur formalen Organisation, vielmehr gelte es, das jeweilige Verhältnis von Formalität und Informalität herauszuarbeiten und in den größeren Zusammenhang von vor­ moderner Organisationsbildung zu stellen. Während formale Organisationen in aller Regel schriftlich fixierte Regeln in Bezug auf bestimmte Bereiche (Zwe­ cke, Mitgliedschaft Hierarchien, Aufbau, Arbeitsteilung, Zuständigkeit und Kompetenzen) ausbilden, beziehe sich Informalität, so Emich, eher auf soziale Faktoren. Informelle Organisation basiere stärker auf den persönlichen Zielen und Interessen der Mitarbeiter, auf Gruppendynamiken und Interaktion.53 Die Bedeutung informeller Faktoren für formale Organisationen muss dabei nicht negativ bewertet werden. Formale und informelle Aspekte in Organisationen 49 Vgl. ebd., S. 39. 50 Näther: Pragmatismus, S. 40. 51 Diese dichotomische Differenz von Formalität und Informalität ist eine klassische Kategorie der Organisationssoziologie. Vgl. etwa: Tacke: Formalität und Informalität. 52 Vgl. Emich: Formalisierung des Informellen (2011) sowie dies.: Formalisierung des Infor­ mellen (2008). 53 Ebd., S. 150 f.

26

Einleitung – Fragestellung, ­Begriffe und Methoden

stehen sich nicht als antagonistische Widerstreiter gegenüber, sondern sie bedin­ gen einander komplementär. Ebenfalls mit der Rolle von Informalität in Organisationen, wenngleich aus einer anderen Perspektive, beschäftigt sich André Krischer.54 Am Beispiel des englischen Flottenamts und seines wohl berühmtesten Amtsträgers, dem umtrie­ bigen Samuel Pepys, argumentiert Krischer, dass das weberianische stahlharte Gehäuse ein Mythos sei. Organisationen, moderne ebenso wie vormoderne, for­ malisierten nur in sehr begrenztem Maße Verhaltenserwartungen an ihre Mit­ glieder. Vielmehr benötigen Organisationen ein Grundmaß an Flexibilität und situativ angepasster Interaktion, die nicht zwangsläufig dem Organisationszweck entgegenstehen müsse, aber eben auch nicht formal geregelt werden könne. Infor­ malität komme dabei eine wichtige Funktion zu, denn soziale Praktiken etwa der Geselligkeit böten genügend Spielräume, um potenzielle Normenkonkurrenzen auszutarieren.55 Die meisten faktischen Handlungen des Flottenamts seien nicht schriftlich geregelt oder formal vorgegeben, sondern basierten auf Informalität, worunter Krischer im Einklang mit der jüngeren Organisationssoziologie nicht „Mauscheleien, Klüngel und Korruption“ versteht, sondern „soziale Praktiken, die Organisationen überhaupt erst funktionstüchtig machen“.56 Die von Pepys so zahlreich beschriebenen geselligen Interaktionen waren nach Krischer keine Abweichung, sondern wichtige Elemente der „Bestandserhaltung des Flot­ tenamts“:57 „Das Eigenleben der sozialen Interaktion zwischen Kollegen lässt sich als ein funktionaler Beitrag werten, um die Organisation in einer sozialen Umwelt bestehen zu lassen, die selber nicht durch normative Harmonie, sondern Widersprüchlichkeit gekennzeichnet ist.“58 Aus dieser Perspektive werden die Unterschiede zwischen Vormoderne und Moderne zwar nicht nivelliert, aber doch relativiert. Denn auch ‚moderne‘ Organisationen benötigen diese Art von Interaktion, um überhaupt zu funktionieren. Auch Barbara Stollberg-Rilinger geht von einer wechselseitigen Verschrän­ kung von Formalisierung und Informalität aus. Von dieser Prämisse ausgehend fragt sie danach, ob die Frühe Neuzeit als eine „Epoche der Formalisierung“ bezeichnet werden könne.59 Die Antwort darauf ist ambivalent. Statt eines 54 Vgl. Krischer: Förmlichkeit und Geselligkeit. 55 Ebd., S. 119. 56 Ebd. 57 Ebd. 58 Ebd. 59 Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 20.

Begriffe und Ansätze

27

einfachen teleologischen Modernisierungsnarrativs müsse nach unterschied­ lichen Formalisierungsprozessen im Plural gefragt werden, um „einzelne For­ malisierungsvorgänge, ihre unbeabsichtigten informalen Nebeneffekte und womöglich auch ihr Scheitern auf der Mikro-Ebene zum Gegenstand der Dis­ kussion“ zu machen. Dabei sollte von den „Handlungsoptionen, Erwartungs­ strukturen und Entscheidungen der einzelnen Akteure“ ausgegangen werden, „um dann nach ihren strukturellen Auswirkungen auf der Makro-Ebene zu fra­ gen“.60 Formale Regeln sind eindeutig und gelten tendenziell ohne Ansehen der Person, sie begünstigen somit eine Rollentrennung, etwa zwischen der sozialen Rolle eines Amtsträgers und der eines Freundes oder Verwandten.61 Durch die Formalisierung von Verhaltenserwartungen werden gewisse Verhaltensweisen wahrscheinlicher als andere. Zugleich eröffnen sich durch die explizite formale Struktur auch Zonen informellen Handelns, die eigenen, impliziten Regeln fol­ gen. Formalisierung führt somit sowohl zu Formalität als auch Informalität, die ebenso wie bei Birgit Emich nicht negativ, sondern als struktureller Bestandteil von Organisationen gedacht wird. Während es bei den bisher vorgestellten Ansätzen um das Verhältnis von Formalität, Informalität und Routinen geht, legt Mark Hengerer den Akzent auf das Problem der Mitgliedschaft und die Frage nach dem Verhältnis von Interaktionssystemen zu Organisationssystemen.62 Hengerers Arbeit ist bislang am prononciertesten der Frage nachgegangen, wie sich der moderne Begriff der ‚formalen Organisationen‘ zur Vormoderne verhält, ob der Begriff also auch für vormoderne Verhältnisse produktiv nutzbar ist. Sein Untersuchungsgegenstand ist der Wiener Kaiserhof ab der Mitte des 17. Jahrhunderts. In Anlehnung an Rudolf Schlögl ist die Arbeit von einer intensiven Auseinandersetzung mit und Adaption von Luhmanns Systemtheorie und Organisationssoziologie geprägt.63 Hengerer zeigt, dass im 17. Jahrhundert das Interaktionssystem Hof zunehmend auf ein durch Mitgliedschaft definiertes Organisationssystem umstellte. Face-toface-gestützte Interaktion sei dabei nicht einfach durch ein Organisationsprinzip ersetzt worden, vielmehr zeigten sich in der Praxis zahlreiche Überlagerungen 60 Ebd., S. 21. 61 Ebd., S. 6. 62 Vgl. Hengerer: Kaiserhof, bes. S. 20 ff. 63 Die Transformation von einer auf Kommunikation unter Anwesenden basierenden Gesell­ schaft hin zu einer funktional differenzierten Gesellschaft mit Distanzmedien und Organi­ sationen ist eines der zentralen Themen Rudolf Schlögls. Siehe Schlögl: Anwesende und Abwesende. Vgl. hierzu auch das von Jan-Friedrich Missfelder und Matthias Pohlig heraus­ gegebene Forum „Rudolf Schlögls Frühe Neuzeit“.

28

Einleitung – Fragestellung, ­Begriffe und Methoden

beider Systeme und daraus resultierende Konflikte etwa um Rang, Status und Besoldung. Dennoch könne der kaiserliche Hofstaat im 17. Jahrhundert als Organisation charakterisiert werden. Es gibt also, so lässt sich zusammenfassen, in der jüngeren Forschung einige Ansätze, die sich mit dem Wesen vormoderner Organisationen beschäftigen. Dennoch ist es sicher richtig zu behaupten, dass die historische Organisations­ forschung, wenn man es so nennen möchte, bislang noch in den Kinderschuhen steckt. Welche Perspektive auf Organisationen eingenommen wird, hängt dabei in nicht unerheblichen Maßen von der Quellengrundlage ab. Dies ist einer der Gründe dafür, dass die vorgestellten Anregungen im Folgenden jeweils unter­ schiedlich intensiv aufgenommen werden. Patronagestrukturen etwa sind in lokalen Kontexten Sachsens schwerer zu greifen als im Umfeld der von Birgit Emich untersuchten römischen Verwaltung. Dass Ulla Kypta als Mediävistin einen Organisationsbegriff stark macht, der weniger auf Mitgliedschaft als auf Legitimation abzielt, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sie sich exklusiv auf eine Form administrativer Schriftlichkeit, die sogenannten Pipe Rolls, stützt und die damit verbundenen Schreibpraktiken untersucht, wohingegen in ihrer Studie die Akteure selbst und ihre administrative Einbindung eine marginale Rolle spielen. Routinen des Visitationsverfahrens in Kurbayern (Näther) wie­ derum lassen sich wesentlich einfacher untersuchen, wenn es ein entsprechend ausgebautes Verfahren mit einem hohen Maß an Schriftlichkeit gibt, das Ein­ blicke in die Handlungsräume der Akteure ermöglicht. Den Stellenwert von Geselligkeit in Verwaltungen zu untersuchen, ist ein schwieriges Unterfangen, wenn die Akteure weder in eine Kneipenschlägerei verwickelt und damit akten­ kundig wurden noch spektakuläre Selbstzeugnisse, wie das einzigartige Tagebuch von Samuel Pepys, hinterließen. Und das Verhältnis von Anwesenheit, Abwe­ senheit und Interaktion und Organisation lässt sich an einem so quellenreichen und gut erforschten Beispiel wie dem Wiener Hof besonders gut untersuchen (Hengerer). Das methodische und konzeptionelle Vorgehen hängt, so banal dies klingen mag, im Wesentlichen mit den vorhandenen Quellen zusammen.

3. Quellen, Aufbau und Thesen der Arbeit

Welche Quellen stehen für die Untersuchung der Berg­verwaltung zur Verfügung, und welche Implikationen hat dies für das methodische Vorgehen dieser Arbeit? Um sich Formalisierungsprozessen in der sächsischen Berg­verwaltung zu nähern, gibt es nicht den einen zentralen Quellenbestand, sondern es muss eine Viel­ zahl an unterschiedlichen Materialien berücksichtigt werden.64 Grundsätzlich steht eine reichhaltige Überlieferung zur Verfügung, die im Wesentlichen in den Beständen des Hauptstaatsarchivs Dresden, des Berg­archivs Freiberg, des Staatsarchivs Weimar und in kommunalen Archiven liegt. Für diese Arbeit, die sich im Wesentlichen auf die albertinische Berg­verwaltung fokussiert, waren vor allem die Bestände des Hauptstaatsarchivs Dresden und des Berg­archivs Frei­ bergs relevant.65 Da sich die landesherrliche Verwaltung erst langsam etablierte und zudem auch erst ab dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts eigene Ver­ waltungsstrukturen für Berg­angelegenheiten innerhalb der Finanzverwaltung ausbildete, findet sich in der Überlieferung des Hauptstaatsarchivs Dresden eine breite Streuung von bergbaurelevanten Materialien, wobei vor allem für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts die Bestände des Geheimen Rats, für die zweite Hälfte hingegen die Bestände der Finanzverwaltung von besonderem Interesse sind. Während die Überlieferung im Hauptstaatsarchiv Dresden vor allem Erkenntnisse über die Kommunikationsstrukturen zwischen Zentrale und Peripherie vermittelt, ermöglicht die Auswertung der Bestände des Berg­ archivs Freiberg einen Einblick in die wirtschaftliche Dynamik der Reviere und einzelner Gruben, etwa durch überlieferte Berg­bücher und Rechnungen. Dabei muss einschränkend angemerkt werden, dass die Bestände der einzelnen Berg­ ämter für das 16. Jahrhundert lückenhaft sind. In den kommunalen Archiven der Berg­städte finden sich zudem Bestände, die eine Untersuchung des Verhält­ nisses zwischen Berg­bau und Stadt ermöglichen, wobei hier jedoch auf Grund von Quellenverlusten etwa in Folge von Stadtbränden starke Unterschiede zwischen den Städten existieren. Exzeptionell ist die Überlieferung in Frei­ berg, die ohne größere Verluste bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Neben der 64 Auf eine detaillierte Angabe von Archiv- und sonstigen Signaturen wird an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet. Entsprechende Verweise finden sich in den jeweiligen Kapiteln bzw. im Quellenverzeichnis. 65 Zur Archivgeschichte des Berg­baus siehe Langhof: Ein frühes Beispiel.

30

Einleitung – Fragestellung, ­Begriffe und Methoden

archivalischen Überlieferung finden sich mehrere Editionen von Quellen zum spätmittelalterlichen Berg­bau und vor allem zum Berg­recht und zu Gewohn­ heitsrechten bis 1509.66 Allgemein kann also auf eine gute Quellenlage zurückgegriffen werden, wenn­ gleich die Überlieferung in Teilen sehr fragmentiert ist oder in nachträglichen Zusammenstellungen aus ihrem ursprünglichen Entstehungskontext herausgeris­ sen wurde. Für diese Arbeit wurde eine breite Palette an archivalischem Material herangezogen, das durch die Landesherren und die Berg­verwaltung produziert wurde: Berg­ordnungen, Reskripte und Mandate, Rechnungsbücher und Rech­ nungen, Bestallungsbücher und Bestallungsbriefe sowie administrative Korre­ spondenz, die in Kopialbüchern und Berichten über die Reviere dokumentiert ist, ferner Protokolle von Verfahren und schließlich Sammlungen bergrechtli­ cher Angelegenheiten aus den Revieren. Diese vor allem aus der Verwaltung selbst stammenden Quellen strukturieren zugleich das Vorgehen dieser Arbeit, denn sie erlauben einen sehr guten Einblick in die Ausbildung und Ausdiffe­ renzierung von Verwaltungsstrukturen. Vor allem aber bezeugen diese Quel­ len das im Medium administrativer Schriftlichkeit sichtbare Selbstverständnis der Verwaltung. Viel weniger sagen sie hingegen über die Wahrnehmung der Verwaltung von außen aus. Auch kann die informelle Seite der Verwaltung nur mit großen Schwierigkeiten untersucht werden. Jedoch erlaubt es diese Über­ lieferung, sich mit Formalisierungsprozessen aus einer verwaltungsinternen Sicht zu beschäftigen. Neben den reichhaltigen Quellenbeständen kann diese Arbeit auch auf eine gute Literaturgrundlage zurückgreifen. Es wird darauf verzichtet, bereits hier detailliert auf die verschiedenen Forschungsstände zu den unterschiedlichen Themenfeldern dieser Arbeit einzugehen. Stattdessen wird die entsprechende Forschungsliteratur in den entsprechenden Kapiteln verhandelt. An dieser Stelle soll daher eine kurze Einschätzung der Literaturgrundlage für die Geschichte des sächsischen Berg­baus und seiner Verwaltung genügen. Der vormoderne Berg­bau und vor allem die wirtschaftliche Dynamik des spätmittelalterlich-frühneuzeit­ lichen Erzgebirges ist in verschiedenen landesgeschichtlichen Arbeiten unter­ sucht worden.67 Die Arbeiten von Lisa Kaiser, Ines Lorenz, Adolf Laube, Uwe Schirmer und vor allem Herbert Kaden liefern zudem eine wichtige Grundlage 66 Vgl. Löscher (Hg.): Berg­recht Bd. 1 bis 3; Ermisch: Berg­recht; CDS II, 13/2. 67 Auf die Vielfalt an Literatur kann an dieser Stelle nicht einzeln eingegangen werden. Einen Überblick liefern etwa die Beiträge in Schattkowsky (Hg.): Das Erzgebirge im 16. Jahr­ hundert; dies. (Hg.): Kulturlandschaften.

Quellen, Aufbau und Thesen der Arbeit

31

für die Auseinandersetzung mit der Berg­verwaltung.68 Einzelne Amtsträger oder Aspekte der Verwaltung sind zudem durch verdienstvolle heimatgeschichtliche Arbeiten untersucht worden, die eine wichtige Materialgrundlage darstellen.69 Zugleich muss an dieser Stelle eine Einschränkung vorgenommen werden. Denn wenngleich es durchaus Arbeiten zur Geschichte der Berg­verwaltung gibt, sind zahlreiche Leerstellen nicht zu übersehen. Eine systematische und quellengestützte Auseinandersetzung mit der Verwaltungspraxis ist bislang ein Desiderat. Für diese Arbeit mussten daher zahlreiche Aspekte der Verwal­ tungsgeschichte, beginnend mit dem weiten Feld der Buchhaltung über den konkreten Ablauf montanwirtschaftlicher Verfahren bis hin zur Entwicklung des Berg­rechts jenseits der großen Berg­ordnungen im 16. Jahrhunderts, auf der Basis von kleinteiliger Archivarbeit rekonstruiert werden. Grundsätzlicher noch zeigt sich, dass die Diskussionen der jüngeren, eher kulturgeschichtlich inspirierten Politik- und Verwaltungsgeschichte nur selten auf den Bereich des Berg­baus- bzw. der Berg­verwaltung übertragen wurden. Umso reizvoller ist es daher, sich diesem Themenfeld aus einer neuen Perspektive zu nähern. Die Arbeit hat nicht den Anspruch, eine histoire totale des sächsischen Berg­ baus oder auch nur der sächsischen Berg­verwaltung zu liefern. Vielmehr geht es um die systematische Untersuchung von Formalisierungsprozessen von 1470 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Der Untersuchungszeitraum begründet sich mit der Dynamik der Verwaltungsbildung: Im Zuge des zweiten Berg­geschreys etablierte sich das Direktionsprinzip ab den 1470er Jahren, weshalb es sinnvoll ist, hier den Ausgangspunkt der Arbeit zu setzen. Einen Endpunkt zu finden, ist hingegen wesentlich schwieriger. Um 1600, so die Ausgangsüberlegung, sind wesentliche Prozesse der Verwaltungsbildung auf lokaler Ebene abgeschlossen und auch die Grundlagen für die Ausbildung einer mittleren Verwaltung, dem späteren Oberbergamt, und einer zentralen Berg­verwaltung, dem späteren 68 Allgemein siehe Schirmer: Direktionsprinzip. Für den lokalen Berg­bau im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert vgl. Laube: Silberbergbau. Der Aufbau einer zentralen Berg­ verwaltung im 16. Jahrhundert wurde von Kaiser: Die oberste Berg­verwaltung skizziert. Für die Entwicklung einer mittleren Berg­verwaltung unabdingbar Kaden: Berg­verwaltung des albertinischen Sachsens; ders.: Berg­verwaltung Freibergs; ders.: Herausbildung; ders.: Leipziger Teilung. Für das 17. Jahrhundert ist Lorenz: Die Berg­verwaltung Kursachsens einschlägig, wobei Lorenz einen eher deskriptiven Zugang wählt. 69 Kursorisch kann etwa auf die Schriften des Freiberger Altertumsvereins, die sächsischen Heimatblätter oder auch auf ‚Familie und Geschichte. Hefte für Familienforschung im sächsisch-thüringischen Raum‘ verwiesen werden, in denen zahlreiche prosopographische Studien zu einzelnen Berg­beamten zu finden sind.

32

Einleitung – Fragestellung, ­Begriffe und Methoden

Berg­g emach in Dresden, gelegt. Somit haben wir eine Verwaltung, die in ihren verschiedenen Instanzenzügen noch im Entstehen ist, zugleich aber unterschied­ liche Formalisierungsgrade aufweist. Um diesen langen Zeitraum bearbeiten zu können, waren gewisse Schwer­ punktsetzungen notwendig. Die Arbeit fokussiert zum Ersten auf die alber­ tinische Berg­verwaltung, auch wenn das zwischen 1485 und 1547 zwischen den Wettinern geteilte Berg­regal natürlich berücksichtigt wird. Es lassen sich zudem verschiedene Phasen von verdichteter Formalisierung nachweisen, etwa um 1500, in den 1540ern und in den späten 1560er Jahren, die für den Zweck einer systematischen Analyse der Entwicklung der Berg­verwaltung einen brei­ teren Raum einnehmen werden. Das Hauptinteresse der Arbeit liegt zum Zweiten auf der Verwaltung der lokalen Silbererzgewinnung. Weiterführende Verarbeitungsschritte wie das Hüttenwesen werden zwar immer wieder auch eine Rolle spielen, stehen aber nicht im Mittelpunkt der Untersuchung. Zum Dritten muss auch der Begriff der ‚Berg­verwaltung‘ erklärt werden; auch dies führt zu einer Zuspitzung dessen, was die Arbeit will. Wenn in dieser Arbeit von der ‚Berg­verwaltung‘ gesprochen wird, dann ist diese Bezeichnung anachronistisch und muss mit einiger Vorsicht betrachtet werden. Zeitgenös­ sisch gab es keine Konzeption von der ‚einen‘ Berg­verwaltung in ihrer lokalen, intermediären und zentralen Ausprägung. Vielmehr gab es eine administrative Ebene, die an die Berg­stadt gekoppelt war und sich an den Revieren und nicht an den Ämtern ausrichtete: das Berg­amt. Hinzu kommt eine sich in den 1540er Jahren ausbildende mittlere Verwaltungsebene, die zum Teil eng mit den Revie­ ren, vor allem dem Freiberger und dem Annaberger Revier, verknüpft war, zum Teil aber in die Kreisstruktur Kursachsens und in den erzgebirgischen Kreis ein­ gebettet war. Auf landesherrlicher Ebene wurden Berg­sachen bis in die 1550er Jahre durch einzelne landesherrliche Räte in engen Austausch mit dem Landes­ herrn verhandelt, ohne dass es eine eigenständige Behörde gegeben hätte. Erst mit der stärkeren Ausdifferenzierung der Finanzverwaltung wurden die Berg­ sachen zunehmend der Kammer zugeordnet. Dieser Prozess verlief gebrochen und war bis zum Ende des 16. Jahrhunderts stärker an einzelne Personen als an eine eigenständige Behörde gebunden. Wenn in dieser Arbeit also von ‚der‘ Berg­verwaltung gesprochen wird, dann sind damit die lokalen und intermediären Instanzen der Berg­verwaltung gemeint, also jene Bereiche und Personen innerhalb der Verwaltung, die direkt vor Ort mit bergbaulichen Angelegenheiten beschäftigt waren, in die Gruben einfuhren und zugleich als Mittlerinstanz zwischen dem Landesherrn und den Gewerken

Quellen, Aufbau und Thesen der Arbeit

33

standen. Die zentrale Finanzverwaltung ist wichtig, aber sie steht auf Grund ihrer etwas anders gelagerten strukturellen Einbindung nicht im Mittelpunkt der Untersuchung.70 Diese Arbeit geht, wie oben erklärt, von einem vielschichtigen Formalisie­ rungsbegriff aus, der sich nicht allein auf die Produktion von formalen, in aller Regel schriftlich fixierten Regeln beschränkt. Vielmehr wird ein Formalisie­ rungsbegriff zugrunde gelegt, der unterschiedliche organisationale Elemente wie Zwecke, Hierarchien und vor allem Mitgliedschaft, formale Regeln und administrative Praktiken, vor allem administrative Schriftlichkeit, umfasst. For­ malisierung von Verwaltung, so die Ausgangsüberlegung, war kein einzelner, homogener Prozess, sondern sie spielte sich auf sehr unterschiedlichen Ebenen ab, die jeweils auf andere der genannten Elemente zurückgriffen. Das heißt, dass Formalisierungsprozesse, so wie sie in der vorliegenden Arbeit verstanden wer­ den, in unterschiedlicher und nicht immer systematisch vermittelbarer Weise alle diese Aspekte betreffen. Um Formalisierungsprozesse dennoch untersuchen zu können, nähert sich die Arbeit diesem vielschichtigen Prozess aus drei Per­ spektiven: Mitgliedschaft, formalen Regeln und Praktiken. Um die Punkte, die für diese Arbeit besonders zentral sind, analytisch klarer herauszuarbeiten, wurde eine systematische und keine chronologische Vorge­ hensweise gewählt. Die Fokussierung auf systematische Beobachtungen und strukturelle Phänomene bedeutet jedoch, dass nicht jedes historische Detail angemessen gewürdigt werden kann. Zugleich bedient sich die Arbeit unter­ schiedlicher Methoden und Untersuchungsperspektiven. Das Thema wird in drei großen Schritten eingekreist. Zu Beginn stehen zunächst die Rahmenbedingungen des vormodernen Berg­baus und die damit verbundenen Wirtschafts- und Herrschaftsstrukturen im Mittelpunkt (Teil B). Dieses Kapitel liefert einen ersten, allgemeinen Einblick in die Arbeitsabläufe des Berg­baus und die organisatorische Struktur der Berg­verwaltung. Zudem werden verschiedene Akteursgruppen (Berg­stadt, Adel, Wettiner, Albertiner und Ernestiner und Investoren) vorgestellt, die den Berg­bau und seine Verwaltung prägten. Dieser Teil greift auf bestehende Forschungen zurück, geht zuweilen aber schon über die Zusammenfassung bekannten Wissens hinaus; ebenso wer­ den bereits hier eigene archivgestützte Befunde eingearbeitet. In einem zweiten Schritt (Teil C) wird ein stärker durch organisationsso­ ziologische Impulse beeinflusster Zugang gewählt. Ein erster Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung von Formalisierungsprozessen in Bezug auf 70 Vgl. zur Ausbildung der Berg­sachen auf zentraler Ebene Kaiser: Die oberste Berg­verwaltung.

34

Einleitung – Fragestellung, ­Begriffe und Methoden

Mitgliedschaftsbedingungen (C.1). Wenngleich in diesem Kapitel formale Regeln bereits eine wichtige Rolle spielen, wird versucht, Verwaltung nicht aus­ schließlich von ihren formalen Regeln her zu beschreiben. Stattdessen ist danach zu fragen, in welcher Form, in welchen Medien und unter welchen Bedingun­ gen von Mitgliedschaft in vormodernen Verwaltungen gesprochen wurde. Um die Ergebnisse besser kontextualisieren zu können, soll zudem kritisch gefragt werden, ob und inwieweit von einer mitgliedschaftsbasierten Verwaltung und einer Trennung zwischen Organisationsumwelt und Verwaltung auszugehen ist. Diese Befunde sollen abschließend in Beziehung gesetzt werden zu den in der jüngeren Forschung geführten Diskussionen um das Problem der Informalität. In einem weiteren Schritt und ausgehend von den Befunden des vorherge­ henden Kapitels sollen Formalisierungsprozesse auf einer normativen Ebene untersucht werden. Im Fokus stehen die formalen Regeln der Berg­verwaltung (C.2). In Auseinandersetzung mit den Befunden der jüngeren Policeyforschung geht es um die Fragen, auf welchen unterschiedlichen formalen Regeln die Berg­ verwaltung basierte, wie diese entstanden sind und welche Funktionen sie für die Berg­verwaltung und für die Strukturierung eines spezifischen Verhältnisses zwischen Umwelt und Verwaltung einnahmen. Ein wesentliches Argument wird sein, dass formale Regeln nicht nur einen allgemeinen Rahmen zur Verfügung stellten, innerhalb dessen Amtsträger agierten, sondern eine nicht zu unter­ schätzende mediale Funktion hatten: Durch sie wurde ein spezifisches Image von Verwaltung gegenüber ihrer wirtschaftlichen Umwelt erschaffen. Diese These soll in einem dritten Schritt vertiefend an unterschiedlichen Feldern administrativer Praktiken (C.3) untersucht werden, womit nach einer organisationalen und normativen eine dritte, praxeologische Ebene von Forma­ lisierungsprozessen im Mittelpunkt steht. Hier wird diskutiert, welche Bedeu­ tung administrativer Schriftlichkeit für das Verwaltungshandeln zukam, aber auch, in welchem Verhältnis Routinen und Formalisierung stehen. In allen drei Bereichen wird sich zeigen, dass die potenziell abwesende wirt­ schaftliche Verwaltungsumwelt maßgebliche Auswirkungen auf Formen der Selbst- und Fremdwahrnehmung von Verwaltung hat. Um diesen für die Argu­ mentation der Arbeit zentralen Aspekt systematisch aufzugreifen, wird in einem abschließenden Kapitel (Teil D) der Fokus auf die antizipierte Beobachtungssi­ tuation und die Bedeutung von Imaginationen für die Untersuchung von For­ malisierungsprozessen gelegt werden. Dieser letzte Schritt ermöglicht es, die gewonnenen Befunde der Arbeit noch einmal aus einer anderen Perspektive auf ihre Tragweite hin zu überprüfen. Abschließend werden die gewonnenen Befunde in den größeren Kontext dieser Arbeit eingebettet.

Quellen, Aufbau und Thesen der Arbeit

35

Ausgehend von diesen konzeptionellen Überlegungen folgt diese Arbeit drei Kernthesen: 1. Die sächsische Berg­verwaltung war durch verschiedene Formalisierungs­ elemente, aber auch qualitativ unterschiedliche Formalisierungsgrade gekenn­ zeichnet, wobei der jeweilige Grad der Formalisierung in engem Zusammenhang mit dem Verhältnis von Umwelt und Verwaltung stand. Dort, und nur dort, wo Verwaltung in einen direkten Austausch mit ihrer wirtschaftlichen Umwelt trat, präsentierte sich die Berg­verwaltung als formale Organisation. 2. Diese selektive Formalisierung zielte weniger auf eine objektive Rationa­ lisierung von Entscheidungsprogrammen innerhalb der Verwaltung ab als auf die Herstellung von Systemvertrauen in den Berg­bau unter den Bedingungen der Abwesenheit der Investoren. 3. Der Begriff der formalen Organisation als gezielter Anachronismus erlaubt es, nuancierter nach den Besonderheiten vormoderner Verwaltungsbildung und dem Wesen vormoderner formaler Organisationen zu fragen. Das unproblema­ tische Nebeneinander verschiedener Formalisierungsgrade und Ordnungsprin­ zipien innerhalb einer Verwaltungseinheit ist, so die dritte These dieser Arbeit, Kennzeichen vormoderner formaler Organisationen.

TEIL B: DER SÄCHSISCHE BERG­BAU – EINE KURZE EINFÜHRUNG

1. Die Montanregion Erzgebirge

Der Berg­bau warf existenzielle Fragen auf: Waren Mineralien und Metalle tief im Inneren der Erde verborgen, um den Menschen von ihrer Ausbeutung fern­ zuhalten, oder war es ganz im Gegenteil göttliches Gebot, diese zum Lob Gottes zu fördern? Welches Recht hatte der Mensch, auf der Suche nach Rohstoffen die Natur zu zerstören? War der aus dem Berg­bau gewonnene Reichtum ver­ werflich? Und schließlich auch: Welche konkreten Handlungsoptionen und Verhaltenserwartungen ergaben sich hieraus für die Berg­verwaltung? Um sich diesen Fragen zu nähern, muss zunächst ein allgemeinerer Blick auf zeitgenössi­ sche Vorstellungen von Berg­bau, Reichtum und Gemeinwohl geworfen werden. Ein besonders prominentes Beispiel für das durchaus nicht unkontroverse Verhältnis zwischen Mensch und Berg­bau ist das zwischen 1492 und 1495, also in der Blüte des zweiten Berg­geschreys, entstandene ‚Gericht der Götter‘ (Iudicium Iovis) des Schneeberger Humanisten Paulus Niavis.1 Der Text ist als Gerichts­ szene konzipiert, in der die griechischen Götter unter dem Vorsitz von Jupiter gegen den Menschen vor Gericht ziehen.2 Der Mensch, so klagt Merkur, ist ein Gotteslästerer, ein Muttermörder und damit der schlimmste aller Verbrecher. Statt sich mit dem zufriedenzugeben, was die Erde dem Menschen gebe, dringe dieser in Arabien ebenso wie in Portugal, in England, Böhmen und nun auch in Meißen immer tiefer in ihre Organe ein, zerfleische ihren Leib, um rück­ sichtslos ihre Schätze auszubeuten. Wie sollen aber Charon und Merkur ihre unterirdischen Barken leiten, wenn der Berg­mann ihnen alles Wasser abgräbt? Zu seiner Verteidigung gab der Mensch an, dass er wohl eher als Stiefmut­ termörder vor Gericht stehen müsse. Nicht er, sondern die Erde sei die Schul­ dige, denn diese verberge ihren Besitz aus Menschenhass vor ihm. Sie zwinge die Berg­arbeiter, in unerträglich harter Arbeit in ihre Tiefen vorzudringen, wo häufig kein Reichtum, sondern nur der Tod auf sie warte.3 Am Ende sieht sich Jupiter als Richter außerstande, ein Urteil zu fällen. An seiner Statt tritt Fortuna auf, die sich für den Menschen entscheidet. Der Mensch 1 2 3

Vgl. hierzu Honemann: Berg­bau und Literatur, S. 249 ff.; Krenkel: Paulus Niavis. Im Folgenden beziehe ich mich auf die Interpretationen von Bredekamp: Der Mensch als Mörder. Ebd., S. 261–264. Ebd., S. 263.

40

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

schade der Erde zwar, aber die Suche nach Rohstoffen sei auch seine Bestim­ mung und dafür zahle er durch Anstrengung und Tod einen hohen Preis.4 Mit der Konzeption der Erde als Mutter und der damit verbundenen „Verleiblichung der Erde“ (Bredekamp) referierte Niavis auf ein seit der Antike tradiertes und im Mittelalter immer wieder variiertes Motiv.5 Je nach Perspektive konnte der Berg­bau entweder als Geburt, als Vergewaltigung oder auch als chirurgischer Eingriff wahrgenommen werden.6 Bereits hier wird deutlich, dass der vormoderne Berg­bau von zahlreichen Deutungsangeboten und Sinnzuschreibungen umgeben war, die sich nicht auf die rein technische Extraktion von Silbererz beschränken lassen. Um sich der vielfältigen Welt des vormodernen Berg­baus und seiner Verwaltung zu nähern, soll das erste Kapitel einen allgemeinen Überblick über die unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen, sozialen und nicht zuletzt räumlichen Dimensi­ onen des Berg­baus geben. Damit wird zugleich ein wichtiger Rahmen für das Verständnis der Berg­verwaltung entwickelt. Dafür ist es zunächst notwendig, sich mit den abgebauten Rohstoffen und den naturräumlichen Gegebenheiten der Region auseinanderzusetzen. Als Erzgebirge wird das grenzübergreifende Mittelgebirge zwischen Sachsen und Böhmen bezeichnet, das mit einer Län­ genausdehnung von mehr als 100 km und einer ungefähren Fläche von rund 6000 km2 zwischen dem Vogtland und der sächsischen Schweiz zu den größten Mittelgebirgen in Deutschland gehört.7 Eine genaue Abgrenzung des Erzgebirges zu seiner Umgebung ist schwierig beziehungsweise Frage der zugrundeliegenden Perspektive.8 Topographisch gesehen sind „die Grenzen des Erzgebirges […] dort am klarsten, wo dank einer geologischen Störung eine grade Linie gezogen wer­ den kann“.9 So fällt das Gebirge südlich in Richtung Böhmen und Egertal steil ab und besitzt somit eine natürliche Grenze gegenüber dem Umland. Schwie­ riger ist die Abgrenzung in Richtung Norden. Hier flacht das Gebirge langsam ab, weshalb man üblicherweise vom Erzgebirge und seinem nördlichen Vorland

4 5

Ebd., S. 264. Bereits bei Ovid lasse sich der Mensch zu Bösem verleiten, wenn er in den Eingeweiden der Erde nach Reichtümern grabe. Vgl. ebd., S. 264 f. Zum Motiv der Fortuna im vormodernen Berg­bau siehe auch Asmussen: Glück auf. 6 Vgl. Bredekamp: Der Mensch als Mörder, S. 266. 7 Vgl. hierzu Wagenbreth/Wächtler: Der Freiberger Berg­bau, S. 10 ff. 8 Vgl. Peschel/Wetzel: Naturraum Erzgebirge, S. 11 f. sowie Sebastian: Geologie des Erzgebirges, S. 3–4. 9 Ebd., S. 4.

Die Montanregion Erzgebirge

41

spricht.10 Die naturräumliche Nähe zu Böhmen – die Grenze verläuft ungefähr auf der Kammlinie – gehört zu den Besonderheiten der Region und führte in der Frühen Neuzeit zu einem regen Transfer von Waren, Gütern und Personen zwischen beiden Territorien.11 Die Nähe zu Böhmen spiegelt sich auch in den Bezeichnungen des Gebirges seit dem Spätmittelalter wider. Wurde die Region vor der bergbaulichen Nutzung zu Beginn des 11. Jahrhunderts von Thietmar von Merseburg noch als ‚Miriquidi‘, als Düsterwald bezeichnet,12 setzte sich im Spätmittelalter und Früher Neuzeit die Bezeichnung Böhmerwald, böhmische Wälder oder schlicht Gebirge durch.13 Der Begriff ‚Erzgebirge‘ taucht vereinzelt seit spätestens 1515 in den Akten auf,14 wenngleich bis zum Ende des 16. Jahr­ hunderts die schlichte Bezeichnung „auf dem Gebirge“ gebräuchlich blieb. Mit der Verwendung des Begriffs Erzgebirge in Petrus Albinus’ Meißnischer Berg­ chronik wurde dieser zunehmend populär.15 Den Namen Erzgebirge verdankte die Region den reichen Silbererzfunden. Geologisch gesehen machen die Lagerstätten zwar nur einen Bruchteil der regio­nalen Geologie aus, aber diese prägen die Wahrnehmung und Bedeutung der Region als Montanregion bis heute.16 Das Erzgebirge ist reich an verschie­ denen Mineralien und Erzen wie Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei, Kobalt, Wismut, Wolfram, Nickel, Uran und Lithium.17 Aus lagerstättenkundlicher 10 Vgl. Schirmer: Das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge, S.  46. Vgl. Peschel/Wetzel: Naturraum Erzgebirge, S. 11. 11 Vgl. hierzu Thiel: Verbindungen sächsischer Kommunen; Suhling: Berg­bau, Territorial­ herrschaft und technologischer Wandel. 12 „Huius adventum leo rugiens cauda subsequenti impedire satagens, in silva, quae Miriquidui dicitur, montem quendam cum sagittariis prorsus intercluso omni aditu firmat.“ Thietmar von Merseburg, Thietmari Merseburgensis episcopi chronicon: Codex Dresdensis, fol. 102r, zitiert nach Holtzmann (Hg.): Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg, S. 286. 13 Vgl. Peschel/Wetzel: Naturraum Erzgebirge, S. 9. Zur sozialen Konstruktion des mon­ tanwirtschaftlichen Raums siehe auch Neumann: Das Unsichtbare sichtbar machen. 14 Vgl. Protokoll Berg­handlung Quasimodogenitur 1515: „Vff sontag Quasimodogeniti vnnd Mauritij alle Jhar jherlichen pflegen hertzog friderich Churfurst, hertzog Johanns vnd hert­ zog Georg zu Sachssen & yre allerseits rhete vffin Sneberg, Sanct Annaberg vnd ander vmb­ ligend Ertzgebirge zuschicken“. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/04, fol. 3a. 15 Vgl. Schirmer: Das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge, S. 46; Wetzel: Der Erzgebirgische Kreis, S. 33 f.; Wagenbreth/Wächtler: Berg­bau im Erzgebirge, S. 24; Clauss/Kube: Freier Berg­und vermessenes Erbe. 16 Siehe etwa http://www.montanregion-erzgebirge.de/, letzter Zugriff: 17.09.2020. 17 Reine Erzgänge sind selten. Häufiger treten Mineralien in Verbindung mit Nichterzmine­

42

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Sicht weist das Erzgebirge einige Besonderheiten auf, vor allem die heterogene Verteilung und Intensität von Lagerstätten sowohl in ihrer horizontalen als auch vertikalen Ausrichtung. Neben den größeren Lagerstätten auf der böhmischen Seite ( Joachimsthal/Jáchymov, Graupen/Krupka, Gottesgab/Boží Dar und Kat­ harinenberg/Hora Svaté Kateřiny) finden sich auf der sächsischen Seite knapp ein Dutzend unterschiedlich ertragreicher Erzlagerstätten.18 In ihrer vertikalen Ausrichtung sind die Lagerstätten schichtgebunden. Bis etwa 50 Meter unter der Erdoberfläche reicht die sogenannte Verwitterungs­ zone (bestehend aus der ‚Oxidationszone‘, die angesichts der hier häufig anzu­ treffenden Brauneisenvorkommen auch ‚Eiserner Hut‘ genannt wird, und der ‚Zementationszone‘). Hier finden sich reiche Erze mit einem hohen Silbergehalt, die dank ihrer Oberflächennähe mit relativ wenig Aufwand aufgefunden und abgebaut werden können. Aufgrund der guten Erreichbarkeit war die Verwitte­ rungszone vor allem in der Frühphase bergbaulicher Aktivitäten, wie zum Bei­ spiel im Rahmen des zweiten Berg­geschreys, von besonderer Bedeutung. Erreichte der Berg­bau größere Tiefen, ließen häufig auch die Erträge sehr schnell nach, da sich an die Verwitterungszone die primären, unverwitterten Erzlagerstätten anschließen. Der Abbau des nun feinverteilteren Silbererzes war infolge der Härte des Gesteins technisch und finanziell anspruchsvoller, und in der Regel wurden ‚ärmere‘ Erze mit einem niedrigen Metallgehalt angetroffen als noch in der Verwitterungszone.19 Der nicht zuletzt durch die Lagerstätten vorgegebene Wechsel von Finden, rapidem Wachstum und anschließender Stagnation, wenn die Erzgänge der Verwitterungsphase abgebaut sind, ist eine typische Dynamik in der Region.20 Die Anfänge der Montanwirtschaft in Sachsen führen bis ins 12. Jahrhun­ dert zurück.21 Am Beginn stand das Dorf Christiansdorf, das spätere Freiberg, ralien, sogenannten Gangarten, wie Quarz, Kalkspat, Schwerspat oder Flußspat auf. Nach Sebastian wurden in jüngerer Zeit sogar Diamanten, wenn auch lediglich als Mikrodia­ manten, im Erzgebirge nachgewiesen. Vgl. Sebastian: Geologie des Erzgebirges, S. 28 sowie S. 129–152. Zur Geologie und Mineralogie des Erzgebirges siehe auch Bohdálek u. a.: Geologie und Mineralogie des Erzgebirges, S. 42–48. Eine detaillierte Auflistung der Rohstoffe des Erzgebirges findet sich auch bei Quellmalz: Montangeologie, S. 17–23. 18 Vgl. Schirmer: Das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge, S. 51. 19 Vgl. Wagenbreth/Wächtler: Der Freiberger Berg­bau, S. 13; Schirmer: Das spätmittel­ alterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge, S. 52; Czaya: Silberbergbau, S. 20 sowie Quellmalz: Montangeologie, S. 17. 20 Vgl. Schirmer: Der Freiberger Silberbergbau, S. 12 ff. 21 Zum spätmittelalterlichen Berg­bau vgl. Schwabenicky: Berg­städte; ders.: Hoch­

Die Montanregion Erzgebirge

43

in dem um 1168/70 Erzadern entdeckt wurden und das sich zügig zu einem bedeutsamen Berg­bauzentrum der Region entwickelte. Durch montanarchäolo­ gische Untersuchungen konnte in jüngerer Zeit nachgewiesen werden, dass sich auch Dippoldiswalde ungefähr ab den 1180er Jahren zu einem prosperierenden Revier entwickelte. Da diese beiden Städte die einzigen Berg­stadtgründungen des 12. Jahrhundert sind, ist zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch nicht von einer gezielten Suche nach Bodenschätzen auszugehen.22 Weitere wichtige Berg­bausiedlungen kamen im zweiten Drittel des 13. Jahrhunderts hinzu.23 Zu dieser Zeit stand der Berg­bau in voller Blüte und zahlreiche Gruben wurden betrieben.24 Nachdem die oberflächennahen und erzreichen Vorkommen der Verwitterungszone abgebaut waren, kam es zu Beginn des 14. Jahrhunderts zunächst zu einer Phase der Stagnation und spätestens seit dem letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts zu einer tiefen Krise, die bis auf wenige Ausnahmen zum vollständigen Erliegen des Berg­baus führte.25 Mit Auffinden neuer Silbererzlagerstätten im Jahr 1470 und dem darauf einsetzenden zweiten Berg­geschrey erlebte die Region eine neue Blüte.26 Ein Schwerpunkt der Berg­bauaktivitäten lag nun im Gebiet des heutigen Schneeberg. Bereits 1446 lassen sich in der Region erste bergbauliche Tätigkeiten nachwei­ sen. Die Wettiner waren bemüht, den Berg­bau durch gezielte landesherrliche Maßnahmen zu fördern.27 Neue technische Möglichkeiten etwa im Bereich mittelalterliche Berg ­städte; ders.: Der hochmittelalterliche Berg­bau; Schirmer: Das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge; prägnant auch Wächtler: Zur Geschichte des sächsischen Berg­baus. 22 Vgl. Hoffmann/Balášová: Silberbergbau des 12.–14. Jahrhunderts, S. 52. 23 Neben Freiberg und Dippoldiswalde wurde im 13. Jahrhundert noch in der Gegend um Gerßberg (Gerßdorf ) bei Roßwein, in Scharfenberg, Bleiberg bei Sachsenburg, Ulrichsberg (Ullersberg) bei Wolkenburg, Greifenstein bei Ehrenfriedersdorf, Fürstenberg (Hohenforst) bei Kirchberg, Niederpöbel bei Schmiedeberg, „Holczenheim“ bei Grünhain, Lößnitz, Sie­ benlehn zwischen Freiberg und Nossen Berg­bau betrieben. Vgl. ebd., S. 49–56. 24 Vgl. Schirmer: Das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge, S. 45–76.; ders.: Der Freiberger Silberbergbau, S. 1–26. 25 Vgl. ebd., S. 12 ff.; Laube: Silberbergbau, S. 14. 26 Vgl. ebd., S. 5 ff.; allgemeiner Ingenhaeff/Bair (Hg.): Berg­bau und Berg­g eschrey; hier besonders die Beiträge von Flemming und Schirmer, Städte und Silberbergbau, S. 205–216. Zu den technischen Dimensionen vgl. Suhling: Entwicklungen in der Montantechnik, S. 52–64. Einen Überblick über die unterschiedlichen wirtschaftlichen, technischen und sozialen Transformationsprozesse am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit finden sich auch in Bartels/Slotta (Hg.): Geschichte des deutschen Berg­baus. 27 Dazu gehörte u. a. die Gewährung der Münzfreiheit über acht Jahre an den Zwickauer

44

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

der Verhüttung oder der Pumpsysteme ermöglichten zudem den Abbau von Silbererz in immer größeren Tiefen. Diese Strukturfördermaßnahmen zahlten sich bereits um 1470 aus, als es zu umfangreicheren Erzfunden kam.28 Der ein­ setzende Berg­segen führte zu stetigem Zuzug von bauwilligen Gewerken in die Region.29 Zahllose Siedlungen entstanden und entwickelten sich zu prosperie­ renden Gemeinden, die zügig mit Rechten und Privilegien, den sogenannten Berg­freiheiten, versehen wurden.30 Wenngleich der vormoderne Berg­bau eng an den physischen Raum und dessen Lagerstätten gebunden ist, müssen jedoch auch zeitgenössische Wahrnehmun­ gen und Wertzuschreibungen berücksichtigt werden. Dies gilt nicht nur für die zitierte Dichtung des Paulus Niavis, sondern grundsätzlicher. So trivial es auch klingen mag: Ob ein Metall als edel oder hochwertig angesehen wird, ergibt sich nicht aus seinen chemisch-physikalischen Bedingungen.31 Die Wertigkeit der Metalle und damit verbunden die Frage, welche Metalle abgebaut wurden,

28 29

30 31

Großgewerken Martin Römer. Zu Römers Wirken als Gewerke siehe auch Kahleyss: Der wirtschaftliche Aufstieg. Nach Laube ist der Aufschwung des sächsischen Berg­baus nicht ausschließlich auf Glücks­ funde zurückzuführen, sondern auf systematische, landesherrlich geförderte Investitionen durch Großgewerken. Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 8. Vgl. ebd., S. 16, S. 268. Nach 1485 wurden die Erträge des Reviers geringer, womit zugleich auch Schneebergs administrative Bedeutung schwand. Im 16. Jahrhundert standen nicht mehr Schneeberg, sondern Freiberg und Annaberg im Zentrum des erzgebirgischen Berg­ baus. Zu der Entwicklung der Silberproduktion vgl. Schirmer: Staatsfinanzen, S. 164, S. 165, Grafik 2 sowie Laube: Silberbergbau, S. 268 f. Auf diese Dynamik soll an späterer Stelle eingegangen werden. Vgl. Kap. B.1.3 (Zentren sächsischer Urbanisierung: Die erzgebirgischen Berg­städte). Dies lässt sich auch an den aktuellen Debatten um ein drittes Berg­geschrey im Erzgebirge gut beobachten. Nach 1989/90 wurde der Berg­bau zunächst heruntergefahren und 1991 schließlich komplett eingestellt. In den letzten Jahren veränderte sich die Stimmung im Zuge einer veränderten Rohstoffnachfrage und damit verbunden einer veränderten Roh­ stoffpreisentwicklung auf den Weltmärkten. Ursprünglich als nicht (oder nicht mehr) ab­ bauwürdig erachtete Mineralien wie Zinn, Wolfram, Molybdän und Lithium sind plötzlich von großem Interesse, da diese eine wichtige Rolle in den Zukunftstechnologien spielen. So wurden zwischen 2008 und 2016 insgesamt 16 Berg­bauberechtigungen für Erkundungen auf Erz- und Spätvorkommen durch das sächsische Oberbergamt erteilt. Vgl. Sebastian: Die Geologie des Erzgebirges, S. 150 ff.; zu den laufenden Erkundungen im Erzgebirge vgl. http://www.bergbau.sachsen.de/8177.html, letzter Zugriff: 17.09.2020. Zur Rohstoffstra­ tegie Sachsens vgl. https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/16194, letzter Zugriff: 17.09.2020.

Die Montanregion Erzgebirge

45

ist vielmehr Ergebnis von Zuschreibungsprozessen seit der Antike.32 Die Unter­ scheidung etwa in edle oder minderwertige Metalle hatte grundlegende Auswir­ kungen auf den Aufwand und die Intensität, mit der Lagerstätten ausgebeutet wurden, und damit auch auf die Ausgestaltung der Verwaltung des Berg­baus. Die Wahrnehmung von Metallen war in der Frühen Neuzeit eng an zeitgenössische Wissensbestände, die jeweilige ökonomische Verwendbarkeit, den Markt sowie die technischen Möglichkeiten des Abbaus und der Verarbeitung gekoppelt. Daher ist es wichtig, Raum und Rohstoffe nicht ausschließlich als naturgege­ bene Größen zu betrachten, sondern sie an zeitgenössische Sinnzuschreibungen und Ordnungsvorstellungen von Metallen und dem Berg­bau rückzubinden.33 Im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit wurde in der Region vor allem Silber geschürft. Daneben wurden Buntmetalle wie Kupfer und Zinn sowie Eisen­ stein abgebaut, wenngleich nicht in der gleichen Intensität wie Silber. Wurde für neu erschlossene Silbererzlagerstätten ein hoher administrativer Aufwand betrieben, verhielten sich die Wettiner im Bereich des Eisensteins, Kupfers und Zinns deutlich zurückhaltender. Buntmetalle fielen unter das sogenannte niedere Berg­regal und brachten weniger Profit ein als das vor allem für die Münzproduktion so wichtige Silber. Durch die Entwicklung des sogenannten Kupfersaigerverfahrens und der Möglichkeit, aus Kupfer Silber zu extrahieren, rückte dieses im Laufe des 16. Jahrhunderts zunehmend in den Fokus, ohne jedoch an die Bedeutung des Silbererzes heranzureichen.34 Aber nicht nur der administrative Aufwand unterschied sich je nach Rohstoff und Begehrlichkeit, auch hatte die Art der abgebauten Rohstoffe direkte Folgen für die Entwick­ lung von Siedlungsstrukturen, die ihrerseits wiederum Kristallisationspunkte administrativer Tätigkeiten im Berg­bau bildeten. So entfaltete der Berg­bau auf Silber mit seinem immensen Bedarf an Arbeitskräften und seiner zentral vor Ort erfolgenden Weiterverarbeitung eine wesentlich höhere städtebildende Kraft als Berg­bau auf Buntmetalle oder der eher dezentrale Eisenbergbau.35 32 Vgl. hierzu auch Scott: Theory and Practice in Early Metalliferous Mining; Dym: Divining Science; ders.: Alchemy and Mining. 33 Dieser Ansatz steht in Einklang mit der jüngeren Raumsoziologie, in der Räume weniger als statischer Containerraum verstanden werden, sondern als Ergebnis eines Zusammenspiels von Praktiken des Spacing (des Errichtens, Bauens, Platzierens) und einer Syntheseleistung (Prozesse der Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung). Grundlegend hierzu Löw: Raumsoziologie sowie dies.: Epilog und Rau; Schwerhoff: Öffentliche Räume sowie zur Konstitution von Raum im Erzgebirge Neumann: Das Unsichtbare sichtbar machen. 34 Zum Kupfersaigerverfahren vgl. Kraschewski: Das Spätmittelalter, bes. S. 269 ff. 35 Vgl. Reininghaus: Ergebnisse der Tagung „Stadt und Berg­bau“, S. 331 f.

46

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Uwe Schirmer hat deutlich gemacht, dass das Erzgebirge als Montanregion nur sehr begrenzt über seine geologisch-naturräumliche Beschaffenheit beschrie­ ben werden kann.36 Räume und Regionen, so Schirmer, sind „wirtschaftlichen, verfassungsrechtlichen, demografischen, sozialen und sozialstrukturellen, aber auch kulturellen und religiösen und nicht zuletzt […] politisch-administrati­ ven Interdependenzen“37 ausgesetzt. Dies gilt auch, wenn man die Perspektive von der Region auf die Berg­verwaltung verschiebt. Diese agierte in einer Mon­ tanregion, die durch unterschiedliche politische, technische, soziale und wirt­ schaftliche Faktoren geprägt war. Um dieses Gefüge sichtbar zu machen, stehen im Folgenden vor allem die Rahmenbedingungen des sächsischen Berg­baus im Mittelpunkt. Dabei sollen verschiedene Themenfelder eingeführt werden, die für das Verständnis der Berg­verwaltung von erheblicher Bedeutung sind. Dafür werden zunächst die rechtlichen und technischen Aspekte des frühneuzeitlichen Berg­baus betrachtet: Welche Herrschaftskonzeptionen waren mit dem Abbau von edlen Metallen verbunden? Wie funktionierte Berg­bau in der Vormoderne überhaupt? Und schließlich: Welche Auswirkungen hatte das Wiederauffinden neuer Silbererzlagerstätten in den 1470er Jahren auf die Entwicklung des säch­ sischen Berg­baus? Die Verwaltung interagierte in einem diffizilen Spannungs­ feld verschiedener sozialer Umwelten, beginnend bei innerwettinischen und inneralbertinischen Konkurrenzen bis hin zu lokalen Grundherren oder den Berg­städten, deren Bedeutung in einem dritten Schritt skizziert werden soll. Neben den Auswirkungen des geteilten Berg­regals zwischen den Albertinern und den Ernestinern bis zum Schmalkaldischen Krieg ist hier sowohl auf den lokalen Adel einzugehen, auf dessen Gütern Berg­bau betrieben wurde, als auch die Bedeutung der Berg­städte herauszuarbeiten, die ein wesentlicher Kristal­ lisationspunkt von Verwaltung waren und in rechtlicher, wirtschaftlicher und politischer Perspektive einen Sonderstatus innerhalb der sächsischen Städte­ landschaft einnahmen. Vor diesem Hintergrund soll anschließend, ‚klassisch‘ behördenkundlich, nach der Entstehung und dem Aufbau der lokalen und mittleren Berg­verwaltung gefragt werden. Danach wird intensiver auf das Verhältnis von Wirtschaft und Berg­bau und anwesenden und abwesenden Investoren einzugehen sein, deren Bedeutung für die Ausgestaltung der Berg­verwaltung nicht hoch genug veran­ schlagt werden kann. 36 Zum Konzept der Montanregion vgl. Westermann: Von der Montanregion zur Sozial­ region, S. 175–184. 37 Schirmer: Das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge, S. 48.

Die Montanregion Erzgebirge

47

1.1 Es kann nur einen geben? Die Wettiner und das Berg­regal Wenn man die Besonderheiten des Berg­baus und damit auch der Berg­verwaltung verstehen möchte, muss man sich zunächst einen Punkt vor Augen führen: Berg­ bau war ein ungemein lukratives Geschäft.38 Am lukrativsten war der Berg­bau für den Inhaber des Berg­regals, die Hoheitsrechte über die Bodenschätze. Um es mit den Worten Herzog Moritz’ auszudrücken: Er wisse, dass „die bergkwergk der bester schatz, vnserer lande“ seien.39 Der Regalherr war der Eigentümer der Bodenschätze in seinem Territorium. Dabei wurde üblicherweise zwischen dem hohen Berg­regal auf Gold, Silber, Edelsteine und Salz und dem niederen Berg­regal auf Kupfer, Zinn, Blei, Eisen, Kobalt, Wismut, Arsenik, Schwefel, Spiessglas und Salpeter unterschieden.40 Mit dem Berg­regal waren gewisse Herrschaftsrechte verbunden: Der Regalherr allein durfte Berg­recht setzen, die Berg­freiheit gewähren,41 eine Berg­verwaltung einsetzen, die Berg­gerichtsbarkeit ausüben und Berg­bauunternehmer mit Grubenfeldern belehnen.42 Der Regalherr konnte zudem unterschiedliche finanzielle Vorteile aus dem Berg­ bau ziehen.43 An erster Stelle ist der Silberzehnt zu nennen. Berg­bauunternehmer 38 Ein knapper und übersichtlicher Vergleich der Silberproduktion der Schwazer Reviere, des sächsischen Erzgebirges und Joachimsthals findet sich bei Sokoll: Berg­bbau am Übergang zur Neuzeit, S. 56–61. 39 Kurfürst Moritz an seine Räte, 12. Mai 1549, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36361, Rep. 9, Sect. 2, Nr. 0006, fol. 9a. 40 Vgl. Art. Berg­regal, in: Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, S. 85–86. Voraussetzung für das Berg­regal war die Formulierung spezifischer Königsrechte (Regalien) auf dem Reichstag von Roncaglia 1158 durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa, die auch das Berg­regal umfassten. Durch die Goldene Bulle wurde 1356 das königliche Regal an die Kurfürsten übertragen, die ihrerseits das Berg­regal lehnsrechtlich anderen Herrschaftsträgern übertragen konnten. Dies führte dazu, dass im 15. und 16. Jahrhundert eine ganze Fülle von Berg­herren, von Reichsstädten wie Goslar über Fürstbischöfe bis hin zu Territorialfürsten, als Regalinhaber auftreten konnten beziehungsweise einige Regalherren wie die Habsburger das Berg­regal zeitlich begrenzt an Unternehmer verpfändeten. Vgl. Bartels: Berg­bau der Agricola-Zeit, S. 163. Vgl. Bartels/Klappauf: Das Mittelalter, S. 115 ff. sowie Ludwig: Berg­männisches Berufsbewusstsein, S. 36. 41 Nach Heinrich Veiths Berg­wörterbuch ist die Berg­baufreiheit oder auch Berg­freiheit „das Jedermann zustehende Recht, die dem Verfügungsrechte des Grundeigenthümers entzogenen Mineralien unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften, unabhängig von der Einwil­ ligung des Grundeigenthümers aufzusuchen und zu gewinnen“. Vgl. Art. Berg­baufreiheit, in: Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, S. 66 f. 42 Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 48 f. 43 Vgl. ebd., S. 77 ff.

48

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

waren verpflichtet, dem Regalherrn eine Steuer zu zahlen, die ungefähr den zehnten Teil des Ausbringens der Zechen umfasste, wobei gerade der Zehnt je nach wirtschaftlichem Potenzial eines Reviers flexibel gehandhabt werden konn­ te.44 Neben dem Zehnt profitierte der Berg­regalinhaber zudem vom Münzregal und einem sich daraus ableitenden Vorverkaufsrecht für das gewonnene Silber. Dieses musste von den Gewerken zu einem festgelegten Preis, der deutlich unter den Marktpreisen auf den Messen lag, an die Wettiner verkauft werden.45 Der daraus resultierende „Silberkauf “ und der Reingewinn des Münzherrn aus der Münzprägung, der „Schlagschatz“, führten neben dem Zehnt zu einem regelmä­ ßigen Geldstrom in die landesherrlichen Kassen. Nach Hochrechnungen von Adolf Laube konnten die Wettiner durch ihre Regaleinkünfte bis in die 1540er Jahre um die 20 % Gewinn aus der gesamten Silberproduktion ziehen.46 Etwas skeptischer ist hingegen Uwe Schirmer. Zwar sei nicht in Abrede zu stellen, dass die Wettiner beachtliche Profite aus dem Berg­bau zogen, aber es müsse strikter zwischen Netto- und Bruttogewinn unterschieden werden. Fortschrei­ tender Tiefbau und Nettogewinn verhielten sich nach Schirmer „umgekehrt proportional“.47 Zwar wurden etwa im Freiberger Revier in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beeindruckende Mengen Silbererz gefördert. Um dies zu erreichen, musste der Landesherr jedoch in großem Umfang Kapital bereit­ stellen: „Der Berg­bau fraß seine Gewinne auf.“48 Die Berechnungen von Laube können daher nur mit gewissen Einschränkungen und nur für die frühe Phase des zweiten Berg­geschreys Geltung beanspruchen.49 Wenngleich die absoluten Gewinne durch den Berg­bau kontrovers disku­ tiert werden, kann man festhalten, dass die Wettiner bis in die erste Hälfte des 44 Die zeitlich begrenzte Reduzierung des Zehnten eines Revieres oder einzelner Zechen gehörte zu den üblichen Strukturfördermaßnahmen. So wurde in Geyer im frühen 16. Jahrhundert nur der Zwanzigste anstelle des Zehnten eingenommen, während in Annaberg um 1500 der volle Zehnt entrichtet werden musste. 1548 entlastete Kurfürst Moritz den Annaberger und Marienberger Berg­bau, indem er zeitlich begrenzt die Abgabe des 29. anstelle des Zehnten für jene Zechen gewährte, die keine Ausbeuten hatten. Vgl. Mandat Kurfürst Moritz von Sachsen, 23. Januar 1548. Dresden, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 167a–168a. Siehe hierzu auch Laube: Silberbergbau, S. 77. 45 Vgl. Schirmer: Die finanziellen Einkünfte, S. 163. 46 Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 79–80. Allein in Schneeberg betrug der Gewinn der Wettiner zwischen 1470 und 1483 ca. 600.625 fl. 47 Schirmer: Staatsfinanzen, S. 93. 48 Ebd., S. 93. 49 Vgl. ebd., S. 93.

Die Montanregion Erzgebirge

49

16. Jahrhunderts erhebliche Gewinne aus dem Berg­bau ziehen konnten. Im Laufe des 16. Jahrhundert nahmen die Einnahmen kontinuierlich ab, führten aber weiterhin zu einem regelmäßigen Kapitalstrom in die landesherrlichen Kassen.50 Ein Aspekt, der vor allem für die Frühphase des Berg­baus von zentraler Bedeu­ tung ist, ist das geteilte Berg­regal zwischen den Ernestinern und den Alberti­ nern von 1485 bis 1547.51 Das geteilte Berg­regal ist eng mit dem Fehlen einer Primogenitur und dem Ausbau und der Sicherung von Herrschaftsrechten verbunden.52 Im Todesfall stellte sich bei Erbverträgen ebenso wie bei Landes­ teilungen die Frage, wie man trotz der damit verbundenen Zersplitterung des Herrschaftsgebietes die dynastische Einheit und vor allem die Herrschaftsrechte aufrechterhalten könne.53 In mehreren früheren Landesteilungen war daher das Berg­regal in gemeinsamer Verwaltung geblieben, so auch nach der Leipziger Teilung 1485.54 Der Teilzettel legte klar fest, dass die Nutzung der Berg­werke zur Erzielung des Silberzehnts und Schlagschatzes in gemeinsamer Verwaltung bleiben sollten. Die Herrschaft über die bestehenden oder künftig entstehen­ den Berg­städte sollte je nach geographischer Lage entweder den Albertinern oder den Ernestinern allein zugestanden werden. Eine Ausnahme war die pros­ perierende Berg­stadt Schneeberg. Diese wurde gemäß dem Teilzettel in eine Herrschaftsgemeinschaft, ein sogenanntes Kondominat, zwischen dem alber­ tinischen Herzog Georg und dem ernestinischen Kurfürsten Friedrich sowie Herzog Johann umgewandelt, das bis 1533 bestand.55 Etwas anders als im Kontext des geteilten albertinisch-ernestischen Berg­regals war der Umgang mit dem Berg­regal innerhalb der albertinischen Linie. Die 50 Einen Überblick über die Einnahmen der Wettiner aus dem Berg­bau liefert die beeindru­ ckende Arbeit von Uwe Schirmer zur sächsischen Finanzverwaltung und den Staatsfinanzen zwischen 1456 und 1656. Vgl. Schirmer: Staatsfinanzen, bes. Tabelle 45. 51 Zum nicht ganz einfachen Verhältnis zwischen den Ernestinern und den Albertinern vor allem am Beispiel Kurfürst Friedrichs III. und Herzog Georgs siehe auch Schirmer: Zank und Streit. 52 Vgl. hierzu Rogge: Herrschaftsweitergabe, bes. S. 319 ff. 53 Vgl. ebd., S. 319 f. 54 So etwa bei den Teilungsverträgen der Jahre 1379, 1382, 1407, 1411, 1436 und 1445. Vgl. Kaden: Leipziger Teilung, S. 152, Anm. 12; Laube: Silberbergbau, S. 11. 55 Wenngleich diese Konstellation die Sicherung der dynastischen Einheit und auch die Siche­ rung von Herrschaftsrechten wie dem Berg­regal förderte, führte sie in der Praxis zu kompli­ zierten Aushandlungen über die konkrete Ausgestaltung von Herrschaft und im Falle des Berg­baus über dessen normative und administrative Ausgestaltung. Vgl. hierzu am Beispiel der Schwierigkeiten im Umfeld der Reformation Neumann: Reformation als religiöse De­ vianz. Zu Kondominaten im Alten Reich vgl. Jendorff: Condominium.

50

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

sogenannte ‚Väterliche Ordnung‘ vom 14. Dezember 1500, auch ‚Maastrichter Vertrag‘ genannt, bestimmte, dass Herzog Georg die Regierung inklusive der Berg­werke übernehmen sollte, während sein jüngerer Bruder Heinrich die neu erworbene Herrschaft Friesland bekam.56 Wenn Heinrich diese Herrschaft nicht halten könne, dann sollten ihm die Ämter Freiberg und Wolkenstein zugestanden werden. Explizit ausgeschlossen war jedoch das Berg­regal.57 Diese Bestimmun­ gen wurden mit dem brüderlichen Vertrag vom 30. Mai 1505 kodifiziert.58 Wie André Thieme akribisch herausgearbeitet hat, war die Wahl der Ämter Freiberg und Wolkenstein strategisch geschickt erfolgt.59 Wenngleich die Ämter finan­ ziell und politisch kaum lukrativ waren, boten sie Herzog Heinrich dennoch die Möglichkeit, in bescheidenem Rahmen Herrschaft auszuüben und sich stan­ desgemäß zu repräsentieren.60 Zwar fiel das Berg­regal nicht unter die Rechte Herzog Heinrichs, dennoch versuchte er durch die Förderung der erst spät (um 1520) gegründeten Berg­stadt Marienberg Einfluss auf den Berg­bau zu gewinnen. Mit dem Berg­bau waren einige rechtliche Besonderheiten verbunden, allen voran die Berg ­freiheit. Diese besagte erstens, dass jede Person, unabhängig von den jeweiligen Besitzverhältnissen an Grund und Boden, das Recht besaß, nach Bodenschätzen zu schürfen. Als Berg­freiheiten wurden zudem zweitens die Pri­ vilegien bezeichnet, die den Berg­städten eingeräumt wurden, um den Berg­bau anzukurbeln. Dazu gehörte etwa die Bereitstellung von Bauholz, die anteilige Beteiligung an Zechen über das Institut der Freikux oder der zeitlich begrenzte Erlass von Abgaben.61 Drittens und darüber hinausgehend waren Berg­arbeiter persönlich frei und konnten jederzeit in andere Reviere ziehen, um dort ihr Auskommen zu suchen. Der Berg­bau war schließlich ein Sonderrechtsbereich:62 Alle, die im Berg­bau tätig waren, fielen unter die Berg­gerichtsbarkeit. Die Berg­ gerichtsbarkeit basierte auf dem Berg­recht, das Guido Pfeifer als Sonderrecht mit zwei wesentlichen Bestandteilen versteht: erstens die Berechtigung zum 56 Vgl. Kaden: Leipziger Teilung, S. 155. 57 Vgl. Thieme: Die Ämter Freiberg und Wolkenstein, S. 43–74. 58 Vgl. Kaden: Leipziger Teilung, S. 154 ff. 59 Vgl. Thieme: Die Ämter Freiberg und Wolkenstein, bes. S. 73 f. 60 Zum Verhältnis zwischen Herzog Heinrich und den Städten in seinem Herrschaftsgebiet siehe auch Thiel: Herzog Heinrichs Verhältnis. 61 Zu den städtischen Privilegien vgl. Laube: Silberbergbau, etwa S. 30; S. 39; S. 42; S. 44. 62 Bereits im Ius Regale Montanorum, einem der wichtigsten Gesetzestexte zum Silberbergbau in Böhmen an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, findet sich eine enge Kopplung zwi­ schen Herrschaft, Berg­recht und Verwaltung. Vgl. hierzu ausführlich Pfeifer: Ius regale montanorum, S. 55.

Die Montanregion Erzgebirge

51

Berg­bau (Berg­regal und Berg­freiheit) und das damit verknüpfte Verhältnis zum Grundeigentum sowie zweitens die rechtliche Rahmung der Organisation und des Betriebs des Berg­baus.63 Als wie eng die Bindung zwischen Berg­verwaltung und Berg­recht über die gesamte Frühe Neuzeit wahrgenommen wurde, zeigt sich auch an den entsprechenden Einträgen im Zedler, die zentrale Behörden der Berg­verwaltung wie das Berg­amt oder das Berg­gemach in erster Instanz als juristische Institutionen definieren.64 Die konkrete Ausgestaltung des Berg­­regals unterschied sich von Revier zu Revier. Um das Wirken der Berg­verwaltung bes­ ser zu verstehen, ist es daher notwendig, sich kurz mit den Arbeitsschritten des vormodernen Berg­baus vertraut zu machen.

1.2 Mit saurem Nasenschweiß: Finden, Fördern, Verarbeiten Berg­bau war ein komplexes Gewerbe mit verschiedenen Arbeitsschritten, für die jeweils unterschiedliche Arten von bergbaulicher Erfahrung, handwerkli­ chen Fähigkeiten und montanwirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Kenntnissen erforderlich waren.65 Im Wesentlichen wurde Berg­bau in drei Arbeitsschritten betrieben: Exploration, Förderung und schließlich Verarbei­ tung. Am Beginn einer jeden bergbaulichen Tätigkeit stand die Exploration, also das Suchen und Auffinden von Bodenschätzen, und die Mutung, also der Antrag auf die Bewilligung zum Abbau der Bodenschätze. Wurden abbauwürdige 63 Vgl. Pfeifer: Ius regale montanorum, S. 43. Das Berg­recht umfasste zwei Dimensionen, zum einen die normative Ebene in Form von Gewohnheitsrechten und Berg­ordnungen, zum anderen die institutionelle Ebene in Form der Rechtsprechung. Während im späten 15. Jahr­ hundert jede Berg­stadt auch als Berg­gericht fungierte, fokussierte sich die Berg­gerichtsbarkeit im Laufe des 16. Jahrhunderts zunehmend auf Freiberg. Der Freiberger Berg­schöppenstuhl wurde durch den Freiberger Stadtrat besetzt, wenngleich Stadtgericht und Berg­recht trotz personeller Überschneidungen voneinander getrennte Institutionen waren. Der Freiberger Rat war als Berg­schöppenstuhl bis ins 19. Jahrhundert als oberste Instanz in bergrechtlichen Fragen tätig. Im Idealfall sollten Konflikte außergerichtlich vor Ort durch den Berg­meister und die Berg­geschworenen gütlich beigelegt werden. Kam es zu keiner Einigung, konnten sich Konfliktparteien jedoch in letzter Instanz an den Berg­schöppenstuhl in Freiberg wen­ den. Vgl. hierzu Huffmann: Über die sächsische Berg­gerichtsbarkeit. 64 Vgl. Art. Berg­amt, in: Zedler: Universal-Lexicon,Sp. 1239–1241 sowie Art Berg­gemach, in: Zedler: Universal-Lexicon, Sp. 1263. 65 Die folgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf Wagenbreth/Wächtler: Freiberger Berg­bau. Zu den Arbeitsschritten im Berg­bau ebenfalls instruktiv Czaya: Der Silberergbau S. 16 ff.

52

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Rohstoffvorkommen gefunden, folgte schließlich die Verleihung von Grubenfel­ dern durch den landesherrlichen Berg­meister.66 Danach folgte in einem zweiten Schritt die Förderung, also der Abbau der Erze unter Tage. Der Abbau des silbererzhaltigen Gesteins geschah bis ins 18. Jahrhundert mit „saurem Nasenschweiß“ in mühevoller Handarbeit mittels Schlägel und Eisen durch Berg­leute, die sogenannten Häuer.67 Das geförderte Erz wurde durch Haspelknechte in Trögen, Körben, Säcken oder kleinen Förderwagen, den soge­ nannten Hunden, zu den Schächten gebracht, um dort mittels Förderseil und Fördergefäß aus dem Berg­gehoben zu werden.68 Dabei konnten Handhaspeln zum Einsatz kommen, die bis zu 50 kg Erz aus maximal 40 bis 45 m Tiefe heben konnten. Neben der Handhaspel ist im Erzgebirge ab 1500 auch die Verwen­ dung des Pferdegöpels belegt, bei dem Menschenkraft durch die Muskelstärke der Pferde ersetzt wurde, um das Erz auch aus größeren Teufen zu heben.69 Die Schächte dienten jedoch nicht nur der Förderung von Gestein, sondern auch der sogenannten Wetterführung, das heißt der Zufuhr frischer Luft in die Gruben. Neben der Frischluftzufuhr war das Ableiten von einbrechendem Wasser zentral, was ab einer Tiefe von etwa fünfzehn Metern problematisch zu werden beginnt.70 Je tiefer die Schächte und Gänge getrieben wurden, desto schwieriger wurde es, die Gruben vom Wasser zu befreien. Um einbrechendes Wasser bewältigen zu können, mussten wasserableitende Stollen getrieben und technisch anspruchsvolle und vor allem kostspielige Pumpsysteme, sogenannte Wasserkünste, installiert werden.71 Hinzu kam der unerlässliche Einsatz von 66 Vgl. Wagenbreth/Wächtler: Freiberger Berg­bau, S. 24. 67 Mathesius: Sarepta, Pag. Eccc iii. 68 Ein Problem dieser einfachen Abbauweise nach dem sogenannten Strossenbau war der Umgang mit dem tauben, das heißt dem nicht erzhaltigen Gestein und die Einsturzgefähr­ dung der Gruben. Zur Sicherung der Gruben wurde ein hohes Maß an Bauholz benötigt, was die Kosten in die Höhe trieb. Während für das 16. Jahrhundert von einer Dominanz des Strossenbaus auszugehen ist, entwickelte sich um 1600 das Verfahren des Firstenbaus, bei dem im Gegensatz zum Strossenbau von unten nach oben gearbeitet und in der Förder­ strecke ein Versatz eingebaut wurde, auf dem die Berg­arbeiter stehen konnten. Siehe hierzu Wagenbreth/Wächtler: Freiberger Berg­bau, S. 31 f. 69 Vgl. ebd., S. 36. Die Untersuchung von Pferden und ihrer diskursiven Einbettung erfreut sich in jüngerer Zeit zunehmender Beliebtheit. Wie etwa subversive Pferdedarstellungen von Hans Baldung im 16. Jahrhundert als Reflexion über das Verhältnis von Künstlerschaft, Natur und das Problem der Imitatio gelesen werden können, zeigt instruktiv Peinelt-Schmidt: Verschwendeter Samen. 70 Vgl. Wagenbreth/Wächtler: Freiberger Berg­bau, S. 45. 71 Vgl. Jobst: Die Turmhofer Gruben, bes. S. 69.

Die Montanregion Erzgebirge

53

Wasserknechten: Allein 1557 wurden in der Grube Turmhof in Freiberg 416 Wasserknechte und 54 Pferde zur Beseitigung des Wassers eingesetzt.72 Tiefbau und die daraus folgenden Wasserprobleme konnten die Kosten für den Berg­ bau entsprechend schnell in schwindelerregende Höhen treiben. Hier zeigt sich, dass Berg­bau und auch seine Verwaltung nicht von dem physischen Raum und der jeweiligen Ausprägung der Lagerstätten gelöst werden kann. Der dritte Arbeitsschritt war schließlich die Aufarbeitung des geförderten Silbererzes und die Weiterverarbeitung in den Schmelzhütten. Hierfür wurde aus dem geförderten Gestein an Scheidebänken zunächst taubes, nicht erzhalti­ ges Gestein, Erz und Pochgänge unterschieden, wobei bei letztgenannten Erze und metallfreie Mineralien so eng verbunden waren, dass sie weiter aufgearbeitet werden mussten. Dies geschah in Mühlen oder in Pochwerken und Stoßherden.73 Das aufgearbeitete Erz wurde schließlich in den Hütten geschmolzen und konnte dann in den Münzen oder in den Silberschmiedewerkstätten weiterverarbeitet werden. Das Fördern und Verarbeiten des Silbererzes erfolgte im Silberbergbau zentral, das heißt in aller Regel im Umfeld der Berg­städte.

1.3 Zentren sächsischer Urbanisierung: Die erzgebirgischen Berg­städte Das zweite Berg­geschrey führte „zu einer ungeahnten Ausbeute, aber auch zu einer Konzentration von Menschen, die alle bisherigen Vorstellungen jener Zeit in den Schatten stellten“.74 Aus ungeplanten und provisorischen Sied­ lungen, die im Umfeld neuer bergbaulicher Aktivitäten seit den 1470er Jahren

72 Vgl. Kasper/Wächtler: Geschichte der Berg­stadt Freiberg, S. 96. Um 1600 wurden im Freiberger Revier um die 2000 Wasserknechte eingesetzt. Vgl. Wagenbreth/Wächtler: Der Freiberger Berg­bau, S. 45. 73 Zur genauen Arbeitsweise dieser Maschinen vgl. ebd., S. 72 f. 74 Straube: Nahrungsmittelhandel, S.  50. Zu Berg­städten im Erzgebirge vgl. allge­ mein Kaufhold/Reininghaus (Hg.): Stadt und Berg­bau; Blaschke: Art. Berg­ stadt; Knittler: Die europäische Stadt, S.  75 f.; Reininghaus: Art. Berg­stadt; Lampen/Schmidt: Berg­stadt; Kellenbenz: Die Berg­stadt als Mittel; Molenda: Mining Towns; Westermann: Entwicklungsprobleme, bes. S. 44–66.; zum Erzgebirge im Beson­ deren siehe Bräuer: Armut in Berg­städten; Schwabenicky: Hochmittelalterliche Berg­ städte; Thiel: Die Berg­städte; Laube: Silberbergbau; ders.: Berg­bau, Berg­städte und Lan­ desherrschaft; Kratzsch: Berg­städte; Seng: Stadt, S. 185–191; Richter/Schwabenicky: Freiberg bis 1556; Keller: Kleinstädte.

54

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

entstanden, entwickelten sich am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert rasch bedeutende Städte. Berg­städte werden in der stadtgeschichtlichen Forschung als eigener Stadtty­ pus bezeichnet, mit denen einige Besonderheiten verbunden sind. Dennoch ist nicht ganz einfach zu bestimmen, was in systematischer Hinsicht eine Berg­stadt definiert.75 In einer ersten Annäherung lässt sich mit Karl Heinrich Kaufhold darunter eine Siedlung mit Bezug zum Berg­bau verstehen.76 Sie war eng ans Montangewerbe und damit an bestimmte geologische Bedingungen gekoppelt und nahm somit eine Sonderstellung innerhalb der vormodernen Städteland­ schaft ein.77 In sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht besaßen Berg­ städte einige Alleinstellungsmerkmale: Zu nennen ist die starke Dominanz eines Wirtschaftszweiges, ein besonderer Rechtsstatus der Stadt auf Basis der Berg­ freiheiten, die vor allem zahlreiche Privilegien beinhalteten, sowie die Präsenz spezifischer sozialer Gruppen, der Berg­- und Hüttenleute, die einem eigenen Sonderrechtsbezirk, dem Berg­g ericht mit einem eigenen Berg­recht, angehör­ ten. Darüber hinaus etablierten sich in Berg­städten aber auch besondere Insti­ tutionen wie die sogenannten Knappschaften und eigens auf das Montanwesen zugeschnittene landesherrliche Verwaltungsstrukturen. Eine präzisere Definition dessen, was eine Berg­stadt kennzeichnet, gestaltet sich aber als schwierig. Denn auch proto-städtische Siedlungen ohne entspre­ chende Privilegierungen konnten eine enge Bindung zwischen Berg­bau und Gemeinschaft entwickeln, wie sich an den Siedlungen ohne Stadtrecht in Nie­ derösterreich, am bekanntesten wohl Schwaz, zeigt.78 Der Begriff Berg­stadt fin­ det sich auch hier. Daher ist die zeitgenössische Bezeichnung als Berg­stadt kein ausreichendes Definitionsmerkmal für diesen Stadttypus, da sich der Begriff zumeist auf den Rechtsstatus der Städte (die Berg­freiheit) bezieht und sich im 15. und 16. Jahrhundert auch Berg­städte ohne diese Privilegien entwickelten. Darüber hinaus handelte es sich beim Berg­bau nicht um einen genuin städ­ tischen Erwerbszweig: Berg­leute lebten sowohl in Städten als auch in Dör­ fern, wie Katrin Keller in ihrer Studie zu kursächsischen Kleinstädten betont.79 75 Einen wichtigen Impuls für diese Frage lieferte der im Institut für vergleichende Städte­ geschichte 2005 entstandene Band ‚Stadt und Berg­bau‘. Vgl. Kaufhold/Reininghaus: Stadt und Berg­bau. 76 Vgl. ebd., S. VII. 77 Vgl. Stoob: Frühneuzeitliche Stadttypen, S. 195–228; Knittler: Die europäische Stadt, S. 71–77. 78 Vgl. Westermann: Zentralität und Funktionalität. 79 Vgl. Keller: Kleinstädte, S. 225.

Protagonisten und publico oeconomico

55

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung von Städten oder losen Siedlungen zu Berg­städten in der Regel mit der Etablierung vielfältiger Wirt­ schafts- und Sozial­strukturen verknüpft war, die über die monoökonomische Fokussierung auf den Berg­bau hinausging. Je vielfältiger diese zusätzlichen städtischen Funktionen waren, desto besser konnten die Berg­städte auf mon­ tanwirtschaftliche Krisenzeiten reagieren.80 Deshalb schlägt Karl Heinrich Kaufhold vor, als Berg­städte schlicht jene Städte zu bezeichnen, in denen sich eine Beziehung von Berg­bau und Stadt entwickelte, was häufig, aber eben nicht zwangsläufig in eine umfangreiche Privilegierung in Form der Berg­freiheit der Stadt mündete.81 Diese Arbeit verfolgt zwar keinen stadtgeschichtlichen Ansatz, sondern sieht in der Stadt vor allem den räumlichen und sozialen Ort, an dem Verwaltung sich in der Praxis manifestiert. Auf Grund der zentralen Bedeutung der Städte für die Ausbildung von Verwaltungsstrukturen soll dennoch kurz auf die Entwick­ lung der sächsischen Berg­städte und ihre Besonderheiten eingegangen werden. Die wohl wichtigste und traditionsreichste Berg­stadt im Erzgebirge war Freiberg.82 Freiberg liegt im Osterzgebirge, also dem nördlichen Ausläufer des Erzgebirges in der Freiberger Mulde, und gilt gemeinhin als der Prototyp der mitteleuropäischen vormodernen Berg­stadt: Hier entwickelten sich im frühen 12. Jahrhundert jene Merkmale und Eigenheiten, die bis ins 16. Jahrhundert auch für andere Berg­stadtgründungen in verschiedenem Maße prägend sein sollten.83 Auf eine detaillierte stadtgeschichtliche Beschreibung kann mit Hinweis auf die reichhaltige Literatur verzichtet werden. Stattdessen sollen einige systematische Punkte benannt werden, die Freiberg als Berg­stadt prägten und Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen der Stadt und der Berg­verwaltung hatten. 80 Vgl. Kaufhold: Stadt und Berg­bau, S. VIII. 81 Vgl. ebd., S. VII. 82 Unverzichtbar immer noch Unger: Stadtgemeinde und Berg­wesen. Einen sehr guten und prägnanten Überblick über die Geschichte der Stadt Freiberg, ihrer wirtschaftlichen Entwick­ lung und zur Bevölkerungsstruktur ab dem Spätmittelalter liefern Hoffmann/Richter: Entstehung und Blüte, S. 197–246. Den Fokus auf das Verhältnis von Stadt und Berg­bau le­ gen Richter/Schwabenicky: Freiberg bis 1556. Zur Entwicklung des Silberbergbaus im Spätmittelalter vgl. Schirmer: Freiberger Silberbergbau; Kasper/Wächtler: Geschichte der Berg­stadt Freiberg. Zum komplizierten Verhältnis zwischen dem Amt Freiberg und der Stadt Freiberg siehe Thieme: Die Ämter Freiberg und Wolkenstein; mit besonderem Fokus auf die Verbindung zwischen Berg­bau und städtischer Wirtschaft Dornbusch: Über die Entwicklung der Wirtschaft der Stadt Freiberg, bes. S. 410. 83 Vgl. Blaschke: Art. Berg­stadt.

56

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Freiberg war eine der wichtigsten mittelalterlichen Berg­städte in der Region. Betrachtet man die innerstädtische Verfassung Freibergs, so zeigt sich schnell ihre Sonderstellung innerhalb der erzgebirgischen Städtelandschaft des 15. und 16. Jahrhunderts. Ein wesentliches Merkmal der Berg­stadt Freiberg war die Einheit von Stadt- und Berg­verfassung.84 Die Bannmeile Freibergs bezog sich auf den ganzen Berg­baudistrikt, zudem agierte der Freiberger Stadtrat als Berg­schöppenstuhl auch als oberste Rechtsinstanz in bergrechtlichen Fragen.85 Berg­bau war wie gesagt kein genuin städtisches Gewerbe, wenngleich seine Administration und Sichtbarkeit stark im städtischen Raum verortet war. Neben den an die geologischen Bedingungen gebundenen Abbaugebieten, die zum Teil außerhalb der Stadt lagen, war auch charakteristisch, dass die Berg­arbeiter räumlich und rechtlich nicht zwangsläufig Teil der Bürgergemeinde Freibergs waren. Häufig wohnten sie im ländlichen Raum und damit in größerer Nähe zu den Gruben.86 Dennoch waren sie auf Grundlage der Einheit von Stadt- und Berg­verfassung eben auch Teil der Berg­stadt Freiberg, ohne dass damit zwangs­ läufig auch das Bürgerrecht verbunden gewesen wäre. Zudem waren die Herr­ schaftsverhältnisse im 16. Jahrhundert komplex. Zwar besaß die Stadt de jure den Status einer Landstadt, de facto wurde sie jedoch durch einen relativ auto­ nom agierenden Rat regiert. Seit dem brüderlichen Vertrag von 1505 war der Stadtherr Herzog Heinrich der Fromme, die Hoheitsrechte über den Berg­bau blieben jedoch weiterhin in den Händen seines Bruders, des albertinischen Lan­ desherrn Herzog Georg des Bärtigen. Freiberg stieg unter Heinrich kurzzeitig zur Residenz auf, und der Freiberger Dom war von 1553 bis 1694 die Grablege der Albertiner.87 Die Stadt war neben Annaberg das administrative Zentrum des erzgebirgischen Berg­baus, wenngleich die tatsächlichen Silberausbeuten im 15. und frühen 16. Jahrhundert weit hinter denen Annabergs oder Schnee­ bergs zurückblieben. Das Zentrum des zweiten Berg­geschreys lag jedoch nicht im Freiberger Revier, sondern in den höheren Gebirgslagen im Mittleren und Westlichen Erzgebirge. Bedeutende Stadtgründungen waren Schneeberg (Stadtrecht 1481), Annaberg (Stadtrecht 1497), Buchholz (Stadtrecht 1501) und Marienberg (Stadtrecht

84 Vgl. Unger: Stadtgemeinde, S. 20; Ermisch: Vorbericht, in: CDS II, 13/2, S. XXXI. 85 Vgl. Unger: Stadtgemeinde, S. 21–23; Huffmann: Über die sächsische Berg­gerichtsbarkeit, S. 6–11. Siehe hierzu auch Langer: Die Freiberger Bannmeile. 86 Vgl. hierzu allgemein Keller: Kleinstädte, S. 225. 87 Dormagen: Die Grablege der albertinischen Wettiner.

Protagonisten und publico oeconomico

57

1523).88 Während am Schneeberg nach umfangreichen Silberfunden in den 1470er Jahren zunächst eine planlose Siedlung entstand, aus der sich städtische Strukturen entwickelten, waren Annaberg und Marienberg Planstädte. Der Grundriss beider Städte wurde von dem Freiberger Humanisten Ulrich Rülein von Calw entworfen und weist ein charakteristisches Schachbrettmuster auf. Diese jungen Stadtgründungen besaßen einige Gemeinsamkeiten, aber auch markante Unterschiede zu Freiberg. Ebenso wie Freiberg hatten alle diese Städte eine enge Bindung zum Berg­bau, die sich in der Einheit von Stadt- und Berg­ verfassung niederschlug. Im Gegensatz zu Freiberg waren sie jedoch durch eine engere Bindung an den jeweiligen Landesherrn geprägt. Die Berg­städte waren die administrativen Zentren des jeweiligen Reviers und der Sitz des Berg­amts als kleinste administrative Einheit der Berg­verwaltung. Bereits seit dem späten 15. Jahrhundert lässt sich eine stärkere Binnenhierar­ chisierung des lokalen Raums durch die Vergabe administrativer Kompetenzen nachweisen. Welche Kompetenzen welchem Berg­amt zugeschlagen wurden, hing sowohl von der wirtschaftlichen Rentabilität als auch von der Protektion des Landesherrn ab. Eine herausgehobene Stellung nahmen Freiberg, Schneeberg und Annaberg ein. Während Freiberg bereits seit dem Mittelalter ein etabliertes Zentrum des sächsischen Berg­baus und seiner Verwaltung war, entwickelte sich Schneeberg in den 1460er Jahren zu einem weiteren administrativen Knoten­ punkt im oberen Erzgebirge. Mit der Gründung und dem Aufstieg von Anna­berg um die Jahrhundertwende verlor Schneeberg jedoch spätestens in den 1530er Jahren an Bedeutung, während Freiberg weiterhin seinen Sonderstatus verteidi­ gen konnte.89 Der Aufstieg Annabergs zum administrativen Zentrum des Berg­ baus hing nicht nur mit den überragenden Silberausbeuten zusammen, sondern auch mit der umfangreichen Protektion und Privilegierung Herzog Georgs.90 Herzog Georg konzentrierte administrative Kompetenzen in Annaberg, die sich zur prima inter pares der oberen Berg­städte entwickelte. Besonders deutlich wird die herausgehobene Stellung im Vergleich zu Marienberg. 88 Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 22–47. 89 Der Sonderstatus Freibergs ergab sich nicht zuletzt aus geographischen Gründen: ­Während sich Annaberg im südlichen Erzgebirge befindet und sich mit seiner zentralen Lage inmit­ ten der oberen Berg­städte wie Wolkenstein, Marienberg, Schneeberg und Geyer als über­ lokales Zentrum anbot, liegt Freiberg 50 km Luftlinie von Annaberg entfernt in der soge­ nannten Freiberger Mulde in den nördlichen Ausläufern des Erzgebirges. Siehe hierzu auch Schirmer: Das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge, bes. S. 46 sowie allgemeiner Peschel/Wetzel: Naturraum Erzgebirge, bes. S. 11. 90 Vgl. hierzu Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1933), S. 18 ff.

58

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Marienberg war eine der späteren Siedlungen im Erzgebirge.91 Nach ersten unbedeutenden Silberfunden im frühen 16. Jahrhundert nahm die Bedeutung des Reviers erst in den 1520er Jahren stetig zu. Wie Herzog Georg zuvor in Annaberg, ließ Herzog Heinrich 1521 eine Planstadt nach dem Grundriss von Ulrich Rülein von Calw errichten. 1523 verlieh er ihr das Stadtrecht, das an das Annaberger Stadt- und Berg­recht angelehnt war. Um 1540 hatte die Stadt an die 5000 Einwohner.92 Die Verwaltung des Marienberger Reviers erfolgte zunächst durch den Wolkensteiner Unterbergmeister Hans Creuzing. Da Herzog Hein­ rich keinen Anspruch auf montanwirtschaftliche Hoheitsrechte hatte, oblag die Ausgestaltung der Marienberger Berg­verwaltung Herzog Georg. Dieser erlaubte auf eine Beschwerde der Marienberger Knappschaft 1520 hin Marienberg eigene Berg­geschworene und einen eigenen Berg­meister, bestand aber auf einer adminis­ trativen Unterordnung unter Annaberg. So wurde der Marienberger Berg­meister lediglich als Unterbergmeister des Annaberger Berg­meisters eingesetzt. Zudem fanden die wichtigsten Verfahren, die Berg­rechnung, der Anschnitt, die Verlei­ hungen und Mutungen, in Annaberg statt. Auch die Verleihung von Stadtprivi­ legien 1523 änderte nichts an der administrativen Unterordnung Marienbergs unter Annaberg. Zwar versuchte die Marienberger Knappschaft immer wieder, Verwaltungskompetenzen nach Marienberg zu ziehen, aber Herzog Georg war nicht geneigt, die Anbindung an Annaberg zu lockern. Trotz steigender Ausbeuten, und obwohl Herzog Heinrich nach Kräften versuchte, die Entwicklung Marienbergs zu fördern, stand die Entwicklung der Stadt also im Schatten Annabergs. Das Berg­amt Annaberg, so Walter Bogsch, diente bis zu Herzog Georgs Tod quasi als eine Art Oberbergamt für die Berg­ städte Marienberg, Wolkenstein (das ebenfalls in Heinrichs Herrschaftsbereich fiel) und Annaberg. Mehr Autonomie erlangte das Berg­amt Marienberg erst mit dem Tod Herzog Georgs und der Machtübernahme durch seinen jünge­ ren Bruder, Herzog Heinrich, der nun seinerseits (wie Georg zuvor Annaberg) Marienberg protegierte und aus der Unterordnung unter Annaberg befreite.93 Am Beispiel Marienbergs wird deutlich, dass die Untersuchung von Verwal­ tungsstrukturen eng mit den unterschiedlichen lokalen, aber auch territorialen politischen und wirtschaftlichen Kontexten verbunden war. Zugleich zeigt sich, dass das Berg­regal im 15. und 16. Jahrhundert für die albertinischen Fürsten in 91 Zu Marienberg vgl. Thiel: Herzog Heinrichs Verhältnis, S. 189 ff.; Bogsch: Der Marien­ berger Berg­bau (1933); Kratzsch: Marienberg. 92 Vgl. Thiel: Herzog Heinrichs Verhältnis, S. 189 f. 93 Vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1933), S. 19 f.

Die Montanregion Erzgebirge

59

erster Linie ein Anspruch war, der sowohl gegenüber den Ernestinern als auch innerdynastisch gegenüber Herzog Heinrich symbolisch repräsentiert werden musste. Eine Möglichkeit, diesen Anspruch zu repräsentieren, war die Einset­ zung einer Verwaltung. Wenngleich die Verwaltung des Berg­baus in hohem Maße an die Berg­stadt gekoppelt war, blieb doch die Dezentralität des Berg­baus wichtig auch für die Verwaltung: Die Reviergrenzen gingen weit über das Weichbild der jeweiligen Stadt hinaus. Die Berg­freiheit bedeutete, dass überall geschürft werden konnte – ohne dass dies immer unumstritten gewesen wäre. Besonders betroffen hiervon waren lokale Grundherren, auf deren Gütern Berg­bau betrieben wurde.

1.4 Der lokale Adel Zwischen den Wettinern, der Berg­verwaltung und dem lokalen Adel gab es zahl­ reiche Interaktionsbeziehungen, die sich aus den lokalen Abbaubedingungen des Berg­baus ergaben.94 Durch die Berg ­freiheit wurde festgelegt, dass an jedem Ort und unabhängig von dem jeweiligen Grundeigentümer nach neuen Lager­ stätten geschürft werden durfte. Zum Ausgleich wurde Grundherren von jeder neu gemuteten Grube ein Kux, der sogenannte Frei- oder Erbkux beziehungs­ weise der Ackerteil, angeboten.95 Zudem konnten bei der Förderung von edlen Metallen auch Kupfer, Zinn, Wismut oder Eisenstein auftreten, die unter das niedere Berg­regal fielen und deren Nutzungsrechte dem lokalen Adel häufig lehnsrechtlich zugestanden wurden.96 94 Der sächsische Adel ist aus unterschiedlichen Perspektiven in vielen Bereichen überaus gut erforscht, so dass an dieser Stelle nur exemplarisch auf die Literatur verwiesen werden kann. Vgl. etwa Schirmer: Der ernestinische und albertinische Landadel; ders.: Herr­ schaftspraxis sowie ders.: Der Adel in Sachsen; Schattkowsky: Zwischen Rittergut, Residenz und Reich; dies. (Hg.): Die Familie von Bünau; dies./Kaak (Hg.): Herrschaft. Für den Thüringer und in der Magdeburger Börde ansässigen Adel vgl. Bünz u. a. (Hg.): Adelslandschaft Mitteldeutschland. 95 Der Erbkux konnte als Freikux ohne weitere Kosten für den Inhaber gewährt werden oder als einmalige Gabe konzipiert sein, für die der Besitzer im weiteren Verlauf Zubußen leisten musste, vgl. Art. Freikux, in: Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, S. 308–312, hier S. 310; Art. Erbbach, in: ebd., S. 150–152, hier S. 152; Art. Ackertheil, in: ebd., S. 14. 96 Die Verleihung von Nutzungsrechten am Berg­bau gehörte ebenso wie die Vergabe von Kuxen oder die Gewährung von Privilegien im Hüttenwesen zu den Patronagepraktiken der Alber­ tiner. So lässt sich aus dem Kopialbuch von Hans von Bernstein ersehen, dass Adlige und dem Kurfürsten nahestehende Personen mit den Abbaurechten auf niedere Metalle belehnt

60

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Im Laufe des 16. Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende Bündelung von bergbaulichen Herrschaftsrechten durch die Wettiner beobachten.97 Nach Her­ mann Löscher spiegelt „die Geschichte des Berg­regals im sächsischen Erzgebirge […] deutlich einen Vorgang wider, dem heute die Verfassungsgeschichte beson­ dere Aufmerksamkeit widmet, die im späten Mittelalter beginnende Bildung der Landesherrschaft“.98 Die Durchsetzung des Berg­regals ist also eingebettet in allgemeine Prozesse territorialer Herrschaftsverdichtung, wobei nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieser Prozess bis zum Ende des 16. Jahrhun­ derts abgeschlossen war.99 Verkompliziert wurde die Situation dadurch, dass die lokalen Grundherren nur zum Teil Lehensträger der Wettiner waren und dadurch formal gesehen keine Ansprüche auf das Berg­regal hatten, zum Teil hin­ gegen Lehensträger der böhmischen Krone oder sogar Inhaber von Reichslehen, durch die ihnen prinzipiell auch die Herrschaftsrechte am Berg­bau zustanden.100 Die Wettiner versuchten dieses Problem auf zwei Ebenen zu lösen: Zum einen wurde versucht, die Nutzungsrechte des lokalen Adels am niederen Berg­regal einzuschränken. Zum anderen versuchten sie, die Ausübung des hohen Berg­ regals durch Adlige, die Reichslehen oder Lehen der böhmischen Krone inne­ hatten, zu unterbinden.

wurden, wenngleich die Belehnung in aller Regel zeitlich begrenzt war. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1565–1566. Beispiele finden sich auch hier: SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03. Wesentlich seltener wurde auch die Berg­gerechtigkeit für edle Metalle gewährt, so zum Beispiel für die Familie von Bünau oder wohl am prominentes­ ten und konflikthaftesten für die Familie von Schönburg, die sich in ihrer Herrschaft Harten­ stein das Berg­regal mit den Wettinern teilte. Vgl. hierzu Laube: Silberbergbau, S. 182–188.  97 Am Beispiel Marienbergs zeigt dies etwa Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 23. Diese Tendenz der Bündelung der Herrschaftsrechte lässt sich auch in anderen Berg­ bauregionen im Reich beobachten. Vgl. exemplarisch für Schwaz Knapp: Rechtsgrundlagen des Schwazer Berg­baues, S. 14–17; für Brixen und Tirol siehe Anzinger/Neuhauser: Berg­bau und Stadt, S. 157–167; für das Lebertal siehe Westermann: Zur vorderösterrei­ chischen Montanverwaltung, S. 196–201.  98 Löscher: Vom Berg­regal, S. 122–156, Zitat S. 122.  99 Ein Beispiel hierfür sind die Konflikte um das Berg­regal zwischen den Grafen von Schwar­ zenburg und den Wettinern um das Berg­regal, die sich bis ins 18. Jahrhundert zogen, vgl. hierzu Hahnemann: Von Berg­- und Salzordnungen, S. 112–136. 100 Vgl. hierzu am Beispiel der Auseinandersetzungen zwischen den Herren von Schön­ berg-Glauchau und den Wettinern Kellenbenz: Berg­stadt, S. 177–188 sowie am Beispiel der Herren von Schwarzburg Hahnemann: Von Berg­- und Salzordnungen, S. 112–136.

Die Montanregion Erzgebirge

61

Eine Möglichkeit, die Ansprüche des lokalen Adels auf das Berg­regal ein­ zuschränken, bestand in einer stärkeren administrativen Ordnung der Berg­ reviere. Dies zeigt sich am Beispiel einer Berainung, also einer Neuvermessung der Reviere und einer Neuverteilung der Kompetenzen der lokalen Berg­meister, die Kurfürst August 1556 vornehmen ließ. Zu diesem Zweck sollte der Kanzler Dr. Ulrich Mordeisen ein Verzeichnis erstellen, wie man die Berg­werke am bes­ ten in einzelne Reviere unterteilen und lokalen Berg­meistern zuordnen könne, um der Aneignung des Berg­regals durch den lokalen Adel entgegenzuwirken.101 Die Neujustierung der Berg­reviere und der Zuständigkeitsbereiche der Berg­ meister sollten den kurfürstlichen Anspruch auf das Berg­regal festigen. Das durch Mordeisen erstellte Verzeichnis entsprach Augusts Vorstellungen, wobei er jedoch kritisierte, dass Freiberg, Altenberg, Glashütte und Berg­gießhübel fehlten, „wo viele Adliche sind, die alle Berg­herren sein und eigne Berg­meister haben wollten“.102 Am 16. November 1556 erließ er einen Befehl an die Berg­meister, ihr neu vermessenes Revier zu übernehmen und sich unter keinen Umständen an der Ausführung ihres Amtes hindern zu lassen.103 Die Einsetzung einer Berg­verwaltung und die Berainung der Berg­reviere war eine Möglichkeit, symbolisch-repräsentativ den Anspruch auf die Berg­ hoheit zu manifestieren. Dies zeigt sich auch bei einem kurzen Seitenblick auf die Herrschaft Hartenstein, wo sich die Wettiner das hohe Berg­regal mit den Herren von Schönburg-Glauchau teilten, bis die Herrschaft 1568 durch Kurfürst August gekauft wurde.104 Im Kontext des geteilten Berg­regals behielt sich vor allem Herzog Georg das Recht auf die administrative Ausgestaltung des Berg­baus und die Verleihung der Gruben vor, während die „praktische Erschließungsarbeit“ bei den Herren von Schönburg lag.105 Verwaltung diente, wie bereits angedeutet wurde, in nicht unerheblichem Maße dazu, den eige­ nen Herrschaftsanspruch zu repräsentieren und durch performative Akte zu 101 Vgl. Falke: August von Sachsen, S. 161 f. 102 Zitiert nach ebd., S. 162. 103 Als Begründung verwies August abermals auf den Adel, der sich anmaßen würde, eigene Berg­meister einzusetzen und damit den wettinischen Anspruch auf die Regalien in Frage zu stellen. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 41924, Rep. 9b, Abt. B, Nr. 0169, fol. 15a. 104 Vgl. hierzu auch Kellenbenz: Die Berg­stadt als Mittel, S. 177–188. 105 Siehe hierzu Wetzel: Die Schönburger als Berg­herren, S. 23. Zu den Schönburgern als Regalherren vgl. auch Laube: Silberbergbau, S. 182–188; Wetzel: Das schönburgische Amt Hartenstein, besonders S. 37 ff.; Schlesinger: Die Landesherrschaft der Herren von Schönburg.

62

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

bestätigen. Denn in der Praxis manifestierte sich der Anspruch auf die Regalien in erster Linie über die Verleihrechte am Berg­bau. Aus genau diesem Grund lag die Einsetzung einer Berg­verwaltung und die Ausübung administrativer Tätig­ keiten aber auch für den lokalen Adel nahe, um den Herrschaftsanspruch der Wettiner in Frage zu stellen. Dies wird etwa sichtbar an den Auseinandersetzungen zwischen Kurfürst August und den von Schönberg zu Stollberg, Zweitschen und Gelenau zwischen Mai 1561 und Januar 1562.106 Im Mai 1561 schrieb August an den Berg­meister in Geyer, Matthes Luppoldt, ihm sei zu Ohren gekommen, dass die Brüder von Schönberg auf ihren Gütern das Berg­regal beanspruchten. Luppoldt habe dies geschehen lassen, obwohl er gemäß seinen Befehlen diese eigenmächtige Aneignung des Berg­regals hätte unterbinden müssen. Kraft des durch den Kai­ ser verliehenen Berg­regals stehe ihm, Kurfürst August, allein der Berg­bau auf alle Metalle zu, „vnnd weder Vnsere Vorfahren noch wir solche Regalia furder andern zuvorleihen, macht gehabt, wie dann die vonn Schönbergk solcher hohen lehen auch nicht recht (wehrig) sein könne, zu dem das Ire Lehenbriefe von keinem Berg­wergen besagen“.107 Die Frage, ob den Schönbergern das Berg­regal zustehe, wurde vor allem an zwei Punkten festgemacht: Zum einen, ob sie entsprechende Lehnsbriefe vor­ weisen könnten, und zum anderen, ob sie in der Vergangenheit bereits Gruben­ felder verliehen hätten und sich daraus gewohnheitsrechtliche Ansprüche auf das Berg­regal belegen ließen.108 Dass der lokale Adel unter Rekurs auf Gewohn­ heitsrechte oder Lehnsbriefe das Berg­regal für sich beanspruchte, war keine Seltenheit.109 Obwohl die Lehnsbriefe in diesem Fall eindeutig waren und nicht das hohe Berg­regal umfassten, zogen sich die Auseinandersetzungen bis zum 106 Zu dem Konflikt siehe SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36090, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1053; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 41924, Rep. 9b, Abt. B, Nr. 169. Die betroffenen Brüder von Schönberg sind nicht identisch mit den Berg­hauptleuten beziehungsweise Berg­amtmännern Wolf von Schönberg oder Lorenz von Schönberg. Teile der Familie von Schönberg bekamen im Laufe des 16. Jahrhunderts durchaus das hohe Berg­regal zugespro­ chen. So wurde 1575 Georg von Schönberg auf 25 Jahre mit dem Gold- und Silberbergwerk in seiner Herrschaft Greußlitz belehnt, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 315a–317a. 107 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36090, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1053, fol. 1a–2b. 108 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 41924, Rep. 9b, Abt. B, Nr. 0169, fol. 6a–8a. 109 Allein zwischen 1565 bis 1565 stand August wegen strittiger Berg­regalangelegenheiten in Austausch mit der Witwe von Peter von Haubitz zu Ottendorf, den Vormündern der unmün­ digen Frauen zu Tannhoff, Hans von Kospoth, Caspar von Schönberg, Dr. Mordeisen, Hans von Hartitzsch und den bereits erwähnten Herren von Schönberg zu Stollberg, Zweitschen

Die Montanregion Erzgebirge

63

Februar 1562 hin. Kurfürst Augusts Position war eindeutig: Ihm zufolge hatten die Schönbergs keinerlei Ansprüche auf das Berg­regal. Weder die Brüder noch ihre Vorfahren hätten „eigene Berckfreiheitt, Berckordnung, Berckmeister ader Geschworene Berckleut gehabt, Oder auch gewönlich Berckbuch, Kegenbuch, vnd anders wie sich geburt, gehaltten, Sondern So offt Ir euch des Berckwergs unterwunden vnd man deß Inn erfarung kommen, Ist euch allewege von der Obrigkeit geburlich verboth geschehen“.110 Die Belehnungen auf ihren Gütern seien immer durch den Berg­meister zu Geyer vorgenommen worden. Entspre­ chend unbegründet sei daher ihr Anspruch auf das Berg­regal. Die von Schönberg hingegen argumentierten, dass ihnen das Berg­regal gewohnheitsrechtlich zustehe. Als Beleg verwiesen sie auf das bis 1560 geführte Berg­buch, durch das deutlich werde, dass sie, und nicht der Berg­meister in Geyer, Belehnungen durchgeführt hätten. Den Verweis auf das Gewohnheitsrecht wollte Kurfürst August zwar nicht gelten lassen, dennoch wies er am 26. Februar 1562 den Oberbergmeister und die Berg­meister zu Annaberg und Geyer an, sie sollten entsprechende Erkundigungen bei dem Richter, den Schöppen und den ältes­ ten Berg­leuten in Geyer und in Ehrenfriedersdorf einholen.111 Zudem sollten sie die alten Berg­bücher und Verträge überprüfen, um herauszufinden, ob den von Schönberg nicht doch gewohnheitsrechtlich ein Anspruch auf das Berg­ regal zustehe. Am Ende wurde diese Frage nicht endgültig gelöst, sondern der Konflikt endete mit dem Verkauf des Gutes Stollberg an Kurfürst August 1564.112 An diesem Fall wird deutlich, dass sich Hoheitsrechte im Berg­bau ebenso auf einer normativen wie auf einer administrativen Ebene manifestierten. Die Einsetzung von Amtsträgern, die Ausübung bergrechtlicher Verfahren wie der Verleihung von Gruben oder das Führen von entsprechenden Rechnungsbü­ chern konnten als Argumente für die Legitimität des Anspruchs auf das Berg­ regal herangezogen werden. Zugleich zeigt sich, dass die Durchsetzung des Berg­regals eher als konsensorientierter Aushandlungsprozess zu begreifen ist. Wenngleich Kurfürst August den von Schönberg das Berg­regal nicht zugeste­ hen wollte, vermied er doch eine Konfrontation. So wurde der Anspruch der Schönberger normativ, auf Basis der Lehnsbriefe, verhandelt, und es wurden

und Gelenau. Die Konflikte finden sich hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1565–1566, passim. 110 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 41924, Rep. 9b, Abt. B, Nr. 169, fol. 6a. 111 Ebd., fol. 9a–10b. 112 Vgl. Schönberg: Die Geschichte der Familie von Schönberg, S. 11 ff.

64

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

gewohnheitsrechtliche Ansprüche durch die Überprüfung der Rechnungsbü­ cher und Zeugenanhörungen geklärt. Dass dieser konsensorientierte Modus kein Einzelfall ist, zeigt sich auch an den Aushandlungen mit Hans von Hartitzsch um das Berg­regal 1565.113 Hartitzsch beanspruchte für Dorfchemnitz 1565 nicht nur die Nutzung des Kalksteins auf seinen Gütern, sondern wollte darüber hinaus auch das Eisenbergwerk und den Zehnten.114 Um seinen Anspruch zu untermauern, verjagte er die Berg­arbeiter mit „drotzigen“ und „spitzigen“ Worten von seinen Gütern. Darüber hinaus belehnte Hartitzsch, aus Sicht des Kurfürsten eigenmächtig, nun seinerseits Gewerken.115 Fiel Kalkstein in der Regel nicht unter das Berg­regal, war die Sache im Fall des Eisensteins schwieriger. So lehnte der Kurfürst unter Verweis auf den Lehnsbrief von 1543 den Anspruch Hartitzschs ab, da dieser Hartitzsch zwar das „zinnbergwerk mit ganzem Zehnt bis zum Grafenbach in der Flutte was von alters her is, flutwerk, Seiffenhutten, Mühlen ausgeschlossen“116 zugestehe, aber eben nicht den Eisenstein. Hartitzsch verwies, ebenso wie die Schönbergs, auf das alte Herkommen und darauf, dass schon seine Vorfahren den Zehnten vom Eisenstein erhalten hätten. Die daraus resultierenden Auseinandersetzungen zwischen Hartitzsch und dem Kurfürsten zogen sich über ein halbes Jahr hin, wobei der Kurfürst ähn­ lich wie im Fall Schönberg zwar rhetorisch die Ansprüche auf das Berg­regal strikt zurückwies, in der Praxis aber den Weg der Schlichtung und konsensori­ entierten Lösung einschlug. Auch in diesem Fall wurde zunächst versucht, eine Einigung über den Berg­meister zu erzielen. Als dies nicht zum Erfolg führte, gestand August unter Hinzuziehung der mittleren Verwaltungsinstanzen und 113 Ähnlich gelagert waren auch die Konflikte mit den Gebrüdern von der Planitz, in deren Grundherrschaft Schneeberg lag und die sich aus der Sicht der Wettiner immer wieder die Hoheitsrechte über den Berg­bau anmaßten. Deutlich wird dies etwa in einer Instruktion Herzog Georgs an seine Räte zur Berg­handlung 1515, in der er fordert, dass man den von der Planitz unter keinen Umständen „dye Oberkeit vnd gericht vff wegen vnd stegen zu vnd ab den Zechen […] einreume, Dann sie nach Ordnung der Berg­rechte des orts der furstlichen Oberkeit zustehen“ vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/04, fol. 5b. Zu den Berg­bauaktivitäten der Gebrüder von der Planitz und den Konflikten mit den Wettinern vgl. Hoppe: Silberbergbau, S. 56 ff. sowie Maetschke: Der Tote. 114 Der Konflikt ist dokumentiert in SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, passim sowie in SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hüt­ ten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1565–1566, passim. 115 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 2e/a. 116 Ebd., fol. 17a.

Die Montanregion Erzgebirge

65

durch die Vorladung von Zeugen auch Hans von Hartitzsch die Möglichkeit zu, seine Gewohnheitsrechte am Berg­bau zu belegen. Nachdem sechs Zeugen aus Dorfchemnitz, die jeweils zwischen 60 und 80 Jahren alt waren, ausgesagt hatten, dass Hartitzsch das Berg­werk von Lenhart Stumpfel übernommen und bereits Stumpfel den Zehnten eingenommen habe, empfahlen der Hauptmann des Erzgebirges und der Freiberger Berg­meister, Hartitzsch seine Freiheit zu lassen. Als Begründung gaben sie an, dass es sich letztlich um unbedeutende Zugeständnisse handele.117 An den Fällen Hartitzsch und Schönberg wird deutlich, dass August rheto­ risch zwar kaum Verhandlungsspielraum zuließ, in der Praxis jedoch versuchte, solche Konflikte konsensorientiert zu schlichten, wobei die Berg­verwaltung eine wichtige Vermittlungsinstanz darstellte.118 Auch für den lokalen Adel lässt sich zeigen, dass das Berg­regal in erster Linie ein Anspruch war, der mit unterschied­ lichen Mitteln behauptet werden konnte. Eine Möglichkeit, den Anspruch auf das Berg­regal symbolisch zu repräsentieren, war das Einsetzen einer Verwaltung und der Erlass von Berg­recht. Der aus den potenziell konkurrierenden Ansprü­ chen des lokalen Adels resultierende Druck führte zudem zu einer Schärfung von administrativen Kompetenzen und Zuständigkeitsrechten – meist zuguns­ ten des Landesherrn.

117 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 42k/a. 118 Dies deckt sich mit den Befunden der jüngeren Verwaltungsgeschichte, die die generelle Kon­ sens- und Akzeptanzorientierung von Herrschaft betont. Klassisch hierzu Meier/Schreiner: Regimen Civitas, S. 9–34 sowie Lüdtke: Herrschaft als soziale Praxis, S. 9–63. Zum Kon­ zept der konsens- und akzeptanzorientierten Herrschaft vgl. Brakensiek: Akzeptanzori­ entierte Herrschaft, S. 395–406; ders.: Lokale Amtsträger, S. 49–67; ders.: Legitimation durch Verfahren?, S. 363–377; zu Herrschaft als kommunikativ-dynamischen Prozess vgl. Meumann/Pröve: Die Faszination des Staates, S. 11–49.

2. Behördengeschichte der sächsischen Berg­verwaltung

2.1 Das lokale Berg­amt Das Herz des sächsischen Berg­baus war das lokale Berg­amt.119 Das Erzgebirge war um 1500 mit einem „Netz landesherrlich-staatlicher Berg­ämter überzogen, die räumlich fest gegeneinander abgegrenzt waren und die Organisation der Ämter der inneren Verwaltung überlagerten und in gewisser Beziehung in Konkur­ renz zu ihnen traten“.120 Die an die Berg­städte gekoppelten Berg­reviere hatten eine von der Stadt und von den Ämtern losgelöste Sonderstellung. Sie besaßen nicht nur technisch-wirtschaftliche Aufgaben, sondern auch Jurisdiktions- und Administrationsbefugnisse. Die Berg­ämter waren eigenständige administrative Einheiten, die den Bedürfnissen des Berg­baus Rechnung trugen.121 Im Laufe der Frühen Neuzeit bildeten sich insgesamt etwa 30 Berg­ämter (einschließlich Vasallenbergämter) aus, die sich mit geringen Verschiebungen bis ins 19. Jahr­ hundert hielten.122 Wichtige Berg­ämter waren im 16. Jahrhundert in Annaberg, Freiberg, Ehrenfriedersdorf, Geyer, Wolkenstein, Marienberg, Schwarzenberg, Schneeberg, Eibenstock, Scheibenberg und Oberwiesenthal angesiedelt. Wie das einzelne Berg­amt personell besetzt wurde, hing mit den lokalen Ver­ hältnissen, der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung des jeweiligen Reviers und der dazugehörigen Berg­stadt sowie der aktuellen Personallage zusammen. Unter den Berg­ämtern nahmen Freiberg, Schneeberg und Annaberg eine Son­ derstellung ein. Während Freiberg bereits seit dem Mittelalter ein etabliertes Zentrum des sächsischen Berg­baus und seiner Verwaltung war, entwickelte sich im Rahmen des zweiten Berg­geschreys auch Schneeberg in den 1460er Jahren sowie um 1500 auch Annaberg zu weiteren regionalen Knotenpunkten.123 Wie 119 Zur Geschichte der Berg­verwaltung allgemein einführend Westermann: Art. Montanver­ waltung; Kroker: Art. Berg­verwaltung. Mit Fokus auf Sachsen vgl. Laube: Silberbergbau; Kaiser: Die oberste Berg­verwaltung; Schirmer: Direktionsprinzip; Kaden: Herausbil­ dung; ders.: Die Berg­verwaltung Freibergs; ders.: Die Berg­verwaltung des albertinischen Sachsens; ders.: Leipziger Teilung; Lorenz: Berg­verwaltung Kursachsens. Ein schemati­ sches und vereinfachendes Organigramm der lokalen und mittleren Berg­verwaltung findet sich im Anhang (Nr. 1). 120 Blaschke: Die Ausbreitung des Staates, S. 45. 121 Vgl. hierzu auch Uhlig: Verwaltungsgeschichte des Landkreises Annaberg, bes. S. 25 f. 122 Vgl. Blaschke: Die Ausbreitung des Staates, S. 45. 123 So wurde 1466 Hans Kluge als Oberbergmeister in Schneeberg eingesetzt, der die Aufsicht

Behördengeschichte der sächsischen Berg­verwaltung

67

bereits erwähnt, verlor Schneeberg jedoch spätestens in den 1530er Jahren an Bedeutung, während Annaberg seit der Jahrhundertwende zum Zentrum des sächsischen Berg­baus wurde, Freiberg jedoch weiterhin einen Sonderstatus behielt. Der Aufstieg Annabergs zum administrativen Zentrum hing nicht nur mit den überragenden Silberausbeuten zusammen, sondern auch mit der bereits geschilderten Protektion Herzog Georgs.124 Auf lokaler Ebene ist für das gesamte 16. Jahrhundert von einer gewissen Vari­ anz und Flexibilität an Verwaltungsstrukturen und Ämtern auszugehen. Wirt­ schaftlich unbedeutende Reviere konnten etwa von den größeren Berg­ämtern mitverwaltet werden,125 oder sie bildeten nur rudimentäre Verwaltungsstruktu­ ren aus, ohne dass dies zugleich zur Schaffung eines eigenen Berg­amts führte.126 Zugleich lässt sich jedoch ein Kern an Ämtern benennen, die seit dem Beginn des 16. Jahrhundert in fast jedem Berg­amt zu finden waren: An der Spitze eines jeden Berg­amts stand der Amt- beziehungsweise Hauptmann der jeweiligen Berg­stadt, der eine Sonderstellung innerhalb der Berg­verwaltung einnahm.127 Die lokalen Amtmänner spielten bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts für die Berg­verwaltung eine zentrale Rolle, wenngleich sie formal gesehen nicht oder nur bedingt zur Gruppe der Berg­beamtenschaft gehörten. Vielmehr waren sie die Repräsentanten des Landesherrn in der jeweiligen Berg­stadt beziehungsweise dem dazugehörigen Amt, das, wie bereits erwähnt, nicht zwangsläufig mit dem

über alle Berg­werke jenseits der Pflege Freiberg, die die Gebiete um Freiberg, Zwickau, Geyer und Ehrenfriedersdorf umfasste, innehaben sollte, vgl. Ermisch: Vorbericht, in: CDS  II, 13/2, S. VIIII–LXVIII sowie Hoppe: Silberbergbau, S. 34. Zu Kluge siehe auch Thiel: Der sächsische Berg­meister Hans Kluge, S. 5–10. 124 Vgl. hierzu Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1933), S. 18 ff. 125 Zum Beispiel wurde der Oelsnitzer Berg­bau zeitweise durch das Schneeberger Berg­amt mitversorgt. Nach dem Tod des Berg­meisters in Oelsnitz wurde am 26. August 1574 vor­ geschlagen, das Berg­meisteramt vakant zu lassen und dem Berg­- und Gegenschreiber Hans Andres jährlich 10 fl zu geben, damit dieser wöchentlich den Anschnitt und die Mutungen durchführen könne. Zudem sollten dem Berg­meister zu Schneeberg, Nickel Salzberger, und seinem Geschworenen jährlich zusätzlich 20 fl gegeben werden, damit sie abwechselnd alle vierzehn Tage das Vogtland bereisen und sich um das Berg­werk kümmern könnten. Sollte sich das Berg­werk wieder bessern, könne ein eigener Berg­meister für Oelsnitz eingesetzt werden. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36085, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0899, fol. 11b–12a. 126 Diese Abweichungen in der Praxis waren durchaus im Sinne der Berg­ordnungen. So heißt es in der Berg­ordnung von Christian II. von 1589, dass „in jedere Berg­kstadt / nach derselben gelegenheit vnd grösse des Berg­kwergs“ oben genannte Ämter bestallt werden sollen. Vgl. Berg­ordnung 1589, § 3. 127 Vgl. zu den Funktionen der Berg­beamten Laube: Silberbergbau, S. 54 ff.

68

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

jeweiligen Berg­amt identisch war.128 Der Amtmann war häufig adliger Abstam­ mung und mit den Gegebenheiten des Berg­baus vertraut.129 Als Repräsentant des Landesherrn vor Ort war er sowohl für städtische als auch für montanwirt­ schaftliche Belange zuständig.130 Er stand über der lokalen Berg­verwaltung und übte im Namen des Landesherrn die Oberaufsicht über den Berg­bau aus. Damit hatte er die oberste Befehlsgewalt vor Ort inne. So sollte laut § 2 der Annaberger Berg­ordnung 1509 „einen tuglichen heubtman an unser stadt“ eingesetzt werden, der sicherstellen sollte, dass „an unßer stadt vleissigk auffsehen, das fried, gerech­ tigkeit und dieße unser ordnung unverbruchlich gehalden“.131 Dazu gehörte er die Überwachung der Einhaltung des Berg­rechts und der Berg­ordnungen sowie der Amtsführung des Berg­meisters.132 Darüber hinaus hatte der Amtmann dem Landesherrn regelmäßig über den Zustand des Berg­baus Bericht zu erstatten. Zusammen mit dem Berg­meister nahm er zudem die vierteljährliche Abrech­ nung des Zehnten und der einzelnen Gruben ab. Unter dem Amtmann stand der Berg­meister, der für die technischen, recht­ lichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten aller Gruben in seinem Revier zuständig war.133 Das Amt gehört zu den ältesten im Berg­bau und lässt sich bereits im mittelalterlichen sächsischen Berg­recht nachweisen.134 Der Berg­ meister sollte „Macht und Gewalt haben, auff den Gepirgen, so inen bevolhen seind, nach Ausweisung bergleufftiger weise, vnd der Berg­k-Rechts, auf alle

128 Allgemein für Sachsen vgl. Blaschke: Zur Behördenkunde der kursächsischen Lokalver­ waltung, S. 345–363, bes. S. 349–351. Zum adligen Amtmann vgl. Volkmar: Reform statt Reformation, S. 57–59 sowie Schirmer: Herrschaftspraxis, S. 305–378, bes. S. 340. 129 Zur Funktion des Amtmannes vgl. auch Laube: Silberbergbau, S. 54 ff. sowie Hoppe: Sil­ berbergbau, S. 33. 130 Vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, § 3, § 4, § 9, § 15, § 26, § 30, § 36, § 38, § 45, § 47, § 50, § 51, § 53, § 54, § 58, § 70, § 87, § 90, § 93, § 96, § 97. 131 Vgl. ebd., § 2. Zur Annaberger Berg­ordnung vgl. Schirmer: Annaberger Berg­ordnung, S. 213–228 sowie Laube: Der Weg der Annaberger Berg­ordnung von 1509, S. 161–185. 132 Zudem stellte der Amtmann zusammen mit dem Berg­meister die lokalen Berg­beamten ein. Die Überprüfung der Amtsführung und der Register der Schichtmeister, also der Aufseher über einzelne Gruben, lag ebenfalls in seinem Aufgabenfeld, wie auch die Aufsicht über das Hüttenwesen und die Ausübung der Policeygewalt. Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 54 ff. sowie Hoppe: Silberbergbau, S. 33. 133 Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 55. Vgl. zudem Annaberger Berg­ordnung 1509, § 4–8, § 12, § 14, § 15, § 21, § 24–30, § 32, § 36, § 38, § 47, § 50, § 54, § 58, § 62, § 80, § 87, § 89, § 90, § 92, § 93, § 96, § 97, § 100–102. 134 Vgl. Freiberger Berg­recht A, § 7, in: CDS II 13/2, S. 267–276.

Behördengeschichte der sächsischen Berg­verwaltung

69

Metall-­Berg­kwergk zuvorleihen“.135 Neben der Mutung und Verleihung von Grubenfeldern und der Ausstellung der Mutzettel musste er den korrekten Ablauf des Grubenbetriebes durch regelmäßiges Einfahren in die Zechen kon­ trollieren und dem Landesherrn über den Zustand der Zechen berichten. Der Berg­meister sollte die Einhaltung der Berg­ordnungen sowohl in den Zechen als auch in der lokalen Berg­verwaltung überwachen und nahm in Konfliktfällen auch gerichtliche Funktionen wahr. Zusammen mit dem Amtmann setzte er die Schichtmeister, Markscheider und Probierer ein und besaß auch das Recht, diese zu entlassen. Ebenfalls zusammen mit dem Amtmann war er für die Kon­ trolle und Abnahme der Berg­rechnungen, der vierteljährlichen Abrechnungen der Schichtmeister, zuständig. Zudem mussten Gedinge, also Akkordarbeit, etwa zum Vorantreiben eines Stollens, von ihm genehmigt werden. Daneben kontrollierte er zusammen mit dem Berg­schreiber die Führung der Berg­bücher, in die Verträge, Schiede und Verleihungen eingetragen wurden. Er war für die Ausstellung der Zubußbriefe zuständig und konnte Zechen in das sogenannte „Retardat“ fallen lassen. In das Retardat fielen jene Kuxe, deren Zubuße nicht innerhalb einer festgelegten Frist bezahlt wurden und deren Besitzer noch eine letzte Frist bekamen, bevor sie ihre Anteilsrechte verloren und die Kuxe wieder zum Verkauf ausgeschrieben wurden.136 Wie sich an diesem breiten Spektrum an Tätigkeiten deutlich ablesen lässt, war der Berg­meister in alle Aspekte des lokalen Berg­baus eingebunden und einer der wichtigsten Posten vor Ort. Ihm zur Seite standen die Berg­geschworenen, die ihn bei der Ausübung sei­ ner Dienstpflichten unterstützten.137 Sie waren ihm zu Gehorsam verpflichtet und nahmen an bergrechtlichen Verfahren wie dem Verleihtag teil, fuhren im Auftrag des Berg­meisters regelmäßig in die Zechen ein und überprüften deren Zustand für eventuelle Neuaufnahmen. Sie hatten die Einhaltung von vom Berg­ meister genehmigten Gedingen zu überprüfen und waren bei der Schlichtung von Konflikten als neutrale Schiedsinstanz tätig. Ebenfalls dem Berg­meister unterstellt waren die Berg­- und Gegenschreiber,138 die für das montanwirtschaftliche Rechnungswesen zuständig waren. Der Berg­ schreiber sollte Bücher über alle rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte des Berg­baus führen, vor allem das Berg­- und Gegenbuch, aber auch Aufzeichnun­ gen über Schiede und Verträge, Fristen, Steuern, die Verleihung von Maßen in 135 Annaberger Berg­ordnung 1509, § 5. 136 Vgl. Art. Retardat, in: Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, S. 378. 137 Vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, § 2, § 7, § 8, § 12, § 21, § 26, § 29–32, § 45, § 87, § 92. 138 Vgl. ebd., § 10, § 12, § 14, § 18, § 19, § 45, § 50, § 58.

70

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Fundgruben oder unverlegte Kuxe (Retardate). Fielen Kuxe ins Retardat, dann hatte der Gegenschreiber diese aus dem Gegenbuch zu streichen, in dem die Gewerken mit ihrem Kuxbesitz verzeichnet waren. Neben diesen Posten, die sich auf den Grubenbetrieb bezogen, trat als ranghöchster lokaler Berg­beamter der Zehntner,139 der das Silber und alle landes­ herrlichen Einnahmen am Berg­bau verwaltete. Ihm zur Seite stand die Hütten­ verwaltung in Form des Hüttenreuters und des Hüttenschreibers. Während der Hüttenschreiber für die Buchhaltung der Hütten zuständig war, fiel die Kont­ rolle des Hüttenwesens unter die Aufgaben des Hüttenreuters. Ebenfalls Teil der Berg­verwaltung waren die Schichtmeister und Steiger, die zugleich eine Sonderstellung einnahmen. Denn diese Amtsträger wurden von den Gewerken einer Grube nominiert und mussten vom Berg­meister und dem Amtmann beziehungsweise Hauptmann lediglich bestätigt werden.140 Den Schichtmeistern oblag die Verwaltung der einzelnen Zeche. Sie zahlten von dem Geld der Gewerken die anfallenden Steuern und Löhne der Berg­arbeiter und Handwerker aus, kauften Materialien ein und rechneten im sogenannten Anschnitt wöchentlich die Produktionskosten und Einnahmen der Zeche ab. Auf dieser Grundlage wurden vierteljährlich die Berg­rechnungen abgehalten und die Produktionskosten für das kommende Quartal berechnet. Die Steiger unterstanden den Schichtmeistern und waren für die Kontrolle der Berg­arbeiter, die Ausgabe von Eisen und Unschlitt und die Einhaltung der Arbeitsschichten zuständig.141 Diese Ämter bildeten den Kern jedes lokalen Berg­amtes. Sie hatten sich spätes­ tens mit der Annaberger Berg­ordnung von 1509 herausgebildet, wenngleich das Berg­amt bis ins 17. Jahrhundert hinein ständigen Ergänzungen unterworfen war und die Anzahl der besetzten Ämter variieren konnte.142 Der Schmerer, Stemler oder der Bulgensegler finden sich etwa ausschließlich im Freiberger Revier des frühen 16. Jahrhundert.143 Dennoch lässt sich eine Tendenz zur Standardisie­ rung der Amtsbezeichnungen und Zuständigkeiten feststellen. Während sich diese relativ einfache Verwaltungsstruktur bereits in dem ­ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts etabliert hatte, bildete sich unter Her­ zog beziehungsweise Kurfürst Moritz seit den 1540er Jahren neben den lokalen 139 Vgl. ebd., § 2, § 45, § 49, § 60, § 61, § 63, § 70–72. 140 Vgl. ebd., § 15, § 34, § 36–50, § 54–56, § 58, § 60–62, § 68–72. 141 Vgl. ebd., § 15, § 34, § 36, § 40, § 42, § 46, § 80–82. 142 Vgl. Schirmer: Entwicklung, S. 152 ff. 143 Vgl. hierzu Kaden: Leipziger Teilung, S. 164 ff.

Behördengeschichte der sächsischen Berg­verwaltung

71

Berg­ämtern mit dem ‚Oberbergamt‘ eine mittlere Verwaltungsinstanz heraus, die intermediär zwischen dem lokalen Berg­revier und dem Landesherrn stand.144

2.2 Das ‚Oberbergamt‘ Ein wichtiger Wendepunkt im sächsischen Berg­bau war der Schmalkaldische Krieg und die Übertragung der Kurwürde auf Moritz von Sachsen.145 Die kurze Regierungszeit von Moritz von Sachsen war mit einigen tiefgreifenden adminis­ trativen Veränderungen des Montanwesens verbunden (der nun ausschließlich durch die Albertiner verwaltet wurde), die unter August von Sachsen fortge­ führt wurden.146 Neben der Münzreform 1542 und der Einrichtung des Gebir­ gischen Kreises mit dem Kreishauptmann Heinrich von Gersdorff 1547 ist für den Berg­bau vor allem die Einrichtung einer mittleren Verwaltungsinstanz von zentraler Bedeutung.147 Betrachtet man die Entwicklung von ihrem Ende her, dann ist die Sache recht einfach: Nachdem sich mit der Annaberger Berg­ordnung 1509 das lokale Berg­ amt ausgebildet hat, kam in den 1540er Jahren eine zweite, intermediäre Verwal­ tungsinstanz hinzu, das ‚Oberbergamt‘, das zwischen dem Landesherrn und der Finanzverwaltung auf der einen und dem lokalen Berg­amt auf der anderen Seite stand. Untersucht man jedoch die Entwicklung der mittleren Berg­verwaltung im Detail, dann stellt sich schnell eine gewisse Frustration ein. Während die Beschreibung der lokalen Berg­ämter bei aller lokalen Varianz relativ einfach von der Hand geht, verweigert sich diese Verwaltungsstruktur im 16. Jahrhun­ dert hartnäckig einer behördenkundlichen Beschreibung. Die durchwachsene Forschungslage ist dabei nur bedingt hilfreich.148 Die Schwierigkeiten beginnen 144 Wenn im Folgenden vom ‚Oberbergamt‘ gesprochen wird, dann dient dies ausschließlich der sprachlichen Vereinfachung. Der Begriff setzt sich erst im Laufe des 17. Jahrhunderts durch und ist daher in gedachte Anführungsstriche zu setzen, da er für das 16. Jahrhundert das Vorhandensein einer ausgeprägten Behördenstruktur suggeriert, die es in dieser Form nicht gegeben hat. 145 Zu Herzog Moritz vgl. einführend Rudersdorf: Moritz von Sachsen, S. 15–39. 146 Siehe hierzu grundlegend Kaden: Die Berg­verwaltung im albertinischen Sachsen, S. 36–46. 147 Vgl. zur Einrichtung des Gebirgischen Kreises Wetzel: Der Erzgebirgische Kreis, S. 33–44; Kötzschke: Die Landesverwaltungsreform im Kurstaat Sachsen. 148 Die zentralen Arbeiten sind immer noch Kaiser: Die oberste Berg­verwaltung und Lorenz: Die Berg­verwaltung Kursachsens und Kaden: Die Berg­verwaltung des albertinischen Sach­ sen; ders.: Herausbildung sowie ders.: Die Berg­verwaltung Freibergs. Zugleich finden

72

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

bereits bei der Frage nach der Bezeichnung dieser Verwaltungseinheit. Wenn­ gleich bereits seit 1548 die Bezeichnung „oberampt vnd befelhsleutten“ vereinzelt in den Akten zu finden ist, etabliert sich die Bezeichnung ‚Oberbergamt‘ erst im 17. Jahrhundert.149 Üblicher war hingegen die unspezifische Bezeichnung ‚Berg­amtleute‘, wobei hierunter bisweilen auch Amtsträger aus dem lokalen Freiberger Berg­amt fielen. Im Gegensatz zu den lokalen Berg­ämtern, die über die jeweilige Berg­stadt definiert wurden, wurde die mittlere Berg­verwaltung im 16. Jahrhundert eher über Personen konzipiert. Eine Ursache hierfür ist der im Vergleich zum lokalen Berg­amt sehr geringe Formalisierungsgrad, der sich nicht zuletzt daran zeigt, dass bis ins 17. Jahrhundert Amtsbezeichnungen, Zuständig­ keiten und Hierarchien dieser Verwaltungsebene im permanenten Fluss waren. Daneben ist die zeitliche Verortung des ‚Oberbergamts‘ kontrovers: Begann die Geschichte einer intermediären Instanz mit der Münzordnung Herzog Moritz’ von 1542,150 mit der Kreiseinteilung von 1547 und der Bestallung eines Haupt­ manns für den Gebirgischen Kreis,151 oder aber ist von keinem konkreten Datum auszugehen, sondern von einem seit den 1540er Jahren einsetzenden Prozess?152 Doch auch jenseits der in der lokalen Forschung mit einigem Furor diskutierten Frage nach dem konkreten Gründungsdatum ist es ein schwieriges Unterfangen, die Entwicklung der mittleren Berg­verwaltung adäquat zu beschreiben. Plausibel ist vielleicht folgende vereinfachende Sicht: Die mittlere Berg­ verwaltung entwickelte sich in zwei Phasen beziehungsweise lässt sich genea­ logisch aus zwei unterschiedlichen Verwaltungskontexten herleiten. Zunächst etablierte sich in den 1540er Jahren ein Verwaltungszweig, bestehend aus dem Oberbergmeister, dem Berg­werksverwalter, dem Berg­amtsverweser und dem Berg­vogt, der administrativ über dem lokalen Berg­amt stand.153 Wichtige Bau­ steine sind die Bestallung Simon Bogners zum Berg­vogt um 1546/47 und die sich mehrere Arbeiten, die vor allem im Jubiläumskontext des Oberbergamts entstanden sind, die jedoch weder auf eigener Forschungsarbeit basieren noch im Detail immer den Ansprüchen geschichtswissenschaftlicher Arbeiten entsprechen. Siehe etwa Fischer: 400 Jahre Sächsisches Oberbergamt; Schmidt: Die ältere Geschichte des Oberbergamtes. 149 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 180a. 150 Vgl. Blaschke: Die Ausbreitung des Staates in Sachsen, S. 46; Fischer: 400 Jahre Sächsi­ sches Oberbergamt, S. 143; Kasper: Freiberg – Berg­hauptstadt Sachsens: 450 Jahre Ober­ bergamt, S. 221; Schmidt: Die ältere Geschichte des Oberbergamtes, S. 220–227. 151 Vgl. Hoheisel: Adel und Berg­bau. 152 Vgl. Kaden: Herausbildung. 153 Seit den frühen 1580er Jahren finden sich nur noch der Oberbergmeister und der Berg­ werksverwalter. Vgl. ebd., S. 54.

Behördengeschichte der sächsischen Berg­verwaltung

73

Bestallung Hans Röhlings zum Amtsverweser in Annaberg, der auch Marien­ berg, Freiberg und andere Berg­städte verwalten sollte. Die Einrichtung dieser Ämter lässt sich als erster Impuls lesen, eine regional agierende Verwaltungs­ einheit zu schaffen, die über dem lokalen Berg­amt und unter der Aufsicht der Landesregierung stand.154 Die Ursprünge dieses Verwaltungszweiges lagen in der bereits geschilderten Binnenhierarchisierung der lokalen Berg­ämter. So stellt das Amt des Oberberg­ meisters eine Weiterführung der seit den 1520er Jahren bestehenden Sonder­ stellung des Annaberger Berg­meisters dar.155 Seinen Sitz sollte er auch weiter­ hin in Annaberg haben.156 Die übrigen Posten der mittleren Berg­verwaltung (Berg­werksverwalter, Berg­amtsverweser, Berg­vogt) sollten hingegen in Freiberg residieren.157 Diese Ämter, deren Zuständigkeitsbereiche nur marginal vonein­ ander abwichen, waren mit der Kontrolle der technischen und wirtschaftlichen Aspekte aller Reviere des Erzgebirges beauftragt: Sie standen in engem Austausch mit den lokalen Funktionsträgern, fuhren regelmäßig in die Zechen ein und gaben Empfehlungen für bergbauliche Entscheidungen. Zudem überprüften sie eingehende Bittgesuche von Gewerken, überwachten die Einhaltung der Berg­ordnungen und waren an der vierteljährlichen Kontrolle der Abrechnung der Zechen beteiligt. Während sich die niederen Posten des Oberbergamts also aus dem lokalen Berg­bau entwickelten, war die Etablierung der höheren Posten der mittleren Berg­verwaltung eng an die Einrichtung der sächsischen Kreise unter Herzog Moritz im Jahr 1547 gebunden.158 Die fünf Kreise, denen jeweils ein Ober­ hauptmann vorstand, waren neben der Einnahme und Verwaltung von Steuern vor allem für die Landesdefension und das Militär sowie die Überprüfung und 154 Vgl. Kaden: Die Berg­verwaltung im albertinischen Sachsen, S. 36–46. 155 Vgl. Kaden: Die Berg­verwaltung Freibergs, S. 31. 156 Vgl. Kaiser: Die oberste Berg­verwaltung, S. 257. Vgl. auch die Bestallung von Christoph Werner zum Oberbergmeister vom 7. März 1582, in der ihm zugestanden wird, in Annaberg wohnhaft zu sein. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 1a–3a, bes. fol. 2b. Die gleiche Bestallung erhielt auch Werners Nachfolger David Greuß 1582 und dessen Nachfolger Christoph Wolf Petzold 1590, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 7a–9a, fol. 10a–13a. 157 Wie bei dem Oberbergmeister war auch für den Berg­werksverwalter der Wohnort in der Bestallung festgelegt, vgl. etwa die Bestallung von Paul Steiger zum Berg­werksverwalter, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 8a–11b, hier fol. 10b. 158 Vgl. hierzu Schwab: Der Leipziger Kreis 1547–1835, S. 17–37.

74

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Kontrolle der Straßen zuständig.159 Für den Leipziger Kreis konnte Irina Schwab zeigen, dass der Oberhauptmann über keinen personellen Stab verfügen konnte, sondern als ‚Ein-Mann-Behörde‘ agierte, weshalb seine Tätigkeit stark von der jeweils bestallten Person abhing.160 Unter Kurfürst August verlor der Leipziger Kreis als Verwaltungseinheit ab der Mitte des 16. Jahrhunderts an Bedeutung, was sich bis ins 17. Jahrhundert fortsetzt. Eine andere Entwicklung nahm der Gebirgische Kreis, in dessen Einzugsbereich fast alle sächsischen Berg­reviere lagen. Die Zuständigkeit des 1555 bestallten ersten Oberhauptmanns Heinrich von Gersdorff umfasste noch das Defensionswesen, die Kontrolle der Amtleute und Schösser, das Straßenwesen und zudem die Kontrolle über die Berg­sachen.161 Unter Kurfürst August wurde dieses Amt konsequent auf den Berg­bau ausge­ richtet. Ab 1558 stellte der Berg­hauptmann als Stellvertreter des Landesherrn die zentrale Kontrollinstanz für alle Berg­reviere im albertinischen Sachsen dar. Seit 1577 standen an der Spitze des sächsischen Berg­baus zwei Ämter: der Berg­hauptmann und ihm hierarchisch untergeordnet der Berg­amtmann. Aber auch hier zeigt sich erneut die Schwierigkeit, diese mittlere Berg­verwaltung angemessen zu beschreiben. So changierte die Bezeichnung des ranghöheren Berg­hauptmanns zwischen Hauptmann, Berg­hauptmann und Oberberghaupt­ mann, während der Berg­amtmann innerhalb einer Bestallung durchaus auch als ‚Berg­hauptmann‘ bezeichnet werden konnte. Dieser schon terminologisch fassbare geringe Formalisierungsgrad zeigt sich auch an den überlappenden Zuständigkeiten einzelner Amtsträger. Diese umfassten im Wesentlichen die Kontrolle des lokalen Berg­baus und des Hütten­ wesens. So sollten der Berg­hauptmann und der Berg­amtmann als Stellvertreter des Landesherrn ganz allgemein den Gemeinen Nutzen des Berg­baus fördern (eine bergbauspezifische Variation des Gemeinen Nutzens, auf die später noch eingegangen wird)162. Sie sollten die Einhaltung der Berg­ordnung überwachen und die Amtsführung der lokalen und mittleren Berg­verwaltung kontrollie­ ren. Zudem durften sie Bestallungsvorschläge einreichen, den Landesherrn bei der Rechnungslegung repräsentieren und als übergeordnete Instanz Konflikte schlichten. Sie sollten in regelmäßigem Austausch mit dem Landesherrn und 159 Vgl. ebd., S. 19 f. 160 Ebd., S. 20. 161 Vgl. den Bestallungsbrief von Heinrich von Gersdorff vom 29. September 1555, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 1a–6b. 162 Vgl. Kap. C.1.5 (Die Berg­verwaltung als formale Organisation: Mitgliedschaft, Zwecke und Hierarchien).

Behördengeschichte der sächsischen Berg­verwaltung

75

den Berg­- und Kammerräten stehen und Berichte über den Zustand der Berg­ werke, der Berg­verwaltung und des Hüttenwesens nach Dresden schicken. Ihre Funktion war neben der Repräsentation des Landesherrn also die Kontrolle der lokalen Berg­ämter und die Herstellung eines regelmäßigen Informationsflusses zwischen den Verwaltungsebenen. Vergleicht man beide Verwaltungsebenen – die lokale und die ‚mittlere‘– in Bezug auf den Grad an Formalisierung, dann zeigen sich also deutliche Unter­ schiede: Im lokalen Berg­bau bildete sich um 1500 ein Idealtyp des Berg­amts aus, der sukzessive in den Berg­städten implementiert wurde. Bereits im Zuge des zweiten Berg­geschreys hatte eine stärkere Differenzierung unterschiedlicher mon­ tanwirtschaftlicher Tätigkeitsfelder eingesetzt, die zur Etablierung funktional voneinander getrennter und hierarchisch aufeinander bezogener Ämter führte. Im frühen 16. Jahrhundert ist von einer größeren lokalen Varianz an Posten und Amtsbezeichnungen auszugehen. Im Laufe des ersten Drittels des 16. Jahrhun­ derts kam es aber zu einer zunehmenden Standardisierung von Ämtern in den verschiedenen Revieren, so dass sich die Personalstruktur in den einzelnen Berg­ ämtern zunehmend aneinander anglich. In der mittleren Berg­verwaltung kann hingegen viel weniger von Standardisierung und Formalisierung die Rede sein. Auffällig sind also als Ausgangsbeobachtung die unterschiedlichen Formali­ sierungsgrade von lokalem Berg­amt und mittlerer Berg­verwaltung. Der lokale Berg­bau bildete formale Regeln aus, die durch die Berg­ordnungen schriftlich fixiert und öffentlich gemacht wurden – ein Thema, das später noch einmal in größerer Breite diskutiert wird. Zudem findet sich sehr frühzeitig eine funktio­ nale Differenzierung zwischen unterschiedlichen Ämtern, deren Zuständigkeiten, Kompetenzen und Hierarchien ebenso wie die Diensteide in den Berg­ordnungen fixiert wurden. Montanwirtschaftliche Aufgaben wurden sachlich voneinander getrennt und in vorhersehbaren Routinen behandelt, wobei ein Großteil der administrativen Tätigkeiten schriftlich dokumentiert wurde. Dafür wurden unterschiedliche Dokumenttypen verwendet, deren Unterscheidung wiederum nach sachlich abgegrenzten Aufgabenbereichen erfolgte. Im Gegensatz dazu waren in der mittleren Berg­verwaltung die Tätigkeitsfelder kaum voneinander getrennt, und auch Amtsbezeichnungen variierten über das gesamte 16. Jahr­ hundert hinweg. Zwar bildeten sich Verwaltungsroutinen aus, diese wurden jedoch nicht schriftlich fixiert. Ebenfalls finden sich keine Bemühungen, die Tätigkeit der mittleren Berg­verwaltung in sachlich voneinander getrennten Geschäftsbüchern zu dokumentieren. Die einführende Skizze der Behördengeschichte zeigt, dass ein klassi­ scher behördenkundlicher Ansatz nicht ausreicht, um die Entwicklung der

76

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Berg­verwaltung und ihre Formalisierungsprozesse zu untersuchen. Denn bei der hier gelieferten Skizze handelt es sich in hohem Maße um einen Idealtypus, wobei sich die Beschreibung des lokalen Berg­amts eng an die Bestimmungen der Berg­ordnungen anlehnte. Dieses Vorgehen hat eine gewisse Tradition. Auf Grund ihrer detaillierten Beschreibung administrativer Verfahren und Zustän­ digkeiten von Amtsträgern werden Berg­ordnungen häufig herangezogen, um den Aufbau und die Funktionsweise von Berg­verwaltungen zu beschreiben.163 Sie geben, so etwa Herbert Kaden, einen „zuverlässigen Einblick in den Auf­ bau und die Funktionsweise der Berg­verwaltung“,164 während nach Uwe Schir­ mer „eine montanwissenschaftliche und verfassungsrechtliche Interpretation aller Ordnungen nach streng hermeneutischen Prinzipien die Ausbreitung und Verformung des Direktionsprinzips beispielhaft erklären und aufzeigen“ kann.165 Zwar betont Schirmer an anderer Stelle, dass Berg­ordnungen immer nur einen Idealzustand widerspiegeln und die „historische Realität“ durch eine komplexe Gemengelage von Lohnarbeit, Kapital und Regalherrschaft geprägt sei. Dadurch, so Schirmer, werde der Quellenwert der Berg­ordnungen für die Geschichte der sächsischen Berg­verwaltung jedoch nicht geschmälert.166 Trotz dieser Differenzierungen sind Berg­ordnungen, so die einhellige Meinung, also hervorragende Quellen, um einen Einblick in das tatsächliche Funktionieren der Berg­verwaltung zu gewinnen. Der Quellenwert der Berg­ordnungen soll gar nicht in Abrede gestellt wer­ den. Für zahlreiche Bereiche ist es unerlässlich, auf Informationen aus den Berg­ordnungen zurückzugreifen. Gegenüber dem beschriebenen typischen Umgang mit diesen Quellen ist aber eine gewisse Skepsis angebracht. So wurde in den Berg­ordnungen nicht ‚die‘ Berg­verwaltung normativ geregelt, sondern 163 So beziehen sich etwa die Arbeiten von Schirmer: Direktionsprinzip; Henschke: Landes­ herrschaft und Berg­bauwirtschaft; Dietrich: Untersuchungen zum Frühkapitalismus oder Kaden: Leipziger Teilung im Wesentlichen auf Berg­ordnungen und setzen die Bestimmun­ gen der Berg­ordnungen mehr oder minder gleich mit der tatsächlichen Ausgestaltung von Verwaltung. Nach Heiner Lück waren die frühneuzeitlichen Berg­ordnungen ein wichtiger Baustein für die Ausgestaltung des Direktionsprinzips, da sie im Unterschied zum spätmit­ telalterlichen Berg­recht zunehmend die Stellung, Befugnisse und Abhängigkeitsverhältnisse der landesherrlichen Berg­beamten reglementierten. Vgl. Lück: Art. Berg­recht, Berg­regal. Hier ist jedoch anzumerken, dass die Reglementierung von Verwaltung bereits in den spät­ mittelalterlichen Berg­ordnungen ein wichtiger Baustein des Berg­rechts war. Vgl. Pfeifer: Ius regale montanorum, bes. S. 55 ff. 164 Kaden: Leipziger Teilung, S. 157. 165 Schirmer: Direktionsprinzip, S. 154. 166 Vgl. Schirmer: Annaberger Berg­ordnung, S. 223.

Behördengeschichte der sächsischen Berg­verwaltung

77

lediglich gewisse Bereiche. Über die mittlere Berg­verwaltung schweigen die Berg­ordnungen bis auf wenige, allgemeine Aussagen fast vollständig. Und auch im lokalen Berg­amt zeigt sich, ich greife hier auf spätere Befunde vor, dass zahlreiche administrative Tätigkeiten nicht formal geregelt waren, sondern auf Routinen basierten, die ebenfalls nicht in den Berg­ordnungen abgebildet wurden.167 Die Berg­ordnun­g en liefern also bestenfalls ein sehr selektives Bild von der Berg­verwaltung. Grundsätzlicher noch wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass man nicht gut daran tut, Organisationen mit ihren formalen Regeln gleichzusetzen.168 Dies ist vielleicht eine spezifische Ausprägung des generelleren Problems des Hiatus von Norm und Praxis.169 Organisationen haben nicht nur eine formale Seite, die auf schriftlich fixierten Regeln und Normen basiert, sondern auch eine informelle Dimension, die außeradministrative, soziale Faktoren mit einbezieht.170 Die aus­ schließliche Fokussierung auf die schriftlich fixierte Regel reicht also nicht aus, um die sächsische Berg­verwaltung zu verstehen. Entsprechend muss ein alterna­ tiver Weg gefunden werden, um dem Anspruch Uwe Schirmers auf eine „streng hermeneutische“ Auswertung der Berg­ordnungen gerecht zu werden. Diese Arbeit geht davon aus, auch hier bereits ein Vorgriff auf spätere Abschnitte, dass Berg­ordnungen verschiedene Funktionen für die Berg­verwaltung einnahmen. Um diese Funktionen besser herausarbeiten zu können, ist es wenig hilfreich, mit den Bestimmungen der Berg­ordnungen zu beginnen, um davon ausgehend dann Irregularitäten oder Abweichungen zu kartieren.171 Vielmehr nahmen, so wird zu zeigen sein, formale Regeln gewisse Funktionen für die Strukturierung des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Umwelt ein.

167 Vgl. Kap. C.3 (Administrative Praktiken). 168 Vgl. Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 7. 169 Vgl. hierzu Dinges: Normsetzung; Landwehr: Rhetorik. 170 Vgl. hierzu Emich: Formalisierung des Informellen (2008), S. 150 f. 171 Ähnlich auch Näther: Pragmatismus.

3. Die Finanzierung des Berg­baus

Wirtschaftliches Handeln war im Berg­bau an gemeinwohlorientierte Normen und Leitwerte gekoppelt. Jede Tätigkeit des Landesherrn und der Berg­verwaltung sollte der Förderung des Gemeinen Nutzens der Berg­werke dienen. Darunter ist eine besondere Ausformung des allgemeinen Gemeinnutz-Topos zu verste­ hen, die typisch für vormoderne Berg­bauregionen und Berg­verwaltungen ist.172 Rohstoffvorkommen und daraus resultierende florierende Berg­werke wurden als göttliche Gaben angesehen, aus denen eine gewisse Verantwortung resultierte. Dem Fürsten als Inhaber des Regalrechts oblag die Ausbeutung dieser göttli­ chen Gaben im Sinne des Gemeinwohls. Dieses bestand aus zwei gleicherma­ ßen berechtigten und sich wechselseitig bedingenden Komponenten: Auf der einen Seite standen die Partikularinteressen des Landesherrn am Berg­werk in Gestalt der Mehrung des landesherrlichen Zehnten, auf der anderen Seite aber die finanziellen Interessen der Gewerken. Der Gemeine Nutzen des Berg­baus beschrieb „in komprimierter Form die Interessen des Landesfürsten an der Opti­ mierung seiner Einkünfte aus dem Berg­bau und der Berg­bauunternehmer und der Berg­verwandten am Florieren ihres Wirtschaftssektors“.173 Partikularinte­ ressen standen im Berg­bau gemeinwohlorientierten Werten also nicht antago­ nistisch gegenüber, sondern beide waren eng miteinander verwoben: Was dem gemeinen Nutzen der Berg­werke förderlich war, diente sowohl der Mehrung des landesherrlichen Zehnten als auch den finanziellen Interessen der Gewer­ ken. Beide Partikularinteressen bedingten einander und führten im besten Fall zu einer Mehrung des Gemeinen Nutzens der Berg­werke.174 Insofern ist Uwe 172 Bereits im Ius Regale Montanorum findet sich prominent die Verknüpfung zwischen Ge­ meinwohltopoi und Berg­bau. Dadurch erhielten, so Guido Pfeifer, „gleichsam parallel zur Konkretisierung allgemeiner Topoi umgekehrt die bergbau- und damit tatsachenorientierten Motive durch die Kombination mit allgemeinen Begriffen einen Aspekt der Generalisierung […]“. Pfeifer: Ius regale montanorum, S. 35. Zum Gemeinen Berg­baunutzen siehe auch Schennach: Gesetz und Herrschaft, S. 444 ff. sowie S. 673 ff. Die Literatur zum Gemei­ nen Nutzen ist inzwischen kaum noch zu überschauen. Klassisch hierzu Schulze: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. 173 Schennach: Aushandeln von Gesetzen, S. 209. 174 Ähnliche Argumente finden sich auch im Sprechen über Eigentum. Hier erhielten individu­ elle Rechtsansprüche auf Eigentumsschutz durch Referenzen auf den Gemeinen Nutzen eine besondere Legitimationsgrundlage. Eigentumsinteressen wurden als „mit dem Gemeinwohl

Die Finanzierung des Berg­baus

79

Schirmer nur bedingt zuzustimmen, wenn er argumentiert, dass „Gemeinnutz […] vor Eigennutz [ging], wenngleich die Landesherrschaft davon am stärksten profitierte“,175 wobei er mit ‚Eigennutz‘ die finanziellen Interessen der Gewer­ ken umschreibt. Aus dem Berg­bau gewonnener Reichtum wurde im Rahmen eines christlichen Tugenddiskurses positiv konnotiert. Sichtbar wird dies etwa an einer undatier­ ten ‚Berg­reihe‘, einer populären bergmännischen Liedform, der „Regul oder Richtschnur eines Christlichen Berg­kmans“: Ders Berg­kwerck will Gelücklich bawn / Der muß den Lieben Gott vertrawn niemand kann sehn durch (holz) vnd stein / Der Segen Gottes thuts allein Gott kann ia segnen, kann auch straffen / Seinen freunden giebt er das Ihr im Schlaffn wann wier darvor am Wenigsten Sorgen / So kömpt Gott offt am früsten morgen Vnd wirdfft ein Patzen Ertz herein / Das das Hertz lacht im leibe dein Drümb laß du sorgen Gottes Gnad / Beht vnd arbeite frü vnd spat So wird’s mit dier Glück sehlig stahn / wirst werden ein Christlich Reicher Berg­kman Harstu dann Ertz vnd hebst Ausbeut / Gieb Gott die Ehr, bedenck arme Leut Der Kirchn vnd Schul vergiß ia nit / Theil Ihr von deiner Ausbeut (Theile) mit So wirdt das Ertz inder Grub sich mehren / So wirstu Gott im Himmel ehren vnd auch also dem Negsten dienen / Reichthumb mit gutten Gewißen gewinnen Silber vnd Ausbeut Golt gebrauchen recht / Laß andere sein des Mammons Knecht Schaff dier hier Schätz mit gutten Gewißn / Der du im Himmel dort kannst genießen.176

Reichtum und Gewinnstreben wurden in dieser Berg­reihe begrüßt, solange sich der Gewerke nicht zu „Mammons Knecht“ machte, sondern sein Wirt­ schaftshandeln mit christlichen Tugenden wie Nächstenliebe, Freigiebigkeit und Frömmigkeit verband. Die Deutung des frühneuzeitlichen Berg­baus changierte zwischen „Verlangen nach Reichtum und Furcht vor dem finanziellen Scheitern“, aber beides war engstens mit einem christlichen Tugenddiskurs verzahnt.177 Schlaglichtartig wird hier deutlich, dass Wirtschaft, wie andere gesellschaftliche Bereiche auch, „durch spezifische Erwartungszusammenhänge gekennzeichnet“ ist, „aus denen sich Vorgaben, Ideale und Angemessenheitskriterien ableiten las­ sen“.178 Um sich der wirtschaftlichen Dynamik des Berg­baus zu nähern, reicht es konvergent oder dem öffentlichen Interesse förderlich postuliert“. Vgl. Carius: Transfor­ mierte Eigentumskonflikte, S. 429–452, hier S. 448. 175 Vgl. Schirmer: Direktionsprinzip, S. 158. 176 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36076, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0596, fol. 139a. 177 Asmussen: Glück auf, S. 37. 178 Hasse/Krücken: Neo-Institutionalismus, S. 50.

80

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

daher nicht aus, sich ausschließlich aus einer sozialgeschichtlichen Perspektive mit dem Investitionsverhalten der Gewerken zu beschäftigen. Allein aus dem Vorhandensein von Gewerken oder der Anzahl ihrer Kuxe lassen sich kaum prä­ zisere Vorstellungen von der wirtschaftlichen Dynamik des Berg­baus ableiten. Der vormoderne Berg­bau als Wirtschaftsbereich war vielmehr eingebettet in ein komplexes Geflecht an Ordnungsvorstellungen und Sinnzuschreibungen, das Aus­ wirkungen auf die Ausgestaltung der Berg­verwaltung hatte und nicht einfach als moralistisches Deckmäntelchen oder wirtschaftsferner kultureller Überbau abge­ tan werden kann.179 Dieser Ansatz wird in dieser Arbeit eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Dennoch soll zunächst in einer ersten Annäherung relativ konven­ tionell untersucht werden, welche Wirtschafts- und Finanzierungsformen sich im Berg­bau ausbildeten und welche Informationen wir über die Investoren haben.

3.1 Gewerkschaften und das Kuxsystem Berg­bau basierte auf unterschiedlichen Finanzierungssystemen. Die einfachste Finanzierungsform stellte die sogenannte Fundgrube dar.180 Hier schürften Berg­männer vor allem in der oberflächennahen Verwitterungszone nach neuen Erzanbrüchen. Wurde ein Gang entblößt, warf der Fundgrübner in Anwesenheit des Berg­meisters gegen eine kleine Gebühr Kübel und Seil ein und wurde mit dem direkt am Erzgang liegenden Grubenfeld belehnt, wodurch er exklusive Abbaurechte erhielt.181 Wenn es Hoffnung auf weitere Erzfunde gab, die Arbei­ ten unter Tage umfangreicher wurden und die Grube über die ursprüngliche Fundgrube hinaus um weitere Grubenfelder erweitert wurde (die sogenannte ‚Maaß‘), wurde zumeist zusätzliches Kapital benötigt.182 Das Kapital konnte auf 179 Zur kulturgeschichtlichen Ausrichtung der jüngeren Wirtschaftsgeschichte siehe einfüh­ rend Neu: Symbolische Kommunikation und wirtschaftliches Handeln, bes. S. 401 ff.; Berg­hoff/Vogel: Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte; Hilger/Landwehr: Zur Einführung; Ellerbrock/Wischermann: Die Wirtschaftsgeschichte vor der He­ rausforderung; Spoerer: Kultur in der Wirtschaftsgeschichte; Plumpe: Ökonomisches Denken. 180 Vgl. hierzu Laube: Silberbergbau, S. 156–163; Art. Fundgrube, in: Veith: Deutsches Berg­ wörterbuch, S. 208–209. 181 Vgl. Werner: Das fremde Kapital, S. 121. Siehe hierzu auch Laube: Investitionen und Fi­ nanzierung. 182 Als Maaßen (zeitgenössisch auch Maß, Mas, Maas oder Maass) werden jene Grubenfelder bezeichnet, die die ursprüngliche Fundgrube um sieben Lachter Breite (14 m) und 40 Lachter

Die Finanzierung des Berg­baus

81

zwei Wegen eingeworben werden: zum einen durch ein genossenschaftliches und zum anderen durch ein gewerkschaftlich-kapitalistisches Prinzip.183 Im ersten Fall beteiligten sich neben dem ursprünglichen Fundgrübner noch andere Berg­ männer an der Grube, die gemeinsam den Betrieb in der Grube vorantrieben, wobei die Größe der Betriebe überschaubar blieb.184 Die Fundgruben konnten aber auch den Ausgangspunkt für größere Berg­werksunternehmungen darstellen. Je tiefer die Schächte und Gänge getrieben wurden, desto schwieriger wurde es, die Gruben vom Wasser zu befreien. Um einbrechendes Wasser zu bewältigen, mussten wasserableitende Stollen getrieben und technisch anspruchsvolle und vor allem kostspielige Wasserkünste installiert werden. Hinzu kam der unerläss­ liche Einsatz von Wasserknechten. Alles dies war sehr teuer.185 Einige Beispiele sollen dies illustrieren: Vermutlich um 1473 berichtet der Schneeberger Zehnt­ ner und Großgewerke Martin Römer, dass in der Münsterzeche 15.000 fl verbaut wurden.186 1479 wurden 7000 fl für den Bau von Wasserkünsten in Schneeberg gezahlt und 1523 wurden die Baukosten für eine Kunst in Schneeberg auf 2000 fl geschätzt. Eine Möglichkeit, die Kosten zu stemmen, war die Umwandlung der Genossenschaft in ein gewerkschaftlich-kapitalistisches Unternehmen, das mit Wertpapieren, den sogenannten Berg­teilen oder auch Kuxen, arbeitete.187 (80 m) Länge vergrößern. Ein Lachter ist ein bergbauliches Längenmaß und entspricht einer Länge von ungefähr 2 m. Je nach Gangrichtung wurden die Maaßen als obere oder untere Maaß bezeichnet. In den Quellen auftauchende Bezeichnung wie etwa „7. Mas nach dem Turmhof “, „4.5.6. Mas nach der obersilberschnur“ oder „ander mas nach wildenmann“ sind also entspre­ chende Erweiterungen ursprünglicher Fundgruben und geben durch ihren Namen bereits konkrete Angaben zu ihrer Lage. Vgl. hierzu auch Wagenbreth/Wächtler: Freiberger Berg­bau, S. 25; Art. Maaßs, Maaßse, in: Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, S. 331–332. 183 Hierzu immer noch grundlegend Werner: Das fremde Kapital, S. 120 ff. 184 Häufig ist für diese Form der Bearbeitung von Gruben nicht von einer Trennung zwischen Kapital und Arbeit auszugehen, wenngleich ein „Ersatzmann“ für die eigene Körperkraft gestellt werden konnte. Nach Werner wurden in Marienberg um 1538 ein Viertel aller Gru­ ben genossenschaftlich bewirtschaftet oder waren im Besitz einzelner Fundgrübner. Vgl. Werner: Das fremde Kapital, S. 121. 185 Zum Problem der Wasserhaltung und Wasserinfrastrukturen im Freiberger Revier vgl. Kugler: Das Wasserwesen und Mucke: Historische Wasserversorgung. Einen Eindruck über die Kosten etwa für das Freiberger Revier liefert Jobst: Turmhofer Gruben, S. 69. Zu Wasserkünsten im Berg­bau siehe auch Wilsdorf: Kinsten; Suhling: Entwicklung in der Montantechnik, bes. S. 55 ff. Zu historischen Perspektiven auf Wasserinfrastrukturen siehe etwa von Reden/Wieland, Einleitung sowie Förster/Bauch (Hg.): Wasserinfrastruk­ turen sowie zu Infrastrukturen allgemein van Laak: Infra-Strukturgeschichte. 186 Die Beispiele stammen aus Laube: Silberbergbau, S. 83 f. 187 Vgl. hierzu bes. Laube: Silberbergbau, S. 82–122. Die Herkunft des Begriffs Kux ist umstrit­

82

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Das Kuxsystem kam vermutlich um 1470 im Schneeberger Berg­bau auf, zumindest taucht der Begriff 1472 erstmalig in einer Schneeberger Berg­rechnung auf.188 Dieses System basierte auf einer Aufteilung der Zeche in 128 ideelle Anteile (Berg­teile, Kuxe), die durch Gewerken erworben werden konnten.189 Der An- und Verkauf erfolgte über vereidigte Verkäufer, die sogenannten Kux­ kränzler, die den Verkauf von Berg­teilen vermittelten.190 Der Verkauf wurde lokal wie auch überlokal auf Messen, wie der Leipziger oder der Frankfurter Messe, betrieben.191 Allein 1558 waren zum Beispiel 101 Joachimsthaler Gewer­ ken zum Kuxerwerb auf der Leipziger Messe versammelt, woraus die Größen­ ordnung des Handels mit Berg­teilen deutlich wird.192 Kuxe waren Wertpa­ piere, mit denen reger Handel betrieben wurde. Um die Ergiebigkeit einzelner Zechen zu bewerben, konnten Kuxkränzler Schautafeln aus den Zechen aus­ stellen, mit denen sie die Rentabilität einer Zeche und ihrer Berg­teile demons­ trierten.193 Spekuliert wurde auf den Glücksfall, also darauf, dass eine Zeche silberreiches Erz ausbringen werde.194 Glückliche Funde in erzreichen Zechen ten. Judy Mendels argumentiert plausibel, dass sich das Wort Kux von gucken/vergucken in seiner Bedeutung als spekulieren herleite, vgl. Mendels: Die Etymologie des Wortes Kux. Ältere Interpretationen leiten den Begriff vom slawischen Wort kukux oder kus ab, was Teil bedeute. Vgl. Zycha: Das Wort Kux. 188 Vgl. Mendels: Die Etymologie des Wortes Kux, S. 336. Die Unterteilung von Gruben in ideelle Anteile lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Die älteste Einteilung einer Grube war die in vier Schichten oder sogenannte Teile. Bereits 1241 wurde im Freiberger Berg­bau jede Grube in vier Teile geteilt. Die Grubenfelder wurden in der Folge weiter un­ terteilt, wobei an der Vierteilung festgehalten wurde. So wurde im Freiberger Berg­recht A (1310–1327) eine Grube in Zweiunddreißigstel unterteilt. Im späten 15. Jahrhundert etab­ lierte sich zunächst im Schneeberger Revier, später dann im gesamten Erzgebirge die Un­ terteilung in 128 Berg­teile, was vier Mal zweiundreißig entspricht. Vgl. hierzu Schirmer: Annaberger Berg­ordnung, S. 215 f. sowie Ludwig: Art. Kux, Sp. 1595. 189 Jede Grube musste zudem sogenannte Freikuxe bereitstellen. Die Inhaber der Freikuxe wur­ den von den Zubußzahlungen befreit, sie profitierten aber von den Ausbeuten. So musste ein Freikux dem Grundherrn angeboten werden, der darüber hinaus noch vier zusätzliche Kuxe verlangen konnte, für die er jedoch Zubuße leisten musste. Daneben konnte die Stadt zwei Kuxe für sich beanspruchen. Ein zusätzlicher 129. Kux stand der Kirche und dem Ar­ menwesen zu. Vgl. Werner: Das fremde Kapital, S. 122. 190 Zur Bedeutung des Kuxkränzlers als Exklusionsfigur vgl. Kap. D.2.3 (Grenzstellen: Schicht­ meister, Steiger und Kuxkränzler als Exklusionsfiguren). 191 Zu der Leipziger Messe als überlokaler Finanzplatz vgl. Schirmer: Messen, bes. S. 95 ff. 192 Vgl. Werner: Das fremde Kapital, S. 122. 193 Vgl. ebd. 194 Zum Verhältnis von Glück und Berg­bau vgl. Asmussen: The Kux sowie dies.: Glück auf.

Die Finanzierung des Berg­baus

83

versprachen kurzzeitig gewaltige Ausbeuten, die jedoch innerhalb kürzester Zeit wieder versiegen konnten. Ob sich Investitionen in den Berg­bau lohnten, war in hohem Maße eine Frage des Glücks und des entsprechenden Kapitals. Die Risiken konnten durch ein möglichst breit aufgestelltes Portfolio an Kuxen in unterschiedlichen Zechen ebenso minimiert werden wie durch konsequentes Abstoßen unrentabler Kuxe. Das Anteilsrecht an einer Grube wurde durch die Eintragung des Gewerken durch den Gegenschreiber in das Gegenbuch rechts­ kräftig. Als Beleg bekamen die Gewerken einen Kuxschein durch den Gegen­ schreiber ausgestellt, mit dem sie ihren Besitz nachweisen konnten. Wenn eine Zeche Gewinn abwarf, dann sicherten die Kuxe den Gewerken ihren Anteil am Gewinn zu, die sogenannte Ausbeute. Anders als bei modernen Aktien war der Kuxbesitz aber auch mit der Ver­ pflichtung verbunden, vierteljährlich anteilig die Produktionskosten einer Zeche mitzutragen, die sogenannte Zubuße. Konnten die für das kommende Quar­ tal kalkulierten Kosten einer Zeche an Materialien und Arbeitslöhnen nicht durch die Ausbeute gedeckt werden, dann mussten die Gewerken zusätzlich Geld bereitstellen.195 Je mehr Gewerken Anteile an einer Grube besaßen, desto geringer wurden auch die jeweils zu leistenden Zubußen. Die Höhe der zu leis­ tenden Zubußen wurde über öffentlich angeschlagene Zubußbriefe bekannt gegeben, die abzureißen unter schwerer Strafe stand. Bezahlten Gewerken ihre Zubuße nicht binnen eines festgelegten Zeitraums, dann fielen ihre Berg­teile zunächst in das sogenannte Retardat, das heißt, dass die Gewerken eine letzte Frist bekamen, um ihre offenen Schulden zu begleichen. Geschah dies nicht, dann verloren sie ihre Besitzrechte an den Berg­teilen. Diese konnten nun durch die übrigen Gewerken der Zeche erworben werden, die ein exklusives Vorver­ kaufsrecht besaßen. Wenn die Kuxe nicht durch die Mitgewerken erworben wurden, dann kamen sie ‚ins Freie‘, das heißt, sie konnten von allen Interessier­ ten regulär erworben werden. Es gehört zu den Besonderheiten des sächsischen Berg­baus, dass der Regal­ herr im Falle großer Not ins Freie gefallene Zechen aufnehmen konnte, um einer völligen Aufgabe der Gruben entgegenzuwirken. Daraus ergaben sich jedoch erhebliche finanzielle Belastungen. Diese sind einer der Gründe, warum man in Bezug auf die tatsächlichen Erträge, die die Wettiner aus den Berg­werken ziehen konnten, skeptisch sein darf.196 Der Aufkauf von ins Freie gefallenen Kuxen und die damit verbundenen Zubußen stellten eine erhebliche finanzielle 195 Vgl. hierzu ausführlich Kap. C. 3. 2. 2 (Die Zubußen). 196 Schirmer: Staatsfinanzen, S. 93 ff.

84

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Belastung dar, die sich nicht in den reinen Silberausbeuten Sachsens widerspie­ gelt. Für die Gewerken wiederum ergab sich daraus die Situation, dass nicht nur die Ausbeuten ständigen Schwankungen unterworfen waren, sondern auch die Anzahl der Mitgewerken und damit auch die potenziell zu leistenden Zubußen. Hierin lag das große Potenzial, aber auch das Problem der Kuxen: Durch die Kuxe blieb das System des Berg­baus dynamisch und passte sich wechselnden Abbaubedingungen an. Auch wurde eine breite Finanzierung mit einer mög­ lichst ausgewogenen Kostenverteilung angeregt. Zugleich war dies jedoch auch der Pferdefuß des Systems: Kursierten Gerüchte über ertragreiche neue Silber­ erzanbrüche, stiegen die Preise für Kuxe schnell in schwindelerregende Höhen. Bestätigte sich die Verheißung nicht oder kamen Gerüchte über arme Erze, schweres Wasser und hohe Zubußen auf, gaben viele Gewerken ihre Berg­teile genauso schnell auf, wie sie sie erworben hatten. Da die Kosten zum Unterhalt der Zeche per Umlage auf die übriggebliebenen Gewerken verteilt wurden, stie­ gen deren Zubußen an, was weitere Gewerken zur Aufgabe ihrer Kuxe bringen konnte.197 Dieser Teufelskreis konnte den Berg­bau existenziell bedrohen, da das Finanzierungsprinzip auf einer gleichmäßigen Verteilung der Kosten auf viele Gewerken beruhte. Entsprechend empfindlich reagierten die Gewerken, aber vor allem der Landesherr als Berg­regalinhaber, auf negative Gerüchte über die Erträge des sächsischen Berg­baus. Die finanzielle Verwaltung der Gruben erfolgte über die Schichtmeister, die von den Gewerken selbst nominiert wurden. Sie hatten im Anschluss an die vierteljährlichen Abrechnungen der Zechen unter Aufsicht der Berg­verwaltung die Kosten für das kommende Quartal zu berechnen. Von dem Geld wurden die laufenden Kosten einer Zeche gedeckt, beginnend beim Materialeinkauf, etwa von Unschlitt oder Eisen, über die Löhne der Berg­arbeiter und Handwerker bis hin zu den regelmäßig zu leistenden Steuern, wie etwa dem Gnadengroschen, dem Quatembergeld oder dem Stollenneunten. Während lokale Gewerken direkt mit den Schichtmeistern interagieren konnten, etwa um ihre Zubußen zu entrichten, sah die Situation für die ‚auswärtigen‘ Gewerken, die sich nicht vor Ort aufhielten, etwas anders aus. Diese ließen ihre Berg­teile über Faktoren, die sogenannten Verleger, verwalten. Verleger konnten dabei entweder exklusiv 197 „In der Praxis bedeutete das, dass nach Bekanntwerden hoher Ausbeuten sofort neue Ze­ chen gemutet und Lehen aufgenommen wurden, d.h. ein Kapitalzustrom einsetzte, wäh­ rend bei langem Ausbleiben von Ausbeute mehr und mehr Gewerken ihre Zubußzahlungen einstellten, Kuxe ins Retardat kamen, die Produktion ins Stocken geriet und ganze Zechen liegenblieben […].“ Laube: Silberbergbau, S. 96.

Die Finanzierung des Berg­baus

85

für eine Gewerkschaft tätig sein oder mehrere Gewerken betreuen. Sie waren zum Teil in der Berg­verwaltung tätig und übten diese Tätigkeit neben ihrem Dienstverhältnis aus.198 Ihre Aufgabe bestand darin, im Namen des Gewerken oder der Gewerkin die Berg­teile zu verwalten, was vor allem die Auszahlung der Zubuße betraf. Wurden Zubußen ausgerufen, so hatten sie an ihre Gewerken zu schreiben, um sie über die Höhe der Zubußen zu informieren und gegebe­ nenfalls das Geld in Empfang zu nehmen. Dafür wurden durch den Berg­meister sogenannte Zubußzettel ausgestellt, die durch die Verleger an ihre Gewerken ver­ schickt wurden, die daraufhin die Zubuße über ihre Verleger entrichten konnten. Verleger hatten eine nicht ganz unproblematische Position, mussten die Gewerken doch darauf vertrauen, dass sie ihre Berg­teile zu ihrem Besten ver­ walteten. 1562 etwa beschwerte sich Christoph Walritz, dass sein Verleger ihm seine Ausbeuten nicht ausgezahlt hätte. Da das Berg­werk „durch das ungerümbt vornehmen“ der Verleger in üble Nachrede kommen könne und Investoren abge­ schreckt würden, sollten sich die Berg­amtleute in Freiberg um die Klärung der Angelegenheit kümmern.199 Etwas anders gelagert war der Konflikt zwischen den Vormündern von Niclas Gross in Erfurt und ihrem Verleger Kilian Stock 1565. Die Vormünder gaben an, dass Stock 2 ½ Kux auf der unteren 7. Maaß nach dem Turmhof, die sie für 400 fl erworben hatten, für sie verlege. Nach dem Ostermarkt 1563 in Leipzig habe er ohne ihr Einverständnis die Kuxe nicht mehr verlegt, weshalb sie ins Retardat gefallen seien und ihr Mündel ohne Ursache geschädigt worden sei.200 Diesen Vorwurf wies Stock entschieden von sich.201 Er habe durchaus die Berg­teile verlegen wollen. Da Zubußen anstanden, habe er die Gewerken gebeten, jemanden zum Michaelismarkt nach Leipzig zu schicken, um Anweisungen zu empfangen, was mit den Berg­teilen zu tun sei. Er sei eigens zum Schichtmeister gegangen und habe diesem auf Vertrauen und Zusage zwei Zettel gegeben, dass er die Zubuße nach dem Markt zahlen werde. Auf dem Markt habe er jedoch niemanden angetroffen. Da die Zubußen sehr hoch seien, habe 198 Zur Funktion des Verlegers siehe auch Laube: Silberbergbau, S. 106 ff.; Bogsch: Der Ma­ rienberger Berg­bau (1966), S. 59. 199 Reskript Kurfürst August an Heinrich von Gersdorff, Markus Röhling und Simon Bogner, 24. Januar 1562. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36324, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 4354, fol. 2a–3a. 200 Supplikation Klaus Keyser und Caspar Meyer in Vormundschaft für Niclas Gross, Bürger zu Erfurt, 9. Mai 1565, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 22a–23a. 201 Stellungnahme Kilian Stock, 1. Juni 1565. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 24a–26a.

86

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

er sich nicht getraut, die Kuxe weiterhin „ohne gefar“ zu verlegen. Da die Teile also nicht weiter versorgt worden seien, seien sie schließlich nach einem Jahr in andere Hände gekommen. Wenn jemand daran die Schuld trage, dann die Vormünder, die sich nicht um ihre Berg­teile gekümmert hätten. Der Freiberger Stadtrat, der ebenfalls um eine Stellungnahme gebeten wurde, schlug sich auf die Seite von Kilian Stock und bestätigte seinerseits, dass die Vormünder sich nicht um ihre Kuxe gekümmert hätten und dies nicht Stocks Verschulden sei.202 Die Figur des Verlegers verweist zudem auf eine Besonderheit, die sich aus dem Kuxsystem ergab, nämlich die zentrale Bedeutung von anwesenden, aber eben auch abwesenden Gewerken.

3.2 Die Herkunft des Kapitals: Der auswärtige Gewerke als Topos und Realität Dank der herausragenden Arbeiten von Theodor Werner und Walter Bogsch sind wir relativ gut über die Herkunft des Kapitals im sächsischen Berg­bau informiert.203 So stand an der Spitze einer gewerkschaftlich betriebenen Zeche häufig der ursprüngliche Fundgrübner oder Ferngroßhändler, Adlige oder hohe Berg­beamte. Daneben teilen sich die Gewerken in zwei Gruppen: Zum einen in die lokal ansässigen Gewerken, die aus Einwohnern der Berg­städte, Fundgrübnern oder Handwerkern bestehen konnten.204 Bogsch verweist in diesem Kontext auf Familiengewerkschaften, bei denen die meisten Kuxe einer Zeche durch Verwandte gebaut wurden, was vor allem bei kleineren oder neuen Zechen der Fall gewesen sei.205 Der Besitz von Berg­teilen war dabei kein exklusiv männliches Phänomen. Im Gegenteil sind im böhmischen und sächsi­ schen Erzgebirge zahlreiche Gewerkinnen mit zum Teil erheblichen Anteilen an Zechen dokumentiert.206 Hinzu kamen zum zweiten die fremden, ausländischen oder auch auswärtigen Gewerken, bestehend aus Mitgliedern der landesherrlichen Familie und dem 202 Stellungnahme Rat zu Freiberg, 2. Juni 1565, ebd., fol. 28a. 203 Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf die umfangreichen Arbeiten von Bogsch und Werner. Vgl. Werner: Das fremde Kapital; Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966). 204 Vgl. Werner: Das fremde Kapital, S. 36 ff. 205 Vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 35. 206 Vgl. hierzu mit Fokus auf den Joachimthaler Berg­bau Matasová: Gewerkinnen.

Die Finanzierung des Berg­baus

87

hohen Adel, des Land- und Hofadels, der adligen und bürgerlichen Beamten­ schaft, dem Bürgertum (hier vor allem Großhändlern, Händlern und Handwer­ kern), Angehörigen der großen deutschen Handels- und Gewerbestädte (vor allem Augsburg, Nürnberg, Frankfurt, Köln, Leipzig), Bürgern mitteldeutscher Landstädte wie Magdeburg und Erfurt, Gelehrten, Geistlichen, Klöstern und nicht zuletzt Körperschaften wie Stadträten, Zünften, Knappschaften, Adels­ genossenschaften und Universitäten. Dabei konnten sich regelrechte Ortsge­ werkschaften ausbilden. So dominierten in Marienberg Torgauer Gewerken die Grube ­Samson. Magdeburger Gewerken waren vor allem in der 14. und 15. oberen Maaß nach St. Ursula sowie in den Gruben St. Burckhardt und St. Merten dominant, was nach Bogsch auf die erfolgreiche Werbung für eine Grube durch entsprechende Verleger zurückzuführen ist.207 Neben den Ortsgewerkschaften verweist Bogsch zudem auf die ‚Standesgesellschaften‘. Die Gruben Festeburg und Fürsten von Sachsen in Marienberg etwa wurden vornehmlich durch säch­ sische Adlige betrieben.208 Nach Werner gab es vermutlich „nur wenige größere Städte in Deutschland […], in denen erzgebirgische Kuxe nicht zu finden gewesen wären“,209 und fast keine Sozialformation, die nicht in den Berg­bau investierte – mit Ausnahme von Bauern.210 Zu einem ähnlichen Befund kommt auch Walter Bogsch für den Marienberger Berg­bau zwischen 1567 und 1588. Auf Grundlage der überlieferten Ausbeute­ bücher konnte Bogsch insgesamt 1800 Namen identifizieren und geht insge­ samt von ca. 3000 Gewerken aus.211 In den 1570er Jahren kamen die Gewerken in Marienberg zunächst aus dem Ort selbst sowie den umliegenden Dörfern.212 Zudem finden sich Marienberger Kuxe in Annaberg, Freiberg, Chemnitz, in Bautzen, Meißen und zahlreichen anderen sächsischen Städten. Hinzu kamen Gewerken aus dem Umfeld des Kurfürsten. Neben dem Kurfürsten und seiner Familie waren der Kanzler, Räte, Sekretäre und Schreiber am Berg­bau beteiligt. Den bedeutendsten Anteil an den Marienberger Gruben hatten jedoch die Leipziger Handelsherren mit einer Anzahl von 150 Gewerken. Über die säch­ sische Grenze kamen die Marienberger Gewerken zudem aus Böhmen (etwa 207 Vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 35. 208 Vgl. ebd., S. 36. 209 Vgl. Werner: Das fremde Kapital, S. 165. 210 Vgl. ebd., S. 184 f. 211 Vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 36. 212 Vgl. ebd., S. 38–58. Bogsch merkt an, dass dieses Bild unvollständig ist, da es sich auf Daten aus den Ausbeutregistern handelt und somit die zubußzahlenden Gewerken nicht aufgeführt wurden.

88

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

aus Brüx, Ossegg, Graupen, Joachimsthal oder Komotau), Schlesien, Thüringen, Magdeburg, aus Berlin und Norddeutschland, etwa aus Stettin, Schwerin oder Lübeck.213 Der Westen des Reichs war hingegen kaum und der Süden im Ver­ gleich zum Norden eher gering vertreten, wobei vor allem Nürnberger Gewerken zu finden sind. Zudem finden sich zahlreiche adlige Gewerken nicht nur aus Sachsen, sondern auch aus Thüringen, Anhalt, Bayern, Böhmen und Schlesien. Betrachtet man die lokalen und fremden Gewerken in Relation, so zeigt sich, dass zwar in der Tendenz mehr Gewerken lokal ansässig waren, diese jedoch weniger wertvolle Kuxe besaßen.214 In jenen Zechen, in denen kostenintensi­ ver Tiefbau betrieben wurde, war die Mehrzahl der Gewerken nicht ortsansäs­ sig. Nach Werner kann für Annaberg von einer Dominanz des Fremdkapitals ausgegangen werden.215 Auch Bogsch geht davon aus, dass das Kapital für den kostenintensiven Tiefbau vor allem durch finanzstarke auswärtige Gewerken eingebracht wurde, die auch in der Krisenzeit des Marienberger Berg­baus um 1570 noch die Hälfte aller Gewerken ausmachten.216 Die immer geringeren Aus­ beuten des Reviers führten zu einem Rückzug der auswärtigen Gewerken aus dem Marienberger Revier, was zu einer weiteren Verschlechterung der Lage führte.217 Das Finanzierungssystem des vormodernen Berg­baus basierte, das sollte deutlich geworden sein, in nicht unerheblichen Maßen auf dem Vorhandensein von anwesenden und abwesenden Investoren. Der Gewerke, und insbesondere der auswärtige Gewerke, war jedoch nicht nur eine reale wirtschaftliche Größe, sondern prägte als Topos in exzeptioneller Weise das Sprechen von und über Verwaltung. Die Angst, dass der nicht lokal ansässige Investor sein Geld aus dem Berg­bau abziehen könnte, war in der Verwaltungskommunikation allenthalben präsent. Vom Kurfürsten bis zum Schichtmeister, ob 1500 oder 1600, immer war es die gleiche Sorge, dass bloß nicht „dem […] auslendischen manne, eyn Schew brechte, das er nichts hierher wendet, vnd also das Berg­kwergk gestopfft vnd mit gehindert wurde“.218 Auf die Bedeutung des auswärtigen Gewerken als 213 Vgl. ebd., S. 42 ff. 214 Werner: Das fremde Kapital, S. 184 f.; ebenso auch Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 38. 215 Werner: Das fremde Kapital, S. 185. 216 Vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 37. 217 Vgl. ebd., S. 37. 218 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04490/01, fol. 72b. Vgl. hierzu auch Laube: Silberbergbau, S. 83. Laube sieht in Verweisen auf den auswärtigen Gewerken ein Indiz dafür, dass von einer Dominanz des Fremdkapitals und nicht ortsansässiger Ge­ werken ausgegangen werden muss.

Die Finanzierung des Berg­baus

89

wirtschaftliche Realität und als Topos wird im Laufe der Arbeit immer wieder zurückzukommen sein. Damit verbunden ist eine weitere Überlegung, die für die Argumentation dieser Arbeit von erheblicher Bedeutung ist: Der sächsische Berg­bau und seine Verwaltung waren ein Hybrid zwischen Wirtschaftsunter­ nehmen und landesherrlicher Verwaltung. Während der Berg­bau auf der einen Seite ein klassischer Herrschaftsbereich war, der durch asymmetrische Machtbe­ ziehungen geprägt war, unterlag er auf der anderen Seite einer Marktlogik, aus der sich ein dynamisches, wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Verwaltung und ihrer Umwelt ergab. Beim Gegenüber der Verwaltung handelte es sich nicht ausschließlich um die eigenen Untertanen. Es stand den Gewerken jederzeit frei, ihr Geld in andere Reviere innerhalb oder außerhalb eines Terri­ toriums zu investieren. Die sächsischen Landesherren waren jedoch zwingend auf Investitionen in ihren Berg­bau angewiesen. Unter diesen Bedingungen war die Berg­verwaltung in weit höherem Maß als andere territoriale Verwaltungen durch das Problem der Abwesenheit geprägt. Ein nicht unerheblicher und zudem noch finanzkräftiger Teil der Investoren war nicht vor Ort anwesend, sondern ließ seine Anteile über Verleger betreuen. Diese Konstellation führte dazu, dass die Herstellung von Akzeptanz und Vertrauen in das Berg­baugeschäft, damit verbunden aber auch in seine Verwal­ tung, vor der Herausforderung einer an-, aber eben auch abwesenden sozialen Umwelt stand.219 Um den Auf- und Ausbau von Verwaltungsstrukturen zu untersuchen, ist es daher zwingend notwendig, die Verwaltung nicht isoliert zu betrachten, sondern die wechselseitige Abhängigkeit von Umwelt und Ver­ waltung zu berücksichtigen. Einen Eindruck der zahlreichen sozialen Umwelten des Berg­baus liefert der Adressatenkreis der Berg­ordnungen. Die erweiterte Annaberger Berg­ordnung von 1536 richtete sich etwa an die „Prelaten, Graven, Freyen, Herren, Rittern, Edelleuthen, Vorwesern, Haubtleuten, Amptleuten, Schössern, Glaitzleuten, Burger vndt Berg­kmeistern, Richtern, Räthen der Stethe und Flecken. Auch allen vnsern underthanen und vorwanten wes stands, wirde odder wesens sie seyen.“220 Kurzum: Die Berg­ordnung richtete sich an prinzipiell alle, die mit dem Berg­bau in Kontakt standen. Dabei wurde zeitgenössisch differenziert zwischen der Berg­ gemeinde, also denjenigen, die aktiv als Berg­beamte, Grundherr, Investor und/ oder Berg­arbeiter tätig waren, und den Berg­verwandten, die Zulieferarbeiten für den Berg­bau ausübten, wie etwa Berg­schmiede oder andere Handwerker. 219 Vgl. hierzu inzwischen kanonisch Brakensiek: Akzeptanzorientierte Herrschaft. 220 Hertzog Georgens || zu Sachssen || Berg­kordenung, pag. Aii a.

90

Der sächsische Berg­bau – eine kurze Einführung

Aufgrund der Heterogenität der Berg­gemeinde ist es nicht sinnvoll, sie als eine geschlossene Gruppe zu begreifen und als eine (und nur eine) homogene soziale Umwelt der Berg­verwaltung zu beschreiben.221 Die Berg­unternehmer bildeten etwa, wie zu zeigen sein wird, eine klar identifizierbare, wenngleich sehr diverse Akteursgruppe. Die Frage der Wechselwirkung zwischen den Berg­städten (als Kristallisationspunkten des Berg­baus) und der Verwaltung ist ungleich kom­ plizierter. Gerade hier beschränkt sich das Verhältnis zwischen beiden Größen nicht auf die Interaktion zwischen verschiedenen Akteursgruppen. Vielmehr lassen sich zahlreiche personelle Verflechtungen zwischen den politischen Füh­ rungsschichten und der Berg­verwaltung ausmachen. Städtische Akteure waren auf unterschiedlichen Ebenen in den Berg­bau involviert und nahmen Einfluss auf dessen administrative Ausgestaltung. Zugleich war die Berg­stadt der Ort, an dem Verwaltung für Akteure sichtbar und erfahrbar wurde. Dies geschah etwa durch die Nutzung der städtischen Öffentlichkeit und die Etablierung unter­ schiedlicher symbolischer Repräsentationen im städtischen Raum. Auf Grund der Vielzahl unterschiedlicher Akteure und Akteursgruppen, die auf sehr unterschiedliche Weise mit dem Berg­bau in Beziehung standen, ist eine begriffliche Zuspitzung und Verengung des Umweltbegriffs notwendig. Als Umwelt der Berg­verwaltung wird im Folgenden vor allem die wirtschaftliche Umwelt, also die Investoren, bezeichnet. Die begriffliche Eingrenzung dient der analytischen Schärfung und als heuristisches Instrument, aber sie soll nicht verdecken, dass die Berg­verwaltung zahlreiche soziale Umwelten besaß, die im Rahmen dieser Arbeit nicht ignoriert werden sollen. Die Fokussierung auf einen spezifischen Bereich leitet sich aus der Fragestel­ lung dieser Arbeit ab, in der nicht das Gesamtsystem des Berg­baus, sondern vielmehr die Auswirkungen einer spezifischen wirtschaftlichen Dynamik auf die Ausbildung von Verwaltungsstrukturen untersucht werden. Die Bedeutung der wirtschaftlichen Umwelt für die Ausgestaltung von Verwaltung ist, wie bereits in der Einleitung diskutiert wurde, eine zentrale Frage innerhalb der Forschung zur sächsischen Berg­verwaltung: Sei es, wie bei Laube, als Antagonistin eines 221 Nach Martin Abraham und Günter Büschges lässt sich die Umwelt einer Organisation definieren als „die Summe aller individuellen wie korporativen Akteure, deren Interakti­ onsbeziehungen zur Organisation sowie die relevanten institutionellen und strukturellen Rahmenbedingungen dieser Interaktion“. Die Frage nach der Umwelt der Verwaltung be­ schränkt sich daher nicht, oder nicht nur, auf gewisse Akteure und Akteursgruppen, sondern integriert auch die jeweiligen institutionellen Arrangements, innerhalb derer Verwaltung und Umwelt aufeinandertreffen. Abraham/Büschges: Einführung in die Organisations­ soziologie, S. 242.

Die Finanzierung des Berg­baus

91

machtbewussten Landesherrn oder, wie bei Schirmer, als Spielmasse landesherr­ licher Ordnungsbemühungen unter dem Rubrum des Gemeinen Berg­baunutzes. Allerdings, so eine weitere Position innerhalb der Verwaltungshistoriographie, lasse sich unter den Bedingungen vormoderner Vergesellschaftung vor allem in Wirtschaftsverwaltungen eine Trennung zwischen Verwaltung und sozialer Umwelt erst um 1800 ausmachen.222 Dies mag eine generell zutreffende Ten­ denz anzeigen, ist aber für den Berg­bau in Frage zu stellen. Gerade im Montan­ wesen mit seiner hohen finanziellen Verflechtung gewann die Frage nach der wirtschaftlichen Umwelt der Verwaltung eine besondere Relevanz. Die Grenze zwischen der Berg­verwaltung und ihrer Umwelt war fließend, umstritten und aushandelbar, doch, dies wird sich im Folgenden zeigen, konstituierte sie ein zentrales Element des Selbstverständnisses der Berg­verwaltung und war schon als solches hoch relevant. Was dies mit Formalisierung zu tun hat, soll im Fol­ genden genauer betrachtet werden.

222 Vgl. Krauth: Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsverwaltung, S. 64.

TEIL C: DIE FORMALISIERUNG DER ­BERG­V ERWALTUNG – MITGLIEDSCHAFT, NORMEN, PRAKTIKEN

Verwaltungen, dies gilt für vormoderne Verwaltungen ebenso wie für moderne, könnten nicht arbeiten, wenn immer wieder aufs Neue entschieden werden müsste, wie Verfahren ablaufen, wie Personal rekrutiert wird oder an welche Instanz sich Amtsträger mit welchen Fragen zu wenden haben. Verwaltungen basieren vielmehr auf Strukturen, verstanden als „auf Dauer gesetztes Han­ deln“, in denen und gemäß denen Amtsträger und auch ihre soziale Umwelt im Regelfall agieren.1 Strukturen schaffen Erwartungssicherheit und erhöhen die Stabilität von Verhaltenserwartungen. In der Einleitung war versucht wor­ den, einen mehrschichtigen Begriff von Formalisierung zu konturieren. Die weiteste und flexibelste ‚Schicht‘ von Formalisierung bezog sich dabei auf eben diese ganz generelle Herstellung von Erwartungssicherheit. Selbstverständlich, und dies ist auch in der Einleitung bereits diskutiert worden, reicht diese erste Begriffsannäherung bei Weitem nicht aus, um den Begriff der Formalisierung angemessen zu fassen. Daher wurde eben auch auf den sehr engen Bereich der formalen Regeln abgehoben und zudem darauf hingewiesen, dass es einen gro­ ßen Zwischenbereich von Verwaltungspraktiken und Routinen geben dürfte, die nicht etwa schlicht das Gegenteil von Formalisierung darstellen, sondern zum Beispiel in Formalisierungsprozesse eingebettet beziehungsweise von diesen gerahmt sind oder die überhaupt erst die praktische Manifestation von Forma­ lisierungsprozessen darstellen. Um sich diesen verschiedenen Formalisierungsprozessen zu nähern, wer­ den im Folgenden drei Aspekte bürokratischer ‚Struktur‘ intensiver betrachtet. Zunächst werden die Regeln der Mitgliedschaft im Mittelpunkt stehen. Wie wurde man Mitglied in der Berg­verwaltung und welche Erwartungen waren an die Mitgliedschaft geknüpft? Wie sah die soziale Rolle des Amtsträgers aus, und worin unterschied sie sich von anderen sozialen Rollen? Und schließlich: In welches Verhältnis müssen formalisierte Mitgliedschaftserwartungen zum 1

Etwas konkreter bezeichnen Strukturen, so Matthias Pohlig, „diejenigen Konfigurationen, die aus auf Dauer gesetzem Handeln entstehen, es aber wiederum auch ermöglichen“. Vgl. Pohlig: Marlboroughs Geheimnis, S. 87. Zum Strukturenbegriff in der Geschichtswissen­ schaft siehe auch Mergel: Geschichte und Soziologie, S. 632.

94

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Problem der Informalität gesetzt werden? Vor diesem Hintergrund kann dann das Verhältnis von Mitgliedschaft zu anderen Merkmalen formaler Organisa­ tion, namentlich Zwecken und Hierarchien untersucht werden. In einem zweiten Schritt werden formale Regeln im Fokus stehen. Welches waren die formalen Regeln der Berg­verwaltung, welche Adressaten und Reich­ weite hatten sie, und wie ist das Verhältnis zwischen Formalisierung und for­ malen Regeln zu begreifen? Dabei soll es weniger darum gehen, formale Regeln aus einer Norm-Praxis-Perspektive zu betrachten und nach ihrer Befolgung oder Nicht-Befolgung in der Praxis zu fragen. Ebenso wenig wird in diesem Kapitel versucht, den behördlichen Aufbau der Berg­verwaltung aus den formalen Regeln zu extrahieren. Vielmehr wird untersucht, welche Bedeutung formalen Regeln für die Strukturierung des Verhältnisses zwischen Umwelt und Verwaltung zukam und in welchem Verhältnis Formalisierung und formale Regeln standen. Nun basieren Verwaltungen aber nicht nur auf ihren Mitgliedschaftsbedin­ gungen oder ihren formalen Regeln. Daher wird ein dritter Schwerpunkt auf dem weiten Feld administrativer Praktiken liegen. Auch diese werden hier als Strukturen verstanden, insofern sie gewisse Regelmäßigkeiten aufweisen und, wie sich zeigen wird, in einem komplexen Verhältnis zu Formalisierungsprozes­ sen stehen. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die Untersuchung von Routinen und die Frage, in welchem Verhältnis Praktiken, Routinen und Prozesse der Formalisierung zueinander standen. Diese drei Dimensionen (Mitgliedschaft, formale Regeln sowie Praktiken und Routinen) sind eng miteinander verbunden und daher nur analytisch vonein­ ander unterscheidbar. Wer über Mitgliedschaft in vormodernen Verwaltungen redet, spricht auch über formale Regeln und informelle soziale Netzwerke, Prak­ tiken hingegen sind kaum zu begreifen, wenn nicht die zu Grunde liegenden Hierarchien, Kompetenzen und administrativen Routinen ebenso berücksich­ tigt werden wie die flexiblen Auslegungsweisen dieser Regeln in der Praxis. Die analytische Trennung erlaubt es jedoch, unterschiedliche Formalisierungsdyna­ miken in verschiedenen Bereichen genauer zu akzentuieren. Dabei ist es nicht Ziel der Untersuchung, in den jeweiligen Bereichen die ‚Fortschrittlichkeit‘ oder ‚Modernität‘ der Verwaltung zu vermessen und im Rah­ men eines ‚Bereits‘ oder ‚Noch-Nicht‘ abzuhandeln.2 Vielmehr dienen diese drei Dimensionen als heuristische Instrumente, um Spezifika, Besonderheiten und Muster in der Ausbildung von Verwaltungsstrukturen überhaupt erst sichtbar und in ihrer Dynamik untersuchbar zu machen. 2

Vgl. hierzu auch Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 9.

1. Mitgliedschaft

1.1 Zutritt nur für Mitglieder? Regeln der Mitgliedschaft Bereits für Max Weber war die Frage nach Mitgliedschaftsbedingungen ein wichtiger Aspekt seines Idealtypus bürokratischer Herrschaft.3 Bürokratische Herrschaft ist in ihrer radikalen Ausprägung vollständig entpersonalisierte Herr­ schaft: Anstelle des Herrschers regiert der Bürokrat. Die Trennung zwischen Amtsperson und Privatperson, eine einheitliche Amtsdisziplin, Arbeit in spezifi­ schen Räumlichkeiten nach festgelegten Regeln und gegen eine feste Besoldung und nicht zuletzt die schriftliche Aktenführung gehören zum idealtypischen Verständnis von Verwaltung. Individuelle Personen sind in dieser Konzeption von Verwaltung austauschbar. Entscheidungen werden personenunabhängig, ad rem und nicht ad personam, getroffen.4 Der Amtsträger agiert innerhalb einer formal festgelegten Mitgliedschaftsrolle, die losgelöst von seinen sonstigen sozialen Lebensbezügen ist. Dieser Idealtypus von Verwaltung existierte in dieser Form weder in der Moderne noch in der Vormoderne, aber es ging Weber auch nicht um empiri­ sche Korrektheit. Vielmehr versuchte er mit der Konstruktion eines Idealtyps von Verwaltung ein Instrument zu schaffen, um strukturelle Merkmale sichtbar und damit auch in ihrer jeweiligen individuellen Abweichung vom Idealtypus untersuchbar zu machen.5 Zugleich wurden durch Weber zwei wichtige Argu­ mentationsstränge angeregt, die bis in die jüngste Literatur sowohl innerhalb der Verwaltungsgeschichte als auch in der Organisationssoziologie das Nach­ denken über Organisationen beeinflussen: die Konzentration auf Verwaltung 3 4 5

Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 551–579. Kieser: Max Webers Analyse, S. 72–74. Der Idealtyp solle, so Alfred Kieser, das „Verstehen fördern“ und nicht die Wirklichkeit beschreiben. Ebd., S. 88. Dieser Aspekt wurde von der jüngeren Forschung nicht immer gewürdigt: Häufig wird Weber als Negativkontrastfolie, oder um es etwas harscher zu for­ mulieren, als Pappkamerad, herangezogen, um sich von einem Verlaufsmodell der Rationa­ lisierung, Bürokratisierung und damit verbunden auch der Modernisierung abzugrenzen. Vgl. Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 4; Krischer: Förmlichkeit und Gesellig­ keit, S. 101 f. Ebensowenig weiterführend wie die reflexartige Weberschelte ist aber auch die unreflektierte Übernahme weberianischer Prozessbegriffe wie Bürokratisierung oder Rationalisierung.

96

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

als besonders stark ausgeprägte Form von Organisation sowie die starke Kon­ trastierung zwischen Moderne und Vormoderne.6 Eine der elaboriertesten Auseinandersetzungen mit dem Verhältnis von Mit­ gliedschaft und Organisationen findet sich bei Niklas Luhmann.7 Auch für Luhmann sind formale Organisationen moderne Phänomene. Sie basieren auf formaler Mitgliedschaft, das heißt: Es gibt eine Grenze zwischen der Organi­ sation und ihrer sozialen Umwelt. Mitgliedschaft in Organisationen basiert zudem auf Entscheidungen, es gibt Eintritts- und Austrittsentscheidungen.8 Nicht jeder kann Mitglied sein, vielmehr ist Mitgliedschaft an gewisse Bedin­ gungen und Erwartungen geknüpft. Indem Akteure sich auf die Bedingungen der Mitgliedschaft einlassen, können Organisationen mit einer „homogeni­ sierten Mitgliedschaftsmotivation“ rechnen.9 Damit, so Luhmann, stellen sich Mitglieder „auf den Unterschied von ‚persönlich‘ und ‚dienstlich‘ ein; sie lernen die Situationen und Verhaltenserwartungen, die ihr Mitgliedschaftsverhältnis und damit sie als Person angehen, zu trennen von den systeminternen Bezie­ hungen ihres Verhaltens“.10 Organisationen erlauben Mitgliedern eine ‚Partialinklusion‘, das heißt, dass die Mitglieder niemals vollständig, sondern nur in Ausschnitten ihrer Persön­ lichkeit an der Organisation beteiligt sind.11 Dies ermöglicht eine Rollentren­ nung zwischen der Privatperson und der Mitgliedschaftsrolle. Mitgliedschaft als soziale Rolle ist nicht an die gesamte Person gebunden, auch nicht zum Beispiel im Hinblick auf die Erlangung einer Stelle: Lebenswandel, Ehestatus und Besitz mögen für die Besetzung von Stellen zwar informell wichtige Faktoren sein, aber sie werden nicht zur formalen Mitgliedschaftsanforderung erhoben. Der Begriff der sozialen Rolle, verstanden als ein „Set von Normen, die für eine bestimmte Position als angemessen gelten“,12 verweist darauf, dass Verwaltungen gewisse Verhaltenserwartungen formulieren, an denen sich Amtsträger orientieren soll­ ten. Durch Mitgliedschaft wird eine spezifische Form der Konditionierung von Verhaltenswartungen hergestellt, die Organisationen von anderen Institutionen   6 Siehe hierzu auch Emich: Formalisierung des Informellen (2008), S. 149 f.; Hengerer: Kaiserhof, S. 153 ff.  7 Luhmann: Funktionen und Folgen. Zur Organisationssoziologie Niklas Luhmanns siehe einführend auch Martens/Ortmann: Organisationen in Luhmanns Systemtheorie.  8 Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 39 ff.   9 Ebd., S. 42. 10 Ebd. 11 Vgl. hierzu auch Tacke/Drepper: Soziologie der Organisation, S. 81. 12 Thiessen: Normenkonkurrenz, S. 249.

Mitgliedschaft

97

unterscheiden. Durch ihre Struktur ermöglichen es Organisationen, stabile und auf Dauer gestellte sowie generalisierte, nicht auf das Individuum bezogene Erwartungshaltungen auszubilden.13 Die durch Mitgliedschaft etablierte Trennung zwischen einem sozialen Sys­ tem und seinen unterschiedlichen Umweltbezügen ermögliche, so Luhmann, eine größere Flexibilität und erweitere die Handlungsspielräume der Organisa­ tion. Zugleich seien diese Prozesse der Entkopplung von sozialen Systemen und ihren Umwelten der „eigentümliche Sinn formaler Organisationen“ und mach­ ten ihre Entstehung zu einem historisch situierbaren Phänomen: Die Prozesse der Entkopplung von System und Umwelten „gewinnen größere Bedeutung erst, wenn ein Bedürfnis nach weiträumiger Zusammenfassung differenzierter Gesellschaften auftritt. Die Ordnung menschlicher Beziehungen durch for­ male Organisation ist von diesem Bedürfnis abhängig und hat insofern einen geschichtlichen Standort.“14 Das heißt, dass ein wesentlicher Ausgangspunkt für die Entwicklung formaler Organisation zum einen ein zunehmend komplexe­ res Verständnis sozialer Umwelten und damit verbundener Ansprüche ist, zum anderen aber eine zunehmende Differenzierung zwischen sozialem System und den vielschichtigeren Umwelten. Mit anderen Worten: Je unterschiedlicher und unvereinbarer soziale Anforderungen an den Einzelnen in unterschiedlichen Feldern wurden, desto notwendiger wurde die Entkopplung von Verhaltens­ erwartungen und Umwelt. Mitgliedschaft im Modus der Partialinklusion ist ein zentraler Marker, um genau diese Entkopplung hervorzurufen. Gelingt das, handelt es sich um ‚formale‘ Organisationen.15 Genau hier setzt das Unbehagen der FrühneuzeithistorikerInnen an einer Konzeption von Verwaltungsgeschichte als klassischer Behördengeschichte im weberianischen Sinne ein.16 Wolfgang Reinhard oder Christian Hesse etwa betonen, in Auseinandersetzung eher mit Weber als mit Luhmann, die Unter­ schiede zwischen der Moderne und der Vormoderne.17 Beide gehen davon aus, 13 Vgl. Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 38; Kühl: Organisationen, S. 96; Mayntz: Soziologie der Organisation, S. 81 ff. 14 Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 134. 15 Ebd., S. 38. 16 Exemplarisch für Verwaltungsgeschichte als Behördengeschichte siehe etwa Willoweit: Allgemeine Merkmale; ders.: Die Entwicklung des öffentlichen Dienstes, oder etwas jün­ ger Hochedlinger/Winkelbauer (Hg.): Herrschaftsverdichtung. 17 Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt, S. 128–130; Hesse: Amtsträger, bes. S. 17–19; Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 551–579. Zu Max Webers Bürokratieverständnis siehe Kieser: Max Webers Analyse.

98

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

dass von einer Trennung von Amt und Person in der Vormoderne keine Rede sein könne. Entgegen der von Weber (und Luhmann) modellierten idealty­ pischen Trennung zwischen Amt und Privatperson zeige sich auf zahlreichen Feldern, sei es in Bezug auf Fachqualifikation, Besoldung oder grundsätzlicher auf die zentrale Bedeutung von Verwandtschaft, Freundschaft und Patronage, dass die Vormoderne gerade durch die enge Verflechtung der sozialen Rollen des Amtsträgers gekennzeichnet sei. Spätmittelalterliche Funktionseliten seien daher, so Hesse mit Max Weber, eher „Gelegenheitsbeamte“, die „durchaus für patrimoniale Züge der Herrschaft stehen“.18 Von einer Partialinklusion vormoderner Amtsträger kann also keine Rede sein. Amtsträger, so etwa Hillard von Thiessen, hatten zwar in erster Linie gemeinwohlorientierten Normen Rechnung zu tragen. Parallel hierzu richtete jedoch auch das lebensweltliche Umfeld in Form sozialer Normen Erwartun­ gen an den Amtsträger. So gehörte beispielsweise der Austausch von Gaben und Gefälligkeiten mit Freunden und Verwandten zu den wesentlichen Pfei­ lern von Sozialbeziehungen. „Die primäre Sozialbindung des frühneuzeitlichen Menschen bestand zu seinen Verwandten. Seine Ehre war wesentlich mit seiner Familienzugehörigkeit verknüpft.“19 Patronagepflicht und gemeinwohlorientier­ tes Amtsverständnis konnten dabei friedlich nebeneinander koexistieren. Beide Normensysteme konnten jedoch auch, etwa im Fall von Korruptionsvorwürfen, gegeneinander in Stellung gebracht werden.20 „Normativ eindeutig zu handeln ist […] kaum möglich, es sei denn, man setzt die Existenz eines einzigen, univer­ salen und widerspruchsfreien Normensystems voraus.“21 In der Praxis herrsch­ ten „erhebliche Überlappungen“, die zu manifesten normativen Widersprüchen führen konnten, aber eben nicht mussten: Die Konstellation bezeichnet von Thiessen als Normenkonkurrenz. Der etwas kontraintuitive Begriff meint nach 18 Hesse: Amtsträger, S. 18. 19 Thiessen: Korruption und Normenkonkurrenz, bes. S. 94 ff. 20 Normenkonkurrenzen finden sich jedoch auch auf subtileren Ebenen. So fragt etwa André Krischer am Beispiel des englischen Flottenamts danach, in welchem Verhältnis soziale Normen der Vergemeinschaftung und Geselligkeit zu den normativen Anforderungen von Verwaltungen an ihre Mitglieder standen. Krischer bezieht sich dabei vor allem auf die Differenzierung zwischen formaler und informeller Organisation und betont, dass wider­ sprüchliche oder auch konkurrierende Normenordnungen symptomatisch für vormoderne wie auch moderne Organisationen seien. Vielmehr bilden Organisationen „stets eine Viel­ zahl von Interaktionssystemen [aus], die nach weitgehend eigenen Regeln, nach situations­ bedingten Erfordernissen funktionierten und die trotzdem nicht dem Organisationszweck zuwiderlaufen“. Krischer: Förmlichkeit und Geselligkeit, S. 119. 21 Thiessen: Normenkonkurrenz, S. 241.

Mitgliedschaft

99

Thiessen gerade nicht den dauerhaften Konflikt zwischen unterschiedlichen Normen und Normensystemen, sondern die „grundlegende Konstellation eines Spannungs- und Wechselverhältnisses zwischen verschiedenen idealtypischen Normensystemen“.22 Der Begriff beschreibt damit vor allem eine „Konstellation potenzieller Normenkonflikte und -widersprüche“.23 Dass vormoderne Amtsträger keine Beamten im weberianischen Sinne sind, ist zweifelsohne richtig. Aber das Problem von Mitgliedschaft, sozialer Verflechtung und Inklusion ist doch komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn es ist ja nicht einfach so, dass formale Regeln, die durchaus im Sinne einer Partialin­ klusion auf eine Trennung zwischen Amt und Person abzielten, gar keine Rolle spielten.24 Normativ spielten sie diese durchaus. In seinem inzwischen klassischen Aufsatz hat Michael Stolleis die Ausbildung einer Beamtenethik im Medium von Fürstenspiegeln und Hausväterliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts untersucht, die in ihrem Kern auf eine stärkere Trennung von Amt und Person abzielt.25 Am Übergang von einer „patriarchalisch geführten ‚Hausverwaltung‘ […] zu straff zentralisierten und im Umfang vervielfachten bürokratischen Herrschaftsfor­ men des Absolutismus“, habe sich ein neuer „Typus“ des Amtsträgers heraus­ gebildet. Dieser war dem Fürsten treu ergeben und ebenso umfassend gebildet wie auch in der Lage, pragmatisch Entscheidungen zu treffen. Er war „fromm, integer, fleißig, bescheiden und unbestechlich“.26 Diese Konzeption des idealen Amtsträgers zeigt, dass es zeitgenössisch durchaus Bemühungen gab, zumindest normativ eine Differenzierung zwischen der sozialen Rolle des Amtsträgers und seinen sonstigen Lebensbezügen herzustellen. Diesen erst einmal etwas trivial wirkenden Befund festzuhalten, ist umso wichtiger, als schließlich auch Max Webers Beamtentypus zunächst einmal ein Ideal beschreibt und keine Aussagen über das tatsächliche Verhalten von Amtsträgern trifft. Es bleibt also unklar, welche Bedeutung der formalen Definition einer Mitgliedsrolle zukam.

22 Ebd., S. 254. 23 Ebd. 24 Grüne: Freundschaft, S. 299. 25 Stolleis: Beamtenethik, S. 273–302. 26 Ebd., S. 292.

100

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

1.1.1 Eintritt in die und Austritt aus der Berg­verwaltung Wie wurde man Mitglied der Berg­verwaltung? Sowohl im lokalen Berg­amt als auch im Oberbergamt konstituierte sich der Eintritt in die Berg­verwaltung durch eine Reihe von formalen Akten: Dazu gehörte zunächst die Überstellung des Bestallungsbriefs. In den Bestallungsbriefen wurden die Tätigkeitsfelder und Entscheidungskompetenzen des Amtsträgers ebenso festgelegt wie grund­ sätzliche Verhaltenserwartungen an ihn.27 Im Gegenzug für die Einhaltung der Amtspflichten wurden Amtsträgern eine feste Besoldung und zusätzliche Ver­ günstigungen, etwa in Form von Kleidung, Naturalien, freiem Wohnraum oder anderen Privilegien zugestanden. Nach der Übersendung des Bestallungsbriefes musste dieser durch den Kandidaten bestätigt werden, bevor schließlich unter Zeugen der Diensteid geschworen wurde, womit der formale Übertritt vom Anwärter auf das Amt zum Amtsträger vollzogen wurde.28 Der Amtseid umfasste als promissorischer Eid die Anerkennung der Amts- und Dienstpflichten und war zudem ein Treueeid, der die Treuebeziehung gegenüber dem Dienstherren rechtlich bindend bestätigte.29 Erst das Ablegen des Amtseids unterschied for­ mal gesehen die Gruppe der ‚Berg­beamtenschaft‘ von ihrer Umwelt, den Berg­ verwandten.30 Dem Ablegen des Eides kamen dabei sehr unterschiedliche Funktionen zu. Zum einen markierte die Eidesleistung oder auch das äquivalente Gelöbnis mit Hand und Mund den Beginn einer Rechtsbeziehung. Durch die Vereidigung wurden Amtsträger rechtlich bindend auf ihre Pflichten festgelegt und konnten im Fall der Übertretung auch entsprechend sanktioniert werden. Wie bedeutsam die rechtliche Dimension des Amtseides ist, zeigt sich etwa an einer Bitte des Freiberger Berg­meisters Simon Bogner aus dem Jahr 1542, in der er bat, dass die Vereidigung der Schichtmeister in Freiberg normativ festgelegt werden solle.31 27 Zu den Bestallungsbriefen ausführlicher Kap. C. 2. 2. 2 (Bestallungsbriefe). 28 Das Prozedere verlief in den meisten Verwaltungen vergleichbar, siehe hierzu etwa Hengerer: Kaiserhof, 157 ff. 29 Zur Bedeutung des Diensteides vgl. auch Holenstein: Die Huldigung der Untertanen, S. 28–29. 30 Wenn im Folgenden von Berg­beamten gesprochen wird, dann wird dieser Begriff synonym für Amtsträger verwendet und soll nicht in einem modernen Sinn verstanden werden. Nach Hesse kann keine Kontinuitätslinie vom vormodernen Amtsträger zum modernen „Beam­ ten“ im weberianischen Sinne gezogen werden. Vgl. Hesse: Amtsträger, S. 17. 31 Simon Bogner (Berg­meister) an Herzog Moritz, 30. Januar 1542. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 21a-b.

Mitgliedschaft

101

Die Schichtmeister in Freiberg würden allzu oft sich seiner Weisung entziehen und wollten „sich gar nicht ruehmenn vleissige Schichtmeister“ zu sein.32 Er könne sie jedoch nur sanktionieren, wenn sie auch vereidigt seien. Dies sei dem „Berkwerg gut vnnd nutzlich“ und insbesondere „sonderlich zur vnderbringung der abgescheuheten vnd vernaygten gewercken dienstlich“.33 Im Anschluss an die Vereidigung wurde der neue Amtsträger dem lokalen Berg­amt und der Knappschaft vorgestellt und in seine Amtspflichten eingewie­ sen.34 Das Ablegen des Amtseides fand in aller Regel im Rahmen eines etablierten Verfahrens statt, zunächst auf den sogenannten Berg­handlungen und seit den 1540er Jahren auf den Berg­rechnungen, auf deren Funktion an späterer Stelle ausführlich eingegangen wird.35 Der Eintritt in die Berg­verwaltung verlief nach einem etablierten Verfahren und hatte eine nicht zu unterschätzende symboli­ sche Dimension. Durch das Ablegen des Amtseids unter Zeugen im Rahmen formaler Verfahren wurde der Übergang von der Privatperson zur Amtsperson performativ inszeniert und die neue soziale Rolle des Amtsträgers, zusammen mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten, der versammelten Berg­ gemeinde – in aller Regel Vertreter der Knappschaft und der städtischen Obrig­ keiten – sichtbar vor Augen gestellt. Mit dem Ablegen des Amtseides konnten Amtsträger für ihr Verhalten im Amt rechtlich und vor allem finanziell haftbar gemacht werden. In diesen Kontext sind vermutlich die ab 1552 überlieferten nachweisbaren Bürgschaften, sogenannte Vorstände, für Amtsträger zu stellen, in denen sich die Bürgen verpflichteten, für etwaige finanzielle Schäden aus dienstlichen Verfehlungen von Amtsträgern zu haften.36 32 Ebd., fol. 21a. Am 7. Juli 1542 erließ Herzog Moritz einen entsprechenden Befehl. „So begeh­ ren wier an alle vnd Itzliche so sich den Berg­kamptern gebrauchen wöllen, hirmit ernstlich befehlende, das sie solchen Eydt vnsern verordneten Berg­meyster ahne weygerung thun vnd leysten, vnd darinn kein außgangk ader hindergank nehmen, daran geschieht vnsere gentz­ liche vnd ernste meinung, da aber noch etliche sein wurden, die sich des beschwerenn.“ Wer sich daran nicht halte, solle künftig auch nicht in den Berg­werken geduldet werden. Ebd., fol. 28a. 33 Ebd., fol. 21a. 34 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 122a–127a; SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2512, fol. 15a. 35 Vgl. Kap. C.3.2.1 (Die Berg­rechnung). 36 Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2691, fol. 2a. In größerer Zahl sind diese Bürgschaften erst für das späte 16. Jahrhundert überliefert. Vgl. SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1309, passim, exemplarisch etwa fol. 95a–b. Interessant ist diesbezüglich der Fall des Schneeberger Zehntners Hans Behm aus dem Jahr 1565. Behm hatte einen Vorstand bestellt, der aber so schlecht wirtschaftete, dass „sich bei Inen nicht viell zuerholen“. Da­

102

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Die Übernahme eines Amtes in der Berg­verwaltung war prinzipiell zeitlich unbefristet oder auf Widerruf ausgelegt, wenngleich einzelne Posten befris­ tete Bestallungen (in aller Regel auf zwei Jahre) erhalten konnten, die dann in regelmäßigen Abständen erneuert wurden.37 Etwas anders gelagert war hinge­ gen der Austritt aus der Berg­verwaltung, der wesentlich weniger formalisiert vonstatten ging und meist als ‚Urlaub‘ oder ‚Abschied‘ bezeichnet wurde.38 Eine Beendigung des Dienstverhältnisses war aus unterschiedlichen Gründen und sowohl von Seiten des Dienstherrn als auch des Amtsträgers möglich. Neben dem unvermeidlichen Ende eines jeden Amtsverhältnisses durch den Tod des Amtsträgers wurden Bitten um Entlassungen von Amtsträgern üblicherweise mit dem hohen Alter, körperlicher Schwäche oder Überlastung begründet.39 Es gehört zu den Besonderheiten des Berg­baus, dass einige Amtsträger über eine gewisse körperliche Fitness verfügen mussten.40 Das Einfahren unter Tage und das Inspizieren der Berg­- und Hüttengebäude gehörte zu den üblichen Aufgaben des Berg­meisters und der Geschworenen. Diese sollten gemäß der Berg­ordnung und ihrer Bestallung gegen eine Gebühr, das sogenannte Fahrgeld,

37

38

39

40

her sollte Behm einen neuen Vorstand benennen, oder er könne nicht bestallt werden. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), Kopial 1565–1566, fol. 95a. Mit der Berg­ordnung 1589 wurde die Benennung von Bürgen für den Gegenschreiber auch normativ festgelegt, vgl. Berg­ordnung 1589, § 12. Zur Vermögenslage von Amtsträgern allgemein siehe auch Hesse: Amtsträger, S. 379 f. So erhielt etwa der Oberhüttenverwalter Michel Schönleben am 14. Juli 1563 eine auf zwei Jahre befristete Bestallung, die regelmäßig erneuert wurde. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Loc. 33340, Rep. 52, Gen. Nr. 1921, fol. 69a–70a. Zeitlich befristet war auch die Bestallung des Marienberger Hüttenreuters Christoph Kohlreuter, der 1546 zunächst auf ein Jahr bestallt wurde. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 140a–b. Bestätigung des Gesuchs des Schneeberger Berg­meisters um Urlaub und Abschied von sei­ nem Posten (16. Oktober 1511), in: SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/03, fol. 111b. Eine ähnliche Formulierung findet sich auch im Bericht von Hans Röhling an Herzog Moritz (16. Oktober 1546). Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 140a–b. Vgl. etwa die Bitte um Entlassung des Annaberger Gegenschreibers Oswald Schotz aus dem Jahr 1534. Schotz argumentiert, dass er das Amt auf Grund seiner Leibesschwachheit nicht mehr ausüben könne und verwies auf seine langjährige und verdienstvolle Tätigkeit als Ge­ genschreiber. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat, Loc. 04494/05, fol. 44a–b. Einen Eindruck von den Anstrengungen und den Gefahren der Arbeit unter Tage liefert Wilsdorf: Berg­bautechnische Neuerungen, S. 778–784, bes. S. 779 f.

Mitgliedschaft

103

regelmäßig in die Zechen ihres Reviers einfahren.41 Auch die Mitglieder der mittleren Berg­verwaltung waren verpflichtet, in regelmäßigen Abständen in die Zechen einzufahren.42 So heißt es etwa in der Bestallung von Christoph von Schönberg zum Berg­hauptmann von 1590, dass er darauf achten solle, dass Berg­meister und Geschworene täglich einfahren, und dass er auch selbst von Zeit zu Zeit einzufahren habe.43 Berg­beamte der verschiedenen Verwaltungs­ ebenen sollten also regelmäßig unter Tage den Zustand der Zechen, Berg­gebäude und des Hüttenwesens inspizieren sowie die Tätigkeit der Schichtmeister und Steiger kontrollieren. Das Einfahren in die Zechen war jedoch eine physisch anstrengende Tätigkeit. Entsprechend häufig finden sich Entlassungsgesuche von Amtsträgern, die auf Grund ihres Alters oder körperlicher Gebrechen diese Tätigkeit nicht mehr aus­ üben konnten. Auf dieses Problem reagierte man, indem man entweder zusätz­ liches Personal zum Einfahren zur Verfügung stellte oder aber die Amtsträger aus ihrem Dienst entließ.44 Besonders eindrücklich etwa ist die Supplikation des Oberbergmeisters Christoph Wolf Petzold, der 1595 klagte, dass er nun schon seit fünf Jahren seinen Dienst als Oberbergmeister fleißig verrichte, „daruber ich

41 Vgl. Art. Fahrgeld, in Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, S. 168. 42 Vgl. etwa die Bestallungen Wolf von Schönbergs zum Berg­hauptmann aus dem Jahr 1558, die Bestallung Christoph von Schönbergs zum Berg­hauptmann (1592) und zum Berg­ amtmann und Amtmann zu Wolkenstein (1596) oder die Bestallung Caspar Rudolph von Schönbergs zu Wilßdorf zum Kammer- und Berg­rat und zum Berg­hauptmann (1609). Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 7/3a, fol. 60a, fol. 62b, fol. 81a–83b. 43 Vgl. ebd., fol. 33a–34a. 44 Siehe etwa Markus Röhling (Berg­amtsverwalter) und Christoph Werner (Berg­werksverwalter) an Hans von Bernstein und Wolf von Schönberg, 24 Mai 1576. Röhling und Werner ver­ wiesen hier auf das hohe Alter des Wolkensteiner Berg­meisters, das ihn daran hindere, die Berg­werke zu befahren. Da das Berg­werk floriere, wäre es gut, einen weiteren Geschworenen einzustellen, der das Einfahren übernehmen könnte. Auch der Berg­meister in Eibenstock sei zu alt zum Einfahren, weshalb sie empfahlen, einen oder zwei gute Berg­männer einzu­ setzen, die den Berg­meister unterstützen könnten. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36085, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0899, fol. 23a–25b. Ähnlich auch Friedrich Wilhelm Her­ zog zu Sachsen, Vormund und Administrator von Kursachsen an Heinrich von Schönberg (Oberhauptmann) und Christoph von Schönberg (Berg­amtmann), 15. August 1597. Da der Berg­meister in Marienberg, Wolf Hain, auf Grund seines Alters nicht mehr einfahren könne, solle ihm der Berg­meister zu Wolkenstein, Paul Hain, zugeordnet werden, um das Berg­werk zu versorgen und einzufahren. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2310, fol. 6a.

104

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

denn etzliche Pferde zu Boden gereist, auch meinen leib müde gemacht“.45 Da ihm nun aufgetragen worden sei, neben seinen üblichen Tätigkeiten auch noch alle Zubußzechen und Stollen zu befahren, in denen der Kurfürst Anteile besaß, bat er um Entlassung von seinem Posten als Oberbergmeister. Als Begründung gab er an, dass er „der gestalt alles zuvorrichten meine leibes kraffte auch nicht ertragenn“ könne. Stattdessen möge ihm ein Amt gegeben werden, „das ich meines leibes krefften halben vorrichten könndte“.46 Aber auch im Dienst in der Schreibstube, fernab der Gruben und Schächte, konnten körperliche Gebrechen zum Problem werden. 1515 etwa bat der Schneeberger Gegenschreiber Jobst Schober um Entlassung von seinem Posten. Er habe das Amt seit zehn Jahren versehen, aber in letzter Zeit sei „yme nun etwas schwacheit am haubt vnd augen zugefallen“, weshalb er um Entlassung bat.47 Eher ungewöhnlich ist hingegen das Entlassungsgesuch des Freiberger Berg­geschworenen Merten Gähl, der bereits ein halbes Jahr nach seiner Einsetzung auf Grund seiner „vnvermogenheit“ um Entlassung bat.48 Die Entscheidung über die Entlassung oblag letztlich dem Landesherrn, der das Entlassungsgesuch auch ablehnen konnte. Dass dies auch geschah, zeigt sich auch am Beispiel des Berg­vogtes Simon Bogner, der 1560, trotz seiner Bitte um Entlassung, erneut zum Berg­vogt bestallt wurde, wenn­ gleich mit deutlichen finanziellen Vergünstigungen.49 Darüber hinaus konnte das Dienstverhältnis auch auf Initiativen aus der Berg­verwaltung durch den Landesherrn beendet werden, was vor allem mit nachgewiesener Untreue oder Unfähigkeit im Amt, also mit dem Bruch mit der Mitgliedschaftsrolle des Amtsträgers, begründet wurde.50 45 Bitte um Entlassung Oberbergmeister Christoph Wolf Petzold, 7. Juli 1595, SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 3298, ohne Paginierung, Nr. 1. 46 Ebd. 47 Entlassungsgesuch Jobst Schober, Quasimodogeniti 1515, SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/04, fol. 10a. 48 Entlassungsgesuch Merten Gähl, 27. August 1566, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 166b. 49 Supplikation Simon Bogner, 5. August 1560, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 33340, Rep. 52, Gen. Nr. 1921, fol. 348a–349a. 50 So führten Korruptionsvorwürfe 1587 zur Entlassung des Freiberger Hüttenreuthers Valten Kuhn. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 33073, Rep. 52, Spec. Nr. 0446, fol. 1a– 3b. Ähnliche Entlassungen auf Grund von Inkompetenz oder Fehlverhalten im Amt finden sich hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1565–1566, fol. 109b–110a, fol. 96b–97a; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 118a–119a, fol. 122a–127a.

Mitgliedschaft

105

Im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses im gegenseitigen Einver­ ständnis konnten Amtsträger auf eine Pension hoffen. Der Anspruch auf eine Pension wurde entweder bereits in der Bestallung festgelegt oder aber als Gna­ denakt gewährt. So bat der Berg­meister Andres Hoffmann 1579 auf Grund sei­ nes hohen Alters darum, aus dem Dienst entlassen zu werden und 1 fl wöchent­ lich aus der Gnadengroschenkasse als Pension zu erhalten. Die Gewährung von Pensionen aus der Gnadengroschenkasse war keineswegs unüblich, blieb aber, wie der Name schon sagt, ein Gnadenakt des Kurfürsten.51 1.1.2 Von Amts wegen: Die soziale Rolle als Amtsträger Mit dem Ablegen des Amtseides war eine Verpflichtung auf eine Amtsrolle ver­ bunden, deren Rahmung in der Eidesformel ebenso wie in den Formulierungen der Bestallungsbriefe festgelegt war. Durch die Übernahme einer Mitgliedschafts­ rolle wurde zumindest idealtypisch eine Differenz zwischen der Amtsperson und der Privatperson eingezogen.52 Welche Verhaltenserwartungen genau mit der sozialen Rolle des Amtsträgers verknüpft waren, wurde in den Formulierungen des Amtseids und der Bestallungsbriefe fixiert. Exemplarisch zeigt sich dies etwa am Amtseid des Schneeberger Berg­meisters Michel Hafftenstein. 1525 schwor Hafftenstein seinen Amtseid während der Schneeberger Rechnungslegung vor einer Kommission aus ernestinischen und albertinischen Hofräten: Ich Michel Hafftensteyn, Schwere, das ich will meinen gnadigsten und g.h. hertzog Johannsen Churf u[nd] hertzog Georgen Zw Sachssen […], getraw und gewartig sein, das bergmayster ampt alhye auffm Schneperg, getrewlich und vleyssigk vorwesen, Iro Churfs. und f.g. gerech­ tigkeit handthabenn, der Gewergken und gemeynes Berg­kwergs Nutz fordern, yedermann was sich vonn Recht und Billicheit, eygent gestatten und vorhelffen, meiner gnedigk und g.h. bergordnung allenthalben vleyssigk und getrewlich handthaben, und selber was mir daInnen auffgelegtt ist volbringenn, alles nach meine besten vorstentnis und vormogen, will auch inn dem allen, keins andern genieß dann der mir vonn meinen gnedigst und g.h. zugelassen

51 Der Berg­meister Andres Hoffmann etwa bat um Entlassung und eine wöchentliche Zahlung von 1 fl gnadenhalber. Hans von Bernstein an Kurfürst August, 30. Oktober 1579, Sächs­ StA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 298a. 52 Vgl. Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 64.

106

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

ist, geprauchen, und mich wider diß alles, keynen nutz noch gab, Sunst freundtschafft, ader feindschafft bewegen lassenn, Als mir gott helffe, und alle seyne heyligenn.53

Der Schneeberger Berg­meister schwor zunächst im Rahmen des üblichen Verfah­ rens, nämlich den Berg­handlungen, seinen Dienstherren Treue. Da in Schneeberg 1525 die administrative Ausgestaltung der Verwaltung sowohl in den Händen der Albertiner als auch der Ernestiner lag, richtete sich der Treueschwur ent­ sprechend sowohl an Kurfürst Johann von Sachsen als auch an Herzog Georg von Sachsen. An diesem Amtseid zeigt sich der herrschaftlich-patrimoniale Charakter vormoderner Verwaltungen: Treue im Amt bezog sich eben nicht auf ein abstraktes politisches oder wirtschaftliches Gebilde, sondern war an die Herrschaft des jeweiligen Landesherrn und im Falle des Berg­baus an dessen Regalrechte gebunden. Zugleich war der Regalherr als oberster Berg­herr seiner­ seits verpflichtet, dem Amtsträger Schutz und Schirm zu gewähren und seine Regalrechte zu Gunsten des Gemeinen Nutzens der Berg­werke einzusetzen.54 Durch das Ablegen des Amtseides verpflichtete sich Hafftenstein zur Über­ nahme einer Amtsrolle mit entsprechenden Amtspflichten und der Einhaltung gewisser Amtstugenden. Hafftenstein schwor, fleißig und treulich seine Amts­ geschäfte zu versorgen, die „gerechtigkeit“ im Namen der beiden Regalherren auszuüben, den Gemeinen Nutzen der Berg­werke und der Gewerken zu fördern, alle Tätigkeiten nach seinem besten Vermögen zu handhaben und sich weder durch „nutze noch gab“, „freundschafft, ader feindschafft“ leiten zu lassen. Die hier formulierten Amtstugenden orientierten sich an dem seit dem Mittel­ alter etablierten Wertekanon für Amtsträger aller Art.55 So wurde von Amtsträ­ gern im Berg­bau Treue gegenüber dem Landesherrn, Fleiß im Amt sowie die Vermeidung von eigennützigem oder parteiischem Verhalten im Amt erwartet. Spezifischer noch war die Verpflichtung des Amtsträgers auf die Förderung des Gemeinen Nutzens der Berg­werke sowie die Wahrung der Interessen der Gewerken und des Regalherrn. Die in den Amtseiden dokumentierte Mitglied­ schaftsrolle orientierte sich also maßgeblich an den Leitwerten des Berg­baus und diente einem Zweck: der Förderung des Gemeinen Berg­baunutzens. 53 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04490/01, fol. 114a–b. Den gleichen Eid schwor bereits sein Vorgänger Nicol Salzberger auf der Berg­handlung Quasi­ modogeniti 1522, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/07, fol. 14a–b. 54 Vgl. Reinhard: Staatsgewalt, S. 127. 55 Vgl. Hengerer: Kaiserhof, S. 157; Stolleis: Beamtenethik, S. 293 ff.

Mitgliedschaft

107

Der Wortlaut des Amtseids von Michel Hafftenstein entspricht dem der Annaberger Berg­ordnung von 1509.56 Die in den Berg­ordnungen abgedruckten Amtseide können als schriftlich fixierte und damit bis zu einem gewissen Grad auch öffentlich gemachte Verhaltenserwartungen an Amtsträger verstanden werden. Die Amtseide wurden dabei in Nuancen auf die jeweiligen Tätigkeiten des Amtsinhabers zugeschnitten. Der Amtseid des Zehntners etwa bezog sich auf den richtigen Umgang mit den Finanzen sowohl der Gewerken als auch des Fürsten.57 Auch er sollte Treue und Fleiß im Amt walten lassen, darüber hin­ aus aber auf eine „redlich und genugsame“ Rechnungslegung Acht geben, um die Interessen der Gewerken und des Landesherrn zu schützen.58 Während der Zehntner neben der Wahrung allgemeiner Amtstugenden vor allem auf eine gewissenhafte Rechnungslegung achten sollte, bezogen sich die Amtseide des Berg­meisters, der Berg­geschworenen und der Berg­- und Gegenschreiber stärker auf die Förderung des Gemeinen Berg­baunutzes und die Unterstützung der Inter­ essen der Gewerken nach geltendem Berg­recht.59 Im Medium der Berg­ordnungen zeigt sich, dass sachlich geeignete, ‚bergverständige‘ und ‚für das Amt taugliche‘ Männer bestallt werden sollten. Sozialstatus und Ehrbarkeit hingegen spielten – jedenfalls offiziell – normativ keine Rolle für die Bestallung von Amtsträgern. Es handelt sich formal gesehen um eine Partialinklusion des Amtsträgers. In allen Eidesformeln zeigt sich, dass Erwartungen an die Mitgliedschaft formuliert wurden, die sich von denen anderer sozialen Rollen unterschieden. Am deutlichsten wurde dies durch die topische Formulierung der Vermeidung von eigennützigem Verhalten im Amt markiert. Die Formel, sich nicht durch 56 Seit 1509 wurden die Eidesformeln der lokalen Amtsträger in den großen Berg­ordnungen mit aufgeführt. Nach der Annaberger Berg­ordnung zählten zunächst Berg­meister, Berg­ geschworene, Schichtmeister und Steiger, Zehntner, Austeiler, Gegenschreiber, Berg­schreiber, Schmelzer, Abtreiber, Hüttenreuter und Hüttenschreiber zu den vereidigten Funktions­ trägern im Berg­bau. 1554 kamen noch das Amt des Markscheiders und des Silberbrenners hinzu. Mit der Landesbergordnung von 1589 wurden zudem noch die Kuxkränzler und der Hüttenverwalter vereidigt. Vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, Amtseide, Sp. 94 ff.; Berg­ ordnung 1554, Sp. 117–150 und Berg­ordnung 1589, Sp. 194–198. 57 Annaberger Berg­ordnung 1509, Amtseid Zehntner, Sp. 94. 58 Dabei habe er sich an die Berg­ordnung zu halten und Verstöße gegen diese zu melden. Wie der Berg­meister sollte er auf zusätzliche Vergünstigungen („Nutz ader Genieß“) verzichten, wobei jene ausgenommen waren, die ihm der Landesherr zugestand. Bei der Ausübung seiner Amtspflichten habe er sich weder durch „Nutz, Gab, Gunst, Freuntschafft oder Feindschafft“ bewegen zu lassen, sondern solle sich nach seinem Vermögen und mit Gottes Hilfe treu und „ungeverlich“ verhalten. Ebd. 59 Ebd., Amtseid Berg­meister, Berg­g eschworene, Berg­schreiber, Gegenschreiber, Sp. 94 ff.

108

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

„nutze noch gab“, „freundschafft, ader feindschafft“ bewegen zu lassen, ist ein tradierter Topos der vormodernen Beamtenethik und zielt vor allem auf die geforderte Unbestechlichkeit des Amtsträgers.60 Dass der Amtseid im Selbst­ verständnis der Berg­verwaltung mehr als nur ein Lippenbekenntnis war, zeigt sich an einem gegen Ende des 16. Jahrhunderts verfassten Memorandum des Oberberghauptmanns Heinrich von Schönberg. Dieser beschwerte sich über das Amtsverhalten des Hüttenreuters und verwies dabei explizit auf dessen Bestallungsbrief und die Berg­ordnung von 1589. Der Hüttenreuter habe einen Eid geschworen, der besage, dass er sich nicht eigenmächtig bereichern dürfe und weder den kurfürstlichen Zehnt schmälern noch entgegen den Interessen der Gewerken handeln dürfe.61 Diesen Eid habe er zu „Gott leiblich geschworen Vnnd sich hierdurch der herrschaft verbunden“, weshalb Untreue als Eidbruch bestraft werden müsse.62 Die von Schönberg geforderte Mitgliedschaftsrolle des Hüttenreuters wird hier also explizit auf den Inhalt und das Ablegen des Diensteides bezogen. In Bezug auf die Publikation und damit die Öffentlichkeit von Erwartungs­ haltungen an Amtsträger lassen sich deutliche Unterschiede zwischen dem loka­ len Berg­amt und dem Oberbergamt ausmachen. Auch die Mitgliedschaft in der mittleren Berg­verwaltung war an das Ablegen eines Diensteides gebunden, die Eide sind jedoch nicht im Wortlaut in den Berg­ordnungen aufgeführt, so dass über die in ihnen formulierten Amtsrollen keine Aussage getroffen werden kann. Anhand der ab 1555 überlieferten Bestallungsbriefe und dem damit verbunde­ nen Schriftwechsel lassen sich aber Gelöbnisse mit Hand und Mund an Eides Statt von adligen wie von nichtadligen Amtsträgern der mittleren Verwaltungs­ instanzen nachweisen, so etwa im Fall von Lorenz von Schönbergs Bestallung zum Berg­amtmann 1577, Christoph Werners Bestallung zum Oberbergmeister 1582 oder der Bestallung von David Greuß zum Berg­werksverwalter 1582.63 60 Vgl. hierzu Grüne: Gabenschlucker, S. 220 f.; Grüne: Freundschaft, bes. S. 299 sowie Groebner: Gefährliche Geschenke, S. 12–153. 61 Memorandum Heinrich von Schönberg (Oberberghauptmann), undatiert (vermutlich zwischen 1591 und 1600), SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36057, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 0001, fol. 3a–b. 62 Ebd., fol. 3b. 63 Die Bestallungen finden sich hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, f8a(sic!)–15b (Lorenz von Schönberg); SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 1a–3a (Christoph Werner); ebd., fol. 7a–9b (David Greuß). Das „Gelöbnis an Eides statt ersetzte den Eid […], die einzige Abweichung zum Eid habe darin bestanden, daß wegen der fehlenden Anrufung Gottes auch die Strafe der ewigen

Mitgliedschaft

109

Aufschlüsse über die geforderte Mitgliedschaftsrolle der mittleren Berg­ verwaltung können auch über die Inhalte der Bestallungsbriefe gewonnen werden. Diese machen detaillierte Angaben zu den Kompetenzen, zur hierarchischen Position und den Tätigkeitsfeldern des Amtsträgers. In Bezug auf die Formulie­ rung einer Mitgliedschaftsrolle gleichen die Bestallungsbriefe den Amtseiden. Auch hier werden Treue und Fleiß im Amt und die Förderung des Gemeinen Nutzens des Berg­werks als zentrale Verhaltenserwartungen formuliert. Für die Oberberghauptleute beziehungsweise die Berg­hauptleute und Berg­amtmänner kam zudem noch die Verpflichtung auf Verschwiegenheit im Amt hinzu.64 Im Unterschied zu den Amtseiden findet sich in den Bestallungsbriefen jedoch nicht die topische Formel, sich weder durch Freundschaft noch Feindschaft bewegen zu lassen. Jedoch wird festgelegt, dass sich die Amtsträger mit ihrer Besoldung und den jeweiligen Zulagen zufriedengeben sollen. Darüber hinaus betonen die Bestallungsbriefe, stärker noch als die Amtseide, die enge Anbin­ dung an den Landesherrn. Wolf von Schönberg habe etwa als Berg­hauptmann sich so zu verhalten, wie es „die notturft solchs ampts vnd vnser vnd des berck­ werg bestes erfordert vnd einen getrewen rath vnnd diner kegen seinen herren zuthun gebuhret, vnd wohl anstehet“.65 Auch der Oberbergmeister Christoph Werner habe sich gemäß seiner Bestallung vom 7. März 1582 wie ein treuer Die­ ner gegen seinen Herrn zu verhalten.66 Die stärkere Fokussierung auf den Landesherrn im Vergleich zu den Amts­ eiden lässt sich aus der Gattungszugehörigkeit der Bestallungsbriefe erklären. Während die publizierten Amtseide in den Berg­ordnungen sich nicht aus­ schließlich an Amtsträger richteten, sondern auch die Umwelt der Verwaltung adressierten, waren die Bestallungsbriefe nicht öffentlich. Betrachtet man die Verdammnis ausblieb“. Nach Holenstein war die Vielfalt an förmlichen Verpflichtungen auch Ausdruck ständischer Differenziertheit. So wurden König und Klerus als erste vom Eid befreit. Später folgten dann auch Adlige diesem Beispiel. Vgl. Holenstein: Die Hul­ digung der Untertanen, S. 11. Für die Berg­verwaltung ist es schwierig herauszuarbeiten, ob und wie adlige Amtsträger im 16. Jahrhundert vereidigt wurden. Wenngleich Lorenz von Schönberg ein Gelöbnis an Eides statt ablegte, bleibt seine Bestallung unter den adligen Amtsträgern doch die Einzige, in der sich diese Formel überhaupt findet. Das muss jedoch nichts bedeuten, sondern verweist zunächst einmal nur darauf, dass die Eidesformel nicht zwingend in der Bestallung aufgeführt werden musste. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzar­ chiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 14b. 64 Siehe exemplarisch die Bestallung Heinrich von Schönbergs zum Berg­amtmann, 7. Januar 1588, ebd., fol. 24a–28b. 65 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 7/6a. 66 Ebd., fol. 1a–3a.

110

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

nur selten überlieferten Bestallungsbriefe lokaler Amtsträger, dann zeigt sich, dass auch hier wesentlich stärker der treue Dienst am Landesherrn betont wird als die Ausrichtung an den Interessen der Gewerken.67 Damit wird gerade im Kontrast deutlich, dass es sich um unterschiedliche Diskursfelder handelt, in denen Amtseide und Bestallungsbriefe angesiedelt sind: Während die Bestal­ lungsbriefe das auf Treue und Fleiß des Amtsträgers und Schutz und Schirm des Landesherrn basierende Amtsverhältnis zwischen Amtsträger und Landesherr thematisieren, verbinden die öffentlichen Amtseide die Mitgliedschaftsrolle mit den Zwecken der Berg­verwaltung und fokussieren stärker auf die Wahrung der Partikularinteressen des Landesherrn und der Gewerken im Rahmen des Gemeinen Nutzens des Berg­werks. Für das Verständnis der Konzeption von Mitgliedschaft in der Berg­verwaltung ist es von erheblicher Bedeutung, dass vor allem die lokalen Amtsträger als neutrale Instanz im Rahmen einer geltenden Amtsethik konzipiert wurden. Zugleich wurden die Verhaltenserwartungen an die Amtsträger durch die Pub­ likation der Eidesformeln sowohl innerhalb der Verwaltung als auch gegenüber den sozialen Umwelten der Verwaltung sichtbar gemacht. Mit der Betonung der Verpflichtung von Amtsträgern gegenüber den Interessen der Gewerken wurden in den Berg­ordnungen Verhaltenserwartungen formuliert, die die sozi­ ale Umwelt an Amtsträger haben durfte. Auch von Mitgliedern der mittleren Berg­verwaltung wurde ein konkretes Amtsethos gefordert. Im Gegensatz zu den lokalen Amtsträgern und ihren Amtseiden zeigt sich beim Blick in die Bestallungsbriefe aber, dass hier Mitgliedschaft stärker auf das Dienst- und Treueverhältnis zum Landesherrn abzielte als auf neutrale, den Zwecken der Berg­verwaltung verpflichtete Instanzen. Damit ist jedoch noch nichts darüber ausgesagt, welche Bedeutung die for­ mulierten Mitgliedschaftsrollen für das tatsächliche Verhalten von Amtsträgern hatten.68 Die eidliche Verpflichtung auf eine spezifische Mitgliedschaftsrolle war kein Garant dafür, dass sich Amtsträger auch an diese hielten. Vielmehr zeigt sich nur, welche Erwartungen an Amtsträger formuliert wurden und wie sich die Verwaltung gegenüber ihrer sozialen Umwelt repräsentierte. Ein Indiz dafür, dass auch in vormodernen Verwaltungen von einer Dif­ ferenz zwischen der geforderten sozialen Rolle als Amtsträger und anderen sozialen Rollen auszugehen ist, ist die Formulierung ‚von Amts halben‘. So beklagt sich etwa der Oberbergmeister Merten Planer 1578, dass Kritik an seiner 67 Vgl. Bestallung Paul Röhling zum Marienberger Berg­meister, 1. April 1582, ebd., fol. 4a–5a. 68 Vgl. hierzu Thiessen: Normenkonkurrenz, S. 249.

Mitgliedschaft

111

Amtsführung daher rühre, dass er seinem „missgunner“ von „amptshalben hart gewesen vnd nichts nachgelassen“.69 Stärker noch zwischen verschiedenen sozialen Rollen differenzierte der Freiberger Berg­meister David Schulz. Dieser schrieb am 27. September 1600 an Katharina Schönleben wegen des Verdachts, dass sie ihre Zubuße in schlechter Münze bezahlt habe. Daher sei es „Ambtshalben an euch mein begehren, Vor meine Person aber freundtlich suchen“, dass sie die Zubuße mit guter Münze begleiche.70 Die gegen Ende des 16. Jahrhunderts ver­ mehrt auftauchende Formulierung lässt sich als Indiz lesen, dass zumindest auf der sprachlichen Ebene zwischen einer sozialen Rolle als Amtsträger und den damit verbundenen Verhaltenserwartungen und einer davon zu unterscheiden­ den sozialen Rolle als Privatperson differenziert wurde. An dieser Stelle lassen sich bereits erste Beobachtungen etwas systematischer bündeln: Es gab erstens konkrete Rollenerwartungen, die an die Mitgliedschaft in der Berg­verwaltung geknüpft waren und sich an einem etablierten Werteka­ non orientierten. Zweitens basierte Mitgliedschaft auf Freiwilligkeit. Das heißt, man wurde weder als Mitglied geboren noch handelte es sich formal um eine Zwangsmitgliedschaft.71 Drittens wurden die Erwartungshaltungen schriftlich fixiert und in den Berg­ordnungen öffentlich gemacht. Mitgliedschaft in der Berg­verwaltung umfasste also viertens nicht die gesamte Person des Amtsträ­ gers, sondern war im Modus der Partialinklusion organisiert und hatte zudem einem Zweck zu dienen, nämlich der Förderung des Gemeinen Berg­baunutzens. Dass diese Form von Mitgliedschaft in der Vormoderne nicht zwingend war, zeigt sich beim vergleichenden Blick auf die Knappschaft, einer klassischen Korporation. 69 Planer bezieht sich im Rahmen seiner Stellungnahme zu den anonym vorgebrachten Be­ schwerden mehrfach auf sein „amptshalben“ erfolgtes Verhalten. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, etwa fol. 2a, 7a, 32a, 35a, 38b, 46a (Zitat 32a). Diese Formulierung findet sich auch in anderen Kontexten, etwa SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 1869, fol. 103b (undatierter Bericht, vermut­ lich Frühjahr 1549). Auch hier wird zwischen der eigenen Person und den amtshalben auf­ erlegten Pflichten sprachlich unterschieden. 70 SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 202 (Kopialbuch 1599–1602), ohne Paginierung. Die gleiche Formel verwendete Schulz unter anderem in einem Schreiben an den Freiberger Stadtrichter am 6. April 1600 und an Caspar Rulcken zur Linde am 26. Juli 1600. Ähnliche Formulierungen finden sich auch nach 1600, etwa Hans Griefe (Berg­meister) an Augusteus von Pelau zu Arnsdorf, 9. Dezember 1607. Vgl. SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, 202 (Kopialbuch 1608), ohne Paginierung. 71 Vgl. Türk: Organisation als Institution, S. 170.

112

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

1.1.3 Mitgliedschaft als Partialinklusion? Berg­verwaltung und Knappschaft im Vergleich Sehr allgemein versteht man unter einer Knappschaft den organisierten Zusam­ menschluss aller im Berg­bau Tätigen.72 So heißt es etwa in Gottfried Junghans’ bergmännischen Wörterbuch „Außgeklaubte Gräublein Ertz“ von 1680: „Berg­­ knappschaft ist die Gesellschaft aller die uff den Berg­kwercke zu verrichten haben / gehören in die Berg­knappschaft.“73 Die Knappschaft war in der Regel eine der ersten Institutionen, die im Rahmen der Neugründung von Berg­ städten entstand, so dass um 1500 fast jedes Revier eine Knappschaft hatte. Der Anspruch, alle im Berg­bau Tätigen zu repräsentieren, blieb jedoch eine Fiktion, was sich besonders gut an der Freiberger Knappschaft zeigen lässt.74 Vermutlich bedingt durch die Neuorientierung der ehemaligen Berg­bruderschaft während und nach der Reformation und den Wegfall altgläubiger Frömmigkeitspraktiken, die durch die Knappschaft ausgeübt worden waren, hatte sich die Knappschaft nach der Reformation fast aufgelöst, bevor sie ab Mitte der 1540er Jahre auf Initiative des Freiberger Stadtrates einen neuen Aufschwung nahm. Allerdings ging bis ins 18. Jahrhundert die Anzahl der Mitglieder nicht über 390 hinaus.75 72 Vgl. Küpper-Eichas: Art. Knappschaft. Ihre Wurzeln haben die Knappschaften im mit­ telalterlichen Bruderschaftswesen. In Freiberg etwa wurde erstmalig 1399 eine vermutlich schon zuvor bestehende Gesellschaft der Haspler, 1400 die Gesellschaft der Häuer und 1426 erstmalig die Knappschaft genannt. Die Funktion der Berg­bruderschaften und späteren Knappschaften waren zunächst vorrangig religiöser Natur: Die Bruderschaften stifteten Altäre und ließen sich dafür im Gegenzug Messen vor Schichtbeginn oder zum Quartalsende lesen. Zudem nahmen sie karitative Funktionen wahr und kümmerten sich um invalide oder kranke Berg­arbeiter, um Berg­witwen und -waisen und waren für das Begräbnis verstorbener Berg­ arbeiter zuständig. Um diese Funktionen wahrnehmen zu können, sammelten sie zunächst den sogenannten Kerzenheller, später den Büchsenpfennig ein und verwalteten eine eigene Bruderschafts- beziehungsweise Knappschaftskasse. Zudem verfügten sie über ein eigenes Siegel und über spezifische Insignien wie Schlägel und Eisen sowie eine Knappschaftsfahne. Vgl. Wappler: Über die alte Freiberger Berg­- Knapp- und Brüderschaft; Langer: Die Freiberger Berg­knappschaft; Gerlach: Die Freiberger Berg­- und Hüttenknappschaft. 73 Vgl. Art. Knappschaft, in: Junghans: Außgeklaubte Gräublein Ertz, Pag. B v. 74 Vgl. Langer: Die Freiberger Berg­knappschaft, S. 20 f. 75 Für Freiberg sind bislang keine exakten Angaben über die Anzahl der im Berg­bau Tätigen bekannt. Wenn man jedoch groben Schätzungen folgt, dann waren in den Berg­revieren des Erzgebirges zwischen 2000 und 3000 Arbeiter tätig. Ohne diesen groben Schätzungen zu viel Bedeutung zumessen zu wollen, kann man dennoch davon ausgehen, dass die im Durch­ schnitt zwischen 1518 bis 1679 knapp 237 Mitglieder selbst in einer sehr groben Annäherung kaum alle im Berg­bau Tätigen umfassten.

Mitgliedschaft

113

In ihrer Funktion und ihrem Aufbau weist die Knappschaft große Ähnlich­ keiten mit Zünften, Innungen und Gilden auf und war multifunktional ausge­ legt. So ähneln sich viele Gebräuche und Begrifflichkeiten oder die Übernahme karitativer Aufgaben wie die Armenpflege und das Begräbniswesen.76 Ohne die Frage der Vergleichbarkeit von Zünften und Knappschaften hier vertiefend dis­ kutieren zu wollen, scheint einer der zentralen Unterschiede in den grundlegend anderen Anforderungen des landesherrlich verwalteten Berg­baus gegenüber dem eher städtischen Handwerk zu liegen: Während die Zunft auf Exklusion ausgerichtet war, trat die Knappschaft mit dem Anspruch auf, unter gewissen Bedingungen alle im Berg­bau Tätigen zu repräsentieren. Während die Zunft das Handwerk reglementierte und zum Teil für wichtige Kontroll- und Auf­ sichtsfunktionen verantwortlich war, übernahm im Berg­bau diese Funktion der landesherrliche Berg­beamtenapparat.77 Zugleich und vergleichbar mit Zünften besaß die Knappschaft jedoch Kontrollfunktionen im Bereich der Arbeits- und Lohnbedingungen sowie der Überwachung der Preise und der Qualität von Lebensmitteln und Werkzeug für Berg­arbeiter.78 Die Knappschaft ermöglichte es zudem, die abstrakte, sich nur zum Teil mit der Bürgergemeinde überlagernde Berg­gemeinde im städtischen Raum sichtbar und erfahrbar zu machen. Entspre­ chend trat die Knappschaft mit dem Anspruch auf, alle im Berg­bau Tätigen unter ihrem Dach zu vereinen, und die Mitgliedschaft war nicht an das Bürger­ recht gekoppelt. Hierin liegt wohl ein weiterer Unterschied zur Zunft, die in der Regel das Bürgerrecht als Aufnahmekriterium verlangte. Die Knappschaft war jedoch keine exklusive Vertretung der Interessen der Berg­arbeiter, sondern eng mit der Berg­verwaltung und dem sächsischen Adel verbunden. Nicht nur, dass die Treffen der Knappschaft in Freiberg etwa im Haus des Berg­meisters stattfanden, auch waren zahlreiche Berg­beamte ebenso wie der Kurfürst Mit­ glied in der Knappschaft.79 Betrachtet man vergleichend die Mitgliedschaftsbedingungen der Knapp­ schaft, wie sie in den Knappschaftsordnungen abgebildet sind, mit denen der Berg­verwaltung in den Berg­ordnungen, zeigen sich erhebliche Unterschiede. Gemäß der Freiberger Knappschaftsordnung von 1553 wurden als „alle die uff den Berg­kwercke zu verrichten haben“ und somit Anspruch auf Mitgliedschaft 76 Vgl. Strieter: Aushandeln von Zunft, S. 96. 77 Vgl. ebd., S. 95. 78 Vgl. hierzu allgemein Lauf: Religiöse Bezüge; für das Erzgebirge vgl. Löscher: Die erz­ gebirgischen Knappschaften sowie ders.: Kerzenheller. 79 Langer: Die Freiberger Berg­knappschaft, bes. S. 25–26.

114

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

hatten, zunächst nur diejenigen verstanden, die ihre Ehrbarkeit und eheliche Geburt durch Bürgen oder bei Auswärtigen durch schriftliches Zeugnis belegen konnten. Die Knappschaft verzahnte die Ehrbarkeit des Einzelnen mit der Ehr­ barkeit der Institution. Unehrbares Verhalten wie etwa Untreue gegen Investoren führte ebenso wie Gotteslästerung, Untreue in der Ehe oder das Aussprechen von Schelt- und Schmähworten explizit zum Ausschluss aus der Gemeinschaft und wurde rituell, etwa durch das Wegrücken der Morgensuppe bei den jährli­ chen Morgensprachen, sanktioniert.80 In der Knappschaft war Mitgliedschaft an die gesamte Person und ihren Lebenswandel gekoppelt und normativ fixiert. Es handelte sich also um eine Totalinklusion des Mitgliedes auch über seine Funk­ tion innerhalb der Knappschaft hinaus. Formal gesehen war Mitgliedschaft in der Berg­verwaltung im direkten Vergleich anders strukturiert: In der Rhetorik der Berg­ordnung wurden Amtsträger aufgrund ihrer sachlichen Eignung bestallt. Ob sie einen ehrbaren Lebenswandel hatten oder sich jenseits ihrer Rolle als Amtsträger sozial angemessen verhielten, wurde im Medium der Berg­ordnung und in den Amtseiden nicht explizit zur Mitgliedschaftsbedingung erhoben.81 1.1.4 Amt, Stand und Besoldung Die Mitgliedschaft in der sächsischen Berg­verwaltung brachte nicht nur Amts­ pflichten, sondern auch unterschiedliche Mitgliedschaftsvorteile mit sich. Beson­ ders die Besoldung und die individuell gewährten Zulagen konnten eine hohe Motivations- und Symbolwirkung entfalten. Einfach formuliert: „Je höher der Rang, desto höher das Gehalt, desto reichhaltiger sonstige Annehmlichkeiten.“82 Zugleich wird in Bezug auf die Besoldung üblicherweise einer der markanten Unterschiede zwischen der Vormoderne und der Moderne ausgemacht: Während moderne Beamte nach Amtsstufe abgestufte Gehälter auf Lebenszeit bekom­ men und im Alter auf Pensionen zurückgreifen können, war die Vormoderne 80 Knappschaftsordnung um 1553, in: Löscher: Berg­recht, Bd. 2,3, S. 303–307. 81 Eine etwas andere Perspektive auf unterschiedliche Mitgliedschaftskonzeptionen in Orga­ nisationen und Korporationen nimmt Rudolf Schlögl ein. Nach Schlögl ist ein wesentlicher Unterschied zwischen Organisationen und Korporationen die Modulierung von Mitglied­ schaft. Während die Korporation die „Interessenlage der Mitglieder koordiniert, definie­ ren und konditionieren Organisationen sie und bringen sie auf diese Weise erst hervor“. Schlögl: Anwesende und Abwesende, S. 73. Entsprechend kritisch ist Schlögl in Bezug auf das Kriterum Vollinklusion als Merkmal von Korporationen. Vgl. ebd., S. 72. 82 Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 164.

Mitgliedschaft

115

durch ein buntes Potpourri an Finanzierungs- und Entlohnungsmöglichkeiten geprägt.83 Neben unbezahlte Ehrenämter oder als Lehen vergebene Ämter tra­ ten solche, deren finanzielles oder materielles Einkommen aus einem Gehalt, Sporteln, individuellen Zulagen, Gnadengeldern oder Geschenken kam. Dieses Nebeneinander unterschiedlicher Finanzierungsformen öffnete, so etwa Alfred Kieser, letztlich der Korruption Tür und Tor.84 Somit sei die Form der Besol­ dung und Entlohnung von Beamten einer der distinkten Unterschiede zwischen modernen und vormodernen Verwaltungen.85 Kieser geht hier von einer modernen Korruptionsauffassung aus, die in dieser Zuspitzung für die Frühe Neuzeit nur begrenzt Geltung beanspruchen kann.86 Mark Hengerer hat etwa für die Verwaltung am habsburgischen Hof gezeigt, dass das Nebeneinander von festem Gehalt und zusätzlichen materiellen oder finanziellen Zulagen nicht zwangsläufig Ausdruck von Willkür war, sondern durchaus funktionale Eigenschaften besaß. Besoldung diente nicht nur als ökono­ misches Kapital zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten, sondern war zugleich Distinktionsmittel und damit auch symbolisches Kapital. Das Verhältnis von Besoldungshöhe, Lebenshaltungs- und Repräsentationskosten war dynamisch und die formale Regelung der sich kaum verändernden festen Besoldung nur ein Element innerhalb eines komplexen Systems höfischer Ökonomie.87 Die relativ geringe Veränderung auf der Ebene der finanziellen Ausstattung von Amtsträ­ gern lässt sich nach Hengerer aus dem Bemühen heraus verstehen, eine zu starke Differenzierung und Hierarchisierung unter den Amtsträgern zu unterbinden. Zugleich wurde durch fallweise gewährte Zulagen eine dynamische, an der

83 Der Beamte der bürokratischen Herrschaft bezieht nach Max Weber ein festes Gehalt und meist auch eine Alterssicherung durch Pension, wobei die Höhe des Gehalts seinem hierar­ chischen Rang entsprach. Vgl. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 126 f. 84 Vgl. Kieser: Max Webers Analyse, hier S. 73. 85 Ebenfalls für eine klare Unterscheidung zwischen Moderne und Vormoderne unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung von Verwaltungen plädiert Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt, S. 128–130. Ähnlich auch Fouquet: Zur öffentlichen Finanzverwaltung, S. 69–86, bes. S. 78 unter Bezug auf Kruse: Hof, Amt und Gagen. Besoldungssysteme, so Fouquet, besäßen keine inhärente Rationalität, sondern der personal gefilterte Kontakt zwischen Untertanen und Herrscher bilde sich in Rechnungsführung ab. 86 Vgl. Kap. D.2 (Krisen und Erwartungen). 87 Ob die formalen Regelungen lediglich „Fassaden eines durch formale Entscheidungen (kai­ serliche Resolutionen über die Anstellung und Ordinanzen über die Bezüge) geregelten und elaborierten Besoldungswesens“ sind, scheint hingegen diskussionswürdig, vgl. Hengerer: Zahlen und Zeremoniell, S. 85.

116

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

jeweiligen Person ausgerichtete Gehaltsentwicklung gewährleistet.88 Während also die historisch argumentierende Organisationssoziologie die Vielzahl von Einkommensmöglichkeiten vormoderner Amtsträger als dysfunktional und kor­ ruptionsfördernd problematisiert, kann mit Hengerer mit guten Gründen von einer stärkeren Eigenlogik vormoderner Beamtenbesoldung ausgegangen werden. Vor diesem Hintergrund soll untersucht werden, wie Amtsträger in der Berg­ verwaltung entlohnt wurden und wie mit dem Problem der potenziellen Berei­ cherung von Amtsträgern umgegangen wurde. Dafür muss zunächst etwas Licht auf die nicht immer einfach zu rekonstruierenden unterschiedlichen Finanzierungsformen der Besoldung geworfen werden. Diese speisten sich aus sehr unterschiedlichen Töpfen. Ein nicht unwesentlicher Teil der Berg­beamten wurde aus dem Zehnt besoldet. Im lokalen Berg­amt betraf dies den Hauptmann beziehungsweise Amtmann der jeweiligen Berg­stadt, den Oberbergmeister, den Berg­meister, den Wardein und den Oberwardein, den Hüttenreuter, den Rezessschreiber, den Zehntner und den Obersteiger. Die Löhne der niederen Ämter der Berg­verwaltung, etwa der Schichtmeister und Steiger, wurden hinge­ gen durch die Gewerken selbst bezahlt. Ebenfalls durch die Gewerken, genauer durch die regelmäßig zu entrichtenden Gebühren, wurden die Geschworenen, Gegenschreiber und Berg­schreiber besoldet. Die Oberberghauptleute hingegen wurden aus der Rentkammer bezahlt.89 Bisweilen finden sich zudem flexiblere Arrangements, in denen die Besoldung aus unterschiedlichen Töpfen kam. So bekam der Oberbergmeister Christoph Wolf Petzold gemäß seiner Bestallung vom 4. Dezember 1590 pro Quartal 50 fl aus dem Annaberger Zehnt, 12 ½ fl aus dem Test- und Quatembergeld sowie 5 fl und 15 gr zum Pferdefutter und darüber hinaus 6 fl 5 gr und 3 pf aus dem Zehnt zu Freiberg, was im Jahr eine Besoldung von 296 fl und 18 gr ergab.90 Die Höhe der Besoldung war vom Einsatzort abhängig, wobei sich die zentrale Bedeutung von Annaberg und Freiberg als administrative Zentren in der Anzahl 88 Vgl. ebd., bes. S. 82–87. 89 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36141, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 2298. 90 Bestallung Christoph Wolf Petzold zum Oberbergmeister durch Friedrich Wilhelm, 4. Dezem­ ber 1590, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 10a–13a. Die gleiche Besoldung hatte bereits sein Vorgänger, der Oberbergmeister Christoph Wer­ ner, 1582 bekommen. Vgl. ebd., fol. 1a–3a. Auch in lokalen Kontexten konnte bisweilen auf Misch­finanzierungen zurückgegriffen werden. So sollte der neubestallte Marienberger Berg­ meister Sebald Röhling 100 fl pro Jahr bekommen, wozu 60 fl aus dem Annaberger Zehnt und 54 fl und 6 gr aus dem Quatembergeld genommen werden sollten. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 0160, fol. 4b.

Mitgliedschaft

117

und der Besoldungshöhe der Funktionsträger widerspiegelt.91 So bekam etwa der Anna­berger Berg­meister 1585/86 20 fl pro Quartal, während der Berg­ meister zu Marien­berg 15 fl erhielt, der Berg­meister zu Ehrenfriedersdorf 7 ½ fl, der Berg­meister zu Hohnstein 5 fl und der Berg­meister zu Lößnitz 2 fl 6 gr 9 pf.92 In der Höhe der Besoldung spiegelt sich also die bereits thematisierte Binnenhierarchisierung der Berg­städte wider. Aufgrund der unterschiedlichen Herkunft der Gelder und einer fragmen­ tierten Überlieferung ist es schwierig, die Lohnentwicklung im 16. Jahrhundert im Detail nachzuvollziehen. Dennoch zeichnet sich ein deutlicher Befund ab: Die Löhne der lokalen Berg­verwaltung waren, anders als in der mittleren Berg­ verwaltung, an das Amt und nicht an die Person gekoppelt. Exemplarisch kann dies für den Freiberger Berg­meister zwischen 1488 und 1629 gezeigt werden.93 Sein Lohn blieb in dieser Zeit im Großen und Ganzen stabil. Während der Berg­ meister zwischen 1488 und 1522 konstant 14 gr pro Woche, also umgerechnet knapp 35 fl jährlich, erhielt, bekam er spätestens seit 1546 durchgängig 52 fl. Auch die Löhne der niederen lokalen Amtsträger und der niederen Posten der mittleren Berg­verwaltung, deren Löhne aus den Bestallungsbriefen extrahiert werden können, blieben über längere Zeiträume relativ stabil, was dafür spricht, dass die Besoldung nicht mit jedem neuen Amtsträger individuell ausgehandelt wurde, sondern an den Posten gebunden war.94 Ein anderer Eindruck ergibt sich beim Blick auf die Besoldung der höheren Ämter der mittleren Berg­verwaltung. Hier wird deutlich, dass mit jedem Amtsträger eine neue Besoldung ausgehandelt 91 Zur Sonderstellung Freibergs vgl. Kaden: Leipziger Teilung, S. 161. 92 Vgl. Zehntrechnung auf St. Annaberg, St. Marienberg, Buchholz, Wolkenstein und Dre­ bach Lucie 85 bis Reminiscere 86 in SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36121, Rep. 09, Nr. 1756. Auch Kaden betont, dass die Höhe der Besoldung Rückschlüsse über Hierarchien unter den Ämtern liefere, vgl. Kaden: Leipziger Teilung, S. 168. 93 Diese Angaben sind jedoch mit einiger Vorsicht zu betrachten. Für Freiberg erlauben die überlieferten Zehntrechnungen eine detaillierte Aufschlüsselung der Lohnentwicklung bis 1536. Neben den Zehntrechnungen, in denen die Löhne unter der Rubrik ‚gemeine Ausgaben‘ abgerechnet wurden, finden sich zudem Aufstellungen über die Löhne der Berg­verwaltung aus den Jahren 1545/46 und eine für die Jahre von 1570 bis 1636, die 1659 erstellt wurde. Beide Aufstellungen basieren auf den Zehntrechnungen. Die Freiberger Zehntrechnungen von 1487 bis 1536 finden sich hier: SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04500/10 sowie SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04500/09. Nachträglich zusammengeführte Aufstellungen über die Besoldungen aus dem Jahr 1659 und 1546 finden sich hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 41923, Rep. 9b, Abt. B, Nr. 0148 sowie SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 09, Nr. 1868, fol. 126a–127b. 94 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170.

118

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

wurde, die Löhne also im Unterschied zum lokalen Berg­amt an die Person und nicht an das Amt gebunden waren.95 Während etwa der Berg­hauptmann Wolf von Schönberg 1558 eine Besoldung von 500 fl und zahlreiche Vergünstigungen bekam,96 konnte Lorenz von Schönberg als Berg­amtmann über 360 fl für drei Pferde und 100 fl Rat- und Dienstgeld verfügen.97 Heinrich von Schönberg wie­ derum erhielt 1593 als Oberhauptmann eine Besoldung von insgesamt 1494 fl und 18 gr,98 während Christoph von Schönberg als Berg­hauptmann 1588 720 fl sowie zusätzliche 72 fl für fünf Pferde und zudem noch 200 fl in Bargeld zum „Vortelgeld“ bekommen sollte.99 Hier wird deutlich, dass Unterschiede zwi­ schen den adligen und den nicht-adligen Amtsträgern gemacht werden müssen. Während nicht-adlige Amtsträger (dies gilt sowohl für die lokale als auch für die mittlere Berg­verwaltung) in aller Regel Besoldungen erhielten, die relativ fest an den jeweiligen Posten gebunden waren, wurden die Besoldungen der adligen Oberberghauptleute und Berg­amtmänner individuell auf die jeweilige Person abgestimmt. Wenn die feste, nicht an Personen gebundene Besoldung ein Merkmal von Formalisierung ist, zeigt sich auch auf dieser Ebene, dass die mittlere Berg­verwaltung, vor allem in Bezug auf ihre vornehmsten Posten, nur in begrenztem Maße formalisiert war. Nominallöhne waren jedoch nur bedingt Ausdruck der tatsächlichen Ein­ nahmen einzelner Amtsträger. Neben die feste Besoldung traten, wie bereits erwähnt, flexible finanzielle oder materielle Zulagen, zum Beispiel in Form von Wohnraum, Bekleidung oder Nahrung. So finden sich in den Freiberger Zehntrechnungen bis 1522 regelmäßig Ausgaben für Winterkleidung, Stiefel und Trankgelder zu Ostern, Weihnachten und Pfingsten für den Berg­meister und andere lokale Funktionsträger.100 Wie stark die Zulagen als Möglichkeit der  95 Bestallungsurkunden der Ober- und Berg­hauptleute finden sich hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173.  96 Ebd., fol. 7a–7/8a.  97 Ebd., fol. 8a–15b.  98 Ebd., fol. 42a–49a.  99 Ebd., fol. 30a–32b. 100 In den frühen Freiberger Zehntrechnungen bis 1522 finden sich von 1487 bis 1496 auch Ausgaben für Stiefel und Winterbekleidung für den Berg­meister, den Obersteiger, den Stol­ lensteiger und den Schmerer. Ab 1502 werden entsprechende Ausgaben nur noch für den Berg­meister aufgeführt. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04500/10 sowie SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 004500/09. In den Zehntrechnungen des späten 16. Jahrhunderts finden sich allgemein keine Ausga­ ben mehr für ein Wintergewand oder Stiefel. Vgl. etwa die Annaberger und Marienberger

Mitgliedschaft

119

finanziellen Entlastung gesehen wurden, zeigt sich an einem Schreiben Kurfürst Johann Friedrich I. von 1545 im Umfeld geplanter Kürzungen der Besoldung von Amtsträgern. Die erwartbaren Beschwerden könnten, so der Kurfürst, durch individuelle Zulagen abgefedert werden.101 Neben Besoldung und Zulagen traten vor allem für die lokalen Berg­beamten noch die Sporteln, also Gebühren für Dienstleistungen. Welche Dienstleistun­ gen zu welchem Preis entrichtet werden mussten, wurde in den Berg­ordnungen minutiös festgehalten. Die kleinteiligen Bestimmungen verweisen darauf, dass die Gebührenhöhe nicht der Willkür der Funktionsträger überlassen war, son­ dern nach festgelegten Taxen erfolgte. Die Berg­ordnungen legten Gebühren zwischen 1–3 gr etwa für die Mutung und das Erstellen von Mutzetteln, für das Einfahren und die Ausstellung von Fahrzetteln, das Einschreiben in das Gegen­ buch und ähnliche administrative Leistungen fest. Dass sich die Einnahmen aus den Sporteln durchaus summieren konnten, zeigt sich an der Abrechnung von Merten Planer von 1578, der in einem Quartal 139 fl 2 gr an Stufengeld, 18 fl 11 gr an Besichtigungsgeld und 44 fl 2 gr an Gedingegeld102 einnahm, was insge­ samt den beachtlichen Zugewinn von 201 fl und 15 gr ergab.103 Zudem konnten Berg­beamte ihr Gehalt durch die Bitte um Befreiungen und Privilegien aufbes­ sern.104 So wurde der Oberbergmeister Markus Röhling 1558 auf vier Jahre mit Zehntrechnung von 1585 bis 1596 in SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36121, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1756. In Caspar Müllers Bestallung zum Schmelzer in Annaberg aus dem Jahr 1555 wurde ihm in seinem Bestallungsbrief neben seiner Besoldung auch ein einfaches Win­ ter- und Sommerkleid zugestanden. Auch Caspar Hansen und Matthes Müller bekamen als Wardein in Annaberg 1556 beziehungsweise als Schmelzer in Annaberg 1557 gemäß ihrer Bestallung Sommer- und Winterbekleidung. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861 b, Buch II, fol. 3b–4b, fol. 7a–8a, fol. 14a–15a. 101 Kurfürst Johann Friedrich an Herzog Moritz, 4. Oktober 1545. SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 133a–134a. 102 Zu Gedingegeld und Markierungsstufen siehe auch Pforr: Markierungsstufen und Schrift­ tafeln, S. 142–149. 103 Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 214b–215a. 104 Entsprechende Privilegien finden sich hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861 b, Buch II. Exemplarisch kann auf folgende Befreiungen verwiesen werden: Caspar Hase, Wardein zu Freiberg, bekam am 5. September 1558 eine Verschrei­ bung über das Alaunbergwerk zum Bruck (fol. 24a–16a). Am 9. Oktober 1559 wurde der ehemalige Zehntner auf St. Annaberg, Greger Schützen, von dem Silberkauf und Zehnt auf seinem Berg­werk zu Geyer befreit (fol. 43a–44a), am 10. April 1563 bekam der Zehntner Hans Behr eine Befreiung für sein Kupferbergwerk zu Clausnitz (fol. 56a–57b), am 1. Juli 1563 erhielt der Annaberger Zehntner Hans Unwirth eine Befreiung für sein Berg­werk in

120

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

dem Zinneinkauf in seinen Berg­werken in Geyer ausgestattet.105 Der Freiberger Berg­vogt Simon Bogner hingegen bat 1560 (mit Verweis auf seine langjährigen Dienste in der Berg­verwaltung und auf seine Verdienste um die Errichtung und Wartung von Stollen) in einer Supplikation um eine Erhöhung seiner Besoldung, die ihm Kurfürst August auch zugestand. Anstelle der bisherigen 250 fl sollte er nun 300 fl auf Lebenszeit bekommen.106 Solche Zuwendungen waren jedoch als personenbezogene Gnadenakte nicht Teil der formalen Bestallung. Durch Zulagen wie etwa die Gewährung von Kleidung und die Einnahme von Sporteln konnte das Gehalt aufgebessert werden, wenngleich es als wichtig erachtet wurde, die formalen Regeln hierfür in den Berg­ordnungen schriftlich zu fixieren. Die in den Amtseiden geforderte Genügsamkeit in Bezug auf die Besoldung und die Ablehnung von Geschenken und Gaben verweist zudem auf eine gewisse Sensibilität für das Problem der eigennützigen Bereicherung. Die Landesbergordnung von 1554 betont etwa, dass der Oberhauptmann, der Ober­ bergmeister und der Berg­vogt darauf achten sollen, dass sich die Berg­beamten, namentlich der Berg­meister, der Austeiler, der Gegen-, Berg­-, und Rezessschrei­ ber, der Silberbrenner, der Wardein und der Markscheider mit ihrer Besoldung begnügen „vnd niemandt darüber, in etwas vbersetzen sollen“.107 Dass sich, trotz klarer normativer Regelungen der Sporteln, in der administrativen Praxis durch­ aus Konflikte um die korrekte Berechnung der Gebühren entwickeln konnten, steht auf einem anderen Blatt.108 1.1.5 Qualifikationen: Berg­verständigkeit und Tauglichkeit Der Berg­bau erforderte je nach Amt ein gewisses Maß an geologischen, wirt­ schaftlichen, technischen, rechtlichen und nicht zuletzt buchhalterischen Kennt­ nissen. Es war zum Beispiel eine legitime Erwartung, dass der Berg­meister die Qualität neuer Anbrüche per Augenschein bestimmen konnte, dass er wusste, wie Geyer (fol. 67a–68b) und für seine Schmelzhütte an der Mulda erhielt der Oberhüttenver­ walter Michel Schönleben am 2. Februar 1571 eine Befreiung (fol. 100a–101b). 105 Diese Befreiung wurde 1561 auf zwei Jahre verlängert. vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861 b, Buch II, fol. 26a–b, fol. 61a–b. 106 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 33340, Rep. 52, Gen. Nr. 1921, fol. 346a ff. Siehe exemplarisch auch die Bitte des Saalfelder Zehntners um Aufbesserung seiner Besoldung 1577, SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 55a–56a. 107 Berg­ordnung 1554, § 16. 108 Vgl. Kap. C.1.4.2 (Korruptionskommunikation und Mikropolitik).

Mitgliedschaft

121

Wasserkünste funktionieren und auf welchen Prämissen das Berg­recht basierte. Für den Berg­schreiber hingegen waren die Eigenschaften des Flussspates weniger relevant als etwa profunde buchhalterische Kenntnisse. Im Folgenden soll es daher um die Frage gehen, welche konkreten Fachkenntnisse von Amtsträgern erwartet, aber auch, wie diese erworben und überprüft wurden. Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die verschiedenen Ämter erforderlich waren, wurden selten explizit thematisiert. In den Berg­ordnungen ist lediglich von „bergverständigen“ und „für das Amt tauglichen“ Männern die Rede.109 Die Überprüfung dieser Berg­verständigkeit oblag in der Regel dem Berg­meister und dem Amtmann beziehungsweise ab den 1540er Jahren zunehmend der mitt­ leren Berg­verwaltung, die laut Berg­ordnung und gemäß ihrer Bestallung dazu berechtigt war, Kandidaten vorzuschlagen und/oder vorgeschlagene Personen auf ihre Tauglichkeit zu prüfen. Jenseits der sehr allgemeinen Termini ‚Berg­ verständigkeit‘ und ‚Tauglichkeit‘ finden sich jedoch kaum genauere Angaben. Ein klareres Bild ergibt sich beim Blick auf die Tätigkeitsfelder von Amtsträgern. Dabei kann sehr grob zwischen den Berg­amtleuten ‚von der Feder‘, also den eher buchhalterischen Posten, und den Berg­amtleuten ‚vom Leder‘, also den mit dem Berg­bau- und Hüttenwesen verbundenen Ämtern, unterschieden werden.110 Die in der Buchhaltung tätigen Amtsträger waren etwa der Zehntner, die Schichtmeister, vor allem aber der Hütten-, Berg­-, der Gegen- und der Rezess­ schreiber. Es steht zu vermuten, dass für diese Posten grundlegende Kenntnisse des Rechnens, Lesens und buchhalterischer Techniken notwendig waren.111 Stärkere Indizien lassen sich aus den verwendeten buchhalterischen Techniken und Ordnungssystemen selbst gewinnen. Vergleicht man die Buchhaltung im Berg­bau mit anderen frühneuzeitlichen Verwaltungen, dann gleichen die in der Berg­verwaltung produzierten Rechenbücher und vor allem die Rechnungslegung 109 „[B]ergverständig, rei metallicae gnarus: das ist nun bei den bergleuten eine gewisse erfah­ renheit, und die bergverstendigen haben grosze achtung auf solche ding.“ Vgl. Art. Berg­ verständig, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Leipzig 1854–1961. 110 Die pittoreske Unterscheidung in Berg­amtleute vom Leder und von der Feder findet sich zeitgenössisch im Harzer Revier, war im Erzgebirge jedoch eher unüblich. 111 Den Schichtmeistern, die mit Abrechnungen der einzelnen Gruben beauftragt waren, wurde jedoch zugestanden, dass sie auf eigene Kosten einen Schreiber für die Rechnungen anstellen durften, was im Umkehrschluss dafür spricht, dass der Amtsträger nicht notwendigerweise auch schreiben und rechnen können musste. Für Schneeberg ist bekannt, dass besonders häufig Geistliche, Lehrer und oft sogar Schüler als Schichtmeister einzelner Zechen tätig waren, da sie über die notwendigen schriftlichen und mathematischen Kenntnisse verfügten. Vgl. Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 25.

122

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

in hohem Maße städtischen, klösterlichen oder auch territorialen buchhalte­ rischen Systemen. Dies ist keineswegs ungewöhnlich. Nach Martin Sladeczek spricht die starke Ähnlichkeit des Aufbaus der Rechnungen im gesamten Alten Reich für eine große Vergleichbarkeit der zugrunde liegenden Bildung.112 Dies sei vor allem auf den Unterricht in städtischen Rechenschulen zurückzuführen. In den erzgebirgischen Berg­städten gab es eine hohe Dichte an Lateinschu­ len, deutschen Schulen, Mischformen beider Schulen und schließlich auch Rechenschulen.113 Ende der 1550er Jahre existierten etwa in Freiberg, Zwickau, Neustädtel, Eibenstock, Schneeberg, Annaberg, Marienberg, Geyer, Ehren­ friedersdorf, Dippoldiswalde, Sayda, Siebenlehn und Altenberg eigene Schul­ häuser, was auf einen regelmäßig stattfindenden Schulunterricht verweist.114 Rechenschulen, die von Rechenmeistern betrieben wurden, sind für Zwickau und Annaberg schon um 1520 nachweisbar. Neben den genannten Schulen boten zudem eine Reihe von nicht obrigkeitlich autorisierten Winkelschulen, so in Schneeberg oder Freiberg, Unterricht im Schreiben, Rechnen und Lesen an.115 Rechen- oder Schreibmeister vermittelten neben Grundkenntnissen über das Rechnen auf Linien und das Rechnen mit der Feder auch Grundlagen der Buchführung. Zudem waren Rechenbücher seit dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert überaus populär, in denen an praktischen Beispielen Wissen über das Rechnen auf Linien vermittelt wurde. Hier ist nicht zuletzt das Rechen­ buch des Annaberger Rechenmeisters und Zehntners Adam Ries zu nennen, der für verschiedene Rechenoperationen zahlreiche Beispiele aus dem Berg­ bau anführt.116 Es ist nicht unplausibel, dass über Schulen und Rechenbücher Grundlagen für mehr oder minder standardisierte buchhalterische Techniken und Kenntnisse vermittelt wurden. Zudem konnten buchhalterische Techniken auch durch die praktische Arbeit im Verwaltungsdienst erlernt werden. Meh­ rere überlieferte Exspektanzen auf das Gegenschreiberamt legen nahe, dass für diese Posten gerne auf Personen zurückgegriffen wurde, die zuvor als Stadt- oder Kanzleischreiber gearbeitet hatten.117 Ein anderes Anforderungsprofil hatten 112 Vgl. Sladeczek: Prinzipien der Rechnungsführung, S. 116. 113 Vgl. Kaden: Das sächsische Berg­schulwesen, S. 52 ff. Kaden führt die hohe Dichte an Schu­ len auf den Reichtum der Berg­städte zurück, vgl. ebd., S. 54. Katrin Keller verweist hingegen auf die allgemein hohe Schuldichte in Sachsen, vgl. Keller: Beobachtungen zur Schule, S. 155. 114 Vgl. Kaden: Das sächsische Berg­schulwesen, S. 54. 115 Ebd., S. 63 sowie Zymek: Geschichte des Schulwesens, S. 210. 116 Zu Adam Ries’ Verbindungen zum Berg­bau siehe Schellhas: Adam Ries. 117 Wolf von Schönberg bat 1564 um eine Exspektanz für Simon Richter auf das Gegenschrei­

Mitgliedschaft

123

hingegen jene Ämter, die stärker mit der Verwaltung der Gruben und des Hüt­ tenwesens verbunden waren, wie etwa der Berg­meister und die Geschworenen oder auch die Schichtmeister. Eine Lernmöglichkeit war die Sozialisation durch eine Ämterlaufbahn. Ide­ altypisch führte der Weg in die Berg­verwaltung zunächst über einen Schicht­ meisterposten, auf dem man praktische Kenntnisse über den Berg­bau und seine Verwaltung erwarb. Von dort aus konnte man bei entsprechender Eignung zum Berg­g eschworenen aufsteigen, der dem Berg­meister unterstützend zur Seite gestellt wurde. Aus dem Pool der üblicherweise acht Berg­geschworenen wurden häufig die Berg­meister rekrutiert, die wiederum das übliche Bewerberfeld für die Posten der mittleren Berg­verwaltung, wie etwa das des Oberbergmeisters, stellten. Diese idealtypisch skizzierte Laufbahn zeigt sich gut an dem Freiberger Ober­ bergmeister Merten Planer.118 Planer wurde vermutlich um 1510 in Schneeberg/ Neustädtel in eine Berg­baufamilie geboren. Sein Vater und seine Brüder waren im Berg­bau aktiv, und auch Planer selbst mutete 1550 ein Gangfeld in Schneeberg. Kurze Zeit später zog er nach Freiberg, wo er 1555/56 das Bürgerrecht erhielt, in die Knappschaft eintrat und in den folgenden Jahren einen rasanten Aufstieg innerhalb der kurfürstlichen Berg­verwaltung hinlegte. Nachdem er 1555/57 als Kunststeiger im Turmhof Stehenden gearbeitet und dort vermutlich profunde Kenntnisse über Wasserhebesysteme, die sogenannten Wasserkünste, erworben hatte, wurde er 1557 zunächst Berg­meister in Freiberg und 1568 Berg­vogt. 1569 erhielt er eine Bestallung als Berg­werksverwalter und wurde schließlich 1574 zum Oberbergmeister, und damit zu einem der wichtigsten Berg­beamten unter­ halb des Berg­amtmanns und des Berg­hauptmanns des Erzgebirgischen Kreises, ernannt. Unter Kurfürst August war er nicht nur in der Berg­verwaltung tätig, sondern erwarb sich auch Verdienste im Bau von Burgbrunnen mit Wasserhe­ bemaschinen sowie in der Errichtung von Salinen, Kanälen und Floßgräben.119 beramt in Freiberg. Richter habe jahrelang bei ihm als Schreiber gearbeitet und besitze daher die notwendigen Fähigkeiten für das Amt. Michael Schollers Supplikation um das Gegen­ schreiberamt in Marienberg wurde im gleichen Jahr mit Verweis auf seine über zehnjährige Tätigkeit in der Kanzlei positiv beantwortet und Asmus Becker war zunächst als Gerichts­ schreiber in Schneeberg tätig, bevor er 1560 eine Exspektanz für das Gegenschreiberamt in Schneeberg erhielt. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861b, Buch II, fol. 71a–72b, fol. 74a–75b, fol. 48a–49a. 118 Zu Merten Planer siehe Wagenbreth: Der Freiberger Oberbergmeister, S. 24–36; ders. (Hg.): Der Freiberger Berg­bau – Technische Denkmale und Geschichte, S. 143 ff. und vor allem die Beiträge in ‚Martin Planer. Sein Leben und seine Zeit‘. 119 Vgl. Wagenbreth: Der Freiberger Oberbergmeister, S. 24–36.

124

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Der Aufstieg Merten Planers innerhalb der sächsischen Berg­verwaltung ist eng mit seinen Fachkenntnissen verbunden. Ähnliche Aufsteigerbiographien finden sich auch bei anderen Berg­beamten, etwa im Freiberger Raum bei Simon Bogner oder im böhmischen Berg­bau bei Matthes Enderlein, der aus einfachen Verhältnissen kam und sich zum Ende seiner Dienstzeit sogar nobilitieren las­ sen konnte.120 Gerade auf Grund des hohen Stellenwerts von Wissen konnten Berg­verständige im lokalen Berg­bau rasante Karrieren machen. Auch über den Berg­bau hinaus waren Berg­beamte wie Planer wegen ihrer Kenntnisse um Wasserkünste begehrte Spezialisten in der Wasserwirtschaft und in der Anlage von Brunnen und Teichen. Berg­bau, so Angelika Westermann, ermöglichte wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich den sozialen Aufstieg über die eigenen Fähigkeiten.121 Neben der Sozialisation im Amt und dem Absolvieren einer Ämterlaufbahn war die Familie ein weiterer wichtiger Faktor. Über die Familie konnten Kennt­ nisse über technische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte des Berg­baus ver­ mittelt werden. Dabei spielte auch die Ausbildung von Söhnen durch ihre Väter eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zum Beispiel wurde in der Bestallung von Antonius Sack dem Jüngeren, der 1563 als Nachfolger seines gleichnamigen Vaters zum Berg­vogt in Sangerhausen bestallt wurde, explizit betont, dass er das Amt zusammen mit seinem Vater seit vielen Jahren ausgeübt habe und daher für den Posten besonders geeignet sei.122 Die Besetzung von Stellen mit Famili­ enangehörigen musste sich jedoch nicht zwangsläufig negativ auf die Leistung 120 Vgl. Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 27. 121 Vgl. Westermann: Vom adligen Berg­vogt zum landesherrlichen Berg­richter, S. 411. 122 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861a, Buch  II , fol. 63a–64a. Dass Söhne in die Fußstapfen ihrer Väter traten, war keineswegs ungewöhn­ lich. Um nur einige Beispiele zu nennen: 1578 wurde Georg Wilhelm, der Schwiegersohn des verstorbenen Freiberger Probierers Merten (Bemmecher), zum neuen Probierer von Freiberg bestallt; 1595 wurde Michel Roth, der Sohn des verstorbenen Münzmeisters Mattes Roth, Probierer in Freiberg. 1592 supplizierte David Greuß, seinerseits der Schwiegersohn des Oberbergmeisters Merten Planer, für seinen Sohn erfolgreich um eine Schichtmeisterstelle. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 713, fol. 20a–b. Ähnlich wurde 1578 im Fall Georg Wilhelms argumentiert, der die Stelle seines verstorbenen Schwiegervaters als Probierer in Freiberg übernehmen sollte. Er verwies auf seine vierjährige Dienstzeit bei seinem Schwiegervater, während derer er Kenntnisse über die Probierkunde erlernt hatte. Auch der Sohn des Freiberger Silberbrenners Paul Trainer, Georg Trainer, wurde von seinem Vater von „jugendt auff “ im Silberbrennen unterwiesen und sollte daher 1603 eine zeitlang parallel zum Vater als Silberbrenner bestallt werden, um anschließend das Amt zu überneh­ men, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-,

Mitgliedschaft

125

der Amtsträger auswirken.123 Denn durch die Primärsozialisation in der Familie wurden oft erst der für das Amt erforderliche Habitus und montanwirtschaftliche Kenntnisse erworben.124 „So gesehen war ein nepotisches Rekrutierungssystem nicht von vornherein weniger erfolgreich – im Sinne von Qualitätssicherung – als ein System, das auf einem ausgefeilten Prüfungswesen beruht.“125 Doch wieder muss eine gewisse Nuancierung in Bezug auf die unterschiedli­ chen Verwaltungsebenen vorgenommen werden. Vergleicht man beide Verwal­ tungsebenen – die lokale und die ‚mittlere‘ – in Bezug auf die Formalisierung und Mitgliedschaftsbedingungen, zeigen sich deutliche Unterschiede. Während in der lokalen Berg­verwaltung die Berg­verständigkeit zum zentralen Referenz­ kriterium für die Mitgliedschaft erhoben wurde, war die fachliche Eignung für die mittlere Berg­verwaltung nur bedingt ein Einstellungskriterium. 1577 etwa setzte sich der als Patronagebroker recht aktive Berg­hauptmann Wolf von Schönberg für die Bestallung seines Vetters Lorenz von Schönberg zum Berg­ amtmann ein.126 Dies ist insofern interessant, als Lorenz von Schönberg in der schriftlichen Bestätigung seiner Bestallung angab, dass er „noch zur Zeit der Berckwergen vnerfaren, Sich derer wenigk angenommen, auch wenigk Berg­ theil gebauet, So ist ehr doch underthenigst erbotigk, den furgeschlagenenn dinst antzunehmenn“.127 Wenn er etwas aufgrund seiner mangelnden Erfahrung Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1603–1604, fol. 123b–124b. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 713, fol. 4a. 123 Siehe auch Brakensiek: Neuere Forschungen zur Geschichte der Verwaltung, S. 325. 124 So verwies der Probierer Georg Wilhelm, der 1578 die Stelle seines verstorbenen Schwie­ gervaters übernehmen wollte, auf seine vierjährige Dienstzeit bei seinem Schwiegervater, während derer er Kenntnisse über die Probierkunde erlernt hatte. Als Probieren bezeichnet man die Bestimmung des Feingehalts an Edelmetallen in Erzproben. Auch der Sohn des Freiberger Silberbrenners Paul Trainer, Georg Trainer, wurde von seinem Vater von „jugendt auff “ im Silberbrennen unterwiesen und sollte daher 1603 eine zeitlang parallel zum Vater als Silberbrenner bestallt werden, um anschließend das Amt zu übernehmen, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1603–1604, fol. 123b–124b. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 713, fol. 4a. 125 Vgl. Brakensiek: Lokale Amtsträger, S. 57. Auf die zentrale Bedeutung der Familie als Ort der Frühsozialisation und der Weitergabe administrativen Wissens am Beispiel Augsburgs verweist auch Weber: Herrschafts- und Verwaltungswissen, S. 25. 126 Das Ersuchen Wolf von Schönbergs ist nicht überliefert, dafür aber ein Schreiben der Kam­ merräte an Wolf von Schönberg, in dem diese im Namen des Kurfürsten seinem Ersuchen um die Bestallung seines Vetters stattgegeben haben. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 16a–b. 127 Ebd., fol. 7/9a.

126

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

nicht verstehen solle, so vertraue er auf die Unterstützung seines Vetters, des Oberhauptmanns Wolf von Schönberg. Eigene Erfahrung im Berg­bau war in diesem Fall weniger relevant als die ausdrückliche Förderung seines Vetterns Wolf von Schönberg. Ob potenzielle Amtsträger im lokalen Berg­bau den Anforderungen ihres Amts gerecht werden konnten, wurde idealiter allein auf Basis der sachlichen Eignung durch hierarchisch höher gestellte Funktionsträger überprüft. Soweit zumindest der Anspruch: In der Praxis spielten auch andere Faktoren eine Rolle, um Ämter in der Berg­verwaltung zu erlangen.

1.2 Praktiken der Ämterbesetzung: Exspektanz, Patronage und Expertise Wie kam man also an einen Posten in der Berg­verwaltung? Diese Frage ist schwer zu beantworten.128 Dafür sind zwei Gründe anzuführen: Zum einen gibt es ein Quellenproblem. Formal wurden Stellen in der Berg­verwaltung durch den Landesherrn besetzt, der nach Prüfung eingehender Vorschläge Personen in ihr Amt einsetzte oder deren Einsetzung ablehnte. Wer das Recht hatte, Vor­ schläge zu unterbreiten, wurde dabei in den Berg­ordnungen und den jeweiligen Bestallungen festgehalten beziehungsweise zum Teil durch lokale Gewohnheits­ rechte geregelt.129 Zugleich wurde nur selten explizit gemacht, warum diese oder jene Person vorgeschlagen wurde, oder noch grundsätzlicher: welche Personen überhaupt zur Auswahl standen. In den Vorschlägen an den Landesherrn wird meist nur der Amtsträger genannt und auf dessen Eignung verwiesen. Warum nun aber genau diese Person und nicht eine andere vorgeschlagen wurde, wird 128 Dieses Problem betrifft auch moderne Verwaltungen. Personalentscheidungen sind nach Luhmann eigentlich nicht untersuchbar und über die tatsächlichen Motive einer Einstel­ lungsentscheidung können nur Vermutungen angestellt werden. Vgl. Luhmann: Organisa­ tion und Entscheidung, S. 295. Zu diesem Problem auch Hengerer: Kaiserhof, S. 497 ff. Siehe hierzu auch Fahrmeir: Personalentscheidungen, bes. S. 21 ff. 129 Vgl. etwa die Bestallung von Wolf von Schönberg zum Hauptmann des Erzgebirges 1558. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 7a f.: Wenn „etwa ein Zehntner, Berg­voigt, Berg­meister, Geschworener, Außtreiber, Kegenschreiber ader Hüt­ tenschreiber todes halben abgieng, ader aber vnvermoglichkeit halben solchen Ampt nit mehr fursein ader etwan vnfleißig bey Ihr einen vermerckt werde, so soll bemelter haupt­ mann solches Jederzeit neben seinen bedencken, welchergestalt vnnd mit wehm anderweit zu bestallen sein sollten berichten“.

Mitgliedschaft

127

nicht offengelegt. Bestallungsbriefe oder die wenigen überlieferten Vorschläge für die Besetzung von Posten ermöglichen daher nur einen selektiven Einblick in die Mechanismen der Bestallungspolitik. Damit verbunden ist das zweite Problem: nämlich, dass selten eindeutig zu bestimmen ist, ob Personen auf Grund ihrer Fähigkeiten, auf Grund ihrer sozialen Netzwerke oder auf Grund einer Verbindung beider Faktoren an Posten kamen (oder auch nicht kamen). Exemplarisch kann hierfür die Bitte um die Bestallung des Berg­geschworenen David Greuß stehen.130 Am 22. Mai 1577 schrieben Wolf von Schönberg, Lorenz von Schönberg, Markus Röhling sowie Christoph Werner an den Kammerrat Hans von Bernstein. Nach dem Tod des bisherigen Hüttenreuters Merten ( Johl) sei eine rasche Neubesetzung dieses Postens dringend notwendig. Ihre Wahl fiel auf David Greuß, da „im bergk Ampt zu Freybergk, auch sonst wenigk perso­ nen zu befinden, so zu diesem Ampt tuchtigk“. Greuß sei der Schwiegersohn des Oberbergmeisters Merten Planer und werde von vielen als ein „fleyssige[r] und vorstendige[r] Berg­kman“ angesehen. Er könne schmelzen und probieren und sei auch im „schreyben und rechnen“ erfahren. Auf Grund seiner Fähig­ keiten werde Greuß künftig weiterhin Karriere machen, und dafür sei das Amt des Hüttenreuters sehr gut geeignet.131 Zwar hätte sein Schwiegervater, Mer­ ten Planer, ihn lieber weiterhin als Berg­geschworenen an seiner Seite behalten, aber als Hüttenreuter sei er dem „gemeinen Berg­kwergk“ doch nützlicher. Vor diesem Hintergrund baten sie also den Kurfürsten, David Greuß zum Hütten­ reuter zu bestallen. Diese Bitte ist aus verschiedenen Punkten interessant.132 Zum einen zeigt sich hier, dass die Bestallung mit Greuß’ Fähigkeiten (Kenntnisse der Probier­ kunde, des Schmelzwesens und Rechen- sowie Schreibfähigkeiten), mit seiner beruflichen Reputation (er sei ein fleißiger und verständiger Berg­mann), seiner verwandtschaftlichen Bindung zum Oberbergmeister, seinen Karrierechancen und schließlich mit einer gewissen Alternativlosigkeit begründet wird. Ob Greuß primär auf Grund seiner Fähigkeiten oder mit Unterstützung seines 130 Wolf von Schönberg (Oberhauptmann des Erzgebirges), Lorenz von Schönberg (Berg­ amtmann), Markus Röhling (Berg­amtsverwalter), Christoph Werner (Oberbergmeister) an Hans von Bernstein, 22. Mai 1577. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 6a–b. 131 Greuß könne „kunfftigk zu einem hohern dienst vnd ampt mocht gebracht werdenn, wurde es Ihm zu demselben nicht vndienstlich sein das er Jtz werde Zu dem Huttenreutter ampt gebraucht, vnnd also Inn den Sachen gute erfharunge erlangendt“. SächsStA-D, 10024 Ge­ heimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 6a–b. 132 Zu David Greuß vgl. Irmscher/Prescher: Die Greuß, S. 59–63.

128

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Schwiegervaters vorgeschlagen wurde, ist jedoch kaum seriös zu beantworten. Auch muss berücksichtigt werden, dass dieses Schreiben den Zweck hatte, einen positiven Eindruck von Greuß zu hinterlassen. Der Verweis auf die Skepsis des Schwiegervaters und Oberbergmeisters Merten Planer, der ihn gerne weiterhin als Berg­g eschworenen behalten wolle, kann also durchaus strategischer Natur sein und vor allem Greuß’ Fähigkeiten unterstreichen. Ob Greuß den Posten am Ende bekam, ist allerdings unklar. Laut Andreas Möllers Freiberger Stadt­ chronik wurde 1577 die Stelle des Hüttenreuters mit Michel Schönleben d. J. besetzt, dem Sohn des hoch in der Gunst des Kurfürsten stehenden Oberhüt­ tenverwalters und kurfürstlichen Verlegers Michel Schönleben.133 David Greuß machte dennoch seinen Weg in der Berg­verwaltung und wurde 1582 zum Berg­ amtsverwalter bestallt.134 Was hier durchscheint, ist die zentrale Bedeutung von Netzwerken für die Besetzung von Stellen, die sich in Bestallungskontexten immer wieder zeigt.135 So stellten Mitglieder der Familie von Schönberg über fast zweihundert Jahre die vornehmsten Posten der mittleren Berg­verwaltung. Auch auf lokaler Ebene finden sich zahlreiche Beispiele von Söhnen von Berg­beamten, die in die Fuß­ stapfen ihrer Väter traten, oder von Verwandten von Berg­beamten, die auf deren Empfehlung Posten erhielten. Um nur einige Beispiele zu nennen: Der Bergamts­ verwalter Markus Röhling, der die Besetzung von Martin Greuß unterstütze, war Teil einer weitverzweigten Beamtendynastie, deren Angehörige in Marienberg, Annaberg und Freiberg als Berg­meister, Geschworene, Schichtmeister, Steiger, Oberbergmeister, Bergamtsverwalter und Rezessschreiber tätig waren.136 David Greuß seinerseits wiederum supplizierte 1592 erfolgreich um eine Schichtmeis­ terstelle für seinen Sohn.137 1595 wurde Michel Roth, der Sohn des verstorbe­ nen Münzmeisters Mattes Roth, als Nachfolger von Georg Wilhelm zum neuen Probierer in Freiberg bestallt.138

133 Möller: Theatrum Fribergense, Pag. 476. 134 Irmscher/Prescher: Die Greuß, S. 62. 135 Klassisch hierzu etwa Press: Führungsgruppen in der deutschen Gesellschaft, S. 29–77; Endres: Die deutschen Führungsschichten, S. 70–109; Kunisch: Die deutschen Führungs­ schichten, S. 111–141; Brakensiek: Neuere Forschungen zur Geschichte der Verwaltung, bes. S. 325. 136 Vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 20 sowie Dietrich: Frühkapitalismus, S. 85 f. 137 Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 713, fol. 20a–b, fol. 21a–b. 138 Ebd., fol. 28a.

Mitgliedschaft

129

Zudem konnte es nicht schaden, hierarchisch höhergestellte Fürsprecher zu haben, also im klassischen Sinne eine Patron-Klient-Beziehung einzugehen. Ein besonders aktiver „Patronagebroker“ war der Oberberghauptmann Wolf von Schönberg auf Knauthain und Neuensorge. Auf sein erfolgreiches Engage­ ment, seinen bergbauunerfahrenen Vetter Lorenz von Schönberg 1577 zum Berg­hauptmann zu machen, wurde bereits an früherer Stelle hingewiesen. Es steht zu vermuten, dass die Kontinuität der Besetzung der wichtigsten Ämter der mittleren Berg­verwaltung mit Mitgliedern der Familie von Schönberg über einen Zeitraum von knapp 200 Jahren nicht zuletzt auch mit der Fähigkeit der Familie in Zusammenhang stand, eigene Familienangehörige entsprechend zu platzieren. Aber auch über die eigene Familie hinaus war Wolf von Schönberg überaus umtriebig. 1564 setzte er sich für Simon Richter in Freiberg ein, der mehrere Jahre bei ihm als Schreiber gearbeitet hatte. Schönberg betonte, dass Richter diesen Dienst „fromblich“ und treu versehen habe, und dass er ihn, da er geheiratet habe, nun gerne weiter gefördert sehen wollte. Er unterstrich Richters Kompetenz und Dienstbeflissenheit und bat darum, für Richter eine Exspek­ tanz oder eine Vertröstung für das Berg­- oder Gegenschreiberamt in Freiberg auszustellen.139 Richter bekam schließlich die gewünschte Exspektanz und ist spätestens ab 1572 als Berg­schreiber nachweisbar.140 141 Fürsprache konnte, musste jedoch nicht das Ticket in die Berg­verwaltung sein. Eher erfolglos versuchte sich etwa Sophie, die Witwe des Kurfürsten Christian I., als Patronagebrokerin. Sie probierte mehrfach, Günstlinge zu fördern und in Positionen in der Berg­verwaltung zu bringen. So legte sie etwa 1595 Fürspra­ che für Burghard Hase ein, der Probierer in Freiberg werden wollte und der ihr von ihrer Dienerin Anna empfohlen worden war. Diese Fürsprache hatte ebenso wenig Erfolg wie ihr Versuch, im Jahr 1594 Hans Appelfelder zum Zehntner in Freiberg zu machen.142 Man konnte jedoch auch ohne Fürsprache einer höhergestellten Person um eine Exspektanz, also die schriftliche Zusicherung einer Stelle, supplizieren.143 In der Regel wurde in den Supplikationen darauf hingewiesen, dass man seit 139 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861b, fol. 71a–72b. 140 Irmscher/Prescher: Die Greuß, S. 60 f. 141 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 16a–b. 142 Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 713, fol. 27a; SächsStA-F, 40001 Ober­ bergamt Freiberg, Nr. 2512, fol. 21a. 143 Peter-Michael Hahn verweist in diesem Kontext darauf, dass die Zusicherung einer Stelle nicht zwangsläufig auch tatsächlich als bindend betrachtet wurde. Vgl. Hahn: Landesherr­ liches Amt und Stadtbürgertum, S. 263.

130

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Jahren in kursächsischen/albertinischen Diensten gestanden und viel Geld in den Berg­bau investiert habe. Deshalb habe man auch Verluste erlitten, wodurch die Versorgung von Frau und Kindern bedroht sei. Idealerweise wurde noch darauf verwiesen, dass der Kurfürst bereits Gnaden in Aussicht gestellt habe (man also eine sogenannte Vertröstung bekommen habe), um abschließend die eigene Treue und Dienstfertigkeit zu betonen.144 Diese Topoi sind nur bedingt bergbauspezifisch, sondern gehören zum klassischen Repertoire der Rhetorik von Supplikatio­nen um Vergünstigungen.145 Lediglich die Betonung der eige­ nen Investitionen in den Berg­bau unterscheidet sie von anderen Bitten um Ver­ günstigungen. Überlieferte Exspektanzen finden sich vor allem für die Ämter des Berg­schreibers oder Gegenschreibers, also für jene Posten, für die vor allem buchhalterische Fähigkeiten, jedoch keine ‚Berg­verständigkeit‘ gefordert wur­ den. Es ist allerdings auf Grund der fragmentierten Überlieferungslage schwie­ rig, den Stellenwert der Exspektanzen für die Ämtervergabe im lokalen Berg­bau genauer zu bestimmen.146

144 Vgl. etwa die Supplikation von Asmus Becker 1560, in der er auf seine 26-jährigen Dienste unter Moritz und August, auf seine erheblichen Investitionen in den Berg­bau und die damit gemachten Schulden, seine Frau und sein kleines Kind (die er kaum mit seiner jetzigen Stelle als Gerichtsschreiber in Schneeberg versorgen könne) und schließlich auf eine ihm zugesagte Vertröstung verwies, um eine Exspektanz auf das Gegenschreiberamt in Schneeberg bat. Die Exspektanz wurde ihm gewährt und das nächste freiwerdende Amt und insbesondere das Gegenschreiberamt zugesichert. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861a, Bd. II, fol. 48a–49a. 145 Vgl. Ludwig: Das Herz der Justizia, S. 226 f. Eine Abweichung zu diesen eher standardi­ sierten Suppliken um Exspektanzen war die Bitte des Magisters Christopherus Figuli, der 1583 darum bat, ihn als Aufseher über die Berg­rechnungen einzusetzen. Figuli gibt in sei­ nem undatierten Schreiben, das vermutlich um 1580 entstanden ist, an, dass die Abrechnung der Kohlen ebenso wie der Zechen zu hoch sei, und dass er, so man ihm ein paar Pferde, einen Knecht und einen Schreiber zur Verfügung stelle, gerne für ein paar Monate die Berg­ rechnungen auf den Berg­städten überprüfen und verbessern wolle. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060 Sect. 1, Nr. 166, Rep. 9 u. a. fol. 46a. Es finden sich in der Folge keine Belege für eine tatsächliche Tätigkeit von Figuli, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Art der „Initiativbewerbung“ nicht erfolgreich war. 146 Etwa wenn der Sohn des verstorbenen Oberhofrichters Ludwig Fachs mit Verweis auf die treuen Dienste seines Vaters 1565 um einen Schichtmeisterposten bat, der ihm auch bewil­ ligt wurde. Ähnlich verhielt es sich auch bei der im Februar 1593 eingereichten Supplikation von Michel Roth um eine Exspektanz auf das Amt als Wardein. Auch in diesem Fall wurde auf die Dienste des Vaters Matthes Roth, dem verstorbenen Münzmeister, verwiesen. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 713, fol. 1a, fol. 22a.

Mitgliedschaft

131

Zusätzlich zur oder anstatt einer schriftlichen Supplikation konnte man auch mündlich um einen Posten in der Berg­verwaltung bitten. So forderte der Schneeberger Berg­meister Paul Schmidt im Rahmen der Berg­handlung 1515 in Schneeberg seinen noch ausstehenden Sold als Berg­meister von Oelsnitz. Zudem bat er um das Berg­schreiberamt zu Schneeberg, das er zusammen mit dem Berg­meisteramt verwalten wolle. Es sei, so Schmidt, nicht ungewöhnlich, dass Berg­meister, „welche haben schreyben konnen“, auch als Berg­schreiber tätig waren. Die Räte gewährten Paul Schmidt das Berg­schreiberamt unter der Bedingung, dass er auf eigene Kosten einen zusätzlichen Schreiber unterhalte und mit seinen Bestallungen „nymande verkurtzt werde“.147 Bei genauerer Betrachtung der Vergabepolitik von Stellen wird deutlich, dass soziale Netzwerke eine herausgehobene Bedeutung besaßen, wenngleich die konkreten Faktoren für die Vergabe einer Stelle meist im Dunkeln bleiben. Dass personelle Netzwerke für die Besetzung von Stellen in der Vormoderne eine herausragende Rolle spielten, ist seit langem bekannt.148 Im deutschspra­ chigen Kontext haben vor allem die Arbeiten Wolfgang Reinhards und seiner SchülerInnen zur ‚Verflechtung‘ am Beispiel des Kirchenstaats im 17. Jahrhun­ dert wichtige Erkenntnisse über die unterschiedlichen Funktionen von sozi­ alen Netzwerken zu Tage gefördert.149 Dabei zeigt sich, dass Netzwerke und Patronagepraktiken wesentliche Bestandteile der vormodernen politischen Kultur waren.150 Die Unterstützung der eigenen Familie, aber auch von Freun­ den und einer erweiterten Klientel gehörte zu den üblicherweise erwarteten 147 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/04, fol. 17a–b. 148 Auf Grund der Menge an Literatur zu Patronage- und Klientelbeziehungen in der Frühen Neuzeit kann hier nur exemplarisch auf einschlägige Titel verwiesen werden, etwa Reinhard: Freunde und Kreaturen; Kettering: Patron, Brokers and Clients, dies.: Patronage in Early Modern France; Emich u. a.: Stand und Perspektiven der Patronageforschung sowie Droste: Patronage in der Frühen Neuzeit; Ash/Birke (Hg.): Princes, Patronage and the Nobility. Einen guten Überblick über den Forschungsstand zur Patronage liefert auch Jancke: Autobiographie als soziale Praxis, S. 75–90; Haug: Ungleiche Außenbeziehungen, S. 18 ff. 149 Vgl. Reinhard: Papstfinanz und Nepotismus; Reinhard: Freunde und Kreaturen; Emich: Bürokratie und Nepotismus; Stader: Herrschaft durch Verflechtung; Reinhardt: Macht und Ohnmacht. 150 Patronage versteht Reinhard als einen „dyadischen, interpersonellen Kontrakt formellen oder informalen Charakters, durch den eine Person P, der ‚Patron‘, auf Grund ihrer größe­ ren Chancen einer anderen Person C, dem ‚Klienten‘, relativ dauerhaft Schutz gewährt“. Reinhard: Freunde und Kreaturen, S. 39. Siehe hierzu auch Reinhard: Römische Mikro­ politik; Emich u. a.: Stand und Perspektiven; Thiessen: Diplomatie und Patronage.

132

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Verhaltensweisen vormoderner Amtsträger.151 Die allgegenwärtige soziale Ver­ flechtung von Akteuren ist keineswegs Ausdruck einer Dysfunktionalität oder Korrumpierbarkeit von Verwaltung, sondern vielmehr, so Wolfgang Reinhard, eine der zentralen mikropolitischen Praktiken der Vormoderne.152 Die Bedeutung von Patronage und personellen Netzwerken spielt auch in der Berg­verwaltung eine wichtige Rolle.153 Die Besetzung von Posten in der Berg­ verwaltung mit Familienangehörigen entsprach nicht nur der sozialen Norm, Familienangehörige und Freunde zu unterstützen, sondern hatte, wie bereits an früherer Stelle diskutiert wurde, auch praktische Gründe. Gerade im Berg­bau waren umfangreiche Kenntnisse über den Berg­bau und das Hüttenwesen ebenso wie über administrative Techniken notwendig. Neben Fachkenntnissen konnte zudem der für das Amt erforderliche Habitus durch die Primärsozialisation in der Familie erworben werden. Die Besetzung von Stellen mit Verwandten und Freunden war also ein übliches, wenngleich nicht zwangsläufig unkontroverses Vorgehen. Die Berg­ordnungen gaben bezüglich der erlaubten Verwandtschaftsverhältnisse von subordinier­ ten Posten eindeutige Bestimmungen vor: So sollten zum Beispiel die Berg­ meister keine Verwandten oder Freunde in den ihnen anvertrauten Zechen als Schichtmeister einsetzen, um Parteilichkeit zu vermeiden.154 Beschwerden über nepotistische Rekrutierungen waren verbreitet und traten vor allem im Kontext größerer Betrugs- und Amtsmissbrauchsvorwürfe gegen Berg­beamte auf. Dabei ging es häufig um die qua Berg­ordnung verbotene Besetzung von Schichtmeis­ terstellen mit Verwandten und Freunden von höhergestellten Amtsträgern. So wurde dem Freiberger Oberhüttenverwalter Michel Schönleben 1566 durch Freiberger Berg­beamte vorgeworfen, er lasse dank seiner Position als kurfürst­ licher Verleger die Schichtmeistereien der vornehmsten Zechen mit seinem Sohn und seinen Vettern besetzen.155 Schönleben gab freimütig zu, dass sein Sohn und Vettern als Schichtmeister eingesetzt worden seien. Der Vorwurf 151 Emich u. a.: Stand und Perspektiven, S. 235; Press: Formen des Ständewesens, S. 282. 152 Vgl. Reinhard: Nepotismus, S. 145–185; Emich: Bürokratie und Nepotismus, S. 13–43; dies.: Art. Nepotismus, S. 56 f. 153 Grundsätzlicher zur Funktion von Patronage siehe auch Emich u. a.: Stand und Perspekti­ ven, bes. S. 239–244. 154 „Es sollen auch die Schichtmaister vnd Steyger auf einer Zechen, nicht Brüder oder Vedtern sein, sich auch in kein sonderliche Einikeit geben, die den Gewergken zu Nachtheil kohmen mag.“ Annaberger Berg­ordnung 1509, § 40. 155 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36142, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 2314, fol. 2a–5b, bes. fol. 4b.

Mitgliedschaft

133

sei aber dennoch unbegründet, denn beide würden in unlukrativen Zechen ohne nennenswerte Ausbeuten arbeiten.156 Zugleich startete Schönleben einen Gegenangriff und warf seinerseits den Freiberger Berg­amtleuten vor, dass sie ausschließlich ihre Söhne, Schwäger und Vettern als Schichtmeister einsetzten. Diese hätten Zubußen von Gewerken erhalten, diese jedoch nicht verrechnet: Da man danach Ausbeute geben wolte, lieffen sie, baten vnd weineten vmb Gottes willen, Das man dieselben gewercken, darvon die Zupuß empfangen, wiederumb zuliesse, Damit ihr redeliche stuck nicht ann tagk kommen, welches dem Berg­meister zu Freybergk sampt andern gesehenn vnd in kein straffe darumb genommen haben & es ist doch wie man singt, es kloppet keine krehe der andern die augen nicht aus & mein vetter vnd son also haushielten, es müsse bald E F G erfaren, da schweigen die Berg­amptleute still darvon.157

Schönleben warf in seiner Antwort also nicht nur den Berg­amtleuten Heuchelei vor, sondern betonte auch, dass auf Grund der zu großen sozialen Nähe zwischen Berg­amtleuten und Schichtmeistern Betrug ungestraft bleibe. Ob diese Vorwürfe der Wahrheit entsprachen oder nicht, sei an dieser Stelle dahingestellt. Interes­ santer jedoch ist die Freimütigkeit, mit der Schönleben die Besetzung von Stellen mit Familienangehörigen zugab und in gleichem Maße problematisierte. Auch der Oberbergmeister Merten Planer, der zu jenen Freiberger Berg­beamten gehörte, die 1566 Michel Schönleben denunziert hatten, war nicht vor dieser Art von Vorwür­ fen gefeit. So wurde ihm 1578 unter anderem durch den Berg­amtmann Lorenz von Schönberg vorgeworfen, dass er seinen Sohn als Schichtmeister eingesetzt habe und sich dadurch an den Zechen bereichere beziehungsweise betrügerische Praktiken seines Sohnes nicht angemessen sanktioniere. Mit den Vorwürfen konfrontiert, verwies Planer darauf, dass sein Sohn nicht nur auf Grund seiner Erfahrung als Kupfersaiger, Probierer und Silberbrenner fachlich für die Stelle geeignet gewesen sei. Auch habe er den Kurfürsten um Erlaubnis gefragt. Nachdem dieser die Beset­ zung mit seinem Sohn verboten habe, habe er ihn sofort entlassen.158 Eindrücklich sind auch die Beschwerden gegen den Schneeberger Berg­meister Nicol Drechsel aus dem Jahr 1570. Drechsel, so der Vorwurf, besetzte (neben anderen betrügerischen Praktiken) Schichtmeisterstellen gegen den Willen der Gewerken in Schneeberg mit seinen Verwandten und Günstlingen.159 So 156 Ebd., fol. 9b. 157 Ebd., fol. 10b. 158 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 15b–16a. 159 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 388a–391b.

134

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

habe er etwa in der Witwen-Fundgrube seinen Sohn Michel als Schichtmeis­ ter eingesetzt. Dieser habe nicht nur innerhalb von sieben Wochen 600 fl für die Zeche verbraucht, sondern darüber hinaus den Gewerken keine Rechnung darüber angefertigt. Auch sei Nicol Drechsel unter dem falschen Namen Nicol Scharf selbst als Schichtmeister tätig. Ebenso seien durch Drechsels Initiative sein Neffe Hans Löbel, ein Glaser in Zwickau, und sein Verwandter Nicol Zötschder, ein Schneiderlehrling in Altenberg, als Schichtmeister in Schneeberg eingesetzt worden. Beide hätten jedoch keine Erfahrung im Berg­bau und seien daher für das Amt nicht tauglich. Überhaupt bevorzuge Drechsel anstelle erfahrener Schichtmeister sehr junge, die „in sammenten schuhen vnd seidenen kleidern laufen“, und die man mehr beim Tanzen als in den Zechen finde.160 Und dies alles, so der Vorwurf, sei die Ursache dafür, dass das Berg­werk in Schneeberg in überaus schlechtem Ruf bei auswärtigen Gewerken stehe. An diesen Beispielen wird deutlich, dass enge verwandtschaftliche Beziehun­ gen aus unterschiedlichen Gründen kritisiert werden konnten: Sei es, dass bei zu enger verwandtschaftlicher Nähe ein Nährboden für Betrug geschaffen würde (Michel Schönleben), dass unfähige Personen Posten bekämen (Nicol Drechsel), oder aber dass durch nepotistische Rekrutierungssyteme eigennützige Interessen verfolgt würden (Merten Planer). In allen Fällen gaben die Beschuldigten zu, dass sie ihre Verwandten auf Schichtmeisterstellen gesetzt hatten, und in keinem dieser Fälle wurden diese Vorwürfe besonders schwer geahndet. So hatten weder die Beschwerden gegen Michel Schönleben noch auch diejenigen gegen Merten Planer Folgen für die beiden Amtsträger. Nicol Drechsel wurde zwar als Berg­ meister entlassen, aber dies geschah nicht auf Grund seiner Vergabepolitik in Bezug auf die Schichtmeisterposten. Während die eingesetzte Kommission sich ausgiebig mit den Vorwürfen über betrügerische Praktiken beschäftigte, wurde der Nepotismusvorwurf fallengelassen. Nicol Drechsel wurde schließlich auf Grund seiner schlechten Amtsführung und der negativen Auswirkungen von Gerüchten auf die Reputation des Schneeberger Berg­werks entlassen, „damit diesem geschrei etzlicher Massen gewehret, vnnd durch Gottes gnedige hulff das Berckwergk wiederumb aufnehmen zu bringen“.161 Am Beispiel der Besetzung von Stellen zeigt sich in der Zusammenschau also ein Phänomen, das typisch für vormoderne (und moderne) Verwaltungen ist, nämlich eine gewisse Form latenter Normenkonkurrenz. Obwohl etwa die 160 Ebd., fol. 386a. 161 Bericht Hans von Ponickau, Hans von Bernstein und Haubold von Einsiedel, 6. Dezember 1570, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b, fol. 25a.

Mitgliedschaft

135

Berg­ordnungen versuchten, nepotistische Rekrutierungssysteme vor allem in den Zechen zu unterbinden, gehörte die Versorgung von Schichtmeisterpos­ ten mit eigenen Söhnen und Verwandten zur üblichen Praxis. Diese Praxis ist jedoch nicht Ausdruck einer generellen Unwirksamkeit der Normen. Vielmehr hatte die Besetzung von Stellen mit Verwandten auch Vorteile, etwa wenn es um den Erwerb von Fachkenntnissen oder die primäre Sozialisation ins Amt ging. Zugleich, und das zeigten die letztgenannten Vorwürfe deutlich, handelt es sich aber um ein Phänomen, das in gewissen Kontexten durchaus problema­ tisiert und kritisiert wurde. Der Blick auf die Besetzungspraktiken zeigt deutlich, dass Verwaltungen nicht nur eine formale, sondern auch eine informelle Seite besitzen, die stärker auf die sozialen Erwartungshaltungen und Verhaltenscodes abzielt. Dieses Thema wird vor allem in jüngerer Zeit sowohl in der Organisationssoziologie als auch in der Geschichtswissenschaft breit diskutiert.162 Informalität ist, so Birgit Emich, als „informelle Sozialordnung zwischen den Mitgliedern“ „allgegenwärtig“. Die informelle, auf Sozialbeziehungen abzielende Seite von Organisationen ist nicht als dysfunktional, sondern eben als komplementär zur formalen Dimension von Organisation zu begreifen. Die Bedeutung von Patronage, Fürsprache und Nepotismus bei der Besetzung von Posten macht dies besonders deutlich. Es handelt sich hier nicht um einen klaren Bruch mit formalen Regeln, sondern um eine weitere und wichtige Dimension von Verwaltung in der Praxis. Informelle Praktiken sind daher nicht einfach das Gegenteil von Formalisierung, sondern auf vielfache, nur manchmal gegenläufige Weise mit ihr verbunden. Auf die Bedeutung von Informalität für das Verständnis von Formalisierungsprozessen soll an späterer Stelle noch einmal ausführlicher eingegangen werden. An dieser Stelle reicht der Verweis, dass wir es hier mit einem üblichen Phänomen vormo­ derner Bestallungspraxis zu tun haben und auch, dass Formalisierung üblicher­ weise bestimmte Folgeeffekte hat: Amtsträger taten im Bereich der Besetzung von Stellen mit Verwandten das, was sie schon immer getan hatten. Durch die formale Regel, keine Schichtmeisterposten mit Verwandten zu besetzen, änderte sich nicht grundlegend das Verhalten. Aber aus einer etablierten Praktik wurde je länger je mehr eine legitimierungsbedürftige. Es stellt sich die Frage, ob angesichts der zahlreichen Verflechtungen hier überhaupt von einer harten Grenze zwischen der Berg­verwaltung und ihrer Umwelt ausgegangen werden kann.163 Um das Bild der Mitgliedschaft in der 162 Siehe hierzu ausführlich Kap. C.1.4 (Formalisierung und das Problem der Informalität). 163 Emich: Mit Luhmann im Kirchenstaat, S. 276 f.; Stollberg-Rilinger: Einleitung,

136

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Berg­verwaltung nuancierter zu skizzieren, ist es daher notwendig, auch die persönlichen Netzwerke und Nahbeziehungen von Amtsträgern zu betrachten.

1.3 Fließende Grenzen: Amtsträger und familiäre Netzwerke 1.3.1 Der familiäre Nukleus: Funktionsträger und ihre Frauen Im Rahmen der erwähnten Vorwürfe gegen den Schneeberger Berg­meister Nicol Drechsel 1570 wurde nicht nur sein nepotistisches Rekrutierungssystem bemän­ gelt. Der von Drechsel eingesetzte Schichtmeister Christoph Frantz Cuntz, so der Vorwurf, habe eine Tochter, „welcher neben der schichtmeisterey die Berg­k, die Recess bucher die Register vnd anschnit Zettel aller S M inn vorwaltung darneben die probier öfen in haus welches mit vnd andern gewercken viel nachdencken macht“.164 Die Tochter eines Schichtmeisters, die nicht nur die Buchhaltung führt, sondern darüber hinaus auch noch die Probieröfen unter ihrer Aufsicht hat? Die Ähnlichkeit zu dem im 16. Jahrhundert populären Motiv des Weiber­ regiments ist kaum zu übersehen: Cuntz sei dermaßen unfähig, dass er auch in seinem eigenen Haus nicht ‚die Hosen‘ anhabe, sondern seine Geschäfte durch seine Tochter führen lasse.165 Wer nicht in der Lage ist, Ordnung im Haus und in seinen Rechnungen zu halten, kann im Umkehrschluss auch kein geeigneter Schichtmeister sein. Der Vorwurf lässt sich aus dieser Perspektive als Angriff auf die männliche Ehre des Schichtmeisters Cuntz lesen. Anstelle der Ehefrau, die durch ihr männliches Agieren die gute Ordnung verkehrt und damit die Ehre des Hausvaters korrumpiert, ist es hier die Tochter, die als Indikator für das generelle Unvermögen des Schichtmeisters dient. Diese wenig subtile Stichelei gegen Cuntz vergegenwärtigt, dass bislang relativ unbekümmert von männlichen Amtsträgern gesprochen wurde.166 Das ist nicht falsch, schließlich ist die Mitgliedschaft in der Berg­verwaltung ein exklusiv männ­ liches Phänomen.167 Zugleich ist eine zu statisch gedachte Grenze zwischen einer S. 10 ff. 164 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 390a. 165 Vgl. hierzu klassisch Ulbrich: Unartige Weiber, S. 13–42. 166 Vgl. hierzu grundlegend Brakensiek: Die Männlichkeit der Beamten. 167 Etwas anders sieht es auf der Ebene der Arbeiter aus, wo Frauen durchaus an den Scheidebän­ ken oder in den Waschwerken über Tage im Berg­bau tätig waren. Vgl. hierzu Karant-Nunn: The Woman of the Saxon Silber Mines; Vanja: Mining Women; Schreiter: Frauen im Erzbergbau; Matasová: Gewerkinnen.

Mitgliedschaft

137

dienstlichen und einer häuslichen Sphäre zu hinterfragen. Denn es finden sich durchaus auch unpolemische Belege dafür, dass Frauen mit den Amtsgeschäf­ ten ihrer Männer vertraut und betraut waren. Auch in Amtsträgerhaushalten ist davon auszugehen, dass Amtsträger und ihre Ehefrauen idealtypisch als Ehe- und Arbeitspaar (Heide Wunder) agierten.168 Allerdings merkt Wunder an, dass die Einheit von Ehe- und Arbeitspaar in Amtsträgerfamilien in besonders geringer Ausprägung zu finden sei, da Frauen nicht in die männliche Dienstsphäre eingrei­ fen durften.169 Die Polemik gegen Cuntz wäre hierfür ein sprechendes Beispiel. Im Folgenden soll versucht werden, die Frauen der Berg­beamten sichtbar zu machen und nach möglichen Formen von Partizipation an den Amtsgeschäften ihrer Männer zu suchen. Dies ist insofern ein schwieriges Unterfangen, als die häusliche Sphäre der Amtsträger in aller Regel im Verborgenen bleibt. Wenn Frauen sichtbar werden, dann meist im Todesfall und bei der Abwicklung und Übergabe der Amtsgeschäfte ihrer verstorbenen Ehemänner. So wurde etwa der Ehefrau des 1567 verstorbenen Annaberger Austeilers zugestanden, das Amt ihres Mannes für eine begrenzte Zeit weiter fortzuführen. Zugleich bestand man aufgrund der Armut der Familie darauf, dass die Frau das Amt durch vertraute Personen bestellen lassen solle und „das gelt nicht in Ire hende bekeme“.170 Ähn­ liches zeigt sich auch am Umgang mit der Witwe des Freiberger Gegenschreibers Christoph Meischels.171 Ihr wurde 1578 gestattet, zur richtigen Abfertigung der Gegenbücher und Rechnungen ihres Mannes die Unterlagen bis zum kommen­ den Quartal Crucis in ihrer Verwahrung zu behalten. Dass Meischels Witwe die Weiterführung des Amts für eine begrenzte Zeit erlaubt wurde, spricht dafür, dass sie vermutlich mit den grundlegenden Anforderungen der Buchhaltung im Berg­bau vertraut war. Ein besonders prominentes Beispiel weiblicher Tätigkeit im Berg­bau ist die Witwe der Landrentmeister Jakob Blasbalg und Georg Wie­ debach, Apollonia Wiedebach.172 Sie stammte als gebürtige Alnpeck aus dem Freiberger Stadtpatriziat. Als sie 1526 verstarb, war sie mit einem Vermögen von

168 Vgl. hierzu auch Ludwig: Verwaltung als häusliche Praxis. Zum Verhältnis von Geschlecht und Arbeit allgemein vgl. Zemon Davis: Women in the Crafts; Coffin: Gender and the Guild Order; Ogilvie: Bitter Living. 169 Wunder: Er ist die Sonn, S. 137 f. sowie dies.: Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert, bes. S. 28 f., S. 36. 170 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36077, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0604, fol. 312a–b, Zitat fol. 312b. 171 SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 713, fol. 3a. 172 Vgl. Volkmar: Reform statt Reformation, S. 350.

138

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

mehr als 30.000 fl vermutlich die reichste Frau im Erzgebirge.173 Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes, des Landrentmeisters Jakob Blasbalg, in dessen Amts­ bereich auch der Umgang mit den Finanzen aus dem Berg­bau fiel, führte sie seine Geschäfte von November 1490 bis zum Ostermarkt 1491 fort, bevor sie den Kassenbestand an ihren zweiten Ehemann, Georg Wiedebach, übergab.174 Während dieser Zeit zeichnete sie eigenhändig Rechnungen und ist damit ein eindrückliches Beispiel dafür, dass Frauen vor allem im administrativ-buchhal­ terischen Bereich unter besonderen Bedingungen zeitlich befristet partizipie­ ren konnten. Frauen waren zudem für den Haushalt zuständig, was nicht zuletzt die Ein­ nahme, Verrechnung, Lagerung und Verarbeitung von Naturalien berührte, die häufig genug neben Münzgeld als formale oder auch informelle Bezahlung für administrative Tätigkeiten genutzt wurden. 1588 etwa kam es zu einer großan­ gelegten Untersuchung gegen den Oberhüttenverwalter Michel Schönleben. Im Rahmen der Untersuchung gaben mehrere Bauern der Umgebung an, dass sie für Holzfuhren Schönleben zusätzliche Naturalien in Form von Vögeln, Rebhühnern, Hasen oder Fischen hätten abtreten müssen.175 Mit den Vorwürfen konfrontiert, wiegelte Schönleben ab, denn „es wehre Jah so gross ding ader wind nicht wan sie gleich der frauen ein hun ader was anders in die kuche gebracht“.176 Anders gelagert war die Situation hingegen für die Frau des Berg­meisters, die etwa bei festlichen Zusammenkünften der Knappschaft im Haus des Berg­meisters für das Essen zu sorgen hatte und dafür auch finanziell entlohnt wurde.177 So finden sich in den Knappschaftsrechnungen neben den Ausgaben für Nahrungsmittel auch regelmäßig Ausgaben für die Berg­meisterin.178 Zugleich konnten Frauen von Amtsträgern auch selbst Mitglied der Knappschaft sein. In den Freiberger Knappschaftsverzeichnissen tauchen sie dann auch unter der Amtsbezeichnung ihrer Ehemänner auf, etwa die Austeilerin Margaretha Wolf Thylin, „dy gregor bergkmeisterin“ oder „dy alte Münzmeisterin“.179 Der Anteil von ‚Schwestern‘ 173 Vgl. ebd., S. 350. 174 Vgl. Puff: Die Finanzen Albrechts, S. 69; Streich: „Amechtmann unde Gewinner …“, S. 389. 175 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36079, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0597, fol. 118a ff. 176 Ebd., fol. 249a. 177 Vgl. Langer: Die Freiberger Berg­knappschaft, S. 29. 178 So wurden der Berg­meisterin 1518 6 gr oder 1536 Pauli bis Viti 1 fl angerechnet. Für das Festmahl 1528 wurden der Berg­meisterin sowie der Zechmeisterin zum Vertrinken 30 gr verrechnet. Vgl. ebd., S. 29. 179 Ebd., S. 25 f.

Mitgliedschaft

139

in den Knappschaftsregistern unterlag, wie die Knappschaft in Freiberg im Allgemeinen, großen Schwankungen. Während 1519 von 453 Mitgliedern 80 weiblich waren, änderte sich das Verhältnis im Umfeld der Reformation. 1537 war von 201 Mitgliedern nur noch eine weibliche Person dabei, und zwischen 1538 und 1550 gab es überhaupt keine Frauen, während ab den 1550er Jahren zumindest vereinzelt ‚Schwestern‘ im Register genannt werden.180 Wenngleich die Berg­verwaltung also eine männliche Sphäre war, spielte die Familie der Berg­beamten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Noch deutlicher werden die hier ebenfalls sichtbaren fließenden Grenzen zwischen Mitgliedschaft und sozialem Umfeld, wenn man sich die Ausbildung von Berg­beamtendynastien und ihre Verflechtung sowohl mit den wirtschaftlichen als auch mit den politi­ schen Eliten der erzgebirgischen Berg­städte anschaut. 1.3.2 Soziale Netze und die Ausbildung von Amtsträgerdynastien: Die Familie Röhling Die Ausbildung von Amtsträgerdynastien ist ein bekanntes Phänomen.181 Ein besonders eindrückliches Beispiel ist die Familie Röhling (zeitgenössisch auch Röhlingk, Rhöling, Röling, Rohlingk, Roligk, Röhlich oder Rölig), deren Mitglieder im 16. Jahrhundert als Zehntner, Hüttenreuter, Berg­meister, Berg­ amtsverwalter, Oberbergmeister oder Rezessschreiber in fast allen Berg­städten zu finden sind.182 Der Aufstieg der Familie ist eng mit dem zweiten Berg­geschrey verbunden. Seit dem späten 15. Jahrhundert sind ihre Mitglieder im Erzgebirge nachzuweisen, wobei sie im Laufe des 16. Jahrhunderts nicht nur zentrale Posi­ tionen im lokalen Berg­bau einnahmen, sondern auch in städtischen Kontex­ ten als Stadtrichter, Stadträte oder Bürgermeister prestige- und einflussreiche Posten besetzten. Ihr Geld kam aus zahlreichen Investitionen vor allem in die Zinnbergwerke in Geyer und Thum, darüber hinaus in den Silberbergbau, und nicht zuletzt besaßen sie Pochwerke, Hammerwerke, Vorwerke und Grundbe­ sitz in der Region. In den 1560er Jahren gelang der Familie der soziale Aufstieg, der sich vor allem an zwei Ereignissen manifestiert: Zum einen wurde 1563 Valentin Röhling zusammen mit seinen Brüdern und Vettern (Hans, Lorenz 180 Vgl. ebd., S. 20. 181 Vgl. Brakensiek: Richter und Beamte, S. 47; Brakensiek: Juristen, S. 275 ff. 182 Siehe hierzu Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 20; Lorenz: Feudale Berg­ beamte; ders.: Die Röhling.

140

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

und Oswald) durch Kaiser Ferdinand I. ein Wappenbrief ausgestellt, der 1570 durch Rudolf  II . bestätigt wurde. Neben der Nobilitierung gelang der Fami­ lie zum anderen gegen Ende des 16. Jahrhunderts mit dem kurfürstlichen Rat Dr. Sigismund Röhling (II) und seinem Bruder, dem Berg­- und Kammerherrn Markus (Marx) Röhling (III), der Sprung in die Spitzen der landesherrlichen Verwaltung.183 Im Folgenden soll anhand dreier Generationen von Röhlings – Hans (I), Markus (Marx) (II) und Sigismund (I), Markus (III) und Sigismund (II) –, die in den städtischen Führungsriegen aktiv waren und wichtige Funk­ tionen in der Berg­verwaltung einnahmen, nach dem Stellenwert von Familie, Netzwerken und Ämtern gefragt werden. Exemplarisch für die enge Verflechtung der Röhlings mit den wirtschaftlichen, administrativen und politischen Eliten der Region soll der Berg­amtsverwalter Hans Röhling (I) stehen.184 Hans Röhling (I) (um 1490–1565) wurde vermut­ lich um 1490 als Sohn von Markus Röhling (I) geboren. Über seine frühen Jahre wissen wir nur wenig. Wahrscheinlich um 1515 heiratet er Anna Patzschke (gest. 1553), die Tochter des Geyerschen Ratsherrn und Gewerken Michael Patzschke. Die Heirat mit der Tochter des Ratsherrn zeigt, dass Röhling zu dieser Zeit bereits über ein gewisses soziales und finanzielles Kapital und einen Status in der Stadt verfügt haben muss. Doch die Möglichkeiten, sozial aufzusteigen, waren in dieser eher unbedeutenden Stadt begrenzt. Ganz anders sah die Situ­ ation in Annaberg aus, das in den 1530er Jahren das Zentrum des sächsischen Berg­baus war und wohin sich Hans Röhling orientierte. 1521 oder 1522 wurde er zum Annaberger Berg­meister ernannt, womit eine beeindruckende Karri­ ere als Amtsträger im Berg­bau begann.185 Trotz seiner Tätigkeit in Annaberg blieb Röhling Geyer Zeit seines Lebens als Montanunternehmer, Amtsträger und Hausbesitzer verbunden. Neben dem Berg­meisteramt in Annaberg war er zudem 1523 als Berg­meister und von 1531 bis 1533 als Zehntner in Geyer tätig. Zudem unterhielt er weiterhin ein Haus in Geyer und erwarb zusammen mit seinen Brüdern Pochwerke, eine Saigerhütte und zahlreiche Berg­teile.

183 Vgl. Strauchius: Christliche Leichpredigt. 184 Die folgenden Angaben basieren auf Lorenz: Die Röhling, S. 7–10. Da viele Röhlings denselben Namen trugen, dienen die römischen Ziffern der besseren Unterscheidbarkeit. 185 Über die Jahre erwarb er mehrere Häuser in Annaberg, so kaufte er etwa 1525 für 400 fl ein Haus von Jacob Heylmann oder zahlte 1530 für ein Haus von Ilgen Badner 1000 fl. 1527 erwarb er zudem Besitz am Bärenstein, wo er ein Vorwerk errichtete und zum Lehns- und Gerichtsherrn des entstehenden Orts Bärenstein wurde.

Mitgliedschaft

141

Zugleich ging es mit seiner Karriere in Annaberg voran. 1534 wurde er gleich­ zeitig zum Stadtrat und zum Bürgermeister gewählt. Nach dem Tod des Frei­ berger Amtsverwesers Urban Orsan wurde er 1540 nach Freiberg berufen und dort zum Berg­amtsverweser ernannt. Es folgt der Aufstieg in der sich langsam ausbildenden mittleren Berg­verwaltung, wobei auf Grund der heterogenen Amtsbezeichnungen und der fragmentierten Überlieferung eine genaue Rekon­ struktion schwierig ist. Nach Lorenz wurde er 1542 zum Oberbergmeister bestallt, während er laut Herbert Kaden spätestens seit 1542 als Amtsverweser/Amtsver­ walter in Freiberg tätig war und in dieser Tätigkeit neben dem Amtmannsposten die Aufsicht über das Berg­werk eines Reviers innehatte.186 Im Herbst 1542 oder 1545187 folgte die Ernennung zum Berg­amtsverwalter, wobei er zeitgleich wei­ terhin als Amtsverweser/Amtsverwalter bezeichnet wird. 1546 erwarb er den Lehnsbrief für das Dorf und das Vorwerk Kunersdorf (Conradsdorf ), womit er seinen Besitz im Erzgebirge erheblich ausweitete. 1563 wurden er und sein Bruder Valentin nobilitiert.188 Röhling starb schließlich ein Jahr später in Frei­ berg, wo er zusammen mit seiner Frau im Dom beigesetzt wurde. Der Aufstieg der Familie setzte sich auch in der nächsten Generation fort, was sich gut an Hans’ Söhnen Markus (Marx) (II) und Sigismund Röhling (I) zeigen lässt. Markus Röhling (II), genannt der Reiche, wurde vermutlich um 1510/15 geboren. Sein Lebenslauf weist erhebliche Parallelen mit dem seines Vaters auf: Wie dieser zuvor, begann er seine Karriere zunächst als Unternehmer im Annabergischen Berg­bau. So findet er sich 1536 in der Gewerkenliste der berühmten Himmlisch-Heer-Fundgrube, wo er mit einem Kux vertreten war. 1534 heiratete er Margarethe Hacker, die Tochter des Joachimsthaler Bürger­ meisters Stefan Hacker. Aus dieser Ehe stammte ein Kind, Hans Röhling (II), der jedoch vor 1581 starb. In zweiter Ehe war Röhling mit der schon genannten Apollonia Alnpeck verheiratet, der Tochter von Bastian Alnpeck aus Großhart­ mannsdorf und Witwe des Hauptmanns von Komotau, Martin Rabe. Ebenso wie bei seinem Vater erfolgte sein Einstieg in die Berg­verwaltung als Zehntner in Geyer und als Berg­meister in Annaberg (von 1542 bis 1553).189 1555 wird 186 Vgl. Lorenz: Die Röhling, S. 9; Kaden: Herausbildung, S. 31. 187 Nach Lorenz wurde er 1542 zum Oberbergmeister bestallt und 1546 Amtsverweser für das gesamte Erzgebirge, vgl. Lorenz: Die Röhling, S. 9. 188 Vgl. Lorenz: Die Röhling, S. 17. 189 Vgl. Möller: Theatrum Fribergense, Pag. 452. Nach Lorenz findet er sich 1540, 1542 und 1547 in den Kupfer- und Silberzehntrechnungen von Geyer als Zehntner. Siehe Lorenz: Die Röhling, S. 17.

142

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

er als Oberbergmeister erwähnt und war in diesem Amt vermutlich bis 1574 tätig. Spätestens ab 1574 folgt die Tätigkeit als Berg­amtsverwalter, bevor er schließlich am 30. Mai 1581 starb.190 Den Beinahmen ‚der Reiche‘ trug Markus Röhling nicht zu Unrecht, wie aus seinem Testament ersichtlich wird. Röhling besaß 1581 neben mehreren Zinnbergwerken und Silberkuxen ein Vorwerk in Kleinrückerswalde, ein Vorwerk in Wolfstein, ein Haus und einen „Knochen­ garten“ in Geyer sowie ein Haus in der Kirchgasse in Annaberg und Stockholz in Schlettau und hinterließ ein Barvermögen von ungefähr 7220 fl.191 Während also Markus ganz in der Tradition des Vaters stand und sich vor allem in der Annaberger Berg­verwaltung engagierte, fokussierte sich sein Bruder Sigismund (I) auf eine politische Karriere in Freiberg. Sigismund wurde 1529 geboren und besuchte 1541 die Universität Leipzig. Es folgte eine politische Karriere in Freiberg, wo er sich zunächst 1557 als Gerichtsschöppe, 1581 als Stadtrichter und ab 1587 schließlich als Bürgermeister einen Namen erwarb.192 Auch er war im Berg­bau als Unternehmer aktiv und zeigte großes Interesse für montanwirtschaftliche Angelegenheiten.193 So nahm er 1556 zusammen mit dem Hauptmann des erzgebirgischen Kreises, Heinrich von Gersdorff, und dessen Sohn Rudolph an einer Kommissionsreise in die habsburgischen Berg­ werke um Schwaz und Innsbruck teil. Über diese Reise schrieb er im hohen Alter einen Bericht, in dem er auf die Frühsozialisation zum Berg­werk durch seine Familie verweist: Weill denn vnser Herr Gott mich nicht alleine von Berg­kwergkes wolerfarnen Ältern hatt lassen erboren, sondern auch durch meinen Vather, Bruder, Vetter vndt andern ehrlichen Berckleutten dieser Lande, die Gott in ihren Berckh Emptern reichlichen mitt der Berckwerge

190 Vgl. Lorenz: Die Röhling, S. 19. Als Berg­amtsverwalter unterzeichnet er auch in anderen Kontexten, etwa SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36085, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0899, fol. 9a–11b. 191 Ausgenommen waren sein Kuxbesitz und etwaige Schulden. Vgl. Wildenhahn: Das Tes­ tament des Markus Röhling. Nach Bogsch war Markus Röhling im Marienberger Berg­bau als Gewerke aktiv. Siehe hierzu Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 42. 192 Vgl. Lorenz: Die Röhling, S. 23 f. Nach Andreas Möllers Freiberger Stadtchronik war ein „Sigemund“ Röhling auf Conradsdorf Gerichtsschöppe (1557), Ratsherr (1566), Hospital­ meister (1576), Stadtrichter (1581) und schließlich ab 1587 bis 1600 fünfmal regierender Bürgermeister. Gestorben sei er am 22. Dezember 1603. Vgl. Möller: Theatrum Friber­ gense, Pag. 358. 193 Auch Sigismund wird ebenso wie sein Bruder Markus und sein Vater Hans Röhling als Ge­ werke in Marienberg genannt, vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 43.

Mitgliedschaft

143

Wolstand vnd aufnehmen gesegnet, Hatt auf ziehen vnd der Berckwerge Sonderlich dieses loblichen Freybergischen von Jugent auf bis inn mein Hohes Alter hatt lassen erfahren.194

Auch die Söhne Sigismunds (I) machten Karriere in landesherrlichen Diensten. Markus (III) war als Berg­- und Kammerrat in der sächsischen Finanzverwaltung tätig. Der andere Sohn, Sigismund (II), studierte zunächst an der Universität Leipzig, erhielt dort die Doktorwürde und trat als kursächsischer Rat in lan­ desherrliche Dienste.195 Beide Enkel wurden zudem von Hans Röhling (I) in seinem Testament bedacht. Während Markus (III) die große Zinnkanne bekom­ men sollte, die seinem Großvater Markus Röhling (I) gehört hatte, wurde Sigis­ mund (II) die „marterne Schauben“, das heißt der marderpelzgefütterte Mantel des Großvaters, vererbt.196 Der Marderpelz zeigt wie kaum ein anderes Objekt, wie souverän die Röhlings die subtilen Mechanismen symbolischer Kommu­ nikation verstanden. Marderpelz gehörte zu den Luxusobjekten vormoderner Städte schlechthin.197 Allein die Art des Pelzes zeigte überaus deutlich den sozi­ alen Status des Trägers an. Kleiderordnungen reglementierten minutiös, wer das Recht hatte, welches Marderfell zu tragen.198 Zwar lässt sich auf Grund des Testaments keine Aussage darüber treffen, um welche Art von Marderfell es sich hier handelt, aber offensichtlich schrieb Hans Röhling dem Kleidungsstück eine entsprechende Bedeutung zu. Es ist denn auch das einzige Kleidungsstück, das explizit im Testament erwähnt wird. Der Aufstieg der Familie Röhling kann ohne den Bezug zum Berg­bau und den erzgebirgischen Berg­städten kaum angemessen beschrieben werden.199 Alle drei 194 Löffler: Die Flösse und das Transportproblem, S. 238 ff. 195 Hier zeigt sich eine allgemeine Tendenz, dass das Universitätsstudium zunehmend den Einstieg in gehobene administrative Kreise und den sozialen Aufstieg ermöglichte, vgl. Brakensiek: Juristen, S. 282 f. Siehe hierzu auch vertiefend Press: Führungsgruppen sowie Endres: Die deutschen Führungsschichten. 196 Es handelt sich bei einer Schaube nicht um eine Haube, wie Wildenhahn vermutet, sondern um einen pelzgefütterten Umhang. Vgl. Wildenhahn: Das Testament des Markus Röh­ ling, S. 17–35. 197 Zum Marderpelz als Statussymbol vgl. Zitzlsberger: Dürers Pelz, S. 26 ff. Zum Verhältnis von Repräsentation und Kleidung siehe auch Bulst u. a.: Abbild oder Wunschbild? 198 Vgl. Zitzlsberger: Dürers Pelz, S. 29. 199 Die enge Bindung zwischen städtischen Oberschichten und Berg­baueliten zeigen auch Dittrich/Vogel: Die Freiberger Familie am Ende. Nach Stefan Brakensiek muss in Be­ zug auf soziale Netzwerke von Funktionseliten ihr kultureller und fachlicher Hintergrund berücksichtig werden. Vgl. Brakensiek: Juristen, S. 275. Siehe hierzu auch Braun: Staying on Top.

144

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Generationen der hier vorgestellten Röhlings eint, dass sie als Investoren und Unternehmer im Berg­bau zu Wohlstand und Ansehen kamen. Zudem besaßen alle Röhlings ausgezeichnete familiäre Kontakte in die städtische Oberschicht des Erzgebirges, wobei von einem engen Konnex zwischen montanwirtschaft­ lichen Investitionen, sozialen Netzwerken und Heiratskreisen auszugehen ist.200 Während Hans Röhling (I) und sein Sohn Markus Röhling (II) sowohl als Funk­ tionsträger im Berg­bau Karriere machten als auch in städtischen Führungspo­ sitionen tätig waren, konzentrierte sich Sigismund auf seine städtischen Ämter, während dessen Söhnen Markus (III) und Dr. Sigismund (II) der Sprung in die landesherrliche Zentralverwaltung gelang. Hans (I) und Markus (II) wiesen ein gewisses Maß an Mobilität zwischen Geyer, Annaberg und Freiberg auf, was keineswegs ungewöhnlich für Funktionsträger war. So zeigt Stefan Brakensiek am Beispiel hessischer Amtmänner, dass diese nur selten an einem Ort blieben und im Laufe ihres Lebens ein erhöhtes Maß an beruflicher Mobilität in Kauf nahmen, woraus sich weitgespannte familiäre und gesellige Kontakte in eine Vielzahl von hessischen Städten ergaben.201 Auch die Röhlings bauten sich im Laufe des 16. Jahrhundert durch Ehe, Ämter und Geschäfte ein einflussreiches Netzwerk aus Kaufleuten, Montanunternehmern, Berg­beamten und städti­ schen Eliten der Region auf. Sie waren Teil einer regionalen Elite von Berg­ bauunternehmern, städtischen Obrigkeiten und Berg­beamten, die über eine vergleichbare regionale und soziale Herkunft verfügten. Ebenfalls ähnlich zu den Befunden Stefan Brakensieks brachte die 1563 beziehungsweise 1570 erfolgte Nobilitierung nur bedingt eine Veränderung der sozialen Kreise der Röhlings mit sich: Von einer Integration in den säch­ sischen Geburtsadel ist ebenso wenig auszugehen wie von einer Abschottung gegenüber den frisch Nobilitierten auf Seiten des Stadtbürgertums.202 Ihre Heiratskreise fokussierten sich über das gesamte 16. Jahrhundert auf die Ober­ schicht der sächsischen und böhmischen Berg­städte.203 Zugleich wurde das neu hinzugewonnene Adelswappen in die Selbstpräsentation der Familie integriert 200 Die enge Verflechtung von städtischen Eliten und Montanunternehmern ist typisch für die Region. Vgl. Lorenz: Zur verwandtschaftlichen Verflechtung von Kuxinhabern, S. 24–29. 201 Vgl. Brakensiek: Juristen, S. 275. 202 Vgl. ebd., S. 280. 203 Vereinzelt sind auch Heiratskontakte in die Leipziger Kaufmannschaft nachweisbar. So war der Geyersche Berg­meister Hans Röhling (geb. um 1517) in erster Ehe mit Veronika Fro­ mia Schweikert verheiratet, der Tochter des Leipziger Rats- und Handelsherrn Sebastian Schweikert, der in großem Umfang als Metallhändler, Berg­bauunternehmer und Gewerke am sächsischen Berg­bau partizipierte. Vgl. Lorenz: Die Röhling, S. 19.

Mitgliedschaft

145

und selbstbewusst neben das bürgerliche gestellt. Dies wird etwa deutlich beim Blick auf das Epitaph Hans Röhlings (I) im Freiberger Dom.204 Auf dem Epi­ taph finden sich Darstellungen von Christi Begräbnis und Auferstehung mit den Worten: „Er ist begraben […] wie ein Reicher“ (Es. LIII) und der Kreuzi­ gung. Unter der Kreuzigung halten zwei Berg­leute zwei Wappen: Zum einen das bürgerliche Wappen, auf dem neben einem springenden Reh ein Berg­mann mit einem Erztrog auf dem Kopf die enge Bindung der Familie zum Berg­bau repräsentiert, zum anderen das neu erworbene Adelswappen der Familie Röhling. Beide Berg­leute halten zudem eine Schrifttafel mit der Aufschrift: „Anno dni. 1564. Den 9. ivnii ist der erbar vnd veste Hans Roligk der chvrf. sech. ertzgebirg. Berg­k-Amts-Vorwalter seligklich in Christo entschlaffen. “205 Der Freiberger Dom, der als Grablege der Wettiner eine herausgehobene Stellung unter den Freiberger Kirchen einnahm, war für die städtische Oberschicht ein attraktiver Ort, ihren exklusiven sozialen Status in der Stadt sichtbar und erinnerbar zu machen. Das Register der 1731 von Johann Samuel Grübler angefertigten Übersicht der Epitaphe im Freiberger Dom liest sich dann auch entsprechend wie das Who is Who der Freiberger Oberschicht. Namen wie Schönberg, Alnpeck, Buchführer, Hilliger, Horn, Trainer, Schönle­ ben oder Prager, die sich mit Epitaphen im Dom verewigt haben, verweisen auf das hohe Prestige, das mit einer Grablege in diesem Kirchenraum verbunden war.206 Indem Röhling sein bürgerliches Wappen und sein Adelswappen durch Berg­leute tragen ließ, repräsentiert er seine enge Bindung an den Berg­bau. Die Nobilitierung diente also nicht der Verschleierung seiner bürgerlichen Herkunft, sondern der Demonstration des exklusiven Status innerhalb der bürgerlichen peer group der sächsischen Berg­elite. Diese Form der Totenmemoria, die vor allem den Konnex der Familie zum Berg­bau unterstreicht, wurde auch von seinem Sohn, Markus Röhling (II), auf­ gegriffen, der in seinem Testament festlegte, dass er vor dem Knappschaftsal­ tar, dem berühmten Annaberger Berg­altar in der Annaberger St. Annenkirche, 204 Zu bergmännischen Epitaphien vgl. Wagenbreth: Berg­männische Grabmalkunst. 205 Grübler: Ehre der Freybergischen Todten-Grüffte, Teil 1, S. 106 f. Auf dem Epitaph ist Röhling zudem mit sieben hinter ihm knieenden Söhnen abgebildet, wobei ein Sohn mit einem Kreuz als verstorben markiert ist. Daneben findet sich seine Ehefrau mit zwei hin­ ter ihr knieenden Töchtern, von denen ebenfalls eine mit einem Kreuz gekennzeichnet ist. Nach Grübler befanden sich im Freiberger Dom noch Epitaphien von Anna, Friedrich d. Ä., Friedrich d. J., Charitas und Magdalena Röhling. 206 Vgl. Grübler: Ehre Der Freybergischen Todten-Grüffte, Bd. 1, Reg.

146

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

begraben werden wollte.207 Die Grablege vor dem Knappschaftsaltar verdeutlicht erneut, dass Totenmemoria und montanes Standesbewusstsein in der Familie in eins gingen. Auch an diesem Epitaph sollen, wie bereits bei seinem Vater, das bürgerliche Rehwappen und das vereinfachte Diplomwappen der Röhlings angebracht worden sein.208 Auch in Leichenpredigten war der Berg­bau ein wesentlicher Bestandteil der Röhlingschen Familienmemoria. Als identitätsstiftende Medien waren sie ein wichtiger Bestandteil familiär initiierten Totengedenkens. In den idealisierten Personalia wurde, im Rahmen der geltenden religiösen und sozialen Normen, an das christliche Leben und Sterben der Verblichenen erinnert.209 In der 1621 gedruckten Leichenpredigt auf den Berg­- und Kammerrat Markus Röhling (III) wird in den Personalia zunächst ausführlich auf die Verdienste seiner Familie in landesherrlichen Diensten verwiesen: So stammt er aus dem „fürnemen / alten / vnd in diesen Landen wolberühmeten Geschlecht der Röling / auß welchem in den negesten anderthalb hundert Jahren / viel dapffere Menner entstanden / so dem hochlöblichen Churf- vnd fürstlichem Hause Sachsen in dem löblichen Berg­kwercke / vnd sonsten vnterthenigst / vnd trewlich gedienet“.210 Bereits sein Vater und Großvater seien in die Fußstapfen ihrer Vorfahren getreten welche alle des höchstgedachten hochlöblichen Hauses Sachsen getrewe / in Berg­ksachen wolerfahrne / geübte / glückselige Diener / vnd dannenhero auch bey auslendischen Poten­ taten wohl angesehen / in diesen / vnd andern Landen wohl berümbt vnd geehret gewesen / wie dann von Fürstlicher Durchlauchtigkeit Herrn Ferdinando, dem Ersten / damals Ertz­ hertzogen zu // Osterreich / etc. Hernacher erwehletem Römischen Keyser / hochlöblichs­ ter gedechtnuß / neben andern gegen Inspruck wolverordneten hochansehnlichen herrn Commissarien, auch sein Herr Vater / wegen seiner in berckwercken erlangter erfahrenheit / vnd gerühmbter trewe / Anno 1556 in erörterung etlicher Schwatzerischer Berg­sachen / allergnedigst gebrauchet worden.211

207 Lorenz: Die Röhling, S. 19. 208 Ebd., S. 19. 209 Klassisch hierzu Lenz: De mortuis nil nisi bene. Dass idealisierte Lebensbeschreibungen nicht zwangsläufig bloße Rhetorik sein mussten, versucht Martina Schattkowsky nachzu­ weisen. Schattkowsky: Anspruch und Wirklichkeit. 210 Strauchius: Christliche Leichpredigt/Bey dem Begräbnüß Des … Marci Rölings, Pag. D ii r. 211 Ebd., Pag. D iii b.

Mitgliedschaft

147

Auch Markus stand in dieser Familientradition und wurde als Kammerschreiber beziehungsweise als Kammermeister in der „Berg­-Cammer“ eingesetzt. Auch in Leichenpredigten auf den weiblichen Zweig der Familie konnte der Berg­bau eine wichtige Rolle spielen, so etwa in der Leichenpredigt auf Margaretha Steinmüller, geborene Röhling, aus dem Jahr 1666.212 Ihre Perso­ nalia verweisen zunächst auf die Tätigkeit ihres Vaters (Paul Röhling [II]) und Großvaters (Paul Röhling [i]) als Berg­meister in Schneeberg beziehungsweise Marienberg. Zudem wird auf ihren Großvater mütterlicherseits, Christoph Meißen, verwiesen, der als Berg­geschworener in Marienberg und Berg­meister in Eibenstock tätig war. Daher sei sie von dem alten vornehmen vnd ansehnlichen Geschlecht vnd Stamm der Röhlinger entspros­ sen / wiewohl nun von dieser löblichen Familia viel anzuführen anitzo nicht nöthig / cum Foemina Familia sua // Caput & finis fit […] Diese aber / so in diesem Chur-Sächs Ertz Geburge gewesen seyn / vnd also auch der sel. Frauen Steinmüllerin Eltern vnd Groß-Eltern / haben Ihre Nahrung aus dem lieben Berg­werck vnd Gegen GOttes / vnter der Erden vnd in der Tiefen / erlanget vnd erworben.213

Standesbewusstsein, Familienmemoria und Berg­bau gingen bei den Röhlings also eine enge Verbindung ein. Sinnbildhaft wird das Standesbewusstsein der Fami­ lie in einem Doppelporträt des Schneeberger Berg­bauunternehmers, Zehntners und Ratsherrn Ulrich Röhling (1561–1631) und seiner Frau Christina Röhling, geborene Funke, aus dem Jahr 1615 sichtbar (s. Abb. S. 148/149). Ulrich Röh­ ling ist im schwarzen Seidenwams mit schwarzem Schultermantel und Degen dargestellt. In seiner linken, mit mehreren Ringen geschmückten Hand trägt er einen pelzverbrämten ledernen Handschuh. Die Bildunterschrift verweist auf sein Amt als Zehntner, während der perlenbestickte Fundgrübnerhut auf dem Tisch seine wirtschaftliche Potenz im Berg­bau repräsentiert. An seiner Brust trägt er eine Schaumünze, die 1611 zum Tod Kurfürst Christians I. geschlagen wurde und die vermutlich bei Christians Begräbnis als besondere Ehrenbezeu­ gung an ausgewählte Anwesende ausgeteilt worden war.214 An seinem Gürtel findet sich neben einem Sauzahn auch ein Gnadenpfennig Kurfürst Christians I.,

212 Schindler: Einiger Trost-Zweck Aller gläubiger Christen. 213 Ebd., Pag. F3. 214 Vgl. Lutze: Die Röhling-Bildnisse, S. 91.

148

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Ulrich Röhling (1562–1631), Matthias Krodel d. J. (vor 1595–1618), 1615, Germanisches Nationalmuseum, Objektnummer Gm1292.

Mitgliedschaft

149

Christina Röhling (1564–1623), Matthias Krodel d.J. (vor 1595–1618), 1615, Germani­ sches Nationalmuseum, Objektnummer Gm1297.

150

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

der 1601 durch Tobias Wolf hergestellt worden war. Auf dem Bild ist zudem das Wappen Ulrich Röhlings dargestellt.215 Ähnlich prächtig ist das dazugehörige Porträt seiner Ehefrau Christina, der Tochter des letzten Schneeberger Münzmeisters und Zehntners Hans Funke. Auch ihr Porträt zeichnet sich durch eine überbordende Materialität aus, die Christina zur „Projektionsfläche prestigeträchtigen Familienschmucks“ macht.216 Um ihren Hals sind zwei Ketten in mehreren Bahnen zu sehen. Zudem trägt sie einen Gürtel aus schmalen, durchbrochenen Silber- und Goldgliedern, des­ sen Verschlussstück mit einem Relief der Heiligen Dreifaltigkeit verziert ist. An der Armkette trägt sie das Wappen ihres Ehemanns Ulrich Röhling, und rechts oben im Bild prangt das Wappen ihrer Herkunftsfamilie Funke.217 Beide Porträts entfalten ein „kaum zu überbietendes Repertoire zeitgenössischer Sta­ tusrepräsentanz“.218 Selbstbewusst repräsentiert Ulrich Röhling durch Kleidung, Statussymbole und Schmuck seinen Reichtum, der, daran lässt das Bild keinen Zweifel, aus seinen Investitionen in den Berg­bau stammte. Ulrich und Christina Röhling sind in der Wolfgangskirche in Schneeberg begraben, wobei auch ihre Grabstätte ihren Status repräsentierte: Aus Alabaster gearbeitete korinthische Säulen, Kapitelle mit knienden Figuren der Verstorbenen, Figuren der Evange­ listen, Frauen und Engel schmückten ihre Grabstätte.219 Betrachtet man die engen Verbindungen der Familie in die erzgebirgischen Führungsschichten, die häufig mit einer Tätigkeit im Berg­bau und in städtischen Diensten einhergingen, dann wird deutlich, dass von einer scharfen Grenze zwi­ schen Verwaltung und ihrer sozialen Umwelt keine Rede sein kann. Berg­beamte wie die Röhlings waren eingebettet in ein weitverzweigtes soziales Netz zwi­ schen Montanunternehmern und städtischen Eliten. Ihre Karrierewege waren durch Familie und Patronage genauso bestimmt wie durch ihre Qualifikatio­ nen. Berg­beamte agierten in lokalen Kontexten in unterschiedlichen sozialen Rollen: als Familienväter, als Funktionsträger in landesherrlichen Diensten, als Freunde und Verwandte.

215 Bildbeschreibung nach http://objektkatalog.gnm.de/objekt/Gm1292, letzter Zugriff: 17.09.2020. 216 Zander-Seidel: Zeichen der Distinktion, S. 163. 217 Bildbeschreibung nach http://objektkatalog.gnm.de/objekt/Gm1297, letzter Zugriff: 17.09.2020, sowie Lutze: Die Röhling-Bildnisse. 218 Zander-Seidel: Zeichen der Distinktion, S. 152 f. 219 Vgl. Lutze: Die Röhling-Bildnisse, S. 97.

Mitgliedschaft

151

1.3.3 Mitgliedschaft und Normenkonkurrenz: Adlige Amtsträger in der ­ Berg­verwaltung Ein Testfall für die Frage, welche Bedeutung Familie und damit verbundene soziale Rollenerwartungen spielten, ist der adlige Amtsträger.220 Zwar wurde die Tätigkeit von Adligen im Fürstendienst und die damit verbundene Nähe zum Hof durchaus als standesgemäß wahrgenommen.221 Unklar bleibt hingegen, ob dies auch für die praktische Arbeit in der Amtsstube und grundsätzlicher für die Übernahme einer spezifischen Mitgliedschaftsrolle als landesherrlicher Amtsträger galt, die gerade auf die Unterscheidung zwischen einer Amts- und einer Privatperson abzielte.222 Während Amtsträger in vormodernen Verwal­ tungen ohne Ansehen der Person, ohne Freundschaft oder Feindschaft, allein auf der Basis von Sachbezogenheit und Kompetenz agieren sollten, war eines der wesentlichen Merkmale eines adligen Selbstverständnisses die permanente Repräsentation der herausgehobenen Stellung der eigenen Person.223 Nach Kat­ rin Keller zeichnete sich gerade der sächsische landsässige Adel durch ein aus­ geprägtes Standesbewusstsein aus.224 Damit zeigt sich am Beispiel des adligen Beamten und seiner zweifachen Bestimmung zwischen Stand und Funktion (Ulrike Ludwig) ein klassisches Beispiel potenzieller „Normenkonkurrenz“.225 Im Folgenden soll das Konzept der Normenkonkurrenz als heuristisches Inst­ rument dienen, um ein besseres Gespür für divergierende Verhaltenserwartungen 220 Thiessen: Normenkonkurrenz. Die folgenden Ausführungen basieren im Wesentlichen auf meinen Überlegungen in Neumann: Hintern aus Blei. 221 Dieses Standesbewusstsein manifestierte sich vor allem in dem Bemühen um Distinktion und die Sicherung adliger Vorrechte durch die Besetzung von Hof- und Staatsämtern. Vgl. Keller: Der Hof als Zentrum, S. 212. Vgl. hierzu allgemeiner Pečar: Die Ökonomie der Ehre, bes. S. 300; Hengerer: Kaiserhof. 222 Vgl. hierzu Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 42; stärker auf vormoderne Organisati­ onen bezogen Emich: Die Formalisierung des Informellen (2008), S. 149 f.; Hengerer: Kaiserhof, S. 153 ff. 223 Zum Begriff der Freundschaft im Rahmen einer vormodernen Amtsethik vgl. Grüne: Freundschaft, S. 287–307. 224 Vgl. Keller: Der Hof als Zentrum, S. 212. Zum Problem adligen Standesbewusstseins in europäischer Perspektive vgl. Asch: Europäischer Adel; mit stärkerem Fokus auf den deut­ schen Adel vgl. Sikora: Adel in der Frühen Neuzeit, S. 127 ff. 225 Selbst- und Fremdbilder adliger Beamter zwischen Stand und Funktion war Gegenstand einer 2013 von Ulrike Ludwig organisierten Tagung. Zur Begriffsbestimmung und Konzep­ tualisierung des Konzepts der Normenkonkurrenz siehe Karsten/Thiessen, Einleitung, S. 7–20.

152

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

zu bekommen, die an Amtsträger, genauer an adlige Amtsträger, herangetragen wurden. Als Beispiel hierfür dient die Familie von Schönberg, die über knapp 200 Jahre die vornehmsten Posten der Berg­verwaltung innehatten. Die Familie von Schönberg stammte ursprünglich aus dem ‚Osterland‘ im heu­ tigen Thüringen und siedelte sich im 14. Jahrhundert auch in der Mark Meißen an. Ein herausstechendes Merkmal der Familie war ihr umfangreicher Grundbe­ sitz, der sich über ganz Sachsen, mit einer deutlichen Besitzkonzentration in der Mark Meißen beziehungsweise dem erzgebirgischen Kreis und der Oberlausitz, verteilte.226 Zudem waren einige Mitglieder der Familie bedeutende Investoren im Berg­bau.227 Die Schönbergs gehörten als Räte und Richter, als Gesandte, Minister, Obersteuereinnehmer und Amtleute seit dem frühen 16. Jahrhundert zum sächsischen Dienstadel oder waren in kirchlichen Diensten tätig.228 Über einen Zeitraum von fast 200 Jahren (von 1558 bis 1761) besetzten sie zudem fast ausschließlich die vornehmsten Posten der mittleren Berg­verwaltung. Bereits vor der Etablierung einer mittleren Berg­verwaltung in der Mitte des 16. Jahrhunderts war die Familie administrativ im Berg­bau tätig. Bis in die 1540er Jahre inspizierten vom Landesherrn entsandte Kommissionen in regelmäßigen Abständen den Zustand der Berg­werke. Wiederkehrend finden sich in den Pro­ tokollen des Verfahrens auch Mitglieder der Familie von Schönberg.229 Zugleich wäre es aber zu einfach, von ‚den‘ Schönbergs in der Berg­verwaltung zu sprechen. Vielmehr handelt es sich um ein weitverzweigtes Geschlecht. Wenngleich nicht von einem geschlossenen Familienverband auszugehen ist, bestanden durch nähere Verwandtschaft und Heiratsbeziehungen enge Bindungen zwischen den verschiedenen Zweigen der Familie. Zudem waren die Schönbergs in auffälli­ gem Maße als Financiers des Kurfürsten tätig. So schuldete der Kurfürst Caspar von Schönberg zu Purschenstein 25.000 fl, Wolf von Schönberg zu Neusorge 20.000 fl oder Georg von Schönberg zu Limbach 17.000 fl.230 Insgesamt nahmen 226 Nach Matthias Donath war der Erwerb von Gütern im 16. Jahrhundert strategischer Natur, wobei ältere Besitzungen wie etwa Rheinsberg oder Neuensorge erhalten wurden, während neuere Erwerbungen schneller verkauft oder eingetauscht wurden. Vgl. Donath: Die Be­ sitzungen der Familie von Schönberg, S. 12–21. 227 Wenngleich, wie Donath zutreffend bemerkt, hierzu vertiefende Untersuchungen fehlen. Vgl. Donath: Rotgrüne Löwen, S. 145 f. 228 Vgl. ebd. 229 So waren bis 1545 Heinrich von Schönberg zu Stolberg, Heinrich von Schönberg der Ältere, Wolf von Schönberg zu Sachsenburg und Friedrich von Schönberg zu Stolberg mehrfach an den Berg­handlungen beteiligt, vgl. Laube: Silberbergbau, S. 62 f. 230 Nach Schirmer tauchen zudem noch Christoph von Schönberg (7720 fl), die Erben Caspar

Mitgliedschaft

153

die Schönbergs, so Uwe Schirmer, mit rund 72.000 fl Schulden die „Spitzenpo­ sition“ unter den kursächsischen Gläubigern ein.231 Die Schönbergs standen als Oberberghauptleute, Berg­hauptleute und Berg­ amtmänner an der Spitze der sich seit den 1540er Jahren ausbildenden mitt­ leren Berg ­verwaltung.232 Aus dem überlieferten administrativen Schriftgut wird deutlich, dass die Ämter des Berg­hauptmanns und Berg­amtmanns keine Titularämter waren. Vielmehr waren die Schönbergs (mal mehr, mal weni­ ger ausgeprägt) mit dem Berg­recht, der Berg­bau- und Hüttenkunde und den administrativen Abläufen des Gewerbes vertraut.233 Einzelne Berg­hauptleute entwickelten dabei ein ausgesprochen großes Interesse für den Berg­bau, von der gerechten Versorgung mit Berg­eisen und Getreide über Konflikte zwischen strittigen Gewerkschaften bis zu differenzierten Fragen der Verwendung eines ‚hohen Ofens‘ im Hüttenwesen.234 Betrachtet man zunächst die von den Schön­ bergs erwartete Mitgliedschaftsrolle, so zeigt sich hier kein Unterschied zu den bereits erwähnten Erwartungshaltungen an Amtsträger im Berg­bau. Sie wur­ den in den Bestallungsbriefen auf die üblichen Amtstugenden (Förderung des Gemeinen Nutzens der Berg­werke, Treue gegenüber dem Landesherrn, Fleiß und Verschwiegenheit im Amt) verpflichtet und sollten alles „thun vnd leisten, was einen ehrlichen vom Adel Haubtmann vnd Rath keg[en] seinen Herrn vnd Landesfursten zuthun eignet vnd gebühret“.235 Neben der Tätigkeit als Kontroll- und Schiedsinstanz im lokalen Berg­bau sollten sie zudem in regelmäßigem Austausch mit dem Landesherrn und den Berg­- und Kammerräten stehen und Berichte über den Zustand der Berg­werke verfassen. Dafür hatten sie die Berg­städte zu bereisen, um die Gruben und die Hütten zu inspizieren, was zur Folge hatte, dass auch adlige Amtsträger in die von Schönberg zu Sachsenburg (5000 fl), Sebastian von Schönberg (1200 fl), und Hans von Schönberg auf Rheinsberg (1000 fl) als Kreditoren des Kurfürsten auf. Vgl. Schirmer: Kursächsische Staatsverschuldung, S. 409. 231 Vgl. ebd., S. 409. 232 Vgl. hierzu auch Schmidt: Die Familie von Schönberg sowie Hoheisel: Adel und Berg­ bau. 233 Abraham von Schönberg schrieb für letzteres Wissensgebiet 1693 sogar eine populäre Abhand­ lung, die „Ausführliche Berg­-Information“. Schönberg: Ausführliche Berg­-Information. 234 Beim hohen Ofen handelte es sich um eine spezifische Form des Schmelzofens. Die Nutzung des hohen Ofens brannte etwa dem Oberberghauptmann Heinrich von Schönberg beson­ ders unter den Nägeln, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36057, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 0001. 235 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0174, fol. 12b.

154

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Gruben einfahren mussten.236 Dass es sich dabei nicht nur um eine leere Phrase handelte, verdeutlicht eine Beschwerde des Berg­hauptmanns Christoph von Schönberg zum Knauthain von 1594. Dieser beklagt sich, dass er in seinem Dienst beständig großer Gefahr ausgesetzt sei. Nicht nur, dass das Einfahren in die Gruben gefährlich sei, auch erfordere sein Amt, dass er „in der hütten den rauch in der gruben bosse Wetter vnd kalten tampf zu sich niempt. Wel­ ches das leben vorkurtzet.“237 Daher sei ihm unverständlich, warum man nicht nur seine Besoldung verringert, sondern er auch seine zugesagte Begnadung in Form von gewöhnlicher Hofkleidung und fünfzig Klafter Holz nicht erhalten habe.238 Sicherlich diente diese recht bildliche Schilderung auch der rhetorischen Verstärkung seines Anliegens. Dennoch zeigt sich hier, dass ein adliges Standes­ bewusstsein dem Einfahren in die Gruben nicht grundsätzlich entgegenstand. In der Reaktion des Kurfürsten wird zudem deutlich, wie wichtig kompetentes Personal war. So war Christoph von Schönberg nach Ansicht des Kurfürsten ein „vordienter man, der dienst sachen nur wohl verstehet, vnd ferner darzu nutzlich zu gebrauchen“.239 Amtsträger wie Christoph von Schönberg waren administrative Spezialisten und damit hoch gefragt in landesherrlichen Diens­ ten. Fachkenntnisse und Kompetenz, so auch Peter Hoheisel, waren neben der

236 Auch im 17. Jahrhundert gehörte das Einfahren in die Gruben zum Tätigkeitsfeld der Schön­ bergs. So heißt es etwa in der Bestallung des Vizeberghauptmanns Caspar von Schönberg vom 5. November 1648, er solle regelmäßig die Reviere und Berg­städte bereisen, das Hüt­ tenwesen kontrollieren und auch selbst in die Gruben einfahren. Ebd., fol. 32a–35a. Auch die Bestallungen des Berg­hauptmanns Georg Friedrich Caspar von Schönberg von 1629 und des Oberberghauptmanns Abraham von Schönberg von 1676 thematisierten explizit das Einfahren in die Gruben. Vgl. ebd. fol. 36a–38a, fol. 54a–57a. 237 Der böse Dampf der Metalle ist ein vom 12. bis zum 17. Jahrhundert immer wiederkeh­ rendes Motiv in zeitgenössischen Texten zum Berg­bau und zur Metallarbeit. Die übliche Empfehlung dagegen war das Essen von Brot, das dick mit Butter und Alant bestrichen war, vor dem Einfahren in die Gruben. Diese Empfehlung entsprach der Vorstellung, dass Ausdünstungen von Metallen nach der Säftelehre ein spezifisches Temperament haben, dem man mit der Aufnahme von Nahrung, die dem entgegengesetzen Temperament entsprach, entgegenwirken konnte. Gegen die kalten und nassen Dämpfe der Metalle sollte Alant oder Muskat wirken. Die Butter sollte den Magen wie ein Korken verschließen und damit über längere Zeit Schutz gegen die schlechten Dämpfe gewähren. Siehe hierzu Smith: Making as Knowing, S. 17–47. 238 Christoph von Schönberg an Kurfürst Christian  II., ohne Datierung (1594), SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 33658, Rep. 11, Sect. 2, Gen. Nr. 0215q, ohne Paginierung. 239 Reskript Kurfürst Christian II., 22. September 1595, ebd.

Mitgliedschaft

155

engen familiären Bindung der Schönbergs an den Landesherrn wichtige Ursa­ chen für ihre Kontinuität in der Berg­verwaltung.240 Die Tätigkeit in landesherrlichen Diensten bot adligen Funktionsträgern unterschiedliche Möglichkeiten, sich in ein ständisch geprägtes System höfi­ scher Ökonomie zu integrieren. Dies zeigt sich etwa anhand der in den Bestal­ lungsbriefen festgelegten Besoldungen und Zulagen. Die Besoldung wurde üblicherweise durch ein flexibles System von Zulagen und Privilegien erwei­ tert: Neben der Anzahl der geharnischten, also am Hof versorgten Pferde, der Höhe der Bezüge an Naturalien und der Gewährung von Wohnraum im Schloss Freudenstein war zudem seit dem späten 16. Jahrhundert das uneingeschränkte Zutrittsrecht zum Kurfürsten in bergbaulichen Angelegenheiten ein wichtiges Distinktionsmerkmal.241 Dieses Privileg war jedoch nicht an das Amt gebunden, sondern wurde individuell dem jeweiligen Amtsinhaber zugestanden.242 Durch die Anzahl der am Hof versorgten Pferde und Diener konnte ebenso wie durch das uneingeschränkte Zugangsrecht zum Herrscher der herausgehobene Status der Schönbergs sichtbar inszeniert werden. Eine weitere Möglichkeit, adlige Amtsträger in die Berg­verwaltung zu inte­ grieren und gleichzeitig ihren sozialen Status zu markieren, war die Gewährung einer jährlichen Hofkleidung. Dass Fürsten ihr Gefolge markierten, indem sie es mit einer einheitlichen Bekleidung ausstatteten, war ein normales Vorgehen an 240 Vgl. Hoheisel: Adel und Berg­bau, S. 97 f. 241 Bei der vergleichenden Betrachtung der Bestallungsbriefe der Familie von Schönberg zeigt sich, dass die Frage nach dem uneingeschränkten oder beschränkten Vorspracherecht erst im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts auftaucht. Dieses Privileg wurde in dem Zeitraum in die Bestallungsbriefe integriert, in dem sich auch die Berg­sachen innerhalb der Kammer als zentraler Finanzverwaltung zunehmend als eigenständiger Verwaltungsbereich, der von dazu bestallten Berg­räten verwaltet wurde, ausdifferenzierte. Zugleich kann jedoch noch nicht von der Etablierung einer Routine in der Kommunikation zwischen mittlerer Berg­ verwaltung und Zentralverwaltung gesprochen werden. Die Ausgestaltung von Kommuni­ kation war von dem Amtsinhaber, dessen Status und den ihm zugeschriebenen Kompeten­ zen abhängig. Wie wichtig das direkte Zugangsrecht am Hof war, betont auch Hengerer: Hofzeremoniell, S. 337–368. 242 Zu einem ähnlichen Befund kommt Mark Hengerer am Beispiel des Zugangsrechts zur in­ neren Antecamera am Wiener Hof. Auch hier handelte es sich um ein individuell gewährtes Privileg, das eng verbunden war mit der noch nicht hergestellten Kompatibilität zwischen Hofstaat und weiteren Behörden, Landständen und dem Reich. „Die Individualbewilligung ersparte dem Hofstaat damit differenziertere und größere formelle Anpassungsleistungen an seine Umwelt.“ Hengerer: Kaiserhof, S. 229 f. Vgl. hierzu auch ders.: Zahlen und Ze­ remoniell, bes. S. 60. Pangerl: „Höfische Öffentlichkeit“, S. 255–285.

156

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

frühneuzeitlichen Höfen.243 Bis ins 17. Jahrhundert war es üblich, Hofange­hörige ein- bis zweimal im Jahr durch den Herrscher einzukleiden, wobei Schnitt und Stoff der Hofkleidung festgelegt waren. Hofkleidung war nicht nur ein Mittel der Vereinheitlichung und Herrschaftsrepräsentation, sondern diente nicht zuletzt auch als Statussymbol.244 Zugleich war die Hofkleidung „das äußere Zei­ chen des Privilegs, zum engen Lebenskreis des Fürsten zu zählen“.245 Der unter­ schiedliche Status der Empfänger wurde durch die Qualität des Stoffes und die Anzahl der ebenfalls eingekleideten Diener ausgedrückt. So bekam etwa Wolf von Schönberg als Berg­hauptmann 1558 Hofkleidung für sich und vier Perso­ nen zugesichert. Für sich selbst sollte diese aus acht Ellen lündisch Tuch, also dem wertvollen niederländischen Tuch, gefertigt werden, und für jeden Diener bekam er sieben Ellen lündisch Tuch und sechs Ellen Barchent, ein eher min­ derwertiges Gewebe aus Leinen und Baumwolle.246 Durch die Anzahl der einge­ kleideten Diener und die Qualität des Stoffes konnte der eigene Status sichtbar nach außen getragen werden.247 Indem adlige Amtsträger mit besonders feiner Hofkleidung ausgestattet wurden, wurde ihre Zugehörigkeit zum Dresdner Hof und zum sächsischen Dienstadel betont.248 243 Zur Hofkleidung unter Friedrich dem Weisen vgl. Ludolphy: Friedrich der Weise, S. 79–81. Die Rechnungsbücher der ernestinischen Hofschneiderei sind von 1469 bis 1573 fast lü­ ckenlos überliefert und geben einen Eindruck von den Kosten und dem Aufwand, der für die Hofbekleidung betrieben wurde. Vgl. Dihle: Kostümbilder und Rechnungsbücher, S. 127–137; S. 152–156. 244 Die sächsische Hofordnung von 1555 verweist daher sehr explizit darauf, dass nur diejeni­ gen Personen mit Hofkleidung ausgestattet werden sollen, die darauf auch einen Anspruch haben, wobei diese Ermahnung sicher nicht zuletzt auch Kostengründen geschuldet war. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32436, Rep. 28, Hofordnungen, Nr. 3b. 245 Schnitzer: Höfische Maskeraden, S. 9 ff. 246 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 7a ff. sowie SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32436 Rep. 28, Hofordnungen, Nr. 3b, fol. 181a–b. Zur Qualität der Stoffe vgl. Ludolphy: Friedrich der Weise, S. 81. 247 Zur Besoldung und den jeweils individuell gewährten Zulagen als Teil der Ökonomie des Hofes vgl. Hengerer: Zahlen und Zeremoniell, bes. S. 84 f. 248 Erst im 18. Jahrhundert – mit der Etablierung ziviler Uniformen als Festbekleidung für die Berg­verwaltung – finden sich zunehmend Repräsentationsmöglichkeiten, die stärker auf die spezifische Tätigkeit der Schönbergs im Berg­bau ausgerichtet sind. Zur Entwicklung der Uniformen der Berg­amtsverwaltung vgl. Fritzsch/Sieber: Berg­männische Trachten, bes. S. 29 ff. Wie stark Gesten und vor allem Kleidung den König erst zum König machen, verdeutlicht auch Barabara Stollberg-Rilinger am Beispiel Maximilians I. auf dem Wormser Reichstag von 1485: „Indem der König die Gewänder anlegte, übernahm er die Rolle und bekleidete das Amt des Königs.“ Durch Kleidung und Gesten wurde nicht nur die Rolle des

Mitgliedschaft

157

Für die Schönbergs als Amtsträger in landesherrlichen Diensten lässt sich somit zeigen, dass sie sich auf der einen Seite durch ihre Bestallung und ihren Diensteid auf die Übernahme einer Amtsrolle festlegten. Diese orientierte sich an den üblichen Amtstugenden. Zugleich waren für adlige Amtsträger der Hof und die Nähe zum Landesherrn von herausgehobener Bedeutung. Durch die Anzahl der am Hof versorgten Pferde und Diener konnte, ebenso wie durch die Qualität der Hofkleidung, die Höhe der Besoldung und nicht zuletzt die gewährten Privilegien und Zulagen der adlige Status innerhalb der höfischen Ökonomie der Ehre sichtbar gemacht werden.249 Die in der Berg­verwaltung etablierten Regeln der Mitgliedschaft schlossen ständische Differenzierung nicht aus, sondern integrierten ein adliges Distinktionsbedürfnis in die Ausge­ staltung der Ämter.250 Potenzielle Normenkonkurrenzen zwischen Stand und Amt wurden auch dadurch umgangen, dass die vornehmsten Posten der Berg­ verwaltung bis ins 18. Jahrhundert ausschließlich mit Adligen besetzt wurden. Zugleich wurde diese Bestallungspolitik wiederum an organisationsinterne Kriterien, insbesondere der fachlichen Eignung, zurückgebunden. Die Frage ist jedoch, wie von Seiten adliger Amtsträger die Übernahme einer Mitgliedschaftsrolle in Bezug auf ihren adligen Status interpretiert wurde. Diese Frage ist schwierig zu untersuchen; im Grunde lässt sich der Deutungshorizont der Akteure nur auf indirektem Wege erschließen. Besonders aufschlussreich für diese Frage sind wieder Leichenpredigten. Vor allem Leichenpredigten auf adlige Verstorbene arbeiteten nicht nur deren christliche Lebensführung heraus, sondern betonten auch deren standesgemäßes Verhalten. Nach Silke Marburg gehörte die Erinnerungskonstruktion zu den Spezifika der „Erinnerungsgruppe Adel“.251 Die Personalia dienten dem „sozialen Prestige des Verstorbenen und

Königs, sondern auch das gesamte politische Gefüge des Alten Reichs sichtbar gemacht. Daher schrieb der König in Worms den Kurfürsten kleinteilig vor, wie sie sich zu kleiden hatten. Ebenso wie die Fürsten üblicherweise ihr Gefolge einheitlich kleideten, wurde nun beim Reichstag versucht, die Fürsten, nach Stand und Status differenziert, einheitlich ein­ zukleiden. Vgl. Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider, S. 57 ff. 249 Zur höfischen Ökonomie siehe Pečar: Ökonomie, bes. S. 300. 250 Zu einem ähnlichen Befund kommt auch Maximilian Lanzinner am Beispiel der bayerischen Zentralverwaltung. Nach Lanzinner entsprach die feudale Prägung der sich zunehmend for­ malisierenden Zentralverwaltung zum einen dem Repräsentationsbedürfnis des Landesherrn und zum anderen der engen Verzahnung von Hof und Zentralverwaltung. Vgl. Lanzinner: Fürst, Räte und Landstände, S. 201. 251 Marburg: Die museale Präsentation, S. 378.

158

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

seiner Familie“ und erfüllten eine „exemplarische Funktion zur Bewahrung einer exklusiven Standesidentität“.252 Um das Verhältnis der Schönbergs zum Berg­bau generationenübergreifend zu untersuchen, muss an dieser Stelle über den eigentlichen Untersuchungszeitraum dieser Arbeit hinausgegangen werden. Die Leichenpredigt auf den ersten Berg­ hauptmann Wolf von Schönberg von 1584 bezieht sich noch sehr allgemein auf die Erfüllung seiner Mitgliedschaftsrolle als landesherrlicher Amtsträger. Die Tätigkeit als Berg­hauptmann wird, gemäß der Genrelogik von Leichenpredigten, als Ausdruck seiner Frömmigkeit wie seiner Tugendhaftigkeit und nicht zuletzt seiner adligen Standesqualitäten interpretiert.253 Adel und die Übernahme einer Mitgliedschaftsrolle standen sich nicht antagonistisch gegenüber, sondern wur­ den als miteinander kompatible Verhaltenserwartungen konzipiert. In den Leichenpredigten des 17. und 18. Jahrhunderts nimmt der Berg­bau eine zunehmend größere Rolle ein. Dies zeigt sich in der Lebenserzählung des Oberberghauptmanns Abraham von Schönberg von 1711, die in der Ich-Form geschrieben ist: vnd als ich erwogen / wie die von Schönberg / dem Berg­werck dieser Lande von vielen Jahren her sehr ruhmlich vorgestanden / und die Function der Berg­Hauptmannschaft von Anno 1558 biß daher von diesem Geschlecht unverändert verwaltet worden / ich der Berg­wercke / Gruben und Schmeltzwissenschafften mich kundig zu machen / die Resolution gefasset / und Anno 1662 mich nach Anna- und Schneeberg begeben / die daselbst und in gantzen Gebierge befindlichen Berg­-Gebäude befahren / die hierzu erfordernde Wissenschafften aufs möglichste begriffen.254

Hier wird nicht nur auf die praxisnahe Ausbildung durch Einfahren in die Gru­ ben als standesgemäße Form der Vorbereitung auf den Dienst verwiesen, sondern 252 Schattkowsky: Anspruch und Wirklichkeit, S. 56. Siehe hierzu auch Winkler: Motiva­ tion, S. 55 f. Wie stark Leichenpredigten als Ort adliger Memoria dienen, zeigt auch Ulrike Ludwig am Beispiel der mit der Reformation verknüpften Narrative in Leichenpredigten auf albertinische Spitzenbeamte, vgl. Ludwig: Erinnerungsstrategien. 253 „Vnd weil GOtt diese hohe begnadete Adelsperson zu vornehmen Weltlichen Hoffdiensten / Land vnd Leuten zu gut / hat brauchen wollen / ist seine Frömigkeit / dem Hochlöblichen Haus von Sachsen“ sowohl von Herzog Heinrich, als auch durch Kurfürst Moritz und Kur­ fürst August, „insonderheit bekand worden / das beydes die Obrigkeiten vnnd Unterthanen / besonders gefallen darüber getragen / vnnd ihn für einen rechten frommen Hoffdiener gehalten haben“, Francke: Gruendlicher Bericht, Pag. LII a–b. 254 Lehmann: Der von Gott in Schutz genommene Abraham, Pag. 59.

Mitgliedschaft

159

zudem die Kontinuität der Familie in der Berg­verwaltung unterstrichen. Ähn­ lich argumentiert schon die Leichenpredigt auf Christoph von Schönberg zum Knauthain von 1608, die betont, dass er bereits seit Kindertagen eine Neigung zum Berg­bau gehabt habe.255 Obwohl sein Vater es gern gesehen hätte, dass er „den studijs oblegen werde“, habe er „aber von Natur mehr beliebung zu dem Berg ­werck getragen“. Wie ich denn wol selbs von jhme / gehöret daß wenn der Vater vermeint gehabt er sitze in der Stuben uber der Grammatica, so sey er wol in der Gruben gewesen / bey den Berg­leuten. Denn was in der Art und Natur stecket das lesset sich doch nicht dempffen: Es war ein anzei­ gen / er solte ein Berg­kündiger Mann werden.256

Die Tätigkeit im Berg­bau stand also nicht in Konkurrenz zu einem adligen Selbstverständnis, sondern wurde im Medium der Leichenpredigt eng mit adli­ gen Standesqualitäten verknüpft. Für die Frage nach dem Verhältnis von Mitgliedschaftsrolle zu anderen sozi­ alen Normen kann also nicht von einer prinzipiellen Konkurrenz ausgegangen werden, sondern es zeigt sich einerseits, dass der Landesherr dem Adel in der sich zunehmend formalisierenden Berg­verwaltung genügend Spielraum für adlige Distinktionsbedürfnisse gab. Andererseits wurde die Tätigkeit adliger Amtsträger in landesherrlichen Diensten im Rahmen der adligen Totenmemoria positiv konnotiert und als kompatibel mit einem adligen Standesbewusstsein konzipiert. Konflikte um Stand und Status konnten zumindest für die Familie Schönberg in den von mir untersuchten Quellenbeständen nicht gefunden wer­ den. Eine mögliche Erklärung für das Fehlen von Statuskonflikten könnte die Exklusivstellung der Schönbergs an der Spitze der Berg­verwaltung sein. Indem die Spitzenämter der Berg­verwaltung ausschließlich mit Adligen dieser Fami­ lie besetzt wurden, fügten sie sich zwar in eine formale Hierarchie der Berg­ verwaltung ein, behielten jedoch unangefochten von nichtadligen Amtsträgern einen Sonderstatus.

255 Leyser: Christliche Leichpredigt. 256 Ebd., Pag. 32–33.

160

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

1.4 Formalisierung und das Problem der Informalität Es sollte deutlich geworden sein, dass soziale Netzwerke, sei es im Rahmen von Familie, Freundschaft oder Patronage, eine erhebliche Rolle innerhalb der Berg­verwaltung spielten, und auch, dass Adel und Amt in einem nicht generell problematischen, aber dennoch auszutarierenden Verhältnis standen. Unklar ist jedoch, wie man diese, wenn man so möchte, ‚soziale‘ Dimension der Verwaltung und ihres Handelns konzeptionell fassen kann. In jüngerer Zeit wurde vermehrt darauf hingewiesen, dass Formalisierung lediglich eine Facette von Verwaltungen ist und, wie bereits andiskutiert wurde, um eine ‚informelle‘ Dimension erweitert werden müsse.257 Erst die Einbeziehung nicht formal geregelter Bereiche erlaube es, Verwaltungen und ihre Arbeit adäquat zu beschreiben. Die Neuperspekti­ vierung der Informalität nicht zuletzt in der jüngeren Verwaltungsgeschichte biete also die Möglichkeit, ein dynamischeres Bild vormoderner Bürokratisie­ rungsprozesse zu entwerfen. Die Befunde zur Berg­verwaltung unterstützen in einer ersten Annäherung dieses Plädoyer: Sei es bei Netzwerkbildung über Heirat, Amtsdynastien wie der Familie Röhling oder der Tätigkeit der von Schönbergs als Patronagebro­ ker, in allen Fällen zeigt sich auch hier, dass die Formalstruktur eben nur eine Dimension der Verwaltung ist und um eine informelle erweitert werden muss. Doch stellt sich bei näherer Betrachtung die Frage, was genau eigentlich unter Informalität zu verstehen ist.258 Bereits beim Blick in die jüngeren Arbeiten der Frühneuzeitforschung zeigen sich sehr unterschiedliche Ansätze. Birgit Emich etwa grenzt Informalität von der formalen Organisation ab und definiert sie als „informelle Sozialordnung“ zwischen Mitgliedern einer Organisation. Ent­ sprechend rücken in ihrem Fall am Beispiel des besonders formalisierten Kir­ chenstaats Patronage und Klientelsysteme in Verwaltungen in den Fokus. Wäh­ rend Emich also ein sehr breites und zugleich wertneutrales Verständnis von Informalität zu Grunde legt, finden sich auch Ansätze, die Informalität negativ gewendet in eine Beziehung mit Illegitimität, wenn nicht gar Illegalität bringen. 257 Vgl. Emich: Formalisierung des Informellen (2008), bes. S. 151 ff.; dies.: Formalisierung des Informellen (2011), bes. S. 83 f.; Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 4 ff.; Krischer: Förmlichkeit. Zu unterschiedlichen Konzeptionen von Formalität und Informalität in der Organisationssoziologie siehe auch Tacke: Formalität und Informalität; Kühl: Organi­ sationen, bes. S. 123 ff. sowie Simon: Administrative Behaviour, 34 ff. 258 Auf den Punkt bringt dieses Problem Barbara Stollberg-Rilinger: Rez. Informelle Strukturen bei Hof; ähnlich auch unter Verweis auf Diskussionen in der Soziologie Bauer: Informalität, bes. S. 41–42.

Mitgliedschaft

161

So ist nach Werner Paravicini Informalität das, was verschwiegen und verdeckt gehandhabt werde, ja dessen man sich „wohl auch schämt“.259 Um den Begriff der Informalität produktiv als Analysekategorie verwenden zu können, scheint eine Schärfung des Begriffs sinnvoll zu sein. So plädieren etwa Matthias Pohlig oder Barbara Stollberg-Rilinger für eine enge und vor allem relationale Kopplung von Formalisierung und Informalität. Der Geltungs­ anspruch formaler Regeln schafft, so Barbara Stollberg-Rilinger, immer auch eine spezifische, ex negativo an diesen formalen Regeln orientierte Zone infor­ mellen Handelns, die eigenen, in aller Regel nicht explizit gemachten Regeln folgt.260 Informalität ist dabei nicht gleichzusetzen mit der ‚sozialen‘ Dimension von Verwaltung (etwa Patronage), sondern relational an die Geltung formaler Regeln gebunden. Formalisierung bringt also Formalität und Informalität her­ vor. Informalität ist in dieser Perspektive ebenso wie Formalisierung kein Phä­ nomen, Akteur oder eine Kategorie eigenen Rechts, sondern sollte relational an Formalisierungsprozesse rückgekoppelt werden. Was bedeutet das für die Frage nach Formalität und Informalität in der Berg­ verwaltung? Dass Verwaltungen, moderne wie vormoderne, durch ein Span­ nungsfeld von formaler Regel und sozialer Interaktion gekennzeichnet sind, ist evident. Alle ‚sozialen‘ Komponenten als informell zu beschreiben, scheint jedoch nicht hilfreich zu sein.261 Von Informalität zu sprechen, bedeutet ja schließlich, dass es bereits eine formale Ebene gibt. Im Fall der Berg­verwaltung sollte daher nicht jede Form von Patronage und Netzwerken gleich als Informalität bezeich­ net werden. Streng genommen ergibt der Begriff nur in jenen Fällen Sinn, in denen es eine klare Regel gibt (etwa keine Schichtmeisterstellen mit Verwand­ ten und Freunden zu besetzen), die umgangen oder flexibel ausgelegt wird, was entsprechend legitimierungsbedürftig ist. Aus einer üblichen sozialen Praxis wird durch die formale Regelung in der Berg­ordnung eine potenziell begrün­ dungs- und legitimierungsbedürftige Handlung. Mit dieser engen Definition von Informalität kann eine weitere Dimension von Formalisierungsprozessen erschlossen werden, nämlich deren Folgeeffekte.

259 Paravicini: Informelle Strukturen, S. 2. 260 Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, bes. S. 4–11. 261 So etwa Reinhard, demzufolge mit zunehmender Formalisierung auch der Gegensatz zwi­ schen formal und informell wächst. Gerade der geringe Formalisierungsgrad vormoderner Herrschaftsapparate erlaubte ein „für heutiges Verständnis unvorstellbares Maß an infor­ mellen Verhalten“. Reinhard: Staatsgewalt, S. 131.

162

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

1.4.1 Die Formalisierung des Informellen? Der Berg­beamte als Gewerke Ein Phänomen ist in besonderer Weise geeignet, um das Verhältnis Formali­ sierung und Informalität auszuloten: nämlich der Berg­beamte als Gewerke. Der investierende Amtsträger ist insofern ein interessantes Problem, als hier auf besondere Weise die Grenze zwischen Umwelt und Verwaltung, zwischen Mitgliedschaftsrolle, Gemeinwohlorientierung und Partikularinteressen zu verschwimmen scheint. Formal gesehen gab es hier kaum Interpretationsspielraum: Bis 1571 verboten Berg­ordnungen in aller Regel den höheren lokalen Berg­beamten wie dem Berg­ meister, dem Hauptmann und zum Teil den Berg­geschworenen während ihrer Dienstzeit Kuxbesitz.262 Auch in gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen aus dem Freiberger Berg­bau, den um die Mitte des 16. Jahrhunderts verschriftlichten ‚Berg­gebräuchen‘ von Simon Bogner, wird explizit darauf verwiesen, dass Berg­ meister und Geschworene ebenso wie Schichtmeister und Steiger keine eigenen Berg­teile besitzen sollen.263 Zudem sollten sich Berg­meister und Geschworene auch des „kuckskrentzelns“, also des Handels mit Kuxen enthalten, und keine geheimen Scheine, also Berg­teile auf fremden Namen, erwerben.264 262 Die Bestimmungen variierten. So verbot die Annaberger Berg­ordnung von 1509 lediglich dem Hauptmann und dem Berg­meister Kuxbesitz (Annaberger Berg­ordnung 1509, § 4). Die von Herzog Moritz im November 1548 für Freiberg erlassene Ordnung verbot allen „bergkamptleuten“ Kuxbesitz. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 345b. Die Freiberger Berg­ordnung von 1541 gestand auf Grundlage des Freiberger Gewohnheitsrechts dem Berg­meister 1/32 Kux zu (SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 22a) und die im September 1545 erlassene Marienberger Berg­ordnung erklärte Kuxbesitz von Haupt- und Amtleuten, Berg­meistern und Geschworenen als rechtswidrig (SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 91b). In der Landesbergordnung von Kurfürst August vom 3. Oktober 1554 wurde dem Oberhauptmann, dem Oberbergmeister und dem Berg­vogt und allen Berg­ meistern „zur Abwendung mancherley arckwönigkeit“ verboten, im eigenen oder fremden Namen Berg­teile zu bauen, es sei denn, ihnen wurde dies zuvor zugestanden (Berg­ordnung 1554, § 5). Zudem wiederholten die Wettiner das Verbot von Kuxbesitz in einzelnen Reskrip­ ten. Herzog Moritz etwa schärfte 1546 den Berg­beamten in Annaberg und Marienberg ein, sich an den 4. Artikel der Berg­ordnung zu halten und keine eigenen Teile zu bauen. Nicht nur die Hauptleute, sondern auch die Berg­meister, Geschworenen und andere Amtleute sollten unter keinen Umständen eigene Teile bauen. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 85a, fol. 91b. 263 Wobei bei Schichtmeistern und Steigern Kuxbesitz lediglich auf ihren Gewerkenzechen verboten war. Bogner: Berg­g ebräuche, § 48, § 169. 264 Vgl. ebd., § 48, § 167, § 169.

Mitgliedschaft

163

Nun macht die formale Regel eben gewisse Handlungsweisen nur wahrschein­ licher, und gerade wenn es um Kuxbesitz ging, könnte der Kontrast zwischen formaler Regel und Praxis kaum größer sein. Vom Berg­meister bis zum Berg­ hauptmann, Kuxbesitz unter Berg­beamten gehörte über das gesamte 16. Jahr­ hunderts zur üblichen Praxis.265 Dieses Phänomen war keineswegs marginal, wie sich an den Gewerkenregistern der 1570er Jahren in Marienberg deutlich zeigt. Zu den aus Marienberg stammenden Gewerken gehörten etwa Christof Franck und Paul Gottschalck (Berg­geschworene, letzterer war zeitweilig auch Berg­meister), Caspar Hacker (Berg­schreiber und Sohn des alten Berg­meisters Gregor Hacker), Wolf Hahn (Berg­meister), Simon Helbig (Schichtmeister), Georg Hiller (Hüttenschreiber), Christoff Holtschuch (Geschworener), Merten Huber (Schichtmeister), Christoph Kiehn (Steiger), Valentin Kittel (Geschwo­ rener), Valten Köler (Geschworener), Melchior Leuber (Geschworener), Joa­ chim Lincke (Hüttenschreiber), Hieronymus Opitz (Schichtmeister), Bene­ dix Preußler und Familie (Berg­meister), Nickel Rätz (Bürgermeister, Austei­ ler, Berg­g eschworener), Philipp Richter (Steiger), die Familie Röhling, Franz Schumann und Familie (ehemaliger Berg­meister), Thomas Spodt (Berg­meister), Asmus Strunz (Geschworener), Georg Stumpfelt und Familie (Amtsverwalter), Christoph Trautner (Zinnzehntner), Thomas Ulrich (Gegenschreiber), Nickel Weiß (Geschworener) sowie die Knappschaft zu Marienberg. Aus Annaberg sind etwa Markus Röhling (Oberbergmeister), Hans Unwirth (Zehntner), Christoph Werner (Berg­meister, späterer Oberbergmeister) und aus Freiberg Daniel Beck (Gegenschreiber), Merten Planer (Berg­amtsverwalter), Hans Röhling und sein Sohn Sigismund, Michel Schönleben (Oberhüttenverwalter) und seine Fami­ lie zu nennen.266 Funktionsträger im Berg­bau waren maßgeblich als Gewerken 265 Laube: Silberbergbau, S. 163 ff. Dieses Problem war kein genuin sächsisches. Auch im Harz verbot zum Beispiel die Berg­ordnung Heinrichs des Jüngeren von 1550 den obersten Berg­ beamten, während ihrer Amtszeit Berg­teile zu besitzen – es sei denn mit ausdrücklicher Genehmigung des Landesherrn. Zugleich war Kuxbesitz unter den Berg­beamten durchaus üblich, wobei der Oberbergmeister Peter Adner wohl ein extremes Beispiel darstellte, der 1585 nachweislich 188 Kuxe in 35 verschiedenen Gruben besaß. Nach Hans-Joachim Kra­ schewski kam es jedoch erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts zur „Erörterung von Nutzen und Nachteil von Kuxbesitz durch Berg­beamte als Frage nach einer Interessenkollision mit dem Landesherrn“. Auch hier wurde durch die Berg­ordnung Heinrich des Jüngeren vom 1. Januar 1550 festgelegt, dass Hauptmann und Berg­meister „zu zeit Ihres Ampts auf unseren Berg­kwercken in ihre Vorwaltung gehorig hinfurtt on sondere bewilligung keine Berg­theill bawen noch in einigem weg nutzes davon gewarten“. Kraschewski: Organisationsstruk­ turen, S. 321. 266 Vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 38–59. Zu ähnlichen Befunden für

164

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

am sächsischen Berg­bau beteiligt, oder andersherum: Finanzstarke Gewerken übernahmen Posten in der Berg­verwaltung. Neben den Röhlings, deren prominente Rolle als Unternehmer und Amtsträ­ ger im Berg­bau bereits thematisiert wurde, konnte Walter Bogsch zahlreiche Berg­bauunternehmer identifizieren, die in den Marienberger Berg­bau inves­ tierten und zugleich auch Posten in der Marienberger Berg­verwaltung über­ nahmen. Exemplarisch können hierfür der Hüttenreuter Franz Lincke, der Berg­meister und spätere Amtsverweser Georg Stumpfelt oder der Berg­- und Rezessschreiber Wolf Kluge genannt werden, die alle als Berg­bauunternehmer tätig waren, bevor sie Funktionen in der Berg­verwaltung übernahmen.267 Ein besonders herausragendes Beispiel für den Großgewerken als Berg­beamten ist der Buchholzer Berg­meister (Berg­vogt genannt) Matthes Busch. Busch besaß allein in Buchholz 449 Kuxe; darüber hinaus hielt er mindestens noch Berg­ teile in Joachimsthal.268 Aber auch die niederen Berg­beamten waren aktiv am Berg­bau beteiligt.269 Einfache Schichtmeister, Berg­meister, die mittlere Berg­ verwaltung, die Amtsträger der landesherrlichen Finanzverwaltung: Sie alle investierten in die sächsischen Gruben. Nach Laube waren letztlich „alle, die in einer amtlichen Funktion mit dem Berg­bau zu tun hatten, auch als Gewer­ ken im Berg­bau beteiligt“.270 Indem Gewerken zu Berg­beamten wurden oder als Schichtmeister die Produktion einer Zeche leiteten, sicherten sie sich, so Laube weiter, nicht nur Einfluss auf die Handhabung des Direktionsprinzips und damit

Annaberg zwischen 1536 und 1560 kommt auch Werner, demzufolge in der Himmlisch Heer Fundgrube die Annabergische und erzgebirgische Berg­bauelite als Gewerken aktiv waren, vgl. Werner: Der Annaberger Bürgermeister, S. 5–91, S. 34–36. 267 Vgl. für Marienberg Bogsch: Die Führungsschichten im sächsischen Berg­bau 1430–1740, S. 95 ff. Vergleichbares kann auch für Schneeberg gezeigt werden. Dort besaßen der Amt­ mann Amseln von Tettau, der Berg­meister Hans Fischer und der Zehntner Andreas Gößner zwischen 1503 bis 1505 Berg­teile als Gewerken. Der Schneeberger Berg­meister Paul Schmidt besaß bis in die 1530er Jahre Kuxe im Schneeberger Berg­bau, ebenso wie der Schneeberger Zehntner Caspar Ramsperger (Zehntner von 1538 bis 1544) in den Gewerkenverzeichnissen vertreten war. Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 165. 268 Auch der 1526 eingesetzte Nachfolger von Busch, Kaspar Schütz, war einer der größten Berg­werksunternehmer in Sachsen. Vgl. ebd., S. 165. 269 So waren in auffälliger Häufung Schichtmeister zugleich auch Lehensträger einzelner Gru­ ben oder als Unternehmer im größeren Stil im Berg­bau tätig, in dem sie etwa auch im Hüt­ tenwesen und im Metallhandel aktiv waren. Siehe mit weiteren Beispielen ebd., S. 170. 270 Ebd.

Mitgliedschaft

165

auf die Wahrung ihrer Interessen, sondern in gleichem Maße wurden auch die Interessen der Berg­verwaltung die ihren.271 Der Kuxbesitz von Funktionsträgern war ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite hatten die Wettiner ein gewisses Eigeninteresse, dass die Bestim­ mungen der Berg­ordnungen an dieser Stelle nicht allzu hart durchgesetzt wurden. Denn Investitionen von finanzkräftigen Gewerken wurden dringend benötigt, ebenso wie auch die montanwirtschaftliche Erfahrung von Gewerken durchaus Vorteile mit sich bringen und diese für Ämter in der Berg­verwaltung prädesti­ nieren konnte. Auf der anderen Seite gab es immer wieder Beschwerden gegen Amtsträger, denen eigennütziges Verhalten und die Ausnutzung ihrer privile­ gierten Position zur finanziellen Bereicherung vorgeworfen wurde.272 Der Vor­ wurf des eigennützigen Handelns von Funktionsträgern zeigt eine grundsätzli­ che Normenkonkurrenz von Berg­beamten, die als Gewerken agierten, nämlich dass sie gleichzeitig Teil der Berg­verwaltung wie auch ihrer Umwelt waren. Dies führte zu einer latenten und bisweilen offen thematisierten Normenkonkurrenz zwischen der geforderten sozialen Rolle als Amtsträger, der unparteiisch dem Gemeinen Berg­baunutz dienen sollte, und der auf finanziellen Gewinn ausge­ richteten sozialen Rolle des Gewerken. Um diesen Interessenkonflikt abzumildern, wurde auf normativer Ebene also der Kuxbesitz verboten und aus der Mitgliedschaftsrolle ausgeschlossen, zugleich wurde die Tätigkeit von Berg­beamten als Gewerke nur selten problematisiert beziehungsweise sanktioniert. Besonders deutlich wird dies 1570, als der Vor­ wurf aufkam, dass Berg­amtleute Grubenfelder muten würden, wenn ein neuer Gang entblößt werde. Da die Berg­amtleute dann bereits alle Berg­teile an sich gezogen hätten, bleibe für die Gewerken nichts zum Investieren übrig. Darauf entgegneten die landesherrlichen Räte, die auf einer Kommissionsreise durch das Erzgebirge waren, dass sie sehr wohl mit den Bestimmungen der Berg­ ordnungen vertraut seien. Zugleich seien die Berg­amtleute in dieser Angelegen­ heit dispensiert, und man könne daher ohne Einwilligung des Kurfürsten hier nichts weiter tun. Es sei jedoch darauf zu achten, dass die Berg­beamten nicht höhere Gewinne einführen als die anderen Gewerken und auch in eigener Sache nicht als Richter aufträten.273 271 Vgl. ebd. 272 Dieses Problem wird ausführlich im Teil D (Erwartungserwartungen – Verwaltung unter Beobachtung) diskutiert. 273 Befehl Kurfürst August zur Verbesserung des Berg­wesens, Bericht Hans von Ponickau 1570, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b, fol. 21a–b.

166

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Es gab, dies zeigt die Episode, also durchaus ein Gespür für die potenziellen Normenkonkurrenzen, die sich daraus ergeben konnten, dass Berg­beamte gleich­ zeitig Gewerken waren. Dass das Verbot von Kuxbesitz zum Teil auch praktisch eingefordert wurde, zeigt sich am Schneeberger Berg­meister Paul Schmidt. Dieser bat im Zuge seiner Amtseinsetzung auf der Berg­handlung Quasimodo­ geniti 1515 darum, dass er weiter seine Berg­teile bauen dürfe, was ihm jedoch nicht zugestanden wurde. Er durfte lediglich seine bestehenden Teile für ein weiteres Jahr behalten.274 Wenngleich Kuxbesitz durchaus verbreitet war, über­ schritt der Versuch einer formalen Bestätigung, die sich ganz explizit gegen die Bestimmungen der Berg­ordnungen richtete, hier dann doch den Rahmen. Die Berg­verwaltung konnte mit einer flexiblen Auslegung formaler Regeln solange gut operieren, wie der Normverstoß nicht explizit thematisiert wurde. Zugleich wurde im Laufe des 16. Jahrhunderts diskutiert, ob Berg­beamten der Kuxbesitz nicht auch formal erlaubt werden solle. Bereits 1541 riet Georg von Carlowitz Herzog Moritz, Berg­beamten den Besitz von Kuxen zu erlauben, um durch diese Investitionen Krisen im Berg­bau abzuwenden.275 Dieser Vorstoß wurde jedoch nicht weiterverfolgt. Erst mit der Berg­ordnung Kurfürst Augusts von 1571 wurde Berg­beamten auch formal erlaubt, eigene Teile zu bauen.276 Als Begründung wurde angeführt, dass auch Berg­beamte von dem von Gott gewollten Berg­bau profitieren sollten und damit den ausländischen Gewerken zum Vorbild dienen könnten. Daher sollten Berg­beamte künftig Kuxe besitzen dürfen, außer in Zechen, für die sie selbst zuständig seien. Dass Amtsträger seit 1571 auch eigene Berg­teile besitzen durften, löste jedoch nicht das grundsätzliche Problem, dass diese Konstellation schnell zum Vor­ wurf der Eigennützigkeit führte. 1578 wurde zum Beispiel Merten Planer, dem Freiberger Berg­meister David Greuß und den Geschworenen vorgeworfen, dass sie eigennützig Berg­teile bauten und betrügerisch mit Kuxen umgingen. Die­ ser Vorwurf war nach Ansicht Merten Planers völlig falsch. Vielmehr habe er

274 Berg­handlung Quasimodogeniti 1515, SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Ar­ chiv), Loc. 04489/04, fol. 17a–b. Dies ist insofern auch interessant, da Schmidt zuvor als Berg­meister in Oelßnitz tätig war und sein Kuxbesitz in diesem Kontext offensichtlich nicht problematisiert worden war. 275 Vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1933), S. 70 f. 276 Berg­ordnung 1571, Sp. 169. Die Vorbildfunktion des bauenden Berg­beamten betont auch Abraham von Schönberg in seinen berühmten ‚Ausführlichen Berg­informationen‘: So sol­ len in den Berg­bau investierende Berg­beamte als gutes Vorbild für potenzielle Investoren dienen. Vgl. Schönberg: Ausführliche Berg­-Information, Pag. 12.

Mitgliedschaft

167

Gott weis weder heller noch pfennigk genossen vnd ohne ruhm vber 1500 fl inn das Freyber­ gische Berg­kwergk vorbawet vnd die stolle mit gewaldt helffen fordt treiben vnd gefordert, auch viel fremde leudt herbracht die mir zugefallen gebawet vnnd mit grosser vorsorg durch hulff vnd segen des allmechtigen Gottes das Freybergische Berg­kwesen dermassen Erweidert das es itz Gott lob inn einen bessern zustandt stehet.277

Auch der Berg­meister und die Geschworenen gaben an, lediglich „zu weihlen wie Berg­kleudt mit nutzlicher Kucks nach vnserm Vorgnugen“ zu bauen.278 Dass die Vorbildfunktion der Berg­beamten als Gewerken auch aus anderer Perspektive problematisch sein konnte, zeigt sich an einem Sonderfall, nämlich dem Kurfürsten und seiner Familie als Investor. Als Großgewerke und Berg­herr stand der Kurfürst in der Selbstwahrnehmung der Berg­verwaltung in besonde­ rer Weise unter Beobachtung. 1570 beklagte sich der Schneeberger Berg­meister Nicol Drechsel, dass der Kurfürst seine Berg­teile ins Retardat fallen lasse. Dies habe nach Drechsel fatale Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Berg­baus durch die Gewerken: „Item dardurch viel leutte erschreckt vnnd von vns gant­ zlich abgewendet wirden, Wie ihr eins teils sich offentlich des horenn lassenn, Weyl vnser gnedigster herr mitt vns nicht bawen wolle, sey ihnen auch bedenk­ lich Ihr geld ferner bey vns anzuwenden.“279 In einem für Gerüchte so anfälli­ gen Gewerbe wie dem Berg­bau war das Agieren des Kurfürsten als Gewerke keine Privatangelegenheit, sondern ein wichtiger Indikator für die anderen Gewerken. Mit seiner Rolle als oberster Berg­herr war auch ein gewisses Maß an Öffentlichkeit verbunden, das im Guten wie im Schlechten das Verhalten der Gewerken beein­flusste.280 Die Vorbildfunktion des Kurfürsten wurde nicht nur von Drechsel betont. In eine ähnliche Kerbe schlug auch ein Schreiben des 277 Merten Planer an Kurfürst August, 16. Juni 1578, SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Ge­ heimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 5a. 278 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 18a–b. 279 Ebd., fol. 212b. 280 Der Kurfürst und seine Familie waren Großgewerken. Illustrierend kann auf das Verleger­ verzeichnis des kurfürstlichen Verlegers Michel Schönleben von 1580 verwiesen werden, in dem der Kuxbesitz des Kurfürsten aufgeführt wurde: 480 Kuxe in Freiberg, rund 428 Kuxe in Marienberg, rund 260 Kuxe in Annaberg, rund 198 Kuxe in Wolkenstein, 101 Kuxe in Schneeberg sowie zahlreiche Kuxe in Glashütte, Scheibenberg, Wiesenthal, Ehrenfrieders­ dorf, Geyer, Berg­gießhübel, Reichenbach, Hohnstein und anderen. Auch Augusts Frau Anna besaß etwa 108 Kuxe und sein Sohn Christian kam auf 94 Kuxe. Verlegerverzeichnis Kur­ fürst August 1580, angefertigt durch Michel Schönleben. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 0164, ohne Paginierung. Zum Kurfürsten als Gewerken vgl. etwa Schirmer: Staatsfinanzen, S. 93; Laube: Silberbergbau, S. 107 ff.

168

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Berg­amtverwalters Hans Röhling an den kurfürstlichen Rat Georg von Kom­ merstadt 1549. Nach Röhling mache es einen überaus schlechten Eindruck, dass der Kurfürst seine Berg­teile ins Retardat fallen lasse, und „ob schon Ihren Chorfurstlichen genaden auff ein teilß teil zupußen geben so mussen ihre chor­ furstlich genaden gedult tragen“.281 Am Berg­beamten und in anderer Perspektive auch dem Kurfürsten als Gewer­ ken wird wiederum deutlich, dass nur bedingt von einer harten Grenze zwischen Verwaltung und sozialer Umwelt ausgegangen werden kann. Zugleich zeigt sich, dass es auf einer normativen Ebene durchaus den Versuch gab, eine stärkere Grenzziehung zwischen den unterschiedlichen sozialen Rollen der Amtsträger vorzunehmen. Selbst nachdem Kuxbesitz den Berg­beamten formal erlaubt wor­ den war, wurde in den Ordnungen darauf verwiesen, dass daraus resultierende potenzielle Interessenkonflikte durch eine stärkere Trennung beider sozialer Rollen – also der des Berg­beamten und der des Gewerken – abgemildert wer­ den sollten, etwa indem Berg­beamte nicht in jene Zechen investieren sollten, in denen sie zugleich auch Aufsichtsfunktionen wahrnahmen. Birgit Emich hat am Beispiel der Patronagenetzwerke des Kardinalnepoten in Rom gezeigt, wie fließend die Grenze zwischen formal und informell sein konnte, die weniger zwischen Person und Behörde, sondern zwischen den verschiedenen Rollen eines Amtsträgers verlaufe. Zudem neigten vor allem komplexe Systeme zu einer zunehmenden Formalisierung des Informellen. Dermaßen formalisierte Infor­ malität habe jedoch gewisse Folgeeffekte: „Die bislang offen gepflegten und zur Schau gestellten Beziehungen unterliegen zunehmend einem Visibilisierungs­ verbot und werden schließlich als Korruption diskreditiert.“282 Die gleiche Dynamik lässt sich auch im sächsischen Berg­bau beobachten. Dass Amtsträger Kuxe besaßen, war über Jahrzehnte ein übliches Phänomen, wobei vor allem auf normativer Ebene die Normenkonkurrenz zwischen den verschiedenen sozialen Rollen des Amtsträgers, als Gewerke und zur Neutrali­ tät verpflichteter Amtsträger, problematisiert wurde. Mit der Formalisierung dieser informellen Praktik durch die Berg­ordnung 1571 wurde dieser poten­ zielle Interessenkonflikt nicht aufgelöst, sondern konnte, vor allem im Rahmen von Korruptionskommunikation, nun stärker noch als zuvor situativ gegen den Amtsträger verwendet werden.

281 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1869, fol. 7b. 282 Emich: Formalisierung des Informellen (2011), S. 93.

Mitgliedschaft

169

1.4.2 Korruptionskommunikation und Mikropolitik Korruptionskommunikation bietet eine interessante, wenngleich methodisch nicht ganz unproblematische Möglichkeit, eine andere Perspektive auf das Pro­ blem von Amtsverständnis, Mitgliedschaft, Leitwerten und nicht zuletzt der Bedeutung personeller Netzwerke und Patronage zu werfen. Es ist durch die jün­ gere Forschung zur Korruption hinlänglich bekannt, dass es sich bei Korruption weniger um eine Praxis, als um eine gewisse Wahrnehmung und Bewertung von Handlungsweisen innerhalb eines bestimmten Werte- und Normenhorizonts handelt.283 Die Untersuchung von Korruptionsvorwürfen ist daher besonders geeignet, um die in diesem Kontext formulierten Erwartungshaltungen und Normenhorizonte freizulegen.284 Korruptionsvorwürfe waren auch im Berg­bau keine Seltenheit. Gerade die Komplexität des Verwaltungsapparats und das hohe Maß an Schriftlichkeit ermöglichten in der alltäglichen Praxis mannigfaltige Möglichkeiten der Mani­ pulation und persönlichen Bereicherung, etwa durch das Aufschreiben „blinder Arbeiter und Häuer“, die Manipulation der Rechnungen, allerlei Missbrauch mit den Kuxen oder Vetternwirtschaft. Es lassen sich also zahlreiche Fälle aus­ machen, die mit dem modernen Begriff der Korruption umschrieben werden können.285 Aber was genau war Korruption im frühneuzeitlichen Berg­bau? Zwar geben die Berg­ordnungen einen gewissen normativen Rahmen vor, dennoch sind im Einzelfall die Grenzen nur unscharf zu ziehen. Wo hören sozial akzeptierte Handlungsweisen auf und wo fängt abweichendes Verhalten an? Ist das Aufschreiben imaginärer Arbeiter oder die falsche Abrechnung von Materialien noch recht offensichtlich als Bruch mit geltenden Normen zu bewerten, zeigt sich am Vorwurf des Nepotismus bereits die Schwierigkeit der Abgrenzung zur sozial akzeptierten Patronage. So war die Besetzung von Posten innerhalb der Berg­verwaltung mit Familienmitgliedern, wie bereits diskutiert wurde, üblich und gängige Praxis. Die gleiche Praxis konnte jedoch unter gewissen Bedingungen umgedeutet und als deviantes und eigennützi­ ges Verhalten gelabelt werden. Es ist also schwierig, ex post einen harten Kern devianter Verhaltensweisen auszumachen, die eindeutig unter der modernen 283 Vgl. Asch u. a.: Einleitung, bes. S. 19 ff. 284 Vgl. Thiessen: Normenkonkurrenz, S. 242 ff. 285 So definiert Michael Johnston Korruption als „abuse, according to the legal or social stan­ dards constituting a society’s system of public order, of a public role or resource for private benefit“. Vgl. Johnston: The Search for Definitions, S. 331.

170

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Kategorie Korruption zusammengefasst werden könnten. Dieses Problem ist nicht neu und wird in der neueren Korruptionsforschung intensiv diskutiert.286 Es erscheint sinnvoll, statt von einem klar umrissenen Bestand von Delikten eher von spezifischen Kommunikationssituationen auszugehen, unter denen Praktiken zeitgenössisch als abweichend gelabelt wurden. So plädiert Nils Grüne dafür, statt von Korruption von Korruptionskommunikation zu spre­ chen. Darunter versteht er „solche Rede- und Handlungsformen […], die auf die definitorisch umrissene Dissoziation universalistischer und partikularistischer Normen rekurrierten, um politisch-soziale Praktiken der Einflussnahme und Verflechtung als abweichendes Verhalten zu etikettieren“.287 Korruptionskom­ munikation ist aus dieser Perspektive eine besondere Form frühneuzeitlicher Kommunikation über abweichendes Verhalten, das unter gewissen Rahmen­ bedingungen in gewissen Zuschreibungen und Etikettierungen (Korruptions­ semantiken) münden konnte. Der Vorteil dieser Perspektive liegt auf der Hand: Statt nach dem Wahrheits­ gehalt der Anschuldigungen zu fragen, lassen sich durch die Untersuchung von Korruptionskommunikation die gemeinsam geteilten Vorstellungen rechtmä­ ßigen Verhaltens innerhalb der Berg­verwaltung, also die universalistischen Leitwerte des Berg­baus freilegen. Zudem erlaubt die Analyse dieser Etikettie­ rungsprozesse Einblicke in die Mikropolitik von Verwaltung. Denn wenngleich in Korruptionsverfahren häufig Günstlings- und Vetternwirtschaft negativ thematisiert wird, erlauben sie eben doch auch Einblicke in die sonst eher ver­ borgenen Netzwerke und Patronagesysteme, die ein zentrales Strukturelement frühneuzeitlicher Verwaltungen darstellten. Als Mikropolitik lässt sich aber über Wolfgang Reinhard hinaus nicht nur die Nutzung sozialer Netzwerke verstehen, sondern im weiteren Sinne zahlreiche Formen informeller Einflussnahme.288 Die gezielte Verbreitung von Gerüchten und Beschwerden über eigennütziges Ver­ halten innerhalb der Berg­verwaltung kann auch als Mittel der Einflussnahme innerhalb der Berg­verwaltung, als Mikropolitik verstanden werden. Dies bot eine Möglichkeit für Gewerken, Berg­beamte oder auch den Landesherrn, um missliebige Personen aus der Berg­verwaltung herauszudrängen. 286 Ein Überblick über die jüngeren Debatten der Korruptionsforschung findet sich bei Grüne: Ansätze und Blickpunkte historischer Korruptionsforschung; Engels: Geschichte der Korruption; ders. u. a. (Hg.): Geld – Geschenke – Politik; Groebner: Gefährliche Ge­ schenke; Grüne/Slanička (Hg.): Korruption; Karsten/Thiessen: Einleitung. 287 Grüne: Gabenschlucker, S. 220. 288 Ähnlich auch Emich: Territoriale Integration, bes. S. 35.

Mitgliedschaft

171

Im Folgenden soll Korruptionskommunikation im Berg­bau daraufhin unter­ sucht werden, welche Erwartungen an Amtsträger und ihre Mitgliedschaftsrolle durch diese Form der Kommunikation sowohl innerhalb der Berg­verwaltung selbst formuliert als auch von der Umwelt der Verwaltung an diese herange­ tragen wurde. 1.4.2.1 Der tiefe Fall des Favoriten: Michel Schönleben Es gab wohl kaum eine Figur im sächsischen Berg­bau des 16. Jahrhunderts, die dermaßen notorisch im Mittelpunkt von Korruptionsvorwürfen stand wie der Oberhüttenverwalter und kurfürstliche Verleger Michel Schönleben. Um ihre Kuxe verlegen zu lassen, griffen die Wettiner häufig auf Mitglieder der Berg­ verwaltung zurück.289 Während die Albertiner ebenso wie die Ernestiner bis in die 1540er Jahre unterschiedliche Verleger einsetzten, wandelte sich das Vorgehen spätestens ab den 1560er Jahren. Der Verlag der kurfürstlichen Berg­teile lag nun ausschließlich in den Händen von Michel Schönleben.290 Michel Schönleben auf Langenrinne stammte aus einer wohlhabenden Freiberger Familie. Wie so viele Familien in der Region waren die Schönlebens im Berg­bau unternehme­ risch tätig, besaßen Grundbesitz im Erzgebirge und waren politisch eng mit der Berg­stadt Freiberg verbunden.291 Bereits 1494 konnten einige Familienmitglieder 289 Zu Beginn des Schneeberger Berg­baus waren der Zehntner Martin Römer oder 1507 in An­ naberg Urban Röhling als landesherrliche Verleger tätig. In den 1530er und 1540er Jahren waren in Buchholz, Annaberg und Marienberg die Berg­vögte von Buchholz (bis 1535 Kaspar Schütz und ab 1535 Leonhard Bieger) und für die Berg­werke in Schneeberg, Scheibenberg und Gottesgab der Schneeberger Zehntner/Berg­amtsverwalter Paul Schmidt als ernestinische Verleger zuständig. Fallweise griffen die Wettiner auch auf andere lokale Berg­beamte zurück, etwa 1541 auf den Berg­meister in Marienberg, Hans Löser. Doch auch Spitzenbeamte der kurfürstlichen Landesverwaltung ließen ihre Berg­teile durch lokale Berg­beamte verlegen, so etwa die fröhliche Gesellschaft, bestehend unter anderem aus Hans von Ponickau und Hein­ rich von Gersdorff, die ihre Berg­teile in Schneeberg, Buchholz und Marienberg durch den Annaberger Zehntner Adam Ries verlegen ließen. In den 1540er Jahren musste die Tätigkeit als Verleger nicht exklusiv auf die Wettiner ausgerichtet sein. So verlegte etwa Leonhard Bie­ ger 1540/41 auch die Berg­teile des Herzogs Franz von Lüneburg-Braunschweig. Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 108 f.; Kaden: Die Berg­verwaltung im albertinischen Sachsen, S. 38 ff. 290 Berichte über den Kauf von Kuxteilen finden sich unter anderem hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, etwa fol. 54a, fol. 55a. 291 Schönleben besaß die Güter Tuttendorf, Langenrinne, Wegefahrt und Freibergsdorf. Im 16. Jahrhundert saßen über mehrere Jahrzehnte Valentin und Gabriel Schönleben als Rats­ herren im Freiberger Stadtrat. Siehe hierzu Bursian: Die Freiberger Geschlechter, S. 101.

172

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

das Adelsdiplom erwerben, welches 1643 unter Kaiser Ferdinand  III . erneut bestätigt wurde.292 Von herausragender Bedeutung für die Familie war jedoch Michel Schönleben, der seit 1555 als Oberhüttenverwalter an der Spitze der Freiberger Hüttenverwaltung stand und zudem als kurfürstlicher Verleger in besonderer Weise das Vertrauen Kurfürst Augusts genoss. Schönleben verlegte nicht nur die Berg­teile des Kurfürsten, sondern zumindest zum Teil auch von dessen Verwandtschaft. So verlegte er zwischen 1556 und 1566 die Berg­teile Anna von Sachsens, der Tochter Moritz’ von Sachsen, sowie bis spätestens 1581 die Teile der Ehefrau Kurfürst Augusts, Anna von Dänemark, was sich aus ihrem von Schönleben geführten Verlegebüchlein ersehen lässt.293 Als Verleger arbeitete er eng mit anderen Berg­beamten zusammen, um für den Verlag der kurfürstlichen Zechen Informationen zu sammeln.294 Zudem besaß er in seiner Funktion als Oberhüttenverwalter Zugang zu exklusiven Informa­ tionen über den Zustand der Zechen und vor allem über die Qualität der Erze. Im Gegenzug erhielt er durch Kurfürst August über Jahre finanzielle Vorteile, wirtschaftliche Privilegien und nicht zuletzt Protektion.295 Vor allem letztere konnte er dringend gebrauchen. Über Jahrzehnte gab es regelmäßig Klagen über Schönlebens unlautere Praktiken, und mit aller Regel­ mäßigkeit verliefen die Vorwürfe im Sande.296 Trotz zum Teil drastischer Vor­ würfe blieb Schönleben, so schien es zumindest, unangreifbar. Dies änderte sich mit dem Tod des Kurfürsten August im Jahr 1586. Dessen Nachfolger, Kurfürst Christian I., hatte kein Interesse daran, den Sonderstatus Schönlebens weiter zu dulden. Bereits seit 1586 war Schönleben nicht mehr als Oberhüttenverwalter tätig. Seinen endgültigen Fall leitete ein Schreiben vom 31. August 1587 ein, das vom Berg­amtmann Lorenz von Schönberg, dem neuen Oberhüttenverwalter 292 Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon, Bd. 1, S. 314 f. Vgl. hierzu auch Bursian: Die Freiberger Geschlechter, 101 f. sowie Herzog: Freiberger Patrizier-Geschlechter, S. 167 f. 293 Verlegebüchlein Anna von Sachsen, angelegt durch Michel Schönleben von 1573–1581. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/04, fol. 120a–293a sowie SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 173a. 294 Dies wird an einem Bericht von Michel Schönleben und Merten Planer vom 12. August 1565 deutlich, in dem sie empfehlen, die Kuxe in der reichen Zeche aufzugeben. Vgl. ebd., fol. 52a–53b. 295 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 31a, fol. 70a, fol. 74a, fol. 87a–90a, fol. 112a, fol. 154a, fol. 173a, fol. 184a. 296 Vgl. etwa SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36079, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0597, fol. 91a–95a; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0163; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36142, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 2314.

Mitgliedschaft

173

Gregor Schilling und Barthel Kohler aus Freiberg unterzeichnet wurde. Sie gaben an, dass die Überprüfung der Jahresrechnungen, Rezessregister und Hüt­ tenkosten der letzten fünf Jahre ergeben habe, dass von großem „vortheil vnd eigen nutz“ des ehemaligen Oberhüttenverwalters ausgegangen werden müsse.297 In ihrem Schreiben listeten sie vierzehn Verstöße auf, aus denen der Eigennutz Schönlebens besonders klar hervortrete, beginnend bei der unlauteren Abrech­ nung der Kohle über Betrug mit dem Röstholz und die Verwendung falscher Gewichte und Maße bis hin zu betrügerischen Praktiken beim Schmelzen auf den Hütten und einer korrupten Rechnungsführung.298 Diese vierzehn Artikel setzten lawinenartig eine Untersuchung der Amts­ führung Schönlebens in Gang. Eine Kommission unter der Leitung Hans von Bernsteins wurde eingesetzt, um den Vorwürfen nachzugehen. Dabei wurde im wahrsten Sinne des Wortes kein Stein auf dem anderen gelassen: Schönleben und sein Sohn Michel Schönleben d. J. wurden inhaftiert und Schönlebens Haus mehrfach nach Registern, Verträgen und Rechnungen und vor allem nach Geheimverstecken durchsucht. Ein besonderes Augenmerk der Kommis­ sion lag auf Schönlebens Rechnungsführung. Dabei rückte vor allem Schön­ lebens näheres Umfeld ins Visier: Hieronymus Schönleben, ein Vetter Michel Schönlebens, der ihm fast zwanzig Jahre die Lohnregister geführt hatte, wurde ebenso befragt wie Schönlebens Schreiber Paul Emmerich und David Ehrlich.299 Seine Register und Rechnungen wurden minutiös überprüft; Gerüchten über korrupte Praktiken wurde nachgegangen. Hierfür wurden zahlreiche Bauern der Umgebung als Zeugen befragt, wobei alle mehr oder minder einheitlich angaben, dass sie seit Jahren für die Ausstellung eines Zettels über den Verkauf von Holz Dienste auf Schönlebens Vorwerken oder aber Abgaben in Form von Naturalien leisten mussten.300 Schönleben wurde im Laufe der Ermittlungen im Schloss Freudenstein inhaf­ tiert und bestritt die Vorwürfe vehement. Da er nicht gestehen wollte, sollte er peinlich verhört werden, wobei vor allem nach Missbrauch mit den Maßen und Waagen, nach falschen Abrechnungen der Kohlen und Kohlendiebstahl gefragt werden sollte. Bevor es jedoch zur peinlichen Befragung kam, starb Schön­leben in der Nacht zum 11. März 1588. Eine eilig einberufene Obduk­ tion sollte Klarheit über die Umstände bringen, und so wurde am 12. März 297 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36079, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0597, 1a–8b. 298 Vgl. ebd., 2a–8b. 299 Vgl. ebd., 331a–334b. 300 Vgl. ebd., fol. 114a ff.

174

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

der Körper des Toten im Beisein mehrerer Personen geöffnet.301 Von außen waren, abgesehen von einem braun verfärbten Rücken, keine sichtbaren Ver­ letzungen zu sehen. Im Inneren seines Magens hingegen fand man eine Mate­ rie, „wie kleine Steinlein“, die vermutlich „arsenicum album“ war. Das Arsen hatte sich in seinen Magen eingefressen, der auf Grund „quantam erosionem“ an etlichen Stellen „zerborsten“ war. Es bestand kein Zweifel: Die in Ungnade gefallene graue Eminenz des sächsischen Berg­baus hatte sich selbst das Leben genommen. Sein Selbstmord wurde als Schuldeingeständnis bewertet. Frag­ lich war nur noch, wie nun mit seinen Gütern und den ausstehenden Schulden verfahren werden sollte, die sich nach Hans von Bernstein auf beeindruckende 87.684 fl und 9 gr beliefen.302 Der Aufstieg und Fall Michel Schönlebens zeigt in pointierter Form die zen­ trale Bedeutung von Gunst und Gnade im Rahmen von Korruptionskommuni­ kation. Die Vorwürfe gegen Schönleben waren nichts Neues. Seit Jahren hatte er in der Kritik gestanden, und nie konnten ihm die Vorwürfe tatsächlich gefährlich werden. Am 13. Dezember 1565 etwa schrieben die Berg­amtleute in Freiberg,303 dass es zahlreiche Vorwürfe und Gerüchte gegen ihn gäbe. So begnüge er sich nicht mit seiner Besoldung, agiere auf den Hütten parteiisch und lasse in jenen Zechen, in denen er selbst Gewerke sei, besonders lange Schichten schmelzen. Zudem stelle er als kurfürstlicher Verleger in den vornehmsten Zechen seine Verwandten als Schichtmeister ein, ziehe auch die Hüttenschreiberämter an sich und lasse Bier auf seinen Hütten ausschenken. „Weil dann solches nicht allein alhier lautbar, sondern auch in andern landenn vnnd stedten, ruchbar sein soll, das dann E Churf Berg­werge Zw abfall vnd auflassung gros Vrsachenn geben mocht“, sahen es die Berg­amtleute als ihre Pflicht an, den Kurfürsten über die Missstände zu informieren.304 Dieser Vorwurf wurde ebenso wie andere Vor­ würfe zuvor oberflächlich untersucht und als unbegründet abgewiesen.305 So lange Schönleben in der Gunst des Kurfürsten stand, so lange war er mehr oder minder immun gegen Korruptionsvorwürfe. Dies änderte sich mit dem Tod Kurfürst Augusts. Nachdem Schönleben seinen Patron und seine damit ver­ bundene Sonderstellung verloren hatte, wurde er nicht nur aus dem Amt als 301 Ebd., fol. 390a. 302 Ebd., fol. 407a; fol. 421a. 303 Ebd., fol. 91a–95a sowie SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36142, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 2314, fol. 1a–13a. 304 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36079, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0597, fol. 93b–94a. 305 Vgl. etwa SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat/Geheimes Archiv, Loc. 04493/03, fol. 4a–5a.

Mitgliedschaft

175

Oberhüttenverwalter entfernt, sondern war vor allem nicht mehr gegen Kor­ ruptionsvorwürfe von Seiten der Berg­verwaltung gefeit. 1.4.2.2 Simon Bogners ‚Gang nach Canossa‘ Dass Erfolg oder Misserfolg von Korruptionsvorwürfen eng mit der Gunst des Kurfürsten im Zusammenhang standen, zeigt sich exemplarisch auch am Fall des Freiberger Berg­vogts Simon Bogner. Bogner stand über Jahre hinweg hoch in der Gunst Kurfürst Augusts. Wie andere Berg­beamte auch blieb aber Bog­ ner nicht völlig von dem Vorwurf verschont, eigennützig zu agieren.306 Trotz zum Teil überaus harscher Kritik an seiner Amtsführung und dem Vorwurf der Parteilichkeit und Eigennützigkeit konnte sich Bogner so lange als Berg­vogt halten, wie der Kurfürst hinter ihm stand. Problematisch wurde es erst in dem Moment, in dem Bogner sich mit Michel Schönleben überwarf. Auf Empfeh­ lung Schönlebens hatte der Kurfürst 1556 befohlen, in Freiberg das sogenannte ‚krumme Schmelzen‘ einzuführen.307 Am 20. April wurde dem Kurfürsten, der zu Besuch in Freiberg war, zugetragen, dass sich Bogner lautstark gegen das krumme Schmelzen äußere und damit die auswärtigen Gewerken abschre­ cke. Zudem hätten drei Zechen des eigentlich lukrativen Turmhof-Zuges 1555 insgesamt 14.000 fl weniger Ausbeute eingefahren, wofür Bogner die Schuld gegeben wurde. Nachdem Bogner in Freiberg nicht anzutreffen war, wurde er nach Hohnstein befohlen. Zur Schmach des Berg­vogts ließ sich kein Pferd oder Wagen auftreiben, so dass er zusammen mit seiner Frau den Gang zu Fuß antreten musste. In Hohnstein angekommen, wurde er inhaftiert. Während seiner Haft schrieb er mehrere Briefe an den Kurfürsten, in denen er seine Treue im Amt und seinen Einsatz für den sächsischen Berg­bau betonte. Nach fünf Wochen wurde er am 31. Mai 1556 aus der Haft entlassen und wieder in sein Amt ein­ gesetzt, wobei er jedoch schwören musste, Reden und Handlungen gegen den Kurfürsten, dessen Berg­- und sonstige Ordnungen zu unterlassen, in Freiberg zu bleiben und seine Dienste keinen fremden Herrschaften anzubieten.308 Die Inhaftierung Bogners zeigt wiederum deutlich, wie abhängig Berg­beamte von 306 So wurden die Berg­amtleute Freiberg 1548 mit sechzehn Artikeln konfrontiert, in denen unter anderem die Amtsführung Bogners harsch kritisiert wurde. Vgl. SächsStA-D, 10036, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 302b. 307 Es handelt sich hierbei um ein spezielles Schmelzverfahren. Vgl. Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 38. 308 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0163, fol. 1a–b.

176

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

der Gunst und Gnade des Kurfürsten waren, der seinerseits durchaus gewillt war, seine Macht entsprechend zu demonstrieren. In die gleiche Zeit wie Simon Bogners ‚Gang nach Canossa‘ fiel auch ein ver­ gleichbarer, wenngleich obskurer Zwischenfall zwischen Michel Schön­leben und Kurfürst August. So erinnerte sich ein gewisser Cunz Cranwieder im Rahmen der bereits erwähnten Untersuchung gegen Schönleben 1587 an eine Unterhal­ tung mit dem ehemaligen Kammersekretär Hans Harrer um 1556 oder 1557. Kurfürst August habe gedroht, wenn einer der drei (Harrer, Cranwieder oder Schönleben) ihm untreu sei, „so solte einer den andern hengken“.309 Daraufhin soll Harrer Cranwieder ein handschriftliches Konzept des Kurfürsten überreicht haben, „in welchem diese wort gestanden, das S churf G vrsache genugsam, Ihn Schonlebe an den hellen leichen galgen hencken zu lassen“.310 Mit dem Konzept konfrontiert habe Schönleben wie ein Kind geweint, 4000 fl Strafe gezahlt, und sei zudem gezwungen worden, das Schreiben des Kurfürsten abzuschreiben.311 Allerdings gab Cranwieder an, dass er nicht wisse, was aus diesem Schreiben geworden sei, und trotz intensiver Suche fand es die Kommission auch nicht. Was es mit diesem Schriftstück auf sich hat, lässt sich auf Basis dieser Überlie­ ferung kaum bestimmen. Es ist ebenso plausibel, darin eine Art von Erpressung und Kompromittierung Schönlebens durch Hans Harrer zu sehen wie einen Versuch Kurfürst Augusts, Angst und Misstrauen unter seinen Untergebenen zu erzeugen. Schließlich könnte es sich auch um eine gezielte Form der Dis­ kreditierung gut dreißig Jahre nach den vermeintlichen Ereignissen handeln. Beide Episoden, sowohl Simon Bogners Canossagang als auch der ominöse Zettel von Michel Schönleben verweisen jedoch deutlich darauf, dass Patro­ nagebeziehungen eng mit der Ausbildung von personalisiertem Vertrauen und asymmetrischen Machtbeziehungen zusammenhingen. Und sie zeigen plastisch, wie einerseits eine Mitgliedschaftsrolle und ein neues Amtsethos entworfen und eingefordert werden konnte, wie kontingent aber andererseits deren praktische Umsetzung blieb. 309 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36079, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0597, fol. 60a. 310 Ebd. 311 Auch ein anderer Zeuge, D. Naumann, erinnerte sich an dieses ominöse Schriftstück, in dem gestanden habe, dass Schönleben den Galgen verdiene, aber aus Gnade verschont werde und 5000 fl Strafe zu zahlen habe. Das Schreiben sei im Besitz von Hans Harrer gewesen. Er wisse jedoch nicht, ob Harrer das Schriftstück aus einem Schrank genommen habe oder sich habe bringen lassen, und auch nicht, ob es gesiegelt gewesen sei. Aber das alles sei seiner Erinnerung nach in der „Unterstuben“ geschehen. Vgl. ebd., fol. 64a–b.

Mitgliedschaft

177

1.4.2.3 Verbitterte Gemüter? Der Fall Merten Planer Auch ein anderes Schwergewicht der Berg­verwaltung, Merten Planer, hatte sich im Laufe seiner Tätigkeit im sächsischen Berg­bau nicht nur Freunde gemacht. Im Sommer 1578 wurde im Berg­amt Freiberg eine anonyme Schmähschrift ein­ gereicht, die in zahlreichen Artikeln zum Teil schwerwiegende Vorwürfe gegen die Berg­verwaltung vorbrachte. Im Zentrum der Kritik stand die Amtsführung Planers. Auf Weisung des Kurfürsten wurden Stellungnahmen von den Berg­ amtleuten in Freiberg verfasst, die in einem gut 233 Folioseiten umfassenden Bestand im Dresdner Hauptstaatsarchiv einen einzigartigen Blick in die Mik­ ropolitik der kursächsischen Berg­verwaltung und die der Berg­verwaltung zu Grunde liegenden Wertvorstellungen erlauben.312 Der Konfliktverlauf ist schnell geschildert und im Kern unspektakulär: In der anonymen Schmähschrift wurden zahlreiche Vergehen der Berg­verwaltung beschrieben, in deren Mittelpunkt Merten Planer stand. Ihm wurde unter ande­ rem Amtsmissbrauch zum eigenen finanziellen Vorteil, Nepotismus und Klien­ telpolitik und Betrug bei der Abrechnung von Gebühren und Steuern unter­ stellt. Die Ereignisse im Sommer 1578 waren nicht das erste Mal, dass Planers Amtsführung im Mittelpunkt der Kritik stand. Bereits im Dezember 1565 erhob Michel Schönleben – nachdem Planer seinerseits Schönleben des eigennützigen Verhaltens und betrügerischer Praktiken bezichtigt hatte – schwere Vorwürfe gegen Planer. In beiden Fällen konnte sich Planer (ähnlich wie auch Schönle­ ben) auf die Protektion des Kurfürsten verlassen, denn weder 1565 noch 1578 hatten die Vorwürfe ernsthafte Konsequenzen für ihn. Als Reaktion auf die Beschwerdeschrift 1578 forderte der Kurfürst eine Stellungnahme von den Freiberger Berg­amtleuten an, die er im Juni und Juli 1578 erhielt. Im September schließlich wurden den kurfürstlichen Räten die Stellungnahmen zusammen mit einem Schreiben des Kurfürsten überreicht, in welchem dieser darauf verwies, dass seiner Meinung nach nicht sonderlich viel an den Vorwürfen sei. Da aber entsprechende Gerüchte unter fremden Gewer­ ken die Runde machen könnten, die „nicht diese gedancken schöpfen möchten, Als hielten wir vf vnsern Berg­wergen keine ordnung vnd Justiren“,313 sollten die Räte die Vorwürfe prüfen und beurteilen. Leider ist deren Stellungnahme nicht überliefert, aber es scheint, dass sie der vorgegebenen Linie des Kurfürsten Folge 312 Der Fall ist hier dokumentiert: SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06. 313 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 1a.

178

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

leisteten: Außer der Verurteilung zweier kleinerer Schichtmeister, die jedoch nicht im Mittelpunkt der Vorwürfe gegen Planer standen, hatte der Fall keine personellen Folgen. Während es sich auf den ersten Blick um einen eher unbedeutenden Angriff auf die Integrität Merten Planers handelte, zeigt sich in den überlieferten Stel­ lungnahmen, dass die Schmähschriften auf einen viel tiefer liegenden Konflikt zwischen dem Oberbergmeister Merten Planer und Lorenz von Schönberg zurückzuführen sind. Diese Konfliktlinie deutet sich bereits in der Reaktion auf die geforderten Stellungnahmen an. So weigerten sich der Berg­hauptmann Wolf von Schönberg, der Berg­amtmann Lorenz von Schönberg und der Ober­ hüttenverwalter Michel Schönleben, eine gemeinsame Stellungnahme mit Pla­ ner einzureichen. Schließlich würden sich die einzelnen Artikel vor allem auf das Freiberger Berg­amt und den Oberbergmeister Planer beziehen.314 Merten Planer schrieb zusammen mit dem Freiberger Berg­meister Andres Hoffmann und den Berg­geschworenen Merten Nestler, David Greuß, Georg Eckert, Nickel Loss sowie Jacoff Meimel eine eigene Stellungnahme sowie mehrere Briefe an den Kurfürsten. Diese Stellungsnahmen geben einen interessanten Einblick in zeitgenössische Erwartungshaltungen und Normenhorizonte. Betrachten wir hierfür zunächst Planers Reaktion. Im Zentrum seiner Verteidigung stand der Verweis auf seine Treue im Amt, seine Aufrichtigkeit und Ehrbarkeit. Zudem hob er seine lang­ jährige Erfahrung innerhalb der Berg­verwaltung, seinen guten Leumund und seinen unermüdlichen Einsatz für den Freiberger Berg­bau hervor. Dreh- und Angelpunkt von Planers Verteidigung war die Abwehr des Vorwurfs der Eigen­ nützigkeit und die Betonung, dass er stets nach geltender Amtsethik und den Leitwerten des Berg­baus gemäß gehandelt habe.315 Im Kontrast dazu diffamierte Planer seine Gegner nach Kräften: Die Schmäh­ schrift sei von „misgunner[n] vnd abgunstige[n]“ aus „rachgirichen vorbitterten gemuth mit eidell vngrundt“ geschrieben.316 Lorenz von Schönberg habe ein „vor­ pittert herz vnd gemuth“317 und mache „seltzame practen“.318 Der Berg­schreiber 314 Wolf von Schönberg, Lorenz von Schönberg und Michel Schönleben an Kurfürst August, 24. Juni 1578. Ebd., fol. 89a–90a. 315 Dass Amtsträger versuchten, ihr Verhalten als normenkongruent und sachadäquat zu legi­ timieren, ist durchaus üblich in Korruptionsfällen. Vgl. Brendecke: Imperium, S. 186. 316 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 5b. 317 Ebd., fol. 6b. 318 Ebd.

Mitgliedschaft

179

Simon Richter hingegen verstehe nichts vom Berg­werk, sei „vorgellet vnd vor­ bittert“ und der „redel furer“. Er und seine Mitstreiter würden Tag und Nacht darüber nachdenken, wie sie die Berg­amtleute „vnglimpffenn vnd in vngnaden brengen mochtten“.319 Aus Sicht von Merten Planer lag die Ursache für die ano­ nyme Schmähschrift in einem an und für sich unspektakulären Konflikt zwi­ schen zwei Gewerken in Freiberg, der unteren 6. Maaß Einhorn auf der einen Seite und den Gewerken des Rautenkranz auf der anderen Seite, die sich über die Abbaurechte nach einem Durchbruch im Unklaren waren.320 Wie üblich rief man das Berg­amt Freiberg zu Hilfe, namentlich den Oberbergmeister, den Berg­meister und die fünf Geschworenen, die die betreffende Grube in Augen­ schein nahmen und daraufhin eine Weisung an die Gewerken ausgaben. In diesem Fall war die Rechtslage eindeutig. Da die Gewerken des Rautenkranz’ vor den Gewerken der unteren 6. Maaß Einhorn belehnt worden waren, stand ihnen als älterer Gewerkschaft gemäß der Berg­ordnung in diesem Falle das Vorrecht zu. So weit, so einfach und doch so unakzeptabel für die Gewerken der unteren 6. Maaß. Nach Meinung Planers versuchten sie, das Urteil durch die Aushebelung des formalen Dienstweges zu umgehen. Planer argumentierte: Hätte Lorenz von Schönberg auf „rede vnd antwort“ der Berg­amtleute gehört, dann würde es diese Schmähschrift überhaupt nicht geben. Wenn der Berg­amtmann anderer Mei­ nung sei, wie der Zehnt oder das Kammergut gefördert werden könnten, dann sei Planer als treuer Diener mehr als gewillt, dies umzusetzen, dem „Berg­wergk vnd ewer E F G Zehenten“ zum Besten.321 Sowohl er als auch die Berg­amtleute hätten immer getreu und fleißig gedient, keinem Eigennutz nachgegeben und „vnd mit Gottes hulff fordthin vns keins eigen nutzs gebrauchenn wollen“.322 Sein Agieren im Einklang mit geltenden Normen untermauerte Planer durch eine detaillierte Stellungnahme zu den einzelnen Punkten. Als Beleg für seine Behauptungen führte er zum einen Zeugen aus dem Berg­bau an, die nach ihrem „hochsten christlichen gewissen darann ihn Ihr sehlheil vnd seligkeit gelegenn ist“ die Vorwürfe entkräften könnten.323 Darüber hinaus stützte sich seine 319 Ebd., fol. 7a. 320 Im Kern ging es um Abbaurechte in einem strittigen Gang, den beide Gewerkschaften für sich beanspruchten. Es war nicht selten, dass es unter Tage zu einem Durchbruch zwischen zwei nebeneinanderliegenden Gängen kam, die von unterschiedlichen Gewerkschaften be­ trieben wurden. 321 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 7b. 322 Ebd., fol. 8b. 323 So schlug Planer vor, den Oberkunststeiger, alle Kunststeiger zu Freiberg, den Kunstschmied und den Zimmermann sowie Friedrich Löser und die Gewerken auf St. Jakob und dem Rau-

180

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Argumentation auf die Register und Geschäftsbücher. Seine Tätigkeit im Amt stehe dabei in jedem der Anklagepunkte im Einklang mit der geltenden Berg­ ordnung oder dem alten Herkommen.324 Daher könne von unlauteren Praktiken keine Rede sein. Ähnlich verhielt es sich nach Planer auch mit den Gebühren und Steuern, die die Zechen zu leisten hätten. So forderten die Berg­amtleute nur dasjenige Quatembergeld und Rezessgeld, das ihnen von alters her und gemäß der Berg­ordnung zustehe. Und im Übrigen gehöre die Einnahme zu den Aufgaben des Berg­meisters, der das Geld in jedem Quartal mit dem Zehntner abrechne, der es dann ins Zehntbuch schreibe.325 Auch in Bezug auf andere Vorwürfe verwies Planer immer wieder auf die schriftliche Dokumentation und legte zum Teil Abschriften der Register bei, etwa eine Abschrift des 1577/78 eingenommenen Fahrgelds.326 Und schließlich müssten die „hohen empter“, also der Berg­hauptmann, der Berg­amtmann, der Berg­amtsverwalter und der Berg­werksverwalter, „gut Wis­ senschaft habenn […] wie es zugehet vnd nichts darbey thun vnd es also gehenn lassen anlanget“. Wenn diese nun befänden, dass die Amptleudt nicht recht mit den sachenn vmbgingen vnd schweigen darzu still so theten sie wieder ihre gethane pflicht aber wir hoffen zu Gott dem Allmechtigenn das wir idermann recht vnd nicht vnrecht thuen vnd Jderman was er mit Gott vnd recht befuget gebenn wir Jdern billichen Amptsschutz das vns niemandt anders mit warheit kan nachsagenn vnd ohne ruhm vnsers empters dermassen mit getrewen vleiß vorsehen vnd durch vnser muhe vnnd vorsorg durch gottes gnadt vnd segen er wiedert darvor gott den allmechtigenn hochlich zu lobenn vnd zu dancken.327

tenkranz nach Dresden zu fordern und die Kunststeiger und Handwerker zu fragen, ob Pla­ ner oder andere Berg­amtleute auch nur „einen Heller“ zusätzlich genommen hätten. Neben Zeugen nannte er zudem den Stadtrat und „fromme vnd gutherzige Leut“, die für ihn ein positives Zeugnis abgeben würden. Ebd., fol. 8b. 324 Auf den Vorwurf, dass er zu viel Fahrgeld für das Einfahren in die Gruben nehme, argu­ mentierte er etwa, dass man in Freiberg im Gegensatz zu den anderen Berg­städten von al­ ters her besonders tief und schwer einfahre. Dabei nehme er nur Gebühren, wenn er von den Gewerken zum Einfahren aufgefordert werde. Hierfür müssten die Schichtmeister den Berg­amtleuten jeden Sonnabend beim Anschnitt Zettel (Fahrzettel) geben. Darüber werde auch Register geführt. Ebd., fol. 12a. 325 Ebd., fol. 12b–13a. 326 Ebd., fol. 14a. 327 Ebd., fol. 39a–40a.

Mitgliedschaft

181

Die hierarchische Struktur der Berg­verwaltung war, wenn man diesen Punkt zuspitzt, nicht nur Ursache des Konflikts (in dem die Chain of Command durch Lorenz von Schönberg ausgehebelt wurde), sondern auch Garant für die Inte­ grität der Berg­verwaltung. Die Annahme ist plausibel, dass sich Planer in seiner Verteidigung auf ver­ breitete Werte und Normvorstellungen bezog. Betrachtet man seine Argumente aus dieser Perspektive, dann wird deutlich, dass er vor allem darauf abzielte, die Konformität seines Verhaltens mit der geforderten formalen Mitgliedschafts­ rolle darzustellen. Damit verbunden war zudem der Verweis auf formale Regeln in Form von Gewohnheitsrechten und Berg­ordnungen, auf bestehende Hier­ archien, auf administrative Schriftlichkeit und nicht zuletzt auf seine christli­ che Tugend, seine Treue und seinen Fleiß im Amt zur Mehrung des Gemeinen Berg­baunutzes und des landesherrlichen Zehnten. Nicht nur Planer und die Freiberger Berg­amtleute, sondern auch die höheren Amtsträger der Freiberger Berg­verwaltung erstellten Stellungnahmen zu den Vor­ würfen. Dabei nutzte vor allem Lorenz von Schönberg die Gelegenheit, gegen Merten Planer auszuteilen. Der Schwiegersohn Planers, der Berg­geschworene David Greuß, habe etwa angegeben, nach 1577 keine Schichtmeisterposten mehr innegehabt zu haben, was Planer bestätigte. Lorenz von Schönberg glaube ihm jedoch nicht und könne seinen Verdacht auch mit Registern belegen (wobei er jedoch den konkreten Nachweis unterließ). Auch sei Planers Sohn in der Zeche tätig gewesen, in der Planer selbst Gewerke war, und das, obwohl weder Greuß noch Jacob Planer ohne Wissen Schönbergs hätten eingestellt werden dürfen. Er habe zudem Nachforschungen betrieben und herausgefunden, dass einige Zechen auf den Namen Jacob Hörnigk liefen, der der Haushälter von Planer sei. Im Zehntbuch finde sich zudem der Name Michel Fischer, der auch der „schmierer“ genannt werde.328 Beide Namen seien aber nur Tarnung für Pla­ ner selbst. Auch die Abrechnung der Kunststeiger durch Planer sei unlauter. So verzeichneten die Register wöchentlich 66 fl, wobei aber das Gerücht kursiere, dass auch 50 fl genug seien. Der Schösser zu Freiberg sei zudem vom Berg­amt angewiesen worden, einen Kunststeiger für wöchentlich 6 fl einzustellen. Als er einen anderen Kandidaten vorgeschlagen habe, der sich erboten habe, die glei­ che Arbeit für 3 fl zu erledigen, hätten der Oberbergmeister, der Berg­meister und die Geschworenen ihm dies mit Verweis auf den Schaden, der dadurch angerichtet würde, verboten. In keinem Fall, so Schönberg, hätte man mehr als 4 fl bezahlen müssen. Auch gegen gewisse Schichtmeister gebe es Gerüchte, 328 Ebd., fol. 101b.

182

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

aber niemand von den Gewerken wolle reden. Warum die Gewerken so scheu seien? Dies müsse man wohl den Oberbergmeister und den Berg­meister fragen. Lorenz von Schönberg versuchte also immer wieder, Planers Integrität durch Gerüchte und Andeutungen zu diskreditieren. Zwar verwies auch Schönberg auf Register (also darauf, dass er seine Vorwürfe belegen könne), die meisten seiner Anschuldigungen blieben allerdings Andeutungen, die durch allgemeine Referenzen auf Register vermutlich eine höhere Schlagkraft erhalten sollten. Während also Planers Argumentation vor allem darauf basierte, sein Verhalten im Einklang mit seiner formalen Rolle als Amtsträger zu repräsentieren, zielte Lorenz von Schönberg stärker auf die von ihm als informell bis illegitim dis­ kreditierten Praktiken des Oberbergmeisters ab. Planers Verhalten sei ebenso durch seine sozialen Netzwerke wie durch persönliches Gewinnstreben und nicht zuletzt unsachgemäße Entscheidungen begründet. Während Planer die Konformität mit seiner sozialen Rolle als Amtsträger herausstellte, versuchte Lorenz von Schönberg genau hier den Hebel anzusetzen und sein vermeintlich regelkonformes Verhalten als Fassade zu demaskieren. Was zeigen diese beiden Stellungnahmen von Planer und Lorenz von Schön­ berg? Zunächst einmal, dass es unmöglich ist festzustellen, ob die Vorwürfe stimmen oder nicht. Die Schmähschrift und die Reaktionen beziehen sich, mal mehr, mal weniger konkret, auf als legitim erachtete Werte. Ob Planer unter dem Namen Hörnigk Zechen führte oder in seinem Spezialgebiet (den Wasser­ künsten) unredlich agierte, lässt sich empirisch nicht entscheiden. Interessanter hingegen ist der offensichtliche Konflikt zwischen Lorenz von Schönberg und Merten Planer. Gezielt lancierte Korruptionsvorwürfe waren für Akteure in der Berg­verwaltung eine Möglichkeit, Mikropolitik zu betreiben und Stimmung gegen unbeliebte Kollegen zu machen. Ebenso wie im Fall Michel Schönleben hing der Erfolg mikropolitischer Aktionen am Ende von der Gunst des Kur­ fürsten ab. Mikropolitik konnte auf verschiedenen Ebenen betrieben werden, um miss­ liebige Kollegen in Verruf zu bringen oder von ihren Posten zu entfernen. Kor­ ruptionskommunikation, dies sollte deutlich geworden sein, ist ein komplexes Phänomen, für dessen Erklärung man die soziale Stellung der Akteure, politische Kräftefelder zwischen Verwaltung und Landesherr und nicht zuletzt verwaltungs­ interne mikropolitische Spannungen berücksichtigen muss. Ob solche Aktionen Erfolg hatten, hing eng mit der sozialen Stellung beider Parteien zusammen. Offensichtlich spielten Netzwerke, Patronage und Klientelbeziehungen, wie bereits an früherer Stelle diskutiert wurde, eine wichtige Rolle in der Ausgestal­ tung von Verwaltung. Am Beispiel von Simon Bogner, Merten Planer und vor

Mitgliedschaft

183

allem Michel Schönleben wird vor allem die zentrale Bedeutung von kurfürst­ licher Patronage deutlich. Bei allen drei Akteuren verdichteten sich Vorwürfe der Korruption mit ihrem Aufstieg in die mittlere Berg­verwaltung. Dieser sozi­ ale Aufstieg brachte auf der einen Seite zahlreiche Vorteile mit sich: die Nähe zum Kurfürsten, finanzielle Vorteile und Privilegien, aber eben auch Protektion. Diese war auch dringend notwendig, denn weit mehr als in lokalen Kontexten war die Tätigkeit in der mittleren Berg­verwaltung auch eine Konkurrenzsitu­ ation um kurfürstliche Gunst und Gnade mit anderen Mitgliedern dieser Ver­ waltungsebene. Zumindest gilt dies innerhalb der eigenen, nicht adligen peer group. Natürlich kamen Korruptionsvorwürfe nicht nur in der mittleren Berg­ verwaltung vor, aber die Intensität und Schärfe, mit der immer wieder diese drei Personen im Fokus standen, ist auffällig. Wie bereits zuvor diskutiert, zeigt sich bei näherer Betrachtung auch hier, dass verschiedene Formen sozialer Ordnung innerhalb einer Verwaltung nebenein­ ander existieren konnten, die als formale Organisation auftretende lokale Berg­ verwaltung und die geringer formalisierte mittlere Berg­verwaltung, die stärker noch durch persönliche Nahbeziehungen, Netzwerke und Patronage strukturiert war. Hier kommen genau jene Bindungen deutlicher als in der lokalen Berg­ verwaltung zum Tragen, die mit Max Weber als Dienertreue im Gegensatz zur Amtstreue definiert werden können.329 Die gelegentlichen Machtdemonstrati­ onen Kurfürst Augusts, wie etwa der Canossa-Gang Simon Bogners oder der ominöse Zettel Michel Schönlebens, unterstreichen diese Perspektive. Als Patron erwartete Kurfürst August Gehorsam und Treue und hielt es offensichtlich für vorteilhaft, von Zeit zu Zeit seinen Amtsträgern die prinzipielle Asymmetrie der Machtbeziehung vor Augen zu führen. Zugleich zeigt sich im Rahmen von Korruptionsvorwürfen, dass die in den Amtseiden formulierten Erwartungen an Amtsträger und deren Mitgliedschafts­ rolle ein hohes Maß an Legitimität besaßen. Noch einmal kann hier auf die Beschwerde gegen Merten Planer von 1578 verwiesen werden, dem zusammen mit dem Freiberger Berg­meister Andres Hoffmann und seinen Berg­geschworenen eigennütziges Verhalten im Amt vorgeworfen wurde. Sie reagierten in mehreren Stellungnahmen, in denen sie unter anderem darauf verwiesen, dass sie ihren „Pflichtenn nach ein richtige Weisung“ gemäß ihren „Eides pflichten“ getan hätten.330 Planer gab zudem an, dass er als Oberbergmeister „des Berg­kwergs 329 Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt, S. 128–130, Hesse: Amtsträger, bes. S. 17–19; Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 551–579. 330 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 2a–4a.

184

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

zum besten“ eingesetzt wurde, weswegen die Vorwürfe des Eigennutzes arglis­ tige Verleumdungen seien. Der Verweis auf den Amtseid zeigt, dass mit ihm nicht nur eine rechtliche Verpflichtung eingegangen wurde, sondern auch die Übernahme einer unparteiischen und vor allem uneigennützigen Amtstrolle verbunden war, auf die sich Merten Planer explizit bezog. Auch von Seiten der Gewerken wurden entsprechende Verhaltenserwartun­ gen an Amtsträger im Umfeld von Korruptionsvorwürfen kommuniziert. In den 1556 in Freiberg verbreiteten Schmähschriften gegen den Oberhüttenver­ walter Michel Schönleben prangerten zwei anonyme Schreiber korrupte Prak­ tiken Schönlebens an, der mit seinem eigennützigen Verhalten für den Nieder­ gang des Freiberger Berg­baus verantwortlich sei.331 Damit schade er nicht nur dem Berg­bau, sondern auch der kurfürstliche Zehnt werde dadurch gemindert („schwechen vnd entziehen“). In einer ausführlicheren Schmähschrift wurde von denselben Autoren beklagt, dass auch der Hüttenmeister, Berg­meister und der Oberhüttenverwalter entgegen ihren Eidespflichten dem Berg­bau schaden würden.332 Dies bringe vor allem die Schichtmeister in eine ungünstige Lage. Diese müssten aus Angst vor Gewalt „ire eidt vnd pflicht gegen Iren gewercken vorgessen“ und den „unvleiß“ der Amtleute ertragen. Dies alles sei zum Scha­ den der Gewerken. Auch der Kurfürst trage Schuld an der Situation, denn es ist „zu erbarmen […], das der Churf so verblendet ist vnd solche leuthe zu solchen Emptern brauchen vnd wollenn gleichwol christliche Oberkeit sein, diese arme vnterthanen mit pflicht vnd trewe meinen, Wie sie vor got schuldigk zutun“.333 Im Rahmen von Korruptionsvorwürfen wurden formale Erwartungshaltun­ gen an Amtsträger also diskursiv aufgegriffen, um das Fehlverhalten einzelner als abweichend zu markieren oder im Gegensatz dazu das eigene Verhalten in Übereinstimmung mit geltenden sozialen Normen zu legitimieren. Amtsträger, so lässt sich festhalten, übernahmen in der Berg­verwaltung eine Mitgliedschaftsrolle, an die gewisse Verhaltenserwartungen geknüpft waren. Diese Verhaltenserwartungen wurden in den Diensteiden ebenso wie in den Bestallungsbriefen schriftlich fixiert. Durch den performativen Akt des Eides oder des Gelöbnisses mit Hand und Mund verpflichtete sich der Amtsträger auf die Übernahme einer Mitgliedschaftsrolle, die sich von seiner Privatperson unterschied. Diese Verpflichtung wurde sowohl von Amtsträgern als auch von der

331 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0163, fol. 11a–b. 332 Ebd., fol. 19a–25b. 333 Ebd., fol. 20b.

Mitgliedschaft

185

sozialen Umwelt der Verwaltung rezipiert und konnte im Konfliktfall, etwa im Rahmen von Korruptionsvorwürfen, argumentativ in Stellung gebracht werden.

1.5 Die Berg­verwaltung als formale Organisation: Mitgliedschaft, Zwecke und Hierarchien Kehren wir vor diesem Hintergrund noch einmal zurück zur Kernfrage dieses Kapitels, nämlich der Ausbildung organisationsförmiger Elemente in der Berg­ verwaltung. Dabei wurde der Fokus vor allem auf die Regeln der Mitgliedschaft gelegt. Es wurde bereits angesprochen, dass in der Organisationssoziologie üblicherweise neben Mitgliedschaft Hierarchien und Zwecke als wesentliche Merkmale formaler Organisationen definiert werden. An dieser Stelle soll daher abschließend gefragt werden, welche Relevanz diese Merkmale für die Berg­ verwaltung hatten. Der Berg­bau diente vor allem einem Zweck, der Förderung des Gemeinen Berg­baunutzens. Alle Tätigkeit im Berg­bau hatte diesem Ziel zu dienen. Er stellte die zentrale Legitimationsformel politisch-administrativer Tätigkeiten im Berg­bau dar. Von der Bitte um die Errichtung neuer Hofstätten in Marienberg334 oder eines Gerichtshauses in Schneeberg335 über die Durch­ setzung der Vereidigung der Freiberger Schichtmeister336 oder der Begründung von Berg­ordnungen337 bis hin zur Unterbindung aufrührerischer Predigten der

334 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861 b, fol. 23a–26a, hier fol. 23a: Mit Gottes Willen sei in Marienberg ein stattliches Berg­werk entstanden, zur Förderung des „Berg­kwergks vnd gemeine nutzes“ wird daher um Platz für neue Hofstätten gebeten. 335 Vgl. Berg­handlung Quasimodogeniti 1526. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04490/02, fol. 15b: Die albertinischen Räte zweifeln nicht daran, dass ein Gerichtshaus „dem Berg­e zu nutz vnd furderung, auch ynen denen vom Schneperge zu be­ quemlichkeytt“ sei. 336 Simon Bogner (Berg­vogt) an Herzog Moritz (30. Januar 1542): Simon Bogner berichtet, dass die Schichtmeister in Freiberg nicht vereidigt werden. Darin liege „nicht der geringste berckwerg nutz“, stattdessen sei eine Vereidigung der Schichtmeister „dem Berkwerg gut vnnd nutzlich“. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 21a–b. 337 Reskript Herzog Moritz (4. März 1545): Moritz verwies auf die älteren Berg­ordnungen unter Herzog Georg und Herzog Heinrich „zw nutz vnd förderung“ des Berg­werks. Ebd., fol. 34a. Siehe hierzu auch Reskript Herzog Moritz (19. September 1545): „Nachdem wyr als der gnedige Landeßfurst Inn alwege vnsere landtfurstenthumb, vndersassen lanth vnnd

186

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Freiberger Prädikanten gegen den Berg­bau338 konnten sehr unterschiedliche Themen unter diesem Rubrum verhandelt werden. Die praktische Umsetzung und inhaltliche Ausfüllung des Gemeinen Nutzens der Berg­werke oblag den Amtsträgern. Diese „besetzten, interpretierten, administrierten“ den Gemeinen Nutzen und wurden dadurch, so Gerhard Fouquet, zu seinen „Agenten“.339 Wie eng das Agieren von Amtsträgern an gemeinwohlorientierte Leitwerte geknüpft war, zeigt sich bereits beim Blick in die Bestallungsbriefe. Der Hauptmann des Erzgebirges Wolf von Schönberg wurde in seiner Bestallung 1555 angewiesen, „vnser vnd vnser BerckAmpter vnd Berckwerge nutz aufnehmen, vnd wolffart nach seinem besten vorstande vnd hochsten vormogen, trewlich vnd vleißig [zu] befordern“.340 Alles Handeln im Berg­bau hatte in letzter Konsequenz der gottgewollten Förderung des Gemeinen Nutzens der Berg­werke zu dienen. Der Gemeine Nutzen der Berg­werke war, ebenso wie der Gemeine Nutzen, „die richtungsweisende und allgemeinverbindliche Maxime obrigkeitlichen Han­ delns“ und legitimierte normgebende Verfahren ebenso wie die Steuerung des wirtschaftlichen und administrativen Gefüges des Berg­baus.341 Die legitimato­ rische Bedeutung der Zwecke zeigt sich jedoch nicht nur in den idealiter an die Berg­verwaltung herangetragenen Amtsrollen, sondern auch im Konflikt, wie am Beispiel der Korruptionskommunikation verdeutlicht wurde. Zugleich wurde, vergleichbar mit dem Gemeinen Nutzen, nur selten spezifiziert, was darunter vndertanen vnndt sunderlich der Berg­kwerge auffnhemen, nutz vnd gedeyen, vnsers vormo­ gens anzwreichen, zw stiften vnd zw fordern geneiygt.“ Ebd., fol. 89a. 338 Memorandum Schichtmeister zu Freiberg (26. November 1570): Die Schichtmeister in Frei­ berg beschwerten sich darüber, dass die Prädikanten den Berg­bau schlecht reden würden. Dadurch würden Gewerken abgeschreckt, „ob nun solchs dem berckwerge nutze, Geben E E G als hochverstendigen, wir vnterthenigst zu bedencken“. Ebd., fol. 229a–235b, Zitat: fol. 233a. 339 Fouquet: Zur öffentlichen Finanzverwaltung, S. 79; Meier/Schreiner: Regimen Sa­ nitas, S. 11–34. 340 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 7a. Die gleichen Formulierungen finden sich auch in den Bestallungen Lorenz von Schönbergs zum Berg­ amtmann (1577), Christoph von Schönbergs zum Knauthayn zum Berg­hauptmann 1588 oder der Bestallung Caspar Rudolph von Schönbergs zum Kammer-, Berg­rat und Berg­ hauptmann 1609. Siehe ebd., fol. 8a–15b; fol. 30b; fol. 82b. 341 Dass der Gemeine Nutzen lokale Präzisierungen erfahren konnte, ist keineswegs unge­ wöhnlich, wie Peter Blicke am Beispiel der Schweizer Eidgenossenschaft herausgearbeitet hat. Begriffe wie „Stadtnutz“, „Talnutz“ oder „Landnutz“ waren in der politischen Sprache der Vormoderne gegen den Gemeinnutz-Begriff austauschbar. Blickle: Kommunalismus Bd. 2, S. 206, ebenso am Bsp. des Stadtnutzes ders.: Kommunalismus Bd. 1, S. 96.

Mitgliedschaft

187

eigentlich genau zu verstehen sei.342 Entsprechend konnten unter Verweis auf den Gemeinen Nutzen des Berg­baus sehr unterschiedliche Meinungen, Positionen und Bitten legitimiert werden. Wenngleich also die Berg­verwaltung einem klar definierten Zweck diente, ist die alleinige Fokussierung auf die Zwecke nicht ausreichend, um das komplexe Gefüge von Formalisierungsprozessen nachzuvoll­ ziehen, und zwar weder, wenn man als Zweck der Berg­verwaltung die Mehrung des Gemeinen Nutzes des Berg­baus ansieht (und die Verwaltung als Mittel zu diesem Zweck ansieht), noch wenn man – in anachronistischer Übertragung weberianischer Perspektiven – Effizienzsteigerung und rationale Erfüllung von Verwaltungsaufgaben partiell als Selbstzweck annähme. Und wie sieht es mit dem zweiten Merkmal formaler Organisationen aus, den Hierarchien? Es gilt als eines der herausragenden Merkmale der sächsischen Berg­verwaltung, dass sie nach dem Direktionsprinzip, also einem strikt hierar­ chischem System organisiert war.343 In der Forschung wird üblicherweise davon ausgegangen, dass es eine klare Trennung zwischen den Berg­verwandten (also jener heterogenen Gruppe von Akteuren, die mit dem Berg­bau als Arbeitskräfte, als Grundherren oder als Investoren in Bezug standen) und der dem Direkti­ onsprinzip unterworfenen Berg­verwaltung gab. Auf der Basis der bisherigen Befunde ist dieses Bild insofern zu modifizieren, als die harte Trennung zwi­ schen Berg­verwaltung und Berg­verwandten (oder auch enger zwischen Berg­ verwaltung und Gewerken) zwar normativ durchaus angelegt war, sich in der Praxis aber durch die soziale Einbindung von Akteuren, etwa in Form familiärer oder freundschaftlicher Netzwerke, durch Normenkonkurrenzen und Doppel­ rollen, eine deutlich größere Ambiguität ergab. Auch beim Blick auf Hierarchien zeigen sich in der Praxis gewisse Schattie­ rungen. Idealiter waren alle Ämter der Berg­verwaltung in ein festes System der Über- und Unterordnung eingebettet. Bereits die Annaberger Berg­ordnung 1509 definiert klare Hierarchien, wobei der Amtmann als Repräsentant des Landesherrn und unter ihm vor allem der Berg­meister als höchste lokale Pos­ ten etabliert wurden. Die Berg­ordnungen legten Wert darauf, die Weisungsbe­ fugnis und Entscheidungshoheit des Berg­meisters rechtlich zu festigen: zum 342 Die ambivalente Auslegungsmöglichkeit ist typisch für gemeinwohlorientierte Topoi. Siehe hierzu Rogge: Für den Gemeinen Nutzen, S. 178 mit Verweis auf Peter Hibst, der betont, dass der Gemeine Nutzen als „Leitmotiv politischen Handelns“ sowohl zur Herrschaftsle­ gitimation wie auch zur Herrschaftskritik verwendet werden konnte. Vgl. Hibst: Gemeiner Nutzen, S. 117–120. 343 Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 76; ders.: Berg­städte, S. 1585.

188

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

einen, indem festgelegt wurde, welche Rechte dem Berg­meister zustanden, zum anderen, indem explizit die Weisungsbefugnis des Berg­meisters hervorgehoben wurde.344 Auch die Bestallungsbriefe fixierten Weisungsbefugnisse und Entschei­ dungskompetenzen innerhalb des hierarchischen Gefüges der Berg­verwaltung.345 Um die Bedeutung hierarchischer Strukturen exemplarisch zu verdeutlichen, soll noch einmal auf den Konflikt zwischen Merten Planer, Lorenz von Schön­ berg und den Gewerken der unteren 6. Maaß Einhorn 1578 zurückgekommen werden.346 Die Gewerken hatten versucht, unter Aushebelung der üblichen hie­ rarchischen Kommunikationswege ihre Interessen durchzusetzen, indem sie unter Einbezug des Berg­amtmanns Lorenz von Schönberg direkt an den Kur­ fürsten supplizierten, statt der Weisung Merten Planers zu folgen. Dass diese Supplikation und die explizite Missachtung der erfolgten Weisung durch den Oberhauptmann und Berg­amtmann überhaupt zugelassen wurde, war nach Ansicht Merten Planers unverantwortlich: wann der Ober vnd vnter haubtmann bergampts vnd Berg­werks verwalter wosten das wir Amptleudt nicht recht mit den sachenn vmbgingen vnd schweigen darzu still so theten sie wieder ihre gethane pflicht aber wir hoffen zu Gott dem Allmechtigenn das wir idermann recht vnd nicht vnrecht thuen vnd Jderman was er mit Gott vnd recht befuget gebenn wir Jdern billichen Amptsschutz das vns niemandt anders mit warheit kan nachsagenn vnd ohne ruhm vnsers empters dermassen mit getrewen vleiß vorsheen vnd durch vnser muhe vnnd vorsorg durch gottes gnadt vnd segen er wiedert darvor gott den allmechtigenn hochlich zu lobenn vnd zu dancken.347

Nicht nur in diesem Fall, sondern auch in anderen Konflikten habe Lorenz von Schönberg der Autorität des Berg­amts geschadet, indem er Beschwerden von Gewerken über Entscheidungen der Berg­amtleute Gehör gab, ohne die Berg­amtleute hinzuzuziehen. Wenn aber „Berg­ambtleudt“ nach ihren Pflich­ ten und nach Billigkeit Weisungen gegeben hätten, dürften sie deswegen nicht 344 Gemäß der Annaberger Berg­ordnung 1509 solle der Berg­meister „macht vnd gewaltt ha­ ben uff den gebirgen, ßo in bevolhenn seinn, nach außweissung bergkleufftiger weiße unnd der bergkrecht uff alle metall bergkwergk tzu verleyhen“. Die Geschworenen sollten „dem Berg­kmaister gehorsam sein, sich zu allen Berg­ksachen williglich gebrauchen lassen, vnd sich seins Beuehls halden“, vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, § 5, § 31. 345 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173. 346 Der Konflikt ist hier dokumentiert: SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06. 347 Ebd., fol. 39b–40a.

Mitgliedschaft

189

„geschmehet“ werden. Ihre Autorität als Entscheidungsinstanz werde so in Frage gestellt, was dem Berg­werk und dem kurfürstlichen Zehnten abträglich sei.348 Um zu verstehen, warum dieser Bruch mit geltenden Hierarchien für Merten Planer so ungeheuerlich war, muss vor allem auf das zerrüttete Verhältnis zwi­ schen ihm und Lorenz von Schönberg verwiesen werden. Zugleich verdeutlicht der Fall in systematischer Perspektive die Funktion von Hierarchien in Verwal­ tungen.349 Nach Stefan Kühl bewirken Hierarchien, „dass Organisationen sich auf die spezifischen Anforderungen ihrer Umwelt einstellen können, ohne in jedem Fall Rücksicht auf die Empfindlichkeiten ihrer Mitglieder nehmen zu müssen“.350 Sie dienen also der Strukturierung des Verhältnisses von Umwelt und Verwaltung und begünstigen die Loslösung von Entscheidungen vom Wohlwol­ len des Einzelnen. Etwas komplexer argumentiert Niklas Luhmann, der Hier­ archien in formalen Organisationen als „hierarchische Ordnung von Statusbe­ ziehungen“ durch eine „Generalisierung des Status in zeitlicher, sachlicher und sozialer Hinsicht“ begreift.351 Indem Gehorsamspflicht und Anerkennung der Gesamtstruktur zur Mitgliedschaftspflicht werden, stabilisieren sie den forma­ len Entscheidungsapparat. Dafür ist jedoch eine konsistente Rangfolge ebenso notwendig wie eine soziale Generalisierung. Das heißt, dass sich die formale Statusordnung prinzipiell auf alle Mitglieder, unabhängig von ihrem sozialen Status außerhalb der Organisation, erstreckt. Mit der einfachen Differenzierung zwischen oben und unten, so Luhmann, werde eine „Fülle von sehr verschie­ denen Verhaltenserwartungen in glücklicher Weise einander zu[geordnet]“.352 Dieses einfache Modell ermögliche eine „elastische Struktur“, die Herkunft, Erfahrungen, Qualifikationen und persönliche Leistung nicht negiert, aber sie dem formalen Rang unterordnet.353 Status ist in formalen Organisationen pri­ mär an die Stelle und nicht an die Person gebunden. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Implikationen, etwa in Bezug auf poten­ zielle Statusinkongruenzen zwischen dem sozialen Status von Amtsträgern und ihrem formalen Status in der Organisation, oder aber in Bezug auf die 348 Vgl. ebd., fol. 7b–8b. 349 Zur Entwicklung des Begriffs Hierarchie, der sich zunächst in kirchlichen Kontexten eta­ blierte und erst im Laufe der Frühen Neuzeit auch auf weltliche Bereiche ausgeweitet wurde, vgl. ausführlich Rausch: Art. Hierarchien. 350 Kühl: Organisationen, S. 73. 351 Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 161. 352 Ebd., S. 162. 353 Eine Konstellation, die für den frühneuzeitlichen Hof durchaus konflikthaft werden konnte, vgl. Hengerer: Hofzeremoniell, bes. S. 344.

190

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Legitimation von Stellenbesetzungen.354 Die zentrale Bedeutung von Hierar­ chien negiert dabei nicht den Einfluss informeller Faktoren, etwa in Form von Netzwerken, der ‚Anreicherung‘ formaler Rangstufen mit Formen menschlicher oder fachlicher Achtung oder auch der internen Nuancierung formaler Rangstu­ fen.355 Zugleich sei aber die Strukturierung von Organisationen durch den an das Amt und nicht an die Person gebundenen formalen Rang schlichtweg nicht hintergehbar.356 Hierarchien sind also eines der fundamentalen Strukturprinzi­ pien formaler Organisationen. Diese Überlegungen lassen sich gut auf vormoderne Verwaltungen allge­ mein und auch auf die Berg­verwaltung übertragen. Eine der zentralen Fragen ist, wie sich angesichts der „allgegenwärtigen mikropolitischen Verflechtungen […] Institutionen herausbilden konnten, die die Position eines neutralen Drit­ ten jenseits der ständischen Reziprozitätslogik einnahmen“.357 Ein wichtiges Element hierbei ist die zunehmende Trennung zwischen Amt und Person, wie sie in Bezug auf Mitgliedschaft herausgearbeitet wurde. Die Ausbildung von Hierarchien und die Zuweisung von Statusrechten, die an das Amt und nicht an den sozialen Status des Amtsträgers gebunden sind, sind ebenfalls wichtige Bausteine.358 Dies schließt nicht aus, dass sich aus der Zuweisung von amtsbe­ zogenen Statusrechten in der Praxis zahlreiche Konflikte ergeben konnten, wie Mark Hengerer am Beispiel der Habsburger Zentralverwaltung aufzeigt. Auch dort mussten personengebundene Eigenschaften wie der Stand mit organisations­ internen Rangverhältnissen in Einklang gebracht werden, was ein ewiger Streit­ punkt war – anders als in der Berg­verwaltung. Zugleich zeigt sich hier, ebenso wie in wesentlich bescheidenerem Ausmaß in der Berg­verwaltung, dass Hier­ archien in Verwaltungen zunehmend formal geregelt wurden. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Rudolf Schlögl, demzufolge Hierarchien Ausdruck der Rahmung und Konditionierung von Kommunikation unter Anwesenden ist. Diese Rahmung und Konditionierung, etwa durch die Zuweisung von Kommu­ nikationsrechten oder die Benutzung von Symbolen, ermöglichen „dauerhaft Hierarchien, komplexere Rollensets oder interessen- und konfliktmoderierende

354 Vgl. hierzu Kap. C.1.3.3 (Mitgliedschaft und Normenkonkurrenz: Adlige Amtsträger in der Berg­verwaltung) sowie Kap. C.1.2 (Praktiken der Exspektanz, Patronage und Expertise). 355 Vgl. Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 170 f. 356 Vgl. ebd., S. 172. 357 Stollberg-Rilinger: Schlusskommentar, S. 195. 358 Vgl. Hengerer: Hofzeremoniell, bes. S. 344.

Mitgliedschaft

191

Entscheidungen“.359 Hierarchien lösen soziale Ungleichheiten nicht auf, aber sie integrieren diese in den strukturellen Rahmen, der durch formale Organisation vorgegeben wird. Betrachtet man die Bestimmungen der Berg­ordnungen und der Bestallungs­ briefe aus dieser Perspektive, so lassen sich beide als symbolische Zuweisung von Kommunikationsrechten interpretieren, die Kommunikation unter Anwesen­ den vor Ort strukturierte, ordnete und damit letztlich auch entlastete. Dass sich Berg­arbeiter und Gewerken, aber auch niedere Funktionsträger an Anweisun­ gen höher gestellter Amtsträger hielten, war jedoch voraussetzungsreich. Genau aus diesem Grund ist auch die Missachtung des ‚formalen‘ Dienstweges wie im Falle der Gewerken des Rautenkranzes und der unteren 6. Maaß so gefährlich. Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse waren lediglich ein Anspruch, der auf ein gewisses Maß an Akzeptanz sowohl innerhalb der Verwaltung als auch in der sozialen Umwelt der Verwaltung treffen musste. Wenn dieser Anspruch auf Weisungskompetenz durch das Verhalten hierarchisch höher gestellter Amtsträ­ ger vor den Augen der Gewerken in Abrede gestellt wurde, dann wurde damit zugleich vermittelt, dass Weisungen durch das Berg­amt keineswegs bindend waren, woraus ein grundsätzlicher Autoritätsverlust resultierte. Hierarchien stabilisieren also Verhaltenserwartungen, bedürfen jedoch der symbolischen Inszenierung ebenso wie der regelmäßigen Bestätigung in der Praxis. Zugleich, und dies zeigt der beschriebene Sonderstatus der Familie von Schön­ berg, ist gerade für die mittlere Berg­verwaltung das Problem der Hierarchien komplizierter. Auf Grund des geringen Formalisierungsgrades dieser Verwal­ tungsebene waren nicht nur die Mitgliedschaftsbedingungen, etwa die Kom­ petenzen und Zuständigkeiten, sondern auch die hierarchischen Bezüge unein­ deutiger als im lokalen Berg­bau. Eine gewisse Hierarchie wurde auch hier in den Bestallungsbriefen vorgegeben, zugleich aber war in der Praxis das hierarchische Verhältnis etwa zwischen Berg­amtsverweser und Oberbergmeister uneindeutig. Anders als im Fall der von Hengerer untersuchten habsburgischen Verwaltung war jedoch das Verhältnis von Hierarchie, Stand und Rang zugleich auch unkompli­ zierter als in anderen territorialen Verwaltungskontexten: Indem ausschließlich adlige Mitglieder einer Familie die höchsten Ämter der Verwaltung innehatten, gingen Stand und Rang im sächsischen Berg­bau in eins. Vor diesem Hintergrund zeigt sich in Bezug auf Hierarchien, dass diese eng an die Formalstruktur von Verwaltung gekoppelt waren und in unterschiedlichen Formalisierungsgraden 359 Schlögl: Interaktion und Herrschaftsbildung, S. 120. Siehe hierzu auch ders.: Hierarchie und Funktion.

192

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

auftraten, von der expliziten normativen Regelung des lokalen Berg­amts über die ambigen hierarchischen Bezüge der mittleren Berg­verwaltung. Mitgliedschaft, Hierarchien und Zwecke waren, dies sollte deutlich geworden sein, wesentliche Merkmale der sächsischen Berg­verwaltung. Zugleich zeigt sich, dass in einer ersten Annäherung die Untersuchung von Mitgliedschaftsbedin­ gungen ein tiefergehendes Verständnis von Formalisierungsprozessen erlaubt als die alleinige Fokussierung auf Zwecke oder eine wie auch immer geartete Zweckrationalität von Verwaltung, die auf die Umsetzung der gewünschten Zwecke, also die Förderung des Gemeinen Nutzens der Berg­werke, abzielt. Diese Befunde können als Ausgangspunkt dienen, um sich einer weiteren Schicht von Formalisierungsprozessen, den formalen Regeln, zu nähern.

2. Formale Regeln

Woher wussten Amtsträger, was ihre Aufgaben waren und wie sie sich in der Berg­­ verwaltung zu verhalten hatten? Woher wussten sie, wie sie ihre Mitgliedsrolle auszufüllen hatten? Woher wussten sie aber auch, wie die Mutung einer Zeche ablief, die Einsetzung eines neuen Amtsträgers, die Ausfertigung von Berichten oder bergrechtliche Verfahren? Die Amtsträger konnten sich in diesen Fragen an unterschiedlichen sozialen Regeln orientieren. Soziale Regeln (verstanden in einem sehr allgemeinen Sinn) gaben ihnen Verhaltenserwartungen vor. Soziale Regeln dienten als Entscheidungsprämissen, das heißt, dass sie gewisse Verhal­ tensweisen plausibler machten als andere. Einige soziale Regeln wurden expli­ zit vorgegeben, etwa in Form schriftlich fixierter Ordnungen, andere hingegen wirkten in Form von Routinen und Gewohnheiten. Soziale Regeln konnten in unterschiedlichen Formen und Formalisierungsgraden auftreten. Welches waren also die sozialen Regeln, die man als ‚formale Regeln‘ bezeichnen kann, und was heißt das?360 Von herausgehobener Bedeutung für die sächsische Berg­verwaltung waren die zahlreichen gedruckten und handschriftlichen Berg­ordnungen des späten 15. und 16. Jahrhunderts, die fast alle Aspekte des lokalen Berg­baus und seiner Verwaltung, von bergrechtlichen Verfahren über das Rechnungswesen bis hin zu den Amtseiden, reglementierten. Neben die gedruckten und ungedruckten Berg­ordnungen traten subsidiär die lokalen, mündlich tradierten Gewohnheits­ rechte. Auch sie – dies wird sich im Folgenden zeigen – müssen als formale Regeln verstanden werden, obwohl dies vielleicht erst einmal kontraintuitiv erscheint. Als formale Regeln vor allem für die mittlere Verwaltungsebene können wei­ terhin die Bestallungsbriefe gelten. Diese gaben, ebenso wie Berg­ordnungen und Gewohnheitsrechte, Verhaltenserwartungen vor und definierten, welche Bedingungen, Verpflichtungen und Erwartungen an die Mitgliedschaft in der Verwaltung geknüpft waren. Sie formulierten Vorgaben zu den administrativen Abläufen des Berg­baus und montanwirtschaftlicher Verfahren, zu Kompetenzen, Hierarchien, Zwecken und nicht zuletzt zu den möglichen Sanktionen und kön­ nen daher mit gutem Recht, wenngleich mit einem gewissen Vorbehalt, ebenfalls 360 Zu formalen Regeln vgl. Emich: Die Formalisierung des Informellen (2011), S. 81 ff.; dies.: Die Formalisierung des Informellen (2007), S. 149; Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, bes. S. 4 ff.

194

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

als formale Regeln bezeichnet werden. Zugleich ist auch hier von unterschied­ lichen Formalisierungsgraden auszugehen. Während die schriftlich fixierten und öffentlich gemachten Berg­ordnungen den Kern von Formalisierung dar­ stellen, ist für die mündlich tradierten Gewohnheitsrechte beziehungsweise für die schriftlichen, aber nicht öffentlich gemachten Bestallungsbriefe von einem geringeren Grad an Formalität auszugehen. Vor diesem Hintergrund soll in diesem Kapitel untersucht werden, welche Funktionen formalen Regeln im vormodernen Berg­bau zukamen.

2.1 Berg­ordnungen 2.1.1 Die Entwicklung des sächsischen Berg­rechts Berg­ordnungen werden in der Forschung immer wieder herangezogen, um die Geschichte der Berg­verwaltung zu rekonstruieren.361 Ihre herausgehobene Bedeutung soll an dieser Stelle gar nicht in Zweifel gezogen werden. Bei näherem Hinsehen zeigen sich jedoch gewisse Tücken in Bezug auf die Frage, in welchem Verhältnis die Berg­ordnungen zur Funktionsweise von Verwaltung standen. Ein schon angesprochenes Problem besteht darin, dass nicht alle Bereiche der Berg­ verwaltung überhaupt formal geregelt wurden. Darüber hinaus bezogen sich die Berg­ordnungen im Wesentlichen auf den lokalen Berg­bau. Über die Funk­ tionsweise der sich in den 1540er Jahren ausbildenden mittleren Berg­verwaltung oder gar das Zusammenspiel verschiedener Verwaltungsebenen sagen sie nichts aus – dies ist bereits angedeutet worden. Und wie verhält es sich mit dem Ver­ hältnis von informellen Strukturen, etwa unterschiedlichen Formen von Patron­ age und sozialen Netzwerken, zu den formalen Regeln? Gehört die informelle Seite nicht auch zu den strukturellen Merkmalen der Verwaltung? Es ist nicht zu erwarten, dass eine Berg­ordnung sie regelt – aber um einen „zuverlässigen Einblick in den Aufbau und die Funktionsweise der Berg­verwaltung“ (Uwe Schirmer) zu bekommen, müssten ja vermutlich auch diese Faktoren einbezogen werden. Reicht es also tatsächlich aus, im Einzelfall die Abweichung zwischen in der Berg­ordnung vorgeschriebenen Normen und der ‚historischen Realität‘ zu vermessen, um damit die Funktionsweise der Berg­verwaltung zu erklären?

361 Dieses Problem wurde bereits in Kap. B.2 (Behördengeschichte der sächsischen Berg­ verwaltung) andiskutiert.

Formale Regeln

195

Eine gewisse Skepsis ist angebracht. Diese Skepsis bestätigt sich, wenn man die Arbeiten der jüngeren Policeyforschung berücksichtigt. Ein wichtiges Thema der Policeyforschung ist die Frage nach dem Verhält­ nis von Norm und Praxis. Es ist bekannt, dass Städte und Territorialherren am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert in zunehmendem Maße ordnend in das Leben der Untertanen eingriffen. Dabei hat sich die Maxime durchgesetzt, dass man vorsichtig sein sollte, von Normen ungefiltert auf die Praxis zu schließen. Es ist davon auszugehen, dass das Insistieren auf der universellen Geltung der Norm von Seiten der Normsetzenden einerseits und die flexible Umsetzung und Implementierung in der Praxis andererseits nicht zwingend ein Widerspruch ist. Vielmehr hat man es mit zwei Seiten derselben Medaille, mit zwei unterschied­ lichen Aspekten vormoderner Herrschaft zu tun.362 Statt von einem Scheitern der Norm oder einem Durchsetzungsdefizit auszugehen, plädiert etwa André Holenstein dafür, stärker die „Umstände“ der Normen zu berücksichtigen, also ihre Entstehung und ihre Durchsetzung stärker zu kontextualisieren.363 Dafür reiche es nicht aus, sich ausschließlich auf die Ordnungen selbst zu beziehen. Vielmehr müsse das Quellenkorpus erweitert werden und nicht nur die großen Landes- und Policeyordnungen untersucht, sondern auch das einzelne Dekret und Reskript und die administrative und gerichtliche Handhabung der Normen analysiert werden. Nur so könne man den Prozess der Normsetzung, die Dis­ tribution der Normen und schließlich die Reaktionen auf die Ordnungstätig­ keit genauer in den Blick bekommen. Erst durch ein dichteres Quellenmaterial erschlössen sich die Voraussetzungen und sozialen Figurationen, unter denen Ordnungsbestimmungen von unterschiedlichen Akteuren mit verschiedenen Interessen und unterschiedlichem Erfolg zur Geltung gebracht wurden. Dabei seien sowohl die Situationsbezogenheit als auch die rasche Reaktion auf prak­ tische Bedürfnisse als typische Merkmale der Policeygesetzgebung zu verstehen. Vormoderne Policey sei entsprechend durch eine „Flexibilität“ gekennzeichnet, die sich nicht nur auf den dynamischen Prozess der Gesetzgebung und Norm­ produktion beziehe, sondern eben auch die Anwendung der Normen betreffe. Auch Achim Landwehr plädiert für eine Perspektivveränderung in Bezug auf das Verhältnis von Normen und ihrer Durchsetzung. Nach Landwehr schufen Normen zunächst einmal gewisse „Korridore“ für Verhalten: Sie gaben Verhal­ tenserwartungen vor, wie sich Untertanen zu verhalten hatten. Dies heißt jedoch 362 Vgl. Landwehr: Die Rhetorik der „Guten Policey“, bes. S. 252 ff.; Zitat S. 254; Holenstein: Die Umstände der Normen, bes. S. 40 ff.; Schilling: Gesetzgebung und Erfahrung, S. 410 f. 363 Vgl. Holenstein: Die Umstände der Normen, S. 1–46.

196

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

nicht, dass auch zwangsläufig die einzelnen Bestimmungen der Ordnungen ein­ gehalten wurden oder aber, dass die Geltung der Norm bei Nichtbefolgung in Abrede gestellt wurde. Die konkrete Ausgestaltung dieser „Korridore“ gestaltete sich als flexibler Implementations- und Interaktionsprozess zwischen Obrigkei­ ten und Untertanen. Diese Flexibilität ist weniger Ausdruck einer mangelnden Durchsetzungsfähigkeit, sondern vielmehr integraler Bestandteil vormoderner Rechtsvorstellungen und -praxis.364 Nun liegt der Fokus der Policeyforschung in aller Regel auf der Frage nach dem Verhältnis von Obrigkeiten und Untertanen. Im Falle der Berg­ordnungen kommt eine weitere Facette hinzu, nämlich die Frage nach der Funktion von Normen für Verwaltungen und Amtsträger selbst. Nach Karl Härter und Michael Stolleis kam der vormodernen Policeygesetzgebung – zu der auch die Berg­ordnungen zu rechnen sind – eine zentrale Funktion im Prozess der administra­tiven Pro­ fessionalisierung zu.365 In der Entwicklung der Policeygesetzgebung spiegele sich die Ausdifferenzierung der Verwaltungstätigkeit und die Disziplinierung der ‚staatlichen‘ Amtsträger, die durch Policeyordnungen konkrete Handlungsanlei­ tungen für die Praxis und einen rechtlich festgeschriebenen Rahmen erhielten. Berg­ordnungen waren, ebenso wie Apothekenordnungen oder Forstordnun­ gen, Spezialformen der Policeyordnung und dienten vor allem als „Richtlinie für die ausführende Verwaltung“.366 Betrachtet man Berg­ordnungen aus dieser Perspektive, dann geben sie also in erster Linie einen Rahmen vor, an dem sich Amtsträger ebenso wie die soziale Umwelt orientieren konnten und sollten. Die entscheidende Frage ist dabei weniger, ob einzelne Bestimmungen in der Praxis auch umgesetzt wurden, sondern die Implementierung bergrechtlicher Bestimmungen als komplexes Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure und Umstände. Fragt man nach der Entstehung und den Produktionsbedingungen des vor­ modernen Berg­rechts, dann zeigt die Forschung eine gewisse Schieflage: Wäh­ rend für das Spätmittelalter auf eine gute Literatur- und Editionsgrundlage zurückgegriffen werden kann, ist die Situation für das 16. Jahrhundert wesentlich ungünstiger. Im Vergleich mit den habsburgischen Territorien fehlt es für das sächsische Berg­recht der Frühen Neuzeit an Grundlagenforschung. Selbst eine 364 Vgl. Landwehr: Absolutismus oder ‚gute Policey‘, bes. S. 216. 365 Vgl. Härter/Stolleis: Einleitung, S. 4. 366 Härter: Policey und Strafjustiz in Kurmainz, S. 121–122. Zum Genre der ‚Sonderordnungen‘ siehe auch ders./Stolleis: Einleitung, S. 12; zu Berg­ordnungen vgl. zudem Schennach: Aushandeln von Gesetzen, S. 201–211.

Formale Regeln

197

Übersicht aller gedruckten und handschriftlichen Ordnungen im sächsischen Berg­bau nach 1509 liegt nicht vor.367 Zwar wurden zahlreiche Berg­ordnungen und Mandate des 16. Jahrhunderts bereits im Codex Augusteus, einer sächsi­ schen Gesetzessammlung aus dem 18. Jahrhundert, ediert.368 Doch bilden die abgedruckten Mandate und Ordnungen nur einen Ausschnitt der Gesetzeslage ab. Zudem fehlt es an einer intensiven Auswertung archivalischer Materialien, die über die gedruckten großen Berg­ordnungen hinaus Einblicke in Normset­ zungsprozesse im Berg­bau ermöglichen würde.369 Im Mittelpunkt des folgenden Kapitels steht daher keine histoire totale des sächsischen Berg­rechts, sondern vielmehr die Untersuchung gewisser struktureller Merkmale, die das Verhältnis von Verwaltung und Berg­ordnungen als formale Regel kennzeichnen. Die Geschichte des sächsischen Berg­rechts reicht weit über das zweite Berg­ geschrey zurück. Bereits der (spät-)mittelalterliche Berg­bau kannte einen ein­ fachen Verwaltungsapparat und verbindliche Regeln zur Verteilung von Amts­ kompetenzen und -hierarchien. Spezifische Verfahren zur Entscheidungsfin­ dung im Berg­bau wurden zunächst mündlich, ab dem 14. Jahrhundert auch schriftlich fixiert.370 Von erheblicher Bedeutung für den spätmittelalterlichen Berg­bau war das Freiberger Berg­recht A und vor allem das zwischen 1346 und 1375 entstandene Freiberger Berg­recht B. Das Freiberger Berg­recht B blieb bis um 1500 die zentrale Rechtsgrundlage für das gesamte Erzgebirge.371 Obwohl 367 Neben den Editionen zum bayerischen Berg­recht (1764), dem österreichischen und böhmi­ schen Berg­recht (1832 ff.) und dem frühen sächsischen Berg­recht (1887) fehlt es jedoch nach wie vor an neueren und vor allem systematischen Editionsprojekten. Für den Tiroler Raum vgl. Hofmann/Tschan: „Berg­ordnungen“, S. 257–267. Bereits Karl-Heinz Ludwig hat die stiefmütterliche Behandlung der Berg­ordnungen und das Fehlen übergreifender Editi­ onsprojekte zum Berg­recht beklagt, vgl. Ludwig: Berg­ordnungen, technischer und sozi­ aler Wandel, bes. S. 180, Anm. 3. Vor allem im sächsischen Raum sind die umfangreichen Überlieferungen zum lokalen Berg­recht des 16. Jahrhunderts kaum ausgewertet. 368 Vgl. CA II, Sp. 75–224. 369 Eine Ausnahme stellt die Arbeit von Herbert Kaden dar, der am Beispiel der Freiberger Berg­ordnung von 1529 die dominante Stellung der Annaberger Berg­ordnung von 1509 zu­ mindest zum Teil in Frage stellt. Vgl. Kaden: Leipziger Teilung, S. 161 ff. 370 Hierzu immer noch einschlägig Ermisch: Das sächsische Berg­recht; ders.: Vorbericht, in: CDS II, 13/2, S. I–LXVII. 371 Das ältere Freiberger Berg­recht A (1307–1328) hatte zunächst Entwurfscharakter und bil­ dete den Vorläufer des jüngeren Freiberger Berg­recht B (1346–1375). Neben der Übernahme von Regelungen des Berg­rechts A orientierte sich das Freiberger Berg­recht B zudem stark an dem kurzzeitig auch in Freiberg verwendeten Iglauer Berg­recht. Vgl. Keil: Art. Freiberger Berg­recht, Sp. 1718–1719. Vgl. hierzu auch Lorenz: Die Berg­verwaltung Kursachsens, S. 19;

198

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

einzelne Bestimmungen des Berg­rechts B im Laufe des 15. Jahrhunderts veral­ teten, wurden innerhalb dieses Zeitraums keine Erweiterungen oder Verände­ rungen vorgenommen.372 Stattdessen wurden die auftretenden Leerstellen des geltenden Berg­rechts durch die Hinzuziehung von Gewohnheitsrechten und Einzelentscheidungen kompensiert. Dies zeigt sich etwa an der Spruchtätigkeit des Freiberger Rats als Berg­gericht, das sich in seiner Urteilsfindung sowohl auf das Freiberger Berg­recht B als auch auf lokale Berg­g ebräuche bezog.373 Durch Gewohnheitsrechte konnte das tradierte Berg­recht flexibel den jeweiligen Bedin­ gungen angepasst und in der Praxis aktualisiert werden. Dass über diesen langen Zeitraum von gut 150 Jahren keine grundlegenden Änderungen am bestehen­ den Berg­recht vorgenommen wurden, lag mutmaßlich an der geringen Kom­ plexität des spätmittelalterlichen Berg­baus. Der oberflächennahe Berg­bau seit dem 12. Jahrhundert erforderte schlicht viel weniger an Regulierung und damit auch an Verwaltung. Dies änderte sich im Rahmen des zweiten Berg­geschreys grundlegend. Mit der Gründung von Berg­städten setzte zugleich eine umfangreiche und neuartige Ordnungstätigkeit der Wettiner ein. Den Auftakt machte die Berg­ ordnung vom 14. April 1466.374 Erstmalig seit dem Freiberger Berg­recht B wurde mit dieser Ordnung eine eigene Berg­ordnung für die Gebiete außerhalb der Pflege Freiberg erlassen.375 In der Folgezeit wurden in immer kürzeren Abstän­ den umfangreiche Berg­ordnungen, Mandate und Reskripte für die neu entstan­ denen Siedlungen und Städte erlassen,376 so etwa für Schneeberg 1477, 1479, 1486, 1487, 1490, 1491, 1492, 1496, 1497, 1500 und 1521377 oder für die neue Stadt am Schreckensberg, das spätere St. Annaberg, 1493, 1499/1500, 1503,

Blaschke: Die Arbeitsverfassung im Freiberger Berg­bau, S. 85; Buchhester/Müller: Art. Freiberger Berg­recht, bes. Sp. 600; Schirmer: Annaberger Berg­ordnung; ders.: Di­ rektionsprinzip. 372 Vgl. Ermisch: Vorbericht, in: CDS II, 13/2, S. LXI. 373 Vgl. ebd., S. XL; S. LXI. 374 Vgl. Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für die Berg­werke außerhalb der Pflege Freiberg, Meißen, 14. April 1466, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 73–77. Nach Adolf Laube war diese Berg­ordnung der Beginn des neuzeitlichen sächsischen Berg­ rechts, vgl. Laube: Silberbergbau, S. 51. 375 Die Pflege Freiberg umfasste die Gebiete um Freiberg, Zwickau, Geyer und Ehrenfrieders­ dorf, vgl. Hoppe: Silberbergbau, S. 34. 376 Zu den begrifflichen Unterscheidungen vgl. Härter/Stolleis: Einleitung, S. 12 ff. 377 Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 28 und Hoppe: Silberbergbau, S. 18 ff.

Formale Regeln

199

1509, 1510, 1512, 1515, 1516, 1518, 1519, 1520, 1523, 1533 und 1536.378 Die bisherige Trias aus Einzelfallentscheidung, Freiberger Berg­recht B und Gewohn­ heitsrechten wurde zunehmend von den handschriftlich oder in gedruckter Form publizierten Berg­ordnungen abgelöst. Nach Uwe Schirmer lässt sich diese Entwicklung durch eine seit dem spä­ ten 15. Jahrhundert entstandene Konfliktlinie zwischen dem partikularen Gewinnstreben der Gewerken und den Gewinninteressen des Landesherrn erklären.379 Aus diesen gegensätzlichen Interessen entspann sich ein Konflikt, der, so Schirmer „mit dazu beitrug, die alten Berg­rechte weiter zu spezifizieren“. Durch den Ausbau des Direktionsprinzips und die wirtschaftliche und techni­ sche Leitung aller Reviere und Gruben durch die Berg­beamtenschaft drängte der Landesherr die Gewerken als private Berg­bauunternehmer aus Entschei­ dungsprozessen im Berg­bau heraus.380 „Die komplexe Gemengelage führte zu ständigem Widerstreit, der nicht kurz- und mittelfristig gelöst wurde, sondern der oft in der Fixierung neuer Berg­ordnungen gipfelte. In diesen Zusammenhang sind die erzgebirgischen Berg­ordnungen des späten 15. und frühen 16. Jahr­ hunderts zu stellen […].“381 Nun ist der Anstieg gesetzgeberischer Aktivitäten am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert kein Phänomen, das sich nur im sächsischen Silberberg­ bau auffinden ließe. Ganz im Gegenteil sind ähnliche Tendenzen überall im Reich nachzuweisen. Allein aus dem (postulierten) Gegensatz zwischen den landesherrlichen Interessen einerseits und dem Gewinnstreben der Gewerken andererseits lässt sich das Phänomen nicht plausibel erklären. Eine etwas andere Perspektive ergibt sich, wenn man die von Thomas Simon entwickelte ‚Verdich­ tungsthese‘ heranzieht. Nach Simon ist der Anstieg von Normsetzungstätigkeit im 15. Jahrhundert eine Reaktion auf die zunehmend komplexeren sozialen und wirtschaftlichen Verflechtungen am Übergang zur Frühen Neuzeit.382 Durch den rasanten Anstieg der Geldwirtschaft, Prozesse der Urbanisierung und eine durch den Ausbau von Verkehrswegen anwachsende überlokale Vernetzung kam es zu immer größer werdenden Interdependenzen zwischen verschiedenen Akteuren 378 Vgl. Schirmer: Annaberger Berg­ordnung; Laube: Silberbergbau, S. 35 f. 379 Schirmer: Annaberger Berg­ordnung, S. 216 ff. 380 Ebd., S. 216. 381 Ebd., S. 218. 382 Vgl. Simon: Krise oder Wachstum?, S. 1209; Schennach: Gesetz und Herrschaft, S. 231 f.; in eine ähnliche Richtung argumentiert bereits Moraw: Von offener Verfassung zu gestal­ tender Verdichtung, S. 196.

200

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

und Akteursgruppen. Die sich verdichtende und wirtschaftlich, technisch, poli­ tisch und sozial komplexer werdende Gesellschaft war nach Simon tendenziell störanfälliger, woraus erhöhter Regulierungsbedarf entstand. Diese Komple­ xitätssteigerung konnte nicht mehr kommunal abgefedert werden. Vielmehr rückten großräumig organisierte politische Einheiten als Ordnungsinstanzen in den Vordergrund. Die zunehmende Zentralisierung und die Ausbildung von Organisationen dienten somit der Komplexitätsreduktion.383 Im Unterschied zu den von Simon untersuchten Städten handelt es sich bei Berg­städten um sehr junge Phänomene, die bis auf wenige Ausnahmen im Rahmen des zweiten Berg­geschreys neu gegründet und ein rasantes Wachstum innerhalb einer sehr kurzen Zeit erlebten. Dennoch lässt sich Simons These mit einer gewissen Perspektivverschiebung auch auf die Situation des Berg­baus nach dem zweiten Berg­geschrey übertragen. Wenngleich die meisten Berg­städte junge Neugründungen waren, konnte der Berg­bau in der Region auf eine lange Tra­ dition zurückblicken, die bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Das Erzgebirge als Montanregion befand sich seit den 1470er Jahren in einem fundamentalen Umbruch: Neben der sozialen Umschichtung der Region durch die Gründung zahlreicher neuer Städte veränderten sich auch die wirtschaftlichen und tech­ nischen Aspekte des Berg­baus, etwa durch die Einführung des Kuxsystems zur Finanzierung des Grubenbetriebes, durch Neuerungen im Bereich der Wasser­ hebung und verbesserte chemische Verfahren im Bereich des Hüttenwesens.384 Zugleich kam es im Bereich der Berg­baukunde, der Probierkunde und des Hüttenwesens zu einer wachsenden Wissensproduktion über die geologischen, technologischen und physikalisch-chemischen Aspekte des Berg­baus und des Hüttenwesens. Anders als im Fall von Simon kann hier also von einem Zusam­ menwirken von Berg­bau, Region und Stadt als Katalysator für eine intensi­ vierte Normproduktion ausgegangen werden: Die Transformation der Region im Zuge des zweiten Berg­geschreys, die rasche Ausbildung (proto-)städtischer Gemeinden und die schnelle technische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Berg­baus führten in der Praxis zu immer neuem Regelungsbe­ darf. Die Intensität der Publikation von Berg­ordnungen lässt sich als Versuch verstehen, diese Komplexität durch die Etablierung formaler Regeln einzuhegen 383 Simon: Krise oder Wachstum?, S. 1209; Schennach: Gesetz und Herrschaft, S. 232. 384 Nach Michael Hecht ist die hohe Dichte an normativen Texten auch im Salzbergbau auf die Komplexität der Beteiligungsformen ebenso zurückzuführen wie auf die differenzierten ökonomisch-technischen Verfahren der Salzherstellung, die einen hohen Regelungsbedarf schufen, vgl. Hecht: Patriziatsbildung als kommunikativer Prozess, S. 51.

Formale Regeln

201

und einen neuen strukturellen Rahmen zu schaffen. Allerdings, dies wird im Folgenden deutlich werden, führte die Verdichtung formaler Regeln nicht (nur) zu einer effektiveren Steuerung des Berg­baus. Doch bevor die Funktion von Berg­ordnungen untersucht wird, soll zunächst ein Blick auf ihre Entstehungs­ bedingungen geworfen werden. 2.1.2 Die Entstehung der Ordnungen Berg­ordnungen entstanden in der Regel nicht als obrigkeitliche Satzung, son­ dern ‚konsensual‘, als Ergebnis eines vielschichtigen Kommunikationsprozesses zwischen den Landesherren, den Zentralbehörden, der lokalen Berg­verwaltung und einzelnen Akteuren oder Akteursgruppen außerhalb der Verwaltung.385 Die Erstellung oder Überarbeitung bergbaulicher Normen wurde häufig durch konkreten Regelungsbedarf aus der lokalen Praxis angestoßen, wodurch der Berg­bau relativ flexibel den jeweiligen lokalen Umständen angepasst werden konnte. Vor allem den spätmittelalterlichen Berg­ordnungen gingen häufig kon­ krete Beschwerden von Berg­unternehmern oder auch Berg­arbeitern voraus, auf deren Grundlage bestehende rechtliche Normen überarbeitet wurden. Diese konnten durch Eingaben, Beschwerden oder Supplikationen aktiv Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse nehmen. Dies zeigt sich zum Beispiel an der Schneeberger Berg­ordnung von 1479. Verschiedene Artikel dieser Ordnung sind auf eine Eingabe von Schneeberger Gewerken zurückzuführen. Die Eingabe wurde durch landesherrliche Hofräte geprüft, was zur Ausarbeitung einer Denkschrift führte. Diese wurde ihrerseits zur Grundlage für die am 17. November 1479 erlassene Berg­ordnung.386 Auch die Schneeberger Berg­ordnung von 1500 und die kleine Annaberger Berg­ ordnung von 1503 nahmen vorhergehende Eingaben der Gewerken auf.387 In abgeschwächter Intensität lieferten Gewerken und die Knappschaften auch in 385 Dies trifft allgemein auf Policeyordnungen zu. Vgl. hierzu Härter: Gesetzgebungsprozess und Gute Policey, S. 1; Bulst: Normative Texte, bes. S. 129 ff. 386 Für diese Denkschrift wurden zum Teil die Eingaben der Gewerken als Konzept genutzt und mit den Anmerkungen placet oder non placet markiert, ob deren Eingaben Eingang in die neue Ordnung finden sollten oder nicht. Schließlich wurde am 17. November 1479 die Berg­ordnung erlassen. Vgl. Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für den Schneeberg, Dresden, 17. November 1479, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 89–97. Siehe hierzu auch Laube: Der Weg der Annaberger Berg­ordnung, S. 168 f.; S. 175 f. 387 Ermisch: Vorbericht, in: CDS II, 13/2, S. LXIII.

202

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

der Mitte des 16. Jahrhunderts noch wichtige Impulse bei der Ausgestaltung von Normen. So war an der Entwicklung der Altenberger Berg­ordnung von 1545 neben den Gewerkschaften auch die Knappschaft beteiligt.388 Dass Berg­ordnungen konsensual unter Mitwirkung von Gewerken entstan­ den, ist kein genuin sächsisches Phänomen.389 So arbeitet Martin Schennach für Tirol ganz ähnliche Mechanismen heraus: Auch hier wurden Normen auf Grundlage von Beschwerden von Berg­unternehmern, Amtsträgern oder Berg­ verwandten evaluiert und überarbeitet. Unter Maximilian I. etablierte sich mit den sogenannten Berg­synoden sogar zeitweilig ein Beratungsforum, das unter Teilnahme von landesherrlichen Räten und Amtsträgern, Berg­bauunternehmern und Vertretern der Berg­verwandten über die von den Beteiligten vorgebrachten Beschwerden beriet und bergrechtliche Normen entsprechend anpasste.390 Wenn­ gleich sich in Sachsen keine vergleichbaren formalen Verfahren zur Evaluation bergbaulicher Normen etablierten, zeigt sich auch hier das Bestreben, unter­ schiedliche Akteure des Berg­baus in den Normgebungsprozess zu integrieren. Zugleich zeichnet sich aber eine gewisse Verschiebung ab: Während vor allem von den 1470er Jahren bis um 1500 Gewerken häufiger in Gesetzgebungsverfah­ ren involviert waren, trat deren Bedeutung im Laufe des 16. Jahrhunderts zuneh­ mend in den Hintergrund. In stärkerem Maße als zuvor gaben nun Berg­beamte den Anstoß für die Überarbeitung der Normen. Die Berg­beamten berichteten über Probleme aus der Berg­baupraxis, schrieben Vorlagen als ‚Gesetzesentwürfe‘ und initiierten damit nicht selten den Erlass eines Mandats oder die Überar­ beitung bestehender Normen. Dies lässt sich gut am Beispiel des Annaberger Amtsverwesers Hans von Elterlein illustrieren. Dieser berichtete am 18. Februar 1542 an Herzog Moritz über das Problem der sogenannten Raubstollen in Annaberg und Umgebung. Raubstollen waren Stollen, die nicht der Entwässerung umliegender Gruben 388 Nachdem die Gewerken im Laufe des Entstehungsprozesses der Ordnung versucht hatten, Artikel in die neue Berg­ordnung einzufügen, die nach Meinung der Knappschaft dem Alten Herkommen widersprachen, reichten diese ihrerseits in acht Artikeln ihr „Altherkommen, Übung und Gewohnheit“ ein. Am Ende übernahm die am 2. März 1545 erlassene „Ordnung aufn Geisingberg“ zum Teil deren Forderungen. Auch hier zeigt sich erneut, dass die Entste­ hung einer neuen Berg­ordnung häufig in engem Austausch mit lokalen Berg­beamten, Ge­ werken und Knappschaften entstanden. Zudem zeigt sich, dass geltende Gewohnheitsrechte (Berg­g ebräuche) durch die Integration in die Berg­ordnung formalisiert werden konnten. Vgl. hierzu Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 20 ff. 389 Vgl. Simon: Krise oder Wachstum?, S. 1205. 390 Vgl. Schennach: Aushandeln von Gesetzen, S. 203.

Formale Regeln

203

dienten, sondern durch die ‚Raubbau‘ betrieben wurde, um den Gruben die Erze wegzunehmen.391 In seinem Bericht forderte Elterlein, den Raubstollen „durch ein offentlich anschlagen vnd ausschreiben“ entgegenzutreten, schließ­ lich sei das Problem „doch nicht hier vffm Annaberg allein, sondern ann allen orten demselben Ambt zugehorigk“ überaus virulent.392 Daher schlug Elterlein vor, eine alte und zwischenzeitlich außer Kraft gesetzte Marienberger Ordnung von Herzog Georg aus dem Jahr 1539 nun für Annaberg und Marienberg erneut zu bestätigen und öffentlich anzuschlagen.393 Da die Ordnung nur dann, wenn sie auch „recht angesehen wirdt“, die Errichtung von Raubstollen unterbinde, sollten zudem die einzelnen Artikel erklärt werden. Die Erläuterung der einzel­ nen Artikel fügte von Elterlein seinem Bericht hinzu. Zur Unterstützung sei­ nes Anliegens legte er seinem Schreiben zudem verschiedene Abschriften von Dokumenten bei, die sich mit der Einsetzung und Außerkraftsetzung der alten Ordnung von Herzog Georg beschäftigten. Neben der Berg­ordnung Herzog Georgs von 1539 verschickte er einen Befehl von Herzog Georg an den Ann­ aberger Amtmann, der den Sankt-Michel-Raubstollen in Marienberg betraf, die Bitte der Berg­meister vom 26. Juni 1539, die Ordnung abzuändern, sowie den Befehl zur Aufhebung der Ordnung von Herzog Heinrich vom August 1539.394 Elterleins Vorschlag fiel auf fruchtbaren Boden: Bereits am 4. März 1542 ver­ fasste Herzog Moritz ein entsprechendes Reskript an „alle vnd yede, so sich auff vnsern Berg­kwerken Sant Annen und Marienberg enthalten“, das die alte Ordnung bestätigte und die einzelnen Artikel erklärte.395 Ähnlich gelagert war auch die Reaktion auf einen Vorstoß des Freiberger Berg­meisters Simon Bogner. Dieser klagte in einem Schreiben vom 30. Januar 1542, dass sich die Freiberger Schichtmeister entgegen der Bestimmung der Freiberger Berg­ordnung vom 6. Dezember 1541 weigerten, sich vereidigen zu lassen.396 Zur Untermauerung seiner Beschwerde verschickte er eine Abschrift 391 Siehe SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 38a–45a. Zu Hans von Elterlein siehe auch Laube, Silberbergbau, S. 63. Zum Raubstollen vgl. Art. Rauben, in: Veith: Berg­wörterbuch, S. 374. 392 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 38b. 393 Die Ordnung war durch Herzog Heinrich am 11. August 1539 auf Grundlage einer ent­ sprechenden Bitte der Berg­meister von Schneeberg, Marienberg, Annaberg, Freiberg und Buchholz kassiert und für ungültig erklärt worden. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 42a–43a. 394 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 39a–43a. 395 Ebd., fol. 34a–36a. 396 Ebd., fol. 21a–b.

204

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

der Berg­ordnung von Dezember 1541, nach der alle Schichtmeister, Steiger, Hüttenmeister, Hüttenreuter, Abtreiber, Hutleute, Steiger und Drittelsteiger vereidigt werden sollten.397 Auch hier reagierte Herzog Moritz am 7. Juli 1542 mit einem entsprechenden Reskript und der erneuten Einschärfung der Berg­ ordnung von 1541.398 Die Initiative für die Überarbeitung bestehender Normen konnte auch vom Landesherrn selbst ausgehen, etwa indem er gezielt Berichte über einzelne Miss­ stände in Auftrag gab. Daraufhin wurden Informationen durch lokale Funkti­ onsträger eingeholt, bestehende Normen geprüft und gegebenenfalls durch die Berg­verwaltung Vorschläge für Mandate oder Veränderungen gegenwärtiger ber­ grechtlicher Bestimmungen ausgearbeitet. Je nach Problemlage konnten neben lokalen Funktionsträgern wie Berg­meistern, Münzmeistern oder Zehntnern auch die mittleren Verwaltungsinstanzen (etwa der Oberhauptmann des erz­ gebirgischen Kreises oder Amtmänner und Räte aus Dresden) um Rat gebeten werden.399 So berichteten am 5. Mai 1573 der Oberbergmeister Markus Röhling und der Berg­werksverwalter Merten Planer an die Kammer-, Hof- und Berg­ räte sowie den Hauptmann des Erzgebirges, dass sie auf entsprechenden Befehl zusammen mit den Annaberger und Marienberger Berg­meistern die kurfürstli­ che Berg­ordnung durchgesehen hätten, die „wiederumb vfs neu […] inn druck ausgehen“ solle. Sie beschrieben auch die Praxis dieser Durchsicht: Sie hätten die kurfürstliche Berg­ordnung und die zusätzlich erlassenen Artikel nebenein­ andergelegt und durchgelesen und dann über den richtigen Ort für die jewei­ ligen Zusatzverordnungen diskutiert. Zudem hätten sie auch etliche Artikel verbessert und umgeschrieben. Ihr Konzept sandten sie dem Kurfürsten, damit dieser es seinerseits verbessern könne.400 Die am 4. November 1573 publizierte 397 Die Berg­ordnung gilt nach Herbert Kaden als verschollen, Kaden: Brüderlicher Vertrag, S. 175. Dass sie existierte, entnimmt Kaden Beyer: Otia metallica oder bergmännische Nebenstunden [I. Theil] 1748, S. 33 f. Wenngleich die Ordnung selbst nicht überliefert ist, findet sich jedoch eine annotierte Abschrift der Ordnung. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 22a–27b. 398 Vgl. ebd., fol. 28a. 399 1548 wurde zu diesem Zweck eine Kommission bestehend aus Heinrich von Gersdorff, dem Oberhauptmann des Gebirgischen Kreises, Michel von Schleinitz, dem Amtmann zu Freiberg, Dr. Georg von Kommerstadt, Thomas Rudolf, Paul Schmidt, Amtsverweser in Schneeberg, Matthes Rat, Münzmeister in Annaberg, Hans Unwirth, Zehntner in Annaberg und Franz Schumann, dem Berg­meister in Marienberg, gebildet, die auf Befehl Herzog Moritz’ in die Berg­städte gereist war und unter anderem einen Entwurf für einen öffentlichen Anschlag für die Berg­städte formulierte, vgl. ebd., fol. 173a; der Bericht findet sich fol. 171a–172a. 400 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36070, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 422, fol. 1a–b.

Formale Regeln

205

Berg­ordnung verwies auf die bestehenden Berg­ordnungen von 1554 und 1571 und erklärte, dass diese umfänglich verändert und vermehrt worden seien. Denn zur Förderung des Berg­werks und den „ein vnd auslendischen Gewercken zu nutz vnd frommen“ sei es notwendig gewesen, die Berg­ordnung unter Einbe­ zug von Räten und Berg­leuten zu diskutieren und neu zu veröffentlichen. Diese erneuerte Ordnung gelte unter Vorbehalt, bis weitere Veränderungen notwendig seien. Niemand solle sich mit Unwissenheit entschuldigen können.401 Berg­ordnungen wurden dabei selten völlig neu konzipiert, sondern bezogen sich üblicherweise auf bereits bestehende Normen, die in modifizierter und überarbeiteter Fassung erneut erlassen wurden.402 Gedruckte Berg­ordnungen wie die Annaberger Berg­ordnung von 1509, die Landesbergordnung von 1554 und die Landesbergordnung von 1589 waren zudem nur ein Baustein innerhalb des Korpus vormoderner bergrechtlicher Texte. Neben die gedruckten traten handschriftliche Berg­ordnungen und zudem zahlreiche Einzelverordnungen und Mandate sowie Reskripte, also schriftliche Befehle des Landesherrn an Funkti­ onsträger. Auch diese nahmen häufig die Qualität von Policeynormen an. Nach Karl Härter zeichnet sich die vormoderne Policeygesetzgebung gerade durch das Nebeneinander von Ordnungen, Mandaten und Reskripten aus, wobei die Grenzen fließend sein konnten.403 Diese Art der „additiven“ Gesetzgebung war bis ins 18. Jahrhundert hinein auch in anderen Bereichen der Policeygesetzgebung 401 Vgl. Berg­ordnung 1573, in: Lünig: Codex Augusteus, Sp. 175–176. Das Wissen um die Norm war insofern relevant, als nach römischem Recht Gesetze bekannt sein mussten, um auch rechtlich bindend zu sein. Daher war die Formel der Vermeidung von Unwissenheit, die in zahlreichen Policeyordnungen auftaucht, ein wichtiger Bestandteil der Rhetorik von Policeyordnungen. Vgl. Landwehr: Die Rhetorik der „Guten Policey“, S. 262. 402 So war die Schneeberger Berg­ordnung von 1479 zusammen mit der Schneeberger Berg­ ordnung von 1487 die Vorlage für die Berg­ordnungen von 1492. Die Schneeberger Berg­ ordnung von 1492 war ihrerseits die Vorlage für die Schneeberger Berg­ordnungen von 1497 und 1500. Die am 11. Februar 1493 als „Reformacio der berckwergk ufm Geyer und Schre­ ckenberge“ erlassene Berg­ordnung basierte maßgeblich auf den Artikeln eins bis dreizehn der Glashütter Berg­ordnung vom 22. Dezember 1490. Neben der Übernahme von Artikeln aus dieser Ordnung wurde darüber hinaus aber auch in den Artikeln 14 bis 24 geltendes Gewohnheitsrecht durch die Richter und Schöppen von Geyer, die bei der Entstehung der Ordnung mitgewirkt hatten, hinzugefügt und schriftlich fixiert. Ähnlich verhält es sich mit der Annaberger Berg­ordnung von 1509. Diese basierte auf den Berg­ordnungen in Schnee­ berg und Annaberg vom 19. April 1507, der Schreckensberger Ordnung von 1499/1500, der Schneeberger Ordnung von 1500 und der kleinen Annaberger Berg­ordnung von 1503. Vgl. Ermisch: Vorbericht, in: CDS II, 13/2, S. LXIV; Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 14–15. 403 Vgl. Härter/Stolleis: Einleitung, S. 12.

206

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

üblich.404 Während Mandate und Reskripte sich häufig auf einzelne Themen und Themenfelder konzentrierten, zeichneten sich die Berg­ordnungen, vor allem die großen gedruckten Berg­ordnungen, durch ihren übergreifenden Regelungs­ anspruch aus. Dieser Regelungsanspruch wird deutlich, wenn man Form und Aufbau der Berg­ordnungen genauer betrachtet. 2.1.3 Aufbau von Berg­ordnungen Die zunehmende Standardisierung bergrechtlicher Bestimmungen ist am for­ malen Aufbau von Berg­ordnungen ablesbar. Von herausragender Bedeutung war hierbei die berühmte Annaberger Berg­ordnung von 1509, weshalb im Fol­ genden der Fokus auf diese Ordnung gelegt werden soll. Sie war nach Hubert Ermisch die „Mutter fast aller neueren Landesbergordnungen in Nord- und Mitteldeutschland“405 und gilt gemeinhin als markante Zäsur in der Entwicklung des sächsischen Berg­rechts.406 Inhaltlich basiert sie in Teilen auf der Schreckens­ berger (das heißt Annaberger) Berg­ordnung von 1499/1500, der neuen Berg­ ordnung für St. Annaberg von 1503 und, wenngleich in wesentlich geringerem Umfang, der Schneeberger Berg­ordnung von 1500. Dass Berg­ordnungen einzelne Artikel oder ganze Passagen früherer Ordnungen übernahmen, ist keineswegs ungewöhnlich. Eine Besonderheit der Annaberger Berg­ordnung ist jedoch die deutliche redaktionelle Umarbeitung der Vorlagen, die nur selten im Wortlaut übernommen wurden. Zusammen mit der Schreckensberger Berg­ordnung von 1499/1500 gehört sie zu den ersten gedruckten Berg­ordnungen.407 Der in Meißner Kanzleispra­ che verfasste, bei dem Leipziger Drucker Melchior Lotter d. Ä. gedruckte Erst­ druck umfasste 23 Blätter.408 Auch in ihrem Umfang setzte sie neue Maßstäbe: Sie umfasst insgesamt 103 Artikel, die Formeln für die einzelnen Amtsträger im Berg­bau und Hüttenwesen und ein Register, was den schnellen Zugriff auf 404 Vgl. Härter: Gesetzgebungsprozess und Gute Policey, S. 2. 405 Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. CLXIV. Das Zitat stammt ursprünglich aus Brassert: Berg­ordnungen der Preußischen Lande, S. 340 ff. 406 Zur Genese der Berg­ordnungen vgl. Laube: Silberbergbau, S. 51–75. Die Berg­ordnungen von Schneeberg und Annaberg bis 1509 sind ediert in: CDS  II, 13/2, S. 456–529 sowie in Ermisch: Das sächsische Berg­recht. Vgl. hierzu auch Schirmer: Annaberger Berg­ordnung sowie Laube: Der Weg der Annaberger Berg­ordnung. 407 Vgl. ebd., S. 180. 408 Vgl. WJr Georg von gots gnadẽ Hertzog tzu Sachs||sen.

Formale Regeln

207

einzelne Paragraphen erleichtert.409 Die Annaberger Berg­ordnung wurde nach 1509 mehrfach überarbeitet und als Handschrift in aktualisierter Form in Umlauf gebracht.410 1520 und 1536 wurde sie zudem zusammen mit den vorherigen Revisionen erneut gedruckt.411 Inhaltlich regelte die Berg­ordnung ein breites Spektrum von Phänomenen: die Tätigkeitsfelder, Kompetenzen und Hierar­ chien der einzelnen Amtsträger der lokalen Berg­- und Hüttenverwaltung, den Ablauf montanwirtschaftlicher Verfahren wie etwa der Rechnungslegung der Zechen oder der Mutung neuer Gruben, schließlich den Ablauf bergrechtli­ cher Verfahren. Die Annaberger Berg­ordnung wurde im Laufe der ersten Hälfte des 16. Jahr­ hunderts zur richtungsweisenden Berg­ordnung innerhalb der sächsischen Reviere und auch über Sachsen hinaus.412 Vergleichbar mit anderen Policeyordnungen zirkulierten Berg­ordnungen im Reich und wurden gezielt in andere Städte ver­ schickt und dort ausgehangen413 oder dienten als Vorlage für die Ausarbeitung neuer Berg­ordnungen.414 So basierten etwa die Joachimsthaler Berg­ordnungen von 1518 und 1548, die Lutterbacher Berg­ordnung der Grafen von Hohnstein 409 Vgl. Schirmer: Annaberger Berg­ordnung, S. 213. 410 Nämlich 1510, 1512, 1515, 1516, 1518, 1519, 1523 und 1533. Vgl. Schirmer: Direktionsprin­ zip, S. 148. 411 Die Annaberger Berg­ordnung mit ihren Erweiterungen findet sich hier: Lünig: Codex Augusteus, Sp. 75–112. Nicht aufgenommen im Codex Augusteus ist der Druck der Anna­ berger Berg­ordnung von 1520. Vgl. Berg­kordenung || mit etzlichen vil newen artic=||keln. 412 Ihre Rezeption wurde gezielt durch Herzog Georg gefördert, etwa indem er das Freiberger Berg­gericht 1511 anwies, sich in seiner Spruchtätigkeit künftig an die Annaberger Berg­ordnung zu halten. Vgl. Kaden: Der Altbestand „Berg­ordnungen und Berg­rechtsschriften“, S. 198. 413 So wurden Schneeberger Berg­ordnungen nach Schrießheim in der Nähe von Heidelberg oder nach Frankfurt verschickt, um dort öffentlich ausgehangen zu werden. Vgl. Werner: Das fremde Kapital, S. 45 f. Zugleich finden sich immer wieder Übernahmen von einzel­ nen Artikeln oder ganzen Absätzen von bereits bestehenden Berg­ordnungen aus anderen Territorien. Der Waldecker Berg­meister Christoph Stier übernahm für sein Konzept einer neuen Waldecker Berg­ordnung von 1580 Artikel aus der Böhmischen Berg­ordnung (1536), der Joachimsthaler Berg­ordnung (1548), der Kurkölnischen Berg­ordnung (1559), der Kur­ sächsischen Berg­ordnung (1574), der Nassau-Catzenelnbogenschen Berg­ordnung (1559), der Berg­ordnung von Phillip Graf zu Nassau, Saarbrücken und Weilburg (1537), der Berg­ ordnung von Heinrich d. Ä. Graf zu Schwarzburg, Herr zu Arnstadt und Sunder (1533), der Joachimsthaler Berg­ordnung (1519), der Berg­ordnung von Volkmar Wolf, Graf von Hoen­ stein, Herr zu Lora und Klettenberg (1578) sowie der Waldecker Berg­ordnungen von 1561 und 1524. Vgl. Brassert: Über die Abfassung alter Berg­ordnungen, S. 91–92. 414 Vgl. Brassert: Berg­-Ordnungen der preussischen Lande, S. 221 ff., S. 229, S. 299 ff. sowie ders.: Über die Abfassung alter Berg­ordnungen.

208

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

von 1528 sowie die erste norwegische Berg­ordnung von 1540 in wesentlichen Teilen auf der Annaberger Ordnung.415 Zudem wurde sie in der ersten Kompilation bergrechtlicher Texte von Johann Haselberg abgedruckt, was ebenfalls zu ihrer Bekanntheit beigetragen haben dürfte.416 Der „Ursprung gemeynner Berckrecht“ beinhaltet verschiedene ber­ gbaukundliche und bergrechtliche Texte vom 13. bis zum 16. Jahrhundert und umfasst neben dem Berg­büchlein von Ulrich Rülein von Calw auch das Freiberger Berg­recht B, ein Glossar bergbaulicher Begriffe und eben die Annaber­ ger Berg­ordnung von 1509 mit ihren Erweiterungen bis 1536. Haselberg selbst war ein umtriebiger Autor und Kompilator, der passgenaue Werke für einen breiteren Markt publizierte. Neben einem Ritterroman finden sich Bücher mit historischen, literarischen und religiösen Themen. Eine besondere Bindung zum Berg­bau bestand jedoch nicht. Haselberg publizierte das, was gefragt war. Kleine Bücher wie das 44 Blätter umfassende, im handlichen Quartformat ver­ öffentlichte „Der Ursprung gemeynner Berckrecht“ waren günstig zu haben und richteten sich an ein breites Publikum.417 Sie dienten vermutlich weniger der linearen Lektüre als vielmehr dem punktuellen Zugriff auf einzelne Materien. Dies lässt sich gut illustrieren an einem überlieferten Exemplars des „Ursprungs“, das sich heute in der Eisenbibliothek in Schlatt in der Schweiz befindet und zahlreiche handschriftliche Querverweise, Anmerkungen und Erweiterungen aufweist:418 Der vermutlich aus dem 16. Jahrhundert stammende Leser zog Querverweise zwischen verschiedenen rechtlichen Bestimmungen in den Berg­ordnungen, er erweiterte das Register bergbaulicher Begriffe um eigene Einträge und notierte zusätzliche rechtliche Bestimmungen für gewisse Bereiche des Berg­baus. Dank des Exemplars in der Eisenbibliothek können wir einen kleinen, wenngleich nur schemenhaften Eindruck gewinnen, wie solche Bücher zeitgenössisch rezipiert und genutzt wurden. Natürlich lässt sich auf die­ ser Grundlage nicht auf die allgemeine Lektürepraxis solcher Bücher schließen, aber dieses kleine Werk mit seinen Annotationen macht deutlich, wie wichtig Wissen in der Welt des frühneuzeitlichen Berg­baus war. Populäre Traktate wie 415 Vgl. Kaden: Der Altbestand „Berg­ordnungen und Berg­rechtsschriften“, S. 198 ff.; Schirmer: Annaberger Berg­ordnung, S. 213; Connolly: Problems of Textual Transmission, S. 93 ff. 416 Vgl. Haselberg: Der Vrsprung gemeynner Berckrecht, [S. l.], [1535]. 417 David Connolly, der wohl beste Kenner von Haselbergs Text, vermutet bei einer allgemeinen Auflagenhöhe zwischen 1000 und 1500 Exemplaren gut verkaufter Werke im 16. Jahrhun­ dert, dass die Auflagenhöhe von Haselberg vermutlich eher am oberen Rand anzusiedeln sei, vgl. Connolly: Problems of Textual Transmission, S. 84. 418 Haselberg: Der Vrsprung gemeynner Berckrecht, [S. l.], [1535].

Formale Regeln

209

„Der Ursprung gemeynner Berckrecht“ oder das „Berg­büchlein“ zielten auf ein breiteres und im Berg­bau engagiertes Publikum und eine eher praxisnahe Nut­ zung: eine Nutzung und vor allem ein Publikum, das leider in aller Regel im Verborgenen bleibt.419 Nach Uwe Schirmer lässt sich die breite Rezeption der Annaberger Berg­ ordnung auf ihre sprachliche Verständlichkeit, den Inhalt und Umfang der Ord­ nung und schließlich auf die „ausgezeichnete Rezeptionsmöglichkeit aufgrund der Druckvorlage“420 zurückführen. Es ist allerdings schwierig herauszuarbeiten, welche Bedeutung zeitgenössisch der Form, Struktur und dem Layout von Berg­ ordnungen zugeschrieben wurde. Ein Beispiel aus dem Harz verdeutlicht jedoch, dass es zeitgenössisch durchaus eine Vorstellung von der Bedeutung des Layouts für die Rezipierbarkeit von Ordnungen gab. Es handelt sich um ein Konzept für eine neue Berg­ordnung des Waldeckischen Berg­meisters Christoph Stier aus dem Jahr 1580. Sein Konzept beschäftigte sich weniger mit bergrechtlichen Fra­ gen, vielmehr legte Stier viel Wert auf die Optimierung der Form und Struktur, etwa indem er stringentere Gliederungen, Überschriften und Inhaltsangaben ­forderte.421 Dies sei wichtig, da „die Einfältigen vnd männiglich im Nachsu­ chen dieser oder jener Artikel vnd Materien nicht mehr Vortheil haben […], als wann sie die ganze Ordnung durchblaten vnd durchsuchen“. Daher sei es besser, wenn die Leser „leichtere Nachrichtung vnd Nachweisung aller Artikel vnd Materien aus einem Register, welches nach Ordnung des Alphabets gesetzt ist (wie es etlichen Berg­ordnungen leichtlich anzumerken) […]“ schöpfen könn­ ten.422 Betrachtet man die gedruckten sächsischen Berg­ordnungen (1509, 1554, 1589) aus dieser Perspektive, dann spricht viel dafür, dass den Landesherrn daran gelegen war, die Verständlichkeit bergrechtlicher Texte durch eine stringente Binnengliederung, eine klare Struktur der Artikel und die Verwendung von Registern zu erhöhen. Dagegen argumentiert Achim Landwehr, dass Policeynormen zwar einerseits mit dem Anspruch der Verständlichkeit auftraten, andererseits aber zum Teil so umständlich formuliert waren, dass fraglich ist, ob die Rhetorik der Policeyord­ nungen Unverständnis mit einkalkulierte, um die Distanz zwischen dem gemei­ nen Mann und der Obrigkeit durch eine verklausulierte Rhetorik symbolisch

419 Zur Leserschaft von Berg­bautraktaten vgl. Long: Openness of Knowledge, S. 325. 420 Schirmer: Annaberger Berg­ordnung, S. 213. 421 Vgl. Brassert: Über die Abfassung alter Berg­ordnungen, S. 90 ff. 422 Vgl. ebd., S. 94.

210

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

abzubilden.423 Für die Berg­ordnungen kann nicht von einer gezielten Verklau­ sulierung ausgegangen werden. Im Gegenteil scheint das Ziel die Erhöhung von Verständlichkeit gewesen zu sein, die unter anderem durch ein übersichtliches Layout und die Strukturierung der Ordnung durch Artikel, Überschriften und Register erreicht werden sollte. Zudem wurden einzelne Bestimmungen in Ein­ zelmandaten neu veröffentlicht und durch Erklärungen uneindeutiger Artikel begleitet.424 Berg­ordnungen zielten also auf ein hohes Maß an Verständlichkeit und bis zu einem gewissen Maße auch an Transparenz in Bezug auf die Orga­ nisationsstruktur der Berg­verwaltung ab. 2.1.4 Rezeption der Berg­ordnungen Berg­ordnungen waren von zentraler Bedeutung sowohl für die Ausgestaltung der Berg­verwaltung als auch für den Ablauf des montanwirtschaftlichen Gewer­ bes. Aus den überlieferten Missiven an Amtsträgern wird deutlich, dass alle bergrechtlichen Bestimmungen, die sich nicht ausschließlich an die Verwal­ tung richteten, öffentlich angeschlagen und zudem durch den Berg­meister und/ oder Zehntner verlesen wurden.425 Dies entsprach, ebenso wie die in den Berg­ ordnungen verwendete Formel – „auff das jderman, dem es not, oder nutz wer­ den mag, solcher vnser Ordnung Vnterricht bekommen, vnd sich allenthalben dornach richten möge. Auch sich niemant in Vnwissenheit zu entschuldigen habe“ – dem Rechtsgrundsatz, dass Gesetze nur bindend waren, wenn zuvor ihr Inhalt bekannt gewesen war.426 423 Vgl. Landwehr: Die Rhetorik der „Guten Policey“, S. 285. 424 So verwies Hans von Elterlein 1542 explizit darauf, dass nicht nur die alte Berg­ordnung von Herzog Georg bezüglich der Raubstollen erneut veröffentlicht, sondern vor allem die einzelnen Artikel erklärt werden sollten, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 44a. 425 Exemplarisch kann auf die Anordnung Herzog Moritz’ verwiesen werden, derzufolge die Berg­ordnung vom 6. Dezember 1541 öffentlich angeschlagen und durch den Berg­meister und Zehntner verlesen werden sollte, vgl. ebd., fol. 27b. Ähnliche Anmerkungen zu einem öffentlichen Anschlag finden sich auch hier: ebd., fol. 53a–b; SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Loc. 36069, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0376, fol. 2a. 426 Vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, § 1: „Dorum Wir mit guther Betrachtung vnd zeit­ tigem Rath, vorige vnser Ordnung, mit zimlicher vnd nutzlicher Vorbesserung, in andern Form haben stellen, die inn Druck bringen lassen, auff das jdermann, dem es not, oder nutz werden mag, solcher vnser Ordnung Vnterricht bekommen, vnd sich allenthalben dornach

Formale Regeln

211

Wenngleich schwierig nachzuweisen ist, welche Kenntnisse über bergrechtli­ che Bestimmungen vor Ort genau vorlagen, war den Landesherren doch generell in hohem Maße daran gelegen, die Kenntnis der Normen sicherzustellen. Dazu nutzten sie zum Beispiel die Publikation und Veröffentlichung bergrechtlicher Bestimmungen im städtischen Raum, das Verlesen von Ordnungen durch lokale Funktionsträger und nicht zuletzt den Erlass von erläuternden Einzelmanda­ ten und Reskripten. Dies war typisch für die frühneuzeitliche Gesetzgebung: Nicht mehr „die bloße Promulgation, sondern eine tatsächliche Mitteilung und Rechtsbelehrung der Normadressaten durch verschiedene Formen der öffent­ lichen Publikation, vor allem dem Verlesen und Anschlagen eines gedruckten Textes wurden bestimmend“.427 Dabei richteten sich die Normen an alle im Berg­bau Tätigen.428 Die Berg­ verwaltung war somit ebenso Adressat wie auch Garant der Umsetzung ber­ grechtlicher Bestimmungen. Diese zweifache Bindung zwischen Amtsträgern und Berg­ordnungen wird in den Ordnungen ebenso wie in den Bestallungs­ briefen explizit thematisiert: Amtsträger hatten sich an die Bestimmungen der Berg­ordnungen zu halten und zugleich über die Einhaltung der Berg­ordnung sowohl innerhalb der Verwaltung als auch außerhalb (nämlich in Bezug auf die Rechte und Pflichten der Gewerken) zu wachen.429 Wenngleich keine Bestallung vergaß, auf die Kenntnis der Berg­ordnung zu pochen, ist es im Detail schwierig herauszuarbeiten, welche Bedeutung den Berg­ ordnungen in der Praxis zukam. Selten wird explizit auf einzelne Bestimmungen richten möge. Auch sich niemants in Missbrauch derselben, der Vnwissenheit zu entschul­ digen habe.“ Siehe hierzu auch Härter: Gesetzgebungsprozess und gute Policey, S. 6 f. 427 Vgl. ebd., S. 6. Siehe hierzu auch Schwerhoff: Stadt und Öffentlichkeit, S. 20 f. 428 Berg­ordnung 1554, § 1: „Damit ein jeder Berckman vnd Gewerck, sich dornach allenthal­ ben zu richten, vnd sein bestes zusuchen, wissen haben möge.“ Auch die am 4. März 1542 erlassene Berg­ordnung für Annaberg und Marienberg richtet sich an alle, die sich auf den Berg­werken in Annaberg und Marienberg aufhalten. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 34a–36a. 429 Vgl. etwa den Bestallungsbrief des Sangerhausener Berg­meisters Antonius Sack d. J. vom 1. Juli 1563, der die Berg­ordnung „treulich halten“ solle, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861b, Buch  II, fol. 63a–64a. Auch in der Bestallung von Christoph Werner zum Oberbergmeister am 7. März 1582 oder in der Bestallung von Chris­ toph Wolf Petzold vom 4. Dezember 1590 wurde die Einhaltung der Berg­ordnung explizit thematisiert, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 1a, fol. 10b. Ebenso verhält es sich mit den Bestallungen von Heinrich von Gersdorff 1555, Wolf von Schönberg 1558, Lorenz von Schönberg 1577. Die Bestallungsbriefe finden sich hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173.

212

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Bezug genommen. Wenn sich direkte Referenzen auf die Berg­ordnungen finden, dann häufig nur in sehr allgemeiner Form: etwa indem auf die Existenz einer Berg­ordnung hingewiesen oder darauf verwiesen wurde, dass man sich an die Bestimmungen der Berg­ordnungen zu halten habe.430 Zum Teil finden sich jedoch auch konkretere Verweise. 1545 etwa beklagte sich der Grubenherr Christoph Schüchen aus Geyer, der einen Berg­arbeiter auf seiner Zeche mit einer „Wehr“ geschlagen hatte, dass dies nicht gegen das Berg­recht verstoße. „[W]eyl dhan in der furstlichen Pergordnung (welches wir Pergleuthe vor vnser Recht halten) eynger artickell (dohin ich mich zehe) dodurch man die bruch der freyheit ange­ ben mochte nit zubefinden, so vorhoff ich m g h alle vnvordechtige pergleuthe auch das perggericht selber, werden mich diese vhals halben das ich domit die furstliche pergfreiheit nit vorstrehet, gnedig vnd gonstig entschuldiget wissen.“431 Greifbarer wird der Bezug auf einzelne Bestimmungen der Berg­ordnung vor allem im Kontext der erneuten Einschärfung einzelner Artikel. So erließ Her­ zog Moritz 1542 ein Reskript wegen der säumigen Bezahlung von Zubußen. Darin gab er an, dass es nicht akzeptabel sei, wenn Gewerken über die in der Berg­ordnung festgelegte Frist von vier Wochen hinausgehend ihre Zubußen entrichten dürften. Damit werden die „zu rechter zeit zubussender gewercken geferlicher weise benachteilt vnnd Do yhnen Das gluck yhres bawes ablagt, vmb das yhre bracht“. Daher müsse Artikel 58 der Berg­ordnung eingehalten wer­ den.432 Moritz bezieht sich hier also explizit auf die Annaberger Berg­ordnung, die eine vierwöchige Frist für die Entrichtung der Zubußen festlegt.433 Dieses Reskript ist in mehrfacher Hinsicht typisch: Es wird die Nichteinhaltung der Norm konstatiert, was dem Berg­werk schädlich sei, weshalb eine erneute 430 Exemplarisch kann auf Befehle von Hans von Bernstein verwiesen werden, in denen er all­ gemein auf die Einhaltung der Berg­ordnung verweist. Etwa Hans von Bernstein an Hans von Hartitzsch, 26. Juni 1565: Hartitzsch solle sich an die Berg­ordnung halten und die Berg­leute auf seinen Gütern bauen lassen. Ähnlich auch Hans von Bernstein an die Brüder Strauben, 20. Januar 1565: Es sei unnötig, über das Schieferbergwerk zu diskutieren, da die Berg­ordnung diesbezüglich eindeutig sei. Siehe auch Hans von Bernstein an den Berg­meister von Gießhübel, 25. Februar 1565: Hans von Kospoth solle der Berg­bau auf seinen Gütern erlaubt werden, solange er sich an die Berg­ordnung halte. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1565–1566, fol. 9a–b, fol. 54b, fol. 59a. 431 Schriftlicher Bericht Christoph Schüchen, Mittwoch nach Quasimodogeniti 1545, in: Sächs­ StA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 156a–164a. 432 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 17a–18a. 433 Vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, § 58.

Formale Regeln

213

Publikation der Norm notwendig sei.434 Diese Argumentation findet sich nicht nur im sächsischen Berg­bau, sondern gehört zu den üblichen rhetorischen For­ meln beim Erlass einer neuen Ordnung.435 Damit ist eine wichtige Debatte innerhalb der Policeyforschung angesprochen, nämlich die Frage danach, warum Normen immer wieder wiederholt wurden. Dies wird kontrovers diskutiert: Während die permanente Wiederholung von Normen und der Verweis auf die Nichteinhaltung nach Martin Dinges Ausdruck eines generellen Durchsetzungsdefizits vormoderner Gesetzgebung ist,436 wird dies in der jüngeren Forschung hinterfragt.437 Martin Schennach verweist darauf, dass Gesetzgebung als autoritative Setzung nicht nur die Setzung neuen Rechts, sondern auch die „Darstellung und Fixierung des geltenden Rechts ­beinhaltete“.438 Die Verweise auf ältere Ordnungen und die Erläuterung einzelner Artikel in Reskripten lassen sich nach Schennach als vertrauensbildende Maßnahmen interpretieren.439 Dass Änderungen an Berg­ordnungen explizit den Verweis auf alte Ordnungen und auch deren Erläuterung umfassten, bezieht er auf das Interesse der Gewerken, dass sich die Rechtslage im Berg­bau nicht unverhofft verändere. Der Verweis auf bestehende Ordnungen diene somit nicht zuletzt der Ausbildung von Vertrauen auf die Stabilität der bestehenden rechtlichen Verhältnisse. Auch für Achim Landwehr verweist die permanente Wiederho­ lung von Normen nicht auf ein Durchsetzungsdefizit, sondern ist als integra­ ler Bestandteil der Normimplementierung zu verstehen: Da Normen (auch)

434 Vgl. etwa das Reskript Herzog Moritz, 4. März 1542. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 30a ff. 435 Landwehr: Rhetorik, S. 251. 436 Nach Dinges enthalte bereits „der obrigkeitliche Diskurs in den Verordnungstexten selbst deutliche Hinweise auf das Scheitern des eigenen Normierungs- oder ‚Sozialdisziplinie­ rungsprojektes‘, wenn denn je ein solch umfassendes Projekt existiert haben soll“. Gründe für dieses Scheitern sieht Dinges in der unzureichenden Wahrnehmung der sozialen und ökonomischen Wirklichkeit: „Da die gesetzten Normen oft wesentliche Aspekte der Pra­ xis mißachten, werden sie selbst in der Praxis mißachtet.“ Vgl. Dinges: Normsetzung als Praxis?, bes. S. 48; S. 53. Kritisch in Bezug auf Dinges ist Holenstein: Die Umstände der Normen, bes. Anm. 18. 437 Vgl. ebd., Anm. 18. 438 Vgl. Schennach: Gesetz und Herrschaft, S. 156 ff.; Zitat S. 157. 439 Schennach argumentiert, dass die Häufigkeit der für den habsburgischen Berg­bau so zen­ tralen Berg­synoden unter Kaiser Maximilian I. im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Dynamik des Berg­baus und einem daraus resultierenden Normierungsbedarf stand. Vgl. ebd., S. 201–211.

214

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

vorgelesen wurden, beförderte ihre Wiederholung die Einübung der normativen Inhalte und verhalf ihnen damit auf lange Sicht zu mehr Akzeptanz.440 Auf das Problem der Akzeptanz soll an späterer Stelle noch einmal zurückge­ kommen werden. Zunächst können an dieser Stelle erste Befunde festgehalten werden. Der wohl wichtigste Befund ist, dass Berg­ordnungen in vielerlei Hin­ sicht nichts Besonderes waren. Vielmehr lassen sich zahlreiche Parallelen zur vormodernen Policeygesetzgebung finden. Von der Entstehung der Ordnung über ihr Layout und ihre Rhetorik bis hin zur Rezeption zeigen sich zahlrei­ che allgemeine Mechanismen vormoderner Gesetzgebung, die kein Alleinstel­ lungsmerkmal der Berg­gesetzgebung sind. Berg­ordnungen standen dabei an der Schnittstelle zwischen der Verwaltung und ihrer sozialen Umwelt. Sie nahmen häufig Impulse aus der Umwelt auf: direkt in Form von Eingaben von Gewer­ ken oder Knappschaften, indirekt, indem Amtsträger aus ihrer Praxiserfahrung die Überarbeitung bestehender Berg­rechte anregten. Die Berg­ordnungen rich­ teten sich dabei prinzipiell an jeden, der im Berg­bau tätig war. Zugleich gaben sie jedoch auch konkrete Verhaltensvorschriften für Amtsträger und den Ablauf administrativer Verfahren vor. 2.1.5 Berg­ordnungen als formale Regeln Aus der Perspektive der Berg­ordnungen war der sächsische Berg­bau nach ein­ deutigen Regeln organisiert: Sie formulierten Bedingungen der Mitgliedschaft, differenzierten zwischen den Funktionsbereichen der verschiedenen Ämter, defi­ nierten den Ablauf und die Funktion von Verfahren und betonten nicht zuletzt die Sach- und Schriftgebundenheit von Verwaltung. Sie dienten klar definier­ ten Zwecken, nämlich der Förderung des gemeinen Berg­baunutzes und (damit verbunden) der Förderung der Partikularinteressen der Gewerken. Amtsträger hatten sich qua Diensteid, der in den Berg­ordnungen öffentlich gemacht wurde, an die Bestimmungen der Berg­ordnungen zu halten. Eigennütziges Verhalten wurde ebenso wie die Übertretung der Berg­ordnung sanktioniert.441 Die Kon­ trolle der Amtsträger erfolgte durch die Berg­verwaltung selbst, die unter keinen Umständen Abweichungen von der Norm tolerierte. 440 Vgl. Landwehr: Die Rhetorik der „Guten Policey“, S. 263. 441 Insbesondere wurden in den Berg­ordnungen die Kontrolle und ggf. Bestrafung der Schicht­ meister thematisiert, aber auch die Sanktionierung des Berg­meisters oder Amtsmanns war durchaus ein Thema, vgl. etwa Berg­ordnung 1554, § 7, § 10, § 19, § 25, § 29.

Formale Regeln

215

Nun zeigt sich jedoch bei näherer Betrachtung, dass dieses Bild korrektur­ bedürftig ist. Berg­ordnungen reglementierten mitnichten alle Bereiche der Verwaltung gleichermaßen, sondern nahmen gewisse Schwerpunktsetzungen vor. So waren in den Berg­ordnungen 1509 mit ihren Erweiterungen bis 1536, 1554 und 1589 die mit Abstand am häufigsten erwähnten Ämter der Berg­ meister und der Schichtmeister. Die Intensität erklärt sich aus den Zuständig­ keitsbereichen dieser Ämter. Denn beide Ämter standen in exponierter Weise zwischen dem Landesherrn und den Berg­bautreibenden. Der Berg­meister war als technischer Leiter der Produktion in alle Aspekte des Berg­baus, von der Mutung bis zur sicheren Verwahrung des Gegenbuchs, involviert. Er allein hatte das Recht, Gruben zu verleihen, er war die zentrale Schiedsinstanz vor Ort, und kaum ein Verfahren fand ohne seine Anwesenheit oder Zustimmung statt. Zugleich war er der Garant für die Einhaltung der Berg­ordnung und auch zuständig für die regelmäßige Kontrolle der Arbeit der Schichtmeister und Steiger in den Zechen. Die Aufgabenbereiche des Schichtmeisters waren weniger umfänglich, aber nicht minder relevant für die Gewerken. Er hatte die Materialeinkäufe ebenso zu besorgen wie die Einstellung von Arbeitern und vor allem die korrekte Abrech­ nung der Zeche. Schichtmeister wurden durch die Gewerken eingesetzt und mussten durch die Berg­verwaltung bestätigt werden. Auch dieses Amt stand daher an der Schnittstelle zwischen Gewerken und der Berg­verwaltung. Dem Schichtmeister unterstand vor allem die Leitung und Kontrolle der Produktion der einzelnen Zeche. Auf die prekäre Position der Schichtmeister soll an späte­ rer Stelle ausführlich eingegangen werden.442 Hier soll jedoch bereits das Augenmerk darauf gerichtet werden, dass die Berg­ordnungen dieses Amt in besonderer Weise hervorhoben. Gerade beim Schichtmeister zeigt sich, dass es nicht ausreicht, allein auf die quantitative Erwähnung in den Berg­ordnungen zu achten. Betrachtet man die Regelungen bezüglich der Schichtmeister im Detail, dann zeigt sich, dass die Berg­ordnungen vor allem auf eines Wert legten: nämlich zu vermitteln, dass Schichtmeister potenziell betrugsanfällig waren, dass aber ihre Amtsführung regelmäßig durch verschiedene Instanzen kontrolliert wurde. Die Berg­ordnungen machten deutlich, dass Eigennutz unter Berg­beamten allgemein, aber vor allem unter den Schicht­ meistern, unter keinen Umständen geduldet und hart sanktioniert wurde, oder richtiger: werden sollte. 442 Vgl. Kap. D.2.3 (Grenzstellen: Schichtmeister, Steiger und Kuxkränzler als Exklusionsfigu­ ren).

216

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Die vermeintlich allumfassenden Regelungen der Berg­ordnungen erweisen sich bei näherer Betrachtung als selektiv. Dieser Eindruck erhärtet sich, wenn man die Erwähnung einzelner Ämter in den Berg­ordnungen aufschlüsselt.443 Neben dem Berg­meister und dem Schichtmeister standen quantitativ vor allem der Hauptmann (1509) beziehungsweise der Oberhauptmann (1554/1589), der Berg­hauptmann (1589) und der Oberbergmeister (1554/1589) im Zentrum der Berg­ordnungen. Das heißt: Auch die mittlere Berg­verwaltung wurde durchaus thematisiert. Diese Ämter wurden vor allem in ihrer Funktion als Stellvertreter des Landesherrn und als Kontrollinstanz über das lokale Berg­amt beschrieben. Zugleich finden sich jedoch kaum qualifizierende Aussagen über ihre Tätig­ keitsfelder. Die Amtsträger der mittleren Berg­verwaltung wurden damit zwar als wichtiger Teil der Berg­verwaltung präsentiert, über ihre genauen Aufgaben jenseits einer allgemeinen Kontrollpflicht und ihrer Anwesenheit bei der Abrech­ nung der Zechen schweigen die Berg­ordnungen jedoch. Gänzlich fehlen zudem Aussagen über die zentrale Berg­verwaltung und über das Verhältnis zwischen den verschiedenen Verwaltungsinstanzen. Aufs Ganze gesehen wurden vor allem jene Verfahren und Amtsträger geord­ net, die die finanziellen und rechtlichen Interessen der Gewerken besonders berührten. Berg­ordnungen waren damit nur bis zu einem gewissen Grad formale Regeln für die gesamte Berg­verwaltung, sondern müssen in ihrer Ausschnitt­ haftigkeit ernst genommen werden. Ihre Funktion, so wird sich erweisen, war nicht, oder nicht nur, die Regelung tatsächlichen Verhaltens. Um sich der Funk­ tion von Berg­ordnungen als formalen Regeln zu nähern, muss aber zunächst der Blick ausgeweitet und danach gefragt werden, welche formalen Regeln die Berg­verwaltung parallel zu den Berg­ordnungen etablierte.

443 Eine quantitative Auszählung der Erwähnung gewisser Ämter in den Berg­ordnungen gestal­ tet sich schwierig, da sich nicht selten die Beteiligung von Amtsträgern zwar aus dem Inhalt erschließt, aber das Amt nicht explizit genannt wird. Die folgende Auflistung dient daher nur als Annäherung: In den drei großen Berg­ordnungen 1509, 1554 und 1589 wurde der Berg­ meister mit Abstand am häufigsten thematisiert (44 Nennungen 1509, 53 Nennungen 1554 und 57 Erwähnungen 1589). Am zweithäufigsten wurde der Schichtmeister genannt (1509: 33, 1554: 36, 1589: 40). Die Erwähnung der anderen Ämter der lokalen Berg­verwaltung liegt zwischen eins (Abtreiber: 1554) und 18 (Steiger: 1589). Etwas anders sieht es mit den Ämtern der mittleren Berg­verwaltung aus, die im Schnitt um die zwanzigmal Erwähnung fanden (Hauptmann 1509: 24, Oberhauptmann 1554: 22, 1589: 23; Berg­hauptmann 1589: 23; Berg­verwalter 1589: 19 und Oberbergmeister 1554: 12, 1589: 19).

Formale Regeln

217

2.2 Formale Regeln jenseits der Berg­ordnung 2.2.1 Gewohnheitsrechte Neben den Berg­ordnungen gab es noch andere formale Regeln, die Amtsträ­ ger zu berücksichtigen hatten oder an denen sie sich orientieren konnten. Von besonderer Bedeutung für den lokalen Berg­bau waren die mündlich tradierten Gewohnheitsrechte, die sogenannten Berg­gebräuche.444 Gewohnheitsrechte gal­ ten subsidiär zu den Berg­ordnungen und wurden zum Teil im Laufe des 16. Jahr­ hunderts in Berg­ordnungen inkorporiert,445 zum Teil existierten sie neben den Berg­ordnungen bis ins 18. Jahrhundert als mündliche Überlieferung. Zugleich wurde in den beiden großen Berg­ordnungen von 1554 und 1589 das Nebenei­ nander von Gewohnheitsrechten und Berg­ordnungen fixiert. So heißt es in der Berg­ordnung von 1554: „Was aber in dieser unserer Ordnung nicht begriffen und sonst auf unsern Berg­städten im Gebrauch, wollen wir nicht aufgehoben haben, sondern bis auf unsere Veränderung bleiben lassen.“446 In der Freiberger Schmelz- und Hüttenordnung von 1589 heißt es wiederum: „Wir wollen aber gleichwohl die alten nützlichen Gebräuch und Gewohnheiten, so an etlichen sonderbaren Orten derselbigen Art und Gelegenheit nach eingeführt, wohl 444 Neben dem nur selten schriftlich fixierten Gewohnheitsrecht spielten bis ca. 1500 auch die sogenannten Berg­weistümer vor allem in der Rechtsfindung eine gewisse Rolle. Vgl. hierzu Henschke: Landesherrschaft und Berg­bauwirtschaft, S. 40 sowie Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 46. Zu montanen Gewohnheitsrechten im ostalpinen Raum vgl. Valentinitsch: Die Berg­rechtsentwicklung im Ostalpenraum, S. 731–742; für den Tiroler Raum vgl. Schennach: Gewohnheitsrecht, Einzelgesetzgebung und Landesordnungen, S. 19–80 sowie für Schwaz Knapp: Die ersten Rechtsgrundlagen des Schwazer Berg­baues, S. 15; zu Gewohnheitsrechten im Ius Regale Montanorum vgl. Pfeifer: Ius regale montanorum, S. 71 ff. 445 Eine Inkorporation bestehender Berg­g ebräuche in Berg­ordnungen zeigt sich sowohl in der Altenberger Berg­ordnung von 1545 als auch in der am 11. Februar 1493 als „Reformacio der berckwergk ufm Geyer und Schreckenberge“ erlassenen Berg­ordnung. Diese Ordnung ba­ sierte ihrerseits maßgeblich auf den Artikeln eins bis dreizehn der Glashütter Berg­ordnung vom 22. Dezember 1490. Neben der Übernahme von Artikeln aus dieser Ordnung wurde darüber hinaus aber auch in den Artikeln 14 bis 24 geltendes Gewohnheitsrecht durch die Richter und Schöppen von Geyer, die bei der Entstehung der Ordnung maßgeblich mitge­ wirkt hatten, hinzugefügt und schriftlich fixiert. Auch die Schreckenberger Berg­ordnung von 1499/1500 integrierte ebenso geltende Gewohnheitsrechte, wie sie auf Bestimmungen der Schneeberger Berg­ordnungen von 1479 basierte. Vgl. hierzu Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 20 ff. 446 Berg­ordnung 1554, Beschluss.

218

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

herbracht und zu Beförderung der Berg­werke dienstlich seind, hiermit nicht aufgehoben noch abgethan haben.“447 Während das in Berg­ordnungen kodifizierte Berg­recht, so Hermann Löscher, Rechtssätze möglichst unabhängig vom Einzelfall und der Entstehungsursache im Rahmen einer sachorientierten Gliederung zu formulieren versuchte, seien Berg­g ebräuche hingegen am Einzelfall ausgerichtet, kaum sachlich gegliedert und immer an den lokalen Raum gebunden.448 Dieser Einschätzung kann nur bedingt zugestimmt werden. Zwar beanspruchten Gewohnheitsrechte aus­ schließlich Geltung für den lokalen Raum, aber sie konnten durchaus auch in systematischer Form fixiert werden beziehungsweise auf administrative Routi­ nen bezogen sein (etwa auf die Häufigkeit der Rechnungslegung). Sie waren jedenfalls nicht ausschließlich am Einzelfall ausgerichtet. Ein starkes Indiz hierfür sind die zwischen 1554 und 1568 vermutlich vom Freiberger Berg­vogt Simon Bogner gesammelten Freiberger Berg­g ebräuche.449 Bogner verzeichnete systematisch und alphabetisch geordnet insgesamt 291 unterschiedliche Berg­gebräuche des Freiberger Berg­baus.450 Aus welchem Anlass er diese Sammlung anfertigte, ist nicht überliefert. Löscher vermutet, dass Bogner mit der Aufzeichnung begann, als Kurfürst August die neue Landesbergordnung von 1554 dem Freiberger Rat, Berg­meister und Geschworenen, Zehntner und Hüttenreuter zur Stellungnahme übersendete.451 Da „bey euch ezliche gebreuch eingeführet, die sich allerdings damit nicht vergleichen möchten“, bat August darum, dass sie die Ordnung überprüfen und ihre Bedenken „articuleweise ufs papier“ bringen und nach Dresden schicken sollten. Möglicherweise entstand 447 Freiberger Schmelz- und Hüttenordnung 1589, Arenga, in: Lünig: Codex Augusteus, Sp. 224–228. 448 Obwohl einige Berg­g ebräuche nach Löscher durchaus systematische Tendenzen aufweisen, wie etwa die Berg­g ebräuche der Altenberger Knappschaft oder die Joachimsthaler Berg­ gebräuche, blieben sie dennoch Gelegenheitssatzungen, die abhängig von ihrer Entstehungs­ ursache waren, vgl. Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 49. 449 Vgl. Bogner: Berg­g ebräuche. Zu Simon Bogners Leben siehe in: Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 34 ff. Vergleichbar sind die verschriftlichten Berg­g ebräuche des Joachimsthaler Berg­meisters Mathes Enderlein, die er bis zu seinem Tod 1556 angefertigt hat und die 1616 als Appendix zur Joachimthaler Berg­ordnung von 1548 abgedruckt wurden. Siehe hierzu Weizsäcker: Mathes Enderlein, S. 127–132. Die Berg­g ebräuche von Mathes Enderlein sind abgedruckt in: Ursprung und Ordnungen der Berg­werge (1616). 450 1629 wurden die Berg­g ebräuche durch den Freiberger Berg­meister Christoph Lutze (Lu­ ciae) überarbeitet. Lutze übernahm zum Teil Bogners Berg­g ebräuche, überarbeitete diese und fügte weitere Gebräuche hinzu. Vgl. Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 42 ff. 451 Vgl. ebd., S. 33.

Formale Regeln

219

aus der Überprüfung der Berg­ordnung dann der Impuls, die Freiberger Berg­ gebräuche in einem größeren Umfang schriftlich zu fixieren.452 Es ist wahrscheinlich, dass die Berg­g ebräuche als Handreichung für den Amtsgebrauch fungierten und sich im Gegensatz zu den Berg­ordnungen nicht an eine breitere Öffentlichkeit richteten. Die Artikel reichen vom Verbot, alte Berg­- und Wasserseile zu verkaufen (§ 19) über die Anzahl der erlaubten Tische von gemeinen Berg­leuten bei Hochzeiten (§ 162), die Fütterung der Göpelpferde (§ 162), die Bußen für Schmähreden und andere Berg­frevel (§ 32), die Dienst­ zeiten der Geschworenen (§ 120) bis hin zur Regelung von Verfahren wie dem Anschnitt und der Berg­rechnung (§ 4, 5, 47, 210), der Zuständigkeit des Berg­ gerichts (etwa § 241) oder der Abfertigung verschiedener Rechnungsbücher (§ 36).453 Bogners Sammlung von Berg­g ebräuchen richtete sich also weniger an die Umwelt der Verwaltung, sondern war als verwaltungsinterne Handrei­ chung gedacht. An seinen Berg­gebräuchen zeigt sich, dass Gewohnheitsrechte im Vergleich zu den Berg­ordnungen viel detailliertere Angaben etwa zu den Rechten und Pflichten von Amtsträgern, aber auch zum Zusammenleben der Berg­gemeinde und zum Verhältnis von Stadt und Berg­bau machten. In ihnen wurden, vielleicht sogar stärker noch als in Berg­ordnungen und in den Bestal­ lungen, relativ konsistente Erwartungen an lokale Funktionsträger formuliert, wie sie sich in verschiedenen Bereichen des Berg­baus verhalten sollten. Ver­ gleichbar mit den Knappschaftsordnungen gingen sie zudem über die formal definierte Amtsrolle hinaus und thematisierten auch das soziale Verhalten von Amtsträgern. Dass sie schriftlich fixiert wurden, ist jedoch die Ausnahme. In den meisten Fällen wurden Gewohnheitsrechte mündlich tradiert und konnten situativ durch unterschiedliche Akteure, etwa die Knappschaft, Stadträte oder Berg­beamte, vorgebracht werden.454 Dass die Berg­g ebräuche die Amtspflich­ ten der Amtsträger genauer regeln als die Berg­ordnungen, zeigt, dass sie Teil der formalen Regeln des Berg­baus sind – in gewisser Hinsicht sogar mehr als die Berg­ordnungen. Gleichzeitig deutet der Einbezug auch außerdienstlicher Zusammenhänge in den Berg­gebräuchen darauf hin, dass diese tendenziell eher auf die ‚Totalinklusion‘ der Amtsträger zielen als auf eine Mitgliedschaftsrolle qua Partialinklusion (so wie dies die Knappschaft von der Berg­verwaltung

452 Ebd., S. 220–221. 453 Bogner: Berg­gebräuche, § 48, § 169. 454 Weitere Beispiele für Gewohnheitsrechte aus dem 15. und 16. Jahrhundert finden sich bei Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 56–228.

220

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

unterscheidet). Auch dies zeigt wieder, wie komplex der Begriff der Formali­ sierung skalierbar ist. Das Nebeneinander von Gewohnheitsrechten und schriftlich fixierten Ord­ nungen ist typisch für die frühneuzeitliche Rechtskultur.455 So betont Barbara Stollberg-Rilinger, dass die Frühe Neuzeit durch ein hohes Maß an Rechtsplu­ ralismus geprägt gewesen ist, in dem ungeschriebene Gewohnheitsrechte, die consuetudines, neben den schriftlich verfassten statuta existierten.456 Die Hierar­ chien zwischen beiden waren bis ins 16. Jahrhundert hinein und darüber hinaus keineswegs eindeutig. Dennoch hätten Gewohnheitsrechte, so Stollberg-Rilinger, aufgrund ihrer prinzipiellen Angreifbarkeit eher informellen Charakter gehabt. Erst im 17. Jahrhundert habe sich das Verhältnis zugunsten der schriftlich fixier­ ten Norm verändert, wodurch informelle Regeln strukturell in die Defensive gerieten.457 Das Kriterium für die Bewertung von Gewohnheitsrechten als infor­ melle Regeln ist für Stollberg-Rilinger also vor allem der Grad an Schriftlichkeit. Dies ist zwar vorderhand eine nachvollziehbare Differenzierung, zugleich erge­ ben sich mit dieser Unterscheidung im Detail gewisse Probleme, die Gewohn­ heitsrechte und ihre Funktion für die Berg­verwaltung genauer zu fassen. Denn gerade am Beispiel der Gewohnheitsrechte zeigt sich deutlich, wie schwer ein­ deutige Zuordnungen in das dichotome Raster formal/informell im Einzelfall sind. Für den frühneuzeitlichen Berg­bau lässt sich anhand der Reaktionen auf Gewohnheitsrechte durchaus plausibel machen, warum sie in der Tendenz nicht als informelle, sondern durchaus als formale Regel betrachtet wurden. Schon die oben zitierte Freiberger Schmeltz- und Hüttenordnung von 1589 hat schließlich deutlich gemacht, dass die Gewohnheitsrechte nicht etwa nur implizt galten, sondern ihre Geltung im Berg­recht formal festgeschrieben wurde. Es zeigt sich also durchaus eine Hierarchie zwischen Berg­ordnungen und Gewohnheitsrech­ ten; allerdings lässt sich diese Hierarchie nicht auf der Dichotomie formal vs. informell abbilden. 455 Zum Verhältnis von Gewohnheitsrechten und Schriftlichkeit vgl. Teuscher: Lokale Herr­ schaft, S. 21 ff., S. 45 f. 456 Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 12 f. 457 Zugleich kann für das Erzgebirge nicht davon ausgegangen werden, dass Gewohnheitsrechte im 18. Jahrhundert vollständig an Bedeutung verloren. Aufgrund der starken Unterschiede zwischen den Revieren wurde noch 1725 eine tabellarische Aufschlüsselung der unter­ schiedlichen Berg­g ebräuche von Marienberg, Annaberg, Oberwiesenthal, Scheibenberg, Schwarzenberg, Johann Georgenstadt, Eibenstock, Schneeberg, Ehrenfriedersdorf, Alten­ berg, Glashütte und (Berg­-)Gießhübel angefertigt, vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 3349.

Formale Regeln

221

Wie zentral die Gewohnheitsrechte im zeitgenössischen Rechtsverständnis waren, zeigt sich auch daran, dass sie nur mit hohem legitimatorischem Aufwand ausgehebelt werden konnten. Exemplarisch zeigen dies etwa die Kontroversen um die Altenberger Gewohnheitsrechte:458 So schrieb Kurfürst August am 28. Januar 1565 an den Freiberger Berg­meister, dass die Altenberger Gewerken um Bestätigung des von ihnen per Los gewählten Berg­meisters Franz Kempfen gebeten hätten. Der Freiberger Berg­meister solle nun zum einen Informationen einholen, ob Kempfen geeignet sei; zum anderen solle er herausfinden, ob die Gewerken tatsächlich von alters her das Recht hätten, den Berg­meister selbst zu wählen. Nachdem der Berg­meister entsprechende Erkundigungen angestellt hatte, ließ der Kurfürst den Altenberger Amtsverwalter und den Freiberger Berg­ meister zu Freiberg am 13. Februar 1565 wissen, dass die Gewerken den Berg­ meister in der Tat früher selbst hatten wählen dürfen, aber im Gegenzug dafür auch für dessen Unterhalt aufzukommen hatten. Da nun aber der Landesherr den Berg­meister bezahle, „Ist vnß auch nicht gelegen Inen kunftig solche freye wahl mehr zugestatten“.459 Aufgrund von Kempfens Tauglichkeit bestätigte August die bereits erfolgte Wahl des Berg­meisters dennoch, wies aber darauf hin, dass dies in Zukunft nicht mehr vorkommen dürfe. Wie sich hier zeigt, war die Referenz auf das alte Herkommen beziehungsweise Gewohnheitsrechte durchaus wirkmächtig. Kurfürst August konnte eben nicht ohne weiteres das Recht der Gewerken zur Wahl des Berg­meisters abschaffen, nachdem die Legitimität dieses Rechts nachgewiesen worden war. Dennoch, und hier ist Barbara Stollberg-Rilinger zuzustimmen, waren mündlich tradierte Gewohnheitsrechte prinzipiell angreifbarer als schriftlich fixierte Regeln (auch wenn in der Praxis graduell unterschiedlich verfahren wurde). So versuchten die Wettiner im Laufe des 16. Jahrhunderts bestehende Gewohnheitsrechte auszuhebeln. Statt Gewohnheitsrechte also als informell zu begreifen, würde ich dafür plädieren, von unterschiedlichen Graden an Formalität auszugehen, wobei die mündlich tradierten Gewohnheitsrechte ein geringeres Maß an For­ malität aufwiesen als die schriftlich fixierten Berg­ordnungen.

458 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floßund Holzsachen (1559–1782), 1565–1566, fol. 11b–14b. 459 Ebd., fol. 14a.

222

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

2.2.2 Bestallungsbriefe Fragt man nach formalen Regeln im Berg­bau, dann müssen vor allem für die mittlere Berg­verwaltung zudem die Bestallungsbriefe berücksichtigt werden. Denn während die Gewohnheitsrechte und die Berg­ordnungen die mittlere Berg­verwaltung lediglich als Kontrollinstanz thematisieren, finden sich in den Bestallungsbriefen sehr detaillierte Anforderungsprofile einzelner Amtsträger. Bestallungsbriefe für die mittlere Berg­verwaltung sind ab den 1550er Jahren fragmentarisch überliefert.460 Üblicherweise beinhalten sie neben dem Namen des Amtsträgers und dessen Tätigkeitsbeschreibung Angaben zu amtsbezoge­ nen Geld- und Naturalbezügen und gegebenenfalls zu den zu stellenden reisigen Knechten oder Pferden. Inhaltlich gab es große Übereinstimmungen zwischen den Bestallungsbriefen der vornehmeren Posten wie dem Oberberghauptmann oder dem Berg­amtmann sowie zwischen den Bestallungsbriefen der eher praxis­ nahen Ämter wie dem Oberbergmeister und dem Berg­werksverwalter. Um einen besseren Eindruck vom Aufbau und der Detailliertheit der Bestal­ lungsbriefe zu bekommen, soll die Bestallung Wolf von Schönbergs zum Berg­ hauptmann vom 13. April 1558 exemplarisch vorgestellt werden.461 Die Bestal­ lung umfasst zehn Seiten und ist in Bezug auf Tätigkeitsfelder und Kompetenzen in neun Punkte untergliedert. Zudem finden sich allgemeine Angaben zu den erwarteten Diensttugenden, zur Besoldung, zu den Zulagen und zum Wohnort. So solle Schönberg mit vier gerüsteten Pferden und Knechten seinen Dienst in Freiberg versehen, wo er auch seinen Wohnsitz zu nehmen habe. Er solle „vnser vnd vnser BerckAmpter vnd Berckwerge nutz aufnehmen, vnd wolffart nach seinem besten vorstande vnd hochsten vormogen, trewlich vnd vleißig

460 Die fragmentierte Überlieferung beklagt auch Ulf Molzahl, der für die Untersuchung der Bestallungsverhältnisse landsässiger Adliger auf die Überlieferung im Geheimen Rat zurück­ greift, die jedoch mit Ausnahme des Berg­hauptmanns und der lokalen Amtmänner keine Be­ stallungen für den Berg­bau beinhaltet. Vgl. Molzahn: Adel und frühmoderne Staatlichkeit, S. 145 f. Zu Bestallungsbriefen in Sachsen im Spätmittelalter siehe auch Hesse: Amtsträger, S. 47 ff. Für die lokale Berg­verwaltung sind vereinzelte Bestallungsbriefe überliefert. Bestal­ lungsbriefe lokaler Funktionsträger finden sich in SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861b. Bestallungsbriefe der mittleren Berg­verwaltung finden sich in: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36141, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 2298. 461 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 7a–7/8a.

Formale Regeln

223

befordern“,462 die Einhaltung der Berg­- und Hüttenordnungen überwachen und Übertretungen, etwa durch Berg­meister und Geschworene, sanktionieren. Auch solle er darauf achten, dass die genannten Ämter einmal pro Quartal die Rechnung legten. Zudem habe er sicherzustellen, dass der lokale Adel aus den Ämtern Tharandt und Schellenberg aus ihren Wäldern regelmäßig seine Koh­ lenlieferungen in die Freiberger Hütten abführe.463 Im Falle der Vakanz der Posten des Zehntners, Berg­vogts, Berg­meisters, der Berg­g eschworenen, des Austreibers, Gegenschreibers oder Hüttenschreibers oder im Falle von deren Entlassung wegen Tod oder Unfähigkeit dürfe er Vor­ schläge für die Neubesetzung einreichen. Zudem solle er die Berg­ämter und Berg­ städte samt aller Einwohner und Gewerken in „guttem bevehlich vnnd trewer versorgunge“ haben, Konflikte schlichten und Eintracht herbeiführen. Dabei wurde ihm das Recht zugesprochen, mit Gefängnis, Verweisung oder anderen Leibesstrafen gegen Unfrieden vorzugehen.464 Er solle alle Berg­g ebäude, Stol­ len, Richtschächte und andere bergbauliche Anlagen beaufsichtigen und darauf achten, dass die Berg­meister und Geschworenen täglich einführen. Zudem habe er an der Berg­rechnung und der Erstellung der Rezesse teilzunehmen und vor allem darauf zu achten, dass die Zubußen durch die Schichtmeister rechtmäßig berechnet würden. Auch er selbst solle von Zeit zu Zeit einfahren. Ebenfalls solle er darauf achten, dass Gedingearbeit nur mit Wissen des Berg­meisters und der Geschworenen erlaubt werde. Auch die Überprüfung der Gegenschreiber fiel in seinen Zuständigkeitsbereich. Zudem solle er kein „Zuschlemmen“ der Stollen (vermutlich ist damit das Verschlammen des Stollens gemeint) erlauben. Schließlich oblag ihm auch die Kontrolle der Abgaben der Gewerken in Form des Gnaden-, Wochen- und Quatembergeldes, wobei er sicherzustellen hatte, dass Zechen nur bei Bedarf Vergünstigungen bekämen. Ähnlich detailliert wie von Schönbergs Bestallung waren auch die Bestallungen der niederen Posten der mittleren Berg­verwaltung.465 Allgemein formulierten 462 Vgl. ebd., fol. 7/1a. 463 Namentlich werden Caspar von Schönberg zum Purschenstein, die von Hartitsch, die von Gunterod, die von Bernstein, Heinrich von Maltitz zu Dippoldiswalde und Christoph Altpeck genannt. Zur Holzversorgung des Berg­baus im Erzgebirge vgl. Thomasius: The Influence of Mining on Woods and Forestry, S. 103–125, bes. S. 111–112. 464 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 7/2a. 465 Hier kann exemplarisch auf die Bestallung des Oberbergmeisters Christoph Werner vom 7. März 1582 verwiesen werden, der gemäß seiner Bestallung die Berg­ordnung einhalten und Aufsicht über die Berg­werke und die dazu bestallten Diener hatte. Auch er sollte den Nut­ zen der Berg­werke fördern und Gebrechen abstellen, auf die Berg­gebäude und die Stollen

224

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

die Bestallungsbriefe der mittleren Berg­verwaltung sehr kleinteilige Vorgaben, wie sich Amtsträger zu verhalten hatten, welche Tätigkeiten sie ausüben sollten und welche Pflichten und Kompetenzen sie hatten. Während also die Bestallung der Funktionsträger der mittleren Berg­verwaltung (durchaus vergleichbar mit den Gewohnheitsrechten und den Berg­ordnungen) detailliert Tätigkeitsfelder, Kompetenzen und Hierarchien festlegten, waren die Bestallungen der lokalen Berg­verwaltung weniger detailfreudig.466 So heißt es etwa in Caspar Müllers Bestallung vom 1. Januar 1555, dass er zum Schmelzer und Abtreiber in der Schmelzhütte zu Annaberg angestellt werden, sein Amt treulich versorgen und Betrug weder selbst begehen noch zulassen solle.467 Sein Amt habe er nach bestem Vermögen und Können auszuüben und außerhalb seiner Besoldung keinen zusätzlichen „genieß“, also keine zusätzlichen Vergünstigun­ gen, anzunehmen. Dafür solle er 100 Guldengroschen Dienstgeld, freie Kost bei Hof und zudem gewöhnliche Sommer- und Winterkleidung bekommen. Etwas mehr Informationen finden sich hingegen in der Bestallung von Paul Röhling achtgeben, Untreue und Eigennutz unterbinden und im Falle eines Verdachts auf Missbrauch oder Untreue entsprechende Erkundigungen einholen. Sollte die Person schuldig sein, durfte er diese in Haft nehmen und entsprechende Berichte an den Landesherrn verfassen. Zudem sollte er zusammen mit dem Hauptmann des Erzgebirges, dem Berg­amtmann und dem Berg­ werksverwalter den Gnadengroschen und andere kurfürstlichen Steuern verwalten und zu­ sammen mit den genannten Amtsträgern bei der Berg­rechnung anwesend sein. Dabei habe er anfallende Probleme und Konflikte zu beseitigen. Ebenfalls in seinen Zuständigkeitsbereich fiel die Überprüfung der Supplikationen, wobei er die unangemessenen aussortieren sollte, damit der Landesherr mit „vnnotigen sachen verschont“ bliebe. Daneben hatte er die neu erschürften Gänge zu kontrollieren und Streitigkeiten zusammen mit den Berg­amtleuten beizulegen. Zu diesem Zweck sollte er auch mehrmals in die Berg­städte reisen und selbst in die Zechen einfahren. Diejenigen Konflikte, die er nicht unter Hinzuziehung des lokalen Berg­amts bereinigen könne, sollte er an den Kurfürsten berichten und dafür auch allen nö­ tigen Schutz von seinem Landesherrn haben. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 1a–3a (eigene Paginierung). 466 Wenngleich dieser Eindruck nur impressionistischen Charakter haben kann, da für die lo­ kale Berg­verwaltung nur wenige Bestallungsbriefe überliefert sind. 467 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861b, Buch II, fol. 3b– 4b; ähnlich knapp gehalten sind auch die Bestallungen Caspar Hansens zum Wardein in Annaberg von 1556 und Matthes Müllers Bestallung zum Schmelzer 1557. Etwas detaillier­ ter war der Bestallungsbrief von Antonius Sack d. J. zum Berg­vogt zu Sangerhausen, in dem festgehalten wurde, dass Antonius Sack d. J. das Amt jahrelang neben seinem Vater Antonius Sack d. Ä. ausgeübt habe und er daher für das Amt geeignet sei. Zudem finden sich spezi­ fische Angaben zu gegenwärtigen Konflikten mit den Herren von Schwarzenburg, auf die der neue Berg­vogt besonders achtgeben solle, vgl. ebd., fol. 63a–64a.

Formale Regeln

225

zum Berg­meister in Marienberg vom 1. April 1582. So wird Röhling angewiesen, sich in Marienberg aufzuhalten und sich an die Anweisungen des Kurfürsten, des Oberamtmannes, des Oberbergmeisters und des Berg­werksverwalters zu halten. Wenn etwas nicht richtig laufe oder den Gewerken nachteilig sei, solle er dies an die oben genannten Berg­amtleute berichten. Sollten auch diese nicht weiterhelfen können, dürfe er sich auch an den Kurfürsten wenden. Bei Bedarf könne er auch zu Berg­werksangelegenheiten außer Landes entsendet werden, und zudem solle er jedes Quartal das Berg­werk in Sangerhausen besichtigen und darüber schriftlich berichten. Dafür bekomme er pro Quartal 25 fl zur Besoldung und zudem eine Zehrung, wenn er nach Dresden gefordert werde.468 In dieser Bestallung wird vor allem das hierarchische Verhältnis zwischen dem Berg­meister und den Berg­amtsleuten der mittleren Berg­verwaltung sowie die Kontrolle über die Sangerhausenschen Berg­werke festgelegt. Damit wurden also vor allem jene Bereiche reglementiert, die nicht in den Berg­ordnungen auf­ tauchten, während andersherum die zahlreichen verschiedenen Tätigkeitsfel­ der und Dienstaufgaben des Berg­meisters in den Bestallungen nicht zusätzlich explizit gemacht wurden. Alle Bestallungsbriefe eint, dass sie nicht öffentlich zugänglich waren, son­ dern lediglich einem kleinen Personenkreis bekannt waren. Sie bildeten somit zwar wichtige Referenzpunkte für die administrativen Kompetenzen und Tätig­ keitsfelder der einzelnen Posten, aber dienten nicht dazu, allgemeine, öffentlich bekannte und standardisierte Regeln für die Berg­verwaltung zu formulieren. Zugleich zeigt sich, dass sich gerade im Gegensatz zu den differenzierten Anga­ ben der Berg­ordnungen die Bestallungsbriefe der mittleren Berg­verwaltung (jenseits der grundlegenden Unterscheidung zwischen den vornehmeren und den eher praxisnahen Posten) kaum funktionale Unterschiede zwischen den verschiedenen Ämtern ausmachen lassen. So war die Bestallung von David Greuß zum Berg­werksverwalter von 1582 bis auf wenige Ausnahmen iden­ tisch mit der im gleichen Jahr erfolgten Bestallung von Christoph Werner zum Oberbergmeister. Auch die Bestallung des Berg­amtmanns Lorenz von Schön­ berg aus dem Jahr 1577 glich bis auf wenige unbedeutende Abweichungen der Bestallung des Berg­hauptmanns Wolf von Schönberg von 1558. Die Bestallung von Caspar Rudolph von Schönberg zu Mühlsdorff zum Oberhauptmann des Erzgebirges und zum Hauptmann der Ämter Freiberg, Schneeberg und Alten­ berg aus dem Jahr 1612 basierte hingegen mit wenigen Abweichungen auf der 468 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 4a–5a.

226

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Bestallung Heinrich von Schönbergs zum Fraunstein zum Oberhauptmann für die Ämter Freiberg, Annaberg und Schneeberg von 1588.469 Vergleichbar mit den Gewohnheitsrechten ist auch hier von einem geringe­ ren Grad an Formalität auszugehen, wenngleich aus einer anderen Perspektive. Während im Fall der Gewohnheitsrechte Schriftlichkeit und Mündlichkeit entscheidende Faktoren sind, ist es in diesem Fall der Grad an Öffentlichkeit. Während die Bestimmungen der nicht öffentlich gemachten Bestallungsbriefe sich auf die Person des Amtsinhabers bezogen und lediglich einem kleinen Kreis von Personen bekannt waren, richteten sich die mündlich tradierten Gewohn­ heitsrechte ebenso wie die schriftlichen Reskripte, Mandate und Berg­ordnungen prinzipiell an alle im Berg­bau Tätigen. Letztere wurden zudem öffentlich ange­ schlagen und verlesen und zielten auf einen möglichst umfangreichen Adres­ satenkreis. Auf der Basis dieser Befunde soll nun die Frage diskutiert werden, welche Funktion formalen Regeln in der Berg­verwaltung zukam.

2.3 Schauseiten und Vertrauen: Funktionen formaler Regeln Formale Regeln besaßen sehr unterschiedliche Funktionen: Sie gaben den Rah­ men vor, innerhalb dessen Amtsträger agierten, definierten Tätigkeitsfelder, Rechte, Pflichten und Kompetenzen und formulierten damit relativ stabile Verhaltenserwartungen an Amtsträger. Ob die formalen Regeln im Detail ein­ gehalten wurden, steht auf einem anderen Blatt. Wichtiger ist festzuhalten, dass plausibler Weise erwartet werden konnte, dass sich Akteure im Großen und Ganzen an die Regeln hielten.470 Wie aber lässt sich erklären, dass nur bestimmte Verwaltungsbereiche formalisiert wurden, man also von selektiver Formalisierung sprechen kann? Und warum fand eine Formalisierung nur der lokalen, nicht aber der mittleren Berg­verwaltung statt? Nach Barbara Stollberg-Rilinger erhöht Formalisierung, etwa durch Ver­ schriftlichung, nicht nur die Stabilität sozialer Regeln, sondern dient auch der Verallgemeinerung von Verhaltenserwartungen: „Formalisierte Regeln gelten tendenziell ‚ohne Ansehen der Person‘. Das heißt: Formalisierung ermöglicht, die Erwartungen an die Handelnden von deren persönlichen Nahbeziehun­ gen zu entkoppeln. Sie ermöglichen außerdem, die Geltung der Regeln von 469 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173 sowie SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170. 470 Vgl. Stollberg-Rilinger: Frühe Neuzeit, S. 5 ff.

Formale Regeln

227

individuellen Motiven und innerer Überzeugung unabhängig zu machen.“471 Während hier eine systemimmanente Perspektive eingenommen wird, ist im Fall des sächsischen Berg­baus stärker noch auf das Verhältnis von Organisation und Umwelt einzugehen. Wenn man die Arbeiten der jüngeren Verwaltungsgeschichte ernst nimmt, dann zeigt sich, dass ein wesentlicher Faktor für das Funktionieren von Ver­ waltung die Einbindung von Amtsträgern in lokale Kontexte war, in denen eine Face-to-face-Kommunikation unter Anwesenden möglich wurde.472 Die Einbindung der Amtsträger erhöhte maßgeblich ihre Chance auf Akzeptanz. Dies bezeichnet Stefan Brakensiek treffend als akzeptanzorientierte Herrschaft. Wie aber sollte die Berg­verwaltung Akzeptanz herstellen, wenn die Investoren in Augsburg, Nürnberg oder Frankfurt saßen und schlicht nicht wissen konnten, ob der Berg­meister ein ehrenwerter und tauglicher Mann war, ob er sich an die sozialen Spielregeln der Gesellschaft hielt und das rechte Maß an Gottesfürch­ tigkeit mitbrachte? Vor diesem Hintergrund stießen traditionelle Mechanis­ men der Akzeptanzgenerierung an ihre Grenzen. Statt Akzeptanz ist in einer mit Abwesenheit konfrontierten Verwaltung das Problem des Vertrauens von erheblicher Relevanz: Investoren mussten Vertrauen haben, dass einfache Papier­ scheine, die Kuxscheine, ihnen Anteile an potenziellen Gewinnen einer Grube zusicherten.473 Auswärtige Investoren mussten darauf vertrauen, dass für sie die gleichen Regeln galten wie für die lokal ansässigen und sozial eingebundenen Investoren und Entscheidungen nicht nach persönlicher Bindung und sozialem Status, sondern nach für alle gleichermaßen geltenden Regeln getroffen wurden. Nun gibt es unterschiedliche Ansätze, wie man Vertrauen systematisch fas­ sen kann.474 Eine Möglichkeit ist die Unterscheidung von Vertrauen in Perso­ nen und Vertrauen in Institutionen. Vertrauen in Personen, so banal dies auch klingt, ist hochgradig personalisiert. Ein klassisches Beispiel wäre der Kaufmann, dessen kaufmännische Ehre nicht nur dem sozialen Prestige des Einzelnen und seiner Familie diente, sondern als soziales Kapital Vertrauen für wirtschaftliche 471 Ebd., S. 6. 472 Vgl. Lüdkte: Herrschaft als soziale Praxis; Brakensiek: Akzeptanzorientierte Herrschaft. 473 Vgl. hierzu ausführlich Kieserling: Kommunikation unter Anwesenden. 474 Vertrauen erfreut sich seit einigen Jahren einiger Beliebtheit in der Geschichtswissenschaft. Exemplarisch kann auf die unlängst erschienene Studie von Hannes Ziegler zum Vertrauen in der politischen Kommunikation des Reichs, oder auf die einschlägigen Arbeiten von Ute Frevert, Sheilagh Ogilvie, Mark Häberlein oder Stefan Gorißen, verwiesen werden. Ziegler: Trauen und Glauben; Ogilvie: The Use and Abuse of Trust, S. 15–52; Gorissen: Preis des Vertrauens; Frevert: Vertrauen.

228

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Transaktionen schuf.475 Etwas anders funktioniert das Vertrauen, das in Institu­ tionen gesetzt wird, also das, was Luhmann als „Systemvertrauen“ beschreibt.476 Vertrauen besitzt einen „zirkulären, sich selbst voraussetzenden und bestätigen­ den Charakter“, es „macht Systembildungen möglich und gewinnt aus ihnen dann wieder die Kraft zu verstärkender, riskanterer Reproduktion“.477 System­ vertrauen ist eine Abstraktion von Personenvertrauen, das heißt: Man vertraut nicht einer Person, sondern den grundlegenden Abläufen eines Systems, was im besten Fall zu einer größeren Stabilisierung von Erwartungshaltungen führt. Systemvertrauen erlaubt damit eine Komplexitätssteigerung unter den Bedin­ gungen von Abwesenheit. Personen gelten als Repräsentanten der Institution, ohne dass ihnen individuell besondere Eigenschaften oder besondere Vertrau­ enswürdigkeit zugeschrieben werden muss. Amtsträger sind aus dieser Perspek­ tive austauschbar. Akteure müssen sich nicht kennen oder genauere Kenntnisse über den Charakter oder die persönlichen Eigenschaften einer Person haben, sondern haben idealiter Vertrauen in das System selbst. Die Ausbildung von Systemvertrauen ist eng gekoppelt an die Formalisierung von Erwartungen und Mitgliedschaftsrollen und entspricht dem Modus der formalen Organisation. Formalisiert wurden also lediglich jene Bereiche der Verwaltung, die in hohem Maße auf Interaktion mit Abwesenden ausgerichtet waren, und das war vor allem die lokale Berg­verwaltung. Entgegen einer ständischen Logik, die auf Status und Stand des Einzelnen abzielte, etablierte die Berg­ordnung ein spezifisches Bild des Berg­baus, das auf Sachgebundenheit, Stabilität und Sicherheit basierte. Zugleich etablierten sie eine Trennung zwischen der wirtschaftlichen Umwelt des Berg­baus und seiner Verwaltung – eine Trennung, die nicht zuletzt durch die Definition von Mitgliedschaftsregeln, Hierarchien und Zwecken öffent­ lich-medial inszeniert wurde.478 Zugespitzt formuliert inszenierte sich die Berg­ verwaltung dort, und nur dort, als formale Organisation, wo die Interessen der 475 Vgl. Häberlein: Brüder, Freunde und Betrüger, S. 274 f. 476 Nach Niklas Luhmann ist Vertrauen ein „universaler sozialer Tatbestand“. Vertrauen ist in gewisser Hinsicht kontingent, man kann es weder einfordern noch normativ fixieren. Ver­ trauen schafft Sicherheit und ermöglicht riskantere Reproduktion, ist jedoch gleichermaßen fragil. Es reagiert, so Luhmann, kritisch auf Informationen, nicht etwa wegen deren Fakti­ zität, sondern weil diese als Indikatoren für die Vertrauenswürdigkeit fungieren. Vertrauen ist somit eng an das Problem des Misstrauens gekoppelt. Vgl. Luhmann: Funktionen und Folgen, 71 ff., S. 190 sowie allgemeiner zum Problem Vertrauen ders.: Soziale Systeme, S. 181. 477 Ebd. 478 Die mediale Dimension von Ordnungen betont auch Landwehr: Rhetorik, S. 256 f.

Formale Regeln

229

Gewerken berührt wurden. Die Berg­ordnungen waren dabei wichtige Medien, in denen das Bild der Berg­verwaltung als formale Organisation symbolisch vermittelt werden konnte. Das heißt: Die Berg­ordnungen mögen zwar auch dafür gedacht gewesen sein, die realen Abläufe zu regulieren. In jedem Fall besaßen sie aber auch eine medi­ ale Qualität, die sich an die Umwelt der Berg­verwaltung, genauer: die abwe­ senden Investoren richtete. Sie sind deshalb ernstzunehmende und wichtige Bausteine für die Etablierung von Systemvertrauen oder genauer: den Versuch, Systemvertrauen zu erzeugen. Berg­ordnungen erschufen eine Schauseite, eine Repräsentation dessen, wie Verwaltung gesehen werden wollte.479 Der Investor musste nicht auf die Ehrbarkeit des Einzelnen vertrauen, sondern auf die Ver­ trauenswürdigkeit des Systems – eines Systems, das in seiner Selbstbeschreibung Abweichungen hart sanktionierte. Die Ausbildung von Schauseiten ist nach Luhmann ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der Steuerung von Verhaltenserwartungen zwischen Orga­ nisation und Umwelt.480 Für Nichtmitglieder werde nicht das „ganze System faktischen Verhaltens sichtbar gemacht“, sondern eine idealisierte Auswahl, die den „Leitfaden für Situationsdefinitionen geben“. Daher sei auch die Kommu­ nikation formaler Symbole und Erwartungen ebenso wie die Darstellung von Amts- und Autoritätsordnungen, von Kompetenzen und die Bekräftigung lei­ tender Prinzipien und Ähnliches in erster Linie Repräsentation für die Orga­ nisationsumwelt.481 Schauseiten sind aus dieser Perspektive keine Mittel der Täuschung oder Verschleierung des tatsächlichen Verhaltens in Organisationen, sondern ein elementarer Bestandteil eines komplexen Kommunikationszusammenhangs zwischen Organisationen und ihrem institutionellen Umfeld.482 Berg­ordnungen 479 Luhmann bestimmt den Begriff der Schauseite folgendermaßen: „Die formale Organisation bildet also die Schauseite der Organisation. Für Nichtmitglieder wird keineswegs das ganze System faktischen Verhaltens sichtbar gemacht, vielmehr nur eine begrenzte, idealisierte, zu­ sammenstimmende Auswahl von Themen, Symbolen und Erwartungen, die den Leitfaden für die Situationsdefinition geben, wenn Nichtmitglieder anwesend sind oder sonst Einblick nehmen können.“ Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 112. 480 Ebd., S. 112–122. 481 Ebd., S. 112. 482 Etwas anders akzentuieren Günther Ortmann und Stefan Kühl die Funktion von Schau­ seiten und betonen die Täuschungsfunktionen dieser Repräsentationen. Nach Ortmann entwickeln Organisationen „Rationalitätsfassaden“, die ganz bewusst auf die Täuschung des institutionellen Umfelds ausgerichtet sind. Ob Organisationen tatsächlich instrumen­

230

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

sind also die Schauseite der Berg­verwaltung, und sie dienen der Generierung von Systemvertrauen. Dass Berg­ordnungen eine mediale Mittlerposition ein­ nahmen, um im besten Fall Systemvertrauen zu generieren, wird deutlich, wenn man vergleichend auf die Gewohnheitsrechte von Simon Bogner blickt. Diese waren nämlich viel stärker als die Berg­ordnungen nach innen und an die Ver­ waltung selbst gerichtet. Für Bogner spielt der Faktor Vertrauen ex negativo eine wichtige Rolle. Immer wieder betont er, dass gewisse Handlungen oder Tätigkeiten den Amtsträgern verboten seien oder von ihnen auf eine gewisse Art ausgeübt werden sollten, damit „die gewergken derwegen keine beschwerung oder verdacht tragen kön­ nen“.483 Abschriften der Register etwa sollten gemacht werden, wenn „argkwohn ader verdacht“ bestehe, dass die Schichtmeister die Löhne und Produktions­ kosten nicht richtig abgerechnet hätten, denn dies „bringet große scheue“.484 Gedinge­arbeit wiederum solle dem Berg­meister angezeigt werden, damit „kein verdächtiger argkwohn entstehe, deßen sich die gewercken hetten zu beschwe­ ren und kein ungleichheit fürfalle“.485 Gegenschreiber hingegen dürften nur mit den verordneten Kuxkränzlern arbeiten, „damit kein argkweniger verdacht fürfalle“.486 „Quasereyen“ (gemeint sind Gastmähler) dürften nicht auf Kosten der Gewerken gehalten werden, damit „den gewercken nicht allerley verdacht darauß ervolge“.487 Kein Schichtmeister oder Steiger dürfe After, Felsen und ähnliches von den Zechen kaufen, die sie selbst verwalten, damit „argkweniger verdacht unter den gewercken und sunsten verbleibe“.488 Das Berg­buch solle „gancz gerecht undt unverdächtigk“ gehalten werden,489 Wäscher und Flutner sollten nicht neben Schmelzöfen schmelzen, damit „den gewercken kein argk­ weniger oder abscheulicher verdacht fürstehe“490. Bogner entwickelt in seinen Berg­gebräuchen also ein sehr spezifisches Bild von Verwaltung, dass diese in einen engen Bezug zu ihrer Umwelt stellt. Statt die rati­ onale Logik oder Effizienz gewisser administrativer Praktiken zu unterstreichen tell eine Darstellung zur Täuschung ihrer Umwelt konstruieren, bleibt diskussionswürdig. Ortmann: Organisationen und Fiktionen, S. 39; Kühl: Organisationen, S. 138–141. 483 Bogner: Berg­g ebräuche, § 69. 484 Ebd., § 129. 485 Ebd., § 139. 486 Ebd., § 140. 487 Ebd., § 205. 488 Ebd., § 13. 489 Ebd., § 36. 490 Ebd., § 283.

Formale Regeln

231

oder aber auf deren Vorteile für die Förderung des Gemeinen Berg­baunutzes einzugehen, betont er vielmehr, dass das Verhalten von Amtsträgern keinen Argwohn oder Verdacht unter den Gewerken erregen solle, damit diese nicht dem Berg­„scheu“ gemacht werden, also ihr Geld aus dem Berg­bau abziehen. In Anbindung an den Topos des Gewerken, der sein Geld aus dem Berg­bau abzie­ hen könnte, sieht Bogner also das regelkonforme Verhalten von Amtsträgern ex negativo als vertrauensbildende Maßnahme. Dabei geht es Bogner jedoch weni­ ger um die gezielte Täuschung oder die absichtliche Irreführung der Gewerken, sondern grundsätzlicher um die Thematisierung des besonderen Verhältnisses zwischen der Verwaltung und ihrer sozialen Umwelt vor dem Hintergrund eines Vertrauens- bzw. genauer Misstrauensdiskurses. Diese Art von Vertrauens- und Misstrauensdiskurs findet sich nicht in den überlieferten Bestallungsbriefen der mittleren Berg­verwaltung. Diese zielen, wie bereits erwähnt, eher auf das Dienstverhältnis zwischen Landesherrn und Amtsträger ab denn auf das Ver­ hältnis zwischen Umwelt und Berg­verwaltung.491 Anders sieht es hingegen bei den Berg­ordnungen aus, die einen anderen rhetorischen Zugang als die Gewohnheitsrechte wählen: Von Misstrauen und Argwohn wird in ihnen überhaupt nicht gesprochen. Während Bogner deut­ lich macht, dass das regelkonforme Verhalten der Amtsträger und die Art der Regeln durch die Abwehr von Misstrauen selbst der Vertrauensbildung dienten, formulierten die Berg­ordnungen einen anderen Zweck. Sie repräsentierten vor allem, dass der Berg­bau auf nachvollziehbaren, sachlichen und nicht personenge­ bundenen Prämissen basiert. Durch die detaillierte Beschreibung von Verfahren und deren performativer Inszenierung von Sicherheit (worauf an späterer Stelle zurückzukommen ist), durch die Beschreibung der Rechte, aber auch Pflichten von Amtsträgern, durch die Beschwörung der Kontrollmechanismen gegenüber Amtsträgern und nicht zuletzt durch die Hervorhebung der Schriftgebunden­ heit von Verwaltung inszenieren die Berg­ordnungen symbolisch die Sachge­ bundenheit von Verwaltung. Dass ihre Funktion also nicht zuletzt auch darin bestand, Vertrauen in die Berg­verwaltung zu generieren, legten sie allerdings weit weniger deutlich offen als etwa Bogners Sammlung der Gewohnheitsrechte. Berg­ordnungen sind also weniger Spiegelbilder der Berg­verwaltung, son­ dern vielmehr Teil einer Schauseite, die die Berg­verwaltung gegenüber ihrer institutionellen Umwelt etablierte. Sie sind somit hervorragende Quellen für die Geschichte der sächsischen Berg­verwaltung, denn sie geben einen Einblick 491 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen Nr. 0173, passim.

232

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

in die Mechanismen, wie unter den Bedingungen des vormodernen Berg­baus Vertrauen produziert werden konnte oder mindestens: sollte. Was bedeutet dies für die Frage nach Formalisierungsprozessen? Zunächst einmal, dass formale Regeln eine weitere ‚Schicht‘ von Formalisierungsprozes­ sen darstellen. Mindestens im Selbstverständnis der Akteure bildeten sie aber dessen harten Kern. Formale Regeln dienten der Stabilisierung von Verhaltens­ erwartungen, aber, wie im Fall der Berg­ordnung gezeigt wurde, fokussierten sie auf eine bestimmte Repräsentation von Verwaltung, um Systemvertrauen zu generieren. Formale Regeln sind jedoch nicht generell synonym zu setzen mit Formalisierung, sondern stellten neben der Ausbildung einer formalen Struktur, die auf Mitgliedschaft basierte, einen weiteren Aspekt dar, der Formalisierung prägte. Noch einmal in eine dritte Richtung weist die Praxis mit ihren Routinen, die ebenfalls entscheidende Formalisierungsimpulse setzte.

3. Administrative Praktiken

Die Berg­verwaltung basierte nicht nur auf Mitgliedschaftsbedingungen oder formalen Regeln, sondern konstituierte sich im Alltag im Wesentlichen durch Praktiken: Amtsträger schrieben Berichte, sie visitierten Gruben, schrieben Rechnungen und interagierten im Rahmen formaler Verfahren mit Gewerken und Vertretern des Landesherrn. Nur ein Bruchteil dessen, was Amtsträger täg­ lich taten, wurde dabei auch bergerechtlich geregelt. Der weitaus größere Teil von Verwaltungspraxis basierte auf nicht schriftlich fixierten Routinen oder routine­mäßig ablaufenden Praktiken. Unter Routinen verstehe ich mit Ulla Kypta „selbststrukturierte und strukturierende Prozesse“, die hauptsächlich auf dem „impliziten Wissen der Akteure beruhen und wiederholt werden, ohne darüber zu reflektieren“.492 Administrative Praktiken als Routinen werden daher im Anschluss an die jüngeren Arbeiten zur ‚Praxeologie‘ hier nicht als einmalige Handlung, sondern als ein „typisiertes, routinisiertes und sozial ‚verstehbares‘ Bündel von Aktivitäten“ verstanden, wozu sowohl körperliches als auch sprach­ liches Handeln (Doings und Sayings) und auch der Umgang und der Einbezug von Objekten zählt.493 Es geht also bei der Untersuchung von Praktiken nicht um das einzigartige und einmalige Handeln (und auch nicht um die mentalen Intentionen, die ihm anscheinend zugrunde liegen), sondern um Routinen, die auf implizitem und geteiltem Wissen basieren und sich in einem Ensemble aus Körpern und Dingen abspielen. Durch routinemäßige Praktiken wird, so eine der Grundannahmen der Praxeologie, soziale Wirklichkeit geschaffen. Praktiken stellen, so etwa Andreas Reckwitz, eine „relative Strukturiertheit, Verstehbar­ keit und ‚Geordnetheit‘ der Sozialwelt“ her, die sich „aus dem Routinehandeln“ ergibt, „das durch ein implizites praktisches Wissen und Verstehen ermöglicht wird“.494 Um Verwaltungen zu verstehen, ist es daher sinnvoll, sie auch in ihrem praktischen Alltagsgeschäft zu beobachten. 492 Kypta: Autonomie der Routine, S. 12. 493 Schatzki: The Site of Social, S. 70–73; Füssel: Praxeologische Perspektiven, bes. S. 26. Wichtige Impulse für die Praxeologie kommen von Reckwitz: Grundelemente. Einen Einstieg in die Vielfalt praxeologischer Ansätze und ihren Nutzen für die Geschichtswis­ senschaft liefert Brendecke: Von Postulaten zu Praktiken, bes. S. 15; Freist: Diskurse, Körper, Artefakte; Haasis/Rieske: Historische Praxeologie. 494 Reckwitz: Grundelemente, S. 289.

234

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Routinen in diesem Sinne haben, so die Ausgangsüberlegung dieses Kapitels, Folgeeffekte für die Formalisierung von Verwaltungsstrukturen: Amtsträger müssen nicht jedes Mal von vorne klären, wie die rechte Art der Anrede von höhergestellten Personen ist, wie sie sich in der Amtsstube oder vor Publikum zu verhalten haben. In ihrer Regelhaftigkeit und Gleichförmigkeit machen auch Routinen gewisse Handlungen wahrscheinlicher als andere und strukturieren somit Erwartungshaltungen. Während Formalisierung üblicherweise den Fokus auf das „Explizitmachen sozialer Regeln“ legt, die zu einer Stabilisierung von Erwartungshaltungen führt, ist im Falle von Routinen gerade das implizite Wissen entscheidend. Eine Routine allein macht noch keine Formalstruktur, aber sie begünstigt Standardisierung und die Ausbildung stabiler Verhaltens­ erwartungen.495 Zugleich sind Routinen, so die zweite Überlegung, gerade weil sie nicht schriftlich fixiert worden sind, dynamischer an sich verändernde Umweltbe­ dingungen anpassbar. In diese Richtung zielen die Befunde der Arbeit von Birgit Näther am Beispiel der bayerischen Visitationsverfahren zwischen 1574 und 1774.496 Dabei geht sie von einem dialogischen Verhältnis zwischen Norm und Routinepraxis aus. Mittelbehörden hätten über Jahre hinweg die Routinen den praktischen Erfordernissen angepasst und en passant neue Verfahrensziele etabliert, was sich in einer veränderten administrativen Schriftlichkeit nieder­ geschlagen habe. Die Mittelbehörden agierten dabei nach einer Art ‚Baukas­ tensystem‘, das bereits etablierte Verfahrenselemente aufgriff und situativ gemäß den sich verändernden Verfahrenszielen weiterentwickelte. Routinen sind also nicht nur in der Lage, Praktiken zu stabilisieren, sondern besitzen auch Verän­ derungspotenzial. Statt also normative Regel und Routinepraxis gegeneinander auszuspielen, ist vielmehr von einem dialogischen Verhältnis auszugehen. Dass wesentliche Teile der Verfahren auf Routinen basierten, ist nach Näther ein Strukturmerkmal administrativer Praxis und nicht etwa Ausdruck einer „Notlö­ sung auf Grund eingeschränkter landesherrlicher Möglichkeiten der Kontrolle und Durchsetzung“ oder aber das „Ergebnis ‚mangelhafter‘ Normsetzung, bei der Oberbehörden das Ausarbeiten ‚vollständiger‘ Vorgaben erst noch lernen mussten“.497 Vielmehr handele es sich um eine „Methode der Arbeitsteilung, des 495 Vgl. Luhmann: Zum Lob der Routine, wenngleich Luhmann hier vor allem gegen moderne Managementkonzepte argumentiert, die in Routinen eher ein Übel denn einen funktionalen Bestandteil von Organisationen sehen. 496 Näther: Normativität des Praktischen, bes. S. 97. 497 Näther: Pragmatismus, S. 40.

Administrative Praktiken

235

Delegierens und des Pragmatismus“, die einen Einblick darin bieten kann, was nach „zeitgenössischer Auffassung als ‚rational‘ organisierte Verwaltungsarbeit“ gelten könne.498 Eine etwas andere Perspektive nimmt Ulla Kypta am Beispiel der Entstehung des englischen Exchequers im 12. Jahrhundert ein. Nach Kypta sind es ganz grundsätzlich Routinen, nicht Intentionen einzelner Akteure, die zu Organisationsbildung führen.499 Es ist wohl unbestritten, dass Routinen wichtige Bestandteile von Verwal­ tungen sind. Zugleich ergeben sich vor dem Fragehorizont dieser Arbeit auch einige offene Fragen. Es wurde bereits gezeigt, dass die normative und/oder schriftliche Regelung nur eine Dimension oder genauer Schicht von Formalisie­ rungsprozessen darstellt. Unklar bleibt jedoch, in welchem Verhältnis Routinen zu Formalisierungsprozessen stehen. Ist mit Ulla Kypta davon auszugehen, dass allein Routinen die Basis von Formalisierung sind und zu Organisationsbildung führen? Muss zwischen Routinen und einem weiter gefassten Praktikenbegriff in Bezug auf Formalisierungsgrade unterschieden werden? Ist jede Praktik, ver­ standen als routinemäßiges Handeln, zugleich auch Teil von Formalisierungs­ prozessen und wenn ja, welche Folgen ergeben sich daraus? Diesen Fragen soll im Folgenden anhand zweier großer Themenfelder nachgegangen werden, dem breiten Feld der Informationserhebung, -dokumentation, und -evaluation einer­ seits und administrativen Verfahren andererseits.

3.1 Informationserhebung und -dokumentation 3.1.1 Pragmatische Schriftlichkeit: Amtsbücher im Berg­bau Eine der Kernaufgaben der Berg­verwaltung war das Führen, Kontrollieren und Aufbewahren thematisch unterschiedlicher Amtsbücher durch dazu ver­ ordnete und spezialisierte Amtsträger. Diese Art von Schriftlichkeit wird übli­ cherweise als ‚pragmatische‘ Schriftlichkeit bezeichnet.500 Grüne, schwarze und 498 Ebd., S. 40. 499 Vgl. Kypta: Autonomie, S. 302. 500 Der Begriff pragmatische Schriftlichkeit geht auf den Münsteraner Sonderforschungsbereich 231 (Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter) zurück. Darunter werden jene Bereiche der Schriftlichkeit verstanden, die unmittelbar „zweckhaftem Handeln dienen oder menschliches Tun und Verhalten durch die Bereitstellung von Wissen anleiten wollen“, vgl. hierzu Keller: Pragmatische Schriftlichkeit, S. 1. Ulla Kypta bemerkt, dass Studien zur pragmatischen Schriftlichkeit zwar die „performative Kraft“ von Verschriftli­

236

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

rot eingebundene Foliobände gehörten neben gebundenen Aktenkonvoluten, Quittungen und Kerbhölzern in Schränken, Laden und verschlossenen Kisten zum üblichen Inventar der Berg­amtsstuben.501 Über beinahe alle Vorgänge des Berg­baus wurde Buch geführt, beginnend bei den Namen der Gewerken und ihren Anteilen an den Zechen über die Fristen und Verträge eines Reviers, die Dokumentation der Mutung und der Verleihung neuer Grubenfelder bis hin zur Abrechnung der Betriebskosten einer Zeche oder der Löhne von Berg­beamten.502 Wenn für diese Art von Quellen hier der Begriff des Amtsbuches gebraucht wird, dann ist das als reine Ordnungskategorie zu verstehen und birgt eine gewisse terminologische Unschärfe in sich.503 In der Praxis landesherrlicher Verwaltungen findet sich gerade für den Berg­bau eine Vielzahl unterschiedlicher Amtsbücher: vom Berg­buch über klassische Rechnungsbüchern wie das Rezessbuch bis hin zu Berg­belehnungsbüchern, Schuld- und Fristbüchern oder Gegenbüchern, so dass der Begriff des Amtsbuches angesichts der Vielfalt an Medien recht schwammig bleibt. Zugleich ist der Begriff jedoch geeignet, um jenen Bereich der Schriftpro­ duktion in Verwaltungen zu bezeichnen, der im Unterschied zu Akten weniger verwaltungsintern als Gedächtnisstütze diente, sondern auf die systematische und fortlaufende Erfassung von Informationen im geschlossenen Medium des Buchs zielte, und zwar mit rechtsbindendem Charakter.504 chung konstatieren, dennoch häufig eine Differenz zwischen dem Objekt der Schriftlich­ keit und dem Prozess des Verschriftlichens aufmachen. Vgl. Kypta: Die Autonomie der Routine, S. 23. 501 Vgl. Inventar der Berg­amtstube Berg­g ießhübel 1583, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32465, Rep. 20, Pirna, Nr. 0012. 502 Vgl. allgemein hierzu Czaya: Der Silberbergbau, S. 85. Ein Überblick über vormoderne montanwirtschaftliche Rechnungsbücher auf Grundlage diverser Berg­ordnungen des 16. Jahr­ hunderts findet sich hier: Art. Berg­buch, in: Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, S. 71–72. Veith nennt folgende Bücher: Schürfbuch, Frist- und Steuerbücher, Muth-, Verleih- und Bestätigungsbücher, Vertragsbuch, Rezessbuch, Gegenbuch, Retardatbuch, Vermess- oder Erbbereitungsbuch, Austeiler- oder Ausbeutbuch, Arrest- und Kummerbuch. Hinzu kamen noch die Abrechnungen der Zechen, der Hütten, der Kohlenlieferungen und nicht zuletzt des Zehnten. 503 Siehe hierzu Wild: Amtsbücher; Pätzold: Amtsbücher des Mittealters, bes. S. 92–98, sowie Hochedlinger: Aktenkunde, S. 33–35. Nach Pätzold sind Amtsbücher „aus Lagen bestehende, buchförmige Kompositionen von Einträgen, die im Zuge verwaltender oder rechtserheblicher Tätigkeiten von Provenienzstellen entstanden sind, die zumindest an­ satzweise institutionalisiert und mit herrschaftlichen Rechten ausgestattet sind“. Pätzold: Amtsbücher, S. 98. 504 Zur Unterscheidung von Amtsbüchern und Akten siehe Hochedlinger: Aktenkunde, S. 33–38.

Administrative Praktiken

237

Administrative Schreibpraktiken und Formen der Informations- und Wissens­ speicherung in Verwaltungen stehen in jüngerer Zeit vermehrt im Mittelpunkt der Forschung.505 So plädiert etwa Markus Friedrich am Beispiel der jesuitischen Ordenskommunikation dafür, Bürokratie als eine auf „Wissensbestände und Kommunikationspraktiken abhebende […] schriftbasierte Herrschaftsform“ zu begreifen.506 Kennzeichen hierfür sind, dass erstens „einzelne Aufgaben sachlich voneinander unterschieden und in vorhersehbaren Routinen behandelt werden, wobei zweitens spezifische Wissensformen benötigt und in spezifischen Doku­ menttypen kommuniziert werden, deren Unterscheidung drittens parallel zu den sachlich abgegrenzten Aufgabenbereichen erfolgt […]“.507 Die Erhebung und Evaluation von Information wird nicht so sehr funktionalistisch als Mittel zur Effizienzsteigerung der Verwaltung begriffen, sondern als kommunikativer Prozess.508 Um ein besseres Verständnis für die Funktion dieser Form pragmatischer Schriftlichkeit und der ihr korrespondierenden Routinepraktiken zu erhalten, ist es wichtig, nicht nur auf die Tradition der Verwaltungshistoriographie zu blicken, sondern auch die Impulse der anglo-amerikanischen Accounting Studies mit einzubeziehen, die sich intensiv mit der Frage nach der Funktion von Zahlen, Rechnungen und Rechentechniken vor allem in vormodernen Han­ delskontexten beschäftigt haben. Deren Diskussionen weisen in eine ähnliche Richtung wie die Arbeiten von Friedrich oder auch Arndt Brendecke.509 So betont etwa Peter Miller: 505 Vgl. Friedrich: Der lange Arm Roms, S. 18, Anm. 21 mit weiterführender Literatur. Ein­ schlägig etwa Spittler: Wissen. Vgl. zudem Brendecke: Imperium; ders. u. a. (Hg.): Information; Pohlig: Marlboroughs Geheimnis; Williams: Zu Notdurfft der Schreiberey; dies., Unfolding Diplomatic Paper. Einen allgemeinen Überblick über Techniken, Akteure und Institutionen der Wissensproduktion, -distribution und -evaluation in unterschiedli­ chen sozialen Feldern liefert Burke: Papier und Marktgeschrei. 506 Friedrich: Der lange Arm Roms, S. 20. 507 Ebd., S. 20. 508 Unter Information kann dasjenige verstanden werden, „was an Repräsentationen der Welt in Hinsicht auf eine Aufgabe verfügbar ist“. Diese Definition orientiert sich an der durch Peter Burke eingeführten Unterscheidung zwischen Wissen und Informationen, wonach In­ formationen „roh, spezifisch, praktisch“ sind, während Wissen das „gedanklich Verarbeitete oder Systematisierte“ oder auch „das Gekochte“ ist. Burke: Papier und Marktgeschrei, S. 18. Siehe hierzu auch Brendecke u. a.: Information als Kategorie, S. 16. Kritisch in Bezug auf eine künstliche Unterscheidung zwischen Information als Substrat und Wissen als „Produkt systematischer Wirklichkeitsaneignung“ ist Behrisch: Zu viele Informationen, S. 456. 509 Dass Accouting mehr als langweilige Geschichten über „‘awesome accountants’, ‘barmy

238

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Accounting can now be seen as a set of practices that affects the type of world we live in, the type of social reality we inhabit, the way in which we understand the choices open to business undertakings and individuals, the way in which we manage and organize activities and pro­ cesses of diverse types, and the way in which we administer the lives of others and ourselves.510

Es reiche nicht aus, sich isoliert mit dem Endprodukt und den in Büchern und Registern gespeicherten Informationen zu beschäftigen.511 Eine Rechnung etwa kann nicht losgelöst von den ihr zugrunde liegenden Ordnungssystemen oder den Kontexten der Herstellung betrachtet werden. Sie ist vielmehr „shaped by its environment but also feeds back into shaping the world in which it opera­ tes“.512 Form, Inhalt und Medium der Buchhaltung stehen in einem dynami­ schen Verhältnis zwischen „making, using and keeping“ (Michael Clanchy), also zu Praktiken des Schreibens, der Nutzung und schließlich des Archivierens.513

bookkeepers’, ‘calamitous cashflows’ or ‘devilish depreciation’“ bereithält, betonen auch Edwards/Walker: Introduction, S. 2. Im angloamerikanischen Raum hat sich vor allem unter Basil S. Yamey ein eigener Forschungszweig der historischen Buchhaltungsforschung mit eigenständigen Publikationsorganen wie dem Accounting Historical Review oder dem Accounting History Journal herausgebildet. Seit den 1990er Jahren öffnet sich die historische Buchhaltungsforschung unter dem Einfluss von organisationssoziologischen Perspektiven und Fragestellungen stärker der Sozial- und Kulturgeschichte und fokussiert zunehmend Wahrnehmungen, Ordnungsmuster und nicht zuletzt Sinnstiftung durch Accounting. Nach Christopher J. Napier lassen sich zwei Ansätze innerhalb der Accounting Historiography unterscheiden. Neben einer stärker auf die Geschichte buchhalterischer Techniken und Praktiken ausgerichteten ‚History of Accounting‘ tritt eine eher auf die Wechselwirkung zwischen Accounting und Individuen, Organisationen oder genereller Gesellschaft abzielen­ der Socio-Historical Accounting Research. Vgl. Napier: Historiography. Siehe hierzu auch Napier: Accounts of Change. Einen guten Einstieg in den deutschen Forschungsstand seit dem 19. Jahrhundert bietet Mersiowsky: Die Anfänge, S. 22–35. 510 Miller: Accounting as Social and Institutional Practice, S. 1. 511 Rechnungen wurden in diesem Sinne häufig als Quellen für sozial-, wirtschafts- und nicht zuletzt alltagsgeschichtliche Fragestellungen herangezogen. Dabei wurden gespeicherte Daten als Grundlage zur Erforschung des Alltagslebens von Dörfern, Städten und Klöstern genutzt. Im Falle des Berg­baus wurden aus den überlieferten Berg­-, Zehnt- und Münzmeis­ terrechnungen Aussagen über die Produktions- und Arbeitsbedingungen der Berg­arbeiter ebenso gewonnen, wie sich Untersuchungen über die Fördermengen und Silberausbeuten im Wesentlichen auf Rechnungen stützen. Besonders deutlich wird dieser eher traditionelle Zugang zu Rechnungen im Berg­bau etwa bei Bartels: Betriebsmittelverbrauch. 512 Napier: Historiography, S. 32. 513 Vgl. hierzu auch Pohl: Einleitung, S. 10.

Administrative Praktiken

239

In Anlehnung an diese Überlegungen sind auch die Amtsbücher in der Berg­ verwaltung nicht als neutraler Spiegel wirtschaftlicher Prozesse zu begreifen. Vielmehr wurde durch das Einspeisen abstrakter Größen und Informationen wie Kuxbesitz, Schulden, Fördermengen und Arbeitskraft in unterschiedliche Medien nach spezifischen Ordnungssystemen aus diesen Informationen sozi­ ale Wirklichkeit.514 Durch Routinen und pragmatische Schriftlichkeit wurde eine soziale Wirklichkeit geschaffen, die in erheblichem Maße die Interessen der Gewerken berührte, da ihre Finanzen, Privilegien und Rechtstitel in den Rechnungsbüchern gespeichert waren. Damit standen medial die Amtsbücher und die mit ihnen verbundenen Praktiken exponiert an der Schnittstelle zwi­ schen Umwelt und Verwaltung. In diesem Sinne interessiert hier weniger das Buch als Ergebnis, sondern die in ihm dokumentierten Praktiken pragmatischer Schriftlichkeit. Das Führen von Amtsbüchern war eng an die Materialität des Mediums gebun­ den. Jede Form von Buchführung, und gleiches gilt auch für Amtsbücher, hat nach Franz-Josef Arlinghaus das Problem zu bewältigen, dass das Medium Buch in sich geschlossen und damit nur bedingt offen für Erweiterungen ist. Medien, so Arlinghaus, sind „keine flexible Knetmasse“.515 Vielmehr durchlaufen münd­ liche Mitteilungen und Erinnerungen Veränderungen bei der Übertragung in das Medium Schrift. Letztlich geht es immer um die Frage, wie unregelmäßige neue Datenbestände in ein starres Medium wie das Buch übertragen werden können. Die Verwendung von buchhalterischen Techniken wie etwa die Nut­ zung von Registern, die Technik des Platzlassens und Durchstreichens, aber auch die Verwendung von nach Funktionen unterschiedenen und aufeinander bezogenen Rechnungsbüchern und Notizzetteln bot eine Möglichkeit, mit die­ ser Beschränkung umzugehen.516 Dadurch konnte das Verhältnis zwischen einer grundlegenden Inflexibilität des Mediums Buch einerseits und der Funktion der Speicherung und des Wiederauffindens von Informationen andererseits zumindest bis zu einem gewissen Grad austariert werden. Die Art und Anzahl der verwendeten Amtsbücher variierte von Berg­revier zu Berg­revier. Je nach Funktion wurden verschiedene Formate (vom Quart-, Schmalfolio- oder Folioformat bis hin zum unhandlichen Überformat) ver­ wendet, die auf jeweils unterschiedliche chronologische, thematische und/oder 514 So etwa Brakensiek am Bsp. Hessen-Kassels: Brakensiek: Verwaltungsgeschichte als All­ tagsgeschichte, bes. S. 280. 515 Arlinghaus: Die Bedeutung des Mediums „Schrift“, S. 253. 516 Vgl. ebd., S. 253 ff.

240

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

alphabetische Ordnungssysteme zurückgriffen. Die Bücher konnten in unter­ schiedlichen Farben gebunden sein, was vermutlich auch der einfacheren Unter­ scheidung für den Schreiber diente. Das Inventar des Berg­amts Berg­g ießhübel etwa listet ein schwarzes, ein weißes, zwei grüne und ein rotes Buch auf, wobei für das weiße Berg­buch zusätzlich auf vorhandene „Clausturen“ (gemeint sind Clausuren, also Buchschließen) hingewiesen wird.517 Es ist jedoch im Detail schwer, das genaue Aussehen der Bücher zu rekonstruieren, da die meisten über­ lieferten Rechnungsbücher im Laufe der Zeit neu gebunden wurden und damit nicht mehr ihren ursprünglichen Einband aufweisen.518 Erschwerend kommt für das 16. Jahrhundert die fragmentierte Überlieferung von Amtsbüchern hinzu. 3.1.1.1 Das Berg­buch In jedem Berg­amt finden sich die sogenannten Berg­bücher oder auch Berg­ belehnungsbücher.519 Der Begriff Berg­buch ist zeitgenössisch doppeldeutig und bezeichnet als Sammelbegriff zum einen die Gesamtheit aller Amtsbücher 517 Siehe SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32465, Rep. 20, Pirna, Nr. 0012, Inventar des Berg­amtes Berg­g ießhübel 1583. Die Funktion von Buchschließen ist in der Forschung um­ stritten, wie Eike Barbara Dürrfeld in ihrer erschöpfenden Dissertation zur Historiographie von vormodernen Buchschließen in Gebrauchseinbänden herausgearbeitet hat. So ist unklar, ob Buchschließen technisch das „Sperren“ von Büchern verhindern sollten oder rein dekora­ tive Zwecke hatten. Nach Dürrfeld ist jedoch nicht davon auszugehen, dass Buchschließen die Abgeschlossenheit des Buches symbolisch markierten, wenngleich sie die Begründung für diese Position schuldig bleibt. Vgl. Dürrfeld: Die Erforschung der Buchschließen, bes. S. 142 f. 518 Siehe hierzu ebd., S. 31. 519 Siehe hierzu auch Laube: Silberbergbau, S. 56. Das Vorhandensein eines Berg­buches wird bereits in § 1 der ersten Berg­ordnung außerhalb der Pflege Freiberg von 1466 erwähnt. Vgl. Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für die Berg­werke außerhalb der Pflege Freiberg, Meißen, 14. April 1466, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 73–77. Überlieferte Berg­bücher finden sich für Schneeberg: SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schnee­ berg, Nr. 1319 (Berg­belehnungsbuch Schneeberg 1509–1513 R); SächsStA-F, 40015 Berg­ amt Schneeberg, Nr. 1322 (Berg­belehnungsbuch 1540–1545); SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1292 (Berg­belehnungsbuch 1564 T–1569); SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1320 (Berg­belehnungsbuch, Steuer-, Nachlassungs- und Fristbuch 1513– 1514); SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1309 (Vermessbuch, Buch der verstuften Stollnörter und Markscheidestufen, Vorstandbuch der Grubenbeamten, Vorstandbuch der verordneten Berg­beamten, Buch der angenommenen Erbkuxe, 1597–1632); SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1283 (Berg­belehnungsbuch, Schieds- und Kontraktbuch 1533–1536); SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1284 (Berg­belehnungsbuch, Buch

Administrative Praktiken

241

eines Berg­amts.520 Zugleich bezog sich der Terminus im engeren Sinne auf die Mut-, Verleih- und Bestätigungsbücher, also eine besondere Form von Amts­ büchern, die zeitgenössisch ebenfalls als Berg­bücher oder konkreter als Berg­ belehnungsbücher bezeichnet wurden. In ihnen wurden in aller Regel, nach Verleihtagen geordnet, die Verleihungen von Fundgruben, Zechen, Stollen, Maßen oder Berg­g ebäuden im Revier durch den Berg­meister und/oder den Berg­schreiber notiert. Darüber hinaus konnten in diesen Büchern aber auch Urkunden, Kauf- und Schuldsachen oder Steuern und Fristen, die einzelnen Zechen gewährt wurden, vermerkt werden. In Berg­büchern wurden also sehr unterschiedliche rechtsrelevante Informati­ onen gespeichert. In jedem Berg­buch findet sich die Dokumentation der Verlei­ hung von Grubenfeldern. Die Verleihung fand im Rahmen eines Verfahrens statt, dessen Ablauf in den Berg­ordnungen überaus detailliert reglementiert wurde. In der Berg­ordnung von 1554 heißt es, dass der Berg­schreiber am Verleihtag im Beisein des Berg­meisters und der Geschworenen nach Vorlage der Mutzettel die Verleihungen in das Berg­buch schreiben solle. Dabei solle er notieren, wann die Mutungen geschehen, auff was Gengen odder klüfften, vnd auf welchen Tag auch weme, wie, vnd mit welchem Unterschied vorliehen ists, dess auch dem Auffnehmer, wie es eingezeichnet wirdt, vorzeichnüs geben, vnd sollen zu nawen, sonderliche des gleichen zu den alten Zechen, auch sonderlich Buch halten, Inn Auffnemmung der Alten Zechen, sol­ len die Berckschreiber eigentlich neben andern, wie oben berurt, zeichenen, durch welche Geschwornen, die Zeche frey beweist ist.521

der verstuften Stollnörter, Vermeßbuch 1530–1533). Für Freiberg siehe SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. Ü4281 (Berg­belehnungsbuch Freiberg, Januar 1553–Juli 1561). Für Geyer siehe SächsStA-F, 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 256 (Berg­buch des Berg­amtes Geyer 1577–1583); SächsStA-F, 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 253 (Berg­buch des Berg­amtes Geyer 1558–1568); SächsStA-F, 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 265 (Berg­buch des Berg­amtes Geyer 1529–1540); SächsStA-F, 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 257 (Berg­buch des Berg­amtes Geyer 1583–1595); Altenberg zusammen mit Berg­g ießhübel und Glashütte vgl. SächsStA-F, 40006 Berg­amt Altenberg (mit Berg­g ießhübel und Glashütte), Nr. 1092 (Berg­buch Nr. 1, 1526–1566). 520 Art. Berg­buch, in: Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, S. 71–72. Diese Vielfalt an vormoder­ nen Rechnungsbüchern wurde, so Veith, erst mit der neueren deutschen Berg­gesetzgebung wie dem Preußischen Berg­g esetz von 1865 reduziert. Die Berg­bücher sind ihren Inhalten nach vergleichbar mit Stadtbüchern. Vgl. hierzu etwa Kintzinger: Art. Stadtbücher. 521 Berg­ordnung 1554, § 11.

242

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Dass gerade die Verleihung gesteigerte Aufmerksamkeit in den Ordnungen erhielt, erklärt sich aus der herausgehobenen Bedeutung dieses Rechtsakts. Auf der Verleihung von Grubenfeldern basierte, um es zuzuspitzen, die soziale, wirt­ schaftliche und rechtliche Ordnung des Berg­baus. Die herausgehobene Stellung der Verleihung zeigt sich etwa an dem in Freiberg durchgeführten sogenann­ ten Erbbereiten.522 Dieses vor allem im 16. und 17. Jahrhundert übliche Ritual diente der genauen Vermessung eines Grubenfeldes von ‚erbwürdigen‘ Zechen. Das Erbbereiten wurde in Gegenwart städtischer Honoratioren und den Berg­­ amtleuten durchgeführt und von kostspieligen Feierlichkeiten begleitet. Auch hier wurde die herausgehobene Bedeutung des Verfahrens durch die kunstvolle Ausgestaltung des entsprechenden Erbbereitungsbuchs unterstrichen. Ein aus dem 17. Jahrhundert überliefertes Erbbereitungsbuch aus Freiberg hat einen prächtigen Ledereinband mit Metallbeschlägen und Goldverzierungen. Auf der Frontseite finden sich sowohl das kurfürstliche Wappen als auch die Initialen B A F (Berg­amt Freiberg).523 Das Einschreiben des Datums, der Uhrzeit und der Namen der Zeugen in das Berg­buch war neben der physischen Gegenwart der Zeugen konstitutiver Bestandteil des Rechtsakts der Verleihung. Dem Berg­belehnungsbuch oder Berg­buch kam im Rahmen der Verleihung eine exponierte Funktion zu, denn erst durch das Einschreiben des Lehenträgers durch den Berg­meister in das Berg­­buch in Gegenwart von Zeugen war die Verleihung auch rechtlich bindend. Neben der memorativen und rechtlichen Funktion der Berg­bücher muss ihre performative und schließlich auch materielle Dimension betrachtet werden. Während die Abrechnungen der Zechen in einfachen papiernen Heften ohne weitere Verzierungen oder mit einem schlichten „Laus Deus“ überschrieben im platzsparenden Schmalfolioformat erstellt wurden, wurden die Berg­bücher zum Teil in aufwendig dekorierten Büchern mit Pergament- oder Ledereinbänden und Buchschließen im Folioformat geführt.524 Das 1553 begonnene Freiberger Berg­belehnungsbuch etwa hatte einen mit Stempeln geprägten Einband und 522 Vgl. hierzu Kaden: „Rechtsweisung“; Clauss/Kube: Freier Berg­und vermessenes Erbe, bes. S. 50 ff. 523 SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 355. Vgl. hierzu auch: Das Erbbereiten – ein alter Rechtsbrauch beim Berg­bau, online verfügbar unter https://www.augias.net/ 2017/05/16/8759, letzter Zugriff: 17.09.2020. 524 Dass auch Listen durchaus einen dekorativen Charme entwickeln konnten, zeigt sich an dem auffallend hübsch aufgemachten Verlegebüchlein Anna von Sachsens. Dieses wurde durch Michel Schönleben von 1573 bis 1581 angefertigt und notierte ihre Berg­teile, ihre Zubußen und ihre Ausbeuten. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Rechnung, sondern um einen

Administrative Praktiken

243

zusätzlich Buchschließen und markierte zudem mit seiner aufwendigeren Titelb­ lattgestaltung den Sonderstatus dieses Buchs. Neben einem „Laus Deo Honor et Gloria“ in fett geschriebenen Kapitalen verzierte der Berg­schreiber Chris­ toph Meischel das Deckblatt mit einem vermutlich von ihm selbst verfassten lateinischen Gedicht, in dem er das Verhältnis von Hoffnung und menschlichen Mühen thematisierte.525 Doch auch über die repräsentative Ausgestaltung des Buchs hinaus war das Führen von Amtsbüchern an die Materialität des Schreibträgers gebunden. In den Berg­büchern wurden am wöchentlichen Verleihtag, in aller Regel am Mitt­ woch, neue Einträge hinzugefügt, wodurch eine fortlaufende chronologische Systematik vorgegeben wurde. Dieses Ordnungssystem bot zwar genügend Platz für neue Einträge, aber das Auffinden konkreter Informationen zu Zechen oder einzelnen Gewerken war schwierig. Um diesen Nachteil auszugleichen, wurden den Berg­büchern häufig Register beigefügt, die die Orientierung erleichterten.526 Ein Register konnte etwa als einfaches alphabetisches Namens- und Sachregis­ ter auftreten, in dem die Namen von Gewerken oder des Reviers verzeichnet wurden. Zur besseren Übersicht konnten auch vorangestellte Daumenregister, stufenförmige Ausschnitte mit den Buchstaben des Alphabets, die Nutzung erleichtern. Ein besonders elaboriertes Beispiel ist das Doppelregister des Frei­ berger Berg­belehnungsbuchs, das ein alphabetisch sortiertes Daumenregister mit den Namen der Zechen an den Beginn des Buches stellte und zudem ein Nachweis der Verlegertätigkeit Michel Schönlebens, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/04, fol. 120a–124/1; fol. 293a. 525 SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. Ü4281, fol. 1a. 526 Die überlieferten Freiberger Berg­bücher haben alle ein Register. Vgl. ebd.; vgl. SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4409 (Berg­belehnungsbuch Freiberg 1561–1567); vgl. Sächs­ StA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4412 (Berg­belehnungsbuch Freiberg 1583–1586); in Geyer wurden keine Register verwendet, dafür jedoch ermöglichten Markierungen am Rand eine einfache Durchsuchung der Einträge, vgl. SächsStA-F, 40011 Berg­amt Geyer (mit Eh­ renfriedersdorf ), Nr. 256 (Berg­buch des Berg­amtes Geyer 1577–1583). In Schneeberg wie­ derum wurde ein eigenes Registerbuch für die Berg­bücher angelegt, das sogenannte ‚grüne Berg­buch Nr. 1‘, vgl. SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1385. In den Schneeberger Berg­büchern selbst finden sich zum Teil aber zusätzliche Register, siehe etwa SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1283 (Berg­belehnungsbuch, Schieds- und Kontraktbuch 1533–1536) oder SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1322 (Berg­belehnungsbuch 1540–1545). Zum Teil finden sich in Schneeberg aber auch Bücher ohne Register, vgl. etwa SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1292 (Berg­belehnungsbuch 1564 T–1569); SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1278 (Berg­belehnungsbuch 1499–1503) oder SächsStA-F, 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1319 (Berg­belehnungsbuch 1509–1513 R).

244

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

zweites, ebenfalls alphabetisch sortiertes Register mit den Namen einzelner Gewerken am Ende des Buches verwendete.527 Die Verwendung von Registern war eine etablierte buchhalterische Praktik, die in zahlreichen Traktaten des 16. und 17. Jahrhunderts beschrieben wurde.528 Die verwendeten Techniken und Ordnungssysteme orientierten sich an der jeweiligen Funktion des Amtsbuches. Während das Berg­buch chronologisch nach den Verleihungen sortiert war, verwendeten die Gegenbücher, in denen die Verteilung von Kuxen in den Zechen dokumentiert und aktualisiert wurde, eine alphabetische Systematik.529 In ihnen hielt der Gegenschreiber alphabetisch sor­ tiert die Namen der Zechen mit den Gewerken und ihren Anteilen fest. Durch Ausstreichungen, Techniken des Platzlassens und Hinzufügungen konnte der sich verändernde Kuxbesitz einzelner Gewerken fortlaufend aktualisiert werden. Die Rezessbücher hingegen, die auf den vierteljährlichen Berg­rechnungen basierten und durch den Rezessschreiber geführt wurden, waren chronologisch sortiert und strukturierten Informationen in tabellarischer Form.530 Sie dokumentierten die Ausbeuten, Zubußen, Vorräte, Schulden, die Silberproduktion und Löhne der Schichtmeister aller Zechen eines Reviers nach Quartalen sortiert.531 Auch hier zog man zur besseren Auffindbarkeit eine alphabetische Substruktur (nach Zechen geordnet) ein. Form, Inhalt und Ordnung der Buchhaltung waren somit eng an die Materialität der Bücher gebunden. Ebenfalls mit der Materialität der 527 Für den freundlichen Hinweis auf das Doppelregister danke ich Herrn Dr. Peter Hoheisel. Vgl. SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. Ü4281 (Berg­belehnungsbuch 1553–1561). 528 Nach Basil S. Yamey stand die Verwendung von Registern im Spannungsfeld von Zeit, Aufwand und vor allem Papiereinsparung. Siehe hierzu Yamey: The Index to the Ledger, S. 419–425. Bereits der ‚Erfinder‘ der doppelten Buchführung, Luca Pacioli, empfielt die Verwendung eines alphabetischen Registers, vgl. Lauwers/Willekens: Five Hundred Years of Bookkeeping, S. 296. 529 Gegenbücher sind leider kaum überliefert, einen Eindruck vermittelt jedoch das überlieferte Gegenbuch des Berg­amts Oberwiesenthal. Vgl. SächsStA-F, 40014 Berg­amt Scheibenberg (mit Hohenstein, Oberwiesenthal, Lößnitz und Elterlein), Nr. 305 (Gegenbuch des Berg­ amtes Oberwiesenthal 1537–1553). 530 Die Rezessbücher sind die einzigen Rechnungsbücher im Berg­bau, die bereits im 16. Jahr­ hundert auf tabellarische Darstellungen zurückgriffen. Wie stark Listen und Zahlen als Herrschaftsinstrument im 18. Jahrhundert politische Funktionen wahrnahmen, betonen Behrisch: Politische Zahlen sowie Spittler: Abstraktes Wissen als Herrschaftsbasis. 531 Siehe SächsStA-F, Bestand 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. Ü1500; SächsStA-F, Bestand 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. Ü1502; SächsStA-F, Bestand 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. Ü1505; SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 2627; SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 2632.

Administrative Praktiken

245

Bücher verbunden ist ein weiterer Aspekt, nämlich die Frage nach der räumli­ chen Verortung administrativer Praktiken. 3.1.1.2 Die Amtsstube Verwaltung hat einen Ort – dies wusste schon Max Weber.532 Das Verfassen und Verwahren von Berichten, Amtsbüchern oder auch das Durchführen von Verfahren war an entsprechende Räume, Möbel und Objekte gebunden. Für die Untersuchung der räumlichen und materiellen Dimension der Buchhal­ tung stehen neben Rechnungen, Rechnungsbüchern und Berg­ordnungen auch vereinzelte Inventare zur Verfügung. Zudem lassen sich Aussagen über die Diensträume aus Bestallungen, Supplikationen und anderem administrativen Schriftgut extrahieren, die meist implizit Auskunft über den physischen Ort administrativer Praktiken geben. Idealiter verfügte das lokale Berg­amt über ein eigenes Berg­amtshaus oder ent­ sprechende Diensträume.533 Je nach Gegebenheiten konnten noch eine eigene Zehntkammer, ein Hüttenamt oder eine zusätzliche Anschnittstube534 sowie Räumlichkeiten für die Lagerung des Erzes oder eine Silberkammer hinzutreten.535 532 Vgl. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 552. 533 Vgl. hierzu den allgemeinen Überblick bei Kratzsch: Berg­städte des Erzgebirges, S. 78 ff. 534 In Freiberg war die Anschnittstube im 1545 erbauten städtischen Kaufhaus untergebracht, das neben der Anschnittstube auch Verkaufsstände einiger Innungen und vor allem den städ­ tischen Weinschank mit Ratstrinkstube, in der auch die Ratssitzungen abgehalten wurden, beherbergte. Vgl. Kasper/Wächtler: Geschichte der Berg­stadt Freiberg, S. 131 f. 535 Die Rekonstruktion der Lage und Anzahl der Diensträume und/oder ganzer Berg­amtsgebäude ist im Detail schwierig, da sich selten differenzierte Aussagen in der Literatur finden, wo welche Räume untergebracht waren oder wie sie konkret verwendet wurden. Für Annaberg ist davon auszugehen, dass sich die Zehntkammer ebenso wie die Anschnittstube in dem Berg­amtshaus am Rathaus befand, während für Marienberg eine eigene Anschnittstube in dem neu gebauten Knappschaftshaus belegt ist. Ob die Zehntkammer in dem Berg­amtshaus unterbracht war, ist ebenso unklar wie die Frage, wo sich in Freiberg vor 1580 die Zehnt­ kammer befunden hat. Da diese erst 1580 explizit in den Quellen namhaft gemacht wird, ist zu vermuten, dass entweder die Räume des Berg­amts mitgenutzt wurden oder aber die Zehntkammer in den Privaträumen des Zehntners untergebracht waren. Dass Diensträume in den Privathäusern von Amtsträgern untergebracht werden konnten, zeigt sich auch an der Münzwerkstätte in Schneeberg, die im Haus des Münzmeisters Funke untergebracht war, vgl. hierzu Kratzsch: Berg­städte des Erzgebirges, S. 78 ff. In Altenberg gab es ver­ mutlich ein eigenes Berg­amtshaus, in dem auch die Rechnungsbücher aufbewahrt wurden. Dies wird deutlich aus einem Bericht von Wolf von Schönberg von 1568, in dem er angibt, dass der alte (Berg­-)Amtsverweser „nun mehr das Ambtshaus schleunig reumen vnd dem

246

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Ob und wo diese Räume eingerichtet wurden, hing dabei von unterschiedlichen Faktoren ab: Neben der jeweiligen Bedeutung des Berg­reviers spielte wohl auch die Verfügbarkeit von Raum eine entscheidende Rolle. Während in den plan­ mäßig angelegten Berg­städten Annaberg und Marienberg die Berg­amtsstube zentral am Markt lag,536 war das Berg­amt in Schneeberg Teil des Rathauses.537 In Freiberg hingegen waren die Berg­amtsstube ebenso wie die Räumlichkeit des ‚Oberbergamts‘ und ab 1590 auch die Zehntstube im Schloss Freudenstein untergebracht.538 Diensträume mussten in erster Linie physischen Raum zur Verfügung stel­ len, um Schreibmaterialien (im wesentlichen Pergament und Papier, Bindfäden, Tintenfässer, Federn und Siegelwachs) zu verwahren und Aufbewahrungsmög­ lichkeiten für die unterschiedlichen Bücher, Register, Verträge und Finanzen der Berg­verwaltung bereitzustellen.539 Schränke, Kästen und Fässer gehörten entsprechend genauso zur Ausstattung wie genügend Vorräte an Schreibmate­ rialien und Utensilien.540 Je nach Funktion der Räume wurden darüber hinaus neuen vbergeben sollte“, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36077, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0604, fol. 131a–132b. 536 Arnold: Chronicon Annaebergense, S. 113. Siehe hierzu auch Richter: Chronica, S. 374. 537 Der Schneeberger Chronist Christian Meltzer betont, dass die Berg­amtsstube von gleicher Größe und Bequemlichkeit wie die gleich daneben gelegene Ratsstube gewesen sei. Meltzer: Historia Schneebergensis Renovata, S. 138. 538 Zum Schloss Freudenstein vgl. Kasper/Wächtler: Geschichte der Berg­stadt Freiberg, S. 135. Ab 1580 wurden auf Bitten des Zehntners Barthel Stark eigene Gemächer für das Zehntamt eingerichtet, die dieser jedoch nicht nutzte. Zumindest verweist darauf ein Be­ fehl von 1590, in dem der neu eingesetzte Zehntner Hans Kohlreuter aufgefordert wird, diese Räume für seine Amtsgeschäfte zu nutzen. Sein Vorgänger Barthel Stark habe seine Tätigkeit in seinem eigenen Wohnhaus ausgeübt, was nicht weiter geduldet werden solle. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2512, fol. 14a–15a. Den Befehl zur Ein­ richtung einer Zehntstube auf Wunsch des Zehntners Barthel Stark findet sich hier: Sächs­ StA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 714, Nr. 2512, Nr. 36, fol. 4a. 539 Vgl. Inventar des Berg­amtes Berg­g ießhübel 1583, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32465, Rep. 20, Pirna, Nr. 0012, ohne Paginierung. Insgesamt listet das Inventar siebzehn Punkte auf. Als einziges Möbelstück wurde ein gelber verschließbarer Schrank verzeichnet, in dem die Amts- und Jahresrechnungen verwahrt wurden. Die restlichen Posten sind ver­ schiedene Berg­bücher, einzelne Verträge und zu Konvoluten zusammengebundene kurfürst­ liche Befehle, Berg­ordnungen und ein kurfürstliches Mandat. Dieses überschaubare Inventar spiegelt sehr eindrücklich die geringe Bedeutung und Größe des Berg­reviers Berg­g ießhübel wider, das weit hinter den großen Berg­revieren wie Annaberg, Freiberg oder Marienberg zurückstand. 540 Über die Einrichtung der Zehntstube und Ausstattung des Zehntamts in Annaberg, Frei­

Administrative Praktiken

247

verschiedene Geräte benötigt, um Messungen und Proben am Silbererz und Sil­ ber vornehmen zu können, was vor allem für die Hütten- und Zehntverwaltung von Bedeutung war.541 Ebenso wichtig für das fortlaufende Amtsgeschäft waren verschließbare Schränke und Laden zur sicheren Lagerung von Rechnungen und Gelder, für die in der Regel eine begrenzte Anzahl an Schlüsseln ausgegeben wurde, sowie Leder- oder Satteltaschen, um Rechnungen und Register in die Kammer nach Dresden zu transportieren. Da vor allem durch das Zehntamt auch größere Summen an Bargeld liefen, mussten die Räume zudem Sicherheit bieten, im Falle der Annaberger Zehntkammer etwa durch eine größere Anzahl an Waffen.542 Zudem konnten die Berg­amtshäuser als Herbergen der Stadther­ ren dienen und waren mit repräsentativen Räumlichkeiten versehen.543 Berg­ amtshäuser stellten somit zwar administrative Gebäude dar, aber sie konnten durchaus multifunktionalen Charakter annehmen.544 Der Ort der formalen Interaktion zwischen Berg­verwaltung und Berg­ baubetreibenden war die Berg­amtsstube: Hier wurden die Gewerken in die Gegenbücher eingetragen, Schiede und Verträge unterzeichnet und dokumen­ tiert, bergrechtliche Konflikte geschlichtet, Berichte eingefordert oder Einsicht berg und Marienberg geben die überlieferten Zehntrechnungen und zudem ein überliefertes Inventarium von 1585/86 für Annaberg und Marienberg Auskunft. So wurden regelmä­ ßig größere Posten an Pergament und Papier eingekauft. Zudem finden sich Siegelwachs, Bindfäden und Materialien, die zur Herstellung von Eisengallustinte benötigt wurden wie Gummi Arabicum, Galläpfel und Virtriol, in den Rechnungen. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36121, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1756 sowie SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0160; SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04500/09 und SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04500/10. 541 Das Zehntamt in Annaberg besaß 1585/86 neben zwei Tischen, sieben Waagen und Ge­ wichten, Fässern, verschließbaren Kästen und Schlössern auch einen Blechtrichter, um Geld einzulassen und eine große Ledertasche, um die Zehntrechnungen nach Dresden zu schicken. Zudem war die Zehntstube mit mehreren Waffen ausgestattet. Etwas kleiner und schlech­ ter ausgestattet war das Zehntamt in Marienberg, was lediglich einen eisenern Kasten, eine Waage mit Schalen, eine Erzwaage und eine Satteltasche für die Zehntbücher umfasste. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36121, Rep. 9, Nr. 1756, fol. 79b–80a. 542 Vgl. HstA Dresden 10036 Finanzarchiv, Loc. 36121, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1756, fol. 79b–80a. Wie wichtig es war, Gebäude abschließen zu können, zeigt sich auch an einem Inventar der Saigerhütte Grünthal. Neben abschließbaren Kästen und Waffen werden hier vor allem vergitterte Fenster aufgelistet. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36076, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0596, fol. 123a ff. 543 Vgl. Kratzsch: Berg­städte des Erzgebirges, S. 80. 544 Zur Multifunktionalität öffentlicher Gebäude in der Frühen Neuzeit siehe auch Rau/ Schwerhoff: Öffentliche Räume, bes. S. 40 ff.

248

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

in die Akten und Berg­bücher gewährt. Der Zutritt zur Berg­amtsstube geschah entweder auf Vorladung, in schriftlicher Form oder durch Übersendung eines Kerbholzes mit den Initialen des Berg­meisters,545 oder zu entsprechend fest­ gelegten Tagen, an denen zum Beispiel die Verleihungen vorgenommen oder Mutzettel ausgefüllt wurden. In jedem Fall war der Gang in die Amtsstube für die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung nicht alltäglich. Wie Meg Williams in ihrer inspirierenden Studie zur habsburgischen Kanz­ lei aufzeigt, war eine der wichtigen Aufgaben von Kanzleien die Fähigkeit, den „Raum der Geheimnisse“ abzusichern.546 Limitierte Zugänglichkeit, verschlossene Türen, Kisten und Schlösser waren ebenso wie Eidesschwüre, Verhaltensregeln und Disziplinarordnungen Teile eines abgestuften Zugangsregimes zur Kanzlei. Die Funktion der beschränkten Zugänglichkeit zur Kanzlei war es, so Williams, die Integrität und Beweiskraft der schriftlichen Dokumente zu garantieren.547 Das ist sicher nicht falsch, zugleich zeigt sich, dass diese Perspektive auf Verwaltung und Räumlichkeit letztlich nur idealtypischen Charakter besitzt. Denn neben den Diensträumen spielten über das gesamte 16. Jahrhundert auch die privaten Wohnhäuser der Berg­beamten eine wichtige Rolle für die Ausübung adminis­ trativer Tätigkeiten. Das ist keinesfalls ungewöhnlich. Ulrike Ludwig konnte etwa am Beispiel des schwedisch-pommerschen Beamten Gottfried Schröer im 17. Jahrhundert nachweisen, dass dieser von seinem heimischen Arbeitszimmer aus neben der Erledigung von amtsinternen Arbeitsaufträgen auch in ­erheblichem Umfang als Auskunfts- und Vermittlungsinstanz für die Bevölkerung tätig war.548

545 Dabei wurden entweder weiße oder schwarze Kerbhölzer versendet, wobei das weiße Kerb­ holz eine Vorladung, das schwarze Kerbholz hingegen die Ankündung eines Arrests bedeu­ tete. So schrieb der Berg­meister zu Geyer 1546, dass er einem gewissen Christoph Schüchen zwar ein Kerbholz übersendet habe, dieser sich daraufhin aber nicht im Berg­amt eingefunden habe. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 155a. Die Verwendung von Kerbhölzern als Kommunikationsmittel lässt sich für das sächsische Erzgebirge bis ins 18. Jahrhundert nachweisen. So erschien 1709 der Steiger Heinrich Mar­ tin im Berg­amt auf „geschicktes kerbholtz […] hierauff ist ihme biß an 6 Uhr ein schwartz kerbholz gegeben und ernstlich anbefohlen die Ertz aufs reinste außzuscheiden“. Vgl. Sächs­ StA-F, 40168 Grubenakten des Berg­reviers Marienberg (mit Annaberg, Ehrenfriedersdorf, Geyer und Neundorf ), Nr. 774, fol. 3a. Zur Unterscheidung von schwarzen und weißen Kerbhölzern vgl. auch Heinsius: Vollständiges Wörterbuch der Deutschen Sprache, Bd. 2, Sp. 535. 546 Vgl. Williams: Zu Notdurfft der Schreiberey, S. 346 ff. 547 Vgl. ebd., S. 353. 548 Vgl. Ludwig: Verwaltung als häusliche Praxis, S. 188–198.

Administrative Praktiken

249

Das heißt, dass die formale Einforderung von Diensträumen in der Praxis durch flexiblere Modelle der Arbeitsorganisation begleitet wurde. Es lassen sich auch für die sächsische Berg­verwaltung zahlreiche Hinweise dafür finden, dass administrative Tätigkeiten in den privaten Wohnhäusern von Amtsträgern ausgeübt wurden und vor allem, dass dort Akten und Berg­ bücher aufbewahrt wurden. Dies wird vor allem dann in den Quellen greifbar, wenn Posten neu besetzt wurden. 1590 wurde zum Beispiel David Greuß als Nachfolger des verstorbenen Oberbergmeisters Christoph Werner aufgefordert, zusammen mit anderen Berg­beamten und Werners Erben in Annaberg dessen Hinterlassenschaft zu prüfen, alle bergbaurelevanten Materien zu verzeichnen und sie schließlich in das Zehntamt in Annaberg zu bringen. Auch Greuß selbst erledigte bis zu seinem Tod 1592 seine Arbeit nicht oder nicht ausschließlich in seinen Annaberger Diensträumen, denn auch aus seiner Hinterlassenschaft wurden die bergbaurelevanten Unterlagen inventarisiert und in das Zehntamt in Annaberg überführt.549 Ähnlich verhielt es sich beim Dienstantritt des neuen Berg­meisters Stefan Bach in Geyer im Jahr 1577. Auch hier wurde im Berg­buch vermerkt, dass zehn Berg­bücher aus der Behausung des vorhergehenden Berg­ meisters Valten Silberhansen durch den Berg­geschworenen Wolf Spitzelt und den Berg­schreiber Egidi Hertzog abgeholt worden waren.550 Es ist davon aus­ zugehen, dass beide Funktionsträger zumindest zum Teil in ihren Wohn- und nicht Diensträumen gearbeitet und dort Akten und Register aufbewahrt hatten. Die Mitnahme von Akten in die privaten Wohnräume wurde dabei nicht grundsätzlich problematisiert, sondern scheint zur akzeptierten Verhaltens­ weise von Funktionsträgern gehört zu haben.551 Dennoch konnten sich daraus schwerwiegende Probleme ergeben. Dies wird besonders deutlich am Fall des Oberhüttenverwalters und kurfürstlichen Verlegers Michel Schönleben, der 1588 auf Grund von Untreuevorwürfen inhaftiert wurde.552 Im Zuge der Verhaftung Schönlebens wurden der Berg­amtmann Lorenz von Schönberg und sein Sekretär 549 Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2321, fol. 6a, fol. 8a. 550 Vgl. SächsStA-F, 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 256, fol. 1b. 551 Anders lag die Sache 1568 im Falle des Altenberger Amtsverwesers Georg Röhling. Hier vermerkte der Hauptmann des Erzgebirges, Wolf von Schönberg, dass er zwar keinen aus­ drücklichen Befehl bekommen habe, dass der altersschwache Vorgänger das „Amtbshaus schleunig reumen vnd dem neuen vbergeben sollte“. Dennoch habe er angeordnet, dass der alte Amtsinhaber die „reumung neben vberantworttung der Ambtsbucher (deß er sich dan erbotten) federlich thuen solle“. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36077, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0604, fol. 331a–332a. 552 Vgl. hierzu ausführlich Kap. C.1.4.2.2 (Der tiefe Fall des Favoriten: Michel Schönleben).

250

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

angewiesen, Schönlebens Haus in Bezug auf die vorhandenen Briefe, Dokumente und Register zu inventarisieren und die Dokumente zur Verwahrung auf das Schloss Freudenstein zu bringen.553 Während der Hausdurchsuchung blieben jedoch Schönlebens Handbücher und sein Hauptregister unauffindbar. Auch Schuldverschreibungen über ausstehende Posten und Summen, die sich aus den Marktzetteln vom Leipziger Michaelismarkt 1587 ergaben, konnten nicht aufgefunden werden. Daher wurden Schönberg und sein Sekretär angewiesen, eine zweite (allerdings im Ergebnis erfolglose) Durchsuchung vorzunehmen und explizit nach Geheimverstecken oder zugemauerten Gewölben zu suchen.554 Solche Komplikationen sind wohl einer der Gründe, warum Max Weber seinen Idealtypus rationaler bürokratischer Herrschaft unter anderem an die Trennung von Dienst- und Wohnräumen knüpft.555 Auf normativer Ebene wurde versucht, wenigstens die formalen Verfahren an offizielle Diensträume zu binden. So wurde in verschiedenen Berg­ordnungen angeordnet, dass die Abrechnung der Zechen und der Entlohnung von Schicht­ meistern unter keinen Umständen in den Privathäusern von Amtleuten stattfin­ den sollte.556 Zugleich gab noch 1578 Lorenz von Schönberg an, dass der Freiber­ ger Berg­meister Merten Planer den Anschnitt in seinem Wohnhaus abgerechnet habe. Zwar habe er, Lorenz von Schönberg, Sorge, dass etwa falsche Gebühren abgerechnet werden könnten; da sich jedoch niemand beschwert habe, sei er nicht eingeschritten.557 Somit ist nicht davon auszugehen, dass es zeitgenössisch eine eindeutige Trennung zwischen dem formalen Dienstraum und der infor­ mellen Verwaltungstätigkeit in den privaten Wohnhäusern gab, wenngleich sich klare normative Ansätze nachweisen lassen, den Dienstraum als zentralen Ort administrativer Praktiken zu etablieren. Wenn also die beschränkte Zugänglich­ keit von Diensträumen als Versuch zu bewerten ist, die Integrität schriftlicher Dokumente zu gewährleisten, dann muss davon ausgegangen werden, dass dies in der Praxis erst allmählich implementiert wurde. 553 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36079, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0597, fol. 34a–38b; fol. 419a. 554 Vgl. ebd., fol. 34a–38b; fol. 419a. 555 Vgl. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 552. 556 So erließ etwa Herzog Moritz 1542 eine Ordnung, nach der „Sol hinfurder fur die Schlus­ rechnung kein Schichtmeister Seinen Gewercken seiner Behausung aufrechnung thuen, sondern vf der Trinkstuben, in gegenwart vnsers berkmeisters vnd geschworenen die wir von vnsers wegen vnd an statt den frembden gewercken darbei haben wollen“, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 26a–b. 557 Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 99b.

Administrative Praktiken

251

Zugleich bemühten sich die Berg­ordnungen aber, die Exklusivität und Abge­ schlossenheit der Amtsstuben als Ist-Zustand zu repräsentieren. Seit 1509 ver­ wiesen Berg­ordnungen explizit darauf, dass die Berg­bücher in einem Kasten oder einer Lade aufbewahrt werden sollen, „dorein allemal die Bücher, so man dero, zum einschreiben nicht gebraucht, vorschliessen sollen“.558 Neben dem Berg­schreiber solle auch der Berg­meister einen Schlüssel für diese Lade haben. Was nicht im Beisein des Berg­meisters und der Geschworenen in die Bücher geschrieben wurde, „soll vor vnkrefftig geacht vnd gehalten werden“.559 Auch das Quatembergeld, das jede Zeche für die Besoldung der Geschworenen und für sonstige Ausgaben regelmäßig zu entrichten hatte, solle zusammen mit den Registern in einem verschließbaren Kasten in der Zehntstube aufbewahrt wer­ den. Dieser Kasten solle drei Schlüssel haben, wobei einer beim Oberhaupt­ mann, einer beim Zehntner und der dritte beim Berg­schreiber liegen sollten.560 Ähnliche Verordnungen finden sich in Bezug auf das Gegenbuch561 und das Rezessbuch.562 Auch die Anschnittzettel, Belegzettel und Register der Berg­ rechnungen sollten gemäß den Ordnungen in verschlossenen Kisten mit limi­ tierten Schlüsselrechten verstaut werden. Die Ordnungen machen also deutlich, dass alle Bücher und Register verschlos­ sen und dadurch vor Manipulation geschützt waren – oder sein sollten. Gerade in Anbetracht der durchaus üblichen Praxis, Amtsbücher und Register in den Privatwohnungen von Amtsträgern zu lagern, zeigt sich hier abermals, dass die Bestimmungen der Berg­ordnungen keine detailgetreuen Spiegelbilder adminis­ trativer Praktiken und auch nicht schlicht normative Regeln für den adminis­ trativen Ablauf waren, sondern gewisse mediale und symbolische Funktionen erfüllten, die sich auch an die Umwelt der Verwaltung richteten. Die Integrität des Rechnungswesens wurde sowohl durch die symbolische Repräsentation ihrer Abgeschlossenheit als auch durch ein gewisses Maß an Transparenz deut­ lich hervorgehoben. Denn Amtsbücher waren zwar abgeschlossen, aber nicht arkan. Vielmehr stand jedem Berg­baubetreibenden laut den Berg­ordnungen das Recht zu, Einsicht in die Bücher zu erhalten, entsprechende Artikel vorgelesen 558 Die gleichen Bestimmungen finden sich auch in den Berg­ordnungen von 1554 und 1589. Vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, § 12; Berg­ordnung 1554, § 11 sowie Berg­ordnung 1589, § 13. 559 Berg­ordnung 1554, § 11. 560 Vgl. ebd., § 11. 561 Vgl. ebd., § 38. 562 Vgl. ebd., § 60.

252

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

zu bekommen oder Abschriften durch den Berg­schreiber anzufordern.563 Aller­ dings wurde ab 1589 explizit darauf verwiesen, dass niemand ohne Wissen des Berg­meisters Einsicht in die Bücher erhalten dürfe.564 Interessant ist auch an dieser Stelle ein Seitenblick auf Simon Bogners Berg­­ gebräuche. Es wurde bereits argumentiert, dass es sich auch bei diesen Gewohn­ heitsrechten um formale Regeln handelte, deren Spezifik vor allem darin bestand, dass sie sich, anders als die Berg­ordnungen, primär an die Verwaltung selbst richteten. Auch Bogner misst der Verschließbarkeit von Rechnungsbüchern und Registern einen hohen Stellenwert zu. So solle der Berg­schreiber jeden Sonn­ abend nach dem Anschnitt die Anschnittzettel bis zur Berg­rechnung aufbewah­ ren. Die Anschnittzettel solle er für die Rechnungslegung aus dem verschlosse­ nen Kasten persönlich den Geschworenen übergeben, „auf das hierinnen kein betrugk oder gefahr erfolge“.565 Die Berg­register sollten nach jeder Rechnung durch den Berg­meister und den Berg­schreiber „wohl verwahret, unter zweyen unterschiedtlichen schlößern enthalten, also daß ihr keiner ohne den andern darzukommen kann, und wirdt gantz unvordechtig darmit umbgegangen“.566 Den Gewerken stand dabei das Recht zu, „glaubwürdige“ Abschriften zu erhalten, wobei Bogner angibt: „Nach dem abschreiben werden die register wiederümb durch sie beyde obgenant wohl verwahret undt verschloßen.“567 Abermals zeigt sich hier die bereits angesprochene Diskrepanz zwischen den Berg­ordnungen und Bogners Gewohnheitsrechten: Nicht nur, dass letz­ tere wesentlich detaillierter waren, vielmehr betont Bogner, dass der Umgang mit den Registern und Amtsbüchern in erster Linie unverdächtig zu sein habe. Vertrauen musste also durch das Verhalten der Amtsträger in Bezug auf die Rechnungsbücher aktiv hergestellt werden. Die Berg­ordnungen repräsentierten hingegen einen vertrauenswürdigen Ist-Zustand, der durch Abgeschlossenheit und Transparenz markiert war, aber der nicht zusätzlich offenlegen musste, dass eine Funktion dieser Praktiken die Vermeidung von Misstrauen war.

563 Diese Regelung findet sich bereits in der Schreckensberger Berg­ordnung von 1499/1500. Vgl. Entwurf einer Berg­ordnung des Herzogs Georg für die Berg­werke am Schreckenberg, 1499/1500, § 7, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 112–144. 564 Vgl. Berg­ordnung 1589, § 27. 565 Bogner: Berg­g ebräuche, § 29. 566 Ebd., § 47. 567 Ebd.

Administrative Praktiken

253

3.1.1.3 Die formalen Regeln administrativer Schriftlichkeit Wer welche Art von Amtsbüchern führen sollte, wurde formal in den Berg­ ordnungen geregelt. Die Berg­ordnungen dringen im Laufe des 16. Jahrhunderts auf eine stärkere Differenzierung des Amtsschriftguts vor allem in Bezug auf Amtsbücher (so unterscheiden sie etwa zwischen Berg­büchern, Rezessbüchern, Gegenbüchern etc.) und legen vermehrt fest, wie mit diesen Dokumenten umge­ gangen werden soll: ob und wie sie verschlossen sein sollen, wie sie zu führen sind und wer überhaupt Zugang zu ihnen hat und Bearbeitungskompetenz besitzt. Im Fokus obrigkeitlicher Reglementierung stand dabei das Berg­buch, das im Zusammenhang mit der Verleihung der Grubenfelder bereits in der ersten Berg­ordnung für alle Berg­werke jenseits des Freiberger Reviers vom 14. April 1466 erwähnt wurde. Dort heißt es, dass die Verleihung von Grubenteilen durch einen Berg­­schreiber in das Berg­buch eingetragen werden sollte. Die Begründung lieferte die Ordnung gleich mit und legte fest, „ab irgent zcweytracht derhalben entstunden, das sich ein yderman uff dasselbe buch gecziehen“.568 Von dieser sehr allgemeinen Angabe (Einsichtnahme zu gewährleisten, um Zwietracht zu vermeiden) ausgehend, etablierten die folgenden Berg­ordnungen immer klarere Vorgaben, wie genau dies vonstattenzugehen habe. So gibt die Schreckensberger Ordnung von 1499/1500 an, dass der Berg­meister am Verleihtag dem Lehnsträger einen Zettel mit dem Namen des verliehenen Gan­ ges überreichen „und dergleychen in sein bergkbuch ordentlich zceychen laßen, wie und uff welichen tag und auff waserlei genge er vorlyhenn hat, alzo das bergk­ buch und der gegeben zcedel dem auffnemer gleychs lauts uberein heldt, domit zukunfftiger irthumb zcwuschen dem bergmeyster und aufnehmer vermieden“.569 Noch detaillierter werden die Angaben in der Schneeberger Berg­ordnung 1500: Sie legte fest, dass der Berg­meister mittwochs oder (wenn ein Feiertag auf den Tag falle) am Werktag darauf im Beisein vier verordneter Bürger der Stadt von zwölf bis ein Uhr nachmittags anwesend sein solle, um dem Lehnsträger einen Zettel auszustellen und die Verleihung in das Berg­buch zu schreiben.570 Bitten 568 Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für die Berg­werke außerhalb der Pflege Freiberg, Meißen, 14. April 1466, § 1, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 73–77. 569 Entwurf einer Berg­ordnung des Herzogs Georg für die Berg­werke am Schreckenberg, 1499/1500, § 5, in: ebd., S. 112–144. 570 Vgl. Dritte große Berg­ordnung des Kurfürsten Friedrich und der Herzöge Johann und Georg für den Schneeberg, 25. März 1500, § 1, § 2, in: ebd., S. 145–155.

254

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

um Fristen oder anderes sollten ebenfalls an diesem Tag durch den Berg­meister und die Geschworenen überprüft und im Berg­buch verzeichnet werden.571 „[V]erleyhung, fristgebung oder mutung, die nicht mit zedeln beweißt oder ins bergk­ buch geschrieben were“, sollten nicht als rechtskräftig gelten.572 Der Gegenschreiber wird erstmalig in der Schneeberger Berg­ordnung von 1492 eigens erwähnt.573 Während er dort das Einschreiben und Überschreiben der Kuxe und Retardate sehr allgemein in „register“ zu schreiben habe, wird in der Annaberger Berg­ordnung von 1503 festgelegt, dass diese in einem eigenen Gegenbuch verzeichnet werden sollen.574 Einen markanten Einschnitt stellte die Annaberger Berg­ordnung von 1509 dar. Die Verleihung etwa solle nun nicht nur in Gegenwart des Berg­meisters und der Geschworenen abgehalten werden, sondern es wurde auch explizit auf die Anwesenheit des Berg­schreibers verwiesen.575 Dieser soll für neue und alte Zechen ein „sunderlich buch haben“ und soll „in uffnemung der alden tzechen […] tzeichen, durch weliche gesworene die tzeche frei beweist sey“.576 Der Berg­ schreiber solle zudem über alle „fristung und stewer, uber alle schide und vortrege, uber alle massen, wenn unnd wie die gegeben werden, auch uber alle retardata […] ein itzliches buch haben“. Diese Bücher waren in einem Kasten oder einer Lade zu verschließen, für den der Berg­meister und der Berg­schreiber einen Schlüs­ sel haben und „darein alle mall die bucher, so man der tzum einschreiben nicht gebraucht, verschließen sollen“.577 Während zuvor vor allem die Schreibprakti­ ken und damit verbundene performative Akte geregelt wurden, finden sich hier nun erstmalig Angaben darüber, wie die Amtsbücher gelagert werden sollten. Diese Vorgaben wurden in den folgenden Ordnungen übernommen und noch detaillierter ausgeführt. Der Gegenschreiber solle zudem niemanden Berg­teile abschreiben, wenn er nicht ausdrücklich einen Befehl dazu bekommen habe. „Wurde ymandt deshalben durch des kegenschreibers unvorsichtigkeit betrogen ader in schadenn gefurtt, des schadens sall er sich am kegenschreiber erholen.“578 571 Vgl. ebd., § 2. 572 Vgl. ebd. 573 Vgl. Erste große Berg­ordnung des Kurfürsten Friedrich und der Herzöge Johann und Georg für den Schneeberg, 9. Januar 1492, in: ebd., S. 102–111. 574 Vgl. ebd., § 11 sowie Neue Berg­ordnung des Herzogs Georg für das Berg­werk Sanct Anna­ berg, § 2, in: Ebd., S. 156–162. 575 Annaberger Berg­ordnung 1509, § 10. 576 Ebd. 577 Ebd., § 12. 578 Ebd., § 19.

Administrative Praktiken

255

Auch die Landesbergordnung von 1554 verweist darauf, dass die Gegen­ schreiber das Gegenbuch führen sollen und ohne entsprechenden Befehl keine Berg­teile ein- oder abschreiben dürfen.579 Neu verliehene alte oder neue Zechen müssen dem Gegenschreiber durch den Lehnträger am Verleihtag, spätestens aber am Verleihtag darauf angezeigt werden. Für das Einschreiben dürfe der Gegenschreiber nicht über einen Zinsgroschen an Gebühr nehmen.580 Neu hinzu kam das Retardatbuch, das durch den Berg­schreiber geführt werden sol­ le.581 Der Berg­schreiber solle zudem das Berg­buch führen, zusammen mit dem Berg­meister und den Geschworenen am Verleihtag anwesend sein und für neue und alte Zechen unterschiedliche Bücher führen. Zugleich habe er, wie bereits 1509 vorgegeben, über alle Fristen, Steuern, Schiede, Verträge und Retardate Buch zu führen. Alle Bücher sollten in einem Kasten verschlossen werden, zu dem der Berg­meister und der Berg­schreiber einen Schlüssel hätten.582 Neben den Berg­büchern sollten nun auch die Gegenbücher und auch die durch den neu hinzugekommenen Rezessschreiber geführten Rezessregister in einer ver­ schlossenen Lade verwahrt werden.583 Auch die Berg­ordnung 1589 variierte diese Vorgaben nur noch. So habe etwa der Gegenschreiber bei Fehlern nicht nur selbst mit seinem Vermögen zu haften, sondern auch für seine Diener. Zudem musste er nun laut Berg­ordnung Bürgen bestellen.584 Der Berg­schreiber wurde zudem angewiesen, „die Berk-Bücher ohne Vorwissen des Berg­kmeisters niemand lesen lassen, noch Abschrifften von sich geben, bey Vermeidung ernster Straff “.585 Die Berg­ordnungen bestimmten also zunehmend kleinteilig, welche Bücher durch wen und gegen welche Gebühren zu führen seien. Zudem legten sie fest, wie die Bücher verwahrt werden sollten und wer Einsicht in die Bücher neh­ men durfte. Dabei handelt es sich zunächst einmal um einen Anspruch, der in den einzelnen Berg­ämtern erst im Laufe des frühen 16. Jahrhunderts umgesetzt wurde. So beklagte sich etwa Herzog Georg am 9. Dezember 1530, dass Frei­ berg entgegen der Freiberger Berg­ordnung von 1529 immer noch kein Gegen­ buch führe.586 Dabei schreibe die Berg­ordnung unmissverständlich vor, dass 579 Berg­ordnung 1554, § 10. 580 Ebd., § 41. 581 Ebd., § 66. 582 Ebd., § 11. 583 Ebd., § 38. 584 Berg­ordnung 1589, § 12. 585 Ebd., § 13. 586 Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2691, fol. 1a–b. Die Freiberger Berg­

256

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

das Führen eines Gegenbuches durch einen Gegenschreiber „wie auf andern bergkwerken hinfurt gehabt, gebracht vnd gehalten“587 zu erledigen sei. Daher sollten bis Conversionis Pauli (25. Januar) 1531 alle vorhandenen Berg­teile durch die Schichtmeister dem Gegenschreiber angezeigt werden, damit sie in das Gegenbuch eingetragen werden konnten. Alle Berg­teile, die bis zu diesem Stichtag nicht ins Gegenbuch gezeichnet wurden, sollten ins Freie fallen. Wenn die Gewerken bei der Eintragung in das Gegenbuch durch Nachlässigkeit des Schichtmeisters benachteiligt würden, so habe dieser mit seinem Vermögen für den Schaden zu haften.588 Über das gesamte 16. Jahrhundert kann eine Flexibilität und Heterogenität in Bezug auf Amtsbücher festgestellt werden, die stark mit den jeweiligen Bedin­ gungen des Berg­reviers und mit den Vorlieben des Schreibers zusammenhing.589 Letztlich blieb es diesem überlassen, ob er zur besseren Nutzbarkeit ein zusätz­ liches alphabetisches Register anfertigen wollte, ob er neben einer chronologi­ schen Struktur noch die einzelnen Beiträge alphabetisch sortierte, ob mehrere Bücher verwendet wurden oder aber unterschiedliche Themenbereiche in einem Buch gespeichert wurden. Wenngleich die Amtsbücher eine prominente Rolle innerhalb der Berg­ordnungen einnahmen, lag die konkrete Umsetzung in der Verantwortung des Schreibers. Auch Simon Bogners Berg­g ebräuche sind diesbezüglich sehr unspezifisch. Berg­bücher sollen „gancz gerecht undt unverdächtigk gehalten und wirdt nichts darein geschrieben, dan was im ambt kreftigk geschicht, verliegen, bestetiget, betediget und bewilliget und vertragen, und wirdt aldo auch offentlich den lehentregern und parthen verlesen, auch alßbald, do es begehrt wirdt, glaub­ wirdig abschriften davon gegeben“.590 Vergleicht man die bergbaulichen Amtsbücher mit territorialen, städtischen, kaufmännischen oder kirchlichen Amtsbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts, dann zeigen sich in Aufbau, Struktur und Layout wiederum große Überein­ stimmungen.591 Die von den Schreibern verwendeten Praktiken basierten in ordnung von 1529 ist ediert in: Sammlung vermischter Nachrichten zur sächsischen Ge­ schichte 7/8 (1772/1773), S. 321–348. 587 SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2691, fol. 1a. 588 Vgl. ebd., fol. 1a–b. 589 So ging etwa die Einrichtung der Marienberger Ausbeutebücher, die zwischen 1567 und 1588 überliefert sind, vermutlich auf die Initiative von Bastian Funcke zurück, vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 33 f. 590 Bogner: Berg­g ebräuche, § 36. 591 Vgl. Mersiowsky: Die Anfänge, S. 337 ff.

Administrative Praktiken

257

aller Regel auf tradierten und nicht bergbauspezifischen Verwaltungsroutinen, die adaptiert und an die jeweiligen Erfordernisse des Berg­baus angepasst wur­ den. Die Ursache hierfür liegt vermutlich in der Ausbildung der Schreiber, die grundlegende Dokumentationstechniken in einer der zahlreichen Rechen- oder Winkelschulen der erzgebirgischen Berg­städte erlernten. Wie bereits ausgeführt, waren Berg­-, Gegen- oder Rezessschreiber zudem nicht selten zuvor in städti­ schen oder landesherrlichen Verwaltungen als Schreiber tätig gewesen und daher mit basalen buchhalterischen Techniken vertraut.592 Alles, was bisher beschrieben wurde, bezieht sich allerdings ausschließlich auf die lokale Berg­verwaltung. Dies liegt schlicht darin begründet, dass die mittlere Berg­verwaltung im 16. Jahrhundert keine vergleichbaren Amtsbücher verwendete.593 Wenn ein Merkmal von Formalisierung die Ausdifferenzierung sachlicher Aufgaben und der Dokumentation in spezifischen Dokumenttypen ist, dann zeigt sich auch auf der Ebene der pragmatischen Schriftlichkeit ein deut­ licher Unterschied zwischen lokalem Berg­amt und mittlerer Berg­verwaltung.594 Während die lokale Berg­verwaltung mit ihren Berg­büchern eine komplexe und sachlich ausdifferenzierte administrative Schriftlichkeit etablierte, finden sich dazu keine Äquivalente in der mittleren Berg­verwaltung. Offensichtlich wurde es im 16. Jahrhundert hier nicht als notwendig erachtet, für die Erledigung der Amtsgeschäfte eine elaborierte Dokumentation administrativer Praktiken zu etablieren. Erst zum Ende des 16. Jahrhunderts finden sich erste Impulse, auch hier neue Formate einzuführen: etwa durch die Einrichtung eines Kopialbuches für das Berg­amt Freiberg, das eng mit dem Oberbergamt verknüpft war, oder durch das Führen eines eigenen Buches für „Berg­criminalsachen“.595 Dies bedeu­ tet nicht, dass nicht auch diese Verwaltungsebene sich intensiv schriftbasierter Praktiken bediente. Aber im Unterschied zur lokalen Berg­verwaltung war der Schriftgebrauch deutlich weniger durch formale Regeln und Formate definiert. Vor diesem Hintergrund soll die Frage diskutiert werden, welche Funktionen das Führen von Amtsbüchern für die sächsische Berg­verwaltung einnahm. 592 Siehe hierzu ausführlich Kap. C.1.6 (Qualifikationen: Berg­verständigkeit und Tauglichkeit). 593 Die mittlere Berg­verwaltung war im Schloss Freudenstein untergebracht, bekam aber erst 1679 in der Kirchgasse in Freiberg eigene Diensträume. Vgl. Buschbeck: Das Oberbergamt im 17. Jahrhundert, S. 88. 594 Für einen stärker auf Schriftlichkeit ausgerichteten Bürokratiebegriff argumentiert Friedrich: Der lange Arm Roms, S. 20. 595 Vgl. SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 202 und SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4024.

258

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

3.1.1.4 Funktionen der Buchhaltung Die wohl wichtigste Funktion von Amtsbüchern war die Speicherung und Aktu­ alisierung von Informationen aus dem Berg­bau.596 Diese Informationen wurden jedoch nicht systematisch zueinander in Beziehung gesetzt, um Bilanzen oder Etats zu erstellen oder langfristige Prognosen über die wirtschaftliche Renta­ bilität des Berg­baus aufzustellen und diese wiederum als Entscheidungsgrund­ lage für weiteres Verwaltungshandeln zu nutzen. Dies ist relativ typisch für den frühneuzeitlichen Gebrauch von Registern, Listen, Verzeichnissen und Zahlen, die bis ins 18. Jahrhundert kaum prognostisch eingesetzt wurden.597 Vielmehr wurden Informationen situativ und fallweise aufgerufen, etwa wenn es um die Gewährung von Steuern für einzelne Zechen oder aber um die Untersuchungen des Fehlverhaltens einzelner Amtsträger ging. Neben der Informationsspeicherung und -aktualisierung, also memorieren­ den Funktionen, dienten Amtsbücher auch der Rechtspflege.598 Bereits die erste Berg­ordnung für die Berg­werke jenseits der Pflege Freiberg von 1466 betont die rechtssichernde Funktion des Berg­buchs. Die Ordnung verweist explizit darauf, dass ab irgent zcweytracht derhalben entstunden, das sich ein yederman uff dasselbe buch geczie­ hen unde ein teyl mit dem andern von unsern genanten Berg­kmeistern vnnde bergkschriber vnnde andern, dy dobei not sein wurden, nach ynhalt des bergkbuchs doruß entscheyden wer­ den mogen, volle crafft vnnd macht zcu haben als andere gerichtsbuchere in unnsern landenn unnde furstenthumen, wenne unde wie ufte sollichs not geschen unde an ynn gesucht wirdet.599

596 Dies wird auch in anderen buchhalterischen Kontexten als die wichtigste Funktion disku­ tiert, vgl. Arlinghaus: Die Bedeutung des Mediums „Schrift“, S. 241–242; gegen eine zu stark gemachte Differenz zwischen Schriftlichkeit und dem Prozess des Verschriftlichens am Beispiel der Pipe Rolls, Kypta: Die Autonomie der Routine, S. 23. 597 Auch Lars Behrisch betont den Unterschied zwischen Registern, Listen und Verzeichnissen, die seit jeher zu den etablierten administrativen Hilfsmitteln gehörten, und den Statistiken des späten 18. Jahrhunderts. Das Ziel früherer Listen sei nicht die politische Planung, an dieser Stelle kann auch die wirtschaftliche Planung genannt werden, sondern die „indivi­ duelle lokale Zuordnung von Personen und Ressourcen“. Listen waren somit Rechts- und Verwaltungsdokumente, aber keine Statistik. Vgl. Behrisch: Politische Zahlen, S. 555. 598 Zu einem anderen Befund am Beispiel der Rechnungsbücher von norddeutschen Kaufleu­ ten kommt Franz-Josef Arlinghaus, demzufolge die Rechnungsbücher vor allem memorative Funktionen hatten, vgl. Arlinghaus: Die Bedeutung des Mediums „Schrift“, S. 241 f. 599 Vgl. Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für die Berg­werke außerhalb

Administrative Praktiken

259

Die Rechnungsbücher nahmen zunehmend die Funktion einer neutralen drit­ ten Instanz ein. Was nicht in den Amtsbüchern verzeichnet war, existierte zuge­ spitzt formuliert auch nicht, oder in den Worten der Annaberger Berg­ordnung: Was „in angezeigte Bücher nicht eingeschrieben wirdt, soll vncrefftig geacht vnd gehalden werden“.600 Der Rechtsgrundsatz quod non est in actis, non est in mundo ist besonders einschlägig, wenn es um strittige Berg­teile ging, deren Besitzver­ hältnisse im Gegenbuch überprüft wurden.601 Entsprechend nachdrücklich und unter Androhung von persönlicher finanzieller Haftung wurden Funkti­ onsträger auf die korrekte Anfertigung der Rechnungsbücher und Rechnungen eingeschworen.602 Wie wichtig dieser Punkt für die Berg­verwaltung war, zeigt sich an einem Schreiben des Berg­vogts Simon Bogner und des Berg­meisters Nickel Lockel an den neuen Gegenschreiber in Freiberg vom Juli 1554. Bog­ ner und Lockel schärfen dem Gegenschreiber ein, darauf zu achten, dass er die Namen und Zunamen der Gewerken sowie ihre Berg­teile klar und verständlich aufzeichne und Mängel sofort melde und notiere. Ansonsten hafte er für ent­ stehende Schäden mit seinem Vermögen.603 Damit verknüpft ist ein letzter Punkt: Amtsbücher dienten drittens auch als Schauseite für die Umwelt der Verwaltung. Es ist auffällig, wie sehr die Berg­ ordnungen bemüht waren, sichtbar zu machen, dass die wesentlichen Rechtsakte der Verwaltung schriftlich fixiert wurden. Ob die Mutung, der Verleihakt oder der Kuxbesitz: Jedes Verwaltungshandeln, das die Finanzen der Gewerken berührte, wurde in den Berg­ordnungen aufgegriffen. Durch die Fokussierung auf Schriftlichkeit allgemein und die Repräsentationen der Abgeschlossenheit der Pflege Freiberg, Meißen, 14. April 1466, § 1, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 73–77. 600 Annaberger Berg­ordnung 1509, § 10–12. 601 Vgl. etwa den Streit um Berg­teile zwischen den Erfurter Bürgern Claus Keyser und Caspar Meyer und dem Freiberger Kilian Stock (1565), zu dessen Beilegung vom Freiberger Ge­ genschreiber eine Abschrift aus dem Gegenbuch der unteren siebenten Maß Turmhof durch den Rat der Stadt Freiberg angefordert wurde, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 21a–29b, eine Abschrift aus dem Gegenbuch ist einge­ legt auf fol. 28a–b. 602 Dies wurde auch in den Berg­ordnungen festgelegt, etwa Annaberger Berg­ordnung 1509, § 19. 603 Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2691, fol. 2a–b. Ein anderes Beispiel ist der Freiberger Zehntner Barthel Stark, nach dessen Tod 1593 eine Schuld von 2797 fl offen blieb, die die Erben des Zehntners tilgen sollten. Die Erben gaben an, dass Stark das Geld für Gewerken verlegt habe und die noch ausstehenden Schulden bei den Gewerken einge­ trieben werden müssten. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2512, fol. 17a.

260

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

und Nichtmanipulierbarkeit der Amtsbücher im Besonderen wurde der integre Umgang mit dem Besitz und den Finanzen der Gewerken symbolisch unterstri­ chen. Die Verwaltung griff dabei auf unterschiedliche Repräsentationen zurück. Durch formal geregelte performative Akte, etwa durch das Einschreiben der Lehnsträger unter Zeugen in das Berg­buch, durch räumliche Arrangements und schließlich Objekte wie die Berg­amtsstube mit ihren Truhen, Schlüsseln und Kisten oder die prächtige materielle Ausgestaltung der Berg­bücher wurde der sozialen Umwelt die Integrität der Verwaltung im Umgang mit ihrem Geld vor Augen gestellt. Eine besondere Bedeutung kam dabei den Bestimmungen in den Berg­ord­ nungen zu. Da ein Großteil der Gewerken nicht vor Ort anwesend war und somit weder an den Verfahren teilnahm noch die Abgeschlossenheit der Dienststuben selbst erfahren konnte, dienten die detaillierten Vorgaben zu Diensträumen, Kisten und Schlössern und vor allem zur Abrechnung der Gewerken und der Berechnung der Zubußen in zweifacher Hinsicht als symbolische Repräsenta­ tion der Leitwerte der Verwaltung: zum einen, indem sie zeigten, dass admi­ nistrative, rechtlich bindende Schriftlichkeit formal geregelt und damit der willkürlichen Handhabung des Einzelnen entzogen war, zum anderen, indem in den Berg­ordnungen jene Elemente stellvertretend beschrieben wurden, die nur für Anwesende wahrnehmbar waren, die aber dennoch in nicht unerhebli­ chem Maße zur Herstellung von Vertrauen beitrugen. Die schriftliche Fixierung von montanwirtschaftlichen Vorgängen in Amtsbü­ chern diente also als symbolischer Nachweis der Neutralität und Unparteilichkeit des Wirtschaftshandelns innerhalb der Berg­verwaltung. Zugleich zeigt sich hier der kategoriale Unterschied zwischen verschiedenen Formen administrativen Schriftguts. Amtsbücher hatten, etwa im Gegensatz zu Akten, rechtskräftigen Charakter und nahmen damit eine herausgehobene Position ein. Kontrastiv soll daher im Folgenden ein genauerer Blick auf jene Formen administrativer Schrift­ lichkeit geworfen werden, die keinen rechtlich bindenden Charakter besaßen. 3.1.2 Praktiken der Informationserhebung: Berichte, Aufstände und Handsteine Das Führen von Amtsbüchern war nur ein Element der administrativen Pra­ xis. Ein nicht unerheblicher Teil des Alltagsgeschäfts von Amtsträgern bestand in der Erhebung, Dokumentation und Evaluation von Informationen ohne rechtlich bindenden Charakter, in die ganz unterschiedliche Akteure, Medien

Administrative Praktiken

261

und Kommunikationswege innerhalb und außerhalb der Verwaltung involviert waren. Informationen stammten ebenso aus den zahlreichen Amtsbüchern wie aus dem Einfahren in die Gruben, Unterredungen vor Ort und schließlich in nicht unerheblichem Maße auch aus Supplikationen von Berg­baubetreibenden, die auf Probleme oder Handlungsbedarf hinwiesen. An der Schnittstelle verschiedener Praktiken der Informationserhebung und -verarbeitung stand der Bericht.604 Dieser bündelte Informationen aus ver­ schiedenen Kontexten und bettete diese in ein größeres Narrativ ein, wodurch aus abstrakten Größen wie Fördermengen oder Problemen wie Wassereinbrü­ chen oder korrupten Amtsträgern Wissen über den Zustand der Berg­werke im Allgemeinen und konkreter Handlungsbedarf im Besonderen erzeugt wurde. Wenn mit der klassischen Unterscheidung von Peter Burke (in Anlehnung an die Terminologie von Claude Lévi-Strauss) Information „roh, spezifisch, prak­ tisch“ ist, während Wissen das „gedanklich Verarbeitete oder Systematisierte“ oder auch „das Gekochte“ ist, dann kann man hier Amtsträgern gewisserma­ ßen beim Kochen zusehen.605 Berichte konnten sehr unterschiedliche Formen annehmen, von standardisierten listenartigen Aufstellungen, den sogenannten Aufständen, über mehrseitige schriftliche Zusammenstellungen bis hin zu (den eigentlichen Berichten beigefügten) Objekten, wie besonders reichen Erzstu­ fen, oder der direkten Kommunikation mit landesherrlichen Vertretern vor Ort oder der Vorladung nach Dresden. Durch schriftliche wie mündliche Berichte wurde ein regelmäßiger Kommunikationsfluss zwischen den verschiedenen lokalen Verwaltungsinstanzen, zwischen Zentrum und Peripherie und nicht zuletzt zwischen der Verwaltung und ihrer Umwelt hergestellt. Angesichts einer Längenausdehnung des Erzgebirges von mehr als 100 km und einer ungefähren Fläche von rund 6000 km2 betraf die Erhebung und Über­ mittlung von Information nicht zuletzt das Problem der Überwindung von Distanz.606 Bereits seit dem Spätmittelalter existierte im Erzgebirge eine solide Infrastruktur, etwa in Form von Pässen über den südlichen Gebirgskamm nach Böhmen, und ein dichtes Straßennetz, das die Berg­städte mit den wichtigen 604 Zur Vielzahl von Berichtstypen in vormodernen Verwaltungen siehe einführend Hochedlinger: Aktenkunde, S. 206–215. 605 Burke: Papier und Marktgeschrei, S. 18. Siehe hierzu auch Brendecke u. a.: Information als Kategorie, S. 16. Kritisch in Bezug auf eine künstliche Unterscheidung zwischen Infor­ mation als Substrat und Wissen als „Produkt systematischer Wirklichkeitsaneignung“ ist Behrisch: Zu viele Informationen, S. 456. 606 Vgl. Wagenbreth/Wächtler: Der Freiberger Berg­bau, S. 10 ff.

262

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Fernhandelsstraßen und wichtigen Städten wie Dresden oder Leipzig verband.607 Zur Übermittlung administrativen Schriftguts wurden entweder auf einen kleinen Kreis besoldeter Boten zurückgegriffen, die im Dienst einzelner Funktionsträ­ ger standen, oder Boten wurden gezielt mit einzelnen Botengängen beauftragt und per Auftrag bezahlt.608 Neben der Verwendung von Boten wurde auch von den Amtsträgern ein gewisses Maß an Mobilität erwartet, sei es, dass der Berg­ meister oder der Zehntner zu den Abrechnungen nach Schneeberg beziehungs­ weise Annaberg reisen mussten oder nach Dresden gefordert wurden oder dass Amtsträger als Mitglieder von Kommissionen in andere Reviere entsandt wur­ den. Die regelmäßigen Ausgaben für „Zehrungen“ von Funktionsträgern, den vormodernen Reisekosten für Kost und Logis, liefern ein deutliches Bild von der Mobilität der Berg­verwaltung.609 Die Höhe der abrechenbaren Reisekosten wurde in den Bestallungen festgelegt und aus dem Zehnt abgerechnet.610 Dabei galt, dass die Zehrung nur in Rechnung gestellt werden konnte, wenn der ent­ sprechende Amtsträger aus Dienstgründen zur Reise aufgefordert worden war. Dass die korrekte Abrechnung der Reisekosten sehr ernst genommen wurde, zeigt sich nicht nur daran, dass in den Rechnungen in aller Regel festgehalten

607 Vgl. Schurtz: Die Pässe des Erzgebirges; Grässler: Pässe über das Erzgebirge, S. 97–108. 608 Abrechnungen für Botendienste finden sich in den Zehntrechnungen, vgl. etwa SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36121, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1756. Zum Botenwesen allgemein vgl. etwa Schneidmüller: Briefe und Boten; Körber: Der soziale Ort des Briefs; Puhle: Das Gesandten- und Botenwesen der Hanse, S. 43–44; Walser: Botenwesen; Gerteis: Reisen. Zum spätmittelalterlichen Botenwesen aus medientheoretischer Perspektive an­ regend Schürch: Der Bote ist nicht allein. Für Sachsen klassisch immer noch Lippert: Briefbeförderung. Sehr quellennah Kunze: Das Amt Leisnig, S. 214 ff.; Lang: Botenwesen am kurfürstlich sächsischen Hof 1486–1525. 609 Vgl. etwa die Annaberger und Freiberger Zehntrechnungen. SächsStA-D, 10036 Finanzar­ chiv, Loc. 36121, Rep. 9, Nr. 1756 oder SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Ar­ chiv), Loc. 04500/09. Die Zehrungen sind unter den gemeinen Ausgaben gelistet. 610 Während für die niederen Posten der lokalen und mittleren Berg­verwaltung in den Bestal­ lungen angegeben wurde, dass sie eine „gewöhnliche“ Zehrung bekommen sollten, waren die Bestallungen der adligen Amtsträger diesbezüglich spezifischer. So bekam etwa Lorenz von Schönberg als Berg­amtmann für Reisen innerhalb des Territoriums 1577 pro Pferd für einen Tag und eine Nacht ½ fl. Für notwendige Reisen außerhalb des Territoriums konnte er 14 fl abrechnen, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 8a–15b. Für die niederen Berg­beamten der mittleren Berg­verwaltung siehe etwa Sächs­ StA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170. Eine detaillierte Auflistung für Zehrung und Botenlohn im Rahmen der Freiberger Schmelzhütten findet sich hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36094, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1362.

Administrative Praktiken

263

wurde, aus welchem Grund die Zehrung ausgezahlt wurde, sondern auch, dass zu hohe Reisekosten erklärungsbedürftig waren.611 Berichte konnten auf unterschiedliche Weise angefertigt werden. Eine Beson­ derheit des Erzgebirges waren die sogenannten Aufstände, kurze, listenartige Aufstellungen über den Zustand der Lagerstätten und Zechen in einem Revier, die lokal angefertigt und zusammen mit den Ausbeutzetteln eines Reviers nach Dresden verschickt wurden. Die Aufstände sind ab 1549 überliefert und wurden in aller Regel durch den Berg­meister oder den Oberbergmeister verfasst.612 In Dresden wurden sie durch landesherrliche Räte geprüft und abschließend dem Kurfürsten zur Kenntnisnahme vorgelegt.613 In ihrer Form waren sie ganz auf die Vermittlung von Informationen reduziert. In ihnen wurde über neu ent­ deckte Erzadern und deren Qualität, aufgefundene Mineralien wie Kobalt oder Flussspat, aber auch über Wassereinbrüche oder andere Probleme in einzelnen Zechen, den Zustand der Wasserkünste, des Hüttenwesens und bisweilen auch der lokalen Berg­verwaltung berichtet. Die überlieferten Aufstände gleichen sich bis auf wenige Ausnahmen in ihrer Form und in ihrem Inhalt, so dass von einer gewissen Standardisierung ausgegangen werden kann. Die einzelnen Punkte 611 Vgl. exemplarisch die Zehntrechnung von Freiberg 1513/14. Hier wurde als Grund für die ausgeteilte Zehrung die zweimalige Reise zur Rechnung auf dem Schneeberg und eine Reise des Münzmeisters nach Schneeberg wegen fremder Münzen angegeben, ähnlich konkret ist auch die Zehntrechnung 1518/1519, in der als Reisezweck die Rechnung und Probation in Schneeberg und die Zehrung und der Fuhrlohn nach Dresden, Berg­werksachen belangend, angegeben wurde, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04500/10, fol. 22b–23a, fol. 151b–153a. Der Zehntner von Altenberg musste sich zum Beispiel auf der Berg­handlung Quasimodogeniti 1527 rechtfertigen, dass seine abgerechnete Zehrung viel zu hoch sei und dass die Hälfte angemessen gewesen wäre. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04490/02, fol. 26b. 612 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36361, Rep. 9, Sect. 2, Nr. 0006; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36066, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0320; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1869. 613 1558 etwa merkte der Oberbergmeister Markus Röhling an, dass der Zehntner neben den Aufständen auch die Ausbeutzettel von Schneeberg und Freiberg übersende. Vgl. Sächs­ StA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36066, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0320, fol. 43a. 1573 hingegen schrieb Merten Planer an die Berg­-, Kammer- und Hofräte und den Hauptmann des Erz­ gebirges, dass er die bei den Berg­rechnungen eingegangenen Aufstände und Ausbeutzettel verschickt habe. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36070, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 422, fol. 1a–1a/b. Ähnliche Indizien finden sich auch in verschiedenen Schreiben von Hans von Bernstein aus dem Jahr 1580, in denen er ankündigte, die eingegangenen Ausbeutzettel und Aufstände dem Kurfürsten zu überschicken. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Ge­ heimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 315a, fol. 355a–b.

264

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

wurden relativ einfach durch ein ‚Item‘ voneinander getrennt, das der Struktu­ rierung des Textes diente.614 Durch die Verwendung des ‚Item‘ und den damit verbundenen listenförmigen Aufbau der Aufstände wurde ein gewisses Maß an Serialität und Wiedererkennbarkeit der Aufstände hergestellt, ohne dass damit jedoch eine weiterführende Abstraktions- und Ordnungsleistung verbunden gewesen wäre. Die in ihrer Form auf die ‚nackte‘ Informationsvermittlung aus­ gerichteten Aufstände wurden häufig von ausführlicheren Berichten begleitet, durch die die Informationen der Aufstände kontextualisiert und in ein größeres Narrativ eingebettet wurden. Um einen genaueren Eindruck über die narrative Form der Berichte zu gewin­ nen, soll im Folgenden ein Bericht der Freiberger Berg­amtleute vom 13. Dezem­ ber 1565 etwas genauer betrachtet werden.615 Dieser ist symptomatisch für Berichte über den Zustand des Berg­werks, die in regelmäßigen Abständen, häufig im Umfeld der vierteljährlichen Rechnungslegung, durch Mitglieder der lokalen und mittleren Berg­verwaltung verfasst wurden. Der Freiberger Bericht wurde vom Hauptmann des Erzgebirges, Wolf von Schönberg, dem Oberbergmeister Markus Röhling, dem Berg­vogt Simon Bogner und schließlich dem Freiberger Berg­meister Merten Planer, also den Spitzenbeamten der lokalen und mittleren Berg­verwaltung, gemeinsam verfasst. Auf neun Seiten beschrieben sie in dras­ tischer Weise den gegenwärtigen desolaten Zustand des Freiberger Berg­werks. Ein Grund hierfür seien die vielen Kuxe, die ins Retardat fielen, ohne erneut verkauft zu werden. Dies setze eine Kettenreaktion in Gang, denn je mehr Inves­ toren ihre Teile aufgäben, desto eher fielen ganze Zechen und Stollen ins Freie, „welches dem berkwerge einen grossen fall bringen will“.616 Das Hauptproblem seien die Stollen, die nur unter großen Kosten betrieben werden könnten, aber unbedingt erhalten werden müssten. So versorge etwa der Thellersberger Stollen allein die Züge Wilder Mann, Sonnenwirbel, St. Wenzel, St. Erasmus, den Vogelbauer und viele andere. Gerade dieser Stollen, der mit hohen Unkosten und Wasserkünsten gehalten wurde, habe große Hoffnung geweckt, Erz und Blei zu finden. Doch sei die Qualität der Erze gering, und im Verhältnis dazu seien die 614 Nach Rössler und Kolbeck ist das Item zwar bis ins 17. Jahrhundert ein erfolgreicher Text­ strukturierungsmarker, der jedoch semantisch entleert ist. Neben das Item traten zunehmend Datierungen und schließlich Spalten, die ihrerseits „textsortenkonstituierend und damit seriell wirkten“. Rössler/Kolbeck: Aufstieg und Fall des Item, S. 60. 615 Bericht 13. Dezember 1565, SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 91a–95a. Zu Berichten als Medium symbolischer Kommunikation siehe Droste, Briefe als Medium symbolischer Kommunikation. S. 241 ff. 616 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 91a.

Administrative Praktiken

265

Aufbereitungskosten in den Hütten zu hoch. Ein wesentliches Problem sei das Verhalten des Oberhüttenverwalters Michel Schönleben. Die Gewerken hätten sich zu Recht bei den Berg­amtleuten beschwert, dass dieser die Schmelzschich­ ten in den Hütten zu kurz ansetze.617 Schönleben agiere zudem eigennützig und sei selbst auch als Gewerke aktiv. In seiner Position als Oberhüttenverwalter bevorzuge er genau jene Zechen, in denen er selbst auch Berg­teile habe. Dieses eigennützige Verhalten würde „bey denn gewerckenn allerley vordacht vnnd nachrede“ machen. Daher empfahlen die Berg­amtleute die Einhaltung der Berg­ordnung und vor allem, dass das eigennützige Verhalten von Schönleben sanktioniert werde. Der Bericht endete jedoch optimistisch mit einem Verweis auf die guten Anbrüche, die gefunden worden seien – was auch den Aufstän­ den entnommen werden könne. Auf Grund der Anbrüche waren die Verfasser des Berichts schließlich „der entlichen hofnung Zw Gott dem Almechtigen er werde das bergwerg wieder erheben vnnd reichlich segenen“.618 Florierender Berg­bau war in der zeitgenössischen Wahrnehmung nur bis zu einem gewissen Grad planbar, sondern unterlag dem Willen Gottes.619 Ent­ sprechend häufig verknüpften Amtsträger die Einschätzung des Zustandes der Berg­werke mit Formulierungen wie „Gott helfe“ oder „Gott lob“, „gott gebe seinen segen darzu“, „wollen wir zu dem allmechtigen Gott hoffen, Er werde die Berg­kwerge, Indes hendenn es stehet, dermaßen erweitern, Erz bescheren vnd segnen“ oder „der liebe gott wirdt das bergkwergk wieder reichlichen segen, vnd viel Ertz bescheren damit arme Leudt erhalten, die Gewercken auch genis­ sen, vnd euer E F G Zehnten vnd Cammergut wird gereichertt vnd gemehr­ hett werdenn, wie es dan an fleissigen anhaltten vnnd auffsehen nicht mangelt Gott gebe seinen miltten segen“.620 Dabei ist auffällig, dass gelehrtes Wissen 617 Zu Korruptionsvorwürfen gegen Michel Schönleben vgl. auch Kap. C.1.4.2.2 (Der tiefe Fall des Favoriten: Michel Schönleben). 618 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 91a–95a. 619 Vergleichbare Narrarive lassen sich auch in medizinischen Kontexten zeigen. Kranke und Angehörige verbanden ihre Bitte um ärztliche Versorgung häufig mit Formulierungen wie „mit göttlicher Verleihung“ oder „Gott wolle seinen Segen dar zu geben“. „Religiöser Glaube und weltliche Hilfesuche schlossen einander in keiner Weise aus.“ Stolberg: Zeit und Leib in der medikalen Kultur, S. 64. 620 Die Beispiele stammen von hier: SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 36a–37a (Bericht von Wolf von Schönberg, Markus Röhling, 8. Juni 1565) sowie fol. 58a–59a (Bericht Merten Planer, 25. August 1565). Vergleichbar auch Sächs­ StA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 22a–23a, fol. 42 (c) a–b, fol. 42 (k) a, fol. 52a–53b, fol. 55a, fol. 56a, fol. 58a–59a, fol. 60a–61a, fol. 74a, fol. 76a, fol. 80a–b. Ähnlich auch SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-,

266

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

über die Metallogenese oder die Metallurgie für Amtsträger keine Rolle spiel­ ten. Im Verwaltungskontext war praktischeres Wissen gefragt, und umgekehrt: Gelehrtes Wissen über den Berg­bau, etwa Georg Agricolas Bermannus oder De Re Metallica, richtete sich weniger an Berg­baupraktiker, sondern vor allem an ein gelehrtes Publikum.621 Die Deutungsmuster der Berg­verwaltung waren hingegen in der Regel einfa­ cher: Ob reiche Erze gefunden werden oder ob das schwere Grundwasser Berg­ bau überhaupt möglich machte, lag in der Letztbegründung in Gottes Hand. Dass reiche Anbrüche göttlichem Segen unterlagen, hieß jedoch nicht, dass keine aktiven Maßnahmen – durch den Einsatz von Muskelkraft, Technik und vor allem Geld – ergriffen werden konnten. Im vorgestellten Fall etwa wurden drei Faktoren aufgeführt: Die natürlichen Bedingungen der Rohstoffe (schlechte Qualität der Erze), Wasserprobleme in Folge des Tiefbaus und schließlich menschliches Versagen. Alle drei Faktoren führten im schlimmsten Fall dazu, dass Investoren ihr Geld abzogen, wodurch der Berg­bau „großen Schaden“ nehme beziehungsweise was ihm „sehr geferlich“ werden könne. Während schwere Wasser oder arme Erze letztlich außerhalb der menschlichen Einflusssphäre lagen und darauf lediglich mit Geld, Mus­ kelkraft und Technik reagiert werden konnte, boten betrügerische Praktiken oder ‚menschliches Versagen‘ die Möglichkeit der Personalisierung der ‚Krise‘.622 Durch Personalisierungen und das Zurückführen auf das Fehlverhalten einzel­ ner Akteure konnten in Berichten komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge in ein handlungstaugliches Narrativ und damit auf die Ebene des individuellen Versagens einzelner, sanktionierbarer Akteure gebracht werden.623 Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1565–1566, fol. 16a–17a, fol. 75a, fol. 80a, fol. 97a, fol. 98a, fol. 122a oder SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36085, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0899, fol. 9a–15b, fol. 17a–21a, fol. 23a–25b. 621 Vgl. Connolly: Problems of Textual Transmission, S. 134–135. 622 Personalisierung findet sich auch in anderen wirtschaftlichen Kontexten, etwa in Bankrott­ diskursen. Sie dienen weniger einer Komplexitätsreduktion, sondern eher einer „handlungs­ tauglichen Beschreibung und damit Zurichtung von Komplexität“, vgl. Schlögl: „Krise“ als historische Form, S. 20. Siehe hierzu auch Häberlein: Ehrliche Gesichter; Fiedler: Vertrauen ist gut; Gorissen: Der Preis des Vertrauens. 623 Vgl. hierzu auch Kap. D.2.3 (Grenzstellen: Schichtmeister, Steiger und Kuxkränzler als Ex­ klusionsfiguren). Zugleich muss berücksichtigt werden, dass diese Art von Berichten auch eine Möglichkeit für Berg­beamte war, Mikropolitik zu betreiben. Die permanenten Vor­ würfe gegen Michel Schönleben etwa, dessen Verhalten für den Niedergang des Berg­baus mitverantwortlich sei, sind bereits an anderer Stelle diskutiert worden. Vgl. Kap. C.1.4.2.2 (Der tiefe Fall des Favoriten: Michel Schönleben).

Administrative Praktiken

267

Als Nachweis und Dokumentation der für den Berg­bau so wichtigen Qua­ lität neuer Erzanbrüche konnten zusammen mit Berichten und Aufständen zudem auch Erzstufen, sogenannte Handsteine, verschickt werden.624 Die Ver­ schickung von Schaustufen, auch Erzstufen oder Handsteine, also besonders schön kristallisierten Mineral- oder Erzstufen, war eine übliche Tätigkeit von Berg­beamten.625 Handsteine galten als physischer Nachweis der Prosperität einer Zeche und des Finderglückes.626 Markus Röhling beantwortete etwa im Januar 1558 eine Anfrage des Kurfürsten, ihm Schaustufen zuzuschicken. Nun sei aber momentan „sonder scheinlichs“ nichts an der Hand, so dass er das Beste schicke, was er habe erwerben können.627 Handsteine wurden zum Teil explizit als Schaustufe geschlagen. 1537 berichtete Heinrich von Gers­ dorff, dass man einen Handstein geschlagen habe, der über fünf Zentner schwer gewesen sei. Auf Grund des Gewichts musste man ihn am Ende in der Grube zerschlagen, da man ihn sonst nicht ans Tageslicht habe schaffen können.628 Tröstlich sei, dass immerhin 24 Tröge gutes Erz von dem Hand­ stein geschlagen worden seien. 624 Zu Handsteinen siehe Haag: Die Geschichte der Wiener Kunstkammer, S. 201–205; Hammer u. a.: Handstein; Thalheim: Geowissenschaftliche Objekte; Mauriès: Das Kuriositätenkabinett, S. 8–67; Smith/Beentjes: Nature and Art, Making and Knowing; Schiedlausky: Berg­männische Handsteine; ders.: Der Handstein mit dem Berg­motiv; Schreiber: Daniel im Berg­bau; Strieder: Erzstufe; Schreiber: Der Berg­bau in Ge­ schichte, S. 203 ff. 625 Berichte über Handsteine finden sich u. a. in SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36066 Rep. 9 Sect. 1, Nr. 0314, fol. 39a, fol. 40a; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36066, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0320, fol. 17a–17b; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 55a; SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 313a; SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04490/02, fol. 8b–10a; SächsStA-D, 10004 Kopiale, 0439, Kopial der Geheimen Kammerkanzlei/ Alte Aufschrift: „Copial in Churfürsten Augusti Nahmen“, alte Nr. 31 A, 1578, fol. 232a; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1565–1566, 75a; SächsStA-F, 40007 Berg­amt Annaberg (mit Neundorf und Wiesa), Nr. 617, fol. 1a–b. 626 Der Annaberger Chronist Georg Arnold etwa unterstreicht den reichen Berg­segen in Anna­ berg mit einer Beschreibung von Berg­leuten, die mit kostbaren Handsteinen umhergingen. Vgl. Arnold: Chronicon Annaebergense continuatum, S. 169. Dass der Handstein gleicher­ maßen Ausdruck des Finderglücks wie auch religiöses Symbol war, betont auch Bartel: In der Tiefe, S. 165. 627 Vgl. Markus Röhling an Kurfürst August, 4. Januar 1558. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Loc. 36066, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0320, fol. 41a–42a. 628 SächsStA-F, 40007 Berg­amt Annaberg, Nr. 617 (mit Neundorf und Wiesa), fol. 2a–3a.

268

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Wenn dem Kurfürsten der übersendete Handstein gefiel, wurde die entspre­ chende Zeche entschädigt. Wenn nicht, dann wurden die Handsteine wieder zurückgeschickt.629 Ein 1572 übersendeter Handstein wurde etwa mit dem Ver­ weis zurückgeschickt, dass nichts „artiges“, also Kunstfertiges, daran zu finden sei.630 Wesentlich euphorischer war die Reaktion im Februar 1577 auf einen Handstein aus Marienberg: „Nachdem vns aber solcher Handstein, desgleichen wir die Zeit vnseres Lebens nicht gesehen, sehr wol gefallen, als haben wir den­ selben behalten“ und dem Zehntner befohlen, diesen zu bezahlen.631 Während durch die Verwaltung verschickte Handsteine häufig als materielle Belege für den guten Zustand des Berg­werks dienten, waren sie für den Landesherrn zugleich auch begehrtes Rohmaterial für Kunstobjekte. Schön gewachsene kristallene oder aus Erz bestehende Stufen wurden als Ausdruck göttlichen Segens angese­ hen. So heißt es etwa in einer Berg­reihe, einer typischen Form bergmännischen Liedguts, von 1530: „Denn wendet mein hertz und augen / erhaben alleine zu Gott Der lies mich handsteine schauen / gedigen ertz güldigrodt Von wannen mire hülff wird komen / die ist von Gott dem Herrn Der uns allen zu fromen / gemacht hat himel vnd erdn.“632 Aus den schönsten Erzstufen jedoch wurden von den kursächsischen Silberschmieden phantasievolle Kunstobjekte geschaf­ fen, an denen „the divine order, in which God was creator of ores and miners and smelters the creators of metals“ durch die Kombination der ursprünglichen Gestalt der Handsteine mit der Verbindung religiöser Motive noch deutlicher herausgearbeitet wurden.633 Diese kostbaren Silberschmiedearbeiten waren begehrte Tauschobjekte an europäischen Höfen und finden sich in zahlreichen Kunst- und Wunderkammern.634 Die unterschiedlichen Bearbeitungsstufen von Handsteinen wurden bei Ferdinand von Böhmen sogar zum Sammlungsprinzip. Während seiner Statthalterschaft in Böhmen wies er Gewerken und Berg­beamte an, ihm besonders attraktive Erzstufen zuzuschicken. In seiner Großen Kunst­ kammer befand sich der Schrank 3, ein Mineralienkabinett, in dem zunächst 629 Vgl. etwa den Rechnungsauszug Crucis bis Lucie 1561 aus dem Annaberger Zehnt. Gemeine Ausgaben: 21 fl und 118 fl 2 gr für zwei „stufen ertz“ von der 21. und 22. Maaß nach St. Elisabeth auf St. Marienberg, 17 fl 3 gr für eine Erzstufe von der 11. 12. Maaß nach dem reichen Spat. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0160, fol. 42b. 630 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36324, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 4354, fol. 9a. 631 Vgl. ebd., fol. 10a. 632 Zitiert in Slotta/Bartels: Meisterwerke bergbaulicher Kunst, S. 563. 633 Smith: Making as Knowing, S. 26. 634 Vgl. Skogh: South, East and North, S. 126 f.; Kaliardos Pilaski: The Munich Kunst­ kammer, S. 163 f.

Administrative Praktiken

269

unverarbeitete Erzstufen und schließlich drei durch Silberschmiede veredelte Handsteine ausgestellt waren.635 Die in den Aufständen gesammelten Informationen wurden durch die beglei­ tenden Berichte und die physische Evidenz der Handsteine in einen größeren Sinnzusammenhang eingebettet und kontextualisiert. Diese Kontextualisierung fand jedoch nur situativ und fallweise statt. Äußerst selten wurden Informatio­ nen über einen längeren Zeitraum nicht nur erhoben, sondern auch evaluiert. Eine Ausnahme von der Regel stellt eine Denkschrift von Merten Planer aus dem Jahr 1570 dar, die er in Absprache mit dem Hauptmann des Erzgebirges (Wolf von Schönberg) und dem Oberbergmeister (Markus Röhling) erstellte.636 Die Denkschrift steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit einer größeren Visitationsreise im November 1570 und wurde nach der Rechnung Lucie am 26. November den Berg­- und Kammerräten Hans von Ponickau, Hans von Bernstein und Haubold von Einsiedel übergeben. Planer berichtete über den Zustand der Stollen, Wasserkünste und Kunstgezeuge im Freiberger Revier und vor allem über Einsparungen durch den Einsatz von Wasserkünsten. Kleinteilig listete er hierfür verschiedene Informationen aus Rechnungen auf, um eine auf diesen Daten basierende Kalkulation künftiger Ersparnisse aufzustellen. Der Bericht Planers diente vermutlich dazu, seine eigene Leistung für den Berg­bau ebenso ins rechte Licht zu rücken wie Werbung für die finanzielle Unterstüt­ zung zum Bau von Wasserkünsten zu machen, mit denen, so Planer, im gesamten 635 Vgl. Prescher: Von Sammlern und Sammlungen, S. 331 f. Handsteine waren ein kost­ spieliges Sammlungsgebiet. 1564 wurde Erzherzog Ferdinand von Böhmen durch einen Joachimsthaler Berg­beamten eine Sammlung von Handsteinen für 7000 Taler angeboten. Ferdinand entschied zwar, dass sie nicht mehr wert sei als 3000 Taler, aber hieran zeigt sich deutlich, welche finanziellen Möglichkeiten in Handsteinen lagen. Handsteine waren nicht nur in höfischen Kontexten begehrte Objekte für Sammlungen. Auch Humanisten und Berg­bauinteressierte, wie der Joachimsthaler Berg­prediger Johann Mathesius, der Zürcher Humanist Conrad Gessner oder auch Georg Agricola sammelten Erzstufen und Handsteine für ihre Mineraliensammlungen. Georg Aricola pflegte hierfür ein Tauschnetzwerk, das sich über ganz Europa erstreckte. Vgl. hierzu auch Prescher: Mineralogische Kulturgeschichte, S. 129–130 sowie Raffler: Zur Geschichte mineralogischer Sammlungen. Auch in Kurfürst Augusts 1560 eingerichteter Kunstkammer war eine eigene Abteilung für Steine eingerichtet, wobei er sich jedoch zunächst für Marmor und ähnliche Gesteinsformen interessierte. Erst im 17. Jahrhundert wurde die Sammlung neu sortiert und nun auch Mineralien und Erze systematisch integriert. Vgl. hierzu Thalheim: Geowissenschaftliche Objekte. 636 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36096, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1410a. Vgl. hierzu auch Wengler: Bericht des Berg­verwalters sowie Jobst: Die Turmhofer Gruben bei Freiberg, S. 68–76.

270

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Freiberger Revier allein im Quartal Lucie 1570 insgesamt 25.600 fl eingespart werden könnten, was aufs Jahr hochgerechnet eine Ersparnis von 102.400 fl und 8 gr ergebe.637 Die Aufstellung Planers ist in zwei Teile gegliedert und beginnt mit einem Bericht, der in seiner Form den Aufständen gleicht, wenngleich durch das Ein­ fügen von Rubriken eine stärkere inhaltliche Strukturierung vorgenommen wird. So behandelt Planer zunächst die Stollörter und die Stollen, dann die Richtschächte, Wasseranlagen und schließlich Teiche. Diesen Teil beschließt Planer mit dem Verweis darauf, dass die Berg­amtleute zudem täglich darüber nachdächten, wie man das „bergkwergk leicherung machen, vnnd langwirdigk mag erhalten werden, damit die Pauenden Gewercken, nicht mit beschwerli­ chen Zupussen beladen, vnnd das Churfursten zu Sachsen […] Zehnt[en] vnnd Cammergut, Moge gefordert werden“.638 Der zweite Teil ist überschrieben: Außzugk was die wasser vff dem Thormhoffer Zugk, vnnd Berg­kwerk zu freybergk, zuvorn, mit pferden vnnd knechten zu halttenn gekost[et] Ehe ich Mertten Planner Itzo Berg­ wercksvorwalder, an das Berg­meister Ampt kommen vnnd was sie Itzo zu haltten kostenn, vnnd was man mit den kunsten vnd Zeigen erspart, dem Churfurstlichen Berg­kreden vber­ geben den 26. Novembris Anno in LXX als in schluss der Rechnung Lucie.639

Hier zeigt Planer auf Basis der Wasserkosten für verschiedene Zechen auf, wel­ che Einsparungen die Gewerken durch die Nutzung von Wasserkünsten machen könnten. Dabei verweist er explizit auf seine eigenen Leistungen, indem er eine Übersicht liefert, welche Kunstgezeuge (das sind die mechanischen Bestand­ teile einer Kunst) er zwischen 1557 bis Lucie 1570 im Freiberger Revier ange­ bracht hat.640 Der rasante Aufstieg Merten Planers innerhalb der sächsischen Berg­verwaltung war nicht zuletzt durch seine technischen und geologischen Fachkenntnisse möglich geworden, allen voran durch den Auf- und Ausbau der Wasserinfrastruktur im Freiberger Revier. Die heute als obere und untere Freiberger Wasserversorgung bezeichnete Wasserinfrastruktur geht maßgeblich auf Planers Wirken zurück.641 637 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36096, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1410a, fol. 55a. 638 Ebd., fol. 47a. 639 Ebd., fol. 48a–56b. 640 Ebd., fol. 56a–b. 641 Die untere Wasserversorgung versorgte durch die Nutzung des Münzbachs und des Zethau­

Administrative Praktiken

271

Dass Planer auf die hohe wirtschaftliche Bedeutung von Wasserkünsten abzielte, verwundert vor diesem Hintergrund wenig. Interessanter ist hinge­ gen die Art seiner Argumentation, die er ausschließlich auf Basis von Zahlen und Prognosen entwickelt. Die untere 5. Maaß Turmhof habe etwa nach Planer Unkosten von 180 fl und 3 gr gehabt.642 Die jetzigen Wasserkosten betrügen jedoch nur 21 fl 6 gr, was heiße, dass man wöchentlich 158 fl 18 gr spare. Die von Planer prognostizierten Einsparungen von 158 fl, 337 fl oder 77 fl sehen auf dem Papier beeindruckend aus.643 Im Detail stellen sich jedoch einige Fragen. Planer legt nicht offen, woher die Daten für seine Berechnung der Was­ serkosten eines Zuges stammen: Handelt es sich um den Durchschnittswert oder den Spitzenwert einer Grube? Sind die 180 fl Unkosten der 5. unteren Maaß Turmhof also als Ausnahme oder als Regel zu begreifen? Welche Zechen kom­ men überhaupt in seinem Bericht vor? Was ist etwa mit jenen Zechen, deren Wasserkosten durch den Einsatz einer Kunst nicht verringert wurden? Auch wird in den Wasserkosten von 21 fl für die Wasserkunst der 5. unteren Maaß nicht sichtbar, wie teuer die Anschaffungskosten für die Kunst waren oder wie lange es dauerte, bis sich die Kosten für eine Kunst amortisierten. Dass die zu bachs vor allem die Gruben um Brand wie die Mordgrube mit Aufschlagwasser, wobei Wasser aus Dorfbächen durch sogenannte Wasserteiler in die Wasserversorgung eingespeist wurde. Zudem gehörten zu diesem Wassersystem verschiedene Teiche, wie etwa der untere (Große) Großhartmannsdorfer Teich, der Erzengler-, Lother- und der Hüttenteich. Insgesamt um­ fasste die untere Wasserversorgung Teiche mit einem Fassungsvermögen von über 2 Mio. m3, 3,5 km Röschen und 20 km Kunstgräben. Die obere Wasserversorgung lieferte Wasser für das Freiberger Revier und bestand aus ca. 30 km Kunstgräben und 16 km Röschen. Die obere Wasserversorgung war über den unteren und mittleren Großhartmannsdorfer Teich sowie den Rothbächer Teich mit der unteren Wasserversorgung verbunden. Vgl. Kugler: Das Wasserwesen, S. 55 f.; Kraschewski: Das Spätmittelalter, S. 282–289; Fessner/Bartels: Von der Krise, S. 526–550; Wagenbreth/Wächtler: Der Freiberger Berg­bau, S. 44–72. Einen Überblick über die technische Dimension liefert Haasis-Berner: Wasserkünste und Wasserkünstler. Spezifischer auf den Freiberger Raum ausgerichtet Mucke: Röschen, Flöße und Anzüchte; Kraschewski: Das Spätmittelalter, S. 284; Naumann: Technologien im Berg­- und Hüttenwesen, S. 181 ff. 642 Diese Summe setzt sich zusammen aus: 120 fl, 4 gr wöchentlich für 108 Wasserknechte, 24 fl, 4 gr wöchentlich für 16 Pferde, 5 fl, 2 gr wöchentlich für den Schirrmeister, Knechte, Streicer und Stutzer neben dem Treiberlohn, 4 fl 2 gr wöchentlich auf Wasser „thommen“, 8 fl 2 gr wöchentlich für das Göpelseil, 10 fl 4 gr wöchentlich für das Haspelseil, 2 fl 2 gr wöchentlich für Zuber und 6 fl 4 gr für die Schmiedekosten. Vgl. SächsStA-D, 10036 Fi­ nanzarchiv, Loc. 36096, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1410a, fol. 49a. 643 So die Werte für die 5. untere Maaß, den Kuhschacht und die 3. und 4. untere Maaß Turmhof.

272

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

leistenden Beträge einer Zeche immer in Relation zu der Anzahl der Gewerken und den Gewinnen liegen, wird in dieser Auflistung roher Daten ebenfalls nicht sichtbar. Zahlen werden in Planers Memorandum also hochgradig suggestiv ver­ wendet. Es ging hier weniger um ein ausbalanciertes Verständnis wirtschaftlicher Dynamiken, sondern um die Betonung finanzieller Einsparungen, symbolisch repräsentiert im Medium der nackten Zahl und dem Zauberwort ‚Einsparung‘. Um diese Magie der Zahlen noch deutlicher herauszuarbeiten, rechnet Planer am Ende zusammen, wie viel Einsparungen im Freiberger Revier pro Woche (729 fl 14 gr), pro Quartal ohne die Zechen auf dem Brand (9485 fl 14 gr), pro Quartal inklusive der Zechen auf dem Brand (25.600 fl 2 gr) und schließlich auf das ganze Jahr (102.400 fl 8 gr) potenziell möglich seien. Diese beeindruckende Summe stellt Planer in einen direkten Zusammenhang zu seinem Wirken als Berg­meister beziehungsweise Berg ­werksverwalter.644 So suggestiv Merten Planers Bericht ist, so einzigartig ist er auch. Diese Hochachtung der Wirkmacht von Zahlen, die systematische Evaluation der wirtschaftlichen Vorteile hydraulischer Maßnahmen und überhaupt der prog­ nostische Gestus finden sich sonst kaum in den Berichten und müssen für das 16. Jahrhundert als Ausnahme gelten.645 Wesentlich üblicher waren Berichte als unmittelbare Reaktion auf vorhergehende konkrete Problemanzeigen aus der sozialen Umwelt der Verwaltung, vor allem auf eingereichte Supplikationen, die sowohl als Indikator für den allgemeinen Zustand der Berg­werke dienten als auch Impulse für die weitere Erhebung von Informationen setzten. 3.1.3 Dreieckskommunikation: Supplikationen Als Sonderform des Berichts kann mit Michael Hochedlinger die Supplikation gelten.646 Eine Supplikation ist allgemein „eine Form der Bitte unter Unglei­ chen. Sie appelliert an die Gnade eines Höhergestellten, baut auf dessen Selbst­ verständnis, ein christlicher und milder Herr zu sein, der wie Gottvater Gnade

644 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36096, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1410a, fol. 56a–b. 645 Dies deckt sich mit den Befunden von Lars Behrisch, der argumentiert, dass tabellarische Darstellungen erst im 17. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung gewannen. Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts sei von einem neuen „politischen Zahlendiskurs“ auszugehen. Vgl. Behrisch: Politische Zahlen, bes. S. 554. 646 Hochedlinger: Aktenkunde, S. 213–214.

Administrative Praktiken

273

vor Recht ergehen lässt.“647 Die Übergabe von Bittschriften war ein wesentlicher Bestandteil der politischen Kultur der Vormoderne und stand an der Schnitt­ stelle „von fürstlicher Herrschaftssphäre, obrigkeitlicher Verwaltung und Unter­ tanenschaft“.648 Das Verfassen von Bittgesuchen gehörte zu den zeitgenössischen Rechten der Untertanen, wenngleich gewisse Formalia erfüllt sein mussten: Einerseits mussten Bittschriften ‚authentisch‘ sein, auf der anderen Seite gab es relativ klare Anforderungen an den Stil, den Aufbau und die notwendigen Formulierungen. Untertanen konnten zum Verfassen entweder auf die Hilfe professioneller Schreiber zurückgreifen oder aber sich auf diverse Handbücher verlassen, die Hinweise zum richtigen Verfassen von Supplikationen gaben.649 Die Bearbeitung von Supplikationen war ein wichtiges, aber zugleich auch zeit­ aufwendiges Geschäft. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde das Supplikations­ wesen zunehmend normativ geregelt: Supplikationsordnungen legten fest, zu welchen Themen suppliziert werden durfte und auf welchem Wege.650 Wenn­ gleich die Endscheidung beim Landesherrn lag, kam Amtsträgern eine wichtige Rolle in der Aufarbeitung und Bewertung der Gesuche zu.651 Im sächsischen Berg­bau supplizierten Amtsträger, städtische Eliten, Knapp­ schaften, Berg­arbeiter und Berg­bauunternehmer um ein sehr breites Spektrum an Themen: Bitten um Exspektanzen, Kritik an Missständen in der Berg­verwaltung oder im Berg­bau, Bitten um Straferlass, die Verbesserung bergrechtlicher Normen, die Gewährung von Privilegien oder die finanzielle Unterstützung von Zechen.652 Die Annahme und Überprüfung eingehender Supplikationen gehörte ebenso wie die Erstellung von Berichten zu den üblichen Aufgaben der Berg­verwaltung,653 647 Brakensiek: Supplikationen, S.  309. Zum Supplikationswesen allgemein vgl. Nubola/Würgler: Forme della comunicazione politica; Ludwig: Das Herz der Justi­ tia, bes. S. 151 ff.; Neuhaus: Supplikationen als landesgeschichtliche Quellen. 648 Vgl. Brakensiek: Einleitung: Herrschaft und Verwaltung, S. 12. 649 Vgl. ders.: Supplikationen, S. 312. 650 Für Sachsen vgl. etwa SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32441, Rep. 28, Supplikati­ onen, Bl. 55, Nr. 0001 (Ordnung Kurfürst Christians I., wie künftig mit einkommenden Supplikationen und Bittschriften verfahren werden soll 1589). 651 Vgl. Brakensiek: Supplikationen, S. 310. 652 Dieses breite Spektrum an Themen ist typisch für Supplikationen, vgl. ebd., S. 309, ders.: Zeremonien und Verfahren, S. 76; spezifischer noch Neuhaus: Supplikationen als landes­ geschichtliche Quellen, S. 120. 653 Bittschriften und landesherrliche Befehle in Reaktion auf Bittschriften finden sich etwa hier SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floßund Holzsachen (1559–1782), 1565–1566 sowie SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36085, Rep. 9,

274

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

wenngleich die Bestallungsbriefe nur in seltenen Fällen die Vorprüfung von Supplikationen als formale Pflicht eines Amtsträgers explizit thematisierten.654 Bittschriften konnten auf unterschiedlichen Wegen ihren Weg vor den Lan­ desherrn finden. Zum einen konnten sie dem Landesherrn direkt übergeben werden, etwa wenn dieser eine Berg­stadt besuchte. Alternativ konnte sie den Hof- beziehungsweise Kammerräten in Dresden übergeben oder geschickt wer­ den.655 Üblicher hingegen war vor allem für Gewerken die Übergabe von Sup­ plikationen im Rahmen der Berg­handlungen beziehungsweise ab den 1540er Jahren den Berg­rechnungen. Während der Berg­handlungen wurden Supplikati­ onen vor Ort durch die landesherrlichen Räte geprüft, die für den Landesherrn in den Protokollen eine Stellungnahme vermerkten. Kleinere Angelegenheiten wurden direkt vor Ort beschieden, und bei schwerwiegenden oder uneindeuti­ gen Fällen wurden weitere Informationen eingeholt und auf eine entsprechende Instruktion durch den Landesherrn gewartet. Ab den 1540er Jahren wurden Supplikationen während der Berg­rechnungen eingeholt, und ihre Überprüfung oblag zunehmend der lokalen und mittleren Berg­behörde.656 Bittschriften wurden den Berg­beamten während der Berg­ rechnung überreicht, die eine erste Stellungnahme formulierten. Diese wurde zusammen mit der Bittschrift an den Kurfürsten und seine Räte weiterverschickt, Sect. 1, Nr. 0899; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1869 und SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/07; SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04490/02; SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03. 654 So etwa in der Bestallung von Christoph Werner zum Oberbergmeister am 7. März 1582, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 1a–3a. 655 So berichtet etwa Merten Planer am 11. Juni 1566, dass die Supplikationen dem Kurfürs­ ten beim Besuch von Freiberg durch die Gewerken übergeben und daraufhin von Planer überprüft wurden. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 145a–148a. Hans von Bernstein berichtet etwa am 23. Juli 1578, dass ein gewisser Joa­ chim Eimmichen persönlich zu ihm gekommen sei und eine Supplikation überreicht habe, in der er mit Verweis auf seine sechsjährige Tätigkeit in der Probierstube um verschiedene finanzielle Vergünstigungen bat. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 107a. 656 Dass Supplikationen zunehmend während der Berg­rechnung eingeholt wurden, zeigt sich etwa an SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868. Deutlich wird dies auch an der Bestallung von Christoph Werner zum Oberbergmeister vom 7. März 1582. Dort heißt es, dass er „die supplicationen so einkommen darinnen befreihung gesucht mit fleiß ersehen, was vnnotigk, mit bescheidenheit abweisen, domit wier mit vnnotigen sachen verschont“. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, fol. 2a.

Administrative Praktiken

275

um dort anschließend durch die Kammerräte geprüft zu werden. Daraufhin erfolgte entweder sofort ein Bescheid, oder die Supplikation wurde mit der Bitte um ausführlicheren Bericht und eine Stellungnahme zurück an die loka­ len Berg­beamten geschickt.657 Zum Abschluss formulierten die Kammerräte einen vorläufigen Bescheid und legten diesen dem Kurfürsten zur endgültigen Entscheidung vor. Wenngleich die endgültige Entscheidung beim Kurfürsten lag, fungierten Amtsträger gerade im Umfeld des Supplikationswesens als ‚Gatekeeper‘: Sie selek­ tierten die Gesuche vor, gaben Empfehlungen ab und trugen damit wesentlich zum Erfolg (oder auch Misserfolg) eines Bittgesuchs bei. Für die Überprüfung der Supplikationen wurden verschiedene Informationen eingeholt, etwa durch die Überprüfung der Register, die Besprechung mit lokalen Akteuren und das In-Augenschein-Nehmen durch das Einfahren in die Gruben.658 Durch Supplikationen wurde ein Kommunikationszusammenhang zwi­ schen Landesherrn, Berg­beamten und Berg­bauunternehmern hergestellt. Stefan Brakensiek hat darauf verwiesen, dass Supplikationen auf einer Triangulation, einer Dreieckskommunikation zwischen Obrigkeiten, Untertanen und Behör­ den, basierten.659 Sie stehen damit symbolhaft für das Herrschaftsverständnis der Vormoderne und das, was André Holenstein als ‚empowering interactions‘ bezeichnet hat.660 Indem sich Untertanen auf die Logik der Supplikation einlie­ ßen, übernahmen sie eine explizite Rolle als Bittsteller. Zugleich schrieben sie dem Herrscher die Macht zu, Gnade zu gewähren. Wenn Herrschaft in erster Linie ein Anspruch ist, der durch soziale Praktiken her- und dargestellt wer­ den muss, dann sind Supplikationen ein Baustein, wie Herrschaft in der Praxis als wechselseitige Zuschreibung von Macht funktioniert. Denn nicht nur der Bittsteller, sondern auch der Landesherr seinerseits übernahm eine besondere 657 Das Prozedere wird an den Berg­kopialen ersichtlich, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1578–1585; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559–1782), 1565–1566. 658 Siehe Art. Einfahren, in: Veith: Berg­wörterbuch, S. 139. Markus Friedrich argumentiert am Beispiel der Jesuiten, dass die Inaugenscheinnahme in gleichem Maße Ausdruck einer frühneuzeitlichen Wissenskultur wie auch ein Herrschaftsinstrument war. Vgl. Friedrich: ‚Delegierter Augenschein‘. Zur lokalen Inspektion siehe auch Holenstein: „Local-Unter­ suchung“. 659 Vgl. Brakensiek: Einleitung: Herrschaft und Verwaltung, S. 12 f. 660 Vgl. Holenstein: Introduction: Empowering Interactions.

276

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Rolle, nämlich die Rolle desjenigen, der Gnade gewährt:661 „Recht zu wahren und Gnade zu gewähren unterschied nach zeitgenössischem Verständnis die Monarchie von der Tyrannis.“662 Gerade am Beispiel der Bitten um wirtschaftliche Vergünstigungen zeigt sich das fragile Zusammenspiel zwischen Landesherr und Berg­bauunternehmern. Der Landesherr hatte ein hohes Interesse daran, dass die Berg­werke nicht zum Erlie­ gen kamen. Die finanzielle Unterstützung einzelner Zechen war eine Möglich­ keit, durch ‚Subventionen‘ Anreize für die Gewerken zu schaffen. Diese Anreize wurden jedoch nicht rechtlich fixiert, sondern blieben ein Gnadenakt, um den Gewerken demütig bitten mussten. Indem sie sich auf die Logik der Supplik und die demütige Bitte um Gnade einließen, schrieben sie ihrerseits dem Lan­ desherrn als Regalherrn die Macht zu, Gnade walten zu lassen und grundsätzli­ cher noch: die Entscheidungshoheit darüber zu besitzen, welche Gewerken und Zechen überhaupt dieser Gnade würdig waren. Wenngleich das Prozedere in hohem Maße standardisiert war, blieb die Entscheidung letztlich ein rechtlich nicht einforderbarer und an die Person des Herrschers gebundener Gnadenakt. Weder die Supplikationen noch die Reaktionen darauf waren also in dem Sinne formal geregelt, dass es schriftlich fixierte Regeln und damit auch ein hohes Maß an Einforderbarkeit gegeben hätte. Dennoch zeigt die beschriebene Standardi­ sierung des Supplikationswesens, dass man es hier auch nicht mit partikularen Willkürakten zu tun hat. Dies verweist darauf, dass Routinisierung und Stan­ dardisierung von Verwaltungshandeln in die Formalstruktur der Verwaltung eingebunden waren und ihrerseits zu einer weiteren Formalisierung (verstan­ den als fortschreitende Stabilisierung von Verhaltenserwartungen) beitrugen. Die Entscheidung darüber, welche Zeche finanziell unterstützt wurde, war eben nicht zufällig. Vielmehr gab es verschiedene Faktoren, die es zumindest wahrscheinlich machten, dass der Bitte um finanzielle Entlastung stattgegeben wurde. Ein nicht zu unterschätzender Punkt war die ‚Angemessenheit‘ der Bitte. So schrieb der Freiberger Berg­meister Merten Planer zu der Bitte des Leipziger Bürgers Christoph Rode, seine mit dem Retardat bedrohten Berg­teile zu ver­ legen und die Kosten durch die mögliche Ausbeute abzudecken: „Ist es ein gar seltzam suchen“ und ist „gar nicht zu raden“.663 Berg­bau beinhalte immer auch 661 Vgl. Brakensiek: Supplikationen, S. 310. 662 Vgl. ebd., S. 310. 663 Merten Planer an Kurfürst August, 1. Oktober 1565. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 76a–b. Ähnlich negativ fiel auch im Juni 1565 der Bericht Planers über die Supplikation Thomas Klingharts aus. Auch hier sei die finanzielle

Administrative Praktiken

277

ein gewisses Maß an Risiko, und wenn ein Händler mit seinem Handelsgeschäft oder ein Handwerker mit seinem Gewerbe nicht richtig umgehe, mache man ja auch nicht den Handel oder das Handwerk dafür verantwortlich.664 Wesentlich üblicher (und erfolgversprechender) war die Bitte um eine finan­ zielle Entlastung in Form einer Steuer.665 Die sogenannten Steuerbergwerke sind im Erzgebirge seit der Mitte des 15. Jahrhunderts nachweisbar.666 Die Gewäh­ rung finanzieller Entlastungen durch den Landesherrn diente vor allem dazu, die für den Berg­bau notwendigen Geldmittel aufzutreiben. Zu diesem Zwecke gewährten die Landesherren den Gewerken Beisteuern, die in den Zehntrech­ nungen auch als sture, distributa ad montana oder pro subsidio montanorum bezeichnet wurden. Diese Beisteuer war nicht bergrechtlich geregelt, sondern ein Gnadenakt des Landesherrn:667 Gemäß der Berg­ordnungen von 1509, 1554 und 1589 hatten Gewerken keinen rechtlichen Anspruch auf die Gewährung einer Beisteuer. Eine Ausnahme findet sich lediglich in der Frühphase des säch­ sischen Berg­baus. So legte die Schneeberger Berg­ordnung von 1500 fest, „auf das die gewercken diss bergkwergks zu furdrung yres besten unsern gnedigen willen vermercken“, dass Zechen, die ohne Überschuss arbeiteten, bis zu sechs Jahre nur die 29. Mark Silber oder den 29. Zentner Kupfer als Zehnt zahlen mussten.668 Diese Regelung wurde jedoch nicht in die späteren Berg­ordnungen übernommen. Zugleich zeigt sich anhand der Supplikationen, dass landesherr­ liche Beisteuern und vor allem die Bezahlung der 29. Mark anstelle der zehnten Mark weiterhin eine wichtige Praxis zur Förderung des Berg­baus blieben. Unterstützung Klingharts „nicht zu raden“, da dessen finanzielle Probleme auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen seien. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 38a–39b. Die Supplikation Klingharts findet sich ebd., fol. 40a–b. 664 Vgl. ebd., fol. 76b. 665 Der Begriff der Steuer ist missverständlich. Steuern werden im Berg­bau Geldzahlungen ge­ nannt, die eine Gewerkschaft oder ein Stöllner einem anderen Stöllner oder einer anderen Gewerkschaft zu zahlen hat, wenn durch diese Vorteile etwa in der Wasserlösung oder der Erzförderung entstanden sind. In den Supplikationen werden mit Steuer jedoch zeitlich begrenzte finanzielle Entlastungen für notleidende Zechen bezeichnet. Diese Form der Steuer wird in der Forschung als Beisteuer bezeichnet. Vgl. Art. Steuer, in: Zedler: Bd. 39, Sp. 2063–2065; Art. Steuer, in: Veith: Deutsches Berg­wörterbuch, Bd. 2, S. 463–464. Vgl. hierzu Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. CXXXVI ff. 666 Vgl. ebd. 667 Vgl. ebd., S. CXXXVI. 668 Dritte große Berg­ordnung des Kurfürsten Friedrich und der Herzöge Johann und Georg für den Schneeberg, Schneeberg 25. März 1500, § 40, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 145–155. Siehe auch Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 30.

278

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Exemplarisch für die Bitte um eine Steuer kann etwa die Supplikation des Schichtmeisters Marx Kuhn stehen, die er im Namen der Gewerken der Zeche Erzengel in Brand am 25. November 1570 verfasste. Kuhn verwies auf die hohen Zubußen, die die Zeche bereits bezahlt habe. Vor allem das ein­ brechende Wasser treibe die Kosten dermaßen in die Höhe, dass die Zeche aufgegeben werden müsse, „Wo nicht durch sonderlichen Rath E C F G lob­ liche Berckamptleutt durch angebung richtiger wasser kunste gehulffen wur­ de“.669 Diese dringend benötigte Wasserkunst sei noch im Bau, und es stünden noch über 2000 Gulden für die Errichtung der Kunst aus. Daher bat Kuhn im Namen der Gewerken unter anderem darum, statt der üblichen zehnten Mark nur die 29. Mark zum Zehnt abführen zu müssen, „hochangeborener Berg­kwergs liebe“ willen.670 Diese Supplikation steht stilistisch und inhaltlich exemplarisch für zahlreiche andere Bittschriften von Gewerken. Wesentliche Bestandteile von Bittschriften um wirtschaftliche Vergünstigungen waren der Verweis auf die hohen bereits geleisteten Zubußen und die schwere Berg­kost, die eigene Armut und schließ­ lich den Nutzen für das Gemeinwohl. Gewerken verwiesen häufig darauf, dass durch eine Steuer nicht nur die eigene Zeche, sondern auch das ganze Berg­ werk gefördert werden würde. Die von den Supplizierenden gewählten Narra­ tive orientierten sich also sehr spezifisch an den Zwecken des Berg­baus und der Berg­verwaltung. Gleiches gilt auch für die Reaktionen auf die Supplikationen. In den Berichten und Stellungnahmen der lokalen Berg­verwaltung und in der Reaktion der landesherrlichen Amtsträger spielten Billigkeit und die Orientie­ rung am Gemeinen Nutzen der Berg­werke eine zentrale Rolle. Auch die Bitte um eine Steuer in Form der Abgabe der 29. Mark Silber anstelle der üblichen zehnten Mark ist überaus typisch für Bittschriften von Gewerken. Doch auch hier war die Angemessenheit wichtig. So wurde die Bitte der Gewer­ ken auf der Hornick-Zeche in Freiberg um eine Steuer abgelehnt, denn es sei nicht „breuchlich“, Zechen ohne hohe Wasserkosten oder aber Zechen, die „stoln sunst andern zugen vnd zechen nicht zw hulff kommen“, eine Steuer zu gewähren.671 669 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 226a. 670 Kuhn hoffe zudem, dass der Kurfürst zur Förderung des Berg­werks den armen Gewerken beistehen werde und „vnnd darneben Gott dem almechtigen, sampt derselbegeliebten Ge­ mahl, vnnd Jungenn Herrn vnnd freuleinn, zu langwieriger glücklicher Regierung inn sei­ nenn Gottlichen schutz trewlich bevehlen“. Ebd., fol. 226b. 671 Bericht Merten Planer, 8. Juni 1567: Da die Gewerken lediglich mit zwei Häuern am Thelersberger Stollen arbeiteten und nur ihre Zeche damit vom Wasser befreiten, sei es daher

Administrative Praktiken

279

Die Entscheidung, ob eine Supplikation positiv beschieden wurde, war – so wurde sie jedenfalls kommuniziert – keineswegs willkürlich, sondern basierte auf der Überprüfung und Beurteilung durch die Berg­verwaltung. Die Entschei­ dung für oder gegen eine Bitte wurde entweder mit der Erwartung auf höhere Ausbeuten und neue Anbrüche oder aber mit dem Nutzen für die umliegenden Zechen begründet. So schrieben die Räte im Namen des Kurfürsten am 18. Juli 1565 an den Zehntner und Berg­meister zu Altenberg, dass sie zwar Bedenken hätten, dass die geforderte Steuer zur Anlegung eines Richtschachtes nicht „dem gemein berckwerg zu nutz“, sondern lediglich den Gewerken „selbst zu nutz und forderung“ sei. Da aber der Berg­meister berichtet habe, dass das Problem nicht nur die Gewerken auf der anderen Maaß nach dem Kreuz betreffe, solle ein Jahr lang eine Steuer von 18 Groschen gewährt werden.672 Gerade hier zeigt sich deutlich die Funktion der Berg­verwaltung als ‚Gatekeeper‘, denn letztlich oblag es der Einschätzung des Berg­meisters, ob die Förderung einer Gewerkschaft dem Gemeinen Berg­bau nützte oder eben nicht.673 Die Gestaltungsspielräume hielten sich allerdings häufig in Grenzen. Gegen ‚arme‘ Erze und daraus resultierende hohe Zubußen war letztlich kaum etwas zu machen.674 Etwas anders hingegen stellten sich die Möglichkeiten aktiver Gestaltung im Bereich des Wassers und der Wasserlösung dar. Eindringendes Grundwasser konnte im schlimmsten Fall zum ‚Ersaufen‘ von Zechen führen und war eine existenzbedrohende Gefahr für den Fortbestand des gesamten Berg­werks. Supplikationen kam dabei eine wichtige Funktion zu: Nicht nur, dass Wasserprobleme selten allein durch eine Zeche, sondern nur durch ein komplexes Bündel an Maßnahmen und finan­ ziellen Impulsen unterschiedlicher Akteure gelöst werden konnten, vielmehr

nicht empfehlenswert, den Gewerken eine Steuer zu gewähren, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 193a–b. 672 Bericht Merten Planer, 4. September 1565. Ebd., fol. 61b–62a. Die finanzielle Unterstützung der Gewerken auf dem Sonnenglanz wurde durch die Berg­amtleute sowohl mit den neuen Ausbrüchen der Zeche als auch mit den zu erwartenden Entlastungen für die umliegenden Zechen begründet. Vgl. Bericht von Wolf Prager, Simon Bogner, Merten Planer und Ge­ schworenen zu Freiberg an Kurfürst August, 24. Juni 1565. Ebd., fol. 43a–47a. 673 Arndt Brendecke argumentiert, dass vormoderne Amtsträger als „Korridor der Macht“ we­ niger als Ausdruck einer objektiven Meinung, denn als Medium der „Kanalisierung, Vorsor­ tierung und Responsivität“ fungierten. Vgl. Brendecke: Blindheit der Macht, bes. S. 42. 674 Ähnlich verhielt es sich bei Klagen um erhöhte Kosten wegen schlechter Witterung. Auch hier konnte in letzter Instanz nur wenig unternommen werden, wobei hier durchaus Steuern gewährt wurden, um den Gewerken über den Winter zu helfen.

280

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

zeigten Supplikationen auch Handlungsdruck an und besaßen daher eine nicht zu unterschätzende Indikatorfunktion. Berichte und Supplikationen waren eng an Verfahren, allen voran die vier­ teljährliche Abrechnung der Zechen, die sogenannte Berg­rechnung, gekoppelt. Dieses Verfahren diente nicht nur der Kontrolle der Zechen, sondern ermög­ lichte auch die direkte Face-to-face- Interaktion sowohl zwischen verschiedenen Verwaltungsinstanzen als auch zwischen Umwelt und Verwaltung.

3.2 Verfahren Ein nicht unerheblicher Teil administrativer Praxis war in Verfahren eingebettet, deren Ablauf die Berg­ordnungen mehr oder minder ausführlich reglementierten. Neben verschiedenen bergrechtlichen Verfahren, die der konsensorientierten Schlichtung bergrechtlicher Konflikte dienten, ist auf die unterschiedlichen montanwirtschaftlichen Verfahren zu verweisen, die auf die Organisation der Betriebs- und Arbeitsabläufe im Berg­bau zielten, allen voran das Verfahren der Mutung und Verleihung von Grubenfeldern. Zudem finden sich verschiedene Rechnungslegungsverfahren, und zwar für die Zechen (Berg­rechnung), für den Zehnt (Berg­handlungen/Zehntrechnung) und für die einzelnen Hütten (Hüttenrechnung). Die Verfahren waren dabei unterschiedlich formalisiert. Während einige Ver­ fahren sehr minutiös reglementiert wurden oder konkrete Anforderungen an die erwarteten Verfahrensrollen der Teilnehmer definierten, basierten andere Verfahren im Wesentlichen auf nicht schriftlich fixierten Routinen. Dass Ver­ fahren auf Routinen basierten, heißt abermals nicht, dass sie willkürlich oder ungeplant abliefen. Vielmehr zeigt sich an der Gleichförmigkeit des Ablaufs deutlich die strukturbildende und stabilisierende Kraft von Routinen. Zugleich wurde es jedoch nicht für notwendig erachtet, formale Regeln für den Ablauf des Verfahrens zu definieren. In diesem Kapitel soll diskutiert werden, warum einige Verfahren in stärkerem Maße formalisiert waren als andere und welche Aussagen sich am Beispiel montanwirtschaftlicher Verfahren über das Verhält­ nis von Formalisierung und treffen lassen. Am Beispiel der Verfahren lässt sich untersuchen, in welchem Verhältnis formale, normalerweise schriftliche, Regeln und Routinen standen. Dies ist deshalb interessant, weil ja auch Routinen im Rahmen dieses Kapitels als Element von Formalisierung behandelt werden, inso­ fern auch sie Erwartungen stabilisierten – wenn Routinen in gewissem Sinne auch als ‚weniger‘ formalisiert und formalisierend verstanden werden müssen als

Administrative Praktiken

281

die explizite formale Regelung. Es wird auch hier zu zeigen sein, dass genau jene Verfahren, oder präziser noch, jene Bereiche von Verfahren schriftlich fixiert und damit in höherem Maße formalisiert wurden, die die Interessen der Gewerken berührten. Auch im Bereich der Verfahren, so die These dieses Kapitels, diente Formalisierung weniger einer Professionalisierung oder Rationalisierung von Verwaltungsabläufen, sondern vielmehr der Repräsentation von Verwaltung gegenüber ihrer Umwelt. Formalisierte Verfahren waren (ebenso wie Berg­ ordnungen und in Berg­amtsstuben verschlossene Berg­bücher) ein Medium, in dem die Verwaltung eine Schauseite etablieren konnte. Damit schließt dieses Kapitel an die Ansätze und Befunde der jüngeren kul­ turgeschichtlich inspirierten Politik- und Verwaltungsgeschichte an, die sich ausgiebig mit der Funktion von Verfahren vor allem für die Herstellung und Darstellung von Entscheidungen beschäftigt.675 Besonders anregend sind die Überlegungen von Barbara Stollberg-Rilinger, die Niklas Luhmanns Verfah­ renstheorie für die Frühneuzeitforschung anschlussfähig gemacht hat.676 Unter Verfahren versteht Stollberg-Rilinger im Anschluss an Luhmann „Handlungs­ sequenzen […], deren äußere Form generell (zumeist schriftlich) geregelt ist und die der Herstellung verbindlicher Entscheidungen dienen“.677 Durch eine funktionale Autonomie, die symbolisch markierte Herausgehobenheit des Ver­ fahrens etwa in Zeit und Raum, die Einnahme von Verfahrensrollen und nicht zuletzt die Unterwerfung der Beteiligten unter die Verfahrenslogik, ermöglichen Verfahren eine stärkere Grenzziehung gegenüber ihrer sozialen Umwelt. Verfah­ ren haben dabei eine nicht zu gering zu veranschlagende symbolisch-expressive 675 Vgl. hierzu einführend Stollberg-Rilinger (Hg.): Vormoderne politische Verfahren sowie in dies./Kirscher (Hg.): Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Auf die Vielzahl an Einzelstudien zu vormodernen Verfahren kann an dieser Stelle nicht einge­ gangen werden. Vgl. etwa in jüngerer Zeit Denzler: Schriftalltag; Näther: Normativität des Praktischen; Bähr: Die Sprache der Zeugen. 676 Stollberg-Rilinger: Einleitung. Einen guten Überblick über soziologische Verfahrens­ theorien liefert Sikora: Der Sinn des Verfahrens. Auf Luhmann aufbauend und stärker eine europäische Perspektive einnehmend Krischer: Sociological and Cultural Approaches, bes. S. 135–140. In einer vertiefenden Fallstudie hat unter anderem Sabine Ullmann die Verfahrenstheorie Luhmanns für die Analyse der Funktionsweise von Reichskommissionen angewendet, vgl. Ullmann: Geschichte auf der langen Bank, Kap. 4 (Ein verfahrensge­ schichtlicher Ansatz), S. 198–295. Ebenfalls unter Einbindung von Luhmanns Verfahrens­ theorie analysiert Uwe Goppold politische Kommunikation in Münster und Zürich, vgl. Goppold: Politische Kommunikation, bes. S. 4, sowie S. 20 ff. Den theoretischen Rahmen liefert Luhmann: Legitimation durch Verfahren. 677 Stollberg-Rilinger: Einleitung, S. 9.

282

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Dimension: „In formalisierten Verfahren werden Entscheidungen nicht nur hergestellt; ihre Herstellung wird zugleich symbolisch dargestellt; gerade darauf beruht ihre Akzeptanz erzeugende Wirkung.“678 Die Legitimität von Entschei­ dungen liegt dabei weniger in der wie auch immer gearteten Rationalität des „institutionellen Entscheidungshandelns, die dessen Legitimität hervorbringt, sondern vielmehr in die Darstellung von Rationalität“.679 Eine Sonderstellung nahmen Verwaltungsverfahren ein, also Verfahren, die „auf Entscheidungsfindung und -durchsetzung in Sachfragen zwischen Herrschaft und Untertanen gerichtet sind“.680 Diese Verfahren dienten nicht nur der Her­ stellung von Akzeptanz von Entscheidungen, sondern nahmen wichtige kom­ munikative Funktionen für die Vermittlung von Herrschaft ein. Dabei hat die jüngere Verwaltungsgeschichte zu Recht darauf hingewiesen, dass bürokratische Verfahren nicht aus einer statischen Top-down-Perspektive zu begreifen sind, sondern vielmehr als komplexer Aushandlungsprozess unter asymmetrischen Bedingungen gefasst werden müssen. Die Einsicht in die „verblüffend geringe instrumentelle Effizienz obrigkeitlichen Handels“ führte zu einer Neubewer­ tung von über Verwaltung vermittelte Herrschaft.681 Herrschaft wird dabei als soziale Praxis verstanden, die auf einem dynamischen Kommunikationsprozess zwischen Untertanen, Verwaltung und Herrschaft basierte.682 Stefan Brakensiek konnte zeigen, dass unterschiedliche „Inspektions- und Implementationsver­ fahren“ (Visitationen, Supplikationen, Berichte und Enqueten) von herausra­ gender Bedeutung für die Herstellung eines Kommunikationsflusses zwischen Verwaltungsinstanzen sowie zwischen der Verwaltung und ihrer sozialen Umwelt waren.683 Durch diese Verfahren wurde eine „Dreieckskommunikation zwi­ schen Vertretern der fürstlichen Zentrale, regionalen beziehungsweise lokalen Amtsträgern und Untertanen“ hergestellt, die maßgeblich zur Herstellung von Akzeptanz beitrugen. Für diese Triangulation von Kommunikation spielten nicht nur die Verfahren selbst, sondern auch die damit verknüpften Formen der Informationsbeschaffung eine zentrale Rolle. Die Bedeutung von Informa­ tion und Informationsvermittlung betonen auch Markus Friedrich und Arndt 678 Ebd., S. 11. 679 Ebd., S. 11. 680 Emich: Mit Luhmann im Kirchenstaat, S. 278. 681 Vgl. Stollberg-Rilinger: Einleitung, S. 20. 682 Klassisch hierzu Blockmans u. a. (Hg.): Empowering Interactions; Lüdkte: Herrschaft als soziale Praxis; Brakensiek/Wunder (Hg.): Ergebene Diener; Asch/Freist (Hg.): Staatsbildung als kultureller Prozess. 683 Brakensiek: Legitimation durch Verfahren, bes. S. 365–372.

Administrative Praktiken

283

Brendecke. In den Themenbereichen beider Arbeiten, der jesuitischen Ordens­ kommunikation (Friedrich) und der spanischen Kolonialherrschaft (Brendecke), handelt es sich um spezielle administrative Arrangements, die sich wesentlich stärker als territoriale Verwaltungen mit dem Problem der Abwesenheit ausei­ nandersetzen mussten.684 Techniken der Informationsbeschaffung waren dabei wesentliche Bausteine, die Herrschaft aus der Distanz erleichterten.685 Die Übertragung moderner Organisations- und in diesem Fall Verfahrenstheo­ rien auf die Vormoderne bringt gewisse Probleme mit sich.686 Vor allem von einer klaren Trennung zwischen Verfahrensrolle und anderen sozialen Rollen ist in der Frühen Neuzeit nicht auszugehen. Ständische Ehre und Rang hatten durchaus Einfluss auf Verfahren, und auch von der für Luhmann zentralen Autonomie des Verfahrens ist angesichts einer auf Netzwerken und sozialer Verflechtung basierenden Gesellschaft nur in begrenztem Maße auszugehen. Die theoretischen Impulse der Organisationssoziologie können aber helfen, um gezielter nach den Besonderheiten vormoderner Verfahren und ihrer Funk­ tion für Herrschaft und Verwaltung zu fragen. Ein Fokus der Forschung lag bislang auf der Frage nach der Funktion von Verfahren für die Herstellung und Darstellung von Entscheidungen und die stabilisierende Kraft von Verfahren für die Ausübung von Herrschaft. Seltener hingegen wurde danach gefragt, welche Bedeutung der Formalisierung von Verfahrensabläufen jenseits der generellen Stabilisierung von Verhaltenserwartungen zukam. Umso interessanter ist die Frage danach, in welchem Verhältnis Formalisierung und Routinen standen. Um diese Frage zu beantworten, soll vor allem ein Verfahren im Mittelpunkt der Untersuchung stehen, nämlich die Abrechnung der Produktionskosten der Zechen, die Berg­rechnungen.

684 Vgl. Friedrich: Der lange Arm Roms; Brendecke: Imperium und Empirie, bes. S. 12 ff.; siehe hierzu ebenfalls Pohlig: Marlboroughs Geheimnis, S. 90 ff. 685 Vgl. hierzu Becker: Sprachvollzug, S. 12. Siehe hierzu auch Schlögl: Anwesende und Abwesende, S. 257. Für Schlögl ist weniger Organisation als mediale Distanzkommunika­ tion ein wichtiges Element, Abwesenheit in Kommunikation zu integrieren. 686 Vgl. Stollberg-Rilinger: Einleitung, S. 11–13.

284

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

3.2.1 Die Berg­rechnung Die vierteljährlichen Abrechnungen der Zechen gehörten zu den wichtigsten zeitlichen Strukturierungen des Berg­baus. Das Arbeitsjahr war im Berg­bau durch die vier Quartale 1. Quartal Reminiscere ( Januar bis April), 2. Quartal Trini­ tatis (April bis Juli), 3. Quartal Crucis ( Juli bis Oktober) und 4. Quartal Lucia (Oktober bis Januar) definiert, die jeweils durch die Berg­rechnungen beschlos­ sen wurden. Auf der Grundlage der Berg­rechnungen wurden die Ausbeuten, also die jeweiligen Gewinne der Zeche, aber vor allem die von den Gewerken zu zahlenden Zubußen für das kommende Quartal festgelegt.687 Die Abrech­ nung selbst erfolgte in einem dreistufigen Verfahren, dessen grundsätzlicher Ablauf mit der Annaberger Berg­ordnung von 1509 festgelegt wurde und sich im Laufe des 16. Jahrhunderts nur geringfügig veränderte. Auf Grund der zentra­ len Bedeutung der Berg­rechnung muss zunächst relativ ausführlich beschrieben werden, wie das Verfahren ablief, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die schriftliche Dokumentation und die verwendeten administrativen Praktiken gelegt werden soll. Erst vor diesem Hintergrund kann dann in einem zweiten Schritt genauer analysiert werden, in welchem Verhältnis Formalisierung, Rou­ tinen und Verfahren standen. Der erste Schritt der Berg­rechnung war der sogenannte Anschnitt. Im wöchent­ lichen Anschnitt wurden die Ausgaben der Schichtmeister für Löhne, Materi­ alien, Steuern sowie die Fördermengen der Zeche durch den Berg­meister und die Berg­g eschworenen kontrolliert und abgerechnet.688 Zugleich wurden im Rahmen des Anschnitts die Löhne der Handwerker, Berg­arbeiter und Knechte ausgezahlt.689 Der Anschnitt erfolgte lokal, entweder in der Berg­amtstube, in einer eigenen Anschnittstube oder in der Trinkstube.690 Der Name des Verfahrens verweist 687 Nach Simon Bogner wurden sie aus dem Vorrat der Zechen bezahlt, nachdem die viertel­ jährlichen Ausgaben von den Einnahmen abgezogen worden waren. Vgl. Bogner: Berg­ gebräuche, § 1. 688 Annaberger Berg­ordnung 1509, § 42, § 43. 689 Ebd., § 42. 690 Vgl. Berg­ordnung 1554, § 35: „Es sollen auch die Geschworenen, auff den Anschnidt gute Achtung geben, das das jhenige, so durch die Schichtmeister angeschniten, zu rechter Zeit auf die Zechen geschafft, domit den Gewercken nichts veruntrauet wird.“ Nach Simon Bog­ ners Freiberger Berg­gebräuchen von 1554 durfte der Anschnitt nur durch den Schichtmeister der Zechen in „gegenwertiger gehöer“ des Steigers dem Berg­meister und den Geschworenen zur Prüfung gegeben werden. Bogner: Berg­g ebräuche, § 4.

Administrative Praktiken

285

auf die damit verbundenen Abrechnungspraktiken, denn bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts wurden für den Anschnitt Kerbhölzer, auch Rabusch genannt, genutzt.691 Von dieser Praxis des Einschneidens der einzelnen Posten in das Kerb­holz leitet sich der Name des Verfahrens, im wahrsten Sinne des Wortes ein „Anschnitt“ in das Holz, ab. Wenngleich Adolph Beyer in seinen Otia Metallica von 1751 spöttelte, dass die Anschnittstuben eher wie Holzlager ausgesehen hätten,692 war die Verwendung von Kerbhölzern in den Territorialverwaltun­ gen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit eine durchaus übliche Form der Informationsspeicherung.693 Dabei muss zwischen zwei Arten von Kerb­ hölzern unterschieden werden: dem Zahlkerbholz und dem Doppelkerbholz. Beim Zahlkerbholz wurden mittels Einkerbung in ein längliches Stück Holz einfache Zählungen vorgenommen. Das Doppelkerbholz wurde in der Mitte längs gespalten und daraus ein Grundholz mit Kopf, der sogenannte Stock, und eine passende Einlage, der sogenannte Span, gebildet. Stock und Span wurden übereinandergelegt und anschließend wurde eine Kerbe gezogen. Bei der Abrechnung wurden Stock und Span wieder zusammengelegt. Nach der Abrechnung wurden die Kerbhölzer vernichtet oder ihre Oberfläche mecha­ nisch gereinigt.694 Für die Berg­verwaltung ist von der Verwendung beider Typen von Kerbhöl­ zern auszugehen. Vermutlich wurden Löhne über ein Doppelkerbholz abge­ rechnet, während etwa die Dokumentation von Kohlen- oder Holzlieferungen 691 Bereits in der Schneeberger Berg­ordnung vom 17. November 1479 wird auf die Kerbhölzer verwiesen, mit denen die Schichtmeister den Lohn der Arbeiter und ihren Materialver­ brauch dokumentieren sollten und die zur Rechnungslegung den Rechenherren neben den Büchern und Registern vorgezeigt werden mussten. Vgl. Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für den Schneeberg, Dresden, 17. November 1479, § 8, in Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 89–97. Auf die Verwendung von Kerbhölzern wird auch in den Annaberger und Schneeberger Berg­ordnungen des späten 15. Jahrhunderts explizit verwie­ sen, so etwa in der dritten großen Berg­ordnung von Schneeberg vom 25. März 1500, § 14, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 145–155: „Und wenne man also gelonet, solle der schichtmeister und amptleute alleweg auf den rabusch sneydenn.“ 692 Vgl. Beyer: Otia Metallica, S. 236 f. 693 Kerbhölzer waren eine in ganz Europa verbreitete Form vor allem der Dokumentation von Schulden. Siehe hierzu allgemein Baxter: Early Accounting; Robert: A Short History of Tallies; Haiböck: Kerbhölzer und Zehentstecken; Kuchenbuch: Kerbhölzer in Alt­ europa; Schempf: Holzurkunden. Von der Verwendung von Kerbhölzern; Art. Anschnitt, in: Veith: Berg­wörterbuch, S. 24; Ludwig: Art. Kerbholz, Sp. 1115. 694 Vgl. Mersiowsky: Die Anfänge, S. 306. Überlieferte Kerbhölzer sind in deutschen Kon­ texten die Ausnahme.

286

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

additiv durch Markierungen auf dem Zahlkerbholz festgehalten wurden, wie sie auch bei Georg Agricola abgebildet sind.695 Kerbhölzer wurden spätestens ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zugunsten von schriftlichen Anschnitt­ zetteln abgeschafft, wenngleich die Übergänge fließend waren. Ein undatiertes Schreiben, das nach 1553 entstanden sein muss, verweist auf die Probleme, die im Umgang mit Kerbhölzern auftreten konnten. Der Schreiber beschwerte sich über die fehlerhafte Abrechnung der Zechen, die sich aus der Verwendung von Kerbhölzern ergeben. So könnten Fehler im „Anschnitt, vnnd in der Quartall Rechnunge, nicht vormercket werdenn, dieweil man von einer Woche zcur ander, in Gedechtnus nicht behalten, weder hören, noch Erinnern kann, wie die aufga­ ben, vffm kerbholtzern, auff einander ergehen“.696 Kerbhölzer waren also nicht nur sperrig, sondern im Gegensatz zur schriftlichen Rechnung wenig geeignet, um vielschichtigere Informationen abzubilden. Je komplexer der Berg­bau wurde, desto aufwendiger wurde auch die Verwaltung und Kontrolle der Zechen. Dies ist vermutlich einer der Gründe, warum sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts zunehmend Anschnittzettel gegen Kerbhölzer durchsetzten. Nachdem die wöchentlichen Abrechnungen durch den Berg­meister und die Geschworenen geprüft worden waren, sollten die Kerbhölzer oder Anschnittzet­ tel zusammen mit Quittungen und anderen Belegen (etwa den Silber-, Kupfer-, Hütten-, Steuer- und Eisenzetteln) in einem mit drei Schlössern verschlossenen Kasten im Berg­amt aufbewahrt werden, wobei je ein Schlüssel vom Berg­schreiber, den Berg­g eschworenen und schließlich dem Berg­meister verwahrt wurde.697 Auf der Grundlage des Anschnitts wurden zusammen mit den Quittungen und Belegen, etwa über eingekaufte Materialien und ausgezahlte Löhne, in einem 695 Agricola erwähnt in De Re Metallica die Verwendung von Kerbhölzern zum Abrechnen der Erzfuhren durch den Steiger, vgl. Agricola: De Re Metallica, S. 230. Auch Mathesius ver­ weist in seiner Sarepta auf die Kerbhölzer zur Berechnung der Berg­kost: „Denn also reden bergkleut / weyl man etwan die bergkost / auff rabisch der Kerbhöltzer angeschnitten hat.“ Mathesius: Sarepta, pag. XC, Die  XVI Predigt / von den alten Christgehorsam: „Denn vnser lieber Gott / hat auch sein teglich Register oder Rabisch / darauff vnd darein er alle scherff vnd pitzschirling schneydet vnnd schreybet.“ 696 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0166, fol. 19b. Nach Czaya wurden die Kerbhölzer 1533 abgeschafft, wofür er jedoch den Nachweis schuldig bleibt. Czaya: Berg­bau, S. 127. Die zitierte Passage spricht eher dagegen, dass Kerbhölzer bereits 1533 abgeschafft wurden. 697 Vgl. auch Bogner: Berg­gebräuche, § 29: Der „Berg­kschreiber mueß alle sonnabende nachm anschneiden die anschneidezettel aufgeben und in seiner verwahrung halten bieß zur rech­ nung, dieselben er auch selber auß dem kasten dem geschwornen bey der rechnung zu han­ den geben, auf das hierinnen kein betrugk oder gefahr erfolge“.

Administrative Praktiken

287

zweiten Schritt die vierteljährlichen Berg­rechnungen erstellt.698 Dabei galt der Grundsatz, dass nichts in die Berg­rechnung gelangen durfte, was nicht bereits durch den Anschnitt dokumentiert worden war. Beide Verfahren, der Anschnitt und die Berg­rechnung, liefen in allen Berg­ städten nach dem gleichen Muster ab, wenngleich es lokale gewohnheitsrecht­ liche Varianten gab, etwa ob der Anschnitt wöchentlich oder vierzehntägig zu erfolgen habe.699 Der Rechnungsschluss war laut Berg­ordnung für jeden Samstag vor Weich­ fasten (Reminiscere, Trinitatis, Crucis und Lucia) angesetzt, damit an dem darauffolgenden Montag die Rechnung durch die höchsten Berg­beamten vor Ort und zusätzliche Vertreter des Landesherrn in den jeweiligen Berg­revieren gehört und geprüft werden konnte.700 Aus einem Schreiben des Hauptmanns des Erzgebirges Wolf von Schönberg vom 21. Juni 1568 geht hervor, dass die genaue Abfolge zum Teil flexibel gehandhabt wurde. So schreibt von Schönberg, 698 Ebd., § 30. 699 Während etwa die Berg­g ebräuche Simon Bogners 1554 für Freiberg sehr explizit auf dem wöchentlichen Anschnitt bestehen und keinen zweiwöchentlichen Turnus erlauben, sehen die Eibenstocker Berg­g ebräuche einen zwei- bis vierwöchigen Anschnittturnus vor. Vgl. Eibenstocker Berg­werks-, Hütten- und Vermeßgebräuche, 1563 und 12. Oktober 1609, in: Löscher: Berg­recht, Bd. 1, S. 71–78, S. 73. Aufgrund der starken Unterschiede zwischen den Revieren wurden noch 1725 Auflistungen über die unterschiedlichen lokalen Berg­ gebräuche etwa in Bezug auf den Anschnitt angefertigt. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberber­ gamt Freiberg, Nr. 3349. 700 Während die Schneeberger Berg­ordnung von 1477 eine vierteljährliche Abrechnung vor­ gab, sollte die Abrechnung gemäß der Schneeberger Berg­ordnung von 1479 zweimal im Jahr an Ostern und Michaelis stattfinden. Diese Bestimmung wurde in der ersten großen Berg­ordnung für den Schneeberg von 1492 wieder zu Gunsten einer vierteljährlichen Ab­ rechnung aufgehoben, die auch in der Schreckensberger Berg­ordnung von 1499/1500 über­ nommen wurde. Auch die Annaberger Berg­ordnung von 1509 und in Folge alle weiteren Berg­ordnungen terminierten die Abrechnung der Zechen vierteljährlich. Vgl. Berg­ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für den Schneeberg, Zwickau, 12. Mai 1477, § 3; in Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 82–88; Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für den Schneeberg, Dresden, 17. November 1479, § 7, ebd., S. 89–97; erste große Berg­ordnung, 9. Januar 1492, § 6, ebd., S. 102–111; Entwurf einer Berg­ordnung des Herzogs Georg für die Berg­werke am Schreckenberg, 1499/1500, § 15, ebd., S. 112–144. Diese Bestimmung wurde auch in der Annaberger Berg­ordnung von 1509 übernommen, vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, § 47. Die Rechnung sollte ab 1509 durch den Haupt­ mann und Berg­meister und andere dazu Verordnete, ab 1554 durch den Oberhauptmann, den Oberbergmeister, den Berg­vogt und Berg­meister und anderen dazu Verordneten abge­ nommen werden. Vgl. ebd., § 58.

288

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

dass es Unklarheiten über den Termin der Rechnungslegung gegeben habe. Er plädierte dafür, dass, wie bisher auch, die Rechnung zunächst am Montag in Freiberg gehalten werden solle. In der Woche darauf solle dann ebenfalls am Montag die Rechnung in Marienberg, am Dienstag in Wolkenstein und Geyer, am Mittwoch in Annaberg, am Donnerstag in Scheibenberg und schließlich am Freitag in Schneeberg gehalten werden. Somit könnten alle Rechnungen in den Oberbergstädten (Annaberg, Marienberg, Schneeberg) innerhalb einer Woche gehalten werden.701 Die Abrechnung der Zechen wurde auf einzelne Lagen im Schmalfoliofor­ mat geschrieben. Diese waren nach Rubriken geordnet und wurden zum Teil durch Spalten strukturiert.702 Jede Rubrik wurde durch die Addition einfacher Summen, im Falle mehrerer Rubriken auf einer Seite auch Seitensummen, und schließlich den Saldo beschlossen. Auf dem Deckblatt wurden der Name und die Lage der Zeche, der Schichtmeister und das Quartal in Wochen angege­ ben (ein Quartal umfasste in der Regel 13 Wochen).703 Die weiteren Lagen dokumentierten dann die Einnahmen, Ausgaben und Summen dieser Zeche für jeweils eine Woche. Die enge Verbindung zwischen Anschnitt und Berg­ rechnung zeigt sich also auch im Layout der Berg­rechnungen, deren Struktur auf den wöchentlichen Abrechnungen aufbaute. Die Wochen konnten entwe­ der durch die Feiertage des Kirchenjahres angegeben oder, spätestens seit den 1580er Jahren, durch Nummerierung zeitlich verortet werden.704 Am Ende jeder Rechnung wurden die an der Zeche beteiligten Gewerken mit ihren Kuxen durch den Gegenschreiber aus dem Gegenbuch abgeschrieben und ebenfalls

701 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36077, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0604, fol. 131a–132a. Auch aus einem Schreiben des Obermeisters Markus Röhling und des Berg­werksverwalters Merten Planer vom 5. Mai 1573 wird deutlich, dass die Rechnungsprüfung zunächst montags in Freiberg begann, und in der darauffolgenden Woche in den Oberbergstädten durchgeführt wurde. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36070, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 422, fol. 1a–b. 702 Etwa durch die Rubriken: Einnahmen, Ausgaben Berg­kosten, Gemeine Ausgaben, Rest vom Rezess, Summa, Summasummarum. 703 Vgl. etwa SächsStA-F, 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61559; SächsStA-F, 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61557; SächsStA-F, 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61556; SächsStA-F, 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61558. 704 Vgl. exemplarisch das Berg­register der „Elisabeth Fundgrube und untere nächste Maß auf den flachen Gang mehr Ein Fundgrube auf ein Spatgang vor dem Thomas Tor gelegen, Berg­ rechnung angefangen Trinitatis beschließt Crucis Anno 84“, SächsStA-F, 40186 Zechenre­ gister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61558.

Administrative Praktiken

289

in die Rechnung gebracht, wobei der Gegenschreiber zur Beglaubigung der Abschrift in aller Regel explizit genannt wurde.705 Alle Posten wurden in den Abrechnungen der Zechen, wie auch in anderen territorialen Rechnungen, mit Hilfe römischer Zahlzeichen wiedergegeben.706 Diese Verwendung von römischen und nicht indisch-arabischen Ziffern wurde bereits mit der Schreckensberger Ordnung 1499/1500 festgelegt und in allen späteren Ordnungen des 16. Jahrhunderts beibehalten.707 Die Verwendung von römischen Zahlzeichen hatte grundlegende Auswirkungen auf die Art des Rechnungsschreibens und -abnehmens. So eignen sich römische Zahlzeichen nicht für komplexere Rechenoperationen auf dem Papier.708 Stattdessen ist das sogenannte Rechnen auf Linien die einfachste Art, die vier Grundrechenope­ rationen durchzuführen. Diese seit der Antike bekannte Technik basiert auf einem Liniensystem, also gezeichneten Linien auf einem Brett (dem sogenann­ ten abakus), einem Tuch oder in ihrer einfachsten Form mit Kreide gezeich­ neten Linien auf einem Tisch, auf die Steine oder Rechenpfennige gelegt und verschoben wurden.709 In der Berg­verwaltung wurde bis ins 18. Jahrhundert auf diese Weise gerechnet. Das Schreiben und Rechnen mit römischen Ziffern galt zeitgenössisch als fälschungssicherer. Zur Erhöhung der Sicherheit wurden häufig 705 Vgl. Auflistung der Gewerken der Elisabeth Fundgrube aus dem Gegenbuch durch den Ge­ genschreiber Franz Riezenhan. Ebd., fol. 5a, oder das Register der Zeche Engell Gabriel Fundgrube (Lucie 1582 bis Reminiscere 1583), SächsStA-F, 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61756, fol. 4a. 706 Es finden sich nur vereinzelte Ausnahmen, etwa die Halbjahresrechnung des Berg­g ießhübler Berg­meisters Christoph Leubnitz von Trinitatis bis Crucis 1564, der arabische Ziffern ver­ wendete, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36070, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0391, ohne Paginierung, oder SächsStA-F, 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 41751, Rechnung auf dem „Kegendukem Schneeberg“, Lucia 1596 bis Reminiscere 1597. Die über­ wiegende Mehrheit der Rechnungen des 16. und 17. Jahrhunderts verwendet jedoch römische Ziffern. 707 „Ein itzlicher schichtmeister sall alle gewerckeschafft mit dem uberantwurtten register, so sie zu einer itzlichen rechnunge thuen werden, vnnd daruber alle register mit Dewtzscher zcall annzceigen vnnd setzenn.“ Entwurf einer Berg­ordnung des Herzogs Georg für die Berg­werke am Schreckenberg, 1499/1500, § 22, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 112–144. 708 Hierin unterscheidet sich das Rechnen mit dem Rechenbrett vom sogenannten Rechnen mit der Feder, also Rechnen mittels indisch-arabischer Zahlen und Papier. Einen sehr guten Einstieg in die Technik des Rechnens auf der Linie gibt Hess: Rechnung Legen auf den Linien. Weitere Beispielrechnungen finden sich bei Mersowsky: Die Anfänge, S. 338 f.; Deschauer: Adam Ries. 709 Eine Abbildung eines Annaberger Rechenpfennigs findet sich etwa hier Müseler: Berg­ baugepräge, Nr. 56.1.1./8.

290

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

die letzten Zahlenwerte mit Unterstrichen verlängert, indem zum Beispiel der Wert drei durch iij abgebildet wurde, um die nachträgliche Hinzufügung von Ziffernzeichen zu verhindern.710 Dennoch war die Verwendung des Abakus fehleranfällig. Sei es, dass Werte im Diktat falsch verstanden wurden oder dass der Rechnungsprüfende in den Zeilen verrutschte: Je mehr sich die zu addie­ renden Posten summierten, desto größer war auch die Gefahr, Fehler in die Rechnung einzuspeisen. Um dem entgegenzuwirken, setzte sich ab der Mitte des 15. Jahrhunderts in den Territorialrechnungen eine stärkere Seitenorientie­ rung durch, die additive Listen von Posten durch die Portionierung in Seiten­ summen überschaubarer und nachvollziehbarer machte. Dadurch wurde nicht nur die Fehleranfälligkeit reduziert, sondern auch die Übersichtlichkeit erhöht und die gezielte Suche nach einzelnen Posten oder Rubriken vereinfacht.711 Der Vorteil dieser Rechenart auf Linien war, dass auch Laien sie ohne besondere mathematische Kenntnisse ausführen konnten und vor allem, dass der Vorgang selbst physisch-anschaulich und daher auch für Zuschauer nachvollziehbar war. Anders als beim Anschnitt, der durch die lokalen Berg­beamten abgenom­ menen wurde, waren an der Kontrolle der Berg­rechnung Personen aus unter­ schiedlichen Verwaltungsebenen beteiligt: Neben lokalen Funktionsträgern waren zudem Vertreter der mittleren Berg­verwaltung und Repräsentanten des Landesherrn anwesend.712 Die landesherrlichen Räte wurden vermutlich zuvor mit entsprechenden Instruktionen versehen, wobei diese bis auf wenige Ausnahmen nicht über­ liefert sind. Eine Ausnahme ist die Instruktion Kurfürst Christians I. für die Kammer- und Berg­räte Balthasar Wurm und den Kammersekretär Johann Jenitz vom 18. Februar 1587.713 In dieser Instruktion heißt es, dass Wurm und 710 Vgl. Mersiowsky: Die Anfänge, S. 339. 711 Vgl. ebd., S. 342. Nach Mersiowsky war ein weiterer Schritt der Formalisierung von Rech­ nungen die Notierung der ausgeworfenen Beträge in Spalten, so etwa in Mark-Schilling-Pfen­ nig. Diese Technik setzte sich in der Territorialverwaltung nur bedingt durch und auch für den Berg­bau lässt sich erst ab dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts die Verwendung von einzelnen Spalten für florin-groschen-pfennig nachweisen. 712 Spätestens ab 1569 nahmen neben dem Hauptmann des Erzgebirges der Oberbergmeister und der Berg­werksverwalter an der Berg­rechnung teil. Vgl. SächsStA-F, 40001 Oberberg­ amt Freiberg, Nr. 2321, fol. 2a–b. Diese Zusammensetzung wurde beibehalten und 1577 um den neu eingeführten Posten des Berg­amtmanns erweitert, was aus den überlieferten Bestallungsbriefen des Berg­amtmanns und des Oberbergmeisters von 1577, 1582 und 1590 ersichtlich wird. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170, etwa fol. 1a–3a, fol. 8a–15b, fol. 10a–13a. 713 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 33073, Rep. 52, Spec. Nr. 0446.

Administrative Praktiken

291

Jenitz am Vorabend der Rechnung in Freiberg eintreffen sollten, um mit den Berg­amtleuten den Ablauf der Rechnungslegung zu besprechen. Sie sollten der Rechnungslegung beiwohnen und zugleich auch vorgefallene Konflikte gemäß der Billigkeit und der Berg­ordnung schlichten. Sollten sie keine Entscheidung treffen können, sollten sie entsprechende Informationen einholen und dem Kurfürsten vorlegen. Zudem sollten sie sich über den Zustand der Berg­werke informieren, „damit es allenthalben wohl vnd ordentlich zugehe […] vnd vnser vnd der gewercken nutz gefordert“.714 Schließlich formulierte die Instruktion verschiedene Vorgaben in Bezug auf Personalentscheidungen oder bestehende Konflikte, die Wurm und Jenitz zu entscheiden hätten. Abschließend sollten sie dem Kurfürsten schriftlich über die Berg­rechnung Bericht erstatten. Die Rechnungslegung und die Kontrolle der korrekten Berechnung der Zubußen oblag dem Berg­meister, den Berg­geschworenen und dem städtischen Hauptmann sowie ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch den Funkti­ onsträgern der mittleren Berg­verwaltung. So heißt es etwa in Wolf von Schön­ bergs Bestallung zum Berg­hauptmann 1558, dass er bei der Rechnung und beim ‚Verrezessen‘ anwesend sein solle, um darauf zu achten, dass alles korrekt zugehe und Eigennutz und Betrug verhindert werde. Vor allem solle er verhin­ dern, dass Schichtmeister oder andere Befehlshaber Zubußen willkürlich nach „ihrem eigenen kopf “ auferlegten. Bevor er die Zubußen festlege, müssten die Zechen durch Berg­meister und Geschworene besichtigt und auf dieser Basis überschlagen werden, wie hoch die Zubuße mutmaßlich ausfalle. Dies solle schriftlich aufgezeichnet werden, damit den „gewercken vnd dem Berckwerge zum besten“ gehandelt werde.715 Die Gewerken hingegen waren von der Rechnungslegung ausgeschlossen. Während die Schreckensberger Berg­ordnung von 1499/1500 festlegte,716 dass neben den Berg­amtleuten auch Gewerken bei der Rechnungslegung anwesend sein durften, fehlt dieser Passus in der darauffolgenden Annaberger Berg­ordnung von 1509. In der Freiberger Berg­ordnung vom 6. Dezember 1541 heißt es etwa, dass die Schichtmeister die Schlussrechnung nicht in ihren Behausungen, son­ dern in der Trinkstube, in „gegenwart vnsers berkmeisters vnd geschworenen die wir von vnsers wegen vnd an statt den frembden gewercken darbei haben

714 Ebd., fol. 1a–b. 715 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 7/4a. 716 Vgl. Entwurf einer Berg­ordnung des Herzogs Georg für die Berg­werke am Schreckenberg, 1499/1500, § 15, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 112–144.

292

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

wollen“, abhalten sollten.717 Den Gewerken stand jedoch zunächst gewohnheits­ rechtlich,718 ab 1589 auch qua Berg­ordnungen das Recht zu, die Rechnungen vor der Rechnungslegung einzusehen und vorzuprüfen.719 Wenngleich Gewerken grundsätzlich von der Kontrolle der Abrechnung ausgeschlossen blieben, wur­ den vereinzelt auch andere Optionen ausprobiert. So gestand die überarbeitete Freiberger Berg­ordnung vom 6. November 1548 den Gewerken zu, „mit Ratt und Vorwissen der Berg­kampttleuthe“ die Zubußen selbst anzulegen, „damit darinne gut mas gehalten, vnd der frembde Gewergk nichtt Abscheu gemacht werde“.720 Diese Regelung – die wiederum den allgegenwärtigen Seitenblick auf die auswärtigen Investoren offenlegt – wurde in der Folge jedoch nicht beibe­ halten, sondern die Zubußen wurden im Anschluss an die Rechnung wieder im Beisein des Berg­hauptmanns und des Berg­meisters durch die Schichtmeister festgelegt. In einem zweiten Schritt wurden auf Grundlage des Anschnitts die vierteljährlichen Abrechnungen aller Zechen eines Reviers, die Berg­rechnungen, erstellt. Im Anschluss an die Berg­rechnung wurden die Ausbeuten ausgeteilt und die Zubußen für das kommende Quartal berechnet.721 Im Anschluss an die Abnahme wurde die Rechnung nochmals durch den Hauptmann (1509) beziehungsweise den Oberhauptmann, den Oberbergmeister (1554) und zwei dazu verordnete Berg­verständige geprüft. Auf dieser Grundlage wurden dann in zweifacher Ausführung die Rezesse, also die Aufstellungen der Schulden, Vorräte, Fördermengen etc. aller Zechen in einem Revier, durch den Rezess­ schreiber angefertigt.722 Rechnungen, so heißt es bei Simon Bogner, die nicht „helle, lauter, klar und verstentlich, sondern vertunckeln und argkwenig“ – auch hier findet sich wieder die für Bogner typische Betonung der Vermeidung von 717 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 26a–b. 718 In Freiberg sollten die Schichtmeister in der Woche vor jeder Schlussrechnung die Gewer­ ken und Verleger, wie sie im Gegenbuch standen, durch den verordneten Amtsdiener in die Anschnittstube rufen lassen, damit sie die Rechnung in Gegenwart des Steigers hören kön­ nen, vgl. Bogner: Berg­g ebräuche, § 217. 719 Vgl. Berg­ordnung 1589, § 53. 720 Vgl. Ubersehene vorige Berg­-Ordnungen Churf Mauritii zu Sachsen, nach welchen die die­ ser Zeit vermerckte übertrettenen Articul und Gebrechen abzuschaffen verordnet worden, den 6. November Anno 1548, in: Lünig: Codex Augusteus, Sp. 113–116. 721 Vgl. Czaya: Silberbergbau, S. 127 f. Zur Abrechnung der Produktionskosten im Harz vgl. Bartels: Betriebsmittelverbrauch. 722 Vgl. Annaberger Berg­ordnung 1509, § 53 und Berg­ordnung 1554, § 59. In Freiberg waren nach Simon Bogners Berg­g ebräuchen der Berg­vogt und der Berg­schreiber für die Überse­ hung der Rechnungen zuständig. Vgl. Bogner: Berg­gebräuche, § 266.

Administrative Praktiken

293

Misstrauen – sollten weder angenommen noch in den Rezess übernommen werden.723 In einem letzten Schritt schließlich wurden die Ausbeutzettel, die Rezesse und die Generalabrechnung des Zehnten nach Dresden verschickt.724 Diese wurden abschließend, nachdem der Kurfürst und seine Räte sie erneut geprüft hatten, zur Archivierung in die Rentkammer gegeben.725 Die Erstellung der Berg­rechnung war also ein mehrstufiger Bearbeitungs- und Ordnungsprozess, in dessen Verlauf Informationen dokumentiert, systematisiert und schließlich komprimiert wurden. Dies ist keineswegs unüblich für die Ent­ stehung einer Rechnung.726 Rechnungen mussten zunächst vorbereitet werden, indem die notwendigen Informationen aus Belegen, Quittungen, vorläufigen Rechnungsregistern und ähnlichen Dokumenten gesammelt und extrahiert wur­ den. Diese Informationen konnten in Kladden, auf Kerbhölzern, Wachstafeln und Wachstüchern oder in zusammengebundenen Zettelsammlungen abgelegt sein. Diese Vorstufen mussten anschließend bearbeitet und in einer Reinschrift zusammengefasst werden. Im Laufe der Bearbeitung wurden Informationen gebündelt, gekürzt und systematisiert, denn für die Erstellung von Rechnun­ gen kam es weniger auf den jeweiligen Kontext einzelner Posten, sondern vor allem auf die korrekte Wiedergabe von Mengen und Summen an. Die Vorla­ gen enthielten somit meist mehr Informationen als die endgültige Rechnung. Diese eingesparten Informationen konnten bei der Rechnungslegung nach Bedarf mündlich weitergegeben werden.727 Leider ist eine Doppelüberlieferung von Vorarbeiten, Konzepten und Reinschriften sehr selten, so dass die in den Archiven überlieferten Rechnungen und Rechnungsfragmente teilweise bis zur „Unkenntlichkeit isolierte Restinformationen“ liefern, die ohne Kontext kaum nutzbar sind.728 723 Vgl. ebd., § 210. 724 Die „Generalauszüge der kurfürstlichen Gebühr uf allen Berg­städten“ wurden üblicherweise durch den Annaberger Zehntner erstellt. Lediglich der Freiberger Zehntner schickte seine Rechnung direkt jedes Quartal an den Kurfürsten. 725 Kaiser: Die oberste Berg­verwaltung, S. 258. 726 Mersiowsky: Die Anfänge, S. 300–307. Vgl. hierzu auch Vogeler: Mittelalterliche und frühneuzeitliche Rechnungsbücher. 727 Mersiowsky: Die Anfänge, S. 306 f. 728 Ebd., S. 306 f. Eine Möglichkeit, den Vorarbeiten und Konzepten der Rechnungen näherzu­ kommen, ist nach Mersiowsky die Analyse von Fehlern und Verbesserungen innerhalb der Rechnungen, die Rückschlüsse zum Beispiel auf eine chronologische Vorablage der Informa­ tionen zulassen. Auch lassen sich bisweilen anhand des Seitenlayouts und der Seitensummen gestaffelte Arbeitsprozesse ablesen.

294

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Dies gilt auch für die Berg­verwaltung, so dass sich über die Vorstufen der Rechnungen nur bedingt gesicherte Aussagen treffen lassen, da die Vorarbei­ ten, zum Beispiel die Anschnittzettel oder Quittungen, in aller Regel nicht archiviert wurden. Rechnungen waren auch in dieser Hinsicht kein neutrales Spiegelbild wirtschaftlicher Fakten, sondern erst durch Praktiken der Über­ tragung, Bearbeitung und Systematisierung von Informationen wurde soziale Wirklichkeit geschaffen. Auf dem Papier klingt das nach einem überaus rationalen Verfahren: Alles wurde schriftlich dokumentiert, Vorstufen und Rechnungen wurden mit ver­ schiedenen Sicherungsvorkehrungen geschützt, und die Kontrolle erfolgte in einem mehrstufigen Verfahren durch unterschiedliche Akteure aus unterschied­ lichen Instanzen. Nun sollte man aber gerade im Bereich von Abrechnungen vorsichtig sein, idealtypische Beschreibungen in eins zu setzen mit der tatsäch­ lichen Praxis. Gerade aufgrund der zentralen Bedeutung der Berg­rechnungen für das Gesamtsystem des Berg­baus war der Umgang mit normativen Vorgaben in der Praxis durchaus flexibler, als die eindeutigen Bestimmungen der Berg­ ordnungen vermuten lassen. Besonders prominent ist etwa das Problem des Aufschreibens falscher Arbeiter, sogenannter blinder Häuer. Einige Beispiele sollen das Problem kurz illustrieren. Am 6. Mai 1579 schwor der Obersteiger Hans Werner eine Urfehde, in der er gestand, dass er in den letzten zwei Quartalen etliche Arbeiter abgerechnet habe, die jedoch nicht gearbeitet hätten. Werner gestand ebenfalls, dass er zwei Jungen für zwei Wochen mit zwei Schichten habe anschreiben lassen, die jedoch nur eine Woche gefahren seien. Für diese Vergehen wurde er des Landes verwiesen.729 Durch das Aufschreiben blinder Häuer und eine falsche Abrechnung von Mate­ rialien bereicherte sich auch der Steiger Balter Zimmermann 1579 um insgesamt 187 fl 17 gr 3 pf, wofür er hingerichtet werden sollte.730 Auch der Obersteiger Michel Petzschaw bekannte sich 1580 schuldig, sich entgegen seinem Steigereid durch das Aufschreiben blinder Häuer um 42 fl und 11 gr bereichert zu haben, wofür er für sechs Jahre des Landes verwiesen wurde.731 Diese Beispiele machen deutlich, dass auch oder vielleicht gerade ein elaboriertes Rechnungswesen und ein hohes Maß an Schriftlichkeit in der Praxis mannigfaltige Möglichkeiten der Manipulation boten.

729 Vgl. SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4024, ohne Paginierung. 730 Ebd. 731 Ebd.

Administrative Praktiken

295

Wie kompliziert das Verhältnis von Schriftlichkeit und Sicherheit war, zeigt sich auch an dem besonders gut dokumentierten Fall des Freiberger Schicht­ meisters der Zeche Rautenkranz Christoph Behm und des Steigers und Schicht­ meisters der 3.4.5. Maaß Turmhof Hans Behm auf.732 Der Kammerrat Hans von Bernstein, in dessen Aufgabenbereich die Berg­sachen fielen, befand nach der Durchsicht der Register, dass die Schichtmeister ihre hohen Ausgaben „nicht vorantworden“ können, und da diese Untreue auch bei anderen Schicht­ meistern zunehme, würde das „bergkwergk nicht wenigk schaden nhemen“. Während Hans Behm und der Steiger geflohen waren, konnte Christoph Behm gefangen genommen werden. Da Christoph Behm seinen Betrug nicht gestehen wolle, solle der Berg­hauptmann den Fall an den Schöppenstuhl in Leipzig weitergeben, damit er peinlich befragt werden könne und mögliche Komplizen ausfindig gemacht werden könnten. Zudem solle er zur Abschre­ ckung möglichst hart bestraft werden. Damit könne ein Zeichen gesetzt werden, dass auch in Zukunft hart gegen die Untreue der Steiger und Schichtmeister vorgegangen werde.733 Die Register sollten derweil von einer „verschwigenen“ Person überarbeitet werden. Bernstein verfolgte also zwei Strategien, einerseits sollten die Register durch verschwiegene Personen überarbeitet werden, um das Vertrauen in die admi­ nistrative Schriftlichkeit nicht zu untergraben. Andererseits sollte öffentlich hart gegen die betrügerischen Schichtmeister und Steiger vorgegangen werden, um potenzielle Betrüger abzuschrecken und – so lässt sich hinzufügen – damit zugleich zu signalisieren, dass die Berg­verwaltung Betrug nicht unbestraft ließ. Zugleich zeigt sich, dass auch die Berg­verwaltung und die Kammer an das Recht gebunden waren. Denn wenngleich Hans von Bernstein auf die Durch­ setzung der Todesstrafe als abschreckende Maßnahme pochte, weigerte sich der Leipziger Schöppenstuhl, dieser Vorgabe zu folgen. So schrieb Lorenz von Schönberg an Hans von Bernstein, dass er den Ältesten des Schöppenstuhls, Dr. Georg Kost, gebeten habe, das Urteil zu ändern und unter Verweis auf sächsisches Recht Christoph Behm zum Tode zu verurteilen. Darauf habe ihm Dr. Kost geantwortet, dass er und das Kollegium mit den Konstitutionen wohl vertraut seien, aber in diesem Fall die Todesstrafe nicht gerechtfertigt sei. Auf Grundlage seiner Vergehen könnten sie lediglich den Landesverweis und den Staupenschlag aussprechen, aber „vermöge ihrer eidespflichtt“ könnten sie ihm 732 Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04502/06, fol. 216a–233a. 733 Hans von Bernstein an Kufürst August, 24. Juli 1578, SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 143a–144a.

296

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

nicht den Strang verordnen.734 Denn gemäß § 54 der Berg­ordnung sei „die Straff der vntrew vnd betrugk der schichtmeister hoher nicht dann an Leib vnd gutt welche Wortt vermuge der Recht auff die Todesstraff nicht konden verpand wer­ den“.735 Zugleich sei fraglich, ob sich die kursächsischen Konstitutionen auch auf die Berg­leute erstrecke, die eigentlich unter das Berg­recht fielen. Und selbst wenn dies der Fall sei, dann sei die Summe, um die es ging, zu gering, weshalb er auch nach den Konstitutionen nicht die Todesstrafe verdiene. Christoph Behm wurde am Ende gegen eine Urfehde aus der Haft entlassen und mit einem Stau­ penschlag des Landes verwiesen.736 An diesem Beispiel zeigt sich nicht nur das bisweilen komplizierte Verhältnis zwischen landesherrlicher Regierung und Leipziger Schöppenstuhl, sondern auch, dass Rechnungen immer nachträgliche Strukturierungsleistungen sind, die soziale Wirklichkeit schaffen: Sei es, dass nicht existierende Arbeiter zu fixen Größen der Produktionskosten einer Zeche wurden oder aber, dass Hans von Bernstein veranlasste, dass die nachträgliche Überarbeitung und Korrektur der Register durch verschwiegene Personen zu geschehen habe. Zugleich zeigt sich gerade hier in besonderem Maße, dass die schriftliche Fixierung formaler Regeln Folgeeffekte hatte, zu denen sich zeitgenössische Akteure verhalten mussten. Besonders deutlich wird dies an der Berechnung der Zubußen, die eine interessante Perspektive auf das Verhältnis von formalen Regeln und administrativer Praxis einerseits und das Verhältnis von Verwaltung und Umwelt andererseits ermöglichen.

734 Vgl. ebd., fol. 178a. Ähnlich verhalten argumentierte der Schöppenstuhl 1598 auch im Fall des untreuen Steigers Andreas Merten, der in größerem Umfang die Register manipuliert hatte, um blinde Häuer abzurechnen. Zwar sei die „große untreu“ des Steigers bewiesen, aber der Schaden belaufe sich nicht über 12 fl und 16 gr, weshalb er nicht gefoltert, sondern ledig­ lich zeitlich befristet des Berg­es verwiesen werden solle. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10367/16, ohne Paginierung, eigene Zählung, fol. 1a–2a. 735 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04491/03, fol. 178a–b. Es handelt sich hier allerdings nicht um § 54, sondern § 53 der Berg­ordnung von 1554, in dem es heißt, dass Schichtmeister und Steiger bei Untreue „am Leibe ernstlich gestraft werden“ sollen. Vgl. Berg­ordnung 1554, § 53. 736 Die Urfehde von Christoph Behm findet sich hier, SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4024, ohne Paginierung.

Administrative Praktiken

297

3.2.2 Die Zubußen Zubußen sind eine Besonderheit des sächsischen Berg­baus und unterscheiden das Kuxsystem von anderen Finanzinstrumenten wie etwa Aktien.737 Denn die finanzielle Verantwortung von Investoren endete im Berg­bau nicht mit dem Erwerb der Kuxe. Vielmehr mussten nach dem Erwerb anteilsmäßig die Pro­ duktionskosten der Zeche mitgetragen werden. Im besten Fall amortisierten die Ausbeuten die Zubußen, aber in vielen Fällen war dies nicht der Fall, was (wie bereits beschrieben) zum Teil dramatische Folgen für einzelne Zechen oder sogar das gesamte Revier haben konnte. Entsprechend wichtig waren die Zubu­ ßen für den Landesherrn, die lokale Verwaltung sowie auch und in besonderem Maße für die Gewerken. Auf einer normativen Ebene gab es wenig Interpretationsspielraum, wie mit den Zubußen zu verfahren war.738 Regelungen der Berechnung der Zubußen finden sich bereits in den frühen Ordnungen seit den 1460er Jahren. Mit der Annaberger Berg­ordnung wurde ein Modus festgelegt, der dann über das gesamte 16. Jahrhundert richtungsweisend blieb. So sollten die Schichtmeister die Zubu­ ßen im Anschluss an die Berg­rechnung zusammen mit dem Hauptmann und dem Berg­meister für das kommende Quartal festlegen. Die Höhe der Zubußen sollte über Zubußbriefe öffentlich bekannt gemacht werden, die den Gewer­ ken eine Frist von vier Wochen zur Bezahlung einräumten. Das Abreißen der Zubußbriefe wurde unter Androhung schwerer Strafe verboten. Sollten nach vier Wochen die Zubußen nicht entrichtet werden, fielen die Berg­teile ins Retardat 737 Nach Uwe Schirmer wurden die Zubußen intern durch die Berg­verwaltung verrechnet, weswegen Investoren nicht mehr in eine Grube, sondern in das gesamte Revier investier­ ten und im Gegenzug eine Dividende von 5 % erhielten. Diese geringe Dividende habe die Investoren abgeschreckt. Leider spezifiziert Schirmer nicht, wann dieses System eingeführt worden ist. Vgl. Schirmer: Direktionsprinzip, S. 151. Für das 16. Jahrhundert ist davon eher nicht auszugehen. Gewerken investierten nicht allgemein in den gesamten Berg­bau, sondern anteilig auf Basis ihres Kuxbesitzes in eine spezifische Zeche, deren Einnahmen und Ausgaben im Rahmen des Anschnitts und der Berg­rechnung abgerechnet wurden, um auf dieser Basis die Zubußen für eine Zeche zu berechnen. Die Zubuße stellte das Kapital für das kommende Quartal zur Verfügung, durch das durch den Schichtmeister Steuern ent­ richtet, Löhne ausgezahlt und Materialien bezahlt wurden. Diese Materialien, die im Vorrat der Zeche gelagert wurden, waren der Besitz der Gewerken und nicht der Berg­verwaltung. Die Berg­verwaltung nahm hier lediglich eine kontrollierende Funktion wahr. 738 Die Berg­ordnungen gleichen sich in Bezug auf die Regelung der Zubußen, vgl. etwa An­ naberger Berg­ordnung 1509, § 14, § 17, § 54, § 55, § 56, § 57, § 58, § 59, § 61; Berg­ordnung 1554, § 22, § 40, § 62, § 63, § 65, § 66, § 67, § 70, § 71.

298

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

und schließlich ins Freie, das heißt, dass die Kuxe zunächst den Gewerken der Zeche und anschließend auf dem freien Markt zum Verkauf angeboten wurden. Ähnliche Aussagen zu dem Verfahren der Festlegung und Bezahlung der Zubu­ ßen finden sich auch in Simon Bogners Berg­g ebräuchen. So schreibt er, dass Zubußen „nicht höher dan zue bloßer notturft der zechen“ angesetzt werden sollten. Sollte jemand höhere Zubußen „uf vorteil oder eigennutz“ ansetzen, um „die gewercken davon abzuschrecken, das wirdt nicht gestattet“.739 Die Zubußen sollten ferner durch die Schichtmeister und Steiger eingeholt werden. Wenn Gewerken oder ihre Verleger die Zubußen nicht bezahlten, sollten sie mindestens zweimal an die ausstehenden Zubußen erinnert werden, bevor deren Berg­teile ins Retardat fielen, damit „sich keiner mit unwißenheit hab zu entschuldigen“.740 Wie schon mehrfach gesehen, ging es auch hier Bogner darum, dass die Gewer­ ken nicht durch das eigennützige Verhalten der Amtsträger abgeschreckt wur­ den. So sollten etwa die tiefen, schweren und wasserintensiven Zechen sparsam mit ihrem Vorrat umgehen, damit die Zechen nicht zu schnell Zubußen leisten müssten, weil das „bey den gewercken große abscheue“ erzeuge.741 Denn, so Bog­ ner, die „Schuldt undt zubuß macht die zechen unachtbar undt die gewercken verdroßen undt auf dem gantzen bergkwerk eine böse nachrede“.742 Die Kontrolle der richtigen Berechnung der Zubußen oblag den Berg­ amtleuten. So wiesen etwa die Bestallungsbriefe der Berg­hauptleute explizit darauf hin, dass diese kontrollieren müssten, ob die Schichtmeister die Zubußen auch richtig berechneten, und vor allem, dass die Berg­meister und Geschwore­ nen regelmäßig in die Zechen einfahren sollten, um sicherzustellen, dass „denn bauenden Gewercken ihr gelt, radsamlich vorbawet, vnnd sie hinfuro dester mehr lust zu bawen haben mogen“.743 Zubußen waren ein heikles Geschäft: Zwar gaben die Berg­ordnungen ein­ deutige Bestimmungen vor, zugleich musste ein gewisses Maß an Flexibilität gewährleistet werden, damit nicht zu viele Gewerken ihre Berg­teile aufgaben. Da die Zubußen je nach Umfang ihres Kuxbesitzes anteilig auf die Gewerken fielen, stiegen die Kosten mit jedem Kux, das nicht durch neue Gewerken auf­ gekauft wurde. Zubußen, die sich um die 10 fl mehr auf eine Kux pro Quartal 739 Bogner: Berg­g ebräuche: § 51. 740 Ebd., § 55. 741 Ebd., § 274. 742 Ebd., § 289, Beschluss. 743 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173, fol. 1a–6b, fol. 7a, Zitat: fol. 7/6a.

Administrative Praktiken

299

summierten, konnten die Zeche schnell in eine existenzbedrohliche Situation bringen. So klagten etwa Schichtmeister, Handwerker, Steiger, Häuer und Was­ serknechte der anderen Maaß nach dem Wilden Mann in Brand 1565: „Nach dem dan nothalben auff 1 Kux zehen fl Zupus hat angelegt werden mussen, so hat vnsere Gewercken ir voriger grosse auffgewanten vnkosten, dergleichen die ausstehende schult, vnd itzige hohe Zupus erschreckt.“744 Daher hätten die Investoren die Zeche aufgegeben und die noch ausstehenden Posten für Löhne und Materialien, die sich immerhin auf 700 fl summierten, nicht bezahlt.745 Entsprechend häufig finden sich Verweise auf die geleisteten schweren Zubu­ ßen in den Supplikationen von Gewerken. Zubußzahlende Gewerken hatten relativ gute Chancen auf die Gewährung einer zeitlich befristeten Steuer, weil diese die Gewerken zur Weiterführung ihrer Kuxe motivieren sollte.746 Dabei wurde in aller Regel abgewogen, ob allein die zubußzahlende Zeche oder auch die umliegenden Zechen von einer Steuer profitierten, zum Beispiel weil deren Wasserprobleme über die Wasserkünste der entsprechenden Zeche mit bewäl­ tigt wurden.747 Dass schwere Zubußen allein aber nicht ausreichten, um eine Steuer gewährt zu bekommen, zeigt sich an einer Stellungnahme zur Supplikation des Leipziger Bürgers Christoph Rode, der auf Grund seiner hohen Zubuße um eine finanzi­ elle Vergünstigung bat.748 In seinem Bericht schrieb der Freiberger Berg­meister Merten Planer, dass „das Berg­kwerck viel mus vf sich Nemhen, Wen etwan ein handtwercks man, Oder hendtler, Sein handtwerck nicht gewartt, und ein hendtler seinen handel nicht recht vorgestanden, Vnd das seine Muttwilliger weis vorschwendt, vnd an Wurdenn, Ob wohll erlicher kaum einen K[ux] paut, Mus es alles das Berg­kwerg gethan habenn, Wie Ihr dan zw Freybergk vnnd anders wo viel weis“.749 Unwissenheit und Unfähigkeit, so könnte man Planers Ansatz umschreiben, schützt vor Schaden nicht, daher gebe es keinen Grund, wenn nicht aus Mildtätigkeit und Gnade, der Bitte stattzugeben.

744 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 113a–114a. 745 Vgl. ebd. 746 Vgl. ebd., fol. 33a. Supplik Gewerken andere Maaß nach dem Wilden Mann 1565. Die Ge­ werken geben an, dass sie seit Jahren schwere Zubuße leisten müssen und bitten daher um eine Steuer. Ähnlich auch SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 224a–b, fol. 226a–227a. 747 Siehe hierzu auch Kap. C.3.1.3 (Dreieckskommunikation: Supplikationen). 748 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 76a–79a. 749 Ebd., fol. 79a.

300

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Eine Möglichkeit, Investoren „baulustig“ zu halten, war die flexible Auslegung der Zubußfristen, woraus sich jedoch ernsthafte Probleme für die Schichtmeis­ ter ergeben konnten. Besonders eindrücklich ist in dieser Hinsicht eine Klage­ schrift der Schichtmeister zu Freiberg vom 26. November 1570.750 Darin geben sie an, dass man in Freiberg auf Grund der schlechten Erzqualität kaum ohne Schulden, das heißt nur mittels Zubußen, Berg­bau betreiben könne. Wenn man nach der Rechnung Zubußen anlege, so „gehet die erste, 2., 3. 4. 5. Woch inn der Rechnung dahin, vnd sol wol noch der erste pfennig Zupus, ahn etzlichen Ortternn, eingebracht werdenn, vnnd weil nichts der weniger auff jede woch gelohnet sein, vnd stecken die Zechen vorhin in Schulden“.751 Es könne daher kaum ein Schichtmeister seine Zubußen innerhalb von zwei Jahren eintrei­ ben. Vor allem die Verleger auswärtiger Gewerken würden zwar die Zubußen einfordern, aber sie würden das ihnen übergebene Bargeld zu ihrem eigenen Nutzen verwenden. Noch schlimmer seien die einheimischen Gewerken, die häufig lediglich kleinere Anzahlungen für ihre Schulden leisteten.752 Wenn die Schichtmeister für die Bezahlung der Produktionskosten einer Zeche nicht in Vorkasse gingen, entweder mit ihrem eigenen Vermögen oder mit geborgtem Geld, dann würden viele Kuxe ins Retardat fallen. Wenn aber Kuxe ins Retardat fielen, so gingen „wol frembde leutt vom Berckwerg ab, Sagen So vnd So, damit kompt manche Zech in grossen Schaden. […] Lies mans gehen, So würde vnsers Gnedigsten Herrn Zehenden, neben den Gewercken, mercklichenn Schadenn, spuren vnd mercken“.753 Doch damit nicht genug. Die Freiberger Schichtmeis­ ter beklagten sich weiterhin, dass zwar jeder um das Problem wisse, sie aber dennoch gezwungen seien, die noch offenen Zubußen als bereits empfangenes Bargeld abzurechnen. Die Schichtmeister beschrieben also ein Dilemma: Auf der einen Seite war niemandem daran gelegen, zu viele Berg­teile ins Retardat oder gar ins Freie fallen zu lassen. Stattdessen wurden flexible Lösungen, wie etwa die Auslage offener Posten aus dem eigenen Vermögen der Schichtmeister, angewendet. Zugleich erlaubte das buchhalterische System der Berg­rechnung nicht, diesen flexiblen Umgang mit den Zubußen auch zu dokumentieren und dadurch finanzielle Sicherheit für die Schichtmeister zu schaffen.

750 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr.  167b, fol.  229a–235b, besonders fol. 231a–232a. 751 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 231b. 752 Vgl. ebd., fol. 232a. 753 Vgl. ebd., fol. 229a–235b, besonders fol. 231a–232a.

Administrative Praktiken

301

Besonders an den Zubußen wird deutlich, dass die in den Rechnungen und Rechnungsbüchern gespeicherten Informationen nicht einfach neutrale Fakten waren, sondern durch die administrativen Praktiken erst soziale Wirklichkeit geschaffen wurde.754 Denn hier wurde etwas als bezahlt eingetragen, was nicht bezahlt worden war. Dass noch offene Schulden als empfangene Beträge abge­ rechnet wurden, ist dabei ein zeitgenössisch gängiges Phänomen. So zeigt etwa Arne Butt am Beispiel frühneuzeitlicher Kämmereirechnungen in Göttingen, dass die Stadt mehrfach kurz vor dem Bankrott stand, da offene Schulden der Stadt in der Kammerrechnung als empfangenes Bargeld verrechnet wurden.755 Im Laufe der Zeit wurde die Diskrepanz zwischen tatsächlichen und verbuchten Einnahmen immer höher. Aufgrund der persönlichen Haftung der Schichtmeis­ ter für offene Schulden konnte diese Diskrepanz zu einer enormen finanziellen Belastung der Schichtmeister führen.756 Rechnungen können daher nicht isoliert und unabhängig von ihren Entste­ hungskontexten betrachtet werden, sondern müssen als (auch) mediale Reprä­ sentation eines Idealzustandes interpretiert werden. Ein kurzer Seitenblick auf einen durchaus extremen Fall unterstreicht dies besonders plastisch. Der Frei­ berger Schichtmeister Christoph Rulcken wurde 1581 inhaftiert, unter anderem auf Grund des Vorwurfs, die Abrechnungen seiner Zeche durch die Erstellung falscher Register manipuliert zu haben. Da seine Rechnungen unleserlich waren und zudem große Lücken aufwiesen, wurde Rulcken in der Haft angewiesen, seine Rechnungen „richtiger zu machen, mit Schreibung der Blick und Brand Silber, Jdem mit dem alten und newen Vorrath, Jdem die Namen zusetzen, wem er etlich ding abgekaufft habe, deßgleichen auch, wem er etlich ding, darvor er die Einnahm vorrechnet, vorkaufft habe, damit man nachforschung haben könte“. Der Forderung, die Register nachzubessern, kam Rulcken allerdings auf höchst unorthodoxe Weise nach: Nachdem ihm die Register übergeben worden waren, zerschnitt er sie und fertigte neue an, so dass kaum mehr zu überprüfen war, welche Posten in den Registern zutreffend aufgeführt waren oder nicht.757 Als 754 Kleinere Konflikte, die sich aus nicht bezahlten Zubußen ergaben, finden sich im seit 1599 geführten Kopialbuch des Berg­amts Freiberg. SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, 202 (Kopialbuch 1599–1602). 755 Vgl. Butt: Systematik und Chancen. 756 Ähnliche Beschwerden wurden auch von den Schichtmeistern in Schneeberg vorgetragen, vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 210a–216a. 757 „[S]o nimt er die ubergeben Register, und zuschneidet sie und vorfertiget ander wol ver­ mudlichen zu seinem vortheil, […] und wann sonsten die Register in den andern Puncten richtig gewesen weren, welches wir doch nunmehr nicht wissen können, dieweil die regis­

302

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Rulcken daraufhin zur Rede gestellt wurde, gab er an, dass er die Anweisung des Berg­meisters, seine Register „richtiger zu machen und mit Namen zuschreiben“, nicht mittels der bestehenden Register habe umsetzen können, weshalb er sie neu angefertigt habe. Dabei habe er jedoch festgestellt, dass er sich selbst zum Nachteil gerechnet habe.758 Auch das Berg­amt kam zu dem Ergebnis, dass Rul­ cken durch seine schlechte Rechnungsführung vor allem sich selbst geschadet habe. Er wurde zu zwei Jahren Landesverweis verurteilt und nach einer Urfehde aus der Haft entlassen. Der Fall Rulcken zeigt deutlich, dass die Abrechnung der Zechen nicht nur soziale Realität für die soziale Umwelt der Verwaltung, sondern auch für die Amtsträger selbst schuf. Kehren wir zurück zu den Beschwerden der Freiberger Schichtmeister. Die Kommission reagierte pragmatisch, indem sie die lokalen Berg­beamten anwies, auf die fristgemäße Bezahlung der Zubußen zu achten.759 Zwar sei es nach altem Herkommen üblich, dass den einheimischen Gewerken eine längere Frist zur Bezahlung ihrer Zubußen zugestanden werde, dabei müsse jedoch „maß gehal­ ten werden“. Eine Frist von einem Quartal anstelle der in den Berg­ordnungen geforderten vier Wochen sei für einheimische Gewerken angemessen. Wenn sie nicht innerhalb dieser Zeit ihre Zubußen bezahlten, dann sollten auch ihre Kuxe ins Retardat fallen.760 Die Kommission unterschied also ausgehend von gewohnheitsrechtlichen Regelungen in Freiberg zwischen den auswärtigen und den einheimischen Gewerken, wobei letzteren ein größerer Spielraum bei der Bezahlung der Zubußen eingeräumt wurde. Die schriftliche Fixierung formaler Regeln, auch dies wird am Beispiel der Zubußen deutlich, hat gewisse Folgeeffekte: Nicht, dass sich mit der schriftlichen Fixierung nun alle an die Regeln halten, sondern vielmehr, dass der Bruch mit ihnen oder ihre flexible Auslegung potenziell begründungsbedürftiger wird, als ter in stucken gerissen wurden […].“ SächsStA-F, 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4024, ohne Paginierung. 758 Da er dasjenige, was ihm der Berg­kmeister „inn einem Vorzeichnis inn die Register Zuschrei­ benn Zugeschickt und bevohlen, wie oben richtiger zu machen und mit Namen zuschreiben, nicht hab können in die alten Register einbringen, darumb er new machen und schreiben mussen, und in seinem grossen bekummernis vormeint, er wolle es gar gutt machen, aber sintemal sovil befunden, das er ihm selbst zum schaden und nachtheil 5 fl vor einen Satz pucheisen, die er Caspar Arnolt bezalen mussen aussen gelassen, auch an der Summa 52 fl zu wenig geschrieben und berechnet, Das derethalben der schadt niemand dann seine“. Vgl. ebd. 759 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b, fol. 7b. 760 Vgl. ebd., fol. 8b.

Administrative Praktiken

303

dies etwa bei nicht schriftlich fixierten Routinen der Fall ist. Um dieses Argu­ ment auf seine Belastbarkeit zu prüfen, soll ein kontrastierender Blick auf ein anderes Verfahren der Rechnungslegung geworfen werden, nämlich die Abrech­ nung des Zehnten im Rahmen der Berg­handlungen. 3.2.3 Die Zehntrechnungen Beide Verfahren, sowohl die Berg­rechnung zur Abrechnung der Zechen als auch die Berg­handlung zur Abrechnung des Zehnten, weisen einige Gemein­ samkeiten, aber auch signifikante Unterschiede auf. Beide lassen sich seit dem späten 15. Jahrhundert nachweisen und dienten jeweils der Rechnungslegung. Während die Berg­rechnungen vor allem die Interessen der Gewerken berühr­ ten, waren die Berg­handlungen und die Abrechnung des Zehnt vor allem für die beiden wettinischen Dynastien im Umfeld des geteilten Berg­regals von 1485 bis 1547 von erheblicher Bedeutung. Die Abrechnung des Zehnten war während dieses Zeitraums ein wichtiges Kommunikationsforum zwischen den Ernestinern und den Albertinern. Über die Berg­handlung wurde ein regelmä­ ßiger Kommunikationsfluss zwischen den lokalen Berg­ämtern und den beiden Regalherren hergestellt. Nachdem das Berg­regal 1547 auf die Albertiner über­ ging, verloren die Berg­handlungen und die Abrechnung des Zehnt als kommu­ nikative Schnittstelle zunehmend an Bedeutung. Im gleichen Zeitraum lässt sich beobachten, wie nun die Abrechnung der Zechen, also die Berg­rechnung, sich zum zentralen Kommunikationsforum zwischen den lokalen Berg­revieren und dem Landesherrn entwickelten. Die Zehntner hatten weiterhin Rechnung über ihre Einnahmen und Ausgaben abzulegen, aber dieses Verfahren fokussierte nun ausschließlich auf fiskalische Aspekte. Der Seitenblick auf die Berg­handlungen ermöglicht es, noch einmal genauer nach dem Verhältnis von Routinen und formalen Regeln zu fragen. Das Verfahren der Abrechnung des Zehnten ist eng mit den Folgen der Leip­ ziger Teilung 1485 verbunden.761 Ein gemeinsam verwaltetes Berg­regal bedeutete zunächst, dass alle Einkünfte aus dem Zehnt gemeinsam an die Ernestiner und die Albertiner gingen. Entsprechend wichtig war vor diesem Hintergrund das Verfahren der Abrechnung des Zehnten, das nicht zuletzt der wechselseitigen Kontrolle beider Parteien diente.762 Zu diesem Zweck wurden üblicherweise 761 Laube: Silberbergbau, S. 59. 762 Ebd., S. 59 ff.; Kaiser: Die oberste Berg­verwaltung, S. 255–269; basierend auf den Ergeb­

304

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

zwei bis drei ernestinische und ein bis zwei albertinische Räte abgeordnet, die zuvor von ihren Landesherren mit Instruktionen versehen worden waren und zusammen mit einem Schreiber in die oberen Berg­städte (Annaberg, Marien­ berg, Schneeberg) reisten. Die Räte stammten meist aus dem Adel und insbe­ sondere waren Amtleute aus den Berg­städten vertreten.763 Bisweilen nahmen auch Nichtadlige, so zum Beispiel der ehemalige Berg­meister Paul Schmidt, als Vertreter des Landesherrn an den Berg­handlungen teil.764 Die beteiligten Räte verfügten zum Teil über Grundbesitz in der Region oder traten als Gewerken in Erscheinung und verfügten über ein gewisses Maß an montanwirtschaftli­ cher Erfahrung.765 Eine Vorbemerkung des Protokolls der Berg­handlung Quasimodogeniti 1515 fasst das Verfahren sehr präzise zusammen und kann daher als Illustration des Prozederes dienen:766 Vff sontag Quasimodogeniti vnnd Mauritij alle Jhar jherlichen pflegen hertzog friderich Chur­ furst, hertzog Johanns vnd hertzog Georg zu Sachssen & yre allerseits rhete vffin Sneberg, Sanct Annaberg vnd ander vmbligend Ertzgebirge zuschicken, aldo furfallende sachen das bergkwerg vnd demselbigen anhengig, belangende, Zuhandeln, Zehendrechnung zuhoren, probation der muntz, zuhalden, & nach laut der Instruction, so man yne yberschigkt vnd gebrauchlicher vbung, DarIn der Churfurst Vnd Hertzog Johans, Zwene ader drey Rethe vnd eyn Schreyber, desgleichen Hertzog Georg auch zwene vnd eyn schreyber pflegt zuverordnen, Den Zehender In freyberg, dem Zehender vffm Geyer vnd dem Zehender vffm Aldenberge schreybt mein g her hertzog Georg etzliche Tage zuvorn, Das sie auff bestympte zeit vff Sneberge erscheynen vnd yre Zehendrechnung den furstlichen Rethen nach hergebrachten

nissen von Laube siehe auch Kaden: Herausbildung; ders.: Leipziger Teilung, S. 166 f. sowie Schirmer: Herrschaftspraxis, S. 328 f. Zu den Zehntrechnungen vgl. Bamberg: Personen im Gebiete des Freiberger Berg­baus, bes. S. 43–45; Hahn: Die ältesten Schnee­ berger Zehntrechnungen, S. 35–50. 763 Eine unvollständige Auflistung aller Teilnehmer findet sich bei Laube: Silberbergbau, S. 62 f. 764 Ebd., S. 62. Nach seiner Einsetzung als Amtsverweser in Schneeberg 1535 wurde Schmidt nachdrücklich zu jeder Berg­handlung durch die Ernestiner eingeladen. 765 So traten als albertinische Räte häufig die Herren von Schönberg und die Annaberger Amt­ männer auf. Ebd., S. 63. Zu den Berg­bauaktivitäten der von Planitz und den Konflikten zwischen den Wettinern vgl. Hoppe: Silberbergbau, S. 56 ff. sowie Maetschke: Der Tote vom Mühlberg. Ähnliches gilt für Heinrich von Schönberg, mit dessen Bruder die Wettiner ebenfalls in einem andauernden Rechtsstreit über das Berg­regal in den Schönburgischen Herrschaften lagen und der zeitgleich als ernestinischer Rat in Schneeberg fungierte. 766 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/04, fol. 3a.

Administrative Praktiken

305

gebrauch thun, Item den Zehendern vff Sant Annaberg pflegt man auch zuschreyben, das sie auff solche Zeit geschickt syn, den Rethen yre Zehenderechnung auff S. Annaberg zuthun, Ob man wil, mag man solchs den Zehender vff Sneb[er]g auch schreyben, Es weyß aber sol­ che auss gemeiner vbung selbst wol.

Die Berg­handlungen fanden zweimal im Jahr, an Mauritius und Quasimodo­ geniti, zunächst in Schneeberg statt.767 Neben den beiden regulären Terminen konnten in dringlichen Fällen auch zusätzliche Berg­handlungen einberufen werden.768 Ab wann die Berg­handlungen in Schneeberg abgehalten wurden, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Bereits in der Schneeberger Berg­ordnung von 1479 wurde festgelegt, dass für die Zehntrechnung je vier Vertreter der Stadt, je zwei Vertreter des Adels und der Geistlichkeit zweimal jährlich (vor der Leip­ ziger Oster- und Michaelismesse sowie im September) zusammenkommen und die Rechnungen anhören sollten.769 Diese Bestimmung stellte die Grundlage für die spätere, von den landesherrlichen Räten geleitete Abnahme der 767 Laube: Silberbergbau, S. 60. Im Hauptstaatsarchiv haben sich die Protokolle der Berg­ handlungen von 1488 bis 1546 erhalten. Die Bestände umfassen zunächst die nachträglich angefertigten Protokolle der albertinischen landesherrlichen Räte über die jeweiligen Hand­ lungen. Ab 1519 ist die Überlieferungssituation dicht. So sind für diesen Zeitraum zumindest für die regulären Berg­handlungen Quasimodogenitur (Frühjahr) und Mauritius (Herbst) fast alle Protokolle überliefert, während sich für das 15. Jahrhundert nur vereinzelte Protokolle finden lassen. Überliefert ist Material vom Mai und September 1489, November 1491 sowie vom April 1495, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/03. Zusammen mit den Protokollen sind häufig die Instruktionen Herzog Georgs dokumentiert. Ebenfalls erhalten sind zum Teil die Schriftwechsel der Wettiner untereinander zu einzelnen Problemfeldern, die auf den entsprechenden Berg­handlungen verhandelt wurden. Darüber hinaus finden sich in diesen Beständen Korrespondenzen von städtischen Amtsträgern, Verwaltungsbeamten und dem jeweiligen Landesherrn sowie Bittgesuche und Briefe. Zwi­ schen den ernestinischen und den albertinischen Protokollen gibt es in Bezug auf die Form kaum Unterschiede, jedoch weichen die Aussagen der Räte zum Teil voneinander ab. Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 59, Anm. 43. Vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv); Loc. 04489/03, Loc. 04489/06, Loc. 04489/07, Loc. 04490/01, Loc. 04490/02, Loc. 04490/04. 768 So kam man nach Laube 1523 viermal und 1524 und 1533 jeweils dreimal zusammen, vgl. Laube: Silberbergbau, S. 60 f. Zudem wurde auch 1519 eine irreguläre Handlung an St. Ge­ orgen (23. April) einberufen, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/06, fol. 2a–24a. 769 Vgl. Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzog Albrecht für den Schneeberg, 17. No­ vemberg 1479, in: CDS  II, 13/2, S. 464–468. Für die Zeit zwischen 1470 und 1483 siehe Hahn: Die ältesten Schneeberger Zehntrechnungen, bes. S. 36 ff.

306

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Berg­rechnungen dar. Als terminus post quem muss 1488 gelten, da mit diesem Jahr die Überlieferung der Protokolle der Berg­handlungen einsetzt und die landesherrlichen Räte bereits als Vermittlungsinstanzen auftraten, während die älteren Rechenherren nicht mehr in den Quellen zu finden sind.770 Dass sich die Berg­handlungen zunächst in Schneeberg etablierten, war kein Zufall. Eine Kernfrage der Leipziger Teilung 1485 war, wie mit den Berg­werken und den im Zuge des zweiten Berg­geschreys neu entstandenen Siedlungen verfah­ ren werden sollte.771 Man einigte sich, wie bereits in anderen Landesteilungen zuvor, auf eine gemeinsame Verwaltung des Montanwesens und die Aufteilung aller Gewinne.772 Die Städte wurden je nach geographischer Lage den Ernestinern oder den Albertinern zugeschlagen, jedoch mit dem Vorbehalt, dass bergbauli­ che Entscheidungen von beiden Familienzweigen gemeinsam getroffen werden müssten.773 Im Unterschied zu anderen kleinen Ortschaften in der Region war Schneeberg 1485 mit Ausbeuten bis zu 48.903 Mark Silber jährlich bereits eine der lukrativsten Siedlungen im Westerzgebirge.774 Entsprechend gering war das Interesse beider Landesherren, auf diese Berg­siedlung zu verzichten. So einigte man sich für Schneeberg auf eine gemeinsame Herrschaft, um die noch junge Siedlung gemeinsam „mit aller bestellung, mit allen nutz und versorgung zu gleich in eintrechtigem Weßen“ zu verwalten.775 Ergänzend wurde aber fest­ gelegt, dass das Schneeberger Kondominat als Ausnahme zu gelten habe. Alle weiteren Städtegründungen sollten gemäß dem Teilzettel entweder der albertini­ schen oder der ernestinischen Seite zugehören, während die Einkünfte aus dem

770 Berg­handlung Mauritius 1488, SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/03, fol. 3b–13a. Für das späte 15. Jahrhundert ist noch nicht von einem institu­ tionalisierten Verfahren auszugehen. So wurden etwa die Freiberger Zehntrechnungen zum Teil auch in Leipzig abgenommen, vgl. Kaden: Leipziger Teilung, Anm. 78. 771 Zur Leipziger Teilung und den Folgen siehe ebd.; Schirmer: Zank und Streit; Blaschke: Die Leipziger Teilung; ders.: Die wettinischen Länder, S. 5–15; Laube: Silberbergbau, S. 59–64. 772 So blieben nach den wettinischen Teilungen von 1379, 1382, 1407, 1410, 1411, 1436, 1445, 1448 und 1451 die Berg­werksrechte im gemeinsamen Besitz der verschiedenen Linien, vgl. Laube: Silberbergbau, S. 11. Zum geteilten Berg­regal vgl. Kaden: Leipziger Teilung, S. 147–181. 773 Wie konfliktreich diese Regelung in der Praxis war, lässt sich überaus detailliert bei Virck: Die Ernestiner und Herzog Georg nachlesen. Vgl. hierzu auch Schirmer: Zank und Streit. 774 So der Spitzenwert nach Laube: Silberbergbau, S. 268, Tabelle VI; Schirmer: Staatsfinan­ zen (1456–1656), S. 164 sowie S. 165, Grafik 2. 775 Zitiert nach Kaden: Leipziger Teilung, S. 153.

Administrative Praktiken

307

Berg­regal weiterhin in gemeinsamer Hand verbleiben sollten.776 So einfach das auf dem Papier klang, so kompliziert war es, dieses Arrangement in die Praxis umzusetzen. Denn das Schneeberger Kondominat brachte alles andere als ein einträchtiges Miteinander mit sich, sondern war vielmehr durch jahrzehntelange Konflikte geprägt, die sich häufig an administrativen Kompetenzstreitigkeiten im Umfeld der Berg­handlungen entzündeten.777 Mit dem Aufstieg Annabergs zur wichtigsten Berg­stadt der Region verlagerten sich die lokalen Machtverhältnisse zu Ungunsten Schneebergs. Bereits seit 1512 wurden zusätzlich zu den Schneeberger Berg­handlungen die Zehntrechnungen nun auch im albertinischen Annaberg und, im Sinne der Parität zwischen Ernes­ tinern und Albertinern, auch im ernestinischen Buchholz abgenommen, wobei in Annaberg zugleich die Marienberger Zehntrechnungen und die Rechnun­ gen der Schönburgischen Berg­werke (Scheibenberg, Elterlein und Wiesenthal) gehört wurden.778 Mit der Übergabe Schneebergs an die Ernestiner durch den Machtspruch von Grimma 1533 wurde Schneeberg als Ort der Rechnungsle­ gung gänzlich unattraktiv.779 1535 wurde schließlich festgelegt, dass künftig alle Rechnungen ausschließlich in Annaberg und Buchholz stattfinden sollten.780

776 Vgl. Laube: Annaberger Berg­ordnung, S. 170 ff. 777 Die bisherige Forschung hat sich allerdings bislang nur am Rande mit dem Schneeberger Kondominat beschäftigt. Die Schwierigkeiten der Schneeberger Administration wurden ohne nähere Erläuterung vor allem in der Absurdität einer geteilten Herrschaft gesehen, aber auch mit dem Unwillen Herzog Georgs, sich in das Arrangement zu fügen, begründet. Damit wurde also erstens eine Perspektive akzentuiert, die ein modernes Staatsverständnis auf die Situation um 1500 projizierte, und zweitens wurde das Problem personalisiert. Siehe Bräuer: Probleme der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, S. 31–43; Hoppe: Silber­ bergbau; Gess: Die Anfänge der Reformation, S. 31–55; Schirmer: Zank und Streit, bes. S. 76. Siehe hierzu auch Neumann: Reformation sowie Neumann: Diener zweier Herren. 778 Zu den Marienberger Rechnungen vgl. Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1933), S. 34. 779 Wie stark der Ort der Rechnungslegung an die ökonomische Bedeutung des Reviers rück­ gebunden war, zeigt sich etwa an dem Vorschlag Herzog Georg Mauritius 1535, die Berg­ handlungen statt in Buchholz in Schneeberg abhalten zu lassen, „dieweil der Schnebergk, gott lob, in guten wieder steht“, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/03, fol. 200b. 780 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/03, fol. 199a. Bis 1546 wurden die Rechnungen von Freiberg, Geyer, Altenberg (Zinn vom Geisingberg), Steinheide, Eibenstock und Gottesgab in Buchholz gehört, während in Annaberg die Zehntrechnungen von Annaberg, Marienberg einschließlich Wolkenstein, Scheibenberg, Elterlein, Wiesenthal und Ehrenfriedersdorf abgenommen wurden. Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 61.

308

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

Wie das Verfahren ablief, wird aus den zwischen 1488 und 1546 überliefer­ ten Protokollen und Instruktionen ersichtlich.781 Die Instruktionen konnten zum Teil sehr detailliert ausfallen, vor allem in Bezug auf Themenfelder, die die gemeinsame Regierung in Schneeberg oder aber das geteilte Berg­regal berühr­ ten. Im Anschluss an das Verfahren wurden durch die Kommission ausführli­ che Protokolle erstellt und diese, gegebenenfalls zusammen mit Abschriften relevanter Dokumente, an die Landesherren verschickt.782 Die Abrechnung des Zehnten selbst verlief relativ schlicht. Aus den Protokollen wird ersichtlich, dass die Zehntner in die jeweiligen Städte reisten, um dort von der anwesenden Kommission ihre Rechnung hören zu lassen. Trotz ihrer Detailfreude liefern die Protokolle nur einen sehr begrenzten Ein­ blick in die Berg­handlungen: Zum Teil lassen sich aus den Protokollen weder Aussagen über den Streitgegenstand noch über die Herkunft der beteiligten Personen ablesen. Dieses Schweigen der Quellen ergibt sich aus der Funktion des Verwaltungsschrifttums. So betont Uwe Goppold in einem anderen Kon­ text, dass Protokolle immer nur selektive Ausschnitte der Wirklichkeit darstel­ len, jedoch keinesfalls die komplexe Vielfältigkeit des Verhandlungsprozesses dokumentieren. Vielmehr dienen Protokolle vor allem dazu, Entscheidungen samt ihrer Begründung schriftlich zu fixieren, um gegebenenfalls später auf sie zurückgreifen zu können.783 Das bedeutet, dass Protokolle eine nachträgliche Strukturierungsleistung darstellen. Gerade unter den besonderen Bedingungen des geteilten Berg­regals und des Schneeberger Kondominats war es wichtig, dass die Räte nicht eigenmächtig in die fragile Mächtekonstellation zwischen den Ernestinern und den Albertinern eingriffen. Ihre Verfahrensrolle schrieb ihnen vor, als Stellvertreter des Landes­ herrn und nicht als eigenständige Entscheidungsinstanz zu agieren. Entspre­ chend wichtig ist den Protokollanten auch, zu dokumentieren, dass jede Ent­ scheidung, die das geteilte Berg­regal betraf, gemäß der Instruktion verhandelt oder aber mit der Bitte um weitere Instruktionen zurück an den Landesherrn geschickt worden sei. 781 Zur Bedeutung von Instruktionen vgl. pointiert Brakensiek: Einige kommentierende Bemerkungen. 782 So verweist das albertinische Protokoll der Berg­handlung Quasimodogenitur 1515 in Bezug auf die Bitte der Stadt Schneeberg auf weitere Befreiungen auf bereits erfolgte ältere Befrei­ ungen, die nach drei Jahren ablaufen sollten und die als Abschriften dem Protokoll beigefügt wurden, vgl. SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04489/04, fol. 4b. 783 Vgl. Goppold: Politische Kommunikation, S. 3.

Administrative Praktiken

309

Im Rahmen der Berg­handlungen sollten sich die Räte als landesherrliche Delegierte mit allen Angelegenheiten befassen, die aus der gemeinsamen Nut­ zung des Berg­regals resultierten, was vor allem die Überprüfung der Abrech­ nung des Zehnten betraf. Darüber hinaus sollten sie Informationen über den Zustand der Berg­werke einholen und gemäß ihrer Instruktion anfallende ‚Berg­ händel‘ anhören, Konflikte schlichten und Personalfragen klären. Schließlich sollten sie sich auch mit Angelegenheiten beschäftigen, die aus der gemeinsa­ men Verwaltung der Berg­stadt Schneeberg resultierten:784 „Die Praxis sah so aus, daß bis ins einzelne gehend Probleme des Berg­baubetriebes, einzelner Zechen, Streitigkeiten zwischen Gewerkschaften und Gewerken, Fragen der Amtsfüh­ rung der Berg­beamten, städtische und rechtliche Angelegenheiten besprochen und entschieden wurden.“785 Neben den „furfallende sachen das bergkwerg vnd demselbigen anhengig“ wurden im Rahmen der Berg­handlungen zudem die Zehntrechnungen von den Zehntnern gehört, die zu diesem Zweck ebenfalls nach Schneeberg gefordert wurden.786 Schließlich wurde auch die Probation der Münze, also die Untersuchung von Münzen auf Gewicht und den vorgeschrie­ benen Feingehalt an Edelmetall, während der Berg­handlungen vorgenommen. Hinzu kam, dass die Berg­handlungen in Schneeberg dazu genutzt wurden, um verschiedene städtische Angelegenheiten zu klären, von der Bestätigung des Stadtregiments über den Umgang mit nonkonformen Predigern zur Reforma­ tionszeit bis hin zum Bau von städtischen Gebäuden. Dafür konnten unter­ schiedliche städtische und/oder montanwirtschaftliche Akteure vorgeladen, Informationen eingeholt und in kleineren Fällen direkt vor Ort Entscheidun­ gen getroffen werden. Kompliziertere Fälle und vor allem alles, was das geteilte Berg­regal oder das Schneeberger Kondominat betraf, wurden zurück an die Landesherren verwiesen. Die Berg­handlungen hatten verschiedene Funktionen für den sächsischen Berg­bau. Zum einen dienten sie der Abrechnung des Zehnten. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Berg­handlungen Konflikte verhandelt, die sich aus dem geteilten Berg­regal ergaben. Zum Dritten bot das Verfahren einen Rahmen, um den Kommunikations- und Informationsfluss zwischen dem lokalen Berg­bau und den Regalherren zu organisieren. Dieser ist nicht als einseitiger Prozess zu begreifen. Die Berg­handlungen boten auch lokalen Akteuren die Möglichkeit, 784 Laube: Silberbergbau, S. 63. 785 Ebd. 786 Zu den Inhalten der Zehntrechnungen vgl. für Freiberg Bamberg: Personen im Gebiete des Freiberger Berg­baus sowie Kaden: Leipziger Teilung, S. 166.

310

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

ihre Interessen einzubringen oder Beschwerden vorzubringen, wobei die lan­ desherrlichen Räte als Vermittlungsinstanz und als ‚Gatekeeper‘, agierten:787 Sie selektierten im Vorfeld die Verhandlungsgegenstände und konnten Emp­ fehlungen ausgeben, die Verhandlung hinauszögern oder Verhandlungsgegen­ stände abweisen. Auf eine Klageschrift der Schneeberger Knappschaft über den Schneeberger Zehntner reagierten die albertinischen Räte etwa, indem sie der Knappschaft vorwarfen, dass ihre Beschwerde mehr „aus neydt, dann aus not­ turfft“ resultiere. Die Knappschaft solle künftig solche Beschwerden unterlassen und den Kurfürsten und Herzog damit nicht behelligen.788 Doch blieb die Praxis des Supplizierens und auch der Interaktion mit Berg­verwaltung und landesherr­ lichen Räten während der Berg­handlung der beste Weg, um eigene Interessen durchzusetzen. Die Verhandlung vor allem von konfliktreichen Themen auf den Berg­handlungen führte aber nicht zwangsläufig auch zur Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen, vielmehr war diese an die eigene Wahrnehmung von Recht und Billigkeit der jeweiligen Akteure zurückgebunden. 3.2.4 Vergleichende Perspektiven auf die Formalisierung von Verfahren Die Abrechnung des Zehnten war im direkten Vergleich zu den Berg­rechnungen auffällig gering formal geregelt. Die einschlägigen Berg­ordnungen zwischen 1490 und 1589 thematisieren das Verfahren kaum. Bis 1509 findet die Abrechnung des Zehnten überhaupt keine Erwähnung und erst in der Annaberger Berg­ ordnung 1509 wird sehr allgemein darauf eingegangen: So sollten die Zehntner alles Silber „so uff angetzeigt bergkwergken gemacht wirdt, trewlich einfordern und uffsehen, das furstlicher gebuer unnd den gewergken daran nichtts entzo­ hen werde, von demselben irem einnehm sie ordenlich rechnung halten“.789 Es finden sich hier aber keine genaueren Angaben etwa darüber, welche Posten in den Zehntrechnungen aufgeführt werden sollen, mit welchem Rechensystem gearbeitet werden soll und schließlich wann und wie die Rechnung abgenom­ men werden soll. Betrachtet man hingegen die Bestimmungen der Berg­ordnungen in Bezug auf die Berg­rechnung, zeigen sich markante Unterschiede. Bereits die erste 787 Vgl. hierzu auch Brendecke: Imperium, S. 61 f.; S. 205. 788 SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 04490/01, Berg­handlungen 1524–1533, fol. 69a. 789 Annaberger Berg­ordnung 1509, § 72.

Administrative Praktiken

311

„Schneeberger“ Berg­ordnung von 1466 thematisierte das Prozedere der Abrech­ nung der Zechen:790 So sollten Schichtmeister in jedem Quartal die Kosten der Zechen abrechnen. ‚Alte‘ Schichtmeister, die ihren Dienst beendeten, sollten am Dienstag nach Pfingsten nach Schneeberg reisen, um dort ihre Zechen den neuen Schichtmeistern zu übergeben und den Amtleuten und Gewerken „irer inname und außgabe redeliche rechnunge thun“.791 Auch in den späte­ ren Berg­ordnungen wurde die Abrechnung der Zechen immer wieder the­ matisiert.792 Gemäß der Schneeberger Berg­ordnung von 1479 sollten sechs Schichtmeister bestimmt werden, die zweimal im Jahr vierzehn Tage vor dem Leipziger Michaelismarkt und zum Ostermarkt gegenüber dem Hauptmann auf dem Schneeberg und acht dazu verordneten Personen in Gegenwart der Gewerken „irs ampts halbin alles innemens und ußgebens rechnung thun“.793 Die Zehrung der zusätzlichen acht Rechnungshörenden sollte von den Gewer­ ken bezahlt werden, wobei festgelegt wurde, dass Prälaten und Adel drei, alle übrigen hingegen nicht mehr als zwei Pferde und Personen mit sich führen dürften.794 Zudem sollten alle Schichtmeister wöchentlich die Arbeiter ent­ lohnen und darüber auch Rechnung auf Kerbhölzern führen. Zugleich sollte dem Hutmann (einem Grubenaufseher) angezeigt werden, wie viel Material die Woche über verbraucht worden war, und die Posten sollten ebenfalls auf dem Kerbholz dokumentiert werden. Die Schichtmeister sollten ihre Posten zweimal im Jahr vor den Rechenherren abrechnen, die sich sowohl die Bücher und Register als auch die Kerbhölzer anzusehen hatten.795 Die Schneeberger Ordnung vom 20. April 1490 verwies sehr allgemein dar­ auf, dass die Schichtmeister im Beisein der Amtleute und anderer „ordentlich und getreulich rechenen, domit den gewerckenn kein abczugh adder korctzung geschee“.796 Die Reformatio für Geyer und den Schreckensberg von 1493 hin­ gegen betont, dass der Berg­meister, Richter und Geschworene die Rechnung

790 Vgl. Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für die Berg­werke außerhalb der Pflege Freiberg, Meißen, 14. April 1466, § 6, § 9, in: Ermisch: Das sächsische Berg­ recht, S. 73–77. 791 Ebd., § 9. 792 Vgl. Ordnung des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht für den Schneeberg, Dresden, 17. November 1479, § 7, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 89–97. 793 Ebd. 794 Ebd. 795 Vgl. ebd., § 7, § 8, § 9. 796 Vgl. Ordnung der Räte, 20. April 1490, in: Hoppe: Silberbergbau, S. 144–146.

312

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

von den Schichtmeistern zu „bequemer zceit“ hören und abnehmen sollen.797 Sollte die Rechnung als mangelhaft befunden werden, so solle der Schichtmeister durch Richter und Schöffen inhaftiert und nicht ohne landesherrliche Bestäti­ gung aus der Haft entlassen werden. Mit der Schreckensberger (Annaberger) Berg­ordnung von 1499/1500 wurden die Vorgaben zunehmend detaillierter.798 In dieser Ordnung wurde nun genau geregelt, wie das Verfahren der Abrechnung abzulaufen habe, an welchem Tag die Rechnungslegung durchgeführt werden solle und durch wen welche Posten abgerechnet werden mussten und schließlich, mit welchen Rechentechniken die Rechnung geschrieben werden solle.799 Diese kleinteilige Regelung wurde in der Folge beibehalten und findet sich in allen Berg­ordnungen des 16. Jahrhun­ derts. Alles dies findet sich, wie gesagt, für die Abrechnung des Zehnten nicht. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Offensichtlich wurde es für die Abrech­ nung des Zehnten nicht als notwendig angesehen, das Prozedere schriftlich zu fixieren. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass die formale Regelung von Abrech­ nungen nicht zwangsläufig der Professionalisierung, Effizienzsteigerung oder Rationalisierung der Verwaltungsabläufe diente. Denn es ist nicht davon aus­ zugehen, dass der Landesherr genau in jenem Bereich ein geringes ökonomi­ sches Interesse an den Tag legte, in dem es um seine eigenen Einnahmen ging.

797 Reformacio der bergkwergk auf dem Geyer und Schreckensberg, 11. Februar 1493, § 21, ediert in Löscher: Die erste Annaberger Berg­ordnung, S. 441. 798 Vgl. Entwurf einer Berg­ordnung des Herzogs Georg für die Berg­werke am Schreckenberg, 1499/1500, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 112–144. 799 Schichtmeister sollten ihre Rechnung am Sonnabend vor Weichfasten beschließen und am Montag danach vor dem Berg­meister und den Amtleuten den Gewerken abrechnen. Im Anschluss solle den Gewerken mit Rat des Berg­meisters und der Amtleute die Zubuße angelegt werden, damit diese dann vier Wochen Zeit bekämen, um sie zu entrichten. Die Schichtmeister sollten „ire einname und ausgabe dewtlichen den tag und jare, von weme, wie tewer und wie viel“, angeben. Zudem sollten „alle register mit Dewtzscher zcall“ ge­ schrieben werden und auch die Namen der Häuer und Steiger, Wasserknechte und Jungen angegeben werden. In der Rechnung sollten erst die Einnahmen, dann die Ausgaben der Berg­kost, dann die Hüttenkosten und der Beschluss aufgeführt werden. Danach solle der Vorrat auf der Zeche und in den Hütten und schließlich die Schulden der Zechen notiert werden. Materialien sollten nur mit dem Geld der Gewerken gekauft werden, „uf das sie in irem eigen nutze nicht den gewercken mehr darauf setzen“. Bei Zuwiderhandlung drohe den Schichtmeistern ernste Strafe. Entwurf einer Berg­ordnung des Herzogs Georg für die Berg­werke am Schreckenberg, 1499/1500, § 15, § 17, § 18, § 19, § 20, § 24, in: Ermisch: Das sächsische Berg­recht, S. 112–144.

Administrative Praktiken

313

Die Diskrepanz lässt sich hingegen erklären, wenn genauer nach den Adres­ saten des Verfahrens und der Abrechnungen gefragt wird. Nach Mark Mersiow­ sky dienten Verfahren der Rechnungslegung in erster Linie der Kontrolle der Amtsträger und ihrer Amtsführung. Durch deren Kontrolle sollte verhindert werden, dass die aus landesherrlichen Rechten stammenden finanziellen und materiellen Güter geschmälert würden.800 Auch im Berg­bau ist davon auszu­ gehen, dass die regelmäßigen Abrechnungen auch der Kontrolle von Zehnt­ nern, des Hüttenpersonals und allen voran der Schichtmeister diente und dass der Landesherr ein großes Interesse daran hatte, dass die ihm zustehenden finanziellen Vorteile aus dem Berg­bau nicht vermindert wurden. Zugleich war die engmaschige Kontrolle der Schichtmeister während der Abrechnung der Zechen auch im Interesse der Gewerken, deren finanzielle Interessen durch die Berg­rechnung und die Berechnung der Zubußen empfindlich berührt wurden. Insofern ist Mersiowsky zwar nicht zu widersprechen, wenn er Rechnungen als landesherrliches Herrschaftsinstrument zur Sicherung der eigenen Ressourcen interpretiert. Im Kontext des vormodernen Berg­baus waren sie aber noch mehr und anderes: Gerade die Verfahren und normativen Vorgaben im Umfeld der Abrechnung und Rechnungskontrolle der Zeche dienten der Ausbildung eines spezifischen Images von Verwaltung und sind damit Teil ihrer Schauseite. Denn durch die zunehmende Formalisierung des Verfahrens der Abrech­ nung, die schriftlich im Medium der Berg­ordnungen fixiert und repräsentiert wurde, konnte gerade den Gewerken nicht nur vor Augen geführt werden, dass die Abrechnung auf nachvollziehbaren und für alle gleichermaßen geltenden Prämissen basierte, sondern auch, dass die Berg­verwaltung durch Mitglied­ schaftserwartungen, Hierarchien und formale Regeln ausgefeilte Kontrollsys­ teme zur Verfügung stellte, um Missbrauch zu entdecken und zu sanktionieren. Gerade am Beispiel der Abrechnungsverfahren im Berg­bau zeigt sich also, dass in besonderem Maße jene Bereiche formalisiert wurden, die die Interessen der Gewerken berührten. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch formale Regeln eine allgemeine Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz oder Rationalität des Verwaltungsapparates anvisiert war. Vielmehr wird an den Zehntrechnungen deutlich, die die finanziellen Interessen der Landesherren berührten, dass diese im Wesentlichen auf administrativen Routinen basierten und dies für alle Beteiligten auch völlig unproblematisch war. Routinen stabilisierten Verhaltenserwartungen, indem sie Abläufe und Kom­ munikation strukturierten und gewisse Handlungen wahrscheinlicher machten 800 Mersiowsky: Finanzverwaltung und Finanzkontrolle, S. 181.

314

Die Formalisierung der Berg­verwaltung

als andere. Akteure innerhalb und außerhalb der Verwaltung mussten sich nicht immer wieder aufs Neue damit auseinandersetzen, wie Verfahren abliefen, wel­ che Kommunikationswege genutzt werden oder wie und mit welchen Techniken Informationen erhoben, gespeichert und evaluiert werden sollten. Damit schu­ fen sie ein erhebliches Maß an Erwartungssicherheit. Zugleich zeigt sich, dass es als nicht notwendig erachtet wurde, Routinen im Rahmen der Berg­ordnungen schriftlich zu fixieren. Dass diese Routinepraktiken aber nicht formal geregelt waren, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass diese willkürlich abliefen oder nichts mit der Formalisierung der Verwaltung zu tun gehabt hätten. Routinen waren vielmehr eng mit der Formalstruktur der Verwaltung verbunden. Diese gab, etwa in Form ihrer Mitgliedschaftsregeln, ihrer Hierarchien und den damit verknüpften Zuständigkeitsbereichen und Kompetenzen, den Rahmen vor, innerhalb dessen sich Routinen ausbildeten und entwickelten. Während sich Routinen auf der einen Seite also durch eine hohe Verbindlichkeit und damit verbunden Stabilität auszeichnen, waren sie auf der anderen Seite flexibel genug, um sich verändernden Umweltbedingungen dynamisch anzupassen.801 Im Gegensatz zur Satzung formaler Regeln ist die Entstehung von Routinen weniger als Ergebnis eines gezielten Planungsaktes zu begreifen, sondern sie entstehen unintendiert durch administrative Praktiken, die auf Dauer gestellt werden. Birgit Näther hat herausgearbeitet, dass Routinen über ihre stete, jahr­ zehntelange Wiederholung ein hohes Maß an Verbindlichkeit entwickeln konn­ ten.802 Eine ähnliche Perspektive kann auch für die Zehntrechnungen einge­ nommen werden. Dass das Verfahren der Abrechnung nicht formal geregelt war, hieß nicht, dass dieses weniger bedeutsam, irrational oder ineffektiv war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass nicht nur dieses Verfahren, sondern ein Großteil administrativer Praxis auf nicht schriftlich fixierten Routinen basierte. Die selektive Formalisierung im Medium der Berg­ordnung ist hingegen kein Zufall, sondern Ausdruck ihrer medialen Mittlerstellung zwischen Umwelt und Verwaltung. Entsprechend wichtig ist es in einem letzten Schritt nochmals die Perspektive zu wechseln und genauer auf das Verhältnis zwischen Gewerken und Berg­verwaltung einzugehen.

801 Vgl. Näther: Pragmatismus, S. 39, ähnlich auch Brakensiek: Einige kommentierende Bemerkungen, bes. S. 436. 802 Vgl. Näther: Pragmatismus, S. 39 ff.

TEIL D: ERWARTUNGSERWARTUNGEN – VERWALTUNG UNTER BEOBACHTUNG

Im Laufe der Arbeit ist deutlich geworden, dass Formalisierungsprozesse in der Berg­verwaltung aus dem Verhältnis zwischen Verwaltung und ihrer (wirt­ schaftlichen) Umwelt, namentlich der Gewerken, erklärt werden müssen. Statt Formalisierungsprozesse ausschließlich inneradministrativ auf ein Streben nach Rationalität und Effizienz behördlicher Vorgänge zurückzuführen, ist unter dem Eindruck einer komplexen wirtschaftlichen Umwelt das Verhältnis zwischen Umwelt und Verwaltung zu berücksichtigen. Ein belastbares Indiz hierfür ist die Omnipräsenz und gleichzeitig Unkon­ kretheit, mit der auf die Gewerken, vor allem die nicht vor Ort anwesenden Gewerken, im Sprechen von und über Verwaltung verwiesen wird. Einige Bei­ spiele sollen die zentrale Bedeutung dieses Topos noch einmal unterstreichen: 1545 plädiert der Annaberger Berg­meister Markus Röhling für eine Ausweitung des Annaberger Reviers, „domit aber die frembden leutt, bey dem Bergk­wergk blibenn, auch die Eynwohner als desto lustiger zu pawen angereyzt“.1 1549 beschwerte sich der Berg­amtsverwalter Hans Röhling, dass der Freiberger Münz­ meister dem Kurfürsten seine Berg­teile abspenstig mache, und „wenn solliches geschehe so wurde es bey fremd vnnd einheimischen Gewergken das nach den­ cken machen“.2 In einer 1560 am Freiberger Schloss abgelegten Schmähschrift wurde den „bergambtleuthen“ in zahlreichen Artikeln vorgeworfen, dass sie ihr Amt missbrauchen und „reich darvon werden mit ander leuthen schaden vnd zu grossen verderb den bergkwerg geschieht dardurch der frembte man, vor den kopf gestoßen“.3 1565 baten die Gewerken der andern Maaß nach dem Wilden Mann um finanzielle Unterstützung ihrer Zeche und begründeten ihre Bitte damit, dass „wir der merer deil fremde leute seind bleiben vnd davon nicht abgeschregkt werden mochten“.4 1570 forderte die Ritterschaft auf dem Land­ tag in Torgau die Einrichtung einer Kommission, bestehend aus Gewerken der Landschaft und Sachverständigen, um die Mängel des Berg­baus zu untersuchen, 1 2 3 4

SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868, fol. 65a–66a. Ebd., fol. 7a–8a. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0163, fol. 19a–25b, fol. 24b. Undatierte Supplikation, vermutlich um 1565 eingereicht. Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanz­ archiv, Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592, fol. 33a.

316

Erwartungserwartungen

damit „den gebrechen abgeholffen vnd durch Gottes gnedige hulff die Berg­werg wiederumb in gedeyhlich aufnehmen vnnd der fremde mann in diesen Landen zu bawen gebracht werdenn möge“.5 Im Rahmen dieser Kommission reichten die Ältesten der Knappschaft sowie die Schichtmeister und Steiger zu Schneeberg schließlich 1570 eine Beschwerdeschrift ein, in der sie beklagten, dass Gerüchte über ihre Amtsführung verbreitet würden, und „sie so jemmerlich vonn frembden Leuten, Auch Etzlichen Stedten, So derhalben anhero geschrieben, Als sollten sie mit dem Ertz vnnd andern der gewercken gute, nicht Richtigk vmbgehen“.6 Diese Beispiele ließen sich beliebig erweitern. Ob im Rahmen von Krisendis­ kursen, Klagen über missbräuchliche Praktiken der Berg­verwaltung oder aber um den nötigen Impuls zur Errichtung einer neuen Berg­amtsstube zu liefern: Der einheimische, aber besonders der auswärtige oder fremde Gewerke konnte in sehr unterschiedlichen Kontexten und von unterschiedlichen Akteuren rhe­ torisch mobilisiert werden, um Handlungsdruck zu erzeugen. Der Gewerke, und konkreter noch: der auswärtige oder fremde Gewerke, war das Phantasma der Verwaltung schlechthin. Dies macht deutlich: Es war den Zeitgenossen in hohem Maße bewusst, dass der Berg­bau und damit auch seine Verwaltung unter Beobachtung standen.7 Allerdings war meist überhaupt nicht klar, wer tatsäch­ lich wann wie die Berg­verwaltung beobachtete. Allein die Annahme, dass dies geschah, löste aber ein ununterbrochenes Reden über die externen Beobachter aus. Daraus ergibt sich ein gewisses analytisches Problem: Wenngleich die Bedeu­ tung des Gewerken nicht hoch genug veranschlagt werden kann, bleibt uns die Perspektive der Investoren selbst häufig komplett verschlossen. Falls sie sicht­ bar wird, zeigt sie sich in topischer Form etwa im Rahmen von Suppliken oder abstrahierend in der buchhalterischen Dokumentation der Kuxen einer Zeche. Aus diesen Quellen lassen sich jedoch nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsäch­ lichen Motivationen der Investoren ziehen. Um dieses für die Argumentation dieser Arbeit zentrale methodische Problem deutlicher herauszuarbeiten, soll am Beispiel des kurfürstlichen Kammermeisters Hans Harrer d. J. gezeigt wer­ den, wie schwierig die Untersuchung von Wirtschaftshandeln im vormodernen Berg­bau ist, um anschließend wieder auf die beschriebene antizipierte Beob­ achtungssituation zurückzukommen.

5 6 7

SächsStA-D, 10015 Landtag, Nr. A11, Torgau 1570, fol. 33b–34a. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b, fol. 23a–b. Vgl. hierzu Schlögl: Politik beobachten.

1. Der auswärtige Gewerke als methodisches Problem

Hans Harrer d. J. hatte seit den 1550er Jahren eine rasante Karriere am kur­ fürstlichen Hof gemacht und konnte über seine Beteiligung an verschiedenen Handelsgesellschaften und als Gewerke im Berg­bau ein beachtliches Vermögen auf­bauen.8 Eine dramatische Wendung nahm seine glänzende Karriere, als sein Versuch scheiterte, zusammen mit dem Kurfürsten in den internationalen Pfef­ ferhandel einzusteigen. Er verlor dabei sein gesamtes Vermögen und erhängte sich am 20. Juni 1580 symbolträchtig in der kurfürstlichen Silberkammer. Dass Hofangehörige wie Harrer in den Berg­bau investierten, war keineswegs unüblich.9 Das Besondere an Harrer ist ein überliefertes Kuxverzeichnis von 1554 bis 1557, das Einblicke in das sonst eher verborgene Wirtschaftshandeln von Berg­bauunternehmern gewährt. Dieses über drei Jahre geführte Register ist ein exzeptionelles Zeugnis und zeigt deutlich die Probleme, aber auch Möglich­ keiten der Untersuchung bergbaulicher Unternehmungen im 16. Jahrhundert auf. In ihm verzeichnete Harrer, nach Berg­städten sortiert, seine Beteiligung an Zechen mit der Anzahl der Kuxe, dem Ankaufspreis neu erworbener Kuxe, den jeweiligen Ausbeuten und den bezahlten Zubußen.10 In dem genannten Zeitraum besaß er in insgesamt 94 Zechen 105 Kuxe sowie mehrere geteilte Kuxe und erwarb neue Kuxe für rund 1894 fl. Sein Besitz war weit gestreut. So besaß er Kuxe in Annaberg, Freiberg, Marienberg, Wolkenstein und in kleineren Berg­orten, wobei er den überwiegenden Teil seines Geldes in den Marienber­ ger Berg­bau investierte.11 In den meisten Zechen besaß er einen Kux, lediglich

  8 Über Hans Harrers Herkunft und frühe Jahre ist wenig bekannt. 1550 wird erstmals erwähnt, dass er in Diensten von Kurfürst August stand. 1557 wurde Harrer zum Kammerdiener Kur­ fürst Augusts und stieg 1562 mit einem Jahresgehalt von 960 Gulden zum Kammermeister auf. Zur Biografie Hans Harrers immer noch maßgeblich Müller: Hans Harrer; vgl. zudem auch Hüttig, Stollberg: Zwei Bände, S. 545–547.  9 Vgl. Werner: Das fremde Kapital, S. 152–153. 10 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36121, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1748. Alle folgenden Angaben beziehen sich auf diese Quelle. 11 Seine Besitzanteile schlüsselten sich wie folgt auf: Marienberg: 53 Kuxe, zwei ¼ Kux, eine 1/16 Kux und eine ½ Kux in 50 Zechen; Freiberg: 23 Kux, ein 5/6 Kux in elf Zechen; Wol­ kenstein: 20 Kux, ein ¼ Kux in 17 Zechen; Annaberg: zehn Kux, zwei ½ Kux in zehn Ze­ chen; kleinere Berg­reviere: fünf Kux, ein 1/8 Kux in sechs Zechen.

318

Erwartungserwartungen

in Freiberg erwarb er in der unteren 3. 4. Maaß nach dem Turmhof zehn Kuxe für 328 fl und 3 gr. Hans Harrer war ein Großgewerke, das heißt, dass ihm genug Kapital zur Verfügung stand, um seinen Kuxbesitz so weit zu streuen, dass die Wahrschein­ lichkeit eines Gewinns stieg. Zugleich zeigt sich, dass vor allem wenige, aber dafür lukrative Kuxe den Großteil seiner Einnahmen am Berg­bau lieferten. So musste er insgesamt 71 fl, 2607 gr und 193 pf an Zubußen zahlen. Demgegen­ über standen jedoch beachtliche Ausbeuten von insgesamt 1089 fl, 251 gr und 21 pf. Dabei war die Verteilung der Gewinne asymmetrisch: Lediglich 37 seiner insgesamt 94 Zechen warfen überhaupt Ausbeuten ab, die zwischen 15 pf und 160 fl lagen. Das Gros der Ausbeuten bewegte sich jedoch in einem überschau­ baren Rahmen von einem bis 10 fl. Nur sieben Zechen hatten Ausbeuten über 20 fl, und lediglich eine Zeche lieferte Ausbeuten über 100 fl. Betrachtet man das Investitionsverhalten Harrers, so zeigt sich ein gewisses System. Zunächst einmal streute er seinen Kuxbesitz über das gesamte Erzgebirge. Die Zubußen betrugen durchschnittlich kleinere Beträge unter einem Gulden. Musste er für eine Zeche über einen Gulden pro Quartal Zubuße bezahlen, stieß er die Kuxe in der Regel ab. Zwar kamen mehrere Kuxe auf kleinere Ausbeuten, aber die wirklichen Gewinne ergaben sich durch wenige Kuxe in ergiebigen Zechen. Die überwiegende Mehrheit seiner Gewinne zwischen 1554 und 1557 stammte aus wenigen Zechen in Marienberg, die eine zweistellige Ausbeuten abwarfen, wobei allein auf die 21. und 22. Maaß nach St. Elisabeth auf ein Kux, das er für 6 fl erworben hatte, 365 fl Ausbeute kamen.12 Doch auch der Besitz von lukrativen Kuxen war kein Garant für hohe Gewinne. Besonders deutlich wird dies beim Seitenblick auf die legendäre Schneeberger Himmlisch-Heer-Fundgrube. Während 1537 auf ein Kux 1930 fl an Ausbeute ausgezahlt wurden, kam ein Kux in der gleichen Zeche ein Jahr später 1538 ‚nur‘ noch auf 142 fl, wäh­ rend 1541 magere 5 fl ausgeteilt wurden.13 Berg­bau blieb ein überaus risikoreiches Gewerbe, wenngleich breit gestreutes Kapital und konsequentes Abstoßen von zubußbelasteten Kuxen ein gewisses 12 Dass das Gros der Gewinne von wenigen, lukrativen Kuxen stammte, ist nicht ungewöhn­ lich. Dies zeigt sich etwa am Kuxverzeichnis von Leonhard Koch. Die Ausbeuten von Kochs Berg­teilen betrugen in den 14 Jahren zwischen 1514 und 1527 insgesamt 2394 fl. Davon fie­ len allein 2192 fl auf vier Kuxe der 3. Maß nach dem Heiligen Kreuz. Die übrigen 121 Kuxe in Kochs Besitz brachten hingegen kaum Gewinn und eher Verlust. Auch für Koch gibt es eine glückliche Überlieferung seines Kuxbesitzes. So führte seine Witwe sein Kuxverzeichnis nach Kochs Tod 1519 bis 1527 weiter. Vgl. Werner: Der Annaberger Bürgermeister, S. 21. 13 Vgl. Laube: Silberbergbau, S. 92.

Der auswärtige Gewerke als methodisches Problem

319

Maß an Sicherheit schaffen konnte. Zwar ist es aufgrund der seltenen und frag­ mentierten Überlieferung von Gewerkenverzeichnissen kaum möglich, die hier gewonnenen Eindrücke auf eine breitere empirische Basis zu stellen. Anhand zweier überlieferter Gewerkenverzeichnisse aus dem Schneeberger Revier aus dem Jahr 1539 und aus Geyer von 1492 lassen sich jedoch Indizien dafür fin­ den, dass das Investitionsverhalten von Harrer nicht ungewöhnlich war.14 In beiden Fällen tauchten Gewerken mit Kuxen in mehreren Zechen auf, so dass Adolf Laube davon ausgeht, dass die „Mehrheit aller Gewerken ihr Kapital auf mehrere, oft viele Zechen verteilt hat“.15 Noch seltener finden sich Gewerken­ verzeichnisse über mehrere Jahre für eine Zeche, die Aussagen zur Fluktuation des Kuxbesitzes erlauben. Eine Ausnahme ist das Gewerkenverzeichnis des Markus-Semmler-Stollens in Schneeberg aus den Jahren 1535 und 1536.16 Von den 59 Gewerken hatten zwölf innerhalb eines Jahres ihre Berg­teile wieder aufgegeben. Vergleicht man diese Fluktuation mit anderen, isoliert stehenden Quellen, dann lassen sich zwar keine generellen Aussagen treffen, dennoch, so Adolf Laube, ist davon auszugehen, dass „eine solche Fluktuation, begleitet von einem schwung­ haften Kuxhandel, die Regel war“.17 Zu ähnlichen Befunden kommt auch Wal­ ter Bogsch am Beispiel des Marienberger Berg­baus zwischen 1567 und 1588. Auch hier lassen sich vor allem in der Krisenzeit um 1570 starke Fluktuationen der Investitionen nachweisen, „was als Ausdruck für die Unbeständigkeit von Hoffnungen und als ein Zeichen für den Niedergang des Marienberger Berg­ baus zu werten ist“.18 Mit einiger Vorsicht lässt sich also festhalten, dass das Investitionsverhalten von Hans Harrer durchaus dem üblichen Vorgehen von finanzstarken Großinvestoren entsprach. 14 Für das Schneeberger Revier sind Gewerkenverzeichnisse von sechs Zechen überliefert, an denen insgesamt 224 Gewerken beteiligt waren. Betrachtet man die Besitzverhältnisse in Bezug auf diese kleine Überlieferung, dann zeigt sich, dass das Gros der Gewerken lediglich in einer Zeche Kuxe hatte (114 Gewerken). 29 Gewerken hatten Kuxe in zwei Zechen, 43 besaßen Kuxe in drei Zechen, 20 Gewerken hatten Kuxe in vier Zechen, zehn Gewerken besaßen Anteile an fünf Zechen und acht Gewerken besaßen in allen sechs Zechen Berg­ teile. Für Geyer sind Gewerkenverzeichnisse von fünf Zechen mit ingesamt 106 Gewerken überliefert. Hier besaßen 66 Gewerken Anteile an einer der sechs Zechen. 21 Gewerken besaßen Anteile an zwei Zechen. Zehn Gewerken besaßen Anteile an drei Zechen. Fünf Gewerken besaßen Anteile an vier Zechen und vier Gewerken waren an allen fünf Zechen beteiligt. Vgl. ebd., S. 87. 15 Ebd., S. 88. 16 Eine Abschrift des Gewerkenverzeichnisses findet sich ebd., S. 89–91. 17 Ebd., S. 91. 18 Bogsch: Der Marienberger Berg­bau (1966), S. 36 f.

320

Erwartungserwartungen

Nun erklärt aber die Untersuchung von Investitionsstrategien nicht, welche Motivationen ihnen zu Grunde lagen. Warum Hans Harrer in welche Grube investierte, bleibt uns verborgen: War es der klingende Name eine Grube, Gerüchte über ertragreiche Gruben oder Insiderwissen? Wenngleich wir also punktuell Investitionsstrategien untersuchen können, bleibt doch die Moti­ vation der Gewerken im Dunkeln. Vor dem gleichen Problem stand auch die sächsische Berg­verwaltung: Auch sie konnte nicht wissen, wie sich das Investi­ tionsverhalten von Gewerken entwickelte, in welches Revier oder welche Gru­ ben sie investierten oder aber ihr Geld abzogen. Schon für die Zeitgenossen blieben die Investitionsentscheidungen der Gewerken eine ‚black box‘, genau wie für die spätere Historikerin. Was die Berg­verwaltung jedoch tun konnte und auch tat, war zu antizipieren, dass das Verhalten der Berg­verwaltungen ebenso wie Gerüchte über den Berg­bau Auswirkungen auf das Verhalten der Gewerken haben konnte. Statt also spezifisch nach den Investitionsmotiven der Gewerken zu fragen – eine für sie unbeantwortbare Frage –, versuchte die Berg­ verwaltung generell alles abzustellen, was der Investition potenziell abträglich sein konnte. Das heißt: Die Berg­verwaltung bildete, mit Luhmann gesprochen, „Erwartungserwartungen“ aus.19 Diese Erwartungserwartungen stimmen nach Luhmann zumeist mit dem „offiziellen Selbstverständnis des Systems, mit den zentralen Annahmen über seinen Zweck und seine gesellschaftliche Funktion, die in die formale Struktur eingebaut sind“20, überein. Formalstruktur von Organisationen und Erwartungserwartungen stehen also in einem Verhältnis. Günter Ortmann hat darauf verwiesen, dass Sprechakte eine Handlungsund Wirkmacht erlangen, die eng mit der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Sprechenden verknüpft sind.21 Sprache und Wahrnehmung sind mehr und anderes als objektive Beschreibungen, sondern führen zur Selbstverstärkung oder Selbstunterminierung von Institutionen. Um es mit den Worten des berühm­ ten Thomas-Theorems auszudrücken: „If men define situations as real, they are real in their consequences.“22 Sprechakte in Organisationen sind daher nicht nur Abbildungen von Wirklichkeit, sie bringen diese erst hervor. Indem die Berg­verwaltung den auswärtigen Gewerken und ihrer Wahrnehmung des Berg­ baus Bedeutung zuschreibt, erhält sie diese auch. Diese Überlegungen werden 19 Unter Erwartungserwartungen fasst Luhmann „das, was das System seiner Umwelt an Ver­ haltenserwartungen unterstellt“. Luhmann: Funktionen und Folgen, S. 222. 20 Ebd., S. 222. 21 Vgl. Ortmann: Als Ob, S. 59. 22 Ebd., S. 56. Zitat nach Thomas/Thomas: The Child in America, S. 572.

Der auswärtige Gewerke als methodisches Problem

321

gestützt durch jüngere Ansätze der Marktsoziologie.23 So hat etwa Jens Beckert überzeugend herausgearbeitet, dass markförmiger Austausch in hohem Maße kontingent ist. Die Unwägbarkeiten des Marktes machen diesen zu einem prekä­ ren Schauplatz sozialen Handelns, dessen ‚Funktionieren‘ alles andere als selbst­ verständlich ist. Eines der Schlüsselelemente zur Bewältigung dieses Problems ist der Abbau von Unsicherheit und die Schaffung stabiler Erwartungen an die Marktakteure.24 Unter dem Eindruck der Unvorhersehbarkeit der Zukunft und damit verbunden wirtschaftlichen Verhaltens sind Vorstellungen und Narrative ökonomischen Verhaltens nicht nur als kulturelles Beiwerk des ‚eigentlichen‘ ökonomischen Geschehens abzutun, sondern sie sind zentraler Bestandteil der Ausbildung wirtschaftlicher Interaktionen, weil die Akteure mit ihnen arbeiten. Entsprechend prägen nicht nur Werte, Normen und Einstellungen, sondern auch Imaginationen und Fiktionen marktförmige Interaktionen.25 Überträgt man diese Überlegungen in den Kontext dieser Arbeit, dann ist es nicht nur empirisch fast unmöglich herauszufinden, sondern vor allem auch methodisch weniger relevant, was die Gewerken tatsächlich getan haben oder welche Motivationen sie hatten. In den Mittelpunkt rückt vielmehr die Frage, welche Bedeutung Erwartungserwartungen für das Selbstverständnis der Ver­ waltung besaßen. Doch wie kann man dieses Selbstverständnis untersuchen? Hierfür bietet sich die Untersuchung von Krisenkommunikation im Berg­bau an.26 Die Auseinandersetzung mit Krisen und Missständen im Berg­bau, sei es durch arme Erzanbrüche oder unlautere Berg­beamte, haben immer wieder eine wichtige Rolle für die Untersuchung gespielt. Diese Art der Kommunikation ist analytisch interessant, da hier auf besondere Weise deutlich wird, dass die Verwaltung eine Beobachtungssituation antizipiert, wenngleich daraus sehr unterschiedliche Folgen abgeleitet werden. Immer stand im Mittelpunkt die Gefahr, dass der Gewerke sein Geld aus dem Berg­bau abziehen könnte. Der auswärtige Gewerke wurde somit zur zentralen Legitimationsfigur wirtschaft­ lichen, politischen und sozialen Handelns im Berg­bau. Daher ermöglicht es die 23 Granovetter: Economic Action; Fligstein/Dauter: Sociology of Markets; White: Where Do Markets Come From?; Beckert: Imagined Futures und ders.: Die soziale Ord­ nung von Märkten. 24 Vgl. ebd., S. 7–12. 25 Beckert: Imagined Futures, S. 5. 26 Der Begriff der Krise ist voraussetzungsvoll und vielgestaltig, soll aber hier auf ein relativ einfaches Verständnis heruntergebrochen werden. Vgl. Schlögl: ‚Krise‘. Im Folgenden werden als Krisenkommunikation sehr allgemein Diskurse über Missstände im Berg­bau verstanden.

322

Erwartungserwartungen

Untersuchung von Krisenkommunikation, so die Ausgangsüberlegung dieses Kapitels, in besonderer Weise das von der Berg­verwaltung selbst antizipierte Ver­ hältnis zwischen der Verwaltung und ihrer wirtschaftlichen Umwelt freizulegen.

2. Krisen und Erwartungen

2.1 Öffentlichkeiten: Die kurfürstliche Visitation 1570 Einen interessanten Einblick in die Selbstwahrnehmung der Verwaltung bietet eine landesherrliche Visitation der erzgebirgischen Berg­reviere 1570.27 Vorausge­ gangen war ihr eine Beschwerde der Landstände, genauer des Ritterstands, über den schlechten Zustand der Berg­werke und den missbräuchlichen Umgang mit den Finanzen der Gewerken auf dem Landtag in Torgau 1570.28 Die Ritterschaft forderte, eine unabhängige Kommission aus Berg­verständigen und Gewerken aus den Reihen der Landstände einzusetzen, „damit den gebrechen abgeholffen vnd durch Gottes gnedige hulff die Berg­werg wiederumb in gedeyhlich aufnehmen vnnd der fremde mann in diesen Landen zu bawen gebracht werdenn moge“.29 Es wurde bereits an anderer Stelle diskutiert, dass das Berg­regal der Wettiner in erster Linie ein Anspruch war, der im praktischen Vollzug immer wieder aufs Neue symbolisch her- und dargestellt werden musste.30 Dies galt insbesondere gegenüber dem eigenen Adel. Aus dieser Perspektive verwundert es wenig, wenn sich Kurfürst August nicht auf den Vorschlag der Kommission einlassen wollte, schließlich habe er durch die Berg­ordnung und Berg­verwaltung das Berg­werk „nottufftig vergesehn“. Dennoch wolle er den Landständen entgegenkommen und eine Kommission mit seinen Räten zur Berg­rechnung schicken, um über den Zustand des Berg­baus zu berichten.31 Die Ritterschaft versuchte zwar erneut durchzusetzen, dass die Kommission neben kurfürstlichen Räten und Berg­ beamten auch mit „der Landschafft Gewercken“ und „vorstendige Berg­leute“ besetzt werde, hatte damit aber keinen Erfolg.32 Am 15. Oktober 1570 befahl Kurfürst August seinen Räten Hans von Ponickau, Hans von Bernstein und Haubold von Einsiedel zu Scharfenstein zusammen mit dem Hauptmann des Erzgebirges an der Berg­rechnung in den 27 Zu Visitationen siehe einführend Brakensiek: Legitimation durch Verfahren?, Zitat S. 372. Vgl. hierzu auch ders.: Lokale Amtsträger. 28 SächsStA-D, 10015 Landtag, Nr. A11, Torgau 1570. 29 Ebd., fol. 33b–34a. 30 Siehe Kap. B.1.4 (Der lokale Adel). 31 SächsStA-D, 10015 Landtag, Nr. A11, Torgau 1570, fol. 68b. 32 Ebd., fol. 88a–b sowie fol. 102a–b.

324

Erwartungserwartungen

Revieren teilzunehmen und Informationen über Missstände in Berg­amt und Berg­bau einzuholen, Mängel abzustellen und bei komplizierteren Fällen die Meinung des Kurfürsten einzuholen.33 Der Bericht von Ponickau, Bernstein und Einsiedel lieferte ein desolates Zeugnis vom Zustand der Berg­werke.34 Nach Revieren sortiert beinhaltet er sowohl die Berichte der landesherrlichen Räte als auch Memoranden und Stellungnahmen lokaler Akteure und liefert somit einen faszinierenden Einblick in zeitgenössische Wahrnehmungen. Alle Beschwerden eint, dass sie den Berg­bau und dessen wirtschaftliche Dyna­ mik in Beziehung zu einer Beobachtungssituation setzten. In allen Berichten und Stellungsnahmen geht es um die Frage, ob und warum der Gewerke, und konkret der auswärtige Gewerke, sein Geld aus dem Berg­bau abziehe. Die Visitationsreise 1570 macht somit noch einmal deutlich, was am Beispiel Hans Harrers andiskutiert wurde: Die Berg­verwaltung konnte nicht wissen, warum Gewerken in Gruben investierten oder auch nicht. Was sie jedoch tat, war, unter dem Eindruck einer allgemeinen Krise des Berg­werks – zeitgenössisch als „fall“ oder „abfall“ bezeichnet –35, Vermutungen über die Motivation der Gewerken anzustellen. Diese Vermutungen standen immer unter der Prämisse, dass die Gewerken den Berg­bau und damit auch die Berg­verwaltung beobachteten. Es wurden also Erwartungen erwartet. Über die Ursachen der Krise wurden recht unterschiedliche Vermutungen angestellt: Vom göttlichen Zorn, der Teuerung über den Berg­bau bringe, über Prediger, die böse Gerüchte und Schmähworte verbreiteten, unüberlegtes Finanz­ handeln von Gewerken, Spekulationsblasen, eine allgemein abnehmende Erz­ qualität bis hin zu Gerüchten über korrupte Berg­beamte findet sich ein buntes Potpourri an Meinungen und Deutungen. So gaben die Schichtmeister in Freiberg an, dass die Zubußen nicht rechtzei­ tig bezahlt würden und zudem viele „leichtfertige leut“ schlecht vom Berg­werk reden würden. Diese Gerüchte würden dann dem Prediger zugetragen, der sei­ nerseits auf der Kanzel in „erenrühriger weise vonn Bercksachen vnd desselben dienern“ sprechen würde, „welches ihnenn doch zubeweisen vnmöglich, Solches

33 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b, fol. 1a. 34 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 1863 sowie SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b. 35 Siehe etwa SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1869, fol. 6a–b; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 211a, fol. 385a; SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36085, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 0899, fol. 11b.

Krisen und Erwartungen

325

fasten die Leute, Würden dardurch Berg­kwergk zu bawen nicht wenigk abge­ scheucht“.36 Im Mittelpunkt der Vorwürfe stand der Diakon Petrus – vermut­ lich handelt es sich hier um Petrus Vervecinus bzw. Schöps, der nach Andreas Möllers Stadtchronik zwischen 1564 und 1572 Mittagsprediger in der Freiber­ ger Domkirche war.37 Dieser spreche in seinen Predigten so übel, mit „schmäh­ lichen und vnwurdigen worten“ über die Berg­leute, dass der ganze Berg­bau Schaden nehme.38 Die Kommission befand, dass der Diakon sich „desselbenn hinfort zumessigen, vnd Sonderlich nicht Ad Speciem zugehen“ habe.39 Zwar stehe es ihnen nicht zu, den Predigern vorzugeben, was sie zu predigen hätten, aber durch diese Art von Schmähungen werde dem Berg­werk mehr Schaden als Nutzen gebracht, was nicht zu dulden sei. Der daraufhin vor die Kommission geforderte Superintendent bat darum, den Diakon nicht zu bestrafen. Zugleich verwies der Superintendent auf das Recht und die Pflicht des Predigers, Missstände im Berg­bau in Strafpredigten zu thematisieren. So habe er etwa gehört, dass in einer Zeche 200 Häuer in den Registern geführt würden, aber nur 140 auf der Zeche arbeiteten. Daher sei es die Pflicht des Predigers gewesen, dies auf der Kanzel zu thematisieren und auch er selbst würde jeden ermahnen, sein Amt treulich und fleißig zu versor­ gen. Dabei prangere weder er, der Superintendent, noch seine Mitprediger auf der Kanzel Missstände an, über die er nicht zuvor Erkundigungen eingeholt habe. Die Kommission beschwor ihn, diese Art von Kritik nicht auf der Kanzel anzusprechen, sondern sich an die Berg­amtleute zu wenden. Sollten diese nicht reagieren, so könne er sich darüber hinaus an die kurfürstlichen Räte wenden. Was sich hier abzeichnet, ist das im 16. und 17. Jahrhundert nicht unproble­ matische Verhältnis zwischen Kirche und weltlicher Obrigkeit. Das Selbstver­ ständnis lutherischer Prediger, ein ‚Wächteramt‘ auch gegenüber der weltlichen Obrigkeit auszuüben, beinhaltete auch die Pflicht, Missstände im weltlichen Regiment anzuprangern.40 Die landesherrliche Kommission bestätigte 1570 bis zu einem gewissen Grad den Anspruch der Prediger, Missstände im Berg­ bau anzuzeigen, um den Gemeinen Nutzen der Berg­werke zu fördern. Zugleich 36 37 38 39 40

Ebd., fol. 8a. Möller: Theatrum Freibergense, Pag. 253. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b, fol. 9a. Ebd., fol. 9b. Zum Wächteramt des lutherischen Pfarrers siehe auch Schorn-Schütte: Zwischen Amt und Beruf; dies.: Glaube und weltliche Obrigkeit; dies.: Obrigkeitsverständnis; Kürbis: „Die Theologen … die Gelehrten“; Sommer: Obrigkeitskritik.

326

Erwartungserwartungen

machten die Räte deutlich, dass diese Art von Predigt schädliche Folgen für den Berg­bau habe. Eigennütziges und korruptes Verhalten im Berg­bau solle system­ intern durch die Verwaltung selbst sanktioniert werden und nicht öffentlich auf der Kanzel verhandelt werden – Dienstweg also statt Öffentlichkeit. In Marienberg hingegen gaben die Berg­beamten von Marienberg, Geyer, Ehrenfriedersdorf und Scheibenberg an, dass der Abfall des Berg­werks vor allem auf die große Sündhaftigkeit der Einwohner der Berg­städte zurückzuführen sei, „darumb der almechtige Gott straffe, wie dann dardurch die vierjerige Teuerung erfolget, so dem Berckwergk grossen stoß geursachet“.41 Die Berg­amtleute aus Schneeberg, Eibenstock und Schwarzenberg beklagten, dass die Schichtmeis­ terstellen entgegen der Interessen der Gewerken besetzt würden. Statt erfah­ rene Schichtmeister einzustellen, würden junge Gesellen eingestellt, die nichts vom Berg­werk verstünden und die bauenden Gewerken abschreckten.42 Die Berg­amtleute seien zudem „jemmerlich vonn frembden Leuten, Auch Etzli­ chen Stedten, So derhalben anhero geschrieben, Als sollten sie mit dem Ertz vnnd andern der gewercken gute, nicht Richtigk vmbgehen, vnnd sonst aller­ lei Partirung treiben“.43 Ohne Unterstützung würde „das Berckwergk fallen zu grunde gehen, Auch der frembde mann, gentzlich von Ihnn setzen“.44 Auch in Schneeberg gebe der Pfarrer dem bösen Geschrei Aufschwung, indem er von der Kanzel schlecht über den Zustand der Berg­werke rede. Eine besonders elaborierte Analyse des Zustandes des Schneeberger Berg­ baus lieferte der Berg­meister Nicol Drechsel, auf dessen Stellungnahme genauer eingegangen werden soll. Die Position Drechsels sollte allerdings mit Vorsicht betrachtet werden, denn im Mittelpunkt der Kritik am Schneeberger Berg­bau stand vor allem seine eigene Amtsführung. Seine Argumentation ist daher nicht zuletzt auch als Selbstverteidigung zu lesen. Drechsel setzte seine Bewertung der Missstände im Schneeberger Berg­bau in Relation zur Unbeständigkeit der Erze. Ihr Gedeihen und Vergehen sei naturgemäß Schwankungen unterworfen, denn ebenso wie Witterung und unbeständiges Wetter die Ernte im Ackerbau beeinflusse, sei auch das Wachsen und Gedeihen der Erze unbeständig und letzt­ lich vom göttlichen Willen abhängig: „Also stehen auch die Berg­kwerge nicht Immerdar vnd durchaus Inn einem werden vnnd gedeyen, sondern vielmals nach des Schopfers gutten gefallen verendern Welcher vff einenn tag, In in einer 41 42 43 44

SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b, fol. 17b. Ebd., fol. 21b. Ebd., fol. 23b. Ebd., fol. 24a.

Krisen und Erwartungen

327

stunden vnnd augenblick, do es ihme gefallen vnnd sein Almechtiges fiat spricht, gutt bestendig Ertz vnd viel fundiger Zechen ann mehr ortt bescheren […].45 Diese Vorstellung vom unterirdischen Wachsen und Gedeihen der Minera­ lien und Erze war eine übliche zeitgenössische Deutung und folgt einem seit der Antike tradierten Deutungsmuster. Erklärungen wie diese über den Ursprung der Metalle zirkulierten in zahlreichen Schriften zur Naturkunde, zum Berg­ bau und zum Hüttenwesen, die seit dem späten 15. Jahrhundert Konjunktur hatten.46 Wenngleich also Krise und Konjunktur im Berg­bau letztlich auf das göttliche ‚fiat‘ zurückzuführen sei, gab es nach Drechsel jedoch auch ganz prak­ tische Probleme und Missstände, die dem Schneeberger Berg­bau schadeten, was dazu führe, dass „frembden Gewercken vfm Land vonn vns vfm Schneberge absetzen vnd auflassen“.47 Eines der zentralen Probleme ergebe sich aus der Dynamik des Kuxhandels. Während die ‚alten Gewerken‘ sich noch durch den Berg­bau hätten ernähren können und den großen Nutzen des Berg­baus „gefulett vnnd emfpundenn“, seien ihre Nachkommen arm und könnten ihre Kuxe nicht weiter verlegen.48 Schuld daran sei, dass das Land seit Jahren durch „schwinden leuften, teuerung vnnd andern vnfal heimgesucht“ wurde. Diese Ungewissheit rege niemanden an, Geld in den Berg­bau zu investieren. Zugleich seien die Preise für Kuxe im Schnee­ berger Berg­werk ein großes Problem. Sobald etwas „newes ist Platzen die leutte mitt gewalt Zue Will ein Jder vonn frembden vnd einheimischen der negste beim feuer sein, Inn hofnung es werde ein mahl wieder schuttenn, Wie es vor zeittenn gethan, Setzen derhalb je lenger je mehr vff die Kuxe“ bevor überhaupt Sicherheit darüber bestehe, ob das Erz auch genügend Silber abwerfe. Dadurch würden die Kuxpreise in die Höhe getrieben.49 Da nun aber die Qualität der Erze in Schneeberg nachlasse, was, wie Drechsel zuvor dargelegt hatte, ein natürlicher 45 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 210a–b. 46 Neben diese Deutung traten zudem noch stärker in der Alchemie und Astrologie verwurzelte Interpretationen, die ebenfalls auf die Antike zurückzuführen sind und von der planetaren Entstehung der Erze und Metalle ausgehen. Metalle bestanden aus einer Mischung der vier Elemente und bildeten spezifische Temperamente aus (kalt, nass, trocken, heiß). Darüber hinaus war jedes Metall mit einem planetarischen Pendant ausgestattet und in eine Hierar­ chie gebracht. Gold war mit der Sonne assoziiert und am höchsten bewertet, während am unteren Ende der Hierarchie Blei stand, dass dem Saturn zugeordnet war. Keil: Ein kleiner Leonardo, S. 237; Bredekamp: Der Mensch als Mörder, S. 275. 47 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 211a–b. 48 Ebd. 49 Ebd., fol. 211b.

328

Erwartungserwartungen

und gottgewollter Prozess sei, würden die Gewerken, die die Kux teuer erkauft hätten, sich über den Berg­bau beschweren, anstatt Kuxe erst dann zu erwerben, wenn sicher sei, ob sich dies auch lohne.50 Dadurch setze sich das Gerücht fest, dass der Schneeberger Berg­bau „in Verschrott“ gekommen sei, also sich Inves­ titionen nicht mehr lohnen würden. Ebenso schädlich sei das böse Gerede und Schmähschriften, die „schwinden, bosartigen vnnd vnbestendig bericht“ und „pasquili“ über betrügerische Praktiken, den Zustand des Schneeberger Berg­ baus und seiner Verwaltung, namentlich der Schichtmeister. Diese Schmähun­ gen würden nicht nur lokal zirkulieren, sondern auch unter fremden Leuten verbreitet werden. Dadurch entstehe ein schlechter Eindruck vom Berg­werk, und zwar „nicht allein bey denen, so vonn dem bosewichte betrogen, sondern auch andern leutten die davon horen hindurch kome vnnd gebracht werde“. Es entstehe der falsche Eindruck, als ob „alle einwohner vnnd bergkleutte alhier“ sich korrupter und betrügerischer Praktiken bedienten. Dass auch der Kurfürst seine Kuxe ins Retardat fallen lasse, verschärfe das Problem zusätzlich. An dieser Stelle soll auf die weitere Wiedergabe der zahlreichen Beschwerden und Überlegungen über die Missstände im Berg­bau 1570 verzichtet werden, um die genannten Punkte systematisch zu bündeln. Ein Fixpunkt aller Beschwerden war das Verhältnis von lokaler und überlo­ kaler Öffentlichkeit und Gerüchten, dem bösen „Geschrey“, „nachschall“ und „gerede“, das Gewerken vom Berg­bau abschrecke. Das ‚Geschrey‘ konnte in unterschiedlichen Medien eine städtische oder überlokale Öffentlichkeit errei­ chen: vom allgemeinen Gerede über denunziatorische Briefe, öffentlich verbrei­ tete Schmähschriften und Pasquille bis hin zu Strafpredigten auf den Kanzeln. Gerüchte gehörten zu den traditionellen Formen der Unwillensbekundung in der Vormoderne.51 Sie sind eng an die Bedingungen der Face-to-face-Kommu­ nikation gebunden, sie wandern von Mund zu Ohr, sie mobilisieren, erzeugen Ängste, können Empörung kanalisieren oder Hoffnungen schüren. Gerüchte sind ihrem Wesen nach flüchtig und anonym, ihre Urheber können selten ausgemacht werden, und vor allem sind sie in ihrer potenziellen Wirkung überaus gefähr­ lich. Sie haben eine starke mobilisierende Kraft und wurden zeitgenössisch in Beziehung zu Unruhe, Aufruhr und Protest gesetzt.52 Entsprechend empfindlich reagierten vormoderne Obrigkeiten auf Gerüchte, sei es durch Repression oder 50 Ebd., fol. 212a. 51 Hierzu klassisch Würgler: Fama. Für das Spätmittelalter siehe Schubert: „Bauernge­ schrey“. 52 Würgler: Fama, S. 21.

Krisen und Erwartungen

329

aber durch das Erzeugen einer Gegenöffentlichkeit etwa durch Dementi oder aber das bewusste Streuen von Fehlinformation und alternativen Gerüchten.53 Die Berg­verwaltung war also im Fall von Gerüchten mit einer tradierten Form vormoderner Unwillensbekundung konfrontiert. Die Kritik an Missstän­ den im Berg­bau blieb dabei in aller Regel an die üblichen Medien städtischer Öffentlichkeit gebunden. Wenngleich Gerede, Gerüchte und Strafpredigten zum Ensemble klassischer städtischer Meinungskundgebungen und Proteste gehörten, blieb deren Reichweite zumeist auf den engen Radius der Stadt selbst beschränkt.54 Dies verwundert zunächst einmal wenig, denn wenngleich Druck­ medien wie Buch, Flugblatt und Zeitung in zunehmenden Maß vormoderne Kommunikationsräume erweiterten, blieb Öffentlichkeit und vor allem die städ­ tische Öffentlichkeit bis ins 18. Jahrhundert eine „integrierte Öffentlichkeit“.55 Die integrierte Öffentlichkeit, so Rudolf Schlögl, war eine auf die vormoderne Stadt bezogene, auf Anwesenheit und Interaktion basierende Öffentlichkeit.56 Eine „medial oder interaktiv vermittelte Beobachtung von politischen Ent­ scheidungen“ fand nicht statt. Politische Kommunikation der vormodernen Stadt behielt bis ins 18. Jahrhundert „überwiegend eine performative Realität“. Schriftmedien kam in der städtischen Öffentlichkeit hingegen nur eine unter­ geordnete Stellung zu, da Schrift bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts „vor allem als Aufbewahrungsmedium genutzt wurde und nur eingeschränkt als Kommunikations- und Verbreitungsmedium“.57 Das Problem ist jedoch komplizierter, als es auf den ersten Blick erscheint. Betrachten wir daher die Beschwerden in Bezug auf Gerüchte noch einmal genauer: So klagten die Freiberger Schichtmeister, dass die Probleme mit den Zubußen dazu führten, dass „wol fremdbe leutt vom Berckwerg“ abließen. Dass die Prädikanten von den Kanzeln schlecht über den Berg­bau sprächen, hätte 53 Ebd., S. 25. 54 Zum Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in städtischen Konflikten des 16. Jahr­ hunderts siehe auch Scribner: Mündliche Kommunikation. 55 Vgl. Schlögl: Politik beobachten, bes. S. 606 f.; ähnlich auch ders.: Vergesellschaftung unter Anwesenden, S. 36 f. Kritisch in Bezug auf eine zu holzschnittartige Gegenüberstellung einer städtischen, primär mündlich vermittelten Präsenzöffentlichkeit und einer druckme­ dialen Öffentlichkeit Schwerhoff: Stadt und Öffentlichkeit, S. 21 f. 56 Diese Form der Öffentlichkeit unterscheidet Schlögl von einer sich zunehmend ausdiffe­ renzierenden medialen Öffentlichkeit, die vor allem auf Druckmedien basierte. Die inte­ grierte Öffentlichkeit blieb, so Schlögl, in erster Linie Kommunikation unter Anwesenden. Schlögl: Politik beobachten, S. 606. 57 Ebd.

330

Erwartungserwartungen

ebenfalls Auswirkungen auf den fremden Gewerken, denn es „Seindt frembde leut […], in der kirchen, das sonst gerne newe zeittung hort, denckt mancher, gehets also mit dem Berckwerge zu“.58 Eine gegen den Schneeberger Berg­meister Nicol Drechsel gerichtete Schmähschrift in Reimform fragte provokativ: „War­ umb lest gar ab der fremde man“ und beantwortet die Frage mit dem betrüge­ rischen Verhalten Drechsels: „dem frembden kam das bald zuhand, ist zornig, lest liegen, lest ab“.59 Nicol Drechsel seinerseits gab an, dass die „bosartigen vnnd vnbestendig bericht, nicht allein bey ettlichen ansehligen personen alhier son­ dern auch fremden leutten“ umgehen würden. Dies bringe „dies Berg­kwerg inn grosse vorachtung“, so dass sich „die frembden hern vnd gewercken vonn vns abgewantt“.60 Richter und Schöppen in Schneeberg baten die Kommission, dass die Berg­amtleute den Beschwerden nachgehen sollen, Betrüger verwarnen oder aber „zur abschew straffen“ sollten, „damit der frembde Mann dennoch sehe, das mann darob eifferte vnd mit Stillschweigen nicht darein gleich als willigte“.61 Ähnlich argumentierten auch die Ältesten der Knappschaft, Schichtmeister und Steiger von Eibenstock: „fremdbe Leute, auch Etzliche Städte“ hätten ihnen geschrieben, dass sie betrügerisch mit den Finanzen der Gewerken umgingen. Dies habe zur Folge, dass „das Berckwergk fallen zu grunde gehen, Auch der frembde mann, gentzlich von Ihnn setzen“.62 Es sollte deutlich geworden sein, dass zeitgenössisch eine Unterscheidung zwischen der lokalen und einer allgemeineren, meist nicht näher konturierten Öffentlichkeit gezogen wurde, die sich in der Figur des auswärtigen, fremden Gewerken manifestierte. Nicht Unruhe, Protest oder Aufruhr war die gefürch­ tete Konsequenz, sondern dass die fremden Gewerken ihr Geld aus dem Berg­bau abziehen könnten. Der fremde Gewerke und seine Erwartungen war die nicht kontrollierbare Unbekannte innerhalb eines etablierten Gefüges vormoderner (wirtschafts-)politischer Kommunikation. Dieses Nachdenken über eine überlokale und unbestimmte, aber deswegen umso bedrohlichere Öffentlichkeit ist keineswegs neuartig. So konnte Ernst Schubert für das ‚Bauerngeschrey‘ im Spätmittelalter ganz ähnliche Bedrohungs­ szenarien herausarbeiten. Auch hier hatten Gerüchte immer auch das Potenzial, in eine überlokale, unbestimmte und schwer zu kontrollierende Öffentlichkeit 58 59 60 61 62

SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36126, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 1863, fol. 229a–235b. Ebd., fol. 395a–396a. Ebd., fol. 213b–215a. Ebd., fol. 286a–b. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Nr. 167b, fol. 23b–24a.

Krisen und Erwartungen

331

zu diffundieren. Dörfer waren mitnichten isoliert von ihrer Umgebung, son­ dern in überlokale Kommunikationsnetze eingebunden, die sich quer zu gel­ tenden territorialen Grenzen stellten.63 Während im Fall des ‚Bauerngeschreys‘ die antizipierte Bedrohung im Aufruhr lag, war im Fall des Berg­baus das Inves­ titionsverhalten der Gewerken die zentrale Referenzfolie. Wenngleich davon ausgegangen werden kann, dass dörfliche Gemeinschaften im Wesentlichen auf Interaktion basierten und dies vielleicht für die erzgebirgischen Berg­städte nicht in gleicher Weise gilt, zeigt sich doch hier möglicherweise in verdichteter Form das Spannungsfeld von Anwesenheit und Abwesenheit, das auch für den Berg­ bau bezeichnend ist und sich nicht auf den Dualismus Kommunikation unter Anwesenden gegen eine druckmedial vermittelte Öffentlichkeit beschränkt. Wenngleich Gerüchte auf Face-to-face-Kommunikation bezogen waren, konnten sie potenziell den geschützten Raum einer integrierten lokalen Öffentlichkeit verlassen, und genau hierin lag ihr großes Bedrohungspotenzial. Eine Möglichkeit, auf das Problem des auswärtigen Gewerken zu reagieren, ist, dies wurde bereits diskutiert, der Versuch, Systemvertrauen herzustellen. Angesichts der grundsätzlichen Kontingenz wirtschaftlichen Handelns und der Erwartung von Seiten der Verwaltung, durch ihre wirtschaftliche Umwelt beob­ achtet zu werden, war die Ausbildung von Schauseiten (also von Repräsentatio­ nen, wie die Berg­verwaltung gesehen werden wollte) von erheblicher Bedeutung.

2.2 Schauseiten: Heinrich von Schönberg In unterschiedlichen Medien (mündlich in Form von Gerüchten oder Predigten oder schriftlich in Form von Briefen und Schmähschriften) verbreitete Gerüchte legten Diskrepanzen zwischen Erwartungserwartung und der Selbststilisierung der Berg­verwaltung frei und wurden als solche zeitgenössisch als Problem iden­ tifiziert. Das mit dieser Konstellation verbundene administrative Dilemma lässt sich in kaum einer Quelle so deutlich greifen wie in einem gegen Ende des 16. Jahrhunderts verfassten Memorandum des Berg­hauptmanns Heinrich von Schönberg.64 Von Schönberg beschreibt darin mit drastischen Worten den Zustand des sächsischen Berg­baus. Die Probleme hätten dermaßen überhand­ genommen, dass weder die Berg­ordnungen noch die „alten wolhergebrachten bergkwergsubungen“, also die Gewohnheitsrechte, eingehalten würden. Vielmehr 63 Anders Schlögl: Anwesende und Abwesende, bes. S. 190–191. 64 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36057, Rep. 09, Sect. 1, Nr. 0001.

332

Erwartungserwartungen

werde „heut dies morgen anders angeordnet“, so dass „weder die Amtb noch Berg­kleute, Gewercken ader diener nicht meher sicherlich vf die churf Berg­ kordnung, vnd die darinne in beschluss reservierte bergkwergsgebreuche vorlas­ sen, ader trauen durffen“.65 Sowohl die auswärtigen als auch die einheimischen Gewerken würden jedoch „dorauf trauhen vnnd daßienige dorauf wagen vnd vorbauen vnd vfm bergkwerk nicht ein gering austregt“. Die Berg­ordnungen und Gewohnheitsrechte seien daher „ein bandt“, welches die Gewerken und den sächsischen Berg­bau verbinde. Durch Berg­ordnungen und Gewohnheitsrechte wurde nach Schönberg also ein Band zwischen Gewerken und der Berg­verwaltung geschaffen, das grund­ legend für die Ausbildung eines Vertrauensverhältnisses zwischen der Berg­ verwaltung und ihrer Umwelt war. Gewerken hätten einen legitimen Anspruch darauf, dass das Berg­werk nach jenen Regeln verwaltet wurde, die durch die Berg­ordnungen und die Gewohnheitsrechte vorgegeben wurden. Mehr noch, in seinem Memorandum verbindet Heinrich von Schönberg den Begriff des Ver­ trauens direkt mit dem Investitionsverhalten der Gewerken. Doch Heinrich von Schönberg geht noch weiter in seiner Kritik. Durch das eigennützige Verhalten von Berg­beamten, die entgegen den Bestimmungen der Berg­ordnungen und den darin definierten Mitgliedschaftsrollen agierten (konkret bezieht er sich auf die schlechte Amtsführung der Zehntner), würden nicht nur die einheimischen und fremden Investoren dem Berg­abspenstig gemacht. Schlimmer noch werde „auch bey frembden vnd einheimischen schimpflich nachrede vnd vorachtung der Berg­kordnung“ gefördert, so dass der Eindruck entstehen könnte „Ob were die Berg­kordnung nhur zum schein, bauende Gewerken damit zu vexiren, inn druck ausgangen, dorauf sich niemandt zuvorlassen, sondern vngeachtet der­ selben ein Jeder Amtmann thun möge, waß ihn gelustet“.66 Durch das Missverhalten einzelner Amtsträger werde also im schlimmsten Fall das Vertrauen in die Berg­ordnungen zerstört und damit der Berg­bau allgemein geschädigt. Die Bestimmungen der Berg­ordnungen und Gewohnheitsrechte und Regeln der Mitgliedschaft schufen also stabile und legitime Erwartungen, die als „Band“ zwischen Verwaltung und Umwelt dienten und im besten Fall zur Ausbildung von Vertrauen führten. Dafür war es jedoch notwendig, dass die Bestimmungen der Berg­ordnungen nicht durch eine abweichende Praxis kon­ terkariert wurden. Mit anderen Worten: Die Schauseite der Verwaltung dürfe nicht zur Fassade verkommen, um die Gewerken nicht zu „vexiren“, sondern 65 Ebd., fol. 1b. 66 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36057, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0001, fol. 1b, fol. 10a.

Krisen und Erwartungen

333

habe als Richtschnur für Amtsträger zu gelten. Zugleich wird hier deutlich, dass Heinrich von Schönberg davon ausging, dass Gewerken das Verhalten von Amtsträgern beobachteten und zog daraus Schlüsse, wie mit dieser Konstella­ tion umgegangen werden solle. Gleichzeitig aber sah auch Heinrich von Schönberg, dass der Berg­bau in der Praxis zum Teil einen flexibleren Umgang mit normativen Vorgaben notwen­ dig mache. In einem weiteren, vermutlich gleichzeitig entstandenen Memo­ randum ging Schönberg noch deutlicher auf das delikate Verhältnis von Norm und Praxis ein.67 In diesem Memorandum geht es um die bereits diskutierte Praxis, Zubußen entgegen der Berg­ordnung über drei oder vier Quartale nicht zu bezahlen. Diese Praxis sei nach Schönberg dem Berg­bau überaus schädlich, da die Schichtmeister mit ihrem eigenen Vermögen in Vorkasse gehen müssten und dadurch notwendige Berg­gebäude nicht erhalten werden könnten. Zugleich betonte er, dass eine zu „stricte“ Auslegung der Berg­ordnung auch nicht sinn­ voll sei, da dadurch die Gewerken „vor den Kopff “ gestoßen würden und dies eine noch größere Gefahr für den Berg­bau darstelle. Denn „wann zu scharff in dem vorfahren werden sollte, das dadurch folgents das noch vbrige Berckwergk auflessig gemacht werden köntte“.68 Daher schlug er vor, zwei unterschiedliche Wege zu beschreiten: zum einen, über einen öffentlichen Aushang die entsprechenden Artikel der Berg­ordnung zu veröffentlichen und deren strikte Einhaltung einzufordern, zum anderen, in der Praxis weiterhin eine gewisse Kulanz walten zu lassen, um zu verhindern, dass die Kuxe tatsächlich ins Retardat fielen. Gerade für den so sensiblen Bereich der Zubußen fand Schönberg, dass die formalen Regeln flexibel ausgelegt werden müssten. Zugleich, und im Einklang mit seinem anderen Memorandum, sollte dieses Vorgehen jedoch nicht öffentlich gemacht oder gar im Rahmen der Berg­ ordnungen normativ fixiert werden. Vielmehr wurde den Gewerken gegenüber die Fiktion der absoluten und uneingeschränkten Geltung der Berg­ordnungen aufrechterhalten. Wenngleich also allen Beteiligten deutlich war, dass formale Regeln nur einen Aspekt von administrativer Praxis darstellten, blieb die offizielle Aussage für die Gewerken die gleiche: „Vnd so die vier Wochen […] vorlauffen, welch Gewerck in derselben bestimbten Zeit, seine Zupus nit geben wirdt, der sol seiner Teil vorlustig sein.“69

67 SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36069, Rep. 9, Sect.1, Nr. 0376, ohne Paginierung. 68 Ebd. 69 Berg­ordnung 1554, § 65.

334

Erwartungserwartungen

Diese beiden Memoranden liefern einen einzigartigen Einblick in die kom­ plexe Selbstreflektion der sächsischen Berg­verwaltung. Wie in einem Brennglas werden hier die unterschiedlichen Dimensionen und Probleme von Formalisie­ rung, Informalität und dem fragilen Verhältnis von Verwaltung und Umwelt freigelegt. Dies belegt noch einmal deutlich, dass die Funktion formaler, schrift­ lich fixierter Regeln komplexer ist, als lediglich wie auch immer geartete Ver­ haltenserwartungen zu formulieren. Schönberg schlägt eben nicht nur einfach vor, flexibler mit Normen umzugehen, sondern plädiert im Gegenteil für die symbolische Unterstreichung ihres Geltungsanspruchs durch den erneuten öffentlichen Anschlag. Es soll eben nicht der ‚Anschein‘ erweckt werden, dass die Regeln nur bedingt Geltung haben, oder mit anderen Worten: Die forma­ len Regeln der Berg­ordnung fungieren, dies wird hier in herausragender Weise deutlich, als Schauseite: eine Schauseite, die durch eine informelle flexible Aus­ legung der Regeln flankiert wurde. Mehr noch, die Berg­verwaltung antizipierte eine gewisse Erwartungshaltung von Seiten der Gewerken. Die Berg­verwaltung erwartete, dass an sie von Seiten ihrer organisatorischen Umwelt Erwartungen herangetragen wurden, und sie wusste, dass sie unter Beobachtung stand. Diese Beobachtungssituation ergibt sich nicht zuletzt aus der besonderen Dynamik des Berg­baus, der von Seiten der Gewerken zumindest idealiter eine kritische Beobachtung der wirtschaft­ lichen Entwicklung einer Grube zu Grunde lag. Wenngleich die Verwaltung nicht in die Köpfe der Gewerken schauen konnte, konnte sie dennoch gewisse Vorstellungen entwickeln, was ihre Umwelt von ihr erwartete: Sie bildete Erwar­ tungserwartungen aus. Diese Erwartungserwartungen werden selten so deutlich offengelegt wie in Heinrich von Schönbergs Memoranden. Während von Schönberg dafür plädiert, impression management zu betreiben und die Funktion der Berg­ordnungen als Schauseite von Verwaltung besonders hervorhebt, um Systemvertrauen in die Berg­verwaltung zu etablieren, gab es noch eine andere Möglichkeit, mit diesem Problem systemisch umzugehen, nämlich die Definition von ‚Grenzstellen‘.70

70 Goffman: Theater, Kap. Die Technik der Eindrucksmanipulation, S. 189–215.

Krisen und Erwartungen

335

2.3 Grenzstellen: Schichtmeister, Steiger und Kuxkränzler als Exklusionsfiguren Betrachtet man Betrugsvorwürfe im Berg­bau, dann zeigt sich eine gewisse Unwucht. Während, wie bereits an früherer Stelle diskutiert wurde, Korrupti­ onsvorwürfe alle Bereiche der Berg­verwaltung treffen konnten und diese ein beliebtes Mittel der Mikropolitik innerhalb von Verwaltungen war, zeigt sich im Bereich der Bestrafung eine deutliche Verdichtung im Bereich der Schicht­ meister.71 Innerhalb und außerhalb der Verwaltung hatten Schichtmeister eine überaus ambivalente Stellung inne, die, vergleichbar mit dem auswärtigen Gewer­ ken, zwischen Topos und Realität changierte. Der betrügerische Schichtmeister war ein prominentes Motiv, das zeitgenös­ sisches Sprechen über den Berg­bau prägte. Besonders deutlich zeigt sich dies in Georg Agricolas De Re Metallica.72 Zu Beginn seiner Abhandlung setzt sich Agricola mit verschiedenen Einwänden auseinander, die üblicherweise gegen den Berg­bau vorgebracht würden. Besonders intensiv thematisiert er den Vor­ wurf, dass vor allem die Schichtmeister Betrüger seien.73 Sie würden etwa Erz­ funde verheimlichen, indem sie den Gang an jener Stelle mit Lehm und Steinen verschmierten, wo reiches Erz angetroffen wurde. Wenn die Zeche dann auf Grund der vermeintlich fehlenden Anbrüche aufgegeben werde, würden sie das zurückgebliebene Erz in betrügerischer Weise an sich reißen. Gegen diesen Vor­ wurf wendet Agricola ein, dass diejenigen, die sich beklagen und entsprechende Gerüchte verbreiteten, wohl selbst ihre Kuxe verloren oder aber betrogen hätten und von der Berg­verwaltung zur Rechenschaft gezogen worden seien. Diese Ver­ leumdungen seien ihre Art sich zu rächen. Zwar bestehe die Möglichkeit, dass einzelne Schichtmeister unredlich seien, aber die Unredlichkeit des Einzelnen diskreditiere nicht gleich den gesamten Berufsstand. Der Topos des betrügerischen Schichtmeisters war überaus langlebig. Noch in Georg Paul Hönns Betrugs-Lexicon von 1721 wird der Schichtmeister mit den gleichen Argumenten diffamiert.74 Auch Hönn argumentiert, das beste Mittel 71 Siehe hierzu ausführlich Kap. D.2.3 (Grenzstellen: Schichtmeister, Steiger und Kuxkränzler als Exklusionsfiguren). 72 De Re Metallica wurde 1556 zunächst in Basel auf Latein publiziert und zugleich wurde eine volksprachige Übersetzung bei Philipp Blech in Auftrag gegeben. Zum Druckhaus Froben vgl. Tschudin: Der Basler Buchdruck, S. 135–139. 73 Vgl. Agricola: De Re Metallica, S. 74–75. 74 Vgl. Hönn: Betrugs-Lexicon, Pag. 49 ff.

336

Erwartungserwartungen

gegen Betrug sei eine „Gute Berg­-Ordnung / darinnen vorstehende Betriege­ reyen am fuegligsten praecaviret werden können“.75 Klagen über betrügerische Schichtmeister gab es seit dem Beginn des zweiten Berg ­geschreys und sie waren mitnichten nur diskursive Schreckgespenster. Es gab verschiedene Ämter im Berg­bau, die sich auf dem schmalen Grat zwischen Umwelt und Verwaltung bewegten und die gerade deshalb in herausgehobener Weise zu Projektionsflächen wurden. Neben dem Schichtmeister betraf dies die Steiger, die in der Praxis häufig die Aufgaben des Schichtmeisters übernahmen. Beide Ämter hatten Aufsichtspflichten und unterlagen ihrerseits der Weisungs­ pflicht und Sanktionsgewalt der Berg­verwaltung. Zudem sind hier noch die Wertpapierhändler, die sogenannten Kuxkränzler zu nennen, die zwar nicht direkt Teil der Berg­verwaltung waren, aber ebenfalls durch diese vereidigt wur­ den und dadurch in ihren Kontrollbereich fielen. Alle drei Posten, Schichtmeister, Steiger und Kuxkränzler, wurden vereidigt und gehörten damit in einem gewissen Sinne zur Berg­verwaltung. Zugleich waren die Schichtmeister die einzigen Posten, bei deren Besetzung die Gewer­ ken ein Mitspracherecht hatten. Zugleich wurde allen drei Akteursgruppen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Berg­verwaltung mit einem gewissen Misstrauen begegnet. Eine undatierte Beschwerdeschrift, die vermutlich zwischen 1553 und 1580 eingereicht wurde, fasst das Problem in drastischen Worten zusammen.76 Ein­ leitend wird auf den Topos des einheimischen und vor allem fremden Gewer­ ken verwiesen, der sein Geld aus dem Berg­bau abziehe und den Berg­bau damit in schwere Nöte bringe. An dieser prekären Situation seien in erster Linie die Schichtmeister Schuld. Diese würden, wo sie nur könnten, mittels ihrer Register betrügen. Wenn sie 50 fl an Zubußen einnähmen, würden sie nur 25 verrechnen und die übrigen 25 fl in ihre Tasche stecken. Sie verrechneten mehr Materia­ lien als sie verwendeten, und gäben höhere Preise an, als sie eigentlich bezahlt hätten, sie schrieben blinde Häuer auf, deren Lohn sie kassierten, die aber nie einen Fuß in die Zechen gesetzt hätten, „vnd gebrauchen alleyne Brudere, Vet­ tere, Schwegere, die es durch einander vorschweygen“.77 Zudem achteten sie nicht auf die Arbeiter, die „spaciren vnnd teglich zum bihr gehen“ und kaum vier Stunden arbeiteten, obwohl sie doch 12 Stunden „zu stehen schuldigk“ seien. „Diese Mangel konnen in den Anschnitt, vnnd in der Quartall Rechnunge, nicht 75 Ebd., Pag. 52. 76 Vgl. SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0166, fol. 19a–20b. 77 Ebd.

Krisen und Erwartungen

337

vormercket werdenn, dieweill man von einer Woche zcur ander, in Gedecht­ nus nicht behalten, weder hören, noch ErInnern kann, wie die aufgaben, vffm kerbholtzern, auff einander ergehen.“ Durch das Verhalten der Schichtmeister werde das „Berg­kwerg vorderbt“ und „wenig gebauet“.78 Laut Adolf Laube zeigt sich an der allgegenwärtigen Kritik an Schichtmeis­ tern und Steigern der Kampf der Gewerken gegen das Direktionsprinzip. Die Klagen gegen säumige Arbeit durch die Gewerken sei als eine Art „passiver Widerstand“ gegen die zunehmend omnipotente Berg­verwaltung zu verstehen.79 Nun ist allerdings auffällig, dass der Vorwurf der Eigennützigkeit von Schicht­ meistern nicht nur von Seiten der Gewerken formuliert wurde, sondern auch und in besonderer Weise von Seiten landesherrlicher Amtsträger und der Berg­ verwaltung. Schon dies spricht gegen eine zu eindeutig marxistische Interpre­ tation. Es ist nämlich bemerkenswert, wie bereitwillig sich die landesherrliche Regierung und die Verwaltung darauf einließen, Schichtmeister als potenziell korruptionsanfällig anzuprangern. Dies wird besonders deutlich beim Blick in die Berg­ordnungen. Diese sind voll von Androhungen schwerer Strafe bei Untreue, Unfleiß oder eigennützigem Verhalten von Schichtmeistern. So heißt es etwa in der Berg­ordnung von 1554 über den Schichtmeister, dass dieser „do er aber einigerkey eigen Nutz suchen würde, soll er seines Diensts entsetzt, vnd dazu mit Ernst gestrafft werden“.80 Zwar dürften sie, ebenso wie die Steiger und die Verleger, durch die Gewerken selbst angestellt werden, „trüge es sich aber zu, daß durch etliche Gewercken aus Gunst solche Personen die da nicht tüchtig, oder muthwillig, zänckisch vnd gantz vnverträglich“, angegeben würden, so dürften der Amtsverwalter und der Berg­meister diese entlassen.81 Schichtmeister sollten in ihrem Dienst keinen Vorteil und Eigennutz suchen, „do aber einer brüchig befunden, so soll der oder dieselbigen, von vnsern Amtleuten vnnachläßig nach Verbrechung der Sachen, mit Ernst gestrafft werden“.82 Wenn die Amtleute hierin nachlässig seien, so sollten auch sie bestraft werden. Diese Fokussierung auf mögliche Fehltritte steht im deutlichen Gegensatz zu den Beschreibungen der Aufgaben und Pflichten der übrigen Berg­beamten, die vor allem darauf zu achten hatten, dass „treulich und fleißig gearbeitet, den 78 Ebd. 79 Laube: Silberbergbau, S. 205, S. 215. 80 Berg­ordnung 1554, § 7. 81 Ebd., § 8. 82 Ebd., § 9.

338

Erwartungserwartungen

Gewercken nichts veruntrauert, oder sonst unnützlich umbkomme“.83 Die Berg­ordnungen ließen in Bezug auf die Schichtmeister wesentlich stärker die Möglichkeit zu, dass diese potenziell untreu sein könnten. Zugleich machen sie jedoch deutlich, dass Betrug durch unterschiedliche Kontrollmechanismen der Berg­verwaltung hart geahndet und sanktioniert werde. Die ambivalente Position der Berg­ordnungen in Bezug auf die Schichtmeister verweist auf die prekäre Situation dieses Amts innerhalb der sächsischen Berg­verwaltung. Zugleich waren sie die einzigen Posten in der Berg­verwaltung, deren Beset­ zung durch die Gewerken selbst vorgeschlagen werden konnten. Sie agierten in einem gewissen Rahmen als Interessenvertreter der Gewerken; schon dies rela­ tiviert Laubes Deutung.84 Sichtbar wird dies etwa anhand von Supplikationen, die nicht selten von Schichtmeistern im Namen ihrer Gewerken vorgebracht wurden. Dass Schichtmeister mit dem Geld der Gewerken hantierten und für die Berechnung und Einnahme der gefürchteten Zubußen zuständig waren, machte ihre Position vor Ort nicht gerade einfacher. Dass also Schichtmeister durch die Umwelt der Verwaltung als potenziell betrügerisch angesehen wur­ den, leuchtet intuitiv ein. Warum aber ließ sich die Berg­verwaltung selbst auf das Narrativ des potenziell betrügerischen Schichtmeisters ein? Niels Grüne hat am Beispiel des englischen Wertpapierhandels des 17. Jahr­ hunderts ein ähnliches Phänomen beobachtet. Er zeigt, wie sich Diskurse über unlautere Spekulationspraktiken zunehmend auf die Figur des gewissenlos und eigennützig agierenden Stockjobbers (Wertpapierhändlers) fokussierten. Wenngleich Kursschwankungen und Spekulationsblasen bis zu einem gewissen Grad systemimmanent waren, wurden sie als finanzielle Fehlentwicklungen vor allem als „Ausdruck von Niedertracht, Gier und mangelndem public spirit [der Stockjobber, F. N.] thematisierbar“.85 Obwohl Manipulation gewissermaßen systemisch war, wurde nicht das System selbst kritisiert, sondern das Problem wurde personalisiert. Der Stockjobber diente als Exklusionsfigur und wurde zum Gegenbild zum „honest merchant oder genereller dem virtuos gentlemen als ideales Wirtschaftssubjekt“.86

83 So etwa die Beschreibung des Berg­meisteramts. Ebd., § 3. 84 Wobei einschränkend angemerkt werden muss, dass Berg­beamte häufig ihre Söhne oder Verwandten auf Schichtmeisterposten setzten, was dafür spricht, dass die Besetzung der Schichtmeisterposten nicht nur von den Interessen der Gewerken abhängig war. 85 Grüne: Wertpapierhandel, S. 46. 86 Ebd., S. 45.

Krisen und Erwartungen

339

Diese Überlegungen lassen sich auch auf die Schichtmeister übertragen. Auch sie, und in abgeschwächter Form auch die Steiger und vor allem die Kuxkränzler, fungierten als Exklusionsfiguren und dienten der Personalisierung von Krisen­ kommunikation. Nicht das Finanzsystem des Kuxhandels und die sich zum Teil überlagernden Interessen von Berg­beamten als Investoren waren laut der Selbst­ darstellung der Berg­verwaltung korruptionsanfällig, sondern jene Akteure, die sich an der Grenze zwischen Verwaltung und Umwelt bewegten. Damit ergibt sich in Bezug auf Formalisierungsfragen eine paradoxe Situation: Auf der einen Seite etabliert die Berg­verwaltung die Repräsentation einer Verwaltung als for­ male Organisation, die auf die Genese von Systemvertrauen abzielte. Auf der anderen Seite wurde in Bezug auf die Schichtmeister, Steiger und Kuxkränzler selektiv die Möglichkeit von Misstrauen zugelassen: Nicht die Berg­verwaltung an sich, aber diese Ämter am Rand der Verwaltung waren potenziell betrügerisch. Sie wurden zu ‚Grenzstellen‘, an denen Erwartungserwartung und Formalstruk­ tur in ein Missverhältnis gerieten. Genau dies manifestiert sich im Topos des betrügerischen Schichtmeisters. Indem den Schichtmeistern, Steigern und Kuxkränzlern, und nur ihnen, in Medien wie den Berg­ordnungen ein erhebliches betrügerisches Potenzial unter­ stellt wurde, wurde im gleichen Maße die Berg­verwaltung an sich entlastet. Dass gerade die Schichtmeister von den Gewerken selbst eingesetzt wurden, machte es einfacher, sie als Exklusionsfiguren zu diffamieren. Auf den Punkt gebracht wird diese Ambiguität bei Georg Agricola: Wenngleich er mahnt, dass es auch einen Dummen und Unkundigen brauche, der auf betrügerische Praktiken hereinfalle, müsse es doch einen institutionellen Rahmen geben, um Gewer­ ken vor Betrug zu schützen: „Da also die Behörde nach Recht und Billigkeit strittige Sachen entscheidet, mag ein redlicher Berg­mann niemanden täuschen, ein unredlicher dürfte aber nicht leicht täuschen können, oder wenn er täuscht, nicht ungestraft bleiben.“87 In der Zusammenschau zeigt sich, dass die Berg­verwaltung auf unterschied­ liche Weise auf ihre komplizierten Umweltbeziehungen reagierte. Der perma­ nente Rekurs auf den auswärtigen Gewerken ist somit mehr als nur eine bedeu­ tungsleere Worthülse, sondern hatte grundsätzliche Auswirkungen auf Forma­ lisierungsprozesse in der Berg­verwaltung. Unter dem Eindruck einer Umwelt, 87 Vgl. Agricola: De Re Metallica, S. 75 sowie S. 17: „Cum igitur magistratus ex aequo & bono iudicet res co[n]trouersas, bonum metallicus neminem decipiat, improbus fallere non facile possit, aut si fallat, non ferat impune, fermo eoru[m] qui de honestate mettalicorum detrahere volunt, nihil momenti & ponderis habet.“

340

Erwartungserwartungen

die aus anwesenden, aber eben auch aus abwesenden Gewerken bestand, wurde durch die selektive Formalisierung vor allem der lokalen Berg­verwaltung ein ideales Bild der Verwaltung geschaffen, das im besten Fall der Herstellung von Systemvertrauen dienen sollte. Die Formalstruktur der Verwaltung ist daher nicht nur inneradministrativ zu begreifen, sondern muss an die Erwartungserwartun­ gen der Verwaltung in Bezug auf ihre wirtschaftliche Umwelt zurückgebunden werden. Formalisierungsprozesse in der sächsischen Berg­verwaltung standen in einem engen Zusammenhang mit der Strukturierung von Erwartungshaltun­ gen. Durch die Formalisierung von Verwaltungsstrukturen wurden Erwartun­ gen formuliert: Erwartungen etwa daran, wie sich Mitglieder in ihrer Rolle als Amtsträger zu verhalten hatten, wie Entscheidungen ablaufen sollten oder auch nach welchen Routinen Verwaltung im Alltag vollzogen wurde. Während die Ausbildung einer Formalstruktur als Schauseite ein idealisiertes und vor allem vertrauenswürdiges Bild der Verwaltung schaffen sollte, hatte auch die Definition von Exklusionsfiguren an den Grenzstellen von Verwaltung einen ähnlichen Effekt. Misstrauen wurde in Kontrast zur Vertrauenswürdigkeit des gesamten Systems gesetzt. Dadurch wurden potenzielle Dissonanzen zwischen der Schauseite der Verwaltung und ihrem Wirken im Alltag zugleich kanalisiert und personalisiert. Korrupte Schichtmeister sind in dieser Perspektive Grenz­ gänger, deren Fehlverhalten durch die formale Organisation der Berg­verwaltung sanktioniert wurde. Zugleich wurde die potenzielle Korruptionsanfälligkeit in Bezug zum (vertrauenswürdigen) Gesamtsystem des Berg­baus gesetzt. Die Schichtmeister agierten an ambigen Grenzstellen zwischen Verwaltung und Umwelt, die durch das normativ fixierte Misstrauen in den Berg­ordnungen als solche öffentlich gemacht wurden. Die Untersuchung von Formalisierungsprozessen, so der abschließende Befund, darf sich erstens nicht nur auf inneradministrative Prozesse fokussieren, sondern muss diese in Relation zu Umweltbezügen stellen. Sowohl der auswärtige Gewerke als auch der betrügerische Schichtmeister verweisen zweitens auf das heuristische Potenzial, das in der Untersuchung von Imaginationen und Erwar­ tungserwartungen für ein tiefergehendes Verständnis von Formalisierung liegt.

Abschließende Beobachtungen

Formalisierung Abschließend gilt es, die gewonnenen Befunde noch einmal zu bündeln und systematisch nach dem konzeptionellen Mehrwert der Begriffe Formalisierung und formale Organisation für die Untersuchung vormoderner Verwaltungen zu fragen. Diese Arbeit hat sich Formalisierungsprozessen auf drei Ebenen genähert: auf einer organisationalen Ebene durch die Untersuchung von Mitgliedschafts­ bedingungen, auf einer normativen Ebene durch die Untersuchung der Berg­ ordnungen als formalen Regeln und schließlich auf einer praxeologischen Ebene durch die Untersuchung administrativer Praktiken. Es hat sich gezeigt, dass weniger von einem stringenten Formalisierungsprozess auszugehen ist als von der selektiven Formalisierung unterschiedlicher Bereiche und von verschiedenen Formalisierungsgraden. Formalisierung geht weder in Intentionen noch in der schriftlichen Fixierung von Regeln auf, obwohl dies zentrale Elemente von For­ malisierungsprozessen sind. Formalisierung ist daher weder als Akteur noch als Subjekt zu begreifen, sondern als eine Kategorie, die retrospektiv historischen Wandel beschreibt, der auf Akteure und Ursachen hin befragt werden muss. In allen drei Bereichen ging es um die Strukturierung und Stabilisierung von Verhaltenserwartungen. Auf einer organisationalen Ebene zeigte sich, dass die Ausbildung von Mitgliedschaftsregeln und Hierarchien eine Formalstruktur von Verwaltung schufen, die auf eine stärkere Trennung zwischen Umwelt und Verwaltung abzielte: sowohl in Bezug auf eine Differenzierung zwischen der Mitgliedschaftsrolle des Amtsträgers und anderen sozialen Rollen, in denen dieser sich bewegte, als auch in Bezug auf eine grundsätzlichere Unterscheidung zwischen einer sozialen Umwelt und der Verwaltung selbst. Diese Differenzie­ rungsprozesse waren eng mit dem Phänomen der Mitgliedschaft verbunden, wenngleich an verschiedenen Beispielen deutlich gemacht wurde, dass es sich dabei in erster Linie um einen Anspruch handelte und etwa in der Praxis der Stellenbesetzung Faktoren wie soziale Nahbeziehungen eine nicht zu unterschät­ zende Rolle spielten. Dennoch zeigte sich, dass Verwaltung im hohen Maße versuchte, in ihrer Formalstruktur Grenzen zwischen Umwelt und Verwaltung und zwischen Amts- und Privatperson einzuziehen und zumindest auf formaler Ebene die Mitgliedschaft in der Berg­verwaltung im Modus der Partialinklusion

342

Abschließende Beobachtungen

konzipiert war. Nicht die Ehrbarkeit oder der soziale Status, sondern allein die Berg­tauglichkeit wurde als zentrale Mitgliedschaftsbedingung formuliert. Dieser Befund wurde zweitens beim genaueren Blick auf die formalen Regeln der Berg­verwaltung bestätigt und nuanciert. Berg­ordnungen reglementierten mitnichten alle Bereiche von Verwaltung, sondern bezogen sich vor allem auf den lokalen Berg­bau und spezifischer noch auf jene Bereiche, in denen Verwaltung und Umwelt in engen Austausch traten, wie etwa im Umfeld der Abrechnung der einzelnen Zechen. Diese ‚selektive Formalisierung‘ im Medium der Berg­ ordnung zeigt, dass die Funktionen von schriftlich fixierten normativen Regeln vielfältig waren. Sie formulierten einen rechtlichen Rahmen für den Berg­bau, definierten allgemeine Verhaltenserwartungen an Berg­beamte, können aber auch als idealtypische Repräsentation der Berg­verwaltung verstanden werden, die sich als Schauseite an die soziale Umwelt der Verwaltung richteten. Dabei inszenierte sich die Berg­verwaltung in einer Weise, die dem Idealtypus der ‚for­ malen Organisation‘ entsprach. Auf einer dritten, praxeologischen Ebene zeigte sich wiederum, dass formale Regeln eben nicht synonym sind mit Formalisierungsprozessen im Allgemeinen. Am Beispiel administrativer Routinen wurde gezeigt, dass Formalisierungspro­ zesse auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlichen Folgen ablau­ fen konnten. Es wurde deutlich, dass Verwaltung in hohem Maße auf nicht schriftlich fixierten Routinen basierte. Diese schufen Verhaltenssicherheit und Stabilität von Erwartungshaltungen, waren jedoch in den meisten Fällen nicht eindeutig normativ geregelt. Durch Routinen wurde eine flexible Verwaltungs­ entwicklung ermöglicht, und gleichzeitig wurden stabile Verhaltenserwartungen an Amtsträger ebenso wie an die soziale Umwelt der Verwaltung vorgegeben. Durch Routinen wurden Dienstwege eingeübt, Kompetenzen sichtbar und damit auch erfahrbar gemacht, ja: wurde Verwaltung in der Praxis überhaupt erst vollzogen. Auch die Routinen, so der Befund der Arbeit, trugen durch die von ihnen geleistete Stabilisierung von Verhaltenserwartungen und durch die enge Einbindung in die Formalstruktur der Verwaltung zu einer Formalisierung bei. Um also zu verstehen, warum Formalisierungsprozesse derart vielschichtig abliefen, muss man sich die Dynamik des Berg­baus vor Augen führen. Anders als in anderen Verwaltungen basierte der Berg­bau auf einer starken wechselsei­ tigen Abhängigkeit zwischen Regalherr und Gewerken. Der Landesherr war auf Investitionen angewiesen, und die Gewerken ihrerseits hatten ein großes Inter­ esse daran, ihr Geld in einem reibungslosen und profitversprechenden Gewerbe arbeiten zu lassen. Die wirtschaftliche Organisation des Berg­baus verlangte, dass die Gewerken den Berg­bau beobachteten und ihr Finanzverhalten entsprechend

Formalisierung

343

anpassten. Daher war die wirtschaftliche Ausgestaltung des Berg­baus nicht zu trennen von seiner administrativen Ausgestaltung. Die Berg­verwaltung agierte als Garant und Förderer des Gemeinen Nutzens des Berg­baus und der Investoren. Dass also nicht nur der Berg­bau, sondern auch die Verwaltung unter Beobach­ tung stand, war eine zwangsläufige Folgeerscheinung. Administratives Sprechen war in hohem Maße geprägt durch das Bewusstsein dieser Beobachtungssitua­ tion. Die Gefahr, dass der auswärtige Investor, in der Sprache des Berg­baus der „fremde Gewerke“, einen schlechten Eindruck vom Zustand der Berg­werke bekommen könnte, war das Phantasma der Berg­verwaltung schlechthin. Dabei ist es nur von sekundärem Interesse, ob Gewerken tatsächlich auf diese Art den Berg­bau und die Berg­verwaltung beobachteten. Wann, wie und unter welchen Bedingungen was tatsächlich beobachtet wurde, entzog sich der Kenntnis der Verwaltung. Interessanter und wesentlicher ist, dass die Potenzialität des Beob­ achtetwerdens das Sprechen der Verwaltung und auch das Sprechen über die Verwaltung prägte. Eine Reaktion auf diese Konstellation war die Ausbildung einer Schauseite, also einer spezifischen Form der Imagebildung und Selbstrepräsentation der Verwaltung gegenüber ihrer Umwelt. Ein zentrales Medium hierfür waren die Berg­ordnungen, die der Umwelt der Verwaltung vermittelten, dass die Berg­ verwaltung auf klaren Regeln der Mitgliedschaft und einer Trennung zwischen Privat- und Amtsperson basierte. Entscheidungen wurden auf Grundlage rati­ onaler Entscheidungsprämissen getroffen, deren Grundlagen ebenfalls nicht an individuelles Ermessen, sondern an das Berg­recht zurückgebunden waren. Ähnliche Dynamiken zeigten sich bei genauerer Betrachtung der Verfahren und administrativer Schriftlichkeit: In jenen Bereichen, in denen die Interessen der Gewerken berührt wurden, präsentierte sich die Berg­verwaltung als formale Organisation. Dass zahlreiche Bereiche, wie etwa die Abrechnung des für den Landesherrn so überaus wichtigen Zehnten, nicht auf formalen Regeln, sondern auf Routinen basierten, man also eine hochgradig selektive Formalisierung beob­ achten kann, unterstützt diese These. Eine ‚selektive Formalisierung‘ war dies allerdings nur in dem Sinne, dass der engste Kernbereich von Formalisierung eben in der Formulierung formaler Regeln besteht. Die selektive Formulierung formaler Regeln diente, so ein weiteres Ergebnis, der Herstellung von Systemvertrauen. Dies hat auch eine generelle Konsequenz: Dem Konzept der ‚akzeptanzorientierten Herrschaft‘, das eng an den direkten Face-to-face-Austausch zwischen Umwelt und Verwaltung etwa in lokalen Kontex­ ten gebunden ist, muss das Konzept der ‚vertrauensbasierten Verwaltung‘ an die Seite gestellt werden, die in einem engen Bezug zum Problem der Abwesenheit

344

Abschließende Beobachtungen

steht. Vertrauen kann auf unterschiedlichen Wegen generiert werden. Neben Personen kann auch Organisationen Vertrauen gewährt werden. Vertrauen in Organisationen bezieht sich weniger auf konkrete Personen als auf Mechanismen, die soziale Interaktion steuern. Der Einzelne ist hier nur Teil des Ganzen und letztlich austauschbar. Bedeutsamer als die Reputation des einzelnen Akteurs ist die Zuversicht in die Geltung allgemeiner Regeln, Normen und Werte. Über die selektive Formalisierung gewisser Bereiche von Verwaltung wurde versucht, Systemvertrauen in die Berg­verwaltung als Organisation zu erzeugen. In dieser Gesamtkonzeption des Systems des Berg­baus waren die jeweiligen Akteure austauschbar. Statt auf der individuellen Eignung und dem Ansehen der Person basierte das System in der Selbstdarstellung auf einer strikten Sachori­ entierung. Diese wurde durch unterschiedliche Mechanismen und Techniken wie ostentative administrative Schriftlichkeit, formale Regeln, klar definierte Entscheidungsprogramme und unterschiedliche Kontroll- und Sanktionsme­ chanismen gewährleistet. Die Ausbildung einer Schauseite diente der Herstel­ lung von Systemvertrauen gerade in jenen Kontexten, die die wirtschaftlichen Interessen von anwesenden und vor allem abwesenden Gewerken berührten. Im Medium der Berg­ordnung inszenierte sich die Berg­verwaltung genau dort als sachorientierte, hierarchische und auf schriftlichen Regeln basierende ‚for­ male Organisation‘, wo sie für die Gewerken sichtbar wurde. Wer Berg­meister war und welche Eigenschaften, Fähigkeiten oder individuelle Ehre er besaß, war weniger relevant als die grundsätzliche Vertrauenswürdigkeit des Systems – eines Systems, das in hohem Maße auf einer Unterscheidung zwischen sozialer Rolle und Amtsrolle und damit zwischen Umwelt und Verwaltung basierte. Entschei­ dend war also gerade die Trennung zwischen den individuellen Interessen ein­ zelner und den allgemeinen und für alle gleichermaßen geltenden Regeln der Berg­verwaltung. Die Schauseite der Berg­verwaltung diente dabei weniger der gezielten Täuschung der Investoren, sondern sollte Stabilität, Legitimität und letzten Endes Vertrauen in das Gesamtsystem des Berg­baus generieren. Das heißt eben auch, dass Formalisierungsprozesse in Verwaltungen stärker in Bezug auf ihre Umweltbezüge betrachtet werden müssen, als dies bislang oft der Fall ist. Während die Forschung die Bedeutung der Umwelt von Verwal­ tungen meist vor allem im Bereich des Informellen gesucht hat, etwa mit Blick auf die soziale Einbindung von Amtsträgern im Konzept der akzeptanzgestütz­ ten Herrschaft oder auf Patronage und Klientelnetzwerke, muss, so einer der wesentlichen Befunde dieser Arbeit, auch die Ausbildung einer administrati­ ven Formalstruktur in Relation zum Verhältnis von Umwelt und Verwaltung gesetzt werden.

Vormoderne formale Organisationen?

345

Dies wurde besonders deutlich im Fall von Krisenkommunikation. Hier zeigt sich, dass die Berg­verwaltung wirkmächtige Imaginationen entwickelte, die Auswirkungen auf die formale Ausgestaltung von Verwaltung hatten. Die omnipräsente Referenz auf den auswärtigen Gewerken verweist deutlich auf die neuartige Kontingenzerfahrung, der die Berg­verwaltung durch die wirtschaftli­ che Ausgestaltung des Berg­baus auf Basis des Kuxsystems ausgesetzt war. Eine Reaktion auf diese Kontingenzerfahrung war die Selbstrepräsentation als ver­ trauenswürdiges System, eine andere die Etablierung eines weiteren Topos, des betrügerischen Schichtmeisters, als Exklusionsfigur. Formalisierung, so lassen sich die Befunde zusammenfassen, diente daher nicht zwingend der Effizienz­ steigerung und Rationalisierung von Verwaltungsabläufen, sondern strukturierte das Verhältnis zwischen Verwaltung und ihrer institutionellen Umwelt und stabilisierte Verhaltenserwartungen unter den Bedingungen von Abwesenheit.

Vormoderne formale Organisationen? Vor diesem Hintergrund kann abschließend nach dem analytischen Mehrwert des Begriffs der formalen Organisation gefragt werden.1 Organisationen sind, so die einhellige Meinung der Organisationssoziologie, Phänomene der Moderne. Zugleich wird ihnen aber zugestanden, dass auch sie eine Geschichte haben. Sie sind, so etwa Thomas Drepper, „keine Universalphänomene gesellschaftlicher Strukturbildung und -differenzierung, sondern eine evolutionäre Errungen­ schaft“.2 Zugleich moniert Drepper im Anschluss an Alfred Kieser und Klaus Türk ein „historisch-genetisches Defizit“ der meisten Organisationstheorien in Bezug auf die Ursprünge moderner Organisationen.3 Wenn Organisationen spezifische Phänomene der Moderne sind, ist die Frage nach ihren Ursprüngen evident: Warum haben sich historisch überhaupt Organisationen ausgebildet? Während noch für Max Weber vormoderne landesherrliche Verwaltungen ein wichtiger Referenzpunkt waren, sucht die Organisationssoziologie den Ursprung von Organisationen üblicherweise im Vergleich mit zwei anderen Modellen vormoderner Personenverbände, nämlich der Korporation und Assoziationen und der damit verbundenen Strukturierung von Mitgliedschaft.

1 2 3

Siehe hierzu ausführlich Neumann: Vormoderne Organisationen. Drepper: Organisationen der Gesellschaft, S. 19. Ebd., S. 29.

346

Abschließende Beobachtungen

So stellt etwa Alfred Kieser Organisationen in eine, wenngleich gebrochene, Tradition mit Zünften als Korporationen und kommt zu dem Schluss, dass es sich bei Zünften nicht um eine Organisation, sondern um eine „social order“ handelt.4 Die Korporation sei eine wichtige Vorgängerinstitution auf dem Weg zur formalen Organisation: „I argue that the guild was not yet a formal organiz­ ation but, instead an important predecessor institution, whereas the institutions that replaced it can be categorized as formal organizations.“5 Ein wesentlicher Unterschied zwischen Korporationen wie Zünften und formalen Organisatio­ nen liege in der Strukturierung von Mitgliedschaft. So basiere die Zunft nicht auf freiwilliger Mitgliedschaft und fordere eine Vollinklusion der Person in allen ihren Lebensbezügen.6 Mit dieser Zurückweisung der Vorstellung genuin ‚vormoderner Organisationen‘ verbindet er die weberianische Meistererzählung der Entzauberung der Welt, dem Wandel von magischen zu religiösen Vorstel­ lungen und dem damit verknüpften Gesellschaftswandel.7 Auch Thomas Drepper, der die Genese von Organisationen unter Rückgriff auf Niklas Luhmann untersucht, beginnt seine Auseinandersetzung mit der Frage nach dem „Zusammenhang zwischen Sozialstruktur und gesellschaftlichen Inklusionsbedingungen von Individuen“.8 Zur zentralen Referenzfolie wird bei ihm, wie auch bei Kieser und anderen, die Korporation und Assoziation, die zum Inbegriff vormoderner Vergemeinschaftung werden.9 Korporationen als vollinkludierende Personenverbände und Assoziationen als Zweckverbände mit frei wählbarer Mitgliedschaft können zwar nach Drepper nicht als unproblema­ tische Ausgangspunkte oder Ursprünge der modernen Organisation gedeutet werden. Doch Korporationen und Assoziationen hätten im Prozess der Umstel­ lung von einer stratifikatorisch zu einer funktional differenzierten Gesellschaft eine zentrale Rolle eingenommen. Korporationen und Assoziationen „markie­ ren als Sozialgebilde paradigmatisch die geänderten gesellschaftsstrukturellen Bedingungen im Übergang von stratifizierter zu funktionaler Differenzierung“.10  4 Kieser: Organizational, bes. S. 557. Etwas anders sei die Sache bei Manufakturen gelagert, die „an important evolutionary step in the direction of formal organizations“ darstellten. Vgl. ebd., S. 540. Siehe hierzu auch ders.: Why Organization Theory Needs Historical Analyses.  5 Kieser: Organizational, S. 540.  6 Ebd.   7 Ebd., S. 557–560.  8 Drepper: Organisationen der Gesellschaft, S. 26.   9 Ebd., S. 26–34; siehe hierzu auch Türk: Organisation als Institution, bes. S. 170, Türk u. a.: Organisation in der modernen Gesellschaft, bes. S. 48. 10 Drepper: Organisationen der Gesellschaft, S. 28.

Vormoderne formale Organisationen?

347

Organisationsbildung, so Drepper weiter, werde dann historisch möglich, „wenn die gesellschaftliche Standortbestimmung von Individuen nicht mehr totalin­ kludierend wirkt, sondern den Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen prinzipiell ermöglicht und somit auch Individuen ohne Rücksicht auf Herkunft für bestimmte Organisationszwecke rekrutiert werden können“.11 Es ist auffällig, wie stark die Diskussionen um den Ursprung der modernen Organisationen in der Organisationssoziologie durch die ältere Debatte der Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte um das Phänomen Korporationen und Assoziation geprägt ist.12 Es ist unbenommen, dass vormoderne Korporationen und Assoziationen, bei aller terminologischen Unschärfe,13 wichtige Formen vormoderner Vergemeinschaftung waren.14 Zugleich stellt sich die Frage, ob hier nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Wenn ein Merkmal moderner Organisation die Partialinklusion der Mitglieder ist, dann drängt sich der Ein­ druck auf, dass mit Korporationen, die auf eine Vollinklusion aller Lebensberei­ che des Mitglieds abzielten, schlicht die falsche Referenzgröße gewählt wurde. Dieses Problem wurde im direkten Vergleich zwischen den Mitgliedschafts­ bedingungen zwischen der Knappschaft und der Berg­verwaltung deutlich.15 Warum gerade der Musterfall von Organisationen, nämlich Verwaltungen, in der Debatte um die Historizität von Organisationen nicht genauer betrachtet wird, bleibt jedoch offen. Fragt man vor dem Hintergrund der Befunde dieser Arbeit nach dem Wesen vormoderner Organisationen, dann zeigt sich: Traditionelle interaktionsbasierte Ordnungsformen, die auf die Herstellung von Akzeptanz zielten, wurden hier 11 Ebd., S. 36. 12 Das Verhältnis von Korporationen, Genossenschaften und Assoziationen gehört zu den klas­ sischen Forschungssträngen der Geschichtswissenschaft. Vgl. hierzu einführend Hardtwig: Genossenschaft. Prägnant auch ders.: Art. Korporation. Klassisch auch Gierke: Das deut­ sche Genossenschaftsrecht. 13 Hardtwig betont, dass eine Unterscheidung etwa zwischen Assoziation und Korporation „der Realität der Personenverbindungen in der Neuzeit nicht ganz gerecht wird; denn viele von ihnen erweisen sich als Mischformen dieser beiden Pole von Vergesellschaftung“. Vgl. Hardtwig: Genossenschaft, bes. S. 14–15. 14 Neben der Unterscheidung zwischen Korporationen, die prinzipiell alle Lebensbereiche integrierten, und Assoziationen als auf bestimmte Zwecke ausgerichtete Vereinigungen, ist zudem nach Wolfgang Hardtwig die Unterscheidung in einen herrschaftlichen, auf Unter­ werfung und Anstaltlichkeit ausgerichteten, und einen genossenschaftlichen, auf Korpora­ tion und prinzipielle Gleichheit abzielenden Bereich, zentral. Siehe ebd. 15 Vgl. Kap. C. 1.1.3 (Mitgliedschaft als Partialinklusion? Berg­verwaltung und Knappschaft im Vergleich).

348

Abschließende Beobachtungen

sukzessive überlagert durch eine abwesenheitsaffine Ordnungsform, nämlich die der formalen Organisation.16 Die Berg­verwaltung war mitnichten eine formale Organisation im modernen Sinne. Doch durch die Anwendung des ‚kontrollierten Anachronismus‘ (Peter von Moos) der formalen Organisation auf die Vormoderne wird deutlich, dass es in Verwaltungen unterschiedliche soziale Ordnungsformen gab, die relativ unproblematisch, und für die Zeitge­ nossen widerspruchsfrei, nebeneinander existieren konnten. Vormoderne Orga­ nisationen sind Ausdruck für die evolutionäre, ambige und sich überlagernde Ausdifferenzierung sozialer Ordnungsformen in der Vormoderne. Statt ana­ chronistisch von einer Ausschließlichkeit oder Unversöhnlichkeit unterschied­ licher Ordnungsformen innerhalb einer Institution, etwa einer Verwaltung, auszugehen, ist der Normalfall das zumeist unproblematische Nebeneinander. Zugleich, und das ist ebenfalls wichtig zu betonen, war dies nur eine Facette der Berg­verwaltung, die sowohl auf lokaler, vor allem aber auf intermediärer Ebene durch andere Ordnungsmodelle flankiert wurde, die wesentlich stärker Stand und Status berücksichtigten und auf Interaktion basierten. Dieses Nebenein­ ander unterschiedlicher Ordnungsformen ist meines Erachtens Kennzeichen ‚vormoderner‘ Organisationen, deren Ausbildung durch die zunehmende Aus­ einandersetzung mit Abwesenheit gefördert wurde – wenn auch prozesshaft, gebrochen und unintendiert.

Alles kommt vom Berg­werk her? Kommt also, so bleibt abschließend zu fragen, alles vom Berg­bau her? Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Zahlreiche der hier beschriebenen Dyna­ miken finden sich nicht nur im sächsischen Berg­bau, sondern auch in anderen Herrschaftskontexten im Alten Reich: etwa der Anstieg obrigkeitlicher Normen am Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert, die Etablierung administrativer Routinen und eine zunehmende Fokussierung auf Schriftlichkeit, oder aber die Definition von Regeln der Mitgliedschaft, Zwecken und Hierarchien. Zugleich ist davon auszugehen, dass die wirtschaftliche Dynamik des Berg­baus als Kata­ lysator für Formalisierungsprozesse fungierte. Damit ist Adolf Laube und Uwe Schirmer also durchaus zuzustimmen, wenn sie die Entwicklung der sächsischen Berg­verwaltung in einen engen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Dyna­ mik des Berg­baus stellen. Zugleich zeigt sich, dass das Verhältnis von Wirtschaft 16 Emich: Die Formalisierung des Informellen (2011), S. 85.

Alles kommt vom Berg­werk her?

349

und Verwaltungsbildung komplizierter ist. Aus der Perspektive dieser Arbeit ist weniger von einem Antagonismus zwischen Gewerken und Landesherrn auszugehen als danach zu fragen, wie unter den besonderen Bedingungen von anwesenden und abwesenden Wirtschaftssubjekten Vertrauen hergestellt werden kann. Eine Möglichkeit ist die Ausbildung einer idealtypischen Repräsentation als vertrauenswürdiges System über die selektive Formalisierung von Verwaltung. Um diese These zu stützen, wäre es dringend notwendig, das Thema der Arbeit thematisch und zeitlich auszuweiten. Es ist eine offene Flanke dieser Studie, die weitere Entwicklung der Berg­verwaltung im 17. Jahrhundert weitgehend aus­ zuklammern. Diese arbeitspragmatisch begründete Entscheidung ist insofern misslich, als bereits beim oberflächlichen Blick in das 17. Jahrhundert deutlich wird, dass es zu vermehrten Formalisierungsprozessen sowohl auf landesherrli­ cher Ebene als auch in der mittleren Berg­verwaltung kam. Auf landesherrlicher Ebene differenzierte sich mit dem Berg­gemach eine eigene Struktur innerhalb der Finanzverwaltung aus, in der entsprechend bestallte Amtsträger, die Berg­räte, für die Erledigung von Berg­sachen zuständig waren. Auch auf regionaler Ebene zeigt sich, dass sich im Laufe des 17. Jahrhunderts auch die mittlere Berg­verwaltung zunehmend zu einer eigenständigen Behörde, dem Oberbergamt, mit eigenen Diensträumen und einer komplexeren Hierarchie und Ämterstruktur ausbildete. Die Frage ist, welche Funktion dieser zweite Formalisierungsschritt besaß. Handelte es sich weiterhin um ein Phänomen, das wie im 16. Jahrhundert auf die in dieser Arbeit geschilderte Dynamik zwischen Umwelt und Verwaltung zurückzuführen ist? Eine erste intuitive Antwort wäre, dass stärker zwischen unterschiedlichen Modi der Formalisierung unterschieden werden müsste. Während im 16. Jahrhundert vor allem die Arbeit an einem Image von Verwal­ tung und eine damit einhergehende Differenzierung zwischen Verwaltung und Umwelt beobachtet werden kann, könnte für das 17. Jahrhundert der Fokus stärker auf die Eigenlogik von Formalisierungsprozessen gelegt werden. Vor dem Hintergrund einer stärkeren Differenzierung zwischen Verwaltung und Umwelt und einer zunehmenden Etablierung von Verwaltungsroutinen wäre es denkbar, dass Formalisierung von Verwaltung zu einer Pfadabhängigkeit und damit verbunden weiterer Formalisierung führt. Zugespitzt ließe sich fragen, ob die für das 16. Jahrhundert vor allem an die Umwelt der Verwaltung adressierte Schauseite sich je länger je mehr auch an die Verwaltung selbst richtete. Es ist denkbar, dass, je komplexer und ausdifferenzierter Verwaltungsapparate wurden, je stärker sich Routinen der wechselseitigen Kontrolle ausbilden und Hierarchien verfestigen, die Verwaltung ihre Selbstbeobachtung immer weiter verstärkte. Um dies zu überprüfen, wäre aber eine eigene quellengestützte Untersuchung der

350

Abschließende Beobachtungen

reichhaltigen Überlieferung des 17. Jahrhunderts notwendig. Dies wäre umso reizvoller, als der Berg­bau nach klassischer Lesart im 17. Jahrhundert und vor allem im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges in eine tiefe Rezession rutschte. Umso interessanter wäre es, unter diesen Umständen nach dem dynamischen Verhältnis von Verwaltung und Wirtschaft zu fragen. Zum Zweiten wäre für die Überprüfung der in dieser Arbeit formulierten Thesen eine vergleichende Untersuchung verschiedener europäischer Montan­ reviere dringend notwendig. Die vergleichende Untersuchung von Montanre­ vieren ist ein häufig beklagtes Desiderat, das in diesem Fall in der Tat besteht. Zwar gibt es zahlreiche thematische Sammelbände, die in Einzelstudien unter­ schiedliche Reviere bearbeiten, aber es mangelt an vergleichenden Arbeiten, die systematisch unterschiedliche Montanreviere nebeneinanderstellen. Dabei wäre ebenso auf europäischer wie auf globaler Ebene anzusetzen. Gerade auf Grund der besonderen Verflechtung von Wirtschaft und Herrschaft im Bereich des Montanwesens ergäben sich hier zahlreiche attraktive Perspektiven. Dies fängt bei basalen Fragen an: Welchen Einfluss etwa hatte die Art der abgebau­ ten Rohstoffe auf Formalisierungsprozesse? Es ist bekannt, dass der in England im 16. Jahrhundert betriebene Bleierzbau in weitaus geringerem Maße als der Silbererzbergbau strukturbildende Kraft entfaltete.17 Weder entwickelten sich komplexere Wirtschafts- oder Verwaltungsstrukturen noch Siedlungen, die über die lose Ansiedlung von Berg­arbeitern hinausgingen. Vor diesem Hintergrund wäre es interessant, Organisationsmodelle für montanwirtschaftliche Unterneh­ mungen auf europäischer und globaler Ebene im Rahmen einer vergleichenden Transfergeschichte miteinander in Beziehung zu setzen. Durch die Ausweitung des Fokus wäre es möglich, sowohl das Besondere und Einzigartige der säch­ sischen Berg­verwaltung unter den spezifischen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen des albertinischen Sachsen herauszuarbeiten als auch, und wichtiger noch, vertiefende Aussagen über das Wesen vormoderner Verwaltungen und Formen und Funktionen vormoderner formaler Organisa­ tionen zu gewinnen. Hierfür wäre zum Dritten eine vergleichende Untersuchung unterschiedlicher Verwaltungstypen in Bezug auf Formalisierungsprozesse und das jeweilige Ver­ hältnis zwischen Umwelt und Verwaltung notwendig. Zu denken wäre etwa an die unterschiedlichen Finanzverwaltungen auf lokaler und territorialer Ebene, also jene Bereiche, wo am ehesten zu vermuten steht, dass ein gewisser – und im Detail genau zu untersuchender – Druck aus der institutionellen Umwelt bestand. 17 Vgl. Reininghaus: Ergebnisse der Tagung „Stadt und Berg­bau“, S. 331 f.

Alles kommt vom Berg­werk her?

351

Damit ist in systematischer Perspektive ein weiterer Punkt verbunden, nämlich die Frage nach den Ursachen für Formalisierungsprozesse. Während im Fall der sächsischen Berg­verwaltung die wirtschaftliche Besonderheit des sächsischen Berg­baus mit seinem Kuxsystem ein wesentlicher Faktor für die Ausbildung organisationsförmiger Elemente ist, ist nach Birgit Emich die Überwindung von Wachstumsgrenzen einer auf Interaktion basierenden Patronagepolitik zugunsten von abwesenheitsaffinen Organisationssystemen zentral.18 Im Fall des von Mark Hengerer untersuchten Wiener Kaiserhofs wiederum ist das Nebeneinander von höfisch-adligen und bürgerlichen Amtsträgern ein wesentlicher Faktor für die Ausbildung organisationeller Elemente. Es spricht also einiges dafür, dass die fragmentierte Ausbildung formaler Organisationen in unterschiedlichen Institutionen durch verschiedene Faktoren begünstigt werden konnte. Das Nachdenken über die evolutionäre Ausbildung formaler Organisationen am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit hilft, so bleibt abschlie­ ßend zu resümieren, ein differenzierteres Verständnis für die Funktion von For­ malisierungsprozessen zu erhalten. Statt diese als selbsterklärend zu betrachten, rücken Fragen nach der Funktion und den damit verbundenen Folgen in den Mittelpunkt. Der Begriff der Formalisierung und der formalen Organisation sind dabei hilfreiche Instrumente, um scheinbar widersprüchliche Tendenzen zwischen Formalisierungsdruck einerseits und interaktionsbasierter Verwaltung andererseits zu erklären.

18 Emich: Formalisierung des Informellen (2011), S. 93.

Anhang

1. Organigramm Berg­amt und mittlere Berg­verwaltung

354

Anhang

2. Glossar Ich weiß, daß euch diese Terminologie ziemlich schwierig vorkommen wird. Wenn ihr euch aber erstmal daran gewöhnt habt, wird sie sehr leicht sein. Agricola, Bermannus oder Über den Bergbau

Anschnitt: wöchentliche Abrechnung der Zechen Ausbeute: Überschuss aus dem Ertrag eines Bergwerks, welcher nach Zahlung der Zubußen und anderer Kosten verblieb Bergfreiheit: 1. Recht nach Bodenschätzen zu schürfen; 2. bergstädtische Pri­ vilegien; 3. persönliche Freiheit von Bergarbeitern, die ihrerseits unter das Bergrecht fielen Berghandlung: montanwirtschaftliches Verfahren zur Abrechnung des Zehnt Bergrechnung: vierteljährliche Abrechnung der Zechen, auf deren Grundlage die Ausbeuten und Zubußen berechnet wurden Bergregal: Hoheitsrechte über die edlen Bodenschätze Bergteil: siehe Kux Gedinge: eine Art Akkordarbeit, Entlohnung von Arbeitern nach zuvor defi­ nierter Leistung Gewerke: Bergbauunternehmer, Anteilseigner am Bergwerk Kux: auch Bergteil; Wertpapier über den ideellen Anteil eines Gewerken an einer Grube Retardat: in das Retardat fielen jene Kuxe, deren Zubuße durch den Gewerken nicht bezahlt wurde; wurden die ausstehenden Zubußen nicht innerhalb einer bestimmten Frist beglichen, dann verfielen die Anteilsrechte des Gewerken (die Kuxe fielen „ins Freie“) Wasserkunst: technisches System zur Förderung, Hebung oder Führung von Wasser Zehnt: Steuer, Abgabe des zehnten Teils des geförderten Silbererzes an den Bergregalinhaber Zehntrechnung: Abrechnung des Zehnt Zubuße: anteilige Beteiligung der Gewerken an den Betriebskosten einer Zeche pro Quartal

Quellen- und Literaturverzeichnis

355

3. Quellen- und Literaturverzeichnis 3.1 Ungedruckte Quellen Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden Bestand: 10034 Geheimer Rat (Geheimes Archiv)

Loc. 04489/03. Loc. 04489/04. Loc. 04489/06. Loc. 04489/07. Loc. 04490/01. Loc. 04490/02. Loc. 04490/04. Loc. 04491/03. Loc. 04493/03. Loc. 04494/05. Loc. 04500/09. Loc. 04500/10. Loc. 04502/04. Loc. 04502/06. Loc. 10367/16. Bestand: 10036 Finanzarchiv

Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559– 1782), 1603–1604. Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559– 1782), 1578–1585. Kopiale in Berg­-, Hütten-, Münz-, Schmelz-, Floß- und Holzsachen (1559– 1782), 1565–1566. Loc. 32436, Rep. 28, Hofordnungen, Nr. 0003b. Loc. 32441, Rep. 28, Supplikationen, Bl. 55, Nr. 0001. Loc. 32465, Rep. 20, Pirna, Nr. 0012. Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0170. Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0173. Loc. 32621, Rep. 52, Gen. Nr. 0174. Loc. 33073, Rep. 52, Spec. Nr. 0446.

356 Loc. 33340, Rep. 52, Gen. Nr. 1921. Loc. 36057, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0001. Loc. 36060, Rep. 9, Sect. I, Nr. 167b. Loc. 36060, Rep. 9, Sect. I, Nr. 0160. Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0163. Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0164. Loc. 36060, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0166. Loc. 36066, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0314. Loc. 36066, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0320. Loc. 36069, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0376. Loc. 36070, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0391. Loc. 36070, Rep. 9, Sect. I, Nr. 0422. Loc. 36075, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0592. Loc. 36076, Rep. 9, Sect I, Nr. 0596. Loc. 36077, Rep. 9, Sect I, Nr. 0604. Loc. 36079, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0597. Loc. 36085, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 0899. Loc. 36090, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1053. Loc. 36094, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1362. Loc. 36096, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1410a. Loc. 36121, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1756. Loc. 36121, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1748. Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1863. Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861a. Loc. 36126, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1861b. Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1868. Loc. 36127, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 1869. Loc. 36141, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 2298. Loc. 36142, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 2314. Loc. 36324, Rep. 9, Sect. 1, Nr. 4354. Loc. 36361, Rep. 9, Sect. 2, Nr. 0006. Loc. 41923, Rep. 9b, Abt. B, Nr. 0148. Loc. 41924, Rep. 9b, Abt. B, Nr. 0169. Sächsisches Staatsarchiv, Berg­archiv Freiberg 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 713. 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2310. 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2321.

Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis

357

40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2512. 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 2691. 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 3298. 40001 Oberbergamt Freiberg, Nr. 3349. 40006 Berg­amt Altenberg (mit Berg­g ießhübel und Glashütte), Nr. 1092. 40007 Berg­amt Annaberg (mit Neundorf und Wiesa), Nr. 617. 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 202 (Kopialbuch 1608). 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 202 (Kopialbuch 1599–1602). 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 355. 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4024. 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4409. 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 4412. 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. Ü4281. 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 2627. 40010 Berg­amt Freiberg, Nr. 2632. 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 253. 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 256. 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 257. 40011 Berg­amt Geyer (mit Ehrenfriedersdorf ), Nr. 265. 40014 Berg­amt Scheibenberg (mit Hohenstein, Oberwiesenthal, Lößnitz und Elterlein), Nr. 305. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1278. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1283. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1284. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1292. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1309. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1319. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1320. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1322. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. 1385. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. Ü1500. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. Ü1505. 40015 Berg­amt Schneeberg, Nr. Ü1502. 40168 Grubenakten des Berg­reviers Marienberg (mit Annaberg, Ehrenfrieders­ dorf, Geyer und Neundorf ), Nr. 774. 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 41751. 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61556. 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61557.

358

Anhang

40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61558. 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61559. 40186 Zechenregister sächsischer Berg­reviere, Nr. 61756. 3.2 Gedruckte Quellen Agricola, Georgius: Ausgewählte Werke, Bd. 8: De Re Metallica, Libri XII […], übers. und bearb. von Georg Fraustadt und Hans Prescher, Berlin 1974. Annaberger Berg­ordnung 1509, in: Lünig, Johann Christian: Codex Augusteus oder neuvermehrtes Corpus juris Saxonici: worinnen die in dem Churfürs­ tenthum Sachsen und darzu gehörigen Landen … publicirte und ergangene Constitutiones … enthalten, nebst einem Elencho, dienlichen Summarien und vollkommenen Registern, Bd. 2, Leipzig 1724, Sp. 75–98. Arnold, Georg: Chronicon Annaebergense continuatum. Derselben Churfürstl. Sächsischen Berg­k-Statt, Vhrsprung, Erbawung, Gelegenheit, Regenten, geistund weltlichen Beambten, Gewerb, Handwerger, Gebräuch und Gewohnhei­ ten: Nebens aller fürnehm- nahmhafft- und denckwürdigen Geschicht, so in und bey derselben … sich begeben und zugetragen, Annaberg: Hasper 1812. Berg­ordnung 1554, in: Lünig, Johann Christian: Codex Augusteus oder neu­ vermehrtes Corpus juris Saxonici: worinnen die in dem Churfürstenthum Sachsen und darzu gehörigen Landen … publicirte und ergangene Constitu­ tiones … enthalten, nebst einem Elencho, dienlichen Summarien und voll­ kommenen Registern, Bd. 2, Leipzig 1724, Sp. 117–150. Berg­ordnung 1589, in: Lünig, Johann Christian: Codex Augusteus oder neu­ vermehrtes Corpus juris Saxonici: worinnen die in dem Churfürstenthum Sachsen und darzu gehörigen Landen … publicirte und ergangene Constitu­ tiones … enthalten, nebst einem Elencho, dienlichen Summarien und voll­ kommenen Registern, Bd. 2, Leipzig 1724, Sp. 185–224. Beyer, Adolph: Otia Metallica oder Berg­männische Neben-Stunden darin­ nen verschiedene Abhandlungen von Berg­-Sachen, Aus denen Geschichten, Berg­-Rechten, Natur-Lehre auch anderen Wissenschaften Nebst etlichen alten Berg­wercks-Uhrkunden enthalten sind, Der Andere Theyl, Schnee­ berg: Fuldern 1751. Bogner, Simon: Simon Bogners Freiberger Berg­g ebräuche einschließlich der Änderungen Christoph Lutzes. 1554–1633, in: Löscher, Hermann (Hg.): Das erzgebirgische Berg­recht des 15. und 16. Jahrhunderts. Bd. 1, Die

Quellen- und Literaturverzeichnis

359

erzgebirgischen Berg­gebräuche des 16. Jahrhunderts und ihre Vorläufer seit etwa 1450, Freiberg 2003, S. 141–220. CDS II, 13/2/Codex diplomaticus Saxoniae Regiae. II. Hauptteil, Bd. 13: Urkun­ denbuch der Stadt Freiberg in Sachsen, herausgegeben von Hubert Ermisch, Bd. 2: Berg­bau, Berg­recht, Münze, Leipzig 1886. Francke, Joachim: Gruendlicher Bericht/|| VOm Christlichen || Leben vnd seligen Sterben der Ausserwel=||ten Kinder Gottes/ vnd waren Gliedmas­ sen || der Christlichen Kirchen.|| … Auff das Leben vnd selige sterben des || … Wolffen von Schoenberg/|| […] || Leipzig: Beyer 1584 [VD16 F 2286]. WJr Georg von gots gnadẽ Hertzog tzu Sachs||sen … || Thun kũdt allermenig­ lich … || mancherley ordnũg. tzu nutz || vñ notturfft gemeynes bergkwergks … ||(beschlosszen || vnd vorkundigett Montagk nach sandt Blasius tagk … || funfftzehenhundert vnd im neun=||den Jar.||) Leipzig: Melchior Lotter d. Ä. 1509 [VD16 ZV 13565]. Berg­kordenung || mit etzlichen vil newen artic=||keln. welche die aldenn czum || teyle auff heben vñ czum teyle || deuten vnd ercleren.|| Leipzig: Lotter, Melchior Lotter d. Ä. 1520 [VD16 S 759]. Hertzog Georgens || zu Sachssen || Berg­kordenung || Mit etzlichen viel Newen Artickeln/|| welche die alden zumtheil auffheben/|| vnd zumtheil deuten vnd ercleren.|| Mit … || einem Register.|| Dresden: Wolfgang Stöckel 1536 [VD16 ZV 21409]. Grübler, Johann Samuel: Ehre Der Freybergischen Todten-Grüffte Das ist Historisches Verzeichniß Von den, so wohl in dem Chur-Fürstl. Begräbniße, Als auch Den gesammten 5. Kirchen, und den dazu gehörigen Kirch-Höfen Zu Freyberg befindlichen Epitaphiis, Inscriptionibvs und Monimentis […], Teil 1, Leipzig: Lanckisch 1731. Haselberg, Johann: Der Vrsprung gemeynner Berckrecht/ wie die lange zeit von den altern er=halten wordẽ/ darauß die Künigklichen vñ Fürstlichen bergks ordnungen … geflossen […] [S. l.] [Straßburg]: [ Johann Knobloch d. J.] [1535] [VD16 U 373]. Herzog Georgens Freybergische Berg­ordnung von 1529, in: Sammlung vermisch­ ter Nachrichten zur sächsischen Geschichte 7/8 (1772/1773), S. 309–347. Lehmann, Christian: Der von Gott in Schutz genommene Abraham, Bey dem Hoch-Adelichen Leich-Begängniß, Des Weyland Hoch-Wohlgebohr­ nen Herrn Herrn Abraham von Schönberg, … Ober-Berg­-Hauptmanns, Wie auch des Ertz-Gebiergischen Creysses Hauptmanns, … 1711. war der 6. Decembr. Bey Hoch-Adelicher und Volck-reicher Versam[m]lung In der

360

Anhang

Dom-Kirche zu Freyberg, … In einer Predigt vorgestellet, Chemnitz: Stössel 1711 [VD18 1154435X]. Leyser, Polycarp: Christliche Leichpredigt, Bey dem … Leichenbegängnis Des … Christophen von Schönberg, Zur newen Sorge/ [et]c. Churfürstlichen Säch­ sischen … Berg­Häuptmanns auch der Ampter Wolcken-Lauter- und Rawen­ stein Hauptmannes[et]c. Welcher den 4. Octob. des 1608. Jahrs … zu Dreß­ den … verschieden und … den 11. gedachtes Monats daselbst in S. Sophien … bestattet worden Gethan durch Polycarpum Leysern, Der heiligen Schrifft Doctorn, Abraham Lamberg, Leipzig 1608 [VD17 14:051845L]. Lünig, Johann Christian: Codex Augusteus oder neuvermehrtes Corpus juris Saxonici: worinnen die in dem Churfürstenthum Sachsen und darzu gehö­ rigen Landen … publicirte und ergangene Constitutiones … enthalten, nebst einem Elencho, dienlichen Summarien und vollkommenen Registern, Bd. 2, Leipzig 1724. Mathesius, Johannes: sarepta || Oder || Berg­postill || Sampt der Jochimß­ thali=||schen kurtzen Chronicken.|| Johann Mathesij.|| Auff ein newes mit fleisz vbersehen/ Corrigirt || vnnd gebessert/ mit einem Register … || durch Johann Mathesium || selber.|| … ||(außlegung des || CXXXIII.Psalms.||), Nürn­ berg: Johann vom Berg­und Ulrich Neuber, 1562. [VD16 M 1557. Weitere Nummern: VD16 M 1440, VD16 M 1462]. Meltzer, Christian: Historia Schneebergensis Renovata. Das ist: Erneuerte Stadt- u. Berg­-Chronica Der im Ober-Ertz-Gebürge des belobten Meißens gelegenen Wohl-löbl. Freyen Berg­-Stadt Schneeberg […], Schneeberg: Fulde 1716 [VD18 11420960]. Möller, Andreas: Theatrum Freibergense Chronicum: Beschreibung der alten löblichen Berg­HauptStadt Freyberg in Meissen, Freiberg: Beuther, 1653. Richter, Adam Daniel: Chronica der freyen Berg­=Stadt St. Annaberg. Bd. 1: Umständliche aus zuverläßigen Nachrichten zusammengetragene Chronica Der im Meißnischen Ober-Ertz-Gebürge gelegenen Königl. Churfl. Sächßi­ schen freyen Berg­-Stadt St. Annaberg nebst beygefügten Urkunden, Anna­ berg: Friese 1746 [VD18 10793011]. Rülein von Calw, Ulrich: Ein nutzlich bergbuchlẽy || Leipzig: Martin Lands­ berg 1501 [VD16 R 3505]. Schindler, Christoph: Einiger Trost-Zweck Aller gläubiger Christen: Dessen sich nützlich gebrauchet in ihrem Leben und Sterben/ Die … Margaretha/ Gebohrne Röhlingin […] Zwickau: Göpner 1666 [VD17 1:033185A]. Schönberg, Abraham von: Ausführliche Berg­-Information, Zur dienlichen Nachricht vor Alle/ Die Bey dem Berg­- un[d] Schmeltzwesen zu schaffen:

Quellen- und Literaturverzeichnis

361

Darinnen deutlich gewiesen wird/ was einem jeden zu verrichten oblieget; und wie Er bey allen Vorfallenheiten/ in seinem Ambt/ Dienst … in- und ausser der Gruben/ und Hütten/ auch bey Proceß-Sachen/ Berg­rechtlich verfah­ ren soll/ […] Leipzig: Fleischer; Zwickau: Büschel 1693 [VD17 3:300276R]. Strauchius, Aegidius: Christliche Leichpredigt/ Bey dem Begräbnüß Des … Marci Rölings/ Weyland Churfürstlichen Sächsischen Cammermeisters. Welcher den 4. Ianuarii, Anno 1621, zu Dreßden … selig entschlaffen/ und den 9. hernach/ in der Kirchen/ zu S. Sophien … bestattet worden, Dresden: Stümpffeldt, 1621 [VD17 7:713742T]. Thietmari Merseburgensis episcopi chronicon. Die Chronik des Bischofs Thiet­ mar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung. Herausgegeben von Robert Holtzmann, Berlin 1935. 3.3 Literaturverzeichnis Abraham, Martin/Büschges, Günter: Einführung in die Organisationsso­ ziologie, 4. Aufl., Wiesbaden 2009. Anzinger, Bettina/Neuhauser, Georg: Berg­bau und Stadt – Das Berg­revier Klausen in der Frühen Neuzeit. Ein Forschungsbericht, in: Geschichte und Region/Storia e regione 24,1 (2015), S. 157–167. Arlinghaus, Franz-Josef: Die Bedeutung des Mediums „Schrift“ für die unter­ schiedliche Entwicklung deutscher und italienischer Rechnungsbücher, in: Pohl, Walter/Herold, Paul (Hg.): Vom Nutzen des Schreibens. Soziales Gedächtnis, Herrschaft und Besitz im Mittelalter, Wien 2002, S. 237–268. Asch, Ronald G./Freist, Dagmar (Hg.): Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 49–67. Asch, Ronald: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung, Köln 2008. Asch, Ronald G./Emich, Birgit/Engels, Jens Ivo (Hg.): Integration – Legiti­ mation – Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne, Frankfurt am Main/New York 2011. Asch, Ronald G./Emich, Birgit/Engels, Jens Ivo: Einleitung, in: dies. (Hg.), Integration, Legitimation, Korruption. Politische Patronage in Früher Neu­ zeit und Moderne, Frankfurt am Main/New York 2011, S. 7–32. Asmussen, Tina: Glück auf ! Fortuna und Risiko im frühneuzeitlichen Berg­bau,

362

Anhang

in: FKW, Zeitschrift für Geschlechterforschung und Visuelle Kultur 60 (2016), S. 30–41. Asmussen, Tina: The Kux as a Site of Mediation. Economic Practices and Mate­ rial Desires in the Early Modern German Mining Industry, in: Göttler, Christine/Burghartz, Susanna/Barkart, Lucas (Hg.): Sites of Media­ tion. Connected Histories of Places, Processes, and Objects in Europe and Beyond, 1450–1650, Leiden 2016, S. 159–182. Bähr, Matthias: Die Sprache der Zeugen. Argumentationsstrategien bäuer­ licher Gemeinden vor dem Reichskammergericht (1693–1806), Konstanz/ München 2012. Bamberg, Paul: Personen im Gebiete des Freiberger Berg­baus aus der Zeit von 1487–1546, in: Mitteilungen des Vereins für Freiberger Geschichte 69 (1940), S. 43–97. Bartels, Christoph: Betriebsmittelverbrauch bedeutender Oberharzer Zechen im 16., 17. und 18. Jahrhundert – drei Fallstudien: Quellenbefunde, Hypo­ thesen, Fragestellungen, in: Der Anschnitt 43 (1991), S. 11–30. Bartels, Christoph: In der Tiefe: Suchen und Erschließen, in: Ernsting, Bernd (Hg.): Georgius Agricola – Berg­welten 1494–1994. Katalog zur Aus­ stellung des Schloßbergmuseums Chemnitz und des Deutschen Berg­bauMuseums Bochum in Zusammenarbeit mit den Städtischen Kunstsamm­ lungen Chemnitz, Essen 1994, S. 165–166. Bartels, Christoph: Berg­bau der Agricola-Zeit: Europäische Montanwirt­ schaft zu Beginn der frühen Neuzeit, in: Ernsting, Bernd (Hg.): Georgius Agricola – Berg­welten 1494–1994; Katalog zur Ausstellung des Schloß­ bergmuseums Chemnitz und des Deutschen Berg­bau-Museums Bochum in Zusammenarbeit mit den Städtischen Kunstsammlungen Chemnitz, Essen 1994, S. 161–164. Bartels, Christoph: Zur Berg­baukrise des Spätmittelalters, in: ders./Denzel, Markus A. (Hg.): Konjunkturen im europäischen Berg­bau in vorindustrieller Zeit. Festschrift für Ekkehard Westermann zum 60. Geburtstag, Stuttgart 2000, S. 157–172. Bartels, Christoph/Klappauf, Lothar: Das Mittelalter. Aufschwung des Berg­baus unter den karolingischen und ottonischen Herrschern, die mittel­ alterliche Blüte und der Abschwung bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Bartels, Christoph/Slotta, Rainer (Hg.): Geschichte des deutschen Berg­ baus: Bd. 1: Der alteuropäische Berg­bau: von den Anfängen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Münster 2012, S. 111–258.

Quellen- und Literaturverzeichnis

363

Baumgärtel, Hans: Vom Berg­büchlein zur Berg­akademie: Zur Entstehung der Berg­bauwissenschaften zwischen 1500 und 1750/1770, Leipzig 1965. Baxter, W. T.: Early Accounting. The Tally and Checkerboard, in: Accoun­ ting Historians Journal 16,2 (1989), S. 43–83. Becker, Peter: Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Verwaltung, in: Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte 15 (2003), S. 311–336. Becker, Peter: Sprachvollzug: Kommunikation und Verwaltung, in: ders. (Hg.): Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2011, S. 9–42. Beckert, Jens: Die soziale Ordnung von Märkten. Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Discussion Papers 7/6 (2007), URL: http://hdl.handle. net/10419/19943, letzter Zugriff: 19.08.2019. Beckert, Jens: Imagined Futures: Fictionality in Economic Action. Max-­ Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Discussion Papers 11/8 (2011), URL: https://www.mpifg.de/pu/mpifg_dp/dp11-8.pdf, letzter Zugriff: 19.08.2019. Behrisch, Lars: „Politische Zahlen“: Statistik und die Rationalisierung der Herrschaft im späten Ancien Régime, in: Zeitschrift für historische For­ schung 31,4 (2004), S. 551–577. Behrisch, Lars: Zu viele Informationen! Die Aggregierung des Wissens in der Frühen Neuzeit, in: Brendecke, Arndt/Friedrich, Markus/Friedrich, Susanne (Hg.): Information in der Frühen Neuzeit: Status, Bestände, Strate­ gien, Berlin 2008, S. 455–474. Berg­hoff, Hartmut/Vogel, Jakob: Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Ansätze zur Berg­ung transdisziplinärer Synergiepotenziale, in: dies. (Hg.): Wirtschaftsgeschichte als Kulturgeschichte. Dimensionen eines Perspekti­ venwechsels, Frankfurt am Main 2004, S. 9–42. Blair, Ann/Grafton, Anthony: Reassessing Humanism and Science, in: Journal of the History of Ideas 53,4 (1992), S. 535–540. Blaschke, Karlheinz: Zur Behördenkunde der kursächsischen Lokalver­ waltung, in: Staatliche Archivverwaltung im Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten (Hg.): Archivar und Historiker. Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Otto Meisner, Berlin (Ost) 1956, S. 343–363. Blaschke, Karlheinz: Art. Berg­stadt, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Mün­ chen/Zürich 1980, Sp. 1959–1960. Blaschke, Karlheinz: Die Leipziger Teilung der wettinischen Länder von 1485, in: Sächsische Heimatblätter 31 (1985), S. 276–280. Blaschke, Karlheinz: Die Arbeitsverfassung im Freiberger Berg­bau während

364

Anhang

des späten Mittelalters, in: Schirmer, Uwe (Hg.): Beiträge zur Verfassungsund Verwaltungsgeschichte Sachsens: ausgewählte Aufsätze von Karlheinz Blaschke aus Anlaß seines 75. Geburtstages, Leipzig 2002, S. 337–346. Blaschke, Karlheinz: Die Ausbreitung des Staates in Sachsen und der Aus­ bau seiner räumlichen Verwaltungsbezirke, in: Schirmer, Uwe/Thieme, André (Hg.): Beiträge zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Sach­ sens: ausgewählte Aufsätze von Karlheinz Blaschke, Leipzig 2005, S. 29–62. Blaschke, Karlheinz: Die Wettinischen Länder von der Leipziger Teilung 1485 bis zum Naumburger Vertrag 1554, in: Atlas zur Geschichte und Lan­ deskunde von Sachsen, Leipzig/Dresden 2010. Blickle, Peter: Kommunalismus. Skizzen einer gesellschaftlichen Organisati­ onsform: Kommunalismus, Bd. 1 Oberdeutschland, München 2000. Blickle, Peter: Kommunalismus. Skizzen einer gesellschaftlichen Organisati­ onsform: Kommunalismus, Bd. 2, Europa, München 2000. Blockmans, Wim/Holenstein, André/Mathieu, Jon (Eds.): Empowering Interactions. Political Cultures and the Emergence of the State in Europe 1300–1900, Aldershot 2009. Bogsch, Walter: Der Marienberger Berg­bau in der ersten Hälfte des 16. Jahr­ hunderts, Schwarzenberg 1933. Bogsch, Walter: Der Marienberger Berg­bau seit der zweiten Hälfte des 16. Jahr­ hunderts, Köln/Graz 1966. Bogsch, Walter: Die Führungsschichten im sächsischen Berg­bau 1430–1740, in: Helbig, Herbert (Hg.): Führungskräfte der Wirtschaft in Mittelalter und Neuzeit, Limburg an der Lahn 1973, S. 87–108. Bohdálek, Petr/Šrein, Vladimir/Buda, Jan/Pacherová, Petra: Geologie und Mineralogie des Erzgebirges, in: Smolnik, Regina (Hg.): Silberrausch und Berg­geschrey. Archäologie des mittelalterlichen Berg­baus in Sachsen und Böhmen. Stříbrná horečka a volání hor. Archeologie středověkého hornictví v Sasku a Čechách, 2. Aufl., Dresden 2016, S. 41–48. Brakensiek, Stefan: Richter und Beamte an den Unterbehörden in Hessen-Kas­ sel. Möglichkeiten und Grenzen einer Kollektivbiographie, in: Wilbertz, Gisela/Scheffler, Jürgen (Hg.): Biographieforschung und Stadtgeschichte, Bielefeld 2000, S. 44–69. Brakensiek, Stefan: Juristen in frühneuzeitlichen Territorialstaaten: familiale Strategien sozialen Aufstiegs und Statuserhalts, in: Schulz, Günther (Hg.): Sozialer Aufstieg: Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neu­ zeit, München 2002, S. 269–289. Brakensiek, Stefan: Die Männlichkeit der Beamten: Überlegungen zur

Quellen- und Literaturverzeichnis

365

Geschlechtergeschichte des Staates im Ancien Régime und an der Schwelle zur Moderne, in: Flemming, Jens (Hg.): Lesarten der Geschichte: ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse, Kassel 2004, S. 137–150. Brakensiek, Stefan: Lokale Amtsträger in deutschen Territorien der Frü­ hen Neuzeit. Institutionelle Grundlagen, akzeptanzorientierte Herrschaft und obrigkeitliche Identität, in: Asch, Ronald G./Freist, Dagmar (Hg.): Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 49–67. Brakensiek, Stefan/Wunder, Heide (Hg.): Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa, Köln/Weimar/Wien 2005. Brakensiek, Stefan: Neuere Forschungen zur Geschichte der Verwaltung und ihres Personals in den deutschen Staaten 1648–1848, in: Jahrbuch für Euro­ päische Verwaltungsgeschichte Jg. 17 (2005) S. 297–326. Brakensiek, Stefan: Akzeptanzorientierte Herrschaft. Überlegungen zur politischen Kultur der Frühen Neuzeit, in: Neuhaus, Helmut (Hg.): Die Frühe Neuzeit als Epoche, München 2009, S. 395–406. Brakensiek, Stefan: Zeremonien und Verfahren: zur politischen Kultur im frühneuzeitlichen Europa, in: Unikate: Berichte aus Forschung und Lehre 34 (2009), S. 70–83. Brakensiek, Stefan: Legitimation durch Verfahren? Visitationen, Sup­ plikationen, Berichte und Enquêten im frühmodernen Fürstenstaat, in: Stollberg-Rilinger, Barbara/Krischer, André (Hg.): Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, Berlin 2010, S. 363–377. Brakensiek, Stefan: Einige kommentierende Bemerkungen, in: Hipfinger, Anita/Löffler, Josef/Niederkorn, Jan Paul/Scheutz, Martin/ Winkelbauer, Thomas/Wührer, Jakob (Hg.): Ordnung durch Tinte und Feder?: Genese und Wirkung von Instruktionen im zeitlichen Längs­ schnitt vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Wien 2012, S. 433–438. Brakensiek, Stefan: Einleitung: Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, in: ders./Bredow, Corinna von/Näther, Birgit (Hg.): Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, Berlin 2014, S. 9–24. Brakensiek, Stefan/Bredow, Corinna von/Näther, Birgit (Hg.): Herr­ schaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, Berlin 2014. Brakensiek, Stefan: Supplikation als kommunikative Herrschaftstechnik in zusammengesetzten Monarchien, in: Beiträge zur Rechtsgeschichte Öster­ reichs 5,2 (2015), S. 309–323. Brassert, Hermann: Berg­ordnungen der Preußischen Lande, Köln 1858.

366

Anhang

Brassert, Hermann: Über die Abfassung alter Berg­ordnungen, in: Zeitschrift für Berg­recht 24 (1883), S. 84–95. Bräuer, Helmut: Probleme der gesellschaftlichen Auseinandersetzung in Chem­ nitz, Schneeberg und Zwickau während der frühbürgerlichen Revolution, in: Probleme der frühbürgerlichen Revolution im Erzgebirge und seinem Vorland, Hg. vom Kulturbund der Deutschen Demokratischen Republik, Stollberg 1975, S. 31–43. Bräuer, Helmut: Armut in Berg­städten des sächsischen Erzgebirges während der frühen Neuzeit, in: Kaufhold, Karl Heinrich/Reininghaus, Wilfried (Hg.): Stadt und Berg­bau, Köln/Weimar/Wien 2004, S. 199–238. Braun, Rudolf: Staying on Top. Socio-Cultural Reproduction of European Power Elites, in: Reinhard, Wolfgang (Ed.): Power Elites and State Buil­ ding, Oxford 1996, S. 235–259. Bredekamp, Horst: Der Mensch als Mörder der Natur: das ‚Iudicium lovis‘ von Paulus Niavis und die Leibmetaphorik, in: Reinitzer, Heimo (Hg.): All Geschöpf ist Zung’ und Mund: Beiträge aus dem Grenzbereich von Natur­ kunde und Theologie, Hamburg 1984, S. 261–283. Brendecke, Arndt/Friedrich, Markus/Friedrich, Susanne (Hg.): Infor­ mation in der Frühen Neuzeit: Status, Bestände, Strategien, Berlin 2008. Brendecke, Arndt/Friedrich, Markus/Friedrich, Susanne: Information als Kategorie historischer Forschung. Heuristik, Etymologie und Abgrenzung zum Wissensbegriff, in: dies. (Hg.): Information in der Frühen Neuzeit: Status, Bestände, Strategien, Berlin 2008, S. 11–44. Brendecke, Arndt: Die Blindheit der Macht. Über den subjektiven Mehr­ wert alteuropäischer Beratung, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 3,3 (2009), S. 33–43. Brendecke, Arndt: Imperium und Empirie. Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft, Köln/Weimar/Wien 2009. Brendecke, Arndt: Von Postulaten zu Praktiken. Eine Einführung, in: ders. (Hg.): Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure – Handlungen – Artefakte, Köln/Weimar/Wien 2015, S. 13–20. Buchhester, Dörthe/Müller, Mario: Art. Freiberger Berg­recht, in: Deut­ sches Literatur-Lexikon. Das Mittelalter, Bd. 6, Das wissensvermittelnde Schrifttum bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts/mit einem einf. Essay von Frank Fürbeth, Berlin/Boston, Mass., 2014, Sp. 601–606. Bulst, Neithard: Normative Texte als Quelle zur Kommunikationsstruktur zwi­ schen städtischen und territorialen Obrigkeiten im späten Mittelalter und in

Quellen- und Literaturverzeichnis

367

der Frühen Neuzeit, in: Hundsbichler, Helmut (Hg.): Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Wien 1992, S. 127–144. Bulst, Neithard/Lüttenberg, Thomas/Priever, Andreas: Abbild oder Wunschbild? Bildnisse Christoph Ambergers im Spannungsfeld von Rechts­ norm und gesellschaftlichem Anspruch, in: Saeculum 52 (2002), S. 21–73. Bünz, Enno/Höroldt, Ulrike/Volkmar, Christoph (Hg.): Adelslandschaft Mitteldeutschland. Die Rolle des landsässigen Adels in der mitteldeutschen Geschichte (15.–18. Jahrhundert), Leipzig 2016. Burke, Peter: Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, 3. Aufl., Berlin 2014. Bursian, Gustav: Die Freiberger Geschlechter, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 2 (1863), S. 69–105. Buschbeck, Ines: Das Oberbergamt im 17. Jahrhundert, in: Sächsisches Ober­ bergamt (Hg.): 450 Jahre Sächsisches Oberbergamt Freiberg, Freiberg 1993, S. 83–90. Butt, Arne: Systematik und Chancen städtischer Rechnungsführung am Beispiel der spätmittelalterlichen Göttinger Kämmereiregister, in: Gleba, Gudrun/ Petersen, Niels (Hg.): Wirtschafts- und Rechnungsbücher des Mittelal­ ters und der Frühen Neuzeit. Formen und Methoden der Rechnungslegung: Städte, Klöster und Kaufleute, Göttingen 2015, S. 79–101. Carius, Hendrijke: Transformierte Eigentumskonflikte. Semantiken gericht­ licher Aushandlung von Grenzen, in: Roll, Christine/Pohle, Frank/ Myrczek, Matthias (Hg.): Grenzen und Grenzüberschreitungen. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 429–450. Clauss, Herbert/Kube, Siegfried: Freier Berg­und vermessenes Erbe: Unter­ suchungen zur Frühgeschichte des Freiberger Berg­baus und zur Entwicklung des Erbbereitens, Berlin (Ost) 1957. Coffin, Judith G.: Gender and the Guild Order: The Garment Trades in Eigh­ teenth-Century Paris, in: The Journal of Economic History 54,4 (1994), S. 768–793. Connolly, David E.: Problems of Textual Transmission in Early German Books on Mining: “Der Ursprung Gemeynner Berckrecht” and the Norwe­ gian “Berg­kordnung”. Dissertation Presented in Partial Fulfillment of the Requirements for the Degree of Doctor of Philosophy in the Graduate School of The Ohio State University, Ohio State University 2005. Czaya, Eberhard: Der Silberbergbau: Aus Geschichte und Brauchtum der Berg­leute, Leipzig 1990.

368

Anhang

Denzler, Alexander: Über den Schriftalltag im 18. Jahrhundert. Die Visitation des Reichskammergerichts von 1767 bis 1776, Köln/Weimar/Wien 2016. Deschauer, Stefan: Adam Ries und die moderne Schulmathematik, in: Gebhardt, Rainer (Hg.): Adam Ries – Humanist, Rechenmeister, Berg­ beamter, Annaberg-Buchholz 1992, S. 29–42. Dormagen, Hans Gerd: Die Grablege der albertinischen Wettiner im Dom zu Freiberg, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 99 (2007), S. 23–108. Dornbusch, Peter: Über die Entwicklung der Wirtschaft der Stadt Freiberg seit ihren Anfängen, in: Hoffmann, Yves/Richter, Uwe (Hg.): Denk­ male in Sachsen. Stadt Freiberg. Beiträge. Bd. 2, Freiberg 2003, S. 409–432. Drepper, Thomas: Organisationen der Gesellschaft: Gesellschaft und Orga­ nisation in der Systemtheorie Niklas Luhmanns, 2. Aufl., Wiesbaden 2018. Dietrich, Richard: Untersuchungen zum Frühkapitalismus im mitteldeutschen Erzbergbau und Metallhandel, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 7 (1958), S. 141–206. Dietrich, Richard: Untersuchungen zum Frühkapitalismus im mitteldeutschen Erzbergbau und Metallhandel (Fortsetzung), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 8 (1959), S. 51–119. Dietrich, Richard: Untersuchungen zum Frühkapitalismus im mitteldeutschen Erzbergbau und Metallhandel (Fortsetzung), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 9/10 (1961), S. 127–194. Dihle, Helene: Kostümbilder und Rechnungsbücher der sächsisch Ernestini­ schen Hofschneiderei 1469–1588, in: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde 3 (1930), S. 127–137, S. 152–156. Dinges, Martin: Normsetzung als Praxis? Oder Warum werden die Normen zur Sachkultur und zum Verhalten so häufig wiederholt und was bedeutet dies für den Prozeß der ‚Sozialdisziplinierung‘?, in: Jaritz, Gerhard (Hg.): Norm und Praxis im Alltag des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Wien 1997, S. 39–53. Dittrich, Wolfgang/Vogel, Inge: Die Freiberger Familie am Ende und ihr Heiratskreis, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 93 (2003), S. 84–108. Donath, Matthias: Die Besitzungen der Familie von Schönberg in Sachsen, in: Die Adelsfamilie von Schönberg in Sachsen. Fachkolloquium des Sächsischen Staatsarchivs, Staatsarchiv Leipzig, 22. Oktober 2010, Dresden 2011, S. 12–21. Donath, Matthias: Rotgrüne Löwen. Die Familie von Schönberg in Sachsen, Meißen 2014.

Quellen- und Literaturverzeichnis

369

Droste, Heiko: Briefe als Medium symbolischer Kommunikation, in: Füssel, Marian/Weller, Thomas (Hg.): Ordnung und Distinktion: Praktiken sozia­ ler Repräsentation in der ständischen Gesellschaft, Münster 2005, S. 239–256. Dürrfeld, Eike Barbara: Die Erforschung der Buchschließen und Buchbe­ schläge. Eine wissenschaftsgeschichtliche Analyse seit 1877. Inaugural-Dis­ sertation zur Erlangung des Akademischen Grades eines Dr. phil. vorgelegt dem Fachbereich Geschichtswissenschaft der Johannes Gutenberg-Univer­ sität Mainz, Mainz 2003. URL: https://d-nb.info/968715478/34, letzter Zugriff: 17.09.2020. Dym, Warren Alexander: Alchemy and Mining: Metallogenesis and Prospecting in Early Mining Books, in: Ambix 55,3 (2008), S. 212–254. Dym, Warren Alexander: Divining Science. Treasure Hunting and Earth Science in Early Modern Germany, Leiden/Boston 2011. Edwards, John Richard/Walker, Stephen P.: Introduction: Synthesis and Engagement, in: ead. (Eds.): The Routledge Companion to Accounting History, Routledge 2008, S. 1–8. Ellerbrock, Karl-Peter/Wischermann, Clemens (Hg.): Die Wirtschafts­ geschichte vor den Herausforderungen durch die New Institutional Econo­ mics, Dortmund 2004. Emich, Birgit: Bürokratie und Nepotismus unter Paul V. (1605–1621), Stutt­ gart 2001. Emich, Birgit: Territoriale Integration in der Frühen Neuzeit. Ferrara und der Kirchenstaat, Köln/Weimar/Wien 2005. Emich, Birgit/Reinhardt, Nicole/Thiessen, Hillard von/Wieland, Chris­ tian: Stand und Perspektiven der Patronageforschung: Zugleich eine Ant­ wort auf Heiko Droste, in: Zeitschrift für Historische Forschung 32,2 (2005), S. 233–265. Emich, Birgit: Die Formalisierung des Informellen: Der Fall Rom, in: Butz, Reinhardt/Hirschbiegel, Jan (Hg.): Informelle Strukturen bei Hof. Dres­ dener Gespräche  III zur Theorie des Hofes. Ergebnisse des gleichnamigen Kolloquiums auf der Moritzburg bei Dresden, 27. bis 29. September 2007, veranstaltet vom SFB 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ und der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Münster 2008, S. 149–156. Emich, Birgit: Mit Luhmann im Kirchenstaat. Die römische Wasserbauverwal­ tung in verfahrenstheoretischer Sicht, in: Stollberg-Rilinger, Barbara/ Krischer, André (Hg.): Herstellung und Darstellung von Entscheidungen.

370

Anhang

Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, Berlin 2010, S. 275– 301. Emich, Birgit: Die Formalisierung des Informellen. Ein Beitrag zur Verwal­ tungsgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Eich, Peter/Schmidt-Hofner, Sebastian/Wieland, Christian (Hg.): Der wiederkehrende Leviathan. Staat­ lichkeit und Staatswerdung in Spätantike und Früher Neuzeit, Heidelberg 2011, S. 81–95. Emich, Birgit: Verwaltungskulturen im Kirchenstaat? Konzeptionelle Überle­ gungen zu einer Kulturgeschichte der Verwaltung, in: Brakensiek, Stefan/ Bredow, Corinna von/Näther, Birgit (Hg.): Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, Berlin 2014, S. 163–180. Emich, Birgit: Art. Nepotismus, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auf­ trag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jaeger, URL: http://dx.doi. org/10.1163/2352-0248_edn_COM_318096, letzter Zugriff: 03.06.2018. Endres, Rudolf: Die deutschen Führungsschichten um 1600, in: Hofmann, Hans Hubert/Franz, Günther (Hg.): Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Eine Zwischenbilanz. Büdinger Vorträge 1978, Boppard 1980, S. 79–109. Engels, Jens Ivo: Politische Korruption in der Moderne. Debatten und Prakti­ ken in Großbritannien und Deutschland im 19. Jahrhundert; in: Historische Zeitschrift 282 (2006), S. 313–350. Engels, Jens Ivo/Obertreis, Julia: Infrastrukturen in der Moderne. Einfüh­ rung in ein junges Forschungsfeld, in: Saeculum 58,1 (2007), S. 1–12. Engels, Jens Ivo/Fahrmeir, Andreas/Nützenadel, Alexander (Hg.): Geld – Geschenke – Politik. Korruption im neuzeitlichen Europa, München 2009. Engels, Jens Ivo: Die Geschichte der Korruption. Von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2014. Engels, Jens Ivo/Fahrmeir, Andreas/Monier, Frédéric/Dard, Olivier (Hg.): Krumme Touren in der Wirtschaft. Zur Geschichte ethischen Fehlverhaltens und seiner Bekämpfung, Köln/Weimar/Wien 2015. Ermisch, Hubert: Vorbericht, in: Codex diplomaticus Saxoniae Regiae. II. Hauptteil, Bd. 13: Urkundenbuch der Stadt Freiberg in Sachsen, herausgege­ ben von dems., Bd. 2: Berg­bau, Berg­recht, Münze, Leipzig 1886, S. IX–LXVIII. (= CDS II, 13/2). Ermisch, Hubert: Das sächsische Berg­recht des Mittelalters, Leipzig 1887. Falke, Johannes: Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen in volks­ wirthschaftlicher Beziehung, Leipzig 1868.

Quellen- und Literaturverzeichnis

371

Fahrmeir, Andreas: Personalentscheidungen für gesellschaftliche Schlüssel­ positionen: Forschungsprobleme, Dynamiken, Folgen, in: ders. (Hg.): Per­ sonalentscheidungen für gesellschaftliche Schlüsselpositionen: Institutionen, Semantiken, Praktiken, Berlin 2017, S. 9–32. Fessner, Michael/Bartels, Christoph: Von der Krise am Ende des 16. Jahrhun­ derts zum deutschen Berg­bau im Zeitalter des Merkantilismus, in: Bartels, Christoph/Slotta, Rainer (Hg.): Geschichte des deutschen Berg­baus: Bd. 1: Der alteuropäische Berg­bau: von den Anfängen bis zur Mitte des 18. Jahr­ hunderts, Münster 2012, S. 459–590. Fiedler, Martin: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist teuer: Vertrauen als Schlüs­ selkategorie wirtschaftlichen Handelns, in: Geschichte und Gesellschaft 27,4 (2001), S. 576–592. Fisch, Stefan: Verwaltungskulturen – Geronnene Geschichte?, in: Die Ver­ waltung. Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaft 33 (2000), S. 303–323. Fischer, Walther: 400 Jahre Sächsisches Oberbergamt Freiberg (1542–1942). Die Bedeutung dieser Dienstelle für die Entwicklung der Geologie und Lager­ stättenkunde, in: Zeitschrift der deutschen geol. Gesellschaft 95,3/4 (1943), S. 143–218. Flemming, Stephan/Schirmer, Uwe: Städte und Silberbergbau im spätmittel­ alterlichen Erzgebirge. Beobachtungen zu verfassungsrechtlichen, wirtschaftsund sozialgeschichtlichen Zusammenhängen, in: Ingenhaeff, Wolfgang/ Bair, Johann (Hg.): Berg­bau und Berg­g eschrey: zu den Ursprüngen euro­ päischer Berg­werke. Tagungsband, 8. Internationaler Montanhistorischer Kongress Schwaz, Sterzing 2009, S. 205–216. Fligstein, Neil/Dauter, Luke: The Sociology of Markets, in: Annual Review of Sociology 33 (2007), S. 105–128. Fouquet, Gerhard: Zur öffentlichen Finanzverwaltung im späten Mittelalter, in: Hesse, Christian/Oschema, Klaus (Hg.): Aufbruch im Mittelalter – Innovationen in Gesellschaften der Vormoderne. Studien zu Ehren von Rai­ ner C. Schwinges, Ostfildern 2010, S. 69–86. Freist, Dagmar (Hg.): Diskurse – Körper – Artefakte. Historische Praxeologie in der Frühneuzeitforschung, Bielefeld 2015. Frevert, Ute: Vertrauen: Eine historische Spurensuche, in: dies. (Hg.): Ver­ trauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003, S. 7–66. Friedrich, Markus: ‚Delegierter Augenschein‘ als Strukturprinzip administra­ tiver Informationsgewinnung. Zu einem Konflikt im Jesuitenorden (Claudio Acquaviva vs. memorialistas), in: Brendecke, Arndt/Friedrich, Markus/

372

Anhang

Friedrich, Susanne (Hg.): Information in der Frühen Neuzeit: Status, Bestände, Strategien, Berlin 2008, S. 109–136. Friedrich, Markus: Der lange Arm Roms? Globale Verwaltung und Kommu­ nikation im Jesuitenorden 1540–1773, Frankfurt am Main 2011. Füssel, Marian: Praxeologische Perspektiven in der Frühneuzeitforschung, in: Brendecke, Arndt (Hg.): Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure – Hand­ lungen – Artefakte, Köln/Weimar/Wien 2015, S. 21–33. Gerlach, Heinrich: Die Freiberger Berg­- und Hüttenknappschaft, ihre Kleino­ dien und Feste, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 6 (1867), S. 595–616. Gerteis, Klaus: Reisen, Boten, Posten. Korrespondenz in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Pohl, Hans (Hg.): Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft. Referate der 12. Arbeitstagung der Gesell­ schaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 22.–25.4.1987 in Siegen, Stuttgart 1989, S. 19–36. Gess, Felician: Die Anfänge der Reformation in Schneeberg, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 18,1/2 (1897), S. 31–55. Gierke, Otto von: Das deutsche Genossenschaftsrecht. 4 Bde. Neudr. der Aus­ gabe 1868–1913, Graz 1954. Goffman, Erving: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, 10. Aufl., München 2013. Goppold, Uwe: Politische Kommunikation in den Städten der Vormoderne. Zürich und Münster im Vergleich, Köln/Weimar/Wien 2007. Gorissen, Stefan: Der Preis des Vertrauens. Unsicherheit, Institutionen und Rationalität im vorindustriellen Fernhandel, in: Frevert, Ute (Hg.): Ver­ trauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003, S. 90–117. Granovetter, Mark: Economic Action and Social Structure: The Problem of Embeddedness, in: American Journal of Sociology 91 (1985), S. 481–510. Grässler, Ingolf: Pässe über das Erzgebirge. Paßwege und Paßstraßen zwi­ schen Freiberger und Zwickauer Mulde im Mittelalter, in: Aurig, Rainer/ Herzog, Steffen/Lässig, Simone (Hg.): Landesgeschichte in Sachsen. Tra­ dition und Innovation, Dresden 1997, S. 97–108. Groebner, Valentin: Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Spra­ che der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit, Konstanz 2000. Gross, Reiner: Die Wettiner, Stuttgart 2007. Grüne, Niels/Slanička, Simona (Hg.): Korruption. Historische Annähe­ rungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation, Göttingen 2010.

Quellen- und Literaturverzeichnis

373

Grüne, Nils: „Und sie wissen nicht, was es ist“. Ansätze und Blickpunkte his­ torischer Korruptionsforschung, in: ders./Slanička, Simona (Hg.): Kor­ ruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommu­ nikation, Göttingen 2010, S. 11–34. Grüne, Niels: Freundschaft, Privatheit und Korruption. Zur Disqualifizierung sozialer Nähe im Kräftefeld frühmoderner Staatlichkeit, in: Descharmes, Bernadette/Heuser, Eric Anton/Krüger, Caroline/Loy, Thomas (Eds.): Varieties of Friendship. Interdisciplinary Perspectives on Social Relationships, Göttingen 2011, S. 287–307. Grüne, Nils: „Gabenschlucker“ und „verfreundte rät“. Zur patronagekritischen Dimension frühneuzeitlicher Korruptionskommunikation, in: Asch, Ron­ ald G./Emich, Birgit/Engels, Jens Ivo (Hg.): Integration – Legitimation – Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne, Frankfurt am Main u. a. 2011, S. 215–232. Grüne, Niels: Wertpapierhandel und reflexive Frühmoderne. Verhältnisbestim­ mungen von Wirtschaft, Politik und Moral in der englischen Finanzrevolution (ca. 1690–1735), in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2 (2013), S. 27–47. Haag, Sabine: Die Geschichte der Wiener Kunstkammer, in: Adriani, Götz (Hg.): Die Künstler der Kaiser. Von Dürer bis Tizian, von Rubens bis Veláz­ quez. Aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, Baden-Baden 2009, S. 201–205. Haas, Stefan: Die Kultur der Verwaltung. Die Umsetzung der preußischen Reformen 1800–1848, Frankfurt am Main 2005. Haas, Stefan/Hengerer, Mark (Hg.): Im Schatten der Macht: Kommunikati­ onsstrukturen in Politik und Verwaltung 1600–1950, Frankfurt am Main 2010. Haasis, Lucas/Rieske, Constantin (Hg.): Historische Praxeologie. Dimen­ sionen vergangenen Handelns, Paderborn 2015. Haasis-Berner, Andreas: Wasserkünste und Wasserkünstler im 16. Jahrhun­ dert, in: Ingenhaeff, Wolfgang/Bair, Johann (Hg.): Berg­bau und Kunst. Teil  III: Technische Künste, Wasserkunst, Wetterkunst, Markscheidekunst, Förderkunst, Fahrkunst, Schmelzkunst etc., Hall in Tirol/Schwaz/Sterzing 2013, S. 43–60. Häberlein, Mark: Brüder, Freunde und Betrüger: soziale Beziehungen, Nor­ men und Konflikte in der Augsburger Kaufmannschaft um die Mitte des 16. Jahrhunderts, Berlin 1998. Häberlein, Mark: Ehrliche Gesichter, heimliche Feindschaften und flüchtige Schuldner: Krisenerfahrung und Krisenbeschreibung in ökonomischen Kon­ flikten der Frühen Neuzeit, in: Schlögl, Rudolf/Hoffmann-Rehnitz,

374

Anhang

Philip R./Wiebel, Eva (Hg.): Die Krise in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2016, S. 209–232. Hahn, Karl: Die ältesten Schneeberger Zehntrechnungen, Neues Archiv für sächsische Geschichte 53 (1932), S. 35–50. Hahn, Peter-Michael: Landesherrliches Amt und Stadtbürgertum in Branden­ burg im 16. Jahrhundert, in: Mieck, Ilja (Hg.): Ämterhandel im Spätmittel­ alter und im 16. Jahrhundert. Berlin 1984, S. 252–274. Hahnemann, Ulrich: Von Berg­- und Salzordnungen – zum Schwarzburgi­ schen Berg­recht vom 16. Jh. bis zum Aufgehen der Schwarzburgischen Staa­ ten im Freistaat Thüringen 1920, in: Walter, Hans-Henning (Hg.): Johann Thölde um 1565–1614. Alchemist, Salinist, Schriftsteller und Berg­beamter. Tagung vom 26.–28. Mai 2010 in Bad Frankenhausen am Kyffhäuser, Frei­ berg 2011, S. 112–136. Haiböck, Hermann: Kerbhölzer und Zehentstecken. Hauptrequisiten der Buchhaltung früherer Jahrhunderte, in: Österreichische Heimatblätter 18 (1964), S. 127–129. Hammer, Vera M. F./Hanzer, Helene/Huber, Peter: Der „Handstein“ in der Mineralogischen Schausammlung des Naturhistorischen Museums Wien, in: Der Anschnitt 57/5–6 (2005), S. 200–206. Hannaway, Owen: Georgius Agricola as Humanist, in: Journal of the History of Ideas 53,4 (1992), S. 553–560. Härter, Karl/Stolleis, Michael: Einleitung, in: Härter, Karl (Hg.): Reper­ torium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit 1: Deutsches Reich und geistliche Kurfürstentümer. Kurmainz, Kurköln, Kurtrier, Frankfurt am Main 1996, S. 1–36. Härter, Karl: Gesetzgebungsprozess und Gute Policey. Entstehungskon­ texte, Publikation und Geltungskraft frühneuzeitlicher Policeygesetze, in: PoliceyWorkingPapers 3 (2002). Working Papers des Arbeitskreises Policey/ Polizei im vormodernen Europa, Herausgegeben von Holenstein, André/ Konersmann, Frank/Pauser, Josef/Sälter, Gerhard. URL: http://www. univie.ac.at/policey-ak/pwp/pwp_03.pdf, letzter Zugriff: 15.08.2020. Härter, Karl: Policey und Strafjustiz in Kurmainz. Gesetzgebung, Normdurch­ setzung und Sozialkontrolle im frühneuzeitlichen Territorialstaat, Frankfurt am Main 2005. Hardtwig, Wolfgang: Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland. Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution, München 1997. Hardtwig, Wolfgang, Art. Korporation, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in

Quellen- und Literaturverzeichnis

375

Verbindung mit den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jae­ ger, URL: http://dx.doi.org/10.1163/2352-0248_edn_COM_297447, letzter Zugriff 01.11.2019. Hasse, Raimund/Krücken, Georg: Neo-Institutionalismus, 2. überarbeitete Aufl., Bielefeld 2005. Haug, Tilman: Ungleiche Außenbeziehungen und grenzüberschreitende Pat­ ronage. Die französische Krone und die geistlichen Kurfürsten (1648–1679), Köln/Weimar/Wien 2015. Hecht, Michael: Patriziatsbildung als kommunikativer Prozess: Die Salzstädte Lüneburg, Halle und Werl in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln/ Weimar/Wien 2010. Heinsius, Theodor: Vollständiges Wörterbuch der deutschen Sprache mit Bezeichnung der Aussprache und Betonung für die Geschäfts- und Lesewelt, Bd. 2, Wien 1829. Hengerer, Mark: Hofzeremoniell, Organisation und Grundmuster sozialer Differenzierung am Wiener Hof im 17. Jahrhundert, in: Malettke, Klaus (Hg.): Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jahrhundert), Münster 2001, S. 337–368. Hengerer, Mark: Kaiserhof und Adel in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Eine Kommunikationsgeschichte der Vormoderne, Konstanz 2004. Hengerer, Mark: Einleitung. Perspektiven auf die Bestattungskultur euro­ päischer Oberschichten, in: ders. (Hg.): Macht und Memoria. Begräbnis­ kultur europäischer Oberschichten in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/ Wien 2005, S. 1–16. Hengerer, Mark: Prozesse des Informierens in der habsburgischen Finanzver­ waltung im 16. und 17. Jahrhundert, in: Brendecke, Arndt/Friedrich, Markus/Friedrich, Susanne (Hg.): Information in der frühen Neuzeit: Status, Bestände, Strategien, Berlin 2008, S. 163–199. Hengerer, Mark: Zahlen und Zeremoniell. Eine skalentheoretische Annä­ herung an räumliche und monetäre Formen der Ordnung/Unordnung des Hofes, in: Butz, Reinhardt/Hirschbiegel, Jan (Hg.): Informelle Struk­ turen bei Hof. Dresdner Gespräche  III zur Theorie des Hofes, Berlin [u. a.] 2009, S. 57–88. Hengerer, Mark: Abwesenheit beobachten. Zur Einführung, in: ders. (Hg.): Abwesenheit beobachten. Zu Kommunikation auf Distanz in der Frühen Neuzeit, Münster u. a. 2013, S. 9–28. Henschke, Ekkehard: Landesherrschaft und Berg­b auwirtschaft. Zur

376

Anhang

Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte des Oberharzer Berg­baugebietes im 16. und 17. Jahrhundert, Berlin 1974. Herzog, E.: Zur Geschichte der Freiberger Patrizier-Geschlechter, in: Mittei­ lungen des Freiberger Altertumsvereins 3 (1864), S. 161–170. Hess, Wolfgang: Rechnung Legen auf den Linien. Rechenbrett und Zahltisch in der Verwaltungspraxis in Spätmittelalter und Neuzeit, in: Maschke, Erich/Sydow, Jürgen (Hg.): Städtisches Haushalts- und Rechnungswesen. 12. Arbeitstagung in Überlingen 9.–11. November 1973, Sigmaringen 1977, S. 69–82. Hesse, Christian: Amtsträger der Fürsten im spätmittelalterlichen Reich. Die Funktionseliten der lokalen Verwaltung in Bayern-Landshut, Hessen, Sach­ sen und Württemberg 1350–1515, Göttingen 2005. Hibst, Peter: Gemeiner Nutzen: Begriffsgeschichtliche Untersuchungen zur politischen Theorie vom 5. vorchristlichen bis zum 15. nachchristlichen Jahr­ hundert, in: Archiv für Begriffsgeschichte 33 (1990), S. 60–95. Hilger, Susanne/Landwehr, Achim: Zur Einführung. Wirtschaft – Kul­ tur – Geschichte. Stationen einer Annäherung, in: dies. (Hg.): Wirtschaft – Kultur – Geschichte. Positionen und Perspektiven, Stuttgart 2011, S. 7–26. Hochedlinger, Michael/Winkelbauer, Thomas (Hg.): Herrschaftsver­ dichtung, Staatsbildung, Bürokratisierung. Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Frühen Neuzeit, München 2010. Hoeniger, David F.: How Plants and Animals Were Studied in the Mid-Six­ teenth Century, in: Shirley, John William (Ed.): Science and the Art in the Renaissance, Cranbury/London 1985, S. 130–148. Hoffmann, Yves/Richter, Uwe: Entstehung und Blüte der Stadt Freiberg. Die bauliche Entwicklung vom 12. bis zum Ende des 17. Jahrhundert, Halle (Saale) 2012. Hoffmann, Yves/Balášová, Michaela: Silberbergbau des 12.–14. Jahrhun­ derts im sächsischen Erzgebirge, Erzgebirgsvorland und im böhmischen Erzgebirge, in: Smolnik, Regina (Hg.): Silberrausch und Berg­g eschrey. Archäologie des mittelalterlichen Berg­baus in Sachsen und Böhmen. Stříbrná horečka a volání hor. Archeologie středověkého hornictví v Sasku a Čechách, 2. Aufl., Dresden 2016, S. 49–56. Hofmann, Gerd/Tschan, Wolfgang: „Berg­ordnungen“ – eine exemplari­ sche Quellenbeschreibung anhand der historischen Berg­bauregion Tirol, in: Pauser, Josef/Scheutz, Martin/Winkelbauer, Thomas (Hg.): Quellen­ kunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch, München 2004, S. 257–267.

Quellen- und Literaturverzeichnis

377

Hoheisel, Peter: Adel und Berg­bau, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Adlige Lebenswelten in Sachsen. Kommentierte Bild- und Schriftquellen, Köln/Weimar/Wien 2013, S. 192–200. Holenstein, André: Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herr­ schaftsordnung (800–1800), Stuttgart/New York 1991. Holenstein, André: „Local-Untersuchung“ und „Augenschein“. Reflexionen auf die Lokalität im Verwaltungsdenken und -handeln des Ancien Régime, in: Werkstatt Geschichte 16 (1997), S. 19–31. Holenstein, André: Die Umstände der Normen – die Normen der Umstände. Policeyordnungen im kommunikativen Handeln von Verwaltung und loka­ ler Gesellschaft im Ancien Régime, in: Härter, Klaus (Hg.): Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, Frankfurt am Main 2000, S. 1–46. Holenstein, André: Introduction: Empowering Interactions. Looking at Statebuilding from Below, in: Blockmans, Wim/Holenstein, André/ Mathieu, Jon (Eds.): Empowering Interactions. Political Cultures and the Emergence of the State in Europe 1300–1900, Aldershot 2009, S. 1–31. Honemann, Volker: Berg­bau in der Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Kaufhold, Karl Heinrich/Reininghaus, Wilfried (Hg.): Stadt und Berg­bau, Köln/Weimar/Wien 2004, S. 239–261. Hoppe, Oswalt: Der Silberbergbau zu Schneeberg bis zum Jahre 1500. Heidel­ berger Dissertation, Freiberg 1908. Huffmann, Fritz Robert: Über die sächsische Berg­gerichtsbarkeit vom 15. Jahr­ hundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Sondergerichte, Weimar 1935. Ingenhaeff, Wolfgang/Bair, Johann (Hg.): Berg­bau und Berg­geschrey: zu den Ursprüngen europäischer Berg­werke. Tagungsband/8. Internationaler Montanhistorischer Kongress Schwaz, Sterzing 2009. Irmscher, Klaus/Prescher, Hans: Die Greuß, eine Freiberger Montanfami­ lie. Teil III: Der Steiger Peter Greus filius und seine Nachkommen, in: Familie und Geschichte 1,3 (1994), S. 59–63. Jendorff, Alexander: Condominium. Typen, Funktionsweisen und Entwick­ lungspotentiale von Herrschaftsgemeinschaften in Alteuropa anhand hessi­ scher und thüringischer Beispiele, Marburg 2010. Jenny, Beat Rudolf: Die Übersetzungen von Agricolas „De re metallica“ als Beispiel für die Verbreitung wissenschaftlicher Texte in den Landessprachen des 16. Jahrhunderts, in Ferrum 67 (1995), S. 16–26. Jeserich, Kurt G. A./Pohl, Hans/Unruh, Georg-Christoph von (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1983.

378

Anhang

Jobst, Wolfgang: Die Turmhofer Gruben bei Freiberg und der erste sächsische Seigerriß von 1592, in: Der Anschnitt 46/2–3 (1994), S. 68–76. Jobst, Wolfgang/Schellhas, Walter: Abraham von Schönberg, Leben und Werk: die Wiederbelebung des erzgebirgischen Berg­baus nach dem Dreissig­ jährigen Krieg durch Oberberghauptmann Abraham von Schönberg, Leip­ zig/Stuttgart 1994. Johnston, Michael: The Search for Definitions: The Vitality of Politics and the Issue of Corruption, in: International Social Science Journal 48 (1996), S. 321–335. Kaak, Heinrich/Schattkowsky, Martina (Hg.): Herrschaft. Machtentfal­ tung über adligen und fürstlichen Grundbesitz in der Frühen Neuzeit, Köln/ Weimar/Wien 2003. Kaden, Herbert: Die Berg­verwaltung des albertinischen Sachsen unter Herzog/ Kurfürst Moritz zwischen 1542 und 1548, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 72 (1992), S. 36–46. Kaden, Herbert: Der Altbestand „Berg­ordnungen und Berg­rechtsschriften“ der Bibliothek des Sächsischen Berg­archivs Freiberg – Quelle zur Erforschung der Geschichte sächsischer Berg­behörden im 16. und 17. Jahrhundert, in: Berichte der Geologischen Bundesanstalt 35 (1996), S. 197–201. Kaden, Herbert: Die Berg­verwaltung Freibergs in der ersten Hälfte des 16. Jahr­ hunderts, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins  78 (1997), S. 25–31. Kaden, Herbert: Der Beginn der Herausbildung einer mittleren Berg­verwaltung im albertinischen Sachsen, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsver­ eins 93 (2003), S. 23–83. Kaden, Herbert: Leipziger Teilung, Maastrichter und „Brüderlicher“ Vertrag und der Aufbau der Berg­verwaltung im „Freiberger Ländchen“ in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Hoffmann, Yves/Richter, Uwe (Hg.): Herzog Heinrich der Fromme (1473–1541), Beucha 2007, S. 147–181. Kaden, Herbert: Das sächsische Berg­schulwesen – Entstehung, Entwicklung, Epilog (1776–1924), Köln 2012. Kaden, Herbert: Eine „Rechtsweisung“ des Freiberger Berg­amtsverwalters Hans Röhling nach Scharfenberg aus dem Jahr 1549, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 107 (2013), S. 69–87. Kahleyss, Julia: Der wirtschaftliche Aufstieg des Martin Römer. Soziale Mobilität im westerzgebirgischen Berg­bau des 15. Jahrhunderts, in: Vier­ teljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 100 (2013), S. 154–177. Kaiser, Lisa: Die oberste Berg­verwaltung Kursachens im 16. Jahrhundert, in:

Quellen- und Literaturverzeichnis

379

Forschungen aus mitteldeutschen Archiven, Hg. von der staatlichen Archi­ vverwaltung im Staatssekretariat für innere Angelegenheiten, Berlin 1953, S. 255–269. Kaliardos Pilaski, Katharina: The Munich Kunstkammer: Art, Nature, and the Representation of Knowledge in Courtly Contexts, Tübingen 2013. Karrant-Nunn, Susan C.: The Women of the Saxon Silver Mines, in: Marshall, Sherrin (Eds.): Women in Reformation and Counter-Refor­ mation Europe, Bloomington 1989, S. 29–45. Karsten, Arne/Thiessen, Hillard von (Hg.): Nützliche Netzwerke und kor­ rupte Seilschaften, Göttingen 2006. Karsten, Arne/Thiessen, Hillard von: Einleitung: Klientel und Korruption, in: dies. (Hg.): Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften, Göttingen 2006, S. 7–17. Kasper, Hanns-Heinz/Wächtler, Eberhard: Geschichte der Berg­stadt Frei­ berg, Weimar 1986. Kasper, Hanns-Heinz/Martin, Guntram: Freiberg – Berg­hauptstadt Sachsens: 450 Jahre Oberbergamt, in: Sächsische Heimatblätter: Zeitschrift für sächsi­ sche Geschichte, Denkmalpflege, Natur und Umwelt 38,4 (1992), S. 220–228. Kästner, Alexander: Tödliche Geschichte(n). Selbsttötungen in Kursachsen im Spannungsfeld von Normen und Praktiken (1547–1815), Konstanz 2011. Kästner, Alexander/Schwerhoff, Gerd: Religiöse Devianz in alteuropä­ ischen Stadtgesellschaften. Eine Einführung in systematischer Absicht, in: dies. (Hg.): Göttlicher Zorn und menschliches Maß. Religiöse Abweichung in frühneuzeitlichen Stadtgemeinschaften, Konstanz 2013, S. 9–43. Kaufhold, Karl Heinrich/Reininghaus, Wilfried (Hg.): Stadt und Berg­ bau, Köln/Weimar/Wien 2004. Keil, Denis: Art. Freiberger Berg­recht, in: HRG, Bd. 1, Sp. 1718–1716. Kellenbenz, Hermann: Die Berg­stadt als Mittel territorialstaatlicher und landständischer Wirtschaftspolitik, in: Wyrobisz, Andrzej/Tymowski, Michal (Hg.): Czas, przestrze, praca w dawnych miastach. Studia ofiarowane Henrykowi Samsonowiczowi w szesdziesit rocznic urodzin, Warschau 1991, S. 177–188. Keller, Katrin: „… daß wir ieder zeith eine feine lateinische schul gehabt haben“. Beobachtungen zu Schule und Bildung in sächsischen Kleinstädten des 17. und 18. Jh., in: Gräf, Holger Th. (Hg.): Kleine Städte im neuzeitli­ chen Europa, Berlin 1997, S. 137–168. Keller, Katrin: Der Hof als Zentrum adliger Existenz? Der Dresdner Hof und der sächsische Adel im 17. und 18. Jh., in: Asch, Ronald G. (Hg.): Der

380

Anhang

europäische Adel im Ancien Régime. Von der Krise der ständischen Monar­ chie bis zur Revolution (1600–1789), Köln/Weimar/Wien 2001, S. 207–233. Keller, Katrin: Kleinstädte in Kursachsen. Wandlungen einer Städteland­ schaft zwischen Dreißigjährigem Krieg und Industrialisierung, Köln/Wei­ mar/Wien 2001. Keller, Hagen: Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungs­ formen und Entwicklungsstufen. Einführung zum Kolloquium in Münster, 17.–19. Mai 1989, in: ders./Grubmüller, Klaus/Staubach, Nikolaus (Hg.): Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen, München 1992, S. 1–7. Kettering, Sharon: Patrons, Brokers, and Clients in Seventeenth-Century France, Oxford 1986. Kieser, Alfred: Organizational, Institutional, and Societal Evolution. Medieval Craft Guilds and the Genesis of Formal Organizations, in: Administrative Science Quarterly 34 (1989), S. 540–564. Kieser, Alfred: Why Organization Theory Needs Historical Analyses – And How This Should Be Performed, in: Organization Science 5,4 (1994), S. 608– 620. Kieser, Alfred/Ebers, Mark (Hg.): Organisationstheorien. 6., erweiterte Aufl., Stuttgart 2006. Kieser, Alfred: Max Webers Analyse der Bürokratie, in: ders./Ebers, Mark (Hg.): Organisationstheorien. 6., erweiterte Aufl., Stuttgart 2006, S. 63–92. Kieserling, André: Kommunikation unter Anwesenden. Studien über Inter­ aktionssysteme, Frankfurt am Main 1999. Kintzinger, Martin: Art. Stadtbücher, in: Lexikon des Mittelalters. Bd. 8, München/Zürich 1996, Sp. 12–13. Knapp, Ludwig, Die ersten Rechtsgrundlagen des Schwazer Berg­baues, in: Tiroler Heimatblätter 10 (1932), S. 14–17. Knittler, Herbert: Die europäische Stadt in der frühen Neuzeit. Institutio­ nen, Strukturen, Entwicklungen, Wien/München 2000. Kolbeck, Christopher/Rössler, Paul: Aufstieg und Fall des Item. Item Seri­ alität zwischen sprachlicher Innovation und Konstanz. Item in Regensbur­ ger Rechnungsbüchern, in: Müller, Stephan (Hg.): Serielle Formen, Wien 2015, S. 49–60. Körber, Esther-Beate: Der soziale Ort des Briefs im 16. Jahrhundert, in: Wenzel, Horst (Hg.): Gespräche, Boten, Briefe: Körpergedächtnis und Schriftgedächtnis im Mittelalter, Berlin 1997, S. 244–258. Kötzschke, Rudolf: Die Landesverwaltungsreform im Kurstaat Sachsen

Quellen- und Literaturverzeichnis

381

unter Kurfürst Moritz 1547/48, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde NF 34 (1940), S. 191–217. Kraschewski, Hans-Joachim: Wirtschaftliche Wechsellagen, ihre Einwir­ kungen auf den Berg­bau des 16. und 17. Jahrhunderts und die bergbauliche Arbeitsverfassung, in: Bartels, Christoph/Denzel, Markus A. (Hg.): Konjunkturen im europäischen Berg­bau in vorindustrieller Zeit. Festschrift für Ekkehard Westermann zum 60. Geburtstag, Stuttgart 2000, S. 203–220. Kraschewski, Hans-Joachim: Organisationsstrukturen der Berg­bauverwaltung als Elemente des frühneuzeitlichen Territorialstaates: Das Beispiel Braun­ schweig-Wolfenbüttel, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 80 (2008), S. 283–328. Kraschewski, Hans-Joachim: Das Spätmittelalter. Die Zeit des Aufbruchs, in: Bartels, Christoph/Slotta, Rainer (Hg.): Geschichte des deutschen Berg­baus: Bd. 1: Der alteuropäische Berg­bau: von den Anfängen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Münster 2012, S. 249–316. Kratzsch, Klaus: Berg­städte des Erzgebirges. Städtebau und Kunst zur Zeit der Reformation, München/Zürich 1972. Kratzsch, Klaus: Marienberg – eine Idealstadt der Renaissance, in: Hoffmann, Yves/Richter, Uwe (Hg.): Herzog Heinrich der Fromme (1473–1541), Beucha 2007, S. 233–245. Krauth, Wolf-Hagen: Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsverwaltung: Überlegungen zur Konditionierung ihrer Kommunikation im 18. und 19. Jahr­ hundert, in: Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte 1 (1989), S. 47–72. Krenkel, Paul: Paulus Niavis: Iudicium Iovis oder Das Gericht der Götter über den Berg­bau: ein literarisches Dokument aus der Frühzeit des deut­ schen Berg­baus, Berlin 1953. Krischer, André: Das Problem des Entscheidens in systematischer und histori­ scher Perspektive, in: Stollberg-Rilinger, Barbara/ders. (Hg.): Herstel­ lung und Darstellung verbindlicher Entscheidungen. Verhandeln, Verfahren und Verwalten in der Vormoderne, Berlin 2010, S. 35–64. Krischer, André: Sociological and Cultural Approaches to Pre Modern Deci­ sion-Making, in: Werlin, Marie Joséphine/Schulz, Fabian (Eds.): Débats Antiques, Paris 2011, S. 129–140. Krischer, André: Förmlichkeit und Geselligkeit im englischen Flottenamt 1663–1666 – konkurrierende Normen? Zugleich ein Beitrag über Orga­ nisationsbildung in der Frühen Neuzeit, in: Karsten, Arne/Thiessen,

382

Anhang

Hillard von (Hg.): Normenkonkurrenz in historischer Perspektive, Berlin 2015, S. 101–120. Kroker, Evelyn: Art. Berg­verwaltung, in: Jeserich, Kurt G. A./Pohl, Hans/ Unruh, Georg Christoph von (Hg.): Deutsche Verwaltungsgeschichte. Bd. 3, Stuttgart 1984, S. 514–526. Kruse, Holger: Hof, Amt und Gagen. Die täglichen Gagenlisten des bur­ gundischen Hofes (1430–1467) und der erste Hofstaat Karls des Kühnen (1456), Bonn 1996. Kuchenbuch, Ludolf: Kerbhölzer in Alteuropa – zwischen Dorfschmiede und Schatzamt, in: Nagy, Balázs/Sebök, Marcell (Hg.): The Man of Many Devices, Who Wandered Full Many Ways. Festschrift in Honor of János M. Bak, Budapest 1999, S. 303–325. Kugler, Jens: Das Wasserwesen im Freiberger Berg­revier, in: Ohlig, Chris­ toph (Hg.): Wasserhistorische Forschungen – Schwerpunkt Montanbereich, Siegburg 2003, S. 47–57. Kühl, Stefan: Organisationen. Eine sehr kurze Einführung, Wiesbaden 2011. Kühl, Stefan (Hg.): Schlüsselwerke der Organisationsforschung, Wiesbaden 2015. Kunisch, Johannes: Die deutschen Führungsschichten im Zeitalter des Abso­ lutismus, in: Hofmann, Hans Hubert/Franz, Günther (Hg.): Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Eine Zwischenbilanz. Büdinger Vorträge 1978, Boppard 1980, S. 111–141. Kunze, Jens: Das Amt Leisnig im 15. Jahrhundert. Verfassung, Wirtschaft, Alltag, Leipzig 2007. Küpper-Eichas, Claudia: Art. Knappschaft, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachherausgebern herausgegeben von Friedrich Jae­ ger, URL: http://dx.doi.org/10.1163/2352-0248_edn_SIM_294019, letzter Zugriff: 16.08.2020. Kürbis, Anja: „Die Theologen … die Gelehrten“. Ein Beitrag zur Gelehrtenkul­ tur des 16. Jahrhunderts, in: Schorn-Schütte, Luise (Hg.): Intellektuelle in der Frühen Neuzeit, Berlin 2010, S. 33–52. Kypta, Ulla: Die Autonomie der Routine. Wie im 12. Jahrhundert das engli­ sche Schatzamt entstand. Göttingen 2014. Lampen, Angelika/Schmidt, Christine D.: Berg­stadt, online verfügbar unter http://www.staedtegeschichte.de/einfuehrung/stadttypen/bergstadt.html, letzter Zugriff: 16.08.2020.

Quellen- und Literaturverzeichnis

383

Landau, David/Parshall, Peter W.: The Renaissance Print, 1470–1550, New Haven/London 1994. Landwehr, Achim: Die Rhetorik der „Guten Policey“, in: Zeitschrift für His­ torische Forschung 30,2 (2003), S. 251–287. Landwehr, Achim: Absolutismus oder ‚gute Policey‘? Anmerkungen zu einem Epochenkonzept, in: Schilling, Lothar (Hg.): Absolutismus, ein uner­ setzliches Forschungskonzept? Eine deutsch-französische Bilanz, München 2008, S. 205–228. Lang, Heinrich: Rechnungsbücher zwischen Institutionen und Unternehmen: Die Pacht des Seidenzolls an der Rhône durch Iacopo Salviati und Bartho­ lomäus Welser (1532–40), in: Gleba, Gudrun/Petersen, Niels (Hg.): Wirtschafts- und Rechnungsbücher des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Formen und Methoden der Rechnungslegung: Städte, Klöster, Kaufleute, Göttingen 2015, S. 173–197. Lang, Thomas: „Hat seyner anzeig nach 183 meyln weg gelauffen“ – Das Boten­ wesen am kurfürstlich sächsischen Hof 1486–1525, in: Thomas, Richard/ Seilder, Alfred/Ohmann, Johann (Red.): 500 Jahre Reformation. Fest­ schrift 115. Deutscher Philatelistentag mit BDPh-Hauptversammlung 08.– 10.09.2017 Lutherstadt Wittenberg, Hg. vom Briefmarkensammler-Verein Lutherstadt Wittenberg e. V., Wittenberg 2017, S. 64–77. Langer, Johannes: Die Freiberger Berg­knappschaft, in: Mitteilungen des Frei­ berger Altertumsvereins 61 (1931), S. 18–92. Langer, Johannes: Die Freiberger Bannmeile und die alten in Freiberg gebräuch­ lichen Maße, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 65 (1935), S. 28–38. Langhof, Peter: Ein frühes Beispiel für die Anwendung des Provenienzprin­ zips in den Archiven der sächsischen Berg­verwaltung, in: Archivmitteilun­ gen 35 (1985) S. 93–96. Lanzinner, Maximilian: Fürst, Räte und Landstände. Die Entstehung der Zentralbehörden in Bayern, Göttingen 1980. Laube, Adolf: Berg­bau, Berg­städte und Landesherrschaft in Sachsen, in: Zeit­ schrift für Geschichtswissenschaft 16 (1968), S. 1577–1591. Laube, Adolf: Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau von 1470 bis 1546, Berlin (Ost) 1974. Laube, Adolf: Investitionen und Finanzierung von Bau- und Kunstwerken in sächsischen Berg­städten des 15./16. Jahrhunderts, in: Fritze, Konrad (Hg.): Autonomie, Wirtschaft und Kultur der Hansestädte. Johannes Schildhauer zum 65. Geburtstag, Weimar 1984, S. 178–189.

384

Anhang

Laube, Adolf: Der Weg der Annaberger Berg­ordnung von 1509 – ein Weg der Bewältigung gesellschaftlicher Interessenkonflikte durch die Landesherrschaft, in: Sächsische Justizgeschichte. Rechtsbücher und Rechtsordnungen in der Frühen Neuzeit, Hg. vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz, Dresden 1999, S. 161–185. Laube, Adolf: Berg­arbeiter- und Bauernbewegungen in Deutschland von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Ende des Bauernkrieges 1525/26, in: Westermann, Angelika/Westermann, Ekkehard (Hg.): Streik im Revier. Unruhe, Protest und Ausstand vom 8. bis zum 20. Jahrhundert, St. Kathari­ nen 2007, S. 113–136. Lauf, Ulrich: Religiöse Bezüge im historischen Knappschaftswesen, in: Ingenhaff, Wolfgang/Bair, Johann (Hg.): Berg­bau und Religion. Schwazer Silber 6. internationaler Montanhistorischer Kongress Schwaz 2007, Inns­ bruck/Wien 2008, S. 175–203. Lauwers, Luc/Willekens, Marleen: Five Hundred Years of Bookkeeping. A Portrait of Luca Pacioli, in: Tijdschrift voor Economie en Management 39,3 (1994), S. 289–304. Law, John: Notes on the Theory of the Actor-Network: Ordering, Strategy, and Heterogeneity, in: System Practice 5 (1992), S. 379–392. Lenz, Rudolf: De mortuis nil nisi bene? Leichenpredigten als multidisziplinäre Quelle, Sigmaringen 1990. Lippert, Woldemar: Briefbeförderung des Kurfürsten von Sachsen 1449, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 16 (1895). S. 139–140. Löffler, Kurt: Die Flösse und das Transportproblem, in: Wilsdorf, Helmut/ Herrmann, Walther/Löffler, Kurt (Hg.): Berg­bau, Wald, Flösse. Unter­ suchungen zur Geschichte der Flößerei im Dienste des Montanwesens und zum montanen Transportproblem, Berlin (Ost) 1960, S. 226–323. Long, Pamela O.: The Openness of Knowledge: An Ideal and Its Context in 16th-Century Writings on Mining and Metallurgy, in: Technology and Cul­ ture 32,2/1 (1991), S. 318–355. Lorenz, Ines: Die Berg­verwaltung Kursachsens von 1589 bis 1694: Berlin, Humboldt-Univ., Diss. A, 1990. Lorenz, Wolfgang: Feudale Berg­beamte und frühbürgerliche Berg­unternehmer, in: Genealogie als historische Soziologie, Leipzig 1984, S. 15–29. Lorenz, Wolfgang: Die Röhling aus Geyer, Annaberg-Buchholz 2001. Lorenz, Wolfgang: Zur verwandtschaftlichen Verflechtung von Kuxinhabern, in: Agricola Rundbrief 2011, S. 24–30.

Quellen- und Literaturverzeichnis

385

Löscher, Hermann: Die erzgebirgischen Knappschaften vor und nach der Reformation, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 92 (1956), S. 162–190. Löscher, Hermann: Kerzenheller, Wochen- oder Büchsenpfennig der erzge­ birgischen Knappschaft, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsge­ schichte, Bd. 73, Kan. Abt. Bd. XLII, 1956, S. 392–397. Löscher, Hermann: Vom Berg­regal im sächsischen Erzgebirge. Berg­bau und Berg­recht. Beiträge zur Geschichte des Berg­baues. Zum 80. Geb. von W. Wei­ gelt, Berlin 1957, S. 122–156. Löscher, Hermann (Hg.): Das erzgebirgische Berg­recht des 15. und 16. Jahr­ hunderts. Bd. 1, Die erzgebirgischen Berg­gebräuche des 16. Jahrhunderts und ihre Vorläufer seit etwa 1450, Freiberg 2003. Löscher, Hermann (Hg.): Das erzgebirgische Berg­recht des 15. und 16. Jahr­ hunderts. Bd. 2,1: Erzgebirgische Berg­ordnungen, Berg­freiheiten sowie andere bergrechtliche und den Berg­bau betreffende Urkunden des 15. Jahrhunderts, Urkundenbuch 1400–1480, Berlin 2003. Löscher, Hermann (Hg.): Das erzgebirgische Berg­recht des 15. und 16. Jahr­ hunderts. Bd. 2,2: Erzgebirgische Berg­ordnungen, Berg­freiheiten sowie andere bergrechtliche und den Berg­bau betreffende Urkunden des 15. Jahrhunderts, Urkundenbuch 1481–1500, Berlin 2005. Löscher, Hermann (Hg.): Das erzgebirgische Berg­recht des 15. und 16. Jahr­ hunderts. Bd. 2,3: Erzgebirgische Berg­ordnungen, Berg­freiheiten sowie andere bergrechtliche und den Berg­bau betreffende Urkunden des 16. Jahr­ hunderts. Urkundenbuch 3/aus dem Nachlass neu zsgest. und bearb. von Erika Löscher, Berlin 2009. Löscher, Hermann (Hg.): Das erzgebirgische Berg­recht des 15. und 16. Jahr­ hunderts, III. Teil: Fragmente der geschichtlichen Einleitung und systemati­ schen Darstellung des damals geltenden Berg­rechts und alle noch vorhandenen gedruckten berggeschichtlichen Abhandlungen, Freiberg 2009. Löw, Martina: Raumsoziologie, Frankfurt am Main 2001. Löw, Martina: Epilog, in: Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd (Hg.): Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2004, S. 463–468. Ludolphy, Ingetraut: Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen. 1463–1525, Göttingen 1984. Lück, Heiner: Art. Berg­recht, Berg­regal, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), Bd. 1, Sp. 527–533. Lüdtke, Alf: Einleitung. Herrschaft als soziale Praxis, in: ders. (Hg.):

386

Anhang

Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozial-anthropologische Stu­ dien, Göttingen 1991, S. 9 –60. Ludwig, Karl-Heinz: Berg­ordnungen, technischer und sozialer Wandel im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Technikgeschichte 52 (1985), S. 179–196. Ludwig, Karl-Heinz: Art. Kerbholz, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Mün­ chen/Zürich 1991, Sp. 1115. Ludwig, Karl-Heinz: Art. Kux, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München/ Zürich 1991, Sp. 1595. Ludwig, Karl-Heinz: Georgius Agricola und Theophrast Bombast von Hohen­ heim, genannt Paracelsus, in: Der Anschnitt: Zeitschrift für Kunst und Kultur im Berg­bau 46/2–3 (1994), S. 84–91. Ludwig, Karl-Heinz: Berg­männisches Berufsbewusstsein als Protestpotenzial im Mittelalter sowie im Übergang zur Neuzeit, in: Westermann, Angelika/ Westermann, Ekkehard (Hg.): Streik im Revier. Unruhe, Protest und Aus­ stand vom 8. bis 20. Jahrhundert, St. Katharinen 2007, S. 11–64. Ludwig, Ulrike: Das Herz der Justitia: Gestaltungspotentiale territorialer Herrschaft in der Strafrechts- und Gnadenpraxis am Beispiel Kursachsens 1548–1648, Konstanz 2008. Ludwig, Ulrike: Erinnerungsstrategien in Zeiten des Wandels. Zur Bedeutung der Reformation als Generationserfahrung im Spiegel sächsischer Leichen­ predigten für adlige Beamte, in: Archiv für Reformationsgeschichte 104 (2013), S. 113–139. Ludwig, Ulrike: Verwaltung als häusliche Praxis, in: Brendecke, Arndt (Hg.): Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure – Handlungen – Artefakte, Köln/Weimar/Wien 2015, S. 188–198. Luhmann, Niklas: Legitimität durch Verfahren, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1983. Luhmann, Niklas: Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie, Frankfurt am Main 1987. Luhmann, Niklas: Funktionen und Folgen formaler Organisationen. Mit einem Epilog 1994, 4. Aufl., Berlin 1995. Luhmann, Niklas: Organisation und Entscheidung, 2. Aufl., Wiesbaden 2006. Luhmann, Niklas: Zweck – Herrschaft – System. Grundbegriffe und Prämis­ sen Max Webers, in: Lukas, Ernst/Tacke, Veronika: Niklas Luhmann: Schriften zur Organisation 1. Die Wirklichkeit der Organisation, Wiesba­ den 2018, S. 153–184. Luhmann, Niklas: Lob der Routine, in: Lukas, Ernst/Tacke, Veronika: Niklas

Quellen- und Literaturverzeichnis

387

Luhmann: Schriften zur Organisation 1. Die Wirklichkeit der Organisation, Wiesbaden 2018, S. 293–332. Lutze, Eberhard: Die Röhling-Bildnisse von Matthias Krodel d. J., in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1934–35, Nürnberg 1935, S. 90–104. Maetschke, Matthias: Der Tote vom Mühlberg. Zur Konkurrenz zweier Herrschaftsbereiche am Beispiel des Schneeberger Berg­baureviers 1477/78, in: Savigny-Stiftung: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte/ Germanistische Abteilung 134 (2017), S. 141–161. Majer, Jirí: Die Waldwirtschaft und die Holzverwendung im Silbererzrevier Jáchymov/Joachimsthal im Erzgebirge und im Zinnerzrevier Horní Slavkov/ Schlaggenwald im Kaiserwaldgebirge im 16. Jahrhundert, in: Westermann, Ekkehard (Hg.): Berg­baureviere als Verbrauchszentren im vorindustriellen Europa. Fallstudien zu Beschaffung und Verbrauch von Lebensmitteln sowie Roh- und Hilfsstoffen (13.–18. Jahrhundert), Stuttgart 1997, S. 221–248. Marburg, Silke: Die museale Präsentation einer Porträtgalerie im Kontext moderner Adelsgeschichte, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Adlige Lebenswelten in Sachsen. Kommentierte Bild- und Schriftquellen, Köln/ Weimar/Wien 2013, S. 377–386. Martens, Will/Ortmann, Günther: Organisationen in Luhmanns System­ theorie, in: Kieser, Alfred/Ebers, Mark (Hg.): Organisationstheorien. 7., aktualisierte und überarbeitete Aufl., Stuttgart 2014, S. 407–440. Matasová, Kateřina: Gewerkinnen im Joachimsthaler Berg­bau am Ende des 16. Jahrhunderts, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Das Erzgebirge im 16. Jahrhundert. Gestaltwandel einer Kulturlandschaft im Reformationszeit­ alter, Leipzig 2013, S. 299–322. Mauriès, Patrick: Das Kuriositätenkabinett, Köln 2002. Mayntz, Renate: Soziologie der Organisation, Reinbek bei Hamburg 1963. Meier, Ulrich/Schreiner, Klaus: Regimen civitatis. Zum Spannungsver­ hältnis von Freiheit und Ordnung in alteuropäischen Stadtgesellschaften, in: dies. (Hg.): Stadtregiment und Bürgerfreiheit. Handlungsspielräume in deutschen und italienischen Städten des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Göttingen 1994, S. 9–34. Mendels, Judy: Die Etymologie des Wortes Kux, in: Modern Language Notes 76 (1961), S. 336–341. Mergel, Thomas: Geschichte und Soziologie, in: Goertz, Hans-Jürgen (Hg.): Geschichte. Ein Grundkurs, 2., neu bearb. Aufl., Reinbek 2007, S. 688–717. Mersiowsky, Mark: Die Anfänge territorialer Rechnungslegung im deutschen

388

Anhang

Nordwesten. Spätmittelalterliche Rechnungen, Verwaltungspraxis, Hof und Territorium, Stuttgart 2000. Mersiowsky, Mark: Finanzverwaltung und Finanzkontrolle am spätmittelal­ terlichen Hofe, in: Fouquet, Gerhard/Hirschbiegel, Jan/Paravicini, Werner (Hg.): Hofwirtschaft. Ein ökonomischer Blick auf Hof und Resi­ denz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. 10. Symposium der Residen­ zen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen veranstaltet in Zusammenarbeit mit den Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen Schloß Gottorf, dem Landesarchiv Schleswig-Holstein, Schleswig, dem Historischen Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und dem Deutschen Historischen Institut Paris, Gottorf/Schleswig, 23.–26. September 2006, Ostfildern 2008, S. 171–190. Meumann, Markus/Pröve, Ralf: Die Faszination des Staates und die histo­ rische Praxis. Zur Beschreibung von Herrschaftsbeziehungen jenseits teleo­ logischer und dualistischer Begriffsbildungen, in: dies. (Hg.): Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Umrisse eines dynamisch-kommunikativen Prozesses, Münster 2004, S. 16–19. Miller, Peter: Accounting as Social and Institutional Practice: an Introduction, in: Hopwood, Anthony G./id. (Eds.): Accounting as Social and Instituti­ onal Practice, Cambridge 1994, S. 1–39. Molenda, Danuta: Mining Towns in Central-Eastern Europe in Feudal Times. Problem Outline, in: Acta Poloniae Historica 34 (1976), S. 165–188. Molzahn, Ulf: Adel und frühmoderne Staatlichkeit: eine prosopographische Untersuchung zum politischen Wirken einer territorialen Führungsschicht in der Frühen Neuzeit (1539–1622), Leipzig, Univ., Diss., 2005. Moos, Peter von: Das Öffentliche und das Private im Mittelalter. Für einen kontrollierten Anachronismus, in: ders./Melville, Gert (Hg.): Das Öffent­ liche und das Private in der Vormoderne, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 3–83. Moraw, Peter: Von offener Verfassung zu gestaltender Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490, Berlin 1985. Mucke, Dieter: Röschen, Flöße und Anzüchte – historische Wasserversor­ gung und Abwasserleitung in Freiberg, in: Hoffmann, Yves/Richter, Uwe (Hg.): Denkmale in Sachsen. Stadt Freiberg. Beiträge. Bd. 2, Freiberg 2003, S. 473–507. Müller, Georg: Hans Harrer, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde 15 (1894), S. 63–118. Müseler, Karl: Berg­baugepräge: Dargestellt auf Grund der Sammlung der Preussag Aktiengesellschaft, Bd. II, Hannover 1983.

Quellen- und Literaturverzeichnis

389

Näther, Birgit: Die Normativität des Praktischen: Das landesherrliche Visita­ tionsverfahren im frühneuzeitlichen Bayern aus kulturhistorischer Sicht, in: Brakensiek, Stefan/Bredow, Corinna von/Näther, Birgit (Hg.): Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, Berlin 2014, S. 121–135. Näther, Birgit: Pragmatismus, Delegieren und Routinebildung. Zum Verhältnis vormoderner Verwaltungspraxis und Herrschaftsausübung, in: Administory: Zeitschrift für Verwaltungsgeschichte 2 (2017), S. 1–14. Näther, Birgit: Die Normativität des Praktischen: Strukturen und Prozesse vormoderner Verwaltungsarbeit. Das Beispiel der landesherrlichen Visitation in Bayern, Münster 2017. Napier, Christopher J.: Accounts of Change: 30 Years of Historical Accoun­ ting Research, in: Accounting, Organizations and Society 31,4–5 (2006), S. 445–507. Napier, Christopher J.: Accounting Historiography, in: Edwards, John Richard/Walker, Stephen P. (Eds.): The Routledge Companion to Accoun­ ting History, Abingdon/Oxford 2008, S. 30–49. Naumann, Friedrich: 450 Jahre „De re metallica libri XII“ – das Hauptwerk Georgius Agricolas, in: Schriftenreihe der Georg-Agricola-Gesellschaft 31 (2006), S. 13–44. Naumann, Friedrich: Technologien im Berg­- und Hüttenwesen des 16. Jahr­ hunderts, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Das Erzgebirge im 16. Jahr­ hundert. Gestaltwandel einer Kulturlandschaft im Reformationszeitalter, Leipzig 2013, S. 159–200. Neu, Tim: Symbolische Kommunikation und wirtschaftliches Handeln, in: Stollberg-Rilinger, Barbara/ders./Brauner, Christina (Hg.): Alles nur symbolisch? Bilanz und Perspektiven der Erforschung symbolischer Kommunikation, Köln/Weimar/Wien 2013, S. 401–419. Neuhaus, Helmut: Supplikationen als landesgeschichtliche Quellen. Das Bei­ spiel der Landgrafschaft Hessen im 16. Jahrhundert, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 28 (1968), S. 110–190. Neumann, Franziska: Diener zweier Herren? Das Schneeberger Kondominat und die Reformation, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Das Erzgebirge im 16. Jahrhundert. Gestaltwandel einer Kulturlandschaft im Reformations­ zeitalter, Leipzig 2013, S. 77–99. Neumann, Franziska: Reformation als religiöse Devianz? Das Schneeberger Kondominat und der Fall Georg Amandus (1524/25), in: Kästner, Alexan­ der/Schwerhoff, Gerd (Hg.): Göttlicher Zorn und menschliches Maß.

390

Anhang

Religiöse Abweichung in frühneuzeitlichen Stadtgemeinschaften, Konstanz 2013, S. 93–122. Neumann, Franziska: Nicht jeder hat einen Hintern aus Blei. Adlige Beamte im Berg­bau zwischen Normenkonkurrenz und Normenkompatibilität, in: Ludwig, Ulrike (Hg.): Adlige Beamte. Eine Machtelite zwischen Stand und Funktion, [im Erscheinen]. Neumann, Franziska: Vormoderne Organisationen. Mitgliedschaft und „for­ male Organisation“ in der sächsischen Berg­verwaltung des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für historische Forschung (erscheint voraussichtlich in Heft 4/2020). Neumann, Franziska: Das Unsichtbare sichtbar machen: Die administrative Konstituierung von Raum im vormodernen Berg­bau, in: Asmussen, Tina/ Berg­er Ziauddin, Silvia/Elsig, Alexandre/Hoenig, Bianca (Hg.): Unter Grund. Eine vertikale Verflechtungsgeschichte, traverse – Zeitschrift für Geschichte/Revue d’histoire 2 (2020), S. 26–36. Nubola, Cecilia/Würgler, Andreas (Hg.): Forme della comunicazione poli­ tica in Europa nei secoli XV–XVIII/Formen der politischen Kommunikation in Europa vom 15. bis 18. Jahrhundert. Suppliche, gravamina, lettere/Bitten, Beschwerden, Briefe, Berlin 2004. Ogilvie, Sheilagh: Bitter Living: Women, Markets, and Social Capital in Early Modern Germany, Oxford/New York 2003. Ogilvie, Sheilagh: The Use and Abuse of Trust: the Deployment of Social Capital by Early Modern Guilds, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1 (2005), S. 15–52. Ortmann, Günther: Als Ob. Fiktionen und Organisationen, Wiesbaden 2004. Pangerl, Irmgard: „Höfische Öffentlichkeit“: Fragen des Kammerzutritts und der räumlichen Repräsentation am Wiener Hof, in: dies./Scheutz, Martin/ Winkelbauer, Thomas (Hg.): Der Wiener Hof im Spiegel der Zeremoni­ alprotokolle (1652–1800): Eine Annäherung, Innsbruck 2007, S. 255–285. Peinelt-Schmidt, Sabine: Verschwendeter Samen – unsterbliche Kunst: die Pferdeserie von Hans Baldung und ihr kunsttheoretischer Hintergrund, in: Müller, Jürgen/Schauerte, Thomas/Kaschek, Bertram (Hg.): Von der Freiheit der Bilder. Spott, Kritik und Subversion in der Kunst der Dürerzeit, Petersberg 2013, S. 157–174. Pečar, Andreas: Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711–1740), Darmstadt 2003. Peschel, Andreas/Wetzel, Michael: Naturraum Erzgebirge, in: Schatt­kowsky, Martina (Hg.): Erzgebirge, Leipzig 2010, S. 9–26.

Quellen- und Literaturverzeichnis

391

Pfeifer, Guido: Ius regale montanorum: ein Beitrag zur spätmittelalterlichen Rezeptionsgeschichte des römischen Rechts in Mitteleuropa, Ebelsbach 2002. Pforr, Herbert: Sachzeugen zum Freiberger Silberbergbau im Planer Bericht 1570, in: Martin Planer. Sein Leben und seine Zeit. Zur Geschichte des Mon­ tanwesens in Sachsen, Hg. von der Sächsischen Landesstelle für Volkskultur Schneeberg, Schneeberg 1997, S. 41–51. Pforr, Herbert: Markierungsstufen und Schrifttafeln im Freiberger Silberberg­ bau, in: Der Anschnitt 52,4 (2000), S. 142–149. Pieper, Wilhelm: Die kunstgeschichtliche Stellung und die illustrationstechni­ sche Bedeutung der Holzschnitte in Agricolas „De re metallica“, in: Wendler, Rolf (Hg.): Georgius Agricola. 1494–1555, zu seinem 400. Todestag, Berlin (Ost) 1955, S. 266–291. Plumpe, Werner: Ökonomisches Denken und wirtschaftliche Entwicklung. Zum Zusammenhang von Wirtschaftsgeschichte und historischer Semantik der Ökonomie, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1 (2009), S. 27–52. Pohl, Walter: Vom Nutzen des Schreibens. Einleitung, in: ders./Herold, Paul (Hg.): Vom Nutzen des Schreibens. Soziales Gedächtnis, Herrschaft und Besitz im Mittelalter, Wien 2002, S. 9–22. Pohlig, Matthias: Marlboroughs Geheimnis. Strukturen und Funktionen der Informationsgewinnung im Spanischen Erbfolgekrieg, Köln/Weimar/ Wien 2016. Prescher, Hans: Von Sammlern und Sammlungen des Mineralreiches im XVI. Jahrhundert, in: Wendler, Rolf (Hg.): Georgius Agricola. 1494–1555, zu seinem 400. Todestag, 21. November 1955, Berlin 1955, S. 320–338. Prescher, Hans: Mineralogische Kulturgeschichte: Sammler und Sammlun­ gen, in: Ernsting, Bernd (Hg.): Georgius Agricola: Berg­welten 1494–1994; Katalog zur Ausstellung des Schloßbergmuseums Chemnitz und des Deut­ schen Berg­bau-Museums Bochum in Zusammenarbeit mit den Städtischen Kunstsammlungen Chemnitz, Essen 1994, S. 129–130. Press, Volker: Führungsgruppen in der deutschen Gesellschaft im Übergang zur Neuzeit um 1500, in: Hofmann, Hans Hubert/Franz, Günther (Hg.): Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Eine Zwischenbilanz. Büdinger Vorträge 1978, Boppard 1980, S. 29–77. Press, Volker: Formen des Ständewesens in den deutschen Territorialstaaten des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Baumgart, Peter/Schmädeke, Peter (Hg.): Ständetum und Ständebildung in Brandenburg-Preußen. Ergebnisse einer internationalen Fachtagung, Berlin/New York 1983, S. 280–318. Puff, Alexander: Die Finanzen Albrechts des Beherzten, Diss. Leipzig 1911.

392

Anhang

Puhle, Matthias: Das Gesandten- und Botenwesen der Hanse im späten Mit­ telalter, in: Lotz, Wolfgang (Hg.): Deutsche Postgeschichte. Essays und Bilder, Berlin 1989, S. 43–55. Quellmalz, Werner: Montangeologie, in: Bachmann, Manfred/Marx, Harald/Wächtler, Eberhard (Hg.): Der silberne Boden. Kunst und Berg­ bau in Sachsen, Leipzig 1990, S. 17–23. Raffler, Marlies: Zur Geschichte mineralogischer Sammlungen in Österreich und Ungarn, in: Der Anschnitt 48,1 (1996), S. 28–34. Rausch, Heinz: Art. Hierarchien, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 103–130. Reckwitz, Andreas: Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie 32,4 (2003), S. 282–301. Reinhard, Wolfgang: Papstfinanz und Nepotismus unter Paul V. (1605–1621): Studien und Quellen zur Struktur und zu quantitativen Aspekten des päpst­ lichen Herrschaftssystems, Stuttgart 1974. Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie von Patronage-Klientel-Beziehungen, in: Freiburger Universitätsblätter 139 (1998), S. 127–141. Reinhard, Wolfgang: Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Ver­ fassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Aufl., München 2000. Reinhard, Wolfgang: Einleitung: Römische Mikropolitik und spanisches Mittelmeer, in: ders. (Hg.), Römische Mikropolitik unter Papst Paul V. Borghese 1605–1621, Tübingen 2004, S. 1–20. Reinhard, Wolfgang: Paul V. Borghese (1605–1621), Stuttgart 2009. Reinhardt, Nicole: Macht und Ohnmacht der Verflechtung: Rom und Bolo­ gna unter Paul V. Studien zur frühneuzeitlichen Mikropolitik im Kirchen­ staat, Tübingen 2000. Reininghaus, Wilfried: Ergebnisse der Tagung „Stadt und Berg­bau“ und Ausblick auf offene Forschungsfragen, in: Kaufhold, Karl Heinrich/ Reininghaus, Wilfried (Hg.): Stadt und Berg­bau, Köln/Weimar/Wien 2004, S. 331–336. Reininghaus, Wilfried: Art. Berg­stadt, in: Jaeger, Friedrich (Hg.): Enzyk­ lopädie der Neuzeit, Bd. 2, Stuttgart u. a. 2005, Sp. 41–42. Richter, Uwe/Schwabenicky, Wolfgang: Freiberg bis 1556: Stadtentwick­ lung und Berg­bau, in: Friebe, Hans/Grau, Christel (Hg.): Die Münzstätte

Quellen- und Literaturverzeichnis

393

Freiberg von den Anfängen bis zu ihrer Aufhebung 1556, Freiberg 2007, S. 13–26. Ringer, Fritz: Max Weber’s Methodology: The Unification of the Cultural and Social Sciences, Cambridge (Ma)/London 1997. Ringer, Fritz: Max Weber on Causal Analyses, Interpretation, and Compari­ son, in: History and Theory 41 (2002), S. 163–192. Robert, Rudolph: A Short History of Tallies, in: Littleton, Ananias Charles/ Yamey, Basil S.: Studies in the History of Accounting, London 1956, S. 75–85. Rogge, Jörg: Für den gemeinen Nutzen: politisches Handeln und Politikver­ ständnis von Rat und Bürgerschaft in Augsburg im Spätmittelalter, Tübin­ gen 1996. Rogge, Jörg: Herrschaftsweitergabe, Konfliktregelung und Familienorganisa­ tion im fürstlichen Hochadel. Das Beispiel der Wettiner von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 2002. Rudersdorf, Manfred: Moritz von Sachsen. Zur Typologie eines deutschen Reichsfürsten zwischen Renaissance und Reformation, in: Thieme, André/ Vötsch, Jochen (Hg.): Hof und Hofkultur unter Moritz von Sachsen (= Saxo­ nia. Schriften des Vereins für sächsische Landesgeschichte Bd. 8), Beucha 2004, S. 15–39. Rudolf Schlögls Frühe Neuzeit. Ein Diskussionsforum mit Beiträgen von Bar­ bara Stollberg-Rilinger, Matthias Pohlig, Yair Mintzker, Ulrike Ludwig, Anja Rathmann-Lutz, Tim Neu, Jan-Friedrich Missfelder und Rudolf Schlögl, in: Historische Anthropologie 24,1 (2016), S. 108–137. Sächsische Landesstelle für Volkskultur/Stadtverwaltung Schneeberg (Hg.): Martin Planer. Sein Leben und seine Zeit. Zur Geschichte des Montanwe­ sens in Sachsen, Schneeberg 1997. Schattkowsky, Martina: Zwischen Rittergut, Residenz und Reich. Die Lebenswelt des kursächsischen Landadligen Christoph von Loß auf Schlei­ nitz (1574–1620), Leipzig 2007. Schattkowsky, Martina (Hg.): Die Familie von Bünau: Adelsherrschaften in Sachsen und Böhmen vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Leipzig 2008. Schattkowsky, Martina (Hg.): Erzgebirge, Leipzig 2010. Schattkowsky, Martina (Hg.): Das Erzgebirge im 16. Jahrhundert: Gestalt­ wandel einer Kulturlandschaft im Reformationszeitalter, Leipzig 2013. Schattkowsky, Martina: Anspruch und Wirklichkeit. Eine adlige Leichen­ predigt im Spiegel der Quellenkritik, in: Dickhaut, Eva-Maria (Hg.): Lei­ chenpredigten als Medien der Erinnerungskultur im europäischen Kontext, Stuttgart 2014, S. 53–69.

394

Anhang

Schatzki, Theodore: The Site of the Social. A Philosophical Account of the Constitution of Social Life and Change, University Park (PA) 2002. Schempf, Herbert: Holzurkunden. Von der Verwendung von Kerbhölzern, Rowischen und Spänen, in: Volkskunst 12,3 (1989), S. 19–22. Schennach, Martin: Aushandeln von Gesetzen. Zur funktionalen Äquivalenz von Landtagen und Berg­synoden um 1500, in: Bair, Johann/Ingenhaeff, Wolfgang (Hg.): Berg­bau und Recht. 5. Internationaler Montanhistorischer Kongress Schwaz 2006. Tagungsband, Innsbruck 2007, S. 201–211. Schennach, Martin: Gewohnheitsrecht, Einzelgesetzgebung und Landes­ ordnungen in Tirol in Spätmittelalter und Frühneuzeit, in: Gehringer, Horst/Hecker, Hans-Joachim/Heydenreuter, Reinhard (Hg.): Lan­ desordnungen und Gute Policey in Bayern und Österreich, Frankfurt am Main 2008, S. 19–80. Schennach, Martin: Gesetz und Herrschaft. Die Entstehung des Gesetzge­ bungsstaates am Beispiel Tirols, Köln/Weimar/Wien 2010. Schiedlausky, Günther: Berg­männische Handsteine, in: Der Anschnitt 5/6 (1951), S. 12–17. Schiedlausky, Günther: Der Handstein mit dem Berg­motiv, in: Der Anschnitt 7 (1952), S. 8–12. Schilling, Lothar: Gesetzgebung und Erfahrung, in: Münch, Paul (Hg.): „Erfahrung“ als Kategorie der Frühneuzeitgeschichte, München 2001, S. 401– 411. Schirmer, Uwe: Der Adel in Sachsen am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Frühen Neuzeit. Beobachtungen zu seiner Stellung in Wirtschaft und Gesellschaft, in: Keller, Katrin/Matzerath, Josef (Hg.): Geschichte des sächsischen Adels. Im Auftrag der Sächsischen Schlösserverwaltung, in Zusammenarbeit mit Christine Klecker und Klaus-Dieter Wintermann, Köln/ Weimar/Wien 1997, S. 53–70. Schirmer, Uwe: Die Leipziger Messen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhun­ derts – ihre Funktion als Silberhandels- und Finanzplatz der Kurfürsten von Sachsen, in: Zwahr, Hartmut/Topfstedt, Thomas/Bentele, Günter (Hg.): Leipzigs Messen 1497–1997. Gestaltwandel – Umbrüche – Neube­ ginn, Köln/Weimar/Wien 1999, S. 87–107. Schirmer, Uwe: Der Freiberger Silberbergbau im Spätmittelalter (1353–1485), in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 71 (2001), S. 1–26. Schirmer, Uwe: Die finanziellen Einkünfte Albrechts des Beherzten (1485– 1500), in: Thieme, André (Hg.): Herzog Albrecht der Beherzte (1443–1500).

Quellen- und Literaturverzeichnis

395

Ein sächsischer Fürst im Reich und in Europa, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 143–176. Schirmer, Uwe: Untersuchungen zur Herrschaftspraxis der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen. Institutionen und Funktionseliten, in: Rogge, Jörg/ ders. (Hg.): Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200–1600). Formen – Legitimation – Repräsentation, Stuttgart 2003, S. 305–378. Schirmer, Uwe: Kursächsische Staatsfinanzen (1456–1656). Strukturen, Ver­ fassung, Funktionseliten, Stuttgart 2006. Schirmer, Uwe: Der ernestinische und albertinische Landadel in der Zent­ ralverwaltung der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen (1525–1586), in: Schattkwosky, Martina (Hg.): Die Familie von Bünau – Adelsherrschaf­ ten in Sachsen und Böhmen vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Leipzig 2008, S. 191–214. Schirmer, Uwe: Entwicklung, Ausbreitung und Verfestigung des Direk­ tionsprinzips in der kursächsischen Montanwirtschaft (1470–1624), in: Westermann, Angelika/Westermann, Ekkehard (Hg.): Wirtschafts­ lenkende Montanverwaltung – fürstlicher Unternehmer – Merkantilismus. Zusammenhänge zwischen der Ausbildung einer fachkompetenten Beam­ tenschaft und der staatlichen Geld- und Wirtschaftspolitik in der Frühen Neuzeit, Husum 2009, S. 145–158. Schirmer, Uwe: Die Staatsverschuldung Kursachsens im 16. Jahrhundert – Anmerkungen zur sozialen, regionalen und institutionellen Herkunft der Gläubiger, in: Rauscher, Peter/Serles, Andrea/Winkelbaucher, Tho­ mas (Hg.): Das Blut des Staatskörpers. Forschungen zur Finanzgeschichte der Frühen Neuzeit, München 2012, S. 391–434. Schirmer, Uwe: Das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Erzgebirge als Wirt­ schafts- und Sozialregion (1470–1550), in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Das Erzgebirge im 16. Jahrhundert. Gestaltwandel einer Kulturlandschaft im Reformationszeitalter, Leipzig 2013, S. 45–76. Schirmer, Uwe: Zank und Streit seit Anbeginn: Das konfliktreiche Verhältnis zwischen dem ernestinischen Kurfürsten Friedrich III. und dem albertinischen Herzog Georg (1500–1508), in: Greiling, Werner/Müller, Gerhard/ ders./Walther, Helmut G. (Hg.): Die Ernestiner: Politik, Kultur und gesellschaftlicher Wandel, Köln/Weimar/Wien 2016, S. 73–92. Schlesinger, Walter: Die Landesherrschaft der Herren von Schönburg. Eine Studie zur Geschichte des Staates in Deutschland, Münster/Köln 1954. Schlögl, Rudolf: Interaktion und Herrschaftsbildung. Probleme der politischen Kommunikation in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Stollberg-Rilinger,

396

Anhang

Barbara (Hg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? Berlin 2005, S. 115–127. Schlögl, Rudolf: Politik beobachten: Öffentlichkeit und Medien in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 35,4 (2008), S. 581–616. Schlögl, Rudolf: Hierarchie und Funktion. Zur Transformation der strati­ fikatorischen Ordnung in der Frühen Neuzeit, in: Füssel, Marian (Hg.): Soziale Ungleichheit und ständische Gesellschaft: Theorien und Debatten in der Frühneuzeitforschung, Frankfurt am Main 2011, S. 47–63. Schlögl, Rudolf: Vergesellschaftung unter Anwesenden in der frühneuzeit­ lichen Stadt und ihre (politische) Öffentlichkeit, in: Schwerhoff, Gerd (Hg.): Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2011, S. 29–38. Schlögl, Rudolf: Anwesende und Abwesende. Grundriss für eine Gesell­ schaftsgeschichte der Frühen Neuzeit, Konstanz 2014. Schlögl, Rudolf: „Krise“ als historische Form der gesellschaftlichen Selbstbe­ obachtung, in: ders./Hoffmann-Rehnitz, Philip R./Wiebel, Eva (Hg.): Die Krise in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2016, S. 9–32. Schmidt, Reinhard: Die ältere Geschichte des Oberbergamtes Freiberg, in: Naumann, Friedrich (Hg.): Georgius Agricola – 500 Jahre/wissenschaftliche Konferenz vom 25.–27. März 1994 in Chemnitz, Freistaat Sachsen, Basel/ Boston/Berlin 1994, S. 220–227. Schmidt, Reinhard: Die Familie von Schönberg und das Sächsische Ober­ bergamt, in: Sahrer von Sahr von Schönberg, Marion (Hg.): Die Geschichte der Familie Von Schönberg. Ausstellung der Von Schönberg’schen Stiftung, Nossen 2004, S. 32–66. Schmidt, Friedrich August: Diplomatische Beiträge zur sächsischen Geschichte, Bd. 1, Dresden/Leipzig 1893. Schneidmüller, Bernd: Briefe und Boten im Mittelalter. Eine Skizze, in: Lotz, Wolfgang (Hg.): Deutsche Postgeschichte. Essays und Bilder, Berlin 1989, S. 10–21. Schnitzer, Claudia: Höfische Maskeraden. Funktion und Ausstattung von Verkleidungsdivertissements an deutschen Höfen der Frühen Neuzeit, Tübin­ gen 1999. Schönberg, Rüdiger Frhr. von: Die Geschichte der Familie von Schönberg in Sachsen, in: Sahrer von Sahr von Schönberg, Marion (Hg.): Die Geschichte der Familie Von Schönberg. Ausstellung der Von Schönberg’schen Stiftung, Nossen 2004, S. 11–31. Schorn-Schütte, Luise: Zwischen „Amt“ und „Beruf “: Der Prediger als

Quellen- und Literaturverzeichnis

397

Wächter, „Seelenhirt“ oder Volkslehrer. Evangelische Geistlichkeit im Alten Reich und in der schweizerischen Eidgenossenschaft im 18. Jahrhundert, in: Sparn, Walter/dies. (Hg.): Evangelische Pfarrer. Zur sozialen und politi­ schen Rolle einer bürgerlichen Gruppe in der deutschen Gesellschaft des 18. bis 20. Jahrhunderts, Stuttgart/Berlin/Köln 1997, S. 1–35. Schorn-Schütte, Luise: Glaube und weltliche Obrigkeit bei Luther und im Luthertum, in: Walther, Manfred (Hg.): Religion und Politik. Zu Theo­ rie und Praxis des theologisch-politischen Komplexes, Baden-Baden 2004, S. 87–103. Schorn-Schütte, Luise: Obrigkeitsverständnis im Luthertum des 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Begriff und Wirkung, in: Spehr, Christopher/ Haspel, Michael/Holler, Wolfgang (Hg.): Weimar und die Reformation. Luthers Obrigkeitslehre und ihre Wirkungen, Leipzig 2016, S. 107–117. Schreiber, Georg: Daniel im Berg­bau, in: Der Anschnitt. Zeitschrift für Kunst und Kultur im Berg­bau 5 (1953), S. 12–13. Schreiber, Georg: Der Berg­bau in Geschichte, Ethos und Sakralkultur, Opla­ den 1962. Schreiter, Julia: Frauen im Erzbergbau – dargestellt am Beispiel des Erz­ gebirges: Eine Analyse des Forschungsstands, in: Ingenhaeff, Wolfgang/ Bair, Johann (Hg.): Berg­bau und Alltag: 7. Internationaler Montanhisto­ rischer Kongress Hall in Tirol 2008. Tagungsband, Wien 2009, S. 257–278. Schulze, Winfried: Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normen­ wandel in der ständischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, München 1987. Schürch, Isabelle: Der Bote ist nicht allein. Historisch-anthropologische Überlegungen zu einer beliebten Figur, in: Internationales Archiv für Sozi­ algeschichte der deutschen Literatur 39/2 (2014), S. 388–403. Schurtz, Heinrich: Die Pässe des Erzgebirges, Leipzig 1891. Schwab, Irina: Aufsicht und Förderung: Der Leipziger Kreis 1547–1835, in: Sächsisches Staatsministerium des Innern (Hg.): Bewegte sächsische Region. Vom Leipziger Kreis zum Regierungsbezirk Leipzig 1547–2000, Halle 2001, S. 17–37. Schwabenicky, Wolfgang: Hochmittelalterliche Berg­städte im sächsischen Erzgebirge und Erzgebirgsvorland, in: Siedlungsforschung 10 (1992), S. 195– 210. Schwabenicky, Wolfgang: Der hochmittelalterliche Berg­bau bei Gers­ dorf, Gemeinde Tiefenbach (Lkr. Mittweida) und das Kloster Altzella, in: Schattkowsky, Martina/Thieme, André (Hg.): Altzelle: Zisterzienserabtei in Mitteldeutschland und Hauskloster der Wettiner, Leipzig 2002, S. 161–180.

398

Anhang

Schwabenicky, Wolfgang: Berg­städte des 12. bis 14. Jahrhunderts in Sachsen, in: Hoffmann, Yves/Richter, Uwe (Hg.): Die Frühgeschichte Freibergs im überregionalen Vergleich: städtische Frühgeschichte – Berg­bau – früher Hausbau, Halle 2013, S. 211–224. Schwerhoff, Gerd: Öffentliche Räume und politische Kultur in der frühneu­ zeitlichen Stadt: Eine Skizze am Beispiel der Reichsstadt Köln, in: Schlögl, Rudolf (Hg.): Interaktion und Herrschaft. Die Politik der frühneuzeitlichen Stadt, Konstanz 2004, S. 113–136. Schwerhoff, Gerd: Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit – Per­ spektiven der Forschung, in: ders. (Hg.): Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2011, S. 1–28. Schwerhoff, Gerd/Rau, Susanne: Öffentliche Räume in der Frühen Neu­ zeit. Überlegungen zu Leitbegriffen und Themen eines Forschungsfeldes, in: dies (Hg.): Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/ Wien 2011, S. 11–52. Scott, James: Theory and Practice in Early Metalliferous Mining in the Bri­ tish Isles: Some Comments on the State of Geological Knowledge in Tudor and Stuart Times, in: Albion: A Quarterly Journal Concerned with British Studies 5,3 (1973), S. 211–225. Scribner, Robert W.: Mündliche Kommunikation und Strategien der Macht in Deutschland im 16. Jahrhundert, in: Hundsbichler, Helmut (Hg.): Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Wien 1992, S. 183–198. Sebastian, Ulrich: Die Geologie des Erzgebirges, Berlin/Heidelberg 2013. Seng, Eva Maria: Stadt – Idee und Planung. Neue Ansätze im Städtebau des 16. und 17. Jahrhunderts, München/Berlin 2003. Senge, Konstanze/Hellmann, Kai-Uwe (Hg.): Einführung in den Neo-Ins­ titutionalismus. Mit einem Beitrag von W. Richard Scott, Wiesbaden 2006. Sikora, Michael: Der Sinn des Verfahrens. Soziologische Deutungsangebote, in: Stollberg-Rilinger, Barbara (Hg.): Vormoderne politische Verfah­ ren, Berlin 2001, S. 25–51. Sikora, Michael: Adel in der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2009. Simon, Herbert A.: Administrative Behavior. A Study of Decision-Making Processes in Administrative Organization, New York 1947. Simon, Thomas: Krise oder Wachstum? Erklärungsversuche zum Aufkommen territorialer Gesetzgebung am Ausgang des Mittelalters, in: Köbler, Gerhard/ Nehlsen, Hermann (Hg.): Wirkungen europäischer Rechtskultur. Festschrift für Karl Kroeschell zum 70. Geburtstag, München 1997, S. 1201–1217.

Quellen- und Literaturverzeichnis

399

Skogh, Lisa: South, East and North: The Swedish Royal Collections and Dowa­ ger Queen Hedwig Eleonora (1636–1715), in: Bracken, Susan M./Gáldy, Andrea M./Turpin, Adriana (Eds.): Collecting East and West, Newcastleupon-Tyne (2013), S. 119–136. Sladeczek, Martin: Prinzipien der Rechnungsführung städtischer und dörf­ licher Kirchenfabriken in Thüringen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Gleba, Gudrun/Petersen, Niels (Hg.): Wirtschafts- und Rechnungsbücher des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Formen und Methoden der Rech­ nungslegung: Städte, Klöster und Kaufleute, Göttingen 2015, S. 103–118. Slotta, Rainer/Bartels, Christoph: Meisterwerke bergbaulicher Kunst vom 13. bis 19. Jahrhundert, Bochum 1990. Smith, Pamela H.: Art, Science, and Visual Culture in Early Modern Europe, in: Isis 97/1 (2006), S. 83–100. Smith, Pamela H./Beentjes, Tonny: Nature and Art, Making and Knowing: Reconstructing Sixteenth-Century Life-Casting Techniques, in: Renaissance Quarterly 63/1 (2010), S. 128–179. Smith, Pamela H.: Making as Knowing: Craft as Natural Philosophy, in: Smith, Pamela H./Meyers, Amy R. W./Cook, Harold J. (Eds.): Ways of Making and Knowing: The Material Culture of Empirical Knowledge, Ann Arbor 2014, S. 17–47. Smith, Pamela H.: The Codifixation of Vernacular Theories of Metallic Generation in Sixteenth-Century European Mining and Metalworking, in: Valleriani, Matteo (Ed.): Structures of Practical Knowledge, Cham 2017, S. 371–392. Sokoll, Thomas: Berg­bau am Übergang zur Neuzeit, Idstein 1994. Sommer, Wolfgang: Obrigkeitskritik und die politische Funktion der Frömmig­ keit im deutschen Luthertum des konfessionellen Zeitalters, in: Friedeburg, Robert von (Hg.): Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit. Erträge und Perspektiven der Forschung im deutsch-britischen Vergleich, Berlin 2001, S. 245–263. Spittler, Gerd: Abstraktes Wissen als Herrschaftsbasis: zur Entstehungsge­ schichte bürokratischer Herrschaft im Bauernstaat Preußen, in: Kölner Zeit­ schrift für Soziologie und Sozialpsychologie 32 (1980), S. 574–604. Spoerer, Mark: Kultur in der Wirtschaftsgeschichte, Explanandum, Explanans oder Label?, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 94,2 (2007), S. 182–185. Stader, Ingo: Herrschaft durch Verflechtung. Perugia als Kirchenprovinz unter Paul V. (Camillo Borghese, 1605–1621), Freiburg 1997.

400

Anhang

Stollberg, Jochen/Hüttig, Angela: Zwei Bände aus dem Besitz des kur­ fürstlich sächsischen Kammermeisters Hans Harrer im Bestand der Säch­ sischen Landesbibliothek, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 97 (1983), S. 545–547. Stolberg, Michael: Zeit und Leib in der medikalen Kultur der Frühen Neu­ zeit, in: Brendecke, Arndt/Fuchs, Ralf-Peter/Koller, Edith (Hg.): Die Autorität der Zeit in der Frühen Neuzeit, Münster 2007, S. 49–68. Stollberg-Rilinger, Barbara (Hg.): Vormoderne politische Verfahren, Ber­ lin 2001. Stollberg-Rilinger, Barbara: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches, München 2008. Stollberg-Rilinger, Barbara: Einleitung, in: dies./Krischer, André (Hg.): Herstellung und Darstellung verbindlicher Entscheidungen. Verhan­ deln, Verfahren und Verwalten in der Vormoderne, Berlin 2010, S. 9–31. Stollberg-Rilinger, Barbara: Rez. Informelle Strukturen bei Hof, in: Zeit­ schrift für historische Forschung 37,4 (2010), S. 662–663. Stollberg-Rilinger, Barbara: Die Frühe Neuzeit – eine Epoche der For­ malisierung?, in: Höfele, Andreas/Müller, Jan-Dirk/Österreicher, Wulf (Hg.): Die Frühe Neuzeit. Revisionen einer Epoche, Berlin/Boston 2013, S. 3–27. Stollberg-Rilinger, Barbara: Schlusskommentar, in: Brakensiek, Stefan/ Bredow, Corinna von/Näther, Birgit (Hg.): Herrschaft und Verwaltung in der Frühen Neuzeit, Berlin 2014, S. 195–199. Stolleis, Michael: Grundzüge der Beamtenethik (1550–1650), in: Schnurr, Roman (Hg.): Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staa­ tes, Berlin 1986, S. 273–302. Stoob, Heinz: Frühneuzeitliche Stadttypen, in: ders. (Hg.): Die Stadt. Gestalt und Wandel bis zum industriellen Zeitalter, Köln/Wien 1979, S. 195–228. Straube, Wolfgang: Nahrungsmittelhandel im thüringisch-sächsischen Raum zu Beginn der frühen Neuzeit, in: Wiegelmann, Günter/Mohrmann, Ruth-Elisabeth (Hg.): Nahrung und Tischkultur im Hanseraum, Münster/ New York 1996, S. 49–67. Streich, Brigitte: „Amechtmann unde Gewinner …“. Zur Funktion der bürger­ lichen Geldwirtschaft in der spätmittelalterlichen Territorialverwaltung. (Mit besonderer Berücksichtigung der Wettinischen Lande), in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 78,3 (1991), S. 365–392. Strieder, Peter: Art. Erzstufe, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 5., München 1967, Sp. 1408–1417.

Quellen- und Literaturverzeichnis

401

Strieter, Claudia: Aushandeln von Zunft. Möglichkeiten und Grenzen stän­ discher Selbstbestimmung in Lippstadt, Soest und Detmold (17. bis 19. Jahr­ hundert), Münster 2011. Suhling, Lothar: Berg­bau, Territorialherrschaft und technologischer Wan­ del. Prozeßinnovation im Montanwesen der Renaissance am Beispiel der mitteleuropäischen Silberproduktion, in: Troitzsch, Ulrich/Wohlauf, Gabriele (Hg.): Technik-Geschichte. Historische Beiträge und neue Ansätze, Frankfurt am Main 1980, S. 139–179. Suhling, Lothar: Entwicklungen in der Montantechnik der Frühen Neuzeit, in: Kroker, Werner (Hg.): Montantechnologie an historischen Schnittstel­ len, Bochum 1996, S. 52–64. Tacke, Veronika/Drepper, Thomas: Soziologie der Organisation, Wiesba­ den 2018. Teuscher, Simon: Lokale Herrschaft, Verschriftlichung und Traditionsbildung im Mittelalter, Frankfurt am Main 2007. Thalheim, Klaus: Geowissenschaftliche Objekte in der Dresdner Kunstkam­ mer, in: Geo.Alp 11 (2014), S. 259–274. Thiel, Ulrich: Zu den Verbindungen sächsischer Kommunen zur Zeit von Georgius Agricola, dargestellt am Beispiel Freibergs, in: Naumann, Friedrich (Hg.): Georgius Agricola – 500 Jahre, Basel/Boston/Berlin 1994, S. 213–219. Thiel, Ulrich: Die Berg­städte des sächsischen Erzgebirges, in: Hollberg, Cecilia/Marx, Harald (Hg.): Glaube und Macht. Sachsen im Europa der Reformationszeit. Aufsätze, Dresden 2004, S. 91–102. Thiel, Ulrich: Der sächsische Berg­meister Hans Kluge im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 97 (2005), S. 5–10. Thiel, Ulrich: Herzog Heinrichs Verhältnis zu den Städten seines Herrschafts­ gebietes, in: Hoffmann, Yves/Richter, Uwe (Hg.): Herzog Heinrich der Fromme (1473–1541), Beucha 2007, S. 183–198. Thieme, André: Die Ämter Freiberg und Wolkenstein, in: Hoffmann, Yves/ Richter, Uwe (Hg.): Herzog Heinrich der Fromme (1473–1541), Beucha 2007, S. 43–74. Thiessen, Hillard von: Korruption und Normenkonkurrenz. Zur Funktion und Wirkung von Korruptionsvorwürfen gegen die Günstling-Minister Lerma und Buckingham in Spanien und England im frühen 17. Jahrhun­ dert, in: Engels, Jens Ivo/Fahrmeir, Andreas/Nützenadel, Alexander (Hg.): Geld – Geschenke – Politik. Korruption im neuzeitlichen Europa, München 2009, S. 91–120.

402

Anhang

Thiessen, Hillard von: Diplomatie und Patronage. Die spanisch-römischen Beziehungen 1605–1621 in akteurszentrierter Perspektive, Epfendorf 2010. Thiessen, Hillard von: Das Sterbebett als normative Schwelle. Der Mensch in der Frühen Neuzeit zwischen irdischer Normenkonkurrenz und göttlichem Gericht, in: Historische Zeitschrift 295 (2012), S. 625–659. Thiessen, Hillard von: Normenkonkurrenz. Handlungsspielräume, Rollen, normativer Wandel und normative Kontinuität vom späten Mittelalter bis zum Übergang zur Moderne, in: Karsten, Arne/ders. (Hg.): Normenkon­ kurrenz in historischer Perspektive, Berlin 2015, S. 241–286. Thomas, William I./Thomas, Dorothy Swaine: The Child in America. Beha­ vior Problems and Programs, New York 1928. Thomasius, Harald: The Influence of Mining on Woods and Forestry in the Saxon Erzgebirge up to the Beginning of the 19th Century, in: In Commemo­ ration of Georgius Agricola, 1494–1555. Geojournal 32/2 (1994), S. 103–125. Tschudin, Peter F.: Der Basler Buchdruck: Wiege der Hauptwerke Agricolas, in: Mitteilungen des Chemnitzer Geschichtsvereins: Jahrbuch N. F. 3,64 (1994), S. 135–139. Türk, Klaus: Die Organisation der Welt. Herrschaft durch Organisation in der modernen Gesellschaft, Opladen 1995. Türk, Klaus: Organisation als Institution der kapitalistischen Gesellschafts­ formation, in: Ortmann, Günther/Sydow, Jörg/ders. (Hg.): Theorien der Organisation. Die Rückkehr der Gesellschaft, 2. durchgesehene Aufl., Wiesbaden 2000, S. 124–176. Türk, Klaus/Lemke, Thomas/Bruch, Michael: Organisationen in der moder­ nen Gesellschaft. Eine historische Einführung, Wiesbaden 2002. Uhlig, Lothar: Die Verwaltungsgeschichte des Landkreises Annaberg, in: 125 Jahre Landkreis Annaberg 1874–1999, Hg. vom Landratsamt Annaberg, Annaberg-Buchholz 1999, S. 16–164. Ulbrich, Claudia: Unartige Weiber. Präsenz und Renitenz von Frauen im frühneuzeitlichen Deutschland, in: Dülmen, Richard von (Hg.): Arbeit, Frömmigkeit und Eigensinn, Frankfurt am Main 1990, S. 13–42. Ullmann, Sabine: Geschichte auf der langen Bank. Die Kommissionen des Reichshofrats unter Kaiser Maximilian II. (1564–1576), Mainz 2006. Unger, Manfred: Stadtgemeinde und Berg­wesen Freibergs im Mittelalter, Weimar 1963. Valentinitsch, Helfried: Die Berg­rechtsentwicklung im Ostalpenraum in der frühen Neuzeit am Beispiel des Quecksilberbergwerks Idria, in: Festschrift

Quellen- und Literaturverzeichnis

403

für Ernst C. Hellbling zum 90. Geburtstag, Hg. v. Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Salzburg, Berlin 1981, S. 731–742. Van Laak, Dirk: Infra-Strukturgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 27,3 (2001), S. 367–393. Vanja, Christina: Mining Women in Early Modern European Societies, in: Safley, Thomas Max/Rosenband, Leonard N. (Eds.): The Workplace Before the Factory: Artisans and Proletarians, 1500–1800, Ithaca 1993, S. 100–117. Virck, Hans: Die Ernestiner und Herzog Georg von 1500 bis 1508, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 30 (1909), S. 1–75. Vogeler, Georg: Warum werden mittelalterliche und frühneuzeitliche Rech­ nungsbücher eigentlich nicht digital ediert?, in: Baum, Constanze/Stäcker, Thomas (Hg.): Grenzen und Möglichkeiten der Digital Humanities, 2015. DOI:10.17175/sb001_007, letzter Zugriff: 17.09.2020. Volkmar, Christoph: Reform statt Reformation. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen, 1488–1525, Tübingen 2008. Von Reden, Sitta/Wieland, Christian: Zur Einführung: Wasser – Alltags­ bedarf, Ingenieurskunst und Repräsentation zwischen Antike und Neuzeit, in: dies. (Hg.): Wasser. Alltagsbedarf, Ingenieurskunst und Repräsentation zwischen Antike und Neuzeit, Göttingen 2015, S. 9–26. Wächtler, Eberhard: Zur Geschichte des sächsischen Berg­baus, in: Bachmann, Manfred/Marx, Harald/Wächter, Eberhard (Hg.): Der silberne Boden. Kunst und Berg­bau in Sachsen, Stuttgart/Leipzig 1990, S. 28–32. Wagenbreth, Otfried: Der Freiberger Oberbergmeister Martin Planer (1510 bis 1582) und seine Bedeutung für den Berg­bau und das Salinenwesen in Sachsen, in: Sächsische Heimatblätter 33,1 (1987), S. 24–36. Wagenbreth, Otfried: Berg­männische Grabmalkunst, in: Bachmann, Man­ fred/Marx, Harald/Wächter, Eberhard (Hg.): Der silberne Boden. Kunst und Berg­bau in Sachsen, Stuttgart/Leipzig 1990, S. 326–327. Wagenbreth, Otfried/Wächtler, Eberhard: Berg­bau im Erzgebirge. Tech­ nische Denkmale und Geschichte, Leipzig 1990. Wagenbreth, Otfried: Die neue Montantechnik im 16. Jahrhundert – Martin Planers Wirken für den Berg­bau, in: Martin Planer. Sein Leben und seine Zeit. Zur Geschichte des Montanwesens in Sachsen. Herausgegeben von der Sächsischen Landesstelle für Volkskultur/Stadtverwaltung Schneeberg, Schneeberg 1997, S. 5–10. Wagenbreth, Otfried/Wächtler, Eberhard: Der Freiberger Berg­bau. Tech­ nische Denkmale und Geschichte, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg 2015.

404

Anhang

Walser, Robert: Lasst mich ohne nachricht nit: Botenwesen und Informati­ onsbeschaffung unter der Regierung des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, München 2004, URL: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/2796/1/Walser_Robert.pdf, letzter Zugriff: 03.06.2018. Wappler, A. F.: Über die alte Freiberger Berg­- Knapp- und Brüderschaft, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 37 (1900), S. 48–71. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Sozio­ logie, 5. rev. Aufl., Tübingen 1980. Weber, Max: Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpoliti­ scher Erkenntnis, in: ders.: Schriften zur Wissenschaftslehre, Stuttgart 1991, S. 21–101. Weber, Wolfgang E. J.: Herrschafts- und Verwaltungswissen in oberdeutschen Reichsstädten der Frühen Neuzeit, in: Jahrbuch für europäische Verwaltungs­ geschichte 15 (2003), S. 1–28. Weizsäcker, Wilhelm: Mathes Enderlein, in: Sudetendeutsche Lebensbilder 3 (1934), S. 127–132. Wengler, Richard: Bericht des Berg­verwalters Martin Planer über den Stand des Freiberger Berg­baues im Jahre 1570, in: Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins 38 (1898), S. 57–83. Werner, Theodor Gustav: Der Annaberger Bürgermeister und Berg­ bauunternehmer Caspar Kürschner und die Himmlisch Heer Fundgrube: Ein Beitrag zur Geschichte des erzgebirgischen Berg­baues im 16. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte von Annaberg und Umge­ gend 7/24 (1935), S. 5–91. Westermann, Angelika: Entwicklungsprobleme der Vorderösterreichischen Montanwirtschaft im 16. Jahrhundert, Idstein 1993. Westermann, Angelika: Zur vorderösterreichischen Montanverwaltung im 16. Jahrhundert, in: Der Anschnitt 6 (1994), S. 196–201. Westermann, Angelika: Vom adligen Berg­vogt zum landesherrlichen Berg­ richter. Sozialer Aufstieg durch Fachkompetenz in der Vorderösterreichischen Montanverwaltung in der Frühen Neuzeit, in: Schulz, Günther (Hg.): Sozi­ aler Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. München 2002, S. 387–412. Westermann, Angelika: Art. Montanverwaltung, in: Enzyklopädie der Neu­ zeit, Bd. 8, Stuttgart 2008, Sp. 743–745. Westermann, Angelika: Von der Montanregion zur Sozialregion. Zur

Quellen- und Literaturverzeichnis

405

gesellschaftsgeschichtlichen Dimension von „Region“ in der Montanwirt­ schaft, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 95,2 (2008), S. 175–184. Wetzel, Michael: Das schönburgische Amt Hartenstein 1702–1878. Sozial­ struktur – Verwaltung – Wirtschaftsprofil, Leipzig 2004. Wetzel, Michael: Die Schönburger als Berg­herren, in: Agricola Gespräch 18 (2009), S. 21–27, URL: https://www-user.tu-chemnitz.de/~fna/18wetzel. pdf, letzter Zugriff: 17.09.2020. Wetzel, Michael: Der Erzgebirgische Kreis im Ausgestaltungsprozess des frü­ hen albertinischen Territorialstaates, in: Schattkowsky, Martina (Hg.): Das Erzgebirge im 16. Jahrhundert. Gestaltwandel einer Kulturlandschaft im Reformationszeitalter, Leipzig 2013, S. 33–44. White, Harrison C.: Where Do Markets Come From?, in: American Journal of Sociology 87,3 (1981), S. 517–547. Wildenhahn, J.: Das Testament des Marcus Röhling in Annaberg vom 21. April 1581, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umge­ gend. Jahrbuch für 1893–1894 (1894), S. 17–35. Williams, Megan: „Zu Notdurfft der Schreiberey.“ Die Einrichtung der früh­ neuzeitlichen Kanzlei, in: Freist, Dagmar (Hg.): Diskurse – Körper – Arte­ fakte; historische Praxeologie in der Frühneuzeitforschung, Bielefeld 2015, S. 355–373. Williams, Megan: Unfolding Diplomatic Paper and Paper Practices in Early Modern Chancellery Archives, in: Brendecke, Arndt (Hg.): Praktiken der Frühen Neuzeit: Akteure – Handlungen – Artefakte, Köln/Weimar/Wien 2015, S. 496–508. Wilsdorf, Helmut: Berg­bautechnische Neuerungen des 16. Jahrhunderts und ihr Einfluß auf die Gesundheit der Berg­leute, in: Neue Zeitschrift für ärztli­ che Fortbildung 48,9 (1959), S. 778–784. Winkler, Eberhard: Zur Motivation und Situationsbezogenheit der klassischen Leichenpredigt, in: Lenz, Rudolf (Hg.): Leichenpredigten als Quelle histo­ rischer Wissenschaften. Bd. 1, Köln/Wien 1975, S. 52–65. Würgler, Andreas: Fama und rumor. Gerücht, Aufruhr und Presse im Ancien Régime, in: WerkstattGeschichte 15 (1996), S. 20–32. Wunder, Bernd: Verwaltung als Grottenolm? Ein Zwischenruf zur kulturhis­ torischen Verwaltungsgeschichtsschreibung, in: Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte 19 (2007), S. 333–344. Wunder, Heide: „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992.

406

Anhang

Wunder, Heide: „Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert“: zur geschlechtsspezifischen Teilung und Bewertung von Arbeit in der Frühen Neuzeit, in: Hausen, Karin (Hg.): Geschlechterhierarchie und Arbeitsteilung: zur Geschichte unglei­ cher Erwerbschancen von Männern und Frauen, Göttingen 1993, S. 19–39. Yamey, Basil S.: The Index to the Ledger: Some Historical Notes, in: The Accoun­ ting Review 55,3 (1980), S. 419–425. Zander-Seidel, Jutta: Zeichen der Distinktion: Kleidung und Schmuck, in: Hess, Daniel/Hirschfelder, Dagmar (Hg.): Renaissance – Barock. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Nürnberg 2010, S. 151–165. Zemon Davis, Natalie: Women in the Crafts in Sixteenth-Century Lyon, in: Feminist Studies 8,1 (1982), S. 47–80. Ziegler, Hannes: Trauen und Glauben, Affalterbach 2017. Zitzlsperger, Philipp: Dürers Pelz und das Recht im Bild – Kleiderkunde als Methode der Kunstgeschichte, Berlin 2008. Zycha, Adolf: Das Wort ‚Kux‘, in: Zeitschrift für Berg­recht 62 (1921), S. 407– 412. Zymek, Bernd: Geschichte des Schulwesens, in: Helsper, Werner/Böhme, Jeanette (Hg.): Handbuch der Schulbuchforschung, Wiesbaden 2004, S. 203– 237. 3.4 Nachschlagewerke Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854–1961. Kneschke, Ernst Heinrich (Hg.): Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon, Bd. 1, Leipzig 1863. Veith, Heinrich: Deutsches Berg­wörterbuch mit Belegen, Breslau 1871. Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wis­ senschafften und Künste […], 64 Bände und 4 Supplementbände, Halle/Leip­ zig 1732–1754 [hier nach der Onlineausgabe der bayrischen Staatsbibliothek München], URL: https://www.zedler-lexikon.de, letzter Zugriff: 03.06.2018. 3.5 Internetressourcen https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/philosophische-fakultaet/fachbereiche/ aoi/sinologie/forschung/kunyu-gezhi-taixi-shuifa-dfg, letzter Zugriff: 17.09. 2020. http://www.montanregion-erzgebirge.de/welterbe-erfahren/der-wirtschafts standort-erzgebirge.html, letzter Zugriff: 03.06.2018.

Quellen- und Literaturverzeichnis

407

http://www.bergbau.sachsen.de/8177.html, letzter Zugriff: 03.06.2018. https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/16194, letzter Zugriff: 03.06.2018. http://objektkatalog.gnm.de/objekt/Gm1292, letzter Zugriff: 03.06.2018. http://objektkatalog.gnm.de/objekt/Gm1297, letzter Zugriff: 03.06.2018. https://www.augias.net/2017/05/16/8759, letzter Zugriff: 03.06.2018.

408

Anhang

4. Register Orte Altenberg 61, 122, 134, 202, 221, 225, 279 Anhalt 88 Annaberg 13, 15, 32, 56–58, 63, 66–68, 70f., 73, 87–89, 107, 116f., 122, 128, 137, 140–142, 144f., 163, 187, 198, 201–209, 212, 224, 226, 246f., 249, 254, 259, 262, 284, 288, 291, 297, 304f., 307, 310, 315, 317 Augsburg 87, 227 Bautzen 87 Bayern 24, 28, 88, 234 Berggießhübel 61, 240 Berlin 88 Böhmen 13, 39–42, 60, 86–88, 124, 144, 261, 268 Brand 272, 278, 299 Brüx/Most 88 Buchholz 56, 164, 307 Chemnitz 14, 87 Christiansdorf 42 Dippoldiswalde 43, 122 Dorfchemnitz 64f. Dresden 29, 32, 75, 156, 177, 204, 218, 225, 247, 261–263, 274, 293 Egertal 40 Ehrenfriedersdorf 13, 63, 66, 117, 122, 326 Eibenstock 66, 122, 147, 326, 330 Elterlein 307 England 23f., 26, 39, 235, 338, 350 Erfurt 85, 87 Erzgebirgischer Kreis siehe Gebirgischer Kreis Frankfurt a. M. 82, 87, 227 Freiberg 14, 29, 32, 42, 48, 50, 53, 55–57, 61, 65–67, 70, 72f., 85–87, 100f., 104, 111–113, 116–118, 120, 122–124, 128f., 132f., 137–139, 141f., 144f., 162f., 166, 171–175, 177–179, 181, 183–186, 197– 199, 203, 208, 217–223, 225f., 242f., 246, 250, 253, 255, 257–259, 264, 269f., 272, 276, 278, 288, 291f., 295, 299–302, 315, 317f., 324f., 329 Gebirgischer Kreis 32, 71f., 74, 123, 142, 152, 204 Geyer 62f., 66, 120, 122, 139–142, 144, 212, 249, 288, 304, 311, 319, 326 Glashütte 61 Gottesgab/Boží Dar 42 Göttingen 301

Graupen/Krupka 42, 88 Großhartmannsdorf 141 Harz 209 Hartenstein 61 Hessen 144 Hohnstein 117, 175 Innsbruck 142 Joachimsthal/Jáchymov 13, 42, 82, 88, 141, 164, 207 Katharinenberg/Hora Svaté Kateřiny 42 Kleinrückerswalde 142 Köln 87 Komotau/Chomutov 88, 141 Kunersdorf (Conradsdorf ) 141 Leipzig 49, 82, 85, 87, 142f., 206, 250, 262, 276, 295f., 299, 303, 305f., 311 Leipziger Kreis 74 Lößnitz 117 Lübeck 88 Lutterbach 207 Magdeburg 87f. Marienberg 50, 56–58, 66, 73, 87f., 117, 122, 128, 147, 163f., 185, 203f., 225, 246, 268, 288, 304, 307, 317–319, 326 Mark Meißen 152 Meißen 39, 41, 87, 206 Neustädtel 122f. Norwegen 13, 208 Nürnberg 87f., 227 Oberlausitz 152 Oberwiesenthal 66 Oelsnitz 131 Ossegg/Osek 88 Potosí 13 Rom 25, 28, 168 Sächsische Schweiz 40 Sangerhausen 124, 225 Sayda 122 Scheibenberg 66, 288, 307, 326 Schellenberg, Amt 223 Schlesien 88 Schlettau 142 Schneeberg 14f., 39, 43, 49, 56f., 66f., 81f., 104– 106, 122f., 131, 133f., 136, 147, 150, 158, 166f., 185,

Register 198, 201, 206, 225f., 246, 253f., 262, 277, 288, 304–311, 316, 318f., 326–328, 330 Schreckensberg siehe auch Annaberg 198, 206, 253, 289, 291, 311f. Schwarzenberg 66, 326 Schwaz 13, 54, 142 Schwerin 88 Siebenlehn 122 Spanien 283 Stettin 88 Tharandt, Amt 223 Thum 139 Thüringen 88, 152 Tirol 13, 202 Torgau 87, 315, 323 Vogtland 40 Waldeck 209 Wien 27f., 351 Wolfstein 142 Wolkenstein 58, 288, 317 Wolkenstein, Amt 50, 66 Zwickau 122, 134 Namen Agricola, Georg 14, 266, 286, 335, 339 Albinus, Petrus 41 Alnpeck, Apollonia 137f., 141 Alnpeck, Bastian 141 Anna von Dänemark 172 Anna von Sachsen 172 Appelfelder, Hans 129 August von Sachsen 61–65, 71, 74, 120, 123, 127f., 133, 165–168, 172, 174–178, 183f., 188, 204, 218, 221, 225, 267f., 279, 317, 323f., 328 Bach, Stefan 249 Beck, Daniel 163 Behm, Christoph 295f. Behm, Hans 295 Bernstein, Hans von 127, 173f., 269, 295f., 323f. Beyer, Adolph 285 Blasbalg, Jakob 137f. Bogner, Simon 72, 100, 104, 120, 124, 162, 175f., 182f., 203, 218f., 230f., 252, 256, 259, 264, 292, 298 Busch, Matthes 164 Carlowitz, Georg von 166 Christian I. von Sachsen 129, 147, 172, 290

409 Christian II. von Sachsen 154 Cranwieder, Cunz 176 Creuzing, Hans 58 Cuntz, Christoph Frantz 136f. Drechsel, Michel 134 Drechsel, Nicol 133f., 136, 167, 326f., 330 Eckert, Georg 178 Ehrlich, David 173 Einsiedel, Haubold von 269, 323f. Elterlein, Hans von 202f. Emmerich, Paul 173 Ferdinand I. (Kaiser) 140, 146 Ferdinand II. (Kaiser) 268 Ferdinand III. (Kaiser) 172 Franck, Christof 163 Friedrich III. von Sachsen 49 Funke, Hans 150 Gähl, Merten 104 Georg von Sachsen 49f., 56–58, 61, 67, 105f., 203, 255, 304 Gersdorff, Heinrich von 71, 74, 142, 267 Gersdorff, Rudolph von 142 Gottschalck, Paul 163 Greuß, David 108, 127f., 166, 178, 181, 225, 249 Greuß, Martin 128 Gross, Niclas 85 Grübler, Johann Samuel 145 Hacker, Caspar 163 Hacker, Gregor 163 Hacker, Margarethe 141 Hacker, Stefan 141 Hafftenstein, Michel 105–107 Hahn, Wolf 163 Harrer, Hans 176, 316–320, 324 Hartitzsch, Hans von 64f. Hase, Burghard 129 Haselberg, Johann 208 Heinrich von Sachsen 50, 56, 58f., 203 Helbig, Simon 163 Hertzog, Egidi 249 Hiller, Georg 163 Hörnigk, Jacob 181f. Hoffmann, Andres 105, 178, 183 Hohnstein, Grafen von 207 Holtschuch, Christoff 163 Hönn, Georg Paul 335 Huber, Merten 163

410 Jenitz, Johann 290f. Johann von Sachsen 49, 105f., 304 Johann Friedrich I. von Sachsen 119 Junghans, Gottfried 112 Kempfen, Franz 221 Kiehn, Christoph 163 Kittel, Valentin 163 Kluge, Wolf 164 Kohler, Barthel 173 Köler, Valten 163 Kommerstadt, Georg von 168 Kost, Georg 295 Kuhn, Marx 278 Kürschner, Caspar 15 Leuber, Melchior 163 Lincke, Franz 164 Lincke, Joachim 163 Löbel, Hans 134 Lockel, Nickel 259 Loss, Nickel 178 Lotter, Melchior d. Ä. 206 Luhmann, Niklas 20f., 23, 27, 96–98, 189, 228f., 281, 283, 320, 346 Luppoldt, Matthes 62 Maximilian I. (Kaiser) 202 Meimel, Jacoff 178 Meischel, Christoph 137, 243 Meißen, Christoph 147 Möller, Andreas 128, 325 Mordeisen, Ulrich 61 Moritz von Sachsen 47, 70–73, 166, 172, 202– 204, 212, 315 Müller, Caspar 224 Nestler, Merten 178 Niavis, Paulus 39f., 44 Opitz, Hieronymus 163 Orsan, Urban 141 Patzschke, Anna 140 Patzschke, Michael 140 Pepys, Samuel 26, 28 Petzold, Christoph Wolf 103f., 116 Petzschaw, Michel 294 Planer, Jacob 181 Planer, Merten 110, 119, 123f., 127f., 133f., 163, 166, 177–184, 188f., 204, 250, 264, 269–272, 276, 299 Ponickau, Hans von 269, 323f.

Anhang Preußler, Benedix 163 Rabe, Martin 141 Rätz, Nickel 163 Richter, Philipp 163 Richter, Simon 129, 179 Ries, Adam 122 Rode, Christoph 276, 299 Röhling, Familie 139–150, 160, 163f. Röhling, geb. Funke, Christina 147–150 Röhling, Hans (I) 73, 139–141, 143–145, 163, 168, 315 Röhling, Hans (II) 141 Röhling, Lorenz 139 Röhling, Markus (Marx) (I) 140, 143 Röhling, Markus (Marx) (II) 119, 127f., 140–142, 144f., 163, 204, 264, 267, 269, 315 Röhling, Markus (Marx) (III) 140, 143f., 146f. Röhling, Oswald 140 Röhling, Paul (I) 147 Röhling, Paul (II) 147, 224f. Röhling, Sigismund (I) 140–144, 163 Röhling, Sigismund (II) 140, 143f. Röhling, Ulrich 147–150 Röhling, Valentin 139, 141 Römer, Martin 81 Roth, Mattes 128 Roth, Michel 128 Rudolf II. (Kaiser) 140 Rulcken, Christoph 301f. Rülein von Calw, Ulrich 14, 57f., 208 Sack, Antonius 124 Schall von Bell, Johann Adam 14 Schilling, Gregor 173 Schmidt, Paul 131, 166, 304 Schober, Jobst 104 Schönberg, Abraham von 158 Schönberg, Caspar Rudolph von 225 Schönberg, Caspar von 152 Schönberg, Christoph von 103, 118, 154, 159 Schönberg (Familie) 62–65, 128, 145, 152f., 155, 157–160, 191 Schönberg, Georg von 152 Schönberg, Heinrich von 108, 118, 226, 331–334 Schönberg, Lorenz von 108, 118, 125, 127, 129, 133, 172, 178f., 181f., 188f., 225, 249f., 295 Schönberg, Wolf von 109, 118, 125–127, 129, 152, 156, 158, 178, 186, 222f., 225, 264, 269, 287, 291

Register Schönleben, Hieronymus 173 Schönleben, Katharina 111 Schönleben, Michel 128, 132–134, 138, 145, 163, 171–178, 182–184, 249f., 265 Schönleben, Michel d. J. 128, 173 Schröer, Gottfried 248 Schüchen, Christoph 212 Schulz, David 111 Schumann, Franz 163 Silberhansen, Valten 249 Sophie von Brandenburg 129 Spitzelt, Wolf 249 Spodt, Thomas 163 Steinmüller, geb. Röhling, Margaretha 147 Stier, Christoph 209 Stock, Kilian 85f. Strunz, Asmus 163 Stumpfel, Lenhart 65 Stumpfelt, Georg 163f.

411 Thietmar von Merseburg 41 Thylin (Thiel), Margaretha Wolf 138 Trautner, Christoph 163 Ulrich, Thomas 163 Unwirth, Hans 163 Vervecinus (Schöps), Petrus 325 Walritz, Christoph 85 Weber, Max 17, 20, 95, 97–99, 183, 245, 250, 345 Weiß, Nickel 163 Werner, Christoph 108f., 127, 163, 225, 249 Werner, Hans 294 Wiedebach, Apollonia siehe Alnpeck Wiedebach, Georg 137f. Wilhelm, Georg 128 Wolf, Tobias 150 Wurm, Balthasar 290f. Zimmermann, Balter 294 Zötschder, Nicol 134

NORM UND STRUKTUR STUDIEN ZUM SOZIALEN WANDEL IN MITTELALTER UND FRÜHER NEUZEIT Herausgegeben von Peter Landau, Gerd Althoff, Gert Melville, Heinz Duchhardt, Gerd Schwerhoff

Band 51: Petr Hrachovec Reformation als Kommunikationsprozess Böhmische Kronländer und Sachsen 2021. 665 Seiten, mit 75 s/w Abb., gebunden € 80,00 D | € 83,00 A ISBN 978-3-412-51953-7 Auch als E-Book erhältlich Beim Hussitismus bzw. Utraquismus in Böhmen und der reformatorische Bewegung ab 1517 in Sachsen handelt es sich um zwei unterschiedliche Reformationen, jedoch mit einer Fülle von sachlichen und personalen Verbindungslinien. Diese rücken im vorliegenden Band erstmalig in einen gemeinsamen Fokus.

Band 50: Verena Lehmbrock Der denkende Landwirt Agrarwissen und Aufklärung in Deutschland 1750−1820 2020. 309 Seiten, mit 5 s/w Abb., gebunden € 45,00 D | € 47,00 A ISBN 978-3-412-51795-3 Auch als E-Book erhältlich Die Studie zeichnet den Umbruch zwischen enzyklopädisch-klassifizierender und empirisch-forschender Wissenspraxis am Beispiel der Frühgeschichte der Agrarwissenschaft nach.

Band 49: Lennart Pieper Einheit im Konflikt Dynastiebildung in den Grafenhäusern Lippe und Waldeck in Spätmittelalter und Früher Neuzeit 2019. 623 Seiten, mit 15 s/w- und farb. Abb., 1 Karte, 5 Grafiken, gebunden € 90,00 D | € 93,00 A ISBN 978-3-412-51475-4 Auch als E-Book erhältlich Lennart Pieper analysiert anhand der zahlreichen Konflikte in den Grafenhäusern Lippe und Waldeck, wie sich Dynastiebildung vom 15. bis zum 17. Jahrhundert vollzog.

Band 48: Franz-Josef Arlinghaus Inklusion–Exklusion Funktion und Formen des Rechts in der spätmittelalterlichen Stadt. Das Beispiel Köln 2018. 439 Seiten, gebunden € 70,00 D | € 72,00 A ISBN 978-3-412-51165-4 Auch in einer Open Access-Version verfügbar. Das Gerichtswesen der spätmittelalterlichen Stadt erscheint in vieler Hinsicht rätselhaft. Das Buch unternimmt den Versuch, deinige Phänomene zu plausibilisieren, indem es sie auf die Leitunterscheidung von Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit zurückführt.

Preisstand 25.1.2021