Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs: Heraldische Symbolik in italienischen Stadtkommunen des Mittelalters 9783412213756, 9783412204945

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Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs: Heraldische Symbolik in italienischen Stadtkommunen des Mittelalters
 9783412213756, 9783412204945

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Symbolische Kommunikation in der Vormoderne Studien zur Geschichte, Literatur und Kunst Herausgegeben von Gerd Althoff, Barbara Stollberg-Rilinger und Horst Wenzel

Christoph Friedrich Weber

Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs Heraldische Symbolik in italienischen Stadtkommunen des Mittelalters

2011 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Gedruckt mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zgl. Dissertation Universität Münster 2007

© 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Reihenkonzept und Umschlagentwurf: Judith Mullan, Wien Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20494-5

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff . . . . . 1.2.1 Das Wappen des Sieneser Popolo als Beispiel fu¨r die Darstellungsmo¨glichkeiten und Bedeutungsebenen eines kommunalen Wappens . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Das Wappen der Maila¨nder Capitanenfamilie De Pusterla als Beispiel fu¨r die Integration des Pha¨nomens Heraldik in einen Diskurs der kommunalen Geschichtsu¨berlieferung . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Hineinwachsen heraldischer Symbolik in Handlungsund Bedeutungskontexte symbolischer Herrschaftspra¨sentation wa¨hrend des langen 12. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . 2.1 Einleitung: Fahnen als Medien von Triumph und Investitur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Stationen heraldischer Entwicklung am Beispiel Cremonas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die kaiserliche Kreuzfahne als Fahne der Kommune Cremona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Die Wappenlo¨wen der Porte: Multifunktionalita¨t zwischen Systematik und Mythos . . . . . . . . . 2.2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Civilia signa und crux et claves in allegorischer Deutung: Die symbolische Restituierung der Kommune Tortona durch Mailand im Jahre 1155 und die Verleihung der Fahne der Ro¨mischen Kirche an den Bulgarenzaren im Jahre 1204 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX 1 1 20

20

36 52

57 57 88 88 103 111

113

VI

Inhalt

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen: Genua im spa¨ten 12. und 13. Jahrhundert . . . . 2.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Die rote Lehnsfahne der Kommune im spa¨ten 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Die Georgsfahne als Heerfahne und die Kreuzfahne der Kommune als Zeichen von possessio et dominium im fru¨hen 13. Jahrhundert . . . . . . . . . . ¨ hnlichkeit der 2.5 Zusammenfassung: Verschiedenheit und A visuellen Zeichen und symbolischen Gesten . . . . . . . 3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs: Heraldische Symbolik in Podesta`-Herrschaft und Parteienkampf im Spiegel eines Prozesses des 13. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Einleitung: Die Exemplarita¨t eines Aufruhrs im Spiegel ¨ berlieferung . . . . . . . . . . . . eines Sonderfalls der U 3.2 Der Prozeß und seine heraldischen Belege in der Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle: Entste¨ berlieferungs-Chance und Aussahung im Zivilprozeß, U gewert in kulturgeschichtlicher Perspektive . . . . . . . 3.4 Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Die Zeichen der Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Der Adler als heraldisches Symbol der Kommune Todi und die Berufung des Podesta` – das heraldische Wissen des Notars Henrigettus Feliciani . . 3.5.2 Das Familienwappen als Herrschaftszeichen des Podesta` – das heraldische Wissen des beroarius Iohannes Gerardi Paltonerii . . . . . . . . . . . . 3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf – das heraldische Wissen der Notare Henrigettus Feliciani und Delai Venturini von Altedo . . . . . . . . . 3.7 Epilog: Vom Podestariat Bonifaz’ VIII. und den ghibellini di parte ecclesiastica bis zum Faktionskampf auf der Piazza im Jahre 1799 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft in Stadt und Contado . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII

Inhalt

4.2

4.3 4.4 4.5

4.6

4.1.1 Funktionen heraldischer Symbolik in der politischen Praxis: Organisation, Kontrolle und Identita¨tsstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Der Sonderfall Venedig . . . . . . . . . . . . . . . Zeichensysteme im Wandel: Von der sta¨dtischen Wehrordnung zum Herrschaftsinstrument des Popolo . . . . 4.2.1 Die Genueser Flotte des Jahres 1242 – ein Beispiel fu¨r den Wandel einer Wehrordnung . . . . . . . . 4.2.2 Der Secondo Popolo von Florenz . . . . . . . . . 4.2.3 Das Beispiel Prato . . . . . . . . . . . . . . . . . . Their masters voice: die Bezeichnung der die Kommune o¨ffentlich repra¨sentierenden Stadtknechte . . . . . . . . Versorgung und Kontrolle der Einwohner: Das Stadtwappen auf dem Brot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fremdbestimmte Identita¨ten . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 Die Bezeichnung des Contado . . . . . . . . . . . 4.5.2 Die Umbezeichnung einer politischen Klasse: das Verschwinden der Florentiner Magnaten, 1349–1434 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung des Trecento . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Einleitung: Wappen als Ausweis der Legitimita¨t und Illegitimita¨t von Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Identita¨t und Geschichte: Das Stadtwappen als Teil des sta¨dtischen Ursprungsmythos bei Giovanni Villani . . . 5.3 Politik: Das Reichswappen als Gegenstand politischer Debatten und o¨ffentlicher Gewalt: Padua am 14. Februar 1312 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Krieg: Grandissimi fatti d’arme – die Wappenfahne Sienas als Signal in der von der Ehre bestimmten Handlungsfolge eines Kriegszuges im 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . 5.5 Zusammenfassung: Die Geschichtsschreibung und die Narrativita¨t der Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die heraldische Symbolik der Anderen: die italienischen Kommunen im Vergleich mit London und fla¨mischen Sta¨dten . . 6.1 London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Armbrustschu¨tzengilden von Gent und Mecheln . . 6.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII

Inhalt

7. Schluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ berlegungen und Ausblick . . . . . . . 7.1 Abschließende U 7.2 Zusammenfassung: Heraldische Symbolik in italienischen Stadtkommunen des Mittelalters . . . . . . . . . . . . . 7.3 Sintesi: Simbologia araldica nei comuni italiani del medioevo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Summary: Heraldic Symbolism in the Medieval Italian Communes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnenund Siegelbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Institutionen, Reiche und Kommunen . . . . . . . . . . 8.2 Familien und Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

549 550 562

9. Quellen- und Literaturverzeichnis 9.1 Abku¨rzungen und Siglen . . . 9.2 Quellen . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Nicht edierte Quellen . 9.2.2 Edierte Quellen . . . . 9.3 Literatur und Hilfsmittel . . .

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568 568 570 570 570 579

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2006/2007 von der Philosophischen Fakulta¨t der Westfa¨lischen Wilhelms-Universita¨t Mu¨nster als Dissertation angenommen und am 7. Dezember 2007 durch die Rektorin als eine der besten des Studienjahres ausgezeichnet worden. In leicht u¨berarbeiteter Form lag sie im Juli 2008 bis auf das Register druckfertig vor und kann nun, nach dem inzwischen erfolgten Verlagswechsel der Reihe, erscheinen. Der vielfa¨ltigen Unterstu¨tzung, die meine Arbeit erfahren hat, kann der an dieser Stelle zum Ausdruck gebrachte Dank nur anna¨hernd entsprechen. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater Professor Dr. Hagen Keller. Er hat mich durch seinen Rat und seine anregende Begeisterung fu¨r die Welt des Mittelalters in meinem Vorhaben besta¨rkt und mir die Freiheit zu dessen Ausarbeitung gelassen. Herzlich danke ich ¨ bernahme des auch Professor Dr. Martin Kintzinger fu¨r die freundliche U Korreferates. Professor Dr. Gerd Althoff hat die Fo¨rderung der Drucklegung durch den Sonderforschungsbereich 496 befu¨rwortet. Professor Dr. Barbara Stollberg-Rilinger half in entscheidenden Momenten. Sie und mein Doktorvater ermo¨glichten es mir, mein Vorhaben auf dem Medieval History Seminar des GHI Washington am Deutschen Studienzentrum in Venedig zur Diskussion zu stellen und anschließend in einem Aufsatz zusammenzufassen, u¨ber den ich den Weg zum Abschluß der Arbeit fand. In der Zeit des Verlagswechsels setzte sie sich mit Rat und Tat fu¨r mein Anliegen ein. Ihr, Professor Dr. Gerd Althoff und Professor Dr. Horst Wenzel danke ich herzlich fu¨r die Aufnahme des Buches in die von ihnen herausgegebene Reihe. Den Doctores Giovanni Isabella und Theo Riches gilt mein Dank fu¨r ihre Bereitschaft, eine Zusammenfassung der Arbeit ins Italienische beziehungsweise Englische zu u¨bersetzen. Filippo Orsini, Direktor des Archivio storico comunale di Todi, hat durch seine freundliche Unterstu¨tzung die Arbeit mit Quellen aus seinem Archiv mo¨glich gemacht. Maria Pia Mannini, Kuratorin am Museo Civico di Prato, half mit einer Abbildungsvorlage weiter. Den Buchsatz meines Manuskriptes erstellte Peter Kramer,

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Vorwort

beim Bo¨hlau Verlag wurde es von Elena Mohr betreut. In beiden fand ich ebenso freundliche wie kompetente Ansprechpartner. Vom 1. Oktober 1999 bis zum 30. September 2000 ermo¨glichte ein Stipendium des Graduiertenkollegs „Gesellschaftliche Symbolik im Mittelalter“ die Konzipierung meines Vorhabens sowie erste Arbeitsschritte. Die sich anschließende Bescha¨ftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Teilprojekt A1 „Urkunde und Buch in der symbolischen Kommunikation mittelalterlicher Rechtsgemeinschaften und Herrschaftsverba¨nde“ des Sonderforschungsbereichs 496 bot nicht nur materielle Fo¨rderung, sondern auch die fu¨r das Fortschreiten und den erfolgreichen Abschluß des eigenen Projektes nahezu unabdingbare Einbindung in die fruchtbare Diskussionskultur der mu¨nsterschen Geschichtsforschung. Zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben ferner die hervorragenden Arbeitsbedingungen, die jeweils eigene Atmospha¨re und Gastfreundschaft sowie die Vortra¨ge und Diskussionen an Forschungs- und Tagungssta¨tten, von denen vor allem das mu¨nstersche Institut fu¨r Fru¨hmittelalterforschung, das Istituto trentino di cultura mit dem Istituto storico italo-germanico in Trient sowie der International Medieval Congress in Leeds genannt seien. Herzlich danke ich all den Kolleginnen und Kollegen in und außerhalb Mu¨nsters, deren Freundschaft und Interesse diese Arbeit begleitet und gefo¨rdert haben. Mein gro¨ßter Dank gilt meinem Vater Ulrich Weber. Er unterstu¨tzte mit Liebe, Geduld und Fachwissen mein Vorhaben und hat mir dabei gezeigt, wie viel Freude und Erkenntnisgewinn darin liegt, sich im Gespra¨ch mit Geschichte auseinanderzusetzen. Ihm ist dieses Buch gewidmet. Rhynern, am Neujahrstag 2010

Christoph Friedrich Weber

1. Einleitung „Solchergestalt wird es wohl seine gute Richtigkeit haben, daß wir uns selber die Wappen-Kunst schwer machen, und dißfalls nicht anders verfahren, als derjenige, der etwa einen Berg auf eine gantz leichte Art u¨bersteigen ko¨nnte, mit Fleiß aber von einer Klippe und Felsen auf den andern klettert, damit es ihm nehmlich nur recht sauer werden, er auch fein viel Zeit zubringen mo¨ge.“1 „The real fascination of communal history lies in the distinctive character of each city, the subtle product of the interplay of historical and topographical factors. Institutions might be copied from other cities, but fundamentally it was the men of each city who made it politically as well as architecturally, building up a tradition which gradually conferred upon the town its own personality.“2

1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand Heraldik und Kommune sind genuin mittelalterliche Pha¨nomene, die im selben Zeitraum entstanden und ihre Blu¨tezeit erlebten3. La¨ßt sich deshalb auch von einer kommunalen Heraldik wa¨hrend des italienischen Mittelalters reden? Die Beobachtung dient dieser Arbeit als Ausgangspunkt. Die Frage, die sie provoziert, betrifft die wechselseitigen Beeinflussungen zwischen einer politischen Gro¨ße, der ober- und mittelitalienischen Stadtkom1 Johann Heinrich Zedler, Grosses vollsta¨ndiges Universal-Lexicon 52, Leipzig – Halle an der Saale 1747, Sp. 2082. 2 Waley, Orvieto, S. xix. Vgl. Dens., Siena, S. 35: „The resistance of the Sienese to categorization will be reiterated, perhaps ad nauseam, in this book.“ 3 Einstiege in die jeweils generelle Thematik mit weiterfu¨hrenden Hinweisen auf Forschungsstand und -literatur ermo¨glichen zuletzt Scheibelreiter, Heraldik; Milani, ¨ berblicksversuch: Weber, Wappen. Comuni. Vgl. meinen U

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1. Einleitung

mune, und einer auf visuellen Zeichen basierenden Kommunikationsform. Wenn sich, je nach Verlagerung der Perspektive auf einen der beiden Pole dieses Spannungsfeldes, die Frage vertiefen la¨ßt, so kann sich ihre Entfaltung vor allem auf einen Bereich konzentrieren, an dem beide Pha¨nomene wesentlich partizipierten: die symbolische Kommunikation4. Herrschaftspraxis und Gestaltung des Zusammenlebens in Stadt und Contado war Kommunikationsarbeit, die sich in vielfa¨ltigen Formen a¨ußerte. Die Autorisierung von Funktiona¨ren, die im Namen der Stadtgemeinde regierten, die Begegnung mit anderen, gleich- oder ho¨herrangigen Herrschaftstra¨gern in Krieg und Frieden oder die Zuordnung des Einzelnen in sein Umfeld innerhalb des Kosmos einer mittelalterlichen Großstadt von mehreren zehntausend Einwohnern orientierte sich an Handlungsschemata symbolischer Kommunikation. Die Kommune hatte sowohl bestehende Kommunikationsformen zu beru¨cksichtigen und gegebenenfalls zu integrieren, als auch eigene Lo¨sungen zu entwickeln. Wappen wiederum waren nicht nur die graphischen Zeichen, als die man sie heute meist wahrnimmt. Mit einer Vielzahl von Tra¨germedien verbunden, wurden sie in o¨ffentlicher Interaktion zur Geltung gebracht. Im Hoch- und Spa¨tmittelalter war das Wappen zuna¨chst eine Signatur der Macht. Wer es fu¨hrte, zeigte sozialen Status oder politische Entscheidungsgewalt an5. Daher war seine Pra¨senz in der Regel nicht beliebig, sondern verpflichtete zur Kenntnisnahme oder weitergehenden Reaktionen. Entsprechend hoch ist die Relevanz der Wappen fu¨r die Kommunen als Herrschaftstra¨ger einzuscha¨tzen. Gerade in den italienischen Kommunen zeigte sich aber auch eine Ambivalenz zwischen einem symbolischen Versta¨ndnis der Wappen, die appellative Repra¨sentanten von Ehre und Identita¨t waren, und einem recht pragmatischen Umgang mit ihnen nach den Erfordernissen des lebensweltlichen und politischen Alltags6. Ku¨ndigte 4 Vgl. fu¨r die Stadt des spa¨teren Mittelalters am Beispiel von Florenz Trexler, Life, und dazu Schwerhoff, Leben; allgemein zuletzt Stollberg-Rilinger, Kommunikation; Althoff, Macht der Rituale; Ders., Formen; Kintzinger, Interaktion; Spektakel der Macht. 5 Zur davon ausgehenden Ausweitung der Wappenfu¨hrung siehe Paravicini, Gruppe. 6 Sichtbar wird diese Ambivalenz im Umgang mit heraldischer Symbolik insbesondere in den Novellen Franco Sacchettis, in denen einerseits ein Signore seinen Untergebenen fu¨r die ihn entehrende gefahrlose Schma¨hung des feindlichen Wappens bestraft, andererseits ein Podesta` es vorzieht, sich gewinnbringend von seinem konflikttra¨chtigen Wappen zu trennen. Vgl. Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 5, S. 18–20, und 150, S. 472–475. Trexler, Life, S. 17, macht vor diesem Hintergrund auf die aus politischer Benachteiligung motivierten Namensa¨nderungen aufmerksam. Siehe dazu auch unten Kapitel 4.5.2. Giovanni Villanis Erza¨hlung vom Goldfloren zeigt wiederum das Zusammenwirken von symbolischem und materiellen Kapital in der Botschaft eines Medi-

1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand

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sich beispielsweise die Ankunft des Kaisers oder des Ko¨nigs von Neapel an, etikettierte man den o¨ffentlichen Raum der Stadt um, indem man je nach Situation das Wappen des einen von den Mauern schlug und an seine Stelle das des anderen malte7. Die vorliegende Arbeit untersucht die kommunalen Wappen im engeren Sinne, also die heraldischen Zeichen, die fu¨r kommunale Institutionen standen, mit denen Herrschaft im Namen der Kommune ausgeu¨bt wurde und mit denen sich die Gesamtheit oder Gruppen, die beanspruchten, fu¨r diese zu sprechen, identifizierten. Daß dies auch familia¨r-dynastische Wappen miteinschloß, was eine strikte Trennung zwischen „staatlichem“ und „privaten“ Wappengebrauch in den mittelalterlichen Sta¨dten anachronistisch erscheinen la¨ßt, werden insbesondere die Abschnitte der Arbeit zeigen, die sich mit Wappen von Podesta` bescha¨ftigen. Die Familienwappen, die Drudus Marcellinus, Guilielmus de Pusterla oder Comazzo Galluzzi fu¨hrten, besaßen sowohl in der politischen Praxis, als auch in den sta¨dtischen Erinnerungskulturen und Identita¨tsdiskursen Bedeutung. Die unter dem Leitbegriff der „heraldischen Symbolik“ zusammengefaßte Sicht auf Zusammenha¨nge zwischen den kommunikativen Funktionen und Bedeutungsebenen eines Wappens, die meine Interpretation der folgenden Fallbeispiele methodisch bestimmt, wird in dem ¨ berliefesich unmittelbar anschließenden Unterkapitel am Beispiel der U rung zum Wappen des Popolo von Siena demonstriert. Eine weitere Fallstudie zum Wappen der Maila¨nder Capitanen-Familie der De Pusterla,

ums. Fu¨r die Untersuchung der symbolischen, wie auch der pragmatisch-instrumentellen Dimension vormoderner Kommunikationsakte pla¨diert Stollberg-Rilinger, Kommunikation, S. 498. 7 So handelten die Florentiner, nachdem der Gesandte Kaiser Heinrichs VII. ihre Stadt verlassen hatte; La cronica di Dino Compagni, II 35: L’aquile levarono dalle porti, e dove erano intagliate e dipinte; ponendo pena a chi le dipignesse, o le dipinte non ne spegnesse. Nikolaus von Butrinto beklagt sich u¨ber die Illoyalita¨t des Bischofs von Vercelli, der aufgrund der Vermittlung des Luxemburgers zum Bischof geweiht worden war, in seine Stadt zuru¨ckgekehrt jedoch seine Parteinahme fu¨r Robert von Anjou durch das Zeigen von dessen Wappen demonstriert habe; Nicolai episcopi Botrontinensis Relatio, S. 75: Quomodo autem dictus episcopus dicto regi post suam consecrationem et honorem receptum ab eo sibi serviverit et fidelitatem servaverit, insignia regis Roberti in Vercellis posita et in suo hospitio specialiter et per eum et suos, ut fama est, hoc ostendunt. In Parma nahm man 1329 Ru¨cksicht auf den herannahenden Ludwig den Bayern; Chronicon Parmense, S. 201: D’ottobre molti nobili et popolari di Parma, quali havean in le case loro le insegne ne li scuti e nei muri o altrove dipinti l’arme di Carlo re, cioe` i gilij e rastelli, gli fecero raschiare e guastare; et nel palazo comune nel qual in piu` lochi eran dipinte sue arme, di re Carlo, cioe` gilij e rasteli, raschiati, guasti e denigrati furon; e cosı` in tuta la cita` fu demisa la parte guelfa seu ecclesiastica, e divene la parte ghibelina de l’imperio; et in le case del comune et altre furon dipinte le arme et insegne de l’imperio, cioe` un aquilla nigra in campo d’oro seu glario.

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1. Einleitung

das seinen Bezug auf Kaiser Otto IV. mit dem Sieneser Wappen gemein hat, soll den Zugang zu den mo¨glichen Bedeutungsebenen eines Beispiels um die u¨ber die dritte Ebene angesprochene Dimension der Geschichtsu¨berlieferung vertiefen. Diese vernetzbaren Interpretationsmo¨glichkeiten, die der methodische Begriff der „heraldischen Symbolik“ umfaßt, lassen das mittelalterliche Wappenwesen als einen Gegenstand hervortreten, der den Fragestellungen der Neuen Kulturgeschichte in besonderem Maße entspricht. Der soeben umrissene Zugang zum Gegenstand meiner Arbeit sieht sich in seiner Bezugnahme auf die Forschung mit Mißverha¨ltnissen konfrontiert. Auf Seiten der historischen Forschung zur symbolischen Kommunikation und zum Zeichenversta¨ndnis im vormodernen Europa besteht eine lebhafte Diskussion, mit deren Ansa¨tzen sich meine Ausgangsfrage weiterfu¨hren la¨ßt. Das mittelalterliche Wappenwesen – und insbesondere das Wappenwesen in Italien – ist dagegen kaum als eigensta¨ndige Gro¨ße im Rahmen dieser aktuellen Fragestellungen diskutiert worden8. Ein Hauptgrund dafu¨r ist, daß die pra¨zise Rede u¨ber Wappen Kenntnisse verlangt, wie sie die historische Hilfswissenschaft der Heraldik vermitteln sollte. Befindet sich diese in einem Zustand weitgehender Abkoppelung vom aktuellen Diskurs der Geschichtsforschung, wie er gegenwa¨rtig vorzuliegen scheint, fu¨hrt dies zu Verzeichnungen auf beiden Seiten. So muß der Historiker etwa mit den Regeln der Wappenbildung vertraut sein, um den Quellenwert der mittelalterlichen Beschreibung eines heraldischen Zeichens oder seines Tra¨germediums richtig einscha¨tzen zu ko¨nnen. Andernfalls ko¨nnte ein Zeichen leicht unverstanden bleiben, u¨berbewertet oder durch eine falsche Identifizierung fehlgedeutet werden. Der klassische Heraldiker, Sphragist, Numismatiker oder Kunsthistoriker neigt wiederum zur Katalogisierung und Verwaltung von Wappenbildern. Ihn interessieren, zugespitzt gesagt, vor allem die Genese und vergleichende Beschreibung der aus ihren historischen Kontexten herausgelo¨sten Zeichen9. 8 Dies zu konstatieren hat jedoch schon Tradition; vgl. Dupre` Theseider, Stemmi, S. 311f.; Paravicini, Gruppe. In seinem fu¨r den akademischen Unterricht zusammengestellten Kompendium, das sich an den Ergebnissen der neueren Forschungen zu den italienischen Stadtkommunen orientiert, streift Trevor Dean das Wappenwesen nur kurz unter der Rubrik „Images in the city“, die sich hauptsa¨chlich mit Kult- und Schandbildern bescha¨f¨ berblicken Erwa¨htigt; The Towns of Italy, S. 7. Daß das Pha¨nomen erkannt ist und in U nung findet, jedoch nicht eigens untersucht wird, scheint mir charakteristisch fu¨r den gegenwa¨rtigen Forschungsstand zu sein. Siehe dazu die Problemskizze von Seiler, Heraldik. 9 Vgl. bereits kritisch Pastoureau, Armoiries, bes. S. 54; Paravicini, Gruppe, S. 341f.

1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand

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Vollends zwischen die Stu¨hle der Disziplinen gera¨t man, wenn man Wappen nicht als zeitlos konstante und in ihrer Aussage eindeutig determinierte Zeichen aus der Sachu¨berlieferung auffaßt, sondern sie in den verschiedenen Formen und Funktionen untersucht, von denen die mittelalterlichen Schriftquellen berichten. Das Bild, das sich dabei von den Zeichen als Kommunikationsmedien ergibt, ist na¨mlich keinesfalls eindeutig. Auch auf die Wappen trifft das zu, was die Media¨vistik als charakteristisch fu¨r das mittelalterliche Zeichenversta¨ndnis und den Zeichengebrauch herausgearbeitet hat: Durch ihre Eigengesetzlichkeit und konkrete Handlungskontexte bestimmt, waren sie als visuelle Zeichen zugleich offen gegenu¨ber Deutungen, deren Relevanz von der Deutungsmacht ihrer Beschreiber abhing10. Daß Wappen die gesellschaftlich bestimmte Identita¨t, im Sprachgebrauch der Zeit: die Ehre ihrer Besitzer symbolisier¨ berlieferung. Ihre Bedeutung ten, beeinflußte die Art und Weise ihrer U in der Gegenwart sollte im Wappen des Stifters die Zukunft beeinflussen und gema¨ß der Deutung des Geschichtsschreibers in der Vergangenheit angelegt sein. Im Wappen ließ sich die Identita¨t der eigenen Gemeinschaft oder Institution aufwerten und die des Gegners nach den gleichen Regeln angreifen. Daß dies auf der Zeichenebene nach offenen Katego¨ hnlichkeit, erfolgte und auch die Imaginatiorien, wie dem Prinzip der A nen mit einschloß, weist die Wahrnehmung des Wappenwesens als exemplarisch fu¨r mittelalterliche Ordnungsvorstellungen aus, hat sie jedoch aus Sicht der a¨lteren Forschung als etwas schwer Greifbares und damit Fiktives oder Nebensa¨chliches erscheinen lassen11. So wußte man mit den ha¨ufig in historischen Quellen begegnenden Wappenzuschreibungen und -deutungen mehr oder weniger fiktionalen Charakters kaum mehr anzufangen, als sie als Fabeleien der Chronisten abzutun12. Auch die traditionelle Heraldik der Neuzeit, zu deren Hauptzielen die ‚korrekte‘ Identi10 Vgl. Bedos-Rezak, Identity; Dies., Difformitas; Groebner, Schein; Weber, Sprache. 11 Zur wissensvermittelnden Leistung von Geschichtsbildern, Imaginationen und anderen Ordnungsvorstellungen im Mittelalter siehe Oexle, ‚Wirklichkeit‘; Kintzinger, Wissen, bes. S. 32f. und 53; zur ru¨ckwirkenden „Welterfassung“ siehe Keller, Ordnungsvorstellungen, zur Narrativita¨t als Gegenstand der Kulturgeschichte Rexroth, Meistererza¨hlungen. 12 Dagegen wu¨rde es sich lohnen, die historische Relevanz dieser imagina¨ren Heraldik als Teil der auf gemeinsamen Denkformen und Funktionen beruhenden vormodernen Zeichen-Diskurse herauszuarbeiten. Eine fiktive Genealogie oder ein imagina¨res Wappen besitzen in diesem Sinne einen Aussagewert als Quellen fu¨r das Umfeld, in dem sie entstanden sind oder u¨berliefert wurden. Die Erforschung der Imaginationen verlangt wiederum grundsa¨tzliche methodisch-begriffliche Vergewisserungen. Vgl. jetzt Kellner, Fiktionen. Fu¨r Mailand hat Busch, Geschichtsschreibung, in mustergu¨ltiger Weise die ¨ ber Funktionen imaginierter Geschichtsbilder in der Historiographie herausgearbeitet. U die sich anschließenden Studien, die vergleichend den Umgang mit Geschichte in italieni-

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1. Einleitung

fizierung und Blasonierung von Wappen geho¨rt, hat mit der Offenheit mittelalterlicher Wappen nicht viel anzufangen gewußt. Davon betroffen waren nicht nur Wappenbilder, die gegen die als geschlossenes System im Sinne der Moderne verstandenen heraldischen Regeln verstießen, und sich aus der Sicht neuzeitlicher Heraldiker selbst als Regelversto¨ße diskreditierten13. Umgekehrt kam man aber auch bei den Versuchen, allein aus dem Zeichencharakter mittelalterlicher Wappen Gru¨nde fu¨r deren Entstehung abzuleiten, nicht weiter. ¨ ffentlichkeit und GeschichtsdarstellunWappen werden zudem in O gen immer noch meist als exklusive Ausdrucksformen von Rittertum und Adel angesehen. Das Vorhaben dieser Arbeit, sich mit dem Bild des Wappenwesens in mittelalterlichen ‚Sta¨dterepubliken‘ zu befassen, das die Schriftquellen zeichnen, mag aus dieser Sicht doppelt befremdlich erscheinen. Wie sehr die jeweilige Quellengattung und das Erkenntnisinteresse des Forschers die Einscha¨tzung eines Wappens bestimmen ko¨nnen, das sich ¨ berlieferung gerade nicht als isoliertes Zeichen findet, kann die in der U beru¨hmte Florentiner Wappenlilie verdeutlichen. So wertet die Numismatik die Silbermu¨nze, die die Arnostadt seit dem fru¨hen 13. Jahrhundert in autonom verantworteter Aneignung des Mu¨nzrechtes pra¨gen ließ, als Ausdruck außergewo¨hnlichen kommunalen Selbstbewußtseins. Mit den jeweiligen Umschriften S·IOHANNE·B· und FLORENTIA  zeigt sie das Bild des Stadtpatrons, sowie, als einer der fru¨hesten Belege des sta¨dtischen Wappenbildes, die Florentiner Lilie mit den beiden charakteristischen Staubfa¨den14. (Taf. 1) Der Bezug zwischen Bild und Umschrift erkla¨rt die Wahl des ‚redenden‘ heraldischen Zeichens: Die im schen Kommunen in den Blick nehmen, informiert Ders., Ru¨ckprojektion. Daß Busch, Geschichtsschreibung, S. 147 passim, von den besagten kleinen Formen der Geschichtsu¨berlieferung als „Geschichtsfabeln“ und „Wandersagen“ spricht, ko¨nnte jedoch falsch verstanden werden, da mit diesen Begriffen in der Geschichtsforschung aus der Zeit des Historismus den entsprechenden Quellen oft jeglicher Wert abgesprochen wurde. Gleiches gilt fu¨r die „Fabelheraldik“ bei Scheibelreiter, Heraldik, S. 152ff., als Entsprechung zu dem von Pastoureau mit der Begrifflichkeit der ‚Annales‘ gebildeten Begriff der „he´raldique imaginaire“. Sowohl als literarischer Gattungsbegriff, wie auch als Werturteil des Positivismus besetzt, kann der Begriff der Fabel zu Mißversta¨ndnissen fu¨hren, die den genannten Erkenntnisinteressen und Forschungsleistungen zuwider liefen. 13 Beispiele bei Scheibelreiter, Heraldik, S. 38 und 149. 14 Engel – Serrure, Traite´, 2, S. 789 und 799f. mit Fig. 1267, mit Bezug auf Vincent Promis, der den Beginn der Florentiner Mu¨nzpra¨gung auf das Jahr 1189 datiert. Davidsohn, Forschungen 4, S. 318ff., fu¨hrt dagegen aus, daß sich der Silberfloren in den Schriftquellen seit 1237 nachweisen lasse und auch erst seit dieser Zeit geschlagen worden sei. Zuvor ha¨tte man in Florenz Luccheser und Pisaner denarii benutzt, um nun die bisherige Rechenmu¨nze des zwo¨lf Denaren entsprechenden solidus als grossus de argento zu pra¨-

1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand

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biblisch gepra¨gten mittelalterlichen Imaginarium als Blume schlechthin geltende Lilie, die in ihrer stilisierten Form gut wiederzuerkennen ist, verbildlicht den Namen der Stadt15. Im Kontext der konventionellen Mu¨nzbilder der Zeit, der Kreuze, Monogramme oder Bilder von Bischofsheiligen, erweist sich diese ungewo¨hnliche Zeichenwahl als ebenso zukunftsweisend, wie die seit 1252 erfolgte Pra¨gung des fiorino d’oro, der die gleichen Mu¨nzbilder tragen sollte16. Dagegen wertete Richard C. Trexler dasselbe Wappenbild als Beleg fu¨r seine These von der „flood of cultural importation“, mit der sich das angeblich weitgehend geschichts-, ordnungs- und ehrlose Florenz der popolaren Kaufleute eine eigene Identita¨t aus der Symbolik seiner feudal und sakral bestimmten Umwelt zusammengesucht habe17. So habe sich die Stadt auch die Wappenlilie der Kape-

gen. Seit wann es jedoch die kleinsten Florentiner Scheidemu¨nzen, die denarii florinorum parvorum (fiorini piccoli) gab, la¨ßt er an dieser Stelle offen. 15 Vgl. Crollalanza, Enciclopedia, S. 319f. s. v. „Giglio di Firenze“ und S. 315–319 s. v. „Giglio“ mit der Aussage: „La storia del giglio e` tanto inerente alla storia della monarchia francese, che il lettore ci perdonera` se ci occupiamo piu` particolarmente del giglio delle arme di Francia.“ Pastoureau, Traite´, S. 160; Ders., Histoire, S. 99–110 und 360–364: ¨ berar„Une fleur pour le roi. Jalons pour une histoire me´die´vale de la fleur de lis“ (U beitung zweier Beitra¨ge von 1991 und 1997). Vgl. auch Dante da Maianos Sonett ‚Rosa e giglio‘ und Bonvesin da la Rivas ‚Disputatio rosae cum viola‘; Poeti del Duecento 1, S. 479 und 671–681. 16 Giovanni Villani, Nuova Cronica, VII 53, Bd. 1, S. 345ff., mit der bemerkenswerten Geschichte von der Deutung des Goldfloren vor dem Emir von Tunis, die der Chronist von dem beteiligten Pera Balducci, seinem spa¨teren Kollegen im Priorenamt erfahren haben will. Die Evidenz des Mu¨nzwertes strafte darin die abwertenden Klassifizierungen der anwesenden Pisaner, aus deren Schatten die Florentiner als Handelsmacht traten, Lu¨gen und veranlaßte den Herrscher, den ihm bis dahin unbekannten Florentinern großzu¨gige Privilegien einzura¨umen. Als Kommunikationsmedium ‚funktionierte‘ die Goldmu¨nze demnach mittels einer wechselseitig aufwertenden Beglaubigung ihres materiellen Wertes und ihrer multiformen Bezeichnung mit symbolischen Repra¨sentanten der Florentiner Identita¨t (Stadtname, -heiliger, -wappenbild). Vgl. Trexler, Life, S. 71, 116 und 261f. 17 Das Zitat nach Trexler, Libro Ceremoniale, S. 14. Seine Interpretation der in o¨ffentlicher Interaktion erzeugten Florentiner Identita¨t, die die Florenz-Forschung nach wie vor beflu¨gelt, entfaltet neben wichtigen Beitra¨gen das Hauptwerk: Ders., Life, bes. S. 1–43; dazu Schwerhoff, Leben, S. 37f., 41f. und 48. Trexler macht damit fu¨r das Florenz des 14. und 15. Jahrhunderts auf ein Grundproblem kommunaler Geschichte aufmerksam, das auch die Fru¨hzeit seit dem 11. Jahrhundert bescha¨ftigte: Die auf dem Willen der durch den gemeinsamen Eid zusammengeschlossenen Gemeinschaft beruhende Kommune bestand neben traditionalen lebensweltlichen Strukturen und herrschaftlichen Ordnungen und befand sich meist sogar in Konflikt zu ihnen. Die politischen Wechsel des 13. Jahrhunderts fu¨hrten sicherlich zu Traditionsbru¨chen. Das bedeutet meiner Ansicht nach jedoch nicht, daß die um 1300 ta¨tigen Produzenten kommunaler Identita¨t ein vo¨lliges „lack of tradition“, ebenda S. 13, vorfanden. Vgl. Keller, Stadtkommunen.

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tinger und ihre Parte Guelfa sogar das Wappen eines Papstes angeeignet18. Daß Clemens IV. der institutionalisierten Guelfenpartei sein Wappen verliehen habe, geho¨rte, unabha¨ngig von der Historizita¨t des Ereignisses, in der Tat zum Wissensbestand eines Florentiners des 14. Jahrhunderts19. Sichtbar war dieses von Giovanni Villani beschriebene Wappenbild unter anderem auf dem Siegel der Parte Guelfa. (Taf. 2) Trexlers Ableitung des giglio fiorentino von dem wohl prominentesten Lilienwappen des Mittelalters ist jedoch unhaltbar. Wahrscheinlich im gleichen Zeitraum wie das der Stadt Florenz entstanden, findet sich das Wappen der Kapetinger in der Sachu¨berlieferung ebenfalls erst im fru¨hen 13. Jahrhundert20. Und erst seit 1288, von Karl II. von Neapel im Folgejahr besta¨tigt, sollte die guelfische Kommune das Wappen der Anjou als Teil ihres Wappenensembles fu¨hren21. Die Ableitung des kommunalen aus dem ko¨niglichen Wappenbild durch den amerikanischen Forscher legt die Vermutung nahe, daß er sich von einer bereits angesprochenen Denkform der Moderne leiten ließ, der Einordnung eines Zeichens in ein auf Hierarchie und Ausschließlichkeit beruhendes System. Zudem assoziierte er mit dem Wappengebrauch anscheinend Sozialformen wie den Adel oder Herrschaftsformen wie die Monarchie. Da Trexlers Florenz der Zeit um 1300, mit dessen Tableau seine Untersuchung beginnt, ein melting pot gewesen sein soll, dessen Einwohner als Individuen und als Kollektiv kaum eigene, legitimita¨tsstiftende Traditionen mitbrachten, sondern gezwungen waren, ihre Identita¨ten auf kommunaler Ebene in sozialer Interaktion selber zu ‚machen‘, 18 Trexler, Life, S. 41, ohne Beleg: „The city adopted the giglio or fleur-de-lis of the Capetians, just as the Parte Guelfa made the blazon of a pope its own.“ Vielleicht steht hinter dem Gedankengang die Omnipra¨senz der franzo¨sischen Lilien in den Ra¨umen des Palazzo Vecchio? Diese stammen meist aus der Zeit der spa¨ten Republik und wurden mo¨glicherweise unter den Großherzo¨gen belassen, weil diese eine palla ihres Familienwappens mit dem Wappen Frankreichs belegen durften. Auch dies ist in der Ausstattung des Palastes abgebildet. 19 Giovanni Villani, Nuova Cronica VIII 2, Bd. 1, S. 407f.: e volle il detto papa che per suo amore la parte guelfa di Firenze portasse sempre la sua arme propia in bandiera e in suggello, la quale era, e e`, il campo bianco con una aguglia vermiglia in su uno serpente verde, la quale portarono e tennero poi, e fanno insino a’ nostri presenti tempi; bene v’hanno poi agiunto i Guelfi uno giglietto vermiglio sopra il capo dell’aquila. Bereits abgebildet bei Stro¨hl, Atlas, Tafel LVIII, Fig. 11. Die mangels a¨lterer Belege zu konstatierende Unhintergehbarkeit der Geschichte betont Galbreath, Heraldry, S. 73f. Zur Parte Guelfa von Florenz vgl. allgemein Finiello Zervas, Parte Guelfa. Eine zeitgleiche ikonographische Parallele bietet ein Lesepult aus dem Hildesheimer Domschatz in Form eines Adlers, der einen Drachen packt; Dee´r, Adler, S. 93f., Abb. 49. 20 Pastoureau, Traite´, S. 161f.; vgl. Kintzinger, Reiter, S. 330. 21 Giovanni Villani, Nuova Cronica, VIII 124, Bd. 1, S. 591: e in quella oste e cavalcata si diede di prima la ’nsegna reale dell’arme del re Carlo, e ebbela messer Berto Frescobaldi, e poi sempre l’usarono i Fiorentini in loro oste per la mastra insegna.

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du¨rfte es fu¨r ihn naheliegend gewesen sein, der heraldischen Symbolik des franzo¨sischen Ko¨nigtums, mit der fu¨r ihn das Wappenbild der Lilie generell besetzt zu sein scheint, einen gegenteiligen Charakter zuzuschreiben22. Dabei lassen sich die fleur de lis und der giglio fiorentino zum Zeitpunkt ihrer Fixierung als Wappenbilder gewiß nicht in ein heraldisches System einordnen, in dem sie verbindlich aufeinander bezogen wa¨ren. Spa¨tere Pra¨senz des ko¨niglichen Wappens im kommunalen Umfeld, wie in dem als Schildhaupt der Guelfen gefu¨hrten Anjou-Wappen, setzten die Unterscheidbarkeit der Wappenbilder voraus, die kombiniert oder nebeneinander gezeigt wurden. Durch die Gegenu¨berstellung dieser differierenden Einscha¨tzungen des gleichen Zeichens werden die Unterschiede im methodischen Zugriff der beiden Deutungsentwu¨rfe sichtbar: Die historische Hilfswissenschaft bewertet das heraldische Zeichen von seinem Tra¨germedium her im Kon¨ berbewertung text anderer Mu¨nzbilder. Eine Gefahr besteht hier in der U der in den Mittelpunkt gestellten Sachquelle und im Unberu¨cksichtigtlassen von Vergleichsmo¨glichkeiten aus anderen Quellengattungen. Der von den Bedu¨rfnissen eines umfassenden und Anschlußfa¨higkeit suchenden Erkla¨rungsansatzes geleitete Zugriff auf einen als passend erscheinenden Einzelbeleg macht dagegen die Gefahr deutlich, das Zeichen aus sei¨ berlieferungsnem medial bestimmten Sitz im Leben und aus seinem U 23 kontext herauszulo¨sen . Moderne Assoziationen und Gleichsetzungen, die heraldische Regeln außer Acht lassen, oder unkritisch u¨bernommene sekunda¨re Deutungen des Mittelalters, die Aussagekraft fu¨r die Denkund Erza¨hlformen ihrer Zeit besitzen, ko¨nnen so leicht zu den angesprochenen Verzeichnungen fu¨hren. 22 Entsprechend kommentiert Starn, Ambrogio Lorenzetti, S. 90, in seinem lesenswerten, exzellent ausgestatteten Band einen der Wappenschilde des guelfischen Stadtregimentes auf den Fresken im Kommunalpalast, der mit einem Schild mit dem Wappen der Ro¨mischen Kirche korrespondiert. Der schlecht erhaltene Schild zeigt das Wappen des Sieneser Popolo, einen weißen Lo¨wen in Rot, unter einem besser erhaltenen Schildhaupt mit dem Wappen der Anjou. Die dazu gelieferte Deutung lautet: „Arms of France: it is not clear why the fleurs-de-lys are here – as a sign of the threat of monarchy or in retaliation for some particular French offense. Sienese merchants suffered political reprisals in France during the thirteenth century, but the shift from Ghibelline to Guelph alliances in the 1270s put Siena generally among the Italian partisans of the French.“ 23 Trexler, Life, S. xiiif., nennt gleichermaßen Historiker, wie auch Soziologen und Anthropologen als seine Adressaten. Sein transdisziplina¨res, auf umfassende Quellenund Theoriekenntnisse gestu¨tztes Vorgehen macht viel von der Anregungskraft und dem Lesevergnu¨gen aus, die nach wie vor von seinem Buch ausgehen. Zu den fu¨r den Historiker nicht zu ignorierenden Risiken im Umgang mit dem „soziologischen Theorieangebot“, dem unter anderem die „historische Tiefendimension“ fehle, siehe mit Berufung auf Frantisˇek Graus Rexroth, Milieu, S. 19–31.

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Angesichts dieses Befundes ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, daß Carl Erdmann, der kein Heraldiker im klassischen Sinne sondern Historiker war, in bedeutenden Studien und in seiner Kontroverse mit Herbert Meyer den Grund fu¨r eine neue Aufarbeitung der mittelalterlichen Heraldik und insbesondere des mittelalterlichen Fahnenwesens aus media¨vistisch-historischer Perspektive gelegt hat24. Ohne verfassungsrechtli¨ berlieferung ausgehend che Scheuklappen, methodisch streng von der U und ideologiekritisch argumentierend, wie sich seine letzten Studien zeigen, ha¨tte seine Fortfu¨hrung des Themas wahrscheinlich vieles vorweggenommen, was nouvelle histoire, Moderne Media¨vistik oder Neue Kulturgeschichte dazu beigetragen haben oder beitragen ko¨nnten. Erdmanns Tod im Zweiten Weltkrieg hat dies verhindert. In einem kleinen Fachgebiet an der Peripherie der institutionalisierten Geschichtswissenschaft, wie es die Heraldik ist, wirkt sich das, was dem Einzelnen mo¨glich oder verwehrt ist, sehr viel direkter als in anderen Disziplinen auf den Gang der Forschung aus25. Nach dem Krieg sind Erdmanns innovative Ansa¨tze auf dem Gebiet der Heraldik im mittelalterlichen Italien in der deutschen Geschichtswissenschaft meines Wissens nach kaum weitergefu¨hrt worden26. Den Hauptgrund dafu¨r wird man in einem allgemeinen, bereits a¨lteren Desinteresse des Faches an seiner Hilfswissenschaft sehen du¨rfen, zu dem dann noch die Belastung durch die Mißbrauchsgeschichte ihres Gegenstandes im Nationalismus und Totalitarismus des 20. Jahrhunderts hinzukam27. Es wird, so hoffe ich, ein weiterer Beleg fu¨r die Frucht¨ berlegungen barkeit und Inspirationskraft von Erdmanns heraldischen U 24 Erdmann, Wappen; Ders., Kaiserfahne; Ders., Fahnen; Ders., Entstehung, ad indicem („Fahnen“). Siehe auch unten Kapitel 2.4.2. 25 So scheinen mir die wichtigen Impulse, die Michel Pastoureau der heraldischen Forschung gegeben hat, neben der perso¨nlichen Leistung des Forschers auch auf besonderen Voraussetzungen zu basieren: den Umsta¨nden, daß sich in Paris zentrale Sammlungen heraldischer Quellen, vor allem der Siegel, befinden und daß zu ihrer landesweit beachteten Bearbeitung Stellen zur Verfu¨gung stehen. 26 Anders sieht es hinsichtlich der Forschungsgeschichte zu Erdmanns anderem Arbeitsgebiet, der mittelalterlichen Ko¨nigsherrschaft, aus; vgl. Keller, Otto der Große. 27 Vgl. Weber, Sprache, S. 531ff. Aufschlußreich in bezug auf die Verdra¨ngtheit der heraldischen Symbolik aus dem o¨ffentlichen Diskurs im Deutschland der Gegenwart ist die an ein breiteres Publikum gerichtete Monographie des Politikwissenschaftlers Reichel, Schwarz-Rot-Gold. Ihr Ziel ist es, eine Art Kanon deutscher Symbole und Erinnerungsorte zu entwerfen. Der Klappentext des Buches hebt hervor: „Dabei geht der Autor auch auf die teilweise bis ins 19. Jahrhundert zuru¨ckreichende Entstehungsgeschichte dieser Symbole ein.“ Obwohl die Bundesrepublik Deutschland ein eigenes Wappen, den schwarzen, rot bewehrten Adler in goldenem Feld, fu¨hrt, fehlt dieses in der Liste der Symbole. Es wird jedoch, S. 16 und 199f., als „traditionelles Hoheitszeichen“ aus der Vormoderne erwa¨hnt, das sich noch demoskopisch im Bewußtsein der Bevo¨lkerung nachweisen lasse. Siehe auch unten Kapitel 7.1 zu Habermas, Theorie, S. 87f.

1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand

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sein, wenn diese Arbeit in verschiedenen Kontexten mehrfach auf sie zu sprechen kommen wird. Mit Bezug auf unsere Ausgangsfrage lassen sich Erwartungen an Ergebnisse formulieren, die die genannten Gru¨nde fu¨r die Inkommensurabilita¨t des Gegenstandes aus der traditionellen Sicht der Disziplinen als Charakteristika des mittelalterlichen Wappengebrauchs erscheinen lassen. So wird zu zeigen sein, daß sich Kommune und Heraldik in der Tat wechselseitig in ihrer Entwicklung beeinflußten. Auf die Wappen trifft dabei das zu, was die Neue Kulturgeschichte an den Symbolisierungen in den Spha¨ren des Politischen oder des Krieges in der Vormoderne beobachtet hat28. Sie verwiesen handlungsleitend auf Ordnungsvorstellungen und Herrschaftskonzepte. Diese grundsa¨tzliche Vermittlungsleistung betraf die Wappen von Herrschaftsverba¨nden, wie das „klassische“ Stadtwappen, das die Identita¨t der Stadtgemeinde repra¨sentierte, aber auch die Wappen des Heiligen Ro¨mischen Reichs oder der Ro¨mischen Kirche, die Herrschaft vor Ort legitimieren und in einen u¨bergeordneten Rahmen stellen konnten29. In der Art und Weise, in der die Quellen diese Sinnzusammenha¨nge vermitteln, wird daru¨ber hinaus auch die Offenheit der visuellen Zeichen ersichtlich, deren Symbolik die kommunale Herrschaftsordnung mit universalen Ordnungsvorstellungen des Mittelalters verband und die aus aktuellen Anla¨ssen heraus umgedeutet werden konnten30. Daß die mittelalterliche Rede u¨ber Ordnungen, wie die communitas, a¨hnlich offen war und je nach Situation Grundsa¨tzliches mit situativ gefundenen Lo¨sungen verbinden konnte, hat die media¨vistische Forschung nachdru¨cklich betont31. Der politisch weitgehend autonomen Stadtkommune kommt eine zentrale Rolle in der Verbreitung und Weiterentwicklung des Wappenwesens in Italien zu. Das hat Alessandro Savorelli vor kurzem in einem 28 Vgl. Stollberg-Rilinger, Einleitung; Scharff, Ka¨mpfe; Prietzel, Kriegfu¨hrung. 29 Ein nordalpines Beispiel, auf das ich wegen seiner Pra¨gnanz hier verweise, ist das Widmungsblatt in Hektor Mu¨lichs Fortfu¨hrung und Redaktion der Augsburger MeisterlinChronik aus der zweiten Ha¨lfte des 15. Jahrhunderts. Es zeigt den um einen Tisch in der Ratsstube sitzenden Kleinen Rat der Stadt, dessen Ratsherren – ihre Identita¨t wird durch beigestellte kleine Familienwappen kenntlich gemacht – alle mit ausgestreckten Armen einen u¨bergroßen Schild mit dem Wappen der Stadt in ihrer Mitte halten. Das Wappen im Zentrum symbolisiert zusammen mit der Institution des Rates, mit den diesen besetzenden Patriziergeschlechtern, sowie mit der verschrifteten Stadtgeschichte die Identita¨t Augsburgs. Vgl. Pataki, Bilder, S. 115f. mit Abb. 15. Das Widmungsbild einer Parallelhandschrift, auf dem nach Ausweis der Familienwappen der Rat in anderer Zusammensetzung versammelt ist, ist abgebildet bei Boockmann, Stadt, Nr. 366, S. 235. 30 Siehe bereits am Beispiel des Ordens vom Goldenen Vlies Huizinga, Herbst, S. 115f. Vgl. Weber, Exempla; Ders., Sprache. 31 Reynolds, Kingdoms, S. 318 passim; Boockmann, Freiheit; Keller, Vorschrift.

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Beitrag hervorgehoben, der den gegenwa¨rtigen Forschungsstand zu dieser Thematik repra¨sentiert32. Die von ihm ausgemachte Pionierrolle der „araldica specificamente cittadina“, deren Vielfalt nordalpine Sta¨dte und Regionen erst sehr viel spa¨ter anna¨hernd erreichen sollten, sei jedoch von der heraldischen Forschung bisher eher am Rande betrachtet worden. Als einen Hauptgrund dafu¨r sieht Savorelli die Verschiedenheit der Quellen an, die wiederum durch die gesellschaftlichen und politischen Strukturen der Kommunen bedingt gewesen sei. Repra¨sentative, von Herolden zusammengestellte Wappensammlungen, denen ein Hauptaugenmerk moderner Heraldiker gelte, seien in diesem Umfeld kaum entstanden33. Chroniken oder Statuten dagegen, die sich an die sta¨dtische ¨ ffentlichkeit wandten und aus ihrer Perspektive Informationen u¨ber die O „araldica comunale, sia privata che pubblica,“ lieferten, seien als heraldische Quellen bisher nicht umfassend untersucht worden. Betont Savorelli vor allem die Sinnstiftung im Interesse eines stadtbu¨rgerlichen Selbstbewußtseins, die Quellen wie der Bildercodex von Giovanni Villanis ‚Nuova Cronica‘ leisteten, so erschließen sich u¨ber sie doch gerade auch die strukturell angelegten Krisen und Konflikte des politischen Systems der Stadtgemeinden. Da kommunale Wappen o¨ffentlich gezeigte Zeichen kollektiver Identita¨t waren, waren sie sowohl bevorzugte Medien herrschaftskonstituierender zeremonieller Akte und Kontrollverfahren als auch von in a¨hnlicher Weise rituell gepra¨gten Handlungen, die eine bestehende Ordnung in ihren Wappen angriffen oder sie mit der Pra¨sentation von anderen herausforderten. Kommunale Wappen sind daher in gleicher Weise Zeichen der Ordnung wie der Krise. Dieser ambivalente Charakter ist Ausdruck der Pra¨gung der Stadtkommunen durch Herrschaftsund Lebensordnungen des abendla¨ndischen Mittelalters, in denen sie selbst nie ganz aufgingen34. Daraus leitet sich ein wichtiger Aspekt mei32 Savorelli, Araldica, S. 53–58. Das Standardwerk zur italienischen Sphragistik, das reiches heraldisches Material in Abbildungen bietet, ist Bascape´, Sigillografia. Bascape` – del Piazzo – Borgia, Insegne, ist eher eine Materialsammlung. 33 Dies erkla¨rt ein Stu¨ck weit das von Trexler, Libro Cerimoniale, S. 23, konstatierte, in seiner Monographie zu Florenz angegangene Forschungsdesiderat: „Research on heralds has ignored Italy, and a scholarly literature on communal ceremonial procedures does not exist.“ Die national und disziplina¨r getrennt arbeitenden Forschungslandschaften scheinen nach wie vor zu diesem Problem beizutragen. So nimmt Savorelli in seinen Ausfu¨hrungen Trexlers oder Erdmanns Beitra¨ge zur mittelalterlichen Heraldik in Italien nicht zur Kenntnis. Die Situationsbeschreibung durch Dupre` Theseider, Stemmi, daß es schon einem italienischen Forscher so gut wie unmo¨glich sei, die Vielfalt der lokalen Archivbesta¨nde und Publikationen zu u¨berblicken, hat nach wie vor Gu¨ltigkeit. 34 Vgl. Tabacco, Egemonie; Keller, Stadtkommunen. Im europa¨ischen Vergleich: Reynolds, Kingdoms.

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ner Untersuchung ab. Heraldische Fahnen, die als Zeichen eines kompetitiv durchgesetzten Herrschaftsanspruchs weithin sichtbar aufgepflanzt wurden, in Investiturakten vergeben wurden oder in einem innersta¨dtischen Aufruhr umka¨mpft waren, werden in den folgenden Kapiteln immer wieder im Kontext prospektiver Kontrollversuche der Stadtregimenter oder retrospektiver Deutungsangebote der Geschichtsu¨berlieferung begegnen. Es ist nicht zuletzt bezeichnend fu¨r den Charakter der italienischen Kommunen, daß die Identita¨t eines politischen Gemeinwesens, wie beispielsweise der Stadt Florenz, nicht bloß von einem einzigen Stadtwappen, sondern von einem ganzen Wappenensemble repra¨sentiert wurde, in dessen Pluralita¨t und Wandelbarkeit sich etwa auch das dynastische Wappen der Anjou einfu¨gte. Hinzu kamen noch weitere Medien, die die kollektive Identita¨t der Kommune symbolisierten, wie der von Hannelore Zug Tucci und Ernst Voltmer untersuchte Fahnenwagen, der Carroccio35. Bei der Durchsicht kommunaler Quellen auf heraldische Symbolik geraten hauptsa¨chlich Fahnen in den Blick. Das ist kein Zufall, son¨ berlieferungschance36, auf die herdern verweist, u¨ber den Filter der U ausragende Bedeutung dieses Mediums fu¨r die symbolische Kommu¨ berlegung Eugenio nikation der angesprochenen Gemeinwesen. Eine U Dupre` Theseiders weiterfu¨hrend, ko¨nnte man sagen, daß die Geschichte des kommunalen Wappenwesens eine Geschichte des kommunalen Fahnenwesens ist37. Daß diese mediale Bestimmtheit wiederum symptomatisch fu¨r das abendla¨ndische Wappenwesen ist, zeigt bereits die in einer Predigt ‚Ad potentes et milites‘ gea¨ußerte Kritik des mit Italien eng verbundenen Jakob von Vitry an den Rittern des fru¨hen 13. Jahrhun-

35 Voltmer, Carroccio; zuletzt, mit Verweisen auf ihre a¨lteren Arbeiten, Zug Tucci, Cremona. ¨ berlieferungs-Chance; Keller, Adel, S. 264f. 36 Vgl. Esch, U 37 Dupre` Theseider, Stemmi, S. 324f.: „Si noti che parlo di vessilli e non di stemmi. Ho infatti la netta impressione (non si puo` veramente parlare di certezze nella nostra ricerca) che l’uso (dovrei anzi parlare di ideazione) del vessillo preceda, e forse di molto, quello dello stemma. Si tratta di una priorita` d’uso che e` insieme una priorita` di tempo. Possiamo anche esprimerci cosı`: l’insegna-vessillo precede nel tempo l’insegna-stemma ed e` di piu` largo uso che non questa.“ Vgl. Heers, Parties, bes. S. 282ff., sowie Schwerhoff, Leben. Hauptsa¨chlich mit bezug auf Quellen aus den Bereichen der Kriegfu¨hrung und des Lehnrechts in den westeuropa¨ischen Ko¨nigreichen des 15. Jahrhunderts hat die Forschung sehr differenzierte Unterscheidungen zwischen einzelnen Fahnenformen und den ihnen zugewiesenen Funktionen getroffen; vgl. Ekdahl, „Banderia Prutenorum“, S. 18–30; Prietzel, Kriegfu¨hrung, S. 320–333; Ders., Krieg, S. 166ff. Die in dieser Arbeit untersuchten Quellen des 12. bis 14. Jahrhunderts lassen eine solche Unterscheidung in der Regel nicht zu.

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derts, die etiam quedam earum insignia quasi pro vexillo portare consueverunt38. In seinem grundlegenden Aufsatz hat Dupre` Theseider außerdem darauf hingewiesen, daß fu¨r den Wappengebrauch der italienischen Kommunen weder eine serielle, das ganze Hoch- und Spa¨tmittelalter hindurch verfolgbare, noch eine gattungsbezogene, von Stadt zu Stadt ver¨ berlie¨ berlieferung vorliegt39. Dies hat, abgesehen von U gleichbare U ferungsverlusten, seinen Grund in der aus dem Charakter der Kommune resultierenden extremen Kleinra¨umigkeit Ober- und Mittelitaliens. Daß die Stadtherrschaft nach dem Willen der Stadtgemeinde ausgeu¨bt und gegen a¨ltere Herrschaftsanspru¨che durchgesetzt wurde, fo¨rderte die Selbstbezogenheit der einzelnen Gemeinwesen. Der Campani¨ berlismo der Kommunen wirkte sich auf ihr Wappenwesen und dessen U lieferung aus. Daher kann der Gegenstand in dieser Arbeit nur anhand von Fallstudien zu aussagekra¨ftigen Beispielen in den Blick genommen werden. Die Restituierung der Kommune Tortona mittels einer heraldischen Fahne, von der im Unterkapitel 2.3 die Rede ist, und das elaborierte Wappenwesen des Secondo Popolo von Florenz, das in Unterkapitel 4.2.2 untersucht wird, habe ich bereits in entsprechenden Abschnitten eines Aufsatzes dargestellt40. In dieser Arbeit wird ihre Interpretation unter Heranziehung zusa¨tzlichen Materials weitergefu¨hrt. Kennzeichnend fu¨r den italienischen Polyzentrismus sind aber gerade auch starke Zusammenha¨nge, an die meine Argumentation anknu¨pfen kann. Innerhalb des dichten Netzwerkes von Sta¨dten mit ausgepra¨gter eigener Identita¨t, von Verbu¨ndeten und Feinden, Herrschern und Beherrschten, bestand eine große Mobilita¨t, die u¨ber die politische Funktionselite hinaus so gut wie 38 Le Goff, Re´alite´s. Im Vergleich zu einer historiographischen Nachricht aus vorheraldischer Zeit zeigt sich das Problem des kontinuierlichen Gebrauchs derselben Bezeichnungen. So berichtet Cosmas von Prag zu 1101, daß Udalrich von Bru¨nn Kaiser Heinrich IV. in Regensburg aufsuchte: A quo caesar accepta pecunia, dat sibi ducatus insignia et vexillum; Bruckauf, Fahnlehn, S. 21. Offensichtlich handelte es sich hier um Rechtssymbole beziehungsweise die dinglichen Insignien eines Herzogs, die der Pˇremyslide zusammen mit einer Fahnenlanze in einem Investiturakt erhalten hatte. Ein Jahrhundert spa¨ter verstand Jakob von Vitry unter insignia die Wappen, die nun auf den neuen heraldischen Fahnen zu sehen waren. So deutet er an anderer Stelle den Bauc¸an, das beru¨hmte schwarz-weiß geteilte Heerbanner der Templer; Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 53: Vexillum bipartitum ex albo et nigro, quod nominant Bauceant, praevium habentes, eo quod Christi amicis candidi sunt et benigni, nigri autem et terribiles inimicis. Zusammen mit der Oriflamme und der Kreuzfahne der Johanniter hat es Matthew Paris in seiner Chronik abgebildet; Lewis, Art, Abb. 153, S. 239, und Abb. 182, S. 289. 39 Dupre` Theseider, Stemmi, S. 313ff. Auf die gleiche Problematik macht Keller, Mailand, S. 81–86, aus Sicht der Stadtgeschichtsforschung aufmerksam. 40 Vgl. Weber, Sprache, S. 536–554.

1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand

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alle gesellschaftlichen Gruppen betraf. Diese Ambivalenz von Identita¨t und Lebensform gibt eine autobiographische Novelle Franco Sacchettis anschaulich wieder. Der Florentiner, der wa¨hrend des Chioggia-Krieges nach Genua gekommen war, hatte in San Lorenzo einen einheimischen Prediger geho¨rt, der keine erbauliche Predigt hielt, sondern seinen Landsleuten in drastischen Worten ihre Eigenarten im Vergleich zu denen der Venezianer vorhielt. Bezeichnenderweise konnte Sacchetti das Thema noch am selben Tag in einem Kreis toskanischer Kaufleute mit Bezug auf seine Landsleute diskutieren41. Hinzu kamen weitere verbindende und trennende Momente, wie die Italienzu¨ge der ro¨misch-deutschen Ko¨nige und ihrer Herausforderer aus dem Hause Anjou sowie die vergleichbaren Institutionen und Herrschaftspraktiken der Kommunen42. Eingedenk der Besonderheit der einzelnen Gemeinwesen kann so vom 12. bis ins 14. Jahrhundert eine idealtypische Verfassungsentwicklung der Kommune verfolgt und in Beziehung zu Entwicklungen im Wappenwesen gesetzt werden. Am Beginn dieses historischen Prozesses, so wird im zweiten Kapitel zu zeigen sein, brachten die Konsuln und Podesta` der fru¨hen Kommunen heraldische Zeichen und die mit ihnen verbundenen Gesten in Handlungsfeldern zur Geltung, wie sie sich in und außerhalb der Sta¨dte, etwa im Lehnswesen oder in der Ko¨nigsherrschaft, fanden. Sie knu¨pften dabei an bestehende vorheraldische Kontexte der symbolischen Kommunikation an, in denen sie ebenfalls als Herrschaftstra¨ger agierten. Gelang der spa¨teren Konsulatsaristokratie mittels dieser Ausdrucksformen die Konstitutierung kommunaler Herrschaft, so kam in deren Begru¨ndung mit dem Willen der Stadtgemeinde etwas Neues hinein. Die Indienstnahme des neuen Mediums durch die Kommune wirkte auf seinen o¨ffentlichen Gebrauch zuru¨ck, beraubte es jedoch nicht seiner Anschlußfa¨higkeit zum außerkommunalen Wappenwesen. Das triumphale Aufpflanzen der eigenen Fahne und die Fahneninvestitur, wie sie die ro¨mischen Kaiser in Italien u¨bten, betrieben spa¨testens seit der Mitte des 12. Jahrhunderts auch kommunale Herrschaftstra¨ger. Die Annahme und Fu¨hrung von Familienwappen, um 1200 noch ein Ausweis der Aristokratie, wurde in ihren praktischen und symbolischen Mo¨glichkeiten von den auswa¨rtigen Podesta` zur Ausu¨bung der Stadtherrschaft genutzt. Diese Wappen und heraldisch bezeichneten Medien der symbolischen Kommunikation trugen zur Konstituierung der Kommune bei, etwa wenn mit ihnen in einer o¨ffentlichen Interaktion vor der Volksversammlung Herrschafts41 Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 71, S. 208–210. Vgl. Esch, Loyalita¨ten. 42 Vgl. Keller, Blick.

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1. Einleitung

verha¨ltnisse und Besitzanspru¨che nach dem Willen der Stadtgemeinde demonstrativ gezeigt wurden. Von dem angeblichen Gegenentwurf einer „kommunalen“ zu einer „feudalen“ Heraldik kann in der heraldischen Fru¨hzeit des langen 12. Jahrhunderts keine Rede sein. Mit Blick auf den Gesamtverlauf des historischen Entwicklungsprozesses ist jedoch dann der Moment von besonderem Interesse, von dem an die Kommunen sich nicht mehr nur wie andere Herrschende der Wappen und Fahnen ihrer Lebenswelt bedienten, sondern sich das Wappenwesen gezielt aneigneten. Dies betraf sowohl den Gebrauch der Wappen als Herrschaftsinstrumente, die Kontrolle nicht-kommunaler Wappen sowie schließlich auch den Entwurf von Wappenbildern, die spezifisch kom¨ bermunale Herrschaftsvorstellungen und Ideale visualisierten. Der U gang zu dieser neuartigen heraldischen Symbolik vollzog sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts. Daß er auf der Grundlage bestehender Formen und Funktionen heraldischer Symbolik erfolgte, eine Reaktion auf die sozialen und politischen Krisen dieser Zeit war und aufs engste mit dem Wandel der Herrschaftsstrukturen der Kommune verknu¨pft war, kann das im dritten Kapitel untersuchte Beispiel aus der Stadt Todi illustrieren. Die Zeugenaussagen der Familiaren eines Podesta` zu dessen Amtsfu¨hrung und Vertreibung im Jahre 1268, die sich auf einem Rotulus im Todiner Stadtarchiv erhalten haben, ermo¨glichen eine „dichte Beschreibung“ von Herrschaftspraxis und Konfliktfu¨hrung als Sitz im Leben verschiedener Wappen43. Sie liefern die Voraussetzungen zum Versta¨ndnis der Aneignung und Weiterentwicklung des Wappenwesens durch den zur Herrschaft gelangten Popolo, wie er in Florenz oder Prato zum Ende des ¨ hnlich wie im Fall des ein Jahrhunderts hin beobachtet werden kann. A Jahrhundert zuvor aufgekommenen Wappenwesens, sollten nun auf der Grundlage seiner vollen Entfaltung die Auswirkungen, die der historische Wandel des politischen Gebildes und der fu¨r ihn konstitutiven symbolischen Kommunikation hatte, an den neuen Formen und Funktionen der heraldischen Zeichen sichtbar werden. Charakteristisch fu¨r die weitere Entwicklung wurde eine Verobrigkeitlichung der Kommune, die sich in einer Institutionalisierung des politischen Systems und der zunehmenden Kontrolle und Gestaltung verschiedenster Lebensbereiche a¨ußerte44. Auf der Ebene der heraldischen Symbolik entsprach dies einer Dominanz der Wappen transpersonaler Institutionen, einer sta¨rker werdenden Ausdifferenzierung der Zeichen43 Zum anthropologischen Konzept der „thick description“ und seiner Anwendbarkeit in der Kulturgeschichte vgl. Geertz, Beschreibung; Daniel, Kompendium, S. 248ff. 44 Vgl. zuletzt Keller, Quellengattung.

1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand

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systeme und einer Erweiterung ihrer Funktionsbereiche. Begegnen Stadtwappen in den Quellen zuvor meist als Fahnenbilder, mit denen Angeho¨rige der Fu¨hrungsschicht in ehrenvollen Symbolhandlungen agierten, so finden sich seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert auch Belege dafu¨r, daß sie an Geschlechtertu¨rme verurteilter Magnaten gemalt wurden, um diese zum Abbruch freizugeben, oder daß mit ihnen das von der Kommune subventionierte Brot gestempelt wurde. Diese und einige weitere Beispiele werden im vierten Kapitel in den Blick genommen. Der auf die Kommune als zentrale Instanz ausgerichtete heraldische Kosmos, der so entstand, war meiner Ansicht nach eine wesentliche Voraussetzung fu¨r die Entdeckung der Wappen als Thema durch die kommunale Geschichtsschreibung. Die Historiographen – allen voran der Florentiner Giovanni Villani – erweiterten die heraldische Symbolik der Kommunen ihrer Zeit um eine zusa¨tzliche Dimension, indem sie die Wappen ihrer Lebenswelt ¨ bertragung durch ihre Ableitung aus imaginierten Vorzeiten oder durch U von Schemata, wie sie fu¨r imagina¨re Wappen galten, erkla¨rten45. Dadurch erho¨hten sie ihren identita¨tsstiftenden Wert oder betrieben politische Propaganda. Umgekehrt gilt es aber auch zu beachten, wie die Eigengesetzlichkeiten und Traditionsbildungen der Zeichen auf die Gegensta¨nde zuru¨ckwirkten, die sie visualisierten46. Die hier angesprochene imagina¨re Heraldik ist u¨berzeugend von Rodney Dennys und Michel Pastoureau dargestellt worden47. Beziehen sich die Forscher meist auf den Untersuchungsbereich der westeuropa¨ischen Ko¨nigreiche des Spa¨tmittelalters, in denen oft Herolde solche literarische Arbeit leisteten, so findet sich hier ein ganzes Spektrum von Autorentypen, die ihre Stadtbu¨rgerschaft, ihre Beteiligung an der Kommune, in Beru¨hrung mit dem Wappenwesen brachte. Die heraldische Symbolik der Kommune in eine feststehende Hierarchie oder ein modernes, nach der Logik der Ausschließlichkeit funktionierendes System einzuordnen, hieße, die Alterita¨t vormoderner Heraldik zu verkennen, deren Vereinbarkeit von universal gu¨ltigen Regeln und polyzentrischer Selbstbezogenheit auf einem Zeichenversta¨ndnis beruhte, ¨ hnlichkeit eine zentrale Kategorie darstellte48. Mit einer fu¨r das die A 45 46 47 48

Vgl. Weber, Formation; Ders., Exempla. In diesem Sinne bereits Erdmann, Entstehung, S. 36. Dennys, Imagination; zuletzt Pastoureau, Histoire. Vgl. beispielsweise den von den Bu¨rgerhumanisten Giorgio Stella und Coluccio Salutati gefu¨hrten Diskurs u¨ber identische Wappen bei Weber, Sprache, S. 524ff. In der Schlacht von Parabiago am 21. Februar 1339 standen sich die gegnerischen Heere unter der gleichen Fahne mit dem Wappen der Visconti gegenu¨ber, ohne daß dies zu u¨berlieferten Problemen gefu¨hrt ha¨tte. Die Doppelung war Ausdruck eines ‚Bruderzwistes‘ im Hause

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1. Einleitung

Sprachmetapher la¨ßt sich das mittelalterliche Wappenwesen daher als eine Vielzahl lokaler Dialekte beschreiben, die eine universelle Grammatik verbindet49. Meine Untersuchung zielt deshalb auch nicht darauf, eine katalogartige Genealogie aller je durch eine Kommune wie Florenz ¨ berlieferung zu gebrauchter Wappen zu erstellen oder die materielle U sichten, sondern versucht, die heraldischen Zeichen sozusagen in Aktion, in ihrem Sitz im Leben, zu erfassen. Mo¨glich ist dies in den Wahrnehmungen der Zeitgenossen, wie sie die normativen und narrativen Schriftquellen wiedergeben, die im Zentrum der folgenden Untersuchungen stehen. Wenn es sich als weiterfu¨hrend erweist, beziehe ich jedoch auch einzelne Bild- und Sachquellen in die Interpretation mit ein. In der Herausarbeitung der Wahrnehmungskategorien und Bedeutungskontexte, mit denen in Zeugenaussagen, Statuten und Chroniken kommunale Wappen angesprochen werden, sollen die in den Quellen erkennbaren Wissensstrukturen – einschließlich der heraldischen Imaginationen – und nicht zuletzt Profile der Beschreiber selbst deutlich werden. Mit dem zuletzt genannten Punkt zielt meine Arbeit auf ein ebenfalls noch kaum na¨her untersuchtes Charakteristikum des heraldischen Diskurses im mittelalterlichen Italien, an dem der Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Kommune und Wappenwesen besonders deutlich wird: das heraldische Wissen50. Vor dem 15. Jahrhundert treten professionelle Herolde, denen in anderen Teilen des Abendlandes dieser Diskurs durch Herrscher u¨bertragen wurde, in den Kommunen nicht in Erscheinung. Wa¨hrend der Blu¨tezeit der autonomen Stadtkommunen scheint Visconti: Der gegen den regierenden Signoren Azzo rebellierende Londrisio wurde bei Parabiago von dem Condottiere Luchino geschlagen. Abgesehen von dem noch a¨lteren Beleg bei Bonvesin da la Riva, liefern die Beschreibungen dieser Schlacht in der Historiographie des Trecento fru¨he Blasonierungen des Viconti-Wappens. So durch den Anonimo romano, Cronica, Cap. 9, S. 52: La banniera dell’una parte e dell’aitra era lo campo bianco e· llo serpente nero, lo quale aveva in canna uno omo nudo. Pra¨ziser ist die Beschreibung durch seinen Maila¨nder Zeitgenossen Galvano Fiamma, Chronicon extravagans et Chronicon maius, S. 493f.: Depingitur enim collore azurrii anullosa circulis terribilibus occulis quendam rubeum sarracenum devorans. Vgl. zum Wappen der Visconti Cambin, Rotelle, S. 100–121, und Sasse Tateo, Tradition, S. 159, gegen Busch, Geschichtsschreibung, S. 154, Anm. 50. 49 Vgl. Weber, Wappen. 50 Wegweisend im Aufzeigen der in der Konstruktion von Wissen zum Tragen kommenden „Wechselbeziehungen zwischen institutionellen Prozessen und legitimierenden symbolischen Sinnwelten“ sind Berger – Luckmann, Konstruktion, mit dem Zitat S. 198. Die dadurch gewonnenen Erkenntnismo¨glichkeiten fu¨r Diskurse in historischen Gesellschaften untersucht Landwehr, Geschichte. Zur Unterscheidung des Handlungs- vom Bildungswissen sowie zur Geschichte des Wissens im Mittelalter siehe Kintzinger, Wissen.

1.1 Fragestellung, Forschungsstand und Untersuchungsgegenstand

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die Bildung und der Gebrauch von Wappen vielmehr eine Angelegenheit der Repra¨sentanten ihres politischen Systems im weitesten Sinne gewesen zu sein. Mo¨glich wurde diese Eigenart durch Zusammenha¨nge zwischen Gesellschaftsstruktur und Kommunalverfassung, deren Auswirkungen bereits den welterfahrenen Otto von Freising irritiert hatten51. Die Tra¨ger des heraldischen Diskurses, die im Folgenden zu Wort kommen werden, waren keine Herolde, sondern, wie Giovanni Villani oder Galvano Fiamma oder die Familiaren des Comazzo Galluzzi, Amtstra¨ger und Notare, Mendikanten, Ritter oder Kaufleute. Ihr heraldisches Wissen kann als ein Indiz fu¨r die die meisten Bu¨rger angehende Relevanz des Wappenwesens in Gesellschaft, Politik und Kultur gewertet werden, u¨ber die sich auch Aufschlu¨sse u¨ber typische, in Zusammenhang mit der Verfasstheit der Stadtkommunen stehende Formen und Funktionen heraldischer Symbolik ergeben. Die gegenu¨ber der aus dem heraldischen Wissen der Lebenswelt gezogenen Imagination ebenfalls zu betonende Bedingtheit der Wappenschilderungen von der Struktur und den Intentionen der normativen und narrativen Texte, die sie enthalten, wird nicht erst in den im fu¨nften Kapitel untersuchten Beispielen aus der Geschichtsschreibung deutlich52. Der Einfluß der kommunalen Schriftkultur auf den Umgang mit Wappen und auf ihre Wahrnehmung zeigt sich durchga¨ngig in den in dieser Arbeit untersuchten Beispielen. So verbanden die Autoren des Trecento das heraldische Wissen ihrer Zeit mit Themen aus der Schriftkultur, wie der Rezeption der Antike und des ro¨mischen Rechts. Daß diese fu¨r die civilta` comunale charakteristischen Rezeptionsformen oftmals Reaktionen auf aktuelle heraldische Machtdemonstrationen waren, erinnert daran, daß sie im weiteren Kontext einer Wahrnehmung und Gestaltung von Wappen erfolgten, die nicht von vergleichbaren Formen und Funktionen des Wappenwesens im nordalpinen Abendland getrennt waren. Gewissermaßen als abschließende Gegenprobe auf die eingangs aufgestellte These soll daher im sechsten Kapitel kurz u¨ber die Alpen, auf London, Gent und Mecheln, geblickt werden53. Im Vergleich der italienischen Sta¨dte mit diesen Stadtgemeinden zeigen sich an den charakteristischen Unterschieden die Interdependenzen zwischen heraldischer Sym51 Vgl. Keller, Adelsherrschaft, S. 17ff. und, S. 47f., zu dem erst vor diesem Hintergrund versta¨ndlichen Wappengebrauch der Pavesen nach Opicinus de Canistris. 52 Einen Einstieg in die hauptsa¨chlich literatur- und medienwissenschaftliche Forschung bieten Martinez – Scheffel, Einfu¨hrung. Wegweisende Fallstudien zu historischem Erza¨hlen in der italienischen Chronistik des Trecento sind Green, Chronicle; Seibt, Anonimo romano; Busch, Geschichtsschreibung. 53 Einen solchen Vergleich fordert beispielsweise Dupre` Theseider, Stemmi, S. 315, der sich bewußt auf wenige Vergleichsbeispiele aus deutschen Sta¨dten beschra¨nkt.

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1. Einleitung

bolik und kommunaler Verfassung. Auf die Wappen und Fahnen anderer politischer Gro¨ßen, wie des Heiligen Ro¨mischen Reiches und der Ro¨mischen Kirche, wird aufgrund ihrer Relevanz fu¨r das politische System einzelner Kommunen oder aufgrund geeigneter struktureller Vergleichs¨ berlieferung, wie im Fall der von Innocenz III. mo¨glichkeiten in der U gegebenen Beschreibung der Fahne der Ro¨mischen Kirche, einzugehen sein. Da sich die heraldische Symbolik der italienischen Stadtkommunen weder aus ihren kommunikativen und semiotischen Kontexten, noch aus der Gesamtentwicklung des abendla¨ndischen Wappenwesens herauspra¨parieren la¨ßt, hoffe ich, auf diesem Weg auch Beitra¨ge zum allgemeinen Versta¨ndnis der Heraldik und der symbolischen Kommunikation des Mittelalters leisten zu ko¨nnen.

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff 1.2.1 Das Wappen des Sieneser Popolo als Beispiel fu¨r die Darstellungsmo¨glichkeiten und Bedeutungsebenen eines kommunalen Wappens Durch die Einfu¨hrung des Begriffs der heraldischen Symbolik versuche ich, den Zusammenha¨ngen zwischen der Zeichenstruktur eines Wappens, seinem Tra¨germedium und seinem Sitz im Leben Rechnung zu tragen54. Fu¨r die Quellenanalyse la¨ßt sich diese Vielzahl an Bedeutungen vorrangig auf drei Ebenen anordnen: der Ebene der visuellen Zeichen, der Ebene ihrer Tra¨germedien, sowie der Ebene gro¨ßerer, eigengesetzlich-narrativer Sinnstrukturen, in die diese Zeichen in ihren medialen Formen und Handlungskontexten integriert wurden. Die Interpretationsmo¨glichkeiten auf den einzelnen Ebenen sowie die Ru¨ckschlu¨sse, die sich aus dem Versta¨ndnis des Zeichengebrauchs auf der einen Ebene fu¨r den auf den anderen Ebenen ergeben, soll ein Beispiel illustrieren. Auf dem Fresko in der Sala dei Nove im Palazzo Pubblico von Siena, das die Allegorie der Guten Regierung zeigt, ist eine Gruppe von Fußsoldaten dargestellt. (Taf. 3) Sie tragen hochrechteckige, pavesenartige Schilde, die mit einem Wappen bemalt sind. Das Wappenbild ist teilweise verdeckt, doch kann man an den Schildra¨ndern der drei zuvorderst Ste54 Der Begriff fu¨hrt Ergebnisse meiner Examensarbeit weiter; Weber, Symbolik. Fu¨r solch einen erweiterten Symbolik-Begriff pla¨diert Burke, Historiker; Ders., Einheit; Ders., ¨ berlegungen zur Medialita¨t und Sinnerzeugung Ludwig XIV. Vgl. auch die anregenden U ¨ gypten, bes. S. 71f. von Assmann, A

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff

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henden erkennen, daß alle Bewaffneten Schilde mit dem gleichen Wappen tragen, und anhand des Schildes des – von der Gruppe aus gesehen – linksaußen Stehenden la¨ßt sich dieses Wappen blasonieren und identifizieren: Es zeigt in Rot einen silbernen, gold-bewehrten Lo¨wen mit einer goldenen Krone u¨ber dem Haupt. Der Lo¨we ist in der gebra¨uchlichsten Haltung dieser Figur dargestellt, steigend und nach rechts gewandt. Die Krone ist eine Ko¨nigskrone, dargestellt als Reif, der in der Seitenansicht nur drei der vier Fleurons zeigt, mit denen er besetzt ist. Die rein visuelle Symbolik des zwischen 1337 und 1339 gemalten Wappenbildes ist anikonisch. Lo¨we und Krone verweisen nicht auf ihre direkten Entsprechungen in der Realita¨t. Fu¨r sich genommen haben beide heraldische Figuren, der Lo¨we daru¨ber hinaus in der von ihm eingenommenen Haltung, einen positiven Symbolwert, der in mittelalterlicher Begrifflichkeit mit nobilitas und vigor bezeichnet wurde55. Bartolo da Sassoferrato, der diese Begriffe in seinem 1356/57 entstandenen ‚Tractatus de

55 Vgl. Bartolo da Sassoferrato, De insigniis et armis, S. 114–116. Ein Musterbeispiel dieser ‚heraldischen‘ Darstellungsweise ist die „Adler-Lo¨we-Gruppe“ in Prunkurkunden des Schreibers und Notars Leonhard von Mu¨nchen, eines auch in Pisa ta¨tigen Zeitgenossen Bartolos. Wrede, Leonhard, S. 75–82, betreibt eine ausfu¨hrliche und detaillierte Beschreibung der „rein stilisierten Darstellung beider Tiere“. Einen heraldischen Einfluß deutet sie in der Erwa¨hnung mo¨glicher Vorlagen an, ohne ihn als Darstellungsprinzip wahrzunehmen. Geleitet von a¨sthetischen Idealen der Kunstgeschichte kommt sie so, S. 78 und 100, zu folgender Einscha¨tzung: „Strenge Natu¨rlichkeit liegt Leonhard fern; ¨ bertreibungen einzelner Ko¨rperteile paßt er die Zeichnung der Situation an. Bei mit U beiden Tierbildern bedient er sich einer stilisierten Darstellung. [...] Auf die Siegel stu¨tzt ¨ bertreibungen in Einzelheiten der er sich auch fu¨r seine ku¨nstlerischen Freiheiten und U ko¨rperlichen Darstellung. Damit erreicht Leonhard – so bei der Adler-Lo¨we-Gruppe – nicht die ku¨nstlerische Qualita¨t, die naturalistische Zeichnung der gleichzeitigen Buchmalerei; er hat sie wohl auch nicht beabsichtigt.“ Wenn zudem, wie in Wredes Interpretation, die die Lo¨wen niederhaltenden Adler politische Symbole der „Reichsgewalt“ und des siegreichen Ghibellinismus sein sollen, stellt sich die Frage, warum sie auch in einer um 1380 entstandenen Miniatur als Thronsessel des Trierer Erzbischofs Kuno von Falkenstein begegnen? Dieses Beispiel ist der Autorin unbekannt. Da die Lo¨wen dort auf Wappenschilden mit dem Trierer und Falkensteiner Wappen ruhen, wu¨rde eine konsequente Fortsetzung dieser Argumentation zu dem Resultat fu¨hren, daß die ghibellinischen Reichsadler die guelfischen Lo¨wen der Reichsfeinde niederhalten, die wiederum das Erzstift Trier und die Falkensteiner bedru¨cken. Sehr viel wahrscheinlicher erscheint dagegen eine allegorische Interpretation, die man dann auch dem seit 1328 gefu¨hrten Kaisersiegel Ludwigs des Bayern, das sicherlich das Vorbild fu¨r die Miniatur im Evangelistar des geistlichen Kurfu¨rsten abgab, unterstellen du¨rfte. Vgl. Plotzek, Evangelistar; Ronig, Bildnisse; Suckale, Hofkunst, S. 31ff. und 248ff., mit der Zuweisung der Federzeichnungen in Ludwigs Prunkurkunden an einen zusammen mit Leonhard von Mu¨nchen arbeitenden Meister. Daß man im spa¨teren Mittelalter geradezu paarformelartig von ‚Lo¨we und Adler‘ im Sinne ho¨fischer Bildthemen sprach, belegt Bumke, Kultur, S. 209, anhand einer Predigt Bertholds von Regensburg.

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1. Einleitung

insigniis et armis‘ gebraucht, veranschaulicht sie denn auch an dem fraglichen Wappentier: ‚Nun bemerke ich zu unserer Frage, dass es Thiere giebt, die von Natur wild sind, [...] und diese mu¨ssen in wilder Haltung gezeichnet werden, wie Lo¨we, Ba¨r und a¨hnliche. Der Lo¨we wird also aufgerichtet, in die Ho¨he gekehrt, zum Beissen geschickt und mit den Fu¨ssen kratzend dargestellt werden und ebenso bei a¨hnlichen Thieren; in dieser Haltung zeigten sie na¨mlich am besten ihr Naturell.‘56 Zur Ga¨nze erschließt sich die dem Wappen zugewiesene Bedeutung erst durch seine Zuordnung an seinen Eigentu¨mer, einer kommunalen Institution: Es ist das Wappen des Popolo von Siena57. (vgl. Taf. 8) Der Wappentra¨ger unseres Beispiels, die hochrechteckige Pavese eines Fußsoldaten, verweist auf den im Fresko hervorgehobenen Sitz im Leben des Lo¨wenwappens. Es ist weder einer Einzelperson als Zeichen personaler Identita¨t, noch als unbestimmtes Standeszeichen der sozialen Schicht 56 Bartolo da Sassoferrato, De insigniis et armis, S. 115, Rubr. 16: Nunc ad propositum dico, quod quedam sunt animalia quorum natura fera est, [...] et ista debent figurari in actu ferociori, ut leo, ursus et similia. Et figurabitur ergo leo rectus et elevatus, mordens ore et scindens pedibus, et idem in similibus animalibus. In hoc enim actu magis suum vigorem ¨ bersetzung nach: Bartoli a Saxoferrato Tractatus de insigniis ostendunt. Die deutsche U et armis, hg. von Hauptmann, S. 18. Bartolos Diskussion um die ‚richtige Seite‘ und die ¨ sthetik der Wappen entspricht der von Huizinga konstatierten „Kasuistik“ als Signatur A des Spa¨tmittelalters. Hat die neuzeitliche Forschung dies als Spitzfindigkeiten bela¨chelt, so zeigen aktuelle Beispiele, daß sich Fragen nach der richtigen Fahnen- und Wappenfu¨hrung sofort stellen, wenn das Pha¨nomen lebensweltlich relevant ist und Regelungsdis¨ ffentlichkeit oder staatliche Institutionen provoziert. Zu nennen wa¨re kurse durch die O der ‚private‘ und kollektive Fahnen- und Flaggengebrauch in Deutschland im Zuge der Weltmeisterschaft 2006 und der Europameisterschaft 2008 im Fußball oder das 2005 in Kraft getretene Beflaggungsreglement der Stadt Zu¨rich, das bis ins Detail die „Handhabung der Beflaggung“ mittels „bewilligter Flaggenarten“ zu „bewilligten Beflaggungsanla¨ssen“ im o¨ffentlichen Raum der Stadt regelt. Vgl. „Flagge zeigen“ (fxk), in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. Juni 2006, Nr. 144, S. 45; Beflaggungsreglement. Ich danke Dr. Antje Flu¨chter und Dr. Michael Jucker fu¨r die freundlichen Hinweise auf Artikel und Reglement. 57 Vgl. beispielsweise Norman, Siena, S. 13; Starn, Ambrogio Lorenzetti, S. 11 und 66f. Mit Hinweisen auf die Wappenlo¨wen der Sieneser Guelfen und der Kommune San Gimignano, aber ohne neue Erkenntnisse zu dieser Figur Campbell, Game, S. 55–59. Vgl. jetzt allgemein zum mittelalterlichen Bedeutungshintergrund Ja¨ckel, Herrscher, und dazu meine Rezension in der Traverse 14/2, 2007, S. 150–152. Angesichts des nach wie vor in der Forschung pra¨senten Postulats von Adler und Lo¨we als Symbolisierung eines Gegensatzes von Reichsgewalt und Kommunen, Ghibellinen und Guelfen, sei daran erinnert, daß zur gleichen Zeit die Guelfen von Florenz einen Adler und die Guelfen von Siena einen Lo¨wen im Wappen fu¨hrten.

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff

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der popolani zugeordnet. Stattdessen weist es eine Gruppe von Fußsoldaten als Repra¨sentanten des Popolo in einem milita¨risch disponierten Kontext aus. Aus der Betrachtung des Bildes lassen sich zwei funktionale Aspekte des Wappens ableiten. Offensichtlich ist sein Beitrag zur Uniformita¨t der Gruppe, die der einer zweiten, anders, aber ebenfalls einheitlich bewaffneten Gruppe von Fußsoldaten zur Rechten der greisen Gestalt des Ben Comune entspricht. Die Fußsoldaten zur Linken tragen, um von der vorderen Reihe auf die angedeuteten hinteren zu schließen, alle die gleichen kurzen Speere, blauen Waffenro¨cke, Helme – zwei davon mit Visier – sowie heraldisch bemalte Pavesen. Diese Uniformita¨t zeigt die Gleichrangigkeit der Ka¨mpfer, wie auch den einheitlich hohen, durch die im Statutarrecht vorgeschriebene Normierung und ‚Qualita¨tssicherung‘ gewa¨hrleisteten Standard ihrer Bewaffnung. Daru¨ber hinaus scheint sie der Gruppe als Ganzes ihren Platz in der Hierarchie der kommuna¨ mter und Korporationen zuzuweisen, auf die das Fresko rekurriert. len A Beide Aspekte werden versta¨ndlicher, wenn wir etwas u¨ber die Soldaten und ihre Aufgaben erfahren, die das Vorbild fu¨r Lorenzettis gemalte Gruppe abgaben. Wie in anderen Kommunen bestanden auch in Siena Kompanien des Popolo, die aus den wehrfa¨higen Ma¨nnern der sta¨dtischen Contrade gebildet und u¨ber die Quartiere, in Siena die Terzi, zusammengefaßt waren58. Sie standen unter einem eigenen Banner und du¨rften, wie in Florenz und anderen Kommunen, eigene Wappen besessen haben59. Die Anzahl dieser Societates schwankte, im Jahr 1339 waren es einundvierzig. Ihre Aufgabe bestand weniger in der Versta¨rkung des kommunalen Heeresaufgebotes, als in der innersta¨dtischen Friedenssicherung. Im Falle eines Aufruhrs hatten sich die Mitglieder bei der unter kommunaler Kontrolle unterhaltenen Ru¨stkammer ihrer Gesellschaft einzufinden, sich zu 58 Das folgende nach Bowsky, Commune, S. 34–45 und 126ff. Waley, Siena, untersucht den Zeitraum zwischen 1250 und 1310 und bietet, S. xviff., ein auch in Anwendung auf andere Kommunen nu¨tzliches Glossar immer wieder begegnender Termini aus den Bereichen der Topographie sowie der Kommune und ihrer Institutionen. Vgl. Dens., ebenda S. 157f., zur regelma¨ßigen Inventur der im Folgenden genannten Waffenkammern. 59 Nach Belegen aus der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts leisteten die milites und die pedites der Terzi dem Podesta` den Bu¨rgereid. Letztere schworen ad carrotium, erstere bei ihrer bandiera. Der Ka¨mmerer der Kommune hatte Zindel fu¨r die Anfertigung von sechs Fahnen zu kaufen, die den u¨bergreifenden Korporationen der Terzi in einem o¨ffentlichen parlamentum u¨bergeben wurden; Zdekauer, Statuti, S. XXXXII–XXXXV; Waley, Siena, S. 164. Vgl. zu a¨hnlichen Verha¨ltnissen in der Arnostadt: Statuti della Repubblica Fiorentina. Editi a cura del Comune di Firenze da Romolo Caggese. 1: Statuto del Capitano del popolo degli anni 1322–25, Firenze 1910, V 83, S. 292ff.

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1. Einleitung

bewaffnen und geordnet die ihnen zugewiesenen o¨ffentlichen Pla¨tze und Mauern zu besetzen. Durch ihre Pra¨senz und Schlagkraft sollten Kommune und Popolo vor innersta¨dtischer Gewalt, als deren Urheber meist die adligen Magnaten benannt wurden, geschu¨tzt werden und zugleich imstande sein, ihren Anspruch auf das sta¨dtische Gewaltmonopol durch¨ ber diese direkten milita¨rischen Aufgaben hinaus ermo¨glichzusetzen. U ten die Gesellschaften zugleich die Partizipation des Popolo am Stadtre¨ mter des Capitano del Popolo und der einzelnen Bannergiment. Die A tra¨ger und Ra¨te der Kompanien umfaßten politische Funktionen. Folgerichtig war der Wappenlo¨we auch das dominierende Zeichen in der in der Mitte des 13. Jahrhunderts aktiven Kanzlei des Popolo. Dort wurden die im Namen des Popolo ausgefertigten Schriftstu¨cke von gro¨ßter Bedeutung mit dessen eigenem Siegel besiegelt, das einen Lo¨wen zeigte. Der Verfahrensgang, der dem Besiegelungsakt vorausging, zeigt eine weitere, pragmatischere Verwendung des Zeichens, die auf das feierliche Siegelbild Bezug nahm. Damit es zur Besiegelung kam, mußte das Schriftstu¨ck na¨mlich zuna¨chst mit dem „signet“ des Popolo, das ebenfalls einen Lo¨wen abbildete, bezeichnet werden60. Wie William M. Bowsky, auf dessen Forschungen sich diese Ausfu¨hrungen zum gro¨ßten Teil stu¨tzen, herausgearbeitet hat61, entsprachen ¨ mter und Verfahren des Popolo in Siena formell einem Organisation, A Idealschema, das zeitgleiche Parallelen in anderen Kommunen hatte. Im Unterschied jedoch zu Sta¨dten wie Florenz, wo der Popolo mit sei60 Waley, Siena, S. 60. Auch in der Genueser Kanzlei wurde mit einem signum populi gezeichnet; I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/2, S. V. Bilder des Sieneser und des Genueser Zeichens waren mir nicht zuga¨nglich. Mo¨glicherweise bezog sich das von Puncuh erwa¨hnte Genueser Signet auf das neue Siegel des ersten vom Popolo gebildeten Stadtregimentes, das von 1257 bis 1262 bestand. Das Siegel mit der Umschrift PLEBS IANI MAGNOS REPRIMENS EST AGNUS IN AGNOS (‚Das Volk Genuas, das die Großen im Zaum ha¨lt, ist das Lamm unter den La¨mmern‘) zeigt in einem Achtpaß ein Agnus Dei. Vgl. Bascape´, Sigillografia 1, S. 260f. mit Tavola III, Abb. 6, und, ebenda, mit dem bemerkenswerten Kommentar: „Con quel modello Genova si uniformava all’uso di molte citta`, ove il prevalere della parte del popolo e il suo avvento al potere si manifestarono anche mediante l’adozione di nuovi simboli ed insegne sacre, sia nei gonfaloni che nei sigilli.“ Zu dieser Ru¨ckgebundenheit der heraldischen Symbolik der Kommune und des Popolo an religio¨se Wert- und Ordnungsvorstellungen siehe unten Kapitel 4.2. Auf die wohl den Notarszeichen a¨hnlichen Signet-Zeichen kann ich an dieser Stelle nur verweisen. Ob sie auch in anderen Kommunen Verwendung fanden und ob sie, wie in Siena, auf das Wappen- oder Siegelbild der Institution Bezug nahmen, wa¨re eine eigene Untersuchung wert. 61 Bowsky, Commune, S. 17 und 34, unter bezug auf die grundlegende Studie von Ugo G. Mondolfo, Il Populus a Siena nella vita della citta` e nel governo del comune fino alla riforma antimagnatizia del 1277, Genova 1911. Vgl. Waley, Siena, S. 41, 45–48 und 101–104.

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff

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nen Zu¨nften und Gesellschaften vielfach Herrschaft und Politik mitbestimmte, dienten die Mechanismen in Siena eher der Kontrolle und Lenkung des nur in Kompanien organisierten Popolo durch das oligarchisch bestimmte Stadtregiment der ‚Neun‘. ¨ ber ihre pragmatisch-instrumentelle Funktion hinaus transportierte U die heraldisch bezeichnete Darstellung des Popolo in Waffen aber auch einen ideologischen Symbolwert62. Ein zeitgeno¨ssischer Betrachter der Fresken wird anhand des Wappens und der Uniformita¨t der Gruppe, die im Gegensatz zu den bunt zusammengewu¨rfelten, wohl als im Dienst von Magnaten stehend aufzufassenden Bewaffneten auf dem gegenu¨berliegenden Bild der Auswirkungen der schlechten Regierung steht, diese sofort als Kompanie des Popolo erkannt und als Indiz fu¨r das Inkraftsein der guten Ordnung gedeutet haben63. Wahrscheinlich kann man sogar noch einen Schritt weitergehen und annehmen, daß er in ihr eine neue Organisationsform des Popolo erkannte, die das zeitgleich zur Entstehung der Fresken (1337–1339) redigierte ‚Constitutum Comunis Senensis‘ vorschrieb64. Es handelte sich um die Aufstellung einer schwerbewaffneten Eliteeinheit des Popolo, die es in anderen Sta¨dten, wie Florenz oder Bologna, bereits gab und die aufgrund der innersta¨dtischen Konflikte von 1318 und 1325 nun auch in Siena eingefu¨hrt wurde65. Gebildet wurde diese Kompanie aus je acht Ma¨nnern von jeder Kompanie des Popolo. Im Falle von Aufruhr oder Rebellion hatte sie direkt zum Kommunalpalast zu ziehen, um dort die ‚Neun‘ zu verteidigen, deren Befehl und Kontrolle sie unterstand. In Florenz hatten nach Aussage der Statuten aus den 1320er Jahren die Societates des Popolo zwanzig schwerbewaffnete Pavesentra¨ger pro Sesto zu stellen. Vielleicht kann man in ihnen die Entsprechung zu den Sieneser Pavesentra¨gern des Freskos sehen66.

62 Dies erschließt sich vor allem aus dem Vergleich mit zeitnahen Statuten des Popolo. Von ‚Ideologie‘ spreche ich hier und im Folgenden im Sinne von Keller, Aufhebung. 63 Waffenbesitz und o¨ffentliches Waffentragen war in Siena, a¨hnlich wie in anderen Kommunen, gema¨ß den statutarischen Normen verboten oder stark eingeschra¨nkt; Waley, Siena, S. 65f. und 97ff. Auf das Gewaltmonopol von Kommune und Popolo verwiesen wiederum deren Wappen. Das bildlich dargestellte milita¨rische Potential erscheint durch seine heraldische Bezeichnung daher als legitim. 64 Zu den Beziehungen zwischen den Fresken und der Statutengesetzgebung Sienas siehe Kempers, Gesetz. 65 Bowsky, Commune, S. 129, mit dem Hinweis auf a¨ltere, u¨ber die Terzi gebildete Elitetruppen des Popolo, u¨ber deren Existenz und Organisation vor 1299 jedoch nur Ru¨ckschlu¨sse mo¨glich sind. 66 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del popolo degli anni 1322–25, V 86, S. 297. Da die Sieneser Statuten von 1337–1339 nicht ediert sind, ziehe ich dieses Florentiner Beispiel zum Vergleich heran.

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1. Einleitung

Falls diese Elitetruppe des Sieneser Popolo auf ihren Pavesen auch das Wappen des Popolo fu¨hrte, ha¨tte sie in der Gruppe des Freskos ihre direkte Entsprechung gefunden. Dafu¨r spra¨che auch die Achtzahl der dargestellten kurzen Lanzen, die u¨ber den Ko¨pfen der Soldaten emporragen. Wenn sie bewußt gewa¨hlt ist, ko¨nnte die Zahl der Lanzen darauf verweisen, daß die genannte Elitetruppe von je acht Mann aus allen Kompanien des Popolo gebildet wurde. Allerdings zeigt die Darstellung der Bewaffneten, von denen die hinten Stehenden nur u¨ber ihre Helmspitzen angedeutet sind, daß es dem Ku¨nstler weniger darauf ankam, eine bestimmte Anzahl von Soldaten, als vielmehr eine bewaffnete Gruppe des Popolo abzubilden. In diesem Fall wa¨re das Wappen des Popolo ein genereller Hinweis auf die milita¨rische Macht dieser kommunalen Korporation, die den Vorschriften im Satzungsrecht der Kommune entsprach und sich im Einklang mit der guten Ordnung befand. Da mir kein Beleg fu¨r das von der Elitetruppe gefu¨hrte Wappen bekannt ist, mo¨chte ich eine Interpretation vorschlagen, die in den Bewaffneten des Bildes gerade nicht ein in allem getreues Abbild, sondern eine ku¨nstlerische Verdichtung der Wirklichkeit im Sinne des „Erza¨hlrealismus“ des Trecento sieht67. Sie visualisiert sowohl den ganzen bewaffneten Popolo, wie auch spezielle Formen seiner Organisation. Zeigen die Fresken Lorenzettis also in erster Linie einen spezifischen funktionalen Kontext des Wappens innerhalb der Mauern Sienas, so begegnet das Wappenbild im Contado als Zeichen perso¨nlicher und herrschaftlich-politischer Bindungen an die Mutterstadt. So lobte die Kommune Siena im Jahre 1369 einige Einwohner von Asciano, die dem Sieneser Popolo eine consorteria beschworen hatten und zum Zeichen dafu¨r das Wappen des Popolo an ihre Ha¨user in Asciano hatten malen lassen68. Im o¨ffentlichen Raum des Landsta¨dtchens war das Wappen einer kommunalen Institution der herrschenden Stadt ein aus aktuellem Anlaß gezeigtes Zeichen der Partei, die zu Siena hielt und dafu¨r auch belohnt wurde69. Diese Fassadenmalerei war ephemerer und weniger komplex, aber nicht 67 Zu diesem von Hans Belting gepra¨gten Begriff siehe Weber, Sprache, S. 545. 68 Dupre` Theseider, Stemmi, S. 321. 69 Unter anderen Umsta¨nden konnte es riskant sein, ein Wappen eigenma¨chtig an eine Mauer zu malen. Nach Aussage der Statuten achtete eine Kommune streng darauf, die in ihrem Contado gezeigten Wappen – meist nur ihre eigenen – zu kontrollieren. So hatten sich nach einem vor 1236 entstandenen Statut die auch im Contado ta¨tigen precones der Kommune Padua eidlich zu verpflichten, kein fremdes, sondern nur das Wappen des Popolo zu zeigen; Statuti del comune di Padova, I 20 (Nr. 212f.) S. 76: Et insignam alicuius persone in rotella vel scuto non portabo. nisi illam comunancie populi paduani. Ein im Jahr 1274 angenommenes Statut der Comunanza, ebenda I 34 (Nr. 454) S. 145, sah vor: Primo quod aliquis non possit nec debeat facere insignam. nec facere fieri in padua vel

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weniger demonstrativ als die einen Ratssaal zierenden Fresken Lorenzettis. Korrespondierte das Wappen des Popolo in deren Bildebene mit anderen, unheraldischen Symbolen, so bildete es wiederum mit seinen Dar¨ berlieferungszusammenha¨ngen ein stellungen in anderen Bildern und U Verweissystem, das mehrere Komplexe der dritten Bedeutungsebene miteinander verband und sich ra¨umlich u¨ber Siena hinaus in den Contado erstreckte70. In Kombination mit der balzana der Kommune und der Sieneser Wo¨lfin bezeichnete das Lo¨wenwappen sowohl die Stadttore Sienas als auch ein allegorisches Staatsschiff, das die Lade der Gabella auf das Jahr 1487 ziert71. In einer nur fragmentarisch erhaltenen Szenenfolge Giovanni di Pietros aus der Mitte des 15. Jahrhunderts begegnen die Wappen von Popolo und Kommune in Aktion, als Fahnen an Lanzen und Businen, die wa¨hrend eines Herrscheraufenthaltes die Kommune repra¨sentieren72. Aus einem a¨hnlichen Kontext heraus deutet die lokale Geschichtsschreibung Sienas, eine weitere dritte Bedeutungsebene, das Wappenbild. Ein Zeitgenosse Lorenzettis berichtet na¨mlich in seiner Sieneser Chronik: ‚Wie die Krone auf das Haupt des weißen Lo¨wen, des Wappen[tieres] des Popolo, gesetzt worden war, aus den Ha¨nden des Kaisers Otto. Der Kaiser ersuchte den Popolo von Siena um seine Hilfe, als er nach Rom zog, um sich die Krone zu holen, und besagter Kaiser erfuhr den besagten Popolo als so frei und ku¨hn und von solch edler Hochherzigkeit und wohlversehener Ordnung, daß er auch diesen Popolo belohnen und ihm ein Zeichen der Ehre und der Erinnerung geben wollte, weshalb er paduano districtu sub pena et banno librarum quingentarum denariorum venecialium in aliquo castro sine licencia et parabola potestatis padue et ancianorum comunancie et populi paduani. Vgl. Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del popolo degli anni 1322–25, V 96, S. 302. Siehe unten Kapitel 4.3. 70 Vgl. beispielsweise das Material bei Norman, Siena. 71 Le Biccherne, Nr. 75–77, S. 190ff. Vgl. Popp, Lupa. 72 Freuler, „Ku¨nder der wunderbaren Dinge“, Nr. 32, S. 98–101. Auch wenn der von Freuler vermutete Bezug auf den Besuch Kaiser Sigismunds naheliegt, so u¨berzeugt seine hypothetische Deutung des Zyklus in diesem Sinne nicht. Da das Wappen mit dem Skorpion der den Sienesen unterlegenen Ritter ha¨ufig – beispielsweise in den ‚Historiae Romanorum‘ – als Zeichen antiken Heidentums begegnet, scheint mir die Bildfolge eher einen Herrscheraufenthalt aus Mythos oder Legende darzustellen, der zugleich aktuelle Ereignisse widerspiegelt. Bemerkenswerte Bildzeugnisse fu¨r den rituellen Gebrauch kommunaler Heraldik sind die Tafeln, die den Empfang des Herrschers am Stadttor mit mitgefu¨hrten Trompetenfahnen, sowie die die Investitur eines kommunalen Amtstra¨gers mit der balzana auf der Piazza di S. Cristoforo zeigen. Siehe Kapitel 4.3 zu der von den Stadtknechten eingesetzten heraldischen Symbolik.

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auf das Haupt des weißen Lo¨wen die goldene Krone setzte; und von ihm erwarb man diese ehrenvolle Auszeichnung durch das Gold der Krone, in der Zeit, als Ubaldo Visconti aus Pisa Podesta` von Siena war. Im Jahre des Herrn 1213.‘73 Der Quellenwert dieses im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts niedergeschriebenen Chronikabschnittes liegt weniger in der Historizita¨t des mitgeteilten Ereignisses, als in der Art und Weise, in der der Chronist einem in seiner eigenen Gegenwart wirkma¨chtigen Wappen eine Geschichte zuschreibt. Diese Sinngebung folgte der von Marc Bloch ausgemachten „Tendenz, im symbolischen Objekt [...] ein historisches Objekt zu sehen“74. Eine a¨hnliche narrative Struktur weist der vorangegangene Eintrag zum Jahre 1212 auf, der erza¨hlt, wie der heilige Franziskus nach Siena gekommen sei und einen Frieden zwischen dem populo und den nobili vermittelt habe. Da ihm das Volk daraufhin große Verehrung entgegengebracht habe, sei der Heilige aus der Stadt an eine Stelle geflohen, an der spa¨ter eine Kirche errichtet wurde, in der noch der Stein gezeigt werde, auf den er nachts sein Haupt gebettet habe75. Der anonyme Chronist griff die Erinnerung an datierbare Ereignisse auf, die mit Orten und Objekten in der symbolischen Topographie Sienas verknu¨pft waren, und brachte sie zusammen mit a¨hnlichen Verweisen in die chronologische Reihe der von ihm verschrifteten Geschichte Sienas. Zugleich nutzte er die Verweisstruktur zur narrativen Ausgestaltung. Stein und Wappenbild erinnerten an die Pra¨senz des Heiligen und des Kaisers, mit denen die Sienesen des Trecento die Anfa¨nge des in ihrer Gegenwart als kommunale Institution existierenden Popolo in Verbindung brachten. Der erste urkundliche Beleg fu¨r eine societas populi Senensis vom 22. Juni 1212 legt die Vermutung nahe, daß diese Anfa¨nge tatsa¨chlich in diese Zeit fielen76. Daß der Chronist den Romzug des Jahres 1209, auf dem der Welfe der Stadt in zwei Urkunden ihre Rechte besta¨tigte, mit dem Podestariat des Ubaldo Visconti in der zweiten Ha¨lfte des Jahres 1213 verbindet, liegt nicht allein 73 Cronaca senese, S. 43: Come la corona fu posta in chapo a leone biancho, arme del populo, per le mani dello ’mperadore Otto. Lo ’mperadore richiese el populo di Siena per suo aiuto quando ando` a Roma a pigliare la corona, e ’l deto ’mperadore trovo` el detto populo sı` francho e chagliardo, e di sı` buono sentimento, e di grande provedimento che lui volse meritare et detto populo e lasare un segnio di dignita` e di memoria, che pose in chapo a leone biancho la corona dell’oro; e da lui s’aquisto` questa degnita` dell’oro della corona, al tempo d’Urbano Bisconte da Pisa potesta` di Siena. Anni Domini MCCXIII. 74 Le Goff, Vorwort, S. 28. Vgl. Weber, Exempla. 75 Cronaca senese, S. 43. 76 Siehe den Kommentar der Herausgeber in: Cronaca senese, S. 43, sowie Zdekauer, Statuti, S. XXXXIII; Waley, City-Republics, S. 207.

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¨ berlieferung erahnbaren Institutionalisiean der in der urkundlichen U rung des Popolo, die sich vielleicht auch mit dem Namen des Podesta` aus ¨ berlieferung, die Pisa verband, sondern an der Logik der mu¨ndlichen U noch mit der des heraldischen Regelwerks ausgestaltet wurde. Das Wappen des Popolo stammte aus der Zeit, als Otto Kaiser war. Da insbesondere die Krone im Wappenbild an ihn erinnerte, lag es nahe, den symbolischen Verweis mit dem historischen Unternehmen in Verbindung zu bringen, in dessen Verlauf der Welfe sich in Rom die Kaiserkrone geholt und Siena passiert hatte77. Solch ein Romzug geho¨rte zu den Orientierungsmarken im Zeithorizont der Erinnerung mittelalterlicher Menschen. Die Regierungszeit eines Herrschers war, worauf Arnold Esch hingewiesen hat, im perso¨nlichen und kollektiven Geda¨chtnis oft in der Erinnerung an seinen Vorbeiritt oder Einzug pra¨sent78. Die Verweigerung einer solchen Situation schildern – mit biblischen Ankla¨ngen – franziskanische Legenden am Beispiel der beiden Protagonisten, mit denen sich die Sieneser Erinnerung an die Anfa¨nge des dortigen Popolo verband. Als Franziskus und seine Gefa¨hrten im Herbst des Jahres 1209 in der Hu¨tte von Rivotorto unterhalb Assisis lebten, zog Otto IV. dort auf dem Weg nach Rom vorbei. Der Heilige verweigerte das in einer solchen Situation geforderte Verhalten, den Heerzug zu beschauen und dem Herrscher zu akklamieren, und schickte stattdessen einen Bruder, um den ku¨nftigen Kaiser an die Verga¨nglichkeit irdischer Herrschaft erinnern zu lassen79. Aufgrund seines Ereignischarakters ist der Romzug außerdem ein ha¨ufiger Topos in genealogischen Ursprungserza¨hlungen des spa¨teren Mittelalters, die auf beiden Seiten der Alpen entstanden80. In einer von Giovanni Villani u¨berlieferten Episode aus der Genealogie des großen toskanischromagnolischen Grafenhauses der Guidi begegnet auch wieder Otto IV. Er

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Vgl. bereits Winkelmann, Philipp 2, S. 411. Esch, Zeugenverho¨re. Kantorowicz, Kaiser, S. 46; Feld, Franziskus, S. 180ff. Giovanni Villani, Nuova Cronica, V 1, Bd. 1, S. 159–162, erza¨hlt, daß die Grafen Guidi von einem eponymen Baron Guido abstammten, der im Gefolge Ottos I. u¨ber die Alpen gezogen war. Zu den Guidi siehe jetzt Rauty, Documenti. Levold von Northof, Die Chronik der Grafen von der Mark, S. 13 und 100, fu¨hrte den Ursprung des Grafenhauses von der Mark auf zwei Bru¨der aus dem Geschlecht der Orsini zuru¨ck, die mit Otto III. u¨ber das Gebirge nach Deutschland gekommen waren. Zur vergleichbaren, bei Galvano Fiamma u¨berlieferten Genealogie der Maila¨nder Della Torre siehe Busch, Geschichtsschreibung, S. 175. Rolandini Patavini Cronica, I 7, S. 20, berichtet u¨ber den Ursprung der Da Romano, einer der vier großen Familien der Trevisanischen Mark: quam olim Ecili avus eius habuerat ab antiquis a rege Conrado, cum quo venerat de Alemania miles ab uno equo. Ein Beispiel aus der Trevisaner Aristokratie des fru¨hen 15. Jahrhunderts bietet Israel, Fremde, S. 145 Anm. 64.

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soll der Heiratsstifter zwischen Guido Guerra und der buona Gualdrada gewesen sein, aus deren Mitgift der Ha¨userkomplex stammte, den die Grafen bewohnten, nachdem die Kommune sie zu Mitbu¨rgerschaft und Stadtsa¨ssigkeit gezwungen hatte81. Im selben Sesto, Por San Piero, und in unmittelbarer Na¨he des 1280 von den Cerchi u¨bernommenen palagio de’ conti am Stadttor, standen auch die Ha¨user der Alighieri82. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn Dante – im fu¨nfzehnten und sechzehnten Gesang seines ‚Paradiso‘ – Gualdradas Vater, Bellincione Berti aus dem Geschlecht der Ravignani, als adligen und tugendhaften Mitbu¨rger seines eigenen Vorfahren Cacciaguida hervorhebt83. Und dieser Ahnherr schließlich weiß in ¨ bereinstimmung mit den genannten Erinnerungstechniken anzugeben, U daß er im Heer Kaiser Konrads mitgezogen sei. Sowohl die sta¨dtischen Statuten als auch die Fresken Lorenzettis zeigen das Wappen des Popolo hauptsa¨chlich in seiner zweiten Bedeutungsebene. In den Funktionen, die sie als Zeichen auf ihren Tra¨germedien in bestimmten Handlungskontexten erfu¨llten, symbolisierten sie zugleich Idealvorstellungen u¨ber die gute Ordnung der Kommune. Der anonyme Chronist geht dagegen nicht auf diese zweite, sondern auf die erste Sinnebene des Wappens ein. Er liefert eine Deutung des Wappenbildes, die er neben strukturell vergleichbare Erza¨hlungen in den Anfangsteil seiner Chronik setzt. Dieser Text, eine andere dritte Ebene als die der Fresken, bietet keine erlebte Zeitgeschichte, sondern ordnet narrativ ausgestaltete Episoden, die Relevanz fu¨r die kollektive Identita¨t der Stadtgemeinde besitzen, anhand einer durch die Liste der Sieneser Podesta` vorgegebenen chronologischen Linie an. Auch wenn sich die Anfa¨nge des Sieneser Popolo tatsa¨chlich bis in die Zeit Kaiser Ottos IV. zuru¨ckverfolgen lassen, so ist doch sehr unwahrscheinlich, daß er bereits zu diesem fru¨hen Zeitpunkt ein Wappen fu¨hrte84. 81 Giovanni Villani, Nuova Cronica, IV 2, Bd. 1, S. 146–149, und VI 37, Bd. 1, S. 264ff. Vgl. Hartwig, Quellen 2, S. 84; Davidsohn, Geschichte 1, S. 552. 82 La cronica di Dino Compagni, I 20, S. 55: Intervenne, che una famiglia che si chiamavano i Cerchi (uomini di basso stato, ma buoni mercatanti e gran ricchi, e vestivano bene, e teneano molti famigli e cavalli, e aveano bella apparenza), alcuni di loro comperorono il palagio de’ conti, che era presso alle case de’ Pazzi e de’ Donati, i quali erano piu` antichi di sangue, ma non sı` ricchi: onde, veggendo i Cerchi salire in altezza (avendo murato e cresciuto il palazzo, e tenendo gran vita), cominciorono avere i Donati grande odio contra loro. Der Herausgeber verweist, ebenda S. 55 Anm. 5, auf den erhaltenen Kaufvertrag zwischen Graf Guido ‚Salvatico‘ und den Cerchi vom 8. Oktober 1280. Vgl. Gerchow, Donati. 83 Vgl. Morghen, Il canto XVI. 84 Unabha¨ngig davon ist der bemerkenswerte Umstand festzuhalten, daß der Welfe mehrfach und europaweit im Kontext heraldischer Erstbelege begegnet; Biewer, Wappen,

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Viel wahrscheinlicher ist, daß der Chronist des fru¨hen 14. Jahrhunderts in seiner Deutung des Wappens heraldische Praktiken, die sich erst in seiner Zeit etabliert hatten, ein Jahrhundert zuru¨ckprojizierte. Dazu ging er davon aus, daß der Popolo in der Zeit des Herrschaftsantritts des Welfen bereits das Wappen mit dem leone biancho gefu¨hrt habe, das Otto IV. dann um die goldene Krone vermehrte. Die so beschriebene Praktik ist eine Wappenbesserung durch die Vermehrung des Wappenbil¨ nderung oder auf des um ein Beizeichen, das auf die Ursache fu¨r die A 85 die a¨ndernde Autorita¨t verweist . Der Sieneser Anonymus ging wahrscheinlich von der Krone im Wappen aus, die er in diesem Sinne als ein ehrenvolles Prunkstu¨ck deutete, das das Wappen zu einem Erinnerungswappen, einem segnio di dignita` e di memoria, machte. Von der Assoziation zum narrativen Topos vom Italienzug als Ursprungsort, die das Zeichen der Krone weckte, ergab sich fu¨r ihn der Anlaß der Wappenbesserung. Diese wahrscheinlich aus dem Wappen des Popolo herausgelesene heraldische Praktik stimmt in der Tat mit den ersten Belegen fu¨r Wappenverleihungen und -besserungen durch ro¨mische Kaiser u¨berein, die die aktuellen Vorbilder fu¨r diese Imagination gewesen sein du¨rften. Fu¨r Ludwig den Bayern, in dessen Zeit der Sieneser Chronist lebte und schrieb, sind die fru¨hesten Zeugnisse dieser Art u¨berliefert. Sie betreffen zudem fast ausschließlich italienische Empfa¨nger, die Wappen erhielten, die wiederum auf die von dem kaiserlichen Stifter gefu¨hrten Wappen oder Insignien verwiesen. So verlieh Ludwig der Bayer in einer Urkunde vom 8. Februar 1338 den Carbonesi aus Bologna ein Wappen, dessen Schild schra¨ggeviert von blauweißen Rauten und gold mit mit schwarzem, einko¨pfigem Adler war86. In diesem neuen Wappen kombinierte der Herrscher durch eine Schra¨gquadrierung zwei Wappen, die er selbst fu¨hrte, das bayerisch-wittelsbachische und das des Reiches. Geschrieben und gemalt hat diesen a¨ltesten bekannten kaiserlichen Wappenbrief Leonhard von Mu¨nchen, der als Schreiber in der Kanzlei des Kaisers auch die beru¨hmten Prunkurkunden des Wittelsbachers fertigte. Der heraldische Schmuck dieser Urkunden zeigt, daß Ludwig als Kaiser nicht nur das Adlerwappen des Reiches fu¨hrte, sondern dieses mit seinen ‚eigenen‘ Wappen, den von seiner Dynastie gefu¨hrten bayerischen Herzogswapund Hasse, Wappenkasten (lies dort, S. 91, „Wappenschilde“ fu¨r „Wappenschilder“), stellen entsprechende Belege und Literatur zusammen. Vgl. Weber, Exempla, S. 149. 85 Weber, Exempla, mit weiteren Literaturhinweisen. 86 Bock, Wappenbrief. Zur Entstehung der Schra¨gquadrierung als Brisur oder Kombination bestehender Wappen siehe Neubecker, Hohenstaufenerbe.

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pen, zusammen fu¨hrte87. Dies wiederum entspricht einer Tendenz in der heraldischen Repra¨sentation, die sich wa¨hrend des 14. Jahrhunderts auch bei den Reichsfu¨rsten und in anderen abendla¨ndischen Reichen beobachten la¨ßt88. Die Bildung eines neuen Wappens durch die Kombination oder Brisur eines oder mehrerer dieser Wappen, wie im Fall der Carbonesi, begegnet auch in einem ein Jahrzehnt zuvor geschehen Akt, von dem Giovanni Villani berichtet: Ludwig habe am Martinstag 1327 in Lucca Castruccio Castracani degli Antelminelli zum Herzog erhoben und ihm zum Zeichen seiner neuen Wu¨rde heraldische Fahnen verliehen, die in Gold einen Balken mit den bayerischen Wecken zeigten89. Eine a¨hnliche Wappenbildung durch Brisur eines eigenen Wappens schildert Bartolo da Sassoferrato. Er hatte 1355 wa¨hrend seiner Gesandtschaft zu Kaiser Karl IV. in Pisa ein Wappen erhalten, das in Figur und Tingierung auf das bo¨hmische Wappen des Luxemburgers zuru¨ckging: 87 Wrede, Leonhard, bes. S. 82–88. Bereits die Bilderchronik u¨ber den Romzug Heinrichs VII. zeigt den das Grabmal des Kaisers bekro¨nenden Reichsadler in Begleitung des bo¨hmischen und des luxemburgischen Wappens; Heyen, Romfahrt, fol. 37, S. 126f. Zu diesem Teil des Balduineums siehe jetzt Winterer, Gesichter. Als Begleiter des thronenden Herrschers finden sich beide Wappen auch erstmals auf dem bo¨hmischen Ko¨nigssiegel Karls IV.; Diederich, Majesta¨tssiegel. 88 Vgl. beispielsweise die Beitra¨ge der „Sectio heraldica“ in: Staaten, Wappen, Dynastien, sowie in: Die Parler 1, S. 139f. (ungarisches und polnisches Wappen Ludwigs des Großen von Anjou), S. 245f. (obere Wappenreihe am Grabmal Gu¨nthers von Schwarzburg), 2, S. 417f. (Wappen der Habsburger am Singertor der Wiener Stephanskirche), S. 482f. (Wappen der polnischen La¨nder auf den Schlußsteinen eines Krakauer Hauses), ¨ sterreich). Zu Ludwigs Gegenko¨nig und Nachfolger 3, S. 158f. (Siegel Rudolfs IV. von O siehe Homolka, Zu den ikonographischen Programmen. Zur selben Zeit setzt sich auch die Sitte durch, alle Landeswappen eines Herrschaftsverbandes auf dem Siegel anzubringen. Zu dem im Jahre 1316 durch Bernardus de Cucuiaco, dem Rektor des Tuszischen Patrimoniums der Kommune Viterbo verliehenen Wappenbrief, der das sta¨dtische Wappen um die Wappenfahne der Ro¨mischen Kirche vermehrte, siehe Galbreath, Heraldry, S. 3. Suckale, Hofkunst, S. 36f., vergleicht dies mit der Wappenbesserung eines italienischen Empfa¨ngers durch Ludwig den Bayern im Jahre 1338. 89 Giovanni Villani, Nuova Cronica XI 38, Bd. 2, S. 567f.: e muto` arme a Castruccio, lasciando la sua propia della casa degl’Interminelli col cane di sopra, e fecelo armare a cavallo coverto, e bandiere a modo di duca, col campo ad oro, e al traverso una banda a scacchi pendenti azzurri e argento, sı` come l’arme propia al tutto, co’ detti scacchi del ducato di Baviera. Das auf den 17. November 1327 ausgestellte Privileg hat sich in zweifacher Ausfertigung als repra¨sentative, heraldisch jedoch nicht verzierte Prunkurkunde erhalten; Wrede, Leonhard, S. 142–145; Katalog-Nr. 26–27. Gedeutet als neues Wappen des Herzogtums Lucca durch Dupre` Theseider, Stemmi, S. 321f. Wa¨hrend des von Giovanni Villani geschilderten o¨ffentlichen Belehnungsakts wurden neben diesen neuen Wappenfahnen auch die des Reiches, Luccas und die anderer Kommunen wie Pisa und Pistoia gezeigt. Diese Episode bietet ein Beispiel fu¨r den Gebrauch kaiserlicher und kommunaler Fahnen bei der Belehnung eines Signoren. Zur ‚Reaktivierung‘ solch feudaler Rechtsformen und Gesten der Vasallita¨t in den Signorien Reichsitaliens siehe Keller, Lehen.

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‚Es giebt Abzeichen oder Wappen von Privatpersonen, von Adeligen oder von Bu¨rgerlichen. Unter diesen giebt es Einige, welche Wappen und Abzeichen besitzen, die sie in Folge Verleihung durch den Kaiser oder einen andern grossen Herrn fu¨hren. So habe ich gesehen, wie es Vielen von dem gna¨digsten Fu¨rsten Karl IV. ro¨mischem Kaiser und Ko¨nig von Bo¨hmen verliehen wurde; und mir, der ich damals in seinem Rathe sass, erlaubte er unter Anderm, dass ich und meine Verwandten einen rothen Lo¨wen mit zwei Schwa¨nzen in goldnem Felde fu¨hrten.‘90 Von rechtshistorischer Seite ist diese Wappenverleihung, die gut bezeugt ist und in Einklang mit der inneren Logik der Brisuren in den anderen erwa¨hnten Fa¨llen steht, bezweifelt worden91. Ein Hauptargument der 90 Bartolo da Sassoferrato, De insigniis et armis, S. 109, Rubr. 3: Quedam sunt insignia seu arma privatorum hominum nobilium et popularium; de istis quidam reperiuntur, qui habent arma vel insignia que portant ex concessione imperatoris vel alterius domini, ut vidi concedi multis a serenissimo principe Karolo quarto Romanorum imperatore nec non rege Bohemie. Et mihi tunc eius consiliario inter cetera concessit, ut ego et ceteri de agnatione mea leonem rubeum cum caudis duabus in campo aureo portaremus. Die deutsche ¨ bersetzung nach: Bartoli a Saxoferrato Tractatus de insigniis et armis, hg. von HauptU mann, S. 5. 91 Die Herausgeber der derzeit besten kritischen Ausgabe von Bartolos Traktat meinen in ihrer Einfu¨hrung beweisen zu mu¨ssen, daß „it should be beyond doubt that the imperial grant never actually occurred“; A Grammar of Signs, S. 8–26, hier S. 24, vgl. die Zusammenfassung, S. 85: „Ours is the first discussion of the entire text of De insigniis in its historical context. Along the way, we make a number of claims about the circumstances of its composition and contents. It can no longer be maintained that Bartolo received a coat of arms from the Emperor Charles IV, an event which supposedly inspired him to write the tract.“ Dieses selbstbewußte Fazit stu¨tzt sich unter anderem darauf, daß sich kein entsprechender Wappenbrief oder eine Grabplatte mit Wappen erhalten habe und daß der Beleg bei Bartolos Zeitgenossen Angelo degli Ubaldi, Bartolo habe als Gesandter Perugias vom Kaiser die arma imperatoris, scilicet Leonem bicaudatam, erhalten, nicht stichhaltig sei, da das kaiserliche Wappen ja der Adler, der Lo¨we dagegen das anti-kaiserliche Symbol der Kommunen gewesen sei. Der Beleg fu¨r diese heraldisch u¨berholte Behauptung ist, vermittelt u¨ber einen Beitrag Hannelore Zug Tuccis, Goffredo di Crollalanza! Aufgrund der gleichen, durch die Literatur weitergereichten Spekulationen und Systematisierungen des 19. Jahrhunderts, kann Wrede, Leonhard, S. 81f., die Adler und Lo¨wen in den kaiserlichen Goldbullen des 14. Jahrhunderts und in den Prunkurkunden Ludwigs IV. als heraldische Allegorie des staufisch-ghibellinischen und welfisch-guelfischen Gegensatzes deuten. Suckale, Hofkunst, S. 249, der die Belege und ihre Deutungen umsichtig vergleicht, vermutet auch eine Anspielung auf die Gegner des Kaisers in Italien, „da der Lo¨we das Wappentier der Anjou ist“. Der in der Literatur sta¨ndig begegnende, unhinterfragte Rekurs auf die heraldischen Hypothesen des 19. und fru¨hen 20. Jahrhunderts, der Ausdruck eines gegenwa¨rtigen Forschungsdesiderats ist, verdiente eine eigene Darstellung. Daß sich Bartolo in der Lesart von Angelos

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Beweisfu¨hrung der Herausgeber von Bartolos Wappentraktat ist, daß sich kein Wappenbrief erhalten habe. Ist das Fehlen solch eines angeblich fakti¨ berlieferungsverlust einfizierenden Beweisstu¨ckes in Bartolos Fall als U zustufen, so hat sich ein anderer Wappenbrief erhalten, der den Bericht des Perusiner Rechtslehrers in beeindruckender Weise besta¨tigt92. Ausgestellt wurde er fu¨r den Paduaner Juristen Jacopo da Santa Croce, der wie Bartolo 1355 als Gesandter zum Kaiser kam und von diesem ebenfalls mit der Tischgenossenschaft und der Wappenverleihung geehrt wurde. Die Miniatur im Urkundentext zeigt den im Kaiserornat thronenden Luxemburger, der dem rechts vor ihm knienden Jacopo einen u¨bergroßen Schild mit seinem neuen Wappen in die zum Empfang geo¨ffneten Ha¨nde dru¨ckt. Auch dieses Wappen zeigt einen Lo¨wen in verwechselten Farben: in Weiß ein gelber Querbalken, davor ein gekro¨nter roter Lo¨we93. Karl IV. machte auch vom Reichswappen als besserndem Beizeichen Gebrauch, als er am 30. Mai 1360 dem Venezianer Joannes Beatinus und seinen Nachkommen das Recht verlieh, quod possitis in insigniis vestris apponere impingere ac impingi et sculpi facere insignia nostra cum bicipiti aquila et coloribus prout in insigniis et armis nostris94. Das Beizeichen der goldenen Krone schließlich, das der Sieneser Chronist als Erinnerungszeichen Kaiser Ottos IV. verstanden wissen wollte, findet sich in diesem Kontext erstmals in zwei Wappenbesserungen Ludwigs IV. So soll er es 1328 auf seinem Romzug den Colonna verZeugnis durch die Herausgeber zudem ‚strafbar‘ gemacht haben wu¨rde, wenn er seine offizielle Gesandtschaft fu¨r die Kommune Perugia dazu genutzt ha¨tte, ein Privileg fu¨r sich selbst zu erwerben, ist formaljuristisches Argumentieren. So nutzte beispielsweise Guilielmus de Pusterla, der Podesta` Bolognas im Jahre 1220, den Vorbeizug Friedrichs II., um den Herrscher aufzusuchen und sich ein Lehen besta¨tigen zu lassen; siehe unten ¨ berlieferung existiert oder daß ein ProtKapitel 1.2.2. Daß schließlich keine lu¨ckenlose U agonist in spa¨teren Schriften einen Aspekt nicht erwa¨hnt, mit den ihn andere Quellen in Verbindung bringen, sind fu¨r den Historiker vertraute Umsta¨nde, die es nicht zwingend erforderlich machen, etwas als ungeschehen einzustufen, weil es kein absolutes „fact“ ist. Die von den Herausgebern unbeachtete Praxis Ludwigs IV., als Kaiser sein Herzogswappen fu¨r Wappenverleihungen zu verwenden, du¨rfte außerdem fu¨r die vergleichbare Wappenverleihung des Luxemburgers als Ko¨nig von Bo¨hmen an den Perusiner Juristen sprechen. Vgl. die Rezension durch Walther in: Ius commune 25, 1998, S. 487–494, die den Wert der Edition lobt, jedoch Bedenken gegenu¨ber den Interpretationen der Herausgeber a¨ußert. 92 Wundram, Kaiser; Schramm – Fillitz – Mu¨therich, Denkmale 2, Nr. 44, S. 62. 93 Diese Blasonierung geht auf die mir nur in Schwarz-Weiß-Aufnahmen zuga¨ngliche Miniatur und den sie unmittelbar umgebenden Urkundentext, in dem das Wappen beschrieben wird, zuru¨ck. Ob sie fehlerfrei ist, kann ich daher nicht mit Bestimmtheit sagen. Im selben Jahr besserte Karl IV. auch das Lo¨wenwappen von San Miniato mit einer Krone; Borgia, Gli ampliamenti, S. 64. 94 Mommsen, Analekten, Nr. 305, S. 125f.

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff

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liehen haben, die es auf die silberne Sa¨ule im roten Feld ihres redenden Wappens setzten95. In einer Urkunde vom 21. Mai 1338 privilegierte der Wittelsbacher in a¨hnlicher Weise die Albertini da Prato, die Familie des Kardinals, der eine Generation zuvor als Friedensstifter in Florenz ta¨tig gewesen war96. Sie erhielten das Recht, dem Lo¨wen in ihrem Familienwappen eine Krone aufzusetzen. Die in den Italien betreffenden Quellen erstmals erkennbaren Prinzipien der Wappenverleihungen und -besserungen durch Ro¨mische Kaiser hatten auch in der Folgezeit Bestand97. Unter den Habsburgern auf dem Kaiserthron etablierte sich sogar eine standardisierte Wappenbriefvergabe als Einnahmequelle98. Als Friedrich III. im Dezember 1468 nach Rom zog, um dort das Weihnachtsfest zu feiern, kam er durch Bologna, wo er zum Dank fu¨r seinen Empfang Giovanni Bentivoglio privilegierte. Der de facto als Signore u¨ber die Stadt am Reno Herrschende durfte seinem Wappen einen Adler jedweder Farbe mit Ausnahme von Schwarz hinzufu¨gen99. Als der Kaiser dann Marsciano am Oberlauf des Tiber passierte, suchten ihn Gesandte der Kommune Todi auf, die uns noch im dritten Teil dieser Arbeit bescha¨ftigen wird. Indem er die von ihnen bezeugten Ehren ebenfalls mit einer Wappenbesserung erwiderte, ging Friedrich in gleicher Weise auf die Vorgabe des Stadtwappens ein, wie dies in Siena seinem welfischen Vorga¨nger zugeschrieben wurde: Er verlieh der Stadt das Recht, dem weißen Adler in Rot, den sie in ihrem Wappen fu¨hrte, eine goldene Krone aufzusetzen100.

95 Rehberg, Colonna. Nach Schmidt, Visconti, und Cambin, Rotelle, S. 108f., die beide keine Belege nennen, hatten die Visconti 1336 von den o¨sterreichischen Herzo¨gen Albrecht II. und Otto das Recht erhalten, der Viper in ihrem Wappen eine Krone aufzusetzen. Davon Gebrauch machte jedoch erst Gian Galeazzo Visconti nach seiner Erhebung zum Herzog im Jahre 1395. 96 Bock, Wappenbrief, S. 54f. Vgl. Il Villani illustrato, S. 206; Weber, Sprache, S. 548f. ¨ bernahme einer 97 Im Jahre 1401 belohnte Ko¨nig Ruprecht Buonaccorso Pitti fu¨r die U Gesandtschaft, indem er ihn zum Ritter machte und sein Wappen durch Hinzufu¨gung eines goldenen Lo¨wen, der aus seinem eigenen Pfa¨lzer Wappen stammte, besserte. Dies entspricht der vorangegangenen Praxis des Wittelsbachers und des Luxemburgers. Der Florentiner hat auf dieses Ereignis eine interessante Wappendichtung verfaßt; Trexler, Life, S. 41. 98 Arndt, Entwicklung; Scheibelreiter, Heraldik, S. 125f. ¨ nderung 99 Cipolla, Storia, S. 550. Daß der Empfa¨nger die beabsichtigte Brisur durch A der Farbe des Reichsadlers selbst bestimmen durfte, wird man als eine zusa¨tzliche Auszeichnung werten ko¨nnen. 100 Ceci, Appunti, S. 364 [14] mit der Verschreibung „Ferdinando III“ fu¨r Friedrich III. Zur Anfertigung neuer Siegeltypare nach der Wappenbesserung siehe unten Kapitel 3.

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1. Einleitung

1.2.2 Das Wappen der Maila¨nder Capitanenfamilie De Pusterla als Beispiel fu¨r die Integration des Pha¨nomens Heraldik in einen Diskurs der kommunalen Geschichtsu¨berlieferung Wie der Sieneser Chronist, so berichtet auch sein etwas a¨lterer Zeitgenosse, der Maila¨nder Dominikaner Galvano Fiamma, von einem Wappen seiner Lebenswelt, dessen Annahme auf dem Italienzug Ottos IV. verortet wurde: ‚Gulliermus de Pusterla war ein Mann, der der Buchstaben unkundig war, jedoch, nachdem er zum Podesta` von Bologna gemacht worden war, im Disputieren alle Doktoren des Rechts u¨berwand. Er war von solcher Klugheit, daß er Marcus Tullius Cicero genannt wurde. Als Kaiser Otto die große Klugheit des Mannes sah, ehrte er ihn wie einen Vater, weshalb er ihn zum Capitanen machte und ihm die Stadt Asti als Lehen gab, so daß er von da an als Lehnszins dreißig Mark reinsten Silbers erhielt, die sie zahlten bis zu den Zeiten des Gulliermus Abyaticus, u¨berzeugt, daß es im Verha¨ltnis zu diesem Großen allzu billig sei. Der Kaiser vertraute diesem großen Gulliermus auch die kaiserliche Fahne mit dem Adler an, die im Verlauf der Zeit auch andere der De Pusterla annahmen.‘101 Die Maila¨nder Capitanen-Familie der De Pusterla fu¨hrte in der Tat ein Wappen, das so gut wie identisch mit dem des Reiches war, na¨mlich einen schwarzen, einko¨pfigen Adler auf goldenem Feld102. Dies war kein Sonderfall, da auch andere Adelsfamilien aus kommunalen Fu¨hrungsschichten, wie die Doria in Genua, die Bragadin in Venedig oder die Marescotti 101 Galvano Fiamma, Chronicon maius, S. 759f.: Gulliermus de Pusterla fuit vir ignarus litterarum, attamen factus potestas bononiensis omnis doctores iuris disputando superabat. Fuit tante prudentie, ut Marchus Tullius Cicero nuncuparetur. Videns Otto imperator tantam viri prudentiam, ipsum velut patrem honorabat, unde eum cathaneum fecit, et civitatem astensem ei in feudum dedit, ut inde reciperet pro feudo xxx marchas argenti purissimi, quas solverunt usque ad tempora Gulliermi Abyatici istius magni satis vilis causa inducti. Contulit etiam imperator vexillum imperiale cum aquila ipsi magno Gulliermo, quam in processu temporis etiam alii de Pusterla assumpserunt. 102 Cambin, Rotelle, S. 273–277 und 346f. Der Adler ist schwarz bewehrt und tra¨gt in Darstellungen des 15. Jahrhunderts eine Krone. Wie Cambin, ebenda, ausfu¨hrt, waren die De Pusterla wichtige Funktiona¨re der Visconti-Signorie. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts waren beide Familien miteinander verschwa¨gert. Zudem hatte die Capitanenfamilie mehrere Erzbischo¨fe von Mailand gestellt. In einer alternativen Deutung des Familienwappens, die Cambin, ebenda S. 275f., ohne Quellenhinweis wiedergibt, fu¨hrten die De Pusterla zuna¨chst ein redendes Wappen, das ein Stadttor zeigte. Diese Deutung im Sinne einer Wappenbesserung setzt allerdings die Galvanos voraus.

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff

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in Siena, zur selben Zeit das gleiche Wappen fu¨hrten103. Dennoch war der ¨ berBezug auf das Reichswappen die naheliegende Erkla¨rung. Aus der U einstimmung auf der Zeichenebene konnte eine Ableitung des Familienwappens von dem prestigetra¨chtigen, in Mailand stets pra¨senten Reichswappen konstruiert werden. In der Tradition, die der im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts schreibende Galvano wiedergibt, verbindet sich dieser Ursprungsmoment mit Guilielmus de Pusterla, dem herausragendsten Protagonisten der Familie und nicht weniger bedeutenden Repra¨sentanten seiner Vaterstadt in der Zeit um 1200. Zwischen 1193 und 1227 ist Guilielmus als Maila¨nder Richter und Konsul sowie Gesandter bei der Lega Lombarda, vor allem aber als Podesta` von mehr als einem Dutzend Sta¨dten der Lombardei und der Veronesischen Mark bezeugt. In Bologna u¨bte er das Podestariat 1203, 1211 und 1220 aus104. Von Claudia Becker stammt eine unvero¨ffentlichte, jedoch nach wie vor maßgebliche biographische Skizze des Maila¨nders, deren Materialzusammenstellung ich in den fol¨ mtern, seigenden Ausfu¨hrungen zu den von Guilielmus ausgeu¨bten A 105 nem Lehen und seinem Nachruhm in Bologna gefolgt bin . Des weiteren hat Raimund Hermes nicht nur wichtige Ergebnisse von Beckers Studie zuga¨nglich gemacht, sondern sie auch weiterfu¨hrend in ihren politischen und sozialen Kontext, den Handlungsraum und das Personengeflecht der Kommune Mailand wa¨hrend der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts, eingeordnet106.

103 Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 110, mit Bezug auf den um 1400 schreibenden Genueser Annalisten Giorgio Stella, ad a. 1311: nobiles de Auria, qui in vexillis et locis aliis diversa faciebant signa [...] de cetero pro se ipsis omnibus imperii signum facere [...] hoc etiam egerunt ut imperatori devotio pateret, qua et amabant maiestatem ipsius et colebant. Der Kontext ist also der Italienzug Heinrichs VII., der als Signore Genuas den Doria ihr Adlerwappen besta¨tigte. Cambin, Rotelle, S. 392f.; Borgia, Armi, S. 354. Daß dies nicht nach modernen Ausschließlichkeitskriterien zu bewerten ist betont Weber, Sprache. Gegenwa¨rtig fu¨hren die Doria ihren Adler in einem von Gold und Silber geteilten Feld. 104 Vgl. Occhipinti, Podesta`; Maire Vigueur, Flussi; Busch, Geschichtsschreibung, S. 165f. und 225. 105 Becker, Peritissimus laicorum. Die in der Maila¨nder Geschichtsschreibung des Trecento bestehende Zuru¨ckfu¨hrung des Familienwappens auf ihn spricht sie nicht an. Nach Becker muß Guilielmus um 1160 geboren sein, da fu¨r das Podestariat, das er erstmals 1193 in Treviso ausu¨bte, ein Mindestalter von dreißig Jahren vorausgesetzt wurde. Zuletzt belegt ist er im Mai 1227 als Podesta` von Como. Zwischen diesem Datum und dem 17. Dezember 1234, an dem Bonifacius filius quondam Guilielmi de Pusterla in einer Urkunde genannt wird, muß er gestorben sein. 106 Hermes, Patrona, bietet auch, S. 504–513, eine Liste der „auswa¨rtigen Podestate Maila¨nder Bu¨rger zwischen 1197 und 1250 nach Sta¨dten“, u¨ber die sich mit Hilfe der angegebenen Literatur die Dienstorte und -zeiten des Guilielmus de Pusterla erschließen.

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1. Einleitung

In seinem 1288 geschriebenen Werk u¨ber die wunderbare Gro¨ße Mailands nennt Bonvesin da la Riva den Ritter, der angeblich nicht die Buchstaben beherrschte, dem jedoch als Podesta` das gelehrte Bologna den Titel eines sapiens laicorum zugestehen mußte, als Beispiel fu¨r die Geistessta¨rke der Maila¨nder107. Galvano Fiamma, auch sonst ein eifriger Leser Bonvesins, hat diese Geschichte aufgegriffen und u¨ber sie seine Erza¨hlung vom Ursprung des Wappens der De Pusterla motiviert. In Galvanos Version der Erza¨hlung wird das Familienwappen zum Erinnerungszeichen fu¨r die Privilegien, in denen sich die Ehrung durch den Kaiser manifestierte, die Erhebung in den Stand der Capitanen und die Belehnung mit Asti. Besitzt die Standeserho¨hung durch den Kaiser aus dem Welfenhaus keinen historischen Kern, da die Familie bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts als zu den Capitanen geho¨rig bezeugt ist108, so finden sich sowohl urkundliche Belege fu¨r ein durch Otto IV. verliehenes Lehen, als auch fu¨r die Aktivita¨ten des Guilielmus de Pusterla in dieser Zeit, die das von der spa¨teren Maila¨nder Geschichtsu¨berlieferung gezeichnete Bild in einem anderen Licht erscheinen lassen109. Wenn ich im Folgenden die Beziehungen des Podesta` zu Otto IV. und Friedrich II. ausfu¨hrlicher darstelle, so geschieht das aufgrund der beson¨ berlieferungslage. Sie la¨ßt na¨mlich Qualifikationen sowie Strukderen U turen und la¨ngerfristige Strategien politischen Handelns erkennen, die 107 Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, V 19, S. 152ff.: Hoc verumtamen ex incidenti pretereundum non puto, quoniam nostra civitas non solum viros in excellenti fortitudine strenuos peperit, imo in sapientia naturali excellenter conditos; inter quos quam multos de uno breviter aliquid memoro. Fuit enim nobilissimus miles noster concivis Guielmus de Pusterla, quem multi hodie viventes in carne viderunt, qui, cum sine litteris esset, tam litteratorum quam illitteratorum sapientiam naturalem quandoque transibat; omnia fere que ab homine illiterato videri possunt et ipse videbat et ultra. In partibus nostris tunc temporis non credebatur aliquis in sapientia ei par esse; ideoque cum esset Bononiensium potestas, apud legum peritos, virum illitteratum videntes in tanta sapientia constitutum, vocabatur antonomasice ‚sapiens laicorum‘. 108 Keller, Adelsherrschaft, S. 391f. Guilielmus de Pusterla amtierte sogar 1204 als rector der Compagnia de’ Gagliardi, in der sich die Maila¨nder Capitanen und Valvassoren gegen den organisierten Popolo zusammengeschlossen hatten; Hermes, Patrona, S. 442, mit Darstellung der inneren Konflikte Mailands nach 1198, S. 440–452. Die De Pusterla geho¨rten denn auch zum exklusiven Kreis derjenigen, die 1277 Aufnahme in die ‚Matricula Nobilium Familiarum Mediolani‘ des Otto Visconti fanden; Giulini, Memorie 4, S. 148 und 644ff. Nicolai episcopi Botrontinensis Relatio, S. 76, nennt den dominus Guillermus de Postella, qui maior est nobilis de Mediolano. Diesem, den Leitnamen der Familie tragenden Nachfahren verbot der Maila¨nder Signore Guido della Torre im Jahre 1310, sich zusammen mit anderen Maila¨nder Adligen Heinrich VII. auf seinem Romzug anzuschließen. 109 Dies ist hervorzuheben, da Occhipinti, Podesta`, S. 63f., nur die spa¨tere Besta¨tigung durch Friedrich II. anfu¨hrt.

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff

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die normativen Definitionen seines Amtes nicht erfaßten. Das Amtsprofil des auswa¨rtigen Berufspodesta`, wie es etwa die Kommunalstatuten zeichnen, kann zu dem Schluß verleiten, ihn in seinen politischen Handlungsmo¨glichkeiten als sehr eingeschra¨nkt einzuscha¨tzen: er erscheint so als nur ein Jahr oder ein Semester im Amt, gebunden an das Statutarrecht und die Ratsbeschlu¨sse der ihn bescha¨ftigenden Kommune, sowie buchsta¨blich in seinem Spitzenamt isoliert110. Die Amtsbefa¨higung und -fu¨hrung des Guilielmus de Pusterla, eines der erfolgreichsten Maila¨nder Berufspodesta`, zeigt dagegen Konstanten auf, die außerhalb dieses Profils lagen, diesem jedoch nicht entgegenstanden, sondern in Erga¨nzung zu ihm zu politischem Erfolg fu¨hrten111. Guilielmus agierte in einem Netzwerk, zu dem Maila¨nder Standesgenossen wie auch Funktiona¨re der ‚Reichsverwaltung‘ geho¨rten. Wenn eine Kommune wie Bologna ihn verpflichtete, kaufte sie sozusagen die Vernetztheit ihres ku¨nftigen Stadtherrn auf Zeit mit ein, der wiederum die politischen Optionen, die ihm sein Amt bot, nutzte, um auch eigene Interessen zu verfolgen. Arnold Esch hat fu¨r das a¨hnliche Profil einer spa¨teren, nicht weniger mobilen Personengruppe die treffende Formel „viele Loyalita¨ten, eine Identita¨t“ gefunden112. Auch Guilielmus handelte in diesem Sinne konstant im Interesse seiner Familie und seiner Vaterstadt Mailand113. Die zahlreich u¨berlieferten Fa¨lle, in denen der diese Interessenbu¨ndelung voraussetzende ungeschriebene Konsens zwischen Regierendem und Regierten brach und Podesta` attackiert, vertrieben oder gelyncht wurden, zeigen, daß sehr ‚feine Unterschiede‘ mit politischem Fingerspitzengefu¨hl zu wahren waren114. So war es auch dem Bologneser Rechtsgelehrten Jaco110 Dartmann, Schrift im Ritual, macht vor diesem Hintergrund plausibel, daß die Ambivalenz zwischen der weitgehenden Handlungsbefugnis des Podesta` als Amtstra¨ger und seiner perso¨nlichen Kontrolle durch die Kommune in einem durch symbolische Kommunikation generierten Ehrdiskurs aufgefangen wurde. Vgl. Dens., Adventus; Ders., Ritualdynamik; Ders., Schrift und politische Kommunikation, mit der Anku¨ndigung seiner unmittelbar vor dem Abschluß stehenden Habilitationsschrift u¨ber „Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune“. Siehe zu diesem Thema auch Kapitel 3.1. 111 So pla¨diert bereits Becker, Peritissimus laicorum, fu¨r eine differenzierte Sicht auf den ¨ berle„Handlungsspielraum“ eines Podesta`. Vgl. in diesem Sinne die grundlegenden U gungen von Hermes, Patrona, S. 473–480, zu den Maila¨nder Podesta` des spa¨ten 12. und fru¨hen 13. Jahrhunderts. 112 Esch, Loyalita¨ten. 113 So bereits Becker, Peritissimus laicorum. 114 Vgl. beispielsweise Hermes, Patrona, S. 476f.; Epstein, Genoa, S. 88 und 112, zu der privaten Fehde eines Genuesen gegen den 1223 als Podesta` von Marseille amtierenden Maila¨nder, die die Kommunen der beiden Seesta¨dte involvierte. Dieser Maila¨nder Podesta` fehlt in der Liste bei Hermes, Patrona, S. 509. Zu dem bezeichnenderweise ha¨u-

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1. Einleitung

bus Balduini ergangen, der neun Jahre, nachdem er in Bologna Guilielmus de Pusterla im Disput vor Gericht unterlegen war, nun selbst das Podestariat in Genua ausu¨bte. Daraus wurde er jedoch vertrieben, als er einen straffa¨llig gewordenen lokalen Adligen in wo¨rtlicher Befolgung des geschriebenen Gesetzes ha¨ngen lassen wollte115. Guilielmus dagegen hatte nicht nur perso¨nlich von seiner Flexibilita¨t profitiert, sondern war gerade in seiner Eigenschaft als erfolgreicher Koordinator von ‚Reichspolitik‘ und Maila¨nder Politik im kollektiven Geda¨chtnis der Nachwelt zu einer Identifikationsfigur fu¨r die sta¨dtische Gemeinschaft geworden. Die Herausarbeitung der Grundlagen fu¨r die Entstehung der kommunalen Identita¨tserza¨hlung vom guten Podesta` Guilielmus de Pusterla macht so na¨mlich versta¨ndlich, warum der im 14. Jahrhundert sozial und politisch relevant gewordene heraldische Diskurs an dieser Schnittstelle des Maila¨nder Geschichtsbildes eingewoben wurde. Das Beispiel kann auf diese Weise zeigen, daß die im Werk Galvano Fiammas schriftlich fixierte historische Imagination keinesfalls beliebig erfolgte. Die narrativen Wappendeutungen des 14. Jahrhunderts knu¨pften an Bestehendes – dort, wo es sich lohnte – an und fu¨hrten es weiter116. Solch ein Anknu¨pfungspunkt war auch die Geschichte vom Reichslehen der De Pusterla. Am 21. Februar 1212 hatte Otto IV. dem Guilielmus de Pusterla einen Jahreszins von 25 Mark Silber aus den Abgaben der Stadt Asti geschenkt117. Der Kaiser hatte zwar die erste Februarha¨lfte in Mailand verbracht, doch wurde er nicht erst dort auf Guilielmus aufmerksam. fig von Maila¨ndern ausgeu¨bten Podestariat in der kommunal verfaßten Unterstadt von Marseille siehe Schulz, „Denn sie lieben die Freiheit so sehr ...“, S. 265–268. 115 Keller, Adel, S. 267f. In diesem Fall von 1229 stand dem Adligen nach dem Gewohnheitsrecht die Enthauptung zu. Der Podesta`, der zuvor eine Redaktion der Genueser Kommunalstatuten hatte durchfu¨hren lassen, verletzte also mit der Standesehre des Strafta¨ters zugleich die eines bedeutenden Teils der sta¨dtischen Gesellschaft. Ein a¨hnliches Ende seiner Ta¨tigkeit in der Praxis hatte ein Jahrhundert spa¨ter Bartolo da Sassoferrato als Assessor des Podesta` von Todi provoziert. Als ein von ihm verho¨rter Angeklagter unter der Folter starb, konnte er sich vor der aufgebrachten Stadtbevo¨lkerung nur durch einen Sprung aus einem Fenster des Kommunalpalastes retten; Lepsius, Richter, S. 191f.; Dies., Zweifeln, S. 13f. Es wu¨rde sich lohnen, das Versagen der von der Forschung als Innovatoren gefeierten großen Rechtslehrer – sowie von Humanisten wie Mussato – in der praktischen Amtsfu¨hrung einmal vergleichend zu untersuchen. ¨ berlieferungsprozessen und den dahin116 Vgl. Weber, Exempla. Parallelen zu anderen U terstehenden Motiven liegen auf der Hand; vgl. beispielsweise Fuhrmann, Fa¨lschungen; Blattmann, ‚Materialita¨t‘. 117 Acta Imperii selecta, Nr. 256, S. 231: Notum facimus universis presentem paginam inspecturis, quod nos advertentes puram fidem et sinceram devotionem quam dilectus fidelis noster Gulielmus Pusterla hactenus nobis exhibuit et in posterum domino dante ipsum nobis exhibiturum non dubitamus, ut ex devoto eum nobis devotiorem reddamus, in rectum feudum concessimus ei et suis heredibus legitimis de redditibus nostris quos in

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Auch ehrte er dessen Klugheit nicht um ihrer selbst willen. Die Belehnung erfolgte in Como, unmittelbar vor dem Alpenu¨bergang des nach Deutschland zuru¨ckkehrenden Herrschers, der bei dieser letzten Gelegenheit einen ihn nun verlassenden Getreuen seines Gefolges fu¨r dessen Dienste belohnte118. In den beiden Vorjahren, in denen der Kaiser kriegfu¨hrend durch den Kirchenstaat und das Ko¨nigreich Sizilien gezogen war, hatten Guilielmus und seine Verwandten und Freunde aus der Maila¨nder Klientel des Welfen vor allem als Podesta` dafu¨r gesorgt, daß sich die ihnen unterstehenden romagnolischen Sta¨dte – Guilielmus selbst amtierte 1211 als Podesta` von Bologna – loyal verhielten119. Die ja¨hrliche Zahlung eines civitate Astensi habemus [et] annuatim nobis debet commune Astense, viginti quinque marchas puri argenti usque dum idem feudum in alio meliori sive per conveniens contracambium ab ipso absolvamus. Vgl. Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,1, Nr. 468, S. 135; Vgl. Winkelmann, Philipp 2, S. 488; Hermes, Patrona, S. 33f. 118 Noch im selben Jahr, am 7. Oktober, ernannte er ihn außerdem zu einem von zwei kaiserlichen Appellationsrichtern fu¨r Mailand; Acta Imperii selecta, Nr. 258, S. 232. Vgl. Ficker, Forschungen 2, S. 62f. (§ 240). Nach Becker, Peritissimus laicorum, hatte der andere Richter, Manfredus de Osa, 1204 als Podesta` der Credenza di Sant’ Ambrogio amtiert. Demnach hatte der Kaiser je einen Richter aus der Fu¨hrungsgruppe des Adels und des Popolo ernannt. Dies entspricht genau, worauf Becker nicht hinweist, der Nachricht in den Annales Mediolanenses breves, S. 391, u¨ber den von Otto vermittelten Friedensschluß in der Lombardenmetropole: Die lunae sexto die februarii dominus Otho dei gratia Romanorum imperator fecit pactum de discordia, quae erat inter populum et nobiles civitatis Mediolani; dedit medietatem populo et medietatem nobilibus de honoribus. Diese Nachricht ist zugleich ein fru¨her Beleg fu¨r Formen des zur Beendigung des Faktionenstreits eingefu¨hrten regime bipartito, das in der politischen Praxis der spa¨ten Stauferzeit und in der Theorie des Bartolo da Sassoferrato am eindru¨cklichsten in Todi hervortritt. Siehe unten Kapitel 3. Zu den Maila¨nder Verha¨ltnissen vgl. Hermes, Patrona, S. 440–471. Den Weg des Kaisers schildert Iohannes Codagnellus, Annales Placentini, S. 39. 119 Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,1, Nr. 439, S. 125, und Nr. 459–460, S. 133f.; Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 12390 und 12393, S. 1803f. Zur politischen Situation siehe Winkelmann, Philipp 2, S. 411ff.; Hessel, Geschichte, S. 170f. Das ganz auf die aktuellen politischen Lager ausgerichtete und, einmal verschriftet, weitertradierte Statut in den Statuti di Bologna 2, VIII 10, S. 197f.: De feudo non accipiendo a marchione vel a domino Sallinguerra. In nomine domini amen. Anno eiusdem M.CC.xj die dominico x. jntrante aprili jndictione terciadecima facta sunt hec statuta a domino guilielmo de posterla potestate bon. jn pleno conscilio facto ad Canpanam conscilii. Statuimus et ordinamus quod si quis de Civitate bon. vel eius districtu amodo in antea per se vel per alium aliquam peccuniam acceperit a domino Marchione hestense vel a domino Salinguerra vel a domino ycilino vel a comite sancti bonifacij vel aliqua alia persona ad detrimentum alicuius partis vel alicuius hominis jn diviso civitatis bon. vel districtus causa adiuvandi vel deffendendi aliquem seu aliquo modo vel ingenio sive permissu et voluntate potestatis ubi causam juxtam vel honestam et non fraudulentam hostenderit quare ipsam peccuniam acceperit totam amittat et jn comune deveniat, et tantumdem de suo et plus arbitrio potestatis, et jnsuper ad aliquod officium comunis deinde in anum nun admittatur sive ad aliquam anbaxatam comunis faciendam. Fu¨r sich genommen, macht das Statut den Eindruck

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1. Einleitung

census durch die Stadt an das Reich sowie die Schenkung solcher Rechte an verdiente Getreue aus der Bu¨rgerschaft waren typische Begegnungssituationen zwischen einer Kommune und dem Kaiser und dessen ‚Reichsverwaltung‘120. Zu Asti, wo er 1194/95 das Podestariat inne gehabt hatte und fu¨r das er sich spa¨ter als Podesta` des benachbarten Alessandria einsetzte, besaß Guilielmus de Pusterla bereits Beziehungen. Seine in mehreren Urkunden u¨berlieferten Anstrengungen, um in den Genuß seines Lehens zu kommen, bezeugen, daß er den Wechsel vom Welfen zum Staufer offenbar erfolgreich gemeistert hatte, zeichnen jedoch ein gegenteiliges Bild zu der von Galvano Fiamma behaupteten Zahlungsbereitschaft der Astesen. Im Jahr 1220, in dem Guilielmus erneut das Podestariat u¨ber Bologna ausu¨bte, durchquerte Ko¨nig Friedrich Oberitalien, um sich in Rom zum Kaiser kro¨nen zu lassen. Als der Staufer Anfang Oktober vor Bologna lagerte, ergriff der Podesta` die Gelegenheit, um ihn aufzusuchen und sich sein Recht von ihm erneut beurkunden zu lassen: Am 4. Oktober 1220 wiederholte Friedrich II. in castris prope Renum Bononie die Belehnung und besta¨tigte Guilielmus de Pusterla seine Urkunde daru¨ber121. Die Begegnung ist charakteristisch fu¨r diesen Romzug, auf dem es zu vorsichtigen Anna¨herungen zwischen dem Ko¨nig, der seinen welfischen Gegner u¨berlebt hatte, und dessen fru¨herer Klientel kam. Noch im April 1220 hatte Friedrich den Metzer und Speyerer Bischof Konrad von Scharfenberg zum Legaten fu¨r ganz Italien ernannt, damit er wa¨hrend des Zuges in den Stadtkommunen die Huldigungseide entgegennehmen und in dortigen Konflikten vermitteln sollte122. Das von Guilielmus gefu¨hrte Bologna hatte sich dabei als kooperativ erwiesen: Die Kommune gab am 16. August die von ihr besetzte Grafschaft Imola heraus und konnte sich so von dem seit 1219 u¨ber sie verha¨ngten Reichsbann lo¨sen. Am 1. September leistete Guilielmus als Podesta` von Bologna dem Legaten die Huldigung123. Um nicht Partei zu werden und den Automatismus der

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eines auf die Kommune ausgerichteten, ‚antifeudalen‘ Bemu¨hens um Neutralita¨t. Erst aus seinem aktuellen Kontext heraus wird seine politische Stoßrichtung erkennbar. Vgl. am Beispiel Sienas und Kaiser Friedrich II. Schneider, Toscanische Studien, S. 63–67 und 81–91. Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,1, Nr. 1178, S. 264. Vgl. Hermes, Patrona, S. 57. Konrads Itinerar findet sich in Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,3, S. CXXXVIf. Sein Titel nach Acta Imperii selecta, Nr. 947, S. 656: Dominus Conradus dei gratia Metensis et Spirensis episcopus, imperialis aule cancellarius et totius Italie legatus. Zu seiner Legation siehe Hermes, Patrona, S. 56–59, sowie jetzt grundlegend Go¨rich, Reichslegaten. Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 12617 und Nr. 12626–12627, S. 1825f. Vgl. Becker, Peritissimus laicorum, mit dem Hinweis, daß Jacobus Balduini in der Zeugenliste der

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miteinander verkoppelten innersta¨dtischen und interkommunalen Rivalita¨ten auszulo¨sen, vermied der seinem Beauftragten nachziehende Ko¨nig bewußt die großen Sta¨dte und blieb im Feldlager124. Als er am Reno lagerte, wurde er in seiner Konfliktvermeidungsstrategie von Guilielmus unterstu¨tzt, der als Podesta` den rustici des Umlandes verbot, sich beim ¨ bergriffe seiner Leute zu beschweren125. Daß der Ko¨nig wegen der U adlige Maila¨nder daru¨ber hinaus in eigener Sache einen Schritt wagte, den er soeben den romagnolischen Contadini verboten hatte, du¨rfte ein Einzelstatut vorbereitet haben, das er wahrscheinlich selbst zur Aufnahme in die Bologneser Kommunalstatuten eingebracht hatte und das dem Podesta` gebot, den Herrscher bei dieser Gelegenheit aufzusuchen und dafu¨r Sorge zu tragen, quod appellationes debeant esse in eo statu, ¨ ber sein perso¨nliin quo erant ante tempus d. Ottonis imperatoris126. U ches Motiv unterrichtet eine weitere Urkunde, die Konrad von Scharfenberg, der damals die Besta¨tigung von Guilielmus Anspru¨chen durch Friedrich II. bezeugt hatte, am 22. Februar 1221 bei Como ausstellte127. In ihr wurde der Stadt Asti bei Androhung einer Strafe von 500 Mark Silber sowie der Ausu¨bung des Repressalienrechts durch den Kla¨ger befohlen, dem Guilielmus die ausgebliebenen Einku¨nfte der letzten acht Jahre zu zahlen. Offensichtlich nutzte der Maila¨nder den ha¨ufigen Kontakt, in den ihn seine Amtspflichten als gefragter Podesta` mit dem Kaiser und seinen Stellvertretern im Regnum Italiae brachten, zur Besta¨tigung eines Lehens, das ihm bisher nichts eingebracht hatte. Dies gilt sowohl fu¨r die Begegnung mit dem ku¨nftigen Kaiser wa¨hrend seines Podestariats u¨ber Bologna, als auch fu¨r die Chance, die sich ihm dann 1221 in Como bot. Nachdem der Legat seinen Fall angeho¨rt und ihm Recht zugesprochen hatte, erscheint Guilielmus na¨mlich am folgenden Tag als Mitwirkender in einem o¨ffentlichen Ritual, das ihn in Ausu¨bung seines damaligen Amtes als Podesta` von Vercelli in die Stadt am See gefu¨hrt haben du¨rfte: In der im Bischofspalast zu Como versammelten curia verha¨ngte Konrad von Scharfenberg am 23. Februar 1221 u¨ber den populus von Piacenza erneut die Reichsacht128. Damit ergriff er im Namen des Kaisers wieder Par-

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u¨ber die Huldigung ausgestellten Urkunde erscheint. Dies sei ein Beleg dafu¨r, daß er zur „na¨heren Umgebung (consilium) des Podesta` von Bologna“ geho¨rt habe. Kantorowicz, Kaiser, S. 97ff. und 140f.; Weber, Kommunikationsgeschehen. Becker, Peritissimus laicorum, mit Bezug auf Hessel, Geschichte, S. 179. Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 12624, S. 1826, mit Bezug auf Frati, Statuti di Bologna 1, 399 (l. 4 r. 16). Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 12678, S. 1832. ¨ rtlichkeit, wahrscheinlich der großen Halle Acta Imperii selecta, Nr. 947, S. 656f. Zur O des Palastes, siehe Miller, Bishop’s Palace, bes. S. 66–69, 108f. und 117f.

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tei fu¨r eine Seite des die dortige sta¨dtische Gemeinschaft seit Jahrzehnten erschu¨tternden Konfliktes, der in Piacenza gleichsam fest institutionalisiert war. In Konkurrenz um die Vorherrschaft um die Kommune standen sich die societas militum und die societates popularium sive plebeiorum gegenu¨ber129. Offenbar hatten Mailand und seine Verbu¨ndeten, und insbesondere der Maila¨nder Adel, ebenfalls auf seiten der Piacentiner Rittergenossenschaft zuvor zu vermitteln versucht130. Daher verwundert es nicht, unter den im Comasker Bischofspalast anwesenden Zeugen ‚alte Bekannte‘ eines nach wie vor bestehenden Netzwerks zu entdecken: neben dem Podesta` von Mailand, dem Lodesen Amizo Saccus, erscheinen Guilielmus de Pusterla als Podesta` von Vercelli und Albertus de Mandello als Podesta` von Como. Mit letzterem, einem adligen Maila¨nder Mitbu¨rger, verband Guilielmus eine lange politische Freundschaft, die beide fast auf den Tag genau vor neun Jahren schon einmal an denselben Ort gefu¨hrt hatte131. Auch als Podesta` von Vercelli verfolgte Guilielmus Maila¨nder Interessen, insbesondere in der Zusammenarbeit mit den zu diesem Zeitpunkt als Friedensstifter in der Lombardei wirkenden Legaten. In Anwendung eines von ihm mit zustande gebrachten Burgrechtvertrages mit Mailand konnte er so dem Kardinalbischof Hugo auch Ritter aus Ver129 Vgl. Koenig, Il „popolo“, S. 53–94. 130 In seiner Urkunde vom 29. Oktober 1220, mit der er bereits die Genossenschaft des Popolo von Piacenza gebannt und die des Adels privilegiert hatte, schildert Konrad den Gang des Konfliktes, in den er per potestatem Mediolani bereits mehrfach schlichtend einzugreifen versucht hatte; Acta Imperii selecta, Nr. 945, S. 655f. Zu denken ist dabei vor allem an Amizo Saccus, der 1218 und 1221 als Podesta` von Mailand amtierte und bereits in einer Urkunde des ebenfalls in der Piacentiner Sache ta¨tigen apostolischen Legaten Hugo, Kardinalbischof von Ostia und Velletri, im selben Kontext erscheint; ebenda Nr. 942, S. 651f. Piacenza geho¨rte ebenfalls zur Klientel Ottos IV. und fu¨hrte noch 1218 unter der Fu¨hrung Mailands Krieg gegen die Cremoneser und ihre Verbu¨ndeten, die Friedrich II. anhingen; ebenda Nr. 933–936, S. 641–645. 131 Albertus hatte Guilielmus wa¨hrend seines zweiten Bologneser Podestariats als Podesta` von Faenza unterstu¨tzt. Anschließend hatten beide den nach Norden eilenden Otto IV. bis nach Como begleitet, wo sie noch am 22. Februar 1212 nebeneinander als Zeugen in einer Urkunde genannt werden. Albertus Verwandter Otto de Mandello war zudem 1221 durch den apostolischen Legaten Hugo als Podesta` von Piacenza eingesetzt worden. Vgl. Acta Imperii selecta, Nr. 950, S. 660; Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,1, Nr. 469, S. 135f.; Hermes, Patrona, S. 60; Zanella, Federico II, S. 89. Den in den Regesten genannten „Egidius v. Pusterla“ deute ich als Verschreibung oder Verlesung von „Guilielmus“. Hermes, Patrona, passim, macht in u¨berzeugender Interpretation dieser und weiterer Belege sichtbar, wie eng die Maila¨nder Capitanenfamilien De Pusterla und De Mandello im Interesse ihrer Kommune zusammenarbeiteten. Zu diesem Beziehungsgeflecht geho¨rten auch ihr Standesgenosse, der Maila¨nder Erzbischof Henricus de Settala, sowie das Lodeser Adelsgeschlecht der De Sacchis. Zu Otto de Mandellos spa¨terem Podestariat in Padua, das die Kommune als gloriosus in ihren Kommunalstatuten verewigte, siehe Kapitel 3.1.

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celli zur Versta¨rkung des Maila¨nder Kreuzzugskontingentes zusichern132. ¨ ber seine Eingebundenheit in die Politik von Kommune und ‚ReichsverU waltung‘ ka¨mpfte Guilielmus weiter um den Ertrag seines Lehens. Denn noch im Jahr 1223 besta¨tigte Konrads Nachfolger Albert von Magdeburg ihm in zwei Urkunden, daß er nun auch Anspruch auf die genannte Strafsumme habe133. Offenbar haben die Astesen ihrem ehemaligen Podesta` nie etwas gezahlt134. Wie seine Belehnung durch den Kaiser, so besitzt auch die im Disputieren mit den Bologneser Professoren gezeigte Klugheit des Maila¨nders, die Bonvesin herausstreicht und die Galvano dann zum Motiv fu¨r die wappenstiftenden Ehrungen durch Otto IV. macht, einen historischen Kern. Die Ereignisse in Bologna, die der Episode zugrundelagen, ereigneten sich jedoch nicht unter der Herrschaft des Welfen, sondern im Jahr 1220, als Guilielmus zum dritten und letzten Mal das Podestariat u¨ber Bologna inne hatte. In dieser Amtszeit setzte er sich in einem Prozeß gegen den doctor legum Jacobus Balduini durch, dem er einen Formfehler nachweisen konnte. Balduinis Schu¨ler Odofredus de Denariis (gest. 1265) kam in seinen Vorlesungen spa¨ter auf den Disput zwischen den beiden zu sprechen. Was ihm bemerkenswert daran erschien, war die Niederlage des Akademikers gegen den Podesta`, der nie Recht studiert hatte, aber aus jahrzehntelanger Praxiserfahrung u¨berlegene Rechtskenntnisse besaß. In diesem Sinne ru¨hmte Odofredus den Maila¨nder als peritissimus laicorum135. Die lobende Bezeichnung als laicus ist, worauf Claudia Becker 132 Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 12784, S. 1844. Vgl. Becker, Peritissimus laicorum. Zu Hugos Legation siehe Hermes, Patrona, S. 50–61. 133 Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 12865 und 12867, S. 1852. 134 Becker, Peritissimus laicorum, gibt den Hinweis auf Winkelmann, Kaiser Friedrich II. 1, S. 267, Anm. 1, nach dem Friedrich II. dasselbe Lehen dem Notar Magister Opizo geschenkt habe. Guilielmus habe in der Folge seinen konkurrierenden Anspruch bei den Astesen nicht durchsetzen ko¨nnen. Die Belastung seines Verha¨ltnisses zu Asti ko¨nnte auch eine Erkla¨rung dafu¨r sein, daß Guilielmus nach 1213, als er zum zweiten Mal Podesta` des mit Mailand gegen die Partei des Staufers verbu¨ndeten Alessandria war, nie wieder ein Amt im Piemont angetreten hat. 135 Sarti, Giurista, S. 58f.: Unde habetis hic quod qui est decurio alicuius civitatis non debet advocare contra civitatem nisi pro certis personis et ad istud accedit C. de advoca.diver. iudiciorum l.fi. et ex ista legebat argi. dominus Guilielmus de postilla de mediolano qui fuit peritissimus laicorum et fuit duabus vicibus potestas bon. et sciebat hanc legem quod aliquis advocatus non poterat esse advocatus contra civitatem bon. dum commune bon. haberet causam cum aliqua privata persona de aliqua re et statuisset ei terminum ad ostendendum quomodo esset sua. Illa privata persona ivit ad dominum Iaco.bal. et duxit eum ad dominum Guil.de postil. et dominus Jac. dixit veniamus coram eo. unde dominus Guil. Interrogavit dominum Jaco.bal. si erat de consilio qui respondit quod sic et ipse dixit ei quomodo veniatis ad advocandum contra commune bon: et dixit do.Iaco.bal. quia consuetudo admittit: sed non bene excusavit se ut hic: et C. de advoca.diver.iudi.l.fi.

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hinweist, als Gegensatz zum Status des durch ein Universita¨tsstudium qualifizierten Rechtslehrers zu verstehen. Anders als sie verstehe ich die Form, die Bonvesin da la Riva der in Bologna kursierenden ProfessorenAnekdote gab, nicht als bloße „Paraphrase“ eines aus den Mitschriften zur Vorlesung des Odofredus u¨bernommenen Textes136. Die Frage nach einer direkten Textabha¨ngigkeit la¨ßt sich nicht eindeutig beantworten, weil Bonvesin, fu¨r den sich keine direkten Kontakte zur Universita¨t Bologna nachweisen lassen, der Geschichte eine neue Form gab137. Sie tritt jedoch hinter dem zuru¨ck, was sich aus der na¨heren Betrachtung dieser Form als Ausdruck neuer Intentionen ergibt. Durch die Einfu¨hrung des Schlu¨sselbegriffs der sapientia und mittels einer narrativen Motivierung, die beide charakteristisch fu¨r sein literarisches Werk sind, entwickelte der Maila¨nder die Geschichte zu einem historischen Exempel eigener Pra¨gung weiter138. Guilielmus ist fu¨r ihn ein Beispiel, daß ein nobilissimus miles nicht nur u¨ber die standestypische fortitudo, sondern auch u¨ber die sapientia naturalis verfu¨gte. Entsprechend a¨nderte er den bei Odofredus belegten Ehrentitel des peritissimus laicorum zu sapiens laicorum. Als ein „Weiser“ wird jedoch auch der ideale Adressat von Bonvesins ‚Vita scholastica‘ angesprochen139. Worum es dem Maila¨nder Humiliaten im Rahmen seiner Nachahmung biblischer Weisheitslehre dabei ging, wird schnell deutlich, wenn man die Guilielmus-Episode aus ‚De magnalibus Mediolani‘ mit dem ju¨ngeren, wohl kurz nach 1303 entstandenen Lehrgedicht vergleicht. Hier tritt na¨mlich in Anspielung auf ein bekanntes Exemplum, das in einigen Handschriften dann auch an der Stelle eingefu¨gt ist, der Geist eines Magisters auf, der seine eitle Schriftgelehrsamkeit in der Ho¨lle 136 Becker, Peritissimus laicorum, Anm. 76: „Die ausdru¨ckliche Berufung auf Bologneser Rechtsgelehrte macht Odofredus als Quelle Bonvesins fu¨r diese Stelle wahrscheinlich.“ 137 Auch berief er sich auf die Augenzeugenschaft seiner Mitbu¨rger, die Guilielmus noch erlebt hatten. Daß der Ru¨ckgriff auf schriftliche Quellen mit der Berufung auf mu¨ndlich vermitteltes Ho¨rensagen und Augenzeugenschaft in den zeitgeschichtlichen Abschnitten von Bonvesins Schriften einhergeht, betont Sasse Tateo, Tradition, S. 116. Die Autorin ha¨lt es, ebenda S. 25ff. und 54–57, fu¨r wahrscheinlicher, daß der frater Bonvecinus de Ripa gramatie doctor de Mediolano seine Lehrbezeichnung am Studium der Dominikaner von S. Eustorgio erworben habe, deren Konvent er stets verbunden blieb. Den Guilielmus de Pusterla, u¨ber den Bonvesin da la Riva berichtet, verwechselt sie, ebenda S. 159, mit seinem gleichnamigen Enkel, der zur Zeit des Autors lebte und in ¨ mter bekleidete. Mailand o¨ffentliche A 138 Zur Bedeutung der didaktischen Tugendlehre in Bonvesins Werk siehe Sasse Tateo, Tradition, S. 160ff. Innerhalb des kompositorischen Rahmens des fu¨nften Kapitels von ‚De magnalibus Mediolani‘, das der fortitudo gewidmet ist, steht Guilielmus de Pusterla exemplarisch fu¨r die Geisteskraft, wa¨hrend sein Zeit- und Standesgenosse, der herkulische Ubertus de la Cruce, die Ko¨rperkraft repra¨sentiert. 139 Bonvesin da la Riva, Vita scholastica, S. 37–113, V. 49f. u. o¨.

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abbu¨ßen muß und unter der Last einer cappa sto¨hnt, die ganz mit seinen Spitzfindigkeiten beschrieben war. Jedes dieser Worte, so klagt er seinem Schu¨ler, habe nun das Gewicht eines Turmes fu¨r ihn140. Das Gegenteil dieser oberfla¨chlichen und daher su¨ndhaften Gelehrsamkeit ist die sapientia naturalis, die man ohne Lesen und Schreiben zu ko¨nnen besitzen kann und die erst die Voraussetzung richtig erworbener und angewandter Literalita¨t ist. Liegt die Pointe bei dem Rechtslehrer Odofredus darauf, daß ein unstudierter Amtstra¨ger mit Richterbefugnis im juristischen Disput einen Universita¨tsgelehrten besiegt und sich so als „Gelehrtester der Nicht-Gelehrten“ erweist, so erweitert sie der Schulmeister und Religiose Bonvesin um den grundsa¨tzlichen Aspekt, daß wahre Bildung den a¨ußeren Erwerb von Schriftlichkeit und Wissen u¨bersteigt. Dem in Bonvesins Version schreibunkundigen Podesta` gesteht kein Geringerer als die Rechtsgelehrtenschaft Bolognas aus diesem Grund den Ehrentitel eines „Weisen unter den Laien“ zu141. Bonvesin wandte also ein bekanntes Ereignis aus Guilielmus drittem Bologneser Podestariat ins Exemplarische. Stu¨tzte er sich wahrschein¨ berlieferung seiner Mitbu¨rger, die, wie er lich noch auf die mu¨ndliche U schreibt, Guilielmus noch erlebt ha¨tten, so fand der in gro¨ßerer zeitli¨ berliefecher Distanz arbeitende Galvano Fiamma eine vorgeformte U rung vor: neben seinen penibel aufgefu¨hrten Schriftquellen gilt das sicherlich auch fu¨r die Hausu¨berlieferung der De Pusterla, die seinen Go¨nnern, den Visconti, nahestanden142. Entsprechend gro¨ßer ist die Verformung, die der Dominikaner, geleitet von Intentionen und Vorstellungen seiner Zeit, seiner Version der Erza¨hlung zu Guilielmus de Pusterla gab143. Es ist bezeichnend, daß in ihr der Ehrentitel, auf den die Versionen des Odofredus und Bonvesins hinauslaufen, hier komplett weggefallen ist. Aus dem historischen Guilielmus de Pusterla, der sicherlich des Lesens und Schreibens ma¨chtig war, ist bei Galvano endgu¨ltig der illiterate Podesta` der Renostadt geworden. Berichtet Bonvesin von der Ehrung seines Protagonisten durch die Rechtsgelehrten Bolognas, so stellt ihn Galvano als ¨ berwinder „aller Doktoren des Rechts“ in der Disputation dar. aktiven U Die in starkem Kontrast zu seiner Illiteralita¨t stehende prudentia zeigt 140 Ebenda, S. 103f. 141 Vgl. Grundmann, Litteratus; Kintzinger, Wissen, bes. S. 127. 142 Zu Galvanos Schriftquellen, unter anderem die kommunalen Register, vgl. die von ihm angelegten „Quellenverzeichnisse“ in der Edition durch Sasse Tateo, Tradition, S. 181–187. Auf diesem Wege du¨rfte er auch von der Vergabe der Reichssteuer Astis an den Maila¨nder erfahren haben, von der er berichtet. 143 Diesen fu¨r die Arbeit vormoderner Historiographen typischen Umgang mit den vorgefundenen Quellen nennt Sasse Tateo, Tradition, S. 99, „pragmatisch“.

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sich also in den rhetorischen Fa¨higkeiten des Podesta`, die ja tatsa¨chlich zu den Befa¨higungen dieses Amtes geho¨rten144. Und so erkla¨rt sich auch der Ehrentitel des neuen Cicero, den der Chronist ihm beilegt145. Die Verschiebung von der sapientia zur rhetorisch-politischen Tugend der prudentia entspricht der Intention des Redaktors, der die exemplarische Geschichtserza¨hlung des Humiliaten in einen politischen Handlungskontext stellt146. In diesem findet das symbolische Handeln eines historischen Kaisers in Mailand seine Begru¨ndung in u¨berzeitlichen, von den Rittern und Staatsma¨nnern Tullius und Guilielmus verko¨rperten Werten. Indem er die Verbindung zwischen dem Maila¨nder und Otto IV. durch ein ga¨ngiges narratives Schema motivierte, nach dem eine hervorragende Eigenschaft durch einen Ma¨chtigen belohnt und geehrt wird, bezog Galvano die Ereignisse von Guilielmus Belehnung und seinem in Bologna erworbe¨ bernen Ruf aufeinander. Der vergleichende Blick auf die urkundliche U lieferung zu 1212 und 1220 hat gezeigt, daß der so verfahrende Chronist – wissentlich oder unwissentlich – den historischen Gang der Ereignisse umkehrte. In der aus dem historischen Geschehen hervorgegange¨ berlieferung wird zudem weder ein vexillum impenen urkundlichen U riale cum aquila erwa¨hnt, noch spielt sich das Ganze in Mailand ab. Indem Galvano nun heraldische Symbolik in die etablierte Geschichtsu¨berlieferung zu Guilielmus de Pusterla als Identifikationsfigur Mailands hineinbrachte, leistete er etwas Neues. Die Art und Weise, in der er die Episode gestaltete, zeigt, daß Wappen und Fahnen einen symbolischen Handlungs- und Bedeutungskontext brauchten, mithin heraldische Symbolik waren. Das Adlerwappen des Reiches begegnet in dieser Erza¨hlung im Medium der Fahne. Von einer Symbolhandlung mit diesem Medium, der Auszeichnung des Vorfahren mit dem Ehrendienst des Bannertra¨gers, lei¨ bernahme des Wappenbildes her. Ein mo¨gliches Vortet sich dann die U bild findet diese von Galvano geschilderte Wappenableitung in Bonvesins Schrift ‚De Magnalibus Mediolani‘, der der Dominikaner ja auch seine 144 Vgl. Artifoni, Podesta`. Zu diesem Diskurs um die von dem Podesta` verlangte Herrschertugend der prudentia im 13. Jahrhundert und in der Zeit Bartolos da Sassoferrato siehe unten Kapitel 3. 145 Vgl. Ru¨egg, Cicero. Charakteristisch fu¨r das vorhumanistische Cicero-Bild in den Kommunen ist es, wenn Cicero als Name des kaiserlichen Notars in dem gefa¨lschten ‚Theodosianum‘ der Universita¨t Bologna begegnet. Vgl. Weber, Ces grands privile`ges, S. 25f. 146 Dies macht die von Galvano repra¨sentierte kommunale Historiographie zu einem Gegenstand der Kulturgeschichte des Politischen. Vgl. Stollberg-Rilinger, Einleitung.

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¨ hnliInformationen u¨ber Guilielmus de Pusterla entnahm. Dort wird A ches von einem Ahnherrn der Visconti berichtet, dem das vexillum mit der Viper von der Kommune angeboten worden sei147. In beiden Fa¨llen a¨hneln sich die geschilderte Praktik und die dahinterstehenden Darstellungsabsichten. Die Wappenbilder von gegenwa¨rtig fu¨hrenden Familien wurden herrschaftslegitimierenden Autorita¨ten, wie der Kommune und dem Reich, zugeschrieben. Solcherart disponiert, hatte die familia¨re Identita¨t Anteil am Ruhm des mit ihr sichtbar verbundenen Herrschaftsverbandes. Die narrativ geformte Decodierung des Wappenbildes durch die ¨ bergang des Zeichens von der spa¨tmittelalterlichen Autoren sieht den U Institution an die Familie in einem historisch verortbaren Akt der symbolischen Kommunikation erfolgt: durch eine an einem vorbildlichen Ahn¨ bereinstimmung herrn vorgenommene Fahneninvestitur. Dies wies, in U mit den um 1300 aufkommenden Praktiken der Wappenverleihung und -besserung, die unterstellte Aneignung der Wappen als Identifikationszeichen fu¨r die in der Arena der Politik ta¨tigen Familien nicht nur als legitim aus. Das Beispiel der durch Bonvesin und Galvano repra¨sentierten Maila¨nder Geschichtsschreibung zeigt so auch, daß Wappen in Verbindung mit Medien, wie der Fahnenlanze, und in symbolisch-rituellen Handlungskontexten gedacht wurden. Solch einen weiteren Kontext fu¨r die erstmalige Auszeichnung des zum Tra¨ger der Kaiserfahne gemachten Guilielmus de Pusterla entwickelt Galvano Fiamma in einer weiteren Episode u¨ber den Adventus Ottos IV., seine Kro¨nung sowie seinen Aufenthalt in Mailand148. Dieser imaginierte 147 Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, V 23, S. 156ff.: Offertur quoque ab ipso alicui de nobilissimo Vicecomitum genere, qui dignior videatur, vexillum quoddam album cum vipera indico figurata colore quendam Sarracenum rubeum transgluciente, quod quidem vexillum prefertur. Nec alicubi umquam castrametatur noster exercitus, nisi prius visa fuerit vipera super arborem aliquam locata consistere. Hanc autem dignitatem propter excellentem cuiusdam Ottonis Vicecomitis, viri strenuissime indolis, probitatem et victoriam quam contra Sarracenos ultra mare in bello exercuit, dicitur habuisse Vicecomitum nobilissima parentela. Vgl. Sasse Tateo, Tradition, S. 159. Dies wird im Kontext der Fahnenu¨bergabe an die Hauptleute der Portae erza¨hlt. Diese erhalten neben dem Wappen des Tores auch je eine Maila¨nder Kreuzfahne. Zu diesen Wehrordnungen und ihrer Verarbeitung in der kommunalen Geschichtsschreibung siehe unten Kapitel 4 und 5. 148 Die von Galvano und anderen Quellen kolportierten Nachrichten von einer Kro¨nung Ottos in Mailand wa¨hrend des Romzuges von 1209 hat die Forschung widerlegen ko¨nnen; Hermes, Patrona, S. 28ff. Es lassen sich jedoch zwei spa¨tere Aufenthalte des Welfen in der Stadt des heiligen Ambrosius nachweisen: im Jahre 1210 feierte er dort das Osterfest und 1212 verbrachte er die erste Ha¨lfte des Februar in der Stadt. Eine Besta¨tigung der Privilegien Mailands erfolgte am 30. Mai 1210 zu Vercelli. Vgl. Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,1, Nr. 379–384, S. 113f., Nr. 410, S. 118, und Nr. 463, S. 134f.

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Sitz im Leben entha¨lt weitere Pra¨sentationsformen des Reichswappens, deren Existenz in den Jahren 1209 bis 1212 a¨ußerst unwahrscheinlich ist, die jedoch auch in anderen Adventus-Schilderungen des spa¨teren Mittelalters begegnen149. So erza¨hlt der Chronist, daß dem Herrscher, „als er in Mailand einziehen wollte, tausend singende Knaben entgegenliefen, die alle in Rot und Gelb gekleidet waren und Mitren oder Kronen aus Papier trugen, auf die die kaiserlichen Adler gemalt waren, was zu sehen dem Kaiser u¨ber alle Maßen lieb war.“150 Im Anschluß an seine Schilderung von Occursio, Einholung und Kro¨nung za¨hlt Galvano nacheinander die Zeugnisse der Liebe auf, die Otto IV. Mailand entgegenbrachte. Nach der Privilegierung der Kommune waren dies vor allem Erhebungen Maila¨nder Bu¨rger, unter ihnen Guilielmus de Pusterla, in einen ho¨heren Stand. Durch die von Galvano Fiamma vorgenommene sekunda¨re Verschra¨nkung mit dem imagina¨ren Adventus des ku¨nftigen Kaisers in Mailand wurde das reale Wappen der De Pusterla des 14. Jahrhunderts im Horizont von Galvanos Geschichtswerk zum Beglaubigungszeichen fu¨r den von Kaisern geehrten Rang der Lombardenmetropole. Mit diesem narrativen Verfahren verfolgten Galvanos historische Erza¨hlungen vom Aufenthalt Ottos IV. in Mailand a¨hnliche Intentionen wie die Geschichte von der Wappenbesserung fu¨r den Sieneser Popolo. Beide deuteten in der Ru¨ckschau ein Wappenbild, das im sta¨dtischen Zeichenkosmos ihrer Zeit Relevanz besaß, als kaiserliche Auszeichnung herausragender Qualita¨ten. Im Fall der De Pusterla wird nach einem etwas anderen Erza¨hlschema als dem des Sieneser Anonymus sowohl der aktive Part des 149 Vgl. Cronaca senese, S. 149f., zum Einzug Karls IV. in Siena: E quando esso imperadore entro` in Siena, tutti e’ gentiluomini di Siena se gli feciono inchontra e tutti erano vestiti di scimitello ed erano a cavallo, e tutti avevano una bandiera in mano di sciamitello. Vgl. Pfaff, Welt, S. 84f., zum Berner Adventus Ko¨nig Sigismunds im Jahre 1414 in der Darstellung des ‚Spiezer Schilling‘. Dem Herrscher zogen fu¨nfhundert Knaben entgegen, die Fa¨hnchen mit den Wappen des Reiches und der Stadt Bern in Ha¨nden hatten, dazu ein jeder des riches panere uff sinem houpte in einem tscheppelin gemalet. Die Uniformita¨t dieser Gruppen im Adventus findet eine Parallele in der heraldischen Uniformita¨t von Gruppen in der Wehrordnung des Popolo, wie auch bei Hofe. 150 Galvano Fiamma, Chronicon maius, S. 761f.: et cum vellet intrare Mediolanum, mille pueri occurrerunt ei vestiti omnes rubeo et glauco mitrati sive coronati cartis habentibus depictas aquilas imperiales, cantantes, quod fuit imperatori ultra modum gratum ad videndum. In seinem ‚Manipulus Florum‘, hier zitiert nach Giulini, Memorie 4, S. 178, schildert Galvano Flamma den Adventus Ottos IV. folgendermaßen: Cui occurrit Populus, totusque Clerus, Dominarum Choreae cantantium, et innumerabiles Pueri similibus vestibus induti, cum ramis arborum, cantantes, et festivas laudes peragentes; quae Puerorum Societas Imperatori summe placuit. Zur a¨hnlichen Einholung des Podesta` im 13. Jahrhundert siehe unten Kapitel 3.

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Ahnherrn als auch seiner Nachfahren, die aus der einmaligen Auszeichnung mit dem Ehrendienst des Bannertra¨gers ihr Wappen ableiteten, hervorgehoben. Vielleicht folgte der Chronist darin nicht nur dem bei Bonvesin vorgefundenen Muster, sondern auch einer Hausu¨berlieferung ¨ bergabe der der De Pusterla zu ihrem magnus Gulliermus. Daß die U Reichsfahne als Investiturakt fu¨r die Belehnung mit einem Reichslehen oder fu¨r die Einweisung in ein Amt zu verstehen ist, wie dies im folgenden Kapitel untersuchte Beispiele zeigen, spricht der Text allerdings nicht direkt an. Er ordnet diese Ehre den anderen nach und deu¨ bertragung durch den Kaiser, sontet das Familienwappen nicht als U dern als nachtra¨gliche Aneignung durch die Familie. Der im Interesse der Visconti schreibende Galvano Fiamma vermied auf diese Weise wohl auch eine mo¨gliche Verwechslung mit dem mit dem Amt des Reichsvikars verbundenen Fu¨hren der Adlerfahne, das er an anderer Stelle schildert151. Andererseits waren es dieses Amt sowie die politische Ausrichtung der konsolidierten Visconti-Signorie, die erst den aktuellen Bedarf fu¨r die auch heraldisch sichtbare gemeinsame Geschichte Mailands und des Ro¨mischen Reiches schufen, die Galvano erza¨hlte152. Seine Verknu¨pfung des heraldischen Diskurses mit dem der Geschichtsu¨berlieferung zeigt nicht nur einen Medienwechsel, sondern auch ein gewandeltes Geschichtsbild. Ho¨chstwahrscheinlich diente Bonvesins Deutung des Visconti-Wappens Galvano als Vorbild fu¨r seine Ausgestaltung der Geschichte von Guilielmus de Pusterla. Daß sich hinter der von ihm dazu geschilderten Pra¨sentation der Kaiserfahne in Mailand vielleicht auch ein historischer, in der mu¨ndlich u¨berlieferten Familientradition mit dem Wappen verbundener Bezug verbirgt, kann der Vergleich mit einer Stelle aus der Chronik Burchards von Ursberg zeigen. Dieser in Schwaben schreibende Zeitgenosse der Ereignisse berichtet, daß der Welfe nach seiner Kaiserkro¨nung in Italien blieb und einzelne Lande in Besitz nahm: „Er u¨bergab die kaiserlichen Insignien bei Mailand zur Verwahrung, weshalb er große Anerkennung bei den Maila¨ndern erwarb.“153 Der Vergleich mit anderen Stellen der Chronik zeigt, daß der Ursberger Propst unter den insignia imperialia

151 Weber, Formation, S. 63. 152 Zum Einfluß der Visconti-Signorie auf die Maila¨nder Geschichtsschreibung siehe Sasse Tateo, Tradition, S. 150–169. 153 Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 98: Insignia quoque imperialia apud Mediolanum commisit, unde magnum favorem a Mediolanensibus acquisivit. Die ¨ bersetzung nach: Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, hg. von deutsche U Becher, S. 264f.

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in erster Linie die Reichsinsignien versteht154. Die Forschung ist sich allerdings uneins daru¨ber, ob Otto tatsa¨chlich die Reichskleinodien mit nach Rom fu¨hrte und sie anschließend nach Mailand schickte. Raimund Hermes hat deshalb dafu¨r pla¨diert, die Stelle so zu verstehen, daß der Kaiser nicht „die Reichskleinodien“, sondern ein Herrschaftszeichen zu seinen Anha¨ngern geschickt habe155. Eine alternative, jedoch letztlich spekulativ bleibende Deutung dieses Zeichens wa¨re es, darunter die Kaiserfahne zu verstehen. Burchards Chronik bietet entsprechende sprachliche Anknu¨pfungspunkte. So bezeichnet er die bei einer deditio der Maila¨nder vor Barbarossa gebrauchten Dingsymbole als insignia und gebraucht das Verb committere an anderer Stelle mit Bezug auf die Kaiserfahne, die der Kaiser einem Getreuen als Zeichen seiner Befehlsgewalt u¨ber das Heer anver¨ bersendung der Kaiserfahne durch den Herrtraute156. Die Praktik der U scher an eine Kommune ist zudem fu¨r Friedrich Barbarossa bezeugt157. Daß insignia auch heraldische Fahnen benennen konnten, zeigt das oben genannte Beispiel von Burchards Zeitgenossen Jakob von Vitry. Vor diesem Hintergrund ko¨nnte der Bericht des Ursberger Propstes, der Informationen von Romzugteilnehmern aus der Augsburger Dio¨zese verwertete, einen Hinweis auf eine entsprechende Auszeichnung der Lombar¨ berlieferung selbst in das denmetropole geben, die u¨ber die Maila¨nder U Geschichtswerk Galvano Fiammas gelangte, der Bonvesins Vorlage mit ihr eine neue Wendung gab.

1.2.3 Zusammenfassung Gemessen an den Interpretationsmo¨glichkeiten, die die Quellen in den meisten Fa¨llen zulassen, stellt das Wappen des Sieneser Popolo als Beispiel fu¨r heraldische Symbolik einen Idealfall dar. An ihm ließen sich Zusammenha¨nge zwischen den Bedeutungsebenen des Zeichens, seiner Tra¨germedien und seiner Rezeption in Wandmalerei und Geschichtsschreibung zeigen. Zu anderen Beispielen heraldischer Symbolik in italienischen Kommunen, wie sie in dieser Arbeit begegnen werden, erfaßt

154 Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 76: Volebat enim tenere imperium, cum in potestate sua haberet insignia imperialia, utpote coronam et crucem et alia, que attinebant. Vgl. auch das Register, ebenda S. 161, s. v. „insigne“. 155 Hermes, Patrona, S. 29f. 156 Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 30 und 36. 157 Vgl. Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 223f.

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff

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¨ berlieferung. man dagegen oft nur einzelne Bedeutungsbereiche in der U Im Beispiel aus Siena wurde dagegen die vielfa¨ltige Funktionalita¨t des Wappens sichtbar, dessen pragmatisch-instrumentelle und symbolische Bedeutungsdimensionen sich nicht gegenseitig ausschlossen. Zuna¨chst in der ‚Wirklichkeit‘, als Zeichen und Herrschaftsinstrument des Popolo im politischen System der Kommune des fru¨hen 14. Jahrhunderts, dann auch in der Aneignung durch Maler und Chronisten, die im Einverneh¨ berlieferungszufall men mit dem Stadtregiment arbeiteten. Durch den U werden so nebeneinander existierende, sich nicht ausschließende sondern vielmehr erga¨nzende Deutungen desselben Wappens erkennbar. Die Verwendung eines existierenden Wappens in den auf die kollektive sta¨dtische Selbstwahrnehmung zuru¨ckwirkenden Idealbildern zeigt eine Leistung des Wappenwesens fu¨r die Kommune auf: zwischen Wirklichkeit und Imagination bestand ein heraldisches Verweissystem. Mit den narrativen Mitteln dieser Darstellungsformen – die je nach Medienwechsel verschieden sind – werden vergleichbare Intentionen vermittelt. Als ¨ berzeitliche tendierenden Allegorie der Guten Regierung Teil der ins U ¨ berlieferungszeichen der im Kommunalpalast, wie auch als relevantes U Geschichte Sienas sollte das Wappen des Popolo mit Blick auf die Zukunft Aspekte der politischen Ordnung symbolisieren und identita¨tsstiftend wirken. In beiden Fa¨llen verbanden die Art der Darstellung und die narrative Struktur des Kontextes das heraldische Zeichen mit grundsa¨tzlichen Ordnungsvorstellungen. Daß das Beizeichen der Krone, ein Element der ersten Bedeutungsebene, ho¨chstwahrscheinlich Assoziationen zu Kaisertum und Romzug evozierte, die zu seiner Ausgestaltung auf der dritten Ebene fu¨hrten, ver¨ berga¨nge zwischen den Ebenen meines Modells als deutlicht, daß die U fließend anzusehen sind und Ru¨ckschlu¨sse ermo¨glichen. Auf der dritten Bedeutungsebene diente die Deutung der Zeichenstruktur als Resultat des Herrschaftshandelns der Bezeugung verschiedener Intentionen. Der Sieneser Chronist wies so die Ehre und das Ansehen des Popolo seiner Heimatstadt nach. Der zum Vergleich herangezogene Bartolo da Sassoferrato benutzte eigene Erfahrungen als Beispiel fu¨r einen Sachverhalt der Herrschaftspraxis, zu dem sich ein legitimierender Verweis im ro¨mischen Recht finden ließ. Die Geschichtsschreiber ‚decodierten‘ Wappen ihrer Lebenswelt, indem sie sie u¨ber solche zeitgeno¨ssischen symbolischen Praktiken, wie die unter anderem durch Bartolo bezeugte Wappenverleihung und -besserung oder die Fahneninvestitur, von Autorita¨ten herleiteten. Wie diese Beispiele fu¨r historische und imagina¨re Wappenverleihungen und Wappenbesserungen im Umfeld des Kaisertums außerdem gezeigt haben, betreffen die Anfa¨nge dieser Praktik vor allem Familien-

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1. Einleitung

wappen158. Es ist daher bemerkenswert, daß der Sieneser Anonymus sie, in schlu¨ssiger Entsprechung zur Praxis wie auch zu den narrativ-historiographischen Topoi seiner Zeit, auf das Wappen einer Korporation und kommunalen Institution anwendet. Im Vergleich mit der a¨hnlichen Deutung des Wappens der De Pusterla durch die Maila¨nder Geschichtsschreibung, die ebenfalls einen Bezug zu Otto IV. herstellt, wird deutlich, wie verschiedene Wappenbilder mit a¨hnlichen Mechanismen der Geschichtsu¨berlieferung gestaltet wurden. An diesem Beispiel kann man die Gestaltung durch den Verfasser des 14. Jahrhun¨ berlieferung bezeugten derts besonders gut von dem durch urkundliche U Geschehen des fru¨hen 13. Jahrhunderts unterscheiden. Beru¨cksichtigt man diese Problematik, die eine Chance dafu¨r ist, die Auseinandersetzung mittelalterlicher Historiographen mit dem Medium des Wappens zu beobachten, so erweist sich die kommunale Geschichtsschreibung als ein besonders geeignetes Untersuchungsgebiet fu¨r heraldische Symbolik. In einem eigenen Kapitel wird darauf zuru¨ckzukommen sein159. Sowohl das Wappen des Sieneser Popolo als auch das der Maila¨nder Capitanenfamilie wird man als repra¨sentative Beispiele fu¨r Heraldik in italienischen Stadtkommunen des 14. Jahrhunderts einstufen ko¨nnen. Beide zeigen Kenntnisse des heraldischen Regelwerks und seiner praktischen Anwendung, die sie zugunsten ihrer Intentionen narrativ instrumentalisieren. Bemerkenswert ist, daß sie Wappen in durch symbolische Kommunikation gepra¨gten Kontexten imaginierten. Die Deutungen, die Zeitgenossen diesen Wappen beilegten, zeigen allerdings keine anti-feudalen und autonomen Tendenzen, wie sie die Forschung einer kommunalen Heraldik unterstellt hat160. Stattdessen betrachteten die Chronisten, deren Intention die Aufwertung der bestehenden Wappen einer kommunalen Institution Sienas beziehungsweise einer der bedeutendsten Fami¨ ndelien Mailands war, den Kaiser als eine zusta¨ndige Instanz fu¨r die A 161 rung oder Verleihung von Wappen . In vergleichbaren Deutungen anderer Autoren finden sich Autorita¨ten wie der Papst oder eben auch die ¨ hnliches la¨ßt sich auch fu¨r den praktischen Gebrauch Kommune162. A 158 Zur narrativ ausgestalteten Deutung von Familienwappen in der kommunalen Geschichtsschreibung siehe Weber, Exempla. 159 Siehe Kapitel 5. 160 Siehe Kapitel 2.1. 161 Die Cronaca senese nennt das Beizeichen un segnio di dignita`. Dem entspricht, daß Bartolo da Sassoferrato die Wappen der Ko¨nige, Fu¨rsten und potentiores als insignia dignitatis bezeichnet, deren Fu¨hrung anderen als Beizeichen gestattet sei; Bartolo da Sassoferrato, De insigniis et armis, S. 109, Rubr. 1–3. 162 So berichtet Giovanni Villani, daß die Florentiner Parte Guelfa ihr Wappen von Papst Clemens IV. erhalten habe und erwa¨hnt seine eigene Beteiligung an der Wappenverlei-

1.2 Heraldische Symbolik als methodischer Begriff

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von Formen heraldischer Symbolik beobachten. Eine von einem Hauptmann mit Befehlsstab gefu¨hrte Truppe von Fußsoldaten in standardisierter Bewaffnung und mit uniformer Bezeichnung durch dasselbe Wappen findet sich nicht nur in Siena, sondern zur gleichen Zeit auch im Herrschaftsbereich des Papstes163. An dieser Stelle kann jedoch nicht entschieden werden, ob die mit milita¨rischen Organisationsformen verbundenen heraldischen Bezeichnungspraktiken des Popolo einer allgemeinen, auch außerhalb Italiens erkennbaren Entwicklung angeho¨rten oder ob die im kommunalen Bologna entstandene Miniatur, die einen Eindruck von der besagten, das Wappen der Ro¨mischen Kirche fu¨hrenden Abteilung gibt, es nahelegt, einen Einfluß der kommunal gepra¨gten Umwelt auf die Truppen im Solde des Papstes zu vermuten. Dazu mu¨ßten erst in einer vergleichenden Untersuchung, wie sie meines Wissens noch nicht existiert, die uniform getragenen heraldischen Bezeichnungen milita¨rischer Gruppierungen im spa¨tmittelalterlichen Abendland gesichtet werden. Unabha¨ngig davon, ob die Bezeichnungspraktiken der kommunalen Milizen singula¨r waren oder nicht, lassen sich ihre Begru¨ndungen in den Vorschriften der Statuten oder ihre Deutungen auf der dritten Ebene der Malerei oder Geschichtsschreibung in jedem Fall als charakteristische Selbstaussagen der Kommunen werten164. Das typisch Kommunale, daß sich in den Geschichten aus Siena und Mailand findet, ist der Stolz des Erza¨hlers auf die hervorragenden Eigenschaften des Wappenempfa¨ngers, die das heraldische Handeln des Herrschers motivieren und die, im Wappen festgehalten, bis in die Gegenwart mit Relevanz fu¨r die gesamte Stadtgemeinde wirken. Im ghibellinischen Mailand konnte auch ein Familienwappen wie das der De Pusterla zum willkommenen Zeugnis der positiven Beziehungen der Kommune zu einem Kaiser werden, von dessen Nachfolgern die Visconti-Signoren ihre Besta¨tigung als Reichsvikare erwarteten. Mailands Geschichte und Geschichtsschreibung bietet sonst eher Episoden des Widerstandes gegen deutsche Ko¨nige und Kaiser, an die man mit solchen Darstellungsabsichten schlecht anknu¨pfen konnte165. Die positive Beziehungsgeschichte machte also erst ab dem Zeitpunkt Sinn, als sie politisch und mit Bezug auf das Medium Relevanz besaß. So wie Galvano hung fu¨r die Florentiner Gru¨ndungsstadt Firenzuola. Siehe Kapitel 1.1 und 4.5.1 sowie Taf. 2; Weber, Sprache, S. 541f. 163 Dargestellt auf einer Miniatur in einer Handschrift mit den Dekretalen Gratians aus der Werkstatt des Nicolo` di Giacomo aus Bologna; abgebildet bei Edgerton, Pictures, Abb. 4, S. 31. 164 Siehe Kapitel 4. 165 Vgl. Sasse Tateo, Tradition, S. 116–120; Bascape`, Araldica, S. 561.

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1. Einleitung

verfuhren zur selben Zeit und spa¨ter auch Chronisten in anderen Kommunen, um Besta¨tigung oder Kritik von Signorenfamilien der ersten und zweiten Reihe mittels der von diesen gefu¨hrten Wappen in die Vergangenheit zuru¨ckzuprojizieren166. Sowohl das Sieneser als auch das Maila¨nder Beispiel demonstrieren, wie in der Geschichtsschreibung das topisch bestimmte Lob der eigenen Herkunft mit dem aktuellen heraldischen Diskurs verwoben wurde. Im Zusammenhang mit Allegorien oder Genealogien lieferten Wappenbilder der Darstellung von Geschichte und Politik auf diese Weise Identifikations- und Begru¨ndungsgeschichten. Mit dem methodischen Begriff der heraldischen Symbolik kann es so gelingen, wie ich hoffe, die in den Quellen stets vorzufindende Bedingtheit der Wappen durch die angesprochenen Sinnebenen zu erfassen. Reduziert man dagegen die Analyse auf die Rekonstruktion und den Vergleich der Wappenbilder, wie dies die traditionelle Heraldik oft getan hat, handelt man nicht anders als ein Entomologe, der seine Studienobjekte nur nach der Systematik ihrer Arten unter Glas anordnet, ohne sie auch in ihrem Habitat zu erforschen167.

166 Vgl. Weber, Exempla. 167 In diesem Sinne Dupre` Theseider, Stemmi, S. 312: „il tema puo` assai bene venir fatto oggetto di una vera indagine sistematica dall’angolo visuale storico [...], purche´ beninteso non ci si limiti al puro e semplice fatto araldico e non si indulga alle sottili ma sterili soddisfazioni dell collezionista e del classificatore di oggetti rari o curiosi.“

2. Das Hineinwachsen heraldischer Symbolik in Handlungs- und Bedeutungskontexte symbolischer Herrschaftspra¨sentation wa¨hrend des langen 12. Jahrhunderts 2.1 Einleitung: Fahnen als Medien von Triumph und Investitur Anfang Mai 1137 erschien ein von Herzog Heinrich dem Stolzen gefu¨hrtes Heer von dreitausend Reitern in der Ebene vor Montecassino. Der Schwiegersohn Kaiser Lothars III. brachte Papst Innocenz II. mit, dessen Anerkennung in Su¨ditalien er mit Waffengewalt durchsetzen sollte. Oben auf dem Klosterberg beobachtete der Toskaner Rainald den Aufbau ihres Feldlagers. Er war ein Vierteljahr zuvor von der Mehrheit des Konventes als Kandidat Anaklets II. zum Abt gewa¨hlt worden und hatte Ko¨nig Roger II. von Sizilien, dem Schutzherrn des Gegenpapstes, einen Treueid geleistet. Nun unterwarfen er und der Konvent sich nicht bedingungslos, sondern begannen Widerstand zu leisten1. Die sich anschließende Auseinandersetzung, u¨ber die der Montecassineser Mo¨nch und Geschichtsschreiber Petrus Diaconus berichtet, ist in ihrem Wechselspiel von Parteibildung, Verhandlungsfu¨hrung und Gewaltaktionen ein Musterbeispiel mittelalterlicher Konfliktfu¨hrung2. Daru¨ber hinaus la¨ßt der Bericht des Chronisten die funktionale Vielfalt der kaiserlichen Fahne innerhalb eines ihrer Sitze im Leben auf einem Italienzug erkennen. Die Vor- und Nachgeschichte der kurzen Belagerung sowie der von Herzog Heinrich geleiteten Unterwerfung der Abtei, Montecassinos Haltung in dem seit 1130 andauernden Schisma und der im Sommer 1137 zwischen Kaiser Lothar 1 Die Chronik von Montecassino, IV 104–105, S. 564ff.; Bernhardi, Lothar, S. 673f. und S. 699ff.; Bo¨hmer, Regesta Imperii 4,1, Nr. 584.14, S. 369. 2 Vgl. mit bezug auf den Su¨pplingenburger Althoff, Lothar III. Zur hochmittelalterlichen Konfliktfu¨hrung siehe mit weiterfu¨hrenden Literaturangaben Ders., Macht der Rituale; Ders., Herrschaftsausu¨bung. Zu Montecassino siehe Treseler, Lothar III.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

und Papst Innocenz ausgetragene Streit um den Status der Reichsabtei, sind erst vor kurzem von Hagen Keller dargestellt worden3. Herzog und Papst schickten zuna¨chst Richard, einen Kapellan Innocenz’ und Mo¨nch Montecassinos, mit der Aufforderung hinauf ins Kloster, sich unter die Obo¨dienz dieses Papstes zu begeben, wodurch die Abtei auch unter dem Schutz des Kaisers verbleiben wu¨rde. Die Botschaft war zugleich ein Verso¨hnungsangebot und eine implizite Drohung4. Gingen Abt Rainald I. und die Mo¨nchsgemeinschaft auf sie ein und unterwarfen sich in einem rituellen Akt dem Papst und dem Vertreter des Kaisers, wu¨rden diese sie „wie So¨hne, wie Bru¨der, wie Genossen lieben“ und sie nicht fu¨r ihre Anha¨ngerschaft an Anaklet und Ko¨nig Roger zur Rechenschaft ziehen5. Blieb die Unterwerfung jedoch aus, mußten sie damit rechnen, daß Heinrichs Krieger, die andernfalls den Schutz und Schirm des Kaisers garantierten, sich gegen sie wenden wu¨rden. Da Rainald nicht bereit war sofort einzulenken, traf er entsprechende Vorkehrungsmaßnahmen. Zum einen versicherte er sich der Zustimmung des Konventes, indem er ein Kapitel einberief und die Mo¨nche daran erinnerte, daß sie ihm das Abbatiat anvertraut ha¨tten, und sie bat, Roger und Anaklet die Treue zu halten. Zum anderen holte er sich milita¨rische Hilfe zur Verteidigung des Klosters, indem er den o¨rtlichen Adligen Gregor von San Giovanni Incarico benachrichtigte, der mit seinen Rittern erschien, Innocenz’ Gesandte angriff und sie in die Flucht schlug. Bevor diese jedoch ins Lager zuru¨ckkehrten, nahmen sie den Einwohnern des am Fuße des Berges gelegenen San Germano den Treueid gegenu¨ber dem Kaiser ab. Nach dem Scheitern der ersten Verhandlungen ging der Konflikt nun in eine Phase der offenen Gewalt u¨ber. Rainald und Gregor ließen die Umgebung des Klosters verwu¨sten, um ihren Belagerern keine Mo¨glichkeit zur Erga¨nzung ihrer Vorra¨te zu geben. Petrus Diaconus, dessen Bericht ich bis hierher gefolgt bin, fa¨hrt fort: ‚Schon waren ungefa¨hr elf Tage vergangen, als der Herzog, der die Gu¨ter des Klosters Cassino verderben und zugleich die Zeit des Kampfes verstreichen sah, Rainald zu einer abzuhaltenden Unterredung berief und, einen goldenen Kelch und auch Sicherheiten im Wert von vierzig Pfund annehmend, jenem die Abtei von seiten des Kaisers, wenn er in Treue zu 3 Keller, Herrscherurkunden, mit weiterfu¨hrenden Literaturhinweisen. Ich danke Herrn Professor Keller fu¨r den freundlichen Hinweis auf dieses Beispiel. 4 Vgl. zu solchen Verhandlungsstrategien Weber, Urkunden; Ders., Podesta`. 5 Die Chronik von Montecassino, IV 105, S. 566.

2.1 Einleitung: Fahnen als Medien von Triumph und Investitur

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diesem verbleibe, besta¨tigte und er befahl ihm, wenn er zu sich und den Seinen sicher zuru¨ckkehrte, die Fahne des Kaisers in die Kirche des heiligen Benedikt zu tragen und sie dann schließlich auf dem festen Turm, der die Kirche u¨berragt, mit ungeheuren Beifallsrufen aufzupflanzen. Bereits am folgenden Tag brach er das Lager ab und zog mit dem großen Heer gegen die Stadt Capua.‘6 Von einer Beteiligung des anwesenden Papstes an den abschließenden Verhandlungen berichtet der Chronist nichts, er schildert sie als ein Abkommen zwischen dem Herzog als Vertreter des Kaisers und dem Abt. Rainald leistete nun die deditio und wurde in seinem Amt besta¨tigt7. Er wird einen Treueid auf den Kaiser abgelegt haben. Dies, sowie ¨ bergabe eines Geschenkes und die Stellung von Pfa¨ndern entspradie U chen einem ga¨ngigen Verfahren, das der Herzog bereits zuvor auf seinem Zug durch die Toskana angewandt hatte und das sich, wie ein Teilnehmer des Italienzuges zu einer fru¨heren Gelegenheit bemerkte, im Einklang mit dem ius belli befand8. Solch ein Bild der Herrschaftsdurchsetzung auf dem Durchmarsch war charakteristisch fu¨r die Italienzu¨ge der deutschen Ko¨nige und ro¨mischen Kaiser9. Fu¨r Montecassino sollte es sich im Mai 1191 wiederholen, als sich Heinrich VI. erst die fides von Abt, Konvent 6 Die Chronik von Montecassino, IV 105, S. 567: Iam fere undecim dies transierant, cum dux videns monasterii Casinensis bona dilapidari simul et pugne tempus transire consilio habito Raynaldum evocat et calicem aureum nec non et obsides pro quadringentis libris accipiens abbatiam ex parte imperatoris, si in eius fidelitate permaneret, illi confirmat et eum a se suisque securum reddens imperatoris vexillum in beati Benedicti ecclesiam induci ac demum in arcem, que ecclesie imminet, cum ingenti laude imponi precepit. Alia vero die castra movens cum ingenti exercitu supra civitatem Capuanam devenit. 7 Von einer deditio spricht der Annalista Saxo (Abt Arnold von Berge und Nienburg), der am Italienzug teilgenommen hatte; Bernhardi, Lothar, S. 701 Anm. 23. Vgl. Weber, Kommunikationsgeschehen, bei Anm. 61. 8 Im Februar 1137 hatte sich nach ersten Ka¨mpfen, der Androhung einer Belagerung und durch die Vermittlung Bernhards von Clairvaux Lucca ergeben und dem Herzog eine große Summe Geldes gezahlt. Etwa einen Monat spa¨ter kam es zwischen dem Welfen und und dem Papareschi-Papst zu einem Streit um die dreitausend Pfund, die die Stadt Viterbo als Zeichen ihrer Unterwerfung gezahlt hatte. Nach dem Annalista Saxo beanspruchte Innocenz das Geld als Stadtherr, Heinrich gema¨ß des Kriegsrechtes; Bernhardi, Lothar, S. 695ff. Der goldene Kelch du¨rfte doppelt soviel wert gewesen sein als die Pfandschaften, vergleicht man ihn mit dem goldenen Kelch im Wert von 85 Pfund, den Graf Landulf von San Giovanni Incarico im November 1137 in pignore von Montecassino besaß; Hoffmann, Petrus, S. 65 Anm. 251. 9 Eine u¨bergreifende Geschichte des Pha¨nomens Italienzug, die neben einer Darstellung des Itinerars und der politischen Ereignisgeschichte auch Aspekte aus kulturgeschichtlicher Perspektive in den Blick nimmt, fehlt. Zum Forschungsstand siehe Weber, Kommunikationsgeschehen.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

und Eigenleuten erzwang, bevor er das Kloster spa¨ter privilegierte. Illustrationen in dem um 1196 entstandenen ‚Liber ad honorem Augusti‘ des Petrus von Eboli zeigen sowohl die Unterwerfung, die der vom Klosterberg herabsteigende Konvent und die Leute von San Germano dem Staufer leisteten, als auch die Verwu¨stungen, die diese uberrima villa Casini und das umliegende Klostergut spa¨ter erlitten10. Innerhalb dieses kommunikativen Rahmens zeigt das Beispiel von 1137 nun auch eine Fahne in Aktion. Die durch den Welfen angeordnete ‚Pra¨sentation‘ der Fahne in Montecassino war Teil der zwischen beiden Seiten ausgehandelten deditio. Die Botschaft, die sie vermitteln sollte, war mehrdimensional: Die weithin sichtbare Fahne auf dem Turm war zuna¨chst ein Zeichen der erfolgreichen Eroberung des befestigten Klosterberges am Ende einer mehrta¨gigen Belagerung. Das Aufpflanzen des siegreichen Banners auf einer eroberten beziehungsweise unterworfenen Befestigung war im 12. Jahrhundert Teil des ‚international‘ geu¨bten Kriegsrechtes und signalisierte als Triumphgeste den Ehrzuwachs, sowie nicht zuletzt den Rechtsanspruch des Eroberers auf Beute und Besitz11. Nicht als Resultat von Verhandlungen, sondern als Aktion im bewaffneten Kampf ist eine solche Geste im ‚Liber ad honorem Augusti‘ dargestellt. (Taf. 4) Die ganzseitige Illustration auf der Vorderseite von Blatt 132 zeigt die am 17. September 1194 erfolgte Eroberung des belagerten Salerno durch das Heer Kaiser Heinrichs VI.: Der vorderste der Krieger, die auf einer Leiter die Stadtmauer erklimmen, pflanzt auf der Dachspitze eines Turms eine Fahnenlanze auf, die in einer Beischrift als Imperiale vexillum bezeichnet ist12. Diese kaiserliche Fahne hat die Form eines oben in zwei spitzen Schwenkeln auslaufenden Banners. Sie zeigt ein schwebendes lateinisches Kreuz von ausgesparter Farbe, wa¨hrend das u¨brige Fahnentuch mit derselben bra¨unlichen Farbe ausgemalt ist, wie die Fahnen, Schilde und Helme der Belagerer sowie die Kleider des Kaisers auf demselben Bild. Auf den ebenso bedeutenden wie problematischen heraldischen Quellenwert der Bilderhandschrift hat bereits Carl Erdmann auf¨ bergangszeit pra¨sentiert merksam gemacht13: Als echter Zeuge einer U 10 Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, S. 85ff. und 173ff. 11 Mayer, Pontifikale, S. 180f., am Beispiel des Ko¨nigreichs Jerusalem im 12. Jahrhundert: „Auch fu¨r die Verteilung der Kriegsbeute war das vexillum von Belang. Dem Ko¨nig stand, wenn er perso¨nlich bei der Armee war, ein Teil der Beute zu. War er aber abwesend, so bekamen seine am Kampf teilnehmenden Lehnsleute seinen Anteil, sofern wenigstens das ko¨nigliche vexillum bei der Armee war.“ Vgl. auch Go¨rich, Verletzte Ehre; Weber, Flags. 12 Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, S. 182f. 13 Erdmann, Fahnen, S. 42f.

2.1 Einleitung: Fahnen als Medien von Triumph und Investitur

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sie vorheraldische Fahnen, Helme und Schilde neben zukunftsweisenden heraldischen Bezeichnungen, wie den redenden Wappen Markwards von Annweiler und Diepolds von Schweinspoint oder gar dem Adlerwappen des Reiches. Diesen Befund jedoch nach eng gezogenen Maßsta¨ben heraldischer oder verfassungsrechtlicher Exaktheit, auf die es den Illustratoren nicht ankam, zu interpretieren, wa¨re u¨berzogen. In der u¨ber ein halbes Jahrhundert zuru¨ckliegenden Episode vor Montecassino signalisierte die kaiserliche Fahne, u¨ber deren Aussehen die Quelle nichts mitteilt, nicht nur den Triumph der Eroberung, sondern zugleich auch die erneute Unterstellung der Reichsabtei unter den Schutz des Kaisers14. Fu¨r die bei ihrem Entfalten auf dem Turm erto¨nte ingens laus, die Petrus Diaconus erwa¨hnt, existieren Vergleichsbeispiele, die sowohl an rauhe Beifallsrufe ritterlicher Vasallen, als auch an von Mo¨nchen intonierte laudes zum Lobe des Herrschers denken lassen15. In jedem Fall signalisierte die Akklamation, die als rituelle Geste mit der kai14 In seiner Schilderung der wenige Wochen darauf stattgefundenen Verhandlungen am Lago Pesole la¨ßt Petrus Diaconus den Schreiber der kaiserlichen Kanzlei Bertulf von der Casinensi ecclesia, que Romani imperii singularis et specialis camera esse reden; Die Chronik von Montecassino, IV 112, S. 580. Vgl. Treseler, Lothar III., S. 317. 15 Bei den Verhandlungen u¨ber einen Friedensschluß zwischen Herzog Heinrich von Ka¨rnten und dem siegreichen Erzbischof Konrad I. von Salzburg (1106–1147), bat der Herzog nacheinander durch drei Unterha¨ndler, daß bei seiner Unterwerfung die Ritter des Bischofs nicht in Waffen erscheinen sollten, ihr Banner gesenkt halten und kein Kriegsgeschrei anstimmen sollten. Erzbischof Konrad verzichtete auf den clamor, bestand jedoch darauf, seinen Triumph im Ritual sub signo erecto zu vollziehen. Vita Chunradi, S. 72; dazu Althoff, Bedeutung, S. 384f.; Ders., Rituale – symbolische Kommunikation, S. 149; Ders., Macht der Rituale, S. 168. Zur Akklamation des Herrschers, gerade auch beim Empfang in Reichsklo¨stern, vgl. Kantorowicz, Laudes Regiae; Keller, Otto der Große, S. 212ff.; zur lauten Akklamation durch Laien bei der Kaiserkro¨nung Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 367f. Allerdings ist die Formel topisch und begegnet in a¨hnlicher Form auch an anderen Stellen der Chronik; vgl. Die Chronik von Montecassino, S. 729 s. v. „laus“. Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 30, schildert mit einem aus der ‚Aeneis‘ entlehnten Vers, wie die Kaiserlichen im Jahre 1158 den zum Turm ausgebauten Triumphbogen vor Mailand besetzten und eine akustische Machtdemonstration initiierten, die ihrerseits Signale der Belagerten auslo¨ste: Moxque ex imperatoris edicto Teutonici cum tubicine Cremonensium turrim conscendunt, exortiturque undique in castris clamor virorum et clangor tubarum. Ex quo eventu inopinato cives conclusi valde sunt territi et, quid consilii caperent aut quo se verterent, titubare ceperunt. Sese tandem tubarum clangore et signorum [tinnitu] ad ineundem convocant consilium. Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, hg. von Becher, u¨bersetzt, S. 154f., tuba mit „Trompete“: „Und bald bestiegen die Deutschen auf Befehl des Kaisers mit einem Trompeter der Cremonesen den Turm, und es erhob sich von u¨berall her aus den Lagern der Jubel der Truppen und der Schall der Trompeten. Aufgrund dieses unerwarteten Geschehens wurden die eingeschlossenen Bu¨rger sehr erschreckt und verunsichert, was sie tun oder wohin sie sich wenden sollten. Endlich riefen sie einander durch den Schall der Trompeten und den Klang der Glocken zur Beratung zusammen.“

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

serlichen Fahne verbunden war, den o¨ffentlichen und rechtsverbindlichen Charakter der Szene16. Dieser auf dem Zug Heinrichs des Stolzen gemachte Gebrauch der Kaiserfahne in einer Triumphgeste ist wahrscheinlich das fru¨heste bekannte Beispiel seiner Art aus Italien17. Daß es nicht aus der Spha¨re der ¨ berlieferung geschuldet. italienischen Stadtkommunen stammt, ist der U In a¨hnlichen, unmittelbar vorangegangenen Konflikten waren die Protagonisten auf kaiserlicher Seite durchaus mit dieser Spha¨re, repra¨sentiert durch ‚fru¨he‘ Kommunen wie Lucca oder Viterbo, in Beru¨hrung gekommen. Allerdings haben mo¨gliche Formen des Fahnen- und Zeichenge¨ berliefebrauchs anla¨ßlich dieser Begegnungen keinen Eingang in die U rung gefunden. Dennoch kann das Beispiel der im Mai 1137 vom Turm Montecassinos wehenden kaiserlichen Fahne dazu dienen, uns zur zen¨ bergang tralen Problematik dieses Kapitels zu fu¨hren. Es geht um den U von vorheraldischen zu heraldischen Medien der symbolischen Kommunikation, der sich wa¨hrend des langen 12. Jahrhunderts vollzog. In welcher Weise die sich im selben Zeitraum institutionell verfestigenden Kom¨ bermunen von diesem Prozeß betroffen waren, la¨ßt sich aufgrund der U lieferungslage nur schwer sagen. Erlauben es die zur Verfu¨gung stehenden Quellen, eine Fahne in ihrem kommunikativen Kontext eingehender oder u¨ber einen la¨ngeren Zeitraum zu betrachten, so handelt es sich zugleich ¨ berlieferung. Die Einscha¨tzung vorhandeauch um Ausnahmefa¨lle der U ner Quellen ha¨ngt zudem davon ab, welche Position der Interpret vor dem Hintergrund der traditionsreichen, unabha¨ngig voneinander gefu¨hrten Forschungsdebatten um die Entstehung von Wappenwesen und Kommune einnimmt. Wie noch zuletzt Alessandro Savorelli betont hat, nehmen die Quellen zum Wappengebrauch in italienischen Sta¨dten erst ab der Mitte des 13. Jahrhunderts in dem Maße zu, daß sich ein zusammenha¨ngendes Bild ergibt18. Die Heraldik sei zu diesem Zeitpunkt in den Kommunen bereits fest etabliert und existiere in komplexen, ausdifferenzierten Systemen, ¨ bernahme mo¨glich von denen aus Ru¨ckschlu¨sse auf ihre zuvor erfolgte U sei. In seiner Nachzeichnung der Entwicklungen in dieser Grauzone geht Savorelli von ga¨ngigen Forschungsmeinungen zur Entstehung und Verbreitung der Wappen, wie auch der Kommunen aus. Vor allem aufgrund kriegstechnischer Innovationen, die den Ritter als Einzelka¨mpfer betrafen, sei das Wappenwesen als pragmatischer Identifikations-Code ent16 Vgl. Mediae Latinitatis Lexicon Minus 1, S. 768–770, s. v. „laus“. 17 Erdmann, Kaiserfahne, S. 879. 18 Vgl. Savorelli, Araldica, passim.

2.1 Einleitung: Fahnen als Medien von Triumph und Investitur

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standen und habe sich zuerst im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts in dem Raum zwischen Loire und Maas etabliert, wo es dann in einem zweiten Schritt Ausdrucksform der ritterlich-ho¨fischen Kultur und des Lehnswesens geworden und mit diesen im Abendland verbreitet worden sei. Auf der italienischen Halbinsel sei diese zeitlich etwas spa¨tere Verbreitung von Norden nach Su¨den erfolgt19. Ihr Charakter habe sich jedoch mit der „destrutturazione del mondo feudale in atto con lo sviluppo dei comuni“ vera¨ndert20. Mit dem Prozeß des „inurbamento“ der milites aus dem Contado sei die „araldica feudale“ in die Stadt gelangt, wo sie sich nicht nur die popolane Bu¨rgerschaft angeeignet habe, sondern wo sie auch das Modell fu¨r eine „araldica comunale“ abgegeben habe. Diese sei nicht einfach nur eine additive Erga¨nzung der familia¨ren Heraldik gewesen, sondern habe, ohne daß dies den Zeitgenossen selbst besonders bewußt gewesen sei, in einem eigenen Transformationsprozeß spezifische Charakteristika entwickelt. Eine der historischen Leistungen der Stadtkommunen sei demnach ihre seit dem 13. Jahrhundert dominierende Rolle als Multiplikatoren der Heraldik in Italien gewesen: „In Italia, diversamente che nell’Europa feudale, e` la citta` che diventa il crogiuolo di molti segni araldici“21. Fu¨r Savorelli reicht diese Fortschrittsgeschichte bis in die eigene Gegenwart, da sich von der Logik dieser bu¨rgerlichen „araldica pubblica“ Pha¨nomene der Moderne, wie die Markenzeichen oder die Hoheitszeichen der Nationalstaaten, herleiteten. In seiner Beschreibung dieser Entwicklungen ist Savorelli sicherlich Forschungen verpflichtet, wie der he´raldique nouvelle Michel Pastoureaus oder der von Gelehrten wie Gino Luzzatto vertretenen Sicht, „che 19 Wie sehr solche Behauptungen von ihrer Verknu¨pfung der Entstehung des Wappenwesens mit der Sicht auf einen jeweils favorisierten gesellschaftlich-politischen Prozess abha¨ngen, zeigt ein Vergleich mit Dupre` Theseider, Stemmi, S. 324. Wa¨hrend sich fu¨r Savorelli das Wappenwesen offensichtlich u¨ber den Feudalismus von Norden her u¨ber die Halbinsel verbreitet hat – die Fragwu¨rdigkeit dieser Vorstellung angesichts von Pha¨nomenen wie den Italienzu¨gen und den Herrschaftsbildungen der su¨ditalienischen Normannen steht hier nicht zur Diskussion –, sieht Dupre` Theseider, fu¨r den die Ausbildung der Kommune die entscheidende Triebkraft ist, einen gewissen zeitlichen Vorsprung der italienischen Seerepubliken. Eine genaue Katalogisierung und Pru¨fung der Erstbelege wu¨rde wahrscheinlich ein a¨ußerst buntes Bild der italienischen Halbinsel ergeben, anhand dessen sich keine dominierende Verbreitungsbewegung rekonstruieren ließe. Eine die neuen Ru¨stungstechniken und taktischen Erfordernisse der ritterlichen Kampfesweise zu sehr in den Vordergrund stellende Erkla¨rung fu¨r das Aufkommen des Wappenwesens hinterfragen mit guten Argumenten bereits Woodcock – Robinson, Guide, S. 1ff. 20 Dies wiederholt die Argumentation bei Zug Tucci, Linguaggio, S. 846: „La destrutturazione dei sistemi araldici feudali“. 21 Savorelli, Araldica, S. 53.

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il sorgere del comune, non puo` considerarsi affatto come una rivoluzione antifeudale ma come una trasformazione interna dello stesso mondo feudale“22. Allerdings scheint er mir in seiner Gewichtung des Prozesses, vor allem in seiner zeitlichen Nachordnung einer prima¨r ritterlich-feudalen Heraldik, die durch die Dominanz der ‚destrukturierenden‘ Kommunen eine Transformation hin zu einer spezifisch sta¨dtischen Heraldik erfahren habe, wieder hinter diesen Stand zuru¨ckzufallen. Versuche, eine schlu¨ssige Erkla¨rung fu¨r die Entstehung des Wappenwesens zu finden, sind beinahe so alt wie das Pha¨nomen selbst. Bereits Giovanni Villani und seine spa¨teren Illustratoren, denen Savorellis Kommentar gilt, haben die Heraldik ihrer Lebenswelt auf klassische Ursprungsorte, wie Troja und Rom, zuru¨ckgefu¨hrt. Im Italien der Fru¨hen Neuzeit wurden solch legenda¨re, angeblich heraldisch belegbare Urspru¨nge in den Dienst der bis in mythische Vorzeiten zuru¨ckverfolgten Genealogien gestellt23. Von daher ist das leicht spo¨ttische Aufsto¨hnen versta¨ndlich, das dem anonymen Verfasser des 1747 erschienenen Artikels ‚Wappen‘ in Zedlers Universal-Lexikon angesichts der Debatten um den „Ursprung der Wappen“ entfa¨hrt, zu denen sein Artikel immerhin einen eigenen Absatz bringt24. In der Moderne hat sich das hinter den nicht abreißenden Erkla¨rungsversuchen stehende Denken von einer genealogischen hin zu einer systematischen Sichtweise verlagert. Meist ¨ berlieferung nach Systemen mit modernen Katewird in der spa¨teren U gorien, wie bestimmten Farbkombinationen und -hierarchien, gesucht, um durch deren ‚Decodierung‘, oft in Verbindung mit ihrer Lokalisierung in einer bestimmten Region oder in ihrer Verbindung mit Pha¨nomenen wie dem Lehnswesen oder Rittertum, eine Ursprungstheorie mit

22 Luzzatto, Tramonto, S. 411. Vgl. Pastoureau, Traite´. 23 Vgl. bereits Dupre` Theseider, Stemmi, S. 315; Bizzocchi, Genealogie, bes. S. 15ff. zu Francesco Sansovino. Vor diesem Hintergrund betont noch Huizinga, Herbst, S. 335: „Das Wappen ist fu¨r den mittelalterlichen Menschen mehr als nur eine genealogische Liebhaberei.“ 24 Zedler, Universal-Lexicon 52 (1747), Sp. 2014–2020, vgl. etwa Sp. 2015: „Wie nun das bisher angefu¨hrte seine sehr gute Richtigkeit hat, also stehet auch nicht zu leugnen, daß eben von daher der wahre Ursprung der Wappen so gar verschiedenen Meynungen unterworffen gewesen ist. Also steigen einige mit selbigen bis weit u¨ber die Zeiten der Su¨ndfluth hinauf, und sagen, es habe Abel eine gewisse Pflantze, Cain hingegen das Zeichen eines Thieres, (aber welches?) gefu¨hret. Allein, wo soll denn der Beweiß von dergleichen Dingen herkommen?“ Im 18. Jahrhundert setzte sich, wie fu¨r Deutschland etwa die Siegelstudien von Gercken, Anmerkungen, zeigen, die Vorstellung durch, daß die Wappenfu¨hrung nicht u¨ber das 12. Jahrhundert zuru¨ckgeht. Fu¨r das italienische Mittelalter a¨ußerte sich in diesem Sinne Muratori; Borst, Einleitung, S. 4f. Zur Heraldik in der Fru¨hen Neuzeit vgl. Burkardt, Hilfswissenschaften.

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allgemeinem Geltungsanspruch zu entwickeln25. Vor diesem Hintergrund ist zu betonen, daß sich solch eine monokausale Erkla¨rung nicht finden la¨ßt, da die Heraldik erst als etabliertes Pha¨nomen in den Fokus der ¨ berlieferung gera¨t26. Was sich allerdings sagen la¨ßt, ist, daß die fru¨hen U Wappen nicht ex nihilo, sondern in Verbindung mit bereits in Gebrauch befindlichen signifikanten Medien wie Fahnen, Schilde, Siegel und Mu¨nzen entstanden und in ihrer Bedeutung und Geltung a¨hnlichen Kategorien wie diese unterworfen waren27. Spa¨tere Quellen des 13. Jahrhunderts sprechen direkt an, daß Wappen und vergleichbare visuelle Zeichen der Unterscheidung dienen sollten28. Diese Unterscheidungsfunktion wurde jedoch nicht im Sinne einer modernen, auf Ausschließlichkeiten beruhenden Systematik verstanden. Daß stattdessen einzelne Zeichen bis in ihre Unterscheidungsmerkmale hinein weniger anhand abstrakter Normen, als vielmehr aufgrund ihrer Entsprechung zu einer Reihe a¨hnlicher und vergleichbarer Zeichen wahrgenommen wurden, haben die Studien von Brigitte Miriam Bedos-Rezak gezeigt29. Die Entstehung des Wappenwesens als historisches Pha¨nomen in einer fru¨hen Verbindung mit der in gleicher Weise ‚internationalen‘ ritterlich-ho¨fischen Kultur zu sehen, entspricht ebenfalls dem Forschungsstand. Wenn Savorelli daher von einer prima¨ren Heraldik der ‚Feudalwelt‘ ausgeht, die sich die expandierenden Kommunen angeeignet und in einem sowohl gesellschaftlich horizontal verlaufenden als sich auch systematisch immer weiter ausdifferenzierenden Transformationsprozeß zu einer „araldica cittadinesca“ ausgestaltet ha¨tten, so betont er meiner Ansicht nach zu sehr den sta¨dtischen Charakter dieser als Fortschrittsgeschichte gesehenen Entwicklung. Der u¨ber ihre Tra¨ger als feudal oder signoril eingestuften u¨brigen Heraldik schreibt er dagegen Autoreferentialita¨t und Indifferenzen gegenu¨ber der als im Gegensatz zu der mit ihr verbundenen Herrschaftsform gesehenen sta¨dtischen Heraldik zu30. 25 Vgl. beispielsweise Cignoni, Spada. Zu diesem problematischen Zustand der Heraldik siehe Dupre` Theseider, Stemmi, S. 313. 26 Pastoureau, Traite´, S. 298–310: „L’origine des armoiries: hypothe`ses nouvelles“; Scheibelreiter, Heraldik, S. 122ff. 27 Pastoureau, Naissance, S. 105. 28 Vgl. beispielsweise Lewis, Art, S. 222f., zur Diskussion der Mu¨nzreform Heinrichs III. von England im Jahre 1248 durch die Zeitgenossen. Zu den Kompanien des Florentiner Popolo siehe unten Kapitel 4.2.2. 29 Am Beispiel des hochmittelalterlichen Siegelwesens: Bedos-Rezak, Identity; Dies., Signe; Dies., Difformitas. Zu Parallelen im Rechtsdenken und in der Umsetzung von Normen siehe Go¨rich, Herrscher. 30 So habe das Aufkommen der Signorie in den oberitalienischen Kommunen des Spa¨tmittelalters zu einem Verlust an kommunaler Heraldik gefu¨hrt, wa¨hrend sich die an der

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¨ hnlich argumentiert C. Jean Campbell, die aus der heraldisch freien, A narrativ motivierten Darstellung eines Lo¨wen in einem Wandgema¨lde des Ratssaals von San Gimignano einen typisch kommunal-toskanischen ¨ berwindung ihrer urspru¨ngUmgang mit Heraldik herausliest, der zur U lich feudalen Funktionalita¨t beigetragen habe31. Die Bilder reflektierten ihrer Ansicht nach den pragmatischen Umgang der nicht-feudalen Kommunen mit dem strikten Konnex von Wappen und Herrschaftsritualen in der ‚Feudalwelt‘ sowie die Transformation einer hierarchischen Regeln unterworfenen adligen Zeichensprache in bildhafte Metaphern32. Wenn solche Unterschiede bestanden ha¨tten, stellt sich allerdings die Frage, was von a¨hnlich freien Wappendarstellungen zu halten ist, die außeritalienischen und eindeutig feudal-herrschaftlich-dynastischen Kontexten entstammten, wie etwa der Painted Chamber Heinrichs III. von England im Palast zu Westminster oder den mittelhochdeutschen Wappendichtungen des 13. und fru¨hen 14. Jahrhunderts33. Umgekehrt zeigen Beispiele, wie die im Folgenden betrachteten Quellen, heraldisch werdende Fahnen als Medien in Akten symbolischer Kommunikation, in denen Repra¨sentanten der Kommune und der ‚Feudalwelt‘ zusammen agierten. Allein in der narrativen Ausgestaltung und Weiterentwicklung heraldischer ZeiNordseite der Alpen entstandenen Schweizer Bilderchroniken in ihrem „consapevole uso dell’araldica cittadina e cantonale, orgogliosamente esibita in funzione antisignorile“ als geistige Erben der kommunalen Heraldik Italiens erwiesen ha¨tten; Savorelli, Araldica, S. 58. 31 Campbell, Game, S. 58: „The lion’s action is further animated by its narrative context. Indeed, in raising its sword toward the court scene on the adjacent wall, the lion acts out the association that might otherwise have been tacitly symbolized through the juxtaposition or superimposition of their respective coat of arms. Such imaginative animation of heraldic symbols was typical of communal Tuscany, where the preference for eloquent heraldry contributed to the ultimate destruction of its proper feudal function. In fact, the case of the heraldic lion may be taken to stand for the figural cycle as a whole, which may be characterized as an imaginative expansion of a heraldic argument, in the Tuscan manner, so to speak.“ 32 Campbell, Game, S. 76f.: „In their proper feudal context, ritual acts like homage ceremonies constituted legal contracts in themselves. It must be remembered, however, that, as political organizations, the communes found no proper place within the feudal order. [...] In the feudal world the passing on of arms meant the passing on of authority, which was accordingly diminished whenever the arms were differenced. Once translated into the context of the essentially non-feudal society of communal Tuscany, both the ceremonies and their attendant signs of authority necessarily became something different from what they had been in the feudal world. Heraldic bearings, whose value in a feudal system rested primarily in the lines of descent they recorded through a strict hierarchy of propriety and brisure, became generic signs of nobility, conceived increasingly as eloquent pictorial metaphors.“ 33 Vgl. jeweils mit Hinweisen auf weitere Literatur Hyams, Henry III; Kellermann, Fragmente; Thomas, Konrad.

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chen schon etwas typisch ‚Kommunales‘, wenn nicht sogar ‚Toskanisches‘, zu sehen, du¨rfte daher meiner Ansicht nach ebensowenig zur Vertiefung des Themas beitragen, wie die Abgrenzung einer kommunalen von einer angeblich feudalen Heraldik, die alles das nicht ist, was die Interpreten ersterer an Innovativita¨t, Flexibilita¨t und Originalita¨t beilegen. Sind solche, auf einem postulierten Gegensatz zwischen Stadtkommune und ‚Feudalwelt‘ beruhenden Unterscheidungen in der Interpretation spa¨tmittelalterlicher Heraldik bereits problematisch, so erscheinen ¨ bergangs zur heraldischen Zeichensie mir fu¨r eine Betrachtung des U ¨ sprache als verfehlt. Dieser Ubergang vollzog sich, wie in den folgenden Beispielen zu zeigen sein wird, vielmehr in Bereichen der symbolischen Kommunikation, die die Kommunen eng mit den sie umgebenden und ebenfalls im Wandel befindlichen Herrschaftsstrukturen verbanden34. Fu¨r Reichsitalien ist hier neben den Adelsherrschaften das Kaisertum der deutschen Ko¨nige angesprochen. Die Annahme erster Wappenbilder durch einzelne Kommunen erfolgte daher, so meine These, nicht in einem Gegensatz zu diesen Autorita¨ten, der sich qualitativ auf die Bilder und den Gebrauch der heraldischen Zeichen ausgewirkt ha¨tte. Mit anderen Worten, die ersten Wappen der Kommunen waren zwar Ausdruck einer eigensta¨ndiger werdenden Politik der Stadtgemeinde, beanspruchten jedoch keinen exklusiven Charakter. Wenn die Maila¨nder ein Fahnenbild im Sinne ihrer gegen den Kaiser gerichteten Politik interpretierten, betonten sie damit zugleich vor der Reichso¨ffentlichkeit, daß sie dessen Handeln als von der Norm abweichendes Unrecht verstanden35. Wenn die Genuesen ihre Fahne mit dem Georgskreuz als Zeichen ihrer expandierenden Herrschaft an der Riviera zeigten, handelten sie nicht anders als die fu¨rstlichen Kreuzzugsteilnehmer der Zeit36. Die heraldisch werdenden Fahnen der Kommunen wurden wie andere Herrscherfahnen ihrer Zeit gebraucht und appellierten in ihren Bildaussagen an Ordnungsvorstellungen und Herrschaftskonzepte, wie die im Namen des Reiches oder des Stadtpatrons gerecht zu u¨bende Herrschaft, die die außerkommunale 34 Nach Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 367, ist bislang kaum untersucht worden, ob interkommunale Konflikte den gleichen Spielregeln folgten, wie die Konflikte zwischen Kaiser und Kommunen. Vorhaben, die dies als Aufforderung verstehen, sollten diese politisch-sozialen Eigenarten der Kommune beru¨cksichtigen. Gerade in heraldischer Perspektive zeigt sich an den in der symbolischen Kommunikation in und zwischen Kommunen gebrauchten Herrscherwappen dieser Ordnungs- und Herrschaftsbezug, der sich nicht in unterschiedliche Spha¨ren mit Etiketten wie ‚kommunal‘ und ‚feudal‘ trennen la¨ßt. 35 Siehe Kapitel 2.3. 36 Mayer, Pontifikale, S. 180f., mit dem Hinweis auf eine Bulle Balduins III., die das auf dem Davidsturm aufgepflanzte ko¨nigliche Banner zeigt. Siehe auch unten Kapitel 2.4.3.

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‚Feudalwelt‘ mit einschlossen. Sie begegnen in den meisten Fa¨llen erstmals in Symbolhandlungen des Lehnswesens, in den Ha¨nden von als Lehnstra¨ger oder gar als Lehnsherren o¨ffentlich agierenden kommunalen Konsuln. Wenn ich, den Forschungen Hagen Kellers folgend, die Pra¨gung der italienischen Stadtkommunen und ihrer jeweiligen Herrschaftsanspru¨che durch allgemeine Herrschafts- und Lebensordnungen hervorhebe, muß ich andererseits hinzufu¨gen, daß diese Anspru¨che, die sich nach innen in zunehmender Kontrolle a¨ußerten, den angesprochenen Strukturen auch entgegenstanden37. Diese stetige Spannung, die nicht als sich ausschließender Gegensatz zwischen sta¨dtischer Kommune und ‚Feudalwelt‘ mißverstanden werden sollte, erkla¨rt nicht nur die Dynamik und die vielen Krisen in der Entwicklung der Kommune, sondern auch den spezifischen Charakter der ersten kommunalen Wappen. Ein weiteres Problem liegt meiner Ansicht nach in der Selbstbe¨ berlieferung, wa¨hschra¨nkung heraldischer Studien auf die bildliche U rend Belege aus den Schriftquellen bisher kaum ausgewertet worden sind. ¨ berlieferung Hauptquelle und UntersuDaß Wappen in ihrer bildhaften U chungsgegenstand der Heraldik sind, steht außer Frage. Sich jedoch nicht nur darauf zu beschra¨nken, sondern auch, wie es zuletzt Georg Scheibelreiter getan hat, daraus einen methodischen Gegensatz zur schriftlichen ¨ berlieferung zu konstruieren, bringt eine als moderne historische WisU senschaft verstandene Heraldik um Quellen und Erkenntnismo¨glichkeiten38. Auch Alessandro Savorelli, der zu Recht auf Chroniken und Statuten als meist noch unerschlossene Schriftquellen zur Heraldik in den italienischen Kommunen verweist, geht in erster Linie von der um die ¨ berlieferung – und Mitte des 13. Jahrhunderts einsetzenden materiellen U das heißt von den Aktendeckeln Sienas, Pratos und Perugias sowie von den Fassaden mittelitalienischer Kommunalpala¨ste – aus39. Da fu¨r die von ihm ausgemachte „araldica feudale“ des langen 12. Jahrhunderts eine sol37 Siehe Keller, Adelsherrschaft; Ders., Adel; Ders., Stadtkommunen. 38 Scheibelreiter, Heraldik, S. 9, zur Heraldik als historische Hilfswissenschaft: „Im Gegensatz zu den philologisch fundierten Wissenschaften, wie Pala¨ographie oder Urkundenlehre, kann sie ihren Quellen (den Wappen) kaum eine unmittelbare Aussage entlocken, die u¨ber das Anschaulich-Faktische hinausgeht. Das hat der Wappenwissenschaft seit dem 19. Jh. bei der Dominanz der schriftlichen Quellen immer wieder geschadet. Seit jedoch in den letzten Jahrzehnten die hohe Bedeutung der bildlichen Quellen fu¨r die Erkenntnis historischen Geschehens Anerkennung gefunden hat, beginnt man der Heraldik einen anderen Stellenwert zuzubilligen.“ ¨ hnlich verha¨lt es sich mit der Darstellung von Familienwappen in den farbigen Minia39 A turen von Urkunden, wie sie im spa¨ten 13. Jahrhundert fu¨r Ablaßbriefe und im fru¨hen 15. Jahrhundert fu¨r Prunksuppliken aufkommen; Wrede, Leonhard, S. 9f.; Seibold, Sammelindulgenzen, S. 70–87.

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¨ berlieferung nicht existiert, kann leicht der Eindruck ihrer Verdra¨nche U gung durch eine spezifisch sta¨dtisch-kommunale Heraldik entstehen40. Im Unterschied dazu mo¨chte ich in diesem Kapitel Beispiele betrachten, die aus der Zeit vor der Mitte des 13. Jahrhunderts stammen und die ¨ berlieferung tradiert worin der urkundlichen und historiographischen U den sind. Die mit ihrer Analyse verbundenen Probleme macht das eingangs besprochene Beispiel aus Montecassino deutlich: meist stehen solche Belege vereinzelt da. Auch liefern Geschichtsschreiber und Notare, die ein vorheraldisch oder heraldisch bezeichnetes Objekt nennen, oft ¨ ußeren. Die Kontikeine – oder keine detaillierte – Beschreibung seines A nuita¨t und Vieldeutigkeit der gebrauchten Begrifflichkeit macht es daher ¨ berga¨nge zu heraldisch bezeichneten Medien zu erkennen41. schwer, die U ¨ berlieferung zeigt sich Diese Problematik von Wahrnehmung und U besonders deutlich in der Zusammenschau dessen, was unterschiedliche Quellen u¨ber die Ta¨tigkeit des Mainzer Erzbischofs Christian von Buch als Reichslegat in Italien im Jahr 1172 berichten. Albert von Stade stellt ihn im Kampf gegen die Bolognesen vor, wie er hoch zu Roß, angetan mit Harnisch, einem hyazinthfarbenen Waffenrock und einem vergoldeten Helm, neun Gegner mit seinem Streitkolben zu Boden streckt42. In der Chronik des Florentiner iudex Sanzanome, eines Zeitgenossen des Stader Abtes, begegnet der Legat im August des Jahres ebenfalls als Heerfu¨hrer. Mit einem von ihm in der Toskana gegen die Pisaner und Florentiner zusammengezogenen Heer hatte er Castelfiorentino erobert und stark befestigt. Als die Florentiner ihr an der Via Francigena im Elsa-Tal gelegenes castellum im Sturm zuru¨ckeroberten, wichen sie im Kampf dem Erzbischof aus und wagten es nicht, seine Fahne anzugreifen, die auf einer Eiche in Sicherheit gebracht worden war43. ¨ berlieferungs-Chance. 40 Vgl. Esch, U 41 Vgl. Erdmann, Kaiserfahne, bes. S. 873f.; Ders., Entstehung, S. 45; Keller, Investitur, hier bes. S. 78. Zur Unterscheidung zur Wahrnehmung durch die Moderne siehe Weber, Sprache. 42 Althoff, Gloria, S. 302; Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 3 und 379f. Die Datierung dieses Ereignisses ist problematisch; vgl. Bo¨hmer, Regesta Archiepiscoporum Maguntinensium 2, Nr. 129, S. 39. 43 Sanzanomis Gesta Florentinorum, S. 8, vgl. Hartwig, Quellen 2, S. 62f. Der Text ist unklar. Vgl. Bo¨hmer, Regesta Archiepiscoporum Maguntinensium 2, Nr. 106, S. 34. Von einer hervorgehobenen Stellung des Banners berichten auch die ‚Annales Pisani‘ zur Schlacht bei Motrone im Jahre 1170. Dort hatten die an diesem Tag siegenden Pisaner die eigenen und die Truppen der Verbu¨ndeten in drei Treffen aufgestellt. In der ersten Reihe befand sich der mit ihnen verbu¨ndete Aldobrandeschi-Graf: in qua acie comes Ildebrandinus miles signifer et capitaneus extitit. Zitiert nach Ha¨germann, Beitra¨ge, S. 192. Das Beispiel ließe sich noch vermehren: Sanzanome berichtet von dem Agieren Florentiner

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Vorbereitet hatte der Legat diesen Feldzug von Siena aus, wo er im Ma¨rz einen großen Landtag abgehalten und mit der Verha¨ngung der Reichsacht gegen Pisa den anstehenden Feldzug proklamiert hatte44. In diesen Kontext geho¨rt die Urkunde, die Christian von Buch am 19. Ma¨rz 1172 der Kommune Viterbo ausstellte45. Erfolgt war dies auf die Bitten der von einem Konsul angefu¨hrten Gesandtschaft, die mit ihr die schriftliche Besta¨tigung einer wohl Jahre zuvor durch den Kaiser vorgenommenen Investitur erhielt46. Barbarossa, der nach einer anderen Quelle im August 1167 in Viterbo war, hatte damals die Repra¨sentanten der Kommune mit der Kaiserfahne belehnt47. Offenbar war es bei dieser Gelegenheit nicht zur Ausstellung einer Urkunde gekommen48. Es ist außerdem bezeichnend, daß die Urkunde lediglich die durch die Fahnenu¨bergabe besta¨tigten „Besitzungen und guten Gewohnheiten“ erwa¨hnt, ohne mit-

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Heerfu¨hrer mit der Fahnenlanze und der Magister Tolosanus erza¨hlt, wie Guido Guerra im Krieg der Faventiner gegen die Imolesen auf seiten der ersteren sein Banner selbst ergriff und in einem Angriff die Schlacht wendete, als andere Fahnentra¨ger der Faven¨ hnliches hatte bereits Fulcher von Chartres u¨ber Ko¨nig tiner bereits gefallen waren. A Balduin I. von Jerusalem berichtet, der ein signum album fu¨hrte; vgl. Mayer, Pontifikale, S. 180f. Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 28f., la¨ßt Barbarossa mit seiner Fahne ku¨hn gegen die Maila¨nder vorgehen. Hartwig, Quellen 2, S. 58; Bo¨hmer, Regesta Archiepiscoporum Maguntinensium 2, Nr. 95 und 97–98, S. 32f.; Ha¨germann, Beitra¨ge. Bo¨hmer, Regesta Archiepiscoporum Maguntinensium 2, Nr. 96, S. 32. Ha¨germann, Urkunden, hier Nr. 13, S. 245ff., mit dem fraglichen Teil des Kontextes: Eapropter sedulis petitionibus karissimorum nostrorum Fortisguerreˆ consulis et Iohannis sacri palatii Viterbiensium iudicis et Greci conestabilis, facilem et benignam aurem accomodantes, auctoritate et virtute legationis nostreˆ conceˆdimus et dignitate nostra confirmamus, queˆcumque dominus noster serenissimus Romanorum imperator dono sceptrifere maiestatis sueˆ per veˆxillum imperiale eis contulit et serenitatis sueˆ bona voluntate et gratia eos investivit in tenimentis ipsorum et bonis usantiis. Nach Ha¨germann, Beitra¨ge, S. 212f., begleitete Barbarossa, der die Stadt bereits zuvor in einem Brief als camera regni bezeichnet hatte, Paschalis III. 1167 nach Viterbo, das der Gegenpapst zu seinem Sitz machte. Vgl. Opll, Stadt, S. 474–478. Vgl. Schneider, Toskanische Studien, S. 166f.: „Dass die Gewere durch ein gewo¨hnliches Notariatsprotokoll verbrieft wurde, dafu¨r haben wir Beispiele, auch von Heinrich VI. selbst. Die Investituren durch den Kaiser werden so ha¨ufig gewesen sein, dass sich die Kanzlei nicht in jedem Falle mit der Herstellung eines Diploms bemu¨hen konnte; manchmal geschah das jedoch. Immer blieb dem Belehnten, der wohl auch fu¨r diesen im Grunde rein formalen Akt die Kosten der Anfertigung einer Kaiserurkunde scheuen mochte, unbenommen, ein notarielles Instrument daru¨ber aufnehmen zu lassen; freilich mag er auch das oft genug unterlassen haben, und deshalb sind so wenig derartige Stu¨cke auf uns gekommen.“ Christians Erscheinen nach seiner und des Kaisers Abwesenheit in der Toskana bot wahrscheinlich die erste Gelegenheit, die Beurkundung nachzuholen. Vgl. Keller, Herrscherurkunden, zum weiteren kommunikativen Kontext der Urkundenvergabe.

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zuteilen, was diese ausmachte49. Den Viterbesen ging es offensichtlich in erster Linie um die Dokumentation des Symbolaktes, die sie nicht nur in einem authentischen Schriftstu¨ck, sondern auch in den symbolischen Formen der Privilegierung erhielten, die erneute Erweise der gratia des Kaisers und seines Legaten waren. Diese Beweisfunktion betrifft zum einen die Urkunde selbst. Dieter Ha¨germann, der Herausgeber ihrer maßgeblichen Edition, kommt in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, daß sie wie kaum eine andere Urkunde des Legaten um eine feierliche Anmutung bemu¨ht ist50. Verfaßt worden war sie von Magister Robert, einem kaiserlichen Kaplan und Protonotar des Mainzer Hofes, der wa¨hrend Christians zweiter Legation in Italien dessen Kanzlei leitete, um dann ab 1181 sogar kaiserliche Diplome zu schreiben51. Robert hat der mit Siegelanku¨ndigung versehenen, besiegelten Urkunde denn auch in Gliederung, stilistisch anspruchsvollen Formulierungen und sorgfa¨ltigem Duktus der Schrift eine Form gegeben, die so weit wie mo¨glich an eine feierliche Kaiserurkunde heranreicht. Entsprach sie auf diese Weise der kaiserlichen Huldgeste, die sie fixierte, so wurde sie in dieser Funktion auch als Archivalie im Viterbo des spa¨teren Mittelalters rezipiert. Denn ein Dorsualvermerk des 14. Jahrhunderts klassifiziert sie als Privilegio Christiano [sic] pro vexillo imperialis52. Allerdings hatte schon der Notar, der im Jahre 1283 im Auftrag des Podesta` Riccardo Annibaldi den ‚Liber memorie omnium privilegiorum et instrumentorum et actorum communis Viterbii‘ als Auszug aus der unhandlicher werdenden Reihe der ‚Margherite‘, der Libri iurium Viterbos, zusammenstellte, in seiner Gestaltung des ‚Urkundenregests‘ den ‚Rechtsinhalt‘ den zum Zeitpunkt der Ausstellung wohl ebensowichtigen symbolischen Gnadenakten von Fahneninvestitur und Urkundenvergabe vorgezogen53. Das entsprach freilich auch der gewandelten Bedeu49 Vgl. Ha¨germann, Beitra¨ge, S. 213f. 50 Ha¨germann, Urkunden, S. 245f., gerade auch im Vergleich, S. 255f., mit der zweiten, am 13. Februar 1174 in Foligno fu¨r Viterbo ausgestellten Urkunde. Diese fu¨hrt zwar wichtige Besitzanspru¨che im Umland von Viterbo auf, ist aber nur halb so groß, wie die erste, sowie nach dem Diktat Roberts „in einer flu¨ssigen Gebrauchsschrift [...], die wenig Wert auf Stilisierung legt“ in „einer rasch hingeworfenen Mundierung“ zustande gekommen. Zur Aussagekraft solch eines Erscheinungsbildes als Machtdemonstration siehe Ru¨ck, Urkunde. 51 Ha¨germann, Urkunden, S. 205f. 52 Ebenda, S. 246. 53 Liber memorie omnium privilegiorum et instrumentorum et actorum communis Viterbii, Nr. 383, S. 138f.: Quomodo legatus imperatoris confirmavit Viterbio tenimenta et omnes bonas usantias. Item aliud privilegium [...] in quo continetur quomodo dictus legatus confirmavit Viterbiensibus tenimenta et bonas usantias, que et quas serenissimus impe-

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tung des nicht mehr politisch aktuellen Schriftstu¨cks, sowie der Logik des Umgangs mit solchem Archivschriftgut54. Einen weiteren Aspekt der aktuellen Bedeutsamkeit der vor dem Forum des Landtags an die Viterbesen gegebenen Urkunde la¨ßt dagegen ihre Zeugenreihe erahnen. In ihr erscheinen in beeindruckender Zahl die damals in Siena versammelten Großen. Neben Graf Guido Guerra und Konrad von Montferrat fa¨llt dem heutigen Betrachter vor allem der comes Aldebrandinus auf. Es handelt sich um Ildebrandino Novello degli Aldobrandeschi. Dieser Große, dem Barbarossa ein Jahrzehnt zuvor den Titel eines comes palatinus in Wu¨rdigung seiner Stellung verliehen hatte, besaß nicht nur Besitz und Einfluß in Viterbo und an anderen Orten, sondern herrschte, den Guidi im Nordosten vergleichbar, u¨ber ein großes und geschlossenes Territorium im Su¨den der Toskana, die Aldobrandesca55. Im Namen des Kaisers hatte Ildebrandino im Jahre 1170 als erster Podesta` in dem ihm benachbarten Viterbo regiert56. 1174 sollte er erneut als Sprecher der Kommune vor Christian von Mainz erscheinen, um eine weitere Urkunde mit Besitzbesta¨tigungen fu¨r Viterbo zu erwirken, die vielleicht auch schon mit den fru¨heren Besta¨tigungen angesprochen waren57. Wenn der Aldobrandeschi, der durchga¨ngig als ein Hauptakteur der kaiserlichen Politik in der Su¨dtoskana und in Viterbo selbst in Erscheinung tritt, als Zeuge an der Beurkundung zu Siena mitwirkte, du¨rfte er nicht nur u¨ber die Art der von Barbarossa verliehenen Gu¨ter und Rechte genau im Bilde gewesen sein, sondern mit der von ihm bezeugten Besta¨tigung auch ein Garant fu¨r deren Bestand gewesen sein. Dieses Beispiel der nachtra¨glich erbetenen Urkunde, die in mo¨glichst solenner Ausfertigung nicht den ‚Rechtsinhalt‘ in Form von Besitzsta¨nden auflistete, sondern den Symbolakt selbst sowie die Verpflichtung des ma¨chtigsten Mannes vor Ort, ihn

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rator investiverat commune Viterbii per vexillum et cetera. Die Herausgeberin hat die Edition Ha¨germanns nicht zur Kenntnis genommen. Vgl. Blattmann, ‚Materialita¨t‘; Vismann, Akten, bes. S. 134ff. Vgl. Waley, Orvieto, ad indicem („Aldobrandeschine contado“); Ha¨germann, Beitra¨ge, passim; Larner, Italy, S. 91f.; Lackner, Studien, S. 143f.; Cardini, Aldobrandeschi; Schneider, Toskanische Studien, zu den „21 grossen Geschlechtern des Grafenhauses, die als eine Art Landsta¨nde 1221 in den kaiserlichen Schutz genommen wurden“, und deren Angeho¨rige als Lehnsma¨nner der Grafen deren Amtstra¨ger waren. Maire Vigueur, Comuni, S. 98. Ildebrandino begegnet ebenfalls in hervorgehobener Stellung zum Staufer Philipp, der ihn als Herzog von Tuszien in einer Urkunde vom 3. April 1196 zum vexilliferum nostrum et nostri exercitus ernannte; Acta imperii inedita 1, Nr. 2, S. 2. Von dieser Gunst und seinem politischem Geschick als selbst beteiligter ‚Koordinator‘ zwischen Kommunen, Kaiser und Papst zeugt denn auch seine Wahl zum ersten Prior des Tuszischen Bundes im Dezember 1197; Lackner, Studien, S. 147. Ha¨germann, Urkunden, Nr. 17, S. 254–257.

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zu wahren, schriftlich festhielt, demonstriert eindru¨cklich den Stellenwert von Akten und Medien symbolischer Kommunikation fu¨r die Kommune Viterbo im Kontakt zum Kaiser und dessen Legaten58. Fu¨r den Zeitraum, in dem das europa¨ische Wappenwesen entstand, zeigen also drei verschiedene Quellen zu Ereignissen eines Jahres den kaiserlichen Legaten im Umgang mit Medien, die kurze Zeit spa¨ter zu bevorzugten Tra¨gern von Wappen wurden: der Waffenrock der ritterlichen Ru¨stung, die dem Anfu¨hrer im Kampf zugeordnete Fahne sowie, wenn man so will, die Fahne, mit der der Kaiser einen Investiturakt vorgenommen hatte, dessen Gegenstand sein Legat nun durch eine Urkunde besta¨tigte. Darf man sich die Ru¨stung des Mainzers mit Sicherheit als vorheraldisch vorstellen, so gilt dies wahrscheinlich auch noch fu¨r seine Fahne und die des Kaisers, u¨ber deren Aussehen andere Quellen divergierende Informationen mitteilen59. Das Fortbestehen von Gebrauchsformen, wie dem Anbringen der solcherart weithin sichtbaren Fahne auf einem Baum, in heraldischer Zeit bezeugt beispielsweise Bonvesin da la Riva. Der Maila¨nder erza¨hlt von der Fahne mit der Viper, die die Visconti als Familienwappen beanspruchten, daß sie die ‚Sturmfahne‘ des Maila¨nder Heeres sei und daß die Maila¨nder im Feld kein Lager aufschlu¨gen, bevor nicht diese Fahne auf einem Baum zu sehen sei60. In a¨hnlicher Weise du¨rfte Christian von Mainz seine vorheraldische Fahne in Castelfiorentino eingesetzt haben. Fu¨r die Benennung der Fahnen, die Carl Erdmann unter dem Begriff der „Kaiserfahne“ zusammengefaßt hat, bieten die Quellen einen a¨hnlichen Befund, wie ihn Knut Go¨rich zur „Ehre des Reiches“ vorfand61. Die Belege, die von der Selbstaussage Ottos II. in seiner Urkunde von 982 – sub fanone nostro, hoc est imperiali vexillo – u¨ber den 1087 von einem Mo¨nch Montecassinos erwa¨hnten fano imperialis, bis zu dem imperatoris vexillum von 1137 oder dem vexillum imperiale cum aquila Galvano Fiammas reichen, lassen sich nicht eindeutig in ihrer Zuordnung der Fahne zu Kaiser oder Reich trennen. Diese wa¨hrend des ganzen Mittelalters bestehende Mehrdeutigkeit im Gesamtbild der Quellenzeugnisse ist nicht nur Kennzeichen eines Sprachgebrauchs, dem es nicht auf die juristische Eindeutigkeit der Moderne ankam, sondern auch Ausdruck eines offengehaltenen Changierens zwischen dem transpersonal denkba58 Vergleichbares arbeitet Spa¨th, Verflechtung, fu¨r denselben Zeitraum in der Erinnerungskultur der mittelitalienischen Klo¨ster heraus. 59 Erdmann, Kaiserfahne. 60 Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, V 23, S. 156ff. 61 Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 17–22 und 35.

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ren Reich und der Person des Herrschers. Mittelalterliche Geschichtsschreiber nennen zudem, wie in den oben besprochenen Beispielen zu Otto IV., einen Herrscher der Vergangenheit mitsamt seinen Insignien und seiner Fahne bereits vor seiner Kro¨nung zu Rom Kaiser. Schwerwiegender ist dagegen das Problem, daß Vera¨nderungen der Fahnenbilder hinter den Benennungen kaum sichtbar werden. Dies betrifft sowohl ¨ bergang von vorheraldischen zu heraldischen Bildern als auch die den U Unterscheidung zwischen Kreuz- und Adlerfahne des Reiches. In der Regel nennen erst Autoren des 14. Jahrhunderts, wie etwa der Maila¨nder Dominikaner, das jeweilige Wappenbild der Fahne. Was jedoch auch in fru¨heren Quellen angesprochen wird, sind die ¨ bergang von Handlungs- und Bedeutungskontexte, in denen sich der U vorheraldischen zu heraldischen Medien der Kommunikation vollzog. Diese wiederum sind gepra¨gt durch Handlungs- und Deutungsmuster der symbolischen Kommunikation, von denen her sich die Bedeutung der Zeichen erschließt. Als Forschungsparadigma von der modernen Media¨vistik angegangen62, bildet sie in meinem Interpretationsmodell sozusagen das tertium comparationis zwischen der Stadtkommune als Institution oder Handlungsraum und der sich ausbildenden heraldischen Zeichensprache. Das Bild der Stadtgemeinden, das so am Beispiel heraldisch werdender Medien in Akten symbolischer Kommunikation entsteht, entspricht jedoch, wie gesagt, gerade nicht dem Savorellis und anderer Forscher. Es zeigt die Kommune weniger als einen im Selbstbewußtsein eige¨ berwinder und Verwandler ner Urbanita¨t und Italianita¨t handelnden U fremder feudaler Strukturen, denn als selbst in einem Wandlungsprozeß begriffene politische Gemeinschaft, deren Repra¨sentanten in einem ebenso kleinra¨umig bestimmten wie universal ausgerichteten Beziehungsgeflecht agierten. So sollten von den Italienzu¨gen der deutschen Herrscher und den vergleichbaren Expeditionen der Anjou oder Arago´n, die die Kommunen nicht als einheimische Opfer sondern als ihre eigenen Interessen mitverfolgenden Beteiligte sahen, nachhaltige Impulse auf die italienische Heraldik ausgehen63. Die wirkma¨chtige Pra¨senz der mitgefu¨hrten kaiserlichen Fahne in Symbolakten, wie sie das Eingangsbeispiel zeigt, la¨ßt sich bis in die Ottonenzeit zuru¨ckverfolgen. So berichtet etwa die Narratio einer von Otto II. am 26. September 982 in Capua ausgestellten Urkunde:

62 Siehe Kapitel 1.1. 63 Siehe Weber, Flags; Ders., Heraldry. Vgl. unten Kapitel 3, 4.2.3 und 5.3.

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‚Konrad, der Sohn des Grafen Rudolf, hat uns an dem Tage der Schlacht, welche zwischen uns und den Sarazenen ausgefochten worden ist, unter unserer Fahne, welche die kaiserliche Fahne ist, sein gesamtes Gut, das er im Lothringischen Reiche sein Eigen nannte, nach rechtma¨ßigem Brauch u¨bergeben und unsere Herrlichkeit im Angesichte des ganzen Heeres demu¨tig gebeten, dies so Kleine um ein Gro¨ßeres vermehrt dem Kloster des heiligen Ma¨rtyrers Gorgonius, das an dem Gorze genannten Ort errichtet worden ist, einzuantworten, wenn er an diesem Tag sterben wu¨rde, was geschah.‘64 Demnach fand die vor der Lagero¨ffentlichkeit vollzogene traditio am Morgen des 13. Juli 982 statt, bevor das Heer Ottos II. bei Capo Colonne ¯ in den Kampf gegen die Truppen Abu’l-Q¯ asims ging, die sich unter ihren Fahnen zur offenen Feldschlacht gestellt hatten65. Die als Rechtssymbol oder Ort der Besitzu¨bertragung angesprochene Kaiserfahne war ein Feldzeichen des Heeres in milita¨rischer Funktion, in erster Linie jedoch ein individuelles Herrschaftszeichen Ottos II. Das Gleiche gilt auch fu¨r die erste Fahnenlanze, von deren Gebrauch als Belehnungssymbol wir wissen. Thietmar von Merseburg berichtet na¨mlich fu¨r das Jahr 1002, wie der elsa¨ssische Graf Gerhard die Fahnenlanze, mit der er von Ko¨nig Heinrich II. eine Grafschaft erhalten hatte, bei der Belage64 Die Urkunden Otto des II., Nr. 280 (Capua, 982 IX 26), S. 325f.: Quapropter omnium fidelium nostrorum presentium ac futurorum noverit pia devotio, qualiter Cunradus filius Ruodolfi quondam comitis in die belli quod fuit inter nos et Sarracenos, sub fanone nostro, hoc est imperiali vexillo, legali ritu tradendum nobis commendavit omne predium suum quod habuit in regno Lothariensi, rogavitque in conspectu totius exercitus nostram dominationem humiliter, ut hoc totum parvum cum magno ad monasterium sancti Gorgonii martyris in loco Gorzia vocato constructum nostra preceptione, si ea die moreretur, sicut ¨ bersetzung erfolgte auf der Grundlage der deutschen U ¨ bersetfecit, traderemus. Die U zung bei Uhlirz, Jahrbu¨cher des Deutschen Reiches unter Otto II. und Otto III. 1, S. 178. Vgl. Erdmann, Entstehung, S. 37. 65 So berichtet Ibn al At¯ır nach Uhlirz, Jahrbu¨cher 1, S. 254f.: „Schieraronsi in battaglia i Musulmani; s’appicco la zuffa e fervea, quando uno squadrone di Franchi carico` il centro e le bandiere dei Musulmani; ruppe la fila; arrivo` alle bandiere, e gia` molti Musulmani aveano abbandonato l’emiro et disciolta l’ordinanza. I Franchi furono addosso ad Abuˆ al Qaˆsim, il quale fu morto d’un colpo al sommo della testa, e caddero con esso parecchi degli ottimati e de’ piu valorosi dell’oste.“ Zum Geschehen siehe Keller – Althoff, Zeit, S. 264ff. Die Fahnen verweisen daru¨ber hinaus darauf, daß der Emir den Krieg als Djihad fu¨hrte; Erdmann, Entstehung, S. 28 und 46f. Die Szene im Lager la¨ßt sich schon durch den Medienwechsel zur Heraldik nicht direkt mit spa¨teren Formen vergleichen. Doch zeigt beispielsweise das sogenannte ‚Hausbuch‘ um 1480 einen Kriegsrat des Kaisers unter der in der Lagermitte aufgepflanzten Adlerfahne des Reiches; Waldburg Wolfegg, Venus, Abb. 61–62, S. 98ff.

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rung einer Stadt wieder verlor. Einem der zu einem colloquium im Lager erschienenen Belagerten gelang es na¨mlich, das vor dem Zelt des Grafen aufgepflanzte Feldzeichen zu rauben. Dem dadurch auch seines honor Beraubten blieb schließlich nichts anderes u¨brig, als ohne Feldzeichen und damit auch ohne Lehen abzuziehen66. Das Beispiel zeigt die Doppelfunktion des als signum militare gebrauchten signum beneficii, dessen mit der Ehre seines Tra¨gers gleichgesetzter Symbolwert sicherlich aus der Vergabe dieses individuellen Mediums durch den Herrscher resultierte67. Blieb der Konnex zur Ehre wa¨hrend des gesamten Mittelalters bestehen, so sollte die Verschiebung der Repra¨sentationsfunktion vom individuellen Fahnentuch hin zum Wappenbild, das vervielfa¨ltigt und multimedial eingesetzt werden konnte, zu einer Ausdifferenzierung in den Mo¨glichkeiten symbolisch erzeugter herrschaftlicher Pra¨senz fu¨hren. Von dem fano Ottos II., wohl einem bildlosen Gonfanon, fu¨hrt eine Traditionslinie zu den in der kommunalen Welt des spa¨teren Mittelalters gezeigten kaiserlichen Fahnen, die das Wappenbild des schwarzen Adlers in Gold zeigen, und in Bildercodices, wie dem Trierer ‚Balduineum‘ oder der illustrierten Chronik Giovanni Villanis, abgebildet sind68. Solch eine Fahne ließ sich im Jahr 1236 Kaiser Friedrich II. reichen, um mit ihr in der Hand den Mincio zu durchreiten und damit das Zeichen zur Ero¨ffnung des Feldzuges gegen den Lombardenbund zu geben. In den Verhandlungen vor der Schlacht bei Cortenuova wurden die gegnerischen Kommunen aufgefordert, unter der entfalteten Kaiserfahne zu erscheinen und ihre Fahnen als Zeichen der Unterwerfung niederzule66 Thietmar von Merseburg, Chronicon, V 21 (13), S. 245ff.: Gerhardus comes Alsacie, accepto a rege quodam comitatu prefati ducis, cum domum rediret, iuxta unam urbium castrametatus est. A quo urbani pacem vix unam noctem impetrantes, egressi sunt dolose quasi ad colloquium, sed revera ad explorandum. E quibus unus calliditate eque ac velocitate persepe probatus, proprius accessit, signiferamque lanceam, qua beneficium ducis comes isdem acceperat a rege, coram tentorio eius affixam, elevando circumspexit, ad ultimumque cum ea urbem securus, cunctis incassum pene sequentibus, intravit. In urbe mox exultacio magna extollitur, porta clauditur, comes quasi honore privatus irridetur. Qui eandem primo dulcibus promissis frustra temptans recipere, sed illis negantibus redditum, tristis abiit, tam vacuus a beneficio quam a militari signo. Vgl. Bruckauf, Fahnlehn, S. 19f.; Dee´r, Papsttum, S. 24f. 67 Der in der Zeit Friedrichs II. schreibende Burchard von Ursberg stellt, die Berichte seiner Quellen verdichtend, Friedrich I. als vorbildlichen Herrscher u¨ber den multifunktionalen Gebrauch seines vexillum regium dar. Erst pflanzte der Staufer es als Triumphzeichen vor der maila¨ndischen Burg Trezzo auf, um es anschließend bei der symbolischen Neugru¨ndung Lodis einzusetzen. Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 28. 68 Die Sachu¨berlieferung und ikonographische Tradition sichtet Dee´r, Adler. Vgl. außerdem die Darstellungen des Adlerwappens des Reiches im Rahmen des Italienzuges Heinrichs VII. in: Heyen, Romfahrt; Il Villani illustrato, S. 223ff.

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gen69. Diese heraldische Kaiserfahne ist nicht mehr, wie in der Ottonenzeit, ein vorrangig an die Person und den Aktionsradius des Herrschers gebundenes Einzelstu¨ck. Ein feststehendes Wappenbild, wie der Reichsadler, ermo¨glichte vielmehr eine Vervielfa¨ltigung der Fahne, wie auch ihrer Gebrauchs- und Aneignungsformen. So begegnet in einem von der eigenen Gegenwart inspirierten Geschichtsbild Galvano Fiammas der Reichsadler sowohl als Wappenbild auf der vom Kaiser in der Kommune Mailand gefu¨hrten Fahne, als auch auf den bei der Occursio getragenen Papierhu¨ten und in einem spa¨teren, im Ereignis begru¨ndeten Familienwappen70. In der Imagination fernerer Zeiten fu¨hrten diese Kaiserfahne nun auch ‚Ro¨mer‘ wie Aeneas71. In den im 14. Jahrhundert so gut wie ununterbrochen wu¨tenden Ka¨mpfen zwischen einzelnen Kommunen, Koalitionen und Parteien begegnet die Kaiserfahne sta¨ndig. Gefu¨hrt wird sie nun im Namen des abwesenden Kaisers von kommunalen Akteuren und Signoren. So besiegten die Paduaner in der Schlacht bei Quartesolo an der Tesina im April 1312 die Vicentiner, die sub vexillis Imperii, Communitatisque Vicentiae, et cum Scalarum insigniis ka¨mpften. Unter den Gefallenen dieses kommunalen Reichsheeres befand sich auch Vanni Comes de Bagnacavallo, Canis Vexillifer, qui Regium vexillum, Aquilamque gestabat72. Als Medium der symbolischen Kommunikation diente die kaiserliche Fahne, der darin bald auch kommunale Fahnen folgen sollten, der „Herrschaftspra¨sentation“ in einem ganzen Spektrum rituell gepra¨gter Situationen73. Zwei von ihnen sollen im Folgenden herausgegriffen und unter der 69 Vgl. bereits Dee´r, Adler, S. 121; Go¨rich, Ehre als Ordnungsfaktor, S. 86f. und 92f. Ich halte es, im Vergleich mit dem ‚Liber ad honorem Augusti‘, fu¨r ho¨chstwahrscheinlich, daß es sich in diesen Fa¨llen um Fahnen mit dem Wappenbild des Reichsadlers handelte. Jede Interpretation der italienischen Feldzu¨ge Friedrichs II. hat jedoch zu beru¨cksichtigen, daß die aquilae Teil der sich in Aneignung antiken Kaisertums a¨ußernden Propaganda des Staufers waren. Gerade in Selbstaussagen, wie dem Brief an die Ro¨mer, la¨ßt sich nicht klar zwischen zeitgeno¨ssischem Wappenbild und antikisierender Interpretation unterscheiden. Dies ist das Thema von Kantorowicz, Kaiser, S. 389–401. Der Triumphzug durch Cremona nach der Schlacht von Cortenuova ist in diesem Kontext zu sehen. 70 Siehe Kapitel 1.2.2. 71 In einer im letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts entstandenen Miniatur aus Bologna, die sinnigerweise die Initiale zum ersten Vers der Aeneis ziert; Freuler, „Ku¨nder der wunderbaren Dinge“, Nr. 56, S. 154f. 72 Mussato, De Gestis Heinrici VII. Caesaris Historia Augusta, VI 6, Sp. 423. Vicenza hatte sich zuvor dem von Kaiser Heinrich VII. als Reichsvikar besta¨tigten Cangrande della Scala unterstellt. 73 Zum Begriff siehe Keller, Investitur, S. 59f. Mit Bezug auf das Reich Kintzinger, Zeichen.

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Fragestellung dieses Kapitels anhand kaiserlicher und kommunaler Fahnen na¨her betrachtet werden: der Triumph und die Investitur. Die im 12. Jahrhundert zunehmenden Belege fu¨r diese Symbolhandlungen lassen einen Wandel gegenu¨ber dem fru¨heren Mittelalter erkennen, der sich nicht allein in der Etablierung dieser neuen Formen auf der Grundlage a¨lteren Fahnengebrauchs und a¨lterer Einweisungsrituale manifestiert. Er betrifft generell eine sich wandelnde Einstellung zur symbolischen Kommunikation, auf die Hagen Keller aufmerksam gemacht hat74. Mit diesen Vera¨nderungen scheinen mir solche im Fahnenwesen ¨ bergang zu einherzugehen, die Carl Erdmann beobachtet hat. Mit dem U einer institutionell fundierten Herrschaftspraxis, die Kriegsfu¨hrung und Lehnswesen miteinschloß, a¨nderte sich auch der Charakter der Insignien und Fahnen. Die Bedeutung einer Fahne resultierte nicht mehr nur aus ihrer Funktion und der Bedeutung der Person, mit der sie verbunden war, sondern auch aus sich verstetigenden Fahnenbildern, die das individuelle Fahnentuch u¨berdauerten und sich auch auf anderen Medien, wie den Siegeln, wiederfanden. Als Begriff fu¨r das zeremonielle Feiern des Sieges geho¨rte der triumphus zum ro¨misch-antiken Erbe des Mittelalters75. Hier und im Folgenden soll es um eine spezielle symbolische Geste gehen, der im Mittelalter das Adjektiv triumphalis beigelegt wurde, na¨mlich das weithin sichtbare Zeigen, Aufpflanzen oder Hissen einer Fahne als Zeichen des Sieges im Kampf und der beanspruchten Herrschaft u¨ber den solcherart bezeichneten o¨ffentlichen Raum. Dieses Symbolhandeln besaß antike Entsprechungen im Zurschaustellen siegreicher Feldzeichen. So erza¨hlt Flavius Josephus, wie die ro¨mischen Belagerer des Jerusalemer Tempels ihre σημαίαι auf eine noch umka¨mpfte Mauer brachten, um sie schließlich auch im eroberten Tempelbezirk aufzustellen76. Von diesen milita¨rischen Zeichen, deren Pra¨sentation meist auch Kulthandlung war, fu¨hrt keine direkte Traditionslinie zu den seit dem Hochmittelalter als Zeichen des Triumphs gezeigten Fahnen. Sie mu¨ssen jedoch an dieser Stelle erwa¨hnt werden, weil die mittelalterlichen Schriftquellen sich der an ihnen gepra¨gten Bezeichnungen bedienten, um Pha¨nomene ihrer Zeit zu beschreiben. Das im historiographischen Bericht des Josephus beschriebene Aufstellen der Feldzeichen im eroberten Tempel hatten bereits fru¨here Eroberer praktiziert. Die durch den Psalmisten (Ps 74,4) u¨ber diese signa erhobene 74 Keller, Investitur. 75 McCormick – Cardini, Triumph, -zug, Sp. 1024–1027, mit dem Hinweis auf fehlende Einzelstudien zum mittelalterlichen Triumph. 76 Flavius Josephus, De bello Judaico, VI 4 225–227, S. 38f., und VI 6 316, S. 54f.

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Klage war in der Schriftkultur des gesamten Mittelalters pra¨sent77. Andere Formeln, wie die „siegreichen Adler“ (victrices aquilae) der Legionen, ko¨nnen, vermittelt u¨ber antike Autoren, als Bezeichnungen fu¨r Tuchfahnen auch ohne Bezug zum Ro¨mischen Reich bei mittelalterlichen Autoren mit stilistischen Ambitionen begegnen78. Andererseits finden sich in der Herrschaftspra¨sentation Kaiser Friedrichs II. bereits als heraldisch einzustufende Adler im Kontext von Feld- und Triumphzeichen, die in ihrer Bezeichnung mit den von antiken Autoren entlehnten Formeln Vorstellungen imperialer Gro¨ße evozieren sollen79. ¨ berlegungen „zum Fahnengebrauch in vorIn seinen grundlegenden U heraldischer Zeit“ sah Carl Erdmann in „der mittelalterlichen Gewohnheit, den milita¨rischen Besitzer oder Eroberer einer Burg oder Stadt durch die Aufpflanzung einer Fahne auf einem Turme kenntlich zu machen“, einen der Bra¨uche, die „eine Mehrheit von Fahnen gleichen Aussehens“ erzeugten und dadurch zur Ausbildung sich verstetigender heraldischer Fahnenbilder beitrugen80. Nach Erdmann la¨ßt sich diese Praktik, abgesehen von der literarischen Antikenrezeption, im Abendland erst im fru¨hen 12. Jahrhundert nachweisen. Er ha¨lt fu¨r wahrscheinlich, daß die Kreuzfahrer sie von den Orientalen u¨bernahmen und in den Westen brachten. Neben den von ihm herangezogenen Quellen zum ersten Kreuzzug bieten die des dritten Zuges eines der bekanntesten Beispiele fu¨r diese Kommunikationsform. Als die siegreichen Belagerer nach der Einnahme Akkons im Juli 1191 ihre Anspru¨che auf Teile der Stadt durch das Zeigen ihrer Fahnen sichtbar machten, kam es zum folgenschweren Konflikt ¨ sterreich und Richard Lo¨wenherz, der eine zwischen Leopold V. von O Fahne des Herzogs abreißen und in den Dreck werfen ließ81. Sprechen Richard von Devizes und Otto von St. Blasien von den gezeigten Fahnen als signa triumphalia, so erwa¨hnt der englische Chronist daru¨ber hinaus den Zusammenhang mit den im Sieg (triumphus) erworbenen Besitzan77 Vgl. Erdmann, Kaiserfahne, S. 879; Ders., Fahnen, S. 25, bringt das Beispiel einer hochmittelalterlichen Handschrift der ‚Antiquitates‘ des Josephus, in der in einer Initiale ein antiker Herrscher nach zeitgeno¨ssischen Vorstellungen als Ko¨nig mit Fahnenlanze dargestellt ist. 78 In diesem Sinne gebraucht Iohannes Codagnellus, Annales Placentini, den Begriff durchga¨ngig, um Ka¨mpfe zwischen kommunalen Heeren zu beschreiben. Vgl. auch die Belege bei Gritzner, Symbole, S. 16 u. o¨.; Erdmann, Kaiserfahne, S. 873f.; Ders., Fahnen, S. 26–33; Schneider, Toskanische Studien, S. 123; nur in der Zuru¨ckfu¨hrung auf Lukan: Weber, Formation, S. 66. 79 Dee´r, Adler. 80 Erdmann, Kaiserfahne, S. 878f. ¨ berlieferung, Kontext sowie dem vorausgegangenen, ebenso illustrativen Beispiel 81 Zu U der in Messina gezeigten Fahnen siehe Go¨rich, Verletzte Ehre, S. 69–73.

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spru¨chen (possessio), die die Fahne signalisiere82. Daß dies sowohl im noch offenen Kampf als auch in der Umsetzung von Verhandlungen geschehen konnte, haben die eingangs besprochenen Beispiele aus den Geschichtswerken des Petrus von Eboli und des Petrus Diaconus gezeigt, die die Kaiserfahne in Italien betreffen. Diese ließen sich um weitere Beispiele aus den Ka¨mpfen zwischen Friedrich Barbarossa und den oberitalienischen Kommunen vermehren83. Eines der fru¨hesten Beispiele fu¨r Konflikte zwischen zwei Kommunen stammt aus dem Jahre 1198 und wird von Rolandino von Padua berichtet. Im Krieg gegen die Vicentiner zog die Heeresmacht der Paduaner Kommune cum fulgenti suo carrocio gegen das Vicentiner Kastell Carmignano an der Brenta. Nach anfa¨nglichen Ru¨ckschla¨gen gelang den Belagerern, die von dem Podesta` Jacobus Strictus (Giacomo Stretto) aus Piacenza, dem Markgrafen Azzo d’Este sowie Mattheus de Pegoloto, paduanus civis et vesillifer paduani communis, angefu¨hrt wurden, der Sturm auf das Tor und die Eroberung des Kastells84. Rolandino, der diesen a¨ltesten Teil seiner Chronik aus den Aufzeichnungen seines Vaters u¨bernommen haben will, beschreibt in geradezu poetischen Wendungen, wie die als Siegeszeichen u¨ber Carmignano wehende Fahne der Kommune Padua weithin sichtbar wie ein Spiegel blitzte85.

82 Richard von Devizes, The Chronicle, S. 46f.: Dux Austrie, et ipse unus ex ueteribus obsessoribus Accaronis, regem Anglorum secutus a pari in sue sortis possessionem, quia prolato coram se uexillo uisus fuit sibi partem uendicare triumphi; et si non de precepto, de uoluntate tamen regis offensi deiectum est uexillum ducis in cenum, et in eius contumeliam a derisoribus conculcatum. Dux in regem licet atrociter ardens, quam uindicare non potuit dissimulauit iniuriam, et regressus in sue locum obsidionis, in refixam se recepit ea nocte papilionem, et postquam citissime potuit plenus rancoris renauigauit ad propria. Vgl. ebenda S. 44 und Go¨rich, Verletzte Ehre, S. 70. 83 Siehe Erdmann, Kaiserfahne, S. 873: „Gerade bei den Ka¨mpfen Friedrichs I. in Italien werden die Kaiserfahnen nicht selten erwa¨hnt. Sie dienten bereits als Abzeichen bei der ¨ bergabe von festen Pla¨tzen; also mußten sie ein feststehendes Aussehen haben, das die U Fahne des Kaisers von einer andern Fahne unterschied.“ Vgl. Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 223 und 486; Borgia, Ampliamenti, S. 55f. 84 Rolandini Patavini Cronica, I 8, S. 21f. Von diesem Podesta` stammt eines der a¨ltesten Einzelstatute in den Paduaner Kommunalstatuten. Es ist eine am 28. August 1198 wohl aus Anlaß des durch den Chronisten erwa¨hnten Kriegszuges erlassene Heeresordnung, die es jedem miles oder pedes bei Strafe verbietet, sich im Feld vom confalone der Kommune oder vom Fahnenwagen zu entfernen; Statuti del comune di Padova, III 29 (Nr. 867) S. 293. Jacobus, der Bruder des kaiserlichen Hofrichters Arnaldus Strictus, stammte aus der Konsulatsaristokratie Piacenzas; Haverkamp, Herrschaftsformen 2, S. 402f. 85 Ebenda: Stetitque communis Padue victoriosum vexillum, innumerabilia gestans foranima tanquam cribrum, set quasi specula fulgentissima, ultra fossas super hedificiis Carmegnani. Da eine Kirche von Carmignano erwa¨hnt wird, aus der die gefangenen Paduaner befreit wurden, ko¨nnte die Fahne auf derem Turm als ho¨chstem Punkt des Kastells gehißt worden sein.

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Nach der Plu¨nderung des Kastells kehrte das Heer mit gloriosum triumphum de inimicis nach Padua zuru¨ck. Bezeichnenderweise verliert der kommunale Notar und Geschichtsschreiber u¨ber das Aussehen der von einem eigenen Bannertra¨ger getragenen Fahne der Kommune kein Wort. Wahrscheinlich zeigte sie jedoch schon das durchgehende rote Kreuz in Weiß, das im 13. Jahrhundert das Wappen von Stadt und Popolo-Kommune in Padua war, jedoch erst in Quellen des 14. Jahrhunderts beschrieben und abgebildet wird86. Die kriegfu¨hrende Kommune des 12. Jahrhunderts war aber auch in der Lage, das gleiche Resultat durch Verhandlungen zu erzielen, wie wir sie bereits am Beispiel des Reichsheeres vor Montecassino im Jahre 1137 gesehen haben. Dies zeigt das Beispiel von Monte di Croce. Die Florentiner hatten mehrfach versucht, diese Burg der Grafen Guidi, die nur zehn Meilen nordo¨stlich ihrer Stadt gelegen war, zu erobern, hatten dabei jedoch ausgerechnet am Johannistag 1146 eine schwere Niederlage erlitten, bei der ihr vexillifer militum gefallen war. Der Florentiner Chronist Sanzanome, der dies erza¨hlt, berichtet außerdem, daß sich beide Parteien in der Folgezeit auf das Verhandeln verlegten und daß durch die Vermittlung von viri sapientes et honestes eine concordia zustande kam, nach der es den Florentinern gestattet sein sollte, einen Teil der Burgmauern einzureißen. Diese nutzten jedoch spa¨ter eine sich bietende Gelegenheit, um die gesamte Burg zu brechen und zu verbrennen87. Nach den ‚Annales Florentini‘ geschah dies im Jahre 115388. Der zur Burg geho¨rende Gu¨terkomplex mitsamt einer Siedlung blieb noch bis 1220 unter der Herrschaft der Guidi, um dann in den Besitz des Bischofs und schließlich unter die Kontrolle der Kommune von Florenz zu geraten89. ¨ berlieferungszufall erfahren wir aus einer anderen Durch einen U Quelle noch mehr, als die durch die Geschichtsschreibung der Sieger festgehaltenen Resultate des Konflikts. Zu der von einem vicecomes der Grafen verwalteten curtis von Monte di Croce geho¨rte auch das Nonnenkloster von Rosano, ein Hauskloster der Guidi. Als es in den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts zu einem Prozeß um die Patronatsrechte Rosanos kam, wurden die Aussagen von 104 Zeugen gesammelt, von denen sich ein Teil erhalten hat. Unter diesen befindet sich auch die Aussage des o¨rtlichen Pfarrers Bandinus de Gallene, der in Monte di Croce geboren worden war. Dieser erinnerte sich noch daran, daß die Florentiner, bevor sie 86 87 88 89

Weber, Sprache, S. 555. Sanzanomis Gesta Florentinorum, S. 6f. Vgl. Hartwig, Quellen 2, S. 32–35. Annales Florentini II. Vgl. noch Giovanni Villani, Nuova Cronica V 37, Bd. 1, S. 222. Hartwig, Quellen 2, S. 86.

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die Burg niederbrannten, eine pax mit dem Grafen geschlossen hatten, nach der sie einen Teil der Mauern einreißen und ihre Fahne auf der Burg aufpflanzen durften. Er selbst habe sie dort wehen gesehen90. Die Vermittler hatten demnach fu¨r die Florentiner zumindest einen symbolischen, mit den Zeichen des Triumphs und des Herrschaftsanspruchs gezeigten Sieg zustande gebracht. Auf der Grundlage der genannten Quelle kann außerdem festgehalten werden, daß es in der Mitte des 12. Jahrhunderts ein vexillum Florentie gab, das die Kommune als Feld- wie als Herrschaftszeichen einsetzte. Wa¨hrend die unten diskutierten Beispiele aus Mailand und Tortona im ¨ bergang zu feststehenden, heraldisch werdenden gleichen Zeitraum den U Fahnenbildern erkennen lassen, geben die zeitgeno¨ssischen Florentiner Quellen keinen weiteren Anhaltspunkt u¨ber das Aussehen dieser Fahne. Es du¨rfte jedoch kaum „la bandiera del giglio“ gewesen sein, wie der Herausgeber des Vernehmungsprotokolls im 19. Jahrhundert ganz selbstver¨ hnlich dachte aber auch schon der Miniator, der im sta¨ndlich annahm91. A letzten Viertel des 14. Jahrhunderts den ‚Codex Chigianus‘ der ‚Nuova Cronica‘ Giovanni Villanis illuminierte. Er zeigt in Erga¨nzung des Textes die vor dem Burgberg haltenden siegreichen Florentiner mit den – auch in der relativen Chronologie der mythischen Stadtgeschichte sowie in Villanis Geschichtswerk selbst – erst in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts entstandenen Wappen mit der roten Lilie der Stadt und dem Kreuz des Popolo92. Die Mauern der Ho¨henburg liegen bereits in Tru¨mmern, an die Fundamente des zentralen Turms legt ein Knecht Feuer. Der Miniator zeigt nun in seiner Imagination des historischen Ereignisses eine Siegesgeste mit heraldischen Fahnen, die dem wappenkundigen Betrachter seiner Zeit sofort die politische Botschaft des Bildes vermittelt haben du¨rfte: wa¨hrend die Wappenfahne der Guidi (schra¨ggeviert von Rot und Weiß) vom Turm herabstu¨rzt, ist auf den Tru¨mmern daneben – die Burg wurde ja, so der Chroniktext, vollsta¨ndig zersto¨rt – die in diesem Fall fu¨r die Arnostadt stehende Fahne mit dem durchgehenden roten Kreuz in Weiß aufgepflanzt.

90 Passerini, Monaca, und Davidsohn, Monaca; hier Passerini, Monaca, 3:23, 1876, S. 389f.: Et dicit quod pax fuit facta inter Comitem et Florentinos ante combustionem Montis Crucis; et talis fuit pax quod pars muri debebat destrui et vexillum Florentie debebat poni super castrum ; et hic testis vidit positum. Et postea, procedente tempore, iverunt illuc et conbusserunt castrum ; et postea iterum orta est guerra. De aliis interrogatus, nichil. Vgl. die Parallele bei Hessel, Geschichte, S. 70. 91 Passerini, Monaca, 3:23, 1876, S. 69. 92 Il Villani illustrato, S. 117 (fol. 61r).

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Ist diese Miniatur aufschlußreich fu¨r den Einsatz heraldischer Symbolik zur Vermittlung historischen Wissens im Florenz des 14. Jahrhunderts, so liefert sie keinen Hinweis zur Beantwortung der Frage, wie das 1147 u¨ber Monte di Croce gezeigte vexillum Florentie tatsa¨chlich ausgesehen haben ko¨nnte. Am wahrscheinlichsten erscheint es mir, das in der spa¨teren Chronistik beschriebene alte, weiß und rot gespaltene (Heer-)banner der Kommune mit der gesuchten Fahne zu identifizieren93. Das von einem Augenzeugen gesehene triumphale Aufpflanzen der Fahne als Resultat eines durch Vermittler zustande gebrachten Abkommens ist demnach einer der ersten Sitze im Leben, die wir fu¨r eine wahrscheinlich schon heraldische Fahne der Kommune Florenz fassen ko¨nnen. Als Parallele zu der ein Jahrzehnt zuvor geschehenen Interaktion von Vertretern der ‚alten‘ Ordnung, dem Abt eines Reichsklosters und dem im Namen des Kaisers handelnden Reichsfu¨rsten, zeigte auch die fru¨he Kommune von Florenz ihre Fahne als Herrschaftszeichen. Von diesem Gebrauch der Fahne her wird die identita¨tsstiftende Wirkung des heraldisch gewordenen Fahnenbildes fu¨r die Stadtgemeinde versta¨ndlich. In heraldischer Zeit beibehalten, wie wir an einem Sieneser Beispiel aus der Mitte des 14. Jahrhunderts sehen werden, inspirierte das Aufpflanzen der Fahne u¨ber Befestigungen auch noch den anonymen Handschriftenillustrator der VillaniChronik. Im Spa¨tmittelalter scheint es sogar ha¨ufiger vorgekommen zu sein, daß Burgherren, die Amtstra¨ger oder Bu¨rger einer Kommune waren, heimlich Fahnen mit dem Wappen des Reichs oder der Kirche bereithielten, um durch ihr u¨berraschendes Hissen einen angebrachten Parteiwechsel anzuzeigen94. Mit der Investitur wird im Folgenden ein weiteres Handlungs- und Bedeutungsfeld fu¨r den medialen Einsatz von Fahnen im langen 12. Jahrhundert in den Blick genommen. Auf die deutsche Forschung zur „Fahnenbelehnung“ ist die Studie Julius Bruckaufs bis in die Gegenwart von bestimmender Wirkung gewesen95. Fu¨r Italien ist das Thema in der a¨lteren deutschen Forschung vor allem mit Bezug auf das Verha¨ltnis von Kaiser-

93 Die Rangfolge der Farben ist unsicher. Giovanni Villani, Nuova Cronica VII 40, Bd. 1, S. 330f., spricht von der Fahne del Comune dimezzate bianche e vermiglie. In den Miniaturen des ‚Codex Chigianus‘ wechselt die Farbabfolge der dargestellten Fahne ebenso, wie die des ersten Wappens von Arezzo, das das gleiche Wappenbild in verwechselten Farben zeigte. 94 Albertino Mussato, De Gestis Heinrici VII. Caesaris Historia Augusta, X 2, Sp. 493, und XIII 8, Sp. 533f.; Diario della citta` di Roma di Stefano Infessura, S. 183 und 186. 95 Bruckauf, Fahnlehn.

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und Papsttum untersucht worden96. Dagegen scheinen mir die Fahnenbelehnungen, die italienische Kommunen als Belehnende oder Belehnte ¨ bergang zu einer heraldischen Symbosahen, in ihrer Aussagekraft zum U lik bisher kaum beachtet worden zu sein. Die Hauptursache dafu¨r du¨rfte darin liegen, daß dieser Komplex sich sozusagen in der Schnittmenge peripherer Interessen der heraldischen, wie auch der historischen Forschung befand. Die heraldische Seite war weniger auf das mediale Umfeld, als auf die von ihm abstrahierten Wappenbilder fixiert. An ihren Figuren und Tingierungen sind Fragen zur Entstehung des Wappenwesens ¨ berlieferung von Realien meist in Italien diskutiert worden97. Daß die U erst im Spa¨tmittelalter einsetzt und in der Regel mit Problemen behaftet ist, hat neben a¨lteren Systematisierungstendenzen im Fach diese Tendenz befo¨rdert98. Demgegenu¨ber hat die neuere Forschung zum Lehnswesen im Umfeld der italienischen Kommunen, die sich auf das fru¨here Mittelalter konzentriert, Fahnen im Kontext anderer Investitursymbole behandelt, ohne sich auf Fragen nach den Fahnenbildern einzulassen99. Eine bereits angesprochene Ausnahme stellen die Arbeiten Carl Erdmanns dar, deren Erkenntnisinteresse jedoch in der Regel die Reichsgeschichte in Italien und nicht die italienischen Kommunen betrifft. Auf die große Bedeutung der Zeichen in der politischen Kommunikation zwischen den Stauferkaisern und den Kommunen, in deren Kontext sich auch heraldische Fahnen einordnen, hat zuletzt Knut Go¨rich aufmerksam gemacht100. Ihre Forschungen geben einen Erkla¨rungsansatz vor, mit dem sich die symbolischen Gesten und Medien, die lehnsrechtlich interpretierbar waren, fassen und in weitere Kontexte einordnen lassen. Was sich auch in den vertieften Einzelstudien der folgenden Unterkapitel zeigen wird, ist das Bestehen, wenn nicht sogar die Dominanz der ‚Mischformen‘ gegenu¨ber den Idealtypen von Triumph und Investitur in der durch die Kommune bestimmten symbolischen Kommunikation. Einzelne Elemente, wie die Investitur mit einem Symbolgegenstand oder das triumphale Zeigen der Fahne, begegnen auch in anderen und neuen 96 97 98 99

Dee´r, Papsttum, mit Forschungsgeschichte und Literatur. Zug Tucci, Linguaggio. Siehe Dupre` Theseider, Stemmi, S. 314f.; Weber, Sprache. Keller, Lehen; Ders., ‚Edictum de beneficiis‘. Beispiele finden sich bei Menant, Monaste`re, S. 123. Weder die Belehnungen als Kommunikationsakte im Allgemeinen ¨ berblicksversuch von Casnoch die Investitur im Besonderen finden Erwa¨hnung im U tagnetti, Feudalita`. 100 Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas; Ders., Ehre als Ordnungsfaktor, mit dem Hinweis auf den dem Kaiser zu leistenden Lehns- und Treueid, S. 64, sowie auf Fahnengebrauch, S. 86f. und 92; Ders., Mißtrauen.

2.1 Einleitung: Fahnen als Medien von Triumph und Investitur

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Ritualen, sowie in rituell gepra¨gten Handlungsketten. Im spa¨teren Mittelalter entsteht so eine Vielfalt an Formen symbolischer Kommunikation, die den Rahmen fu¨r die heraldische Symbolik der Kommune abgab. So erfolgte beispielsweise die Aufnahme von Guastapane und Petrus de Soriano in das Bu¨rgerrecht von Viterbo am 10. September 1258 in Form einer o¨ffentlichen Zeremonie, die an eine Belehnung erinnert. Nach der Leistung des Bu¨rgereids vor dem Capitano und den Konsuln der Kommune wurden die adligen Herren der Burg von Soriano auf der Piazza vor San Silvestro von den Konsuln mit Sta¨ben investiert. Die Repra¨sentanten erkla¨rten diese zeichenhafte Handlung, indem sie die Investierten anschließend laut als neue Bu¨rger Viterbos ansprachen101. Eid und Inszenierung orientierten sich wiederum an der schriftlich fixierten Norm des capitulum cithadinantie in den Viterbeser Statuten von 1251/52102. In a¨hnlicher Weise hatte sich auch Graf Andrea von Montemarte in die cittadinanza der Kommune Todi begeben mu¨ssen. Am 11. Oktober 1250 leistete er vor der Kirche S. Andrea in seinem Kastell dem Podesta` Alberto Caccianemici aus Bologna in Gegenwart einer Todiner Delegation, die der Bischof Giacomo degli Atti und der Archidiakon Bonaventura anfu¨hrten, den Treueid. Neben der Verpflichtung, Krieg oder Frieden nach dem Willen der Kommune zu halten, beschwor er auch die Bestimmung, jederzeit, wenn ihm dies befohlen werde, die Fahnen des Podesta` von Todi von den Tu¨rmen seiner Burg Montemarte wehen zu lassen103. Die in den Beispielen begegnende Geste der Inbesitznahme sowie die durch Wappenfahnen mo¨gliche Erkennbarkeit der Besitzverha¨ltnisse ließ die Kommune Asti in ihren Stadtbu¨chern bildlich darstellen104. Wie ein erhaltenes Fragment erkennen la¨ßt, u¨bernahm der Miniator des ‚Codex Astensis‘ die bereits im 13. Jahrhundert gefundene Bildlo¨sung, ein typi101 Waley, City-Republics, S. 66. 102 Liber memorie omnium privilegiorum et instrumentorum et actorum communis Viterbii, Nr. 109–113, S. 40ff. Zur Ausdehnung des Contado von Viterbo und zu den Herren von Soriano siehe Maire Vigueur, Comuni, S. 122. 103 Ceci, Todi, S. 138. Vgl. Maire Vigueur, Comuni, S. 31. Solche symbolisch-rechtlichen Herrschaftsdemonstrationen wird man hinter den Paarformeln enthaltenden Berichten u¨ber die der Kommune geo¨ffneten Burgen und Kastelle vermuten du¨rfen. Vgl. beispielsweise zu 1350 Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 641, S. 234: E cosı` fu la cosa recata che il Comune tra per guerra ed accordo ebbe le castella degli Ubaldini. Liber memorie omnium privilegiorum et instrumentorum et actorum communis Viterbii, Nr. 386, S. 140, der Registereintrag von 1283 zu einem Vorgang von 1198, quomodo comes [...] dominium castri Valentani retinentes, promiserunt communi Viterbii de dicto castro facere pacem et guerram ad mandatum dicti communis et facere reddi in Carniprivio singulis annis .x. libras bonorum sen(ensium) et cetera. 104 Vgl. Le miniature del Codex Astensis.

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siertes Kastell mit der Wappenfahne der Kommune und der Wappenfahne desjenigen, der ihr seine Burg u¨bergeben und sie von ihr als Lehen wieder empfangen hatte, abzubilden. Der kurz nach 1380 entstandene Liber iurium war eine Prachthandschrift, die die Privilegien der Kommune und die Notariatsinstrumente u¨ber den angewachsenen Besitz im Contado zusammen mit Bildern pra¨sentierte, die die mit diesen Rechten verbundenen symbolischen Formen zeigten: Urkundenu¨bergaben als herrscherliche Gunsterweise und vor allem die omnipra¨sente, von Burgtu¨rmen wehende Wappenfahne der Kommune. Solch ein Buch war dazu gemacht, um es ranghohen Ga¨sten der Kommune vorzulegen und sie zu beeindrucken. Als 1332 in Siena der Podesta` Pietro della Branca im Amt starb, erwies ihm die Kommune nicht nur durch ein Staatsbegra¨bnis grande onore. Sie gestattete auch seinem Sohn, die Amtszeit zu vollenden und ehrte diesen, als er Siena verließ, mit una bella e richa bandiera. Als zusa¨tzliche Begru¨ndung dafu¨r gibt der Chronist an, daß Vater und Sohn ihr Amt gut ausgeu¨bt ha¨tten, e per cio` fu meritato d’avere el trionfo della bandiera, com’e` detto.105 Wa¨hrend der Florentiner Giovanni Villani das Substantiv trionfo fast ausschließlich zur formelhaften Beschreibung der siegreichen Ru¨ckkehr eines kommunalen Heeresaufgebots in die Stadt und fu¨r die Kaiserkro¨nung gebraucht, kann sein anonymer Sieneser Zeitgenosse mit ihm auch die Investitur mit einem Banner bezeichnen, die der Ehrung eines fu¨r seine Verdienste ausgezeichneten Podesta` diente106. Beiden gemeinsam war die Konnotation mit den doch wohl heraldischen Fahnen, die auch beim Heereszug gezeigt wurden, und die Verbindung dieses Handlungsfeldes der symbolischen Kommunikation mit dem Bedeutungsbereich der Ehre. Sowohl die Wappenbilder

105 Cronaca senese, S. 147. 106 Daß das kommunale Heer cum magna gloria et triumpho, cum triumpho et uictoria oder cum honore in die Stadt zuru¨ckkehrt, ist bereits eine formelhafte Wendung in den Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, hier S. 72 [ad 1234] und 102f. [ad 1240, 1241]. Die gleichen Wendungen begegnen dann auch bei Giovanni Villani, Nuova Cronica, VII 58, Bd. 1, S. 352: la detta felice e bene aventurosa oste torno` in Firenze con grande trionfo e onore. Ebenda VII 75, Bd. 1, S. 370: Questo carroccio usavano i nostri antichi per trionfo e dignita`. Ebenda IX 82, Bd. 2, S. 168, zur Ru¨ckkehr nach der Eroberung Pistoias im Jahre 1305: E cio` fatto, tornarono i Fiorentini in Firenze con grande allegrezza e trionfo; e a messer Bino Gabrielli d’Agobbio, allora podesta` di Firenze e capitano dell’oste, entrando in Firenze, gli fu recato sopra capo il palio di drappo ad oro per gli cavalieri di Firenze a piede a modo di re. Giovanni Villani beschreibt den siegreichen Adventus des Heeres mit den Paarformeln von „Triumph und Ehre“. Noch im 13. Jahrhundert werden diese Denkformen insbesondere durch den kommunalen Fahnenwagen symbolisiert; vgl. unten Kapitel 5.2.

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als auch die Gesten, mit denen sie gezeigt wurden, waren Medien der Ehre107. In der durch die Kommunen des 14. Jahrhunderts geu¨bten Praxis, verdiente Amtstra¨ger durch eine Fahneninvestitur oder Wappenverleihung zu ehren, konnte die symbolische Geste selbst zum Wappenbild werden. So ehrte die Kommune Rieti im Jahre 1379 ihren Capitano del Popolo, indem sie ihm das um ein Schildhaupt bereicherte Stadtwappen verlieh. Dieses Schildhaupt zeigt einen Herrn, der einem geru¨steten Ritter zu Pferde eine Fahne reicht, nach der dieser die Hand ausstreckt108. Die Fahne, so la¨ßt sich an dieser Stelle zusammenfassen, war das ¨ bergang von vorheraldiMedium, an dem sich im Hochmittelalter der U schen zu heraldischen Bildern vollzog. Eingebettet war dieser Wandel in charakteristische Formen des Sitzes im Leben. Die Botschaft der neuen Wappenbilder kam in Gebrauchssituationen, wie dem triumphalen Zei¨ bergabe in Investiturrituagen der Fahne als Siegeszeichen oder ihrer U len, zum Ausdruck und partizipierte von der Bedeutung der Symbolhandlungen. Gingen diese auch als Mittel der Politik geu¨bten Handlungsformen dem Aufkommen der Wappen voraus, so waren sie selbst, soweit ¨ berlieferung erkennen ko¨nnen, oft relativ jung und wir das anhand der U unterlagen ihrerseits dem historischen Wandel109. Vor dem Einsetzen entsprechender Belege aus dem kommunalen Umfeld, la¨ßt sich dies an den in Italien gefu¨hrten Fahnen der ro¨mischen Ko¨nige und Kaiser beobachten. An den im Folgenden zu betrachtenden Fallbeispielen wird zu zeigen sein, daß sich die ersten, fu¨r oberitalienische Kommunen nachweisbaren Wappen ebenfalls aus Fahnenbildern entwickelten. Deren Gebrauch wiederum stand keineswegs in einem angeblichen anti-feudalen Gegensatz zu den Praktiken einer vor den Stadttoren liegenden Feudalwelt des einheimischen Adels oder der deutschen Kaiser. In Erga¨nzung zu dem bereits angesprochenen, von Kommunen wie Padua oder Florenz geu¨btem Aufpflanzen der Fahne als Triumphgeste im Krieg, begegnen die ersten Wap107 Daß Wappen ein bevorzugtes Medium zur Darstellung von Ehrdiskursen fu¨r die in italienischen Stadtkommunen schreibenden Chronisten waren, ist ein Hauptgegenstand meiner Staatsarbeit von 1999; Weber, Symbolik; vgl. Dens., Exempla. 108 Dupre` Theseider, Stemmi, S. 314, mit der Beschreibung des Wappens nach den unedierten ‚Riformanze‘ der Kommune: in summitate dictorum armorum est ymago cuiusdam domine assignantis banderiam cuidam militi equestri et armato, manum ad ipsam banderiam porrigens, scutus vero sunt certa retia designata. 109 So weist beispielsweise Coleman, Cremona, S. 184ff., 211, 252 und 258, darauf hin, daß im Gebiet von Cremona Investituren per feodum erst seit dem fru¨hen 12. Jahrhundert belegt sind. In diesem Zeitraum verfestigten sich auch die eigensta¨ndigen Institutionen der Kommune von Cremona, die, wie der populus gegenu¨ber milites aus dem Contado, nun auch als Lehnsherren in Erscheinung treten.

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penfahnenbilder im Kontext symbolisch demonstrierter Herrschaft: als Zeichen selbstbewußten Zusammenwirkens mit dem Kaiser, der Dominanz u¨ber eine andere Kommune oder der Belehnung und Inbesitznahme. Die Beispiele lassen die Vielfalt der Formen erkennen, mit denen die Kommunen des ausgehenden 12. Jahrhunderts in ihrer Herrschaft expandierten. Diese Gemeinsamkeit, die auf Dauer angelegte Pra¨senz jenseits der eigenen Mauern und des districtus, du¨rfte ein zentrales Motiv fu¨r die Annahme von Wappenfahnen gewesen sein, an denen man als Maila¨nder oder Genuese erkannt wurde. Daß dies auf die kollektive Identita¨t der eigenen Kommune zuru¨ckwirkte, ist sicherlich anzunehmen.

2.2 Stationen heraldischer Entwicklung am Beispiel Cremonas 2.2.1 Die kaiserliche Kreuzfahne als Fahne der Kommune Cremona Das ‚Hineinwachsen‘ der Wappen in Kontexte symbolischer Kommunikation u¨ber a¨ltere Medien kann ein Beispiel aus Cremona veranschauli¨ berlieferungslage besonders gut die Vera¨nderungen chen. Hier zeigt die U innerhalb des Belehnungsrituals wa¨hrend des langen 12. Jahrhunderts110. Es handelt sich bei dem gewa¨hlten Beispiel stets um dasselbe Lehen, die nordwestlich Cremonas zwischen Adda und Serio gelegene Insula Fulkerii, die zu Beginn des 11. Jahrhunderts aus dem Besitz der Giselbertiner in den der Markgrafen von Canossa u¨bergegangen war111. Um die Jahreswende 1097/98 gab Mathilde von Tuszien dieses Gebiet an die Cremoneser Bischofskirche, die dazu von der Kommune vertreten wurde. Drei Vertreter der Kommune – zugleich zugeho¨rig zur curia vassallorum des Bischofs – waren vor ihr in der Burg Piadena erschienen und erhielten per fustem, quem in suis tenebat manibus, von ihr das Lehen112. 110 Zur Investitur als Symbolhandlung im Lehnswesen siehe das vorangegangene Kapitel. Fu¨r Reichsitalien vgl. Keller, Lehen, S. 123. Zur Fru¨hzeit der Cremoneser Kommune vgl. die Arbeit von Coleman, Cremona; die Diskussion des Privilegs Ottos III. fu¨r Cremona von 996 ebenda, sowie bei Hattenhauer, Rechtsgeschichte, §§ 777–779, ¨ berblick bei Zumhagen, Konflikte, S. 256f. Siehe auch den auf Konflikte zugespitzten U S. 142–148. Einen Zugang zur Geschichte der Stadt mit dem Schwerpunkt auf der Zeit Friedrichs II. ermo¨glicht jetzt außerdem der Sammelband: Cremona citta` imperiale. ¨ berblick u¨ber die Geschichte des 111 Ausfu¨hrliche Beschreibung der Topographie und U Gebietes bei Darmsta¨dter, Reichsgut, S. 151–162. Vgl. Menant, Giselbertini; Coleman, Cremona, S. 146–149. 112 Le Carte Cremonesi, 2, Nr. 242, S. 53f.; Die Urkunden und Briefe der Markgra¨fin Mathilde von Tuszien, Nr. 48, S. 150f. Die Datierung – 26. Dezember 1097 oder 1. Januar

2.2 Stationen heraldischer Entwicklung am Beispiel Cremonas

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Diese Belehnung ist zugleich auch der fru¨heste Beleg fu¨r die Kommune von Cremona113. Die Behauptung des Besitzes erwies sich in den folgenden Jahrhunderten als eine bestimmende Konstante in der Politik Cremonas. Meist stand sie darin in Rivalita¨t zu Mailand „und seither war Cremona stets auf seiten der Kaiser zu finden: nur diese konnten na¨mlich ¨ berder Stadt zu ihrem Geschenke verhelfen, indem sie ihr gegen die U macht Mailands Schutz gewa¨hrten, das gleichfalls auf Crema Anspruch erhob.“114 Die Entstehung der angesprochenen Stadt Crema an der am Serio und damit im Bereich der Insula Fulkerii gelegenen a¨lteren Burg dieses Namens hatte na¨mlich den Konflikt wesentlich verscha¨rft. Um das machtpolitisch-milita¨risch durchgesetzte langfristige Ergebnis des Konfliktes vorwegzunehmen, sei jetzt schon der Sieg des ma¨chtigeren Mailand genannt, das sich fu¨r den Erhalt der jungen Kommune und ihres Contado, des Cremasco, eingesetzt hatte und sie dauerhaft unter seiner Kontrolle halten konnte115. Cremona versuchte dagegen, sich seine alten Rechtspositionen durch die in rituell gepra¨gten Kontexten vergebenen Kaiserurkunden zu sichern. Nachdem die Cremonesen in dem Frieden, den sie am 8. Juni 1186 mit Friedrich Barbarossa schließen mußten, die in ihrem Besitz befindlichen Mathildischen Gu¨ter an den Kaiser abgetreten hatten116, gelang es ihnen, sie von seinem Sohn Heinrich VI. zuru¨ckzuerhalten117. Am

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1098 – ist problematisch. Zur Verortung der Repra¨sentanten siehe Coleman, Cremona, S. 113f., 131, 225, 250 und 257. Das Amt eines bischo¨flichen signifer, ausgeu¨bt vom ma¨chtigsten Lehnsmann des Bischofs von Cremona, ist bereits fu¨r die Mitte des 11. Jahrhunderts belegt; ebenda S. 125f., 190, 201 und 213. Coleman, ebenda S. 211, weist auch darauf hin, daß es die Einbindung der bestehenden adligen Fu¨hrungsgruppe der Insula Fulkerii war, die der Kommune Cremona zuna¨chst den Zugriff auf dieses Gebiet ermo¨glichte. Coleman, Cremona, S. 14f., 67f., 70 und 235f.; Soldi Rondinini, Cremona. Kantorowicz, Kaiser, S. 140. Albini, Crema; Hermes, Patrona, S. 14f. und 307–311. Vgl. DF. I. 941 u. 942, S. 208–211; auch in Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 1, Nr. 306–312 S. 433–440. Zu den Hintergru¨nden vgl. Opll, Friedrich Barbarossa, S. 145f. und 153f. Bereits einen Monat spa¨ter, am 6. Juli 1186, verso¨hnte sich Heinrich VI. auch im Namen seines Vaters mit den Cremonesen, wie es im Vertrag vom 8. Juni festgelegt worden war. In seinem Zelt vor dem belagerten Orvieto ließ er in Gegenwart der Cremoneser Gesandten und wichtiger Zeugen einen Stellvertretereid leisten, daß er die Cremonesen wegen der von ihnen begangenen Beleidigungen und Untaten in Zukunft nicht mehr behelligen werde; vgl. aus der Urkundenbeilage bei Toeche, Kaiser Heinrich VI., Nr. 6) S. 604, und dazu Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 1, Nr. 306, hier Artikel 7, S. 435, und Nr. 312, S. 439f.; Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 359. Zum Vorrecht des Herrschers, nicht selber schwo¨ren zu mu¨ssen sondern dies von einem Stellvertreter tun zu lassen, sowie zur bewußten Inszenierung dieses Rechtes

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

25. November 1191 versprach der Kaiser, der dafu¨r seinen Ka¨mmerer Heinrich von Lautern als Stellvertreter einen Evangelieneid leisten ließ, den vor ihm in Pavia erschienenen Cremonesen, sie mit Crema und der Insula Fulkerii zu belehnen118. Am 5. Ma¨rz 1192 ließ er ihnen dann eine Urkunde u¨ber den Umfang der zuru¨ckgegebenen Gebiete und Rechte ausstellen, die mit einer goldenen Bulle besiegelt wurde, was die Cremoneser Geschichtsschreibung ausdru¨cklich vermerkt119. Wie diese Belehnung erfolgen sollte, hatte Heinrich VI. bereits 1191 in seinem Versprechen gegenu¨ber den Cremonesen festgelegt: Sie besaßen seine Zusage, sie mit einer Fahne zu investieren120. Daß die Festlegung dieses Mediums fu¨r den Akt der Investitur Gegenstand der Verhandlungen war, la¨ßt seinen

durch Friedrich I. und Heinrich VI. siehe Goez, „... iuravit in anima regis“, S. 528–532. Daß die in diesem Kontext auftretenden Eidesleister Sigebot und Heinrich von Lautern, der 1191/92 siebenmal fu¨r den Kaiser Eide gegenu¨ber oberitalienischen Kommunen schwor, Ministerialen und Ka¨mmerer Heinrichs VI. waren, ist fu¨r die Praxis unter diesem Kaiser charakteristisch, vgl. ebenda S. 541–544 und 548ff. Zur Familie der Reichsministerialen von Lautern vgl. jetzt Keupp, Dienst, S. 216–228. 118 Le Carte Cremonesi 4, Nr. 702–704, S. 168–174; auch in Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 1, Nr. 340, S. 486; wiederholt von demselben zu Wu¨rzburg am 6. Juni 1192; ebenda, Nr. 345, S. 492, auch in Le Carte Cremonesi 4, Nr. 719, S. 216f. Ein Grund dafu¨r, den Kaiser ausgerechnet in Pavia aufzusuchen, bestand wahrscheinlich darin, daß dort seit viereinhalb Jahren die Urkunden de Castro Creme et Insula Fulcherii lagerten, die das besiegte Cremona auf Anordnung Barbarossas hatte ausliefern mu¨ssen. Am 24. Juli 1186 waren diese solemniter in einer Ratsversammlung zu Pavia den Paveser Konsuln u¨bergeben worden; vgl. das Notariatsinstrument bei Toeche, Kaiser Heinrich VI., Nr. 7), S. 604f.; auch in Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 1, Nr. 309, S. 437f. Die 1191/92 getroffenen Vereinbarungen regelten dann die Ru¨ckgabe der Urkunden an die Cremonesen. Diese hatten sich die Wiedergewinnung der Huld des Staufers mit einer hohen Summe erkauft. Zu dieser ga¨ngigen Praxis, die uns noch in einem zeitgleichen Beispiel aus Perugia begegnen wird, siehe Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 331–363, bes. S. 344f., unten Kapitel 4.6, sowie zu diesem Cremoneser Fall Vallerani, Cremona, S. 48ff., der die erkaufte Huld jedoch in hergebrachter Weise als anru¨chig darstellt. 119 Le Carte Cremonesi 4, Nr. 709, S. 183–186; sowie die Erwa¨hnung des Privilegs im Notariatsinstrument u¨ber den o¨ffentlichen Akt der Belehnung, ebenda Nr. 787 und 788, S. 357–360. Annales Cremonenses 1096–1270, S. 8: Eodem anno [1191, d. Verf.] nobis imperator Cremam dedit, sicut suo privillegio bullu aureo munito continetur, [...]. Vgl. zur Quelle Holder-Egger, Annales Cremonenses. Die Privilegierung von Kommunen als Ausdruck der kaiserlichen Huld und damit als bewußt betriebene Politik wird fu¨r Friedrich II. angesprochen von Go¨rich, Ehre als Ordnungsfaktor, S. 86; Ders., Mißtrauen, S. 424. Vgl. Weber, Kommunikation; Ders., Kommunikationsgeschehen. 120 Le Carte Cremonesi 4, Nr. 702, S. 168–170, hier S. 169: Henricus Dei gratia sextus Romanorum imperator et semper augustus promisit [...], et tunc investiet Cremonenses nomine communis Cremone vexillo de predictis locis et Crema et Insula Fulcherii et locorum que in breviariis et privilegio continetur. Auch in Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 1, Nr. 338, S. 484f.

2.2 Stationen heraldischer Entwicklung am Beispiel Cremonas

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hohen Wert als Symbol kaiserlicher Herrschaft erkennen. Die Cremonesen, fu¨r die die Demonstration ihres Konsenses mit dem Kaiser und dessen Besta¨tigung ihres Besitzes oberste Priorita¨t besaßen, bestanden sicherlich auf den Einsatz besonders ‚hochwertiger‘ Herrschaftszeichen. Diese Erwartungshaltung wird noch in der Instruktion sichtbar, die die Cremoneser Kommune ihren capitanei militum mitgaben, als diese sich im September 1220 dem Romzug Friedrichs II. anschlossen. Mit allen Mitteln, so heißt es dort, sollten sie den Herrscher nach der Kaiserkro¨nung angehen, um die Besta¨tigung der Privilegien, die Cremona von seinen Vorfahren erhalten hatte, zu bekommen. Diese Urkunde, und darauf war zu achten, mußte von den Reichsfu¨rsten unterschrieben und mit einer goldenen Bulle besiegelt werden121. Im Ritual der auf die urkundliche Privilegienbesta¨tigung bezogenen o¨ffentlichen Investitur entsprach das vexillum des Kaisers der begehrten Goldbulle. Kaiser Heinrich VI. lo¨ste am 6. Juni 1195 in Como sein Versprechen ein. Das Notariatsinstrument u¨ber den Vollzug der Belehnung erwa¨hnt nicht allein die Umsta¨nde des Ereignisses, sondern ha¨lt – man mo¨chte fast sagen: ausnahmsweise – auch die Gestalt der dabei verwendeten kaiserlichen Fahne fest: ‚Im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1195, an einem Dienstag, der der sechste Tag zu Beginn des Monats Juni war, in der dreizehnten Indiktion, in Gegenwart vieler Menschen, deren Namen unten aufgeschrieben sind. Herr Heinrich, von Gottes Gnaden unbesiegbarster Kaiser der Ro¨mer, immer Augustus und Ko¨nig Siziliens, investierte mit einer Lanze und einem Gonfanon, den er in seiner Hand hielt, auf ehrenvolle Weise Girardus de Zanebonis, Talamazius de Gaidaldis 121 Acta Imperii selecta, Nr. 944, S. 653ff.: Et cum dominus rex dante domino fuerit coronatus, dent operam modis omnibus, quibus poterint, ut dominus rex omnia privilegia et concessiones et promissiones ab avo et patre suo et aliis suis antecessoribus et a se ipso communi Cremone facta et factas et concessas debeat confirmare, et de novo faciat; et specialiter de Crema et Insula Fulcheria et de tota illa terra, que continetur in privilegiis, consilio et auctoritate principum, [...] et quod in privilegio confirmationis et concessionis, quod dominus rex facere debet, fiat mentio omnium nostrorum privilegiorum et a quo privilegia facta sint; et quod privilegium confirmationis sit bullatum bulla aurea, et sint ibi subscriptiones principum. Diese von einer Kommune erteilten Vorgaben dafu¨r, wie die zu erlangende Kaiserurkunde auszusehen hatte, zeigt ebenso, wie der auf kaiser¨ bergabeakt der Cremoneser Urkunden an Pavia liche Anordnung erfolgte feierliche U (der seine Parallele in der Verwahrung von Geiseln und Gefangenen des Reiches durch andere Kommunen findet) und die Investitur in Como, wie die Herrscherurkunden bis in ihre einzelnen Elemente und in ihren symbolischen Kontext hinein Gegenstand und Faktor politischer Entscheidungsfindung in den italienischen Kommunen waren.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

und Oddo de Medolate, Konsuln der Kommune der Stadt Cremona fu¨r dieselbe Kommune, mit dem, was er derselben Kommune gegeben hat und mit dem, was im Privileg derselben Kommune von Cremona festgehalten ist. Und diese Belehnung vollzog derselbe Herr Kaiser auf dem Platz, der vor der Stadt Como liegt und am Turmtor genannt wird. Der Gonfanon aber, mit dem er sie investierte, war rot und hatte ein weißes Kreuz darin.‘122 Anschließend gingen die Beteiligten wieder in die Stadt, wo der Kaiser vor dem Bischofspalast auf dem Hauptplatz von Como o¨ffentlich verku¨ndete, welche Lehen die Cremonesen mit dieser Investitur erhalten ha¨tten und daß eine Urkunde dies festhalte. Auch daru¨ber wurde ein Notariatsinstrument ausgestellt123. Zuna¨chst liefern die beiden Quellen im Vergleich mit der ein Jahrhundert a¨lteren mathildischen Urkunde einen anschaulichen Beleg dafu¨r, daß wa¨hrend des 12. Jahrhunderts die Fahnenlanze den Stab als Investitursymbol abgelo¨st hatte124. Mit der gleichen Sorgfalt, mit der im Vertrag das Belehnungsritual geregelt worden war, verzeichnet das Notari122 Le Carte Cremonesi 4, Nr. 788, S. 359f.: (S) Anno dominice incernationis milleximo centesimo nonagesimo quinto, die martis qui fuit sextus dies intrante mense iunii, indicione terciadecima, in multorum hominum presentia, nomina quorundam inferius scribuntur. Dominus Anricus Dei gratia Romanorum invictissimus imperator et semper agustus et rex Scicilie cum lancea et confano quam in sua manu tenebat investivit honorifice Girardum de Zanebonis et Talamazium de Gaidaldis et Oddonem de Medolate consules communis civitatis Cremone nomine ipsius communis de hoc quod ipsi communi dederat et de eo quod in privilegio ipsius communis Cremone continetur. Et hanc investituram fecit ipse dominus imperator in platea que est ante Cumane civitatis que vocatur porta turris. Confanonus vero cum eos investivit erat rubeus, habens crucem albam intus. Die drei Konsuln amtierten fu¨r den Ende Mai im Amt verstorbenen Podesta` Pocobellus de Vigollo aus Como; Annales Cremonenses 1096–1270, S. 9. Fedor Schneider hat, siehe oben Kapitel 2.1, dararuf aufmerksam gemacht, daß gerade im Falle Heinrichs VI. in Italien eine Investitur des Kaisers oft nur von Seiten der Empfa¨nger in einem Notariatsinstrument festgehalten wurde. Diese Praxis la¨ßt wiederum darauf schließen, daß, wie nachweisbar fu¨r Barbarossa in Viterbo, solche Symbolakte oft nicht schriftlich dokumentiert wurden oder daß die Investierten erst nachtra¨glich eine Urkunde daru¨ber erbaten. 123 Le Carte Cremonesi 4, Nr. 787, S. 357f. Vgl. Toeche, Kaiser Heinrich VI., S. 419, und ¨ hnlich wird zum Handlungsort Miller, Bishop’s Palace, bes. S. 66–69, 108f. und 117f. A man sich das in Kapitel 1.2.2 erwa¨hnte Handeln Ottos IV. in Como vorzustellen haben. 124 Die Rechtsformel, die die durch Mathilde vorgenommene Investitur anspricht, ist identisch mit der in den Placita ihrer Vorfahren aus dem fru¨hen 11. Jahrhundert; Schneider, Toskanische Studien, S. 154ff. Vgl. Fichtenau, Lebensordnungen, S. 66–73; Dee´r, Papsttum, S. 22ff.; Keller, Investitur, S. 71, bes. Anm. 73; allgemein Ders. – Ast, Ostensio cartae.

2.2 Stationen heraldischer Entwicklung am Beispiel Cremonas

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atsinstrument, das den Vollzug dokumentierte, das Aussehen der Fahne. Wenn man Confanonus nicht als volkssprachlich beeinflußtes Synonym zu vexillum wertet, so handelte es sich tatsa¨chlich um einen Gonfanon, eine in mehreren La¨tzen auslaufende Fahne. Die daru¨ber hinaus gehende Mitteilung der Quelle, daß das Tuch dieses Gonfanon rot war und ein weißes Kreuz zeigte, ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Stellt man die Nachricht an den Anfang einer Kette von Belegen, die durchga¨ngig bis zum Ende des Mittelalters reicht, so handelt es sich bei dem 1195 in Como bezeugten Gonfanon um ein heraldisches Fahnenbild. Nach Carl Erdmann ist dies der wohl fru¨heste, bezeichnenderweise aus Italien stammende Beleg fu¨r die „kaiserliche Kreuzfahne“ des Mittelalters125. Der Forscher wies darauf hin, daß der in unmittelbarer zeitlicher und relativer ra¨umlicher Na¨he entstandene ‚Liber ad honorem Augusti‘ des Petrus von Eboli Kreuzfahnen Heinrichs VI. abbildet126. (Taf. 4) Anhand des Befundes warnte Erdmann aber auch vor voreiligen Identifizierungsbestrebungen: die Bilder des Berner Codex zeigten, verglichen mit den Berichten der Geschichtsschreiber, noch keine exakte Umsetzung des heraldischen Regelwerks. Sie repra¨sentieren die „Fru¨hzeit des Wappenwesens“ und lassen sich nicht als Verweise auf ein juristisch eindeutig definiertes Hoheitszeichen im neuzeitlichen Sinne lesen. Zudem zeigten die Bilder „das Nebeneinander von Adler und Kreuz“ als fru¨he heraldische Abzeichen des Kaisertums127. Nach Erdmanns plausibler Deutung waren im ausgehenden 12. Jahrhundert bereits bestehende Symbole des ro¨mischen Kaisertums heraldisiert worden. Verwies der Adler, abgesehen von seiner erwa¨hnten Gleichsetzung mit einem Feldzeichen schlechthin, auf die antike Tradition des Kaisertums, so bezog sich das Kreuz auf Christus als Legitimationsgrund christlicher Herrschaft. Ausgesprochen worden war diese Deutung bereits im kommunalen Umfeld, im Brief der Maila¨nder an die Tortonesen von 1155, der die aus der Fahne der Maila¨nder abgeleitete Fahne der Tortonesen in diesem Sinne und mit Bezug auf das Reich erkla¨rte128. Mo¨glicherweise war die Verwendung eines Kreuz125 Erdmann, Fahnen, S. 42ff. 126 Vgl. jetzt: Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, fol. 105r S. 74f., fol. 109r S. 90f. u. fol. 132r S. 182f. In seinem Bild-Kommentar, ebenda S. 182, wiederholt Ko¨lzer zusammenfassend Erdmanns Interpretation. 127 Erdmann, Fahnen, S. 42ff. Eine Miniatur in der im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts entstandenen Jenaer Handschrift der Weltchronik Ottos von Freising stellt bereits Kaiser Heinrich IV. mit einem Adlerschild dar. Wie in der ju¨ngeren Handschrift des Petrus von Eboli handelt es sich um eine Kriegsszene, in diesem Fall die Darstellung der Schlacht am Regen zwischen den beiden letzten Saliern; abgebildet zuletzt bei Althoff, Salier, Abb. 4, S. 89; vgl. Lammers, Geschichtsbild, S. 207. 128 Siehe bereits Erdmann, Fahnen, S. 41f., sowie unten Kapitel 2.3.

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banners in o¨ffentlichen Akten der Herrschaftsrepra¨sentation, wie es sich fu¨r Heinrich VI. belegen la¨ßt, an die Stelle des von Konrad II. gestifteten Reichskreuzes geru¨ckt, das sich die salischen Herrscher in der Schlacht und in Prozessionen vorantragen ließen129. Vielleicht kann es als Zeichen dafu¨r, daß es im Hochmittelalter zu einer Ausdifferenzierung der Herrschaftszeichen nach liturgisch oder milita¨risch bestimmten Parametern kam, gewertet werden, daß die Maila¨nder bei Legnano sowohl das Kreuz als auch die Fahne und den Schild des Kaisers eroberten130. Aber noch Gottfried von Viterbo, den seine Mitgliedschaft in der Hofkapelle, die auch fu¨r die Verwahrung der Reichskleinodien zusta¨ndig war, dazu auswies, stellte das Reichskreuz an die erste Stelle seiner Beschreibung und allegorischen Deutung der kaiserlichen Insignien in den 1185 abgeschlossenen ‚Memoria seculorum‘131. Ist Erdmanns Deutung der Wappenfigur von der Forschung allgemein akzeptiert worden, so stellt die Tingierung der kaiserlichen Kreuzfahne nach wie vor ein Ra¨tsel dar. Der Vorschlag des Pioniers dieses Forschungszweigs, das weiße Kreuz in Rot nach dem Vorbild der in den italienischen Kommunen des 13. und 14. Jahrhunderts vielgeu¨bten Praxis der Inversion der Wappenfarben zu interpretieren und es als Abgrenzung gegen die bereits bestehende Maila¨nder Fahne des roten Kreuzes in Weiß zu verstehen, hat dagegen nicht u¨berzeugen ko¨n-

129 So bereits Schramm, Herrschaftszeichen 3, S. 899; vgl. in diesem Sinne auch die Stifterinschrift des Reichskreuzes, ebenda 2, S. 483 Anm. 1. Ausfu¨hrliche Untersuchung mit ¨ berlegung Belegen bei Worm, Heilige Lanze, S. 197–202. Die Investitur ist von dieser U ausgenommen. 130 In ihrem beru¨hmten Brief an die Bolognesen meldeten die Maila¨nder nach dem 29. Mai 1176 im oben dargelegten Sprachgebrauch den Sieg als Triumph, als den ihn die Zahl der Gefangenen und Gefallenen sowie vor allem die Beute auswiesen; Gli Atti del Comune di Milano fino all’anno MCCXVI, Nr. 102, S. 143f.: Notum sit vobis nos ab hostibus nostris gloriosum reportasse triumphum. Interfectorum vero, submersorum, captivorum non est numerus. Scutum imperatoris, vexillum, crucem et lanceam habemus. Aurum et argentum multum in clitellis eius repperimus et spolia hostium accepimus, quorum estimationem non credimus a quoquam posse deffiniri. Que quidem nostra non reputamus, sed ea domini pape et Ytalicorum communia esse desideramus. Vgl. Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 274 und 521; Weber, Kommunikationsgeschehen, bei Anm. 9. Mit dem Pha¨nomen der Beute bescha¨ftigt sich Michael Jucker in seinem Habilitationsprojekt „Beute, Scha¨tze, Plunder: Kriegs- und Gewalto¨konomie im vormodernern Europa (ca. 800–1550)“. 131 Gottfried von Viterbo, Memoria seculorum, S. 106; vgl. Dens., Pantheon, S. 272–276. Es handelt sich um die den poetischen Teil der ‚Memoria‘ beschließende vierzehnte Particula, die als sechsundzwanzigste in den ‚Pantheon‘ aufgenommen wurde; vgl. zum Text Schulz, Entstehungsgeschichte, S. 94; Langosch, Gottfried, Sp. 176, sowie Petersohn, Reichsinsignien.

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nen132. Bereits Eugenio Dupre` Theseider hat ihn zuru¨ckgewiesen, ohne allerdings selbst eine plausible Erkla¨rung vorlegen zu ko¨nnen, die sich in ¨ bereinstimmung mit den Wappenfarben der durch die oberitalienischen U Sta¨dte gefu¨hrten Kreuzfahnen bringen la¨ßt133. Eine solche, nach modernen Vorstellungen klar definierbare Erkla¨rung der Tingierung der kaiserlichen Kreuzfahne wird sich wohl nicht finden lassen. Die Farben du¨rften nicht nach dem Kriterium der Ausschließlichkeit, sondern gema¨ß des sich von heutigen Vorstellungen unterscheidenden mittelalterlichen Zeichenund Farbversta¨ndnisses gewa¨hlt und behauptet worden sein134. Pa¨pstliche und kommunale Wappenfahnen aus spa¨terer Zeit, die sich deutlicher als Gegenentwu¨rfe oder Adaptionen der Kaiserfahne zu erkennen geben, besta¨tigen diese Vermutung135. ¨ ber diese engere symbolische Bedeutung der Fahnenlanze im KonU text der Belehnung lassen sich sowohl grundsa¨tzliche Entwicklungen in Gebrauch und Bedeutung der Reichsfahne als auch ihre Rolle als Medium in der Politik Heinrichs VI. in Oberitalien erkennen136. Gerade einmal zwei Monate vor dem Ereignis vom 6. Juni 1195 hatte er seinen Bruder Philipp mittels einer Fahne mit der Toskana und den Mathildischen Gu¨tern belehnt137. Den Investiturakt, u¨ber den die Quelle, die Aachener Annalen, nichts berichten, du¨rfen wir uns wahrscheinlich a¨hnlich vorstellen, wie die Fahnenbelehnung Cremonas in Como. Aus der Sicht der Cremonesen sollte die Belehnung mit der kaiserlichen Fahne sicherlich die Legitimita¨t des mu¨hsam zuru¨ckgewonnenen Besitzes o¨ffentlich demonstrieren und damit nachhaltig sichern. Dieses Motiv wird noch plausibler, wenn man unterstellt, daß sich mit ihm außerdem die Erinnerung an die Niederlage von 1186 verband, bei der Friedrich Barbarossa eindrucksvoll seinen Sieg u¨ber die von ihm zu Reichsfeinden erkla¨rten Cremonesen inszeniert hatte. Vor dem Angriff hatte der Kaiser die Reichsacht u¨ber die Cremonesen verku¨n-

132 Erdmann, Fahnen, S. 45: „Das Kreuzsymbol selbst brauchte der Kaiser natu¨rlich von den Maila¨ndern so wenig zu entlehnen wie von sonst jemandem; die Farbenwahl aber konnte sich auf seinen Gegensatz zur lombardischen Metropole gru¨nden.“ 133 Dupre` Theseider, Stemmi, bes. S. 329. 134 Vgl. Weber, Sprache. 135 Vgl. Dupre` Theseider, Stemmi; Galbreath, Heraldry. 136 Eine Darstellung der Herrschaft Heinrichs VI. in Reichsitalien in der Perspektive neue¨ berlegungen bei Go¨rich, Verletzte Ehre; rer Fragestellungen fehlt. Vgl. jedoch die U Ders., Staufer, S. 68–80; demna¨chst zu einem Ereigniszusammenhang Weber, Podesta`. 137 Ficker, Forschungen 2, S. 239ff. (§ 315): totam Tusciam et terram comitisse Mathildis Philippo fratri suo vexillari feodo concessit. Vgl. oben zu Acta imperii inedita 1, Nr. 2, S. 2.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

det138. Als diese sich schließlich wa¨hrend der Belagerung des Castrum Manfredi – des spa¨teren Castelleone – ergaben, hatte es zu den Kapitulati¨ bergabe onsbedingungen geho¨rt, daß der Machtbote des Kaisers bei der U der Festung, die anschließend geschleift werden sollte, cum vexillo imperatoris einzog139. Vielleicht – denn eindeutig la¨ßt sich dies nicht belegen – bestanden die Cremonesen deshalb auf der bereits in der Urkunde von 1191 festgelegten Belehnung mit der kaiserlichen Fahne, deren spa¨terer Vollzug dann ja auch in dem zitierten Notariatsinstrument festgehalten wurde, um die vom Kaiser wiederhergestellte Rechtma¨ßigkeit ihres Besitzes symbolisch zum Ausdruck zu bringen140. Heinrich VI. wiederum benutzte den vertraglich vorgegebenen Handlungsrahmen mit Cremona, um Politik zu machen. Seit 1191 fo¨rderte er die in den Ka¨mpfen mit seinem Vater und durch die schlimme Niederlage gegen das von Mailand unterstu¨tzte Brescia geschwa¨chte Stadt141 und den von ihm initiierten Cremoneser Bund als Gegengewicht zu Mailand142. Bei der Belehnung in Como von 1195 waren nun nicht nur so viele Zeugen anwesend, daß man

138 Annales Cremonenses, S. 7. In diesen Kontext geho¨rt die bekannte Klageschrift des Kaisers gegen die Cremonesen vom Februar 1185; Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 1, Nr. 302, S. 426ff.; vgl. dazu zuletzt Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 30f., 36 und 276–283. 139 DF. I. 941, S. 208–210, hier S. 210: Et ipsi [die Cremonesen] reddiderunt eidem domino imperatori Castrum Manfredi et nuncius eius intravit in ipso castro cum vexillo imperatoris, et illi de castro exierunt portantes secum, quod una vice portare potuerunt. Castrum destructum fuit ad voluntatem imperatoris. Auch in Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 1, Nr. 306, S. 433ff. Diese Festung, die Cremona den Zugang zur Insula Fulkerii sichern sollte, war erst 1182/83 unter dem Podesta` Manfredus Fantus aus Modena angelegt worden, von dem sie auch ihren Namen erhalten hatte; vgl. Annales Cremonenses, S. 6, dazu Opll, Stadt, S. 259f. Siehe zu den a¨hnlichen Verha¨ltnissen bei Castiglione Chiusino unten Kapitel 4.6. 140 Die Investitur wa¨re dann in Analogie zur Vollstreckung des imperialis bannus, Annales Cremonenses, S. 7, zu sehen, da bei beiden die kaiserliche Fahne benutzt wurde. 141 Die milita¨rische Katastrophe des 7. Juli 1191 am Oglio ist als malamort in die Cremone¨ berlieferung eingegangen; vgl. Sicard von Cremona, Cronica, S. 174: Eodem anno ser U fuit infortunium, quod malmorth a Cremonensibus appellatur, eo quod aput Civitatem Pergamensium castrum contra Brixienses cum Pergamensibus congregati, divino iuditio in se ruentes aut in Oleo precipitantes, alii capti, multique mortui sunt. 142 Annales Cremonenses, S. 8: Eodem anno nobis imperator Cremam dedit, sicut suo privillegio bullu aureo munito continetur, et nobiscum associavit Laudem et Cumam et marchionem de Monte-ferato et Papiam et Pergamum, sicud in publicis continetur instrumentis, MCLXXXXI. Das vom Annalisten genannte Notariatsinstrument u¨ber die Beschwo¨rung des Bundes am 24. September 1191 ist jetzt ediert in Le Carte Cremonesi 4, Nr. 701, S. 163–167; vgl. Nr. 706, S. 175–178. Zum Cremoneser Bund und der erfolgreichen Schaukelpolitik Heinrichs VI. in der Lombardei siehe Wohlfarth, Kaiser Heinrich VI., S. 63ff. und Csendes, Heinrich VI., S. 105, 136ff. und 180; Hermes, Patrona, S. 11–15.

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von der Herstellung einer ‚Reichso¨ffentlichkeit‘ sprechen kann, sondern gerade auch die Angeho¨rigen des Cremoneser Bundes143. Die mehrschrittige Belehnung und der in den Quellen festgehaltene Einsatz eines Gonfanons mit einem bestimmten Fahnenbild, das nach anderen zeitgeno¨ssischen Quellen das der kaiserlichen Fahne war, waren auf diese Weise auch eine symbolische Darstellung des Cremoneser Bundes unter dem Vorsitz des Kaisers. Da in der na¨chst ju¨ngeren Quelle zur kommunalen Heraldik Cremonas, die sich erhalten hat, an zentraler Stelle ebenfalls eine Kreuz¨ berliefefahne begegnet, erscheint es mir trotz der problematischen U rungslage als wahrscheinlich, eine Verbindung zwischen beiden zu sehen. Demnach ha¨tte die Kommune Cremona die Fahne, die sie 1195 aus der Hand des Kaisers erhalten hatte, in der Folgezeit als Zeichen des eigenen Gemeinwesens weitergefu¨hrt. Fu¨r diese These sprechen meiner Ansicht nach mehrere Gru¨nde. Die Investitur erfolgte zu einem Zeitpunkt, als sich die Wappen der Kommunen und des Reiches noch nicht verfestigt hatten. In dieser Fru¨hzeit des aufkommenden Wappenwesens konnte die Belehnung Cremonas einen starken Impuls dazu gegeben haben, die Fahne, die die Kommune vor den Augen der Bundesgenossen aus der Hand des Kaisers erhalten hatte, als Zeichen der eigenen kollektiven Identita¨t zu u¨bernehmen. Die auch sonst bezeugte Praktik, das Wappen des u¨bergeordneten Herren als Zeichen der in seinem Namen ausgeu¨bten Herrschaft zu tragen, ko¨nnte dies ebenfalls befo¨rdert haben144. Schließlich ist zu beru¨cksichtigen, daß die Kommune von Cremona in den Jahren nach dem plo¨tzlichen Tod Heinrichs VI. ihre Sache als die des Reiches zu verteidigen hatte. War im deutschen Thronstreit zuna¨chst kein starker Kaiser pra¨sent, so unterstu¨tzte Otto IV. die Erzrivalin Mailand. In dem Zeitraum, in dem die meisten Sta¨dte die Praxis der Wappenfu¨hrung u¨bernahmen, hatte Cremona also Gru¨nde dafu¨r, seine fortbestehende enge Bindung an das Reich zu zeigen. Ein nur fragmentarisch erhaltenes Fresko aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert im Kommunalpalast von Cremona, das nach seiner Bei¨ bergabe eines Exemplars der Cremoneser Statuten an Parma schrift die U zeigt, liefert einen Beleg dafu¨r, daß die Kommune ihre Fahne auch in ihrer bildlichen Repra¨sentation darstellen ließ. Da einer der abgebildeten 143 Le Carte Cremonesi 4, Nr. 787, S. 357f.: Et ibi interfuerunt quamplures homines Cumane civitatis et aliarum civitatum Italie et aliarum provinciarum. Vgl. die Zeugenliste ebenda Nr. 788, S. 359f., sowie Csendes, Heinrich VI., S. 167. 144 So wird beispielsweise der Bulgarenzar Kalojan die ihm 1204 von Innocenz III. u¨bersandte Wappenfahne der Ro¨mischen Kirche als eigenes Herrschaftszeichen weiter gefu¨hrt haben. Daß dies so intendiert war, belegt der mitgeschickte Brief des Papstes. Siehe unten Kapitel 2.3.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

¨ lzweig, ein anderer wohl das Cremoneser Banner tra¨gt, Akteure einen O du¨rfte die Szene einen rituellen Friedensschluß darstellen, bei dem das Banner eine Rolle spielte145. Leider ist – zumindest auf der mir vorliegenden Abbildung – das Aussehen des schlecht erhaltenen Banners nicht zu erkennen. Fu¨r einen weiteren Beleg nach dem fu¨r 1195 bezeugten Kreuzbanner ist daher auf eine andere, oben bereits angesprochene Quelle zuru¨ckzugreifen. Diese ist beinahe ein Jahrhundert ju¨nger, als der Bericht u¨ber die Investitur in Como. Es handelt sich um eine Relieftafel an der Fassade der 1292 erbauten Loggia dei Militi neben dem Kommunalpalast der Citta` Vecchia146. In der mir zur Verfu¨gung stehenden Abbildung, wohl eine Nachzeichnung des spa¨ten 18. Jahrhunderts, die die Tingierungen der Wappenbilder in den gebra¨uchlichen Schraffuren wiedergibt, befinden sich oberhalb der Bauinschrift in einer Reihe fu¨nf quadratische Fahnen147. Die Fahne in der Mitte zeigt in Rot ein durchgehendes weißes Kreuz. Nach Agostino Cavalcabo` ist dies der a¨lteste monumentale Beleg fu¨r das Cremoneser Wappen148. Begleitet wird wird die Kreuzfahne rechts und links von je zwei Fahnen, die alle das gleiche Wappenbild, einen steigenden, nach links gewandten Lo¨wen (leone rampante) zeigen. Auf diese 145 Vgl. Gualazzini, Statuti, der zwei durch die Geschichtsschreibung u¨berlieferte Ereignisse von 1281/82 und 1288 nennt, die den Anlaß fu¨r die Entstehung des Freskos gegeben haben ko¨nnten. Seinen anschließenden Versuch, Bild und Beischrift mit Hilfe von Dantes ‚Commedia‘ zu interpretieren, halte ich jedoch fu¨r mehr als fragwu¨rdig. Das leider nur sehr schlecht erhaltene Wandbild ist meines Erachtens ein gutes Beispiel fu¨r ein o¨ffentliches Kunstwerk, das ein Thema der ‚kommunalen Kultur‘ wiedergibt. Campbell, Game, die die Fresken im Kommunalpalast von Gimignano mit anderen des 13. und fru¨hen 14. Jahrhunderts vergleicht, ist es nicht bekannt. 146 Zu diesem Repra¨sentationsraum, der zum Komplex von Kommunalpalast und Domplatz geho¨rte, siehe Paul, Kommunalpala¨ste, S. 107 und 137–140, mit dem Hinweis auf das in der folgenden Anmerkung erwa¨hnte Werk Vairanis. Seine Nutzung in der Zeit nach 1292 belegt eindrucksvoll der chronikalische Bericht u¨ber den Aufenthalt Heinrichs VII. in Cremona. Der Kaiser war am 26. April 1311 in die Stadt eingezogen und hatte dort Hof gehalten. Am 10. Mai ließ er in seiner Gegenwart den Bann gegen Brescia, Bobbio und Turin verku¨nden, den der Cremoneser Syndikus fu¨r die Kommune beschwor; Chronici Cremonensis fragmentum, S. 807–808: Item die Lune, decimo mensis Maii in dicto millesimo de mane supra scriptus dominus imperator Henricus accessit in plateam communis Cremone cum magna comitiva et ibi ascendit super balconem, quod est in loco arengerii, et ibi tunc dicta fuerunt multa per duos sapientes dicti imperatoris, et lecte fuerunt tres sententie pessime [...]. 147 Ohne Angabe der Quelle bei Bascape` – del Piazzo – Borgia, Insegne, S. 12. Wahrscheinlich stammt die Abbildung aus: Tommaso Agostino Vairani, Inscriptiones Cremonenses universae, Cremona 1796. Die Inschrift lautet: MCCLXXXXII Indicione VI hoc opvs factvm est / de Ære Comvnis Cremone et Nicolinvs / Casella Notarivs / fecit cartas empcionis domorvm / qve carte svnt in armario comvnis. 148 Cavalcabo`, Vicende.

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Lo¨wenfahnen wird weiter unten einzugehen sein. Die Pra¨sentationsform der zentralen Fahne sagt, bezogen auf ihr unmittelbares Umfeld, einiges u¨ber ihren Bezug zu Stadtherrschaft und sta¨dtischen Identita¨t aus. Ein Blick auf die besonderen ‚Verfassungsverha¨ltnisse‘ der Kommune Cremona, die sich in der sta¨dtischen Topographie niederschlugen, kann einen weiteren Grund fu¨r die Verwendung der kaiserlichen Kreuzfahne liefern. Daß Wappen spa¨testens im 13. Jahrhundert fest als Zeichen, die Herrschaft und Identita¨t symbolisierten, in die o¨ffentliche Herrschaftspra¨sentation einbezogen waren, bezeugen die in dieser Zeit aufkommenden Wappenreliefs an Zentralorten des Stadtraums. Daß sie in Stein gemeißelt und in Fassaden eingemauert wurden zeigt, daß ihre Auftraggeber inzwischen fest damit rechneten, daß die Wappenbilder ihr Aussehen beibehielten und auch in Zukunft lesbar waren. So existiert einer der fru¨hesten monumentalen Belege fu¨r das Wappen der Ro¨mischen Kirche in Form eines Wappenfrieses – der, wie das Beispiel aus Cremona, die Wappenbilder nicht in Schilden sondern quadratischen Rahmen aneinanderreiht – an der 1267 erbauten Loggia des Papstpalastes zu Viterbo149. Bezeichnenderweise sind es die im gleichen Zeitraum wie die Wappen aufkommenden Loggien, deren Zweck ja die o¨ffentliche Pra¨sentation ist150, an denen als Teil der Repra¨sentation nun auch Wappen angebracht wurden, die in Beziehung zu den sich mit ihnen Pra¨sentierenden standen151. Die Herren der Cremoneser Loggia von 1292, die in dem sich anschließenden Palast residierten, waren die capitanei der societas militum. Um ihre Stellung zu verstehen, muß kurz auf die Besonderheiten der Cremoneser Kommune eingegangen werden, die sich in zwei Fraktionen schied, deren Teilung auch sozial und topographisch vollzogen war152. Getrennt durch den Kanal Cremonella, lagen sich die Citta` Vecchia und die seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert um die Kirche Sant’ Agata entstandene Cittanova gegenu¨ber. In ersterer dominierten die milites, in letzterer der populus. Beide Gruppen hatten sich in Einungen zusammengeschlossen und sich erstmals 1184 auch eigene Amtstra¨ger gegeben. In der Altstadt 149 Das Wappen der Kommune Viterbo, ein vor einer Palme stehender hersehender Lo¨we – heraldisch gesprochen: ein Leopard – ist ebenfalls an der Loggia angebracht; Galbreath, Heraldry, S. 3 und 7f. Vgl. Erdmann, Wappen. 150 Vgl. Paul, Kommunalpala¨ste, S. 105ff. 151 Abgebildet ist solch eine Szene in dem bekannten, heute bis auf ein Fragment verlorenen „Jubila¨umsfresko“ Giottos, das die Verku¨ndigung des Anno Santo durch Papst Bonifaz VIII. zeigte. Die Benediktionsloggia des Caetani-Papstes ist mit Friesen verziert, in denen das Wappen seiner Familie mit dem der Kirche wechselt. Vgl. Erdmann, Wappen, S. 240f.; Belting, Bild, S. 27; Paravicini Bagliani, Le Chiavi, Abb. 33 und 49. 152 Das Folgende nach Paul, Kommunalpala¨ste, S. 137ff.; Coleman, Cremona; Soldi Rondinini, Cremona; Menant, Cremona.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

war neben dem alten, aus dem 12. Jahrhundert stammenden Kommunalpalast an der zentralen, durch Dom, Baptisterium und Torrazzo dominierten Piazza im Jahre 1206 ein palatium novum errichtet worden153. Als im Jahre 1246 die nobili und die popolani erneut getrennte Gemeinden bildeten, erhielt auch die Cittanova einen eigenen Kommunalpalast, der 1256 fertiggestellt wurde. Seine spa¨tere Bezeichnung als Palazzo dei Guelfi zeigt, welcher Partei der Popolo der Neustadt zuneigte. Die Adelskommune der Altstadt ließ im Gegenzug den Palazzo dei Militi (oder: dei Ghibellini – der alte Kommunalpalast hieß seitdem Palazzo dei Nobili) errichten, zu dem die besagte Loggia geho¨rt. Das Relief von 1292 knu¨pfte an a¨ltere Denkma¨ler an, die an zentrale Ereignisse und Werte erinnerte, die zur Konstituierung der Identita¨t der Cremoneser Kommune beitrugen. Darunter waren ho¨chstwahrscheinlich auch Wappen. Nachdem die Cremonesen am Pfingstsonntag des Jahres 1213 bei Castelleone einen u¨berwa¨ltigenden Sieg u¨ber die Maila¨nder und deren Verbu¨ndete errungen hatten, brachten sie, wie Johannes Codagnellus berichtet, viele spolia mit nach Hause154. Das auf einem eisernen Schaft aufgesteckte vergoldete Kreuz des Maila¨nder Fahnenwagens, der in die Ha¨nde der Sieger gefallen war, u¨bergab die Kommune der Cremoneser Domkirche zur Verwahrung155. Die erbeuteten Schilde der Maila¨nder, die wohl schon heraldisch bezeichnet waren, wurden dagegen an der Fassade des Kommunalpalastes aufgeha¨ngt156. Der Feldzug gegen Mailand war die Konsequenz des zuvor durch den ersten Reichslegaten Friedrichs II. fu¨r Italien in Cremona verha¨ngten Bannes gegen die Lombardenmetropole. Daß die Cremonesen sozusagen als Reichsheer ausgezogen waren und nach dem Sieg ihre Tropha¨en an ihren Zentralorten anbrachten zeigt, wie stark sich die Legitimation durch das Reich und die Identita¨t der Stadtgemeinde miteinander verbanden. Die Kreuzfahne des Reliefs von 1292 knu¨pfte an diese Traditionen an, repra¨sentierte jedoch eine Kommune, die sich in dem Jahrhundert seit der Investitur von 1195 erheblich gewandelt hatte. Sichtbares Zeichen des Wandels war ein neues, bis heute bei153 Vgl. auch: Annales Cremonenses a. 1096–1232, S. 805. 154 Iohannes Codagnellus, Annales Placentini, S. 43. Zu diesem Thema siehe jetzt Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit. 155 Acta Imperii selecta, Nr. 927, S. 637f. Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, V 24, S. 158, beschreibt u¨bereinstimmend das Kreuz auf der Mastspitze des Maila¨nder Fahnenwagens: Super ipsum in medio erecta est mire celsitudinis et rectitudinis arbor [...] in cuius vertice crux est erea mirabiliter deaurata. Vgl. Voltmer, Carroccio. 156 Zanella, Federico II, S. 85, mit Wiedergabe der in leoninischen Hexametern gehaltenen Inschrift: Hic predicti clipei Clari monumenta trophei / Per Christi dona Capti victrici Cremona / Cum Mediolani Populus spe captus inani / Magnificis urbis Animis armisque superbis / Nos impugnavit Quos nostra modestia stravit.

2.2 Stationen heraldischer Entwicklung am Beispiel Cremonas

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behaltenes Stadtwappen, das um 1300 aufgekommen sein du¨rfte: es ist fu¨nfmal rot-silbern geteilt. Abgebildet ist es in dem im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts entstandenen ‚Codex Chigianus‘ der ‚Nuova Cronica‘ Giovanni Villanis157. Auf der Grundlage dieses Befundes und im Vergleich mit den Kreuzfahnen und -wappen des Popolo in anderen Sta¨dten hat Eugenio Dupre` Theseider die Wappenfahne mit dem Kreuz als Zeichen des Popolo gedeutet158. Doch gerade angesichts der besonderen ‚Verfassungssituation‘ in der Cremoneser Kommune des ausgehenden 13. Jahrhunderts ist diese Interpretation nicht haltbar. Es war die societas militum, die vor dem Hintergund des inzwischen institutionalisierten Dissenses zwischen nobili und popolani die Kreuzfahne an ihrer Loggia anbrachte. Daher erscheint mir die Annahme plausibler, daß die ghibellinisch disponierte Adelskommune an der alten, an den Bezug zum Reich erinnernden Fahne der Kommune festhielt, wa¨hrend das neue Wappen entweder auf eine Initiative des Popolo zuru¨ckging, oder den wiedergefundenen Konsens zwischen beiden Faktionen symbolisieren sollte. Die alte Kreuzfahne konnte dies wahrscheinlich nicht mehr leisten. Es wa¨re dann aber als Zeichen fu¨r angestrebte Kontinuita¨t zu werten, daß das neue geteilte Wappen aus der gleichen Farbkombination gebildet wurde. Fu¨r solche politisch motivierten Wappenwechsel oder eine Pluralita¨t alter und neuer Fahnen liefern auch andere Kommunen vergleichbare Beispiele. Das bekannteste du¨rfte sicherlich die Inversion der Farben des Florentiner Lilienwappens sein159. Ein Parallelbeispiel, das die von mir vorgeschlagene Deutung der Cremoneser Kreuzfahne stu¨tzen kann, findet sich in Verona. Als die Venezianer im Jahre 1405 die Herrschaft in der Stadt an der Etsch u¨bernahmen, wurden ihnen auch die zwei Kreuzfahnen der Kommune u¨bergeben. Die erste zeigte in Blau ein gelbes Kreuz und wurde den neuen Herren als Wappen sive insigne populi et ministeriorum vorgestellt160. Es war die alte Wappenfahne der Kommune, die bereits auf dem Tympanon von San Zeno dargestellt ist161. Ein weißes Kreuz in Rot war das Bild der anderen Fahne, die pro insigne militum et nobilium civitatis figu¨ hnlich wie in Cremona fu¨hrten die korporativ zusammengeratur162. A schlossen milites des im spa¨teren Mittelalter meist ghibellinischen Verona die mit dem Ro¨mischen Reich assoziierte Kreuzfahne. Die Popolo-Kommune machte dagegen Gebrauch vom Wappen der Kommune. 157 158 159 160 161 162

Il Villani illustrato, S. 243 (fol. 218v). Dupre` Theseider, Stemmi, S. 322, vgl. S. 317. Vgl. Weber, Heraldry. Dupre` Theseider, Stemmi, S. 331f. Vgl. die Literatur bei Weber, Exempla, S. 152, Anm. 31. Dupre` Theseider, Stemmi, S. 331f.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

Wie sehr die Kreuzfahne als Wappenfahne des Reiches auch noch im 14. Jahrhundert in den italienischen Kommunen pra¨sent war, zeigt ein Beispiel aus Parma. Im Oktober des Jahres 1329 bereitete sich die Kommune auf den Besuch Ludwigs des Bayern vor. Das von der Partei der Rossi gefu¨hrte Parma war unmittelbar zuvor vom Lager der Kirche und Roberts des Weisen in das des Kaisers gewechselt und hatte dessen mit deutschen Rittern heranziehenden Marschall eingelassen. Nun wurden nicht nur goldene Baldachine fu¨r das erwartete Kaiserpaar hergestellt und ausgelost, wer von den nobiles und wer von den populares diese tragen durfte, sondern es wurde auch die heraldische Bezeichnung der Kommune an den Seitenwechsel angepaßt. Am Kommunalpalast und vielen Bu¨rgerha¨usern wurde das Wappen der Anjou abgeschlagen und mit den insegne de l’ imperio, cioe` un aquilla nigra in campo d’oro seu glario, u¨bermalt163. Daru¨ber hinaus wurde die kommunale Miliz neu ausgeru¨stet: ‚Zur gleichen Zeit ließ die Kommune Parma eine große Fahne der Kommune machen, mit dem Wappen des kaiserlichen Kreuzes, na¨mlich mit rotem Feld und weißem Kreuz in diesem Feld; und sie ließen das Wappen des kaiserlichen Adlers auf viele Schilde, Pavesen und Rundschilde malen; in gleicher Weise ließ auch der, der damals als Podesta` und Capitano der Stadt Parma regierte, jenes Wappen malen und tragen lassen auf den Pavesen seiner Familiaren und beroarii, auf den Mu¨tzen derer, die Dienst taten, sowie an der Treppe des Kommunalpalastes.‘164 Unter dieser neuen großen Fahne holte die Bu¨rgerschaft am 17. November 1329 den Kaiser in die Stadt ein165. Parma selbst fu¨hrte andere Wappen, na¨mlich ein blaues Kreuz in Gold sowie den torello, einen steigenden 163 Chronicon Parmense, S. 201. 164 Ebenda: Eodem tempore factum fuit per commune Parme quoddam magnum vexillum communis ad arma crucis imperialis, scilicet ad campum vermilium et ad crucem albam in ipso campo; et multi in scutis, in pavesiis et in rotellis fecerunt depingi insignia aquile imperialis; similiter et ille qui regebat tunc pro potestate et capitaneo civitatis Parme illa insignia fieri fecit et portari in pavesiis familie seu beroariorum suorum, et in capelinis eorum qui serviebant, et ad scalas domus communis. Vgl. Dupre` Theseider, Stemmi, S. 329. Das Adlerwappen des Reiches war im 13. Jahrhundert zugleich auch das namengebende Wappen der Parmeser Ghibellinen gewesen, die es uniform auf ihren Schilden trugen; siehe unten Kapitel 3.6. Ein spa¨teres Statut machte den correrii der Kommune zur Pflicht, portare in capitibus continue capellinas rubeas cum armis et insigniis Communis. Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. 126f. Demnach signalisierte das Wappen die Stadtherrschaft des Kaisers. Vgl. Kapitel 4.3. 165 Chronicon Parmense, S. 202.

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Jungbullen166. Unter der Herrschaft der die kommunalen Spitzena¨mter besetzenden ‚ghibellinischen‘ Partei sowie des vor Ort weilenden Kaisers, machte die Kommune von der kaiserlichen Kreuzfahne Gebrauch, die der Chronist ausdru¨cklich als vexillum communis bezeichnet. Die Vergleichsbeispiele zeigen, daß die erstmals unter Heinrich VI. belegte kaiserliche Fahne mit dem durchgehenden weißen Kreuz in Rot noch im fru¨hen 14. Jahrhundert in den lombardischen Kommunen pra¨sent war und daß, gegebenermaßen, Gruppierungen wie die societas militum oder die von einem Teil des Stadtadels gefu¨hrte ghibellinische Par¨ berlieferung tei sie als Symbol ihrer Interessen wa¨hlte. Die Cremoneser U legt nahe, daß die Kommune diese fru¨he heraldische Fahne, mit der sie der Kaiser belehnt hatte, als eigenes Zeichen u¨bernahm. Nach mittelalterlichem Zeichen- und Wappenversta¨ndnis stellte sich die Frage, ob sie dazu berechtigt war, nicht. Die Aneignung verwies vielmehr auf die Autorita¨t, von der her sich die herrschende Kommune legitimiert sah. Dazu paßt ebenfalls, daß Cremona in den Jahren nach 1195 seine Politik im Namen des Reichs betrieb und, wie im Jahre 1213, sein milita¨risches Aufgebot als Reichsheer ins Feld schickte. Das Relief von 1292 zeigt, daß die milites und nobili der Citta` Vecchia ihren Herrschaftsanspruch in der Kommune wahrscheinlich in Kontinuita¨t zu diesen Traditionen sahen. Wenn die gesamte Kommune spa¨testens um 1300 ein anderes Wappen fu¨hrte, das sich von den Kreuzfahnen des Reiches, der Kirche oder anderer Kommunen abhob und vielleicht deshalb neu gebildet worden war, so behielt zumindest eine ihrer Institutionen die alte Fahne bei. Daß die Kreuzfahne an der Loggia des Palazzo dei Militi nach wie vor Relevanz fu¨r die Cremoneser Kommune besaß, legt nicht allein die Inschrift des Reliefs nahe. Auch die sie umgebenden vier Fahnen mit dem Wappentier des Lo¨wen weisen darauf hin. Von ihnen wird nun zu reden sein.

2.2.2 Die Wappenlo¨wen der Porte: Multifunktionalita¨t zwischen Systematik und Mythos Die vier Fahnen, die in dem Relief der Loggia die Kreuzfahne der Kommune rahmen, zeigen alle einen steigenden, nach links gewandten Lo¨wen. Es sind die Wappenfahnen der Cremoneser Porte, der nach den vier

166 Ebenda, S. 9; Dupre` Theseider, Stemmi, S. 331; Bascape´, Sigillografia 1, Tav. V, Nr. 58 und 60, S. 227f.

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Haupttoren (portas principales) der Stadt benannten Quartiere167. Als Untereinheiten der Kommune, die in einer Vielzahl von Funktionen administrativer oder milita¨rischer Art die Korporationen eines Viertels zusammenfaßten, begegnen sie auch in anderen oberitalienischen Kommunen. Bereits in der Mitte des 12. Jahrhunderts sind die milites et pedites einer oder mehrerer Porte Mailands als eigensta¨ndig operierende Heere außerhalb der Stadt zu finden168. Bei dieser Art der Kriegsfu¨hrung, wie sie sich vor allem die gro¨ßeren Kommunen erlauben konnten, blieb der andere Teil des Heeres zum Schutz der Stadt zuru¨ck169. Auch wurde in der wahrscheinlich bis zur (produktiven) Konkurrenz gehenden Aufeinanderbezogenheit der einzelnen Porte deren Identifikationswert gesteigert. Sie waren Teil der Gesamtkommune, faßten jedoch die Bu¨rger zusammen, die in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld – in den Pfarrsprengeln (popoli) ¨ hnund Nachbarschaften (vicinanze) – miteinander verbunden waren. A liches gilt beispielsweise auch fu¨r die Sesti im Florenz des 12. und 13. Jahrhunderts. Einen Nachklang findet dies in den neuzeitlichen Contrade Sienas, die gegen- und miteinander um den Palio ka¨mpfen. Dieser vielfa¨ltigen Funktionalita¨t entsprach es, daß jede Porta ihre eigene Fahne besaß, die sowohl milita¨risch notwendig war, als auch als identita¨tsstiftendes Symbol wirkte. Quellen des ausgehenden 13. Jahrhunderts, wie die hier untersuchte Cremoneser Relieftafel, zeigen, daß diese Fahnen heral167 Iacobus ab Aquis, Chronicon imaginis mundi, hg. von Gustavo Avogadro, in: Monumenta Historiae Patriae, Scriptores 3, Torino 1848, Sp. 1579: Ubi est Cremona nostra habet quatuor portas principales, et quelibet porta solum de Cremonensibus de civitate faciebat hominum armatorum decem milia et militum mille excepto comitatu et vulgu. Hier zitiert nach Settia, Federico II, S. 226. Vgl. Dupre` Theseider, Stemmi, S. 322; Menant, Cremona, S. 25. 168 Siehe Kapitel 2.3 zu Otto Morena, S. 56–59; Acta imperii inedita 1, Nr. 612, S. 491f. 169 Iohannes Codagnellus, Annales Placentini, S. 25, zu 1199: Mediolanenses cum peditibus, militibus et carocio, exceptis militibus et peditibus de tribus portis, quos Mediolanum in custodia relinquerant, et Laudenses et Cumenses cum militibus et peditibus et Placentini cum militibus et peditibus, exceptis militibus et peditibus de duabus portis, quos Florentiolam et Roncarolum in custodiam miserant, et cum militibus Brixie proposuerunt ire ad obsidendum Castrum – novum Cremonensium positum in buca Adue. Fu¨r Cremona im Jahre 1200: Annales Cremonenses a. 1096–1232, S. 804. Als es 1289 zu einem Bu¨rgerkrieg in Reggio kam, zog der vom Reggianer Popolo zur Hilfe gerufene Podesta` von Parma mit einem Aufgebot, das aus Soldrittern, Waffengesellschaften und zwei Porte bestand, in die su¨dliche Nachbarstadt; Chronicon Parmense, S. 57: Et steterunt ibi dicte due porte per xv dies, postea alie due porte iverunt. Vgl. Statuta communis Parmae ab anno MCCLXVI. ad annum circiter MCCCIV, S. 19: Capitulum quod Potestas teneatur facere quod in singulis portis detur unum penonum uni pro qualibet porta, ad arma Societatis, qui sit bonus fidelis et antiquus popularis civitatis Parmae. In Florenz bildeten stets die selben drei Sesti einen Auszug; Giovanni Villani, Nuova Cronica VII 40, Bd. 1, S. 330f. Vgl. unten Kapitel 4.6.

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disch waren. Eine genau beobachtende und datierte Beschreibung verdanken wir Bonvesin da la Riva. In seinem 1288 entstandenen opusculum ‚De magnalibus Mediolani‘ erza¨hlt der Maila¨nder Schulmeister, daß jede der sechs Porte principales Mailands ein eigenes Wappen besa¨ße, das auf ihren Fahnen und Schilden getragen werde170: Die Porta Orientale fu¨hre in Weiß einen schwarzen Lo¨wen, die Porta Nuova einen weiß-schwarz gevierten Schild. Das Wappen der Porta Comacina sei weiß-rot geschacht, das der Porta Vercellina weiß-rot geteilt. Die Porta Ticinese fu¨hre ein rein weißes Wappen, das der Porta Romana wiederum sei ga¨nzlich rot171. Beim o¨stlichen Stadttor beginnend, war Bonvesin in seiner Aufza¨hlung gegen den Uhrzeigersinn um den Mauerring gegangen172. Der Entstehungszeitraum der zwischen den Jahren 1156 und 1171 errichteten, zeitweise auf Geheiß Barbarossas niedergelegten Stadtmauer stellt zusammen mit den teilweise noch fru¨heren Belegen fu¨r die Porte bei Otto Morena einen terminus a quo fu¨r die Bildung und Annahme der beschriebenen Wappen dar, der in die Zeit des aufkommenden Wappenwesens paßt173. Die heraldischen Bezeichnungen der Fahnen der Porte in den lombardischen Stadtkommunen sowie ihre evidente milita¨rische Bedeutung sind meines Wissens von der neueren Forschung kaum beachtet worden174. Solch eine Wappenreihe vergleichbarer, gemeinsam entstandener Gro¨ßen, wie sie fu¨r Cremona vorliegt, la¨ßt nach einer erkennbaren Systematik 170 Vgl. Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, II 6, S. 68f. Eine fru¨hneuzeitliche Wappenfolge der Porte ist abgebildet bei Bascape`, Araldica, S. 552. 171 Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, V 22, S. 156f.: Secundum sex portas civitatis principales variantur sex modis picture in clipeis et similiter in vexillis tincture. In porta Orientali sunt clipei albi cum leonibus nigro colore depictis. In porta Nova sunt albo nigroque colore quadrati: superius quidem in parte sinistra et inferius a dextra fuscati, in reliquis duabus partibus dealbati. In porta Cumana sunt albo et rubeo tabulati colore. In porta Vercellina sunt clipei rubeo superius, albo inferius dimidiati colore. In porta Ticinensi sunt omnimodo candidi. In porta Romana sunt toti rubei continenter. Eorum colorum et varietatum singule porte singulis potiuntur vexillis; preter que vexilla, cum statutum est exercitum fieri, eisdem totidem, sed candida cum rubicundis crucibus designata, describuntur singula singulis a comuni. Vgl. die variierende Darstellung im ‚Codice Cremosano‘ aus dem 17. Jh. bei Perelli Cippo, Egemonia, Abb. 7, S. 409. 172 Er hatte Mauer und Graben vermessen; Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, II 5, S. 66ff. 173 Siehe Kapitel 2.3. Zur Maila¨nder Stadtmauer siehe den Kommentar des Herausgebers in: Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, S. 199f.; vgl. auch Ferrari, Porta Romana, S. 115–151. Der Mauerring Cremonas entstand zwischen 1169 und 1187; Coleman, Cremona, S. 32. 174 Bascape`, Araldica, S. 553, u¨bernimmt die Berichte spa¨tmittelalterlicher Autoren als ¨ berlegungen Aussagen u¨ber das 12. Jahrhundert; Zug Tucci, Cremona, wiederholt U zum Carroccio; Settia, Federico II, beru¨hrt in seiner Untersuchung der Kampfesweisen in den kommunalen Heeren des 13. Jahrhunderts das Pha¨nomen Heraldik nicht.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

fragen175. Daß dabei deren mittelalterliche Alterita¨t zu beru¨cksichtigen ist, ist oben hervorgehoben worden. So veranschaulicht die Maila¨nder Wappenreihe, die es dem Betrachter schwermacht, in ihr eine aufeinander bezogene Systematik zu erkennen, selbst, wie sehr eine vorsichtige Deutung angebracht ist. Auffa¨llig ist eine leichte Dominanz der sta¨dtischen Wappenfarben Weiß und Rot. Bonvesin selbst gibt durch den Gebrauch des Verbs variare und des Nomen varietas den entscheidenden Hinweis, daß es offenbar weniger auf das Zurschaustellen von Gemeinsamkeiten, als auf die deutlich sichtbare Unterscheidbarkeit ankam. Ersteres wurde, wie er anfu¨gt, dadurch erreicht, daß jede porta bei ihrer Aufbietung fu¨r das Heer eine weitere Fahne, na¨mlich die Kreuzfahne der Maila¨nder Kommune, erhielt176. Auf die varietas als heraldisches Organisationsprinzip kommunaler Wehrordnungen, sowie auf die durch Bonvesin angedeutete Uniformita¨t der mit dem Wappen der jeweiligen Porta bezeichneten Schilde, wird unten am Beispiel des Florentiner Popolo zuru¨ckzukommen sein177. Daß in der heraldischen Wehrordnung Mailands als einzige

175 Auch in Mailand wurden die Wappen der Porte an einer Loggia, der 1316 im Auftrag Matteo Viscontis errichteten loggia degli Osii, angebracht; Bascape`, Araldica, S. 553; Perelli Cippo, Egemonia, Abb. 4, S. 405. 176 Diese Form der doppelten Fahnenfu¨hrung ist auch charakteristisch fu¨r die stehenden Regimenter in den Heeren der fru¨hneuzeitlichen Staaten, in Großbritannien besteht sie im Prinzip bis heute: Neben der individuellen „Leibfahne“ des Regiment-Chefs gab es die verbindende, prinzipiell gleiche „Ordina¨rfahne“, in der Neuzeit dann oft einen Dualismus von Regimentsfahne und Nationalfahne; vgl. Galbreath – Je´quier, Handbuch, S. 258f. 177 Siehe unten Kapitel 4. Betont Bonvesin diese doppelte Zuordnung durch heraldische Bezeichnung fu¨r die Kriegsfu¨hrung im Heer, so wirkt sie zur selben Zeit in den Verba¨nden des Florentiner Popolo vor allem nach Innen. Auch in Florenz verweisen die Tingierungen der Abteilungsfahnen auf die des kommunalen Heerbanners und sind zugleich nach dem Organisationsprinzip der varietas u¨ber Beizeichen voneinander ¨ hnlich einfache, wohl auf Banner zuru¨ckgehende Wappen wie die unterscheidbar. A Maila¨nder Porte besaß die Florentiner Ritterschaft; Giovanni Villani, Nuova Cronica, VII 40, Bd. 1, S. 330f.: Poi ch’avemo detto de’ gonfaloni e insegne del popolo, e` convenevole che facciamo menzione di quelle de’ cavalieri e della guerra, e come i sesti andavano per ordine nell’osti. La ’nsegna della cavalleria del sesto d’Oltrarno era tutta bianca; quella di San Piero Scheraggio a traverso nera e gialla, e ancora oggi l’usano i cavalieri in loro sopransegne ad armeggiare; quello di Borgo addogato per lungo bianco e azzurro; quello di San Brancazio tutto vermiglio; quello di porte del Duomo era ...; quello di porte San Piero era tutto giallo. Le ’nsegne dell’oste erano le prime del Comune dimezzate bianche e vermiglie: queste aveva la podesta`. Quelle della posta dell’oste e guardia del carroccio erano due, l’uno campo bianco e croce piccola rossa, l’altro per contrario campo rosso e croce bianca. Quello del mercato era ...; quelle de’ balestrieri erano due, l’una il campo bianco, e l’altra vermiglio, in ciascuno il balestro; e per simile modo quelle de’ pavesari, l’uno gonfalone bianco col pavese vermiglio e il giglio bianco, e l’altro rosso col pavese bianco e ’l giglio rosso; e quegli degli arcadori l’uno bianco e l’altro rosso, iv’entro

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gemeine Figur neben lauter Heroldsstu¨cken ein Lo¨we erscheint, scheint weniger ein spezifischer Hinweis, als ein Indiz fu¨r die allgemeine Beliebtheit dieses Wappentieres zu sein. Unter den Wappenbildern des Florentiner Primo Popolo ist er die am ha¨ufigsten anzutreffende Figur, die Cremoneser Porte fu¨hren alle einen Lo¨wen178. Im Unterschied zu den Wappen der Maila¨nder Porte betonen die der Cremonesen ihre Zusammengeho¨rigkeit durch die Verwendung der gleichen Schildfigur. Dies la¨ßt sta¨rker an ein Zeichensystem denken, doch entspricht die Funktionalita¨t dieser Fahnen der des doppelten Fahnengebrauchs in Mailand: Unterscheidbarkeit im Zusammenhalt wird ausgedru¨ckt. Die varietas wird in den wechselnden Tingierungen umgesetzt, die in ihrer Variierung der Wappenfarben – auch hier begegnet die Farbkombination des Stadtwappens – ebenfalls den gegenseitigen Bezug der Wappen hervortreten lassen. Die Schraffierung in dem Stich des 18. Jahrhunderts, der die Wappenfahnen wiedergibt, la¨ßt folgende Tingierungen erkennen: Die im heraldischen Sinne rechts von der Kreuzfahne befindliche Fahne zeigt in Blau einen goldenen Lo¨wen, ihr Pendant zur Linken in Weiß einen blauen Lo¨wen. Die beiden a¨ußeren Fahnen zeigen eine Inversion ihrer Tinkturen: rechtsaußen ein roter Lo¨we in Weiß, linksaußen ein weißer Lo¨we in Rot. Gewo¨hnlich wird ein Wappentier nach rechts gewandt dargestellt. Sollten die Cremoneser Wappenlo¨wen tatsa¨chlich alle nach links sehen, wu¨rde sie das von den Wappenlo¨wen in Mailand oder Florenz unterscheiden. Mir erscheint es wahrscheinlicher, daß es bei der Herstellung der Abbildung bei Vairani zu einer Seitenverwechslung gekommen ist179. Daß die Verwendung eines Lo¨wenwappens in wechselnden Farben nicht allein in Cremona zum Tragen kam, zeigt der Vergleich mit dem Florentiner Sesto San Pancrazio. Auch dessen drei compagnie d’arme, die im Primo Popolo von 1250 gebildet worden waren, fu¨hrten wie die Cregli archi; quello della salmeria era bianco col mulo nero; e quello de’ ribaldi bianco co’ ribaldi dipinti in gualdana e giucando. Queste insegne de’ cavalieri e dell’oste si davano sempre il dı` di Pentecosta ne la piazza di Mercato Nuovo, e per antico cosı` ordinate, e davansi a’ nobili e popolani possenti per la podesta`. I sesti quando andavano tre insieme, era ordinato Oltrarno Borgo, e San Brancazio, e gli altri tre insieme: e quando andavano a due sesti insieme, andava Oltrarno e San Brancazio, San Piero Scheraggio e Borgo, porte del Duomo e porte San Piero; e questo ordine fu molto antico. Lasceremo degli ordini di Firenze, e diremo della morte di Federigo imperadore, che molto fu utole e bisognevole a santa Chiesa, e al nostro Comune. 178 Vgl. Giovanni Villani, Nuova Cronica, VII 39, Bd. 1, S. 326–329. 179 Eine zuga¨ngliche photographische Abbildung der Relieftafel scheint nicht zu existie¨ berpru¨fung vor Ort ren; vgl. Dupre` Theseider, Stemmi, S. 322. Kla¨rung wu¨rde eine U bringen. Meine diesbezu¨gliche Anfrage an die Comune di Cremona wurde nicht beantwortet.

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moneser Porte Wappen mit einem steigenden Lo¨wen als Wappentier180. ¨ berhaupt legt der Vergleich mit den Wappen der Waffengesellschaften U und Nachbarschaften des Florentiner Popolo Konvergenzen offen, wie sie sich auch im Fall der Kreuzwappen in den italienischen Kommunen finden181. Das Wappen der Maila¨nder Porta Orientale sowie die Wappen von zwei Cremoneser Porte finden ihre identischen Entsprechungen in den Wappen dreier Florentiner societates, von denen jede einem anderen Sesto der Arnostadt angeho¨rte182. Dieser Befund spricht fu¨r die Beliebtheit des Wappentieres sowie fu¨r die Verbreitung der heraldischen Praktik, Ordnung durch eine Wappenreihe darzustellen, deren Wappen Variationen eines Wappenbildes sind. Da die Wappen der Cremoneser Porte und der Korporationen von San Pancrazio in Florenz untereinander eine Verweisstruktur bilden, liegt der Schluß nahe, daß sie jeweils als Ganzes gebildet und angenommen worden sind. Ihre Bezugnahme durch die gleiche Figur in verwechselten Farben wa¨re somit von einer kommunalen Instanz aus gewollt und umgesetzt worden. Sichtbar wird aber auch das typisch ‚Mittelalterliche‘ des Zeichengebrauchs: Die unterschiedlichen heraldischen Systeme, die Mailand und Cremona fu¨r den gleichen Funktionsbereich entwickelten, zeigen, daß es weder ‚die‘ ideale Lo¨sung, noch ihre mit Anspruch auf absolute Koha¨renz und Ausschließlichkeit ¨ hnlichkeiten oder erfolgte Umsetzung gab. Sichtbar werden stattdessen A sogar Konvergenzen, die, falls sie u¨berhaupt einem Cremoneser am Arno oder einem Florentiner am Po aufgefallen wa¨ren, durch die lokale Eingebundenheit des identischen Wappens in einen Verbund anderer Wappen, aus dem heraus es eindeutig zu bestimmen war, kaum zu einer Verwechslung gefu¨hrt ha¨tten. In Cremona selbst half das heraldische System, das jede Porta als gleichwertigen Teil eines u¨bergeordneten Ganzen erkennbar machte, die kommunale Organisation darzustellen. Nach dem Bericht des Cremoneser Chronisten Jacopo d’Aqui, eines im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts schreibenden Dominikaners, bestand das Aufgebot einer jeden Porta auch in Cremona aus milites und pedites183. Da anzunehmen ist, daß zumindest die Fußsoldaten ihre Schilde wie ihre Maila¨nder Gegner jeweils einheitlich mit dem Wappen ihrer Porta zu bemalen hatten, du¨rfte das Heer Cremonas im 13. Jahrhundert den beeindruckenden Anblick verschiedenfarbiger Lo¨wenwappen unter einem Kreuzban-

180 181 182 183

Giovanni Villani, Nuova Cronica VII 39, Bd. 1, S. 326–329. Siehe Weber, Sprache. Siehe auch oben, Kapitel 1.2.1, das Wappen des Sieneser Popolo. Settia, Federico II, S. 225f.

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ner geboten haben184. Neben dieser milita¨risch-organisatorischen Funktionalita¨t, die ebenso pragmatischen wie a¨sthetischen Bedu¨rfnissen entsprach, lassen sich fu¨r Cremona auch Bezu¨ge des Wappenlo¨wen zu der die sta¨dtische Identita¨t symbolisierenden Figur des Lo¨wen im Stadtgru¨ndungsmythos und in einem o¨ffentlichen Monument herstellen. Wie der bereits erwa¨hnte Jacopo d’Aqui in seinem ‚Chronicon imaginis mundi‘ erza¨hlt, sei einst ein Fu¨rst aus Frankreich an die Stelle des von den Langobarden zersto¨rten Cremona gekommen, wo er auf einen Lo¨wen traf, der an einem Dorn in seiner Pfote litt. Als er es davon befreit hatte, begleitete ihn das Tier nach Rom, wo er erfuhr, daß an eben dieser wu¨sten Stelle einst Cremona gestanden ha¨tte. Der Franzose kehrte dorthin zuru¨ck und begann mit dem Wiederaufbau der Stadt. Die Gebeine des inzwischen verstorbenen Lo¨wen barg er in den Fundamenten des Torrazzo. Wer einen Beweis fu¨r diese Geschichte brauche, so schließt der erza¨hlfreudige Dominikaner, solle zum Dach des Turmes aufschauen, auf dem die Statue eines Lo¨wen mit erhobener Pranke stehe185. Es handelt sich hier um eine typische Geschichtserza¨hlung, wie sie sich auch in anderen Chroniken des 14. Jahrhunderts aus Mailand, Padua, Florenz oder Siena findet186. Neben Motiven aus der antiken und der ho¨fischen Literatur findet sich aber auch ein Verweis auf die Lebenswelt des Chronisten: Es ist der im 13. Jahrhundert errichtete Campanile des Domes, auf den die Cremonesen als Torrazzo, als gro¨ßten Turm der Lombardei, stolz waren. Wie sehr er die sta¨dtische Identita¨t verko¨rperte, zeigt sich daran, daß er neben der Domfassade als Siegelbild in den Stadtsiegeln des spa¨teren 14. Jahrhunderts abgebildet wurde187. Auf dem Dach des Turmes, der natu¨rlich bis in die Umschrift des nach 1334 geschnittenen Siegels hineinragt, ist allerdings kein Lo¨we, sondern ein Kreuz zu sehen. Dieser Unterschied erkla¨rt sich – neben der Pra¨senz der Wappentiere der nun in Cremona herrschenden Visconti – durch einen Blick in das ‚Balduineum‘188. Dort wird in einer eigenen Rubrik mitgeteilt, wie Heinrich VII. nach einem am 10. Mai 1311 in Cremona abgehaltenen Strafgericht portas et turres cum leone aureo destruxit. Nur auf Fu¨rbitten der Kaiserin sei der Torrazzo nicht niedergelegt worden. Allerdings sei der vergoldete Lo¨we auf seinem Dach entfernt worden. Die dazugeho¨rige Miniatur zeigt tatsa¨chlich – allerdings war der Miniator nie in Italien und arbeitete nicht mit 184 185 186 187 188

Zu dem vergleichbaren Anblick des Florentiner Popolo in Waffen siehe Kapitel 4.2.2. Settia, Introduzione. Vgl. Weber, Exempla, und oben, Kapitel 1.2.1. Bascape´, Sigillografia 1, Tavola III, Nr. 25–27, und S. 214f. Heyen, Romfahrt, S. 74f. (fol. 11b); vgl. Franke, Kaiser, S. 44ff.

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dem Anspruch auf realita¨tsnahe Wiedergabe189 – einen mit einem Lo¨wen bekro¨nten Turm. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, die Wappenlo¨wen der Cremoneser Porte als Hinweise auf das Symboltier der Stadt zu verstehen. Sie boten demnach nicht nur den Nutzen eines geschlossen wirkenden Organisationssystems, sondern verwiesen in ihrer Varianz auch alle auf das zentrale, u¨ber dem Stadtbild zu sehende Zeichen sta¨dtischer Identita¨t, das sie heraldisierten. Die Lo¨wen, die im a¨ltesten Cremoneser Stadtsiegel aus dem 13. Jahrhundert die Fassade der Domkirche umgeben, ko¨nnen so ebenfalls auf die Porte und ihre Wappen bezogen werden190. Neben die kaiserliche Kreuzfahne der Kommune waren im 13. Jahrhundert weitere Zeichen getreten, die sowohl im Medium der Heraldik, als auch in anderen Vermittlungsformen die kollektive Identita¨t Cremonas in Topographie, Geschichte und Gegenwart verko¨rperten. Daß der sta¨dtische Lo¨we sowohl als Wappenlo¨we zur milita¨rischen Organisation diente, als auch Figur eines Stadtgru¨ndungsmythos war, ist ein Beleg fu¨r die Multifunktionalita¨t und Anschlußfa¨higkeit des kommunalen Wappenwesens. Mit seiner Heraldisierung eines auch als materielles Denkmal im Stadtbild pra¨senten Symboltieres stand Cremona in diesem Zeitraum keinesfalls allein. In Mailand suchte man Bezu¨ge zwischen dem Wappenbild der ‚Sturmfahne‘ des kommunalen Heeres, das auch die Visconti als Wappen beanspruchten, und einer in der Kirche gezeigten Bronzeschlange herzustellen191. In Parma hatte man den hochverdienten Podesta` des Jahres 1221, den Pavesen Torello da Strada, geehrt, indem man an dem von ihm begonnenen Kommunalpalast die Steinskulptur eines Jungbullen (torello) aufstellte192. Der redende Name ging nicht nur auf den Parmeser Kommunalpalast selbst u¨ber. Die Kommune, die ein Kreuzwappen fu¨hrte, nahm in der Folgezeit auch ein Wappen mit einem steigenden

189 Vgl. Winterer, Gesichter. 190 So bereits durch Ala Ponzoni gedeutet; vgl. Bascape´, Sigillografia 1, S. 214f. Gute Abbildung in: Cremona citta` imperiale. Zur Deutung der vier aus dem Dach der Kathedrale ‚sprießenden‘ Lilien oder Liliensta¨be muß man meines Erachtens nicht eigens Karl von Anjou bemu¨hen. Es sind Hinweise auf die Patronin von Kirche und Stadt, die Jungfrau Maria. 191 Bonvesin da la Riva, der die Fahne nennt, teilt ebenfalls, De magnalibus Mediolani I 1, S. 58f., die Etymologie Mailands mit, nach der die Stadt ihren Namen Mediolanum von einer zweifarbigen Sau erhalten habe. 192 Chronicon Parmense, S. 9: Dominus Torellus de Strata de Papia fuit potestas Parme in millesimo ccxxj. Et illo anno inceptum fuit palacium communis hedificari, et ibi fuit positus torellus lapideus, nominatus a nomine potestatis.

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Stier an, das sie in ihre Siegel setzte193. Neben der Sieneser Wo¨lfin, dem Markuslo¨wen und dem marzocco, sei schließlich auf den Negativentwurf solch eines Identifikationsdenkmals hingewiesen, na¨mlich das Florentiner Standbild des Mars an der Arnobru¨cke, das die Chronisten auch als einstige Bekro¨nung des in das Baptisterium umgewandelten Marstempels verstanden wissen wollten194.

2.2.3 Zusammenfassung Angesichts nicht vorhandener oder ‚unscharfer‘ Beschreibungen der Bilder kaiserlicher Fahnen aus dem 12. Jahrhundert kommt der erhaltenen Beschreibung der 1195 durch Heinrich VI. in Como gebrauchten Fahne erhebliche Bedeutung zu. Sie ist allerdings nicht nur das Resultat eines ¨ berlieferungszufalls, sondern markiert auch einen durch die EtablieU rung des Wappenwesens und seine Instrumentalisierung durch den Kaiser und die Kommunen gekennzeichneten Wandel in Politik und verschrifteter Wahrnehmung. Daß die Geschichtsschreiber des 12. Jahrhunderts im Allgemeinen nicht daran interessiert waren, das Aussehen einer Fahne exakt zu beschreiben, zeigt, daß zuna¨chst weniger ein feststehendes Fahnenbild von Bedeutung war, wa¨hrend es vielmehr darauf ankam, zu berichten, wer in welchen Kontexten mit der Fahne Herrschaft demonstriert hatte. Daß die Verfestigung der Bilder gegen Ende des 12. Jahrhunderts dazu fu¨hrte, daß diese nun auch wahrgenommen wurden, belegt das Beispiel aus Cremona. In diesem Fall war die heraldisch bezeichnete Fahnenlanze an die Stelle des Stabes als Investitursymbol getreten. Innerhalb einer zuvor bis ins Detail ausgehandelten o¨ffentlichen Belehnung erscheint die kaiserliche Kreuzfahne u¨ber ihren bei Petrus von Eboli bezeugten unmittelbaren milita¨rischen Kontext hinaus als Medium der symbolischen Kommunikation. Die gro¨ßere Komplexita¨t des neuen Zeichens, dessen Bild auf eine politische Gro¨ße und zugleich auf Wertvorstellungen verwies, mit denen sich alle Beteiligten identifizierten, gab der Wappenfahne eine u¨ber ihrer jeweiligen Verwendungssituation liegende Sinnebene, die sie multifunktional einsetzbar machte. Als Feldzeichen wie auch als Lehnsfahne war sie Mittel kaiserlicher Herrschaftspra¨sentation und zugleich wertvolles Instrument der ‚Reichspolitik‘ in Oberitalien. Darin war sie jedoch nicht exklusiv an die Person des Kaisers gebun193 Bascape´, Sigillografia 1, Tavola V, Nr. 58 und 60, S. 227f. 194 Vgl. Par. XVI 47. Il Villani illustrato, S. 49, 95, 101, 104 und 106. Vgl. das Material bei Straehle, Marstempelthese.

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den, sondern konnte, wie das Beispiel gezeigt hat, auch durch eine Kommune adaptiert werden. Cremona u¨bernahm sie wahrscheinlich auch aus der Vielzahl dieser Gru¨nde heraus: daß ihre Konsuln den Gonfanon aus der Hand Heinrichs VI. erhalten hatten, war schon verpflichtend genug. Zudem symbolisierte das wiedererkennbare heraldische Fahnenbild den Ru¨ckhalt am Reich gegenu¨ber anderen sowie die durch den Kaiser gegebene Garantie fu¨r das von Cremona beanspruchte, hart umka¨mpfte Territorium. Das Beispiel zeigt so auch eine Alternative zu anderen Kommunen, wie Mailand, auf, die ihre Fahnenbilder und Wappen wahrscheinlich selbst wa¨hlten. Die Weiterentwicklung der heraldischen Symbolik Cremonas wa¨hrend des 13. Jahrhunderts zeigt dagegen deutliche Parallelen zu der in den anderen ober- und mittelitalienischen Kommunen auf. Die Kreuzfahne wurde zum Bezugspunkt eines heraldischen Systems, das ihre Wappenfarben weiterfu¨hrte. Die Lo¨wenwappen der Cremoneser Porte leisteten pragmatische und symbolische Identifikationsangebote. Sie verbanden die systematischen Erfordernisse einer Wehrordnung mit einem Gru¨ndungsmythos und erwiesen sich so ebenfalls als multifunktional. Selbst das neue, mehrfach geteilte Stadtwappen, das Cremona im Chor der anderen kommunalen Stadtwappen relativ unverwechselbar machte, fu¨hrte die Stadtfarben Rot und Weiß weiter. Diese heraldischen Praktiken des Festhaltens an einer Farbkombination und ihrer Inversion und Variierung finden sich auch in anderen Kommunen, wo sie Mittel waren, um die angestrebte Endgu¨ltigkeit von Verfassungsa¨nderungen und politischen Wechseln zu signalisieren. Die Vielzahl an Verwendungs- und Deutungsmo¨glichkeiten dieser Wappen innerhalb der kommunalen Zeichenwelt fand seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert Propagatoren in Gestalt einer neuen Klasse von Geschichtsschreibern, die sich auch vom heraldischen Regelwerk zur narrativen Ausgestaltung ihrer Werke anregen ließen. In Cremona tat dies der Dominikaner Jacopo d’Aqui, in Mailand sein Ordensbruder Galvano Fiamma sowie zuvor der Humiliate Bonvesin da la Riva. Diese Art der die heraldische Symbolik beru¨cksichtigenden Geschichtsschreibung dem Diskurs einer bestimmten Gruppe, etwa dem der mit Exempla vertrauten Mendikanten, oder einer vorherrschenden Schriftsprache, Latein oder Volgare, zuordnen zu wollen, wa¨re jedoch verfehlt. Geschrieben wurden die Chroniken in beiden Sprachen und zwar nicht nur von lombardischen Geistlichen, sondern auch von Paduaner Notaren oder Florentiner Kaufleuten und Ratsherren. Sie zeigen, daß heraldische Symbolik wa¨hrend des 13. Jahrhunderts zu einem fest integrierten Bestandteil in der Wahrnehmung der Kommune geworden war und von dieser Basis aus alle Einwohner anging.

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2.3 Civilia signa und crux et claves in allegorischer Deutung: Die symbolische Restituierung der Kommune Tortona durch Mailand im Jahre 1155 und die Verleihung der Fahne der Ro¨mischen Kirche an den Bulgarenzaren im Jahre 1204 Auf seinem ersten Italienzug ging Friedrich Barbarossa gegen das mit Mailand verbu¨ndete und mit Pavia im Krieg liegende Tortona vor. Nachdem sich die Einwohner der belagerten Stadt am 18. April 1155 in einer deditio ergeben und die Stadt verlassen hatten, wurde diese vom kaiserlichen Heer und den Pavesen zersto¨rt195. Solch eine destructio, die von der symbolischen Schleifung eines Teils der Mauern und Tu¨rme bis hin zur vo¨lligen Zersto¨rung reichen konnte, begegnet zusammen mit programmatischen Neu- und Wiedergru¨ndungen als ha¨ufig geu¨bte politische Machtdemonstration in den italienischen Auseinandersetzungen des Staufers. Als Otto Morena, der 1155 die Ka¨mpfe um Tortona auf Maila¨nder Seite mitgemacht hatte, daran ging, sein Buch u¨ber die Taten Kaiser Friedrichs zu schreiben, begann er es mit der Anku¨ndigung, berichten zu wollen, „welche Sta¨dte und Orte er durch seine Macht einnahm und zersto¨rte, welche zersto¨rten Sta¨dte und Orte er in seiner allerheiligsten Gu¨te und Barmherzigkeit zur Ehre des Imperium wieder zu ihrem Stand erhob und vo¨llig in ihrem Recht wiederherstellte“196. Dasselbe Recht nahmen auch Friedrichs Gegner, Mailand und der Lombardenbund, fu¨r sich in Anspruch197. Tortona freilich lag nur fu¨r einen Tag, den 30. April 1155, wu¨st und verlassen da. Bereits am 1. Mai besetzte ein Maila¨nder Entsatzheer den Platz. In den folgenden Monaten bauten die sich in der Bewachung 195 Go¨rich, Herrscher; Ders., Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 186–214; Ders., Ehre als Ordnungsfaktor, S. 70; Schulte, Friedrich Barbarossa, S. 160f. Zum Folgenden siehe Weber, Fahnenbilder. ¨ bersetzung nach: Otto Morena, S. 34–239, hier S. 34f.: quasque civita196 Die deutsche U tes et que loca sua potentia ceperit atque destruxerit, quasque etiam civitates et loca destructa sua sanctissima benignitate ac pietate ad imperii tocius honorem in suo statu relevaverit ac pleniter in suo honore reformaverit. Vgl. zum zugrundeliegenden Rechtsdenken Go¨rich, Herrscher, S. 280. 197 Siehe z. B. das aus dem verlorenen Geschichtswerk des Johannes von Cremona u¨bernommene Urteil u¨ber die Maila¨nder in: Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 26: Cum sint etenim superbissimi, solent occupare terminos vicinarum civitatum et ipsas, quas possunt, suo subdere imperio. Quocirca contra imperatoris edictum Terdonam ab ipso erutam eximiis reedificaverunt muris, quodque hoc deterius fuit, illarum urbium reliquias, quas ante deiecerant, Cumarum scilicet atque Laude, ad imperii contemptum funditus exterminavere.

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abwechselnden Aufgebote der Maila¨nder Port[a]e mit den Tortonesen die Stadt gegen den Widerstand der Pavesen wieder auf198. In diesen Kontext geho¨rt ein Brief, den die Maila¨nder Konsuln nach Tortona schickten. Als seinen Sitz im Leben wird man sich einen o¨ffentlichen Symbolakt wie die Volksversammlung (contio) vorzustellen haben, in dessen Verlauf Maila¨nder Gesandte den Tortoneser Konsuln drei Geschenke u¨berreichten199. Der dabei verlesene Brief erla¨uterte deren Bestimmung und stellte sicher, daß sie gema¨ß den Intentionen ihrer Absender entgegengenommen wurden. Das Schreiben erinnert an die Zersto¨rung Tortonas und hebt die Anstrengungen der Maila¨nder beim Wiederaufbau, insbesondere bei der Errichtung der Stadtmauer, hervor200. Zu ewigem Gedenken daran schickten sie den Tortonesen drei civilia signa. In Form eines lockeren Parallelismus werden diese Zeichen, eine Busine201, eine Fahne und ein Siegel-Typar, sodann aufgefu¨hrt. Aus ihrer jeweiligen instrumentell-kommunikativen Funktion wird dabei ihre u¨bertragene Bedeutung fu¨r die Identita¨t der Stadtgemeinde abgeleitet202. Der Brief lautet: ‚Dem ganzen Ro¨mischen Reich wird, wie wir glauben, bekannt sein, daß eure Stadt, die wir von nun an zuversichtlich die unsere nennen, gegen die heilige Rechtsordnung 198 Otto Morena, S. 56–61. 199 Vgl. zu den Volksversammlungen des 11. und 12. Jahrhunderts als einem Fokus symbolischer Politik der Kommunen Schulte, Omnis homo; Keller, La decisione; Coleman, Assemblies. 200 Die weite Wirkung dieser Maila¨nder Propaganda bezeugen zeitgeno¨ssische Geschichtsschreiber, wie Otto Morena oder Johannes von Cremona, letzterer vermittelt durch Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 26f. Ihr entsprach die Wirkung, die das durch Friedrich an Tortona statuierte Exempel in der Region entfaltete; Cafari Annales [Ianuenses]. Ann. MXCIX–MCLXIII, S. 42: Iterum quippe Fredericus rex Romanorum et semper augustus in preterito consulatu in Lombardiam uenit, et in isto consulatu per ebdomadas . VIIII . Terdonam obsidendo et preliando medio aprili cepit et destruxit. unde omnes homines aliarum ciuitatum et locorum, terrore comoti, magnam et inmensam peccuniam regi tribuerunt. Die identita¨tsstiftende Funktion des von der ganzen Kommune betriebenen Stadtmauerbaus wird besonders deutlich am zeitgleichen Beispiel der Genueser Mauern, die in Caffaros ‚Annales Ianuenses‘ und den selbstbewußten Inschriften der Porta Soprana ihre Deutung fanden. Vgl. Schweppenstette, Politik, S. 184–189; Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 68ff.; Vgl. Polonio, Provincia, S. 214. 201 Die im Quellentext genannte tuba enea, die insbesondere auch in Bildquellen ha¨ufig als Herrschaftszeichen in den Kommunen begegnet, war eine gerade gestreckte Blechtrompete, die die Musikwissenschaft zur Unterscheidung von modernen Formen der Trompete und Zugposaune als Busine (lat. bucina) bezeichnet. Herrn Dr. Daniel Glowotz danke ich fu¨r den freundlichen Hinweis. 202 Vgl. Stollberg-Rilinger, Kommunikation, S. 498.

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zu Unrecht vo¨llig zersto¨rt und von uns beherzt und auch mannhaft wiedererrichtet sowie mit Mauern, die im Schweiße aller unserer Bu¨rger errichtet wurden, umgeben worden ist. Daher schicken wir euch zu immerwa¨hrendem Geda¨chtnis drei bu¨rgerliche Zeichen: Na¨mlich eine eherne Busine, mit der das Volk an einem Ort zusammengerufen wird, die euren Zuwachs bezeichnet; eine weiße Fahne mit dem Kreuz unseres Herrn Jesu Christi, das eine rote Farbe hat, in der Mitte; mit der Bedeutung, daß ihr aus den Ha¨nden der Feinde nach vielen und großen Bedra¨ngnissen befreit seid, in der wir Sonne und Mond haben abbilden lassen: die Sonne bezeichnet Mailand, der Mond Tortona; der Mond, der sein Licht von der Sonne erha¨lt, sei wie Tortona, das alles das Seine von Mailand erha¨lt: diese sind die zwei Lichter der Welt, diese die zwei des Reiches; ein Siegel, mit dem ihr eure Urkunden besiegelt, das in sich die zwei Sta¨dte Mailand und Tortona begreift und auf diese Weise anzeigt, daß Mailand und Tortona so vereint sind, daß man sie nimmermehr wird trennen ko¨nnen.‘203 Das Zeichen, dessen Deutung im Mittelpunkt des Schreibens steht, ist die Fahne. Zur Ga¨nze versta¨ndlich werden ihre Funktionalita¨t und ihr heraldisches Bild erst, wenn man beru¨cksichtigt, daß Mailand selbst zu dieser Zeit ein vexillum album cum cruce rubea in medio fu¨hrte, das auf den 1039 durch Erzbischof Aribert gestifteten vorheraldischen Fahnenwagen zuru¨ckgeht204. Der in dem knappen Jahrhundert dazwischen lie¨ bergang zu einem heraldischen Fahnenbild fa¨llt zusammen mit gende U der Emanzipation der Maila¨nder Stadtgemeinde von ihrem Oberhirten. 203 Gli Atti del Comune di Milano fino all’anno MCCXVI, Nr. 34, S. 53–54, der Kontext des Briefes nach der Redaktion A: Cuncto Romano imperio notum fore credimus urbem vestram, quam de cetero confidenter nostram dicemus, contra fas ac pium iniuria penitus destructam a nobis audacter necnon viriliter restauratam esse, murisque omnium nostrorum civium sudore constructis circumdatam. Tria itaque civilia signa ad perennem memoriam ad vos dirigimus: tubam videlicet eneam, qua populus in unum convocetur, vestrum significantem incrementum; album vexillum cum cruce domini nostri Iesu Christi rubeum colorem habens per medium, significans a manibus inimicorum post multas ac magnas angustias vos esse liberatos, in quo solem et lunam designari iussimus: sol Mediolanum, luna Derthonam significat, luna que lumen a sole suum trahit, omne a Mediolano Derthona suum trahit esse: hec duo mundi sunt lumina, hec duo regni; sigillum quo vestre signentur charte, continens in se duas civitates Mediolanum et Derthonam, designans Mediolanum cum Derthona ita esse unitos ut separari numquam possint amplius. 204 Otto Morena, S. 142f., zum Maila¨nder Carroccio im Jahre 1160. Vgl. Voltmer, Carroccio, bes. S. 38f.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

Die von Konsuln geleitete autonome Kommune begann in der ersten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts selbst damit, aggressiv Einfluß auf ihre Nachbarsta¨dte zu nehmen205. Das, verglichen mit Tortona, erheblich umfangreichere und komplexe System der civilia signa Mailands wird schlaglichtartig in den Berichten zweier Quellen zur Kapitulation der Stadt vor Barbarossa Anfang Ma¨rz 1162 sichtbar: Der Kaiser erhielt die Schlu¨ssel der Stadt, die von den milites getragenen sechsunddreißig vexilla principalia, den von den pedites herangebrachten Carroccio mit der Hauptfahne und etwa einhundert viciniarum vexilla, sowie zwei Businen in signum tocius reipublice Mediolani206. Die deditio zeigt sowohl die praktischen Funktionen der heraldisch werdenden Fahnen fu¨r die milita¨rische und gesellschaftlich-politische Organisation der fru¨hen Kommune, als auch ihre mit anderen Zeichen geteilte symbolische Bedeutung als Repra¨sentanten der kommunalen Identita¨t. Als Beispiel fu¨r einen rituell vollzogenen Identita¨tsverlust besta¨tigt sie die Funktionalita¨t der 1155 verliehenen Zeichen. Mit der Busine, der Fahne und dem Siegel restituierten die Maila¨nder symbolisch die Kommune von Tortona, die durch diese Medien der symbolischen Kommunikation erst wieder politisch handlungsfa¨hig wurde207. Das geradezu als Inbegriff fu¨r die Volksversammlung geltende Blasinstrument verwies so auch auf den bei diesem Anlaß sichtbaren, nach der Wiedergru¨ndung anwachsenden Volkreichtum der Stadt. Durch das Siegel waren die Konsuln von Tortona nun wieder in der Lage Urkunden auszustellen. Sein von den Maila¨ndern vorgegebenes Bild, das die Stadtabbreviaturen Mailands und Tortonas zeigte, machte es zum Symbol der untrennbaren Einheit der beiden Gemeinwesen. Daß ein solches Ensemble an civilia signa die Stadtherrschaft symbolisierte, zeigt ein anderthalb Jahrhunderte ju¨ngeres Beispiel aus dem emilianischen Reggio. Dort

205 Vgl. grundsa¨tzlich Keller, Mailand. Nach Hermes, Patrona, S. 7f., 148–151 und 163, der auch einen breitgefa¨cherten Einblick in die Forschung zum Einfluß Mailands auf die Kommunen des heutigen Piemont gibt, hatte sich die Lombardenmetropole langfristig die Dominanz u¨ber Tortona sichern ko¨nnen. 206 Acerbus Morena, S. 174–177; Gu¨terbock, Lettere, S. 62f. Vgl. bereits Schramm, Beitra¨ge, S. 670; Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 249–254. 207 Vgl. Bordone, Campane, S. 91ff. Die taktische wie symbolische Bedeutung der Busine bezeugt der Bericht des Iohannes Codagnellus, Annales Placentini, S. 18f., zum 31. August 1189: Die Piacentiner u¨berraschten die Parmesen bei der Plu¨nderung Pontremolis, worauf diese, visis Placentinis et tuba audita, in die Flucht geschlagen wurden. Neben anderen arma, equos et spolia erbeuten die Piacentiner auch die tuba der Parmesen. Vgl auch ebenda, S. 34, 41 und 43, zum Blasen der tubae bellicae zu Beginn der ¨ berga¨nge von der Land- zur Seeschlacht fließend sein konnten und Schlacht. Daß die U daß das Instrument auch zur See eingesetzt wurde, bezeugen Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], S. 56f. [ad 1195].

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wurde im August 1289 der durch den Reggianer Popolo zur Hilfe gerufene Podesta` von Parma zum Stadtherrn gemacht, indem er mit den heraldischen Fahnen, den Schlu¨sseln und dem Siegel der Kommune investiert wurde208. Von den Fahnen – zu deren medialen Formen und Funktionen, nicht aber zu deren Bildern sie aussagten – und einer Busine als den signa Mediolanensium sprachen 1228 zwei Notare, die Augenzeugen eines Maila¨nder Heerzuges in das Gebiet von Soncino geworden waren209. Der einzigartige Quellenwert des Tortoneser Beispiels besteht daru¨ber hinaus in der Beschreibung von Fahnen- und Siegelbild, die die ‚außenpolitischen‘ Anspru¨che der Lombardenmetropole erkennen lassen. Durch die in sie eingeschriebene Pra¨senz Mailands, die sie zu Erinnerungszeichen machte, war klar erkennbar, daß Tortonas Status als freie Kommune untrennbar mit der der ma¨chtigeren Bundesgenossin geschworenen amicitia verbunden sein sollte210. 208 Chronicon Parmense, S. 57: et incontinenti miserunt Parmam pro sucursu, et missi fuerunt ibi per commune Parme cc milites, qui tunc tenebantur per commune Parme com milite et banderia potestatis. Et die sequenti dictus dominus potestas com centum militibus ad tres equos equitavit’ armata manu Regij, et stando ibi et non bene valentes sedare rumores, miserunt Parmam pro populo Parme; et sic incontinenti iverunt Regium hostiliter populus porte de Parma et porte Benedicte et certe societates populi ; et hoc fuit in vigilia sancti Laurentij. Et tunc populus Regij dederunt totum dominium civitatis Regij et episcopatus in manibus potestatis Parme, et vexilum sancti Prosperi et claves portarum et palatiorum et vexilum et sigilum communis et seipsos; qui dominus potestas incontinenti totum dominium civitatis et districtus acepit et habuit, et missit ad omnia loca et castra districtus Regij custodes et capitaneos de populo Parme. Hier ist, wie spa¨ter im Fall des Podestariats des Comazzo Galluzzi u¨ber Todi von einer banderia potestatis die Rede. Da der Podesta` im Regelfall – siehe die Parmeser Statuten – die Stadt nicht verlassen durfte, schickte er seinen miles. Dies geschah in diesem Fall, wie auch in Todi, wo der miles in einer a¨hnlichen Notlage ein succursum aus Spoleto, wo ein Bolognese amtierte, holen sollte. Ob das Banner des Podesta` nun mit dem der Kommune identisch war oder nicht, es war sicherlich heraldisch und erfu¨llte eine Stellvertreterfunktion. Dargestellt ist ein solches Banner mit dem Familienwappen des Podesta` im Codex Chigianus der Nuova Cronica Giovanni Villanis. Das heißt, daß Wappen adliger Familien ‚staatliche‘ Aufgaben in der Kommune wahrnahmen und so wohl auch bekannt wurden und zum Wissensbestand der Bu¨rger geho¨rten. Allerdings erwa¨hnt derselbe Chronist auch, siehe oben Kapitel 2.2.2, daß das gespaltene Heerbanner der Florentiner Kommune dem Podesta` zugeordnet war. 209 Girardus de Carazalo sah von einem Tor Soncinos aus die milites und balesterii der Maila¨nder und ihrer Verbu¨ndeten, habentes inter eos vexillum seu vexillos et banderias et signa, que pertinebant ad faciendum guerram. Lantelmus Barbous gab an: Et ego [...] vidi signa Mediolanensium, videlicet vexilla et confanonos et audivi tuba Mediolanensium prope burgis castri Suncini. Auch waren die Ritter, die die Einwohner des Kastells ¨ bergabe aufforderten, an ihrer Aussprache als Maila¨nder zu erkendurch Zuruf zur U nen gewesen. Acta imperii inedita 1, Nr. 612, S. 491f. 210 Hofmeister (Hg.), Quelle, S. 156f. Vgl. Behrmann, Anmerkungen. Zur ‚Außenpolitik‘ der Lombardenmetropole und der Bedeutung Tortonas als „Hafen“ der Maila¨nder

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Die neue Fahne war durch eine Brisur, die Bildung eines neuen Wap¨ nderung (wo¨rtlich: ‚Brechung‘) eines bestehenden, entpens durch die A 211 standen . Der Brief spricht allerdings diesen Bezug nicht an. Seine Deutung des mit Beizeichen bewinkelten Maila¨nder Kreuzes beruht auf a¨lteren Bedeutungszusammenha¨ngen in der christlichen Symbolik, die er zu einem eigenen Bild zusammenfu¨hrt. So verweisen die Farben der Maila¨nder Fahne in ihrer aktuellen Deutung einer politisch-milita¨rischen Befreiung auf die liturgischen Farben der Passion Christi, vor allem die der Kreuzfeste, und damit auf die durch sie bewirkte Erlo¨sung der Menschen212. Dieser Bedeutung verdankte die Farbkombination von Rot und Weiß eine beeindruckende Verbreitungsgeschichte im herrschaftlichen Zeremoniell und in der Liturgie des Hoch- und Spa¨tmittelalters. Bereits im Kaiserornat pra¨sent, wurden Rot und Weiß im Verlauf des 13. Jahrhunderts zu den „Papstfarben“ schlechthin213. Hinsichtlich des Symbolgehaltes seiner Tingierung und seiner Figur erweist sich das Wappenbild des roten Kreuzes in Weiß, das uns noch o¨fter in einem kommunalen Kontext begegnen wird, daher als ideale Lo¨sung fu¨r eine Wappenbildung, die auf Christus, den Legitimationsgrund jedweder Herrschaft, sowie auf Werte wie Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit verwies. Sonne und Mond wiederum, die Beizeichen der fru¨hheraldischen Kreuzfahne, begegnen seit fru¨hchristlicher Zeit in Darstellungen der Kreuzigung Christi214. In mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist das in Verbindung mit diesem Sinnbezug gebrauchte Bild vom Licht der beiden Gestirne. Es greift die aus der Antike stammende und schon bei Isidor von Sevilla als Gleichnis fu¨r das Verha¨ltnis der Kirche zu Christus belegte Vorstellung auf, daß der Mond sein Licht von der Sonne erhalte. Die politischen Implikationen dieses von Autoren des 11. und 12. Jahrhunderts gern und vielfa¨ltig gebrauchten Bildes machte sich das Reformpapsttum versta¨rkt zu eigen. Mit Innocenz’ III. beru¨hmten Brief an den Tuszi-

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siehe aus Cremoneser Perspektive Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, S. 25f. Pastoureau, Traite´, S. 177–187; Paravicini, Gruppe, S. 360ff., zu Familienwappen. Vgl. bereits Erdmann, Fahnen, S. 41f. Seinem spa¨teren Fazit – Ders., Entstehung, S. 49, zu dieser Fahne: „Noch damals also hatte die rot-weiße Kreuzfahne den Charakter eines rein religio¨sen Symbols, noch nicht den eines territorialen Abzeichens.“ – stimme ich, wie meine Interpretation zu zeigen versucht, nicht zu. Die explizite Deutung des heraldischen Fahnenbildes als allegorisches Bild der Passion Christi findet sich dann spa¨ter in der Kreuzzugspredigt aus Saint-Gilles du Gard; siehe unten Kapitel 2.5. Vgl. auch Meier – Suntrup, Lexikon, bes. S. 421, 437 und 444; Suntrup, Farbenbedeutung, S. 454–461; allgemein Meier, Middle Ages; Pastoureau, Histoire. Paravicini Bagliani, Leib, S. 89–101; Ders., Chiavi. Laag, Sonne.

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schen Bund vom 30. Oktober 1198 begann dann seine eigentliche Karriere als Gleichnis fu¨r das Verha¨ltnis zwischen Sacerdotium und Regnum215. Der eine Generation zuvor geschriebene Brief der Maila¨nder ist meines Wissens bisher nicht in Zusammenhang mit diesen Farb- und Symboldiskursen gebracht worden. Dabei erweitert er sie um ein Paradebeispiel fu¨r die Entstehung heraldischer Symbolik an der Schnittstelle zwischen Handlungskontexten symbolischer Kommunikation und Ordnungsvorstellungen, die aus den Traditionen der Schriftkultur, der Liturgie oder der Herrschaftssymbolik gescho¨pft wurden216. Nicht nur der Papst, sondern auch eine Kommune des 12. Jahrhunderts gebrauchte die Farbkombination von Rot und Weiß sowie das Gleichnis von Sonne und Mond, um eine politische Ordnung in bildhafte Sprache zu fassen. Neben den heraldisch werdenden Farben behielten auch die Himmelsko¨rper einen Platz in der politischen Ikonographie der Kommunen. In spa¨teren Jahrhunderten schmu¨ckten sie die Wa¨nde der Kommunalpala¨ste vieler Sta¨dte, unter ihnen Florenz und Padua217. Ein anderes Schreiben Innocenz’ III. bietet auch das wahrscheinlich fru¨heste Beispiel fu¨r die allegorische Deutung der Fahne der Ro¨mischen Kirche. Wie der Brief des Papstes an den Tuszischen Bund, so scheint auch diese Quelle bisher nicht mit der ein halbes Jahrhundert a¨lteren aus Mailand verglichen worden zu sein, obwohl sie ebenfalls ein erkla¨render Begleitbrief zu einer entsandten heraldischen Fahne ist218. Die Ursa215 Die Register Innocenz’ III. 1. Pontifikatsjahr, 1198/99, Nr. 401, S. 599–601. Paravicini Bagliani, Chiavi, S. 13–19, weist darauf hin, daß Innocenz III. als erster Papst am Tag nach seiner Kro¨nung (22. Februar 1198), der zugleich der Festtag von Petri Stuhlfeier war, in der vatikanischen Basilika auf der cathedra Petri thronte. Vgl. Die Register Innocenz’ III. 1. Pontifikatsjahr, 1198/99, Nr. 23, S. 34f. Die Bildsymbolik dieses von Karl dem Kahlen geschenkten Thronsessels war wiederum von Sonne und Mond bestimmt. Vgl. zur Tradition des Bildes und seiner Bedeutung seit dem 12. Jahrhundert Kantorowicz, Dante’s ‚Two Suns‘; Hageneder, Sonne-Mond-Gleichnis; Constable, Relation; Quaglioni, Quanta est differentia inter solem et lunam. 216 Es wa¨re lohnenswert, nach weiteren Parallelen zu suchen. Vielleicht la¨ßt sich die nur u¨ber ihre Beschreibung zuga¨ngliche Fahne der Tortonesen mit Beispielen aus der mate¨ berlieferung, wie der Bleibulle des sardischen Ko¨nigs Bareso von 1182 verriellen U gleichen, die ein abwechselnd von Sonnen und Halbmonden bewinkeltes Kreuz zeigt; Muratori, De Sigillis Medii Aevi, S. 113f. Auch die Kommune Treviso fu¨hrte ein vergleichbares Wappen: in Rot ein durchgehendes silbernes Kreuz, in den oberen Kreuzwinkeln bewinkelt von zwei silbernen Sternen; Dupre` Theseider, Stemmi, S. 314. Vgl. Kantorowicz, Kaiser, S. 50, zu 1210: „und wenn auch Friedrich selbst noch stolz in Nachahmung des Kaisers damals Sonne und Mond, die Weltherrschaftszeichen, in sein sizilisches Ko¨nigssiegel einfu¨gte“; Hucker, Siegel. 217 Morpurgo, Apocalissi, S. 375f.; vgl. Norman, Astrology. 218 Vgl. aber Erdmann, Fahnen, S. 46f.; Ders., Wappen, S. 229ff., interpretiert sie in einem historischen Kontext und setzt sie auch in Beziehung zum Apsismosaik von Alt-

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che dafu¨r mag darin liegen, daß die Distanz zwischen den lombardischen Kommunen und dem durch den Papst vorgesehenen Wirkungskreis dieser Fahne bisher gegenu¨ber der Wahrnehmung des strukturell Vergleichbaren u¨berwog. Der Bestimmungsort der Fahne und ihres Begleitschreibens lag na¨mlich nicht auf der Appenninenhalbinsel. Ihr Empfa¨nger war der Bulgarenzar Kalojan. Dieser hatte mit seinen Bru¨dern 1185 die byzantinische Herrschaft abgeschu¨ttelt und in den folgenden Jahren das wiedererrichtete Bulgarenreich zu konsolidieren verstanden219. Auf die von Innocenz um 1200 eingeleitete Aufnahme diplomatischer Beziehungen und auf die Vera¨nderungen, die der Vierte Kreuzzug brachte, reagierte Kalojan, indem er sich mit Berufung auf die alten Kontakte zwischen den Pa¨psten und den von ihm als nostri predecessores in Anspruch genommenen Zaren des ersten bulgarischen Reiches an den gegenwa¨rtigen Nachfolger Petri wandte: Sic et imperium meum voluit benedictionem, et imperiale firmamentum corone capitis imperii sui suscipere et patriarchalem benedictionem ab ecclesia Romana, ab apostolica sede, principe apostolorum Petro et a sanctissimo patre nostro et universali papa tercio Innocentio.220 Die ‚Gesta Innocentii papae III‘ berichten von den Gesandtschaften, die in den folgenden Jahren zwischen Rom und Kalojans Hauptstadt Trnovo hin und her wechselten221. Sie geben auch den Wortlaut der Schreiben wieder, aus denen die Verhandlungsgegensta¨nde ersichtlich werden. Das Maximalziel des Herrschers war die pa¨pstliche Anerkennung seines gleichwertig zu Byzanz bestehenden Kaisertums mit einer in einem autokephalen Patriarchat zusammengefaßten bulgarischen Kirche. Sein in diesem Sinne an Innocenz gerichtetes Schreiben, aus dem ich oben zitiert habe, hatte bezeichnenderweise die Form eines Chrysobulls, der von den byzantinischen Kaisern gebrauchten Goldbullen222. In dem im Fru¨hjahr 1204 – zeitgleich zur Begru¨ndung des lateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel – von den beiden Unterha¨ndlern, dem pa¨pstlichen Kapellan Johannes von Casamari und dem Bischof Blasius von Braniˇcevo, gefundenen und vom Papst gebilligten Kompromiß kam dieser den Forderungen auf einer niedrigeren Rangebene entgegen: er entsandte einen Legaten, um Kalojan zum Ko¨nig (rex) der Bulgaren und Walachen zu kro¨nen und

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St. Peter; Ders., Entstehung, S. 175, erwa¨hnt sie kurz, ohne auf sie einzugehen. Paravicini Bagliani, Chiavi, beru¨cksichtigt sie gar nicht. Vgl. Prinzing – Mattejiet, Kalojan. Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 4, S. 14f. Gesta Innocentii papae III, Rubr. 65–77, Sp. CXXV–CXXVIII. Gesta Innocentii papae III, Rubr. 70, Sp. CXXVI; Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 4, S. 14f.

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um den Metropoliten von Trnovo in den Rang eines Primas von Bulgarien zu erheben223. Mit dieser Mission betraut wurde der Kardinalpriester Leo von Santa Croce, der mit einem umfangreichen Gepa¨ck von Insignien, Paramenten, Papstbullen und weiteren scripta et instructiones in Richtung Trnovo aufbrach224. Dort am 15. Oktober heil (sanus et sospes) angekommen, erhob er am 7. November den Metropoliten Basileios zum Primas, um dann am folgenden Tag, dem Fest des heiligen Michael, Kalojan zum Ko¨nig zu kro¨nen. Der Kro¨nungsbericht, den Basileios anschließend dem Papst schickte, ist zwar detaillierter als der des Neugekro¨nten, doch entha¨lt dieser ein fu¨r unsere Frage entscheidendes Detail, den Hinweis auf eine Fahne. Nach der Anweisung des Papstes und den Berichten salbte Leo den Herrscher, setzte ihm die geweihte Krone aufs Haupt, legte ein Szepter und eine Fahne in seine Ha¨nde und segnete schließlich ihn und sein Reich225. In der Herausforderung, die Neuordnung Bulgariens u¨ber eine große ra¨umliche und kulturelle Distanz hinweg nicht nur auszuhandeln, sondern auch mit den Mitteln der symbolischen Kommunikation vor Ort in Kraft zu setzen, du¨rfte ein Grund dafu¨r zu sehen sein, daß wir u¨ber diese Fahne mehr als u¨ber andere der von Pa¨psten vergebenen Fahnen wissen226. Ein weiterer Grund du¨rfte in der kommunikativen Begabung des Conti-Papstes zu finden sein, der fu¨r die grundlegenden Positionen seines Pontifikats in innovativem Umgang mit der Tradition neue Formen ¨ berder Inszenierung und Verbildlichung fand227. Erho¨ht wurden diese U lieferungschancen dann nicht nur durch die Korrespondenz zwischen den Bulgaren und der ro¨mischen Kurie, sondern auch durch das dem Coronator mitgegebene Dossier von zu verlesenden Schriftstu¨cken, in denen 223 Zu den Legationen nach Bulgarien siehe Zimmermann, Legation, hier bes. S. 128, 207 und 225f.; Sweeney, Innocent III. 224 Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 231, S. 411–412. Zu ihm siehe Maleczek, Papst, S. 137ff. 225 Der Bericht des Basileios: Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 231, S. 411–412; der Bericht Kalojans: ebenda, Nr. 230, S. 409ff.: Hoc autem notum sit sanctitati vestre, pater spiritualis regni mei, domine papa, quod dominus Leo legatus apostolice sedis venit ad imperium meum sibi afferens coronam et eam benedicens super caput imperii mei imposti et in manibus meis dedit michi sceptrum atque vexillum. Et benedixit sanctissimo patriarche regni mei et totius Bulgarie ex precepto vestre sanctitatis. Vgl. auch die Gesta Innocentii papae III, Rubr. 73, Sp. CXXVIf. 226 Die bereits in den Vorverhandlungen auftretenden Hemmnisse, wie die Sprachbarriere oder die Unpassierbarkeit der byzantinischen Verkehrswege und Ha¨fen, werden in der Korrespondenz bewußt thematisiert. Kalojan erbat sich ein pa¨pstliches Privileg u¨ber die Kro¨nung und schickte anschließend Prinzen, um sie an der Kurie ausbilden zu lassen; Sweeney, Innocent III. 227 Paravicini Bagliani, Chiavi, passim.

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der abwesende Papst die in der Ferne zum Einsatz gebrachten Insignien in seinem Sinne erkla¨rte. Erhalten sind sie in den ‚Gesta Innocentii papae III‘, deren Verfasser seine Erza¨hlung des Geschehens um sie herum entwickelte. So berichtet er unter anderem, daß der Papst dem Legaten auch eine Fahne mit einem an den Ko¨nig gerichteten Schreiben mitgab228. In diesem Schreiben, das wahrscheinlich im rituell-liturgischen Kontext der Kro¨nung o¨ffentlich verlesen und mo¨glicherweise sogar u¨bersetzt wurde, erkla¨rte der Papst das Bild der Fahne, mit der der Kardinal den Ko¨nig investierte: ‚Auf daß du durch das Kreuz unseres Herrn Jesu Christi mit dem Apostel Ruhm gewinnen wirst und nicht dir, sondern dem, vor dem alle Knie sich beugen (Jes 45,23), in Zukunft deine Triumphe zuschreiben wirst, „der die Ha¨nde den Kampf lehrt und die Finger zum Krieg bewegt“ (Ps 143,1), und du in den Wechselfa¨llen der Kriege dessen Zuspruch ho¨ren wirst, um dich zu sta¨rken, dem der Herr die Schlu¨ssel des Himmelreiches und die Macht zu binden und zu lo¨sen u¨bertragen hat, lassen wir dir auf die Bitte unseres ehrwu¨rdigen Bruders Blasius, des Bischofs von Braniˇcevo, hin zusa¨tzlich zu den Insignien der Ko¨nigswu¨rde, die wir deiner Hoheit durch den geliebten Sohn Leo, den Kardinalpriester von Santa Croce und Legaten des apostolischen Stuhles, ein versta¨ndiger und ehrenhafter Mann, schicken, durch denselben eine Fahne u¨berbringen, die du gegen jene gebrauchen sollst, die mit den Lippen den Gekreuzigten ehren, deren Herz aber weit entfernt von ihm ist (Jes 29,13). Diese zeigt nicht ohne symbolische Bedeutung Kreuz und Schlu¨ssel, weil der heilige Apostel Petrus sowohl das Kreuz fu¨r Christus ertrug, als auch die Schlu¨ssel von Christus empfing. Daher steht das Zeichen des Kreuzes, in dem Christus, da er ja gesiegt hat, herrscht und regiert, dafu¨r, daß er die Himmelsma¨chte unterworfen hat und, dieses nehmend, als Beute den Ra¨uber verschlungen hat, sterbend als Leben den Tod hinweggenommen und den Behemoth mit seinen Augen wie mit einem Fanghaken ergriffen hat. Die Zweiheit der Schlu¨ssel steht wiederum fu¨r die Fa¨higkeit zur Unterscheidung zwischen dem einen und dem anderen, damit dir, wenn du unterscheidest zwischen Gutem 228 Gesta Innocentii papae III, Rubr. 74, Sp. CXXVII: Misit etiam per eumdem legatum eidem regi vexillum, cum litteris habentibus hunc tenorem: [...].

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und Bo¨sem, dem Licht und der Finsternis sowie dem Heiligen und dem Profanen, das weltliche Schwert zur Bestrafung der ¨ belta¨ter anvertraut sei, das du zum Lob der Guten gebrauU chen und die Waffen und den Schild gegen jene ergreifen sollst, die sich Gott nicht zum Helfer gewa¨hlt haben, sondern auf ihre Wildheit und Anzahl vertrauen und die danach trachten, wider den Stachel zu lo¨cken (Apg 26,14). Wir ermahnen also die ko¨nigliche Hoheit, indem wir sie eindringlich dazu anhalten, und wir haben dich auch durch apostolische Schreiben dazu angewiesen, damit du diese Fahne in der Demut des Herzens fu¨hrst und inmitten des Kampfgeschehens die Erinnerung an die Passion des Herrn beha¨lst und den Oberbefehl dessen anerkennst, dem der Herr selbst sagte: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Ho¨lle sollen sie nicht u¨berwa¨ltigen. Ich will dir die Schlu¨ssel des Himmelreichs geben“ (Matth 16,18–19). So ko¨nnen na¨mlich deine Feinde nicht allein gegen dich nicht den Sieg davontragen, sondern auch, wenn der Herr es gibt, vor deinem Antlitz nicht bestehen.‘229

229 Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 12, S. 26f.: Ut in cruce Domini nostri Iesu Christi cum Apostolo glorieris et non tibi sed ei, cui flectitur omne genu, tuos decetero triumphos ascribas, qui docet manus ad prelium et digitos movet ad bellum, et inter varios bellorum eventus eius suffragio sentias te muniri, cui Dominus claves regni celorum et ligandi atque solvendi contulit potestatem, preter regie dignitatis insignia, que tibi per dilectum filium L(eonem), tituli sancte Crucis presbyterum cardinalem, apostolice sedis legatum, virum providum et honestum, tue serenitati dirigimus, per eundem vexillum, quo contra illos utaris, qui honorant labiis Crucifixum, cor autem eorum est longinquum ab ipso, ad petitionem venerabilis fratris nostri B(lasii), Brandizib(er)ensis episcopi, tibi duximus destinandum. Pretendit autem non sine misterio crucem et claves, quia beatus Petrus apostolus et crucem pro Christo sustinuit et claves a Christo suscepit. Representat itaque signum crucis, utpote in quo Christus, qui vincit, regnat et imperat, debellavit aereas potestates et in quo capiens preda predonem absorbuit, moriens vita mortem et Behemot cepit in suis oculis quasi hamo. Clavem autem geminam representat, discretionis alteram, reliquam potestatis, ut, cum discreveris inter bonum [et] malum, lucem et tenebras, sanctum etiam et prophanum, commissum tibi materialem gladium ad vindictam malefactorum et laudem bonorum exerceas et arma contra illos apprehendas et scutum, qui non posuerunt Deum adiutorem sibi, sed in feritate sua et multitudine confidentes nituntur contra stimulum calcitrare. Monemus igitur serenitatem regiam et exhortamur at(tentius) et per apostolica tibi scripta mandamus, quatinus eodem vexillo in humilitate cordis utaris et inter acies bellicas memor Dominice passionis existas eiusque magisterium recognoscas, cui Dominus ipse dicit: ‚Tu es Petrus et super hanc petram edificabo ecclesiam meam et porte inferi non prevalebunt adversus eam; et tibi dabo claves regni coelorum‘. Sic etenim inimici tui non solum contra te prevalere non poterunt, sed ante faciem tuam dante Domino non subsistent.

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¨ ber Die Fahne zeigte also ein Kreuz sowie mindestens zwei Schlu¨ssel. U 230 ihre Farben sagt das Schreiben nichts aus . Dennoch wird man das Fahnenbild als heraldisch ansprechen ko¨nnen, da es dieselben Figuren zeigt, wie das vor allem im 13. und 14. Jahrhundert begegnende, auf Schilden und Fahnen getragene Wappen der Ro¨mischen Kirche: in Rot ein durchgehendes weißes Kreuz, bewinkelt von den Schlu¨sseln Petri231. Ho¨chstwahrscheinlich handelt es sich bei der Beschreibung von 1204 sogar um den fru¨hesten Beleg fu¨r diese Wappenfahne. Nicht nur in der Praktik, dem Empfa¨nger die Deutung eines an sich offenen Zeichens durch einen schriftlich niederlegten Text vorzugeben, sondern auch in der inhaltlichen Vorgehensweise stimmen die Briefe der Maila¨nder an die Tortonesen und Innocenz’ III. an Kalojan u¨berein. Auch der Papst hob nicht eigens hervor, daß das Fahnenbild die Qualita¨t eines Wappenbildes besaß, sondern machte es zum Gegenstand einer Allegorese, in der eine neu zu etablierende Ordnung programmatisch u¨ber symbolische Verweise auf die go¨ttliche Weltordnung legitimiert wurde232. In beiden Fa¨llen wurde ein Herrschaftsverband mit einer hierarchischen Ordnung begru¨ndet233. So wie die Maila¨nder aus ihren Leistungen ihren auf Dauer angelegten Einfluß auf die Kommune von Tortona kosmolo230 In ju¨ngeren Belegen steht in Rot ein weißes (silbernes) Kreuz, bewinkelt mit weißen (silbernen) Schlu¨sseln, von denen einer auch golden sein kann. Aus dem wenige Jahre zuvor belegten Aufkommen der kaiserlichen Kreuzfahne hat die a¨ltere Forschung geschlossen, daß Innocenz III. diese als Zeichen seines Machtanspruches u¨bernommen und in seinem Sinne umgedeutet habe; Erdmann, Wappen, S. 229ff. Denkbar wa¨re aber auch ein Einfluß der im gleichen Zeitraum zu großer Bedeutung fu¨r das Papsttum gelangenden Farbkombination von Rot und Weiß, worauf zuletzt Paravicini Bagliani, Chiavi, aufmerksam gemacht hat. 231 Galbreath, Heraldry, S. 3ff.; Erdmann, Wappen; Edgerton, Pictures, Abb. 4, S. 31. 232 In dem Schreiben an den Primas unterschied der Papst, der dazu auf sein eigenes Werk ‚De missarum mysteriis‘ zuru¨ckgriff, zwischen einer ratio ystorica und einer ratio mistica der Insignien; Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 3, S. 8–13. 233 In seinem Brief an einen der Suffragane des neuernannten Primas gebraucht der Papst nicht nur die bekannte Ko¨rpermetapher, sondern auch das Bild der mit unterschiedlicher Helligkeit leuchtenden Sterne, um eine Hierarchie als von Gott eingerichtete kosmische Ordnung erscheinen zu lassen. Diese Begru¨ndung gilt dadurch auch fu¨r die Insignien, die die Ehre ihres Tra¨gers als Teil eines Ganzen zum Ausdruck bringen. Die symbolische Kommunikation und ihre Medien sind in dieser Deutung Teil der Scho¨pfung; Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 7, S. 21f.: Cum omnes unum corpus simus in Christo, singuli autem alter alterius membra, nec omnia membra eundem actum habere noscantur, sed non solum in officiis sed in forma et a se distent, distantia huiusmodi vel differentia potius non deformitatem corporis sed decorem potius operante, cum stella etiam in claritate distet a stella, decet, ut, qui maiorem locum in ecclesia Dei tenent, honorentur amplius et specialibus honoris insignibus adornentur.

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gisch begru¨ndeten, beanspruchte Innocenz III. die potestas und das magisterium u¨ber das Reich Kalojans als Nachfolger des Stellvertreters Christi. Diese Botschaft wird noch versta¨rkt, wenn man sich vergegenwa¨rtigt, daß das Fahnenbild in einem feierlichen Akt symbolischer Kommunikation zur Geltung gebracht wurde und daß die Erkla¨rung der Fahne im selben Handlungskontext verlesen wurde, wie auch das schriftliche ‚Hauptstu¨ck‘ der Kro¨nung, die durch den Bulgarenherrscher erbetene feierliche Papstbulle. Diese Urkunde, deren Gedanken und Wendungen das nachgeordnete Schreiben aufnimmt, beginnt mit der fu¨r Innocenz III. charakteristischen Argumentation, daß Christus als Herr des Himmels und der Erde Petrus als seinen Stellvertreter u¨ber alle Vo¨lker und Reiche eingesetzt habe. Durch die apostolische Sukzession besa¨ßen also der Papst und die Ro¨mische Kirche diese Macht234. Diese ekklesiologischen und herr¨ bergabe des schaftstheologischen Anspru¨che, die in Trnovo durch die U Palliums an den ku¨nftigen Primas und der Fahne an den ku¨nftigen Ko¨nig inszeniert wurden, finden ihre bildliche Entsprechung in zwei beru¨hmten Mosaiken des pa¨pstlichen Rom, in denen Fahnen zu sehen sind: dem Mosaik in der Hauptapsis des Tricliniums im Lateranpalast sowie dem unter Innocenz III. erneuerten Apsismosaik von Alt-St. Peter. Im Mittelpunkt des Mosaiks im Lateran steht Christus im Kreis der Ju¨nger, die von ihm den Missionsauftrag erhalten. Von diesem Bild aus gesehen rechts ist der thronende Christus dargestellt, der Petrus mit den Schlu¨sseln und Kaiser Konstantin mit einer Fahnenlanze investiert. Fortgesetzt wird dies auf der linken Seite mit dem Bild des thronenden Petrus, der Papst Leo III. das Pallium und Karl dem Großen eine Fahnenlanze reicht235. Auch das erga¨nzte Mosaik im Vatikan zeigt Christus und die im biblischen Bild als Prozession weidender La¨mmer dargestellte universalis Ecclesia236. Genau dieses Bild der einen Herde unter dem einen, von Gott eingesetzten Hirten, wird zu Beginn der vom Papst entsandten Kro¨nungsbulle Kalojans entfaltet und auf die Ecclesia Romana sowie auf den Papst als Nachfolger Petri und exklusiven Stellvertreter Christi bezogen237. Auf dem Mosaik schart sich in Entsprechung dazu die Herde um die Hierarchie von Agnus Dei, Papst Innocenz selbst, sowie der als weibliche Personifikation dargestellten Ro¨mischen Kirche, die einen Kreuzstab mit einer Fahne ha¨lt, in deren Feld zwei Schlu¨ssel zu sehen sind. Die bis auf den 234 Ebenda, Nr. 1, S. 3–6. 235 Schramm, Kaiser, S. 37 und 277–282, Abb. 7. Vgl. zuletzt die Darstellung durch den Kunstgeschichtler Luchterhandt, Famulus Petri, sowie die anderen einschla¨gigen Artikel des Katalogwerkes. 236 Paravicini Bagliani, Chiavi, S. 20, 31, 43–48 und 97f. mit den Abb. 4–7, 22 und 23. 237 Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 1, S. 3–6.

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Kopf im Original verlorene Ecclesia Romana des Mosaiks ist der Erstbeleg fu¨r die Verwendung der bisher dem Apostel Petrus als Attribute zugeordneten Schlu¨ssel als Symbole des Papsttums beziehungsweise der Kirche. Bezeichnenderweise entwickelte die Neuerung bestehende Bildformeln weiter. Die Fahne ist seit dem 9. Jahrhundert als Attribut der wohl auf die spa¨tantike Roma zuru¨ckgehenden Ecclesia Romana nachweisbar238. Zeigen ihre a¨lteren Darstellungen ebenso wie die beiden Fahnen des fru¨hmittelalterlichen Mosaiks im Lateran noch vorheraldische, ornamentale Bilder, so findet sich an zentraler Stelle des fu¨r das Papsttum Innocenz’ III. programmatischen Bildes im Vatikan nun ein Fahnenbild, das heraldisch beschrieben und im Kontext der spa¨teren Wappenfu¨hrung von Papst und Kirche verortet werden kann. Die Entsendung der Fahne im Jahre 1204 erscheint vergleichbar dazu, wenn man ¨ bergabe wahrnimmt: im litursie in der gewollten Komplexita¨t ihrer U gischen Rahmen der Ko¨nigskro¨nung erga¨nzten sich die Bildaussage des fru¨hheraldischen Fahnenbildes und die Aussagen der gezeigten und verlesenen Papstbulle und des fu¨r die Interaktion selbst bestimmten Textes. Diese Integriertheit der neuen Zeichen mitsamt ihren Tra¨germedien in eine interaktiv funktionierende Kommunikation sowie ihre u¨ber die Deutung der heraldischen Zeichen vermittelte unhinterfragbare Ableitung aktueller politischer Intentionen und hierarchischer Herrschaftskonzepte aus religio¨sen Ordnungsvorstellungen sind zu beobachtende Gemeinsamkeiten der Fahnen von 1155 und 1204. Gemeinsam ist ihnen ebenfalls der Ru¨ckgriff auf eigene Identita¨tsbilder, um mittels heraldischer Symbolik in der Ferne pra¨sent zu sein. Der Vergleich zeigt nicht ¨ hnlichkeiten im innovativen Gebrauch von Fru¨hformen heraldinur A scher Symbolik, sondern natu¨rlich auch zahlreiche Unterschiede, die die 238 Erdmann, Wappen, S. 242f.; Ders., Entstehung, S. 34ff. Stroll, Maria Regina, macht auf Quellen aufmerksam, die zeigen, daß sich in der Theologie und Monumentalkunst des 12. Jahrhunderts die Typen der Ecclesia Romana und der Maria Regina einander anna¨herten. In ihrer Interpretation des Apsismosaiks von Alt-St. Peter, ebenda S. 184f., arbeitet sie außerdem heraus, daß die gekro¨nte Ecclesia Romana den weltlichen Herrschaftsanspruch des komplementa¨r zu ihr dargestellten Papstes symbolisiert, geht in ihrer Gleichsetzung der Personifikation mit der ikonographisch distinkten Maria Regina meines Erachtens jedoch zu weit. Auch in ihrer Identifizierung der Fahne als „imperial banner“ – die die Fahnenbeschreibung Innocenz’ III. von 1204 und die pa¨pstliche Heraldik unberu¨cksichtigt la¨ßt – macht sie es sich meines Erachtens zu einfach: „The vexillum is distinctively imperial, resembling the banner that St Peter gave to Charlemagne, depicted in the mosaics of Leo III in the Triclinium in the Lateran palace“. Was an der Fahne „entschieden kaiserlich“ sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls la¨ßt sie sich nicht ohne weiteres mit den vorheraldischen Fahnen weltlicher Herrscher gleichsetzen. Zu der von Leo III. an Karl den Großen gegebenen vorheraldischen „Ro¨merfahne“ siehe Erdmann, Fahnen, S. 13ff.

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Besonderheit der symbolischen Kommunikation der italienischen Kommunen – in den verwendeten Medien, in der Vero¨ffentlichungssituation der Volksversammlung – hervortreten la¨ßt. Insgesamt gesehen sind die in Tortona und Trnovo gezeigten Fahnen mit dem Bild des von Beizeichen begleiteten Kreuzes Belege fu¨r die Offenheit und Multifunktionalita¨t heraldischer Zeichen als Bedeutungstra¨ger und Medien symbolischer Kommunikation in verschiedenen politischen Kontexten. Die im Namen Innocenz’ III. in Rom und Anagni formulierten Bildaussagen mit ihrer in das gesamte Abendland ausstrahlenden Tragkraft zeigen – a¨hnlich wie die bereits erwa¨hnten Kaiserfahnen, mit denen die Kommunen schon im 12. Jahrhundert in Beru¨hrung kamen – auch den Horizont der heraldischen Symbolik um 1200 auf. Die Innovationen des Conti-Papstes, die sich im Feld der symbolischen Politik mit denen der Kommunen vergleichen lassen, gingen wiederum auf die Traditionen des Papsttums zuru¨ck. Fu¨r einen weiteren Einfluß der a¨lteren Traditionen auf die ausgehandelte Formensprache und ihre allegorisch-theologischen Begru¨ndungen gibt es weitere Hinweise. Der Zar hatte sich, wie gesagt, in seinem Anliegen auf vorgefundene alte Schriften berufen und es war sein Unterha¨ndler, der dem Papst gegenu¨ber den Wunsch nach der Verleihung einer Fahne gea¨ußert hatte239. Dies ko¨nnte – wie auch im Fall anderer Verhandlungsgegensta¨nde – auf die ‚Responsa Nicolai I. papae ad consulta Bulgarorum‘ hindeuten, in denen Nikolaus I. im Jahre 866 auf das Labarum Konstantins verweist und den soeben zum Christentum u¨bergetretenen Bulgaren empfiehlt, das Kreuz als Feldzeichen zu fu¨hren240. Diese Traditionsvorgabe, die ihrerseits nicht auf lebensweltliches sondern schriftlich vermitteltes Wissen zuru¨ckging, fand nun eine neuartige Umsetzung in einem heraldisch werdenden Fahnenbild. Eine andere aktuelle Bezeichnungsvollmacht, die Blasius zur Sprache brachte, betraf die Mu¨nzbilder. Der Papst gestattete Kalojan, in seinem Reich mit seinem character bezeichnete Mu¨nzen schlagen zu lassen241. Die Fahne geho¨rte also zu einem ganzen Bu¨ndel von Herrschafts239 Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 4, S. 14f.; Sweeney, Innocent III, S. 323. 240 Die Register Innocenz’ III. 5. Pontifikatsjahr, 1202/1203, Nr. 115 (116), S. 226–229. Gjuzelev, Responsa. Erdmann, Entstehung, S. 33f.: „Zwar blieb die literarische Tradition vom Labarum Konstantins allgemein bekannt. Nicolaus I. nimmt in sein Lehrschreiben an die Bulgaren die Erza¨hlung des Eusebius u¨ber das Labarum auf, indem er die Fu¨hrung des Kreuzes als Feldzeichen empfiehlt und sogar den Anschein erweckt, als wa¨re das in christlichen La¨ndern allgemein u¨blich. Aber in Wahrheit brauchte man im Abendland noch ebenso wie in vorchristlicher Zeit gewo¨hnliche, profane Fahnen.“ 241 Die Register Innocenz’ III. 7. Pontifikatsjahr, 1204/1205, Nr. 1, S. 3–6, hier S. 5: Ad petitionem insuper venerabilis fratris nostri Blasii, Branduziberensis episcopi, quem ad

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zeichen, um deren Etablierung aus der Ferne die Bulgaren den Papst gebeten hatten. In der Interpretation des Papstes, die sie nicht zu den eigentlichen Insignien der Ko¨nigswu¨rde za¨hlt, wird sie jedoch zu dem Zeichen, das u¨ber die symbolischen Verweise auf Christus und Petrus die Oberhoheit des Papstes sichtbar macht. Wie die Petersfahne tra¨gt sie „ihren Doppelcharakter als Kreuzzugs- und Belehnungssymbol“242. In dieser Perspektive bestand ihre Funktion darin, die Anspru¨che u¨ber die ra¨umliche Distanz hinweg visuell zu vermitteln und pra¨sent zu halten. Gleiches la¨ßt sich auch an der durch die Ordnungsmacht Mailand den Tortonesen verliehenen Fahne beobachten. Im Unterschied zu vorheraldischen Fahnen konnten diese beiden Fahnen aus der Entstehungszeit des Wappenwesens dies aufgrund ihrer semiotischen Qualita¨ten leisten. Es lag nicht an ihnen, sondern am Selbstbewußtsein der Empfa¨nger, daß eine Behauptung dieser Anspru¨che auf Dauer nicht funktionierte. Die Bulgaren ignorierten einfach die Rangzuru¨ckstufung durch den Papst und gebrauchten weiterhin die Titel eines dem Autokrator gleichwertigen Zaren und eines Patriarchen243. In der Auseinandersetzung mit dem lateinischen Kaiserreich von Konstantinopel griff Kalojan sogar auf die durch den Papst verliehenen Herrschaftszeichen zuru¨ck, die sein Herrschaftshandeln im kompetitiven Vergleich mit dem der Franken als hochwertiger erwiesen. Nachdem der Zar am 14. April 1205 vor Adrianopel ein Kreuzfahrerheer geschlagen und den lateinischen Kaiser gefangen genommen hatte, forderte ihn Innocenz unter Berufung auf die mit den Insignien verknu¨pfte Gehorsamspflicht zur Freilassung Balduins I. und zum Friedensschluß auf244. Der Bulgare antwortete mit einer Schilderung des Geschehens, die die mit den Insignien verknu¨pfte Interpretation in seinem Sinne umdeutete: Er habe die Krone legitime vom Papst empfangen, sein Konkurrent dagegen habe die seine usurpiert. Schließlich habe er unter der Schlu¨sselfahne, die ihm der heilige Petrus verliehen habe, gegen die mit „falschen Kreuzen“ bezeichneten Lateiner geka¨mpft und einen Sieg errungen, den er dem Apostelfu¨rsten zuschreibe245.

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sedem apostolicam destinasti, publicam in regno tuo cudendi monetam tuo caractere insignitam liberam tibi concedimus facultatem. Erdmann, Fahnen, S. 47. Ducellier, Byzanz, S. 368ff. Die Register Innocenz’ III. 8. Pontifikatsjahr, 1205/1206, Nr. 130 (129)–133 (132), S. 236–244. Gesta Innocentii papae III, Rubr. 108, Sp. CXLVII–CXLVIII, in der Wiedergabe des nicht erthaltenen Schreibens Kalojans: ipse praeterea coronam regni legitime receperat a summo pontifice; sed ipse, qui se appellabat Constantinopolitanum basileum, coronam imperii temere usurpaverat a se ipso: quare, potius ad ipsum quam ad illum imperium

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Tortona wiederum fu¨hrte spa¨testens seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert nicht mehr das ihr von den Maila¨ndern zugedachte Wappenbild, sondern ein neues: einen steigenden Lo¨wen, der in seinen Pranken eine Rose ha¨lt246. Die Bulgaren waren mit Sicherheit, die Tortonesen ho¨chstwahrscheinlich an den Vorverhandlungen u¨ber die erstmalige Inszenierung der neuen Zeichen beteiligt gewesen, von der zudem eine verpflichtende Wirkung ausging. Die deutliche Asymmetrie beider Verha¨ltnisse und das Ausbleiben direkter Sanktionen werden jedoch dazu gefu¨hrt haben, daß die Empfa¨nger in der Folgezeit eigene Deutungen behaupten oder entwickeln konnten. Die Forschung hat die Entsendung der Fahne an Kalojan in die Traditionslinie der von den Pa¨psten seit dem 11. Jahrhundert geu¨bten Fahnenbelehnungen gestellt247. Als durch den Papst verliehenes Legitimationszeichen stand sie in einer Linie mit den vorheraldischen vexilla sancti Petri, von denen sie sich weniger in den Intentionen, als im Vorhandensein ihrer ausdifferenzierten visuellen Botschaft unterschied248. Auch sie war eine „heilige Fahne“, deren Fu¨hrung die Ausu¨bung herrschaftlich-staatlicher Gewalt legitimierte, ihren Tra¨ger aber auch zugleich auf die Einhaltung der von der Ro¨mischen Kirche propagierten Kriegsethik verpflichtete249. In einem spa¨teren Schreiben bezeichnete Innocenz III. sie als vexillum militaris250. Die Bedeutung der Fahne als Zeichen des milita¨rischen Triumphes begegnet hier ebenfalls am Beispiel einer fru¨hen heraldischen Fahne. Mit den neben den Heiden genannten scheinbaren Christen, gegen die Kalojan als ihr Tra¨ger vorgehen sollte, ko¨nnten die Bogomilen gemeint sein, denen nachgesagt wurde, Vor-

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pertinebat, ideoque sub uno vexillo, quod a beato Petro receperat, ejus clavibus insignito, pugnaret fiducialiter contra illos qui falsas cruces suis humeris praeferebant: provocatus igitur a Latinis, compulsus fuit ut defenderet se ab illis; deditque sibi victoriam insperatam Deus, qui superbis resistit, humilibus autem dat gratiam (Jac. VI,6); ipsamque victoriam beato Petro apostolorum principi ascribebat. Bascape´, Sigillografia 1, S. 210 und 232f. Erdmann, Entstehung. Erdmann, Entstehung, bes. das sechste Kapitel: „Vexillum sancti Petri“, S. 166–184, mit dem Hinweis, daß es mit Ausnahme des Teppichs von Bayeux keine Angaben zum Aussehen der Petersfahnen in unmittelbar zeitgeno¨ssischen Quellen gibt. Ders., Fahnen, S. 47: „Die Fahne wird hier nicht ausdru¨cklich als Petersfahne bezeichnet, darf aber mit dieser identifiziert werden“. Erdmann, Entstehung. Die Register Innocenz’ III. 8. Pontifikatsjahr, 1205/1206, Nr. 130 (129), S. 236–238: Cum igitur regium diadema et militare vexillum a nobis per legatum apostolice sedis acceperis, ut regnum tuum beati Petri sit speciale, providere volumus diligenter, ut ab hostium undique liberatus incursibus, tranquilla pace leteris.

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bildfunktion fu¨r die im Westen zum Problem werdenden Katharer zu haben251. Dafu¨r, daß die in der Deutung der Fahne angesprochene Botschaft christlicher Kriegfu¨hrung auch in anderen Komponenten des Kro¨nungsrituals eine Rolle spielte, la¨ßt der gewa¨hlte Festtag des Erzengels Michael erahnen. Denn in Byzanz, wie auch im lateinischen Westen, existierten Michaelsfahnen, die die angesprochenen Sinnzusammenha¨nge symbolisierten252. Die Art und Weise, in der sich der Papst der neuen Ausdrucksform der heraldischen Zeichen bediente, entspricht der am Beispiel von 1155 fu¨r die italienischen Stadtkommunen beobachteten. Die nicht mehr willku¨rlich bezeichneten, ornamental verzierten oder bildlosen sondern bewußt mit einem Wappenbild belegten Fahnentu¨cher erinnerten an eine abwesende Autorita¨t, in deren Namen eine Herrschaft vor Ort errichtet und legitimiert wurde. Dazu wurden die Herrschaftstra¨ger in einem o¨ffentlichen Ritual mit Fahnenlanzen investiert, die sie ku¨nftig selbst als Herrschaftszeichen gebrauchen sollten. Durch die Wappenbilder war an ihnen ablesbar, daß ihre Tra¨ger in einem hierarchisch geordneten Herrschaftsverband standen. Es ist bemerkenswert, daß sowohl die Maila¨nder als auch Innocenz III. ihren Repra¨sentanten Briefe mitgaben, die diese fru¨hen heraldischen Fahnenbilder erkla¨ren sollten. Diese Form der Fern-Kommunikation mit aufeinander bezogenen Zeichen und Schreiben bezeugt bereits die bewußte Gestaltung und die Bedeutung der Zeichen. Daß sie in den Schreiben nicht in der Art einer fachsprachlichen Blasonierung, wie sie seit dem Spa¨tmittelalter durch Herolde betrieben wurde, sondern in einer Allegorese gedeutet wurden, sollte die moderne Heraldik nicht als Manko, sondern als Schlu¨ssel zur zeitgeno¨ssischen Wahrnehmung und Funktionalita¨t der Wappenfahnen ¨ ber die ra¨umliche Distanz hinweg wurde die Deutung der verstehen. U prinzipiell ‚offenen‘ visuellen Zeichen in eine bestimmte, von den Absendern vorgegebene und schriftlich fixierte Richtung gelenkt. Anders als in der Neuzeit, in der etwa der Union Jack im Obereck der Fahnen von britischen Kolonien oder Commonwealth-Staaten in erster Linie als Ver251 Vgl. Prudlo, Inquisitor, S. 16f. und 39f. Zu den politischen Auswirkungen des Katharertums im Kirchenstaat siehe unten Kapitel 3.1 am Beispiel Orvietos. 252 Erdmann, Fahnen, S. 21f.; Ders., Entstehung, S. 17f. und 39f. Hinzuweisen ist auf die im 10. Jahrhundert entstandene sogenannte Kriegsfahne der Gerberga, die im Ko¨lner Domschatz verwahrt wird. Sie zeigt den von den Erzengeln und Heiligen umgebenen Christus und tra¨gt als Umschrift den ersten Vers des 143. Psalmes, der auch – in freier Wiedergabe – zu Beginn des Briefes von 1204 begegnet. Abgebildet ist sie bei Fried, Weg, nach S. 480.

2.3 Civilia signa und crux et claves in allegorischer Deutung

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weis auf den Staat des Vereinigten Ko¨nigreiches und seinen bestehenden oder erinnerten Herrschaftsanspruch aufgefaßt wird, betont die hochmittelalterliche Sicht der gea¨ndert oder unvera¨ndert u¨bertragenen Wappen in ihren weltlichen Herrschaftsanspru¨chen deren Ru¨ckgebundenheit an einen u¨bergeordneten, allgemein gu¨ltigen Legitimationsgrund. Die Wappen wurden so mit ihren spezifischen kommunikativen Mo¨glichkeiten in die multimediale o¨ffentliche Kommunikation integriert. So verschieden die beiden Herrschaftsverba¨nde waren, die die Kommune Mailand und das Papsttum errichteten, so bedienten sie sich doch vergleichbarer Formen symbolischer Kommunikation – vor allem Formen des Lehnswesens – als Instrumente der Politik. Beide verstanden ‚ihre‘ Kreuzfahnen als bildliche Hinweise auf Christus, der ihre eigenen Anspru¨che auf Ordnung und weltliche Herrschaft legitimierte. Indem die Maila¨nder fu¨r die Visualisierung ihres politischen Programms auf die in ihrem Brief angesprochenen Sinnzusammenha¨nge zuru¨ckgriffen, stellten sie ihre Widerstandspolitik gegen den soeben, am 18. Juni 1155, zum Kaiser gekro¨nten Staufer als Kampf um den Erhalt der gerechten Weltordnung dar253. Folgt man der Interpretation Carl Erdmanns, so konnte auch die Fahne der Kirche als Gegenentwurf zur Herrschaft des Kaisers gelesen werden254. Mit der zuvor bereits von den Maila¨ndern angewandten heraldischen Praktik der Brisur ha¨tte demnach spa¨testens Innocenz III. die kaiserliche Kreuzfahne, die uns von der Fahnenbelehnung Cremonas her bekannt ist, mit den Schlu¨sseln Petri kombiniert und dadurch „den Gedanken der Zweischwertertheorie zum Ausdruck [gebracht, d. Verf.]: die ho¨chste geistliche und weltliche Gewalt liegt vereint in der Hand des Papstes.“255 Wie es um die Effektivita¨t der durch Fern-Kommunikation eingerichteten Ordnung bestellt war, ist eine andere Sache. Im Falle der in diesem Kapitel diskutierten Beispiele hat sie la¨ngerfristig keinen Bestand gehabt. Fu¨r die italienischen Stadtkommunen sollte diese Form der Kontrolle u¨ber heraldische Symbolik jedoch im weiteren Verlauf des spa¨teren Mittelalters von Bedeutung bleiben. Dies betraf nicht nur die Kommunen des Kirchenstaates, die wa¨hrend des 14. Jahrhunderts die Fahne der Ro¨mischen Kirche als Feld- und Herrschaftszeichen erleben soll-

253 Dupre` Theseider, Stemmi, S. 330. Vgl. Go¨rich, Herrscher; Keller, Blick, S. 299–302. 254 Erdmann, Wappen, S. 229ff. 255 Erdmann, Wappen, S. 231; Ders., Fahnen, S. 47. Zur politischen Bedeutung der Aneignung kaiserlicher Herrschaftszeichen oder des Gebrauchs der Farbkombination Rot und Weiß durch die Pa¨pste, die sich sicherlich auch auf die Fahne und das Wappen der Ro¨mischen Kirche auswirkte, siehe Paravicini Bagliani, Chiavi.

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ten256. Zu nennen wa¨re auch die Omnipra¨senz des Adlerwappens des abwesenden Kaisers, mit dem kommunale Fu¨hrungsgruppen und Signoren Politik machten. Hier lag die Effektivita¨t in der Nutzung der kommunikativen Mo¨glichkeiten des Wappens vor Ort, ohne daß sein eigentlicher Besitzer eine direkte Herrschaft ausgeu¨bt ha¨tte. Ein im Vergleich zu den Kaiser- und Papstfahnen untergeordneter Bereich, in dem allerdings effektive Herrschaft durch heraldische Symbolik gelang, war die auf die Wappen der citta` dominante ausgerichtete Bezeichnung des beherrschten Territoriums. Die meines Wissens erstmals am Maila¨nder Beispiel zu beobachtende Praktik, das Abha¨ngigkeitsverha¨ltnis einer Kommune von einer anderen durch die Verleihung eines Wappens auszudru¨cken, das auf das der Metropole verwies, wurde richtungsweisend fu¨r das spa¨tere Mittelalter257.

256 In Todi fu¨hrt sie bis in die Gegenwart hinein das Domkapitel aufgrund eines durch Bonifaz VIII. verliehenen Privilegs. Siehe unten Kapitel 3.7. Vgl. allgemein die Belege bei Erdmann, Wappen. 257 Siehe Kapitel 4.5.1.

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen

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2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen: Genua im spa¨ten 12. und 13. Jahrhundert 2.4.1 Einleitung In den vorangegangenen Fallstudien zum 12. Jahrhundert ist na¨her betrachtet worden, wie die Fahne, mit der der Kaiser die Stadt Cremona belehnte, zu einem ersten Symbol ihrer kommunalen Identita¨t wurde und wie Mailand seine symbolische Restituierung Tortonas zur politischen Propaganda nutzte. In beiden Fa¨llen schlossen sich diesen Zeichen weitere an. Anhand der in den Beispielen untersuchten Fahnen, die als Medien der symbolischen Kommunikation in einer Tradition politischen ¨ bergang Handelns durch Gesten des Lehnswesens standen, ließ sich der U von vorheraldischen zu heraldischen Fahnenbildern verfolgen. Die im Folgenden zu untersuchenden Beispiele beleuchten einen weiteren Aspekt derselben Entwicklung. Sie zeigen, wie die Kommune Genua Formen des Lehnswesens und des milita¨risch-triumphalen Herrschaftshandelns einsetzte, um ihre Herrschaft an der Riviera und in Oltremare zu erweitern und zu sichern258. Verbunden waren diese Formen mit drei Fahnen, einer roten Fahne, mit der in der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts ein Vasall der Kommune durch die Konsuln in einer o¨ffentlichen Ratssitzung belehnt wurde, sowie zwei Fahnen, die dem heiligen Georg als Schutzheiligen der Kommune zugeordnet wurden259. Die eine zeigte in Rot ein goldenes Bild des Drachenkampfes des Heiligen. Im Bild belegbar wird sie zu Beginn des 13. Jahrhunderts als Heerbanner der Kommune. Die andere, die zur gleichen Zeit in den Quellen faßbar wird, aber wahrscheinlich ju¨nger ist, zeigte das dem heiligen Georg zugeschriebene Wappen, ein durchgehendes rotes Kreuz in Weiß. Beide erscheinen in enger Beziehung zum Podesta`. Gehen die Lehnsfahne und wahrscheinlich auch das Banner mit dem Heiligenbild auf vorheraldische Urspru¨nge zuru¨ck, so bedeutete das Aufkommen des Wappenwesens nicht ihr sofortiges Ende. Alle drei Fahnen sind auch heraldisch beschreibbar.

¨ berblick zur Geschichte Genuas und seiner Kommune im Mittelalter bieten 258 Einen U jetzt Polonio, Provincia; Petti Balbi, Dogato. Zur genuesischen Pra¨senz im Heiligen Land siehe zuletzt Bellomo, Servizio. 259 In der Literatur werden diese nicht immer klar unterschieden. Siehe beispielsweise Braunfels-Esche, Sankt Georg, S. 107–113; vgl. aber bereits Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 106f. und 118f.

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Die Kreuzfahne wurde durch Genueser Amtstra¨ger als Zeichen der Inbesitznahme auf dem Burg- oder Kirchturm eines Ortes aufgepflanzt. Fu¨r die genannten Formen des rituellen Handelns mittels Fahnen finden sich im selben Zeitraum Vergleichsbeispiele, wie etwa die Geschehnisse von 1137 in Montecassino260. Wurde dort im Namen des Kaisers agiert, so geschah es in den unten betrachteten Beispielen im Namen der Kommune261. In beiden Fa¨llen war der Gebrauch der Fahne in einen Handlungsablauf eingebunden, u¨ber den zuvor verhandelt worden war. Lassen sich der fu¨r eine Episode eines Italienzugs bereits sehr ausfu¨hrlichen Schilderung des Petrus Diaconus nur wenige Einzelheiten u¨ber die Verhandlungen entnehmen, so sind die Beispiele aus Genua aufgrund ¨ berlieferung detaillierter. Sie wurden von anwesenden Notaren ihrer U in Notariatsinstrumenten dokumentiert, die wiederum im kommunalen Register archiviert wurden. Berichten auch die ‚Annales Ianuenses‘ von einem solchen Vorgang, existiert sogar eine Paralellu¨berlieferung. Vor allem die Urkunden zeigen, daß der Akt des Aufpflanzens der Fahne oder der Investitur nicht spontan erfolgte – auch moderne Photographien, auf denen siegreiche Soldaten Fahnen hissen, sind in der Regel inszeniert262 –, sondern das Ergebnis von Verhandlungen war. Daher sind zum einen die Verfahrensabla¨ufe aus den Urkunden zu rekonstruieren, um die Bedeutung der Fahnen von den anderen Elementen des o¨ffentlichen Geschehens her zu verstehen. Betrachtet man sodann den einzelnen Akt in den sich u¨ber einen la¨ngeren Zeitraum hinziehenden, in anderen Notariatsinstrumenten dokumentierten Verhandlungs- und Verfahrensschritten, stellt sich die Frage, wie verpflichtend er fu¨r die Akteure war. Das Grafenhaus und die Kommune von Ventimiglia oder die Markgrafen von Carretto versuchten immer wieder, wie die Geschichtsschreibung erza¨hlt, sich mitunter unmittelbar nach einer Unterwerfung der Herrschaft Genuas zu entziehen. Unabha¨ngig von ihrer Nachhaltigkeit verweisen die Kommunikationstypen auf Bedeutungsbereiche, die die Genueser Kommune des 12. und fru¨hen 13. Jahrhunderts zu kontrollieren suchte. Auf diese Weise betrieb sie Politik. Neben der ritualisierten Kriegsfu¨hrung und den unmittelbar an sie anschließenden Machtdemonstrationen waren dies vor allem die Gesten der Besitzu¨bertragung und des Lehnswesens. Ligurische Feudalherren und Kommunen, wie auch eigene Bu¨rger, wurden mit dieser Zeichensprache, die sie auch gegenu¨ber dem Kaiser und anderen Großen 260 Siehe Kapitel 2.1. 261 Vgl. Keller, Lehen, Sp. 1812. 262 Weber, Sprache, S. 530.

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen

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‚sprachen‘, in den Herrschaftsverband der Kommune eingebunden263. Daß eine Stadtkommune die Techniken und symbolischen Praktiken des Lehnswesens fu¨r ihre Interessen nutzte, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Wie die Forschungen Hagen Kellers gezeigt haben, entstanden die Kommunen Oberitaliens nicht unter Ausschluß feudal gepra¨gter Gesellschaftsstrukturen. Sie wirkten vielmehr als bedeutender Faktor auf deren Wandlungsprozesse ein und behielten selbst stets einen „feudalen Charakter“264. Der ‚kommunale Charakter‘ der hier betrachteten Verfahren zeigt sich meines Erachtens nicht nur in den Intentionen der sta¨dtischen Amtstra¨ger, sondern auch in der Art und Weise, in der sie etwa in der Volksversammlung die Investitur vornahmen und diese anschließend verschriften ließen. Mit ihr beginnt auch unsere Erkundung der von der Kommune Genua genutzten Mo¨glichkeiten, ihren Herrschaftsbereich zu erweitern.

2.4.2 Die rote Lehnsfahne der Kommune im spa¨ten 12. Jahrhundert Im Januar des Jahres 1154 belehnten die Genueser Konsuln Martinus de Mauro, Willelmus Niger und Willelmus Lusius ihren Mitbu¨rger Guillelmus Embriacus und seine Erben auf 29 Jahre mit Gibelet (Dschubail, das antike Byblos) und dem, was die Kommune in Laodikeia (Latakia) besaß. Dafu¨r sollte er ja¨hrlich der Kommune die Summe von 270 Bisantii zahlen und der Kirche San Lorenzo ein Altartuch im Wert von zehn Bisantii stiften. Nach Ablauf der Frist sollte er diese Gu¨ter der Kommune wieder zur Verfu¨gung stellen265. Dieser Lehnsvertrag war auf lange Sicht eine Besta¨tigung der Herrschaftsverha¨ltnisse in den Hafensta¨dten an der syrisch-libanesischen Ku¨ste. Gibelet war mit Hilfe der von den Embriaci gefu¨hrten genuesischen Flotte des Ersten Kreuzzuges erobert worden. Als es Graf Bertrand von Saint-Gilles 1109 zur Ga¨nze an San Lorenzo gab, hatte die Kommune Genua es erstmals als Lehen an einen Willielmus Embriacus – wohl der legenda¨re consul exercitus Ianuensium mit dem Beinamen ‚Hammerkopf‘ (caputmalli) – gegeben266. Was sich mit der erneuten Vergabe jedoch ¨ ber Kontinuita¨t und Wandel von Herrschaftsformen aus vorkommunaler Zeit an der 263 U Riviera di Levante informiert am Beispiel des Tigullio Moggia, Esercizio. 264 Keller, Adelsherrschaft; Ders., Adel. 265 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 164, S. 239f. 266 Epstein, Genoa, S. 30f. und 51; Schweppenstette, Politik, S. 129f.; Polonio, Provincia, S. 221.

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a¨nderte, war eine noch sta¨rkere Schwerpunktverlagerung auf die Herrschaftsausu¨bung durch eine Familie, die sich in den Dienst der Kommune stellte. Auch weiterer genuesischer Besitz in Oltremare, in Akkon und Antiochia, war 1154 mit zeitlicher Befristung an die Embriaci gegangen267. Die zur Konsulatsaristokratie geho¨rende, von den Genueser Vizegrafen abstammende Familie empfahl sich fu¨r diese Aufgabe nicht allein durch Tradition und Prestige, sondern auch durch ihr Vermo¨gen. So besaß sie etwa Anteile an der seit 1138 bestehenden Mu¨nze der Stadt und kontrollierte einen Großteil des Levante-Handels268. Gestu¨tzt auf sein Lehen Gibelet begru¨ndete Guillelmus in der Folgezeit die ju¨ngeren Linien der Familie, die als Sires d’Embriac zu einem der großen Baronialgeschlechter des Heiligen Landes wurden269. Die Vergabe u¨berseeischen Besitzes als Lehen an eine reiche Familie aus der eigenen Fu¨hrungsschicht, fu¨r die die erwa¨hnten Belehnungen einige der fru¨hesten Beispiele abgeben, entwickelte sich in der Folgezeit zu einer bewa¨hrten Politik der finanziell schwachen Kommune. Steven A. Epstein hat von „Genoa’s largely privatized empire“ gesprochen, das auf diese Weise entstand270. Hinter den Lehnsvergaben des Jahres 1154 stand auch ein dringendes aktuelles Motiv. In der durch den Genueser Annalisten Caffaro eindringlich geschilderten Finanzkrise der Kommune nach dem Zweiten Kreuzzug beschafften die Konsuln mit ihnen die dringend beno¨tigten Gelder271. Daß die Belehnung selbst nicht nur aus den genannten instrumentellpragmatischen Gru¨nden heraus als Formalita¨t zu verstehen ist, zeigt die Beschreibung des Symbolaktes, die das daru¨ber ausgestellte Notariatsinstrument gibt: Guillelmus schwor den Treueid und empfing dann ein vexillum quatuor cendatorum pro investitutione de supradictis locis usque ad completum terminum a comuni Ianue, wofu¨r er wiederum der Kommune die Summe von einhundert Librae u¨bergab272.

267 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 165–166, S. 240ff. Diese Belehnungen erfolgten ebenfalls im Januar, mo¨glicherweise sogar im selben parlamentum. Vgl. Schweppenstette, Politik, S. 27. 268 Epstein, Genoa, S. 44; Schweppenstette, Politik, S. 200; Polonio, Provincia, S. 159. 269 Balard, Embriaci; Bellomo, Servizio, ad indicem. 270 Epstein, Genoa, S. 51. Vgl. Larner, Italy, S. 90. 271 Epstein, Genoa, S. 51f.; Schweppenstette, Politik, S. 19–38. 272 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 164. Die Bestimmung der Fahne mit quatuor cendatorum ist mir nicht ganz versta¨ndlich. Cendatum oder cendalum ist Zindel oder Sindel, ein leichter Seidenstoff, der bevorzugt als Fahnenstoff verwendet wurde. Vgl. Mittellateinisches Wo¨rterbuch 2, Sp. 447, s. v. „cendatum“; von Hu¨lsenEsch, Gelehrte, S. 90ff. Ist demnach eine Fahne aus vier Stoffen beziehungsweise Stoffstu¨cken gemeint?

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Das so dringend beno¨tigte Geld erfu¨llte im Ritual die Funktion einer Gegengabe fu¨r die Fahne. Auch der ja¨hrlich zu zahlende census an die Kommune und an San Lorenzo besaß symbolische Aussagekraft. Derselbe Begriff bezeichnete etwa auch den Tribut, den die Stadt Fos ab 1138 an Genua und San Lorenzo zu entrichten hatte273. Als ha¨ufig genannte Empfa¨ngerin ja¨hrlich zu leistender Gaben, wie Tuche und Lampeno¨l, erwies sich die Kathedralkirche so als symbolisches Zentrum des Genueser Herrschaftsbereichs274. Die Dauer des im Januar beschworenen Lehnsverha¨ltnisses sollte vom kommenden Fest Purificatio Mariae, dem 2. Februar, an gerechnet werden. Dies war der Termin, zu dem die Konsuln wechselten und die Compagna comunis, die Genueser Form der Kommune im engeren Sinne, beschworen wurde. Den unmittelbar bevorstehenden Wechsel dieses Jahres 1154 erlebten die neuen Konsuln und ihre Mitbu¨rger als aufregende politische Wende, die Caffaro als Zeit des Erwachens geschildert hat275. Guillelmus Embriacus hatte ebenso wie die Konsuln des Jahres 1153, mit denen er im Belehnungsakt zusammen agierte, die Compagna mit dem dafu¨r feststehenden Eid beschworen. Der Symbolakt selbst wurde in publico parlamento, in der o¨ffentlichen Versammlung der Compagna, mit allgemeiner Zustimmung vollzogen276. Die Belehnung, die zugleich der Organisation der auswa¨rtigen Herrschaft und der Geldbeschaffung diente, erfolgte im Interesse der Compagna. Derjenige, der sich dafu¨r in die Verantwortung nehmen ließ und dies in der o¨ffentlichen Kommunikation auch zeigte, war wie die anderen beteiligten Akteure ihr Mitglied. Wenn man so will, agierte die Kommune bei der Ordnung ihrer Angelegenheiten mit dem feudalen Gestus der Fahneninvestitur. Das dabei gebrauchte vexillum wird in der Urkunde nicht na¨her beschrieben. Es wird sich um eine Fahnenlanze gehandelt haben, deren Fahne daher noch nicht als heraldisch identifiziert werden kann. Ihre Bedeutung ergab sich aus ihrer Funktion. ¨ bergabe und Besta¨tigung Wie das erste Beispiel gezeigt hat, war die U von Herrschaft an symbolische Formen gebunden, die auch dann eingehalten wurden, wenn die Beteiligten bereits durch Eid und die gleichen sozialen und wirtschaftlichen Interessen verbunden waren. Die Politik

273 Epstein, Genoa, S. 48. Auch die ‚Reichssteuer‘, die viele Kommunen in der Stauferzeit an den Kaiser und seine Funktiona¨re entrichteten, trug diese Bezeichnung. Vgl. Haverkamp, Herrschaftsformen, ad indicem („Census“); dazu von der Nahmer, Herrschaft. 274 Vgl. Epstein, Genoa, S. 31f. und 46; Schweppenstette, Politik, S. 23. 275 Epstein, Genoa, S. 33f. und 66; Schweppenstette, Politik, S. 31–38. 276 Vgl. Epstein, Genoa, S. 36.

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der Compagna, deren wirtschaftlich-finanzielle Intentionen die zeitgeno¨ssische, von ihr approbierte Geschichtsschreibung thematisierte, bezog mit der Verfu¨gung u¨ber Herrschaftsrechte auch Handlungsmuster mit ¨ hnliche ein, die im u¨brigen, feudal gepra¨gten Abendland geu¨bt wurden. A Zusammenha¨nge lassen sich auch an den folgenden Beispielen beobachten. Hier betrieb Genua eine expansive Politik der Unterwerfung durch Integration gegenu¨ber einer Adelsherrschaft der Riviera di Ponente277. In der symbolischen Kommunikation etablierte sich die Kommune dafu¨r als Lehnsherrin. In seinem Bericht auf das Jahr 1157 za¨hlt der Annalist und Nestor der Kommune Caffaro die Leistungen der fu¨r dieses Jahr gewa¨hlten Konsuln auf. Sie ha¨tten die Stadt Genua in pax et concordia regiert und erhalten, sowie pro honore civitatis Gesandte an die ro¨mische Kurie und die Ho¨fe von Sizilien und Konstantinopel geschickt278. Das in dem sich anschließenden Eintrag geschilderte Geschehen du¨rfte aus diesem Kontext heraus ebenfalls als Beispiel fu¨r vorbildliches Herrschaftshandeln zur Mehrung des Nutzens und der Ehre der Stadt zu verstehen sein: ‚Sie [die Konsuln, d. Verf.] nahmen auch Guido Guerra, den Grafen von Ventimiglia in die Stadtsa¨ssigkeit auf, der auch unserer Kommune den Treueid schwor und alle seine Burgen, wie es im Register verzeichnet ist, der Kommune u¨bergab, um sie als Lehen durch die Investitur zu empfangen, indem ihm in der Versammlung die rote Fahne (insigna rubea) von den genannten Konsuln u¨bergeben wurde. Und sie ließen sowohl eine neue Compagna beschwo¨ren, als auch Konsuln der Kommune und des Gerichts aus den besten Bu¨rgern wa¨hlen.‘279 277 Sichtbar wird der Herrschaftsanspruch der Hafenstadt in dem beru¨hmten Privileg, das Friedrich Barbarossa am 9. Juni 1162 den Genuesen gab. Unter Vorbehalt der Rechte des Reichs und der o¨rtlichen Grafen besta¨tigte der Kaiser Genuas Anspruch auf Heerfolgepflicht an der tota maritima a portu Monachi usque ad Portum Veneris; Die Urkunden Friedrichs I. 1158–1167, Nr. 367, S. 220–225. Zum lokalen Kontext siehe Polonio, Provincia, S. 150ff. Entsprechende Rechte besaßen die Pisaner fu¨r die Ku¨ste von Portovenere bis nach Civitavecchia; Ha¨germann, Beitra¨ge, S. 203f. 278 Vgl. zu dem dahinter stehenden Konzept der ‚Annales Ianuenses‘ Epstein, Genoa, S. 34; Schweppenstette, Politik, S. 197–208; Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 367. Zur Ehre (honor) als zentralem, handlungsleitenden Begriff fu¨r politische und soziale Ordnung siehe zuletzt Go¨rich, Ehre als Ordnungsfaktor. 279 Cafari Annales [Ianuenses], S. 48: receperunt etiam in habitaculum Guidonem Guerram comitem Victimiliensem, qui et fidelitatem nostro comuni iurauit, et castra sua, ut in registro habetur, omnia comuni donauit, ea in feudo suscipiens per investituram, insigne rubee ipsi in parlamento a predictis consulibus tradite. et compagnam nouam iurare, et consules comunium et causarum de melioribus civitatis eligere fecerunt.

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen

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Folgt man dem – wie Frank Schweppenstette gezeigt hat – fu¨r die ‚Annales Ianuenses‘ charakteristischen Verweis auf das Register, so sto¨ßt man im Codex Vetustior, dem ersten Band der im 13. Jahrhundert auf der Grundlage des Kommunalarchivs neu angelegten ‚Libri Iurium‘, auf einen Eintrag, der die am 30. August 1157 geleistete fidelitas Guidonis Guerre dokumentiert280. Auf die wo¨rtliche Wiedergabe der von dem Grafen gesprochenen Eidesformel folgen die mit einer Actum-Formel zusammengefaßte Narratio des Geschehens und der indirekt formulierte Eid, den die Repra¨sentanten der dem Grafen geho¨renden castra vel terrae leisteten, deren Namenslisten die Notiz beschließen. Mit den in der Notiz enthaltenen Informationen la¨ßt sich der Ablauf des Belehnungsaktes wie folgt rekonstruieren: Geht man von den im Register genannten 101 Schwo¨renden aus den gra¨flichen Orten aus, unter denen sich auch ein Poncius Pilatus aus Poggiopino (heute wohl Menton281) befand, so war Guido Guerra mit großem Gefolge in Genua erschienen. In der o¨ffentlichen Versammlung der Compagna (in pleno parlamento) traf er auf die Kommunalkonsuln Roger und Boiamundus de Odone, sowie auf den Gerichtskonsul Ansaldus de Nigro. Vor ihnen leistete er den Lehnseid, in dem er sich zum fidelis comuni Ianue sicut legalis vassallus suo domino erkla¨rte und sich verpflichtete, den Besitz Genuas zu schu¨tzen, seine eigenen Leute einen Treueid gegenu¨ber der Kommune schwo¨ren zu lassen, sowie selbst den Eid auf die Genueser Compagna gema¨ß deren Breve zu leisten. Die weiteren Verpflichtungen, die sich aus diesem Beitritt ergaben, gehen aus dem genannten Breve hervor, das sich in einer Version aus dem selben Jahr erhalten hat282. Als donatio schenkte der Graf seine Burgen und Orte – namentlich genannt sind Menton, Piena, Sospel und Roquebrune – der Kommune, um sie anschließend als Lehen (feudi nomine) zuru¨ckzuerhalten. Der Registereintrag, mit dem der Text der Annalen weitgehend par¨ bergabe einer allel geht, ha¨lt fest, daß die drei Konsuln ihn durch die U 283 insigna rubea investierten . Den Belehnungsakt beschlossen die Eidesleistungen der Leute des Grafen. 280 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 191, S. 278ff. Vgl. Schweppenstette, Politik, bes. S. 99. 281 Vgl. Polonio, Provincia, S. 151. 282 Epstein, Genoa, S. 34 und 66f. Zu ihnen darf wohl auch das von dem Annalisten hervorgehobene habitaculum, die Pflicht, fu¨r einen bestimmten Zeitraum im Jahr in seinem eigenen Haus in der Stadt zu wohnen, gerechnet werden; Schweppenstette, Politik, S. 167. 283 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 191, S. 279: Actum est hoc in pleno parlamento, ubi nominatus comes predicta die hoc sacramentum iuravit, de nominata donatione a predictis consulibus feudi nomine investitus per se et suos heredes, insigna rubea ei propterea tradita ab ipsis consulibus.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

Vergleicht man diese Belehnung mit der drei Jahre zuvor erfolgten, so liegt es nahe, die insigna rubea und das vexillum, mit denen die Konsuln in beiden Fa¨llen die Investitur fu¨r die Kommune vornahmen, gleichzusetzen. Demnach handelte es sich um eine rote Fahne, die als Lehnsfahne gebraucht wurde. Besta¨tigt wird diese Annahme durch ein drittes, in diesem Kapitel abschließend betrachtetes Beispiel fu¨r eine Belehnung284. Dieses Mal war es Otto, Graf von Ventimiglia, der sich am 5. September 1177 in Genua wie sein Verwandter zwanzig Jahre zuvor belehnen ließ. Ihn investierten die Genueser Konsuln mit einem vexillum cendati rubei, einer Fahne aus rotem Zindel285. Die daru¨ber ausgestellte Urkunde la¨ßt außerdem weitere Elemente des Symbolaktes erkennen, die sich im Ru¨ckschluß wahrscheinlich ebenfalls auf die bereits untersuchten Belehnungen u¨bertragen lassen. So fand das publicum parlamentum in San Lorenzo statt. Von daher du¨rfte die im Ritual von 1154 zugesicherte Gabe fu¨r den Altar der Kirche noch zusa¨tzliche Bedeutung bekommen haben. Fu¨r 1177 ist nicht nur der Redeakt des Grafen, sondern auch der der Konsuln im Wortlaut u¨berliefert. Sie zeigen, daß sich das Handeln und Sprechen der Akteure im Ritual komplementa¨r aufeinander bezog. Sie leisteten sich einen wechselseitigen Eid, in dem sie die von ihnen vorgenommene Investiturhandlung benannten: Otto, der einen leiblichen Eid auf die Evangelien schwor, investierte die Konsuln mit einem Stab und erhielt darauf von ihnen die rote Fahne zuru¨ck286. Auch im Fall der beiden aus dem 12. Jahrhundert u¨berlieferten Belehnungen der Grafen von Ventimiglia sind die dahinterstehenden politischen Intentionen der Kommune klar erkennbar. Genua sicherte sich die Kontrolle im a¨ußersten Westen seines unmittelbaren Herrschaftsbereichs, indem es die dort herrschende Dynastie als Vasallen und Mitbu¨rger an die Kommune band. Ein Blick auf die Geschichte Ventimiglias zeigt aber auch, daß diese Kontrolle immer wieder durchgesetzt werden mußte, mit milita¨rischen Mitteln ebenso wie mit solchen der symbolischen Kommunikation. So war nach dem Bericht Caffaros bereits 1130 ein Graf von 284 Dazugerechnet werden kann auch die 1171 durch die Kommune Genua vorgenommene Belehnung des Markgrafen Wilhelm von Parodi und seines Bruders Rainer per vexillum xamiti viridis coloris; Haverkamp, Herrschaftsformen 1, S. 282. 285 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/2, Nr. 419, S. 407ff. Von Polonio, Provincia, S. 152, ohne weitere Deutung als „vessillo di seta rossa“ erwa¨hnt. 286 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/2, Nr. 419, S. 407f.: Ego Oto, Vintimiliensis comes, do comuni Ianue, per vos [...] et vos inde nomine feudi investio per baculum quem manu teneo et per vos precario possessionem teneo. [...] Nos Ianuenses consules de comuni [...] reddimus in feudum tibi Ottoni [...] et inde te feudi nomine in publico parlamento per vexillum cendati rubei investimus.

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen

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Ventimiglia besiegt und anschließend gezwungen worden, in Genua einen Treueid zu leisten. Nachdem die Genuesen die Grafschaft ein Jahrzehnt spa¨ter in einem großen Feldzug unterworfen hatten, schworen der Graf und sein Sohn 1146 den Eid auf die Compagna287. Die 1149 erstmals bezeugte Kommune von Ventimiglia, die nicht zuletzt unter dem Einfluß der genuesischen Pra¨senz entstanden war, leistete wie das Grafenhaus, dessen Angeho¨rige mitunter als ihre Podesta` fungierten, auch u¨ber das Jahr der 1251 formell etablierten Genueser Vorherrschaft hinaus Widerstand288. Mit welchen symbolischen Formen die Genuesen ihre Herrschaft u¨ber die Kommune Ventimiglia im 13. Jahrhundert demonstrierten, ist Gegenstand des na¨chsten Kapitels. Die drei in diesem Kapitel na¨her betrachteten Belehnungen fanden alle in Genua, in der o¨ffentlichen Versammlung der Compagna comunis in der 1118 geweihten Kathedrale statt289. Als Rituale, in denen die Genueser Kommune durch ihre Konsuln als Lehnsherrin auftrat, waren sie Inszenierungen von Herrschaft, die die Identita¨t der Kommune sichtbar machten. Diesen Zusammenhang la¨ßt auch der Bericht Caffaros u¨ber die Belehnung von 1157 erkennen, die der Annalist im Kontext der von ihm gepra¨gten Ideale von Frieden, Eintracht und Ehre verortet. Die symbolische Sprache der Rituale war allerdings nicht spezifisch genuesisch, sondern bestand aus den Gesten der Vasallita¨t, die sich auch im u¨brigen Abendland finden. Die rote Fahne, deren Farbe vorheraldisch ist, war in ihrer semiotischen Qualita¨t daher kein Symbol fu¨r die Kommune, sondern ein Handlungssymbol, mit dem in ihrem Namen verfahren wurde. Im Unterschied zu den im folgenden Kapitel betrachteten Fahnen wird

287 Epstein, Genoa, S. 42ff., vgl. S. 75 und 89f. 288 Provero, Ventimiglia. 289 Vgl. beispielsweise noch zu 1227 die Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 33: die uero secunda nouembris in comemoratione mortuorum supradictus dominus Lac¸arius per campanam et cintracum more solito omnes fecit ad parlamentum in ecclesiam Sancti Laurentii conuocari. Polonio, Provincia, S. 139f. und 216ff., betont, daß die Genueser Kommune des 12. Jahrhunderts wenig Interesse an einem Kommunalpalast zeigte und nach wie vor Kirchen und deren Pla¨tze, vor allem die Kathedrale, als Versammlungsorte nutzte. Zu der auch aus diesem Grund mit der kommunalen Entwicklung parallel gehenden Baugeschichte von San Lorenzo vgl. Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 23f. Nach Paul, Kommunalpala¨ste, S. 226ff., residierten Konsuln und Podesta` im Bischofspalast. Der Podesta` nutzte noch 1276 Ha¨user der Doria bei San Lorenzo als Amtssitz. 1260 ließ der Capitano del Popolo Guglielmo Boccanegra unmittelbar am Hafen einen Kommunalpalast, den spa¨teren Palazzo di San Giorgio, errichten. An der Stelle der besagten Ha¨user der Doria errichtete die Kommune um 1300 einen zweiten Palast, den heutigen Palazzo Ducale. Vgl. zu diesen Kommunalbauten auch Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, passim.

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sie in den Quellen auch nicht mit sprachlichen Possessiv-Formen als der Kommune zugeho¨rig benannt. In der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts geho¨rte die rote Fahne als konstitutives Element ebenso zum Ritual einer Belehnung durch die Kommune wie die Kathedrale als Ort oder die Konsuln als Akteure. Setzt das Ritual in seiner Gesamtheit Strukturen voraus, die erst seit den Jahren um 1100 bestanden, so lassen sich auch Herkunft und Bedeutung der in ihm verwendeten Fahne nicht weiter zuru¨ckverfolgen. Wie das na¨chste Unterkapitel zeigen wird, entwickelten sich die anderen Fahnen der Kommune nicht aus der roten Lehnsfahne. Vergleichsbeispiele zu ihr wird man daher in erster Linie im Milieu der in Genua Belehnten, den zu Baronen der Grafschaft Tripolis aufgestiegenen Embriaci oder den Grafen von Ventimiglia, zu suchen haben290. Den Beispielen aus Genua kommt daru¨ber hinaus eine besondere Bedeutung zu, weil sie wesentliche Aspekte der zwischen Herbert Meyer und Carl Erdmann gefu¨hrten Kontroverse um die angeblich vorherrschende rote Farbe der Ko¨nigs- und Lehnsfahne in neuem Licht erscheinen lassen291. Da der erste Band des von Cesare Imperiale di Sant’Angelo herausgegebenen ‚Codice diplomatico della repubblica di Genova‘ erst 1936 erschien, du¨rften sie den beiden Gelehrten, die allerdings auch die Caffaro-Stelle unerwa¨hnt lassen, nicht bekannt gewesen sein. Außerdem galt den Belehnungen, wie sie die Kommune Genua u¨bte, nicht das Hauptaugenmerk der sich hauptsa¨chlich mit den Fahnen von Kaisern, Ko¨nigen und Pa¨psten bescha¨ftigenden Forschern. Entzu¨ndet hatte sich die Auseinandersetzung an Meyers 1929 auf dem Go¨ttinger Rechtshistorikertag vorgebrachten These, daß das urspru¨ngliche „Reichsbanner“ des ro¨misch-deutschen Reiches eine bildlose rote Fahne gewesen sei, die sowohl als Heer-, wie auch als Lehnsfahne gedient habe. Analog zu seiner Bewertung anderer Rechtszeichen war Meyer bestrebt, aus dem von ihm gesammelten Material eine bis zu den Indogermanen zuru¨ckreichende Kontinuita¨t in der Bedeutung dieses „Blutoder Feuerbanners“ herauszulesen292. Inhaltlich und methodisch bewegte er sich damit im Rahmen einer etablierten Forschungsrichtung, die „die These von der germanischen Kontinuita¨t“ im Fru¨h- und Hochmittelalter vertrat293. Meyer a¨ußerte sich mit seiner These von der u¨berzeit290 Vgl. auch Boerger, Belehnungen, S. 58; Bruckauf, Fahnlehn. 291 Hintergrund dieser gelehrten Kontroverse war der „Flaggenstreit“ der Weimarer Republik; Erler, Reichsfahne; Ders., Reichsfarben; Reichel, Schwarz-Rot-Gold. 292 Meyer, Fahne, mit den Zitaten auf S. 322. 293 Vgl. Pohl, Ursprungserza¨hlungen, S. 30–35.

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lichen Bedeutung der von ihm ausgemachten Fahne innerhalb des seit den Anfa¨ngen des Nationalstaates gefu¨hrten Diskurses u¨ber die deutschen Farben294. Ihre damalige Brisanz erhielt sie durch ihre vom Verfasser dezidiert angebotene Indienststellung als politisch-weltanschauliches, in die antidemokratische Richtung tendierendes Identifikationsangebot. In der fachlichen Auseinandersetzung mit Erdmann und in seiner Begru¨ßung des Nationalsozialismus hat Meyer diese Positionen dann noch verscha¨rft295. Demgegenu¨ber hat Carl Erdmann durchga¨ngig vom quellenkritischen Standpunkt her argumentiert und nur vereinzelt auf die Bedeutung des Themas in seiner Gegenwart angespielt296. Er unterschied zwischen den einzelnen Kaiserfahnen des Hochmittelalters, die auch als Lehnsfahnen gebraucht wurden und u¨ber deren Aussehen die Quellen kaum etwas mitteilen, und der im spa¨tmittelalterlich-fru¨hneuzeitlichen Reich neben weiteren heraldischen Lehnsfahnen als Symbol der Regalien belegten roten „Blutfahne“. Die Lehnsfahne als prinzipiell rot anzusehen und mit der Herrscherfahne gleichzusetzen, wie Meyer es tat, erwies sich so als methodisch unhaltbar. Eingebettet in diesen grundsa¨tzlichen Argumentationsgang bot Erdmann seinerseits eine Entstehungsgeschichte der Lehnsfahne297. Nach dem fru¨hesten Beleg fu¨r eine Belehnung mit einer Fahnenlanze aus dem Jahre 1002 verweisen auch die folgenden Zeugnisse des 11. Jahrhunderts darauf, daß die Fahnenbelehnung zuna¨chst von den deutschen Ko¨nigen und Kaisern praktiziert wurde, bevor sie andere Herrscher, Fu¨rsten und insbesondere die Pa¨pste u¨bernahmen298. Mit der 294 Vgl. zuletzt Reichel, Schwarz-Rot-Gold. 295 Meyer, Recht; Ders., Kaiserfahne. Der Jurist und Rechtshistoriker Meyer (20. Februar 1875–6. Ma¨rz 1941) hatte sich 1903 habilitiert und war im Folgejahr außerordentlicher Professor in Jena, 1906 dann Ordinarius in Breslau geworden. Seit 1908 lehrte er in Go¨ttingen, wo er 1928/29 als Rektor amtierte. 1937 wechselte er nach Berlin. Vgl. Mechow, CCer; Esmyol, Geliebte, S. 11–36, zu Meyers Konstrukt der ‚Friedelehe‘. 296 Erdmann, Kaiserfahne, S. 878: „Die fu¨r den historisch denkenden Menschen erfreuliche Tatsache, daß das Fahnensymbol Jahrtausende alt und dennoch heute so lebendig ist wie nur je, bildet fu¨r den Forscher eine Gefahr. Nur zu leicht setzt er bei der Gleichheit des Symbols auch Gleichheit der Bedeutung voraus und tra¨gt dadurch moderne Gewohnheiten in das Bild alter Zeiten hinein. Bei den heute wichtigsten Fahnen, vor allem den Landesfahnen – denn von den allermodernsten Parteifahnen ko¨nnen wir absehen –, ha¨ngt die Symbolbedeutung in erster Linie an ihrem Aussehen, also an dem auf dem Fahnentuch sichtbaren Bilde oder der Farbzusammenstellung, die auch außerhalb der Fahnen auftreten ko¨nnen.“ 297 Das Folgende nach Erdmann, Kaiserfahne, S. 885–889. 298 Seine in Erdmann, Kaiserfahne, S. 886f., mit Blick auf Deutschland und Italien bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts formulierte Behauptung, daß „die Ausu¨bung der Fahnenbelehnung zuna¨chst nur dem deutschen Ko¨nig oder Kaiser zukam und erst in spa¨terer

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Ausweitung der Praktik gingen jedoch auch Vera¨nderungen im Versta¨ndnis der Symbole und ihres Gebrauchs sowie ihre ‚Heraldisierung‘ einher, die zur Entstehung der Lehnsfahnen des spa¨teren Mittelalters fu¨hrten. Diese waren weniger an den Status der Akteure, als an das durch sie bezeichnete Lehen und das Verfahren des Belehnungsaktes gebunden. Hatte der Herrscher zuvor den Belehnten mit seiner Fahne investiert, die er auch als Heerfahne fu¨hrte und die der Belehnte als ein Herrschaftszeichen gebrauchte, das legitimatorisch auf den Lehnsherrn verwies, so begegnet nun eine Vielzahl eigentlicher Lehnsfahnen mit feststehenden Bildern. Diese wiederum lassen sich eindeutig von der ebenfalls heraldisch gewordenen Kreuzfahne des Reiches und der Adlerfahne des Kaisers unterscheiden299. Die bildlose rote Fahne, die die Quellen des 13. bis 16. Jahrhunderts als Hoheitszeichen und „Sinnbild der Regalien“ nennen, setzt nach Erdmann die gewandelte Funktion der Lehnsfahnen und den ¨ bergang zur Heraldik voraus. In Umkehrung von Meyers These ordnet U Erdmann die rote Fahne daher nicht als Archetyp, sondern als Neuerung des 13. Jahrhunderts ein. Gestu¨tzt auf Julius Bruckauf, findet er sie erstmals im Jahre 1259 nachgewiesen300. Dieser fru¨he Beleg, auf den sich Bruckauf und Erdmann beriefen, kann in der Tat als Nennung heraldisch beschreibbarer, jedoch Wappenbilder eines konkreten Herrschaftsverbandes vermeidenden Fahnen in heraldischer Zeit gedeutet werden. Er weist nicht in Richtung einer roten Lehnsfahne, die zugleich Zeichen eines Reiches ist. Es handelt sich um ein am

Zeit von anderen Fu¨rsten angenommen wurde“, hat er spa¨ter relativiert. So geht Erdmann, Fahnen, S. 4–8, und Ders., Entstehung, S. 166–184, bes. S. 173ff., davon aus, daß die Pa¨pste seit Nikolaus II. die unteritalienischen Normannen mit Fahnen belehnten und die von ihnen als Legitimations- und Siegeszeichen vergebene Petersfahne auch im feudalen Sinn zu deuten begannen. Damit la¨gen die Erstbelege fu¨r das Papsttum und die Normannen nur ein halbes Jahrhundert nach denen fu¨r das Kaisertum. Vgl. Dee´r, Papsttum, S. 8f. 299 Zu dieser These passen die drei fru¨hen Darstellungen von Fahnenbelehnungen in Prunkurkunden Ludwigs des Bayern, die Erdmann offenbar nicht bekannt waren. Jeweils dem Kaiser gegenu¨ber knien der Hochmeister des Deutschen Ordens mit einer Lanze, deren Wimpel die bayerischen Rauten zeigt und die Pommernherzo¨ge, an deren Lanze eine bildlose, in Schwenkeln auslaufende Fahne geheftet ist. Erzbischof Balduin von Trier, der sein Lehen stehend per Handschlag empfa¨ngt, tra¨gt eine a¨hnliche Fahnenlanze mit dem Trierer Wappen; Wrede, Leonhard, S. 68. Diese Art der Darstellung, die zukunftsgerichtet zwischen dem Belehnungsakt, in dessen Kontext die jeweilige Urkunde vergeben wurde, und den in ihr fixierten Inhalten vermittelte, ist charakteristisch fu¨r die Zusammenfu¨hrung von Text- und Bildbotschaften in vormodernen Ritualen Vgl. Weber – Dartmann, Rituale, sowie zu a¨hnlichen Miniaturen in Chartularen Weber, Ces grands privile`ges; Spa¨th, Verflechtung. 300 Erdmann, Kaiserfahne, S. 888, mit Bezug auf Bruckauf, Fahnlehn, S. 39 und 50.

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19. Februar 1259 verfaßtes Notariatsinstrument, das die Belehnung der gra¨flichen Bru¨der Meinhard IV. (II.) und Albert II. von Go¨rz-Tirol durch Bischof Egeno von Trient mit Lehen und der Vogtei des Trienter Hochstiftes dokumentierte: ‚in Trient, oben auf der Treppe des Bischofspalastes, in Gegenwart der Herren ... und anderer dazu gebetener Zeugen. Und dort hat in der o¨ffentlichen Volksversammlung von Trient, die dazu durch Glockenklang eigens einberufen und versammelt worden ist, der Herr Egeno, von Gottes Gnaden ehrwu¨rdiger Bischof von Trient und auch Herzog und Markgraf, auf den Rat hin und mit Zustimmung und Willen der oben aufgefu¨hrten Herren Domherren und des Kapitels von Trient in seinem und im Namen der Kirche und des Bistums von Trient sowie seiner Nachfolger mit sieben, an Lanzen ha¨ngenden Fahnen aus rotem Zindel, die er in seinen Ha¨nden hielt, mit dem Titel eines richtigen und ehrenvollen Lehens und zu rechtem Lehen den edlen Herren Graf Meinhard investiert‘301. Diese sieben Fahnen aus rotem Zindel wird man schon allein aufgrund ihrer Datierung nicht als farblich bedeutsame Vorla¨ufer spa¨terer Wappenfahnen von ‚staatlicher‘ Relevanz, wie sie von den deutschen Gelehrten des fru¨hen 20. Jahrhunderts diskutiert wurden, sondern eher aus ihrer Gebrauchssituation als Lehnsfahnen verstehen ko¨nnen. Das Belehnungsritual, das Bruckauf noch als Parallelbeispiel zur Symbolik des Ko¨nig¨ ffenttums heranzog, weist in gleicher Weise auf die Herstellung von O lichkeit in den italienischen Stadtkommunen hin302. Die Quelle und ihre 301 Lehnrecht und Staatsgewalt, Nr. 41, S. 53ff.: Anno domini millesimo CCLVIIII, indictione secunda, die Mercurii decimo exeunte februario in Tridento super scalam palacii episcopatus, presentibus dominis: ... Et aliis testibus rogatis. Ibique in rengo publico Tridenti ad sonum campane ad hoc specialiter convocato et congregato, dominus Egeno dei gracia venerabilis Tridentinus episcopus et tanquam dux et marchio, de consilio et consensu et voluntate dominorum canonicorum suprascriptorum et capituli Tridentini pro se et nomine ac vice ecclesie et episcopatus Tridentini et eius successoribus cum septem vexillis cendali rubei pendentibus in astis, que in manibus suis tenebat, nomine recti et honorabilis feodi et ad rectum feodum investivit nobilem dominum comitem Menhardum [...]. Da bereits Meinhards Großvater Albert III. von Tirol die Vogtei und die Lehen inne gehabt hatte, wurde der ‚Materialita¨t‘ der damals daru¨ber ausgestellten Urkunden in dem Belehnungsakt Rechnung getragen. Der Notar Bertoldus zeigte und verlas sie zu Beginn des Geschehens. Graf Meinhard, der seinen Bruder vertrat, leistete anschließend den Lehnseid als Evangelieneid. 302 Bruckauf, Fahnlehn, S. 39: „Das Ceremoniell entspricht fast vollkommen dem von uns bei ko¨niglichen Belehnungen beobachteten.“ Ein auf die o¨ffentliche Inszenierung hin

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Aussage sind in mehrfacher Hinsicht charakteristisch fu¨r die Grenzregion Trient. Ihr Verfasser, der Notar Bertoldus, verra¨t in den Formeln, ¨ ffentlichkeit fu¨r den symbolischen mit denen er die Herstellung von O Akt rechtsverbindlich beschreibt, eine Schulung, die der der Notare in den italienischen Stadtkommunen entspricht303. Auch das Motiv, das hinter der Belehnung stand, bezeugt die Eingebundenheit von Akteuren und Herrschaftsverband in den politischen Handlungsraum Oberitaliens. Der Bischof suchte Verbu¨ndete gegen den Trient bedra¨ngenden Ezzelino da Romano zu gewinnen304. Besticht die an dieses Beispiel geknu¨pfte These Erdmanns von den seit dem 13. Jahrhundert gebrauchten schlichtroten Lehnsfahnen, deren Bedeutung nicht in Wappenbildern, sondern im Symbolakt liegen sollte, gerade auch in der Forschungsperspektive zur symbolischen Kommunikation in der Vormoderne, so zwingen die Belege aus Genua zu ihrer Revidierung in einem entscheidenden Punkt. Die ein Jahrhundert zuvor einsetzende Reihe von Belegen fu¨r die Verwendung einer roten Lehnsfahne in der Kommune Genua, die der a¨lteren Forschung entgangen ist, widerlegt Erdmanns in der Polemik gegen Meyer gea¨ußerte Ansicht, daß die rote Lehnsfahne erst aus heraldischer Zeit stamme. Dies fu¨hrt zu einer Neubewertung der 1259 in Trient als Investitursymbole gebrauchten Fahnenlanzen, die in einer Linie mit den Genueser Lehnsfahnen ste¨ bergangs zu heraldischen Fahnenhen. Begegnen jene in der Phase des U bildern, so wurden diese in einem Umfeld gebraucht, in dem sich das Wappenwesen bereits voll entfaltet hatte. Dieses Fortbestehen des anfa¨nglich sicher vorheraldischen roten Fahnentuchs in heraldischer Zeit ist in jedem Fall zu konstatieren. Greift man unter dieser Voraussetzung auf Erdmanns These zuru¨ck, um die Beispiele aus Genua von dem ju¨ngeren Beispiel aus Trient her zu interpretieren, findet sich eine vom rituell gepra¨gten Kontext der Investitur ausgehende Deutung besta¨tigt: Fu¨r die Beibehaltung der aus vorheraldischer Zeit stammenden Fahnenlanze mit einer roten Fahne als Lehnsfahne sprach nicht nur die Tradition, sonangelegtes Ensemble von Dom, Palast mit Freitreppe und zentralem Platz, wie es in Trient dem Bischof zur Verfu¨gung stand, ist charakteristisch fu¨r die Topographie italienischer Sta¨dte, auf deren Gestaltung die Kommune Einfluß nahm. Zu den sich u¨berschneidenden Zuschreibungen eines monarchischen oder kommunalen Charakters an solche repra¨sentativen Akte siehe Weber, Kommunikation. 303 Daß der Name allein keinen Anhaltspunkt fu¨r eine landsmannschaftliche oder soziale Zuordnung bietet, betont Israel, Fremde. Siehe auch ebenda, S. 39–46, zur besonderen Lage Trients. 304 Bruckauf, Fahnlehn, S. 39. Hinzu kamen natu¨rlich die traditionellen Anspru¨che der Tiroler Grafen.

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dern wahrscheinlich auch eine wechselseitige Abgrenzung zu den ju¨ngeren heraldischen Fahnen. Daß diese Deutung angesichts des mittelalterlichen Zeichengebrauchs nicht zu kategorisch verstanden werden darf, hat das Beispiel der Belehnung Cremonas durch Heinrich VI. gezeigt. ¨ berlieferungsbefund, daß neben der roten LehnsDaher sollte man den U fahne auch Fahnen aus anderem Tuch oder mit heraldischen Bildern sowie andere Dingsymbole als Medien der Belehnung gebraucht wurden, nicht als Beliebigkeit, sondern als Offenheit der mittelalterlichen Kommunikation deuten305. Die in diesem Kapitel untersuchten Lehnsfahnen standen nicht in expliziter Beziehung zur „Staatsgewalt“ der Kaiser und Ko¨nige. Auch lassen sie sich nicht u¨ber ein Einzelmerkmal, wie die Farbe des Fahnentuchs, in eine u¨berzeitliche Kontinuita¨tskette einreihen. Meiner Ansicht nach zeugen sie von der Vergleichbarkeit der Gesten des abendla¨ndischen Lehnswesens, mit denen lokale Autorita¨ten, wie die Kommune oder der Bischof, innerhalb ihrer jeweiligen Handlungsrahmen Politik betrieben306. Da die Kommune als Lehnsherrin auch erst seit der Wende zum 12. Jahrhundert auftreten konnte, spricht vieles dafu¨r, daß die ¨ berlieferung zu einem Zeitpunkt einsetzte, als sie erst seit schriftliche U Kurzem Gebrauch von der roten Lehnsfahne machte. Dafu¨r, daß dies als bewußte Anleihe, Verweis auf eine ho¨here Instanz oder allgemeiner Ausdruck von Kontinuita¨t geschah, gibt es keine Anhaltspunkte. Es eru¨brigt sich auch eine Diskussion um die Interpretation mittelalterlicher Fahnenbeschreibungen, wie sie ausgiebig zwischen Meyer und Erdmann gefu¨hrt worden ist, da die Quellen das aus rotem Zindel gemachte Fahnentuch erwa¨hnen307. Daß die Notare dies registrierten, spricht wahrscheinlich fu¨r die Rechtserheblichkeit, die das Aussehen der Zeichen, mit denen Rechtsakte rituell vollzogen wurden, besaß. Außerdem war das schlichtrote Tuch – sicherlich ein geeignetes Zeichen zur 305 Die Beobachtung, daß die ersten Genueser Podesta` in den Miniaturen der Pariser Handschrift der ‚Annales Ianuenses‘ mit Pelz gefu¨tterte Ma¨ntel aus rotem Tuch tragen, kann in diesem Kontext vielleicht zum Vergleich herangezogen werden. Wenn ihre Ma¨ntel nicht nur im Allgemeinen, sondern auch deren Farbe im Besonderen Statutszeichen waren, ko¨nnte der rote Zindel der vorheraldischen Fahnen ebenfalls Hervorgehobenheit, Herrschaft und Macht signalisieren. Vgl. Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, Tafel I und II; Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], Tafel V–VIII; vgl. Bumke, Kultur, S. 87f., 173–185 und 207 ; zum Material mit dem Schwerpunkt auf den Juristen und Gelehrten des spa¨teren Mittelalters zuletzt von Hu¨lsenEsch, Gelehrte, S. 61–202. 306 Die Beispiele aus Genua zeigen auf diese Weise auch, daß man die Schwureinung der Kommune nicht pauschal als ‚antifeudal‘ einstufen kann. ¨ hnlich eindeutig ist die Beschreibung der Oriflamme, die keine Lehnsfahne war, durch 307 A Guillelmus Brito, hier zitiert nach Erdmann, Kaiserfahne, S. 893: Vexillum simplex, cendato simplice textum, / Splendoris rubei, [...]. Vgl. Dee´r, Papsttum, S. 20f.

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¨ ffentlichkeit – auch nach den Kategorien des heraldiHerstellung von O schen Regelwerks verwendbar und beschreibbar. Die zu beobachtende Konstanz des symbolischen Gebrauchs einer vorheraldischen Fahne scheint mir, auch wenn sie gerade nicht zur Etablierung einer heraldischen Fahne im Genueser Spa¨tmittelalter fu¨hrte, ¨ bergangs von voreine charakteristische Entwicklung in der Phase des U heraldischen zu heraldischen Fahnenbildern gewesen zu sein. Auch die oben betrachteten Kommunen Cremona und Tortona nahmen zu einem spa¨teren Zeitpunkt Wappen an, die sich von den heraldisch beschreibbaren Fahnenbildern unterschieden, die erstmals im 12. Jahrhundert als ihre Zeichen begegnen. Weitergehende Vermutungen u¨ber Zusammenha¨nge zwischen den genannten Lehnsfahnen oder einer Deutung der ¨ berroten Fahne als typischer Lehnsfahne lassen sich angesichts der U 308 lieferungslage kaum treffen . Hinzu kommt, daß weder Kaiser noch Papst, sondern eine Kommune ihre Lehnstra¨ger mit einer roten Fahne investierte. Im Fall der Grafen von Ventimiglia ist, anders als im Fall der Eroberungen im Heiligen Land, außerdem hervorzuheben, daß die Genueser Kommune noch vor dem Konstanzer Frieden eigenma¨chtig Gebrauch von einer Fahne als Symbol fu¨r die mit der Investitur verliehenen Hoheitsrechte machte. Ihre prima¨re Bedeutung ergab sich aus ihrem rituellen Kontext. Darin waren sie von zentraler Bedeutung fu¨r die Herrschaftspra¨sentation der Kommune in der Stadt. Anders sieht es mit den im folgenden Kapitel betrachteten Fahnen aus, die auch außerhalb Genuas auf die Identita¨t der Stadt und ihrer Kommune verwiesen. Dies konnten sie leisten, weil sie heraldisch wurden.

2.4.3 Die Georgsfahne als Heerfahne und die Kreuzfahne der Kommune als Zeichen von possessio et dominium im fru¨hen 13. Jahrhundert Von gleicher Grundstruktur, jedoch gro¨ßerer Komplexita¨t in Verfahren und Dokumentation, erweist sich die Ende Juli 1214 erfolgte Belehnung des Markgrafen Otto von Carretto, der zu diesem Zeitpunkt bereits civis Ianue war. Marchisius Scriba, Notar und ab 1220 auch Annalist der Kom-

308 Auf der Lade der Sieneser Biccherna fu¨r das erste Semester des Jahres 1364 ist eine rote Fahne in einem passenden Kontext zu sehen: Dargestellt ist die Kommune, deren Herr¨ bergabesymboschaft sich unter anderem in dargebrachten Tributen und klassischen U len, wie Schlu¨sseln oder belaubten Zweigen, zeigt. Allerdings ist diese Tafel stark u¨berarbeitet worden. Le Biccherne, Nr. 36, S. 112f.

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mune, hat mehrere Notariatsinstrumente u¨ber ihre einzelnen Etappen ausgestellt, aus denen sich ein Gesamtbild der Handlungsfolge ergibt. Am 25. Juli 1214, einem Donnerstag, hatten sich Otto von Carretto und sein Sohn Ugo in Genua eingestellt. In einer o¨ffentlichen Volksversammlung (in contione publica), die in capitulum – am Versammlungsort des Domkapitels – abgehalten wurde, traten sie den Konsuln gegenu¨ber. Im ersten Teil der Belehnung u¨bergab der Markgraf seine Burgen Cairo und Dego mitsamt den dazugeho¨rigen Kastellaneien, Orten und Herrschaftsrechten. Die Einwohner werde er den Treueid auf Genua schwo¨ren lassen. Als sein Gegenu¨ber agierte nicht mehr einer der Konsuln, sondern der Syndikus der Kommune, Paschalis Cassicius 309. Auch wenn das Notariatsinstrument ein Investitursymbol nicht erwa¨hnt, wird man sich diese donatio als zeichenhafte Interaktion zwischen Otto und dem angesprochenen Paschalis vorzustellen haben310. Anschließend bekra¨ftigte der Markgraf seine Verpflichtungen durch die fidelitas, die er als leiblichen Eid auf die Evangelien schwor. In der zweiten Phase des Rituals gaben die Konsuln die der Kommune u¨bertragenen Gu¨ter als Lehen (feudum) an Otto, seinen Sohn und ihre Erben zuru¨ck. Die ja¨hrliche Zahlung von fu¨nfundzwanzig Librae und die Garantie von Schutz und Schirm durch Genua, das dafu¨r auch fu¨r diesen Herrschaftskomplex u¨ber Krieg und Frieden entscheiden konnte, sicherten sie außerdem zu311. Die Investitur, die die Konsuln o¨ffentlich vornahmen, erfolgte jedoch nicht mit der roten Lehnsfahne, sondern per croc¸ulam comunis Ianue312. Ein in einer dritten Beurkundungsetappe festgehaltenes neues Element im Belehnungsvorgang fu¨hrt uns und die Hauptakteure aus Genua fort. Es handelt sich 309 1190/91 hatte die Kommune das Podestariat eingefu¨hrt, mit dem sich auch die u¨brige ¨ mterstruktur a¨nderte. Das hier betrachtete Beispiel stammt aus der U ¨ bergangssituaA tion der Jahre zwischen 1207 und 1216, als Genua erneut von Konsuln regiert wurde; Epstein, Genoa, S. 88 und 105; Schweppenstette, Politik, S. 282f.; Polonio, Provincia, S. 179ff. 310 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 273, S. 408ff., mit der Kernaussage, S. 409: Dominium quoque et possessionem vel quasi possessionem de predictis omnibus nomine comunis Ianue tibi tradidisse confiteor et constituo me predicta omnia nomine comunis Ianue possidere et quasi possidere. 311 Die strategische Bedeutung der Lebensmittel und Ritter liefernden terra domini Ottonis de Carreto im Kriegsfall betonen die Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 20ff. 312 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 276, S. 412–416, hier S. 414. Nach Du Cange, Glossarium 2, S. 624 und 4, S. 414 (s. v. „Investitura cum Crocia Abbatis“), ist croc¸ula der Diminutiv von crocia, dem kreuzfo¨rmigen, als Investitursymbol gebra¨uchlichen Stab des Abtes oder eines anderen Pra¨laten. Vgl. auf der Grundlage von Du Cange: Le Goff, Les gestes. Was man sich jedoch genau unter dem „kleinen Kreuzstab der Kommune Genua“ vorzustellen hat, wage ich hier nicht zu diskutieren.

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um eine symbolische Einsetzung Genuas in die Herrschaftsrechte vor Ort, die uns auch in einem weiteren Beispiel aus Ventimiglia begegnen wird. Nach der in der Volksversammlung geschehenen Belehnung hatten der Markgraf und sein Sohn den Ru¨ckweg auf ihre Gu¨ter angetreten. Begleitet wurden sie von einer Genueser Delegation, der der Konsul Iohannes Rubeus, sein Schreiber Marchisius Scriba und ranghohe Zeugen, wie die aus vizegra¨flichen Familien stammenden Willelmus Embriacus maior oder Sorleone Pevere, angeho¨rten. Bereits am Sonntag, den 28. Juli 1214, finden wir sie in Cairo, das wie das benachbarte Dego im Hinterland von Savona liegt. Hier ereignete sich zwischen der ersten und dritten Stunde des Tages ein Symbolakt, der unmittelbar an die drei Tage zuru¨ckliegende Belehnung anknu¨pfte. Otto von Carretto, der frischgebackene vassallus, u¨bergab na¨mlich dem Iohannes Rubeus, der im Namen der Kommune Genua als sein dominus auftrat, possessio et dominium der Burg313. Dazu investierte der Markgraf den Konsul mit den Schlu¨sseln von Turm und Tor, wa¨hrend auf dem Turm als Zeichen des Triumphes die Fahne des heiligen Georg aufgepflanzt wurde314. Auf a¨hnliche Art und Weise nahmen die Genuesen auch die anderen Kastelle und Orte, wie noch am selben Tag das no¨rdlich von Cairo liegende Dego und am folgenden Tag das wieder zum Meer hin liegende Carcare in Besitz315. ¨ berlieferung erkennbaren EntwickFu¨r unsere Frage nach der in der U lung hin zu heraldischen Fahnen der Kommune in Handlungskontexten symbolischer Kommunikation markiert dieses Beispiel einen wichtigen Schritt. Knu¨pft die in ihm erkennbare Handlungskette an die im vorigen 313 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 277, S. 416f. 314 Ebenda, S. 417: Otto de Carreto marchio dedit possessionem et dominium Iohanni Rubeo, consuli comunis Ianue, nomine comunis Ianue, de castro Cari [...] et inde investivit eum cum clavibus turris et porte, posito triumphali vexillo beati Georgii in turre. Als Ru¨ckgriff auf solche feudalen Rechts- und Herrschaftsgesten sind dann neugebildete politische Rituale zu verstehen. Ein Beispiel bietet die vom Patriarchen von Jerusalem und dem Großmeister der Johanniter gefu¨hrte Gesandtschaft, die 1185 Heinrich II. von England im Namen des Ko¨nigreichs Jerusalem um seine Hilfe bat, indem sie ihm das ko¨nigliche Banner und die Schlu¨ssel zum Davidsturm u¨bergab; vgl. Mayer, Pontifikale, S. 141–232, hier S. 180f. Dadurch, daß Zeichen wie der Davidsturm und das Banner, die auch als Siegelbild begegnen, auf Dauer zu transpersonalen Herrschaftssymbolen wurden, trugen sie zur Etablierung der an sie gehefteten Wappenbilder bei. 315 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/1, Nr. 278–279, S. 417ff. Erwa¨hnt Marchisius Scriba noch in Dego, daß die Investitur in der dortigen Michaelskirche mit einem Handschuh (cum ganto) stattfand, so begnu¨gt er sich am folgenden Tag mit dem lakonischen illud idem fecit de Calcaris. Zu diesem Pha¨nomen der ‚ausdu¨nnenden‘, auf das Wesentliche reduzierten Verschriftung sich wiederholender Verfahrensschritte durch italienische Notare siehe Blattmann, Prolegomena, bes. S. 428 und 430ff.

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Kapitel betrachteten Belehnungen des 12. Jahrhunderts an, so fassen wir in ihm einen weiteren Symbolakt, fu¨r den eine andere Fahne als die in Genua gebrauchte rote Lehnsfahne konstitutiv ist. Neben die auch in den anderen Beispielen gegebene Mo¨glichkeit, die Bedeutung dieser neuen Fahne aus ihrer Funktion in ihrem kommunikativen Kontext abzuleiten, tritt in der Schriftquelle nun auch eine Bezeichnung der Fahne selbst, die Ru¨ckschlu¨sse auf das Fahnenbild in seiner Wahrnehmung durch die Beteiligten erlaubt. Daß Marchisius Scriba in seinem Notariatsinstrument fu¨r die Zukunft festhielt, daß Cairo mit der Fahne des heiligen Georg in Besitz genommen worden war, sagt mehreres u¨ber sie aus. Zuna¨chst, daß zu ¨ ußeres Beginn des 13. Jahrhunderts eine Georgsfahne existierte, deren A und Bedeutung den Zeitgenossen bekannt und aus ihrer Sicht auf Dauer angelegt war. Wurde sie, wie in diesem Beispiel, in einem rechtsverbindlichen Kontext eingesetzt, dessen Resultat fu¨r die Kommune schon allein großen materiellen und politischen Wert besaß, so war es fu¨r den Notar offenbar ebenso erforderlich wie ausreichend, die Fahne mit der genannten Benennung zu beschreiben. Aus ihrer Funktion in diesem Kontext wird auch ihre Zuordnung zur Kommune Genua ersichtlich, die in dem Notariatsinstrument nicht eigens angesprochen wird. Wie sah dieses in triumphierender Geste auf dem Burgturm von Cairo aufgepflanzte vexillum beati Georgii aus? ¨ berEindeutig beantworten la¨ßt sich diese Frage zuna¨chst nicht. Die U lieferung bietet zwei Mo¨glichkeiten an. Ersichtlich werden beide in den Miniaturen und Randzeichnungen der Pariser Handschrift der ‚Annales Ianuenses‘, des in den 1160er Jahren begonnenen und im Auftrag der ¨ berlieferung Kommune fortgefu¨hrten Codex, der die fru¨heste bildliche U 316 bietet . Auf einer der ersten Seiten der, wie gesagt, nach 1163 begonnenen offizio¨sen Abschrift von Caffaros Annalen findet sich eine Randzeichnung neben dem Eintrag zu 1113, der vom Bau der genuesischen Burg in Portovenere berichtet317. Sie zeigt die auf einem, sich u¨ber dem Meer erhebenden Felsen liegende Ringmauer der Burg, die von einem Wehrturm mit bedachtem Obergeschoß u¨berragt wird. Auf dem Dach des Turmes wiederum steht eine mit einer Kugel und einer Spitze bekro¨nte Stange, von der eine Fahne weht. Das Fahnentuch, das la¨ngsrechteckig ist und in drei langen Zipfeln ausla¨uft, tra¨gt ein schmales, durchgehen316 Zu dieser Handschrift N der Editionen (Paris, Bibliothe`que Nationale de France, Ms. lat. 10136) siehe Schweppenstette, Politik, S. 66–70. 317 Cafari Annales [Ianuenses], S. 15: preterea predicti consules ad honorem ciuitatis Ianue castrum Portus Veneris edificare fecerunt; et hoc fuit extremo anno predicte compagnie, in quo anni Domini currebant .M.C.XIII.

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des Kreuz318. Nach Hans Horstmann, der sich auf eine Untersuchung der Originalhandschrift beruft, geho¨rt diese Zeichnung zu den Illustrationen, mit denen der Rand der Handschrift nachtra¨glich versehen worden ist. Stilistische Gru¨nde spra¨chen dafu¨r, daß dies zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschehen sei319. Die Zeichnung ist eine erga¨nzende Interpretation des Textinhalts. Sie stellt nicht den erwa¨hnten Bau der Burg dar, sondern visualisiert deren Funktion als wehrhafter Außenposten an der Grenze des genuesischen Machtbereichs entlang der Riviera di Levante320. Wie der Vergleich mit der Inbesitznahme Cairos gezeigt hat, verbildlicht die Zeichnung ein Stu¨ck symbolische Kommunikation: die aufgepflanzte Fahne ¨ bereinstimmung legt es steht fu¨r Genuas possessio et dominium. Diese U nahe, die 1214 in einem Notariatsinstrument erwa¨hnte Georgsfahne und die wahrscheinlich im selben Zeitraum an den Rand eines Geschichtswerks gezeichnete Kreuzfahne gleichzusetzen. Gestu¨tzt wird diese Interpretation durch den Umstand, daß das Wappenbild des durchgehenden roten Kreuzes in weißem Feld auch im u¨brigen mittelalterlichen Abendland dem heiligen Georg – der sich als Schlachtenhelfer und Patron der Ritter, Seeleute und Bogenschu¨tzen den Genuesen besonders anbot – beigelegt wurde und daß es, mit Bezug auf den Heiligen, spa¨ter als Wappen der Kommune Genua begegnet321. Daß sich der Beginn dieser Wap¨ berlieferung nicht genau ermitpen- bzw. Fahnenfu¨hrung anhand der U 318 Ebenda, vgl. Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, Tafel 4. Vgl. Mayer, Pontifikale, S. 180f., mit dem Hinweis auf eine Bulle Balduins III., die das auf dem Davidsturm aufgepflanzte ko¨nigliche Banner zeigt. 319 Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 118. ¨ berliefe320 Vgl. Schweppenstette, Politik, S. 140f.; pointiert, aber ohne auf die U rungsproblematik oder heraldische Fragen einzugehen Polonio, Provincia, S. 148: „L’operazione del 1113 a Portovenere e` il risultato di un atto di forza [...] La nuova postazione sul lato occidentale del grande golfo e` una briglia sul collo degli elementi signorili, un ammonimento a Pisa, un simbolo nel suo carattere di primogenitura tra le piazzeforti: non e` un caso che, tra i vari piccoli disegni che illustrano il miglior manoscritto degli ‚Annali‘, solo quello relativo al fortilizio di Portovenere si fregi della bandiera genovese con tanto di croce in bella vista.“ 321 Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 122f.; Braunfels-Esche, Sankt Georg. Vgl. als Beispiel fu¨r Georgskult und -darstellungen den im Auftrag des Kardinaldiakons von San Giorgio in Velabro, Jacopo Stefaneschi (1295–1341), entstandenen ‚Codex Sancti Georgii‘; Biblioteca Apostolica Vaticana. Liturgie und Andacht, Nr. 43, S. 212–215; Braunfels-Esche, Sankt Georg, S. 82. Die Titelkirche des Kardinals, die neben weiteren Reliquien des Drachento¨ters auch Fragmente seiner Fahne besaß, spielte eine wichtige Rolle in der symbolischen Konstituierung der ro¨mischen Kommune und, davon ausgehend, im Herrschaftsprogramm Cola di Rienzos. Grundlegend a¨ußert sich Erdmann, Wappen, S. 242ff., zur vielfa¨ltigen Bedeutung des angesprochenen Fahnen- und Wappenbildes des durchgehenden roten Kreuzes in Weiß.

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teln la¨ßt, hat bereits der spa¨tere Genueser Annalist Giorgio Stella im Jahre 1405 konstatiert322. Daß sich, sozusagen im Umkehrschluß, eine von der Kommune angeordnete Georgsverehrung nicht automatisch heraldisch bemerkbar machte, zeigt das Beispiel Sienas, das nach dem Sieg von Montaperti Georg zu seinem Bannertra¨ger erhob und dies in seinen Statuten festschreiben ließ, ohne jedoch das Wappen des Heiligen zu u¨bernehmen323. Im Unterschied zur Sieneser Marienverehrung scheint sich dieser 322 Epistolario di Coluccio Salutati 4,1, Nr. 18, S. 120–125, hier S. 121f.: Unde civitas Ianuensium signum eius habere coepit et vexillum quem defert rubrae crucis videlicet in argenteo seu albo spatio, nec per nostros libros annales urbiumque Mediolani et Florentiae, quae id etiam signum gestant, nec per aliud, nisi, ut dicam, hactenus valui reperire. portant et illud urbes Latii Bononiensis, Vulterrana et Mantuana, aliique multi christicolae milites. 323 Il Constituto del Comune di Siena dell’anno 1262, S. 54ff.: Cum beatissimum Georgium, militem militum, quem in nostrum et comunis Senarum vexilliferum precipuum et potissimum defensorem eligimus, in cunctis negotiis civitatis Senarum invocantes ipsius nomen, plenum potentia ac virtute, in prelio noviter habito cum florentina, lucensi, pistoriensi, pratensi, aretina, urbevetanaque militia, vulterranis et ceteris undique Vallis Else et aliis ipsorum sequacibus, ipse verus omnipotens, ipsius beatissimi Georgii precibus et meritis, nobis et comuni et populo Senensi contra hostes ipsos victoriam tribuerit triumphalem, invocatus clamoribus maximis devotis, et clementer idem vexillifer benedictus respondiderit votis nostris ad placitum, ob reverentiam eiusdem Sancti Georgii et honorem, et ad perpetuam rei memoriam sui nominis reverendi et victorie memorate: Statuimus quod potestas Senarum, capitaneus populi, camerarii et .IIII.or teneantur annuatim in festivitate eiusdem Sancti Georgii de pecunia comunis solempniter et etiam reverenter portari facere duo cerea, unumquodque de duodecina ipsi idem potestas, capitaneus, camerarii et .IIII.or; et priores .XXIIII.or et domini militum et vexilliferi militum et populi Senensis cum eis vadant cum cereis antedictis et in ecclesia dicti beati Georgii de civitate Senarum offerant reverenter nomine comunis Senarum, honorifice, ut idem Sanctus beatus de bono in melius civitatem Senarum defendat et suos actus dirigat et exaltet contra omnes, quicumque fuerint adversantes. [...] Cum intercessionibus virtuosisque meritis Sanctissimi Georgii, militis militum, cuius patrocinio presidente guerrifico turbine et mole gravissima offensorum invadentis exercitus hostium florentinorum, lucensium, pratensium, pistoriensium, aretinorum, urbevetanorum, vulterranorum, aliorum undique Vallis Else, eorumque sequacium tuscorum et lumbardorum, qui civitatem Senarum et eius populum universum, tanquam ursus insanians inhumaniter satagebant destruere, duximus implorandum, oriens ex alto unigenitus dei patris sui sanioris consilii tesauros aperuit, et nos, quos derelictos ab universis ytalicis, ipsorum rebellium iam convictos extimabat iniquitas hostium,cesis exercitibus et victoriosis expugnatis preposuerit hostibus, ditaverit multiplicatis divitiis et sublimaverit potentia potentum, est sollicita meditatione pensandum holocasta super altare novi operis et ecclesie tanti reverentissimi domini vexilliferi prius electi, cuius nomen pro nobis est victoriosum in prelium reddere humilius post triunfum, ut non solum nomine, sed opere lucidius et effectu, tanquam qui non eiecti, sed admissi ad gubernationem civitatis, omnisque populus atque cives personaliter gubernetur, conservemur in statu lucido et bono in melius augmentemur, ad perpetuam reverentiam eiusdem vexilliferi nostri et memoriam mundanorum et beneficium victorie nobis ex prefatis hostibus iam concessis, statuimus providendum: [...].

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von der Kommune in einem einmaligen Akt propagierte Georgskult gar nicht erst durchgesetzt zu haben324. Zu vermuten, daß eine a¨hnliche Kreuzfahne, wie die in Portovenere gezeigte, im Sommer 1214 vom Burgturm Cairos wehte, hat also Einiges fu¨r sich. In dieser Perspektive wu¨rden die genannten Beispiele Etappen auf dem Weg zur heraldischen Symbolik der Kommune Genua im spa¨teren Mittelalter markieren. Vergleicht man sie außerdem als Medien der symbolischen Kommunikation mit den im 12. Jahrhundert in Genua gebrauchten, in vorheraldischer Zeit entstandenen Fahnen, so la¨ßt sich meines Erachtens ein weiterer Schluß ziehen: mit der Erweiterung des genuesischen Imperiums ging der Gebrauch der heraldisch werdenden Fahne mit dem Kreuz des heiligen Georg einher, die die Kommune als wiedererkennbares Zeichen ihrer Herrschaft an den von ihr kontrollierten Orten zeigte. Die Fortsetzung der Genueser Annalen pra¨sentiert jedoch auch eine andere Georgsfahne. Eine farbige Miniatur auf Blatt 142 der Pariser Handschrift zeigt die Belagerung Savonas durch die Genuesen im Fru¨hjahr 1227. Zwischen dem Zeltlager der Belagerer und ihren Belagerungsmaschinen ist eine Lanze oder ein Mast in die Erde gerammt, von dem ein roter, in vier La¨tzen auslaufender Gonfanon weht, auf dem in Gelb oder Gold der Drachenkampf des heiligen Georg dargestellt ist325. Der Miniator hat außerdem das Wort vexillum darunter geschrieben326. Aller324 Waley, Siena, S. 139 und 162, mit der Deutung, daß die mit Montaperti verknu¨pfte Georgsverehrung darauf zuru¨ckgehe, daß die deutschen Ritter Manfreds den Heiligen in der Schlacht angerufen ha¨tten. 325 Zu einer a¨hnlichen Bildlo¨sung kamen zur gleichen Zeit die Londoner, die ihren Schutzpatron Paulus in Gold auf einem roten Fahnentuch zeigten, um spa¨ter die durch das Ko¨nigtum propagierte Georgsfahne mit einem Beizeichen zu u¨bernehmen. Siehe Kapitel 6.1. 326 Vgl. Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, Tafel 3 mit S. 164; Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, Fig. III mit S. 24; Braunfels-Esche, Sankt Georg, Abb. 104. Den auf einem Hu¨gel postierten genuesischen Trabucos stehen die ¨ ber den Zinnen eines Mausavonesischen munitiones oberhalb der Stadt gegenu¨ber. U erwerks, das ein Turm oder der Querschnitt einer Mauer sein kann, weht an einem a¨hnlichen Mast die Fahne der Belagerten, deren Bild ich in der Reproduktion nicht erkennen kann. Die Darstellung der Szene durch den Maler scheint mir anhand der Fahnen Grundsa¨tzliches u¨ber die Belagerungssituation, genauer gesagt, u¨ber die Konfrontation von Belagerten und Belagerern, mitteilen zu wollen. So la¨uft der Mast der savonesischen Fahne in einer Linie mit der Mauerkante aus. Die Fahne markiert so die a¨ußerste Verteidigungslinie, wa¨hrend die der Genuesen den Abschluß des Feldlagers markiert. Die Unterlegenheit der Savonesen scheint sich, unabha¨ngig von perspektivischen Fragen, auch darin zu zeigen, daß ihr Gonfanon kleiner ist und nur in drei La¨tzen ausla¨uft. Schließlich wehen beide Fahnen nicht in der gleichen Windrichtung aus, sondern sozusagen im Gegenwind des Gegners.

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dings erwa¨hnt der Eintrag auf das Jahr 1227, den diese Abbildung illustrieren soll, dieses vexillum an keiner Stelle, wa¨hrend die Angaben zur Topographie oder zu der die Belagerung beendenden ‚deditio‘ der Savonesen sub temptorio potestatis sehr genau wiedergegeben sind327. Dafu¨r lassen sich jedoch aus dem Bericht des Bartholoma¨us Scriba indirekte Schlu¨sse auf die Bedeutung des roten Gonfanon mit dem Drachenkampf ziehen. Nach Antritt seines Podestariates hatte der wegen seiner Befa¨higung vom Annalisten hochgelobte Lazarius Gerardini Glandonis aus Lucca einen Feldzug zur Unterwerfung der sich in rebellione befindlichen Riviera di Ponente beschlossen und dieses großangelegte Unternehmen umsichtig vorbereiten lassen. Im Ma¨rz 1227 hielt er in campo Sarc¸ani eine Heerschau ab, in der fu¨r die milites und die pedites der sieben, ebenfalls compagne genannten Genueser Stadtquartiere confalonarii seu uexiliferi gewa¨hlt wurden, die der Podesta` anschließend mit ihren Fahnen investierte328. Die Parallelen zu den Wappenfahnen der Porte in den lombardischen Kommunen sind offensichtlich329. In diesem exercitus generalis diente daru¨ber hinaus aber auch eine große Zahl von Vasallen der Kommune und oberitalienischen So¨ldnern330. Vor diesem Hintergrund la¨ßt sich der Gonfanon als das Genueser Heerbanner deuten, das die Vielzahl der einzelnen Verba¨nde, die ebenfalls Bannertra¨ger und Fahnen hatten, zusammenfaßte. Daß die in symbolischen Formen gezeigte Pra¨senz der Genueser Schutzheiligen bei diesem Heerzug eine bedeutende Rolle spielte, zeigt sich nicht allein augenfa¨llig an der Fahne, sondern auch an den offizio¨sen Daten von Aufbruch und Ru¨ckkehr: Am 22. April, der Vigil des Georgstages, gab der Podesta` das Zeichen zum Vormarsch und nach der am 4. Juni erfolgten Ru¨ckkehr signalisierte ein am Johannistag im Bischofspalast gefeiertes Fest – die ritterlich-ho¨fische curia des Podesta` – das siegreiche Ende des Zuges331. Noch 175 Jahre spa¨ter begegnet dieser Zusammenhang in der Festlegung der vier durch triumphale Prozessionen und Darbringung 327 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 22ff. 328 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 18ff. Zu diesem zentralen sta¨dtischen Platz des 12. Jahrhunderts siehe Polonio, Provincia, S. 215. 329 Vgl. Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 107. Siehe oben Kapitel 2.2.2. 330 So erfu¨llte Otto von Carretto seine Lehnspflicht, indem er sich mit seinem Sohn Andreas von Massa und zwanzig Rittern beim Heer einfand; Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 26f. Zur Bedeutung des Genueser Heeres von 1227 siehe Waley, City-Republics, S. 97. 331 Der Annalist bezeugt die bewußte Wahl des Festtags des Heiligen, dessen in San Lorenzo verwahrte Reliquien er erwa¨hnt; Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV– MCCL, S. 20 und 26. Epstein, Genoa, S. 99, weist darauf hin, daß der ja¨hrliche Konvoi der Handelsschiffe aus dem o¨stlichen Mittelmeer meist kurz vor dem 24. Juni in Genua eintraf, so daß eine erfolgreiche Ru¨ckkehr am selben Festtag gefeiert werden konnte.

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von Palien begangenen Hauptfeste der Kommune durch den franzo¨sischen Gouverneur Jean II. Boucicaut, sinnfa¨lligerweise erga¨nzt durch den Tag, an dem in Genua erstmals das Lilienbanner als Zeichen der Stadtherrschaft des franzo¨sischen Ko¨nigs aufgepflanzt worden war332. Aufbewahrt wurde das uexillum sancti Georgii, quo comune Ianue in exercitibus utitur, in der unter dem Patrozinium des Heiligen stehenden Kirche am Marktplatz, einem der a¨ltesten Zentralorte der Genueser Bu¨rgerschaft333. Die Macht dieser Fahne als Symbol der Kommune im Krieg demonstrierten die dort gezeigten Spolien und Tropha¨en334. Zu Beginn eines Kriegszuges wurde das Heiligenbanner aus seiner Kirche geholt. Der Podesta` wurde mit ihm investiert und brachte es auf sein Flaggschiff oder fu¨hrte mit ihm das Heer ins Feld. Bei siegreicher Ru¨ckkehr wurde das Banner, gefolgt von den erbeuteten Fahnen des Gegners, u¨ber die Mole und am Hafen entlang wieder in die Kirche zuru¨ckgebracht335. Die Parallelen zum rituellen Umgang der oberitalienischen und toskani332 Georgii et Iohannis Stellae Annales Genuenses, S. 258f.: Post hec autem decretum est ut de cetero gubernator et cives non offerant palium ad templum aliquod, nisi quater in anno, videlicet festo epiphanie in templo Sancti Georgii pro Ianuensium victoriis universis, cum nostratum beatus Georgius sit vexillifer, nec in eo hunc gloriosum epiphanie diem altero potius credendum est absque ratione urbis statuisse dominium: opinor enim quod, cum ea die prima fuerit novi testamenti, summo Regi nato, tam precipua et solemnis trium regum oblatio eadem die ex perceptione cuiuscumque trophei munera Ianuensis respublice offerre decreverit, ut que proborum Ianuensium exercituum magistrorum opera non extinguatur laudanda, ipsum elegit dominium ut vigilia epiphanie, qua de ipso palio fit preconium et victorie et belligerorum, presides nominentur. Cumque beatus Georgius sit vexillifer, ut preasseritur, illo etiam templo die vigesima quarta aprilis, qua festum eiusdem beatissimi militis celebratur, idem offertur et die vigesima quarta iunii beati Iohannis Baptiste nativitatis in templo Sancti Laurentii, cum sacrosancta eiusdem almi precursoris ossa eo templo quiescant; novembris quoque vigesima septima die, cum eius mensis dies esset vigesima septima, quando primo Ianua vexilla regis Francorum levavit et dominatum accepit, ut victoriarum tamen specialis habeatur memoria, die festo, quo solebat portari palium, portatur palium ipsum cum sonantibus tubis et timpanis vicegubernatoris sociatum et aliquibus de gubernatoris familia ferme decem domum illius, qui preses erat et ductor exercitus, seu eiusdem heredum, quando festo ipso primum Ianuensis respublica fuit adepta triumphum. 333 Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 63 und 85f., mit bezug auf die Annales Ianuenses. Ann. MCCLI–MCCLXIV, S. 18 [ad 1255]. San Giorgio ist erstmals 964 bezeugt. Die mittelalterliche Kirche ist in der Fru¨hen Neuzeit durch einen Neubau ersetzt worden. 334 Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 63 und 85f.; Braunfels-Esche, Sankt Georg, S. 107–113, mit dem Hinweis auf die erwa¨hnten, 1402 durch Boucicaut erlassenen Mandate zu den Georgsprozessionen, bei denen die von der Kommune erbeuteten Siegestropha¨en in der Kirche des Heiligen zur Schau zu stellen seien. Diese Ordnung, wie u¨berhaupt die erfolgreiche Statthalterschaft Le Meingres, du¨rfte ein Motiv fu¨r den offizio¨sen Geschichtsschreiber Giorgio Stella gewesen sein, sich in heraldischen und semiotischen Fragen nach Florenz zu wenden. Vgl. Weber, Sprache, S. 524ff. 335 Braunfels-Esche, Sankt Georg, S. 108. Siehe unten Kapitel 4.

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schen Kommunen mit ihren Carrocci liegen auf der Hand. Deren Bedeutung als Symbol des milita¨rischen Triumphes und der sta¨dtischen Identita¨t und Ehre wird man auch der Fahne mit dem Bild des heiligen Georg zuschreiben du¨rfen. Auch sind die Gru¨nde dafu¨r, warum die an den felsigen Ku¨sten der Riviera oder gar nur zu Schiff ka¨mpfenden Genuesen nicht wie die Parmesen oder Bolognesen hinter einem von wohlgena¨hrten Ochsen gezogenen Karren in den Krieg zogen, evident. Allerdings hieß das Genueser Flaggschiff ebenfalls galea carroccia336. Die ‚Annales Ianuenses‘ werten die milita¨risch erzwungene Unterwerfung der Sta¨dte und Burgen an der westlichen Riviera als victoria und triumphus, die den honor der Kommune Genua gemehrt ha¨tten337. ¨ ffentlich sichtbar wurden diese gewonnenen Werte in Akten symboliO scher Kommunikation, wie dem erwa¨hnten Fest oder der zuvor erfolgten Unterwerfung der Savonesen, die eine Abordnung in das Zelt des Podesta` schickte, die, auf den Knien und mit einem Kreuz in Ha¨nden, um Gnade und Gesetze bat sowie einen leiblichen Treueid leistete338. Der Gonfanon mit dem Bild des heiligen Georg, den der Illustrator dieser Szene hinzufu¨gte, du¨rfte daher sowohl als Heerzeichen zur Belagerung, wie auch analog zum Carroccio als Siegeszeichen zur anschließenden Unterwerfung geho¨ren. Mit den gleichen und deshalb wohl formelhaften Worten wie nach ihm der Notar Bartholoma¨us Scriba, der wahrscheinlich fu¨r die Abfassung der ‚Annales Ianuenses‘ dieser Jahre verantwortlich zeichnet, hatte 336 Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 104; Weber, Flags and Banners. 337 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 22–26: Habita uero uictoria de predictis, [...] et hec omnia fuerunt in castris siue temptoriis Ianuensium prope Saonam cum triumpho peracta. [...] Reuersus est autem sepe dictus dominus Lac¸arius Ianuam die ueneris quarta iunii cum gaudio et triumpho; qui in signum uictorie et anni felicissimi in festiuitate siue natiuitate beati Iohannis Baptiste, cuius corpus gloriosum in maiori ecclesia recubat Ianuensi prope altare beati Laurentii, post tribunal ipsius ecclesie, in curia domini archiepiscopi Ianue mirabilem curiam et dignam memoria celebrauit. 338 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 23: et quadam die lune .XXIIII. madii uenerunt Saonenses ad mandata potestatis et comunis Ianue ad castra Ianuensium sub temptorio potestatis, et ibi coram omnibus se prohicientes ad pedes potestatis, et lacrimabiliter ac suppliciter misericordiam postulantes, et crucem in manibus apportantes, mandata omnia et ordinationes potestatis et comunis Ianue omnifariam ad purum intellectum potestatis et comunis Ianue corporaliter iurauerunt, et quod nullum intellectum habuerint a potestate, nec ab aliquo de sua familia, nec a persona aliqua pro comuni Ianue aliquo modo uel ingenio qui dici uel excogitari possit. [...] homines Albingane presentia sui episcopi uenerunt ad mandata potestatis et comunis Ianue, et in omnibus et per omnia fecerunt et iurauerunt sicut Saonenses predicti, sub temptorio potestatis coram omnibus manifeste. Der Annalist betont den o¨ffentlich-demonstrativen Charakter des Geschehens, dem er die heimliche na¨chtliche Flucht der mit den Aufsta¨ndischen verbu¨ndeten Grafen von Savoyen gegenu¨berstellt.

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bereits der Notar Nicolaus Panis die im Jahre 1218 erfolgte supplicatio der Ventimigliesen geschildert, bei der wie in Cairo und Savona eine Genueser Fahne gehißt wurde. Die detailreiche Schilderung des Geschehens lautet im Wortlaut: ¨ ber die durch die Gesandten Ventimiglias u¨berbrachte Auf‚U forderung an Herrn Rambertinus, fu¨r die Kommune Genua in Ventimiglia die Fahne der Kommune Genua (insigna comunis Ianue) aufzupflanzen. Als Herr Rambertinus Guidonis de Bovarello, der Podesta` von Genua, mit einer Flotte von acht Galeeren und vielen anderen Schiffen und in Begleitung vieler Adliger aus der Stadt Genua, die bei ihm auf denselben Galeeren und Schiffen waren, von Monaco nach Genua zuru¨ckkehrte und die Stadt Ventimiglia passierte, fuhren besagtem Podesta` Balduinus Marosus und Alnaldus Intraversatus, im Auftrag der Kommune Ventimiglia, in einem kleinen Segelschiff (bucius) in kurzer Entfernung vom Land entgegen und sagten, dabei versichernd, daß sie im Auftrag der Kommune Ventimiglia ka¨men, im Namen derselben Kommune, daß Herr Rambertinus, der vorgenannte Podesta`, fu¨r die Kommune Genua mit vielen oder wenigen Begleitern, wie er nach seinem Willen an Land gehen wolle, in die Stadt Ventimiglia kommen und diese selbst fu¨r die Kommune Genua entgegennehmen solle und im Namen dieser Kommune die mit dem Kreuz bezeichnete Fahne der Kommune Genua (insigna cruxata comunis Ianue) in besagter Stadt aufpflanzen lassen solle, worauf besagter Herr Rambertinus, der Podesta`, ihnen antwortete und sprach: „Es ist unser Wille, daß Ihr die Konsuln Ventimiglias kommen laßt, damit wir erkennen, ob diese Sachen so nach ihrem Willen vonstatten gehen“, und nachdem die genannten Balduinus und Arnaldus sofort nach Ventimiglia zuru¨ckgekehrt waren, kamen sie wieder mit Obertus Iudex, Willelmus Valloria und Willelmus Guercius, den Konsuln Ventimiglias, die sich vor dem Strand eine kurze Strecke vom Festland entfernt hielten, und Iacobus Milotus kam mit ihnen und er selbst, Obertus Iudex und Balduinus Marosus kamen an Bord der Galeere des Podesta`, wa¨hrend Willelmus Valoria, Willelmus Guercius und Arnaldus Intraversatus an Land blieben und versicherten: „Es reicht aus, wenn Obertus Iudex dort heraufkommt mit den Genannten“, und dort waren sie es zufrie-

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen

den. Von dort her aufgerufen, sagte besagter Obertus Iudex: „Herr Podesta`, wir kommen fu¨r die Kommune Ventimiglia und wollen, daß Ihr kommt, um fu¨r die Kommune Genua diese Stadt zu empfangen und Eure Fahne aufzupflanzen, und daß Ihr diese Stadt empfangt und haltet nach Eurem Willen, so wie es nach Eurem Willen gehen wird, und daß welche von den Konsuln Ventimiglias so bald wie mo¨glich nach Genua kommen, um Eure Befehle und Anordnungen zu empfangen und sie in allem und durch alle zu erfu¨llen und zu beachten“. Der genannte Herr Rambertinus antwortete ihnen: „Ich will, daß Ihr einen Rat mit Euren Genossen und Ratsleuten haltet, ob dies sowohl ihr, als auch Euer Wille ist. Und wenn Ihr allen unseren Anordnungen gehorchen wollt, da wir nichts von dem tun wollen, wenn ihr nicht unsere Anordnungen in allem und von allen erfu¨llen wollt“. Diese zogen sich sogleich zuru¨ck und, nachdem sie untereinander Rat gehalten hatten, wie sie versicherten, kamen sie zuru¨ck zum Podesta` und antworteten, daß „es der Wille der Kommune Ventimiglia ist, daß Ihr die Stadt Ventimiglia empfangt oder entgegennehmen laßt, fu¨r die Kommune Genua, und Eure Fahne dort aufpflanzen laßt und mit dieser Stadt verfahrt, wie mit Eurer Sache, auf welche Weise es auch seinen Fortgang nehmen wird nach Eurem Willen, und daß welche von den Konsuln der besagten Stadt zu Euch nach Genua kommen, um dem durch das Siegel Beglaubigten, als auch den anderen Gesetzen, Befehlen und Ordnungen fu¨r die Kommune Genua in seinem Namen und dem der Kommune Ventimiglia in allem und durch alle zu gehorchen“. Dies geschah vor dem Strand von Ventimiglia. Zeugen waren Obertus Spinola, Obertus Galleta, Enricus Domuscultus, C ¸ acharias de Castro, Opic¸o Fallamonica, Rainaldus Ceba und Paganus Symia. Im Jahre der Geburt des Herrn 1218, in der sechsten Indiktion, am 28. Tag des September, um die Terz. (Notarszeichen) Ich Nicolaus Panis, Notar, war dabei zugegen und habe dies auf Geheiß des besagten Podesta` geschrieben. ¨ ber die demu¨tige Bitte um Schutz (supplicatio), die die KonU suln Ventimiglias an Herrn Rambertinus, den Podesta` von Genua, richteten.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

 Und als die oben genannten Konsuln und Gesandten Ventimiglias so, wie es oben aufgeschrieben ist, den besagten Podesta` gebeten hatten, schickte der genannte Herr Rambertinus, Podesta` von Genua, die edlen und versta¨ndigen Ma¨nner Obertus Spinola, C ¸ acharias de Castro und Obertus Galleta als seine Gesandten in die Stadt Ventimiglia und mit ihnen Manuel Doria, Cunradus de Castro und Opic¸o Fallamonica, die zuvor in die Stadt gegangen waren. Obertus Spinola sprach zu Obertus Iudex und seinen Genossen unter den Konsuln von Ventimiglia: „Balduinus Marosus und Arnaldus Intraversatus kamen zum Podesta` und danach Iacobus Milotus und seine Genossen, die sagten, daß es der Wille der Kommune Ventimiglia ist, den Befehlen des Podesta` von Genua fu¨r die Kommune zu gehorchen und ebendiese Stadt seiner Gnade und Befehlsgewalt zu u¨bergeben und die Fahne dort aufzupflanzen fu¨r die Kommune Genua“. Ihm antworteten sie, daß dies wirklich ihr Wille ist. Und darauf begaben sie sich in die Kirche Santa Maria von Ventimiglia, wo die genannten drei Konsuln von Ventimiglia sowie Peire Pernus und Beleem, Konsuln der genannten Kommune, waren und viele Bu¨rger Ventimiglias, so daß die Kirche fast ganz gefu¨llt war, und nachdem alle, die hereinkamen, versammelt worden waren, sprach der genannte Obertus Spinola, wie der Podesta` von Genua im Auftrag der Kommune nach Monaco gekommen war und wie, als er auf der Ru¨ckkehr vor die Stadt Ventimiglia gelangt sei, zu ihm gekommen waren in einem kleinen Segler Balduinus Marosus und Arnaldus Intraversatus, die versicherten, daß es der Wille der Kommune Ventimiglia war, den Befehlen der Kommune Genua zu gehorchen und diese Stadt unter die Macht und Herrschaft der Kommune Genua zu geben und im Namen derselben Kommune die Fahne der Kommune Genua (insigna comunis Ianue) in der Stadt Ventimiglia aufzupflanzen, und daraufhin kamen Obertus Iudex, Willelmus Valloria und Willelmus Guercius von Ventimiglia mit Iacobus Milotus und Baulduinus, und Obertus Iudex sagte, daß es der Wille der Kommune Ventimiglia und der eure ist, zu gehorchen, beachten und zu erfu¨llen die Befehle des Podesta` von Genua im Namen der Kommune, sowohl die mit dem Siegel beglaubigten, als auch die u¨brigen zu beachten, und daß welche von den Konsuln nach Genua kommen wegen der von allen zu erfu¨llenden Mandate der Kommune

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen

Genua und daß die Stadt Ventimiglia dem Podesta` fu¨r die Kommune Genua in seine Gewalt, Gnade und Befehlsgewalt gegeben wird – „und ich will wissen, ob dies Euer Wille ist“. Und dies sagte er vor allem Volk, das in der Kirche versammelt war, und diese riefen und sprachen: „Ja, ja und ja“. Und danach sprach Obertus Iudex, der in Gegenwart aller versicherte, daß so der Wille der Ventimigliesen sei, dies alles zu beachten und zu befolgen und in Gegenwart aller erhob sich Obertus Iudex vor dem versammelten Volk und u¨bergab als Lehen (recipit) dem besagten Obertus Spinola die Stadt Ventimiglia fu¨r die Kommune Ventimiglia und investierte fu¨r die Kommune Genua den genannten Obertus und gab ihm daher das Besitzrecht und die Herrschaft (possessio et dominium), na¨mlich daß sie von nun an der Kommune Genua geho¨re und der Gnade und Befehlsgewalt derselben Kommune preisgegeben sei und daß die Kommune Genua diese Stadt gleichsam wie ihr Eigentum (res sua) empfange und sie von nun an bewache, erhalte, schu¨tze und verteidige. Und der vorgenannte Obertus Spinola sprach, nachdem er die Investitur mit der Stadt empfangen hatte, vor den Konsuln und dem gesamten Volk: „Wollt Ihr die Stadt Ventimiglia uns geben fu¨r die Kommune Genua und wollt Ihr, daß wir in ihr die Fahne fu¨r die Kommune Genua aufpflanzen lassen und wollt Ihr uns daher investieren? Wir wollen sie so empfangen, na¨mlich, daß Ihr allen Befehlen der Kommune Genua Folge leistet und nicht gegen die Euch gegebenen Befehle handelt und daß welche von Euren Konsuln nach Genua kommen, um den Mandaten und Ordnungen des Podesta` von Genua fu¨r die Kommune in allem zu gehorchen“ und diese riefen aus und sprachen: „So geschehe es, so geschehe es“. Und so empfing Obertus Spinola die Kappe (capella), die ihm Obertus Iudex entgegenreichte und besagter Obertus Iudex investierte ihn mit der Stadt und gab ihm das Besitzrecht und die Herrschaft u¨ber die Stadt und besagter Obertus Spinola empfing die Stadt zu Schutz und Schirm (in protectionem et defensionem) der Kommune Genua und wie ein Eigentum der Kommune Genua nahm er sie an. Und einige der Konsuln empfingen die mit dem Kreuz bezeichnete Fahne, wa¨hrend alle zuschauten und es sahen, und pflanzten sie auf dem Glockenturm der Kirche von Ventimiglia auf und ich habe sie dort gehißt gesehen. Dies geschah in der Kirche Santa Maria von Ventimiglia, in

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

Gegenwart der besagten Gesandten und ihrer obengenannten Genossen und von Iacobus Milotus, Willelmus Gensane, Raimundus Curlus, Raimundus Iudex und Geraudus Iudex, im Jahre der Geburt des Herrn 1218, in der sechsten Indiktion, am 28. Tag des September, zwischen Terz und Non. (Notarszeichen) Ich Nicolaus Panis, Notar, war dabei zugegen und habe dies auf Geheiß der besagten Gesandten geschrieben.‘339 In Ventimiglia, dies la¨ßt die Quelle klar erkennen, wurde nicht das ehrwu¨rdige Heerbanner, sondern eine andere Georgsfahne gehißt, die ein Kreuz zeigte und die die dortigen Konsuln den Genuesen gegenu¨ber „Eure Fahne“ nannten340. Sie sahen sie als Wahrzeichen der Kommune Genua, gefu¨hrt von deren Podesta`, an. Angesichts des im spa¨teren Mittelalter gefu¨hrten Wappens der Kommune spricht alles dafu¨r, das in dieser Quelle erwa¨hnte Fahnenbild als heraldisch einzustufen und in ihm einen Beleg fu¨r das Wappenbild des durchgehenden roten Kreuzes in Weiß zu sehen. Bezieht man die erwa¨hnte Zeichnung in den Genueser Annalen in die Argumentation mit ein, gelangt man zu der Schlußfolgerung, daß die Kommune spa¨testens seit der Wende zum 13. Jahrhundert neben der in Genua gebrauchten Lehnsfahne und dem Georgsbanner eine weitere Fahne gebrauchte, die u¨ber die Gleichsetzung ihres Kreuzbildes mit dem Wappen des Heiligen auf die Genueser Kommune verwies. Stand die Fahne aufgrund ihres heraldischen Bildes fu¨r Genua, so war es nur folgerichtig, daß der Ventimiglieser Konsul Obertus Iudex nicht mit ihr, sondern mit einer Mu¨tze oder Kappe den Genuesen Obertus Spinola als Stellvertreter seiner Kommune investierte. Dieses verbreitete Investitursymbol besaß, wie gerade auch Belege aus Italien zeigen, Bedeutung als Zeichen hohen sozialen Standes und politischer Herrschaft. Die Ko¨nige des fru¨heren Mittelalters und auch noch Barbarossa trugen ihre Mu¨tzen als „Wu¨rdezeichen“341. Miniaturen des 12. Jahrhunderts zeigen auch Große unterhalb der Ko¨nigswu¨rde, wie die Markgrafen von Canossa, die milites des Ko¨nigreichs Sizilien sowie schließlich auch die Podesta` und Konsuln von Genua mit dieser Kopfbedeckung, die eindeutig als Herrschafts- und Standeszeichen konnotiert ist342. Heinrich VI., 339 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/2, Nr. 430, S. 437–441. 340 Die rote Lehnsfahne der Kommune wurde dagegen nicht in dieser Weise der Kommune zugeordnet; siehe oben das vorige Kapitel. 341 Fichtenau, Lebensordnungen, S. 67f.; Schweppenstette, Politik, S. 262. 342 Goez, Die Canusiner; Lazzari, Miniature; Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, S. 50f.: die Ritter tragen Mu¨tzen, sowie nachtra¨glich eingezeichnete Sporen und

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen

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dem Richard Lo¨wenherz sein Reich per pileum suum u¨bertragen hatte, gebrauchte 1194 in Italien seine Kopfbedeckung als Investitursymbol343. Spa¨tere Kaiser, wie Otto IV., handelten ebenso344. Wenn die Repra¨sentanten einer Kommune eine Mu¨tze als Investitursymbol gebrauchten, folgten sie also einer normalen Praxis des Lehnswesens, wie sie auch von Kaisern in Italien geu¨bt wurde. Die in Cairo als Investitursymbole gebrauchten Schlu¨ssel fu¨hren durch ihre praktische Funktion sehr viel sinnfa¨lliger vor Augen, daß derjenige, der sie erhielt, nun die Kontrolle u¨ber die Burg besaß. Fu¨r solche symbolischen Schlu¨sselu¨bergaben in Kontexten der Belehnung oder Unterwerfung finden sich denn auch Belege und bildliche Darstellungen aus der gesamten europa¨ischen Vormoderne. Als Beispiele, die in Italien verortet sind, seien nur die Darstellungen im ‚Liber ad honorem Augusti‘ und im ‚Balduineum‘ genannt345. Vor diesem Hintergrund wurden die Schlu¨ssel von befestigten Pla¨tzen im Verlauf des Mittelalters zu aufbewahrten Tropha¨en, die an den triumphalen Sieg, in dessen Kontext sie u¨bergeben oder geraubt worden waren, erinnerten346. So begegnen schließlich um 1400 die vergoldeten Schlu¨ssel Veronas und Paduas als Tropha¨en des venezianischen Dogen, unter dessen Herrschaft die Sta¨dte an die Serenissima gefallen waren347. Die in diesem Kapitel untersuchten Beispiele stehen fu¨r die Situation des fru¨hen 13. Jahrhunderts. Die Markgrafen von Carretto und die Kommune Ventimiglia gaben zu diesem Zeitpunkt dem Druck der Superba nach und unterstellten sich ihr. Ihre anschließende Einbindung in den Genueser Herrschaftsverband erfolgte in mehrschrittigen und o¨ffentlichen Ritualen der Belehnung und Inbesitznahme. Insbesondere das Beispiel aus Ventimiglia von 1218 la¨ßt die Verhandlungen erkennen, die solchen rituellen Akten vorausgingen. Der im Vergleich zu fru¨heren Gesten

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Schwerter und heben sich damit von dem ihnen gegenu¨bergestellten vulgus ab. Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, Tafel I und II; vgl. Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], Tafel III, V und VII. Schneider, Toskanische Studien, S. 166ff. Vgl. seine Darstellung in Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], Tafel VI, Fig. XXXII. Am 6. Mai 1210 investierte Otto IV. in pallatio novo comunis Cremone – dem 1206 errichteten Kommunalpalast – in Gegenwart der die Handlung bezeugenden Großen seines Gefolges den Abraam de Malfiastris cum una beretta mit seinen Lehen; Bo¨hmer, Regesta imperii 5,1, Nr. 398, S. 116. Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, S. 86f.; Heyen, Romfahrt, S. 69, 73, 85, 89, 115 und 117. Zu einem Beispiel des fru¨hen 13. Jahrhunderts siehe Weber, Kommunikationsgeschehen, bei Anm. 60. Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, ad indicem, S. 305 („Tropha¨en: Schlu¨ssel“). Weber, Formation, S. 77.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

der Vasallita¨t gro¨ßeren Ausdifferenziertheit der Handlungsfolge entsprach der Gebrauch verschiedener Medien. So wurden die Akteure mit einem Kreuzstab, einem Handschuh, Schlu¨sseln oder einer Mu¨tze investiert, Dingsymbolen, die sich auch andernorts in vergleichbaren Kontexten finden. Mit der die Handlungsfolge beschließenden Geste findet sich jedoch ein neues Element. Am ho¨chsten Punkt des in Besitz genommenen Ortes, auf dem Burgturm Cairos und dem Campanile Ventimiglias, wurde die Fahne Genuas als Zeichen der Inbesitznahme gehißt. Es handelte sich bei ihr jedoch nicht um die Lehns- oder Heerfahne. Daß diese Kreuzfahne an mehreren Stellen, in Portovenere, Ventimiglia und wahrscheinlich auch in Cairo, gezeigt wurde, liefert den Hinweis zur Erkla¨rung ihrer Entstehung. Im Unterschied zu dem Gonfalon oder Banner, das in Rot das goldene Bild des heiligen Georg als Drachenka¨mpfer zeigte und das dem Podesta` als Heerfu¨hrer und Flottenkommandant zugeordnet war, waren die Fahnen mit dem Georgskreuz keine Unikate. Dank ihres heraldischen Fahnenbildes, das zudem noch in gro¨ßerer Entfernung gut sichtbar und wiedererkennbar war, konnten sie in beliebiger Anzahl gebraucht werden und dennoch u¨ber ihr Georgskreuz auf den bestehenden Zusammenhang zwischen Georg und Genua verweisen. Nach modernem Sprachgebrauch handelte es sich bei ihnen bereits um Flaggen348. Lag der Sitz im Leben der Heerfahne in der Wehrordnung und den identita¨tsstiftenden civic rituals der Stadtgemeinde, so begegnet die Kreuzfahne beziehungsweise -flagge zuerst als Medium, mit dem in triumphaler Geste die Inbesitznahme befestigter Orte demonstriert wurde. Die territoriale Expansion Genuas du¨rfte also die Annahme der gleichzeitig an verschiedenen Orten einsetzbaren Wappenfahne befo¨rdert haben. Ihr Gebrauch in einer Geste, die bis in die Sprache hinein mit dem Triumph konnotiert wurde, war sicherlich in a¨hnlicher Weise ehrbringend ¨ ber und identita¨tsstiftend, wie der der a¨lteren Fahnen der Kommune. U die rechtsverbindliche Zeichensetzung hinaus wurde sie als Symbol von possessio et dominium auch zum Herrschaftszeichen der Superba in einem weiteren Sinne. Weitere Motive fu¨r das ‚Heraldischwerden‘ der Fahne du¨rften in der angesprochenen Ausdifferenzierung der symbolischen Kommunikation und entsprechenden Entwicklungen in den sozialen und politischen Strukturen der Kommune und ihres Herrschaftsbereichs zu sehen sein. Daß die einzelnen Compagne des Genueser Heeres auch eigene Fahnen besaßen, von denen wir zu 1227 erfahren, machten wiedererkenn348 Erdmann, Fahnen, S. 19f., mit Bezug auf Hans Horstmann, Fahne oder Flagge?, in: Muttersprache. Zeitschrift des deutschen Sprachvereins 44, 1929, S. 119f.

2.4 Kommunale Herrschaftsbildung mit rituell gebrauchten Fahnen

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bare, heraldische Fahnenbilder notwendig. Vergleichbare Organisationsformen finden sich, wie wir gesehen haben, auch in den ober- und mittelitalienischen Kommunen, in Mailand sogar schon in der Mitte des 12. Jahrhunderts349. Die gleichzeitig beibehaltene Pluralita¨t der von der Kommune und ihren Institutionen gefu¨hrten Wappenfahnen erweist sich als eine Signatur der kommunalen Heraldik Italiens. Geben die Quellen detaillierter Auskunft, ist oft eine Hierarchie oder ein System nach mittelalterlichen Maßsta¨ben zu erkennen, das u¨ber die heraldische Bezeichnung zur Konstituierung der Wehrordnung der Kommune beitrug. Im weiteren Verlauf des Spa¨tmittelalters scheint die heraldische Kreuzfahne das weiterhin benutzte Georgsbanner in den Hintergrund gedra¨ngt zu haben. Eine a¨hnliche Entwicklung la¨ßt sich, wie ich vermute, auch in anderen Kommunen wie Cremona oder Pisa beobachten350. Einen Anhaltspunkt dafu¨r liefert die Darstellung des Genueser Admirals Pagano Doria als Tra¨ger der Kreuzfahne auf einem o¨ffentlichen Monument aus dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts. Der Sieger zahlreicher Seeschlachten hatte ein Staatsbegra¨bnis und ein mausoleum cum statua in San Domenico erhalten351. Die Frontplatte seines Sarkophages, die allein von diesem Grabmal u¨brig geblieben ist, zeigt den vor der Madonna knienden geharnischten Doria, der mit beiden Ha¨nden die Fahnenlanze umfaßt, wa¨hrend ihn der hinter ihm stehende heilige Georg, der Schild und Fahne mit seinem Wappen tra¨gt, Maria empfiehlt352. Diese Darstellungsform, die Formen der Fro¨mmigkeit und der Staatlichkeit verbindet, ist charakteristisch fu¨r das 14. Jahrhundert und findet zahlreiche Parallelen in anderen Kommunen Ober- und Mittelitaliens353. Daß die das 349 Siehe Kapitel 4. 350 Siehe Kapitel 2.2. Pisa besaß ein Banner mit dem Bild der Stadtpatronin Maria. Die ‚allta¨glichen‘ Fahnen der Seerepublik waren bildlos und rot; Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 106. Auch Parma besaß ein Marienbanner und heraldische Symbole. Diese Pluralita¨t der kommunalen Symbolik und insbesondere den Gebrauch von Fahnen mit dem Bild des Stadtpatrons oder der -patronin zeigen die Illustrationen zur Luccheser Chronik des Giovanni Sercambi; siehe die Literatur bei Weber, Formation, S. 56, Anm. 7. 351 Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, bes. S. 139 und 178. 352 Abgebildet bei Braunfels-Esche, Sankt Georg, Abb. 164, S. 170, die den Admiral, dessen ghibellinische Familie vom Dogat ausgeschlossen worden war, fa¨lschlich als Dogen bezeichnet. Eine politisch motivierte damnatio memoriae ko¨nnte auch die Ursache dafu¨r sein, daß der Schild des Knienden, der wahrscheinlich den Adler der Doria trug, ¨ hnliches ist den Wappenschilden der Sopraporte am Palazzo heute leergemeißelt ist. A Doria-Quartara widerfahren; ebenda Abb. 153, S. 160f. 353 Vgl. Weber, Formation. Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 144, entgeht die Bedeutung der Wappen des Reliefs. Sie beschra¨nkt sich vom kunsthistorischen Standpunkt aus auf eine Einordnung nach a¨sthetisch-stilistischen und typisierenden Kriterien: „eine

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

Bild begleitende Inschrift Pagano als bis [...] trihumfantis ausweist, paßt zu dem a¨lteren Konnex von kommunaler Fahne und Triumphgeste. Das Relief vom Grabmal des AMIRATUS COMUNIS ET POPULI IANUE repra¨sentierte demnach u¨ber mehrere Verweise, zu denen an prominenter Stelle die Fahne und der Wappenschild mit dem Kreuzwappen geho¨rten, auch die Kommune Genua354. In seiner Botschaft, die etablierte heraldische Zeichen mit aktuellen narrativen Vermittlungsformen verbindet, ist es den Denkma¨lern und Geschichtserza¨hlungen aus anderen Kommunen vergleichbar. Wie Sigrid Braunfels-Esche ausfu¨hrt, wurde denn auch die Darstellung von St. Georgs Drachenkampf zu einem dem Markuslo¨wen oder der Wo¨lfin Sienas vergleichbaren Staatsemblem Genuas in Spa¨tmittelalter und Fru¨her Neuzeit355.

¨ hnlichkeit 2.5 Zusammenfassung: Verschiedenheit und A der visuellen Zeichen und symbolischen Gesten Wird eine Kirche geweiht, so soll der Weihende zwo¨lf Kreuze, die dafu¨r an verschiedene Stellen des Kirchenbaus gemalt worden sind, salben. Diese Kreuze wu¨rden, so erkla¨rt der Verfasser des ‚Rationale divinorum officiorum‘, aus mehreren Gru¨nden sichtbar in den Kirchen gemalt. Zuna¨chst sollten sie Da¨monen erschrecken, die vor dem signum crucis flo¨hen und nicht in die Kirche zuru¨ckzukehren wagten. Der zweite Grund sei: ‚wegen des Zurschaustellens des Triumphes, Kreuze sind na¨mlich Fahnen Christi und Zeichen seines Triumphes. Zu Recht also werden dort Kreuze angemalt, damit sichtbar gezeigt wird, daß jener Ort der Herrschaft Christi unterworfen ist. Denn auch im Falle der kaiserlichen Magnifizenz wird es u¨blicherweise so gehalten, daß, wenn sich ihr eine Stadt ergeben hat, die kaiserliche Fahne in ihr aufgepflanzt wird.‘356 Sarkophagplatte mit qualitativ bescheidenem Reliefschmuck (Heilige pra¨sentieren den Verstorbenen der Madonna)“. 354 So weist ihn eine Inschrift an San Matteo der Hauskirche der Doria aus; Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 244. 355 Braunfels-Esche, Sankt Georg, S. 108ff. Siehe Kapitel 4.5.1 zur symbolischen Bezeichnung des Territoriums. 356 Guillelmi Duranti Rationale divinorum officiorum, I VI 27–28, S. 73: Sane crismato altari, duodecim cruces in parietibus ecclesie depicte crismantur. Depinguntur autem ipse cruces, primo propter demonum terrorem, ut scilicet demones qui inde expulsi sunt

¨ hnlichkeit der Zeichen und Gesten 2.5 Zusammenfassung: Verschiedenheit und A

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Diese allegorisierende Erkla¨rung der Kreuzbilder stammt aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Sie vereint christliche Vorstellungen spa¨tantiken Ursprungs u¨ber die Symbolik der Fahne mit der Beobachtung einer zeitgeno¨ssischen Praktik politischer Symbolik. Mag diese Mischung auf den ersten Blick ungewo¨hnlich erscheinen, so ist sie doch charakteristisch fu¨r ihren Verfasser, den a¨lteren Guillaume Durand (ca. 1230/31–1. 11. 1296). Sein ‚Rationale‘ weist sowohl mit Bezug auf die liturgischen Traditionen, in die sich der Autor stellte, als auch hinsichtlich der Biographie des Verfassers eine ro¨misch-italienische Perspektive auf. Nach einem Rechtsstudium in Bologna hatte der Provenc¸ale in den 1260er Jahren eine Karriere als Kapellan an der pa¨pstlichen Kurie begonnen, in der er es bis zum Auditor generalis brachte. INSTRVXIT CLERVM SCRIPTIS, MONVITQ STATVTIS. – so ru¨hmt eine Zeile seines monumentalen Epitaphs in der Allerheiligenkapelle von Santa Maria sopra Minerva Guillaumes beeindruckende literarische Produktion. Neben den erwa¨hnten Synodalstatuten und -kommentaren waren es vor allem seine kanonistischen und liturgischen Werke, die, weitverbreitet, eine nachhaltige Wirkung entfalteten. Sein ‚Speculum Iudiciale‘ trug ihm bereits zu Lebzeiten den Beinamen Speculator ein. Entscheidend fu¨r das Versta¨ndnis unseres Beispiels ist jedoch seine politische Karriere, der die erwa¨hnte Inschrift ebensoviel Platz einra¨umt, wie seinen literarischen Leistungen: INDOMITOS DOMVIT POPVLOS FERROQ REBELLES / IMPVLIT, ECCLESIAE VICTOS SERVIRE COEGIT. / COMPROBAT OFFICIIS, PARVIT ROMANIA SCEPTRO / BELLIGERI COMITIS MARTINI TEMPORE QVARTI / [. . . ] / FIT COMES INVITUS SIMVL HINC ET MARCHIO TANDEM / [. . . ]. ¨ mter und poliVon 1280 bis 1286 und 1295/96 u¨bernahm Guillaume A tisch-milita¨rische Missionen im Kirchenstaat, vor allem in der gerade erst gewonnenen Romagna, die ihn in engste Beru¨hrung mit Reichsitalien und den oberitalienischen Kommunen brachten357. Daß Heraldik in seinem uidentes signum crucis terreantur et illuc regredi non presumant; secundo propter triumphi ostensionem, cruces namque sunt uexilla Christi et signa triumphi sui. Merito ergo ut ostendatur quod locus ille Christi dominio subiugatus est ibidem cruces depinguntur. Nam et apud imperialem magnificentiam obseruatur ut, aliqua ciuitate sibi tradita, imperiale uexillum in ea erigatur. 357 Guillaume Durand, E´veˆque de Mende, mit Edition der Inschrift des Epitaphs, S. 27–29. Den gegenwa¨rtigen Forschungsstand markiert der Artikel eines der Herausgeber des

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

Leben und Andenken eine Rolle spielte, zeigt sein erwa¨hntes Grabmal, das sechs Schilde mit seinem Familienwappen pra¨sentiert. Aus der Perspektive des politisch-milita¨rischen Fahnengebrauchs in seiner Lebenswelt ist es eine besondere Pointe, daß es in der Zeit, in der Guillaume wirkte und schrieb, gar keinen ro¨mischen Kaiser gab. Indem sich der Verfasser in seinem Vergleich auf die Kaiserfahne berief, tat er dies also im Sinne des grundsa¨tzlichen Verweises auf einen bestehenden Brauch. Waren Fahne und Triumph- und Unterwerfungsgeste fest etabliert, so konnten sie auch von Dritten im Namen des Kaisers beansprucht und geu¨bt werden. Am Beispiel der durch den Kirchenstaat beanspruchten Kommune Todi werden wir weiter unten sehen, wie die Ghibellinen, mit denen es Guillaume in anderen Sta¨dten zu tun hatte, sich ihrer in dieser Zeit bedienten358. Noch zahlreicher werden die Belege dann im 14. Jahrhundert, als es zur ga¨ngigen Herrschaftspraxis oberitalienischer Signoren geho¨rte, die Eroberung einer Kommune durch ihr Reichsvikariat zu legitimieren und dies durch das Aufpflanzen der Adlerfahne des Reiches zu zeigen359. Das tertium comparationis zwischen den Kreuzen an den Kirchenwa¨nden und der Fahne des Kaisers ist die begriffliche Gleichsetzung des Kreuzes mit dem vexillum Christi. Nach Carl Erdmann, der auf die spa¨tantik-fru¨hmittelalterliche Bedeutungsgeschichte dieses Begriffes aufmerksam gemacht hat, bezeichnete er das Kreuz als Siegeszeichen Christi. Sowohl liturgische Kreuzzeichen und die Geste des Bekreuzigens, als auch Gegensta¨nde, wie Vortragekreuze und die Kreuze auf den Kleidern der Kreuzfahrer, waren im Sprachgebrauch des fru¨heren Mittelalters vexilla Christi360. In der geistlichen Polemik gegen den Krieg ist die Fahne Christi geradezu der Gegenbegriff zu den profanen Feldzeichen des Kaisers: Caesaris uexilla linquunt, eligunt signum crucis / proque uentosis dra-

‚Rationale‘, Thibodeau, William Durandus. Zum Grabmal des Kardinals in Santa Maria sopra Minerva siehe Pace, Committenza, mit Abb. 10. 358 Siehe Kapitel 3. Als Heinrich VII. wieder in Italien erschien, beriefen sich vor ihm unter anderen die Della Scala von Verona bei ihrer Bitte um die Verleihung des Reichsvikariates darauf, daß sie und ihre Vorfahren wa¨hrend der Abwesenheit eines Kaisers die Positionen des Reiches mit dessen Wappen verteidigt ha¨tten und dafu¨r Anfeindungen ausgesetzt gewesen seien; Weber, Formation, S. 64. 359 Weber, Formation, S. 65. 360 Erdmann, Entstehung, S. 30–33, mit dem Hinweis auf die seit Konstantin bestehende, im Osten sta¨rker ausgepra¨gte Tradition der Verwendung christlicher Symbole als Feldzeichen. Die angesprochene Polemik, fu¨r die Erdmann neben dem folgenden Prudentius-Zitat weitere sprechende Beispiele liefert, muß vor diesem Hintergrund gesehen werden.

¨ hnlichkeit der Zeichen und Gesten 2.5 Zusammenfassung: Verschiedenheit und A

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conum quos gerebant palliis / praeferunt insigne lignum quod draconum subdidit361. Wenn Guillaume Durand die traditionelle Metaphorik dieses Begriffes nun ausgerechnet dazu benutzte, um einen Vergleich zwischen dem Kreuzzeichen und der Kaiserfahne herzustellen, so weist dies auf den grundsa¨tzlichen Wandel hin, der sich im 11. und 12. Jahrhundert in der Einstellung der abendla¨ndischen Kirche zum Krieg und seinen Symbolen vollzogen hatte. Dieser Wandel betraf vorheraldische Medien, wie die Fahnen, die spa¨ter zu Tra¨germedien heraldischer Symbolik werden sollten. Er impliziert ferner im Ru¨ckgriff auf die antike Tradition und auf die semiotischen Hierarchien seiner Gegenwart die Rangho¨he des kaiserlichen Zeichens. Das Bild funktioniert daru¨ber hinaus nicht nur u¨ber den Vergleich der Zeichen selbst, sondern auch u¨ber deren bekannte Eingebundenheit in den Kontext verschiedener symbolisch-ritueller Kommunikationspraktiken, der der Liturgie und der des milita¨risch-politischen Triumphes. Beide dienten wiederum der Konstituierung von dominium, der Herrschaft Christi und der weltlichen Herrschaft des Kaisers. Guillaume Durand bediente sich fu¨r seine Deutung der Kirchweihe eines ku¨hnen Vergleichs, der auf der Vielfa¨ltigkeit des semiotischen Feldes von Herrschaft beruhte. Dieses wurde stets von literarisch vermittelten Traditionen belebt, schloß aber auch im Verlauf der Geschichte entstandene und in der Gegenwart des Verfassers pra¨sente Instanzen und symbolische Praktiken mit ein. Sichtbar wird dies am Kernbegriff des vexillum, dessen Bedeutungsspanne von der Geste des Kreuzzeichens bis hin zur Fahne des ro¨mischen Kaisers reichte. Auch wenn fu¨r diese in der Zeit Durands das Wappenbild mit dem schwarzen Adler in Gold feststand, nennt es der schreibende Bischof nicht. Vielleicht weil dies im Vergleich unpassend gewesen wa¨re. Daß ich es dennoch zu Beginn dieser Zusammenfassung anspreche, liegt an den Bedeutungszusammenha¨ngen, die es ¨ bervoraussetzt und die charakteristisch fu¨r die untersuchte Phase des U gangs zur heraldischen Symbolik im 12. und fru¨hen 13. Jahrhundert sind. Dies gilt gerade auch fu¨r die Sta¨dte Ober- und Mittelitaliens, an die Guillaume Durand in seinem Vergleich gedacht haben wird. Denn nur hier war es nahezu allta¨glich, daß sich eine Stadt dem Kaiser oder seinem Repra¨sentanten ergab. Es ist außerdem als bemerkenswert festzuhalten, daß der Geistliche fu¨r seinen Vergleich auf die Kaiserfahne, nicht aber auf die seit Innocenz III. nachweisbare Fahne der Ro¨mischen Kirche zuru¨ckgriff.

361 Prudentius, Liber Peristefanon I 34–36, u¨ber zwei Ma¨rtyrer; Aurelius Prudentius Clemens, Carmina, S. 252.

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Vielleicht war diese in dem angesprochenen, Kriegshandlungen einbeziehenden Handlungskontext immer noch nicht so etabliert, wie spa¨ter in den Zeiten des Kardinals Albornoz. Italienische Stadtkommunen wie Mailand, Cremona, Genua, Tortona, Padua, Florenz, Siena oder Viterbo sind im zuru¨ckliegenden zweiten Teil dieser Arbeit anhand von Beispielen in den Blick genommen worden. Gezeigt haben sich in diesem Untersuchungsraum Sinnbezu¨ge von a¨hnlicher Art, wie sie Guillaume Durand anspricht: die Fahne als konstitutives Medium der Herrschaft ist in der kommunalen Welt des 12. und 13. Jahrhunderts allgegenwa¨rtig. Sie stammt aus vorheraldischer Zeit und wird multifunktional als Heerfahne oder in sta¨dtischen Ritualen gebraucht. ¨ ber den spontanen oder ausgehandelten Vollzug der entsprechenden U Geste hinaus haftet die Konnotation des Triumphes den Fahnen selbst an und betrifft auch andere Verwendungskontexte wie Belehnungen oder Inbesitznahmen. Es finden sich ebenfalls Hinweise auf einen Pluralismus von Fahnen, denen jeweils bestimmte Funktionen zugewiesen waren, wie die rote Lehnsfahne oder das singula¨re Genueser Georgsbanner. Das Aufkommen des Wappenwesens in der civilta` comunale la¨ßt sich nicht monokausal oder von einem bestimmten Ausgangspunkt her erkla¨ren, sondern als ein von vielen Faktoren beeinflußter spannungsreicher Prozeß nachvollziehen. Auch die kaiserlichen Fahnen sind in dieser Untersuchung angespro¨ berlieferungslage und hinsichtchen worden, weil ihnen aufgrund der U lich ihrer Pra¨senz in der kommunalen Welt Reichsitaliens eine gewisse ¨ bergang von vorheraldischen zu heralVorreiterrolle zukommt. Der U disch bezeichneten Medien wird in Quellen aus der Zeit Kaiser Heinrichs VI. greifbar. Daß die Fahne des Reichs, die der Staufer als Lehnsfahne gebrauchte, wegen ihres heraldischen Bildes in der Folgezeit von Kommunen als Symbol der eigenen, komplementa¨r zum Reich gesehenen Herrschaftsordnung verwendet wurde, sollte nicht dazu fu¨hren, ihre in den Quellen erkennbaren Gebrauchsformen nur dem Reich zuzuordnen und sie den Kommunen abzusprechen. Denn diese verbanden, wenn sie eigensta¨ndig einen Feudalherrn aus dem Contado belehnten oder Krieg gegen eine Nachbarkommune fu¨hrten, in gleicher Weise Fahnen mit bestimmten Praktiken, wie dies der Kaiser oder seine Funktiona¨re taten362. Die Kommune Genua schuf sich wa¨hrend des 12. Jahrhunderts ihren eigenen Lehnsverband fu¨r den sie auch eine eigene Lehnsfahne besaß. Nur fu¨r das Beispiel von 1177, nach den Erfahrungen mit 362 In den diskutierten Beispielen ist ein ganzes Spektrum verschiedener Lehnsfahnen oder fu¨r Fahneninvestituren verwandte Fahnen greifbar.

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Barbarossa, ist fu¨r diesen die Vorbehaltsklausel gegenu¨ber dem Kaiser dokumentiert. Auch das im Kampf um Befestigungen angestrebte Aufpflanzen der eigenen Heerfahne als triumphales Siegeszeichen blieb nicht auf literarische Antikenrezeption oder einen angeblichen Vorbehalt des Kaisers beschra¨nkt. Das Bild in der Handschrift des Petrus von Eboli, auf dem ein Ritter u¨ber eine Leiter die Mauern Salernos erklimmt, um auf ihnen eine Lanze mit der kaiserlichen Fahne aufzupflanzen (Taf. 4), findet seine direkte Entsprechung in einer vierzig Jahre spa¨ter erfolgten Belagerung einer Burg durch ein kommunales Heer. Der Piacentiner Geschichtsschreiber Johannes Codagnellus berichtet na¨mlich, wie ein Heer aus Abteilungen des Popolo von Piacenza und Cremona am 3. August 1234 die Burg Pigazzano zu erobern versuchte. Den Belagerten gelang es jedoch, die Belagerer zuru¨ckzuschlagen, die versuchten, u¨ber Leitern die Burgmauer zu ersteigen und auf dieser ihre Fahnen anzubringen. Dabei eroberten sie nicht weniger als sieben Fahnen363. Daß die bei Einbruch der Dunkelheit abziehenden Belagerer im Kampf etwa siebzehn Mann verloren, von denen ein Dutzend von einer zu Fall gebrachten Kriegsmaschine erschlagen wurde, zeigt, daß es in der Kriegsfu¨hrung weniger auf die Vernichtung des Gegners ankam. Die entscheidende Wende im Kampf erzielte offenbar der, dem es gelang, sich sichtbar u¨ber seine Feldzeichen zu behaupten364. Auch wenn die Quellen aus vorheraldischer wie heraldischer Zeit oft nichts u¨ber das Aussehen einer Fahne mitteilen, so begegnen die Fa¨lle, in denen dies geschieht, gerade im Zusammenhang mit ihr. Sie ist das ¨ berlieferung die Wappenfu¨hrung der italieniMedium, an dem in der U schen Kommunen sichtbar wird. Dies gilt ebenfalls fu¨r Johannes Codagnellus. Er erwa¨hnt die Fahnen des Popolo seiner Stadt und aus Cremona und setzt damit voraus, daß deren Wappenbilder seinen Lesern bekannt 363 Iohannes Codagnellus, Annales Placentini, S. 114f.: Die Iovis tertio mensis Augusti turba magna Placentie populi et Cremone de castris exeuntes cum vexillis et tubis, cum balestariis et sagittariis, cum scalis et aliis machinis ad castrum Pigazani expugnandum perexerunt; quod castrum undique cum balestariis et sagittariis et peditibus expugnaverunt, et muro ipsius castri appropinquantes conati sunt diruere; de quo amplius XX brachiis diruerunt; scalas vero muro apposuerunt, super ipsis cum vexillis in manibus super murum castri ascendere proponentes. Intrinseci autem viri feroces et bellicosi et magne virtutis et audatie cum ipsis nequissime et viriliter expugnantes, vexilla quatuor et banerias tres populi Placentie et Cremone super scalis stantes per vim eis abstulerunt et cum lapidibus, trabibus et sudibus ipsos de scalis et muro turpiter expulerunt, trabem quandam magnam et crossam super murum conexam secus murum stantes super eos violenter proiecerunt; subtus ipsam trabem X aut XII ex popularibus Placentie et Cremone sunt interempti. 364 Vgl. Kapitel 5.4.

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waren. Ihre Vielzahl sowie die Unterscheidung zwischen vexilla und baneriae verweisen darauf, daß sich im Unterschied zu der im Wesentlichen gleich gebliebenen Triumphgeste der Kriegsfu¨hrung die mit den Fahnen verbundenen Organisationsformen und der Charakter des Konfliktes, in dessen Verlauf sie eingesetzt wurden, gewandelt hatten. Diese Fahnen trugen mit ihren heraldischen Bildern zu einer ausdifferenzierten Organisation des aus verschiedenen, sich in ihren Aufgaben erga¨nzenden Kontingenten von Rittern, Fußsoldaten, Armbrustschu¨tzen oder ‚Ingenieuren‘ bestehenden kommunalen Heeres bei365. Sie sind also denen der Porte in den lombardischen Kommunen oder der Compagne in Genua vergleichbar. Allerdings sind sie, obwohl sie wie diese im Krieg gefu¨hrt werden, nicht mit diesen identisch. Es handelt sich um Fahnen, mit denen sich die Partei des Popolo organisiert hatte, um gegen die eigenen Mitbu¨rger zu ka¨mpfen. Durch die Waffenhilfe auswa¨rtiger Standes- und Parteigenossen, in diesem Fall der Cremonesen, bekamen diese Bu¨rgerkriege zugleich den Charakter interkommunaler Konflikte. Die u¨ber die heraldischen Fahnen erzielte Ordnung war demnach nicht nur organisatorisch und taktisch, sondern ebenso politisch motiviert. Das hier angesprochene Beispiel aus dem von der Piacentiner militia behaupteten Pigazzano verweist bereits auf die weiter unten untersuchten ju¨ngeren Beispiele aus Todi, wo die demonstrative Kriegsgeste des Fahne-Zeigens die Behauptung der Stadtherrschaft symbolisierte, oder aus Florenz, wo der Popolo ein dezidiert innenpolitisch motiviertes heraldisches System entwickelte. Die Kommunen adaptierten also nicht einfach kaiserliche Vorbilder oder bedienten sich ga¨ngiger symbolischer Formen der Kriegsfu¨hrung, sondern entwickelten u¨ber den Konnex der Handlungsmo¨glichkeiten der Fahnen und der Bezeichnungsmo¨glichkeiten der Wappen kommunale Strukturen, die einen komplexen und ausdifferenzierten Charakter besaßen. Das Wappenbild des Kreuzes, das viele Fahnen tragen, konnte sich zugleich auf die Kommune, den Herrschaftsverband des Ro¨mischen Reiches, das universale Mandat der Ro¨mischen Kirche, interkommunale Bu¨nde sowie das Kreuz Christi beziehen. Symbolisch vermittelte Weltordnung und Herrschaft, das zeigt die Bildersprache des Bischofs von Mende ebenso wie der Zeichengebrauch der Kommunen, bestanden nicht in Form einer in sich stimmiger Matrix, sondern aus der Pluralita¨t universaler Geltungsanspru¨che und einer Vielfalt sich u¨berlappender Herr365 Aus den ‚Annales Placentini‘ geht eindeutig hervor, daß die Parteien der populares und der milites u¨ber gleichartige Heere verfu¨gten. Beide setzten milites und pedites ein. Vgl. Zug Tucci, Heer, Heerwesen: A. West- und Mitteleuropa, V. Italien.

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schaftsordnungen, die in a¨hnlichen, bisweilen identischen Zeichen dargestellt wurden. Die Zeichen wurden daru¨ber hinaus auch in Verbindung mit bestimmten symbolischen Praktiken und anderen Medien, wie dem Siegel, dem Carroccio oder den Businen, wahrgenommen. Beispiele aus Viterbo und Cremona lassen erkennen, daß die Kaiserfahne, mit der eine zuvor vereinbarte Belehnung durchgefu¨hrt wurde, auch in Bezug zu den ebenfalls in einem symbolischen Handlungskontext ausgestellten Herrscherurkunden gesehen wurde. Die in der Untersuchung der Fallbeispiele gewonnenen Ergebnisse lassen sich aufgrund dieser Gegebenheiten nicht in einer modernen Systematik zusammenfu¨hren. Es soll im Folgenden jedoch versucht werden, einige Entwicklungslinien und Charakteristika herauszuarbeiten. Zuna¨chst ist auf die Ausgangsfrage dieser Arbeit zuru¨ckzukommen: Wie bedingten sich Kommune und Wappenwesen wechselseitig in ihrer Entwicklung? Diese Frage zieht eine weitere nach sich: Was machte eine Kommune aus? Eine zugegebenermaßen verku¨rzte Antwort lautet: Eine Kommune konstituierte sich in einer Gemeinschaft von Menschen, in bestimmten Handlungen, Ritualen und Verfahren, sowie in Referenzen an zentrale Instanzen, Werte und Symbole, die Ordnung, Gemeinschaft, Herrschaft und Identita¨t garantierten. Neben den Zusammenschlu¨ssen in religio¨sen Gemeinden verband die Menschen die Schwureinung zu einer Stadtgemeinde und das in deren Namen gesetzte Recht. Die Wappen, die die italienischen Kommunen wa¨hrend des 12. und 13. Jahrhunderts u¨bernahmen, wirkten als Medien in o¨ffentlichen Handlungen sowie als legitimatorische und identita¨tsstiftende Zeichen an der Konstituierung der Kommune mit. Dies gilt bereits fu¨r ihre spa¨teren, zuna¨chst vorheraldischen Tra¨germedien, in deren Handlungs- und Bedeutungskontexte sie hineinwuchsen. In Genua erschienen die Grafen von Ventimiglia oder die Markgrafen von Carretto zu ihrer Belehnung in der o¨ffentlichen Volksversammlung in der Domkirche der Stadt, um zusammen mit den Repra¨sentanten der Compagna vor den Augen der Genuesen und ihrer zahlreich mitgebrachten Eigenleute mit einer Fahnenlanze zu agieren. Im Falle der in einem noch gro¨ßeren Ausmaße vorgenommenen Belehnung Cremonas zu Como im Jahre 1195 trafen sich die Interessen des belehnen¨ ffentlichkeit einen den Kaisers, der vor der pra¨senten oberitalienischen O politischen Konsens inszenieren wollte, und der belehnten Kommune, deren Herrschaftsanspru¨che auf diese Weise legitimiert wurden366. Die Cremoneser Kommune, so meine These, behielt in der Krise zu Beginn 366 Haverkamp, Herrschaftsformen 2, S. 484ff., weist anhand von Belehnungen von Kommunen mit Reichslehen darauf hin, daß die durch ihre tempora¨ren Amtstra¨ger vertre-

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des 13. Jahrhunderts die kaiserliche Fahne, die ein heraldisch werdendes Bild zeigte, bei und machte sie zu einem Zeichen der eigenen Identita¨t. Als Zuweisung von Seiten der Sta¨rkeren findet sich diese Bezeichnungspraktik bereits zuvor im Verha¨ltnis Mailands zu Tortona. Heraldisch wurden die Fahnen als Medien der symbolischen Kommu¨ berlieferung erkennen la¨ßt, vorrangig in den nikation, soweit dies die U Kontexten von Triumph und Investitur. Die im langen 12. Jahrhundert zunehmenden Belege beider Kontexte lassen einen Wandel gegenu¨ber dem fru¨heren Mittelalter erkennen, der sich nicht allein in der Etablierung dieser neuen Formen auf der Grundlage a¨lteren Fahnengebrauchs und a¨lterer Einweisungsrituale manifestiert. Er betrifft generell eine sich wandelnde Einstellung zur symbolischen Kommunikation, auf die Hagen Keller aufmerksam gemacht hat. Mit diesen Vera¨nderungen scheinen mir solche im Fahnenwesen einherzugehen, die Carl Erdmann beobachtet hat. ¨ bergang zu einer institutionell fundierten Herrschaftspraxis, Mit dem U die Kriegsfu¨hrung und Lehnswesen miteinschloß, a¨nderte sich auch der Charakter der Insignien und Fahnen. Die Bedeutung einer Fahne resultierte nicht mehr nur aus ihrer Funktion und der Bedeutung der Person, mit der sie verbunden war, sondern auch aus sich verstetigenden Fahnenbildern, die das individuelle Fahnentuch u¨berdauerten und sich auch auf anderen Medien, wie den Siegeln, wiederfanden. Diese Entwick¨ bernahme des Wappenwesens, durch dessen lung verband sich mit der U Regeln sich der Charakter der gefu¨hrten Zeichen vera¨nderte. So kamen in Genua neben dem ‚individuellen‘, dem Podesta` perso¨nlich zugeordneten Georgsbanner, das noch viel mit der Heerfahne Ottos II. gemein hatte, auch die Fahnen mit dem Georgskreuz auf, die man schon als „Duplikatbanner“ oder „Flaggen“ bezeichnen kann367. Daß die nach Regeln gebildeten, kontinuierlich gefu¨hrten Wappenbilder aufgrund der heraldischen Regeln auch von Weitem gut sichtbar und leicht erkennbar waren und ihre beliebige Vervielfachung auch u¨ber Medienwechsel hinweg ermo¨glichten, ist ein klassisches Argument fu¨r das Aufkommen des Wappenwesens, das auch durch den Befund aus Italien besta¨tigt wird368. Diese tenen Gemeinden in der Barbarossazeit wie die Großen des Reichs als Lehnsempfa¨nger erscheinen. 367 Vgl. Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte; Neubecker, Fahne; Ders., Flagge. 368 Dies gilt aber auch fu¨r vergleichbare visuelle Zeichensysteme aus anderen Zeiten und Kulturen. Ein singula¨res Beispiel fu¨r die Visibilita¨t heraldischer Fahnen liegt in dem Bericht vor, den Walter von Guisborough von der 1265 im Baron’s War geschlagenen Schlacht von Evesham gibt: Die bei der Abtei lagernden aufsta¨ndischen Magnaten hielten das heranmarschierende Heer des Ko¨nigs fu¨r Truppen ihres Verbu¨ndeten, des ju¨ngeren Simon VI. de Montfort, die ihnen von Kenilworth her zuziehen sollten. Die

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Funktion, die man als instrumentell-pragmatisch beziehungsweise als taktisch bezeichnen ko¨nnte, leisteten heraldische Zeichen ebenfalls in kommunalen Organisationsformen wie der Wehrordnung. Wie die Beispiele aus Mailand, Cremona und Genua gezeigt haben, trug heraldische Symbolik dort zur Ausbildung von Strukturen bei, die charakteristisch fu¨r die italienischen Stadtkommunen waren. Wenn die im sta¨dtischen Aufgebot ka¨mpfenden Ma¨nner eines Stadtteils unter einer heraldischen Fahne zusammengefaßt waren, die u¨ber diesen Personenverband und seine milita¨rische Leistung hinaus auch bis in die Topographie hinein das Viertel symbolisierte und zugleich zusammen mit anderen Zeichen fu¨r die gesamte Kommune stand, weist dies darauf hin, daß Wappen in ihren symbolischen Kontexten die Identita¨t der Kommune bezeichneten. Das beobachtete Wechselspiel zwischen der Gesamtkommune und den Gruppen und Institutionen auf der unteren Ebene verweist auf eine grundlegende Eigenart des Prozesses, in dem sich Kommune und Wappenwesen beeinflußten: die seit dem 12. Jahrhundert erfolgende Ausdifferenzierung kommunaler Strukturen und heraldischer Systeme im vormodernen Sinne. Die betrachteten Wehrordnungen weisen alle vergleichbare Prinzipien auf, pra¨sentieren sich aber stets als individuelle, von lokalen Faktoren bestimmte Lo¨sungen. Das Wappenwesen wird, wie gesagt, von den Erfordernissen rituell wie taktisch gepra¨gter Kriegsfu¨hrung und milita¨rischer Organisation bestimmt. Daru¨ber hinaus ist es das auf Dauer angelegte Ausgreifen u¨ber die eigenen Stadtmauern hinaus, das meiner Ansicht nach die Ausbildung eines kommunalen Wappenwesens fo¨rderte. Die Beispiele der Restituierung Tortonas im Jahre 1155 und der Unterwerfung Ventimiglias im Jahre 1218 fu¨hren in eindru¨cklicher Weise den Zusammenhang zwischen der Konstituierung der Kommune und dem Agieren mit einer heraldischen Fahne vor Augen. In beiden Fa¨llen gingen Handlungsketten und Verfahren politischer Entscheidungsfindung voraus, die die kommunalen Amtstra¨ger und Gesandten forderten und einen Großteil der Bu¨rger miteinbezogen. Das von den Ventimigliesen selbst vorzunehmende Aufpflanzen der Genueser Fahne auf dem Campanile der Stadtkirche war gewissermaßen die weithin sichtbare Vero¨ffentlichung der zuvor in der Kirche durch die Kommune getroffenen EntKo¨niglichen hatten na¨mlich dessen Wappenfahnen erhoben, die Nicholas, der Barbier und Wappen-Experte Simons V. de Montfort, 6th Earl of Leicester, aus der Ferne identifiziert hatte. Nicholas stieg anschließend auf den Glockenturm der Abtei, von wo aus er sah, daß die feindlichen Heerfu¨hrer, deren Kriegslist aufgegangen war, nun ihre eigenen Banner mit den Wappen des Prinzen Eduard beziehungsweise denen von Gilbert de Clare, 3rd Earl of Gloucester, und Roger de Mortimer, 1st Baron Mortimer, zeigten; Gransden, Writing, S. 470f.

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scheidung, sich der Herrschaft Genuas zu unterstellen369. Den Einfluß der kommunalen Verfahren zeigt der Vergleich mit den prinzipiell a¨hnlichen, jedoch durch andere Institutionen und Verfahren gepra¨gten Verhandlungen, die 1137 dem Aufpflanzen der kaiserlichen Fahne in Montecassino oder 1204 der Entsendung der Fahne der Ro¨mischen Kirche nach Trnovo vorausgingen. Fu¨r die Kommunen erweist sich die Volksversammlung, der Ort der durch politische Verfahren kontrollierten und ¨ ffentlichkeit, als ein Sitz im Leben fu¨r den einbezogenen sta¨dtischen O Gebrauch von heraldisch werdenden Fahnen370. Ergab sich die Bedeutung der roten Lehnsfahne vorrangig aus dem rechtlich relevanten Ritual, in dem sie gebraucht wurde, so setzte die Inbesitznahme der im Hinterland gelegenen Burg Cairo oder der Hafenstadt Ventimiglia das Wissen um ¨ ber die Geste des Aufpflandie Bildbotschaft der Kreuzfahne voraus. U zens oder Hissens hinaus machte das weithin sichtbare Bild der Fahne zudem die Herrschaftsverha¨ltnisse erkennbar. Kommunale Wappenfahnen wehten daher seit der Mitte 12. Jahrhundert nicht nur u¨ber genuesischen Burgen, sondern auch u¨ber Monte di Croce, Montemarte oder Lozzo, deren Burgherren sich wiederum nach Residenzen in Genua, Florenz, Todi oder Padua umsehen mußten. Der illustrierte ‚Codex Astensis‘ visualisiert die Herrschaft der Kommune Asti u¨ber ihr Territorium, indem er dessen Karte mit nebeneinander gesetzten Befestigungsabbreviaturen ausfu¨llt, die alle von der Kreuzfahne Astis bekro¨nt sind371. Daß es sich bei dieser additiven Reihung beflaggter Stadt- oder Burgabbreviaturen um eine Bildformel fu¨r territoriale Herrschaft handelt, zeigt der Vergleich mit den ‚Historiae Romanorum‘, deren Illustrationen die eroberten Provinzen des Imperium Romanum in gleicher Weise unter einer roten Fahne darstellen372. Die in diesem Beispiel offensichtliche Bedeutung der rechtsverbindlichen, ehrerzeugenden und kriegerischen Praktik des Fahnenauf369 Vielleicht kann man hier auf eine entfernte Parallele zu dem im 13. Jahrhundert in Analogie zu kommunalen Verfahren entstandenen pa¨pstlichen Konklave verweisen. Siehe dazu demna¨chst die Habilitationsschrift von Gu¨nther Wassilowski, „Die Inszenierung des Geheimen. Religion und Politik im Papstwahlverfahren der Fru¨hen Neuzeit: Diskurs – Technik – Symbolik“. 370 Vgl. Coleman, Assemblies. 371 Le miniature del Codex Astensis. 372 Staats- und Universita¨tsbibliothek Hamburg, Codex 151 in scrinio (Propyla¨en Faksimile, Frankfurt am Main – Berlin – Wien 1974) fol. 34r, 34v, 36v, 40v, 49r, 51v, 53v, 58v, 69r, 74v, 81r, 82v, 85v, 86v und 90v. Vgl. den Kommentar-Band: Historiae Romanorum. Codex 151 in scrin. der Staats- und Universita¨tsbibliothek Hamburg, beschrieben und mit Anmerkungen versehen von Tilo Brandis und Otto Pa¨cht, Frankfurt am Main – Berlin – Wien 1974. Es ist immer noch bezeichnend fu¨r den Forschungsstand, daß der Kommentar, der aus kunsthistorischer Sicht spa¨tantike Vorbilder fu¨r die Illustrationen der Handschrift ausmacht, die in diesen pra¨sente imagina¨re Heraldik

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pflanzens bestimmte demnach die Wahrnehmung der sta¨dtischen Herrschaft u¨ber den Contado. Darauf wird in dem Kapitel u¨ber die Bezeichnung des Contado zuru¨ckzukommen sein373. Die Beispiele aus aus dem bischo¨flichen Trient, aus Como, Tortona und Genua haben das eindrucksvoll gezeigt und dadurch darauf hingewiesen, wie die Pra¨senz kommunaler Entwicklungen Einfluß auf die Bildung und den Gebrauch heraldischer Symbolik nahm. In Fa¨llen, in denen wir u¨ber mittelalterliche Deutungen der fru¨hen Wappenbilder verfu¨gen oder sie uns erschließen ko¨nnen, fallen zwei Charakteristika der Wahrnehmung auf: die mittelalterlichen Zeitgenossen nahmen die Wappen nicht wie moderne Heraldiker war. Im Unterschied zu den spa¨tmittelalterlichen Herolden, deren Wahrnehmung der Heraldik meist als Maßstab dient, blasonieren die Quellen aus einem kommunalen Umfeld die Wappenbilder nicht, sondern beschreiben sie in a¨hnlicher Weise wie andere Zeichen. Dies zeigt, daß heraldisches Wissen in der Fru¨hzeit des 12. und 13. Jahrhunderts noch kein Expertenwissen mit eigener Fachsprache war. Daru¨ber hinaus war auch keine Exklusivita¨t eines Zeichens im Sinne der Moderne intendiert. Fu¨r das Zeichen, das sie den Tortonesen gaben, suchten die Maila¨nder geradezu nach einer Verbindung lokaler und universaler Bedeutungen: es sollte an die heraldische Fahne Mailands und zugleich an das Kreuz Christi erinnern. Die etwas spa¨ter begegnende heraldische Fahne Genuas war zwar als visuelles Zeichen mit der Fahne Mailands identisch und funktionierte auch u¨ber das Prinzip der Mehrdeutigkeit, kam dabei jedoch zu einem anderen Ergebnis. Die Genuesen knu¨pften an eine bereits im 10. Jahrhundert belegte, fu¨r die kollektive Identita¨t der Stadtgemeinde bedeutsame Georgsverehrung an, von ¨ berlieferung deckt der her sich ihr Wappenbild erkla¨rte. Die kommunale U sich hier prinzipiell mit dem Zeichenversta¨ndnis, das aus der eingangs analysierten Textpassage Guillaume Durands hervorgeht. Erst der Genueser Annalist Giorgio Stella, der in einer Zeit schrieb, als die Heraldik Sache

ignoriert. So entsprechen die Wappenbilder des goldenen SPQR in Rot fu¨r die Ro¨mer und des schwarzen Skorpion in Gelb fu¨r die Karthager den Wappenbildern der Ro¨mer ¨ bereinstimmungen und Heiden auf unza¨hligen mittelalterlichen Passionsbildern. Die U vieler Bildformeln mit den a¨lteren ‚Annales Ianuenses‘ oder dem ju¨ngeren ‚Codex Chigianus‘ der Chronik des Giovanni Villani weist die Handschrift meiner Ansicht nach ebenso als Zeugen von Bildformeln aus, die charakteristisch fu¨r das italienische Mittelalter sind und sich nicht in stilistischer Antikenrezeption erscho¨pfen. Auf fol. 66v wird das besiegte Karthago mit am Boden liegender zerbrochener Fahnenlanze in a¨hnlicher Weise dargestellt, wie ein Jahrhundert spa¨ter der besiegte Herzog von Athen im Fresko der Stinche. 373 Siehe Kapitel 4.7.

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der Herolde wurde, versuchte 1405 die Deutungsmo¨glichkeiten des Wappens miteinander zu harmonisieren374. Die Universalita¨t des Wappenbildes mit dem durchgehenden roten Kreuz in Weiß im Mittelalter, das viele italienische Kommunen als Zeichen ihres Herrschaftsanspruchs und ihrer Identita¨t wa¨hlten, zeigt ein Text, den Carl Erdmann entdeckt hat375. Es handelt sich um eine Kreuzzugspredigt, die um 1320 in Saint-Gilles-du-Gard gehalten worden war. Die von der Benediktinerabtei gleichen Namens beherrschte Stadt im Rhoˆnedelta, ein Wallfahrts- und Handelszentrum des 12. Jahrhunderts, war einer der Ausgangsha¨fen fu¨r die Schiffspassage im Heiligen Land gewesen376. Vor dem Hintergrund seines Niederganges und der Situation nach dem Fall Akkons wird man den in der Predigt propagierten Kampf gegen die Sarraceni jedoch eher als Abgesang auf die Zeit des Heidenkampfes im Heiligen Land zu werten haben. Der Prediger geht auf das von den Kreuzfahrern genommene Kreuz ein, dessen Bedeutung er in bezug auf mehrere Praktiken und Sinnebenen beschreibt. So soll es dem, der das Gelu¨bde leistet, in einer paraliturgischen Geste von einem Priester angeheftet und wohl auch gesegnet werden. Das Bemerkenswerte der Predigt ist, daß sie im Folgenden das Kreuzzeichen in seiner a¨ußeren Gestalt nicht unbestimmt la¨ßt, sondern als feststehendes Wappenbild der Kreuzfahrer fu¨r den Kampf anspricht: ‚zum Kampf aber fu¨hre als Zeichen auf deinen Waffen weder den Drachen der Begierde noch den Adler des Ehrgeizes, welche die Abzeichen der Ro¨mer sind, sondern das in Weiß gebildete und eingepra¨gte Zeichen des Kreuzes. Das rote, in Weiß gesetzte Kreuz steht einem reinen und aufrichtigen Herzen na¨mlich fu¨r die Passion des Herrn, da der Herr das wahre Holz des Kreuzes, an dem er litt, mit seinem eigenen Blut gero¨tet hat.‘377

374 375 376 377

Weber, Sprache. Erdmann, Fahnen, S. 27 und 38. Coulet, Saint-Gilles du Gard. Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Codex Gaddi 116, fol. 75r–77v, hier fol. 76r–76v: autem ad praelium pro signo in armis tuis non portes draconem cupiditatis vel ambitionis aquilam, que sunt signa Romanorum, sed signum crucis in albo figuratum et impressum. Rubra enim crux in albo impressa dominicam passionem in corde mundo et sinsero representant, eo quod lignum crucis verum, in quo passus est, Dominus, sanguine proprio rubricavit. Erdmann, Fahnen, S. 38, verbesserte sinsero representant zu sincero representat und las signum anstelle von lignum crucis verum.

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Figur und Tingierung werden, wie im Beispiel aus Tortona, allegorisch als Verweise auf die Passion Christi gedeutet, die dem Christen die Erlo¨sung und den Weg ins Paradies gebracht hat. Unbestimmt sind allerdings die Anbringungsorte, die u¨ber den Wappenschild allein hinausgehen: „als Zeichen auf deinen Waffen“. Wahrscheinlich wurde hier an die ga¨ngige Praktik gedacht, nicht nur den Schild, sondern auch den Helm, den Waffenrock und die Fahne heraldisch zu bezeichnen. Sie begegnet im ‚Liber ad honorem Augusti‘ und wird uns im Kontext der kommunalen Wehrordnungen noch o¨fter bescha¨ftigen378. Der Prediger weist den Kreuzfahrern ein Wappen zu, das Gegenentwurf zu gesellschaftlich-kulturellen und politischen Ordnungen ist, die ebenfalls durch Wappen vertreten werden. Er wendet sich an die milites, denen er Luxus, Wappenfu¨hrung aufgrund von amicicia oder Turniere mit den Heiden verbietet, um ihnen das Kreuzwappen als Zeichen christlicher Werte zu empfehlen379. Die lasterhaften Zeichen der Ro¨mer gehen sicherlich auf literarische Traditionen, wie die angesprochene Prudentius-Stelle, zuru¨ck. Doch ließ sich in diesem Kontext, in dem eine heraldische Sinnebene angesprochen wurde, sicher auch an das Adlerwappen des Reiches denken. Diese Offenheit gegenu¨ber verschiedenen Deutungen und die Na¨he zur christlichen Werteordnung, von der her sich Herrschaft und legitime Gewalt begru¨ndeten, ließen das Kreuzwappen fu¨r die Kreuzfahrer ebenso attraktiv werden, wie fu¨r die italienischen Kommunen. Indem sich Wappenwesen und Kommune in ihrer Entwicklung wechselseitig bedingten, bildeten sich in den Kommunen Strukturen aus, die idealtypisch vergleichbar sind und bereits in ihrer Entstehung durch nachbarliche Vorbilder beeinflußt waren, jedoch fu¨r jede Stadt individuell ausfielen: Cremona definierte seine Identita¨t u¨ber seine Na¨he zum Kaiser, Genua griff auf eine vorheraldische Georgstradition zuru¨ck. Im Falle Tortonas handelt es sich nicht um ein prozeßhaftes Geschehen, sondern um ein in den Quellen faßbares historisches Ereignis. Aus aktuellen politischen Notwendigkeiten heraus wies das dominierende Mailand der Kommune ihre Zeichen und deren Bedeutung zu. Deutlich wird dieser Pluralismus oder Individualismus der Zeichenfindung spa¨ter auch an der Zusammenstellung des sta¨dtischen Wappenensembles oder an den Wappenfahnen der Wehrordnung, in denen sich sogar die jeweilige Topographie der Stadt niederschlug. Bestimmte Grundzu¨ge der mittelalterli378 Siehe Kapitel 4. 379 Florenz, Biblioteca Medicea Laurenziana, Codex Gaddi 116, fol. 75r–77v. Beispiele fu¨r Wappenfu¨hrung aus amicitia finden sich fu¨r Kaiser Otto IV.; vgl. Weber, Exempla, S. 149; Hasse, Wappenkasten.

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2. Heraldischer Symbolik in der Herrschaftspra¨sentation des 12. Jahrhunderts

chen Sta¨dtelandschaft Ober- und Mittelitaliens, die Gleichzeitigkeit von trennendem Polyzentrismus und verbindenden, hochentwickelten Kommunikationsformen sowie die Teilhabe, wenn nicht sogar Vorreiterrolle in gesamtabendla¨ndischen Entwicklungen, pra¨gten auch die heraldische Symbolik der Kommunen. Diese u¨berregionale Kleinra¨umigkeit in Politik und Kultur vergleichend in den Blick zu nehmen wa¨re eine Aufgabe fu¨r die moderne Media¨vistik. Die Multifunktionalita¨t und Offenheit der kommunalen Wappenfahnen zeigte sich sowohl in instrumentell-pragmatischer als auch symboli¨ hnlichkeiten und Spannungen zu. Wappen legischer Hinsicht. Sie ließ A timierten die Herrschaftsanspru¨che der Kommune durch Verweise auf u¨bergeordnete Instanzen wie das ro¨mische Reich und Christus selbst. Als Zeichen mit einem ins Universale gehenden Bedeutungshorizont waren sie fu¨r die Ebene der Herrschaftsausu¨bung und -darstellung vor Ort relevant. Umgekehrt ermo¨glichten die u¨berregionalen Grundzu¨ge und die allgemeine Akzeptanz der heraldischen Symbolik die Kommunikation mit anderen Kommunen und Autorita¨ten. Spezialisierungen und Ausdifferenzierungen fu¨hrten nicht zu einer Abschottung der Kommunen von einer außenstehenden ‚Feudalwelt‘. Meiner Ansicht nach u¨berwogen in der kommunalen Heraldik trotz ihres distinkten Charakters vielmehr die verbindenden Elemente. Sie war, a¨hnlich wie andere Formen symbolischer Kommunikation, nach innen wie nach außen eine eigene Sprache der Politik fu¨r die Kommunen. Die Ausdifferenzierung der kommunalen Strukturen, zum Beispiel in Wehrordnung und Kriegsfu¨hrung, und das Ausgreifen in den entstehenden Contado fo¨rderten die Annahme kommunaler Wappen, mit denen sich wiederum der Charakter ihrer oft vorheraldischen Tra¨germedien, Handlungskontexte und Organisationsformen vera¨nderte. Die Zeichen, Medien und Kontexte bedingten sich wechselseitig in ihrer Funktionalita¨t. Sie wurden zu Tra¨gern und Symbolen kommunaler Herrschaftspra¨sentation und Identita¨t. In diesen Funktionen wurden sie wiederum von den Zeitgenossen rezipiert. Der Vergleich zwischen den mit literarischen ¨ berlieferung Topoi gestalteten Geschichtswerken und der urkundlichen U hat in dieser Hinsicht gezeigt, daß das Pha¨nomen schon bald nach seiner Entstehung sowohl als relevante Gro¨ße der Alltagswelt als auch als Gegenstand der Geschichtsu¨berlieferung akzeptiert war.

3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs: Heraldische Symbolik in Podesta`-Herrschaft und Parteienkampf im Spiegel eines Prozesses des 13. Jahrhunderts

3.1 Einleitung: Die Exemplarita¨t eines Aufruhrs ¨ berlieferung im Spiegel eines Sonderfalls der U

An einem Dienstag, dem 17. Juli 1268, besiegten die Ghibellinen der Kommune Todi die Guelfen in einer auf der Platea Comunis ausgetragenen Schlacht und vertrieben sie aus der Stadt. Ihren Sieg nutzten sie unverzu¨glich dazu, das Stadtregiment zu a¨ndern. Der seit dem 1. Juni amtierende Podesta`, der Bolognese Comazzo Galluzzi, wurde wa¨hrend des Aufruhrs geno¨tigt, den Kommunalpalast zu verlassen und sich mit seiner familia in den Schutz des Franziskanerklosters von San Fortunato zu begeben. Am zweiten Tag darauf verließen sie unter dem Schutz einer Delegation aus Spoleto die Stadt in Richtung Spoleto. Inzwischen stellte der zum neuen Stadtoberhaupt ausgerufene und im Kommunalpalast residierende Capitano der pars Ghibellina, Paulettus Atti, wieder Ruhe und Ordnung her. Die nun durch eine Partei regierte Kommune berief ghibellinische Podesta`, wie noch im selben Jahr 1268 den Ugolino aus dem lokalen Geschlecht der Grafen Baschi und 1271 Guglielmo de’ Pazzi, der spa¨ter bei Campaldino umkommen sollte. In der Folgezeit bekriegte sie die guelfischen fuorusciti, die sich in Collazzone, Rosario und anderen Kastellen in Todis gebirgigem Contado festgesetzt hatten. Nach mehreren Vermittlungen, unter anderem durch Perugia, kam es 1275 zum Friedensschluß und zur Ru¨ckfu¨hrung der Guelfen in die Stadt. Dies, sowie ihre erneute Mitbeteiligung am politischen System verlangten eine neue, von

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Repra¨sentanten beider Parteien durchgefu¨hrte Redaktion der Kommunalstatuten, mit der die erhaltene Statutenu¨berlieferung Todis einsetzt1. Dieses Ereignis steht in sta¨rkstem Kontrast zu den in den normativen Quellen, d. h. Statuten und Podesta`-Spiegeln, greifbaren Idealvorstellungen der kommunalen Herrschaftsordnung, die seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert mit dem Amt des Podesta` verbunden sind. Auch Todi hatte im Jahr 1201 mit Spagliagrano seinen ersten Podesta` erhalten2. Als Regent auf Zeit, der aus einer auswa¨rtigen Kommune berufen wurde, aus der er meistens auch seinen eigenen Mitarbeiterstab mitbrachte, sollte der Podesta` unabha¨ngig von lokalen Bindungen und Loyalita¨ten das Stadtregiment effektiv zum Wohl der Gemeinschaft ausu¨ben, in seiner Macht aber auch stets kontrollierbar bleiben3. Um diese Anforderungen zu erfu¨llen, mußte er Kriterien des sozialen Status und der perso¨nlichen Befa¨higungen genu¨gen, in einem neutralen Verfahren gewa¨hlt worden sein sowie in seiner Amtsfu¨hrung der strikten Kontrolle durch die Kommune unterliegen, in deren Dienst er sich durch seinen Amtseid stellte4. Erreicht wurde dies unter anderem durch die Bindung des Podesta` an das Statutarrecht der Kommune und den seine Amtszeit beschließen-

1 Statuto di Todi del 1275, mit der 1275 geschlossenen pax, I 33, S. 30f. und S. 129. Vgl. Andreani, Morfologia, bes. S. 58 zum Anlaß, sowie zur Gattung Keller, Quellengattung. 2 Der 1203 erneut, wohl alternierend mit den Konsuln amtierende Spagliagrano war nach Ottaviano Ciccolini Bolognese; Menesto`, Esempio, S. 418f. Ceci, Potesta`, S. 303 [83], setzt ihn mit dem Empfa¨nger eines Breve Innocenz’ III. gleich und bringt seinen Namen in Zusammenhang mit der gleichnamigen Burg bei Todi. In diesem Dokument gestattete der in Todi weilende Papst am 4. Oktober 1198 dem nobilis vir Spalagranus, in das Camaldolenserkloster von San Fortunato in Todi einzutreten. Die Herausgeber des Registers halten den spa¨teren Podesta` fu¨r einen ebenfalls nach der Burg benannten Verwandten dieses lokalen Adligen; Die Register Innocenz’ III. 1. Pontifikatsjahr, 1198/99, Nr. 379, S. 574. In der Forschung werden die Besta¨tigung der Todiner Kommune durch Innocenz III., die Einfu¨hrung des Podestariats, sowie eine vermutete erstmalige Kodifizierung der Kommunalstatuten zum Ende des 12. Jahrhunderts im Zusammenhang gesehen; vgl. zuletzt Andreani, Morfologia, S. 43. 3 Lackner, Studien, S. 188–191, zur Entwicklung des Podestariats in den mittelitalienischen Kommunen im Einflußbereich des Papsttums. Einen grundlegenden neuen Zugang zum Podestariat, u¨ber den sich die umfangreiche a¨ltere Literatur erschließt, ermo¨glichen jetzt die ersten Ba¨nde des Sammelwerkes: I podesta` dell’Italia comunale. 4 Die wechselseitigen Evangelieneide, die sich der neue Podesta` und die Todiner aus Stadt und Contado leisteten, sind in den Statuten von 1275 im subjektiven Wortlaut der ersten Person Singular erhalten; Statuto di Todi del 1275, I 1–2, S. 1–6. Vgl. zur Entstehung des iuramentum commune Keller, Mailand, S. 96ff., und zu solchen Textpassagen als Indizien fu¨r die Entstehung der kommunalen Statutensammlungen aus a¨lteren Elementen, wie den hier anzusprechenden Eidbreven, Keller, Quellengattung, S. 31; Andreani, Morfologia, S. 52f.

¨ berlieferung 3.1 Einleitung: Die Exemplarita¨t eines Aufruhrs im Spiegel der U

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den Syndikatsprozeß5. Wie hoch die Verantwortung zu veranschlagen ist, die ein auswa¨rtiger Podesta` fu¨r das ihm u¨bertragene Gemeinwesen einging, zeigen die Vergleiche, die der einheimische Sieneser Podesta` Bartolomeo Renaldini in einem Brief gebrauchte, den er 1203 als politisches Testament fu¨r seine Amtsnachfolger verfaßte: So wie Eltern ihre So¨hne in Ehren erzo¨gen, sie schu¨tzten und ihr Erbe vermehrten, so sollten auch die Regenten den ihnen anvertrauten civitatis populus wie ihren Augapfel behandeln und ihm ein Beispiel guten Handelns geben6. Dieses Amts-Profil trug zur Entstehung einer politischen Klasse von Berufspodesta` bei, die beinahe jedes Jahr in einer anderen Kommune amtierten7. In Analogie zu den spa¨teren Condottieri ko¨nnte man sie auch als professionelle ‚Stadtherrschafts-Unternehmer‘ bezeichnen: In ihrer perso¨nlichen Erfahrung vereinten sie Handlungswissen zu den politischen Verfahren der Kommune – dazu geho¨rten wesentlich rhetorische, juristische und milita¨rische Fa¨higkeiten – mit der perso¨nlichen Kenntnis vieler ihrer Kollegen und der Sta¨dte, in denen sie amtiert hatten8. Fu¨r die 5 Statuto di Todi del 1275, I, S. 8, und IX, S. 12f. Als Beispiel ko¨nnen etwa die Akten des 1262 gegen den scheidenden Podesta` von Perugia, Bernardo da Castelnuovo, gefu¨hrten Syndikatsprozesses dienen: Reformationes comunis Perusii quae extant anni MCCLXII, Appendice II, S. 105–129. Siehe dazu Blattmann, Prolegomena, S. 429ff. Von Susanne Lepsius ist eine gro¨ßere Studie zum Syndikatsprozeß am Beispiel Luccas zu erwarten. Vgl. einstweilen mit Hinweisen auf die a¨ltere Literatur Lepsius, Zweifeln, ad indicem („Prozeß – Syndikatsprozeß“); Dies., Dixit male iudicatum esse. 6 Die ‚Epistola Bartalomei Renaldini tunc Senensis potestatis, quam scripsit sequentibus suis per tempora successuris‘, die den ersten, von besagtem Podesta` begru¨ndeten Caleffo einleitet, nach: Il Caleffo Vecchio 1, S. 6: Sicut parentibus inest affectio diuturna, ut filios honorifice nutriant et ab incommodis sagaciter tuemtur et eorum hereditates augeant copiose, sic administratoribus debet inesse cura sollicita, ut sue civitatis populum, que quasi pupilla supponitur, splendide pascant adipe rationis et ab adversis defendant eventibus et eius magnificentiam laudabiliter ampliantes, posteros suos exemplis bone actionis inducant. Secutus equidem tam veri patris quam fidi gubernatoris vestigia, quantum mihi divina permisit clementia, administrationem meam cum promotione et profectibus civitatis omni puritate fidei deduxi qua potui. Ein weiteres Beispiel fu¨r das Bild bei ¨ hnlich programmatisch berichten die PaduaGo¨rich, Ehre als Ordnungsfaktor, S. 71f. A ner Kommunalstatuten u¨ber die potestaria gloriosa des 1234/35 zum zweiten Mal in ihrer Stadt amtierenden Maila¨nders Otto de Mandello; Statuti del comune di Padova, Nr. 1010, S. 324f.: Da alle Rektoren und Podesta` wa¨hrend ihres Regimentes auf das sorgfa¨ltigste fu¨r die ihnen unterstellten Gemeinschaften sorgen mu¨ssen, sollen sie sie vor Beschwernissen schu¨tzen, so daß ihr Regiment gloriosus und den spa¨teren ein Exempel sei. Zu Otto de Mandello siehe oben Kapitel 1.2.2. 7 Vgl. bereits Hanauer, Berufspodestat. 8 So heißt es beispielsweise in den Statuten des Popolo von Bologna aus dem Jahre 1285: Igitur ipsi anc¸iani et consules novi cum predictis lx ab eis assumptis iuramento corporali et pacis obsculo ab uno quoque dictorum lx exigendo fatiant ellectionem illius potestatis et capitanei qui pro futuro tempore proximo preesse debuerint, diligenter per Ita-

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Zusammenstellung ihrer familia konnten sie auf einen ‚Pool‘ von Rittern, Notaren, iudices und Soldaten mit a¨hnlicher Amtserfahrung zuru¨ckgreifen, die in der Regel noch in der Vaterstadt des ku¨nftigen Podesta` angeworben wurden. Nicht zuletzt mußten die Regenten auf Zeit u¨ber ausreichend Kapital verfu¨gen, um die zur Amtsfu¨hrung no¨tige Ausru¨stung zu unterhalten und an ihren neuen Einsatzort zu bringen9. Das durch die Aktionsradien der auswa¨rtigen Amtstra¨ger, die einen Transfer von Wissen und Herrschaftstechniken vermittelten, eng geknu¨pfte Netz an Kontakten zwischen den Sta¨dten Ober- und Mittelitaliens liefert ein Hauptargument dafu¨r, von einer Sta¨dtelandschaft oder von der civilta` comunale zu sprechen10. Die Reihe der Akteure, die allein in dem auf Todi und den Prozeß des Comazzo Galluzzi gelegten Fokus sichtbar wird, illustrieren durch Herkunft, Ta¨tigkeit und Eingebundenheit in Netzwerke diese These11. Die Einfu¨hrung der neuen Podesta`-Verfassung war der Lo¨sungsversuch fu¨r ein ganzes Bu¨ndel von Strukturproblemen, von denen sich einige aus der seit dem Konstanzer Frieden von 1183 stetig intensivierten herrschaftlichen Durchdringung von Stadt und Contado durch die Kommune ergeben hatten. So wie die Kommune eine einheitliche, schriftgestu¨tzte Rechtsordnung schuf und gegen a¨ltere Bindungen und Rechte durchzusetzen versuchte, wandelte sich zugleich der Charakter der Konflikte im Innern und nach Außen, bedingt durch den Wandel in Gesellschaft und u¨bergeordneten Herrschaftsverba¨nden12. Der eingangs geschilderte Gewaltausbruch in Todi ist ein klassisches Symptom dieses Prozesses: In den innersta¨dtischen guerre, die die Todiner Geschichtsschreibung vom Jahre 1169 an verzeichnet, standen sich, wie in anderen Sta¨dten Umbriens, zuna¨chst die boni homines und der populus gegen-

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liam inquirendo de viris prudentibus, costantibus et fidelibus, magne fame et oppinionis in regiminibus civitatum, multa rerum experientia probatis; Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 116, vgl. S. 160. Vgl. Keller, Adelsherrschaft, S. 377; Artifoni, I podesta` professionali. Daß der hier zum Vergleich bemu¨hte Condottiere des 15. Jahrhunderts auch einen Papierkrieg mit seinen Arbeitgebern zu fu¨hren hatte, veranschaulicht Reinhardt, Florenz, S. 18ff. Vgl. beispielsweise zum Aufbruch des Anconitaners Garganus de Arscindis nach Split im Fru¨hjahr 1239: Thomae Archidiaconi Spalatensis Historia Salonitanorum pontificum atque Spalatensium, cap. 33, S. 120: Garganus uero, necessarie sotietatis comitatu parato, nauem ingressus est. Habuit autem militem unum et unum notarium, clientelam bonam, duos dexararios, et armorum non modicum apparatum. Vgl. beispielsweise Pini, Comuni, S. 86; Civilta` comunale; Wieruszowski, Art. So war Todi spa¨ter auch Karrierestation fu¨r Benedetto Caetani, Bartolo da Sassoferrato oder Coluccio Salutati. Siehe unten Kapitel 3.7. Vgl. Keller, Vorschrift; Ders., Quellengattung; Ders., Stadtkommunen.

¨ berlieferung 3.1 Einleitung: Die Exemplarita¨t eines Aufruhrs im Spiegel der U

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u¨ber13. Etwas ausfu¨hrlicher berichten die ‚Gesta Innocentii papae III‘ zu 1207 u¨ber einen durch den Papst vermittelten Friedensschluß zwischen ihnen14. Im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts bekam dieser innersta¨dtische Antagonismus eine neue Qualita¨t, er wurde institutionalisiert. Nun standen sich zwei Parteien gegenu¨ber, die von selbstgewa¨hlten Amtstra¨gern aus der sta¨dtischen Fu¨hrungsschicht geleitet wurden15. Wie in den großen Sta¨dten der Toskana, Romagna und der Lombardei nannten sich die Todiner Parteien Guelfen und Ghibellinen und zeigten damit an, daß sich in ihrem Gegensatz lokale Interessenlagen mit u¨bergeordneter politischer Parteinahme verbanden16. Die Herrschaftsintensivierung der Kommune und die Institutionalisierung der Parteika¨mpfe standen einander ebenso entgegen, wie sie sich bedingten. In dieser Gemengelage von Konflikten genu¨gte ein a¨ußerer Impuls, wie der Italienzug des Staufers Konradin im Juli 1268, um das politische System der Kommune Todi zu erschu¨ttern17. Den aus der o¨rtlichen Fu¨hrungsschicht stammenden Konsuln, die im 12. Jahrhundert die meisten Stadtkommunen regiert hatten18, traute man angesichts der Krisen, die den gesellschaftlichen und politischen Wan13 Le cronache volgari, S. 133ff. Vgl. Maire Vigueur, Comuni, S. 66–70, 77– 91 und 132–138. 14 Gesta Innocentii papae III, Sp. CLXVf.: Cum autem inter cives Tudertinos, majores videlicet et minores, orta fuisset magna dissensio, ita, quod nobiliores, civitatem egressi, populum impugnabant, ex qua dissensione multa pericula jam provenerant, videlicet incendia, homicidia, praedae, rapinae, caedes hominum, mutilationes membrorum, vastationes segetum, destructiones domorum, et, multis saepius mediantibus, nunquam pervenire potuissent ad pacem, dominus papa, utrisque vocatis, et receptis ab eis corporaliter juramentis, quod suo starent mandato, veram pacem inter illos composuit et firmavit; cuius formam per publicam manum redegit in scriptis, et servandam in posterum perpetua lege sancivit. Vgl. Waley, Papal State, S. 51f. 15 Maire Vigueur, E´chec, S. 8ff. 16 Grundlegend Larner, Italy, S. 106–112. Vgl. mit Hinweisen auf weitere Literatur Keller, Blick, S. 304–307. Am Beispiel Mailands Hermes, Patrona, S. 441. Bereits fu¨r die spa¨tmittelalterlichen Geschichtsschreiber scheinen diese Konfliktkonstellationen in den meisten italienischen Sta¨dten aus weit zuru¨ckreichenden lokalen Vorgaben oder der ‚großen Politik‘ zu resultieren. Wie sehr sie und die durch sie gefa¨hrdete Kommune aus der Dynamik der Gesellschaft resultierten, kann ein Sonderfall aus den Abruzzen des ausgehenden 13. Jahrhunderts zeigen. Dort entwickelte na¨mlich die Gru¨ndungsstadt L’Aquila in nur wenigen Jahrzehnten – sozusagen im Zeitraffer – nicht nur eine Kommune mit eigenem Statutarrecht, sondern auch einen veritablen Faktionsstreit, in dem sich die Camponeschi und die Pretatti gegenu¨berstanden. Vgl. Clementi, Camponeschi; Ders., L’Aquila. Der Schluß liegt nahe, daß beide Pha¨nomene miteinander zu tun haben. Demnach fu¨hrte gerade die Bildung einer Kommune unter den Bedingungen der sta¨dtischen Gesellschaft auch zur Entstehung ihrer Antagonismen. 17 Vgl. Herde, Corradino; Jericke, Marsch. 18 Vgl. Keller, Mailand, S. 96ff.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

del begleiteten, die Lenkung der ganzen Kommune und insbesondere die unbefangene Rechtsprechung nicht mehr zu19. Der im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts schreibende Chronist Giovanni Villani hebt dies in sei¨ bergangs zum Podestariat durch seine Heimatstadt ner Erkla¨rung des U Florenz hervor: ‚Im Jahre Christi 1207 bekamen die Florentiner zum ersten Mal ein auswa¨rtiges Stadtregiment, da sich die Stadt bis dahin unter der Herrschaft der sta¨dtischen Konsuln aus den Ma¨chtigsten und Besten der Stadt, mit dem Rat des Senats, na¨mlich der hundert boni homines, lenken ließ; und nach ro¨mischer Sitte leiteten jene Konsuln alles, regierten die Stadt, sprachen Recht und ließen Gerechtigkeit widerfahren: Und ihr Amt dauerte ein Jahr. Und es gab vier Konsuln, solange die Stadt in Quartiere aufgeteilt war, fu¨r jedes Stadttor einen; und darauf gab es sechs, als man die Stadt nach Sesti einteilte. Unsere Vorfahren erwa¨hnen freilich nicht alle ihre Namen, aber von einem von ihnen mit u¨berragendem Stand und Ruf sagen sie: zu den Zeiten solch eines Konsuls und seiner Kollegen. Aber als spa¨ter die Stadt an Volk, wie an Lastern wuchs und viele Verbrechen begangen wurden, kam man zum Besten der Kommune darin u¨berein, – damit die Bu¨rger nicht in die Lage kamen, daß bei der Herrschaftsausu¨bung durch Bitten, aus Angst, aufgrund von Dienstverpflichtungen oder aus irgendeinem anderen Grund die Gerechtigkeit ausblieb – anzuordnen, einen Edelmann aus einer anderen Stadt zu berufen, der ihr Podesta` fu¨r ein Jahr sein sollte und der mit seinen Mitarbeitern und iudices Recht in Zivilrechtsangelegenheiten sprechen und die Verurteilungen und Leibstrafen vollstrecken sollte. Und als erster, der Podesta` von Florenz wurde, wurde es in besagtem Jahr Gualfredotto aus Mailand, und er wohnte im Bischofspalast, weil es noch keinen Kommunalpalast in Florenz gab. Und darum blieb die Herrschaft der Konsuln nicht bestehen, denen man die Verwaltung aller anderen Angelegenheiten der Kommune anvertraute. Und durch dieses besagte Stadtregiment regierte man die Stadt bis zu der Zeit, als man in Florenz den Primo Popolo

19 Zur Gerichtsbarkeit des Podesta` siehe Lepsius, Zweifeln, S. 4 passim.

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machte, wie wir zuvor erwa¨hnt haben; und damals schuf man das Amt der Anzianen.‘20 Villani deutet bereits die na¨chste Stufe in der idealtypischen ‚Verfassungsentwicklung‘ der Kommune an, die von den „governi di popolo“ bestimmt wird21. Zeitgleich zum Primo Popolo von Florenz findet sie sich auch in Todi, wo 1255 mit dem Bolognesen Bonifacio de’ Castellani der erste Capitano del Popolo belegt ist22. Das Podestariat blieb zwar bestehen, doch besaß es spa¨ter la¨ngst nicht mehr das Gewicht wie in der Zeit um 1200, als ein Podesta`, seinem sta¨ndischen Ehrencodex verpflichtet und eidlich gebunden an das Statutarrecht der Kommune, die ihn gewa¨hlt hatte, konkurrenzlos die Stadt regierte. Wie sehr Comazzo Galluzzi diesem Amtsversta¨ndnis – nach den Statuten hatte der Podesta` ad honorem civitatis tuderti zu regieren23 – verpflichtet war, zeigt seine Reaktion auf den Vorschlag, das Podestariat in der nun ausschließlich ghibellinischen Kommune zu u¨bernehmen, den ihm am Tag nach seiner Vertreibung aus dem Kommunalpalast eine Vermittlerdelegation der siegreichen Partei in seinem unfreiwilligen Asyl bei den Minoriten u¨berbrachte. Er teilte ihnen mit, daß er sein Amt nur so ausu¨ben ko¨nne, wie er es in seinem Eid geschworen habe, und das hieß, Todi communiter et non pro

20 Giovanni Villani, Nuova Cronica, VI 32, Bd. 1, S. 259–260: Negli anni di Cristo MCCVII i Fiorentini ebbono di prima signoria forestiera, che infino allora s’era retta la citta` sotto signoria de’ consoli cittadini, de’ maggiori e migliori della citta`, con consiglio del senato, cioe` di cento buoni uomini; e quelli consoli al modo di Roma tutto guidavano, e governavano la citta`, e rendeano ragione, e facevano giustizia: e durava il loro officio uno anno. E erano quattro consoli mentre che·lla citta` fu a quartieri, per ciascuna porta uno; e poi furono VI quando la citta` si partı` a sesti. Ma gli antichi nostri non faceano menzione de’ nomi di tutti, ma dell’uno di loro di maggiore stato e fama, dicendo: al tempo di cotale consolo e de’ suoi compagni. Ma poi cresciuta la citta` e di genti e di vizii, e faceansi piu` malifici, sı` s’accordaro per meglio del Comune, accio` che i cittadini nonn-avessono sı` fatto incarico di signoria, ne´ per prieghi, ne´ per tema, o per diservigio, o per altra cagione non mancasse la giustizia, sı` ordinaro di chiamare uno gentile uomo d’altra citta`, che fosse loro podesta` per uno anno, e rendesse le ragioni civili con suoi collaterali e giudici, e facesse l’esecuzione delle condannagioni e giustizie corporali. E ’l primo che fu podesta` in Firenze fu nel detto anno Gualfredotto da Milano, e abito` al vescovado, impercio` che ancora non ave’ in Firenze palazzo di Comune. E pero` non rimase la signoria de’ consoli, ritegnendo a·lloro l’aministragione d’ogn’altra cosa del Comune. E per la detta signoria si resse la cittade infino al tempo che·ssi fece il primo popolo in Firenze, come innanzi faremo menzione; e allora si crio` l’officio degli anziani. Zu a¨hnlichen Motiven in der fast zwei Jahrzehnte zuvor erfolgten Einfu¨hrung des Podestariates in Genua siehe unten Kapitel 3.5.2. 21 Artifoni, Governi; Zorzi, Popolo. 22 Ceci, Potesta`. 23 Statuto di Todi del 1275, I, S. 8. Vgl. Carocci, Barone, S. 868; Weber, Kommunikation.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

parte gema¨ß der Form der Kommunalstatuten zu regieren24. Daß sich in dieser Erkla¨rung Amtsversta¨ndnis und perso¨nliches Ehrgefu¨hl bereits mit einer Handlungsstrategie von schriftlich dokumentierten Protestgesten verband, die auf den von Comazzo unmittelbar darauf angestrengten Prozeß zielte, wird im Folgenden deutlich werden. Widersprach die gewaltsame Vertreibung des selbstgewa¨hlten Stadtoberhauptes, die sich im Juli 1268 in Todi ereignete, den Normen der kommunalen Rechtsordnung, so war sie doch alles andere als ungewo¨hnlich. Die erza¨hlenden Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts erwa¨hnen fu¨r die Sta¨dtelandschaft Ober- und Mittelitaliens zahlreiche Fa¨lle, die nach dem gleichen Schema abliefen: Offen ausgetragene Parteika¨mpfe mu¨ndeten in die Erstu¨rmung des Kommunalpalastes und in die Vertreibung, wenn nicht sogar To¨tung des Podesta`. Mit Pietro Parenzi, dem ersten namentlich bekannten Podesta` aus Rom, findet sich sogar ein Heiliger unter den fru¨hen Podesta`, der sein Martyrium in Ausu¨bung seines Amtes im Verlauf solch eines Konflikts erlitt25. Pietro, der von Februar bis Mai 1199 in Orvieto amtierte, sah sich zwar noch nicht mit Guelfen und Ghibellinen, wohl aber mit einer Krisensituation konfrontiert, die den spa¨teren an Komplexita¨t und Brisanz in nichts nachstand: Zwischen dem territorial expandierenden Orvieto und dem Papst war es zum Konflikt gekommen, als Innocenz III. in den ersten Monaten seines Pontifikates in dichter Handlungsfolge seinen Herrschaftsanspruch in dem von ihm geschaffenen Tuszischen Patrimonium zur Geltung brachte. Durch das u¨ber die Stadt verha¨ngte Interdikt gewannen die dortigen Katharer in der ‚anti-pa¨pstlichen‘ Partei die Oberhand, die sich nun o¨ffentlich ausgetragene, zunehmend eskalierende Ka¨mpfe mit ihren Gegnern in der Bu¨rgerschaft lieferte26. Der ro¨mische Adlige Parenzi, den sich die Kommune als friedensstiftenden dominus et rector vom Papst erbeten hatte, wurde, wie zwei Generationen spa¨ter Comazzo Galluzzi, in einem Adventus ab Urbevetanis magnis et minimis, cum olivarum et lauri ramis, cum gaudio et honore eingeholt27. 24 Die am 18. Juli 1268 in San Fortunato gefu¨hrten Verhandlungen ließ Comazzo Galluzzi in einem Notariatsinstrument dokumentieren, das sich im Archivio storico comunale di Todi befindet; zusammengefaßt hat es Wu¨stenfeld, Revolution, S. 703f. 25 Zu ihm vgl. Carocci, Barone, bes. S. 851f. und 859f. Es wu¨rde sich lohnen, Pietros Vita mit der seines Piacentiner Zeitgenossen Raimondo Zanfogni zu vergleichen, die ebenfalls von einem o¨rtlichen Kanoniker verfaßt wurde. Sichtbar wu¨rde dabei unter anderem das Wissen um und das Engagement in politischen Kommunikationsformen der Kommune von Seiten der Hagiographen. Vgl. Dessı`, Pratiques, S. 253ff. 26 Vgl. Waley, Orvieto; Ders., Papal State, S. 36; Lackner, Studien, S. 148ff. 27 Passio sancti Petri Parentii martyris, S. 87. Zu Comazzo Galluzzis Adventus in Todi siehe die Aussage seines Familiaren Delai Venturini, in: ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 79: Super

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Doch bereits kurze Zeit darauf kam es zum bellum zwischen den Parteien, ut in foro publico civitas tota pugnaret cum gladiis, lanceis et lapidibus, per turres et palatia circumposita28. Zu Pferde ging der Podesta` zwischen die Ka¨mpfenden, die er, nach der Niederschlagung des Aufruhrs, zu charakteristischen Strafen, wie der des Niederreißens ihrer Tu¨rme und Palazzi, verurteilte29. Das in mehreren consilia beratene Vorgehen gegen die Katharer, das er schließlich in einer o¨ffentlichen Volksversammlung verku¨nden ließ, fu¨hrte zu seiner Entfu¨hrung und Ermordung30. Zu den Wundern, die sich bald darauf an seinem Grab in der Kathedrale ereigneten und die der Orvietaner Domherr Johannes, ein Augenzeuge von Pietros Podestariat, notierte, za¨hlt auch das folgende, wie ich finde charakteristische fu¨r einen Podesta`, der die Orvietaner nun als Heiliger schu¨tzte: auf seinem Schild, den man in der Kirche aufgeha¨ngt hatte, sollen in dunkler Nacht Lichter erschienen sein31. Wird der Bericht eines Chronisten aus der Zeit Comazzos u¨ber einen Konfliktverlauf einmal detaillierter, so fallen sofort weitere Parallelen zu den Ereignissen in Todi auf32. Die ‚Allta¨glichkeit‘ solcher Konfliktverla¨ufe du¨rfte ein Hauptgrund dafu¨r gewesen sein, daß zeitgeno¨ssische und spa¨tere Geschichtsschreiber sich meistens mit ihrer Erwa¨hnung begnu¨gten und die Komplexita¨t der Auseinandersetzung auf ein bina¨res Kon-

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vigesimo quinto articulo dicte intentionis sibi lecto interrogatus. dicit quod dicti Tudertini praedictum dominum Comacium in suum potestatem receperunt. Interrogatus quomodo scit. respondit. quia militestia et pedites civitatis Tuderti et etiam pueri dicte civitatis cum ramis olivarum venerunt obviam extra civitatem ipsi domino Comacio ipso eunte ad regimen dicte terre et conduxerunt eum in dictam civitatem Tuderti voce tubarum et clamantibus dictis pueris vivat vivat. et quod in platea dicte civitatis idem dominus Comacius iuravit regimen suum exercere et gerere. Vgl. die bildliche Darstellung des 1191 erfolgten ingressus der Kaiserin Konstanze in Salerno, der a¨hnliche Elemente aufweist; Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, S. 98f. (fol. 111r). Passio sancti Petri Parentii martyris, S. 87. So verhielten sich ebenfalls die ersten Genueser Podesta` in vergleichbaren Konflikten; ¨ hnlich handelte zwei Jahre spa¨ter Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], S. 36f. und 61f. A auch Spagliagrano, der erste Podesta` von Todi; Le cronache volgari, S. 133: et fece compire de scarchare le turri de Tode. Passio sancti Petri Parentii martyris, S. 88f. Ebenda, S. 94. Bei den a¨ltesten, aus dem 13. Jahrhundert stammenden heraldischen Totenschilden, die sich in nordalpinen Kirchen erhalten haben, handelt es sich um Kampfschilde, die in sekunda¨rer Verwendung u¨ber dem Grab ihres Tra¨gers aufgeha¨ngt wurden. Spa¨ter wurden eigens Totenschilde fu¨r diesen Zweck angefertigt; Scheibelreiter, Heraldik, S. 135; Tebruck, Schild. Zum Paduaner Carroccio des fru¨hen 13. Jahrhunderts, der seinen Ehrenplatz im Dom hatte und dort wegen seiner Metallbeschla¨ge nachts im Dunkeln leuchtete, siehe unten Kapitel 5.2. Das Wunder in Orvieto geho¨rt offenbar zum gleichen semiotischen Feld. So durch das Chronicon Parmense, S. 13f. Siehe dazu ausfu¨hrlich unten Kapitel 3.6.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

¨ berlieferung des in diesem Kapitel unterfliktschema verku¨rzten33. Die U suchten Ereignisses in der Todiner Historiographie kann diese Form der Wahrnehmung verdeutlichen. Der zwischen 1495 und 1536 wirkende Humanist und Todiner Kanzler Gian Fabrizio degli Atti, ein Nachfahre des Ghibellinenfu¨hrers, der Comazzo Galluzzi aus dem Amt trieb34, hat in seiner Chronik eine im fru¨hen 14. Jahrhundert in der Volkssprache redigierte Todiner Chronik aufgenommen35. Diese dem Geschehen am na¨chsten kommende lokale Geschichtsu¨berlieferung verzeichnet entsprechend kurz und ohne Details die Vertreibung des Stadtoberhauptes durch eine Partei, um sich dann der ‚großen Politik‘ zuzuwenden: Comac¸o de li Galluzi fo potesta` MoCCLXVIII, et fonne cacciato per li gibillini; et resse in quello anno Ugolino da Baschi; et in questo anno del mese de magio lo re Karlo ando` in Puglia et fece hoste del mese d’agosto, et re Karlo sconfixe Corrado.36 Daß andererseits die Geschichtsschreiber des ausgehenden 13. Jahrhunderts, die u¨ber ihren Entstehungsort hinaus auch andere Regionen der 33 Beispielhaft sind die kurzen Berichte u¨ber die Ka¨mpfe der innersta¨dtischen partes, meist unterschieden in intrinsecos und extrinsecos, die der Piacentiner Annalist fu¨r andere Kommunen Ober- und Mittelitaliens in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts gibt. Ihren Zusammenhang mit sozialen Spannungen, Feindschaften zwischen Nachbarsta¨dten und den Linien der ‚großen Politik‘ der Pa¨pste und Monarchen deutet er durchaus an, gibt aber keine eingehendere Beschreibung der Ereignisse. Vgl. etwa zu 1279 und zu 1280 die Annales Placentini Gibellini, S. 572: De mense vero Decembris iuxta nativitatem Domini orta discordia in civitate Bononie, preliati simul pars de Lambertactis qui in civitatem nuper intraverant, de civitate expulsa est, ita quod multi mortui sunt; de quo facto domnus papa indignatus est contra Gereminos de Bononia. [...] Audito in Romagna de morte domni pape [Nikolaus III., d. Verf.], in continenti pars Gibilinorum de Faencia, Furlini, Furnipopuli, Cesene,seeCesena Cervie et plurium aliarum civitatum de Romagna partes Guelforum de ipsis civitatibus expulserunt. Die angesprochenen Konflikte in Bologna, in die auch Comazzo Galluzzi und seine Sippe verwickelt waren, werden dargestellt von Milani, L’esclusione. Beispiele in Fu¨lle bietet Salimbene de Adam, Cronica, der sich, 2, S. 885ff., auch grundsa¨tzliche Gedanken u¨ber Parteiwesen und Konfliktfu¨hrung machte. Vgl. Zanella, Federico II, S. 116. 34 Wenn vielleicht auch kein direkter Nachfahre. Im 14. Jahrhundert existierten fu¨nf verschiedene Linien dieses Geschlechts; Leoˆnij, Cronaca, S. 85f. 35 Ceci, Todi, S. XV, nennt dieses a¨lteste erhaltene Geschichtswerk Todis, das einen Berichtszeitraum von 1155 bis 1322 abdeckt, treffend „la cronaca dei podesta`“. Es ist durch mindestens zwei Redaktionsstufen gegangen: Zuna¨chst in knapper Annalen-Form gehalten, weitet es sich von den 1280er Jahren an zu einer erza¨hlenden Chronik aus. Dieser letzte Teil du¨rfte von dem Redaktor stammen, der das Werk im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts in die Volkssprache u¨bersetzte und weiterfu¨hrte. Seitdem im Kommunalarchiv von San Fortunato nachweisbar, hat Gian Fabrizio degli Atti diese Chronik um 1500 in seine eigene integriert und so der Nachwelt u¨berliefert. 36 Le cronache volgari, S. 137.

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Halbinsel in den Blick nahmen, die Ereignisse in Todi nicht erwa¨hnen, ist in zweifacher Hinsicht ein Beleg fu¨r deren Exemplarita¨t als zeittypisches Ereignis37. Zuna¨chst unterstreicht es, wie gesagt, die Allta¨glichkeit eines Geschehens, das sich zudem in einem etwas abseits gelegenen centro minore ereignete. Daru¨ber hinaus war Todi, wie die zitierte chronikalische Notiz erkennen la¨ßt, nicht der einzige und erst recht nicht der bedeutendste Ort, der im politisch und milita¨risch heißen Sommer des Jahres 1268 in Brand geriet. Eine Woche nach dem Umsturz in der umbrischen Stadt zog der Staufer Konradin in Rom ein, um sich einen Monat spa¨ter Karl von Anjou bei Tagliacozzo zur Schlacht zu stellen38. Was das Podestariat und die Vertreibung des Bolognesen allerdings zu ¨ berlieferungsgeschichte. Bereits unmiteinem Sonderfall macht, ist ihre U telbar nach seiner Vertreibung hatte Comazzo Galluzzi an der pa¨pstlichen Kurie Klage gegen die Kommune Todi erhoben. Er verlangte den Rest seines ausstehenden Gehaltes, Entscha¨digung fu¨r seine Ausraubung sowie die Feststellung seines ehrenhaften Verhaltens. Erst zu Beginn des Jahres ¨ berlieferungszu1291 endete dieser Prozeß in einem Vergleich. Durch U fall hat sich ein Teil der umfangreichen Prozeßakten im ‚Archivio storico comunale di Todi‘ erhalten. Eines dieser Schriftstu¨cke, das im Folgenden vor allem als Quelle herangezogen werden wird, dokumentiert die Aussagen von fu¨nf Zeugen der Ereignisse in Todi. Diese fu¨nf, u¨ber deren Aussagen wir verfu¨gen, waren Bolognesen und hatten Comazzo als Familiaren wa¨hrend seines Podestariates in Todi gedient. Drei von ihnen, Ugolinus Gualinghi, Henrigettus Feliciani und Delai Venturini aus Altedo, waren Notare. Der aus dem Bologneser Contado stammende Adlige Rimbaldus de Montegeorgio bzw. de Cuciano war der Ritter und Sozius des Podesta` gewesen. Johannes Gerardi Paltonerii schließlich war Fußsoldat und hatte ¨ ber Todi bzw. Comazzo berichten nicht: Salimbene de Adam, Cronica, zum Verfas37 U ser: Scalia, Salimbene; Die Chronik des Saba Malaspina; Annales Placentini Gibellini. Daß Comazzos Familie und ihr sozialer Status Salimbene allerdings wohlbekannt waren, ¨ berfall zeigt sein Bericht, ebenda, 2, S. 741ff., u¨ber den im Jahre 1275 fehlgeschlagenen U der von den Geremei gefu¨hrten Bolognesen auf Faenza, den Fluchtpunkt der Lambertazzi, den der Franziskaner in der romagnolischen Stadt miterlebte. Unter den gefallenen milites potentes et nobiles der Angreifer za¨hlt er auch Henrigucius de Gallutiis de Bononia auf. Salimbene besaß umgekehrt auch die Mo¨glichkeit, an Informationen u¨ber Todi zu kommen, da er mit dem Franziskaner Bentivegna Bentivegni (ca. 1230–1290) perso¨nlich bekannt war. Aus einer Todiner Familie stammend, war dieser von 1276 bis 1278 Bischof seiner Heimatstadt gewesen, bis ihn Nikolaus III. zum Kardinal von Albano ernannte. Auch als Purpurtra¨ger hielt Bentivegna engen Kontakt zu Todi, fu¨r dessen Kommune er als Vermittler auftrat und das er in seinem Testament mit einer bedeutenden Stiftung bedachte; Waley, Bentivegna (Bentivegni), Bentivegna. 38 Siehe Herde, Corradino.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

zu der Truppe von dreißig beroarii geho¨rt, die nachtra¨glich in Bologna angeworben worden war. Aus der großen Gruppe dieser familia, die bereits ohne ihre Erga¨nzungen um die genannten Soldaten und die zwei nachtra¨glich aus Mailand geholten Notare Robertus und Maffeus um die dreißig Mann einschließlich eines Koches za¨hlte, kamen somit Vertreter von drei Gruppen zur Aussage, die gesellschaftlich und politisch unterscheidbar waren, als Funktiona¨re des Stadtregimentes aber auch zusammenarbeiteten39. Sieht man von der funktionalen Aufteilung innerhalb dieser Gruppe von Spezialisten einmal ab, so erweisen sich ihre Vertreter ebenfalls als repra¨sentative Exponenten der Rangordnung und der feinen Unterschiede innerhalb der Bologneser Gesellschaft. An oberster und unterster Stelle dieser Hierarchie standen der adlige Ritter aus dem Contado und der Fußsoldat aus der Stadt. Ein Vergleich des Zeugenvernehmungsprotokolls mit der Bolo¨ berlieferung la¨ßt erkennen, daß die dazwischen stehenden iudices gneser U und Notare eine noch Jahrzehnte nach ihrem Dienst in Todi nachweisbare Gruppenbindung zusammenhielt. In Analogie zu den interkommunalen wie innersta¨dtischen Netzwerken der meist adligen Podesta`, die wir oben am Beispiel des Guilielmus de Pusterla kennengelernt haben, ko¨nnte man von einem sekunda¨ren, aus dem eigenen Stadtviertel hervorgegangenen Netzwerk der als Familiaren ta¨tigen Notare sprechen. Diese Zusammenha¨nge zeigen sich daran, daß sich die gleichen Familiaren auch bei anderer Gelegenheit unter dem Befehl Comazzos oder eines als Podesta` amtierenden Galluzzi zusammenfanden40. Daß man in Bologna in Kontakt blieb, sprach Iohannes Gerardi Paltonerii direkt an. Er sagte aus, daß er fu¨r die Notare, die er aus der familia des Comazzo Galluzzi kannte, als Zeuge in ihren Notariatsinstrumenten fungiert habe ¨ mtern gesehen habe41. Besta¨und daß er sie bereits in kommunalen A tigt wird dies durch Quellen, wie das Statuten-Corpus des Bologneser 39 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 66: Et dicit quod alii familiares fuerunt inter domicellos et scutiferos et cocum in quantitate .xvj. vel .xviij. (Aussage des Henrigettus Feliciani). 40 Vgl. Maire Vigueur, E´chec, S. 32. 41 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 63: Interrogatus de causa scientie respondit quia vidit Bononie homines euntes ad eos et quemlibet eorum pro publicis cartis faciendis et ut faciant eis cartas et ipsas scribere et facere cartas eis et ipse fuit iam vocatus pro teste ad cartas cuiuslibet eorum Interrogatus ad quas cartas respondit non recordari et vidit iam sedere eos et quemlibet eorum ad officia comunis in civitatem Bononiam. Interrogatus ad que officia respondit dictum Henrigettum notarium ad gabellam et dictum Franciscum ad causas et dictum Donadeum ad bandeziatos et ad alia officia quorum ei non est memoria Interrogatus quando vidit eos ad dicta officia sedere respondit retro per tempora sed nescit bene certum tempus et dixit pro cartis et instrumentis eorum et cuiusque eorum videt quod datur fides sicut cartis et instrumentis bonorum et legalium notariorum civitatis Bononie.

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Popolo, in den auch die Namenslisten der Amtstra¨ger, Emendatoren der Statuten oder durch den Popolo Privilegierten eingetragen wurden42. Hier begegnet beispielsweise der dominus Henrigiptus Felliciani als einer der consules notariorum, die im August 1282 an der Redaktion der Statuten des Popolo beteiligt waren43. Unter den savi der Notarszunft stand ihm dabei dominus Iacobinus de Lobia zur Seite44. Der Sohn des iudex Iacobinus, Hencius, erscheint im Jahre 1295 zusammen mit Henrigettus, der das Amt auch noch im Folgejahr ausu¨bte, und mit Iohannes Butrigarius unter den sapientes des Quartiers von der Porta San Procolo 45. Drei der zehn iudices und Notare, die im Jahre 1268 nach Todi gezogen waren, saßen also nachweislich fu¨r dasselbe Stadtviertel in der am popolaren Stadtregiment beteiligten societas der Notare. Die anderen oder ihre unmittelbaren Verwandten waren ebenfalls am Popolo beteiligt und du¨rften auch Mitglieder der Notarszunft gewesen sein46. Die Belege lassen erahnen, daß die gemeinsame Herkunft aus demselben Viertel eine Rolle bei der Rekrutierung der Familiaren gespielt haben du¨rfte. Denn auch die Galluzzi und Rimbaldus de Montegeorgio, der das Bu¨rgerrecht von Bologna besessen haben du¨rfte, geho¨rten dem Quarterium Porte Sancti Pro-

42 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi. 43 Er war auch im Mai 1268 Ratsherr gewesen und hatte im Wahlverfahren, in dem Comazzo gewa¨hlt worden war, mit abgestimmt; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 64: Super quinto articulo dicte intentionis dicit quod dictus dominus Comacius de Galluciis de Bononia fuit electus ad tempus et pro tempore unius anni pro potestate dicti comunis Tuderti per scruptinium factum in consilio comunis Bononie. Interrogatus quomodo scit praedicta. respondit quia ipse interfuit scruptinio facto in consilio dicti comunis Bononie tanquam consiliarius dicti communis Bononie. in quo dominus Comacius praedictus fuit electus potestas dicti comunis Tuderti pro unum annum dicit etiam quod verum est quod auctoritate commissionis et concessionis facte a comuni Tuderti in consilium comunis Bononie electus fuit secundum tenorem litterarum praedictarum. quas ipse vidit et legit et licte fuerunt dicte littere in dicto consilio comunis Bononie. 44 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 16. 45 Ebenda, S. 289 und 312. Der letztgenannte bietet ein Beispiel fu¨r die Identifizierungsschwierigkeiten der in den Zeugenaussagen in verschiedenen Schreibweisen und in der ¨ berlieferung als gleicher Name verschiedener Personen begegnenden PerBologneser U sonennamen. So ist Iohannes condam Guillelmi Butrigarii notarius und Ministrale der societas Traversarum Barbarie wohl identisch mit dem Familiaren von 1268 Iohannes Butrigarius alias Iohannes Giulli Boarigarii, nicht aber mit dem Iohannes Butrigharius, der zur gleichen Zeit Mitglied der societas magistrorum Lignaminis war. Vielleicht waren sie aber miteinander verwandt, da in derselben Zunft auch ein Rolandus Guillelmi Butrigarii begegnet. Siehe ebenda, S. 205, 230, 233, 238, 244 und 247; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 66. 46 Vgl. Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 204, 223f. und 231.

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culi an47. Die Rollenvielfalt des letzteren, der als Haupt einer Adelssippe aus dem Contado und Bu¨rger Bolognas an dem politischen Geschehen der Renostadt beteiligt war sowie als miles eines Podesta` Stadtherrschaft ausu¨bte, zeigt intensive Stadt-Land-Beziehungen und eine große Mobilita¨t einzelner Akteure auf. Abgrenzungsversuche zwischen der Kommune und der Feudalwelt, wie sie die a¨ltere Forschung sehen wollte, erweisen sich angesichts solcher Beispiele als problematisch. Beinahe durchga¨ngig u¨ber zwei Dekaden hinweg in den Ordnungen des Popolo belegt ist der iudex Iacobinus de Lobia, der das scha¨rfste politische Profil besitzt. Neben den genannten Korporationen geho¨rte er auch der societas Quarteriorum, einer Waffengesellschaft, an48. Bereits im Krisenjahr 1274 begegnet er zusammen mit dominus Franciscus Donadini notarius unter den Anzianen um Rolandinus Passagerii, die in die Ka¨mpfe zwischen Geremei und Lambertazzi eingriffen49. 1284 amtierte er als preconsul an der Spitze der im Vorjahr reformierten, das Stadtregiment des

47 Der nach den Stadtvierteln geordnete, 1256/57 angelegte ‚Liber Paradisus‘ verzeichnet die de Galluc¸iis unter den Besitzern freigekaufter Ho¨riger und Sklaven aus besagtem Quartier; Liber Paradisus, S. 19. Ebenda, S. 23, wird auch aufgefu¨hrt: Domini Ribaldi Rodulfi Sinibaldi et Sinibaldi et Napolionis suorum fratrum de Monc¸orgi fuerunt infrascripti servi et ancille ut repertum est. Bei diesem 1256/57 als Familienoberhaupt begegnenden Ribaldus de Monc¸orgi handelt es sich ho¨chstwahrscheinlich um den miles Rimbaldus de Montegeorgio. Dreißig Jahre spa¨ter werden er und seine Bru¨der Sinibaldus und Napoleonus als nobiles de comitatu in einer Kontroll-Matrikel des Bologneser Popolo aufgefu¨hrt; Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 146f. Dasselbe Patronym begegnet ebenfalls in seiner Namensnennung im Vernehmungsprotokoll von 1278; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 51: Rimbaldus quondam domini Rudulfus de Montegeorgio seu Cucciano districtus Bononie. Iohannes Gerardi Paltonerii nennt ihn, ebenda fol. 60, dominus Ribaldus de Cociano seu de Montegeorgio, Henrigettus Feliciani, ebenda fol. 66, dicit quod fuit unus miles qui vocatur dominus Ribaldus de Cuciano. Der namengebende Ort du¨rfte mit der Burg Mongiorgio im Tal der Samoggia zu identifizieren sein. Der im ‚Liber Paradisus‘ genannte Großvater des Rimbaldus ko¨nnte gut mit dem Sinibaldus identisch sein, der in einer Urkunde Heinrichs VI. vom 9. September 1196 als consul militum unter den Capitanen des talabwa¨rts von Mongiorgio gelegenen Monteveglio begegnet. Diese Capitanenfamilien und die Burg Mongiorgio geho¨rten zum ehemals canusinischen Lehnsverband. Vgl. Haverkamp, Herrschaftsformen 2, S. 493. Der domicellus et scutiferus Rudulfus domini Sinibaldi in der familia des Comazzo Galluzzi, den Henrigettus Feliciani an gleicher Stelle nennt, ko¨nnte demnach ein junger Verwandter – wohl der nach seinem Großonkel benannte Neffe – des miles gewesen sein. Nach Maire Vigueur, E´chec, S. 33f. war der Dienst als ‚Knappe‘ oder Page in der familia eines Podesta` ein Karriereeinstieg fu¨r junge Ma¨nner aus der kommunalen Aristokratie. 48 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 107, 205, 228, 231, 233, 238, 242f., 249 und 252. 49 Ebenda, S. 224.

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Popolo wesentlich stu¨tzenden Notarszunft50. Vielleicht hatten ihn seine Pflichten als Statutar im Jahre 1278 daran gehindert, das Tal des Reno hinauf zu reisen, um in Pistoia als Zeuge auszusagen? Betroffen von der Statutengesetzgebung des Popolo waren die sich als Angeho¨rige dieser Faktionen beka¨mpfenden Magnaten in Stadt und Contado. Man kann sich kaum eines Anflugs von Ironie erwehren, wenn man sieht, wie sich die von den a¨lter gewordenen, nach wie vor durch Binnenstrukturen ihrer politisierten Berufsgruppe verbundenen Notaren miterarbeiteten Reglementierungen nun gegen die u¨ber ihre Standeszugeho¨rigkeit getroffenen adligen Ritter richtete, die sie damals aus der in a¨hnlichen Parteika¨mpfen versinkenden fremden Stadt herausgefu¨hrt hatten. So za¨hlten zu den lupi rapaces der Geremei, die 1282 dadurch geza¨hmt werden sollten, daß sie bei Androhung des Bannes dem Volke von Bologna Sicherheiten zu leisten hatten, auch die Ma¨nner des Galluzzi-Clans, unter ihnen dominus Gerardutius filius domini Comacii de Galutiis51. Das gleiche Schicksal traf auch infrascripti nobiles de comitatu, zu denen dominus Ribaldus de Monc¸orc¸i za¨hlte52. Daß vor allem die Gruppe der Notare und Rechtsgelehrten – aber auch der adlige miles und socius des Podesta` sowie ein beroarius – als Zeugen im Vernehmungsprotokoll und zugleich als Protagonisten des Bologneser Stadtregimentes begegnen, ist kein Zufall, sondern Ausdruck der ¨ berlieferung zu geraten, die diese Tra¨ger der gro¨ßeren Chancen, in die U kommunalen Schriftkultur hatten. Die durch die beiden Quellen mo¨gliche Kontrolle einer Zeitspanne von mehr als drei Jahrzehnten enthu¨llt zugleich typische Lebensentwu¨rfe und Karrieren: Nach ihrer mobilen ‚aktiven Zeit‘ in der familia eines Podesta` begegnen uns diese Notare in einem gesetzteren Alter als Amtstra¨ger und Honoratioren ihrer Heimatstadt. Nicht nur die gleiche Ta¨tigkeit, korporative Zusammengeho¨rigkeit und die Herkunft aus dem gleichen Viertel, sondern auch kollektive Erlebnisse, wie ihr Dienst in Todi oder der Prozeß in Pistoia, verbanden sie miteinander53. 50 Carniello, Rise, S. 337f. Von dem hohen Status der Familie und des in ihr anscheinend erblichen Berufes des Rechtsgelehrten zeugt die erhaltene Grabplatte des 1319 im Kreuzgang von San Michele in Bosco zu Bologna beigesetzten dominus Egidii iudex de Lobia. Die beiden Wappenschilde zu Ha¨upten des in der pelzverbra¨mten Tracht seines Standes Dargestellten bezeugen, daß die De Lobia ein Familienwappen fu¨hrten; Grandi, Monumenti, Nr. 12, S. 129f., und Abb. 26, S. 208. 51 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 32ff. 52 Ebenda, S. 146f. 53 Vgl. die Beobachtungen von Grebner, Wandel, und Carniello, Rise, zu den Bologneser Notaren als gesellschaftlich-politischer Gruppe in der Zeit der fru¨hen Kommune

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Die Aussagen dieser Zeugen ermo¨glichen uns, unter Beru¨cksichtigung ihrer Sicht sowie der Quellenperspektive, einen Blick aus der Na¨he auf einen fu¨r eine Kommune des 13. Jahrhunderts exemplarischen Geschehenskomplex, von dem wir sonst kaum mehr wu¨ßten, als den lapidaren Satz, den Gian Fabrizio degli Atti abgeschrieben hat. Zu den Details, an die die Zeugen sich erinnerten, geho¨ren auch Beobachtungen zur heraldischen Symbolik. Den Prozeßakten kommt daher, a¨hnlich wie den oben besprochenen Dokumenten des 12. Jahrhunderts, ein nahezu einmaliger ¨ berlieferung zum Quellenwert fu¨r unsere Untersuchung zu. Da die U kommunalen Wappenwesen in der Regel erst ab dem 14. Jahrhundert in Umfang und Quellenvielfalt zunimmt, liegt hier eine Ausnahme vor, die uns einen Einblick in Handlungsabla¨ufe der Podesta`-Kommune zu einem fru¨hen Zeitpunkt gestattet. Richtet sich der Forschungstraditionen und Vorarbeiten folgende Blick des Historikers sonst meist auf große und gut erforschte Kommunen, wie Florenz oder Mailand, besteht hier zudem die Gelegenheit, eine der kleineren Kommunen Mittelitaliens vergleichend zu betrachten. Nicht zuletzt handelt es sich hier auch nicht um einen Bericht aus der Sicht von Geschichtsschreibern, die meist fu¨r eine einheimische Elite schrieben. Stattdessen kommen einmal auch Akteure, wie der leseunkundige beroarius Johannes, zur Sprache, deren Stimme ¨ berlieferung zu gelangen54. Wa¨hrend sonst keine Chance hatte, in die U die Rede der Geschichtsschreiber u¨ber Wappen bestimmte narrative Strategien verfolgt, mit den Zeichen wie mit Exempla belehren will, sowie ihren Adressaten herrschaftsrelevantes Wissen u¨ber die mit Wappen verknu¨pfte Identita¨t und Geschichte von Herrschern und Sta¨dten zur Verfu¨gung stellt55, vermitteln die Augenzeugenberichte eine andere, aus der Erfahrung gewonnene Form heraldischen Wissens. In ihnen berichten unmittelbar Beteiligte u¨ber einen allta¨glichen Wappengebrauch, der im Fokus einer typischen Krisensituation der Zeit aufscheint. Seine Bedingtheit durch die Tra¨germedien und die spezifischen, durch Verfahren und symbolische Kommunikation geregelten Handlungskontexte, die die narrativen und normativen Schriftquellen und die bildlichen Darstellungen gema¨ß ihrer Intentionen wiedergeben, wird hier aus einer anderen Perspektive sichtbar, die das Gesamtbild erga¨nzen kann.

¨ hnlich verliefen im spa¨teren Mittelalter auch die Karriebeziehungsweise des Popolo. A ren von Kaufleuten wie Giovanni Villani – dessen Zeit in Flandern in seiner Chronik ihren Niederschlag in Berichten u¨ber das Wappenwesen dieses Landes fand – oder Francesco di Marco Datini. 54 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 59: nec scit legere et ideo nescit aliter. 55 Siehe unten Kapitel 5.

¨ berlieferung 3.1 Einleitung: Die Exemplarita¨t eines Aufruhrs im Spiegel der U

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Es sind drei solcher Komplexe heraldischer Symbolik, die in den Prozeßakten angesprochen werden: das Wappensiegel der Kommune Todi, das im Berufungsverfahren Comazzos zum Einsatz kam, das Familienwappen der Galluzzi, mit dem die Defensivwaffen der beroarii bemalt worden waren, sowie das Adlerwappen der su¨ditalienischen Staufer und eine lokale balzana, die auf den Fahnen zu sehen waren, unter denen sich die Ghibellinen am 17. Juli die Kontrolle u¨ber die Stadt erka¨mpften. Im Anschluß an Darstellungen zur Forschungsgeschichte und zum Aussagewert unserer Hauptquelle, werde ich auf diese drei Komplexe eingehen. Meine Interpretation orientiert dabei sich an den oben angesprochenen Bedeutungsebenen der heraldischen Symbolik: der Ebene des Zeichens, der des Tra¨germediums und seines Sitzes im Leben, sowie der Ebene gro¨ßerer, eigengesetzlicher Sinnstrukturen, in die die Zeichen mit¨ berschreisamt ihren Handlungskontexten integriert wurden. In der U tung der Grenzen dieses Interpretationsmodells, dessen Ebenen sich selbstversta¨ndlich nicht ga¨nzlich trennen lassen, werden aber auch weitere Funktionen der Wappen sichtbar. Die neben den zeitgeno¨ssischen Interaktionsstrategien und Zuschreibungen zutage tretende ‚Offenheit‘ oder Mehrdimensionalita¨t der Kommunikationsvorga¨nge, wie auch der Zeichen selbst, sowie ihre Ru¨ckgebundenheit an kollektive Bedeutungssysteme und Ordnungsvorstellungen gilt es zu beachten. Eine Fokussierung der heraldischen Symbolik kann Zusammenha¨nge zwischen diesen Ordnungen, dem politischen System der Kommune und den Handlungsabla¨ufen symbolischer Kommunikation sichtbar machen. So erfu¨llten beispielsweise die Wappenfahnen der Todiner Ghibellinen, die im Konflikt in Konkurrenz zur heraldischen Symbolik der Guelfen und des Podestariats standen und zur Erschu¨tterung der bestehenden Herrschaftsordnung beitrugen, aus der Sicht ihrer Tra¨ger eine vergleichbare ordnungsstiftende und herrschaftslegitimierende Funktion. Als Medien heraldischer Symbolik waren sie zugleich Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs. Anregungen Barbara Stollberg-Rilingers aufgreifend, unterscheidet die folgende Untersuchung der Kommunikationsakte, in denen mit den verschiedenen Wappen agiert wurde, außerdem zwischen einer instrumentellen und einer symbolischen Dimension des Handelns56. Die Funktionalita¨t eines Wappens konnte, je nach eingenommener Perspektive, sowohl in der Erfu¨llung eines pragmatischen Zweckes, als auch in symbolischen Sinnstiftungen liegen. Auf die in der Zusammenschau dieser Ebenen und Dimensionen erkennbaren Bezu¨ge zwischen der heraldi-

56 Stollberg-Rilinger, Kommunikation, bes. S. 498.

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schen Symbolik und den Strukturen der kommunalen Herrschaftsordnung zielt, wie gesagt, die Leitfrage dieser Arbeit. So spiegelt sich das Ineinandergreifen lokaler und u¨berregionaler Strukturen, das sowohl das politische System des Podestariats, als auch die italienischen ‚Kreuzzu¨ge‘ und die Ka¨mpfe zwischen Guelfen und Ghibellinen im 13. Jahrhundert kennzeichnet57, in den verschiedenen Wappen, die im Todi des Jahres 1268 zu sehen waren. Nicht zuletzt der von der Kommune gestaltete o¨ffentliche Raum der Stadt, der die Bu¨hne fu¨r ein Zeichenhandeln abgab, das Verbindlichkeit fu¨r die sta¨dtische Gemeinschaft beanspruchte, verweist auf die Bedingtheit der heraldischen Symbolik durch die kommunalen Strukturen ihres Sitzes im Leben. Zur weiteren Erschließung der in den Zeugenaussagen angesprochenen Zusammenha¨nge werden im Folgenden auch Vergleichsbeispiele aus anderen Kommunen herangezogen.

3.2 Der Prozeß und seine heraldischen Belege in der Forschungsgeschichte Die Akten zum Prozeß des Comazzo Galluzzi warten noch darauf, ediert zu werden58. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein war sein Podestariat lediglich ein Glied in der Kette der sich ablo¨senden Rektorate Todis, die die lokalen Geschichtsschreiber, die zumeist auch Kustoden des Archivio segreto und der durch die Stiftung des Kardinals Matteo d’Acquasparta beru¨hmten Biblioteca comunale waren59, verzeichneten. Gian Fabrizio degli Atti ist bereits erwa¨hnt worden. Ihm folgte als Geschichtsschreiber und Genealoge der 1595 gestorbene Pirro Stefanucci, dessen handschriftliches Todiner Urkundenbuch sich erhalten hat, wa¨hrend seine Stadtgeschichte und ein ‚Liber insignum Tudertinorum‘ verloren gegangen sind60. Eine Geschichte der Podesta` und anderer governatori Todis von Ottaviano Ciccolini wurde 1802 in der Todiner Druckerei Raffaello Scalabrinis ¨ ber die Geschichte des Archivs in der Fru¨hen Neuzeit inforgedruckt61. U mierte zeitweilig ausfu¨hrlich die homepage des ‚Archivio storico comunale di Todi‘62. 57 58 59 60

Vgl. beispielsweise Housley, Crusades; Starn, Commonwealth. Knappe Beschreibung des Bestands bei Maire Vigueur, E´chec, S. 7. Menesto`, Biblioteca. ¨ berCeci, Todi, S. XXIf., der in seinem Vorwort, S. IX–XXXIX, einen detaillierten U blick u¨ber die Todiner Lokalhistorie seit der Renaiccance gibt. 61 Ceci, Todi, S. XXVIIIff. 62 URL: http://digilander.libero.it/archiviostoricotodi/ (Stand: 2004).

3.2 Der Prozeß und seine heraldischen Belege in der Forschungsgeschichte

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Mit dem am Himmelfahrtstag 1823 noch hoch zu Roß in die Stadt einreitenden Friedrich Bluhme (1797–1874) traf erstmals ein Reisender im Auftrag der ‚Monumenta‘ in Todi ein63. Ihm folgte Ludwig Bethmann (1812–1867), der Anfang August 1853 die in einem Gewo¨lbe neben der Sakristei von San Fortunato versteckten Besta¨nde des Kommunalarchivs sichtete, aber in deren „furchtbare[r] Unordnung“ anscheinend nicht auf die Prozeßakten aufmerksam wurde64. Gewissermaßen als Vorbote der modernen Forschung stellte sich dann Ferdinand Gregorovius (1821–1891) dar, der auf seiner im Juli 1864 unternommenen Archivreise durch Umbrien eine Woche in der Stadt u¨ber dem Tibertal Station machte. Das Archiv und die Bibliothek schilderte der Privatgelehrte in einem a¨hnlich pittoresken Zustand „schmachvoller Unordnung“, in dem er auch die staubbedeckten Kommunalarchive anderer, gerade erst durch das Ko¨nigreich Italien ‚befreiter‘ Sta¨dte des Kirchenstaates, wie Bologna oder Orvieto, vorgefunden haben wollte65. Anscheinend kam es zu keiner Begegnung Bethmanns oder Gregorovius’ mit dem Todiner, der spa¨ter gegen die von den Deutschen so beklagte Unordnung vorgehen sollte und dessen Lebensweg ihn als eine exemplarische Gestalt des Risorgimento – ein sich dem Nationalstaat nicht verweigernder gattopardo – ausweist66. Dieser Conte und Cavaliere Lorenzo Leoˆnij (1824–1887), Abko¨mmling eines mit ihm aussterbenden Todiner Adelsgeschlechts, studierter Jurist und dilettierender Historiker, erst pa¨pstlicher und großherzoglich-toskanischer Kammerherr, dann italienischer Parlamentsabgeordneter, begann 1875 mit der Neuordnung von Archiv und Bibliothek in San Fortunato, wo er auch das Patronat u¨ber eine 1417 durch seinen gleichnamigen Vorfahren gestiftete Kapelle inne hatte67. In den Jahren 1878 und 1879 vero¨ffentlichte Leoˆnij Inventare der Archiv- und Bibliotheksbesta¨nde68. 63 Wesche, Die Reisenden, mit Edition von Bluhmes Brief an Pertz vom 10. Mai 1823, Nr. 10, S. 24–27. Vgl. Esch, Archivreise, zu Bluhme S. 190–197, 228f. und 233f. 64 Dr. Ludwig Bethmann’s Nachrichten, S. 551; Esch, Archivreise, S. 197 und 229; vgl. Dens., Monumenta. 65 Gregorovius, Wanderjahre, S. 135ff.; Kampf, Entstehung, S. 20f. 66 Gregorovius, Wanderjahre, S. 138ff., wurde wa¨hrend seines Aufenthalts von dem Buchha¨ndler und Verleger Alessandro Natali betreut, der ihn wohl auf Leoˆnijs ‚Memorie‘ aufmerksam machte. Leoˆnij wiederum las Gregorovius; Leoˆnij, Cronaca, S. 1. 67 Vgl. Grondona, Todi, S. 41 und 92; Leoˆnij, Cronaca, S. 51, 101 und 120. Zur Biographie siehe Ceci, Todi, S. XXX–XXXVII. 68 Lorenzo Leoˆnij, Inventario dei codici della comunale di Todi, Todi: Tip. di Z. Foglietti, 1878, mit dem Nachfolgeband: Editiones saeculi decimiquinti quae in bibliotheca comunali Tuderti asservantur, per Laurentium Leonium descriptae, Firenze: Tip. dell’Arte della Stampa, 1879, xx, 103, 23 S. Nach Auskunft der Universita¨ts- und Landesbibliothek Mu¨nster vom 27. Juni 2006 sind beide Ba¨nde im Fernleihverkehr nicht verleihbar (in Deutschland vorhanden aber nicht verleihbar an der Universita¨tsbibliothek Augsburg).

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Dadurch, sowie mit seinen Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte Todis, beteiligte er sich am institutionellen Aufbau der Geschichtswissenschaften im jungen italienischen Nationalstaat69. Im letzten, „Todi Ghibellina“ betitelten Kapitel seiner ‚Memorie storiche di Todi‘ hat Leoˆnij die Vertreibung Comazzos erwa¨hnt. Seine Darstellung stu¨tzt sich allerdings nicht auf die Akten, sondern – zumindest mittelbar – auf die Chronik Gian Fabrizios degli Atti70. Spa¨ter hat er, wohl durch die Neuordnung des Archivs, in deren Folge auch Theodor Wu¨stenfeld die Akten einsehen und als erster u¨ber sie publizieren sollte, die Quelle entdeckt und gelesen. In Leoˆnijs posthum erschienenen historischen Studien zu den Todiner Bischo¨fen findet sich eine Zusammenfassung des in ihr festgehaltenen Geschehensablaufs71.

69 Das Erscheinen von Leoˆnijs zwischen 1856 bis 1860 in mehreren Faszikeln von Scalabrini gedruckten Geschichte seiner Heimatstadt war 1857 dadurch unterbrochen worden, daß die Zensur des Kirchenstaates das Manuskript des dritten, das Mittelalter bis zum Ende des Dugento behandelnden Teiles beschlagnahmte. Der Autor und sein Verleger Alessandro Natali verbrachten die letzten Tage des pa¨pstlich regierten Umbrien im Gefa¨ngnis, aus dem sie die einmarschierenden Piemontesen befreiten; Leoˆnij, Memorie, S. 241ff.; Vgl. Ceci, Todi, S. XXXII und XXXIV Anm. 1, mit einer treffenden Charakterisierung der Monographie: „Il Leonij scrisse quest’opera senza attingere ai documenti degl’archivi che allora giacevano in vergognosa confusione. Si affido` al Ciccolini, al Manente e ad una storia manoscritta di G. B. Alvi! Ma egli scriveva quell’opera piu` a scopo politico che scientifico e letterario.“ Exemplarischen Aussagewert fu¨r die Motive, die hinter den in dieser Zeit entstehenden Monographien zur Stadtgeschichte standen, besitzt das Vorwort des Kanonikus Pecori, Storia, S. 9–14, mit dem ersten Satz: „Lo studio dei Municipj, che tanta parte si ebbero nel civile risorgimento dell’Europa, ha da qualche tempo a se´ richiamato le dotte elucubrazioni de’piu` valorosi ingegni sı` nostrali che stranieri“. 70 Leoˆnij, Memorie, S. 319f., erwa¨hnt den Friedensschluß des Podesta` Pandolfo Savelli und gibt die daran erinnernde Inschrift am Kommunalpalast wieder, um dann fortzufahren: „La pace duro` quanto le altre. Nel 68 i ghibellini scacciarono il podesta` Corrado [sic] Galluzzi bolognese, e misero il conte Ranieri de’ Baschi, e nel 69 sconfissero i guelfi, che avevano fatto oste in Collazzone, podesta` Raimondo degli Annibaldeschi .“ 71 Leoˆnij, Cronaca, S. 61: „Corradino nel 1268 passava da Fuligno per andare all’infelice battaglia di Tagliacozzo: i Ghibellini di Todi, avendo tanto vicini gl’imperiali loro amici, insorsero contro i Guelfi che tenevano il reggime, e condotti da Poletto degli Atti, fecero con gli avversari aspra battaglia nella piazza maggiore. Ebbero la peggio i Guelfi, i Ghibellini entrarono a forza nel palagio del Podesta`, che era Comaccio Galluzzi da Bologna, lo derubarono delle armi, dei cavalli, delle masserizie, di 600 lire cortonesi, e si disponevano ad ammazzarlo inumanamente, quando in buon punto uscı` coraggiosamente il Vescovo Pietro, calmo` gli ammutinati, prese in protezione Comaccio, lo condusse nel sicuro asilo della Chiesa di s. Fortunato, da dove il povero Podesta` accompagnato da molti armigeri fatti venire da Spoleto, senza stipendi, senza cavalli, fu inviato a Bologna. Vi fu poi una grande lite fra il Comune e Comaccio, che fu piu` volte dibattuta e decisa, fino che il Cardinal Bentivenga ottenne una transazione.“

3.2 Der Prozeß und seine heraldischen Belege in der Forschungsgeschichte

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In ihrer Bedeutung als aussagekra¨ftige Quelle zur Geschichte des mittelalterlichen Podestariats erkannt und gewu¨rdigt wurden die Prozeßakten dann durch Getulio Ceci (1865–1932). Im Jahr 1897 erschien bei dem Todiner Drucker Trombetti nicht nur Cecis zusammen mit dem Archivar Giulio Pensi (1874–1936) unternommene Edition der a¨ltesten erhaltenen Kommunalstatuten Todis von 1275, sondern auch seine, die Stadtgeschichte bis 1303 behandelnde Monographie ‚Todi nel medio evo‘72. Zusammen mit Cecis kleineren Arbeiten markiert sie in vielem nach wie vor den Forschungsstand zum Todiner Mittelalter. In ihrer Einleitung zur Statutenedition hatten Ceci und Pensi auf einen Ratsbeschluß sowie auf die Prozeßakten Comazzo Galluzzis als exemplarische Quellen fu¨r die Zusammensetzung der familia des Podesta` verwiesen73. In seiner Stadtgeschichte griff Ceci sowohl in seiner Schilderung der Ereignisgeschichte als auch in der systematischen Darstellung des „Ordinamento politicoamministrativo“ auf die Prozeßakten zuru¨ck. Er erwa¨hnt dabei auch die in der Quelle begegnenden drei Komplexe der heraldischen Symbolik. So beschließt er seinen Absatz zu den auswa¨rtigen Notaren des Podesta`: „Finalmente il notaio delle riformagioni teneva il sigillo del Comune che, secondo narra anche un testimonio della celebre causa Galluzzi, era rotondo con un’aquila in mezzo.“74 Mit dem Dienstvertrag, den der beroarius Albertus Alba Muratori 1268 mit dem Podesta` einging, schrieb Ceci eine mir nicht zuga¨ngliche Quelle aus dem besagten Aktenbestand aus. In diesem Dokument werden unter den Waffen des Soldaten auch Helm, Schild und Waffenrock aufgefu¨hrt, die mit dem Wappen Comazzos zu versehen seien75. An anderer Stelle gibt Ceci zu diesem an: „Lo stemma ne era un gallo in campo azzurro.“76 (Abb. 1) Den Geschehensverlauf des Aufruhrs erza¨hlte der Todiner Forscher an dieser Stelle, wie auch etwas ausfu¨hrlicher in einem ebenfalls 1897 vero¨ffentlichten Aufsatz u¨ber die kommunalen Amtstra¨ger Todis wa¨hrend des 13. Jahrhunderts. Dort heißt es: „Il potesta` guarda dalle finestre 72 Ceci, Todi. 73 Statuto di Todi del 1275, S. XXIf. Vgl. Ceci, Todi, S. 206f., mit Teilu¨bersetzung des Berufungsschreibens an die Kommune von Bologna vom 20. April 1267. 74 Ceci, Todi, S. 220. 75 Ceci, Todi, S. 219. 76 Ceci, Todi, S. 156. Darstellungen des Wappens der Galluzzi finden sich auf Grabre¨ berlieferung sichten liefs von Mitgliedern der Familie aus dem 14. Jahrhundert. Die U Grandi, Monumenti, S. 80 und 90, Nr. 29 und 31, S. 148 und 150f., sowie Abb. 97–100 und 104–109, S. 279–282 und 286–291; Breveglieri, Note. Da sich die farbigen Fassungen dieser Monumente nicht erhalten haben, kann ich nur vermuten, daß der Hahn in natu¨rlichen Farben gefu¨hrt wurde.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Abb. 1: Wappen der Galluzzi auf einem Relief mit einer Verku¨ndigungsszene Teil eines Grabmals in San Domenico zu Bologna. Werkstatt des Bitino da Bologna, um 1340. Heute im Museo Civico Medievale von Bologna aus: Grandi, Monumenti, Abb. 100, S. 282

3.2 Der Prozeß und seine heraldischen Belege in der Forschungsgeschichte

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i tumultuanti affollati intorno a quattro o cinque bandiere, una delle quali ha l’arma imperiale, cioe` l’aquila nera in campo bianco.“77 An anderer Stelle identifizierte er Wappen und Fahne als Zeichen der Ghibellinen78. Auch wenn Ceci das Wappenbild der Fahne richtig wiedergibt, so handelte es sich, worauf unten noch einzugehen ist, weder um das kaiserliche noch um das ghibellinische Wappen im engeren Sinne. Vielleicht hatte der Historiker des Fin de Sie`cle unbewußt an den schwarzen Adler im silbernen (weißen) Feld des preußischen Ko¨nigs und deutschen Kaisers gedacht?79 In einem 1890 aus Anlaß der Festlegung des Stadtwappens durch den Magistrat gedruckten Versuch u¨ber das Wappen der Kommune Todi hatte Ceci zwar an der von der Todiner Lokalhistorie stets behaupteten antik-ro¨mischen Herkunft des Adlers im Stadtwappen festgehalten, dies jedoch zugleich als Antikenrezeption der mittelalterlichen Kommune plausibel gemacht80. Auf den fu¨nfzehn Seiten des Schriftchens hat er, der als Gelehrter und Archa¨ologe spa¨ter auch an der Restaurierung der Todiner Kommunalpala¨ste beteiligt war, außerdem die erhaltenen mittelalterlichen Darstellungen des kommunalen Wappens gesichtet. Anders verfuhr Ceci mit den heraldischen Belegen aus den Prozeßakten, die er nicht zueinander in Beziehung setzte. Worauf es ihm stattdessen ankam, war der Entwurf eines Bildes des Podestariats im 13. Jahrhundert, das sowohl mit wohlgeordnetem Detailreichtum als auch mit dramatischen Effekten der Erza¨hlung aufwarten konnte. So sagt er selbst u¨ber den Quellenwert der Prozeßakten: „Il lungo processo che quest’ultimo ebbe col Comune, permette di ricostruire i fatti nei minimi particolari.“81 Der in der Todiner Lokalhistorie wurzelnde Getulio Ceci hat allerdings nicht die bereits 1883 erschienene Abhandlung Theodor Wu¨stenfelds zur Kenntnis genommen, in der dieser die Forschung u¨ber Italien hinaus anhand des fraglichen Rotulus, aus dem er zahlreiche Textproben gab, auf die Vertreibung und den Prozeß des Comazzo Galluzzi aufmerksam gemacht hat82. Wie der von Bluhme entlehnte Titel des Publikationsortes anzeigt, ging es dem Deutschen um die Mitteilung des Inhalts eines 77 Ceci, Potesta`, S. 306 [86]. 78 Ceci, Todi, S. 80: „Anzitutto l’aquila ghibellina e` nera su fondo bianco; [...] Cosi e` descritta la bandiera ghibellina anche in un processo del 1267.“ 79 Vgl. beispielsweise den zeitgleich mit Cecis Hauptwerk erschienenen Eintrag in: Meyers Konversations-Lexikon 14, S. 209, s. v. „Preußen (Wappen, Flagge, Orden.)“. 80 Ceci, Appunti. Der Verfasser erwa¨hnt den aktuellen Beschluß des Stadtrates, zum Stadtwappen in der Form von 1267 zuru¨ckzukehren. 81 Ceci, Potesta`, S. 305 [85]. 82 Wu¨stenfeld, Revolution.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

auf einer Archivreise entdeckten Dokumentes, mit dem sich, im Sinne zeitgeno¨ssischer Unternehmen, weitere ‚Fakten‘ der Reichs- und Papstgeschichte sammeln ließen83. Entsprechend formuliert Wu¨stenfeld keine explizite Fragestellung, er teilt Quellen aus dem Umfeld von Konradins Italienzug mit und rekonstruiert politisches Geschehen anhand der Datierungen von Dokumenten. Doch gerade am Beispiel der in der fraglichen Quelle erwa¨hnten Wappen zeigt sich, daß sein Vorgehen keineswegs dem Ideal der unverfa¨lschten Objektivita¨t entspricht, dessen Erfu¨llung die historisch-kritische Schule fu¨r sich in Anspruch nahm. Ausgepra¨gter als bei dem lokalen Polyhistor Ceci ist Wu¨stenfelds Blick von den Kategorien der Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts gelenkt. Er identifiziert mit dem Siegel und der Fahne mit dem Wappen Konradins sozusagen die ‚amtlichen‘ Herrschaftszeichen, wa¨hrend er das ‚private‘ Wappen des Podesta` u¨bergeht84. Einen Versuch der Zusammenschau der heraldischen Zeichen hat auch er nicht unternommen. Ironischerweise war es ein Lesefehler an gerade der Stelle, an der auch Ceci mit seiner Identifikation eines der beschriebenen Wappen stolperte, der Eingang in ein popula¨res master narrative der deutschen Media¨vistik fand. Die Aussage des Notars Henrigettus Feliciani, quod inter dictas banderias et vexilla vidit quoddam vexillum seu pennonem armature Curadini nepotis Imperatoris Federici in quo erat aquila nigra et campus erat albus85, las Wu¨stenfeld als „armature Conradini, nepotis imperatoris Friderici, in quo erat aquilla rugia et campus erat albus“, um dann frei zu u¨bersetzen: „Es kamen die Ghibellinen mit Fahnen und Standarten, deren eine das Wappen Conradins zeigte, des Nachkommen Kaiser Friedrichs: einen rothen Adler im weissen Felde“86. Da er die parallele Aussage des Delai Venturini u¨ber die Fahne mit dem schwarzen Adler zuvor referiert hatte, las Wu¨stenfeld somit als Wappen Konradins ein zusa¨tzliches Wappen mit einer „aquilla rugia“ aus dem Quellentext heraus. Dies 83 Zu den hinter der Methode dieser publizierten Urkundenauszu¨ge stehenden Vorstellungen von Geschichtsforschung siehe z. B. die Beitra¨ge in: Die Regesta Imperii im Fortschreiten und Fortschritt. 84 Wie stark diese Perspektive durch ihre Bindung an eine verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Terminologie in der deutschen Media¨vistik nachwirkt, zeigt beispielsweise die Darstellung des Pha¨nomens durch Ahasver von Brandt, der Begriffe wie „ReichsAmtssymbol“ fu¨r die im Namen des Reiches gefu¨hrte Fahne pra¨gte. Vgl. von Brandt, Werkzeug, S. 119–132, hier S. 121. Vor diesem Hintergrund erschließt sich der Wert der Studien Carl Erdmanns, der, wohl durch offizielle Sprachregelungen seiner Zeit sensibi¨ berlieferungsproblematik ausging und induklisiert, in seinen spa¨ten Arbeiten von der U tive Schlu¨sse zog. 85 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 70. 86 Wu¨stenfeld, Revolution, S. 700.

3.2 Der Prozeß und seine heraldischen Belege in der Forschungsgeschichte

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griff dann 1894 Karl Hampe auf, der in seiner ‚Geschichte Konradins‘ schreibt: „In dem bisher gut pa¨pstlichen Todi erhoben sich die Ghibellinen, scharten sich um den roten Adler, vertrieben die Guelfen und rissen die Herrschaft an sich.“87 Angesichts der Verselbsta¨ndigung des Lesefehlers mutet es schon fast ironisch an, daß in der italienischen Chronistik des 14. Jahrhunderts ausgerechnet ein Wappen mit einem roten Adler in Weiß auf die Zeit der letzten Staufer zuru¨ckgefu¨hrt wurde: das Wappen der Parte Guelfa von Florenz, das diese von Papst Clemens IV. erhalten haben wollte88. Der von Hampe ansonsten ausgiebig als Quelle benutzte Giovanni Villani liefert auch den entscheidenden Beleg, der das von Henrigettus Feliciani als Wappen Konradins beschriebene Zeichen als das bereits von seinem Onkel Manfred gefu¨hrte Wappen ausweist: L’arme che prese e porto` [Manfred, d. Verf.] fue quella dello ’mperio, salvo ove lo ’mperadore suo padre porto` il campo ad oro e l’aguglia nera, egli porto` il campo d’argento e l’aguglia nera.89 Eher zur weiteren Verwirrung in dieser Sache hat Enrico Menesto` in seinem Kommentar zum Corpus der Todiner Chronistik von 1979 beigetragen, indem er die fragliche Fahne als „vexillum Ghibellinorum“ von Todi in bezug zum Wappen der Kommune brachte, ohne sie klar von diesem abzugrenzen90. Als Vertreter der modernen Media¨vistik, deren Forschungsgegenstand die italienischen Kommunen sind, hat sich Jean-Claude Maire Vigueur mit dem Prozeß des Comazzo Galluzzi befaßt. Sein Aufsatz von 1995 stellt ¨ berlieferung gena¨hert den gegenwa¨rtigen Forschungsstand dar91. Der U hat sich Maire Vigueur von seinen Arbeitsgebieten her, der Geschichte der mittelitalienischen Kommunen und der des Podestariats. Bereits zuvor hatte er Ceci als Beispiel fu¨r die mit der staatlichen Einigung und Neuordnung Italiens aufblu¨hende Stadtgeschichtsschreibung aufgefu¨hrt, die wegen des von ihr verarbeiteten lokalen Archivmaterials einen unverzichtbaren Referenzwert behalte, jedoch in ihrer chronologischen Art der Darstellung den Charakter der Konflikte in den Kommunen nicht erfaßt habe92. Demgegenu¨ber verfolgt Maire Vigueur eine analytische Herangehensweise93. Ihn interessiert der Konflikt als Kristallisationspunkt des gesellschaftlich-politischen Wandels. Hatte er 1987 die in Todi besonders 87 88 89 90 91 92 93

Hampe, Geschichte, S. 267. Siehe Kapitel 1.1. Giovanni Villani, Nuova Cronica, VII 46, Bd. 1, S. 339ff. Menesto`, Un esempio, S. 347f. Maire Vigueur, E´chec. Maire Vigueur, Comuni, S. 110f.; Ders., E´chec, S. 10. Maire Vigueur, Comuni, S. 169ff.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

ausgepra¨gten Ka¨mpfe und alternierenden Machtwechsel zwischen Ghibellinen und Guelfen als Katalysator fu¨r die Etablierung eines „regime popolare“ benannt, zu dem benachbarte Kommunen auf unterschiedlichen Wegen gelangten, so vertiefte er diesen Ansatz noch in seiner Fallstudie von 1995. In dem fu¨r Todi belegten „regime bipartito“ der Parteien wies er Einflu¨sse des Popolo nach und zeigte anhand der Podestariate des Comazzo Galluzzi und seines Vorga¨ngers Pandolfo Savelli den charakteristischen Amtsverlauf eines Podesta` und seine Gestaltungsmo¨glichkeiten als ‚Krisenmanager‘ in der Praxis auf94. Im Ru¨ckgriff auf diesen Aufsatz fu¨hrt Maire Vigueur schließlich in seiner Zusammenfassung zu dem 2000 ¨ berblickswerk ‚I podesta` dell’Italia comunale‘ das Podeerschienenen U stariat des Galluzzi als paradigmatisches Beispiel fu¨r die Zusammensetzung der familia eines Podesta` sowie fu¨r die Zusammenarbeit in dieser Gruppe an95. Maire Vigueur arbeitet zwar einzelne Verfahrensschritte, Rituale und Wahrnehmungsmuster aus den von ihm als Hauptquelle genutzten Zeugenaussagen heraus, setzt aber ebenfalls nicht bei den Wappen an. Das Siegel von Todi erwa¨hnt er ohne Beschreibung96. Wie ein Jahrhundert zuvor der von ihm kritisierte Ceci identifiziert auch Maire Vigueur das von den Bologneser Notaren beobachtete Fahnenbild als „l’aigle impe´rial“97. Noch am ausfu¨hrlichsten ist er zum Wappenbild des Hahns, das er, wohl ebenfalls gestu¨tzt auf Ceci, als redendes Wappen der Galluzzi plausibel deutet98. Mit Giuliano Milanis Artikel im ‚Dizionario biografico degli Italiani‘ liegt seit 1998 auch ein biographischer Abriß Comazzo Galluzzis vor, der seine Karriere als Berufspolitiker vor dem Hintergrund seiner Herkunft aus einer der ma¨chtigsten Familien der Geremei von Bologna beleuchtet99. ¨ bergang von der In den etwa anderthalb Jahrhunderten nach dem U antiquarischen hin zu einer sich international ausweitenden historischkritischen Erforschung der archivalischen Quellen zum Todiner Mittelalter hat die Episode um Comazzo Galluzzi zwar Beachtung gefunden, stand jedoch keinesfalls im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Diskussion u¨ber die Geschichte der italienischen Kommunen. So weit ich sehe, ist sie bisher lediglich durch Maire Vigueur von neueren Fragestellungen

94 95 96 97 98 99

Maire Vigueur, E´chec, S. 29. Maire Vigueur, Flussi, S. 928f., 996ff. und 1076ff. Maire Vigueur, E´chec, S. 20. Ebenda, S. 6. Ebenda, S. 30f. Milani, Galluzzi, Comazzo (Comacio).

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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der Media¨vistik aus betrachtet worden. Auf den in der Quelle erkennbaren Zusammenhang von heraldischer Symbolik und Strukturen des politischen Systems, der sich von gegenwa¨rtigen, insbesondere aus der Neuen Kulturgeschichte kommenden Ansa¨tzen, wie auch von der he´raldique nouvelle her stellt, ist u¨berhaupt noch nicht eingegangen worden100. In Umkehrung der Perspektive la¨ßt die kursorische Erwa¨hnung der Wappen in der besprochenen Forschungsliteratur vor allem die Zeitbedingtheit des flu¨chtigen Blickes auf die Zeichen erkennen. Legen Wu¨stenfelds und Hampes Schilderungen ein Versta¨ndnis der heraldischen Fahnen als Herrschaftszeichen eines monarchischen Staates nahe, durch deren Pra¨senz Handlungen amtlich sanktioniert wurden, so weckten dieselben Fahnen bei Maire Vigueur geradezu entgegengesetzte Assoziationen an die Medien und Praktiken unstaatlicher Demonstrationen seiner Gegenwart: „On y trouve en effet tous les ingre´dients d’une belle „manif“ ¨ ber ein Jahrhundert gleichgeblieben ist dagegen der d’aujourd’hui.“101 U von Ottfried Neubecker, dem jedoch weder diese Quelle, noch die angesprochene Stelle bei Villani bekannt waren, beklagte automatische Reflex, das Adlerwappen der letzten Staufer als Reichsadler zu identifizieren102. ¨ berlieferungslage und die sich aus ihr ergebenden KonseAuch die U quenzen fu¨r den Wert und die Interpretation der Quelle sind von der Forschung bisher nur ansatzweise thematisiert worden. Sie stehen im Zentrum des na¨chsten Abschnitts.

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle: ¨ berlieferungs-Chance Entstehung im Zivilprozeß, U und Aussagewert in kulturgeschichtlicher Perspektive Geho¨rten Aufruhr und Vertreibung, wie sie Comazzo Galluzzi in Todi erfahren hatte, zu den typischen Berufsrisiken eines Podesta`103, so waren die Maßnahmen, die er daraufhin ergriff, ebenfalls alles andere als ungewo¨hnlich. Da der vertriebene Podesta` von seinem vereinbarten Gehalt in Ho¨he von 2000 Pfund Cortoneser Denaren nur 52 erhalten hatte, wa¨hrend ihm in seiner kurzen Amtszeit, an deren Ende er auch noch seiner Ausru¨stung beraubt worden war, Kosten, wie der ausgelegte Sold der 100 101 102 103

Vgl. mit Hinweisen auf die einschla¨gige Literatur Weber, Sprache. Maire Vigueur, E´chec, S. 6. Neubecker, Hohenstaufenerbe. Maire Vigueur, E´chec, S. 6. Vgl. Hessel, Geschichte, S. 504f.; Ceci, Potesta`, S. 304f. [84f.].

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

beroarii, entstanden waren, wandte er sich an die Kommune seiner Heimatstadt Bologna. Diese gestand ihm am 7. Ma¨rz 1271 das Repressalienrecht gegen Todi zu. 1281 machte er davon Gebrauch, indem er zwei Todiner Kaufleute gefangen nahm und erst auf Bitten des von ihm als Richter angerufenen Papstes wieder frei ließ104. Noch in Spoleto, seiner ersten Zuflucht, hatte der Vertriebene damit begonnen, einen Prozeß gegen die Kommune von Todi anzustrengen. Am 24. Juli 1268, genau eine Woche nach dem Ausbruch des Aufruhrs, lehnte der Rat von Perugia seine Bitte an den dortigen Podesta` ab, mit ihm in dieser Sache zur pa¨pstlichen Kurie zu gehen – das guelfische Stadtregiment entschied dies allerdings nicht in der Sache, sondern wegen der Kriegsgefahr durch den Zug Konradins105. Der Bolognese brachte daraufhin selbst seine Klage vor den Papst. Vielleicht ließ er sich dabei von dem Vorbild eines Amtsvorga¨ngers, des Venezianers Andrea Barozzi, leiten, der sich 1266 nur fu¨nf Monate im Amt halten konnte, bis ihn die Todiner Guelfen, wohl im Zusammenhang mit den Erfolgen Karls von Anjou, vertrieben hatten106. Andrea hatte daraufhin vor dem Papst gegen die Kommune geklagt – Streitwert waren die ihm ebenfalls zugesagten 2000 Pfund Gehalt sowie die Besoldung der von ihm mitgebrachten duodecim custodes de Venetiis – und Recht bekommen107. Die Beilegung des Konfliktes 104 Zu Comazzos Bemu¨hungen und dem a¨ußeren Verlauf des Prozeßgeschehens siehe Wu¨stenfeld, Revolution, S. 705f.; Ceci, Todi, S. 158f.; Ders., Potesta`, S. 306f. [86f.] (gibt die Zahl der Kaufleute mit drei an); Milani, Galluzzi, Comazzo (Comacio). Vgl. Del Vecchio – Casanova, Rappresaglie. 105 Am selben Tag zog der Staufer in Rom ein; Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,2, Nr. 4857, S. 905f.; Wu¨stenfeld, Revolution, S. 697. ¨ ga¨is begu¨terte Feudalherr Andrea 106 In der Tat begegnet der in der venezianischen A Barozzi, der 1263 als Capitano del Mare eine venezianische Flotte von 47 Galeeren gegen die Genuesen fu¨hrte, zweieinhalb Jahre spa¨ter als Podesta` der umbrischen Bergstadt Todi, aus der er auch noch vertrieben wurde. Vgl. Borsari, Barozzi, Andrea, der das Podestariat nicht erwa¨hnt; Crouzet-Pavan, Venise, bes. S. 277f. und 284f., mit dem Hinweis auf das ‚Registrum vetus instrumentorum communis Tuderti‘ (ASCT Dipl.) als Quelle. 107 In einem Urteil vom 16. April 1268 sprach der als Richter amtierende Kardinal von San Marco dem Barozzi die ausstehende Gehaltssumme zu, die die Kommune jedoch erst 1279 in Raten an seinen Sohn abbezahlt hatte. Auch dem Francesco Filippi, der als Capitano del Popolo zusammen mit dem Podesta` Ugolino di Alviano an die Stelle des vertriebenen Venezianers getreten war, blieben die Todiner das Gehalt schuldig, so daß er sich von seiner Heimatstadt Viterbo das Repressalienrecht erteilen ließ und es, etwa zeitgleich zu Comazzo, gegen Todiner Kaufleute anwandte; Ceci, Todi, S. 153, mit Bezug auf Dokumente im ‚Registrum vetus instrumentorum communis Tuderti‘, fol. 14–18, 77 und 79. Zuletzt Maire Vigueur, E´chec, S. 8f., mit Bezug auf fol. 38–44 und 60 des ‚Registrum‘; Crouzet-Pavan, Venise. Wu¨stenfeld, Revolution, S. 680 und 685, erwa¨hnt in diesem Zusammenhang das Protokoll einer 1268 unternommenen Zeu-

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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zwischen Guelfen und Ghibellinen, unter anderem durch eine Unterwerfung Todis unter die Ro¨mische Kirche sowie durch die anschließenden Verfassungsa¨nderungen des ro¨mischen Podesta` Pandolfo Savelli, die ein regime bipartito etablierten, waren Comazzos Regiment unmittelbar vorausgegangen108. ¨ berhaupt scheinen diese beiden durch Parteienstreit vertriebenen U und nach einem von ihnen angestrengten Prozeß entscha¨digten Podesta` von Todi keine Einzelfa¨lle zu sein109. Durch Julius Ficker ist der Fall des Maffeo (Mattha¨us II.) da Correggio bekannt gemacht worden110. Der Parmese war fu¨r das Jahr 1220 zum Podesta` von Brescia gewa¨hlt worden, konnte jedoch sein Amt nicht antreten, weil wa¨hrend seiner Anreise ein gewaltsamer Parteienwechsel zugunsten der zu Mailand haltenden pars militum in der Stadt stattgefunden hatte. Er hatte zwar versucht, die ihm zustehenden Eide einzufordern und eine Ratsversammlung einberufen, doch verweigerten ihm die Brescianer die Gefolgschaft, wa¨hrend das Haus, in dem ihn der Bischof einstweilen untergebracht hatte, von den umliegenden Tu¨rmen aus attackiert wurde und seine Familiaren verwundet wurden. Maffeo verließ Brescia und erschien am 14. August 1220 vor dem Gericht des im Namen Friedrichs II. als Legat ganz Italiens amtierenden Metzer und Speyerer Bischofs Konrads von Scharfenberg111. Da die Brescianer inzwischen ihren Mitbu¨rger Obertus de Gambara zum neuen Podesta` gemacht hatten, erhob Maffeo dort Klage auf Auszahlung seines vereinbarten Gehalts, von dem er erst 1226 mit der Ha¨lfte abgefunden wurde112. Informationen u¨ber heraldische Symbolik geben die Prozeßdokumente nicht her. Wie im Falle Todis haben sie sich im Archiv der beklagten Kommune, genauer gesagt im ‚Liber Potheris comunis civitatis

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genbefragung u¨ber die Todiner Ereignisse von 1266, „welches sich im Archive der Kirche S. Angelo in Spatha von Viterbo befindet.“ Falls das Dokument noch existiert, wa¨re es wahrscheinlich eine a¨hnlich ergiebige Quelle, wie die hier untersuchten Zeugenaussagen. Codex diplomaticus dominii temporalis S. Sedis 1, Nr. 317, S. 169–171. Vgl. Wu¨stenfeld, Revolution, S. 680–687; Ceci, Todi, S. 154; Ders., Potesta`, S. 305 [85]; Maire Vigueur, E´chec, S. 15ff. Vgl. beispielsweise Waley, Siena, S. 44f. Vgl. Ficker, Forschungen 2, S. 156f. (§ 283), mit Edition der Urkunden ebenda 4, Nr. 276–278, 281, 285, 292 und 297–298, S. 314–317, 318, 320, 329 und 331f. Bereits ein Jahrzehnt zuvor hatte Maffeo eine Ausnahmesituation zu durchstehen, als wa¨hrend seines Podestariats u¨ber die Cremoneser Citta` Vecchia ein Bu¨rgerkrieg ausbrach; Annales Cremonenses a. 1096–1232, S. 805. An der Fontana Maggiore in Perugia ist sein Nachfahre Matteo da Correggio dargestellt, der 1278 in Perugia amtierte; Waley, Stadtstaaten, S. 66f. Zu ihm siehe Go¨rich, Reichslegaten. Vgl. Hermes, Patrona, S. 328f.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Brixiae‘, erhalten113. Ein Vergleich der vor dem kaiserlichen Hofgericht aufgenommenen und in einem Notariatsinstrument zusammen mit dem anschließenden Urteil des Legaten festgehaltenen Aussagen des gescheiterten und des inzwischen amtierenden Podesta` von Brescia mit den Zeugenaussagen im Prozeß des Comazzo Galluzzi offenbart einen Wandel in der Prozeßschriftlichkeit, der sich in dem dazwischenliegenden halben Jahrhundert vollzogen hatte114. Von ihm wird im Folgenden zu reden sein. Bewirkt wurde er unter anderem durch neue Verfahrensweisen in der Fu¨hrung von Prozessen, die vor dem Gericht des Papstes verhandelt wurden. Sich in direkter Appellation an den Papst zu wenden, war ein im Italien des 13. Jahrhunderts u¨blich gewordener Weg, sein Recht einzuklagen115. Im Falle Todis du¨rften die durch den Papst beanspruchten Herrschaftsund Gerichtsrechte u¨ber die Stadt noch einen zusa¨tzlichen Grund dazu gegeben haben. Es war Innocenz III., der Todi, das bereits 1135 als civitas beati Petri angesprochen worden war, im Oktober 1198 mit anderen Sta¨dten des Herzogtums Spoleto fu¨r das patrimonium beati Petri in Besitz genommen hatte116. Einen Monat darauf hatte die Kommune von Todi von ihm ein Privileg erhalten, in dem der Papst ihr das Konsulat, ihre con113 Liber Potheris comunis civitatis Brixiae. ¨ ber die verschiedenen Verfahrensschritte vor dem Hofgericht des Kaisers informiert 114 U ein Notariatsinstrument vom 5. November 1243, das die Beauftragung eines Prokurators, eine Kommune wegen Burgenbruchs zu verklagen, festha¨lt; Schneider, Toskanische Studien, S. 145f.: Dominus Rainaldus de Seole fecit, constituit et ordinavit dominum Brunamontem fratrem eius suum procuratorem et actorem in causa vel causis, quam aut quas habet vel habere sperat coram summo principe domino Frederico imperatore vel suo iudice aut iudicibus cum comune vel scindico Civitatis Castelli pro facto castri Certalti, ad petendum, libellum porrigendum, respondendum, litem contestandum, de calumpnia iurandum, terminum seu terminos recipiendum, sententiam audiendam et omnia singula in dicta causa faciendum, velut ipse facere posset et que ipsi cause videbitur expedire; et quicquid inde dictus Brunamons fecerit, ratum et firmum dominus Rainaldus est habiturus. Zu den Konsequenzen der ‚Verwaltungsreform‘ Friedrichs II. fu¨r das Gerichtswesen siehe ebenda, S. 193ff. 115 Lackner, Studien, S. 211–214; Lepsius, Zweifeln, S. 3. Vgl. Ficker, Forschungen 2, S. 287, mit bezug auf die Zeit des Thronstreits: „Wie denn der lange Stillstand der Reichsgerichtsbarkeit u¨berhaupt die Wirkung haben musste, dass nun viele Sachen vor die Gerichtsbarkeit der Kirche gezogen wurden, bei denen fru¨her davon nicht die Rede gewesen sein wu¨rde.“ Diese politisch bestimmte Entwicklung ging jedoch auch mit inneren Vera¨nderungen des Prozeßwesens einher. 116 Die Register Innocenz’ III. 1, Nr. 356, S. 532ff. Die genaue Zuordnung der Stadt zu den in dieser Zeit ohnehin im Wandel befindlichen Herrschaftsverba¨nden des im Namen des Kaisers und dann des Papstes verwalteten Mittelitalien ist unklar. Todi lag, um es mit Waley, Papal State, S. 92, zu sagen, im „administrative ‚no man’s land‘ east of the upper Tiber“. Bereits Ficker, Forschungen 2, S. 241–245 (§ 316) und S. 301ff. (§ 334), hat hervorgehoben, daß Todi und seine Grafschaft nicht zum Herzogtum Spoleto geho¨rten,

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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suetudines und die eigene Gerichtsbarkeit besta¨tigte, zugleich aber auch die sedes apostolica als u¨bergeordnete Appellationsinstanz bestimmte117. Dieses Schreiben, das die Todiner freilich als Besta¨tigung ihrer Autonomie deuteten, bildete die Rechtsgrundlage fu¨r die mehr als anderthalb Jahrhunderte spa¨ter endgu¨ltig durchgesetzte Integration der Kommune in den Kirchenstaat118. Gerade die Schiedsgerichtsverfahren zwischen den Todiner Faktionen – das erste in dieser neuen Qualita¨t entschied der ContiPapst 1207 noch selbst – gaben den Pa¨psten nun die Gelegenheit, Rektoren und Podesta` einzusetzen und die kommunale Gemeinschaft Treueide schwo¨ren zu lassen. Comazzos Podestariat war direkt auf solche Maßnahmen gefolgt. Der Zivil- bzw. Appellationsprozeß, den der Galluzzi in den folgenden Jahren gegen die Kommune fu¨hrte, endete erst 1291 mit einem Vergleich119. Am 20. Januar dieses Jahres hatte Bologna dem Comazzo das Repressalienrecht wieder entzogen. Am 9. Februar 1291 quittierte er im Palast der Monaldeschi in Orvieto120, zu diesem Zeitpunkt Sitz der Kurie Nikolaus’ IV., den Empfang der ihm zugesprochenen Entscha¨digungssumme von 1700 fiorini d’oro121. Der dabei anwesende, im Palast residierende Kardinal Matteo d’Acquasparta du¨rfte als Mitglied einer der fu¨h-

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sondern zur ‚ro¨mischen‘ Toskana und nach den Reformen Innocenz’ III., wie in den Jahren 1226 und 1230 belegt, zum Tuszischen Patrimonium gerechnet wurden. Vgl. Waley, Papal State, S. 4 und 37; Lackner, Studien, bes. S. 197. Zu den zeitgeno¨ssischen Herrschaftskonzepten und den Formen der Herrschaftspraxis im Kirchenstaat unter Innocenz III. siehe jetzt Carocci, „Patrimonium beati Petri“. Die Register Innocenz’ III. 1, Nr. 426, S. 636f. Vgl. Leoˆnij, Cronaca, S. 48ff.; Wu¨stenfeld, Revolution, S. 682f.; Ceci, Todi, S. 75f.; Lackner, Studien, S. 185–188, mit Bezug auf Todi. Siehe allgemein Lepsius, Zweifeln, S. 5. Vgl. Waley, Papal State, S. 76, 95, 111, 121, 183, 200 und 243. Wahrscheinlich hat das lange Konklave zwischen dem Tod Clemens IV. am 29. November 1268 und der Wahl Gregors X. am 1. September 1271 den Prozeß in seiner Anfangsphase beeintra¨chtigt. Die Monaldeschi waren die ma¨chtigste Familie der Orvietaner Guelfen; Maire Vigueur, Comuni, S. 183ff.; Cammarosano, Monaldeschi. Zu ihrem Palast als beliebtem Beurkundungsort in dieser Zeit: Waley, Orvieto, S. 50 und 59. Die Summe nach Ceci, Potesta`, S. 307 [87], der sich auf das ‚Registrum vetus instrumentorum communis Tuderti‘, fol. 156–161, in ASCT Dipl. beruft, und Maire Vigueur, E´chec, S. 7, der mit ASCT Dipl. perg. 17 I–J zwei Dokumente vom 17. Januar und 9. Februar 1291 als Quelle angibt, gegen Wu¨stenfeld, Revolution, S. 705f., und Milani, Galluzzi, Comazzo (Comacio), S. 759, die 1000 Goldfloren nennen. Nach Waley, Siena, S. 43, erhielt ein Podesta` von Siena in dieser Zeit etwa das Doppelte an Gehalt. Am Beispiel des Grafen Guido ‚Salvatico‘ Guidi, Podesta` in Siena im Jahre 1282, kann Waley zudem zeigen, daß eine Kommune ein weit u¨ber dem Durchschnitt liegendes Gehalt vereinbaren mußte, wenn sie sich einen ma¨chtigen Feudalherrn mit entsprechend ho¨herem Repra¨sentationsaufkommen als Podesta` ‚leistete‘.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

renden Familien Todis eine erfolgreiche Vermittlerrolle wa¨hrend des Prozesses gespielt haben122. Comazzo, der bereits 1260 und 1266 das Podestariat u¨ber Spoleto inne gehabt hatte, setzte nach der unglu¨cklichen Episode in Todi seine Ta¨tigkeit als auswa¨rtiger Amtstra¨ger fort: im Jahre 1273 amtierte er als Capitano del Popolo von Modena, vor 1278 u¨bte er das Podestariat von Bertinoro aus, 1283 war er Podesta` von Faenza und 1289 erneut Podesta` von Spoleto. Daneben spielte er in den turbulenten Jahren, die seine Heimatstadt im letzten Jahrhundertdrittel erlebte, eine bedeutende Rolle in der Bologneser Politik123. In dem Prozeß ging es ihm daher nicht allein um materielle Entscha¨digung, sondern auch um den – zur Entscha¨digung freilich notwendigen – Nachweis der diligentia domini Comaccii in regiminem, seiner korrekten Amtsfu¨hrung und seines ehrenhaften Verhaltens in der unverschuldet und gegen seinen Willen erfolgten Entmachtung124. Mit den spa¨teren Worten des Bartolo da Sassoferrato: seine Zeugen sollten besta¨tigen, daß er nicht fahrla¨ssig gehandelt, sondern in Todi wie auch an seinen spa¨teren Ta¨tigkeitsorten die entsprechende Sorgfalt, die prudentia regnativa, gezeigt habe, wa¨hrend es die Todiner ihrerseits an der prudentia politica ha¨tten fehlen lassen125. So hatte der Podesta`, wie Ugolinus Gualinghi und Johannes Gerardi Paltonerii aussagten, seine Vertreibung auch nicht kommentarlos hingenommen, sondern durch ritualisierte Trauergesten gezeigt, daß ihm der zu Unrecht zugefu¨gte Ehrverlust große, geradezu physische Schmerzen zufu¨gte126. Seine Ehre und sein guter Ruf, ein Beweisziel der Zeugenbefragung, war auch sein Berufskapital. Johannes Gerardi Paltonerii bezeugt denn auch den „guten Namen“,

122 Zu ihm vgl. Matteo d’Acquasparta. 123 Zusammengefaßt bei Milani, Galluzzi, Comazzo (Comacio). 124 Randnotiz des Todiner Syndikus zur Aussage des Ugolinus Gualinghi zu den Artikeln 72 und 73; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 58. 125 Lepsius, Richter, S. 163–167 und 294–298; Dies., Zweifeln, S. 20, 23, 206ff. und 266ff. 126 Aussage des Ugolinus Gualinghi, ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 59: vidit ipsum dominum Comaccium multum dolere et eciam vidit eum plorantem et percutere sibi palmas dicendo et conquerendo inter se met ipsum eu quare hoc accidit michi pro bene facere habeo malum et tantum dedecus et dixit quod si omnes filii sui mortui fuissent non habuisset tantum dolorem et hec vidit et audivit et praesens fuit hiis ipse testis. Aussage des Johannes Gerardi Paltonerii, ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 63: vidit eum lamentantem fortiter inter se et dicentem eu eu et percutientem sibi tibias cum manibus sicut ipse haberet magnum dolorem et bene habebat causam dolendi quoniam propter dictam eiectionem expulsus fuit de regimine et palatio et habuit tantum dedecus quot ipse recepit ibi. Dies entsprach den Trauergesten, wie sie in den Kommunalstatuten beschrieben werden; Statuto di Todi del 1275, II 59, S. 93.

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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den sich Comazzo als Regent erworben hatte127. Die perso¨nliche und die von ihr nicht zu trennende Berufsehre des Podesta` machte einen weiteren Bedeutungsbereich der Ehre im politisch-gesellschaftlichen Raum der Kommune im spa¨teren Mittelalter aus128. Neben weiteren vereinzelten Informationen, wie sie etwa der von Wu¨stenfeld ausgewertete ‚Liber consiliorum‘ von Perugia bietet129, sind die Akten dieses sich u¨ber zweiundzwanzig Jahre dahinziehenden Prozesses die Hauptquellen zu dem, was 1268 in Todi geschah. Sie ermo¨glichen einen Blick aus der Na¨he auf einen lokalen Ereigniskomplex, u¨ber den wir sonst kaum etwas wu¨ßten, dem jedoch, wie bereits seine enge Verklammerung mit u¨berregional wirkenden Institutionen und politischen Entwicklungen zeigen, exemplarische Bedeutung zukommt. Allein ein Blick auf das erkennbare Personal des Konflikts in Todi, wie auch des spa¨teren Prozesses, bezeugt die Mobilita¨t und die Kommunikation innerhalb der Sta¨dtelandschaft Ober- und Mittelitaliens130. Die Kette von Konflikten ist in Todi besonders dicht und zugleich charakteristisch fu¨r die italienischen Stadtkommunen in der Mitte des 13. Jahrhunderts. An ihr lassen sich zusammenha¨ngende Pha¨nomene, wie die Krise des ‚klassischen‘ Podestariats, die Parteienka¨mpfe, die Todiner Besonderheit des mit den Kra¨ften des Popolo gebildeten regime bipartito und die allma¨hliche Einbindung der Kommune in den Herrschaftsverband des Patrimonium Petri beobachten. Die verschiedenen Formen heraldischer Symbolik sind wiederum auf charakteristische Art und Weise mit diesen Pha¨nomenen verbunden. Auf die Bedingungen, unter denen diese Nahperspektive auf das 127 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 63: et sic Bononie habet bonum nomen ita audivit quod habuit in regentibus civitatum ubi fuit et bene se habuit et fideliter et solicite et diligenter exercivit quod debebat usque ad hodiernum diem. Delai Venturini sagte aus, ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 86, er habe ihn seitdem per dictum tempus honorifice vivere gesehen. 128 Zu der vor allem von den Arbeiten Knut Go¨richs neu angestoßenen Forschungsdiskussion um die Ehre im Mittelalter siehe oben sowie Kapitel 5.4. Siehe dazu auch demna¨chst die von Go¨rich betreute, im Entstehen begriffene Dissertation von Johannes Bernwieser, „Honor civitatis. Integration und Distinktion in den hochmittelalterlichen Kommunen Oberitaliens“. 129 Zu diesem von Wu¨stenfeld so bezeichneten zweiten, die Jahre 1256 bis 1275 umfassenden Band des fondo Consigli e riformanze im Stadtarchiv von Perugia siehe: Reformationes comunis Perusii, bes. S. IXf. 130 So gab beispielsweise der Notar Henrigettus Feliciani zu einem ihm vom Ho¨rensagen her bekannten Sachverhalt an; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 68: Interrogatus quomodo scit praedicta. respondit quia publice divulgata et notoria fuerunt Tuderti et Bononie et illarum partium per homines et personas dictorum locorum et hoc scit auditu et quia audivit publice praedicta sic fuisse in civitate Tuderti. Spoleti. Assisij. Perusij, in Romagnalo et Bononiam et alibi et hoc scit et audivit ab hominibus et personis dictorum locorum.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Geschehen und insbesondere auf die Rolle, die die heraldische Symbolik in seinem Verlauf spielte, u¨berhaupt mo¨glich ist, wird im Folgenden na¨her einzugehen sein. Die im Schriftstu¨ck festgehaltene Mu¨ndlichkeit der Zeugenaussagen sowie die Fu¨lle ihrer Detailbeobachtungen du¨rfen den heutigen Leser nicht zu der Annahme verleiten, durch sie gleichsam zum direkten Mitbeobachter des Geschehens auf der Piazza zu werden. Ein ungetru¨bter, unmittelbarer Einblick in die Totalita¨t einer historischen Realita¨t ist ohnehin unmo¨glich. Bereits zwischen dem Geschehen in Todi im Juli 1268 und dem Moment, als der Rotulus mit den im November 1278 aufgenommenen Zeugenaussagen fertiggestellt und zum ersten Mal aufgerollt wor¨ berlieferung, die den Aussagewert den war, liegen mehrere Filter der U der Quelle bestimmen. Sie zu beru¨cksichtigen und zu fragen, aus welchen Gru¨nden und unter welchen Bedingungen heraldische Symbolik in die zu untersuchende Quelle gelangt ist, fu¨hrt zu einem besseren Versta¨ndnis ihrer Wahrnehmung durch die mittelalterlichen Zeitgenossen. Ein erster Filter, der uns Ausschnitte des Geschehens von 1268 sehen la¨ßt und dessen Interpretation durch uns beeinflußt, ist zuna¨chst der ¨ berlieferungsprozeß, in dessen Verlauf sich die vorliegende Quelle als U ¨ berrest eines weitaus umfangreicheren Aktenbestandes erhalten hat. U Wir fassen mit ihr nur noch einen Ausschnitt aus dem Prozeßgeschehen, ko¨nnen diesen aber schon nicht mehr in dem Kontext betrachten und werten, in dem er sich 1291 nach der Urteilsverku¨ndung befand: als Teil eines u¨ber Jahrzehnte gewachsenen und bearbeiteten Aktenbestandes. Hatte die schriftliche Dokumentation der Zeugenaussagen und ihre ¨ berlieferungs-Chance“ von EreigArchivierung nach Prozeßende die „U nissen, von denen uns sonst vielleicht nur Sa¨tze in einer schlecht u¨berlieferten lokalen Chronik oder in den Ratsbeschlu¨ssen von Perugia geblie¨ berlieferungsben wa¨ren, erheblich erho¨ht, so haben uns durch den „U Zufall“ in der selbst nur fragmentarisch erhaltenen Quelle die zugunsten des Kla¨gers erhobenen Stimmen der aus Todi vertriebenen Bolognesen und nicht die ihrer Gegenpartei, der Todiner, erreicht. Auf die Konse¨ berlieferungsproblemaquenzen, die die Beru¨cksichtigung solch einer U tik fu¨r die Erkenntnis des Historikers haben kann, hat Arnold Esch nachdru¨cklich aufmerksam gemacht131. Geht man noch na¨her heran, so finden sich weitere Filter. Zuna¨chst der des Prozesses, der der Sitz im Leben fu¨r die Verschriftung der Aussagen im Vernehmungsprotokoll war und dessen Normen und Verfahrensregeln die Zeugenaussagen, deren „konzeptionelle Mu¨ndlichkeit“ alles ¨ berlieferungs-Chance. 131 Esch, U

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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andere als freie und spontane Rede war, strukturierten132. Zu beru¨cksich¨ bersetzungsleitigen ist auch die von den beteiligten Notaren erbrachte U stung zwischen dem Volgare, in dem die Zeugen wahrscheinlich sprachen, und dem Latein des Prozeßschriftgutes133. Fu¨r die Terminologie, mit der die Zeugen heraldische Pha¨nomene beschrieben, du¨rfte dieser Transfer Konsequenzen gehabt haben. Auffallend sichtbar wird die Komplexita¨t des mittelalterlichen Prozeßgeschehens in Sonderfa¨llen, wie dem Revisionsprozeß der Jeanne d’Arc, in dem Akteure ihres Inquisitionsprozesses nun unter entgegengesetzten Beweiszielen zu dessen Verfahren aussagten134. Institutionen, wie die als Instanz im gesamten Abendland etablierte Appellationsgerichtsbarkeit des Papstes, und Strukturen, wie das Notariat und seine Schriftlichkeit, bestimmten das Zeugenvernehmungsprotokoll aus Todi bis hinein in Einzelheiten seiner Materialita¨t und seines Wortlauts. Ha¨lt man es zum Vergleich neben die Akten eines 1320/21 vor pa¨pstlich delegierten Richtern in Polen gefu¨hrten Prozesses, so fa¨llt eine ¨ bereinstimmung auf, die den Historiker anschaulich davor warnt, jede U dieser Quellen unbefangen als Einzelstu¨cke zu lesen. Auch die polnischen Zeugenverho¨rprotokolle pra¨sentieren sich als Notariatsinstrumente auf einem Rotulus. Durch die Vorgaben des Befragungsverfahrens, auf die unten eingegangen wird, gleichen sich die formalen Anteile in den Aussagen der Zeugen135. Schließlich stellt das Geda¨chtnis der einzelnen Zeugen, die sich an zehn Jahre zuru¨ckliegende Ereignisse zu erinnern hatten, einen weite¨ berlieferungsfilter dar. Eine Interpretation der Zeugenaussagen muß ren U selbstversta¨ndlich davon ausgehen, daß sich die Zeugen nicht an alle relevanten Details erinnerten. Sie wurden ja auch, wie wir noch sehen werden, gar nicht nach allem gefragt oder sprachen in freier Rede. Daher kommt jedoch dem, wonach sie gefragt wurden und u¨ber das sie berichteten, ein besonderer Aussagewert zu. Das von Aleida Assmann gepra¨gte Konzept des gruppenbezogenen „Funktionsgeda¨chtnisses“ korrespondiert mit dem mittelalterlichen Konzept der Sachkenntnis, auf die hin ein Zeuge vor Gericht befragt werden konnte136.

132 Vgl. Teuscher, Kompilation, bes. S. 293 und 322ff.; Sablonier, Verschriftlichung, bes. S. 112 und 119. 133 Blattmann, Prolegomena, bes. S. 428. 134 Duby, Prozesse. Vgl. jetzt auch Hobbins, Trial. 135 Lites ac res gestae inter Polonos Ordinemque Cruciferorum 1. 136 Vgl. Assmann, Erinnerungsra¨ume, S. 134–139.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Das Archivio storico comunale di Todi bewahrt in seinem Fondo Diplomatico mehrere Besta¨nde, die sich auf den Prozeß des Comazzo Galluzzi und sein Umfeld beziehen. Neben dem Codex des ‚Registrum vetus instrumentorum communis Tuderti‘ sind die pergamene 17 A bis 17 J zu nennen137. Zu einem spa¨teren Zeitpunkt getrennt, waren die meisten von ihnen urspru¨nglich Teil einer Akte in Form eines mindestens sechzig Meter langen Rotulus138. Vor seiner Aufteilung waren die zusammengena¨hten Pergamentbla¨tter, von denen einige fehlen oder bescha¨digt und kaum mehr lesbar sind, durchgehend paginiert worden139. Die Zeugenaussagen, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen, sind auf den Bla¨ttern 49 bis 88 enthalten, die heute den Bestand 17 G bilden. Die fortlaufende Durchnummerierung der Zeilen dieses Archivstu¨cks stammt aus der Zeit nach der Aufteilung der Rolle. Die Entstehungsursache dieses Rotulus sowie der Grund fu¨r seine ¨ berlieferung im Todiner Kommunalarchiv findet sich Aufnahme und U in dem im 13. Jahrhundert geu¨bten Verfahren des Zivilprozesses, auf das sein Inhalt und seine Randnotizen verweisen. Nach dem gelehrten Prozeßrecht der Zeit erhielt die beklagte Partei nach dem Abschluß der Vernehmungen und der Verlesung der Protokolle eine Abschrift der Zeugenaussagen. Ihr Prokurator, in diesem Fall der Syndikus der Kommune, ging dann das Schriftstu¨ck auf formale Beweiswerte durch, um in der anschließenden disputatio vor dem Richter zu diesen Stellung zu beziehen140. Auch der Rotulus des Todiner Archivs weist die typischen Randnotizen auf, die sich die mittelalterlichen Verteidiger wa¨hrend dieses Verfahrensabschnittes machten. Dieses Exemplar der Verteidigung ist nach Prozeßende in das Kommunalarchiv gelangt. Im vorliegenden Bestand 17 G besteht es aus zwei Notariatsinstrumenten141. Die Folii 49 bis 63 hat der o¨ffentliche Notar kraft kaiserlicher Autorita¨t Guillus, genannt Garofolus, de Bozardis aus Bergamo geschrieben, die u¨brigen Folii 64 bis 88, praemissa omnia prout in exemplo originali inveni, der o¨ffentliche Notar kraft kaiserlicher Autorita¨t Simon filius quondam Cambii Capi aus Bologna142. Letzterer gibt außerdem an, dies de mandato venerabilis viri domini Nico137 Beschreibung durch Maire Vigueur, E´chec, S. 7. 138 Vgl. Behrmann, Sentenz; Studt, Gebrauchsformen (Literatur). 139 Wahrscheinlich in den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts durch den auf Pensi folgenden Archivar Camillo Ranucci; Andreani, Morfologia, S. 46. 140 Vgl. Lepsius, Zweifeln, S. 27f. und 64–68. 141 Die Notare haben den Zusammenhang der durchlaufend beschriebenen, aneinandergena¨hten Pergamentbla¨tter markiert, indem sie u¨ber die Nahtstellen ihr Notariatszeichen gezeichnet haben. 142 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 63 und 88.

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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lini de Camilla domini Pape capellani eiusque palacii et praesentis cause auditoris getan zu haben143. Sind die erhaltenen Zeugenaussagen das Produkt des Prozesses, so geben sie selbst nur einen Ausschnitt von dessen Geschehen zu erkennen, na¨mlich eine Zeugenvernehmung durch einen delegierten Richter als Teil der Beweiserhebung144. Wahrscheinlich noch 1268 war nach Eingang der Appellationsschrift des Comazzo an der Kurie ein Auditor sacri palatii als Richter benannt worden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Beweisaufnahme war dies der genannte pa¨pstliche Kaplan Nicolinus de Camilla145. Die ersten Schritte des Prozesses, die Ladung und Vereidigung der Parteien sowie die litis contestatio, fanden vor dem Auditor als Richter der Hauptsache statt. Comazzo Galluzzi und die Kommune Todi ließen sich dabei durch Prokuratoren vertreten. In den Prozeßakten begegnen ein Alexander procurator dicti domini Comaccii und ein magister Angelus sindicus civitatis Tuderti146. 143 Ebenda, fol. 88. 144 Zur formalisierten Gliederung des Zivilprozesses in Verfahrensabschnitte, deren Reihenfolge einzuhalten war, siehe Lepsius, Zweifeln, S. 24ff. Ceci, Todi, S. 159, der den gesamten Archivbestand u¨berblickt, verweist auf weitere Zeugenvernehmungen, in denen unter anderem die Ma¨nner des Galluzzi-Clans, sowie Erec della Torre, Podesta` von Bologna zum Zeitpunkt von Comazzos Berufung, sowie weitere Podesta` und Capitani befragt wurden. 145 Ceci, Todi, S. 159, nennt als weitere Auditoren und Richter den pa¨pstlichen Kaplan Filippo da Mantova, Giacomo Claramundia aus Parma, Peregrino und Giovanni di Rocca. Cerchiari, Capellani, der durchga¨ngig auf die Unvollsta¨ndigkeit des von ihm gesammelten Materials hinweist, verzeichnet, S. 17 und 20, fu¨r den Pontifikat Nikolaus’ III. (25. 11. 1277–22. 08. 1280) einen Magister Iohannes de Rocha als Capellanus et Auditor sacri palatii, sowie fu¨r den Pontifikat Bonifaz’ VIII. (24. 12. 1294–11. 10. 1303) den vor 1301 verstorbenen Magister „Nicolinus de Camilla, canonicus Ambianensis, Capellanus dicte sedis ac apostolici palatii Auditor.“ Der in Amiens bepfru¨ndete Nicolinus de Camilla begegnet im Juli 1280 als Rektor der Provinzen Campagna und Marittima und in den Jahren 1288 und 1289 als Rektor des Tuszischen Patrimoniums. Giacomo Claramundia ist wahrscheinlich identisch mit dem 1279 amtierenden Generalvikar in spiritualibus der Campagna-Marittima Jakob von Parma, Peregrino mit dem in der Dio¨zese Padua bepfru¨ndeten pa¨pstlichen Kaplan Peregrinus, der 1290 Rektor in spiritualibus des Tuszischen Patrimoniums war; Waley, Papal State, S. 308, 311 und 319f. Vielleicht stammte Nicolinus aus der Genueser Adelsfamilie der De Camilla und geho¨rte in das Umfeld der Fieschi-Pa¨pste Innocenz IV. und Hadrian V.? Zu seiner Familie vgl. beispielsweise Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 32; Epstein, Genoa, S. 107f. 146 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 49–50. Nach Ceci, Todi, S. 159, handelte es sich bei dem Syndikus um Angelo Anastasi aus Terni, der wie sein Verwandter Paolo und spa¨ter der Todiner Riccio die Kommune vertrat. Als Anwa¨lte des Comazzo gibt Ceci einen Giorgio sowie Jacobus von Parma an, erwa¨hnt den in der Quelle genannten Alexander jedoch nicht. Der Syndikus ko¨nnte aber auch identisch mit dem Notar und Magister Angelus magistri Raynerij de Ascisio sein, der 1275 an der Dokumentation der pax zwi-

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Im Jahre 1278 erfolgte dann eine auswa¨rtige Vernehmung der von der Partei des Kla¨gers gestellten Zeugen durch einen delegierten Vernehmungsrichter. Als domini Papae Iudex delegatus war Guidalostus, der Bischof von Pistoia (reg. 1252–1283), bestimmt worden147. Am Ort seines eigenen Gerichts, dem Bischofspalast von Pistoia, ließ er vor Kanonikern und Notaren, die den Akt bezeugten, die Zeugen durch einen leiblichen Eid auf die Evangelien vereidigen148. Anschließend ließ er sie wohl in secreto anhand eines Katalogs von von einundneunzig Artikeln, die Jacobus von Parma, wohl ein fru¨herer Prokurator des Kla¨gers, dem Gericht vorgelegt hatte, befragen149. Dokumentiert wurde diese Befragung von einem Notar seines Gerichts, der die Aussagen der fu¨nf Zeugen in seiner Reinschrift des Protokolls in folgende Reihenfolge brachte150: Rimbaldus de Montegeorgio (de Cuciano) (fol. 51–55), Ugolinus Gualinghi (fol. 55–59), Johannes Gerardi Paltonerii (fol. 59–63), Henrigettus Feliciani (fol. 64–77) und Delai Venturini (fol. 77–88). Diese Reihenfolge spiegelt jedoch nicht den zeitlichen Ablauf der Vernehmungen wider. Auf den nur fragmentarisch erhaltenen und kaum lesbaren ersten Bla¨ttern des Dokuments werden bereits der 5. Januar und der 4. November 1278 als in Pistoia gehaltene Gerichtstermine genannt151. Aus der Quelle gehen außerdem die Daten hervor, an denen die Vernehmung von drei der genannten Zeugen abgeschlossen war: Henrigettus Feliciani war am 10. November 1278, einem Donnerstag, befragt worden, Delai Venturini am Samstag, den 12. November. Die examinatio des Johannes Gerardi Paltonerii erfolgte schließlich am Sonntag, den 13. November 1278152. Die Befragungen des Rimbaldus de Montegeorgio und des Ugolinus Gualinghi sind nicht datiert. Um die Aussagen dieser Zeugen, wie sie das Vernehmungsprotokoll bietet, angemessen zu verstehen, ist es notwendig,

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schen den beiden Parteien von Todi beteiligt war; Statuto di Todi del 1275, I 33, S. 30ff. und II 104, S. 115. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 49–50. Vgl. Herde, Delegationsgerichtsbarkeit; Lepsius, Richter, S. 16; Dies., Zweifeln, S. 3f. Die Beliebtheit des Namens ‚Herwart‘ in Pistoia bezeugt der ioculator dieses Namens, der Landsmann, Zeitgenosse und Namensvetter des Bischofs war; Cerroni, Guidaloste. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 49–50. Vgl. Lepsius, Zweifeln, S. 60ff. Zum Bischofspalast von Pistoia und seiner aula vgl. Miller, Bishop’s Palace, S. 148–152 und 222ff. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 64 und 77. Zum Verfahren siehe Lepsius, Zweifeln, S. 8 und 62–66. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 50: Ego Iohannes filius quondam Gentilis Imperiali auctoritate notarius publicus scriba Curiae dicti domini Episcopi hiis assistens praedicta omnia de mandato ipsi domini Episcopi et aliorum rogatu fideliter scripsi et in publicam formam redegi. Vgl. ebenda, fol. 64. Ebenda, fol. 50. Ebenda, fol. 63, 77 und 88.

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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sich zuerst das Prozeßgeschehen des 13. Jahrhunderts vor Augen zu fu¨hren, in dem sie entstanden153. Zu den seit den Reformen Innocenz’ III. endgu¨ltig etablierten Charakteristika des „ro¨misch-kanonischen Zivilprozesses“ geho¨ren sowohl „die Einfu¨hrung, beziehungsweise Wiederentdeckung der Zeugen als echten [sic] Wahrnehmungszeugen“, als auch ein durch die Verschriftlichung der Verfahrensdurchfu¨hrung gefo¨rderter Formalismus in der Beweiserhebung, den man als „Ermittlung einer formellen Wahrheit“ bezeichnen ko¨nnte154. Der Richter der Hauptsache fa¨llte sein Urteil aufgrund der ihm vorliegenden, in den vorangegangenen Prozeßabschnitten entstandenen Schriftstu¨cke155. Der Kla¨ger konnte ihm keine reinen Eideshelfer mehr, wie im fru¨heren Mittelalter, stellen, sondern mußte in der Beweisermittlung Zeugen pra¨sentieren, die die in den articuli aufgelisteten, rechtlich bedeutsamen Tatsachen „aufgrund eigener ko¨rperlicher Anwesenheit und Wahrnehmung“ bezeugen konnten156. Damit diese Tatsachen jedoch Beweiskraft als Wahrheiten erhielten, mußten sie Kategorien genu¨gen, die einem System von formalen „Beweiswertregeln“ folgten157. Von diesen Voraussetzungen her sind die Fragen und Antworten mittelalterlicher Zeugenaussagen, wie sie auch die hier vorliegende Quelle wiedergibt, bestimmt. Nachdem dem einzelnen Zeugen ein Artikel vorgelesen worden war, fragte ihn der Richter, ob dessen Inhalt wahr sei, um dann auf die Bejahung hin nach dem Wissensgrund zu fragen, der u¨ber den Beweiswert entschied. An den Stellen, an denen Richter und Notar die Aussagen zu mehreren Artikeln ‚raffend‘ zusammenfaßten, wird dieses Verfahren besonders sichtbar. Ein Beispiel bietet Rimbaldus de Montegeorgio (de Cuciano): ‚Befragt u¨ber den 40., 41., 42., 43., 44., und 45. Artikel antwortete er, daß es so wahr sei, wie es in den genannten Kapiteln stehe. Befragt nach dem Grund des Wissens sagte er, daß er 153 Dieser Wandel im Prozeßgeschehen vollzog sich wiederum als Teil grundsa¨tzlicherer Entwicklungen in der abendla¨ndischen Schriftkultur; vgl. Keller, Schriftgebrauch, bes. S. 15ff.; Ders., Schriftlichkeit. 154 Lepsius, Richter, bes. S. 10–16, 20, 28ff., 37, 46 und 79; Dies., Zweifeln, S. 46. 155 Lepsius, Zweifeln, S. 29. 156 Ebenda, S. 30, 63, 65, 88f. und 141, mit pra¨gnanter Zusammenfassung auf S. 129: „Die Zeugen hingegen verpflichteten sich eidlich, nach ihrem Wissen (scientia) auszusagen, was insbesondere auf ihre unmittelbare sinnliche Wahrnehmung aufgrund versta¨ndiger Anwesenheit abzielte.“ 157 Lepsius, Richter, S. 15 passim; Dies., Zweifeln, S. 32f., 45ff. und 188, mit kritischer Wu¨rdigung des vor allem von Jean-Philippe Le´vy gepra¨gten idealtypischen Forschungsparadigmas der „Hie´rarchie des preuves“.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

es so wisse, wie er es zuvor zu vielen anderen Kapiteln gesagt hat: weil er es gesehen hat, geho¨rt hat, dabei gewesen ist, wie es oben aus seinen Aussagen offen ersichtlich ist. Und er sagte, daß er selbst gesehen hat, daß [...].‘158 Nach dem gelehrten Prozeßrecht der Zeit kamen der Mitwirkung und der eigenen sinnlichen Wahrnehmung eine gro¨ßere Beweiskraft zu als dem Ho¨rensagen oder der publica fama. Der erforderliche volle Beweis (probatio plena) der Wahrheit eines Artikels war erbracht, wenn ihn zwei Zeugen unabha¨ngig voneinander in dieser Qualita¨t besta¨tigten159. Der Prokurator des Beklagten, der nach der durch o¨ffentliche Verlesung erfolgten Publikation des Protokolls dessen Abschrift erhielt, um sich mit ihr auf die disputatio vorzubereiten, ging die Aussagen auf ihre Beweiskraft ¨ bereinstimmungen am Rand des Textes. durch und notierte sich solche U Die zahlreichen Notizen am linken Rand des Todiner Rotulus bezeugen, wie intensiv ihn Angelus Anastasi ‚durchgearbeitet‘ hat. So hat er etwa neben den in ihrer Qualita¨t u¨bereinstimmenden Aussagen des Rimbaldus de Montegeorgio und des Johannes Gerardi Paltonerii zu den Artikeln 33 bis 36 de fama beziehungsweise de publica fama notiert160. Neben ¨ bereinstimmungen und den als Findhilfen den solcherart markierten U eingetragenen Namen der Zeugen und Verweiszeichen sind es vor allem die Stichworte, die zeigen, wonach der Syndikus gesucht hat. Sie lassen na¨mlich Argumente der Klage erkennen, auf die hin der Vernehmungsrichter gegebenenfalls nachfragte und auf die hin die Zeugen aussagten. So bezog sich die Notiz de potestatis officium darauf, daß Comazzo trotz seiner kurzen Amtszeit sein Amt rechtma¨ßig und unangefochten 158 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 53: Interrogatus super. xl. articulo xlj. xlij xliij. xliiij. et xlv. respondit sic esse verum ut in dictis capitulis continetur. Interrogatus de causa scientie dixit se scire ut in pluribus aliis capitulis supra dixit quia vidit audivit interfuit ut superius patet ex dictis suis et dixit quod ipse vidit [...]. Vgl. Blattmann, Prolegomena, S. 430f. 159 Diese bis heute nachwirkende „Zweizeugenregel“ soll sich mit Guillaume Durands ‚Speculum Iuris‘ durchgesetzt haben; Lepsius, Zweifeln, S. 18, 36 und 47. Narrativ in Szene gesetzt wird das neue Rechtsdenken in einer Geschichte aus den um 1300 kompilierten Gesta Romanorum, Nr. 128, S. 144–149: Ein Ritter bringt den Besitz eines Verstorbenen an sich, indem er sich mit Gewalt formal gu¨ltige Beweismittel schafft. In Gegenwart dreier Zeugen dru¨ckt er der Leiche das authentische Typar in die Hand und besiegelt mit ihr eine vorbereitete Urkunde. Da der dagegen klagende Sohn des Verstorbenen die Urkunde nicht anfechten kann, gelingt es dem Richter durch getrennte Vernehmungen – wie sie auch die Inquisitionshandbu¨cher fordern – die Zeugen u¨ber die Rechtskraft der Zweizeugenregel gegeneinander auszuspielen. Die Novelle thematisiert Spannungen zwischen Formalismen und Intentionen im Recht, die infolge des hochmittelalterlichen Wandels auftraten und zugleich als problematisch empfunden wurden. 160 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 53 und 61.

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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auf Wunsch der universitas Tudertinorum angetreten hatte und in seinem regimen von der ganzen Kommune anerkannt worden war161. Insbesondere die posses[s]io palatii, die Inbesitznahme und Behauptung des Kommunalpalastes, war das sichtbare Zeichen seiner Herrschaft162. Die Zeugen bezeugten die diligentia domini Comaccii in regiminem163. Erst in dem conflictus zwischen den Bu¨rgern, gegen den er noch Maßnahmen ergriffen hatte, war er seiner Herrschaft beraubt worden164. Diese spoliatio schließlich sei eine spoliatio rerum [...], palatii et spoliatio regiminis gewesen165. Noch wa¨hrend dies geschah, sei die protestatio domini C[omaccii] erfolgt, der, wie seine Familiaren spa¨ter bezeugten, gestisch seine Haltung gezeigt, mit den siegreichen Ghibellinen verhandelt habe und daru¨ber auch ein publicum instrumentum habe aufsetzen lassen166. Dieser argumentativen Darstellung des Geschehens anhand der Randnotizen lassen sich auch die drei von den Zeugen erwa¨hnten Komplexe heraldischer Symbolik zuordnen. Indem der Richter, wenn die Zeugen Medien wie Siegel, Schild oder Fahne erwa¨hnten, nach ihrer heraldischen Bezeichnung fragte, konnte er nicht nur deren Identita¨t ermitteln, sondern auch zugleich pru¨fen, daß das Wissen der Zeugen auf eigener sinnlicher Wahrnehmung beruhte167. Es erscheint mir plausibel, dieses Nachfragen des Richters, das die Informationen zur heraldischen Symbolik ans Licht brachte, durch die im gelehrten Recht der Zeit entwickelten Unterscheidungen zwischen den Wissensarten der Zeugen motiviert zu sehen. Die Lehre des Bartolo da Sassoferrato, die im Zentrum von Lepsius’ Untersuchungen steht, auf die sich wiederum meine Darstellung stu¨tzt, stellt sicherlich einen herausgehobenen Scheitelpunkt dar, von dem nur bedingt auf die Praxis in Pistoia und anderswo zuru¨ckgeschlossen werden darf168. Nach Bartolo existierten neben dem „schlichten“ Zeu-

161 Ebenda, fol. 59, 62 und 67–68. 162 Ebenda, fol. 70. Die Argumentation der Klage folgte also dem Besitzrecht, das neben dem Eigentum den Besitz (possessio) von Herrschaft – etwa in einem Amt – mit den damit verbundenen Rechten und Sachen sowie die Beraubung (spoliatio) kennt; Weimar, Besitz (possessio). 163 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 58. 164 Ebenda, fol. 61 und 63. 165 Ebenda, fol. 61–62. 166 Ebenda. 167 Vgl. Lepsius, Zweifeln, S. 106–129. 168 Ganz abgesehen davon, daß der Perusiner Professor seinen Zeugentraktat ein Dreivierteljahrhundert nach dem Prozeß des Comazzio verfaßte. Zur Person Bartolos, der selbst als iudex einen Podesta` nach Todi begleitet und sich dort mit dem Kommunalarchiv vertraut gemacht hatte, siehe Maire Vigueur, E´chec; Lepsius, Bartolus de Saxoferrato.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

gen (imperitus), dessen Aussage auf eigener Anschauung (visus) beruhendes, jedoch allgemein bekanntes Wissen (scientia) lieferte, auch sachkundigere oder „sachversta¨ndige Zeugen“ (certe conditionis homines), deren Wissen beinahe dem Fachwissen (credulitas) eines Sachversta¨ndigen (peritus) gleichkam. So scha¨tzte er etwa den Notar als einen Zeugen ein, dessen Sachkenntnis schriftgestu¨tzter Verfahrensabla¨ufe ein Richter voraussetzen konnte169. Vor diesem Hintergrund erwiesen sich ein Notar, der zu einem kommunalen Wappensiegel aussagte, oder ein beroarius, der Defensivwaffen beschrieb, als sachkundigere Zeugen, deren Aussage ein gro¨ßeres Gewicht beizumessen war. Indem die Wappen auf ihre Eigentu¨mer und Besitzer verwiesen, machten sie Eigentums- und Besitzverha¨ltnisse sichtbar und legitimierten Handlungen symbolischer Kommunikation. In dieser Perspektive waren sie beweiskra¨ftige Zeichen des potestatis officium, der spoliatio und des conflictus. An ihnen wurde sichtbar, daß die mit dem Siegel versehenen Todiner Gesandten im Namen der ganzen Kommune Comazzo Galluzzi das Podestariat angeboten hatten, daß die von den Todinern geraubten Waffen dem Podesta` geho¨rten, und daß er und seine familia in einem conflictus gezwungenermaßen und unter Protest Kommunalpalast und Stadtherrschaft aufgegeben hatten. Die von den Zeugen wahrgenommenen Wappen sollten Beweise dafu¨r liefern, daß dem vertriebenen Podesta` das ausstehende Gehalt und die Entscha¨digung fu¨r seine materiellen Verluste mit Recht zustanden. Die vorangegangenen Ausfu¨hrungen du¨rften verdeutlicht haben, wie sehr die Quelle von den Verfahrenstechniken und Rechtsnormen des kurialen Zivilprozesses des 13. Jahrhunderts bestimmt ist. Die Rechtshistorikerin Susanne Lepsius, auf deren grundlegende Studien sich mein Rekonstruktionsversuch des Prozeßgeschehens stu¨tzt, hat in diesem Zusammenhang von ‚der‘ Geschichtswissenschaft eine sta¨rkere Beachtung dieses Sitzes im Leben und der ihn bestimmenden Normen einge-

169 Lepsius, Zweifeln, S. 95f., 122, 134–138 und 300ff. Wie Lepsius, ebenda S. 141–183 und 309, erkennen la¨ßt, existierte im gelehrten Prozeßrecht des 13. Jahrhunderts sowohl ein „formales Wahrheitsversta¨ndnis“, das die Wahrheit des berichteten Sachverhalts durch den Zeugeneid als gegeben ansah, als auch – aufgrund der Rezeption der im ro¨mischen Recht vorhandenen Mo¨glichkeit der freien Beweiswu¨rdigung durch den Richter – ein materielles Wahrheitsversta¨ndnis. Mit dem zuletzt genannten Prinzip vereinbar war ein Ermessensspielraum des Richters in der Beurteilung eines Zeugen nach seinem Stand oder seinem Fachwissen. Eine Konsequenz fu¨r den Verfahrensablauf bestand in der ha¨ufig gea¨ußerten Forderung an den Notar, die Aussagen sorgfa¨ltig und detailliert zu protokollieren; ebenda S. 67, vgl. S. 27ff. Vgl. aus der Sicht der Notare Blattmann, Prolegomena.

3.3 Das Zeugenverho¨rprotokoll von 1278 als Quelle

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fordert170. Mit ihren Forderungen reagierte sie wiederum auf das in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegene Interesse der historischen Forschung an vormodernen Zeugenaussagen. Diese Tendenz erkla¨rt sich aus einem Paradigmenwechsel von der Dominanz einer alles in Statistiken und Strukturen auflo¨senden Sozialgeschichte hin zu einer Geschichte, die den Menschen in den Fokus ihres Interesses nimmt171. Zu den methodischen Konsequenzen dieses historisch-anthropologischen Wandels za¨hlen der ‚ethnologische Blick‘ des Historikers auf seinen Untersuchungsgegenstand, wie auch die Beru¨cksichtigung der Narrativita¨t der Quellen172. Fu¨r diese Fragestellungen und Herangehensweisen sind vormoderne Zeugenbefragungsprotokolle nahezu die idealen Quellen. „Gewo¨hnliche Menschen“, die sonst meist keine Chance hatten, Spuren in der schriftlichen Geschichtsu¨berlieferung zu hinterlassen, a¨ußern sich in ihnen zu dem, was sie aus eigener Wahrnehmung erfahren hatten, und damit auch zu ihrer Person und den Beziehungs- und Kommunikationsnetzwerken ihres Lebensumfelds173. Das Protokoll als niedergeschriebene Prozeßakte sowie die ihm zugrundeliegende Befragung offenbaren Verfahrenstechniken und Konzeptionen: die Rollen und die Wahrnehmungskategorien der Befrager und der Befragten werden sichtbar. Ein ganzes Spektrum historischer Forschungsrichtungen, die gegenwa¨rtig unter dem Oberbegriff der ‚Neuen Kulturgeschichte‘ zusammen gesehen werden, hat sich vormoderne Zeugenaussagen in dieser Perspektive erschlossen174. Beru¨hmt gewordene und ha¨ufig zitierte Studien, die

170 Lepsius, Zeugnisse. 171 Landwehr – Stockhorst, Einfu¨hrung, S. 89ff. 172 Vgl. Stollberg-Rilinger, Einleitung, S. 10ff.; Schmitt, Pla¨doyer; Ders., Bekehrung; Rexroth, Meistererza¨hlungen. 173 Esch, Zeitalter, S. 27–37. Dies ist um so bedeutender, wenn es gelingt, die Prozeßakten mit Hilfe bekannter Quellen zu kontextualisieren und dadurch beide in einem neuen Licht zu lesen. Ein aufschlußreiches Beispiel zur Lebenswelt am Arno in der Mitte des 15. Jahrhunderts, das hier auch stellvertretend fu¨r andere Studien genannt sei, bietet: Brucker, Giovanni. Eine Aufgabe der ku¨nftigen Erforschung dieses Quellenspektrums besteht meiner Ansicht nach darin, diese Kontextualisierung mit der Herausarbeitung der Narrativita¨t des Textes zu verbinden. Was eine solche Lektu¨re gegen den Strich zutage fo¨rdern kann zeigt anschaulich Blattmann, Prolegomena. 174 Die Literatur zur gegenwa¨rtig ‚boomenden‘ Neuen Kulturgeschichte ist kaum zu u¨bersehen, geschweige denn bibliographisch auf dem neuesten Stand zu halten. Vgl. Landwehr – Stockhorst, Einfu¨hrung; Stollberg-Rilinger, Einleitung. Den nach wie vor besten Einstieg, mit Portraits von Le Roy Ladurie, Zemon Davis und Ginzburg, sowie Themenu¨bersichten zur Narrativita¨t oder Historischen Anthropologie, gibt Daniel, Kompendium. An die Tradition des Fachs im Umgang mit der Quellengattung sei am Beispiel folgender Beitra¨ge erinnert, die eine um 1204 vorgenommene Zeugenbefragung edieren und interpretieren: Passerini, Monaca; Davidsohn, Monaca.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

mit Ansa¨tzen der Inquisitionsforschung, Mikro- und Alltagsgeschichte verbunden sind, haben die fremden Welten von Montaillou, Artigat oder Montereale Cellina zu rekonstruieren versucht. In ihrem Detailreichtum vor Augen gefu¨hrt, vermitteln diese Sinn- und Lebenswelten den heutigen Lesern ambivalente Eindru¨cke der Intimita¨t und der Alterita¨t. Eine ¨ berlieferungsSchwerpunktverlagerung auf die je nach Fall besondere U problematik, die mit solchen Geschichtserza¨hlungen verbunden ist, hat in ju¨ngster Zeit zu Erweiterungen der genannten Forschungsrichtungen gefu¨hrt, die auch Ergebnisse der Forschungen zur Schriftlichkeit und Mu¨ndlichkeit miteinbeziehen175. Kulturgeschichte wird so als Geschichte von Kommunikation, Bedeutung und Wissen, als Geschichte der Identita¨ten und deren Kontrolle betrieben176. Es existiert kein ‚objektiver‘, vollsta¨ndiger Mitschnitt eines mittelalterlichen Zivilprozesses. Die Prozeßakten halten auf einer durch Faktoren wie die Schriftlichkeit und die Verfahrensnormen geformten Ebene Teile der Situation fest. In a¨hnlicher Weise stellen die Schriften der gelehrten Juristen eine andere Ebene dar, die sich auf die Rechtspraxis bezog und zeigte, was Zeitgenossen zu ihr normativ formulierten, jedoch nicht mit der Praxis selbst gleichzusetzen ist. Vormoderne Zeugenaussagen sind weder deckungsgleich mit den prozeßrechtlichen Normen und Anforderungen, noch sind sie freie Rede von Zeitzeugen. Welch wertvolle Aufschlu¨sse solche Quellen den Media¨visten geben ko¨nnen, haben Arnold Esch und Marita Blattmann in eindru¨cklichen Pla¨doyers gezeigt177.

3.4 Zwischenbilanz Wenn ich an dieser Stelle die bisherigen Untersuchungen zum Aussagewert der Quelle zusammenfasse, so tue ich dies von der Kernfrage meiner Arbeit aus: Was teilen uns die Zeugen daru¨ber mit, wie eine Stadtkommune mittels heraldischer Symbolik funktionierte? Die Frage stellt sich, wie oben dargelegt wurde, wesentlich als Frage nach dem Wie und dem Warum. Die Bedeutung der vorliegenden Quelle, 175 Eid und Wahrheitssuche; Wahrheit, Wissen, Erinnerung; Blattmann, Prolegomena; Teuscher, Kompilation; Ders., Notiz; Ders., Recht; Sablonier, Verschriftlichung. Vgl. aber bereits Grundmann, Ketzerverho¨re. Vgl. jetzt auch mit Hinweisen auf die neuere Forschung zum Rechtsschrifttum und zur Entstehung mittelalterlicher Prozeßakten Walther, „Fall Elisabeth“. 176 Unverwechselbarkeit; Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?; Groebner, Schein; siehe dazu meine Rezension in: Traverse 12/3, 2005, S. 170–173. 177 Esch, Zeugenverho¨re; Blattmann, Prolegomena.

3.4 Zwischenbilanz

225

auf die die Forschung schon fru¨h aufmerksam gemacht hat, besteht darin, uns die verschiedenen Mitglieder der familia eines Podesta` in ihren Aussagen zu einem gemeinsam erlebten Ereignis von exemplarischer Bedeutung, an dem sie in Ausu¨bung ihres Amtes beteiligt waren, vor Augen zu fu¨hren. Das heraldische Wissen, das sie erkennen lassen, ist sowohl von ihrem ‚mu¨ndlichen‘ Funktionsgeda¨chtnis als Notar oder Soldat, als auch durch den Nexus der protokollierten Vernehmung – mit ihren Befragungs- und Verschriftungstechniken und dem steten Bezug zum Argumentationsgang der Klage – bestimmt. Daß Richter und Notar gema¨ß den Normen des gelehrten Rechtes mit Blick auf die Sachkenntnis der einzelnen Zeugen nachfragten, brachte diese dazu, Beobachtungen mitzuteilen, die, wie ich meine, zugleich charakteristisch fu¨r ihr Erfahrungswissen sind. Angesichts der Debatte daru¨ber, was Zeugen neben abgefragten Normsa¨tzen u¨berhaupt aussagen konnten, erscheinen mir Beispiele, wie das des Bremer scolasticus Heinrich, als Korrektiv besonders notwendig. Dieser war Notar des Mainzer Erzbischofs Christian von Buch gewesen und hatte seinen Herrn begleitet, als dieser als Reichslegat in Italien unterwegs war. Dem Chronisten Albert von Stade, dem er als Informant diente, berichtete Heinrich von der ritterlichen Erscheinung seines Herrn im Kampf sowie von den durch ihn vorgenommenen symbolischen Rechtshandlungen, deren Augenzeuge er gewesen war178. Diese beobachteten und erst nach geraumer Zeit erinnerten und verschrifteten Einzelheiten waren Teil eines aus den Aufgaben der Reichslegatur entstandenen Funktionswissens des Notars, das sich eben nicht nur auf Vorgaben der Rechtsnormen und Verfahrensschritte reduzieren la¨ßt. In gleicher Weise sind auch die Aussagen der Familiaren des Comazzo Galluzzi einzuscha¨tzen. Das, was sie u¨ber heraldische Symbolik mitteilen, steht nicht im luftleeren Raum scheinbarer Objektivita¨t, sondern wurde in mehrfacher Hinsicht geformt. Als professionelle Funktiona¨re im sozio-politischen System der Kommune und unfreiwillig Betroffene eines außergewo¨hnlichen und zugleich typischen Ereignisses griffen die Familiaren auf ihr eigenes Funktions- und Erfahrungswissen zuru¨ck. Als Zeugen des Kla¨gers taten sie dies in einer Befragungssituation, in der sich Befrager und Befragte nach verschriftlichten und normierten Verfahrensregeln richten mußten, damit ein Vernehmungsprotokoll zustande kam, dabei jedoch auch eigene Intentionen verfolgten. Die zu beru¨cksichtigenden Entstehungsumsta¨nde und Bedingtheiten der Quelle du¨rfen jedoch

178 Althoff, Gloria, S. 302.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

nicht zu dem Fehlschluß verleiten, ihren Aussagewert als gering einzu¨ ber das Verfahren der Zeugenvernehmung werden na¨mlich scha¨tzen. U auch die Kontexte, in denen heraldische Symbolik wahrgenommen und erinnert wurde, sowie die Wahrnehmungsmuster der Beteiligten sichtbar179. Der Historiker erha¨lt mit ihm einen Schlu¨ssel zu mittelalterlichen Handlungs- und Bedeutungszusammenha¨ngen, die er wiederum anhand der Paradigmen seiner Interpretation auszuwerten hat. Die Einsicht, daß sich das, was eine historische Quelle ausmacht, erst in der Begegnung ¨ berlieferungsvorgaben und den immer wieder neu gestellten Fravon U ¨ berlieferung konstituiert, geho¨rt zu den Prolegomena historigen an die U schen Arbeitens, an die Edward Hallett Carr oder Arnold Esch eindru¨cklich erinnert haben180. Die Forschungsgeschichte zu den der Geschichtswissenschaft seit 1883 bekannten, aber von ihr bislang wenig beachteten Prozeßakten des Todiner Stadtarchivs kann dies beispielhaft besta¨tigen. Wappen standen weder im Zentrum der in der Quelle festgehaltenen Aussagen, noch im Erkenntnisinteresse der Forscher, die sich mit ihnen befaßten. Diese haben die einzelnen Belege fu¨r Wappengebrauch in Todi aus ihrer zeitbedingten methodischen Perspektive wahrgenommen oder ignoriert, jedoch nicht als exemplarische Zeugnisse eines historischen Pha¨nomens in Beziehung zueinander gesehen. Wenn man dies jedoch tut, so erschließt sich einem das Pha¨nomen aus der selten belegten Nahperspektive von Menschen, die in ihrem Alltag unmittelbar mit heraldisch bezeichneten Medien konfrontiert waren. Das Bild der heraldischen Symbolik, das sich u¨ber den solcherart gewonnenen Zugang o¨ffnet, ist in seinen kommunikativen Bezu¨gen repra¨sentativ fu¨r die ober- und mittelitalienischen Stadtkommunen in der zwei¨ berten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts. Denn durch die außergewo¨hnliche U lieferung erkennen wir verschiedene Wappen, die dazu noch auf unterschiedlichen Tra¨germedien zum Einsatz kamen, jedoch alle den gleichen Sinnbezug herstellten: Sie symbolisierten den Herrschaftsanspruch in der Kommune. Der bereits fu¨r die Anfa¨nge der heraldischen Symbolik in der kommunalen Verfassungsphase der Konsulatsaristokratie beobachtete Konnex zwischen Wappen und Herrschaft sowie ein Pluralismus verschiedener Wappen in nebeneinander bestehenden Kontexten symbolischer Kommunikation, die der o¨ffentlichen Inszenierung der Kommune dienen, besteht auch in der Kommune des Podesta`. Neben civi179 Zum Wandel der „Welterfassung“ im Hochmittelalter, der unter anderem durch Ordnungstechniken der Schriftlichkeit beeinflußt war und auch das Pha¨nomen des Wappenwesens betraf, siehe Keller, Ordnungsvorstellungen. ¨ berlieferungs-Chance; Ders., Umgang. 180 Carr, History; Esch, U

3.4 Zwischenbilanz

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lia signa, wie den Fahnen und dem Siegel, sind im 13. Jahrhundert aber auch neue Elemente, wie das Familienwappen des Podesta`, in der visuellen Herrschaftsordnung der Kommune zu erkennen. Im Pluralismus der Wappen wurden verschiedene, sozusagen rollen- und situationsabha¨ngige Aussagen u¨ber die aktuelle politische Identita¨t der Kommune Todi formuliert: da das Familienwappen des Podesta` nicht zum etablierten Zeichenensemble der Kommune geho¨rte, signalisierte es u¨ber die Amtsbefa¨higung hinaus zugleich die erwu¨nschte Neutralita¨t und repra¨sentierte in dieser Funktion die Kommune. Die Fahne mit dem sizilianischen Ko¨nigswappen der Staufer visiualisierte wiederum den Anspruch auf Umsetzung eines auch in anderen Kommunen gu¨ltigen politischen Programms in Todi. Beide Wappen zeigen, daß die politische Identita¨t der Kommune des 13. Jahrhunderts nicht allein durch ein Stadtwappen oder ein Siegelbild wiedergegeben wurde, sondern eher als o¨ffentlich gestalteter, sich auf mehrere zentrale Zeichen beziehender Diskurs beschreibbar ist. Versta¨ndlich wird dies sowohl aufgrund des zuletzt von Hagen Keller beschriebenen stetigen Optimierungsdrucks der Kommune, als auch aufgrund der besonderen „logic of sameness“ mittelalterlichen Zeichengebrauchs, auf die Brigitte Miriam Bedos-Rezak aufmerksam gemacht hat181. Als Beglaubigungs- oder Herrschaftszeichen spiegeln die Wappen den hohen Grad an Mobilita¨t wieder, der fu¨r die civilta` comunale in der Zeit des Podestariates so charakteristisch ist. In unserem Beispiel wird dieser Eindruck durch den anschließenden jahrzehntelangen Prozeß, der weitere Personenkreise aus Mittel- und Oberitalien involvierte, noch versta¨rkt. Daß ein Notar in Pistoia die Beschreibung des in Bologna identifizierten Todiner Wappensiegels aufschrieb, scheint, gemessen an der Vielzahl a¨hnlicher Prozesse, von denen wir wissen, eine allta¨gliche Angelegenheit gewesen zu sein. Als Zeichen, die auf eine Herrschaftsinstanz fu¨r die Kommune von Todi – die Stadtgemeinde, die Person des Podesta` oder der Ko¨nig – verwiesen, erscheinen die Wappen in politischen Verfahren und Alltagssituationen der Herrschaftspraxis, in denen sie die Legitimita¨t der Handelnden beglaubigten und die gegenwa¨rtige Verfaßtheit der Kommune sichtbar machten. Sie begegnen aber auch als ebenso taktisch wie symbolisch eingesetzte Zeichen in einem mit Gewalt ausgetragenen Konflikt. Im Konfliktschema des innersta¨dtischen Parteienkampfes werden wir die bereits bekannte Triumphgeste des Fahnen-Aufpflanzen wieder antreffen.

181 Keller, Stadtkommunen; Bedos-Rezak, Identity, mit dem Zitat S. 1492; Dies., Signe.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Als Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs erweisen sich die 1268 in Todi gezeigten Wappen als repra¨sentativ fu¨r die gesellschaftliche und politische Situation der meisten italienischen Stadtkommunen in dieser Zeit, die von einer Krise des klassischen Podestariates, einem Ho¨hepunkt der Ka¨mpfe zwischen den nun Guelfen und Ghibellinen genannten Faktionen, sowie der Suche nach neuen Formen kommunaler Friedenswahrung gekennzeichnet war. Daß die spa¨ter eingeschlagenen Wege aus dieser Krise auch mit neuen Formen heraldischer Symbolik arbeiteten, wird sich in einem folgenden Kapitel zu den Organisationsformen des Popolo zeigen182. Hat die Forschung vor allem am Florentiner Beispiel deren Neuansatz betont, so zeigt das Beispiel aus Todi bereits bestehende Aspekte, wie die heraldische Uniformita¨t der Stadtknechte, an die man anknu¨pfte. Es kann so zu einem vertieften Versta¨ndnis der Genese von Formen kriegerischer Organisation und o¨ffentlicher Kommunikation beitragen, deren Endpunkte, die Herrschaft des Popolo und die Signorie, im Fokus der historischen Forschung zu den italienischen Kommunen stehen. Schließlich bieten die Zeugenaussagen auch willkommene Anknu¨pfungspunkte zu Vergleichen mit den Schilderungen der gleichen heraldi¨ berlieschen Pha¨nomene, die die Historiographie und die urkundliche U ferung geben. Aufgrund ihrer Nahperspektive lassen diese na¨mlich die heraldische Symbolik innerhalb ihres Sitzes im Leben mit sehr viel mehr Detailliertheit als jene erkennen. In der Zusammenschau werden so Formen und Funktionen symbolischer Kommunikation, Verfahren zur Konstituierung des Stadtregiments oder Konfliktstrategien sichtbar, die charakteristisch fu¨r die Situation der Stadtkommunen in der Zeit der letzten Staufer und des ersten Anjou in Italien ist.

3.5 Die Zeichen der Ordnung 3.5.1 Der Adler als heraldisches Symbol der Kommune Todi und die Berufung des Podesta` – das heraldische Wissen des Notars Henrigettus Feliciani Das Wappen Todis zeigt in Rot einen silbernen Adler, dessen halb entfaltete Flu¨gel mit zwei kleinen schwarzen Adlern belegt sind und der in seinen Klauen einen mit einem Tuch beha¨ngten Stab ha¨lt. Zwischen 1469 und

182 Siehe unten Kapitel 4.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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1890 trug er eine goldene Krone183. Wie im Falle des Wappens des Sieneser Popolo, so entha¨lt auch das Wappen der Kommune Todi keinen eindeutigen, aus sich selbst heraus versta¨ndlichen Hinweis auf die Institution, die es repra¨sentierte. Daß im Siena des 14. Jahrhunderts eine Geschichtserza¨hlung entstand, die das Bedu¨rfnis nach einer historischen Deutung des Zeichens befriedigte, ist ein Beleg dafu¨r, daß die Umsta¨nde der zu Beginn des 13. Jahrhunderts erfolgten Wappenbildung nicht dokumentiert wurden und fu¨r die Bu¨rger im Dunkeln lagen, die nur wenige Generationen spa¨ter mit einer gewandelten Wahrnehmung gegenu¨ber den etablier¨ berlieten Zeichen nach deren semiotischen Qualita¨ten fragten184. Die U ferung zum Wappen Todis setzt ebenfalls erst zu dem Zeitpunkt ein, als es fester Bestandteil des sta¨dtischen Zeichenkosmos geworden war. Wie in den großen Sta¨dten des Nordens, regte auch in der kleinen Kommune am Oberlauf des Tiber das eigene Wappen vergleichbare Deutungen an. Einem Todiner des ausgehenden 15. Jahrhunderts, der wissen wollte, wie seine Stadt zu ihrem Wappenbild gekommen war, bot die Geschichtsschreibung gleich zwei Erza¨hlungen an. Die ‚Historia Tudertine civitatis‘, die dies leistete, gab vor, von einem Quirinus Colonus im Jahre 400 verfaßt worden zu sein. Sie beginnt mit der Gru¨ndung der Stadt durch den aus Chiusi vertriebenen Bruder des Porsenna. Dieser Anfu¨hrer einer Gruppe von fuorusciti gru¨ndete Todi auf einem Berggipfel, u¨ber dem er ein augurium sah, das ihr eine kriegerische Zukunft verhieß: Ein Adler, der unter seinen Flu¨geln zwei Junge von einer ihm verschiedenen Farbe hielt, trug in seinen Fa¨ngen einen kleinen Spieß, den er auf den Gipfel fallen ließ, u¨ber den er dann auch seine Beute zerriß185. An die aus diesem Anfang hervorgegangene Stadt, so die zweite Geschichte, wandten sich in der Zeit nach der Catilinischen Verschwo¨rung die mit den Ro¨mern Krieg fu¨hrenden Viterbesen mit der Bitte um Vermittlung. Dazu ließen sie als Geschenk einen silbernen Adler mit vergoldetem Schnabel und vergoldeten Fa¨ngen anfertigen. In seinen Klauen hielt dieser ein Tuch und an sei183 Stab und Tuch der a¨lteren Darstellungen sind in einigen neuzeitlichen Bildern als Fahne mit der Aufschrift SPQT wiedergegeben. Vgl. Ceci, Appunti; Ders., Todi, S. 79ff. und ¨ berlieferung bei Pericoli, Raccolta, S. 169–350, hier S. 178f., 196ff., 86. Die materielle U 210, 216, 227 und 299f. 184 Siehe Kapitel 1.2.1 sowie zum gelehrten Diskurs zwischen Giorgio Stella und Coluccio Salutati Weber, Sprache, S. 524f. 185 Le cronache latine, S. 40ff.: Sed mirabile quoddam apparuit, quod augurii loco habitum est. Visa enim aquila pullos tegente binos, non eiusdem coloris nec matri similis, pedibusque parvam telam gestante, quam in monte quodam illinc ad quartum distans lapidem extendit, ibique eorum fundamenta prima facienda putaverunt. Insectari enim aquilam aves rapacissimas plures viderunt, quas ita percutere cepit ut earum non nullas occideret. Hoc maximum in re bellicosa prodigium pensitarunt.

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nem Schnabel baumelte eine Elfenbeintafel, in die mit goldenen Lettern ¨ bergabe dieses Geschenkes das Lob Todis eingegraben war186. Bei der U hielt der Sprecher der Gesandtschaft von Viterbo vor den Konsuln von Todi eine glanzvolle Rede, die ebenso glanzvoll erwidert wurde. Natu¨rlich ist diese im antikischen Gewand daherkommende Historia eine Fiktion. Ihr unbekannter Verfasser, der sie wohl in der zweiten Ha¨lfte des 15. Jahrhunderts unter dem Eindruck der in der Stadt des Mars zutage tretenden Spolien und Inschriften sowie des Livius, Varro und anderer ro¨mischer Schriftsteller schrieb, hat sein Pseudonym eher ungeschickt von einer antiken Inschrift entlehnt187. Der im Zeitalter der historisch-kritischen Methode arbeitende Lokalhistoriker Getulio Ceci (1865–1932) hat angesichts dieses „puerile pseudonimo“ an einen Mo¨nch als Autor des „puerile impasto di favole“ gedacht188. Wie Ceci jedoch im Anschluß zugestand, besteht der Quellenwert des Werkes in seinem Beispielcharakter fu¨r die Antikenrezeption im kommunalen Italien und dem durch die Maske einer spa¨tantiken Autorenfiktion geta¨tigten Blick auf das spa¨tmittelalterliche Todi, auf seine Sozialtopographie und auch auf seine Kriegszu¨ge und Faktionska¨mpfe189. Die beiden Adlergeschichten ko¨nnen demnach als interpretatio romana eines Befundes aus dem spa¨teren Mittelalter gelesen werden. In der ersten hat ‚Quirinus‘ aus dem um 1200 entstandenen Wappen der Kommune Todi eine Erza¨hlung entwickelt, die dem bekannten Gru¨ndungsmythos Roms entspricht190. Die zweite Geschichte rekurriert auf die in die Antike zuru¨ckprojizierten 186 Ebenda, S. 58ff.: Quare non multis post hos currentibus temporibus, urbs quedam, que nunc Viterbio dicitur, Romanis parum amica, cum ab his bellis asperrimis vexarentur, supplici animo a Tudertibus auxilium petere decrevere. Quos tali donarunt munere, aquila argentea, rostro et uncis aureis. Quibus villis aureis gestabat mantile, cuius rostro eburnea pendens materia aureis sculpta litteris ita dicentibus: MARTIS CIVITAS POPULUS TUDERS VIVAT PERPETUO. 187 Ebenda, S. 56f.: Extat in urbe militie arx ingentissima, quam antiqui Quiritium dixerunt esse coloniam. Verisimile sic est. Et Tudertes coloniam fuisse lapis testatur antiquitus scriptus. Idem et de Parramiani aiunt palatio, quod in antiquissimo situm est muro. Als Friedrich Bluhme 1823 die antike Inschrift abschrieb, lo¨ste er einen Volksauflauf aus; Wesche, Reisenden, S. 27. 188 Ceci, Todi, S. XIf. 189 Zur kommunalen Antikenrezeption vgl. zuletzt Esch, Uso; Ders., Wiederverwendung. Vgl. dazu die Rezension von Mu¨ller, in: H-Soz-u-Kult, 14. 07. 2006. So kommentiert ‚Quirinus‘ etwa, Le cronache latine, S. 54f., die von ihm beschriebenen Auseinandersetzungen zwischen populus und nobiles mit den Worten: Tunc discordie intestine initium accepere. 190 Vgl. bereits Ceci, Todi, S. XIV. Dargestellt wird das Vorzeichen zur Gru¨ndung Roms in den im vorletzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts in Rom entstandenen ‚Historiae Romanorum‘: Historiae Romanorum, fol. 27v. Zur Ableitung narrativer Texte aus der Zeichenstruktur von Wappen vgl. Weber, Exempla. Fu¨r das im Spa¨tmittelalter beste-

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ha¨ufigen Kriege zwischen Viterbesen und Ro¨mern191. Eine Inspiration fu¨r den silbernen Adler, der mit dem Wappenbild korrespondierte, du¨rften die zahlreichen Metallskulpturen von Symboltieren abgegeben haben, die in den italienischen Kommunen als Tropha¨en oder Auftragsarbeiten o¨ffentlich zur Schau gestellt wurden192. So besaß auch Todi den auch heute noch an der Fassade des Priorenpalastes angebrachten Wappenadler, den der Meister Gianni di Giliaccio 1340/41 im Auftrag der Kommune gegossen und versilbert hatte193. Die Angabe des ‚Quirinus‘, daß zu seinen Quellen die o¨ffentlich sichtbaren signa, aber auch der spezielle, am Sitz der Konsuln verborgene Adler geho¨rten, ist wohl so zu verstehen194. Indem sie aus den einzelnen Elementen und den Darstellungen des Wappens archetypische Geschichtserza¨hlungen u¨ber die Gru¨ndung und das ‚außenpolitische‘ Ansehen Todis macht, unterstreicht die Historia die große Bedeutung dieses Zeichens als Symbol der Identita¨t und Geschichte der gesamten Kommune. Daß der bereits erwa¨hnte Gian ¨ berlieferung der Historia verFabrizio degli Atti, dem wir ebenfalls die U danken, Wappen in a¨hnlicher Weise als repra¨sentative Erinnerungszeichen verstand, zeigt die Anlage des ersten Blattes im Autographen sei¨ berschrift ner historischen Sammelhandschrift. Auf diesem stellte er die U Croniche de Iohanne Fabritio de meser Pietro de meser Honofrio Ofredutio de Atti da Tode cancellieri de epsa republica zwischen eine Zeichnung des Siegels der Kommune und sein Familienwappen195. Er hoffte sicherlich, seinem Geschichtswerk auf diese Weise die offizio¨se Anmutung der

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hende Wissen um Todis hohes Alter und seine antike Tradition spricht, daß Giovanni Villani, Nuova Cronica, I 37, Bd. 1, S. 55f., in seine Version der Florentiner Gru¨ndungslegende auch einen Sezzio conte tudertino, cioe` di Todi, il quale era con Iulio Cesere e di sua milizia, einbaute. Von ihnen berichtet beispielsweise Romuald von Salerno. So erbeuteten die Viterbesen 1167 sogar die Tore der Peterskirche, die sie den Ro¨mern im Jahre 1200 wieder ausliefern mußten; Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 64. Vgl. auch Barone, Innocenzo III, S. 656ff. Vgl. Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit. Pericoli, Raccolta. Nach Ceci, Appunti, S. 356 [6], besaß auch dieser Adler zwei auf¨ berlieferung der Sohn des Gefa¨ngniswa¨rters zu steckbare aquilotti, die nach lokaler U Beginn des 19. Jahrhunderts mitgehen ließ. Vergleichbare Skulpturen der Wappentiere des Greifen und des Lo¨wen wurden zur gleichen Zeit an der Fassade des Palazzo dei Priori von Perugia angebracht; Paul, Kommunalpala¨ste, S. 239–243; Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 49f. Vgl. auch Polonio, Provincia, S. 218: 1226 wurde die Bronzeskulptur eines Greifen an der Fassade von San Lorenzo in Genua angebracht. Le cronache latine, S. 60f.: Huius rei temporibus nostris adhuc publice exstant scripture, littere, signa, epistole; ea etiam quam diximus aquila in consulari abditu reservatur. Que remotis arbitris non semel vidi legique. Le cronache volgari, S. 126. Die Atti fu¨hrten als Wappen „una palma fra due leoni rampanti volti l’uno verso l’alto“; Ceci, Todi, S. 41.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

kommunalen libri des 13. und 14. Jahrhunderts zu verleihen, die in der von ihm geleiteten Kanzlei verwahrt wurden196. Denn diese trugen auf ihren Holzbuchdeckeln das aufgemalte Wappen der Kommune197. Daru¨ber hinaus setzte er natu¨rlich auch seiner Familie, die in der Geschichte Todis eine Hauptrolle spielt, ein Denkmal. Zu einer kontra¨ren Deutung, die nicht auf dem Umweg u¨ber das antike Rom auf das unruhige 13. Jahrhundert zuru¨ckgriff, war zuvor bereits ein a¨lterer Zeitgenosse des ‚Quirinus‘ und unfreiwilliger Opponent der Atti gekommen. Am 16. November 1462 war Pius II. in einem Adventus feierlich in Todi eingeholt worden, um dort wa¨hrend eines la¨ngeren Aufenthaltes Hof zu halten, das Regiment der Stadt zu ordnen und Gesandte zu empfangen198. Der von Norden kommende Papst hatte in Pian di San Martino gena¨chtigt und war daher wohl durch die Porta Perugina in die Stadt eingezogen. In seinen ‚Commentarii‘ erwa¨hnte er jedoch spa¨ter ein anderes Stadttor, das ihm wa¨hrend seines Aufenthaltes aufgefallen war, als monumentale Quelle fu¨r die Geschichte der Stadt. Es handelt sich um die Porta Catena (auch: Arco di San Antonio), durch die der innere, im Kern noch etruskisch-ro¨mische Mauerring der Stadt im ¨ ber dem Scheitelpunkt des mittelalterSu¨dosten geo¨ffnet worden war. U lichen Torbogens war innerhalb eines quadratischen Rahmens eine Steinskulptur des durch seine drei Beizeichen als Wappentier Todis erkennbaren Adlers angebracht199. Der Piccolomini hatte beim Passieren des Tores aufgeschaut und seinen Eindruck festgehalten: Gibellinarum partium fuisse populum aquilae indicant, quae in porta veteris urbis grandiores sculptae visuntur: nunc Guelfi praevalent.200 Er beschreibt im Folgenden den antiken Mauerring, der nach seinen Worten die Altstadt umschließt, deutet das Wappen u¨ber dem Tor jedoch nicht als Zeichen Roms, wie es der Todiner Chronist tat, sondern als mittelalterliches Parteizeichen der Ghibellinen. Der Sienese identifizierte den 196 Pericoli, Raccolta, S. 202ff., ediert aus ASCT Decretali 61, fol. 1–2, das Inventarium Rerum Palatii Dominorum Priorum von 1431. Es verzeichnet im Raum der Cancelleria ein armarium mit den Statutencodices, den multi libri Reformationum und anderen Bu¨chern der Kommune. 197 Der Einband der Statuten von 1275, abgebildet bei Pericoli, Raccolta, S. 179, ist sicherlich ju¨ngeren Datums als die Handschrift. Vgl. Andreani, Morfologia, S. 46; Ceci, Appunti, S. 356 [6], zu den accavallate der Jahre 1336 und 1340. 198 Der Papst blieb bis zum 12. Dezember in Todi; Brosius, Itinerar, S. 430. 199 Le cronache di Todi, Abb. 14. 200 Die ‚Commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt‘ Papst Pius’ II., hier zitiert nach Leoˆnij, Cronaca, S. 113. Vgl. Ceci, Todi, S. 80.

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Wappenadler also u¨ber den Ort, an dem er ihn bemerkt hatte, und bezog sich darauf, daß italienische Kommunen mit ghibellinischem Stadtregiment den Reichsadler u¨ber ihre Stadttore malen beziehungsweise anbringen ließen201. Wie dominant und reflexartig dieser Konnex fu¨r die Zeitgenossen gewesen sein muß, zeigt sich daran, daß er sich in der Erinnerung des Papstes u¨ber dessen eigene Beobachtung hinwegsetzen konnte. Pius II. hatte na¨mlich genau hingesehen und mehrere Adler – den Adler mit den beiden aquilotti auf den Flu¨geln – u¨ber dem einen Tor erkannt. Trotzdem kam er nicht auf den Gedanken, dieses ungewo¨hnliche Wappenbild nicht als das ihm vertraute Zeichen zu deuten. Adler am Stadttor verwiesen fu¨r den Sienesen eben auf eine ehemals ghibellinisch regierte Stadt. Daß Pius II. angesichts des Wappens an die bekannten Parteien dachte, mag außerdem damit zu tun haben, daß er von der tatsa¨chlich ghibellinisch gepra¨gten Vergangenheit Todis erfahren hatte und daß er gleich nach seiner Ankunft mit Problemen konfrontiert wurde, die in diese Richtung wiesen: Pius cum eo venisset intestinis agitatam seditionibus civitatem invenit. Duo fuerunt in urbe cives primarii, familia nobili nati, quam vocant Actorum, Jacobus et Andreas germani, qui opibus abundantes, plebem sibi largitionibus conciliaverunt; atque inopum multitudine freti, quos alebant, civitatem pro sua libidine administrabant: erantque terrori non solum optimatibus, sed ipsis quoque praesidibus, atque praefectis ab Apostolica sede missis vim inferebant, non permittentes eos aut delicta corrigere, aut ex bono et aequo jus dicere. Saepe carcerem effregere; saepe capitali sententia damnatos e manibus militum cum ducerentur ad necem eripuere. Impune itaque rapi virgines, adulteria caedesque fieri, et domus diripi opulentae. Impune omnes patrari scelus ab his, qui in Actorum clientelam concessissent, et nuper ab eis primus, lictorum praesidis fuerat obtruncatus, nec ulla secuta ultio. 201 Vgl. zu dieser Praxis oben Kapitel 1.1 mit Belegen wie dem aus dem Chronicon Parmense, S. 201. Enea Silvio Piccolomini hatte sich bereits zuvor u¨ber den Doppeladler des Ro¨mischen Reiches gea¨ußert oder anhand des Wappenschmucks des Reichsschwertes dessen Zuweisung an Karl den Großen bezweifelt. Diesem kritischen Umgang mit ¨ berlieferung stehen Imaginationen zum Heroldswesen gegenu¨ber, der heraldischen U wie sie der Sienese 1451 in seinem Traktat ‚De heraldis‘ entwarf. Vgl. Kruse, Herolde; Schneidmu¨ller, Kaisertum, S. 57. Der von heraldischem Wissen geschulte Blick des Humanisten auf die Wappen der Vergangenheit und seiner Gegenwart wu¨rde, ausge¨ ußerungen wie denen Salutatis und Stellas, eine eigene weitet durch den Vergleich mit A Untersuchung verdienen.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Tuderis Actos esse dominos, non praesules Romanos – so lautete das Fazit dessen, was der Papst als nomineller Stadtherr von den vera¨ngstigten Bu¨rgern erfuhr202. Die Atti, die uns bereits 1268 als ma¨chtigste Familie Todis begegneten, hatten inzwischen die Seiten gewechselt und standen an der Spitze der o¨rtlichen Parte Guelfa. Seit dem fru¨hen 14. Jahrhundert bekriegten sie sich mit den Chiaravalle, die nun die Ghibellinen anfu¨hrten und von ihrer Herrschaft um das Kastell Canale aus die Stadt bedrohten203. Wie die Bu¨rger, die nicht zur Klientel der Atti geho¨rten und von den anscheinend machtlosen pa¨pstlichen governatori und ihren locotenenti kaum Schutz erfuhren, die tyrannis der heimlichen Herren Todis erlebten, bezeugt der Bericht des Humanistenpapstes204. Um die pax wiederherzustellen, handelte Pius II. energisch. Er schickte die Miliz von Todi und Amelia gegen Canale und zwang die Chiaravalle zu einem Vertrag, nach dem sie ihre Burgen den Sta¨dten o¨ffnen sollten205. In Todi selbst setzte er eine Untersuchungskommission ein, besta¨tigte das kommunale Regiment des gewa¨hlten Priorenkollegiums und erließ Statuten zur Einda¨mmung der Gewalt. Unter seinem Vorsitz berief er eine Volksversammlung auf der Piazza ein, in der die Kommunalstatuten verlesen und approbiert wurden206. Diesen auf die Traditionen und Mechanismen kommunaler Ordnung zuru¨ckgreifenden Maßnahmen sollte jedoch kein langfristiger Erfolg beschienen sein. Bezeichnend dafu¨r ist der Bericht, den Gian Fabrizio degli Atti gibt. Dieser hatte eine bis 1322 reichende sta¨dtische Chronik ausgeschrieben, die er, mit einer Lu¨cke von anderthalb Jahrhunderten, mit ¨ ber den Pontifikat des Picden Ereignissen seiner Lebenszeit fortsetzte. U colomini verliert der geschichtsschreibende Nachfahre der Atti bezeichnenderweise kein einziges Wort. Er beginnt mit dem Jahr 1466, in dem Iaco degli Atti – wohl der durch den Papst erwa¨hnte Jacobus – in Rom vergiftet wurde und za¨hlt dann die lange Reihe seiner unmittelbaren Ver202 Leoˆnij, Cronaca, S. 114f. 203 Vgl. Menesto`, Esempio, S. 536ff. Nach Grondona, Todi, S. 110, besaßen die Chiaravalle einen im 13. Jahrhundert errichteten Palazzo in der Stadt. Nach Ceci, Todi, S. 138f., begegnet im Jahre 1250 ein Giacomo di Chiaravalle als kommunaler Amtstra¨ger in Todi. 204 Die beklagten Verbrechen, wie der Jungfrauenraub und die Vergewaltigungen, geho¨ren zu den topischen Symptomen des Malgoverno beziehungsweise der Tyrannis eines Signoren; vgl. Weber, Exempla. 205 Menesto`, Esempio, S. 537f. 206 Leoˆnij, Cronaca, S. 116. Die ju¨ngeren Kommunalstatuten Todis stammen aus dem Jahre 1337 und sind bis in die Zeit Pauls II. erga¨nzt worden. 1549 wurden sie gedruckt; Statuto di Todi del 1275, S. XVII; Abbildung des Frontispizes bei Pericoli, Raccolta, S. 227.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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wandten auf, die in den auf der Piazza von Todi ausgetragenen Faktionska¨mpfen und in der Vendetta gegen die Chiaravalle geto¨tet worden waren207. Erst im August 1496 gelang den guelfischen Atti, die von den Orsini und Baglioni unterstu¨tzt wurden, mit der Einnahme Acquaspartas der entscheidende Sieg u¨ber die ghibellinischen fuorusciti. Die Chiaravalle wurden geto¨tet, ihre Burgen gebrochen. Der Chronist schreibt als Augenzeuge, daß der Haß zwischen den verfeindeten Gruppen so stark war, daß einige Guelfen selbst noch am Leichnam Altobellos da Canale, capo de la parte gibillina de Tode, ihre vendetta u¨bten, indem sie ihn im Triumph durch den Contado fu¨hrten und ihn anschließend o¨ffentlich zerlegten, grillten und verspeisten208. Die in der nach wie vor unruhigen Gegenwart des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts entstandenen Deutungen des kommunalen Wappens bezeugen seine ‚Offenheit‘ fu¨r divergierende Interpreta¨ bertionen, die sich jedoch alle auf ‚mittelalterliche‘ Gebrauchs- und U lieferungsformen bezogen. Die provinziell-humanistischen Geschichtsschreiber Todis setzten bei ihren Lesern das Wissen um den Wappenadler als Zeichen ihrer Stadt voraus. Durch alternative narrative Deutungen des Wappentiers, wie sie ‚Quirinus‘ vornahm, gelang diesem eine Historisierung der durch das Zeichen symbolisierten kollektiven Identita¨t Todis. Die antike Vergangenheit, in der wie im Mythos die Gro¨ße und die Krisen des Gemeinwesens vorgegeben wurden, ließ sich aus der Topographie und den Denkma¨lern der Stadt herauslesen und nachhaltig in Einklang mit ga¨ngigen Diskursen der Zeit bringen209. In umgekehrter Folge verla¨uft dagegen die Wahrnehmung des Todiner Wappens durch den zum Papst gekro¨nten Humanistenfu¨rsten. Der von außen kommende Besucher, fu¨r den der Todiner Adler keine feste Gro¨ße war, identifizierte ihn u¨ber seine ¨ hnlichkeit zum Wappen des Ro¨mischen Reiches und u¨ber seinen funkA

207 Le cronache volgari, S. 173–179. 208 Ebenda, S. 178: Era stato el decto Altobello de natura tanto iniqua, sanguinolenta et crudele, che alla sua morte fo facta de la carne sua da molti vendetta tale, che ne fo portata in varii luochi del contado et como carne ad beccharia, macellata, et da qualchuno arrostita et magnata, secondo fo visto evidente. Ritueller Kannibalismus war in den gewaltsam ausgetragenen Konflikten in der Zeit um 1500, etwa im Milieu der eidgeno¨ssischen Krieger und So¨ldner, eine verbreitete Praxis. Vgl. bereits Wackernagel, Kriegsbra¨uche, sowie jetzt auch Groebner, Ungestalten. 209 Ceci, Todi, S. XIV und 80, erwa¨hnt die Popularita¨t der Gru¨ndungsgeschichte der Historia im Todi der Jahre um 1900 und gibt zu bedenken, daß der 1198 erstmals bezeugte Name nidolo des ho¨chstgelegenen Rione von Todi auf die mo¨gliche Existenz einer a¨lteren Sage vom Adlerhorst schließen la¨ßt. Vgl. auch: Le cronache di Todi, Abb. 2; Pericoli, Raccolta, S. 322.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

tionalen Kontext als ein politisches Symbol der ju¨ngeren Vergangenheit und damit eines allta¨glich begegnenden Teils seiner Lebenswelt. Diese Rezeptionen auf der dritten Ebene heraldischer Symbolik waren meist von den im Stadtbild prominent vertretenen heraldischen Skulpturen des 13. und 14. Jahrhunderts angestoßen worden. Naheliegend fu¨r seine Ta¨tigkeit als Kanzler griff Gian Fabrizio degli Atti fu¨r seine schriftliche Neuformung der sta¨dtischen Geschichtsu¨berlieferung auch auf das Stadtsiegel zuru¨ck. In seiner Selbstdarstellung, aber auch in der des ‚Quirinus‘, begegnet das Wappenbild in bestimmten medialen Formen, die mit dem kommunikativen Kontext der kommunalen Repra¨sentation nach außen verbunden sind: Der von Gesandten einer anderen Kommune u¨bergebene Wappenadler zeugt als diplomatisches Geschenk von der begehrten Vermittlerrolle und damit natu¨rlich auch vom Ansehen des Stadtregimentes. Das Rezeptionsspektrum der dritten Bedeutungsebene fu¨hrt uns also zur zweiten Ebene des Sitzes im Leben, der der Entstehungszeit des Wappens mo¨glichst nahe kommt. Dieses Handlungs- und Bedeutungsumfeld la¨ßt sich allerdings nicht genau datieren, sondern nur zeitlich eingrenzen und u¨ber die in den Quellen erkennbaren Tra¨germedien erschließen. Die Aussagen in den Prozeßakten des Comazzo Galluzzi ermo¨glichen uns einen Zugang auf diese zweite Ebene, den die vielfach verformte Historiographie so nicht bietet. Ein heraldisch bezeich¨ berlieferungsstra¨ngen vorkommt, ist das netes Medium, das in beiden U Stadtsiegel Todis. Es sind sogar Abdru¨cke des Typars erhalten, die einen Vergleich zwischen Sach- und Schriftu¨berlieferung erlauben210. Wie der imagina¨re Silberadler des ‚Quirinus‘ begegnet das Siegel in den Prozeßakten u¨ber seine Funktion als Beglaubigungszeichen von Urkunden hinaus als Medium von ‚Außenpolitik‘ oder Diplomatie. Die Aussagen des Vernehmungsprotokolls beleuchten die Anfa¨nge des in der Mitte des 13. Jahrhunderts noch recht jungen Wappensiegels, das im Ausgang des 15. Jahrhunderts als offizielles Zeichen der ganzen Kommune deren verschriftete Geschichte gleichsam besiegelte. Von ihm ausgehend werde ich im Folgenden zuna¨chst das Siegel selbst als fru¨hes Zeugnis fu¨r das Wappen der Kommune Todi analysieren und versuchen, seine historischen Entstehungsumsta¨nde zu bestimmen. Zu diesen za¨hlte auch das Berufungsverfahren des Podesta`. Daher wird anhand des 1268 von den Todinern mit Erfolg aus Bologna berufenen Podesta` auf die Bedeutung des Wappensiegels fu¨r das zur Konstituierung der Kommune zentrale Verfahren und auf die Ru¨ckwirkung der verschiedenen kommunikativen Sinn- und 210 Bascape´, Sigillografia 1, Tafel VII, Abb. 79, S. 203, mit Wiedergabe der Umschrift und ungefa¨hrer Datierung, S. 233.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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Handlungsfelder auf das Zeichen einzugehen sein. Diese Zusammenha¨nge ¨ berlieferungslage gestattet erfahren wir aus anderen Quellen nicht. Die U es außerdem, von dieser zweiten Bedeutungsebene heraldischer Symbolik aus zu diskutieren, inwiefern die Erinnerung der Zeugen repra¨sentativ fu¨r das Funktions- und Erfahrungswissen der Familiaren des Podesta` und fu¨r die Wahrnehmung von Siegeln durch italienische Notare ist. Die Zeugenaussagen aus dem Prozeß des Comazzo Galluzzi werden dazu ¨ berlieferungsbefunden, wie denen der Genuemit Belegen aus anderen U ser ‚Libri Iurium‘, verglichen. Diese Vorgehensweise zur Kontextualisierung des Todiner Wappensiegels, die eine Menge mitunter spro¨den Materials beru¨cksichtigen muß, rechtfertigt sich meiner Ansicht nach vor allem dadurch, daß hier nicht Historiographie und Gesetzgebung oder nur die Realien in den Blick genommen werden. Der erste Artikel, den Jacobus von Parma 1278 seinen Zeugen vorlesen ließ, fragte danach, ob die Kommune Todi die Kommune Bologna um die Entsendung eines Podesta` gebeten hatte und wie diese Bitte erfolgt war. Der Notar Henrigettus Feliciani besta¨tigte dies, indem er von der Gesandtschaft der umbrischen Stadt berichtete, die im Fru¨hjahr 1268 am Reno erschienen sei. Seine Beschreibung des Siegels, mit dem die Briefe, die die Gesandten u¨berbrachten, besiegelt waren, ist meines Wissens die fru¨heste Erwa¨hnung des Todiner Wappensiegels: ‚Und daß besagte Briefe mit dem runden Siegel der besagten Kommune Todi besiegelt waren. Und er sagt, daß in dem Siegel das Bild eines Adlers eingeschnitten war und daß um dieses Siegel folgende Schriftzeichen liefen:  Noscite vos cuncti signum generale Tuderti.‘211 Es spricht fu¨r die Glaubwu¨rdigkeit des Zeugen, daß diese Beschreibung bis auf ein Detail mit dem erhaltenen Siegel Todis u¨bereinstimmt. Lediglich bei einem Wort der Umschrift trog ihn seine Erinnerung. Diese lautet korrekt:  NOSCITE VOS CERTI SIGNUM GENERALE TUDERTI.212 Zu Beginn des 14. Jahrhunderts hat ein unbekannter Autor im Gefolge Benzos von Alessandria diese sowie 24 weitere Siegelumschriften unter dem Titel ‚Versus de sigillis civitatum‘ auf das freie zweite Blatt einer Aegidius Romanus-Handschrift eingetragen. 211 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 55: Et quod dicte littere erant sigillate sigillo rotundo dicti comunis Tuderti. Et dicit quod in sigillo est sculta forma cuiusdam aquile et quod circa ipsum sigillum erant tales littere + . Noscite vos cuncti signum generale Tuderti. 212 Bascape´, Sigillografia 1, Tafel VII, Abb. 79, S. 203 und 233. Die Umschrift wird bereits richtig wiedergegeben von Gian Fabrizio degli Atti; Le cronache volgari, S. 126.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Diente dies noch Giacomo C. Bascape´ als Nachweis zur Datierung des Todiner Siegels, so ist es dank der Aussage des Henrigettus Feliciani bereits fu¨r 1268 belegt213. Das Siegel Todis ist in jeder Hinsicht typisch fu¨r die Siegel der italienischen Kommunen des Mittelalters. Dies gilt fu¨r seine kreisrunde Form, wie auch fu¨r das verwendete Wachs, die Umschrift und das Siegelbild. Die bereits erwa¨hnte Umschrift ist ein leoninischer Hexameter. Sie geho¨rt zur a¨ltesten der vier von Bascape´ unterschiedenen Kategorien der Siegelinschriften, die „quelli detti ‚di riconoscimento‘“ umfaßt214. Versta¨ndlich wird sie nur aus dem Gebrauchskontext des Siegels heraus, der Beglaubigung einer Urkunde oder einer Person, die es als Repra¨sentant des Siegelfu¨hrers vorwies. In dieser Situation, in der der Siegelabdruck oder die besiegelte Urkunde vorgezeigt wurden, wandte sich die leoninische Umschrift dieser Gattung in direkter Anrede an die fremden Betrachter und stellte ihnen das Siegelbild vor: ‚Es sei euch genau bekannt das allgemeine Zeichen Todis‘. Als fru¨hen und richtungsweisenden Beleg dieses Typs diskutiert Bascape´ das in der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts belegte Pisaner Siegel: URBIS ME DIGNUM PISANE NOSCITE SIGNUM. Nicht auf das Beglaubigungszeichen, sondern auf die Urkunde bzw. ihren Text selbst beziehen sich die Siegelumschriften von Rimini, ARIMINUM MITTIT QUOD PRESENS PAGINA PANDIT, und Cingoli, QUOD CERNIS SCRIPTUM DE CINGULO SIT TIBI DICTUM 215 . Verweisen diese beiden Inschriften direkt auf die Funktionalita¨t des Siegels fu¨r den Urkundentext innerhalb seines kommunikativen Kontextes, so sprechen die Siegel von Pisa und Todi ihr Siegelbild mittelbar als Beglaubigungszeichen an. Ihre Umschrift ¨ ffentlichkeitscharakter des mit ihr pra¨sentierten impliziert geradezu den O Zeichens. Im Falle der umbrischen Stadt ist das Siegelbild identisch mit dem Wappenbild. Daher ist der Nachweis des Siegels fu¨r 1268 zugleich auch ein Beleg fu¨r die Existenz des Stadtwappens. Wann die Kommune jedoch ihr Wappen annahm und ob die kleinen Adler und der Stab von 213 Bascape´, Sigillografia 1, S. 189f. und 233, mit der Datierung des erhaltenen Siegelabdruckes ins 14. Jahrhundert. Bei der Handschrift handelt es sich um den Codex Marcianus Latinus 479 (fondo antico). Bascape´ verweist auf: Giovanni Battista Cervellini, ¨ hnliI leonini delle citta` italiane, in: Studi medioevali 2, 1933, S. 239–270, hier S. 264. A ¨ bereinstimmung, che leoninische Hexameter begegnen auch, teilweise in wo¨rtlicher U in Dichtungen des Sta¨dtelobs oder zur Verherrlichung von Waffentaten; vgl. beispielsweise: Iohannes Codagnellus, Annales Placentini, S. 16f. 214 Bascape´, Sigillografia 1, S. 186–191. Wahrscheinlich verwendete man in Todi gru¨nes Wachs; Ceci, Appunti, S. 360. 215 Bascape´, Sigillografia 1, S. 185, 188ff. und 225f.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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Anfang an dabei waren oder als Beizeichen erst spa¨ter dazukamen, la¨ßt sich nicht genau sagen, wohl aber zeitlich eingrenzen. Das erhaltene, nach Bascape´ aus dem 14. Jahrhundert stammende Siegel zeigt einen nach (heraldisch) rechts gewandten Adler mit den beiden charakteristischen aquilotti unter den Flu¨geln216. Es entspricht den anderen aus dem 14. Jahrhundert erhaltenen Darstellungen des Todiner Wappens in der Kirche San Fortunato und auf den erwa¨hnten Deckeln der kommunalen Rechnungsbu¨cher von 1336 und 1340217. Henrigettus Feliciani erwa¨hnt zwar nur die forma cuiusdam aquile, doch weist die a¨lteste, wohl aus der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts stammende Darstellung des Todiner Wappenadlers, ein Relief am Kommunalpalast, bereits den Stab und die aquilotti auf. Deshalb liegt die Schlußfolgerung nahe, daß das 1268 gebrauchte Siegel so aussah wie das des 14. Jahrhunderts. Getulio Ceci, der sich mit jahrhundertealten, ins Kraut schießenden Spekulationen u¨ber die Herleitung des Todiner Wappens von augusteischen ¨ hnlichem auseinandersetzen mußte, hat die beiden Legionsadlern und A kleinen Adler als Indiz fu¨r einen Datierungsvorschlag des Wappenbildes herangezogen. Er interpretierte sie als Symbole fu¨r die von Todi unterworfenen Kommunen Amelia und Terni, die seit 1208 beziehungsweise

216 Das von Bascape´, ebenda, S. 221 und 233f., mitgeteilte Faktum, daß die Ghibellinen nach dem Vorbild des Reichsadlers einen heraldisch nach rechts sehenden Adler, die Guelfen dagegen eine nach links sehende „aquila guelfa“ fu¨hrten, ist meines Erachtens die generalisierende Fehlinterpretation eines mittelalterlichen Befundes. Entnommen hat Bascape´ sie der Lebensbeschreibung Clemens’ IV. bei Alphonsus Ciaconius, Vitae et res gestae Pontificum Romanorum et S. R. E. Cardinalium, Roma 1630, II 168. Dieser erza¨hlt, daß der Papst in Analogie zu Kaiser Friedrich, der seinen Anha¨ngern das Tragen des Reichsadlers zugestanden habe, den Guelfen ein Wappen verliehen habe, das einen roten, nach links sehenden Adler zeige, der in seinen Klauen einen gru¨nen Drachen ha¨lt. Dies ist in der Tat das bei Bascape´, ebenda, Tafel VII, Abb. 80, S. 203, abgebildete Wappen- und Siegelbild der Parte Guelfa von Florenz, u¨ber dessen Verleihung Giovanni Villani, Nuova Cronica, VIII 2, Bd. 1, S. 405f., berichtet: e volle il detto papa che per suo amore la parte guelfa di Firenze portasse sempre la sua arme propia in bandiera e in suggello, la quale era, e e`, il campo bianco con una aguglia vermiglia in su uno serpente verde, la quale portarono e tennero poi, e fanno insino a’ nostri presenti tempi; bene v’hanno poi agiunto i Guelfi uno giglietto vermiglio sopra il capo dell’aquila. ¨ berlieferung, nach der die Florentiner Guelfen zu Beginn des 14. Jahr(Taf. 2) Aus der U hunderts ihren nach links sehenden Adler von Clemens IV. herleiteten, haben Ciaconius und Bascape´ in Ausreizung des Gegensatzes zwischen Guelfen und Ghibellinen eine allgemeine heraldische Regel abgeleitet, die bei Quellen, die nicht vom Arno stammen, natu¨rlich an ihre Grenzen sto¨ßt. So sieht etwa auch der Adler auf den Siegeln des ‚kaisertreuen‘ Pisa nach links und Bascape´, ebenda, S. 234, erkla¨rt einen nach rechts sehenden Adler auf einem ‚guelfischen‘ Siegel folgendermaßen: „ove pero`, per arbitrio dell’incisore, il capo dell’aquila non e` rivolto“! 217 Ceci, Appunti, S. 356f.; vgl. Pericoli, Raccolta, S. 179.

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1217 der Stadt am Tiber ja¨hrlich einen Untertaneneid leisten mußten218. Selbst wenn auch diese Deutung letztlich spekulativ bleiben muß, du¨rfte das Wappen Todis in dem von Ceci vorgeschlagenen Zeitraum entstanden sein. Dafu¨r sprechen die Verbreitung des Wappenwesens im ausgehenden 12. Jahrhundert sowie die Institutionalisierung, die die Kommune in Todi zu Beginn des 13. Jahrhunderts erfuhr. Wissen wir u¨ber die Anfa¨nge der Kommune im 12. Jahrhundert nichts, so lo¨ste, wie gesagt, seit 1201 ein Podesta` die Konsuln an der Spitze des Stadtregimentes ab219. Mit der Wende zum 13. Jahrhundert begannen auch die Bauvorhaben der Kommune, die das charakteristische, auf Dauer angelegte Ensemble der zwei Kommunalpala¨ste mit der davor liegenden Platea Communis hervorbrachten. Sowohl die Pala¨ste, als auch die Piazza, auf der die Grenzen der Todiner Rioni zusammenliefen, wurden in mehreren Schritten wa¨hrend des 13. Jahrhunderts erweitert220. Im zeitlichen Zusammenfall dieser institutionellen Verfestigung der Kommune um 1200 und der Ausbreitung des Wappenwesens entstand meiner Ansicht nach das Wappen Todis, das dann erstmals fu¨r 1268 im Stadtsiegel belegt ist. Die zweite Ha¨lfte des leoninischen Verses bezeichnet das Wappenbild als signum generale Tuderti. Das heraldische Zeichen wird also als das Zeichen pra¨sentiert, das die gesamte Stadtgemeinde repra¨sentieren kann. In 218 Ceci, Appunti, S. 363ff.; Ders., Todi, S. 79ff., 88ff. und 96f. Ob Cecis Hypothese zutrifft, bleibt offen. Die Praktik, politische Herrschaftsverha¨ltnisse durch eine Brisur heraldisch auszudru¨cken, ist allerdings im italienischen Mittelalter gebra¨uchlich; vgl. Weber, Exempla. 219 Ceci, Potesta`; Ders., Todi, S. 82ff., vgl. S. 53f. und 59: „Del governo dei consoli a Todi nessuna notizia ancora, ma non v’ ha dubbio che li avevamo da molto tempo. Anche le citta` vicine mancano di documenti che ci parlino di quella magistratura prima della seconda meta` del sec. XII.“ 220 Siehe die von Mario Pericoli herausgegebenen Druckfahnen des nachgelassenen, unter dem Titel ‚I palazzi pubblici in Todi‘ geplanten Werkes von Getulio Ceci, in: Ceci – Bartolini, Piazze, S. 1–79; Paul, Kommunalpala¨ste, S. 272–275. Zur inneren Ausstattung des Todiner Kommunalpalastes siehe Campbell, Game, S. 226f. Anm. 25, mit weiterer Literatur. Zu den Charakteristika kommunaler Stadtbilder als Resultate politischer Entscheidungen siehe zuletzt mit Hinweisen auf weitere Literatur: La bellezza della citta`. In den durch italienische Stadtkommunen gegru¨ndeten terrae muratae wurde solch ein Ensemble automatisch errichtet, siehe oben Kapitel 4.5.1. Eine ver¨ berfu¨hrung topographischer Vorgaben in politische Strukturen findet sich gleichbare U auch im Stadtbild Sienas. Dort liefen die Grenzen aller drei Terzi auf der Piazza del Campo zusammen; Waley, Siena. Von dem hohen Symbolwert, den das kommunale Bauensemble als Fokus der Ehre der Stadt besaß, zeugen die sta¨dtischen Statuten. So wurde auf dem Platz zwar Markt gehalten, doch durfte kein Gerber seinem schmutzigen Handwerk dort oder am Kommunalpalast nachgehen. Fu¨r dort begangene Straftaten wurde das Strafmaß verdoppelt; Statuto di Todi del 1275, II 50 und 91, S. 83 und 109f.

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den hier diskutierten Beispielen aus der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts erstmals nachweisbar, diente der Wappenadler Todis in bestimmten kommunikativen Kontexten dazu, die Identita¨t der gesamten Kommune zu symbolisieren. Als steinernes Hochrelief u¨ber dem Tor und der breiten Treppe des Kommunalpalastes war er als Zeichen der Kommune auf dieser ‚Bu¨hne‘ performativen Handelns pra¨sent. Die Pra¨senz des Wappenbildes an einem Zentralort fu¨r symbolische Kommunikation in Todi betraf in erster Linie o¨ffentliche Akte der Kommune. So fanden auf dem Platz nicht nur Faktionska¨mpfe, sondern auch einberufene Volksversammlungen und Ratssitzungen statt. Auf den im Jahre 1295 zwischen den Todiner Guelfen und Ghibellinen auf dem Platz beschworenen und bald gebrochenen Frieden wird noch einzuge¨ ffentlichkeit des Platzes, auf dem im ausgehenden hen sein221. In der O 13. Jahrhundert jeden Samstag Markt gehalten wurde, waren auch die in der Stadt aktiven Notare ta¨tig, wie zahlreiche Notariatsinstrumente belegen, die in Platea Comunis aufgesetzt worden sind222. Die Nutzung des vom kommunalen Wappenbild u¨berragten baulichen Ensembles fu¨r o¨ffentliche Symbolakte, die die gesamte Kommune betrafen, heben auch die Zeugenaussagen zum Podestariat des Comazzo Galluzzi hervor. Ugolinus de’ Gualinghi sah Comazzo dort nach seiner Ankunft den Amtseid leisten: et iuravit Tuderti in platea dicte civitatis iuxta scalas palacii dicti comunis Tuderti coram toto populo Tuderti.223 An dieser Stelle zahlte der Podesta` spa¨ter auch den dreißig in Bologna angeworbenen beroarii ihren ersten Sold aus eigener Tasche aus224. Auf die zentrale Rolle der zwischen Piazza und Palast vermittelnden Treppe als Handlungsort wa¨hrend des Konfliktes am 17. Juli werde ich im u¨berna¨chsten Unterkapitel eingehen. Jedes Jahr am 29. Juni, der Vigil des Fortunatustages, erschienen Gesandtschaften der beiden unterworfenen Kommunen Amelia und Terni in Todi, um einen Tribut – im Falle Amelias eine Kerze von fu¨nfzehn Pfund Wachs, im Falle Ternis zehn Mark Silber – zu u¨berbringen und den Treueeid zu leisten. Der Syndicus von Amelia hatte diesen Eid in Gegenwart des Todiner Podesta` und dessen familia sowie der auf dem Platz versammelten Bu¨rger auf der Treppe des Kommunalpalastes auf die Evangelien zu schwo¨ren225. Den solcherart im ja¨hrlich vollzogenen Ritual 221 Siehe unten Kapitel 3.7. ¨ ffentlich222 Statuto di Todi del 1275, II 26, S. 75; Ceci – Bartolini, Piazze, S. 2ff. Zur O keit des Notariates in den italienischen Kommunen vgl. Schulte, Scripturae publicae creditur. 223 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 55. 224 Ebenda, fol. 60. 225 Ceci – Bartolini, Piazze, S. 1–79. Vgl. Statuto di Todi del 1275, I 73, S. 51.

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konstituierten Herrschaftsverband bildete das Wappen mit dem Todiner Adler und seinen beiden aquilotti ab, das als Steinskulptur u¨ber dem Portal am oberen Ende der Treppe angebracht war. Wie die Symboltiere an den Fassaden staufischer Kastelle im Su¨den oder kommunaler Bauten in anderen Kommunen diente der steinerne Adler am Todiner Kommunalpalast nicht nur einer a¨sthetisch motivierten „ku¨nstlerischen Ausgestaltung“ des Bauko¨rpers, sondern besaß eine wichtige Funktion als Teil der in seinem ra¨umlichen Umfeld stattfindenden symbolischen Kommunikation226. Was Todi jedoch von den angesprochenen Beispielen aus den anderen Kommunen unterscheidet, ist die bereits im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts nachweisbare Entsprechung von Skulptur und Wappenbild. Dies fa¨llt vor allem im Vergleich mit den Adlerreliefs an Bauten Kai¨ bereinstimmung im Motiv sicherlich nicht ser Friedrichs II. auf, deren U gewollt war – der Todiner Adler ist ja nicht identisch mit dem Reichsadler –, die sich jedoch in der Art der Darstellung sehr a¨hneln. Dies gilt insbesondere fu¨r die auf antike Bildtypen zuru¨ckgehende Konvention, den Adler mit einer Beute oder einem Gegenstand in seinen Fa¨ngen darzustellen227. Vielleicht sind Stab und Tuch auf diesem Weg als Beizeichen in das Wappen Todis gelangt. Diese Adlerdarstellungen gehen in ihrer ku¨nstlerischen Gestaltung u¨ber die Erfordernisse einfacher Darstellungen von Wappenbildern weit hinaus, nehmen aber eindeutig Bezug auf heraldische Symbolik. Es erscheint mir wichtig, die solchen Darstellungen innewohnende Ambivalenz zu betonen, da die Forschung sie bisher u¨berwiegend in kunst- und baugeschichtlicher Perspektive interpretiert hat. So ist zum Beispiel der Adler u¨ber dem Eingangsportal des 1239 begonnenen Kastells von Catania, der sich mit dem Todiner Befund vergleichen la¨ßt, nur hinsichtlich seiner baulichen Funktion als „ungewo¨hnliches Schmuckelement“ klassifiziert worden228. ¨ berlieferung das Wappen der KomFestzuhalten ist, daß die Todiner U mune zu einem vergleichsweise sehr fru¨hen Zeitpunkt in mehreren medialen Formen pra¨sentiert, die im Vergleich untereinander das Feststehen des Wappenbildes und im Vergleich mit staufischen Beispielen das hohe Niveau ihrer Darstellung und Funktionalita¨t bezeugen, fu¨r sich genommen aber auch auf verschiedene Sitze im Leben verweisen. Betrafen die Wappenbilder aus Stein und Metall im Stadtbild, die mit dem Siegelbild korrespondierten, die Todiner und die in die Stadt gekommenen oder dorthin einbestellten Menschen, so diente insbesondere das transportable 226 Das Zitat nach Willemsen, Bauten, S. 149. 227 Grundlegend Dee´r, Adler; Die Zeit der Staufer 1, Nr. 871–880, S. 683–688. 228 Willemsen, Bauten, S. 152. Vgl. aber Dee´r, Adler.

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Siegelbild dazu, die Kommune an anderen Orten zu repra¨sentieren und ihre Bevollma¨chtigten auszuweisen. Die Funktionalita¨t des Stadtsiegels beschra¨nkte sich keinesfalls nur darauf, Urkunden zu beglaubigen. Es ist durchaus bezeichnend, daß das einzige Mal, an dem sich die Kommunalstatuten von 1275 dezidiert zum Gebrauch des Stadtsiegels a¨ußern, nicht Urkunden, sondern den Verkauf behauener Steine betrifft. Das Normalmaß des Todiner Fußes, nach dem die Steine abzumessen seien, sollte durch seine Besiegelung von der Kommune garantiert werden229. Im Medium des Siegels erfu¨llte das Wappen der Kommune hier eine Garantiefunktion in einem Marktbereich, in den die Kommune nach dem Willen der Stadtgemeinde ordnend eingegriff. ¨ hnliche Beispiele aus anderen Bereichen, die einen Großteil der StadtbeA vo¨lkerung angingen, sind auch aus anderen Kommunen bekannt230. Diese Funktionen des kommunalen Wappensiegels sind deshalb so hervorzuheben, weil die Notwendigkeit, Urkunden zu besiegeln, im mittelalterlichen Italien nicht in dem Maße gegeben war, wie in anderen Regionen des Abendlandes231. Durch das o¨ffentliche, von der Kommune garantierte und kontrollierte Notariat bestand dort na¨mlich eine Institution, durch deren Ta¨tigkeit Urkunden erstellt und beglaubigt wurden, ohne daß eine Besiegelung notwendig wurde232. Die Todiner Statuten von 1275, die das Notariatswesen und die Geltung der Notariatsinstrumente in mehreren Rubriken regeln, zeigen in beispielhafter Ausfu¨hrlichkeit, daß die fides eines Schriftstu¨ckes nicht am „Original“, sondern an der ‚Ordnungsgema¨ßheit‘ seiner Verzeichnung im Imbreviaturbuch eines registrierten Notars oder einem der Bu¨cher der Kommune hing233. Die Funktionalita¨t 229 Statuto di Todi del 1275, I 65, S. 47: De lapidibus vendendis ad mensuram. Item statuimus quod lapides de filo vendantur ad pedem communis tuderti, sicut olim consuetum fuit et non ad aliud, et mensura cum qua mensurantur lapides sit sigillo communis sigillata sub pena xl sol. Das Statut, ebenda II 126, nach dem der Podesta` die in seiner Amtszeit entstandenen Akten dem Rat zu u¨bergeben habe, damit dieser sie versiegele, la¨ßt offen, welches Siegel dabei gebraucht werden soll. 230 Siehe unten Kapitel 4.4. 231 Daß Siegel aber auch dort in einem breiten Funktionsspektrum zum Einsatz kamen, betont von Brandt, Werkzeug, S. 132ff. 232 Vgl. Schulte, Scripturae publicae creditur; Keller, Schriftgebrauch, S. 19ff. 233 Statuto di Todi del 1275, I 17–31, S. 21–28. Die Ausfu¨hrlichkeit, mit der die Statuten das Thema behandeln, du¨rfte auch durch die gegenwa¨rtige Lage der Kommune motiviert gewesen sein. In den Einzelstatuten geht es neben dem Grundsa¨tzlichen meist um das Geltendmachen von Anspru¨chen an Schuldner und das Beibringen von Beweismitteln, etwa in Form des Registereintrags eines verloren gegangenen Schriftstu¨ckes oder der Bezugnahme auf von der Kommune Gebannte. Unmittelbar nach diesen Passagen folgen, ebenda I 33–36, S. 30–33, die pax und der ‚Koalitionsvertrag‘ zwischen Guelfen und Ghibellinen, der die politische Grundlage fu¨r die Neuredaktion der Kommunalstatuten

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und Rechtserheblichkeit der Siegel und Bullen, die in diesem System dennoch gebraucht wurden, wurde auch dadurch gewahrt, daß die Notare sie in ihr Medium u¨berfu¨hrten. Wurde eine besiegelte Urkunde transsumiert, so beschrieb der Notar in eigenen Worten das materielle Erscheinungsbild der anha¨ngenden Siegel. Auf die Bedeutung dieser durch Zeitgenossen verschrifteten Anmutung von Siegeln als Quelle – abgesehen davon, daß so Beschreibungen verlorener Originale erhalten sind – wird noch zuru¨ckzukommen sein234. Vor diesem Hintergrund erhalten der Besiegelungsakt selbst und die Pra¨sentation des Typars oder eines Siegelabdrucks durch die Kommune als Formen symbolischer Kommunikation eine ho¨here Bedeutung. So ha¨lt der in Form eines Notariatsinstruments aufgesetzte Vertrag zwischen Genua und Tortona aus dem Jahr 1200 fest: et inde publicum instrumentum sigillatum sigillo comunis utriusque civitatis fieri faciam235. Die Vollmacht des sindicus et procurator, der die Kommune Todi legitime vor dem Gericht des Bischofs von Pistoia vertrat, wurde auch daraus ersichtlich, daß er sich mit dem Stadtsiegel ausweisen konnte236. Diese Art der Verwendung in der diplomatischen Kommunikation scheint eine der Hauptfunktionen der Sta¨dtesiegel im kommunalen Italien gewesen zu sein237. In gleicher Weise handelten bereits der Syndikus und der ihn begleitende Notar, die zu Jahresbeginn 1268 als Gesandte der Kommune Todi beim Podesta` von Bologna vorstellig wurden. In der Ratsversammlung der von ihnen aufgesuchten Kommune pra¨sentierten sie Briefe, die mit dem Siegel der Kommune besiegelt waren und in denen der scheidende Podesta` von Todi im Namen des Rates und der Kommune von Todi um die Wahl und Entsendung eines geeigneten Nachfolgers bat238. Angesichts der Geltung des unbesiegelten Notariatsinstrumentes la¨ßt sich dieses Vorgehen aus pragmatisch-instrumentellen Gru¨nden allein nicht rechtfertigen. Die Pra¨sentation der mit dem Wappensiegel Todis versehenen Briefe erfu¨llte offensichtlich Funktionen symbolischer Kommunikation in einer

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war. Nach einer fu¨r den Moment u¨berwundenen Zeit des Bu¨rgerkrieges und der Rechtsunsicherheit waren die angesprochenen Regelungen natu¨rlich dringend erforderlich. Zur „Anmutung“ einer Urkunde siehe Ru¨ck, Urkunde. Zitiert nach Bascape´, Sigillografia 1, S. 262. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 49–50. Der Text ist nur fragmentarisch erhalten. Bereits 1149 wies sich ein Genueser Gesandter cum charta et cum sigillo der Kommune aus; Bascape´, Sigillografia 1, S. 261. Vgl. Behrmann, Einleitung, S. 2f.; Ders., Anmerkungen, S. 271 und 275–280; Go¨rich, Missachtung. Siehe auch als Beispiel fu¨r verschiedene Benutzungsmo¨glichkeiten des kommunalen Siegels: I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/2, Nr. 438, S. 456f. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 64 (Aussage des Henrigettus Feliciani).

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Situation, in der sich die Repra¨sentanten von zwei Kommunen begegneten. Hier werden im Medium des Siegels ein fester Sitz im Leben des kommunalen Wappens und ein Motiv fu¨r seine Annahme greifbar. Seitdem die Kommune im ja¨hrlichen Wechsel auswa¨rtige Podesta` berief, also seit den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts, werden sich ihre Gesandten sowohl in den benachbarten Kommunen von Marsciano, Spoleto, Alviano, Perugia und Gubbio, als auch in Rom, Siena, Florenz, Bologna, Modena, Reggio, Parma, Mailand, Brescia und Venedig mit dem Siegel ausgewiesen haben239. Der an den Herkunftsorten der Amtstra¨ger ablesbaren hohen Mobilita¨t der politischen Akteure sowie der oben dargestellten Verfassungsform des Podestariates du¨rften die durch das Wappenwesen gegebenen neuen Kommunikationsmo¨glichkeiten entgegengekommen sein. Syndikus und Notar leisteten bei ihrem Erscheinen vor der Kommune einer auswa¨rtigen Stadt ja nichts Geringeres als im Namen der von ihnen vertretenen Stadtgemeinde um die Entsendung eines neuen Stadtoberhauptes zu bitten. Sie u¨bertrugen, wie sich spa¨ter Henrigettus Feliciani ¨ bergabe der Siegelurkunde an die Bolognesen diesen ausdru¨ckte, mit der U auch die Vollmacht, ihnen einen Podesta` zu geben240. Diese heikle Mission betraf, wie die Prokuratoren Comazzo Galluzzis spa¨ter vor Gericht argumentieren sollten und wie wir am Beispiel des Guilielmus de Pusterla gesehen haben, die Ehre beider Sta¨dte und natu¨rlich die des ku¨nftigen Podesta`. Entsprechend komplex fiel diese Etappe des Berufungsverfahrens aus: Wissen wir aus normativen Quellen von den schriftgestu¨tzten Wahlverfahren zur objektivierten Findung eines geeigneten Kandidaten, so zeigen die hier untersuchten Zeugenaussagen und der Bericht des Thomas von Split weitere Kommunikationsstra¨nge. Von dem Archidiakon erfahren wir zum einen u¨ber die informellen Gespra¨che, in denen man sich u¨ber den gegenwa¨rtigen ‚Marktwert‘ in Frage kommender Kandidaten informierte, aber auch von den symbolischen Gesten, die das Verfahren begleiteten und erga¨nzten241. So nahm etwa der Podesta` von Ancona die Hand des schließlich gewa¨hlten Garganus de Arscindis und legte sie nach239 Vgl. die Liste der Podesta` von Todi bei Ceci, Potesta`. 240 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 64: dicit quod praedicti Tudertini commiserunt praedictis Bononiensibus hoc. per suas litteras sigillo dicti comunis Tuderti. 241 Im Falle der Berufung des Comazzo Galluzzi spielte in dieser Hinsicht die Parteizugeho¨rigkeit eine große Rolle. An das von den Todinern gewu¨nschte politische Profil eines Parteiga¨ngers der Kirche, das der Syndikus Rambaldus vor dem Rat von Bologna ansprach, erinnerte sich der Notar Delai Venturini aus Altedo, ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 77. Dieses Profil paßte auf Comazzo Galluzzi und sein Netzwerk. Die Galluzzi nahmen eine fu¨hrende Rolle in der guelfischen Partei der Geremei von Bologna ein und stellten aus Familientradition Berufspodesta`. Comazzos Bruder Antonio war 1266 mit anderen Rittern aus Bologna zum Heer Karls von Anjou bei Benevent gezogen. Der

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einander in die der Gesandten der ihn erbittenden Stadt242. Wie die gestes de la vassalite´, mit denen sie verwandt war, demonstrierte diese Geste ¨ ffentlichkeit der Ratsversammlung die wechin der eingeschra¨nkten O selseitig eingegangenen und einzugehenden Verpflichtungen, die bis hin zum Syndikatsprozeß reichen konnten. Ich bin auf diese Punkte im Berufungsverfahren eines Podesta` na¨her eingegangen, weil sich von ihnen her die Multifunktionalita¨t des Wappensiegels in diesem Kontext erschließt. Es beglaubigte die zu verlesenden Briefe und legitimierte die Gesandten fu¨r ihr in Bologna erfolgtes Handeln innerhalb des Berufungsverfahrens. Seine Pra¨sentation stand zudem in einer Abfolge von rituellen Gesten, aus denen allen Beteiligten Ehre erwuchs. Die Einfu¨hrung des Podestariates wird demnach eine starke Triebkraft fu¨r die Annahme und den Gebrauch eines Wappens durch die Todiner Kommune gewesen sein. Das Berufungsverfahren im Allgemeinen und die Resonanz des Auftrittes der Todiner in Bologna im Besonderen war denn auch Thema des ersten Artikels, den Jacobus von Parma 1278 seinen Zeugen vorlesen ließ. Er fragte danach, ob die Kommune Todi die Kommune Bologna um die Entsendung eines Podesta` gebeten hatte und wie diese Bitte erfolgt war. Die Antworten bezogen sich zwar alle auf die Briefe, mit denen angefragt worden war, geben aber daru¨ber hinaus ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Informationen wieder, das ihre Na¨he zum Geschehen widerspiegelt. Nur allgemein erinnerte sich der Notar Ugolinus de’ Gualinghi. Er sah die von der Kommune Todi geschickten Briefe und ho¨rte, wie sie im Rat der Kommune Bologna verlesen worden waren243. Das Wissen des Mannes von der Straße gab der beroarius Iohannes Gerardi Paltonerii wieder. Er hatte die Briefe weder gesehen noch geho¨rt und war auch nicht in den Ratssitzungen gewesen. Von ihrem Tenor wußte er aber, weil sich die Leute in Bologna o¨ffentlich davon erza¨hlten244. Der Notar Delai VenMaila¨nder Erec della Torre, der im Mai 1268 sein Amt in Bologna angetreten hatte, war erst kurz zuvor als Podesta` berufen wurden, als die Geremei nach Ka¨mpfen und Verhandlungen fu¨r den Moment die Oberhand gewonnen hatten. Er war Guelfe. Alberto Caccianemici schließlich, das Haupt der Geremei, war von Oktober 1250 bis Mai 1251 selbst Podesta` von Todi gewesen und ko¨nnte, wie die ebenfalls guelfischen Lambertini, die die Todiner ha¨ufig wa¨hlten, als Ansprechpartner und Vermittler fu¨r die Gesandten fungiert haben; Hessel, Geschichte, S. 476ff. und 499; Ceci, Potesta`, S. 312f. [92f.]; Maire Vigueur, E´chec, S. 21–26. 242 Thomae Archidiaconi Spalatensis Historia Salonitanorum pontificum atque Spalatensium. 243 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 55: Interrogatus de causa scientie respondit quia vidit litteras et audivit legi in consilio comunis Bononie missas a dicto comuni Tuderti ad dictum comune Bononie continentes id quod in dicto articulo continetur. 244 Ebenda, fol. 59: interrogatus super primo articulo dicte intentionis secundo tercio. quarto et quinto letteris sibi dixit quod credit vera esse que in ipsos continentur quia ita audivit

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turini war dagegen selbst im Rat Bolognas gewesen, vor dem die zwei Gesandten Todis, ein Notar und der Syndicus der Kommune mit Namen Rambaldus, erschienen waren. Er hatte die Rede geho¨rt, in der der Syndicus namens der Kommune Todi den anwesenden Podesta` Erec della Torre und die Kommune von Bologna gebeten hatte, seiner Stadt fu¨r ein Jahr einen tu¨chtigen und rechtschaffenen Mann, der ein Anha¨nger der Kirche sei, zu wa¨hlen245. Aus der ausfu¨hrlichsten Aussage zum ersten Artikel, die von dem Notar Henrigettus Feliciani stammt, geht hervor, daß die Rede im Wesentlichen den Inhalt der Briefe wiedergab, die die beiden Gesandten u¨berbrachten246. Daß dieser Zeuge das meiste zu berichten wußte und vor allem eine Beschreibung des Siegelbildes lieferte, ist allerdings kein Zufall. Als Familiare des neuen Podesta` hatte Henrigettus es na¨mlich kurze Zeit spa¨ter selbst in Verwahrung zu nehmen. Eine Rubrik der Todiner Kommunalstatuten von 1275, die sicherlich schon sieben Jahre zuvor in Kraft gewesen war, schrieb vor, daß der notarius impositionum et reformationum debeat retinere sigillum communis247. Henri-

Bononie dici publice per gentes et ita dicere sed ipse non interfuit consiliis nec audivit litteras nec vidit nec scit legere et ideo nescit aliter. 245 Ebenda, fol. 77: Interrogatus super primo articulo Intentionis Iacobi de Parma procuratoris nobilis viri domini Comacii de Galluciis de Bononiam. suo iuramento dicit quod eo existente in consilio comunis Bononie existente tunc potestate dicti comunis Bononie domino Herec de Laturre. venerunt ad dictum consilium duo ambaxatores comunis Tuderti. unus quorum erat syndicus dicti comunis Tuderti et alius notarius. nomen unius ipsorum videtur sibi quod vocaretur Rambaldus. nominis vero alterius non est memor. in quo consilio ille nomine Rambaldus proposuit et dixit ex parte dicti comunis Tuderti quod placeret ipsi domino potestati et comuni Bononie eligere unum probum hominem de civitate Bononie qui esset fidelis et amator ecclesie in potestatem et pro potestate dicti comunis Tuderti per unum annum annum. [sic] Interrogatus quomodo scit praedicta. respondit quia idem testis erat tunc in dicto consilio et quia audivit praedicta a dicto Rambaldo. Henrigettus Feliciani gibt, ebenda fol. 64, den Namen des Syndicus als Rambaldus Iacobi an. In dem Brief an die Kommune Bologna wird er Rambaldus Bonaventure genannt; Wu¨stenfeld, Revolution, S. 691. Bereits im Amt des syndicus, procurator, actor et nuntius specialis Communis Tuderti leistete Rambaldus Bonaventure Olise Ende Dezember 1266 fu¨r die Kommune dem Papst den Treueid; Codex Diplomaticus dominii temporalis S. Sedis 1, Nr. 317, S. 169–171. Er war auch einer der beiden Notare, die 1275 die neu erlassenen Kommunalstatuten schrieben; Statuto di Todi del 1275, II 98, S. 112f. und 129. 246 Der Brief in Form eines Notariatsinstrumentes hat sich im Todiner Register erhalten; Wu¨stenfeld, Revolution, S. 691, gibt seinen Inhalt mit Auszu¨gen wieder. 247 Statuto di Todi del 1275, I 90, S. 60. Wa¨hrend des 13. Jahrhunderts fu¨hrten die Notare der dem Podesta` unterstehenden iudices die acta comunis und nahmen wohl auch auf Anweisung die Besiegelungen vor; vgl. Statuto di Todi del 1275, I 7–8, S. 10ff. Im fru¨hen 14. Jahrhundert scheint dann eine Kanzlei entstanden zu sein, der 1367/68 Coluccio Salutati vorstand; Witt, Hercules. Zur Arbeit einer kommunalen Kanzlei des 13. Jahrhunderts siehe am Beispiel Sienas Waley, Siena, S. 60f.

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gettus Feliciani, der zuhause in Bologna kommunaler Notar ad gabellam gewesen war, hatte nach Aussage der Zeugen in der Tat in Todi als notarius ad scribendum reformationes consciliorum dicte civitatis amtiert248. Auch wenn er selbst nicht erwa¨hnt, daß er das Siegel verwahrt hatte, so du¨rfte seine gute Erinnerung daran von dieser Amtspflicht herru¨hren. Sein Erfahrungs- und Funktionswissen befa¨higte ihn demnach besonders dazu, das heraldische Zeichen zu erinnern und zu beschreiben. In bezug auf seine Rolle als Zeuge wies es seinen besonderen Sachverstand zu diesem Punkt aus. In der Argumentation der Befragung bewies das im Berufungsverfahren eingesetzte Siegel als o¨ffentliche Willensa¨ußerung der ganzen Stadtgemeinde, daß Comazzo Galluzzi auf rechtlich einwandfreiem Wege und auf Wunsch der Todiner hin ihr Stadtoberhaupt geworden war und deshalb Anspru¨che an sie stellen konnte. In einem letzten Punkt dieses Unterkapitels mo¨chte ich hervorheben, daß die dem Wissen des Notars aus Bologna zugrunde liegende Fa¨higkeit, ein Siegel zu beschreiben und in Folge auch erinnern zu ko¨nnen, zum allgemeinen Anforderungsprofil eines italienischen Notars geho¨rte. So wie sich im Berufungsverfahren des Podesta` der Zusammenhang zwischen der Wappenfu¨hrung und der Verfassung der Kommune gezeigt hat, weist die in der Quelle vorliegende Wahrnehmung des Todiner Wappenadlers auf die Ta¨tigkeit des Notars in der kommunal gepra¨gten Schriftkultur hin. Die Beschreibungen, die italienische Notare in ihren Notariatsinstrumenten von Siegeln und den auf ihnen abgebildeten Wappen geben, scheinen in ihrem Aussagewert als aus der kommunalen Schriftkultur hervorgegangene heraldische und sphragistische Quellen von der Forschung bisher kaum beachtet worden zu sein249. Dies liegt sicherlich auch an der Dominanz der Siegelurkunde in den Regionen, denen sich die Sphragistik in neuerer Zeit zugewandt hat und die zugleich auch zu 248 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 56, 63 und 66. Er hatte auch das Notariatsinstrument vom 18. Juli aufgesetzt; Wu¨stenfeld, Revolution, S. 704. Vgl. Milani, Esclusione, S. 280, 314 und 387f. 249 Siehe aber Bascape´, Sigillografia 1, S. 259f. Ders., ebenda S. 226, erwa¨hnt eine Beschreibung der Pisaner Bulle aus der Zeit Kaiser Friedrichs II. Ru¨ck, Urkunde, geht in seinem wegweisenden Aufsatz auf die von den italienischen Notaren geforderten und beherrschten Techniken des Schriftvergleichs ein. Fu¨r die pa¨pstlichen Kanzleiordnungen konstatiert er, ebenda S. 323, eine Thematisierung der signa einer Papsturkunde im fru¨heren Mittelalter und ab der Mitte des 14. Jahrhunderts. Gegenu¨ber den graphischen Symbolen betont Ru¨ck, ebenda S. 328, die „ko¨rperliche Sinnlichkeit“ des Siegels: „sein Bild mit den Apostelko¨pfen, den thronenden Ko¨nigen und Bischo¨fen, den heili¨ bten, den bewaffneten Reitern und Wappenbildern, den Lo¨wen gen Patronen und den A und Ba¨ren, den Stadtha¨usern, Tu¨rmen und Schiffen bedurfte keiner gelehrten Interpretation wie die Rota Leos IX., es war unmittelbar einleuchtend“.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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den Regionen za¨hlen, in denen das Wappenwesen besonders fru¨h Verbreitung fand250. Dabei la¨ßt auch die Art und Weise, in der die Berufsgenossen des Henrigettus Siegel beschrieben und identifizierten, die von Brigitte Miriam Bedos-Rezak herausgearbeiteten Charakteristika des mittelalterlichen Umgangs mit Zeichen erkennen. Sie folgten keinen festen For¨ hnlichkeiten. mularen und orientierten sich an A Besonders deutlich wird dies im Werk des Notars Lantelmus, der in den 1230er Jahren aus den im Archiv der Kommune Genua verwahrten Urkunden einen Registerband zusammenstellte251. Da er seinen Abschriften in der Beglaubigung eine detaillierte Beschreibung des vorgefundenen Originals beifu¨gte und darin auch erwa¨hnte, was er nicht (mehr) entziffern und identifizieren konnte, erhalten wir nicht nur eine Vorstellung von den im Besitz der Kommune befindlichen Siegelurkunden, sondern auch von ihrem Erhaltungszustand und der Wahrnehmung ihrer Siegel durch einen Notar des 13. Jahrhunderts. Dies zeigt sich besonders eindru¨cklich am Beispiel eines Briefes, den Friedrich II. am 3. Oktober 1220 im Lager vor Bologna – wo er am Folgetag Guilielmus de Pusterla empfing252 – ausfertigen ließ und der an den Markgrafen Otto von Carretto gerichtet war. Das u¨ber ein Jahrzehnt spa¨ter in Genueser Besitz gekommene Dokument sei, so schreibt Lantelmus, „mit seinem Wachssiegel besiegelt, in dem er in der Art eines Bischofs auf dem Thron sitzend, auf dem Kopf eine Krone mit einem Kreuz tragend und in der rechten Hand einen Stab mit einem Kreuz und in der linken etwas Rundes mit einem Kreuz haltend zu sehen sei, dessen Umschrift man folgendermaßen lesen kann: FRIDERICUS ROMANORUM REX ET SEMPER AUGUSTUS ET REX SICILIE“253 . 250 Frankreich, aber auch die alten Niederlande und England sind das Hauptuntersuchungsgebiet von Bedos-Rezak, Identity; Dies., Sujet; Dies., Signe; Dies., Difformitas. Anhaltspunkte dafu¨r, daß sich ein Vergleich der a¨hnlich gearteten „Notarial Cultures“ in Italien und den La¨ndern der Krone Arago´n lohnen wu¨rde, gibt Burns, Jews, bes. S. 52f. und 185f. Demnach gab es ein u¨ber das o¨ffentliche Notariat organisiertes Urkundenwesen, in dem die Siegelurkunden des Ko¨nigs oder der in ko¨niglichem Auftrag siegelnden Institutionen omnipra¨sent und zugleich herausgehobenen waren. 251 Das Beispiel ließe sich vermehren. So lassen sich die Urkunden- und Siegelbeschreibungen im ‚Liber memorie‘ von Viterbo in einigen Fa¨llen mit dem erhaltenen Original vergleichen; Liber memorie omnium privilegiorum et instrumentorum et actorum communis Viterbii, Nr. 383, S. 138f.; Ha¨germann, Urkunden, Nr. 22, S. 269–272. 252 Siehe Kapitel 1.2.2. 253 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/2, Nr. 422, S. 419: (S. T.) Ego Lantelmus, notarius sacri palatii, hoc exemplum ab autentico et originali domini Friderici, Romanorum regis semper augusti et regis Sicilie, eius cereo sigillo sigillato in quo videbatur esse quedam forma episcopi sedentis in cathedra et habentis in capite coronam cum cruce et in manu dextra tenentis quandam virgam cum cruce et in sinistra quoddam rotundum

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Der Sphragist unserer Gegenwart, der auf Kataloge von Herrschersiegeln zuru¨ckgreifen kann und in den an ihnen gewonnenen Klassifizierungskategorien denkt, wird das Siegel in erster Linie bestimmen wollen. Nachdem er es unschwer als das „zweite deutsche Ko¨nigssiegel“ identifiziert hat, mit dem die Urkunden Friedrichs in der Zeit zwischen der Aachener Ko¨nigskro¨nung und der Kaiserkro¨nung zu Rom besiegelt worden sind, wird er Lantelmus vielleicht auch Ungenauigkeit in der Wiedergabe der Siegelumschrift nachweisen, in der der Genuese die im Herrschertitel genannte Legitimationsformel des Gottesgnadentums ausgelassen hat254. Wie im Fall der oben betrachteten Aussage des Henrigettus Feliciani liegt auch hier eine Doppelu¨berlieferung von erhaltenem Siegel und zeitgeno¨ssischer Beschreibung durch einen Notar vor. Der Vergleich, den sie ermo¨glicht, zeigt, daß nicht nur der aus dem Geda¨chtnis heraus beschreibende Bolognese, sondern auch der mit dem vorliegenden Original arbeitende Genuese Fehler in der Wiedergabe der Siegelumschriften machten. Es wa¨re meiner Ansicht nach jedoch verfehlt, diesen mittelalterlichen Siegelbeschreibungen deshalb einen geringen Quellenwert zuzugestehen. Fu¨r den modernen Sphragisten, der fu¨r die von einem mittelalterlichen „Dokumentationsspezialisten“ vorgenommene Beschreibung eines gerade einmal ein Jahrzehnt alten Siegels des noch regierenden Kai¨ bereinstimmung mit seiner Interpresers moderne Pra¨zision sowie eine U tation erwartet, sind die Angaben des Lantelmus allerdings sehr u¨berraschend255. So erkannte der Notar im Siegelbild nicht den seit Jahrhunderten gebra¨uchlichen Typus der „thronenden Maiestas“ des Kaisers oder Ko¨nigs wieder, sondern beschrieb die Haltung des Kaisers durch einen aus der Sicht heutigen Kategoriedenkens ‚unzula¨ssigen‘ Vergleich mit der ihm offenbar vertrauteren forma, in der Bischo¨fe abgebildet wurden256. Des weiteren scheint er die Kreuze auf den Insignien, einschließlich des cum cruce de cuius circumscriptione tantum legi poterat „FRIDERICUS ROMANORUM REX ET SEMPER AUGUSTUS ET REX SICILIE“, sicut in eo vidi et legi transcripsi et per omnia exemplavi, nichil in eo addito vel diminuto in litterarum oratione, preter forte litteram vel sillabam, titulum seu punctum et hoc absque omni mutatione, corruptione seu diminutione dictionum ac sensus, ad quod corroborandum, iussu domini Pegoloti, predicti Ian(uensium) potestatis, propria manu subscripsi. 254 Posse, Siegel 1, Tafel 28 1, und 5, S. 28 Nr. 5. Das Siegel tra¨gt die Umschrift:  FRIDERICUS D(E)I GRA(TIA) ROMANOR(UM) REX ET SE(M)P(ER) AUGUST(US) ET REX SICIL(IE). 255 Zur Rolle des Notars siehe Keller, Schriftgebrauch, S. 19–24. 256 Vgl. zu diesem seit Otto III. gebra¨uchlichen Typus, von dem sich die im 12. Jahrhundert aufkommenden bischo¨flichen Thronsiegel ableiteten, von Brandt, Werkzeug, S. 144; Keller, Zu den Siegeln; Ders., Oddo, S. 163–189, hier S. 179ff. und 188f. In dieser forma ist beispielsweise auf fol. 108 der Pariser Handschrift der ‚Annales Ianuenses‘ der im Jahre 1188 zum Erzbischof von Genua gewa¨hlte Bonifatius in pontificali sede abge-

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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u¨ber dem Haupt des Ko¨nigs stehenden Kreuzes, mit dem die Umschrift beginnt, zueinander in Beziehung gesehen zu haben. Er hebt sie wie Orientierungspunkte in dem von ihm betrachteten Bild hervor. Damit reagierte er jedoch auf die Vorgabe seines unbekannten Zeitgenossen, der das Typar geschnitten hatte. Dieser folgte wiederum einer Darstellungstradition, wenn er die durch den Perlrand gezogene Abgrenzung an einigen Stellen durchbrach und Szepter und Krone des Ko¨nigs aus dem Bildbereich des Siegelfeldes in den Schriftbereich der Umschrift ragen ließ. Dies machte, wie mir scheint, das Siegelbild insgesamt lebendiger und hob die mehrfache Bedeutung der Kreuze als Schriftzeichen und Insignien hervor257. Anhand der von Lantelmus gegebenen Beschreibung des Siegelbildes la¨ßt sich erkennen, wie sich die Wahrnehmung des mittelalterlichen Notars von der des neuzeitlichen Media¨visten unterschied. Der Notar betrachtete das einzelne Herrschersiegel genau und hob Aspekte des Bildes hervor, deren Betonung in dessen ‚Komposition‘ angelegt war. Er beschrieb es aber nicht durch Verweise auf die Typik seiner eigenen Gat¨ hnlichkeit zu tung, sondern mittels der fu¨r ihn offenbar naheliegenderen A einem anderen Bildtypus. Dies sollte der moderne Interpret, im Unterschied zur Auslassung in der Wiedergabe der Umschrift, nicht als Defizit abtun, sondern als Alterita¨t der Wahrnehmungsmuster werten. Da die Siegel und ihre Formensprache als Medien Teil der symbolischen Kommunikation des Mittelalters waren, wird man die in diesem ausnehmend detaillierten Beispiel nachweisbare Alterita¨t der Wahrnehmung sicher auch fu¨r andere Formen dieser Kommunikation annehmen du¨rfen258. Dies betrifft die in der Kommunikation der Kommunen eingesetzten Wappenbilder, die auch noch im 13. Jahrhundert ihre verschiedenen Tra¨germedien nicht ausschließlich besetzten, sondern neben vor- und paraheraldischen Zeichen auf Fahnen oder Siegeln zu sehen waren. Forma lautet das Wort, mit dem Henrigettus und Lantelmus unabha¨ngig voneinander verschiedene Siegelbilder – ein Wappenbild und eine Maiestas – ansprachen. In anderen Transsumpten beschreibt Lantelmus denn auch andere Siegelbilbildet; Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, S. 103 mit Tafel III; Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], Tafel III, Fig. XXI. 257 Das Siegel und seine bezeugte mittelalterliche Lesart verdeutlichen als Beispiel symbolische Kommunikation im Zusammengehen von Herrscherbild und schriftlichem Herrschertitel auf einem Medium. Zu dieser wechselseitigen Durchdringung von Bild und Schrift im Mittelalter siehe Keller, Schriftgebrauch, S. 5; Spa¨th, Verflechtung; Weber – Dartmann, Rituale; zu den komplexen Aussagen von Siegeln siehe jetzt auch anhand englischer Beispiele Spa¨th, Mikroarchitektur. 258 Vgl. Keller, Schriftgebrauch, bes. S. 10 und 13f.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

der, wie den von der Kommune Genua gefu¨hrten Greifen sowie einen mo¨glicherweise heraldischen Lo¨wen und ein Reitersiegel, die die Grafen von Ventimiglia fu¨hrten259. Die Wappenbeschreibungen und -deutungen, die die italienischen Notare und die ihnen nahestehenden kommunalen Funktiona¨re geben, geho¨ren also in ein weites Umfeld der Wahrnehmung und Beschreibung von Zeichen, das sowohl von schriftlichkeitsbezogenen als auch symbolischen Techniken gepra¨gt war. Eine eigene Gattung der Rede u¨ber Wappen la¨ßt sich aus diesem Diskurs nicht herauspra¨parieren ohne dadurch nicht auch Sinn- und Handlungsbezu¨ge zu kappen, die zwar nicht heraldisch im streng genommenen Sinn der modernen Fachdisziplin sind, von denen aus aber der Umgang mit den fru¨hen Formen heraldischer Symbolik in den Kommunen erst versta¨ndlich wird. Heraldisches Wissen existierte in der Regel nicht als Selbstzweck. Dies macht zu einem wesentlichen Teil die Besonderheit der heraldischen Symbolik in den italienischen Stadtkommunen aus. Eine Spezialisierung und Monopolisierung des Diskurses durch Herolde, wie sie etwa in den westeuropa¨ischen Ko¨nigreichen seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert erfolgte, fand hier erst spa¨ter statt, ohne daß dies Einschra¨nkungen fu¨r die ‚Blu¨te‘ und Vielfalt des Wappenwesens bedeutet ha¨tte260. Ein Beispiel fu¨r die sich wandelnde Beschreibung ein und desselben Siegels im Abstand von mehr als einem Jahrhundert bietet eine Urkunde, die Ko¨nig Enzo von Torres und Gallura als italienischer Reichslegat am 2. Dezember 1242 in Novara fu¨r Citta` di Castello durch seinen Notar Leonardus de Caserta ausstellen ließ. Der Notar, der dieses besiegelte Notariatsinstrument am 27. Dezember des selben Jahres in den ‚Libro nero‘ der Kommune u¨bertrug, faßte sich in der Beschreibung seines 259 I Libri Iurium della Repubblica di Genova I/2, Nr. 420, S. 413: (S. T.) Ego Lantelmus, notarius sacri palatii, hoc exemplum ab autentico et originali consulum comunis Ianue, duobus sigillis cereis munito, quorum unum videbatur esse sigillum comunis Ianue, in quo apparebat forma cuiusdam griffi tenentis inter pedes *** et vulpem, in alio vero videbatur quedam forma unius leonis sculpta ut mihi apparebat, quorum circumscriptiones propter nimiam vetustatem legi non poterant, sicut in eo vidi et legi transcripsi et per omnia exemplavi, [...]. Vgl. ebenda, Nr. 421, S. 417, und Nr. 440, S. 462. Vom 14. September 1247 datiert das Notariatsinstrument des ro¨mischen Notars Beneintendi, der das Siegel Sienas in Worten festhielt; Il Constituto del Comune di Siena dell’anno 1262, S. CIXf.: Vidi namque et audivi et interfui, quando Ildebrandinus Hugi de Palatio, civis Senensis, dedit et representavit ex parte domini Philippi, iudicis et assessoris, et Iohannis Castillionis, camerarii et nunc vicarii domini Gerardi Lupi, Senensis Potestatiss, et eiusdem Consilii, domino Angelo Malabranche et domino Petro Anibaldi, senatoribus urbis, litteras sigillatas sigillo Senensis civitatis predicte, in quo sigillo est rocca una designata, circa quam roccam est versus, qui sic incipit: „Vos veteris Sene signum noscatis amene“; tenor quarum litterarum talis est: [...]. 260 Vgl. Kruse, Herolde; Weber, Wappen.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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angeha¨ngten Siegels kurz: es sei das des Herrn Heinrich, das das Bild des stehenden Ko¨nigs u¨ber dem eines Pferdes mit einem Turm auf dem Ru¨cken zeige261. Dagegen lieferte der Notar, der im Jahre 1368 die Originalurkunde transsumierte, eine ebenso ausfu¨hrliche wie anderslautende Beschreibung des Siegels, das traditionelle Siegelbilder mit heraldischen Bildlo¨sungen – der Turm fu¨r Turria/Torres – verbindet262. In den Siegelbeschreibungen italienischer Notare liegt ein fu¨r die Schriftkultur der italienischen Kommunen charakteristischer mittelalterlicher Quellentyp vor, auf den die Heraldik bisher kaum zuru¨ckgegriffen hat. An den hier angesprochenen Beispielen la¨ßt sich ablesen, wie u¨ber die Anforderung, Siegel zu beschreiben, Wappenbilder in das Blickfeld von Notaren gerieten. Heraldische Symbolik wurde so – vor der Zeit der Herolde als Wappen-Experten – Teil des Wissensbestandes dieser kom¨ hnlich wie im Fall der Fahnenbilder begegnen munalen Funktiona¨re. A die Wappen im Kommunikationsmedium des Siegels ebenfalls in einer ¨ berga¨ngen zwischen heraldischen und offenen Stituation mit fließenden U vor- oder paraheraldischen Zeichen und in enger Verbindung mit ihren Tra¨germedien. Genannt seien etwa die Symboltiere, wie der Greif im Siegel Genuas. Entsprechend frei im Sinne mittelalterlicher Zeichenwahrnehmung verfuhren die Notare auch in ihren Beschreibungen. Ihr heraldisches Wissen bezog sich weniger auf das isolierte Wappenbild an sich, sondern auf das Zeichen in Verbindung mit seinem Tra¨germedium und dessen Verwendungssituation. Ausgehend von seiner Rezeption wa¨hrend des 15. Jahrhunderts, die in unserem Modell der heraldischen Symbolik die dritte Bedeutungsebene darstellt, sind in diesem Kapitel verschiedene Tra¨germedien des Stadtwappens auf der zweiten Ebene betrachtet worden. Eine umfassende Erkla¨rung fu¨r die Annahme des Wappenbildes des weißen Adlers in Rot ließ sich nicht in den Quellen finden. Dieser Umstand ist allerdings kein Defizit, sondern weist Todi im Vergleich mit anderen italienischen Kommunen als repra¨sentativ aus. Am oberen Tiber, wie auch am Arno und an der 261 Schneider, Toskanische Studien, S. 140f.: sigillatum sigillo domini Henrici regis pendente, in quo quidem sigillo imprexa erat imago regis stantis super immagine equi, habentis retro formam turris. Ebenda, S. 316, mit dem Hinweis auf: Arrigo Solmi, Il sigillo di re Enzo, in: Archivio Storico Sardo 4, 1908, S. 293–305. 262 Ebenda: Hec est copia sive exemplum cuiusdam publici instrumenti scripti et publicati per manus Leonardi de Caserta notarii in quodam frusto carte pecudine, sigillati cum quodam sigillo rotundo de cera alba pendenti cum filis siricis rubei coloris, in quo quidem sigillo sculta erat quedam imago cuiusdam viri sedentis super quodam equo, armati cum scuto et ense, et etiam quedam roccha, et circumcircha ipsum sigillum erant lictere que legi non poterant propter eius vetustatem.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Riviera, versuchten die Humanisten des 15. Jahrhunderts, dem Wappenbild ihrer Stadt eine stimmige und erkla¨rende Aussage u¨ber deren Identita¨t zu geben oder es mit ihnen bekannten Zeichen zu identifizieren. Das wenige, was die mittelalterlichen Quellen u¨ber diese Wappen preisgeben, reicht jedoch aus, um diese Deutungen, wenn sie nicht gleich als Abwandlungen antiker Mythen daherkommen, als Produkte ihrer Zeit erkennen zu lassen, die allenfalls entfernte Bezu¨ge zu den Sinn- und Bedeutungsebenen etablierter heraldischer Symbolik erkennen lassen. Fu¨r die tatsa¨chliche Fru¨hzeit der Heraldik in den Kommunen besitzen sie keinen Aussagewert. Aus diesem Grunde sind spa¨ter auch die meisten Versuche der klassischen Heraldik der Moderne, Gru¨nde fu¨r die Annahme eines Wappens aus dem Zeichen selbst abzuleiten, ins Leere gelaufen, sofern der im Wappenbild ausgedru¨ckte Zusammenhang nicht evident oder anderweitig dokumentiert ist263. Warum ausgerechnet der Popolo von Siena einen Lo¨wen oder die Kommune von Todi einen Adler im Schilde fu¨hrte, wird sich meiner Ansicht nach nicht letztgu¨ltig belegen und erkla¨ren lassen264. Mo¨glicherweise stehen so ‚banale‘ Gru¨nde wie der positive Symbolwert dieser Tiere dahinter. Die ha¨ufig begegnenden Konvergenzen in der Wahl dieser Wappentiere angesichts der Herausforderung, ein vormodernes Zeichensystem zu bilden, lassen dies als wahrscheinlich erscheinen. Als man im Jahre 1292 in Prato vier societates populi bildete, benannte man sie nicht nach den ihnen jeweils zugeordneten Stadtquartieren, sondern nach dem Wappentier, das sie erhielten: Lo¨we, Ba¨r, Adler, Drache265. Nach dem gleichen Prinzip und mit den gleichen Zeichen unterschied 263 Vgl. Woodcock – Robinson, Oxford Guide, S. 12; Galbreath – Je´quier, Handbuch, S. 30ff. 264 Anders steht es hinsichtlich der Kronen, die die beiden Wappentiere trugen. Siehe Kapitel 1.2.1. Auch ein Vergleich u¨ber Konvergenzen, wie im Falle Todis mit dem Wap¨ berlegung fu¨hrt pen von Frankfurt am Main, wu¨rde letztlich nicht weiterfu¨hren. Die U allerdings vor Augen, daß ausschließlich u¨ber ‚naheliegende‘ semiotische Analogien gesuchte Erkla¨rungen, wie sie auch die Todiner Lokalhistoriker des 19. Jahrhunderts angestellt haben, in der Regel fehl gehen. 265 Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi di Prato dell’anno 1292, S. 341f. Offensichtlich unterschied man im kleinen Prato nach anderen Kriterien als im benachbarten Florenz. Dort war die Vielzahl an Gesellschaften durch das uniform getragene Wappenbild des Popolo, das auf dessen Ideale verwies, miteinander verbunden und zugleich durch Beizeichen unterscheidbar. In Prato visualisierte das figu¨rlichere Wappenbild des gesamten Popolo a¨hnliche Gedanken wie das abstrakte Kreuzzeichen von Florenz. Da es hier nur vier societates gab, neben deren Wappen stets auch das des Popolo pra¨sent war, bestand wohl keine Notwendigkeit zu einer weiteren Ausdifferenzierung des heraldischen Systems. Eine ‚Mischform‘ zwischen den beiden verschiedenen Bezeichnungsarten findet sich in der Popolobewegung Bolognas von 1274, die die a¨lteren, auf Stadtviertel aufgeteilten und meist nach Symboltieren bezeichneten Waffengesellschaften beibehielt, aus ihren Mannschaften jedoch zusa¨tzlich eine zweitausend Mann starke Socie-

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man schon seit dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts in Bologna die Waffengesellschaften oder die in der Halle des Kommunalpalastes aufgestellten Tische, an denen die iudices des amtierenden Podesta` oder Capitano als ‚Ressortchefs‘ mit ihren Notaren arbeiteten und aufzusuchen waren: So gab es einen iudex ad discum Aquile et iudex ad discum Ursii266. Auf sie trifft die Beobachtung der neueren Forschung zum mittelalterlichen Zeichenversta¨ndnis zu, daß sich Personen und Institutionen im Mittelalter bei der Annahme eines Wappens nicht nach modernen Vorstellungen von Originalita¨t richteten. Die politische Erkla¨rung der beiden kleinen Adler im Todiner Wappen, die Getulio Ceci vorgeschlagen hat, sowie die Parallele des eine Tropha¨e haltenden Adlers zu a¨hnlichen Adlerdarstellungen der spa¨teren Stauferzeit, halte ich fu¨r wahrscheinlich. Sie weisen auf die ersten Jahre des 13. Jahrhunderts hin, in denen die Kommune die Podesta`-Verfassung einfu¨hrte, andere Kommunen unterwarf und ein repra¨sentatives Bauensemble im Stadtzentrum errrichtete267. Spa¨testens in dieser Zeit des Machtzuwachses du¨rfte die Kommune ihr Wappen angenommen haben, das dann erstmals in Zeugnissen, die ein halbes Jahrhundert ju¨nger sind, belegt ist. Symbolisierte das Adlerwappen die Identita¨t Todis, so lassen sich in seinen fru¨hen Belegen verschiedene Gebrauchsformen und -funktionen ¨ ber den Medienwechsel sprach seine im Kern gleichbleibende fassen. U Botschaft verschiedene Adressaten an, denen sie durch unterschiedliche Medien in bestimmten Kontexten vermittelt wurde. In der kommunikativen Situation werden so auch verschiedene Seiten im Konzept der kommunalen Identita¨t sichtbar. Der unbewegliche Wappenstein am Kom¨ ußerung munalpalast richtete sich von oben herab als herrschaftliche A des Stadtregimentes an Akteure und Zuschauer von Symbolhandlungen innerhalb der Stadt. Das transportable Siegel dagegen, dessen Umschrift tas Crucis bildete; Hessel, Geschichte, S. 289ff., 507 und 517; Carniello, Rise, S. 328f. Ho¨chstwahrscheinlich zeigten die Fahnen der Gesellschaften die namengebenden Figuren. Vgl. auch unten Kapitel 3.6 zu der noch a¨lteren societas crusatorum Parmas von 1266 und Kapitel 4.2 zu den Gesellschaften des Petrus Martyr in den 1240er Jahren sowie zum Popolo von Florenz und Prato. 266 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 293. Vgl. mit Hinweisen auf die grundlegenden Forschungen Gina Fasolis Carniello, Rise, S. 327–330 und 340. 267 Ceci, Todi, S. 86, nennt außerdem die in einem Manuskript Leoˆnijs ohne Quellenangabe gefundene Notiz, daß der Podesta` des Jahres 1205 den Ghibellinen verboten ha¨tte, silberne Adler als Parteizeichen zu tragen, und fu¨gt mit Verweis auf die alte Archivsignatur „Arm. VIII“ hinzu, daß solche silbernen „aquilini“ auch in den Jahren von 1276 bis 1278 in Gebrauch gewesen seien. Nach Dems., Appunti, S. 362 [12], handelte es sich um ein Mandat des 1207 als Vikar Innocenz’ III. amtierenden Ranieri di Campello.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

das Wappentier als Zeichen Todis erkla¨rte, wandte sich auch an fremde Adressaten in anderen Sta¨dten. Die Annahme eines Wappens erweist sich so als konstitutiv fu¨r die durch neue Formen der Kommunikation geforderte Kommune des 13. Jahrhunderts: Todi mußte durch Herrschaftsrituale seine Dominanz u¨ber den Contado und die unterworfenen Sta¨dte behaupten. Wollte die Stadt in einer Zeit zunehmender interkommunaler Verflechtung, die in Gestalt des Parteienwesens oder der von Kaiser und Papst betriebenen Territorialisierung den Frieden und die Freiheit der Stadt bedrohen konnten, vom Netzwerk des Podestariates profitieren, mußte sie auf Dauer in Kommunikation mit anderen Kommunen treten und sich deren Standards anpassen. Als transpersonales, auf Dauer bestehendes Zeichen der Kommune legitimierte der Wappenadler in diesem Sinne die ha¨ufig wechselnden Repra¨sentanten des Stadtregimentes. Zugleich erwies sich das Wappenbild u¨ber seine mediale Form aber auch als ebenso mobil und anschlußfa¨hig, wie die professionellen politischen Funktiona¨re der kommunalen Kultur. Als Siegelbild und Wappenstein ¨ ffentlichkeitscharakter politischer Verfahren, die, signalisierte es den O wie fu¨r Bologna bezeugt, auch weitere Bevo¨lkerungskreise außerhalb der Ratssitzung zur Kenntnis nahmen, und symbolisierte zugleich die in ihnen erkennbare Ehre der Stadt. Innerhalb des Handlungsspektrums kommunaler Herrschaftspraxis, das weit u¨ber den Mauerring der eigenen Stadt ausstrahlte, etablierte sich das Wappen der Kommune in vielfa¨ltiger medialer Form. Zu dem Zeitpunkt, als die Zeugen des Comazzo Galluzzi ihre Aussagen machten, war es bereits ein fester Bestandteil der o¨ffentlichen Kommunikation der italienischen Stadtkommunen. Die multimediale Pra¨senz des Adlerwappens als Eigentums- und Herrschaftszeichen der Kommune blieb auch nach den unter pa¨pstli¨ nderungen des Stadtregimentes im 14. cher Herrschaft vorgenommenen A und 15. Jahrhundert bestehen, wie das Inventarium Rerum Palatii Dominorum Priorum von 1431 zeigt268. Dieses Inventar pra¨sentiert eine Fu¨lle von Gegensta¨nden, die in Secretario et Armario prope Altare verwahrt wurden und wie die civilia signa Tortonas unerla¨ßlich fu¨r die Praxis der Stadtherrschaft waren. Darunter waren, nach dem Altargera¨t, zuna¨chst die Typare: Unum sigillum magnum de argento cum armis Comunis. Una corniola cum armis Comunis intus in argento.

268 Pericoli, Raccolta, S. 202–204.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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Unum aliud sigillum magnum argenteum cum sculptura beati Fortunati. Unum sigillum parvum cum armis Comunis ab utroque latere. Zur Bezeichnung der insgesamt siebenundsechzig Armbru¨ste, die im Priorenpalast verwahrt wurden, enthielt der Schrank außerdem: Unum marchum ferri in quo sunt arma Comunis cum quibus marchantur et bullantur baliste Comunis que portantur per Capitanum. In einem zweiten, kleineren Schrank wurden die zu Wahlen und Abstimmungen gebrauchten Urnen verwahrt: Item duo bussole rubre cum armis Comunis cum quibus recolliguntur lupini. Zu dem alten oder in gleicher Form erneuerten Wappensiegel waren wohl in Folge der Ausdifferenzierung der Kanzleita¨tigkeit weitere Siegel mit neuem Motiv und anderen Aufgaben hinzugekommen269. Die Wahlurnen zeigen das Stadtwappen im Kontext eines weiteren politischen Verfahrens270. Machten die u¨brigen, schwarz und weiß bemalten bussole bereits a¨ußerlich die Alternativen, u¨ber die abgestimmt wurde, deutlich, so wurden die im Inventar hervorgehobenen zwei Exemplare sicherlich fu¨r geheime Wahlen eingesetzt. Ihre Farbe, die einer der Stadtfarben entsprach, sowie das auf ihnen angebrachte Wappen besaßen daher nicht die instrumentell-pragmatische Funktion der quatuor bussole, due sunt albe et due nigre. Sie du¨rften eher die Relevanz des Wahlganges fu¨r die Kommune symbolisiert haben. Schließlich zeigten sie auch die ‚ordnungsgema¨ße‘ Kontrolle der Medien durch die Kommune und damit die Legitimita¨t ihres Gebrauchs an, wie dies die in die sta¨dtischen Armbru¨ste eingeschlagene Marke mit dem kommunalen Wappen tat. Solch ein Wappengebrauch fu¨hrt in die Na¨he des mittelalterlichen Markenwesens, wie es Bartolo da Sassoferrato, der zu Beginn seiner Karriere als iudex in Todi amtiert hatte, beschrieben hat. Als Teil der im 14. und 15. Jahrhundert erkennbar zunehmenden Ausdifferenzierung im multimedialen Gebrauch und in der Deutung des Todiner Wappens wird man auch die eingangs untersuchten Lesarten der Humanisten auffassen ko¨nnen, die aus dem mittelalterlichen Wappenbild Geschichtsbilder machten.

269 Nach den gedruckten Statuten von 1551, die auf die Statutenredaktionen von 1335 und 1337 zuru¨ckgingen, hatten die Prioren die Siegel und bullecta der Kommune zu verwahren; Pericoli, Raccolta, S. 229. Nach Ceci, Appunti, S. 357 [7], tra¨gt der Adler auf den ju¨ngeren Siegeln eine Krone. Diese mu¨ßten dann, ebenda S. 364 [14], nach der um den Jahreswechsel 1468/69 erfolgten Wappenbesserung durch Kaiser Friedrich III. entstanden sein und sind demnach nicht mit den im vorliegenden Inventar genannten identisch. 270 Vgl. Weber, Wahlinstrumente.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

3.5.2 Das Familienwappen als Herrschaftszeichen des Podesta` – das heraldische Wissen des beroarius Iohannes Gerardi Paltonerii Der Notar Henrigettus Feliciani erinnerte sich, wie wir gesehen haben, genau an das Aussehen und die Umschrift des Todiner Siegels. Zum einundsechzigsten Artikel, der nach dem fragte, was die Eindringlinge alles aus dem Kommunalpalast geraubt hatten, gab er jedoch lediglich an, daß er sie ‚Schilde und eiserne Helme des genannten Podesta`‘ heraustragen sah271. Dagegen beschrieb der beroarius Iohannes Gerardi Paltonerii in seiner Antwort auf denselben Artikel die Schilde genauer: Sie seien mit Ha¨hnen bemalt gewesen, und er habe spa¨ter, nach der Plu¨nderung, gesehen, daß die Todiner sich mit diesen gestohlenen Schilden und Helmen bewaffnet ha¨tten272. Es ist bemerkenswert, daß beide Zeugen sich an die heraldische Bezeichnung der Medien erinnerten, die in ihr unmittelbares Arbeitsgebiet fielen. Wa¨hrend der Notar Henrigettus in allen Einzelheiten das Siegel der Kommune Todi beschreiben konnte, sich an die Waffen aber nur hinsichtlich ihrer materiellen Qualita¨t erinnerte, rief sich der Fußsoldat Iohannes, der nicht lesen konnte273, das Wappenbild auf den Schilden des Podesta` wieder ins Geda¨chtnis zuru¨ck, an denen er die Waffen auch in den Ha¨nden der Plu¨nderer wiedererkannt hatte. Er selbst wird sich wa¨hrend seiner Dienstzeit in Todi mit einem solchen Schild und Helm bewaffnet haben. Diese unmittelbare Relevanz des Zeichens du¨rfte erkla¨ren, warum er es in seinem Funktionsgeda¨chtnis gespeichert hatte. Daru¨ber hinaus du¨rfte das Hahnenwappen, wie wir noch sehen werden, fu¨r ihn als Bolognesen vertraut gewesen sein. Iohannes Gerardi Paltonerii aus dem Kirchspiel von Santa Caterina an der Porta Saragozza von Bologna geho¨rte zur Gruppe der dreißig beroarii, die im Juni 1268, wa¨hrend der Amtszeit des Comazzo Galluzzi, in der Renostadt angeworben worden waren, um in Todi Dienst zu tun274. Maire 271 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 73: dicit quod die praedicta conflictus et praelii dictus dominus Comaccius fuit spoliatus armis equis et rebus pluribus ad valorem trecentarum librarum Cortonensium vel id circa. Interrogatus quomodo scit praedicta. respondit. quia vidit tunc dicta die aliquos cives Tudertinos qui remanserunt intrare dictum palatium et esse in dicto palacio et exportare de eo scutos et capellos ferreos dicte potestatis sed non est memor de quantitate. 272 Ebenda, fol. 62: Interrogatus quam exirent palatium ut supra dixit et exportaverunt praedictas res et postea vidit de clipeis in brachiis eorum et in capitibus eorum de illis galeis que remanserunt in dicto palacio in quibus clipeis erant picti Ghalli quando Tudertini venerunt ad dictam ecclesiam. 273 Ebenda, fol. 59: nec scit legere et ideo nescit aliter. 274 Ebenda: Iohannes Gerardi Paltonerii de Bononia populi sancte Catarine de Saragoza.

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Vigueur nennt ihn einen homme du peuple und begru¨ndet dies mit seinem im Vergleich zu den anderen Familiaren bescheidenem Sold sowie aufgrund des Kontaktes mit dem einfachen Volk, in den ihn seine Aufgabe brachte275. Daß er außerdem in seiner Aussage angab, nicht lesen zu ko¨nnen, sollte nicht dazu verleiten, ihn als gesellschaftlich marginal einzustufen276. Stand er in der Hierarchie der familia des Podesta`, die ein Stu¨ck weit auch die soziale Hierarchie Bolognas widerspiegelte, auf einem unteren Platz, so du¨rfte Iohannes Gerardi Paltonerii in der Gruppe der beroarii eine fu¨hrende Rolle bekleidet haben und auch zuhause in Bologna zu den a¨rmeren, aber ebenfalls politisch aktiven Bu¨rgern geho¨rt haben. Im Unterschied zu einem Teil seiner Berufsgenossen, die wie Ugutius de Casalecchio aus dem Contado kamen, war er Bu¨rger von Bologna277. In den Namenslisten der Popolaren, die im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts an der Gesetzgebung der ‚Ordinamenta sacrata et sacratissima‘ sowie an der Ausu¨bung des Stadtregimentes in Bologna beteiligt waren und sich durch ihre Aufnahme in die Statutencodices erhalten haben, erscheint auch eine Familie de Paltoneriis 278. Im Wissen um die Unsicherheit solcher Zuweisungen und mit aller gebotenen Vorsicht wird man den beroarius daher vielleicht auch zu den Nachkommen des Gerardus de Paltoneriis rechnen ko¨nnen, die als in die Pflicht genommene Teilhaber der Volksregierung zeitweise neben den Pepoli oder Bentivoglio im Rat saßen279. 275 Maire Vigueur, E´chec, S. 28 und 34. 276 Erinnert sei an den zeitgleichen Diskurs um Guilielmus de Pusterla in Bologna und Mailand; siehe Kapitel 1.2.2. 277 Ugutius nennt Henrigettus Feliciani, der auch zu den beroarii angibt, ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 66: Interrogatus quomodo scit ipsos venisse de civitate Bononie et comitatu. respondit quia ipsi vel maior parte eorum erant de partibus illis et quia cognoscebat maiorem partem eorum et quia dictus dominus Iacobinus dicebat quod ipsos duxerat de civitate Bononie. et ipsi ibidem beroarii et custodes dicebant se venisse de civitate Bononie. Nach Aussage des Rimbaldus de Montegeorgio, ebenda fol. 51, kamen die beroarri de Bononia et districtu. 278 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 240 und 245, hier zu 1288 mit Nennung eines dominus Bonaguida domini Gerardi de Paltoneriis. Zu den Schwierigkeiten, mit denen die Personenforschung im Umgang mit Quellen aus den italienischen Kommunen konfrontiert ist, siehe jetzt Israel, Fremde. 279 Hessel, Geschichte, S. 271, scha¨tzt nach den kommunalen Estimi die Anzahl der zu besteuernden Herdstellen in der Stadt fu¨r die Mitte des 13. Jahrhunderts auf 11–12000, was einer ungefa¨hren Bevo¨lkerungssta¨rke von 50000 Menschen entsprochen habe. Nimmt man die Anzahl der fumantes wiederum als Richtwert fu¨r die der Bu¨rger, die die Kriterien fu¨r ein kommunales Amt erfu¨llten, und vergleicht sie mit der Anzahl ¨ mter, so zeigt sich, daß fast jeder zweite Bolognese in der ja¨hrlich zu besetzenden A einem der Ratsgremien saß oder als Funktionstra¨ger in ein spezielles Amt gewa¨hlt worden war. Die Verfassung des Popolo stellte eine politische face-to-face-society her, in

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Die fu¨r Todi angeworbenen beroarii waren alle Fußsoldaten280. Wie seine Mitbu¨rger im Alter zwischen achtzehn und siebzig Jahren, zu deren Bu¨rgerpflichten der Kriegsdienst za¨hlte, wird auch Iohannes in der im Namen des Podesta` von Bologna gefu¨hrten Matrikel der Wehrfa¨higen als peditus erfaßt worden sein. Diese Einstufung ergab sich wiederum aus der Ho¨he des Vermo¨gens, das der zu Registrierende sein eigen nannte281. Die Bolognesen des 13. Jahrhunderts hatten fu¨r die Kosten ihrer Bewaffnung selbst aufzukommen, waren jedoch nicht frei in der Wahl ihrer Bewaffnungsart. Als Popolare geho¨rte Iohannes u¨ber seine contrata automatisch einer der societates armorum et artium an, nach deren statutarisch festgelegten Normen er sich zu bewaffnen hatte. Das bedeutete unter anderem, Helme und Schilde zu gebrauchen, die mit dem Wappen der jeweiligen Gesellschaft bemalt waren282. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe der zugleich zahllose kleinere Netzwerkverbindungen, wie die zwischen den Notaren ¨ beraus der familia des Comazzo Galluzzi, bestanden. Die auf diese Weise erho¨hte U lieferungschance, sowie die Doppelu¨berlieferung zwischen den erhaltenen Matrikeln des Popolo und dem Zeugenvernehmungsprotokoll, bietet die Mo¨glichkeit, auch etwas ¨ mtern der u¨ber den Status eines Bolognesen zu erfahren, der kein Notar war. Zu den A Renostadt siehe Keller, Wahlformen; Carniello, Rise; zur Beteiligung des Volkes am Stadtregiment Keller, „Kommune“. 280 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 51: et dixit Interrogatus quod erant pedes dicti beroarii et non eques (Aussage des Rimbaldus de Montegeorgio seu Cucciano). 281 Hessel, Geschichte, S. 274f. Zu den Bu¨rgerpflichten in Bologna, bezogen auf die radikale politische Maßnahme der Ho¨rigenbefreiung in den Jahren 1256/57, siehe Keller, Aufhebung. 282 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 5f., nach den nur in Einzelstatuten erhaltenen Statuten des Popolo, die wa¨hrend des zweiten Viertels des 13. Jahrhunderts erlassen worden waren. Statuti delle societa` del Popolo di Bologna 2, S. 513f., aus den Statuten des Popolo von 1248: XXIII. De insignis et armis societatum habendis. Statuimus quod quilibet, qui est vel erit de societatibus Armorum, teneatur habere omnia arma et insignia sue societatis, tam illi qui erunt pedites, quam illi qui erunt equites, tam in sellis, quam in clipeis et elmis: et ea semper ut alii socii portent in exercitu et cavalcatis, vel etiam in civitate, si necesse fuerit: equos intelligimus impositos pro communi. Zu einem spa¨teren Zeitpunkt erlassene Statuten erga¨nzen das Bild. So wurde im Jahre 1295 den Fußsoldaten, die fu¨r Sondereinsa¨tze im Contado abzustellen waren, vorgeschrieben, ebenda S. 305, portando quilibet ipsorum peditum insignia societatis de qua fuerit super tavolacio seu scuto. Zu den arma deffensibilia, von denen Helm und Schild als Wappentra¨ger hier angesprochen sind, za¨hlen nach einem Statut von 1285, ebenda S. 99f., unter anderem Panzer und Koller, Arm- und Beinschienen, Eisenhandschuhe und Hirnhauben. Die Statuten vom August 1293, ebenda S. 265, sprechen geradezu vom der Norm entsprechenden chasetum comunalis. Die Alltagspra¨senz der statutarischen Normen fu¨r solche Waren bezeugen auch die Emendatoren der Parmeser Statuten, die den Juristen ihrer Stadt vorschrieben, nur den Stoff fu¨r ihre Tracht zu kaufen, qui vulgariter vocatur pannus de statuto; von Hu¨lsen-Esch, Gelehrte, S. 87f. Ein miles des Bologneser Popolo sollte nach den Statuten vom August 1293, Statuti delle societa` del Popolo di Bologna 2, S. 259, scutum vel tarc¸am vel tabola-

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anzunehmen, daß die dreißig pedites in gleicher Weise einheitlich bewaffnet waren und Defensivwaffen trugen, die mit demselben Wappen bemalt waren. Auch wenn diese Art der Bewaffnung nicht ausschließlich auf die Truppen der italienischen Stadtkommunen beschra¨nkt war, scheint sie doch ein Charakteristikum fu¨r sie gewesen zu sein. Erkennbar wird dies auch in der theoretischen Literatur der Zeit. So stu¨tzte sich der Verfasser des gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Oberitalien entstandenen ‚Pulcher tractatus de materia belli‘ u¨ber weite Strecken auf Vegetius, arbeitete jedoch dessen Kapitel u¨ber die signa des Heeres vollsta¨ndig um. Aus dem Schlachtruf triumphus imperatoris der spa¨tantiken Vorlage machte er potestas! Zu diesem signum vocalis fu¨gt er als weiteres commune signum das heraldische Zeichen hinzu, das auf dem vexillum commune, der Heerfahne, zu sehen sei und auf den Helmen, Ru¨stungen und Schilden getragen werde283. Wie sich den zu diesem Thema ausfu¨hrlichen Statuten der Kommune und des Popolo entnehmen la¨ßt, war das o¨ffentliche Tragen von Defensiv- und Offensivwaffen in Bologna, das schon seit dem dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts durch den Popolo mitregiert wurde, streng reglementiert. Der Bolognese Comazzo Galluzzi reagierte in Todi mit a¨hnlichen Maßnahmen auf die ihm nicht verborgen gebliebenen Kampfvorbereitungen der Guelfen und Ghibellinen. Er ließ noch an dem Tag, an dem der Bu¨rgerkrieg ausbrach, in der Stadt ausrufen, daß das Tragen von cium magnum unius pedis et dimidi ad minus besitzen. In der Renostadt wurden die um 1230 entstandenen zwanzig Waffengesellschaften denn auch nach ihren Wappenbildern benannt. Es gab unter anderem den Leoparden, den Stern, den Drachen, die Schlu¨ssel, den Adler, das Schwert, den Lo¨wen, den Greif und die Balzana. Eine vollsta¨ndige Liste mit Zuordnung zu den Quartieren – je fu¨nf auf ein Viertel, was, a¨hnlich wie in anderen kommunalen Wehrordnungen fu¨r eine durchdachte, auf politischem Wege herbeigefu¨hrte gleichzeitige Entstehung spricht – gibt Hessel, Geschichte, S. 289f. Vgl. ausfu¨hrlich zur Bewaffnung von Bolognesen des 13. Jahrhunderts Breveglieri, Armamento. Zu dem typischen, auch fu¨r die Bologneser Waffengesellschaften gewa¨hlten Unterscheidungssystem u¨ber Wappen- beziehungsweise Symboltiere, siehe oben sowie Kapitel 4. 283 Pichler (Hg.), Der pulcher tractatus, Nr. 30: De signis habendis in bello, S. 60f.: Aliud est commune signum, ut omnes videlicet habeant, quid commune depictum vel consutum super clipeo, galea, lancea vel armatura exteriori, quo quidem amicus ab inimicus discernitur. Suntque alia signa, quibus datur intelligi, quod aliqui properent vel quod non properent aut quod ab hac parte vel ab alia succurrant; qualia quidem sunt signa, que fiunt cornu, buccina, tuba et huiusmodi. Sunt etiam alia signa, ut vexilla et signa, que in vexillis sunt, ut aquile, leones et huiusmodi. Sed inter hec est vexillum commune, quod totus exercitus comitatur. Quod quidem, ut inexpugnabile reddatur et fixum, a Lumbardis solet super quadriga munitissima coaptari, precipue quando per pedites campestre bellum debet fieri. [...] Et tunc, cum in ipso tumultu vox ducentis et gubernantis exercitum audiri non possit, tunc signa reliqua omnes imitentur, scilicet ea, que per vexilla et que per tubas, uncina et cornua fiunt.

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Waffen verboten sei284. Ein spa¨teres, im August 1293 erlassenes Statut aus Bologna beschrieb die dort verbotenen Angriffswaffen und trug dem Podesta` auf, deren Abbilder an die unteren Fassaden der kommunalen Geba¨ude um die Piazza Maggiore malen zu lassen285. Diese Maßnahme, durch die sich auch die Leseunkundigen und diejenigen, die die o¨ffentliche Ausrufung des Statuts verpaßt hatten, nicht mehr durch Unkenntnis entschuldigen konnten, erfolgte lange nach den Jahren, in denen Iohannes ¨ berlieferung greifbar wird. Dennoch scheint Gerardi Paltonerii in der U mir die Vorstellung der durch naturgetreue Waffen-Bilder vorgeschriebenen Ordnung des o¨ffentlichen Raumes der Stadt auf das Funktionsgeda¨chtnis und Erfahrungswissen des leseunkundigen beroarius zu verweisen, das sicherlich von solchen Regelungen gepra¨gt worden war. Nicht nur das Tragen, sondern auch die heraldische Bemalung der Waffen unterlag bereits in der Zeit des Iohannes der Kontrolle. Fu¨r die beroarii der Kommune Bologna, die in den Orten des Contado ta¨tig waren, bestand spa¨testens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts eine Kontrollpflicht der auf den Defensivwaffen getragenen Wappenbilder durch die Kommune286. In der rechtlichen Argumentation des Prozesses lieferte die Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii einen Beweis fu¨r die spoliatio palatii durch die Todiner. Der Hahn, mit dem mehrere Schilde aus der Ausru¨stung des Podesta` bemalt gewesen waren, war das Wappentier der Gal-

284 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 83: idem dominus Comacius potestas fecit praeconic¸ari dicta die dicti conflictus ante ipsum conflictum per dictos praecones superius nominatos per dictam civitatem quod nullus de dicta civitate teneret in domo sua aliquem forensem vel aliquem hominem armatum qui non esset de sua familia. Et quod quilibet deberet deponere arma et ipsa deportare non deberet per civitatem. et quod nullus deberet facere vel recipere guarnimenta sub certa pena. (Aussage des Delai Venturini aus Altedo). 285 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 265: Et dominus potestas qui nunc est et pro tempore fuerit, habere debeat formam dictorum stochiti et cultelli et stochi artorum et pancerie sive chaseti ut videre et examinare possit si qui reperirentur dicta arma portare contra dictam formam. Et teneatur facere pingi arma predicta in quolibet chapite palac¸ii veteris communis Bononie a latere inferiori et in casis aringherie versus plateam communis Bononie et in turri Asinellorum. Vgl. Paul, Kommunalpala¨ste, S. 126–130. Die Verordnung u¨ber die Waffenbilder weckt Assoziationen an die bekannte Sacchetti-Anekdote u¨ber Giotto; Franco Sacchetti, Il ¨ hnlich wie in Trecentonovelle, Novella 63, S. 181–183; dazu Weber, Formation, S. 53f. A den Beschreibungen der Siegelbilder durch Notare ist in den Statuten an der hier zitierten Stelle auch von der forma die Rede. 286 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 8: De insignis et armaturis hominum confinyum et beroariorum. Statuimus quod anc¸iani dent operam quod in Castro Franco et in aliis terris confinyum non debeant homines ipsarum terrarum et locorum habere vel portare alia insignia de armaturis, nisi illa que sunt eis concessa et designata per commune Bononie, et idem fiat in beroeriis.

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luzzi287. Das Familienwappen wurde also als Eigentumszeichen angesprochen, mit dem die Waffen markiert waren, die der Podesta` bezahlt hatte. Comazzo Galluzzi hatte na¨mlich fu¨r die umfangreiche Ausru¨stung und Versorgung seiner familia selbst aufkommen mu¨ssen288. Die Waffenkammer, Vorratsra¨ume und Stallungen des von ihm bewohnten Kommunalpalastes hatten die Todiner wa¨hrend des Aufruhrs geplu¨ndert289. 287 Vgl. Breveglieri, Note; Maire Vigueur, E´chec, S. 31. 288 Dies entsprach dem Statutarrecht der Kommune, nach dem der Podesta` in seinem Amtseid auch schwo¨ren mußte, die eigene Lebenshaltung und die seiner familia auf seine Kosten zu bestreiten und das, was beno¨tigt wurde, in der Stadt oder dem Contado von Todi zu kaufen; Statuto di Todi del 1275, I 1, S. 1–5. Daher folgte die Szene, die der Notar Delai Venturini von Altedo am Tag nach dem Aufruhr in der Kirche San Fortunato beobachtet hatte, der rechtlichen Verpflichtung, die Comazzo Galluzzi o¨ffentlich beschworen hatte. Ein Todiner suchte na¨mlich den entmachteten Podesta` auf und gab an, einem seiner Familiaren eine Ru¨stung verkauft, diesem die Zahlung jedoch zuna¨chst erlassen zu haben. Nun verlangte er, angesichts der vera¨nderten Situation und ohne Aussicht auf eine geordnete Abrechnung, sofort die fa¨llige Summe. Auch war er nicht bereit, seinen Schuldner zuvor zu identifizieren, sondern nahm den Podesta` gleich selbst in die Pflicht; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 86: Insuper dicit quod dicto domino Comacio existente ad dictam ecclesiam sancti Fortunati venit quidam de Tuderto nomen cuius ignorat et dixit eidem quod unus ex familiaribus suis acceperat sibi unam panc¸eriam quam expediebat ut ipsam ipse sibi emendaret. Et idem dominus Comacius respondit eidem ostende michi illum meum familiarem et ego faciam tibi restitui. Et ille tunc dixit expedit quod tu ipse michi emendes. et sic emendavit eidem eo quod timuit ne impediretur de persona. libras. vj. et dimidium Cortonensium. et hec scit quia ipse testis fuit praesens praedictis et hoc fuit die sequenti dicti conflictus ut sibi videtur recordari. 289 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 62: et dixit quod ipse scit res quas dominus Comaccius amisit in dicto palacio quasi quod bene valebant CCC. libras et ultra et CCCC. libras et ultra sicut credit Interrogatus quas res amisit respondit quod amisit bene .xl. corbes vini quod venerat de Spoleto et speltam satis sed nescit quanta erat in mensura et farinam nescit quantam in mensura et panem et unam mulam et unum equum pancerias et coretios et alios pannos et alia que nescit et per ipsos civitas facta fuit praedicta spoliatio ut dictum est supra. (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii) Ebenda fol. 85f.: Super sexagesimo primo articulo dicte intentionis sibi lecto interrogatus. dicit quod tempore dicti conflictus dictus dominus Comacius fuit spoliatus armis et equis et rebus pluribus ad valorem. CCl. librarum Cortonensium. Interrogatus quomodo scit. respondit quia post dictum conflictum vidit unum equum pili baii ut credit et balc¸anum equitari per unum hominem de Tuderto cuius nomen non est memor qui fuerat acceptus dicto domino Comacio. Interrogatus si fuit spoliatus aliis equis. respondit sic una mula. Interrogatus a quo. respondit quod ignorat. Interrogatus de quibus armis fuit spoliatus. respondit. de una panc¸eriam seu cassecto ferreo et clipeis et elmis. Interrogatus de quibus aliis rebus fuit expoliatus. respondit de. lx. salmis vino ut audivit spoleti a familiaribus dicti potestatis. et de farma scilicet de una salma. Et de spelta. tamen de quantitate dicit se ignorare. et de una sua guarnacia seu guarnatione coloris persi. Et dicit quod praedicta erant. et idem dominus Comacius ea habebat in palatio dicti comunis tam desuper quam desubtus excepto dicto equo qui erat tunc ligatus ut sibi videtur ad palacium dicti potestatis. [gestrichen: potestatis]. Interrogatus quot [gestrichen: erant] fuerunt dicti clippei et elmi sibi accepti. respondit quod non recordatur. Interrogatus quando fuit ex mense spoliatus. respondit die dicti

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Die Zeugenaussagen von 1278, die detaillierte Angaben zu den geraubten Besta¨nden machten, stu¨tzten nun die Anspru¨che des Bolognesen auf die Auszahlung einer Entscha¨digung fu¨r die erlittenen Verluste. Daru¨ber hinaus za¨hlten die Waffen und Vorra¨te auch zu den Indizien, die bewiesen, daß Comazzo Galluzzi die Stadtherrschaft tatsa¨chlich ausgeu¨bt hatte. Diese Verortung der Information, die wir dem beroarius verdanken, macht jedoch nur einen Teil ihres Aussagewertes aus. Aus einer anderen Quelle, dem Dienstvertrag eines der mit dem spa¨teren Zeugen dienenden beroarii, wissen wir, daß nicht nur die Schilde, sondern auch Helme und Waffenro¨cke das Familienwappen des Podesta` trugen und daß diese Defensivwaffen von den beroarii getragen wurden. Mit der u¨ber die Waffen und Wappen hergestellten Uniformita¨t dieser Truppe ist ein ganzer Komplex heraldischer Symbolik angesprochen, zu dem sich weitere Fragen stellen. Anhand eines a¨hnlichen Beispiels, der Kompagnien des Sieneser Popolo, habe ich in der Einleitung ein in drei Ebenen unterscheidbares Deutungsschema heraldischer Symbolik entwickelt. Folgt man diesem Schema, so gelten die ersten Fragen dem Wappen selbst. Welche Bedeutung hatte das Familienwappen der Galluzzi im Jahre 1268? Was la¨ßt sich u¨ber seine Entstehung sagen? Die darnach zu stellenden Fragen betreffen den in der Quelle genannten Sitz im Leben des Wappens. Wie wir gesehen haben, geho¨rte die uniforme, heraldisch bezeichnete Ausru¨stung der kommunalen Milizen zur Lebenswelt des Zeugen. Daß er sich leichter als ein Notar an ein Detail, wie das Wappenbild auf den Schilden, erinnerte, mag an dem mit seinem Beruf verbundenen Funktions- und Erfahrungswissen zusammenha¨ngen290. Doch wieso trugen kommunale Funktionstra¨ger ein Familienwappen? Nach den rechts- und verfassungsgeschichtlichen Kategorien der Moderne erscheint es ziemlich unpassend, daß in einem nicht-monarchischem Herrschaftsverband einem privatrechtlich relevanten Zeichen o¨ffentlich-staatliche Funktionen zugeordnet werden. Daß der in den Quellen aufscheinende Sachverhalt mit diesen Kategorien offensichtlich nicht faßbar ist, weist nicht nur auf seine mittelalterliche

conflictus dicto conflictu existente et post dictum conflictum. Interrogatus de nominibus illorum qui spoliaverunt ipsum dominum Comacium de praedictis. vel aliquo ex praedictis. respondit quod fuerunt Tudertini sed ipsorum nomina ignorat. Interrogatus. quomodo scit quod dicte res de quibus fuit expoliatus fuissent valoris. CCl. Librarum Cortonensium ut supra dixit. respondit quia sic ipsi testi visum fuit et quia ipsas res infra se examinavit tanti valoris esse. (Aussage des Delai Venturini von Altedo). Nach Rimbaldus de Montegeorgio, ebenda fol. 53, geho¨rten clipeos et galeas et lanceas zur geraubten Ausru¨stung. 290 Das Wappen der Galluzzi besaß zudem fu¨r einen Bolognesen eine gro¨ßere Relevanz und Alltagspra¨senz als andere Zeichen.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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Alterita¨t hin, sondern legt auch nahe, in ihm eine Besonderheit kommunaler Staatlichkeit und Herrschaftspra¨sentation zu vermuten. Wie la¨ßt er sich aber mit der von den Kommunalstatuten geforderten Unintegriertheit des Podesta` vereinbaren? Auch in Todi mußte der Podesta` mit seinem Amtseid schwo¨ren, zu vorgeschriebenen Zeiten o¨ffentlich zu sprechen zu sein, daru¨ber hinaus aber weder Tischgemeinschaft mit einem Todiner zu haben, noch irgendetwas anzunehmen oder sich in sonst einer Form jemandem zu verpflichten291. Offenbar scheint diese Herausnahme aus sozialen oder politischen Bindungen den Gebrauch des eigenen Familienwappens im Rahmen kommunaler Herrschaftsausu¨bung nicht eingeschra¨nkt zu haben, sondern sich sogar als u¨bliche Praxis im Einklang mit Ordnungsvorstellungen befunden zu haben. Es scheint die Vorstellungen von der Neutralita¨t des Stadtoberhauptes nicht verletzt, sondern ihnen ¨ berlieferungssituation entsprochen zu haben. Gibt uns die besondere U hier einen Einblick auf die heraldische Symbolik des Podestariates, die ansonsten nicht von der kommunalen Schriftlichkeit erfaßt wurde? Und wenn dies eine verbreitete heraldische Praktik war, was sagt sie dann u¨ber die Institutionen des Podestariates und der beroarii aus? Was bedeutete es fu¨r Comazzo Galluzzi, sein Familienwappen als Podesta` zu fu¨hren? Was bedeutete es fu¨r Iohannes Gerardi Paltonerii? Wie nahmen die Todiner das wahrscheinlich wahr? Was waren die pragmatisch-instrumentellen, was die symbolischen, politischen oder ideologischen Voraussetzungen dafu¨r, Defensivwaffen mit dem Familienwappen eines auswa¨rtigen Podesta` zu bemalen? Die dritte Bedeutungsebene fassen wir schließlich in den Strukturen des Zeugenvernehmungsprotokolls. In der Annahme ihres Wappens und in seinem Gebrauch als Standeszeichen verhielten sich die Galluzzi in geradezu idealtypischer Weise wie die anderen Familien der kommunalen Fu¨hrungsschichten, aus denen Podesta` kamen und die seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts redende, auf den transpersonalen Familiennamen verweisende Familienwappen zu fu¨hren begannen292. Im Falle der Bologneser Familie, die bereits in der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts Konsuln in ihrer Heimatstadt stellte, ging der Name auf Comazzos Großvater Albertus, genannt Gallus, zuru¨ck293. Demnach mu¨ßte die Annahme des redenden Wappens, spa¨testens durch die So¨hne Albertos, die nun Galluzzi hießen, erst zu Beginn 291 Statuto di Todi del 1275, I 1, S. 1–5. 292 Zum Aufkommen von Familiennamen in den gesellschaftlichen Eliten der Romagna wa¨hrend der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts siehe Larner, Lords, S. 20. Vgl. am Beispiel der Della Scala und der Da Carrara Weber, Formation; Ders., Exempla. 293 Zur Familiengeschichte der Galluzzi siehe Tamba, Galluzzi, Antonio (Antoniolo); Milani, Galluzzi, Comazzo (Comacio); Breveglieri, Note. Eine interessante Paral-

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des 13. Jahrhunderts erfolgt sein. Mit Gerardus Rolandini, dem Sohn des zwischen 1174 und 1189 amtierenden Konsuls Rolandinus Petri de Henrico, und Altersgenossen – vielleicht einem Bruder? – des Albertus Gallus beginnt die Familientradition der Ausu¨bung auswa¨rtiger Podestariate. Gerardus amtierte erstmalig im Jahre 1202, letztmalig im Jahre 1222 als Podesta`294. Vielleicht kann man in der Teilnahme an der mit dieser Herrschaftsta¨tigkeit verbundenen Kommunikation, sowie in der im gleichen Zeitraum erfolgenden Positionierung innerhalb der gesellschaftlichen Eliten Bolognas Motive fu¨r die Annahme des Familienwappens sehen. Die Galluzzi geho¨rten zur cappella – wie in Bologna die auch als administrative Einheiten durch die Kommune genutzten Kirchspiele hießen295 – von Sant’ Ambrogio im Quartier der Porta San Procolo. Von der Machtposition des Familienverbandes in der Stadt am Reno zeugt die in den Zeugenaussagen erwa¨hnte corte dei Galluzzi, ein befestigter Ha¨userkomplex im Stadtzentrum, an den heute noch der Name der Kirche Santa Maria Rotonda dei Galluzzi und ein stehengebliebener Geschlechterturm, die torre dei Galluzzi, erinnern296. Hier hatte Comazzo die Nachricht von seiner Wahl entgegengenommen und hier hatten sein Vater Gherardo di Alberto und der iudex Iacobinus de Lobia die dreißig beroarii angeworben297. Zur Partei der Guelfen za¨hlend, hatten Albertos Nachkommen die erfolgreiche Expedition Karls von Anjou unterstu¨tzt298. Der anonyme

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lele findet sich in der Familiengeschichte der Orsini, die ihren redenden Familiennamen auf Orso di Bobone, einen Zeitgenossen des Albertus Gallus, zuru¨ckfu¨hrten, allerdings kein redendes Wappen annahmen. Vgl. Venditelli, Orsini. Vgl. Maire Vigueur, E´chec, S. 24ff. Hessel, Geschichte, S. 272. Die Lage beschreibt Henrigettus Feliciani, ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 65: Et dominus Comacius praedictus dictam electionem acceptavit dicto teste praesente in curia Galluciorum de Bononia. posita prope domum olim domini Castellani de andalo et prope curiam sancti ambrosii. Hessel, Geschichte, S. 467, bringt den Turmbau in Verbindung mit den Bologneser Parteika¨mpfen des Jahres 1259, in denen die Galluzzi die Geremei anfu¨hrten. Die Aussage ist somit auch eine Quelle fu¨r die Geschichte des zu diesem Zeitpunkt an der Spitze der Lambertazzi stehenden Magnatengeschlechtes der Andalo, das bedeutende Berufspodesta` und Senatoren von Rom stellte. Vgl. Hessel, ebenda, S. 459–469 und 499–505, der, S. 460, in der Art und Weise, in der der Rat von Bologna 1252 auf Bitten einer ro¨mischen Gesandtschaft Brancaleone de Andalo zum Kandidaten fu¨r das Senatorenamt auswa¨hlte, Parallelen zu den Podesta`wahlen fu¨r Todi sieht. Brancaleones Onkel Castellano, dessen Haus Henrigettus erwa¨hnt, folgte ihm 1258 im Amt des ro¨mischen Senators nach. Sein Sturz im Folgejahr und das infolgedessen u¨ber die Renostadt verha¨ngte Interdikt lo¨sten die genannten Parteika¨mpfe aus. Castellano, der die Lambertazzi von 1272 bis zur Verteibung von 1274 anfu¨hrte, verstarb 1276. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 60 und 64f. Hessel, Geschichte, S. 476.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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Dichter des ‚Serventese dei Lambertazzi e dei Geremei‘ nennt denn auch die Galuci an dritter Stelle unter den Parteifu¨hrern der Geremei, die 1274 die ghibellinischen Lambertazzi erstmals aus Bologna vertrieben299. 1282 stufte die Popolo-Kommune einige Mitglieder des Clans als Magnaten ein. Den hohen Status der Familie belegen die Beisetzungsfeierlichkeiten fu¨r Comazzos Bruder Antonio am 8. Juli 1303, die, fu¨r Bologna erstmalig, nach einem von der Kommune gestatteten ritterlichen Zeremoniell erfolgten: der Leichnam wurde in San Domenico unter Fahnen von schwarzer und gelber Seide aufgebahrt und Antonios So¨hne Comazo und Ugolino wurden kurz darauf zu seinen Ehren zu Rittern gemacht300. Das Familienwappen des Podesta`, so la¨ßt sich an dieser Stelle zusammenfassen, signalisierte also seine hochwertige soziale und politische Identita¨t, die ihn zur Ausu¨bung seines Amtes befa¨higte. Auch angesichts der Anforderungen, die ein auswa¨rtiger Podesta` als Heerfu¨hrer, Richter und Friedensstifter in der Stadt mitbringen mußte, war es versta¨ndlich, daß er wa¨hrend seiner Amtszeit sein eigenes Wappen perso¨nlich fu¨hrte. Dies scheint, worauf weitere Belege hindeuten, wa¨hrend des ganzen italienischen Mittelalters eine ga¨ngige Praxis gewesen zu sein. Auch wenn sein Hagiograph dies nicht erwa¨hnt, so wird man sich vielleicht schon den Schild des 1199 erschlagenen Podesta` Pietro Parenzi, der seitdem u¨ber dessen Grablege im Dom von Orvieto hing, als Wappenschild vorstellen ko¨nnen301. Das Fortbestehen dieser Praxis der Wappenfu¨hrung in der Zeit um 1400 bezeugt der Florentiner Novellist Franco Sacchetti, der von einem Mitbu¨rger aus der Familie der Bardi erza¨hlt, der sich anla¨ßlich seiner Berufung zum Podesta` von Padua eine ritterma¨ßige Ausru¨stung mit seinem Familienwappen anfertigen ließ, um das Amt u¨berhaupt antreten zu ko¨nnen302. Einen Sonderfall stellt der Gebrauch des Caetani-Wappens 1296/97 in Todi dar, in dem zwei For299 Serventese dei Lambertazzi e dei Geremei, S. 856, V. 226. 300 Tamba, Galluzzi, Antonio (Antoniolo), S. 756. Auch der miles Ugolino fand seine letzte Ruhesta¨tte in der Kirche der Predigerbru¨der, der die Galluzzi verbunden blieben; Breveglieri, Note S. 119. Zu den aus solchen Anfa¨ngen hervorgegangenen ‚Staatsbegra¨bnissen‘ des spa¨ten 14. Jahrhunderts, bei denen im Rahmen einer Semiotik des Ritterlichen Wappen und Fahnen gezeigt wurden, siehe Strocchia, Death and Ritual, bes. S. 59–82 und 133f., zur Beisetzung des Florentiner Gonfaloniere Matteo Castellani im Jahre 1429, in deren rituellem Verlauf Castellanis minderja¨hriger Sohn von Magistraten der Kommune und der Parte Guelfa zum Ritter gemacht wurde; einen Monat spa¨ter wurde er im Kommunalpalast mit dem Banner seines Vaters investiert: „In this way, Matteo Castellani – father, knight, and statesman – was ‚remade‘ in the figure of his son.“ 301 Siehe Kapitel 3.1. 302 Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 150, S. 472–475. Vgl. Weber, Sprache, S. 528f.

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men kommunaler Herrschaftsrepra¨sentation mittels heraldischer Symbolik zusammenfielen: das Familienwappen des nominellen Podesta` war zugleich das Wappen der Partei, die unter Berufung auf den Papst die Stadt beherrschte303. Wie im Falle der Anfa¨nge territorialer Expansion durch die Kommunen, so verbindet sich auch das Aufkommen des auswa¨rtigen BerufsPodestariates im ausgehenden 12. und beginnenden 13. Jahrhundert mit einer gleichzeitigen Entwicklung zur Wappenfu¨hrung in einem spezifisch kommunalen Kontext: die Podesta` agierten in ihren Rollen als Heerfu¨hrer und rectores der Stadtgemeinden mit demonstrativer Zurschaustellung des eigenen Familienwappens. Den rasanten, sich in der ‚internationalen‘ ¨ bergang von einer vorheralritterlich-ho¨fischen Kultur vollziehenden U dischen Ru¨stung u¨ber erste Wappenbilder, wie sie Schild und Helm des Grafen von Anjou, Gottfried Plantageneˆt, auf dessen emaillierter Grabplatte in Le Mans zeigen, bis hin zum Ritter, dessen umfangreiche Ausru¨stung, wie auf spa¨tmittelalterlichen Reitersiegeln zu sehen, fast ga¨nzlich zum Tra¨ger seines Wappenbildes geworden war, machten auch die Podesta` mit, zu deren Qualifikationen es geho¨rte, von Adel zu sein und dem Ritterstand anzugeho¨ren304. Die Mo¨glichkeit, diese interdependente Entwicklung im Bild zu verfolgen, bieten die farbigen Miniaturen in der im Auftrag der Kommune angelegten Handschrift der ‚Annales Ianuenses‘, die sich als Ms. lat. 10136 in der Bibliothe`que Nationale de France zu Paris befindet305. Die fraglichen Abbildungen auf den Bla¨ttern 109–114 stammen aus dem Teil der „Jahrbu¨cher“, den Otobonus Scriba zwischen 1189 und 1196 schrieb und der sich durch seine prachtvolle Ausstattung von den vorausgegangenen und den nachfolgenden Passagen des Geschichtswerkes unterscheidet. Eine weitere Miniatur auf Blatt 141 zum Eintrag auf das Jahr 1227, die an diese Podesta`-Darstellungen anknu¨pft, wird ebenfalls in die Untersuchung miteinbezogen306.

303 Siehe unten Kapitel 3.7. Wahrscheinlich zeigten die beiden Podesta`, die 1297 im Namen des Papstes regierten, ebenfalls ihre Familienwappen in Todi. 304 Vgl. aus der Vielzahl an Darstellungen Galbreath – Je´quier, Handbuch, S. 17–39; Pastoureau, Traite´, S. 26–44. Zu Italien siehe Keller, Adel. Zu Gottfried siehe zuletzt Ja¨ckel, Herrscher, S. 91–95, mit Abb. 7. ¨ berlegungen stelle ich selbstversta¨ndlich eingedenk der Vorausset305 Die folgenden U zung an, daß es sich bei diesen mittelalterlichen Illustrationen nicht um photographisch getreue Belege aus der Wirklichkeit, sondern um Bilder handelt, deren Sprache eigenen Gesetzlichkeiten folgt; vgl. Weber, Sprache, S. 545. 306 Die Reihe ließe sich unter Hinzuziehung weiterer Quellen vermehren. Eine vergleichende Untersuchung der von Podesta` im Amt gefu¨hrten Wappen in Darstellungen

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Einige dieser Podesta`-Bilder, wie das zuletzt genannte des Lucchesen Lazarius Gerardini Glandonis oder das des im Jahre 1195 amtierenden Maila¨nders Iacobus Manerius, stehen fu¨r sich307. Ihre nach den Maßsta¨ben der Zeit idealtypische Darstellung hat Denkmal-Charakter. Sie soll an die Person erinnern, deren Amtsfu¨hrung oder Amtsjahr herausragend war und Erinnerungswert besaß308. Wie die Stadtoberha¨upter auf den meisten anderen Bildern zu Geschehnissen des 12. Jahrhunderts, so tra¨gt auch Iacobus Manerius einen roten, mit Pelz gefu¨tterten Mantel309. In der Hand ha¨lt er eine Keule, die einem Morgenstern a¨hnelt, und die mit den Streitkolben seiner Kollegen auf den anderen Bildern korrespondiert. Offenbar handelt es sich bei der Waffe um ein Wu¨rdezeichen und Zeichen der Befehlsgewalt, das sich in den spa¨teren Amtssta¨ben und Streitkolben spa¨tmittelalterlicher Podesta` und Condottieri fortsetzte310. Zweiunddrei-

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ihrer Zeit scheint meines Wissens noch nicht zu existieren. Hingewiesen sei auf die Darstellung des Capitano von Brescia Thebaldus de Brusatis in der Bilderhandschrift des ‚Balduineums‘. Sein Wappen ist „von Blau und Silber mehrfach schra¨grechts geteilt“; Heyen, Romfahrt, fol. 13, S. 78f. und 140. Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, S. 110ff. und 162ff., siehe Tafel II zu fol. 112 und Tafel III zu fol. 141; Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], Tafel VI, Fig. XXXIV; Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, Fig. I. Vgl. oben Kapitel 2.4.3. Die u¨ber Jahrhunderte zuru¨ckreichende Erinnerung an herausragende Konsuln und Podesta` im kollektiven Geda¨chtnis seiner Vaterstadt betont der Florentiner Chronist Giovanni Villani; siehe oben Kapitel 3.1, sowie Giovanni Villani, Nuova Cronica, VI 32, Bd. 1, S. 259f., und VII 26, Bd. 1, S. 310. Zu roten, pelzbesetzten Stoffen als Standes- und Amtstracht der Eliten im kommunalen Italien siehe von Hu¨lsen-Esch, Gelehrte, S. 101ff. und 117–122. Siehe beispielsweise die 1341 durch Bitino da Bologna geschaffene Grabplatte des im Exil gestorbenen Bolognesen Colaccio Beccadelli in SS. Nicolo` e Domenico zu Imola. Der in voller Ru¨stung zu Pferde sitzende Ritter – neben der Helmzier des Topfhelms, einem Flug, ist sein Familienwappen auf dem abseits sichtbar gemachten Schild, auf seinem Waffenrock sowie auf der Ru¨stung und der Kuvertu¨re seines Pferdes zu sehen – tra¨gt einen Streitkolben. Aus der Werkstatt desselben Meisters stammen auch die nahezu zeitgleich entstandenen Grabdenkma¨ler der Galluzzi in San Domenico zu Bologna. Colaccios Grabplatte ist bereits auf dem Frontispiz von Larner, Lords, abgebildet. Zu ihr und Bitino oder Bettino da Bologna siehe Grandi, Monumenti, S. 80ff., Nr. 30, S. 149f., und Abb. 101–103, S. 283ff. Vgl. auch Breveglieri, Note. Bereits zu 1199 ist der Stab (baculum) belegt, den der Podesta` von Cremona wa¨hrend seiner Audienzen in Ha¨nden hielt; Ficker, Forschungen 4, Nr. 205, S. 257f.; dazu Weber, Podesta`. Sowohl mit den seit dem 12. Jahrhundert belegten Streitkolben, als auch mit weißen Amtssta¨ben werden Podesta` und andere Herrschaftstra¨ger im ‚Codex Chigianus‘ der ‚Nuova Cronica‘ Giovanni Villanis dargestellt; Il Villani illustrato, passim. Eine Miniatur im Liber iurium Astis von 1292 zeigt den amtierenden Podesta` mit einem weißen Amtsstab und den Capitano del Popolo mit einem Holzszepter oder einem Streitkolben in der Rechten; Bordone, Dei „Libri iurium“, S. 51 mit Abb. 4. Zu den Forschungen Richard C. Trexlers zu den Amtssta¨ben in Florenz siehe Weber, Sprache, S. 536.

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ßig Jahre spa¨ter erscheint Iacobus’ Amtsnachfolger auf einem Bild mit gleicher Funktion in derselben Handschrift mit einem ga¨nzlich gewan¨ ußeren. Dargestellt ist er wie delten, in allen Elementen ‚heraldisierten‘ A auf einem Reitersiegel in voller Ru¨stung und mit den fu¨r einen Ritter charakteristischen goldenen Sporen. Sein Waffenrock, sein Banner, die Decke seines Pferdes, ja sogar der Hintersteg seines Sattels zeigen sein Wappen, in Weiß (Silber) ein golbewehrter blauer Lo¨we311. Vielleicht war die Kenntnis dieses Wappens die Voraussetzung dafu¨r, um die Stilisierung des milita¨risch erfolgreichen Podesta` als Lo¨wen durch den Genueser Annalisten zu verstehen. Dieser lobt den uigor et spiritus leoninus des Lucchesen, unter dessen Befehl die Genuesen wie leones et griffi uel aquile ka¨mpfen312. Andere Miniaturen lassen daru¨ber hinaus ein Text-Bild-Verha¨ltnis erkennen. Sie verdichten mit Hilfe ihrer formelhaften Bildersprache Ereignisse, von denen im zugeho¨rigen Jahreseintrag berichtet wird. Dieser Bezugsrahmen strukturell a¨hnlicher Handlungsmuster und Darstellungskonventionen bietet besonders gute Vergleichsmo¨glichkeiten, um ¨ bergang von vorheraldischen zu heraldischen Medien in Kontexden U ten symbolischer Kommunikation und kommunaler Verfahren sichtbar zu machen. Die Miniaturen, die diese im Text der Annalen nicht angesprochene Entwicklung zeigen, beziehen sich auf Manegoldus de Tetocio aus Brescia, den im Jahre 1191 amtierenden ersten Podesta` von Genua, sowie auf den im Jahre 1196 an der Spitze der Kommune stehenden Maila¨nder Drudus Marcellinus313. Allein aufgrund des mir vorliegenden Faksimile von 1863 kann ich nicht eindeutig entscheiden, ob beide von der 311 Sein vom Betrachter abgewandter Dreiecksschild ist ebenfalls als Wappentra¨ger zu denken. Bitino da Bologna lo¨ste dieses Problem, indem er den Schild einfach nochmal u¨ber dem Dargestellten abbildete. Die Bemalung des Hinterstegs verdeutlicht, wie man sich die Umsetzung der statutarischen Vorschrift aus Bologna vorzustellen hat, nach der ein Reiter/Ritter des Popolo auf seinem sellus das Wappen seiner Waffengesellschaft zu tragen habe. Das Bild wird ereignisnah entstanden sein. Andernfalls stellt sich die Frage, wie sich das Wissen um das Familienwappen des Lucchesen in Genua hielt. Zu Lac¸arius Gerardini Glandonis siehe auch Weber, Formation, S. 56, Anm. 12, und oben Kapitel 2.4.3. 312 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 18 und 22. Wa¨hrend der Lo¨wenvergleich zeitgleich in anderen Schlachtschilderungen begegnet, spielen Greif und Adler mo¨glicherweise auf die Symboltiere im Genueser Siegel an. Vgl. Acta imperii inedita 1, Nr. 617, S. 495f.; Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 87f. Zum weiteren Kontext des Topos siehe Ja¨ckel, Herrscher. 313 Der Zeit- und Standesgenosse des Guilielmus de Pusterla spielte in den Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Adelsgruppierungen und dem Popolo im Mailand des beginnenden 13. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle; siehe Hermes, Patrona, bes. S. 442, und oben Kapitel 1.2.2.

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Hand des gleichen Illustrators sind314. Da sie jedoch zu derselben, u¨ber mehrere Bla¨tter gehenden ‚Bilderstrecke‘ geho¨ren, spricht vieles dafu¨r, daß sie von derselben Werkstatt zum gleichen Zeitpunkt ausgefu¨hrt worden sind. Wahrscheinlich geschah dies zu dem Zeitpunkt, als die Aufzeichnungen des Geschichtsschreibers in einem Zug in den offizio¨sen, im Kommunalarchiv verwahrten Codex u¨bertragen wurden. Inhaltliche Textkriterien, wie die besta¨ndigen Vorverweise, die Otobonus Scriba auf das Zerwu¨rfnis zwischen Heinrich VI. und den Genuesen gibt, legen diese ¨ bergang zur Erkla¨rung ebenfalls nahe315. Fu¨r unsere Frage nach dem U heraldischen Symbolik wu¨rde dies bedeuten, daß bereits der Illustrator der Handschrift in seinen den Text kommentierenden Bildern auf die sich in den 1190er Jahren vollziehenden Vera¨nderungen hinwies, die Teil des „unerho¨rt Neuen“ dieser Jahre waren316. Otobonus Scriba, der die gewaltsam ausgetragenen Ka¨mpfe zwischen den Genueser Adelsfaktionen, die das Motiv zur Einfu¨hrung des Podestariates waren, in den du¨stersten Farben schildert, berichtet, wie gegen Ende des Jahres 1190 ein aus dem Amt scheidender Konsul von seinen Gegnern ermordet wurde. Der bereits in der Stadt weilende neue Podesta` ließ am folgenden Tag ein feierliches parlamentum maximum einberufen, in dem er das Vorgehen gegen den Clan der bekannten, bereits nach Piacenza fliehenden Attenta¨ter koordinierte. Geru¨stet und zu Pferde fu¨hrte er das Volk vor den Palast der betreffenden Familie und ließ ihn einreißen317. Diese Szene, sowie seinen Vorsitz im Rat, zeigen die beiden Miniaturen auf den Bla¨ttern 109 und 110 der Handschrift318. Die erste pra¨sentiert Manegoldus in einer typischen Ru¨stung des 12. Jahrhunderts, in einer 314 Nach Schweppenstette, Politik, S. 66f., bereitet Henrike Haug eine kunsthistorische Untersuchung des Codex Parisiensis vor: „Die Annales Ianuenses des Caffaro. Fru¨he Visualisierungsstrategien kommunalen Gedankenguts in Italien“. 315 Vgl. das von Kaiser Heinrich VI. gezeichnete Bild in Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], S. 38–53; dazu Weber, Podesta`. 316 Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], S. 36: Ut autem noua et inaudita, quae modernis temporibus euenerunt, posteris innotescant, ad memoriam inde in posterum conseruandam infra scripta presenti uolumine intitulaui et in scriptis redegi. 317 Ebenda, S. 37: propter quod ciuiles discordie et seditiones resurrectionem habuerunt et recidiuam. sequenti namque die uir ille egregius Manegoldus Ianuensis potestas, dolore nimio ac rubore perfusus, parlamentum maximum celebrauit; et indutus lorica et militaribus ornamentis equum ascendit, et iuit ad quandam domum utique preciosissimam quam Fulco de Castello habebat in castro, eamque pro uindicta maleficii supradicti penitus dirruit atque destruxit; personas uero predictorum homicidarum habere non potuit, quoniam absentauerunt se et clam Placentiam recesserunt. 318 Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, Tafel I; Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], Tafel IV–V. Eine Schwarz-Weiß-Abbildung von Blatt 109 gibt Waley, City-Republics, Abb. 6.4, S. 129.

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den ganzen Ko¨rper bedeckenden lorica sowie einem Nasalhelm, wie er mit einem Streitkolben in der Rechten das bewaffnete Volk anfu¨hrt und das Einreißen des Palastes anweist. Die zweite Miniatur zeigt ihn, eine braune Kappe und den bereits erwa¨hnten Mantel tragend, im Kreis der a¨hnlich gewandeten Konsuln oder Repra¨sentanten der compagna comunis. Eine a¨hnliche Volksversammlung berief auch sechs Jahre spa¨ter der Podesta` Drudus Marcellinus aus Mailand ein. Den Anlaß dazu hatte ein Genuese aus der adligen Mallon-Familie gegeben, der sich die Ladung eines fremden Schiffes angeeignet hatte und, deswegen vor den Podesta` zitiert, dessen Autorita¨t ignoriert und sich so als rebellis gegen die Kommune gestellt hatte319. Der Lombarde ließ eine Volksversammlung einberufen, in der er geru¨stet erschien und aus der heraus er das Volk gegen das Haus des Ta¨ters fu¨hrte, das zersto¨rt wurde. Offenbar stellt die Miniatur auf Blatt 114 ihn dar, wie er armata manu das parlamentum leitet. Sie ist nach dem gleichen Schema gestaltet, wie die vorangegangenen Bilder von Volksversammlungen. Der Unterschied liegt in der Person des Podesta`, dessen Bewaffnung sich grundlegend von der des Manegoldus de Tetocio unterscheidet. Wie man am Kragen erkennen kann, tra¨gt er ein Kettenhemd unter seiner Kleidung. In seiner Rechten ha¨lt er eine Schlagwaffe, die wie ein Dusack aussieht. Besonders auffa¨llig sind jedoch seine neuartigen Defensivwaffen, ein offener, breitkrempiger Helm und ein la¨ngsovaler Schild, den er mit seiner Linken ha¨lt. Wa¨hrend der Helm vom gleichen Typ, den der Mann zu seiner Linken – sein socius? – tra¨gt, sich mit seiner silbernen Farbe als metallisch zu erkennen gibt, sind Helm und Schild des Podesta` mit einem Wappenbild bemalt: in Gold drei schra¨grechts gelegte gru¨ne Knotensto¨cke. Offensichtlich handelt es sich hier um das Familienwappen des Podesta`. In einer Entwicklungslinie von 1190/91 bis 1227 gesehen, an deren Endpunkt die voll ausgebildete ritterliche Wappenfu¨hrung steht, markiert demnach das Podestariat von 1196 in den Miniaturen der ‚Annales Ianu¨ bergang zu einer Familienwappenfu¨hrung durch auswa¨renses‘ den U tige Podesta`. Der Wandel der vielleicht noch in vorheraldischer Zeit entwickelten Podesta`-Bilder in der Handschrift zeigt, daß sich mit der Etablierung des Wappenwesens auch die Medien wandelten, die wiederum die Wahrnehmung der Kommunikation durch die Zeitgenossen steuerten. 319 Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, S. 113 mit Tafel II; Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], S. 61f. mit Tafel VIII: et uocatus a potestate propterea, inde ei se rebellem exhibuit. unde ipse dominus Drudus populum per campanam et cintragum conuocauit ad parlamentum; et armata manu accessit ad eum, et pro uindicta tanti excessus domum ipsius, quam habebat ante domum quondam Ingonis de Frexia, destrui fecit; et insuper ad restitutionem mercium quas de naue deposuerat constrinxit.

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¨ berblick zeigt ebenfalls, daß diese neuen Medien in Der vergleichende U einem fu¨r das Podestariat charakteristischen Kontext symbolischer Kommunikation zur Geltung gebracht wurden. Wie bereits die Restituierung Tortonas oder die im Vorjahr in Como erfolgte Belehnung Cremonas durch Heinrich VI., der es sich mit den Genuesen gru¨ndlich verdorben hatte, bot die Volksversammlung der Kommune auch in diesem Fall den ebenso o¨ffentlichen wie feierlichen Rahmen fu¨r die Pra¨sentation der mit Wappenbildern bezeichneten Medien320. Im selben Zeitraum, der Zeit Heinrichs VI., und im selben Handlungsraum des Politischen la¨ßt sich mit den Familienwappen der Podesta` ein weiterer Bereich der aufkommenden Wappenfu¨hrung fassen, der nicht absolut identisch mit der Kommune selbst ist, aber Kommunikation in ihrem Namen bezeichnet. Die u¨bernommene Reichsfahne des ro¨mischen Kaisers und die in ihrer Pra¨senz wechselnden Wappen auswa¨rtiger Adliger als Zeichen der Kommune verweisen eindru¨cklich auf die problematische Stellung der Kommune in den Herrschaftsstrukturen ihrer Zeit321. So erstaunt es auch nicht, daß diese bunten Zeichen, die auf feste Werteordnungen verweisen und Macht und Herrschaft ausdru¨cken, erstmals in Situationen begegnen, in denen die Akteure versuchten, Existenzkrisen ihrer Kommune zu u¨berwinden. Vielleicht setzte der Miniaturist des Codex Parisiensis in der von ihm gewa¨hlten neuartigen Darstellung des Podesta` Drudus Marcellinus das Lob des Stadtschreibers um, der von diesem sagte, daß sein durch magnanimitas ausgezeichnetes Regiment der Stadt Glanz verliehen habe322. In seinem aktuellen rituellen und politischen Kontext, wie auch als Visualisierung des Herrscherlobes in dem Buch, das die offizielle Geschichtsu¨berlieferung der Kommune festhielt, stand das Familienwappen des Podesta` im Dienste der Kommune. Neben den oben benannten Bedeutungen, auf den Adel und die ritterliche Eignung seines Besitzers zu verweisen, zeigte es in den innerkommunalen Bu¨rgerka¨mpfen, wie sie Otobonus Scriba schildert, außerdem die Herausgehobenheit und die Neutralita¨t des Stadtoberhauptes an. Die Annahme eines Familienwappens und sein Gebrauch im Amt, was nach modernen Vorstellungen von Staatlichkeit auf den ersten Blick befremdlich erscheinen mag, entsprachen den Konzepten des auswa¨rtigen Podestariates. In seinen symbolischen und praktisch-instrumentellen Funktionen fu¨r die Herrschaftsausu¨bung 320 Siehe Kapitel 2.2.1 und 2.3. 321 Vgl. Keller, Stadtkommunen. 322 Otoboni Scribae Annales [Ianuenses], S. 61: fuit quidem in exercendis uindictis potentissimus atque magnanimus; hostes quoque rei publice fugauit, et in cunctis, per Dei gratiam, sub regimine suo splenduit ciuitas Ianuensis, sicuti tam futuri in posterum quam moderni presentis paginae poterunt insinuatione percipere.

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durch die Kommune erweist sich seine Multifunktionalita¨t. Von der symbolischen Funktion des Wappens, durch seine Fu¨hrung am Dienstort die Ehre der Familie und zugleich auch die Ehre der Kommune zu vermehren, fu¨hrt eine direkte Linie zu den Wappensteinen, die vor allem im 14. und 15. Jahrhundert aus ihrem Amt scheidende Podesta` oder Capitani an den Fassaden der Kommunalpala¨ste anbringen ließen323. Dies ist auch der Sitz im Leben, in dem die ersten Belege fu¨r die Pra¨senz der Wappen auswa¨rtiger Podesta` in Todi begegnen. So wurde unter der Herrschaft des Ro¨mers Iacominus de Ponte im Jahre 1246 die fu¨r Todi wichtige Wehrbru¨cke von Pontecuti, u¨ber die die Straße nach Orvieto den Tiber querte, erneuert. An dem Steinbauwerk wurde nicht nur eine Inschrift, sondern auch das Wappen des Podesta` angebracht, dessen redendes Wappenbild sinnigerweise eine Bru¨cke zeigte324. An die Leistungen des ebenfalls aus ro¨mischem Adel stammenden Pandolfo Savelli, der 1267 als Podesta` den Frieden in Stadt und Contado wiederhergestellt hatte, erinnerten nicht nur eine bald darauf an der Fassade angebrachte panegyrische Inschrift, sondern auch Wappensteine mit dem bekannten Savelli-Wappen an der Fassade und im Ratssaal325. ¨ bernahme auswa¨rWenn die Galluzzi im Zusammenhang mit der U tiger Podestariate seit dem fru¨hen 13. Jahrhundert damit begannen, ein Familienwappen zu fu¨hren, so stand dies in Einklang mit einer Entwicklung, wie wir sie auch in den Bildern der Genueser Geschichtsu¨berlieferung fassen ko¨nnen. Innovationen in der kommunalen Verfassung und die Nutzung eines neuen Mediums bedingten sich in dieser Entwicklung offensichtlich gegenseitig. Die Darstellung der Waffen des Drudus Marcellinus in den ‚Annales Ianuenses‘ gibt uns außerdem einen Hinweis auf die Praktik, die Waffen farbig zu bemalen und den auf diesem Wege erzielten visuellen Effekt der Uniformita¨t. Daß dies in einem ganzen Spektrum mo¨glicher Funktionen, zu denen auch die Eigentumsbezeichnung und die Kenntlichmachung eines Gefolges za¨hlen, auch in nicht-kommunalen Kontexten u¨blich war, zeigen zeitnahe Beispiele, wie ein Inventar des Grafen Guido Guerra vom 5. Ma¨rz 1239, in dem vierzehn bemalte Helme verzeichnet 323 Mannini, Stemmi; Fumi Cambi Gado, Stemmi; Szabo´, Visualisierung; Weber, Heraldry; Ders., Wappen. 324 Le cronache volgari, S. 135; Ceci, Todi, S. 136; Menesto`, Esempio, S. 444f. Vgl. Statuto di Todi del 1275, II 129, S. 125f. Im Zweiten Weltkrieg wurde Pontecuti durch Bombardierungen zur Ga¨nze zersto¨rt; Grondona, Todi, S. 135f. Zum Bru¨ckenbau in der symbolischen Kommunikation des Mittelalters siehe Warnke, Bau. 325 Ceci, Todi, S. 155; Pericoli, Raccolta, S. 177 (mit Abbildungen); Maire Vigueur, E´chec. Weitere Literatur bei Campbell, Game, S. 226f. Vgl. Baumga¨rtner, Savelli.

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sind326. Lebensweltliche Bezu¨ge stellte wahrscheinlich auch eine um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Verona entstandene, reich mit Miniaturen geschmu¨ckte Handschrift des Neuen Testamentes her. Sie zeigt die Wa¨chter am Grab Jesu als zeitgeno¨ssische Schwerbewaffnete, die Helme und Schilde mit jeweils identischer, mo¨glicherweise heraldischer Bemalung tragen327. Die Familienwappenfu¨hrung durch Podesta`, wie im Beispiel aus Genua, oder die uniforme Wappenfu¨hrung durch kommunale Milizen, wie in Bologna schon fu¨r die erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts belegt, standen also in einem weitreichenden, in den erhaltenen Quellen aber kaum noch erkennbaren lebensweltlichen Kontext der Bezeichnungspraktiken mittels des neuen heraldischen Mediums. Das spezifisch ‚Kommunale‘ ist demnach nicht allein in der Uniformita¨t zu suchen, sondern daru¨ber hinaus in solchen Formen heraldischer Symbolik, die konstitutive Funktionen fu¨r die Herrschaftsordnung der Kommune erfu¨llten. Ausdifferenzierte, auch ideologisch und politisch motivierte heraldische Systeme, wie sie spa¨ter beim Florentiner Popolo begegnen, erweisen sich so als Weiterentwicklung a¨lterer Praktiken aus dem fru¨hen 13. Jahrhundert328. Die Wappenfu¨hrung des Comazzo Galluzzi steht demnach in einer durchga¨ngigen Kette von Belegen, die von dem ma¨chtigen Adelsgeschlecht der Guidi bis zu den popolaren Regimes der Sta¨dte reicht. Auch wenn diese Belege punktuell sind, la¨ßt sich an ihnen meines Erachtens doch auch ein qualitativer Wandel dieser Praktik festmachen. Unsere ¨ bergangsphase dieses Wandels fest. Quelle zu Todi ha¨lt eine wichtige U Fu¨r das Bemalen der Defensivwaffen gab es zuna¨chst ganz praktische Gru¨nde: Waffen waren teuer329. Wenn man etwa einen Schild so herstellte, daß das Wappen, das er trug, fester Bestandteil seiner ledernen Schildfla¨che war, rechnete man damit, daß er dauerhaft in seinem gedachten Gebrauchszusammenhang der wappenfu¨hrenden Person oder Institution zugeordnet blieb330. Fu¨r die zeitlich begrenzte Aufstellung einer Truppe, wie der dreißig beroarii unseres Beispiels, wa¨re dieser Aufwand dagegen u¨bertrieben gewesen. In diesem Fall konnten ihre Schilde mit dem Familienwappen des Podesta`, dem sie fu¨r weniger als ein Jahr unterstanden, bemalt werden, um nach Ablauf ihrer Dienstzeit einfach umbemalt zu 326 327 328 329

Davidsohn, Geschichte 1, S. 687. Biblioteca Apostolica Vaticana. Liturgie und Andacht, Nr. 41, S. 202f. Siehe unten Kapitel 4.2.2. Vgl. die Angaben bei Davidsohn, Forschungen 3, S. XVIII, nach dem Lemma „Waffen“. 330 In der Regel handelte sich dabei um Prunkwaffen; vgl. Galbreath – Je´quier, Handbuch, S. 86f.

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werden und damit wiederverwertbar zu sein. Durch diese Gegebenheiten der zeitlich begrenzten Amtszeiten sowie der schwankenden Konjunktur der saisonal gefu¨hrten Kriege gab es einen eigenen Markt. Italienische Kaufleute betrieben einen ‚internationalen‘, den ganzen Mittelmeerraum umspannenden Waffenhandel, der sich auf spezialisierte ‚ZuliefererBranchen‘, wie etwa die Pisaner Ledermacher oder die Maila¨nder Plattner, stu¨tzte und auch gu¨nstigere gebrauchte Bewaffnung anbot331. Wenn Bonvesin da la Riva 1288 in ein Lob der modernen Metallbewaffnung des Maila¨nder Aufgebots ausbricht – Ubi enim reperietur alterius populus civitatis in mondo ferreis armis tam decenter armatus? – erwa¨hnt er sofort im Anschluß die Exportkraft der lombardischen Waffenschmiede332. Charakteristisch fu¨r den regionalen Horizont des mittelalterlichen Wappenwesens ist es dagegen, daß man mit der heraldischen Bemalung der Ru¨stungen und Fahnen lokale Maler beauftragte, die meist direkt nach den Vorgaben ihrer Kunden arbeiteten333. Fu¨r San Gimignano hat Robert Davidsohn die entsprechenden Belege aus den Stadtrechnungen zusammengestellt334. So wurde dort im Juni 1241 der Maler Becchius Barberius von der Kommune bezahlt pro pictura armorum peditum, qui iverunt pro com. Si Gem. aput Faventiam in servitium dom. Imperatoris, im Mai 1263 schrieb man an den Maler Tommassone in Poggibonsi causa dipingendi paveses mictendos in exercitu und im Februar 1291 wurde eine Ausgabe in pingitura VI vesillorum pro comuni verbucht. Weitere, von Davidsohn edierte Beispiele, zeigen, daß zum Jahrhundertende hin die Angaben pra¨ziser werden und nun auch notiert wurde, welches Wappen in Auf331 Fu¨r Pisa bietet Herlihy, Pisa, S. 135 und 143f., entsprechende Daten: Als eigene Untergruppe der Gerber und Lederverarbeiter gab es 1228 dreißig Schildmacher in der Arnostadt, die lederbespannte Holzschilde herstellten; in zwei Bestellungen von 1276 und 1282 orderte Karl von Anjou dort bis zu 4000 Schilde. Zum Ankauf gebrauchter, bei Montaperti den Gegnern verloren gegangener Fahnen durch die Kommune Siena siehe Davidsohn, Forschungen 4, S. 171. In der Mitte des 14. Jahrhunderts machte der junge Francesco di Marco Datini in Avignon sein Vermo¨gen mit einem regen (Gebraucht-)Waffenhandel; Origo, „Im Namen Gottes und des Gescha¨fts“, S. 33ff. 332 Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani, V 20–21, S. 154ff.: Preterea in nostra civitate et eius comitatu flos est fabrorum et copia, qui cuiusque maneriei quotidie fabricant armaturas, quas quidem per alias civitates propinquas et etiam longinquas in mirabili copia distribuunt mercatores. Loricarum enim fabri principales ultra centesimum numerum terminum petunt; [...] Sunt quoque quam multi scutarii et demum cuiusque generis armorum fabricatores, de quorum numero nequaquam facio mentionem. Zum Wandel vom Leder- zum Metallharnisch im 13. und 14. Jahrhundert vgl. Herlihy, Pisa, S. 143f.; Breveglieri, Armamento. 333 Thematisiert wird dies in den Novellen Franco Sacchettis: Weber, Formation, S. 53f. 334 Davidsohn, Forschungen 2, S. 310f.: Nr. 2349, 2350, 2354, 2355, 2361 und 2364. Siehe zu diesem Beispiel auch das folgende Kapitel 3.6.

3.5 Die Zeichen der Ordnung

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trag gegeben wurde. So fertigte der Maler Azzo im Juli 1291 vier Schildchen mit den Wappen der Kommune fu¨r eine Kriegsmaschine und erneut im August 1293 IIII scudos de armis comunis. Im August 1307 schließlich zahlte die Kommune dem Maler Memmo – es ist der Vater Lippo Memmis, der ein Jahrzehnt spa¨ter die Arbeit an der Maesta` im Kommunalpalast von San Gimignano beenden sollte – sechs solidi fu¨r die Bemalung der Fahne der contrata Si Mattei, in quo est quidem leo rubeus. Entsprechend konnte eine Fahne mit dem Wappen des gerade amtierenden Podesta` bemalt werden. Die in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts pra¨ziser werdenden Angaben in den Stadtrechnungen legen die Schlußfolgerung nahe, daß sich mit der an die Etablierung anknu¨pfenden Ausdifferenzierung des nun omnipra¨senten Wappenwesens auch dessen Wahrnehmung gea¨ndert hatte. Die verschiedenen Wappen im Herrschaftssystem der Kommune, das Stadtwappen oder die Wappen der Contrade, verlangten wegen ihrer Relevanz mehr Aufmerksamkeit. Die beroarii, die Comazzo Galluzzi eingestellt hatte trugen sein Wappen auf ihren Waffen also entsprechend dieser lebensweltlichen Praxis sowie aus den oben dargestellten Gru¨nden, die auch fu¨r den Podesta` als Tra¨ger seines eigenen Wappens galten. Die Bewilligung von dreißig beroarii seu custodes war gleich zu Beginn seiner Amtszeit im Rat der Kommune beschlossen und durch ein decretum beziehungsweise eine reformatio angeordnet worden. Der iudex Iacobinus de Lobia war nach Bologna gereist, um diese pedites anzuwerben335. Er tat dies mit Hilfe von Comazzos Vater Gherardus coram ianua curie Gallucciorum. Angeworben fu¨r ein Jahr, fu¨r das ihnen bei einem Monatssold von einhundert solidi Cortoneser Mu¨nze am Ende insgesamt vierzig librae in Aussicht gestanden ha¨tten, blieben sie, nachdem sie etwa einen Monat nach dem Beginn von Comazzos Podestariat in der Stadt eingetroffen waren, gerade etwas u¨ber zwei Wochen in Todi. In dieser Zeit zahlte ihnen der Podesta` von seinem Geld einen Betrag ad pedem palacii aus336. Sie werden in den letzten Junitagen in Todi eingetroffen sein, das sie am 19. Juli wieder verließen337. Rimbaldus de Montegeorgio unterschied die Aufgaben der beroarii in custodia et servicium. Ihnen war die custodia civitatis, insbesondere die 335 Als notarius ad scribendum reformationes consciliorum hatte sie Henrigettus Feliciani verschriftet; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 51 und 66. 336 Comazzo Galluzzis Podestariat begann am 1. Juni 1268; ebenda, fol. 60f. und 67. Nach Henrigettus Feliciani, ebenda fol. 66, sollte jeder von ihnen drei solidi Cortonenses pro Tag erhalten. Einen hervorragenden Einstieg in die Funktionen und die lebensweltliche Relevanz der Wa¨hrungssysteme im spa¨tmittelalterlichen Italien bietet am Beispiel der Romagna Larner, Lords, S. xiii–xvi. 337 Vgl. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 66f.; Maire Vigueur, E´chec.

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sta¨ndige Bewachung des Kommunal- und des Bischofspalastes sowie der turris populi u¨bertragen worden338. Nach Henrigettus Feliciani sollten sie per totum annum pro custodia civitatis et districtus eingesetzt werden339. Dieser Zeuge berichtet auch von einer dem Kommunalpalast gegenu¨berliegenden domus populi, in der die beroarii stationiert waren. Allerdings hatte der Rat der Kommune noch vor dem Aufruhr beschlossen, das Haus mit Turm wieder seinen Eigentu¨mern zu u¨berlassen. Wahrscheinlich war dieser Palast Sitz der societas populi de medio Todis, von deren Existenz wir nur aus dem Vernehmungsprotokoll wissen340. Die beroarii werden mit diesem, den Podesta` unterstu¨tzenden Popolo zusammengearbeitet haben. Iohannes Gerardi Paltonerii sagte aus, daß er unter anderem Zeuge der o¨ffentlichen Audienzen und Gerichtssitzungen des Podesta` gewesen sei, 338 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 51f. und 66. Vom servicium dicti comunis et potestatis spricht auch Iohannes Gerardi Paltonerii, ebenda fol. 60. Die gleichen Begriffe begegnen in den Florentiner Kommunalstatuten. Beroarius begegnet aber auch als Bezeichnung fu¨r einen privaten Leibwa¨chter. Siehe in diesem Sinne die Statuti del comune di San Gimignano, IV 53, S. 730: Item statuimus, quod si qua persona de S. Gem. et curte voluerit tenere aliquos berriverios portantes arma ad sui custodiam [...]. 339 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 66. 340 Ebenda, fol. 69f.: dicit quod tempore dicti regiminis et tempore. dicti praelii et conflictus dictus dominus Comacius gubernabat et tenebat domum comunis Tuderti tanquam potestas Tuderti. Et dicit quod domum populi tenuit per plures dies tempore sui regiminis sed tempore conflictus non videtur sibi quod eum teneret quia reformatum fuit in consilio dicte terre quod restitueretur cuidam de dicta terra cuius fuerat dicta domus. Interrogatus quomodo scit. respondit quia vidit dictum dominum Comacium. et eius familiam stare habitare et tenere dictam domum comunis per totum tempus quo stetit in dicto regimine et hoc scit quod idem .testis. fuit notarius dicti potestatis. Interrogatus quomodo scit dictum dominum Comacium tenuisse dictam domum populi ante dictum conflictum. respondit. quia vidit quosdam ex beroariis de quibus supra fit mentio stare et habitare de die et de nocte in domo dicti populi et eam tenere pro dicto comuni et potestate. Interrogatus quantum ipsam domum tenuerunt. respondit uno mense et ultra mensem ut credit. Interrogatus ubi erant posita dicto domus comunis. respondit in platea dicte terre et domus dicti populi ex opposito dicte domus comunis iuxta plateam. Iohannes Gerardi Paltonerii sagte aus, ebenda fol. 61, daß der Podesta` zum Zeitpunkt des Konfliktes non gubernabat palacium populi tunc temporis propter quandam reformationem factam suo tempore et quod non deberet eum tenere dicta potestas. Vgl. zum Popolo von Todi Maire Vigueur, E´chec. Diese detaillierten Aussagen zu einer angemieteten und 1268 aufgegebenen domus populi in Unterscheidung zum Kommunalpalast und dem spa¨teren Palazzo del Popolo sind fu¨r die Fru¨hgeschichte der Kommunalbauten Todis von großer Bedeutung. Wu¨stenfeld, Revolution, S. 673, hat erstmals auf sie aufmerksam gemacht. Allerdings ist sein Beitrag, soweit ich es sehe, von der Forschung nicht beachtet worden. Vgl. Paul, Kommunalpala¨ste, S. 272–275. Ausfu¨hrlich in dieser Frage ausgewertet hat die Zeugenaussagen Getulio Ceci in seiner bis 1979 unpubliziert gebliebenen Abhandlung zu den Kommunalpala¨sten und Pla¨tzen Todis; Ceci – Bartolini, Piazze, S. 70ff.

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bei denen Kla¨ger aus Stadt und Land vor die Schranken getreten seien und „Herr Podesta`, schafft mir Recht!“ gerufen ha¨tten341. Gefragt, was er in Todi getan habe, antwortete er, das, was ihm der Podesta` zu tun befohlen habe: Tag und Nacht bewaffnet Wachga¨nge durch die Stadt zu machen und den Kommunal- und den Bischofspalast zu bewachen342. Die beroarii waren auch an einem gleichermaßen von Formen symbolischer Kommunikation und vorgeschriebenen Verfahrensga¨ngen bestimmten Geschehen beteiligt, an dessen Kontrolle durch den Podesta` sich dessen Stadtherrschaft erwies: der Ratsversammlung. Rimbaldus, der Comazzo dabei stets zur Seite stand, erza¨hlt, daß der Podesta` zur Einberufung des Rates im Kommunalpalast die Glocke la¨uten ließ und den beiden praecones Lascha und Angellerius auftrug, illud quod ipse volebat ex auctoritate sua et ex forma statuti ipsi comunis auszurufen343. Aus der Perspektive des Iohannes Gerardi Paltonerii war dies gleichbedeutend mit der Ausu¨bung des Podestariates344. Der beroarius gibt uns in seiner Aussage einen Einblick in komplexe Geschehensabla¨ufe, die in 341 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 59: Interrogatus de causa scientie respondit quod ipse testis init tudertum et inveniret dominum Comaccium praedictum ibi in regimine dicte civitatis Interrogatus quomodo scit quod idem dominus Comaccius esset in regimine dicte civitatis respondit quia ipse stabat in palacio comunis dicte civitatis tuderti cum familia sua et videbat eum et familiam suam reddere ius et dictum officium facere tamquam potestas et videlicet et notarii potestatis faciunt et facere consueverunt in civitate et locis quas et quos regunt et videt ut homines de terra tuderti et eius districtu venientes ad stangam et ad sedem potestatis et dicentes domine potestas faciatis michi ius Interrogatus si cognoscebat illos homines respondit non Interrogatus quomodo scit quot dicti homines erant de tuderto vel eius districtu respondit quod tudertinis sit ius tuderti et Bononensibus Bononie et ita in aliis locis ubi fuit accidit. Maire Vigueur, E´chec, S. 35, macht ihn in freier Lektu¨re dieser Stelle zu einem Vermittler zwischen dem zu Gericht sitzenden Podesta` und den kleinen Leuten. Nach dem Statuto di Todi del 1275, II 57, S. 91, wurde die Ero¨ffnung der curia durch Glockenschlag bekannt gegeben. 342 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 60: Interrogatus quid faciebant ibi respondit quod potestas praecipiebat eis id faciebant Interrogatus quid praecipiebat eis potestas respondit custodire civitas et ire armatos pro civitate die et nocte et custodire palacium similiter die noctusque et episcopatum quoque. Auch nach den Statuten von 1275 hatten die nun baiuli genannten Knechte den Befehlen des Bischofs beziehungsweise seines Notars Folge zu leisten und in der bischo¨flichen curia Dienst zu tun; Statuto di Todi del 1275, II 45 und 128, S. 83 und 125. Zur Aufsicht durch baiuli, etwa bei der Einhaltung der statutarischen Vorschriften fu¨r Beisetzungsfeierlichkeiten, der Verhaftung von Schuldnern oder der Verhinderung wilder Mu¨llkippen, siehe ebenda II 59, II 66 und I 16, S. 92f., 97 und 20f. Zum Dienst fu¨r die Familiaren des Podesta` siehe ebenda I 10, S. 13–17. 343 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 52. Der Zeuge erwa¨hnt kurz darauf auch die campana comunis Tuderti. 344 Ebenda, fol. 59: Interrogatus quid est exercere officium potestarie respondit id quod exercerent alie potestates terrarum facere pulsari ad consilia reddere iura imponere et praecipere praeconibus ut praeconizentur et facere alia ut solitum est que expediunt potestati ut alicuius terre rectori.

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der Fokussierung des miles auf den Podesta` als Befehlsgeber gar nicht erst sichtbar werden. Er, Iohannes, war bei den Ratsversammlungen zugegen, da er und seine Genossen den Kommunalpalast bewachten345. Seine Aufgabe war es, zuvor dem Glo¨ckner den Befehl zum La¨uten zu geben346. Dies wird man zu den servicia neben den Wachtdiensten rechnen ko¨nnen. Vor diesem Hintergrund kann auch das Wappen des Podesta` als Zeichen kommunaler Ordnung angesprochen werden, da die mit ihm bezeichneten beroarii die in den Zeugenaussagen beschriebenen Dienste fu¨r die Kommune erledigten. Vergleiche mit anderen Quellen zeigen, daß die ‚Uniformierung‘ der beroarii und Bediensteten des Podesta` im Allgemeinen sowie ihre Bezeichnung mit dessen Familienwappen im Besonderen auch in anderen Stadtkommunen gang und ga¨be waren347. Neben den Defensivwaffen werden insbesondere Mu¨tzen und Fahnen als Wappentra¨ger angesprochen. Der Gebrauch eines anderen, als das durch die Kommune sanktionierten Wappens, war ihnen jedoch streng verboten. Der Bericht des Parmeser Chronisten zum Aufenthalt Kaiser Ludwigs des Bayern im Jahre 1329 ist bereits erwa¨hnt worden. Aus diesem Anlaß erhielten auch die beroarii, Familiaren und Stadtknechte Schilde und Mu¨tzen, die das Reichswappen, den schwarzen Adler in Gold, trugen348. Indem sie erwa¨hnt, daß aus aktuellem Anlaß die Schilde im Besitz von Kommune, Capitano und Podesta` neu bemalt wurden, besta¨tigt die Quelle die im vorigen Absatz aus der praktischen Perspektive betrachteten Gebra¨uche. In den Paduaner Kommunalstatuten sind vom Jahre 1236 an der Amtseid der zwanzig precones sowie weitere Statuten u¨ber ihr Amt erhalten, die erkennen lassen, daß ihre Aufgaben auch denen der in 345 Ebenda, fol. 61: et scit quod dominus Comaccius stetit in dicto regimine pro mensem et amplius quam vis ipse testis non fuisset in inceptione dicti regiminis et videbat eos de civitate intendere banna et praecepta sua et eis obedire ut dictum est usque ad tempus dicti conflictus et in consiliis imponebant banna dicentes nemo loquatur et ipsi non loquebantur et hiis interfuit ipse testis et socii hoc est praedicti beroarii qui custodiebant dictum palatium ubi fiebant consilia. Das unter dem Vorsitz des Podesta` in der Ratsversammlung ausgesprochene Schweigegebot wa¨hrend der Verku¨ndung der banna ist demnach auch ein Zeichen fu¨r die effektive Ausu¨bung des Stadtregiments. Mit der Akzeptanz der Rollen im Verfahren akzeptierten die Todiner zugleich die Herrschaft des Podesta`. Die beroarii mu¨ssen Zeugen dieser Sitzungen gewesen sein. 346 Ebenda, fol. 60: Interrogatus que consilia faciebat respondit nescit tamen bene erat praesens ad consilia et dicebat pulsatori de campanis quod pulsaret ad consilium et ipse pulsabat et consiliarii veniebant ad consilium et inponebant banna praeconibus et ipsi praeconizebantur et retulebant. Vgl. Towns of Italy, Nr. 98, S. 220f. 347 Mertens, Wappenrock, S. 193, zu den Bediensteten und Pagen des Podesta`, die dieser einheitlich in Mi-parti kleiden ließ. 348 Siehe Kapitel 2.2.1.

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anderen Sta¨dten von den „Ausrufern“ unterschiedenen beroarii entsprachen. Sie standen im Sold der Kommune, waren bewaffnet und beritten und hatten den Podesta` zu unterstu¨tzen. Auf ihren Schilden sollten sie nur das Wappen der Comunanza von Padua fu¨hren, auf ihren Mu¨tzen, die sie jedes Jahr zu Weihnachten neu erhielten, dagegen das Wappen des Podesta`349. Als im August 1289 in Reggio Unruhen ausbrachen entsandte der zu Hilfe gerufene Podesta` von Parma, Thomaxinus Quirinus aus Venedig, zuna¨chst eine Vorausabteilung von zweihundert Soldrittern, die er selber nicht anfu¨hren konnte. Ihn vertrat sein miles, dem aber die banderia potestatis mitgegeben wurde350. Diese Fahne, die entweder ein kommunales Heerbanner oder eine Fahne mit dem Wappen des Venezianers war, fungierte als Repra¨sentant des Podesta`. Entsprechend hoch ist ihr Symbolwert fu¨r die Kommune einzuscha¨tzen. Ein vergleichbarer Fall ist 1255 aus Genua bezeugt, wo die Kommune den verbu¨ndeten Lucchesen ihr Heerbanner als sichtbares Symbol ihrer Unterstu¨tzung schickte351. In Todi selbst ist 1250 von den Fahnen des Podesta` die Rede: die in cittadinanza zur Kommune tretenden Grafen von Montemarte verpflichteten sich, diese u¨ber ihrer Burg wehen zu lassen352. Es existieren auch Bildquellen, die einen Eindruck vom Aussehen der Ma¨nner im Dienst des Podesta` geben. So findet sich unter den Federzeichnungen, die ein Notar in der zweiten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts an den Rand der Statuten von Prato kritzelte, auch das Bild eines bewaffneten 349 Statuti del comune di Padova, I 20, Nr. 212–223, S. 76ff., Nr. 212f.: Equum non minorem annis tribus pro servicio comunis toto tempore mei officii tenebo. et arma scilicet coretum vel zupam vel lamam et capellum ferri vel bacinellum et rotellam et arcum lanceam et spatam similiter tenebo. Et insignam alicuius persone in rotella vel scuto non portabo. nisi illam comunancie populi paduani. Erga¨nzt durch ein Statut von 1258, Nr. 223: Precones qui sunt in officio viginti preconum padue debeant omnes ambaxatas quas facient pro officialibus comunis sine aliquo precio facere. Et habeant insigna potestatis super infulas. et qui contra predicta fecerit vel aliquod predictorum solvat pro unaquaque vice comuni padue solidos sexaginta. Das Statut u¨ber die ja¨hrlich von der Kommune zu stellende Mu¨tze stammt von 1272. Siehe auch unten Kapitel 4.3. 350 Chronicon Parmense, S. 57. 351 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 18: In ipso anno uir nobilis Guiscardus de Petra sancta, potestas ciuitatis Luce, cum pluribus dicte ciuitatis Ianum uenit, dicendo quod comunia Florentie et Luce exercitum facere uolebant contra Pisanos et quod Ianuenses similiter se pararent ad exercitum faciendum. et sic Ianuenses hoc facere affectantes, uexillum sancti Georgii, quo comune Ianue in exercitibus utitur, in publica concione omnibus uolentibus, dicto Guiscardo traditum est, atque ei et illis qui cum eo erant ita fuit liberaliter responssum: ecce vexillum nostrum; parati sumus et erimus totis uiribus cum ingenti exercitu maris et terre ire contra inimicos, quandocumque placuerit Florentinis et Lucensibus. et ita uexillum exportantes, Lucam cum gaudio sunt reuersi. 352 Siehe Kapitel 2.1.

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Stadtknechtes, dessen Mu¨tze mit heraldischen Lilien, dem redenden Wappenbild Pratos, bezeichnet ist353. Die wohl beste bildliche Wiedergabe eines Trupps von beroarii in Waffen, wie sie auch Iohannes Gerardi Paltonerii beschreibt, findet sich in der Bilderhandschrift des ‚Codex Chigianus‘ von Giovanni Villanis ‚Nuova Cronica‘. In der Miniatur auf fol. 174v ist eine Gerichtssitzung des im Jahre 1302 als Podesta` von Florenz amtierenden Romagnolen Fulcieri da Calboli zu sehen354. Wie auf den ein Jahrhundert a¨lteren Bildern aus der Genueser Handschrift, tra¨gt der neben seinem iudex sitzende Podesta` ebenfalls einen roten, pelzgefu¨tterten Mantel. Neben der Gerichtstribu¨ne steht eine Gruppe von beroarii in uniformer Bewaffnung: sie tragen offene, unbemalte Helme, gefu¨tterte Ro¨cke, kurze Schwerter und Dreiecksschilde. Auf den Schilden sowie im Bild der Fahne, die der vorderste Krieger an seiner Lanze tra¨gt, ist das gleiche Wappen zu sehen: in Gold (Gelb) ein roter, blau (?) bewehrter Adler. Es handelt sich um das Familienwappen des Podesta`, das hier, worauf die Herausgeber in ihrem Kommentar hinweisen, wahrscheinlich in verkehrten Farben dargestellt ist. Vergleichbare Belege aus dem 14. Jahrhundert lassen sich anschließen355. Auch die auf dem Sieneser Fresko Lorenzettis dargestellten pedites des Popolo, auf deren heraldische Symbolik ich bereits eingegangen bin, stehen in derselben Tradition356. Zusammen mit den Regelungen einiger Kommunalstatuten liefert das Beispiel aus Todi einen fru¨hen Beleg dafu¨r, daß bereits in der klassischen Podesta`-Kommune des 13. Jahrhunderts die beroarii des Podesta` einheitlich bewaffnet und uniform bezeichnet waren. Als Ortsfremde wie ihr Herr aus den Bindungen ihres Einsatzortes herausgehoben, trugen sie dessen Familienwappen, das in seiner Fremdheit diesen Umstand sichtbar machte. Der Podesta` war das Stadtoberhaupt, also konnte sein Wappen auch von Funktiona¨ren der von ihm geleiteten Kommune gefu¨hrt werden. Das Beispiel zeigt, daß eine strikte Trennung des kommunalen und des ‚privaten‘ Wappengebrauchs nicht mo¨glich ist. Die Familienwappen auswa¨rtiger Amtstra¨ger wurden als Zeichen der Ordnung in den Dienst der 353 Raveggi, Protagonisti, Abb. 36. 354 Il Villani illustrato, S. 204. Zu ihm siehe Larner, Lords, ad indicem („Calboli“). 355 Hinzuweise wa¨re auf a¨hnliche Gruppen auf den Bildern Altichieros und seiner Zeitgenossen. Vgl. Richards, Altichiero, Plate IV, 69–71, S. 299, und 103–104, S. 314. Auf den ebenfalls von einem Veronesen um 1350 gemalten Fresken im Wa¨chterhaus der Burg Avio im Etschtal, deren ku¨nstlerisch anspruchslosere Ausfu¨hrung aber hohen Quellenwert besitzt, da sie Wissen um Bewaffnung und Kampfesweise verra¨t, ist eine Truppe von Fußsoldaten dargestellt, deren Pavesen und Lanzenwimpel alle das gleiche Lo¨wenwappen zeigen. Ho¨chstwahrscheinlich ist es das der Burgherren, der Familie Castelbarco. 356 Siehe Kapitel 1.2.1.

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Kommune gestellt. Comazzo Galluzzis Podestariat im Jahre 1268 steht ¨ bergangs, in der sich diese Formen und jedoch auch fu¨r eine Zeit des U Praktiken heraldischer Symbolik weiterentwicklen sollten. Die Abteilungen des Todiner Popolo, die am 17. Juli vergeblich versucht hatten, durch ihre Aufstellung auf der Piazza Podesta` und Kommunalpalast zu schu¨tzen, verweisen bereits auf die Richtung, in die die Entwicklung von Verfassung und Wappenwesen in den Kommunen ging357. In der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts griffen kommunale Stadtregimenter, vor allem die des Popolo, die um 1200 entstandenen Formen und Funktionen uniformer heraldischer Bezeichnung auf, um sie zur Durchsetzung und Stabilisierung neuer Verfassungsformen zu instrumentalisieren. Eine politisch gewollte heraldische Uniformita¨t entstand, wie wir sie an den pedites des Sieneser Popolo gesehen haben. Diese Truppen trugen nicht mehr das Wappen eines personalen Herrschaftstra¨gers, wie das der Guidi oder Galluzzi, sondern das einer transpersonalen Institution, des Popolo. Gleiches galt auch fu¨r die beroarii oder baiuli des 14. Jahrhunderts, die wie ihre Vorla¨ufer aus Bologna weiterhin Wach- und Ordnungsdienste wahrnahmen. So standen nach den Statuten des Florentiner Popolo von 1325 auch der aus den Prioren und dem Bannertra¨ger der Gerechtigkeit gebildeten Signoria der Arnostadt eine Truppe von sechzig auswa¨rtigen, nicht untereinander verwandten berrovarii unter einem eigenen capitaneus zur Verfu¨gung, die im neuen Kommunalpalast stationiert waren358. Diese seien einheitlich in ein Tuch von gleicher Farbe zu kleiden. Auf ihren Schilden sollte das Wappen des Florentiner Popolo, das rote Kreuz in Weiß, zu sehen sein359. Durch diese Uniformierung unterschieden sie sich nicht nur von den Trupps der anderen berrovarii, die etwa dem Capitano del Popolo oder dem Podesta` unterstanden. Anders als diese konnten sie kein vorhandenes Familienwappen fu¨hren, da ihre Herrin, die Signoria, ja transpersonal gedacht war. Fu¨r die einheimischen Zunftprioren und Gonfalonieri ¨ mtern zeigen, andere Qualispielten, wie die Wahlverfahren zu diesen A fikationen als die eines adligen Podesta` eine Rolle360. Ihre Familienwap357 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 83. Zum Todiner Popolo siehe Maire Vigueur, E´chec. 358 Zu dem ab 1299 entstandenen Palast der Signoria, seiner Waffenkammer und seiner heraldischen Ausschmu¨ckung siehe Rubinstein, Palazzo Vecchio. 359 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del Popolo, II 3, S. 77: Debeant quoque ipsi berrovarii omnes esse et stare induti de panno eiusdem coloris et de apparenti colore [...] Habeant quoque et portent in tabolaccis cruces coloris vermigli cum campo albo. 360 Vgl. Keller, Wahlformen; Ders., „Kommune“. Zuletzt Zorzi, Popolo; Najemy, Governments.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

pen konnten sie unmo¨glich als quasi-kommunale Zeichen zeigen. Von da her erwies es sich fu¨r die Institution als Notwendigkeit, ein eigenes Wappen anzunehmen. Dieses brachte in seiner Zeichensprache und in seinem Gebrauch die politische Identita¨t und die neuen Organisationsformen des Popolo zum Ausdruck. An ihm und anderen neuen Wappen zeigte sich ein Wandel in der Entwicklung kommunaler Verfassung und Staatlichkeit. Wappen, wie das des Comazzo Galluzzi, wurden nicht mehr nur in die kommunale Herrschaftspraxis und Herrschaftspra¨sentation integriert. Die Mo¨glichkeiten des Mediums wurden im Laufe des 13. Jahrhunderts auch genutzt, um neue politische Konzepte und Ideologien zu visualisieren. Auf dem Weg dahin knu¨pften die mit der Wappenbildung betrauten Gremien und Statutare an bestehende Sitze im Leben heraldischer Symbolik an und entwickelten sie weiter. So verweisen sowohl die mit dem Wappen der Galluzzi, als auch die mit dem Wappen des Popolo bemalten Defensivwaffen auf eine zentrale Funktion kommunaler Wappenfu¨hrung: Stadtregimenter bedienten sich ihrer, um die angesichts des Gewaltpotentials in der Stadtbevo¨lkerung notwendige Exklusivita¨t des Waffengebrauchs sichtbar zu machen. Fu¨r die a¨lteren Formen, wie die Wappenfu¨hrung des Podesta`, bedeutete der Wandel nicht das Ende. Sie bestanden weiter, wurden aber in den Hintergrund gedra¨ngt. Soweit dies im 14. Jahrhundert erkennbar wird, wurden aber auch die Familienwappen in Ordnungen gebracht, die die Kommune oder eine Partei als Bezugsinstanz mit einschlossen. Durch ein gemeinsames Identifikationszeichen, wie die ghibellinischen und guelfischen Schildha¨upter oder die Tingierungen, die in Pavia den baronial-magnatischen oder popolaren Status einer Familie erkennen ließen, wies das einzelne Wappen seine Tra¨ger als Teil einer politisch bestimmten Gruppe aus. Mit Wappenbesserungen und -a¨nderungen griffen Kommune und Popolo nun selbst in das Wappenwesen ihrer Bu¨rger und Amtstra¨ger ein361.

361 Vgl. Weber, Sprache. Wie das Beispiel der von Dante, Par. XVI 127–132, und Giovanni Villani erwa¨hnten Florentiner Adelsfamilien zeigt, die ihre Wappengruppe auf das angebliche Wappen des im 10. Jahrhundert lebenden Markgrafen Hugo von Toskana zuru¨ckfu¨hrte, wurden solche Bezeichnungskonzepte in vorheraldische Zeiten zuru¨ckprojiziert. Vgl. Savorelli, Araldica, S. 56. Die Bezu¨ge zwischen der Wappenfu¨hrung der Einwohner und kommunalen Institutionen, wie Signoria, Popolo oder Parte Guelfa weisen nicht nur reglementierende Vorschriften durch letztere auf. Die familia¨re Wappenfu¨hrung und die dahinter stehenden Selbstversta¨ndnisse beruhten bereits von sich aus auf Prinzipien der Einbindung, die auch nicht-verwandtschaftlich bestimmte Gruppen und die eigene Stadt und deren Kommune mit einschlossen.

3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf

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3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf – das heraldische Wissen der Notare Henrigettus Feliciani und Delai Venturini von Altedo Welchen Ausgang der conflictus des 17. Juli 1268 nehmen wu¨rde, wird am Morgen dieses Tages noch ungewiß gewesen sein. Daß sich jedoch die Spannung zwischen den Ghibellinen und Guelfen Todis in einer Eskalation entladen wu¨rde, war Comazzo Galluzzi und seinen Familiaren bewußt gewesen. Neben der bereits kurz nach seinem Amtsantritt erfolgten Anforderung der dreißig beroarii zeigt sich dies in den letztlich vergeblichen Maßnahmen, die der Podesta` noch am Morgen des 17. Juli unternahm. Diese entsprachen den klassischen Verfahrensmo¨glichkeiten, zu denen kommunale Stadtregimenter in einem Konfliktfall griffen. Wird dies aus einem Vergleich mit den Handlungsnormen ersichtlich, deren Befolgung die Statuten der meisten Kommunen fu¨r einen solchen Fall vorschrieben, so zeigt ein Blick auf die Schilderung a¨hnlicher Konflikte durch die Chronistik, daß auch das Vorgehen der Konfliktparteien erkennbaren Handlungsmustern folgte. Auf sie wird im Folgenden einzugehen sein. Die Familiaren des Comazzo Galluzzi, die zehn Jahre nach den Ereignissen in Pistoia aussagten, waren alle mit mehr oder weniger aktiven Rollen in den Konflikt involviert. Ihre Aussagen stimmen nicht nur in vielen Punkten zu dem erfragten Geschehensablauf u¨berein, sondern erga¨nzen dies auch durch individuelle Detailbeobachtungen. In Analogie zu den in den vorangegangenen Kapiteln gesetzten Akzenten auf heraldische Wissensbereiche des Notars Henrigettus Feliciani und des beroarius Iohannes Gerardi Paltonerii werde ich in diesem Kapitel auf die Beobachtung eines weiteren Aspekts durch den aus dem bolognesischen Altedo stammenden Delai Venturini und durch Henrigettus Feliciani na¨her eingehen. Delais Aussage spricht einen weiteren Komplex heraldischer Symbolik an und wirft etwas Licht auf weniger bekannte Pflichten von Notaren in der familia eines Podesta`. Um die Bedeutung der heraldischen Fahnen, um die es hier geht, in ihrem Handlungskontext besser zu verstehen, werde ich mit einer Rekonstruktion des Geschehens am 17. Juli anhand der Zeugenaussagen beginnen. Die Wappenfahnen der Ghibellinen, die zuna¨chst als Zeichen des Aufruhrs bewußt gegen den als parteiischen Guelfen angesehenen Podesta` gekehrt wurden, waren natu¨rlich auch Zeichen der Ordnung: Sie hielten die eigene Partei zusammen und repra¨sentierten nach der erfolgreichen Einsetzung des Ghibellinenfu¨hrers Pauletto degli Atti zum Capi-

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tano Todis das neue Stadtregiment. Als Medien in Konfliktpraktiken, die fu¨r die italienischen Stadtkommunen charakteristisch waren, wie auch als Identifikations- und Herrschaftszeichen sta¨dtischer Korporationen und Parteiungen sind sie mit a¨hnlichen Formen heraldischer Symbolik vergleichbar, von denen die Quellen aus anderen Sta¨dten berichten. Dies soll nach der Schilderung des Konfliktes in Todi und der Interpretation der in seinem Verlauf gezeigten Wappen auf der ersten Zeichen-Ebene durch die Diskussion einiger Vergleichsbeispiele hervorgehoben werden. Vor allem die sta¨dtischen Partei-Konflikte der Jahre 1266 bis 1268, die in Zusammenhang mit den Ka¨mpfen der letzten Staufer gegen Karl von Anjou standen, sind hier von Interesse. Sie lassen im Vergleich das Exemplarische des Wappengebrauchs in Todi hervortreten. Obwohl Comazzo Galluzzi am letzten Tag des Mai unter dem Jubel der Einwohnerschaft feierlich in die Stadt eingeholt worden war und bei seinem Amtsantritt am na¨chsten Morgen ein von seinem Vorga¨nger geordnetes Stadtregiment vorgefunden hatte, dessen durchga¨ngig parita¨tische Besetzung von dem Frieden zwischen den in der Stadt zusammenlebenden Ghibellinen und Guelfen zeugen sollte, du¨rfte ihm schon bald klar gewesen sein, daß es zwischen den Faktionen ga¨rte. Die einzelnen Maßnahmen seiner nur anderthalb Monate dauernden Regentschaft, von denen seine Familiaren berichten, zielen beinahe alle auf eine Verhinderung oder Einda¨mmung des offenen Aufruhrs. Der am 1. Juni 1268 ad sonum campanae einberufene neue Rat beriet sogleich auf Antrag des Podesta` u¨ber die Art und Weise, in der beroarii zur custodia der Stadt angeworben und eingesetzt werden sollten362. Ende Juni trafen diese Wachen aus Bologna in Todi ein. Zu diesem Zeitpunkt, nach der fu¨r Konradins toskanische Anha¨nger siegreichen Schlacht bei Ponte a Valle am 25. Juni, begann der innersta¨dtische Konsens zu zerbrechen363. Comazzo Galluzzi ließ seit Anfang Juli in der Stadt ausrufen, daß niemand Ru¨stungen und Kampfvorbereitungen betreiben du¨rfe und verurteilte einen gewissen Grassus wegen Verstoßes gegen dieses Gebot364. Im Rat wurde u¨ber Gesandtschaften an den Kardinal Savelli und den Papst beraten, um Konflikte der Kommune mit der Kurie auszura¨umen und um die Entsendung eines Legaten zur Friedensvermittlung zu bitten365. Hen362 Wu¨stenfeld, Revolution, S. 693ff. 363 Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. **14386 d, S. 2078. 364 Wu¨stenfeld, Revolution, S. 697; Maire Vigueur, E´chec, S. 39. Diese und die folgenden Maßnahmen hatten auch seit 1260 die Amtstra¨ger der Kommune und des sich gerade erst formierten Popolo in Perugia angewandt; Vallerani, Mouvement, S. 336–355. 365 Wu¨stenfeld, Revolution, S. 695.

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rigettus Feliciani, der als Notar ad reformationes an den Ratssitzungen teilgenommen hatte, sagte von sich aus in Erga¨nzung seiner Antworten aus, daß Comazzo Galluzzi in der Zeit vor dem 17. Juli mehrfach – pluries et pluries – Sitzungen der Savi des Popolo sowie des consilium generale einberufen hatte, in denen er um die Erma¨chtigung gebeten hatte, super bono statu et pacifico dicte terre die Capitani der beiden Parteien zu verbannen. Doch die zustimmenden Ratsbeschlu¨sse fu¨r den Fall einer Eskalation, die Henrigettus aufschrieb, kamen bereits zu spa¨t. Als der iudex Nicolinus Guidonis Tosi (oder: Tonsi) sie am Tag des Aufruhrs den beiden Capitani der Parte Ghibellina verku¨ndete, wurde er von deren bewaffnetem Anhang niedergeschrien366. Was vor dem Sturm des 17. Juli in Todi vor sich gegangen war, la¨ßt sich an den Reaktionen der Kommune ablesen, genauer gesagt, an den Verboten, die der Podesta` o¨ffentlich in der Stadt und ihren borghi ausrufen ließ. Selbst an der Amtsbesetzung der beiden praecones, die ihm dafu¨r zur Verfu¨gung standen, la¨ßt sich der besondere Charakter des in Todi bestehenden regime bipartito erkennen: Angelerius war von der Partei der Ghibellinen gestellt worden, Lascha von der der Guelfen367. Die beiden hatten nun mehrfach zuvor ausgerufen, daß dem eine Strafe in Ho¨he von 500 Pfund drohe, der in seinem Haus Ru¨stungen betreibe und Fremde oder Bewaffnete beherberge, die nicht seine Familiaren seien. Kein auswa¨rtiger Reiter oder Fußsoldat du¨rfe die Stadt betrete, jeder Fremde habe sie sofort zu verlassen. Niemand du¨rfe in seinem Haus Waffen lagern oder gar in Waffen durch die Stadt gehen368. Henrigettus Feliciani berichtet, daß es 366 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 56. Ebenda, fol. 69: Insuper dicit quod idem potestas pluries et pluries ante diem dicti praelii et conflictus fecit consilium sapientum et consilium generale dicti comunis in quibus proposuit et consilium sibi petiit exhiberi super bono statu et pacifico dicte terre volendo dare consilium. capitanorum dictarum partium exire civitatem Tuderti. et haec dicit scire quia praesens fuit dictis consiliis et quia ipse scripsit reformatio ipsorum consiliorum. et dicit quod quando idem iudex fecit preceptum dictis capitaneis partis Ghibellinorum spleverunt dicta praecepta et nullus de armatis se movit immo clamaverunt contra eum. 367 Ebenda, fol. 80: et quia officiales scilicet camarlingi dicte civitatis et notarii erant de utraque parte dicte civitatis et etiam praecones. Et quia electiones que fiebant in dicta civitate fiebant per dictos praecones qui erant unus de parte Gibellina et alius de parte Guelfa et unusquisque eorum eligebat officiales quos eligere debebat de hominibus partis de qua ipse erat. Interrogatus quo nomine vocabantur dicti praecones. respondit quod unus vocabatur Angelerius et erat de parte Ghibellina. et alius Lasscha qui erat de parte Guelfa. (Aussage des Delai Venturini). Vgl. Maire Vigueur, E´chec, S. 17. 368 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 69: Super trigesimo octavo articulo dicte intentionis sibi lecto interrogatus. dicit quod contra voluntatem et prohibitionem dicti domini Comacii habuerunt inter se dicte partes praelium et conflictum fecit praeconizari pluries per dictam civitatem et burgos quod nullus faceret Guarnimenta et quod nullus forensis eques vel

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in seinen Zusta¨ndigkeitsbereich fiel, den im Kommunalpalast wartenden Ausrufern die banna aufzuschreiben und sie in actis communis dicte civitatis einzutragen369. So war es auch an jenem Dienstag geschehen, als der ¨ ffentlichkeit nicht verborgen gebliebene Stand der Ru¨stungen, den der O beide Parteien die noctuque betrieben370, den Podesta` schließlich no¨tigte, den Popolo zu mobilisieren. Ein letztes Mal ließ er ausrufen, daß niemand sich bewaffnen und zu den Ha¨usern der Capitanei seiner Partei gehen du¨rfe. Außer bewaffneten Popolaren auf Befehl des Podesta` sei es jedem Bu¨rger Todis verboten, die Piazza zu betreten371. Wie vor allem Jean-Claude Maire Vigueur herausgestellt hat, ist das Protokoll der Zeugenaussagen die Hauptquelle fu¨r das wenige, was wir u¨ber den als kommunale Institution bestehenden Popolo von Todi im Jahre 1268 wissen. Daß er einen eigenen, turmbewehrten Palast besaß, der gegenu¨ber dem Kommunalpalast an der zentralen Piazza stand, ist bereits erwa¨hnt worden. Nur fu¨r kurze Zeit war dieser auch von den beroarii des Podesta` bewacht worden, bevor der Rat der Kommune beschlossen hatte, ihn seinem privaten Eigentu¨mer zuru¨ckzugeben372. Henriget-

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pedes deberet intrare civitatem sub certo banno et quod omnes forenses deberent discedere a dicta civitate et quod nullus de civitate praedicta deberet recupere guarnimenta in domo sua sub pena. d. libras et pluries. (Aussage des Henrigettus Feliciani). Ebenda, fol. 83: dicit quod dicta eiectio facta fuit contra mandatum et contra prohibitionem et voluntatem dicti domini Comacii. Interrogatus quomodo scit. respondit quia idem dominus Comacius potestas fecit praeconic¸ari dicta die dicti conflictus ante ipsum conflictum per dictos praecones superius nominatos per dictam civitatem quod nullus de dicta civitate teneret in domo sua aliquem forensem vel aliquem hominem armatum qui non esset de sua familia. Et quod quilibet deberet deponere arma et ipsa deportare non deberet per civitatem. et quod nullus deberet facere vel recipere guarnimenta sub certa pena. de qua et tenore cuius non est memor. Et dicit quod ipse testis. interfuit impositioni factae a dicto domino Comacio dictis praeconibus et quod ipse audivit praedicta banna mittere per dictos praecones per dictam civitatem ex parte dicti potestatis. (Aussage des Delai Venturini). Ebenda, fol. 69. Ebenda, fol. 61 (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii). Ebenda, fol. 71: Interrogatus quomodo scit praedicta. respondit quia vidit dictum dominum potestatem mandare et prohibere ne praelium seu conflictus esset in platea vel alibi in dicta terra mittendo familiares suos ad domos capitaneorum utriusque partis ut supra dixit. Interrogatus quibus prohibuit et mandavit idem dominus potestas. respondit quod prohibuit per banna sua missa per praecones dicte terre et per familiares suos faciendo capitaneis dictarum partium praecepta ut non deberent tenere guarnimenta. et quod nullus deberet ire ad domos dictorum capitaneorum nec facere guarnimenta et quod aliques cives dicte terre non deberent intrare plateam dicte terre. exceptis hominibus societatis populi de medio qui venerunt ad plateam comunis cum armis mandato dicte potestatis pro bono et pacifico statu dicte terre. (Aussage des Henrigettus Feliciani). Ebenda, fol. 70: Et dicit quod domum populi tenuit per plures dies tempore sui regiminis sed tempore conflictus non videtur sibi quod eum teneret quia reformatum fuit in consilio

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tus Feliciani spricht den Popolo an einer Stelle ausfu¨hrlicher als societas populi de medio dicte civitatis an373. Diese Bezeichnung als Gesellschaft der Mitte gibt nach Maire Vigueur den entscheidenden Hinweis auf die Entstehung und die Funktion des Popolo. Er war Teil des besonderen politischen Systems, das Comazzo Galluzzis Vorga¨nger Pandolfo Savelli etabliert hatte. Es hatte den innersta¨dtischen Frieden wiederhergestellt, indem es die Parteien der Guelfen und Ghibellinen zu exakt gleichen Tei¨ mterbesetzung beteiligte. Der Popolo, len an der Herrschaft und der A dem die Bu¨rger angeho¨rten, die keiner der von der sta¨dtischen Aristokratie dominierten Parteien zugeho¨rig waren, stellte sich dem Podesta` zur Verfu¨gung374. Eine Vorstellung von der Organisation und den Aktivita¨ten des Popolo, die dem Podestariat Comazzo Galluzzis unmittelbar vorausgingen, bietet ein am 30. Dezember 1266 durch Petrus Rollandi, einen Notar des Capitano del Popolo von Todi, ausgefertigtes Notariatsinstrument. Es dokumentiert eine im Bischofspalast abgehaltene Volksversammlung, in deren Verlauf der uns bereits bekannte Syndikus Rambaldus Bonaventure im Namen der Kommune dem Rektor des Tuszischen Patrimoniums, Guido de Pileo, den Treueid schwor. In der ersten Januarwoche des Jahres 1267 leisteten namentlich und numerisch aufgefu¨hrte Gruppen von Todinern aus den verschiedenen regiones der Stadt ebenfalls den Eid. Mit den auch daru¨ber ausgestellten Notariatsinstrumenten wuchs die Dokumentation der Schwurgemeinschaft zu einer Akte an, die im Archiv der Ro¨mischen Kirche in der Sakristei von San Francesco zu Assisi ihre Aufbewahrung fand375. Nach dieser Quelle hatten der Podesta` und der Capitano del Popolo die universitas sive consilium specialis et generalis populi et Communis Tudertini durch sonum tube, voce preconis et sonum campanarum einberufen. Die anschließende Abnahme des Eides der Bu¨rger durch die Notare erfolgte iuxta formam mandati predicti domini Capitanei et suorum officialium. Neben dem wahrscheinlich schon bestehendicte terre quod restitueretur cuidam de dicta terra cuius fuerat dicta domus. (Aussage des Henrigettus Feliciani). 373 Ebenda, fol. 69. Diese Stelle ist von spa¨terer Hand, mo¨glicherweise der Cecis oder Maire Vigueurs, unterstrichen worden. 374 Maire Vigueur, E´chec, S. 13–19. 375 Codex Diplomaticus dominii temporalis S. Sedis 1, Nr. 317, S. 169–171. Vorausgegangen war die nach der Schlacht von Benevent erfolgte Vertreibung der Ghibellinen durch die Guelfen und die Absetzung des Podesta` Andrea Barozzi. Vom 31. September 1266 bis zum 8. April 1267 amtierte als Podesta` von Todi der aus einem benachbarten Adelsgeschlecht stammende Ugolino de Alviano, unterstu¨tzt durch den aus Viterbo geholten Capitano del Popolo Franciscus Filippi; Ceci, Potesta`, S. 313 und 316 [93 und 96]; Ders., Todi, S. 152ff.; Ders. – Bartolini, Piazze, S. 68.

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den Gremium der sapientes, du¨rfte dem Capitano del Popolo auch eine familia zur Verfu¨gung gestanden haben, die der eines Podesta` entsprach. Neben den Notaren wird auch einer seiner iudices in dem Dokument genannt. Abgesehen von spa¨teren, hauptsa¨chlich in den 1290er Jahren erfolgten Experimenten, sollte das Volkskapitanat, das uns hier in seiner ‚klassischen‘ Form entgegentritt, in Todi jedoch keinen Bestand haben376. Bereits Comazzo Galluzzi stand kein Capitano del Popolo mehr zur Seite. Dieser Podesta` hatte auch fu¨r den Palast des Popolo Sorge zu tragen und ihn schließlich sogar per Ratsbeschluß aufzugeben. Das consilium sapientum, nun wahrscheinlich das Fu¨hrungsgremium des Popolo, war ihm wa¨hrend seiner kurzen Amtszeit eine wichtige Stu¨tze377. Die Maßnahmen zur innersta¨dtischen Friedenswahrung, die der Bolognese ergriff, du¨rften den Intentionen der Todiner Popolaren entsprochen haben, die in den letzten Jahren a¨hnliche kommunale Krisen erlebt und zum Teil gemeistert hatten. Am Vorabend des Aufruhrs war der Rat des Popolo unter Leitung des Podesta` zusammengetreten und hatte beschlossen, von den Nachbarsta¨dten Foligno, Orte und Terni je fu¨nfundzwanzig Bewaffnete zu erbitten, um die sich ru¨stenden Parteien in Schach zu halten. Spoleto, wo Comazzos Landsmann Pietro Fr(i)ulani amtierte, stellte fu¨nfzig, sowie zehn milites in Aussicht378. Offenbar waren diese schon auf dem Weg. Denn am darauffolgenden Morgen schickte Comazzo seinen miles Rimbaldus cum aliis de sua familia obviam dictis militibus causa honorandi eos379. Dazu gab es auch Anlaß genug, da wir aus einem Dokument vom folgenden Tag erfahren, daß der Podesta` von Spoleto ho¨chstselbst und in Begleitung seines miles den Reitertrupp anfu¨hrte380. Zugleich gab Comazzo den Befehl, daß sich omnes illi de medio zu Fu¨ßen der Treppe des Kommunalpalastes zu versammeln ha¨tten381. Was das bedeutete, beschrieb spa¨ter Delai Venturini: Er habe etwa sechshundert Bewaffnete des Popolo auf der Piazza gesehen382. Der Podesta` hatte 376 Ceci, Potesta`, S. 315f. [95f.]. 377 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 69. Vgl. Maire Vigueur, E´chec, S. 19. 378 Ceci, Todi, S. 156, ohne Quellenangabe; Maire Vigueur, E´chec, S. 18, mit Hinweis auf ASCT, Dipl. perg. 17 E, fol. 39. In inneren Krisen die befreundeten Nachbarkommunen um einen Auszug zu bitten war ga¨ngige Praxis unter den Stadtkommunen des Mittelalters. Siehe etwa oben zu Reggio und Parma; so bereits Wu¨stenfeld, Revolution, S. 698f. 379 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 52. 380 Wu¨stenfeld, Revolution, S. 704. 381 Maire Vigueur, E´chec, S. 18. 382 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 83: insuper dicit quod idem dominus Comacius fecit venire ad plateam comunis societatem populi de medio armatam pro conservando bono et paci-

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mit seinem Aufruf ein Standardverfahren in Gang gesetzt, wie es in den meisten Statuten des Popolo italienischer Kommunen, etwa den ‚Ordinamenta sacrata et sacratissima‘ Bolognas oder den Florentiner ‚Ordinamenta Iustitie‘, vorgeschrieben wurde383. Nach diesem Vorgehensschema hatten sich, wenn im Falle eines Aufruhrs die Stadtoberha¨upter durch Anschlagen der Sturmglocke, Ausrufen oder Blasen von Businen entsprechende Signale gaben, die Kompanien zugeteilten Fußsoldaten des Popolo zu bewaffnen und unter ihren Fahnen so schnell wie mo¨glich die ihnen angewiesenen Pla¨tze, vor allem aber die zentrale Piazza vor dem Kommunalpalast, zu besetzen. Aus den besagten Ordnungen wissen wir, daß diese Popolaren einheitlich bewaffnet und uniform gekleidet waren. Sie stellten, wie fu¨r Florenz belegt, ein elaboriertes heraldisches Zeichensystem zur Schau, das sowohl der Organisation der Truppe diente, als auch ihren ideologischen Anspruch auf Friedenssicherung in Waffen visualisierte. Indem er die ‚Wahrung der guten und friedvollen Ordnung des besagten Ortes‘ als Motiv des Aufmarsches nannte, gebrauchte Delai Venturini in seiner Aussage von 1278 genau die Formel, die sich auch an entsprechender Stelle in den Statuten der großen Kommunen findet384. Ebenso handelte sein Kollege Henrigettus Feliciani385. In Todi waren es vorrangig Repra¨sentanten des Popolo gewesen, die um die Jahreswende von 1266 auf 1267 pro pace et bono statu Communis Tuderti dem Rektor des Tuszischen Patrimoniums einen Treueid geleistet hatten386. Mit dieser Wendung umschrieben die Bologneser Notare offensichtlich ein ebenfalls

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fico statu dicte terre. que societas erat numero. vjC. hominum armatorum ut sibi videtur aspectu. Siehe Kapitel 4.2. In Parma bereits in einem nach einem Aufruhr der Parteien erlassenen Statut vom 4. Mai 1266; Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. 464: Capitulum pro bono et pacifico statu civitatis Parmae, et ad removendum omnem materiam tumultus, scandali et erroris in civitate Parmae et episcopatu toto. Zu Bologna vgl. Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 21: pro bono et pacifico statu populli. Die Florentiner Ordinamenta Iustitie, S. 416: Es sei allgemein bekannt, daß, wenn der ‚Bannertra¨ger der Gerechtigkeit‘ an einem Ort sei cum Vexillo Iustitie pro executione Ordinamentorum Iustitie, dies iuxta et recta intentione pro bono pacifico et tranquillo statu Populi et Comunis Florentie [...] ad hoc ut Populares civitatis Florentie in eorum iustitia et tranquillitate conserventur et crescant [...] ad comune bonum totius civitatis geschehe. Zur Relevanz dieser Formel im 13. Jahrhundert siehe Vallerani, Mouvement. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 71: mandato dicte potestatis pro bono et pacifico statu dicte terre. Codex Diplomaticus dominii temporalis S. Sedis 1, Nr. 317, S. 169–171, hier S. 170. Erinnert sei an die zu Ehren Pandolfo Savellis am Kommunalpalast angebrachte Inschrift, deren Thema die kommunale pax ist.

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feststehendes Handlungsmuster und legten dadurch offen, daß sie und wahrscheinlich auch ihre Befrager und die Ersteller des Prozeßschriftgutes den Zusammenhang zwischen beiden internalisiert hatten. Die in einer den Statuten und dem normativen Schriftgut benachbarten Quellengattung vorliegende Aussage belegt die Existenz einer Denkform, die charakteristisch fu¨r die kommunale Schriftkultur ist387. Ihre Verbindung von Handlungsmuster, Norm und wertebezogener Ideologie pra¨gte die Erinnerung Delai Venturinis und Henrigettus Felicianis, die sie als Notare des Podesta` sowohl aus der Herrschaftspraxis als auch aus dem Formular des kommunalen Schriftgutes kannten. Leider erfahren wir aus den Zeugenaussagen gar nichts u¨ber einen Wappengebrauch des Todiner Popolo. Angesichts der hochgradig mit religio¨ser Symbolik aufgeladenen Siegel- und Wappenbilder, wie sie der Popolo von Genua, Parma, Florenz und Prato fu¨hrte, wa¨re es a¨ußerst interessant zu wissen gewesen, ob man in Todi eine a¨hnliche Zeichensprache gewa¨hlt hatte und ob, beziehungsweise wie man das Wesensmerkmal der Mittigkeit im parita¨tischen System der Kommune verbildlichte388. Eine Tradition des Popolo in dieser speziellen Form sollte sich nach dem Bruch von 1268 nicht in Todi etablieren, das noch bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts von heftigsten Parteika¨mpfen und Familienfehden erschu¨ttert wurde. Daher hat sich meines Wissens nach auch kein eigensta¨ndiges Wappen des Todiner Popolo erhalten. Comazzo Galluzzi ließ sich von den wahrscheinlich als gewa¨hlte Funktiona¨re dem Popolo vorstehenden sapientes nicht nur seine Handlungen legitimieren, er bediente sich ihrer auch fu¨r einen letzten Versuch der Vermittlung und der Strafandrohung. Der Podesta` schickte na¨mlich Gesandtschaften, der jeweils einige seiner Familiaren und beroarii sowie zwischen zehn und zwo¨lf savi des Popolo angeho¨rten, zu den Ha¨usern, wo sich die Capitani der Parteien auf den Kampf vorbereiteten. Die Gruppe, die sich zu den Guelfen aufmachte, fu¨hrte der iudex Benvenutus Iohannis Fabri in Begleitung seines Notars Franciscus Donadini (oder: Donadei) an, zu den Ghibellinen gingen der iudex Nicolaus Guidonis Tonsi und sein Notar Henrigettus Feliciani389. Von Henrigettus, der 387 Vgl. grundsa¨tzlich Keller, „Kommune“. 388 Zum Siegel des Genueser Popolo siehe Kapitel 1.2.1. Zu Parma siehe unten. Zum Popolo von Florenz und Prato siehe Kapitel 4.2.2 und 4.2.3. 389 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 69: Interrogatus qui de familia dicti domini Comacii missi fuerunt ad domos dictorum capitanorum et quis misit eos causa superius designata. respondit. dominus Nicolaus Guidonis Tonsi iudex dicte potestatis et idem testis eius notarius cum aliquibus de sua familia et cum decem. vel. xij. sapientibus societatis populi de medio dicte civitatis quorum nomina non bene recolit ad praesens. a dicto domino

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sich als Zeuge sehr detailliert an diese Vorga¨nge erinnerte, erfahren wir auch die Namen der capitanei, die jeweils zu zweit die Todiner Faktionen anfu¨hrten. Der pars Guelforum standen Ianbonus Offreducii und Francescus Filippi vor, der pars Ghibellinorum Petrus Egidii Mattefellonis und Paulettus Atti. Auch wenn sie mittelbar in das politische System der Kommune eingebunden waren, finden sich ihre Namen bezeichnenderweise nicht in der vom Popolo getragenen, auf die Anerkennung der Hoheitsgewalt des Kirchenstaates ausgerichteten Schwureinung vom Jahresbeginn390. So wie im eindeutigen Fall der Atti wird man sie als Protagonisten der o¨rtlichen Aristokratie ansehen du¨rfen391. Wie der Bericht der Zeugen erkennen la¨ßt, bereiteten sie unter Ausnutzung der ihrem gesellschaftlichen Status entsprechenden Machtmittel und der institutionell-korporativen Strukturen, u¨ber die sie geboten, den Konflikt umfassend vor. Die Gewalt, zu der es am 17. Juni kommen sollte, war weniger spontan, als von langer Hand vorbereitet. Sie folgte zudem typischen Spielregeln der mit-

potestate ad domos capitaneorum partis Ghibellinorum. Et dominus Benvenutus Gianc¸ii Fabri iudex dicti domini potestatis cum uno ex notariis suis nomine Francisco et aliis familiaribus suis. cum aliis .x. sive .xij. de dicta societate missi fuerunt per dictum dominum potestatem ad domos capitaneorum partis Guelforum. Vgl. ebenda, fol. 61 (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii). 390 Allerdings leistete ein Nicolatius Uffredutii den Eid; Codex Diplomaticus dominii temporalis S. Sedis 1, Nr. 317, S. 170. 391 Vgl. Maire Vigueur, E´chec, S. 11ff. So hatten die Atti mit Iacobus II. den Vorga¨nger des seit 1252 amtierenden Todiner Bischofs Pietro Caetani gestellt; Leoˆnij, Cronaca, S. 54f. Der Todiner Francescus Filippi war nicht, wie Wu¨stenfeld, Revolution, S. 681 annimmt, identisch mit dem gleichnamigen Viterbesen, der als Capitano del Popolo in der Stadt am Tiber amtiert hatte. Ianbonus (Giambono) war wahrscheinlich der Sohn des zuvor als zentrale Figur des Todiner Guelfentums in Erscheinung getretenen Offreduccio di Gherardo. Dieser amtierte 1258 und 1259 als Capitano del Popolo seiner Heimatstadt. Zu 1260 berichtet die Todiner Chronik, Le cronache volgari, S. 136: et fuoro li gibillini ad oste sopra la torricella de meser Ufreducio et tolserla et scarchaˆrla; et fo gran guerra tra lo populo et li boni homini; et in quel tempo li gibillini for chiamati gintilhomini et lo populo ghelfi. Nach derselben Quelle, ebenda S. 137, kehrte der offenbar damals vertriebene Offreduccio 1261 in die Stadt zuru¨ck, um im Folgejahr in der battaglia zu fallen, in der die Ghibellinen erneut die Guelfen vertrieben. Vgl. Ceci, Potesta`, S. 315 [95]. Der Ha¨userkomplex, dessen Turm 1260 gekappt worden war, stand nach Aussage des Delai Venturini an der Platea Comunis zwischen dem Kommunalpalast und der 1298 abgerissenen Kirche San Giovanni e Paolo; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 83: Interrogatus in quo loco dictum palacium erat situm est. respondit in uno angulo platee dicte terre iuxta ecclesiam sancti Iohannis. vel iuxta domum filiorum domini Offreducii Gerardi. Vgl. Ceci – Bartolini, Piazze, S. 70f.; Wu¨stenfeld, Revolution, S. 673. Zu dem Aufruhr des Jahres 1296, in dem la torricella de meser Ufreduccio eingerissen wurde, siehe unten Kapitel 3.7. Franciscus Philippi u¨berlebte die Niederlage von 1275. Er geho¨rte zu den von beiden Parteien gestellten statutarii von 1275; Statuto di Todi del 1275, S. 129.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

telalterlichen Konfliktfu¨hrung im Allgemeinen392 und den Taktiken des Straßenkampfs in italienischen Kommunen im Besonderen. Als die Delegation zu den Ghibellinen deren contrata erreichte, stieß sie bereits auf eine versammelte Streitmacht von Fußsoldaten und Reitern. Angesichts dieser Situation, die dem Straftatbestand entsprach, den er zu verku¨nden hatte, teilte der iudex dennoch den beiden capitanei die Gebote des Podesta` mit, bei deren Mißachtung nun eine Strafe von 1000 Pfund drohte. Henrigettus berichtete spa¨ter, daß, noch wa¨hrend er dies in einem Notariatsinstrument dokumentierte, der Ruf laut wurde, daß sich die Guelfen schon zur Schlacht auf der Piazza aufgestellt ha¨tten. Paulettus Atti ließ daraufhin die kommunalen Amtstra¨ger stehen und fu¨hrte seine Truppe in den Kampf auf der platea comunis393. Wie Henrigettus, der sich mit seinen Kollegen in den Kommunalpalast flu¨chtete, beobachtete, konnten sich die Kompanien des Popolo, die eine Gewalteskalation ha¨tten verhindern sollen, nicht auf dem Platz halten394. Der Podesta` setzte nun alles daran, seinen Amtssitz zu behaupten. Auch wenn ihm die Todiner, wie die Zeugen aussagten, inzwischen offen den Gehorsam verweigerten, so verhielt er sich nach wie vor so, wie es sein Amt von ihm verlangte. Noch wa¨hrend die Schlacht in vollem Gange war, sah Rimbaldus de Montegeorgio, wie Comazzo auf einzelne, ihm offenbar bekannte Kombattanden deutete und einem seiner Offizialen befahl: vade fac mitti istud bannum395.

392 Vgl. Althoff, Macht der Rituale. 393 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 69: Et ipse idem dominus Nicolaus iudex et idem .testis. euntes ad domum domini Petri Egidii Mattefellonis et domini Paulecti Atti capitaneorum partis Ghibellinorum dicte terre invenerunt ibidem multitudinem armatorum pedes et equites. quibus iamdictis capitaneis idem dominus Nicolaus iudex mandavit ex parte dicti potestatis in banno et pena mille librarum per se cuilibet eorum quod non deberent recipere vel tenere in domibus eorum aliqua guarnimenta et quod omnes homines armatos exceptis familiaribus eorum deberent facere seperari a domibus et contratis dicto domorum eorum et dictum bannum et praeceptum dicit idem .testis. se scripsisse et cum scriberet dictum praeceptum in contrata dicti domini Pauletti quidam rumor venit quod Guelfi dicte terre accesserant ad plateam dicte terre. et tunc idem dominus Paulettus cum gente armata existente secum ad domum suam et in contrata sua traxerunt ad plateam comunis dictis iudice et notario. familiaribus et sapientibus dicte civitatis se eis opponentibus et tunc inceptum fuit praelium inter homines partis Ghibellinorum et homines partis Guelforum in dicta platea. 394 Ebenda, fol. 71: qui homines dicte societatis resistere non potuerunt et hoc dicit se scire visu et quia fuit ibidem praesens. 395 Ebenda, fol. 54.

3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf

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Der miles des Podesta` konnte dies beobachten, nachdem er auf abenteuerliche Weise wieder zuru¨ck in den Kommunalpalast gelangt war. Er war na¨mlich bereits außerhalb der Stadt auf dem Weg nach Spoleto gewesen, als er das Sturmgela¨ut von Todi ho¨rte. Als ihn dann auch noch ein Bote erreichte und ihm meldete, daß eine Schlacht im Gange sei, wendete er sein Pferd und ritt nach Todi zuru¨ck. Sobald er die Piazza erreicht hatte, ging der romagnolische Ritter mitten zwischen die Ka¨mpfenden – er war, wie er spa¨ter lakonisch aussagte, gerade gut geru¨stet – und versuchte sie zu trennen. Die solcherart gesto¨rten reagierten jedoch mit Steinwu¨rfen, vor denen sich Rimbaldus in den Kommunalpalast in Sicherheit brachte396. Von dort sahen er und die anderen Familiaren, wie die Ghibellinen die Oberhand gewannen und die Guelfen ka¨mpfend vom Platz trieben. Das Haus des guelfischen Capitano Francescus Filippi ging in Flammen auf. Die Guelfen, die sich dort verschanzt hatten, wurden geto¨tet oder gefangen genommen. Aus dem Kampfgeschehen heraus flohen die Unterlegenen aus der Stadt397. Die Aggression der siegreichen Ghibellinen richtete sich nun gegen den Kommunalpalast, den der Podesta` und seine familia noch behaupteten. Henrigettus Feliciani und Delai Venturini sahen, wie sich eine Menge von mehr als fu¨nfhundert Todinern, angefu¨hrt von Paulettus Atti, Petrus Egidii Mactafellonis und anderen Ha¨uptern der Ghibellinen, vor dem Kommunalpalast versammelte. Unter ihnen waren viele Reiter und Fuß396 Ebenda, fol. 52: et tunc ipso testis existens extra civitate audivit pulsari campanam comunis Tuderti et quidam nuncius venit ad ipsam testem et nunciavit quod magnum bellum et praelium inter homines dicte terre erat inceptum et fiebat in platea dicti comunis et tunc ipse testis rediens cum aliis de familia potestatis qui secum erant invenit praelium inceptum et praeliantes in dicta platea et cum esset bene armatus prosiliens in medium nitebatur partes ad invicem separare et substinere non posset ferientium ictus et percussiones lapidum discessit et fugit in palacium potestatis. 397 Ebenda, fol. 69f.: Super trigesimo nono articulo dicte intentionis sibi lecto interrogatus dicit quod in dicto praelio et conflictu. pars Guelforum superata fuit a parte Gibellinorum et eiecta de dicta civitate ab ipsa parte. et dicta universitas passa fuit fissutam [?]. Interrogatus quomodo scit praedicta respondit quia vidit dictam partem Ghibellinorum superare dictam partem Guelforum in dicto praelio scilicet eiciendo partem Guelforum praeliando de platea dicti comunis et postmodum dicta pars Ghibellinorum prosecuta fuit partem Guelforum fugientem extra dictam civitatem ut intellexit. Et dicit quod pars Ghibellinorum misit ignem in domum domini Francisci praedicti capitaneo partis Guelforum ipso teste vidente. Et in domo dicti domini Francisci fuerunt capta et mortui plures homines de parte Guelforum per homines partis Gibellinorum. Et dicit quod nescit nomina mittentium ignem in dicto domo neque nomina illorum qui fuerunt capti et mortui in domo dicti domini Francisci. Interrogatus quomodo scit dicta universitas passa fuit fissuram [?] respondit in eo videlicet. quod pars Guelforum dicte terre fuit eiecta et superata a dicta civitate per dictam partem Ghibellinorum. Vgl. ebenda fol. 61 (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii).

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

soldaten, bewaffnet mit Harnischen, Schilden und Speeren, die Businen, banderiae et vexilla mitfu¨hrten398. Es wird die Streitmacht der Ghibellinen gewesen sein, die unmittelbar zuvor an gleicher Stelle geka¨mpft hatte. Ihre Absicht war eindeutig. Um nach dem Sieg u¨ber die Guelfen die vollsta¨ndige Stadtherrschaft zu erlangen, wollten sie auch den Podesta` und seine Mannschaft vertreiben und den Palast, den Herrschaftsort der Kommune, in Besitz nehmen. Wie die Zeugen berichten, teilten ihnen die Todiner Ghibellinen dies in Sprechcho¨ren mit. Nach Henrigettus Feliciani skandierten sie: ‚Hau ab, Hau ab, Podesta`!‘ und ‚Stirb, stirb, wenn du nicht sofort den Palast verla¨ßt!‘399 Nach Ugolinus Gualinghi und Iohannes Gerardi Paltonerii riefen sie einstimmig: ‚Gebt uns den Palast, verlaßt den Palast und wenn ihr nicht rauskommt, dann brauchen wir Gewalt und brennen den Palast bis auf den Grund nieder und jagen euch mit Schimpf und Schande davon!‘400 Die Businen, die die Aggressoren nach Aussage mehrerer Zeugen dabei hatten, du¨rften diese Sprechcho¨re noch akustisch unterstu¨tzt haben.

398 Vgl. ebenda, fol. 82. 399 Ebenda, fol. 70: dicit quod cives Tudertini qui post eiectionem partis Guelforum remanserunt Tuderti. venerunt cum multitudine armatorum. et cum banderiis et vexillis ad palacium dicti comunis Tuderti in quo eant idem dominus Comacius et eius familia volentes ipsum spoliare regimine dicte terre et domus seu palacii comunis et petentes ut exirent dictum palacium et domum et chomunitates eis cum armis se daturos praelium contra eum et ponere ignem in dicto palatio et quod ipsum ex vim expellerent violenter et cum dedecore nisi exiret palacium praedictum. Interrogatus quomodo scit praedicta. respondit quia vidit praedictos cives Tuderti venire ad dictum palacium cum armis banderiis et vexillis et minari dare praelium ad dictum palacium et facere que supra dixit et vidit et audivit praedictos cives clamare contra dictum potestatem et familiam recede recede potestas et moriatur moriatur nisi cito exentis palacium. Interrogatus qui fuerunt illi cives qui venerunt ad praedicta dicenda et facienda et qui fuerunt illi cives qui remanserunt in dicta terra post dictam eiectionem. respondit quod fuerunt homines partis Ghibellinorum dicte civitatis qui remanserunt Tuderti et qui venerunt ad dictum palacium. Interrogatus quos cognovit et vidit respondit dominum Paulettum Atti superius dictum. Ramaldutium de Salviano alias dicit se ignorare ad praesens nomina eorumdem. Interrogatus quot homines venerunt ad dictum palacium ad praedicta facienda et dicenda. respondit. quod fuerunt .Vc. homines et plures. Interrogatus quomodo scit ipsos fuisse tot homines. respondit. asspectu. 400 Ebenda, fol. 57: pars vero que remansit post dictam eiectionem Tuderti venit cum multitudine armatorum et cum tubbis et vellis vesillis ad palatium comunis Tuderti in quo erat dictus dominus Comaccius et sua familia dicendo contra ipsum et suam familiam date nobis palatium et exite palatium et nisi exiveritis dabimus praelium et incidemus palacium de subtus. Ebenda, fol. 61: et dixit quod propter timorem minarum dicte multitudinis que una voce clamabat comuniter dicendo exite palatium alias dantes vobis praelium incidemus de suptus palacium et ... [invitemus? vivitemus?] ignem et expelemus vos cum dedecore et dampno.

3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf

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Wie ernst diese Drohungen und Gesten zu nehmen waren, zeigt die nachtra¨gliche Einscha¨tzung der Lage durch Rimbaldus de Montegeorgio. Der miles, der die Konfrontation mit den sich beka¨mpfenden Konfliktparteien nicht gescheut hatte, sagte spa¨ter aus, daß sich der Podesta` und seine Leute sehr gefu¨rchtet hatten und daß sie, wa¨ren sie nicht aus dem Kommunalpalast in die Zuflucht von San Fortunato geflohen, heftig angegriffen worden wa¨ren401. Außerdem beließen es die Todiner nicht bei mu¨ndlichen Drohungen. Noch wa¨hrend sich der Podesta` und seine Leute im Palast befanden, legten einige außen Leitern an das Geba¨ude an402. Andere erbrachen das von außen zuga¨ngliche Tor der Stallungen und begannen damit, diese auszurauben403. Henrigettus Feliciani hatte gesehen, wie Armbrustschu¨tzen draußen in Stellung gingen404. In dieser Situation griff die Geistlichkeit der Stadt als Vermittler ein405. Eine Delegation von mehr als zwanzig Ordensbru¨dern sowie einigen Laien, angefu¨hrt vom Bischof Pietro Caetani, stellte sich zwischen den Podesta` und die Aufsta¨ndischen. Der Konflikt ging nun in eine Phase der Verhandlungen u¨ber. So sah und ho¨rte Delai Venturini, wie Comazzo Galluzzi von seinem Platz oberhalb der Treppe des Kommunalpalastes mit dem auf dem Platz stehenden Paulettus Atti verhandelte. Es blieb allerdings beim Austausch von Positionen: Auf die Forderung des Podesta`, die Guelfen wieder in die Stadt zuru¨ckzuholen, entgegnete der Ghibellinenfu¨hrer, der ihn zuvor lautstark zur Amtsaufgabe aufgefordert hatte, daß dies nicht zur Diskussion stu¨nde406.

401 Ebenda, fol. 53: illi insurgentes contra potestatem ceperunt ipsum et suos qui secum remanserunt de quibus fuit ipse testis acriter minari et cum ipsa potestas et sui temiere fortiter propter minas quas faciebant fugit ipse et sui cum ipso teste et habuit reclusum ad ecclesiam fratrem minorem dicte terre et credidit ipse testis quod potestas et sui graviter essent offensi si stetissent ibi et tunc milites de Spoleto venerunt ad eos qui sociavere eos usque Spoletum et nichilominus aliqui de civitate Tuderti in secuti fuere eos satis extra civitatem ipsam et tunc pars Ghibellinorum expulit partem Guelforum de dicta civitate Tuderti. 402 Ebenda, fol. 57. 403 Ebenda, fol. 61: et fregerunt hostium stabuli per vim et robaverunt stabulum de una mula et uno equo et de aliis rebus quarum non recordatur que erant in stabulo et apperte fuerunt stalliones post dictum palatium. (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii). 404 Ebenda, fol. 71: Interrogatus si dicti homines Tuderti dederunt praelium ad dictum palacium. respondit quod traxerunt balistarii cum balistas ad dictum palacium et fregerunt portam stabuli dicti palatii et intraverunt in eum. 405 Zur Vermittlungsta¨tigkeit von Geistlichen, insbesondere Bischo¨fen, siehe Kamp, Friedensstifter. 406 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 83: respondit quia vidit ipsum dominum Comacium contempdere eo existente in palacio dicti comunis cum domino Paulecto Acti. existente in platea dicti comunis iuxta scalas quod pars Guelforum dicte civitatis que iam erat eiecta

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Noch wa¨hrend man offenbar verhandelte, besetzten bewaffnete Ghibellinen den Kommunalpalast; andere liefen hinein und heraus. Unter dem Schutz der Delegation verließen die Bolognesen schließlich den Kommunalpalast und stiegen den Hu¨gel zum alten Kapitol hinauf, um sich dort im Minoritenkloster von San Fortunato in Sicherheit zu bringen407. In ihrem Ru¨cken begann die Plu¨nderung des Palastes. Vielleicht war die Zuru¨cklassung ihrer Habe der ausgehandelte Preis fu¨r ihren Abzug gewesen. Doch kann dies nur Spekulation bleiben, da die Argumentation der Zeugenaussagen dahin ging, quod dicta occupacio et privacio et scilicet spoliatio facta fuit contra mandatum et contra prohibitionem et voluntatem dicti domini Comacii408. Die Ritter aus Spoleto, die auch ohne Rimbaldus ihren Weg in die Stadt gefunden hatten, sowie die Mo¨nche schu¨tzten den nun entmachteten Podesta` und seine familia409. Noch bevor sie den amtierenden Podesta` zwangen, seinen Amtssitz und seine Herrschaft aufzugeben, hatten die Ghibellinen bereits ihren Capitano Paulettus Atti o¨ffentlich zum neuen caput, dominus, rector und

de dicta civitate deberet redire in dictam civitatem et idem dominus Paulectus respondebat eidem quod super aliud cogitaret eo [von spa¨terer Hand unterstrichen:] quod hoc locum non habebat. et hec fuerunt dicta die dicti conflictus post horam none ut sibi videtur recordari. Et dicit quod idem testis tunc fuit praesens praedictus. Vgl. ebenda fol. 70 (Aussage des Henrigettus Feliciani). 407 Ebenda, fol. 71: dicit quod dictus dominus Comacius visa multitudine armatorum praedictorum et auditis minis et clamore ipsorum propter timorem dicte multitudinis et belli ei a dicta multitudine chominati exivit dictum palacium et sic fuit sibi a praedictis ablatum. Interrogatus quomodo scit. respondit quia vidit dictam multitudine armatorum et audivit praedicta que sibi dicta fuerunt cuius occasione dictus potestas et eius familia exierunt dictum palacium una cum domino episcopo dicte terre et cum aliquibus fratribus de ordine minorum et praedicatorum et herimitanorum et quibusdam hominibus aliis dicte terre qui sociaverunt eos usque ad domum fratrum minorum que appellatur ecclesia sancti Fortunati. Et dicit quot ante exitum palacii factum a dicto potestate et eius familia pluries armati de parte Ghibellinorum Tuderti intraverunt palacium praedictum inferius et superius. Interrogatus quo nomine vocabatur episcopus dicte terre respondit se ignorare ad praesens. Interrogatus quot fuerunt illi fratres tam de ordine minorum praedicatorum quam herimitanorum qui sociaverunt dictum potestatem et eius familiam. respondit quod fuerunt bene .xx. et ultra sed de nominibus ipsorum non est memor. nisi de fratre Angelerio de ordine minorum qui erat de illo numero. (Aussage des Henrigettus Feliciani). 408 Ebenda, fol. 83 (Aussage des Delai Venturini). Vgl. ebenda fol. 61 (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii): respondit quia amisit ibi res suas ipse dominus Comaccius et fuit expulsus extra palacium et privatus regimine sicut supra dixit. 409 Wie Rimbaldus de Montegeorgio berichtet, schu¨tzten die Spoletiner sie auch spa¨ter auf dem Weg nach Spoleto, da sie im Todiner Contado nicht sicher gewesen wa¨ren; ebenda, fol. 53: et tunc milites de Spoleto venerunt ad eos qui sociavere eos usque Spoletum et nichilominus aliqui de civitate Tuderti in secuti fuere eos satis extra civitatem ipsam.

3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf

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capitaneus Tuderti ausgerufen410. Iohannes Gerardi Paltonerii sah, wie er mit einem Stab in den Ha¨nden „wie ein Stadtherr“ den Kommunalpalast betrat411. Henrigettus Feliciani sah ihn dort auf dem Platz des Podesta` sitzen und die Angelegenheiten der Kommune regeln412. Delai Venturini schließlich erschien sogar am folgenden Tag vor ihm an besagter Stelle, um auf sein Geheiß u¨ber die zwischen dem Todiner praeco Angelerius und dem Bolognesen Franciscus Donadini strittige Busine zu verhandeln. Auch er erlebte Paulettus im Habitus eines Stadtherrn413. Aus diesem

410 Ebenda, fol. 54 (Aussage des Rimbaldus de Montegeorgio); ebenda fol. 57 (Aussage des Ugolinus Gualinghi); ebenda fol. 62 (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii): et ipsi Tudertini reputabant eum quod eorum capitem et sic dicebant publice et per tantum [?] et potestati et familie sue quod elevaverant eum in dicte civitate capite et rectore. Vgl. ebenda fol. 84 (Aussage des Delai Venturini): dicit quod cives Tudertini qui remanserunt Tuderti post eiectionem dicte partis Guelfe de novo superinduxerunt et creaverunt eis in rectorem seu capitanum dominum Paulectum Acti de Tuderto. Interrogatus quomodo scit. respondit quia vidit ipsum dominum Paulectum stare et esse in palatio dicti comunis ubi dictus potestas stare et esse consuevit pro dicto regimine exercendo et regere et facere regimen dicte terre. Et quia homines dicte terre obediebant sibi tanquam suo rectori et quia banna per dictam civitatem praeconic¸abantur ex parte dicti domini Paulecti. Interrogatus quando super induxerunt et creaverunt eum. respondit. die dicti conflictus dicebant dicti Tudertini ipsum fore in capitaneum dicte terre electum ante quam dictus dominus potestas descenderet de palatio. 411 Ebenda, fol. 62: et dixit eciam quod vidit dicto domino Pauletto baculum in manibus sicut capite et eum intrare palatium comunis et stare in eo et praecones mittebant banna ex parte domini Pauletti capite civitas Tuderti. 412 Ebenda, fol. 71: vidit dominum Paulectum qui effectus fuerat capitaneus ut dicebatur ipsum sedere in palacio comunis in loco in quo consueverat sedere dictus potestas et facere et disponere negotia dicte terre. 413 Ebenda, fol. 83f.: Et etiam dicit quod sequenti die dicti conflictus idem testis ivit ad dictum palacium comunis ubi invenit praedictum dominum Paulectum stare et superesse regimini dicte terre et stare et esse ubi consuevit esse dictus dominus potestas. [...] dicit quod cives Tudertini qui remanserunt Tuderti post eiectionem dicte partis Guelfe de novo superinduxerunt et creaverunt eis in rectorem seu capitanum dominum Paulectum Acti de Tuderto. Interrogatus quomodo scit. respondit quia vidit ipsum dominum Paulectum stare et esse in palatio dicti comunis ubi dictus potestas stare et esse consuevit pro dicto regimine exercendo et regere et facere regimen dicte terre. Et quia homines dicte terre obediebant sibi tanquam suo rectori et quia banna per dictam civitatem praeconic¸abantur ex parte dicti domini Paulecti. Interrogatus quando super induxerunt et creaverunt eum. respondit. die dicti conflictus dicebant dicti Tudertini ipsum fore in capitaneum dicte terre electum ante quam dictus dominus potestas descenderet de palatio et ipse idem testis comparuit coram eo adhoc ut inquireret idem dominus Paulectus ab Angelerio praecone tunc dicti comunis si habebat tubam Dondidei qui erat tubator dicti potestatis et de sua familia qui inquisivit ab eo et dixit ei quod non habuerat. dicit tamen quod ipse interfuit quando creatus fuit et insuper inductus idem dominus Paulectus. Interrogatus quando vidit ipsum dominum Paulectum facere et exercere regimen dicte terre. respondit die sequenti dicti conflictus. Super quinquagesimo tertio articulo dicte intentionis sibi lecto interrogatus. dicit quod Tudertini qui remanserunt Tuderti post eiectionem dicte

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Anlaß heraus erfahren wir, daß Franciscus Donadini tubator dicti potestatis et de sua familia war. Das Amt eines Notars im Stab eines Podesta` beinhaltete demnach nicht nur schriftbezogene, sondern auch zeremonielle Aufgaben414. Der neue, im Kommunalpalast residierende Stadtherr bemu¨hte sich nun, die mit dem Konflikt verbundene unkontrollierte Gewalt einzuda¨mmen. Er erließ mehrere banna, mit denen die o¨ffentliche Ordnung wiederhergestellt werden sollte und die zugleich Demonstrationen seiner Stadtherrschaft waren. So ho¨rten am Abend des Tages Iohannes Gerardi Paltonerii, Henrigettus Feliciani und Delai Venturini, wie der praeco Angelerius seine Runde durch die Stadt machte, seine Busine blies und unter anderem auf der Piazza und in der Contrada von San Fortunato die Verbote ausrief. Was aus dem armen Lascha, seinem guelfischen Kollegen, geworden war, erfahren wir nicht aus den Zeugenaussagen. Angelerius rief o¨ffentlich aus, daß niemand Feuer an ein Haus legen, Frauen Gewalt antun du¨rfe oder jemand anderen berauben du¨rfe415. Im Rahmen der von partis et post creationem et superinductionem factam de dicto domino Paulecto ceperunt habere eum et habuerunt in capitaneum seu rectorem et ei obedire. Interrogatus quomodo scit. respondit visu et auditu. Et quando idem testis fuit coram eo in dicto palacio comunis occasione tube superius dicte in superiori articulo vidit eundem sedere et stare in dicto palacio et gerere regimen dicte terre ut supra dixit. Et scilicet quia publice dicebatur tunc per dictam civitatem ipsum fuisse electum in capitaneum dicte terre. 414 Franciscus war Iacobinus de Lobia zugeteilt und ad causas beziehungsweise ad bandeziatos zusta¨ndig; ebenda, fol. 56 und 63. In Parma begegnet 1266 der tubator Com¨ ber sein Instrument ist er von den vielen munis in wichtiger zeremonieller Position. U trumbatores der Kommune unterschieden, im Namen der Kommune beschwo¨rt er den Stadtfrieden; Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. 464 und 470. Zu den vielfa¨ltigen Aufgaben von Notaren in der Kommune, unter anderem als Gesandte, bannitores und Gefa¨ngniswa¨chter, siehe jetzt Carniello, Rise. 415 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 54 (Aussage des Rimbaldus de Montegeorgio); ebenda fol. 57 (Aussage des Ugolinus Gualinghi); ebenda fol. 62 (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii): et praecones mittebant banna ex parte domini Pauletti capite civitas Tuderti Interrogatus dixit quod audivit illa banna Interrogatus cuius tenoris erant respondit quod audivit angellerium praeconem praedictam praeconizantem et dicentem et praecipientem ex parte domini Pauletti capite quod nemo violaret aliquam mulierem vel mitteret [?] ignem in domibus aliquorum vel spoliaret vel rubaret aliquam personam sub certis penis aliorum bannorum non recordatur. Ebenda fol. 71 (Aussage des Henrigettus Feliciani): et de privatione dicit se scire quia audivit dicto domino Comacio existente in dicto palacio ante suum exitum et post suum exitum. Angelerium tunc praeconem comunis dicte terre sono tube praeconic¸are banna in platea comunis et in contrata ecclesie fratrum minorum ex parte capitanei eorum quem fecerant. Ebenda fol. 82f. (Aussage des Delai Venturini): capitanei partis Ghibellinorum. scilicet dicti domini Petrus et Paulectus fecerunt praeconic¸ari in platea dicti comunis dicto teste praesente et audiente ex parte ipsorum capitanorum quod nullus deberet inmittere ignem in aliquam domum. Et quod aliquis non deberet facere aliquam robariam et quod nullus deberet aliquod dedecus

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ihm als neuem Stadtoberhaupt angeordneten Maßnahmen traf Paulettus Atti auch Vorkehrungen, um den fu¨r ihn feststehenden Ausschluß der Guelfen von der Kommune zu sichern: Der sta¨dtische Raum und insbesondere die Stadttore wurden mit Bewaffneten gesichert, in der Stadt verbliebene Guelfen wurden aufgespu¨rt und eingekerkert416. Ein am folgenden Tag in der Kirche des heiligen Fortunatus abgehaltenes Vermittlungsgespra¨ch, an dem sowohl eine Delegation des neuen Stadtregimentes als auch ‚neutrale‘ Todiner und der Syndikus Rambaldus teilnahmen, brachte keinen Kompromiß zustande417. Dargestellt worden sind diese Verhandlungen von Theodor Wu¨stenfeld, der das eigens daru¨ber ausgestellte Notariatsinstrument ausgewertet und paraphrasiert hat418. Wie gesagt, verließen Comazzo und seine Leute anderntags unter dem Schutz der Spoletiner die Stadt. Die Zeugenaussagen lassen uns diesen Konflikt aus der Perspektive der Familiaren des Podesta` und aus der der siegreichen Ghibellinen sehen, mit denen sich erstere nach der Vertreibung der Guelfen auseinanderzusetzen hatten. Das Diktum, daß nur die Sieger Geschichte schreiben, inferre dominabus dicte civitatis. qua occasione idem dominus Comacius fuit expoliatus regimine dicte terre. Et dicit insuper quod in sero illius diei conflictus. audivit ab Angelerio tunc praecone dicti comunis praeconic¸are per civitatem praedictam in multis locis dicte civitatis banna ex parte dictorum capitaneorum. de quorum bannorum tenore non recordatur ad praesens. 416 Ebenda, fol. 84: Et dictam partem Guelfam impedierunt redire Tudertum quia faciebant custodire dictam civitatem et portas dicte civitatis per homines armatos et quia homines dicte partis Guelfe quos inveniebant faciebant poni in carcerem dicte terre. Vgl. ebenda fol. 62 (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii): Item Interrogatus super. xlviij. xlviiij. et l. respondit vera esse que in eis continentur Interrogatus de causa scientie respondit quod ipse praesens fuit dictis praeceptis et ipsi Tudertini recusantes et contradicentes dictis praeceptis firmaverunt ianuas civitatis et preparabant guarnimenta mittendo semper dictus dominus Comaccius et fieri mandando plura banna ut cessaret conflictus et unitas conservarent inter cives Tuderti que ipse testis audivit spernentes semper banna praedicta et se opponentes cum dictis guarnimentis ne pars altera reverti posset. In der Folgezeit ließ das ghibellinische Stadtregiment die Ha¨user der vertriebenen Guelfen einreißen; Wu¨stenfeld, Revolution, S. 706f. 417 Auch bei dieser Gelegenheit forderte Comazzo, daß man die Guelfen zuru¨ckkehren lasse, ihn wieder in den Besitz des Kommunalpalastes setze und ihn das freie Stadtregiment gema¨ß des von ihm geschworenen Eides ausu¨ben lasse. Vgl. ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 61 und 83f.; ebenda fol. 62 (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii): et audivit dictum dominum Comaccium protestare et dicere dicto domino Pauletto capite et civibus Tudertinis qui venerunt ad dictam ecclesiam quod ipse paratus erat facere regimen dicte civitate in comuni et pro comuni et in eo statu in quo incepit dictum regimen usque ad finem termini et quod per eum non stabat et de hiis credit quod fuit publica instrumenta et hec protestatio facta fuit eadem die ut supra et dixit quod hec audivit et vidit et hiis praesens fuit. 418 Wu¨stenfeld, Revolution, S. 703ff.

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scheint sich, was die Todiner Guelfen und den Popolo angeht, auch in diesem Fall zu bewahrheiten. Denn deren Sicht des Geschehens ist nicht in ¨ berlieferung eingegangen; von ihren Fahnen und Wappen, die wahrdie U scheinlich in komplementa¨rer Entsprechung zu denen der Kommune und der Ghibellinen standen, hat sich keine Nachricht erhalten. Die Berichte der Zeugen lassen nicht nur typische Handlungsmuster auf beiden Seiten erkennen, sondern zeigen auch, daß der conflictus als Deutungskonflikt ausgetragen wurde. Diese Deutungen sind allerdings nicht unmittel¨ berlieferung erkennbaren Verbar zuga¨nglich, sondern durch die in der U o¨ffentlichungshandlungen der Protagonisten bestimmt. So machte Comazzo Galluzzi durchga¨ngig von den ihm zur Verfu¨gung stehenden Mo¨glichkeiten des bannum Gebrauch, um das Handeln der Parteien zu kriminalisieren. Seine Deutung der Situation wurde auf diese Weise verschriftet und vero¨ffentlicht. Der Einfluß der verschriftlichten Verfahren der Kontrolle durch den Podesta` und der spa¨teren Zeugen¨ berlieferung nieder, die die Situavernehmung schla¨gt sich bis in die U tion aus Sicht des Podesta` in benennbare, den Statuten widersprechende Einzelhandlungen fragmentierte. Erst ihre Summe zeigt das Ausmaß, das die Kriegsvorbereitungen der Guelfen und Ghibellinen schon Tage vor der Eskalation des Konfliktes angenommen hatte. Sichtbar wird so auch der dramatische Machtverlust des gerade einmal anderthalb Monate zuvor mit einem die ganze Bu¨rgerschaft verpflichtenden Zeremoniell in sein Amt eingefu¨hrten Podesta`. Obwohl er sich eines ganzen Spektrums der ihm zur Verfu¨gung stehenden Verfahren und Maßnahmen bediente, blieben diese in beunruhigender Weise wirkungslos. Die in den Parteienstreit involvierten Todiner ignorierten die ihnen angedrohten Sanktionen, die auf Seiten des Podesta` stehende Organisation des Popolo brach unter ihrem Druck zusammen. Schließlich waren der Podesta` und seine Landsleute in ihrem Wirkungskreis auf den Kommunalpalast beschra¨nkt. Ihre Verordnungen, hinter denen aus Sicht der Todiner keine Sanktionsgewalt mehr stand, waren zwar formal korrekt, blieben jedoch wirkungslos. Die Deutung der Ghibellinen um Paulettus Atti erschließt sich uns wiederum nur aus der Typik ihrer von den Familiaren des Comazzo Galluzzi beobachteten Handlungen. Diese entsprechen Handlungsmustern der Konfliktfu¨hrung, die sich auch in anderen italienischen Stadtkommunen beobachten lassen. Welchen Ausgang der Konflikt nehmen wu¨rde, du¨rfte fu¨r alle Beteiligten am Morgen des 17. Juli nicht absolut sicher gewesen sein. Die heraldischen Fahnen, die an diesem Tag in der Stadt gezeigt wurden, geraten erst in das Blickfeld der Zeugenaussagen, als der Kampf der Todiner untereinander entschieden war. In der 1278 anhand von Vorgaben abgerufenen Erinnerung der Zeugen, die der dritten Bedeu-

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tungsebene der heraldischen Symbolik entspricht, waren sie na¨mlich relevant fu¨r die Beantwortung der Frage, wie der Podesta` die Behauptung des Stadtregimentes und des Kommunalpalastes aufgegeben hatte. Die Fahnen der Ghibellinen, die zuvor sicherlich taktische und symbolische Funktionen im Kampf erfu¨llt hatten, begegnen uns in der Phase des Konfliktes, als die Guelfen vertrieben waren und die Sieger mit dem weitgehend machtlosen Podesta` um die Kontrolle des zentralen Herrschaftsortes der Stadt konkurrierten. Aus Sicht des Podesta` Zeichen des Aufruhrs, waren sie aus Sicht derjenigen, die unter ihnen ihre Vorstellung von der ku¨nftigen Stadtherrschaft durchgefochten hatten, Zeichen der Ordnung. Die Argumentation des Prozesses zeigt so auch die kaum zu unterscha¨tzende Rolle auf, die die Symbolik fu¨r die Konstituierung der kommunalen Herrschaftsordnung spielte. Die weitgehende Verschriftlichung des politischen Systems der Kommune, die von der Forschung kritisch als ein aus dem Mittelalter fu¨hrender Weg der Modernisierung u¨ber Rationalisierung diskutiert worden ist, war in dieser Situation eines der wenigen, nach außen hin jedoch wirkungslosen Handlungsfelder, die dem Podesta` geblieben waren419. War der Kommunalpalast, wie der dem zuletzt genannten Feld zugeho¨rende Statutencodex, ein fu¨r die gesamte Stadtgemeinde relevantes Symbol, so erwies er sich in der Schlußphase des Konfliktes als der Ort, dessen Besetzung u¨ber die Stadtherrschaft entscheiden sollte. Bis hierher hatten die Todiner Comazzo Galluzzi am 30. Mai geleitet und hier, vor der Freitreppe des Palastes, hatte er inmitten der Volksversammlung auf das ihm von dem iudex Oddo de Acquasparta hingehaltene Statutenbuch seinen Amtseid geschworen420. Dieselben Bu¨rger, die sich ihm in diesem feierlichen Ritual verpflichtet hatten, begannen nun, ihn zu attackie419 Vgl. zuletzt Keller, Vorschrift; Ders., Quellengattung. Zur problematischen Gleichsetzung der Verobrigkeitlichung und Modernisierung vormoderner Stadtherrschaft mit einem schriftgestu¨tzten, als Fortschrittsgeschichte aufgefaßten Rationalisierungsprozeß siehe anhand nordalpiner Beispiele: Rexroth, Milieu; Weber, Dauer. 420 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 51 (Aussage des Rimbaldus de Montegeorgio): iuxta palatium comunis ... populo ... ad arengum sono campane ibidem congregatum qui testis audivit ad dictum arengum Interrogatus quis computavit ei dictum iuramentum respondit quod quidam de civitate cuius nomen ignorat et vidit eum in dicta platea computantem dictum iuramentum potestar dicto domino Comaccio et non audivit nec poterat exposse audire quibus verbis usus fuit ille civis Tudertinus in computantice dicti iuramenti tamen bene vidit quod quidam extendit manum cum libro versus dictum dominum Comaccium et dictus dominus Comaccius multis verbis praemissis dixit ad honorem Dei et beate Marie sic iurabat prout se extitit computatum et manum super librum apposuit. Ebenda fol. 56f.: respondit quia ipse testis vidit ipsum iurare praedictam potestariam in palacio comunis Bononie et iuravit Tuderti in platea dicte civitatis iuxta scalas palacii dicti comunis Tuderti coram toto populo Tuderti. [...] respondit quia venerunt ei obviam

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¨ bergabe Teil seiren, um in den Besitz des Ortes zu gelangen, dessen U ner Amtseinsetzung gewesen war. In dessen Behauptung demonstrierte Comazzo Galluzzi noch wa¨hrend des Konfliktes sein Festhalten an dem ihm u¨bertragenen Podestariat421. Entsprechend nannten die Zeugen spa¨ter den Verlust des Palastes und der Herrschaft in einem Atemzug422. Den Ghibellinen, die noch auf dem Platz Paulettus Atti zum Capitano der Kommune erhoben hatten, ging es darum, mit dem legitimationsstiftenden Geba¨ude auch die Stadtherrschaft in die Hand zu bekommen423. Der Gebrauch, den beide Seiten von ihren Fahnen machten, wird daher von seinem Bezug auf die angestrebte Kontrolle u¨ber den Kommunalpalast zu bewerten sein. Unter diesem Blickwinkel werden fu¨r den heutigen Betrachter auch Bedeutungen und Gebrauchsformen der ersten und zweiten Ebene unseres Deutungsmodells sichtbar. Die Wappenbilder verwiesen dabei auf Autorita¨ten, zu denen man das eigene Handeln in Beziehung setzte. Legitimation erwuchs den Fahnen der Ghibellinen aber auch aufgrund ihrer Multifunktionalita¨t: Da sie u¨ber ihre Funktion im Kampf zu Siegeszeichen geworden waren, konnten sie die erwiesene Rechtma¨ßigkeit der eigenen Sache symbolisieren. Ihr Sinn erschließt sich nicht allein aus der sicut de super dixit usque ad palacium comunis associantes eum et unanimiter. (Aussage des Ugolinus Gualinghi). Vgl. ebenda fol. 67 (Aussage des Henrigettus Feliciani); ebenda fol. 79 (Aussage des Delai Venturini): dicit tamen quod non est memor quis sibi dictum sacramentum computavit. sed videtur sibi quod fuit dominus Oddo de Acquasparta [geschrieben: aqua sparta]. et dicit quod dictum regimen iuravit super statuto dicti comunis. Interrogatus quando fuerunt praedicta. respondit de mense madii praedicto. et dicit quod credit quod fuit in die mercurii. sed quantum infra mensem fuit non est bene memor. sed videtur ei quod fuit penultima die dicti mensis et hec dicit quia praesens fuit praedictis. Oddo de Acquasparta schloß 1275 als syndicus comunis et partis tunc intrinsecorum gibellinorum den Frieden mit den wieder eingelassenen Guelfen und geho¨rte dem Gremium der statutarii an; Statuto di Todi del 1275, I 33, S. 30f. und 129. 421 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 57: respondit quod tempore conflictus dictus dominus Comaccius gubernabat et tenebat palatium comunis tamquam potestas Tuderti. (Aussage des Ugolinus Gualinghi). 422 Ebenda, fol. 61: ipse testis vidisse spoliare eum possessione regiminis et palacii dicto civitatis. (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii). Vgl. ebenda fol. 62 und 63: expulsus fuit de regimine et palatio. Vgl. ebenda fol. 72 (Aussage des Henrigettus Feliciani). 423 Ebenda, fol. 71: vidit homines Tuderti qui tunc remanserunt in dicta civitate occupare et tenere dictum palatium et privare ipsum dominum Comacium regimine dicte terre et possessione dicti palacii. (Aussage des Henrigettus Feliciani). Ebenda fol. 82 (Aussage des Delai Venturini): dicit quod cives Tudertini qui post dictam eiectionem remanserunt Tuderti. venerunt cum multitudine armatorum et cum tubis ad palacium comunis Tuderti in quo erat idem dominus Comacius volentes ipsum spoliare possessione dicti regiminis et dicti palacii et petentes ut exiret dictum palacium et chominantes eius [?] cum armis et tuba se daturos contra eum praelium et quod ipsum ex inde expellerent violenter et cum dedecore nisi exiret dictum regimen et dictum palacium.

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Bedeutung der Zeichen, die sie trugen, sondern auch aus ihrer Funktionalita¨t und Kontextualisierung im Konfliktverlauf. Beide Aspekte, das Zeichenbild und sein Gebrauch, sind zudem zueinander in Beziehung zu setzen. Interessanterweise sind es nicht der Ritter Rimbaldus oder der beroarius Iohannes, sondern die Notare Henrigettus Feliciani und Delai Venturini, die sich an die in der Schlußphase des Konfliktes gezeigten Fahnen erinnerten und detailliert u¨ber sie berichteten. Im Falle Delai Venturinis mag dies damit zusammenha¨ngen, daß er selbst an diesem Tag eine Fahne trug. Iohannes Gerardi Paltonerii erinnerte sich wiederum, wie oben dargelegt wurde, an einen anderen Komplex heraldischer Symbolik, der ihn besonders anging. Auf die ihnen vorgelesene einundvierzigste Frage antworteten die Zeugen u¨bereinstimmend, daß die vor dem Kommunalpalast aufmarschierten Ghibellinen Businen und Fahnen mitfu¨hrten. Wie diese Antwort mit Blick auf die juristische Argumentation des Prozesses zu verstehen ist, verdeutlicht am besten die auf eine zusa¨tzliche Nachfrage hin gemachte Aussage Delai Venturinis: Die Todiner seien mit Waffen, na¨mlich mit Schilden, Fahnen, Bannern, Lanzen, Harnischen und anderen, zum Kampf geeigneten Waffen, erschienen424. Die Fahnen wurden also gleichwertig zusammen mit Defensiv- und Offensivwaffen genannt. Fu¨r die Klage des Comazzo Galluzzi war dies ein Argument, weil der Podesta` ja noch am Tag des Konfliktes das o¨ffentliche Waffentragen verboten hatte. Indem die Zeugen sich daru¨ber hinaus an die Anzahl, die Bilder und die Tra¨ger der Fahnen erinnerten, demonstrierten sie vor dem Gericht ihren Sachverstand. Fu¨r den heutigen Betrachter offenbaren sie damit aber auch ein allgemeines Wissen um heraldische Symbolik. Daß eine heraldische Fahne genauso zu den Waffen za¨hlte wie eine einfache Lanze, daß man sie brauchte, um eine Schlacht zu schlagen, wird auch unabha¨ngig von der Darstellungsabsicht unserer Quelle zum Alltagswissen in der Kultur der italienischen Stadtkommunen geho¨rt haben. Die Wahrnehmung der Zeugen kann so einen Sachverhalt besta¨tigen, den wir aus anderen, in derselben Kultur entstandenen Quellen, wie dem theoretischen ‚Pulcher tractatus de materia belli‘, kennen425. 424 Ebenda, fol. 82: Interrogatus que fuit illa multitudo armatorum que venit ad dictum palacium ad praedicta facienda et dicenda dicto domino potestati. respondit pars Ghibellinorum que post eiectionem dicte partis Guelforum factae de dicta civitate remansit Tuderti. Interrogatus cum quibus armis vererunt. respondit cum clippeiis. vexillis. banderiis. lanceis. corectis. panc¸erii s et aliis armis que conveniunt ad praelium faciendum. 425 Pichler (Hg.), Der pulcher tractatus. Siehe auch oben Kapitel 2.3 zu Acta imperii inedita 1, Nr. 612, S. 491f., den 1228 geta¨tigten Zeugenaussagen von Notaren aus Soncino,

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Beide Zeugen machten auf Nachfragen hin na¨here Angaben zu den Fahnen der Ghibellinen. Henrigettus Feliciani glaubte sich zu erinnern, daß es vier oder fu¨nf Fahnen beziehungsweise Banner gewesen seien. Eine Fahne – oder ein Wimpel426 – habe das Wappen Konradins, des Neffen Kaiser Friedrichs, getragen: ein schwarzer Adler in einem weißen Feld. Eine andere sei eine weiß-gru¨ne balzana gewesen427. Es spricht fu¨r die Bedeutung der Fahne der Staufer, die den lokalen Konflikt als Teil u¨berregionaler Auseinandersetzungen auswies, daß sich auch Delai Venturini an sie erinnerte. Die balzana dagegen, die wahrscheinlich ein lokales Wappenbild trug, konnte er nur beschreiben und nicht zuordnen. Fu¨r ihn als Ortsfremden lag ihre Bedeutung nicht auf der ersten Ebene des Zeichenbildes, sondern auf der zweiten Ebene ihres Gebrauchs innerhalb der symbolischen Kommunikation. Mit Angnellutius de Pontecutis konnte der Zeuge einen der ihm bekannten Fahnentra¨ger identifizieren428. Er stammte aus dem nur wenige Meilen entfernten Wehrbru¨cken-Kastell im Contado, von wo er seinen Parteigenossen zu Hilfe gekommen sein du¨rfte. Auch dies war ein Verstoß gegen eines der durch den Podesta` verha¨ngten Verbote. Es war Delai Venturini selbst gewesen, der mittels des gleichen Mediums den Herrschaftsanspru¨chen der Parteien den des Podesta` entgegengesetzt hatte. Er berichtet na¨mlich, daß er wa¨hrend der Schlacht auf der Piazza oberhalb der Freitreppe des Kommunalpalastes gestanden und

die feindliche Ritter an ihren Fahnen (signa, vexilla, confanones, banderiae) aber auch an ihrer Aussprache als Maila¨nder erkannten und Kriegshandlungen wie das Zeigen von Fahnen, das Blasen von Businen, Pfeilschießen und Zurufe aufza¨hlten. 426 Pennonum scheint im Sprachgebrauch der Zeit nicht nur einen dreieckigen Wimpel, sondern auch eine rechteckige Fahne bezeichnen zu ko¨nnen. In diesem Sinne ist das Wort gebraucht in den Statuta communis Parmae ab anno MCCLXVI. ad annum circiter MCCCIV, S. 19f. Zu pennonum im Sinne des an der Lanze getragenen heraldischen Wimpels siehe eine Bologneser Quelle von 1306 bei Breveglieri, Armamento, S. 88. 427 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 70: Interrogatus cuiusmodi banderias et vexilla habebant. respondit quod inter dictas banderias et vexilla vidit quoddam vexillum seu pennonem armature Curadini nepotis Imperatoris Federici in quo erat aquila nigra et campus erat albus et quandam banderiam balc¸anam albi et viridi de allis non bene recordatur. interrogatus si agnovit nomina illorum qui habebant tunc dictas banderias et vexilla. respondit non. Interrogatus quot fuerunt dicte banderie et vexilla. respondit .iiij. seu . v. 428 Ebenda, fol. 82: Interrogatus cuiusmodi vexilla erant praedicta et cuiusmodi banderie. respondit quod unum ex dictis vexillis erat coloris albi intus unam aquilam magnam pictam vel innexam coloris nigri. de aliis vexillis et banderiis non est memor qualium colorum existerent. Interrogatus qui erant deferentes illorum vexillorum et banderiarum. respondit unus illorum deferentium erat quidam nomine Angnellutius ut credit de Ponte cutis de districtu Tuderti aliorum nominum deportantium non est memor.

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eines der Banner des Podesta` gehalten habe429. Als anschließend die Ghibellinen vor den Kommunalpalast zogen, rief ihm einer ihrer Anfu¨hrer, Rambalducius de Salviano – vielleicht ist der bei Titignano oberhalb des Lago di Corbara gelegene Ort gemeint –, zu, er solle sein Banner herunter auf die Erde werfen430. Ob der Notar, der hier als Bannertra¨ger seines Herrn begegnet, der Aufforderung Folge geleistet hatte, erfahren wir leider ebensowenig wie Na¨heres u¨ber das Aussehen der banderia potestatis. Ju¨ngere Vergleichsbeispiele legen die Vermutung nahe, daß die Fahne sowohl das Wappen des Podesta`, als auch das der Kommune gezeigt haben ko¨nnte. Daß der Podesta` mehrere Fahnen besaß, fu¨hrt außerdem zu weiteren Vermutungen u¨ber deren Verwendung: vielleicht fu¨hrten die beroarii oder die durch den Podesta` entsandten Delegationen solche Fahnen mit sich? In der Konfrontation zwischen Delai Venturini und Rambalducius de Salviano erscheint der Konflikt um den Besitz des Kommunalpalastes zugespitzt auf eine nach den Regeln symbolischer Kommunikation erfolgende Interaktion mit heraldisch bezeichneten Fahnen. Der Fahne des Podesta`, die wahrscheinlich den Hahn der Galluzzi oder den Adler Todis zeigte, stand der staufische Adler der Ghibellinen entgegen. Durch seine visuell hervorgehobene Positionierung signalisierte der Notar die nach wie vor beanspruchte Stadtherrschaft des Podesta`. Indem sein Herausforderer von ihm verlangte, sein Banner zur Erde zu werfen, verlangte er nichts anderes, als die Aufgabe des Kommunalpalastes, die gleichbedeutend mit der Herrschaftsaufgabe war. Wie in den Sprechcho¨ren thematisiert und Jahre spa¨ter durch die Zeugen berichtet, wa¨re dies eine Amtsaufgabe in Schmach und Schande gewesen. Daß die beiden Kontrahenten eine Interaktion nachvollzogen, die zum festen Repertoire symbolischer Kommunikation geho¨rte, zeigt ein vergleichender Blick in den ‚Codex Chigianus‘ der ‚Nuova Cronica‘. Dessen Illustrator gebrauchte na¨mlich eine etablierte Bildformel fu¨r die Eroberung einer Burg oder Stadt, nach der die Fahnenlanze des Besiegten aus der Ho¨he zur Erde fa¨llt, wa¨h-

429 Ebenda, fol. 81f.: respondit quia idem testis erat tunc in dicta civitate Tuderti pro notario dicte potestatis et quia vidit praelium et praeliari dictas partes in platea dicte terre. Et idem testis erat super scalis palacii dicte terre unde videre poterat dictum praelium. [...] Interrogatus ubi idem testis tunc erat. respondit super scalis dicti palacii cum una ex banderiis dicti potestatis. 430 Ebenda, fol. 82: Interrogatus quo nomine vocabantur illi qui praedicta dixerunt. respondit dominus Petrus Egidii Mactafellonis. et dominus Paulectus Acti qui dicebantur esse capitanei partis Gibellinorum dicte terre. et Rambalducius de Salviano qui sibi testi similiter dixit et clamavit ut banderiam quam in manu habebat in terram prohicere deberet.

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rend die des Siegers vom ho¨chsten Punkt der Mauern weht431. Auch auf dem Florentiner Fresko der Vertreibung des Herzogs von Athen ist der Kommunalpalast dargestellt, vor dessen Toren auf der Erde das zerbrochene Wappenbanner des weichenden Signoren liegt432. Aus einer anderen Region aber zeitnah am Geschehen in Todi sind die 1277 geta¨tigten Aussagen von Zeugen eines Konfliktes zwischen dem Abt und den Konsuln von Aurillac. Ihnen zufolge hatten Gefolgsleute der Abtei den sta¨dtischen Ausrufer angegriffen, seine Busine bescha¨digt und die daran ha¨ngende Trompetenfahne in den Dreck getreten433. Von diesem Konnex symbolischer Kommunikation, der heraldische Symbolik miteinbezog, wird die spa¨tere Argumentation der Klage, die materielle Entscha¨digung fu¨r die Bescha¨digung der Ehre forderte, versta¨ndlich. Nach dem ungesu¨hnten Angriff auf seine Fahne war Comazzo Galluzzi nicht mehr derselbe434. Im kommunalen Milieu begegnet mit dem von Delai Venturini geschilderten Geschehen der gleiche Konnex zwischen der eigenen Fahne und der eigenen Ehre, den wir bereits am Beispiel der christlichen Fu¨rsten des Dritten Kreuzzugs kennengelernt haben435. Auch hier signalisierte das Zeigen der Fahne den Besitzanspruch. Wer dies bestritt, warf die Fahne zu Boden oder attackierte den Fahnentra¨ger, womit er zugleich auch die Ehre dessen verletzte, auf den das Fahnenbild verwies. Umgekehrt wurde das Behaupten oder das Aufpflanzen der eigenen Fahne als eine die Ehre vergro¨ßernde Geste des Sieges und des Triumphs verstanden436. In der Auseinandersetzung um die Stadtherrschaft in Todi kamen diese komplementa¨r aufeinander bezogenen Gesten in einer Handlungskette zur Geltung. In der Quelle, die ihrer eigenen schriftbezogenen ¨ ber Logik folgt, ist der Geschehenszusammenhang dagegen zerlegt. U seine bloße Rekonstruktion hinaus versta¨ndlich wird er, wenn man das ihm zugrunde liegende Handlungsmuster der symbolischen Kommunikation erkennt. Noch wa¨hrend der Podesta` seinen Palast behauptete, 431 Il Villani illustrato, passim. Vgl. zur ju¨ngeren Chronik des Lucchesen Giovanni Sercambi Frugoni, Mittelalter, S. 148 und 150. 432 Malerei und Stadtkultur, Tafel VII. Siehe unten Kapitel 4.2.2. 433 Offenstadt, Crieurs, S. 208f. 434 Siehe oben sowie ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 63: respondit quod audivit ab eo quod noluisset recepisse tantam iniuriam .pro .m. marchis argenti et ipsi testi videtur quod bene non esset satisfactum sibi de .m. marchis argenti quantum ad honorem mundi dicit et dixit quod postquam illud accidit sibi non fuit de cetero aliter sicut primo erat et ita dicunt Bononienses publice et publica fuit ibi et in illis partibus. (Aussage des Iohannes Gerardi Paltonerii). 435 Vgl. Go¨rich, Verletzte Ehre. 436 Siehe Kapitel 2.1.

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pflanzten die Ghibellinen schon eine Fahne auf dem vormaligen Palast des Popolo auf, um ihren Sieg anzuzeigen und den Druck auf die Eingeschlossenen zu erho¨hen. Bezog sich diese Geste sicherlich auf die Vertreibung des Popolo von der Piazza, so la¨ßt sie daru¨ber hinaus auch erkennen, daß die Ghibellinen den Todiner Popolo, seine Institutionen und Symbole, als Teil der aus ihrer Sicht parteilichen Herrschaft des Podesta` ansahen. Die beiden u¨briggebliebenen Seiten demonstrierten nun Herrschaftshandeln, das sich an die Gesamtheit der Stadtgemeinde richtete. Der Podesta` benannte von seiner Warte aus Delinquenten, um sie aufschreiben zu lassen, die Capitani der Ghibellinen ließen den zu ihrer Partei geho¨renden kommunalen praeco bereits auf dem Platz banna verku¨nden437. Wie die Anwendung von Gesetzen durch schriftliche Registrierung oder akustische Vero¨ffentlichung war die heraldische Symbolik ein fester Bestandteil kommunaler Herrschaftspraxis. Nachdem der Podesta` und seine Leute schließlich den Kommunalpalast verlassen hatten, besetzten ihn die Ghibellinen sofort mit Bewaffneten und ließen von seinem Dach, auf das sie wohl u¨ber die erwa¨hnten Leitern gelangt waren, ihr Banner wehen438. Ein Vergleichsbeispiel aus Florenz zeigt aber auch, daß die Geste des Fahnen-Aufpflanzens unterhalb der kommunalen Ebene in 437 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 71: dicit quod post eiectionem partis Guelforum cives Tudertini qui remanserunt et tenuerunt dictum palacium comunis et domum populi et spoliaverunt et privaverunt dictum dominum Comacium possessione dicti regiminis et palatii. Interrogatus quomodo scit. respondit quia vidit homines Tuderti qui tunc remanserunt in dicta civitate occupare et tenere dictum palatium et privare ipsum dominum Comacium regimine dicte terre et possessione dicti palacii. Interrogatus quando occupaverunt dictum palacium comunis et domum populi et quando privaverunt ipsum dominum Comacium regimine dicte terre. respondit quod occupaverunt domum populi ante quam dictus dominus Comacius exiret palacium asscendentes homines armati in eam et apponentes in ea banderiam seu vexillum. et palacium comunis eo existente in ipso. quia homines armati intraverunt in ipsum et etiam post exitum ipsius domini Comacii munierunt dictum palacium hominibus armatis et imposuerunt in summitate palacii banderiam seu vexillum et haec fuerunt die dicti conflictus superius dicti. et de privatione dicit se scire quia audivit dicto domino Comacio existente in dicto palacio ante suum exitum et post suum exitum. Angelerium tunc praeconem comunis dicte terre sono tube praeconic¸are banna in platea comunis et in contrata ecclesie fratrum minorum ex parte capitanei eorum quem fecerant et quia vidit dominum Paulectum qui effectus fuerat capitaneus ut dicebatur ipsum sedere in palacio comunis in loco in quo consueverat sedere dictus potestas et facere et disponere negotia dicte terre. (Aussage des Henrigettus Feliciani). 438 Ebenda, fol. 82: dicit quod post eiectionem partis Guelforum. cives Tudertini qui remanserunt in civitate Tuderti occupaverunt et tenuerunt palacium dicti comunis et spoliaverunt ipsum dominum Comacium possessione dicti regiminis et dicti palatii. Interrogatus quomodo scit. respondit quia incontinenti post exitum et ante exitum dicti potestatis factum de dicto palacio dicti cives Tudertini intraverunt et occupaverunt dictum palacium et apposuerunt in summitate dicti palacii unam banderiam et ante impositionem dicte banderie factam in summitate dicti palacii. capitanei partis Ghibellinorum. scilicet dicti

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den Fehden der Magnaten und Auseinadersetzungen der Parteien u¨blich war439. Das Bild, das die Zeugenaussagen der beiden Notare von den Wappenfahnen der Todiner Ghibellinen geben, la¨ßt diese in mehrfacher Hinsicht multifunktional erscheinen. Die Bilder und die Funktionen der Fahnen sagen etwas u¨ber den Charakter, die Organisation und das politische Selbstversta¨ndnis der halben Hundertschaft Bewaffneter und ihrer Parteigenossen aus. Zuna¨chst fa¨llt ein Pluralismus der Fahnenfu¨hrung auf, wie er auch fu¨r die Kommune selbst charakteristisch ist und dem Gebrauch heraldischer Zeichen im Mittelalter entsprach. Anhand der zwei beschriebenen Wappenbilder la¨ßt sich jedoch kein System erkennen. Die von beiden Zeugen erinnerte Fahne mit dem Wappenbild des staufischen Ko¨nigreichs Sizilien du¨rfte die Hauptfahne der Todiner Ghibellinen gewesen sein. Sie repra¨sentierte sicherlich die Ghibellinen in ihrer Gesamtheit und verband ihre Sache mit dem Italienzug Konradins. Von untergeordneter, lokaler Bedeutung wird die weiß-gru¨ne balzana gewesen sein, deren Identifikation mir nicht mo¨glich war. Sie ko¨nnte die Fahne eines Magnaten, einer Abteilung der Ghibellinen oder einer Gruppe beziehungsweise eines Ortes aus dem Contado gewesen sein. Die Beinamen der Ghibellinen Angnellutius de Pontecuti und Rambalducius de Salviano, die beide auf Orte aus dem Contado verweisen, ko¨nnten auf letzteres hindeuten. Ebensogut ko¨nnte es sich bei den Genannten aber auch um Todiner Bu¨rger handeln, deren Namen in keiner Beziehung zur Herkunft oder Zuordnung der Fahne standen. Die anzunehmenden taktischen und symbolischen Funktionen der Fahnen im Kampf und in der Konfrontation zwischen Delai Venturini und Rambalducius de Salviano wurden schon erwa¨hnt. Das Aufpflanzen der eigenen Fahnen als Zeichen des Sieges und des Besitz- und Herrschaftsanspruches ist in den italienischen Kommunen seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar. Anhand von Beispielen aus domini Petrus et Paulectus fecerunt praeconic¸ari in platea dicti comunis dicto teste praesente et audiente ex parte ipsorum capitanorum. So die Aussage des Delai Venturini, die sich mit der oben zitierten des Henrigettus Feliciani deckt. 439 La cronica di Dino Compagni, II 18, S. 122: messer Corso francamente prese le case de’ Corbizi da San Piero, e posevi su le sue bandiere. Vgl. den Bericht u¨ber die Eroberung San Germanos durch das Heer Karls von Anjou im Jahre 1266 bei Giovanni Villani, Nuova Cronica, VIII 6, Bd. 1, S. 414ff.: Il conte di Vandomo con messer Gianni suo fratello, e co·lloro bandiera, i quali furono de’ primi che s’armarono, [...] ma eglino per loro grande ardire e virtu` pur vinsono la punga a la porta per forza d’arme, e entrarono dentro, e incontanente la loro insegna misono in su le mura. [...] Quegli d’entro, vedute le ’nsegne de’ nemici in su le mura, e presa la porta, molti ne fuggirono, e pochi ne stettono alla difensione; per la qual cosa la gente del re Carlo combattendo ebbono la terra di San Germano [...].

Taf. 1: Fiorino d’Argento mit dem Bild der Florentiner Wappenlilie. 13. Jh. Foto: Verfasser

Taf. 2: Siegel der Parte Guelfa von Florenz Firenze, Museo Nazionale del Bargello. Foto: bpk/Scala

Taf. 3: Fußsoldaten mit Schilden mit dem Wappen des Sieneser Popolo Ausschnitt aus Ambrogio Lorenzettis Fresko mit dem Bild des Buon Governo in der Sala dei Nove des Palazzo Pubblico zu Siena, 1337–1339 aus: Starn, Ambrogio Lorenzetti, S. 66

Taf. 4: Erstu¨rmung Salernos durch das Heer Kaiser Heinrichs VI. am 17. September 1194 Ein Krieger pflanzt das Imperiale vexillum in einer Triumphgeste auf den Mauern der Stadt auf Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti sive de rebus Siculis, 1195–1197. Bern, Burgerbibliothek, Cod. 120 II, fol. 132r (nach der Ausgabe von Ko¨lzer – Sta¨hli, S. 183)

Taf. 5: Der erste Gonfaloniere della Giustizia Giano della Bella ha¨lt die Fahne und die ‚Ordnungen der Gerechtigkeit‘ mit dem Wappen des Florentiner Popolo Bildercodex von Giovanni Villanis ‚Nuova Cronica‘, Florentiner Werkstatt des Pacino di Bonaguida, drittes Viertel des 14. Jhs. Citta` del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Codex Chigianus L. VIII. 296, f. 152v

Taf. 6: Allegorie der Prateser Kommune als Giustizia militante Nach 1415 durch Pietro di Miniato gemaltes Fresko im Salone del Consiglio des Palazzo Pretorio zu Prato Museo Civico di Prato. Foto: Maria Pia Mannini

Taf. 7: Eine vornehme Florentinerin und ihr Neugeborenes erhalten im Wochenbett die Aufwartung der Kommune Desco da Parto aus Masaccios (1401–1429) Florentiner Werkstatt Berlin. Foto: bpk/Gema¨ldegalerie, Kaiser Friedrich-Museum-Verein, SMB/Jo¨rg P. Anders

Taf. 8: Predigt des heiligen Bernardino von Siena auf der Piazza del Campo Seitentafel eines 1445 von Sano di Pietro (1406–1481) gemalten Altar-Triptychons Siena, Opera della Metropolitana aut. n. 469/08. Foto Lensini

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Genua, Florenz oder Padua, aber auch im Falle des im Todiner Contado liegenden Montemarte, ist uns diese Praktik vor allem bei der Inbesitznahme oder Eroberung von Burgen und Kastellen begegnet. Die Zeugenaussagen u¨ber den Aufruhr in Todi belegen, daß sie auch in innersta¨dtischen Auseinandersetzungen von Parteien geu¨bt wurde, die sich die Stadtherrschaft zu erka¨mpfen suchten. Die Quelle aus dem Prozeß des Comazzo Galluzzi liefert auf diese Weise einen Beleg fu¨r das triumphale Aufpflanzen der Fahne, der es uns ermo¨glicht, die Entwicklung dieser Praktik vom 12. Jahrhundert bis hin zu den Berichten der Geschichtsschreiber des 14. Jahrhunderts, etwa bei Dino Compagni und Giovanni Villani, zu verfolgen. Daß die heraldisch bezeichneten Fahnen nicht auf einer Burg oder dem Ha¨userkomplex eines Magnaten, sondern auf den Da¨chern zweier Kommunalpala¨ste aufgepflanzt wurden, besta¨tigt nicht nur die buchsta¨blich zentrale Stellung solcher Bauten, sondern erga¨nzt das Bild ihrer Bedeutungsvielfalt fu¨r die Stadtgemeinde mit Blick auf die heraldische Symbolik auch um einen wichtigen Aspekt440. Wa¨hrend wir verha¨ltnisma¨ßig gut u¨ber Wappen als Teil der repra¨sentativen Ausstattung von Kommunalpala¨sten informiert sind, zeigen uns die Zeugenaussagen aus Todi, aber auch andere Berichte der Geschichtsu¨berlieferung, punktuelle Aneignungsversuche mit den Mitteln der symbolischen Kommunikation. Waren erstere ihrer Intention nach auf Dauer angelegt, als allegorische Mahnungen an die Herrschaftstra¨ger oder als deren Herrschaftsa¨ußerungen in Farbe und Stein, so waren letztere in aktuellen Situationen gebrauchte Signale. Die Art und Weise, in der sie gegeben wurden, antizipierte jedoch das Bedeutungs- und Handlungsfeld, das die sta¨dtische Bu¨hne vorgab. Der Bau des Kommunalpalastes, der den Willen zur Kontinuita¨t kommunaler Institutionen, wie des Podestariates, zum Ausdruck brachte, war – ironischerweise mo¨chte man sagen – eine wesentliche Voraussetzung dafu¨r, daß die innerkommunalen Konflikte des 13. Jahrhunderts in der Form ausgetragen wurden, in der die Quellen von ihnen berichten. Das Beispiel aus Todi zeigt, daß man mit heraldischen Fahnen um seinen Besitz ka¨mpfte. 440 Das Beispiel aus Todi ist auch deshalb so interessant, weil die gleiche Praktik an zwei verschiedenen Typen von Pala¨sten geu¨bt wurde. Der Kommunalpalast war fu¨r seine Bestimmung gebaut worden und bildete zusammen mit dem Platz, der Kathedrale und anderen Elementen der Stadttopographie eine Einheit, die, wie in den Ritualen der Volksversammlung, Huldigung oder Amtseinfu¨hrung des Podesta`, als Ganzes von der Kommune genutzt wurde. Der Palast des Popolo war dagegen erst durch die Verfassungsexperimente seit der Jahrhundertmitte notwendig geworden. Er bestand in der sekunda¨ren Nutzung eines Ha¨userkomplexes an der zentralen Piazza, der wahrscheinlich von einer Familie der sta¨dtischen Aristokratie errichtet worden war.

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Die Berichte der beiden Notare sind auch deshalb hervorzuheben, weil sie zu einem fru¨hen Zeitpunkt Wappenbeschreibungen geben, die heraldisches Wissen erkennen lassen. So gebrauchte Henrigettus Feliciani mit der balc¸ana albi et viridi den Fachbegriff, der auch heute noch im Italienischen fu¨r ein geteiltes, zweifarbiges Wappen steht441. Mit der Beschreibung des staufischen Adlerbanners, einer Brisur der kaiserlichen Fahne, liefert unsere Quelle einen ausgesprochen fru¨hen Beleg zu einem kontrovers diskutierten Thema442. Wie oben dargestellt, ist sie von der Forschung kaum aufgegriffen worden und zudem meist verfa¨lscht wiedergegeben oder interpretiert worden443. Wu¨stenfeld und nach ihm Hampe machten aufgrund eines Lesefehlers einen roten Adler in weißem Feld als angebliches Wappen Konradins aus. Andere Forscher identifizierten es meist als das Adlerwappen des Reiches. Seine Erkla¨rung findet das seltsame Wappenbild in der Chronik Giovanni Villanis, die berichtet, daß Ko¨nig Manfred das von seinem Vater gefu¨hrte Reichswappen abgea¨ndert habe, indem er dessen Gold zu Silber gewandelt habe. Die Miniaturen des im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts entstandenen ‚Codex Chigianus‘ der ‚Nuova Cronica‘ setzen die Wappenbestimmungen bildlich um: sowohl Manfreds als auch Konradins Krieger fu¨hren Wappen mit einem schwarzen Adler auf weißem Feld444. Umgekehrt besta¨tigen die zeitnahen Zeugenaussagen die Historizita¨t dieser Geschichte, die der Chronist in a¨hnlicher Weise auch von imagina¨ren Wappen erza¨hlt. Manfred hatte sich demnach einer heraldischen Praktik, der Brisur, bedient, um ein neues Wappen fu¨r sein Ko¨nigreich Sizilien anzunehmen. Dazu hatte er das in der Hierarchie der heraldischen Tingierungen an oberster Stelle stehende Gold zu Silber beziehungsweise Weiß gemindert. Indem es sich auf diese Weise dem Wappen des Ro¨mischen Reiches unterordnete, unterschied sich das neue Wappen von ihm und verwies zugleich auf seine Herkunft. Eine andere Mo¨glichkeit der 441 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 70. 442 Vgl. Erdmann, Fahnen, S. 30: „Sichere Zeugnisse u¨ber den Gebrauch einer Adlerfahne kennen wir bisher erst aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts. So weit wird man freilich kaum heruntergehen wollen; hoffentlich gelingt es einmal, durch Auffindung bisher nicht herangezogener Quellenbelege eine Kla¨rung herbeizufu¨hren.“ 443 Siehe Kapitel 3.2. 444 Il Villani illustrato, S. 149 und 154f. Die Miniatur auf fol. 109r des Codex zeigt den unter einem Baldachin thronenden Konradin. Auf dem nach vorne umklappenden Rand des Stoffes sind Schilde mit dem ro¨mischen und dem sizilianischen Adlerwappen der Staufer im Wechsel angebracht. Dieses Detail, aber auch die durch den Miniator getroffene Unterscheidung zwischen dem Adler auf gelbem (goldenem) und dem auf weißem (silbernem) Grund in den u¨brigen Bildern, wird im Kommentar der Herausgeber nicht angesprochen.

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Brisur demonstrierte Manfreds Gegner, der das Lilienwappen der Kapetinger mit einem roten Turnierkragen belegte. Die Zeugenaussagen geben nun einen weiteren Beleg dafu¨r, daß Konradin das Wappen seines Onkels weiterfu¨hrte und daß die Ghibellinen, die sich in Todi und anderen Kommunen aus Anlaß seines Italienzuges erhoben, ebenfalls Gebrauch von diesem Wappen machten. In Todi wird die Fahne mit seinem Wappen die Hauptfahne der Ghibellinen gewesen sein. Dafu¨r spricht der Umstand, daß sich zwei Zeugen an sie erinnerten. Die verschiedenen Aspekte, die sie an der Fahne hervorhoben, lassen die Mo¨glichkeiten heraldischen Wissens aufscheinen, die sich fu¨r einen Offizialen einer Kommune des spa¨ten 13. Jahrhunderts mit solch einem Medium verbanden. Henrigettus Feliciani, zu dessen Wortschatz auch die balzana geho¨rte, erinnerte sich an das Fahnenbild als Wappen, fu¨r das er eigens das Wort armatura gebrauchte. Dieser differenzierte Sprachgebrauch zeigt, daß er zwischen dem Wappen als Zeichen an sich (balc¸ana albi et viridi beziehungsweise armatura Curadini nepotis Imperatoris Federici in quo erat aquila nigra et campus erat albus) und seinem Tra¨germedium (banderia beziehungsweise vexillum seu pennonem) unterscheiden konnte. Zur Beschreibung der Fahnen, soweit er sie erinnerte, gebrauchte er ebenfalls verschiedene charakterisierende Begriffe: Banner, Fahne, Wimpel. Die balzana, von der ihm nur der visuelle Eindruck geblieben war und die er nicht zuordnen konnte, beschrieb er nach den heraldischen Regeln. Fu¨r das andere Wappen standen ihm zwei Bestimmungsmo¨glichkeiten zur Verfu¨gung. Er konnte seinen Besitzer benennen und es zusa¨tzlich auch heraldisch beschreiben. Diese Pra¨zision in der Fa¨higkeit, ein Medium zu beobachten und in einer angemessenen Sprache beschreiben zu ko¨nnen, paßt zu dem Gesamteindruck, den die Zeugenaussage des Notars Henrigettus Feliciani vermittelt445. Jean-Claude Maire Vigueur schwa¨rmt von diesem „te´moin no 4“ deshalb auch als „le plus prolixe, le mieux informe´, le plus proche de Comacio sans doute“446. Delai Venturini erinnerte sich dagegen vor allem an die Machart der Fahne. Er hebt die Gro¨ße des Adlers 445 Erinnert sei an seine Beschreibung des Todiner Wappensiegels. Henrigettus reagierte aber auch folgendermaßen, na¨mlich grundsa¨tzlich, auf eine Ru¨ckfrage zum Datum; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 67: dicit quod dictus dominus Comacius fuit potestas dicti comunis Tuderti. anno domini. mo . cclxviij. Interrogatus quomodo scit respondit. quia ipse .testis. in actis suis eo quod ipse est notarius illo anno scribebat tales annos domini. et quia dictus millesimus sic currebat. et quia videbat alios notarios sic scribere millesimum. et quia ipse .testis. dicit se bene scire computum et rationes annorum domini. Interrogatus quando incepit regimen dicte civitatis Tuderti. respondit in kalendas iunii dicti anni. Interrogatus quomodo scit. respondit quia fuit eius notarius et quia tunc intravit regimen secum. 446 Maire Vigueur, E´chec, S. 32.

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auf dem weißen Fahnentuch hervor und deutet an, daß dieser entweder auf den Stoff gemalt oder gestickt (picta vel innexa) gewesen sei. Ein fru¨hes Zeugnis fu¨r den Gebrauch des wahrscheinlich 1258 angenommenen Wappens des Staufers Manfred als Ko¨nig Siziliens durch eine Kommune bieten die Stadtrechnungen San Gimignanos fu¨r den August 1261. Auf Befehl des ko¨niglichen Generalvikars in der Toskana Jordanus de Aglano, Graf von San Severino, hatte die Kommune zu dieser Zeit ihr Aufgebot auszuru¨sten und unter dem Kommando ihres Podesta` in sein gegen Lucca ka¨mpfendes Heer zu schicken. Also kaufte der Ka¨mmerer anderthalb brachia zendadi nigri de quo facta est inmago hujus aquile in insigna dicti pavensis (alias: in gonfalone pavesariorum), sowie ein Pergamentblatt, aus dem der Adler als Schablone in insigna pavensis geschnitten wurde. Des weiteren entlohnte er den Maler Tomaso fu¨r die pavenses, quos pinsit pro comuni de armis dom. Regis pro eis portandis in exsercitu contra Lucenses447. Ein erst vor kurzem wiederentdecktes Fresko in der Fonte dell’Abbondanza, dem 1265 errichteten Brunnenhaus von Massa Marittima, la¨ßt erkennen, wie solch eine Schablone fu¨r dasselbe Wappenbild ausgesehen haben ko¨nnte. Der unbekannte Maler hatte offenbar mittels der sonst fu¨r Waffenbemalungen gebrauchten Schablonen die Umrisse heraldischer Adler in den Putz geritzt, um sie anschließend farbig zu fu¨llen448. Wie sehr die deutsche Forschung des 19. und fru¨hen 20. Jahrhunderts auf das sogenannte „deutsche Reichswappen“, den schwarzen Adler in goldenem Feld, fixiert war, zeigt sich in der Auswertung dieser von Robert Davidsohn in Auszu¨gen vero¨ffentlichten Quelle durch Erich Gritzner. Obwohl in den Stadtrechnungen von dem Wappen des Herrn Ko¨nigs, also des Ko¨nigs von Sizilien, die Rede ist und in ihnen, nach Davidsohns Paraphrase, eine „Zahlung fu¨r Herstellung einer Fahne aus weissem zendadum mit schwarzem Adler“ verbucht wird, las sie Gritzner, der sie im Wortlaut zitiert, als Belege dafu¨r, daß Manfred den „kaiserlichen Adler“, beziehungsweise den „Reichsadler“, weiterfu¨hrte449. 447 Davidsohn, Forschungen 2, Nr. 808 und 813, S. 113f. 448 Ferzoco, Murale. 449 Gritzner, Symbole, S. 61, interpretiert die Stadtrechnungen von 1261 mittels eines Briefes Manfreds an die Pisaner vom 24. Mai 1265. In dem Schreiben forderte der Ko¨nig die Kommune zur Waffenhilfe gegen den soeben in Rom eingezogenen Karl von Anjou auf und beschreibt seine eigene Kriegsbereitschaft mit den formelhaften Worten: ad persequendum et opprimendum eum accingimur et aquilarum signa victricia Romanis in campis explicare disposuimus. Der Sinn des Schreibens wird deutlich, wenn man es zusammen mit dem am selben Tag ausgestellten Brief des Ko¨nigs an den Senat und das Volk von Rom liest; Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 2, Nr. 424,

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Wir erfahren aus der Sangimignaneser Quelle also auch, wie die uniforme heraldische Bemalung der Waffen zustande kam. Die hier erkennbare Praxis in der heraldischen Bezeichnung von Soldaten wird man auf vergleichbare Fa¨lle, wie etwa die beroarii des Comazzo Galluzzi, u¨bertragen ko¨nnen450. Vielleicht stammte die Fahne der Todiner Ghibellinen auch noch aus der Zeit Manfreds? Jedenfalls wies sie Henrigettus Feliciani aus ihrer Gebrauchssituation heraus nicht diesem, sondern Konradin zu, der als Pra¨tendent auf das Ko¨nigreich Sizilien Grund genug hatte, sie zu u¨bernehmen451. Aus einer anderen Quelle wissen wir, daß Konradin, dessen Zug den Anlaß fu¨r den Aufruhr in Todi bot, bei Tagliacozzo eine Kreuz- und eine Adlerfahne fu¨hrte452. Die charakteristische Kombination der beiden Wappenbilder, die zuerst im ‚Liber ad honorem Augusti‘ begegnet und auch spa¨ter, wie 1329 in Parma, bezeugt ist, weist allerdings nicht auf das sizilische Adlerwappen, sondern auf das des Ro¨mischen Reiches mit dem schwarzen Adler in Gold hin. S. 558–565; vgl. Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,2, Nr. *4760–*4761, S. 879. In diesem hochgradig propagandistischen Text, der sich in die Tradition der Manifeste Friedrichs II. stellt – auch er wurde in der Residenz zu Foggia erlassen – und sich gegen den Papst und den Anjou wendet, pra¨sentiert sich Manfred als os de osse ac caro de carne antiquissime cesaree monarchie, der aufgrund seiner leiblichen Herkunft ein Anrecht auf die ro¨mische Kaiserwu¨rde habe, die ihm die Ro¨mer nach altem Herkommen verleihen sollten. Aus diesem Anspruch heraus habe er auch die Rechte des Reiches in der Toskana und in anderen Regionen Italiens durch seine Herrschaft verteidigt. Im Vergleich mit diesem Manifest wird so versta¨ndlich, warum sich der Staufer in seinem Brief an die Pisaner derselben Rhetorik bediente wie sein Vater. Es wird aber auch deutlich, daß Manfred in der aktuellen Konfrontation mit Karl von Anjou Herrschaftsanspru¨che, die nun nicht mehr verhandelbar waren, symbolisch geltend machen mußte. Wenn er, der noch nicht zum Kaiser oder ro¨mischen Ko¨nig gekro¨nt worden war, nun auch das Reichswappen mit dem schwarzen Adler in Gold fu¨hrte (victrices aquile nostre signis claris¨ bereinsimis), auf das er zuvor anscheinend verzichtet hatte, so bezeichnete er es in U stimmung mit seinem Schreiben an die Ro¨mer als „ro¨misch“ und nicht, wie Friedrich II. es getan hatte, als „kaiserlich“. Deshalb erscheint es mir wenig sinnvoll, das fu¨r 1261 eindeutig belegte Ko¨nigswappen Manfreds, das offenbar auch die ghibellinischen Toscaner im Reichsdienst fu¨hrten, mit einer Briefformel von 1265 auszudeuten, die einer gewandelten politischen Situation enstammt. Vgl. Erdmann, Fahnen, S. 21: „Wenn ich im Folgenden Gritzner mehrfach widersprechen muss, so mo¨chte ich doch betonen, dass ich seiner grundlegenden Materialsammlung ebensoviel verdanke wie alle andern, die sich seither mit unserem Thema bescha¨ftigt haben.“ Zu den staufischen Manifesten siehe Voltmer, Kommunen; Go¨rich, Ehre als Ordnungsfaktor, S. 69f.; Fees, Schreiben; Weber, Kommunikation. 450 Siehe Kapitel 3.5.2. 451 Gritzner, Symbole, S. 62. Zur weiteren Geschichte dieses Wappens siehe Neubecker, Hohenstaufenerbe. 452 Annales Placentini Gibellini, S. 528: et prelio fortiter existente, fuga intravit in gentes regis Conradi, propter quod ille Theotonicus qui ferebat vexillum crucis cepit fugam, ille vero qui ferebat aquilam in prelio fuit mortuus. Vgl. Jericke, Marsch.

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Die Grundmuster des Konfliktverlaufs sowie insbesondere der Gebrauch heraldischer Fahnen in den Auseinandersetzungen in Todi ko¨nnen als exemplarisch fu¨r die Herausforderung der Podesta`-Herrschaft durch den Parteienstreit eingestuft werden. Im Folgenden soll das Bild der heraldischen Symbolik im Konfliktverlauf, wie es die Zeugenaussagen schildern, durch zeitnahe Vergleichsbeispiele vertieft werden. Diese lassen sich verschiedenen Gattungen zuordnen, die als Quellen in Todi kaum oder nicht in dieser Ausfu¨hrlichkeit zur Verfu¨gung stehen: Die kommunale Geschichtsschreibung am Beispiel einer Chronik aus Parma, die von den kommunalen Notaren gefu¨hrten Stadtbu¨cher und bannimenta am Beispiel San Gimignanos, sowie eine zeitgeschichtliche Dichtung auf einen Parteienkampf, den ‚Serventese dei Lambertazzi e dei Geremei‘ aus Bologna. Diese Quellen stellen vergleichbare Ereignisse aus dem Zeitraum von 1264 bis 1280 dar. Der Chronist und der Dichter, die beide namenlos blieben, erza¨hlen sie aus guelfischer Perspektive. Eine Vorstellung davon, wie sich der Konflikt in Todi in den meines Wissens nach nicht erhaltenen Heften der bannimenta niedergeschla¨ berliegen hat, die die Notare des Podesta` fu¨hrten, gibt die zeitgleiche U ferung aus San Gimignano. Den Detailreichtum ihrer erhaltenen Akten haben wir bereits am Beispiel der im Auftrag Ko¨nig Manfreds hergestellten, in heraldischer Uniformita¨t bezeichneten Ausru¨stung des sta¨dtischen Auszugs kennengelernt. Die kleine Kommune im Val d’Elsa bietet sich aber auch deshalb fu¨r einen Vergleich an, weil sich hier seit 1266 Ansa¨tze zur Bildung eines regime bipartito finden, die ebenfalls durch die mit den Ka¨mpfen zwischen Staufern und Anjou verbundenen Parteiwechsel unterbrochen wurden453. In das zuvor ghibellinischen San Gimignano waren nach der Schlacht bei Benevent die Guelfen wieder eingelas453 Die Geschichte dieses spa¨ter durchgefu¨hrten Verfassungsexperimentes untersucht Waley, Guelfs. Todis regime bipartito ist, worauf Waley und Maire Vigueur aufmerksam gemacht haben, durch Bartolo da Sassoferratos Traktat u¨ber die Guelfen und die Ghibellinen, der durch dessen eigene Dienstzeit in dieser Kommune angeregt worden war, stets bekannt geblieben. Waley hebt, ebenda S. 211, hervor: „The only known parallel for San Gimignano’s bipartite regime concerns Todi in Umbria and is poorly documented.“ Diese Einscha¨tzung, die die Zeugenaussagen aus dem Prozeß des Comazzo Galluzzi nicht beru¨cksichtigt, mag mit bezug auf die in beiden Fa¨llen erkennbare innere Organisation und die Dauer dieses politischen Systems ihre Berechtigung haben. Daß ¨ berlieferungszufalls sind, lassen die von die beiden Beispiele auch das Resultat des U Waley ebenfalls genannten, schlechter dokumentierten Beispiele der Beteiligung beider Parteien am Stadtregiment in anderen Kommunen erahnen. Zu den weiteren Beispielen, die Waley nicht nennt, geho¨rt das unten dargestellte Parma der Jahre 1264 bis 1266. Auf das kurzlebige, von den Frati Gaudenti geleitete Experiment von 1266 in Florenz sei ebenfalls verwiesen. Im Mai 1279 vermittelten die Kardina¨le Latino und Bertoldo, Nepoten Nikolaus III., einen innersta¨dtischen Frieden in Bologna, zu dessen Wahrung

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sen worden. Beide Parteien waren eine pax et concordia eingegangen und ¨ mter besetzen454. Dieses wollten zu gleichen Teilen die kommunalen A empfindliche Gleichgewicht blieb aber durch die weiterhin in Bewegung befindliche politisch-milita¨rische Lage in der Toskana gefa¨hrdet. Der neue Podesta`, der am 1. Januar 1267 sein Amt antrat, fand also in San Gimignano eine a¨hnliche Situation vor, wie sein Bologneser Kollege kurze Zeit nach ihm in Todi. Es war Betto de’ Ubriachi, ein Ghibelline aus Pisa455. Auch er sollte aufgrund eines von Aufruhr begleiteten politischen Wechsels, der allerdings wesentlich unblutiger und u¨ber einen la¨ngeren Zeitraum als in Todi verlaufen sollte, vorzeitig aus seinem Amt scheiden. An den Arno zuru¨ckgekehrt, verklagte Betto daraufhin die Kommune San Gimignano und ließ sich von Pisa das Repressalienrecht ausstellen, das er noch 1270 wahrnahm. Robert Davidsohn ist in den ‚Carte di San Gimignano‘ des Florentiner Staatsarchivs auf ein Zeugenvernehmungsprotokoll dieses Prozesses gestoßen und hat es in Auszu¨gen in seinen Regesten verarbeitet456. Es u¨berrascht nicht, daß diese Bruchstu¨cke in Struktur und Inhalt dem Protokoll auf dem Todiner Rotulus weitgehend gleichen. Beiden kommt exemplarische Bedeutung als Quellen fu¨r die tief in der politischen Kultur der Kommunen verwurzelten Krisen des dritten Viertels des 13. Jahrhunderts zu457. In diesem Zusammenhang la¨ßt das Beispiel aus San Gimignano ebenfalls Formen und Funktionen heraldischer Symbolik in einer Ausfu¨hrlichkeit erkennen, die andere Quellen so nicht bieten. Betto de’ Ubriachi stieß auf Unruhe, da er noch im Januar ausrufen ließ, daß sich keine Gesellschaften jedweder Art bilden du¨rften, keine Glocken zu diesem Zweck gela¨utet werden du¨rften und Fremde den Ort zu verlassen ha¨tten. Im Februar und Ma¨rz wurden die Mauern und Tore

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ein regime bipartito etabliert werden sollte, was jedoch scheiterte; Hessel, Geschichte, S. 516ff.; Carniello, Rise, S. 328. Zu Arezzo in den 1280er Jahren berichtet La cronica di Dino Compagni I 6, S. 18f.: Arezo si governava in quel tempo pe’ Guelfi e Ghibellini per equal parte, et erano nel reggimento di pari, e giurata avieno tra loro ferma pace. Onde il popolo si levo`, e feciono uno della citta` di Lucca che si chiamava Priore, il quale condusse il popolo molto prosperevolmente, e i nobili constrignea a ubidire le leggi. I quali s’accordorono insieme, e ruppono il popolo; e lui presono e misono in una citerna, e quivi si morı`. Eine Zusammenschau dieser Fa¨lle, die sich sicher noch erweitern ließe, la¨ßt das von Guelfen und Ghibellinen geteilte Regiment als ein Charakteristikum des politischen Wandels in den Kommunen der spa¨t- und nachstaufischen Zeit erscheinen. Davidsohn, Forschungen 2, Nr. 900, 903 und 911–912, S. 128ff. Ebenda, Nr. 936, S. 133. Ebenda, S. 134ff. Falls diese Quellen u¨berhaupt noch existieren, wu¨rde es sich sicher lohnen, das von Wu¨stenfeld erwa¨hnte Protokoll aus Viterbo und das aus San Gimignano mit den Todiner Zeugenaussagen zu vergleichen.

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San Gimignanos eigens bewacht458. Den Anlaß fu¨r diese Maßnahmen, die einen Aufruhr unterbinden sollten, boten der Feldzug Karls von Anjou gegen die Ghibellinen in der Toskana, Parteiwechsel in den Nachbarkommunen sowie anscheinend auch eine lokale Fehde459. Nachdem in der Arnostadt der Versuch eines Stadtregiments unter Beteiligung von Teilen der Guelfen und des Popolo gescheitert war und die Ghibellinen am 16. April aus Florenz abgezogen waren, verließen auch die Ghibellinen San Gimignanos am 21. April 1267 ihre Stadt460. Am 24. und 25. April sahen sich der im Amt gebliebene Podesta` und seine Offizialen a¨hnlichen Provokationen ausgesetzt wie Comazzo Galluzzi und seine Leute in Todi. Die Zeugen dieses Prozesses berichteten spa¨ter, daß der ganze Ort ungeordnet in Waffen umherlief, verschiedene rumores ausbrachen und sich zwei Familiengruppen eine Auseinandersetzung auf der Piazza lieferten. Auch der Podesta`, sein iudex und seine custodes erschienen geru¨stet auf dem Platz461. Betto ließ einen Mann aufschreiben, der in Waffen in ¨ ffentlichkeit erschienen war. Außerdem verurteilte er einen Nellus der O Pagani, dessen Aussage er in die Akten aufnehmen ließ: „Nellus q. Pagani erkla¨rt, er sei heute, geleitet von zwo¨lf Ma¨nnern aus der contrata Simifontis, von Colle gekommen et portavit quandam banderiam de zindado in manu, cujus campus erat azzurri et lilia ad aurum ibi apparita, et ipsa banderia fuit sibi missa ad castrum Si Gem. per Guelfum de Colle; als er nach Colle ging, ipsam portavit sine asta ... per totum districtum Si Gem., set quando rediit portavat in asta usque ad portam Corbizi et dixit, quod non reducebat eam super astam in injuriam alicujus comunis. – Es wird ihm aufgegeben, zehn Bu¨rgen zu stellen, S. Gimignano nicht zu verlassen und keine Waffen zu tragen, nec ad aliquem rumorem traat.“462 458 Davidsohn, Forschungen 2, Nr. 937–939, 946 und 950, S. 133f. 459 Giovanni Villani, Nuova Cronica, VIII 20, Bd. 1, S. 443; Davidsohn, Forschungen 2, S. 134 und 137. 460 Davidsohn, Forschungen 2, Nr. 951, S. 134. 461 Ebenda, S. 136f. 462 Ebenda, Nr. 952, S. 134f., mit dem Kommentar: „Es war eine Demonstration fu¨r Karl von Anjou.“ Der Contado konnte problemlos an einem Tag durchquert werden. San Gimignano war kein Bischofssitz, sondern ein zur Dio¨zese Volterra geho¨rendes castrum, beziehungsweise eine terra. Die Kommune konnte daher in der Bildung ihres Contado nicht auf einen episcopatus oder comitatus zuru¨ckgreifen. Ihrer territorialen Expansion waren zudem enge Grenzen gesetzt: abgesehen von den unmittelbaren Nachbarn, wie Poggibonsi, lag Volterra nur 20 Meilen entfernt im Westen, Siena 22 Meilen im Su¨dosten und Florenz 30 Meilen im Nordosten. Die Strecke der Straße nach

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Dieser Triumphzug der Guelfen mit der Fahne Karls von Anjou durch den Contado ist gleichsam ein Gegenstu¨ck zu der ein Jahr spa¨ter in Todi durch die Ghibellinen gezeigten Fahne der Staufer. Angesichts dieser symbolisch vollzogenen Besitzergreifung des von der Kommune beherrschten Raumes sah sich Betto de’ Ubriachi zu einer ebenfalls durch heraldische Symbolik geta¨tigten Machtdemonstration geno¨tigt wie Comazzo Galluzzi. Und auch seinen iudex brachte das ‚Flagge zeigen‘ in a¨hnliche Gefahr wie Delai Venturini: „Es wird bannirt, dass Ranaldus Fidanze mit 200 librae Strafe belegt ist, von der er nicht mehr befreit werden kann, wenn er nicht bis morgen ante tertiam vor dem Judex der Kommune erscheint. Die Strafe ist verha¨ngt, weil er von seinem Thurm Steine schleuderte contra commune in loco, ubi erat dom. Frederigus jud. dicti com. et tunc vicarius potestatis et vesillum beati Geminiani, et sic faciendo ... pacificum statum terre perturbavit. Auf Vorladung war er nicht erschienen.“463 Der iudex und Assessor Friedrich von Arezzo vertrat den Podesta` fu¨r den Moment und war dafu¨r mit dem Banner der Kommune ausgestattet worden464. Wie das Genueser Georgsbanner oder das Parmeser Marienbanner trug dieses das Bild des Stadtheiligen. Wahrscheinlich war es identisch mit der banderia sive maneria potestatis, bei der sich laut Ausruf am 1. Mai alle wehrfa¨higen Ma¨nner der Kommune in Waffen einzufinden hatten, wenn die große Glocke der Kommune mit dem Hammer angeschlagen wu¨rde465. Auch dies war, vergleichbar der Mobilisierung des Popolo, eine Notfallmaßnahme des Podesta` gegen Aufruhr. Demnach stand dem Podesta` das Heerbanner der Kommune als Herrschaftszeichen zur Verfu¨gung. Obwohl es mit dem Bild des Stadtpatrons auf rotem Grund ein fu¨r die gesamte Stadtgemeinde verbindliches Identifikationszeichen trug, wurde es von einem Bu¨rger attackiert, der in ihm den Colle, die Nello an besagtem Morgen gegangen war, betrug 6 Meilen. Vgl. Pecori, Storia, S. 15. Daß es rechtsrelevant war, ob eine Fahne an ihrem Stock oder ihrer Lanze befestigt war, sprechen auch die Kommunalstatuten an; Statuti del comune di San Gimignano, IV 42, S. 728f. Was diese Unterscheidung jedoch konkret beinhaltete, geht nicht eindeutig aus den Quellen hervor. 463 Davidsohn, Forschungen 2, Nr. 953, S. 135. 464 Er erscheint als Zeuge in der Urkunde vom 15. Mai 1267. Vgl. auch Statuti del comune di San Gimignano, IV 1, S. 719: Item teneatur potestas, cum iverit extra S. Gem. et curtem, dimictere loco sui pro vicario iudicem suum, et communis S. Gem. tantum. Der Podesta` durfte sich nur so weit von der Stadt entfernen, daß er zur Nacht wieder zuru¨ck sein konnte. 465 Davidsohn, Forschungen 2, Nr. 954, S. 135.

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ghibellinischen Podesta`, beziehungsweise seinen Vertreter treffen wollte. Umgekehrt wertete der Schreiber der Sentenz den Steinwurf gegen Fahne und Amtstra¨ger als Angriff auf die Kommune, weil er ihn in die Parameter eines fu¨r diesen Fall existierenden Statuts einordnete, nach dessen Wortlaut er die Tat beschrieb466. Die Wahrnehmung des Konnexes zwischen Zeichen, Medium, Tra¨ger und Handlungssituation entspricht der der Bologneser Notare im Prozeß des Comazzo Galluzzi. Auch hier ¨ ffentlichkeit den pacificus stazeigte die Pra¨sentation der Fahne in der O tus an. Die Kommunalstatuten San Gimignanos von 1255 sprechen sogar deutlich aus, was sich fu¨r andere Kommunen, wie Genua oder Todi, nur aus den Quellen erschließen la¨ßt: da, wo der Podesta` mit dem Stadt- und Heerbanner stand, war die Kommune. Hergestellt wurde diese symbolische Bedeutung in einem Handlungsmuster, das das Statut festlegte: In einem Aufruhr erschienen der Podesta` ¨ ffentlichkeit, um den Stadtfrieden oder sein Vikar mit dem Banner in der O wiederherzustellen. Wenn nun jemand weiterhin Steine warf oder eine Armbrust abschoß, konnte dies als direkter Angriff auf die symbolisch pra¨sente Kommune gewertet werden467. Der Podesta` hatte nun die rechtliche Mo¨glichkeit, den als Delinquenten identifizierten Kombattanden, beziehungsweise den Turmbesitzer, zu einer hohen Geldstrafe zu verurteilen, zu verbannen oder sein Haus einreißen zu lassen. Dieses Ineinandergreifen von heraldischer Symbolik und verschriftlichter Rechtsordnung, das sich erst aus dem Vergleich der Statuten mit den bannimenta erschließt, war offensichtlich ein politisch gewolltes und bewußt angewandtes Handlungsmuster fu¨r den Fall eines gewaltsam ausgetragenen innersta¨dtischen Konfliktes. Die Beispiele aus Todi und San Gimignano verdeutlichen so auch, daß der Popolo in vielen Kommunen an eine etablierte symbolische Praxis der Podesta`-Kommune anknu¨pfte, als er neue 466 Statuti del comune di San Gimignano, III 25, S. 704f.: Item statuimus, quod si de turri vel palatio aliquorum, vel alicuius de S. Gem. aliquis lapis, vel aliquod nocivum proiectum fuerit contra commune predictum per illum, vel illos, quorum vel cuius esset turris vel palatium, auferatur eis nomine pene CC lib. den. pis. vet. [...] illut vero intelligatur esse commune, ubi erit potestas cum vexillo rubeo in quo est ymago S. Gem. 467 Ohne den Bezug auf die Fahne, den dafu¨r die Zeugenaussagen erkennen lassen, Statuto di Todi del 1275, II 2, S. 67f.: Item quicumque cum balista vel arcu in rixa vel prelio traxerit vel sagittaverit contra potestatem vel eius sequaces, teneatur potestas sibi facere abscindi manum, et ille, qui tales balistarios duxerit vel tenuerit, puniatur in C lib., et quilibet talem balistarium teneatur capere proposse, et si capi non poterit exbandiatur perpetuo, et si aliquis alterius iurisdictionis vel forensis in aliqua rixa vel prelio in civitate tuderti esset, a quolibet offendi valeat in avere et persona sine pena, (et) etiam ipsuminterfecerit, et si talis forensis capi poterit, potestas puniat in detruncatione pedis et manus dextre, nisi talis balistra balistret mandato potestatis vel ductus esset in civitate mandato potestatis.

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Formen heraldischer Symbolik entwickelte, um mit ihnen den o¨ffentlichen Raum zu beherrschen und den Stadtfrieden zu sichern. In San Gimignano gelang es dem flexiblen Pisaner zuna¨chst, sich zu behaupten. Am 15. Mai 1267 berief er eine Volksversammlung in die Pieve ein, in der er fu¨r die Kommune einem Vertreter Karls von Anjou den Treueid leistete und die daru¨ber ausgestellte Urkunde gemeinsam mit ihm besiegelte. Den Ghibellini exititii wurde die Ru¨ckkehr gestattet, wenn sie diesen Eid leisteten468. Mit der Gesandtschaft des Ko¨nigs hatte der Podesta` aber auch den Ritter Stoldo Berlingherii Giacoppi de’ Rossi eingelassen, der ihm nun als capitaneus Guelforum und capitaneus communis et populi Konkurrenz machte. Betto gab am 19. oder 20. Juni nach und verließ den Ort, Stoldo u¨bernahm nun auch das Podestariat469. Parallelen zur kommunalen Verfassung und zu den Parteikonflikten des kleineren Todi finden sich nicht nur in der Toskana, sondern auch in Parma. Der organisierte Popolo sowie die von der sta¨dtischen Aristokratie gefu¨hrten Parteien der Kirche und des Reiches – wie die Parmeser Guelfen und Ghibellinen des 13. Jahrhunderts genannt wurden – hatten sich in der fu¨r unseren Untersuchungszeitraum relevanten Konstellation in den Jahren 1242 und 1243 formiert470. Die guera, in der die 1245 nach Piacenza geflu¨chtete pars ecclesie civitatis Parme, silicet Lupi et illi de Corigia et Rubei am 16. Juni 1247 wieder in die Stadt gelangte, weist ein a¨hnliches Grundschema wie das spa¨tere Geschehen in Todi auf471. Salimbene de Adam weiß zu berichten, daß diese milites de Parma, banniti imperatoris, zuvor bei Noceto einen Kriegsrat (contio) hielten, in der sie Hugo di San Vitale zum capitaneus et vexillifer wa¨hlten. In der folgenden, entscheidenden Schlacht bei Borghetto di Taro fielen der auf Seiten der intrinseci stehende kaiserliche Podesta` und sein miles472. Im Zuge der anschließenden Einnahme der Stadt vertrieben die Sieger die im Dienst

468 Ficker, Forschungen 4, Nr. 449, S. 455f.; Davidsohn, Forschungen 2, Nr. 956, S. 135. 469 Stoldo hatte sich als Bannertra¨ger der Florentiner im Heer Karls von Anjou ausgezeichnet; Giovanni Villani, Nuova Cronica, VIII 6, Bd. 1, S. 414ff. Vgl. auch Davidsohn, Forschungen 4, S. 200; Ders., Forschungen 2, S. 135ff. 470 Chronicon Parmense, S. 12f. 471 Ebenda, S. 13f. ¨ ber das Aussehen der Fahne berichtet der 472 Salimbene de Adam, Cronica 1, S. 286–289. U Minorit nichts. Er hebt hervor, daß es sich zuna¨chst um eine Parteiauseinandersetzung zwischen den milites Parmenses handelte, die von vielen Bu¨rgern geradezu ignoriert ¨ bergang in die Belagerung Parmas durch Friedrich II. dann aber auch wurde, deren U das Engagement der nach Vierteln beziehungsweise portae aufgebotenen Bu¨rger zum Schutz des Umlandes forderte.

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des Podesta` stehenden custodes, die sich ihnen ergeben hatten473. Nach dem Bericht des Reggianer Notars Albertus Miliolus, den Salimbene noch um weitere Details anreicherte, erfolgte der Machtwechsel nach der milita¨rischen Entscheidung geradezu in geordneten Formen, unter Anwendung kriegsrechtlicher und kommunaler Verfahren. Die siegreichen Guelfen verhandelten zuerst mit den in Parma stationierten, durch die Nachricht vom Tode des Podesta` demoralisierten Theotonici imperatoris u¨ber ¨ bergabe. Wa¨hrenddessen flohen die nobiles et potentes der kaiserdie U lichen Partei aus der Stadt. Ihr capitaneus Bertolus Tabernarius aus der Familie der Tavernieri war in der Schlacht verwundet worden und befand sich ebenfalls auf der Flucht. Sobald die Sieger in der ausgehandelten Art und Weise, na¨mlich pacifice, in Parma eingezogen waren, beriefen sie eine Rats- und eine Volksversammlung ein, in der Gherardo da Correggio, der Anfu¨hrer ihrer Partei, zum Podesta` gewa¨hlt wurde474. Der Bericht des Parmeser Anonymus hebt im Vergleich dazu zwei Aspekte hervor, die auch in den Schilderungen des Konfliktes in Todi eine große Rolle spielen: die Bedeutung der kommunal gepra¨gten Topographie und der performativen Gesten fu¨r die sichtbare Behauptung der Stadtherrschaft. Nach ihm wurde Gherardo auf der platea communis auf Zuruf hin zum Podesta` proklamiert und mit dem dominium u¨ber die Pala¨ste und den Turm der Kommune versehen475. Der neue Podesta` holte weitere Verbu¨ndete nach Parma und ließ die Tore Tag und Nacht bewachen. Nachdem 1253 ein Frieden mit den wieder in die Stadt gelassenen Ghibellinen geschlossen worden war, erlebte die Kommune Parma eine Phase in ihrer Entwicklungsgeschichte, in der sich verfassungspolitische Experimente, wie das regime bipartito und neue Organisationsformen des Popolo, mit Konflikten in dichter Folge abwechselten. Neben solchen Parallelen zu den Ereignissen in Todi finden sich auch weitere, wie die Vermittlungsversuche des ¨ berlieferung. Klerus und des Popolo, in der Parmeser U 473 Der Podesta` Arrigo Testa hatte diese aus seiner Heimatstadt Arezzo kommen lassen; vgl. Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. 311. Salimbene de Adam, Cronica 1, S. 288: Theotonici imperatoris, audientes quod potestas Parme era tab istis occisus, timentes mori, invitabant istos ut pacifice de civitate facerent quicquid vellent. Idem etiam fecerunt custodies palatii communis et turris. 474 Albertus Miliolus, Liber de temporibus et aetatibus, S. 518f.; Salimbene de Adam, Cronica 1, S. 287ff. 475 Chronicon Parmense, S. 14: Et predicti de parte ecclesie Parmam redierunt, et tunc com fuerunt in platea communis, dominus Gerardus de Corigia, qui aliter dicebatur dominus Gerardus de Dentibus, ad vocem factus fuit potestas Parme et habuit palacium, domum et turem communis et omnes tures civitatis et totam civitatem incontinenti in suo dominio; et custodes, qui ibi erant pro rege Henrico, exspulit. Mit den zuletzt Genannten ko¨nnten die unter dem Befehl Ko¨nig Enzos stehenden deutschen Ritter gemeint sein.

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So trat in Parma, als die ‚Partei des Reiches‘ damit begann, mit dem in Cremona herrschenden Markgrafen Obertus Pallavicini, dem Anfu¨hrer der lombardischen Ghibellinen, zu konspierieren, der Schneider Giovanni Barisello o¨ffentlich auf. An der Spitze einer Truppe von fu¨nfhundert bewaffneten Popolanen, die ihn zu ihrem capitaneus gemacht hatten, marschierte er, ein Kreuz und ein Evangeliar in Ha¨nden, von einem ghibellinischen Haus zum anderen. Die Magnaten, die er antraf, u¨berredete oder zwang er, einen Treueid auf die Artikel des Papstes und der ‚Partei der Kirche‘ zu leisten. Wie Salimbene de Adam erza¨hlt, brachte ihm diese Aktion die auch statutarisch vorgeschriebene Integration in die Fu¨hrungsschicht Parmas ein, bis im Jahre 1269 der regierende Podesta` Anstoß daran nahm und ihn aus dem Rat und der Vergesellschaftung mit dem Adel entfernte. Der Mann aus dem Volke blieb in der Stadt und nahm noch am gleichen Tag sein Handwerk wieder auf476. Dem Parmeser Adligen und Ritter, der sich dann 1253 als Anfu¨hrer des Popolo zum Podesta` ausrufen ließ, gelang es in den folgenden sechs Jahren, sich im Amt des potestas communis et populi et mercadancie zu halten477. Es war Ghibertus de Gente, der, seinem Florentiner Standesgenossen Stoldo Berlingherii Giacoppi de’ Rossi vergleichbar, in den 1240er Jahren Bannertra¨ger der exilierten Parmeser Guelfen gewesen war478. Unter seiner faktischen Stadtherrschaft erfolgte im Jahre 1255 die Redaktion der Kommunalstatuten, auf der die im weiteren Verlauf des Spa¨tmittelalters hinzukommende, umfangreiche Statutengesetzgebung der Kommune aufruhte479. Nach seiner Entmachtung verschob sich das Machtgefa¨lle in der Stadt wieder zugunsten der den Markgrafen Obertus unterstu¨tzenden Ghibellinen. Die Kommune hatte im Dezember 1264 versucht, die angesichts von Parteiwechseln in den Nachbarsta¨d476 Salimbene de Adam, Cronica 2, S. 563–568. Vgl. Larner, Italy, S. 114f. Seine Vorla¨ufer fand der Parmese in Laien, insbesondere Handwerkern, die seit der Mitte des 12. Jahrhunderts als charismatische Friedensstifter in Stadtkommunen auftraten. Dessı`, Pratiques, S. 253ff., erinnert an Rainer von Pisa und Homobonus von Cremona und macht auf den Fall des Piacentiner Schusters Raimondo Zanfogni, genannt Palmerius, aufmerksam, der nach Aussage seiner um 1212 durch den Kanoniker Rufinus geschriebenen Vita in die Auseinandersetzungen zwischen den partes seiner Stadt eingriff. Er handelte im Interesse der populares, die vor Gericht kein Recht gegen die Magnaten fanden. Dazu stellte sich Raimondo wie ein alter Elias mit einem Kreuz an den Ort, an dem die Gerichtsurteile der Kommune verku¨ndet wurden, und rief seinen Mitbu¨rgern das Bibelwort Diligite iustitiam vos qui iudicatis terram zu. Er wurde zum Vermittler und Friedensstifter seiner Stadt und erfuhr spa¨ter Verehrung als Heiliger. Vgl. unten Kapitel 4.2.3. 477 Chronicon Parmense, S. 20f. 478 Larner, Italy, S. 116f. 479 Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV.

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ten unter Waffen stehenden Parteien Parmas ruhig zu halten. Der Ausgleich mißlang, die pars ecclesie und die pars imperij beka¨mpften sich. Ein Zentrum der Ka¨mpfe war der Ha¨userkomplex der Baldichini, der Familie, der einer der capitanei partis imperij entstammte. In dieser Situation griff der Domherr Jacobus Grossus in einer a¨hnlichen Weise, wie zuvor Giovanni Barisello, ein. Mit zahlreichen, wahrscheinlich bewaffneten Bu¨rgern veranstaltete er unter lauten pax-Rufen und Mitfu¨hren von Altarkreuzen eine Prozession, um den Stadtfrieden wiederherzustellen. Anders als in Todi scheiterte jedoch diese Intervention zuna¨chst. Sturmum, heftiger Kampf und Aufruhr, erfaßte auch am Folgetag die Stadt. Die Guelfen, die die Ha¨user ihrer Gegner in Brand steckten, begannen die Oberhand zu gewinnen. Die umzingelten Ghibellinen verbarrikadierten sich im Kommunalpalast, dessen Glocke sie die ganze Nacht la¨uteten. Schließlich konnten die Verfechter des Ausgleichs einen Kompromiß herbeifu¨hren: Erneut wurde ein regime bipartito gebildet, dem Ghibertus de Gente nun nicht mehr als Signore von Gnaden des Popolo, sondern als Capitano der Guelfen zusammen dem ghibellinischen Capitano Giacomo Tavernieri als Podesta` vorstehen sollte. Die Parteien schworen im Folgejahr auf den Hauptaltar des Domes, untereinander Frieden zu halten480. Doch ¨ hnliches wie in Todi. Aufgeregt vom schon 1266 ereignete sich in Parma A Sieg Karls von Anjou u¨ber Manfred bei Benevent, vertrieben die Guelfen die Ghibellinen. Den Podesta` aus beiden Parteien, die man fu¨r dieses Jahr aus Bologna berufen hatte, wurde von den Siegern jede nachtra¨gliche inquisitio der Ereignisse zwischen dem 28. Ma¨rz und dem 20. April 480 Chronicon Parmense, S. 22f.: Quorum occasione partes civitatis Parme per totam edomadam steterunt armate et quatuor utriusque partis electi fuerunt de mellioribus civitatis, qui viderent et examinarent de bono statu civitatis; qui propterea stabant de die et de nocte super palatium communis. Die autem jovis circa horam none exspugnaverunt partes inter se apud sanctum Tyburcium et apud domos Baldichinorum et tunc Farisei fuerunt derobati a parte imperij; et dominus Jacobus Grossus canonicus parmensis cum multis militibus et peditibus ibant per civitatem com crucibus ecclesiarum, cridando „ pacem “. Et dominus Baldichinus, qui erat capitaneus partis imperij, silicet alonum, die veneris sequenti circa vesperas, et fuit tercio exeunte decembri, veniente die sabati, com suis alonis cepit expugnare in Capite Pontis contra partem’ ecclesie et ad domos Rubeorum maxime; et tunc fuit sturmum ubique per totam civitatem quasi per totam noctem in porta Nova et ad voltam Oldec¸onorum et ad domos Baldichinorum; et comburse fuerunt domus eorum, et tota pars imperij conclusa fuit in pallatio communis et subter cum tabulis cambiatorum, et ibi se custodiebant pulsando campanas communis tota nocte; et tandem pars ecclesie obtinuit. Et de voluntate parcium dominus Ghibertus de Gente et dominus Jacobus Tabernerius de Parma pro bono pacis facti fuerunt potestates Parme. [...] Dominus Ghibertus de Gente et dominus Jacobus Tavernerius, ambo de Parma, fuerunt potestates Parme in millesimo cclxv. Et ipso anno et tempore factum fuit sacramentum per partes de Parma super altare sancte Marie maioris ecclesie parmensis de dicta pace manutenenda.

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untersagt. Sie verließen kurz darauf die Stadt481. Das Statut, das die neuen Machtverha¨ltnisse festschrieb und das der tubator Communis stellvertretend fu¨r die Kommune beschwor, gebraucht dieselbe Begru¨ndungsfigur, die wir bereits als Referenz fu¨r heraldische Symbolik, die einem Aufruhr entgegenstellt wurde, kennengelernt haben482. Wa¨hrend in Todi der Popolo als Partei der Mitte im Konflikt von 1268 so gut wie untergegangen war, behauptete er sich in Parma, indem er sich vera¨nderte. Neben dem Anzianen- und Konsulnkollegium, das nun zusammen mit den Guelfen das Stadtregiment ausu¨bte, begegnet die 1266 gebildete societas crusatorum als Gesellschaft des Popolo483. Diese Societa` de’ Crociati knu¨pfte sicherlich an a¨ltere Vergesellschaftungsformen des Parmeser Popolo an. Sie verstand sich jedoch nicht als Partei der Mitte, sondern stand auf Seiten der Partei der Kirche. In ihrer Matrikel stand der Name Karls von Anjou in Goldbuchstaben an erster Stelle484. Wie der 481 Ebenda, S. 24f.: Dominus Nicolaus de Bacileriis pro parte ecclesie, dominus Andalo Andaloy pro parte imperij, ambo de Bononia, fuerunt potestates Parme in millesimo cclxvj. [...] Die vero jovis octavo intrantis aprilis predicti potestates ambo reversi sunt ad propria, eo quod eis fuit prohibitum facere inquisitionem et regimen de predictis robaria et rumore. Auch in das ghibellinische Florenz hatte man 1266 zwei rectores aus Bologna, von denen der eine Guelfe und der andere Ghibelline war, geholt. Es waren die Frati Gaudenti Catalano de’ Malavolti und Loderingo de’ Andalo`. Außerdem wurde die Kommission der trigintasex viri electi ad reformationem civitatis geschaffen. Sie versuchten sich an einer Verfassungsreform, um ein Miteinander von Parteien und Popolo zu ermo¨glichen; Giovanni Villani, Nuova Cronica, VIII 13, Bd. 1, S. 430–433; Davidsohn, Forschungen 4, S. 174–197 und 537. Zu dem 1261 mit der Aufgabe der Friedensvermittlung gestifteten Ritterorden siehe Larner, Lords, S. 61. 482 Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. 464: Capitulum pro bono et pacifico statu civitatis Parmae, et ad removendum omnem materiam tumultus, scandali et erroris in civitate Parmae et episcopatu toto, quod Potestas Parmae, qui nunc est et pro temporibus fuerit, teneatur non cognoscere nec cognosci permittere de dampnis datis et factis, offensionibus, injuriis, mortibus, homicidiis, incendiis, assaltis, ferutis, maleficiis et aliis qualitercumque factis in civitate Parmae, et extra, in die et a die festivitatis Pascae Resurrectionis, quae fuit in millesimo ducentesimo sexagesimo sexto, nona Indictione, tempore dominorum Nicholay de Bazaleriis et Andaloy de Andaloys Potestatum Parmae usque ad vigesimum diem intrantis aprilis, in quo die fuit factum Statutum per Conscilia Parmae contra robatores et dampnum dantes, sicut in dicto Statuto; et quod quaelibet inquisitio facta occasione praedictorum maleficiorum factorum infra dictum tempus, denunciatio seu accusatio, et banna simplicia et condicionalia, et breviter quilibet processus factus occasione praedicta sint vana et cassa et irrita, et vanae et cassae et irritae et irriti, et nullius momenti et valoris, et nullum praejudicium generent alicui, nec in aliquo, qualitercumque possit dici seu excogitari modo vel in futurum. 483 Salimbene de Adam, Cronica 2, S. 568f.; Chronicon Parmense, S. 25. 484 Salimbene de Adam, Cronica 2, S. 568f., der Karl selbst den Parmesen befehlen la¨ßt, quod facerent unam societatem ad honorem Dei et sancte Romane Ecclesie, que diceretur de Cruce, in qua societate et ipse esse volebat. Et volebat quod in ista societate omnes alie de Parma includerentur et quod semper essent parati ad succurendum Ecclesie, cum

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Parmese Salimbene andeutet, erschien seinen Mitbu¨rgern und insbesondere den kommunalen Amtstra¨gern die Benennung nach Ko¨nig Karl und dem Kreuz des Herrn angemessener und ehrenvoller als die vorausgegangene Benennung nach dem Schneider Giovanni Barisello485. Die Organisation der Gesellschaft weist die klassischen Merkmale des institutionalisierten Popolo auf: sie besaß neben der Matrikel auch eigene Statuten486. An ihrer Spitze standen primicerii und sapientes sowie ein capitaneus, der spa¨ter auch als Capitano del Popolo in Erscheinung trat. Diese Fu¨hrungsgremien tagten zusammen mit dem consilium Credenciae Ancianorum populi parmensis [...] in palacio Communis Parmae more solito487. Sie waren darauf vereidigt, bei Konflikten im Interesse der Partei der Kirche zu vermitteln, um den innersta¨dtischen Frieden zu erhalten. Entsprechend hatte der Podesta` sie in jeder Hinsicht zu unterstu¨tzen, ihre Ehre zu mehren und die von ihr eingebrachten banna und statuta durchzusetzen488. Diesem politischen Mandat der Wahrung von Frieden und Gerechtigkeit im Sinne des Volkes und der Ro¨mischen Kirche entsprach offensichtlich auch der ausgepra¨gte religio¨s-bruderschaftliche Charakter der

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Romana Ecclesia indigeret. Et fecerunt Parmenses istam societatem, et appellatur societas Cruxatorum. Et regem Karolum litteris aureis in quaterni principio conscripserunt, ut societatis istius, que dicitur Crucesignatorum, capitaneus esset et primicerius, princeps et dux et come set rex et magnificus triumphator. Vgl. Ronchini, Prefazione, in: Statuta communis Parmae ab anno MCCLXVI. ad annum circiter MCCCIV, S. IIIff. Salimbene de Adam, Cronica 2, S. 568f. Statuta communis Parmae ab anno MCCLXVI. ad annum circiter MCCCIV, S. 99. Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. 478; ebenda S. 471f.: Et quod Societas possit se adunare sono campanae et voce tubae et praeconum, ad voluntatem eorum praedictorum Capitanei et Primiceriorum, in palatio Communis et alibi, sicut eis visum fuerit. Ebenda, S. 469: Capitulum ad honorem Dei et Beatae Virginis Mariae Matris ejus et Beatorum Johannis et Hilarii Confessoris et tocius partis Ecclesiae et Societatis Croxatorum Parmae, quod Capitaneus et primicerii dictae Societatis, qui nunc sunt et qui pro tempore fuerint, teneantur sacramento et debeant toto posse et opere suo et toto ingenio inquirere guerras et discordias vertentes nunc et de cetero cuntingentes inter homines dictae partis, et illos ad pacem et concordiam facere et curare venire bona fide, sine fraude, sicut melius et cicius poterunt et sibi videbitur convenire, dum tamen nullum possint compellere ad praedicta. Vgl. ebenda S. 471f. Daß dies fu¨r den Einzelnen Repression bedeuten konnte, zeigt das Statut, nach dem niemand ku¨nftig in Stadt und Contado jemanden heiraten durfte, der nicht zur pars Ecclesiae geho¨rte. Wer dazu geho¨rte, entschieden der Podesta` und die Funktionstra¨ger des Popolo. Die Intention des Statuts war es natu¨rlich, verwandtschaftliche Bindungen zu brechen, die u¨ber den Katalysator des Parteiwesens den Stadtfrieden gefa¨hrdeten. Die Gesellschaft u¨bernahm aber auch typische Aufgaben der Volksherrschaft in den Kommunen. So u¨berwachten ihre Funktionstra¨ger die gerechte Lebensmittelversorgung der Stadt; ebenda S. 480. Zum repressiven Charakter der Gesellschaft a¨ußert sich bildhaft Salimbene de Adam, Cronica 2, S. 569.

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Societa` de’ Crociati. Wahrscheinlich la¨ßt er sich u¨ber die Aktion Giovanni Barisellos hinaus bis auf die Buß- und Friedensbewegung des Jahres 1233 zuru¨ckfu¨hren, die Parma besonders heftig erfaßt hatte489. Auf Anraten der Franziskaner hatten die „Kreuztra¨ger“ den heiligen Hilarius von Poitiers, der auch Patron einer der Kirchen der Stadt war, als ihren besonderen Schutzheiligen angenommen490. Nach einem Statut von 1266 hatte die Kommune ja¨hrlich zum Michaelsfest eine Mauer – es fragt sich allerdings welche? – zu Ehren der Gesellschaft mit einem pallio zu beha¨ngen, der ein Kreuz trug491. Das Kreuzzeichen, dem Namen der Gesellschaft nach ihr Charakteristikum, la¨ßt an die Verwendung eines Kreuzwappens denken, wie es nicht nur die Kommune von Parma, sondern auch der Popolo in anderen italienischen Kommunen fu¨hrte492. Wahrscheinlich stellte es a¨hnliche Sinnbezu¨ge her, wie die heraldische Symbolik dieser popolaren Bewegungen. Waren Giovanni Barisello und Jacobus Grossus noch mit liturgischen Kreuzen losgezogen, um ihre Mitbu¨rger auf die Friedenswahrung zu verpflichten, so war nun ein wahrscheinlich heraldisch gebrauchtes Kreuzzeichen zum Abzeichen einer institutionalisierten Gesellschaft des Popolo geworden. Die 1266 gebildete Societa` de’ Crociati bietet auf diese Weise nicht nur ein sehr fru¨hes Beispiel fu¨r den programmatisch-appellativen Zeichengebrauch des Popolo. Stellt 489 In die von Mendikanten oder Wanderpredigern inszenierten Massenversammlungen wurden die Fahnenwagen der Kommune und die Fahnen der viciniae gefu¨hrt; Sutter, Johann; vgl. zur weiteren Entwicklung Vallerani, Mouvement, S. 313ff. 490 Ronchini, Prefazione, in: Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. XVII. Larner, Lords, S. 34 und 60, hebt das Eingreifen der Mendikanten in Parteika¨mpfe und Popolo-Bildungen hervor und nennt Protagonisten, wie Petrus Martyr, und Chronisten, wie Salimbene de Adam. Mit dem Parteiwechsel von 1280 wurden auch die Mendikanten aus Faenza vertrieben. 491 Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. 468: Capitulum ad honorem Societatis Croxatorum et beati Hilarii Confessoris, quod murus de vestitu crucis signato semel in anno, et specialiter ad festum sancti Michaelis, induatur ad expensas Communis de uno vestitu de bono et ydoneo drapo. 492 In Bologna hatte der Popolo 1271 eine 400 Mann starke societas iustitie gebildet, die die Stadt vor einem rumor der nobiles schu¨tzen sollte. Durch ihre am 29. Mai 1279 durch Papst Nikolaus III. verku¨ndete Auflo¨sung wissen wir von der Existenz einer societas crucis, die Rolandino Passaggerii als primicerius perpetuus geleitet hatte – Primicerius ist auch ein geistlicher Titel, was zur religio¨s-ideologischen Ausrichtung der popolaren Bewegung paßt. In Parma begegnen er sowie der Name der Gesellschaft bereits ein Jahrzehnt zuvor. 1274 gebildet, war die Bologneser Gesellschaft das Herrschaftsinstrument des auf die Seite der Guelfen eingeschwenkten Popolo. Ihre Auflo¨sung war Teil des im Rahmen der pa¨pstlichen Herrschaftsu¨bernahme in der Romagna vermittelten Friedensschlusses in der Renostadt. Vgl. Hessel, Geschichte, S. 507 und 517; Carniello, Rise, S. 328f. Das wohl beru¨hmteste Beispiel diese Art ist das 1293 angenommene Wappen des Popolo von Florenz. Siehe Kapitel 3.1 und Kapitel 4.2.

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man sie in die Tradition der genannten, unmittelbar vorangegangenen Befriedungsaktionen, so la¨ßt sich, wie mir scheint, an ihr auch besonders gut der in einem Kontext symbolischer Kommunikation erfolgte Prozeß ¨ bergang vollzog sich demnach von der Wappenbildung verfolgen. Der U Objekten, deren verpflichtende Bedeutung in einmaligen, mo¨glicherweise spontanen Akten symbolischer Kommunikation zur Geltung gebracht worden war, hin zu uniform eingesetzten Zeichen, die ihre Tra¨ger als Mitglieder einer kommunalen Institution auswiesen. In beiden Fa¨llen wurden die durch das Kreuz symbolisierten Werte appellativ eingesetzt, zuletzt auch mit dem Charakter eines politischen Programms. In beiden Fa¨llen waren sie Reaktionen auf die Situation des Bu¨rgerkriegs. Das Zeichen der Societa` de’ Crociati la¨ßt jedoch auch eine weitere Deutungsmo¨glichkeit zu, die auf das Wappen der Parmeser Guelfen verweist. Was die Parmeser Chronik als Quelle fu¨r die Parteika¨mpfe der spa¨tstaufischen Zeit na¨mlich besonders auszeichnet, ist der Umstand, daß sie auch auf die Wappen der beiden Parteien eingeht. Mit ihr verfu¨gen wir u¨ber ein Beispiel, mit dem sich der Bericht der Bologneser Zeugen u¨ber die in Todi gezeigten Wappenfahnen vergleichen und erga¨nzen la¨ßt. Nach dem lombardischen Geschichtsschreiber hießen die Ghibellinen seiner Heimatstadt nicht nur „Partei des Reiches“, sondern aufgrund ihrer Wappenfu¨hrung auch „Adlerpartei“ oder „Adler“. Ob damit das Wappen des schwarzen Adlers in Gold oder das Wappen Manfreds und Konradins, wie es auch die Todiner Ghibellinen fu¨hrten, gemeint war, la¨ßt sich der Quelle nicht entnehmen. Einen Pluralismus in der Wappen- und Fahnenfu¨hrung, wie er zumindest bei den Todiner Ghibellinen erkennbar ist, spricht der Chronist nicht an. Daß es ihn wahrscheinlich auch in Parma gegeben hat, lassen die Vielzahl und, im Falle des Popolo, die Namen der beteiligten Institutionen erahnen. Stattdessen konzentriert sich der anonyme Geschichtsschreiber auf die Herausstellung des Gegensatzes zwischen den beiden Parteien, den er in ihren Wappenbildern und im Umgang mit ihren Wappen im Konfliktverlauf widergespiegelt sieht. Dies entspricht einer Denkform heraldischer Symbolik im Mittelalter, die oft narrativ genutzt wurde. In Parma stand 1266 den Adlern der Ghibellinen das Kreuz der Guelfen gegenu¨ber. Ohne weitere Angaben zur Tingierung des Kreuzwappens der Guelfen, die der Chronist als bekannt voraussetzte oder fu¨r marginal hielt, muß sich seine Interpretation auf Vermutungen beschra¨nken. Auf das Wappen Karls von Anjou bezog man sich nicht. Da auch die Stadt Parma ein Kreuzwappen fu¨hrte, ko¨nnte das Zeichen der Guelfen mit diesem identisch gewesen oder durch eine Brisur aus ihm abgeleitet worden sein. Die Art der Darstellung zeigt jedoch, daß die Wappen der beiden

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Parteien kompetitiv aufeinander bezogen waren, ohne daß dies unmittelbar aus ihrer Zeichenstruktur ableitbar war. Die Parteinamen beziehen sich freilich eindeutig auf u¨bergeordnete Autorita¨ten, in deren Namen sich die verfeindeten Faktionen organisiert hatten. Daher liegt der Schluß nahe, daß die Annahme der Wappenbilder in gleicher Weise erfolgte. Die pars ecclesie verwies mit ihrem Wappen daher wahrscheinlich auf eine der wa¨hrend des 13. Jahrhunderts gefu¨hrten Kreuzfahnen der Ro¨mischen Kirche493. Die ju¨ngere Societas Croxatorum, die Teil der guelfischen Stadtherrschaft wurde, ko¨nnte wiederum Bezug auf das Parteizeichen genommen haben. Der oben dargestellte Charakter der Gesellschaft sowie die Gru¨nde fu¨r die Wahl des Gesellschaftszeichens deuten jedoch darauf hin, daß die Zeichenwahl nicht zwingend von den Guelfen vorgegeben sein mußte. Der Chronist berichtet nun, daß Sieger und Besiegte auf verschiedene Art mit den Waffen der Ghibellinen umgingen, die das Adlerwappen trugen. Die Guelfen demonstrierten symbolisch ihren Sieg, indem sie sie verbrannten und zersto¨rten. Aus dieser Reaktion heraus la¨ßt sich der hohe Identifikationswert des Zeichens ablesen. Die Ghibellinen dagegen, von denen viele auf nicht gerade ehrenvolle Weise in Parmas ausgebauter Kanalisation abtauchten, verhielten sich, da es um ihr Leben ging, eher pragmatisch zu ihrem, von ihren Gegnern ex negativo aufgewerteten Wappen, indem sie es von ihren Waffen schabten494. Die Quellenpassage ist somit auch ein Beleg fu¨r die spa¨ter vor allem bei den Waffengesellschaften des Popolo hervortretende heraldische Uniformita¨t, der sich in diesem Fall auch die Guelfen und die Ghibellinen bedienten. Wurden mit ihr gro¨ßere Menschenmengen mobilisiert und erkennbar gemacht, so konnte der Einzelne auf der Flucht durch das freilich ehrmindernde Entfernen seines heraldischen Erkennungszeichen von der o¨ffentlichen Bu¨hne verschwinden495. Daß fu¨r dieses Verhaltensmuster ‚feine Unterschiede‘ gal493 Siehe Kapitel 2.3. 494 Chronicon Parmense, S. 24: Item eodem anno in die pascatis resurecionis Domini, quod tunc fuit quarto exeunte martio, partes de Parma fuerunt ad arma, et pars ecclesie obtinuit et pars imperij conflita et expulsa fuit per totam civitatem, et scuta et arma partis imperij, que erant facta ad alonum, arsa et destructa fuerunt. [...] Et fugierunt predicti de parte imperij per andronas et nulus eorum audebat aparere; [...] et habebant dicti de parte domini Uberti Pelavicini arma ad alanos, qui dicta arma raspaverunt, qui non fuerant ad rumorem timore partis ecclesie. Et illi de parte ecclesie habebant arma ad crucem. Die Kana¨le und Brunnen, Reservoirs, Wasserleitungen und Kloaken sind ein nahezu unerscho¨pflicher Gegenstand der Parmenser Kommunalstatuten. 495 Zu a¨hnlichen Umgangsformen mit Parteizeichen wa¨hrend des armagnakisch-burgunˇ dischen Bu¨rgerkriegs in Paris siehe Slanicka, Krieg, bes. S. 233–308. Ekdahl, „Banderia Prutenorum“, S. 18, mit dem Zitat aus dem Brief des Pflegers von Bu¨tow an den

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

ten, zeigt das Beispiel des adligen Guiberto Capodivacca, der 1317 als von Padua eingesetzter Podesta` in Rovigo amtierte. Wie Albertino Mussato tadelnd berichtet, versetzte die Nachricht von der Erstu¨rmung der Paduaner Festung Monselice durch den gefu¨rchteten Cangrande della Scala, von dem ihn jetzt nur noch die Etsch trennte, Guiberto dermaßen in Panik, daß er aus dem ihm anvertrauten Kommunalpalast floh, seine kompromittierenden Amtszeichen – wohl Fahnen – mit dem Wappen Paduas in die Etsch warf und sich ins sichere venezianische Cavarzere absetzte496. Die Veronesen kamen nicht u¨ber den Fluß, dafu¨r besetzten jedoch die Este sofort das fu¨hrerlose Rovigo. Anders als der einfache Ka¨mpfer einer Partei oder Kommune konnte ein Amtstra¨ger oder gar der Podesta` sich nicht seiner heraldischen Bezeichnung entledigen und den Kommunalpalast im Stich lassen497. Tat er es dennoch, so verlor er seine Ehre. ¨ berlieferungslage nicht Vielleicht, doch wird sich dies aufgrund der U endgu¨ltig kla¨ren lassen, nahm man auch in Todi die Wappen der Konfliktparteien in a¨hnlicher Weise wie in Parma aufeinander bezogen wahr. Vielleicht fu¨hrten die Parteien in Todi ihre Wappen in einer Uniformita¨t, die der der beroarii des Comazzo Galluzzi oder der der Ghibellinen Parmas entsprach. Und mo¨glicherweise verfuhr man am Oberlauf des Tiber a¨hnlich mit den heraldisch bezeichneten Waffen der Unterlegenen wie in der Lombardei. Noch deutlicher als im Vergleich mit einer in Prosa gehaltenen Chronik oder den kommunalen Akten zeigt sich die Typik des Konfliktverlaufs und seiner einzelnen Gesten und Zeichen im Vergleich mit einer Dichtung wie dem ‚Serventese dei Lambertazzi e dei Geremei‘498. Es handelt Marschall des Deutschen Ordens bezu¨glich seines Informanten, der sich 1431 aus der Schlacht bei Nakel rettete: do her sach, das is vorloren was, do warf her abe unse czechen und nam an sich das polensche czechen und rif mit den Polen und quam so mit den Polen czu Nakel und hat alle dink wareftich geseen mit. Vgl. allgemein Groebner, Schein. 496 Albertino Mussato, Sette libri inediti del De gestis Italicorum post Henricum VII., IX 7, S. 27: Noua de monte silice defectione paduam relata tremorem metumque paduanis incussere cum et alia preter hec de Rodigo aduenientes nuncii attulissent – Quod scilicet guibertus de capite uace rodigum pro paduanis potestas audita montis silicis capcione nouitate rei confusus Canem per super atticem uolitare seque insequi terrarum omnium dominatorem visum adeo pertimuisse ac si terre Rodigii adesset uictor seque trucidandum mox iussisset – palacio suo quo presidatum tenebat continuo profugisse – insigniisque paduane comunitatis complicatis et in athesim amnem iactis ut hoste terga in sequente ad caput aggeris venetorum opidum confugit. 497 Bereits die fu¨r Kommunalstatuten sehr fru¨h u¨berlieferten Statuten Volterras aus dem zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts schrieben Eide vor, die die Anfu¨hrer der milites und der pedites verpflichteten, die ihnen ausgeha¨ndigten vexilla in Friedenszeiten wieder abzugeben; Statuti di Volterra, Nr. 150, S. 78. 498 Serventese dei Lambertazzi e dei Geremei.

3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf

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sich um das nach 712 Versen abbrechende Fragment einer im romagnolischen Volgare geschriebenen historisch-politischen Dichtung, einer der a¨ltesten ihrer Art aus dem italienischen Mittelalter. Ihr Verfasser schildert die Ka¨mpfe zwischen den Guelfen und Ghibellinen Bolognas in der Zeit von 1274 bis 1280, die auch die Nachbarkommunen der Renostadt in Mitleidenschaft zogen499. Den Intentionen des Werkes und den Regeln seiner Gattung gema¨ß, wird das Konfliktverhalten in den kurzen Versen mit ¨ bereinstimBlick auf topisch herausgestellte Effekte wiedergegeben. U mungen mit dem Geschehen, wie es die Zeugen im Prozeß des Comazzo Galluzzi schildern, ko¨nnen daher belegen, daß dieses den Regeln symbolischer Kommunikation folgte, die man in der Vorstellungswelt des romagnolischen und bolognesischen Adels, fu¨r den das Serventese gedichtet worden war, fu¨r vorbildlich erachtete. Zudem erga¨nzen sich die Aussagen von Dichtung und Zeugenaussagen u¨ber ihren vergleichbaren Gegenstand, da erstere zwar eindringlich Handlungen, wie den Gebrauch von Fahnen, schildert, die als bekannt vorausgesetzten Wappen- und Fahnenbilder aber mit keinem Wort erwa¨hnt. Mit den Zeichenbeschreibungen fu¨r Todi la¨ßt sich die Quelle um diese Dimension vertiefen. Umgekehrt zeigt die Dichtung im Unterschied zum Protokoll und einem Großteil der sta¨dtischen Geschichtsschreibung die Binnenperspektive und die Bewertungsmaßsta¨be der aristokratischen Parteienka¨mpfer des spa¨ten 13. Jahrhunderts auf. Der Gegenstand der Dichtung fu¨hrt uns außerdem zu den Protagonisten des zeitnahen und strukturverwandten Aufruhrs in Todi zuru¨ck. Der um sein Gehalt gebrachte, gerade erst an den Reno zuru¨ckgekehrte Comazzo Galluzzi sollte sich na¨mlich in den folgenden Jahren als Akteur in diesem Konflikt wiederfinden, der in seinem Ausmaß das Geschehen in Todi bei weitem u¨berstieg. Als sich im Januar 1269 die mit ihrem Podesta` unzufriedenen Bolognesen auf der Piazza versammelten und begannen, den Kommunalpalast mit Steinwu¨rfen zu traktieren, lo¨ste Comazzos Erscheinen auf dem Platz Begeisterung aus. Das Volk skandierte „Viva, viva dominus Comaccius!“ und wollte ihn zum Capitano del Popolo ausrufen, was er jedoch ablehnte. Iohannes Gerardi Paltonerii hatte die Szene beobachtet, die in erschreckender Weise an ihre nur ein halbes Jahr zuru¨ckliegende Parallele in Todi erinnert500. Der beroarius hatte jedoch, 499 Zum historischen Hintergrund siehe Hessel, Geschichte, S. 496–520; Larner, Lords, S. 23–57. 500 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 63: respondit quia ipse vidit eum diligere ab hominibus Bononie et audivit ab hominibus honorare et laudare et bene dicere de eo post eum et eo absente et dixit quod vidit eum iam Bononie satis retro per .viij. annos et ultra quod

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

was hier nur angemerkt sein soll, offenbar kein Problem damit, sie als Bei¨ ber seine spiel fu¨r den guten Ruf Comazzos in Bologna anzufu¨hren501. U Familie war Comazzo auf Seiten der Geremei in den langdauernden, seine Heimatstadt spaltenden Konflikt involviert. 1272 durch den Bologneser Popolo als Magnat registriert und dadurch von vielen kommunalen Beta¨tigungsfeldern ausgeschlossen, begegnet er dennoch wa¨hrend der Auseinandersetzungen zwischen den Geremei und Lambertazzi in Funktionen, fu¨r die ihn seine politische Erfahrung empfohlen haben du¨rfte502. Wie in Todi, so bereiten sich in der Dichtung auch die verfeindeten Parteien in Bologna mit Ratssitzungen und Ru¨stungen in ihren wehrhaften Ha¨userkomplexen auf den Konflikt vor. Insbesondere werden gezielt die Verbu¨ndeten aus einem weiten Umkreis mobilisiert: C ¸ ascuno fa scriver brevi e carti / e mandando per li soi amixi veraci (V. 65f.). Auch in Bologna ist die piac¸a de la cita` valente (V. 22) der zentrale Ort, den es zu halten gilt, um die Stadtherrschaft zu behaupten. Diesen Anspruch demonstrieren die von der Kommune unterstu¨tzten Geremei und ihre Verbu¨ndeten, indem sie sich geordnet auf dem Marktplatz aufstellen, in dessen Mitte ihr Banner aufgepflanzt ist: Como li Germıˆ aveano ordenato, / entro la mec¸anote fo arivato / lo conestabel, suxo lo Mercato / pose la bandiera. (V. 73–76). Die Nachtwache auf dem Turm der ghibellinischen Carbonesi, die dieses illuminierte Schauspiel u¨berblickt, zeigt sich entsprechend beeindruckt und kann außerdem an einer anderen Fahne sehen, daß auch der Kommunalpalast in der Hand der Gegner ist: La guarda de la torre Carbonexe, / quando vide la gente del marchexe, / disse a la soa parte senc¸a contexe: / „Nui avem mal fatto; / l’alturio d’i Germıˆ e` retornato / e a`no preso la piac¸a in one lato, / suxo ’l palac¸o a`no portato / lo confalone“. (V. 81–88). Die Deutung dieser Pra¨sentation ist eindeutig, die Guelfen haben ihren Gegnern Schach geboten (V. 105f.). Wu¨rden diese auf die Provokation nicht eingehen, wa¨re dies ein Zeichen von Schwa¨che, sie wu¨rden ihr Gesicht und ihre Ehre verlieren. Im anschließenden Kampf

populus Bononiensis cum armis coadunatus in platea comunis Bononie exclamans una voce viva viva dominus Comaccius voluit [verbessert aus: noluit] ipsem esse capitem dicti populi et ipse dominus Comaccius erat praesens et noluit et sic Bononie habet bonum nomen ita audivit quod habuit in regentibus civitatum ubi fuit et bene se habuit et fideliter et solicite et diligenter exercivit quod debebat usque ad hodiernum diem. 501 Es stellt sich also die Frage, ob und inwieweit die Protagonisten – trotz der Existenz normativen Schriftgutes – sich von der konkreten Situation und ihrer jeweiligen Rolle distanzieren konnten beziehungsweise das jeweilige Handeln nach Grundmaßsta¨ben oder ihrer eigenen Involviertheit bewerteten. 502 Milani, Galluzzi, Comazzo (Comacio).

3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf

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unterliegen jedoch die ghibellinischen pedoni e cavaleri (V. 161). Die Lambertazzi werden aus der Stadt vertrieben und flu¨chten nach Faenza. Nachdem sich Bologna 1278 dem Papst unterstellt hatte, entsandte dieser einen Legaten, den Dominikaner Lorenzo da Todi, der einen Frieden zwischen den Parteien vermittelte, die anschließend von einem ebenfalls entsandten bon rectore (V. 205) in einer Kommune regiert werden, ed ello torno` senc¸a altro tenore / on’omo in caxa (V. 207–208). Der Dichter schildert auch die typischen, verschriftlichten Verfahren der Kommune, mit denen der Friede zustande kam: Alora se fece compromissi e carti / de obedire lo santissimo Padre, e da` one parte bona segurtade, / chi contrafesse. [...] e questo se c¸uro` su la renghiera / e la` suxo la gente stieva, / e de presente lo nodaro sı` gli era / che fe´ le carti. (V. 185–188 und 193–196). Doch bereits 1280 kommt es zu einer erneuten bataglia (V. 377) auf der Piazza, in deren heftigem Hin und Her sich die Parteien mit a¨hnlich drohenden Parolen und Schlachtrufen angehen, wie sie auch in Todi fielen. Auch dieses Mal werden die Ghibellinen geschlagen und fliehen wieder in die su¨dliche Nachbarstadt. Offenkundige Zeichen ihrer Niederlage sind ihre im Lauf der Flucht zur Erde geworfenen Fahnen: sı` che forno sconfitti di sopra e di sotto, / li cavalieri fugando e no fac¸ando motto, / e tute le bandiere i buto`no de botto / per la via. (V. 381–384). Die auf eine weitere Verfolgung der Geflohenen dra¨ngenden Bologneser Guelfen finden in dem Faentiner Tebaldello de’ Zambrasi einen Verbu¨ndeten, der gewillt ist, sie in die eigene Stadt zu lassen und ihnen so die Herrschaft, symbolisiert im Kommunalpalast, zu verschaffen: „chon i bolognisi e’ m’acordarac¸o / de doverli dare la terra e ’l palac¸o / de Faenc¸a“. (V. 467f.). Der Plan geht auf. Wa¨hrend die Bolognesen unter ihrem Schlachtruf „Cavalier sam Piero!“ (V. 642) die Piazza stu¨rmen, versucht der u¨berrumpelte Podesta` von Faenza dort unter dem Gela¨ut der Sturmglocke seine Truppen zu versammeln. Widerstand kommt von den Lambertazzi, die auf dem Platz mit den Invasoren ka¨mpfen. Der Dichter spitzt diese Auseinandersetzung auf das Handeln zweier Personen zu. Der Ghibelline Magarotto de’ Magarotti ist es, der el confalom (V. 651) seiner Partei ergreift und dadurch deren Ka¨mpfer sammeln kann503. Doch da er in der Eile keine Ru¨stung anlegen konnte, sto¨ßt ihn der Guelfe Guidottino de’ Prendiparte mit seiner Lanze vom Pferd: e ’l confalone ch’in man avea drito / fo caduto. (V. 667f.)504. Dies ist der Wendepunkt der Schlacht, aus der die Lamber503 Daß dieser ritterliche Ka¨mpfer Angeho¨riger einer Kaufmannsfamilie war, zeigt, daß eine stereotype Zuweisung von Standesverhalten an kommunale Eliten fast immer auf Probleme sto¨ßt; vgl. Hessel, Geschichte, S. 294f. 504 Vgl. Breveglieri, Armamento, S. 92f. Ka¨mpfende Ritter zu Pferde, darunter auch Kombattanden, die andere mit der Lanze von ihrem Pferd stoßen, sind oft auf Fresken

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tazzi ungeordnet weiter nach Forlı` fliehen: Verso Forlı` se’m va senc¸a trapello, / no portano bandiere ne´ penello, (V. 709f.). Wie in den von ihrer Gattung her verschiedenen Quellen geht es in dieser Dichtung ebenfalls um die symbolische Besetzung des von der Kommune gestalteten o¨ffentlichen Raumes der Stadt. Fahnen fungieren hier als zentrale Medien in den Parteika¨mpfen um die Stadtherrschaft. So wird die Schlacht auf der Piazza von Faenza fokussiert als Auseinandersetzung um die Fahne der Lambertazzi dargestellt. Der Dichter, wie vor und nach ihm auch die Geschichtsschreiber in den Kommunen, entwarf kein auf Totalita¨t abzielendes Bild des mittelalterlichen Kampfgeschehens, sondern konzentrierte sich auf bestimmte Medien und Gesten505. Diese Art der Rezeption – die dritte Ebene unseres Modells – ist wiederum ein Beleg fu¨r die zentrale Bedeutung, die den heraldischen Fahnen als Medien der symbolischen Kommunikation in diesen typisch kommunalen Auseinandersetzungen zukam. Denn auch wenn der ‚Serventese‘ darauf nicht eingeht, so werden die in den Konflikten der Jahre von 1274 bis 1280 getragenen Fahnen und Defensivwaffen mit Sicherheit heraldisch bezeichnet gewesen sein. Der ‚Serventese‘ geho¨rt zu den Schriftquellen, die der Wahrnehmung und dem Selbstversta¨ndnis der magnatischen Protagonisten der Konflikte am ehesten entsprechen. Bedenkt man die destruktive Wirkung der Parteienka¨mpfe des 13. Jahrhunderts sowie die heftige Polemik anderer Kra¨fte in der Kommune gegen sie, so ist die Feststellung um so u¨berraschender, daß auch die gegen den eigenen Podesta` oder die Mitbu¨rger gerichteten Konfliktpraktiken der Aristokratie in einem Rahmen begegnen, dessen Strukturen nachhaltig von der Kommune gepra¨gt worden waren. So waren die entgegengesetzten Intentionen dienenden agonalen Handlungsmuster der Parteien und des Podesta` auf die von der Kommune geschaffene Stadttopographie abgestimmt. An diesem und anderen Beispielen la¨ßt sich eine Wechselwirkung zwischen der kommunal gestalteten Lebenswelt und der heraldischen Symbolik beobachten. Wie oben dargestellt, versta¨rkte das Aufkommen heraldischer Fahnenbilder die Wirkung der aus vorheraldischer Zeit stammenden Praktik, seine Fahne als triumphale Zeichen des Sieges und Besitzanspruches auf Befestigungen aufzupflanzen. In den italienischen Sta¨dten des 13. Jahrhunderts wurde diese Praktik genutzt, um Zentralorte zu besetzen, die von der Kommune als Handlungs- und Herrschaftsorte bewußt angelegt worden waren. Dies in Kommunalpala¨sten zu sehen. So in San Gimignano, Todi, Brescia, Novara, Vicenza. Vgl. Campbell, Game, S. 50f., mit weiteren Literaturangaben. 505 Siehe Kapitel 5.

3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf

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betraf vor allem die Kommunalpala¨ste und die davor liegende Piazza506. Waren mehrere Konfliktparteien – Guelfen, Ghibellinen, Popolo, Podesta` und Gefolge – auf dem Platz, so signalisierte das auf den Defensivwaffen und Fahnen getragene Wappen dem Einzelnen seinen Platz. Gerade die Wiedererkennbarkeit der Fahne fu¨hrt uns der Autor des ‚Serventese‘ in zwei Nachtstu¨cken vor Augen: so kann die Wache auf einem Geschlechterturm selbst im Fackelschein erkennen, wessen Fahnen auf der Piazza und am Kommunalpalast aufgepflanzt sind. Die im Morgengrauen in Faenza u¨berfallenen Lambertazzi, die keine Zeit mehr haben, ihre Ru¨stungen anzulegen, ko¨nnen zuna¨chst Widerstand leisten, als sie sich auf der Piazza um ihre Fahne formieren. Angesichts dieser Bedeutung der Fahne verwundert es nicht, wenn sie an einer Stelle des Zeugenvernehmungsprotokolls aus dem Prozeß des Comazzo Galluzzi gleichwertig neben anderen Angriffswaffen genannt wird oder ihr triumphales Herumtragen im Contado von San Gimignano das Einschreiten des Podesta` zur Folge hatte. Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig sinnvoll, die Relevanz heraldischer Symbolik in der Kommune des 13. Jahrhunderts bestimmten gesellschaftlichen Typen, wie dem Magnaten oder dem Popolaren, mehr oder weniger zuzuweisen. Auch wenn beispielsweise in Parma der Aristokrat Ghibertus de Gente, der Franziskaner Salimbene de Adam und der Schuster Giovanni Barisello nebeneinander in verschiedenen sozialen Milieus lebten, so traten sie doch u¨ber die von ihnen zeitweilig oder dauerhaft u¨bernommenen Rollen aus ihnen hervor und agierten in einem gemeinsamen Umfeld. Dabei waren der Ritter und der Mo¨nch sogar miteinander verwandt. Der adlige Ghibertus wurde, a¨hnlich wie spa¨ter Giano della Bella, mit Hilfe des Popolo und eines regime bipartito zu einem der ersten Signoren Oberitaliens. Giovanni, der Handwerker und Sohn eines Pa¨chters, konnte sich der gleichen Symbolik wie spa¨ter ein adliger Domherr bedienen, um eine Eidgenossenschaft zum Schutz der Kommune zu etablieren, die die Adels- und Parteistrukturen seiner Stadt fu¨r den Moment aushebelte. Ironischerweise brachte ihm dies die Integration in die adlige Fu¨hrungsschicht der Kommune ein, die Tra¨ger der dauernden Konflikte war: eine Frau aus dem Cornazano-Clan wurde mit ihm verheiratet, er erhielt einen Platz im Rat und hatte einen aufwendigen Lebensstil zu fu¨hren. Salimbene, dem wir unser Hauptwissen u¨ber beide verdanken, thematisiert nicht zuletzt seine Rollenwechsel und seine eigene 506 Die Zeugenaussagen und der ‚Serventese‘ lassen aber auch erkennen, wie die contrade und Tu¨rme der Magnaten als Sammlungsorte fu¨r Aktionen dienten, die auf die o¨ffentlichen Orte ausgerichtet waren.

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Mobilita¨t ausgiebig in seiner Chronik. Daß nach charakteristischen Schemata ablaufende Konflikte, die alle Einwohner betrafen, von der aristokratischen Fu¨hrungsschicht mit dem Vokabular der ho¨fisch-ritterlichen Kultur, in dem die Ehre einen zentralen Platz besaß, wahrgenommen und thematisiert wurden, hat John Larner u¨berzeugend dargestellt507. Auch Comazzo Galluzzi, der anders als Ghibertus die ihm vom Popolo Bolognas angebotene Stadtherrschaft ablehnte, stellte als Podesta` sein Familienwappen aus symbolischen und pragmatischen Gru¨nden in den Dienst einer Kommune. Es fungierte so als Zeichen der Ordnung. Andere, appellative Anspru¨che auf die Kontrolle u¨ber die Ordnung der Kommune formulierten die Wappen der Parteien und des Popolo. Die Parteien legitimierten ihren Anspruch durch ihr tatsa¨chliches oder angebliches Mandat fu¨r die Sache des Monarchen oder der Ro¨mischen Kirche. Sie zeigten die Wappen des Ro¨mischen Reiches, der Staufer, Anjou sowie der Kirche und der Pa¨pste, die meist auf Wappen und Fahnenbilder zuru¨ckgingen, die um 1200 verstetigt worden waren. Die Bedeutung von Wappenbildern, wie dem Adler oder der Lilie, ging nicht unmittelbar aus dem Zeichen selbst hervor. Ihre Aneignung in den Kommunen, die dem mittelalterlichen Zeichengebrauch entsprach, verlieh ihnen dagegen ihre lokal bestimmte Relevanz. So erfuhren die Parmesen das Adlerwappen des Reiches und die Todiner das Adlerwappen der Staufer in erster Linie als Wappen der zu diesen Autorita¨ten haltenden Parteien. Die Wappen waren zudem mit Handlungsmustern verknu¨pft, die charakteristisch fu¨r die Lebenswelt der Kommune waren. Der im 13. Jahrhundert entstehenden Heraldik des Popolo sieht man dagegen in den meisten Fa¨llen ihre Herkunft und Funktionalita¨t schon im Wappenbild an. Diese neuen Wappen waren aus Formen der symbolischen Kommunikation erwachsen, in denen mittels religio¨s bestimmter Symbolik an den Zusammenhalt und die gute, friedvolle Ordnung der Stadtgemeinde appelliert wurde. Wa¨hrend der Popolo in Genua das Agnus Dei und in Parma oder Bologna das Kreuz als Zeichen wa¨hlte, haben sich Hinweise auf das Wappen des Todiner Popolo leider nicht erhalten. Die Dynamik und Verflochtenheit der gesellschaftlichen und politischen Strukturen, der die der um die Stadtherrschaft konkurrierenden Wappen entsprach, ließ noch am selben Tag aus Zeichen des Aufruhrs Zeichen der Ordnung werden. Die von den Kommunalpala¨sten Todis wehenden Fahnen der Ghibellinen waren ebenso Teil ihrer symbolisch gezeigten Herrschaft, wie der Habitus ihres Capitano, der mit dem Stock

507 Larner, Italy.

3.6 Die Zeichen des Aufruhrs: Wappenfahnen im Konfliktverlauf

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in der Hand im Kommunalpalast thronte und Verordnungen aussprach. Die Zeugenaussagen zeigen aber auch, daß neben dieser unverhandelbar erscheinenden Herrschaftspra¨sentation pragmatisch gefu¨hrte Formen der Kommunikation einher liefen. In dem unter den eigenen Wappenfahnen gefu¨hrten Kampf um die Piazza und den Kommunalpalast waren Menschen geto¨tet worden und der Podesta` und seine Leute bedroht worden. Geschichtsschreiber berichten, daß Podesta` in anderen Sta¨dten in solchen Situationen gelyncht worden waren508. In Todi brach mit dem erzwungenen Wechsel des Stadtregiments die Kommunikation nicht ab. Der neue Stadtherr ließ anschließend einen der vertriebenen Notare in den Palast bestellen und fu¨hrte u¨ber Vermittler Verhandlungen mit dem vertriebenen Podesta`. Demnach war die handlungsleitende Wirkung der heraldischen Fahnen, die das Bedeutungsfeld der Ehre ansprachen, stark situativ bestimmt und verlangte sofortige Reaktionen. Wa¨hrend die aufsta¨ndischen Todiner die bannimenta ihres Podesta` ignorierten, reagierten sie auf das Zeigen seiner Fahne. Das Beispiel aus San Gimignano zeigt, wie versucht wurde, diese Wirkung mit der verschriftlichten Rechtsordnung der Kommune zu verknu¨pfen. Die Ausdifferenziertheit und die typischen Handlungsmuster der heraldischen Symbolik setzen auch nicht die Gro¨ße von Sta¨dten, wie Parma oder Bologna, voraus. Sie finden sich ebenso in Todi oder San Gimignano. Die in Pistoia zu Protokoll gegebenen Beobachtungen der Notare lassen, wenn auch nur punktuell, heraldisches Wissen in komplexer Form erkennen, das von den verschriftlichten Ordnungen und der symbolischen Kommunikation der Kommune gleichermaßen gepra¨gt war. Schriftkultur und symbolische Kommunikation erscheinen aufeinander bezogen als pra¨gende Faktoren des Wappenwesens in den Kommunen. Dieses Wissen der Notare reichte von Detailbeobachtungen an den heraldischen Medien, bis hin zur Denkform des u¨ber heraldische Symbolik demonstrierten Ideals der friedvollen Ordnung. Wie die Aussage des Delai Venturini zeigt, der als Fahnentra¨ger attackiert worden war, war es ebenfalls Erfahrungswissen. In dieser Bandbreite und Komplexita¨t entsprach das Wissen u¨ber heraldische Zeichen als Medien in der Durchsetzung von Ordnung sowie in Konflikten der kommunal gestalteten Wirklichkeit des 13. Jahrhunderts. In dessen Verlauf war die heraldische Symbolik ein fester Bestandteil der Kommune geworden. 508 Siehe oben Dino Compagnis Bericht u¨ber den Lucchesen Guelfo Falconi da Lombrici, der als Prior von Arezzo umkam. Vgl. auch Guillelmus de Cortusiis, Chronica, III 6, S. 43.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

3.7 Epilog: Vom Podestariat Bonifaz’ VIII. und den ghibellini di parte ecclesiastica bis zum Faktionskampf auf der Piazza im Jahre 1799 ¨ berlieferungslage war es mo¨glich, eine EpiAufgrund der gu¨nstigen U sode aus der Geschichte Todis vertiefend darzustellen und zu untersuchen sowie im Vergleich mit Quellen aus anderen Kommunen die Exemplarita¨t der in ihr erkennbaren heraldischen Symbolik darzustellen. Daru¨ber hinaus la¨ßt sich der Aufruhr des Jahres 1268 sogar mittelbar mit spa¨teren Autorita¨ten und Schlu¨sselfiguren der italienischen Heraldik in Verbindung bringen. Er besitzt sozusagen eine seinen lokalen Horizont u¨berschreitende Rezeptionsgeschichte im Spa¨tmittelalter. In diesem Teilkapitel soll sie kurz angesprochen werden. Geta¨tigt wird dadurch auch ein Ausblick auf eine lange Phase in der Geschichte der umbrischen Kommune, ihrem Verbleib im Herrschaftsverband des Kirchenstaates, in der viele mittelalterliche Strukturen u¨berdauerten509. Sichtbar wird dieser Wandel auch an den Wappen, die nun in der Stadt gezeigt wurden. Der bereits seit 1252 amtierende Bischof von Todi, der an jenem 17. Juli als Vermittler eingriff und den Podesta` und seine Leute unter dem Schutz seiner Amtswu¨rde in Sicherheit brachte, war Pietro Viatico Caetani510. Sein von ihm protegierter Neffe Benedetto, der wenige Jahre zuvor seine Karriere im Todiner Domkapitel begonnen hatte, sollte als Papst Bonifaz VIII. die kirchliche Heraldik nachhaltig pra¨gen511. Als Kardinal, wie spa¨ter auch als Papst blieb er in Kontakt zu der Stadt am Oberlauf des 509 Gregorovius, Wanderjahre, S. 137, berichtet mit Begeisterung, wie ihn bei seinem Aufenthalt in Todi der Prior der seit dem Mittelalter bestehenden Arte de’ sarturi in seinem Gasthaus aufsuchte und ihn um seine Hilfe im Geltendmachen der Zunftprivilegien und -statuten gegenu¨ber dem neuen italienischen Staat bat: „Es verbreitete sich schnell in Todi die Kunde, daß hier ein Fremder sich aufhalte, welcher alte Schriften und Urkunden zu lesen verstehe; infolge dieser Neuigkeit erschien eines Tages in meinem Gasthaus der Prior der Schneiderzunft, einen Stoß von vergilbten Papieren und Pergamenten nebst den Statuten seiner ehrenhaften Gilde unter dem Arm. Es war ein junger Mann in sehr sauberer Kleidung, mit intelligentem Gesichtsausdruck. ‚Ich komme‘, so sagte er, ‚zu Ihnen, in Angelegenheiten unserer Zunft Sie um Ihren Rat zu fragen.‘ Nur mit Mu¨he unterdru¨ckte ich hier ein Lachen bei der Vorstellung, zu wie großen Dingen ich es doch bereits in der Welt gebracht ha¨tte, da ich, ein Fremdling aus Ostpreußen, in einer umbrischen Stadt der Konsiliar von deren Schneiderzunft sein sollte.“ 510 Waley, Caetani, Pietro Viatico. 511 In dem von Philipp dem Scho¨nen posthum gegen Papst Bonifaz VIII. gefu¨hrten Prozeß sagte ein Vitalis, Prior von S. Egidio di S. Gemine, aus, daß der junge Kanoniker Benedetto Caetani in der Schule des Bartolus in Todi die Rechte gelernt hatte; Ceci, Todi, S. 353f. Vgl. Dupre´ Theseider, Bonifacio VIII; Galbreath, Heraldry; Paravicini Bagliani, Chiavi.

3.7 Epilog

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Tiber. Wie Giovanni Villani berichtet, erfreuten sich die Todiner der Zugeho¨rigkeit zu seiner Klientel512. Auf den Stuhl Petri gewa¨hlt, griff auch der ju¨ngere Caetani, dem sein Onkel die Burg Sismano bei Todi hinterlassen hatte, auf die er sich 1293 in der unruhigen Vakanz nach dem Tod Nikolaus’ IV. geflu¨chtet hatte, in die Konflikte der Tiberstadt ein. Nachdem er einen Frieden zwischen den Parteien vermittelt hatte, den deren fu¨hrende Familien am 24. Dezember 1295 auf der Platea Comunis beschworen hatten, kam es bereits in der Woche nach Ostern 1296 zur offenen Schlacht, in der auch diesmal die Ghibellinen die Guelfen vertrieben. Als der Capitano del Popolo sich gegen seine Vertreibung wehrte, erstu¨rmten die Ghibellinen den Turm, in dem er sich verteidigte. Sein Sohn wurde dabei geto¨tet, er selbst wurde gefangen genommen und starb im Kerker513. Erneut u¨bernahm ein Graf Baschi, Ugolinos Sohn Raniero, das Rektorat der Stadt. Scheinen sich die eine Generation zuru¨ckliegenden Geschehnisse zu wiederholen, so zeigt das, was nun geschah, den inzwischen erfolgten Wandel im Gefu¨ge der u¨bergreifenden Machtblo¨cke in Italien auf. Die Ro¨mische Kirche, auf deren Antagonismus zu den Staufern sich noch 1268 die o¨rtlichen Parteien berufen hatten, war nun allein als legitimierende Instanz u¨brig geblieben. Die siegreiche Partei wa¨hlte fu¨r das folgende Jahr 1297 den Papst selbst zum Podesta` Todis. In seinem Namen trat Ottaviano da Bonforte am 1. November 1296 das Amt an. Am 25. November beschlossen die Todiner Ghibellinen, die sich nun ghibellini di parte ecclesiastica nannten, ein Buch anzulegen, in dem die Namen aller ihrer Mitglieder verzeichnet sein sollten. Jeder der solcherart Immatrikulierten hatte einen Treueeid auf die Ro¨mische Kirche zu leisten und das Wappen des Caetani-Papstes und nominellen Podesta` u¨ber die Tu¨r seines Hauses malen zu

512 Giovanni Villani, Nuova Cronica, IX 6, Bd. 2, S. 19ff.: Questo papa Bonifazio fue della citta` d’Alagna, assai gentile uomo di sua terra, figliuolo di messer Lifredi Guatani, e di sua nazione Ghibellino; e mentre fu cardinale, protettore di loro, spezialmente de’ Todini; ma poi che fu fatto papa molto si fece Guelfo, e molto fece per lo re Carlo nella guerra di Cicilia, con tutto che per molti savi si disse ch’egli fu partitore della parte guelfa, sotto l’ombra di mostrarsi molto Guelfo, come innanzi ne’ suoi processi manifestamente si potra` comprendere per chi fia buono intenditore. Molto fu magnanimo e signorile, e volle molto onore, e seppe bene mantenere e avanzare le ragioni della Chiesa, e per lo suo savere e podere molto fu ridottato e temuto; pecunioso fu molto per agrandire la Chiesa e’ suoi parenti, non faccendo coscienza di guadagno, che tutto dicea gli era licito quello ch’era della Chiesa. 513 Die Todiner Chronistik, Le cronache volgari, S. 142, und, ihr folgend, Ceci lassen den Paduaner Capitano Simone Enghelfredi umkommen. Dieser hatte jedoch 1295 das Capitanat in Todi inne und diente 1296 Orvieto als Podesta`. Er starb 1311 im Amt als kaiserlicher Vikar von Arezzo; vgl. Bortolami, Politica, S. 256f.; Maire Vigueur, Stato, S. 754.

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lassen514! Dieser Beschluß ist ein eindrucksvolles Beispiel fu¨r das Zusammenwirken von Schriftlichkeit und heraldischer Symbolik in der o¨ffentlichen Kommunikation des italienischen Mittelalters. Durch den historischen Umstand, daß mit Benedetto Caetani ein Kardinal Papst geworden war, zu dessen Klientelsystem Todi geho¨rte, wa¨hrend die zu diesem Zeitpunkt in Todi dominierende Partei die Ghibellinen waren, entstanden die ¨ berlagerung der kommunalen Ghibellinen der Partei der Kirche. Diese U Strukturen durch die klientela¨ren wurde auch am Gebrauch des Wappens sichtbar. Nach einer o¨rtlichen Tradition hinterließ Bonifaz VIII. Todi auch ein weiteres heraldisches Erbe, das die Zeit seiner Herrschaft u¨berdauern sollte. Mit Berufung auf ein von ihm verliehenes Recht fu¨hren Domherren und Bischof bei feierlichen Prozessionen eine große Fahne mit, die in Rot das weiße Kreuz und die Schlu¨ssel der Ro¨mischen Kirche zeigt515. Ende der 1330er Jahre, als in Todi der Priorenpalast entstand, amtierte dort der junge Bartolo da Sassoferrato als Assessor. Das regime bipartito der Kommune regte ihn zu seinem Traktat u¨ber die Guelfen und Ghibellinen an, dem schließlich der beru¨hmte Traktat u¨ber die Wappen folgen sollte516. Der von der mittelalterlichen Kommune gestaltete o¨ffentliche Raum der Stadt gab noch am Ausgang der Vormoderne Konfliktverla¨ufe vor, wie sie bereits fu¨r die in diesem Teil der Arbeit betrachteten Auseinandersetzungen des 13. Jahrhunderts charakteristisch waren. Den Hintergrund fu¨r den wahrscheinlich letzten Faktionskampf, der auf der Piazza Todis ausgetragen wurde, bot die franzo¨sische Eroberung und politische Umgestaltung des Kirchenstaates im Jahre 1798. Todi war nun Teil der Ro¨mischen Republik und ein politisch aktiver Teil seiner Bevo¨lkerung organisierte 514 Le cronache volgari, S. 142, gegen Ceci, Todi, S. 353–365, Dens., Potesta`, und Dens. – Bartolini, Piazze, S. 4 und 70f. Die torricella de meser Ufreduccio, in der sich der Capitano nach der bei Atti u¨berlieferten Chronik verschanzt hatte, ko¨nnte entweder zur domus filiorum domini Offreducii Gerardi geho¨rt haben, die neben dem Kommunalpalast stand, oder mit der Familie dieses Namens zusammenha¨ngen, die 1268 einen Capitano der Guelfen stellte; ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 69 und 83. 515 Leoˆnij, Cronaca, S. 70. Nach Grondona, Todi, S. 76f. wird dieser „Gonfalone del Capitolo“ in der Sakristei des Domes verwahrt: „E’ un grande stendardo quadrato, di seta rossa, con chiavi incrociate in oro e croce bianca; apre le processioni cui prende parte il Capitolo della cattedrale e viene sospeso al centro della crociera, sopra l’altare, nelle grandi cerimonie liturgiche.“ Zu dieser Fahne der Kirche und des spa¨tmittelalterlichen Kirchenstaates, die seit dem Pontifikat Innocenz’ III. belegt ist und sich in dem beru¨hmten Wappenbrief fu¨r Viterbo von 1316 findet, siehe Galbreath, Heraldry, S. 3ff.; Erdmann, Wappen. 516 Maire Vigueur, E´chec; A Grammar of Signs. Auch Coluccio Salutati war in Todi; vgl. Witt, Hercules.

3.8 Zusammenfassung

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sich als Giacobini und fu¨hrte o¨ffentliche Inszenierungen nach den Vorbildern der Franzo¨sischen Revolution auf. Zuna¨chst war zwischen dem 12. und dem 14. Februar 1798 das Ensemble der drei großen, aus Travertin gemeißelten Wappensteinen mit den Wappen des Papstes Julius III. und der von ihm zu Rektoren ernannten Kardina¨le aus der Mitte des 16. Jahrhunderts von der Fassade des Priorenpalastes entfernt worden. Dann wurden am 9. September 1798 und am 10. Februar 1799 der sta¨dtische Libro d’oro und die mit dem Stadtwappen bezeichneten alten Wahlurnen der Kommune auf der Piazza verbrannt517. Ein anderer Teil der Stadtbevo¨lkerung, wahrscheinlich ermutigt durch die milita¨rischen Operationen der antifranzo¨sischen Koalitionsma¨chte in Italien, suchte noch im selben Jahr den Konflikt mit den Anha¨ngern der Republik. So kam es am 6. August 1799 auf der Piazza zum offenen Kampf, den auch dieses Mal das geistliche Oberhaupt der Stadt beendete. Bischof Giovanni Lotrecchi kam aus dem Tor des Bischofspalastes und beendete den Streit mit einer Ansprache, in der er die Gegner zum Friedensschluß mahnte518.

3.8 Zusammenfassung Die 1278 in Pistoia aufgenommenen Aussagen von Zeugen aus Bologna u¨ber die ein Jahrzehnt zuru¨ckliegenden Ereignisse in Todi verweisen auf die vielfachen Bindungen zwischen den Sta¨dten der civilta` comunale, die sie als Quelle repra¨sentieren. Etwa ein Jahrhundert nach dem Aufkommen erster Belege fu¨r heraldische Symbolik und eine Generation, bevor diese von der kommunalen Geschichtsschreibung als eigenes Thema entdeckt und dann beschrieben wurde, tritt sie in dieser Prozeßakte schlaglichtartig hervor. Was die Quelle zeigt, ist die Omnipra¨senz und die Polyvalenz, die die Wappen in der ersten Jahrhundertha¨lfte im politischen System der italienischen Stadtkommune erlangt haben519. Sowohl die geschilderten Ereignisse, als auch die Rolle, die heraldischen Zeichen in ihnen zukam, sind charakteristisch fu¨r eine italienische Stadtkommune im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts. Zugleich erweist sich diese Zeit als Wendepunkt in der Geschichte der Wappenfu¨hrung in den Kommunen. Entwicklungen, die sich um 1200 durchsetzten, wie die mit dem Podestariat verbundene Familienwappenfu¨hrung oder die Adaption der selbst gerade erst entstandenen Herrscherwappen durch die Kom517 Pericoli, Raccolta, S. 203, 209, 226f. und 284f. 518 Leoˆnij, Cronaca, S. 201. 519 Vgl. zur allgemeinen Entwicklung Paravicini, Gruppe, S. 345f.

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mune oder Partei, sind nun feste Bestandteile der Herrschaftsordnung und der Konfliktfu¨hrung. Die zeitgleiche Annahme eines Wappens und die Ausu¨bung des Podestariates durch die Galluzzi sowie die Fahne der Todiner Ghibellinen konnten dies als Beispiele illustrieren. Die auch fu¨r die Stadt am Tiber symptomatische Krise der kommunalen Ordnung fu¨hrte in der Folgezeit zu Lo¨sungsversuchen, wie der Volksherrschaft oder der Signorie, die neue Formen heraldischer Symbolik hervorbrachten. Diese knu¨pften an die bereits in der klassischen Podesta`-Kommune erkennbaren Formen an und entwickelten sie weiter. Besonders deutlich wird dies in der weit verbreiteten heraldischen Uniformita¨t, die gleichermaßen instrumentell-pragmatische wie auch symbolische Gru¨nde hatte. Von den Herrscher- und Familienwappen fu¨hrt die Entwicklung hier zu den Wappen der transpersonalen Institutionen´ wie dem Popolo. Diese waren in ihrer Visualita¨t weniger ‚redend‘, wie der Hahn der Galluzzi, als bewußt gewa¨hlte Verbildlichungen politischer Denkformen, Ideale oder Ordnungsvorstellungen. Stand die Wappenfu¨hrung des Podesta` im Kontext der ritterlichen Adelskultur, so griff der Popolo versta¨rkt auf religio¨se Symbolik zuru¨ck, um an die gesamte Stadtgemeinde zu appellieren. Ein anderer Weg fu¨hrt von den Familienwappen der Podesta` zu denen der Signoren, die oft aus Adelsfamilien hervorgingen, die Podesta` gestellt hatten oder die die in der kommunalen Verfassung verankerte Institution kommunaler Spitzena¨mter nutzten, um eine informelle dynastische Herrschaft zu errichten. Ihre Familienwappen, die nun auf Dauer den zentralen Platz im Wappenensemble der eigenen Kommune einnahmen, konnten daran anknu¨pfen, daß bereits zuvor andere Familienwappen kommunale Staatlichkeit repra¨sentiert hatten. Die Heftigkeit der mit Wappen ausgetragenen innersta¨dtischen Konflikte macht außerdem versta¨ndlich, warum sowohl der Popolo als auch der Signore sta¨rkere Kontrolle u¨ber sa¨mtliche Erscheinungsformen heraldischer Symbolik in seinem Macht¨ berlieferung bereich anstreben sollte. Da sich aufgrund der gu¨nstigen U das vielfa¨ltige Bild, das die heraldische Symbolik der Kommunen an diesem Wendepunkt ihrer Entwicklung bot, vertieft darstellen la¨ßt, habe ich die Fallstudie zu Todi ins Zentrum meiner Arbeit gestellt. Exemplarisch fu¨r die Krise der Podesta`-Kommune und das Prozeߨ berlieferungstatsache einen Sonwesen ihrer Zeit, stellt die Quelle als U derfall dar. Ihr Wert besteht nicht zuletzt in der unmittelbar anmutenden Beschreibung bestimmter Wappen, die sich von den spa¨teren, literarisch geformten Berichten der Historiographie unterscheidet520. So wie das in ¨ hnliches, wie die in bemerkenswerter Vollsta¨ndigkeit erhal520 Sie leistet auf diese Weise A tenen Urkunden und Akten der Kommune San Gimignano aus dem 13. Jahrhundert.

3.8 Zusammenfassung

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den Zeugenaussagen erkennbare Bild von der heraldischen Symbolik in der Kommune charakteristisch fu¨r diese Zeit war, war die Entstehung der Quelle selbst erst durch die Entwicklung des verschriftlichten Prozeßwesens wa¨hrend des 13. Jahrhunderts mo¨glich geworden. Mit den Familiaren eines Podesta` kommen Menschen in der Schilderung eines Konfliktes zu Wort, deren Perspektive ansonsten nicht u¨berlieferungsbestimmend war. Quellenkritik und die Methodik der Historischen Anthropologie mahnen hier allerdings zur Vorsicht. Aus den Zeugenaussagen wird zwar der Gebrauch heraldischer Symbolik im krisenhaften ‚Alltag‘ einer Kommune ersichtlich, doch sind sie kein unmittelbares, mu¨ndliches Erinnern. In einem durch Schriftlichkeit geformten Befragungsverfahren entstanden, folgten auch sie, nicht anders als die Chroniken, eigenen Darstellungsabsichten und narrativen Mustern und Normen. Die tatsa¨chliche Ausu¨bung und die Legitimita¨t des kurzen Podestariates des Comazzo Galluzzi, die die Zeugen mit ihren Aussagen erweisen sollten, verweisen darauf, daß heraldische Symbolik als sichtbarer Teil der politischen Ordnung wahrgenommen wurde. Als Repra¨sentanten von Stadtgemeinde, Partei, Amtstra¨ger oder Herrscher treten Wappen in den hier untersuchten Berichten in Handlungskontexten der symbolischen Kommunikation in Erscheinung, die sich auf diese kommunale Herrschaftsordnung beziehen. Herrschaftliches Handeln in der Kommune verknu¨pfte geradezu verschriftlichte Verfahren, wie Statuten und bannimenta, mit Symbolhandeln mittels heraldisch bezeichneter Medien und anderer Gesten. Denkformen und -formeln, wie die friedvolle und gute Ordnung, wurden so als Zusammenwirken statutarisch vorgeschriebener Handlungsmuster und symbolischer Formen wahrgenommen. In den fru¨hen Kommunalstatuten, die ebenfalls in dem hier untersuchten Zeitraum kodifiziert wurden, finden sich allerdings kaum Hinweise auf heraldische Symbolik. Die Todiner Statuten von 1275 bilden da keine Ausnahme. Dieses Bild a¨nderte Davidsohn, Forschungen 2, S. 1–8, nennt denn auch die Kompensation fehlender chronikalischer Angaben als sein Hauptmotiv fu¨r die Vero¨ffentlichung ihrer Regesten. Fu¨r den Erforscher der italienischen Kommunen ist Davidsohns Werk nach wie vor eine nahezu unerscho¨pfliche Fundgrube. Seine Methode, ein Abbild der historischen Totalita¨t seines Gegenstandes als Mosaik akribisch gesammelter Fakten zu rekonstruieren, praktizierten auch die Verfasser a¨hnlicher Großprojekte des 19. und fru¨hen 20. Jahrhunderts, wie Ferdinand Gregorovius oder Rudolf Wackernagel. Daß die positivistische Idee, solch ein anna¨hernd vollsta¨ndiges Bild durch die Akkumulierung und Harmonisierung sa¨mtlicher verfu¨gbarer Informationen zu gewinnen, ein Trugbild ist, hat die Geschichtsforschung des 20. Jahrhunderts zeigen ko¨nnen. Die historische Interpretation hat stattdessen, wie Carr und Esch grundlegend hervorgehoben haben, dort neue Erkenntnismo¨glichkeiten gewonnen, wo sie sich die materiellen und intentionalen Eigenarten der einzelnen Quellen bewußt gemacht hat.

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sich erst mit der antimagnatizischen Gesetzgebung des Popolo seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts, die die Wappen als Medien politischen Handelns beru¨cksichtigte und heraldische Systeme zu organisatorischen und ideologischen Zwecken entwarf. Die Zeugenaussagen von 1278 und die Quellen aus San Gimignano und Parma lassen jedoch erkennen, daß bereits zuvor ein Konnex zwischen der verschriftlichten Rechtsordnung der Kommune und bereits bestehenden Formen und Funktionen heraldischer Symbolik bestand. Die Notare von der Porta San Procolo, die in Pistoia ihre in Todi gemachten Erfahrungen zu Protokoll gaben, sollten wenige Jahre darauf in ihrer Heimatstadt an der Entstehung der ‚Ordinamenta sacrata et sacratissima‘ beteiligt sein. Diese ordneten im Falle eines Aufruhrs das klassische Verfahren der Einberufung der heraldisch uniform bezeichneten Kompanien des Popolo unter ihren Fahnen auf der Piazza an. Die Ereignisse in Todi hatten, wenn man so will, auch mittelbar Einfluß auf dieses wirkma¨chtige Gesetzeswerk, das in anderen Kommunen, wie Pistoia, Prato oder Florenz, u¨bernommen wurde521. Auffallend ist die Vielzahl an Wappen, die 1268 die Herrschaftsordnung der Kommune Todi repra¨sentierten oder herausforderten. Die Zeugenaussagen, die noch nicht einmal alle heraldischen Zeichen erwa¨hnen, die damals zu sehen waren, nennen das Wappen der Stadt Todi und das der Familie Galluzzi, sowie zwei Wappen der Ghibellinen, von denen eines das Konradins als Ko¨nig von Sizilien war. Fu¨r das zuletzt genannte Wappen, das Ko¨nig Manfred wahrscheinlich ein Jahrzehnt zuvor angenommen hatte und das erstmals in den Sangimignaneser Stadtrechnungen erwa¨hnt wird, liefern die Zeugenaussagen einen weiteren fru¨hen Beleg. Mit der Fahne Ko¨nig Manfreds, die wahrscheinlich noch aus dessen Tagen stammte, besitzen wir auch einmal einen Beleg dafu¨r, daß ein Wappenbild selbst unmittelbare Relevanz besaß, allgemein bekannt war und kommunikative Reaktionen herausforderte. Innerhalb des Rahmens der o¨ffentlichen Kommunikation lassen sich mehrere Handlungsbereiche unterscheiden: Wappen wurden in etablierten Verfahren als Zeichen der Herrschaft u¨ber die gesamte Kommune zur Geltung gebracht und sie dienten im sta¨dtischen Aufruhr als Orientierungszeichen, mit denen die eigene Partei mobilisiert und die gewaltsam errungene Stadtherrschaft signalisiert wurde. Ansonsten la¨ßt sich in Handlungsschilderungen oft eine Dominanz des kommunikativen Kontextes gegenu¨ber der semiotischen Qualita¨t der Zeichen beobachten. Welche Wappen auf den u¨brigen von den Zeugen erwa¨hnten Fahnen der Ghi521 Vgl. Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi.

3.8 Zusammenfassung

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bellinen abgebildet waren, bleibt ebenso unerwa¨hnt, wie die Wappen, von denen die Verlierer des Konfliktes, die Todiner Guelfen und die societas populi de medio, Gebrauch machten. Versta¨rkt wird dieser vielfa¨ltige Eindruck noch durch die Beru¨cksichtigung der Tra¨germedien der genannten Wappen, ihrer Funktionalita¨t und der Handlungskontexte, in denen sie zur Geltung gebracht wurden. So beglaubigte das Wappenbild der Kommune Todi als Siegelbild deren Schreiben an die Kommune Bologna und ¨ berbringer. Als Teil der Urkunde, die von den zwei legitimierte seine U Todiner Gesandten in der Bologneser Ratssitzung und spa¨ter in der curia Gallucciorum vorgezeigt und verlesen wurde, zeigte dieses signum generale Todis an, daß die Bitte um Wahl und Entsendung eines Podesta` im Namen der gesamten Stadtgemeinde ausgesprochen wurde. Als repra¨sentative Figur des die Kontinuita¨t der Kommune u¨ber die Parteiwechsel hinaus wahrenden Ausgleichs erwies sich hier der Notar Rambaldus Bonaventure, der zwischen 1266 und 1275 bei solchen Gelegenheiten in Erscheinung trat. Als Vermittler finden sich neben ihm der Bischof und die Mendikanten in der Stadt. Diese und weitere Akteure aus einem ganzen Spektrum an gesellschaftlich oder politisch verortbaren Typen weisen die Kommune und die mit ihr verbundene heraldische Symbolik als einen Kommunikationsbereich aus, der die Einwohner u¨ber ihren gruppenspezifischen Code hinaus verband. Die gewollte Vergemeinschaftung und ihre Konsequenzen nivellierten nicht die u¨brigen Strukturen, Herrschafts- und Lebensordnungen, die die Kommune erst mo¨glich machten, ihr im historischen Wandel aber auch entgegenstehen konnten522. Diese Beobachtungen beru¨hren sich wiederum mit denen zur Mobilita¨t der Menschen und der heraldischen Zeichen in der civilta` comunale. Im Berufungsverfahren eines neuen Stadtoberhauptes, das aus einer weit entfernten Stadt erbeten wurde, u¨berbru¨ckten die Autorita¨t und die Offizialita¨t des heraldischen Siegels, die aufgrund der „logic of sameness“ auch in Bologna verstanden wurden, die ra¨umlich Distanz in der Kommunikation zwischen den beiden Stadtregimentern. In Todi bezeichnete der Wappenadler der Kommune als Steinskulptur Herrschaftsorte wie den Kommunalpalast und die Stadttore. Das Zeichen, das die Identita¨t der Stadtgemeinde symbolisierte, war multimedial pra¨sent. Auf andere Weise diente das redende Wappen der Galluzzi ebenfalls der Nahkommunikation innerhalb der Stadt. Die Nachricht, daß es auf mehreren, im Kommunalpalast zusammen mit Helmen magazinier522 Was das im Einzelnen bedeutete, hat Hagen Keller am Beispiel der gesellschaftlichen ordines, des Adels und des Rittertums in den Kommunen gezeigt; Keller, Adelsherrschaft; Ders., Adel.

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ten Schilden aufgemalt war, mit denen sich dann im Konflikt die zu Fuß Ka¨mpfenden bewaffneten, legt den Schluß nahe, daß das Familienwappen des Podesta` Teil der einheitlichen Bekleidung und Bewaffnung der in Bologna rekrutierten beroarii seu custodes war, deren Besoldung der Podesta` bestritt. Da Comazzo die Schilde mitbrachte oder bezahlte, war sein Wappen rein materiell beziehungsweise rechtlich gesehen ein Besitzzeichen. Angesichts der mit der Waffenfu¨hrung verbundenen Kosten und vor dem Hintergrund des sta¨ndigen Wechsels in den kommunalen Spitzena¨mtern war die einheitliche Bemalung eine pragmatische Lo¨sung. Wie der Vergleich mit San Gimignano und Massa Marittima nahelegt, fertigte ein Maler eine Schablone des Wappenbildes an, mit deren Hilfe dann die Waffen bemalt wurden. Heraldische Symbolik war also auch aus dem handfesten Grund eine kommunale Angelegenheit, weil der Podesta` und letztlich der Stadtka¨mmerer diese Arbeiten bezahlte523. Daru¨ber hinaus charakterisierte das Zeichen als Verweis auf die Person des Podesta` und als Amtszeichen seiner Untergebenen seine Herrschaft. Daß der Podesta` und die unter seinem Befehl Stehenden in ihrer Amtsfu¨hrung Gebrauch von seinem Familienwappen machten, steht der von der Geschichtswissenschaft wie auch von der Heraldik des 19. und fru¨hen 20. Jahrhunderts vollzogenen Scheidung zwischen den Kategorien des ‚Privaten‘ und des ‚Staatlichen‘ entgegen, paßt jedoch hervorragend in das Konzept des auswa¨rtigen Podestariates. Anhand der Wahrnehmung und Bewertung der in diesem Fallbeispiel erkennbaren Wappen durch die Forschung la¨ßt sich zudem Forschungsgeschichte sichtbar machen. Das Familienwappen des Podesta` zeigte den Bu¨rgern, die sich voru¨bergehend unter seine Herrschaft begaben, an, daß er perso¨nlich und aufgrund seiner Familienzugeho¨rigkeit den bei seiner Berufung verlangten Eignungskategorien, von seinem Status bis hin zu seiner politischen Ausrichtung, entsprach. Wie er selbst, so war auch sein Wappen fremd in der Stadt; es stand außerhalb des heimischen, auf Dauer etablierten Zeichensystems, das auf lokale Machtpositionen, Loyalita¨ten und Parteiungen verwies. Daher eignete

523 Siehe neben den Rechnungen aus San Gimignano beispielsweise Statuta communis Parmae ab anno MCCLXVI. ad annum circiter MCCCIV, S. 20: Et massarius Communis teneatur facere fieri dictos penonos expensis Communis et ipsos mittere ad domum dictorum confaloneriorum. Statuti di Volterra 1, Nr. 150, S. 78: Item ponimus et firmamus quod primipilarius militum, a comuni electus, in guerra habeat .C. soldos [am Rand: et quollibet die quo equitaverit cum vexillo extra civitatem habeat .III. soldos ultra dictum feudum] et non amplius in toto anno; et in pace nichil habeat, et vexillum revertatur in comune. Si fuerit primipilarius peditum, a comuni electus, in guerra habeat .XL. soldos in toto anno et non amplius; et in pace nichil habeat, et vexillum revertatur in commune. Et primipilaria iurent vexilla reddere proveditoribus Vulterrani comunis.

3.8 Zusammenfassung

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es sich, u¨ber die simple Zuordnung seiner Leute hinaus, besonders, um die beroarii zu bezeichnen, weil diese als Wachen des Kommunal- und des Bischofspalastes die Herrschaft des Podesta` im o¨ffentlichen Raum der Stadt demonstrierten. Die aus der Gleichheit der Wappenschilde zu erschließende Uniformita¨t im Erscheinungsbild dieser Fußsoldaten des Podesta` verweist bereits auf die Uniformita¨t der Milizen des Popolo in Bologna oder den großen Sta¨dten der Toskana, an deren Wappen sich eine Entwicklung hin zu einem ideologisch motivierten Einsatz heraldischer Symbolik erkennen la¨ßt. Der dritte und letzte Komplex, der in den Aussagen aufscheint, betraf die Verwendung heraldischer Fahnen im Verlauf eines Konfliktes, der um die Behauptung der Stadtherrschaft ausgefochten wurde. Anhand der detaillierten Angaben la¨ßt sich der Konfliktverlauf in eine Abfolge von Phasen unterteilen, die den von der media¨vistischen Forschung herausgearbeiteten idealtypischen Schemata derartiger mittelalterlicher Auseinandersetzungen entsprach. Die Zeugen, die nach Anzeichen fu¨r die Akzeptanz des Podestariates und nach dem Einsatz Comazzos und seiner familia bei der Behauptung desselben befragt wurden, a¨ußerten sich nur zum Gebrauch von Fahnen in der Phase, in der die siegreichen Ghibellinen den Podesta` aus dem Kommunalpalast vertrieben. Daß Wappen auf Waffen und Fahnen jedoch auch in den anderen Konfliktphasen, wie in der vorausgegangenen Schlacht zwischen Guelfen und Ghibellinen, zum Einsatz kamen, ist wahrscheinlich. Fu¨r den hohen symbolischen Wert, den die Wappenfahnen besaßen, spricht der Umstand, daß ein Zeuge sie wie die Businen zu den gefa¨hrlichen Waffen za¨hlte. Es wurde außerdem deutlich, wie stark die Formen des Konfliktaustrags – gerade auch die symbolischen Formen, wie das Zeigen von Fahnen – den Vorgaben der sta¨dtischen Topographie Todis folgten. Die anhand bereits diskutierter Beispiele seit dem 12. Jahrhundert belegte Praktik, seine Fahne als triumphales Siegeszeichen auf einer eroberten Befestigung aufzupflanzen, wurde auch von den Todiner Ghibellinen geu¨bt. Steht sie als symbolische Geste in einer Tradition, die 1137 in Montecassino oder 1351 in Scarperia faßbar wird und auch außerhalb Italiens belegt ist, so zeigen sich an ihr doch besonders deutlich die Einflu¨sse, die die zunehmende Institutionalisierung der Kommune im fru¨hen 13. Jahrhundert auf die symbolische Kommunikation hatte524. Kein lokaler Konsul, sondern ein Offiziale des Podesta` trug dessen Fahne in der Auseinandersetzung um das von der Kommune als Bu¨hne des Politischen gestaltete Stadtzentrum. Das Aufpflanzen der eige524 Vgl. Weber, Flags, und unten Kapitel 5.2.1. Außeritalienische Beispiele diskutiert Prietzel, Kriegfu¨hrung, S. 194–236 und 335–340.

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nen Fahnen durch die Ghibellinen und ihre direkte Aufforderung an den Notar, die von ihm vor dem Kommunalpalast gezeigte Fahne zu Boden zu werfen und dadurch die eigene Aufgabe zu signalisieren, korrespondierte mit dieser Geste der Herrschaftsbehauptung. Im Vergleich mit chronikalischen Berichten und Darstellungen von Parteienka¨mpfen in anderen Sta¨dten, wie dem ‚Serventese dei Lamber¨ hnlichkeiten und U ¨ bereinstimmungen im tazzi e dei Geremei‘, fielen A Verlauf und in der Performanz des Konfliktes auf. Fiel der Bannertra¨ger oder wandte er sich zur Flucht, wie dies 1247 bei Borghetto di Taro – hier erfahren wir freilich nur vom Tod des Podesta` –, 1260 bei Montaperti, 1268 bei Tagliacozzo oder 1280 in Faenza geschah, gaben meist auch die u¨brigen Kombattanden seiner Seite die Schlacht als verloren auf525. Auch hier zeigt sich beispielsweise die große Rolle der Piazza als Kampf¨ ffentlichkeit, auf der mit Fahnen agiert platz und Ort der sta¨dtischen O wurde. Dieser Befund la¨ßt wiederum auf die Allgemeingu¨ltigkeit von Normen, Gesten und Handlungsmustern der symbolischen Kommunikation schließen, die die Kriegs- und Konfliktfu¨hrung in den italienischen Sta¨dten des 13. Jahrhunderts bestimmten. Die von den Ghibellinen am 17. Juli 1268 gewonnene Machtprobe zeigt klar, daß diese Bestimmtheit, in der sich so unterschiedliche Faktoren wie die Ehre oder Kampfesweisen trafen, eine Strukturierung, nicht aber eine vorab verabredete Entscheidung des Konfliktes bewirkte. Gerade in den von Podesta` wie Ghibellinen mittels ihrer Fahnen demonstrierten Anspru¨chen auf Herrschaftsorte wie Kommunalpalast und Piazza erweist sich, daß der Ausgang des Konfliktes von den Beteiligten nicht absehbar war. Mit der Fahne Konradins, an die sich die Zeugen bezeichnenderweise noch nach einem Jahrzehnt im Detail erinnerten, kam auch ein u¨berregionales, außerhalb des eigenen heraldischen Horizontes verwendetes Zeichen zum Einsatz. Es belegt, daß die Todiner Ghibellinen zur Legitimierung ihrer lokalen Herrschaftsanspru¨che und der bei ihrer Durchsetzung angewandten Gewalt 525 Dieses Verhalten findet sich nahezu u¨berall in der vormodernen Kriegfu¨hrung; siehe Ekdahl, „Banderia Prutenorum“, S. 176f.; Prietzel, Kriegfu¨hrung. Giovanni Villani, Nuova Cronica, VII 78, Bd. 1, S. 376–380: E come la schiera de’ Tedeschi rovinosamente percosse la schiera de’ cavalieri de’ Fiorentini ov’era la ’nsegna della cavalleria del Comune, la quale portava messer Jacopo del Naca della casa de’ Pazzi di Firenze, uomo di grande valore, il traditore di messer Bocca degli Abati, ch’era in sua schiera e presso di lui, colla spada fedı` il detto messer Jacopo e tagliogli la mano co la quale tenea la detta insegna, e ivi fu morto di presente. E cio` fatto, la cavalleria e popolo veggendo abattuta la ’nsegna, e cosı` traditi da·lloro, e da’ Tedeschi sı` forte assaliti, in poco d’ora si misono inn-isconfitta. Vgl. Davidsohn, Forschungen 4, S. 153. Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 33, S. 188ff., erza¨hlt von einer Seeschlacht, die die Venezianer gewannen, als sie erfolgreich die Galeere mit der Fahne des genuesischen Admirals angriffen.

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nicht nur o¨rtliche Bindungen mobilisierten, sondern auf einen Repra¨sentanten der ‚großen Politik‘ verwiesen. Diese Praktik, die sich fu¨r Todi fru¨h, aber auch nur im Moment der direkten Auseinandersetzung erkennen la¨ßt, findet sich in institutionalisierter Form in der heraldischen Symbolik von Kommunen des Trecento. Von Prato oder Florenz zu unterschiedlichen politischen Zwecken eingesetzt, zeigt solch ein Wappengebrauch eine Konzeption des politischen Systems der mittelalterlichen Kommune, die im Unterschied zu modernen Vorstellungen von politischer Autonomie und Ausschließlichkeit im Gebrauch von Hoheitszeichen, ‚offen‘ und zugleich autoreferentiell war. Man gebrauchte innerhalb des eigenen Horizontes das Wappen eines Herrschers, wie das der staufischen Ko¨nige von Sizilien oder der Ko¨nige von Neapel aus dem Hause Anjou, um die Komponente der von diesem Herrscher repra¨sentierten Parteiausrichtung im eigenen politischen System auszudru¨cken. Die im Moment des Straßenkampfes gezeigte Fahne in Todi verwies so bereits auf die auf Dauer angelegten spa¨teren Wappenensembles der Kommune, wie sie etwa in Florenz, Bologna oder Padua gezeigt wurden. Diesen eher pluralistisch wirkenden, politisch motivierten Ensembles sollten dann die heraldischen Systeme des Popolo zur Seite treten, die die Zeichen auch auf der ersten Ebene aufeinander bezogen. Kehrt man die Perspektive um, so ist zu konstatieren, daß die Wappen des Kaisers, der Kirche und der Anjou in der kommunalen Staatenwelt Italiens vielfach in lokale Herrschaftsbezu¨ge integriert wurden. Daß sich aber die scheinbar so gefestigten Wappenensembles des Trecento in Reaktion auf politische Wechsel immer noch a¨nderten, verbindet sie mit der Vielfalt, der politischen Aktualita¨t und dem Antagonismus der heraldischen Fahnen in Todi. Beide bezeugen eine ausgesprochene Dynamik, die die heraldische Symbolik der italienischen Stadtkommunen wa¨hrend ihrer gesamten Entwicklungsgeschichte auszeichnete. Das Beispiel Todi kann so unsere Erkenntnis um die heraldische Dimension typischer Konflikte des 13. Jahrhunderts bereichern und deren Bedeutung aufzeigen. Werden Fahnen in den Quellen dieser Zeit sonst nur erwa¨hnt, erfa¨hrt man hier etwas u¨ber die Wahrnehmung ihrer Bilder. Dahinter stehende Herrschaftskonzepte oder politische Bindungen, die die Wappen in den Konflikt trugen, werden ebenso sichtbar, wie die Funktionalita¨t, Vielfalt und Dynamik des Zeichengebrauchs im Erscheinungsbild von Podesta`-Herrschaft und Parteienkampf in einer Kommune mittlerer Gro¨ße. Alle hier untersuchten Beispiele zeigen, daß der Wappengebrauch im politischen System der Kommune in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts bereits ein beachtliches Maß an heraldischem Wissen voraussetzte.

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3. Die Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs

Damit ist jedoch kein Wissen im modernen Sinne gemeint, das mit Ausschließlichkeiten und Individualisierungen arbeitet, oder das Fachwissen eines spa¨tmittelalterlich-fru¨hneuzeitlichen Herolds. Es ist vielmehr charakteristisch fu¨r die Bedeutung der heraldischen Symbolik als Medium des Politischen in den Kommunen, daß sich nicht Herolde, sondern kommunale Funktiona¨re zu ihr a¨ußern. Ihr Wissen bezog sich sowohl auf pragmatisch-instrumentelle als auch auf symbolische Dimensionen des Wappengebrauchs. Daß vor diesem Hintergrund Ru¨ckschlu¨sse vom Stand und Amt einer Person auf ihr nach modernen Kategorien gemessenes Wissen nicht funktionieren, zeigen anschaulich die Prozeßakten. In ihnen erinnert sich bezeichnenderweise ein Notar nicht an ein Siegel, ein anderer schon. Wie das Vergleichsbeispiel der Genueser Siegelbeschreibungen gezeigt hat, muß der moderne Interpret damit rechnen, daß die mittelalterlichen Protagonisten nicht nur typischen Wahrnehmungs- und Beschreibungsschemata folgten, sondern ein Zeichen auch ¨ hnlichkeit oder ‚quer‘ lesen konnten, wenn eine fu¨r sie naheliegende A Bedeutung vorlag. Diese Beobachtung wird sich auf die offene, nicht von einer Gruppe von Fachleuten monopolisierte Heraldik des italienischen Mittelalters u¨bertragen lassen. Diese Heraldik war Teil eines allgemeinen politischen Diskurses526. Es la¨ßt sich allerdings auch feststellen, daß die Zeugen sich an Zeichen erinnerten, die vor allem in ihrem eigenen Ta¨tigkeitsbereich zu sehen waren. Auch fa¨llt die pra¨zise Sprache der darin ¨ hnlich unscharf nach heutigen Maßsta¨ben ist es, geschulten Notare auf. A wenn ein Zeuge sich an ein Wappenbild erinnert, ohne es jemandem exakt zuschreiben zu ko¨nnen. Das, woran er sich erinnerte, war sein Handlungskontext, der meist von den Regeln der symbolischen Kommunikation bestimmt war und von dem er als Akteur oder Beobachter auch selbst betroffen sein konnte. Henrigettus Feliciani hatte das Siegel der Kommune verwahrt, Iohannes Gerardi Paltonerii hatte die Defensivwaffen des Podesta` getragen und Delai Venturini hatte dessen Fahne getragen. Diese Beispiele zeigen, daß heraldische Wahrnehmung und heraldisches Wissen im 13. Jahrhundert einer „logic of sameness“ folgten: auch wenn man ein Wappenbild nicht kannte, konnte man seine Funktionalita¨t im Zusammenhang seines Handlungskontextes erkennen. Dies wird vor allem in den durch ihr politisches System miteinander verbundenen Stadtkommunen Ober- und Mittelitaliens wichtig, in denen es eine große Mobilita¨t professioneller Amtstra¨ger oder politisch Exilierter und damit auch eine gro¨ßere Mobilita¨t der Wappen gab. Die Begegnung mit fremden Wappen, wie sie zu einem spa¨teren Zeitpunkt die Novellen eines 526 Der Diskurs-Begriff nach Landwehr, Geschichte.

3.8 Zusammenfassung

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Franco Sacchetti schildern, geho¨rte zum Alltag. So wie das Galluzzi-Wappen fremd in Todi war, waren die teilweise aus dem Contado stammenden Wappenfahnen der Todiner Ghibellinen – mit der bezeichnenden Ausnahme der Fahne Konradins – den Bologneser Familiaren des Podesta` fremd. Beide wurden jedoch aus ihrer Funktionalita¨t heraus verstanden. Das heißt fu¨r die Erforschung mittelalterlicher Heraldik, daß eine bloße ‚Bestimmung‘ einzelner Wappen so sinnvoll ist, wie die Taxonomie von in Glaska¨sten nach Unterarten zusammengestellten Insekten.527 Wird sie als Selbstzweck und innerhalb einer modernen Systematik betrieben, werden wesentliche Bedeutungszusammenha¨nge u¨bersehen. Ihr ‚Sitz im Leben‘ muß daher beachtet werden. Unter der Bedingung, daß heraldisches Wissen, wie oben dargelegt, nicht exaktes Wissen war und daß wir natu¨rlich ¨ berlieferungslage eingeschra¨nkt sind. Die hier untersuchte durch die U Quelle bietet Belege fu¨r ein heraldisches Alltagswissen, die beinahe ein Jahrhundert a¨lter sind als die bekannten Angaben des Bartolo da Sassoferrato. Dessen Leistung bestand nicht in der Entdeckung des Pha¨nomens, sondern in seiner juristisch-systematischen Aufarbeitung als eigensta¨ndiger Gegenstand. Die Zeugenaussagen, darunter auch die eines Illiteraten, zeigen dagegen, in welch breite Diskurse das durch den Perusiner Juristen herausgegriffene Thema eingebettet war. Ihre Verschriftung ist ein Aus¨ berlieferung. nahmefall der U Mit dem Beispiel der Zeugenaussagen von 1278 erhalten wir einen anschaulichen und vertieften Eindruck von dem heraldischen Erscheinungsbild der durch die Herrschaft eines Podesta` und die Faktionska¨mpfe gepra¨gten Kommune des 13. Jahrhunderts, der die Berichte anderer Quellen, die Wappen nicht erwa¨hnen, kritisch erga¨nzen kann. Die Funktionalisierung des visuell wirkenden Mediums durch die Kommune und seine ru¨ckwirkende Sinngebung lassen es als idealen Gegenstand der Neuen Kulturgeschichte erscheinen. Die Bedeutung eines heraldischen Zeichens, wie etwa einer Wappenfahne, bezog sich auf untereinander verbundene oder entgegengesetzte Bereiche, wie die verschriftlichte Ordnung der Kommune, die von ihr gestaltete Stadt- und Sozialtopographie sowie abwesende Autorita¨ten. Das Beispiel Todis zeigt zu einem fru¨hen Zeitpunkt heraldische Praktiken auf, die sich, teilweise weiterentwickelt, als Charakteristika fu¨r die heraldische Symbolik der italienischen Stadtkommunen im Trecento wiederfinden.

527 Vgl. allgemein Foucault, Ordnung.

4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft in Stadt und Contado 4.1 Einleitung 4.1.1 Funktionen heraldischer Symbolik in der politischen Praxis: Organisation, Kontrolle und Identita¨tsstiftung Im Verlauf des 13. Jahrhunderts wurde heraldische Symbolik zu einem festen Bestandteil der kommunalen Herrschaftspraxis. Verschiedene Funktionsweisen, an denen sich Herrschaftsausu¨bung konkret zeigte, sind an den oben diskutierten Beispielen bereits deutlich geworden. So wurde Macht in den Mo¨glichkeiten sichtbar, Medien, Menschen und Ra¨ume heraldisch zu bezeichnen. Die Ohnmacht des Comazzo Galluzzi oder die zu untersuchende Entru¨ckung des venezianischen Dogen zeigen aber auch, daß diese visuellen Bezeichnungen nur dann wirksam wurden, wenn sie mit anderen Mechanismen der Macht gekoppelt waren. Diese konnten aus der Schlagkraft der Ka¨mpfer einer sta¨dtischen Partei bestehen, aber auch aus den Herrschaftsinstrumenten, die die Schriftkultur der Kommunen bereitstellte. So pra¨sentiert sich das im Folgenden untersuchte Wappen des Florentiner Popolo im Bericht des Dino Compagni als ein Zeichen, dessen o¨ffentliche Durchsetzungskraft auf der Piazza in der Zeit um 1300 noch stark von der aktuellen Konstellation der Kra¨fte in der Kommune abhing. Zu seiner spa¨teren dominanten Stellung sollten wesentlich seine Ru¨ckbindung an verschriftlichte Kontrollmo¨glichkeiten, an Integration und Exklusion u¨ber Statuten und Matrikel, beitragen. Wie an den beroarii eines Podesta` oder den venezianischen Zunftgenossen zu sehen, besaßen diese Bezeichnungen im Zusammenwirken ihrer Bedeutungsebenen sowohl eine pragmatisch-instrumentelle als auch eine symbolische Funktion. Uniformita¨t versta¨rkte den Zusammenhalt und die Wirkung einer Gruppe, die visuell durch Fahnen und akustisch durch Businen gelenkt wurde. Diese Formen heraldischer Symbolik waren Organisationsprinzipien, u¨ber die zugleich das Handeln im o¨ffentlichen Raum der Stadt kontrolliert wurde. Im Zusammenwirken mit ihren

4.1 Einleitung

353

Tra¨germedien und Geltungsorten wirkten die Zeichen nicht zuletzt identita¨tsstiftend. Der Aufmarsch einer heraldisch bezeichneten Gruppe auf der kommunalen Piazza erfu¨llte in diesem Sinne nie nur einen vordergru¨ndig erkennbaren praktischen Zweck, sondern war immer auch eine symbolische Aussage u¨ber die Verfaßtheit des Gemeinwesens. Diese Zusammenha¨nge sollen in den folgenden Beispielen, die vor allem ¨ bergang vom 13. zum 14. Jahrhundert darstellen, Entwicklungen im U vertieft werden. Unmittelbar angesprochen sind die heraldischen Bezeichnungen von Fußsoldaten und Stadtknechten, die innerhalb der Stadt mobilisiert wurden. Beispiele dafu¨r habe ich bereits am Beispiel Todis und anderer Kom¨ lter als diese Bediensteten des Stadtregimentes und munen diskutiert. A die fru¨hen Kompanien des Popolo war das Heeresaufgebot der Kommune. Vor allem am Maila¨nder Beispiel la¨ßt sich bereits fu¨r das 12. Jahrhundert seine differenzierte, taktisch und symbolisch wirkende Einteilung nach zahlreichen Fahnen, zu denen dann noch die Businen und der Carroccio hinzukamen, beobachten1. In der deutschsprachigen Forschung hat sich der allgemeine Begriff der sta¨dtischen „Wehrverfassung“ oder „Wehrordnung“ eingebu¨rgert, der die Art und Weise bezeichnet, in der der Stadtherr oder das Stadtregiment die durch ihren Bu¨rgereid zum Wach- oder Kriegsdienst verpflichteten Bu¨rger aufbot und organisierte. Er umfaßt sowohl die eigentliche gesetzte Ordnung, nach der Handlungsabla¨ufe ausgefu¨hrt wurden, als auch die ihr zugrunde liegenden Organisationsfelder, wie die verschiedenen Waffengattungen und die Befehlsstruktur des Heeres, die durch Fahnen und Wappen hergestellte taktische und symbolische Ordnung, sowie die topographischen und korporativen Einheiten, u¨ber die die Ka¨mpfer mobilisiert wurden2. Weil er die verschiedenen Bereiche eines Pha¨nomens erfaßt, mo¨chte ich ihn in diesem Sinne aufgreifen. Mit welch schriftgestu¨tztem Aufwand die Kommunen auf der Grundlage solcher Ordnungen Feldzu¨ge organisierten, zeigen der aufgrund einer traumatischen Niederlage erhalten gebliebene ‚Libro di Montaperti‘ sowie die Condotte des 14. und 15. Jahrhunderts3. Die besagte Wehrordnung sowie weitere innersta¨dtische Organisationsformen wurden seit dem spa¨ten 13. Jahrhundert durch kommunale Institutionen weiterentwickelt. Dies betraf sowohl die Organisation der Gruppen, als auch den Charakter der Zeichen. Transpersonale 1 Siehe Kapitel 2.2.2 und 2.3. 2 Von der Nahmer, Wehrverfassungen; Witte, Wehrordnung; vgl. Isenmann, Stadt, S. 148–152. 3 Vgl. Il Libro di Montaperti; Selzer, So¨ldner.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Institutionen, wie der Popolo, nahmen nun Wappen an, die auf abstrakt formulierte politische Ziele, wie Frieden und Gerechtigkeit, verwiesen. Diese programmatischen Vera¨nderungen des Zeichengebrauchs gingen auf den politisch motivierten Gestaltungswillen der Institutionen zuru¨ck und waren angesichts der permanenten Bu¨rgerkriegssituation nun auch auf Dauer auf die eigene Stadt gerichtet. Die im 13. Jahrhundert gu¨ltig gewordene Verklammerung zwischen Wappenfu¨hrung und Herrschaftsausu¨bung zeigte sich daran, daß der zur Herrschaft in der Kommune gekommene Popolo konsequent eine eigene heraldische Symbolik entwickelte, die in Form und Funktion neue Wege beschritt. Die angenommenen Wappen zeigten hochgradig appellativ besetzte Bildbotschaften, die Gemeinschaftsideale beschworen. Mit Hilfe des heraldischen Regelwerks wurden zudem ausdifferenzierte heraldische Systeme geschaffen, u¨ber die die Kompanien des Popolo in eingeu¨bten Verfahren organisiert wurden. Die Mo¨glichkeiten des visuell angezeigten Zusammenhalts und der Ausdifferenzierung wurden u¨ber das Milita¨rische hinaus als politisches Machtinstrument genutzt. Im Zusammenspiel von sta¨dtischer ¨ mterstruktur und dem heraldischen Regelwerk wurde die Topographie, A Kommune organisiert. Die Stadt und ihr Contado wurden dabei teilweise vo¨llig neu bezeichnet. Die wachsende Verobrigkeitlichung und Zentralisierung der Kommunen, die weitreichende Bezeichnungskompetenzen mit sich brachten, zeigte sich auch in diesen neuen Qualita¨ten ihrer heraldischen Symbolik. Wie sehr diese Prozesse neben dem Bereich der kommunalen und popolaren Wehr- und Vergesellschaftungsordnungen das Alltagsleben der Menschen, die in den Stadtkommunen des 14. Jahrhunderts lebten, bestimmte, sollen die im Folgenden angesprochenen Themen der Stadtknechte und der Versorgung der Bevo¨lkerung mit Brot verdeutlichen. Das ebenso fu¨rsorgliche wie sanktionsbereite und kontrollierende Handeln der Kommune als Obrigkeit entfaltete sich auch in diesen Bereichen u¨ber heraldische Symbolik. Ermo¨glicht wurde es durch die semiotische Offenheit und die pragmatische Multifunktionalia¨t der Wappen. Die angesprochenen inneren Entwicklungen einer Kommune wie Florenz waren, wie mir scheint, eine wesentliche Voraussetzung dafu¨r, daß Florentiner Popolaren, wie der bis zu seiner Wiederentdeckung durch die Geschichtsforschung kaum gelesene Dino Compagni oder der breit rezipierte Giovanni Villani, heraldische Symbolik zu einem Thema ihrer Geschichtsschreibung machen sollten. Die Existenz einer fu¨r die gesamten Stadtgemeinde verbindlichen Zeichenordnung brachte jedoch auch Exklusionen und Zuweisungen fremdbestimmter Identita¨ten mit sich. Diese repressive Kehrseite der im ausgehenden 13. Jahrhundert einsetzenden Innovationen soll am Beispiel der

4.1 Einleitung

355

Herrschaftsintensivierung der Stadt u¨ber ihren Contado, die an Benennungen und den mit ihnen korrespondierenden heraldischen Bezeichnungen sichtbar wurde, sowie am Beispiel der Florentiner Magnaten angesprochen werden. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Untersuchung im Venedig des 13. Jahrhunderts, geleitet von dem Bericht des Martin da Canal. Fu¨gen sich die dort angetroffenen Formen und Funktionen heraldischer Symbolik in das allgemeine Bild ein, das sich fu¨r dieselbe Zeit von der politischen Praxis in den italienischen Kommunen zeichnen la¨ßt, so lassen sich aber auch Entwicklungen und sogar benennbare, im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts getroffene Entscheidungen u¨ber den Wappengebrauch oder symbolisches Handeln entdecken, die Venedig zu einem Sonderfall machen sollten. Beispielfunktion fu¨r die im Folgenden betrachtete Entwicklung besitzt dagegen der Bericht des Bartholoma¨us Scriba u¨ber die große Flotte, die Genua im Jahre 1242 gegen Pisa und andere Ma¨chte im ¨ bergang von Dienst Friedrichs II. aufstellte. Er ist ein Zeugnis fu¨r den U einem a¨lteren Typ der Wehrordnung zu einem neuen, in dem heraldische Zeichen und ihre Medien eine sta¨rkere Rolle spielen und u¨ber die milita¨rischen Notwendigkeiten hinaus propagandistisch zum Einsatz kamen. Ein na¨chster Schritt, die Etablierung von Zeichensystemen in der eigenen Stadt, soll im Anschluß am Beispiel von Florenz und seiner Nachbarstadt Prato dargestellt werden. Eignet sich die Arnostadt besonders gut, weil sich fu¨r sie sowohl normative als auch narrative Quellen in Fu¨lle erhalten haben, mit denen sich die nicht immer gradlinigen Entwicklungen u¨ber einen la¨ngeren Zeitraum verfolgen lassen, so bietet das kleine Prato vor allem die Mo¨glichkeit, einen politisch gewollten Bezeichnungsakt in seiner Relevanz fu¨r das gesamte Gemeinwesen zu betrachten. Das dazu gewa¨hlte heraldische System folgte zwar a¨hnlichen Prinzipien wie das in Florenz angewandte, wa¨hlte jedoch eine andere Systemvariante von Wappenbildern. Mit ihrer Eingliederung in den Florentiner Herrschaftsverband wurde die Stadt am Bisenzio spa¨ter selbst zum Objekt der auch u¨ber Zeichen ausgeu¨bten Fremdherrschaft. Mit der heraldischen Bezeichnung der Stadtknechte soll außerdem ein Pha¨nomen angesprochen werden, das nach Aussage der Kommunalstatuten vieler italienischer Sta¨dte typisch, ja geradezu unverzichtbar fu¨r das herrschaftliche Handeln der Signoria war.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

4.1.2 Der Sonderfall Venedig ‚Danach, in der folgenden Zeit, na¨mlich im Jahre des Herrn 1214, war Albizzo von Florenz Podesta` in Padua, welcher ein vorausschauender und besonnener, ho¨fischer, umga¨nglicher und gu¨tiger Mann war und, wa¨hrend er im Regiment amtierte, weise, herrschaftlich und klug war; Scherze aber und Zerstreuungen liebte er. Zu der Zeit dieses Podesta` wurde in der Stadt Treviso ein Hoftag des Spiels und der Freude eingerichtet, an den viele Paduaner, sowohl Ritter als auch Fußvolk, eingeladen wurden. Dorthin gingen auch, herbeigerufen um jenen Hof zu zieren, etwa zwo¨lf von den adligeren, scho¨neren und eher fu¨r die Spiele geeigneten Damen, welche man damals in Padua fand. Der Hof oder das Spiel war aber von dieser Art: Man errichtete na¨mlich zum Spiel eine Burg, auf der die Damen mit ihren Jungfrauen und Fra¨ulein und mit ihren Ma¨gden aufgestellt wurden und die sie ohne Hilfe eines Mannes auf das Gekonnteste verteidigten. Die Burg war auf allen Seiten mit Befestigungen aus Buntwerk und Grauwerk, aus Zindelseide, Purpur, Samit, Ricellus, Scharlach, Baldekin und Hermelin bewehrt. Was soll man u¨ber die Kronen sagen, die mit Edelsteinen aller Art geschmu¨ckt waren, mit Chrysoliten, Jazinthen, Topasen und Smaragden, mit Goldbronze und Perlen und mit denen die Damen ihre Ko¨pfe gegen den Angriff der Kriegsma¨nner schu¨tzten. Diese Burg sollte erobert werden; und sie wurde erobert mit solcherlei ¨ pfeln, Datteln, MusGeschossen und Belagerungsgera¨t: mit A katnu¨ssen, mit Bro¨tchen, mit Birnen und Feigen, mit Rosen, Lilien und Veilchen, mit Fla¨schchen voll Balsam, Parfum und Rosenwasser, Ambra, Kampfer, Kardamon, Zimt, Gewu¨rznelken, Melegeta, mit allen Arten von wohlriechenden und scho¨n anzusehenden Blumen und Gewu¨rzen. Aus Venedig waren auch bei diesem Spiel viele Ma¨nner und Damen zugegen, um dem Hof Ehre zu zeigen; und die Venezianer, die klug und ergo¨tzlich ka¨mpften, hatten selbst die kostbare Fahne des heiligen Markus dabei. Es entsteht aber bisweilen aus den ¨ bles. Denn als im Spiel die Veneziaguten Anfa¨ngen viel U ner mit den Paduanern um den Vortritt beim Einzug durch das Burgtor wetteiferten, entstand Zwietracht und – wenn es doch nicht geschehen wa¨re – ein unbesonnener Venezianer, der die Fahne des heiligen Markus hielt, schma¨hte mit

4.1 Einleitung

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hochmu¨tigem und zornentbranntem Gesicht die Paduaner. Als die Paduaner dies sahen, legten einige mit erzu¨rntem Mut gewaltsam Hand an die Fahne des heiligen Markus und zerrissen sie zum Teil; dies nahmen die Venezianer sehr unwillig und empo¨rt auf. Deshalb wurde der Hoftag beziehungsweise das Spiel unverzu¨glich aufgelo¨st, auf Geheiß anderer Hofrichter und des Herrn Paulus de Sarmeola, eines ruhmreichen und umsichtigen Mannes und Bu¨rgers von Padua, der damals Ko¨nig der Ritterschaft in Padua war; dem war auch mit anderen Hofrichtern um der Ehre willen auf diesem Hoftag zugestanden worden, daß sie die Aufsicht und das Ordnungsrecht u¨ber die Damen und die Ritter und den ganzen Hoftag beziehungsweise das Spiel hatten. Dieses Spiel war aber so, daß man von ihm sagen konnte: „Das Spiel erzeugt na¨mlich schrecklichen Kampf und Zorn, der Zorn wilde Feindschaften und to¨dlichen Krieg.“ [Horaz] Denn mit der Zeit wuchs die Zwietracht zwischen Paduanern und Venezianern so sehr, daß Handel und Markt von da an verboten wurden; die Grenzen wurden bewacht, so daß man nicht von dem einen Land in das andere gelangen konnte; Raubu¨berfa¨lle und Gewaltta¨tigkeiten nahmen zu; und so erwuchs aus Zwietracht schließlich Krieg und große Feindseligkeit.‘4 Aus dem Kriegsspiel wurde Ernst. Die Paduaner zogen im folgenden Jahr gegen die von den Venezianern besetzte Torre delle Bebbe bei Chiog¨ berschwemgia, brachen jedoch aufgrund sintflutartiger Regenfa¨lle und U mungen die Belagerung ab. Ihr Hauptbanner (maistre confanon) und ihre Bannertra¨ger gerieten in venezianische Gefangenschaft5. Das Fest in Treviso, das Rolandinus von Padua gestu¨tzt auf die Aufzeichnungen seines Vaters so anschaulich beschreibt, ist sowohl ein Zeugnis der ‚internationalen‘ ritterlich-ho¨fischen Festkultur, als auch der Kommune des Adels und ihres Podesta`6. Eine a¨hnliche curia hielt der Podesta` von Genua im Jahre 1227 nach einem erfolgreichen Kriegszug ¨ bersetzung u¨bernimmt die durch Bumke, 4 Rolandini Patavini Cronica, I 13, S. 24f. Meine U Kultur, S. 301f., u¨bersetzten Passagen. 5 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, I 76, S. 78f., deutet dies als durch den Dogen erbetenes Wunder des Evangelisten Markus. Vgl. Rolandini Patavini Cronica, I 14, S. 25f. mit Anm. 5. Wa¨hrend der Paduaner Chronist u¨ber das Fest berichtet und den Verlust des Paduaner Banners verschweigt, verfa¨hrt sein venezianisches Gegenu¨ber genau umgekehrt. Martin da Canal schrieb das erste Buch seiner ‚Historia‘ im Jahre 1267. 6 Zur civilta` comunale vgl. Campbell, Game.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

ab7. Dem Florentiner Albizzo Forese, der 1214 als Podesta` von Padua amtierte, bescheinigt der Chronist einen ausgesprochenen Sinn fu¨r solche Feste. An der Erstu¨rmung der hier beschriebenen Minneburg waren nach Aussage des Chronisten plures et milites et pedites paduani beteiligt. Offensichtlich war das Fest auch ein politisches Ereignis: Ausgewa¨hlte Delegationen aus den Sta¨dten der Trevisanischen Mark trafen sich im nominellen Hauptort, um dort durch aufwendige Repra¨sentation und vorbildliches Verhalten im ho¨fischen Spiel die Ehre der eigenen Stadt in Gegenwart der Nachbarn zu mehren. Fu¨r die Venezianer du¨rfte dies das Motiv gewesen sein, ihr Markusbanner mitzubringen. Wa¨re dieses Zeichen kommunaler Identita¨t nach dem Konfektbeschuß auf der Minneburg aufgepflanzt worden, so ha¨tte dies die Ehre der Seerepublik in den Augen der Beteiligten sicher nicht weniger bereichert, als sein triumphales Aufpflanzen auf der ‚echten‘ Mauer einer im Krieg eroberten Stadt8. Ein aus der Dynamik des Spieles heraus entstandener Fehltritt – aus Sicht der Paduaner das unho¨fische Fehlverhalten des venezianischen Fahnentra¨gers – fu¨hrte jedoch dazu, daß die aufgebrachten Paduaner die Markusfahne bescha¨digten9. Dessen sinnigerweise gebrauchte Mittlerstellung in Spiel und Wirklichkeit wurde den beiden Gemeinwesen, und insbesondere den Paduanern, nun zum Verha¨ngnis. Der auf einem die Regeln des Krieges imitierenden Fest entstandene Konflikt u¨bertrug sich in die Spha¨re der Wirklichkeit, im Marschland von Chioggia kam es zum Krieg. Die Episode bezeugt eindru¨cklich die direkte symbolische Relevanz und mediale Kompatibilita¨t des Markusbanners als heraldisches Zeichen, das die Identita¨t und Ehre Venedigs in Akten symbolischer Kommunikation verko¨rperte. All die kostbaren Stoffe, Juwelen und Duftwa¨sserchen ta¨uschen nicht daru¨ber hinweg, wie gefa¨hrlich es war, der Fahne und dem Bild, das sie trug, zu nahe zu kommen. Die Episode von 1214 pra¨sentiert die Markusfahne zu einem Zeitpunkt, an dem sie zu einer der wichtigsten Insignien des Dogen und

7 Siehe Kapitel 2.4.3. Vgl. die Schilderung eines von Rittern aus der Trevisanischen Mark besuchten Turniers auf dem Markusplatz durch Martin da Canal, Les Estoires de Venise I 132, S. 128ff. Zu dem a¨hnlichen Grand Entremet, das am Dreiko¨nigstag 1378 wa¨hrend eines Festmahls des ro¨mischen Kaisers und des franzo¨sischen Ko¨nigs in Paris aufgefu¨hrt wurde, siehe Kintzinger, Reiter, S. 346f. 8 Nach der Chronik des Enrico Dandolo sollen die Venezianer 1124 ihre Fahne neben denen der fra¨nkischen Barone auf den Mauern des eroberten Tyros aufgepflanzt haben; Pertusi, Quedam regalia insignia, S. 89. Nach Joffrois de Villeharduin legendarischem Bericht soll der gonfanon Saint-Marc noch vor der Erstu¨rmung der Stadtmauern von Konstantinopel im Jahre 1204 u¨ber diesen gesehen worden sein; Bogen, Medialita¨t, S. 125. 9 Vgl. zum Problem: Der Fehltritt.

4.1 Einleitung

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zum Symbol des Comune Venetiarum geworden war10. Durchaus passend zur Eigenart der Serenissima sollten Fahne und Fahnenbild, die prinzipiell den heraldischen und paraheraldischen Symbolen anderer Kommunen entsprachen und bis zum Ende der Republik gefu¨hrt wurden, Uni¨ berlieferung dies erkennen la¨ßt, trugen die a¨ltekate bleiben. Soweit die U sten Markusfahnen das Kreuzzeichen oder das Bild des Evangelisten11. Erst im 13. Jahrhundert kam der geflu¨gelte und nimbierte, ein Buch haltende Markuslo¨we auf, der sich auf bildlichen Darstellungen immer wieder einer einheitlichen, heraldisch stilisierten Darstellung entziehen sollte. Wa¨hrend andere Ma¨chte Banner fu¨hrten, behielt die Fahne die Form eines in mehreren La¨tzen auslaufenden Gonfanons12. Der zwischen 1267 und 1275 schreibende venezianische Chronist Martin da Canal hat ihm eine Strophe in seinem Lied an den Evangelisten Markus gewidmet: ‚Und Ihr sprecht in Eurem Evangelium von dem Lo¨wen, macht ihn zum Symbol fu¨r die Macht Gottes. Das Herzogtum Venedig fu¨hrt Euch in seiner Fahne: Soweit das Wasser fließt, spricht man von ihr.‘13 Im Verlauf des ausgehenden 12. und des 13. Jahrhunderts, in dem das neue Medium der Wappen in die Herrschaftspra¨sentation so gut wie aller Herrschaftstra¨ger des Abendlandes integriert wurde, stieg Venedig zu einer Großmacht der Seeherrschaft, des Handels und der Diplomatie auf. Diese Bedeutung zeigte sich auch in der Annahme des angesprochenen Zeichens sowie in der Art, in der es von nun an im herrschaftlichen Zeremoniell des Dogats und in der Herrschaftspra¨sentation außerhalb der Lagunenstadt zur Geltung gebracht und gedeutet wurde. Es ist ein Ausdruck der Neuorientierung der sich von Byzanz emanzipierenden Stadt an den Ma¨chten des angrenzenden Festlandes, daß die venezianische Geschichtsu¨berlieferung die Verfestigung des Zeremoniells der Wahl und Amtseinfu¨hrung eines Dogen von Privilegierungen Papst Alexanders III. herleitete14. Der 10 Zu den im Folgenden angesprochenen Grundlinien der Geschichte Venedigs siehe Ro¨sch, Venedig. 11 Pertusi, Quedam regalia insignia, S. 90; Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 119ff. ¨ berlieferung: Pertusi, Quedam regalia insignia. Vgl. 12 Grundlegende Sichtung der U Bogen, Medialita¨t; Venezia!, Nr. 1, 11, 42, 135 und 355. 13 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 169, S. 340f.: E vos en vos vangiles parlastes dou lı¨on, / de la potence Des en feı¨stes sarmon. / Li ducat de Venise vos porte en confanon: / jusque ou eive cort en est la mencı¨on. 14 Dabei wurden a¨ltere byzantische Elemente umgedeutet. Vgl. Martin da Canal, Les Estoires de Venise, I 4 und 29, S. 6ff. und 40f. Das Folgende nach Bogen, Medialita¨t. Dies erkla¨rt auch den hohen Stellenwert, den der Frieden von Venedig zwischen diesem

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

neugewa¨hlte Doge beschwor am Altar von San Marco seine promissio auf die Evangelien. Seit dem 12. Jahrhundert investierte ihn im Anschluß der Primicerius mit der Markusfahne15. Unter dem Gesang von laudes zeigte er sich dann mit der Fahne vor dem Dogenpalast dem durch Glockenklang zusammengerufenen Volk und leistete erneut einen Amtseid. Die Bedeutung des Investitursymbols unterstreichen die im selben Zeitraum aufgekommenen neuen Siegel- und Mu¨nzbilder Venedigs, die die Investitur des Dogen mit der Fahnenlanze durch Christus oder Markus zeigen16. Dieses kaum zu u¨berbietende, in der Fahne symbolisierte Mandat erkla¨rt die Reaktionen der Venezianer auf den Vorfall in Treviso. ¨ ffentlichkeit Zu den Zeichen, mit denen Doge und Signoria in der O auftraten, kamen spa¨testens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts acht Markusfahnen und bis zu sechs silberne Businen hinzu17. Angeblich soll Papst Alexander III. dem Dogen Sebastiano Ziani das Recht verliehen haben, sie zu fu¨hren. Bezogen auf die großen Prozessionen, in denen die Amtstra¨ger der Serenissima mitgingen, wurden diese Fahnen spa¨ter zu einem heraldischen System ausdifferenziert. Sie zeigten alle den Markuslo¨wen, erhielten jedoch unterschiedliche Tuchfarben, denen mehrere Deutungen zugewiesen wurden. So sollte unter anderem das weiße Fahnentuch die Herr-

Papst und Friedrich Barbarossa in der Ikonographie der fru¨hneuzeitlichen Serenissima haben sollte. Vgl. zum Zeremoniell des 12. Jahrhunderts Go¨rich, utpote vir catholicus; zur Rezeption Ro¨sch, Venedig im Spa¨tmittelalter, S. 25–30, 44 und 88f. 15 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, I 129, S. 126f.: [...] au premecier de monseignor saint Marc – ce est au maistre chapelain de l’iglise [...]. Vgl. ebenda I 130, S. 128f. Vgl. Pertusi, Quedam regalia insignia, S. 72ff. und 122f.; Dee´r, Papsttum, S. 18. Nach Zeremonialen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts legte der Doge seine Hand auf das auf dem Altar liegende Evangeliar oder legte seine Ha¨nde in die des Primicerius; Pertusi, Quedam regalia insignia, S. 77f. 16 Stahl, Zecca, S. 302–312, mit der Beobachtung, daß die in dieser entscheidenden Phase gefundenen Bildformeln bis ins 15. Jahrhundert hinein beibehalten wurden. Welche Bedeutung diese archaischen, mit dem zeremoniellen Fahnengebrauch korrespondierenden Mu¨nzbilder fu¨r die Venezianer des Spa¨tmittelalters gehabt haben mußten, belegen vereinzelte, a¨sthetisch motivierte Modernisierungsversuche, die bald wieder aufgegeben wurden. 17 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 87, S. 246ff. : Tant ai demore´ en cele bele Venise, que je ai veu¨es les procesions que monsignor li dus fait faire a hautes festes : que il ne feroit trespaser por riens qu’eles ne fusent faites chascun an. Premierement fait monsignor li dus la procesion en la Pasque Florie, c’est en la resurexcion de nostre signor Jesu Crist: que il desent de son pale´s devant la messe, et tres devant lui s’en vont .viij. homes, que portent .viij. confanons de cendals, trestuit a or, ou est portraite la figure de li evangeliste saint Marc: et ont chascun confanon les ches enperials. Die silbernen Businen und weitere Insignien, wie das Schwert werden im Anschluß ebenfalls genannt; vgl. Pertusi, Quedam regalia insignia, S. 89ff.

4.1 Einleitung

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schaft der Signoria im Frieden und das rote ihre Herrschaft im Krieg symbolisieren18. Zugleich markierten sie bestimmte Pla¨tze im Ablauf der Prozession. Die Farbsymbolik zeigte verschiedene Dimensionen der Herrschaft Venedigs und diente zugleich der Abbildung des venezianischen ‚Staates‘ im Ritual der Prozession. Eine hierarchische Ausweitung bestand außerdem in der Einsetzung eines venezianischen capitaneus zur See oder zu Land, der durch den Dogen am Altar von San Marco mit einer Markusfahne investiert wurde, die er dann als Zeichen seiner Befehlsgewalt auf seiner galera carrocia oder in dem von ihm kommandierten Landheer zeigte19. Am 15. Ma¨rz 1280 beschloß der Maggior Consiglio, in allen der Serenissima untergebenen Sta¨dten das vexillum triumphale des heiligen Markus wehen zu lassen. Dieser Praktik folgten die dauerhafteren Steinskulpturen des Markuslo¨wen, die zum Teil heute noch in den ehemals venezianischen Sta¨dten zu sehen sind oder bereits im Mittelalter als bevorzugte Tropha¨en von Gegnern erbeutet wurden20. Wa¨hrend im kommunalen Italien – auch in Genua – die wechselnden auswa¨rtigen Podesta` neben dem vergleichbaren Banner mit dem Bild des Stadtheiligen auch ihre eigenen Wappen im Amt fu¨hrten, etablierte sich in Venedig die zentrale Stellung eines einzigen Fahnenbildes, das dem aus dem Stadtadel auf Lebenszeit gewa¨hlten Dogen zugeordnet war. Diese heraldische Entwicklung korrespondierte mit der des venezianischen ‚Staates‘ seit dem 13. Jahrhundert. Wa¨hrend die tatsa¨chliche Machtausu¨bung in einem Prozeß der Verobrigkeitlichung mehr und mehr auf Ra¨te, Ausschu¨sse und Funktiona¨re u¨berging, u¨bernahm der Doge zentrale Aufgaben der zeremoniellen Repra¨sentation, wie die Pra¨senz in den im Jahresablauf zu absolvierenden großen Prozessionen. Inner¨ mterhierarchie, die mit Formen symbolischer Kommunikation halb der A

18 Pertusi, Quedam regalia insignia, S. 90. 19 Solch eine Fahne ist auf dem Grabmal des 1487 in der Schlacht von Calliano gefallenen venezianischen Capitano Roberto da Sanseverino zu sehen. Sein habsburgischer Gegner, der das Grabmal im Dom zu Trient stiftete, ehrte ihn dadurch, schuf sich jedoch zugleich ein dauerhaftes Denkmal des eigenen Sieges, da der Condottiere die Markusfahne mit zerbrochenem Schaft und zu Boden gesenkter Spitze in der Rechten ha¨lt. 20 Vgl. Mu¨ller, Sic hostes Ianua frangit, S. 223–226, am Beispiel der im Chioggia-Krieg ¨ hnlich einheitlich von den Genuesen erbeuteten Markuslo¨wen aus Pula und Triest. A wie das Zeigen der Markusfahne erfolgte die Verordnung, laudes auf den Papst und den Dogen in die o¨rtliche Liturgie aufzunehmen. Zu „these Venetian colonial laudes“ siehe Kantorowicz, Laudes Regiae, S. 153–156. Die Pra¨gung der venezianischen Mu¨nzen des Spa¨tmittelalters verbindet die als Investitursymbol des Dogen gezeigte Markusfahne mit Umschriften, die sich an laudes orientieren; Stahl, Zecca, S. 303; allgemein zum Pha¨nomen Kantorowicz, Laudes Regiae, S. 1–12.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

sichtbar gemacht wurde, kam es wiederum zu einer Vervielfa¨ltigung der einen Markusfahne21. Vor diesem Hintergrund ko¨nnte der Kontrast zwischen der Wahl des Dogen Lorenzo Tiepolo am 23. Juli 1268 und dem, was sich zur gleichen Zeit in vielen Kommunen des Festlandes – wie in Todi, aus dem Andrea Barozzi, einst selbst Tra¨ger einer Markusfahne, an die Lagune zuru¨ckge¨ ber die besagte Dogenwahl kehrt war22 – abspielte, nicht gro¨ßer sein. U sind wir deshalb so gut informiert, weil Martin da Canal sie in großer Ausfu¨hrlichkeit in seinem Geschichtswerk geschildert hat23. Vor allem sein Bericht u¨ber die Aufzu¨ge, die die einzelnen contrees und homes de tos mestiers im Anschluß an die Wahl eine Woche lang zu Ehren des neuen Dogen veranstalteten, weckt das Interesse des Forschers, der hofft, etwas Vergleichbares zu der mittels heraldischer Symbolik hergestellten Organisation und Lenkung von Truppen der Parteien und des Popolo in den Kommunen des Festlands zu finden24. Besta¨rkt wird diese Erwartung durch Martin da Canals Angaben zum venezianischen Kriegswesen in dieser Zeit, das durchaus kompatibel mit dem einer anderen Kommune erscheint. So wurden etwa 1270 im Krieg gegen Bologna die Mannschaften der beiden Sestieri Santa Croce und Dorsoduro, unterschieden in Ritter und Fußvolk, aufgeboten. Daneben begegnen Soldtruppen, wie die mult bele conpagnie de menue gent a la sodee de Venise25. Dies erinnert an die nach topographisch-administrativen Kriterien unterteilten Porte der lombardischen Kommunen, deren unter eigenen Fahnen stehende Aufgebote in gleicher Weise ins Feld geschickt wurden. Liest man nun von Regionen und Zu¨nften, deren Mitglieder Ende Juli 1268 geordnet unter ihren Fahnen auf dem Markusplatz vor dem Dogenpalast aufmarschieren, so stellt sich die Frage, ob es sich hier um Waffengesellschaften des Popolo handelte, die u¨ber ihre heraldische Symbolik sichtbar am poli21 Neben den zeitgleich gefu¨hrten verschiedenen Markusfahnen zeigen die Zeremonialschriften des 16. Jahrhunderts, daß neben dem vexillum rubeum beati Marci jeder Doge nun auch eine zweite Fahne mit seinem Familienwappen fu¨hrte. Fu¨r die Investiturzeremonie ließ sich der Primicerius die Fahne von dem l’armiraglio de l’arsenale reichen und u¨bergab sie, kommentiert von liturgischer Wechselrede, dem zu Investierenden. Pertusi, Quedam regalia insignia, S. 77ff. Vgl. Ro¨sch, Adel, S. 113 passim; Crouzet-Pavan, Venice, S. 200f. 22 Von ihm berichtet Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 49–50, S. 204ff. 23 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 108–134, S. 270–305. Die Wahl begann damit, daß die sechs consilliers, die wa¨hrend der Sedisvakanz die Republik regierten, das Volk in San Marco versammelten und ihm den ordo des Wahlverfahrens und die durch den neugewa¨hlten Dogen zu beschwo¨renden Artikel vorlesen ließen. 24 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 114–134, S. 282–305. 25 Ebenda, II 139–142, S. 308–315.

4.1 Einleitung

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tischen System des Gemeinwesens partizipierten. Die a¨ltere Forschung hat in diesem Sinne die im Jahre 1266 zu beobachtenden Auseinandersetzungen in der Lagunenstadt als Parallelen zu den zeitgleichen Auseinandersetzungen in den Kommunen Ober- und Mittelitaliens gedeu¨ bertragung dieser Strukturkonflikte tet. Gegen eine undifferenzierte U auf den Sonderfall Venedig sind zu Recht Einwa¨nde erhoben worden26. Allerdings la¨ßt sich in den Unruhen des Jahres 1266 – soweit dies die Geschichtswerke des Andrea Dandolo und des Martin da Canal erkennen lassen – eine regelrechte Gemengelage an Konfliktpotenzial erkennen, in der sich gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen verbanden. So u¨berschnitten sich vor allem ein Positionierungskampf in der noch nicht ga¨nzlich nach unten hin abgeschlossenen adligen Fu¨hrungsschicht und ein Aufruhr des Volkes gegen die Signoria und Teile des Adels. Waren die Motive und die Art und Weise, in der sie in relativ kurzer Zeit erfolgreich bewa¨ltigt wurden, typisch venezianisch, so lassen sich die Konfliktpraktiken und die gegen sie angewandten Kontrollmaßnahmen durchaus mit denen in anderen Kommunen vergleichen. Dies liegt, was meines Wissens nach bisher kaum fu¨r Venedig diskutiert worden ist, auch in der Rele¨ ffentlichkeit vollvanz der symbolischen Kommunikation fu¨r in der O zogenes Handeln begru¨ndet. In diesen Handlungskontexten – topographisch gesprochen: auf dem Markusplatz27 – begegnen uns auch Wappen und Fahnen, die neben der omnipra¨senten Markusfahne in der Konfliktfu¨hrung und in der Festkultur, mit der der wiederhergestellte innersta¨dtische Frieden inszeniert wurde, zur Geltung gebracht wurden. Im Jahr 1266 zog das Volk auf das Geru¨cht hin, daß ho¨here Steuern eingefu¨hrt werden sollten, vor den Dogenpalast. Der Doge Raniero Zen, der die aufgebrachte Menge mit einer Rede beschwichtigen wollte, wurde mit Steinwu¨rfen bedacht, Adelspala¨ste wurden geplu¨ndert. Kurz darauf eskalierte der Konflikt zwischen den Dandolo und den Tiepolo in einem Gefecht auf dem Markusplatz, bei dem Lorenzo Tiepolo schwer verwundet wurde28. Der venezianischen Aristokratie gelang es jedoch als sozialer Gruppe wie auch als Obrigkeit beide Konflikte einzuda¨mmen. Mit den Popolaren, die man als Anstifter des Tumults ausmachte, machte man auf abschreckende Weise kurzen Prozeß. Auf Befehl des Dogen wurden sie auf dem Markusplatz geha¨ngt. Eine Kontrollmaßnahme gegen ku¨nf¨ berlieferungssituation: Ro¨sch, Adel, 26 Mit u¨berzeugender Kritik und Hinweisen auf die U S. 151f. 27 Zu seiner planvollen Entstehung als o¨ffentliche Bu¨hne der Stadt siehe Crouzet-Pavan, Venice, S. 22f. und 191ff. 28 Vgl. Ro¨sch, Adel, S. 151–158, nach der Chronik des Andrea Dandulo.

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tige Faktionska¨mpfe des Adels richtete sich bezeichnenderweise nicht gegen diesen selbst, sondern ebenfalls gegen die Popolaren. Diesen wurde nun verboten, in ihren Ha¨usern die Wappen von Adligen zu zeigen29. Die Familienwappen, deren Fu¨hrung demnach zu diesem Zeitpunkt in der venezianischen Aristokratie u¨blich war, dienten offenbar als Medien der Konfliktfu¨hrung und wurden in diesem Kontext von den popolaren Anha¨ngern bestimmter Adelsgruppierungen zur Geltung gebracht. Einen ersten Versuch, die Zu¨nfte unter die Kontrolle eines kommunalen Gremiums zu bringen, hatte man bereits 1261 unternommen. Die Gastalden bekamen dadurch zwar mehr Handlungskompetenzen innerhalb ihrer Zu¨nfte, doch wurde eine eigensta¨ndige politische Beta¨tigung der Korporationen unterbunden30. Die Konflikte zwischen den verschiedenen Fu¨hrungsgruppen wurden durch die na¨chste Dogenwahl gelo¨st, aus der ausgerechnet Lorenzo Tiepolo als neues Staatsoberhaupt hervorging31. Seine Wahl du¨rfte auch ein Zugesta¨ndnis an die Gruppe der populares veteres gewesen sein, die seine Faktion unterstu¨tzte. Die von den Dandolo gefu¨hrte feindliche Adelsfaktion – oder, um es mit Martin da Canal zu umschreiben, ‚die, die nicht gut mit ihm standen‘ (ciaus que n’estoient bien de lui) – ließ er gleich am Tag nach seiner Wahl zu sich rufen, um in einem rituellen Akt mit ihnen Frieden zu schließen und sie so zu seinen Freunden (ses amis) zu machen32. Die Prozessionen des Popolo zum Dogenpalast, die am selben Tag begannen, sind vor diesem Hintergund zu verstehen. Das Auftreten der einzelnen Zu¨nfte, das Martin da Canal beschreibt, war von Organisationsprinzipien bestimmt, wie sie auch außerhalb Venedigs anzutreffen sind. Heraldische Symbolik spielte dabei eine bedeutende Rolle. So marschierte jede Zunft fu¨r sich in Zweierreihen: Il mistrent lor confanon et lor banieres avant, les tronbes, les chinbes et les autres

29 Ebenda, S. 154, nach der Chronik des Andrea Dandulo: der Doge statuit quod aliquis popularis armaturas alicuius nobilis in domo non auderet ne presumeret aliqualiter tenere. In den Pisaner Statuten von 1286 findet sich wiederum ein Gesetz, das den Popolaren die freie Wappenannahme verbot, um die daraus erwachsenden Konflikte mit den nobiles zu unterbinden; A Grammar of Signs, S. 58. 30 Ro¨sch, Adel, S. 159: „Daß es den venezianischen Ra¨ten gelang, mit diesen Mitteln der Zunftbewegung die Gefa¨hrlichkeit zu nehmen und die Herrschaft uneingeschra¨nkt in den eigenen Ha¨nden zu behalten, ist eine der erstaunlichsten Leistungen der venezianischen Innenpolitik.“ 31 Zu den mit der Wahl einhergehenden wichtigen Verfassungsa¨nderungen siehe CrouzetPavan, Venice, S. 201f. 32 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 114, S. 282ff. Vgl. Ro¨sch, Adel, S. 153; Crouzet-Pavan, Venice, S. 198ff. und 212.

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estrumens avant33. Leider beschreibt der Chronist keine der von ihm erwa¨hnten Fahnen na¨her. Daß sie jedoch eine wichtige instrumentelle Funktion hatten, die Aufstellung und die Lenkung der Gruppe, erza¨hlt er mit den gleichen Worten, mit denen er von a¨hnlichen Mano¨vern im Krieg spricht34. Jede einzelne Zunft war zudem uniform gekleidet. So marschierten zuvorderst in der Schneiderzunft zehn Meister, die in neuen Kleidern aus weißem, mit roten Sternen bedecktem Tuch gekleidet waren35. Von den Gewandschneidern trug jeder einen neuen Hut von weißer Farbe, auf dem Wappenlilien zu sehen waren36. Doch obwohl hier geordnete, von Fahnen und Businen gefu¨hrte und uniform gekleidete Gruppen marschierten, war das Schauspiel alles andere, als eine milita¨rische Machtdemonstration des Popolo. Denn abgesehen von diesen Merkmalen traten die einzelnen Gruppen ga¨nzlich unmilita¨risch auf37. Die Prozessionen hatten eine politische Funktion, die jedoch nicht, wie in den Kommunen des Festlands, in einer Machtdemonstration des selbstbewußten Popolo bestand. Die Korporationen des venezianischen populus waren geza¨hmt, ihr Aufmarsch auf der Piazza diente der Stabilisierung des aristokratisch gefu¨hrten Stadtregiments. Dies wird bereits in der Struktur der gewa¨hlten Handlungsfolge erkennbar. Der Zweck der Prozessionen zum Dogenpalast war es, den neugewa¨hlten Dogen als signore zu begru¨ßen. Dazu traten die Zu¨nfte aber nicht gemeinsam auf. Stattdessen folgten im Zeitraum einer Woche die Aufma¨rsche der einzelnen Zu¨nfte aufeinander. Die ta¨glich vollzogenen Begru¨ßungen besta¨tigten sich so gegensei¨ lzweige und tig. Auch trugen die Zunftgenossen keine Waffen, sondern O Kra¨nze. Da die verschiedenen Ku¨rschner, Weber oder Goldschmiede in ihre eigenen Produkte gekleidet waren, hatte ihr Erscheinen auch etwas von einer Gewerbeleistungsschau. Der Eindruck, der erweckt werden sollte, war der ho¨fischer (cortoisement) Festfreude (joie). Daher zeigten die Gruppen „gute Ordnung und große Freude“, scherzten und sangen

33 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 126, S. 294f. 34 Ebenda, II 132, S. 302f.: mult bien rengie´s desos lor confanon. Vgl. ebenda, II 144, S. 316f.: s’en alerent mult bien rengie´s, lor banieres levees. 35 Ebenda, II 122, S. 290f. 36 Ebenda, II 125, S. 292f.: et firent chascun une chape tote neuve, de color blanc, as flors de lis es chanps. 37 Das sollten sie auch bleiben; Ro¨sch, Adel, S. 160: „Den endgu¨ltigen Sieg des venezianischen Adels u¨ber die Zu¨nfte brachte der Regierungsantritt des Dogen Iacobus Contarini im Jahre 1275: Der neu in die Dogenpromission aufgenommene Artikel, daß es dem Dogen verboten sei, zu irgendwelchen Zwecken die Zu¨nfte zu bewaffnen, besiegelte das Ende des politischen Einflusses fu¨r die Handwerker Venedigs.“

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Lieder auf den neuen Dogen38. Wein und Pokale wurden als Geschenke mitgebracht. Erreichte eine Gruppe den Dogenpalast, kam ihr der Herrscher auf dessen Treppe entgegen. Jede Zunft akklamierte ihn durch an laudes anklingende Rufe, wie: Vive nostre sire, li noble dus Laurens Teuple, cui Des done henor et victoire!39 Maistre Uguet, ein Meister der Kammacherzunft, hielt sogar eine kurze Ansprache, in der er Gott und die Heiligen bat, dem neuen Stadtherrn zu helfen, das ehrenhafte venezianische Volk in Ehren zu regieren40. Die Kammacher und die Barbiere hatten ihr nach rituellem Schema gestaltetes Auftreten außerdem um Inszenierungen bereichert, die schon an die ho¨fischen Pageants des spa¨teren Mittelalters und der Fru¨hen Neuzeit erinnerten41. Die Barbiere fu¨hrten zwei vollsta¨ndig geru¨stete „fahrende Ritter“ (chevaliers errans) und vier damoiseles mit sich, die den Dogen um Aufnahme an seinen „Hof“ (cort) baten42. Die Kammacher schließlich fu¨hrten einen großen Ka¨fig mit, in dem viele Vo¨gel unterschiedlicher Art saßen. Auf der Treppe des Palastes angekommen, o¨ffneten sie ihn, so daß die Vo¨gel frei umherflogen und ihre Rufe alle erfreuten und zum Lachen brachten43. Dieses Bild der singenden und u¨ber den Markusplatz fliegenden Vo¨gel, mit dem der Bericht des Geschichtsschreibers u¨ber das Ereignis schließt, steht in sta¨rkstem Kontrast zu den auf den Pla¨tzen der italienischen Stadtkommunen unter heraldisch bezeichneten Fahnen ausgefochtenen Machtka¨mpfen. Der Augenzeuge Martin da Canal hat die im Moment des Festes hergestellte ideale und harmonische Einheit der ganzen Gemeinschaft sicherlich auch deshalb so ausfu¨hrlich erza¨hlt, weil sie vor dem Hintergrund massiver Konflikte inszeniert worden war, die er nur andeutet44. Das mit Macht ausgestattete und Kontinuita¨t signalisierende politische Symbol der Kommune blieb das Markusbanner, mit dem auch Lorenzo Tiepolo investiert worden war. Die Pra¨senz der Zunftfahnen brauchte keine Entscheidung mehr herbeizufu¨hren, sie sollte integrativ und identita¨tsstiftend wirken. Die Zu¨nfte traten unter ihnen nicht wie Waffen-, sondern wie Festgesellschaften auf. Festgesellschaften mit 38 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 129, S. 298f.: Mult cointement et grant joie feissant s’en alerent jusque au pale´s de monsignor li dus. 39 Ebenda, II 127, S. 296ff. 40 Ebenda, II 133, S. 302f.: Sire, je pri Jesu Crist et sa douce Mere et monsignor saint Marc, que vos done sante´ et vie et victoire, et a gouverner le henore´ peuple veneciens en victoire et a henor trestos vos aage! 41 Siehe Kapitel 6.1. 42 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 131, S. 298ff. 43 Ebenda, II 133, S. 302f. 44 Vgl. zur vielfa¨ltigen Harmonie als Ideal des venezianischen Imaginariums CrouzetPavan, Venice, S. 35f. und 185.

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a¨hnlich ho¨fischem Erscheinungsbild existierten auch in anderen italienischen Sta¨dten. Daß deren Ausstattung mit Medien symbolischer Kommunikation, wie den Fahnen, ein politisches Potential besaß, das in den Dienst innersta¨dtischer Machtka¨mpfe gestellt werden konnte, hat Richard C. Trexler eindrucksvoll am Beispiel von Florenz gezeigt45. Das vielleicht bekannteste Beispiel dieser Art sind die von Gautier VI. de Brienne (Walter von Brienne) ins Leben gerufenen und mit eigenen Wappenbannern ausgestatteten Festgesellschaften, die zuna¨chst seiner signoralen Repra¨sentation dienten, um spa¨ter noch einmal im Ciompi-Aufstand in Erscheinung zu treten46. Die Abfolge der popolaren und zugleich ho¨fischen Prozessionen der venezianischen Zu¨nfte gefa¨hrdete dagegen die Ordnung nicht, sondern reihte sich in die Kette der großen, am Kirchenjahr orientierten Staatsprozessionen ein. Weil ihre Bedeutung seiner Darstellungsabsicht entspricht, beschreibt Martin da Canal auch das Zeremoniell und nennt die mitgefu¨hrten Medien. Sein Motiv zur Abfassung seines Geschichtswerkes spricht er pointiert in einem Satz aus: ‚um der Ehre Venedigs willen‘47. Am Beginn dieses Kapitels u¨ber Formen und Funktionen heraldischer Symbolik, die der Konstituierung kommunaler Herrschaft dienten, steht der Sonderfall Venedig. Betrachtet man die Beispiele, die er zu bieten hat, grundsa¨tzlich, so fallen Gemeinsamkeiten zum Zeichengebrauch im italienischen, ja sogar im abendla¨ndischen Kontext auf. Die Stadt besaß eine Heerfahne, die ihre Identita¨t, in der Sprache der Zeit: ihre Ehre, symbolisierte. Die bereits in vorheraldischer Zeit weit verbreiteten Praktiken des triumphalen Aufpflanzens der Fahne und der Fahneninvestitur wurden auch mit dieser Fahne vollzogen. Als Investitursymbol wurde sie zum Herrschaftszeichen des Stadtoberhauptes. Das Fahnenbild und der rituell-paraliturgische Handlungskontext der Fahne verwiesen auf den Stadtheiligen, in dessen Namen Herrschaft ausgeu¨bt wurde. Die Relevanz und Multifunktionalita¨t der heraldisch bezeichneten Fahne als Medium symbolischer Kommunikation zeigt ihre Verwendung bei der Amtseinfu¨hrung des Dogen, auf Kriegszu¨gen und auf ho¨fischen Festen. Neben dem zentralen Zeichen der Markusfahne begegnen weitere Formen heraldischer Symbolik, die zwar das Potenzial zur Gefa¨hrdung der Kommune besaßen, jedoch unter ihre Kontrolle gerieten. So wurde 45 Vgl. Trexler, Life, bes. S. 215–278. 46 Trexler, Flag; Ders., Herald. 47 Martin da Canal, Les Estoires de Venise, II 169, S. 342f.: Si me terai atant de conter por vers et vos conterai por prose, quant leus et ore en sera et quant il aura mestier en mon livre, por tenir mon droit conte, por quoi je comensai cestui livre: ce fu por l’enor de Venise.

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durch Gesetze die Fu¨hrung der Adelswappen eingeschra¨nkt und den Zunftfahnen die Mo¨glichkeit, bewaffnete Truppen zu lenken, genommen. Gerade die Zu¨nfte sind ein Beispiel fu¨r den Sonderfall Venedigs. Sie zeigen prinzipiell die Funktion heraldischer Symbolik, Gruppen durch Uniformita¨t und Ausrichtung auf Fahnen zu organisieren und zu lenken. Dies gilt auch fu¨r die innerhalb der Kommune agierenden Waffengesellschaften und Verba¨nde des Podesta` oder Capitano del Popolo in den Sta¨dten des Festlands. In Venedig wurde dieses Organisationsprinzip, dessen Gewaltpotenzial bis 1275 bestand, jedoch in die Matrix ho¨fischer Festprozessionen umgewandelt. Die Kommune wurde nicht, wie jenseits der Lagune, als Aufmarsch des bewaffneten Popolo, sondern als ho¨fische Festgesellschaft inszeniert. Das eingangs genannte Beispiel von 1214, das charakteristisch fu¨r die von der sta¨dtischen Aristokratie beherrschte Kommune ist, findet so seine Entsprechung im Auftreten der venezianischen Zu¨nfte, die an den Fu¨rstenhof des Dogen kamen. Neben diesen einzigartigen Entwicklungen im Innern organisierte die Republik des 13. Jahrhunderts nach außen hin ihre Kriegsfu¨hrung und politische Einflußnahme in Italien wie andere Kommunen auch. Ihre Adligen u¨bernahmen Podestariate in Sta¨dten, in denen sie mittels ihrer Familienwappen Herrschaft ausu¨bten; venezianische Heere wurden mittels heraldischer Zeichen organisiert und gelenkt. Einzigartig fu¨r Venedig sind die Formen der Herrschaftspra¨sentation in der Stadt. Konkurrierende Zeichensysteme, wie die Wappen von Parteien oder des Popolo, die auf verschiedene Autorita¨ten oder Werte verwiesen, um den eigenen Herrschaftsanspruch durchzusetzen, kamen an der Lagune nicht zur Geltung oder wurden im Ansatz entscha¨rft und integriert. Stattdessen etablierte sich die Omnipra¨senz des im gleichen Zeitraum angenommenen heraldischen Zeichens des Markuslo¨wen. Auch nach außen, in den von venezianischen Funktiona¨ren regierten Gemeinwesen des Herrschaftsverbandes, wurde es zum dominierenden Herrschaftssymbol der Serenissima. Diese wa¨hrend des 13. Jahrhunderts gefundene Symbolsprache sollte die Grundlage fu¨r die Herrschaftspra¨sentation der Seerepublik in den folgenden Jahrhunderten bilden. Gerade in seiner Eigenart als Sonderfall kann Venedig zeigen, daß die Ausbildung heraldischer Symbolik mit der Entwicklung der Kommune korrespondierte.

4.2 Zeichensysteme im Wandel

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4.2 Zeichensysteme im Wandel: Von der sta¨dtischen Wehrordnung zum Herrschaftsinstrument des Popolo 4.2.1 Die Genueser Flotte des Jahres 1242 – ein Beispiel fu¨r den Wandel einer Wehrordnung Zu Beginn des Sommers 1242 bereitete Genua eine große Flottenexpedition gegen die im Dienst des Kaisers stehenden Pisaner und ihre Verbu¨ndeten vor. Der Geschichtsschreiber der Kommune, wahrscheinlich handelt es sich um Bartholoma¨us Scriba, hat uns einen Bericht von der Aufstellung, Ausru¨stung und dem Einsatz der Flotte gegeben, der den Gebrauch heraldischer Symbolik als Organisationsprinzip erkennen la¨ßt. Diese Wehrordnung ist jedoch, worauf der Annalist selbst hinweist, nur bedingt ein Zeugnis fu¨r die in Genua etablierten Verfahren und Praktiken. Sie befand sich im Wandel und enthielt zahlreiche neue Elemente. Eine dieser wesentlichen Neuerungen bestand darin, die politische Dimension des Kriegszuges und seine mehrfachen Legitimationsgru¨nde sichtbar zu machen. Außerdem zeigt der Bericht exemplarisch das Zusammenwirken kommunalen Gemeinschaftshandelns und heraldischer Symbolik. Die Instandsetzung der Flotte erfolgte schrittweise und jeder dieser Schritte war von einem kommunalen Approbationsverfahren mit großem ¨ ffentlichkeitscharakter begleitet. O Dies begann bereits mit der Begru¨ndung des Unternehmens. Der Podesta`, der Brescianer Conradus de Concesio, berief dazu eine große contio der milites et pedites in der Kathedrale ein, in der er sich erhob und eine Rede hielt48. In ihr betonte er sowohl die fu¨r die Kommune selbst gegebene Notwendigkeit, die libertas und die honores der Vorfahren zu verteidigen, als auch die Pflicht, die Ro¨mische Kirche zu schu¨tzen49. War die Zustimmung der Volksversammlung die Grundlage dafu¨r, den bevorstehenden Krieg zu ero¨ffnen, so lieferte die Rede des Podesta` gleichsam die beiden Leitmotive, in deren Zeichen die Kriegfu¨hrung stand: Das Georgskreuz Genuas und das Kreuz des durch den Papst ausgerufenen Kreuzzuges gegen Friedrich II. Die heraldische Bezeichnung betraf sowohl die Schiffe als auch die Mannschaften bis hinauf zu dem als Admiral agierenden Podesta`. Die im Hafen zusammengestellte genuesische Flotte umfaßte 83 Galeeren, 13 taride sowie 4 naves magne. Letztere wurden nun nicht 48 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 123–126. 49 Ebenda, S. 126f.: dimittat unusquisque cendata, xamita, iupas blancas, et assumat arma pro honore et defensione sancte Romane ecclesie matris nostre et fidei christiane.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

mehr, wie bisher u¨blich, mit einer graublauen Farbe bemalt, sondern erhielten einen symbolischen Anstrich. Weiß bemalt und mit roten Kreuzen versehen, wurden sie zu schwimmenden Tra¨gern des Genueser Wappens50. Der na¨chste Schritt bestand in der Einberufung und Aufteilung der Mannschaften sowie in der Einsetzung der Kommandanten. Dazu ließ der Podesta` o¨ffentlich verku¨nden, daß sich jeder Betroffene zum Dienst auf den Galeeren mit Waffen und Verpflegung bereitzuhalten habe. Daraufhin berief er ein maximum colloquium auf dem Vorplatz von San Lorenzo ein, in dessen Ablauf von der Spitze her absteigend die Hierarchie der Befehlshaber etabliert wurde. Nach einer weiteren anfeuernden Rede ergriff Conradus de Concesio das Genueser Georgsbanner ‚zu Ehren Gottes und der heiligen Kirche und zur Beunruhigung der Feinde‘ und ernannte sich selbst zum Admiral. Das Banner wurde auf die zu seinem Flaggschiff bestimmte Galeere, die galea carroccia, gebracht51. Die anschließende Einsetzung der acht Geschwaderkommandanten (protentini) und 96 Kapita¨ne (comiti sive vexilliferi) erfolgte in einem fu¨r die Genueser Wehrordnung charakteristischen Zusammenspiel kommunaler Wahlverfahren und Fahneninvestituren. Daß die Befehlshaber zuvor in den acht Compagne der Stadt gewa¨hlt worden waren, wurde na¨mlich in dem o¨ffentlichen Ritual dadurch zum Ausdruck gebracht, indem man die Matrikel, in der ihre Namen erfaßt waren, o¨ffentlich verlas. Erst danach investierte der Podesta`-Admiral jeden der neuen Geschwaderkommandanten mit einer Fahne, die das jeweilige Wappen seiner Compagna zeigte. Jeder Kapita¨n erhielt zwei Fahnen, von denen die eine das Wappen Genuas und die andere das Wappen des verbu¨ndeten Venedig zeigte. Die Fahne der eigenen Kommune sollte er an Steuerbord seiner Galeere wehen lassen, die der Markusrepublik an Backbord. Weitere Fahnen, die fu¨r die mitgefu¨hrten Zelte gedacht waren, wurden ebenfalls auf den Schiffen aufgepflanzt. Der Geschichtsschreiber beschließt seinen Bericht u¨ber das colloquium mit der Wahl bestimmter Mannschaftsteile, wie der Armbrustschu¨tzen, die ebenfalls geordnet nach den Compagne erfolgte52. 50 Ebenda, S. 127: statim uarate fuerunt dicte galee de nouo facte et cum ipsis parate fuerunt in portu Ianue .LXXXIII. et taride .XIII. et naues .IIII. magne et dipincte colore albo cum crucibus uermillis per totum, dimisso tunc glauco colore quo depingi solebant. Vgl. Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 117. 51 Vgl. Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 107 und 102f., zum Markusbanner auf dem Flaggschiff des venezianischen Dogen Enrico Dandolo. 52 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 127f.: et missum fuit undique per potestatias et districtum Ianue ut omnes parati essent armis et uictualibus ascendere in galeis.

4.2 Zeichensysteme im Wandel

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Der Schlu¨ssel zur Organisation der Genueser Flotte waren also die acht Compagne des Stadtgebietes. Sichtbar wurde dies in den acht Geschwadern, auf deren Flaggschiffen die Wappenfahnen der Compagne mitgefu¨hrt wurden. Diese unterstanden wiederum dem Podesta`, den auf seiner Galeere das Georgsbanner als Zeichen seines Oberbefehls begleitete. Neben dieser Unterscheidung waren alle Schiffe aber auch zugleich uniform mit dem Stadtwappen, dem durchgehenden roten Kreuz auf weißem Grund, bezeichnet. Nach Hans Horstmann waren sowohl dieser „straff organisierte Flottenverband“, als auch seine ausdifferenzierte Bezeichnung mittels heraldischer Symbolik ein Charakteristikum der Seekriegsfu¨hrung im Mittelmeer53. Mit dem Zeigen der venezianischen Fahne erfu¨llte die Kommune einen Vertrag, der am 30. November 1238 zu Rom durch Vermittlung Papst Gregors IX. zustande gekommen war. Er bestimmte, daß jede der beiden Seerepubliken, wenn sie gegen einen gemeinsamen Feind ausfuhr, auf der Steuerbordseite ihrer Schiffe ihre eigene und auf der Backbordseite die Fahne der Bundesgenossin zeigen sollte54. Die hinter diesem Passus stehende Logik von dem Vorrang der rechten Seite ist ein Grundprinzip der Heraldik55. Die Pisaner Flotte des Jahres 1242 zeigte wiederum neben der eigenen, schlichtroten Fahne auch die des Kaisers56.

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postmodum potestas in platea beati Laurentii maximum colloquium celebrauit et mirabiliter locutus est, omnes et singulos ad bellum uiriliter animando; et in persona sua propria uexillum beati Georgii ad honorem Dei et sancte Ecclesie et confusionem inimicorum gratulanter assumpsit et se constituit uictoriosi stoli Ianuensis admiratus. ibique protentinos .VIII. et comitos siue uexilliferos .LXXXXVI. cum matura prius deliberatione per compagnas electos, fecit publice nominari et legi et eisdem protentinis uexillum unum cuilibet iuxta formam cuiuslibet compagne dedit mirabiliter designatum in una ex galeis cuiusque compagne feliciter baiulandum. comitis predictis dedit cuilibet duo uexilla: unum uidelicet ad signum comunis in dextera parte et aliud ad signum Venetorum sancti Marchi in sinistra parte cuiusque galee, iusta conuentionem inter comune Ianue et Venetos initam baiulanda. Et diuisis galeis et taridis omnibus per compagnas, triumphale uexillum beati Georgii in una bona galea, et alia uexilla protentinorum et comitorum in aliis galeis et taridis, cum leticia fuerunt erecta, et hediffitia mirabilia ad prelium in ipsis taridis ornata. et ut nichil temporis preteriret incassum facta fuit electio potens et dispensatio supersalientum et bellatorum et balistariorum in ciuitate per compagnas, et uogueriorum per potestatias; panatica et uictualia et cetera necessaria preparata. Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 104 und S. 116ff. Acta imperii inedita 2, Nr. 1028, S. 689f.: Item quod Veneti et Ianuenses per mare navigantes in quolibet ligno per pelagus insignia utriusque comunis portent, videlicet sui comunis in dexteram et alterius in alteram partem. Vgl. Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 115. In der Seefahrt hat sie sich bis in die Neuzeit gehalten. So betreten Offiziere fu¨r gewo¨hnlich ein Schiff an Steuerbord. Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 131; vgl. Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 113f.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Die Genueser Flotte wurde jedoch nicht nur u¨ber die Wappenfahnen als Unternehmen der Genuesen und ihrer Verbu¨ndeten aus der Partei der Kirche ausgewiesen, dieses wurde außerdem symbolisch zum Kreuzzug erkla¨rt. Der Podesta`-Admiral und seine Leute nahmen vor dem Auslaufen in San Lorenzo das Kreuz. Einige von ihnen trugen es als Bu¨ßer auf der rechten Schulter57. Wie wegweisend diese beiden Bezeichnungspraktiken in der kommunalen Kriegfu¨hrungen des Spa¨tmittelalters sein sollten, zeigt ein Blick in die ‚Nuova Cronica‘ Giovanni Villanis, in der sie in anderen Kontexten wieder begegnen. So trugen auch die Florentiner, die im Sommer 1297 in dem von Bonifaz VIII. gegen die Colonna mobilisierten Kreuzzugsheer mitka¨mpften, Kreuze, die sowohl als Wappenbild des Florentiner Popolo wie auch als Zeichen der Kreuzfahrer gesehen werden konnten58. Die Soldaten, die Florenz und Venedig 1336 in einem gemeinsamen Heer gegen die Della Scala schickte, waren tutti soprasegnati di soprasberga bianca col segno di san Marco e del giglio vermiglio59. Die am Sonntag, dem 27. Juli 1242, vor dem Auslaufen abgehaltene monstra der Flotte hatte, wie Bartholoma¨us Scriba erza¨hlt, Anlaß zu Freude und Scherzen geboten60. Die Reaktionen der Akteure und

57 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 129: die uero Lune sequenti, assumpta de ecclesia Sancti Laurentii cum magna reuerentia uera cruce, que semper in omnibus bataliis extitit triumphatrix, et posita in fortiori tarida exercitus, iuit cum festinantia usque ad Sigestrum. et audito quod inimici mari et terra cum omni eorum exfortio castrum et burgum Leuanti obsederant, die Mercurii penultima mensis iulii, dum ceteri de exercitu ad honorem sancte Ecclesie et in reuerentia uere crucis penitenciati essent, et crucem quilibet assumpsisset in spalla dextra, summo mane cum magna festinantia et uigore facta maxima et potens schera galearum et taridarum in mari supra Deuam, erexit potestas triumphale uexillum beati Georgii uiriliter contra hostes. Zur Kreuznahme siehe Hechelhammer, Si quis vult post me venire, S. 1098. 58 Giovanni Villani, Nuova Cronica, IX 21, Bd. 2, S. 41f. Vgl. Housley, Crusades, S. 159ff. 59 Giovanni Villani, Nuova Cronica, XII 50, Bd. 3, S. 106–113. 60 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 129. Ein Bild solch einer ‚Flottenparade‘ hat ein unbekannter Florentiner mit seiner ‚Ansicht des Hafens von Neapel‘ aus der Zeit des zweiten Aufstands der Barone gegen Ko¨nig Ferrante gegeben. Die in den Hafen einlaufende aragonesisch-neapolitanische Flotte von wenigstens vierzehn Galeeren und einem Segelschiff kehrt ebenfalls siegreich von einem Kriegszug zuru¨ck. Die Galeeren, die Wappenschilde an den Aufbauten tragen und auf deren Vorder- und Achterkastellen Banner des Ko¨nigreiches und der Kapita¨ne aufgepflanzt sind, fu¨hren sieben erbeutete Galeeren mit sich, die ihrer Masten und ihres heraldischen Schmuckes beraubt sind. Jede aragonesische Galeere, die solch eine Prise im Schlepptau hat, la¨ßt zudem deren Banner als Zeichen der Demu¨tigung in ihr Kielwasser ha¨ngen. Soweit erkennbar, handelt es sich stets um dasselbe Banner, das ein Wappen Ko¨nig Rene´s von Anjou zeigt. Vgl. die Abbildung bei Blockmans, Geschichte, S. 78f. Heraldische Symbolik als Organisationsprinzip und Tra¨ger von Ehre und Staatlichkeit, wie hier an einem Beispiel von 1242 disku-

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Zuschauer auf den visuellen Eindruck der mit Fahnen und Flaggen geschmu¨ckten Schiffe a¨hneln denen der Venezianer des Jahres 1268. Die Zielsetzung des Schauspiels war jedoch grundverschieden. Die beiden grundlegenden Bedeutungskomplexe der Fahneninvestitur und des triumphalen Zeigens der Fahne begegnen hier erneut in der kommunalen Wehrordnung und Kriegfu¨hrung. So wurden die Medien, bei deren Anblick die eigenen Leute Hochgefu¨hle empfanden, mit symbolischen Gesten gegen die Pisaner gerichtet. Konnte man mit der vor dem Feind gezeigten eigenen Wappenfahne seine Ehre erho¨hen, so brachte die Zurschaustellung des gleichen, vom Gegner erbeuteten Mediums als Tropha¨e ebenfalls Ehre und dem Gegner Schande ein. Gema¨ß dieser Logik stellten die siegreich heimgekehrten Genuesen eine eroberte Galiote mitsamt ihrer Beflaggung mit der blutroten Fahne Pisas auf dem Markplatz auf61. ¨ hnlich verfuhr man in Ober- und Mittelitalien mit dem eroberten CarA roccio des Gegners62. Die Wehrordnung der Genueser Flotte des Jahres 1242, in der der Annalist Neuerungen beobachtete, vereinte also ein ganzes Ensemble von ¨ ußeres und heraldischen und paraheraldischen Zeichen, die u¨ber ihr A u¨ber die Symbolakte, in denen sie installiert worden waren, Binnenkommunikation herstellten und auf mehrere Legitimationsgru¨nde des Kriegszuges verwiesen. Ihr Gebrauch war geradezu propagandistisch. Dazu geho¨rten die gleichermaßen schriftgestu¨tzten wie symbolisch vollzogenen kommunalen Verfahren, aus denen Funktionstra¨ger hervorgingen und in denen Verba¨nde konstituiert wurden. Der hohen Stellenwert, den heraldische Fahnen in ihnen hatten, zeigt sich schon daran, daß die Kapita¨ne der Galeeren auch ‚Bannertra¨ger‘ genannt wurden. Heraldische Symbolik geho¨rte außerdem zur Umsetzung eines vo¨lkerrechtlichen Vertrages, der sich des neuen Mediums bediente63. Ein nicht hintergehbarer Legitimationsgrund, den die Kreuznahme verpflichtend anzeigte, war der tiert, findet sich demnach auch zweihundert Jahre spa¨ter noch in a¨hnlichen Formen und Funktionen im Seekrieg des Mittelmeeres. 61 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 130: unam tamen galiotam Pisanorum armatam cum multis Pisanis acceperunt, eosque ligatos aduxerunt; et galiotam illam iussit potestas in platea macelli et moduli cum uexillis Pisanorum sanguinolentis que in ea capta fuerunt poni ad dedecus Pisanorum. Vgl. Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 106 und 118. 62 Vgl. Voltmer, Carroccio. 63 In a¨hnlicher Weise verlangte eine ‚multinationale‘ Unternehmung, wie ein Kreuzzug, eine Koordinierung, die sich der neuen Zeichensprache bediente. So beschlossen die Anfu¨hrer des Dritten Kreuzzuges auf der Zusammenkunft von Gisors im Jahre 1188, daß die Franzosen rote Kreuze, die Engla¨nder weiße und die Flamen gru¨ne tragen sollten; Erdmann, Fahnen, S. 37f.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Wille Gottes. Daher verwundert es nicht, in den Genueser Annalen zu lesen, daß die siegreiche Flotte unter Blitz und Donner wieder in ihren Heimathafen einlief64.

4.2.2 Der Secondo Popolo von Florenz Nach dem 1280 durch den Kardinal Latino vermittelten Friedensschluß zwischen Guelfen und Ghibellinen etablierte sich in Florenz ein Regime unter Beteiligung der Zu¨nfte und des Popolo65. Letzteren gelang es, a¨hnlich wie in anderen Sta¨dten Ober- und Mittelitaliens, im Jahre 1293 als Secondo Popolo die Herrschaft in der Kommune zu u¨bernehmen und u¨ber ¨ mter zu behaupten66. Auf Strukturprobleme der komneu geschaffene A munalen Gesellschaft, wie das andauernde, aus Magnaten- und Parteienka¨mpfen entstehende innersta¨dtische Gewaltpotential, reagierten die kommunalen Gremien mit einer fortschreitenden Gesetzgebung, deren Ho¨hepunkt die ‚Ordinamenta Iustitie‘, die ‚Ordnungen der Gerechtigkeit‘ von 1293, darstellen. Ein Hauptgegenstand dieser zwischen 1281 und 1325 erlassenen und u¨berarbeiteten Gesetze war die Aufstellung bewaffneter Einheiten des Popolo, die im Falle eines Aufruhrs den Stadtfrieden sichern, die Signoria schu¨tzen, sowie ihre Sanktionen gegen Magnaten mit Waffengewalt durchsetzen sollten. Das besonders gut dokumentierte Florentiner Beispiel zeigt ein sta¨ndiges Experimentieren mit der Organisation dieser Kompanien, von der insbesondere ihr heraldisches Erscheinungsbild betroffen war. An ihm la¨ßt sich verfolgen, wie kommunale Gremien in mehreren Schritten ein heraldisches System entwarfen, das auf seinen Handlungsrahmen zugeschnitten war. Daß seine Vera¨nderungen sowohl pragmatisch wie auch ideologisch motiviert waren, unterstreicht den multifunktionalen Charakter heraldischer Symbolik. Am 9. Juli 1281 beschloss der Große Rat der Kommune die Aufstellung einer tausend Mann starken Truppe zur bewaffneten Unterstu¨tzung von Podesta` und Capitano del Popolo67. Sie sollte sich aus sechs Kompanien, aufgeteilt nach den Sesti des Florentiner Stadtgebietes, zusam64 Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL, S. 132. 65 Die klassische Gesamtdarstellung des Florentiner Mittelalters erza¨hlt Davidsohn, Geschichte. Neuere Analysen des politischen Systems bieten Brucker, Politics; Najemy, Corporatism; Ders., History; De Rosa, Alle origini. 66 Ordinamenti di giustizia fiorentini. Studi in occasione del VII centenario; vgl. Artifoni, Governi. 67 Das Folgende nach: Le leggi del luglio 1281; Carlo di Tommaso Strozzi, Del Governo della citta` di Firenze.

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mensetzen. Jedes Jahr im Ma¨rz, also zum Florentiner Jahreswechsel, sollten die an ihrer Spitze stehenden Gonfalonieri in publico parlamento in der alten Domkirche Santa Reparata mit ihren Fahnen investiert werden. Dies mu¨sse im Beisein der Tausend geschehen, die, wie ihre Bannertra¨ger, vereidigt wu¨rden. Das Ratskollegium der Vierzehn, dem man die weitere Organisation dieser Miliz u¨bertragen hatte, gab ihr am 26. Juli eine Ordnung. Diese Quelle ist nicht allein wegen ihrer Detailinformationen bemerkenswert. Die Ratsherren von 1281 erla¨utern in ihr na¨mlich auch ihr Vorgehen zur Schaffung eines heraldischen Zeichensystems. Dafu¨r griffen sie mit der rot und weiß gespaltenen Fahne des Florentiner Carroccio und den Schildfiguren aus den Wappen der Sesti auf bestehende heraldische Zeichen zuru¨ck68. Durch die Wahl der Stadtfarben wurde die Zugeho¨rigkeit aller Kompanien zur selben Truppe angezeigt. Damit sie richtig ‚funktionieren‘ konnte, mußte jede Fahne außerdem individuell als Fahne ihres Sesto, wie auch als Teil des einem der beiden Amtstra¨ger unterstellten Verbandes erkennbar sein. Die Vierzehn lo¨sten das Problem, indem sie den Sesti Oltrarno, Borgo und San Pancrazio, deren Kompanien dem Capitano del Popolo unterstanden, weiß und rot geteilte Fahnen, Por San Piero, Porta del Duomo und San Piero Scheraggio dagegen, die dem Podesta` folgten, rot und weiß geteilte Fahnen gaben. In die obere Ha¨lfte jeder Fahne war die insignia des jeweiligen Sesto, also etwa der schwarze Ziegenbock von Borgo oder die beiden gelben Schlu¨ssel von Por San Piero, zu setzen. Jeder der Tausend hatte dieses neue Wappen seiner Kompanie nach seiner Vereidigung auf seinen Helm und seine Pavese malen zu lassen. Die Zuordnung zu den beiden Spitzen des Stadtregimentes wurde nach dem Willen der Vierzehn auch im ja¨hrlichen Einsetzungs-

68 Die Wappen der Sesti nennt und erkla¨rt Giovanni Villani, Nuova Cronica, IV 2, Bd. 1, S. 149: E la citta` era partita in quartieri, cio` sono le dette quattro porte; ma poi quando si crebbe la citta`, si reco`e a sei sesti, siccome numero perfetto, che s’agiunse il sesto d’Oltrarno dapoi che s’abito`; e disfatta la porta di Santa Maria, si levo` il nome, e si divise come vae la mastra strada; e dall’una parte si fece il sesto di San Piero Scheraggio, e dall’altra parte quello di Borgo; ed alle tre prime parti rimase il nome di sesti, siccome hanno infino a’ nostri tempi. E feciono capo il sesto d’Oltrarno, accio` che andasse in oste colla ’nsegna del ponte, e poi San Piero Scheraggio colla ’nsegna del carroccio, il quale carroccio di marmi fu recato da Fiesole, ed e` nella fronte della detta chiesa di San Piero; e poi Borgo colla insegna del becco, impercio` che in quello sesto stavano tutti i beccari e di loro mestiere, e erano a que’ tempi molto innanzi nella citta`; San Brancazio appresso colla insegna della branca di leone, per lo nome; e porta del Duomo apresso colla insegna del Duomo; e porta San Piero da sezzo colla insegna delle chiavi. E dove fu de’ primi sesti abitati in Firenze, fu messo a l’andare dell’oste a la dietroguardia impercio` che in quello sesto sempre aveva la migliore cavalleria e gente d’arme della citta` anticamente. Vgl. Brucker, Florence, S. 8f., und dazu Fumi Cambi Gado, Stemmi, S. XXXXVII.

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ritual der Truppe sichtbar, in dem Capitano und Podesta` die Bannertra¨ger ¨ bergabe der Fahnen in ihr Amt einwiesen. durch U Ein Jahrzehnt spa¨ter ließ man mit dem erwa¨hnten politischen Wechsel dieses System zugunsten eines anderen fallen, das die ‚Ordinamenta Iustitie‘ festschrieben. Die im zweimonatigen Turnus wechselnde Signoria besetzten nun die Zunft-Prioren und der Gonfaloniere della Giustizia. Zu diesem neuen Amt wurde auch eine neue Fahne fu¨r den gesamten Popolo geschaffen, die der ‚Bannertra¨ger der Gerechtigkeit‘ erhielt: ‚Und besagter Bannertra¨ger hat zu fu¨hren und bei sich zu bewahren im Haus der Herren Prioren eine große Fahne aus guter und fester weißer Seide, mit einem großen roten Kreuz in der Mitte, das sich u¨ber die ganze Fahne erstreckt.‘69 Die Fußsoldaten des Popolo, tutti armati con la detta insegna o arme, mußten ihre Waffen nun mit diesem neuen Kreuzwappen bemalen70. Es griff wie seine Vorga¨nger die Stadtfarben auf, ging meines Erachtens aber auch auf die Kreuzfahnen zuru¨ck, mit denen Petrus Martyr 1244 die Capitani der von ihm gegru¨ndeten societas fidei, der spa¨teren Compagnia Maggiore della Vergine Maria, investiert hatte. Diese Fahnen zeigen in Weiß ein durchgehendes rotes Kreuz mit einem roten Stern in der rechten oberen Ecke. Der spa¨ter heiliggesprochene Dominikaner hatte in Florenz, wie auch in anderen Sta¨dten, Bruderschaften gegru¨ndet und mit Kreuzfahnen ausgestattet. Die Crucesignati Militiae Iesu Christi sollten nicht zuletzt mit Hilfe dieser Medien den o¨ffentlichen Raum gegenu¨ber den

69 Ordinamenta Iustitie, S. 392: Et debeat habere dictus Vexillifer et secum tenere in domo dominorum Priorum quoddam magnum Vexillum de bono et solido zendado albo cum una cruce magna rubea in medio per totum Vexillum extensa. Zu dem ab 1299 entstandenen Palast der Signoria, seiner Waffenkammer und seiner heraldischen Ausschmu¨ckung siehe Rubinstein, Palazzo Vecchio. 70 Vgl. La cronica di Dino Compagni, I 11, S. 32. Daß eine u¨bereinstimmende Bemalung verschiedener Medien mit demselben Wappen auch außerhalb Italiens mo¨glich war oder zumindest gedacht werden konnte, zeigt das Beispiel des Deutschen Ordens; Exordium ordinis Cruciferorum, S. 292: imperator [Friedrich II., d. Verf.] contulit ei [dem Hochmeister, d. Verf.] usum signi sui in galea, vexillo et clipeo et plures alias dignitates. Der Chronist von Oliva u¨bersetzte hier Nikolaus von Jeroschin, V. 1181f.: der keisir in vorleˆnte daz daz er sold an banıˆre an waˆpin, an zimıˆre vuˆrin des rıˆchis zeichin; Perlbach, Chronik, S. 15. Es handelt sich also eher um die ehrende Auszeichnung eines Einzelnen, vergleichbar einer Wappenmehrung oder -verbesserung. Allerdings heißt es, ebenda S. 291, u¨ber den Orden: habitus autem album pallium cum nigra cruce. Daß die Ordensritter solcherart uniformiert wahrgenommen wurden, belegt ihr polnischer Name „Kreuzritter“. Vgl. Galbreath – Je´quier, Handbuch, S. 205; Ekdahl, „Banderia Prutenorum“, Abb. 1–3, S. 168–173; Zur uniformen Bemalung der Waffen wa¨hrend der Kreuzzu¨ge, wie sie unter anderem Bernhard von Clairvaux empfohlen hatte, siehe Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, bes. S. 62f.

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Katharern und anderen Ha¨retikern dominieren71. Diese paraheraldischen Inszenierungen der Mendikanten und anderer Religiosen – von Bernardino da Siena wird in der Schlußzusammenfassung die Rede sein – scheinen ein Pha¨nomen zu sein, das sich in Beru¨hrung mit dem sta¨dtischen Wappenwesen entwickelte und vor allem der Ikonographie des Popolo zahlreiche Impulse gab. In Florenz kam es am Bartholoma¨ustag des Jahres 1245 sogar zu einer Konfrontation zwischen den von den Dominikanern mobilisierten Rechtgla¨ubigen und den bewaffneten Kra¨ften des Podesta`, der ein Kompetenzenstreit zwischen dem Inquisitor Rogerius Calcagni und dem Podesta` Pace Pesamigola aus Bergamo vorausgegangen war. Der ghibellinische Podesta` fu¨hrte die durch Glockenklang unter seine Fahne gerufenen Streitkra¨fte geordnet gegen die im Dom versammelten Mitglieder der societas fidei, die sich inzwischen mit den Anha¨ngern der von ihnen verfolgten, zur Florentiner Oberschicht geho¨renden Ha¨retiker eine Schlacht auf dem Kirchhof von Santa Reparata lieferten. Die hier im Konflikt angetroffenen Aufgebote von Podesta` und Inquisitor, die sich beide heraldischer Symbolik bedienten, sind als Voraussetzung fu¨r die spa¨teren Organisationsformen des Florentiner Popolo anzusehen72. Neben diesen Entwicklungsstra¨ngen gibt es aber auch Hinweise auf milita¨rische Entwicklungen als Ursachen fu¨r die Ausbildung eines Wappenwesens, fu¨r das Florenz ein charakteristisches Beispiel bietet. Hatte bereits die Ordnung von 1281 bestehende heraldische Zeichen, die im Kontext des sta¨dtischen Heeresaufgebots standen, durch Kombination und Inversion der Farben weiterentwickelt, um die Zugeho¨rigkeit 71 Meersseman, Ordo fraternitatis 2, S. 766–770. Vgl. jetzt Prudlo, Inquisitor, S. 31 und 40–50, bes. S. 48 zur Fahne der Florentiner Gesellschaft. Auf einer Andrea Bonaiuti zugeschriebenen, als Prozessionsbanner fu¨r die Bruderschaft gemalten Tafel ist die Investierung der Capitani mit Kreuzfahnen, die als Beizeichen einen roten Stern im oberen rechten Kreuzwinkel tragen, als eine Episode aus dem Leben des Heiligen dargestellt; Tripps, Tendencies, S. 152–157; Dehmer, Bruderschaftsbanner, S. 106 mit Abb. 30. 72 Geschildert werden die Ereignisse des 24. August 1245 in einem auf dem neuen (Predigt-)Platz vor Santa Maria Novella im Namen von Bischof und Inquisitor ausgestellten Notariatsinstrument, das auch Petrus Martyr bezeugte; Documenti dell’antica costituzione del Comune di Firenze, Nr. 104, S. 488ff., hier S. 489: et tandem invenimus eos periuros contumaces et addentes mala malis et scellera scelleribus cumulantes, armata manu implorato auxilio potestatis Florentie fautoris hereticorum vocatis exbannitis pulsata campana comunis extento vexillo equis falleretis cum balistis sagittis et arcu nobis se publice opposuerunt, pugnando contra nos et societatem fidei quam dominus papa suo privilegio confirmavit et sub protectione Romane ecclesie recepit; et quod violaverunt cimiterium maioris ecclesie, vulnerando et occidendo fidelis intrando ecclesiam cum armis fugando spoliando et vulnerando eos qui vocati a nobis ad predicationem venerant audituri que contra potestatem dicenda erant. Vgl. zum Zusammenhang Davidsohn, Geschichte 2/1, S. 294–310; Prudlo, Inquisitor, S. 47ff.

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der einzelnen Abteilungen zu einem Gesamtverband sichtbar zu machen, so verschob sich mit dem nach 1293 getragenen Wappenbild der Schwerpunkt in Richtung eines uniform wirkenden Erscheinungsbildes. Dieser visuelle Eindruck wiederum war Teil einer sich in Florenz, wie auch in anderen Kommunen seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert vollziehenden milita¨rischen Entwicklung: man setzte massiert schwere Infanterie, vor allem pavesarii und Armbrustschu¨tzen, ein, deren einzelne Einheiten einheitlich bewaffnet und heraldisch bezeichnet waren73. Ihre wohl eindru¨cklichste, wenn auch erst im fru¨hen 15. Jahrhundert ¨ berlieferung haben diese neuen Formaentstandene Aufnahme in die U tionen und die heraldische Uniformita¨t ihres Erscheinungsbildes im Bildercodex von Giovanni Sercambis Luccheser Chronik gefunden74. Das Pha¨nomen begegnet jedoch bereits in der theoretischen Literatur und der Geschichtsschreibung seiner Entstehungszeit75. Seine Wirkung veranschaulicht beispielsweise eine Episode aus der Schlacht von Campaldino am 11. Juni 1289. Als na¨mlich der ghibellinische Heerfu¨hrer Guglielmo de’ Ubertini, Arezzos ebenso kriegerischer wie kurzsichtiger Bischof, die Linien des Florentiner Fußvolks bemerkte, hielt er sie zuna¨chst fu¨r ¨ hnliches la¨ßt sich in der Malerei des Trecento beobgetu¨nchte Mauern76. A achten, deren „Erza¨hlrealismus“ selbstversta¨ndlich nicht mit einer photographischen Wiedergabe der Wirklichkeit verwechselt werden darf77. Allerdings scheint das angesprochene Pha¨nomen meiner Ansicht nach zu den Elementen aus der kommunal gepra¨gten Lebenswelt zu geho¨ren, die von der sich im selben Zeitraum wandelnden Malerei aufgegriffen und in allegorisierender Verdichtung ins Bild gesetzt wurden. So findet es sich in den kurz vor Anbruch des Anno santo entstandenen Fresken der Franzis73 Waley, Army, S. 97f. Fu¨r Siena siehe Bowsky, Commune, S. 125–130; Norman, Siena, S. 13. Vgl. Heers, Parties, S. 286–290, der auf die hier untersuchten Formationen nicht eingeht. 74 Giovanni Sercambi, Le illustrazioni delle Croniche nel codice Lucchese. 75 So im ‚Pulcher tractatus de materia belli‘; Pichler (Hg.), Der pulcher tractatus, S. 60: Aliud est commune signum, ut omnes videlicet habeant, quid commune depictum vel consutum super clipeo, galea, lancea vel armatura exteriori, quo quidem amicus ab inimico discernitur. [...] Sunt etiam alia signa, ut vexilla et signa, que in vexillis sunt, ut aquile, leones et huiusmodi. Sed inter hec est vexillum commune, quod totus exercitus comitatur. 76 La cronica di Dino Compagni, I 10, 25f.: Mossono le insegne al giorno ordinato i Fiorentini, per andare in terra di nimici [...] E giunsono presso a Bibbiena, a uno luogo si chiama Campaldino, dove erano i nimici: e quivi si fermorono, e feciono una schiera. I capitani della guerra misono i feditori alla fronte della schiera; e i palvesi, col campo bianco e giglio vermiglio, furono attelati dinanzi. Allora il Vescovo, che avea corta vista, domando`: „Quelle, che mura sono?“. Fugli risposto: „I palvesi de’ nimici“. 77 Belting, Oberkirche, S. 81. Vgl. Dens., Bild; Gardner, City; Burke, Augenzeugenschaft.

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kus-Legende im Langhaus der Oberkirche von San Francesco in Assisi, die sich wiederum an der Narrativik eines Textes, Bonaventuras ‚Legenda maior Sancti Francisci‘ von 1261, orientieren78. Die dritte Szene dieses Zyklus zeigt das Traumgesicht des palatium speciosum et magnum cum militaribus armis crucis Christi signaculo insignitis, den Gott dem auf seine weltliche Ritterschaft verzichtenden Heiligen und seinen Gefa¨hrten zugedacht habe79. In der Erza¨hlstruktur der Szenenfolge an der Nordwand des ersten Joches korrespondiert dieser himmlische Palast mit einem in der ersten Szene dargestellten weltlichen Palast, dessen Entsprechung in der Wirklichkeit jedem Betrachter versta¨ndlich gewesen sein du¨rfte: Es handelte sich um den Kommunalpalast von Assisi, zu dessen Baukomplex die Torre del Popolo geho¨rte. Wappengeschmu¨ckt und seine Glocke tragend ist der Turm im Bild als charakteristisches Herrschaftszeichen der Kommune zu erkennen80. Die im anderen, getra¨umten Turm zur Schau gestellten Waffen, weisen nun gerade die Eigenschaften auf, die die Waffen in den Waffenkammern der Kommunalpala¨ste kennzeichneten. Die Helme und Schilde, die der Betrachter durch die Fenster der beiden oberen Geschosse sieht, sind rot bemalt und tragen ein durchgehendes weißes Kreuz. Das gleiche Wappenbild zeigen auch die Schilde und hochrechteckigen Fahnen, die außen am Gesims aufgesteckt sind. Daru¨ber hinaus liegen unter dem Vordach des zweiten Geschosses Harnische oder Waffenro¨cke, die das Wappen in verkehrten Farben, also ein rotes Kreuz in Weiß, zeigen. Daß die Waffen mit dem Kreuzzeichen zu bezeichnen waren, war den Malern der die Fresken ausfu¨hrenden Werkstatt, die wahrscheinlich von dem Florentiner Giotto angeleitet wurden, durch die Erza¨hlung des Ordensgenerals vorgegeben worden. In ihrer Umsetzung dieses Traumbildes orientierten sie sich meines Erachtens an der Uniformita¨t von Waffen aus ihrer Lebenswelt, die sie als ‚Serienprodukte‘ von Waffentypen mit gleicher heraldischer Bemalung darstellten. Schließlich waren sie es ja auch, die im Auftrag der Kommune reale Schilde, Helme und Fahnen mit Wappen bemalten81. Etwa zwei Generationen nach dem Franziskus-Zyklus in Assisi entstand in Florenz ein Wandgema¨lde, das an die am Annentag des Jahres 1343 begonnene Vertreibung von Gautier de Brienne erinnert. In a¨hnli78 79 80 81

Das Folgende nach Wolff, Franziskus, S. 228–302, bes. S. 260ff. mit Abb. 4. Das Zitat aus der ‚Legenda maior‘ ebenda, S. 261. Vgl. Bordone, Campane. Am Beispiel San Gimignanos Davidsohn, Forschungen 2, S. 310f.; vgl. zur a¨hnlich vielseitigen Ausmalung des Prateser Kommunalpalastes Mannini, Stemmi, S. 15. Vgl. zu den dabei zu beachtenden ‚feinen Unterschieden‘ Weber, Formation, S. 53f. Siehe auch oben Kapitel 3.5.2.

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cher Weise wie der lange vor ihm berufene Kardinal von Prato, war dieser Titularherzog von Athen im Jahr 1342 als Friedensstifter und Stadtherr auf Zeit an den Arno geholt worden. Gautiers Ziel war jedoch die unbeschra¨nkte Signorie, die er sich im September dieses Jahres durch die handstreichartige Besetzung des Kommunalpalastes zuna¨chst sicherte. Dabei zerrissen einige Florentiner Magnaten seines Gefolges den Codex der ‚Ordnungen der Gerechtigkeit‘ sowie den gonfalone della giustizia82. Sinnbild der neuen Ordnung sollte auch ein neues ‚Banner der Gerechtigkeit‘ werden, das der Stadtherr zum Schrecken der ihn bis dahin unterstu¨tzenden Magnaten den nach seinem Willen gewa¨hlten Prioren gab und das sein Wappen mit den Wappen von Kommune und Popolo kombinierte. Zugleich wurde die symbolisch pra¨sente Handlungsmacht des Popolo eingeschra¨nkt, seine Fahnen wurden eingezogen und der charakteristische Glockenklang zur Einberufung der Volksversammlung erto¨nte nicht mehr83. Gleichsam im Gegenzug sammelten sich die aufsta¨ndischen Florentiner am 26. Juli des na¨chsten Jahres mit dem Ruf „Viva il popolo e Comune in sua liberta`, e muoia il duca e’ suoi!“ unter Fahnen mit den Wappen von Popolo und Kommune84. Der von ihnen mit Waffengewalt vertriebene glu¨cklose Gautier de Brienne endete Jahre spa¨ter in einer erneuten Konfrontation mit Fußsoldaten. Als Conne´table de France

82 Giovanni Villani, Nuova Cronica, XIII 3, Bd. 3, S. 298. Im Anschluß erfolgte eine Neuordnung der heraldischen Symbolik von Florenz gema¨ß der Intentionen der Signorie. 83 Giovanni Villani, Nuova Cronica, XIII 8, Bd. 3, S. 308f.: A dı` XV d’ottobre il duca fece nuovi priori, i piu` artefici minuti, e mischiati di quelli che loro antichi erano stati Ghibellini; e die` loro un gonfalone di giustizia cosı` fatto di tre insegne, cio` fu di costa all’asta l’arme del Comune, il campo bianco e ’l giglio rosso; e apresso in mezzo la sua il campo azurro biliottato col leone ad oro, e al collo del leone uno scudetto dell’arme del popolo; apresso l’arme del popolo il campo bianco e·lla croce vermiglia, e di sopra il rastrello del re; e mise i priori nel palagetto ove prima stava l’esegutore in sulla piazza con poco uficio e minore balı`a, se non il nome, e sanza sonare le campane a martello o congregare il popolo, com’era usanza. Del detto nuovo e disimulato gonfalone i grandi ch’avieno fatto signore il duca e crediansi ch’al tutto il duca annullasse il popolo in detto e in fatto, come avea promesso loro, si turbarono forte, e massimamente perche´ in que’ dı` fece condannare subitamente uno de’ Bardi in Vc fiorini d’oro o nella mano, perch’avea stretta la gola a uno suo vicino popolano che·lli dicea villania. E cosı` puttaneggiava e disimulava il duca co’ cittadini, togliendo ogni baldanza a’ grandi che·ll’aveano fatto signore, e togliendo la liberta` e ogni balı`a e uficio, altro che ’l nome de’ priori, e al popolo; e casso` l’uficio di gonfalonieri delle compagnie del popolo, e tolse loro i gonfaloni, e ogni altro ordine e uficiali di popolo casso`. 84 Giovanni Villani, Nuova Cronica, XIII 17, Bd. 3, S. 335. Bereits im Oktober 1343 wurden die von Gautier de Brienne aufgehobenen ‚Ordinamenta‘ wieder in Kraft gesetzt; Brucker, Politics, S. 114, vgl. S. 7f.

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Anfu¨hrer des ersten Treffens der franzo¨sischen Ritterschaft, fiel er im englischen Pfeilhagel in der Schlacht von Poitiers85. Das nur fragmentarisch erhaltene Fresko aus den Stinche, dem Florentiner Gefa¨ngnis, aus dem am 26. Juli die politischen Gefangenen des Signoren befreit worden waren, verdichtet die damaligen Ereignisse zusammen mit in die Zukunft wirkenden Idealvorstellungen zu einem allegorischen Bild der Kommune86. Sein Bezugspunkt im Jahreslauf der Stadtgemeinde war der seit 1343 als Hochfest begangene Annentag87. In der Gegenu¨berstellung von siegreicher Popolo-Kommune und dem Mal Governo des Herzogs, wird ein ganzes Inventar von civilia signa sichtbar, von denen viele Wappen tragen88. Das Maßwerk in den Fenstern des dargestellten Kommunalpalastes, das von Engeln gehaltene Tuch hinter der heiligen Anna und schließlich die Waffenro¨cke und Fahnen der Florentiner bilden zusammengenommen ein Ensemble der Wappen ab, die in der zweiten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts das politische System der Kommune Florenz repra¨sentierten. Mit Blick auf die ‚Ordnungen der Gerechtigkeit‘ und den Vergleich mit dem a¨lteren Fresko aus Assisi sind zwei Aspekte hervorzuheben: Daß die Tagesheilige die Bu¨rgerschaft mit ihren Fahnen investiert, verweist auf die in regelma¨ßigen Absta¨nden rituell vollzogene Fahnenvergabe an die kommunalen Amtstra¨ger. Die Bewaffneten zur Rechten der Heiligen entsprechen dem Typus des popolanen Fußsoldaten. Die kniend dargestellte vordere Reihe ist mit Schwertern und Schilden bewaffnet und tra¨gt weiße Waffenro¨cke mit dem roten Kreuz. Das Bild vermittelt so einen Eindruck von der Uniformita¨t des Florentiner Popolo in Waffen. Diese vormoderne Uniformita¨t diente jedoch nicht nur der Organisation und der Steigerung des schlagkra¨ftigen Eindrucks der Truppen im Kampf, sie war ebenso ideologisch motiviert89.

85 Vgl. Weber, Sprache, S. 546f. 86 Malerei und Stadtkultur, Tafel VII. 87 Giovanni Villani, Nuova Cronica, XIII 17, Bd. 3, S. 341f.: E nota che come il detto duca occupo` con frode e tradigione la liberta` della republica di Firenze il dı` di nostra Donna di settembre, non guardando sua reverenza, quasi per vendetta divina cosı` permisse Iddio che i franchi cittadini con armata mano la raquistassono il dı` di sua madre madonna santa Anna, dı` XXVI di luglio MCCCXLIII; per la qual grazia s’ordino` per lo Comune che·lla festa di santa Anna si guardasse come pasqua sempre in Firenze, e si celebrasse solenne uficio e grande oferta per lo Comune e per tutte l’arti di Firenze. Vgl. Heers, Parties, S. 282ff.; Trexler, Life, S. 222. Die Votivkapelle der heiligen Anna ließ die Kommune bei Orsanmichele bauen; siehe unten Kapitel 4.4. 88 Vgl. Edgerton, Pictures, S. 41f. mit Abb. 8. Zu Fu¨ßen der heiligen Anna liegt allerdings nicht der „prostrate escutcheon“, sondern, mit zerbrochenem Schaft, das Wappenbanner des weichenden Herzogs von Athen. Vgl. oben Kapitel 3.6. 89 Im Sinn von Keller, Aufhebung.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Die gema¨ß der ‚Ordnungen der Gerechtigkeit‘ gebildeten Kompanien sollten wie ihre Vorla¨ufer zum Schutz des Popolo in der Stadt eingesetzt werden. Ihre heraldische Bezeichnung, die sich in erster Linie an die Florentiner selbst richtete, appellierte im Kontext der fu¨r das 13. Jahrhundert charakteristischen Strukturprobleme der Kommune an bestehende Sinnzusammenha¨nge, die wir bereits am Beispiel der Maila¨nder Fahne fu¨r Tortona beobachten konnten. Die Tingierung und die Figur des fu¨r den Popolo als politische Gro¨ße angenommenen Wappens verwiesen auf Christus, in dessen Namen die Stadt zu regieren sei90. Das Kreuz Christi im Wappen evozierte Wertvorstellungen wie Frieden und Gerechtigkeit, die universell, aber gerade auch in bezug auf die sta¨dtische Gemeinschaft aufgefaßt wurden. Sie bezeichneten die politischen Ziele der Herrschaft des Volkes in der Kommune, zu deren Durchsetzung die ‚Ordinamenta‘ erlassen worden waren: ut Populares civitatis Florentie in eorum iustitia et tranquillitate conserventur et crescant et in ea aliquatenus non ledantur, quod quidem ad comune bonum totius civitatis noscitur pertinere91. Eine solche Durchsetzung von Bedeutungszusammenha¨ngen und Identifikationsangeboten mit Hilfe schriftgestu¨tzter Verfahren wird bereits im oben betrachteten Brief der Maila¨nder von 1155 faßbar. Im Fall der Statutengesetzgebung des Florentiner Popolo la¨ßt sich sogar eine weitreichendere Gleichsetzung von verschrifteter, fu¨r die gesamte Kommune verbindlicher Rechtsordnung und heraldischem Symbol beobachten. Eindru¨cklich vor Augen fu¨hrt dies die Miniatur in einer Initiale aus einem im ausgehenden 14. Jahrhundert entstandenen Bildercodex von Giovanni Villanis ‚Nuova Cronica‘: Sie zeigt den Gonfaloniere della Giustizia, der in der Linken das Kreuzbanner des Popolo und in der Rechten den Statutencodex der ‚Ordinamenta‘ ha¨lt, der selbst zum heraldischen Medium geworden ist: Seine ganze Vorder-

90 So der erste Satz der Ordinamenta Iustitie, S. 384. In diesem Sinne spa¨ter auch bei Salutati; Epistolario di Coluccio Salutati, 4,1, XIV 18, S. 120–125. Das Kreuz als Wappenbild des Popolo findet sich bereits fru¨her in Parma und in Bologna. In Parma existierte 1266 eine societas crusatorum, deren capitaneus zusammen mit anderen, teils popolaren Amtstra¨gern das Stadtregiment ausu¨bte; Chronicon Parmense, S. 25, mit Verweis auf die Kommunalstatuten. In Bologna hatte der Popolo 1271 eine 400 Mann starke societas iustitie gebildet, die die Stadt vor einem rumor der nobiles schu¨tzen sollte. Durch ihre am 29. Mai 1279 durch Papst Nikolaus III. verku¨ndete Auflo¨sung wissen wir von der Existenz einer wohl 1274 gebildeten societas crucis. Vgl. Hessel, Geschichte, S. 507 und 517; Carniello, Rise, S. 328f.; siehe oben Kapitel 3.6. 91 Ordinamenta Iustitie, Rubr. 30, S. 416. Vgl. Vallerani, Mouvement, bes. S. 316, 334ff. und 343–351.

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seite tra¨gt wie ein Wappenschild ebenfalls das Wappen des Popolo92. (Taf. 5) Demonstrativ zur Friedensstiftung und Sichtbarmachung der Stadtherrschaft eingesetzt wurde der Komplex von statutarisch verschrifteter und symbolisch gezeigter Ordnung des Popolo im Fru¨hjahr 1304, als der Kardinallegat Niccolo` da Prato in Florenz einzog, um die sich beka¨mpfenden Parteien am Arno, wie auch in der u¨brigen Toscana, zu verso¨hnen93. Um diese Aufgabe meistern zu ko¨nnen, u¨bertrugen ihm die Florentiner die Stadtherrschaft auf Zeit, als durch Eid beschworene generalis bailia et potestas, und brachten dies in den typischen symbolischen Formen der Kommune zum Ausdruck94: Bei seinem vorangegangenen Adventus in die Stadt hatte ihn das Volk, Olivenzweige tragend und den Carroccio mitfu¨hrend, eingeholt. Auch erhielt er eine eigens eingekleidete Schutztruppe95. Als Stadtherr im Auftrag von Papst, Kommune und Popolo agierte der Kardinal dann am 19. April 1304 in einer auf dem Platz vor Santa Croce einberufenen o¨ffentlichen Volksversammlung. In Gegenwart von Podesta`, Capitano del Popolo, Gonfaloniere und Prioren approbierte er die ‚Ordinamenta‘ und investierte anschließend die Bannertra¨ger der Kompanien mit ihren Fahnen96. Eine Woche darauf, am 26. April, verso¨hnte Niccolo` da Prato kurz vor dem Auslaufen seiner ersten balı`a in einer o¨ffentlichen Zeremonie auf dem Platz vor Santa Maria Novella zahlreiche verfeindete Familien. Wa¨hrend in der Stadt anschließend Freudenfeuer brannten, feierten die Kompanien des Popolo den Friedensschluß mit einer Parade unter ihren Fahnen auf dem Platz, auf dem sie sie aus der Hand des Legaten empfangen hatten97. 92 Citta` del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Codex Chigianus L. VIII. 296, fol. 152v. Vgl. Magnani, La cronaca, S. 32 und Tav. III; Offner, Fourteenth Century, S. 234, sowie jetzt auch: Il Villani illustrato, S. 186. 93 La cronica di Dino Compagni, III 1, S. 167: paciaro in Toscana. 94 Consigli della Repubblica Fiorentina 1, S. 138f., der nach dem Einzug des Kardinals gefa¨llte Ratsbeschluß vom 17. Ma¨rz 1304. Vgl. dazu La cronica di Dino Compagni, III 4, S. 173: E posato in Firenze alcun dı`, trovando i cittadini molto divisi, domando` balı`a dal popolo di potere constrignere i cittadini a pace; la quale li fu concessa perfino a calendi maggio 1304, e poi prolungata per uno anno. 95 Paolino Pieri, Cronica, S. 78: A costui fecero li Fiorentini molto grande onore, & trasserli incontro il Carroccio, e fecero armeggiatori vestiti a zendado, & diederli la Segnoria a suo senno alta e bassa. Vgl. La cronica di Dino Compagni, III 4, S. 173. 96 Consigli della Repubblica Fiorentina 1, S. 142; La cronica di Dino Compagni, III 4, S. 174. Vgl. Coleman, Assemblies. 97 La cronica di Dino Compagni, III 4, S. 174f.: Andavano le compagnie del popolo, faccendo gran festa sotto il nome del Cardinale, con le ’nsegne avute da lui sulla piaza di Santa Croce. Zu Freudenfeuern im Kontext von Friedensschlu¨ssen siehe Offenstadt, Rituals, S. 97ff.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Eine Episode aus den nach dem kurzlebigen Frieden erneut aufflackernden Parteika¨mpfen kann anhand einer einmalig gewa¨hlten Inszenierung verdeutlichen, wie mittels heraldischer Symbolik an die fu¨r die ganze Kommune verbindliche Werteordnung appelliert wurde, um ein politisches Ziel zu erreichen. Berichtet wird sie lediglich von einer Quelle, der Chronik des Dino Compagni, dafu¨r allerdings mit dem Quellenwert eines Augenzeugenberichts. Am 20. Juli 1304 erschien ein Teil der aus Florenz verbannten weißen Guelfen und Ghibellinen vor der Stadt, um ihre Wiederaufnahme zu bewirken. Die von Baschiera della Tosa angefu¨hrte Streitmacht drang in die no¨rdlichen Vorsta¨dte ein, unternahm jedoch zuna¨chst keinen Angriff auf die Tore des zweiten Mauerrings, sondern stellte sich im Garten des Bischofs in einer geschlossenen Formation so auf, daß sie von der Stadt aus gesehen werden konnte. Reiter und Fußsoldaten trugen weiße Waffenro¨cke „und hatten die weißen Banner ent¨ lzweigen und nackte Schwerter, riefen und faltet und hatten Kra¨nze aus O sprachen: ‚Friede‘, ohne daß sie irgendeinem Gewalt antaten oder raubten. Sehr scho¨n waren sie anzusehen, wie sie geschart dastanden mit den Zeichen des Friedens. Die Hitze war groß, also, daß es schien, als brennte die Luft.“98 Der letzte Satz des Chronisten, der auf die Bibelstelle anspielt, die dieser Inszenierung zugrunde lag, deutet bereits das Scheitern des Unternehmens an. Wa¨hrend die weiß gewandete und Palmzweige tragende Vo¨lkerschar im Buch der Offenbarung (Apk 7, 9–17) von ihren Mu¨hen erlo¨st und der Glut der Sonne nicht mehr ausgesetzt sein wird, endete der Versuch der verbannten Florentiner und ihrer Verbu¨ndeten, an diesem heißen Sommertag zuna¨chst friedlich, dann jedoch mit Gewalt wieder in die Stadt zu gelangen, in chaotischen Straßenka¨mpfen und schließlich in Niederlage und Ru¨ckzug. Mit ihrer Inszenierung im Bischofsgarten hatten die fuorusciti den Bu¨rgern innerhalb der Mauern, von denen sie sich Unterstu¨tzung erhofften, zuvor eine symbolische Botschaft u¨bermittelt. Sie wollten in ihrer milita¨rischen Pra¨senz nicht als Feinde der in der Stadt herrschenden Partei, sondern in der Rolle von um Aufnahme bittenden Bu¨ßern gesehen werden. Daß sie sich von diesem Anliegen durchaus Erfolg versprechen

98 La cronica di Dino Compagni, III 10, S. 188f.: Vennono da San Gallo, e nel Cafaggio del Vescovo si schierarono, presso a San Marco, e con le insegne bianche spiegate, e con ghirlande d’ulivo, e con le spade ignude, gridando „pace“, senza fare violenza o ruberia a alcuno. Molto fu bello ad verderli, con segno di pace, stando schierati. Il caldo era grande, ¨ bersetzung nach: Chronik des Dino Comsı` che parea che l’area ardesse. Die deutsche U pagni, S. 84.

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konnten, zeigt das bereits erwa¨hnte Beispiel der 1247 nach Parma zuru¨ckkehrenden Partei der Kirche. Die Ritter dieser Partei kamen in Waffen und aus einer soeben gewonnenen Schlacht gegen ihre Mitbu¨rger, hatten dann jedoch vor ihrem Einzug vereinbart, diesen pacifice durchzufu¨hren. Also machten sie in der Stadt gegenu¨ber all denen, die ihnen begegneten, das Kreuzzeichen und baten sie demu¨tig um Wiederaufnahme, die ihnen auch gewa¨hrt wurde99. Die Florentiner steigerten dieses Prinzip, indem sie gar nicht erst unter den umstrittenen Wappen der Kommune oder der ihre Partei anfu¨hrenden Magnaten erschienen, die sofort Gewalt provoziert ha¨tten. Stattdessen griffen sie auf ein biblisches Modell zuru¨ck, das sie, in a¨hnlicher Weise wie die Kompanien des Popolo, mittels der Medialita¨t ihrer Waffenro¨cke und Fahnen gewissermaßen ‚heraldisierten‘100. Indem sie sich so zeichenhaft mit den erlo¨sten Bu¨ßern aus der Offenbarung verglichen, erinnerten die Verbannten an ihren Ausschluß von der Stadtgemeinschaft in all seinen negativen Konsequenzen und appellierten zugleich dafu¨r, im Zeichen des Friedens wieder aufgenommen zu werden. Dies, sowie die Teilhabe an, wenn nicht sogar Herrschaft in der Kommune, waren die politischen Ziele, auf die die fu¨r diesen Tag gewa¨hlten Zeichen der Inszenierung verwiesen. Wie tief der von der civic religion inspirierte Konnex zwischen den gleichen visuellen Zeichen und den mit Bezug auf die Ordnung der Gemeinschaft gedachten Werten in den Ko¨pfen der in kommunal verfaßten Gemeinwesen lebenden Italiener war, zeigt die Bußbewegung der Bianchi, die im Sommer 1399 Ober- und Mittelitalien erfaßte101. Eines 99 Salimbene de Adam, Cronica 1, S. 288: hi qui ad ingrediendum veniebant, occurentibus cancellatis manibus signum crucis faciebant, dicentes: „Amore Dei et beate Virginis matris eius, que in hac civitate est domina nostra, placeat vobis ut redeamus ad civitatem nostram, quia sine culpa fuimus expulsi et forbanniti, et cum omnium pace revertimur nec alicui aliquam iniuriam inferre intendimus“. Audientes hoc Parmenses, qui per stratam sine armis eis occurrerant, ad misericordiam flexi sunt propter humilitatem eorum, cognoscentes etiam quod pacifice veniebant. Dixeruntque eis: „Ingredimini civitatem secure in nomine Domini, quia etiam manus nostra vobiscum erit in omnibus istis“. 100 Zum verbreiteten Gebrauch von Fahnen mit ihren Wappen durch Florentiner Magnaten siehe La cronica di Dino Compagni, II 18, S. 122, und III 20, S. 211. Bereits die Gro¨ße und die Beteiligung einer Vielzahl von Gruppen an dem von Davidsohn, Geschichte 3, S. 283–287, rekonstruierten Ru¨ckeroberungsunternehmen macht den Gebrauch verschiedener heraldischer Zeichen wahrscheinlich. Allerdings geht Davidsohn meines Erachtens zu weit, wenn er aufgrund der Miniaturen im Codex Chigianus ausgerechnet der Truppe des Baschiera die von den Exilierten gefu¨hrten Florentiner Wappen mit verkehrten Farben zuschreibt. Dies wu¨rde der Ritualbotschaft, wie sie Dino Compagni schildert, widersprechen. Die Miniaturen sind jetzt zuga¨nglich in: Il Villani illustrato, S. 207. 101 Bornstein, Bianchi.

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ihrer erkla¨rten Ziele war es, verfeindete Faktionen zu verso¨hnen und Frieden zu stiften. Ihren Namen hatten diese Bu¨ßer von den weißen, mit einem kleinen roten Kreuz besetzten Gewa¨ndern, die sie trugen. Auch hier war die Stelle aus der Offenbarung Vorbild. Daneben begegnen PaceRufe, weiß bedeckte Pferde oder weiße Fahnen102. So wie sich die Bewegung von Stadt zu Stadt verbreitete, nahmen vor Ort Angeho¨rige aller sozialen Schichten einer Kommune an den Prozessionen teil. Diese Uniformita¨t sollte, im Unterschied zu der der milita¨rischen Einheiten, unter dem Weiß die Standesunterschiede verschwinden lassen. So hielt denn auch Coluccio Salutati seinen Eindruck fest: tota nostra civitas est in albis103. Lassen die spa¨teren Rituale der fuorusciti oder der Bianchi die zeichenhaft vermittelten Bedeutungszusammenha¨nge, die sie mit den Organisationsformen des Secondo Popolo von Florenz teilten, vielleicht noch sta¨rker hervortreten, so waren letztere in verschrifteten Ordnungen auf Dauer festgelegt worden. Die konkreten, das Zusammenleben in einer Kommune betreffenden politischen Ziele des Popolo, die solcherart in der Herrschaftsordnung verankert wurden, unterschieden sich denn auch von denen der genannten Gruppen. Eines dieser Ziele, fu¨r die das Kreuzwappen der Kompanien stand, war die durch ein Verfahren geregelte legitime Gewaltausu¨bung gegen Magnaten. Wurde ein Magnat wegen eines Angriffs auf einen Popolanen verurteilt, so bestand die Strafe in der Zersto¨rung seiner Ha¨user und Stadttu¨rme. Nach ihrer Markierung mit dem Kreuz- und Lilienwappen durch einen Notar des Capitano del Popolo, mußte der Abbruch unter dem Schutz der Miliz und im Beisein des Vexillum Iustitie erfolgen104. Das Kreuz Christi auf der Fahne und der uniformen Bewaffnung bezeichnete in diesem Handlungsmuster nicht nur die Legitimita¨t der angewandten Gewalt. Dem Anspruch der Gesetze von 1293 nach war seine Pra¨senz ‚wo¨rtlich‘ als Gegenwart der wiederhergestellten Gerechtigkeit zu verstehen105. Die Probleme, die sich jedoch daraus ergaben, diese Extremkombination von Handlungsabla¨ufen und idealisierten Ordnungsvorstellungen in der allta¨glichen Praxis anzuwenden, sind das große Thema des drit102 Ebenda, bes. S. 41–50, 76f., 81, 143 und 183. 103 Epistolario di Coluccio Salutati 3, XI 7, S. 361. Vgl. Bornstein, Bianchi, S. 91. 104 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del Popolo, I 54, S. 50; Ordinamenta Iustitie, Rubr. 6, S. 399f. 105 Eine Miniatur aus der Zeit Karls des Ku¨hnen von Burgund gibt, auch wenn sie aus anderer Zeit und einem anderen Kulturkreis stammt, die wiederhergestellte iustitia ebenfalls mit dem Bild des Gekreuzigten wieder, das u¨ber dem herzoglichen Wappen und der Person eines Richters steht; Paravicini, Pax.

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ten, spa¨ter zum Geschichtsschreiber gewordenen Gonfaloniere della Giustizia Dino Compagni. Mit seiner Chronik, in der er, dem Anonimo romano gleich, erlebte Zeitgeschichte in einer Prosa erza¨hlt, der man ihre kunstvoll-stilistische Ausarbeitung erst auf den zweiten Blick ansieht, hat uns Dino mit bewußter Bezugnahme auf die Statuten und Ordnungen ein Korrektiv zu dem von ihnen gezeichneten normativen Bild hinterlassen106. Was er teilweise aus eigener Betroffenheit als Amtstra¨ger heraus schildert, ist na¨mlich keine Geschichte des Erfolgs, sondern der Krise eines politischen Systems, dem es immer nur voru¨bergehend gelingt, die Gewalt fordernde Ehre von Familie, Stand und Partei zu u¨berwinden und diese zentrifugalen Kra¨fte zu integrieren. Trotz der zur Verfu¨gung stehenden Machtmittel und Handlungsmuster scheitert die Kommune an ihrem eigenen Anspruch, durch verschriftete, allgemein verbindliche Rechtsordnungen – die in den Einleitungs- und Schlußpassagen der Chronik immer wieder vom Verfasser beschworenen leggi – die Konflikte zu beenden und das Wohl der Stadt dauerhaft zu sichern. Menschliche Schwa¨che, Parteilichkeit, Rechtsbeugung, Feigheit oder Versorgungsdenken, so das Fazit des desillusionierten Florentiners, sind auf Dauer sta¨rker als das Gesetz107. Es ist daher kein Wunder, daß viele der von Dino festgehaltenen Ereignisse, bei denen das neue Vexillum Iustitie in Aktion trat, nicht unbedingt als gla¨nzende Siege der Gerechtigkeit zu bezeichnen sind. Im Amt des Bannertra¨gers, das er vom 15. Juni bis zum 15. August 1293 inne hatte, war er selbst einer der ersten, der im Zeichen des Popolo die Ha¨user verurteilter Magnaten zersto¨ren ließ. Um in dieser Situation Autorita¨t und Kontrolle zu bewahren, gaben er und andere Amtstra¨ger dem Druck des aufgebrachten Volkes nach und ließen die Mauern von Grund auf abtragen, obwohl eine symbolisch vollzogene teilweise Zersto¨rung, wie sie in der Barbarossazeit praktiziert wurde, die Spirale der Gewalt wohl eher zum Stillstand gebracht ha¨tte108. Auch von der anderen Krisensituation, 106 La cronica di Dino Compagni. Vgl. Bornstein, Compagni, Dino; Seibt, Anonimo romano. 107 Auf Dinos Weltbild kann hier nicht weiter eingegangen werden. Erlaubt sei der Hin¨ ber das allta¨gliche Auseinanweis auf Analogien zu Literatur und Kunst des Trecento. U dergehen von Normen und menschlichem (Fehl-)Verhalten informieren Beispiele, wie die erhaltene Dokumentation der Entschuldigungen und Ausreden Sieneser Ratsherren, die 1270 nicht im Rat erschienen waren. Sie gaben an, nicht dagewesen zu sein, die Glocke nicht geho¨rt zu haben, Jagen gewesen zu sein oder in die Wa¨lder gegangen zu sein. Vgl. Waley, Siena, S. 49. 108 La cronica di Dino Compagni, I 12, S. 37: Questo principio seguito` agli altri gonfalonieri uno male uso; perche`, se disfaceano secondo le leggi, il popolo dicea che erano vili se non

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in der die Kreuzfahne zum Einsatz kam, berichtet der Geschichtsschreiber: die Rede ist vom rumor oder furor, dem o¨ffentlichen Aufruhr in der Stadt. Im Ma¨rz 1295, vier Monate vor der Verabschiedung der revidierten ‚Ordinamenta‘, kam es zu einem Volksaufstand gegen den Podesta`, dessen Palast angegriffen wurde. Der Versuch der Prioren, mit dem Banner der Gerechtigkeit auf dem Platz zu erscheinen, um die Menge zu beruhigen, schlug jedoch ins Gegenteil um109. Als sich Anfang November 1301 der erneute Ausbruch von Ka¨mpfen zwischen den schwarzen und den weißen Guelfen abzeichnete, ließen die Prioren – unter ihnen Dino – den gonfalone della giustizia aus einem Fenster des Kommunalpalastes ha¨ngen, damit sich der bewaffnete Popolo zum Schutz um den Palast stellte. Die Anzahl der solcherart Versammelten schien jedoch eher du¨rftig ausgefallen zu sein. Versta¨rkt wurde sie, so der Chronist, ho¨chstens von Schaulustigen der Gegenseite110. Umgekehrt konnte es wa¨hrend eines Aufruhrs, der als Familienfehde oder Parteikonflikt zwischen Magnaten begonnen hatte, geschehen, daß das Volk unter seiner Fahne Partei fu¨r eine Seite ergriff111. Diese Einzelfa¨lle zeigen, daß eine idealtypische, den Intentionen der aufgeschriebenen Ordnungen entsprechende Umsetzung der mit dem heraldischen Zeichen verknu¨pften Handlungsabla¨ufe in Krisensituationen oft nicht gegeben war. Griff der Florentiner Popolo unter seinem Wappen zu Waffen und Spitzhacken, so geschah dies eben nicht nur kontrolliert und im Sinne kommunaler Friedenswahrung und Bestrafung des an einem Popolanen veru¨bten Unrechts, sondern wurde von den Beteiligten auch nach den Maßsta¨ben der Konfliktsituationen, auf deren Durchbrechung und Einda¨mmung sein Eingreifen eigentlich zielte, bewertet. Anstatt u¨ber den Parteien zu stehen, wurde die in der Fahne visualisierte Gerechtigkeit so oftmals im Rahmen der symbolischen Kommunikation von Blutrache und Aufruhr geu¨bt. Vor diesem Hintergrund erkla¨rt sich auch die anla¨ßlich des Rathaussturms von 1343 rituell vollzogene Aggression der Magnaten gegen Fahne und Statutenbuch, die Symbole der Herrdisfaceano bene affatto. E molti sformavano la giustizia per tema del popolo. Siehe oben Kapitel 2.3. Kritik an dieser Praxis klingt ebenfalls schon an bei Salimbene de Adam, Cronica 2, S. 569. 109 La cronica di Dino Compagni, I 16, S. 46: I priori, per piacere al popolo, scesono col gonfalone in piaza, credendo attutare il furore. Et e’ crebbe sı`, ch’eglino arsono la porta del palagio, e ruborono i cavalli e arnesi del podesta`. 110 Ebenda, II 15, S. 115f.: Non fu chi confortasse la gente che si accogliesse al palagio de’ signori, quantunque il gonfalone della giustizia fusse alle finestre. Trassonvi i soldati, che non erano corrotti, e altre genti: i quali, stando armati al palagio, erano alquanti seguiti. Altri cittadini ancora vi trassono a pie` e a cavallo, amici; e alcuni nimici, per vedere che effetto avessono le cose. 111 Ebenda, III 3 und 40, S. 173 und 263.

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schaft und Strafgewalt des Popolo. Die Beispiele aus der Chronik Dino Compagnis verweisen so auf den Wertekonflikt zwischen der Gerechtigkeit, wie sie die Ordnungen des Popolo definierten, und der Gerechtigkeit, die der Logik der Straße folgte. Ihre Interpretation hat aber auch zu beru¨cksichtigen, daß Dinos Darstellungsabsicht – vor allem bei Ereignissen, in die er selbst involviert war – diesen Konflikt sta¨rker hervortreten la¨ßt, als die nicht dokumentierten Erfolge. Schließlich gelang es ja der Arnostadt trotz ihrer fortdauernden inneren Konflikte, im 14. Jahrhundert zu einer Vormacht der Toscana aufzusteigen112. Die Schwierigkeiten, die sich aus der praktischen Anwendung der ‚Ordnungen der Gerechtigkeit‘ ergaben, bringt Dino auch aus Sicht der Magnaten, denen die drakonischen Strafen zugedacht waren, zur Sprache. Dazu geho¨rte die Frage nach der Verha¨ltnisma¨ßigkeit von Strafmaß und Vergehen. So argumentierten die Betroffenen, daß es ausreiche, wenn in den engen Gassen der Arnostadt das Pferd eines Magnaten mit seinem Schweif einem Popolanen ins Gesicht schlage, um das in die Hauszersto¨rung mu¨ndende Verfahren auszulo¨sen113. Diese als Problem wahrgenommene Eigendynamik, die die einmal in Gang gekommene Mechanik der statutarisch vorgeschriebenen Handlungsabla¨ufe anla¨ßlich eines romore entwickeln konnte, sowie der Gegensatz von Amtswu¨rde und menschlicher Schwa¨che dienten ein Jahrhundert spa¨ter Franco Sacchetti als Schemata fu¨r eine Novelle, die man als eine Parodie auf die Popolo-Kommune und ihre Amtstra¨ger lesen kann114. Wa¨hrend Compagni und nach ihm Sacchetti auf die Intentionen der Akteure und auf den tragikomischen Kontrast zwischen den prospektiv festgelegten Handlungsabla¨ufen symbolischer Kommunikation, mit denen die Kommune ehrenvoll zu schu¨tzen war, und dem Alltag, in dem diese Verfahrensmechanismen nicht griffen oder außer Kontrolle gerieten, abhoben, verweisen die zwischen 1293 und 1295 entstandenen Erga¨nzungen der ‚Ordinamenta‘ zudem auf Bezeichnungsprobleme, die aus der ideologisch gewollten Uniformita¨t der Milizen erwachsen waren. Da auch die einzelnen Kompanien der Sesti Kreuzfahnen erhielten, wurde das zusa¨tzliche Einfu¨gen von Beizeichen erforderlich, damit die Ma¨nner sich u¨berhaupt orientieren konnten. Diese organisatorisch notwendige Ausdifferenzierung schuf ein neues System, das in seiner Funktionalita¨t dem 112 Florentine Tuscany. 113 La cronica di Dino Compagni, I 12, S. 37; vgl. I 15, S. 43f. Das Problem begegnet spa¨ter auch bei Franco Sacchetti; vgl. Keller, Adel, S. 270f.; Vallerani, Mouvement, S. 348. 114 Auch in diesem literarischen Fall ist die Regung eines Gauls der Auslo¨ser; Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 159, S. 517–524.

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von 1281 a¨hnelte: ‚Desgleichen, damit ein jeder der mit dem Kreuz der Gerechtigkeit bezeichneten Fußsoldaten sein Banner leicht erkennt, wird angeordnet, daß das Wappenbild eines jeden Sesto, das in den einzelnen Bannern steht, durch Una¨hnlichkeit und Verschiedenheit der Farben variiert, so daß das eine vom anderen leicht unterschieden werden kann.‘115 Im Florenz des Trecento blieb das Wappen des Secondo Popolo Teil des die Gesamtheit des politischen Systems repra¨sentierenden Wappenensembles, zu dem auch das gespaltene Heerbanner und das Lilienwappen der Kommune, sowie die Wappen der Parte Guelfa und des Hauses Anjou geho¨rten. Die Kommune beanspruchte ein heraldisches Monopol: nur ihre eigenen und die von ihr besta¨tigten Wappen durften o¨ffentlich in Stadt und Contado gezeigt werden116. Als Beizeichen in Form eines kleinen Schildes, einer Fahne oder einer palla begegnet das Wappen des Popolo daher ha¨ufig in den kommunal approbierten und registrierten Wappen der spa¨teren societates des Popolo oder in den von der Kommune gebesserten Wappen magnatischer Familien, die sich in den Popolo aufnehmen ließen117.

4.2.3 Das Beispiel Prato Eine im Vergleich zu Florenz ga¨nzlich andere, ins Allegorische gehende Bildlo¨sung fand der Popolo von Prato fu¨r sein Wappen. Die Besonder¨ berlieferung erkennen la¨ßt, heit des Prateser Beispiels liegt darin, daß die U woher die Inspiration fu¨r das ungewo¨hnliche Wappenbild kam und auf welche Weise die Wappenbildung erfolgte. Die Spur fu¨hrt auf direktem Wege das Tal des Bisenzio hinauf, u¨ber den Appennin nach Bologna. Auf die dort erfolgte Statutengesetzgebung des Popolo muß kurz eingegangen werden, da nur von ihr her die spa¨tere Adaption in Prato versta¨ndlich wird.

115 Ordinamenta Iustitie, Rubr. 44, S. 422: Item ut unusquisque de peditibus Iustitie cruce signatus facile cognoscat suam banderiam, provisum est et ordinatum quod intersigne cuiuslibet sextus, quod est in singulis banderiis, fiat et varietur sub dissimilitudine et varietate colorum, ita quod una ab altera facile dignoscatur. 116 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del Popolo, V 96, S. 270. Vor diesem Hintergrund la¨ßt Dante seinen Ahnherrn Cacciaguida berichten, daß zu seiner Zeit noch ein Stadttor nach einer Familie Porta della Pera geheißen habe, ohne daß es Zwist darum gegeben ha¨tte. Vgl. Morghen, Il canto XVI. 117 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del Popolo, V 83, S. 262ff.; Borgia, Ampliamenti; Ders., Concessione. Siehe unten Kapitel 4.5.

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In der Stadt am Reno war es bereits im fru¨hen 13. Jahrhundert zu einer Institutionalisierung des Popolo gekommen. Dieser organisierte sich in Waffengesellschaften und Zu¨nften und erließ Statuten, die von der Kommune approbiert wurden. Ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren – Hungersno¨te, milita¨rische Niederlagen gegen die Nachbarn und Venedig sowie der pa¨pstliche Zugriff auf die Romagna – brachte Bologna um seine Vormachtstellung in der Romagna und beschwor eine Krise der Kommune herauf, die sich in den jahrelang gefu¨hrten Parteika¨mpfen der Geremei gegen die Lambertazzi entlud118. In dieser Situation stellte sich der Popolo auf die Seite der guelfischen Geremei und u¨bernahm das Stadtregiment. Befestigt wurde dieser Schritt durch den Erlaß von Statuten des Popolo, die seit 1282 in ja¨hrlichen Redaktionen angereichert wurden. Geleitet wurde dieser verschriftlichte Neuordnungsprozeß der Kommune durch den Podesta` Matteo da Correggio und vor allem durch die u¨berragende Gestalt des Rolandinus Passagerii, hinter dem die Gruppe der Notare und Juristen des ‚gelehrten Bologna‘ stand. Das Ziel dieser statuta et ordinamenta et provisiones war der Schutz der Popola¨ berren und die Wiederherstellung des innersta¨dtischen Friedens gegen U 119 griffe und Gewalthandlungen der sich bekriegenden Magnaten . Dazu wurde, neben anderen Maßnahmen, eine Wehrordnung des Popolo etabliert, u¨ber die gegen Friedensbrecher vorgegangen werden konnte. Die Magnaten wurden als politische Klasse definiert und unter anderem u¨ber Immatrikulationen erfaßt, um sie in Zukunft kontrollieren zu ko¨nnen und ¨ mter auszuschließen. Die Boloum sie von der Ausu¨bung kommunaler A gnesen nannten diese Gesetze von 1282 die ordinamenta sacrata. Als ab 1284 weitere Statuten zu diesen hinzukamen, sprach man auf der Straße, wie die statutarii dann selbst festhielten, von den ordinamenta que sacrata et sacratissima appellantur120. Die Benennung, die vielleicht nicht ganz ohne Witz gebraucht war, ko¨nnte sich auf die vorgeschriebene Unhintergehbarkeit und Unvera¨nderlichkeit dieser fu¨r alle verbindlichen Statuten beziehen, ebensogut aber auch auf die Ideale der guten und friedvollen Ordnung, die sie beschworen. Dieser besondere Charakter der ‚Ordinamenta‘ findet sich konzentriert in einem Statut aus ihrem 1282 approbierten Grundbestand wieder, das eine großangelegte Repressionsmaßnahme gegen einen Teil der Magnaten anku¨ndigt. Jeder von ihnen, dessen Name und Familie schrift118 Vgl. Hessel, Geschichte; Carniello, Rise. 119 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 15. 120 Ebenda, S. 135.

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lich erfaßt seien, habe sich innerhalb eines Monats bei den Notaren des Podesta` zu melden, um dort 1000 Pfund Bologneser Geldes als Sicherheit fu¨r sein ku¨nftiges Wohlverhalten zu hinterlegen. Begru¨ndet wird dieses Statut mit dem Bild einer Utopie, na¨mlich mit dem Wunsch, daß die reißenden Wo¨lfe und die friedlichen La¨mmer nebeneinander schreiten sollten121. Wer diese lupi rapaces waren, erfa¨hrt der Leser aus der nachstehenden Matrikel, die auch die Namen der Galluzzi und der Montegeorgio verzeichnet122. Das von den statutarii des Popolo beschworene Bild des Tierfriedens ist biblischen Ursprungs, es findet sich im Buch des Propheten Jesaja, aus dem ja auch die meisten Ankla¨nge in der allegorischen Fahnendeutung Innocenz’ III. stammen123. Leicht abgewandelt zielt das hier gewa¨hlte Bild auf die Gleichstellung der als La¨mmer gedachten Popolaren mit den magnatischen Wo¨lfen u¨ber deren erzwungene Kontrolle. Die spa¨teren, ‚allerheiligsten‘ Ordnungen griffen die Metapher auf, wenn sie, wie im Jahre 1287 geschehen, anordneten, daß die familie bannitorum luporum rapatium comitatus Bononie in Zukunft in der Stadt zu wohnen ha¨tten, oder sich im Jahre 1292 in Ru¨ck- und Querverweisen auf das ordinamentum factum de mense Marcii super lupis rapacibus bezogen124. Transportiert u¨ber das biblische Bild, wurden Friede, Eintracht und Gerechtigkeit zu einer zentralen Begru¨ndungsfigur politischen Handelns in der Kommune des Popolo125. Das gleiche Bild war in politischer Deutung auch noch ein Jahrhundert spa¨ter Franco Sacchetti gela¨ufig126. 121 Ebenda, S. 32: Volentes et intendentes quod lupi rapaces et agni mansueti ambulent pari gradu providerunt, ordinaverunt et firmaverunt, quod omnes et singuli tam de civitate Bononie quam districtus, quorum nomina sunt descripta, teneatur et debeant infra unum mensem a die pubblicationis ordinamenti huius dare facere et prestare bonam et ydoneam securitatem domino potestati communis Bononie de mille lib. bon. et ultra ad voluntatem potestatis per spetiales notarios d. potestatis recipiendam, scribendam et per offitiales curie iusta solitum aprobandam, [...]. 122 Siehe Kapitel 3. Die Raubtiermetapher fu¨r die Auszuschließenden sowie die Strafe des Ha¨usereinreißens findet sich ebenfalls in der von der Inquisition betriebenen Ha¨retikerverfolgung des 13. Jahrhunderts; siehe die Hinweise bei Davidsohn, Geschichte 2/1, S. 303; Keller, Vorschrift, S. 26. 123 Jes. 11, 6: habitabit lupus cum agno; 65, 25: lupus et agnus pascentur simul. Zu den dahinterstehenden utopischen Friedenskonzeptionen des 13. Jahrhunderts siehe Vallerani, Mouvement, zu den im Mittelalter aus solchen Bildern entwickelten Allegorien Ja¨ckel, Herrscher. Zum Gebrauch dieser Bilder durch den Bologneser Popolo siehe Giansante, I lupi; Carniello, Rise, S. 331. Vgl. auch oben Kapitel 2.3. 124 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. 137, 171 und 176. Dies betraf also auch Rimbaldus de Montegeorgio und seine Familie. 125 Vgl. Keller, „Kommune“, S. 585. 126 Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 177, S. 593–598, hier S. 598: E non sono affigurati i lupi a’ tiranni? E qual tiranno e` che possa vivere sicuro e guardisi, quantun-

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In Prato, dessen Burg aus der Zeit Kaiser Friedrichs II. Sitz der kaiserlichen nuntii und Vikare gewesen war, hatte der Popolo erstmals 1252 seine Anzianen und den im Folgejahr berufenen Capitano del Popolo in ¨ mterstruktur installiert127. Beeinflußt von der ma¨chder kommunalen A tigen Nachbarin Florenz und den die Toskana betreffenden Machtka¨mpfen, hatte die Stadt in den folgenden Jahren mehrere Partei- und Verfassungswechsel erlebt. Nach einer Phase der Vorherrschaft der Guelfen, in der dem Podesta` ein Capitano dieser Partei zur Seite stand, berief man zum 1. Ma¨rz 1285 den Florentiner Nerlo di Gherardo de’ Nerli als capitaneus Masse partis guelforum et Populi Prati128. Dem Auswa¨rtigen zur Seite stellte man spa¨testens 1292 das neu gebildete und um einen Gonfaloniere di Giustizia erga¨nzte Gremium der Otto Difensori – also: ‚der acht Verteidiger des Volkes und des Bannertra¨gers der Gerechtigkeit‘ – sowie einen Rat der Vierzig. Die Acht begegnen auch als consiliarii oder ghonfalonerii129. Parallel zu dieser Neuordnung fielen nun auch endgu¨ltige Entscheidungen u¨ber die Errichtung eines Bauensembles von Kommunalpala¨sten und platea comunis. Zu Anfang des 13. Jahrhunderts hatte der Rat noch in der Kirche Santa Maria in Castello gegenu¨ber der Reichsburg getagt und Volksversammlungen in der Pieve und auf der davorliegenden platea plebis abgehalten. Mit der gea¨nderten Kommunalverfassung verschob sich nun das politische Zentrum auch auf das topographische Zentrum der Stadt, an die Kreuzung der Straßen, die in grader Linie von der Pieve und der Burg wegfu¨hrten. Nach dem palast- und turmumstandenen Hof einer Adelsfamilie wurde diese Kreuzung apud cantonem filiorum Pipini genannt. Die Kommune kaufte ihn den Pipini ab und baute ihn zwischen 1284 und 1287 zur erweiterten platea comunis mit den angrenzenden Geba¨uden des palatium comunis und des palatium populi um130.

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che sa che il piu´ delle volte non sia colto a nuove tagliuole e in luogo dove l’uomo non lo penserebbe gia` mai? Ma ancora ci ha piu´ nuova cosa: che quelle pecorelle, le quali piu´ elli devorano, sono quelle che danno loro morte, come intervenne a questo lupo. S’e’ tiranni lupigni pensassino alla presente novella, piu´ tosto porterebbono vestigio e natura di pecorella che di lupo; ma la superbia e l’avarizia vuole che ciascuna citta` per li suoi peccati sia dilungata da’ giusti pastori e soggiaccia sotto a’ lupi rapaci, li quali sono nimici della iustizia e amici della forza. Das Folgende zur politischen und Verfassungsgeschichte Pratos nach Raveggi, Protagonisti. Die nach wie vor lesenswerte Monographie zu Prato aus der Sicht seines beru¨hmtesten Sohnes ist Origo, „Im Namen Gottes und des Gescha¨fts“. Raveggi, Protagonisti, S. 633. Vgl. Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi di Prato dell’anno 1292, S. 341f. Wahrscheinlich waren es die Fahnentra¨ger der acht Wachbezirke, in die die Stadt eingeteilt war. Paul, Kommunalpala¨ste, S. 251f.; Mannini, Stemmi, S. 9–14, mit einer Photographie und der Transkription der Bauinschrift von 1284; Fantappie`, Nascita, S. 124ff. und 213ff.

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Hatte das von der Parte Guelfa und dem Popolo gebildete Stadtregiment damit signalisiert, daß seine Herrschaft auf Dauer angelegt war, so befestigte es sie in einem weiteren Schritt, indem es die ordinamenta sacrata et sacratissima populi terre Prati erließ131. Wie bereits der Name erkennen la¨ßt, orientierten sich diese Statuten am Vorbild der ‚Ordinamenta‘ aus Bologna132. Erlassen wurden sie wa¨hrend der Amtszeit des von Mai bis Oktober 1292 amtierenden Capitano Corrado di Bonaccorso da Soresina aus Mailand. Das mitten im Text der Bologneser ‚Ordinamenta‘ begegnende Bild des Tierfriedens muß auf die Pratesen einen tiefen Eindruck gemacht haben, da sie mit ihm, wie mit einer Arenga, den Haupttext ihrer Ordnungen beginnen lassen133. Damit nicht genug, u¨bernahmen sie es außerdem zur Bildung des neuen Wappens, das der Popolo erhielt: ‚Und es soll auf Kosten der Kommune Prato eine Fahne gemacht werden, mit einem weißen Feld und mit den Bildern eines Wolfes und eines Lamms, die zusammen essen, und einem roten Schwert u¨ber ihren Ha¨uptern; die soll Fahne der Gerechtigkeit genannt werden, wenn es eine solche nicht gibt.‘134 Dieses komplexe, allegorisch-emblematische Bild ist von den Pratesen des Spa¨tmittelalters als Wappenbild aufgefaßt worden. Bereits unmittelbar nach seiner Bildung ließ es der Capitano del Popolo in seinem Amtssitz anmalen135. Dann findet es sich auf Wappenschilden in einem Fresko Pietro di Miniatos aus dem fru¨hen 15. Jahrhundert im Ratssaal des Kom131 Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi di Prato dell’anno 1292, S. 341. 132 In der italienischen Media¨vistik ist seit dem 19. Jahrhundert eine Debatte u¨ber die Abha¨ngigkeit der ‚Ordnungen‘ von Kommunen wie Pistoia, Prato und Florenz von denen Bolognas gefu¨hrt worden. Eines ihrer Hauptmotive war es, je nach Herkunft des Forschers, Bolognas Rolle als Wiege der statutarischen, antimagnatizischen Gesetzgebung des Popolo zu belegen oder zu widerlegen; vgl. beispielsweise Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII: Gli Ordinamenti sacrati e sacratissimi, S. IVff.; Vallerani, Mouvement, S. 340. 133 Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi di Prato dell’anno 1292, S. 341: Ut lupi rapacitas et agni mansuetudo ambulent pari gradu, statutum est quod sotietates populi terre Prati sint et esse debeant quattuor [...]. 134 Ebenda, S. 342: Et fiat unum vesillum expensis comunis Prati cum campo albo et cum immaginibus lupi et agni commedentium simul et cum spata rubea super capite eorum, quod vocetur vesillum iustitie, si ipsum non esset. 135 1292 oder 1293 wird in den „Diurni“ der Kommune der Maler Bettino da Prato erwa¨hnt, qui pinxit in Palatio Populi signa gonfal. justitie. Bereits 1290 hatte er dort die Wappen der Justizkonsuln gemalt; Mannini, Stemmi, S. 15.

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munalpalastes: in Weiß ein Wolf und ein Lamm in natu¨rlichen Farben, aufrecht stehend, die zwischen sich einen roten Kelch halten. Daru¨ber ein liegendes rotes Schwert136. (Taf. 6) Die zuletzt genannte Figur, das Schwert, erweitert die Bedeutung des Wappens um einen zusa¨tzlichen Aspekt. Stehen Wolf und Lamm fu¨r das Ideal des Friedens, so bezeichnet das Schwert das Ideal der Gerechtigkeit. Daher hieß die Wappenfahne vesillum iustitie und ihr Tra¨ger ghonfalonerius iustitiae. Wie wir oben gesehen haben, existierten diese Namen zur selben Zeit im benachbarten Florenz. Der Sinnzusammenhang, den sie bezeichneten, ist ebenfalls derselbe: Die Wappenfahne war die Insignie des hochrangigen Amtstra¨gers, der in ihrem Zeichen das ebenso universal wie politisch verstandene Ideal der Gerechtigkeit fu¨r den Popolo durchsetzen sollte. Daß die Bildbotschaft der Fahne u¨ber einen Medienwechsel hinweg mit der Textbotschaft der Ordnungen korrespondierte – beide wurden in Akten symbolischer Kommunikation gezeigt beziehungsweise laut verlesen – verbindet das Florentiner Beispiel ebenfalls mit dem aus Prato. In der Bilderhandschrift der ‚Nuova Cronica‘ Giovanni Villanis wurden beide Medien ja in dem wappentragenden Statutencodex im Arm Giano della Bellas vereint. (Taf. 5) Es ist nun ein außerordentlicher Beleg fu¨r die Offenheit und die Gestaltungsmo¨glichkeiten des mittelalterlichen Wappenwesens, daß die gleichen Sinnzusammenha¨nge im selben Zeitraum in benachbarten Kommunen in verschiedenen Wappenbildern umgesetzt wurden. Fu¨r beide existierte eine ikonographische Tradition: iustitia konnte durch das Schwert, aber auch durch das Kreuz Christi bezeichnet werden. Mit dem Beispiel des Wappens des Prateser Popolo fassen wir eine in einem origina¨r kommunalen Kontext erfolgte Wappenbildung, die von einem Statutentext inspiriert ist. Sie belegt eindru¨cklich die wechselseitigen Einflu¨sse, die heraldische Symbolik und kommunale Entwicklung aufeinander ausu¨bten. Die ‚Fahne der Gerechtigkeit‘ stand an der Spitze einer mittels heraldischer Symbolik organisierten Wehrordnung des Popolo, die u¨ber die Statuten eingefu¨hrt wurde. Das heraldische Zei¨ mtern zugeordchensystem, das so u¨ber die Stadt gelegt wurde, war A net, deren Inhaber aus dem Popolo der ganzen Stadt gewa¨hlt wurden. Die Wahlverfahren und ku¨nftigen Handlungsbereiche orientierten sich wiederum an der von der Stadtmauer umschlossenen Topographie der terra Prato137. So leitete sich die Anzahl der Acht von der der Stadttore her, denen jeweils ein Bereich des Stadtgebietes, der Borghi und des Contado 136 Ebenda, S. 52f.; Raveggi, Protagonisti, S. 685, Abb. 40. 137 Die Stadtmauer war zwischen 1192 und 1196 vollendet worden; Fantappie`, Nascita, S. 171ff.

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zugeordnet war. Diese acht Stadttore waren die Porta San Giovanni, die Porta Travaglio, die Porta Gualdimare, die Porta Fuia, die Porta Santa Trinita, die Porta a Corte, die Porta Capodiponte und die Porta Tiezi138. Nach den Statuten von 1292 wurde die Stadt nun auch in Viertel aufgeteilt, in denen societates des Popolo gebildet werden sollten. Diese Aufteilung du¨rfte sich an der das Stadtbild pra¨genden Kreuzung der Fernstraßen orientiert haben, von denen die eine, vom Nordwesten kommend, Pistoia und Florenz verband und die andere u¨ber die Bisenzio-Bru¨cke (Ponte del Mercatale) Richtung Norden nach Bologna lief139. Der erwa¨hnte Bau des kommunalen Stadtzentrums an der Straßenkreuzung, wo die Viertel zusammenstießen, hob diese Aufteilung des Stadtgebietes hervor und machte sie sich zunutze. In den ‚Ordnungen‘ wurden die Viertel jedoch nicht u¨ber ihre Fla¨che, sondern u¨ber ihre Zuordnung zu jeweils zwei Toren der Stadtmauer definiert. Dies mag darin begru¨ndet sein, daß sie an die bereits bestehenden, den Toren zugeordneten Einheiten der kommunalen Wehr- und Gesellschaftsordnung anknu¨pften. Daß ein einzelner Pratese – der Guelfe und Popolare, jedoch weder Edelmann noch Ritter sein sollte, um ein kommunales Amt auszuu¨ben – als Bu¨rger zwangsla¨ufig die Mitgliedschaft mehrerer dieser Korporationen auf sich vereinigte, zeigt das Beispiel Francesco di Marco Datinis, von dem wir sogar wissen, daß er noch nicht einmal auf diese Pflichten versessen war. So war Francesco einer der capomastri der Porta Fuia und damit Angeho¨riger der popolaren ‚Gesellschaft des Ba¨ren‘, trug als Gonfaloniere di Giustizia mehrfach die Fahne mit dem Wappen des Prateser Popolo und war Zunftgenosse der Arte della Lana, der bedeutendsten Zunft der Tuchmacherstadt140. Die Prateser statutarii beschrieben die Viertel in der gleichen Weise wie der Maila¨nder Bonvesin da la Riva, indem sie, im Nordwesten beginnend, gegen den Uhrzeigersinn die Stadtmauer entlang gingen141. So wurde aus der Porta San Giovanni und der Porta Travaglio des ersten Viertels die sotietas Leonis gebildet. Das zweite Viertel der Porta Gualdimare und der Porta Fuia stellte die sotietas Ursi auf. Porta Santa Trinita und Porta a Corte, zusammengefaßt im dritten Viertel, bildeten die sotietas Aquile. Die sotietas Dragonis des letzten Viertels stellten die Porta Capodiponte und die Porta Tiezi142. 138 139 140 141 142

Vgl. den Plan bei Moretti, Ambiente, S. 75; Fantappie`, Nascita, S. 173ff. Vgl. Moretti, Ambiente. Origo, „Im Namen Gottes und des Gescha¨fts“, S. 64–71. Siehe Kapitel 2.2.2. Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi di Prato dell’anno 1292, S. 341.

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Jede Gesellschaft erhielt ein eigenes Wappen, das als Bild ihrer Fahne die gleichen Funktionen wie die Wappenfahnen der anderen Gesellschaften erfu¨llte, sie zugleich aber auch voneinander unterschied. Wa¨hrend man in Florenz ein elaboriertes Beizeichensystem fu¨r das von allen getragene Kreuzwappen entwickelte, um die organisatorisch notwenige varietas herzustellen, ging man im kleineren Prato einen anderen Weg. Hier gab es nur vier Waffengesellschaften des Popolo mit je dreihundert Mitgliedern, die unterscheidbar zu bezeichnen waren. Daß die Namen der Gesellschaften auf ihre Wappenbilder verwiesen, besta¨tigt ein Blick auf das Fresko im Kommunalpalast, auf dem sie abgebildet sind. Orientierten sich die Statuten in ihrer Abfolge an der sta¨dtischen Topographie, so u¨bernahm Pietro di Miniato wiederum die in der schriftlichen Ordnung genannte Reihenfolge. Die in den Ecken der unteren Bildha¨lfte plazierten Wappen beginnen in der (heraldisch) rechten oberen Ecke mit der ‚Gesellschaft des Lo¨wen‘, um dann u¨ber die linke obere und die rechte untere Ecke abzusteigen. Die Wappenbilder der heraldisch rechten Seite wenden sich aus Courtoisie denen der linken Seite zu143. Die erste Gesellschaft fu¨hrte – wie auch die u¨brigen unter einem Schildhaupt mit dem Wappen Anjou – in Rot einen goldenen Lo¨wen, die zweite in Gold einen schwarzen Ba¨ren, die dritte in Rot einen goldenen Adler und die vierte in Rot einen gru¨nen (silbernen?) Drachen144. Nach mittelalterlichen Vorstellungen war dies ein gebra¨uchliches Zeichensystem, das auch außerhalb des Wappenwesens zur Geltung kam. So wurden in vielen Kommunen die o¨ffentlich zuga¨nglichen Tische der Offizialen im Kommunalpalast nach solchen Symboltieren benannt145. Im Palio der Sieneser Contraden, deren Einteilung und deren Wappen jedoch im Wesentlichen fru¨hneuzeit-

143 Vgl. Galbreath – Je´quier, Handbuch, S. 87ff. So auch die beiden Wappenschilde auf dem Grabmal der Galluzzi in San Domenico zu Bologna; zuletzt Breveglieri, Note, Abb. 2, S. 114. 144 Raveggi, Protagonisti, S. 685, Abb. 40–41. In der unteren rechten Ecke des Freskos ist nicht das Wappen des Adlers, sondern das alte Wappen der Kommune Prato zu sehen: In Gru¨n ein komplett geru¨steter, einen Schild mit dem neuen Prateser Wappen – das dann nachtra¨glich hineingekommen wa¨re – und einen roten, mit goldenen Lilien besa¨ten Waffenrock tragender Ritter auf einem Schimmel mit einer dem Waffenrock entsprechenden Kuvertu¨re. Dieses ging auf den Ritter als Siegelbild der Kommune zuru¨ck; Bascape´, Sigillografia 1, S. 196; Mannini, Stemmi, S. 24. Allerdings heißt es in den Ordnungen u¨ber eine Fahne; Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi di Prato dell’anno 1292, S. 343f.: Additum est de novo MoCCCo de mense maii quod ghonfalonis iustitie et omnes alii ghonfalones quartesium dictarum sotietatum, cum nimis inveterati sint de novo reficiantur expensis comunis de illis armis de quibus nunc sunt, salvo quod ghonfalonis Branche reficiatur de zendado rubro cum aquila indica cum gillis auri. 145 Siehe Kapitel 3.5.

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lich sind, hat sich ein solches Bezeichnungssystem erhalten146. Die identifikatorische Wirkung eines Wappentieres als Zeichen eines Bezirkes, wie sie in den heraldischen Systemen Sienas und Pratos fungieren, ist evident. Jede societas erhielt eigene Amtstra¨ger, je zwei capitanei und sapientes, sowie je einen gonfalonerius, Notar und nuntius, die von den Acht in zweimonatigem Turnus neu gewa¨hlt wurden147. Zu diesem kurzfristigen Wechsel geho¨rte es auch, daß jeweils zwei Gesellschaften ihre Offizialen ¨ hnlich wie der Wechsel der Prioren in das Stadtregiment entsandten. A in Florenz, sollte diese Maßnahme mo¨glichst vielen popolaren Bu¨rgern die Partizipation am Stadtregiment ermo¨glichen. Im Falle einer gegen einen Popolaren veru¨bten Gewalttat hatten sich zudem beide Gesellschaften dem Podesta` zur Verfu¨gung zu stellen, der sie mit dem ‚Banner der ¨ belta¨ters fu¨hren sollte, um es gegebeGerechtigkeit‘ zu dem Haus des U nenfalls gema¨ß der Ordnungen zu zersto¨ren148. Wie in Florenz lieferte die Wappenfahne des Volkes auch hier eine doppelte Begru¨ndung fu¨r solch eine Sanktion. Sie wies sie als legitime, o¨ffentliche (publice) Handlung von Podesta` und Popolo aus und zeigte im Bild die u¨bergeordneten Ideale des Friedens und der Gerechtigkeit, die es – auch mit dem Schwert – wiederherzustellen galt. Auch die Prateser Statuten fu¨hrten im Einklang mit der bekannten Denkfigur als ihre Intention den bonum et pacificum et tranquillum statum totius comunis et populi terre Prati an149. Daß die Fahnentra¨ger der Gesellschaften und der ‚Bannertra¨ger der Gerechtigkeit‘ im Unterschied zu ihren Kollegen sechsmonatige Amtszeiten hatten, erkla¨rt sich dagegen aufgrund des rituell gepra¨gten Charakters ihres Amtes: Indem jeder neue Capitano del Popolo sie mit ihrer Wappenfahne investierte, legitimierte er den Popolo als Ganzes und in seinen einzelnen Korporationen. Da die auswa¨rtigen Podesta` und Capitani in Prato ihr Amt ein Semester lang ausu¨bten, wechselten die einheimischen Fahnentra¨ger mit ihnen. Die ‚Ordinamenta‘ schrieben vor, wie dieser Wechsel, eines der zentralen o¨ffentlichen Ereignisse im Jahreslauf der Kommune, zu inszenieren war. Seine Bu¨hne war die gerade erst fer146 Vgl. Dupre` Theseider, Stemmi, S. 325; Borgia, Ampliamenti, S. 70f. 147 Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi di Prato dell’anno 1292, S. 342. 148 Ebenda, S. 342f.: Et si contigerit aliquod malleficium fieri in personis dictorum de sotietatibus propter quod malleficium bona malefactoris seu mallefactorum destrui debeant publice ex forma istorum ordinamentorum, dicte due sotietates teneantur et debeant ire cum familia dicti domini potestatis et vexillo iustitie ad domum et domos malefactoris in terra Prati, et extra si malefactor vel aliquis alius contenderet quominus guastum fieret et de dicto loco vel locis non discedere donec dicte domus et bona destructa fuerint, ut continetur in ordinamentis predictis. 149 Ebenda, S. 341.

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tiggestellte platea comunis. Dort hatte der neue Capitano del Popolo am Tag seines Einzugs in die Stadt durch Ausrufer und Glockenklang die Volksversammlung einberufen zu lassen. In ihrer Gegenwart investierte er dann die gewa¨hlten und vereidigten Fahnentra¨ger mit ihren Fahnen. Was anschließend erfolgte, war eine symbolische Probe des den Pratesen durch die Statuten eingescha¨rften Befehls, stets dem ‚Banner der Gerechtigkeit‘ zu folgen150. Der neue ‚Bannertra¨ger der Gerechtigkeit‘ marschierte na¨mlich mit seiner Fahne und in Begleitung der kommunalen tubatores zu dem Haus, in dem er untergebracht war, wa¨hrend ihm alle, die auf dem Platz standen, folgen mußten151. In diesem auch die Zuschauer zu Akteuren machenden Ritual, dessen Vollzug die verschriftlichte Rechtsordnung des Popolo vorschrieb, wurde die im Wappen symbolisierte politische Identita¨t des Popolo konstituiert. Der mittelalterliche Handlungsbegriff der Ehre (honor), dessen Gehalt der moderne Begriff der Identita¨t zu erfassen sucht, begegnet daher auch an dieser Stelle. Ein Wappen war wiederum ein zentrales Medium, um Ehre darzustellen152. Die Kommune des Popolo wirkte gestaltend an einer Vielzahl medialer Faktoren mit, deren Zusammenwirken Ordnung und Herrschaft erzeugte. Da das 1292 etablierte heraldische Zeichensystem Pratos an das politische System der zu diesem Zeitpunkt noch freien Kommune gekop150 Daher hatten sich im Falle eines rumor die Fahnentra¨ger mit ihren Fahnen vor den Palazzo del Popolo zu stellen; ebenda, S. 353. 151 Ebenda, S. 343: Et teneatur dominus capitaneus qui nunc est vel pro tempore fuerit prima die qua intraverit ad capitaneatum terre prati in parlamento et magna congregatione gentium dicte terre facta de eius mandato voce preconia, et ad sonum campane in platea comunis dare seu expendere dictum vexillum iustitie et omnia alia vexilla omnium predictarum societatum populi, et tunc omnes et singuli homines teneantur recedere et ire cum illo qui dictum vexillum habebit usque ad domum sue habitationis sub pena X soldorum pro quolibet dictarum sotietatum ad honorem dictarum sotietatum, quos capitaneus iustitie condepnet et condepnare possit et condepnationem exigere. Et tubatores cum tubis comunis debeant tunc recedere cum illo qui dictum vexillum iustitie habebit usque ad domum sue habitationis eo mane quo dictum vexillum expendetur, et postea capitaneus teneatur quibuslibet duobus mensibus mictere per nunptium comunis electo gonfalonerio iustitie ad domum sue habitationis primo mane quo ipse ghonfalonerius intraverit ad offitium dictum vexillum iustitie. Et camerarii comunis Prati qui nunc sunt vel pro tempore fuerint teneantur et debeant tradere et dare de pecunia comunis cuilibet gonfalonerio iustitie et cuilibet alii ghonfalonerio dictarum sotietatum in introitu officii ipsorum ghonfaloneriorum unam lumeriam et XX panellos de sepo, et finito officio ipsorum ghonfaloneriorum teneantur et debeant ipsi ghonfalonerii reddere et restituere dictis camerariis comunis predictas lumerias et panellos, si ipsos in servitio comunis non operaverint. 152 So wurde im Gegenzug den Podesta`, die sich in Florenz wie in anderen Kommunen die Anbringung ihres Wappensteins am Podesta`palast zum Ende ihrer Amtszeit verdient hatten, in der Inschriftenformel des Steins bescheinigt, honorabilis regiert zu haben. Beispiele bei Fumi Cambi Gado, Stemmi, S. 2 passim.

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pelt war, sollte es mit den Herrschaftswechseln der kommenden Jahr¨ nderungen und Erga¨nzungen erfahren. Zu Beginn des 14. Jahrzehnte A hunderts nahm der Druck der Florentiner, die zeitweise das Castello dell’Imperatore besetzten und darauf drangen, die Industriestadt am Bisenzio ihrem Herrschaftsbereich einzuverleiben, immer mehr zu. Als Florenz nach den Wirren, die der Italienzug Kaiser Heinrichs VII. ausgelo¨st hatte, diese Bestrebungen wieder aufnahm, landeten die Pratesen 1313 einen politischen Coup, indem sie sich Ko¨nig Robert dem Weisen von Neapel unterstellten. Damit spielten sie den Anjou als Protektor des Guelfentums gegen das von den schwarzen Guelfen regierte Flo¨ ber dem Portal des Prateser Kommunalpalastes wurde eine renz aus. U marmorne Statue Ko¨nig Roberts aufgestellt153. Bereits die prachtvolle, Wappenlilien in vielen Variationen bietende Bilderhandschrift der von Convenevole da Prato verfaßten panegyrischen ‚Regia Carmina‘, die die Prateser Gesandten an den Hof von Neapel brachten, demonstriert, daß sich diese Strategie der Selbstbehauptung durch Unterwerfung auch auf das Gebiet der heraldischen Symbolik erstreckte154. Die Pratesen eigneten sich das Wappen ihres neuen Stadtherrn in einem Ausmaß an, der dem des guelfischen Florenz in nichts nachstand155. Die nun von ko¨niglichen Vikaren beherrschte Kommune pra¨gte 1336 mit dem Gigliato pratese sogar eine neue Silbermu¨nze, deren Wert jedoch eher symbolisch-propagandistischer als o¨konomischer Natur war156. Prato geriet schließlich doch unter die Herrschaft der Arnostadt. Dank der Vermittlung Niccolo` Acciaiuolis – des aus Florenz stammenden Großseneschalls des Ko¨nigreiches, dessen Vater Acciaiuolo als Vikar in Prato den Gigliato hatte pra¨gen lassen – kaufte Florenz am 17. Februar 1351 Prato und seinen Contado fu¨r die bescheidene Summe von 17500 Goldfloren Ko¨nigin Johanna von Neapel ab157.

153 Noch 1784 restauriert, wurde sie 1799 zusammen mit den Wappen an der Palastfassade zersto¨rt; Mannini, Stemmi, S. 9f. und 16. 154 Zu dieser Handschrift im Kontext der Herrschaftspra¨sentation der neapolitanischen Anjou siehe Cardini, Cultura, S. 858; Michalsky, Memoria, S. 219f. 155 Seit 1288/89 war das Anjou-Wappen Teil des Florentiner Wappenensembles; siehe Kapitel 1.1. 156 Sie zeigt den thronenden Ko¨nig sowie ein lilienbestu¨cktes und -bewinkeltes Kreuz, das ihr ihren Namen gab. Ein von vier Lilien bewinkeltes Kreuz war auch das Siegelbild des Prateser comitatus; Bascape´, Sigillografia 1, S. 232. Die Mu¨nze entsprach dem Gigliato, der im Ko¨nigreich Neapel gepra¨gt wurde. 157 Pampaloni, Autonomia. Daß die Herrschaftsu¨bernahme in Prato auf keinen Widerstand stieß, lag an der Bedrohung durch das Heer der Visconti, vor dem das nahe Florenz Schutz bot. Zu dieser Situation siehe unten Kapitel 5.4.

4.2 Zeichensysteme im Wandel

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Die Herrschaftsordnung, die in der Stadt am Bisenzio seitdem Gu¨ltigkeit besaß, bildet das erwa¨hnte Fresko Pietro di Miniatos im Ratssaal des Prateser Kommunalpalastes ab. (Taf. 6) Wie die bekannteren Bilder aus anderen mittelalterlichen Ratssa¨len zeigt es die Kommune in Form einer Allegorie, deren Thema die Gerechtigkeit ist158. Hatte die Neuerung des Jahres 1292 darin bestanden, die durch den Popolo monopolisierte Gerechtigkeit als Wappenbild zu visualisieren, so erscheint sie nun in figu¨rlicher Darstellung als weibliche Gestalt, die von Tugendpersonifikationen begleitet wird. Diese figu¨rlich-szenische Bildebene ist mit einer heraldisch-fla¨chigen verschra¨nkt, die von dem kommunalen Wappenensemble gebildet wird. Im Zentrum des Bildes thront eine nimbierte Frauengestalt, die durch ihre Attribute, das Schwert und die Waagschale, sowie durch die Inschrift auf dem Sockel ihres Thrones als iustic¸ia militante ausgewiesen ist. Mit einem Kranz aus Olivenzweigen kro¨nt sie ein Wappen, das durch einen herbeieilenden Putto gehalten wird. Die den Hintergrund abschließende Wandbespannung ist von rotem Stoff und mit goldenen Lilien besa¨t, sie zeigt das Wappen Pratos. Die personifizierte Gerechtigkeit steht demnach nicht mehr ausschließlich fu¨r den Popolo, sondern fu¨r die Stadtkommune. Der Schild, den der Putto ha¨lt, tra¨gt das Familienwappen des Florentiners Niccolo` di Giovanni da Uzzano, des Podesta` von Prato in den Jahren 1395 und 1415159. Da die Ausu¨bung der Gerichtsbarkeit zu den Hauptaufgaben eines Podesta` geho¨rte, ist die Botschaft im Zentrum der Darstellung leicht zu verstehen: eine Iustitia-Prato – a¨hnlich der Giustizia-Venezia an der Fassade des Dogenpalastes160 – ehrt den Podesta` fu¨r seine vorbildliche Amtsfu¨hrung. Die in der ersten Person Singular gehaltene Inschrift unter dem Bild, dilexi iustic¸iam et odi iniquitatem161, ist daher mittelbar als Willensa¨ußerung des Stadtoberhauptes zu verstehen. Diese Szene umgibt ein Rahmen mit je drei Medaillons an den La¨ngsseiten, in denen Tugendpersonifikationen als Wappenhalter dargestellt sind. Tragen die beiden zuoberst stehenden Tartschen mit dem Wappen des Prateser Popolo, dieselbe Schildform, die auch der Schild des Podesta` erhalten hat, so tragen die vier zuunterst stehenden mandelfo¨rmige Schilde, die typisch fu¨r die italienische Heraldik sind. In solchen 158 159 160 161

Vgl. beispielsweise Starn – Partridge, Arts. Mannini, Stemmi, S. 53. Vgl. Lermer, „Dogenpalast“. Das Zitat klingt an das biblische Diligite iustitiam qui iudicatis terram (Sap. 1,1) an, das sich als legitimatorisch gebrauchte Didaxe der Herrschenden oft in solchen Kontexten findet. Vgl. beispielsweise: Constitutiones et acta publica Imperatorum et Regum 2, Nr. 424, S. 559; Dessı`, Pratiques, S. 255. Siehe oben Kapitel 3.6.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

zur Unterscheidung eingesetzten Details, wie auch in der Anwendung des heraldischen Darstellungsprinzips der Courtoisie, wird das große heraldische Wissen des Malers und seiner Auftraggeber sichtbar. Wie gesagt, tragen die unteren Schilde die Wappen von drei der popolaren Waffengesellschaften sowie das alte Stadtwappen. Die Wappen der Gesellschaften haben außerdem ein Schildhaupt mit dem Wappen des Hauses Anjou, das ihren guelfischen Charakter anzeigt. Mit Hilfe des im 13. Jahrhundert etablierten Systems heraldischer Symbolik, in dem die einzelnen politischen Gro¨ßen ihr eigenes Wappen besaßen, ist die Kommune im Aufeinanderbezogensein der einzelnen Wappen der Stadt, des Popolo, der Viertel und des Podesta` abgebildet. Im spielerischen Wechsel zwischen der mit einer Binnenperspektive dargestellten Szene und der Fla¨chigkeit der Wappenbilder wird der Betrachter schließlich auf die obere Querseite des Rahmens verwiesen162. Ihre Grundfla¨che ist mit dem Wappen der Anjou bedeckt, vor dem sich drei mandelfo¨rmige Wappenschilde abheben. Da die Wandbespannung Dreidimensionalita¨t suggeriert, hat der Betrachter den Eindruck, eine heraldisch bemalte Wand mit drei Schilden hinter dem Vorhang zu sehen. Wechselt er jedoch in eine heraldische Betrachtungsweise, so erkennt er das Wappen Pratos mit einem Anjou-Schildhaupt, in dem, wie Beizeichen, die drei Wappen von Florenz stehen. Es handelt sich um das Wappen des Florentiner Popolo, zur Rechten begleitet vom Stadtwappen und zur Linken vom Wappen der Parte Guelfa. Dieses Wappenensemble wird wiederum rechts und links, wie erwa¨hnt, von dem Wappen des Prateser Popolo begleitet. Das szenisch und perspektivisch aufgelo¨ste Fresko kann also auch wie ein einziges großes Kompositwappen gelesen werden, dessen zusammengestellte Einzelwappen nach den Regeln der Blasonierung beschreibbar sind. Ihre Anordnung ist nicht willku¨rlich, oder nach ornamental-a¨sthetischen Gesichtspunkten festgelegt worden, sondern ist eine Aussage u¨ber den Charakter der Stadtherrschaft – wenn man so will, der ‚Verfassung‘ – in Prato. Florenz als Herrin Pratos ist im Wappen des Amtstra¨gers, mit dem auch die perso¨nliche Ehre wieder angesprochen ist, sowie mit einem Wappenensemble vertreten, das buchsta¨blich in das Prateser Wappen eingeschrieben ist. Repra¨sentieren all diese Wappen Institutionen und Autorita¨ten, so verweisen ihre ‚offenen‘

162 Vgl. Panofsky, Malerei 1, S. 21f., zur Heraldik als genuin hochmittelalterlicher „Kunstform“, die fu¨r den „Triumph der Linie und der Fla¨che u¨ber die ra¨umliche Tiefe“ steht. Das in der Zeit der Entdeckung der Zentralperspektive entstandene Prateser Fresko wechselt absichtsvoll zwischen dem perspektivischen und dem heraldischen Blick, der alles andere als bedeutungslos ist.

4.2 Zeichensysteme im Wandel

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Wappenbilder und die Tugendpersonifikationen auf universale Werte und Ideale, von denen her sich die politische Ordnung ebenfalls legitimierte. Die Ausbildung des Prateser Wappenensembles zwischen 1292 und 1351 bezog Einflu¨sse, wie die Rezeption Bologneser Statuten oder die anzuerkennende Florentiner Oberherrschaft, mit ein. Ihre rekonstruierbare Entwicklung belegt, daß sie Ausdruck des sich wandelnden politischen Systems der Kommune war und mit deren Mitteln o¨ffentlicher Kommunikation zustande kam. In Prato finden sich keine Spuren, die auf die Ta¨tigkeit von Herolden hindeuten, wie sie etwa im gleichen Zeitraum im Reich Eduards I. von England als Verwalter der Heraldik begegnen163. Stattdessen begegnen uns unter den ersten acht ghonfalonerii, die fu¨r die ‚Ordinamenta‘ verantwortlich zeichneten, der Schmied Guerrucius, der Arzt Tursus und der Notar Torellus164. Die große Mobilita¨t auf den Kommunikationswegen, u¨ber die Innovationen schnell aufgenommen werden konnten, und ihre individuelle Umsetzung vor Ort durch kommunale Amtstra¨ger erweisen sich auch in diesem Beispiel als die charakteristischen Bedingungen, unter denen eine spezifisch kommunale Heraldik entstand. Anhand des Beispiels aus Todi, wo die Kommune zu einem sehr viel fru¨heren Zeitpunkt u¨ber feste urbane Inszenierungsorte verfu¨gte, ist dies bereits fu¨r die Podesta`-Kommune herausgearbeitet worden. In Prato, das wie San Gimignano nur eine terra beziehungsweise ein castrum war, existierte ein vergleichbares Podestariat und spielten sich a¨hnliche Parteika¨mpfe ab, so daß wir die Existenz einer vergleichbaren heraldischen Symbolik annehmen ko¨nnen165. Von der Situation in der zweiten Ha¨lfte 163 Im Einklang mit den großen Institutionalisierungs- und Verschriftlichungsschu¨ben der Ko¨nigsherrschaft unter Eduard I. steht die Kodifizierung von Wappen anderer Reiche und des englischen und franzo¨sischen Adels, die Herolde mit der Anlage von Wappenrollen im Auftrag des Hofes und einiger Magnaten vornahmen; vgl. Rolls of Arms, Edward I (1272–1307). Die Einscha¨tzung, ebenda 1, S. 39: „the reign of Edward I (1272–1307) with its eighteen armorials was the golden age of heraldry in Europe“, ist ¨ berlieferung heraus formuliert und setzt die ganz aus der Perspektive der englischen U Ta¨tigkeit von Herolden fu¨r die Existenz eines funktionierenden Wappenwesens voraus. Eine Auseinandersetzung mit der Heraldik außerhalb der westeuropa¨ischen Ko¨nigrei¨ berlieferung in gleicher che findet nicht statt. Sie ko¨nnte zeigen, daß die englische U Weise die Strukturen ihrer Herrschaftskultur widerspiegelt, wie dies auch die italienische tut. 164 Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi di Prato dell’anno 1292, S. 341. 165 Gerade im Falle Pratos haben sich Sachquellen erhalten, die die Familienwappen der auswa¨rtigen Podesta` und Capitani u¨berliefern. Diese Wappen wurden auf die Vorderseiten der Pergamenthefte gemalt, die zu Semesterbeginn angelegt wurden und in denen die Notare des Podesta` die laufenden Amtsgescha¨fte verzeichneten. Das gemeinsame Wappen diente dann als Unterscheidungs- und als Zuordnungsmerkmal im Kommunalarchiv, wo die Hefte nach dem Syndikatsprozeß landeten. Wohl aufgrund ihrer oft

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

des 13. Jahrhunderts ausgehende Entwicklungen, wie das Experimentieren mit den Verfassungsformen der Popolo-Herrschaft oder der (nominellen) Signorie lassen sich im Hinblick auf ihre Konsequenzen fu¨r die heraldische Symbolik der Kommune in Prato besonders gut beobachten. Das politische System Pratos nach 1351, festgehalten im Fresko Pietro di Miniatos, zeigt außerdem, daß in der Zeit nach den sta¨ndigen Parteiwechseln des 13. Jahrhunderts die etablierten kommunalen Institionen durch Verfassungswechsel nicht abgeschafft, sondern nur in den Hintergrund gedra¨ngt wurden. So wie das Podestariat, dessen Inhaber etwa in Florenz zum bargello, zum Polizeichef, wurde, fortbestand, pra¨sentierten sich die Hoheitszeichen der Kommune als ein historisch gewachsenes Wappenensemble und verliehen damit der in ihm symbolisierten sta¨dtischen Identita¨t eine ebenso universale, wie auch historische Tiefendimension.

4.3 Their masters voice: die Bezeichnung der die Kommune o¨ffentlich repra¨sentierenden Stadtknechte Boten die sich ins Politische wendenden Wehrordnungen der Kommune und des Popolo eine wesentliche Grundlage fu¨r die Entwicklung heraldischer Systeme zur Bezeichnung kommunaler Strukturen und gro¨ßerer Korporationen, so stellen die Stadtknechte eine eher kleine, jedoch bedeutende und vielgestaltige Gruppe dar. Der hier gebrauchte deutsche Begriff des ‚Stadtknechts‘ ist daher auch eher ein Behelf angesichts der vielen Namens- und Aufgabenvarianten, mit denen diese Gruppe in den Statuten der meisten Stadtkommunen begegnet. Mit Iohannes Gerardi Paltonerii haben wir bereits einen beroarius kennengelernt, der angetan mit Waffen, die das Wappen seines Podesta` trugen, Wachdienste in der Stadt Todi versah und bei Gerichtstagen oder Ratssitzungen pra¨sent war. Die Kommune Padua, die ihren Podesta` im 13. Jahrhundert zeitweise verbot, eigene berroerii mitzubringen, bescha¨ftigte deshalb eine Anzahl einheimischer, nach ihren Funktionen zu verschiedenen Gruppen zusammengefaßten precones, deren Bewaffnung und Bezeichnung denen der Amtstra¨ger in Todi entsprach166. So erfahren wir aus einem schon vor 1236 angeaufwendigen Ausfu¨hrungen haben sich einige dieser Deckbla¨tter im Prateser Archiv ¨ berlieferung siehe grundsa¨tzlich Davidsohn, Forerhalten. Zum Medium und seiner U schungen 2, S. 1–8. Vgl. Raveggi, Protagonisti, Abb. 60–95, sowie, Abb. 42–45, mit Bei¨ berlieferung in Perugia spielen fu¨r Wappen Prateser Amtstra¨ger aus vergleichbarer U und Volterra. 166 Statuti del comune di Padova, S. 10.

4.3 Their masters voice: die Bezeichnung der Stadtknechte

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nommenen Statut von der Gruppe der jeweils fu¨r vier Monate zu wa¨hlenden viginti precones, die unter anderem fu¨r Gesandtschaften und Botenga¨nge eingesetzt wurden. Kenntlich waren die Zwanzig, so eine Erga¨nzung des Gesetzes von 1258, an ihren Mu¨tzen, an denen sie das Wappen des regierenden Podesta` trugen167. Wie andernorts die beroarii, so finden sich auch unter den Paduaner precones Bewaffnete, die zudem beritten waren. Diese hatten jedoch auf ihren Schilden nicht das Wappen einer einzelnen Person, zu denken ist sowohl an das Familienwappen des Podesta` als auch an das eines einheimischen Magnaten, sondern das der Comunanza, der vom Popolo bestimmten Kommune, zu tragen. Es zeigte in Weiß ein durchgehendes rotes Kreuz168. Wie die Kommunalstatuten anderer Kommunen erkennen lassen, gab es außerdem Wachen (custodes), Boten (nuntii), Businen- und Trompetenbla¨ser (tubatores, trumbatores) oder Ausrufer (praecones)169. Ihre jeweiligen Aufgabenbereiche sind weniger u¨ber ihre Bezeichnung, als u¨ber ihre statutarische Beschreibung zu erfassen. So konnte ein praeco oder baiulus in einer Stadt andere Aufgaben, wie beispielsweise das La¨uten der kommunalen Glocke, versehen, als in einer anderen. Auch kam es vor, daß er oft mehrere solcher Aufgaben zugleich u¨bernahm170. Gemeinsam war diesen verschiedenen, spezialisierten Funktionstra¨gern eine grundlegende Funktion: In der o¨ffentlichen Kommunikation waren sie meist die Mittler zwischen der im Kommunalpalast residierenden Signoria und den Einwohnern der Stadt. Mit ihrem Auftritt stellten sie 167 Ebenda, I 20 (Nr. 220–223) S. 77f.: Precones qui sunt in officio viginti preconum padue debeant omnes ambaxatas quas facient pro officialibus comunis sine aliquot precio facere. Et habeant insigna potestatis super infulas. 168 Ebenda, I 20 (Nr. 212–213) S. 76, nach dem Amtseid dieser Stadtknechte: Equum non minorem annis tribus pro servicio comunis toto tempore mei officii tenebo. et arma scilicet coretum vel zupam vel lamam et capellum ferri vel bacinellum et rotellam et arcum lanceam et spatam similiter tenebo. Et insignam alicuius persone in rotella vel scuto non portabo. nisi illam comunancie populi paduani. Vgl. Weber, Sprache, S. 555, und zu den Rundschilden Cambin, Rotelle. 169 So war nach einem im Jahre 1274 gemachten Statut der Podesta` von Padua zu folgender Publikationsform gehalten; Statuti del comune di Padova, I 3 (Nr. 28) S. 17: et hoc idem faciat clamari per civitatem in locis consuetis et suburbia voce preconum qui sint in equis cum tubetis. Zu den tubatores siehe ebenda IV 21, S. 373; zu den trumbatores communis Perusii siehe Statuto del Comune di Perugia del 1279, 1, cap. 43, S. 47 [Add. 2]. 170 In Padua hieß die Glocke des Kommunalpalastes, nach der sich das Handeln des Podesta` zu richten hatte, campana preconum. Gela¨utet wurde sie – so eines der a¨ltesten, noch vor 1236 entstandenen Statuten Paduas – von zwei auf dem turre comunis stationierten precones qui habuerint officium campane comunis. Diese fungierten zugleich als custodes. Andere Glocken der Kommune la¨utete ein iudex palacii; Statuti del comune di Padova, I 4 (Nr. 61) S. 27, I 11 (Nr. 142–143) S. 54, I 20 (Nr. 214) S. 76f. und I 30 (Nr. 378) S. 121. Vgl. He´bert, Voce preconia, bes. S. 695.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

¨ ffentlichkeit her und demonstrierten zugleich die Geltung einer oft erst O Stadtherrschaft, die weniger auf personalen Bindungen und dem sozialen Gefu¨ge als auf dem Konsens der Stadtgemeinde beruhte171. Die Bezeichnung der Stadtknechte besaß daher sowohl Signalwirkung fu¨r ihre kommunikativen Aufgaben, als auch symbolische Bedeutung als Herrschaftszeichen. Sie legitimierte die Amtstra¨ger und hob sie, a¨hnlich wie das von seinen beroarii getragene Familienwappen eines Podesta`, aus dem Verpflichtungen und Einstufungen fordernden Zeichenkosmos der Gesellschaft hervor. Dagegen forderte sie selbst in der kommunikativen Interaktion Aufmerksamkeit und Gehorsam der Bu¨rger gegenu¨ber der Kommune. Ein fru¨hes Beispiel aus Parma macht deutlich, daß die Insigne eines kommunalen Boten vor diesem Hintergrund zum Medium des Konfliktaustrags und zum Erinnerungszeichen des kommunikativen und kulturellen Geda¨chtnisses werden konnte172. Noch eine Generation nach dem Vorfall erza¨hlte man sich die Geschichte in Parma, wo sie der junge Salimbene de Adam ho¨rte, um sie schließlich Jahrzehnte spa¨ter in seiner Chronik niederzuschreiben. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts war Guido Pallavicini aufgefordert worden, vor einem Gericht der Kommune Parma zu erscheinen. Der vor die Schranken Zitierte war ein Onkel des spa¨ter als Ghibellinenfu¨hrer der spa¨ten Stauferzeit beru¨hmt gewordenen Oberto. Als Angeho¨riger eines bedeutenden, den Titel eines Markgrafen fu¨hrenden Adelsgeschlechts, herrschte er auf seinen Gu¨tern im Grenzland zwischen Parma, Piacenza und Cremona, war jedoch auch Bu¨rger zu Parma geworden, das wie die anderen Kommunen durch den Ausbau seines Contado den Adel zum Eintritt in die cittadinanza no¨tigte173. Daru¨ber, wie es zum Bruch Guidos mit der Kommune kam, berichtet Salimbene: ‚Der Grund aber, weshalb Markesopolus Parma verließ, war folgender, wie man erza¨hlt. Weil er adlig und hochgemuten Herzens war, sah er sich geschma¨ht und beleidigt, weil irgendein Mann aus dem Volk, ein einfacher Bu¨rger und ba¨urischer Mensch, ihn durch die Sendung eines Boten mit roter Mu¨tze in den Kommunalpalast zitierte, um ihn dort vor Gericht zu belangen.‘174 171 Vgl. mit bezug auf die Ausrufer und den Raum des heutigen Frankreich He´bert, Voce preconia; Offenstadt, Crieurs. Zum Hintergrund des im Folgenden diskutierten Beispiels siehe Keller, Adel; Ders., Stadtkommunen. 172 Vgl. Assmann, Geda¨chtnis, bes. S. 16f., 20f. und 50–56. 173 Vgl. Salimbene de Adam, Cronica 2, S. 569ff.; Chittolini, Pelavicino; siehe auch Kapitel 2.1, 2.4 und 4.5.1. 174 Salimbene de Adam, Cronica 2, S. 572: Causa, autem, quare Markesopolus recessit a Parma, hec fuit, ut traditur. Cum esset nobilis et magnifici cordis, dedignabatur et egre

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Der Adlige fu¨hlte sich in seiner Standesehre dadurch gekra¨nkt, daß ein gesellschaftlich weit unter ihm stehender Parmeser Popolare als Richter u¨ber ihn zu Gericht sitzen sollte. Er ließ es erst gar nicht dazu kommen, sondern wertete bereits die Ladung in den Kommunalpalast als eine derart entehrende Geste im Verlauf des Konfliktes – u¨ber den wir von Salimbene sonst nichts erfahren, in dem sich jedoch aus Sicht der Kommune ihr Bu¨rger des Verstoßes gegen das statutarische Recht schuldig gemacht haben mußte –, daß er die Gerichtshoheit der Stadt nicht anerkannte und sein Bu¨rgerrecht aufgab. Guido Pallavicini verließ Italien und schloß sich auf dem Vierten Kreuzzug Bonifaz von Montferrat an, in dessen Ko¨nigreich von Thessalonike er die Markgrafschaft Bodonitza am Thermopylen-Pass begru¨ndete175. Unter seinem fra¨nkisch-griechischen Beinamen Markesopolus erinnerte man sich an ihn in Parma. Liest man diese Geschichte nun aus der Perspektive des namenlos gebliebenen Richters, so la¨ßt sie eine politische Konzeption erkennen, die sich mittels der oben dargelegten kommunikativen Mo¨glichkeiten der Bezeichnung u¨ber das Selbstversta¨ndnis des Markgrafen hinwegsetzte. In dieser Lesart waren es das gesetzte Recht und der Wille der Gemeinschaft, denen sich der Einzelne ungeachtet seines Standes und gema¨ß seines Bu¨rgereides im Idealfall unterzuordnen hatte. Sie legitimierten den Amtstra¨ger, der fu¨r die Kommune die Gerichtsbarkeit ausu¨bte176. Wie anhand des Beispiels aus Todi untersucht, verfu¨gte die Kommune des 13. Jahrhunderts u¨ber ein Instrumentarium an Orten und Medien, die neben ihren pragmatisch-instrumentellen Funktionen auch symbolische Bedeutung besaßen, um die kommunalen Herrschaftstra¨ger mit Ehre und Handlungsmacht auszustatten und das von Standesehre bestimmte Verhalten einzelner gesellschaftlicher Gruppen in die Schranken zu weisen. Neben dem Statutencodex und dem Kommunalpalast geho¨rten dazu auch die Insignien der Boten und ihr kommunikativer Kontext. Die Geschichte aus Parma, die vor 1204 stattgefundene Ereignisse u¨berliefert, ist ein fru¨hes Beispiel fu¨r die farbigen Mu¨tzen, die die Stadtknechte in den italienischen Kommunen als Repra¨sentanten des Stadtregimentes trugen. Rot scheint als Grundfarbe der Parmeser infulae im weiteren Verlauf des Mittelalters erhalten geblieben zu sein. Noch die 1494 gedruckten Statuten schrieben den correrii, wie die Boten in Parma genannt wurden, vor, sie ferebat quod quilibet popularis homo, burgensis atque ruralis, misso nuntio cum infula rubea trahebat eum ad Communis palatium, ubi eum poterat in iuditio convenire. Meine ¨ bersetzung stu¨tzt sich auf die Alfred Dorens; Salimbene von Parma, Chronik 2, S. 29. U 175 Miller, Marquisate; Setton, Papacy, bes. S. 28. 176 Vgl. Busch, Spiegelungen, S. 311; Keller, Quellengattung, S. 31–39; zur schwierigen Integration des Adels in die kommunale Gemeinschaft siehe Dens., Adel, S. 267–272.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

sollten portare in capitibus continue capellinas rubeas cum armis et insigniis Communis177. Solch eine Heraldisierung der Amtszeichen zeigen auch Beispiele aus anderen Kommunen. Da in der Regel mehrere Stadtknechte ihr Amt versahen, erhielt ihre von der Kommune vorgenommene Einkleidung beziehungsweise Bezeichnung einen uniformen Charakter. So sah eine Erga¨nzung von 1285 zu den Perusiner Statuten von 1279 vor, daß: ‚der Ka¨mmerer der Kommune auf Kosten der Kommune soviele Mu¨tzen aus Scharlach oder Zindel anfertigen lassen soll, wieviel Boten es geben wird. Und er soll jedem Boten eine geben [...] Auf diese Mu¨tzen und auf jeder von ihnen soll der genannte Ka¨mmerer zwei große Greife machen lassen, na¨mlich auf jede Seite der Mu¨tze einen Greifen; die Greifen sollten und sollen so groß sein, daß sie in der Spitze der Mu¨tze ihren Kopf und auf dem Rand der Mu¨tze ihre Fu¨ße haben. Und kein Bote soll eine andere Mu¨tze tragen, außer der, die ihm vom vorgenannten Ka¨mmerer gegeben werden wird. Und die Boten selbst und jeder von ihnen sollen die genannten Mu¨tzen besta¨ndig u¨ber die einzelnen Tage auf dem Kopf tragen, sowohl an Sonn- und Festtagen, als auch an den anderen.‘178 177 Statuta communis Parmae digesta anno MCCLV, S. 126f. Siehe auch oben Kapitel 2.2.1 mit Bezug auf Chronicon Parmense, S. 201. 178 Statuto del Comune di Perugia del 1279, 1, cap. 61, S. 80: [Add. 1] Additum est quod massarius communis debeat fieri facere expensis communis tot infulas de scarlatto siue de c¸endado, quot erunt baiuli. Et unam dare debeat cuilibet bailitori, dum tamen quilibet baiulus predicto massario soluere teneatur illam quantitatem pecunie, quam ipse massarius ei pro ipsa infula dixerit soluisse. In quibus infulis et in qualibet earum dictus massarius duos grifones magnos fieri facere teneatur, scilicet in qualibet parte infule unum grifonem; qui grifones sint et esse debeant ita magni, quod in summitate infule caput habeant et in ore seu orlo infule pedes debeant tenere. Et nullus baiulus aliam infulam portare debeat, nisi tantum illam que sibi data fuerit a massario supradicto. Et ipsi baiuli et quilibet eorum dictas infulas in capite portare debeant continue singulis diebus, tam dominicis et festiuis quam aliis. Et qui contra fecerit, soluat pene nomine pro uice qualibet uiginti solidos denariorum ; et accusatoris credi debeat iuramento. Scharlach ist ein scharlachroter Stoff, fu¨r dessen Herstellung teures, geschorenes Tuch mit dem aus Schildla¨usen gewonnenen Kermes gefa¨rbt wurde; vgl. Du Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis 6, S. 340 s. v. „scarlatum“ und Reinicke, Scharlach. Zindel (auch Sindel, Sendal, Cendal oder Zendal) ist ein leichter, seidena¨hnlicher Stoff. Nach den Belegen von Du Cange war er ha¨ufig rot gefa¨rbt und wurde zur Anfertigung von Fahnen verwandt, vgl. Du Cange, ebenda 2, S. 254 s. v. „Cendalum“. War Scharlach demnach ein teures Tuch, so war Zindel nach Ansicht von Polidori Calamandrei, Vesti, S. 132 s. v. „Zendado“, ein eher preiswerter Futterstoff. Siehe jetzt auch mit Hinweisen auf weitere Literatur von Hu¨lsen-Esch, Gelehrte, S. 90ff. und 99ff.

4.3 Their masters voice: die Bezeichnung der Stadtknechte

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Entsprechend heißt es in den Florentiner Statuten des Podesta` von 1325: ‚Desgleichen, daß jeder einzelne Bote der Kommune Florenz in der Stadt, im Contado und Distrikt von Florenz sta¨ndig auf dem Kopf eine hohe wollene Mu¨tze tra¨gt, mit vier roten, großen Lilien, die erkennbar sichtbar gemacht auf der ganzen Oberfla¨che derselben Mu¨tze angeheftet oder aufgena¨ht sind, ohne eine andere Kapuze und ohne eine andere, wie auch immer geartete Farbe zu haben, weder aus Leintuch noch Pelzwerk, auf dem Kopf zu tragen, an Festtagen, gema¨ß der Form der Statuten der Kommune von Florenz, zur Ehre Gottes erlassen, ist zu beachten unter Strafe von zehn Pfund Florentiner Fußes, und wer sie nicht innerhalb von zehn, vom Tag der Verurteilung an zu za¨hlenden Tagen zahlt, wird nackt dreimal um den Palazzo des Podesta` herumgegeißelt, an den Tagen und zu der Stunde, an der Gericht gehalten wird.‘179 Unser drittes Beispiel fu¨hrt uns nach Bologna. Dort wa¨hlte die Gesellschaft der Notare gema¨ß ihrer Statuten von 1304 im Halbjahresrhythmus ein Kollegium von acht Konsuln180. Diese bestellten fu¨r die Dauer ihrer Amtszeit vier nuntii, die sowohl in ihrem Namen Botschaften zu u¨berbringen und die Versammlungen der Gesellschaft einzuberufen hatten, als auch die Konsuln bei ihren Amtshandlungen begleiteten. Auch hier hatten die Boten: ‚eine Mu¨tze aus neuem Tuch anfertigen zu lassen, mit den daraufgesetzten Wappen der Gesellschaft, die sie zu besitzen und o¨ffentlich auf dem Kopf zu tragen gehalten sind‘.181 179 Statuti della Rebubblica Fiorentina 2: Statuto del Podesta` dell’anno 1325, I,12 S. 39–46, hier S. 40: Item quod unusquisque nuntius Communis Florentie continue ferat in capite, in civitate, comitatu et districtu Florentie, cappellinam altam laneam cum quactuor liliis vermiliis magnis et aparentibus detectis in totum infixis seu insutis ipsi cappelline, absque delatione alicuius caputii et sine alio quocumque colore habendo in panno vel fodere in capite, diebus feriatis, ex forma statutorum Communis Florentie in honorem dei dedicatis, explosis, sub pena librarum decemf. p., quas si non solverit infra decem dies a die condemnationis numerandos, nudus fustigetur ter circumcirca palatium Potestatis de die, hora videlicet qua curie teneantur. 180 Statuti della societa` dei notai dell’anno .MCCCIIII., S. 3–53. 181 Ebenda, cap. XVIII, S. 23. Das redende Wappen der Bologneser Notare hat sich in dem von ihnen gestifteten Fenster in San Petronio erhalten. Es zeigt in Blau drei silberne, 2:1 gestellte Tintenfa¨sser mit eingesteckten Federn; vgl. Galbreath – Je´quier, Handbuch, Abb. 438 S. 165. Das Fenster stammt aus dem 15. Jahrhundert. Das Wappen findet sich auch in der Ausstattung der Kapelle der Notare von 1488 in San Petronio; vgl. Rolandini Passagerii Contractus, Tav. XI.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

In diesem Fall liefern uns die Statuten außerdem Informationen u¨ber die repra¨sentativen Pflichten der Notarskonsuln, bei denen sie von ihren Boten umgeben wurden. Sie hatten auf allen o¨ffentlichen Versammlungen von Kommune und Popolo von Bologna die eigene Gesellschaft zu vertreten und mußten an bestimmten Tagen an ihrem Tisch im alten Kommunalpalast ‚Sprechstunde‘ abhalten. Ferner leiteten sie im Palast der eigenen Gesellschaft alle Versammlungen und mußten einmal im Monat in der dortigen Kapelle die Messe ho¨ren. Wurde ein neuer Notar dort aufgenommen, so gab er nach seiner Examinierung durch die Konsuln deren Boten ein Ehrengeschenk von zwo¨lf Bolognini. Wurde ein Notar zu Grabe getragen, so folgten seinem Sarg auch die Boten, die die von ihnen getragenen Kerzen anschließend behalten durften182. Die farbige, heraldisch bezeichnete Mu¨tze scheint ein Charakteristikum des kommunalen Italien gewesen zu sein. Andernorts u¨bernahmen andere Medien ihre Funktion. Nach einer Zeugenaussage aus dem Jahre 1257 trug der Ausrufer von Digne ebenfalls eine infula, doch zeigte er die Wappen der Stadtherren auf dem Tuch der Fahne, unter der er seine Auftra¨ge verku¨ndete183. Der vice-preco von Marseille trug im Jahre 1434 ein Mi-parti in den Wappenfarben der Stadt, Blau und Weiß184. Die Bildu¨berlieferung besta¨tigt die statutarischen Vorschriften. So zeigt eine Randzeichnung in den Prateser Statuten des 14. Jahrhunderts einen Stadtknecht, der eine mit Lilien, dem Wappenbild der Kommune, besetzte Mu¨tze tra¨gt185. Der gleichen Quelle, sowie zahlreichen anderen, kann entnommen werden, daß an den Businen der Trompeter und Ausrufer Trompetenfahnen befestigt waren, die das Stadtwappen trugen186. In ihrem Auftreten kamen visuelle und akustische Signale zusammen. Wurde in einer Familie der Florentiner Fu¨hrungsschicht ein Kind geboren, so schickte die Signoria zur ehrenden Gratulation eine von den sta¨dtischen Businen-Bla¨sern begleitete Delegation ins Haus. Ein in den 1420er Jahren entstandener desco da parto aus der Werkstatt Masaccios zeigt solch

182 Vgl. von Hu¨lsen-Esch, Konstituierung; Dies., Kleider; Dies., Gelehrte, S. 132. 183 Die Befragung des Zeugen zielte auf die Feststellung des Verha¨ltnisses zwischen den beiden Stadtherren, des Bischofs von Digne und des Grafen von der Provence. Die Vorrangstellung des Grafen, Karls I. von Anjou, war daran erkennbar, daß der Ausrufer seinen Namen zuerst nannte und daß sein Wappen auf dem vexillum u¨ber dem des Bischofs stand; He´bert, Voce preconia, S. 692; Offenstadt, Crieurs, S. 207. ¨ berlieferung aus dem nordalpinen Raum sichtet 184 He´bert, Voce preconia, S. 697. Die U Monnet, Courriers. 185 Raveggi, Protagonisti, Abb. 36. 186 Raveggi, Protagonisti, Abb. 25 und 33; von Hu¨lsen-Esch, Kleider, Abb. 17, S. 249; Keller, Societa`, S. 282; Offenstadt, Crieurs, S. 205 und 208f.

4.3 Their masters voice: die Bezeichnung der Stadtknechte

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eine, im Cortile eines Hauses stehende Gruppe, deren große Trompetenfahnen die Florentiner Wappenlilie zeigen. (Taf. 7) Sichtlich vera¨rgert u¨ber den La¨rm der Businen huscht eine Gruppe von Frauen an ihnen vorbei ins Wo¨chnerinnenzimmer187. Die von solchen Trompetern begleitete Signoria, die von einer Tribu¨ne aus dem Palio oder einem Turnier beiwohnt, ist ebenfalls ein beliebtes Motiv auf den Cassoni, den Hochzeitstruhen188. Die zuletzt genannten Beispiele sind Belege fu¨r ein weiteres Repra¨sentati¨ hnlich wie bereits ons- und Wahrnehmungsfeld kommunaler Wappen. A auf den Minnefeiern und Turnieren im Umfeld Venedigs wa¨hrend des 13. Jahrhunderts waren sie im rituell gepra¨gten ‚Privatleben‘ der gesell¨ ffentlichkeit schaftlichen Fu¨hrungsschicht pra¨sent189. Als Medien, die O generierten und den Willen der sta¨dtischen Gemeinschaft symbolisierten, besta¨tigten sie den anerkannten Status einer Familie, Festgesellschaft oder Korporation190. Die Florentiner und Perusiner Statuten betonen die praktische Funktionalita¨t der von den Stadtknechten getragenen, heraldisch bezeichneten Mu¨tzen. Die Gro¨ße und Sichtbarkeit der Wappenfigur auf der Mu¨tze waren eine Voraussetzung dafu¨r, daß ihr Tra¨ger seine Aufgabe erfu¨llen konnte. Daß sein Identifikations- und Legitimationszeichen das Symbol kommunaler Identita¨t und Ehre war, brachte fu¨r den Tra¨ger jedoch auch eine große Verpflichtung mit sich. Sein mo¨gliches Fehlverhalten wu¨rde auf sein Zeichen sowie letztlich auf die Signoria zuru¨ckfallen. Umgekehrt war es eine wesentliche Voraussetzung fu¨r die Effektivita¨t kommunalen Herrschaftshandelns, wie der Einberufung von Rats- und Volksversammlungen oder der o¨ffentlichen Verku¨ndung von Statuten und bannimenta, daß der Bote oder Ausrufer auch tatsa¨chlich im Dienst seine Mu¨tze trug. Unterließ er dies, bescha¨digte er ebenfalls die Ehre der Kommune und machte sich strafbar191.

187 Weppelmann, Einfu¨hrung, Abb. 2, S. 9; Boskovits, Wilhelm von Bode, S. 20–23. 188 Grundlegend Schubring, Cassoni. Eine Szene, wie die hier beschriebene, ist auf einem cassone dargestellt, der heute in Cleveland, OH, aufbewahrt wird; Blockmans, Geschichte, S. 286f. Die spa¨tere Bildu¨berlieferung la¨ßt erkennen, daß Businenbla¨ser mit Trompetenfahnen auch den Hochzeitszug begleiteten; Helas, „... nicht aus reiner Lust ...“, untersucht ein Beispiel, in dem die Wappen und imprese einer Familie in diesem Kontext zu sehen sind. 189 Vgl. Kapitel 4.1.2 und fu¨r das 15. Jahrhundert Blass-Simmen, Jacopo, S. 96f. 190 Wohl aus diesem Grund erbat die Stadt Dijon 1433 von ihrem Stadtherrn das Recht, eine Busine oder Trompete zu haben. Begru¨ndet wurde die Bitte damit, daß sich Fremde daru¨ber belustigt gezeigt ha¨tten, daß Dijon solch eine Sache entbehre, die doch eine große Ehre fu¨r eine Stadt darstelle; Offenstadt, Crieurs, S. 205f. 191 Vgl. Statuto del Comune di Perugia del 1279, 1, cap. 61 S. 76ff.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Von da her ist die in dem oben zitierten Statut aus Florenz angedrohte Strafe zu verstehen, die nicht nur ko¨rperlich hart, sondern auch a¨ußerst entehrend war. Denn Entkleidung und Geißelung an einem o¨ffentlichen Ort, wie dem mit pittura infamante bemalten Palazzo dell’ Podesta`, am Gerichtstag waren, wie Andrea Zorzi gezeigt hat, typische Schand- und Ehrenstrafen der kommunalen Gerichtspraxis, die die verletzte Identita¨t der Gemeinschaft wiederherstellen sollten192. In der Quelle aus Florenz wird außerdem betont, daß die Boten nur ihre Mu¨tze und keine Kapuzen oder Pelzwerk tragen durften. Diese waren, wie Andrea von Hu¨lsen-Esch herausgearbeitet hat, Standessymbole der kommunalen Fu¨hrungsschicht193. Das bedeutet meines Erachtens, daß der Florentiner Bote zwar das Symbol der Kommune trug, aus dieser Funktion aber fu¨r sich selbst keine Standeserho¨hung beanspruchen durfte, wie sie mit dem distinktiven Medium der Kleidung zum Ausdruck gebracht werden konnte. Auch wurden Stadtknechte, wie die Perusiner baiuli, davor gewarnt, wa¨hrend der Ausu¨bung ihres Amtes im Contado durch Vorsatz oder Unachtsamkeit in kompromittierende Situationen zu geraten194.

4.4 Versorgung und Kontrolle der Einwohner: Das Stadtwappen auf dem Brot Vielleicht in keinem anderen, durch die Statutengesetzgebung geregelten Bereich des Alltagslebens trafen sich die herrschaftliche Fu¨rsorge und die obrigkeitliche Kontrolle der Kommune so unmittelbar, wie in der Versorgung der Bevo¨lkerung mit Grundnahrungsmitteln. Beginnend mit Hans 192 Zu den Schandbildern siehe grundlegend Ortalli, Pittura, sowie Edgerton, Pictu¨ berlegungen von Beispielen aus dem deutschen Sprachraum ausgehend res; mit neuen U Lentz, Konflikt. Vgl. Zorzi, Rituali di violenza; Ders., Rituali e ceremoniali. Wie Rexroth, Milieu, gezeigt hat, kam es im London des 14. Jahrhunderts zu einer beachtlichen Ausweitung solcher „lesbarer Strafen“, die fu¨r die an Markt- und Gerichtstagen ver¨ ffentlichkeit inszeniert wurden. sammelte O 193 Von Hu¨lsen-Esch, Kleider; Dies., Gelehrte; siehe oben Kapitel 3.5.2. 194 Statuto del Comune di Perugia del 1279, 1, cap. 61 S. 79f.: Per comitatum et districtum Perusii nullus baiulus accipere audeat uel presumat alicui pro aliquot debito bouem domatum seu uaccam domatam [...] nec aliquid aliud quod ad laboritium pertineat. [...] Cum bailitor uero ad aliquem pignorandum iuerit, ad lectum alicuius mulieris accedere non attemptet. In dem seit 1216 gefu¨hrten ‚Liber falsariorum comunis Padue‘ finden sich sowohl die Verurteilung eines preco, quia fecit falsam ambaxatam, als auch Zeugenaussagen, nach denen es o¨fters vorkam, daß sich Betru¨ger als kommunale precones ausgaben; Statuti del comune di Padova, S. 386 und 389.

4.4 Versorgung und Kontrolle der Einwohner: Das Stadtwappen auf dem Brot

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Conrad Peyers wegweisender Studie hat die Forschung herausgearbeitet, wie seit dem 12. Jahrhundert die Verantwortlichkeit fu¨r die Lebensmittelversorgung der Stadtbevo¨lkerung in die Ha¨nde der Kommune u¨berging und von dieser mittels Gesetzgebung vorsorglich organisiert und u¨berwacht wurde195. ¨ bernahme und Ausgestaltung dieser Kompetenzen Analog zur U begegnet das Stadtwappen in den Quellen des 14. Jahrhunderts nun auch als ein Zeichen, u¨ber das Kontrolle und Qualita¨tssicherung erfolgte. Die Kommune gebrauchte es in Bereichen, in denen sie ein Monopol oder weitgehende Kontrolle ausu¨bte. War diese Praktik des Zeichengebrauchs solcherart politisch motiviert, so wurde sie in einem Kontext geu¨bt, in dem beispielsweise viele verschiedene Handwerkerzeichen und a¨hnliche Marken in Umlauf waren196. Ein weiterer Sitz im Leben war zu der heraldischen Symbolik der Kommune hinzugekommen, die in immer mehr Bereichen der Lebenswelt Relevanz erhielt. Die skizzierte Entwicklung betraf versta¨ndlicherweise nicht nur die Lebensmittelversorgung. In Siena mußte etwa jedes von einem Ku¨fer hergestellte Faß mit dem Siegel der Kommune gestempelt werden197. In Venedig hatte seit 1275 Baumwolltuch spa¨testens drei Tage nach seiner Fertigung beschaut zu werden und ein Bleisiegel mit dem Bild des Markuslo¨wen zu erhalten198. In Parma, mit dessen heraldischer Symbolik wir uns bereits befaßt haben, erfu¨llte das Wappen mit dem Bild des torello diese Funktion eines Gu¨tesiegels. Wie die Kommunalstatuten von 1255 erkennen lassen, mußten mit dem signum torelli Gastha¨user kenntlich gemacht werden und Hohlmaße besiegelt sein. Schließlich hatte auch das in der Stadt verkaufte Brot bullatus cum bullo et signo taurelli zu sein199. Der Einsatz des Stadtwappens in der Brot- und Getreideversorgung, der fu¨r die emilianische Stadt zu einem fru¨hen Zeitpunkt belegt ist, soll im Folgenden am Florentiner Beispiel untersucht werden. Die Wappenlilie der Kommune Florenz begegnet bereits auf den Getreidesa¨cken, die mit Esel- und Maultierkarawanen von Sammelstellen der Agrarproduktion im Florentiner Territorium, wie etwa Colle Val

195 Peyer, Getreidepolitik; vgl. Keller, Vera¨nderungen; Ders., Quellengattung, S. 37f.; Drewniok, Organisation. 196 Mit zahlreichen Beispielen: A Grammar of Signs, S. 67ff. 197 Waley, Siena, S. 157, mit Bezug auf die Statuten von 1262. In Novara und seinem Contado mußten Last- und Nutztiere registriert und mit dem signum des Podesta` gekennzeichnet sein; Drewniok, Organisation, S. 207f. 198 Clement – Matheus, Tuchsiegel. 199 Chronicon Parmense, S. 9.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

d’Elsa, in die Stadt gebracht wurden200. In der Arnostadt angekommen, wurde das Getreide bei einem der fru¨hen Kommunalpala¨ste an dem Platz, wo bis 1239 die alte Michaelskirche gestanden hatte, gelagert und verkauft. 1284 ließ die Kommune diese or’ San Michele genannte platea Orti S. Michaelis pflastern und eine offene Laubenhalle u¨ber ihr errichten, in der unter Aufsicht der officiales de blado, der Sei della biada, das Getreide verkauft wurde201. Als Knechte dieser Offizialen agierten sechs nuntii, die selbstversta¨ndlich in capite cappellinas albas trugen und mit Knu¨ppeln bewaffnet waren202. Als kurz nach der Vollendung der Loggia die an zwei ihrer steinernen Pfeiler angebrachten Bilder der Madonna und des Erzengels als wunderta¨tig verehrt wurden, sich die bedeutende Compagnia della Madonna d’Or San Michele bildete, die auch Frauen aufnahm, und die Zu¨nfte begannen, an Hochfesten zu dem Gnadenbild zu ziehen, institutionalisierte die Kommune diesen Kult203. Am 25. September 1336 beschloß der Rat, anstelle der alten Halle ein templum in statura et forma palatii zu errichten, in quo veneratio gloriose Virginis Marie posset aptius celebrari, et granum et bladium melius conservari204. Der vierzig Meter hohe, massige Bau des heutigen Orsanmichele, der daraufhin entstand, war im Erdgeschoß Wallfahrtskirche und in den beiden Obergeschossen Getreidespeicher. Seine Fassade wurde zu einer Repra¨sentationsfla¨che der Kommune, da an ihr nicht nur das Stadtwappen angebracht war, sondern sie auch Nischen erhielt, die den einzelnen Zu¨nften zugewiesen wurden. Diese

200 Il Libro del Biadaiolo, Abb. 7; siehe dazu und im Folgenden Kreytenberg, Darstellung. Vgl. zu solchen Karawanen Albertino Mussato, De Gestis Heinrici VII. Caesaris Historia Augusta, XI 5, Sp. 502f. Auch auf den Sieneser Fresken Lorenzettis sind Maultierkarawanen mit Warenballen, die Firmenzeichen tragen, zu sehen; Starn, Ambrogio Lorenzetti, Abb. 5–6 und S. 86f. 201 Nach Davidsohn, Forschungen 4, S. 313, existierte die Kommission der sex de blado bereits 1258. 202 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del Popolo, I 16, S. 26–29. 203 Davidsohn, Forschungen 4, S. 435–439, 488f. und 510f., kann unter anderem die Transformation einer urspru¨nglich pragmatischen in eine paraliturgische Geste belegen: Wegen des Getreidestaubes hing u¨ber dem Gnadenbild ein Vorhang, der zu dessen Verehrung beiseite getan werden mußte. Nachdem la¨ngst kein Markt mehr in der Halle abgehalten wurde, wurde der „Schleier“ in Verbindung mit dem Gesang der Laudesi und dem Anzu¨nden von Kerzen nach wie vor gehoben. Andrea Orcagna hat spa¨ter sogar das neue Gnadenbild mit einem aus Marmor gehauenen Schleier umfaßt. Davidsohn zitiert aus einem Ratsprotokoll von 1319 u¨ber die Compagnia, in dem es heißt: et in dicta Societate sunt quasi omnes boni homines civitatis et districtus Florentie. Die Offizialen der Gesellschaft u¨berwachten die Lebensfu¨hrung der Mitglieder und sprachen gegebenenfalls Ru¨gen aus. 204 Braunfels, Stadtbaukunst, S. 211ff.

4.4 Versorgung und Kontrolle der Einwohner: Das Stadtwappen auf dem Brot

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schmu¨ckten sie mit ihrem Wappen und der Figur ihres Schutzheiligen205. Außerdem ließ die Kommune die Straßen zwischen Domplatz, Bargello und Kommunalpalast, an deren (leicht versetztem) Schnittpunkt Orsanmichele lag, begradigen und verbreitern. Dies geschah nicht nur mit Blick auf das eigene Prozessionswesen, sondern auch, um „den Kaufleuten und Bu¨rgern, die Korn und Mehl aus den Gebieten des Mugello und der Romagna bringen, freien und unmittelbaren Zugang zu der verehrungswu¨rdigen Loggia von Or San Michele zu ermo¨glichen“206. Um die organisierte Getreideversorgung der Kommune herum war innerhalb eines halben Jahrhunderts ein Fokus der Florentiner Gesellschaft entstanden, der ebenso religio¨se, wie auch obrigkeitliche Dimensionen besaß. Daß die Kommune des 14. Jahrhunderts einen Großteil ihres Getreidebedarfes durch Anka¨ufe von Importen deckte, belegen bereits die Namen der in Orsanmichele gehandelten Weizensorten, von denen der hochwertigere Ciciliano genannt wurde, wa¨hrend der grano comunale, dessen Preis die Kommune festlegte, von geringerer Qualita¨t war207. Die Fu¨rsorgepflicht und die Kontrolle der Kommune zeigte sich etwa im Jahre 1329, als der mit einer Mißernte zusammenfallende Romzug Ludwigs des Bayern die Preise in die Ho¨he trieb. Wa¨hrend der Podesta` mit seinen Wachen eine Großrazzia nach verstecktem Getreide durchfu¨hrte, ließ die Kommune aus eigenen und beschlagnahmten Besta¨nden Brot backen und an zwo¨lf Stellen der Stadt – wahrscheinlich zwei pro Sesto – mit Verlust verkaufen208. In den Florentiner Haushalten wurde wie in denen anderer mittelalterlicher Sta¨dte, fu¨r den eigenen Bedarf verschiedene Sorten Brot gebacken209. Buk jemand jedoch mehr Brot, um es mit Gewinn zu verkaufen, konnte er die von der Kommune bestimmten Niedrigpreise fu¨r das von ihr importierte Getreide mißbrauchen. Die Statuten des Capitano del Popolo von 1322 weisen daher eine Reihe von Gesetzen auf, hinter denen die Strategie stand, den unkontrollierten privaten Verkauf von

205 Turner, Renaissance, S. 14, Abb. 4, S. 18f., Abb. 6, und S. 50–67; Wundram, Kunstfu¨hrer, S. 254–263. ¨ bersetzung des Zitates aus den Kommunalstatuten, mit Korrektur der Ortsna206 Die U men, nach Braunfels, Stadtbaukunst, S. 102. 207 Davidsohn, Forschungen 4, S. 310ff. Zur Romagna als Exportgebiet fu¨r Getreide siehe Larner, Lords. Eine wichtige Funktion der seit 1299 durch Florenz gegru¨ndeten oder ausgebauten Kastelle war es, die lokale Getreideproduktion zu sammeln und die meist in die Romagna oder zum Seehafen Pisa fu¨hrenden Importwege offenzuhalten; siehe unten Kapitel 4.5.1. 208 Davidsohn, Forschungen 4, S. 310ff. 209 Origo, „Im Namen Gottes und des Gescha¨fts“, S. 341.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Brot einzuda¨mmen und den erlaubten Verkauf o¨ffentlich und damit kontrollierbar zu machen. So war es keinem Ba¨cker und keiner Ba¨ckerin, fornarius vel fornaria, pistor vel pistrix, panicoqus vel panicoqua, gestattet, ohne Lizenz der Kommission der Sechs mehr als zwei Scheffel Getreide oder Kastanien zu kaufen und durch einen der bereitstehenden Tra¨ger vom Platz schaffen zu lassen. Niemand, in dessen Haus man Brot fa¨nde, du¨rfe abstreiten, daß es seines sei. Niemand, mit Ausnahme der Getreidegroßha¨ndler, du¨rfe in Florenz Getreide und Gemu¨se abseits des Platzes um Orsanmichele kaufen oder verkaufen210. Auf den privaten Verkauf von Brot erhob die Kommune eine Steuer211. Damit dies jedoch auch kontrolliert werden konnte, gingen die statutarii der Statuten des Popolo so weit, die heraldische Bezeichnung jedes in der Stadt gebackenen und verkauften Brotes vorzuschreiben. In Florenz besaß daher jeder Ba¨cker und jede Ba¨ckerin einen Stempel, der die Florentiner Wappenlilie zeigte, die von ihrem vollsta¨ndigen Namen umgeben war. An ihre Ha¨user, in denen sie dieses Brot verkauften, hatten sie eine Tafel anzubringen, auf die das Florentiner Stadtwappen gemalt war212. Die piccolini fiorentini wiederum, mit denen ihre Kunden bezahlten, trugen ebenfalls das Zeichen der Lilie213. (Vgl. Taf. 1) Da sich die Florentiner Kommunalstatuten vor 1322 nur in Bruchstu¨cken erhalten haben, lassen sich diese Regelungen zeitlich nicht weiter zuru¨ckverfolgen. Der Vergleich mit Parma zeigt jedoch, daß andere Kommunen solche Gesetze bereits in der

210 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del Popolo, I 17–34, S. 29–33. Der staio faßte nach Davidsohn, Forschungen 4, S. 307ff., etwa siebzehneinhalb Kilogramm. Aus Kastanienmehl wurde einfacheres Brot gebacken. Zu der vergleichbaren Kriminalisierung des privaten Bierbrauens und des Zwischenhandels mit Ale in London siehe Rexroth, Milieu, S. 90, 97 und 177–193. 211 Davidsohn, Forschungen 4, S. 306. Vgl. Drewniok, Organisation, S. 212. 212 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del Popolo, I 35, S. 33: De pena vendentium panem non signatum. Item quod omnes fornarii et fornarie, pistores et pistrices et omnes alie persone que facerent panem ad vendendum in civitate, burgis vel suburgis Florentie teneantur et debeant ipsum panem signare cum sigillo, in quo sculptum est lilium circumdatum licteris, nominis et prenominis cuius esset panis, ita quod lictere possint bene legi, et qui contra fecerit et predicta non servaverit, condempnetur pro qualibet vice in solidis quadragintaf. p. Et predicta banniantur ita quod possint ad notitiam omnium pervenire. Ebenda I 39, S. 34: Quod vendentes panem teneant tabulam ante domum. Item quod omnes fornarii et pistores, tam mares quam femine, vel que faciunt panem ad vendendum, de grano vel blado, debeant ponere ante domum, in qua habitent, tabulam pictam ad lilium publice, ita quod per omnes sciri possint qui faciunt panem, sub pena solidorum centum f. p. pro quolibet et quotiens, et plus et minus ad voluntatem domini Defensoris. Et quilibet accusare possit, et teneatur credentia. 213 Siehe Kapitel 1.1.

4.4 Versorgung und Kontrolle der Einwohner: Das Stadtwappen auf dem Brot

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Mitte des 13. Jahrhunderts erließen214. Wahrscheinlich wurden sie in Florenz zu dem Zeitpunkt erlassen, als die Kommune sich auch des Marktes von Orsanmichele annahm. Aus heraldischer Perspektive setzte der vorgeschriebene Zeichengebrauch einen etablierten, auf Kontinuita¨t ausgerichteten Wappengebrauch durch die Kommune voraus, wie er seit dem fru¨hen 13. Jahrhundert mo¨glich war. Mit der Delegierung ihres eigenen Zeichens an Bu¨rger zum Zwecke der Kontrolle weitete die Kommune den Gebrauch ihres Hoheitszeichens in einer fu¨r sie signifikanten Art und Weise aus. Gema¨ß der Norm von 1322 konnte man also im Falle einer Kontrolle sofort Brot, das fu¨r den Verkauf bestimmt war, von dem fu¨r den Eigenbedarf unterscheiden und seine Herkunft bis zum Produzenten zuru¨ckverfolgen. Das Beispiel ist in mehrfacher Hinsicht ein Ausnahmefall. Sind ¨ berlieferung sonst durchgehend die Ma¨nner, die als Gestalter es in der U oder Akteure in Kontexten des Wappenwesens erscheinen, so begegnen hier ausnahmsweise auch einmal Frauen215. Daru¨ber hinaus findet sich das Stadtwappen hier nicht als exklusives, innerhalb einer adlig-ritterlichen Fu¨hrungsschicht gehandhabtes Medium, sondern als ein Zeichen, das unmittelbare Relevanz fu¨r die gesamte Einwohnerschaft besaß. Diese Eigenschaft besaß es allerdings als Herrschaftsinstrument der Kommune, die fu¨r das ihr Wappen tragende Produkt garantierte und dessen Produktion und Verkauf reglementierte. Das Wappen wurde in dieser Funktion sowohl aus den genannten, wirtschaftspolitisch motivierten Gru¨nden als auch aufgrund seiner symbolischen Funktionalita¨t eingesetzt. Es signa¨ ffentlichkeit. Der dadurch ausgelisierte, wie in anderen Kontexten, O schlossene heimliche Handel wurde illegal. Die Komplexita¨t, Eigendynamik und Multifunktionalita¨t heraldischer Symbolik zeigt sich zudem in Sekunda¨reffekten. So trug der geregelte Lebensmittelhandel zur Unterscheidung zwischen Sta¨dter und Landmann bei. Die markierten Lebensmittel waren außerdem ein Unterscheidungsmerkmal in der gesellschaftlichen Hierarchie. Reiche, wie Francesco di Marco Datini, pra¨sentierten ihren Ga¨sten Lebensmittel, die auf ihren eignen Gu¨tern produziert worden waren sowie gekaufte Konsumgu¨ter von hohem Wert. Falls sie nicht durch Privileg von ihnen befreit waren, geho¨rten die hohen Preise und die Einfuhr- und Verbrauchssteuern zum Aufwand einer standesgema¨ßen Lebensfu¨hrung. Die Sta¨dter, die keinen Haushalt mit Backofen ihr 214 Drewniok, Organisation, S. 212, zeigt anhand weiterer Beispiele, daß die namentliche Kennzeichnung des Brotes, die im Idealfall die Identifizierung des zu beanstandenden Backwerks ermo¨glichte, im 13. Jahrhundert als statutarische Norm weit verbreitet war. 215 Vgl. Schwerhoff, Leben, S. 45.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

eigen nannten, hatten nach dem Willen der Kommune das mit ihrem Wappen gestempelte Brot von minderer Qualita¨t zu kaufen. Wie arme oder geizige Florentiner des 14. Jahrhunderts versuchten, den von der Kommune vorgeschriebenen Umgang mit Lebensmitteln zu umgehen, ist ein Thema der Florentiner Novellistik. In den Erza¨hlungen Franco Sacchettis, eines gutsituierten Aristokraten und Florentiner Amtstra¨gers, werden aus ihnen betrogene Betru¨ger, die nicht nur Strafe zahlen mu¨ssen, sondern sich selbst Schaden zufu¨gen. Gichtbru¨chige Adlige, unter ihnen ein Cerchi, die versuchen ihre Schweine selbst zu schlachten, um keinen sta¨dtischen Metzger oder Wirt bezahlen zu mu¨ssen, werden zur Freude ihrer Mitbu¨rger von ihren vermeintlichen Opfern durch ihre Palazzi gejagt. Ein anderer Florentiner, der mit Hilfe eines contadino Schweine vom Land durch die Zollkontrolle am Stadttor schmuggeln will, wird ertappt und landet beinahe vor dem Gericht des Podesta`. Zuvor hatte er seine Meinung von der auch mit Hilfe heraldischer Zeichen ausgeu¨bten Kontrolle der Kommune kundgetan: il Comune ruba tanto altrui che io posso ben rubar lui216. Auf die Verwendung von signa als Waren- und Markenzeichen, die die gleichbleibende Qualita¨t eines massenhaft hergestellten Produktes anzeigten, ist Bartolo da Sassoferrato an Beispielen, wie dem des in Fabriano hergestellten Papieres, in seinem Wappentraktat eingegangen217. Daß er im Unterschied zu anderen heraldischen Texten des Mittelalters diese Kennzeichnungsfunktionen im Kontext des Wappenwesens anspricht, du¨rfte sicherlich auch auf die dem Juristen bekannten Praktiken des heraldischen und paraheraldischen Zeichengebrauchs zuru¨ckgehen, wie sie in den italienischen Kommunen seit dem 13. Jahrhundert zur Kontrolle eingesetzt wurden.

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten 4.5.1 Die Bezeichnung des Contado Im Jahre 1285 trug ein Notar eine durch den Rat von Perugia approbierte Erga¨nzung in die Kommunalstatuten der umbrischen Metropole ein. Mit ihr wurden die Namen der Stadttore in einem Kastell im a¨ußersten Westen des Perusiner Contados festgelegt. Die u¨berlieferte, durch eine politische 216 Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 70, S. 204–207, und Novella 146, S. 454–458, hier S. 456. Vgl. Drewniok, Organisation, S. 202f. 217 Bartolo da Sassoferrato, De insigniis et armis, Rubr. 12, S. 113f.

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten

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Entscheidung herbeigefu¨hrte Maßnahme ist ein Beispiel fu¨r den intensiven Zugriff der Kommune auf ihr Territorium. Um diese Herrschaftsintensivierung zu verstehen, ist es aber auch notwendig, zu fragen, weshalb ein Name von solcher Relevanz war, daß im Rat u¨ber ihn entschieden wurde. Wie die im Folgenden untersuchte Namensa¨nderung zeigt, ging es um die mit symbolischen Formen demonstrierte Pra¨senz der citta` dominante. Kommunen wie Perugia schlossen wa¨hrend des 13. Jahrhunderts die Herrschaftsrepra¨sentation konkurrierender Ma¨chte in dem von ihnen kontrollierten Gebieten aus. Die von ihnen betriebene Ausrichtung des Contado auf die Stadt erfolgte nicht nur durch den Aufbau von Herrschaftsstrukturen, sondern auch durch symbolische Bezeichnung. Eines der fru¨hesten Beispiele haben wir bereits kennengelernt: die symbolische Restituierung der Kommune Tortona durch Mailand218. Neben der heraldischen Symbolik betraf dieses Pha¨nomen ebenfalls die Namengebung, von der im Eingangsbeispiel die Rede ist. Besonders augenfa¨llig wird dies im Falle sta¨dtischer Neugru¨ndungen, deren redende Namen meist bewußt als Bedeutungstra¨ger gewa¨hlt wurden. Ein beru¨hmtes Beispiel aus vorheraldischer Zeit ist das durch den Lombardenbund gegru¨ndete Alessandria219. Ihm folgten ‚Lagersta¨dte‘ mit a¨hnlich propagandistischen Namen, wie das von Friedrich II. zur Belagerung Parmas errichtete Victoria. Daß sich dieses Pha¨nomen auch noch im 14. Jahrhundert findet, bezeugt das ehrgeizige Projekt Cangrandes della Scala, der 1319 zur Belagerung Paduas die Lagerstadt Isola della Scala errichten und durch einen Podesta` verwalten ließ220. Vor diesem Hintergrund ist es bezeichnend fu¨r den Wert, den das Wappenwesen seitdem als Kommunikationsform fu¨r die Stadtkommunen erhalten hatte, daß die durch sie gegru¨ndeten Kastelle und Sta¨dte seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert Namen erhielten, die sich auf den ¨ ber den Konnex zwiStadtheiligen oder auf das Stadtwappen bezogen. U schen Namen und Wappen ko¨nnen Namengebung und Verweise zudem oft Aufschlu¨sse u¨ber die solchen Praktiken zugrundeliegenden heraldischen Denkformen geben. Ausgehend von dem Perusiner Beispiel sollen daher Beispiele fu¨r heraldische Zeichen mit a¨hnlichen Funktionen untersucht werden. In einem weiteren Kontext der Bezeichnungsformen 218 Siehe Kapitel 2.3. 219 Zu Alessandria und seinen verschiedenen Namen siehe zuletzt Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 264ff. No¨rdlich der Alpen gru¨ndete Heinrich der Lo¨we nach Helmold von Bosau Lewenstad, quod dicitur Leonis civitas, in Konkurrenz zum schauenburgischen Lu¨beck; Opll, Stadt, S. 106f. 220 Albertino Mussato, Sette libri inediti del De gestis Italicorum post Henricum VII., XII 3–XIV 1, S. 58–84.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

erweist sich heraldische Symbolik als Herrschaftsinstrument der Kommunen. Daß sie nicht in einer jungfa¨ulichen terra incognita eingesetzt wurde, sondern oft die Entscheidung jahrhundertelang gefu¨hrter Machtka¨mpfe markierte, kann die dank gu¨nstiger Quellenlage nachvollziehbare Vorgeschichte der Benennung von 1285 illustrieren. Sie la¨ßt erahnen, daß solche Maßnahmen aus Sicht der betroffenen, vor Ort lebenden Menschen wahrscheinlich oft als Fremdbestimmung wahrgenommen wurden. Umgekehrt wirkte diese Territorialisierung aber auch auf das sta¨dtische Zentrum und seine gesellschaftlichen und politischen Eliten zuru¨ck221. Aus der Sicht der Herrschenden wertete die symbolisch vollzogene Beherrschung des Contado die Zeichen und damit auch die eigene Identita¨t, die diese symbolisierten, auf. Die schrittweise und mit verschiedenen Mitteln vorangetriebene Unterwerfung eines Territoriums durch eine Stadtkommune la¨ßt sich in Perugia anhand einer eigenen Gattung sta¨dtischer Codices verfolgen. Die Rede ist von den Libri submissionum, in die die Kommune die in Notariatsinstrumenten festgehaltenen Unterwerfungen von Sta¨dten, Orten oder Feudalherren, kaiserliche Privilegien, Vertra¨ge und Waffenstillsta¨nde mit benachbarten Kommunen und andere solcherart dokumentierte Rechte eintragen ließ. Die a¨lteste dieser Unterwerfungen, die zugleich der erste Beleg fu¨r sta¨dtische Konsuln und einen populus in Perugia selbst ist, stammt aus dem Jahre 1139 und betrifft die Isola Polvese, die gro¨ßte der drei Inseln im Trasimenischen See222. Von diesem Ausgangspunkt aus schuf sich die Stadt, die im Mittelalter zur Toskana geza¨hlt wurde, im darauffolgenden Jahrhundert einen Contado zwischen dem Trasimenischen See im Westen und dem Tibernebenfluß Chiascı`o im Osten, sowie dem Monte Acuto im Norden und Marsciano im Su¨den223. Parallel zu dieser Territorialbildung, genauer gesagt in wechselseitigem Einfluß mit ihr, etablierte sich die autonome Kommune von Perugia224. Der große, fischreiche See im Westen ihres Herrschaftsbereichs wurde zum Identifikationsmerkmal fu¨r die Perusiner des 14. Jahrhunderts, deren 221 Vgl. zu dieser Wechselwirkung die Beitra¨ge in: Florentine Tuscany. Ihr Gegenstand ist die Ausweitung und Umstrukturierung des Florentiner Contado zu einem Territorium seit der Mitte des 14. Jahrhunderts. 222 Es ist zugleich der fru¨heste Beleg fu¨r das Konsulat in einer Kommune des heutigen Umbrien; Maire Vigueur, Comuni, S. 63 und 116–119, mit einer kommentierten Bibliographie zu den Quellen und der Literatur zur Perusiner Geschichte, S. 271ff. 223 Im Jahre 1285, fu¨r das ein kommunaler Kataster angelegt worden war, herrschte Perugia u¨ber 242 Do¨rfer und Kastelle in einem zusammenha¨ngenden Territorium von ungefa¨hr 1600 km2 Gro¨ße und einer Bevo¨lkerung von etwa 45000 Menschen; Maire Vigueur, Comuni, S. 8, mit einer Karte des Perusiner Contado um 1250 nach S. 32. 224 Maire Vigueur, Comuni, S. 95 passim; Waley, City-Republics, S. 204f.

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten

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toskanische Nachbarn sie ha¨nselten oder schma¨hten, indem sie sie mit den Seefischen in Verbindung brachten225. Die Kontrolle u¨ber den See und u¨ber die territoriale Enklave, die sich an sein westliches Ufer anlehnte, ermo¨glichte der Besitz eines Kastells, das strategisch bedeutsam auf einer kleinen Halbinsel lag. Es heißt heute Castiglione del Lago. Als Perugia den Ort in der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts ins Visier nahm, trug er den Namen Castiglione Chiusino. In einem Privileg vom 1. Juli 1161 erscheinen curtis et castellum quod dicitur Castiglionem Clasinum im Besitz des Klosters Capolona (Caput Leonis)226. Gerade als sich die Leute des Kastells 1184 Perugia unterstellt hatten, traten mit den BarbarossaSo¨hnen, die die Intensivierung der Reichsherrschaft in der Toskana vor¨ ber die Einzelheiten des Interantrieben, Konkurrenten auf den Plan. U essenkonfliktes unterrichtet eine am 7. August 1186 zu Gubbio ausgestellte Urkunde Heinrichs VI., die den Status quo eines zustande gekommenen Ausgleichs zwischen der Kommune und dem Reich festschreibt227. In dem Privileg, das sogar die amtierenden Perusiner Konsuln mitbezeugen durften, gestand der Caesar den Bu¨rgern Perugias die freie Wahl der Konsuln und die Herrschaft und Gerichtsbarkeit u¨ber die Stadt und ihren comitatus zu. Konnte die Kommune hier einen beachtlichen Erfolg verbuchen, so zeigen die Bestimmungen bezu¨glich des Sees, die die Urkunde als letzten Punkt auffu¨hrt, die Interessen des Reichs und den daru¨ber gefundenen Kompromiß: Der Lacus Perusinus sollte ausdru¨cklich in der potestas des Ko¨nigs und seiner Nachfolger verbleiben und von einem eigenen nuntius verwaltet werden. Castiglione Chiusino sollte nicht weiter ausgebaut werden. Die alteingesessenen Einwohner sollten dort wohnen bleiben, die neuen an ihre alten Wohnorte zuru¨ckziehen. Die im Kastell woh225 Siehe hinsichtlich der Kontrolle die Kommunalstatuten, die den See betreffen: Statuto del Comune di Perugia del 1279, 1, Rubr. 46, S. 50: alle Schiffe am See, die im Besitz von Perusinern sind, unterstehen der Aufsicht der Kommune; Rubr. 78, S. 97: zum Zoll auf Fisch. Schneider, Toskanische Studien, ediert, S. 187, den Geleitbrief des Kastellans von San Quirico d’Orcia – die Burg war der „Sitz der Reichsverwaltung im Bezirk der Grafschaften Siena und Chiusi“, ebenda S. 295 – fu¨r die Perusiner Kaufleute vom 4. April 1237, der als Handelsware salmis benennt, und kommt, S. 178, zu dem Schluß: „Die Peruginer scheinen besonders Fische aus dem trasimenischen See nach Siena gebracht zu haben.“ Beispiele fu¨r Schma¨hgeschichten bieten Giovanni Villani, Nuova Cronica, XII 28, Bd. 3, S. 73ff.; Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 169, S. 564–567, dazu Statuto del Comune di Perugia del 1279, 1, Rubr. 81, S. 99. 226 Haverkamp, Herrschaftsformen 2, S. 655. 227 Acta Imperii selecta, Nr. 168, S. 155ff. Vgl. Ficker, Forschungen 2, S. 238f. (§ 314); von der Nahmer, Reichsverwaltung, S. 178ff. Die nach Ficker nur im a¨ltesten (Codex A) Liber submissionum erhaltene Urkunde ist ein fru¨her Beleg fu¨r die Belehnung einer Kommune und der an ihrer Konstituierung beteiligten Korporation der milites mit Reichslehen; Haverkamp, Herrschaftsformen 2, S. 489f.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

nenden Perusiner und die u¨brigen Einwohner sollten Frieden miteinander halten228. Von der erkennbaren Komplexita¨t der Sozialstruktur wird man auf die Gro¨ße und die mit ihr zusammenha¨ngende Ausdifferenziertheit des Gemeinwesens, das wohl schon zu diesem Zeitpunkt eher einer befestigten Kleinstadt glich, ru¨ckschließen du¨rfen. Fu¨r die folgende Interpretation der ein Jahrhundert spa¨ter durchgefu¨hrten Umbenennungsaktion durch Perugia wird dieser Aspekt von Bedeutung sein. Er ist zudem ein Beleg fu¨r ein fru¨hes Stadium kommunaler ‚Kolonisierungspolitik‘. Wahrscheinlich schon vor der erstmaligen Unterwerfung von 1184 lebten in dem Kastell Einwohner mit Perusiner Bu¨rgerrecht, die zur Bindung des Ortes an die Stadt beitrugen, die seit 1174 auch alle drei Inseln des Sees beherrschte. Als jedoch Ko¨nig Heinrich nach dem Tode Lucius’ III. am 25. November 1185 damit begann, Mittelitalien zu besetzen, scheinen seine Funktiona¨re die Unterstu¨tzung eines Teils der Einwohner von Castiglione Chiusino gefunden zu haben. Offensichtlich war schon bald ein umfassender Ausbau zu einem ‚Reichskastell‘, inklusive des incastellamento des Umlandes, im Gange, den der Staufer jedoch als Preis seiner Unterstu¨tzung durch Perugia stoppte229. In Chiusi und dessen Territorium, zu dem auch das Kastell u¨ber dem See urspru¨nglich geho¨rt haben du¨rfte, konnten sich jedoch Herrschaftsstrukturen des Reiches etablieren230. Der ungelo¨ste Interessenkonflikt brach schon bald erneut aus. 1193 zersto¨rten die Perusiner Castiglione Chiusino, worauf der im April 1195 228 Acta Imperii selecta, Nr. 168, S. 156: Item volumus et presentis paginae sanctione precipimus, ut castrum Clusini nullus edificet eo modo, quo nuper inceptum fuit edificari ab hiis qui de vicina illuc convenerant. Set antiqui habitatores et heredes eorum habitabunt in castro Clusini. Alii redibunt ad antiquas habitationes. Illis autem qui castrum Clusini inhabitant Perusini nullum malum aud gravamen debebunt inferre. Nec illi eis versa vice. 229 Noch am 18. Juni 1186 hatte der neue Papst, Urban III., in einem Protestschreiben gegen die Eroberung den Anspruch der Kirche auf iurisdictio u¨ber Perugia hervorgehoben. Die Stadt selbst ergriff mit ihrer Unterstu¨tzung des Ko¨nigs die Chance, einen weitgehend unabha¨ngigen Status verbrieft zu bekommen. Ihren ‚Scho¨nheitsfleck‘ besaß diese Einigung im Interesse beider Seiten am See; vgl. Haverkamp, Herrschaftsformen 1, S. 112f., und 2, S. 684, mit Beispielen dafu¨r, daß der Zuzug in „reichsunmittelbare“ Kastelle durch anfa¨ngliche Steuerbefreiungen gezielt gefo¨rdert wurde. Zur Schaffung eines Netzes von ‚Reichskastellen‘ und zur Besetzung von Herrschaftskomplexen in Mittelitalien als Ausdruck der Politik Heinrichs VI. siehe von der Nahmer, Reichsverwaltung, bes. S. 80ff.; Go¨rich, Staufer, S. 74f. Zu den Forschungsparadigmen des „Incastellamento“ und des „Inurbamento“ siehe anhand von Zeugnissen aus Umbrien Maire Vigueur, Comuni, passim. 230 Ficker, Forschungen 2, S. 244 (§ 316); Haverkamp, Herrschaftsformen 2, S. 685.

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten

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zum Dux Tusciae ernannte Philipp die Stadt des heiligen Herkulanus erst bekriegte und ihr dann nach schnell gefundener Einigung am 3. Juli 1195 das Privileg seines Bruders besta¨tigte231. Die Kommune verlegte sich nun von dem Versuch, ihre Ziele mit Gewalt zu erringen, auf Diplomatie und Geldzahlungen232. Sie schickte eine Gesandtschaft von boni homines zum Kaiser, der nach Verhandlungen, bei denen die Zahlung einer hohen Geldsumme vereinbart worden war, am 2. Dezember 1196 in dem Dissens super negotio Castelli Clusini et de privilegio vestro im Sinne Perugias entschied: das Kastell sollte bis zum Mai 1197 zersto¨rt und nicht wieder aufgebaut werden233. Daß dieser Vertrag nicht eingehalten wurde, wie Alfred Haverkamp mutmaßt, zeigt der na¨chste Beleg, den wir fu¨r Castiglione Chiusino besitzen234. Er stammt aus dem Mai 1198 und bietet ein ga¨nzlich gewandeltes Bild der Region, die sich fu¨r einen kurzen Moment frei vom Druck einer Zentralgewalt befand. Nach dem plo¨tzlichen Tod Heinrichs VI. am 28. September 1197 hatten die durch Zwa¨nge des Machterhalts blockierten Handlungsmo¨glichkeiten im Lager der Staufer sowie ausbrechende Aufsta¨nde auch die Reichsherrschaft in der Toskana zusammenbrechen lassen235. Noch bis zum Jahresende hatten sich bereits die mei231 Ficker, Forschungen 4, Nr. 188, S. 230f. Vgl. Dens., Forschungen 2, S. 238–241 (§ 314–315). Als Zeuge erscheint hier der Graf Manens von Sarteano, der in einer Urkunde vom Folgejahr, Acta Imperii selecta, Nr. 210, S. 192f., neben dem Bischof als ma¨chtigster Großer in Stadt und Distrikt von Chiusi begegnet. Es ist anzunehmen, daß er zu denen geho¨rte, die die Interessen der Staufer vor Ort vertraten. Vgl. von der Nahmer, Reichsverwaltung, ad indicem („Manens von Sarteano“). 232 Vgl. Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 331–363, bes. S. 344f. Siehe oben, Kapitel 2.2, zu den von den Cremonesen aufgewandten Mitteln zur Erlangung der Belehnung durch Heinrich VI. und Friedrich II. 233 Ficker, Forschungen 4, Nr. 194, S. 214: H. dei gratia Romanorum imperator et semper augustus et rex Sicilie. Fidelibus suis potestati, bonis hominibus et toti populo Perusino gratiam suam et bonam voluntatem. Significamus vobis, quod super negotio Castelli Clusini et de privilegio vestro, de quo inter nos et vos erat dissensio, convenimus cum bonis hominibus, quos ad nos misistis, iusta consilium fidelis nostri C. ducis Spoleti et familiaris nostri M. senesscalki, marchionis Ancone, ducis Ravenne et Romaniole. Talis autem est concordia: Castel Clusini destrui faciemus dehinc usque ad exitum Maii et illud amplius non reedificabimus; vobis remittentes omnem offensam, quam contra vos habuimus de privilegio sive de quolibet alio negotio; et hoc facimus pro nobis nostrisque nuntiis. Quia igitur vestrum et omnia, que predicta sunt, vobis volumus firma observare, vosque ad servitium nostrum et fidelitatem retinentes, pro predictis debetis servire nostre maiestati in sex milibus libris Lucensium, et in ccc. libris, que curie nostre debentur. Et detrarium Bonibaronis presentabitis predicto senescalco. Hanc autem totam pecuniam persolvetis ad tres menses, quolibet mense tertiam partem, postquam predictum castellum Clusini fuerit destructum. Data apud Ferentinum, iiii. non. decembris. 234 Vgl. Haverkamp, Herrschaftsformen 2, S. 655: „Dieser Vertrag ist jedoch ho¨chstwahrscheinlich nicht erfu¨llt worden.“ 235 Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 12134a, S. 201f.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

sten der Großen im Su¨den und Osten der Toskana Papst Co¨lestin III. verpflichtet236. Auch Perugia leistete dem pa¨pstlichen Legaten Gregor, Kardinal von Santa Maria in Porticu, den Treueid237. Als auch der Papst am 8. Januar 1198 starb, wurde noch am selben Tag Lothar von Segni zu seinem Nachfolger gewa¨hlt und als Innocenz III. am 22. Februar gekro¨nt. Der neue Papst begann unverzu¨glich damit, die Herrschaftsanspru¨che der Kirche in Mittelitalien zur Geltung zu bringen, den lokalen Widerstand gegen die Funktiona¨re des Reichs zu seiner Sache zu machen, sowie den Gewinn seiner ‚Rekuperationspolitik‘ durch die Neuorganisation des Patrimonium beati Petri dauerhaft zu sichern238. Konrad von Urslingen und Markward von Annweiler, auf deren Rat hin der Kaiser noch vor etwas u¨ber einem Jahr den Vergleich mit Perugia geschlossen hatte, konnten sich im Fru¨hjahr 1198 nicht mehr unangefochten in ihren mittelitalienischen Herzogtu¨mern halten239. Die großen Kommunen der zentralen Toskana hatten am 11. November 1197 den Tuszischen Bund zur gegenseitigen Wahrung ihrer Interessen geschlossen. Der neue Papst, bei dem die Sta¨dte wa¨hrend des Folgejahres um die Anerkennung ihres Bundes nachsuchten, besaß im Ma¨rz 1198 schon genug Autorita¨t gegenu¨ber Perugia, um der bereits daru¨ber verhandelnden Stadt den Beitritt zum Bund zu verbieten240. Perugia geriet dauerhaft in die Einflußspha¨re des Papstes. Der Conti-Papst selbst sollte dort schließlich seinen letzten Aufenthalt nehmen: am 16. Juli 1216 starb er in der Stadt und wurde in ihrer Kathedrale beigesetzt241. Der Vertrag zwischen Perugia und seinem nordwestlichen Nachbarn Arezzo vom Mai 1198 ist ein beredtes Zeugnis fu¨r die besondere politische Situation der Region um den Trasimenischen See zu diesem Zeitpunkt. Befreit von der Bedrohung durch die Herzo¨ge des Kaisers und an der Peripherie zwischen den neuen Machtgebilden des Tuszischen Bundes und des Tuszischen Patrimoniums gelegen, teilten die beiden Kommunen zur Ehre Gottes, Mariens und ihrer Stadtpatrone, der Bischofsheiligen Donatus und Herkulanus, wie es in der Invocatio der Urkunde 236 Vgl. Lackner, Studien, S. 143ff.; dort auch, S. 146f., zu dem von den Kommunen zu gegenseitigem Schutz eingegangenen Tuszischen Bund vom 11. November 1197. 237 Waley, Papal State, S. 30f. 238 Zur Politik des Conti-Papstes siehe den in folgendem Sammelwerk dokumentierten Forschungsstand: Innocenzo III. Urbs et Orbis. 239 Waley, Papal State, S. 33ff. Vgl. die a¨ltere deutsche Forschung zu den Urslingen bei Schneider, Toskanische Studien, S. 170ff. 240 Waley, Papal State, S. 36f.; Lackner, Studien, S. 146f. 241 Paravicini Bagliani, Leib, bes. S. 125f., mit Interpretation des beru¨hmten Berichtes Jakobs von Vitry u¨ber die na¨chtliche Spoliierung des im Dom aufgebahrten Papstleichnams.

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heißt, das Gebiet um den See unter sich auf242. Daß diese Aufteilung auf Kosten der Kleinen geschah, zeigen nicht nur der Kontext der Urkunde, sondern auch ihr Protokoll und Eschatokoll. Den Vertrag schlossen na¨mlich vier Konsuln von Arezzo und der Podesta` von Perugia in dessen Zelt in obsidione Castilionis Clusini243. Offenbar war das Kastell nicht nur nicht geschleift worden, sondern befand sich sogar in belagerungsfa¨higem Zustand. Wahrscheinlich hatte sich eine Besatzung unter einem Kastellan, der vielleicht identisch mit dem vorgesehenen nuntius des Sees war, dort noch halten ko¨nnen. Deren Kapitulation vor Augen, ließen sich die Perusiner von ihren Verbu¨ndeten besta¨tigen, daß diese ihre ku¨nftige Herrschaft u¨ber Castiglione Chiusino ebenso respektieren wu¨rden, wie sie widerum die der Aretiner u¨ber Castiglione Aretino244. Den Abt von Capolone und den Markgrafen, die noch Anspru¨che an den zu zersto¨renden Kastellen besa¨ßen, wollte man abfinden, Chiusi sich bru¨derlich teilen. Die pax et concordia zwischen den beiden dominierenden Kommunen um den See fand jedoch spa¨testens in der Zeit des Generalvikariates Friedrichs von Antiochia u¨ber die Toskana ihr Ende245. Im Fru¨hjahr 1247 hatte dieser einen Feldzug gegen das pa¨pstliche Perugia begonnen und bereits im Mai Castiglione Chiusino, zu dessen Zersto¨rung es wieder nicht gekommen war, besetzt246. Neben den Florentinern, deren nomineller Podesta` er in diesem Jahr war, befanden sich die Sienesen unter ihrem Podesta`, sowie die Aretiner und die Montepulcianer im Heer Friedrichs247. Mit diesen Kra¨ften verwu¨stete der Generalvikar wa¨hrend des ganzen Juni 1247 die Umgebung Perugias und belagerte vielleicht sogar die Stadt248. Kurz darauf wurde der Feldzug abgebrochen, Friedrich hielt sich im Juli in Arezzo auf. Den Perusinern gelang es in der Folgezeit, ihre Positionen zuru¨ckzuerobern. Spa¨testens zu diesem Zeitpunkt du¨rfte

242 Ficker, Forschungen 4, Nr. 201, S. 254ff. Arezzo war bereits am 2. Dezember 1197 dem Tuszischen Bund beigetreten; Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 12137, S. 1775; vgl. ebenda Nr. 12156, S. 1778 und Nr. 12184, S. 1780. Vgl. von der Nahmer, Reichsverwaltung, S. 180. 243 Ficker, Forschungen 4, Nr. 201, S. 255. 244 Schneider, Toskanische Studien, S. 96f., vermutet, daß die Aretiner mit Hilfe ihrer Verbu¨ndeten diese „Reichsburg“ eroberten, in der aber schon wieder im Jahre 1210 ein Richter des Reichslegaten amtierte. 245 Vgl. Sperle, Ko¨nig. 246 Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 13605a, S. 1961f. 247 Vgl. Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,3, S. CXLIVff. 248 Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 13612, S. 1963: Mandat Friedrichs vom 3. Juni an den Pfalzgrafen Guido, Podesta` von Arezzo, aus dem Lager vor Perugia; Schneider, Toskanische Studien, S. 232f.: Mandat Friedrichs an Montepulciano vom 30. Juni, in castris in depopulatione Perrusii.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

sich die Kommune dazu entschlossen haben, das Kastell u¨ber dem See auf Dauer als Herrschaftsort im a¨ußersten Westen ihres Contado zu erhalten. Als sich na¨mlich um die Jahreswende 1250/51 die Nachricht vom Tod des Kaisers in der Toskana verbreitete – Arezzo unterwarf sich auf diese Nachricht hin am 27. Januar der Ro¨mischen Kirche249 – wandte sie sich an Papst Innocenz’ IV. mit der Bitte um Besta¨tigung ihrer Herrschaft u¨ber Castiglione Chiusino von seiten des Reiches. Sozusagen auf Anordnung dieses Intervenienten hin ließ der deutsche Ko¨nig Wilhelm von Holland am 17. April 1251 zu Lyon ein Privileg ausstellen, in dem er Perugia ‚auf ewig‘ den Besitz von Castiglione Chiusino, den es ‚schon seit langer Zeit inne habe‘, besta¨tigte250. Nur vor dem Hintergrund dieser fast u¨ber ein Jahrhundert gehenden und immer wieder von Ru¨ckschla¨gen aufgehaltenen Herrschaftsbildung ist das Additum zu verstehen, das bei der Revision des Jahres 1285 in die Perusiner Kommunalstatuten eingetragen wurde und das die Namen der Stadttore Castiglione Chiusinos betrifft: ‚Des weiteren, daß jenes Tor, das Porta Imperialis genannt wird, Porta Perusina heißen soll; und das Tor, das Porta Aretina genannt wird, soll Porta Lacosciana heißen. Und niemand darf anders von ihnen sprechen oder sie anders nennen als Porta Perusina und Porta Lacosciana. Und wer dagegen versto¨ßt, muß als Strafe an die Kommune zwanzig Solidi Denare zahlen.‘251 Die alten Namen der beiden Tore von Castiglione Chiusino erinnerten an die Reichsherrschaft am See, die sich wesentlich auf das Kastell gestu¨tzt hatte. Trug das ‚Reichstor‘, das mo¨glicherweise wa¨hrend des Ausbaus in der Zeit Friedrichs II. entstanden war, einen rein symbolischen Namen, so gab der Name der Porta Aretina die Richtung an, in der die Straße von diesem Tor aus lief. Da Arezzo jedoch als konkurrierender Nachbar Perugias die Stauferherrschaft unterstu¨tzt hatte und auch in Zukunft mit Perugia Krieg fu¨hren sollte, du¨rfte ein gewisser Antagonismus bei der 249 Bo¨hmer, Regesta Imperii 5,4, Nr. 13788, S. 1990. Vgl. zum Kontext Schneider, Toskanische Studien, S. 241–254. 250 Ficker, Forschungen 4, Nr. 419, S. 431. Auch diese Urkunde hat sich durch ihren Eintrag in den Liber submissionum erhalten. 251 Statuto del Comune di Perugia del 1279, 1, Rubr. 40, S. 42f.: Item quod illa porta, que uocatur Porta Imperialis, debeat uocari Porta Perusina; et porta que uocatur Porta Ar’e’tina debeat uocari Porta Lacosciana. Et quod aliqua persona aliter dicere nec etiam nominare debeat, nisi tantum Porta Perusina et Porta Lacosciana. Et si quis contra fecerit, auferantur sibi nomine pene pro communi pro uice qualibet uiginti solidi denariorum.

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten

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Umbenennung eine Rolle gespielt haben. Die Stadt des heiligen Herkulanus handelte folgerichtig, indem sie ihren eigenen Namen an die Stelle des Reichsnamens setzte. Damit lo¨schte sie zugleich die im o¨ffentlichen Raum des Kastells erkennbaren Spuren seiner Geschichte aus, die daran erinnerten, daß die Herrschaft Perugias hier einmal umstritten gewesen war. Wie die angeku¨ndigte Strafe zeigt, bekam diese Umbenennung eine bis in den Alltag gehende Relevanz fu¨r die Einwohner von Castiglione Chiusino. Wie tiefgehend diese war, lassen die ebenfalls in den Perusiner Statuten des ausgehenden 13. Jahrhunderts erkennbaren Bestrebungen der Kommune erahnen, ihren Contado durch ein strahlenfo¨rmiges, von den fu¨nf Haupttoren Perugias ausgehendes Netz von viae regales zu erschließen252. Daß die Porta Perusina von Castiglione Chiusino nach Umgehung des Sees auf die Straße fu¨hren sollte, die an der Porta Solis von Perugia endete, verlieh der Wahrnehmung des von seinen Eckpunkten her gesehenen, auf der Straße u¨berbru¨ckten Raumes die Anmutung logischer Geschlossenheit. Kulturgeschichtlich gesehen, erga¨nzten sich die symbolischen wie die pragmatischen Maßnahmen in der Erschaffung eines auf die Stadt ausgerichteten Herrschaftsraumes. Mit der Lenkung und Kontrolle der Mobilita¨t in ihrem Herrschaftsgebiet schufen die Perusiner zugleich einen ‚stimmigen‘ Contado mit den Mitteln des symbolischen Imaginariums, der ku¨nftig von den Menschen verinnerlicht wurde, die rund um den Trasimenischen See lebten und reisten. Dieses Idealbild findet seine Entsprechung in den Fresken des Sieneser Kommunalpalastes, in denen der Kontrast zwischen der von Fehden gezeichneten und der durch das Buon Governo der Stadt wohlgeordneten Landschaft gezeigt wird253. Eine drastische Form der Wahrnehmung des durch Gestaltung beherrschten Contados, die in ihren Intentionen dem Perusiner Beispiel vergleichbar ist, jedoch eine andere Raumvorstellung erkennen la¨ßt, stammt aus Asti. Dort ließ die Kommune ein Stadtbuch anlegen, das auch eine Karte ihres Contado entha¨lt254. Die von Asti beherrschten Orte sind 252 Ebenda, Rubr. 172, S. 183–188. Es existierte eine Beho¨rde der officiales super quinque uiis regalibus comitatus Perusii. Deren Notare hatten fu¨r jedes Tor ein Buch anzulegen, das den Straßenverlauf, die (Zoll-)Stationen und den Zustand der Orte an der von ihm ausgehenden Straße verzeichnete. Die Bezeichnung via regalis stammt sicherlich aus einer Zeit vor diesen kommunalen Maßnahmen. 253 Malerei und Stadtkultur in der Dantezeit, Tafel IV; Starn, Ambrogio Lorenzetti, Abb. 1 und 6, S. 40–45, 69ff. und S. 82–87. 254 Le miniature del Codex Astensis. Die Karte in dem um 1380 angelegten Codex Astensis wiederholte erhaltene Vorbilder des 13. Jahrhunderts, die bereits Wappenfahnen zeigen; Bordone, Dei „Libri iurium“, Abb. 7 und 8. In a¨hnlicher Weise geben auch mittelalterliche Portolane Stadtbilder mit Wappenfahnen wieder.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

darauf als Turm- oder Burgabbreviaturen dargestellt. Von vielen weht, gema¨ß der symbolischen Herrschafts- und Besitzgeste des Fahnenaufpflanzens, die Kreuzfahne der Kommune Asti. Die symbolische Geste mit der Wappenfahne ist hier zu einem Besitzzeichen geworden, mit dem der beherrschte, fla¨chig wiedergegebene Raum additiv ausgefu¨llt wurde. Die allgemeine Praxis, Herrschaft u¨ber ein Territorium durch die Omnipra¨senz des eigenen Stadtwappens anzuzeigen, sollte, wie die folgenden Beispiele zeigen, wegweisend fu¨r die gro¨ßeren Kommunen Ober- und Mittelitaliens werden. Daß die Bezeichnung durch die herrschende Stadt jedoch auch ihre Grenzen hatte, bezeugt die Tatsache, daß der alte Name Castiglione Chiusinos beibehalten wurde. Von Chiusi schien, im Unterschied zum Reich und seinen Mandataren, deren ku¨nftigen Anspru¨chen man vielleicht auch mit der Neubenennung begegnen wollte, keine Gefahr mehr ausgegangen zu sein. So spricht Giovanni Villani in den 1330er Jahren weiterhin von Castiglione Chiusino sopra i·lago, das die Leute Kaiser Heinrichs VII. im Jahre 1312 erobert hatten255. Erst zu einem spa¨teren, mir nicht bekannten Datum, ist aus dem Ort Castiglione del Lago geworden. Auch das in dem Vertrag von 1198 erwa¨hnte Castiglione Aretino, das den Aretinern die Dominanz u¨ber Cortona sicherte, sucht man heute vergeblich auf der Landkarte. Nachdem Florenz sich Arezzo und seinen Contado einverleibt hatte, erhielt der Ort seinen heutigen Namen, Castiglion Fiorentino256. Die Perusiner Statuten schreiben auch fu¨r ein anderes castrum communis die Unvera¨nderlichkeit des Namens vor. Dieses Kastell hieß Castrum Grifonis, verwies mit seinem Namen also auf das Perusiner Wappentier257. Vielleicht deutet sein Name darauf hin, daß es eine Neugru¨ndung war, die eben nicht nur o¨konomischen oder fortifikatorischen Zwecken diente, sondern auch symbolisch auf die Mutterstadt verwies. Die u¨ber Identita¨tszeichen der Kommune, wie die Namen der Stadtheiligen oder die eigenen Wappen, demonstrierte Pra¨senz im Territorium findet sich noch ausgepra¨gter in den geplanten Neugru¨ndungen von Kastellen oder terrae muratae des langen 14. Jahrhunderts. Diese knu¨pften an bereits bestehende Praktiken der Territorialherrschaft u¨ber Kastell- oder Kleinstadtgru¨ndungen an. Neben dem eingangs diskutierten Beispiel steht das zwi255 Giovanni Villani, Nuova Cronica, X 45, Bd. 2, S. 245. 256 Nach den Belegen in Florentine Tuscany, ad indicem („Castiglion Fiorentino“) war die Umbenennung im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts bereits erfolgt. 257 Statuto del Comune di Perugia del 1279 1, Rubr. 35, S. 35ff.: et ipsum castrum deinceps Castrum Grifonis debeat nominari; et ipsum castrum aliter nominari non debeat.

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten

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schen 1217 und 1254 von den Guidi im Valdarno gegru¨ndete Montevarchi als charakteristisches Beispiel fu¨r diesen fru¨hen Typus. Der Plan dieser Gru¨ndungsstadt weist die fu¨r diesen Zeitraum charakteristische Spindelform auf, wie sie auch ein fru¨hes nordalpines Beispiel, das durch die Grafen von der Mark im Jahre 1226 gegru¨ndete Hamm, zeigt. Beide Neugru¨ndungen fu¨hrten auch zuna¨chst das Wappen ihrer adligen Stadtherrn258. Wie David Friedman am Beispiel der Florentiner Gru¨ndungssta¨dte gezeigt hat, fu¨hrten die von der Kommune seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert durchgefu¨hrten Neugru¨ndungen die Art der Stadtplanung weiter, indem sie eine systematisch ausgestaltete symbolische Dimension miteinbezogen. Die Menschen, oft waren es komplette Dorfbevo¨lkerungen, die die Kommune in diesen Kolonialsta¨dten ansiedelte, erhielten eine neue Identita¨t, die jedoch von hybrider, fremdbestimmter Art war259. Der Name und das Wappen der Stadt, die Namen ihrer Tore oder die Wappensteine an der Fassade ihres Palazzo Vicarile verwiesen sa¨mtlich auf die Mutterstadt, die hier die Stadtherrschaft ausu¨bte. Die ersten Florentiner Gru¨ndungssta¨dte erhielten Namen, die auf die Heiligen der Arnostadt verwiesen: San Giovanni, Castel Santa Maria und Castel San Barnaba260. Die Namen der spa¨teren Gru¨ndungen bezogen sich dagegen auf den Namen und das Wappen von Florenz: Firenzuola und Giglio Fiorentino. Daß sich der Bezeichnungswillen der Herren jedoch nicht vo¨llig vor Ort verwirklichen ließ, zeigen die Namen, die einige von ihnen im Sprachgebrauch ihrer Bewohner dann tatsa¨chlich fu¨hren sollten. So hieß Castel Santa Maria schließlich Terranuova („Neumarkt“). Der Name des Appenninenpasses Giogo di Scarperia, an dessen Fuß Castel San Barnaba 1306 gegru¨ndet wurde, entfaltete eine solche Beharrungskraft, daß ihn die Stadt schließlich u¨bernahm261. Das Dra¨ngen der Perusiner Statuten auf Einhaltung der verfu¨gten Namen ist auch vor dem Hintergrund solcher Entwicklungen zu sehen. Daß sich Namen wie Scarperia gegen den Willen der Obrigkeit durchsetzen konnten, mag an ihrem unpolitischen Charakter gelegen haben. Begonnen hatte die von Florenz betriebene Stadtgru¨ndungswelle mit einer im Jahre 1284 im Florentiner Rat gefu¨hrten Debatte, das castrum Pietrasanta – das heutige Casaglia, das auf der Wasserscheide des Appennin no¨rdlich von Florenz liegt – zu einer ummauerten Stadt auszubauen 258 Friedman, Towns, S. 73 und 115ff. 259 Vgl. ebenda, S. 167f. 260 Der Apostel Barnabas, an dessen Festtag die Florentiner bei Campaldino siegten, wurde seitdem als Schlachtenhelfer zu den kommunalen Schutzheiligen geza¨hlt; La cronica di Dino Compagni, I 10, S. 30; vgl. Trexler, Life, S. 2, 58 und 222. 261 Friedman, Towns, S. 31.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

und Sta¨dte im Valdarno zu gru¨nden. Als Motive wurden genannt: honor commodum et utilitas Comuni Florentie, et maxime pro copia grani et bladi habenda de partibus Romandiole262. Wie sehr die strategischen ¨ berlegungen zum Straßen- und Festungsbau von der aktuellen politiU schen Situation in der Arnostadt bestimmt waren, in der sich 1280 der Secondo Popolo etabliert hatte, zeigt die Fortsetzung der Debatte im Folgejahr263. Neben der Getreideversorgung ging es den Sprechern, die fu¨r den Popolo und die Zu¨nfte im Florentiner Rat saßen, darum, die magnatischen fuorusciti zu treffen, die sich im oberen Valdarno und im Mugello festgesetzt hatten. Daru¨ber hinaus sollte u¨berhaupt kein Florentiner Magnat ein Haus in den neuen Sta¨dten besitzen du¨rfen264. Versta¨ndlicherweise erhob sich vor der endgu¨ltigen Abstimmung am 31. August 1285 Gualteroctus de’ Bardi, um im Namen der im Rat vertretenen Magnaten Bedenken zu tragen, quod nichil fiat de predictis terris. In der anschließenden Wahl wurde das Projekt abgelehnt. Erst im Jahre 1299, nachdem der Popolo u¨ber die ‚Ordnungen der Gerechtigkeit‘ seine dominierende Stellung in der Kommune gefestigt und die Magnaten von der politischen Partizipation ausgeschlossen hatte, wurden die Pla¨ne wieder aufgenommen und San Giovanni gegenu¨ber von Montevarchi im unteren Arnotal errichtet. Im Mugello dagegen wich man im Jahre 1306 auf den westlich benachbarten Pass von Pietrasanta aus. Die Art und Weise, in der die Florentiner damals eine gesicherte Route u¨ber den Kamm des Appennin in die Romagna errichteten, ist ein Beleg fu¨r die Bindung von Herrschaftsrechten an bauliche Strukturen, Gemeinschaften, Namen und Wappen265. Denn die Paßstraße u¨ber den Giogo di Scarperia war keinesfalls unbesetzt. Hier stand die Burg Monte Accianico, die der Kardinallegat Ottaviano Ubaldini, dessen Grablege sich in der nahen Kirche von Fagna befand, zu einer prachtvollen und modernen Festung ausgebaut hatte. Ihre curia, zu der die umliegenden Do¨rfer geho¨rten, war ein Zentrum der Adelsherrschaft der Ubaldini 266. Die Florentiner planten die Zersto¨rung der Burg und die Errichtung ihres Kastells als zusammengeho¨rende Ziele eines Feldzuges. Sie ließen 262 Vgl. Document 1, ebenda, S. 305–308, sowie S. 40f. Zum Kontext siehe Braunfels, Stadtbaukunst, S. 64. 263 Vgl. Friedman, Towns, S. 7f. 264 Dies machte man in der Tat bei spa¨teren Gru¨ndungen, wie der von Terranuova im Jahre 1337, zur Pflicht; ebenda, S. 332ff., Document 16. 265 So verfu¨gte die Signoria fu¨r den Bau von Giglio Fiorentino im Val d’Ambra, daß der Turm der Badia Agnano, deren Abt sich gegen den Bau des Kastells gestellt hatte, zu kappen sei. In gleicher Weise ging man gegen Geschlechtertu¨rme vor; ebenda, S. 49. 266 Ebenda, S. 44ff. und 174. Zur Region siehe Larner, Lords, S. 3.

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten

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Ende April 1306 im Mugello ausrufen, daß niemand sich drei Tage, nachdem ihre Heerfahnen Borgo San Lorenzo erreicht ha¨tten, in die Burg begeben du¨rfe und daß diejenigen, die dies nach dem Aufschlagen des Florentiner Feldlagers trotzdem ta¨ten, ihre Chance auf eine Ansiedlung in dem neuen Kastell verwirkt ha¨tten267. Danach belagerten und zersto¨rten sie die Burg vollsta¨ndig268. Auf lange Sicht lo¨schten sie damit auch die sich an die vorhandenen Strukturen knu¨pfenden Rechtsanspru¨che aus. Die Eigenleute der Ubaldini wurden von ihnen als Freie in dem Kastell angesiedelt, fu¨r das sich der Name Scarperia durchsetzen sollte. Da die Ubaldini heftigen Widerstand leisteten, gelang es erst 1332, mit Firenzuola ein Gegengewicht im Tal des Santerno auf der Nordseite des Passes zu errichten. Damit besaß Florenz die dauerhafte Kontrolle u¨ber eine Straße in die Romagna. Wer ku¨nftig von Bologna nach Florenz reiste, wie Friedrich III. im Jahre 1452, na¨chtigte in einer der beiden Festungssta¨dte269.

267 Friedman, Towns, S. 310–313, Document 3: Item provisum et ordinatum est quod nullus audeat vel presummat esse et stare in castro Montis Accianicchi maxime postquam insignia Comunis Florentie felicis exercitus florentini fuerint et iverint terram Burgi Sancti Laurentii per tres dies sub pena eris et persone et ipsius patris avi et filiorum omnium descendentium. 268 Giovanni Villani, Nuova Cronica, IX 86, Bd. 2, S. 171f.: Nel detto anno, del mese di maggio, i Fiorentini andarono ad oste sopra ’l castello di Monte Accenico in Mugello, e puosonvi l’assedio; il quale castello era de’ signori Ubaldini, e era molto bello e ricco, e fortissimo di sito e di doppie mura, pero` che·ll’avea loro fatto edeficare con grande spendio e diligenzia il cardinale Ottaviano loro consorto; nel quale castello s’erano ridotti gran parte degli Ubaldini, e quasi tutti i ribelli bianchi e ghibellini usciti di Firenze, e faceano guerra e soggiogavano tutto il Mugello e infino all’Uccellatoio. E al detto castello stette l’oste infino a l’agosto, gittandovi difici e faccendovi cave; ma tutto era invano, se non che gli Ubaldini tra·lloro vennero in discordia, e il lato di messer Ugolino da senno il patteggiaro co’ Fiorentini per mano di messer Geri Spini loro parente, e diedollo per promessa di XVm fiorini d’oro, onde di gran parte n’ebbono male pagamento. E quegli che v’erano dentro l’abandonaro, e andarne sani e salvi; e ’l castello fue tutto abattuto e disfatto per gli Fiorentini, che non vi rimase casa ne´ pietra sopra pietra. E feciono fare i Fiorentini giuso al piano di Mugello, nel luogo detto la Scarperia, una terra per fare battifolle agli Ubaldini, e torre i loro fedeli, e feciolli franchi, accio` che Monte Accenico mai non si potesse riporre. E cominciossi la detta terra a edificare a dı` VII di settembre, gli anni di Cristo MCCCVI, e puosolle nome Santo Barnaba. E cio` fatto, del mese d’ottobre vegnente i Fiorentini cavalcarono co·lloro oste oltre l’alpe, e guastarono tutte le terre degli Ubaldini, perch’aveano fatta guerra e ritenuti i Bianchi e’ Ghibellini. 269 Friedman, Towns, S. 199 und S. 329f., Document 13, der Beschluß zur Gru¨ndung vom 9. April 1332: Et in qua et per quam terram Fiorenzuole sit et esse debeat una via que vadat versus Florentiam et recte versus Bononiam. Et in capite ipsius vie versus Florentiam, sit et esse debeat una ianua, que ianua appelletur et nominetur ianua Florentina et in capite ipsius vie recte fiat una alia ianua versus Bononiam que ianua appelletur et vocetur ianua S. Iohannis, et que via sit mastra et vocetur via Florentina. Et etiam in ipsa terra, ex alia parte, mittatur et esse debeat alia via mastra, que vadat recte versus San-

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Die Stadtgru¨ndungen, die solch rationalen Territorialisierungsstrategien dienten, entsprachen aus Sicht der Florentiner dem Willen der Kommune und des Popolo von Florenz. Folgerichtig wurden mit ihrer Umsetzung Kommissionen betraut, deren Mitglieder als Repra¨sentanten der gesamten Stadtgemeinde gewa¨hlt wurden. Diese Gremien, in denen verdiente Amtstra¨ger der Kommune saßen, stellten dann erst die erforderlichen Spezialisten fu¨r die praktische Umsetzung des Projektes an270. So ist es auch zu verstehen, daß die Kastelle ‚zur Ehre‘ der Kommune und des Popolo von Florenz gegru¨ndet wurden und daß ihre Einwohner diese als ihre Befreier und Herren zugleich anzureden hatten271. Zu dieser, nach Friedman einzigartigen Form der Stadtgru¨ndung und Herrschaftsbegru¨ndung durch ein repra¨sentatives, kommunal gewa¨hltes Gremium, geho¨rte auch die Festlegung von Namen und Wappen, u¨ber die in der Kommission beraten wurde. Daß sich dies besonders deutlich an der Florentiner Gru¨ndungsstadt Firenzuola zeigt, mag daran liegen, daß niemand anderes als der wappenkundige Chronist Giovanni Villani Mitglied der im Jahre 1332 mit ihrer Gru¨ndung beauftragten balı`a war. Er war es, der seinen ratlosen Mitbeauftragten den Namen der Stadt vorschlug, und wohl auch fu¨r das neue Wappen von Firenzuola votierte, das per insegna e gonfalone mezza l’arme del Comune, e mezza quella del popolo di Firenze war272. Solcherart heraldisch bezeichnet, gesichert durch Tore, die die Namen von Florentiner Stadtheiligen trugen und sogar im Aszendenten des Lo¨wen gegru¨ndet, war ‚Klein-Florenz‘ nicht nur ein milita¨rischer, sondern auch

ternum, et in capite ipsius vie, ex parte Santerni, ponatur et constuatur una ianua, que ianua vocetur ianua S. Petri. Et in alio capite versus Rivocornacchiaium, alia ianua que vocetur ianua S. Maria, et etiam ipsa via vocetur via S. Maria. Et ambe vie, ut dictum est, sint mastre et maternales. Vgl. ebenda, S. 44–48. 270 Ebenda, S. 150–156. 271 So die Einwohner von Scarperia am 17. Dezember 1354; Firenze, Archivio di Stato, Provvisioni 41, fol. 113v, zitiert nach Friedman, Towns, S. 234: Coram vobis, magnificis et potentibus viris, dominis prioribus artium et Vexillifero Iustitie populi et Comunis Florentie, reverenter exponitur pro parte hominum et universitatis et Comunis castri S. Barnabe, cui dicitur Scarperia de Mucello, subditorum fidelium et devotorum vestrorum, quod homines dicti castri pro maiori parte sunt progeniti et descendentes de hominibus et personis qui olim sub tirannide Ubaldinorum apud montem Accianichum et alibi tenebantur occupati. Et quod post de tirannide predicta per populum et Comune Florentie potenti manu fuerunt liberati et adunati ad habitandum in dicto castro S. Barnabe, hedificato et posito per populum et Comune predictum, ubi permanserunt et permanere intendunt sub dominatione, obedientia et fidelitate populi et Comunis predicta et Partis Guelfe. 272 Giovanni Villani, Nuova Cronica, XI 200, Bd. 2, S. 763f.

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten

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ein symbolischer Stu¨tzpunkt der Mutterstadt im unruhigen Norden ihres Territoriums273. Nach Friedman war bereits die durch Baumeister der Gru¨nderstadt gewa¨hlte Form beziehungsweise Anmutung der Stadttore solcher Kastelle wie Firenzuola weder zufa¨llig, noch allein fortifikatorisch begru¨ndet, sondern auch ein Verweis auf den Stadtherrn274. Ein Bild der Jungfrau Maria u¨ber dem Stadttor sowie begleitende Florentiner Lo¨wen und Wappen zeigten dem Eintretenden außerdem an, unter wessen Herrschaft das Kastell stand. In den Jahren 1335 und 1336 wurden das neue Wappen der terra murata sowie die Wappen von Florenz, der Kirche und Roberts von Anjou u¨ber die Tore von Firenzuola gemalt275. Giglio Fiorentino, dessen Bau im Val d’Ambra 1350 geplant, jedoch nie verwirklicht wurde, sollte ebenfalls vier Tore mit Namen erhalten, die auf Florenz und auf die Ro¨mische Kirche verwiesen. Sein Wappen sollte in Gold unter einem roten Turnierkragen eine blaue Lilie zeigen, links und rechts unten begleitet von je einem kleinen Schild mit den Wappen des Popolo beziehungsweise der Kommune von Florenz276. Das Wappenbild la¨ßt erkennen, wie die zusta¨ndige Kommission der Ufficiali delle Castella 273 Vgl. Friedman, Towns, mit Document 13, S. 329f., des Gesetzes u¨ber die Gru¨ndung vom 9. April 1332. Es endet mit: Et quod Comune dicatur, vocetur et nominetur Comuni et Castrum de Firenzuola comitatus Florentie et ad ipsum Comune expectante. Et quod dictum Comune terre nove de Fiorenziola habeat et habere et tenere debeat arma cum campo albo, intus cum medietate crucis et medio lilio simul coloris rubei per longitudinem et in longitudinem clipei sive scudi, ad honorem et statum Comunis et populi Florentie et Partis Guelfe. In bestehende Wappen unterworfener Kommunen wurden die heraldischen Figuren der Metropole als Beizeichen eingefu¨gt; Heers, Parties, S. 284; Borgia, Ampliamenti; Bartolo da Sassoferrato, De insigniis et armis, S. 109; A Grammar of Signs, S. 48f. 274 Friedman, Towns, S. 68: „The very form of the new-town gates made a recognizable reference to the gates of the mother city. In a regional landscape in which the most prominent cities employed distinctive types of gates – from the broad, thin, brick towers of Siena to the polychrome double tower compositions of Lucca – the tall, stone-faced single towers crowned by aggressively projecting machicolations were unmistakably Florentine.“ 275 Ebenda, S. 68f. 276 Ebenda, Document 19, S. 337–343, hier S. 338: E che` la detta terra abbia quatro porte delle quali l’una raguardi inverso Firenze e chiamisi porta fiorentina, l’altra raquardi inverso Arezo e chiamasi porta san piero, l’altra raquardi verso Siena sichiami porta san quiricho, l’altra ch’era raquardare verso Laterina sichiami porta san giovanni. [...] E ala decta terra chiamato il nome didio e della beata virgine Maria e de gloriosi apostoli messer san Piero, e messer san Paolo, beato messer Johani, san Zanobi, santa Reparata e degli atri santi di paradiso. Ad honore et exaltatione et mantenimento del popolo et comune di Firenze e di parte guelfa et ad onore e acrescimento et mantenimento della detta terra puosono nome e chi si chiamasse Giglio Fiorentino. E che il segno elarme della detta terra sia il giglio azurro nel campo giallo con rastrello di sopra e daluno de lati del

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

unter Anwendung der heraldischen Regeln zu seiner Bildung vorgegangen war und welche Aussage sie damit bezweckte. Zugrundegelegt worden war das Wappen der Anjou, dessen Farben man durch eine Inversion verkehrte. Die Anzahl der Wappenlilien wurde auf eine verku¨rzt, wahrscheinlich, weil dies auch dem Wappenbild von Florenz entsprach. Als Beizeichen fu¨gte man schließlich die Wappen der Stadtherren, des Popolo und der Kommune von Florenz, in das neue Wappen ein. Dieses zeigte demnach ein eigenes Wappenbild, das als Brisur eines u¨bergeordneten Wappens zu erkennen war und zugleich Tra¨ger der Wappen des Stadtherrn war. Die von Florenz und anderen Kommunen geu¨bte heraldische Praktik, in die bereits bestehenden Wappen der von ihnen unterworfenen Kleinsta¨dte und Kastelle ihr Wappen als Herrschaftszeichen einzufu¨gen, wurde hier aufgegriffen und von Anfang an angewandt277. Da Giglio Fiorentino im Contado des 1337 erstmals unter Florentiner Kontrolle geratenen Arezzo errichtet werden sollte – sein Bau scheiterte am Widerstand der davon betroffenen Abtei Agnano – war sein Wappenbild, ebenso wie die Namen seiner Tore, eine Machtdemonstration des guelfischen Florenz. Wie oben an Beispielen kommunaler Wehrordnung im weitesten Sinne beobachtet, konstituierte sich die Kommune in Formen der Kommunikation, die die von ihr gestalteten Mo¨glichkeiten des o¨ffentlichen Raumes und der Medien, wie die der heraldischen Symbolik, miteinander verband. Auch in den von ihnen gegru¨ndeten Sta¨dten, an deren Toren ja ihre Wappen zu sehen waren, richteten die Florentiner solche Kommunikations- und Handlungsbedingungen ein. Wa¨hrend man in Florenz selbst versuchte, die zentralen Pla¨tze der Altstadt nachtra¨glich mit geraden Straßen zu verbinden, legte man in den Gru¨ndungssta¨dten von Anfang an eine zentrale Piazza mit Kommunalpalast und Pfarrkirche an, auf der sich die Bu¨rger, organisiert als penonieri und gonfalonieri, zur Volksversammlung oder o¨ffentlichen Verlesung des von Florenz gegebenen Freiheitsbriefes und der Statuten versammelten278. decto giglio sia uno scudicciuolo delarme del popolo di Firenze e nell altro sia unaltro scudicciuolo coll arme del comune di Firenze. Vgl. ebenda, Document 20, S. 343–347. 277 So a¨nderte Florenz im Jahre 1359 das Wappen der Kommune von Montemignaio, die sich der Arnostadt unterworfen hatte: u¨ber den roten Sechsberg in Silber, den die Stadt ¨ hnlich verfuhr Siena mit seinen Landsta¨dfu¨hrte, wurden drei rote Lilien gesetzt. A ten. Pian Castagnaio erhielt ein redendes Wappen, das auf Kommune und Popolo von Siena verwies: In Rot der silberne Lo¨we des Sieneser Popolo, der einen Kastanienbaum ha¨lt. Daru¨ber, in der linken oberen Ecke ein Schild mit der Sieneser Balzana; Borgia, Ampliamenti, S. 52, 56f. und 59; vgl. Dens., Concessione, S. 61f. 278 Friedman, Towns, S. 76f., 149 und 173. Daß die rechtwinklig ausgelegten Straßen alle zum Hauptplatz fu¨hrten, war auch im Interesse der Stadtverteidigung. Fru¨hneuzeitli-

4.5 Fremdbestimmte Identita¨ten

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Die territoriale Expansion der gro¨ßeren Kommunen, so la¨ßt sich an dieser Stelle zusammenfassen, ging mit einer weiteren Ausweitung und Ausdifferenzierung ihrer heraldischen Symbolik einher. Sie nahmen ein Herrschaftsrecht, das zur selben Zeit die Kaiser und Ko¨nige in Italien u¨bten, fu¨r sich in Anspruch, indem sie ihren Untertanen Wappen verliehen oder bestehende Wappen mit ihren eigenen Wappenbildern besserten. Geu¨bt wurde diese Praxis nicht von Herolden, sondern von kommunalen Gremien, deren Mitglieder u¨ber betra¨chtliches heraldisches Wissen verfu¨gten. Daß die Florentiner des 14. Jahrhunderts, wie vor ihnen die Maila¨nder gegenu¨ber den Tortonesen, den ihrer Herrschaft unterstehenden Gemeinschaften ihre identita¨tsstiftenden Zeichen vorschrieben, du¨rften sie kaum als Problem empfunden haben. Schließlich wandten sie die gleichen Mechanismen auch auf ihre eigene Stadt an, um deren Identita¨t in historischen Ru¨ckprojektionen zu erkla¨ren. So hatte beispielsweise Giovanni Villani zu dem Zeitpunkt, als er in die Stadtgru¨ndungskommission fu¨r Firenzuola gewa¨hlt wurde, wahrscheinlich schon den Teil seiner Chronik geschrieben, in dem er Florenz als ro¨mische Gru¨ndungsstadt beschreibt279.

4.5.2 Die Umbezeichnung einer politischen Klasse: das Verschwinden der Florentiner Magnaten, 1349–1434 So wie das Florentiner Stadtregiment des Popolo, der Zu¨nfte und der Parte Guelfa seine Wappen und die heraldischen Regeln als Herrschaftsinstrumente in der Stadt und im Territorium einsetzte, gebrauchte es sie auch gegenu¨ber einer Gruppe von Mitbu¨rgern, die u¨ber ihre Definition als Klasse der Magnaten von der politischen Macht in der Kommune ausgeschlossen war. Zu dieser Angreifbarkeit durch die Gesetzgebung des Popolo kamen andere Krisenfaktoren hinzu, die durch den historischen Strukturwandel der Gesellschaft bedingt waren280. So verloren die korporativ und familia¨r organisierten milites wa¨hrend des ausgehenden 13. Jahrhunderts ihre Fu¨hrungsrolle in der Kriegfu¨hrung der Kommune. ¨ berche Festungssta¨dte wie Valetta sind nach dem gleichen Prinzip angelegt. Mit der U tragung kommunaler Strukturen konnten aber auch entsprechende Probleme auftreten. So kam es in Scarperia, dessen aus verschiedenen Do¨rfern stammende Bevo¨lkerung in Quartieren organisiert worden war, zu Auseinandersetzungen zwischen diesen Einheiten. Die Florentiner mußten einschreiten und organisierten die Bu¨rgerschaft fortan als ein Ganzes; ebenda S. 169f. 279 Vgl. ebenda, S. 83f. 280 Vgl. Lansing, Magnates.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

Die adlige consorteria, gleichermaßen Besitzverwaltung wie Lebensform, erwies sich gegenu¨ber den neuen kommunalen Institutionen und Vergesellschaftungsformen als krisenanfa¨llig. Die die sta¨dtische Aristokratie spaltenden exzessiven Parteika¨mpfe des 13. Jahrhunderts sind bereits erwa¨hnt worden. Vor diesem Hintergrund kam es in Florenz zu einem einzigartigen historischen Umbezeichnungsprozeß. Von 1349 bis 1434 lo¨ste sich die von der politischen Macht in der Kommune ausgeschlossene Klasse der Florentiner Magnaten auf. Die einzelnen Geschlechter wurden in den Popolo aufgenommen, indem sie von ihm das beneficium popularitatis, die fo¨rmliche Verleihung neuer Familiennamen und -wappen erbaten281. Ende Juni 1349 richtete die Kommune zu diesem Zweck eine aus zwo¨lf gewa¨hlten Mitgliedern bestehende Kommission ein282. Die Kompetenzen dieser mittelalterlichen Beho¨rde gingen so weit, daß man sie mit denen des College of Arms der englischen Ko¨nige oder der neuzeitlichen Einwanderungsbeho¨rde auf Ellis Island vor New York vergleichen ko¨nnte. In fu¨r beide Seiten mehr oder weniger zufriedenstellender Kooperation erhielten die vorstellig werdenden Ha¨upter der Adelsfamilien von den Offizialen einen neuen Familiennamen und ein neues Wappen. Beides wurde von Notaren mit rechtsverbindlicher Wirkung in einer Matrikel erfaßt. Dieser mit klassischen kommunalen Verfahrensweisen in Gang gebrachte Umbezeichnungsprozeß war selbst wiederum eine Reaktion auf die in diesen Punkten nicht zu a¨ndernde Statutengesetzgebung des Popolo. Aus heraldischer Sicht ist er bemerkenswert, weil er in den Vera¨nderungen zwischen alten und neuen Namen und Wappen das bildhafte Denken und das heraldische Wissen der Beteiligten enthu¨llt. Wie im Falle der Ortsnamen la¨ßt er auch den Konnex zwischen redendem Namen und Wappenbild erkennen. So bezahlten manche Magnatenfamilien, wie zwei Zweige der Squarcialupi, fu¨r ihre Integration mit einer ‚za¨hmenden‘ Minderung ihrer Namen und Wappen: Die mit der Immatrikulation beauftragte Kommission a¨nderte am 14. September 1349 ihr redendes Wappentier, den Wolf, in einen Fuchs fu¨r die nun Stracciavolpi und in einen Hammel fu¨r die Bernardoni genannte Linie.283 Dies war offensichtlich eine Retourkutsche auf 281 Borgia, Concessione. 282 Ebenda, S. 60, mit den Namen der aus den Quartieren gewa¨hlten zwo¨lf civibus florentinis, vere guelfis, officialibus pro Communi Florentiae, electis et deputatis cum balia, auctoritate et potestate dividendi, partiendi et ad invicem separandi domos, agnationes et stirpes magnatum de Civitate et Comitatu Florentie. 283 Pastoureau, Comment change-t-on d’armoiries?, bes. S. 234–237 und 246f.; Popoff, Florence, S. 17–29, hier Nr. 19 und 21, S. 18.

4.6 Zusammenfassung

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den am 4. September von Nolfo di Manfredi de’ Squarcialupi gestellten Antrag, den Familiennamen Manfredi und das Wappen der Parte Guelfa von Florenz annehmen zu du¨rfen284. Eine andere, durch das Wappenwesen zur Verfu¨gung gestellte Mo¨glichkeit, die Approbation eines Wappens durch Popolo und Kommune zum Ausdruck zu bringen, war unmittelbar ersichtlich. Wir haben sie bereits bei den im selben Zeitraum verliehenen oder gebesserten Wappen der Landsta¨dte kennengelernt: Die Wappen der Autorita¨ten wurden als Beizeichen in die betreffenden Wappen gestellt. So ließ sich ein Zweig der Tornaquinci, der von da an bezeichnenderweise Popoleschi hieß, ein Wappen mit dem Kreuz des Florentiner Popolo als Beizeichen verlei¨ hnlich nannten sich einige Cavalcanti Popolani und einige Squarhen. A cialupi Fipopoli („So¨hne des Volkes“)285. Ein anderer Zweig der Cavalcanti, der den Namen Ciampoli annahm, wa¨hlte sich pro novis armis [...] scutum campum album cum cruce rubea in ipso campo et cum quattuor stellis coloris azurri, videlicet una in quolibet quarterio dicti campi286. Wie im Falle des neuen Banners fu¨r Tortona war hier durch die Bereicherung des Wappens des Popolo durch Beizeichen ein neues Wappen entstanden, das die Zugeho¨rigkeit der Familie zum Popolo sinnfa¨llig vor Augen fu¨hrte. Waren die Ciampoli mit Eintrag vom 11. Oktober 1361 die ersten, die diese heraldische Variationsmo¨glichkeit nutzten, so folgten ihnen bald weitere Familien nach, die andere Beizeichen, die, wenn mo¨glich, an ihr altes Wappen erinnerten, in die Viertel des Kreuzwappens setzten287. Andere setzten es als Schildhaupt oder in Form einer palla, einem Kreis, in ihr neues Wappen.

4.6 Zusammenfassung Im Jahre 1366 ließ die Arte dei Giudici e Notai von Florenz die volta magna u¨ber der Halle ihres Palastes ausmalen. Das Fresko im Gewo¨lbe besteht aus mehreren konzentrischen Ringen. Im Kreis in seinem Zentrum stehen vier, kreuzfo¨rmig gegeneinander gestellte Wappenschilde, die die Wappen der Kommune Florenz zeigen: die Lilie der Stadt, das Kreuz des Popolo, den gespaltenen Schild des milita¨rischen Aufgebotes sowie 284 Borgia, Concessione, S. 61. Viele Magnaten bemu¨hten sich, ihr Patronym als neuen Familiennamen annehmen zu ko¨nnen. 285 Ebenda, S. 62f. 286 Popoff, Florence, Nr. 31, S. 20. 287 Vgl. Borgia, Ampliamenti, S. 53f.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

den Adler der Parte Guelfa. In die Winkel zwischen diesen Schilden sind vier Vierecke gesetzt, die die Wappen der 1343 gebildeten Stadtquartiere zeigen288. In den weiteren Zwischenraum zwischen den Schilden ragen von der Kreislinie her die sechzehn namengebenden gonfalone der jeweils vier Unterbezirke, in die jedes Viertel unterteilt ist. An den innersten Ring schließen zwei weitere an, in denen einundzwanzig Medaillons mit den Wappen und, in Entsprechung zu diesen, den Schutzheiligen der Florentiner Zu¨nfte stehen. Seinen Abschluß findet das Bild in dem dies alles umschließenden Kreis der stilisierend-naturalistisch gemalten Florentiner Stadtmauer, gegliedert durch acht Tu¨rme und vier Tore289. Das nicht besonders gut erhaltene Fresko verbindet verschiedene Mo¨glichkeiten, eine Stadt und ihr Buon Governo darzustellen. Wie andere mittelalterliche Stadtdarstellungen und -beschreibungen hebt es die ideale Form des Kreises, bis hin zum Mauerring, hervor290. Um das Innere der Idealstadt richtig lesen zu ko¨nnen, muß man sowohl mit dem Wappenwesen, als auch mit der Verfassung der Florentiner Kommune nach dem Sturz des Herzogs von Athen vertraut sein. So wie sich in der o¨ffentlichen Kommunikation der Kommune die Stadttopographie und das Agieren mit Medien, wie den Wappen, verband, finden sich auch innerhalb dieses abstrakten Stadtbildes die Wappen der Kommune und der am Stadtregiment beteiligten Viertel und Korporationen. Auf diesen Unterteilungen beruhten die Wahlverfahren der Kommune. Die Auflo¨sung der Sesti und die Neueinteilung in Viertel, die durch die Kommune neue Wappen erhielten, war 1343 vorgenommen worden291. Die Stadtmauer, die 288 Giovanni Villani, Nuova Cronica, XIII 18, Bd. 3, S. 343f.: sı`·ssi acordarono di recare la terra a quartieri in questo modo; Oltrarno il primo, e chiamossi il quartiere di Santo Spirito colla ’nsegna in arme, il campo azurro, e una colomba bianca co’ razzi d’oro in becco. Il secondo quartiere fu tutto il sesto di San Piero Scheraggio, togliendo piu` che ’l terzo di porta San Piero, [...] e questo si chiamo` il quartiere di Santa Croce, coll’arme il campo azurro e·lla croce ad oro. Il terzo quartiere fu tutto il sesto di Borgo e quello di San Brancazio, e chiamarlo il quartiere di Santa Maria Novella, coll’arme il campo azurro e uno sole con razzi d’oro. Il quarto quartiere fu tutta porta del Duomo col rimanente di porta San Piero, e chiamarlo il quartiere di San Giovanni, coll’arme il campo azurro e colla cappella di San Giovanni ad oro, con due chiavi dal lato al Duomo per contentare in parte quelli di porte San Piero, che solo di cinque sesti era partito quello per lo modo ch’e` detto. Offensichtlich ist das zur Bildung der Wappen angewandte Schema. Alle eint die in Unterscheidung zu den Stadtfarben gewa¨hlte Tingierung von Gold und Blau. Namen und Schildfigur erhielten die Quartiere von der jeweils in ihrem Bezirk liegenden ‚Hauptkirche‘. Es ist bezeichnend fu¨r die große Bedeutung, die die Mendikanten in der Stadt gewonnen hatten, daß ihre Kirchen zu diesen heraldisierten Wahrzeichen za¨hlten. 289 Friedman, Towns, S. 201ff. mit Abb. 100. 290 Vgl. Ehbrecht, Stadtsiegel. 291 Giovanni Villani, Nuova Cronica, XIII 18, Bd. 3, S. 342–345.

4.6 Zusammenfassung

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Heiligen und die Wappen als konstitutive Symbole der Kommune haben wir oben im Fall der Florentiner Gru¨ndungssta¨dte kennengelernt292. In Wirklichkeit waren die Zu¨nfte keinesfalls gleichwertig, sondern standen untereinander in einer Hierarchie der ma¨chtigeren Arti maggiori und der schwa¨cheren Arti minori293. Indem das Fresko dagegen ihre gleichartigen, der „logic of sameness“ entsprechenden Referenzzeichen zu einer Kette zusammenschließt, suggeriert es bereits a¨sthetisch eine geschlossene, harmonische Ordnung294. In dieser Ordnung, der Summe der fu¨r die Kommune relevanten Wappen, lag die Florentiner Identita¨t begru¨ndet. Ausgehend von den kommunalen Wehrordnungen des 13. Jahrhunderts sind in diesem Kapitel Beispiele fu¨r eine Entwicklung untersucht worden, in deren Verlauf so unterschiedliche kommunale Stadtregimenter wie Venedig oder Florenz heraldische Symbolik systematisch dazu einsetzten, um Ordnungen und Verweisstrukturen zu schaffen, u¨ber die sie Herrschaft ausu¨bten und als sta¨dtische Obrigkeiten ihre Kontrolle ausweiteten. Organisation u¨ber Wappen und Fahnen konnte dabei ebenso Ausdruck der politischen Dominanz des Popolo sein, als auch ein Herrschaftsinstrument fu¨r fremdbestimmte Identita¨ten von Korporationen, wie den venezianischen Zu¨nften oder den universitates der Florentiner Gru¨ndungssta¨dte. In deren symbolischer Konstituierung, wie auch in der Organisation der Florentiner Lebensmittelversorgung, der o¨ffentlichen Kommunikation durch die Stadtknechte und der Integration der zu Popolaren gemachten Florentiner Magnaten, wird die Ta¨tigkeit von Mitgliedern kommunaler Ra¨te und Kommissionen erkennbar, die aus dem Pool der fu¨r ein politisches Amt in Frage kommenden Bu¨rger gewa¨hlt worden waren. Stellvertretend fu¨r diese Gruppe kann der Florentiner Chronist Giovanni Villani stehen. Keine Herolde, sondern diese Bu¨rger waren es, die seit dem 13. Jahrhundert neue Formen heraldischer Symbolik entwickelten und dabei betra¨chtliches heraldisches Wissen an ¨ hnlich wie in Giovanni Villanis Bericht, wandelten den Tag legten. A die Kommissionen zur Bildung des neuen Wappens einer Kolonialstadt die eigenen Florentiner Wappen, deren Ensemble selbst erst seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts feststand, mittels der heraldischen Praktiken der Brisur oder der Wappenkombination ab. Die Motive, die hin¨ nderungen standen, waren politisch. Durch die Umbezeichter diesen A 292 293 294

Vgl. auch Szabo´, Visualisierung; Voltmer, Leben. Vgl. Najemy, History, S. 35–44. ¨ hnlich „funktionieren“ die kreisfo¨rmigen A ¨ mter- und Zunftscheiben der oberA deutschen und Schweizer Stadtrepubliken. Vgl. beispielsweise Neubecker, Heraldik, S. 138f. und 266; Boockmann, Stadt, Nr. 16, S. 19.

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4. Heraldische Symbolik als Ausdruck kommunaler Herrschaft

nungen, die Ortsnamen im Contado wie die Familiennamen und -wappen der Magnaten betraf, wurde auch ein Stu¨ck weit die in den Zeichen, Namen und in der Topographie sichtbare Geschichte, die gegenla¨ufig zur Geschichte der Kommune war, ausgelo¨scht oder fu¨r die Zukunft berechenbar gemacht. Der Umgang der Kommune mit heraldischer Symbolik entsprach ihrer wachsenden Gestaltungsmacht, mit der sie seit dem 12. Jahrhundert in immer mehr Lebensbereiche eingriff, die sta¨dtische und territoriale Topographie vera¨nderte oder ihre schriftgestu¨tzte Kontrolle ausweitete. Herrschaftsrelevante Wappen, wie das Kreuzwappen des Florentiner Popolo, wurden dementsprechend in einer Vielzahl von Kontexten und Funktionen zur Geltung gebracht und stellten die Grundlage fu¨r ausdifferenzierte heraldische Verweissysteme dar. Analog zur schriftlichen Erfassung in Matrikeln und Registern entschied auch die sichtbare heraldische Bezeichnung u¨ber Integration oder Exklusion in der Kommune. Daher verwundert es auch nicht, daß die diesen Prozeß tragenden Dokumentationsspezialisten der Kommune selbst zu Wappenfiguren werden konnten. Nach Ausweis seines Wappensteins am Bargello fu¨hrte Giovanni di Francesco Ferretti aus Ancona, Podesta` von Florenz im Jahre 1401, als Helmzier in Halbfigur einen iudex in charakteristischer Tracht, der in der Linken eine Schriftrolle mit dem Wort AUCTORITAS ha¨lt und seine Rechte mit ausgestrecktem Zeigefinger erhebt295. Die durch kommunale Kommissionen geu¨bten Wappenverleihungen, die aus heutiger Sicht den Charakter symbolischer Herrschaftspraxis besaßen und in der Heraldik traditionell als ehrende Privilegierung bezeichnet wurden, konnten nicht zuletzt die Mitglieder einer solchen Kommission selbst betreffen. So wurden im Jahre 1375 in Florenz die „Otto di Guerra e di Liberta`“ gewa¨hlt, unter deren Leitung der Krieg gegen Papst Gregor XI. gefu¨hrt werden sollte. Am 8. Dezember 1375 erhielt diese Kommission als Zeichen ihrer Befehlsgewalt von der Signoria ein Lilienbanner und eine Fahne aus rotem Tuch, u¨ber das schra¨g hinweg in Weiß das Wort libertas gestickt war. Diese Fahneninvestitur erfolgte analog zu denen, mit denen eine Vielzahl ja¨hrlich wechselnder kommu¨ mter eingewiesen wurden. Den acht Funktionaler Funktiona¨re in ihre A na¨ren, die im Volksmund nur die Otto Santi hießen, verlieh die Signoria zum Lohn fu¨r ihre Dienste das Privileg, u¨ber ihre Familienwappen ein Schildhaupt mit dem Wappen der Kommission zu setzen. So ist es seitdem etwa im Wappen der Dini, einem Seitenzweig der Bardi, zu sehen296. 295 Fumi Cambi Gado, Stemmi, Abb. 31, S. 28. Zu dem redenden Wappen der Bologneser Notarszunft siehe oben Kapitel 4.3. 296 Borgia, Ampliamenti, S. 55; Ders., Concessione, S. 48. Siehe auch unten Kapitel 5.2.

4.6 Zusammenfassung

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Diese von der Florentiner Signoria geu¨bte Wappenbesserung entsprach einer im ganzen Abendland geu¨bten heraldischen Praktik, die auch in diesem Fall wechselseitig die Ehre beider Parteien mehrte: Die Familienwappen und mit ihnen die Ehre der Familie wurden aufgewertet, wa¨hrend die Signoria fu¨r eines ihrer tempora¨ren Zeichen einen dauerhaften Erinnerungsort fand. Doch ist es gerade der zuletzt genannte Punkt, der das Beispiel auch einzigartig macht. Hier wurden keine u¨berzeitlichen Herrschaftssymbole, wie etwa eine Krone, als Beizeichen in ein Wappen eingefu¨gt. Stattdessen verlieh eine Kommune ein von ihr aus aktuellem Anlaß gebildetes Wappen mit einer eindeutig politisch-propagandistischen Aussage als Auszeichnung an eine Gruppe ihrer Funktiona¨re, die es zuvor als Ausweis ihrer Befehlsgewalt gefu¨hrt hatten. Wie im Falle der ein Jahrhundert zuru¨ckliegenden Organisation des Popolo wurde eine neue Wappenfahne aus den Stadtfarben gebildet. Auch in diesem besonderen Fall verband die Kommune eine Gruppe, indem sie die Wappen ihrer Mitglieder vera¨nderte.

5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung des Trecento 5.1 Einleitung: Wappen als Ausweis der Legitimita¨t und Illegitimita¨t von Herrschaft In der italienischen Sta¨dtelandschaft des 14. Jahrhunderts war heraldische Symbolik als Kommunikationsform fest verankert. Die sich in ihrem Herrschaftsbereich zu Obrigkeiten entwickelnden Kommunen nutzten die Ausdrucksmo¨glichkeiten des Wappenwesens als Herrschaftsinstrument und entwickelten neue Wappen und heraldische Systeme, die eine betra¨chtliche Dynamik entfalten konnten. Geschichtsschreiber wie Dino Compagni und Giovanni Villani berichten von Wappenbildungen, an denen sie als kommunale Amtstra¨ger selbst beteiligt gewesen waren1. Diese Entwicklung, auf die ich im vorigen Kapitel eingegangen bin, war meiner Ansicht nach eine wesentliche Voraussetzung fu¨r die Art und Weise, in der die sta¨dtischen Chronisten des Trecento sich des Pha¨nomens der Wappen annahmen. Erlebten sie als Bu¨rger und Amtstra¨ger die ja¨hrlichen Fahneninvestituren des Popolo, die Repra¨sentation des Podesta` und vor allem die von der Kommune vorgenommenen Innovationen des Mediums, so griffen sie als Geschichtsschreiber selbst die Wappen, ihre Medien und ihre speziellen kommunikativen Kontexte auf, um sie im Interesse ihrer Darstellungsabsichten mit narrativen Strukturen zu verbinden. Die a¨ltere, vor dem ausgehenden 13. Jahrhundert entstandene kommunale Historiographie u¨berliefert zwar Handlungsformen, wie sie beispielsweise mit Fahnen geu¨bt wurden, liefert jedoch mit einigen Ausnahmefa¨llen keine Wappenbeschreibungen, geschweige denn -deutungen. Daß Wappen ein Thema der Geschichtsschreibung des Trecento geworden sind, ist ein Beleg fu¨r die Relevanz, die sie wa¨hrend des 13. Jahrhunderts im o¨ffentlichen Leben der Kommune erhielten. Im Folgenden soll es vor allem darum gehen, wie die Geschichtsschreiber heraldische Symbolik aufgriffen und mit den Mo¨glichkeiten ihres 1 Siehe Kapitel 4.2.2 und 4.5.1.

5.2 Identita¨t und Geschichte: Das Stadtwappen bei Giovanni Villani

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schriftlichen Mediums gestalteten. Die Offenheit der Wappen als visueller Zeichen gab ihnen dazu besondere Freiheiten, um diese zu interpretieren und die Herrschaftsformen, fu¨r die sie standen, zu bewerten. Dies betraf sowohl die von den Chronisten selbst erlebte Zeitgeschichte, als auch die Vergangenheit, in die die Anlagen der Gegenwart zuru¨ckprojiziert wur¨ hnlich wie im Falle der imaginierten Genealogien schrieben Chroden. A nisten Wappendeutungen nieder, an denen sich die Legitimita¨t oder die Illegitimita¨t von Herrschaft ablesen lies2. Das Thema ließe sich in einer eigenen Monographie darstellen. An dieser Stelle sollen lediglich drei Themenfelder an jeweils einem Beispiel untersucht werden. Es geht um die sta¨dtische Identita¨t und Geschichte, wie sie Giovanni Villani in einem Ursprungsmythos des Florentiner Wappens pra¨sentierte, um die von der Paduaner Zeitgeschichtsschreibung festgehaltene Art und Weise, in der das Reichswappen zum Politikum wurde, u¨ber das o¨ffentliche Debatten gefu¨hrt wurden, und um die multifunktionale Rolle des Stadtbanners im Krieg, dessen Bedeutung als taktisches Zeichen und Symbol der sta¨dtischen Ehre der Sieneser Anonymus hervorhebt. Es sind verschiedene Handlungsfelder, in denen die Akzeptanz dessen, wofu¨r das heraldische Zeichen stand, nach den Regeln der symbolischen Kommunikation und der politischen Ordnung entschieden wurde. Gemeinsam ist ihnen die Narrativik der Texte, die an die heraldische Symbolik anknu¨pfte.

5.2 Identita¨t und Geschichte: Das Stadtwappen als Teil des sta¨dtischen Ursprungsmythos bei Giovanni Villani Das erste, um 1320 niedergeschriebene Buch seiner monumentalen ‚Nuova Cronica‘ beschloß Giovanni Villani mit einem Bericht u¨ber die Belagerung und Zersto¨rung Fiesoles durch die Ro¨mer im Umfeld der Verschwo¨rung des Catilina, die den Anlaß zur erstmaligen Gru¨ndung seiner Vaterstadt gegeben hatte. Er u¨bernahm dazu die a¨ltere, wohl zu Beginn des 13. Jahrhunderts verschriftete Florentiner Gru¨ndungsgeschichte, die wiederum durch Stoff aus der Universalchronistik und der als Ursprungserza¨hlung gelesenen ro¨mischen Geschichte der Antike gepra¨gt war3. 2 Vgl. Weber, Exempla; zum methodischen Problem siehe auch Scharff, Ka¨mpfe, besonders S. 5ff. und 218ff. ¨ ber die Rekonstruktion eines Stemmas sowie kritischer Texte fu¨r die in mehreren Vari3 U anten, wie der sogenannten ‚Chronica de origine civitatis‘ oder dem volkssprachlichen

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

In dieser Florentiner Ursprungsgeschichte begegnet bereits der eponyme Heros Florinus/Fiorino – so wie er sollte auch die Florentiner Goldmu¨nze heißen – der als ro¨mischer Feldherr bei der Belagerung Fiesoles umkommt. Auf diese Nachricht hin gehen die Ro¨mer in der Geschichtserza¨hlung in a¨hnlicher Weise gegen die Fiesolaner vor, wie die Florentiner in der historischen Wirklichkeit des Jahres 1306 gegen die Ubaldini: Fiesole wird zersto¨rt. An der Stelle des ro¨mischen Lagers wird planma¨ßig eine neue Stadt errichtet, die mit den Einwohnern der Do¨rfer Camarti und Villa Arnina, mit Fiesolanern und mit Ro¨mern, die dazu aus den Rioni der ro¨mischen Kommune gewa¨hlt wurden, besiedelt wird. Giovanni Villani versta¨rkte in seiner Version der Geschichte noch die Vorgabe der Tradition, nach der bei diesem Projekt ein Antagonismus zwischen Julius Caesar und dem ro¨mischen Senat zutage trat. Fu¨r den Verfasser, einen Angeho¨rigen des popolo grasso und schwarzen Guelfen, ging von Caesar die Traditionslinie des ro¨mischen Kaisertums aus, die in seiner Gegenwart die negativ gesehenen ro¨misch-deutschen Ko¨nige und ihre Reichsvikare in Italien repra¨sentierten. Dem Kaiser an Autorita¨t u¨berlegen erschien ihm jedoch die ro¨mische Republik der Antike, die in seiner Darstellung wie eine Kommune durch den Popolo und einen Großen Rat, den Senat, regiert wird. Seine Gru¨ndungsgeschichte von Florenz gestaltete Giovanni Villani mit Blick auf seine Gegenwart als Auseinandersetzung der beiden Kra¨fte, in der sich die Republik durchsetzte4. So scheitert Caesar bei seinem Versuch, die neue Stadt Cesaria zu nennen, am Einspruch des Senates, der stattdessen auch andere ro¨mische Adlige und Feldherren an der Gru¨ndung beteiligt und die Benennung der Stadt ihrer Entscheidung u¨berla¨ßt. Dies fu¨hrt zu einer a¨hnlichen Diskussion mehrerer Alternativen, wie sie in der Gegenwart des Chronisten in den kommunalen Ratsprotokollen festgehalten wurde. In der Erza¨hlung bildet die Summe dieser Vorschla¨ge eine ‚offene‘ Benennung, in der die verschiedenen Anlagen der neuen Stadt herausgestellt werden. So wie Giovanni Villani selbst 1332 Firenzuola als Name fu¨r eine Gru¨ndungsstadt vorschlagen sollte, votieren einige Ro¨mer fu¨r piccola Roma. Demge‚Libro Fiesolano‘, existierende Geschichtsu¨berlieferung sind in der Geschichtswissenschaft des 19. und fru¨hen 20. Jahrhunderts erbitterte Debatten gefu¨hrt worden; siehe die kommentierte Edition von Hartwig, Quellen 1, S. XV–XLIII und 35–69. Vgl. Green, Chronicle, S. 155–164; Ragone, Giovanni Villani, S. 13 passim. Zum Problem siehe generell Cerquiglini, E´loge. 4 Die a¨ltere Forschung scheint diesen fu¨r Villanis Wappendeutungen grundlegenden Antagonismus u¨bersehen zu haben; vgl. Mehl, Weltanschauung, S. 111: „Der Gru¨nder des Kaiserreichs war in den Augen Villanis Caesar. Denn im mittelalterlichen Reich sah er mit seinen Zeitgenossen die geradlinige und rechtma¨ßige Fortsetzung des alten ro¨mischen.“

5.2 Identita¨t und Geschichte: Das Stadtwappen bei Giovanni Villani

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genu¨ber setzt sich jedoch der Name Floria durch, da er an die ritterlichen Taten des Fiorino sowie an den Umstand, daß an der Gru¨ndungsstelle Lilien blu¨hten, erinnert. Im Volgare der Einwohner wird daraus schließlich Fiorenza5. Auf diese teils planvolle, teils durch Konflikte bestimmte Ordnung des ersten Florenz gehen, so der Chronist, auch die Strukturkonflikte der Stadt in seiner Gegenwart zuru¨ck. Die verschiedenen Gruppen, die in ihr angesiedelt wurden, sind die Erkla¨rung fu¨r die gesellschaftliche Ungleichheit, die dauernden Konflikte und die widerspru¨chlichen Wesenszu¨ge unter den Florentinern. Im Anschluß an diese Gru¨ndungsgeschichte berichtet Villani von der Entstehung des ro¨mischen Kaisertums und davon, ‚wie die Ro¨mer und die Kaiser Wappen hatten und wie sie von ihnen die Stadt Florenz und andere Sta¨dte haben‘: ‚Zu der Zeit des Numa Pompilius fiel durch ein go¨ttliches Wunder ein roter Schild vom Himmel, wegen dieser Sache und dieses Vorzeichens nahmen die Ro¨mer dieses Zeichen und Wappen an und fu¨gten spa¨ter S. P. Q. R. in goldenen 5 Giovanni Villani, Nuova Cronica, II 1, Bd. 1, S. 59–62: Distrutta la citta` di Fiesole, Cesere con sua oste discese al piano presso alla riva del fiume d’Arno, la` dove Fiorino con sua gente era stato morto da’ Fiesolani, e in quello luogo fece cominciare ad edificare una citta`, accio` che Fiesole mai non si rifacesse, e rimando` i cavalieri latini, i quali seco avea, arricchiti delle ricchezze de’ Fiesolani; i quali Latini Tudertini erano appellati. Cesere adunque, compreso l’edificio della citta`, e messovi dentro due ville dette Camarti e villa Arnina, voleva quella appellare per suo nome Cesaria. Il sanato di Roma sentendolo, non sofferse che per suo nome Cesere la nominasse; ma feciono dicreto e ordinaro che quegli maggiori signori ch’erano stati a la guerra di Fiesole e all’asedio dovessono andare a fare edificare con Cesere insieme, e popolare la detta cittade, e qualunque di loro soprastesse a·lavorio, cioe` facesse piu` tosto il suo edificio, appellasse la cittade di suo nome, o come a·llui piacesse. [...] I detti signori, per avanzare l’uno l’edificio dell’altro, con molta sollecitudine si studiavano, ma in uno medesimo tempo per ciascuno fu compiuto; sicche´ nullo di loro ebbe aquistata la grazia di nominare la citta` a sua volonta`, sı` che per molti fu al cominciamento chiamata la piccola Roma. Altri l’appellavano Floria, perche´ Fiorino fu ivi morto, che fu il primo edificatore di quello luogo, e fu in opera d’arme e in cavalleria fiore, e in quello luogo e campi intorno ove fu la citta` edificata sempre nasceano fiori e gigli. Poi la maggiore parte degli abitanti furono consenzienti di chiamarla Floria, sı` come fosse in fiori edificata, cioe` con molte delizie. E di certo cosı` fu, pero` ch’ella fu popolata della migliore gente di Roma, e de’ piu` sofficienti, mandati per gli sanatori di ciascuno rione di Roma per rata, come tocco` per sorte che l’abitassono; e accolsono co·lloro quelli Fiesolani che vi vollono dimorare e abitare. Ma poi per lungo uso del volgare fu nominata Fiorenza: cio` s’interpetra spada fiorita. E troviamo ch’ella fu edificata anni VIcLXXXII dopo l’edificazione di Roma, e anni LXX anzi la Nativitade del nostro signore Iesu` Cristo. E nota, perche´ i Fiorentini sono sempre in guerra e in disensione tra loro, che nonn-e` da maravigliare, essendo stratti e nati di due popoli cosı` contrari e nemici e diversi di costumi, come furono gli nobili Romani virtudiosi, e’ Fiesolani ruddi e aspri di guerra.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

Buchstaben hinzu, was bedeutet „Senat und Volk von Rom“: und ein solches wie ihr urspru¨ngliches Wappen, na¨mlich ein rotes, gaben sie allen von ihnen erbauten Sta¨dten. So das von Perugia, von Florenz und Pisa; aber die Florentiner fu¨gten wegen der Namen Fiorinos und der Stadt als Wappenbild die weiße Lilie hinzu, und die Perusiner in ihres den weißen Greifen, und Viterbo das rote Feld6 und die Orvietaner den weißen Adler. Es stimmt fu¨rwahr, daß die Herren von Rom, die Konsuln und Diktatoren, nachdem ein Adler sich als Vorzeichen u¨ber der Tarpea, das heißt u¨ber der Schatzkammer des Kapitols, gezeigt hatte, wie Titus Livius erwa¨hnt, als Wappenbild in ihren Wappenzeichen den Adler annahmen; und wir finden, daß der Konsul Marius in der Schlacht gegen die Kimbern als sein Wappen den silbernen Adler hatte, und ein a¨hnliches Wappen fu¨hrte Catilina, als er von Antonius in der Gegend von Pistoia besiegt wurde, wie Sallust sagt. Und der große Pompeius fu¨hrte eines mit einem blauen Feld und einem weißen Adler: und Julius Caesar fu¨hrte eines mit einem roten Feld und einem goldenen Adler, wie Lukan in seinen Versen erwa¨hnt, indem er sagt: Signa parens aquilas, et pila minantia pilas. Aber danach vera¨nderte es Octavian Augustus, sein Neffe und kaiserlicher Nachfolger, und fu¨hrte ein Feld von Gold und einen Adler nach der Natur von schwarzer Farbe zum Gleichnis fu¨r die Herrschaft des Reiches, denn wie der Adler u¨ber jedem Vogel steht, und scha¨rfer sieht als alle anderen Tiere, und in den Himmel bis zur Hemispha¨re des Feuers fliegt, so steht das Reich u¨ber jeder weltlichen Herrschaft. Und nach Octavian haben es alle Kaiser der Ro¨mer in a¨hnlicher Weise getragen; aber Konstantin, und spa¨ter die anderen Kaiser der Griechen, kehrten zu dem Wappen Julius Caesars zuru¨ck, na¨mlich dem roten Feld und dem goldenen Adler, aber mit zwei Ko¨pfen. Aber lassen wir die Wappen der Kommune von Rom und der Kaiser und wen-

6 Als Schildfigur von Viterbo nennt Giovanni Villani il campo rosso. An allen anderen Stel¨ bersetzung dieses Kapitels steht „rot“ fu¨r vermiglio. Zu den auf verschiedene len der U Rotto¨ne bezogenen Begrifflichkeiten siehe von Hu¨lsen-Esch, Gelehrte, S. 99ff. An welches Wappenbild Giovanni Villani hier im Zusammenhang mit Viterbo denkt, ist unklar. Zum historischen Wappen der tuszischen Stadt siehe Kapitel 1.2.1 und 2.2.1.

5.2 Identita¨t und Geschichte: Das Stadtwappen bei Giovanni Villani

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den wir uns wieder unserem Gegenstand, der Geschichte der Stadt Florenz, zu.‘7 Im Anschluß an seine Erza¨hlung von der Gru¨ndung von Florenz liefert Giovanni Villani in diesem Kapitel seiner Chronik also eine Ursprungsgeschichte des Wappenwesens. Angeregt von der Geschichtsschreibung der Antike, la¨ßt der Chronist den ersten Wappenschild wie das Palladium vom Himmel fallen8. Mit diesem originellen Einfall vermeidet er es, das Medium einem Erfinder zuzuschreiben, von dem sich eine in seiner Gegenwart relevante Herrschaftstradition herleiten ließe. Die Ro¨mer machten zwar als erste Gebrauch von dem Wappenwesen, doch sein eigentlicher Ursprung ist unhintergehbar. Diese in eine antikisierende 7 Giovanni Villani, Nuova Cronica, II 3, Bd. 1, S. 64f.: Come i Romani e gl’imperadori ebbono insegna, e come da·lloro l’ebbe la citta` di Firenze, e altre cittadi. Al tempo di Numa Pompilius per divino miracolo cadde in Roma da cielo uno scudo vermiglio, per la qual cosa e agurio i Romani presono quella insegna e arme, e poi v’agiunsono S. P. Q. R. in lettere d’oro, cioe` Senato del popolo di Roma: e cosı` dell’origine della loro insegna diedono a tutte le citta` edificate per loro, cioe` vermiglia. Cosı` a Perugia, a Firenze, e a Pisa; ma i Fiorentini per lo nome di Fiorino e della citta` v’agiunsono per intrasegna il giglio bianco, e’ Perugini talora il grifone bianco, e Viterbo il campo rosso, e li Orbitani l’aquila bianca. Ben’e` vero che’ signori romani, consoli e dittatori, dapoi che l’aguglia per agurio aparve sopra Tarpea, cioe` sopra la camera del tesoro di Campidoglio, come Tito Livio fa menzione, si presono l’arme in loro insegne ad aquila; e troviamo che ’l consolo Mario ne la battaglia de’ Cimbri ebbe le sue insegne con l’aquila d’argento, e simile insegna portava Catellina quando fu sconfitto da Antonio nelle parti di Pistoia, come recita Salustio. E ’l grande Pompeo la porto` in campo azzurro e l’aquila d’argento: e Iulio Cesare la porto` il campo vermiglio e l’aquila ad oro, come fa menzione Lucano in versi, dicendo: „Signa parens aquilas, et pila minantia pilas“. Ma poi Ottaviano Agusto, suo nipote e successore imperadore, la muto`, e porto` il campo ad oro, e l’aquila naturale di colore nero a similitudine della signoria dello imperio, che come l’aquila e` sovra ogni uccello, e vede chiaro piu` ch’altro animale, e vola infino al cielo dell’emisperio del fuoco, cosı` lo ’mperio de´ essere sopra ogni signoria temporale. E appresso Ottaviano tutti gli imperadori de’ Romani l’hanno per simile modo portata; ma Gostantino, e poi gli altri imperadori de’ Greci ritennono la ’nsegna di Iulio Cesare, cioe` il campo vermiglio e l’aquila ad oro, ma con due capi. Lasceremo delle insegne del comune di Roma e degl’imperadori, e torneremo a nostra materia sopra i fatti della citta` di Firenze. 8 Von der Pra¨senz antiker Historiographie im Bewußtsein vorhumanistischer Stadtbu¨rger Italiens zeugt beispielsweise Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 66, S. 191–193, hier S. 191f.: Coppo di Borghese Domenichi – ein Zeitgenosse und Kollege Giovanni Villanis – geriet beim Lesen des Livius außer sich u¨ber die Politik des antiken ro¨mischen Senates: Coppo, come che savio fosse, essendo sdegnoso e in parte bizzarro, comincio` in se´ medesimo muoversi ad ira, come il caso in quella dinanzi a lui intervenisse; e percuote e ’l libro e le mani in su la tavola, e talora percuote l’una con l’altra mano, dicendo: – Oime`, Romani, sofferrete voi questo, che non avete sofferto che re o imperadore sia maggiore di voi? – E cosı´ si nabissava, come se la fante in quell’ora l’avesse voluto cacciare di casa sua. Ganz in dieser furia und maninconia befangen, geriet der zerstreute Staatsmann mit Handwerkern aneinander, denen seine Empo¨rung u¨ber die Politik der Ro¨mer sprachlich und inhaltlich vo¨llig unversta¨ndlich war.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

Ursprungserza¨hlung verpackte Auffassung u¨ber das Wappenwesen entspricht der von Villanis Zeitgenossen Bartolo da Sassoferrato, der von einer prinzipiellen Verfu¨gbarkeit des Mediums fu¨r jeden freien Menschen ausging9. Vielleicht wird man so weit gehen ko¨nnen, diese Auffassung als typisch fu¨r die civilta` comunale zu bewerten. So sind es denn auch die Stadtwappen Roms und der toskanischen Kommunen, die der Florentiner Chronist als erste Ableitungen des UrWappens pra¨sentiert, gefolgt von einer zweiten Wappengruppe des ro¨mischen Adels und der Kaiser. Ihrer Funktion nach sind diese Wappen Zeichen von signoria, von Herrschaftsgewalt. Dies entsprach auch ihrer Funktion in der Gegenwart des Chronisten. Es spricht fu¨r das bemerkenswerte heraldische Wissen Giovanni Villanis, daß er sich des heraldischen Regelwerks bediente, um seinem Wappen-Kapitel eine komplexe Aussage zu geben, die die der zuvor erza¨hlten Gru¨ndungsgeschichte von Florenz auf einer anderen Ebene besta¨tigte. Der mittelalterlichen „logic of sameness“ entsprechend, wurde die Florentiner Identita¨t auf diese Weise innerhalb bestehender Erza¨hlungen, Ordnungen und Systeme verortet. Gema¨ß der Logik eines Zirkelschlusses konnten Giovanni Villanis Zeitgenossen die Evidenz seiner Deutungen an den antiken Ruinen in Fiesole und Rom sowie an den ihnen bekannten Wappen abgleichen10. Daß Giovanni Villani u¨ber heraldisches Wissen verfu¨gte und sich die Mo¨glichkeiten dieser Kommunikationsform fu¨r seine Chronik zunutze machte, lag neben seinem perso¨nlichen Interesse sicherlich auch in seiner Biographie begru¨ndet. Als Faktor und Teilhaber des Handelshauses der Peruzzi war er in Rom und in Bru¨gge ta¨tig gewesen. In dieser Zeit gemachte Beobachtungen zur franzo¨sisch-fla¨mischen und zur ro¨mischen Heraldik hat er spa¨ter in sein Geschichtswerk einfließen lassen. Neben den spa¨ter u¨bernommenen Pflichten des Priorates und des Gesandten fu¨r seine Vaterstadt Florenz war er auch zeitweise Aufseher u¨ber das sta¨dtische Mu¨nzwesen. In diesem Amt ließ er zusammen mit seinem Kollegen Gherardus 1317 ein Buch anlegen, das spa¨ter den Namen ‚Fiorinaio‘ erhielt und das alle seit 1303 geschlagenen Serien des Goldfloren mit Abbildungen und genauen Beschreibungen verzeichnete11. Der Florentiner betrachtete die Sta¨dtewappen der Toskana nicht als das, was sie aus heutiger Sicht waren: eine im Hochmittelalter entstan9 Bartolo da Sassoferrato, De insigniis et armis, S. 110. Vgl. Weber, Heraldry. 10 Zum vergleichbaren Vorgehen in den Deutungen von Signorenwappen durch den Florentiner Chronisten siehe Weber, Exempla. 11 Siehe Brucker, Florence, S. 70f. Vgl. bereits Mehl, Weltanschauung, S. 1–9. Die Edition Giuseppe Portas hat der Villani-Forschung Auftrieb gegeben. Vgl. Ragone, Giovanni Villani; Seiler, Heraldik.

5.2 Identita¨t und Geschichte: Das Stadtwappen bei Giovanni Villani

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dene Gruppe von Zeichen, die zwar nach den gleichen Regeln gebildet waren, jedoch ihre eigene Entstehungsgeschichte besaßen. Er entdeckte an ihnen Gemeinsamkeiten, die er als Zusammenhang, als gemeinsamen Ursprung deutete. Der historische Herkunftsort dafu¨r war fu¨r ihn der Projektionsraum der idealisierten ro¨mischen Antike. Wie ein Vergleich mit der im vorletzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts in Rom entstandenen Bilderhandschrift der ‚Historiae Romanorum‘ zeigt, folgte Giovanni Villani dabei ga¨ngigen Vorstellungen12. Die Krieger Roms fu¨hren in den Miniaturen dieser Handschrift in ihrer a¨ußeren Form stark variierende Fahnen und Schilde. Die Fahnen sind oft schlicht rot, wa¨hrend die Schilde fast alle auch das antiken Inschriften entlehnte SPQR tragen. In dieser Form, mit goldenen Buchstaben in einem roten Feld, war es das Wappen der ro¨mischen Kommune des Mittelalters. Das 1375 neugebildete Wappen der Otto Santi von Florenz, der Kommission, die die Fu¨hrung des Krieges gegen die Ro¨mische Kirche u¨berwachte, orientierte sich an dem Vorbild des als antik verstandenen Wappens der ro¨mischen Kommune13. Gemeinsam war den Wappen der Sta¨dte mit ro¨mischer Gru¨ndungstradition, so Villani, das schlichte Rot des Wappenschildes. Daß Perugia in Rot einen weißen Greifen und Orvieto in Rot einen weißen Adler fu¨hrte, war fu¨r ihn keine Konvergenz, sondern ein Beleg fu¨r eine Gemeinsamkeit in der Geschichte der beiden Kommunen. So wie die Florentiner Kommune in der Zeit Villanis heraldische Systeme entwickelte, die u¨ber Beizeichen auf ein gemeinsames Wappen als Bezugsinstanz ausgerichtet waren, deutete der Florentiner nach dem Maßstab der heraldischen Regeln die Wappenfiguren der Sta¨dte im Umkreis der Arnostadt als Ausdruck der varietas14. Dabei setzte er bei seinen Lesern das Wissen voraus, daß im Florenz des Primo Popolo tatsa¨chlich die Tingierung des Stadtwappens durch eine Inversion verkehrt worden war. Hatte das Wappen bis 1250 in Rot eine weiße, gefu¨llte Lilie gezeigt, so zeigt es seitdem in Weiß eine rote, gefu¨llte Lilie15. Die aus den Wappen herausgelesene gemeinsame 12 Historiae Romanorum. 13 Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 753, S. 293f.: Questi otto fecero una bandiera, la quale era tutta rossa con lettere a traverso, come quelle di Roma; ma questa bandiera dicea „Liberta`“ lettere bianche. Zu den Otto Santi siehe Kapitel 4.6. In dem auch mit heraldischer Propaganda ausgetragenen Konflikt reagierte eine oppositionelle, um den Bischof und die Albizzi gescharte Gruppe mit der Stiftung eines Altarbildes in der heute nicht mehr existenten Florentiner Abteikirche San Pier Maggiore, auf dessen Predella die Thronsetzung Petri dargestellt war. Zu beiden Seiten des Thronenden stehen je zwei Businenbla¨ser, deren erhobene Instrumente Fahnen mit dem Wappen der Kirche, zwei gekreuzte Schlu¨ssel, tragen; Solberg, Bild, mit Abb. 4, S. 198 und 203ff. 14 Siehe Kapitel 4.2. 15 Vgl. Weber, Heraldry.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

Geschichte der im 14. Jahrhundert guelfischen Kommune wirkte in a¨hnlicher Weise identita¨tsstiftend, wie die Verweise auf Ordnungsideale in den Wappen des Popolo. Eine weitere Funktion dieser Imagination wird aus der zweiten Wappenreihe ersichtlich, die der Chronist, den gleichen ¨ berlegungen folgend, an die der Sta¨dte anschließt. Die durch FarbverU kehrung und andere Brisuren abgewandelte Gemeinsamkeit dieser Wappen ist die Figur des Adlers. Zugeordnet wird sie den signori romani, aus deren Reihen nach Villanis Erza¨hlung die ro¨mischen Kaiser stammten. Die Reichssta¨dte no¨rdlich der Alpen fu¨hrten als Zeichen ihrer Freiheiten das Adlerwappen des Reiches16. Auch italienische Kommunen des fru¨hen 14. Jahrhunderts, wie Parma oder das im folgenden Kapitel untersuchte Padua, zeigten in Gegenwart des Herrschers oder aus politischem Kalku¨l dieses Wappen. Wie ein Signore mit seiner Geltendmachung im Rahmen der kommunalen Wehrordnung sowie der Messliturgie ein neues Herrschaftsritual inszenieren konnte, demonstrierte Marsilio Rossi, der 1334 als Reichsvikar in Parma herrschte. Nachdem die tubatores communis in beinahe hergebrachter Weise im Namen der Kommune in der Stadt ausgerufen hatten, daß sich die dazu gewa¨hlten Bu¨rger der Porte auf einen Feldzug vorzubereiten hatten, wurde das Heer erstmals am 15. Juni durch Anschlagen der campane comunis versammelt. Am folgenden Morgen zog Marsilio Rossi an der Spitze seiner deutschen So¨ldner in die Kathedrale ein, in der im Verlauf einer feierlichen Messe zwei neue Fahnen mit dem Adlerwappen des Reiches u¨ber dem Altar gesegnet wurden. Der Reichsvikar ergriff sie sodann und investierte mit ihnen die conestabili der Kompanien, die den dabei mit ihm getauschten Friedenskuß an die Mannschaften weitergaben. Beinahe die ganze Kirche, so der dem Geschehen skeptisch gegenu¨berstehende anonyme Chronist, war voll von Deutschen und hallte von ihrer Sprache wieder17. 16 Gritzner, Symbole, passim; Saurma-Jeltsch, Reich. 17 Chronicon Parmense, S. 233: reformatum seu decretum fuit per dominos regentes civitatis Parme et sapientes, quos secum habere voluerunt, absque alia auctoritate alicuius consilij, de faciendo exercitum per commune Parme contra dominos de Corigia et terras et villas et loca eorum; et ea die preconizatum fuit per tubatores communis publice per civitatem Parme quod homines facerent scottum et compagniam per decem dies, et primis decem diebus homines porte de Parme et porte Nove ire debuerunt sicut eis evenit pro sorte. [...] Die mercurij 15 mensis junij, in vesperis sonate fuerunt primo campane communis ocasione dicti exercitus, et die sequenti, scilicet die jovis 16 mensis junij, in mane, secunda vice sonate fuerunt. Et ipsa eadem die jovis in mane, dominus Marsilius Rubeus cum omnibus conestabilibus equitum Todeschorum cum maxima quantitate soldatorum suorum ivit ad ecclesiam maiorem et fecit ibi cantare unam missam submissa voce; qua cantata et dicta, fecit benedici a presbitero, qui dictam missam dixerat, duas banderias, quas de novo fieri fecerat ipso tempore, et illas super altare maius ecclesie apportari fecerat, factas ad insignia

5.2 Identita¨t und Geschichte: Das Stadtwappen bei Giovanni Villani

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Giovanni Villani setzte gegen diese Praxis eine Wappendeutung, die das kaiserliche Wappen mit den sta¨dtischen auf eine Stufe stellte, wenn nicht sogar nachordnete. Dies entsprach dem Selbstbewußtsein der freien Kommunen des 14. Jahrhunderts. Die origina¨re und innovative Leistung des Florentiners lag darin, bestehende, mit spa¨tmittelalterlichen Vorstellungen von der ro¨mischen Republik der Antike verknu¨pfte Vorstellungen mit der kommunalen Wappenfu¨hrung zu einer Geschichtserza¨hlung zu verknu¨pfen. Voraussetzung dieser historiographischen Leistung war wiederum der innovative Gebrauch, den die Kommune zur Zeit Villanis von der heraldischen Symbolik machte. Das heraldische Wissen, mit dessen Hilfe der Geschichtsschreiber Ordnungsvorstellungen fu¨r seine Gegenwart formulierte, geho¨rte zur kommunalen Herrschaftspraxis. Entsprechend sind seine Intentionen nicht die eines Herolds, sondern die eines an der Stadtherrschaft partizipierenden Bu¨rgers von Florenz. Ein Vergleich mit der Chronistik des 13. Jahrhunderts zeigt, welche Bedeutung das Wappenwesen zu Beginn des 14. Jahrhunderts fu¨r die Kommune gewonnen hatte. Dominierte zuvor die Form des Mediums, wie beispielsweise eine Fahne, die Wahrnehmung, so bescha¨ftigten sich die Autoren nun auch mit den Zeichen an sich. So war fu¨r Rolandinus von Padua noch der Carroccio das Objekt, das die Identita¨t der Kommune symbolisierte. Ihm widmete er ein bemerkenswertes, narrativ ausgestaltetes Kapitel seiner am 13. April 1262 durch Kommune und Universita¨t approbierten Chronik: Nach der Befreiung Paduas von der Herrschaft Ezzelinos da Romano im Juni 1256 kehrte ein exilierter Bu¨rger mit seinem, zu Beginn der Verbannung geborenen Sohn in die Heimatstadt zuru¨ck. Als sie auf der plathea apud palacium paduanum der ver¨ berreste des Fahnenwagens ansichtig werden, den die Reichsrotteten U vikare dort sechzehn Jahre lang der Witterung preisgegeben hatten, fragt der Sohn erstaunt, was dieses hedificium sei. Der Vater erkla¨rt ihm: hoc est carrocium paduanum, quod est quasi pro castro quodam, quod ducitur cum leticia et honore, quando civitas vult prodire in hostes. Et super ipsum in quadam excellenti antenna defertur igneum et triumphale vexilimperialia, scilicet ad campum glianum et ad aquilam nigram coronatam de auro; et tunc ambas banderias dictus dominus Marsilius tamquam vicarius imperij seu imperatoris, ut ibi dixit et se vocavit, dedit illis duobus ex conestabilibus predictis valde probissimis cum osculo pacis, more solito, in dicta ecclesia et coram dicto altare, et ibi omnes Todeschi qui ibi erant simul mutuo se osculati fuerunt: et erant in tanta quantitate quod tenebant totum corum ecclesie et sacristiam, in qua multa verba inter se dixerunt in lingua eorum, et ibi sic steterunt bene usque ad medium diem dicti diei jovis. Vgl. Selzer, So¨ldner, S. 167ff.: bereits im Februar hatten sich die deutschen Ritter im Sold der Da Correggio sofort ergeben, als die Parmesen in einem Treffen die Fahne mit dem Wappen des Reiches entrollten.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

lum, ad quod totus spectat exercitus. [...] In hoc enim pendet honor, vigor et gloria paduani communis. Der mit Metall beschlagene Fahnenwagen habe sogar des Nachts geleuchtet und in der Schlacht die Feinde wie ein Blitz erschreckt. Ein Bild im Dom zeige ihn mit dem Paduaner Bischof und der Ko¨nigin Berta, die von ihrem Gemahl das Privileg fu¨r die Paduaner erbeten habe, ihn zu bauen, nachdem Attila seinen Vorga¨nger zersto¨rt habe. Daher trage er auch ihren Namen18. Die gute Ordnung der Kommune, so die Botschaft des Chronisten, war am Zustand des Fahnenwagens ablesbar, der nicht nur taktischen Zwecken diente, sondern auch Tra¨ger von Identita¨t und Geschichte der Kommune Padua war. Giovanni Villani geht in seiner Chronik zwar auch auf den Florentiner Fahnenwagen ein, doch besaß dieser in seiner eigenen Gegenwart schon keine milita¨rische Bedeutung mehr. Er widmete sich nun den Wappen, die er mit vergleichbaren Intentionen und narrativen Techniken anging, wie Rolandinus den Carroccio. Singula¨r in seiner nicht in Konkurrenz mit Herolden betriebenen Bescha¨ftigung mit diesen Zeichen, war Giovanni Villani wiederum ein Vorla¨ufer des humanistischen Geschichtsdiskurses19. Die fu¨r das mittelalterliche Wappenwesen charakteristischen Konvergenzen, die dem Chronisten auffielen und die er als Zusammenha¨nge innerhalb heraldischer Systeme deutete, sollte die auf ihn folgende Generation der Bu¨rgerhumanisten, von denen Coluccio Salutati sogar seine Chronik konsultierte, eher beunruhigen20.

5.3 Politik: Das Reichswappen als Gegenstand politischer Debatten und o¨ffentlicher Gewalt: Padua am 14. Februar 1312 In der Zeit nach 1314 fu¨hrte ein anonymer Paduaner die a¨lteren, an den Amtszeiten der Podesta` ausgerichteten Annalen seiner Vaterstadt weiter, weitete jedoch, als er mit der Schilderung selbst erlebter Zeitgeschichte begann, das knappe Jahresschema aus. So schrieb er unter anderem einen Bericht u¨ber den Italienzug Heinrichs VII., der, in der Ru¨ckschau und aus Paduaner Perspektive geschrieben, ein nicht gerade positives Bild von der Politik des Kaisers liefert. Bedra¨ngt von der expansiven Della Scala18 Rolandini Patavini Cronica IX 2, S. 124f. Vgl. Struve, Heinrich IV.; Weber, Kommunikation. 19 Zur Trennung des mittelalterlichen Kaisertums vom imperium und der Freiheit des ro¨mischen Volkes und seiner Erben in diesem Diskurs siehe zuletzt Brown, Language. 20 Vgl. Weber, Sprache, S. 525.

5.3 Politik: Das Reichswappen in Padua am 14. Februar 1312

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Signorie Veronas, hatte sich die Stadt am Bacchiglione dem Kaiser unterstellt und gezwungenermaßen dessen Forderungen erfu¨llt, nur um dann zu erleben, daß er anschließend ihre zu Reichsvikaren erhobenen Feinde fo¨rderte21. Im April 1311 zogen diese sub nomine et vexillo regali in das bisher Padua unterstehende Vicenza ein22. Die Paduaner Kommune entschied daraufhin, ihre Anspru¨che ebenfalls im Namen des Reiches geltend zu machen. Sie zahlte weiterhin Steuern an den Luxemburger und ließ sich von ihm anstelle eines Podesta` einen Reichsvikar als gewa¨hltes Stadtoberhaupt besta¨tigen23. Allerdings entschied Heinrich VII. erneut zugunsten Cangrandes della Scala, indem er Anfang 1312 dessen faktisch durchgesetztes Reichsvikariat u¨ber Vicenza offiziell besta¨tigte24. Auf diese Nachricht reagierten die Paduaner mit einer Verfassungsa¨nderung, sie verwandelten ihre Stadt, die seit kurzem Reichsstadt war, wieder in eine freie Kommune zuru¨ck. Der kurze Bericht, den der anonyme Paduaner Geschichtsschreiber von diesem Ereignis gibt, ist in mehrfacher Hinsicht bedeutend. Er stellt die Reaktion der Paduaner, die in einer Entfernung des Reichswappens aus dem Stadtbild mu¨ndete, als eine Handlungskette dar, an deren Beginn die Ru¨ckkehr der sta¨dtischen Gesandten vom Hof des Ko¨nigs steht. Dazwischen liegt ein Entscheidungsfindungsprozeß, 21 Zum historischen Kontext siehe Simioni, Storia, S. 332–340; Hyde, Padua; Bowsky, Henry VII; Weber, Formation. 22 Chronicon de potestatibus Paduae, S. 111f., lobt zuna¨chst die Ta¨tigkeit Heinrichs als Friedensvermittler in der Lombardei. Anschließend habe er jedoch pecunia inclinatus, omissa iusticia dominis dela Scala tradidit dominium et vicariatum civitatis Veronae, malum et iniquum ex hoc praebens Lombardis exemplum. Demum domini dela Scala per dominum regem taliter sublimati, habito tractatu cum civibus Vicentinis tunc sub Paduanorum regimine constitutis, cum magna militum et peditum comitativa in millesimo CCC undecimo, die sextodecimo aprilis, sub nomine et vexillo regali occulte Vincenciam subintrantes, proditione facta per quosdam cives, civitatem ipsam de Paduanorum manibus subtraxerunt, Paduanos ad civitatis custodiam constitutos ipsos capiendo et eos armis et equis, rebus et pecunia spoliando et taliis affligendo. 23 Ebenda, S. 113: Sapientes Paduani, considerantes condictionem temporis et voluntatem convicinorum suorum eis arcum parantium ex adverso, illatas sibi posponentes iniurias et voluntati sapientiam praeponentes, multa data pecunia se se regis imperio submiserunt eiusque vicarium per electionem Paduanorum electum et secundum formam pactorum a principe confirmatum receperunt, dominum videlicet Gerardum de Unzola civem Parmensem, qui civitatem Paduae sub nomine regis rexit mensibus ***. 24 Die heraldisch-propagandistischen Konsequenzen dieser Legitimierung, auf die die Paduaner reagierten, zeigen sich in diesem Fall besonders deutlich an der Mu¨nzpra¨gung des Signoren. Dieser ließ na¨mlich seit 1311 eine Silbermu¨nze pra¨gen, die wegen ihrer ¨ bernahme des Kreuzer-Mu¨nzbildes spa¨ter Tirolino genannt wurde. Allerdings trug sie U die Umschrift(en): + SANCT ZENO · DE VERONA sowie ein Avers mit einem neuen Mu¨nzbild, das den perso¨nlichen Status und das Reichsvikariat dadurch abbildete, daß es den gekro¨nten Reichsadler und, in der Umschrift, einen Schild mit dem Leiterwappen der Scaligeri zeigte; Kommunikation und Mobilita¨t im Mittelalter, Abb. 9.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

der nach klassischen Verfahrensweisen der Kommune ablief. Wir ko¨nnen anhand dieses Beispiels also nicht nur beobachten, daß das Abschlagen des Reichswappens Teil eines Herrschaftswechsels war, sondern auch, daß daru¨ber zuvor eine politische Entscheidung von der Kommune getroffen worden war. Die Art und Weise, in der dies geschah, sah der Geschichtsschreiber als sichtbares Handeln Gottes in der Geschichte an. War der anfa¨ngliche Friedensstifter Heinrich fu¨r ihn vom Teufel fehlgeleitet worden, so zeigte sich am spontanen, eintra¨chtigen Handeln der Paduaner der Einfluß Gottes25. Nachdem die vom Hof Heinrichs VII. in Genua zuru¨ckgekehrten Paduaner Gesandten in der Ratsversammlung von dem Scheitern ihrer Mission berichtet hatten, handelten die Paduaner eintra¨chtig, indem sie eine o¨ffentliche Volksversammlung einberiefen. Diese bot den notwendigen Handlungsrahmen, um den Verfassungswechsel zu vollziehen. Auch die Signoren aus dem Hause der Da Carrara, die im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunderts u¨ber Padua herrschen sollten, ließen sich im Rahmen einer Volksversammlung im Kommunalpalast mit einer Fahneninvestitur in ihr Amt einfu¨hren26. Dem im Namen des Kaisers regierenden Vikar wurde angeboten, seinen Titel niederzulegen, um als Podesta` gema¨ß der Statuten und des gewohnten ordo der Kommune weiter zu regieren. Er stimmte zu und leistete in der Volksversammlung seinen Amtseid. Hatte sich die Kommune somit o¨ffentlich unabha¨ngig vom Kaiser konstituiert, ging sie abschließend daran, die sichtbaren Zeichen der kaiserlichen Oberherrschaft zu entfernen. Bei diesen insignia regalia handelte es sich um das Adlerwappen des Reiches, das – a¨hnlich wie in Siena (vgl. Taf. 8) – an die Fassade des Kommunalpalastes und an andere relevante Stellen, wie die Stadttore, gemalt worden war, als Padua sich dem Herrscher unterstellt hatte. Der Bericht des Historiographen zeigt eine Kommune, die die o¨ffentliche Anbringung und Entfernung von Wappen als Zeichen der Stadtherrschaft kontrollierte. Einen etwas anderen Eindruck von diesem Gesche25 Chronicon de potestatibus Paduae, S. 113: Dominus Canis de la Scala tractatu Vicentinorum, tamquam regis vicarius, non sine Paduanorum iniuria civitatem Vicenciae subintravit in M CCC XIJ, die duodecima februarii. Quod conspicientes Paduani in eorum iniuriam fore factum, redeuntibus subsequenti die ambaxatoribus suis de curia regis et verbis eorum in pleno consilio seriatim expositis, quodam naturali seu divino potius instinctu commoniti, finito consilio et concione publica convocata, vicario suo nomen potestatis imposuerunt, qui civitatem Paduae secundum formam statutorum et solitum communitatis ordinem ut potestas regere decetero iuravit, et insignia regalia de palacium et locis in quibus picta fuerant ammoverunt. 26 Weber, Formation; Ders., Sprache, S. 555ff.

5.3 Politik: Das Reichswappen in Padua am 14. Februar 1312

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hen bietet der Bericht des Paduaner Notars und Humanisten Albertino Mussato, der zusammen mit drei Rechtsgelehrten selbst Mitglied der Gesandtschaft gewesen war27. Er hatte bereits auf einer fru¨heren Gesandtschaft fu¨r die Stadt die Urkunde mit den Stadtrechten erwirkt, auf deren Grundlage die Verfassungsa¨nderung vorgenommen worden war. Nun, am 14. Februar 1312, brachten er und seine Mitgesandten ein Schreiben des Luxemburgers mit, in dem dieser den Paduanern ihren Feind Cangrande della Scala als neuen Reichsvikar der Trevisanischen Mark vorstellte. Mussato erza¨hlt, wie er und seine Kollegen mit dem Brief des Kaisers zuna¨chst dem Kollegium der acht sapientes und dann den anderen Offizialen der Kommune Bericht erstatteten, bevor der Große Rat der Tausend einberufen wurde. Vor ihm sprach Albertino Mussato u¨ber die aktuelle Politik des Kaisers. Seine Meldung, daß dieser Cangrande della Scala zum Reichsvikar fu¨r die Trevisanische Mark ernannt habe, wovon Padua direkt betroffen war, lo¨ste einen lautstarken Tumult unter den Anwesenden aus. Nachdem der Rat den populus versammelt hatte, hielt der Gesandte Rolando da Piazzola, re tam horribili non mediocriter commotus, eine Rede, in der er den entsetzten Paduanern die verheerenden Folgen der kaiserlichen Schaukelpolitik und der Herrschaft der Reichsvikare in der Lombardei als Bild des Mal Governo vor Augen stellte28. Des weiteren beklagte er, daß die Kommune, als sie sich dem Kaiser unterstellt hatte, bewa¨hrte ¨ mter, wie den Podesta` und die Gastalden sowie die ordines popularium A aufgegeben und fu¨r das kaiserliche Joch sogar bezahlt habe. Damals sei es das Volk gewesen, das dies lautstark ad fores atrii gefordert habe. Nun habe man dafu¨r die Herrschaft Cangrandes zu befu¨rchten, der im selben Maße ein Nachfolger Ezzelinos da Romano sei, wie hujus Henricus de Lucemburc ein Nachfolger Friedrichs II. Rolando schloß mit dem Aufruf, dem Kaiser nicht mehr zu gehorchen und seine Wappen mit denen der Kommune zu vertauschen. Er wandte sich direkt an den anwesenden Vikar Gherardus de Unzola und beschwor ihn, fu¨r das folgende Semester die Stadt als Podesta` zu regieren oder einem neuen Kandidaten zu weichen29. 27 Albertino Mussato, De Gestis Heinrici VII. Caesaris Historia Augusta, V 10, Sp. 411f.: Paduani quatuor Rolandus de Plaziola, Jacobus de Alvarotis, Johannes Henricus de Capitevaccae Judices, & Albertinus Mussatus Laicus. Vgl. Franke, Kaiser, S. 25–76; Busch, Spiegelungen, S. 317ff. 28 Ebenda, VI 1, Sp. 416: Vidi Urbes paulo` ante florentissimas pulsis Civibus ruinosas, Colonias desertas insolentibus jam cicutis opertas, Rusticanas inedia visas nobilium facies, plebe fame exanimata. Proh pudor! Longobardia terra ferax, nunc inculta ad silvestres comparabilis vastitates. Et qui incolae nobilium oppidorum? Incolae nempe Tyranni veteres, Vicariorum Imperii induti vocabulis: [...]. 29 Ebenda, VI 1, Sp. 417f.: Censeo huic Regi obediendum non fore, cum resistentibus paribus juribus resistendum, cum adversantibus vos adversari, Aquilarum effigies e` quibuscum-

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

Nach den Begeisterungsrufen, die diese Rede hervorrief, ergriff Albertino Mussato das Wort und riet zu mehr Ma¨ßigung, indem er an die Legitimita¨t des Kaisers und die politische Lage Italiens erinnerte. Wu¨rden die Paduaner in einer rebellio Vicenza angreifen, sei ihre eigene Stadt entblo¨ßt. Er trug schließlich auch gegen einen Wechsel von Namen und Wappen des Stadtregimentes Bedenken, da dies gegen das Recht verstoße, dem man auch unter einem ungerechten Herrscher zu gehorchen habe30. Wie Mus¨ lteren zu. In den scrutinia per sato berichtet, stimmten ihm vor allem die A pixides wurde allerdings Rolandos consilium angenommen31. Hatte der anonyme Chronist, der zur selben Zeit schrieb, die Entfernung der Reichswappen als Tat der Eintracht geschildert, so malt Albertino Mussato sie als Exempel der Unordnung, des Unfriedens und Rechtlosigkeit aus, eines Zustandes, der sich aus der Befolgung des aus seiner Sicht schlechten Rates ergab. Nach seinem Bericht handelte die vor dem Kommunalpalast zusammengelaufene plebs eigenma¨chtig, als sie begann, die Wappen zu zersto¨ren. War erst mit diesen die legitime Ordnung gefallen, weitete sich das Ganze schnell zu einem furor aus32. Auch wenn Albertino Mussato als einer der Hauptakteure sehr viel na¨her am Geschehen war, ist seine Geschichte keinesfalls objektiver. Als fru¨her Humanist um einen gehobenen Stil bemu¨ht, beschreibt er kommunale Geschehensabla¨ufe mit einem antikisierenden Pathos. Er hat sicherlich mit seinem consilium gegen das Vorgehen seiner Mitbu¨rger geraque communibus, & privatis fastigiis aboleri, Moenia, Castella, Coloniasque vestras tuitione, rebellioneque coaptari, vitas pro libertate in omne discrimen exponi. Te Gherarde, ad Vicarium dirigens oculos, (si quidem tibi sic ipse consulueris) Vicariatui abrenuntiare, dulceque, ac sacrum Potestatis nostrae officium, nomenque resumere, & per semestre tempus Civitatem hanc in libertate regere, sicque continuo` jures obnixe`; sin autem, stipendium tuum discessurus habeto: praesto habemus de Sancto Miniato Rodulfum virum optimum, quem ad hanc liberam, beatamque potestatis sedem vocandum, sumendumque adjudico. 30 Ebenda, VI 1, Sp. 420: Agite sub juris clypeo, quae Rolandus fieri suadet sub contemtu Regiae Majestatis. Et quid refert huic Vicario Imperii, dum eadem sit potentia, idem praesidatus, Potestatis nomen imponere? Quid abolere imagines Aquilarum? Virtuosos astus verbis proponite. Innitamini operibus, non ventosis ostentibus; fovete semper jus, etiam iniquo sub Rege. Jus quippe constans, & immortale; Rex mobilis, mortalisque, ut verni flores decidunt, evanescit. Censeo Regiae Majestati obsequendum, rescriptis Regiis implendis instandum verbis & opere, [...]. 31 Ebenda, VI 1, Sp. 420. Vgl. Weber, Wahlinstrumente. 32 Albertino Mussato, De Gestis Heinrici VII. Caesaris Historia Augusta, VI 2, Sp. 421: Plebs novarum rerum zelatrix, exauditis ante Senatus digressum vocibus, per summa Praetorii communis fastigia, e` muris pictas Aquilas diripuere, die tota per vicos discurrentes easdem per singulas Civitatis Portas, ac domos privatorum cum ignominiosis clamoribus abolentes. Deinde omnia coepta hostilia hinc inde, ignes, populationes, praedae, rapinae & quaecumque furor hostilis administrat. Ex Nobilibus autem Paduanis inter Vicentinorum fines Paduam versu`s duo munitas ad resistentiam domos habebant.

5.3 Politik: Das Reichswappen in Padua am 14. Februar 1312

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ten. Die Art und Weise, in der er dies herausstreicht, zeigt aber auch, daß er bereits vor dem Hintergrund des in der Folge gefu¨hrten Krieges schrieb, in dem die Paduaner den Veronesen unterlagen. Auch bewertet er in den ausgefeilten Reden, die er seinen Protagonisten in den Mund legt, die Gegenwart im Vergleich mit der Vergangenheit, vor allem mit der fu¨r Padua traumatischen Herrschaft des als Monster und Archetyp eines Tyrannen im Geda¨chtnis der Nachwelt gebliebenen Ezzelino III. da Romano33. Mussatos Bericht besta¨tigt die Entfernung der Reichswappen im Februar 1312. Auch er schildert diese Handlung als Resultat legitimen politischen Handelns. In der Volksversammlung wurde eine Debatte daru¨ber gefu¨hrt, in geheimer Abstimmung anschließend abgestimmt. Der unterlegene Politiker, der spa¨ter zum Geschichtsschreiber wurde, beugte sich dem so ermittelten Willen der Mehrheit, kann es sich jedoch nicht verkneifen, die Entfernung der Wappen als chaotische Handlung des Volkes zu schildern. Auch wenn er die Legitimita¨t des Verfahrens anerkannte, kritisierte er so die Entscheidung, die der andere Geschichtsschreiber in seinem Bericht billigte. Anhand der Ereignisse des 14. Februar 1312 in Padua, fu¨r die eine Doppelu¨berlieferung in der Paduaner Geschichtsschreibung vorliegt, ließ sich zeigen, in welch einen dichten Kontext politischen Handelns der Umgang mit o¨ffentlich im Namen der Kommune gezeigten Wappen eingebettet war. Das Handeln hat Prozeßcharakter. Es erweist sich, nach dem Bericht Mussatos, als Spannungsfeld von Gesandtschaften, kommunalen Verfahrensabla¨ufen und dem Druck der o¨ffentlichen Meinung. Der Vergleich beider Quellen sowie Albertino Mussatos Schilderung der Volksversammlung zeigen zwei gegensa¨tzliche Einscha¨tzungen eines Herrschafts- und Verfassungswandels, von dem die Wappen zusammen mit anderen Symbolen kommunaler Identita¨t, wie den Namen der Spitzena¨mter und die Statuten betroffen waren. Ihre Kontrolle erweist sich so als Indikator fu¨r die in der Kommune ausgeu¨bte Herrschaft.

33 Vgl. Weber, Exempla, S. 157.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

5.4 Krieg: Grandissimi fatti d’arme – die Wappenfahne Sienas als Signal in der von der Ehre bestimmten Handlungsfolge eines Kriegszuges im 14. Jahrhundert Der Erwerb und die Wahrung von Ehre war in der Stauferzeit ein zentrales Motiv des herrscherlichen und des adligen Handelns. Als konstitutiver Wert fu¨r die Ordnung sozialer wie politischer Verba¨nde wurde der honor o¨ffentlich gezeigt. Definierten sich Handlungsnormen von den verschiedenen Aspekten seines Bedeutungsspektrums her, so war deren Gehalt wiederum von den Regeln der symbolischen Kommunikation bestimmt. Knut Go¨rich, dessen Forschungsergebnisse ich hier in aller Ku¨rze wiedergebe, hat ebenfalls auf das Desiderat von Studien zu dieser Thematik „in interkommunalen Konflikten“ des mittelalterlichen Italien hingewiesen34. Daß sich dieser Gegenstand als ergiebig erweist, zeigt beispielsweise ein Blick in die ‚Annales Placentini‘. Ihr Verfasser, der Notar Johannes Codagnellus, berichtet zu 1208, daß sich der Anlaß fu¨r den Krieg zwischen Cremona und Mailand fand, als der Cremoneser Podesta` in einer aufgeregten Ratsversammlung in Gegenwart Maila¨nder Gesandter o¨ffentlich sagte, daß Mailand nicht in Ehren lebte35. Weitet man die Thematik aus, so gera¨t die Ehre als ein a¨hnlich zentraler Begriff fu¨r die Herrschaftsordnung und die kollektive Identita¨t der freien ¨ hnlich wie in den Kommunen des spa¨teren Mittelalters in den Blick. A von Go¨rich untersuchten Komplexen, gab es dabei im o¨ffentlichen Han¨ berschneidungen zwischen der perso¨nlichen und der Standesehre deln U der Protagonisten und der Ehre kollektiv verbindlicher Instanzen, wie der Kommune, des Reichs oder der Heiligen. Zur Ehre und zum Ruhme Gottes, der Heiligen und der Stadt setzten die Kommunen statutarisches Recht und erbauten Kathedralen, Kommunalpala¨ste und Stadttore36. So beginnt beispielsweise das ‚Costitutum communis Tuderti‘ von 1275 mit einer Invokation, die Abbild der Herrschaftsordnung der mit relativer Autonomie im Kirchenstaat existierenden Kommune war: es war verabschiedet worden zur Ehre Christi, Mariens, des Stadtheiligen Fortunatus, aller Heiligen der Ro¨mischen Kirche, sowie ad honorem et salutem totius Communis, Civitatis et districtus tuderti, et omnium societa-

34 Go¨rich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, hier S. 367; Ders., Verletzte Ehre; Ders., Ehre als Ordnungsfaktor; Ders., Mißtrauen; Ders., Staufer. 35 Iohannes Codagnellus, Annales Placentini, S. 35f. 36 Vgl. Paul, Kommunalpala¨ste, S. 5; Voltmer, Leben; Ferrari, Porta Romana, S. 140.

5.4 Krieg: Grandissimi fatti d’arme

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tum, que nominabuntur in hoc constitutum37. Ein neuer Podesta` von Todi, wie Comazzo Galluzzi, leistete noch am Tag seiner Einholung in die Stadt inmitten der Volksversammlung auf der Piazza vor dem Kommunalpalast mit ausgestreckter Hand auf das Evangelienbuch seinen Amtseid ‚zur Ehre Gottes und der heiligen Maria‘38. Der umfangreiche Amtseid, den er zuvor laut aus dem Eidbreve abgelesen hatte und der in den kurz nach seiner Amtszeit redigierten Kommunalstatuten an erster Stelle steht, beinhaltete unter anderem, daß er ‚zur Ehre der Stadt Todi vermehren und erhalten werde jede Stadt, Burg oder Ortschaft, die der Grafschaft oder der Kommune von Todi unterworfen ist.‘39 Wenn o¨ffentliche Bauten oder Amtstra¨ger Identifikationsobjekte und Tra¨ger der sta¨dtischen Ehre waren, so galt dies auch fu¨r die Wappen der Stadt, die etwa an den Stadttoren angebracht waren40. Das Wappenensemble einer Kommune stand, wie ihr Carroccio, symbolisch fu¨r ihre Identita¨t und Ehre41. Am Beispiel der Wappen des Sieneser Popolo und der Maila¨nder De Pusterla habe ich oben dargestellt, wie die kommunale Geschichtsu¨berlieferung unter Zuhilfenahme symbolischer Praktiken der Heraldik, wie der Wappenbesserung oder Wappenverleihung, Ehre, die fu¨r die ganze sta¨dtische Gemeinschaft relevant war, aus Wappenbildern herauslas42. Die Heraldik wurde so im 14. Jahrhundert zu einem Gegenstand des seit langem bestehenden Ehr-Diskurses in der Historiographie. Bereits fu¨r Caffaro, den beru¨hmten ersten Geschichtsschreiber Genuas, wie auch fu¨r nachfolgende sta¨dtische Chronisten u¨berall auf der Halbin-

37 Statuto di Todi del 1275, S. 1. 38 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 51: ... iuxta palatium comunis ... populo ... ad arengum sono campane ibidem congregatum qui testis audivit ad dictum arengum. Interrogatus quis computavit ei dictum iuramentum respondit quod quidam de civitate cuius nomen ignorat et vidit eum in dicta platea computantem dictum iuramentum potestar dicto domino Comaccio et non audivit nec poterat exposse audire quibus verbis usus fuit ille civis Tudertinus in computantice dicti iuramenti tamen bene vidit quod quidam extendit manum cum libro versus dictum dominum Comaccium et dictus dominus Comaccius multis verbis praemissis dixit ad honorem Dei et beate Marie sic iurabat prout se extitit computatum et manum super librum apposuit. 39 Statuto di Todi del 1275, I, S. 8: et conducam et tenebo ad honorem civitatis tuderti, Civitatem, castrum, castra et terram subpositam ipsi comitati seu comuni tuderti. 40 Vgl. Dupre` Theseider, Stemmi, S. 314, und oben Kapitel 4.5.1. 41 Dies ist ein zentraler Aspekt meiner unpublizierten Examensarbeit: Weber, Symbolik, zum Beispiel S. 17: „Der Begriff, der im Zusammenhang mit den vorheraldischen und heraldischen Symbolen, die die Identita¨t der Gemeinschaft repra¨sentierten, vor allem begegnet, war die Ehre, lateinisch honor.“ Vgl. Weber, Exempla. Zum Carroccio siehe Zug Tucci, Cremona, S. 207, und oben, Kapitel 5.2. 42 Siehe Kapitel 1.2.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

sel, war der honor eine zentrale Kategorie zur Beschreibung kommunaler Politik und Geschichte gewesen43. In diesem Teilkapitel soll der Zusammenhang zwischen der Wappenfahne und der Ehre der Kommune am Beispiel eines bestimmten Sitzes im Leben na¨her betrachtet werden. Es handelt sich um die oben bereits fu¨r das 12. und das 13. Jahrhundert untersuchte symbolische Geste des Fahnenaufpflanzens. In dem Beispiel aus der Mitte des 14. Jahrhunderts begegnet die Wappenfahne der Kommune jedoch nicht in Kontexten des Lehnswesens oder des innersta¨dtischen Aufruhrs, sondern als Feldzeichen eines sta¨dtischen Aufgebots in einer fu¨r die spa¨tmittelalterliche Kriegsfu¨hrung charakteristischen Situation. Eine Frage wa¨re demnach, wie sich die symbolische Geste des Fahnenaufpflanzens innerhalb der Handlungsfolge von Sieg und Triumph vom 12. zum 14. Jahrhundert vera¨ndert hat und welche Gesten und Vorstellungen mit dem Wappenbild der Fahne in Verbindung gebracht wurden. Da auch no¨rdlich der Alpen das Wappen und seine medialen Tra¨ger handlungsleitende Symbole der Ehre in kriegerischen Konflikten waren, stellt sich die Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden, mithin nach dem spezifisch ‚Kommunalen‘ im demonstrativ gezeigten Konnex von heraldischem Zeichen und Ehre. Der Bericht, den der zeitgeno¨ssische Chronist von der Wappenfahne gibt, la¨ßt nicht nur ihre Multifuktionalita¨t als milita¨risches Signal und visuelles Medium der Ehre erkennen. Im Unterschied zu den meisten erza¨hlenden Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts geht er auf das Aussehen, den Gebrauch und die Bedeutung der Wappenfahne ein, indem er an ihnen die Erza¨hlstruktur der von ihm geschilderten Episode entwirft. Darin befindet er sich im Einklang mit a¨lteren Chronisten des Trecento, die ebenso verfahren. Innerhalb eines chronologischen Rahmens erza¨hlen diese sta¨dtischen Geschichtsschreiber in sich geschlossene Einzelepisoden44. Fu¨r die in erster Linie in der lokalen Fu¨hrungsschicht anzusiedelnden Leser dieser Geschichtswerke besaßen diese Geschichten in mehrfacher Hinsicht Relevanz: Weil sie historische Ereignisse als moralisch bewertbare Beispiele fu¨r menschliches Handeln in einer u¨berzeitlichen Weltordnung vermitteln wollten, gaben die Autoren ihren Episoden a¨hnliche Erza¨hlstrukturen wie den Exempla oder Novellen ihrer Zeit. Der im Ausgang des Trecento wirkende Lucchese Giovanni Sercambi schrieb sogar beides, eine belehrend-erbauliche Chronik wie auch nicht ganz so moralische Novellen45. Ein gemeinsamer Nenner dieser Geschichten ist 43 Vgl. Schweppenstette, Politik, S. 21 passim. 44 Siehe Kapitel 1.2 am Beispiel des Sieneser Anonymus. 45 Rossi, Sercambi.

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die eigene Stadt. In der Perspektive ihrer Darstellungsabsicht und mit den geschilderten narrativ-literarischen Mitteln haben die Geschichtsschreiber das fu¨r ihre Kommune relevante historische Wissen fu¨r die Zukunft aufbereitet. Daher ist es kein Wunder, daß sie spa¨testens im 14. Jahrhundert auch die Wappen als Gegenstand entdeckten, die mit kommunaler Identita¨t, Herrschaft und Ehre verknu¨pft waren und die sich aufgrund ihres Zeichenpotentials narrativ ausgestalten ließen46. Heraldisches Wissen wurde so wa¨hrend des 14. Jahrhunderts zu einem Instrument der Historiographie. Wie sich im Bericht eines Sieneser Chronisten die Verbindung zwischen der Wappenfahne und der Ehre der Kommune zeigte, soll im Folgenden na¨her untersucht werden. Es handelt sich um eine Episode aus dem Sommer des Jahres 1351, die repra¨sentativ fu¨r die nahezu allja¨hrlich gefu¨hrten ‚kleinen Kriege‘ zwischen Kommunen und Signorien ist, in denen auf beiden Seiten So¨ldnerkompagnien und Bu¨rgermilizen aufeinander trafen. Das Aufpflanzen einer Wappenfahne als weithin sichtbares Siegeszeichen begegnet auch noch in diesem Kontext, repra¨sentiert darin jedoch gewandelte, ‚international‘ verbreitete Wertvorstellungen und Kriegstechniken der Zeit, wie sich im Vergleich zeigen wird. Im Fru¨hjahr 1351 hatte der Maila¨nder Erzbischof und Signore Giovanni Visconti – der ein Jahrzehnt zuvor einen gewissen Galvano Fiamma mit einer Stelle als capellanus et scriba fu¨r die seinem Haus erwiesenen Dienste belohnt hatte47 – in dem gerade erst unterworfenen Bologna ein Heer gesammelt, das er unter dem Kommando seines Nepoten Galeazzo Visconti und des Condottiere Giovanni d’Oleggio in Marsch setzte, um die Toskana zu ‚befrieden‘. Im Juli waren sie das Tal des Reno hinaufgezogen, hatten Pistoia bedroht und sich dann gegen Florenz gewandt. Den Florentinern und ihren amici d’intorno gelang es jedoch, die Lombarden im Mugello zu stoppen, das die Florentiner Festungsstadt Scarperia sperrte48. Mitte Oktober brachen die Heerfu¨hrer des Visconti schließlich die erfolglose Belagerung Scarperias ab und zogen sich u¨ber den Appennin zuru¨ck49. Auch die guelfische Ligastadt Siena hatte auf die Bitte ihrer Bundesgenossin hin ein ansehnliches Hilfskontingent zur Entlastung des

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Weber, Exempla. Sasse Tateo, Tradition, S. 63. Vgl. oben Kapitel 1.2.2. Das Zitat nach: Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 646, S. 236. Luzzati, Firenze, S. 657f., ist wenig mehr, als eine Zusammenfassung der quellennahen und ausfu¨hrlicheren Darstellung von Cipolla, Storia, S. 120ff. Zu Scarperia in diesem Krieg siehe Friedman, Towns, S. 41ff., 61–67 und 196ff.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

Florentiner Heeres entsandt. Wa¨hrend die zeitgeno¨ssische Florentiner Geschichtsschreibung dies gerade einmal in einem Nebensatz erwa¨hnt50, bietet der ebenfalls anonyme Fortsetzer des uns bereits bekannten Sieneser Chronisten eine ausfu¨hrliche Erza¨hlung von den Waffentaten dieser Truppe, die damit beginnt, daß sich ihr Kriegskapitan Erbanera im Lager vor Scarperia bei seinem Florentiner Kollegen meldete51. Als er seine Frage nach einem geeigneten Lagerplatz vorbrachte, indem er nach der Stelle fragte, wo man am besten die Ehre der Stadt Florenz und der Sienesen, deren Kommune ihn schicke, wahren ko¨nne52, erhielt er eine ironische Antwort. Der Florentiner Befehlshaber schlug ihm na¨mlich vor, daß die Sienesen gegenu¨ber der torre maestra des von den Feinden eingeschlossenen Kastells kampieren sollten; und wenn es ihnen mo¨glich sei, ko¨nnten sie ja auch reingehen und die Nacht im Turm verbringen. Auf diese provozierende Herausforderung reagierten die Angesprochenen, indem sie das im Spott als unmo¨glich Vorausgesetzte mo¨glich machten. In der Nacht gelangten sie an den Belagerern vorbei u¨ber Gra¨ben und Befestigungen in die Stadt53. Als es morgens hell wurde, hißten die Sienesen die Balzana auf dem Turm, stimmten dazu ihr Feldgeschrei: Siena, Siena e Lupa, Lupa an und machten einen Ausfall, um das Belagerungsheer der Lombarden anzugreifen54. Als diese sahen, daß sie bereits in dem 50 Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 646, S. 236. 51 In der Sieneser Chronik bleibt der Florentiner Capitano namenlos. Nach Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 650, S. 238, wurde Scarperia von dem capitano della provincia di Mugello Giovanni di Cante de’ Medici verteidigt. 52 Cronaca senese, S. 148f., hier S. 148: L’altro dı` diseno al chapitano della giente de’ Fiorentini che gli asegniasse el luogho e la stanza dove piu` utile gli fusse a chonservamento e onore della citta` di Firenze e de’ Sanesi, per lo quale chomuno era mandato. 53 Erst nach der Belagerung erhielt die Stadt eine geschlossene Stadtmauer. Vgl. Paul, Kommunalpala¨ste, S. 263f. Ihr voriges Befestigungssystem mit gemauerten Toren, Tu¨rmen und Eckpunkten, die durch Pallisade und Graben miteinander verbunden waren, findet sich im kommunalen Italien sehr ha¨ufig. Bologna war seit 1238 fu¨r ein Jahrhundert mit solchen circla umgeben; Hessel, Geschichte, S. 440. Im ‚Balduineum‘ ist Florenz mit solchen Befestigungen dargestellt; Heyen, Romfahrt, fol. 29a, S. 110f. Auch der ‚Codex Chigianus‘ der ‚Nuova Cronica‘ zeigt Lagersta¨dte aus Holz und mit Pallisaden umgebene Sta¨dte; Il Villani illustrato, S. 91 (fol. 26v), 134f. (fol. 81r), 153 (fol. 108r), 160f. (fol. 119v), 208f.(fol. 181r), 213 (fol. 187v) und 228f.(fol. 206r). Zu den a¨hnlich befestigten Lagersta¨dten mit hohem propagandistischem Symbolwert siehe Kapitel 2.3. 54 Daß mit der bandiera de’ Sanesi die Balzana gemeint ist, verdeutlicht der vorausgegangene Abschnitt, Cronaca senese, S. 147f., der von dem Eintreffen einer in den Unruhen nach der Vertreibung Gautier de Briennes von Florenz erbetenen Sieneser Schutztruppe in der Arnostadt berichtet. Nach der Vertreibung des Herzogs si pose l’ansegna del chomuno di Siena, cioe´ la Balzana biancha e nera, che portano e’ balestrieri, in su la torre del palazzo di Fiorenza, perche´ paresse che ne l’avesse chaciato el chomuno di Siena. Das Aufpflanzen der Fahne auf dem Turm entspricht der klassischen Triumphgeste. Wahr-

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Kastell waren und dessen Verteidiger versta¨rkten, brachen sie – so der Sieneser Chronist – sofort ihr Lager ab und flohen Richtung Mailand. Der Sieneser Geschichtsschreiber teilt seinen Lesern mit, daß der Florentiner mit seiner Antwort den Fragenden verspotten wollte, spricht das Motiv dafu¨r jedoch nicht direkt an. Wahrscheinlich war es eine Herausforderung von der Art, wie sie beispielsweise auch auf den Schaupla¨tzen des Hundertja¨hrigen Krieges ausgesprochen wurde55. Der Florentiner Chronist Marchionne di Coppo Stefani erza¨hlt na¨mlich, daß die auf beiden Seiten angeworbenen italienischen So¨ldnerkompagnien vor Scarperia miteinander wetteiferten, grandissimi fatti d’arme zu vollbringen. Zu diesem ‚Spiel‘ geho¨rte es, wenn die Florentiner es schafften, in das ¨ bertrumpbelagerte Kastell zu gelangen56. Das Ziel dieses waghalsigen U fens war der Gewinn von Ehre, sowohl fu¨r sich und seine Mitstreiter, als auch fu¨r die Partei, fu¨r die man ka¨mpfte. Dieses ritualisierte Verhalten – Johan Huizinga nannte es „sportlich“57 – ist eine Konstante mittelalterlicher Kriegsfu¨hrung, die verschiedene Forschungsrichtungen mit Blick auf die Rechts- und Verfassungsgeschichte oder die ritterlich ho¨fische Kultur in den Blick genommen haben58. Fu¨r die Frage nach dem

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scheinlich bestand fu¨r den mittelalterlichen Chronisten ein Zusammenhang zwischen den nacheinander geschilderten, in einem Zeitabstand von fast einer Dekade auseinanderliegenden Episoden. Beide Fa¨lle sind berichtenswert, weil in ihnen Siena mit dem Aufpflanzen seiner Fahne seinen Sieg und seine Sta¨rke demonstriert, gerade auch gegenu¨ber den Florentinern. Vgl. Huizinga, Herbst, S. 138ff., sowie jetzt grundlegend Prietzel, Kriegfu¨hrung, passim; Ders., Krieg, S. 164–180. Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 651, S. 238f. Zu den „Spielregeln“ spa¨tmittelalterlicher Kriegfu¨hrung siehe Huizinga, Herbst, S. 336f.: „Schließlich heftet sich auch an die Kriegsbra¨uche allerlei Kasuistik. Der starke Einfluß der Ritteridee auf die Auffassung vom Kriege verlieh auch diesem ein Spielelement. Die Fa¨lle von Beuterecht, Angriffsrecht, Festhalten an einem Ehrenwort erscheinen unter dem Aspekt von Spielregeln, wie sie fu¨r Turnier und Jagdvergnu¨gen gelten. Das Streben, auch die Gewalt an Recht und Regel zu binden, entsprang nicht so sehr vo¨lkerrechtlichem Instinkt wie der ritterlichen Vorstellung von Ehre und Lebensstil.“ Vgl. z. B. Huizinga, Herbst, S. 139: „Um 1400 ist die ganze scho¨ne, halb spielerische Suggestion von perso¨nlichem Wetteifer um Ruhm und Ehre noch in voller Blu¨te: durch Helmkleinodien und Wappen, Fahnen und Feldgeschrei erha¨lt der Kampf einen individuellen Charakter und ein sportliches Element. Den ganzen Tag u¨ber erschallen wie in einem Wettspiel des Hochmutes die Rufe der verschiedenen Herren. Vor und nach dem Gefecht besiegeln Ritterschla¨ge und Rangerho¨hungen das Spiel: Ritter werden durch das Abschneiden der Zipfel ihrer Fa¨hnchen zu bannerets erhoben.“ Zu Huizingas Denken zu diesem Punkt siehe Dens., Homo Ludens. Siehe auch die Beobachtung von Scharff, Ka¨mpfe, S. 243: „daß Isidori Hispalensis etymologiae XVIII, gleichzeitig Krieg und Spiele behandelt: ‚De bello et ludis‘“. Scharff, Ka¨mpfe, S. 2ff., und Prietzel, Kriegfu¨hrung, S. 12–17, mit Forschungsu¨berblicken zur Bescha¨ftigung mit dem Krieg in der Media¨vistik.

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Konnex zwischen der Ehre und vorheraldischen wie heraldischen Medien im Krieg, finden sich in Studien erschlossene Beispiele, die vom honor Ludwigs des Frommen bei Ermoldus Nigellus bis hin zu den Preußenreisen des europa¨ischen Adels reichen59. Was jedoch fehlt, sind zeitlich und ra¨umlich u¨bergreifende Studien. Der Schwerpunkt der meisten Arbeiten zum mittelalterlichen Europa liegt entweder im fru¨heren Mittelalter oder ¨ kuin Huizingas ureigenem Untersuchungsbereich, der frankophonen O 60 mene um das Burgund des 15. Jahrhunderts . Fu¨r die italienischen Kommunen des spa¨teren Mittelalters scheinen mir dagegen Forschungen zur Heraldik als Teil der Ritualisierung und Verrechtlichung der Kriegsfu¨hrung zu fehlen61. Dem hier gewa¨hlten Beispiel am na¨chsten stehen die in Untersuchungen zu Rittertum und Kriegsfu¨hrung des Spa¨tmittelalters in den Blick genommenen Beispiele. Die Pionierrolle dieser Forschungsrichtung kommt Johan Huizinga zu, der das „Gedankensystem des Rittertums als ein edles Spiel der Ehrenregeln und Tugendvorschriften bezeichnete“62. Huizingas Leistung war es, die gesellschaftlich-politische Relevanz dieser Mentalita¨t aufzuzeigen, deren Auspra¨gung in symbolischen Formen zuvor meist nur als ornamentaler Stuck u¨ber den in Kategorien des 19. Jahrhunderts gesehenen Berei¨ konomie betrachtet wurde63. Es chen von Realpolitik, Verwaltung oder O geho¨rt zur Komplexita¨t des von ihm entworfenen Bildes, daß Huizinga selbst die von seinen Protagonisten auf dem Schlachtfeld aus Ehre getroffenen Entscheidungen, von denen die Quellen zu ihrem Lob berichten, als wirkma¨chtig, jedoch von einem modernen Standpunkt aus als dysfunktional und strategisch verfehlt einscha¨tzte64. Daß es neben diesem, im 59 Scharff, Ka¨mpfe, S. 58ff., mit Beispielen, wie dem u¨ber die Mauern Barcelonas geschleuderten Speer. Vgl. Paravicini, Preußenreisen; Prietzel, Krieg, S. 93–104. 60 Siehe aber Prietzel, Kriegfu¨hrung. 61 Das Thema wird jedoch in Untersuchungen zur (Kriegs-)Geschichte der Kommunen beru¨hrt. Vgl. beispielsweise Voltmer, Carroccio; Keller, Adel; Maire Vigueur, Cavaliers; Selzer, So¨ldner, sowie die Arbeiten Richard C. Trexlers. 62 Huizinga, Bedeutung, S. 26. Vgl. Dens., Herbst, S. 87, mit der Wiedergabe des Froissartschen Gedankens, daß Herolde als Experten in Sachen Ehre die besten Zeugen der Geschichtsschreibung seien. 63 Vgl. Huizinga, Bedeutung, S. 17ff. 64 Huizinga, Bedeutung, S. 21–25, mit dem Fazit: „Folglich ein handgreiflicher, aber im ganzen negativer Einfluß.“ Allerdings sah Huizinga, ebenda S. 28f., im „Stolz des Ritters“ ein „Geltungsstreben, das die Zu¨ge eines hohen ethischen Wertes annimmt“ und damit zukunftsweisend fu¨r den positiven Patriotismus der Moderne wurde. Zuga¨nge zum Stand der Forschung, deren Beurteilung ehrbestimmten Verhaltens in mittelalterlichen Konflikten sich in dem Jahrhundert nach der Konzeption von ‚Herfstij der middeleeuwen‘ gewandelt hat, bieten unter anderem die Forschungen von Knut Go¨rich; Scharff, Ka¨mpfe; Stollberg-Rilinger, Kommunikation. Arnade, Realms,

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Fokus seiner Darstellungen stehenden „Verhaltenskodex“ der Ehre auch ein ganz pragmatisches Befolgen von Strategien, die Mechanismen von Finanzierung und Verwaltung, sowie die grausame Seite des Krieges im Spa¨tmittelalter gab, hatte er auch im Blick65. Die Spannungen zwischen diesen Gro¨ßen, gesehen als Epochensignatur des „immerwa¨hrenden Kontrasts“, sowie ihre immer wieder betonte Alterita¨t zur Moderne verraten viel u¨ber den ethnologisch beziehungsweise indologisch geschulten Blick des Verfassers sowie u¨ber die Einflu¨sse der eigenen Zeit – das Fin de Sie`cle und der Erste Weltkrieg – auf sein 1919 erschienenes Hauptwerk ‚Herfstij der middeleeuwen‘66. Als Antwort auf die doppelte Herausforderung durch die Verbu¨ndeten und die Feinde wa¨re das Zeigen der Sieneser Wappenfahne in der Deutungsperspektives dieses Ehrenkodexes nicht nur ein einfaches Signal der eigenen Pra¨senz, sondern eine bewußte, den Regeln der symbolischen Kommunikation folgende Demonstration der wiederhergestellten Ehre im Medium der Fahne. Solche Formen der symbolischen Kommunikation waren ein wesentlicher Bestandteil der Kriegsfu¨hrung und der Wahrnehmung des Krieges im Spa¨tmittelalter. Da sich vor allem die Beschreibungen solcher Formen in Quellen verschiedener Gattungen und Herkunft entsprechen, wird man sehr vorsichtig sein, sie als Belege fu¨r eine typisch ‚ritterlich-feudale‘ oder ‚kommunale‘ Art der Kriegsfu¨hrung zu werten. So schildern italienische Chronisten des 13. und 14. Jahrhunderts ha¨ufig, wie kommunale Heere, zum Großteil aus den um den Carroccio gescharten Fußsoldaten bestehend, in die Schlacht ziehen: die Ka¨mpfer formieren sich unter ihren Fahnen, Businen werden geblasen und das Feldgeschrei angestimmt67. Genau so schildert aber auch der in den Jahren vor 1300 am Mittelrhein dichtende Zilies von Seine den Anritt eines Ritterheeres in der Schlacht auf dem Marchfeld68. In einer anderen, die Schlacht bei Go¨llheim

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bes. S. 1–8, fu¨hrt Huizingas Ansatz in der Auseinandersetzung mit den Ansa¨tzen der neueren Forschungen zur spa¨tmittelalterlichen Ritualita¨t weiter. Die Fragestellungen der modernen Media¨vistik kann Prietzel, Kriegfu¨hrung; Ders., Krieg, fu¨r den hier angesprochenen Themenkomplex gewinnbringend anwenden. Huizinga, Bedeutung, S. 19 passim; Ders., Herbst, passim, mit Beobachtungen, wie der, S. 123f. und 145, daß die fantastisch anmutenden, als ho¨fisches Ritual betriebenen Gelu¨bde auch schriftlich registriert wurden. Huizinga, Herbst, S. 2. Vgl. Strupp, Johan Huizinga. Vgl. z. B. die Annales S. Iustinae Patavini, S. 166f., zum Aufbruch des Kreuzfahrerheeres gegen Ezzelino III. da Romano am 19. Juni 1256: Summo igitur diluculo, die Lune, duodecimo exeunte Iunii, clangore tubarum exercitu excitato, armisque viriliter ab omnibus aprensis, legatus ante se deferri fecit alme crucis vexillum, quod secuti sunt omnes, animo confidenti de celo auxilium postulantes. Bach (Hg.), Werke, 2. Die Bo¨hmenschlacht, S. 210–219, hier S. 211, V. 43–49.

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verherrlichenden Dichtung, orientiert sich der Verfasser an den Bannertra¨gern der Heere und betont den Konnex von banier und eˆre69. Wie der Ritterschlag, der unmittelbar vor oder nach einer Kampfhandlung geta¨tigt wurde, geho¨rte auch das Zeigen von Wappen und Bannern zu den Formen und Medien der symbolischer Kommunikation, mit denen der Status der Ehre demonstrativ gezeigt wurde. Traten mehrere Gruppen in eine Art sportlichen Wettkampf, griff man auf diese Grundzusammenha¨nge zuru¨ck, um sich wechselseitig anzuspornen. Es ist daher nicht eindeutig auszumachen, ob der Spott des Florentiners selbst nur eine regelkonforme Reaktion auf die Frage des Sienesen war, oder ob er sich u¨ber dessen u¨bertriebene Betonung der Ehre lustig machte70. Das ‚Freund‘ wie Feind u¨berraschende Zeigen der Fahne, die Pointe der wie eine Novelle zugespitzten Geschichte, ist ein Beispiel fu¨r das Fortbestehen dieser seit dem 12. Jahrhundert belegten Praktik. In diesem Fall war der Signaleffekt jedoch gerade nicht verabredet, sondern Teil einer milita¨rischen Operation mit zuna¨chst offenem Ausgang. Neben seiner Funktion als Signal, als visueller Herausforderung, tritt ein anderer Aspekt zuru¨ck, den italienische wie nordalpine Quellen des 14. Jahrhunderts oft bezeugen: eine kriegerische Aktion mußte unter entfalteter Fahne durchgefu¨hrt werden, um den Status legitimer Gewalt zu haben, von dem her sich rechtliche Anspru¨che, wie u¨berhaupt die Mo¨glichkeit, in ihr einen Ehrgewinn zu erzielen, ableiteten71. So berichtet Marchionne di Coppo Stefani denn auch mit einer feststehenden Formel, daß das Heer 69 Ebenda, 1. Die Schlacht bei Go¨llheim, S. 193–209. 70 Vgl. Huizinga, Bedeutung, S. 24: „Vergessen wir nicht, daß in allen archaischen Kulturen die Grenzlinie zwischen Ernst und Pose fu¨r uns nicht auszumachen ist. Das Leben in der Ritterwelt kennt eine sta¨ndige Vermengung von ernsthaft-feierlichem Spiel und verstandesma¨ßiger Berechnung. Wer das Spielelement außer acht la¨ßt, erfaßt die Triebkra¨fte im Staatswesen des Mittelalters nicht vollsta¨ndig.“ 71 Statuti della Repubblica Fiorentina 1: Statuto del Capitano del Popolo, I 1, S. 10: et si aliquis ex eiux militibus seu sociis, de mandato dominorum Priorum et Vexilliferi iustitie, iret absque Capitaneo extra civitatem et districtum Florentie in aliquam cavalcatam in qua banderia levata portetur, habeat, pro qualibet die qua iverit et steterit extra civitatem et districtum Florentie, libras quinquef. p. Der Capitano del Popolo hat, ebenda, die Ehre der Kommune Florenz zu schu¨tzen und soll solche Auszu¨ge nur befehlen, wenn sie von wirklichem Nutzen sind und er die feierlich ausgesprochene Approbation des Rates hat. Dies alles signalisiert dann die Fahne der cavalcata. Entsprechend wird jeder bestraft, der die fuorusciti unterstu¨tzt, quod steterunt vel steterint in castris vel terris rebellatis Communi Florentie, vel guerram facerent vel fecerint contra populum et Commune Florentie, vel cum inimicis et rebellibus Communis Florentie venerunt vel venerint in comitatum vel districtum Florentie cum banderiis elevatis, vel venerunt ad ianuas civitatis Florentie; ebenda III 19, S. 144f. Vgl. Huizinga, Herbst, S. 139f.; Mor, Rittertum, S. 252; Keen, Laws, S. 105ff.; Prietzel, Krieg, S. 89, 145ff. und 166ff.; zum ko¨niglichen vexillum im Ko¨nigreich Jerusalem des 12. Jahrhunderts: Mayer, Pontifikale, S. 180f.

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des Maila¨nder Erzbischofs colle bandiere levate gegen die Florentiner gezogen sei72. Der Chronist teilt auch ein weiteres Detail mit, das modernen Vorstellungen u¨ber milita¨rische Taktik geradezu entgegensteht: der noch weit entfernte Maila¨nder Condottiere schickte La¨ufer aus, die sich den gegnerischen Stadttoren bis auf Bolzenschußweite na¨herten, um dann laut die Macht und die Pla¨ne ihres Herrn zu verku¨nden73. Wie das Zei¨ ffentlichmachung gen der entfalteten Fahnen diente diese Aktion der O des Kriegszuges. Beides brachte Ehre ein, da es die eigene Sta¨rke demonstrierte und den Gegner schma¨hte74. Der noch weiter gehende Bericht des Florentiner Geschichtsschreibers la¨ßt außerdem erkennen, daß solche Aktionen zum feststehenden Repertoire der Kriegsfu¨hrung geho¨rten, com’e` d’usanza, so daß sich beide Seiten auf sie einstellten75. Der Augenzeuge Stefani erza¨hlt na¨mlich auch, wie ein Akteur dieses feststehenden Kriegstheaters Spott ernten konnte, wenn er die Nerven verlor. In Erwartung eines Angriffs hatte die Florentiner Signoria Kapitane zur Verteidigung der Quartiere ernannt – sie waren jeweils mit einer Fahne mit dem Wappen ihres Quartiers investiert worden –, die die Tore befestigen 72 Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 645, S. 236. In diesem Sinne bereits Otto Morena, S. 76–79, mit einem Paradebeispiel fu¨r mittelalterliche Kriegfu¨hrung aus dem Jahre 1158: Den Maila¨ndern, die im Lodeser Contado Ha¨user niedergebrannt und Befestigungen zersto¨rt, Gefangene gemacht sowie die Ernte vernichtet oder weggefu¨hrt hatten, zogen die Lodesen cum vexillis et aliis insigniis levatis entgegen, um ihnen auf offenem Feld eine Schlacht anzubieten. In gleicher Weise wird das Spektrum solcher symbolischer und rechtsrelevanter Gesten und Handlungen in zwei Zeugenaussagen aus dem fru¨hen 13. Jahrhundert beschrieben; Acta imperii inedita 1, Nr. 612, S. 491f. Sichtbar ist es in Bildern der Zeit um 1400 in: Giovanni Sercambi, Le illustrazioni delle Croniche nel codice Lucchese. 73 Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 648, S. 237. Zur Aussendung von Herolden im Hundertja¨hrigen Krieg siehe Keen, Laws, S. 102ff. 74 Die Einleitung von Kampfhandlungen mit Rededuellen ist ein bereits in biblischen und homerischen Zeiten anzutreffender Grundzug vormoderner Kriegsfu¨hrung. Am Beispiel einer Seeschlacht des Jahres 1165 findet er sich bei Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, S. 65. 75 Dies besta¨tigt der Bericht des Cremoneser Chronisten Gasapino Antegnati u¨ber die Herausforderung, die der im August 1249 zum Podesta` Cremonas gewa¨hlte Markgraf Uberto Pelavicino den Parmesen schickte; Gabriele Zanella, Note cronistiche del cremonese Gasapino Antegnati da un manoscritto del Pomerium Ravennatis Ecclesie di Riccobaldo da Ferrara, Cremona 1991, nota 68, S. 78f., hier zitiert nach Dems., Federico II, S. 109: Nostre intencionis est apud portas Parme vendicare cum Cremonensibus nostris iniuriam domino nostro Federico imperatori et Cremonensibus apud Victoriam illactam. Quapropter ex nunc Parmensibus indicimus libellum, et quod tali mense et die tali erimus apud eorum civitatis portas, et siqui eorum exsploratores intersint certissime eis referant quod relata vera apparebunt, et quod ex nunc se muniant necessariis ad pugnandum. Am 18. August 1250 trafen die Heere aufeinander. Die Parmesen erlitten eine vernichtende Niederlage und verloren ihren Carroccio.

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und bewachen ließen76. Vor die Porta d’Ognissanti, wo man den Gegner erwartete, hatte man einen Vorposten der Bu¨rgermiliz gestellt, zu dem ein Reiter mit einem Wimpel geho¨rte, der im Notfall Alarm geben sollte. Als nun die La¨ufer der Maila¨nder auftauchten, schwang sich der wachhabende Bu¨rger auf seinen Klepper, und gallopierte wimpelschwenkend in die Stadt hinein, wobei er andauernd rief: „Flieht, flieht, sie sind da, sie sind da!“. Stefani, der sich an diesem Punkt seiner Erza¨hlung an den Leser wendet, kritisiert die Unangemessenheit der Reaktion und insbesondere die Dummheit, innerhalb der Stadtmauern zur Flucht aufzurufen77. Der Situation angemessen verhielten sich dagegen die Mitstreiter des ‚Spießbu¨rgers‘, die das Tor schlossen. Wie der Bericht des Florentiner Geschichtsschreibers außerdem erkennen la¨ßt, war die im Namen des Visconti geta¨tigte ‚Ansage‘ der corridori gar nicht so un-zweckrational, wie sie uns auf den ersten Blick erscheint. Sie sollte den Gegner einschu¨chtern, innerhalb der Stadtmauern halten und nicht zuletzt auch gezielt Fehlinformationen verbreiten und Aufruhr in der Stadt schu¨ren78. War dies in der Vergangenheit oft gelungen, so waren sich die Florentiner in diesem Fall einig in ihrer Haltung gegenu¨ber dem Maila¨nder tiranno. Um ein entsprechendes Stimmungsbild zu zeichnen, imaginiert der Chronist die typische provokative Aufforderung, wie sie auch in der Erza¨hlung des Sieneser Chronisten u¨ber die Ka¨mpfe um Scarperia begegnet: ‚und wenn man den Leuten des Erzbischofs gesagt ha¨tte: „kommt doch herein, wenn ihr ko¨nnt“, ha¨tten sie es nicht gewagt, die Stadt zu betreten, weil sie wußten, daß die Frauen sie mit ihren Mo¨rsern erschlagen ha¨tten.‘79 76 Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 647 und 649, S. 236ff. 77 Ebenda, Rubr. 649, S. 238: Questo medesimo dı`, quando la gente dell’Arcivescovo corse, come detto e` nella precedente rubrica, infino alla porta d’Ognissanti, com’e` d’usanza, si misse alla porta un cittadino col pennone, e con lui alquanti altri cittadini con armi. Vegnendo la brigata alla correria detta, questo cittatino, lo quale avea lo pennone, veggendo venire, avea qui lo suo ronzino, monto` a cavallo, e comincio` a correre per lo prato inverso la cipta`, e per lo prato e per la cipta` comincio` a gridare: „Fuggite, fuggite, eccoli, eccoli“. Pensa, lettore, dove si dovea fuggire, dacche` egli era nella citta` murata, e dicea fuggite. 78 Ebenda, Rubr. 649, S. 238. 79 Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 649, S. 238: e se avesse detto a quelli dello Arcivescovo intrate dentro, se voi potete, egli non sarebbono intrati, perocche` sapeano, che con gli mortai le femmine gli averebbono ammazzati. Das Haushaltsgera¨t scheint in der Vorstellung der schreibenden Ma¨nner eine sprichwo¨rtliche Waffe der Frauen gewesen zu sein. Auch bei Franco Sacchetti, Il Trecentonovelle, Novella 54, S. 168–170, hier S. 170, droht eine Hausfrau ihrem Mann: Alla croce di Dio che se tu cel meni, che io gli gettero` un mortaio in capo. Hinter diesem Topos stand wohl die biblische Geschichte vom Ende Abimelechs (Ri 9,50–54; 2. Sam 11,20–21).

5.4 Krieg: Grandissimi fatti d’arme

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Die Fahnen, Banner und Wimpel, die diese rechtlichen, milita¨rischen und propagandistischen Funktionen leisteten, waren in der Regel heraldisch. Eine wiedererkennbare Wappenfahne begegnet ebenfalls in der Episode vor Scarperia. Ihre Erkennbarkeit als bandiera de’ Sanesi u¨ber ihr Wappenbild ist schließlich auch von der narrativen Struktur der Erza¨hlung gefordert. Diese Fahne pra¨sentiert sich im Bericht des Chronisten außerdem in einem komplexen semiotischen Feld, das auf Anfa¨nge des ¨ berlieferung zu den Kaiser12. Jahrhunderts, die sich vor allem in der U ¨ fahnen fassen lassen, zuru¨ckgeht. Ahnlich wie die ritterlichen Gefolgschaften nordalpiner Großer im 12. Jahrhundert stimmten auch die Reiter, Fußsoldaten und Armbrustschu¨tzen eines kommunalen Heeres des 14. Jahrhunderts ihr Feldgeschrei an, wenn ihre Fahne erhoben wurde80. Wa¨hrend wir jedoch den Wortlaut des ersteren nicht kennen, steht letzteres in enger Beziehung zu dem gezeigten Fahnenbild. ‚Siena‘ und ‚Lupa‘ repra¨sentieren als gerufene Namen ebenso die Stadt, wie die Balzana, ihr weiß-schwarz geteiltes Wappen81. Als Symbol der Kommune ist die Wappenfahne auch Objekt der in Gesten symbolischer Kommunikation gezeigten Werte. Ihr Hissen ist daher nicht nur das hergebrachte Signal dafu¨r, daß die Sienesen den Ort besetzt hatten, sondern auch die angemessene, die eigene Ehre wiederherstellende Reaktion auf die ehrverletzende Provokation des Florentiner Capitanos. Der geradezu idealtypische Verlauf des Feldzugs in einer Abfolge symbolischer Gesten, der sich mit dem anderthalb Jahrhunderte a¨lteren Zug der Paduaner gegen Carmignano vergleichen la¨ßt82, dient dem Sieneser Chronisten als zugrundeliegende Struktur fu¨r die Darstellung der immer wieder zum Vorschein kommenden alten Animosita¨ten zwischen Florentinern und Sienesen, deren Kommunen doch in dieser Zeit Verbu¨ndete waren. So folgt auf den auch symbolisch demonstrierten Sieg ein triumphaler Einzug der Sienesen in Florenz, deren Ehrung durch die Florentiner zugleich Ehrung ihrer Vaterstadt ist83. Da die o¨ffentlich gezeigte Ehrung wiederum den Neid einiger Florentiner weckt und eine erneute Provokation droht, la¨ßt der mit sa¨mtlichen Epitheta des Herrscherlobs durch den Chronisten ausgezeichnete

80 Siehe Kapitel 2.1. 81 Zu den Devisen, Motti und dem Feldgeschrei vgl. Cambin, Rotelle; Slanie`ka, Krieg; Weber, Formation, S. 72ff.; Prietzel, Kriegfu¨hrung, S. 319ff. 82 Siehe Kapitel 2.1. 83 Cronaca senese, S. 149: E quegli del chomuno di Siena auta la vitoria di subito si partiro e tornaro a Firenze chon grandissimo onore e cho’ gli ulivi in testa, e fu lo’ fatto in Fiorenza grandissimo onore.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

Erbanera seine Truppe aus der Arnostadt abru¨cken, um einen zweiten Triumph in Siena zu feiern84. Daß sich die im Kriegszug des Sommers 1351 eingesetzten Kontingente durch Aktionen hervortaten, fu¨r die sie anschließend von der Kommune geehrt wurden, hebt auch Marchionne di Coppo Stefani hervor. Er erinnert sich, daß die Fußtruppen, bei denen er in erster Linie an So¨ldnerkompagnien denkt, damals so geehrt wurden, wie zum jetzigen Zeitpunkt, das heißt ein Vierteljahrhundert spa¨ter, vielleicht nur noch die durch den Papst kreierten Ritter vom goldenen Sporn85.

5.5 Zusammenfassung: Die Geschichtsschreibung und die Narrativita¨t der Zeichen In den italienischen Sta¨dtekommunen des Trecento geho¨rten Wappen zum Ensemble der Zeichen und symbolischen Gesten, mit denen sowohl Status demonstriert als auch auf Entscheidungen hin agiert wurde. Weil sie Herrschaftszeichen waren, wurden Wappen zu einem Thema der Historiographie des Trecento. Die Geschichtsschreiber setzten sich mit ihnen als einem Pha¨nomen der symbolischen Kommunikation auseinander. Galt es, die Legitimita¨t der bevorzugten Seite herauszustellen oder die Gegenseite als illegitim darzustellen, konnte dies mit der scheinbaren Evidenz der heraldischen Zeichen oder mit der Art und Weise, in der man ‚richtig‘ mit ihnen verfuhr, begru¨ndet werden. Die ‚Offenheit‘ der heraldischen Zeichen bot den Geschichtsschreibern, die sie zu nutzen verstanden, verschiedene Interpretationsmo¨glichkeiten. Die Zeichen und ihr Handlungskontext, die ersten beiden Bedeutungsebenen unseres Modells, boten Anknu¨pfungspunkte, die mit den narrativen Schemata mittelalterlicher Geschichtsschreibung und Literatur ausgestaltet wurden. Die Art und Weise, in der die Zeichen und die Erza¨hlformen in der von aktuellen Darstellungsabsichten geleiteten Geschichtsschreibung 84 Ebenda: e venesene a Siena chon grande festa e chon ghirlande d’ulivi in testa. Der Sieneser Kriegskapitan wird, ebenda S. 148f., als valentissimo uomo e grande e di bella presenza, sowie als magnanimo e ghagliardo und chapitano savio e prudente geschildert. Zu dem a¨lteren, diesem vergleichbaren Idealbild eines Podesta` vgl. Kapitel 2 und 3. 85 Marchionne di Coppo Stefani, Cronaca fiorentina, Rubr. 651, S. 239: e veramente in quel tempo avea a Firenze fanteria della migliore del mondo; e per certo a quel tempo li buoni fanti erano pregiati ed onorati, siccome oggi s’onorano infra gli uomini comuni li cavalieri a spron d’oro. Zu den milites aurati, zu denen gewo¨hnlich die Gesandten italienischer Kommunen gemacht wurden, wenn ihre Mission an der ro¨mischen Kurie zu Ende war, siehe Galbreath, Heraldry, S. 15f.

5.5 Zusammenfassung: Die Geschichtsschreibung und die Narrativita¨t der Zeichen

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zusammenkamen, stellt die dritte Bedeutungsebene dar. In diesem Kapitel ist sie anhand von drei Themenfeldern untersucht worden: Es ging um das Wappen als Zeichen der sta¨dtischen Identita¨t, die mit universalhistorischen Dimensionen in der Vergangenheit begru¨ndet wurde, um Wappen als Herrschaftszeichen in einer politischen Debatte sowie um Wappen als Ehrsymbole in der den Regeln der symbolischen Kommunikation und taktischen Erwa¨gungen folgenden Kriegfu¨hrung des Spa¨tmittelalters. Gerade die auf Wappen bezogenen Beispiele zeigen, daß die Art, Geschichte zu schreiben, auch eine Machtfrage war. Das erste Beispiel, die Ableitung des Florentiner Stadtwappens von einem imaginierten System antiker ro¨mischer Heraldik durch Giovanni Villani, war zugleich eine Aussage u¨ber das Adlerwappen des Heiligen Ro¨mischen Reiches. Der Geschichtsschreiber, der seine guelfische Kommune unabha¨ngig von den von Zeit zu Zeit in Italien erscheinenden Kaisern wußte und oft in Feindschaft von den als Reichsvikaren handelnden lokalen Ma¨chten erfuhr, leitete die Wappen der italienischen Kommunen und der ro¨mischen Kaiser nach dem gleichen Prinzip aus heraldischen Systemen ab, die formal den Regeln der Zeichensprache folgten und daher als plausibel gelten konnten. Von der ro¨mischen Republik als Legitimationsinstanz her gesehen, konnte er das kaiserliche Wappen sogar den kommunalen nachordnen. Mo¨glich wurde ihm dies durch sein stupendes heraldisches Wissen, das ihn auf der Zeichenebene Zusammenha¨nge und Kontraste erkennen ließ, aus denen sich eine propagandistische Botschaft formen ließ. Wie sehr der Florentiner Giovanni Villani in seiner Deutung des Reichswappens Partei war, verdeutlicht die als zweites Beispiel diskutierte Episode, von der sein Paduaner Zeitgenosse Albertino Mussato berichtet. Dieser leitete den Wert des Reichswappens weder aus dem Zeichen selbst, noch von der Person des Herrschers, den es repra¨sentierte, ab. Entscheidend war fu¨r ihn, der sich freilich als Unterlegener in dieser Sache nachtra¨glich selbst stilisierte, der Rechtsnormen genu¨gende Umgang mit dem Zeichen. Diese Idealvorstellung richtete sich auf einer anderen Ebene gegen einen Gegner, gegen den auch Giovanni Villani anschrieb: die lombardischen Signoren, die als Reichsvikare das Adlerwappen fu¨hrten. Fu¨r Mussato bema¨ntelten sie damit ihre offenkundige Tyrannei. Seine Darstellung einer Volksversammlung, in der u¨ber einen Verfassungs- und Zeichenwechsel beraten und abgestimmt wurde, war somit indirekt eine Kritik an der Signorie und ihrem Wappengebrauch. Daß es fu¨r ihn freilich „feine Unterschiede“ darin gab, wer abstimmte, zeigt sein Rekurs auf das wetterwendische Verhalten und die ungezu¨gelte Gewalt des Po¨bels, der das Wappen auf chaotische Weise aus dem Stadtbild entfernte.

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5. Themenfelder heraldischer Symbolik in der kommunalen Geschichtsschreibung

Auch das dritte, dem Pha¨nomen der spa¨tmittelalterlichen Kriegfu¨hrung gewidmete Beispiel zeigt, daß die Geschichtsschreiber des Trecento im Unterschied zu den meisten ihrer Vorga¨nger nicht nur Wappenbilder beschreiben, sondern auch diese Beschreibungen in ihre Erza¨hlung integrieren. Der Sieneser Chronist berichtet vom Einsatz des Stadtbanners in einer milita¨rischen Aktion, aus der die Ritualisiertheit und Verrechtlichung der spa¨tmittelalterlichen Kriegfu¨hrung ersichtlich wird. Auf einem anderen Handlungsfeld der zweiten Bedeutungsebene werden die gleichen Wertbezu¨ge angesprochen, wie in den Beispielen zu Padua oder auf dem Hoftag von Treviso: Die auf dem Kriegszug gewonnene Ehre kam, vermittelt u¨ber das Medium der Wappenfahne, dem Ansehen der Kommune zugute. Das Geschehen in Treviso und Scarperia, so wie es die Chronisten im Abstand von einem Jahrhundert schildern, zeigt aber auch das Risiko, das mit dem Einsatz des Stadtbanners verbunden war. Auch in der Umsetzung ho¨fischen Zeremoniells oder einer ritualisierten Kriegs¨ hnfu¨hrung konnte es geschehen, daß die Akteure die Nerven verloren. A lich wie Albertino Mussato lobt der Sieneser Anonymus den ‚richtigen‘, das heißt geordneten Umgang vorbildlicher Akteure mit den heraldischen Medien. ¨ ber die intendierte Vermittlung moralisch-erbaulichen, historischen U und politischen Wissens vermittelten die Geschichtsschreiber des Trecento auch erstmals Wissen um den Umgang mit und die Wahrnehmung von heraldischer Symbolik. Ihrem Publikum, das in der Regel aus ihren politisch aktiven Mitbu¨rgern bestand, pra¨sentierten sie ein Wappenwesen, das in der Praxis anschlußfa¨hig an das des u¨brigen spa¨tmittelalterlichen Europa war, zugleich aber auch kommunale Eigenheiten aufwies. Diese betrafen alle drei Bedeutungsebenen heraldischer Symbolik: So die aus der hochentwickelten Praxis der kommunalen Wehrordnungen und ihrer politischen Ableger erwachsene Fa¨higkeit, Wappen als Teile ausdifferenzierter Systeme zu lesen, die allgemeine Bereitschaft, die Verfu¨gung u¨ber Wappen kommunalen Entscheidungsverfahren anzuvertrauen, sowie schließlich ihre Wahrnehmung in Kontexten symbolischer Kommunikation.

6. Die heraldische Symbolik der Anderen: die italienischen Kommunen im Vergleich mit London und fla¨mischen Sta¨dten 6.1 London Ein Blick u¨ber die Alpen kann zuna¨chst Gemeinsamkeiten zwischen der heraldischen Symbolik der italienischen Stadtkommunen und der von Sta¨dten vergleichbarer Gro¨ße und Urbanita¨t, wie London oder Gent, ausmachen1. Sie verweisen auf grundsa¨tzliche Zusammenha¨nge des Gebrauchs heraldischer Medien in dem Organisationskomplex der europa¨ischen Stadt des Spa¨tmittelalters, den die Forschung mit den Ku¨rzeln der „Wehrverfassung“ oder „Wehrordnung“ bezeichnet hat2. Im Vergleich zeichnen sich aber fast noch sta¨rker Unterschiede ab, die die besondere Eigenart des untersuchten Pha¨nomens in den italienischen Kommunen hervortreten lassen. Ein Ergebnis dieses Vergleichs vorwegnehmend la¨ßt sich sagen, daß die praktischen Erfordernisse milita¨rischer und politischer Organisation kaum von den Einflu¨ssen geltender Ordnungsvorstellungen und Ideologien zu trennen sind. Sie beeinflußten in gleicher Weise 1 Sind Vergleiche zwischen den mittelalterlichen Sta¨dtelandschaften Oberitaliens und Flanderns vor allem durch die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte angestellt worden, so ist der der britischen Geschichtsforschung u¨berlassene Sonderfall, den die englischen Sta¨dte und unter ihnen noch einmal London selbst darstellen, nachgerade topisch. Vielleicht kann der im Folgenden unternommene kurze Vergleich mit London – der in vielem die Einzigartigkeit dieser Stadt besta¨tigt – etwas dazu beitragen, aus der Tradition auszuscheren, fu¨r die nach wie vor Susan Reynolds Bestandsaufnahme gilt: „At present most continental urban historians, daunted perhaps by the technicalities of Tait’s Medieval English Borough, accept the usual English claim to uniqueness and leave English towns more or less alone.“ Reynolds, Introduction, S. vii, vgl. bes. S. 64f. Zur Kommune als Pha¨nomen im gesamtabendla¨ndischen Kontext vgl. die Problemskizze von Schulz, „Denn sie lieben die Freiheit so sehr ...“. Gent hatte in der Mitte des 14. Jahrhunderts etwa 60000 Einwohner, London etwa 40000, Mecheln um die 15000; Boone – Prevenier, Gent; van Uytven, Mecheln. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts hatte Florenz um die 95000 Einwohner. Nach der Großen Pest stabilisierte sich die Einwohnerzahl etwa bei der Ha¨lfte; Trexler, Life, ¨ berblick Fuhrmann, Raum. S. 10ff. Vgl. jetzt im U 2 Siehe Kapitel 4.1.

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6. Die heraldische Symbolik der Anderen

Symbolisierungen und rituelle Verfahren, in denen sich die Prinzipien der fu¨r die Stadt relevanten Herrschaftsordnung spiegelten. Dies gilt auch fu¨r unser erstes Vergleichsbeispiel, das London des 13. und 14. Jahrhunderts. Die Aufbietung der wehrfa¨higen Bu¨rger Londons, wie sie eine zum Zeitpunkt der Besta¨tigung der Londoner Kommune durch Ko¨nig Johann zusammengestellte Gesetzessammlung regelt, entspricht in ihrer topographischen Einteilung mittels Fahnen einem ga¨ngigen Verfahren in italienischen wie nordalpinen Sta¨dten3. Allerdings erfahren wir spa¨ter, aus Anlaß der Musterungen von 1377 und 1386, daß jeder Bezirk auf seiner Fahne kein kollektives Wappen, sondern das des Aldermann, der ihm auf Lebenszeit vorstand, fu¨hrte4. Zusammengerufen durch den Klang einer eigenen Glocke, versammelten sich im 13. Jahrhundert die bewaffneten Bu¨rger zur Musterung, wie auch zum folkmoot, auf den Pla¨tzen um St. Paul’s Cathedral5. Auch dies hat Parallelen in vielen spa¨tmittelalterlichen Stadtgemeinden. Das, was wir daru¨ber hinaus u¨ber die heraldische Symbolik der Themsestadt im Spa¨tmittelalter wissen, unterscheidet sich dagegen deutlich vom italienischen Befund. Es zeigt, wie sehr die sta¨dtische Identita¨t und die Praktiken von Wehrordnung und Repra¨sentation in die Herrschaftsordnung des Ko¨nigreichs eingebunden waren6. Das Lob Londons als Haupt Englands und Sitz des Reiches ist spa¨testens seit dem 12. Jahrhundert ein fester Topos in den erza¨hlenden Quellen. So beginnt schon William FitzStephen seine Beschreibung der Stadt mit den Worten: Inter nobiles orbis urbes, quos fama celebrat, civitas Londoniae, regni Anglorum sedes, una est, quae famam sui latius diffundit, opes et merces longius transmittit, caput altius extollit.7 In einem Band der ‚Letter Books‘, der spa¨t3 Bateson, Collection, S. 728: Item in qualibet parrochia fiat unum penuncellum, et aldermannus suam habeat baneriam, et homines de singulis parochiis, cum penuncellis suis, sequantur baneriam aldermanni sui, cum sumonicionem aldermanni sui habuerint, loco istis statuto ad ciuitatem defendendam. 4 Barron, Chivalry, S. 226f. 5 Munimenta Gildhallae Londoniensis, S. 338 und 343, nach dem ‚Liber Custumarum‘. Abbildung der Glocke bei Lewis, Art, S. 229, Abb. 146. Zu den Stadtbu¨chern und Akten der Stadt London im Spa¨tmittelalter siehe Rexroth, Milieu, passim. Vgl. ebenda, S. 38 und 43, sowie New, Fraternities, S. 44f., zum Kirchhof von St. Paul’s als Publikationsort. 6 Die Effektivita¨t der Ko¨nigsherrschaft, die England – gemessen am europa¨ischen Vergleich – lange Perioden der Landfriedenswahrung bescherte, ließ eigensta¨ndige sta¨dtische Verteidigungsmaßnahmen erst gar nicht aufkommen und verhinderte daher auch eine Territorialbildung durch einzelne Sta¨dte, wie sie den Contadi italienischer Kommunen entsprach; vgl. Reynolds, Introduction, S. 64f. ¨ berblick 7 Vita Sancti Thomae, S. 2. Vgl. Keene, London, sowie jetzt den sehr gru¨ndlichen U von Barron, London. Mit FitzStephens Beschreibung beginnt auch das spa¨tmittelalterliche Stadtbuch Londons.

6.1 London

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mittelalterlichen Ratsprotokolle und Register der Stadt, ist die Rede von Loundres, qest merour et sample de tote Engleterre8. Diesen Zusammenhang bringt auch das erstmals um 1219 belegte große Siegel Londons zum Ausdruck, das u¨ber dem Stadtbild – genauer gesagt: u¨ber seiner Kirche – den heiligen Paulus zeigt, der in seiner Linken das heraldische Banner des Ko¨nigs ha¨lt9. La peas du Roi, „die Rechtsform des Ko¨nigsfriedens in ihrem spezifisch englischen Zuschnitt“, sollte wa¨hrend des gesamten Mittelalters den Charakter der Londoner Stadtgemeinde bestimmen10. Aufgrund dieses Mandates zur Friedenswahrung reichte die ko¨nigliche Herrschafts- und Gerichtsgewalt bis in die Ebene der o¨rtlichen Rechtskreise hinein und verhinderte die Ausbildung von regionalen oder sta¨dtischen Sonderfriedenseinungen. In London, wie in anderen englischen Sta¨dten, gab es eine sta¨dtische Selbstverwaltung, doch war deren Legitimationsgrundlage der Ko¨nig. Die Stadt war durch die Verleihung des Stadtrechtes in das Ko¨nigreich inkorporiert. Ihre Herrschaftssymbolik reproduzierte dieses Verha¨ltnis11. Dieser Status betraf sowohl die Na¨he des Monarchen und seines Herrschaftsapparates, als auch die Art und Weise, in der sich die Fu¨hrungsgremien der Stadt in der Ausbildung ihrer Positionen auf ihn hin orientierten. So sieht Frank Rexroth in der Verfassungsentwicklung Londons das „ambivalente Zusammenspiel von ko¨niglicher Oberaufsicht u¨ber die englische Metropole und den Aspirationen des Rats, die Herrschaft u¨ber die eigene Stadt zu intensivieren“12. Der Ko¨nig konnte jederzeit die Stadtrechte, seine Privilegien fu¨r einzelne Institutionen und Gilden sowie Handelsfreiheiten und -vorteile kassieren13. Als es beispielsweise 1364 zu Unruhen in London kam – die durch die Umsetzung eines ko¨nig8 Rexroth, Milieu, S. 43; vgl. Dens., Sprechen, S. 104. 9 Heslop, Seal of the barons. Gute Abbildung bei Schulz, „Denn sie lieben die Freiheit so sehr ...“, S. 220. Entsprechend zeigen auch die Siegel der Cinque Ports in Kent und Sussex Koggen mit dem Leopardenbanner des Ko¨nigs als Symbole der Hafenstadtgemeinde im Ko¨nigsdienst oder die eigene, aus einer Brisur der ko¨niglichen Wappenfahne gebildete Fahne des Sta¨dtebundes; Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 126f. mit Tafel II, Abb. 1, und Tafel V, Abb. 1. 10 Der Begriff aus dem von John Carpenter 1419 im ‚Liber Albus‘ verschrifteten Eid fu¨r francpledge. Jeder Londoner, der fu¨r einen anderen bu¨rgte, hatte fu¨r beide einen Treueid auf den Ko¨nig zu leisten; Rexroth, Milieu, S. 50, mit dem Zitat auf S. 29. 11 Ebenda, S. 49: „Wie gesagt: Die Londoner hatten dem Ko¨nigsfrieden keinen geschworenen Sonderfrieden der universitas civium zur Seite zu stellen – ja u¨berhaupt kann man die Londoner Bu¨rgergemeinde nicht mit den Schwurgenossenschaften kontinentaleuropa¨ischer Sta¨dte vergleichen. Promissorische Eide oberhalb der Ebene der Zu¨nfte haben an der Themse nur eine geringe Rolle gespielt.“ 12 Ebenda, S. 62. 13 Vgl. ebenda, S. 53 und 146.

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6. Die heraldische Symbolik der Anderen

lichen Mandats hinsichtlich des Lebensmittelhandels ausgelo¨st worden waren – handelte Eduard III., indem er die Stadt von seinen vigiliae regales besetzen ließ, bis der innersta¨dtische Friede wiederhergestellt war14. Vor diesem Hintergrund konnte ein den auf eigene Herrschaftskompetenzen bedachten sta¨dtischen Institutionen nicht wohlgesonnener Londoner leicht behaupten, daß der Ko¨nig diese jederzeit auflo¨sen ko¨nne15. Die heraldische Symbolik der Stadt spiegelt denn auch ihren besonderen Rechtsstatus wieder. Das spektakula¨rste Ereignis in ihrer Entwicklung war ein im dritten Viertel des 14. Jahrhunderts vollzogener Wechsel des Stadtwappens. Die Gemeinde behielt ihr altes Wappen, u¨ber das ein Baron die rituelle Verfu¨gungsgewalt besaß, prinzipiell bei, stellte jedoch ein neues Wappen in den Vordergrund, das der aktuellen heraldischen Symbolik des Ko¨nigs entsprach. Das dahinterstehende Motiv du¨rften Autonomiebestrebungen des kommunalen Stadtregimentes gegenu¨ber den Sonderrechten des Barons gewesen sein, die man durch die Anlehnung an die Repra¨sentation des Ko¨nigs, der der Herr beider Parteien war, unterstu¨tzte. Der Wappenwechsel stand so im Einklang mit der Verobrigkeitlichung des Londoner Stadtregiments, die, wie oben erwa¨hnt, unterhalb des Ko¨nigsfriedens mo¨glich war. Zog das sta¨dtische Aufgebot wa¨hrend des 13. Jahrhunderts aus, so stand es, wie die anderen, von Vasallen der Krone zu stellenden Heereskontingente, im Dienst des Ko¨nigs. Im Unterschied zu einer italienischen Kommune, die de facto auf eigene Rechnung Krieg fu¨hrte und in dieser Zeit ihr Heer einem selbstgewa¨hlten Podesta` anvertraute16, war die Befehlsgewalt u¨ber die Londoner Miliz daher das erbliche Recht eines Barons. Im 13. und fru¨hen 14. Jahrhundert wurde sie von den Nachkommen Robert FitzWalters ausgeu¨bt: Ceo est a savoir, qe le dit Robert e ses heirs deivent estre, e sount, chief Baneours de Loundres de fee, pur la dite Chastellerie qe ses auncestres e lui unt eu du Chastel Baynard en la dite cite.17 So beginnt die zu Beginn des 14. Jahrhunderts im ‚Liber Custumarum‘ verschriftete Ordnung, die die Konsequenzen erkennen la¨ßt, die dies 14 Ebenda, S. 129f. 15 Ebenda, S. 132: „Als der Arbeiter eines Schmieds 1371 behauptete, in der Stadt sei proklamiert worden, daß ku¨nftig jeder Ausla¨nder ungehindert in der Stadt Handel treiben du¨rfe, daß alle Prozesse, fu¨r die bisher die sta¨dtischen Gerichte zusta¨ndig gewesen seien, vor den Richtern des Ko¨nigs verhandelt werden mu¨ßten und daß das sta¨dtische Gefa¨ngnis von Newgate aufgelassen und dem ko¨niglichen im Tower einverleibt werde, da ha¨ngte man zum zweiten Mal einem Lu¨gner den Schleifstein um den Hals, denn seine Geru¨chte thematisierten die stets preka¨re rechtliche Situation der sta¨dtischen communitas gegenu¨ber dem Ko¨nig.“ 16 Vgl. Maire Vigueur, Cavaliers; Weber, Formation. Siehe beispielsweise Kapitel 4.2. 17 Munimenta Gildhallae Londoniensis, S. 148.

6.1 London

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fu¨r die heraldische Symbolik in ihrem rituellen Kontext hatte. En temps de guerre, so will es die Ordnung, hat der gegenwa¨rtige FitzWalter geru¨stet und zu Pferde zum Mu¨nster des heiligen Paulus zu kommen, ove sa baniere desplayee devaunt lui de ses armes. Dort sollte ihn der Bu¨rgermeister in Begleitung der Alderma¨nner empfangen und ihn mit dem Banner der Stadt investieren. Fu¨r seinen Dienst sollte die Kommune ihm ein Pferd schenken, das eine Schabracke mit seinem Wappen trug18. Mit dem sta¨dtischen Banner in der Hand fu¨hrte der Baron dann auf diesem Pferd das durch Glockenklang, den seyn comunal, zusammengerufene host de la cite de Loundres zum Stadttor Aldgate: e irrount tote la comune suwir la baniere Seint Poul e la baniere le dit Robert19. Das Wappenbanner der Kommune zeigte in Rot den goldgekleideten heiligen Paulus mit silbernem Haupt, Ha¨nden und Fu¨ßen sowie einem Schwert in der Hand20. In Aussehen und Funktion entspricht es dem Georgsbanner der Kommune Genua21. Dieses a¨ltere Wappen Londons, das wohl auf das erwa¨hnte Siegelbild zuru¨ckgeht, ist auch auf dem bestickten Beutel, mit dem das Siegel an der 1319 ausgestellten Ko¨nigsurkunde mit den Privilegien der Stadt geschu¨tzt ist, zu sehen22. So wie es auf diesem Objekt als Gegenstu¨ck zum Wappen des Ko¨nigs dient, erscheint das Wappen mit dem Bild des Apostels als Identita¨tszeichen der Londoner Kommune auch in dem zentralen Ritual der Londoner Wehrordnung stets in Begleitung eines dynastischen Wappens: Auf einem zweiten Banner, auf der Pferdedecke und wahrscheinlich auf noch weiteren Tra¨germedien umgab das Wappen der FitzWalter, eine Brisur des beru¨hmten Sparren-Wappens der Clare, das Paulus-Banner mit beindruckender Pra¨senz23. Das zeitgleich zur im Stadtbuch festgehaltenen Ordnung entstandene Lied u¨ber die Eroberung von Caerlaverock beschreibt dieses Banner, das Robert FitzWalter vor der 18 Vgl. den Eindruck, den das Reitersiegel vermittelt; Heslop, Seal matrix. 19 Munimenta Gildhallae Londoniensis, S. 148f. 20 Ebenda, S. 148: e serra la baniere vermaille, ove une ymage de Seint Poul de or, od les pies, e les mayns, e la teste, de argent, et une espeie en la main de la dite ymage. 21 Siehe Kapitel 2.4 und 4.2. 22 King, Charter; vgl. Age of Chivalry, S. 57, fig. 28. Im Stadtsiegel kann demnach ebenfalls das Fahnenbild gesehen werden und vielleicht auch ein Spiel mit den Referenzebenen und der Zeichenbedeutung: der menschlichen Gestalt des heiligen Paulus, in diesem Kontext selbst Bild des sta¨dtischen Banners, ist es mo¨glich, selbst das Wappenbanner des Ko¨nigs zu halten. 23 Die FitzWalter waren aus dem weitverzweigten Familienverband der Clare, die wiederum Vettern der normannischen Ko¨nige von England waren, hervorgegangen. Das Wappen der Clare (in Gold drei rote Sparren), das die verschiedenen Linien durch Brisuren variierten, geho¨rt zu den a¨ltesten, bereits fu¨r die erste Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts belegten Wappen. Vgl. Pastoureau, Traite´, S. 47; Woodcock – Robinson, Oxford Guide, S. 9f.; Crouch, Historian.

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6. Die heraldische Symbolik der Anderen

schottischen Burg fu¨hrte: En la baner jaune avoit / Fesse entre deus cheverons vermaus24. Galt diese Ordnung bis ins fru¨he 14. Jahrhundert, so wurde sie in der Zeit Eduards III. durch Bu¨rgermeister und Alderma¨nner gegenu¨ber Sir John FitzWalter aufgeku¨ndigt25. Parallel dazu nahm die Stadt ein neues Stadtwappen an, das erstmals auf dem 1381 geschnittenen „Second Mayoralty Seal of the City of London“ zu sehen ist: in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz mit einem aufrechten roten Schwert im oberen rechten Eck26. Vielleicht ist es kein Zufall, daß dieser Erstbeleg aus der Amtszeit des umtriebigen John Northampton, nach Auskunft seiner Anha¨nger „des besten Bu¨rgermeisters aller Zeiten“, stammt, der mit Ru¨ckendeckung aus Westminster an einer Umstrukturierung des Stadtregimentes zu seinen Gunsten gearbeitet hatte27. Das Wappen war geschickt gewa¨hlt. Mit seinem Beizeichen, dem Attribut des heiligen Paulus, der im Siegelbild oberhalb des Schildes mit anderen Schutzpatronen thronte, knu¨pfte es an die symbolische und rechtlich relevante Tradition des alten Zeichens an. Zugleich machte das Beizeichen das neue Stadtwappen auch unterscheidbar von dem Wappen, auf das es sich bezog. Das Wappen mit dem durchgehenden roten Kreuz in Weiß wurde im spa¨tmittelalterlichen England, und nicht nur dort, als Wappen des heiligen Georg identifiziert. Diesem Ritterheiligen galt wiederum die besondere Verehrung Eduards III., der ihn als Schutzpatron seines Ko¨nigreiches ansprach, sich mit ihm als Fu¨rbitter darstellen ließ und dem von ihm gegru¨ndeten ritterlichen Hosenbandorden sein Wappen verlieh28. Wahrscheinlich versta¨rkte er auf diese Weise eine ko¨nigliche Tradition, die sich bereits unter seinem Großvater gebildet hatte. Denn aus den Anfangsjahren von dessen Herrschaft, aus dem Jahre 1277, stammt der Erstbeleg fu¨r das Georgskreuz als Abzeichen pro peditibus regis29. Umgekehrt fanden Eduard III., seine So¨hne und seine „household knights“ Vergnu¨gen daran, auf dem im Mai 1359 in der Themsestadt gehaltenen Turnier als Bu¨rgermeister und Alderma¨nner verkleidet gegen ihren Hochadel anzutreten; wahrscheinlich in Gegenwart der ihnen untergebenen echten Amtstra¨-

24 The Siege of Caerlaverock, V. 46–47: ‚im gelben Banner fu¨hrte er einen Balken zwischen zwei Sparren von Rot‘. 25 Barron, Chivalry, S. 226. 26 Ebenda, Abb. 43, S. 234. 27 Vgl. Rexroth, Milieu, bes. S. 143–209. 28 Braunfels-Esche, Sankt Georg, S. 98f.; Michael, Iconography, S. 39ff.; Ailes, Heraldry, S. 87f. 29 Horstmann, Vor- und Fru¨hgeschichte, S. 155ff.

6.1 London

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ger30. Im Unterschied zum fru¨hen 13. Jahrhundert, als die Miliz der in den Bu¨rgerkriegen faktisch autonomen Kommune von London auch außerhalb der Stadt pra¨sent war, spielte sie in den Heeren des ersten und des dritten Eduard keine nennenswerte Rolle mehr. Die Londoner organisierten weiterhin die direkte Selbstverteidigung ihrer Stadt, ru¨steten aber ansonsten So¨ldnerkontingente aus, die in den Dienst des Ko¨nigs gestellt wurden31. Im Italien des Giovanni Acuto – alias Sir John Hawkwood – erfolgte zwar eine vergleichbare Entwicklung in der Professionalisierung der Kriegfu¨hrung, doch fu¨hrten auch noch die Stadtkommunen des fru¨hen 14. Jahrhunderts so gut wie jeden Sommer Krieg mit einem Aufgebot, in dem sich ein Großteil der Bu¨rger wiederfand32. Wa¨hrend ein Londoner als So¨ldner neben einem So¨ldner der Stadt London in den Heeren Eduards III. oder Heinrichs V. unter der Georgsfahne ka¨mpfte, blieb ein Genueser Ruderer auch im Seekrieg auf dem Mittelmeer unter der Fahne seiner heimischen Compagna, wa¨hrend ein Sieneser Armbrustschu¨tze im Florentiner Mugello unter seiner eigenen Balzana ka¨mpfte. Die außerhalb der Stadt gefu¨hrten Wappenfahnen besaßen weiterhin milita¨rische Bedeutung. Wa¨hrend viele italienische Kommunen des Spa¨tmittelalters selbst, u¨ber eine societas militum oder ihre Parte Guelfa die Aufnahme ihrer Bu¨rger in den Ritterstand organisierten, gelangten bezeichnenderweise kaum Londoner Bu¨rger des Spa¨tmittelalters in diesen Stand33. Die durch das Londoner Stadtregiment geu¨bte Strategie, sich ein ko¨nigliches Wappen anzueignen, findet sich prinzipiell auch in italienischen Stadtkommunen, die, wie Florenz, das Wappen des Ko¨nigs von Neapel oder, wie Parma und Padua fu¨r kurze Zeit, das Wappen des Ro¨mischen Reiches annahmen. Die dahinter stehenden Unterschiede in der politisch-herrschaftlichen Selbsta¨ndigkeit werden jedoch bereits daran sichtbar, in welchen Wappenensembles diese Wappen verortet wurden. Wa¨hrend das durch sein Beizeichen unterscheidbare neue Stadtwappen Londons in das in der Hierarchie u¨ber ihm stehende Wappenensemble des

30 Vgl. Barron, Chivalry, S. 221. 31 Ebenda, S. 227f. 32 Selzer, So¨ldner, kann aus der Perspektive der von ihm untersuchten So¨ldner zeigen, wie sich im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunderts die Kriegfu¨hrung in Italien wandelte und professionalisierte Verba¨nde gegenu¨ber den Bu¨rgermilizen in den Vordergrund traten. Doch kamen gerade die Fußsoldaten und Armbrustschu¨tzen weiterhin aus den italienischen Sta¨dten; ebenda, S. 25f. Zu John Hawkwood siehe ebenda, ad indicem. 33 Barron, Chivalry, S. 237ff. mit Diskussion der Ausnahmen und des bereits von den Zeitgenossen wahrgenommenen Wechsels in der Zeit Eduards IV., von der an immer mehr Alderma¨nner bei zeremoniellen Begegnungen mit dem Ko¨nig zu Rittern geschlagen wurden.

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6. Die heraldische Symbolik der Anderen

englischen Ko¨nigs dra¨ngte, das das Georgswappen, die englischen Leoparden und die franzo¨sischen Lilien umfaßte, integrierten die italienischen Sta¨dte die Wappen der Monarchen und der Kirche in ihr eigenes Wappenensemble. Die komplexe Herrschaftsordnung der Kommune blieb hier die Bezugsinstanz, von der aus die Zeichen wahrgenommen wurden. Die Herrschaftsordnung von London war dagegen nicht aus der Stadt heraus begru¨ndet, sie lag außerhalb. Sichtbar wird diese fu¨r London charakteristische Aufwertung der eigenen Herrschaftspra¨sentation durch Ausrichtung auf die Monarchie auch in den zeremoniellen Neuerungen, die das Stadtregiment parallel zur Einfu¨hrung seines neuen Wappens einfu¨hrte. Es handelte sich um die Midsummer Watch, eine Wachtparade, die ja¨hrlich am Johannistag und zu Peter und Paul aufgefu¨hrt wurde, sowie um das Mayor’s Riding, in dem der Bu¨rgermeister am 29. Oktober nach Westminster ritt oder fuhr, um dort dem Herrscher seinen Treueid zu leisten34. Diese auf einen u¨bergeordneten Herrschaftsverband ausgerichteten Festumzu¨ge, in denen Veteranen als Pikeniere in den Stadtfarben Rot und Weiß die Straßen sicherten und die Bezirkskompanien und Gilden in ihren Livreen paradierten, lassen sich am ehesten den großen venezianischen Prozessionen vergleichen35. Auch die beiden ja¨hrlichen Prozessionen der Themsestadt konnten den Lord Mayor als zentrale Bezugsfigur des Zeremoniells herausstellen, da grundlegende Machtfragen nicht zur Diskussion standen. Wa¨hrend sich Bu¨rgermeister, Alderma¨nner und Gilden bei diesen Gelegenheiten der Bevo¨lkerung gegenu¨ber als Obrigkeit pra¨sentieren konnten, bemu¨hten sie sich zugleich, im Zeremoniell und im Festkalender des ko¨niglichen Hofes Fuß zu fassen. Der Annahme des neuen Stadtwappens wird man die gleichen Intentionen unterstellen du¨rfen. Vielleicht schon seit dem 15. Jahrhundert wurde der Bu¨rgermeister am 29. Oktober von zwei Bannertra¨gern begleitet, die das Stadtbanner und die Fahne der Kompanie trugen, der er angeho¨rte. Ihm folgte eine Gruppe von Armen, die Schilde mit den Familienwappen seiner Amtsvorga¨nger aus derselben Kompanie trugen, sowie zwei Schildtra¨ger mit dem Wappen des neuen Bu¨rgermeisters und dem des Ko¨nigs36. Die „livery companies“ waren im 34 Der neue Bu¨rgermeister wurde jedes Jahr am 13. Oktober in der Guildhall gewa¨hlt, wo er auch am 28. dieses Monats seinen Amtseid leistete. Am Tag darauf ritt er nach Westminster, um vor dem Ko¨nig den Treueid zu leisten. Seit 1453 wurde dies als Prozession zu Schiff auf der Themse, die auch die verschiedenen ko¨niglichen Pala¨ste verband, durchgefu¨hrt. Barron, Chivalry, S. 228ff.; Dies., London, S. 147–152. 35 Livreen im Mi-parti von Rot und Weiß sind allerdings schon bei einem Adventus des Ko¨nigs im Jahr 1300 belegt; Barron, London, S. 214. 36 Barron, Chivalry, S. 231f.

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ausgehenden 14. Jahrhundert aus den Gilden hervorgegangen, ihre Mitglieder bildeten die Fu¨hrungsgruppe der Korporationen. Dazu lehnten auch sie sich an den ko¨niglichen Stadtherrn an, von dem sie sich seit derselben Zeit Freiheitsbriefe ausstellen ließen37. Fu¨hrte die Ausbildung dieser sich u¨ber Institutionen und Ko¨nigsna¨he definierenden sta¨dtischen Aristokratie zu einer Positionierung der Familienwappen im Kontext der sta¨dtischen und ko¨niglichen Wappen, so rief dies natu¨rlich eine versta¨rkte Kontrolle durch den Stadtherrn auf den Plan. Seit dem 15. Jahrhundert u¨bernahm eine ko¨nigliche Beho¨rde, das College of Arms, die Kontrolle u¨ber die Heraldik der Stadt. Seine Herolde fu¨hrten in regelma¨ßigen Absta¨nden Visitationen durch und besta¨tigten seit der Mitte des 15. Jahrhunderts den Gilden und Alderma¨nnern durch Wappenbriefe ihre fu¨r die o¨ffentliche Repra¨sentation im sta¨dtischen Zeremoniell beno¨tigten Wappen38. Was den Fall London so interessant macht, ist die Ausbildung einer heraldischen Symbolik, die in vielem der des Kontinents und seiner Halbinseln a¨hnelte und mit deren Hilfe das Stadtregiment seine Herrschaftskompetenz zu demonstrieren suchte. Doch auch im Wechsel der Siegelund Wappenbilder blieb diese Symbolik stets auf den Ko¨nig und die durch ihn garantierte Herrschaftsordnung bezogen. Blieb in Italien ein Reichswappen eine politische Option, so war der anwesende Herrscher an der Themse unumga¨nglich. Mit seiner Unterscheidung zwischen der Person des Monarchen und der transpersonalen Rechtsordnung, von der her sich das legitime Fu¨hren des Reichswappens entschied, kam Albertino Mussato Denkformen wie der des englischen Ko¨nigfriedens nahe39. Bezeichnenderweise stand er damit in Padua als u¨berstimmter Ausnahmefall dar.

6.2 Die Armbrustschu¨tzengilden von Gent und Mecheln Die Sint-Jorisgilde der Armbrustschu¨tzen zu Gent ist erstmals im Jahre 1314, die Broederschap van den Cruysboog in onse stadt van Mechelen, beziehungsweise die societas balistariorum ville Machliniae, erstmals 1315 in den Schriftquellen bezeugt40. Beide sind in den jeweiligen Stadtrechnungen als bereits existente Korporationen aufgefu¨hrt. Wie viele andere 37 38 39 40

Barron, London, S. 209. Barron, Chivalry, S. 234ff. Siehe Kapitel 5.3. Moulin-Coppens, Geschiedenis, S. 5 und 12; van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 6 und 14.

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Schu¨tzenbruderschaften in der vom Niederrhein bis ins Artois reichenden Sta¨dtelandschaft du¨rften sie im ausgehenden 13. Jahrhundert entstan¨ berlieferungszufall hat sich ein Bild der Genter Schu¨tden sein41. Durch U zengesellschaft aus der Zeit des fru¨hen 14. Jahrhunderts erhalten. Als 1846 die Geba¨ude des Sint-Jans- en Sint-Pauwelshospitaals in eine Brauerei umgewandelt wurden, kamen in der Kapelle Fragmente eines Freskos ans Tageslicht, das den Auszug der Genter Miliz zeigt42. (Abb. 2) Angefu¨hrt

Abb. 2: Auszug der Genter Bogen- und Armbrustschu¨tzengilde Gent, Fresko des fru¨hen 14. Jahrhunderts in der Kapelle des Sint-Jans-en-Sint-Pauwelshospitaals aus: Moulin-Coppens, De geschiedenis, S. 12f.

wird sie von einem Hauptmann zu Pferde, der mit seiner erhobenen Armbrust ein Signal gibt. Ihm folgt eine Gruppe von uniform gekleideten Bogenschu¨tzen, die neben ihrer Hauptwaffe auch Schwerter und Spieße tragen. An diese schließen sich zwei schwerer geharnischte Gruppen an, die jeweils von ihrem eigenen Bannertra¨ger angefu¨hrt werden. In der ersten wird man die Sint-Jorisgilde sehen ko¨nnen: die Ma¨nner tragen Schwerter und Armbru¨ste. Ihr Banner sowie die Trompetenfahne eines der drei Businen-Bla¨ser, die den Bannertra¨ger begleiten, zeigt ein durchgehendes Kreuz. Es ist, wie die spa¨tere Wappenfu¨hrung der bis heute 41 Grundlegend Reintges, Ursprung. 42 Moulin-Coppens, Geschiedenis, S. 12f.; Arnade, Realms, S. 69, Abb. 7. Ein Vergleichsbeispiel dazu ist die Darstellung des Mu¨nchner Bu¨rgerheeres auf einem Fresko in der zum Gedenken an die Schlacht bei Alling von 1422 errichteten Kapelle in Hoflach; Boockmann, Stadt, Nr. 459, S. 310.

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bestehenden Gesellschaft verdeutlicht, das dem namensgebenden Heiligen der Bruderschaft zugeschriebene Wappen: in Weiß ein durchgehendes rotes Kreuz43. Das Banner der nachfolgenden, nur fragmentarisch erhaltenen Gruppe zeigt zwei kleine Wappenschilde und darunter fu¨nf Kreuze. ¨ hnlichkeit dieser einheitlich bewaffneten und heraldisch Die A bezeichneten Fußtruppen zu denen italienischer Stadtkommunen, wie sie zur gleichen Zeit in Bildern aus Siena und Florenz abgebildet wurden, ist augenfa¨llig44. Nicht zuletzt stimmt das Wappenbild der Fahne der Genter Gilde mit dem vieler italienischer Stadtkommunen beziehungsweise kommunaler Institutionen u¨berein. Dies fu¨hrt zu der Frage, ob sie sich auch auf vergleichbare Strukturen, Organisationsformen und Identita¨ten bezogen? Es wird im Folgenden zu zeigen sein, daß es Vergleichbares gab, daß jedoch die Unterschiede zwischen den hier betrachteten Waffengesellschaften und denen in Italien u¨berwiegen. Diese lassen wiederum die Besonderheit der heraldischen Symbolik in den italienischen Kommunen als ein von lebensweltlichen Strukturen und vor allem von politisch motiviertem Gestaltungswillen bestimmtes Medium hervortreten. Die Schu¨tzenbruderschaften Gents und Mechelns waren keine Gru¨ndungen, mit denen die Stadtregimenter auf innersta¨dtische Krisensituationen reagierten. In ihren Statuten war nicht vorgesehen, daß sie im Falle eines Aufruhrs das Rathaus gegen die eigenen Mitbu¨rger zu schu¨tzen hatten45. Diese fu¨r die italienischen Kommunen so charakteristische institutionalisierte Vorsorge gegen eine Konfliktsituation scheint, soweit ich Quellen und Literatur u¨berblicke, in den keinesfalls konfliktarmen Sta¨dten nicht getroffen worden zu sein46. Die Existenz und der Charakter dieser Gesellschaften erkla¨ren sich vielmehr von ihrer Hauptwaffe, der Armbrust, von ihrer sozialen Positionierung und von ihrer Konstituierung als geschworener Bruderschaft 43 Das noch erhaltene Typar der Gesellschaft aus dem 14. Jahrhundert zeigt den Drachenkampf des heiligen Georg; Moulin-Coppens, Geschiedenis, S. 257. 44 Neben den oben diskutierten Fresken sind vor allem die Bilder kommunaler Milizen, die Armbru¨ste fu¨hren, in der Bilderhandschrift von Giovanni Villanis ‚Nuova Cronica‘ hervorzuheben; Il Villani illustrato. 45 Vgl. van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 18–21. 46 Heraldische Symbolik als Konfliktmedium la¨ßt sich allerdings auch in Gent nachweisen. So wurden dort um 1300 die Anha¨nger der um die Landesherrschaft konkurrierenden Fu¨rsten nach deren Wappenbildern leliaardspartij („Lilienpartei“) und klauwaards („Krallenzeiger“) genannt. In der ersten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts entlud sich das Konfliktpotential zwischen den untereinander verfeindeten, teilweise von der Scho¨ffenbank gedra¨ngten Patriziern und den von den Webern angefu¨hrten Zu¨nften in einer Reihe von Gewaltausbru¨chen, deren Ho¨hepunkt der Goede Dinsdach von 1349 darstellt. Zu einem ¨ berblick: Boone – Prevenier, Gent; a¨hnlichen Konflikt kam es 1361 in Mecheln. Im U van Uytven, Mecheln.

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her. Die Ka¨mpfer einer ‚Waffengattung‘ als Gruppe zusammengefaßt einzusetzen, war eine im ganzen spa¨tmittelalterlichen Abendland verbreitete Praxis der Kriegfu¨hrung. Da die Schu¨tzen von Mecheln ihre Armbrust und ihren Harnisch selbst zu stellen und zu unterhalten hatten, kamen in ihrer Gesellschaft vermo¨gende Bu¨rger zusammen47. Falls sie nicht als Ritter lebten und ka¨mpften, fanden die Patrizier und Bu¨rger (Poorters), die in Gent und Mecheln die Scho¨ffenbank besetzten, in den Armbrustschu¨tzengesellschaften ihren Platz in der sta¨dtischen Wehrordnung. Die Parallele zur Ratsbesetzung zeigt sich in Mecheln etwa daran, daß die Familie Van der Aa wa¨hrend des 15. Jahrhunderts mehrfach den Hauptmann der Armbrustschu¨tzen stellte48. Die fu¨r das Beherrschen der Waffe notwendige Praxis bot zudem einen Anlaß fu¨r Repra¨sentationsaufwand. In Mecheln und Gent unterhielten die Gesellschaften nicht nur aufwendig ausgestattete Kammern fu¨r ihre Versammlungen, sondern auch Schu¨tzenho¨fe mit Schießbahnen und Prunkfassaden. In den Armbrustschu¨tzengesellschaften aus Flandern und Brabant – Mecheln war ein Lu¨tticher Lehen der Herzo¨ge von Brabant – gingen offenbar von Anfang an mehrere Formen und Funktionen zusammen, die in einer Kommune, wie Florenz, so nicht mo¨glich waren oder auf verschiedene Vergesellschaftungsformen und kommunikative Situationen verteilt waren: die aus der sta¨dtischen Fu¨hrungsschicht stammenden Schu¨tzen waren in einer Bruderschaft zusammengeschlossen, die wie andere Laienbruderschaften der Zeit ein religio¨ses Eigenleben entfaltete, das zum Teil in den Dienst der civic religion genommen wurde49. Anders als die Wehrordnungen des Popolo, die in den italienischen Sta¨dten hunderte von Bu¨rgern mobilisierten, blieb ihre Zahl gering. Konnte allein die 47 Vgl. van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 18f. Zur Armbrust als Waffe siehe Prietzel, Krieg, S. 156–160. 48 van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 35 und 51. 49 Sichtbar wird dieser Charakter beispielsweise im Vergleich zweier Altarbilder, die fu¨r die Kapellen der Bruderschaften bestimmt waren. Die Mechelner Schu¨tzen ließen um 1500 ein Tafelbild malen, das dreiunddreißig von ihnen in Verehrung um ihren Patron, den heiligen Georg, sowie zwei Bischofsheiligen zeigte. In gleicher Weise, und mit dem gleichen individuellen Naturalismus, ließen sich 1536 zweiunddreißig Genossen der Bru¨gger Heiligblut-Bruderschaft abbilden. Braunfels-Esche, Sankt Georg, Abb. 187, S. 189; Memling und seine Zeit, Nr. 102, S. 200f. Das kultische Zentrum der Genter Sint-Jorisgilde war die Kapelle ihres Schutzpatrons in der Sint-Niklaaskerk, wo die Genossen die Messe ho¨rten und den Georgstag (23. April) feierlich begingen; Moulin-Coppens, Geschiedenis, S. 14. Allerdings konnte sich auch in italienischen Sta¨dten der Popolo zu einer Organisation zusammenschließen, fu¨r die der Stadtheilige namengebend wurde und zu deren Ta¨tigkeiten seine Verehrung geho¨rte. Neben der Credenza di Sant’ Ambrogio in Mailand sei auf die 1228 in Chieri gebildete Societa` di San Giorgio verwiesen; Braunfels-Esche, Sankt Georg, S. 96.

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societas populi Todis im Jahre 1268 an die sechshundert Bewaffnete versammeln, so war die Anzahl der Mechelner Armbrustschu¨tzen in ihrer Ordonnantie aus dem Jahre 1432 auf sechzig festgelegt50. Gefu¨hrt wurde sie von einem Hauptmann, dem mitunter ein Stellvertreter, sowie sieben geswoorne zur Seite standen51. Neben der Spezialisierung auf die besagte Waffe spricht die verha¨ltnisma¨ßig geringe Mitgliederzahl ebenfalls fu¨r den exklusiveren Charakter dieser Gesellschaft52. Den meisten italienischen Waffengesellschaften fehlte meines Wissens die religio¨s-bruderschaftliche und die exklusive Vergesellschaftungskomponente. Die niederla¨ndischen Bruderschaften waren wiederum nicht wie diese als Korporationen an der Ausu¨bung des Stadtregiments beteiligt. Mit ihrem ‚halbstaatlichen‘ Status waren sie allerdings in den hierarchischen Herrschaftsverband von Stadt und Grafschaft, an dessen Spitze die Burgunderherzo¨ge standen, eingebunden53. So leistete ein Schu¨tze bei seiner Aufnahme in die Mechelner Gilde auf seine Armbrust einen Treueid gegenu¨ber dem Herzog von Burgund, der Stadt, seinem Hauptmann und seinen Genossen54. In Gent besaß die Sint-Jorisgilde das Privileg, ihr Banner beim Auszug der sta¨dtischen Miliz zuvorderst neben dem der Stadt und dem der Grafschaft Flandern zu zeigen55. Daß es in eine noch weitgefaßtere heraldische Ordnung eingebunden war, zeigt die Miniatur in einer Handschrift, die die Unterwerfung der Genter unter Philipp den Guten am 30. Juli 1453 darstellt56. Das große, die Wappen seiner Lande vereinende Wappen Burgunds auf der Fahne des Herzogs bildet seinen 50 ASCT, Dipl. perg. 17 G, fol. 83. Auf die ghesellen kam noch eine gro¨ßere Anzahl von cnapen, die sich um deren Ausru¨stung und um den Fuhrpark der Gesellschaft zu ku¨mmern hatten und im Kampf die Schu¨tzen mit Setzschilden schu¨tzten; van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 18–21. 51 van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 28, 35 und 43. 52 Zu dem bereits im 13. Jahrhundert hochentwickelten Florentiner Armbrustschu¨tzenwesen siehe: Il Libro di Montaperti, S. 397, ad indicem. Auch die Florentiner Armbrustschu¨tzen hatten Gehilfen. Daß sie jedoch in mehreren Kompanien – mit rein milita¨rischer Ausrichtung – unter jeweils eigenen Fahnen organisiert waren, la¨ßt auf eine verha¨ltnisma¨ßig große Zahl an Schu¨tzen schließen. 53 Zu den Gegensa¨tzen des burgundischen ‚Staates‘, seiner ritterlich-ho¨fischen Kultur und ¨ berseinen Innovationen in der Ausbildung effektiver Herrschaftsstrukturen, siehe die U blicksdarstellungen von Kamp, Herrschaftsformen; Ders., Burgund, S. 71–94. 54 van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 21. 55 Moulin-Coppens, Geschiedenis, S. 14. In Entsprechung zu der zwischen 1385 und 1453 bestehenden Stadtverfassung der Drie Leden, Patriziat, Zu¨nfte und Weberei, wird man die Georgsfahne dem ersten und die nachfolgend genannten Zunftfahnen dem zweiten Glied zuordnen wollen; vgl. Boone – Prevenier, Gent. 56 Kamp, Herrschaftsformen, Abb. 29, S. 103; nach Prietzel, Krieg, S. 147ff. mit Abb. 74, handelt es sich um das einzig bekannte Beispiel dafu¨r, daß ein Herzog von Burgund die ihm ausgelieferten Fahnen der Gilden anschließend als Tropha¨en an Kirchen stiftete.

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Herrschaftsverband ab. Das heraldische Bindeglied zwischen dem Fu¨rsten und der Stadt, der fla¨mische Lo¨we, findet sich sowohl auf der Fahne des Herzogs, als auch auf den Zunftfahnen der sich ihm unterwerfenden Genter. Diese zeigen redende Schildfiguren, wie Hammer und Zange oder Weberschiffchen. Alle Zunftwappen auf den Fahnen haben jedoch ein gespaltenes Schildhaupt mit den Wappen Gents – in Schwarz ein silberner Lo¨we – und Flanderns. Die Zu¨nfte wurden so innerhalb der herrschaftli¨ hnlich ausdifferenzierte Systeme finden sich, chen Hierarchie verortet. A wie wir gesehen haben, auch in den italienischen Kommunen. Die Ausscho¨pfung der Mo¨glichkeiten, die die Zeichensprache des Mediums bot, ist in den beiden Fa¨llen vergleichbar. Wa¨hrend jedoch die Korporationen in den niederla¨ndischen Sta¨dten Teil eines u¨ber heraldische Verweise sichtbar gemachten gro¨ßeren Herrschaftsverbandes waren, konnten italienische Kommunen entweder selbst als Subjekte im Mittelpunkt ihres eigenen Zeichensystems regieren oder sehr viel freier ihre Zugeho¨rigkeit zu einem Herrschaftsverband zum Ausdruck bringen. Es scheint dabei eine Rolle zu spielen, ob eine in Zeiten fru¨herer Selbsta¨ndigkeit ausgebildete heraldische Symbolik existierte, die als Tradition beibehalten und sogar weiterentwickelt wurde57. Exklusivita¨t und Plazierung im Herrschaftsverband, wie wir sie in der heraldischen Symbolik der Genter Sint-Jorisgilde gesehen haben, bestimmte auch das Selbstbild der Bruderschaft. So teilt eine historische Notiz aus der im ausgehenden 15. Jahrhundert angelegten Matrikel der Bruderschaft, dem grooten perchemeynen bouck, mit, daß in der Zeit Graf Balduins des Ba¨rtigen von Flandern die vornehmen Geschlechter Gents het Gilden vanden Edelen Ridder den h: Sant Myn heer St. Jooris gegru¨ndet ha¨tten und daß sich diese Gilde spa¨ter auf dem Ersten Kreuzzug ausgezeichnet ha¨tte58. Entsprechend hielt die Gesellschaft in einer Proklamation von 1418 ihre Genossen zu ha¨ufigeren Schießu¨bungen und Musterungen mit der Begru¨ndung an, daß sich so ihr hoher Status als Gesellschaft von altem Herkommen und vornehmer Mitgliedschaft erhalten ließe. Um dies zu fo¨rdern, wurden fu¨r das ja¨hrliche Wettschießen zwei neue prisen, gheteeckent met sente Joeris ender stede wapene, gestiftet59. 57 Vgl. Weber, Formation; Ders., Sprache, S. 555ff., am Beispiel Paduas unter der Herrschaft der Da Carrara und Venedigs. 58 Moulin-Coppens, Geschiedenis, S. 7f. und 14. 59 Ebenda, S. 42: ute dien dat tgulde van sente Joerisse in Ghendt in dwelke van aude tiden harde, vele edelre ende notabelre persoene gheweest hebben ende noch siin, meer verweect es dan ghemeerdert ende noch meer verweeken ende vermindren mochte, sinds dat so cleene menichte van ghesellen dagelicx den boghe anthieren ende so selden vergadren met schietene ende anderssins.

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Das Wappen mit dem Kreuz des heiligen Georg, des Patrons der christlichen Ritter und der Schu¨tzen, symbolisierte aus Sicht der Genter Armbrustschu¨tzen ihr hohes Sozialprestige. In der beliebten narrativen Form der Ursprungsgeschichten und Genealogien wurde dieser Identita¨t im Buch der Gesellschaft historische Tiefe gegeben. Die Geschichte der SintJorisgilde wurde so mit der von Stadt und Grafschaft verwoben. Nach einem vergleichbaren narrativen Schema deutete man in Siena das Wappen des Popolo60. Doch fehlte dieser Nobilitierungsgeschichte der Bezug zur sta¨dtischen Aristokratie, die nicht im Popolo vertreten war, sondern andere Formen des korporativen Zusammenschlußes gefunden hatte61. Die genannten Eigenschaften der Gesellschaft standen auch hinter der Wahl ihres Wappens. An ihm zeigt sich eine von seinem Sitz im Leben bestimmte neue Bedeutungsfacette des Wappenbildes mit dem durchgehenden roten Kreuz in Weiß. In Florenz richtete sich dieses Zeichen als politisch motivierter Appell fu¨r Frieden und Gerechtigkeit, mit dem der Popolo seinen Herrschaftsanspruch begru¨ndete, an die gesamte Stadtgemeinde62. Aber auch in der Arnostadt war das Kreuzwappen als Wappen des Ritterheiligen pra¨sent: Von Bernardo Daddi gemalt, war der heilige Georg mit Waffenrock, Schild und Fahne, die alle das rote Kreuz in Weiß zeigten, seit dem fru¨hen 14. Jahrhundert u¨ber der Porta San Giorgio zu sehen. Ein Jahrhundert spa¨ter ließ die Zunft der Plattner und Waffenschmiede (Corazzai) die wappenschildhaltende Statue ihres Patrons in der ihr zugewiesenen Nische an der Fassade von Orsanmichele aufstellen63. Das Wappenbild als Teil der in der ganzen Christenheit verbreiteten Georgsverehrung war demnach auch im spa¨tmittelalterlichen Florenz gegenwa¨rtig. Das identische Wappenbild des Popolo, das seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert die politische Bu¨hne der Arnostadt beherrschte, wurde jedoch nicht explizit mit dem des Ritterheiligen in Verbindung gebracht. Vielmehr wurde das Wappen des Popolo in seiner Außenwirkung zum Machtsymbol der Florentiner. Als infolge des Wechsels unter die Florentiner Oberherrschaft im Jahre 1351 in Prato ein neuer Statutencodex kompiliert wurde, malte jemand in eher unbeholfener Manier das Wappen des Florentiner Popolo auf dessen Titelblatt64.

60 Siehe Kapitel 1.2.1. ¨ nderungen in Siena siehe Keller, 61 In Florenz war dies die Parte Guelfa. Zu spa¨teren A „Kommune“, S. 615f. 62 Siehe Kapitel 4.2.2. 63 Braunfels-Esche, Sankt Georg, S. 127, Abb 170, S. 174, und Abb. 175, S. 178. Zum Kontext und mit Literaturhinweisen Turner, Renaissance, S. 61 und 94f. 64 Raveggi, Protagonisti, Abb. 24.

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6. Die heraldische Symbolik der Anderen

Auch Genua und London, deren Wappenfu¨hrung ja mit der Georgsverehrung zusammenha¨ngt, zeigen andere Sinnbezu¨ge und Gebrauchsformen. Obwohl Georg weder Namensgeber der Kathedrale noch Stadtpatron geworden war, wurde das ihm zugeschriebene Wappen seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert zum Zeichen der Kommune. In dieser Bedeutung dominierte es im weitgespannten Herrschaftsbereich der Superba65. Die Stadt London wiederum orientierte sich bei ihrem Wappenwechsel auf den englischen Ko¨nig hin, der einen ho¨fisch-ritterlichen Georgskult propagierte, in dessen Folge das Georgswappen auch zum Wappen des Hosenbandordens und des englischen Reichsteiles wurde. Diese herrschaftliche Relevanz besaßen die Wappen und Fahnen der Schu¨tzengesellschaften nicht. Sowohl in ihrer Stadt, als auch im Herrschaftsverband Burgunds, dem das fla¨mische Gent und das brabantische Mecheln im 15. Jahrhundert angeho¨rten, dominierten andere Wappen, an denen sich die der Schu¨tzen ausrichteten und die sogar die Medien des Schu¨tzenwesens bezeichneten. Die Hierarchie der Genter Fahnen und die Anbringung des Stadtwappens auf einem der Pokale, die als Preise im Wettschießen ausgesetzt waren, sind bereits erwa¨hnt worden66. Besonders deutlich wird dies an dem neuen Schu¨tzenhof der Sint-Jorisgilde, der wa¨hrend des 15. Jahrhunderts entstand. Es war die alte Tuchhalle, neben dem Belfried der Stadt, die zu diesem Zweck umgebaut wurde. Der beeindruckende neue Sint-Jorishof bildete so mit den benachbarten Zentralorten der Stadt ein bauliches Ensemble. An seiner Fassade war eine Wappenfolge mit den Wappen der Gesellschaft – das Georgswappen sowie in Weiß eine rote Armbrust (St.-Joris en de Kruisboog) –, Gents, Flanderns, sowie der zahlreichen habsburgischen Lande angebracht67. Vergleichbar mit den Artusho¨fen, Trink- und Adelsstuben in anderen spa¨tmittelalterlichen und fru¨hneuzeitlichen Sta¨dten, war der Sint-Jorishof ein Repra¨sentationsort der Stadt68. Die Mechelner Armbrustschu¨tzen trugen neben ihrem Georgswappen und ihrer Livree denn auch das Wappen und die Farben der Stadt69. Die Hauptmotive, die hinter der Annahme des Georgswappens durch die Schu¨tzenbruderschaften von Gent und Mecheln gestanden haben 65 Siehe Kapitel 2.4.3 und 4.2.1. 66 Bereits im Jahre 1331 lieferten sich in Gent fu¨nfundzwanzig Gilden ein Wettschießen um den Preis eines silbernen Lo¨wen; Moulin-Coppens, Geschiedenis, S. 46. 67 Ebenda, S. 32–58. Die Wappenfolge wurde unter Maria von Burgund begonnen und stand seit dem Adventus Alessandro Farneses im Jahre 1585 fest. 68 Geschlechtergesellschaften, Zunft-Trinkstuben und Bruderschaften; Weber, Herrschaftsverband, bes. S. 481. 69 van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 24ff. und 39ff. Vgl. Mertens, Wappenrock.

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du¨rften, werden sein Bezug zum Schu¨tzenwesen und die Attraktivita¨t des Georgskultes als aktueller, adelsgema¨ßer Vergesellschaftungsform wa¨hrend des Spa¨tmittelalters gewesen sein70. Die Wappenbildung erfolgte weniger aus den bestehenden Traditionen sta¨dtischen Zeichengebrauchs heraus – die Farben des Georgswappens unterschieden sich denn auch von denen des Stadtwappens – und beanspruchte auch keine explizit politische Aussage oder eine exklusiv auf die eigene Stadtgemeinde bezogene Geltung. Stattdessen griff man ein u¨berregional pra¨sentes Zeichen auf. Schu¨tzengesellschaften, die sich nach dem heiligen Georg nannten und sein Wappen fu¨hrten, gab es auch in anderen Sta¨dten der Flandern und Brabant einschließenden Sta¨dtelandschaft sowie beispielsweise in dem durch Handelswege mit ihr verbundenen Valencia71. Es ist das schon vielfach ¨ hnlichkeit, der „logic of sameness“ im mitangesprochene Prinzip der A telalterlichen Zeichengebrauch, das hier zum Tragen kommt. Die Bruderschaften hatten ihren Platz in der Wehrordnung und Repra¨sentation ihrer Sta¨dte, gingen jedoch nicht vo¨llig in ihnen auf. Das mit der Ta¨tigkeit des Schießens, mit einem Anspruch auf gehobenen sozialen Status sowie mit der gemeinsam praktizierten Fro¨mmigkeit verbundene Wappen bot daru¨ber hinaus Anknu¨pfungspunkte zu den Bruderschaften anderer Sta¨dte. Natu¨rlich nutzten die Sta¨dte dies fu¨r die von ihnen gefo¨rderte repra¨sentative Festkultur. Die ja¨hrlich wechselnden Schu¨tzenfeste im niederla¨ndischen Teil des Herzogtums Burgund boten eine Bu¨hne fu¨r Selbstdarstellung und einen vielfa¨ltig genutzten Kommunikationsrahmen72. Die Uniformita¨t der Armbrustschu¨tzen stand ebenfalls im Dienst sta¨dtischer Repra¨sentation. In Mecheln erhielt die Bruderschaft ja¨hrlich zu Ostern Tuch als Geschenk der Stadt, um damit ihre Genossen einheitlich einzukleiden. Sichtbar wurde dies in der Folgezeit an den Prozessionen zu Ehren des Stadtpatrons, des heiligen Rumold, sowie des heiligen Georg, in denen die Schu¨tzen mitmarschierten73. Dabei griffen die Stadtregimenter Gents und Mechelns auch kontrollierend ein: nur die aktuelle Livree und ausschließlich das Abzeichen der eigenen Gesellschaft durften getragen werden74. 70 71 72 73 74

Vgl. Braunfels-Esche, Sankt Georg. Ebenda, bes. S. 46–50, 126ff. und 189–193. Vgl. van Melckebeke, Aanteekeningen, und Moulin-Coppens, Geschiedenis, passim. van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 6, 17, 19 und 50f. Ebenda und S. 34; Moulin-Coppens, De geschiedenis, S. 44. Dies richtete sich sowohl gegen Kleiderluxus, als auch gegen die Bereicherung an dem geschenkten Tuch. Die auf dem Mechelner Tafelbild zu sehenden Gildebru¨der tragen solch ein Kleinod. Ihr Hauptmann tra¨gt außerdem ein Halskette, an der der heilige Georg, sowie kleine Wappenschilde und Armbru¨ste ha¨ngen. Letztere zieren auch im Wechsel den Rahmen des Bildes;

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6. Die heraldische Symbolik der Anderen

Die Armbrustschu¨tzen waren jedoch keine reine Festgesellschaft, sondern leisteten fu¨r ihre Stadt wirkliche Wach- und Kriegsdienste. In Mecheln bewachten sie Tag und Nacht die Stadttore und wurden sogar in den umliegenden Do¨rfern stationiert. Dafu¨r waren sie von anderen Bu¨rgerpflichten befreit und besaßen unter anderem das Privileg, Waffen tragen zu du¨rfen75. In den italienischen Stadtkommunen setzte man fu¨r diese Aufgaben beroarii, custodes, So¨ldner oder popolare Bu¨rgerwehren ein, fu¨r die a¨hnliche, schriftlich festgelegte Neutralita¨tskriterien galten, wie fu¨r die kommunalen Spitzena¨mter. Offenbar war es in Mecheln mo¨glich, daß sich die im Vergleich zum Grad der kommunal gelenkten Militarisierung italienischer Sta¨dte bescheiden ausnehmende Truppe des lokalen Patriziates fu¨r Wachdienste einsetzen ließ. Bot der Landesherr die sta¨dtische Miliz auf, so waren die Armbrustschu¨tzen neben anderen Waffengattungen, wie den Bogenschu¨tzen, Kanonieren, Lanzentra¨gern und Reitern, mit dabei. Das Beispiel Mechelns zeigt, daß die Kriegfu¨hrung und das Lagerleben einen a¨hnlichen Repra¨sentationsdruck u¨ber Uniformita¨t und heraldische Symbolik erzeugte wie die sta¨dtische Festkultur76. Die Adressaten waren offenbar der Herzog von Burgund, der denn auch in seinem Privileg die guten Dienste, die ihm die Schu¨tzen geleistet hatten, hervorhob, sowie die Auszu¨ge der anderen Sta¨dte77. Einen Eindruck von dem Erscheinungsbild der Mechelner geben die Stadtrechnungen aus dem Jahre 1436 wieder, die die Ausru¨stung des Auszugs auflisten, der an dem Zug Philipps des Guten gegen Calais teilnahm78. Unter anderem kaufte die Stadt gru¨nes Seidentuch fu¨r twee groote wimpelen sowie rotes Seidentuch fu¨r zwei große und zwei kleine Trompetenfahnen. Offenbar waren diese fu¨r Paradezwecke bestimmt, da daneben auch eine dritte große Fahne und zwei Trompetenfahnen aus einfacherem Tuch fu¨r den ta¨glichen Gebrauch angefertigt wurden. Alle wurden beidseitig mit dem Wappen der Stadt bemalt, die twee clyne trompetzelen met waepen schilden ende met rooskens besaeyt. Außerdem wurden ein trompetzeel dat de voetboge schutters toebehoort und ein schutters wimpel aus einfachem gru¨nen Tuch angeschafft. Die Armbrust- und Bogenschu¨tzen erhielten neue Fahnen und wurden, wohl mit bezug auf die gewa¨hlte Grundfarbe der Fahnentu¨cher, einheitlich in

75 76 77 78

¨ hnliche Abzeichen trug die Elbinger Braunfels-Esche, Sankt Georg, Abb. 187, S. 189. A St. Georgen-Bruderschaft; Boockmann, Stadt, Nr. 450, S. 301. van Melckebeke, Aanteekeningen, S. 7, 18f. und 44. So veranstalteten die Mechelner im Lager vor Neuß ein Festmahl; ebenda, S. 45. Ebenda, S. 14f. Das Folgende nach ebenda, S. 23–28. Zur Deckung der Unkosten in Ho¨he von 2563 Guld. 12 st. 2 den. wurde, a¨hnlich wie in italienischen Sta¨dten, eine einmalige Sondersteuer von den reichsten Bu¨rgern erhoben.

6.2 Die Armbrustschu¨tzengilden von Gent und Mecheln

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eine weiß-gru¨ne Livree gekleidet: Van vii wimpelen te maecken voor den voetboogh ende handboogh schutters metter stads waepenen van finen goude in beyder seyde en boven mit een hoode van pooters waepenen, al vol gesaeyt van boghen van goude ende van silver. [...] Betaelt voor iiicliiij ellen wit laeken – betaelt voor xiiij ellen groen laeken daer de livriye van den voetboghe ende handboog af gemaeckt was. Neben den aus aktuellem Anlaß erneuerten Fahnen gab es den stadswimpel, mit dem der Rat fu¨r den Kriegszug gegen Calais Jane Van der Dale Gheerts sone investierte. Neben ihm werden Jan Van de Marque die de wimpel vuurde van den handtboge und Aert Lips die den wimpel voerde van de voetboogschutters erwa¨hnt. Auch die mitzufu¨hrenden Zelte und weitere, wahrscheinlich zur Dekoration des Feldlagers und der zahlreichen Wagen dienende wimpelkens wurden mit dem Stadtwappen bemalt. Trompeter und Pfeifer wurden angeworben. Das nicht im Stadtwappen pra¨sente Gru¨n scheint die bevorzugte Livreefarbe Mechelns gewesen zu sein. Es findet sich auch bei spa¨teren Gelegenheiten wieder79. Die uniforme Bezeichnung der Kriegszugteilnehmer mit der Livreefarbe stellte offensichtlich einen Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Gruppen her. Ausgerichtet war sie auf das omnipra¨sente Stadtwappen, in der Ordnung des Zuges an zentraler Stelle im Banner der Stadt pra¨sent. Der Eindruck, den die Mechelner Stadtrechnungen von dem Erscheinungsbild des sta¨dtischen Auszugs im Sommer 1436 geben, gleicht der idealtypischen Darstellung eines Reichsheeres in dem fast ein halbes Jahrhundert spa¨ter entstandenen sogenannten ‚Hausbuch‘80. Auch hier begegnen Gruppen von Armbrustschu¨tzen zu Fuß und zu Pferde, begleitet von Materialwagen und gelenkt von Trompetern mit Trompetenfahnen und Fahnentra¨gern. Zumindest die Hauptleute tragen eine Livree. Repra¨sentativ mit Wappenschilden, -fahnen und -wimpeln bezeichnet pra¨sentiert sich das Feldlager. Die Wappen machen zudem die Organisation und die konzentrisch nach innen, bis hin zur Heerfahne mit dem kaiserlichen Doppeladler, ansteigende Hierarchie sichtbar. Eine taktisch durchdachte Verteidigungsordnung deckt sich hier mit einer symbolischen Ordnung. Die am Beispiel Gents und Mechelns aufgezeigten Formen und Funktionen aus einem Spektrum an Vergesellschaftungs- und Organisationsformen im Zusammenwirken mit heraldischen Bezeichnungspraktiken finden sich auch in anderen Sta¨dten des europa¨ischen Spa¨tmittelalters. Ein allgemeines Wissen um die Aussage eines Wappens, der Verweis des 79 Ebenda, S. 41f. und 48. 80 Waldburg Wolfegg, Venus, Abb. 58–62, S. 92–100.

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6. Die heraldische Symbolik der Anderen

Kreuzwappens auf Christus und den heiligen Georg, war in England und den Niederlanden ebenso pra¨sent wie in Italien. Die lokale, sozial und politisch relevante Auspra¨gung der Wappenbedeutung war daru¨ber hinaus von herrschaftlichen und lebensweltlichen Strukturen bestimmt. Die fu¨r die niederla¨ndischen Schu¨tzengesellschaften typische Verbindung von effektiven Kriegsdiensten, aristokratischer und religio¨s-bruderschaftlicher Vergesellschaftung sowie festlicher Repra¨sentation im Namen der Stadt war in einer italienischen Kommune, wie dem Florenz des 14. und 15. Jahrhunderts, kaum vorstellbar. Hier hatte, wie Richard C. Trexler gezeigt hat, die popolare Kommune wa¨hrend des ausgehenden 13. Jahrhunderts die symbolisch codierten Spha¨ren von Kriegsfu¨hrung und innersta¨dtischer Friedenswahrung und sozial bestimmter Festkultur geschieden und ihre Ausu¨bung auf verschiedene Gruppen verteilt81. In der Folgezeit registrierten es die Florentiner sehr genau, wenn Zu¨nfte oder Adelsgesellschaften versuchten, sich ihren Platz in Prozessionen der Waffengesellschaften zu erka¨mpfen. Der gescheiterte Versuch Gautiers de Brienne, dieses System in Richtung auf eine fu¨rstliche Herrschaft hin zu vera¨ndern, ha¨tte, wa¨re er erfolgreich gewesen, vielleicht a¨hnliche Formen heraldischer Symbolik etabliert, wie sie sich spa¨ter in den niederla¨ndischen Sta¨dten finden. Die Einkleidung einer uniform bewaffneten Truppe sta¨dtischer Miliz in eine weiß-rote Livree und ihre anschließende Pra¨sentation in einer Festprozession der Fastnachtszeit war eine fu¨r Florentiner Verha¨ltnisse ungewo¨hnliche Maßnahme. Sie erfolgte erst 1506 unter der Stadtherrschaft Piero Soderinis, die der politischen Krise der wiederbelebten Republik durch die Stiftung neuer ritueller und symbolischer Formen zu begegnen suchte82. Zuvor findet sich das besagte Spektrum sehr viel ausdifferenzierter und auf verschiedene Gruppen der Bu¨rgerschaft und der von auswa¨rts herbeigeholten kommunalen Funktionstra¨ger verteilt. La¨ßt sich die Florentiner Parte Guelfa, deren Wappen Teil des kommunalen Wappenensembles war (Taf. 2 und Taf. 6) und die eine Institution der Florentiner Festkultur war, aufgrund ihres aristokratischen Charakters vielleicht mit einer Sint-Jorisgilde vergleichen, so stellte sie meines Wissens nach kein mit ihrem Wappen bezeichnetes Kontingent in der Florentiner Miliz. Auch bot das ‚individuelle‘ Wappenbild der Gesellschaft keinen Anknu¨pfungspunkt zu dem der Guelfen einer anderen Stadt, wie dies die Georgswappen der Schu¨tzengesellschaften taten.

81 Trexler, Life, bes. S. 215–278. 82 Ebenda, S. 511.

6.3 Zusammenfassung

493

6.3 Zusammenfassung Der hier an nur wenigen Beispielen vorgenommene Vergleich der heraldischen Symbolik italienischer Stadtkommunen mit der Sta¨dtelandschaft ¨ rmelkanal hat grundlegende Gemeinsamkeiten in der Wappenum den A fu¨hrung, aber auch charakteristische Unterschiede im Gebrauch der Zeichen zutage treten lassen, deren Ursachen in den Herrschafts- und Gesellschaftsordnungen der Sta¨dte sowie in den Ordnungsvorstellungen ihrer Entscheidungstra¨ger lagen. Heraldische Symbolik, das besta¨tigen auch die nicht-italienischen Beispiele, war spa¨testens seit dem 13. Jahrhundert ein integraler Bestandteil der sta¨dtischen Wehrordnungen in der abendla¨ndischen Stadt. Aus Sicht der Wappenkunst unterschied sich ein in England gebildetes Wappen prinzipiell nicht von einem Wappen aus der Toskana. Die mit Hilfe dieser ‚internationalen‘ Zeichensprache gebotene Mo¨glichkeit zur Bildung von Zeichenordnungen, die gleichermaßen ausdifferenziert waren und einen Zusammenhalt betonten, nutzten sta¨dtische Obrigkeiten und Herrschaftstra¨ger im spa¨tmittelalterlichen Italien ebenso wie im u¨brigen Abendland. In der konkreten Umsetzung werden aber auch sofort Unterschiede erkennbar, die zeigen, daß die praktischen Organisationserfordernisse nicht von den geltenden Herrschaftsordnungen und Ordnungsvorstellungen zu trennen sind. Vergleicht man etwa London und Venedig mit Florenz, wird der Unterschied ersichtlich, den die milita¨rische Relevanz der auch politisch genutzten Wappen ausmachte. Deutlich wird außerdem der Zusammenhang von Stadtbild, sta¨dtischer Gesellschaft und sta¨dtischem Wappenwesen, der sich in den jeweiligen Wehrordnungen, Prozessionen und Konflikten a¨ußerte. Wo in Italien eine sta¨dtische Neugru¨ndung mit geplanten kommunalen Strukturen entstand, wie im Falle L’Aquilas und Scarperias, kam es nach kurzer Zeit zu Konflikten zwischen Vierteln und Faktionen, die gewaltsam ausgetragen wurden. Der Gebrauch eines Banners mit dem identita¨tsstiftenden Bild des Stadtpatrons findet sich in den meisten Sta¨dten des Mittelalters. London, Genua und San Gimignano zeigten zur gleichen Zeit das goldgestickte Bild ihres Heiligen auf rotem Tuch. Alle drei Sta¨dte fu¨hrten spa¨ter ein Wappen, das sich vom Bild der Fahne unterschied, sich jedoch u¨ber Tingierungen, Beizeichen oder andere Verweise zu diesem in Beziehung setzen ließ. In der Annahme bestimmter Wappenbilder begegnen ha¨ufig Konvergenzen. Meist als Fahnenbilder bezeichneten Wappen einzelne Bezirke und Korporationen, die in einer u¨bergreifenden Ordnung standen. In dieser Funktion wurden sie im Spa¨tmittelalter von den Stadtregimentern zum Zwecke obrigkeitlicher Herrschaftsintensivierung oder von den korpo-

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6. Die heraldische Symbolik der Anderen

rativ zusammengeschlossenen Eliten zur politisch relevanten Standesbildung instrumentalisiert. Die Beherrschung des heraldischen Regelwerks war eine Herrschaftskompetenz, fu¨r die man sich im abendla¨ndischen Westen Herolde hielt, die in den italienischen Stadtkommunen dagegen von der Fu¨hrungsschicht selbst wahrgenommen wurde. Wa¨hrend in vielen italienischen Kommunen der Popolo die Aristokratie aus der politischen Arena verbannte und in Florenz sogar zu einem symbolischen Neuanfang no¨tigte, nutzten die Londoner Familien, aus denen die Alderma¨nner kamen, die sta¨dtischen Institutionen zur Bildung eines u¨ber seine Symbolik ausgewiesenen Standes, der sich am Rittertum orientierte. Die Stadtregimenter der fla¨mischen Sta¨dte nutzten wiederum die Repra¨sentationsmo¨glichkeiten, die ihnen die bruderschaftlichen Schu¨tzengilden boten. Sichtbar wurden diese verschiedenen Vergesellschaftungsprozesse an der heraldischen Symbolik ihrer Protagonisten. Die Kommune und ihre Fu¨hrungsgruppen in den ober- und mittelitalienischen Sta¨dten hatten in der Regel freie Gestaltungs- und Kontrollmo¨glichkeiten sowie die Machtstrukturen und Sanktionsmittel, um dies durchzusetzen83. Heraldische Symbolik wurde daher auch in einem Maße Gegenstand ihrer Statutengesetzgebung, wie es die nordalpinen Sta¨dte nicht kannten. Die Londoner erhielten ihre Privilegien und seit dem fru¨hen 15. Jahrhundert auch ihre Wappenbriefe von verschiedenen Institutionen der ko¨niglichen ‚Verwaltung‘. Die relative Freiheit der fla¨mischen Schu¨tzenbruderschaften, deren Wappen sich untereinander a¨hnelten und nicht aus dem jeweiligen Stadtwappen abgeleitet waren, la¨ßt die Appellfunktion und die Relevanz erkennen, mit der sich die ‚moralische‘ Heraldik des italienischen Popolo an die Stadtbevo¨lkerung richtete. Sie la¨ßt den Druck der gesellschaftlichen Konflikte erahnen, der hinter den Wappenbildungen in Florenz und Prato stand. Solch einen Herrschaftsanspruch brauchten die fla¨mischen Schu¨tzen, die bereits eine gesellschaftliche Elite repra¨sentierten, nicht zu formulieren. An ihnen zeigt sich die Auswirkung eines effektiven Eingebundenseins mehrerer Sta¨dte in einen u¨bergeordneten Herrschaftsverband auf die heraldische Symbolik. Man trug gegenseitige Rivalita¨ten nicht im Krieg, sondern im Wettkampf aus. Vielleicht haben die starken Rivalita¨ten untereinander sowie die Selbstbezogenheit der einzelnen Kommunen die parallele Existenz von Schu¨tzenbruderschaften mit gleichem Wappen, wie sie sich in den Alten Niederlanden findet, verhindert. Ein differenzierteres Bild la¨ßt sich erst auf der Grundlage weiterer, vergleichender Untersuchungen zur heraldischen 83 Im Rahmen der von Dino Compagni oder Franco Sacchetti akzentuierten Umsetzungsprobleme; siehe Kapitel 4.2.2.

6.3 Zusammenfassung

495

Symbolik spa¨tmittelalterlicher Gruppen gewinnen. An dieser Stelle kann jedoch bereits festgehalten werden, daß die – bei vielen Gemeinsamkeiten – erkennbaren Unterschiede zwischen der heraldischen Symbolik der italienischen und der nordalpinen Sta¨dte auf die Wechselbeziehung zwischen dem Herrschaftsinstrument Wappenwesen und den Gestaltungsmo¨glichkeiten der freien Kommunen zuru¨ckzufu¨hren sind. Auch wenn sich im London des 14. Jahrhunderts a¨hnliche Tendenzen zur Verobrigkeitlichung feststellen lassen wie in den italienischen Kommunen, fu¨hrte dies nicht zur Entstehung eines eigenen Wappenensembles. Die effektive und zeremoniell vorbildliche Ko¨nigsherrschaft blieb der Bezugspunkt der symbolisch gezeigten Herrschaftsordnung an der Themse. Nicht nur im Besteigen einer Barke beim Mayor’s Riding oder der Sensa sowie in der Bildung von Wappenreihen der Amtsvorga¨nger standen sich Lord Mayor und Doge untereinander na¨her als einem Gonfaloniere di Giustizia84.

84 So malte denn auch der Venezianer Canaletto um 1747 die „Lord Mayor’s Show auf der Themse“, die mit ihrem Bootsgewimmel um die mit Wappenfahnen geschmu¨ckte Prunk¨ hnlichkeit barke vor dem Hintergrund der klassizistischen Stadtkulisse noch gro¨ßere A mit der Verma¨hlung des Dogen mit dem Meer gewonnen hatte; Blockmans, Geschichte, S. 286ff.; zur Sensa siehe Ro¨sch, Venedig im Spa¨tmittelalter, S. 29ff.

7. Schluß ¨ berlegungen und Ausblick 7.1 Abschließende U Im fru¨hen 13. Jahrhundert kritisierte Jakob von Vitry in einer Predigt den Stolz der adligen milites, der sich daran zeigte, daß sie Fahnen mit ihren Wappen zu fu¨hren begannen1. Zweihundert Jahre spa¨ter hatten Wappen fu¨r die Menschen, die in den italienischen Kommunen lebten, solch eine Relevanz bekommen, daß ein anderer Prediger auf die Idee kam, seine Kritik an dem, fu¨r das sie in Gesellschaft und Politik standen, mit den gleichen visuell-symbolischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. Der Franziskaner Bernardino von Siena zog wa¨hrend des fru¨hen 15. Jahrhunderts durch die Sta¨dte Ober- und Mittelitaliens, auf deren großen, von Kommunalpalast oder Dom gesa¨umten Pla¨tzen er vor dem Volk in dessen Sprache predigte. Wie eine ganze Reihe von Vorga¨ngern, bemu¨hte sich auch Bernardino besonders um die Befriedung der sta¨dtischen Gesellschaft2. In spektakula¨ren o¨ffentlichen Aktionen verso¨hnte er Feinde und brachte Kommunen, Signoren und Bu¨rger dazu, die innersta¨dtischen Unfrieden fo¨rdernden Mißsta¨nde abzuschaffen, Statuten zu a¨ndern oder Wappen aus dem Stadtbild zu entfernen. Als begnadeter Stratege symbolischer Kommunikation nutzte Bernardino zudem die Predigtsituation, um in ihr einen semiotischen Gegenentwurf gema¨ß seinen Intentionen zu installieren, der auch nach seinem Weiterzug noch in der Stadt wirkma¨chtig sein sollte. Begann er seine Predigt mit der Kritik an der innersta¨dtischen Gewalt sowie an den u¨berall im Stadtbild zu sehenden Wappen der Parteien, des Adels und der Obrigkeiten, so hielt er daraufhin eine Tafel mit einem von ihm entworfenen Bild in die Ho¨he, das er der Menge deutete. Es zeigt auf einem blauen Grund, der fu¨r den Himmel und den Glauben stehen sollte, das goldene Christusmonogramm in einer sonnenfo¨rmigen Gloriole mit zwo¨lf – der Zahl der Glaubensartikel und der Apostel – Haupt1 Siehe Kapitel 1.1. 2 Vgl. Sutter, Johann.

¨ berlegungen und Ausblick 7.1 Abschließende U

497

und zahlreichen kleineren Strahlen. Diese Tafel mit dem durch den Prediger verehrten Namen Christi, die das Volk il buon Gesu` nannte, wurde auf Anregung Bernardinos als Zeichen des Friedens und der Eintracht an die normalerweise von Wappen besetzten Stellen angebracht oder als oberster Referenzpunkt in ein Wappenensemble gesetzt. Schließlich ließ sich der Prediger, wenn er in eine Stadt einzog, sogar eine Fahne mit diesem Bild vorantragen3. Was die beiden Prediger verbindet, ist die von ihnen vorgebrachte grundsa¨tzliche Kritik der christlichen Kirche an Gewalt und Krieg, an der Spha¨re der potentes und ihrer symbolischen Repra¨sentation, die man als Laster anklagen konnte4. Bei Jakob von Vitry wird die im 12. Jahrhundert aufgekommene und vor allem von den Ma¨chtigen genutzte Kommunikationsform des Wappenwesens in einem fru¨hen Beleg zum Gegenstand dieser Kritik. Die Entwicklung, die das Wappenwesen von da an im Umfeld der italienischen Stadtkommune genommen hatte, ¨ ltere wird im Wirken Bernardinos von Siena faßbar. Hatte sich der A ablehnend gegen die neuen Zeichen gewandt, sofern sie nicht gerade den Ritterorden dienten, so reagierte der Ju¨ngere auf ihre Omnipra¨senz und Relevanz durch die Propagierung eines ihnen u¨bergeordneten Zeichens. Der dazwischenliegende Wandel liefert auch die Antwort auf unsere Ausgangsfrage nach den wechselseitigen Einflu¨ssen zwischen der Entwicklung der Kommune und dem Wappenwesen vom 12. bis ins 14. Jahrhundert: Zu Anfang bestand die Wechselwirkung darin, daß Fahnen und Wappen, deren Bildlichkeit und Gebrauch sich im Einklang mit denen befanden, die der Kaiser oder der Papst, ein Bischof oder ein Baron fu¨hrten, von spezifisch kommunalen Herrschaftstra¨gern, wie den Konsuln oder Podesta`, in Handlungskontexten, wie der Volksversammlung, zur ¨ ber die symbolischen Konstituierung der Kommune eingesetzt wurden. U Fahne, die man als Feldzeichen und Investitursymbol gebrauchte, wurde das heraldisch werdende Fahnenbild Teil der civilia signa. Im weiteren Verlauf dieser Entwicklung eigneten sich die Kommunen diese Kommunikationsform in einer Art und Weise an, die es ihnen ermo¨glichte, ihre Bu¨rger auf vielfa¨ltige Weise zu mobilisieren und an ihre Werte und Ord3 Origo, Heilige, ad indicem [„YHS (Jesus Christus Monogramm u. Emblem d. Hl. Bernardino)“] und mit reichem Bildmaterial, u. a., Abb. 15, mit einem Tafelbild Sebastianos di Cola del Casentino aus L’Aquila, das den Heiligen mit seiner Fahne zeigt. Neben von Bernardino gebrauchten Tafeln, die Kirchen in verschiedenen Sta¨dten noch heute besitzen, wird eine seiner Fahnen in Assisi als Reliquie verwahrt; ebenda S. 205ff. Siehe jetzt grundlegend zur Predigt-Situation und ihren Medien Blass-Simmen, Jacopo. 4 Vgl. Erdmann, Entstehung.

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7. Schluß

nungsvorstellungen zu appellieren. In der Zeit um 1300 strebten Stadtkommunen wie Florenz sogar die vo¨llige Kontrolle u¨ber das Wappenwesen innerhalb ihres Herrschaftsbereichs an. Die Stadtregimenter entwickelten ein mit dem Stadtbild und anderen Medien verknu¨pftes Wappenensemble, das die transpersonale, auf Dauer bestehende Signoria sym¨ mter ja im sta¨ndigen Wechsel besetzt wurden. Das bolisierte, deren A Wappenwesen der Sta¨dte nahm auf diese Weise nicht nur an Formen und Funktionen zu, sondern korrespondierte auch mit der „Verfassungsentwicklung“ der Kommune. Ein Resultat dieser Gesamtentwicklung ist auf dem beru¨hmten Tafelbild Sano di Pietros zu sehen, das die Predigt des spa¨ter heiliggesprochenen Bernardino vor dem Sieneser Kommunalpalast zeigt. (Taf. 8) Nach Bernardinos Tod am 20. Mai 1444 betrieb die Kommune Siena seine Kanonisierung. Als Teil dieser Kampagne erhielt der Maler am 28. Mai 1445 von der Compagnia della Vergine den Auftrag zu dem Altarbild, das die urspru¨nglich zeichenkritische Botschaft des Predigers in die Repra¨sentation der Kommune integrierte. Die Fassade des baulichen Zentrums der sta¨dtischen Herrschaft und kollektiven Identita¨t Sienas ist u¨bersa¨t mit Wappen und Zeichen: dem Bild eines Stadtheiligen u¨ber dem Portal, der Lupa Senese und der in die Fensterbo¨gen gesetzten Balzana. Ein auf die Fassade gemaltes Wappenensemble gibt dem Betrachter Auskunft u¨ber den aktuellen Status der politischen Verfaßtheit der Kommune. Es zeigt die Wappen der Stadt und des Popolo, bekro¨nt vom Adlerwappen des Ro¨mischen Reiches. Bernardino, dessen adliger Vater Tollo de’ Albizzeschi Vikar Sienas in Massa Marittima gewesen war, handelte wie die kommunalen Amtstra¨ger, indem er seine Botschaft in einem paraheraldischen Zeichen zum Ausdruck brachte, um sie an den Herrschaftsorten und in Akten o¨ffentlicher Kommunikation zur Geltung zu bringen. So zeigt denn auch Sano di Pietro die Botschaft des Predigers, dessen Tafel mit dem Christusmonogramm noch u¨ber dem Reichsadler an der Fassade des Palazzo Pubblico steht. So wurde sichtbar, daß Christus die oberste Instanz von Herrschafts- und Gesellschaftsordnung in der Stadt ist. Seine ¨ hnlich Botschaft verpflichtet zu Frieden, Gerechtigkeit und Eintracht. A wie die von Bernardino beeinflußten Stadtherren handelte auch die von 1527 bis 1530 bestehende letzte Florentiner Republik. Bedra¨ngt von a¨ußeren und inneren Feinden, hatte sie Christus zum Herrn der Stadt gewa¨hlt und ausrufen lassen. Als sichtbares Zeichen dieser Herrschaft, das die spa¨teren Großherzo¨ge der Toskana sich abzunehmen scheuten, ließ der Große Rat u¨ber dem Portal des Palazzo Vecchio eine Sopraporte anbringen, die auf ihrer Mittelachse Bernardinos Christusmonogramm mit dem Kreuzwappen des Florentiner Popolo von 1293 kombinierte. Umgeben

¨ berlegungen und Ausblick 7.1 Abschließende U

499

werden sie von den Wappenlilien von Florenz und Anjou sowie von zwei Florentiner Lo¨wen5. Daß Bernardino von Siena mit seiner Verbindung von Predigt- und Bildbotschaft, die sich in die symbolische Kommunikation des Politischen in den Kommunen einmischte, einen Nerv getroffen hatte, zeigt die Tatsache, daß sie ihm eine Anklage wegen Ketzerei eintrug. 1426 von Papst Martin V. in dieser Sache nach Rom zitiert, wurde er freigesprochen, der Gebrauch seines Tafelbildes spa¨ter noch mehrfach besta¨tigt. Bernardinos Mitbruder und Verteidiger Johannes von Capestrano, der vor seiner Berufung ein aus dem Adel stammender Jurist und kommunaler Amtstra¨ger in Perugia gewesen war, leitete daraufhin mit der Fahne mit dem Christusmonogramm eine große Prozession durch die Stadt Rom6. Wie in der paraheraldischen Alternative des Predigers wurde auch die Herrschaftsordnung der Kommunen im Zusammenwirken der Bildbotschaft der Wappen und ihrer Funktionalita¨t in Handlungskontexten symbolischer Kommunikation zum Ausdruck gebracht. Dies gilt bereits fu¨r die im zweiten Kapitel dieser Arbeit untersuchten fru¨hen Belege fu¨r kommunale Wappenfahnen in Oberitalien. Neben anderen civilia signa, wie der Busine oder dem Siegel, erscheint die Wappenfahne als konstitutives Handlungsmedium der Stadtgemeinde. Vor allem repra¨sentierte sie die milita¨rische Macht und den Herrschaftsanspruch der Kommune nach außen. Das kommunale Aufgebot ka¨mpfte unter der Fahne der Stadt. Sie wurde als Zeichen der Inbesitznahme u¨ber Burgen und Sta¨dte gehißt, die sich der Kommune unterstellten. Diese Praktik erwies sich zudem als nahestehend zu der des triumphalen Aufpflanzens nach einem durch Kampf oder Verhandlungen herbeigefu¨hrten Sieg. Sowohl diese Praktiken als auch die gefundenen Bildlo¨sungen sind nicht exklusiv auf die Kommune beziehbar. Sie begegnen auch in den von Fu¨rsten gefu¨hrten Kreuzfahrerheeren oder in der Herrschaftspraxis der Kaiser in Italien. Versta¨ndlich wird dies aus dem mittelalterlichen Zeichengebrauch und -versta¨ndnis, die die Entstehung konvergenter Entwicklungen geradezu befo¨rderten. Dennoch stehen bereits die fru¨hen Wappenbilder, am eindru¨cklichsten vielleicht in Tortona, im Zentrum des Diskurses um kommunale Identita¨t. Daß sie als Symbole von Herrschaft und milita¨rischer Macht den Zeichen anderer Herrschaftsverba¨nde a¨hneln, ist ein Beleg fu¨r die Eingebundenheit der kommunalen Welt in die Strukturen des hochmittel5 Reinhardt, Florenz, S. 233ff. mit Abb. 47. Die dadurch ersetzte Sopraporte zeigen Ansichten des Palazzo Vecchio aus dem 15. Jahrhundert; ebenda Abb. 22, S. 112, und 39, S. 199. 6 Origo, Heilige, S. 100–110.

500

7. Schluß

alterlichen Abendlandes. Gerade fu¨r die Fru¨hzeit des Wappenwesens zwischen der Mitte des 12. und der des 13. Jahrhunderts kommt der heraldischen Symbolik der ro¨mischen Kaiser eine Schrittmacherfunktion fu¨r die der autonom werdenden Kommunen zu. Auch nach dem Ru¨ckgang der kaiserlichen Pra¨senz in Italien waren die Fahnen und Wappen des Reiches in der Imagination der Stadtbu¨rger oder der Herrschaftspraxis der Signoren noch ho¨chst wirksam. Deutlich zeigt sich der Zusammenhang zwischen Kommune und heraldischer Symbolik in den Prozessen der Herrschaftsbildung und den aufeinander folgenden, durch den gesellschaftlichen Wandel bedingten Verfassungswechseln des 13. und fru¨hen 14. Jahrhunderts. Die von Mailand und Perugia gegen das Reich und von Cremona mit Hilfe des Reiches betriebenen Expansions- und Besitzbildungsprozesse fanden ihren Niederschlag in den jeweiligen Wappen- und Zeichenbildungen der Kommunen. Ein Pluralismus der Fahnen und Wappen ist sehr fru¨h erkennbar. Neben den Wappen der sta¨dtischen Bezirke und Gesellschaftsgruppen, deren einfache Bilder ihre Herkunft von Fahnenbildern erkennen lassen, finden sich, wie im Falle Genuas, auch funktionalistisch bestimmte Unterscheidungen: Die Kommune verfu¨gte u¨ber eine rote Lehnsfahne, das dem Podesta` als Heerfu¨hrer zugeordnete Georgsbanner sowie schließlich die Flagge mit dem Georgskreuz, die die genuesischen Galeeren zeigten und die auf den Tu¨rmen der Orte, u¨ber die die Superba herrschte, gehißt wurden. Diese Vielfalt entsprach den Erfordernissen von Herrschaft, die mit den Mitteln symbolischer Kommunikation betrieben wurde und durch Handlungsorte, wie die in den Kirchen abgehaltenen Volksversammlungen, kommunal determiniert war. Das Beispiel der Herrschaftsu¨bernahme Genuas u¨ber Ventimiglia zeigt, welch elaborierte Willensbildungsverfahren einer Geste, wie dem Aufpflanzen der Genueser Fahne auf dem Kirchturm, vorausgingen. Die Regentschaft der Podesta`, die meist aus Familien der alten Konsulatsaristokratie stammten, manifestierte sich im Gebrauch ihres Familienwappens. Am Beispiel der Podesta` Genuas oder der Podesta`-Dynastie der Galluzzi ließ sich zeigen, wie in der Zeit um 1200 der Konnex von transpersonalen, oft „redenden“ Familiennamen und -wappen entstand. Diese Entwicklung stand im Einklang mit der Annahme solcher Identita¨tsbezeichnungen im u¨brigen Abendland, entsprach zugleich aber auch dem Anforderungsprofil der Kommune an ihr auswa¨rtiges Stadtoberhaupt. So wie man in den Ritterstand eintrat, um als Stadtoberhaupt amtieren zu ko¨nnen, begann man etwa seit dem letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts damit, ein Familienwappen zu fu¨hren. Dieses war nicht nur ein Ausweis fu¨r standesgema¨ße Herkunft und Qualifikation, sondern auch Herr-

¨ berlegungen und Ausblick 7.1 Abschließende U

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schaftsinstrument fu¨r den Podesta`, der das kommunale Heeresaufgebot anfu¨hrte oder gegen innersta¨dtischen Unfrieden vorzugehen hatte. Hatten sta¨dtisches Milieu und Kommune schon zuvor die Formierung der gesellschaftlichen ordines beeinflußt, so bestimmten sie in a¨hnlicher Weise die Annahme von Familienwappen7. Ersichtlich wird auch die andere Seite des gesellschaftlichen und politischen Zusammenwirkens: Der mit dem Wechsel der auswa¨rtigen Stadtoberha¨upter verbundene stete Wechsel ihrer in der Herrschaftspraxis eingesetzten Familienwappen, deren „Neutralita¨t“ gegenu¨ber den lokalen Faktionen erwu¨nscht war, ist ein charakteristisches Beispiel fu¨r die Nutzbarmachung eines lebensweltlichen Pha¨nomens fu¨r die Kommune. Gerade aus heraldischer Perspektive wird erkennbar, daß die besonders auffa¨lligen kommunalen Innovationen des ausgehenden 13. Jahrhunderts die vorausgegangene Verbreitung des Wappenwesens in der sta¨dtischen Gesellschaft sowie die in der Blu¨tezeit der Podesta`-Herrschaft entwickelten Gebrauchsformen voraussetzte. So ruhte die heraldische Neubezeichnung der Kommune durch den Popolo auf der a¨lteren Wehrverfassung der Sta¨dte auf. Es ist daher auch kein Zufall, sondern ein die Tradition nachvollziehender Ru¨ckschluß, daß Giovanni Villani nicht zu Beginn seiner Chronik auf die insegne per guerra ch’usava il Comune di Firenze zu sprechen kam, sondern diesen im Anschluß an seine Auflistung der 1250 neu gebildeten Wappen des Florentiner Primo Popolo ein Kapitel wid¨ berlieferung außergewo¨hnmete8. Ein im Vergleich mit der zeitgleichen U lich dichtes Bild der Kommune in der Wendezeit, in der sich das Wappenwesen voll durchgesetzt hatte und die Kommune aus Krisensituationen heraus seine Gestaltungsfa¨higkeit zu nutzen begann, bietet das Beispiel aus Todi. Die Zeugenaussagen aus dem Prozeß des Comazzo Galluzzi belegen, daß die Praxis des uniformen Wappentragens, die der Popolo spa¨ter ideologisch u¨berho¨hen sollte, bereits von den beroarii des Podesta` mit dessen Familienwappen geu¨bt wurde. Als im ausgehenden 13. Jahrhundert der Popolo zur dominierenden Kraft im politischen System der Kommune wurde, u¨bertrugen seine Funktiona¨re die zur Organisation der in die Tausende gehenden, immatrikulierten Popolaren angewandten Formen und Funktionen heraldischer Symbolik auf die Herrschaftspra¨sentation der Kommune. Von dem Wappengebrauch der Podesta` fu¨hren aber nicht nur Entwicklungslinien zum Wappenwesen des Popolo, sondern auch zu dem der Signoren, die meist aus Geschlechtern kamen, die Podesta` gestellt hatten. 7 Vgl. Keller, Adelsherrschaft; Ders., Adel. 8 Giovanni Villani, Nuova Cronica, VII 39–40, Bd. 1, S. 326–331.

502

7. Schluß

In den Analysen der Fallbeispiele, u¨ber die die Gesamtentwicklung der Interdependenzen zwischen Kommune und Wappenwesen herausgearbeitet wurde, hat sich das zugrundegelegte Modell der drei Bedeutungsebenen der heraldischen Symbolik bewa¨hrt. An ihm zeigte sich ebenso die grundsa¨tzlich gegebene Kompatibilita¨t der Heraldik in Italien zur Entwicklung des Pha¨nomens in anderen La¨ndern, wie aber auch die aus dem angesprochenen Zusammenwirken von Kommunikations- und Gemeinschaftsform resultierenden Eigenarten. Wappenbilder wie Kreuze, Lo¨wen oder Lilien finden sich in den italienischen Kommunen wie auch im u¨brigen mittelalterlichen Europa. Heraldisch bezeichnete Medien fanden auf beiden Seiten der Alpen im Kriegswesen oder in Symbolhandlungen, in denen Staatlichkeit inszeniert wurde, Verwendung. Aus dem unmittelbaren lebensweltlichen Gebrauch gezogen und sinnstiftend in neue narrative Gebilde gestellt wurden Wappen nicht nur in den Wappenrollen und Wappendichtungen der spa¨tmittelalterlichen Herolde, sondern etwa auch im Geschichtswerk des Matthew Paris. Die auf den Bedeutungsebenen erkennbaren Eigenarten, wie die ideologischen Wappenbilder des Popolo, die weitgehende Uniformita¨t oder die mit schriftgestu¨tzten Verfahren gekoppelten Fahneninvestituren sowie die Rezeption der Wappen als Symbolisierung der freien, durch Herkommen, Recht oder Mehrheitsentscheid legitimierten Herrschaftsgewalt der Kommune, werden wiederum versta¨ndlich, wenn man sie in der historischen Entwicklung sieht. Der Begriff der heraldischen Symbolik weist darauf hin, daß die Wappen in einem von symbolischer Kommunikation bestimmten Handlungsrahmen standen, in dem sich die Kommune konstituierte. Den For¨ berlieferungsproblem: scher konfrontiert diese Gegebenheit mit einem U Die sta¨dtischen Statuten geben kein „objektives“, den Vergleich untereinander ermo¨glichendes Bild der heraldischen Symbolik wieder. Viele Bereiche ihres Gebrauchs wurden nicht oder mit unterschiedlicher, aus aktuellen politischen Interessen hervorgegangener Schwerpunktsetzung verschriftlicht. Sta¨rker als in anderen La¨ndern war dieser Handlungsrahmen in der Sta¨dtelandschaft Ober- und Mittelitaliens von Gegensa¨tzen wie einem ausgepra¨gten Polyzentrismus und einer gleichzeitigen hohen Mobilita¨t der Akteure bestimmt. Die Kommunen des 12. und 13. Jahrhunderts sahen sich selbst und ihre Freiheiten durch u¨bergeordnete Herrschaftsordnungen legitimiert; am deutlichsten in der direkten Begegnung mit einem Kaiser, Kardinallegaten oder Anjou-Prinzen. Die Paduaner nannten ihren Carroccio nach einer Kaiserin, fu¨r die Cremonesen war die Investitur mit der Fahne des Kaisers von Bedeutung. Mit der zunehmenden Autonomie der großen Kommunen seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert a¨nderte sich auch ihre Herrschaftspra¨sentation,

¨ berlegungen und Ausblick 7.1 Abschließende U

503

sie wurde immer selbstbezogener. Das Stadtregiment, das als Obrigkeit immer mehr Lebensbereiche zu gestalten und zu kontrollieren begann, richtete die Wappenfu¨hrung der Gesellschaft auf die der Kommune aus und regierte nicht zuletzt u¨ber eine heraldische Bezeichnung, die in der Vergegenwa¨rtigung des Stadtwappens einen Unterschied zwischen Stadt und beherrschter, fremdbestimmter Landschaft schuf, sein Territorium. Die Wappen der Kirche, des Ro¨mischen Reiches oder der Anjou dominierten nicht auf Dauer die sta¨dtische Herrschaftspra¨sentation, sondern wurden in kommunale Wappenensembles integriert. Beruhte das hoch- und spa¨tmittelalterliche Wappenwesen auf so verschiedenen Grundlagen wie literarisch vermittelten antiken Traditionen, im Wandel befindlichen Handlungsformen symbolischer Kommunikation, bildhaftem Denken und nicht zuletzt der ganz pragmatischen Kennzeichnung von Waffen, so zeigen die untersuchten Beispiele außerdem, daß bereits im 12. Jahrhundert fru¨hheraldische Fahnenbilder als Mittel der Politik u¨berlegt gestaltet und gedeutet wurden. Sowohl die Maila¨nder Konsuln als auch die Florentiner Ratsherren waren mit den heraldischen Regeln vertraut und nutzten diese, um durch Brisuren eine varietas der Zeichen zu erzeugen, die aktuellen politischen Bedu¨rfnissen entsprach. Angesichts der Auffassung von der kommunikativen Beschaffenheit des vormodernen Wappens, wie sie in der modernen Soziologie und Anthropologie vorherrscht, scheint es besonders wichtig, dieses Ergebnis zu betonen. So ist das Wappen etwa bei Durkheim und Habermas ein Zeichen aus der europa¨ischen Vergangenheit, das sich am ehesten mit den Symbolisierungen von außereuropa¨ischen Stammesgesellschaften vergleichen la¨ßt. Als „Pala¨osymbol“ soll es der „Interaktionssteuerung“ in einer archaischen, ritualisierten „Signalsprache“ und damit der Vergesellschaftung und der Herstellung kollektiver Identita¨t gedient haben. Fu¨r Habermas, der in seiner Deutung des bei Durkheim vorgefundenen Hinweises auf das Wappen Erkenntnisse der Ethnologie und der Verhaltensforschung kombiniert, rangiert der angeblich vor-rationalistische Wappengebrauch ungefa¨hr auf der Ebene animalischer Kommunikationsleistungen9. Diese Interpretation legt den Schluß nahe, daß in der Lebenswelt des Deutenden Wappen und damit auch heraldisches Wissen keine Relevanz besitzen. Es besta¨tigt ebenfalls die aus Sicht der Geschichtswissenschaft gemachten Beobachtungen zur Marginalita¨t der Heraldik als traditioneller Hilfswissenschaft. Demgegenu¨ber hat gerade die Untersuchung des in den italienischen Stadtkommunen geu¨bten Wappenwesens gezeigt, wie sich ein Diskurs der heraldischen Symbolik entwickelte, an dem die 9 Habermas, Theorie, S. 87f. Vgl. oben Kapitel 1.1 zu Reichel, Schwarz-Rot-Gold.

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7. Schluß

unterschiedlichsten Akteure teilnahmen. Wappen wurden im Mittelalter gezielt gebildet, eingesetzt und gedeutet. Sogar gewaltbereite Reaktionen auf Wappen, wie sie deutsche Ritter im Italien des Trecento an den Tag legten, waren keine Instinkthandlungen, sondern folgten typischen, den gesellschaftlichen Anforderungen entsprechenden Verhaltensmustern des So¨ldnertums10. Die in den sta¨ndigen Kriegen, in den Krisen der Parteika¨mpfe, wie sie das Beispiel aus Todi aus der Nahperspektive gezeigt hat, sowie in der Organisation des Popolo und in der Herrschaftsintensivierung der Stadtregimenter gemachten Erfahrungen mit heraldischer Symbolik waren eine wesentliche Voraussetzungen dafu¨r, daß die kommunale Geschichtsschreibung und Literatur des Trecento Wappen als Thema entdeckte. Hatte die Geschichtsschreibung zuvor meist nur den Gebrauch der Medien verzeichnet, die zu Tra¨gern von Wappen geworden waren, so beschrieb und deutete sie nun auch die Wappenbilder. Am Beginn dieser Entwicklung stehen aber auch die Deutungen, die die Kommune Mailand oder Papst Innocenz III. den von ihnen kreierten Fahnen gaben. Diese dienten dem Geltendmachen eines Herrschaftsanspruches u¨ber ra¨umliche Distanz hinweg und bedurften deshalb der eindeutigen, in schriftlicher Form mitgegebenen Erkla¨rung im Sinne des abwesenden Oberherrn. Bezeichnenderweise verwiesen diese Texte noch nicht auf das heraldische Regelwerk als Referenz, sondern bewegten sich in ihrer Interpretation der Zeichen im Rahmen der Allegorese. Dies sollte auch ein Hauptstrang in der mittelalterlichen Wahrnehmung der heraldischen Zeichen bleiben, wie die Wappenbildungen des Popolo und Bernardinos von Siena erkennen lassen. Bei Geschichtsschreibern, wie dem Florentiner Giovanni Villani, finden sich jedoch auch Erza¨hlungen u¨ber reale oder imagina¨re Wappen, deren Versta¨ndnis ein heraldisches Wissen voraussetzte, wie es in anderen La¨ndern die Herolde besaßen. Bemerkenswert fru¨h ist die historiographische Ko¨nnerschaft des Annalisten, der in seiner Beschreibung der Genueser Flotte von 1242 alle Bedeutungsebenen heraldischer Symbolik anspricht. Er beschreibt die Wappenfahnen und nennt, ohne sich dafu¨r antikisierender Wendungen zu bedienen, ihre gleichermaßen organisatorischen wie auch symbolischen Funktionen. In der Gegenu¨berstellung von heraldisch aufgewerteter „Flottenparade“ und der Ru¨ckkehr im Gewitter entfaltete er ebenfalls in innovativer Weise das narrative Potential seines Gegenstandes. Villani und seine Kollegen, wie der namenlos gebliebene Chronist aus Siena, nutzten in a¨hnlicher Weise das in den Zeichen und ihren ritualisierten Gebrauchsformen liegende Potential, um 10 Vgl. Selzer, So¨ldner, S. 151ff.

¨ berlegungen und Ausblick 7.1 Abschließende U

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u¨ber sie Erza¨hlungen zu entwickeln, die mittelalterlichen Exempla entsprachen. Dieses Interesse an heraldischer Symbolik wurde von so verschiedenen Autoren des Trecento, wie den Geistlichen Opicinus de Canistris und Bonvesin da la Riva, dem Notar und Bu¨rgerhumanisten Albertino Mussato oder den Kaufleuten und Politikern Dino Compagni und Giovanni Villani geteilt. Es la¨ßt sich keiner bestimmten Tra¨gergruppe oder Gattung der Geschichtsu¨berlieferung zuweisen, sondern war allgemeiner Ausdruck der civilta` comunale des 14. Jahrhunderts. Sieht man von den weiblichen Heiligen und Tugendpersonifikationen einmal ab, wird in einigen Quellen sogar sichtbar, wie heraldische Symbolik in der „Ma¨nnerwelt“ des italienischen Mittelalters Frauen betraf. Die Kontraste sind hart: So suchten im Jahre 1214 die Verantwortlichen in Padua die zur Verteidigung der Minneburg in Treviso zu entsendenden Edelfra¨ulein auch nach ihrer Ansehnlichkeit aus. Von ihrem Auftreten, das zeigt das mitgefu¨hrte Markusbanner der Venezianer, hing die Ehre der Kommune ab. Nach einer a¨hnlichen Logik machten die heraldisch bezeichneten Repra¨sentanten der Kommune Florenz den Wo¨chnerinnen und Neugeborenen aus der sta¨dtischen Aristokratie ihre Aufwartung. (Taf. 7) Sittsam verhu¨llt knien dagegen die Frauen der Sieneser Bu¨rger auf Sano di Pietros Bild auf der Piazza del Campo, um in der ¨ ffentlichkeit den Prediger zu ho¨ren und zu sehen. (Taf. 8) In einem AusO nahmefall aus den Florentiner Statuten des 14. Jahrhunderts erfahren wir aber auch von Ba¨ckerinnen aus dem Volke, deren Arbeit der kommunalen Kontrolle unterlag, die jedoch ihren Namen als Umschrift um die Wappenlilie ihres Brotstempels setzten. Es fa¨llt nicht schwer, die Bereiche zu benennen, denen sich die Forschung im Anschluß an die hier vorgelegten Untersuchungen zuwenden ko¨nnte. Die erstmalige systematische Beschreibung der Erforschungsmo¨glichkeiten des Gegenstandes durch Eugenio Dupre` Theseider hat nach wie vor Gu¨ltigkeit11. Da sich die Erfassung des Wappenwesens durch die Schriftkultur der mittelalterlichen Stadtkommunen Italiens keiner bestimmten Gattung zuweisen la¨ßt und jede Stadt, bei prinzipiellen und verbindenden Gemeinsamkeiten, einen Sonderfall in Geschichte und ¨ berlieferung darstellt, sind die in dieser Arbeit diskutierten Beispiele um U Material aus anderen Stadtkommunen erweiterbar. Mo¨glicherweise finden sich durch Zufallsfunde in den Archiven in Zukunft a¨hnliche Quellen zur heraldischen Symbolik in den Kommunen wie die Prozeßakten aus Todi. Aufgrund der Fragestellung, die von der kommunalen Verfas-

11 Dupre` Theseider, Stemmi.

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7. Schluß

sung ausging, sind in dieser Arbeit die Sta¨dte des italienischen Su¨dens ausgeklammert geblieben. Ihre im Mittelalter angenommenen und gefu¨hrten Wappen im Vergleich mit denen des Nordens, aber auch im Kontext der gesellschaftlichen und politischen Strukturen der Ko¨nigreiche Sizilien und Neapel zu untersuchen, wa¨re ein ebenso dringendes Forschungsdesiderat wie die Erstellung eines gema¨ß moderner Fragestellungen geschrie¨ berblicks zur italienischen Heraldik des Mittelalters12. Dies entbenen U spra¨che auch der gegenwa¨rtigen Richtung der Forschung, die die zahlreichen Kontakte und Verbindungen zwischen den „beiden Italien“ gegenu¨ber den Differenzen betont13. Ebenso ließe sich das Thema zeitlich u¨ber das 14. Jahrhundert hinaus ausweiten. Die heraldische Symbolik der Kommunen, die ja erheblich von der der ihr u¨bergeordneten Herrschaftsinstanzen und der Wappenfu¨hrung ihrer Aristokratie profitierte, bot in vielen Kommunen des ausgehenden 13. Jahrhunderts der Signorie einen Anknu¨pfungspunkt zur Entwicklung einer eigenen heraldischen Repra¨sentation. So wie die zu Herrscherdynastien werdenden Signorenfamilien alte lehnsrechtliche Bindungen an das Reich oder die Institutionen eines kaiserlichen oder pa¨pstlichen Vikariates zur eigenen Herrschaftslegitimation aktivierten, eigneten sie sich auch die mit den Titeln verbundenen Wappen an. Die von ihnen in den Hintergrund gedra¨ngten alten kommunalen Wappen standen so zeitweise im Kontext einer Repra¨sentation, die Anschluß an die fu¨rstliche Wappenfu¨hrung des transalpinen Abendlandes suchte14. Diese kommunale Wappenfu¨hrung unter der Signorie, wie auch die Weiterentwicklung heraldischer Zeichen in Konfrontation mit ihr, wie dies die Florentiner Kommune in ihren Auseinandersetzungen mit den Signoren der Lombardei und Toskana betrieb, wa¨re ein lohnendes Thema fu¨r weitere Untersuchungen. Schließlich sei auch auf die Vera¨nderungen des 15. Jahrhunderts hingewiesen, die die italienische Heraldik betrafen und die sie sta¨rker in Kontakt mit den Entwicklungen im u¨brigen Europa brachten. Auf der Ebene der Zeichen war dies die Ausweitung des Gebrauchs der imprese, der komplexen, in freier Form und Vielzahl gefu¨hrten Wort- und Bilddevisen, der die traditionelle, an den Schild gebundene Wappenfu¨hrung u¨berlagerte15. Er ging in Richtung der fru¨hneuzeitlichen Emblematik, wie sie in Italien vor allem die zahlreichen Akademien pflegten16. In Kommunen wie Florenz wurde im 15. Jahrhun-

12 13 14 15 16

Vgl. aber Il Villani illustrato. Vgl. Abulafia, South; Michalsky, Memoria. Vgl. Weber, Formation; Ders., Exempla; Ders., Sprache. Vgl. Cambin, Rotelle. Weber, Heraldry; Brucker, Florence, S. 224f.

7.2 Zusammenfassung

507

dert auch das Heroldsamt eingefu¨hrt, um das „internationalen“ Standards zu genu¨gende Zeremoniell zu bewa¨ltigen17. Erst von diesem Zeitpunkt an la¨ßt es sich mit dem professionalisierten Heroldswesen der westeuropa¨ischen Monarchien vergleichen18. Die Omnipra¨senz der Wappen in einer oberdeutschen Stadt des Spa¨tmittelalters, die der bei Hofe an die Seite zu stellen ist, hat Werner Paravicini in einer aus zahlreichen Einzelbelegen gebildeten „historischen Fiktion“ eindru¨cklich vor Augen gefu¨hrt19. Fo¨rderte der Versuch, Gleiches fu¨r eine Stadt in Ober- und Mittelitalien zu zeigen, sicherlich eine a¨hnliche Fu¨lle zutage, so wu¨rden dem Leser doch auch die Unterschiede in dem Maße augenfa¨llig werden, wie dem Reisenden, der die in Bern, Windsor und Florenz erhaltenen Zeugnisse mittelalterlicher Heraldik betrachtet. Daß die heraldische Symbolik der italienischen Stadtkommunen nicht von der Gesamtentwicklung des abendla¨ndischen Wappenwesens zu trennen ist, sich in ihren ausgepra¨gten Eigenarten jedoch als das singula¨re Ergebnis eines Entwicklungsprozesses erweist, in dem die Kommunen nicht nur die herrschaftliche Kontrolle u¨ber die Kommunikationsform u¨bernahmen, sondern auch eigene Wappenbilder und Gebrauchsformen entwickelten, hoffe ich mit meinen Untersuchungen gezeigt zu haben. Die angesprochenen Anknu¨pfungspunkte, von denen aus sich das Thema weiterfu¨hren la¨ßt, betreffen die Geschichte der italienischen Kommunen ebenso, wie Fragen nach der Organisation und Pra¨sentation von Herrschaft in der Vormoderne, der symbolischen Kommunikation oder der Sinnstiftung in Wahrnehmung und Wissen. Eine noch ausstehende Geschichte der heraldischen Symbolik im europa¨ischen Vergleich wird den Sonderfall der italienischen Stadtkommunen nicht umgehen ko¨nnen.

7.2 Zusammenfassung: Heraldische Symbolik in italienischen Stadtkommunen des Mittelalters Mit dem heraldischen Zeichengebrauch und der italienischen Stadtkommune untersucht die Dissertation zwei genuin mittelalterliche Pha¨nomene, die im selben Zeitraum entstanden und ihre Blu¨tezeit erlebten. Sie stellt die Frage, ob und wie sich die auf visuellen Zeichen basierende Kommunikationsform und die politische Gro¨ße in ihrer Entwicklung wechselseitig beeinflußten. Gab es in Italien eine eigene kommunale Heraldik und 17 Trexler, Libro Ceremoniale. 18 Kruse, Herolde; Mu¨ller, Boten, mit weiterer Literatur. 19 Paravicini, Gruppe, S. 327–339.

508

7. Schluß

wenn ja, worin bestanden ihre Besonderheiten? Welchen Beitrag leistete sie zur historischen Entwicklung der Kommunen? Untersucht wird dies im Handlungsfeld der symbolischen Kommunikation, in dem sich beide Pha¨nomene begegneten. Die Gru¨nde dafu¨r, daß sich die Forschung bisher kaum mit diesem Thema bescha¨ftigt hat, sind sowohl in den Fachgrenzen, der Geschichte und den Fragestellungen der historischen und hilfswissenschaftlichen ¨ berlieferung selbst angelegt. So stellt fu¨r die Disziplinen, als auch in der U heraldische Forschung die Entwicklung in den westeuropa¨ischen Reichen des Spa¨tmittelalters meist der Regelfall dar, in denen das institutionalisierte Heroldswesen ein eigenes Schrifttum, wie die Wappenrollen, produzierte. Der Polyzentrismus und die politische Verfaßtheit der in dieser Arbeit untersuchten Sta¨dtelandschaften Italiens ließen allerdings weder ¨ berlieferung entstehen noch erlauben sie einen auf eine vergleichbare U eine einzelne Quellengattung, wie beispielsweise die kommunalen Statuten, beschra¨nkten Vergleich zwischen den einzelnen Sta¨dten. Auch wenn sich aufgrund der gemeinsamen Entwicklung der kommunalen Schrift¨ berlieferung der einzelnen Stadtkommunen meist a¨hnelt, kultur die U so ist dies doch kein Gewa¨hr dafu¨r, daß das in der Lebenswelt dieser Gemeinschaften pra¨sente Pha¨nomen kontinuierlich, gattungs- und sta¨dteu¨bergreifend verschriftlicht worden ist. Stattdessen begegnen heraldische Zeichen und ihr Gebrauch fast nur in ganz spezifischen, oft singula¨¨ berlieferungen in den Schriftquellen. Wie auch im u¨brigen Abendren U land gingen diese erst dann ausfu¨hrlicher auf das Pha¨nomen ein, als es bereits fest etabliert war, so daß wir u¨ber seine Entstehung und Verbreitung kaum etwas wissen. Erho¨hte seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert die Relevanz, die die heraldische Symbolik inzwischen in Gesellschaft und ¨ berlieferungschance, so Politik der Stadtkommunen erlangt hatte, ihre U bedurfte es oft noch des perso¨nlichen Interesses eines Giovanni Villani oder Bartolo da Sassoferrato oder den Anlaß eines Konfliktes, um sich des Pha¨nomens in schriftlicher Form zu vergewissern. ¨ berlieferungssituation notwendig gewordene Das durch diese U methodische Vorgehen unterscheidet sich von dem, das die traditionelle ¨ berliefeHeraldik in der deskriptiven Aufarbeitung der materiellen U rung entwickelt hat. Hier bescha¨ftigte sie die Identifizierung einzelner Wappen und ihre Einordnung in eine nach Beschreibungskategorien ¨ ber diese grundlegende Aufgabe der Moderne gebildete Systematik. U hinaus hat die klassische Hilfswissenschaft jedoch seit geraumer Zeit kaum Anteil am aktuellen Diskurs der historischen Forschung. Als wegweisende Ausnahmen in der a¨lteren Forschung, denen sich diese Arbeit verpflichtet fu¨hlt, sind die Studien von Carl Erdmann zu den

7.2 Zusammenfassung

509

Fahnen und Wappen des Ro¨mischen Reiches und der Ro¨mischen Kirche, ¨ berblick Eugenio Dupre` Theseiders zum der nach wie vor gu¨ltige U Wappenwesen der italienischen Kommunen sowie die Arbeiten Richard C. Trexlers zum o¨ffentlichen Fahnengebrauch im spa¨tmittelalterlichen Florenz zu nennen. Fu¨r die deutsche Media¨vistik la¨ßt sich zudem eine Zuru¨ckhaltung gegenu¨ber einem Thema konstatieren, das durch seine Mißbrauchsgeschichte wa¨hrend des 20. Jahrhunderts belastet ist. In der italienischen ¨ berlieferungslage einer Forschung hat die angesprochene schwierige U Sichtweise Vorschub geleistet, die die Kultur der Stadtkommunen scharf von dem sie umgebenden mondo feudale abgrenzte. Das Wappenwesen wurde als Teil der ho¨fisch-ritterlichen Adelskultur begriffen, die von Einzelnen und Familien gelebt wurde, der jedoch das Kollektiv der Stadtbu¨rger entgegengestanden ha¨tte. Demgegenu¨ber argumentiert diese Arbeit, daß sich gerade am Beispiel des Zeichengebrauchs in den Kommunen zeigt, wie sehr diese von den a¨lteren, sich ebenfalls weiterentwickelnden Herrschafts- und Lebensordnungen gepra¨gt waren, ohne freilich in ihnen aufzugehen. Daher hatten die italienischen Kommunen von Anfang an und in einem viel sta¨rkeren Ausmaß als die Sta¨dte no¨rdlich der Alpen einen eigenen Anteil an der Ausgestaltung heraldischer Zeichen und an den vielschichtigen Bedeutungszuschreibungen in kommunikativen Situationen. Fu¨r die Kommunen, die sich gerade auch als Gemeinschaften mit starken, historisch fundierten Identita¨ten verstanden, weil sie gezwungen waren, ihre Verfassung stetig neu zu bestimmen, sich in inneren und a¨ußeren Konflikten zu behaupten und andere von ihrer Gemeinschaft auszuschließen, waren Wappen ambivalente Zeichen der Ordnung wie der Krise. Die vorliegende Arbeit untersucht das kommunale Wappenwesen im engeren Sinne und beru¨cksichtigt andere heraldische Zeichen, wie die Familienwappen, nur dann, wenn sie im Dienst der Kommune zur Geltung gebracht wurden. Auch versteht sie sich weniger als hilfswissenschaftliche denn als historische Arbeit, die die Belege fu¨r und den Umgang mit dem Pha¨nomen in den Quellen aus der reichen Schriftkultur der Kommunen untersucht. Mo¨glich ist dies, wie gesagt, nur in Form von Fallstudien, die den Leser an verschiedene Orte des historischen Prozesses fu¨hren und in der Verbindung von exemplarischer und komparatistischer Beispielanalyse den jeweiligen Sitz im Leben zu rekonstruieren suchen, in dem die Zeichen standen. Dabei kommt es dem Bemu¨hen des Forschers, sich die Bedeutungen u¨ber die historischen und kommunikativen Kontexte zu erschließen, entgegen, daß sich die mittelalterlichen Verfasser in der Regel mehr fu¨r diese als fu¨r die Wappenbilder selbst interessierten.

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7. Schluß

Richtschnur in der Verfolgung der Ausgangsfrage nach den Interdependenzen zwischen der Entwicklung von Kommune und Wappenwesen ist dabei die zugrunde gelegte idealtypische Verfassungsentwicklung der italienischen Stadtkommune vom fru¨hen 12. bis ins 15. Jahrhundert, die mit charakteristischen Formen des Gebrauchs und der Deutung von Wappen korrespondierte. Mit der symbolischen Kommunikation fokussiert die Untersuchung einen Bereich, der Wappenwesen und Kommune miteinander verband. Denn Herrschaft und Politik wurden im Mittelalter zeichenhaft, mittels Gesten und Ritualen betrieben. Die Wappen, zuna¨chst Zeichen der Ma¨chtigen, entstanden neben dem Kriegsgeschehen vor allem in diesen Kontexten und wurden fu¨r die Kommunen als Herrschaftstra¨ger relevant. Auf diesem Wege versucht die Arbeit außerdem das Problem, daß die Schriftquellen meist keine detaillierten Beschreibungen der Wappenbilder bieten, dafu¨r aber auf ihr Umfeld eingehen, in einen Vorteil zu verwandeln. Statuten, Urkunden und Geschichtsschreibung, von der traditionellen Heraldik in dieser Hinsicht kaum beachtet, dokumentieren verschiedene Gebrauchskontexte und Bedeutungszuschreibungen fu¨r heraldische Zeichen, anhand derer sich ein historischer Prozeß rekonstruieren la¨ßt. Auch thematisieren sie es in ihren eigenen Perspektiven und betonten daher bestimmte Bereiche, etwa mit aktueller politischer Darstellungsabsicht, schrieben vor oder schmu¨ckten narrativ aus. So gerieten gerade im kommunalen Italien Wappenbilder meist als in Aktionen begriffene Fahnenbilder in den Blick, weshalb bereits Eugenio Dupre` Theseider es naheliegend fand, von dem kommunalen Wappenwesen als einem Fahnenwesen zu sprechen. Anregungen der Neuen Kulturgeschichte zu historischen Sinngebungsprozessen und Formen des vormodernen Zeichenversta¨ndnisses folgend, geht die Untersuchung davon aus, daß auch heraldische Zeichen nicht gema¨ß moderner Kategorien und Systemlogiken zu verstehen sind, ¨ hnlichkeit und sondern von mittelalterlichen Prinzipien wie Offenheit, A Varieta¨t gepra¨gt waren. Die Offenheit des heraldischen Fachdiskurses ist sogar als ein Charakteristikum des kommunalen Italien zu werten, wo das professionalisierte Heroldswesen der europa¨ischen Fu¨rstenho¨fe erst in der Fru¨hrenaissance Fuß fassen konnte und die Verfu¨gung u¨ber beziehungsweise Beschreibung von Wappen lange Zeit Angelegenheit von Bu¨rgern und kommunalen Amtstra¨gern blieb. Durch die Einfu¨hrung des Begriffs der heraldischen Symbolik wurde den Zusammenha¨ngen zwischen der Zeichenstruktur eines Wappens, seinem Tra¨germedium und seinem Sitz im Leben Rechnung getragen. Fu¨r die Quellenanalyse la¨ßt sich diese Vielzahl an Bedeutungen vorrangig auf

7.2 Zusammenfassung

511

drei Ebenen anordnen: der Ebene der visuellen Zeichen, der Ebene ihrer Tra¨germedien, sowie der Ebene gro¨ßerer, eigengesetzlich-narrativer Sinnstrukturen, in die diese Zeichen in ihren medialen Formen und Handlungskontexten integriert wurden. Die Interpretationsmo¨glichkeiten auf den einzelnen Ebenen sowie die Ru¨ckschlu¨sse, die sich aus dem Versta¨ndnis des Zeichengebrauchs auf der einen Ebene fu¨r den auf den anderen Ebenen ergeben, illustriert ein Beispiel aus Siena. In Ambrogio Lorenzettis Fresko mit der Allegorie der Guten Regierung ist eine Gruppe Fußsoldaten dargestellt. Sie tragen Schilde mit dem Wappen des Sieneser Popolo. Die Symbolik des Wappenbildes, das einen silbernen, goldbekro¨nten Lo¨wen in rotem Feld zeigt, ist an sich anikonisch. Ihr Gehalt erschließt sich durch das Heranziehen von Schriftquellen. Die Darstellungsweise, dies zeigt der Vergleich mit dem Wappentraktat des Bartolo da Sassoferrato, entsprach den Regeln der Wappenkunst und ließ den positiven Symbolwert des Tieres im mittelalterlichen Imaginarium hervortreten. Die Beliebtheit von Wappentieren und ihre Wahrnehmung als Unterscheidungszeichen besta¨tigen auch Quellen aus anderen Sta¨dten. So unterschied man in der kommunalen Registratur oftmals die Sektionen durch ihre Bezeichnung nach Symboltieren. Die Uniformita¨t in Bewaffnung und Wappenfu¨hrung der Gruppe, dies zeigt der Vergleich mit kommunalen Statuten, war ebenfalls positiv besetzt. Sie war ein Charakteristikum der Waffengesellschaften des Popolo und diente sowohl praktischen Organisationserfordernissen als auch der bildhaften Durchsetzung des Ideals der innersta¨dtischen Friedenswahrung. Das Wappenbild besaß schließlich auch als Teil der Gesamterza¨hlung des Freskos und der zeitgleich entstandenen Geschichtsu¨berlieferung Bedeutung. Die Sieneser Chronistik verband das Beizeichen der Krone u¨ber dem Haupt des Lo¨wen mit einer angeblichen Verleihung durch Kaiser Otto IV. Sie setzte damit die im 14. Jahrhundert aktuelle Praktik der Wappenbesserung als narratives Muster ein, um das lokale Wappen in u¨bergreifende Ordnungen zu integrieren, ihm eine historische Tiefendimension zu verleihen und die Ehre der von ihm repra¨sentierten Institution zu mehren. Ein als Herrschaftszeichen der Kommune eingesetztes Wappen wurde so in allegorische Identifikations- und Geschichtsbilder einbezogen, von denen sich die politische Elite Sienas in ihrer Kommunikation mit den eigenen Bu¨rgern wie mit dem Kaiser leiten ließ. Im Zusammenwirken der Verweise auf die mit Wappenbildern verbundenen Wertvorstellungen, seine lebensweltliche Funktionalita¨t und die mit ihm verbundenen Geschichten und Imaginationen symbolisierte das Wappen des Popolo von Siena die Geltung einer vorbildlichen Herrschaftsordnung.

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7. Schluß

Das ebenfalls als Beispiel zur Entwicklung des Interpretationsmodells untersuchte Familienwappen der Maila¨nder Capitanenfamilie der De Pusterla zeigt die Bedeutung der bereits bestehenden Geschichtsu¨berlieferung fu¨r die Erfindung und narrative Ausgestaltung heraldische Traditionen durch Chronisten des 14. Jahrhunderts auf. Die urkundlich, historiographisch und mu¨ndlich im kollektiven Geda¨chtnis pra¨sente Erinnerung an die herausragende Rolle des Guilielmus de Pusterla in der oberitalienischen Politik um 1200, die zu seiner Belehnung durch den Kaiser fu¨hrte, erga¨nzten spa¨tere Verfasser wie Galvano Fiamma durch die Ableitung und Deutung des Familienwappens aus der symbolischen Interaktion zwischen Kaiser und Podesta`. Das Beispiel zeigt, wie das Pha¨nomen Heraldik in einen Diskurs kommunaler Geschichtsu¨berlieferung integriert und dadurch zum Darstellungsgegenstand der Geschichtsschreiber wurde, um Ordnungsvorstellungen zu reflektieren. Ein gerade im kommunalen Italien zu beobachtender pragmatischer Umgang mit Wappen regt aber auch dazu an, Charakteristika des Wappengebrauchs in der civilta` comunale im Verha¨ltnis des instrumentellen zum symbolischen Wappengebrauch auszumachen. So war mit einem Parteiwechsel oder Herrscheradventus oftmals ein mehrfacher Wechsel der im o¨ffentlichen Raum der Stadt gezeigten Wappen verbunden. Dies konnte wa¨hrend des Konfliktaustrags ausgehandelt oder in der Volksversammlung zur Abstimmung gestellt werden. Novellisten und Chronisten des Spa¨tmittelalters bemerken außerdem die Schlauheit von Akteuren, die sich in ihrer Wappenfu¨hrung gerade nicht gesellschaftlich determinierten Handlungsschemata unterwarfen. Nach der Einleitung widmet sich das zweite Kapitel der Arbeit dem Hineinwachsen heraldischer Symbolik in Handlungs- und Bedeutungskontexte symbolischer Herrschaftspra¨sentation wa¨hrend des langen 12. Jahrhunderts. Das dominierende Medium, u¨ber dessen Gebrauch heraldische Symbolik Eingang in die Herrschaftspraxis der im selben Zeitraum politisch autonom werdenden Stadtkommunen fand, war die Fahne. Durch den hochmittelalterlichen Wandel, der zu einem grundsa¨tzlichen Versta¨ndnis der gesellschaftlichen und politischen Ordnungskonfigurationen fu¨hrte und einzelne Formen symbolischer Kommunikation einer Verrechtlichung unterwarf, erhielt auch die heraldisch werdende Fahne als Medium eine neue Qualita¨t. War sie zuvor meist ein u¨ber die Zuordnung zu ihrem Besitzer bestimmtes, multifunktional einsetzbares Unikat, so erhielt sie u¨ber die Festlegung ihres Bildes eine neue, ihre Bedeutung steigernde Dimension. Im Ritual des Triumphes wurden Fahnen auf den Mauern einer eingenommenen Stadt oder Burg aufgepflanzt, im Ritual der Investitur wurden Vasallen und Amtstra¨ger mit ihnen in ihre

7.2 Zusammenfassung

513

ku¨nftigen Amtsbereiche eingewiesen. Fallstudien zeigen, wie sich erste Wappenbilder aus den fu¨r die fru¨he Kommune relevanten Fahnenbildern entwickelten. Die Symbolik dieser Zeichen wurde nicht als ein geschlossenes, der Heraldik zugewiesenes System verstanden, sondern war „offen“. Die mittelalterlichen Akteure gebrauchten die Fahnenbilder in sich verfestigenden Verfahren politischer Kommunikation, u¨berho¨hten sie aber zugleich durch Deutungen in einem weiten Kontext christlicher Ikonographie. Exemplarisch sichtbar wird dies in der Restituierung der 1155 durch Barbarossa zersto¨rten Kommune Tortona durch Mailand mittels dreier, in der Volksversammlung u¨bergebener und in einem Brief gedeuteter civilia signa: einer Busine, einem Siegel und einer fru¨hheraldischen Fahne. Die in Konflikt wie Konsens wirkma¨chtige Na¨he zur Symbolik der Universalgewalten von Kaiser und Papst zeigt der Fall Cremonas, das 1195 durch Heinrich VI. mit der erstmals eingehender beschriebenen Kreuzfahne des Reiches belehnt wurde und diese auch spa¨ter als Sachwalterin des Reiches fu¨hrte. Diese Fahnenu¨bergaben standen in Traditionen aus vorheraldischer Zeit und waren zugleich Demonstrationen mit aktueller politischer Zielsetzung. Die gerade in Italien fru¨h belegte heraldische Symbolik des Reiches besaß Schrittmacherfunktion und sollte auch in den kommenden Jahrhunderten in den Kommunen und von den Kommunen pra¨sent gehalten werden. Auch wird das Bestreben hegemonial agierender Stadtkommunen wie Mailand und Genua greifbar, die von ihnen geschaffenen Herrschafts- und Abha¨ngigkeitsverha¨ltnisse im Zeichengebrauch wie in den Zeichen selbst zu visualisieren. Genua bediente sich einer roten Fahne als Belehnungssymbol. Sie war, wie Vergleiche nahelegen, vorheraldischen Charakters und in ihrer Bedeutung prima¨r ein Handlungssymbol. Des Weiteren fu¨hrte die Superba ein ihrem Podesta` zugeordnetes, in seiner Bedeutung dem Carroccio gleichkommendes Banner mit dem Bild des heiligen Georg sowie Fahnen mit dem dann zum Stadtwappen werdenden heraldischen Georgskreuz. Die Rechtsverbindlichkeit der mit dem Tra¨germedium durchgefu¨hrten Handlungen u¨bertrug sich auch auf die Wappenbilder. Sie betraf u¨ber den Komplex des in der rituell gepra¨gten Kriegsfu¨hrung und Herrschaftspraxis angewandten Kriegs- und Lehnrechtes hinaus Bereiche wie Ehre und Schande, Besitz- und Herrschaftsverha¨ltnisse. Der Herrschaftsbildung und Ausdifferenzierung politisch bestimmter Ra¨ume entsprach die Bildung fru¨hheraldischer Zeichensysteme. Neben dem Verha¨ltnis zu Kaiser und Papst fungierte die Ausbildung einer Wehrordnung als ein weiteres Feld, in dem heraldische Symbolik entstand: Die einzelnen Viertel und Korporationen der Stadt erhielten Wappenfahnen, die sich auf das kommunale Hauptbanner bezogen. Neben den Wappen kamen auch paraheraldische, teilweise auf den glei-

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7. Schluß

chen Tra¨germedien wie den Siegeln gebrauchte Tiersymbole der Kommunen auf: Der Markuslo¨we Venedigs und die Lo¨wen von Cremona und Florenz (marzocco), die ro¨mische und die Sieneser Wo¨lfin, der Genueser Greif, der Adler Pisas oder der Bulle von Parma. Grundlage des dritten Kapitels ist eine bisher unedierte Akte mit Zeugenaussagen aus dem Gerichtsprozeß, den der 1268 aus Todi vertriebene Podesta` Comazzo Galluzzi gegen die Kommune fu¨hrte. Aufgrund einer ¨ berlieferung kann hier die Situation in einer repra¨sentativen gu¨nstigen U Stadtgemeinde an einem Punkt in den Blick genommen werden, dem Scharnierfunktion in der Entwicklung von Kommune und heraldischer Symbolik zukommt. In einer dichten Beschreibung, die die meisten narrativen und normativen Quellen der Zeit vermissen lassen, schildern die Zeugen, allesamt Familiaren des Bologneser Podesta`, die Ta¨tigkeit des Stadtregimentes sowie den Konflikt zwischen Guelfen und Ghibellinen der zum Machtwechsel fu¨hrte. Die aussagenden Notare und iudices waren spa¨ter auch an der Errichtung der Herrschaft des Popolo in Bologna beteiligt, dessen Statuten in die toskanischen Sta¨dte vermittelt wurden und dort zur Ausbildung der im vierten Kapitel untersuchten heraldischen Symbolik des Popolo beitrugen. In der Quelle werden drei Komplexe heraldischer Symbolik zur Sprache gebracht: Das im Berufungsverfahren des Podesta` eingesetzte Wappensiegel der Kommune, sein Familienwappen, das in der Ausu¨bung des Stadtregiments Verwendung fand, sowie die im Konflikt gefu¨hrten und im Triumph auf den Kommunalpala¨sten aufgepflanzten Wappenfahnen der siegreichen Ghibellinen. Das heraldische Wissen der Zeugen erweist sich dabei als Teil ihres beruflichen Funktionsgeda¨chtnisses. Herrschaftsordnung und Aufruhr in Todi ko¨nnen Beispielfunktion fu¨r die kommunale Kultur der spa¨ten Stauferzeit beanspruchen. Dies gilt exemplarisch fu¨r das zu Beginn des 13. Jahrhunderts entstandene Ensemble von Kommunalpalast und Piazza, mit dem sich die Kommune einen eigenen o¨ffentlichen Herrschafts- und Handlungsort geschaffen hatte, der Formen des Wappengebrauchs sowie den Konfliktverlauf selbst vorbestimmte. Vor dem Hintergrund der in der kommunalen Schriftkultur dominierenden Notariatsurkunden sticht die symbolische Bedeutung des sta¨dtischen Wappensiegels, hier belegt als Repra¨sentant der Stadtgemeinde und Beglaubigungszeichen der zur Einholung des Podesta` entsandten Gesandschaft, hervor. Erkennbar wird, daß die Wappenbilder von Kommune, Podesta` und politischen Parteien inzwischen auf den wichtigsten Medien der politischen Kommunikation, Siegel, Fahnen oder Waffen, pra¨sent waren. So ließ der Podesta` die Defensivwaffen der unter seinem Kommando stehenden Wachen und Stadtknechte mit seinem Familien-

7.2 Zusammenfassung

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wappen bemalen. Dieses redende Wappen du¨rften die Galluzzi etwa zwei Generationen zuvor zeitgleich zur professionellen Ausu¨bung des auswa¨rtigen Podestariates u¨bernommen haben. Es war ein in der Wechselwirkung von kommunaler und heraldischer Entwicklung entstandener Standes- und Eignungsausweis der ritterlichen Amtstra¨ger. In symbolischer wie pragmatischer Hinsicht brachte es ihre Neutralita¨t zum Ausdruck, da es sich in den Wappengebrauch ihres Einsatzortes einfu¨gte ohne durch die mit den lokalen Zeichen verbundenen Loyalita¨ten und Rivalita¨ten bestimmt zu sein. Die Uniformita¨t, in der dieses Wappen eingesetzt wurde, la¨ßt den im folgenden Kapitel untersuchten uniformen Wappengebrauch des Popolo als Weiterentwicklung einer bereits in der Podesta`Kommune ga¨ngigen Praxis erscheinen. Angesichts des steten Wechsels der Stadtregimenter sowie der eigens fu¨r Kriegszu¨ge ausgeru¨steten Kontingente erwies es sich als praktisch, die Waffen uniform mit Wappenbildern zu bemalen. Die Maler benutzten dazu Schablonen. Der Podesta` und das ihm zugeordnete Stadtbanner, das meist das Bild des Stadtpatrons trug, repra¨sentierten die Kommune in Krieg und innersta¨dtischem Aufruhr. In den Statuten von San Gimignano heißt es denn auch explizit, daß die Kommune im Konflikt dort sei, wo der Podesta` und das Banner stu¨nden. Auch hier knu¨pfte die spa¨tere, von der Forschung als revolutiona¨r diskutierte Symbolik des Popolo, wie im Fall der statutarischen Bestimmungen u¨ber das Zeigen des gonfalone della giustizia in Florenz, offenbar an Praktiken aus der Blu¨tezeit des Podestariates an. Im untersuchten Beispiel aus Todi wurde dieses Signal durch die Fahnen der Parteien herausgefordert. Die Ghibellinen Todis fu¨hrten eine Fahne mit dem Bild eines schwarzen Adlers in Weiß, das die Zeugen als Wappen Konradins benannten. Mit den Stadtrechnungen von San Gimignano und einem Fresko aus Massa Marittima liefern sie damit die fru¨hesten Belege fu¨r das Wappen der letzten Staufer als Ko¨nige von Sizilien. Dieses ist eine Brisur des Adlerwappens des Reiches, mit dem es die a¨ltere For¨ berlieferungsproschung oft verwechselt hat. Es ist bezeichnend fu¨r die U blematik, daß wir u¨ber die heraldische Symbolik der im Aufruhr unterlegenen Guelfen und des Popolo von Todi nichts erfahren. Daß die kommunale Herrschaftsordnung durch ein ganzes Ensemble von Wappen – von denen sich einige als Parteizeichen gegenseitig ausschlossen – repra¨sentiert wurde, sollte auch in der Folgezeit Gu¨ltigkeit haben. Der in dem Beispiel aus Todi aufscheinende Schritt in der Verfassungsentwicklung zur Verobrigkeitlichung des durch den Popolo, eine Adelsgruppe oder einen Signoren dominierten Stadtregimentes wird im vierten Kapitel na¨her betrachtet. Sie betraf viele Formen und Funktionen heraldischer Symbolik, die im Italien des Spa¨tmittelalters ebenso wie im u¨bri-

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7. Schluß

gen Abendland zu einem omnipra¨senten, nahezu universell einsetzbaren Kommunikationsmedium geworden war. Macht a¨ußerte sich als Mo¨glichkeit, Menschen, Medien und Ra¨ume heraldisch bezeichnen zu ko¨nnen. Aus der heraldisch bezeichneten Wehrordnung der Kommune, so zeigen etwa Beispiele aus Genua, Florenz und Prato, entwickelten sich im Verlauf des spa¨teren Mittelalters regelrechte heraldische Systeme, deren Ordnung die der Kommune visualisierte. Gerade die neuen Wappen des Popolo verwendeten eine religio¨se Bildersprache, die den „ideologischen“, mit Werten wie Gerechtigkeit und Frieden verknu¨pften Anspruch dieser Gruppe zum Ausdruck bringt. Gleichzeitig dienten sie, oft u¨ber die Bildung von Kombinationen aus den Stadtfarben und Beizeichen ¨ hnlichkeit und Uniformita¨t, der Organisation nach den Prinzipien der A der kommunalen Waffengesellschaften, so daß an ihnen exemplarisch der offene, multifunktionale Charakter der heraldischen Symbolik des Mittelalters hervortritt. Neben den normierten Schilden und Waffenro¨cken der Mitglieder der Kompanien begegnen diese neuen Wappen vor allem als Fahnenbilder, mit denen kommunale Amtstra¨ger investiert wurden und die sie gema¨ß ihrer Aufgaben, etwa im Falle eines innersta¨dtischen Aufruhrs, einsetzten. Stadtknechte und Trompeter repra¨sentierten die Kommune, deren Wappen sie trugen, unter anderem als Ausrufer oder bei Ehrendiensten. Wie sehr die Kontrolle u¨ber die inzwischen in nahezu allen Lebensbereichen pra¨senten heraldischen Zeichen Teil der Verobrigkeitlichung des politischen Systems geworden war, zeigt das Beispiel Florenz. Hier erzwang der Popolo die Auflo¨sung der von der politischen Partizipation ausgeschlossenen Klasse der Magnaten, indem er ihren Angeho¨rigen zwischen 1349 und 1434 in einem beho¨rdlich registrierten Umbezeichnungsprozeß neue Familiennamen und -wappen zuwies. Auch mußte jedes Brot, das im Florentiner Stadtgebiet gebacken und verkauft wurde, seit dem fru¨hen 14. Jahrhundert mit dem sta¨dtischen Wap¨ hnliche Verordnungen lassen sich fu¨r penbild der Lilie gestempelt sein. A andere Kommunen bereits im 13. Jahrhundert nachweisen. Im Contado zeigte sich die Herrschaftsintensivierung ebenfalls an der symbolischen Ausrichtung des Raumes auf die nun dominierende Stadt hin. Alte Ortsnamen und -wappen wurden ausgelo¨scht oder umbezeichnet. Im Fall der Florentiner Gru¨ndungssta¨dte wurde die heraldische Symbolik der Mutterstadt sogar an strategisch bedeutsame Punkte des Territoriums exportiert. In extremer Fortsetzung der erstmals 1155 bei der Neugru¨ndung Tortonas erkennbaren Tendenz verwehrte man den Einwohnern dieser von Amtstra¨gern aus Florenz regierten Kolonien eine eigensta¨ndige heraldische Symbolik, da ihnen damit eigene politische Handlungsfa¨higkeit buchsta¨blich in die Hand gegeben worden wa¨re.

7.2 Zusammenfassung

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Einen Sonderfall stellt Venedig dar, in dessen heraldischer Symbolik es aufgrund der anders verlaufenden Verfassungsentwicklung des commune Veneciarum nicht zu ausdifferenzierten Systemen wie in den popolaren Kommunen der Toskana kam. Hier dominierte der Markuslo¨we, der in einer a¨hnlichen Bandbreite als Herrschafts- und Kontrollzeichen eingesetzt wurde wie die Wappen der festla¨ndischen Kommunen. Das vorangegangene Kapitel fokussiert vor allem die normativen Vorgaben der kommunalen Statutengesetzgebung, deren Durchsetzung mit dem Aufkommen der ausdifferenzierten Systeme im Wappenwesen der Wehrordnungen und des Popolo einherging. Das fu¨nfte Kapitel wendet sich dagegen den erza¨hlenden Quellen zu, indem es – gema¨ß der dritten Bedeutungsebene des der Untersuchung zugrundegelegten Modells – drei Themenfelder heraldischer Symbolik in der Geschichtsschreibung des Trecento untersucht. Es ging um das Wappen als Zeichen der sta¨dtischen Identita¨t, die in einer imaginierten, universalhistorisch ausgerichteten Vorgeschichte begru¨ndet wurde, um o¨ffentlich gezeigte Wappen als Herrschaftszeichen in einer politischen Debatte sowie um Wappenfahnen als Symbole der kommunalen Ehre in der Kriegfu¨hrung. Stellte die Omnipra¨senz des Wappenwesens und sein virtuoser Gebrauch als Kontrollinstrument und Mittel zur Verwirklichung politischer Ziele durch die sta¨dtischen Obrigkeiten die Grundlage dafu¨r dar, daß das Pha¨nomen seit dem Beginn des Jahrhunderts zu einem Thema der Geschichtsschreibung wurde, so verliehen ihm die Geschichte schreibenden Bu¨rger eine zusa¨tzliche Dimension, indem sie die heraldischen Zeichen ihrer aus ihrer Lebenswelt nicht nur verzeichneten, sondern ordneten und deuteten. Dadurch erho¨hten sie ihren identita¨tsstiftenden Wert oder betrieben politische Propaganda. Auch in der Geschichtsschreibung ¨ ußerung u¨ber heraldische Symbolik eine Machtwar die schriftliche A frage, die aktuelle Darstellungsabsichten beeinflußte. Chronisten wie der Florentiner Giovanni Villani, der als Amtstra¨ger am Stadtregiment beteiligt gewesen war, eigneten sich das narrative Potential der heraldischen Bildersprache an, um politische Gro¨ßen ihrer Zeit durch die Deutung ihrer Wappen auf- oder abzuwerten. Die Offenheit der Wappen als Zeichen ermo¨glichte ihre narrativ motivierte Decodierung und Ordnung durch die Geschichtsschreiber in a¨hnlicher Weise, wie sie es dem Juristen Bartolo da Sassoferrato gestattete, das Pha¨nomen in Form eines juristischen Traktates aufzuarbeiten. In der Geschichtsschreibung begegnen Wappendeutungen oft in sich abgeschlossenen kleineren Geschichten, die a¨hnlich wie exempla oder Genealogien funktionieren. So entwickelte Giovanni Villani eine in die Antike verlegte Ursprungsgeschichte des Wappenwesens, die es Florenz und anderen guelfischen Kommunen

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7. Schluß

erlaubte, ihre Wappenfu¨hrung von der Ro¨mischen Republik abzuleiten und die des Kaisers und seiner Vikare als spa¨tere Ableitung abzutun. In der politischen Praxis des 14. Jahrhunderts entsprach dies dem Selbstbewußtsein der sich vom Reich emanzipierenden Kommunen. Das Bei¨ bertragung eines mittels A ¨ hnlichspiel zeigt zugleich eindrucksvoll die U keiten und Variationen ausdifferenzierten heraldischen Systems, wie es zeitgleich fu¨r die Kommune, den Popolo und die Magnaten von Florenz gestaltet wurde, in eine zur Deutung der Gegenwart imaginierte Vorgeschichte. Villanis Ursprungsmythos bot Florenz und seinen Verbu¨ndeten die Mo¨glichkeit, ihre unterschiedlichen Wappen als gemeinsame Ableitungen eines antiken ro¨mischen Archetyps zu begreifen. Andere Chronisten, wie der zeitgleich schreibende Sienese, konnten auf die gleiche Art und Weise im Wappenwesen ihrer Stadt Hinweise auf Verbindungen zu Kaiser und Reich finden. Eine Doppelu¨berlieferung aus Padua zum Jahre 1312 bietet uns schließlich die Schilderung einer Debatte in der Rats- und Volksversammlung, als deren Ergebnis das Stadtregiment wechselte und das Adlerwappen des Reiches aus dem o¨ffentlichen Raum der Stadt entfernt wurde. Je nach politischem Standpunkt hob der eine Chronist die Rechtma¨ßigkeit des Verfahrens hervor, wa¨hrend der andere, es war Albertino Mussato, sie kritisierte. Der erwa¨hnte Anonymus aus Siena berichtet außerdem u¨ber den Einsatz der kommunalen Wappenfahne in der ebenso rituellen wie taktischen Erwa¨gungen folgenden Kriegfu¨hrung des Spa¨tmittelalters. Wie bereits im Hochmittelalter diente auch sie als Medium zur Gewinnung ritterlicher Ehre. Diese Fokussierung des Stadtwappens und -banners als Identifikationssymbol der Gemeinschaft entsprach der des Carroccio durch die Geschichtsschreiber des 13. Jahrhunderts. Sichtbar wird das betra¨chtliche heraldische Wissen der kommunalen Amtstra¨ger und Geschichtsschreiber sowie der Einfluß der kommunalen Schriftkultur auf die Art und Weise, in der es durch sie strukturiert und u¨berliefert wurde. Den Untersuchungsteil der Arbeit schließt ein sechstes Kapitel ab, das sozusagen als Vergleichsgruppe zu Italien den Wappengebrauch in der ¨ rmelkanal betrachtet. Der spa¨tmittelalterlichen Sta¨dtelandschaft um den A hier in einem eigenen Kapitel ausgefu¨hrte Vergleich setzt die Reihe der in den vorangegangenen Kapiteln einbezogenen Vergleiche mit Beispielen außerhalb des Untersuchungsraumes, wie dem im zweiten Kapitel ange¨ bersprochenen Fahnengebrauch wa¨hrend der Kreuzzu¨ge sowie der U sendung der Fahne der Ro¨mischen Kirche an den Bulgarenzaren Kalojan, fort. In London, Gent und Mecheln erfu¨llte heraldische Symbolik a¨hnliche Organisationsfunktionen auf milita¨rischem oder politischem Gebiet wie

7.2 Zusammenfassung

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in den italienischen Stadtkommunen des Spa¨tmittelalters. Grundlegende ¨ hnGemeinsamkeiten in der Wappenfu¨hrung bezeugen, neben weiteren A lichkeiten wie dem Banner mit dem Bild des Stadtheiligen, die Zugeho¨rigkeit der italienischen Stadtkommunen zur allgemeinen Zeichenkultur der mittelalterlichen Stadt. Signifikant ist jedoch die sich in Unterschieden auswirkende Eingebundenheit der nordalpinen Sta¨dte in einen effektiven monarchischen Herrschaftsverband auf das sta¨dtische Wappenwesen. So richtete London wa¨hrend des 14. Jahrhunderts nicht allein sein Stadtregiment auf den englischen Ko¨nig hin aus, sondern nahm auch das Georgswappen als neues Stadtwappen an, weil der Ko¨nig es propagierte. Fu¨r die italienischen Stadtkommunen wurde dagegen ihr Wappenensemble, das ihr komplexes politisches System widerspiegelte, zur zentralen Bezugsinstanz. Ko¨nigliche Wappen, wie das der Anjou, wurden in es integriert. Das ebenfalls den Monarchen unterstehende, gerade auch in den Sta¨dten des Nordwestens agierende Heroldswesen fehlt dagegen im kommunalen Italien des spa¨teren Mittelalters. Die heraldische Symbolik der Themsemetropole, insbesondere ihre Rolle im Zeremoniell, ist am ehesten der des Sonderfalles Venedig vergleichbar. Die Uniformita¨t der fla¨mischen Armbrustschu¨tzengesellschaften sowie die Omnipra¨senz des von ihnen gefu¨hrten Georgswappens wecken Ankla¨nge an die popolaren Waffengesellschaften Italiens. Wa¨hrend das Wappen mit dem roten Kreuz in Weiß in Italien meist als Zeichen Christi benannt und als Aufruf zur innersta¨dtischen Friedenswahrung verstanden wurde, war es in Flandern wie auch in Genua, in dem hier betrachteten Kontext in erster Linie das Zeichen des Ritterheiligen Georg. Waren die italienischen Waffengesellschaften jeweils auf den Schutz und die Repra¨sentation ihrer Kommune ausgerichtet, so finden sich die Schu¨tzen in vielen fla¨mischen Sta¨dten unter dem Georgskreuz als halbstaatliche Korporation aristokratischer Standesgenossen. Ihr uniformes Erscheinungsbild stand, a¨hnlich der Livree, im Dienste der ho¨fischen Repra¨sentation ihrer Stadt. Die fu¨r sie charakteristische Verbindung von religio¨s gepra¨gter Vergesellschaftung, Festkultur und Kriegfu¨hrung war in Florenz durch die popolaren Stadtregimenter sta¨rker segmentiert worden. Wa¨re dem gescheiterten Versuch des Gautier de Brienne, eine Signorie in der Arnostadt zu etablieren, Erfolg vergo¨nnt gewesen, so ¨ nderungen im Florentiner Wappenha¨tten die von ihm eingefu¨hrten A und Genossenschaftswesen vielleicht zu a¨hnlichen Formen heraldischer Symbolik gefu¨hrt, wie sie zur gleichen Zeit in den fla¨mischen Sta¨dten praktiziert wurden. Die sichtbar werdenden Unterschiede zeigen, wie sehr symbolische Ordnungen von den jeweiligen Gesellschaftsordnungen und den fu¨r die politischen Ordnungen spezifischen kommunikativen

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7. Schluß

Funktionen bestimmt waren. Die Eigensta¨ndigkeit und die bedeutende Rolle der italienischen Kommunen fu¨r die Entwicklung der europa¨ischen Heraldik treten im Vergleich noch deutlicher hervor. Die eingangs aufgeworfene Frage nach den Wechselwirkungen zwischen kommunaler Verfassungsentwicklung und heraldischer Symbolik la¨ßt sich positiv beantworten. Im politischen Leben der sta¨dtischen Gesellschaften Italiens wurde heraldische Symbolik zu einem immer signifikanteren Mittel der o¨ffentlichen Kommunikation. Vom 12. bis ins 15. Jahrhundert hinein schufen der Gebrauch solcher Zeichen sowie das ihm zugrunde liegende Zeichenversta¨ndnis eine eigene Sprache der Politik. Im Verlauf dieses historischen Prozesses werden Wechselwirkungen sichtbar. Zu Beginn brachten die aus der sta¨dtisch gepra¨gten Aristokratie kommenden Konsuln und Podesta` als Herrschaftstra¨ger heraldische Zeichen in Handlungsfeldern zur Geltung, wie dies auch im Umfeld der ¨ ber Kommunen in Ko¨nigsherrschaft oder Lehnswesen geu¨bt wurde. U vorheraldische Medien, die dann zu Tra¨gern heraldischer Zeichen wurden, wuchsen diese geradezu in die Kontexte hinein. Gelang der Konsulatsaristokratie auf diesem Wege die Begru¨ndung eigensta¨ndiger kommunaler Herrschaft, so kam in deren innerer Begru¨ndung aus dem Willen der Stadtgemeinde heraus sowie im Zeichengebrauch durch spezifisch kommunale Institutionen etwas Neues hinzu. Die Indienstnahme des neuen Mediums durch die Kommune wirkte auf seinen o¨ffentlichen Gebrauch zuru¨ck und fu¨hrte es zu einer eigengesetzlichen Entfaltung, beraubte es jedoch nicht seiner Anschlußfa¨higkeit zum außerkommunalen Wappenwesen. Das triumphale Aufpflanzen der eigenen Fahne, Fahneninvestituren oder die Annahme und Fu¨hrung von Familienwappen durch kommunale Amtstra¨ger – Pha¨nomene, die sich etwa auch in der Herrschaftspraxis der ro¨mischen Kaiser in dieser Zeit erstmals nachweisen lassen – trugen zur Konstituierung der Kommune bei. Dabei schlossen sich die pragmatisch-instrumentellen und die symbolischen Funktionen der heraldischen Zeichen gerade nicht aus sondern stellten in ihrem Zusammenwirken, etwa in der Investitur mit einer Wappenfahne, erst die volle Bedeutung des Zeichens in seinem kommunikativen Kontext her. Von dem angeblichen Gegenentwurf einer „kommunalen“ zu einer „feudalen“ Heraldik kann in der heraldischen Fru¨hzeit des langen 12. Jahrhunderts keine Rede sein. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts eigneten sich die Kommunen das inzwischen voll entfaltete Wappenwesen in engem Zusammenhang mit dem Ausbau ihrer Institutionen gezielt an: kommunale Gremien entwarfen Wappenbilder, die religio¨s u¨berho¨hte politische Programme zum Ausdruck brachten und der Organisation der wehrfa¨higen Bu¨rger und ihrer politischen Mobilisierung dienten. Mit der Herrschaftsintensivierung und Verobrig-

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keitlichung der Kommunen begannen diese auch damit, die Kontrolle u¨ber alle in ihrem Machtbereich sichtbaren Wappen zu beanspruchen. Auf der Ebene der heraldischen Symbolik entsprach dies einer Dominanz der Wappen transpersonaler Institutionen, einer sta¨rker werdenden Ausdifferenzierung der Zeichensysteme und einer Erweiterung ihrer Funktionsbereiche. Die einzelne Stadtkommune wurde zur zentralen Instanz des Wappenwesens innerhalb ihres Einflußbereichs. Die Stadtregimenter entwickelten ein Wappenensemble, das die transpersonale, auf Dauer ¨ mter ja im sta¨ndigen Wechsel bestehende Signoria symbolisierte, deren A besetzt wurden. Diese Wappen wurden zu unverzichtbaren, variabel einsetzbaren Medien, um Herrschaft durchzusetzen und handlungsleitend zu ordnen. Die ideologisch gefa¨rbte Bildersprache des Popolo oder das Fehlen professioneller Herolde sind Charakteristika einer kommunalen Heraldik, die sich aus den politischen Erfordernissen der autonomen Stadt¨ ber Namen- und Wappengebung kommunen Italiens erkla¨ren lassen. U berieten keine spezialisierten Herolde, sondern kommunale Kommissionen. In der starken Identifikation mit der eigenen Gemeinschaft und der gleichzeitigen hohen Mobilita¨t der politik- und gesellschaftsbestimmenden Akteure wird man einen wesentlichen Faktor in der Gestaltung der heraldischen Symbolik im kommunalen Italien sehen ko¨nnen. Suchen wir nach den Anwendern und Tradenten heraldischen Wissens in der spa¨tmittelalterlichen Kommune so finden wir ein ganzes Spektrum an Autorentypen, zu denen unter anderem ein Schmied unter den Statutenredakteuren Pratos, die Bologneser Notare und Rechtsgelehrten im Gefolge des Comazzo Galluzzi, der Florentiner Kaufmann und Amtstra¨ger Giovanni Villani, der Perusiner Jurist Bartolo da Sassoferrato, der Maila¨nder Geistliche Galvano Fiamma oder Humanisten wie Coluccio Salutati und Enea Silvio Piccolomini za¨hlten. Das heraldische Wissen la¨ßt sich keiner eng eingegrenzten, professionellen Tra¨gergruppe zuschreiben, sondern war ein allgemein verbreiteter Ausdruck der kommunalen Kultur Italiens. In der Herausarbeitung der Beschreibungskategorien und Handlungsformen werden schließlich die Berufs- und Bildungshintergru¨nde der Akteure und Beschreiber selbst deutlich. Die kommunale Heraldik Italiens entwickelte ausgepra¨gte Eigenarten, blieb dabei jedoch stets Teil einer die ganze abendla¨ndische Vormoderne verbindenden Kultur des Zeichen- und Wappenwesens, die man mit einer Sprachmetapher als Vielzahl lokaler Dialekte beschreiben kann, die eine universale Grammatik verband.

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7. Schluß

7.3 Sintesi: Simbologia araldica nei comuni italiani del medioevo Questa tesi di dottorato analizza due fenomeni storici schiettamente medievali: l’uso delle insegne araldiche e il comune italiano, due fenomeni che sono sorti e hanno raggiunto il periodo di massima fioritura in contemporanea l’uno con l’altro. La tesi si pone l’obbiettivo di capire se e come la forma di comunicazione basata su insegne visive e l’ambito politico si sono influenzate reciprocamente nel loro sviluppo. Vi fu in Italia una specifica araldica comunale? E se la risposta e` sı`, in cosa consistettero le sue caratteristiche? Che contributo dette allo sviluppo storico dei comuni? Tutto cio` verra` analizzato nel campo della comunicazione simbolica, nel quale i due fenomeni trovano un terreno comune. Le ragioni per cui, finora, la ricerca non si e` occupata quasi per niente di questo tema derivano certamente dai limiti disciplinari della storia, nonche´ dal modo di porre le domande tipica di questa disciplina e delle sue scienze ausiliarie, ma anche dall’insieme stesso delle fonti che ci sono state tramandate. Cosı`, per la ricerca araldica, la formazione dei regni dell’Europa occidentale nel basso medioevo rappresenta, nella maggior parte dei casi, il momento in cui un sistema istituzionalizzato di araldi produsse un proprio specifico « genere letterario », come i rotoli che riportavano stemmi. Tuttavia, il policentrismo e il sistema politico-istituzionale delle diverse citta` italiane analizzate in questo lavoro non hanno permesso ne´ la nascita di una tradizione documentaria paragonabile l’una con l’altra ne´ un confronto fra le singole citta` ristretto a un solo genere documentario, come per esempio gli statuti cittadini. Anche se, a causa dello sviluppo comune della cultura scritta del mondo comunale, la documentazione prodotta dai singoli comuni nella maggior parte dei casi si assomiglia, cio` non puo` assolutamente valere come dimostrazione che il fenomeno araldico, presente nella vita di queste comunita`, sia stato messo per iscritto in maniera continua ed estesa a tutti i generi e a tutte le citta`. Al contrario, i simboli araldici e il loro uso si incontrano quasi solo in una documentazione del tutto specifica e spesso « eccentrica » nell’insieme delle fonti scritte. Come nel resto dell’Occidente, questa documentazione si interessa in maniera approfondita del fenomeno solo quando esso si e` gia` ben formato, cosı` che noi sulla sua origine e diffusione non sappiamo quasi nulla. A partire dalla fine del XIII secolo l’importanza che la simbologia araldica raggiunse nella societa` e nella politica nel comune aumento` le sue chance di trasmissione documentaria, ma spesso ebbe ancora bisogno dell’interesse personale di un Giovanni Villani o di un Bartolo da Sassoferra-

7.3 Sintesi

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to o dell’occasione di un conflitto per assicurarsi la trasmissione in forma scritta. Il modo di procedere metodico, reso necessario da questo stato della documentazione, si differenzia da quello che l’araldica tradizionale ha sviluppato nell’analisi descrittiva della documentazione materiale. In questo caso si trattava di identificare singoli stemmi e di inserirli in uno schema costruito secondo categorie descrittive moderne. Tuttavia, al di la` di questo compito fondamentale, da molto tempo questa classica disciplina ausiliaria non ha fornito contributi al dibattito piu` aggiornato della ricerca storica. Fra le ricerche precedenti vi sono delle eccezioni che hanno assunto il valore di punti di riferimento sul tema e verso le quali questo lavoro e` certamente debitore: gli studi di Carl Erdmann sugli stendardi e sugli stemmi dell’impero romano e della chiesa romana, la panoramica di Eugenio Dupre` Theseiders sugli stemmi dei comuni italiani, valida allora come oggi, e poi i lavori di Richard C. Trexler sull’uso pubblico degli stendardi nella Firenze bassomedievale. Inoltre, per quel che riguarda la medievistica tedesca, si puo` constatare una certa ritrosia verso un tema che nel corso del XX secolo e` stato oberato da un uso improprio. Nella ricerca italiana la complessa situazione documentaria ha fornito la base per una visione in cui la cultura comunale e` stata nettamente separata dal circostante mondo feudale. L’araldica e` stata rappresentata come parte della cultura aristocratica nei suoi aspetti cavalleresco-cortigiani, una cultura vissuta dai singoli e dai gruppi familiari, ma alla quale si sarebbe opposta la comunita` dei cittadini nel suo insieme. Al contrario, questo lavoro afferma che proprio i vari esempi dell’uso delle insegne nei comuni mostrano quanto questi ultimi siano stati influenzati dalle vecchie forme del potere e dai precedenti modi di vita, ovviamente nelle nuove forme che questi hanno assunto nel corso del tempo, senza pero` esserne assorbiti. Percio` i comuni italiani parteciparono all’elaborazione delle insegne araldiche e alle molteplici attribuzioni di significato nelle diverse situazioni comunicative fin dall’inizio del processo e in maniera tanto piu` massiccia rispetto alle citta` a nord delle Alpi. Per i comuni, che si consideravano anche come comunita` con forti identita` radicate nella storia, perche´ erano costretti a riformulare sempre in forme nuove la propria struttura istituzionale, a mantenersi saldi sia nei conflitti interni che in quelli esterni e a escludere gli altri dalla propria comunita`, gli stemmi furono insegne dal valore ambivalente: simboli di ordine cosı` come di crisi. Il presente lavoro analizza l’araldica comunale in senso stretto e prende in considerazione altre insegne araldiche, come gli stemmi familiari, solo quando essi vengono usati al servizio del comune. Inoltre, si pro-

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7. Schluß

pone di essere un lavoro pienamente storico, piuttosto che un contributo all’araldica intesa come scienza ausiliaria, un lavoro che analizza le prove per la comprensione del fenomeno araldico e le relazioni con tale fenomeno presenti nelle fonti prodotte dalla ricca cultura scritta del comune. Cio` e` possibile, come e` stato gia` detto, solo sotto forma di singoli casi di studio, che conducono il lettore in svariati luoghi del processo storico e cercano di ricostruire sulla base dell’analisi dei modelli, condotta per esempi e in maniera comparatistica, il ruolo svolto all’epoca da queste insegne. Oltre a cio` vi deve essere lo sforzo da parte dello studioso di capire l’importanza del contesto storico e comunicativo in considerazione del fatto che di solito l’autore medievale mostrava piu` interesse per il contesto che per le immagini degli stemmi in se´. Quindi, lo sviluppo istituzionale idealtipico, posto a fondamento del comune italiano fra il primo XII secolo e il XV secolo inoltrato, che corrisponde a forme caratteristiche dell’uso e dell’interpretazione degli stemmi, costituisce il criterio per la comprensione della questione fondamentale riguardante le interdipendenze fra lo sviluppo del comune e l’araldica. Utilizzando l’approccio della comunicazione simbolica la ricerca si concentra su un campo che unisce l’araldica e il comune, visto che il potere e la politica nel medioevo furono esercitati in maniera simbolica attraverso gesti e rituali. Gli stemmi, in primo luogo segni distintivi dei potenti, nacquero in questo specifico contesto insieme con gli eventi militari e divennero importanti per i comuni come insegne del potere. In questa direzione, inoltre, la tesi cerca di trasformare in un vantaggio il problema costituito dal fatto che le fonti scritte, nella maggior parte dei casi, non forniscono descrizioni dettagliate degli stemmi, ma si soffermano piuttosto sul loro contesto. Statuti, diplomi, opere storiografiche, tutte fonti che da questo punto di vista non sono state quasi per niente prese in considerazione dall’araldica tradizionale, documentano diversi contesti d’uso e numerose attribuzioni di significato per le insegne araldiche in base alle quali e` possibile ricostruire un certo fenomeno storico. Per di piu` le insegne trattano in maniera diffusa del processo storico in una prospettiva tutta propria e percio` sottolineano, impongono o abbelliscono narrativamente specifici aspetti, forse con l’intenzione di rappresentare questioni politiche contemporanee. E quando nell’Italia comunale ci si imbatte negli stemmi, essi si presentano il piu` delle volte sotto forma di immagini per stendardi impiegati in azioni pratiche, percio` gia` Eugenio Dupre` Theseider trovo` appropriato parlare dell’araldica comunale come di una disciplina degli stendardi. Seguendo gli stimoli della nuova storia culturale in relazione ai processi di interpretazione storica e alle forme per la comprensione delle in-

7.3 Sintesi

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segne premoderne, la ricerca muove dall’assunto che anche le insegne araldiche non devono essere interpretate secondo logiche e categorie moderne, poiche´ erano influenzati da principi medievali quali il carattere aperto e mutevole, la somiglianza e la varieta`. Il carattere aperto e mutevole del discorso araldico deve essere considerato persino un elemento caratteristico dell’Italia comunale, dove l’istituzione di araldi professionisti diffusi nelle corti principesche d’Europa pote´ prendere piede solo nel primo rinascimento e quindi il compito di descrivere gli stemmi rimase per lungo tempo nelle mani dei cittadini e degli magistrati comunali. Grazie all’introduzione del concetto di simbologia araldica si riesce a tener conto dei rapporti fra la struttura segnica di uno stemma, il medium che lo veicola e il posto che lo stemma occupa nella realta`. Ai fini dell’analisi delle fonti questa molteplicita` di significati va ordinata su tre livelli: il livello del simbolo visivo, il livello del medium che lo veicola e infine il livello delle grandi e autonome strutture di senso narrative, nelle quali queste insegne erano integrate attraverso le loro forme di comunicazione e i loro contesti d’azione. Le possibilita` di interpretazione su un singolo livello cosı` come le deduzioni che si possono ricavare dalla comprensione dell’uso delle insegne su un livello per l’interpretazione dell’uso sugli altri due livelli verranno illustrate con un esempio tratto da Siena. Nell’affresco di Ambrogio Lorenzetti raffigurante l’allegoria del Buon Governo vi e` rappresentato un gruppo di fanti. Essi impugnano degli scudi su cui e` raffigurato lo stemma del « popolo » di Siena. La simbologia dello stemma, che mostra in campo rosso un leone d’argento con una corona dorata, e` di per se´ aniconico, cioe` non determinato ne´ dalla natura di cio` cui si riferisce ne´ dalla materia che ne sostanzia il significante. Pero`, il significato intrinseco dello stemma puo` essere ricavato se lo si mette in relazione con le fonti scritte. La modalita` di rappresentazione corrisponde alle regole dell’arte araldica, come mostra il confronto con il trattato degli stemmi di Bartolo da Sassoferrato, e mostra il valore simbolico positivo dell’animale nell’immaginario medievale. Anche fonti provenienti da altre citta` confermano il favore verso gli animali araldici e la percezione del loro carattere di segni distintivi. Infatti, negli archivi comunali spesso le sezioni sono contraddistinte dall’indicazione di animali simbolici. Il fatto poi che i fanti portano tutti le stesse armi e nel gruppo tutti sono contrassegnati dallo stemma e` egualmente un segno positivo, come mostra il confronto con gli statuti comunali. Questa uniformita` costituisce una delle caratteristica delle societa` armate del « popolo » e serviva sia alle necessita` dell’organizzazione pratica sia all’affermazione, attraverso le immagini, dell’ideale della difesa della pace interna. Infine, l’immagine dello stemma possiede un significato anche come parte del racconto complessivo dell’affresco e

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7. Schluß

della produzione storiografica nata in quegli stessi anni. La cronachistica senese collega il simbolo della corona sul capo del leone con un presunto conferimento da parte dell’imperatore Ottone IV. In questo modo essa utilizza la prassi del potenziamento dello stemma, usuale nel XIV secolo, come motivo narrativo per integrare lo stemma locale nell’istituzione comunale in crescita e allo stesso tempo per fornire allo stemma un’ampia profondita` cronologica, in modo da accrescere l’onore dell’istituzione da esso rappresentata. In questo caso, quindi, uno stemma utilizzato come insegna del potere per il comune fu inserito nelle rappresentazioni allegoriche della identita` e della storia cittadina, che costituivano le linee guida dell’elite politica di Siena sia nella comunicazione con i propri cittadini sia in quella con l’imperatore. Lo stemma del « popolo » di Siena, insieme ai rimandi a valori collegati con le immagini araldiche, alla sua funzionalita` reale e all’immaginario e alla storia a esso collegati, esprime simbolicamente la validita` di una struttura di potere che assume il valore di modello. Lo stemma dei De Pusterla, famiglia di capitanei milanesi, anch’esso analizzato come esempio per lo sviluppo di un modello interpretativo, mostra l’importanza delle opere storiche gia` esistenti per la creazione e l’adattamento in forme narrative della tradizione araldica realizzati dai cronisti del XIV secolo. Il ricordo, presente nella memoria collettiva grazie a diplomi, opere storiche e racconti orali, del ruolo eccezionale di Guilielmus de Pusterla nella scena politica dell’Italia Settentrionale intorno al 1200, che porto` alla sua investitura da parte dell’imperatore, fu integrato da autori piu` tardi, come Galvano Fiamma, interpretando lo stemma dei De Pusterla come derivazione della interazione simbolica fra imperatore e podesta`. L’esempio mostra come il fenomeno storico dell’araldica si integri in una specifica ricostruzione della storiografia comunale e come grazie a cio` diventi un elemento della rappresentazione usato dallo storico per rispecchiare le concezioni del sistema istituzionale. Un rapporto pragmatico con gli stemmi, direttamente osservabile nell’Italia comunale, stimola pero` anche la costituzione di un tratto caratteristico dell’uso degli stemmi nella civilta` comunale, direttamente collegato al passaggio dall’uso strumentale a uno simbolico degli stemmi. Difatti, il reiterato cambiamento degli stemmi utilizzati nello spazio pubblico della citta` molte volte era legato al cambiamento del partito al potere o all’avvento di un nuovo signore. Tale cambiamento poteva essere concordato durante la risoluzione del conflitto o essere stabilito tramite votazione dalla assemblea del « popolo ». Inoltre, scrittori e cronisti bassomedievali notano la scaltrezza degli protagonisti, che nell’uso dello stemma non si sottomettono agli schemi di comportamento determinati dalla societa`.

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Dopo l’introduzione il secondo capitolo della tesi e` dedicato alla diffusione della simbologia araldica nei contenuti e nelle azioni delle rappresentazioni simboliche del potere durante il lungo XII secolo. Il medium dominante era lo stendardo, attraverso il quale la simbologia araldica entro` nella pratica del potere propria del comune, che in quegli stessi anni stava diventando politicamente autonomo. Grazie alle trasformazioni del pienomedioevo, che permisero una comprensione piena delle strutture sociali e politiche e sottoposero le singole forme della comunicazione simbolica a un processo di formalizzazione giuridica, anche lo stendardo, che si stava trasformando in insegna araldica, ricevette una nuova caratterizzazione qualitativa come mezzo di comunicazione. Mentre in precedenza lo stendardo era soprattutto uno pezzo unico specifico e multifunzionale, impiegabile in correlazione al suo possessore, ora l’insegna ricevette una nuova dimensione che accresceva il suo significato al di la` della determinazione della propria immagine. Nel rituale del trionfo furono piantati stendardi sopra le mura di una citta` o di un castello conquistato, nel rituale dell’investitura, tramite gli stendardi, venivano assegnati ai vassalli e ai magistrati i loro futuri incarichi. Singoli casi di studio mostrano come i primi stemmi si sono sviluppati dai piu` antichi esempi di stendardi comunali. La simbologia di queste insegne non fu intesa come un sistema chiuso, indirizzato alla creazione dell’araldica, bensı` come un sistema « aperto ». Nel medioevo chi agiva in questo ambito utilizzava gli stendardi che erano stati consolidati dal processo della comunicazione simbolica, ma allo stesso tempo ne aumentavano il numero grazie a interpretazioni tratte dall’ampio contesto dell’iconografia cristiana. Tutto cio` risulta evidente in maniera esemplare nella ricostituzione del comune di Tortona, distrutto dal Barbarossa nel 1155, da parte di Milano attraverso tre civilia signa consegnati nell’assemblea del « popolo » e interpretati in una lettera: una tromba, un sigillo e uno stendardo espressione del primo periodo araldico. Il caso di Cremona mostra la vicinanza, operante sia in guerra sia in pace, alla simbologia dei poteri universali del papa e dell’imperatore. Nel 1195 il comune fu investito da Enrico VI con lo stendardo crociato dell’impero, descritto per la prima volta con accuratezza, e che anche in seguito fu usato come espressione del legame con l’impero. Tali concessioni di stendardi appartenevano alla tradizione prearaldica ma allo stesso tempo costituivano dimostrazioni collegate a finalita` politiche contemporanee a quegli avvenimenti. La simbologia araldica dell’impero, documentata gia` molto presto in Italia, ebbe il carattere di apripista e fu tenuta presente nel comune e dal comune anche nei secoli successivi. Inoltre, la cura nel rendere visibili, attraverso l’uso delle insegne e nei contenuti delle insegne stesse, i rapporti di potere e di dipendenza da loro

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creati diventa tangibile per i comuni protagonisti di azioni espansive, come Milano e Genova. Genova si serviva di uno stendardo rosso come simbolo di investitura. Esso possedeva, come suggeriscono i confronti, un carattere prearaldico e il suo significato era principalmente quello di simbolo di un’azione specifica. Tra gli altri la Superba utilizzava un vessillo, associato al suo podesta` e simile nel significato al Carroccio, che recava impressa l’immagine di san Giorgio e anche stendardi con la croce araldica di san Giorgio, che in seguito diventera` lo stemma della citta`. Il carattere giuridicamente vincolante delle azioni compiute con il medium si trasmise all’immagine araldica. Esso riguardava, oltre che l’insieme dei diritti feudali e di guerra adoperati nella pratica di governo e nella conduzione della guerra, entrambe influenzate dal rituale, anche ambiti quali l’onore e l’infamia, i rapporti di potere e di possesso. La costruzione del potere e la differenziazione di specifici ambiti politici corrispose alla formazione dei primi sistemi di insegne araldiche. Insieme ai rapporti con il papa e con l’imperatore anche la costruzione dell’ordinamento militare rappresento` un ulteriore campo di formazione per la simbologia araldica. Ogni singolo quartiere e ciascuna corporazione della citta` ottenne uno stendardo araldico che si richiamava al vessillo principale del comune. A fianco agli stemmi si diffusero anche simboli di animali che indicavano singoli comuni, simboli con valore simile a quelli araldici e in parte utilizzati nel medium che li veicolava, come i sigilli. Alcuni esempi sono il leone di san Marco, usato a Venezia, il leone di Cremona e Firenze (marzocco), la lupa romana e senese, il grifone genovese, l’aquila pisana o il toro di Parma. La base del terzo capitolo e` costituita da un atto, finora inedito, contenente le deposizioni del processo che Comazzo Galluzzi, podesta` cacciato da Todi nel 1268, intento` contro il comune. In virtu` della buona disponibilita` documentaria e` possibile, in questo caso, prendere in considerazione la situazione di una comunita` cittadina rappresentativa, nel momento in cui svolge la funzione di cerniera nello sviluppo del comune e della simbologia araldica. In un’ampia descrizione, che manca nella maggior parte delle fonti narrative e normative coeve, i testimoni, tutti familiari del podesta` bolognese, illustrano le attivita` del governo della citta` e lo scontro fra i guelfi e i ghibellini che porto` al cambio di governo. I notai e gli iudices che depongono sono gli stessi che, piu` tardi, parteciperanno anche alla presa del potere del « popolo » a Bologna, i cui statuti furono diffusi nelle citta` toscane e lı` contribuirono alla costruzione della simbologia araldica del « popolo », che e` stata indagata nel quarto capitolo. In questa fonte si fa riferimento a tre insiemi di insegne riguardanti la simbologia araldica: il sigillo con lo stemma del comune utilizzato dal podesta` per lo svolgimento dei suoi compiti, lo stemma familiare di

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Comazzo, che fu utilizzato nell’attivita` di governo della citta` e, infine, gli stendardi araldici dei vincitori ghibellini che furono impiegati durante lo scontro e poi vennero issati sui palazzi comunali come segno di trionfo. Le conoscenze araldiche dei testimoni si rivelano come parte della loro memoria professionale. Alla strutturazione del potere e ai tumulti si potrebbe assegnare una funzione esemplare nella cultura comunale della tarda eta` Staufen. Cio` vale soprattutto per il complesso urbanistico del palazzo comunale e della piazza, comparso all’inizio del XIII secolo, con il quale il comune creo` un proprio luogo pubblico di potere e di azione politica, che determino` preliminarmente sia le forme dell’uso degli stemmi sia le modalita` dello svolgimento degli scontri. Sullo sfondo del documento notarile, dominato dalla cultura scritta comunale, risalta con chiarezza il significato simbolico del sigillo cittadino, qui documentato come rappresentante della comunita` cittadina e come segno di riconoscimento dell’ambasceria inviata a ricevere il podesta`. Risulta evidente che l’immagine araldica del comune, del podesta` e delle fazioni, era presente sui piu` importanti mezzi di espressione della comunicazione politica: sigilli, stendardi oppure armi. Per questo il podesta` fece dipingere il proprio stemma familiare sugli scudi delle sentinelle e delle guardie cittadine poste sotto il suo comando. I Galluzzi potrebbero aver assunto questo stemma molto esplicito circa due generazioni prima, nella stessa epoca in cui iniziarono a ricoprire in maniera professionale la carica di podesta` esterno. Lo stemma era un attestato di idoneita` e di ceto degli magistrati appartenenti alla cavalleria scaturito dall’influenza reciproca nell’evoluzione del comune e dell’araldica. Sia sotto l’aspetto simbolico sia sotto quello pratico esso esprimeva con chiarezza la sua neutralita`, poiche´ si inseriva negli usi araldici del luogo, dove veniva impiegato senza essere condizionato dalle rivalita` e fedelta` collegate alle insegne locali. Il modo uniforme con cui questi stemmi furono usati in quell’epoca fa apparire l’uso unitario degli stemmi da parte del « popolo », indagato nel capitolo successivo, come lo sviluppo di una pratica gia` diffusa nell’eta` del comune podestarile. Considerati i continui cambiamenti nel governo cittadino e nei contingenti appositamente armati per la guerra, si rivelo` una soluzione pratica far dipingere tutte quante le armi con le immagini araldiche. Per eseguire questo lavoro in serie i pittori usavano delle mascherine. Il podesta` e lo stendardo cittadino a lui associato, che nella maggior parte dei casi riportava l’immagine del patrono della citta`, rappresentavano il comune in guerra e nelle sommosse interne alla citta`. Difatti, negli statuti di San Gimignano si dice esplicitamente che il comune sarebbe stato in guerra lı` dove lo fossero stati il podesta` e lo stendardo. Anche in questo

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caso la successiva simbologia del « popolo », considerata rivoluzionaria dalla ricerca, come nel caso delle indicazioni statutarie riguardanti le modalita` per mostrare il gonfalone della giustizia a Firenze, si collega con evidenza a pratiche tipiche dell’eta` di massimo splendore del comune podestarile. Nel caso analizzato, avvenuto a Todi, il segnale della sommossa fu lanciato tramite gli stendardi legati a una fazione. I ghibellini di Todi usarono uno stendardo raffigurante un’aquila nera su fondo bianco, che i testimoni indicano come lo stemma di Corradino. Con gli annali cittadini di San Gimignano e un affresco proveniente da Massa Marittima, il caso di Todi fornisce le prove piu` antiche che attestano lo stemma dell’ultimo esponente degli Staufen in qualita` di re di Sicilia. Questo stemma e` costituito da una brisura – cioe` da un’alterazione per rendere espliciti i rapporti dinastici – dello stemma con l’aquila tipico dell’impero, con il quale lo ha spesso scambiato la storiografia piu` vecchia. E` caratteristico dei problemi connessi a questa documentazione il fatto che non vi sia nessuna indicazioni riguardo la simbologia dei guelfi e del « popolo » di Todi che fu sconfitto durante la rivolta. Anche nell’eta` successiva si continuo` a rappresentare la struttura del potere comunale attraverso un complesso insieme di stemmi, dal quale alcuni da una parte e dall’altra furono esclusi perche´ legati alle fazioni. Il passaggio, espresso dal caso di Todi, nell’evoluzione delle forme istituzionali verso forme autoritarie di governo per le citta` dominate dal « popolo », da un gruppo aristocratico o da un signore, verra` analizzato piu` da vicino nel quarto capitolo. Questa evoluzione riguardo` molte forme e funzioni della simbologia araldica, che nell’Italia bassomedievale cosı` come nel resto dell’Occidente era diventata un mezzo di comunicazione onnipresente, utilizzabile in maniera quasi universale. Il potere si manifesto` sotto forma di azioni, uomini, oggetti e spazi che potevano essere indicati attraverso le insegne araldiche. Come mostrano alcuni esempi tratti da Genova, Firenze e Prato, dall’ordinamento militare del comune, contrassegnato da forme araldiche, si svilupparono nel corso del basso medioevo dei veri e propri sistemi araldici, il cui ordinamento rendeva visibile quello del comune. Proprio i nuovi stemmi del « popolo » utilizzarono un linguaggio fatto di immagini tratte dalla sfera religiosa, che mise in evidenza le rivendicazioni ideologiche, legate a valori quali giustizia e pace, espresse da questo gruppo. Allo stesso tempo questi nuovi stemmi servirono all’organizzazione delle societa` armate del comune, spesso per la costruzione di combinazioni realizzate con i colori cittadini e di simboli elaborati in base ai principi di somiglianza e uniformita`, tanto che in loro si manifesto` in modo esemplare il carattere aperto e multifunzionale della simbologia araldica medievale.

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Oltre che sugli scudi e sulle armature dei membri delle compagnie, le cui caratteristiche erano stabilite per legge, questi nuovi stemmi compaiono soprattutto sugli stendardi con i quali i magistrati comunali erano investiti della loro carica, e che essi utilizzavano nello svolgimento dei loro compiti, come nel caso di una rivolta all’interno della citta`. Le guardie cittadine e i trombettieri rappresentavano il comune, di cui portavano le insegne, anche in qualita` di banditori o durante i servizi d’onore. L’esempio di Firenze mostra quanto il controllo sulle insegne araldiche, che nel frattempo si erano diffuse in quasi tutti gli ambiti della quotidianita`, fosse diventato parte della trasformazione in senso autoritario del sistema politico. A Firenze, infatti, il « popolo » impose lo scioglimento del ceto dei Magnati che erano stati esclusi dalla partecipazione alla vita politica, mentre fra il 1349 e il 1434 in un processo di ridenominazione, ufficiale e documentato, assegno` nuovi cognomi e nuovi stemmi familiari agli appartenenti alla propria fazione. Inoltre, a partire dall’inizio del XIV secolo, ogni pagnotta panificata e venduta nel territorio del comune fiorentino doveva essere marcata con lo stemma cittadino del giglio. Simili ordinanze si possono riscontrare in altri comuni gia` nel corso del XIII secolo. Allo stesso modo, nel contado, l’intensificazione del controllo politico emerse attraverso l’orientamento simbolico dello spazio verso la citta` dominate in un determinato momento. I vecchi toponimi e le antiche insegne dei luoghi furono cancellati o sostituiti. Nel caso delle citta` fondate dai fiorentini la simbologia araldica della citta` madre fu esportata anche nei punti del territorio considerati di particolare importanza strategica. Prolungando fino alle estreme conseguenze la tendenza riscontrabile per la prima volta nel 1155, con la nuova fondazione di Tortona, si fornı` agli abitanti di queste colonie, rette da ufficiali provenienti da Firenze, un sistema di simboli araldici autonomo, in modo da mettere loro in mano – letteralmente – una propria e specifica capacita` di azione politica. Venezia, invece, costituisce un caso particolare, nel quale la simbologia araldica, a causa del diverso sviluppo istituzionale del commune Veneciarum, non pervenne a sistemi differenziati come nei comuni popolari della Toscana. A Venezia, infatti, domino` il leone di san Marco, che fu utilizzato come insegna del potere e del controllo politico con la stessa ampiezza di scelta presente per gli stemmi dei comuni della terraferma. Il capitolo precedente si e` concentrato soprattutto sulle norme degli statuti comunali, la cui imposizione si accompagno` alla nascita dei sistemi differenziati nell’araldica del « popolo » e dell’ordinamento militare. Il quinto capitolo, invece, e` orientato verso le fonti narrative e analizza tre campi tematici della simbologia araldica nelle opere storiche del Trecento, secondo il terzo livello interpretativo del modello posto alla base della

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ricerca. Vengono analizzati lo stemma come segno dell’identita` cittadina, che affonda le radici in una « preistoria » immaginaria e orientata alla storia universale, lo stemma mostrato in pubblico come segno del potere da utilizzare in un dibattito politico, infine le insegne araldiche come simbolo dell’onore comunale nelle campagna militari. L’onnipresenza dell’araldica e il suo uso virtuoso come strumento di controllo e come mezzo per la realizzazione di obiettivi politici da parte delle autorita` cittadine ebbe come conseguenza il fatto che tale fenomeno divento`, fin dall’inizio del secolo, uno dei temi presenti nella storiografia. In tal modo i cittadini autori di opere storiche fornirono al fenomeno un’ulteriore dimensione nel momento in cui non si limitarono a registrare le insegne araldiche che osservavano nella loro vita quotidiana, ma le ordinavano in sistemi coerenti e le interpretavano. Grazie a queste azioni aumentavano il valore identitario delle insegne oppure le usavano per fare propaganda politica. Anche nella storiografia la manifestazione scritta riguardante la simbologia araldica costituı` una questione di potere che influenzo` gli scopi coevi dell’opera. Cronisti come il fiorentino Giovanni Villani, che aveva preso parte al governo cittadino come magistrati del comune, si impadronirono del potenziale narrativo del linguaggio visivo dell’araldica con lo scopo di aumentare o diminuire il valore dei grandi personaggi politici del loro tempo attraverso l’interpretazione del loro stemma. La condizione aperta dello stemma, in quanto insegna, permise la sua decodificazione e la sua classificazione su basi narrative da parte degli scrittori in modo simile a quello che aveva permesso al giurista Bartolo da Sassoferrato di rielaborare tale fenomeno sotto forma di trattato giuridico. Nelle opere storiche le interpretazioni di stemmi sono spesso inserite in storie piu` brevi, a se´ stanti, che funzionano in maniera simile agli exempla o alle genealogie. Giovanni Villani elaboro` una storia delle origini dell’araldica che affondava le sue radici nell’antichita`: essa permetteva a Firenze e ad altri comuni guelfi di far derivare i loro usi araldici dalla repubblica romana e di liquidare come derivazioni piu` tarde quelli dell’imperatore e dei suoi rappresentanti. Nella prassi politica del XIV secolo queste storie trovavano corrispondenza nell’autocoscienza del comune che si era reso autonomo dall’impero. Allo stesso tempo l’esempio mostra, in maniera impressionate, la trasposizione di un sistema araldico differenziatosi tramite similitudini e variazioni, come quello che si era formato contemporaneamente per il comune, il « popolo » e i magnati di Firenze, in una « preistoria » immaginata col preciso scopo di interpretare il presente. Il mito delle origini concepito da Villani offrı` a Firenze e ai suoi alleati la possibilita` di concepire i loro differenti stemmi come un insieme comune derivato da un archetipo dell’antica Roma. Altri cronisti, come

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quelli senesi che scrivevano negli stessi anni, poterono trovare in modo simile richiami a relazioni con l’imperatore e l’impero negli stemmi della propria citta`. Infine, una doppia tradizione proveniente da Padova, che narra di avvenimenti del 1312, ci offre il racconto di un dibattito nel consiglio e nell’assemblea del comune da cui scaturı` un cambio di governo e l’allontanamento dello stemma con l’aquila dell’impero dallo spazio pubblico della citta`. A seconda della fazione politica a cui appartiene uno dei due cronisti sottolinea la legittimita` della procedura, mentre l’altro, che era Albertino Mussato, la critica. Il gia` citato anonimo senese racconta, inoltre, dell’utilizzo dello stendardo comunale nella gestione della guerra durante il basso medioevo, pratica che seguiva riflessioni tanto rituali quanto tattiche. Anche in questo caso, come nel pieno medioevo, lo stendardo serviva come mezzo per l’acquisizione dell’onore cavalleresco. Questa attenzione rivolta allo stemma e allo stendardo cittadino, nella loro qualita` di simboli di identificazione della comunita`, corrispondeva a quella rivolta dai cronisti del XIII secolo al Carroccio. Diventa visibile la notevole conoscenza araldica degli magistrati comunali e dei cronisti cosı` come l’influsso della cultura scritta comunale sul modo in cui quella conoscenza era stata strutturata e documentata da parte loro. La parte di ricerca della tesi si chiude con un sesto capitolo che indaga, come termine di paragone per le citta` italiane, l’uso degli stemmi nel contesto delle citta` poste sulle due sponde della Manica. Il confronto, qui condotto in un capitolo a se´ stante, continua le comparazioni, gia` inserite nei precedenti capitoli, di esempi tratti al di fuori dell’ambito territoriale della ricerca, come l’uso degli stendardi durante le crociate oppure l’invio dello stendardo della chiesa romana allo zar dei Bulgari Kalojan, discussi nel secondo capitolo. A Londra, Gent e Mecheln la simbologia araldica soddisfaceva funzioni organizzative, sul piano militare o politico, simili a quelle dei comuni italiani del basso medioevo. L’affinita` di fondo nell’uso dell’araldica, oltre che altre somiglianze quali lo stendardo con l’immagine del santo cittadino, attesta l’appartenenza del comune italiano alla cultura simbolica generale della citta` medievale. Tuttavia, il fatto che le citta` al di la` delle Alpi fossero inserite, l’una in maniera diversa dall’altra, in una struttura di potere di tipo monarchico ebbe un’influenza significativa sull’araldica cittadina. Difatti Londra, durante il XIV secolo, non solo allieno` il suo governo cittadino alla linea politica del re inglese, bensı` acquisı` anche lo stemma di san Giorgio come nuova insegna cittadina, solo perche´ era il re a diffonderne l’uso. Al contrario, nel caso dei comuni italiani l’insieme delle loro insegne araldiche, che rispecchiava il complesso sistema politico comunale, divenne un punto di riferimento centrale. E in questo in-

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sieme simbolico furono integrati anche gli stemmi regi, come quello degli Angio`. Invece, la struttura di araldi istituzionalizzati sottoposta al sovrano, che agiva anche nelle citta` del Nordovest, manca nell’Italia comunale del basso medioevo. La simbologia araldica della metropoli sul Tamigi, e in particolare il suo ruolo nel cerimoniale, e` comparabile soprattutto con il caso particolare rappresentato da Venezia. L’uniformita` delle associazioni di balestrieri fiamminghi cosı` come l’onnipresenza dello stemma di san Giorgio da loro utilizzato suscitano parallelismi con le societa` armate italiane. Mentre in Italia lo stemma con la croce rossa in campo bianco era denominato, il piu` delle volte, signum Christi ed era interpretato come richiamo al mantenimento della pace interna alla citta`, nelle Fiandre, ma anche a Genova nel contesto che abbiamo analizzato, questo stemma era prima di tutto l’insegna del santo cavaliere Giorgio. Se le societa` armate italiane servivano sempre a proteggere e a rappresentare il loro comune, in molte citta` fiamminghe la protezione era fornita all’ombra della croce di san Giorgio da corporazioni semistatali che riunivano uomini appartenenti al ceto aristocratico. Il loro aspetto uniforme era al servizio, in maniera simile alla livrea, della rappresentazione cortese della propria citta`. Il legame, in se´ caratteristico, fra l’associazionismo influenzato dalla religione, la cultura ludica e la gestione della guerra era stato spezzato con forza a Firenze dal governo del « popolo ». Se il tentativo fallito di Gualtiero di Brienne di imporre una signoria nella citta` dell’Arno avesse avuto successo, allora i cambiamenti da lui apportati all’araldica e alle associazioni fiorentine forse avrebbero portato a una simbologia araldica con forme simili a quelle utilizzate durante gli stessi anni nelle citta` fiamminghe. Le differenze, ora divenute visibili, mostrano quanto gli ordinamenti simbolici furono stabiliti dalle strutture sociali del momento e dalle funzioni di comunicazione specifiche per quel determinato sistema politico. Nel confronto con altre citta` l’autonomia e l’importanza del ruolo dei comuni italiani per lo sviluppo dell’araldica europea risaltano con ancora maggiore chiarezza. La domanda posta all’inizio, riguardante l’influenza reciproca fra l’evoluzione istituzionale del comune e la simbologia araldica, puo` ricevere quindi una risposta positiva. Nella vita politica delle societa` cittadine d’Italia la simbologia araldica divento` un mezzo di comunicazione pubblica sempre piu` significativo. Dal XII fino al XV secolo inoltrato, l’uso di questo tipo di insegne cosı` come la comprensione dei simboli che erano alla loro base creo` un linguaggio specifico della politica. Nel corso di tale processo storico furono ben visibili gli influssi reciproci. All’inizio i consoli e i podesta`, provenendo dall’aristocrazia influenzata dall’ambiente cittadino, fecero valere come simboli del potere insegne araldiche che er-

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ano usate nel contesto del comune, del potere regio o del mondo feudale. Sulla base dei mezzi di comunicazione prearaldici, che poi diventarono i portatori delle insegne araldiche, queste ultime addirittura aumentarono all’interno di quel contesto. Se, attraverso questa via, l’aristocrazia consolare riuscı` a costruire un comune politicamente autonomo, scaturı` qualcosa di nuovo, in questa costruzione dall’interno, dalla volonta` della comunita` cittadina e allo stesso tempo si aggiunse qualcosa di nuovo, nell’uso delle insegne, a causa delle particolari istituzioni comunali. L’impiego del nuovo medium da parte del comune ebbe effetti sul suo uso pubblico e lo condusse a uno sviluppo autonomo. Tuttavia non lo privo` della sua capacita` di collegamento con l’araldica esterna al comune. Il gesto trionfale di piantare il proprio stendardo, l’investitura tramite lo stendardo oppure l’assimilazione e l’uso degli stemmi familiari da parte di magistrati del comune – tutti fenomeni che per la prima volta in questa epoca sono riscontrabili a grandi linee anche nella gestione del potere da parte dell’imperatore romano – contribuirono alla formazione del comune. Inoltre le funzioni pratico-strumentali e quelle simboliche non si esclusero per niente a vicenda, bensı` proprio nella loro azione comune, come per esempio nell’investitura con lo stendardo, produssero il senso pieno e compiuto dell’insegna nel suo contesto comunicativo. Per il primo sviluppo dell’araldica durante il lungo XII secolo, non si puo` parlare quindi di una presunta opposizione fra un’araldica « comunale » e una « feudale ». Nel corso del XIII secolo i comuni assimilarono la simbologia araldica, che nel frattempo si era pienamente sviluppata, in stretto collegamento con la costruzione delle loro istituzioni: le commissioni comunali abbozzarono immagini araldiche che mettevano in luce programmi politici potenziati da elementi religiosi e che servivano a organizzare i cittadini abili alla guerra e a incentivare la loro partecipazione alla politica. Con il rafforzamento del loro potere e con la loro trasformazione in senso autoritario anche i comuni incominciarono a pretendere il controllo su tutti gli stemmi presenti nella loro ambito politico. Sul piano della simbologia araldica a questo processo corrispose il dominio degli stemmi di istituzioni impersonali, una sempre maggiore differenziazione dei sistemi di insegne e l’ampliamento delle loro funzioni di impiego. Il singolo comune divento` l’autorita` principale produttrice di simboli araldici all’interno del proprio campo di influenza politica. I governi cittadini svilupparono un insieme di stemmi che simboleggiava la Signoria impersonale, basata sulla durata nel tempo, che in un continuo ricambio era incarnata dai magistrati del comune. Questi stemmi diventarono dei mezzi di comunicazione irrinunciabili, variabili e utilizzabili per imporre l’autorita` e dare ordine alle azioni politiche.

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Il linguaggio per immagini, ideologico e colorato, caratteristico del « popolo » o la mancanza di araldi professionisti sono caratteristiche precipue dell’araldica comunale che si possono spiegare alla luce delle necessita` politiche degli autonomi comuni italiani. Sull’assegnazione di nomi e stemmi non deliberava nessun araldo specializzato in questo compito, bensı` solo commissioni comunali. Nella forte identificazione con la propria comunita` e nella contemporanea forte mobilita` dei protagonisti della vita politica e sociale del tempo si e` ravvisato un fattore essenziale per la formazione della simbologia araldica nell’Italia comunale. Se andiamo in cerca di chi utilizza e di chi tramanda il sapere araldico nel comune bassomedievale ci troviamo di fronte a un ampio spettro di tipologie professionali e umane, fra le quali per esempio si contano un fabbro fra i redattori degli statuti di Prato, i notai e i giurisperiti bolognesi al seguito di Comazzo Galluzzi, il mercante e magistrato Giovanni Villani, il giurista perugino Bartolo da Sassoferrato, il religioso milanese Galvano Fiamma o gli umanisti Coluccio Salutati e Enea Silvio Piccolomini. Non e` possibile attribuire il sapere araldico a nessun gruppo professionale strettamente circoscritto, bensı` esso rappresento` un’espressione generale e diffusa della cultura comunale italiana. Infine, identificando le categorie descrittive e le forme d’azione diventa chiaro il contesto professionale e di formazione di chi usa tale sapere e di chi lo descrive. L’araldica comunale italiana sviluppo` spiccate peculiarita`, tuttavia rimase sempre parte della cultura araldica e delle insegne che univa l’intero Occidente premoderno, una cultura che, con una metafora linguistica, potrebbe essere descritta come una molteplicita` di dialetti locali che formarono una grammatica universale. (Traduzione di Giovanni Isabella)

7.4 Summary: Heraldic Symbolism in the Medieval Italian Communes This dissertation examines two truly medieval phenomena, which originated and flourished in the same period: the use of heraldic symbolism and the Italian city communes. It asks whether and to what extent heraldry and the political units influenced each other’s development. Did Italy have its own communal heraldry and, if so, what were its particularities? What contribution did heraldry make to the historical development of the communes? These questions will be examined under the rubric of symbolic communication, where both phenomena met.

7.4 Summary

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The reasons why this topic has scarcely been researched are to be found in the divisions between, as well as history and emphases of the historical and auxiliary disciplines, and in addition in issues of source survival. As a rule, scholars of heraldry can rely on the fact that the institutionalised heraldry of the western kingdoms in the late Middle Ages produced its own written sources, such as the rolls of arms. But the polycentrism and political arrangements of Italy’s urban landscape did not allow any comparable patterns of survival to develop or let us compare in a more restricted way the appearances of a single genre, e. g. communal statutes, across individual cities. Despite the fact that the development of a writing culture common to the city communes meant that the source survival in the individual communes is generally similar, this still constitutes no evidence that heraldry was consistently made part of written culture with no account taken of genre or city. Instead, heraldic signs and the use of them only appear in the written sources in very specific, and often unique contexts. Just as elsewhere in the West, the sources only deal with heraldry in more detail once it was already firmly established, so we know next to nothing about its origins and spread. While from the end of the thirteenth century, the importance of heraldic symbolism in the society and politics of the city states had certainly raised the likelihood that information about it would survive, it still often required someone like Giovanni Villani or Barolo da Sassoferrato, who would take a personal interest, or the occurrence of a conflict for the phenomenon to be recorded in written form. The methodological procedure required by this context of source survival is distinct from what traditional studies of heraldry have developed in describing the material survival. They were concerned with the identification of individual coats of arms and in arranging them in a descriptive system according to modern categories. But beyond this fundamental task, heraldic studies had for a long time taken scarcely any part in the historical debate. There are important exceptions to which this study is indebted, however: namely, the studies of Carl Erdmann on the flags and coats of arms of the Roman Empire and the Roman Church, the still-valid overview of the heraldry of the Italian city states by Eugenio Dupre` Theseider, as well as the studies by Richard C. Trexler on the public use of flags in late medieval Florence. German medievalists, in addition, have hesitated to take up a subject that is freighted with a history of abuse during the Twentieth Century. The nature of the surviving sources has encouraged Italian scholarship to treat the culture of the city communes as sharply different from the surrounding ‘feudal society’. Heraldry was understood as being part of the courtly and knightly culture of the aristocracy, as opposed to the collectivity of

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7. Schluß

the urban citizens. This work argues, on the contrary, that the heraldry of the communes shows how deeply they were affected by the older, but still developing, culture of lordship, without, however, being entirely subsumed by it. But the Italian communes did have from the very beginning a much stronger effect on the shaping of heraldic symbols and their use in communication than the cities north of the Alps. Coats of arms were ambivalent signs of order as well as crisis for the communes, who saw themselves as communities with strong, historically founded identities, because they were forced to renew their constitutions constantly, to survive internal and external conflicts and to exclude others from their community. This work will look at communal heraldry only it its narrow sense and will only take account of other heraldic signs, like family coats of arms, only when they were used in the service of the commune. It is also a work of history, rather than belonging to the auxiliary disciplines, and takes its evidence for and approach to the phenomenon of communal heraldry from the rich written culture of the city states. As mentioned, this is only possible in the form of case studies, which highlight different points in the historical development and seek to reconstruct the societal contexts through the examination of examples and through their comparison. The fact that medieval authors were more interested in the meanings of the heraldic images than the images themselves fits the desire of the modern historian to analyse their meaning in their historical and communicative contexts. The ‘typical’ constitutional development of the Italian communes from the early Twelfth to the Fifteenth Centuries will be taken as the benchmark for the study of how the development of the commune and heraldry affected each other, since it corresponded with changes in how heraldic symbols where used and understood. By focussing on symbolic communication, this study concentrates on an area which linked heraldry and the communes, since lordship and politics were practiced through symbols such as gestures and rituals. Coats of arms, which were the symbols of the powerful to start with, developed in this context (and that of warfare) and became significant for the communes as symbols of rulership. In this respect, this study tries to make a virtue of the problem that the written sources rarely offer a detailed description of the coats of arms but instead examine their context. Traditional studies of heraldry scarcely take account of laws, charters and historiography, but these kinds of sources document different contexts for the use and understanding of heraldic signs, according to which a historical development can be reconstructed. These sources described heraldic signs according to their own perspectives and so emphasised certain areas, sometimes with political motives, sought to lay down rules or elaborated

7.4 Summary

539

their narratives. For this reason, even in the communes of Italy, heraldic images were depicted mainly as banners in military actions. It was for that reason that Eugenio Dupre` Theseider already found it useful to talk about heraldic images as flags. This study bases itself on insights created by the New Cultural History about how meaning was creating historically and how symbolism was understood in the pre-modern period, and assumes that heraldic symbols too are not to be understood according to modern categories, but were instead shaped by medieval principles like openness, similarity and variety. The openness of the discussion of heraldic symbols is a characteristic of the Italian communes, since the professional heralds common in the European princely courts could only establish themselves there in the early Renaissance and both the control and the design of coats of arms remained the business of burghers and communal officials for a long time. Heraldic symbolism as a concept encompasses the connections between the symbolic structure of a coat of arms, the medium by which it is conveyed and its historical context. When it comes to analysing the sources, these various meanings can be mainly organised onto three levels: that of the visual sign, that of the medium, and that of the larger structures of narrative meaning into which these signs are integrated in their various media and historical contexts. An example from Siena will demonstrate the interpretative possibilities of each level and show how an understanding of how a sign works at one level generates conclusions which can provide insight into other levels. The fresco of Good Government by Ambrogio Lorenzetti depicts a group of infantry. They carry shields with the coat of arms of the Sienese popolo. The symbolism of the coat of arms (a silver lion, with a gold crown, against a red field) has no iconic significance in and of itself. It can only be understood by consulting written sources. The treatise on heraldry by Bartolo da Sassoferrato shows that the depiction followed the rules of heraldry and it highlights the positive associations of the animal as a symbol in the medieval imagination. Sources from other cities confirm the fondness for heraldic beasts and that they were seen as distinguishing marks. So, for example, the sections of the communal registers were often distinguished by marking them with symbolic animals. The group’s uniformity in armaments and heraldry was also a positive sign, as the communal statutes show. It was a characteristic of the militias of the popolo and served both practical, organisational needs and also visually promoted the ideal of internal city peace. In the end, the coat of arms was meaningful both as part of the full narrative of the fresco and as part of contemporary Sienese historical writing, which claimed that Emperor Otto IV had

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7. Schluß

granted the right to depict the crown above the head of the lion. In this way, the Sienese historians used what in the Fourteenth Century was the current practice for improving a heraldic device as a narrative template in order to integrate the local coat of arms into wider structures, to give it a deeper historical dimension and to increase the honour of the institution it symbolised. The coat of arms, which the commune used as a symbol of its rule, was incorporated into allegorical images from which the political elite of Siena allowed themselves to be guided in its communication with its own citizens and with the emperor. Together with the references to those values tied up with the heraldic devices, its practical functionality and the stories and ideas bound up with it, the heraldry of the popolo of Siena symbolised the legitimacy of an ideal kind of rule. We can also see the significance of the pre-existing, fourteenth-century historiography for the invention and narrative shaping of heraldic traditions in the example of the family crest of the De Pusterla, a capitanei family from Milan. Guelielmus de Pusterla was remembered in documents, chronicles and in collective oral tradition as having played a key role in Northern Italian politics around the year 1200, eventually being enfeoffed by the Emperor. Later authors like Galvano Fiamma expanded these stories by interpreting the family crest as coming from and symbolically reflecting the interaction between Emperor and podesta`. This example demonstrates how heraldry was integrated into the communal discourse on the past and therefore became an object of interest to chroniclers who wanted to reflect ideas of societal order. The pragmatic use of heraldry observable in the Italian communes also, however, allows us to identify characteristics of the relative instrumental and symbolic uses in the civilta` comunale. So a change in rulership often precipitated multiple changes in the heraldry displayed in public spaces. These changes could be negotiated during the dispute settlement or could be put to a vote in public assembly. Indeed, contemporary commentators noted the cleverness of protagonists who did not allow their use of heraldry to be determined in the socially approved manner. After the introduction, the second chapter examines the growth of heraldic symbolism in the symbolic display of rulership across the long Twelfth Century. The most important medium through which the newly autonomous urban communes used heraldry to express sovereignty was the banner. The high medieval shift towards a more detailed understanding of social and political structures and the legalization of particular forms of symbolic communication meant that the heraldic banner acquired a new quality as a medium. Before it had been an item unique to its owner and carrying out various functions; after the device was fixed, it

7.4 Summary

541

acquired a more important dimension. As part of the ritual of triumph, banners were placed on the walls of a conquered city or castle; as part of an investiture, vassals and officials were sworn into their offices with them. Case studies show how the first heraldic devices developed out of the images on early communal banners. The symbolism of his sign was not understood as part of a closed, specifically ‘heraldic’ system, but was, on the contrary, open. Medieval actors used the images on these banners within self-reinforcing processes of political communication, but also increased their importance by understanding them in a broader context of Christian iconography. This can be seen in the example of Barbarossa’s restoration of the commune of Tortona, which had been destroyed by Milan. He accomplished this by granting, both by letter and in the public assembly, three civilia signa: a trumpet, a seal and a proto-heraldic banner. The effectiveness of being close to the symbolism of the universal powers of the emperor and the pope, whether in conflict or agreement, is shown by the example of Cremona, which was granted the imperial banner of the cross by Henry VI in 1195 and used this later as the champion of the Empire. The granting of banners emerged from pre-heraldic traditions and was at the same time a demonstration with contemporary political goals. The early heraldic symbolism of the Empire which can be seen in Italy, was the pacemaker and was kept up-to date in the following centuries by the communes. In this context, we can also understand the attempts of regional hegemons like Milan and Genoa to express the structures of rulership and dependence that they created through the use of symbolism and the symbols themselves. Genoa used a red banner as a symbol of infeudation. Comparisons show that it was of proto-heraldic character and was mainly meant as a symbol of action. Moreover, Genoa had another banner sporting an image of St George, which was assigned to its podesta` and carried a similar meaning to the carroccio, as well as banners with the St George’s cross, which then became the city’s coat of arms. The actions carried out with these banners were legally binding, and this legal validity was transferred onto the heraldic images. Even beyond laws of rulership and war, it extended to areas like honour and disgrace, and property and governmental relationships. The construction of proto-heraldic symbolisms matched the extension of rulership and the creation of politically differentiated spaces. Next to the relationship to Emperor and Pope, arrangements for defence also became an area in which heraldry was developed: each quarter and corporation of the city received heraldic banners, which related to the main banner of the city. Alongside heraldic devices, quasi-heraldic animal symbols were used, sometimes on the same media, like seals. Examples included Venice’s lion of St Mark and the li-

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7. Schluß

ons of Cremona and Florence (marzocco), the she-wolves of Rome and Siena, Genoa’s griffon, Pisa’s eagle or the ox of Parma. The third chapter is based on a previously unedited document with the testimonies of witnesses from a trial, which Comazzo Galluzzi prosecuted against the commune of Todi, out of which he had been driven as podesta` in 1268. Because of the good sources, it is possible to see the situation in a representative town at a single moment, which can be seen as a turning point in the development of commune and heraldic symbolism. The witnesses, all of whom were dependents of the Bolognese podesta`, depict the activities of the town soldiery and the conflict between Guelfs and Ghibellines which led to the change in rulership in a level of detail of which most narrative and normative sources of the period are incapable. The notaries and iudices involved here were also later involved in the creation of the rule of the popolo in Bologna, whose statutes spread to the Tuscan towns and there contributed to the heraldic symbolism of the popolo, which will be examined in the fourth chapter. In this source, three networks of heraldic symbolism are mentioned: the heraldic seal of the commune, which was used in the creaton of the podesta`, his family crest, which was used in leading the town soldiery and the heraldic banner of the victorious Ghibellines, which was flown during the conflict and place on the communal palaces in triumph. The heraldic knowledge of the witnesses is revealed to be part of their professional skill set. Rulership and rebellion in Todi can serve as an example of communal culture of the late Staufer period. It is typical of the ensemble of communal palace and piazza which communes began to create from the start of the Thirteenth Century in order to have their own public place of rulership and action and which fixed the ways in which heraldic devices were used and how conflicts played out. Against the background of a communal literate culture dominated by notarial documents, the symbolic importance of the heraldic seal is particularly high. In this case, we see it used as the representing the urban community and as acting as warranty for the embassy which had been sent to collect the podesta`. We can see how the heraldic devices of commune, podesta` and the political parties had begun to appear on the most important media of political communication: seals, banners or weapons. Thus, the podesta` had the shields of the guards and knights under his command painted with his family crest. The Galluzzi seem to have taken up this device (which included a motto) about two generations previously at the same tie that they started acting as professional, external podesta`. Developed under the influence of the mutual development of heraldry and commune, it was a sign of their membership of a class of knightly offi-

7.4 Summary

543

cials. Viewed both symbolically and pragmatically, it expressed their neutrality, since it could be inserted into the heraldic traditions of wherever they were assigned, without being determined by symbols linked to local loyalties and rivalries. The uniformity with which it was used, demonstrates that the uniform use of heraldic devices of the popolo, as examined in the following chapter, was a further development of a practice already prevalent in communes run by a podesta`. Taking into account the constant turnover within the urban soldiery and those contingents formed and armed specifically for crusades, it turned out to be practical to paint the weapons with uniform heraldic devices. For this, the painters used patterns. The podesta` and the town’s banner which he was assigned and which usually carried the image of the town’s patron saint, represented the commune in war and in internal rebellion. In the statutes of San Gimignano, it states explicitly that the commune is considered to be at war wherever the podesta` and the banner were standing. In this respect as well, the later symbolism of the popolo, which scholars have claimed to be revolutionary, such as Florence’s laws about the display of the gonfalone della guistizia, had its origins in practices from the golden age of the podesta`. In the case of Todi, this banner was challenged by the banners of the factions. The Ghibellines of Todi carried a banner with a picture of a black eagle on white, which the witnesses referred to as Conradin’s crest. Alongside the town accounts of San Gimignano and a fresco from Massa Marittima, they are the earliest evidence for the crest of the last Staufer as king of Sicily. This is an adaptation of the imperial eagle, with which it is often confused. It is telling that we know nothing about the heraldic symbolism of the defeated Guelfs and popolo of Todi. In later periods as well, the rule of the commune would be represeneted by a whole ensemble of heraldic devices, some of which were mutually exclusive factional badges. The fourth chapter will look more closely at the constitutional development towards placing the town regiment, whether dominated by the popolo, a group of aristocrats or a signor, in a position of authority, something that can be seen in the case of Todi. It affected many forms and functions of heraldic symbolism, which had become an omnipresent, almost universally usable communication medium both in late medieval Italy and in the rest of the West. Power was expressed as the ability to classify people, media and spaces in heraldic terms. Examples from Genoa, Florence and Prato show that in the course of the later Middle Ages, heraldic systems developed out of the heraldically marked military of the communes. The new heraldic devices of the popolo used a religious symbolic language, which expressed the group’s claim to

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7. Schluß

an ideology linked to values like justice and peace. At the same time, they served to organise the communal armed societies, often by combining the town’s colours and marks of cadency according to the principles of similarity and uniformity, with the result that the open, multifunctional character of medieval heraldic symbolism is clear to see. These new arms are to be seen, as well as on the shields and coats of the companies, above all on the banners with which communal offices were invested and which they used in accordance with their tasks, such as in the case of an internal urban rebellion. Urban knights and trumpeters represented the communes whose heraldry they bore, as, for example as town criers. How much control of the (now omnipresent) heraldic symbols had become part of the political system can be seen in the case of Florence. There the popolo forced the dissolution of the magnate class which they had excluded from the political process by a series of bureaucratic procedures between 1349 and 1434, in which the magnates were forced to take new family names and heraldic devices. In addition, every loaf of bread that was baked and sold within the bounds of the city of Florence had, since the early Fourteenth Century, to be stamped eith the city’s symbol of the lily. Already in the Thirteenth Century, we can see similar statutes being passed in other communes. In the contado, the intensification of governmental authority could also be seen in the symbolic arrangement of space towards the ruling city. In the case of the new Florentine foundations, the heraldic symbols of the mother city were even exported into significant places around the territory. In an extreme development of a trend first seen in 1155 with the new foundation of Tortona, the inhabitants of these Florentine colonies were refusted their own heraldic symbolism, since it would have placed their own political autonomy quite literally in their hands. Venice is an exception. Its heraldic system never developed into a variegated system like those of the populist communes of Tuscany because of the very different constitutional development of the commune Veneciarum. In Venice, the lion of St Mark was dominated, which was used in similarly broad contexts as the arms of the mainland communes. The previous chapter concentrated above all on the normative rules of communal statutes, whose application was accompanied by the arrival of differentiated systems of heraldry of the military and of the popolo. The fifth chapter, however, draws on narrative sources, insofar as it examines three themes of heraldic symbolism in the historiography of the trencento. These themes are: the coat of arms as sign of urban identity, which was rooted in an imagined pre-history set within the context of a universal history; openly displayed arms as a sign of lordship

7.4 Summary

545

in a political debate; heraldic banners as symbols of communal honour in war. The reasons why heraldry became a topic of historical writing from the start of the Thirteenth Century were its omnipresence and its virtuoso use by the city authorities as an instrument of control and a means to realise political goals. But the burghers who wrote these histories also granted heraldry an extra dimension by not just describing the heraldic signs in their historical contexts, but also interpreted them. In doing so, they increased the signs’ worth as creators of identity or wrote political propaganda. Even in the writing of history, the written expression of heraldic symbolism was an issue of power, which influenced the author’s writing. Chroniclers like the Florentine Giovanni Villani, who was an official in the city regiment, took control fo the narrative potential of heraldic symbols in order to praise or criticise the political figures of his time through interpretation of their coats of arms. The openness of the arms as a sign allowed their decoding according to the narrative motives of the historian, just as it allowed the jurist Bartolo da Sassoferrato to deal with the phenomenon in the form of a legal treatise. In historical narratives, interpretations of coats of arms often appear within closed-off, smaller stories, which have similar functions to exempla or genealogies. In this manner, Giovanni Villani created a pseudo-antique origin story for heraldry, which allowed Florence and other Guelf communes to claim their heraldry originated in the Roman Republic and to denigrate that of the Emperor and his vicars as a later derivation. In the political practice of the Fourteenth Century, this matched the self-confidence of the communes emancipating themselves from the Empire. The example also clearly shows how a variegated heraldic system, shaped at the same time for the commune, the popolo and the magnates of Florence, could be projected onto an imagined pre-history in order to influence the present. Villani’s origin myth gave Florence and its allies the possibility to see their different heraldic devices as common developments from an ancient Roman archetype. Other chroniclers, like the contemporary Sienese, could in precisely the same way find clues to their links to the Emperor and Empire in the heraldry of their city. Two different sources from Padua from the year 1312 depict a debate in the public assembly, resulting in a change of town regiment and the banishing of the imperial eagle from the public space of the city. Depending on political standpoint, the chronicler either emphasised the rightfulness of the events or, and the other was Albertino Mussato, criticised it. The aforementioned Anonymous of Siena tells us, moreover, about the use of the communal coat of arms in the ritual and tactical considerations of late medieval warfare. Just as previously

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7. Schluß

in the High Middle Ages, they served the purpose of winning knightly honour. This focussing on the city coat of arms and banner as an identification symbol for the community matched that on the carroccio by the historians of the Thirteenth Century. We can see the enormous heraldic knowledge of the communal officials and historians, as well as the influence of the communal literate culture, in the way in which the knowledge was structured and passed down by the culture. The sixth chapter closes the investigative part of the study by looking at a ‘control group’ with which Italy can be compared, consisting of towns around the English Channel and their use of heraldry. The comparisons to which this chapter is devoted extend the comparisons included in previous chapters by including examples from beyond the area under investigation, such as the use of banners during the crusades as mentioned in the second chapter and the granting of the banner of the Roman Church to Tsar Kalojan of Bulgaria. In London, Gent and Mecheln, heraldic symbolism fulfilled similar organisational functions in military or political areas as in the urban communes of late medieval Italy. Fundamental commonalities in the use of heraldry, along with other similarities like the banner with a picture of the town’s patron saint, demonstrate that the Italian urban communes belonged to a common symbolic culture of the medieval city. But it is significant that the heraldry of the northern European cities was affected by their being bound into a monarchical power structure. Thus, London did not just align its garrison with the English king during the Fourteenth Century, it also took on the device of St George as its new city coat of arms because the king encouraged its use. But for the Italian communes, their heraldic devices, which reflected their complex political system, became, on the contrary, a central point of identity. Monarchical arms, like that of the Anjou, were integrated into it. Communal Italy of the late Middle Ages also lacks heralds, which were so common in the northern cities and also stood under the authority of the king. London’s heraldic symbolism, especially its role in ceremony, is most comparable to the exceptional Venice. The uniformity of the Flemish crossbow companies as well as the ubiquity of the symbol of St George in their heraldry echo the weapons companies of the Italian popolo. While in Italy the device of the red cross on white was mainly understood as a mark of Christ and as a call to internal peace, in Flanders as well as in Genoa it was seen first and foremost as a mark of St George. While the Italian armed companies were organised for the protection and representation of their commune, the crossbowmen of many Flemish cities carrying the George cross were part of a partly

7.4 Summary

547

state-run corporation of aristocrats. Their uniform appearance was, like a livery, in the service of the courtly representation of their city. Their characteristic mixing of companies, feasting and warfare was compartmentalised more strongly in Florence by the city garrisons of the popolo. If the attempt of Walter of Brienne to establish a signorie in Florence had succeeded, the changes he introduced to the heraldry and guilds of Florence might have led to similar forms of heraldic symbolism to those practised at the same time in the Flemish cities. The visible differences show how strongly symbolic structures were determined by the respective societal structures and the specific communicative functions in each political system. The individuality and significant role of the Italian communes in the development of European heraldry become clearer in comparison. The question with which we started, as to the mutual effect between the constitutional development of the communes and heraldic symbolism, can be answered in the affirmative. In the political life of the urban societies of Italy, heraldic symbolism become an increasingly important means of public communication. From the Twelfth to the Fifteenth Century, the use of such signs as well as the underlying understanding of them created its own political language. In the course of this historical development, mutual influences become visible. To begin with, the consuls and podesta`, who came from the urban-influenced aristocracy, brought heraldic symbols into use as part of their exercise of rulership, just as these signs were used in royal and feudal rulership in and around the communes. The signs grew into the new contexts via pre-heraldic media that then became carriers of heraldic symbols. The consular aristocracy succeeded in this way in founding autonomous communal lordships, but because of the internal legitimation through the will of the city community as well as because of the symbolic practices of specifically communal institutions, something new was added. The new medium’s adoption by the commune affected its public use and led to its independent development, but did not rob it of its ability to forge links with heraldry outside the communes. The triumphal planting of one’s own banner, investiture by banner or the adoption and use of family crests by communal official (phenomena, which are also first attested at this time in the governmental practice of the Roman Emperors), contributed to the construction of the commune. In so doing, the pragmatic-institutional and symbolic functions of heraldic devices were not mutually exclusive, but it was in working together, as in for example the investiture with a heraldic banner, that they created the full significance of the sign in its communicative context. It is wrong to claim that there was some sort of ‘counter-development’ of a ‘communal’ heraldry in reaction to a ‘feudal’ one early on in the devel-

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7. Schluß

opment of heraldry, in the long Twelfth Century. Over the course of the Thirteenth Century, the communes carefully employed the by-now fully developed heraldry in building up their institutions: communal committees designed heraldic devices, which expressed the religiously bolstered political programmes and abetted the organisation of militarily capable citizen and their political mobilisation. With the intensification of rulership and the acquisition by the communes of ultimate sovereign power, they also began to claim control of all the heraldic devices to be found in their area of influence. As regards heraldic symbolism, this meant a dominance of the heraldry of transpersonal institutions, an increasingly strong variegation of the sign systems and an extension of their functions. The individual urban communes became the central orientation point for the heraldry within their area of influence. The urban garrisons developed a heraldic ensemble which symbolised the transpersonal, long-surviving signoria, whose offices were filled in constant turnover. These devices became and indispensable and greatly flexible media, through which lordship could be exercised and managed. The ideologically coloured pictorial language of the popolo and the lack of professional heralds are characteristics of a communal heraldry, which can be explained by the needs of the autonomous city communes of Italy. There were no specialised heralds to give advice about heraldry; there were only communal committees. A key factor in the shaping of heraldic symbolism was the strong identification with the community and the simultaneous high mobility of the actors who determined the shape of politics and society. If we look at who made use of and passed on heraldic knowledge, we find a whole range of people, such as a blacksmith amongst the authors of the statutes of Prato, the Bolognese notaries and lawyers in the entourage of Comazzo Galluzzi, the Florentine merchant and official Giovanni Villani, the Perugia jurist Bartolo da Sassoferrato, the Milanese cleric Galvano Fiamma, or humanists like Coluccio Salutati and Enea Silvio Piccolomini. Heraldic knowledge was not restricted to a narrow, professional group, but on the contrary was a widespread expression of the communal culture of Italy. The professional and educational backgrounds of the actors and those describing the heraldry can be seen in how they categorise what the appearance and use of heraldic devices. The communal heraldry of Italy developed distinctive characteristics, but remained part of a pan-occidental, pre-modern culture of heraldic symbolism, which can be described as a variety of local dialects, bound by a common grammar. (Translated by Theo Riches)

8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder Die folgenden Blasonierungen – Wappenbeschreibungen nach den Regeln der heraldischen Fachsprache – orientieren sich an den gegenwa¨rtig in der Heraldik u¨blichen Standards1. Daher ist bei den Tingierungen nur von den beiden Metallen Gold (or) und Silber (argent) die Rede, die in der klassischen neuzeitlichen Heraldik fu¨r die nicht gebrauchten Farben Gelb und Weiß stehen. In den mittelalterlichen Quellen aus Italien scheinen dagegen die letztgenannten Wappenfarben der Regelfall gewesen zu sein. Daru¨ber hinaus existierten in der mittelalterlichen Wappenfu¨hrung bereits bewußte Ausnahmen wie die des Deutschen Ordens, dessen Angeho¨rigen als Zeichen der Bescheidenheit das Fu¨hren von Weiß anstelle von Silber vorgeschrieben war2. Fu¨r die vorliegenden Blasonierungen gilt dasselbe, wie fu¨r alle anderen: Es gibt mehrere Beschreibungsmo¨glichkeiten sowie Ausnahmefa¨lle vom starren Regelwerk der Neuzeit. In manchen Fa¨llen erlaubt die Quellenlage keine vollsta¨ndige Beschreibung oder Zuordnung. ¨ hnliches gilt fu¨r die alphabetische Auffu¨hrung, die nicht strikt eingehalA ten wird. Dies geschieht zum einen mit Ru¨cksicht auf Zusammenha¨nge, wie den Dynastie- und Wappenwechseln im Ko¨nigreich Sizilien, und zum anderen aufgrund der Auffu¨hrung des einzelnen Wappenfu¨hrenden unter dem Namen seiner Familie, die er mitsamt ihrem Wappen an dieser Stelle repra¨sentiert. Die alphabetische Einordnung unter dem Familiennamen erfolgt wiederum nur, sofern ein Familienname existierte oder u¨berliefert ist. In diesem Fall wurde auch mit Ausnahme der Scaligeri auf die Nennung von Pra¨positionen wie „de“ oder „degli“ verzichtet. Das von Bernardino von Siena im Namen Jesu Christi propagierte Bildmonogramm findet sich in der Liste der Institutionen, Reiche und Kommunen, da es mit deren Billigung und in ihrem Auftrag an sta¨dtischen Zentralorten angebracht wurde. Das Verzeichnis ist als Lesehilfe gedacht und erhebt weder den Anspruch der Vollsta¨ndigkeit noch den eines systematisch aus1 Vgl. Galbreath – Je´quier, Handbuch, S. 289–306; Scheibelreiter, Heraldik. 2 Galbreath – Je´quier, Handbuch, S. 205.

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8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

gearbeiteten Katalogs. Im Text der Arbeit erwa¨hnte Wappen- oder Fahnenbilder der Moderne sowie die in Abbildungen gut zuga¨nglichen Siegel der ro¨misch-deutschen Ko¨nige und Kaiser wurden nicht aufgenommen.

8.1 Institutionen, Reiche und Kommunen Asti

Kommune

In Rot ein durchgehendes silbernes Kreuz.

Augsburg

Stadt

Rot und silbern geteilt, davor eine gru¨ne Traube, spa¨ter ersetzt durch eine Zirbelnuß auf einem Kapitell.

Augustus

imaginierte Fu¨hrung des Wappens des Ro¨mischen Reiches, nach Giovanni Villani

In Gold ein schwarzer Adler.

Bern

Stadt

In Rot ein goldener Schra¨gbalken, darin ein schreitender schwarzer, rotbewehrter Ba¨r.

Bo¨hmen

Ko¨nigreich

In Rot ein silberner, doppelschwa¨nziger, goldbewehrter und goldbekro¨nter Lo¨we.

Bologna

Kommune

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz, spa¨ter unter einem Schildhaupt mit dem Wappen Anjou.

Notarszunft

In Blau drei 2:1 gestellte silberne Tintenfa¨sser mit eingesteckten Federn.

Griechisches Kaiserreich, nach Giovanni Villani

In Rot ein goldener, doppelko¨pfiger Adler.

Byzanz

8.1 Institutionen, Reiche und Kommunen

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Cinque Ports

Fahne und Wappen des Bundes englischer Hafensta¨dte im Ko¨nigsdienst, seit dem 13. Jh.

Gespalten und zusammengesetzt aus rechts der rechten Ha¨lfte des englischen Wappens, in Rot drei goldene Leoparden, und links in Blau drei an die Leopardenru¨mpfe anschließende goldene Schiffshecks.

Cremona

Kommune (citta` vecchia, milites), Fahne, 13. Jh.

In Rot ein durchgehendes silbernes Kreuz.

Kommune, seit dem ausgehenden 13. Jh.

Fu¨nfmal rot-silbern geteilt.

Vier Portae

Jeweils ein Lo¨we. Die Fahnen in wechselnden Farben.

Stadtsiegel, 13. Jh.

Domfassade mit vier aus dem Dach sprießenden Liliensta¨ben, begleitet unten von zwei einander zugewandten Lo¨wen und an beiden Seiten von je zwei liegenden Lo¨wen.

Stadtsiegel, nach 1334

Domfassade und Torrazzo, begleitet unten von zwei einander zugewandten Lo¨wen und oben von zwei Visconti-Schlangen und einem Adler.

Deutscher Orden

In Weiß ein durchgehendes schwarzes Kreuz. Heerfahne und Wappen des Hochmeisters

In Weiß ein durchgehendes schwarzes Kreuz, belegt mit einem goldenen Kru¨ckenkreuz. Das schwarze Kreuz wird spa¨ter als Kru¨ckenkreuz, das goldene seit dem Ende des 15. Jhs. als Lilienkreuz dargestellt. In der Mitte belegt mit einem Schild mit dem Wappen des Ro¨mischen Reiches: In Gold ein schwarzer Adler.

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8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

England

Ko¨nigreich

In Rot drei u¨bereinander gestellte goldene Leoparden, seit Eduard III. quadriert mit dem Wappen Frankreich.

Flandern

Grafschaft

In Gold ein schwarzer, rotbewehrter Lo¨we.

Florenz

Kommune, vor 1250

In Rot eine silberne Lilie mit hervorgehobenen Staubfa¨den (gefu¨llte Lilie oder Florentiner Lilie).

Kommune, nach 1250

In Silber eine rote Lilie mit hervorgehobenen Staubfa¨den.

Kommune, Heerbanner

Silbern und rot gespalten.

Parte Guelfa, Wappen und Siegelbild

In Silber ein roter Adler mit einer roten Lilie u¨ber dem Haupt, der seine Fa¨nge in einen gru¨nen, zu ihm emporgewandten Drachen schla¨gt.

Fahne der societas fidei/ Compagnia Maggiore della Vergine Maria

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz mit einem roten Stern im rechten oberen Eck.

Popolo von Florenz, nach 1293

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz.

Banner der Prioren unter dem Herzog von Athen, 15. Oktober 1342 bis 26. Juli 1343

Zweimal gespalten, vorn in Silber eine rote Florentiner Lilie (Kommune von Florenz), in der Mitte in einem blauen, mit goldenen Schindeln besa¨ten Feld ein goldener Lo¨we (Brienne) mit einem Schildchen mit dem Wappen des Florentiner Popolo am Hals, hinten in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz (Popolo von Florenz); bedeckt mit einem roten Turnierkragen.

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8.1 Institutionen, Reiche und Kommunen

Zwei Fahnen der Wache des Carroccio im Heer

In Silber ein kleines rotes Kreuz. Die zweite Fahne in verwechselten Farben.

Zwei Fahnen der Armbrustschu¨tzen im Heer

In Silber bzw. in Rot eine Armbrust.

Zwei Fahnen der Bogenschu¨tzen im Heer

In Silber bzw. in Rot ein Bogen.

Zwei Fahnen der Schildtra¨ger im Heer

In Silber eine Pavese, darauf in Rot eine silberne Florentiner Lilie. Die zweite Fahne in verwechselten Farben.

Fahne des Trosses im Heer

In Silber ein schwarzes Maultier.

Fahne der ribaldi im Heer

In Silber ribaldi in natu¨rlichen Farben.

Sesto Oltrarno, Fahne der milites

Silbern.

Sesto Oltrarno, Fahne der Popolaren, 1281–1343

Geteilt, silbern, darin eine rote Bru¨cke, und rot.

Sesto San Piero Scheraggio, Fahne der milites

Geteilt, schwarz und gold.

Sesto San Piero Scheraggio, Fahne der Popolaren, 1281–1343

Geteilt, rot, darin ein silbernes Rad, und silbern.

Sesto Borgo, Fahne der milites

Gespalten, silbern und blau.

Sesto Borgo, Fahne der Popolaren, 1281–1343

Geteilt, silbern, darin ein schwarzer Ziegenbock, und rot.

Sesto San Pancrazio, Fahne der milites

Rot.

Sesto San Pancrazio, Fahne der Popolaren, 1281–1343

Geteilt, silbern, darin eine Lo¨wenpranke, und rot.

Sesto Porta di San Piero, Fahne der milites

Gold.

554

8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

Sesto Porta di San Piero, Fahne der Popolaren, 1281–1343

Geteilt, rot, darin zwei abgewandt gestellte goldene Schlu¨ssel, und silbern.

Sesto Porta del Duomo, Fahne der Popolaren, 1281–1343

Geteilt, rot, darin das Bild des Baptisteriums, und silbern.

Quartiere di Santo Spirito, nach 1343

In Blau die silberne Taube des Heiligen Geistes.

Quartiere di Santa Croce, nach 1343

In Blau ein durchgehendes goldenes Kreuz.

Quartiere di Santa Maria Novella, nach 1343

In Blau eine goldene Sonne.

Quartiere di San Giovanni, nach 1343

In Blau das goldene Florentiner Baptisterium, begleitet von zwei goldenen Schlu¨sseln.

Otto di guerra, 1375

In Rot ein silbernes, schra¨grechts gestelltes LIBERTAS.

Firenzuola

Kommune

Gespalten und zusammengesetzt aus rechts der rechten Ha¨lfte von in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz (Popolo von Florenz) und links aus der linken Ha¨lfte von in Silber eine rote, gefu¨llte Lilie (Kommune von Florenz).

Frankfurt am Main

Stadt

In Rot ein silberner, goldgekro¨nter und goldbewehrter Adler.

Frankreich

Ko¨nigreich

Alt: Blau, besa¨t mit goldenen Lilien. Neu: In Blau drei 2:1 gestellte goldene Lilien.

555

8.1 Institutionen, Reiche und Kommunen

Giglio Fiorentino

Geplante Kommune

In Gold unter einem roten Turnierkragen eine blaue Lilie, links und rechts unten begleitet von je einem kleinen Schild mit den Wappen des Popolo beziehungsweise der Kommune von Florenz.

Genua

Kommune

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz.

Kommune, Heerbanner

In Rot der Drachenkampf des heiligen Georg von Gold.

Kommune, Lehnsfahne

Rot.

Kommune, Siegel, 13. Jh.

Neben anderen Varianten ein Greif, der einen Adler und einen Fuchs schla¨gt.

Popolo, Siegel nach 1257

Agnus Dei.

Stadt

In Schwarz ein silberner Lo¨we.

Sint-Jorisgilde, Wappen

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz.

Sint-Jorisgilde, Siegel

Drachenkampf des heiligen Georg.

Ko¨nigreich

In Silber ein schwebendes goldenes, von vier goldenen Kreuzchen bewinkeltes Kru¨ckenkreuz.

Bleibulle Ko¨nig Balduins III.

Davidsturm mit aufgepflanztem Ko¨nigsbanner

Gent

Jerusalem

Jesus Christus-Monogramm des Bernardino von Siena Karthago/ Rom

In Blau das goldene Christusmonogramm YHS in einer sonnenfo¨rmigen, goldenen Gloriole mit zwo¨lf Haupt- und weiteren Nebenstrahlen. imagina¨res Wappen antiken Heidentums

In Gold ein schwarzer Skorpion.

556

8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

Ko¨ln

Kriegsfahne der Gerberga, Mitte des 10. Jhs.

Christus, umgeben von Erzengeln, Heiligen und dem Text des 143. Psalmes.

London

Stadt, Heerfahne

In Rot der goldgekleidete heilige Paulus mit silbernem Haupt, Ha¨nden und Fu¨ßen sowie einem Schwert in der Hand.

Stadt, Wappen, spa¨testens seit 1381

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz. In der rechten oberen Ecke ein aufrecht stehendes rotes Schwert.

Stadt, Siegel, 13. Jh.

Inmitten des Stadtbildes von London der heilige Paulus mit dem Schwert in der Rechten und dem englischen Wappenbanner in der Linken.

Luxemburg

Grafschaft

Mehrfach silbern und blau geteilt. Davor ein goldbewehrter und goldgekro¨nter roter Lo¨we.

Mailand

Kommune

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz.

Porta Orientale

In Silber ein schwarzer Lo¨we.

Porta Nuova

Silbern-schwarz geviert.

Porta Comacina

Silbern-rot geschacht.

Porta Vercellina

Silbern-rot geteilt.

Porta Ticinese

Silber.

Porta Romana

Rot.

Marseille

Kommune

In Silber ein durchgehendes blaues Kreuz.

Mecheln

Stadt, u¨bernommenes Wappen der Familie Berthout

Sechsmal von Gold und Rot geteilt (bzw. in Gold drei rote Pfa¨hle). 1490 durch Kaiser Friedrich III. mit einem Herzschild mit dem Reichswappen gebessert.

557

8.1 Institutionen, Reiche und Kommunen

Armbrustschu¨tzenbruderschaft

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz.

Montemignaio

Kommune, nach 1359

In Silber ein roter Sechsberg, daru¨ber drei rote Lilien.

Neapel und Sizilien (Staufer)

Ko¨nigreich, Heerfahne und Wappen

In Silber ein schwarzer Adler.

Neapel und Sizilien (Anjou)

Heerfahne und Wappen

Blau, besa¨t mit goldenen Lilien. Das Schildhaupt belegt mit einem mehrlatzigen roten Turnierkragen.

Rene´ I. von Anjou als Ko¨nig von Neapel

Schiffsflagge

Gespalten, rechts das Ko¨nigreich Jerusalem, links geteilt von Neu-Anjou (innerhalb eines roten Schildrandes blau, besa¨t mit goldenen Lilien) und Bar (in einem blauen, mit goldenen Fußspitzwiederkreuzchen besa¨ten Feld zwei abgewandte goldene Barben).

Sizilien (Arago´n)

Ko¨nigreich

Schra¨ggeviert von Arago´n (in Gold vier rote Pfa¨hle) und dem staufischen Sizilien (in Silber ein schwarzer Adler).

Orvieto

Kommune

In Rot ein silberner Adler.

Padua

Kommune

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz.

Parma

Heerfahne

Bild der Jungfrau Maria.

Kommune

In Rot ein steigender schwarzer Stier.

Kommune und Societa` dei Crociati seit 1266

In Gold ein durchgehendes blaues Kreuz.

Stadtsiegel, 14. Jh.

Thronende Gottesmutter, zu beiden Seiten begleitet von einem kleinen schreitenden Stier.

558

8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

Perugia

Kommune

In Rot ein silberner, goldbewehrter Greif.

Pian Castagnaio

Kommune, nach 1440

In Rot der silberne Lo¨we des Sieneser Popolo, der einen Kastanienbaum ha¨lt. Daru¨ber, in der linken oberen Ecke ein Schild mit der Sieneser Balzana.

Pisa

Kommune, Heerfahne

Rot. Außerdem Belege fu¨r eine Fahne mit dem Bild der Jungfrau Maria.

Kommune, Popolo, Wappen

Rot oder in Rot ein silbernes Pisaner Kreuz.

Siegel

Ein heraldisch nach links gewandter Adler mit halb entfalteten Flu¨geln auf einem Kapitell.

Kommune, alt

In Gru¨n ein komplett geru¨steter, rot gewandeter Ritter auf einem Schimmel. Schild und Waffenrock des Reiters sowie die Kuvertu¨re des Pferdes ko¨nnen das Wappen Neu-Prato tragen; daru¨ber ein Schildhaupt mit dem Wappen Anjou.

Kommune, neu

Rot, besa¨t mit goldenen Lilien, daru¨ber ein Schildhaupt mit dem Wappen Anjou.

Popolo

In Silber ein Wolf und ein Lamm in natu¨rlichen Farben, aufrecht stehend, die zwischen sich einen roten Kelch halten. Daru¨ber ein liegendes rotes Schwert.

Popolo, Societas Leonis

In Rot ein goldener Lo¨we, daru¨ber ein Schildhaupt mit dem Wappen Anjou.

Prato

559

8.1 Institutionen, Reiche und Kommunen

Popolo, Societas Ursi

In Gold ein schwarzer Ba¨r, daru¨ber ein Schildhaupt mit dem Wappen Anjou.

Popolo, Societas Aquilae

In Rot ein goldener Adler, daru¨ber ein Schildhaupt mit dem Wappen Anjou.

Popolo, Societas Dragonis

In Rot ein gru¨ner (silberner?) Drache, daru¨ber ein Schildhaupt mit dem Wappen Anjou.

Comitatus von Prato, Siegel

Ein Kreuz, bewinkelt von vier Lilien.

Ro¨mische Kirche

Heiliges Ro¨misches Reich

In Rot ein durchgehendes silbernes Kreuz, bewinkelt von silbernen Schlu¨sseln. Die Schlu¨ssel begegnen einzeln oder jeweils paarweise gekreuzt, mitunter von Silber und Gold und auch als alleinige Schildfiguren. Heerfahne

In Rot ein durchgehendes silbernes Kreuz.

Heerfahne und Wappen

In Gold ein schwarzer Adler. Im Italien des 14. Jhs. oftmals bekro¨nt mit einer goldenen Krone.

Rom

Kommune

In Rot ein goldenes SPQR, meist mit vorangestelltem Kreuz.

San Gimignano

Kommune, Fahne

In Rot das Bild des heiligen Geminianus.

Kommune, Wappen

Rot und gold geteilt, darin ein silberner Lo¨we, der eine palla mit dem Wappen NeuFrankreich ha¨lt.

560

8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

San Miniato

Kommune

In Rot ein goldener Lo¨we mit einem goldenen Schwert in der Pranke. 1355 durch Kaiser Karl IV. mit einer goldenen Krone u¨ber dem Haupt des Lo¨wen gebessert.

Sardinien/ Torres und Gallura

Ko¨nigreich, Siegel Ko¨nig Enzos

Der mit Schwert und Schild bewaffnete Ko¨nig zu Pferde, daneben ein Turm.

Siena

Kommune

Silbern und schwarz geteilt (Balzana).

Popolo, Wappen

In Rot ein goldbewehrter silberner Lo¨we mit einer goldenen Krone u¨ber dem Haupt.

Popolo, Siegel im 13. Jh.

Ein Lo¨we.

Parte Guelfa, Siegel

Ein schreitender, hersehender Lo¨we mit einem erhobenen Schwert in der rechten Pranke.

Templerorden

Heerfahne (bauc¸an)

Schwarz und silbern geteilt oder Silber mit schwarzem Schildhaupt.

Todi

Kommune

In Rot ein silberner Adler mit einem silbernen, mit einem Tuch beha¨ngten Stab in den Klauen und zwei schwarzen, jeweils auf die Innenseite seiner Flu¨gel gelegten kleinen Adlern. 1468 durch Kaiser Friedrich III. um eine goldene Krone u¨ber dem Haupt des Adlers gebessert.

Ghibellinische Wappenfahne

Silbern und gru¨n geteilt (Balzana).

Kommune, 1155

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz, bewinkelt von Sonne und Mond.

Tortona

561

8.1 Institutionen, Reiche und Kommunen

Kommune, seit dem 13. Jh.

In Rot ein silberner Lo¨we mit einer gestielten Rose in den Pranken.

Treviso

Kommune

In Rot ein durchgehendes silbernes Kreuz, in den oberen Winkeln bewinkelt von je einem silbernem Stern.

Trient

Hochstift, Lehnsfahnen, 13. Jh.

Rot.

Venedig

Kommune

In Rot der goldene Markuslo¨we.

Verona

Kommune und Popolo

In Blau ein durchgehendes goldenes Kreuz.

milites et nobiles

In Rot ein durchgehendes silbernes Kreuz.

Kommune

In Blau auf goldenem Boden eine gru¨ne Palme mit roten Fru¨chten, davor ein nach rechts schreitender, hersehender und gekro¨nter goldener Lo¨we mit der Fahne der Ro¨mischen Kirche in der rechten Pranke.

Viterbo

562

8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

8.2 Familien und Personen Albertini

aus Prato

Ein gekro¨nter Lo¨we; oder: unter einem Schildhaupt, darin in Gold ein blauer Leopard, von Gold und Blau mehrfach schra¨grechts geteilt.

Atti

aus Todi

In Rot eine gru¨ne (goldene?) Palme, begleitet von zwei silbernen, einander zugewandten Lo¨wen (der linke Lo¨we von Gold?).

Bardi

aus Florenz

In Gold schra¨gbalkenweise aneinanderstoßende rote Wecken.

Bartolo da Sassoferrato

aus Sassoferrato, Bu¨rger von Perugia

In Gold ein roter, zweischwa¨nziger Lo¨we. 1355 durch Kaiser Karl IV. verliehen.

Beccadelli

aus Bologna

In Blau ein aufrecht stehender Klauenflu¨gel mit goldenem Fang und schwarzem Flug. Als Helmzier ein Flug.

Bentivoglio

aus Bologna

Schra¨grechts im Zackenschnitt geteilt von Gold und Rot. 1468 durch Kaiser Friedrich III. fu¨r Giovanni Bentivoglio mit dem Recht gebessert, einen Adler jedweder Farbe mit Ausnahme von Schwarz hinzufu¨gen zu du¨rfen.

Bernardoni

aus Florenz, 1349 in den Popolo aufgenommene Linie der Squarcialupi

Hammel.

Bragadin

aus Venedig

In Gold ein schwarzer, rotbewehrter Adler.

563

8.2 Familien und Personen

Gautier VI. de Brienne

aus der Champagne, Herzog von Athen, Signore von Florenz

In einem blauen, mit goldenen Schindeln besa¨ten Feld ein goldener Lo¨we.

Thebaldus de Brusatis

Capitano von Brescia

Von Blau und Silber mehrfach schra¨grechts geteilt.

Julius Caesar

imagina¨res Wappen nach Giovanni Villani

In Rot ein goldener Adler.

Caetani

aus Anagni

In Gold zwei gewellte blaue Schra¨glinien.

Fulcieri da Calboli

aus der Romagna, Podesta` von Florenz

In Rot ein goldener, blau bewehrter Adler.

Carbonesi

aus Bologna

Schra¨ggeviert von blauweißen Rauten und Gold mit einem schwarzen Adler. 1338 durch Kaiser Ludwig den Bayern verliehen.

Carretto

Markgrafen von Savona

Von Rot und Gold mehrfach schra¨grechts geteilt.

Castelbarco

aus dem Trentino

In Rot ein silberner Lo¨we.

Castruccio aus Lucca, Castracani Signore von Lucca degli Antelminelli

Geteilt von Blau, darin ein wachsender goldener Hund, und Gold.

Wappenfahne des 1327 durch Kaiser Ludwig den Bayern fu¨r Castruccio geschaffenen Herzogtums Lucca

In Gold ein mit den bayerischen Wecken belegter Balken.

Cavalcanti

aus Florenz

Silber, besa¨t mit roten Kreuzchen, oder: In Silber ein rotes Schra¨ggitter mit roten Kreuzchen in den Zwischenra¨umen.

Ciampoli

aus Florenz, 1361 in den Popolo aufgenommene Linie der Cavalcanti

In Silber ein durchgehendes rotes Kreuz, bewinkelt von vier blauen Sternen.

Clare

aus England

In Gold drei rote Sparren.

Colonna

aus Rom

In Rot eine silberne, goldbekro¨nte Sa¨ule.

564

8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

Donati

aus Florenz

Rot und silbern geteilt.

Doria

aus Genua

Geteilt von Gold und Silber. Davor ein schwarzer, rot bewehrter Adler.

Drudus Marcellinus

aus Mailand, Podesta` von Genua

In Gold drei schra¨grechts gelegte gru¨ne Knotensto¨cke.

Giovanni di aus Ancona, Francesco Podesta` von Florenz Ferretti, Graf von Castrofrancesco

In Silber zwei rote Schra¨gbalken. Als Helmzier ein wachsender iudex, der in der Linken eine Schriftrolle mit dem Wort AUCTORITAS ha¨lt und seine Rechte mit ausgestrecktem Zeigefinger erhebt.

FitzWalter

aus England

In Gold ein roter Balken zwischen zwei roten Sparren.

Comazzo Galluzzi

aus Bologna, Podesta` von Todi

In Blau ein Hahn. Im 14. Jahrhundert meist mit einem Schildhaupt mit dem Wappen Anjou.

Jacominus de Ponte

aus Rom, Podesta` von Todi

Bru¨cke

Lazarius Gerardini Glandonis

aus Lucca, Podesta` von Genua

In Silber ein goldbewehrter blauer Lo¨we. Als Helmzier ein Pfau.

Guidi

Toskanisch-romagnolisches Grafengeschlecht

Schra¨ggeviert von Rot und Silber.

Jacopo da Santa Croce

aus Padua

In Silber ein goldener Querbalken, davor ein gekro¨nter roter Lo¨we.

Marescotti

aus Siena

In Gold ein schwarzer, goldbewehrter Adler.

von der Mark

Westfa¨lisches Grafengeschlecht

In Gold ein dreireihiger, rot-silberner Schachbalken

Montfort

Franzo¨sisch-englisches Adelsgeschlecht

In Rot ein silberner Lo¨we.

8.2 Familien und Personen

565

Roger de Mortimer

aus England

Unter einem blauen Schildhaupt, darin eine gestu¨rzte, abgeschnitte Spitze von Gold und in dieser zwei blaue Pfa¨hle, mehrfach geteilt von Gold und Blau. Belegt mit einem Herzschild von Hermelin.

Orsini

aus Rom

Durch einen schmalen goldenen Balken geteilt. Oberhalb in Silber eine goldbesamte und -bebutzte rote Rose. Unterhalb von Silber und Rot mehrfach schra¨grechts geteilt.

Pitti

aus Florenz

im Wellenschnitt mehrfach schwarz und silbern geteilt. Durch verschiedene Beizeichen gebessert: als Schildhaupt das Anjou-Wappen sowie das rote Kreuz des Florentiner Popolo als Beizeichen in der Schildmitte. Buonaccorso Pitti erhielt 1401 von Ko¨nig Ruprecht das Recht, den goldenen Pfa¨lzer Lo¨wen im Wappen zu fu¨hren.

Gottfried Plantageneˆt

Graf von Anjou, Herzog der Normandie

In Blau mehrere (4 : 2 : 1 angeordnete?) goldene Lo¨wen.

Eduard Plantageneˆt

der spa¨tere Eduard I. als Kronprinz von England

In Rot drei u¨bereinander gestellte goldene Leoparden (Ko¨nigreich England), das Schildhaupt belegt mit einem mehrlatzigen blauen Turnierkragen.

566

8. Verzeichnis der in dieser Arbeit erwa¨hnten Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder

Pompeius

imagina¨res Wappen nach Giovanni Villani

In Blau ein silberner Adler. Der Miniator des ‚Codice Chigiano‘ weist dasselbe Wappen auch Catilina zu, dem, wie auch Marius, Giovanni Villani nur den silbernen Adler als Schildfigur zuschreibt.

Popolani

aus Florenz, 1361 in den Popolo aufgenommene Linie der Cavalcanti

Blau, besa¨t mit goldenen Rosen und am Schildhaupt belegt mit einem Schildchen mit dem Wappen des Florentiner Popolo.

Pusterla

aus Mailand

In Gold ein schwarzer Adler.

Savelli

aus Rom

Durch einen schmalen gru¨nen Balken geteilt. Oberhalb in Silber eine goldbesamte und -bebutzte rote Rose mit einem auf ihr sitzenden goldenen oder roten Vogel zwischen zwei einander zugewandten roten Lo¨wen. Unterhalb von Gold und Rot mehrfach schra¨grechts geteilt.

Della Scala

aus Verona

In Rot eine silberne, vieroder fu¨nfsprossige Leiter. Als Helmzier ein silberner Hundekopf.

Squarcialupi

aus Florenz

Wolf.

Stracciavolpi

aus Florenz, 1349 in den Popolo aufgenommene Linie der Squarcialupi

Fuchs.

Tornaquinci

aus Florenz

Geviert von Gold und Gru¨n.

Niccolo` da Uzzano

aus Florenz. Podesta` von Prato

Unter einem blauen Schildhaupt mehrfach silbern und rot geteilt.

8.2 Familien und Personen

Visconti

aus Mailand

567 In Silber eine in Schlingen aufgerichtete blaue Schlange, die einen roten Menschen mit den Fu¨ßen voran verschlingt. Seit dem 14. Jahrhundert mit einer goldenen Krone bekro¨nt und mit verschiedenen Wappen kombiniert – u. a. geviert mit dem Wappen des Heiligen Ro¨mischen Reiches oder Frankreichs.

9. Quellen- und Literaturverzeichnis 9.1 Abku¨rzungen und Siglen AfD AHR AKG AQDGM ASCT, Dipl. perg. 17 G ASI Bibl. DHI Rom CCCM DA DBI EHR EdM FMSt Fonti HRG

HZ LMA MGH – DD – SS – SS rer. Germ. – SS rer. Germ. n. s. MGM

Archiv fu¨r Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde The American Historical Review Archiv fu¨r Kulturgeschichte Ausgewa¨hlte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Geda¨chtnisausgabe Todi, Archivio storico comunale di Todi, Fondo Diplomatico, pergamena 17 G. Archivio Storico Italiano Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom Corpus Christianorum, Continuatio Mediaeualis Deutsches Archiv fu¨r Erforschung des Mittelalters Dizionario biografico degli Italiani The English Historical Review Enzyklopa¨die des Mittelalters, hg. von Gert Melville und Martial Staub 1–2, Darmstadt 2008. Fru¨hmittelalterliche Studien Fonti per la storia d’Italia Handwo¨rterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. von Adalbert Erler†, Ekkehard Kaufmann und Dieter Werkmu¨ller Historische Zeitschrift Lexikon des Mittelalters 1–9. Studienausgabe, Stuttgart – Weimar 1999. Monumenta Germaniae historica Monumenta Germaniae historica. Diplomata regum et imperatorum Germaniae Monumenta Germaniae historica. Scriptores (in Folio) Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum ex Monumentis Germaniae historicis separatim editi Monumenta Germaniae historica. Scriptores rerum Germanicarum, nova series Monographien zur Geschichte des Mittelalters

9.1 Abku¨rzungen und Siglen

MI

Migne PL

¨G MIO MMS NA Ndr. N. F. ¨ KR PHIO QFIAB RHM RIS RIS2

Rolls Series VuF VMPIG ZHF ZRG KA – GA

569

Medieval Italy: An Encyclopedia, hg. von Christopher Kleinhenz u. a. (The Routledge Encyclopedias of the Middle Ages 9) 1–2, New York – London 2004. Jacques-Paul Migne (Hg.), Patrologiae cursus completus sive bibliotheca universalis [...] omnium ss. patrum [...] Series latina in qua prodeunt patres [...] ecclesiae latinae [...] ( = Patrologia latina) ¨ sterreichische GeschichtsMitteilungen des Instituts fu¨r O forschung Mu¨nstersche Mittelalter-Schriften Neues Archiv der Gesellschaft fu¨r a¨ltere deutsche Geschichtskunde Nachdruck Neue Folge ¨ sterreichiPublikationen des Historischen Instituts beim O schen Kulturinstitut in Rom Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Ro¨mische Historische Mitteilungen Rerum Italicarum Scriptores, hg. von Ludovico Antonio Muratori Rerum Italicarum Scriptores. Raccolta degli storici italiani dal cinquecento al millecinquecento, ordinata da Ludovico Antonio Muratori. Nuova Edizione riveduta, ampliata e corretta con la direzione di Giosue Carducci e Vittorio Fiorini Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores Vortra¨ge und Forschungen Vero¨ffentlichungen des Max-Planck-Instituts fu¨r Geschichte Zeitschrift fu¨r Historische Forschung Zeitschrift der Savigny-Stiftung fu¨r Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung Zeitschrift der Savigny-Stiftung fu¨r Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung

570

9. Quellen- und Literaturverzeichnis

9.2 Quellen 9.2.1 Nicht edierte Quellen Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, Codex Gaddi 116, fol. 75r–77v. Todi, Archivio storico comunale di Todi, Fondo Diplomatico, pergamena 17 G, fol. 49–88.

9.2.2 Edierte Quellen Acta Imperii inedita saeculi XIII et XIV. Urkunden und Briefe zur Geschichte des Kaiserreichs und des Ko¨nigreichs Sizilien, hg. von Eduard Winkelmann 1–2, Innsbruck 1880 und 1885, Ndr. Aalen 1964. Acta Imperii selecta. Urkunden deutscher Ko¨nige und Kaiser 928–1398, mit einem Anhang von Reichssachen, hg. von Johann Friedrich Bo¨hmer. Aus dem Nachlaß hg. von Julius Ficker, Innsbruck 1870, Ndr. Aalen 1967. Albertino Mussato, De Gestis Heinrici VII. Caesaris Historia Augusta, hg. von Ludovico Antonio Muratori (RIS 10) Milano 1727, Sp. 1–568. Ders., Sette libri inediti del De gestis Italicorum post Henricum VII., hg. von Luigi Padrin (Monumenti storici, publicati dalla R. Deputazione veneta di storia patria, ser. III, vol. 3) Venezia 1904. Albertus Miliolus, Liber de temporibus et aetatibus et Cronica imperatorum, hg. von Oswald Holder-Egger, in: MGH SS 31, Hannover 1903, S. 336–668. Annales Cremonenses a. 1096–1232, hg. von Philipp Jaffe´, in: MGH SS 18, hg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1863, S. 800–807. Annales Cremonenses 1096–1270, hg. von Oswald Holder-Egger, in: MGH SS 19, hg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1866, S. 19–31. Annales Ianuenses. Ann. MCCXXV–MCCL. Annali Genovesi di Caffaro e de’ suoi continuatori [3:] dal MCCXXV al MCCL. Nuova edizione, hg. von Cesare Imperiale di Sant’ Angelo (Fonti 13) Roma 1923. Annales Ianuenses. Ann. MCCLI–MCCLXIV, in: Annali Genovesi di Caffaro e de’ suoi continuatori [4:] dal MCCLI al MCCLXXIX. Nuova edizione, hg. von Cesare Imperiale di Sant’ Angelo (Fonti 14/1) Roma 1926, S. 1–58. Annales S. Iustinae Patavini, hg. von Philipp Jaffe´, in: MGH SS 19, hg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1866, S. 148–193. Annales Florentini II, in: Quellen und Forschungen zur a¨ltesten Geschichte der Stadt Florenz, hg. von Otto Hartwig 1–2, Marburg an der Lahn 1875 und Halle an der Saale 1880, 2, S. 40–42. Annales Mediolanenses breves, hg. von Philipp Jaffe´, in: MGH SS 18, Hannover 1863, S. 389–391. Annales Placentini Gibellini a. 1154–1284, hg. von Georg Heinrich Pertz, in: MGH SS 18, hg. von Dems., Hannover 1863, S. 457–581. Anonimo romano, Cronica, hg. von Giuseppe Porta (Classici 40) Milano 1979.

9.2 Quellen

571

Gli Atti del Comune di Milano fino all’anno MCCXVI, hg. von Cesare Manaresi, Milano 1919. Bach, Adolf (Hg.), Die Werke des Verfassers der Schlacht bei Go¨llheim (Meister Zilies von Seine?) (Rheinisches Archiv 11) Bonn 1930. ¨ berBartoli a Saxoferrato Tractatus de insigniis et armis. Mit Hinzufu¨gung einer U setzung und der Citate neu hg. von Felix Hauptmann, Bonn 1883. Bartolo da Sassoferrato, De insigniis et armis, in: A Grammar of Signs. Bartolo da Sassoferrato’s Tract on Insignia and Coats of Arms, hg. von Osvaldo Cavallar, Susanne Degenring und Julius Kirshner (Studies in Comparative Legal History) Berkeley, CA 1994, S. 93–144. Bateson, Mary, A London Municipal Collection of the Reign of John, in: EHR 17, 1902, S. 480–511 und 707–730. Beflaggungsreglement. Richtlinien und Hinweise zu Einsatz und Handhabung von Flaggen, Fahnen und Wappen in der Stadt Zu¨rich. StRB Nr. 930 vom 29. 06. 2005, hg. vom Hochbaudepartement der Stadt Zu¨rich, Immobilienbewirtschaftung, Zu¨rich 2005. Il Libro del Biadaiolo. Carestie e annona a Firenze dalla meta` del ’200 al 1348, hg. von Giuliano Pinto (Biblioteca Storica Toscana 18) Firenze 1978. Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem, hg. von Roger Gryson u. a., 4., verb. Aufl., Stuttgart 1994. Le Biccherne. Tavole dipinte delle magistrature senesi (secoli XIII–XVIII), hg. von Luigi Borgia u. a., Roma 1984. Bonvesin da la Riva, De magnalibus Mediolani/Meraviglie di Milano. Testo critico, traduzione e note, hg. von Paolo Chiesa, Milano 1997. Ders., Vita scholastica, in: Quinque claves sapientiae. Incerti auctoris Rudium doctrina. Bonvicini de Ripa Vita scholastica, hg. von Anezˇka Vidmanova´Schmidtova´ (Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana) Leipzig 1969, S. 37–113. Burchard von Ursberg, Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg. 2. Aufl., hg. von Oswald Holder-Egger und Bernhard von Simson (MGH SS rer. Germ. 16) Hannover – Leipzig 1916. Burchard von Ursberg, Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, in: Quellen zur Geschichte der Welfen und die Chronik Burchards von Ursberg, hg. und u¨bersetzt von Matthias Becher unter Mitarbeit von Florian Hartmann und Alheydis Plassmann (AQDGM 18b) Darmstadt 2007, S. 100–311. Cafari Annales [Ianuenses]. Ann. MXCIX–MCLXIII, in: Annali Genovesi di Caffaro e de’ suoi continuatori [1:] dal MXCIX al MCCXCIII. Nuova edizione, hg. von Luigi Tommaso Belgrano (Fonti 11) Genova 1890, S. 1–75. Cafari et continuatorum Annales Ianuenses a. 1099–1294, in: MGH SS 18, hg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1863, S. 1–356. Il Caleffo Vecchio del Comune di Siena 1–4, hg. von Giovanni Cecchini u. a., Siena 1932–1984.

572

9. Quellen- und Literaturverzeichnis

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578

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9.3 Literatur und Hilfsmittel

579

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9. Quellen- und Literaturverzeichnis

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Register Aufgenommen wurden Orts- und Personennamen. Nicht erfaßt wurden moderne Autoren und Sachen. Weitere Orientierungshilfe, insbesondere fu¨r Sachen und Sachthemen, bieten das Inhaltsverzeichnis, das Verzeichnis der Wappen-, Fahnen- und Siegelbilder, das wie die Zusammenfassungen in italienischer und englischer Sprache bei der Registererstellung nicht beru¨cksichtigt wurde, sowie kennzeichnende Angaben und eine Untergliederung der Stichworte im Register, die meist zu den eingehender untersuchten Sta¨dten erfolgte. So verweisen die Unterstichworte auf vergleichbare Handlungsorte und Institutionen, wie den Kommunalpalast oder den Popolo einer Stadtkommune. Ein nachgestelltes * gibt an, daß sich die entsprechenden Nachweise jedoch nur auf die Stellen beziehen, an denen die genannten Gro¨ßen Gegenstand der Untersuchung sind und im Zusammenhang mit symbolischer Kommunikation diskutiert werden. Dieselbe Verweisfunktion haben die Stichworte zu „Kirche“ (auch fu¨r „Papsttum“) und „Reich“ (auch fu¨r „Kaiser“). Angaben zu den Funktionen, Amtsta¨tigkeiten und -orten von Personen streben keine biographische Vollsta¨ndigkeit an, sondern beziehen sich auf das im Text Behandelte. Die Registererstellung fu¨r eine Arbeit, deren Untersuchungszeitraum vom 11. bis ins 15. Jahrhundert reicht, sieht sich nicht nur mit der Vielfalt der Namenfu¨hrung in und außer¨ berlieferung konfrontiert, sondern vor halb Italiens sowie mit Schreibvarianten in der U allem mit dem Pha¨nomen des Wandels der Personennamen im Mittelalter. Dem Ruf- oder „Vornamen“ einer Person ist daher in diesem Register der Vorrang vor ihrem Patronym, Herkunfts-, Bei- oder Familiennamen gegeben worden. Die zusa¨tzlich aufgefu¨hrten Familiennamen, denen die zugeho¨rigen Pra¨positionen ohne Relevanz fu¨r die alphabetische Auflistung vorangestellt sind, sollen das Auffinden von Personen und Verwandtschaftsverha¨ltnissen erleichtern. Pfeile (−→) verweisen dabei auf die unter dem jeweiligen Familiennamen zusammengefaßten Vornamen der Einzelpersonen einer Verwandtschaftsgruppe. Die Schreibweise und Anordnung der Stichwo¨rter folgt im Allgemeinen den Benutzungshinweisen im ersten Band des „Lexikons des Mittelalters“. Auch die Abku¨rzungen entsprechen u¨ber die allgemein u¨blichen und unmittelbar versta¨ndlichen Formen hinaus dem Abku¨rzungsverzeichnis dieses Lexikons. Des weiteren bedeutet: Br. – Bruder; Dyn. – Dynastie; Fam. – Familie; Gem. – Gemahlin; S. – Sohn; T. – Tocher; V. – Vater. van der Aa, Fam. (Mecheln) 484 Abati, Fam. (Florenz) −→ Bocca Abel 64 Abimelech 468 Abraam de Malfiastris (Cremona), Tra¨ger eines Reichslehens 163 ¯ Abu’l-Q¯ asim, Emir v. Sizilien 75 Acciaiuoli, Fam. (Florenz) −→ Acciaiuolo

−→ Niccolo` Acciaiuolo Acciaiuoli (aus Florenz), kgl.-neapol. Vikar v. Prato, V. v. Niccolo` Acciaiuoli 400 Acquasparta 235 d’Acquasparta, Fam. (Todi) s. a. Bentivegni −→ Matteo −→ Oddo Acuto, −→ Giovanni

Register de Adam, Fam. (Parma) −→ Salimbene Adrianopel, Schlacht (1205) 128 Aert Lips, Fahnentra¨ger aus Mecheln 491 de Aglano (Agliano), −→ Jordanus Agnano, Kloster 430, 434 Akkon 79, 136 Albert II. v. Ka¨fernburg, Ebf. v. Magdeburg 45 Albert III., Gf. v. Tirol 145 Albert II., Gf. v. Go¨rz-Tirol 145–146 Albrecht II. v. Habsburg, Hzg. v. ¨ sterreich 35 O Albertus gen. Gallus, Großv. v. Comazzo Galluzzi 265, 266 Albert v. Stade, OSB OFM, Chronist 225 Albertini, Fam. (Prato) 35 −→ Niccolo` Albertino Mussato, Notar u. Humanist in Padua 455–457, 471, 472, 481, 505 Alberto Caccianemici (aus Bologna), Podesta` v. Todi 85, 246 Albertus Alba Muratori, Fußsoldat aus Bologna, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi 201 Albertus de Mandello (aus Mailand), Podesta` v. Como u. Faenza 44 Albizzeschi, Fam. (Siena) −→ Bernardino da Siena −→ Tollo Albizzi, Fam. (Florenz) 449 Albizzo Forese (aus Florenz), Podesta` v. Padua 356, 358 Albrecht siehe Albert Aldobrandeschi, Gfn. (Toskana) −→ Ildebrandino Novello Alessandria 42, 45, 419 Alessandro Farnese, Hzg. v. Parma u. Piacenza, Generalstatthalter d. span. Niederlande 488 Alexander III. (Rolando Bandinelli, Regularkanoniker), Papst 359, 360 Alexander, Anwalt (procurator) v. Comazzo Galluzzi 217 Alighieri, Fam. (Florenz) 30 −→ Cacciaguida −→ Dante Alling, Schlacht (1422) 482

623 Allucingoli, Fam. (Lucca) −→ Ubaldo (Papst Lucius III.) Alnaldus siehe Arnaldus Altichiero da Zevio, Veroneser Maler 282 Altobello da Canale, Anfu¨hrer d. Ghibellinen v. Todi 235 Alvarotti, Fam. (Padua) −→ Jacobus de Alvarotis Alviano, Kastell 245 di Alviano, Fam., Zweig d. Gfn. v. Montemarte −→ Ugolino Ambrogio Lorenzetti, Maler ‚Gute und schlechte Regierung‘, Freskenzyklus im Palazzo Pubblico in Siena (Taf. 3) 9, 20–31, 282, 414, 427 Amelia 234, 239, 241 Amizo Saccus (aus Lodi), Podesta` v. Mailand 44 Anaklet II. (Petrus Pierleoni, OSB), Gegenpapst 57–59 Anastasi, −→ Angelus Andalo`, Fam. (Bologna), Zweig d. Carbonesi 266 −→ Andalo` −→ Brancaleone −→ Castellano −→ Loderingo Andalo` de’ Andalo` (aus Bologna), kollegialer Podesta` (pro parte imperij) v. Parma 325 Andrea Barozzi (aus Venedig), Capitano del Mare v. Venedig, Podesta` v. Todi 208, 289, 362 Andrea Bonaiuti, Maler in Florenz 377 Andrea di Cione gen. Orcagna, Maler, Bildhauer u. Baumeister in Florenz 414 Andrea, Gf. v. Montemarte 85 Andreas degli Atti 233 Andreas v. Massa, S. v. Mgf. Otto v. Carretto 155 Angelerius, Mo¨nch (OFM) in Todi 298 Angel(l)erius, praeco (de parte Ghibellina) in Todi 279, 287, 299, 300, 309 Angelo Ricasoli, Bf. v. Florenz 449 Angelus Anastasi (aus Terni), Syndikus v. Todi 217, 220

624 Angelus Malabranca, kollegialer Senator v. Rom 252 Angnellutius de Pontecutis, Ghibelline in Todi 306, 310 Anjou, Dyn. 8, 9, 102, 316, 336, 349, 390, 397, 400, 402, 434, 499, 502, 503 −→ Johanna I., Kgn. v. Neapel −→ Karl I., Kg. v. Sizilien, Neapel u. Jerusalem −→ Karl II., Kg. v. Neapel −→ Rene´, Kg. v. Neapel −→ Robert, Kg. v. Neapel Annibaldi, Fam. (Rom) −→ Petrus −→ Raimondo degli Annibaldeschi v. Annweiler, −→ Markward Antegnati, −→ Gasapino Antelminelli (Interminelli), Fam. (Lucca) −→ Castruccio Castracani Antiochia (Antiochia am Orontes) 136 Antonio Galluzzi, Br. v. Comazzo 245, 267 Antonius Hybrida, Gaius, ro¨m. Konsul 446 d’Aqui, −→ Jacopo L’Aquila 185, 493 Arago´n, Kgr. 249, 372 Arezzo 153, 317, 322, 337, 378, 424–426, 428 Arnaldus Intraversatus, Gesandter v. Ventimiglia 158, 160 Arrigo Testa (aus Arezzo), Podesta` v. Parma 322 de Arscindis, −→ Garganus Asciano 26 Assisi 29, 213, 497 Kommunalpalast, Torre del Popolo 379 San Francesco, Fresken d. Franziskus-Legende im Langhaus d. Oberkirche 379 Asti 36, 40–43, 45, 47, 85, 176, 269, 427 Atti, Fam. (Todi) 231, 234, 235, 293 −→ Andreas −→ Giacomo −→ Gian Fabrizio −→ Jacobus

Register −→ Paulettus Attila, Kg. d. Hunnen 452 Augsburg 11 Augustus (Gaius Octavius, Octavianus), ro¨m. Ks. 446 Aurillac 308 Avio, Burg, Fresken im Wa¨chterhaus 282 Avogadro (Avvocati), Fam. (Vercelli) −→ Uberto Azzo VI., Mgf. v. Este, Podesta` v. Ferrara 41, 80 Azzo Visconti, Signore v. Mailand u. Cremona 18 Azzo, Maler in San Gimignano 277 de Bacileriis, Fam. (Bologna) −→ Nicolaus Baglioni, Fam. in u. Signoren v. Perugia 235 de Bagnacavallo, Gfn. −→ Vanni Baldichini, Fam. (Parma) 324 Balducci, Fam. (Florenz) −→ Pera Balduin I., Kg. v. Jerusalem 70 Balduin III., Kg. v. Jerusalem 67 Balduin I., lat. Ks. v. Konstantinopel 128 Balduin IV. d. Ba¨rtige, Gf. v. Flandern 486 Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier 144 Balduini, −→ Jacobus Balduinus Marosus, Gesandter v. Ventimiglia 158, 160 Bandinelli, Fam. (Siena) −→ Rolando (Papst Alexander III.) Bandinus de Gallene, Pfarrer in Monte di Croce 81 Barberius, −→ Becchius Barbo, Fam. (Venedig) −→ Pietro (Papst Paul II.) Barbous, −→ Lantelmus Barcelona 464 Bardi, Fam. (Florenz) 380, 440 −→ Gualteroctus Bardi, NN (aus Florenz), Podesta` v. Padua 2, 267

Register Bareso, iudex v. Arborea u. Kg. v. Sardinien 119 Barisello, −→ Giovanni Barozzi, Fam. (Venedig) −→ Andrea Bartholoma¨us Scriba, Notar u. Chronist in Genua 155, 355, 369 Bartolo da Sassoferato, Jurist, Assessor d. Podesta` v. Todi 21, 32, 40, 41, 53, 54, 184, 221, 257, 316, 340, 351, 418, 448 Bartolo Tavernieri siehe Bertolus Tabernarius Bartolomeo Renaldini (aus Siena), Podesta` v. Siena 183 Bartolus, Rechtsgelehrter in Todi 338 Baschi, Gfn. (Todi) −→ Raniero −→ Ugolino Baschiera della Tosa, Guelfe in Florenz 384–385 Basileios, Ebf. v. Trnovo, Primas v. Bulgarien 121 Bayern, Hzm. 144 Bayeux Teppich 129 Beatinus, −→ Joannes de Beaufort, Pierre-Roger siehe Papst Gregor XI. Beccadelli, Fam. (Bologna) −→ Colaccio Becchius Barberius, Maler in San Gimignano 276 Beleem, Konsul v. Ventimiglia 160 della Bella, Fam. (Florenz) −→ Giano Bellincione Berti de’ Ravignani, V. v. Gualdrada 30 Benedetto Caetani siehe Papst Bonifaz VIII. Beneintendi, Notar in Rom 252 Benevent, Schlacht (1266) 289, 316, 324 Bentivegna Bentivegni, OFM, Bf. v. Todi, Kardinalbf. v. Albano 191 Bentivegni, Fam. (Todi) −→ Bentivgegna −→ Matteo d’Acquasparta Bentivoglio, Fam. in u. Signoren v. Bologna 259 −→ Giovanni

625 Benvenutus Iohannis Fabri, iudex in Todi 292 Benzo v. Alessandria 237 Bergamo 96 Bern 50, 507 Bernardino da Siena (Hl.) S. v. Tollo de’ Albizzeschi, OFMObs (Generalvikar) (Taf. 8) 377, 496–499, 504 Bernardo da Castelnuovo, Podesta` v. Perugia 183 Bernardo Daddi, Maler in Florenz 487 Bernardoni, Fam. (Florenz), Zweig d. Squarcialupi 436 Bernardus de Cucuiaco, pa¨pstl. Kaplan, Rektor d. Tuszischen Patrimoniums 32 Bernhard v. Clairvaux (Hl.), SOCist 59, 376 Berta, Gem. v. Ks. Heinrich IV. 452 Berthold v. Regensburg, OFM, Prediger 21 Bertoldo Orsini, Neffe v. Papst Nikolaus III., Podesta`, Gf. d. Romagna u. Rektor v. Bologna 316 Bertolus Tabernarius (Tavernieri), Capitano d. Ghibellinen v. Parma 322 Bertrand v. Saint-Gilles, Gf. v. Toulouse u. Tripolis 135 Bertulf, Schreiber d. Kanzlei v. Ks. Lothar III. 61 Bettino da Prato, Maler 394 Betto de’ Ubriachi (aus Pisa), Podesta` v. San Gimignano 317–321 Bino Gabrielli (aus Gubbio), Podesta` v. Florenz 86 Bitino da Bologna, Bildhauer 269 Blasius, Bf. v. Braniˇcevo 120, 122 Boarigarii siehe Butrigarii Bobbio 98 di Bobone/Boboni, Fam. (Rom), Stammlinie d. Orsini −→ Giacinto (Papst Co¨lestin III.) −→ Orso Bocca degli Abati (Florenz) 348 Boccanegra, Fam. (Genua) −→ Guglielmo Bo¨hmen, Kgr. 32 Bologna 35, 37, 38, 41, 42, 45, 47, 69, 153, 183, 190–195, 201, 208, 213,

626 227, 237, 244–249, 254, 258–262, 264, 275, 277, 291, 308, 316, 327, 330–334, 337, 341, 344, 345, 348, 349, 362, 390–392, 394, 397, 403, 409–410, 431, 440, 461, 462 Ghibellinen* 333 Kommunalpalast* 262, 331–332 Kompanien/Gesellschaften d. Popolo* 25, 194, 255, 260–261, 270, 291, 344, 382, 391 Piazza Maggiore* 262, 331–332 Popolo* 336, 347, 382 Stadtviertel Porta San Procolo 193, 266 Porta Saragozza 258 Universita¨t u. ihre Rechtsgelehrten 36, 39, 40, 45–48, 167, 391 da Bologna, −→ Bitino di Bonaccorso da Soresina, −→ Corrado Bonaguida Gerardi de Paltoneriis, sapiens im Popolo v. Bologna 259 Bonaiuti/da Bonaiuto, −→ Andrea Bonaventura (Johannes Fidanza) (Hl.), OFM (Generalminister), Kardinalbf. v. Albano 379 Bonaventura, Archidiakon v. Todi 85 Bonaventure Olise, −→ Rambaldus di Bondone, −→ Giotto da Bonforte, −→ Ottaviano Bonifacio de’ Castellani (aus Bologna), erster Capitano del Popolo v. Todi 187 Bonifacius de Pusterla, S. d. Podesta` Guilielmus 37 Bonifaz VIII. (Benedetto Caetani), Papst 99, 184, 338–340, 372 Bonifaz I., Mgf. v. Montferrat, Anfu¨hrer d. Vierten Kreuzzugs, Kg. v. Thessalonike 407 Bonvesin da la Riva (de Ripa), Humiliate, Grammatiklehrer u. Dichter in Mailand 46–49, 51, 112, 276, 505 di Borghese Domenichi, −→ Coppo Borghetto di Taro, Schlacht (1247) 321, 348 Borgo San Lorenzo 431 Boucicaut, −→ Jean de Bovarello, −→ Rambertinus Guidonis

Register de Bozardis, Fam. (Bergamo) −→ Guillus Brabant, Hzm. 484 Bragadin, Fam. (Venedig) 36 della Branca, Fam. (Gubbio) −→ Pietro Brancaleone de Andalo`, Senator v. Rom, Neffe v. Castellano u. Loderingo 266 Brancaleoni, Fam. (Rom) −→ Leo de Bray, −→ Guillaume Brescia 96, 98, 209, 210, 245, 269, 334 v. Brienne, Gfn. −→ Gautier de Brion, Simon siehe Papst Martin IV. Bru¨gge 448, 484 Brunamons de Seole (di Sioli), Br. u. procurator v. Rainaldus de Seole 210 de Brusatis (Brusati), Fam. (Brescia) −→ Thebaldus v. Buch, −→ Christian Bulgarenreich 119–132, 176 Buonaccorso Pitti, Kaufmann, Gonfaloniere u. Gesandter v. Florenz 35 Burchard V., Gf. v. Vendoˆme, Br. v. Johann v. Fresne 310 Burchard, Propst v. Ursberg, OPraem, Chronist 51–52 Burgund, Hzm. 485, 488, 490 Butrigarii/Butrigharius (Bologna) −→ Iohannes −→ Rolandus Guillelmi Byblos siehe Gibelet Cacciaguida, Vorfahr v. Dante Alighieri 30, 390 Caccianemici, Fam. (Bologna) −→ Alberto C ¸ acharias de Castro, Gesandter v. Genua 159, 160 Caerlaverock, Burg 477 Caesar, Gaius Iulius, ro¨m. Diktator 444, 446 Caetani, Fam. (Anagni, Rom) 99, 267 −→ Benedetto (Papst Bonifaz VIII.) −→ Jacopo Caetani Stefaneschi −→ Lifredo (Roffredo I.)

Register −→ Pietro Viatico Caffaro di Rustico da Caschifellone, Staatsmann u. Geschichtsschreiber in Genua 459 Cairo, Burg 149, 150, 154, 163, 164, 176 Calais 490, 491 da Calboli, Fam. (Forlı`) −→ Fulcieri Calcagni, Fam. (Florenz) −→ Rogerius Calliano, Schlacht (1487) 361 Camarti 444 de Camilla, Fam. (Genua) 217 −→ Nicolinus Camisano, Gfn. −→ Guido da Crema (Gegenpapst Paschalis III.) Campaldino, Schlacht (1289) 181, 378, 429 di Campello, −→ Ranieri Camponeschi, Fam. (L’Aquila) 185 Canal, Giovanni Antonio siehe Canaletto da Canal, −→ Martin Canale, Kastell 234 da Canale, −→ Altobello Canaletto (Giovanni Antonio Canal), Maler in Venedig 495 Cangrande I. della Scala, Signore v. Verona u. Vicenza 77, 330, 419, 453–455 de Canistris, Fam. (Pavia) −→ Opicinus Canossa, Mgfn. 88 Capestrano, −→ Johannes Capi, −→ Simon de Capitevaccae (Capodivacca), Fam. (Padua) −→ Johannes Henricus −→ Guiberto Capo Colonne, Schlacht (982) 75 Capolona, Kloster 421, 425 Capua 59, 74 de Carazalo, −→ Girardus Carbonesi, Fam. (Bologna) 31, 332 Carcare 150 Carmignano, Kastell 80, 469 Carpenter, −→ John jun. da Carrara (Carraresi), Fam. in u. Signoren v. Padua 265, 454, 486

627 Carretto, Mgfn. 134, 163, 173 −→ Andreas v. Massa −→ Otto −→ Ugo Casaglia (Pietrasanta) 429, 430 de Casalecchio, −→ Ugutius v. Casamari, −→ Johannes da Caschifellone, −→ Caffaro di Rustico Casella −→ Nicolinus de Caserta, −→ Leonardus Cassicius, −→ Paschalis Castelbarco, Fam. (Burg Avio) 282 Castelfiorentino 69 Castelfranco Emilia, Kastell 262 Castellani, Fam. (Bologna) −→ Bonifacio Castellani, Fam. (Florenz) −→ Matteo Castellano de Andalo`, Senator v. Rom, Br. v. Loderingo u. Onkel v. Brancaleone 266 Castelleone (Castrum Manfredi) 96 Schlacht (1213) 100 de Castello, −→ Fulco Castelnuovo Bocca d’Adda, Burg 104 da Castelnuovo, −→ Bernardo Castiglion Fiorentino (Castiglione Aretino) 425, 428 Castiglione del Lago (Castiglione Chiusino) 421–428 Castillione, −→ Iohannes Castracani degli Antelminelli, −→ Castruccio de Castro, −→ C ¸ acharias −→ Cunradus Castruccio Castracani degli Antelminelli, Signore u. Hzg. v. Lucca 2, 32 Castrum Grifonis 428 Castrum Manfredi siehe Castelleone Catalano di Guido d’Ostia (de’ Malavolti) (aus Bologna), Frate gaudente, kollegialer rector v. Florenz 325 Catania Eingangsportal d. Kastells 242 Catilina, Lucius Sergius, ro¨m. Pra¨tor 446 Cavalcanti, Fam. (Florenz) 437

628 Cavarzere 330 Ceba, −→ Rainaldus Cerchi, Fam. (Florenz) 30, 418 Certalto siehe Torre Certalta Cervia 190 Cesena 190 Chiaravalle, Fam. (Todi) 234, 235 −→ Altobello da Canale −→ Giacomo Chieri 484 Chiusi 229, 422, 423, 425, 428 Christian I. v. Buch, Ebf. v. Mainz, Reichslegat in Italien 69–73, 225 Ciampoli, Fam. (Florenz), Zweig d. Cavalcanti 437 Cicero, Marcus Tullius, ro¨m. Staatsmann, Redner u. Philosoph 36, 48 Cingoli 238 Cinque Ports, Bund engl. Hafensta¨dte im Ko¨nigsdienst 475 Ciocchi del Monte, Giovanni Maria siehe Papst Julius III. Citta` di Castello 210, 252 Civitavecchia 138 Claramundia, −→ Giacomo Clare, anglonorm. Adelsfam., Stammlinie d. FitzWalter 477 −→ Gilbert Clemens IV. (Gui Foucois, Guido Fulcodi, Guido le Gros), Papst 8, 54, 205, 239, 286 Codagnelli, Fam. (Piacenza) −→ Johannes Codagnellus Co¨lestin III. (Giacinto Bobone), Papst 424 di Cola del Casentino, −→ Sebastiano Cola di Rienzo, Volkstribun v. Rom 152 Colaccio (Colazzo) Beccadelli, Bologneser Parteifu¨hrer u. Exilant in Imola 269 Collazzone, Kastell 181 Colle di Val d’Elsa 318, 413 Colonna, Fam. (Rom) 34, 372 −→ Oddone (Papst Martin V.) Colonus, −→ Quirinus Coluccio Salutati, Notar u. Humanist, Kanzler v. Todi u. Florenz 17, 184, 247, 340, 386, 452 Comazo Galluzzi, S. v. Antonio Galluzzi 267

Register Comazzo Galluzzi (aus Bologna), Podesta` v. Bertinoro, Faenza, Spoleto u. Todi 3, 19, 117, 181–352, 404, 459, 501 Familiaren 191, 225–226, 237, 285, 295 Como 37, 41, 43, 44, 91, 95–98, 111, 113, 173, 177, 273 Bischofspalast* Halle 43 Hauptplatz davor 92 Platz v. d. Porta Torre* 92 Compagni, −→ Dino de Concesio, −→ Conradus Conradus s. a. Konrad Conradus de Concesio (aus Brescia), Podesta` v. Genua 369, 370 Contarini, Fam. (Venedig) −→ Iacobus Conti di Segni, Fam. (Latium, Rom) −→ Lotharius (Lotario) (Papst Innocenz III.) −→ Hugo (Hugolinus, Ugolino) (Papst Gregor IX.) Convenevole da Prato, Notar, Rhetorik- u. Grammatiklehrer, Panegyriker 400 Coppo di Borghese Domenichi, Staatsmann in Florenz 447 Corbizzi, Fam. (Florenz) 310 Cornazano, Fam. (Parma) 335 Corrado di Bonaccorso da Soresina (aus Mailand), Capitano del Popolo u. d. Parte Guelfa v. Prato 394 da Correggio, Fam. in u. Signoren v. Parma 451 −→ Gherardo −→ Maffeo −→ Matteo Corso Donati, Parteifu¨hrer d. Schwarzen Guelfen v. Florenz 310 Cortenuova, Schlacht (1237) 76, 77 Cortona 428 Crema 89–92, 96 Cremona 44, 77, 87–112, 148, 165, 170, 171, 173, 175, 179, 209, 269, 273, 406, 423, 458, 467, 500, 502 Citta` Vecchia 98, 99, 103, 209 Cittanova 99 Kommunalpalast* 98, 100 Palazzo dei Guelfi* 100

Register Palazzo dei Nobili* 100 Palazzo dei Militi (dei Ghibellini)* 100 Loggia dei Militi, Relieftafel an der Fassade 98–101, 103 Piazza (platea communis)* 98, 100 Popolo* 171 Stadtviertel (Porte)* 103–112 Torrazzo* 100, 109–110 Cremona, Bm. 88 Cremosanus de Oldoinis (aus Cremona), Podesta` v. Cremona 269 Crivelli, Fam. (Mailand) −→ Uberto (Papst Urban III.) de la Cruce, −→ Ubertus de Cucuiaco, −→ Bernardus Cunradus s. a. Konrad Cunradus de Castro, Gesandter v. Genua 160 Curlus, −→ Raimundus Daddi, −→ Bernardo van der Dale, −→ Jan Dandolo, Fam. (Venedig) 363, 364 −→ Enrico Dante Alighieri, Florentiner Staatsmann, Dichter u. Philosoph 30, 390 Datini, Fam. (Prato) −→ Francesco di Marco Dego, Burg 149, 150 Delai Venturini, Notar in Bologna (Altedo), Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi 191, 213, 218, 245, 247, 263, 264, 285–337, 350 de Denariis, −→ Odofredus de Dentibus, Gerardus siehe da Correggio, Gherardo Deutscher Orden 144, 329–330, 376 Deutschland (Kaiserreich, Weimarer Republik, Bundesrepublik Deutschland) 10, 22, 142, 203 Diebold Schilling, Chronist 50 Diepold v. Schweinspoint 61 Digne-les-Bains 410 Dijon 411 Dini, Fam. (Florenz) 440 Dino Compagni, Gonfaloniere della Giustizia v. Florenz, Chronist 311,

629 352, 354, 384, 387–389, 442, 494, 505 Domuscultus, −→ Enricus Donadini, −→ Franciscus Donati, Fam. (Florenz) −→ Corso Doria, Fam. (Genua) 36, 165 −→ Manuel −→ Pagano Drudus Marcellinus (aus Mailand), Podesta` v. Genua 3, 270, 272–274 Dschubail siehe Gibelet Durand, −→ Guillaume Eduard I., Kg. v. England 175, 403, 478 Eduard III., Kg. v. England 476, 478, 479 Eduard IV., Kg. v. England 479 Egeno v. Eppan, Bf. v. Trient 145–146 Egidius de Lobia, iudex in Bologna 195 Elbing 490 Ellis Island (New York) 436 Embriaci, Fam. (Genua) 135, 136, 142 −→ Guillelmus −→ Willelmus −→ Willielmus Enea Silvio Piccolomini siehe Papst Pius II. Enghelfredi, Fam. (Padua) −→ Simone England, Kgr. 249, 373, 436, 475, 478, 480, 488, 492, 493, 495 Enrico Dandolo, Doge v. Venedig 370 Enrico/Enricus/Enzo s. a. Heinrich/ Henricus/Hencius Enricus Domuscultus 159 Enzo (Heinrich), S. v. Ks. Friedrich II., Kg. v. Sardinien, Reichslegat in Italien 252, 322 v. Eppan, Gfn. −→ Egeno, Bf. v. Trient Erbanera, Kriegskapitan v. Siena 462, 466, 470 Erec della Torre (aus Mailand), Podesta` v. Bologna 217, 246, 247 Ermoldus Nigellus, Dichter 464 Este, Mgfn. (Ferrara etc.) 330 −→ Azzo

630 Eusebius v. Caesarea, Kirchengeschichtsschreiber 127 Evesham, Schlacht (1265) 174 Ezzelino II. da Romano 41 Ezzelino III. da Romano, Signore v. Verona, Vicenza, Padua, Belluno, Feltre u. Trient 146, 451, 455, 457, 465 Fabri, −→ Benvenutus Iohannis Fabriano 418 Faenza 70, 190, 191, 327, 333, 335, 348 Kommunalpalast* 333 Piazza* 333, 334, 348 Falconi da Lombrici, −→ Guelfo Falkenstein, Herrschaft 21 v. Falkenstein, −→ Kuno Fallamonica, −→ Opic¸o Fantus, −→ Manfredus Farnese, Fam. (Hzge. v. Parma u. Piacenza) −→ Alessandro Feliciani, −→ Henrigettus Ferrante (Ferdinand I.), Kg. v. Neapel 372 Ferretti, Fam. (Ancona) −→ Giovanni di Francesco Fiamma, −→ Galvano Fidanza, Johannes siehe Bonaventura Fidanze, −→ Ranaldus Fieschi, Fam. (Genua) 217 −→ Ottobono (Papst Hadrian V.) −→ Sinibaldo (Papst Innocenz IV.) Fiesole 443, 444, 448 Filippi, −→ Francescus −→ Franciscus Filippo da Mantova, pa¨pstl. Kaplan 217 Fiorenzuola d’Arda 104 Fiorino siehe Florinus Fipopoli, Fam. (Florenz), Zweig d. Squarcialupi 437 Firenzuola 55, 429, 431–433, 435, 444 FitzStephen, −→ William FitzWalter, engl. Adelsfam., Zweig d. Clare 476, 477 −→ John −→ Robert

Register Flandern, Gft. 373, 448, 485, 486, 488 Florenz 2, 3, 6–9, 16, 24, 25, 27, 30, 69, 81–83, 101, 111, 153, 170, 172, 176, 186–187, 245, 254, 269, 278, 282, 291, 309, 311, 316, 318, 325, 344, 348, 349, 354, 355, 367, 372, 374–390, 393–395, 398–400, 402–404, 409–418, 420, 425, 428–441, 443–452, 461–463, 466–469, 471, 473, 479, 483–485, 487, 492–494, 498, 501, 503, 505–507 Kommunalpalast* 8, 380, 498, 499 Kompanien/Gesellschaften d. Popolo* 23, 25, 254, 291, 374–390, 492 Orsanmichele 381, 414–416, 487 Palazzo dell’Arte dei Giudici e Notai, Fresko 437–439 Parte Guelfa* 8, 22, 54, 205, 239, 390, 437, 438, 487, 492 Pla¨tze* 107, 377, 380, 383, 388, 415 Popolo* 107, 255, 275, 283, 291, 292, 325, 327, 352, 354, 372, 374–390, 437, 487, 498, 501 Stadtviertel (Sesti, spa¨ter Viertel)* 23, 104, 106–108, 186, 374–376, 389, 438 Stinche, Fresko d. Vertreibung v. Gautier de Brienne 177, 308, 381 Florinus (Fiorino), eponymer Heros v. Florenz 444 Foggia 315 Foligno 71, 290 Forese, Fam. (Florenz) −→ Albizzo Forlı` 190, 334 Forlimpopoli 190 Fos-sur-Mer 137 Foucois, Gui siehe Papst Clemens IV. Francesco Castellani, S. v. Matteo 267 Francesco di Marco Datini, Kaufmann in Avignon u. Prato 196, 276, 396, 417 Francesco Donadini (Donadei), Notar in Bologna, Familiare (tubator) v. Comazzo Galluzzi in Todi,

Register Anziane d. Popolo v. Bologna 194, 292, 299 Francescus Filippi (Philippi) (aus Todi), Capitano d. Guelfen v. Todi 293, 295 Franciscus Filippi (aus Viterbo), Capitano del Popolo v. Todi 208, 289 Franco Sacchetti, Podesta` u. Novellist in Florenz 2, 15, 267, 351, 389, 392, 418, 447, 494 Frankfurt a. M. 254 Frankreich, Kgr./Republik/Ksr. 249, 340, 373, 406, 448, 480 Franziskus v. Assisi (Hl.), Ordensgru¨nder OFM 28, 29 Frati gaudenti siehe Catalano di Guido d’Ostia siehe Loderingo de’ Andalo` de Frexia, −→ Ingo Friedrich I. Barbarossa, Ks. 52, 70, 72, 76, 80, 89, 94, 113–116, 171, 360 Friedrich II., Ks. 34, 38, 42–45, 76, 79, 90, 100, 239, 242, 249, 250, 315, 321, 355, 369, 376, 419, 423, 426, 455 Friedrich III., Ks. 35, 257, 431 Friedrich v. Antiochia, S. v. Ks. Friedrich II., Generalvikar d. Marken u. d. Toskana, Podesta` v. Florenz 425 Friedrich v. Arezzo, iudex und Assessor in San Gimignano 319 Frulani, Fam. (Bologna) −→ Pietro Fr(i)ulani Fulcher v. Chartres, Chronist 70 Fulcieri da Calboli (aus Forlı`), Podesta` v. Florenz 282 Fulco de Castello (Genua) 271 Fulcodi, Guido siehe Papst Clemens IV. Gabrielli, Fam. (Gubbio) −→ Bino Gaetani siehe Caetani de Gaidaldis, −→ Talamazius Galeazzo II. Visconti, Heerfu¨hrer, Signore v. Pavia, V. v. Gian Galeazzo Visconti 461 Galgano, Gregorio siehe Gregor de San Apostolo de Gallene, −→ Bandinus

631 Galleta, −→ Obertus Galluzzi, Fam. (Bologna) 191–193, 195, 197, 201, 217, 245, 263–267, 269, 274, 307, 342, 344, 345, 351, 392, 397, 500 −→ Albertus gen. Gallus −→ Antonio −→ Comazo −→ Comazzo −→ Gerardus Rolandini −→ Gerardutius −→ Gherardo di Alberto −→ Henrigucius −→ Rolandinus Petri de Henrico −→ Ugolino Galvano Fiamma, OP, Chronist in Mailand 19, 36–52, 112, 461 de Gambara, −→ Obertus Garganus de Arscindis (aus Ancona), Podesta` v. Split 184, 245 Garofolus siehe Guillus Gasapino Antegnati, iudex, Chronist in Cremona 467 Gautier VI. de Brienne, Titularhzg. v. Athen, Signore v. Florenz 308, 367, 379–381, 438, 462, 492 Gensane, −→ Willelmus Gent 19, 473, 481–492, 494 Fresko i. d. Kapelle d. Sint-Jans en Sint-Pauwelshospitaals (Abb. 2) 482 de Gente, −→ Ghibertus Genua 39, 40, 67, 114, 133–166, 170, 173–177, 179, 189, 208, 231, 237, 244, 249, 252, 268–275, 281, 311, 319, 320, 348, 350, 355, 357, 361, 369–374, 467, 477, 479, 488, 493, 500, 504 Pla¨tze* 155–156, 370–371, 373 Popolo* 24, 292, 336 Stadtviertel (Compagne)* 155, 164, 370–371 Gerardini Glandonis, −→ Lazarius Gerardus Lupi (aus Reggio Emilia), Podesta` v. Siena 252 Gerardus de Paltoneriis 259 Gerardus Rolandini [Galluzzi], S. v. Rolandinus Petri de Henrico, Podesta` 266 Gerardus de Unzola (aus Parma), Reichsvikar v. Padua 453, 455

632 Gerardutius (Gerarduccio) Galluzzi, S. v. Comazzo Galluzzi 195 Geraudus Iudex 162 Gerberga 130 Geremei, Fam. u. guelfische Partei in Bologna 190, 191, 194, 195, 206, 245, 266, 267 Gerhard v. Burgund siehe Papst Nikolaus II. Gerhard, Gf. im Elsass 75 Geri Spini 431 di Gherardo, −→ Offreduccio Gherardo da Correggio (Gerardus de Dentibus) (aus Parma), Podesta` v. Parma 322 Gherardo di Alberto Galluzzi, V. v. Comazzo Galluzzi 266, 277 Gherardus, Aufseher u¨ber d. Mu¨nzwesen v. Florenz 448 Ghibertus de Gente, Podesta`/Signore (zeitweise kollegial pro parte ecclesie) v. Parma 323, 324, 335 Giacinto Bobone siehe Papst Co¨lestin III. Giacomo s. a. Iacobus/Jacobus Giacomo degli Atti, Bf. v. Todi 85 Giacomo di Chiaravalle, kommunaler Amtstra¨ger in Todi 234 Giacomo Claramundia (Jacobus v. Parma) (aus Parma), Anwalt v. Comazzo Galluzzi 217, 218 Giacomo Savelli siehe Papst Honorius IV. Giacomo Stretto siehe Jacobus Strictus Giacomo Tavernieri, kollegialer Podesta` (pro parte imperij) v. Parma 324 Gian Fabrizio degli Atti, Humanist in Todi, Chronist 190, 198, 200, 231, 234, 236 Gian Galeazzo Visconti, Signore u. Hzg. v. Mailand 35 Gianni di Giliaccio, Bildhauer in Todi 231 Giano della Bella, erster Gonfaloniere della Giustizia v. Florenz (Taf. 5) 335, 395 Gibelet (Dschubail, Byblos) 135–136 Giglio Fiorentino 429, 430, 433, 434 Gilbert de Clare, gen. ‚der Rote‘, 3rd Earl of Gloucester 175

Register di Giliaccio, −→ Gianni Giorgio Stella, Humanist in Genua, Chronist 17, 153, 156, 177 Giorgio, Anwalt v. Comazzo Galluzzi 217 Giotto di Bondone, Maler u. Baumeister in Florenz 262, 379 Giovanni s. a. Iohannes/Johannes Giovanni Acuto (John Hawkwood), Condottiere 479 Giovanni Barisello, Schneider u. Friedensstifter in Parma 323, 326, 327, 335 Giovanni Bentivoglio (II.), Herrscher u¨ber Bologna 35 Giovanni Antonio Canal siehe Canaletto Giovanni Maria Ciocchi del Monte siehe Papst Julius III. Giovanni di Francesco Ferretti (aus Ancona), Podesta` v. Florenz 440 Giovanni [di] Fidanza siehe Bonaventura Giovanni Lotrecchi, Bf. v. Todi 341 Giovanni di Cante de’ Medici, Capitano della provincia di Mugello 462, 466, 469 Giovanni d’Oleggio, S. v. Filippo Visconti, Condottiere 461 Giovanni Gaetano Orsini siehe Papst Nikolaus III. Giovanni di Pietro (Lo Spagna), Maler 27 Giovanni di Rocca (Iohannes de Rocha), Magister, pa¨pstl. Kaplan u. Auditor 217 Giovanni Sercambi, Chronist u. Novellist in Lucca 378, 460 Giovanni Villani, Kaufmann, Amtstra¨ger u. Chronist in Florenz 2, 17, 19, 54, 196, 205, 269, 311, 312, 354, 372, 375, 432, 435, 439, 442–452, 471, 501, 504, 505 Bildercodex d. ‚Nuova Cronica‘ (Taf. 5) 12, 82, 101, 269, 282, 307, 382, 395, 483 Giovanni Visconti, Ebf. u. Signore v. Mailand, Stadtherr v. Bologna 461, 467, 468 Girardus de Carazalo, Notar in Soncino 117

Register Girardus de Zanebonis, Konsul v. Cremona 91 Girolamo Masci siehe Papst Nikolaus IV. Giselbertiner, Gfn. 88 Gisors 373 Glandonis, −→ Lazarius Gerardini Go¨llheim, Schlacht (1298) 465 Gorze, Kloster 75 Gottfried Plantageneˆt, Gf. v. Anjou 268 Gottfried v. Viterbo, Kanoniker, ksl. Notar u. Hofkapellan, Geschichtsschreiber 94 Grassus (Todi) 286 Gregor IX. (Ugolino [Hugo] dei Conti di Segni), Papst (vorher Kardinalbf. v. Ostia u. Velletri, Legat), Neffe v. Papst Innocenz III. 44, 371 Gregor XI. (Pierre-Roger de Beaufort), Papst 440 Gregor de San Apostolo (Gregorio Galgano), Kardinaldiakon v. Santa Maria in Porticu, pa¨pstl. Legat 424 Gregor v. San Giovanni Incarico 58 Gregorio Galgano siehe Gregor de San Apostolo Gregorio Papareschi siehe Papst Innocenz II. le Gros, Guido siehe Papst Clemens IV. Großbritannien 106 Grossus, −→ Jacobus Gualdrada, T. v. Bellincione Berti de’ Ravignani, Gem. v. Guido Guerra 30 Gualinghi, −→ Ugolinus Gualteroctus de’ Bardi, Magnat in Florenz 430 Guastapane de Soriano (aus Viterbo) 85 Gubbio 245, 421 Guelfo Falconi da Lombrici (aus Lucca), Prior v. Arezzo 337 Gu¨nther v. Schwarzburg. ro¨m.-dt. (Gegen-)Kg. 32 Guercius, −→ Willelmus Guerrucius, Schmied u. Gonfaloniere v. Prato 403 Guglielmo Boccanegra, Capitano del Popolo v. Genua 141

633 Guglielmo de’ Pazzi di Valdarno, Podesta` v. Todi 181 Guglielmo de’ Ubertini, Bf. u. Signore v. Arezzo 378 Gui Foucois siehe Papst Clemens IV. Guiberto Capodivacca (aus Padua), Podesta` v. Rovigo 330 Guidalostus, Bf. v. Pistoia 218, 244 Guidalostus, ioculator aus Pistoia 218 Guidi, Gfn. (Toskana u. Romagna, Florenz) 29, 81–82, 275, 429 −→ Guido Guerra III. −→ Guido Guerra IV. −→ Guido Guidi di Modigliana −→ Guido ‚Salvatico‘ Guidi di Dovadola Guido v. Crema siehe Papst Paschalis III. Guido Fulcodi/Guido le Gros siehe Papst Clemens IV. Guido Guerra, Gf. v. Ventimiglia 138–139 Guido Guerra III. Guidi, Pfgf. i. d. Toskana 30, 70, 72 Guido Guerra IV. Guidi 274 Guido Guidi di Modigliana, Pfgf., Podesta` v. Arezzo 425 Guido ‚Salvatico‘ Guidi, S. v. Roger Guidi di Dovadola, Podesta` v. Siena 211 Guido (‚Markesopolus‘) Pallavicini (aus Parma), Mgf. v. Bodonitza 406–407 Guido de Pileo, Archidiakon v. Soissons, Rektor d. Tuszischen Patrimoniums 289 Guido della Torre, Signore v. Mailand 38 Guidottino de’ Prendiparte, Guelfe in Bologna 333 Guilielmus de Pusterla (aus Mailand), Podesta` v. Alessandria, Asti, Bologna, Como, Treviso u. Vercelli, rector d. Compagnia de’ Gagliardi u. ksl. Appellationsrichter in Mailand, Tra¨ger eines Reichslehens in Asti 3, 34, 36–52, 245, 249, 259 Guilielmus de Pusterla, Enkel d. gleichnamigen Podesta` 46 Guilielmus de Pusterla, Nachfahre d. gleichnamigen Podesta` 38

634 Guillaume de Bray, Kardinalpriester v. San Marco 208 ¨ ., Bf. v. Mende, Guillaume Durand d. A Kanonist u. Liturgiker, rector im Kirchenstaat 167–170, 172, 177 Guillelmus II. Embriacus, Herr v. Gibelet 135–137 Guillus gen. Garofolus de Bozardis (aus Bergamo), Notar 216 Gulliermus Abyaticus 36 Habsburger, Dyn. 35, 488 Hadrian V. (Ottobono Fieschi), Papst 217 Hamm 429 Hawkwood, John siehe Giovanni Acuto Heinrich s. a. Enrico/Enzo Heinrich II., Ks. 75 Heinrich IV., Ks. 14, 452 Heinrich VI., Ks. 59, 60, 70, 89–93, 95–97, 111, 112, 162, 170, 273, 421–423 Heinrich VII. v. Luxemburg, Ks. 3, 32, 37, 38, 98, 109, 168, 400, 428, 452, 454–456 Heinrich II., Kg. v. England 150 Heinrich III., Kg. v. England 66 Heinrich V., Kg. v. England 479 Heinrich, Kg. v. Sardinien siehe Enzo Heinrich III., Hzg. v. Ka¨rnten 61 Heinrich d. Stolze, Hzg. v. Sachsen u. Bayern 57–60 Heinrich d. Lo¨we, Hzg. v. Sachsen u. Bayern 419 Heinrich, scolasticus aus Bremen, Notar v. Ebf. Christian I. v. Mainz 225 Heinrich v. Lautern, Ministeriale u. Ka¨mmerer v. Ks. Heinrich VI. 90 Hektor Mu¨lich, Kaufmann, Ratsherr u. Chronist in Augsburg 11 Hencius (Enzo), S. v. Iacobinus de Lobia, sapiens f. d. Stadtviertel Porta San Procolo im Popolo v. Bologna 193 de Henrico, −→ Rolandinus Petri Henricus de Settala, Ebf. v. Mailand 44 Henrigettus Feliciani, Notar in Bologna, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi, sapiens f. d. Stadtviertel

Register Porta San Procolo im Popolo v. Bologna 191–193, 205, 213, 218, 228–259, 266, 277, 278, 285–337, 350 Henrigucius Galluzzi (Henrigucius de Gallutiis) (aus Bologna) 191 Hildesheim 8 Homobonus v. Cremona (Hl.), Friedensstifter 323 Honorius IV. (Giacomo Savelli), Papst 286 Hubertus siehe Obertus/Ubertus Hugo s. a. Ugo/Ugolino Hugo d. Gr., Mgf. v. Tuszien 284 Hugo dei Conti di Segni, Kardinalbf. v. Ostia u. Velletri siehe Papst Gregor IX. Hugo di San Vitale, Capitano d. Guelfen v. Parma 321 Iacobi, −→ Rambaldus Iacobinus de Lobia, Notar u. iudex in Bologna, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi, Amtstra¨ger v. Notarszunft, Waffengesellschaft d. Quartieri u. Stadtviertel Porta San Procolo, Anziane, sapiens u. statutarius im Popolo v. Bologna 193, 194, 266, 277, 300 Iacobus II. degli Atti, Bf. v. Todi 293 Iacobus Contarini, Doge v. Venedig 365 Iacobus Manerius (aus Mailand), Podesta` v. Genua 269 Iacobus Milotus, Gesandter v. Ventimiglia 158, 160, 162 Iacominus de Ponte (aus Rom), Podesta` v. Todi 274 Ianbonus (Giambono) Offreducii, Capitano d. Guelfen v. Todi 293 Ibn al At¯ır, Geschichtsschreiber 75 Ildebrandino Novello degli Aldobrandeschi, Pfgf., Podesta` v. Viterbo 69, 72–73 Ildebrandinus Hugi de Palatio (aus Siena) 252 Imola 70 Imola, Gft. 42 Ingo de Frexia (Genua) 272 Innocenz II. (Gregorio Papareschi, Regularkanoniker), Papst 57–59

Register Innocenz III. (Lotario dei Conti di Segni), Papst 97, 118–132, 182, 185, 188, 210, 219, 340, 392, 424, 504 Innocenz IV. (Sinibaldo Fieschi), Papst 217, 426 Insula Fulkerii 88–92, 96 Interminelli siehe Antelminelli Intraversatus, −→ Arnaldus Iohannes Butrigarius (Iohannes Guillelmi Butrigarii, Iohannes Giulli Boarigarii), Notar in Bologna, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi, Ministrale d. Waffengesellschaft d. Traverse di Barberia (im Stadtviertel Porta San Procolo) im Popolo v. Bologna 193 Iohannes Butrigharius, Ministrale und sapiens der Linaioli (Schreinerzunft) im Popolo von Bologna 193 Iohannes Castillione, camerarius u. Vikar d. Podesta` v. Siena 252 Iohannes Rubeus, Konsul v. Genua 150 Isola della Scala (Lagerstadt Cangrades della Scala vor Padua) 419 Isola Polvese (im Trasimenischen See) 420 Iudex, −→ Geraudus −→ Obertus −→ Raimundus Iulius −→ Caesar, Gaius

Jacobus s. a. Giacomo Jacobus de Alvarotis, Jurist, Gesandter v. Padua 455 Jacobus (Iaco) degli Atti 233, 234 Jacobus Balduini (aus Bologna), Jurist u. Podesta` v. Genua 40, 42, 45 Jacobus Grossus, Domherr u. Friedensstifter in Parma 324, 327 Jacobus Strictus (Giacomo Stretto) (aus Piacenza), Podesta` v. Padua 80 Jacopo d’Aqui, OP, Chronist in Cremona 112 Jacopo Caetani Stefaneschi, Großneffe v. Papst Nikolaus III., Kardinaldiakon v. San Giorgio in Velabro 152

635 Jacopo del Naca de’ Pazzi, Bannertra¨ger d. Florentiner b. Montaperti 348 Jacopo da Santa Croce, Jurist in Padua 34 Jakob v. Vitry, Augustinerchorherr, Prediger, Bf. v. Akkon, Kardinalbf. v. Tusculum 13, 424, 496, 497 Jakobus v. Parma siehe Giacomo Claramundia Jan van de Marque, Fahnentra¨ger aus Mecheln 491 Jan van der Dale, Fahnentra¨ger aus Mecheln 491 Jean II. Boucicaut (Jean Le Maingre), Marschall v. Frankreich, Gouverneur v. Genua 156 Jerusalem, Stadt u. Kgr. 60, 150, 466 Davidsturm 67, 150, 152 Tempel 78 Joannes Beatinus (aus Venedig) 34 Johann Ohneland, Kg. v. England 474 Johann v. Fresne, Br. v. Gf. Burchard V. v. Vendoˆme 310 Johanna I. v. Anjou, Kgn. v. Neapel 400 Johannes s. a. Giovanni/Iohannes Johannes Capestrano (Hl.), OFMObs, Wanderprediger u. Inquisitor 499 Johannes Henricus de Capitevaccae (Capodivacca), Jurist, Gesandter v. Padua 455 Johannes v. Casamari, SOCist, pa¨pstl. Kapellan u. Legat, Bf. v. Perugia 120 Johannes Codagnellus (Giovanni Codagnello), Notar u. Chronist in Piacenza 171, 458 Johannes v. Cremona, Chronist 113–114 Johannes Gerardi Paltonerii, Fußsoldat aus Bologna, Familiare (beroarius) v. Comazzo Galluzzi in Todi 191, 192, 196, 212, 218, 220, 246, 258–284, 288, 293, 295–301, 304, 305, 308, 331, 350, 404 Johanniterorden 14, 150 John Carpenter jun., Stadtsekreta¨r v. London 475 John FitzWalter, 3rd Baron FitzWalter 478

636 John Hawkwood siehe Giovanni Acuto John Northampton, Bu¨rgermeister v. London 478 Jordanus de Aglano, Gf. v. San Severino, Generalvikar Kg. Manfreds i. d. Toskana 314 Josephus, Flavius, Geschichtsschreiber 78–79 Julius III. (Giovanni Maria Ciocchi del Monte), Papst 341 Kain 64 Kaiser siehe Reich Kalojan, Zar d. Bulgaren 97, 119–132 Kapetinger, Dyn. 8, 313 Karl d. Gr., Ks. 125–126, 233 Karl d. Kahle, Ks. 119 Karl IV., Ks. 32, 34, 50 Karl I. v. Anjou, Kg. v. Neapel, Sizilien u. Jerusalem 190, 191, 208, 245, 266, 276, 286, 310, 313, 314, 318, 319, 321, 324, 325, 328, 339, 410 Karl II. v. Anjou (d. Lahme), Kg. v. Neapel 8 Karl d. Ku¨hne, Hzg. v. Burgund 386 Karthago 177 Kenilworth 174 Kirche, Ro¨mische (pa¨pstliche Kurie, auch: Pa¨pste/Papsttum)* 9, 11, 20, 32, 83, 97, 99, 119–132, 148, 169, 176, 208, 210, 329, 336, 340, 349, 433, 449, 480, 497, 502, 503 Konrad s. a. Conradus/Cunradus Konrad II., Ks. 94 Konrad III., Kg. 30 Konrad, Mgf. v. Montferrat, Kg. v. Jerusalem 72 Konrad, S. v. Gf. Rudolf 75 Konrad v. Urslingen, Hzg. v. Spoleto 423, 424 Konrad I. v. Abensberg, Ebf. v. Salzburg 61 Konrad III./I. v. Scharfenberg, Bf. v. Speyer u. Metz, Legat v. Ks. Friedrich II. in Italien 42, 43, 209 Konradin, Kg. v. Sizilien u. Jerusalem 185, 190, 191, 204–205, 208, 286, 306, 310, 313, 315, 328, 344, 348 Konstantin I. d. Gr., ro¨m. Ks. 125, 127, 168, 446

Register Konstantinopel 358 Konstanze, Kgn. v. Sizilien, Gem. v. Ks. Heinrich VI. 189 Krakau 32 Kuno II. v. Falkenstein, Ebf. v. Trier 21 Lambertazzi, Fam. u. ghibellinische Partei in Bologna 190, 191, 194, 266, 267, 333–335 Lambertini, Fam. (Bologna) 246 Landulf, Gf. v. San Giovanni Incarico 59 Lantelmus, Notar in Genua 249–252 Lantelmus Barbous, Notar in Soncino 117 Laodikeia (Latakia) 135 L’Aquila 185, 493 Lascha, praeco (de parte Guelfa) in Todi 279, 287, 300 Laterina 433 Latino Malabranca Orsini, OP, Neffe v. Papst Nikolaus III., Kardinalbf. v. Ostia u. Velletri, Inquisitor, pa¨pstl. Legat in Bologna u. Florenz 316, 374 v. Lautern, −→ Heinrich −→ Sigebot Lazarius Gerardini Glandonis (aus Lucca), Podesta` v. Genua 155, 269–270 Legnano, Schlacht (1176) 94 Leo Brancaleoni, Kardinalpriester v. Santa Croce, Gesandter a. d. Bulgarenzar Kalojan 121, 122 Leonardus de Caserta, Notar v. Kg. Enzo v. Sardinien 252 Leonhard v. Mu¨nchen, Schreiber u. Notar 21, 31 ¨ sterreich 79 Leopold V., Hzg. v. O Lewenstad 419 Lifredo (Roffredo I.) Caetani, V. v. Benedetto Caetani 339 Lips, −→ Aert Livius, Titus, ro¨m. Geschichtsschreiber 446 de Lobia, Fam. (Bologna) 195 −→ Egidius −→ Hencius −→ Iacobinus

Register Loderingo de’ Andalo`, Frate gaudente, kollegialer rector v. Florenz, Br. v. Castellano u. Onkel v. Brancaleone 325 Lodi 76, 113, 467 da Lombrici, −→ Guelfo Falconi London 19, 66, 154, 412, 416, 473–481, 488, 493–495 Guildhall* 480 Kirchhof v. St. Paul’s* 474 Stadtviertel* 474 Londrisio Visconti 18 Lorenzetti, −→ Ambrogio Lorenzo Tiepolo, Doge v. Venedig 362–364 Lorenzo da Todi, OP, pa¨pstl. Legat in Bologna 333 Lotario dei Conti di Segni siehe Papst Innocenz III. Lothar III. v. Su¨pplingenburg, Ks. 57–59, 61 Lotrecchi, −→ Giovanni Lozzo, Burg 176 Lucanus, Marcus Annaeus, ro¨m. Dichter 79, 446 Lucca 32, 59, 153, 281, 314, 433 Luchino Visconti, Condottiere u. Signore v. Mailand 18 Lucius III. (Ubaldo Allucingoli, SOCist), Papst 422 Ludwig I. d. Fromme, Ks. 464 Ludwig IV. d. Bayer, Ks. 3, 21, 31, 32, 34, 102–103, 144, 280, 415 Lu¨beck 419 Lu¨ttich, Bm. 484 Lupi di Canolo, Fam. (Reggio Emilia) −→ Gerardus Lupi Luxemburg, Gft. 32 Maffeo (Mattha¨us II.) da Correggio (aus Parma), Podesta` v. Brescia u. Cremona 209 Maffeus, Notar in Mailand, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi 192 Magarotti, Fam. (Bologna) −→ Magarotto Magarotto de’ Magarotti, Ghibelline in Bologna 333 Mailand 5, 36–52, 54–56, 61, 67, 70, 73, 77, 89, 93, 94, 96, 97, 100, 110, 112–119, 128–132, 153, 170, 174,

637 175, 177, 179, 245, 259, 276, 306, 353, 382, 419, 435, 458, 459, 467, 468, 484, 500, 503, 504 Compagnia de’ Gagliardi 38 Credenza di Sant’ Ambrogio 41 Loggia degli Osii 106 Popolo* 38, 270 Stadtviertel (Porte)* 49, 104–107 Le Maingre, Jean siehe Jean II. Boucicaut Malabranca, Fam. (Rom) −→ Latino −→ Angelus de’ Malavolti, −→ Catalano Malfiastri, Fam. (Cremona) −→ Abraam Mallon, Fam. (Genua) 272 de Mandello, Fam. (Mailand) 44 −→ Albertus −→ Otto Manegoldus de Tetocio (aus Brescia), Podesta` v. Genua 270–272 Manens, Gf. v. Sarteano 423 Manerius, −→ Iacobus Manfred, Kg. v. Sizilien 154, 205, 312, 314, 324, 328, 344 Manfredus Fantus (aus Modena), Podesta` v. Cremona 96 Manfredus de Osa, Podesta` d. Credenza di Sant’ Ambrogio u. ksl. Appellationsrichter in Mailand 41 Mantua 153 Manuel Doria, Gesandter v. Genua 160 Marcellinus, −→ Drudus Marchfeld, Schlacht (1278) 465 Marchionne di Coppo Stefani, Chronist in Florenz 463, 466, 467, 470 Marchisius Scriba, Notar u. Chronist in Genua 148, 150 Marescotti, Fam. (Siena) 36 Margarete, T. v. Hzg. Johann I. v. Brabant, Gem. v. Ks. Heinrich VII. 109 Maria, Hzgn. v. Burgund 488 Marius, Gaius, ro¨m. Konsul 446 v. d. Mark, Gfn. 29, 429 Markesopolus siehe Pallavicini, Guido, Mgf. v. Bodonitza Markward v. Annweiler, Hzg. v. Romagna u. Ravenna, Regent v. Sizilien 61, 423, 424

638 Marosus, −→ Balduinus van de Marque, −→ Jan Marsciano 245 Marseille 39, 410 Unterstadt 40 Marsilio Rossi, Reichsvikar u. Signore v. Parma 450 Martin IV. (Simon de Brion), Papst 208 Martin V. (Oddone Colonna), Papst 499 Martin da Canal, Chronist in Venedig 355, 362, 366, 367 Masaccio (Tommaso di Ser Cassai), Maler in Florenz (Taf. 7) 410 Masci, Girolamo siehe Papst Nikolaus IV. Massa Marittima 314, 346 Mathilde v. Tuszien, Mgfn. v. Canossa 88 Mattefellonis, −→ Petrus Egidii Matteo d’Acquasparta (Matteo Bentivegni), OFM (Generalminister), Kardinalbf. v. Porto u. S. Rufina 211 Matteo Castellani (aus Florenz), Gonfaloniere v. Florenz, V. v. Francesco 267 Matteo da Correggio (aus Parma), Podesta` v. Perugia 209, 391 Matteo I. Visconti, Signore v. Mailand 106 Mattheus de Pegoloto (aus Padua) 80 Matthew Paris, OSB, Chronist in St. Albans 502 Mecheln 19, 481–492, 494 Medici, Fam./Dyn. (Florenz) 498 −→ Giovanni di Cante de Medolate, −→ Oddo Meinhard IV. (II.), Gf. v. Go¨rz-Tirol 145–146 Memmo, Maler in San Gimignano, V. v. Lippo Memmi 277 Menton 139 Messina 79 Milotus, −→ Iacobus di Miniato, −→ Pietro Modena 212, 245 Monaldeschi, Fam. (Orvieto) 211 Monc¸orc¸i siehe Montegeorgio Mongiorgio, Burg 194

Register Monselice, Festung 330 Montaperti, Schlacht (1260) 154, 276, 348 del Monte, Giovanni Maria Ciocchi siehe Papst Julius III. Monte Accianico, Burg 430 Monte di Croce, Burg 81–83, 176 Montecassino, Kloster 57–61, 176, 347 de Montegeorgio, Fam. (Bologna) 392 −→ Napoleonus −→ Rimbaldus −→ Rudulfus −→ Sinibaldus Montemarte, Burg 85, 176, 281, 311 Montemarte, Gfn. 281 Montemignaio 434 Montepulciano 425 Montevarchi 429, 430 Monteveglio 194 Montferrat, Mgfn. −→ Bonifaz I., Kg. v. Thessalonike −→ Konrad, Kg. v. Jerusalem Montfort, frz. u. anglonorm. Adelsfam. −→ Simon Morena, −→ Otto Mortimer of Wigmore, anglonorm. Adelsfam. −→ Roger Motrone, Schlacht (1170) 69 Mu¨lich, Fam. (Augsburg) −→ Hektor Mu¨nchen 482 Mussato, −→ Albertino Nakel, Schlacht (1431) 330 Napoleonus de Montegeorgio (Monc¸orc¸i), Br. v. Rimbaldus u. Sinibaldus 194 Neapel 372 Neapel, Kgr. (auch Kge. v. Neapel) 3, 349, 372, 400, 479, 506 Nellus Pagani, Guelfe aus Colle in San Gimignano 318 Nerli, Fam. (Florenz) −→ Nerlo Nerlo di Gherardo de’ Nerli (aus Florenz), Capitano d. Guelfen u. d. Popolo v. Prato 393 Neuss 490

Register Niccolo` Acciaiuoli (aus Florenz), Großseneschall d. Kgr. Neapel 400 Niccolo` Albertini (Niccolo` da Prato), OP, Kardinalbf. v. Ostia u. Velletri, pa¨pstl. Legat in Florenz 383 Niccolo` di Giovanni da Uzzano (aus Florenz), Podesta` v. Prato 401 Nicholas, Barbier u. Wappen-Experte v. Simon V. de Montfort 175 Nicolatius Uffredutii (Todi) 293 Nicolaus de Bacileriis (aus Bologna), kollegialer Podesta` (pro parte ecclesie) v. Parma 325 Nicolaus Panis, Notar in Genua 158, 159, 162 Nicolinus (Nikolaus) Guidonis Tosi (Tonsi), iudex, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi 287, 292, 294 Nicolinus de Camilla, pa¨pstl. Kaplan 217 Nicolinus Casella, Notar in Cremona 98 Niederlande, Republik 249 Nigellus, −→ Ermoldus Nikolaus I., Papst 127 Nikolaus II. (Gerhard v. Burgund), Papst 144 Nikolaus III. (Giovanni Gaetano Orsini), Papst 190, 191, 316, 327, 382 Nikolaus v. Butrinto (Nikolaus v. Ligny), OP, Titularbf. v. Butrinto 3 Nolfo di Manfredi de’ Squarcialupi, Magnat in Florenz 437 Normannenreich (Unteritalien) 144 Northampton, −→ John Novara 334, 413 Numa Pompilius, Kg. v. Rom 445 Oberdeutschland 439 Obertus s. a. Ubertus Obertus Galleta, Gesandter v. Genua 159, 160 Obertus de Gambara (aus Brescia), Podesta` v. Brescia 209 Obertus Iudex, Konsul v. Ventimiglia 158–162 Obertus Pallavicini (Uberto Pelavicino), Mgf., Anfu¨hrer d. lombard.

639 Ghibellinen, Podesta` u. Signore v. Cremona 323, 329, 406, 467 Obertus Spinola, Gesandter v. Genua 159–162 Octavianus (Gaius Octavius) siehe Augustus, ro¨m. Ks. Oddo de Acquasparta, iudex, Syndikus v. Todi 303 Oddo de Medolate, Konsul v. Cremona 92 Oddone Colonna siehe Papst Martin V. Odofredus de Denariis, Jurist in Bologna 45, 47 Offreduccio di Gherardo, Capitano del Popolo v. Todi 293 Offreducii, Fam. (Todi) 340 −→ Ianbonus −→ Nicolatius −→ Offreduccio di Gherardo Oldoini, Fam. (Cremona) −→ Cremosanus d’Oleggio, −→ Giovanni Olise, −→ Rambaldus Bonaventure Opicinus de Canistris, Kleriker u. Autor in Avignon 505 Opic¸o Fallamonica, Gesandter v. Genua 159, 160 Opizo, Magister, subdiaconus et notarius domini papae, Tra¨ger eines Reichslehens (Asti) 45 Orcagna, −→ Andrea di Cione Orsini, Fam. (Rom) 29, 235, 266 −→ Bertoldo −→ Giovanni Gaetano (Papst Nikolaus III.) −→ Latino −→ Orso di Bobone Orso di Bobone 266 Orte 290 Orvieto 89, 153, 188–189, 446, 449 de Osa, −→ Manfredus Otobonus Scriba, Notar u. Chronist in Genua 268, 271 Ottaviano da Bonforte, Podesta` v. Todi 339 Ottaviano Ubaldini, Kardinaldiakon v. Santa Maria in Via Lata, pa¨pstl. Legat 430 Otto I. d. Gr., Ks. 29 Otto II., Ks. 74, 75

640 Otto III., Ks. 29, 250 Otto IV., Ks. 4, 27–31, 36, 38, 40–42, 44, 48–52, 54, 97, 163, 179 Otto, Mgf. v. Carretto 148–151, 155, 249 ¨ sterreich 35 Otto, Hzg. v. O Otto, Gf. v. Ventimiglia 140 Otto Visconti. Ebf. u. Signore v. Mailand 38 Otto de Mandello (aus Mailand), Podesta` v. Padua u. Piacenza 44 Otto Morena, Chronist in Lodi 113, 114 Ottobono Fieschi siehe Papst Hadrian V. Pace Pesamigola (aus Bergamo), Podesta` v. Florenz 377 Padua 26, 77, 80, 81, 163, 170, 176, 189, 280, 311, 330, 349, 356–358, 404, 405, 412, 419, 443, 450–457, 469, 471, 472, 479, 481, 486, 502, 505 Pagani, −→ Nellus Pagano Doria, Admiral v. Genua 165 Paganus Symia 159 de Palatio, Fam. (Siena) −→ Ildebrandinus Hugi Pallavicini (Pelavicini), Mgfn. −→ Guido −→ Obertus de Paltoneriis, Fam. (Bologna) 259 −→ Bonaguida Gerardi −→ Gerardus −→ Iohannes Gerardi Pandolfo Savelli (aus Rom), Podesta` v. Todi 206, 209, 274, 289, 291 Panis, −→ Nicolaus Papareschi, Fam. (Rom) −→ Gregorio (Papst Innocenz II.) Papst/Papspttum siehe Kirche Parabiago, Schlacht (1339) 17 Parenzi, Fam. (Rom) −→ Pietro Paris 329, 358 Paris, −→ Matthew Parma 3, 102–103, 110, 116, 117, 165, 245, 255, 260, 280, 290, 291, 300, 315, 316, 319, 321–330, 335–337,

Register 344, 346, 406–408, 413, 416, 419, 450, 467, 479 Ghibellinen (pars imperij)* 328–329 Guelfen (pars ecclesie)* 328–329 Kommunalpalast* 3 Piazza (platea communis)* 322 Popolo/Societa` de’ Crociati* 117, 291, 292, 325–329, 336, 382 Stadtviertel (Porte)* 104, 321, 450 Parodi, Mgfn. −→ Rainer −→ Wilhelm Paschalis III. (Guido v. Crema), Gegenpapst 70 Paschalis Cassicius, Syndikus v. Genua 149 Passagerii, −→ Rolandinus Paul II. (Pietro Barbo), Papst 234 Paulettus degli Atti, Capitano d. Ghibellinen v. Todi 181, 285, 293–298, 301, 302, 307, 309, 336 Paulus de Sarmeola, Kg. d. Ritterschaft in Padua 357 Pavia 19, 90, 91, 113–114, 284 Pazzi, Fam. (Florenz, Valdarno) −→ Guglielmo −→ Jacopo del Naca de Pegoloto, −→ Mattheus Peire Pernus, Konsul v. Ventimiglia 160 Pelavicino siehe Pallavicini Pepoli, Fam. (Bologna) 259 della Pera siehe Peruzzi Pera Balducci, Prior in Florenz 7 Peregrino di Rocca, pa¨pstl. Kaplan u. Auditor, Rektor in spiritualibus d. Tuszischen Patrimoniums 217 Pernus, −→ Peire Perugia 181, 183, 208, 213, 231, 245, 286, 404, 405, 408, 411, 412, 418–428, 446, 449, 499, 500 Fontana Maggiore* 209 Kommunalpalast* 231 Popolo* 286 Peruzzi (della Pera), Fam. (Florenz) 390, 448 Pesamigola, −→ Pace Petrus Annibaldi, kollegialer Senator v. Rom 252

Register Petrus Martyr (Petrus v. Verona) (Hl.), OP, Prediger, Inquisitor u. Begru¨nder v. Laienbruderschaften 255, 327, 376 Petrus Egidii Mattefellonis, Capitano d. Ghibellinen v. Todi 293–295, 307 Petrus Pierleoni siehe Papst Anaklet II. Petrus Rollandi, Notar d. Capitano del Popolo v. Todi 289 Petrus de Soriano (aus Viterbo) 85 Pevere, Fam. (Genua) −→ Sorleone Pfalz (Pfgft. bei Rhein) 35 Philipp s. a. Filippo Philipp v. Schwaben, Kg. 72, 95, 423 Philipp IV. d. Scho¨ne, Kg. v. Frankreich 338 Philipp III. d. Gute, Hzg. v. Burgund 485, 490 Philippus, iudex et assessor d. Podesta` v. Siena 252 Piacenza 43, 80, 116, 171, 190, 271, 321, 406 Popolo* 43, 44, 171–172 Societas militum 44, 172 Pian Castagnaio 434 da Piazzola, Fam. (Padua) −→ Rolando Piccolomini, Fam. (Siena) −→ Enea Silvio (Papst Pius II.) Piena 139 Pierleoni, Fam. (Rom) −→ Petrus (Papst Anaklet II.) Piero Soderini, Gonfaloniere a vita v. Florenz 492 Pierre-Roger de Beaufort siehe Papst Gregor XI. di Pietro, −→ Giovanni −→ Sano Pietro Barbo siehe Papst Paul II. Pietro della Branca (aus Gubbio), Podesta` v. Siena 86 Pietro Fr(i)ulani (aus Bologna), Podesta` v. Spoleto 290 Pietro di Miniato, Maler in Prato (Taf. 6) 394, 397, 401–404 Pietro Parenzi (Hl.) (aus Rom), Podesta` v. Orvieto 188–189, 267 Pietro Viatico Caetani, Bf. v. Todi 293, 297, 338, 339, 345

641 Pigazzano, Burg 171, 172 de Pileo, −→ Guido Pipini, Fam. (Prato) 393 Pirro Stefanucci, Chronist in Todi 198 Pisa 32, 69, 70, 165, 238, 239, 248, 276, 314, 317, 355, 364, 369, 371, 373, 415, 446 Pistoia 32, 86, 153, 195, 218, 221, 227, 285, 341, 344, 394, 396, 446, 461 Pitti, Fam. (Florenz) −→ Buonaccorso Pius II. (Enea Silvio Piccolomini), Papst 232–235 Plaziola siehe Piazzola Pocobellus de Vigollo (aus Como), Podesta` v. Cremona 92 Poggibonsi 318 Polen, Kgr. 215 Pommern, Hzm. 144 Pompeius Magnus, Gnaeus, ro¨m. Konsul u. Triumvir 446 de Ponte, Fam. (Rom) −→ Iacominus Ponte a Valle, Schlacht (1268) 286 de Pontecutis, −→ Angnellutius Pontremoli 116 Popolani, Fam. (Florenz), Zweig d. Cavalcanti 437 Popoleschi, Fam. (Florenz), Zweig d. Tornaquinci 437 Porsenna, Kg. v. Clusium (Chiusi) 229 Portovenere, Burg 138, 151, 164 Prato 16, 153, 254, 281, 344, 349, 355, 390–404, 410, 487, 494 Kommunalpalast* 379, 393, 400 Fresko v. Pietro di Miniato im Ratssaal (Taf. 6) 394, 397, 401–404 Piazza (platea comunis)* 393, 399 Popolo u. dessen Waffengesellschaften* 254, 255, 292, 390–404 Stadtviertel* 396 da Prato, −→ Bettino −→ Convenevole Prendiparte, Fam. (Bologna) −→ Guidottino Pretatti, Fam. (L’Aquila) 185 Pula (Pola) 361

642 de Pusterla, Fam. (Mailand) 3, 36–52, 54–56, 459 −→ Bonifacius −→ Guilielmus Quartesolo, Schlacht (1312) 77 Quirini (Querini), Fam. (Venedig), −→ Thomaxinus Quirinus Quirinus Colonus, angeblicher Autor der ‚Historia Tudertine civitatis‘ 229–231, 235, 236 Raimondo degli Annibaldeschi (Riccardo Annibaldi?), Podesta` v. Todi 200 Raimondo Zanfogni gen. Palmerius (Hl.), Schuster u. Friedensstifter in Piacenza 188, 323 Raimundus Curlus 162 Raimundus Iudex 162 Rainald I., OSB, Abt v. Montecassino 57–59 Rainaldus Ceba 159 Rainaldus de Seole (Siole), Herr v. Torre Certalta 210 Rainer, Mgf. v. Parodi 140 Rainer v. Pisa (Hl.), Friedensstifter 323 Rambalducius de Salviano, Ghibelline in Todi 296, 307, 310 Rambaldus (Rambaldus Iacobi, Rambaldus Bonaventure Olise), Syndikus v. Todi 245, 247, 289, 301, 345 Rambertinus Guidonis de Bovarello (aus Bologna), Podesta` v. Genua 158–162 Ranaldus Fidanze, Guelfe in San Gimignano 319 Ranieri di Campello (aus Spoleto), Vikar v. Papst Innocenz III. in Todi 255 Raniero di Ugolino de’ Baschi, Podesta` v. Todi 339 Raniero Zen, Doge v. Venedig 363 Ravignani, Fam. (Florenz) 30 −→ Gualdrada −→ Bellincione Regen, Schlacht am (1105) 93 Regensburg 14 Reggio (Reggio Emilia) 104, 116, 245, 281, 290 Popolo* 104

Register Reich (Heiliges Ro¨misches Reich, auch ro¨m.-dt. Kaiser u. Ko¨nige)* 3, 11, 15, 20, 31, 32, 34–36, 48, 50, 51, 55, 61, 70, 73–78, 83, 88–103, 111–112, 132, 142–144, 147, 148, 168–170, 176, 179, 233, 235, 239, 242, 273, 280, 312, 314, 315, 336, 349, 371, 376, 443, 450, 452–457, 471, 479, 481, 491, 497, 498, 500, 502, 503 Renaldini, Fam. (Siena) −→ Bartholomeo Rene´ v. Anjou, Kg. v. Neapel, Titularkg. v. Neapel u. Jerusalem 372 Ricasoli, Fam. (Florenz) −→ Angelo Richard I. Lo¨wenherz, Kg. v. England 79, 163 Richard, OSB, Mo¨nch in Montecassino, Kapellan v. Papst Innocenz II. 58 di Rienzo, −→ Cola Rieti 87 Rimbaldus de Montegeorgio (Monc¸orc¸i) (de Cuciano), Adliger aus dem Contado v. Bologna, Familiare (miles) v. Comazzo Galluzzi in Todi 191, 193, 195, 218–220, 259, 260, 277, 279, 290, 294, 295, 297–300, 303, 305, 392 Rimini 238 da la Riva, −→ Bonvesin Robert v. Anjou (d. Weise), Kg. v. Neapel 3, 102, 400, 433 Robert FitzWalter, engl. Baron, Herr v. Baynard’s Castle, Kastellan u. Bannerherr v. London 476, 477 Robert, Magister, Kaplan u. Protonotar d. Mainzer Hofes 71 Roberto da Sanseverino d’Aragona, Condottiere im Dienst v. Venedig 361 Robertus, Notar in Mailand, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi 192 di Rocca (de Rocha) −→ Giovanni −→ Peregrino Ro¨mische Republik (1798–1799) 340 Roger II., Kg. v. Sizilien 57–59 Roger de Mortimer, 1st Baron Mortimer 175

Register Rogerius Calcagni, OP, Inquisitor in Florenz 377 Rolandini, −→ Gerardus Rolandinus Petri de Henrico [Galluzzi], Konsul v. Bologna 266 Rolandinus v. Padua, Grammatiklehrer u. Notar, Chronist in Padua 357, 451 Rolandinus Passagerii, Notar u. Staatsmann in Bologna 194, 327, 391 Rolando Bandinelli siehe Papst Alexander III. Rolando da Piazzola (Rolandus de Plaziola), Jurist, Gesandter v. Padua 455–456 Rolandus Guillelmi Butrigarii, sapiens und statutarius der Linaioli (Schreinerzunft) im Popolo von Bologna 193 Rollandi, −→ Petrus Rom 64, 152, 191, 229, 230, 245, 314, 443–451, 471, 499 Alt-St. Peter Apsismosaik 119–120, 125–127 Torflu¨gel 231 Lateranpalast Benediktionsloggia im ‚Jubila¨umsfresko‘ Giottos 99 Mosaik i. d. Hauptapsis d. Tricliniums 125–127 da Romano, Fam. (Trevisanische Mark) 29 −→ Ezzelino II. −→ Ezzelino III. Roncarolo 104 Roquebrune 139 Rosano, Kloster 81 Rosario, Kastell 181 Rossi (Giacoppi gen. Rossi), Fam. (Florenz) −→ Stoldo Berlingherii Giacoppi Rossi di San Secondo, Fam. in u. Signoren v. Parma 102 −→ Marsilio Rovigo 330 Rubeus, −→ Iohannes ¨ sterreich 32 Rudolf IV., Hzg. v. O Rudulfus (de Montegeorgio) (Rudulfus domini Sinibaldi), als domicellus

643 et scutiferus Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi 194 Ruprecht v. d. Pfalz, Kg. 35 Sacchetti, Fam. (Florenz) −→ Franco de Sacchis, Fam. (Lodi) 44 −→ Amizo Saint-Gilles-du-Gard 178 Salerno 60, 171, 189 Salimbene de Adam (Salimbene v. Parma), OFM, Chronist in Reggio Emilia 190, 321, 327, 335, 406 Salinguerra Torelli, ghibellinischer Parteifu¨hrer in Ferrara 41 Sallustius Crispus, Gaius, ro¨m. Geschichtsschreiber 446 Salutati, −→ Coluccio de Salviano, −→ Rambalducius Sambonifacio (San Bonifacio), Gfn. 41 de San Apostolo, −→ Gregor San Germano (Cassino) 58, 60, 310 San Gimignano 22, 66, 276–278, 314–321, 334, 335, 337, 342, 344, 346, 379, 403, 493 San Giovanni Incarico, Gfn. −→ Gregor −→ Landulf San Giovanni Valdarno 429, 430 San Miniato 34 San Quirico d’Orcia, Burg 421 Sano di Pietro, Maler in Siena 498, 505 Sanseverino, Gfn. (Kgr. Neapel) −→ Roberto da Santa Croce, −→ Jacopo Sanvitale, Fam. (Parma) −→ Hugo Sanzanome, iudex u. Chronist in Florenz 69, 81 de Sarmeola, −→ Paulus da Sassoferato, −→ Bartolo Savelli, Fam. (Rom) −→ Giacomo (Papst Honorius IV.) −→ Pandolfo Savona 154, 157 Savoyen, Gfn. v. 157 della Scala (Scaligeri), Fam. in u. Signoren v. Verona 168, 265, 372, 453 −→ Cangrande I.

644 Scarperia (Castel San Barnaba) 347, 429–432, 435, 461–463, 468, 472, 493 v. Scharfenberg, −→ Konrad, Bf. v. Speyer u. Metz Schilling, −→ Diebold v. Schwarzburg, Gfn. −→ Gu¨nther v. Schweinspoint, −→ Diepold Schweiz 66, 439 Scriba, −→ Bartholoma¨us −→ Marchisius −→ Otobonus Sebastiano di Cola del Casentino, Maler in L’Aquila 497 Sebastiano Ziani, Doge v. Venedig 360 di Segni, Conti, Fam. (Latium, Rom) −→ Lotario (Papst Innocenz III. −→ Ugolino (Papst Gregor IX.) v. Seine, −→ Zilies di Ser Cassai, Tommaso siehe Masaccio Sercambi, Fam. (Lucca) −→ Giovanni Sergius −→ Catilina, Lucius de Settala, Fam. (Mailand) −→ Henricus Siena 20–31, 42, 50, 52–56, 70, 86, 111, 148, 153, 166, 170, 183, 211, 245, 252, 276, 318, 378, 387, 413, 421, 425, 433, 434, 443, 454, 458–470, 472, 479, 483, 498, 504, 505 Guelfen* 22 Kommunalpalast* 9, 20–31, 53 Kompanien/Gesellschaften d. Popolo* 23–26 Piazza del Campo* 240, 505 Piazza di S. Cristoforo* 27 Popolo* 9, 20–31, 50, 52–55, 229, 283, 459, 487, 498 Stadtviertel (Contrade)* 104, 397 Stadtviertel (Terzi)* 23, 25, 240 Statuten* 25, 30 Sigebot v. Lautern, Ministeriale u. Ka¨mmerer v. Ks. Heinrich VI. 90 Sigismund, Ks. 27, 50 Simon filius quondam Cambii Capi, Notar aus Bologna 216 Simon de Brion siehe Papst Martin IV. Simon V. de Montfort, 6th Earl of Leicester 175

Register Simon VI. de Montfort 174 Simone Enghelfredi (aus Padua), Capitano del Popolo v. Todi, Podesta` v. Orvieto, ksl. Vikar v. Arezzo 339 Sinibaldo Fieschi siehe Papst Innocenz IV. Sinibaldus (de Montegeorgio), consul militum v. Monteveglio, Großv. v. Rimbaldus, Napoleonus u. Sinibaldus 194 Sinibaldus de Montegeorgio (Monc¸orc¸i), Br. v. Rimbaldus u. Napoleonus 194 di Sioli (de Seole), Fam. (Gubbio) −→ Brunamons −→ Rainaldus Sismano, Burg 339 Sizilien, Kgr. 227, 310, 312, 314, 315, 344, 349, 506 Soderini, Fam. (Florenz) −→ Piero Soncino 117, 305 da Soresina, Fam. (Mailand) −→ Corrado di Bonaccorso Soriano, Burg 85 de Soriano, Fam. (Viterbo) 85 −→ Guastapane −→ Petrus Sorleone Pevere (Genua) 150 Sospel 139 Spagliagrano (aus Bologna), erster Podesta` v. Todi 182, 189 Lo Spagna siehe Giovanni di Pietro Spini, Fam. (Florenz) −→ Geri Spinola, Fam. (Genua) −→ Obertus Split 184 Spoleto 117, 181, 208, 213, 245, 263, 290, 298 Squarcialupi, Fam. (Florenz) 436, 437 −→ Nolfo di Manfredi Staufer, Dyn. 227, 286, 306, 307, 312, 316, 319, 336, 339, 349, 421, 423, 426 Stefaneschi, Fam. (Rom) −→ Jacopo Stefani, −→ Marchionne di Coppo Stefanucci, Fam. (Todi) −→ Pirro Stella, −→ Giorgio

Register Stoldo Berlingherii Giacoppi Rossi, Bannertra¨ger d. Florentiner Guelfen im Heer Karls v. Anjou, Podesta` v. San Gimignano 321 Stracciavolpi, Fam. (Florenz), Zweig d. Squarcialupi 436 da Strada, Fam. (Pavia) −→ Torello Stretto, Fam. (Piacenza) −→ Giacomo Stretto siehe Jacobus Strictus Strictus, −→ Jacobus Symia, −→ Paganus Tagliacozzo, Schlacht (1268) 191, 315, 348 Talamazius de Gaidaldis, Konsul v. Cremona 91 Tavernieri, Fam. (Parma) 322 −→ Bertolus Tabernarius −→ Giacomo Tebaldello de’ Zambrasi (Faenza) 333 Templerorden 14 Terni 239, 241, 290 Terranuova (Castel Santa Maria) 429, 430 Testa, −→ Arrigo de Tetocio, −→ Manegoldus Thebaldus de Brusatis, Capitano v. Brescia 269 Thomas v. Split, Archidiakon u. Chronist 245 Thomaxinus Quirinus (aus Venedig), Podesta` v. Parma 281 Tiepolo, Fam. (Venedig) 363 −→ Lorenzo Tigullio 135 Todi 16, 35, 40, 41, 85, 117, 172, 176, 181–351, 353, 362, 403, 404, 407, 458, 485, 501, 505 Archivio segreto 198–201 Biblioteca comunale 198–199 Ghibellinen* 197, 203–205, 255, 285, 303–307, 309, 310, 336, 342, 344, 348, 351 Guelfen* 302, 345 Kommunalpalast* 40, 181, 240, 294–304, 306–309, 311, 336, 345, 347 Wappenadler 239, 241, 242

645 Piazza (platea communis)* 240, 241, 288, 290, 294, 300, 337 Popolo* 283, 288–292, 294, 302, 309, 342, 345, 501 Porta Catena (Arco di San Antonio), Wappenadler 232 Priorenpalast, Wappenadler 231 Stadtviertel (Rioni)* 240 Nidolo 235 Wehrbru¨cke v. Pontecuti 274 da Todi, −→ Lorenzo Tollo de’ Albizzeschi, sienes. Vikar v. Massa Marittima, V. v. Bernardino da Siena 498 Tolosanus, Chronist in Faenza 70 Tomaso, Maler in San Gimignano 314 Tommaso di Ser Cassai siehe Masaccio Tommassone, Maler in Poggibonsi 276 Tonsi −→ Nicolinus Tosi Torelli, Fam. (Ferrara) −→ Salinguerra Torello da Strada (aus Pavia), Podesta` v. Parma 110 Torellus, Notar u. Gonfaloniere v. Prato 403 Tornaquinci, Fam. (Florenz) 437 della Torre (Torriani), Fam. in u. Signoren v. Mailand 29 −→ Erec −→ Guido Torre delle Bebbe, Burg 357 Torre Certalta, Burg 210 Tortona 93, 113–119, 128, 129, 132, 148, 170, 174, 175, 177, 179, 244, 256, 273, 382, 419, 435, 437, 499 della Tosa (Tosinghi), Fam. (Florenz) −→ Baschiera Tosi, −→ Nicolinus Trevisanische Mark 29, 358, 455 Treviso 119, 356–358, 360, 472, 505 Trezzo, Burg 76 Trient 146, 177 Dom, Grabmal d. Roberto da Sanseverino 361 Trient, Bm. 145 Trier, Ebm. 21, 144 Triest 361 Troja 64 Tunis 7 Turin 98

646 Tursus, Arzt u. Gonfaloniere v. Prato 403 Tyros 358 Ubaldini, Fam. (Florenz) 430, 431, 444 −→ Ottaviano Ubaldo Allucingoli siehe Papst Lucius III. Ubaldo Visconti (aus Pisa), Podesta` v. Siena 28 Ubertini, Fam. (Arezzo) −→ Guglielmo Uberto Avogadro, Bf. v. Vercelli 3 Uberto Crivelli siehe Papst Urban III. Ubertus s. a. Obertus Ubertus de la Cruce (Mailand) 46 Ubriachi, Fam. (Florenz) −→ Betto Uccellatoio, Burg 431 Udalrich, Hzg. v. Ma¨hren-Bru¨nn 14 Uffredutii siehe Offreducii Ugo/Ugolino s. a. Hugo Ugo, S. v. Mgf. Otto v. Carretto 149–151 Ugolino di Alviano, Podesta` v. Todi 208, 289 Ugolino de’ Baschi (aus Todi), Podesta` v. Todi, V. v. Raniero 181, 190 Ugolino dei Conti di Segni, Kardinalbf. v. Ostia u. Velletri siehe Papst Gregor IX. Ugolino Galluzzi, S. v. Antonio Galluzzi 267 Ugolinus Gualinghi, Notar in Bologna, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi 191, 212, 218, 241, 246, 296, 299, 300, 304 Uguet, Meister d. Kammacherzunft in Venedig 366 Ugutius de Casalecchio, Fußsoldat aus Bologna, Familiare v. Comazzo Galluzzi in Todi 259 de Unzola (Enzola), Fam. (Parma) −→ Gerardus Urban III. (Uberto Crivelli), Papst 422 v. Urslingen, −→ Konrad da Uzzano, Fam. (Florenz) −→ Niccolo` di Giovanni Valencia 489 Valentano, Kastell 85

Register Valetta 435 Valloria, −→ Willelmus Van de Marque, −→ Jan Van der Aa, Fam. (Mecheln) 484 Van der Dale, −→ Jan Vanni, Gf. v. Bagnacavallo 77 Vendoˆme, Gfn. −→ Burchard V. −→ Johann v. Fresne Venedig 101, 111, 163, 166, 208, 245, 348, 352, 355–368, 370–373, 391, 401, 411, 413, 439, 480, 486, 493, 495, 505 Dogenpalast* 360, 362–366, 401 Frieden (1177) 359 Markusplatz* 358, 362–366 Stadtviertel (Sestieri)* 362 Ventimiglia 134, 140, 158–164, 175, 176, 500 Ventimiglia, Gfn. 134, 140, 142, 148, 173, 252 Venturini, −→ Delai Vercelli 43, 44 Verona 101, 163, 275, 330, 453, 457 Vicenza 77, 80, 334, 453, 454, 456 Victoria (Lagerstadt Friedrichs II. vor Parma) 419 Vigollo, Fam. (Como) −→ Pocobellus Villa Arnina 444 Villani, Fam. (Florenz) −→ Giovanni Visconti, Fam./Dyn., Signoren v. Mailand 17, 35, 36, 47, 49, 51, 55, 73, 109, 110, 400 −→ Azzo −→ Galeazzo II. −→ Gian Galeazzo −→ Giovanni −→ Giovanni d’Oleggio −→ Londrisio −→ Luchino −→ Matteo I. −→ Otto Visconti, Fam. (Pisa) −→ Ubaldo Vitalis, Prior v. S. Egidio di S. Gemine 338 Viterbo 32, 59, 70–73, 85, 99, 170, 173, 208, 229, 231, 249, 317, 340, 446

647

Register Papstpalast, Wappenfries an der Loggia 99 Piazza del Gesu`* 85 Volterra 153, 318, 330, 346, 404 Walter siehe Gautier Westminster 480 Wien 32 Wilhelm s. a. Guglielmo/Guilielmus/ Guillaume Wilhelm II., Gf. v. Holland, ro¨m.-dt. (Gegen-)Kg. 426 Wilhelm, Mgf. v. Parodi 140 Willelmus Embriacus maior (Genua) 150 Willelmus Gensane 162 Willelmus Guercius, Konsul v. Ventimiglia 158, 160 Willelmus Valloria, Konsul v. Ventimiglia 158, 160

William FitzStephen, Familiare u. Biograph v. Thomas Becket 474 Willielmus I. Embriacus, Herr v. Gibelet 135 Windsor, Schloss 507 Wittelsbacher, Dyn. 31 Wu¨rzburg 90 Zambrasi, Fam. (Faenza) −→ Tebaldello de Zanebonis, Fam. (Cremona) −→ Girardus Zanfogni, −→ Raimondo Zen, Fam. (Venedig) −→ Raniero da Zevio, −→ Altichiero Ziani, Fam. (Venedig) −→ Sebastiano Zilies v. Seine, Dichter 465 Zu¨rich 22