Die »notwendige Teilnahme« als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht [1 ed.] 9783428473618, 9783428073610

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Die »notwendige Teilnahme« als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht [1 ed.]
 9783428473618, 9783428073610

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 74

Die „notwendige Teilnahme“ als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht Von

Christoph Sowada

Duncker & Humblot · Berlin

C H R I S T O P H SOWADA

Die „notwendige Teilnahme" als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser em. ord. Professor der Rechte an der Universität Hamburg

und Dr. Friedrich-Christian Schroeder orcL Professor der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 74

Die „notwendige Teilnahme" als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht

Von

Christoph Sowada

Duncker & Humblot - Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Klaus Geppert, Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Sowada, Christoph: Die „notwendige Teilnahme" als funktionales Privilegierungsmodell im Strafrecht / von Christoph Sowada. — Berlin: Duncker und Humblot, 1992 (Strafrechtliche Abhandlungen; N. F., Bd. 74) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07361-4 NE: GT

D 188 Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-07361-4

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im März 1991 abgeschlossen und vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im Sommersemester 1991 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum sind im wesentlichen bis zum November 1991 berücksichtigt. Herzlich danken möchte ich an dieser Stelle vor allem meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Klaus Geppert. Dieser Dank bezieht sich auf die Anregung zum Thema der vorliegenden Untersuchung und die engagierte Begleitung ihres Entstehens sowie auf die persönliche und fachliche Förderung, die ich während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl erfahren habe. Mein herzlicher Dank gilt ferner meinem langjährigen Kollegen und Freund, Herrn Dr. Hartmut Schneider, für seine stete Bereitschaft zum fachlichen Gespräch. Den Herren Prof. Dres. Eberhard Schmidhäuser und Friedrich-Christian Schroeder bin ich zum Dank für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Strafrechtliche Abhandlungen / Neue Folge" verpflichtet. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern, die meine berufliche Entwicklung und das Entstehen dieser Arbeit verständnisvoll begleitet und in vielfältiger Weise unterstützt haben. Berlin, im Dezember 1991 Christoph Sowada

Inhaltsverzeichnis Einleitung

13 Erster Abschnitt Die Begegnungsdelikte als problembezogener Ausschnitt der „notwendigen Teilnahme" 1. Kapitel Die „notwendige Teilnahme" als Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

I. Die Einteilung in Konvergenz- und Begegnungsdelikte

15 15

1. Die bildhafte Differenzierung zwischen gleichgerichteten und entgegengesetzten Tatbeiträgen als Ausgangspunkt

15

2. Unterschiedliche Fragestellungen für Konvergenz- und Begegnungsdelikte

18

a) Die Privilegierung des „notwendigen Teilnehmers" als Kernproblem der Begegnungsdelikte b) Die Problemstruktur der Konvergenzdelikte

18 20

3. Die „funktionale Doppelrolle" als dogmatisches Charakteristikum (nur) der Begegnungsdelikte

21

II. Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte"

25

1. Der unterschiedliche Bezugspunkt der Notwendigkeit"

25

2. Der Vorrang problemorientierter Begriffsbildung

26

3. Konsequenzen der problemorientierten Begriffsbildung für die Reichweite der Begegnungsdelikte a) Die Maßgeblichkeit der konkreten Tatbestandsalternative

28 28

b) Die Verneinung des Begegnungsdeliktscharakters als Folge fehlenden Problembezuges

30

c) Das Verhältnis zwischen Viktimodogmatik und "notwendiger Teilnahme"

31

aa) Kennzeichnung der viktimodogmatischen Auseinandersetzung ..

31

bb) Überschneidungen der viktimodogmatischen Diskussion mit der Problemlage bei den Begegnungsdelikten cc) Der Tatbeteiligte als taugliches Tatobjekt

33 34

8

Inhaltsverzeichnis

III. Terminologische Konsequenzen einer problemorientierten Sichtweise für den Gesamtkomplex der „notwendigen Teilnahme" 1. Die „notwendige Teilnahme" als bloßer „Vorbegriff

4

38 38

2. Terminologische Alternativen zum Begriff der „notwendigen Teilnahme" IV. Gegenstand und Gang der weiteren Untersuchung

39 41

1. Das Problem der Privilegierung des personalen Tatobjekts als vorrangige Fragestellung der „notwendigen Teilnahme"

41

2. Thematische Ausgrenzungen

43

3. Gang der Untersuchung

45 2. Kapitel

Das Fehlen eines einheitlichen Generalansatzes für den Gesamtbereich der Begegnungsdelikte

46

I. Die „Unterlegenheitsthese" (R. Lange)

46

II. Die auf das Konkurrenzverhältnis der Beteiligungsformen abstellende Konzeption 1. Zur „mittäterschaftsähnlichen" Struktur der Begegnungsdelikte (Zöller)

...

2. Der Subsidiaritätsgedanke als Ansatzpunkt für ein umfassendes Straflosigkeitsmodell

50 50 54

Zweiter Abschnitt Die Straflosigkeit der Opfermitwirkung als allgemeines Privilegierungsprinzip 3. Kapitel Die Straflosigkeit des mit einem Dritten zusammenwirkenden Tatopfers I. Das Opfer als Inhaber des tatbestandlich geschützten Rechtsguts II. Der Strafgrund der Teilnahme

62 62 67

1. Ablehnung der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre

67

2. Zur Teilnahme als eigenständigem Angriff auf das Vertrauen der Allgemeinheit

71

3. Die Straflosigkeit der Opfermitwirkung auf der Grundlage der (herrschenden) Verursachungstheorie(n)

75

III. Die Unverletzbarkeit des Rechtsguts durch den Rechtsgutsinhaber

79

1. Dogmatische Strukturunterschiede zwischen der Opferstraflosigkeit und der strafbaren Extranenteilnahme beim Sonderdelikt

79

2. Die Beziehungsstruktur des Rechtsgutsbegriffs

82

Inhaltsverzeichnis

9

4. Kapitel Sonderfälle der Opfermitwirkung I. Der Grundsatz der Opferstraflosigkeit in Fallgestaltungen mit mehreren Rechtsgutsträgern

88 88

1. Mehrere Rechtsgutsträger als Inhaber desselben Rechtsgutes

89

2. "Kumulative" und „alternative" Normstruktur in Konstellationen mit dualem Schutzcharakter

91

3. Der „Schutzreflex" als abzulehnende Verquickung von Rechtsgutsträgerschaft und Dispositionsbefugnis

94

II. Die Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten 1. Diskutierte Fallgestaltungen

98 99

2. Die gebotene Trennung zwischen unterschiedlichen Zurechnungsebenen

102

a) Das Zurechnungsproblem zwischen Vordermann und Taterfolg b) Die Zurechnungsproblematik zwischen Vordermann und Hintermann c) Die Zurechenbarkeit zwischen Hintermann und Rechtsgut

104 105 109

Dritter Abschnitt Einzeldeliktsspezifische Privilegierungen des „notwendigen Teilnehmers" 5. Kapitel Ablehnung eines allgemeingültigen Grundsatzes strafloser Rollenwahrung

116

I. Zum Umkehrschluß zu den Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung

118

1. Argumente gegen eine rein logische Fundierung des Umkehrschlusses

119

2. Rechtliche Besonderheiten der Begegnungsdelikte mit allseitiger Strafdrohung

121

II. Die historische Entwicklung des Grundsatzes der straflosen Mindestmitwirkung

124

1. Die Entwicklung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung

125

2. Die Entwicklung des Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung im strafrechtlichen Schrifttum

129

3. Die „notwendige Teilnahme" als Gegenstand gesetzgeberischer Beratungen

131

III. Ungereimtheiten bei der Handhabung des Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung 136 1. Schwierigkeiten bei der Ermittlung der in den Privilegierungskontext einzubeziehenden Tatbestände

137

2. Probleme bei der Bestimmung des Privilegierungsumfangs

140

10

Inhaltsverzeichnis

IV. Überblick über weitere einzeldeliktsübergreifende Argumentationsmodelle ...

144

1. Zur Brauchbarkeit des Rollenbegriffs als Ansatzpunkt für ein dogmatisches Lösungskonzept 145 2. Die Lehre von der Sozialadäquanz als Modell einer verhaltensbezogenen Tatbestandsrestriktion

148

3. Straflose Teilnahmehandlungen als Ausfluß der Regreßverbotslehre ....

155

6. Kapitel Die „notwendige Teilnahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte I. Die Mitwirkung des begünstigten Gläubigers (§ 283 c StGB)

161 165

1. Die Privilegierung des Gläubigers im Lichte der allgemeinen Auslegungsmethoden

166

2. Der Interessenkonflikt innerhalb der Gläubigergemeinschaft

169

II. Die Mitwirkung des Erwerbers am Verbreiten von Raubkopien (§§ 106 ff. UrhG)

173

1. Zur Straflosigkeit des rollenwahrenden Erwerberverhaltens als Anwendungsfall der „notwendigen Teilnahme"

175

2. Dogmatische Argumente für die Straflosigkeit der Teilnahme (nur) des Letzterwerbers a) Der Privatbereich als traditionelle Grenze des Schutzes des „geistigen Eigentums" b) Die Position des Letzterwerbers im neuen Produktpiraterie-Gesetz c) Die angemaßte Verwertungsbefugnis als Grundelement der urheberstrafrechtlichen Verletzungshandlungen

178 178 181 182

3. Kriminalpolitische Überlegungen zur Straflosigkeit des Endabnehmers a) Die „vervielfältigte" Bagatellkriminalität b) Generalprävention und Ambivalenz des „Dunkelziffer-Arguments" .. c) Zur Alternativität von materiell-rechtlicher und prozessualer Entkriminalisierung

184 184 187

4. Zur Reichweite der Privilegierung des Endabnehmers

192

190

7. Kapitel Die „notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte I. Die Mitwirkung des Gefangenen an der auf seine Befreiung gerichteten Tat (§ 120 StGB)

195 195

1. Zur Strafbarkeit des zu seiner Befreiung anstiftenden Gefangenen 197 a) Die Anwendung allgemeiner Begründungsansätze im Rahmen der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) 197 b) Die Berücksichtigung der Motivationslage des Inhaftierten als Grundlage eines personalen Privilegierungskonzepts 200 c) Der Selbstbegünstigungsgedanke als tragfähiger Erklärungsansatz ... 202 2. Zur Strafbarkeit des Gefangenen in den Fällen gemeinschaftlicher Flucht 205

Inhaltsverzeichnis

II. Die „notwendige Teilnahme" im Rahmen des Parteiverrats (§ 356 StGB) 208 1. Die Straflosigkeit der „verratenen" Partei

209

2. Zur Teilnahmestrafbarkeit der mitwirkenden Gegenpartei

212

a) Das Problem einer generellen Privilegierung im Lichte der allgemeinen Auslegungsmethoden 212 b) Einzelfallbezogene Privilegierungsaspekte

214

8. Kapitel Die „notwendige Teilnahme" im Bereich der Sexualdelikte I. Zur Teilnahmestrafbarkeit des Erwerbers von pornographischen Schriften (§ 184 StGB) 1. Der Erwerb durch Jugendliche als Fall der straflosen Opfermitwirkung

221 221 221

2. Der Erwerb pornographischer Schriften durch erwachsene Endabnehmer 222 a) Die Vertypung des Erwerberverhaltens in § 184 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 Nr. 3 StGB als Ausdruck eines normativen Privilegierungskonzepts ....

223

b) Kriminalpolitische Argumente für eine Straflosigkeit des Konsumenten 224 II. Zur Teilnahme der verkuppelten Person am Delikt der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 StGB) 225 1. Problem und Streitstand

225

2. Zum dogmatischen Stellenwert der in der bisherigen Diskussion angeführten Argumente

228

3. Die Verführung (§ 182 StGB) als Grundlage für ein Privilegierungsmodell im Rahmen des § 180 Abs. 1 StGB 232 4. Zur Teilnahmestrafbarkeit des verkuppelten Sexualpartners in den Fällen der Förderung entgeltlicher sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 Abs. 2 StGB) 236 5. Der sexuelle Mißbrauch von Schutzbefohlenen als Vergleichsmaßstab für die Fälle des § 180 Abs. 3 StGB

239

6. Vorläufiges Ergebnis

241

ΙΠ. Zur Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich der Prostitutionsdelikte ...

241

1. Zur Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich des externen Verhältnisses zur Allgemeinheit (§§ 184a und 184b StGB) 244 a) Praktische Bedeutung und gegenwärtiger Meinungsstand

244

b) Kriminalpolitische Argumente für die Straflosigkeit des Freiers

245

c) Die Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183 a StGB) als Grundlage einer dogmatisch tragfähigen Privilegierungskonzeption 248

12

Inhaltsverzeichnis

2. Zur Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich des internen Verhältnisses zur Prostituierten (§§ 180 a, 181 und 181a StGB) a) Die Notwendigkeit einer dogmatisch tragfähigen Legitimation des Zustandes faktischer Nichtverfolgung b) Die „Sozialadäquanz" als unbefriedigende dogmatische Vermeidungsstrategie c) Der fragmentarische Schutz der Prostituierten als Basis eines spezifischen Gefahrenmodells d) Die Beachtlichkeit der tolerierten Prostitutionsanreize im Teilnahmekontext aa) Die Vermeidung einer generellen Boykottpflicht bb) Die Mitwirkung des Freiers als toleriertes Grundrisiko einer Verstrickung in die Prostitution cc) Die Reichweite der Privilegierung des Freiers

253 253 255 257 260 260 263 266

Ergebnisse der Untersuchung

269

Schrifttums Verzeichnis

278

Einleitung „Der Begriff der »notwendigen Teilnahme4 ist alt, eingebürgert und ungenau." Obwohl sich diese Formulierung 1 unmittelbar nur auf einen terminologischen Aspekt bezieht, läßt sich das angefühlte Zitat durchaus in einem weitergehenden Sinne zur Kennzeichnung des gegenwärtigen Umgangs mit der Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" 2 heranziehen. Auch über die bloße Begrifflichkeit hinaus scheint die Bereitschaft zu bestehen, sich mit der lange zurückreichenden Tradition dieses Rechtsinstituts sowie mit der hohen Akzeptanz der aus dieser Rechtsfigur abgeleiteten Einzelergebnisse zu beruhigen und die mit der „notwendigen Teilnahme" verbundenen dogmatischen Unschärfen in Kauf zu nehmen. So wird zwar einerseits daraufhingewiesen, daß „die Rechtslage zum Teil umstritten und in den Grundlagen noch nicht geklärt (ist)" 3 ; andererseits aber fehlen monographische Untersuchungen aus neuerer Zeit, und die Darstellung in strafrechtlichen Kommentaren und Lehrbüchern beschränkt sich im wesentlichen auf die kasuistische Wiedergabe einschlägiger Fallkonstellationen4. Den zentralen Sachgesichtspunkt der „notwendigen Teilnahme" bildet heute die Frage, inwieweit bestimmte Umstände zur Straflosigkeit einer an sich den gesetzlichen Voraussetzungen der §§26 ff. StGB entsprechenden Deliktsbeteiligung führen 5. Zumindest bei formaler Betrachtung erscheint die aus der Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" abgeleitete Privilegierung mithin zunächst als „Gesetzesmißachtung", die einer hinreichenden dogmatischen Legitimation bedarf. Wenn gleichwohl in der Vergangenheit vielfach ein entsprechender dogmatischer Klärungsbedarf offensichtlich nicht angenommen wurde, so findet dies eine Erklärung vor allem in der gefühlsmäßigen Evidenz der unter der Chiffre der „notwendigen Teilnahme" postulierten Resultate. Wird etwa die These von der umfassenden Straflosigkeit des durch die jeweilige Norm Geschützten nicht ernsthaft in Zweifel gezogen, so akzeptiert man bereitwillig den als Begründung offerierten Terminus von der „notwendigen Teilnahme", ohne allzu kritisch nach der exakten „Konsistenz" dieses dogmatischen Gebildes zu fragen. Die gefühlsmäßige Evidenz bezüglich eines fehlenden Strafbedürfnisses absorbiert somit zugleich das kritische Potential für eine eingehendere dogmatische Untersuchung. Angesichts dieses Phänomens ist ferner zu konstatieren, daß von der Strafrechts1 Wolter, JuS 1982, 343. Ein Überblick über die Fälle „notwendiger Teilnahme" findet sich bei Lackner, vor § 25 Rdn. 12 sowie bei Blei, AT, § 74 (= S. 263 f.). 3 Lackner, vor § 25 Rdn. 12. 4 Vgl. insoweit ζ. B. Jescheck, AT, § 64 VI (= S. 631 ff.) und SK-Samson, vor § 26 Rdn. 43 ff. 5 Bezeichnenderweise trägt der Beitrag von Otto (Lange-FS [1976], S. 197 ff.) den Titel „Straflose Teilnahme?". 2

14

Einleitung

praxis Impulse für eine theoretische Durchdringung des Problemstoffes nicht zu erwarten sind; im Gegenteil muß eine minutiöse Begründungssuche gewärtigen, als „akademisches Glasperlenspiel" belächelt und ignoriert zu werden. Doch wenngleich die handlungsanleitende Funktion des „vernünftigen" Ergebnisses (bei arbeitsökonomisch bedingter Nachrangigkeit des juristischen Argumentationsaufwands) für den Bereich praktischer Strafrechtstätigkeit nachvollziehbar sein mag, muß aus der Perspektive der Strafrechtsdogmatik ein anderer Maßstab gelten: Hier kann ein Ausweichen auf die intuitive Richtigkeit der Ergebnisse (erst recht) nicht in Betracht kommen; vielmehr muß es gerade als Aufgabe der Strafrechtsdogmatik angesehen werden, die ,»richtigen" Ergebnisse überzeugend zu begründen (oder gegebenenfalls die behauptete „Richtigkeit" in Zweifel zu ziehen). Eine Klärung der dogmatischen Grundlagen ist auch deshalb angezeigt, weil nur so über die Reichweite dieser Rechtsfigur im Hinblick auf weniger eindeutige Grenzbereiche entschieden werden kann. Gerade in dogmatischer Hinsicht wirft die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" jedoch zahlreiche Zweifelsfragen auf. So wird der Begriff der „notwendigen Teilnahme" einerseits in einem klassifikatorischen Sinne als gemeinsamer Oberbegriff für die Konvergenz- und die Begegnungsdelikte gebraucht, andererseits aber auch als Abbreviatur der Privilegierung in einem ausschließlich auf den Begegnungsdeliktsbereich bezogenen Sinne verwandt. Die Heterogenität der zusammengefaßten Erscheinungsformen setzt sich auch innerhalb des Privilegierungskontexts fort: Soweit als Grundsatz der „notwendigen Teilnahme" die deliktsnotwendige Mindestmitwirkung straflos bleiben soll, erfährt das Merkmal der Notwendigkeit" eine verhaltensbezogene Deutung, die ihr bezüglich des anderen Kernsatzes — der verhaltensunabhängigen Straflosigkeit des mitwirkenden Tatopfers — gerade fehlt. Schließlich nimmt die „notwendige Teilnahme" eine merkwürdige Zwitterstellung zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Teil des Strafrechts ein 6 . Diese Annäherung an die Tatbestände des Besonderen Teils und der mit dem Privilegierungsproblem verbundene Ausnahmecharakter dürften maßgeblich dazu beigetragen haben, daß die „notwendige Teilnahme" in den zahlreichen monographischen Arbeiten zu Grundproblemen der strafrechtlichen Beteiligungslehre keine Erörterung fand. Andererseits gibt es in jüngster Zeit durchaus kritische Äußerungen, die — allerdings eher beiläufig — eine auf die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" rekurrierende Straflosigkeitsbegründung für „anfechtbar" 7 oder „nichtssagend"8 erklären. Derartige Stellungnahmen 9 bieten einen weiteren Anlaß, die „notwendige Teilnahme" aus ihrem Schattendasein zu befreien und zum Gegenstand einer eigenständigen dogmatischen Untersuchung zu machen. 6

Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 2; Lange, Notwendige Teilnahme, S. 12, 95 f.; Schmidt-Hertzberg, Notwendige Beteiligung, S. 2 und Wolter, JuS 1982, 344. 7 So Weber, in: Arzt/Weber, LH 1, Bern. 526. s So Arzt, in: Arzt/Weber, LH 4, Bern. 402 (in Fn. 12); s. a. ders., in: LH 5, Bern. 504 (in Fn. 21). 9 Vgl. weiterhin die grundsätzliche Kritik bei Herzberg, Täterschaft, S. 138 f. sowie bei Jakobs, AT, 24/12.

Erster

Abschnitt

Die Begegnungsdelikte als problembezogener Ausschnitt der „notwendigen Teilnahme" 1. Kapitel

Die „notwendige Teilnahme44 als Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen Mit dem Begriff der „notwendigen Teilnahme" wird allgemein der Umstand gekennzeichnet, daß einige Delikte zur Tatbestandsverwirklichung zwingend das Zusammenwirken mehrerer Personen erfordern 1.

I . Die Einteilung in Konvergenz- und Begegnungsdelikte als begriffliche Grundlage der „notwendigen Teilnahme 4 4 1. Die bildhafte Differenzierung zwischen gleichgerichteten und entgegengesetzten Tatbeiträgen als Ausgangspunkt Im Anschluß an Freudenthal 2 unterteilt man die Delikte mit „notwendiger Teilnahme" in zwei Gruppen: die Konvergenzdelikte einerseits und die Begegnungsdelikte andererseits. Als Konvergenzdelikte werden hierbei jene Tatbestände bezeichnet, die ein Zusammenwirken mehrerer Personen in derselben Richtung verlangen. Dieser Kategorie unterfallen vor allem diejenigen Straftatbestände, die das Verhalten innerhalb bestimmter Gruppen pönalisieren, indem sie das Handeln in einer „Menschenmenge" oder die Tätigkeit als Mitglied einer „Bande" bzw. einer kriminellen oder terroristischen „Vereinigung" erfassen 3. Bei diesen Delikten wird das Erfordernis einer Personenmehrheit dadurch besonders augenfällig, daß die beteiligten Individualpersonen bereits sprachlich zu einem einheitlichen Kollektiv zusammengebunden werden. Doch auch ohne eine solche aus1 Dreher / Tröndle, vor § 25 Rdn. 6; s. a. LK-Busch 9, § 50 Rdn. 25 mit weiteren Nachweisen zur historischen Entwicklung. 2 Nothwendige Theilnahme, insbesondere S. 1, 3 (zum Begegnungsdelikt) sowie S. 122 (zum Konvergenzdelikt). 3 Vgl. §§ 124, 125 StGB (zur „Menschenmenge"), §§ 244 I Nr. 3, 250 I Nr. 4 StGB (zur „Bande") und §§ 129, 129a StGB (zur „Vereinigung").

16

1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

drückliche Kollektivierung kann ein Konvergenzcharakter bestehen, sofern die jeweilige Tatbestandsgestaltung das Zusammentreffen gleichgerichteter Tatbeiträge fordert 4. Demgegenüber sind die Begegnungsdelikte durch den Umstand gekennzeichnet, daß hier die einzelnen Mitwirkungsakte aus verschiedenen Richtungen kommend zusammentreffen und sich einander ergänzend zum vom Tatbestand umschriebenen Gesamtbild zusammenfügen. Als Beispiel für diese Deliktsgruppe läßt sich etwa der Wucher (§ 302 a StGB) nennen. Die Tathandlung ist mit den Worten „sich oder einem Dritten . . . versprechen oder gewähren läßt" umschrieben, wodurch der Sache nach zwingend der komplementäre Beitrag eines anderen (eben das Versprechen oder Gewähren) vorausgesetzt ist. Hierher gehören auch all jene (zumeist im Nebenstrafrecht befindlichen) Delikte, die ein „Verkaufen", „Veräußern" oder „Überlassen" unter Strafe stellen5, da hierdurch das Ankaufen bzw. der Erwerb als denknotwendiges Gegenstück gleichermaßen impliziert ist. Die dargestellte Unterscheidung zwischen Konvergenz- und Begegnungsdelikt bildet das heute einhellig anerkannte6 begriffliche Fundament für die Erörterung des Problemkreises der „notwendigen Teilnahme". Diese Einmütigkeit darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich im älteren Schrifttum 7 sehr unterschiedliche Auffassungen zur Berechtigung und begrifflich-systematischen Ausgestaltung einer Rechtsfigur „notwendige Teilnahme" nachweisen lassen8. So gab es Äußerungen, die eine Zusammenfassung der Delikte mit „notwendiger Teilnahme" zu einem eigenständigen Untersuchungsgegenstand der Strafrechtsdogmatik generell ablehnten9. Andere Autoren 10 richteten die Systematisierung dieses dogmatischen Teilbereichs primär am Kriterium des Normadressaten aus und stellten die Delikte mit allseitiger Strafdrohung denen mit einseitiger Strafdro4 So etwa in § 227 2. Alt. StGB („von mehreren gemachter Angriff') und § 223 a I 3. Alt. StGB („von mehreren gemeinschaftlich" begangene Körperverletzung). 5 Vgl. dazu die Zusammenstellung bei Horn, NJW 1977, 2329 ff. Im Strafgesetzbuch weist die Verbreitung pornographischer Schriften (§ 184 StGB) eine entsprechende Normengestaltung auf. 6 Vgl. statt aller LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 28 und Jescheck, AT, § 64 VI (= S. 631 ff.). 7 Ausführliche Darstellungen zur historischen Entwicklung finden sich bei Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 5 ff. und Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 6 ff.; vgl. auch Kant, Notwendige Teilnahme, S. 12 ff., 17 ff. sowie Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 10 ff. 8 So resümiert bereits Freudenthal (Nothwendige Theilnahme, S. 22 f.) seinen historischen Überblick mit der Feststellung: „Kurz, von Klarheit und Einigkeit kann zur Zeit keine Rede sein." Zur Zersplitterung der Lehre nach Freudenthal vgl. Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 25 ff.; zur heutigen Situation Otto, Lange-FS (1976), S. 197 ff. 9 S. hierzu die Zusammenstellungen bei Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 18, 27 f.; R. Wagner, Strafbarkeit des notwendig Beteiligten, S. 6 ff. und Apelt, Ausnahmen, S. 24 f. (s. a. aaO. S. 31,34 f. und 38). !o So insbesondere Bergen (Mehrheitsdelikt, S. 44 f.), der dieselbe Einteilung bereits bei Freudenthal erkennt. Im übrigen ist für den vorliegenden Zusammenhang unerheblich, daß Bergen den Begriff der „notwendigen Teilnahme" durch den Terminus „Mehrheitsdelikt" ersetzt. Zur Differenzierung nach dem Adressatenkreis der Strafdrohung vgl. ferner Apelt, Ausnahmen, S. 29 f.

I. Die Einteilung in Konvergenz- und Begegnungsdelikte

17

hung gegenüber. Weiterhin wurde die Auffassung vertreten, der Begriff der „notwendigen Teilnahme" sei auf jene Delikte zu beschränken, bei denen das Zusammenwirken mehrerer Personen zur Strafbarkeitsbegründung unverzichtbar ist; wo hingegen der personelle Zusammenschluß lediglich strafschärfend wirke, liege ein (Normal-)Fall der „echten" Teilnahme, des sog. „concursus facultativ e " , vor 1 1 . Wenngleich diese Meinungsverschiedenheiten heute als überwunden gelten können, so erhellen sie doch, daß die Unterteilung in Konvergenz- und Begegnungsdelikte ebensowenig kraft Gesetzes vorgegeben ist wie der Begriff der „notwendigen Teilnahme" überhaupt 12. Es handelt sich vielmehr um dogmatische Schöpfungen, die sich in der Strafrechtslehre im Zuge kontroverser Diskussion herausgebildet haben. Das Abschichtungskriterium, wonach bei den Konvergenzdelikten „die Handlungen der Betheiligten nach einem gemeinsamen äußeren Zielpunkt hinstreben (konvergieren)" 13, während bei den Begegnungsdelikten die Beteiligten sich aus unterschiedlicher Richtung kommend „entgegenarbeiten" 1 4 , ist für sich betrachtet lediglich eine am phänomenologischen Ablauf orientierte Metapher, der eine juristische Relevanz jedenfalls nicht ohne weiteres zu entnehmen ist 15 . Auch bei der Handhabung dieser eher bildhaften Differenzierung treten Schwierigkeiten zutage, weil sich einige Delikte einer eindeutigen Zuordnung zur einen oder anderen Gruppe entziehen16. Versteht sich die Sinnhaftigkeit der herkömmlichen Klassifizierung also keineswegs von selbst, so ist zu fragen, ob sich die Unterscheidung zwischen Konvergenz- und Begegnungsdelikten in der Weise dogmatisch legitimieren läßt, daß jeder der beiden Teilbereiche über eine eigenständige Problemstruktur verfügt. n Herbst, GA Bd. 28 (1880), 122; Borchert, Verantwortlichkeit, S. 20 (Fn. 6); Stenglein, GS Bd. 59 (1901), 79; Kuhlmey, Notwendige Teilnahme, S. 32 f. und Brunner, Notwendige Teilnahme, S. 35 f. Als Merkmal zur weiteren Untergliederung des Konvergenzbereichs dient die Differenzierung zwischen Strafbegründung und Strafschärfung bei Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 123; Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 66; vgl. ferner LK-Lobe 3, Einl. XV 6c (= S. 75); v. Liszt I Schmidt, Lehrbuch, § 49 V 2 (= S. 314); Finger, Lehrbuch, S. 334 und Weiberg, Stand, S. 47, 49. Ausschließlich auf die Delikte mit straferhöhender Wirkung beschränkt ist die Dissertation von Wittkamp, Die Strafschärfung bei der Mitwirkung mehrerer Personen an einer Straftat (1967). ι 2 Freudenthal (Nothwendige Theilnahme, S. 100) bildet seinen Begriff der „notwendigen Teilnahme" in enger Anlehnung an die seiner Meinung nach in § 35 MStGO (vom 1.12.1898) enthaltene Legaldefinition. Diese Verfahrens(!)-Vorschrift lautete: „Die Bestimmungen des § 34 [diese betreffen den sachlichen Zusammenhang im prozessualen Sinne; der Verf.] finden bei strafbaren Handlungen, welche nach ihrem gesetzlichen Tatbestande das Zusammenwirken Mehrerer voraussetzen, entsprechende Anwendung." 13 So Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 122. 14 Vgl. hierzu Schütze, Nothwendige Theilnahme, S. 318 f. 15 Ähnlich auch Geyer, in: Holtzendorffs Handbuch II, S. 324 f.; Wachenfeld, Lehrbuch, S. 194 (mit Fn. 2) und v. Bar, Gesetz und Schuld II, S. 734 f. 16 Hier ist neben dem früheren Komplott (§ 49b StGB a. F. = § 30 II StGB n. F.) die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens (§ 83 StGB) und der Raufhandel (§ 227 StGB) zu nennen; vgl. Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 43 und v. Bar, Gesetz und Schuld II, S. 735. 2 Sowada

18

1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

2. Unterschiedliche Fragestellungen für Konvergenzund Begegnungsdelikte In der heutigen Strafrechtslehre gelten die Konvergenzdelikte gemeinhin als weitgehend unproblematisch 17. Die dogmatische Bedeutung dieser Deliktsgruppe erschöpft sich hiernach in der klassifikatorischen Funktion, zusammen mit den Begegnungsdelikten den Oberbegriff der „notwendigen Teilnahme" auszufüllen. Diese Beurteilung erfährt eine gewisse Bestätigung durch den Umstand, daß die in den letzten 50 Jahren zur „notwendigen Teilnahme" entstandenen Monographien 18 bereits auf den ersten Seiten den Komplex der Konvergenzdelikte ausklammern, um sich allein den als problematisch erachteten Begegnungsdelikten zuzuwenden. Die strikte Polarisierung, die sich aus dieser Gegenüberstellung ablesen läßt, erscheint insofern verständlich, als sich die beiden Teilbereiche der „notwendigen Teilnahme" hinsichtlich ihrer Problemstruktur maßgeblich voneinander unterscheiden. a) Die Privilegierung des „notwendigen Teilnehmers" als Kernproblem der Begegnungsdelikte Das Kernproblem der Begegnungsdelikte besteht in der Abschichtung zwischen strafbarer und strafloser Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers". Zwar gibt es einige wenige Begegnungsdelikte mit allseitiger Strafdrohung, doch handelt es sich insoweit um atypische Ausnahmefälle, in denen die Strafbarkeitsfrage eine eindeutige Antwort in Gestalt einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Wertentscheidung gefunden hat. Grundsätzlich aber scheidet der „notwendige Teilnehmer" bei den Begegnungsdelikten als tauglicher Täter aus, und gerade an diesen Umstand knüpft sich die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß hiermit zugleich eine Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme versperrt ist. In bezug auf den eingangs beispielhaft angeführten Wuchertatbestand (§ 302 a StGB) ist etwa zu fragen, ob derjenige, der die in einem auffälligen Mißverhältnis zur empfangenen Gegenleistung stehenden Vermögensvorteile verspricht oder gewährt, sich der Teilnahme am Wucher strafbar macht: Einerseits hat seine Verhaltensweise im Gesetz keinen unmittelbaren Ausdruck gefunden (dieses spricht ausschließlich vom Versprechen- oder Gewähren/asse«), andererseits ist es das vorsätzlich erbrachte Gegenstück, das die Tat des Wucherers erst möglich macht. Das Rechtsgefühl mag in diesem Fall noch unbeirrt und lautstark die Straflosigkeit des Bewucherten fordern, da er unserem Rechtsverständnis nach primär als Opfer und nicht als Teilnehmer erscheint 19; doch die Unsicherheit 17 LK-Roxin, Rdn. 28; SK-Samson, Rdn. 44 jeweils vor § 26; Lackner, vor § 25 Rdn. 12; Jakobs, AT, 24/7 und Wolter, JuS 1982, 344. 18 Lange, Notwendige Teilnahme, S. 12 f.; Schmidt-Hertzberg, Notwendige Beteiligung, S. 2 und Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 5. Bei Kant (Die notwendige Teilnahme, 1958) findet zwar keine ausdrückliche Ausgrenzung der Konvergenzdelikte statt, doch ergibt sie sich der Sache nach aus der Gliederung der Arbeit.

I. Die Einteilung in Konvergenz- und Begegnungsdelikte

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wächst möglicherweise schnell mit der sachlich gebotenen Ausweitung der Beispielsfälle. So handelt es sich bei der Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB) ebenfalls um ein Begegnungsdelikt mit einseitiger Strafdrohung, die sich (ausschließlich) gegen den Schuldner richtet, der „in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt, die dieser . . . nicht zu beanspruchen hat". Hier ist es schon sehr viel schwieriger zu entscheiden, ob der Gläubiger auch dann noch straflos sein soll, wenn er den Schuldner zur Tat anstiftet. Umgekehrt wäre zu fragen, ob den Gläubiger bereits im Falle bloßer Entgegennahme des gewährten Vermögensgegenstandes eine Beihilfestrafbarkeit gemäß §§ 283 c, 27 StGB trifft 20 . Ähnlich verhält es sich beispielsweise im Fall des einverständlichen Parteiverrats (§ 356 Abs. 2 StGB). Da sich die Strafdrohung unmittelbar nur gegen den zum Nachteil seiner Partei handelnden Anwalt oder Rechtsbeistand wendet, stellt sich auch hier die für die Gruppe der Begegnungsdelikte typische Grundfrage, ob (bzw. unter welchen Voraussetzungen) derjenige straflos bleibt, der einen im Gesetz nicht (jedenfalls nicht expressis verbis) zum Anknüpfungspunkt einer eigenen Strafdrohung gemachten, gleichwohl aber als komplementäre Ergänzung des unter Strafe gestellten Verhaltens erforderlichen Tatbeitrag erbringt 21 . Zur Bewältigung des dargestellten Privilegierungsproblems haben sich zwei Kernthesen herausgebildet, die heute (nahezu) einhellig anerkannt sind 22 und das dogmatische Substrat der Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" ausmachen: Der primäre Grundsatz lautet, daß die durch den betreffenden Tatbestand geschützte Person stets straflos ist. Die Straflosigkeit unterliegt also keiner verhaltensbezogenen Beschränkung und umfaßt sowohl Beihilfe- als auch Anstiftungshandlungen. Ergänzend tritt der zweite Grundsatz hinzu, wonach der notwendigerweise an einem Delikt Beteiligte jedenfalls dann straflos ist, wenn sein Verhalten das Maß der zur Tatbestandverwirklichung erforderlichen Mitwirkung nicht überschreitet. Bezüglich dieser beiden Grundthesen besteht so weitgehende Einigkeit, daß als praktisch relevantes Problemfeld heute nur noch die Frage erscheint, inwieweit nicht durch die Norm geschützte „notwendige Teilnehmer" auch dann straflos bleiben, wenn ihre Mitwirkung über das denknotwendig zur Deliktsverwirklichung erforderliche Maß hinausgeht. Der diesbezügliche Meinungsstand23 läßt 19 Hohendorf, Individualwucherstrafrecht, S. 154f.; s.a. Otto, Lange-FS (1976), S. 199 f. 20 Im Ergebnis besteht heute weitgehend Einigkeit, daß die Mitwirkung des Gläubigers nur insoweit straflos ist, als sie sich auf die Entgegennahme der inkongruenten Deckung beschränkt; vgl. an dieser Stelle nur LK-Tiedemann, § 283 c Rdn. 35. 21 So bereits Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 2; Lange, Notwendige Teilnahme, S. 5 und Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 6. 22 Vgl. etwa SK-Samson, vor § 26 Rdn. 46 f. 23 Zum Streitstand vgl. Jescheck, AT, § 64 VI (= S. 631 ff.) und SK-Samson, vor § 26 Rdn. 48 f. 2*

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

sich dahingehend zusammenfassen, daß die Rechtsprechung die Straflosigkeit prinzipiell auf den Bereich der denknotwendigen Mitwirkung beschränkt, während die Literaturstimmen überwiegend für eine weitergehende Straffreiheitszone eintreten. b) Die Problemstruktur

der Konvergenzdelikte

Legt man allein die für die Begegnungsdelikte typische Fragestellung einer Privilegierung des „notwendigen Teilnehmers" zugrunde, so bereitet der Komplex der Konvergenzdelikte tatsächlich keine nennenswerten Schwierigkeiten. Denn hier wird grundsätzlich jedes Mitglied der betreffenden Personenmehrheit von der jeweils einschlägigen Tatbestandsumschreibung erfaßt. Ist aber der „notwendige Teilnehmer" regelmäßig tauglicher Täter, so entfällt gerade der für die Begegnungsdelikte maßgebliche Strafbarkeitszweifel. Allerdings weisen auch die Konvergenzdelikte beteiligungsspezifische Besonderheiten auf, die auf die Möglichkeit einer eigenständigen Problemstruktur hindeuten. So wird beispielsweise diskutiert, ob dem Tatbestand des Landfriedensbruchs (§125 StGB) in bezug auf die Mitglieder der Menschenmenge ein Einheitstätermodell zugrundeliegt 24; ferner ist umstritten, ob die (mit-)täterschaftliche Deliktsverwirklichung die Zugehörigkeit zur Menschenmenge voraussetzt25. Auch für die Bandendelikte läßt sich eine beteiligungsdogmatische Besonderheit insofern aufzeigen, als der Bundesgerichtshof eine Mittäterschaft des nicht am Tatort befindlichen Bandenchefs zwar allgemein für möglich hält 26 , hiervon abweichend aber bezüglich des § 244 I Nr. 3 StGB am Erfordernis der Tatortpräsenz festhält 27. Als spezifisches Beteiligungsproblem der Organisationsdelikte (§§ 129, 129 a StGB) ist schließlich die Frage anzuführen, inwieweit die verselbständigten Teilnahmeformen des „Werbens" oder „Unterstützens" abschließenden Charakter tragen und somit eine noch weitergehende („echte") Teilnahmestrafbarkeit ausschließen28. Obwohl die angesprochenen Fragestellungen jeweils im Rahmen der einschlägigen Straftatbestände erörtert werden, lassen sie sich in einen einzeldeliktsüber24 In diesem Sinne Dreher / Tröndle, Rdn. 6; S/S-Lenckner, Rdn. 12 jeweils zu § 125. 25 Verneinend BGHSt. 32, 165 (178) mit Anm. Arzt, JZ 1984, 428 (Fall Schubart); jüngst bestätigt durch BVerfG, NStZ 1990, 487 (488); zur Gegenposition vgl. SKRudolphi, § 125 Rdn. 13, 13 a. 26 BGHSt. 14, 123 (128); 16, 12 (14); zum Problem der Mittäterschaft des nicht am Tatort anwesenden Bandenchefs vgl. ferner die unterschiedlichen Stellungnahmen bei Lackner, § 25 Rdn. 11; Wessels, AT, § 13 III 2b (= S. 156); Maurach I Gössel, AT 2, 49/26 ff. (35 f.); Roxin, Täterschaft, S. 280, 298 ff. und Rudolphi, Bockelmann-FS (1979), S. 372 ff. 27 BGHSt. 33, 50 (52 f.); vgl. hierzu auch die Anmerkungen von Jakobs, JR 1985, 342 f.; Geppert, JK, StGB § 244 / 4 und J. Meyer, JuS 1986, 189 ff. 28 Zu dieser Problematik vgl. BGHSt. 29, 258 (263 ff.); SK-Rudolphi, § 129 Rdn. 21 und Sommer, JR 1981, 490 ff.

I. Die Einteilung in Konvergenz- und Begegnungsdelikte

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greifenden Problemzusammenhang einbinden. Hierbei sind zwei Grundmotive erkennbar: Das erste Grundmotiv betrifft die Binnenstruktur des jeweiligen Kollektivs. Die allgemeinen Beteiligungsregeln haben grundsätzlich die „deliktszufällige", d. h. vom jeweiligen Tatbestand nicht vorausgesetzte Interaktion zum Gegenstand. Schafft der Gesetzgeber Straftatbestände, die auf bestimmte Personenzusammenschlüsse zugeschnitten sind, so werden die allgemeinen Interaktionsnormen der §§25 ff. StGB durch besondere, auf die tatbestandsspezifische Personenmehrheit bezogene Sachaspekte überlagert und möglicherweise modifiziert. Das zweite Grundmotiv ist auf die Außenwirkung des personalen Zusammenschlusses gerichtet. Ebenso wie die besondere Struktur innerhalb dieses Gebildes einer unbesehenen Übernahme allgemeiner Regelungsmodelle entgegenstehen kann, ist eine (abgestufte) Exklusivitätswirkung der Zugehörigkeit zum deliktsspezifischen Kollektiv denkbar mit der Folge, daß außerhalb des Konvergenzzusammenhanges stehende Personen nur als Teilnehmer (milder) zu bestrafen sind oder sogar völlig straflos bleiben 29 . Weckt die Formulierbarkeit einzeldeliktsübergreifender Fragestellungen auch Bedenken gegen die These von den „unproblematischen" Konvergenzdelikten, so ist hiermit gleichwohl keine definitive Aussage über das tatsächliche Vorhandensein gleichartiger Argumentationsstrukturen oder sogar übereinstimmender Ergebnisse verbunden.

3. Die „funktionale Doppelrolle 44 als dogmatisches Charakteristikum (nur) der Begegnungsdelikte Die Unterschiedlichkeit bezüglich des spezifischen Problemgehalts von Konvergenz- und Begegnungsdelikten ist auch für die dogmatische Strukturierung des Gesamtkomplexes der „notwendigen Teilnahme" von maßgeblicher Bedeutung. Denn obwohl das Erfordernis des Zusammenwirkens mehrerer Personen den Konvergenzbereich mit dem Bereich der Begegnungsdelikte verbindet, läßt sich auch die Trennung beider Teilgebiete — über die Problemdivergenz hinaus — dogmatisch fundieren. Den Ausgangspunkt für die Herausarbeitung eines dogmatischen Abschichtungskriteriums bildet die Frage nach dem Grund für die bezüglich der Begegnungsdelikte bestehenden Strafbarkeitszweifel. Der bereits angesprochene Aspekt mangelnder Tätertauglichkeit greift — wie insbesondere die Teilnahmestrafbarkeit des Extraneus am Sonderdelikt zeigt — für eine tragfähige Begründung der 29 Bezogen auf die §§ 129, 129 a StGB ergeben sich für mittelbare Werbe- und Unterstützungsaktivitäten theoretisch folgende Möglichkeiten: täterschaftliche Strafbarkeit als (wenngleich mittelbares) „Werben" oder „Unterstützen", Strafbarkeit gemäß § 129 bzw. § 129 a StGB in Verbindung mit §§ 26, 27 StGB oder völlige Straflosigkeit wegen der Exklusivität der (eng zu interpretierenden, nur unmittelbare Förderungsmaßnahmen pönalisierenden) Strafdrohung.

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

Straflosigkeit auch der Teilnahme zu kurz. Größere Beachtung verdient jedoch der Umstand, daß die Person des „notwendigen Teilnehmers" im Rahmen der Begegnungsdelikte nicht allein durch ein Negativum — eben das Fehlen der Täterqualität — gekennzeichnet ist, sondern daß dem notwendigerweise Beteiligten weitergehend eine besondere funktionale Stellung im jeweiligen Deliktszusammenhang zugewiesen ist. Die dem Schutz von Individualrechtsgütern dienenden Strafrechtsnormen sind regelmäßig durch die Polarisierung zwischen Täter und Opfer gekennzeichnet. Die Täterfunktion wird hierbei sprachlich durch das an den Anfang des Tatbestandes gestellte „Wer" 3 0 zum Ausdruck gebracht und deutlich der (etwa in der Formulierung „einen anderen" erfaßten) Opferfunktion gegenübergestellt. Die Besonderheit der Begegnungsdelikte läßt sich dahingehend charakterisieren, daß hier der „notwendige Teilnehmer" gleichsam eine „funktionale Doppelrolle" spielt 31 . Beispielsweise könnte an eine Teilnahmestrafbarkeit des Bewucherten am Delikt des § 302 a StGB im Hinblick darauf gedacht werden, daß der Bewucherte durch seine Mitwirkung die Tat des Wucherers erst ermöglicht und somit einen wesentlichen Tatbeitrag erbringt. Bei dieser Betrachtungsweise würde der Bewucherte — ungeachtet des Fehlens einer täterschaftlichen Vertypung seines Beitrages — im weiteren Sinne der „Täterfunktion" zugeordnet. Andererseits — und dies scheint die vordringlich zu beachtende Beurteilung zu sein — richtet sich die Tat gegen den Bewucherten, der somit zugleich die „Opferseite" repräsentiert. Die Strafbarkeitszweifel resultieren somit gerade aus dem Zusammentreffen von Täter- und Opferrolle in derselben Person. Dieser gedankliche Ansatz bedarf jedoch insofern einer Erweiterung, als keineswegs jedes Begegnungsdelikt die Kontrapunktion zwischen Täter- und Opferseite in der Person des „notwendigen Teilnehmers" aufweist. So ist etwa als Opfer der Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB) gerade nicht der Begünstigte (= notwendige Teilnehmer) anzusehen, sondern die übrigen Gläubiger, denen durch diese unrechtmäßige Manipulation Vermögenswerte entzogen werden, auf die sie ansonsten hätten Zugriff nehmen können 32 . Dennoch läßt sich die als entscheidender Gesichtspunkt herausgestellte „Doppelrolle" des notwendigerweise Beteiligten auch hier aufzeigen. Denn der Begünstigte ist zwar nicht Opfer, aber immerhin ein personales Tatobjekt 33, an dem oder durch den die Tat erst bewirkt werden kann. Damit unterscheidet er sich aber hinsichtlich seiner funktionalen Bedeutung ebenfalls von der Täterfunktion 34 . Denn das Tatobjekt bezeich30

Bei den Sonderdelikten treten noch weitere, die Täterqualität beschränkende Merkmale hinzu. 31 Vgl. auch Bohnert, Meyer-GS (1990), S. 526. 32 Arzt, in: Arzt/ Weber, LH 4, Bern. 342; LK-Tiedemann, § 283c Rdn. 1 f., 24ff. 33 Allgemein zur Gegenüberstellung von Tatsubjekt und Tat- (bzw. Handlungs-)objekt vgl. Stratenwerth, AT, Rdn. 200 f., 208 ff.; speziell im Zusammenhang mit der „notwendigen Teilnahme" vgl. Baumann / Weber, AT, § 37 III 3 (= S. 586). 34 Einen historischen Vorläufer zur hier vertretenen Auffasung stellt in gewisser Hinsicht die von Berner (Lehre, S. 165 f.; ihm folgend Zachariä, Archiv des Criminell-

I. Die Einteilung in Konvergenz- und Begegnungsdelikte

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net das Mittel der Tatbegehung; das „Wer" im Tatbestand verkörpert denjenigen, der dieses Mittel einsetzt. Im übrigen stehen die Begriffe „Tatopfer" und „Tatobjekt" keineswegs isoliert nebeneinander; vielmehr ist das Opfer im hier verwendeten Sinnzusammenhang35 stets zugleich ein (besonderes) personales Tatobjekt. Überdies bietet das Kriterium des „personalen Tatobjekts" als eigentlichem Definitionsmerkmal die dogmatische Erklärung für die Einbeziehung der mit allseitiger Strafdrohung ausgestalteten §§171 und 173 I I 2 StGB in die Gruppe der Begegnungsdelikte. Denn insoweit fehlt es zwar an einem Strafbarkeitszweifel, die maßgebliche funktionale Doppelrolle ist aber auch hier feststellbar. Zum tauglichen Abgrenzungskriterium wird die „funktionale Doppelrolle" allerdings erst durch den Nachweis, daß dieses für die Begegnungsdelikte charakteristische Merkmal nicht zugleich bei den Konvergenzdelikten vorliegt. Doch auch diese Voraussetzung ist erfüllt; denn es lassen sich mehrere Gesichtspunkte benennen, aus denen sich die Unbeachtlichkeit des Kriteriums der Doppelfunktion für den Konvergenzbereich ergibt. Ein deutliches Indiz bietet bereits die bei den Konvergenzdelikten durchgängig anzutreffende allseitige Strafdrohung: Hier spiegelt sich die Gleichbehandlung aller an der Deliktsverwirklichung Beteiligten gerade im Hinblick auf ihre Täterfunktion 36 , ebenso wie umgekehrt die bei den Begegnungsdelikten regelmäßig bestehende (nur) einseitige Strafdrohung den aus der funktionalen Doppelrolle resultierenden Strafbarkeitszweifel zum Ausdruck bringt. Daß die Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" bei den Konvergenzdelikten ausschließlich die Täterfunktion betrifft, erhellt auch daraus, daß der „notwendige Teilnehmer" hier stets Bestandteil der jeweiligen deliktsspezifischen Personengesamtheit ist. Ist mithin der einzelne auch außerstande, das Tatbestandsmerkmal der „Bande" oder der „Menschenmenge" in eigener Person zu verwirklichen, so bleibt er dennoch in dieser überindividuellen Einheit verhaftet. Der Aspekt der Personenmehrheit führt hier also — anders als beim Begegnungsdelikt — rechts 1850, 268 ff. und Langenbeck, Lehre, S. 141) begründete sog. „Objektstheorie" dar. Der Unterschied besteht darin, daß die Objektstheorie einseitig auf die Tatobjektsfunktion abstellte und hieraus auf die Unanwendbarkeit der Teilnahmeregeln Schloß, während die hier vertretene Auffassung aus der Doppel(!)-Funktion des notwendig Beteiligten lediglich einen Zweifel hinsichtlich der (uneingeschränkten) Anwendbarkeit der allgemeinen Teilnahmeregeln ableitet. Vgl. insoweit die berechtigte Kritik bei Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 8 f., 38 und Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 11 (s. a. aaO. S. 92 ff.). Vgl. zur Objektstheorie auch ausführlich Schütze, Nothwendige Theilnahme, S. 45 ff., 62 ff. 35 Zur Mehrdeutigkeit des Opferbegriffs vgl. allgemein Schüler-Springorum, HonigFS (1970), S. 202; zur Rollenvielfalt des Opfers im Strafrecht vgl. Arzt, MSchrKrim 1984,105. Näher zum Begriff des „Opfers" im hier gemeinten Sinne vgl. unten 3. Kap. I. 36 Gerade deshalb halten einige Autoren für die innerhalb des Konvergenzzusammenhanges stehenden Mitbeteiligten eine bloße Teilnahmestrafbarkeit für ausgeschlossen und nehmen ausnahmslos Täterschaft an; so etwa Maurach / Gössel, AT 2, 50 / 7; Jescheck, AT, § 64 VI 1 (= S. 631 f.); LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 28; vgl. auch Blei, AT, § 74 II (= S. 264): Alleintäterschaft.

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

nicht dazu, daß der einzelne Tatbeteiligte die täterfunktionale Seite verläßt und (auch) auf die Seite des Tatobjekts hinüberwandert. Schließlich verdient noch ein weiterer Aspekt Beachtung: Beim Begegnungsdelikt ist die Mitwirkung des notwendig Beteiligten eine unabdingbare Voraussetzung für die Deliktsbegehung; mit ihr steht und fällt die Tat überhaupt. Ohne den Beitrag des Bewucherten liegt eine Straftat gemäß § 302 a StGB von vornherein nicht vor. Hierin besteht ein weiterer Unterschied gegenüber den Konvergenzdelikten, bei denen das Hinwegdenken des Beitrages eines Tatbeteiligten gerade nicht zwangsläufig die Tatbestands Verwirklichung zu Fall bringt 37 . Haben sich etwa einhundert Personen zu einer gewalttätigen Menschenmenge zusammengeschlossen, so läge ein Landfriedensbruch gemäß § 125 StGB auch dann noch vor, wenn die Mitwirkung eines einzelnen Mitglieds der Menge fehlen würde. Hieraus läßt sich freilich nicht der Schluß ziehen, bei den Konvergenzdelikten sei der Mitwirkungsbeitrag des einzelnen für die Tatbegehung als solche stets irrelevant (und lediglich für seine individuelle Strafbarkeit bedeutsam). Vielmehr gibt es durchaus Fälle, in denen die Mitwirkung eines jeden Beteiligten in dem Sinne „notwendig" ist, daß ansonsten keine Verwirklichung des betreffenden Delikts vorläge. Ganz gleich, wo man die für das Tatbestandsmerkmal „Menschenmenge" erforderliche Mindestpersonenzahl 38 ansetzen wollte: Im „Grenzfall", in welchem diese Mindestzahl gerade erreicht wird, ist keiner der Beteiligten mehr entbehrlich, da andernfalls der objektive Tatbestand nicht erfüllt wäre. Noch deutlicher wird dies in dem Beispiel, daß zwei Personen einen Dritten verprügeln: Würde man sich auch nur einen der Angreifer hinwegdenken, so bliebe die Tat zwar nach wie vor eine Körperverletzung, doch wäre sie nicht mehr „gemeinschaftlich" im Sinne des § 223 a 13. Alt. StGB 39 begangen. Obwohl es somit auch beim Konvergenzdelikt unverzichtbare Tatbeiträge aller Beteiligten geben kann, beseitigt dies nicht den Unterschied zu den Begegnungsdelikten. Denn dort ist ausnahmslos zumindest die Existenz des notwendig Beteiligten eine stets unabdingbare Deliktsvoraussetzung, wogegen sich die „Notwendigkeit" bei den Konvergenzdelikten auf die Festlegung eines Mindeststandards bezieht, jenseits dessen der einzelne Tatbeitrag insofern entbehrlich ist, als er nicht die Tatbestandsverwirklichung überhaupt ausschließt. Dieser Unterschied ist auch gerade in der nur beim Begegnungsdelikt gegebenen funktionalen Doppelrolle begründet. Denn unentbehrlich ist der notwendigerweise am Begegnungsdelikt Beteiligte nicht im Hinblick auf einen sonst bestehenden Mangel auf der Tätersei37

Vgl. dazu bereits Zachariä, Archiv des Criminalrechts 1850, 268 f. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es lediglich auf das Prinzip als solches an. Insoweit ist es unschädlich, daß im Rahmen des Begriffs der „Menschenmenge" die zahlenmäßige Unbestimmtheit ihrer Mitglieder gerade als Wesensmerkmal angesehen wird; vgl. BGHSt. 33, 306 (308); S/S-Lenckner, Rdn. 10; LK-v. Bubnoff, Rdn. 9 f. jeweils zu § 125. Dies schließt im übrigen eine „negative" Zahlenangabe, bei der also eine „Menschenmenge" noch nicht gegeben sein soll, nicht aus (vgl. v. Bubnoff aaO.; Arzt, in: Arzt/Weber, LH 5, Bern. 59: 12 Personen reichen nicht). 3 9 Zu diesem Merkmal vgl. S/S-Stree, § 223 a Rdn. 11. 38

II. Die Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte"

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te. Das „Wer" ist hier stets in Gestalt eines Täters vorhanden. Mehr als dieses einen Täters bedarf es aber auch gar nicht; ansonsten wäre der betreffende Tatbestand zugleich Konvergenzdelikt. Anders liegt es hingegen beim Konvergenzdelikt: Sofern hier im konkreten Einzelfall der Beitrag eines jeden Beteiligten tatbestandskonstitutiv ist, hat dies seinen Grund darin, daß die bei diesem Delikt verschärften Mindestanforderungen andernfalls nicht erfüllt wären. Die bisherigen Überlegungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Begegnungsdelikte sind dadurch gekennzeichnet, daß bei ihnen der notwendig Beteiligte (jedenfalls auch) als personales Tatobjekt erscheint. Da er zugleich durch seine Mitwirkung die Tatbestandsverwirklichung durch den Täter erst ermöglicht, stellt sich hier (mit Ausnahme der vom Gesetzgeber entschiedenen Fälle der Delikte mit allseitiger Strafdrohung) das Grundproblem der Begegnungsdelikte, ob (und gegebenenfalls inwieweit) die Doppelfunktion des notwendig Beteiligten seiner Strafbarkeit entgegensteht. Bei den (ausnahmslos mit allseitiger Strafdrohung versehenen) Konvergenzdelikten hingegen bezieht sich die Problematik nicht auf das „Ob" der Strafbarkeit, sondern darauf, inwieweit aus dem tatbestandlich vorausgesetzten Zusammenwirken Modifikationen zu der in den §§25 ff. StGB geregelten allgemeinen Teilnahmelehre abzuleiten sind. Bei den Konvergenzdelikten verbleiben alle notwendig Beteiligten ausschließlich auf der Seite der Täter- (bzw. Teilnehmer-)Funktion. Im übrigen bedeutet „Notwendigkeit" hier lediglich die Anhebung der zur Deliktsverwirklichung erforderlichen Täterbzw. Teilnehmermindestzahl. Ist dieses Minimum erreicht, so sind Mitwirkungsakte weiterer Tatbeteiligter zwar nicht ausgeschlossen, aber entbehrlich. Im Gegensatz hierzu folgt beim Begegnungsdelikt aus der Tatobjektsfunktion eine Unentbehrlichkeit des notwendig Beteiligten in dem Sinne, daß er nicht hinweggedacht werden könnte, ohne daß die Tatbestandsverwirklichung überhaupt entfiele.

I I . Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte" 1. Der unterschiedliche Bezugspunkt der „Notwendigkeit" Das Kriterium der „funktionalen Doppelrolle" ermöglicht es, die Konvergenzund die Begegnungsdelikte nicht nur nach zweifelhaften phänomenologischen Metaphern, sondern nach dogmatischen Gesichtspunkten voneinander zu trennen. Gleichwohl ist hierdurch die Aufgabe, den Problemstoff unter Herausarbeitung exakter Begrifflichkeiten zu strukturieren, noch nicht vollständig gelöst; es bedarf vielmehr einer weitergehenden Abschichtung innerhalb des Bereichs der Begegnungsdelikte. Dieses Bemühen um eine begriffliche Präzisierung ist an der Frage auszurichten, auf welchen dogmatischen Gesichtspunkt das Begriffsmerkmal der „Notwendigkeit" zu beziehen ist. Als grundsätzliche Alternativen kommen hierbei eine personale sowie eine verhaltensbezogene Interpretation in Betracht; d. h. es ist

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

zu fragen, ob von „notwendiger Teilnahme" bereits dann gesprochen werden kann, wenn der betreffende Straftatbestand die Existenz eines personalen Tatobjekts voraussetzt, oder ob die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" in einem deutlich engeren Sinne aufzufassen und auf solche Delikte zu beschränken ist, die zwingend ein bestimmtes Mitwirkungsverhalten verlangen. Die hiermit angesprochene Problematik tritt deutlich zutage, wenn man die beiden weithin akzeptierten Kernthesen zur Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" einander gegenüberstellt: Dem Grundsatz, daß der „notwendige Teilnehmer" jedenfalls dann straflos bleibt, wenn sein Handeln das Maß der zur Deliktsverwirklichung unverzichtbaren Mitwirkung nicht überschreitet, liegt eindeutig eine verhaltensbezogene Deutung der „Notwendigkeit" zugrunde. Demgegenüber weist das andere Grundprinzip, wonach die durch den betreffenden Tatbestand geschützte Person umfassend straflos ist, keinen unmittelbaren Verhaltensbezug auf. Fraglich ist hingegen, ob sich eine entsprechende Verengung des Anwendungsbereichs dieses Grundsatzes aus dem Wesen der „notwendigen Teilnahme" ergibt. Wäre diese Frage zu bejahen, so wäre der von der Norm intendierte Schutz des „notwendigen Teilnehmers" lediglich ein zusätzliches, allein für den Privilegierungsumfang maßgebliches Kriterium. Die gedankliche Alternative besteht darin, die Straflosigkeit des Normgeschützten als vollkommen eigenständigen Privilegierungsgrundsatz aufzufassen und damit in Kauf zu nehmen, daß bezüglich des einen Kernsatzes die „Notwendigkeit" verhaltensbezogen, hinsichtlich des anderen Grundsatzes hingegen personenbezogen definiert wird. 2. Der Vorrang einer problemorientierten Begriffsbildung Die Auseinandersetzung über die Reichweite der „notwendigen Teilnahme" läßt sich historisch weit zurückverfolgen. So urteilte bereits Freudenthal 40, „der Begriff der nothwendigen Theilnahme (verdanke) seinen üblen Ruf vor allem der Weite und infolgedessen der Unbestimmtheit seiner Fassung"; mit dieser Kritik verband er die Forderung, jene Delikte aus dem Bereich der notwendigen Teilnahme auszuscheiden, bei denen „die zur Begegnung führenden Willensbethätigungen mehrerer Personen . . . nicht die abstrakte oder ständige Voraussetzung des Thatbestandes"41 bilden. Dieses enge Begriffsverständnis führte Freudenthal insbesondere dazu, die Sexualdelikte nicht dem Problemkreis der „notwendigen Teilnahme" zuzuordnen: Denn obwohl diese Straftatbestände vielfach durch ein Zusammenwirken von Täter und Opfer verwirklicht werden, ist eine Deliktsverwirklichung abstrakt auch unter Anwendung von vis absoluta denkbar; hierbei stellt das passive Erdulden der Tat keine Handlung im strafrechtlichen Sinne dar, so daß es an einem deliktsnotwendigen Zusammenwirken fehlt. 40

Nothwendige Theilnahme, S. 99 (ebd.: „mixtum compositum"); das Zitat wird aufgegriffen von Otto, Lange-FS (1976), S. 197. 41 Nothwendige Theilnahme, S. 46.

II. Die Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte"

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Allerdings liegt die Schwäche dieser Begriffsstrenge 42 auf der Hand. Denn die Frage, ob der Schutzcharakter der betreffenden Strafnorm eine Teilnahmestrafbarkeit des in concreto mitwirkenden Opfers ausschließt, stellt sich unabhängig davon, ob dasselbe Delikt abstrakt auch ohne eine derartige Mitwirkung des personalen Tatobjekts begehbar ist. So wäre es beispielsweise wenig plausibel, wollte man die ihren Lehrer verführende 15jährige Schülerin allein deshalb als strafbare Anstifterin zum sexuellen Mißbrauch von Schutzbefohlenen ansehen, weil das Delikt des § 174 StGB prinzipiell auch durch die Anwendung unwiderstehlicher Gewalt begangen werden kann. Daher erscheint es auch durchaus verständlich, daß Freudenthal 43 sich gezwungen sieht, seine zunächst für die Delikte mit denknotwendiger Teilnahme gewonnenen Ergebnisse auf andere Delikte mit einer übereinstimmenden Problemlage zu übertragen. Dieses Vorgehen, das die zunächst ausgeschiedenen Delikte gleichsam „durch die Hintertür" wieder hereinläßt 44, stellt sich aber als das Eingeständnis einer verfehlten dogmatischen Begriffsbildung 45 dar. Denn als sinnvolle dogmatische Kategorie kann die „notwendige Teilnahme" nur dann gelten, wenn ihr eine funktionale Bedeutung in dem Sinne zukommt, daß sie eine Problemstellung oder -lösung angemessen erfaßt 46. Alle Delikte des Besonderen Teils daraufhin durchzumustern, ob bei ihnen die Mitwirkung einer anderen Person zwingend vorausgesetzt wird, hat für sich betrachtet zunächst den gleichen Wert wie beispielsweise der Versuch, alle Straftatbestände zusammenzustellen, die nur unter Verwendung von Waffen und Werkzeugen begangen werden können. Solche Zusammenstellungen muten unbrauchbar an, solange man nicht anzugeben vermag, inwieweit der gebildeten 42 Wie Freudenthal etwa Brandes, Teilnahmehandlungen, S. 56; Olshausen, § 172 Anm. 31, § 173 Anm. 1; Dalcke, GA Bd. 37 (1889), 347 f.; Blesse, Notwendige Teilnahme, S. 9; LK-Lobe 3, Einl. XIV 6 b (= S. 75); noch enger v. Liszt ! Schmidt, Lehrbuch, S. 314 (zu Fn. 12); Kuhlmey, Notwendige Teilnahme, S. 29. Zur Gegenmeinung vgl. Brunner, Notwendige Teilnahme, S. 11 f.; Apelt, Ausnahmen, S. 31 ff., 42 ff.; Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 42 f. sowie die Nachweise bei Blesse aaO. in Fn. 29. 43 Nothwendige Theilnahme, S. 116 ff., 192. 44 So ausdrücklich Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 3 (s. a. aaO. S. 22 ff.); wörtlich übereinstimmend (ohne dies kenntlich zu machen) R. Wagner, Strafbarkeit des notwendig Beteiligten, S. 4; vgl. ferner Kant, Notwendige Teilnahme, S. 10. 45 Zur Problematik einer angemessenen juristischen Begriffsbildung vgl. Wank, Begriff sbildung, S. 77 ff. (und passim). 46 Allgemein zur Überwindung des Naturalismus und zur Entwicklung der Strafrechtsdogmatik zum sog. „Zweckrationalismus" Schünemann, in: ders., Grundfragen, S. 1 ff. Das Bemühen um eine teleologische Begriffsbildung im Strafrecht wurde vor allem von Schmidhäuser (Radbruch-GS [1968], S. 270; Würtenberger-FS [1977], S. 96 ff.; JuS 1987, 373 ff.) vorangetrieben. Ausführlich zum Ganzen auch Bringewat, Funktionales Denken im Strafrecht (1974), insbesondere S. 21 f., 103 ff. und 188 ff.; vgl. femer Frisch, Vorsatz, S. 31 ff., 40, 42 ff. sowie Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 135 ff. (s. a. aaO. S. 141 f. zum Verhältnis von „teleologischer" und „funktionaler" Begriffsbildung; auch im hier gegebenen Zusammenhang der „notwendigen Teilnahme" wirkt sich dieser Unterschied nicht aus). Zum Vorrang teleologischer gegenüber kategorialer Systembildung im Strafrecht — speziell bezüglich der Teilnahmedogmatik — Bloy, Beteiligungsform, S. 20 ff.

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

Systematik rechtliche Relevanz zukommt 47 . Damit ist bei gebotener funktioneller Betrachtung die Ausrichtung an normativen Kriterien jedenfalls dann angezeigt, wenn ein Festhalten an einer ontologischen Gegebenheit zur Ausblendung problemidentischer Konstellationen und damit zur unsachgemäßen Verengung führen würde. Daher verdient die heute einhellig vertretene Auffassung 48 Zustimmung, wonach die Grenzen des zu betrachtenden Gebiets von der Problemeinheit, nicht aber von der Begriffseinheit zu ziehen sind. Es ist somit festzustellen, daß sich die „Notwendigkeit" bei der „notwendigen Teilnahme" nicht in jedem Fall auf ein für die Deliktsverwirklichung unverzichtbares, komplementäres Verhalten beziehen muß. Da andererseits die Unverzichtbarkeit eines bestimmten Verhaltens jedoch den maßgeblichen Ansatzpunkt für die These von der straflosen Mindestmitwirkung bildet, ist zu konstatieren, daß im Gesamtkomplex der Begegnungsdelikte zwei unterschiedliche Privilegierungsansätze zusammentreffen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die dogmatische Zwitterstellung der „notwendigen Teilnahme" zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Teil des Strafrechts insofern nachvollziehbar, als die Fallkonstellationen einer verhaltensbezogenen „Notwendigkeit" stärker auf die jeweiligen Gegebenheiten des betreffenden Einzeldelikts abstellen, während der Schutzaspekt, der sich keineswegs stets in einer teilnahmeähnlichen Mitwirkung niederschlagen muß, eher allgemeiner Natur ist.

3. Konsequenzen der problemorientierten Begriffsbildung für die Reichweite der Begegnungsdelikte Unabhängig von der dargestellten Heterogenität ermöglicht die grundsätzliche Entscheidung zugunsten einer problemorientierten Begriffsbildung einige Klarstellungen zur dogmatischen Reichweite der Begegnungsdelikte. a) Die Maßgeblichkeit der konkreten Tatbestandsalternative Mittels des Grundsatzes von der straflosen Mindestmitwirkung wird diejenige Beteiligung des „notwendigen Teilnehmers" gemeinhin für straflos erklärt, die für die Verwirklichung des betreffenden Tatbestandes schlechthin unverzichtbar ist. An diesen Befund knüpft sich die Frage, ob diese verhaltensbezogene Privilegierung auch dann gelten soll, wenn das jeweilige Delikt zugleich weitere Tatbestandsalternativen aufweist, zu deren Begehung es eines entsprechenden Komplementärbeitrages nicht bedarf. 47

Ebenso — in bezug auf die Sonderdelikte — Langer, Sonderverbrechen, S. 30 f.: „Denn das Zusammenfassen von Straftatbeständen zu einer Deliktsgruppe ist nur dann dogmatisch sinnvoll, wenn der Aspekt, unter dem sie zusammengefaßt werden, eine einheitliche Sonderbehandlung rechtfertigt." 48 So ausdrücklich Lange, Notwendige Teilnahme, S. 5; zustimmend Kant, Notwendige Teilnahme, S. 12.

II. Die Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte"

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Bei einer rein formalen Betrachtung könnte man argumentieren, in jenen Fällen sei die Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" angesichts der anderen Tatbestandsalternative(n) nicht „denknotwendig" für die Deliktsbegehung, so daß es sich nicht um ein Begegnungsdelikt handele und eine Heranziehung dieses Privilegierungsgrundsatzes mithin ausscheiden müsse49. Eine derartige Sichtweise vermag jedoch nicht zu überzeugen. Denn der Grundgedanke des verhaltensbezogenen Privilegierungsansatzes besteht darin, daß das unausweichliche Mitwirken des „notwendigen Teilnehmers" vom Gesetzgeber mitbedacht und (mangels Einbeziehung in die Täterstrafbarkeit als straflos) mitbewertet worden sei. Der hierauf gegründete Strafbarkeitszweifel ist aber vom Vorhandensein weiterer Tatbegehungsformen unabhängig; deshalb kommt es für die Beurteilung der Begegnungsdeliktsqualität allein auf die konkrete Tatbestandsalternative, nicht jedoch auf die Gesamtheit aller Deliktsverwirklichungsmöglichkeiten an 50 . Die hier abstrakt bezeichnete Position erfährt eine Bestätigung durch höchstrichterliche und literarische Stellungnahmen zu mehreren Einzeldelikten. So gilt beispielsweise der zu seiner Befreiung anstiftende Häftling als „notwendiger Teilnehmer" der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB), obwohl diese Strafnorm nur bezüglich des Verleitens zum (bzw. des Förderns beim) Entweichen eine Mitwirkung des Inhaftierten verlangt, hinsichtlich der Alternative des „Befreiens" hingegen auch durch eine Entführung des Gefangenen (also unter Anwendung von vis absoluta) verwirklicht werden kann 51 . Des weiteren wird der Erwerber pornographischer Schriften als „notwendiger Teilnehmer" angesehen52, obwohl der Katalog des § 184 StGB zahlreiche Nummern enthält, bezüglich derer es keiner Mitwirkung eines Abnehmers bedarf; in ähnlicher Weise scheitert die Beurteilung des Erwerbers von Raubkopien als „notwendiger Teilnehmer" 53 nicht daran, daß § 106 UrhG mit dem unbefugten „Vervielfältigen" auch ein Verhalten mit Strafe bedroht, das von einem alleinhandelnden Täter begangen werden kann. Schließlich sollen auch die Geschäftspartner und Mitspieler des Schuldners „notwendige Teilnehmer" am Bankrott ungeachtet der Tatsache sein, daß sich der Schuldner (bezüglich anderer Tatbestandsalternativen) auch ohne jegliche Mitwirkung Dritter gemäß § 283 StGB strafbar machen kann 54 .

49 In dieser Weise argumentieren — bezüglich der Schuldnerbegünstigung — Tiedemann, in: LK, § 283 d Rdn. 24 und Klug, Konkursstrafrecht, § 242 Rdn. 12. so Wie hier Weber, Schutz, S. 337. 51 SK-Horn, Rdn. 7 und S/S-Eser, Rdn. 8 jeweils zu § 120. 52 LK-Laußütte, vor §174 Rdn. 13; S/S-Lenckner, Rdn. 67; Dreher / Tröndle, Rdn. 41 b und SK-Horn, Rdn. 69 jeweils zu § 184. 53 Weber, Schutz, S. 344; vgl. ferner KG, NStZ 1983, 561 und Friedrich, MDR 1985, 368. 54 Vgl. BGH bei Herlan, GA 1956, 348; LK-Tiedemann, Rdn. 71, 80, 89, 222; 5/5Stree, Rdn. 65 jeweils zu § 283 sowie Wessels, BT 2, § 12 III 3e (= S. 113).

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

b) Die Verneinung des Begegnungsdeliktscharakters als Folge fehlenden Problembezuges Die Grundentscheidung zugunsten einer problemorientierten Sichtweise führt — wie gesehen — in mehrfacher Hinsicht zu einer Ausweitung des Begriffs der Begegnungsdelikte. Es ist jedoch auch die umgekehrte Konsequenz denkbar, daß bestimmte Delikte aus dem Begegnungsdeliktskontext deshalb eliminiert werden, weil sich bezüglich dieser Tatbestände die für den Begriff des Begegnungsdelikts typische Problematik von vornherein nicht stellen kann. Unter dem Gesichtspunkt des mangelnden Problembezuges erscheint es beispielsweise als zweifelhaft, den Betrug (§ 263 StGB) als Delikt mit „notwendiger Teilnahme" zu bezeichnen55. Richtig ist zwar, daß das Zusammentreffen von Täter und Verfügendem der bildhaften Umschreibung von den einander entgegenarbeitenden Parteien entspricht, doch ist die Ausrichtung an dieser bloßen Metapher aufzugeben zugunsten einer dogmatisch sinnhaften Begriffsbildung. Sieht man deshalb das entscheidende Definitionsmerkmal im Kriterium der „funktionalen Doppelrolle", so ist der Begegnungsdeliktscharakter nur gegeben, wenn eine Person (der „notwendige Teilnehmer") in seiner Funktion als Tatobjekt unverzichtbar ist und zugleich die Möglichkeit einer (Teilnahme-56)Strafbarkeit seiner Mitwirkung besteht. Ist hingegen eine Strafbarkeit der Mitwirkung (insbesondere im Hinblick auf die Teilnahmenormen) angesichts der besonderen Deliktsstruktur schlechterdings ausgeschlossen, so kann sich das Privilegierungsproblem von vornherein nicht stellen; in derartigen Fällen erschiene die Zuordnung zum Komplex der „notwendigen Teilnahme" als verfehlt. Für den Betrugstatbestand ist in diesem Zusammenhang zu konstatieren, daß die Vermögensverfügung nicht gleichermaßen Ausdruck irrtumsbedingter Selbstschädigung57 und vorsätzlicher Unterstützung des täuschenden Täters sein kann. Angesichts dieses strikten „Entweder-Oder" entfällt das Privilegierungsproblem mit der Folge, daß § 263 StGB nicht als Begegnungsdelikt anzusehen ist. Entsprechendes gilt ferner für den Mißbrauchstatbestand bei der Untreue (§ 26611. Alt. StGB): Diese Verwirklichungsform des § 266 StGB wird gemeinhin durch die Formel von der „Überschreitung des rechtlichen Dürfens unter Wahrung des rechtlichen Könnens" charakterisiert 58. Hieraus wird abgeleitet, daß eine Verwirklichung dieser Tatbestandsalternative nur durch ein wirksames Rechtsgeschäft möglich ist 59 . Da nach zivilrechtlichen Grundsätzen ein kollusives 55 So jedoch Gössel wistra 1985, 125 f.; Elimer, Betrug, S. 19 f. und Tischler, Jura 1988, 122. 56 Bei den Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung ist (als dogmatische Ausnahme) eine täterschaftliche Strafbarkeit gegeben. 57 Vgl. hierzu S/S-Cramer, Rdn. 40 f. und LK-Lackner, Rdn. 80 f. jeweils zu § 263. 58 BGHSt. 5, 61 (63); S/S-Lenckner, Rdn. 17; LK-Hübner, Rdn. 70; Lackner, Rdn. 6 jeweils zu § 266; Blei, BT, § 65 III 3 (= S. 258) und Wessels, BT 2, § 18 II 3 (= S. 169 f.). 59 Die gegenteilige Ansicht vertritt Arzt, Bruns-FS (1978), S. 365 ff. (368 ff., 374 f.); ausführlich gegen ihn LK-Hübner, § 266 Rdn. 59 ff.; s. a. Labsch, Jura 1987, 413 f. In

II. Die Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte"

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Zusammenwirken zwischen dem Verftigungsbefugten und seinem Geschäftspartner zur Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts führt, muß der Geschäftspartner in bezug auf den Mißbrauch der dem anderen eingeräumten Stellung unvorsätzlich handeln 60 . Aus diesem Grund ist auch § 266 StGB nicht als Begegnungsdelikt zu qualifizieren 61 . Allgemein läßt sich somit die Erkenntnis festhalten, daß als Begegnungsdelikt nur solche Tatbestände in Betracht kommen, bei denen eine vorsätzliche Mitwirkung des personalen Tatobjekts (wenn auch nicht für die Deliktsverwirklichung schlechthin unverzichtbar, so doch) zumindest im Einzelfall möglich ist. c) Das Verhältnis zwischen Viktimodogmatik „ notwendiger Teilnahme "

und

Bei näherem Hinsehen zeigt sich überdies, daß die im Schrifttum bisweilen anzutreffende Bezeichnung des Betruges als Delikt mit „notwendiger Teilnahme" gar nicht auf die Person des „notwendigen Teilnehmers" abzielt; die tatbestandliche Verknüpfung von Täter- und Opferhandeln wird vielmehr zum Anlaß genommen, die Frage nach einer Straflosigkeit des Täters (!) infolge mangelnder Schutzwürdigkeit und / oder Schutzbedürftigkeit des mitwirkenden Tatopfers aufzuwerfen 62 . Damit erscheint die „notwendige Teilnahme" in diesem Zusammenhang als bloßer terminologischer Anknüpfungspunkt für einen Diskussionsgegenstand, der sachlich das Problemfeld der sog. Viktimodogmatik betrifft. aa) Konzentrierte sich das Interesse am Verbrechensopfer ursprünglich auf kriminologische Fragestellungen, so erstreckt sich die Beschäftigung mit dem Tatopfer heute auf alle Gebiete des (in einem weiten Sinne verstandenen) Strafrechts 63. Ausgehend von der Erkenntnis, daß Straftaten vielfach Interaktionsprozesse sind, bei denen eine sachgerechte Beurteilung des Täters nur unter EinbezieBetracht kommt jedoch die Verwirklichung des Treuebruchtatbestandes (§ 26612. Alt.); Weber, in: Arzt/Weber, LH 4, Bern. 143, 152 f. 60 Immerhin scheint auch der Fall konstruierbar, daß der Geschäftspartner — ohne daß der Sonderpflichtige dies weiß — eine Befugnisüberschreitung für möglich hält. Dann kann man zwar kaum von einem kollusiven Zusammenwirken sprechen, doch steht dem Vertretenen schon bei (grob) fahrlässiger Unkenntnis des Geschäftspartners vom Mißbrauch der Vetretungsmacht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung zur Seite. Daher wird auch in diesen Fällen die für die Verwirklichung des Mißbrauchstatbestandes geforderte Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts verneint; vgl. SiS-Lenckner, § 266 Rdn. 17. Die von Jakobs (AT, 24/12 [a. E.] mit Fn. 13) unter Hinweis auf § 266 StGB vorgetragene Kritik gegen den weithin akzeptierten Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung begründet deshalb nicht den Vorwurf der dogmatischen (sondern allenfalls der kriminalpolitischen) Inkonsequenz. 62 So Elimer und Tischler jeweils wie oben in Fn. 55 angegeben. 63 Einen allgemeinen Überblick über die Viktimologie vermittelt Hillenkamp, JuS 1987, 940 ff.; vgl. auch Schneider, Viktimologie. Wissenschaft vom Verbrechensopfer (1975) sowie speziell zur historischen Entwicklung M er gen, in: Haeseler, Viktimologie, S. 9 ff.

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

hung der Opfermitwirkung möglich ist 6 4 , wird seit etwas mehr als zehn Jahren das Opferverhalten vor dem Hintergrund einer eventuellen Opfermitverantwortung thematisiert, die eine (partielle) normative Entlastung des Täters bewirken kann 65 . Gegenstand der Auseinandersetzung ist hierbei zum einen die Reichweite der Berücksichtigung des Opferverhaltens, zum anderen — hiermit zusammenhängend — die Frage nach dem hierfür zu wählenden Standort im dogmatischen Verbrechensaufbau 66; hierbei stehen sich im wesentlichen zwei unterschiedliche Grundpositionen gegenüber 67. Die eine — vornehmlich von Schünemann 68 vertretene — Ansicht tritt dafür ein, das Maß der Opfermitverantwortung grundsätzlich bereits auf der Unrechtsebene zu berücksichtigen. Der Grundgedanke dieser Auffassung liegt darin, daß der Einsatz des Strafrechts gegen den Täter wegen des ultima-ratio-Prinzips nur dann erforderlich und verhältnismäßig sei, wenn das Opfer nicht in vorwerfbarer Weise seine Obliegenheit zum Selbstschutz eigener Rechtsgüter vernachlässigt hat 69 . Der Gefahr einer Hypertrophie des Strafrechts infolge einer ausschließlichen Orientierung am Gedanken eines umfassenden Rechtsgüterschutzes sei durch die Anerkennung eines allgemeinen viktimodogmatischen Auslegungsprinzips entgegenzuwirken, welches einer Umsetzung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Opfers bei der Festlegung des tatbestandlichen Unrechts dient. Die Gegenposition, die insbesondere von Hillenkamp 70 eine ausführliche Begründung erfahren hat, plädiert demgegenüber dafür, das „Mitverschulden" des 64 Paasch, Viktimologie, S. 120; Schüler-Springorum, Honig-FS (1970), S. 201 ff. (207 ff.) und Arzt, MSchrKrim 1984, 113 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch zum kriminologischen Begriff des „Beziehungsdelikts" H. Schultz, SchwZStR 71 (1956), 171 ff. (172); Sigg, Beziehungsdelikt, S. 17 ff.; Schneider, Viktimologie, S. 100 f. und Weigend, ZStW 96 (1984), 768 ff. 65 Zur „Wiederentdeckung des Opfers für die Unrechtslehre" vgl. Küper, GA 1980, 217; s. a. Fiedler, Fremdgefährdung, S. 1 ff. (mit zahlreichen Nachweisen aaO. S. 2 in Fn. 1). 66 Ebert, JZ 1983, 633; s. a. Hassemer, Klug-FS Bd. II (1983), S. 218 f. 67 Zu dieser Kontroverse vgl. Arzt, MSchrKrim 1984, 105 ff. sowie den Tagungsbericht von Jung (MSchrKrim 1984, 132 f.) über das Vierte Internationale Symposion für Viktimologie. Ausführlich ferner jüngst Fiedler, Fremdgefährdung, S. 1 ff., 121 ff. 68 Bockelmann-FS (1979), S. 117 ff. (130 ff.); in: Schneider, Verbrechensopfer, S. 407 ff.; Faller-FS (1984), S. 357 ff.; NStZ 1986, 439 ff. Diese Grundposition wird ferner ausführlich entwickelt in der von Schünemann betreuten Dissertation von R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik (1981); zustimmend mit eingehenden Erörterungen auch die monographische Arbeit von Fiedler, Zur Strafbarkeit der einverständlichen Fremdgefährdung — unter besonderer Berücksichtigung des viktimologischen Prinzips (1990), insbesondere S. 121 ff. (141 ff.). 69 Vgl. — auch zum folgenden — Schünemann, in: Schneider, Verbrechensopfer, S. 410 ff.; ders., Faller-FS (1984), S. 358 ff. 70 Vor allem in seiner Habilitationsschrift „Vorsatztat und Opferverhalten" (1981); s. a. ders., Der Einfluß des Opferverhaltens auf die dogmatische Beurteilung der Tat — einige Bemerkungen zum Verhältnis zwischen Viktimologie und Dogmatik (1983) sowie ders., MSchrKrim 1984, 141 ff.

II. Die Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte"

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Opfers grundsätzlich erst im Rahmen der Strafzumessung in Ansatz zu bringen. Gegen einen allgemeinen Unrechtsausschluß aus Gründen der Opfermitwirkung wird eingewandt, das viktimodogmatische Auslegungsprinzip stelle in Wahrheit eine methodenrechtlich unzulässige teleologische Reduktion dar 71 . Überdies sei eine vollständige Täterentlastung auch kriminalpolitisch verfehlt: Denn hierdurch würde eine Umverteilung von Freiheitsräumen zugunsten des Täters (und damit auf Kosten des Opfers) vorgenommen, die eine Aushöhlung der gesetzlich normierten Unrechtsausschlußgründe (Notwehr, Einwilligung) mit sich brächte. Langfristig bestünde schließlich die Gefahr, daß eine Zurücknahme des Strafrechtsschutzes gesellschaftspolitisch unerwünschte „Einigelungstendenzen" infolge erhöhter Kriminalitätsfurcht (und zugleich auch übersteigerte Selbstschutzreaktionen) zur Folge hätte. bb) Der soeben skizzierten viktimodogmatischen Diskussion kommt auch für die Problematik der Begegnungsdelikte eine Bedeutung zu, die über den allgemeinen Aspekt einer Täterentlastung als kriminalpolitischer Alternative zur Opferbestrafung hinausgeht72. Die dogmatische Relevanz beruht vor allem auf dem Umstand, daß eine auf der Unrechtsebene angesiedelte Straflosigkeit des Täters die Frage einer Teilnahmestrafbarkeit des Opfers von vornherein aus Akzessorietätsgründen hinfällig werden ließe. Freilich würde die Problematik des Begegnungsdelikts durch die viktimodogmatische Täterentlastung keine vollständige Erledigung finden; denn die Rechtsfigur des Begegnungsdelikts umfaßt — wie insbesondere der weithin akzeptierte Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung zeigt — auch solche Fallgestaltungen, in denen der „notwendige Teilnehmer" nicht als Tatopfer erscheint. Ist mithin die Reichweite des Begegnungsdelikts nicht auf die viktimodogmatische Fallgruppe beschränkt, so geht auch umgekehrt die Viktimodogmatik über den Kontext der Begegnungsdelikte insofern hinaus, als die Straflosigkeit des Täters auch für Fälle unvorsätzlicher Opfermitwirkung diskutiert wird, in denen das Opfer in (grob) fahrlässiger Weise den Schutz seiner Rechtsgutsinteressen vernachlässigt hat. Angesichts dieser wechselseitigen Verschränkung würde eine graphische Darstellung des Verhältnisses zwischen dem Begegnungsdelikt und der viktimodogmatischen Problemlage zum Bild zweier sich schneidender Kreise führen, deren gemeinsame Schnittmenge durch jene Fallgestaltungen gebildet wird, in denen das Tatopfer in einer an sich den allgemeinen Beteiligungsvorschriften entsprechenden Weise am Tatgeschehen mitwirkt.

71 Hillenkamp, Vorsatztat, S. 135 ff.; s. a. hierzu und zum folgenden die Replik von Schünemann, Faller-FS (1984), S. 365 ff. sowie ders., NStZ 1986, 442. 72 Die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" wird im Rahmen der viktimodogmatischen Diskussion angesprochen von Paasch, Viktimologie, S. 95 f.; Schiiler-Springorum, Honig-FS (1970), S. 208; Eberl, JZ 1983, 635 (Fn. 48), 641 f.; Hassemer, KlugFS Bd. II (1983), S. 209 sowie von Arzt, MSchrKrim 1984, 116 f. 3 Sowada

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

cc) Für diesen Teilbereich ist zu entscheiden, ob die vorsätzliche Opfermitwirkung zu einer Straflosigkeit des Täters (und damit im Ergebnis auch des Opfers) führt. Für eine solche Annahme könnte auf den ersten Blick die Überlegung sprechen, daß die vorsätzliche Beteiligung im Vergleich zur bloß fahrlässigen ObliegenheitsVerletzung 73 eine qualitative Steigerung erfährt, die eine Täterentlastung tendenziell begünstigen müßte. Andererseits kann eine Straflosigkeit des Täters gewiß nicht ausnahmslos aus der vorsätzlichen Opfermitwirkung gefolgert werden. Denn es gibt Tatbestände (wie beispielsweise den Wucher gemäß § 302 a StGB), die eine den Teilnahmenormen entsprechende Mitwirkung des Opfers gerade zur Voraussetzung für die Strafbarkeit des Täters erklären; dann kann aber—soll sich das Gesetz nicht selbst ad absurdum führen — dieser deliktsspezifische Beitrag nicht umgekehrt die Straflosigkeit des betreffenden Geschehens begründen 74. Die fortbestehende Strafbarkeit des Täters trotz einer vorsätzlichen Beteiligung des Tatopfers gilt aber nicht allein für die atypischen Konstellationen eines deliktsnotwendigen Komplementäraktes. Dies zeigt sich beispielsweise bei der Nötigung (§ 240 StGB): Hier ist — da dieser Tatbestand auch mittels vis absoluta verwirklicht werden kann — eine aktive Opferbeteiligung für die Deliktsbegehung nicht schlechthin unabdingbar; andererseits ergibt sich aus Sinn und Zweck dieses Delikts unzweifelhaft, daß die vorsätzliche Erbringung der abgenötigten Handlung nicht zur Straflosigkeit des Täters führen kann. Schließlich sei noch ein letztes Beispiel angeführt: Bittet jemand einen anderen, er möge ihm eine Operationswunde öffnen, damit das Opfer diesen Zustand nachfolgend zur Begehung eines Sozialversicherungs- oder Bettelbetruges ausnützen kann, so ergibt sich die Strafbarkeit des auf das Ansinnen eingehenden Verletzers daraus, daß die Einwilligung des Opfers angesichts der Sittenwidrigkeit der Tat gemäß § 226 a StGB unwirksam ist; fraglich ist allein, ob das Opfer straflos bleibt oder wegen Anstiftung zur (gefährlichen) Körperverletzung bestraft werden kann 75 . Aus den beiden zuletzt genannten Beispielen läßt sich auch der zentrale Gesichtspunkt für das Spannungsverhältnis zwischen Viktimodogmatik und „notwendiger Teilnahme" ablesen: Die Straflosigkeit des Täters ergibt sich nicht bereits schlechthin aus jeder (als Unterstützung oder Anstiftung konstruierbaren) vorsätzlichen Mitwirkung des Opfers, sondern die Täterentlastung bestimmt sich grundsätzlich nach dem insoweit einschlägigen Rechtsinstitut der Einwilligung 76 . 73 Beispielhaft sei hier nur auf die Streitfrage verwiesen, inwieweit ein Mitverschulden des Opfers einer Strafbarkeit gemäß § 263 StGB entgegensteht, vgl. hierzu die Schrifttumsnachweise bei Lackner, § 263 Rdn. 18. 74 In ganz ähnlicher Weise führt auch eine „tatbestandsbegründende Einwilligung" (etwa bei § 235 StGB) nicht zum Ausschluß der Rechtswidrigkeit; vgl. dazu Maurach / Zipf, AT 1, 17/49 und S/S-Lenckner, vor § 32 Rdn. 35 a. 75 Vgl. zu diesem Beispielsfall Herzberg, Täterschaft, S. 134 f. (Fall 97) sowie ders., GA 1991, 156 f.; für Strafbarkeit des Opfers in dieser Konstellation RG, DRiZ 1932, Sp. 364 f. (= Rspr. Nr. 444) und Otto, Lange-FS (1976), S. 213; verneinend jedoch die überwiegende Ansicht, so u. a. LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 33 und LK-Hirsch, § 226 a Rdn. 11. Vgl. auch zur Straflosigkeit des masochistischen Anstifters bei sexuell motivierten Körperverletzungen jüngst Sitzmann, GA 1991, 80 f.

II. Die Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte"

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Ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts, daß das „tatbeteiligte" Opfer aus viktimodogmatischen Erwägungen zum untauglichen Tatobjekt würde, ist mithin abzulehnen 77 . Denkbar wäre allenfalls, ob ein solcher Tatbestandsausschluß ausnahmsweise in Betracht kommt. Dieser Frage nachzugehen besteht insbesondere deshalb Veranlassung, weil in Rechtsprechung und Schrifttum bezüglich einzelner Delikte sehr wohl Tatbestandsrestriktionen diskutiert werden, die auf eine Versagung des Strafrechtsschutzes für Tatbeteiligte gerichtet sind. So soll insbesondere eine Straßenverkehrsgefährdung gemäß §315cINr. l a StGB nach höchstrichterlicher Rechtsprechung 78 nicht gegeben sein, wenn durch die Trunkenheitsfahrt ausschließlich ein tatbeteiligter Mitfahrer gefährdet oder verletzt worden ist; in ähnlicher Weise wird der Ausschluß von Tatbeteiligten aus dem Schutzbereich der Norm beim Eingriff in den Straßenverkehr 79 (§ 315 b StGB), bei der besonders schweren Brandstiftung 80 (§ 307 StGB) und beim Raub mit Todesfolge 81 (§ 251 StGB) erörtert. Für eine Begründung der Straflosigkeit in solchen Fallkonstellationen kommen zwei unterschiedliche Argumentationslinien in Betracht: Zum einen könnte darauf verwiesen werden, daß sich das Opfer bewußt in eine entsprechende Gefahrensituation begeben habe und mithin keines strafrechtlichen Schutzes bedürfe; der andere gedankliche Ansatz basiert auf der These, angesichts der Verstrickung in das deliktische Geschehen habe das Opfer den Strafrechtsschutz nicht verdient. Der zuerst genannte Gesichtspunkt thematisiert den Autonomiegedanken und das Prinzip strafloser Selbstgefährdung; die dargestellte Begründungsalternative rekurriert hingegen auf den Verwirkungsgedanken. Eine überzeugende Erklärung 76 Ein weiteres Beispiel bietet die Entscheidung BGH, NJW 1978, 1206 (vgl. dazu Horn, JuS 1979, 29 ff.): Für die Strafbarkeit des Zahnarztes gemäß § 223 StGB, der seiner Patientin auf ihr beharrliches Drängen hin alle (plombierten ?) Zähne zog, kam es nicht auf das Anstiftungsverhalten des Opfers, sondern ausschließlich auf die Wirksamkeit der Einwilligung an. 77 Ebenso OLG Stuttgart, NJW 1976, 1904 sowie (unter Hinweis auf BGHSt. 11, 268) Hillenkamp, JuS 1977, 169; ihm folgend Mitsch, Provokation, S. 166 und Ranft, Jura 1987, 614. 78 BGHSt. 6, 100 (102), 232 (235); 11, 148 (150), 199 (201); 27, 40 (43); zur Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vgl. die Nachweise bei Hillenkamp, Vorsatztat, S. 91 (in Fn. 257). Im Schrifttum ebenso Dreherl Tröndle, Rdn. 17; Lackner, Rdn. 25; S/S-Cramer, Rdn. 36 a; Jagusch l Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rdn. 3 alle zu § 315 c; Janiszewski, Verkehrsstrafrecht, Rdn. 289 und Geilen, Jura 1979, 206 f. Vgl. zu dieser Problematik auch ausführlich Puhm, Strafbarkeit gemäß § 315 c StGB bei Gefährdung des Mitfahrers (1990). 79 LK-Rüth, § 315b Rdn. 7; Geilen, Jura 1979, 206 f. sowie BGH, NJW 1991, 1120 f. mit Anm. Geppert, JK, StGB § 315b/4. so S/S-Cramer, vor § 306 Rdn. 12, § 307 Rdn. 4; a. A. SK-Horn, vor § 306 Rdn. 9, § 307 Rdn. 4. si SK-Samson, § 251 Rdn. 7 (mit weiteren Nachweisen). Wegen der Todesfolge als Qualifikationsmerkmal kann sich die Problematik der Begegnungsdelikte im Rahmen der §§251 und 307 StGB freilich nicht stellen. 3*

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

für die Ausfilterung tatbeteiligter Opfer vermögen indessen beide Aspekte nicht zu liefern. Gegen die Auffassung, die vorsätzliche Mitwirkung des Tatopfers mache das Geschehen zu einem Akt strafloser Selbstgefährdung, ist der Einwand zu erheben, daß aus dogmatischen Gründen zwischen den Fällen der Selbst- und denen der Fremdgefährdung zu unterscheiden ist 8 2 ; im Bereich fremdschädigenden Verhaltens bildet das Rechtsinstitut der Einwilligung das einschlägige Instrument zur Täterentlastung. Die Straflosigkeit der Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung stellt eine dogmatische Ableitung aus der gesetzgeberischen Wertentscheidung der straflosen Selbsttötung dar; die Differenzierung zwischen Selbst- und Fremdgefährdung spiegelt mithin das normative Spannungsverhältnis zwischen strafloser Suizidteilnahme und strafbarer Tötung auf Verlangen (§216 StGB). Gerade diese Parallele ist in jüngster Zeit freilich von mehreren Autoren 83 nachdrücklich bestritten worden; vielmehr seien Fremd- und Selbstgefährdung im Hinblick auf das übereinstimmende Grundanliegen der Realisierung der Opferautonomie nach einheitlichen Regeln zu beurteilen. Zwar versteht es sich auf dem Boden dieser einheitlichen Betrachtung von selbst, daß § 216 StGB im Bereich bloßer Lebensgefährdungen keine Sperrwirkung entfaltet; doch auch bei einer Zustimmung hinsichtlich dieses Ergebnisses ist die postulierte „dogmatische Gleichschaltung" von Selbst- und Fremdgefährdung abzulehnen. Denn die Einheitsthese schneidet die Sachdiskussion über eine mögliche Ausstrahlungswirkung des § 216 StGB von vornherein ab, obwohl die These von der Maßgeblichkeit der Opferautonomie doch erst dann zum Tragen kommen kann, wenn der aus § 216 StGB theoretisch herleitbare Einwand überzeugend entkräftet worden ist. Steht die Strafvorschrift des § 216 StGB einer Einwilligung in Lebensgefährdungen nicht entgegen, so folgt hieraus nur die Zulässigkeit, nicht aber die Entbehrlichkeit einer solchen Einwilligung. Überdies verschüttet die Einheitsthese die Diskussion darüber, ob der Maßstab für die Beurteilung der Freiverantwortlichkeit des Opfers 84 im Selbst- und Fremdschädigungsbereich identisch ist. Selbst wenn man also im Ergebnis der Auffassung einer rechtlichen Gleichstellung zu folgen bereit ist, sollte an der dogmatischen Trennung festgehalten werden, um sich ein Forum für die Auseinandersetzung mit den (ja tatsächlich existenten) Gegenmeinungen 82 Deutlich in diesem Sinne Prittwitz, NJW 1988, 2942 f.; s. a. Dölling, GA 1984, 73 ff.; Roxin, NStZ 1984, 412; Stree, JuS 1985, 183; Herzberg, JA 1985, 272; Dreherl Tröndle, vor § 13 Rdn. 19; SK-Rudolphi, vor § 1 Rdn. 81a; Lackner, vor § 211 Rdn. 12 sowie BayObLG, JR 1990, 473 f. mit Anm. Dölling aaO. S. 474 (475). 83 So insbesondere Fiedler, Strafbarkeit, S. 45 ff., 152 ff., 175 ff.; s. a. M. K. Meyer, Ausschluß, S. 139 ff., 148 ff.; Otto, Jura 1984, 540; ders., Tröndle-FS (1989), S. 157 ff. (169 ff., 175) sowie Arzt, in: Arzt/Weber, LH 2, Bern. 322. 84 Zu der Streitfrage, ob die Freiverantwortlichkeit anhand der Exkulpationsregeln (§§ 19,20,35 StGB) oder unter Heranziehung der Einwilligungsvoraussetzungen (insbesondere § 216 StGB) zu bestimmen ist, vgl. Frisch, Verhalten, S. 165 ff.; Wessels, BT 1, § 1 IV 1 (= S. 12 f.); Roxin, Täterschaft, S. 632 ff.; Stree, JuS 1985, 182 f. und Sowada, Jura 1985, 80 f.; zwischen Selbst- und Fremdgefährdung auch insoweit differenzierend Dölling, G A 1984, 78 f.

II. Die Konkretisierungen des Begriffs der „Begegnungsdelikte"

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zu erhalten. Es kommt hinzu, daß die Einwilligung als ein über das Rechtsgut „Leben" hinausreichendes Rechtsinstitut ganz allgemein die Unterscheidung zwischen (tatbestandslosen) Selbst- und (erlaubten) Fremdschädigungen impliziert. Die somit gebotene Trennung zwischen Selbst- und Fremdschädigung ist entsprechend den zur Abgrenzung zwischen Suizidteilnahme und Tötung auf Verlangen entwickelten (modifizierten) Tatherrschaftskriterien vorzunehmen. Für die Abgrenzung zwischen Viktimodogmatik und „notwendiger Teilnahme" ist auch in Ansehung der konkret diskutierten Straftatbestände festzustellen, daß die bloße vorsätzliche Mitwirkung des Opfers nicht schlechthin zum Wegfall der „Haupttat" führt; vielmehr bedarf es insoweit entweder einer gesteigerten Opfermitwirkung, die das Gesamtgeschehen als Selbstschädigung ausweist, oder des Vorliegens einer wirksamen Einwilligung. Auch der Verwirkungsgedanke liefert keine überzeugende Begründung für eine Elimination des Tatbeteiligten aus dem Schutzbereich der betreffenden Straftatbestände. Es läßt sich anhand zahlreicher Beispiele belegen, daß die Strafrechtsordnung auch im Verhältnis von Straftätern untereinander gilt 8 5 ; insoweit sei allein auf den weithin vertretenen „rein wirtschaftlichen" Vermögensbegriff 8 6 (§§ 263,266 StGB) sowie auf den Umstand verwiesen, daß nach herrschender Auffassung auch der Dieb bestohlen werden kann 87 . Eine kriminalpolitische Konzeption, die die „Gabe" Strafrecht denjenigen vorenthält, die mit dem Täter „gemeinsame Sache" gemacht (oder sich in sonstiger Weise ins Unrecht gesetzt) haben, erinnert nicht nur in gewisser Hinsicht an die „Friedlosigkeit" des Rechtsbrechers im germanischen Recht 88 , sondern sie leistet angesichts der rechtlichen Stigmatisierung bestimmter Opfer ganz allgemein auf moralischen ( Vor-)Urteilen gegründeten Diskriminierungen Vorschub; mit dieser opferorientierten Relativierung ist zugleich eine prinzipielle Schwächung der Normgeltung verbunden 89. Als Quintessenz der vorangegangenen Überlegungen ergibt sich, daß der Begegnungsdeliktscharakter einer Strafnorm nicht durch allgemeine viktimodogmatische Erwägungen aufgehoben wird.

85 Ausführlich hierzu Bruns, Mezger-FS (1954), S. 335 ff. 86 Zu den unterschiedlichen Vermögensbegriffen vgl. SK-Samson, § 263 Rdn. 102 ff., § 266 Rdn. 37 sowie S/S-Cramer, § 263 Rdn. 78 ff. und S/S-Lenckner, § 266 Rdn. 39 jeweils mit Nachweisen zur (grundsätzlich ebenfalls dem rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff folgenden) Rechtsprechung. 87 BGH, NJW 1953, 1358; Dreher / Tröndle, Rdn. 9; Lackner, Rdn. 12 und S/S-Eser, Rdn. 2 jeweils zu § 242. 88 Hillenkamp, Vorsatztat, S. 95; s. a. Arzt, MSchrKrim 1984, 109 f. Vgl. ferner die kriminalpolitische Kritik bei Hillenkamp aaO. S. 185 ff., 289 ff. sowie Bruns, MezgerFS (1954), S. 360: „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um . . . diese These ist jedenfalls strafrechtlich falsch". 89 Zu diesem Aspekt vgl. allgemein Hassemer, Klug-FS Bd. II (1983), S. 225 f., 230.

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

I I I . Terminologische Konsequenzen einer problemorientierten Sichtweise für den Gesamtkomplex der „notwendigen Teilnahme" 1. Die „notwendige Teilnahme" als bloßer „Vorbegriff 6 Die bisherigen Überlegungen ermöglichen bereits eine Zwischenbilanz zum Begriff der „notwendigen Teilnahme". Auf den ersten Blick erscheint diese Rechtsfigur als ein festgefügtes dogmatisches Gebilde. Das liegt zum einen an der weit zurückreichenden Tradition; zum anderen erweckt aber auch die an anschaulichen (weil bildhaften) Differenzierungskriterien orientierte Begriffspyramide (Konvergenz- und Begegnungsdelikte als Untergruppen der „notwendigen Teilnahme") den Eindruck inhaltlicher Geschlossenheit. Den größten Stabilitätsfaktor bildet jedoch die hohe Akzeptanz der aus dem Gefüge der „notwendigen Teilnahme" abgeleiteten Ergebnisse. Im juristischen Sprachgebrauch erscheint der Begriff der „notwendigen Teilnahme" geradezu als schlagwortartiges Kürzel für die Begründung einer Straflosigkeit: Jemand ist „als notwendiger Teilnehmer straflos" 90 (gegebenenfalls: soweit seine Mitwirkung nicht über das deliktsnotwendige Maß hinausgeht). Zwar kommt der Möglichkeit, einen umfangreichen Begründungsaufwand im jeweiligen Einzelfall durch den Rückgriff auf einen geläufigen Begriff vermeiden zu können, ein unbestreitbarer praktischer Wert zu 91 . Andererseits ist aber die Gefahr zu bedenken, daß der Begriff nicht allein als sprachliche Verkürzung verwandt wird, sondern auch inhaltlich eine Begründung ersetzt und somit zur Scheinbegründung wird 9 2 . In diese Gefahr gerät die „notwendige Teilnahme" insbesondere deshalb, weil dieser Begriff höchst weitläufige und heterogene Gebilde unter einem einheitlichen Terminus zusammenschließt. Etwaige Sachaussagen weisen damit zwangsläufig einen sehr hohen Abstraktionsgrad auf. Als Obersatz, der für den Konvergenz- und für den Begegnungsdeliktsbereich gleichermaßen Geltung beanspruchen könnte, kommt eigentlich nur die These in Betracht, daß das tatbestandlich vorausgesetzte Zusammenwirken mehrerer Personen irgendwelche Modifikationen der allgemeinen Beteiligungsdogmatik zur 90 Vgl. etwa Dreher I Tröndle,§ 174 Rdn. la,§ 180 Rdn. 25; SK-Horn, § 174 Rdn. 10; Lackner, § 180 Rdn. 14; s. a. S/S-Eser, § 216 Rdn. 18 (a. E.) sowie S/S-Stree, § 302a Rdn. 41. Die schlagwortartige Kennzeichnung eines bestimmten Ergebnisses findet sich jedoch nicht allein bezüglich der Fallgruppe des mitwirkenden Tatopfers; s. vielmehr auch SK-Horn, Rdn. 5; SiS-Lenckner, Rdn. 7 jeweils zu § 184 a sowie S/S-Cramer, Rdn. 25 und Lackner, Rdn. 10 jeweils zu § 356. 91 Zur Rechtsfolgenbezogenheit juristischer Begriffe vgl. Wank, Begriffsbildung, S. 90 f. (ζ. B. wird der Begriff des „Verwaltungsakts" gerade auch im Hinblick auf die sich an ihn knüpfenden Rechtsschutzmöglichkeiten gebildet). Zur „Aufgabe der Begriffswelt" vgl. auch Esser, Vorverständnis, S. 102 ff. 92 Vgl. hierzu (in bezug auf die sog. „voraussetzungsleeren Begriffe") Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen, S. 95 ff. (100, 105).

III. Terminologische Konsequenzen

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Folge hat. Eine derartig „blutleere" Erkenntnis wäre aber für die konkrete Lösung praktischer Strafrechtsprobleme sehr unergiebig. Daher ist es durchaus nachvollziehbar, daß der Verlauf der dogmatischen Entwicklung zu einer immer stärkeren Annäherung des (eigentlichen) Oberbegriffs der „notwendigen Teilnahme" an das Teilgebiet der „Begegnungsdelikte" geführt hat; denn insoweit läßt sich bezüglich der (etwaigen) Modifikationen zumindest eine einheitliche Zielrichtung — die Straflosigkeit bestimmter Mitwirkungsformen — angeben. Die frühzeitige Ausblendung der Konvergenzdelikte ändert freilich nichts an der Tatsache, daß die ursprünglich als Oberbegriff konzipierte „notwendige Teilnahme" für sich genommen keine hinreichende Begründung für das auf ein bloßes Teilgebiet beschränkte Ergebnis — die (partielle) Straflosigkeit im Bereich der Begegnungsdelikte — zu bieten vermag. Diese Unsicherheiten in bezug auf die „notwendige Teilnahme" machen deutlich, daß die begriffsorientierte Ableitung „von oben nach unten" ersetzt werden muß durch eine Untersuchung, die auf unterster dogmatischer Ebene ansetzt und von hier aus die dogmatische Tragfähigkeit der jeweiligen Oberbegriffe erforscht. Im Rahmen dieser Untersuchung erfüllt der Begriff der „notwendigen Teilnahme" eine rein vorläufige Funktion: Er steckt anhand vorwiegend formaler Kriterien das Arbeitsgebiet ab und bildet die Gesprächsbasis für die inhaltliche Auseinandersetzung. Man könnte insoweit — ähnlich wie es Langer 93 in bezug auf den Terminus des „Sonderverbrechens" getan hat — von einem sog. „Vorbegnff' sprechen, der „stets mehr oder weniger willkürlich gesetzt" wird 9 4 ; hierbei wird „jede dogmatische Festlegung nach rechtsinhaltlichen Gesichtspunkten . . . auf dieser Stufe der Begriffsbildung noch vermieden" 95 . In Anbetracht der Verwendung als bloße Arbeitsgrundlage erscheint selbst die dogmatische Bruchstelle des unterschiedlichen Bezugspunktes der „Notwendigkeit" als unschädlich. Denn durch den teilweise wechselnden Inhalt wird ein — im Prinzip frei definierbarer — Begriff möglicherweise mißverständlich oder irreführend, aber nicht im eigentlichen Sinne „falsch" 96 . Eine terminologische Richtigstellung kann daher bis zur Aufklärung der betreffenden Sachzusammenhänge aufgeschoben werden. 2. Terminologische Alternativen zum Begriff der „notwendigen Teilnahme" Die Ungenauigkeit der Begriffsbildung (vorläufig) hinzunehmen fällt um so leichter, als auch die terminologischen Alternativvorschläge nicht völlig befriedigen können. So ist beispielsweise die Bezeichnung „notwendige Beteiligung" 97 93 Sonderverbrechen, S. 26 ff. 94 AaO. S. 31. 95 AaO. S. 27 f. Um die dem „Vorbegriff 4 immanenten Zweifel im Auge zu behalten, wird der Terminus „notwendige Teilnahme" im Rahmen dieser Arbeit in Anführungszeichen gesetzt. 96 Vgl. (bezüglich des „delictum sui generis") Haffke, JuS 1973, 407.

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

zwar insofern genauer, als sie auch die Fälle der Mittäterschaft (und der mittelbaren Täterschaft) in die Betrachtung einbezieht; dies wirkt sich aber praktisch nur innerhalb des Konvergenzbereichs aus und läßt die Definitionsprobleme in bezug auf den Begegnungsdeliktsbereich unberührt 98. Auch die im älteren Schrifttum häufig verwandte Bezeichnung „Ausnahmen von der Teilnahmelehre "" vermag nicht zu überzeugen: Eine prinzipielle Schwäche dieser Formulierung besteht darin, daß sie — am Beginn der Untersuchung — ein bestimmtes Ergebnis (nämlich das Vorhandensein irgendwelcher Ausnahmen) bereits vorgibt. Dieser ergebnisorientierten Begriffsbildung fehlt zudem der sprachliche Bezug zur deliktsspezifisch vorausgesetzten Personenmehrheit; man könnte daher beispielsweise auch die Teilnahme Extraner am Sonderdelikt in die Rubrik „Ausnahmen von der Teilnahme" einordnen. Einen interessanten terminologischen Verbesserungsvorschlag stellt der Begriff des „Mehrheitsdelikts" m dar. Mit diesem Terminus soll der Umstand hervorgehoben werden, daß es in den herkömmlicherweise mit dem Begriff der „notwendigen Teilnahme" gekennzeichneten Situationen nicht um eine tatbestandlich vorausgesetzte Mehrheit von Handlungen, sondern um eine solche von Personen geht. Als „Mehrheitsdelikt" definiert Bergen 101 „solche Delikte, deren Tatbestand eine Mehrheit von Personen erfordert, welche sämtlich so an der Deliktsverwirklichung mitwirken müssen oder mitwirken können, daß auf sie zweifellos die §§47-49 StGB anwendbar wären, wenn nicht der besondere Umstand ihrer notwendigen Beteiligung — und zwar ausschließlich dieser — die Anwendbarkeit der Teilnahmevorschriften in Frage stellte". Diese Definition bietet unbestreitbare Vorzüge: Das Abstellen auf eine Mehrheit von Personen (nicht von bestimmt gearteten Handlungen) gewährleistet die Einbeziehung der 97 Dieser Vorschlag geht auf Geyer (Holtzendorffs Handbuch II, S. 324) zurück; ebenso Blesse, Notwendige Teilnahme, S. 4; Weiberg, Notwendige Teilnahme, S. 13; Lange, Notwendige Teilnahme, S. 4 f.; Schmidt-Hertzberg, Notwendige Beteiligung, S. 1 (Fn. 3); Kant, Notwendige Teilnahme, S. 11; Maurach / Gössel, AT 2, 50/6; s. a. Schmidhäuser, StudB AT, 10/169. 98 Bei den Begegnungsdelikten scheitert eine (mit-)täterschaftliche Bestrafung teilweise (ζ. B. bezüglich des § 283c StGB) bereits am Fehlen einer besonderen Täterqualität; vgl. hierzu Maur ach / Gössel, AT 2, 50/11 und Herzberg, Täterschaft, S. 137 f. Das gleiche gilt aber auch in den übrigen Fällen: Der Käufer einer Sache ist ebensowenig ein — wenn auch gemeinschaftlich (§ 25 II StGB) handelnder — „Verkäufer", wie eine Frau das Merkmal „Mann" verwirklichen kann (vgl. Engisch, Einführung, S. 249 in Fn. 106b; S/S-Lenckner, § 183 Rdn. 7; s. a. bereits Blesse, Notwendige Teilnahme, S. 11). 99 Der Sache nach reicht dieser terminologische Vorschlag auf die Arbeit von v. Kries (ZStW 7 [1887], 521 ff.) zurück; vgl. auch die in ihrer Gliederung an der Arbeit von v. Kries orientierte Dissertation von Vogels, Die Ausnahmen in der Lehre von der Teilnahme am Verbrechen (1911) sowie zum Verhältnis der „Ausnahmen von der Teilnahmelehre" zur „notwendigen Teilnahme" Apelt, Ausnahmen, S. 14 ff. κ** Dieser Begriff wird — unter Rückgriff auf Schütze (Nothwendige Theilnahme, S. 316: „Mehrheitsverbrechen bzw. Mehrheitsvergehen") geprägt von Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 4, 15, 36 ff.). ιοί Mehrheitsdelikt, S. 38.

IV. Gegenstand und Gang der weiteren Untersuchung

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„potentiellen" 102 Begegnungsdelikte, und die Tatsache, daß der Begriff nicht ergebnis-, sondern problembezogen gebildet wird, erhöht seine Eignung als Arbeitsgrundlage. Wenn im folgenden gleichwohl die Bezeichnung „notwendige Teilnahme" beibehalten werden soll, so sprechen hierfür vor allem praktische Gesichtspunkte. Der Begriff des „Mehrheitsdelikts" hat sich nicht durchsetzen können 103 ; er verfügt zudem über keine größere Anschaulichkeit, sondern bedarf näherer Erklärung. Damit ist die höhere Präzision nur auf Kosten der zweiten Funktion zu erzielen, eine allseits akzeptierte Gesprächsbasis zu liefern 104 . Es kommt hinzu, daß auch der von Bergen konzipierte begriffliche Unterbau des „Mehrheitsdelikts" teilweise von der heute anerkannten Terminologie abweicht 105 , so daß es weiterer begrifflicher Korrekturen bedürfte. In Anbetracht der Erkenntnis, daß es sich um einen bloß vorläufigen Arbeitsbegriff handelt, sollte schließlich auch auf die mit einer Begriffsersetzung unweigerlich verbundene psychologische Provokation verzichtet werden, um die Aufmerksamkeit (auch des Lesers) nicht auf terminologische Randprobleme abzulenken. Daher wird auch im weiteren Verlauf der Untersuchung die allgemein gebräuchliche Bezeichnung „notwendige Teilnahme" (als Vorbegriff) beibehalten.

IV. Gegenstand und Gang der weiteren Untersuchung 1. Das Problem der Privilegierung des personalen Tatobjekts als vorrangige Fragestellung der „notwendigen Teilnahme44 Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen ist nunmehr der Gegenstand der weiteren Untersuchung festzulegen. Hierbei erscheint es wenig aussichtsreich, die dogmatische Existenzberechtigung der „notwendigen Teilnahme" als umfassenden Oberbegriff zum thematischen Schwerpunkt zu wählen. Denn die im älteren Schrifttum bisweilen vertretene Auffassung, im Bereich des „concursus necessarius" seien die im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs enthaltenen 102

Hiermit sind diejenigen Tatbestände gemeint, bei denen eine (vorsätzliche) Mitwirkung des personalen Tatobjekts im Einzelfall möglich, nicht hingegen für die Deliktsbegehung schlechthin unverzichtbar ist. HB Schütze betitelte sein Werk „Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen". Auch die von Bergen (Mehrheitsdelikt, S. 37 in Fn. 127) nachgewiesenen Autoren {Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 10, 43; Herbst, GA Bd. 28 [1880], S. 122 f.) verwenden den Begriff „Mehrheitsdelikt" nur beiläufig. Lediglich Apelt (Ausnahmen, S. 28 f., 38 f.) greift den Terminus auf; er gebraucht ihn jedoch in einem teilweise abweichenden Sinne (vgl. aaO. S. 29 in Fn. 104) und stellt seine weiteren Ausführungen unter die Bezeichnung „Ausnahmen". k>4 Wenn Bergen (Mehrheitsdelikt, S. 37) in der Unverbrauchtheit des Begriffes gerade eine Stärke erblickt, so ist das nur die „halbe Wahrheit". 105 Bergen untergliedert die Mehrheitsdelikte in solche mit allseitiger und solche mit einseitiger Strafdrohung (Mehrheitsdelikt, S. 47 ff., 75 ff.); die Begriffe „Konvergenz-" und „Begegnungsdelikt" werden von ihm (aaO. S. 44 f.) lediglich zur weiteren Untergliederung der Mehrheitsdelikte mit allseitiger Strafdrohung verwandt.

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

Teilnahmebestimmungen schlechthin unanwendbar, ist aus heutiger Sicht nicht aufrechtzuerhalten 106. Für einen den Konvergenz- und den Begegnungsdeliktsbereich umschließenden Begriff der „notwendigen Teilnahme" bliebe als dogmatische Grundaussage allenfalls die These des Bestehens irgendwelcher Modifikationen der Teilnahmelehre. Ein solcher Begriff muß aber angesichts der stark divergierenden Teilgebiete farblos bleiben; er trägt nichts zur Begründung der ganz unterschiedlichen Modifikationen bei, sondern ist allenfalls zur Etikettierung von Folgen geeignet, deren dogmatische Berechtigung auf einer niedrigeren Prüfungsebene nachgewiesen werden muß. Einer Konzeption, die sich ausschließlich auf den Komplex der Begegnungsdelikte konzentriert, eröffnen sich ungleich günstigere Perspektiven. Das liegt vor allem daran, daß der gesamte Untersuchungsstoff eine einheitliche Zielrichtung gewinnt: Die Privilegierung von Teilnahmehandlungen des personalen Tatobjekts. Die mit dieser Privilegierungsproblematik verbundene Abschichtung von straflosem gegenüber strafbarem Verhalten verleiht der Fragestellung zudem praktische Relevanz, während die Aufhellung der „notwendigen Teilnahme" als globalem Oberbegriff lediglich ein abstrakt-dogmatisches Interesse befriedigen könnte. Gemessen an diesen Vorteilen erscheint auch die Ausklammerung der Konvergenzdelikte aus der nachfolgenden Untersuchung als unschädlich; denn abgesehen von der bedeutsamen arbeitsökonomischen Entlastung entspricht diese thematische Verengung der heutigen dogmatischen Wirklichkeit, die durch eine weithin zu beobachtende assoziative Verknüpfung des Terminus „notwendige Teilnahme" mit dem Problem privilegierter Teilnahmehandlungen geprägt ist. Eine (erneute) Untersuchung der Privilegierungsproblematik ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil hinsichtlich der konkreten Ergebnisse weitgehende Einigkeit zu konstatieren ist. Denn zum einen ist der Konsens — gerade im Hinblick auf den (vermeintlichen) Grundsatz strafloser Mindestmitwirkung — keineswegs ungebrochen 107; zum anderen rechtfertigt es die aufgezeigte terminologische Verwirrung, die weithin aus traditionellen Formalstrukturen abgeleiteten Ergebnisse einer funktional-teleologisch ausgerichteten Überprüfung zu unterziehen. Ferner bleiben jenseits aller grundsätzlichen Privilegierungsmodelle konkrete Einzelfragen klärungsbedürftig. Dies gilt vor allem für die Festlegung der zur Deliktsverwirklichung erforderlichen Mindestmitwirkung sowie generell für jenen Teilbereich, in welchem die Rechtsprechung nur eine rollenwahrende Mitwirkung als straflos anerkennt, während das Schrifttum überwiegend für eine weitergehende Privilegierung eintritt. Schließlich ist darauf zu verweisen, daß auch 106 Beispielhaft sei darauf hingewiesen, daß nach heute einhellig vertretener Auffassung auch ein am Tatort befindliches Bandenmitglied nicht stets Mittäter gemäß § 2441 Nr. 3 StGB sein muß; vgl. Dreher / Tröndle, §244 Rdn 11; Blei, BT, §55 III 3 (= S. 197 f.); J. Meyer, JuS 1986,190 (Fn. 14), 191 (zu Fn. 25); s. a. zum Bandenschmuggel BGHSt. 8, 70 (73); 12, 220 ff.; a. A. noch BGHSt. 3, 40 (45) und Kielwein, MDR 1958, 308. 107 Ein derartiger allgemeiner Grundsatz wird abgelehnt von Herzberg, Täterschaft, S. 138 f. und Jakobs, AT, 24/12.

IV. Gegenstand und Gang der weiteren Untersuchung

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eine auf den Kontext der Begegnungsdelikte beschränkte Untersuchung Erkenntnisse zur Erhellung übergreifender dogmatischer Zusammenhänge zutage fördern kann. Würden sich die beiden mit dem Begegnungsdelikt verknüpften Grundthesen (umfassende Straflosigkeit der geschützten Person und Straflosigkeit der zur Deliktsverwirklichung denknotwendigen Mitwirkung) als zutreffend erweisen, so wäre die weitere Frage zu stellen, ob der Begriff des „Begegnungsdelikts" — oder ein synonym verwandter Begriff der „notwendigen Teilnahme" — insoweit nur als inhaltlich belanglose Bezeichnung gleichartiger Rechtsfolgen fungiert oder ob einem solchen Begriff darüber hinaus ein eigenständiger dogmatischer Sinngehalt zukäme, weil er in bezug auf diese Folgen zugleich einen Erkenntniswert verkörpert 108 . Umgekehrt brächte eine Falsifikation der Privilegierungsthesen die „notwendige Teilnahme" als einen dogmatisch sinnvollen, den Konvergenz- und den Begegnungsdeliktsbereich überwölbenden Globalbegriff praktisch zum Einsturz. 2. Thematische Ausgrenzungen Mit der thematischen Ausrichtung auf die Problematik von Teilnahmehandlungen des personalen Tatobjekts sind noch weitere Beschränkungen des von dieser Arbeit abgedeckten Problemfeldes verbunden. Zunächst folgt aus der strikten Anbindung an das Privilegierungsproblem, daß sich die Arbeit ausschließlich materiell-rechtlichen Fragestellungen zuwendet; sie erstreckt sich mithin nicht auf Problemkonstellationen, die sich aus der besonderen Position des „notwendigen Teilnehmers" im Bereich des Strafprozeßrechts ergeben können 109 . Innerhalb des materiellen Rechts beschränkt sich die nachfolgende Untersuchung auf das Gebiet des Strafrechts. Unberücksichtigt bleibt daher der Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts 110. Diese Restriktion ist erforderlich, weil die Beurteilung der straflosen Mindestmitwirkung eine eingehende Erörterung der jeweiligen normspezifischen Gegebenheiten verlangt. Die hierdurch bedingte Ausweitung des Prüfungsstoffes im Bereich des materiellen Strafrechts zwingt umgekehrt zu 108 Zur methodenrechtlichen Problematik (insbesondere zum Aspekt des sog. „Angemessenheitszusammenhanges") vgl. allgemein Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen, S. 95 ff. (101 ff., 106 ff.). 109 Gegenstand strafprozessualer Erörterung ist die „notwendige Teilnahme" hinsichtlich der Begründung eines persönlichen und / oder sachlichen Zusammenhanges (vgl. LR-Wendisch, Rdn. 6 und KMR-Paulus, Rdn. 6 jeweils zu § 3) sowie bezüglich der Ablehnung eines Auskunftsverweigerungsrechts gemäß § 55 StPO (BayObLG, JR 1980, 432 mit Anm. Hanack aaO. S. 434 ff.) bzw. eines Vereidigungsverbots gemäß § 60 Nr. 2 StPO (vgl. BGHSt. 19, 107; Kleinknecht / Meyer, § 60 Rdn. 13). Weiterhin könnte die Frage problematisiert werden, inwieweit die „Tatbeteiligung" zu einer Beschränkung der prozessualen Rechtsstellung führt; vgl. Frisch, JZ 1974, 13 (zu §§ 172 ff. StPO) sowie allgemein zum Problem einer (überwiegend abgelehnten) Mißbrauchskontrolle beim Strafantragsrecht SK-Rudolphi, § 77 Rdn. 20 a (mit weiteren Nachweisen). no Auch im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts werden die Grundsätze der „ n o t w e n d i g e n Teilnahme" allgemein für anwendbar erachtet; vgl. insbesondere KKOWiG-Rengier, § 14 Rdn. 52 ff.

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1. Kap.: Oberbegriff für unterschiedliche Problemstrukturen

einem Verzicht auf eine Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes auf die Tatbestände des OrdnungsWidrigkeitenrechts. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß allgemeine Erkenntnisse, die sich nicht aus deliktsspezifischen Besonderheiten ergeben, grundsätzlich auch im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts Geltung beanspruchen können. Eine letzte thematische Ausgrenzung resultiert aus dem Umstand, daß die vorliegende Arbeit auf die Person des „notwendigen Teilnehmers" (in seiner Eigenschaft als personalem Tatobjekt) zugeschnitten ist. Als Folge dieser personenbezogenen Verengung ist auch die Problematik der „Teilnahme an notwendiger Teilnahme" 111 aus den nachfolgenden Erörterungen auszuschließen. Die mit diesem Terminus bezeichnete Problemstellung betrifft die Frage, inwieweit Handlungen Dritter, die eine Unterstützung des „notwendigen Teilnehmers" bezwekken bzw. deren Wirksamkeit für das Tatgeschehen erst durch das Verhalten des „notwendigen Teilnehmers" vermittelt wird, als strafbare Teilnahmeakte zu qualifizieren sind. Rät etwa jemand seinem in Geldnöten befindlichen Freund, er solle sich das dringend benötigte Geld von einem „Kredithai" borgen, so erscheint der den Vorschlag befolgende Darlehnsnehmer als „notwendiger Teilnehmer" am Delikt des Wuchers (§ 302 a StGB). Begegnet die Straflosigkeit des Opfers im Ergebnis keinen ernsthaften Bedenken, so bereitet die strafrechtliche Beurteilung des Ratgebers ungleich größere Schwierigkeiten. Der auf den wucherischen Ausweg Verweisende ist selbst weder Opfer noch sonstiger „notwendiger Teilnehmer" am Wuchertatbestand. Ganz allgemein gilt hinsichtlich mittelbarer Tatbeteiligungshandlungen der Grundsatz, daß die Teilnahme an fremder Teilnahme als Teilnahme zur Haupttat zu beurteilen ist. Eine Anwendung dieser sog. Kettenregeln hätte im dargestellten Beispielsfall eine Strafbarkeit des Ratgebers wegen Anstiftung zum Wucher zur Folge. Es erscheint jedoch immerhin fraglich, ob die unbesehene Anwendung der allgemeinen dogmatischen Grundsätze in dieser Konstellation wirklich sachgerecht ist oder ob die Eingebundenheit in die Opfersphäre eine Straflosigkeit auch des Nothelfers fordert oder zumindest zuläßt. Allgemein formuliert betrifft die „Teilnahme an notwendiger Teilnahme" das Problem, ob die Kettenregeln eine Durchbrechung zugunsten einer „Lagertheorie" erfahren 112; hierbei geht es letztlich um die Frage der Fernwirkung von Privilegierungen. Da die Straflosigkeit des Opfers gefühlsmäßig evident erscheint, mag m Mit sehr formalistischen Überlegungen wird diese Problematik im älteren Schrifttum behandelt von Brunner, Notwendige Teilnahme, S. 44 ff.; s. a. Kuhlmey, Notwendige Teilnahme, S. 29 ff. und Vogels, Ausnahmen, S. 34 f.; im modernen Schrifttum wird das Problem erörtert von Jakobs, AT, 24/8; Hohendorf, Individualwucherstrafrecht, S. 158 ff. sowie jüngst von Bohnert, Meyer-GS (1990), S. 519 ff. 112 Vgl. hierzu auch bezüglich der Teilnahme an den §§ 331 ff. StGB RGSt. 42, 382 ff.; BGHSt. 37, 207 (212 f.) mit Anm. Otto, JK, StGB § 331/3; Bell, MDR 1979, 719 ff.; Blei, Strafrecht AT (PdW), Nr. 290 f. (= S. 202 f.); Baumann I Arzt I Weber, Fälle, Fall 29 (= S. 191 ff., 197 f.); vgl. femer Arzt, in: Arzt/Weber, LH 4, Bern. 402 sowie (bezüglich der Teilnahme an § 302 a StGB) Baumann I Weber, AT, § 37 III 3 (= S. 587 in Fn. 113) und Weber, in: Arzt/Weber, LH 4, Bern. 288.

IV. Gegenstand und Gang der weiteren Untersuchung

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man die Aussparung der dargestellten Folgeproblematik bedauern; denn angesichts der Ungewißheit des „richtigen" Ergebnisses übt sie einen ungleich größeren dogmatischen Reiz aus als die Befassung mit der Person des eigentlichen Opfers. Andererseits ist jedoch zu bedenken, daß die Privilegierung des „notwendigen Teilnehmers", der nicht zugleich Tatopfer ist, sehr viel schwieriger zu beurteilen ist. Läßt sich aber bereits die — möglicherweise auf bestimmte Verhaltensweisen beschränkte — Privilegierung des „notwendigen Teilnehmers" nur anhand zahlreicher Einzelerwägungen entscheiden, so würde die generelle Einbeziehung der Fernwirkung von Privilegierungen im Teilnahmebereich zu einer unvertretbaren Ausweitung des Problemgegenstandes führen. Hieraus rechtfertigt sich die Entscheidung, die Untersuchung allein auf die Strafbarkeit des deliktsnotwendigen personalen Tatobjekts zu reduzieren.

3. Gang der Untersuchung Nach der Festlegung des Gegenstandes der weiteren Untersuchung läßt sich nunmehr auch deren Ablauf mit groben Strichen umreißen. Zunächst ist (im folgenden Kapitel) eine Auseinandersetzung mit denjenigen (zumeist älteren) Konzeptionen zu führen, die den Gesamtkomplex der Begegnungsdelikte mit Hilfe eines einzigen, einheitlichen Kriteriums zu bewältigen versuchen. Hierbei wird sich zeigen, daß es einen umfassenden dogmatischen Generalansatz nicht gibt. Diese Erkenntnis bedingt eine Untergliederung des Problemstoffes, die sich an die beiden weithin anerkannten Grundthesen zur Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" anlehnt. Zu Beginn steht hierbei die im 2. Abschnitt behandelte Straflosigkeit der Opfermitwirkung. Diesen Teilbereich an den Anfang zu stellen, erscheint aus mehreren Gründen ratsam: Zunächst lassen ein „sicheres Judiz" und der breite Konsens die Nachweisbarkeit einer Privilegierung des Tatopfers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten. Da für diese Fallgruppe auch die weitergehende Rechtsfolge — nämlich eine umfassende, verhaltensunabhängige Straflosigkeit — vertreten wird, würden die Fälle der Opfermitwirkung endgültig der Auseinandersetzung entzogen und der Kreis der verbleibenden Problemfälle deutlich verengt. Der größte Vorteil ist jedoch darin zu sehen, daß die Opfereigenschaft ein allgemeingültiges, einzeldeliktsübergreifendes Kriterium darstellt. Diese Unabhängigkeit vom jeweiligen Einzeltatbestand entlastet nicht nur die Erörterung, sondern es eröffnet sich vor allem die Perspektive einer zumindest für einen Teilbereich der „notwendigen Teilnahme" verifizierbaren dogmatischen Grundaussage. Im Anschluß an die Erörterungen zur Opfermitwirkung thematisiert der 3. Abschnitt den Grundsatz der straflosen rollen wahrenden Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers". Eine Zusammenstellung der wesentlichen Ergebnisse und eine Beurteilung der ihnen zukommenden Bedeutung für den dogmatischen Wert der Begriffe des „Begegnungsdelikts" und der „notwendigen Teilnahme" schließen die Untersuchung ab.

2. Kapitel

Das Fehlen eines einheitlichen Generalansatzes für den Gesamtbereich der Begegnungsdelikte Genügt mit der „funktionalen Doppelrolle" (nämlich gewiß personales Tatobjekt, daneben aber möglicherweise zugleich strafbares Deliktssubjekt zu sein) ein einziges Kriterium zur Kennzeichnung der Problemsituation, so ist doch fraglich, ob auch die Problemlösung mittels eines einheitlichen Gesichtspunktes gelingen kann. An derartigen Versuchen hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt, doch herrscht heute die Skepsis gegen die Möglichkeit eines tauglichen Generalansatzes vor 1 . Diese zweifelnde Grundhaltung ist angesichts der auch innerhalb des Bereichs der Begegnungsdelikte zu konstatierenden gravierenden dogmatischen Unterschiede durchaus verständlich. Gleichwohl verlangt nicht nur das Bemühen um eine vollständige Abbildung des zur „notwendigen Teilnahme" vertretenen Meinungsstandes eine Erörterung der im bisherigen Schrifttum vorgestellten Ganzheitskonzeptionen. Zum einen ist vor einer Auffächerung der Untersuchung in einzelne Problembereiche die Sinnhaftigkeit eines derartigen Vorgehens dadurch abzusichern, daß zuvor das Fehlen eines alle Fallkonstellationen bewältigenden dogmatischen Universalschlüssels festgestellt wird. Zum anderen verspricht die Auseinandersetzung mit den bislang diskutierten Generalansätzen dogmatischen Gewinn auch deshalb, weil solche Einheitskriterien selbst dann zur Aufhellung einzeldeliktsübergreifender Zusammenhänge beitragen können, wenn sie den Anspruch einer Globallösung zu Unrecht erheben.

I . Die „Unterlegenheitsthese" (R.

Lange)

Die Vorstellung eines monistischen Erklärungsmodells, das alle Fälle strafloser „notwendiger Teilnahme" auf einen identischen Grundansatz zurückführt, liegt der Habilitationsschrift 2 von Lange zugrunde. In dieser Arbeit aus dem Jahre 1940 entwickelt der Autor die These, daß die Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" aus der personalen Ungleichwertigkeit der Beteiligten resultiere: Der „notwendige Teilnehmer" erscheint hiernach als ein durch seine besondere 1

Besonders deutlich Wolter (JuS 1982, 344): „ . . . diesen Generalansatz wird es auch niemals geben können." Vgl. ferner Otto, Lange-FS (1976), S. 198; LK-Roxin, Rdn. 28 und SK-Samson, Rdn. 43 ff. jeweils vor § 26. 2 Die notwendige Teilnahme; vgl. zum folgenden insbesondere aaO. S. 21, 25, 30, 65 f., 97.

I. Die „Unterlegenheitsthese (R. Lange)

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„Unterlegenheitssituation" gekennzeichnetes Objekt; dies schließe die Annahme seiner Strafbarkeit aus. Diese auf die „Unterlegenheitsthese" gegründete Konzeption hat berechtigte Kritik erfahren 3. Zwar ist nicht zu bestreiten, daß der Sachgesichtspunkt einer positioneilen Unterlegenheit einzelne Fälle der „notwendigen Teilnahme" zutreffend beschreibt. Dies gilt etwa für den — eine besondere Schwächesituation gerade voraussetzenden — Wucher (§ 302 a StGB), ferner für die zum Schutz Minderjähriger und Widerstandsunfähiger normierten Sexualdelikte (§§ 174 ff. StGB) 4 . Freilich kann man selbst hier — gestützt auf die Absehensklausel in § 174 IV StGB 5 — einwenden, daß es im Einzelfall auch bei diesen Delikten an der Unterlegenheit des nicht (ausdrücklich) mit Strafe bedrohten Mitwirkenden fehlen kann; doch ließe sich dem zur Verteidigung der von Lange verfochtenen Position entgegenhalten, daß es nicht auf eine Einzelfallbetrachtung ankommen könne, sondern daß das Gesetz sich an der Typizität der zu regelnden Lebensabläufe orientiere 6. Die entscheidende Schwäche der „Unterlegenheitsthese" besteht jedoch darin, daß sich zahlreiche Delikte anführen lassen, die dem Kreis der Begegnungsdelikte zugerechnet werden, obwohl der „notwendige Teilnehmer" hier auch nicht im Regelfall als typischerweise unterlegener Tatbeteiligter erscheint. So kann beispielsweise bezüglich des einverständlichen Parteiverrats (§ 356 I I StGB) nicht davon ausgegangen werden, daß die begünstigte Gegenpartei dem pflichtwidrig handelnden Rechtsanwalt gegenüber regelmäßig unterlegen ist 7 . Vielfach dürfte der Anstoß zum Parteiverrat gerade von dem begünstigten Mandanten ausgehen, der möglicherweise sogar als der wirtschaftlich und sozial Stärkere erscheint. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn es sich um einen einflußreichen Klienten handelt, der den Anwalt vor die Alternative stellt, sich entweder ein „großzügig bemessenes Zusatzhonorar" zu verdienen oder künftig alle Mandate dieses Klienten zu verlieren. Selbst wenn man sich ein Argumentieren mit solchen extremen (aber keineswegs unrealistischen) Fallkonstellationen versagt, bleibt festzustellen, daß die Annahme einer generellen Unterlegenheit der begünstigten Partei in den Fällen des § 356 I I StGB nicht sehr überzeugend ist. Ähnliches gilt hinsichtlich der Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) 8 . Auch 3 Eine ausführliche Kritik gegen die Position Langes bietet Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 16 ff. (speziell zur Unterlegenheitsthese vgl. aaO. S. 72 ff.); s. ferner Wolter, JuS 1982, 348. 4 Insoweit wird dem „Unterlegenheitsaspekt" auch heute eine — freilich nicht für alle Fälle „notwendiger Teilnahme" geltende — Anerkennung zuteil; vgl. Otto, LangeFS (1976), S. 211 f. und Stratenwerth, AT, Rdn. 948. 5 Vgl. hierzu Jung / Kunz, NStZ 1982, 409 ff. 6 Lange, Notwendige Teilnahme, S. 66 f. 7 Vgl. etwa die Sachverhaltsdarstellung in RGSt 71, 114 (mit Anm. Schwinge, JW 1937, 1810 f.). » Zur Situation bei § 283c StGB vgl. Vormbaum, GA 1981, 131 f.; s. a. LK-Tiedemann, § 283c Rdn. 35 sowie ders., ZIP 1983, 515. Eine „gläubigerfreundliche" Einschätzung nehmen hingegen Dreiss / Eitel-Dreiss (Gesetz, S. 186) vor.

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2. Kap.: Fehlen eines Generalansatzes für die Begegnungsdelikte

hier sind durchaus Fallgestaltungen denkbar, in denen ein Gläubiger den Schuldner zur Gewährung nicht geschuldeter Leistungen oder Sicherheiten veranlaßt. Im Kräftespiel zwischen dem zahlungsunfähigen, auf die vage Chance eines späteren wirtschaftlichen Neuanfangs hoffenden Schuldner und dem finanzkräftigen, auf eine ungerechtfertigte bevorzugte Behandlung drängenden (potentiellen) Geldgeber wird man wohl kaum eine „Unterlegenheitssituation" des begünstigten Gläubigers annehmen können. Zwar wäre daran zu denken, die „Unterlegenheitsthese" von ihrer rein erklärenden Funktion zu befreien und zur echten Straflosigkeitsvoraussetzung zu erheben, so daß der „notwendige Teilnehmer" nur dann straffrei bliebe, wenn er sich im konkreten Einzelfall tatsächlich als der unterlegene Teil erweist. Hierfür scheint auch zu sprechen, daß die Rechtsprechung9 bei den den Beispielen zugrundeliegenden Normen (§§ 283c und 356 I I StGB) eine Strafbarkeit des „notwendigen Teilnehmers" bejaht, sofern er rollenüberschreitend in einer über das deliktsnotwendige Mindestmaß hinausgehenden Weise an dem Geschehen beteiligt ist. Doch erstens widerspräche eine solche mit dem „Unterlegenheits-Kriterium" verfolgte Beschränkung der Straflosigkeit den Intentionen Langes10, und zweitens müßte sie konsequenterweise auch dort Platz greifen, wo das betreffende Delikt dem Schutz des personalen Tatobjekts dient. Dies hätte etwa zur Folge, daß die ihren Lehrer verführende Minderjährige gemäß §§ 174, 26 StGB bestraft werden müßte. Die Erklärung der Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" in den Fällen des einverständlichen Parteiverrats und der Gläubigerbegünstigung gelingt Lange durch eine Normativierung des Merkmals der „Unterlegenheit" 11 . Hiernach soll eine Unterlegenheit des „notwendigen Teilnehmers" auch dann anzunehmen sein, wenn ihm eine besondere Pflichtenstellung fehlt oder wenn er „dem Druck übermächtiger Motive" ausgesetzt ist, wie dies bei der Selbstbegünstigung (§§ 120 und 258 StGB) und bei der Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) der Fall sein soll. Diese normative Erweiterung des Kriteriums der „Unterlegenheit" vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zum einen büßt die „Unterlegenheit" mit dieser Verrechtlichung die Anschaulichkeit ein, die ihr bezüglich der originären Schutzzweck-Fälle (§§ 302 a und § 174 ff. StGB) eigen ist. Zum anderen aber erhellt die heutige Regelung des § 28 I StGB 12 , daß das Fehlen einer besonderen strafbegründenden Pflichtenstellung grundsätzlich nicht zur völligen Straflosig9 RGSt. 71, 114 (116) zu § 356 StGB; RGSt. 61, 314 (315 f.); 65, 416 (417) zu § 241 KO a. F. (= § 283 c StGB). 10 Notwendige Teilnahme, S. 66 f. π Vgl. zum folgenden aaO. S. 25, 30, 87 f.; s. jedoch auch aaO. S. 83 ff. (zur Kuppelei). 12 Zur Rechtsentwicklung des heutigen § 28 StGB vgl. LK-Roxin, § 28 Rdn. 1; die Regelung des heutigen § 281 StGB ist — als § 50 II StGB — erst mit dem Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.5.1968 (BGBl. I, 503) in das Strafgesetzbuch gelangt.

I. Die „Unterlegenheitsthese (R. Lange)

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keit, sondern nur zu einer Strafmilderung gemäß § 49 I StGB führt. Selbst wenn man also diese Divergenz zwischen den einzelnen Beteiligten als normative Überlegenheit des Sonderpflichtigen qualifizieren wollte, wäre hiermit die strafbefreiende Wirkung der korrespondierenden Unterlegenheit keineswegs dargetan. Vielmehr bilden die einzelnen Beteiligungsformen unterschiedliche Zurechnungstypen 13 , die mit den ihnen immanenten Strafwürdigkeitsabstufungen auch dem Aspekt einer relativen Unterlegenheit Rechnung tragen. Ferner ist der Anwendungsbereich, den der Gedanke eines „übermächtigen Motivs" bei Lange erfährt, deutlich zu weit. Grundsätzlich bestimmt sich die normative Erwartung, einem Druck standzuhalten, an der durch den entschuldigenden Notstand (§ 35 StGB) gezogenen Grenze. Selbst wenn man dem Freiheitsdrang des Inhaftierten oder von Bestrafung Bedrohten im Rahmen der §§120 und 258 StGB — etwa durch die Anerkennung einer „notstandsähnlichen Lage" — rechtliche Beachtlichkeit zubilligt, führt dies nicht dazu, nahezu jegliches deliktstypische Vorteilsstreben einer nicht täterschaftlich handelnden Person als hinreichenden Grund für ihre Straflosigkeit anzuerkennen 14. Hiergegen spricht bereits die Tatsache, daß das Strafgesetz sogar im Bereich der strafabwehrenden Selbstbegünstigung auf die eigennützige Motivation durchaus ambivalent reagiert 15. Dient ein Verhalten hingegen allein der Erlangung oder Erhaltung 16 wirtschaftlicher Vorteile, so steht diese Motivation einer Bestrafung von vornherein nicht entgegen; ein etwaiger legislatorischer Strafverzicht basiert vielmehr grundsätzlich auf dem der Konkurrenzlehre angehörenden Gedanken der mitbestraften Nachtat 17 . Diese Feststellung schließt weitergehende tatbestandliche Privilegierungskonzepte bezüglich einzelner Tatbestände keineswegs a priori aus. So wird man beispielsweise darüber diskutieren können, ob der Gesetzgeber im Fall des § 283 c StGB den um seine Bevorzugung bemühten Gläubiger ganz bewußt nicht nur aus der Tatbestandsumschreibung, sondern überhaupt aus dem Strafbarkeitsbereich hat ausklammern wollen. Doch ändert dies nichts daran, daß eine solche Argumentation auf die 13 Vgl. hierzu ausführlich Bloy, Beteiligungsform, S. 293 ff., 313 ff. 14 Vgl. auch die Stellungnahme Herzbergs (GA 1971,10; Hervorhebung im Original): „Zumindest überall dort, wo die persönliche Triebsituation des Nutznießers den Gesetzgeber veranlaßt hat, die Selbstverschaffung des Vorteils schon aus dem Tätertatbestand herauszuhalten, muß die Identität von Beteiligtem und Begünstigtem wie ein straf ausschließendes Merkmal i. S. des § 50 Abs. 3 StGB bewertet werden." — Das Abstellen auf den Gesetzgeber ermöglicht es freilich, das Zitat in der Weise zu interpretieren, daß sich die umfassende Straflosigkeit nicht aus der Triebsituation als solcher ergibt, sondern daß es einer exakten Analyse des jeweils betroffenen Einzeldelikts bedarf. Kritisch zur Position Herzbergs Wolter, JuS 1982, 348 und Jescheck, AT, § 64 VI 2b (= S. 633 in Fn. 74). 15 Zu nennen sind hier die Fälle strafschärfender Verdeckungsabsicht (vgl. §§211, 315 StGB); umfassend zur gesetzlichen Ambivalenz der Selbstbegünstigung jüngst H. Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, insbesondere Kap. 4, 5, 12 und 13. 16 In diesem Zusammenhang ist auf den räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB) zu verweisen; vgl. ferner BGHSt. 15, 53 (58) zu § 259 StGB. π Ebenso Geppert, Jura 1980, 329 f.; Stree, JuS 1976, 138 sowie H. Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 170. 4 Sowada

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2. Kap.: Fehlen eines Generalansatzes für die Begegnungsdelikte

historische Auslegungsmethode rekurrieren würde; sie könnte jedenfalls keinen allgemeingültigen Grundsatz einer motivationsbedingten Unterlegenheit für sich reklamieren. Ist aber die aus einem übermäßigen Motivationsdruck resultierende normative Unterlegenheit — jedenfalls in der von Lange angenommenen Weite — kein generell anerkannter Bestandteil der Strafrechtsdogmatik, so bedarf dieser postulierte Grundsatz seinerseits des (induktiv zu führenden) Nachweises seiner Richtigkeit. Es kommt schließlich noch hinzu, daß auch Lange nicht alle von ihm als straflos beurteilten Fälle mittels der „Unterlegenheitsthese" erklärt; vielmehr greift er auf das Merkmal fehlenden Strafbedürfnisses zurück, um die Straflosigkeit des Käufers pornographischer Schriften (§ 184 StGB) zu begründen 1 8 . Die dargestellten Unzulänglichkeiten führen somit zu dem Ergebnis, daß die von Lange entwickelte These von der „Unterlegenheit" des „notwendigen Teilnehmers" nicht als tauglicher Generalansatz angesehen werden kann.

I I . Die auf das Konkurrenzverhältnis der Beteiligungsformen abstellende Konzeption 1. Zur „mittäterschaftsähnlichen" Struktur der Begegnungsdelikte (Zöller) Auch in der jüngsten zur „notwendigen Teilnahme" vorgelegten Monographie — der von Armin Kaufmann betreuten Bonner Dissertation von Zöller 19 — wird der Versuch unternommen, einen generellen Ansatz für ein umfassendes Straflosigkeitsmodell aufzuzeigen. Der hierbei eingeschlagene Weg läßt sich folgendermaßen umreißen: Als Ausgangspunkt seiner Überlegungen dient Zöller 20 die These, den Delikten mit „notwendiger Teilnahme" sei eine mittäterschaftsähnliche Struktur eigen. Der nächste gedankliche Schritt besteht in der Annahme, zwischen den in „normaler" Mittäterschaft begangenen Delikten und den mittäterschaftsähnlichen Tatbeständen aus dem Problemkreis der „notwendigen Teilnahme" bestehe eine entscheidende Gemeinsamkeit insoweit, als beiden Fallkonstellationen die gegenseitige Anstiftung der beiden Beteiligten immanent sei 21 . Diese postulierte Übereinstimmung führt Zöller sodann zu seiner — von ihm selbst als „entscheidend" bezeichneten — Kernthese 22: „Nimmt . . . der Gesetzgeber bei einem solchen Delikt, das eine mittäterschaftsähnliche Struktur aufweist und bei dem außerdem eine gegenseitige Anstiftung der beiden Beteiligten dem zur Tatbestandserfüllung führenden Handlungsgeschehen immanent ist, einen der Beteiligten aus der Strafbarkeit heraus, ohne bestimmte Angaben zum Umfang is Notwendige Teilnahme, S. 25 f. 19 Die notwendige Teilnahme. 20 AaO. S. 170 ff. 21 AaO. S. 185 ff., 219 ff., 230. 22 AaO. S. 231.

II. Konkurrenzverhältnis der Beteiligungsformen

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der Straflosigkeit zu machen, dann folgt daraus zwingend, daß der Ausspruch über die Straflosigkeit sich nicht nur auf den eigentlichen Tatbeitrag, die »notwendige4 Beteiligung, sondern auch auf die stets mitgegebene Anstiftungshandlung bezieht." Denn in Anbetracht der „unaufhebbaren und zwingenden Verbindung", die zwischen dem Anstiftungsakt und der eigentlichen (mittäterschaftsähnlichen, aber straflos gelassenen) „notwendigen" Mitwirkungshandlung bestehe, wäre der Gesetzgeber zu einer ausdrücklichen Regelung verpflichtet, wenn er die Straflosigkeit nur bezüglich der „notwendigen Teilnahme" gelten lassen, die damit einhergehende Anstiftung aber bestraft wissen wollte 23 . Stehe mithin die Straflosigkeit der Anstiftung fest, so müssen nach Ansicht von Zöller 24 auch die „überschießenden" Beihilfeakte straflos bleiben, da die Beihilfe die gegenüber der Anstiftung minder schwere Teilnahmeform darstelle. Dieses Erklärungsmodell ist im Schrifttum 25 als „Konkurrenzlösung" bezeichnet worden; in dieser Kennzeichnung spiegelt sich zugleich der dogmatische Kernpunkt des von Zöller verflochtenen Ansatzes. Die Charakterisierung als „Konkurrenzlösung" ist gewiß zutreffend für den letzten Gedankenschritt, durch welchen die Straflosigkeit der Beihilfehandlungen aus der im Vergleich zur Anstiftung geringeren Schwere dieser Teilnahmeform gefolgert wird. Auch bezüglich der Anstiftung liegt — worauf noch zurückzukommen sein wird — eine Heranziehung des Subsidiaritätsaspekts durchaus nahe. Eine derartige Argumentation müßte sich auf die These gründen, daß eine strafbare Teilnahme nicht in Betracht komme, wenn die grundsätzlich unrechtsschwerere täterschaftliche Tatbegehung straflos gelassen worden sei. Diese Begründung wird von Zöller allerdings abgelehnt, weil er unter Hinweis auf die tätergleiche Strafdrohung eine Subsidiarität der Anstiftung gegenüber den Formen täterschaftlichen Handelns verneint 26 . Die Ablehnung einer direkten Heranziehung des Subsidiaritätsgedankens veranlaßt Zöller, einen argumentativen Umweg einzuschlagen, indem er auf die „mittäterschaftsähnliche" Struktur der „notwendigen Teilnahme" abstellt 27 . Aus der „Ratio" des § 47 StGB (a. F.), eine neben der Mittäterschaft bestehende Anstiftung „nicht auch noch neben der Strafe für die Täterhandlung mit Strafe zu belegen", gewinnt Zöller seinen oben zitierten Auslegungsgrundsatz. Die Frage nach dem „sachlichen Grund" dafür, daß neben einer Mittäterschaft die Anstiftung des Komplizen nicht selbständig in Ansatz gebracht wird, läßt Zöller ausdrücklich dahinstehen. Mittels eines Blicks in das strafrechtliche Schrifttum 28 läßt sich freilich unschwer feststellen, daß diese „Ratio" gerade der von Zöller verworfene Subsidiaritätsgedanke ist. Damit wird deutlich, daß das von Zöller entwickelte dogmatische Konzept letztlich auf dem zwischen den 23 AaO. S. 231 ff. 24 AaO. S. 247 f. 25 Wolter, JuS 1982, 348. 26 Notwendige Teilnahme, S. 198 ff., 218. 27 Vgl. zum folgenden aaO. S. 218 f. 28 Vgl. etwa Geppert, Jura 1982, 425 und LK-Vogler, 4*

vor § 52 Rdn. 126.

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2. Kap.: Fehlen eines Generalansatzes für die Begegnungsdelikte

Beteiligungsformen bestehenden Konkurrenzverhältnis aufbaut. Dem Subsidiaritätsaspekt wird hierbei gleichsam durch die Hintertür Einlaß verschafft, indem es im Gewand der „Ratio" der Mittäterschaftsregelung als genereller und maßgeblicher Auslegungsgc sichtspunkt erscheint. Doch auch wenn man den Einwand einer lediglich umformulierten Subsidiaritätslösung beiseite läßt, vermag die von Zöller entworfene Konzeption nicht zu überzeugen 29. Insoweit ist zunächst anzumerken, daß sich Zöller durchaus gezwungen sieht, Ausnahmen einzuräumen, die sich seinem Erklärungsansatz entziehen 30 . Auch gegenüber den einzelnen Prämissen sind Bedenken anzumelden. Zwar lassen sich bezüglich des Mittäters, der einen Komplizen zur gemeinschaftlichen Tatbegehung überredet, die Merkmale der Anstiftung konstruieren 31, und es ist ferner die Möglichkeit einer wechselseitigen Anstiftung für solche Fälle anzuerkennen, in denen der initiativ werdende Mittäter seinen eigenen Tatentschluß von der Beteiligung des Angesprochenen abhängig macht. Problematisch erscheint die Annahme einer wechselbezüglichen Anstiftung jedoch dann, wenn der nach einem Komplizen Ausschau Haltende fest entschlossen ist, die Tat notfalls auch allein zu begehen. Hier ist es — ebenso wie in den Fällen der sukzessiven Mittäterschaft 32 — sehr fraglich, ob die Mitwirkung des Hinzutretenden als eine über die bloße psychische Bestärkung hinausgehende Anstiftung zu qualifizieren ist 33 . Der gegen Zöller zu erhebende Haupteinwand richtet sich jedoch gegen seine These, daß bei den Delikten mit „notwendiger Teilnahme" regelmäßig eine mittäterschaftsähnliche Struktur vorliege. Im kritischen Teil seiner Arbeit lehnt Zöller die von Lange vertretene „Unterlegenheitsthese" mit ausführlichen Erörterungen überzeugend ab 34 . Doch es hat den Anschein, daß Zöller gleichsam über das Ziel hinausschießt, wenn er die Fälle „notwendiger Teilnahme" nunmehr stets als das Zusammenwirken gleichberechtigter Partner (eben als mittäterschaftsähnliches Handeln) charakterisiert. Daß die Prostituierte regelmäßig „Mittäterin" der ihr gegenüber begangenen Zuhälterei (§ 181a StGB) sein soll 35 , daß die Fünfzehnjährige, an der ein Lehrer oder Ausbilder sexuelle Handlungen vornimmt, quasi-mittäterschaftlich am gegen sie gerichteten sexuellen Mißbrauch 29 Ablehnend auch Otto, Lange-FS (1976), S. 198; Jescheck, AT, § 64 VI 2b (= S. 633 in Fn. 74) und Wolter, JuS 1982, 348; s. a. Bohnert, Meyer-GS (1990), S. 526. 30 Notwendige Teilnahme, S. 248 f. (bezüglich §§ 180 und 356 I StGB). 31 Vgl. bezüglich des (sachlich entsprechenden) Bereichs strafbarer Vorbereitungshandlungen LK-Roxin, § 30 Rdn. 76 ff. 32 Die Rechtsfigur der „sukzessiven Mittäterschaft" dürfte jedenfalls dann anzuerkennen sein, wenn der Komplize vor der „letztmaligen Vollendung der jeweiligen tatbestandlichen Rechtsgutsbeeinträchtigung" in das Geschehen eintritt; vgl. Gössel, Jescheck-FS Bd. I (1985), S. 537 ff. (555). 33 So Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 185 ff. (188, 189 ff., 191 ff.); ebenso Puppe, GA 1984, 119 (in Fn. 58). 34 AaO. S. 16 ff., 72 ff. 35 AaO. S. 180 f.

II. Konkurrenzverhältnis der Beteiligungsformen

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von Schutzbefohlenen (vgl. § 1741 Nr. 1 StGB) mitwirkt 3 6 oder daß die Verführte in den Fällen des § 182 StGB typischerweise ihren Verführer anstiften soll — all dies mag in Ausnahmefällen denkbar sein, als regelmäßig anzutreffende, für das jeweilige Delikt typische Erscheinungsform sind die geschilderten Verhaltensweisen aber nicht anzuerkennen. Bezüglich der im Merkmal der Mittäterschaftsähnlichkeit anklingenden Gleichberechtigung zwischen Täter und „notwendigem Teilnehmer" offenbaren sich prinzipiell dieselben Schwierigkeiten, die auch schon hinsichtlich der „Unterlegenheitsthese" feststellbar waren; es sind gleichsam nur die Vorzeichen vertauscht. Erschien die Überlegenheit des Täters in den Konstellationen der Opfermitwirkung durchaus plausibel, in den übrigen Fällen der „notwendigen Teilnahme" als deliktstypische Gegebenheit hingegen zweifelhaft, so verhält es sich mit dem mittäterschaftsähnlichen Charakter gerade umgekehrt. Die Mitwirkung des Opfers erschwert eine Beurteilung im Sinne einer gleichwertigen Interaktion, zumal wenn diese nicht nur in Einzelfällen konstruierbar sein soll, sondern die Anerkennung als durchgängig feststellbare deliktsspezifische Besonderheit verlangt 37 . Erst recht muß die mittäterschaftsähnliche Struktur als Charakteristikum bestimmter Delikte dort versagen, wo — wie im Beispiel des um die Verletzung seines Körpers Bittenden 38 — die vor dem Hintergrund der Teilnahmestrafbarkeit problematische Fallkonstellation für das betreffende Delikt in höchstem Maße deliktsatypisch ist. Dieser Einwand läßt sich auch nicht dadurch abwehren, daß man die konkrete Interaktion als mittäterschaftsä/w/i'c/z beurteilt. Denn wollte man auf das Erfordernis verzichten, daß ein derartiges Zusammenwirken gerade deliktsspezifisch sein muß, so bliebe als denkbare Erklärung der Straflosigkeit allein die These, daß derjenige, der nicht (Mit-)Täter sein könne, auch im Rahmen der Teilnahmenormen straflos bleibe. Zwar bedarf auch ein solcher Begründungsansatz näherer Betrachtung 39, doch genügt im vorliegenden Zusammenhang die Feststellung, daß eine derartige Konzeption nicht mehr dem von Zöller entwikkelten Generalansatz entspräche und deshalb sein Erklärungsmodell auch nicht zu stützen vermag. Neben den aufgezeigten Unzulänglichkeiten resultiert ein weiteres Bedenken gegen die von Zöller vertretene Position aus dem Umstand, 36 AaO. S. 181. 37 Die Gefahr einer unangemessenen Pauschalbeurteilung läßt sich ζ. B. anhand der Fälle strafvereitelnder Fremdbegünstigung (§§ 258 und 120 StGB) veranschaulichen: Während bei Lange (Notwendige Teilnahme, S. 30, 87 f., 97) der Begünstigte wegen des Motivationsdruckes als der „unterlegene" Teil erscheint (aaO. S. 85, 88 wird allerdings zusätzlich auf den Aspekt der mittelbaren Selbstbefreiung abgestellt), erklärt Zöller (Notwendige Teilnahme, S. 182 ff., 225, 230) ihn zum regelmäßig gleichrangigen Partner, ohne zu bedenken, daß es strafbare Vereitelungshandlungen geben kann, von denen der Begünstigte nicht einmal Kenntnis hat. Eine in dogmatischer Hinsicht vergleichbare Situation ist bezüglich der (von Zöller nicht behandelten) Kindesentziehung (§ 235 StGB) gegeben; vgl. insoweit Lange, Notwendige Teilnahme, S. 22; Otto, Lange-FS (1976), S. 199; Lackner, Rdn. 1; LK-Vogler, Rdn. 27 jeweils zu § 235. 38 Vgl. dazu oben 1. Kap. zu Fn. 75. 39 S. unten zu 2.

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2. Kap.: Fehlen eines Generalansatzes für die Begegnungsdelikte

daß angesichts der sehr formalen Begründungsweise keine Möglichkeit ersichtlich ist, de lege lata strafwürdig erscheinende Verhaltensweisen des „notwendigen Teilnehmers" zu pönalisieren 40. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß bereits vor jeglicher Ergebniskritik die von Zöller entwickelte Konzeption abzulehnen ist, weil sie eine Mittäterschaftsähnlichkeit als normtypische Interaktionsform fingiert, um anschließend hieraus eine Straflosigkeit bezüglich sonstiger Beteiligungsformen abzuleiten. 2. Der Subsidiaritätsgedanke als Ansatzpunkt für ein umfassendes Straflosigkeitsmodell Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der bereits angedeuteten Frage, ob sich aus dem zwischen den einzelnen Beteiligungsformen bestehenden dogmatischen Konkurrenzverhältnis ein Generalansatz für die Problematik der „notwendigen Teilnahme" herausarbeiten läßt. Zwar basiert auch die von Zöller vorgetragene Argumentation zum Teil auf Konkurrenzerwägungen, doch werden diese Überlegungen mit dem für die Begegnungsdelikte (angeblich) charakteristischen Merkmal der mittäterschaftsähnlichen Struktur verknüpft. Gerade dieses deliktsbezogene Kriterium erscheint aber als Achillesferse der von Zöller entworfenen Konzeption. Daher ist zu untersuchen, ob die Konkurrenzüberlegungen unmittelbar für den Komplex der „notwendigen Teilnahme" fruchtbar gemacht werden können. In der dogmatischen Entwicklung lassen sich die Bemühungen, mittels einer Rangfolge der einzelnen Beteiligungsformen die umfassende Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" zu begründen, weit zurückverfolgen. So unterscheiden sich Täterschaft und Teilnahme nach Ansicht von Freudenthal 41 dadurch, daß der Täter das Rechtsgut verletze, während der Teilnehmer es lediglich gefährde. In ähnlicher Weise kehrt diese Differenzierung wieder, wenn Frank 42 nur das Handeln des Täters als „Ursache" anerkennt, der die vom Teilnehmer gesetzte bloße „Bedingung" gegenüberstehe. Sachliche Übereinstimmung besteht ferner mit der Unterscheidung zwischen der „unmittelbaren" (= täterschaftlichen) und der nur „mittelbaren" Rechtsgutsbeeinträchtigung (des Teilnehmers) 43. Der allen diesen Formulierungen zugrundeliegende Sachgesichtspunkt ist darin zu sehen, daß Täterschaft und Teilnahme als in einem „Plus-Minus-Verhältnis" 44 stehend gedeutet werden. Hierauf gründet sich ein a-maiore-ad-minus-Schluß, den Freudenthal 45 wie folgt formulierte: „Wenn eine Person ein Rechtsgut in Gemeinschaft 40 Ebenso Wolter, JuS 1982, 348. 41 Nothwendige Theilnahme, S. 109 ff. (insbesondere S. 110 f.). 42 Vor § 47 Anm. V 1. 43 So bereits Höpfner, ZStW 26 (1906), 628; vgl. auch Otto, Lange-FS (1976), S. 209 f. 44 Freudenthal, Nothwendige Teilnahme, S. 110 (in Fn. 3); ihm folgend Brandes, Teilnahmehandlungen, S. 47 und Vogels, Ausnahmen, S. 71 ff. 45 Nothwendige Theilnahme, S. 117.

II. Konkurrenzverhältnis der Beteiligungsformen

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mit einer anderen Person ungestraft verletzen oder gefährden darf, so muß sie erst recht straflos bleiben, wenn sie es durch Anstiftung oder Unterstützung dieser anderen Person nur gefährdet oder bloß leichter gefährdet." In der Tat erscheint dieser Erstrecht-Schluß durchaus plausibel 46 . Insbesondere büßt er seine Überzeugungskraft weder dadurch ein, daß heute die Kausalitätsbetrachtung Franks als überwunden gelten kann 47 , noch wird er deshalb unhaltbar, weil — entgegen Freudenthal — auf dem Boden der Äquivalenztheorie zumindest der Anstifter 48 den Taterfolg (also die RechtsgutsVerletzung) mit herbeiführt 49. Für die dargestellte Konklusion ist maßgeblich allein, ob das behauptete „PlusMinus- Verhältnis" tatsächlich besteht, selbst wenn das zutreffende dogmatische Kriterium für die Abstufung verfehlt worden ist. Bemüht man sich darum, das zwischen den einzelnen Beteiligungsformen bestehende dogmatische Verhältnis aufzuhellen, so empfiehlt sich ein Blick auf zwei — miteinander verzahnte 50 — Spezialgebiete der Strafrechtsdogmatik: die Konkurrenzlehre sowie die Lehre von der Wahlfeststellung. Die zum Problemkreis der Wahlfeststellung vorliegenden höchstrichterlichen Entscheidungen51 sowie die einschlägigen Stellungnahmen im Schrifttum 52 stimmen insoweit überein, als eine nach Schweregraden vorzunehmende Abstufung zwischen den Beteiligungsformen einhellig anerkannt ist. Hierbei wird zwar überwiegend die Annahme eines „begriffslogischen Stufenverhältnisses" abgelehnt53, da zwischen Täterschaft und Teilnahme kein begriffliches Umfassungsverhältnis dergestalt gegeben sei, daß die Täterschaftsformen zugleich die Teilnahmeformen als „logisches Weniger" mitumschlössen54. Es liegt jedoch nach ganz herrschender Auffassung Vgl. aus dem heutigen Schrifttum die entsprechende Argumentation bei Maur ach / Schroeder, BT 2, § 63 V 3 (= S. 90) zu § 235 StGB. 47 Mitsch, Provokation, S. 62 f.; s. a. umfassend Bloy, Beteiligungsform, S. 126 ff. 48 Bezüglich der Beihilfe ist das Kausalitätserfordernis umstritten; vgl. dazu LKRoxin, Rdn. 2 ff.; S/S-Cramer, Rdn. 6 ff. jeweils zu § 27 sowie ausführlich Gores, Rücktritt, S. 42 ff. und Bloy, Beteiligungsform, S. 270 ff. 49 Ganz überwiegend wird das „Bestimmen" in § 26 StGB als kausales Hervorrufen des Tatentschlusses aufgefaßt; vgl. LK-Roxin, § 26 Rdn. 2. Vgl. jedoch zu der Frage, ob die psychische Einwirkung als „Kausalität" anzusehen ist, Puppe, GA 1984, 103 ff. so Wolter, Wahlfeststelllung, S. 152 (mit weiteren Nachweisen in Fn. 7). 51 BGHSt. 23,203 (bezüglich Mittäterschaft / Beihilfe) mit Anmerkungen von Schröder, JZ 1970,422 f. und Lohr, JuS 1976,715 ff.; BGHSt. 31,136 (bezüglich Anstiftung / Beihilfe) mit Anmerkungen von Baumann, JZ 1983, 116 f.; Dingeldey, NStZ 1983, 166 f.; Geppert, JK, StGB § 26/2 und Hruschka, JR 1983, 177 ff. 52 Vgl. außer den in der vorigen Fn. angegebenen Nachweisen Dreher, MDR 1970, 369 ff.; Otto, Peters-FS (1974), S. 373 ff.; S/S-Eser, § 1 Rdn. 94 sowie ausführlich Wolter, Wahlfeststellung, S. 57 ff. 53 So etwa Schröder, JZ 1970,422 f.; Otto, Peters-FS (1974), S. 377,379 f.; Hruschka, JR 1983, 179 f.; vgl. femer SK-Rudolphi, Anh. zu § 55 Rdn. 21 sowie (für einzelne Beteiligungs Verhältnisse differenzierend) Wolter, Verurteilung, S. 238 ff.; der sWahlfeststellung, S. 58 ff., 63 f. 54 Allgemein zum Unterschied zwischen „begriffslogischem" und „normativem" Stufenverhältnis vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 389 ff. und Mylonopoulos, ZStW 99 (1987), 685 ff. (691 ff., 700 ff.).

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2. Kap.: Fehlen eines Generalansatzes für die Begegnungsdelikte

ein „normatives", d. h. durch rechtliche Wertung ermitteltes Stufenverhältnis 55 vor. Danach ist die Beihilfe die gegenüber der Anstiftung minder schwere Teilnahmeform, während sowohl Beihilfe als auch Anstiftung im Vergleich zur täterschaftlichen Tatbegehung als weniger unrechtsschwere Beteiligungsformen erscheinen. Die so festgelegte Rangfolge findet ihre Entsprechung in der Konkurrenzlehre 56. Dort wird die Beihilfe als subsidiäre Beteiligungsform von der Anstiftung verdrängt; beide Teilnahmeformen treten hingegen — ebenfalls im Wege der Subsidiarität — hinter die Formen der täterschaftlichen Deliktsverwirklichung zurück 57 . Daß sich die Beziehung zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht als ein „Plus-Minus-Verhältnis" im strengen begriffslogischen Sinne, sondern lediglich als „normatives" Stufenverhältnis erweist, steht dem von Freudenthal entwikkelten Gedankenansatz nicht entgegen58; denn auch die bloß rechtlich „gewillkürte" Rangfolge trägt die Konsequenz, einen abstrakten Vorrang der Täterschaftsformen zu legitimieren. Ernster zu nehmen ist hingegen der gegen die „Konkurrenzlösung" erhobene Einwand, Subsidiarität könne nur zwischen unterschiedlichen Strafbarkeits-, nicht jedoch zwischen Straflosigkeitsregeln bestehen59. In der Tat ist hiermit ein zutreffender Unterschied zwischen der die „notwendige Teilnahme" betreffenden Problematik einerseits und den Konkurrenz- und Wahlfeststellungsfragen andererseits benannt. Während die dargestellte Argumentation im Bereich der „notwendigen Teilnahme" die umfassende Straflosigkeit einer Person begründen soll, geht es bei der eigentlichen Konkurrenzproblematik darum, daß eine bestimmte, an sich strafrechtlich erfaßbare Bewertung eines Verhaltens neben einer anderweitig bestehenden (!) Strafbarkeit nicht mehr eigenständig ins Gewicht fallen soll, da es sich insoweit um eine weniger intensive Angriffsform bezüglich desselben Angriffszieles handelt. Auch im Rahmen der Wahlfeststellungsproblematik führt das normative Stufenverhältnis nicht zur völligen Straflosigkeit, sondern unter (direkter oder analoger 60) Heranziehung des Grundsatzes „in dubio pro reo" wird der Tatsachenzweifel durch eine Bestrafung nach der weniger gravierenden Beteiligungsform bewältigt. Aus dem Umstand, daß die Problemstruktur der „notwendigen Teilnahme" tatsächlich die bezeichnete Abweichung aufweist, folgt jedoch noch keineswegs die Unhaltbarkeit der von Freudenthal entwickelten Gedankenführung. Vielmehr 55 Zu den an ein „normatives Stufen Verhältnis" zu stellenden Anforderungen vgl. allgemein Wolter, Wahlfeststellung, S. 64 ff. und Mylonopoulos, ZStW 99 (1987), 709 ff. 56 Zum Zusammenhang zwischen Wahlfeststellung und Konkurrenzlehre vgl. Schröder, JZ 1970, 423 und Günther, Verurteilungen, S. 258; s. a. oben Fn. 50. 57 LK-Vogler, Rdn. 126; SK-Samson, Rdn. 70 jeweils vor § 52. 58 Wegen des Fehlens eines begriffslogischen Plus-Minus-Verhältnisses wird die Position Freudenthals für „unhaltbar" gehalten von Blesse, Grenzen, S. 13 ff., 15. 59 So bereits Beling, Lehre, S. 433 ff. (436 f.); vgl. femer allgemein Geerds, Lehre, S. 167 ff.; Vogler, Bockelmann-FS (1979), S. 726 f. und Seier, Jura 1983, 232. 60 Zu diesem Problem vgl. Dingeldey, NStZ 1983, 166 sowie S/S-Eser, § 1 Rdn. 94.

II. Konkurrenzverhältnis der Beteiligungsformen

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könnte sich der dargestellte Einwand als allzu formal 61 erweisen, weil es sich bei dem auf einem Stufenverhältnis gegründeten Erst-recht-Schluß möglicherweise um ein auch im Straflosigkeitskontext zu beachtendes allgemeines Rechtsprinzip 6 2 handelt. Eine der „notwendigen Teilnahme" entsprechende Fragestellung ist in jenen Fällen gegeben, in denen das Verhalten des Angeklagten nicht nach der an sich vorrangigen Strafnorm pönalisiert werden kann, es aber zweifelhaft ist, ob auf eine bei abstrakter Betrachtung gesetzeskonkurrierend verdrängte Strafbestimmung zurückgegriffen werden kann oder ob auf eine völlige Straflosigkeit zu erkennen ist 63 . Zur Veranschaulichung des Gemeinten seien zwei Beispiele genannt: Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§113 StGB) stellt einen Spezialfall der Nötigung dar. Wird die Widerstandshandlung nur versucht, so scheidet eine Strafbarkeit des Täters gemäß §§ 113,22 StGB mangels einer ausdrücklich angeordneten Versuchsstrafbarkeit (vgl. § 23 I StGB) aus; es stellt sich jedoch die (einhellig verneinte) Frage, ob das Täterverhalten als versuchte Nötigung (vgl. § 240 I I I StGB) bestraft werden kann 64 . Als zweites Beispiel diene der Fall, daß ein Brandstifter unter dem Gesichtspunkt der „tätigen Reue" (§310 StGB) einer Bestrafung gemäß § 306 StGB entgeht. In einer solchen Situation ist umstritten, ob der persönliche Strafaufhebungsgrund der „tätigen Reue" auch einer Strafbarkeit wegen des Herbeiführens einer Brandgefahr (§ 310a StGB) entgegensteht65. Anders formuliert geht es auch hier um den Rückgriff auf die an sich verdrängte subsidiäre Strafvorschrift (§ 310a StGB) in den Fällen eines vor dem Hintergrund der Primärnorm straflosen Verhaltens. Daß derartige Problemstellungen sich nicht nur zwischen unterschiedlichen Straftatbeständen ergeben, sondern durchaus auch bezüglich desselben Delikts im Hinblick auf verschiedene (im Allgemeinen Teil geregelte) Erscheinungsformen des Verbrechens auftreten können, wird evident, wenn man das zuletzt angeführte Beispiel in einen allgemeineren Zusammenhang überführt und danach fragt, ob der Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) die Bestrafung wegen einer (an sich subsidiären) Vorbereitungshandlung gemäß § 30 StGB sperrt 66. In den genannten 61

Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 14 f. 62 Baumann, JZ 1983, 116. 63 Zu dieser Problematik vgl. die oben in Fn. 59 angegebenen Nachweise. 64 Verneinend etwa Herzberg, JuS 1973, 238 f.; Seier, Jura 1983, 232 und Lackner, § 113 Rdn. 26; s. a. BGHSt. 30, 235 (236) und LK-Vogler, vor § 52 Rdn. 116 (a. E.). Von größerer praktischer Bedeutung dürfte die Frage sein, ob in den Fällen der gegen einen Amtsträger gerichteten Drohung mit einem empfindlichen Übel auf § 240 StGB zurückgegriffen werden darf; ablehnend S/S-Eser, Rdn. 68; SK-Horn, Rdn. 23 und AKZielinski, Rdn. 46 jeweils zu § 113; für eine Anwendung des § 240 StGB (mit einer Strafrahmenanalogie zu § 113 StGB) LK-v. Bubnoff, § 113 Rdn. 65; Hirsch, Klug-FS Bd. II (1983), S. 235, 243; Wessels, BT 1, § 14 III 4 (= S. 131); Maurach / Schroeder, BT 2, § 70 I (= S. 149) sowie Lackner aaO. 65 Vgl. SIS-Cramer, § 310 a Rdn. 4 (mit weiteren Nachweisen pro und contra). 66 So die heute wohl einhellig vertretene Auffassung; vgl. BGHSt. 14, 378 (380); BGH, NStZ 1983, 364; LK-Vogler, § 24 Rdn. 199 sowie ausführlich Bottke, Methodik, S. 559 ff., 564 f. Hierbei kommt es für die umfassende Straflosigkeit nicht darauf an,

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2. Kap.: Fehlen eines Generalansatzes für die Begegnungsdelikte

Fällen dürften die besseren Gründe dafür sprechen, einen Rückgriff auf die allgemeinere (bzw. subsidiäre) Norm abzulehnen. Es wäre jedoch vorschnell, wollte man hieraus den Schluß ziehen, auch auf die an sich subsidiäre Beteiligungsform dürfe niemals zurückgegriffen werden, wenn eine Strafbarkeit nach der dominanten Beteiligungsform „Täterschaft" aus Rechtsgründen ausscheide. Vielmehr ist sorgfältig zu analysieren, warum in den dargestellten Beispielen eine umfassende Straflosigkeit geboten erscheint. Der maßgebliche Gesichtspunkt besteht darin, daß mittels einer Bestrafung aus der nachrangigen Norm eine dem Täter zugedachte Privilegierung sinnwidrig unterlaufen würde. Es ist jedoch zu betonen, daß dieser Umstand nicht lediglich eine Erklärung für eine allgemein gültige Regel des Inhalts bietet, daß die fehlende Strafbarkeit nach der Primärnorm stets eine Sperre für die Anwendung der sekundären Strafbestimmung auslöse. Vielmehr handelt es sich bei dem Privilegierungsaspekt um eine echte Voraussetzung für die Unanwendbarkeit der an sich verdrängten Norm. Die Sekundärvorschrift ist mithin (nicht stets, sondern) nur dann gesperrt, wenn die Straflosigkeit nach der Primärnorm Ausdruck eines entsprechenden Privilegierungsgedankens ist 67 . Dem entspricht es, daß die aufgezeigte Problemstellung nicht als eigentlicher Anwendungsfall der Konkurrenzlehre begriffen wird, sondern daß insoweit von „scheinbarer Gesetzeskonkurrenz" 68 bzw. von „unechter Gesetzeskonkurrenz" 69 gesprochen wird. Überträgt man die gewonnene Erkenntnis auf den Problembereich der „notwendigen Teilnahme", so ergibt sich, daß der bloße Umstand, daß eine Person nicht Täter des betreffenden Delikts sein kann, für sich allein nicht ausreicht, um eine umfassende Straflosigkeit dieser Person anzunehmen. Entscheidend ist vielmehr die durch Auslegung des jeweiligen Einzeltatbestandes70 zu beantwortende Frage, warum eine Täterschaft der betreffenden Person ausgeschlossen ist. Nur wenn sich bei einer Deliktsanalyse ergibt, daß diese Person schlechthin aus dem Strafbarkeitsbereich der jeweiligen Norm ausgeklammert werden sollte, vermag Freudenthals Erst-recht-Schluß zu überzeugen, daß dieser normgemäße Zustand nicht durch den Rückgriff auf eine subsidiäre Beteiligungsform unterlaufen werden darf. Aus der Abhängigkeit vom Ergebnis der Auslegung der jeweiligen Strafnorm ließe sich der a-maiore-ad-minus-Schluß nur dann befreien, wenn sich ein allgeob zugleich die Voraussetzungen des §31 StGB gegeben sind; vgl. S/S-Eser, §24 Rdn. 110. 67 Vgl. hierzu — außer den in den Fn. 59 ff. angegebenen Nachweisen — Cramer , JurA 1970, 207; Geppert, Jura 1982, 423, 426 f.; vgl. auch Bottke, Methodik, S. 561 („kein konstruktives, sondern ein normatives Problem"); Geerds, Lehre, S. 171 f. und Vogler, Bockelmann-FS (1979), S. 726 ff., 731. 68 Geerds, Lehre, S. 156 ff. (167 ff., 171 f.). 69 Seier, Jura 1983, 232. ™ Zur Maßgeblichkeit der Auslegung des jeweiligen Tatbestandes im Rahmen der „notwendigen Teilnahme" vgl. Arzt, in: Arzt/Weber, LH 4, Bern. 402 (in Fn. 12); s. a. LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 28; Maurach / Gössel, AT 2, 50/ 17; Wolter, JuS 1982, 344, 348 und Otto, Lange-FS (1976), S. 199.

II. Konkurrenzverhältnis der Beteiligungsformen

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meiner, einzeldeliktsübergreifender Grundsatz ergäbe, wonach der Ausschluß aus dem Kreis der potentiellen Täter — stets oder doch in einer nach abstrakten Kriterien bestimmbaren Mehrzahl von Fällen — zugleich der Strafbarkeit als Anstifter oder Gehilfe entgegenstünde. Pointiert formuliert müßte sich ein Geltungsbereich für die These nachweisen lassen, daß wer nicht Täter sein könne, auch nicht als Teilnehmer in Betracht komme. Daß einem derartigen Grundsatz jedenfalls keine allgemeine Gültigkeit zukommt, beweisen bereits die sog. Sonderdelikte 71 : Wie die obligatorische Strafmilderung gemäß § 28 I StGB (in Verbindung mit § 491 StGB) zeigt, reagiert das Gesetz auf das Fehlen strafbarkeitsbegründender persönlicher Merkmale nicht in der Weise, daß die als Täter straflose Person gänzlich straflos bliebe; vielmehr ist eine Teilnahmestrafbarkeit (wenngleich mit gemildertem Strafrahmen) sehr wohl möglich. Es ließe sich freilich theoretisch der Einwand denken, die Sonderdelikte trügen — wie bereits ihr Name nahelege — dogmatischen Ausnahmecharakter, so daß jenseits dieses Bereichs die These Anerkennung finden müsse, daß der Ausschluß täterschaftlicher Verantwortlichkeit mit einer umfassenden Straflosigkeit einhergehe. Doch auch mit einem entsprechend verkürzten Anwendungsbereich läßt sich die behauptete These nicht aufrechterhalten. Denn es gibt durchaus Delikte, bei denen einerseits eine Täterkreisbeschränkung anerkanntermaßen nicht auf den Kreis potentieller Teilnehmer durchschlägt, andererseits aber auch eine Strafmilderung gemäß § 28 I StGB (überwiegend) auf Ablehnung stößt. Als Beispiele sind insoweit die Gefangenenmeuterei (§121 StGB) 72 sowie die Vornahme exhibitionistischer Handlungen (§ 183 StGB) 73 zu nennen. Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen ist somit festzustellen, daß das abstrakte Verhältnis der Beteiligungsformen zueinander die Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" nicht zu erklären vermag. Denn der formale Erst-recht-Schluß ist inhaltlich von dem Nachweis abhängig, daß mit der Ausklammerung des „notwendigen Teilnehmers" aus dem Täterkreis ein auf diese Person bezogener Privilegierungszweck verfolgt wird. Damit entbehrt der hier diskutierte a-maiore-ad-minus-Schluß aber einer eigenständigen Begründungsfunktion; maßgeblich für die Straflosigkeit ist allein das Ergebnis der unumgänglichen Analyse des betreffenden Deliktstatbestandes. Als allgemein gültiger BeWie hier auch Bohnert, Meyer-GS (1990), S. 528 f. Vgl. auch bereits oben (zu) Fn. 12. 72 Gegen eine Anwendung des § 28 I StGB für Außenstehende Lackner, Rdn. 2; SKHorn, Rdn. 13 und LK-v. Bubnoff, Rdn. 10 jeweils zu § 121; Dreher / Tröndle, § 121 Rdn. 18. Vgl. zum Ganzen auch LK-Roxin, § 28 Rdn. 41 sowie allgemein zu Durchbrechungen der Akzessorietät neben den §§28 und 29 StGB jüngst ausführlich Herzberg, GA 1991, 145 ff. (152 und passim). 73 Teilnehmerin an einer Tat gemäß § 183 StGB kann auch eine Frau sein; § 28 I StGB kommt insoweit nicht zur Anwendung; S/S-Lenckner, Rdn. 7 und SK-Horn, Rdn. 7 jeweils zu § 183. Von größerer praktischer Relevanz ist die Frage der Strafmilderung gemäß § 28 I StGB bei einer Teilnahme an den Aussagedelikten (§§ 153 ff. StGB); verneinend S/S-Lenckner, vor § 153 Rdn. 42; Lackner, § 153 Rdn. 7; bejahend hingegen SK-Rudolphi, vor § 153 Rdn. 9.

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2. Kap.: Fehlen eines Generalansatzes für die Begegnungsdelikte

gründungsansatz ist der Subsidiaritätsgedanke mithin nicht geeignetfda er lediglich ein formales Instrument bietet, mit dessen Hilfe verhindert werden kann, daß eine materiell legitimierte Straflosigkeit auf der Ebene einer niedrigeren Beteiligungsform ausgehebelt wird. Aus ähnlichen Erwägungen ist es ausgeschlossen, die Vorschrift des § 28 I I StGB als Globalansatz zu akzeptieren 74. Denn auch diese Norm bietet lediglich eine formale Erklärung, nicht aber eine wirkliche Begründung für die Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers". Wenn feststeht, daß die Position des personalen Tatobjekts (unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen) ein besonderes persönliches, die Strafbarkeit ausschließendes Merkmal ist, dann bestimmt § 28 I I StGB die höchstpersönliche Wirkung dieses Umstandes. Der Ausschluß der Strafbarkeit kann hierbei aber als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 28 I I StGB nicht durch den Hinweis auf diese Bestimmung begründet werden 75 , sondern bedarf einer von dieser Norm unabhängigen dogmatischen Legitimation 76 . 74 So aber Herzberg in mehreren Arbeiten (JA 1985, 133; s. a. GA 1971, 9 f.; Täterschaft, S. 133 ff. und JuS 1983, 745 ff.); bezüglich der Identität von Tatbeteiligtem und Tatopfer klingt diese Konstruktionsmöglichkeit femer an bei Allfeld, DJZ 1903, 195. Zur Kritik gegen Herzbergs Position vgl. bereits oben Fn. 14. Neuerdings erklärt auch Herzberg (GA 1991, 145 ff., 156 ff.), die Straflosigkeit des mitwirkenden Tatopfers ließe sich zwar „zur Not auch mit § 28 II StGB begründen" (aaO. S. 158), jedoch sei eine Konstruktion vorzugswürdig, die auf der Anerkennung ungeschriebener Regeln einer Nichtanlastung basiert. 75 Gegen die auf § 28 II StGB gestützt Konstruktion sprechen zwei weitere Aspekte: Zum einen bestehen erhebliche Unsicherheiten bei der Bestimmung der „besonderen persönlichen Merkmale" (vgl. allgemein Lackner, Rdn. 3 f.; LK-Roxin, Rdn. 17 ff. jeweils zu § 28); so bewertet ζ. B. Mitsch (Provokation, S. 158 ff.) die Rechtsgutsinhaberschaft — entgegen Herzberg — als sog. „gewöhnliches" persönliches Merkmal; vgl. auch Lüderssen, Strafgrund, S. 131 f. Zum anderen werden als Strafausschließungsgründe gemeinhin nur solche Umstände angesehen, die trotz einer rechtswidrigen und schuldhaften Tat die Strafbarkeit entfallen lassen; S/S-Lenckner, Rdn. 127 ff.; LK-Hirsch, Rdn. 213 ff. jeweils vor § 32. Diese dogmatische Subsidiarität ist gerade angesichts der Heterogenität der unter der begrifflichen Klammer der „Strafausschließungsgründe" zusammengefaßten Umstände zu beachten; vgl. auch die Beurteilung der Strafausschließungsgründe bei Volk, ZStW 97 (1985), 883 (s. a. aaO. S. 874 ff., 879,881): „Tatsächlich wirkt gruppenbildend lediglich ihre Funktion, die Rechtsfolge Strafe auszuschließen. Wenn sie sonst noch eine Gemeinsamkeit aufweisen, dann ist es jenes dogmatische Defizit: Es gilt nach vorherrschender Meinung als unmöglich, sie bei den Voraussetzungen fehlenden Unrechts oder mangelnder Schuld einzureihen." 76 In gewisser Hinsicht klingt dies auch bei Herzberg (Täterschaft, S. 136) an: „Kann ein notwendig beteiligter Tatbegünstigter nicht Täter sein, so kommt es für die Möglichkeit seiner Bestrafung wegen Teilnahme auf den sachlichen Grund des Tatbestandsausschlusses an." Allerdings fährt Herzberg sodann (ebd.) fort: „Liegt dieser in seiner besonderen personalen Situation, so muß man nach dem Vorbild des § 28 II auch im Falle der Teilnahme von Strafe absehen". Die — im Gegensatz zur herrschenden Meinung bejahte — uneingeschränkte Teilnahmestrafbarkeit des begünstigten Gläubigers begründet Herzberg (aaO. S. 138) damit, daß dort der Grund für den Täterausschluß nicht in der personalen Stellung des Gläubigers liege; auch dies zeigt letztlich den Vorrang der jeweiligen Tatbestandsauslegung.

II. Konkurrenzverhältnis der Beteiligungsformen

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Stellen die genannten Aspekte keinen tragfähigen Generalansatz dar, so gilt dasselbe auch für das im Rahmen dieser Arbeit zur begrifflichen Charakterisierung der Begegnungsdelikte entwickelte Kriterium der „funktionalen Doppelrolle". Mit diesem Terminus soll zum Ausdruck gebracht werden, daß eine Person als personales Tatobjekt unverzichtbar ist und daß sich hieran die Frage knüpft, ob diese Person zugleich als Deliktssubjekt (im weiteren Sinne) strafbar sein kann. Würde man diese Fragestellung in eine thesenartige Feststellung ummünzen, so ergäbe sich als zu überprüfende Regel der Satz: „Wer Tatobjekt ist, kann nicht zugleich Deliktssubjekt sein." Diese These77 entspricht der bereits im älteren Schrifttum diskutierten sog. Objektstheorie 78. Wie sich anhand weniger Beispielsfälle unschwer dartun läßt, ist diese Theorie in ihrer apodiktischen Fassung nicht aufrechtzuerhalten. So wird beispielsweise eine Strafbarkeit des allein verletzten Beteiligten an einer Schlägerei (§ 227 StGB) überwiegend für möglich erachtet 79; weiterhin ist die Strafbarkeit eines Elternteils wegen Kindesentziehung (§ 235 StGB) denkbar 80. Vor allem zeigen aber diejenigen Begegnungsdelikte, bei denen eine rollenüberschreitende Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" nach nahezu einhelliger Auffassung für strafbar gehalten wird, daß die bloße Eigenschaft, personales Tatobjekt zu sein, eine Strafbarkeit der betreffenden Person gerade nicht ausschließt. Es bleibt mithin bei der Feststellung, daß ein einheitlicher, alle Fallkonstellationen der Begegnungsdelikte umfassender Generalansatz nicht ersichtlich ist.

77 In einem ganz ähnlichen Sinne bezeichnet es M. E. Mayer (AT, S. 387) als „widerspruchsvoll, denjenigen Tatbestand, der einen Personenkreis nur als Tatobjekt kennt, so weit auszudehnen, daß derselbe Personenkreis zum Tatsubjekt wird". 78 Vgl. dazu oben 1. Kap. Fn. 34. 79 BGHSt. 33, 100 (104); LK-Hirsch, § 227 Rdn. 19. so Geppert, Hilde Kaufmann-GS (1986), S. 759 und S/S-Eser, § 235 Rdn. 14 (jeweils mit weiteren Nachweisen); s. a. unten 4. Kap. Fn. 2.

Zweiter

Abschnitt

Die Straflosigkeit der Opfermitwirkung als allgemeines Privilegierungsprinzip 3. Kapitel

Die Straflosigkeit des mit einem Dritten zusammenwirkenden Tatopfers Das Bemühen um eine dogmatische Fundierung der These von der Straflosigkeit des Tatopfers muß seinen Ausgang von der Präzisierung des „Opfer"-Begriffs nehmen; denn die Opfereigenschaft bildet als Verkörperung der funktionalen Sonderstellung gleichsam die Keimzelle für die Entwicklung eines verhaltensunabhängigen Privilegierungskonzepts.

I. Das Opfer als Inhaber des tatbestandlich geschützten Rechtsguts Die Beurteilung als „schillernd" 1 verdankt der Opferbegriff dem Umstand, daß er je nach dem betroffenen Sachgebiet divergierende Konturen aufweist. Der Grund hierfür liegt darin, daß diesem Begriff in den unterschiedlichen Problemzusammenhängen eine jeweils anders geartete Funktion zukommt. So liegt der Kriminologie (hier insbesondere der Viktimologie), die sich auch mit dem Prozeß des Opferwerdens, der Opferhilfe und Opferbehandlung sowie mit der Prävention befaßt, ein relativ weiter (auch „Kollektivopfer" miteinbeziehender) Opferbegriff zugrunde 2, während beispielsweise das Opferentschädigungsgesetz auf einen sehr viel engeren Personenkreis zugeschnitten ist 3 . Die Strafprozeßordnung verwendet anstelle des Terminus „Opfer" den Begriff des „Verletzten" 4 , 1

So Jung, in: Kaiser / Kemer / Sack / Schellhoss, Kleines Kriminologisches Wörterbuch, Stichwort: „Viktimologie", S. 520; vgl. auch Frisch, JZ 1974, 9. 2 Zum viktimologischen Opferbegriff vgl. außer Jung (wie in Fn. 1) Hillenkamp, JuS 1987, 940 f.; Rieß, Jura 1987, 281 ff. sowie aus kriminologischer Sicht Sessar, JescheckFS Bd. II (1985), S. 1137 ff. (1146 ff.); Schneider, Opfer, S. 15 f. sowie ders., Kriminologie, S. 84, 755, 758. 3 Zur Rechtswirklichkeit der (ohnehin nur einen kleinen Bereich abdeckenden; vgl. § 1 OEG) Opferentschädigung vgl. Eisenberg, Kriminologie, 61 / 20 f.

I. Das Opfer als Inhaber des geschützten Rechtsguts

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doch steht auch hier der funktionale Bezug zu den jeweiligen strafprozessualen Regelungsmaterien der Anerkennung eines einheitlichen Verletztenbegriffes entgegen5. Im Bereich des Strafgesetzbuches erfährt der Verletzte im Rahmen des Strafantragsrechts (§§ 77 ff. StGB) eine explizite Regelung6. Hinsichtlich der Auslegung des Verletztenbegriffs besteht dort Einigkeit darüber, daß der Träger des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts stets als von der Tat betroffen (und somit als antragsberechtigt) gilt 7 ; umstritten ist hingegen, ob und inwieweit über die formale Inhaberstellung hinaus der Kreis der „Verletzten" auf weitere durch die Tat geschädigte Personen auszudehnen ist 8 . Diese Vielfalt möglicher Begriffsinhalte unterstreicht die Notwendigkeit, auch für die vorliegend interessierende Thematik — die mögliche Straflosigkeit der Opfermitwirkung — den Opferbegriff problembezogen zu entwickeln. Hierbei kommt grundsätzlich nur ein (relativ) enger Opferbegriff in Betracht. Daß eine lediglich allgemeine Interessenbeeinträchtigung nicht zur Zurückdrängung der Strafdrohung ausreichen kann, zeigt insbesondere der Vergleich mit § 60 StGB: Nach dieser Vorschrift sieht das Gericht von Strafe ab, wenn die den Täter (bzw. Teilnehmer) treffenden Tatfolgen so schwerwiegend sind, daß eine Bestrafung „offensichtlich verfehlt" erschiene. Hieraus folgt, daß mit der Tat einhergehende allgemeine Umstände nur bei erheblichem Gewicht die Verhängung einer Strafe hindern, und selbst dann wird die Strafbarkeit des Verhaltens im Urteil ausgesprochen. Wenn demgegenüber das Opfer im Kontext der „notwendigen Teilnahme" von vornherein straflos bleiben soll, so bedarf es hierfür einer besonders engen Anbindung an die Merkmale des jeweiligen Einzeldelikts. Dieser Bezug zur jeweiligen Einzelnorm ist bereits in dem ersten der von v. Kries 9 im Jahre 1887 aufgestellten Grundsätze deutlich erkennbar: „Diejenige Person, zu deren Schutz ein Strafgesetz erlassen ist, kann niemals wegen Teilnahme an der Übertretung desselben bestraft werden." Diese Formulierung darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Fundierung eines allgemeinen Strafrechtssatzes auf einen über das jeweilige Einzeldelikt hinausweisenden Gesichtspunkt gerichtet sein muß, da andernfalls der Grundsatz der straflosen Opfermitwirkung nicht mehr wäre als die klassifikatorische Zusammenfassung von 4 Rieß, Jura 1987, 281 ff.; zur Stellung des Verletzten im Strafprozeß vgl. allgemein Neumann, in: Hassemer, Strafrechtspolitik, S. 241 ff.; Schünemann, NStZ 1986, 193 ff. (196 ff.); KK-Pfeiffer, Einl. Rdn. 91a, 91b sowie ausführlich Rieß, DJT-Gutachten, Rdn. 10 f. (mit Fn. 27), 21 ff. 5 Ebenso Rieß, DJT-Gutachten, Rdn. 86 (mit Fn. 267); Jung, ZStW 93 (1981), 1148 ff. und LR-Wendisch, vor § 374 Rdn. 1 ff. Bei der Schaffung des 1. OpferschutzG. vom 18.12.1986 (BGBl. I 2496) hat der Gesetzgeber bewußt auf eine Definition des Begriffs des „Verletzten" verzichtet; vgl. BT-Ds 10 / 5305, S. 16 und LR-Hilger, vor § 406 Rdn. 6. 6 Vgl. allgemein Rieß, DJT-Gutachten, Rdn. 12, 14 ff. 7 LK-Jähnke, Rdn. 23; Dreher / Tröndle, Rdn. 2 und Lackner, Rdn. 6 jeweils zu § 77. 8 Bejahend etwa LK-Jähnke, Rdn. 23; verneinend SK-Rudolphi, Rdn. 1 jeweils zu § 77; ders., JR 1982, 27 f.; s. aber auch BGHSt. 31, 207 (210 ff.). 9 ZStW 7 (1887), 527.

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

gleichgelagerten Einzelergebnissen. Bei der Herausarbeitung eines solchen abstrakten Merkmals ist die Strafrechtsdogmatik bislang nicht nennenswert vorangekommen. Der Blick in die gegenwärtige Strafrechtslehre vermittelt insofern ein recht diffuses Bild, als teilweise auch der nur „reflexartige" (indirekte) Schutz zur hinreichenden Grundlage einer umfassenden Straflosigkeit erklärt wird 1 0 , während bezüglich anderer Straftatbestände die bloße „reflexartige" Begünstigung gerade nicht ausreichen soll, um eine Teilnahmestrafbarkeit des personalen Tatobjekts schlechthin auszuschließen11. Obwohl auf die Bedeutung des „Schutzreflexes" zurückzukommen sein wird 1 2 , ist das Hauptaugenmerk zunächst auf das Wesen der unmittelbaren (bzw. „direkten") Schutzbeziehung zu richten. Als geeigneter Ansatzpunkt, die Opfereigenschaft in den Fällen der „notwendigen Teilnahme" in die Strafrechtsdogmatik zu integrieren, erscheint der Rechtsgutsgedanke. Denn wird die Aufgabe des Strafrechts heute allgemein als Rechtsgüterschutz 13 durch die Pönalisierung sozialschädlichen Verhaltens 14 gedeutet, so manifestiert sich im jeweils geschützten Rechtsgut zugleich die legislatorische Schutzkonzeption15. Ungeachtet der mit dem Rechtsgutsbegriff auch heute verbundenen Schwierigkeiten 16 ist die Bedeutung des Rechtsguts als tatbestandlichem Schutzobjekt anerkannt, so daß es durchaus nahe liegt, die von v. Kries gewählte Umschreibung der „Person, zu deren Schutz ein Strafgesetz erlassen ist", durch den Begriff des Rechtsgutsträgers zu ersetzen. Diese Gleichsetzung impliziert freilich, daß der einzelne überhaupt Inhaber von ihm zugewiesenen, strafrechtlich geschützten Rechtsgütern sein kann 17 . Gera10 So beispielsweise — bezüglich der Kindesentziehung — Lackner, § 235 Rdn. 1; s. a. allgemein Bohnert, Meyer-GS (1990), S. 521 f. π Vgl. zu § 181 StGB a. F. BGHSt. 18, 283 (285) mit zustimmender Anm. Oehler, JZ 1964, 382 f. sowie bezüglich der Falschverdächtigung BGHSt. 5, 66 (68) und S/SLenckner, § 164 Rdn. 2, 36. 12 S. unten 4. Kap. I. 3. 13 Vgl. § 2 I AE-AT („Strafen und Maßregeln dienen dem Schutz der Rechtsgüter und der Wiedereingliederung des Täters in die Rechtsgemeinschaft.") sowie Roxin, ZStW 81 (1969), 622 ff.; SK-Rudolphi, vor § 1 Rdn. 1 ff.; Baumann I Weber, AT, § 3 II 2 (= S. 9 f.); Maurach I Zipf, AT 1, 19/4 ff.; Wolter, Zurechnung, S. 24 f.; Ben, Tatbestandsverwirklichung, S. 32 ff.; Frisch, Vorsatz, S. 47 f. und Vormbaum, Schutz, S. 65; zum Ganzen auch Lackner, vor § 13 Rdn. 4. 14 Zur Sozialschädlichkeit vgl. (außer den in der vorigen Fn. genannten Nachweisen) Maurach / Zipf \ AT 1, 13/9 f.; Zipf, Kriminalpolitik, S. 106 ff.; Stratenwerth, AT, Rdn. 52 ff.; Gössel, Oehler-FS (1985), S. 99 f.; Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 350 ff., 393 ff. (und passim); Mylonopoulos, Verhältnis, S. 80 ff. 15 Vgl. hierzu Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 5 f.; SK-Rudolphi, vor § 1 Rdn. 4 und Baumann/Weber, AT, § 12 II 3 a (= S. 139). 16 Diese Schwierigkeiten resultieren im wesentlichen daraus, daß dem Rechtsgutsbegriff unterschiedliche (systemimmanente und systemkritische) Funktionen übertragen werden; vgl. dazu S/S-Lenckner, vor § 13 Rdn. 10; Rudolphi, Honig-FS (1970), S. 151 ff.; Blei, AT, § 33 (= S. 102 ff.) und Jakobs, AT, 2/ 12 f. 17 Zum Problem des Rechtsgutsträgers vgl. Hassemer, Theorie, S. 68 ff., 209 f., 221 ff.; Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 107 ff., 207 und Jakobs, AT, 2 / 8 ff.; s. a. Sina, Dogmengeschichte, S. 60.

I. Das Opfer als Inhaber des geschützten Rechtsguts

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de diese Prämisse ist vor einiger Zeit jedoch von Weigend 18 in Zweifel gezogen worden, der aus der Aufgabe des Strafrechts, Sozialinteressen zu dienen, folgert, daß „auch deren spezifische Ausformungen, die Rechtsgüter, Sozialinteressen sein (müssen)". Zugunsten eines solchen sozialbezogenen Erklärungsmodells lassen sich noch zahlreiche weitere Anhaltspunkte anführen, die auf eine vom einzelnen abstrahierende und verstärkt gesellschaftliche Belange in den Vordergrund rückende Entwicklung hinweisen 19 . So wird in der Strafzweckdiskussion heute verstärkt der Aspekt der positiven Generalprävention 20 genannt; hierbei erscheint die Strafe als eine der Normstabilisierung dienende kontrafaktische Reaktion auf gesellschaftliche Erwartungsenttäuschung. Auch die vermehrte Bedeutung abstrakter Gefährdungsdelikte 21 weist in die Richtung, daß das Strafrecht als Instrument der Verhaltenssteuerung an den konkreten Interessen eines bestimmten Individuums vorbeigeht und an gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen orientiert ist. Ähnlich verhält es sich mit den modernen, an generalpräventiven Aspekten ausgerichteten funktionalen Schuldkonzeptionen22. Obwohl sich somit die von Weigend verfochtene Auffassung harmonisch in ein generelles Grundverständnis von Funktion und Zweck des Strafrechts einbetten läßt, ist auch ein Erklärungsmodell denkbar, in welchem der Staat — anstatt seine Bürger nur „reflexartig" zu begünstigen — ganz gezielt den Interessen des einzelnen Schutz gewähren will, indem er die in den Grundrechten verbürgten Freiheitsräume durch die Statuierung entsprechender Strafnormen absichert. Das Strafantragsrecht 23, die erneute Belebung des Gedankens der Wiedergutmachung 24 und die Verstärkung der Stellung des Deliktsopfers im Strafverfahren 25 machen deutlich, daß im strafrechtlichen Gesamtkonzept auch die Interessen des betroffenen Individuums durchaus normative Berücksichtigung finden. ι» ZStW 98 (1984), 44 ff. (51 ff.); das wiedergegebene Zitat befindet sich aaO. S. 54. Vgl. zum folgenden Hassemer (in: Philipps / Scholler, Jenseits des Funktionalismus, S. 85 ff.), der einem weithin feststellbaren funktionalistischen Strafrechtsverständnis die Konzeption einer „personalen Rechtsgutslehre" gegenüberstellt. 20 Vgl. Roxin, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 47 f. 21 Weber, ZStW-Beiheft 1987, 1 f., 21 ff.; Jakobs, ZStW 97 (1985), 767 ff.; zur Funktion abstrakter Gefährdungsdelikte vgl. ferner Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 274 ff. 22 Vgl. hierzu SK-Rudolphi, vor § 19 Rdn. la, lb; Jakobs, AT, 17/1 ff.; Roxin, Henkel-FS (1974), S. 171 ff.; ders., Bockelmann-FS (1979), S. 279 ff. sowie jüngst H. Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 56 ff., 71 ff. 23 Eine auf die Allgemeinheit bezogene Interpretation des Strafantrages findet sich bei M. K. Meyer, Strafantrag, S. 44 f.; kritisch hierzu Zielinski, Hilde Kaufmann-GS (1986), S. 878 f. Allgemein zum Strafantragsrecht vgl. Weigend, Deliktsopfer, S. 444 ff. (455), 547 (de lege ferenda gegen eine generelle Hinderungsmacht des Tatopfers und für die Möglichkeit eines Antrages auf Nichtdurchführung des Strafverfahrens). 24 Vgl. Schöch (Hrsg.), Wiedergutmachung und Strafrecht (1987) sowie die Habilitationsschrift von Frehsee, Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle (1987). 25 Von einer (prozessualen) „Renaissance" des Opfers spricht Eser, Armin KaufmannGS (1989), S. 723 ff.; vgl. auch Roxin, in: Schöch, Wiedergutmachung, S. 42. 19

5 Sowada

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

Vor allem aber streitet das Rechtsinstitut der Einwilligung für die Anerkennung von Individualrechtsgütern; denn die Befugnis zum Unrechtsausschluß impliziert die Rechtsgutsinhaberschaft als dogmatische Grundlage der grundsätzlich unbeschränkten Verfügungsmacht. Dem Faktum einer unrechtsausschließenden Wirkung von Individualentscheidungen trägt Weigend 26 in der Weise Rechnung, daß er bezüglich der einer Einwilligung prinzipiell zugänglichen Straftatbestände die Verfügbarkeit durch den einzelnen als schützenswertes Sozialinteresse ansieht und in das jeweilige Rechtsgut integriert. Eine solche Konstruktion wäre allenfalls dann überzeugend, wenn der Opferwillen grundsätzlich unbeachtlich wäre und die Dispositionsbefugnis als dogmatische Ausnahme erschiene. So verhält es sich jedoch nicht; vielmehr gibt es zahlreiche Straftatbestände, in denen eine rechtfertigende Einwilligung (oder ein tatbestandsausschließendes Einverständnis) in Betracht kommt. Die in den §§216 und 226a StGB normierten Verfügungsbeschränkungen tragen mithin eindeutigen Ausnahmecharakter. Insbesondere ist selbst das Rechtsgut „Leben" nicht schlechthin der Verfügung des Individuums entzogen: Abgesehen von der Straflosigkeit des (versuchten) Suizids 27 verdient eine enge, verhaltensbezogene Interpretation des § 216 StGB den Vorzug, die nur einem völligen Unrechtsausschluß bezüglich finaler Fremdtötungen entgegensteht28, eine Einwilligung in bloße Lebensgefährdungen hingegen zuläßt 29 . Ist aber die Verfügungsbefugnis über ein Rechtsgut nicht umfassend aufgehoben, sondern allenfalls partiell eingeschränkt, so liegt es näher, den einzelnen Rechtsgenossen als Inhaber des betreffenden Rechtsguts zu betrachten, anstatt ihm nur die Rolle eines „Verwalters" zugunsten der Rechtsgemeinschaft zuzuweisen. Für das Individualrechtsgüter anerkennende Denkmodell spricht mithin zumindest der erklärungstechnische Vorteil, daß es den mit den jeweiligen Straftatbeständen bezweckten Schutzgedanken unmittelbar zur Geltung bringt und hierdurch den Umweg vermeidet, die normativen, auf den einzelnen bezogenen Schutzinteressen zunächst in ein am gesellschaftlichen Kollektiv ausgerichtetes Erklärungsmodell zu überführen. Als „Opfer" ist damit in dieser Arbeit jenes 26 ZStW 98 (1986), 59 ff. 27 Ungeachtet seines kollektiven Rechtsgutsverständnisses lehnt auch Weigend (ZStW 98 [1986], 66) eine Rechtspflicht zum Weiterleben (hierfür Schmidhäuser, Welzel-FS [1974], S. 814 f. und Klinkenberg, JR 1978, 444 f.) ausdrücklich ab und plädiert (aaO. S. 68 in Fn. 87) de lege ferenda für eine (ausländischen Vorbildern folgende) Pönalisierung der Suizidteilnahme. 28 Ebenso Kientzy, Mangel, S. 97 ff.; Schaffstein, Welzel-FS (1974), S.571; LKHirsch, Rdn. 95; S/S-Lenckner, Rdn. 103 f. jeweils vor § 32; SK-Samson, Anh. zu § 16 Rdn. 33 und LK-Schroeder, § 16 Rdn. 179 f. 29 Vgl. hierzu ausführlich Schaffstein, Welzel-FS (1974), S. 567 ff.; s. a. Ostendorf\ JuS 1982, 431 f. und Ranft, Jura 1987, 615. Als rechtsgutsbezogene Einwilligungssperre wird § 216 StGB hingegen gedeutet von Geppert, ZStW 83 (1971), 971 ff. (974, 983); s. a. Dölling, GA 1984,83 ff. und Weigend, ZStW 98 (1986), 69 ff. Die Lebensgefährdung genügt als solche auch nicht zur Annahme der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 226 a; vgl. Dölling aaO. S. 89 ff. und LK-Hirsch, § 226a Rdn. 13; s. a. die beachtliche Kritik einer Bewertung der verfolgten Ziele bei Schaffstein aaO. S. 569 f.; Weigend aaO. S. 64 und Schiinemann, JA 1975, 723.

II. Der Strafgrund der Teilnahme

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personale Tatobjekt anzusehen, das zugleich Träger des tatbestandlich geschützten Rechtsguts ist.

I I . Der Strafgrund der Teilnahme In dem Bemühen, die Straflosigkeit des Tatopfers überzeugend zu begründen, bildet die Präzisierung des „Opfer"-Begriffs lediglich den ersten Schritt. Hiermit ist insbesondere noch nicht geklärt, inwieweit die Rechtsgutsträgereigenschaft einer Teilnahmestrafbarkeit des Opfers entgegensteht. Um diesen Zusammenhang herstellen zu können, ist im folgenden der Unrechtsgehalt der Teilnahme aufzuhellen. Die Frage, wofür der Teilnehmer im Rechtssinne Verantwortung trägt, ist Gegenstand der mit dem Schlagwort vom „Strafgrund der Teilnahme" bezeichneten Problematik. Der dem Teilnehmer gegenüber zu erhebende Unrechtsvorwurf kann sich darauf gründen, daß der Teilnehmer (1) die Person des Täters, (2) die Allgemeinheit oder (3) den durch die Haupttat beeinträchtigten Rechtsgutsträger angreift. Auch wenn die zuletzt genannte — als sog. „Verursachungstheorie" bezeichnete — Auffassung in der heutigen Strafrechtslehre absolut dominiert 30 , ist auf die abweichenden Konzeptionen in der gebotenen Kürze einzugehen.

1. Ablehnung der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre Die Schuldteilnahmetheorie 31 sieht den Strafgrund der Teilnahme primär 32 in einem Angriff auf die Person des Täters, der „in Schuld und Strafe verstrickt" 33 werde. Eine so konzipierte Teilnahmestrafbarkeit ist spätestens mit der Einführung der limitierten Akzessorietät unhaltbar geworden 34; denn gemäß § 29 StGB ist die Strafbarkeit des Teilnehmers von Schuld und Strafe des Haupttäters gerade 30 Vgl. nur Jescheck, AT, § 64 I (= S. 620 f.) sowie SIS-Cramer, vor § 25 Rdn. 17 ff. (jeweils mit weiteren Nachweisen). 31 Als Vertreter der Schuldteilnahmelehre ist vor allem Hellmuth Mayer (Strafrecht, S. 333 f.; AT, S. 318 ff.; Rittler-FS (1957), S. 253 ff.; StudB, § 39 II 1 [= S. 155]) zu nennen; s. a. Schaffstein, ZStW 57 (1938), 323 und Kohlrausch, Bumke-FS (1939), S. 47 f. Zur historischen Entwicklung der Schuldteilnahmetheorie vgl. Lange, Notwendige Teilnahme, S. 36 ff. und Trechsel, Strafgrund, S. 3 ff. 32 Allerdings ist die Schuldteilnahmelehre nicht so monistisch, wie sie vielfach dargestellt wird; vgl. hierzu Küper, GA 1974, 323 f. Vielmehr wird neben dem Korrumpierungsgedanken auch der Aspekt der Mitwirkung an fremder Tat ergänzend herangezogen; vgl. bereits Mayer, Strafrecht, S. 334 sowie insbesondere ders., StudB, § 39 II 4 (= S. 157 f.: „Doppelnatur der Teilnahmevorschriften"). 33 So Mayer, Rittler-FS (1957), S. 255. Prägnant wird die Schuldteilnahmelehre auch durch folgenden, vielzitierten Satz Mayers (Strafrecht, S. 334; AT, S. 319) charakterisiert: „Mag der Angriff des Anstifters auf das Rechtsguts nicht so intensiv sein, daß man sagen könnte, er hat den Mord gemacht, so hat er doch jedenfalls den Mörder gemacht." 34 Ebenso Stratenwerth, AT, Rdn. 853; LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 8. 5'

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

unabhängig. Als Reaktion auf diese Veränderung der Gesetzeslage hat die Schuldteilnahmelehre — insbesondere durch die Arbeiten von Less35 und TrechseP 6 — einen Wandel zur sog. Unrechtsteilnahmelehre erfahren 37. Indem auch die Unrechtsteilnahmelehre (maßgeblich) auf einen gegen den Täter geführten Angriff abstellt, erweist sie sich als Fortschreibung der Schuldteilnahmetheorie; hierbei wird allerdings das Merkmal der Schuldverstrickung durch den Gesichtspunkt der „sozialen Desintegration" 38 ersetzt. Mit diesem Kriterium soll zum Ausdruck gebracht werden, daß das in der Anstiftung liegende Korrumpierungsmoment den Täter — unabhängig von der Frage eines ihn treffenden Schuldvorwurfs — in den Zustand faktischer Rechtsgegnerschaft bringe und hierdurch die Gefahr nachteiliger sozialer Folgen für den Täter (Belastung mit einem Strafverfahren, Strafe bzw. Maßregel der Besserung und Sicherung) begründe. Bezüglich der „notwendigen Teilnahme" scheint die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre zu einer Strafbarkeit des „notwendigen Teilnehmers" zu führen, da dieser ja durchaus in einer Weise an dem Geschehen beteiligt ist, die — wie er weiß — den (grundsätzlich strafbaren) Täter der sozialen Desintegration aussetzt. Obwohl dieses naheliegende Ergebnis den Vertretern der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre stets entgegengehalten wurde 39 , ist zu konstatieren, daß auch die Anhänger dieser Teilnahmekonzeption die ihnen zugeschriebene Konsequenz zu vermeiden wußten 40 . Dies schwächt die Position der Kritiker jedoch kaum; denn auf dem Boden der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre erscheint die Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" als eine im Widerspruch zu den Grundprämissen stehende Ausnahme, die sich nicht harmonisch in diese Teilnahmekonzeption einfügen läßt, sondern ihr als Fremdkörper gegenübergestellt werden muß. Wenn die Straflosigkeit damit begründet wird, daß die „notwendige Teilnahme" eine sachnähere Spezialmaterie 41 darstelle, daß der „notwendige Teilnehmer" vielfach nicht in der Lage sei, das Unrecht des Täters zu erkennen 42 oder wenn der Teilnahmeakt als nicht hinreichend strafwürdig erscheine 43, so belegen diese 35 ZStW 69 (1957), 43 ff. 36 Der Strafgrund der Teilnahme (1967). 37 LK-Roxin, Rdn. 9; SK-Samson, Rdn. 5 f. jeweils vor § 26 sowie ausführlich Lüderssen, Strafgrund, S. 49 ff. Mit einer anderen Bedeutung verwendet Stratenwerth (AT, Rdn. 858 ff.) den Begriff der Unrechtsteilnahmelehre; vgl. hierzu Samson aaO. Rdn. 10. 38 Trechsel, Strafgrund, S. 55. 39 Lange, Notwendige Teilnahme, S. 39 f.; Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 24 f.; s. a. LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 9 und Ebert, JZ 1983, 641. 40 Das gilt zumindest bezüglich desjenigen „notwendigen Teilnehmers", dessen Schutz das jeweilige Delikt bezweckt. Zur Behandlung der „notwendigen Teilnahme" durch die Vertreter der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorie vgl. Mayer, Strafrecht, S. 338; ders., AT, S. 336 f.; ders., Rittler-FS (1957), S. 260 f. sowie ausführlich Trechsel, Strafgrund, S. 68 ff. (72, 83 ff.). 41 Mayer (Strafrecht, S. 338) bezeichnet die „Auslegungsregel von der notwendigen Teilnahme" als eine die Anwendung der Teilnahmebestimmungen ausschließende „lex specialis". 4 2 So Mayer, Rittler-FS (1957), S. 260.

II. Der Strafgrund der Teilnahme

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recht vagen Argumentationen, daß es an einer festen Verankerung der Straflosigkeit im Bereich des Teilnahmeunrechts fehlt. Diese Unsicherheit ist zwar auch auf dem Boden anderer Teilnahmekonzeptionen in mehreren der „notwendigen Teilnahme" zugeordneten Fällen zu beobachten, doch bildet dort zumindest die Fallgruppe des straflos bleibenden Tatopfers die Chance eines überzeugend fundierten Teilbereichs. Demgegenüber vermag die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre zu einer Erklärung der Straflosigkeit nichts beizutragen; im Gegenteil muß sie eine solche Erklärung tendenziell erschweren, da sie das Verhältnis des Teilnehmers zum Haupttäter in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt und damit dem Umstand der Rechtsgutsträgereigenschaft des beteiligten Tatopfers eine nur periphere Bedeutung zumißt 44 . Die Schwierigkeiten bei der Bewältigung der „notwendigen Teilnahme" — ähnliches gilt für die Problematik des agent provocateur 45 — können sogar als bloße Randerscheinungen beiseite gelassen werden, wenn es um die dogmatische Beurteilung der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre geht. Auch die Anpassung an die Einführung der limitierten Akzessorietät hat diese Teilnahmekonzeption nicht vor der nahezu einhelligen Ablehnung bewahrt; für das deutsche Recht 46 hat die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre in den letzten zwanzig Jahren keine Anhänger mehr gefunden, während umgekehrt zahlreiche Arbeiten 47 vorliegen, die nach ausführlicher Erörterung zur Ablehnung dieser Theorie gelangen. Vor dem Hintergrund dieser Arbeiten erscheint es unangemessen, erneut eine breit angelegte Untersuchung über die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre zu beginnen48. Statt « Ebd. 44 Wenn Trechsel (Strafgrund, S. 72,83) entscheidend auf die Rechtsgutsinhaberschaft abstellt, entspricht seine Argumentation zwar der hier vertretenen Konzeption, doch gelingt dies nur dadurch, daß er den Aspekt der sozialen Desintegration des Haupttäters insoweit in den Hintergrund treten läßt. Vgl. auch A. Esser, GA 1958, 327 f. zum Abstimmungsverhalten der Anhänger der Schuldteilnahmetheorie in der Großen Strafrechtskommission. 45 Auf dem Boden der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre gelangen sowohl Trechsel (Strafgrund, S. 93 ff., 100 f.) als auch Mayer (StudB, § 40 I 3 [= S. 163]; anders jedoch noch in: Strafrecht, S. 338) zum Ergebnis einer Straflosigkeit des agent provocateur; vgl. dazu auch Küper, GA 1974, 323 ff. 46 Demgegenüber gilt die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorie in der Schweiz sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung als herrschend; vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 207; s. a. Keller, Grenzen, S. 162. 47 Ausführlich begründete Ablehnungen der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorie finden sich bei A. Esser, GA 1958, 321 ff.; Schroeder, Täter, S. 206 ff.; Lüderssen, Strafgrund, S. 47 ff.; M. K. Meyer, Strafwürdigkeit, S. 55; D. Fischer, Problematik, S. 13 ff. sowie vor allem jüngst bei Mitsch, Provokation, S. 77. Auch in der Rechtsprechung ist die Schuldteilnahmelehre auf einhellige Ablehnung gestoßen; vgl. RGSt. 15, 315 (316) und BGHSt. 4, 355 (358). Eine mildere, wenngleich im Ergebnis ebenfalls ablehnende Beurteilung erfährt die modifizierte Schuldteilnahmetheorie hingegen jüngst bei Keller, Grenzen, S. 163 ff. 48 Es kommt hinzu, daß die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre eigentlich nur auf die Anstiftung zugeschnitten ist; vgl. Stratenwerth, AT, Rdn. 855; Maurach I Gössel, AT 2, 50/35; SIS-Cramer, vor § 25 Rdn. 19; LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 9; s. a. Trechsel, Strafgrund, S. 107 f.

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

dessen sollen an dieser Stelle lediglich drei durchgreifende Bedenken49 gegen diese Teilnahmetheorie kurz genannt werden: (1) Das Gesetz bestimmt den für den Teilnehmer geltenden Strafrahmen stets mit Bezug zum Haupttatunrecht 50; demgegenüber läge die Schaffung (partiell) eigenständiger Strafrahmen näher, wenn die Teilnahme gerade auch wegen der ihr immanenten Verfehlung gegenüber dem Haupttäter geahndet werden sollte 51 . (2) Gemäß § 24 I I 1 StGB erlangt der Teilnehmer vollständige Straffreiheit bei jeder freiwilligen Verhinderung der Tatvollendung; kommt es somit nicht darauf an, zugleich den Täter zur freiwilligen Tataufgabe zu bewegen, so kann der Strafgrund der Teilnahme nicht in der (bezüglich des Täters fortbestehenden) sozialen Desintegration zu sehen sein 52 . (3) Die soziale Desintegration stellt eine (im normativen Sinne freiverantwortliche) Selbstgefährdung des Täters dar; diese ist wegen des Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit 53 dem Teilnehmer nicht zuzurechnen. Hinsichtlich der Begründung des Teilnahmeunrechts ist die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre heute praktisch bedeutungslos54, so daß man sie wenn nicht gar für widerlegt, so doch zumindest für überholt halten kann. Es ist somit festzustellen, daß der Grund für die Teilnahmestrafbarkeit nicht in einem Angriff auf die Person des Täters zu sehen ist. Im normativ geprägten Verständnis erscheint der Täter nicht als Opfer des Anstifters 55 . Das schließt nicht aus, daß bei der konkreten Strafzumessung dem Maß der Prädisposition des Täters sowie der Willensbeeinflussung Rechnung getragen werden kann 56 . Als Theorie zur 4

9 Die (vermeintliche) Stärke der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre besteht darin, daß sie die tätergleiche Bestrafung des Anstifters wegen dessen Angriffs auf den Täter zwanglos erklären kann; vgl. dazu Gallas, Beiträge, S. 119 f.; ders., ZStW 80 (1968), 32 f.; Küper, GA 1974, 324; s. a. die Begründung des Erfordernisses eines kollusiven Zusammenwirkens bei Puppe, GA 1984,111 f.; vgl. femer Sippel (Strafbarkeit, S. 66 ff., 78 ff.), der — freilich ohne Bezug zur Schuldteilnahmelehre — zusätzlich zur Kollusion ein absichtliches Bestimmen verlangt. Zur Rechtfertigung der tätergleichen Strafdrohung ohne Rückgriff auf den Korrumpierungsgedanken vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 336 ff.; Lüderssen, Strafgrund, S. 57 ff.; Mitsch, Provokation, S. 67 ff.; zum Ganzen auch M. K. Meyer, Strafwürdigkeit, S. 55 ff., 69, 158 ff., 190 ff. so Auch die in § 28 StGB geregelten Strafmilderungen sprechen gegen den Korrumpierungsgedanken, da das Fehlen besonderer persönlicher Merkmale beim Anstifter keinen Einfluß auf das Maß der den Täter treffenden sozialen Desintegration hat; vgl. A. Esser, GA 1958, 327 f.; Schroeder, Täter, S. 208 und Mitsch, Provokation, S. 70. 51 Mitsch, Provokation, S. 83 ff.; Lüderssen, Strafgrund, S. 57; s. a. Otto, JuS 1982, 557. 52 Ausführlich hierzu Mitsch, Provokation, S. 95 f. 53 Allgemein zum Prinzip der Selbstverantwortung als Grenze des Gefährdungsverbots vgl. Schumann, Handlungsunrecht, S. 6 ff.; s. a. Keller, Grenzen, S. 87 ff. (92), 149 f. 54 Auch die Diskussion darüber, inwieweit der Einsatz eines V-Mannes als Angriff auf die Menschenwürde des Verleiteten (Art. 1 I, 2 I GG) zu beurteilen ist, stellt keine Wiederbelebung der Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre dar; vgl. Berz, JuS 1982, 418 f.; Puppe, NStZ 1986, 406 und Schumann, JZ 1986, 67 f. 55 Vgl. auch HansOLG Hamburg, JR 1980, 480 mit Anm. Bloy ebd. 56 Für eine Berücksichtigung der „Verführung" in der Strafzumessung A. Esser, GA 1958, 333; Heinitz, DJT-FS (1955), S. 101; Otto, JuS 1982, 557; Baumann / Weber, AT,

II. Der Strafgrund der Teilnahme

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Erklärung des Strafgrundes der Teilnahme ist die Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmelehre jedoch abzulehnen.

2. Zur Teilnahme als eigenständigem Angriff auf das Vertrauen der Allgemeinheit Ergibt sich — wie gezeigt — der Strafgrund der Teilnahme nicht aus einem gegen die Person des Täters geführten Angriff, so kommt als spezifisches Unrechtselement, durch welches die Teilnahme eine gegenüber der Haupttat eigenständige Angriffsrichtung erhalten könnte, nur eine unmittelbare Beeinträchtigung der Interessen der Allgemeinheit in Betracht. Diese Möglichkeit wird regelmäßig anläßlich des Problems der Strafbarkeit bzw. Straflosigkeit des agent provocateur erörtert 57. Dort könnte sich die Deutung der Teilnahme als eigenständige Rechtsfriedensstörung dahingehend auswirken, daß — im Gegensatz zur heute ganz überwiegend vertretenen Auffassung 58 — auch derjenige Provokateur bestraft werden könnte, der die Tat des Haupttäters nur bis in das Versuchsstadium gelangen lassen will. Aber auch für die hier interessierende Frage einer Strafbarkeit der Opfermitwirkung wäre eine derartige Teilnahmekonzeption von Bedeutung; denn eine Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit könnte auch dann anzunehmen sein, wenn der Rechtsgutsträger sich — ohne zur Einwilligung befugt zu sein — mit einem Dritten zum gemeinsamen Handeln verbindet. Gegen die These, die Teilnahme sei als eigenständiger Angriff auf ein Allgemeinrechtsgut strafbar, wird das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafgesetzbuches ins Feld geführt 59 : Dieses Verhältnis sei so beschaffen, daß alle eigenständigen Unrechtsmaterien in Tatbeständen normiert und diese dem Besonderen Teil zugewiesen seien; demgegenüber beherberge der „rechtsgutsblinde" Allgemeine Teil bloße Erscheinungsformen des Verbrechens. Das dogmatische Gewicht dieser Argumentation läßt sich nur schwer bestimmen; denn obwohl das zwischen den beiden Blöcken des Strafgesetzbuches bestehende Verhältnis ein Grundproblem der Strafrechtsdogmatik bezeichnet, gibt es zu diesem Gegenstand nur wenige Untersuchungen 60. Angesichts der weithin unge§ 37 I 1 b (= S. 553 f.); Mitsch, Provokation, S. 85 sowie ausführlich M. Κ Meyer, Strafwürdigkeit, S. 190 ff. Auch bezüglich der Strafzumessung sehr restriktiv jedoch Schroeder, Täter, S. 215. 57 Vgl. in dieser Richtung Stratenwerth, MDR 1953, 717 ff., 720; hiervon abrückend jedoch ders., AT, Rdn. 858 f. S. ferner Plate, ZStW 84 (1972), 297 ff.; Küper, GA 1974, 324 f., 328 ff.; D. Fischer, Problematik, S. 10 f., 27 ff. und Mitsch, Provokation, S. 96 ff. 58 Zur Straflosigkeit des agent provocateur vgl. Maaß, Jura 1981, 541 ff. sowie die Monographien von Mitsch, Straflose Provokation strafbarer Taten (1986); Sommer, Das fehlende Erfolgsunrecht. Zur Strafbarkeitsbewertung des agent provocateur (1987) und Keller, Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten (1989). 59 So — als Einwand gegen die Schuldteilnahmelehre — Lange, Notwendige Teilnahme, S. 41 und Franzheim, Teilnahme, S. 56; vgl. auch Lüderssen, Strafgrund, S. 54.

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

klärten Fragestellungen erscheint es zumindest empfehlenswert, nach einer materiellen Absicherung dieses formal vorgeprägten Ergebnisses 61 Ausschau zu halten. Als Ansatzpunkt für eine materielle Argumentation kommt der Gedanke des Rechtsgüterschutzes62 in Betracht. Legitimiert sich der Einsatz des Strafrechts allgemein als Mittel des Rechtsgüterschutzes, so beansprucht dieses Postulat auch hinsichtlich des Strafgrundes der Teilnahme Beachtung. Zur Begründung der Teilnahmestrafbarkeit wäre der Gedanke eines eigenständigen, gegen die Allgemeinheit gerichteten Angriffs nur dann geeignet, wenn das Vertrauen der Allgemeinheit auf das Ausbleiben von strafbaren (Teilnahme-)Handlungen den an ein Rechtsgut zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen genügen würde 63 . Die Anerkennung eines so verstandenen „sozialen Friedens" als eigenständigem Rechtsgut ist jedoch abzulehnen64. Allerdings ist zu konstatieren, daß der Rechtsgutsbegriff nach wie vor nicht als abschließend geklärt gelten kann. Die Schwierigkeiten resultieren vor allem daraus, daß dem Rechtsgutsbegriff unterschiedliche Funktionen 65 zugewiesen werden: Zum einen findet der sog. systemimmanente Rechtsgutsbegriff 66 als strafrechtsdogmatisches Arbeitsinstrument im Rahmen der teleologischen Auslegungsmethode Verwendung; zum anderen soll der sog. systemkritische Rechtsgutsbegriff 67 durch die Aufstellung materieller Kriterien für das Vorliegen eines Rechtsgutes eine gewisse Kontrolle über den Gesetzgeber bei der Schaffung neuer Straftatbestände ausüben68. Schließlich wird auch noch 60 Zu nennen ist hier insbesondere die Untersuchung von Finche , Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts (1975); zu dieser Arbeit vgl. Gössel, JA 1975, 385 ff.; Tiedemann, GA 1976, 89 f. und Eberl, JZ 1977, 199 f. Zum Sachproblem vgl. femer Naucke, Strafrecht, S. 175 ff. sowie (anhand des § 330c StGB a. F.) ders., Welzel-FS (1974), S. 761 ff. 61 Wie hier Lüderssen, Strafgrund, S. 55; vgl. auch Less, ZStW 69 (1957), 55 und D. Fischer, Problematik, S. 29. 62 Zum Rechtsgüterschutz vgl. SK-Rudolphi, vor § 1 Rdn. 1 ff. sowie die oben in Fn. 13 f. angegebenen Nachweise. 63 Umgekehrt würde eine Verneinung der Frage die These von der „Rechtsgutsblindheit" als Wesensmerkmal (allein) des Allgemeinen Teils stützen; vgl. dazu Fincke, Verhältnis, S. 27, 90; insoweit zustimmend Gössel, JA 1975, 386. 64 Ebenso Bloy, Beteiligungsform, S. 209 und Mitsch, Provokation, S. 97 ff.; s. a. Schroeder, Täter, S. 209 ff., 211 f. und Lüderssen, Strafgrund, S. 55 f. Vgl. aber auch Küper, GA 1974,330; Plate, ZStW 84 (1972), 302 f. und — allgemein zum Rechtsfrieden als Rechtsgut — Würtenberger, Peters-FS (1974), S. 211 ff. sowie Worms, Bekenntnisbeschimpfung, S. 101 ff. (bezüglich § 166 I StGB). 65 Sommer, Erfolgsunrecht, S. 136; S/S-Lenckner, vor § 13 Rdn. 10; Rudolphi, HonigFS (1970), S. 151, 158 ff. und Geppert, ZStW 83 (1971), 966 f. 66 Hassemer, Theorie, S. 41 ff.; s. a. Stratenwerth, AT, Rdn. 55; Rudolphi, Honig-FS (1970), S. 152 ff. und Gössel, Oehler-FS (1985), S. 102 ff. 67 Hassemer, Theorie, S. 27 ff.; vgl. femer Rudolphi, Honig-FS (1970), S. 154 ff.; ders., in: SK, vor § 1 Rdn. 3 ff.; Worms, Bekenntnisbeschimpfung, S. 78 ff.; s. a. Vogler, ZStW 90 (1978), 137 ff. 68 Zu der Streitfrage, ob der Kreis schützenswerter Rechtsgüter dem Gesetzgeber vorgegeben ist oder von ihm (mit-)gestaltet wird, vgl. Rudolphi, Honig-FS (1970),

II. Der Strafgrund der Teilnahme

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auf die klassifikatorische Funktion des Rechtsgutsbegriffs hingewiesen, der eine Systematisierung der Straftatbestände unter dem Gesichtspunkt übereinstimmender Rechtsgüter ermöglicht 69 . Will man den Rechtsgutsbegriff so gestalten, daß er diesen unterschiedlichen Funktionen Rechnung tragen kann, ist zu beachten, daß die einzelnen Aufgabenzuweisungen zugleich eine unterschiedliche Abstraktionshöhe70 bedingen. Hieraus folgt, daß die denkbaren Extrempunkte vermieden werden müssen: Der Rechtsgutsbegriff darf also einerseits nicht so eng an die einzelnen Tatbestände gebunden werden, daß er als Synonym der ratio legis erscheint; denn dann würde er weder seine klassifikatorische noch seine systemkritische Funktion erfüllen können. Andererseits ist jedoch auch die Gefahr uferloser Weite zu vermeiden, da eine solche „Spiritualisierung" unvereinbar wäre mit dem instrumentellen Charakter eines handhabbaren Auslegungshilfsmittels. Gerade deshalb erscheint es geboten, den „sozialen Frieden" als unmittelbar durch den Teilnehmer beeinträchtigtes Schutzgut abzulehnen. Denn die Vertrauenserschütterung in der Bevölkerung ist von dem täterschaftlichen Rechtsgutsangriff gar nicht zu trennen 71. Ebenso wie der Täter beunruhigt der Teilnehmer die Allgemeinheit gerade deshalb, weil sich sein Verhalten als Beeinträchtigung oder Gefährdung eines mit strafrechtlichem Schutz versehenen Rechtsguts darstellt. Die Summe aller durch die einzelnen Tatbestände geschützten Rechtsgüter ist als Auslegungskriterium unbrauchbar; einer Überformung dieser Zusammenfassung zu einem neuen „Rechtsgut" fehlt es an Eigenständigkeit. Man könnte allenfalls an eine Eigenständigkeit des Teilnahmeunrechts im Hinblick darauf denken, daß die in der Teilnahme zutage tretende Solidarisierung mit dem Täter eine besondere Gefahr für den sozialen Frieden begründe 72, so S. 158 ff., 161; ders., in: SK, vor § 1 Rdn. 5 f.; Günther, JuS 1978, 9; Bockelmann I Volk, AT, § 3 II (= S. 10 f.); Kunz, Bagatellprinzip, S. 144; Vormbaum, Gmür-FS (1983), S. 328; ders., Schutz, S. 67 (Fn. 25), 69 ff.; s. a. Kaiser, Klug-FS Bd. II (1983), S. 587 ff. sowie Blei, AT, § 33 IV (= S. 104 f.). Man wird zumindest eine Pflicht des Gesetzgebers zur nachvollziehbaren Darlegung annehmen müssen; ebenso Vormbaum, Schutz, S. 65, 69; Otto, in: Müller-Dietz, Strafrechtsdogmatik, S. 14 f.; ders., AT, § 1 II 4a (= S. 11); s. a. Hassemer, Theorie, S. 200 ff. 69 Zur systematisierenden Funktion des Rechtsgutsbegriffs vgl. Jescheck, AT, § 26 I 3b (= S. 233) und Schroeder, Welzel-FS (1974), S. 859 ff (861 f.). 70 Zur Problematik des Abstraktionsgrades des Rechtsgutsbegriffs vgl. Weigend, ZStW 98 (1986), 50 f.; Rudolphi, Honig-FS (1970), S. 152 ff., 158 ff.; Maurach I Zipf, AT 1, 19/12 f. und Sommer, Erfolgsunrecht, S. 138 ff. 71 Otto, Lange-FS (1976), S. 208 f.; Mitsch, Provokation, S. 97 ff. und D. Fischer, Problematik, S. 31; vgl. auch Frisch, Vorsatz, S. 47 ff. 72 Der Gedanke der SolidarisierungsVerhinderung als Schutzfunktion von Strafrechtsnormen wurde (bezüglich der Anschlußdelikte) von Mie he (Honig-FS [1970], S. 104 f.) entwickelt (vgl. auch bereits BGHSt. [GS] 7,134,142); ihm folgend Lenckner, SchröderGS (1978), S. 353; Amelung, JR 1978, 229; Rudolphi, JuS 1979, 861 f.; Geppert, JK, StGB § 258/2; kritisch hingegen Küpper, GA 1987, 390 f. und Frisch, NJW 1983, 2471. Der Solidarisierungsgedanke wird im Rahmen der Teilnahmestrafbarkeit betont von Vogler, Heinitz-FS (1972), S. 309; ders., Dreher-FS (1977), S. 413 f. sowie jüngst vor allem von Schumann, Handlungsunrecht, S. 49 ff.

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

daß allein die Herstellung dieser personalen Beziehung eine Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit bewirke. Doch eine solche Konstruktion vermag nur scheinbar zu überzeugen. Denn wollte man die Isolierung des Haupttäters um ihrer selbst willen mit strafrechtlichen Mitteln durchsetzen, so handelte es sich hierbei um die Pönalisierung der Betätigung unwerter Gesinnung73, die für sich betrachtet als Legitimation für den Einsatz des Strafrechts gerade nicht ausreicht. Will man den Solidarisierungsgedanken mit dem Postulat des Rechtsgüterschutzes in Einklang bringen, muß man anerkennen, daß die Vertrauenserschütterung gerade deshalb besteht, weil sich die Solidarisierung als eine Mitwirkung an fremder Rechtsgutsverletzung darstellt. Insofern würde das Solidarisierungsverbot den Schutz der durch den Haupttäter angegriffenen Rechtsgüter verstärken 74 ; das Vertrauen der Allgemeinheit auf ein Unterlassen der Solidarisierung wäre gleichbedeutend mit dem Gebot, die in den einzelnen Tatbeständen geschützten Rechtsgüter zu respektieren. Auch auf diese Weise läßt sich also kein eigenständiges Allgemeinrechtsgut 75 begründen, welches von der Beeinträchtigung der primär geschützten Rechtsgüter unabhängig wäre 76 und durch das Teilnehmerverhalten eine selbständige Bedrohung erfahren würde. Ist der Vertrauensaspekt somit (grundsätzlich) erst hinter der Ebene des konkreten Rechtsgüterschutzes angesiedelt77, erscheint es zweckmäßig, hierin eine mitra Vgl. hierzu Frisch, JuS 1983, 917. 74 Diese Verstärkerfunktion kann zusätzlich neben das durch den jeweiligen Tatbestand geschützte Rechtsgut treten; in diesem Sinne wohl Lenckner, Amelung, und Rudolphi (jeweils wie in Fn. 72 angegeben); für eine Trennung vom Rechtsgutsaspekt auch Vogler, Dreher-FS (1977), S. 413 f. („kriminalpolitische Funktion"); Küpper, GA 1987, 390 und Schumann, Handlungsunrecht, S. 48 f., 51. Daß sich die im Rahmen des § 258 StGB gewünschte Restriktion auch mittels am tatbestandsmäßigen Verhalten anknüpfender Risikoaspekte erzielen läßt, zeigt Frisch, JuS 1983, 920 ff. 75 Vgl. auch Vormbaum, Schutz, S. 386 ff. 76 Demgegenüber faßt Schroeder unter der Bezeichnung „Straftaten gegen das Strafrecht" (vgl. außer der gleichnamigen Abhandlung auch Maurach / Schroeder, BT 2, § 90 [= S. 289 ff.]) Tatbestände ohne eigenes Rechtsgut zusammen, die lediglich der Sicherung und Verstärkung der übrigen Straftatbestände dienen (vgl. Straftaten, S. 11, 21). Diese Zurückdrängung des Rechtsgutspostulats ist zumindest insoweit abzulehnen, als Delikte mit (relativ) gesichertem Rechtsgut nunmehr als rechtsgutsblind erscheinen (wie hier auch Vormbaum, GA 1986, 468 f.). Es kommt hinzu, daß Schroeder (in: Maurach/ Schroeder, BT 2, § 73 I 3 [= S. 165]; § 74 I [= S. 192]) zwar die §§ 257, 258 StGB als Straftaten gegen das Strafrecht ansieht, bezüglich der §§ 153 ff., 336, 343 ff. StGB aber gleichwohl die „Rechtspflege" als Rechtsgut anerkennt. 77 Hiergegen läßt sich auch nicht einwenden, daß vielfach Einzelnormen des StGB als Rechtsfriedensdelikte bzw. als Delikte gegen den „öffentlichen (oder: Gemeinschafts-) Frieden" zusammengefaßt werden; vgl. Geerds, Handwörterbuch der Kriminologie, Stichwort „Rechtsfriedensdelikte"; Arzt, in: Arzt /Weber, LH 5, Bern. 33 ff., 80 ff.; Th. Fischer, Öffentlicher Friede, S. 599 ff. (603 ff., 630 ff.). Denn abgesehen davon, daß die Rechtsgutsqualität des „Rechtsfriedens" umstritten ist (vgl. AK-Ostendorf, vor § 123 Rdn. 1 ff.), könnte eine Anerkennung als Rechtsgut maßgeblich von einer besonderen, durch situative Umstände (öffentliches Handeln, personeller Zusammenschluß) gekennzeichneten Gefahrenverdichtung bestimmt sein; vgl. auch Klughardt, Gesetzgebung, S. 137 ff., 170 ff., 182 f.

II. Der Strafgrund der Teilnahme

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telbar verfolgte, unselbständige Zielbestimmung 78 , nicht jedoch ein eigenständiges („Super-")Rechtsgut zu sehen. Insoweit verhält es sich ähnlich wie bei der „Eindruckstheorie" im Rahmen der Versuchsdogmatik 79. Auch beim Versuch erfolgt die Beeinträchtigung des Vertrauens letztlich über den Angriff auf konkrete Rechtsgüter 80. Deshalb ist auch die Eindruckstheorie als Zielbestimmung, nicht aber als Konstituierung eines eigenständigen Rechtsguts anzusehen. Zwar könnte man daran denken, die Frage nach dem „Strafgrund" der Teilnahme ebenso unter Hinweis auf die Zielbestimmung „Vertrauensschutz" zu beantworten, wie dies beim Versuch weitgehend geschieht. Eine solche Erklärung des Strafgrundes darf aber nicht den Blick für den jeweiligen Zurechnungsgegenstand verstellen. Beim Versuch liegt der den Täter treffende Unrechtsvorwurf in der (zumindest subjektiv gewollten) unmittelbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung 81. Die die Strafbarkeit des Teilnehmers begründende Verantwortlichkeit ergibt sich weder aus einem gegen die Person des Täters noch unmittelbar gegen die Allgemeinheit gerichteten Rechtsgutsangriff, sondern sie liegt in der Mitwirkung an der Beeinträchtigung des vom Haupttäter angegriffenen Rechtsgutes.

3. Die Straflosigkeit der Opfermitwirkung auf der Grundlage der (herrschenden) Verursachungstheorie(n) Die Gemeinsamkeit derjenigen Lehrmeinungen, die unter der Bezeichnung „Verursachungstheorie(n)" zusammengefaßt werden, besteht darin, daß nach diesen Auffassungen der Teilnehmer wegen eines Angriffs auf die durch die Haupttat angegriffenen Rechtsgüter bestraft wird. Stimmen diese Ansichten somit bezüglich der Angriffsrichtung des Teilnehmerverhaltens überein, so unterscheiden sie sich jedoch hinsichtlich der Frage, inwieweit der Teilnehmer für eine eigenständige Unrechtsverwirklichung zur Verantwortung gezogen wird bzw. inwieweit ihm das vom Haupttäter verwirklichte Unrecht mittels des Akzessorietätsprinzips zuzurechnen ist 82 . Diese Unterschiede können auch für das Problem der Teilnahmestrafbarkeit des Tatopfers von Bedeutung sein; denn eine solche Strafbarkeit käme durchaus in Betracht, wenn man sich für die Strafbarkeit des Teilnehmers damit begnügen wollte, daß der Haupttäter ein ihm gegenüber geschütztes Rechtsgut angreift. 78 Ebenso Bloy, Beteiligungsform, S. 209. 79 Zur Heranziehung der Eindruckstheorie im Bereich der Teilnahmelehre vgl. Schumann, Handlungsunrecht, S. 50 und Schünemann, GA 1986, 320 f. so Vgl. Frisch, Vorsatz, S. 47 ff. 81 Zum Rechtsgutsbezug des untauglichen Versuchs vgl. Sax, JZ 1976, 432 f.; ihm folgend LK-Vogler, Rdn. 53 und S/S-Eser, Rdn. 22 jeweils vor § 22 sowie Schreiber, JuS 1985, 876. 82 Nach Ansicht von Roxin (in: LK, vor § 26 Rdn. 17) betrifft diese Frage den Kernpunkt der gegenwärtigen Auseinandersetzung.

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

Die eine Extremposition im Meinungsspektrum bildet die sog. reine Verursachungstheorie 83. Hiernach wird der Teilnehmer ausschließlich wegen seines eigenen Rechtsgutsangriffs bestraft. Die Akzessorietät wird hierbei entweder als eine rein faktische Abhängigkeit 84 gedeutet, die nur als Glied in der zum Erfolg führenden Kausalkette relevant ist, oder man legt der Akzessorietät eine zwar rechtliche, aber lediglich die Strafbarkeit begrenzende Funktion 85 bei. Eine die Teilnahmestrafbarkeit begründende Zurechnung des Haupttatunrechts findet hiernach nicht statt. Es versteht sich von selbst, daß es auf der Grundlage dieser Teilnahmekonzeption ausschließlich darauf ankommt, ob der Teilnehmer einen Rechtsgutsangriff begeht86. Als Erklärung des geltenden Rechts vermag die reine Verursachungstheorie jedoch nicht zu überzeugen 87. Denn nach ihren Prämissen muß die strafbare Extranenteilnahme am Sonderdelikt einen system widrigen Fremdkörper darstellen, da die Sonderpflichtsverletzung zwar nur in der Person des Intraneus vorliegt, zugleich aber für das vom nicht-sonderpflichtigen Teilnehmer zu verantwortende Unrecht von Bedeutung ist. Nicht im Einklang mit den §§ 26, 27 StGB steht es ferner, wenn aus der rein faktischen Abhängigkeit von der Haupttat der Schluß gezogen wird, die „Abstiftung" von gemäß § 323 c StGB gebotenen Rettungsmaßnahmen sei als strafbare Teilnahme zum entsprechenden Begehungsdelikt zu beurteilen 88 oder wenn die Suizidteilnahme de lege lata für strafbar erklärt wird, weil die Tatbestandslosigkeit des Suizids ausschließlich die „Haupttat" betreffe und mithin für die Beurteilung des Teilnehmerverhaltens irrelevant sei 89 . Diese Aporien vermeidet die Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff Diese Theorie hält zwar einerseits an dem Gedanken fest, daß der Teilnehmer

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8 3 Als Vertreter der sog. reinen Verursachungstheorie werden — ungeachtet der Abweichungen in Einzelheiten (vgl. dazu LK-Roxin, Rdn. 10 ff.; SK-Samson, Rdn. 7 ff. jeweils vor § 26) — insbesondere Lüderssen (Strafgrund, S. 25 ff., 119 ff.) und Schmidhäuser (AT, 14/57, 77; StudB AT, 10/9 f., 106 f.; Gesinnungsmerkmale, S. 262; JuS 1987, 379) genannt; im Anschluß an den zuletzt Genannten vgl. auch Plate, ZStW 84 (1972), 299 ff.; Langer, Sonderverbrechen, S. 465 ff. und M. K. Meyer, GA 1979,252 ff. sowie dies., Strafwürdigkeit, S. 135 ff., 146 ff. 84 So Lüderssen, Strafgrund, S. 119, 137; vgl. dazu Bloy, Beteiligungsform, S. 176 ff. und LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 12 ff. 85 Langer, Sonderverbrechen, S. 211 ff., 466 undM. K. Meyer, GA 1979,258; kritisch hierzu Bloy, Beteiligungsform, S. 182 ff. 86 Zur Straflosigkeit des Rechtsgutsträgers auf der Grundlage der reinen Verursachungslehre vgl. Lüderssen, Strafgrund, S. 131 f. und M. K. Meyer, GA 1979, 262 ff.; s. a. Schmidhäuser, JuS 1987, 379. 87 LK-Roxin, Rdn. 11 ff.; SK-Samson, Rdn. 11 jeweils vor § 26; Sax, ZStW 90 (1978), 928; Jescheck, AT, § 64 I 3 (= S. 621); Jakobs, AT, 22/4 f. und Stratenwerth, AT, Rdn. 856 f. 88 Lüderssen, Strafgrund, S. 191 ff. 89 AaO. S. 168, 190 f. 90 Zur Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff vgl. LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 1 ff., 17; ihm folgend Hünerfeld, ZStW 99 (1987), 234; sachlich übereinstimmend auch SKSamson, vor § 26 Rdn. 14 ff. und Stratenwerth, AT, Rdn. 858 ff. Vgl. femer Herzberg, GA 1971, 1 ff. (9 f., 12) und Sax, ZStW 90 (1978), 927 ff. (930 f.).

II. Der Strafgrund der Teilnahme

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eigenständiges Unrecht verwirklicht, indem er selbst das tatbestandlich geschützte Rechtsgut angreift. Andererseits wird die Akzessorietät durchaus als eine rechtliche Abhängigkeit von der Haupttat gedeutet; der Teilnehmer vermag hiernach das auch ihm gegenüber geschützte Rechtsgut nur auf dem Wege über eine vorsätzlich-rechtswidrige Haupttat anzugreifen. Bei dieser Konzeption werden die eigenständigen und die abgeleiteten Unrechtsbestandteile also bewußt nebeneinandergestellt. Diese offene Betonung einer Kombination von haupttatbezogenen und teilnehmereigenen Unrechtselementen verdankt ihre Entstehung dem Bemühen, die mit den einseitig ausgerichteten Erklärungsmodellen verbundenen Unzulänglichkeiten zu vermeiden. Angesichts der bewußten Akzeptanz einer rechtlichen Abhängigkeit von der Haupttat werden die dargestellten Schwächen der reinen Verursachungslehre umgangen. Gegenüber der anderen, einseitig die akzessorische Unrechtsableitung herausstellenden Variante der Verursachungstheorie wird die Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff von ihren Anhängern gerade unter Hinweis auf die Fälle der „notwendigen Teilnahme" für vorzugswürdig erachtet 91. Denn betont man die Verantwortung des Teilnehmers für fremdes, vom Haupttäter begangenes Unrecht, so sei die Straflosigkeit des an einer vorsätzlich-rechtswidrigen Haupttat beteiligten Rechtsgutsträgers ebensowenig erklärbar wie die Straflosigkeit des agent provocateur, der (zwar nur, aber immerhin) für fremdes Versuchsunrecht (mit-)verantwortlich ist. In der Tat ist es ohne weiteres einsichtig, daß die Lehre vom akzessorischen Rechtsgutsangriff die Rechtsgutsträgereigenschaft des teilnehmenden Tatopfers als ein das Teilnahmeunrecht ausschließendes Merkmal ansieht92. Im Lager der als herrschend zu bezeichnenden sog. akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie 93 finden sich ferner Stellungnahmen, die den Eindruck erwecken, als käme es ausschließlich darauf an, daß die Haupttat einen (vorsätzlich-rechtswidrigen) Rechtsgutsangriff darstelle 94. Gleichwohl bedarf es einer Entscheidung zwischen den unterschiedlichen Spielarten der Verursachungstheorie für die hier interessierende Problematik der Teilnahmestrafbarkeit des Tatopfers nicht. Denn bei näherem Hinsehen erweist es sich, daß auch die Anhänger der akzessorietätsorientierten Verursachungstheorie keineswegs zu einer Strafbarkeit des beteilig-

91 Vgl. nur LK-Roxin, Rdn. 16 f., 33 und SK-Samson, Rdn. 13 ff., 24 jeweils vor § 26. 92 Stratenwerth, AT, Rdn. 946; Sax, ZStW 90 (1978), 947 ff. sowie die in der vorigen Fn. angegebenen Autoren. Zu der auf § 28 II StGB gegründeten Konzeption von Herzberg (JuS 1983, 745 f.; JA 1985, 133) vgl. oben 2. Kap. Fn. 14 und (zu) Fn. 74 ff. 93 Die akzessorietätsorientierte (= „modifizierte"; vgl. LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 15 in Fn. 25) Verursachungstheorie vertreten u. a. Lackner, Rdn. 8; SIS-Cramer, Rdn. 17 jeweils vor § 25; Otto, JuS 1982, 558; Jescheck, AT, § 64 I 2 (= S. 620 f.); Maurach I Gössel, AT 2, 50/38; Vogler, Heinitz-FS (1972), S. 300 f., 309 und Rudolphi, ZStW 78 (1966), 92 ff.; ders., GA 1970, 365. Die Kombination von Verursachungs- und Akzessorietätsgedanken findet sich auch in der Rechtsprechung; vgl. RGSt. 5, 227 (228); 15, 315 (316); s. a. BGHSt. 4, 355 (358); 9, 370 (379 f.). 94 Vgl. insoweit die bei Roxin (in: LK, vor § 26 Rdn. 15) wiedergegebenen Zitate.

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

ten Rechtsgutsträgers gelangen95. Es ist allerdings zuzugeben, daß das bisweilen verwandte sprachliche Bild einer täterschaftlichen Verantwortung für „eigenes" Unrecht und einer Verantwortung des Teilnehmers für „fremdes" Unrecht 96 zumindest mißverständlich ist 9 7 . Das liegt daran, daß die in diesem Begriffspaar anklingende Gegensätzlichkeit so nicht besteht: Zwar läßt sich mit Blick auf das Eigentum sagen, eine Sache gehöre dem Eigentümer und sie sei deshalb für jeden anderen -Menschen „fremd". Bei der Zuordnung von Verantwortung für ein strafrechtlich relevantes Geschehen unterscheidet sich der Teilnehmer aber nicht nur vom Täter, sondern zugleich von den übrigen, an dem betreffenden Ereignis völlig unbeteiligten Personen. Es fehlt somit an der sprachlich angedeuteten Dichotomie; vielmehr ist die Tat für den Teilnehmer „nicht so fremd, daß er mit ihr — wie der Nichteigentümer hinsichtlich des im Eigentum eines Dritten stehenden Gegenstandes — nichts zu tun hat; denn auch ihn trifft Verantwortung für das Geschehen"98. Insoweit erscheint die sprachliche Unterscheidung zwischen dem „unmittelbaren" täterschaftlichen Rechtsgutsangriff und dem „mittelbaren" Rechtsgutsangriff des Teilnehmers 99 besser geeignet, die rechtlichen Gegebenheiten abzubilden. Denn im Begriff der „Mittelbarkeit" verbindet sich die Unselbständigkeit der Begehung mit der Übereinstimmung hinsichtlich des Angriffsziels. Diese Ausrichtung auf einen identischen Unrechtsgegenstand 100 ist mithin auch nach jener Auffassung zu wahren, die hinsichtlich der Angriffsführung die Abhängigkeit der Teilnahme hervorhebt. Rein konstruktiv wird hierbei der Aspekt der Unrechtsausrichtung als eine dem Akzessorietätsprinzip immanente Zurechnungsschranke gedeutet101. Ob man diese „Rechtsgutswidrigkeit" der 95 So insbesondere Maur ach / Gössel, AT 2, 50 / 39 f.; im Ergebnis ebenso — freilich auf den Schutzcharakter der betreffenden Tatbestände abstellend — Jescheck, AT, § 64 VI 2a (= S. 632); Lackner, Rdn. 12 und S/S-Cramer, Rdn. 47 jeweils vor § 25. 96 Diese Gegenüberstellung findet sich u. a. bei Baumann / Weber, AT, § 35 IV (= S. 523 f.); Wessels, AT, § 13 II 1 (= S. 149 f.) und Jescheck, AT, § 61 Π 3 (= S. 585); s.a. bereits RGSt. 3, 181. Ähnlich verhält es sich, wenn die Teilnahme als „bloßer Bezugsbegriff' gedeutet wird; so etwa Maurach / Gössel, AT 2, 50/ 31 (vgl. aber auch ebd. Rdn. 39 f.); s. außer den dort genannten Nachweisen auch Vogler, Heinitz-FS (1972), S. 299 und Spotowski, Erscheinungsformen, S. 84. 97 Vgl. zum folgenden Busse, Täterschaft, S. 143 ff. sowie die Kritik gegen Haftung für „fremdes" Unrecht bei Sax, ZStW (1978), 929 ff.; M. Κ Meyer, GA 1979, 252 ff. (271) und Sippel, Strafbarkeit, S. 59 f. Vgl. femer zu der Frage, ob bei der Mitwirkung mehrerer Personen nur eine oder mehrere Straftaten vorliegen, Spotowski, Erscheinungsformen, S. 88 ff. 98 So wörtlich Busse, Täterschaft, S. 145. Daß eine Strafbarkeit des Teilnehmers, die ausschließlich an die Erfordernisse der Kausalität und des Vorsatzes anknüpft, allzu weit geriete, betont auch Keller, Grenzen, S. 250 ff. (255 ff.); s. femer Herzberg, ZStW 99 (1987), 64. 99 Otto, Lange-FS (1976), S. 209 f.; ebenso jüngst BGHSt. 37, 214 (217) mit Anm. Puppe, NStZ 1991, 124 (126). 100 Den Aspekt des gemeinsamen Angriffs auf dasselbe Rechtsgut betont Bloy, Beteiligungsform, S. 252; vgl. auch Less, ZStW 69 (1957), 43 ; Otto, Lange-FS (1976), S. 209 und Sippel, Strafbarkeit, S. 61 (zu Fn. 18). ιοί Maurach/ Gössel, AT 2, 47/17 ff., 50/39 f. und Bloy, Beteiligungsform,

III. Unverletzbarkeit des Rechtsguts durch den Rechtsgutsinhaber

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Teilnahme als Bestandteil des Akzessorietätsprinzips ausgibt, um so ein „letztlich beziehungsloses Nebeneinander zweier Prinzipien" 102 zu vermeiden, oder ob man die „Rechtsgutswidrigkeit" als eigenständiges Element des Teilnahmeunrechts bewußt betont, da dieses „Sowohl-als-Auch" von Abhängigkeit und Eigenständigkeit durch die Einbeziehung in die Akzessorietät nur verdeckt, sachlich aber nicht aufgehoben wird 1 0 3 , dies erscheint jedenfalls bezüglich der Teilnahmestrafbarkeit des Opfers als terminologische Geschmacksfrage. Es ist mithin für alle Spielarten der Verursachungstheorie zu konstatieren, daß eine Strafbarkeit des Teilnehmers nur dann in Betracht kommt, wenn das durch die Haupttat angegriffene Rechtsgut gerade auch dem Teilnehmer gegenüber geschützt ist. Damit ist eine tragfähige Argumentationsbasis für die Begründung einer beteiligungsformunabhängigen Straflosigkeit des Tatopfers geschaffen. Diese umfassende Straflosigkeit wäre dann als bewiesen anzusehen, wenn sich aufzeigen ließe, daß eine Rechtsgutsverletzung durch den Rechtsgutsinhaber ausgeschlossen ist.

I I I . Die Unverletzbarkeit des Rechtsguts durch den Rechtsgutsinhaber 1. Dogmatische Strukturunterschiede zwischen der Opferstraflosigkeit und der strafbaren Extranenteilnahme beim Sonderdelikt Ist die Straftat ihrem Wesen nach Rechtsgutsverletzung und wird der Rechtsgutsinhaber bei der tatbestandlichen Umschreibung der Verbotsmaterie ausgeschlossen, so begründet dies die Vermutung, der Ausschluß aus dem Täterkreis resultiere gerade aus dem Umstand, daß dieser Person angesichts ihrer besonderen Beziehung zum Rechtsgut eine Verletzung desselben nicht möglich ist. An diesem Gedankengang ist hervorzuheben, daß die Unverletzbarkeit des Rechtsguts nicht schlechthin aus der fehlenden Täterqualität gefolgert wird, sondern daß die Ausklammerung aus dem Täterkreis ihrerseits auf einem rechtsgutsbezogenen Umstand — nämlich auf der Rechtsgutsträgereigenschaft — beruht. Hierdurch unterscheidet sich die Opfermitwirkung maßgeblich von der Teilnahme des Extraneus am Sonderdelikt. Denn die allein den Intraneus treffende Sonderpflicht weist keinen Rechtsgutsbezug auf; vielmehr sind die betreffenden Rechtsgüter (zum S. 250 ff. (252). Eine fundamental abweichende Konzeption hat jedoch jüngst Keller (Grenzen, S. 169 ff., 224 ff.) entwickelt: Er hält unter Hinweis auf das Akzessorietätsprinzip einen Rechtsgutsangriff (auch) des Teilnehmers für entbehrlich (vgl. aaO. S. 226: „Die verbotene Tat.. . wird zum eigenständigen Unwert."). Die Straflosigkeit der „notwendigen Teilnahme" wird auch von Keller (aaO. S. 232 ff.) nicht bestritten; allerdings bejaht er qua Akzessorietät eine Zurechnung der Haupttat zum „notwendigen Teilnehmer", dessen Straflosigkeit „auf der Einwilligung des Teilnehmers und ähnlichen Erwägungen" (aaO. S. 233 zu Fn. 71) beruhe. 102 So Bloy (Beteiligungsform, S. 254) gegen die von Roxin vertretene Konzeption. 103 Dieses „Sowohl-als-Auch" wird besonders hervorgehoben bei Roxin (in: LK, vor § 26 Rdn. 2 ff., 17).

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

Beispiel die Reinheit der Amtsführung) auch dem Extraneus gegenüber geschützt, der sie mithin durchaus — nur eben nicht unmittelbar — angreifen kann 104 . Auf diese Weise ermöglicht die These vom Ausschluß der Rechtsgutsverletzung durch den Rechtsgutsinhaber die Erklärung der unterschiedlichen Behandlung beider Problemkreise: In den Fällen der „notwendigen Teilnahme" bleibt das Tatopfer umfassend straflos, weil es an einem Angriff auf ein auch dem Teilnehmer gegenüber geschütztes Rechtsgut fehlt; demgegenüber ist der Extraneus als Teilnehmer an einer Intranentat strafbar, weil sein „Täterschaftsdefizit" nicht das Rechtsgut als Angriffsgegenstand betrifft, sondern sich allein auf die Angriffsführung bezieht. Ob diese denkbare Erklärung tatsächlich stichhaltig ist, bedarf einer näheren Überprüfung insbesondere im Hinblick auf die von Otto 105 entwickelte Kritik. Nach Ansicht von Otto vermag das Wesen der Teilnahme die Straflosigkeit desjenigen, zu dessen Schutz ein Strafgesetz geschaffen wurde, nicht zu erklären; denn maßgeblich sei nicht die Rechtsgutsträgereigenschaft, sondern die vom Gesetz eingeräumte Dispositionsbefugnis. Allein in den Fällen, in denen der Teilnehmer die volle Verfügungsmacht über das geschützte Rechtsgut innehabe, sei die (mittelbare wie unmittelbare) Rechtsgutsverletzung straflos, weil sie „kein Unrecht, sondern Ausdruck einer von der Rechtsordnung eingeräumten Verfügungsmacht" sei. Die begrenzte Verfügungsmacht bildet für Otto den Kernpunkt des Problems. Soweit eine Disposition des Rechtsgutsträgers wegen dessen Unterlegenheit unbeachtlich sei, wäre es „grob inkonsequent", wollte man dem Willen des Schutzbedürftigen hinsichtlich der Frage seiner Teilnahmestrafbarkeit volle rechtliche Relevanz beimessen. Anders stelle sich die Situation dar, wenn die Unwirksamkeit einer Einwilligung aus einer gesetzlich normierten Verfügungsbeschränkung (§§216,226a StGB) folge. Wenn das Opfer einer erfolglosen Tötung auf Verlangen (§216 I I StGB) gleichwohl stets straflos bleibe, so beruhe dies auf seiner besonderen psychischen Situation 106 . Da eine vergleichbare schuldmindernde Ausnahmesituation in den Fällen einer Teilnahme an einer sittenwidrigen, den Teilnehmer treffenden Körperverletzung regelmäßig fehle, sei hier das beteiligte Opfer wegen Anstiftung oder Beihilfe zu bestrafen 107. Diese Kritik erzwingt eine eingehendere Betrachtung des Verhältnisses zwischen dem Rechtsgutsträger und dem tatbestandlich geschützten Rechtsgut. Hierbei ist weiter auszugreifen und bei der Fallkonstellation der eigenhändigen Selbstschädigung anzusetzen. Will man die Straflosigkeit des Suizids nicht erst auf der Deliktsebene der Schuld erklären, so ist bezüglich der Selbsttötung bereits 104 Langer, Sonderverbrechen, S. 245 ff. (249); ders., Wolf-FS (1985), S. 352; Sax, ZStW 90 (1978), 954 f.; Bloy, Beteiligungsform, S. 186; LK-Roxin, Rdn. 3; SK-Samson, Rdn. 16 ff. jeweils vor § 26 und Jakobs, AT, 23 / 14 f. 105 Vgl. zum folgenden Lange-FS (1976), S. 211 (einschließlich der wörtlich wiedergebenen Zitate). 106 AaO. S. 212 f. („notstandsnahe Situation"). 107 Ebd.

III. Unverletzbarkeit des Rechtsguts durch den Rechtsgutsinhaber

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das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Unrechts zu verneinen. Auf der Grundlage des heute eindeutig vorherrschenden dualen Unrechtsverständnisses 108 bestehen hierfür zwei unterschiedliche Konstruktionsmöglichkeiten: Die erste Alternative besteht darin, (auch) die Selbstschädigung als Herbeiführung eines negativ bewerteten Zustands zu begreifen; dann läge eine Rechtsgutsverletzung vor und es ließe sich möglicherweise auch von einem Erfolgsunrecht sprechen 109. Die Strafbarkeit wäre bei dieser Sichtweise allein im Hinblick auf das Handlungsunrecht zu verneinen; maßgeblich wäre hierbei der Umstand, daß der jeweilige Tatbestand keine strafrechtsbewehrte Bestimmungsnorm 110 enthält, die die Beeinträchtigung eigener Rechtsgüter untersagt. Eine solche Konzeption scheint Otto vor Augen zu stehen; sie führt dogmatisch zu einer strukturellen Angleichung der Fälle der Opfermitwirkung an die Extranenteilnahme beim Sonderdelikt. In beiden Konstellationen scheitert eine täterschaftliche Deliktsbegehung allein am Merkmal einer entsprechenden Bestimmungsnorm; der Grundsatz, daß auch der Teilnehmer ein ihm selbst gegenüber geschütztes Rechtsgut angreifen muß, wirkt sich demgegenüber bei einem derartigen Verständnis in keinem der beiden Problembereiche aus. Denkbar ist aber auch ein anderes unrechtsbezogenes Erklärungsmodell, bei dem die Selbstschädigung von vornherein nicht als negativ bewerteter Zustand erscheint. Dann resultiert die (täterschaftliche) Opferstraflosigkeit nicht aus dem Fehlen einer Verbotsnorm trotz bestehender Rechtsgutsverletzung, sondern eine solche Bestimmungsnorm entfällt gerade deshalb, weil sie nicht auf die Vermeidung eines unwerthaften Zustandes gerichtet wäre. Auf der Basis eines solchen Verständnisses besteht zwischen der Opferstraflosigkeit und der Teilnahme des Extraneus am Sonderdelikt ein fundamentaler dogmatischer Unterschied: Während die Extranenteilnahme allein ein Defizit im Bereich des Handlungsunrechts aufweist, liegt der Opferstraflosigkeit ein dogmatischer „Doppelmangel" des Inhalts zugrunde, daß über das fehlende Handlungsunrecht hinaus bereits das Vorliegen einer Rechtsgutsverletzung (und damit auch des Erfolgsunrechts) zu verneinen ist. Gerade der rechtsgutsbezogene Mangel würde dann aber zugleich einer Teilnahmestrafbarkeit entgegenstehen, da — wie dargestellt — auch der Teilnehmer ein ihm selbst gegenüber geschütztes Rechtsgut angreifen muß. io» Vgl. Maurach / Zipf, AT 1, 17/ 1 ff.; Gallas, Bockelmann-FS (1979), S. 155 ff. sowie die Nachweise bei Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 238 (Fn. 28) und Hirsch, ZStW 94 (1982), 240 (Fn. 61). Zur historischen Entwicklung der Unrechtslehre vgl. Ebert! Kühl, Jura 1981, 228 f.; Jescheck, AT, § 24 III (= S. 214 ff.) sowie ausführlich Lampe, Unrecht, S. 51 ff. und Zielinski, Handlungs- und Erfolgsunrecht, S. 17 ff. 109 Die Möglichkeit eines Erfolgsunwertes ohne Handlungsunwert wird grundsätzlich bejaht von Welzel, ZStW 58 (1938), 524 f.; kritisch hingegen Roxin, Klug-FS Bd. II (1983), S. 306 f. no Zur Doppelfunktion der Strafrechtsnormen als Bestimmungs- und Bewertungsnormen Donatsch, Sorgfaltsbemessung, S. 36 ff.; Gallas, Bockelmann-FS (1979), S. 158; Wolter, Zurechnung, S. 25 ff., 116; ders., in: Schünemann, Grundfragen, S. 105 ff. und Maurach/Zipf AT 1, 24/ 16. 6 Sowada

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

2. Die Beziehungsstruktur des Rechtsgutsbegriffs Für zahlreiche Fallgestaltungen erscheint es als lebensnähere Betrachtung, bezüglich der Handlungen des Rechtsgutsinhabers bereits eine Rechtsgutsverletzung zu verneinen, anstatt eine solche anzunehmen, aber das Verhalten des Rechtsgutsträgers für nicht verboten zu erachten. Diese größere Lebensnähe zeigt sich insbesondere hinsichtlich jener Rechtsgüter, die sich nicht in einem konkreten Gegenstand manifestieren 111, sondern rein ideeller Natur sind. Kommt etwa der Hausrechtsinhaber abends nach Hause, so wird man diesen Vorgang nicht als eine erlaubte Beeinträchtigung des Hausfriedens interpretieren, sondern eine Friedensstörung überhaupt verneinen. Als weiteres Beispiel läßt sich anführen, daß eine Patientin ihrer Freundin alle Einzelheiten ihres letzten Arztbesuchs mitteilt; dieses Verhalten ist keine rechtmäßige Geheimnisverletzung, sondern die willentliche Preisgabe durch den Geheimnisträger erscheint gar nicht erst als Geheimnisbruch. Diese Beispiele lenken die Aufmerksamkeit auf den entscheidenden Gesichtspunkt: Das Rechtsgut kann nicht von seinem Träger abgespalten werden. Vielmehr ist dem Rechtsgutsbegriff eine Beziehungsstruktur immanent 112 , d.h. es gehört zum Wesen des Rechtsguts, daß es das Interesse des Rechtsgutsträgers an einem ungestörten Zustand der ihm zugewiesenen Objekte erfaßt. Hierbei wäre es jedoch unzutreffend, wollte man den Rechtsgutsbegriff in einer ausschließlich statischen Weise definieren und auf die bloße physische Unversehrtheit des Rechtsgutsobjekts abstellen 113 . Denn zum Rechtsgut wird etwas, weil es „gut für jemanden" ist, und hierin ist mitumschlossen, daß Rechtsgüter Anerkennung verlangen, um dem einzelnen seine Entfaltungsmöglichkeiten zu sichern. Wenn Rechtsgüter vielfach als „sozial werthafte Funktionseinheiten" definiert werden 114 , so kommt hierin gerade auch die dynamische Komponente zum Ausdruck, daß der einzelne dieser Güter bedarf, um sein Leben in freier Selbstbestimmung zu gestalten115. Wird aber eine soziale Gegebenheit erst durch ihren Bezug auf ein Individuum (oder — bei den Allgemeinrechtsgütern — auf 111 Zum Stellenwert der Beeinträchtigung eines „materiellen Substrats" vgl. Stratenwerth, AT, Rdn. 362 ff.; s. a. Kohlmann, Werner-FS (1984), S. 400 ff. 112 Zur Beziehungsstruktur des Rechtsgutsbegriffs vgl. Sina , Dogmengeschichte, S. 98 ff.; Lüderssen, Strafgrund, S. 131; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 115 (mit weiteren Nachweisen in Fn. 12); Jakobs, AT, 2/ 14 f.; Maurach / Zipf, AT 1, 19/ 12; ebenso aber auch Otto, AT, § 1 II 3 (= S. 8 ff.). Vgl. auch Marx, Definition, S. 67 ff.; Hassemer, in: Philipps / Scholler, Jenseits des Funktionalismus, S. 85 ff. sowie die von Schmidhäuser (AT, 2/30 ff.) vertretene Definition des Rechtsguts als „Achtungsanspruch". H3 Vgl. zum folgenden Krümpelmann, Bagatelldelikte, S. 68 ff.; s. a. M. K. Meyer, Ausschluß, S. 139 ff. und Weigend, ZStW 98 (1986), 58 ff. 114 So — grundlegend — Rudolphi, Honig-FS (1970), S. 164; ihm folgend u. a. Otto, in: Müller-Dietz, Strafrechtsdogmatik, S. 8; Geppert, ZStW 83 (1971), 966 f. und Jakobs, AT, 2/15. 115 Besonders deutlich in diesem Sinne SK-Rudolphi, vor § 1 Rdn. 9; ebenso Roxin, Noll-GS (1984), S. 275.

III. Unverletzbarkeit des Rechtsguts durch den Rechtsgutsinhaber

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ein kollektives Gebilde) zum „Rechtsgut", dann kann der Rechtsgutsinhaber die ihm zugewiesenen Rechtsgüter gar nicht beeinträchtigen. In seinem Verhalten realisiert sich vielmehr stets diese besonders geschützte Beziehung, so daß der Rechtsgutsinhaber nur von seinen Rechtsgütern Gebrauch macht oder sie preisgibt 1 1 6 . Verletzen oder beeinträchtigen kann der Rechtsgutsinhaber allein das Rechtsgutsobjekt, verstanden als ein tatsächliches, in der Außenwelt wahrnehmbares Substrat, dem das immaterielle Rechtsgutsmoment anhaftet. Ein solcher Vorgang ist jedoch nie wirkliche, sondern allenfalls „scheinbare Rechtsgutsverletzung" 117 . Derselbe Gedanke kommt in der Formulierung zum Ausdruck, das Rechtsgut sei vom Täter her gesehen das Angriffsobjekt, vom Verletzten aus gesehen das Schutzobjekt des Strafrechtssatzes 118. Auch hier wird der fundamentale Gegensatz deutlich, der zwischen dem Rechtsgutsträger und den übrigen Rechtsgenossen besteht und der es rechtfertigt, einen (auch nur mittelbaren) Rechtsgutsangriff des Rechtsgutsinhabers a priori auszuschließen. Man könnte versuchen, gegen diese Sichtweise Einwände aus der Einwilligungsdogmatik im allgemeinen und aus den Verfügungsbeschränkungen im besonderen herzuleiten. So ließe sich einwenden, daß die wirksame Zustimmung des Rechtsgutsinhabers stets als auf der Tatbestandsebene zu berücksichtigendes Einverständnis zu behandeln sei, wenn es zuträfe, daß die Rechtsgutsverletzung als Beeinträchtigung der ungestörten funktionalen Beziehung des Rechtsgutsinhabers zu den ihm zugewiesenen Gegenständen aufzufassen sei. Wenn umgekehrt überwiegend an einer erst rechtfertigenden Wirkung der Zustimmung festgehalten 1 1 9 und damit zugleich der Ausnahmecharakter dieses Vorgangs betont wird, so ergebe sich als triftiger Grund hierfür nur die Tatsache, daß bereits die physische Unversehrtheit der einzelnen Schutzobjekte einen eigenständigen Rechtswert darstelle. Die Beeinträchtigung der physischen Substanz allein trägt — wie π* Ebenso — bezüglich der Selbsttötung — Sax, JZ 1975, 146; ders., ZStW 90 (1978), 948 f.; vgl. auch Roxin, Dreher-FS (1977), S. 377; Gössel, JA 1976, 396 sowie aus dem älteren Schrifttum Honig, Einwilligung, S. 95. Demgegenüber vertritt Bottke (Suizid, Rdn. 18) die Auffassung, bezüglich des auf das Resultat hin definierten Erfolgsunrechts bestehe zwischen Selbst- und Fremdtötung kein Unwertsprung; als Rechtsgutsverletzung wird der Suizid femer angesehen von Welzel, Lehrbuch, S. 280 f. und Ebert, JZ 1983, 635 f.; s. a. Bohnert, Meyer-GS (1990), S. 521. Diese Ansicht berücksichtigt jedoch nicht genügend, daß sowohl die „Rechtsgutsverletzung" als auch das „Erfolgsunrecht" nicht in einem rein naturalistischen, sondern in einem wertbezogenen Sinne zu bestimmen ist. Auch im Hinblick auf eine etwaige Strafbarkeit Dritter bedarf es nicht der Bewertung des Suizids als Rechtsgutsverletzung (vgl. aber Herzberg, ZStW 91 [1979], 572 f.; Schmidhäuser, Welzel-FS [1974], S. 810 ff. (811,813, 815) und Klinkenberg, JR 1978, 443 ff. [445]); maßgeblich ist insoweit allein die Abgrenzung zwischen Selbst- und Fremdtötung; s. a. unten zu Fn. 124, 125. 117 Zur „scheinbaren" Rechtsgutsverletzung vgl. Schmidhäuser, AT, 8 / 111 ff.; s. a. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 189 f. us So Krümpelmann, Bagatelldelikte, S. 68; ähnlich Gallas, Bockelmann-FS (1979), S. 162; s. femer Wolter, Zurechnung, S. 47 f. und Hillenkamp, Vorsatztat, S. 159 ff. 119 Vgl. hierzu die Nachweise bei S/S-Lenckner, Rdn. 29 f., 33 f. und LK-Hirsch, Rdn. 96 jeweils vor § 32. 6*

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

gerade die Einwilligung zeigt — regelmäßig die Strafsanktion noch nicht; anders sei dies aber dann, wenn das Gesetz den Willen des Rechtsgutsinhabers für unbeachtlich erklärt. Dann reduziere sich der Rechtsgüterschutz gleichsam auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit, die zu beeinträchtigen auch dem Rechtsgutsinhaber möglich ist 1 2 0 . Es ist einzuräumen, daß eine derartige Sichtweise nicht im strengen Sinne widerlegt werden kann; gleichwohl ist sie abzulehnen, da sie die wesentliche Bedeutung von Rechtsgütern nur unvollkommen erfaßt und sich bei ihrer Inhaltsbestimmung einseitig an den Verfügungsbeschränkungen ausrichtet. Im einzelnen ist der hier abgelehnten Position entgegenzuhalten, daß die Auffassung, wonach die wirksame Zustimmung des Rechtsgutsträgers stets als Einverständnis anzusehen sei, in jüngster Zeit deutlich im Vordringen befindlich ist 1 2 1 . Ferner tragen die Verfügungsbeschränkungen durchaus Ausnahmecharakter, so daß es zumindest zweifelhaft erscheint, hierauf das ganze Gebäude eines bestimmten Rechtsgutsverständnisses zu errichten. Vor allem aber ist zu betonen, daß gar keine Notwendigkeit besteht, der Einwilligungsproblematik eine das Rechtsgutsverständnis präjudizierende Wirkung einzuräumen. Die Fallkonstellationen, in denen es auf die Möglichkeit einer wirksamen Einwilligung (bzw. eines wirksamen Einverständnisses) ankommt, sind durchgängig durch den Umstand gekennzeichnet, daß der Staat zwei Rechtsverhältnisse zu gestalten hat: Zum einen geht es um die Beziehung des Staates zum Rechtsgutsträger, zum anderen um das Verhältnis zu dem Dritten, dessen Verhalten die Rechtmäßigkeitsfrage aufwirft. Wird dem Rechtsgutsträger das Recht zur freien Verfügung über das Rechtsgut abgesprochen, so mag der Eindruck entstehen, als würde der Staat hierdurch sein Verhältnis zum Rechtsgutsträger regeln und als wäre der Dritte hiervon nur reflexartig betroffen. Derselbe Vorgang läßt sich — vorzugswürdig — jedoch auch so erklären, daß es dem Staat auf eine Gestaltung des Verhältnisses gegenüber dem Dritten ankommt. Beispielsweise steht hinter der Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen (§216 StGB) das gesetzgeberische Motiv, die Tabuisierung fremden (!) Lebens in der Bevölkerung durchzusetzen 122. Bei den einer Einwilligt) Zum Aspekt eines Strafrechtsschutzes vor sich selbst vgl. Stratenwerth, AT, Rdn. 363 (a. E.); Hoerster, JZ 1971, 124 ff.; Schmitt, Maurach-FS (1972), S. 117 ff.; Möllering, Schutz, S. 27 sowieHobbing, Strafwürdigkeit, S. 11 ff., 27 ff. (34 ff.). Freilich ist zu beachten, daß die Strafbarkeit eines phänotypisch als Selbstschädigung erscheinenden Verhaltens in Wahrheit auf den Schutz von Allgemeinrechtsgütern gerichtet sein kann; dies gilt ζ. B. für die Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung (Schutzgut des § 109 StGB ist die Landesverteidigung; vgl. Maurach / Schroeder, BT 1, 8/7). 121 Roxin, Noll-GS (1984), S. 275 f.; ders., JuS 1988, 426; Gössel, Oehler-FS (1985), S. 104 (Fn. 44); im Ergebnis ebenso Weigend, ZStW 98 (1986), 60f.; s.a. die bei S/S-Lenckner, vor § 32 Rdn. 29 a genannten Nachweise. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ansicht zu verweisen, die den Grund der Straflosigkeit eines durch Einwilligung gedeckten Verhaltens nicht (erst) im Rechtsschutz-, sondern (bereits) im Rechtsgwteverzicht sieht; so etwa Stratenwerth, AT, Rdn. 362 f.; ders., ZStW 68 (1956), 42 ff. (45) und Maurach / Zipf, AT 1, 17 / 30 ff. (35). 122 Hirsch, Welzel-FS (1974), S. 779, 790 und Weigend, ZStW 98 (1986), 67.

III. Unverletzbarkeit des Rechtsguts durch den Rechtsgutsinhaber

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gung zugänglichen Delikten ist die Rechtsbeziehung Staat / Dritter abhängig von der Rechtsbeziehung des Rechtsgutsinhabers zum Dritten 123 . Wenn der Staat einem Normbefehl gegenüber diesem Dritten unbedingte Geltung verleihen will, muß er diese Abhängigkeit auflösen. Dies geschieht zwar in der Weise, daß die Zustimmung des Rechtsgutsträgers für irrelevant erklärt wird, doch ändert dies nichts daran, daß der eigentliche Adressat dieser Maßnahme der Dritte ist. Völlig zutreffend ist deshalb die Feststellung, bei den Verfügungsbeschränkungen gehe es „nicht darum, was der mündige Mensch sich selbst antun darf, sondern um die ganz andere Frage, was Dritte mit ihm anstellen dürfen — und hinsichtlich der dabei zu wahrenden Grenzen hat auch die Gesellschaft mitzureden" 124 . Die Beschränkungen der Dispositionsbefugnis zwingen somit nicht dazu, das Rechtsgut als einen auch seinem Inhaber gegenüber geschützten Angriffsgegenstand zu betrachten. Die dogmatische Konsequenz der hier vertretenen Auffassung liegt in der Anerkennung eines relativen Rechtsgutsbe griffs 125. Hiermit ist gemeint, daß beim Zusammenwirken mehrerer Personen das Geschehen möglicherweise für den einen Beteiligten eine Rechtsgutsverletzung darstellt, für den anderen hingegen nicht 126 . Zwar mag es zunächst als ungewöhnlich erscheinen, daß personale Unrechtskriterien nicht allein das Handlungsunrecht betreffen, sondern auch den Begriff der Rechtsgutsverletzung mitbestimmen, doch ist hiergegen nichts einzuwenden, sofern der fragliche Umstand — wie es bezüglich der Unangreifbarkeit des Rechtsguts durch seinen Inhaber der Fall ist — sich aus dem Rechtsgutsverständnis selbst herausdestillieren läßt 127 .

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Die normtheoretische Frage, ob der (befugterweise) Einwilligende den Dritten von der Regelbefolgungspflicht entbinden kann (so Hruschka, Dreher-FS [1977], S. 198) oder ob es allein um das Vorliegen eines Regelverstoßes geht (so Neumann, GA 1985, 398 f.), kann für den vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben. 124 So wörtlich Hirsch, ZStW 83 (1971), 167; ebenso M. K. Meyer, Ausschluß, S. 202. Zur unterschiedlichen Qualität einer Selbst- gegenüber einer einverständlichen Fremdverletzung vgl. auch Engisch, H. Mayer-FS (1966), S. 412,415; Jakobs, AT, 14 / 4; Hoerster, JZ 1971, 125; Noll, Rechtfertigungsgründe, S. 66 f. und Honig, Einwilligung, S. 95 f. Schützt das betreffende Delikt in Wahrheit Allgemeinrechtsgüter (s. oben Fn. 120), so erfahren auch die Grundsätze der straflosen Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung Einschränkungen; vgl. — zur Drogenkriminalität (Schutz der „Volksgesundheit") — BGHSt. 37, 179 ff. mit Anm. Rudolphi, JZ 1991, 572 ff. 125 Zur Relativität des Rechtsgutsbegriffs vgl. — außer den oben in Fn. 112 genannten Nachweisen — Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 205; Marx, Definition, S. 62 ff., 67 ff. und Mitsch, Provokation, S. 146 f., 155 f. 126 Im übrigen ist auch Otto (Lange-FS [1976], S. 213 zu Fn. 62) zu einer gewissen „Relativität" gezwungen, indem die „notstandsnahe Situation" nur die Straflosigkeit des sich selbst schädigenden Opfers erklären soll, ohne zugleich beim Mitnahmesuizid entschuldigend zu wirken. 127 Deshalb zwingt die hier vertretene Auffassung keineswegs zu einer so weitgehenden Personalisierung der „RechtsgutsVerletzung", wie sie von Lüderssen (Strafgrund, S. 130 ff.) befürwortet wird.

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3. Kap.: Die Straflosigkeit des Tatopfers

Als letzter argumentativer Versuch, auch die Selbstschädigung als eine Rechtsgutsverletzung zu werten, könnte eine Folgenbetrachtung ins Feld geführt werden. So ließe sich vortragen, der vom Willen des einzelnen unabhängige Eigenwert des menschlichen Lebens werde den Rechtsgenossen deutlicher vor Augen gestellt, wenn auch der Suizid als Vernichtung von Rechtswerten begriffen werde 128 . Auf diese Weise werde die gesellschaftlich-moralische Unerwünschtheit jeder Selbsttötung unterstrichen, indem jeder Suizid als (Erfolgs-)Unrecht erscheine und lediglich die Nachsicht der Rechtsgemeinschaft mit der besonderen Konfliktlage des (erfolglosen) Suizidenten dessen Strafbarkeit ausschließe. Doch abgesehen davon, daß die moralische Beurteilung des Suizids durchaus kontrovers diskutiert wird und ausschließlich religiös begründbare Positionen für ein zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtetes Strafrecht außer Betracht bleiben müssen 129 , ist nicht einzusehen, warum die strafrechtsdogmatische Sichtweise durch rein gesellschaftspolitische Überlegungen bestimmt werden sollte 13 °. Überdies hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die Straflosigkeit der Selbstschädigung formal nicht erst auf der Schuldebene, sondern durch eine entsprechende Tatbestandsgestaltung umzusetzen131. Ist deshalb die Selbstschädigung strafrechtlich zumindest wegen des fehlenden Handlungsunrechts als unverbotenes Tun zu qualifizieren, so klaffen strafrechtliche und gesellschaftliche Bewertung ohnehin auseinander. Schließlich ist auch nicht anzuerkennen, daß ein unabweisbares kriminalpolitisches Bedürfnis bestünde, die mittelbaren „Rechtsgutsangriffe" des Rechtsgutsträgers für Unrecht zu erklären und gegebenenfalls als Teilnahme zu bestrafen. Hinsichtlich der fehlgeschlagenen Tötung auf Verlangen (§216 I I StGB) tritt niemand für die Strafbarkeit des Opfers ein 1 3 2 , und auch in den Fällen der wegen Sittenverstoßes unwirksamen Einwilligung (vgl. § 226a StGB) plädiert die nahezu einhellige Auffassung 133 für die Straflosigkeit des Einwilligenden. Diese Bewertung erscheint sachgerecht; denn es wäre unzulässig, von der Sittenwidrigkeit der Einwilligung auf die allgemeine Strafwürdigkeit des Verhaltens zu schließen und diese für eine Teilnahmestrafbarkeit ungeachtet der besonderen Rechtsgutsbeziehung ausreichen zu lassen 134 . Willigt etwa eine Schwangere in

128 Zur Funktion des „geistigen Appells" vgl. Otto, DJT-Gutachten, D 20 f. 129 Zur sittlichen Bewertung des Suizids und ihrer rechtlichen Bedeutung vgl. Simson, Suizidtat, S. 23 ff.; Bottke, Suizid, Rdn. 52 ff.; Ostendorf, Hungerstreik, S. 139 ff.; Niestroj, Bewertung, S. 36 ff., 46 ff. und Neumann, JA 1987, 252 f. 130 Eine stärkere Bedeutung kommt der gesellschaftlichen Dimension im Polizeirecht zu. Indem sich die polizeiliche Rettungspflicht auf eine Gefahr für die „öffentliche Ordnung" stützen läßt (vgl. Niestroj, Bewertung, S. 25 ff.; Bottke, Suizid, Rdn. 54 sowie ders., GA 1982, 354 ff., 359), ist auch insoweit die Annahme einer Rechtsgutsverletzung nicht erzwungen. 131 Vgl. auch Herzberg, JA 1985, 132 f. (gegen Schmidhäuser). 132 Vgl. nur die Nachweise bei LK-Jähnke, § 216 Rdn. 10 (in Fn. 14). 133 LK-Hirsch, vor § 32 Rdn. 126, § 226a Rdn. 11 und Mitsch, Jura 1988, 206 (mit weiteren Nachweisen); für Strafbarkeit hingegen Otto, Lange-FS (1976), S. 213 und RG, DRiZ 1932, Sp. 364 f. (Rspr. Nr. 444).

III. Unverletzbarkeit des Rechtsguts durch den Rechtsgutsinhaber

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einen körperlichen Eingriff ein, um auf diese Weise ihre Leibesfrucht abzutöten 1 3 5 , so ist ihre Einwilligung zwar unwirksam, doch bestimmt sich die Strafbarkeit der Schwangeren allein mit Blick auf das (auch für sie fremde) Rechtsgut der Leibesfrucht. Bei den auf einen späteren Betrug abzielenden Verstümmelungsfällen fehlt eine solche Bestrafungsmöglichkeit im Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs, weil die zeitliche Grenze zum Betrugsversuch noch nicht überschritten wurde. Es geht jedoch nicht an, diese der Gesetzessystematik entsprechende Straflosigkeit des Vorbereitungsstadiums durch eine Teilnahmestrafbarkeit bezüglich eines anderen, gerade dem Einwilligenden zugeordneten Rechtsguts zu umgehen. Für die unter dem Schlagwort der „Straflosigkeit des Tatopfers" diskutierte Fallgruppe der „notwendigen Teilnahme" läßt sich somit folgendes Ergebnis feststellen: Sieht man als maßgebliches Kriterium der Definition des Opferbegriffs die Rechtsgutsträgereigenschaft an, so ergibt sich eine umfassende, d. h. weder von der Beteiligungsform noch von der Intensität des Mitwirkungsbeitrages abhängige Straflosigkeit des Tatopfers aus der Tatsache, daß es für jegliche Beteiligungsform als Mindeststrafbarkeitsvoraussetzung eines Angriffs der betreffenden Person auf ein auch ihr gegenüber geschütztes Rechtsgut bedarf, eine Rechtsgutsbeeinträchtigung durch den Rechtsgutsinhaber aber schlechthin ausgeschlossen ist 1 3 6 .

134 Das wird offenkundig, wenn die Unwirksamkeit der Einwilligung nicht aus der „bösen" Gesinnung des Opfers resultiert. So wäre zu fragen, ob im „ZahnextraktionsFall" (BGH, NJW 1978, 1206; s. a. Horn, JuS 1979, 29 ff.) die auf die Vornahme eines medizinisch nicht indizierten Eingriffs drängende Patientin erst unter Irrtumsgesichtspunkten straflos bliebe. Vgl. auch Hermle, JuS 1987, 980. 135 Zu dieser Fallkonstellation vgl. Mitsch, Jura 1988, 203 ff. (205 f.). 136 Wie hier jüngst auch Puppe (NStZ 1991, 125): „Der Unglücksrabe [gemeint ist der irrtümlich durch die Tat verletzte Anstifter; der Verf.] wird deshalb nicht wegen Körperverletzung an sich selbst bestraft, weil der Erfolg in seiner Person kein Unrecht ist."

4. Kapitel

Sonderfälle der Opfermitwirkung Das Ziel des vorangegangenen Kapitels bestand darin, eine prinzipielle Begründung für die Straflosigkeit des tatbeteiligten Opfers zu entwickeln. Dem modellartigen Charakter dieser Überlegungen entsprechend waren die Erörterungen an einer relativ einfach strukturierten Grundkonstellation ausgerichtet: Das Opfer war der alleinige Inhaber des tatbestandlich geschützten Rechtsguts; zudem erfolgte die Mitwirkung in Kenntnis des Umstandes, daß sich die Tat gegen Rechtsgüter des „notwendigen Teilnehmers" richtete. Im Gegensatz zu dieser idealtypischen Ausgangslage sind jedoch auch kompliziertere Fallgestaltungen denkbar. Bezüglich derartiger Sonderfälle soll nachfolgend die Tragfähigkeit des auf der Rechtsgutsinhaberschaft gegründeten Privilegierungsansatzes untersucht werden.

I. Der Grundsatz der Opferstraflosigkeit in Fallgestaltungen mit mehreren Rechtsgutsträgern In der idealtypischen Grundkonstellation war das Opfer der alleinige Inhaber des tatbestandlich geschützten Rechtsguts. Das Strafgesetzbuch enthält allerdings auch Delikte, die den Schutz mehrerer Rechtsgüter bezwecken; weiterhin gibt es Straftatbestände, bei denen das (allein) geschützte Rechtsgut einer Mehrzahl von Individualpersonen zugewiesen sein kann. In diesen Fallkonstellationen erscheint die einzelne (mit)geschützte Person jeweils als Teilhaber an dem deliktsspezifischen Schutzkonzept. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die durch diese Teilinhaberschaft vermittelte Opferstellung zur Begründung der Straflosigkeit ausreicht oder ob eine (Teilnahme-)Strafbarkeit des Teil-Rechtsgutsinhabers zu bejahen ist, da durch die Tat zugleich die Rechtsgüter (bzw. Rechtsgutsanteile) weiterer Personen angegriffen werden. Als unproblematisch sind nach dem Gesagten jene Fallgestaltungen auszuscheiden, in denen ein Straftatbestand zwar dem Schutz mehrerer Rechtsgüter dient, diese aber bezüglich der konkreten Tat allesamt derselben Person zustehen. In diesen Fällen bleibt das Opfer ebenfalls stets straflos; denn der Kernsatz, daß der Rechtsgutsinhaber das ihm zugewiesene Rechtsgut nicht angreifen kann, gilt natürlich entsprechend, wenn sich das Geschehen auf mehrere unangreifbare Rechtsgüter derselben Person bezieht.

I. Fallgestaltungen mit mehreren Rechtsgutsträgern

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1. Mehrere Rechtsgutsträger als Inhaber desselben Rechtsgutes Zur Veranschaulichung der Fallkonstellation einer gemeinschaftlichen Inhaberstellung bezüglich desselben Rechtsguts lassen sich jene Fälle anführen, in denen eine Sachbeschädigung oder eine Unterschlagung an einem Tatobjekt begangen wird, das im Miteigentum mehrerer Personen steht. Obwohl hier jeder Miteigentümer zugleich Teil-Rechtsgutsinhaber — und somit (partielles) „Opfer" — ist, schließt diese Teilhabe am tatbestandlich geschützten Rechtsgut eine Strafbarkeit des Miteigentümers selbstverständlich nicht aus. Dieses Ergebnis folgt allein schon aus einer entsprechenden Auslegung des Tatbestandsmerkmals „fremd" l , das nur dann nicht verwirklicht ist, wenn das Tatobjekt (herrenlos ist oder) im A/Zemeigentum des Täters steht. Kann aber der Miteigentümer das betreffende Delikt bereits alleintäterschaftlich zu Lasten der übrigen Miteigentümer begehen, so steht seine eigene Teilhabe am Eigentum auch einer Strafbarkeit in Gestalt einer sonstigen Beteiligungsform nicht entgegen. Vielmehr ist das tatbestandlich geschützte Rechtsgut „Eigentum" auch für ihn durchaus angreifbar, weil den Rechtsgutsanteilen der übrigen Rechtsgutsmitinhaber der volle strafrechtliche Schutz zuteil wird 2 . In diesem Problemkontext läßt sich ferner das Delikt des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) diskutieren. Im Ausgangspunkt besteht heute Einigkeit darüber, daß die Ehegatten als gleichberechtigte Mitinhaber des Hausrechts an der ehelichen Wohnung anzusehen sind 3 . Umstritten ist hingegen die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Aufenthalt Dritter in der Ehewohnung gemäß § 123 StGB strafbar ist, wenn er zwar von der Zustimmung des einen Ehegatten gedeckt ist, zugleich aber gegen den Willen des anderen Ehepartners erfolgt. Während insbesondere die Rechtsprechung4 grundsätzlich jedem Wohnungs(mit)inhaber das Recht zugesteht, das Betreten und Verweilen in der gemeinsamen Wohnung zu gestatten, und eine Ausnahme hierzu nur dann annimmt, wenn eine solche Aus1 Vgl. statt aller Lackner, § 242 Rdn. 4 ff. (6). Weitere Beispiele bieten die Kindesentziehung (§ 235 StGB) und die Entführung mit dem Willen der Entführten (§ 236 StGB): Obwohl hier jedes Eltemteil Mitinhaber des tatbestandlich geschützten Rechtsguts (= familienrechtliches Personensorgerecht) ist, kann die Tat auch von einem Eltemteil zum Nachteil des anderen Erziehungsberechtigten begangen werden; vgl. (bezüglich des § 235 StGB) Geppert, Hilde KaufmannGS (1986), S. 759 ff., 771 f. sowie (zu § 236 StGB) Bohnert, ZStW 100 (1988), 509. Schließlich kann auch — allerdings nur hinsichtlich der Teilnahmestrafbarkeit — auf die Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB) verwiesen werden: Die Zugehörigkeit des Gläubigers zum geschützten Personenkreis schließt die Strafbarkeit der Teilnahme zumiiidest bezüglich des rollenüberschreitenden Verhaltens nicht aus. 3 LK-Schäfer, Rdn. 57; S/S-Lenckner, Rdn. 18 jeweils zu § 123; Bernsmann, Jura 1981,344 f. und Kageler, Inhaberschaft, S. 228 ff. Ausführlich zur Problematik mehrerer Hausrechtsinhaber Engeln, Das Hausrecht und die Berechtigung zu seiner Ausübung (1989), insbesondere S. 91 ff. 4 OLG Hamm, NJW 1955, 761 und NJW 1965, 2067 (2068); vgl. femer BGHZ 6, 360; in der Sache ebenso LK-Schäfer, Rdn. 57; SK-Rudolphi, Rdn. 16 und S/S-Lenckner, Rdn. 18 jeweils zu § 123 sowie Krey, BT 1, Rdn. 446. 2

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

Übung der Befugnis für den anderen Ehepartner unzumutbar ist oder sich als rechtsmißbräuchlich darstellt, mehren sich in neuerer Zeit die Literaturstimmen 5, die umgekehrt grundsätzlich jedem Ehegatten (von den Fällen unzulässiger Rechtsausübung abgesehen) ein Vetorecht einräumen, so daß ein befugter Aufenthalt Dritter nur gegeben ist, wenn er dem (geäußerten oder mutmaßlichen) Willen aller Hausrechtsinhaber entspricht. Auf die Entscheidung dieser Streitfrage, die sich angesichts des jeweils eingebauten Vorbehalts unzulässiger Gestattung bzw. Weigerung ohnehin nur auf die Festlegung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses bezieht, kann im vorliegenden Zusammenhang verzichtet werden. Wichtig ist allein die Feststellung, daß nach allen Ansichten Fälle denkbar sind, in denen der Dritte ungeachtet der von einem Ehegatten erteilten Zustimmung einen strafbaren Hausfriedensbruch begeht; dies wird insbesondere bezüglich des Ehebrechers / der Ehebrecherin angenommen. An diesen Befund knüpft sich die weitere Frage, inwieweit sich der dem Dritten Einlaß gewährende Ehegatte in strafbarer Weise an der Tat des Ehestörers beteiligt 6 . Die Antwort hierauf hängt wiederum von der Frage ab, ob einem Hausrechtsmitinhaber eine Beeinträchtigung des Rechtsguts zu Lasten der übrigen Mitbewohner möglich ist 7 . Wenn man eine „gegenständliche" Interpretation in dem Sinne annimmt, daß es für jede durch den § 123 StGB geschützte Räumlichkeit bezüglich gleichberechtigter Mitbewohner 8 nur ein einheitliches Hausrecht gibt, dann läßt sich die im Gesetz verwandte Formulierung, daß es sich um das Tatobjekt „eines anderen" handeln muß, dahingehend auslegen, daß eine strafbare Beteiligung des (gleichrangigen) Hausrechtsmitinhabers ausgeschlossen ist 9 . Denn bei einem einheitlichen Hausrecht könnten die fremden Anteile nie für sich angegriffen werden; vielmehr läge stets zwangsläufig ein partieller „Selbstangriff 4 vor, der straflos bliebe. Bei einer personenbezogenen Deutung wird demgegenüber grundsätzlich jedem Haurechtsinhaber der volle tatbestandliche Schutz des § 123 StGB zuteil mit der Folge, daß der Mitbewohner einer Wohnung gegen einen anderen prinzipiell dessen Hausrecht verletzen kann. Auf der Grundlage eines derartigen Hausrechtsverständnisses kommt auch eine strafbare Teilnahme desjenigen Mitbewohners in 5 Bernsmann, Jura 1981,344 f.; Arzt, in: Arzt / Weber, LH 1, Bern. 476; AK-Ostendorf, § 123 Rdn. 36; Engeln, Hausrecht, S. 96 f. und Kageler, Inhaberschaft, S. 235 ff.; vgl. auch Amelung, Einwilligung, S. 59 f. 6 Arzt (in: Arzt/Weber, LH 1, Bern. 476) sieht in der strafbaren Teilnahme ein Argument gegen die (oben in Fn. 4 nachgewiesene) herrschende Meinung, doch ist nicht recht ersichtlich, warum diese Konsequenz nicht auch für die Gegenansicht gelten soll. 7 Überwiegend ist der allgemeine, nicht speziell auf die Teilnahmestrafbarkeit bezogene Hinweis zu finden, im Innenverhältnis sei der Einsatz des Hausrechts gegen einen anderen Mitbewohner ausgeschlossen; so etwa S/S-Lenckner, Rdn. 18; LK-Schäfer, Rdn. 57 jeweils zu § 123; Arzt, in: Arzt / Weber, LH 1, Bern. 476 und Engeln, Hausrecht, S. 92 ff. (95). Vgl. zum folgenden aber auch Kageler, Inhaberschaft, S. 228 ff., 244 ff. s Zur Frage, ob es im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter eine abgestufte Berechtigung (vergleichbar dem Bild vom höherrangigen Mitgewahrsam bei § 242 StGB) gibt, vgl. SK-Rudolphi, Rdn. 15 und S/S-Lenckner, Rdn. 17 jeweils zu § 123. Zur Frage eines „Resthausrechts" des Vermieters vgl. auch Engeln, Hausrecht, S. 107 ff. 9 S. dazu Kageler, Inhaberschaft, S. 245.

I. Fallgestaltungen mit mehreren Rechtsgutsträgern

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Betracht, der in unwirksamer Weise Dritten den Zutritt in die auch von anderen bewohnte Räumlichkeit gewährt. Welcher Sichtweise der Vorrang gebührt und ob möglicherweise Erwägungen aus dem Familien- und Eherecht einer Bestrafung des Mitbewohners entgegenstehen, kann an dieser Stelle offenbleiben. Maßgeblich ist allein die Erkenntnis, daß die bloße Teilhabe am geschützten Rechtsgut dieses für den Mitinhaber nicht schlechthin unangreifbar macht. Vielmehr bedarf der betreffende Straftatbestand jeweils einer eingehenden Analyse in bezug auf das zwischen den einzelnen Mitinhabern bestehende Rechtsverhältnis, um zu ermitteln, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Rechtsgutsanteile der übrigen Mitberechtigten bereits den vollen Strafrechtsschutz erfahren. Genügt aber die Beeinträchtigung der fremden Rechtsgutsteile für einen eigenständigen Rechtsgutsangriff des Beteiligten, so ist für eine Anwendung des Gedankens der Opferstraflosigkeit kein Raum 10 .

2. „Kumulative" und „alternative" Normstruktur in Konstellationen mit dualem Schutzcharakter Von der soeben erörterten Konstellation der Mitinhaberschaft mehrerer Personen bezüglich desselben Rechtsguts ist die Fallgestaltung zu unterscheiden, daß ein Straftatbestand dem Schutz mehrerer Rechtsgüter dient, von denen nur eines dem an der Tat Beteiligten (allein) zugewiesen ist. Beispielsweise schützt der Tatbestand des Raubes (§ 249 StGB) zugleich das Eigentum, den Gewahrsam und die Willensfreiheit 11 ; hierbei müssen die Inhaber der einzelnen Rechtsgüter nicht identisch sein. Hat jemand etwa (nur) mit dem gewahrsamslosen Eigentümer die Durchführung eines fingierten Raubes abgesprochen, so kommt eine Haupttat gemäß § 249 StGB in Betracht, sofern man die in der Verabredung liegende Einwilligung wegen der Sittenwidrigkeit der Tat für unwirksam hält 12 . Gleichio Eine ähnliche Problematik läßt sich bezüglich der Verletzung des Post- und Femmeldegeheimnisses (§ 354 StGB) aufzeigen: Sieht man auch das Persönlichkeitsrecht des Anrufers als selbständig geschützt an, so genügt die alleinige Einwilligung des Anschlußinhabers für die Rechtmäßigkeit einer sog. Fangschaltung nicht (vgl. Amelung / Pauli, MDR 1980,801 ff.). Sollte ausnahmsweise eine Rechtfertigung gemäß § 34 StGB fehlen, so käme eine strafbare Beteiligung des einwilligenden Anschlußinhabers in Betracht; freilich liegt dann die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 S. 1 StGB) zumindest nahe. h Dreher/ Tröndle, § 249 Rdn. la; Wessels, BT 2, § 7 I 1 (= S. 80) und Blei, AT, § 24 III (= S. 91); zum Streit, ob auch der „Gewahrsam" als eigenständig geschütztes Rechtsgut anzuerkennen ist, vgl. SK-Samson, § 242 Rdn. 1, § 249 Rdn. 1. 12 So etwa Baumann I Weber, AT, § 21 II 4c (= S. 327 f.); überwiegend wird der Vorbehalt der Sittenwidrigkeit jedoch nur auf die Körperverletzungsdelikte beschränkt; vgl. S/S-Lenckner, vor § 32 Rdn. 37. Beim kollusiven Zusammenwirken mit dem den Gewahrsam innehabenden Nichteigentümer käme es demgegenüber auf die Frage des „sittenwidrigen Einverständnisses" an; hier erachten selbst Autoren, die in der Sittenwidrigkeit eine allgemein gültige Einwilligungssperre sehen, ein tatbestandsausschließendes Einverständnis ungeachtet einer etwaigen Sittenwidrigkeit für wirksam; vgl. Geerds, GA 1954, 268 und Jakobs, AT, 7/124, 14/9; s. a. Zipf, Einwilligung, S. 34 ff. (35);

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

wohl ist eine strafbare Teilnahme des eingeweihten Eigentümers bezüglich des § 249 StGB zu verneinen. Der Grund hierfür besteht darin, daß der Raubtatbestand die in ihm zusammengeschlossenen Rechtsgüter kumulativ schützt 13 ; es müssen daher sowohl fremdes Eigentum als auch (fremder Gewahrsam sowie) die Willensfreiheit eines anderen beeinträchtigt werden. Dem Inhaber eines (gleich welchen) der geschützten Rechtsgüter ist eine Beeinträchtigung des gesamten Rechtsgutsverbundes nicht möglich; er kann jeweils das tatbestandlich umfaßte Rechtsgutskonglomerat nur ausschnitthaft, nämlich bezüglich der anderen Inhabern zugewiesenen Rechtsgüter verletzen. Besteht aber zwischen den Einzelrechtsgütern für ein konkretes Delikt eine kumulative Verbindung, so setzt der für jede strafbare Mitwirkung zu fordernde Angriff auf ein auch dem Beteiligten gegenüber geschütztes Gut voraus, daß die tatbestandliche Rechtsgutsgesamtheit ein taugliches Angriffsziel darstellt. Für die Fälle, in denen ein Straftatbestand dem kumulativen Schutz mehrerer Rechtsgüter dient, läßt sich mithin feststellen, daß der alleinige Inhaber eines dieser geschützten Rechtsgüter sich an diesem Delikt nicht in strafbarer Weise beteiligen kann. Anders verhält es sich jedoch, wenn ein Delikt in der Weise strukturiert ist, daß der betreffende Tatbestand zwar dem Schutz mehrerer Rechtsgüter dient, es für eine Strafbarkeit aber ausreicht, wenn der Täter nur eines dieser Rechtsgüter angreift. Ein derartiges dogmatisches Verhältnis zweier Schutzaspekte wird gemeinhin — logisch ungenau14 — als „Alternativität" bezeichnet. Zur Verdeutlichung einer solchen Normstruktur ist auf den Tatbestand der Falschverdächtigung (§ 164 StGB) zu verweisen. Der Streit um das diesem Delikt zugrundeliegende Schutzgut hat vier unterschiedliche Auffassungen hervorgebracht 15: Die erste Ansicht interpretiert den § 164 StGB als ein ausschließlich die Rechtspflege (und damit lediglich öffentliche Interessen) schützendes Delikt 16 . Die extreme Gegenposition deutet die Falschverdächtigung als ein Delikt, das allein die Individualinteressen des zu Unrecht Denunzierten zu schützen bestimmt ist 17 . Die beiden Arzt, Willensmängel, S. 40 und Schlehofer, Einwilligung, S. 80 f. Als weitere einschlägige Fallkonstellation ist auf die Erpressung unter Mitwirkung einer eingeweihten „Scheingeiser zu verweisen; vgl. dazu BGH, JZ 1985, 1059 mit Anm. Zaczyk und LK Schäfer, § 239a Rdn. 5. 13 Allgemein zu den unterschiedlichen Kombinationsformen mehrerer Rechtsgüter Blei, AT, § 24 III (= S. 91); Maurach I Zipf, AT 1, 17/44 ff.; Amelung, Dünnebier-FS (1982), S. 507 sowie den nachfolgenden Text. ι* Der Begriff „Alternativität" bezeichnet gemeinhin ein Verhältnis des gegenseitigen Ausschlusses zweier Möglichkeiten. Demgegenüber ist im hier gemeinten Zusammenhang die Verletzung mehrerer Schutzgüter in concreto durchaus möglich (nur eben nicht erforderlich). Vgl. — bezüglich § 164 StGB — Langer, Verdächtigung, S. 36 und Vormbaum, Schutz, S. 451 (in Fn. 17). ι 5 Ausführliche Darstellungen der Diskussion zum Schutzgut des § 164 StGB finden sich bei Langer, Verdächtigung, S. 23 ff. und Vormbaum, Schutz, S. 449 ff.; s. a. Schröder, NJW 1965, 1888 ff. 16 So insbesondere Langer, Verdächtigung, S. 35 ff.; ihm folgend SK-Rudolphi, § 164 Rdn. 1 f.

I. Fallgestaltungen mit mehreren Rechtsgutsträge

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übrigen Auffassungen nehmen einen dualen Schutzcharakter an. Während im älteren Schrifttum bisweilen eine kumulative Verletzung von Individual- und Allgemeininteressen gefordert wurde 18 , steht die (noch) überwiegende Ansicht 19 auf dem Standpunkt, es sei ausreichend, wenn sich die Tat entweder gegen die staatliche Rechtspflege oder gegen die Interessen des zu Unrecht Verdächtigten richte. Im Hinblick auf das Problem der Opferbeteiligung ergeben sich aus diesen Ansichten folgende Konsequenzen20: Sieht man die Rechtspflege als alleiniges Schutzgut des § 164 StGB, so ist der Verdächtigte überhaupt nicht „Opfer" im hier zugrundegelegten Sinne. Eine Teilnahmestrafbarkeit des Denunzierten kommt gleichfalls in Betracht, wenn man ein alternatives Nebeneinander von Allgemein- und Individualschutz annimmt; denn dann ist das nur auf das eine Element bezogene Opfermerkmal letztlich ohne Bedeutung, da das — für sich betrachtet vollwertige — Allgemeinrechtsgut gerade auch gegenüber dem von der Falschverdächtigung Betroffenen geschützt ist und deshalb von diesem in strafbarer Weise als Teilnehmer angegriffen werden kann. Umgekehrt führen sowohl die reine Individualschutztheorie als auch die Kumulationstheorie zur Straflosigkeit des Verdächtigten 21, da hier die auch dem Verdächtigten mögliche Beeinträchtigung der Rechtspflege kein (hinreichendes) Angriffsziel darstellt. Über den Meinungsstreit zu § 164 StGB hinaus begegnet die Annahme einer Alternativität der Schutzgüter prinzipiell gravierenden Bedenken22. Bereits aus allgemeinen Erwägungen erweckt die Ersetzbarkeit des einen durch ein anderes Schutzgut den zweifelhaften Eindruck einer relativen Beliebigkeit. Beim näheren Hinsehen erweist sich die Alternativitätsbetrachtung zudem regelmäßig als dogmatischer Kunstgriff, mit dessen Hilfe an sich unvereinbar erscheinende Auslegungsergebnisse formal in Einklang gebracht werden sollen, um ansonsten (vermeintlich) drohende Strafbarkeitslücken zu vermeiden. Wollte man beispielsweise als von § 164 StGB geschütztes Rechtsgut allein die (inländische) Rechtspflege 17 Eine ausführliche Begründung hat die Individualschutztheorie durch Hirsch (Schröder-GS [1978], S. 307 ff.) erfahren; in der Sache ebenso Vormbaum, Schutz, S. 455 ff. (459); Bottke, JA 1980, 98; Schmidhäuser, BT, 6/6; Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 157 ff. (165) und jüngst H. Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 315 ff. is Frank, § 164 Anm. 1; vgl. auch Otto, Jura 1985, 443 (444). 19 Vgl. hierzu die zahlreichen Nachweise bei S/S-Lenckner, Rdn. 1 f. und LK-Herdegen, Rdn. 1 ff. jeweils zu § 164. 20 Vgl. zum folgenden auch Otto, Jura 1985, 444. 21 In Betracht kommt freilich eine strafbare Teilnahme am (ausschließlich dem Schutz öffentlicher Belange dienenden; vgl. Lackner, § 145 d Rdn. 1; Schmidhäuser, BT, 23/2) § 145d StGB. 22 Überzeugend ist insoweit vor allem die von Langer (Verdächtigung, S. 36 ff.) vorgetragene Kritik. Hiemach stehen mehrere durch denselben Tatbestand geschützte Rechtsgüter regelmäßig im Verhältnis „qualifizierter Kumulation" (aaO. S. 38; gemeint ist hiermit die Verletzung des einen Rechtsguts als Mittel zur Verletzung eines weiteren Rechtsguts); eine Alternativität sei demgegenüber nur anzunehmen, wenn sie das Gesetz durch die ausdrückliche Verwendung des Wortes „oder" deutlich macht. Vgl. femer die Kritik bei Vormbaum, Schutz, S. 451 sowie bei SK-Rudolphi, § 164 Rdn. 2 und Hirsch, Schröder-GS (1978), S. 310 f.

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annehmen, so unterfiele die gegenüber einer ausländischen Behörde vorgenommene Denunziation nicht dem Tatbestand; umgekehrt müßte bei einem ausschließlich am Individualinteresse orientierten Normverständnis eine zwar unwahre, aber mit dem Willen des Verdächtigten erfolgende Anzeige wegen einer wirksamen Einwilligung des Rechtsgutsinhabers straflos bleiben. Da eine kumulative Zusammenfassung beider Schutzaspekte die Straffreiräume nur erweitern würde, interpretiert man die Norm in der Weise, daß man jeweils allein auf den die Strafbarkeit in concreto stützenden Gesichtspunkt abstellt. Eine solche folgenorientierte Schutzgutsbestimmung begegnet Zweifeln insofern, als das durch die jeweilige Norm geschützte Rechtsgut gerade im Hinblick auf die überragende Bedeutung der teleologischen Auslegungsmethode möglichst klar umrissen und aus der betreffenden Norm unmittelbar zu bestimmen sein sollte. Angesichts dieser Einwände gegen eine alternative Schutzgutsbetrachtung sprechen im Rahmen des § 164 StGB die besseren Argumente für die Individualschutztheorie. Hierbei ist — abgesehen von der in § 165 StGB normierten Antragsbefugnis — vor allem darauf zu verweisen, daß die eine einseitige Ausrichtung am Schutz der Rechtspflege befürwortende Konzeption den Unterschied zwischen § 164 StGB und § 145d StGB nicht hinreichend zu erklären vermag 23 .

3. Der „Schutzreflex" als abzulehnende Verquickung von Rechtsgutsträgerschaft und Dispositionsbefugnis Die Konstellationen mit dualem Schutzcharakter sind für die Problematik der Opferstrafbarkeit insofern von besonderem Interesse, als die hier vorliegende dogmatische Struktur weithin mit den Gegebenheiten des „reflexartig" Begünstigten übereinstimmt. In beiden Konstruktionsformen wird dem von der Tat Betroffenen eine merkwürdige Zwitterstellung in dem Sinne zugewiesen, daß zwar einerseits sein Schutz normativ intendiert ist, daß er andererseits aber nicht als „vollwertiges" Opfer erscheint. Die Beschneidung der Opferstellung ist hierbei maßgeblich von dem Ziel beeinflußt, dem von der Tat Betroffenen die Befugnis zur rechtfertigenden Einwilligung zu versagen. Damit erweisen sich die Kategorie des „Schutzreflexes" und die These des Alternativitätsverhältnisses zwischen unterschiedlichen Schutzgütern als dogmatische Gestaltungsformen, mit deren Hilfe die Einwilligungsproblematik bereits im Vorfeld gelöst wird, da die Ablehnung der (vollen) Rechtsgutsinhaberstellung zugleich die Verneinung der Dispositionsbefugnis impliziert. Obwohl eine solche Argumentation auf den ersten Blick elegant wirken mag, ist ihr eine eindeutige Absage zu erteilen; vielmehr gilt es im Blick zu behalten, daß die Rechtsgutsinhaberschaft und die Dispositionsbefugnis zwei prinzipiell 23 Zur näheren Begründung sei auf die Ausführungen von Hirsch, Vormbaum und H. Schneider (alle wie oben in Fn. 17 angegeben) verwiesen.

I. Fallgestaltungen mit mehreren Rechtsgutsträgern

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zu trennende Fragen betreffen 24. Zwar ist eine Einwilligungsbefugnis ohne eine Rechtsgutsinhaberschaft nicht möglich, doch gibt es — wie die in den §§216 und 226 a StGB normierten Verfügungsbeschränkungen zeigen — durchaus Rechtsgutsinhaber ohne Dispositionsbefugnis. Die Rechtsgutsträgereigenschaft ist also eine zwar notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für die Bejahung der Dispositionsbefugnis. Handelt es sich jedoch bei der Befugnis, Dritte von einer Strafbarkeit freizustellen, um ein abgeleitetes Sekundärproblem, dann schießt es gleichsam über das Ziel hinaus, wollte man den — im Hinblick auf die Frage der Opferstraflosigkeit dogmatisch durchaus relevanten — Primärschritt überspringen und sich bei der Schutzgutsbestimmung sofort der Einwilligungsfrage zuwenden. Vielmehr ist daran festzuhalten, daß die Bestimmung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts (bzw. der tatbestandlich geschützten Rechtsgüter) an der eigenständigen Fragestellung auszurichten ist, ob die betreffende Norm gerade (auch) die Interessen des einzelnen stärken soll, selbst wenn diese Schutzrichtung nicht zugleich die Befugnis umfassen sollte, gegenüber Dritten über dieses Gut disponieren zu können 25 . Diese Sichtweise vermeidet auch die Friktionen, die sich aus dem nebulösen „Schutzreflex" hinsichtlich der Problematik des „notwendigen Teilnehmers" ergeben. So finden sich einerseits Stellungnahmen, nach denen die indirekte, reflexartige Begünstigung dem unmittelbaren Schutz des Rechtsgutsträgers insofern gleichgestellt wird, als auch der nur reflexartig Begünstigte ohne Rücksicht auf das Ausmaß seiner Mitwirkung straflos bleibt 26 . Dem stehen jedoch andere Äußerungen gegenüber, die eine bloße reflexartige Besserstellung nicht für eine umfassende Straflosigkeit der betroffenen Person ausreichen lassen27. Der „Schutzreflex" ist somit eine zweifelhafte dogmatische Kategorie; dies gilt sowohl bezüglich der Feststellung, wann jemand (nur, aber immerhin) „reflexartig" begünstigt sein soll, als auch hinsichtlich der aus dieser Zwitterstellung eines 24 Vgl. oben 3. Kap. III. 2. 25 So besteht beispielsweise kein Anlaß, im Rahmen der Kindesentziehung (§ 235 StGB) den Minderjährigen als lediglich „reflexartig" begünstigt anzusehen (so aber Regel, Entziehen, S. 7 ff., 13). Vielmehr ist zu bedenken, daß das elterliche Sorgerecht keinen isolierten Selbstzweck verkörpert, sondern gerade der Entfaltung des Kindes, das nicht als bloßes „Erziehungsobjekt" angesehen werden kann, dienen soll; vgl. PalandtDiederichsen, Einf. vor § 1626 Rdn. 3; s. a. ders., NJW 1980, 1 ff. Zum Rechtsgut des § 235 StGB wie hier LK-Vogler, Rdn. 2; SK-Horn, Rdn. 2; Lackner, Rdn. 1 und S/SEser, Rdn. 1, 14 jeweils zu § 235; vgl. auch Geppert, Hilde Kaufmann-GS (1986), S. 771 f. (mit weiteren Nachweisen). 26 So insbesondere Bohnert, Meyer-GS (1990), S. 521 f., 523 (in Fn. 17 a. E.). Vgl. auch (bezüglich § 235 StGB) Schmidhäuser, BT, 13/16, 18; Weber, in: Arzt/Weber, LH 1, Bern. 526; Welzel, Lehrbuch, S. 330 und Maurach / Schroeder, BT 2, § 63 V 3 (= S. 90). 27 Vgl. zu § 181 a StGB a. F. BGHSt. 18, 283 (285) mit zustimmender Anm. Oehler, JZ 1964, 382 f. und BGHSt. 19,107; für eine Strafbarkeit der Teilnahme des Betroffenen bezüglich des § 164 StGB RGSt. 59, 34; BGHSt. 5, 66 (68) und S/S-Lenckner, § 164 Rdn. 36. Auch Mitsch (Provokation, S. 172 ff., 178) erklärt allein die formal-juristische Rechtsgutsbestimmung für maßgeblich.

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

„zweitklassigen" Tatopfers zu ziehenden Konsequenzen28. Bisweilen mag es bereits schwierig sein zu ermitteln, welche Interessen eine Strafnorm schützen will; nahezu unmöglich muß es aber erscheinen, feststellen zu wollen, wann ein Delikt den Interessen einer bestimmten Person zwar dienen will, dies aber nur in abgeschwächter (eben „reflexartiger") Weise. Auch hieraus erhellt, daß die Bestimmung des Schutzreflexes nicht originär erfolgt, sondern die Rechtsgutsbestimmung unzulässigerweise in Abhängigkeit zur Dispositionsbefugnis gebracht wird. Es kommt hinzu, daß sich eine eigenständige Befassung mit dem Problem etwaiger Einwilligungsbeschränkungen gar nicht vollends durch das grobe Instrument einer entsprechenden Schutzgutsbestimmung ersetzen läßt 29 . Wenn sich beispielsweise ein Soldat freiwillig als Blutspender zur Verfügung stellt 30 , so wird wohl niemand den das Blut abnehmenden Stabsarzt einer rechtswidrigen Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) schuldig befinden wollen 31 . Angesichts der deutlichen Parallele zur „zivilen" Blutspende liegt es nahe, die Straflosigkeit des Stabsarztes mit dem Vorliegen einer wirksamen Einwilligung 32 zu begründen. Dies hindert freilich nicht daran, die Einwilligungsbefugnis im Rahmen des § 340 StGB für bestimmte Fallkonstellationen aus staatsgerichteten Erwägungen zu versagen 33. Ist jedoch anzuerkennen, daß es überhaupt Fälle gibt, in denen das Unrecht des Amtsträgers durch eine wirksame Einwilligung des Betroffenen ausgeschlossen werden kann 34 , so impliziert dies eine Rechtsguts(mit)inhaberstel28 Zwar erschiene eine Differenzierung dahingehend denkbar, ob der Schutzreflex hinsichtlich der konkreten Norm als legislatorisches Motiv oder nur als regelmäßig gegebene begünstigende Begleitwirkung anzusehen ist. Vorzugswürdig ist jedoch eine klare dogmatische Trennung, die die Rechtsgutsbestimmung mit Blick auf die Frage der Opferstraflosigkeit vornimmt. Bezeichnenderweise behandelt auch Bohnert (Meyer-GS [1990], S. 530) den möglichen „Schutzreflex" (s. oben Fn. 26) als zweites Rechtsgut. 29 So stünden beispielsweise nach Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGHSt. 5, 66 [68]; s. a. BGHSt. 9,240 [242]) die mitgeschützten Allgemeininteressen der Anerkennung einer Einwilligung im Rahmen des § 164 StGB selbst dann entgegen, wenn man einen Vorrang des Individualschutzes annehmen wollte. 30 Zu diesem Beispiel vgl. Amelung, Dünnebier-FS (1982), S. 508 f. 31 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung von Wagner (JZ 1987, 662 in Fn. 78), daß die Ergebnisse ungeachtet der unterschiedlichen dogmatischen Ausgangspunkte vielfach übereinstimmen werden. 32 Die wohl überwiegende Ansicht lehnt eine Einwilligung im Rahmen des § 340 StGB grundsätzlich ab; vgl. LK-Hirsch, Rdn. 14; SIS-Cramer, Rdn. 5 jeweils zu § 340; Wagner, JZ 1987, 662. Für die Anerkennung einer Einwilligung demgegenüber SKHorn, § 340 Rdn. 7; s. a. Otto, BT, § 19 3 b (= S. 74 f.); Amelung, Dünnebier-FS (1982), S. 508 ff.; ders., Einwilligung, S. 71 ff. und SK-Rudolphi, vor § 331 Rdn. 16. 33 Dies gilt insbesondere bezüglich der (zu verneinenden) Übertragbarkeit des elterlichen Züchtigungsrechts auf Lehrer (vgl. dazu BGHSt. 12, 62 [69 f.]; SK-Horn, § 340 Rdn. 7 und Amelung, Dünnebier-FS (1982), S. 490); vgl. auch zur körperlichen Züchtigung durch einen Jugendstaatsanwalt BGHSt. 32, 357 ff. und Spendet, JR 1985, 487 f. 34 Beispielhaft ist darauf zu verweisen, daß nach einhelliger Auffassung eine von den Voraussetzungen des § 81 a StPO nicht gedeckte Eingriffsmaßnahme unter dem Aspekt einer wirksamen Einwilligung gerechtfertigt sein kanh; vgl. LR-Dahs, Rdn. 9 ff.; Kleinknecht ! Meyer, StPO, Rdn. 3 ff. und KK-Peichen, Rdn. 3 jeweils zu § 81a.

I. Fallgestaltungen mit mehreren Rechtsgutsträgern

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lung des jeweils betroffenen Individuums; denn nur so läßt sich die Grundthese aufrechterhalten, daß die Dispositionsbefugnis zwar nicht zwangsläufig aus der Rechtsgutsträgerstellung folgt, diese aber zumindest zur (notwendigen, nicht hinreichenden) Bedingung hat. In diesem Zusammenhang ist auch ein Hinweis auf die Delikte des sexuellen Mißbrauchs von Gefangenen, behördlich Verwahrten und Kranken in Anstalten (§ 174 a StGB) sowie des sexuellen Mißbrauchs unter Ausnutzung einer Amtsstellung (§ 174 b StGB) angezeigt. Bezüglich dieser Straftatbestände ist einhellig anerkannt, daß sie (zumindest auch) dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung der jeweils betroffenen Individualpersonen dienen 35 . Andererseits wird jedoch eine unrechtsausschließende Opferzustimmung nur in sehr engen Grenzen anerkannt, indem hierdurch möglicherweise das Tatbestandsmerkmal des „Mißbrauchs" entfallen kann 36 . Diese Restriktion ist gewiß mitgetragen von der Skepsis, inwieweit die Opferentscheidung als wirklich freiverantwortlich angesehen werden kann 37 . Doch es läßt sich nicht verkennen, daß der vom Gesetz mitintendierte Aspekt des Vertrauensschutzes bezüglich institutionalisierter Obhutsverhältnisse eine auf etatistischen Überlegungen basierende Verschärfung der anzulegenden Maßstäbe bewirkt. Die §§ 174 a, 174 b StGB können somit durchaus als Beispiele dafür herangezogen werden, daß staatsgerichtete Erwägungen eine Beschränkung der Dispositionsbefugnis legitimieren, ohne daß dies zu einer Verneinung der Rechtsgutsträgerschaft des betroffenen Individuums zwingt. In Wahrheit geht es in den Fällen, in denen staatliche Interessen berührt sind, um die bereits oben 38 herausgestellte Kernfrage jeglicher Einwilligungsbeschränkungen: Der Staat behält sich das Recht vor, die Strafrechtsbeziehung gegenüber Dritten (in concreto: gegenüber den Amtsträgern) unabhängig vom Willen des durch die Norm (Mit-)Geschützten zu regeln. Der hierdurch im Bereich der Amtsdelikte intendierte Schutz des Vertrauens der Bürger in die Reinheit der Amtsführung mag als zusätzlich geschütztes Rechtsgut anzuerkennen sein, doch reicht die Dispositionsbeschränkung nicht aus, um einer Strafnorm den individualschützenden Charakter abzusprechen 39. 35 Zur Bestimmung der durch die §§ 174 a, 174b StGB geschützten Rechtsgüter vgl. die teilweise voneinander abweichenden Äußerungen von LK-Laufhütte, vor § 174 Rdn. 5, § 174a Rdn. 1 f., § 174b Rdn. 1; S/S-Lenckner, § 174a Rdn. 1, § 174b Rdn. 1 f.; Dreher l Tröndle, § 174aRdn. 1,§ 174bRdn. 1 \Lackner,% 174aRdn. 1,§ 174bRdn. 1; Maur ach / Schroeder, BT 1,19 / 1 ff. Im Hinblick auf den staatlich-individuellen Doppelbezug ordnet Amelung (Dünnebier-FS [1982], S. 513) die §§ 174a, 174b StGB in die Gruppe der „Amtsdelikte im Justizbereich" ein. 36 Dreher / Tröndle, § 174a Rdn. 4, § 174b Rdn. 3; S/S-Lenckner, § 174a Rdn. 6, 10; § 174b Rdn. 7; SK-Horn, § 174a Rdn. 7, 19, § 174b Rdn. 9 und LK-Laufhütte, § 174a Rdn. 14, 16, § 174b Rdn. 9; s. femer BGHSt. 2, 93; 8, 24 (26 f.). 37 Otto, Lange-FS (1976), S. 211; s. a. allgemein zum Problem der Freiwilligkeit bei Einwilligungen in staatliche Handlungen Amelung, Einwilligung, S. 79 ff. 38 Zu 3. Kap. III. 2 (nach Fn. 122). 39 Würde man die Rechtsgutsbestimmung durchgängig von der Möglichkeit zur Verfügung abhängig machen, so könnten auch der Individualwucher (§ 302 a StGB) und die 7 Sowada

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

Es ist allerdings zu betonen, daß aus der gedanklichen Trennung von Rechtsgutsträgereigenschaft und Dispositionsbefugnis nicht schematisch der Schluß gezogen werden darf, die von einem Amtshandeln betroffene Einzelperson sei stets als (wenngleich vielfach nicht zur Einwilligung berechtigter) Rechtsgutsinhaber anzusehen. Vielmehr bedarf es bezüglich eines jeden in Betracht kommenden Einzeldelikts einer sorgfältigen Analyse, um zu einer exakten Beurteilung des jeweiligen Schutzgutes zu gelangen40. Hierbei könnte sich beispielsweise zeigen, daß zwar die Aussageerpressung (§ 343 StGB) und die Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) auch dem Individualgüterschutz dienen 41 (ohne daß hiermit freilich eine Einwilligungsbefugnis einherginge 42), daß andererseits aber die (auch ungerechtfertigte Bevorzugungen pönalisierende) Rechtsbeugung (§ 336 StGB) ausschließlich öffentliche Belange schützt 43 . Eine ausführliche Untersuchung der einschlägigen Straftatbestände muß im Rahmen der vorliegenden Arbeit aus arbeitsökonomischen Gründen unterbleiben. Es ist jedoch wichtig festzustellen, daß die Schutzgutsbestimmung von der strengen Anbindung an die Einwilligungsproblematik zu lösen ist.

I I . Die Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten In den bislang untersuchten Fallgestaltungen wußte das Opfer, daß sich das Tatgeschehen gegen die ihm zugewiesenen Rechtsgüter richtet. Als Komplikation dieser Grundkonstellation ist im folgenden der Frage nachzugehen, welche Konsequenzen sich aus der Rechtsgutsträgerstellung des Tatbeteiligten ergeben, wenn

Tötung auf Verlangen (§216 StGB) nicht länger als individualschützende Strafnormen interpretiert werden. Entsprechendes gilt auch für die Entführung mit dem Willen der Entführten (§ 236 StGB); deshalb hindert (entgegen Bohnert, ZStW 100 [1988], 510 f.) die Unbeachtlichkeit des Willens der Minderjährigen nicht die Annahme, sie sei Inhaberin eines vom Tatbestand geschützten Rechtsguts (und nicht lediglich „reflexartig" begünstigt). 40 Dies betont zu Recht Amelung, Dünnebier-FS, (1982), S. 507; vgl. auch LK-Jescheck, vor § 331 Rdn. 8. 41 Zur Schutzgutsbestimmung bei den §§ 343, 344 StGB vgl. Amelung, DünnebierFS (1982), S. 513 ff.; s. a. Wagner, Amtsverbrechen, S. 178 ff., 185 ff.; LK-Jescheck, § 343 Rdn. 1, § 344 Rdn 1 und SIS-Cramer, § 343 Rdn. 1, § 344 Rdn. 1. 42 Die grundsätzliche Unbeachtlichkeit der Einwilligung läßt sich bezüglich § 343 StGB auch aus § 136a III 1 StPO ablesen; vgl. etwa SK-Rudolphi, vor § 331 Rdn. 16. Umstritten ist hingegen, ob das Einverständnis im Einzelfall das Merkmal „Gewalt" entfallen lassen kann; bejahend u. a. Dreher I Tröndle, § 343 Rdn. 9 (a. E.); verneinend SK-Horn, § 343 Rdn. 7, 12. 43 Ein (auch) individualschützender Charakter des § 336 StGB wird ausführlich abgelehnt bei Vormbaum, Schutz, S. 321 ff. (325); s. a. SK-Rudolphi, § 336 Rdn. 2; als mitgeschützt erscheinen die subjektiven Interessen der Bürger hingegen bei Seebode, Rechtsbeugung, S. 19 sowie bei Wagner, Amtsverbrechen, S. 212 f.

II. Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten

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die objektiv vorliegende Rechtsgutsinhaberschaft nicht von der subjektiven Vorstellung des Tatopfers erfaßt wird, dieses mithin irrtümlich zum Opfer wird.

1. Diskutierte Fallgestaltungen Um die hier zu behandelnde Problemkonstellation deutlicher hervortreten zu lassen, sollen zunächst drei Beispielsfälle aus Rechtsprechung und Schrifttum vorgestellt werden, anhand derer die Strafbarkeit des irrtümlich von der Tat betroffenen Tatbeteiligten diskutiert wird. Als erstes Beispiel diene der vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil BGHSt. 11, 268 entschiedene sog. „Verfolger-Fall" 44: Der Angeklagte P. hatte sich mit seinen Komplizen M. und Th. zur Begehung eines nächtlichen Einbruchsdiebstahls in das Lebensmittelgeschäft des A. verabredet. Hierbei war man übereingekommen, daß jeder Mittäter eine Schußwaffe bei sich führen und von dieser notfalls auch Gebrauch machen sollte, falls einem Beteiligten die Festnahme durch einen Verfolger drohe. Bei dem Versuch, in das Gebäude zu gelangen, wurden die Täter von dem wild gestikulierenden und laut rufenden A. überrascht. Auf der Flucht bemerkte M. eine zwei bis drei Meter hinter ihm laufende Person, die er in der Dunkelheit für einen Verfolger hielt; in Wahrheit handelte es sich um P. Um der befürchteten Festnahme zu entgehen, feuerte M. einen Schuß auf den vermeintlichen Verfolger ab. Er traf den rechten Oberarm des P., doch blieb das Geschoß im aufgekrempelten Hemdärmel des P. stecken. Der Bundesgerichtshof verurteilte auch den von der Kugel getroffenen P. wegen gemeinschaftlich begangenen versuchten Mordes. Abstrakt formuliert betrifft die vorliegende Problemkonstellation jene Fälle, in denen das Opfer durch einen irrtümlich handelnden Mittäter verletzt wird. Um auch die Möglichkeit der Strafbarkeit wegen einer vollendeten Tat in die Untersuchung einzubeziehen, soll der geschilderte Sachverhalt dahingehend modifiziert werden, daß der Schuß den P. tatsächlich am Arm verletzt hat 45 . Ob dieser Modifikation überhaupt eine praktische Bedeutung zukommen kann, hängt von der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen dem versuchten Mord und der vollendeten gefährlichen Körperverletzung 46 ab. Auf jeden Fall ist die Abwandlung von dogmatischem Interesse, da sie die Frage, ob trotz eines tatsächlich eingetretenen Verletzungserfolges für das Opfer allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt, schärfer hervortreten läßt. 44 Ausführlich zu dieser Entscheidung Schröder, JR 1958, 427 f.; Spendet, JuS 1969, 314 ff.; Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen, S. 76 ff.; Küper, Versuchsbeginn, S. 35 ff.; Roxin, Täterschaft, S. 100 f., 286 f., 311 f. und Eser, Strafrecht II, Fall 39 (= S. 159 ff.); vgl. auch Moojer, Diskrepanz, S. 149 ff. 45 Eine derartige Abweichung führt das BGH-Urteil zum argumentativen Vergleich an (BGHSt. 11, 270 f. bezüglich § 229 StGB); vgl. zu einer solchen Konstellation auch Wiegelmann, Jura 1983, 328 (331) und Geilen, Jura 1983, 334 f. 46 Vgl. S/S-Eser, § 212 Rdn. 21 ff. 7*

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

Im zweiten Beispiel wird die gleiche Problemsituation insofern modifiziert, als das unfreiwillige Tatopfer hier nicht als Mittäter, sondern als Teilnehmer erscheint. Konkret handelt es sich hierbei um eine Abwandlung des vieldiskutierten 47 Rose / Rosahl-Falles**: Rosahl hatte den Rose angestiftet, dem Schliebe in morgendlicher Dämmerung aufzulauern und ihn zu erschießen. Tatsächlich erschoß Rose den Hanisch, den er irrtümlicherweise für Schliebe gehalten hatte. Dieser reale Tatablauf ist bezüglich der hier interessierenden Problematik der Strafbarkeit des irrtümlich getroffenen Tatbeteiligten dahingehend umzubilden, daß sich Rosahl an jenem Motgen selbst an den Tatort begibt, um sich von der Tatausführung durch Rose zu überzeugen. Hält nun Rose den Rosahl irrtümlich für das erwartete Opfer Schliebe und wird Rosahl durch einen Schuß des Rose verletzt, so stellt sich — ähnlich wie im Verfolger-Fall — die Frage nach der Strafbarkeit des getroffenen Tatbeteiligten49. Divergieren die beiden bislang geschilderten Beispielsfälle auch bezüglich der Beteiligungsform des Tatopfers, so stimmen sie doch in zweifacher Hinsicht überein: Erstens tritt der Taterfolg an einem anderen Tatobjekt ein, als es der Vorstellung des beteiligten Opfers (und auch des Täters) entsprach; zweitens war das Fehlgehen der Tat vom Opfer bereits im Augenblick des (Mit-)Täterhandelns erkannt. Diese Grundkonstellation, daß sich die auf ein fremdes Opfer projizierte Tat auf den Tatbeteiligten zubewegt und ihn trifft, findet in der von Eser 50 geprägten Bezeichnung von den „Bumerang-Fällen" plastischen Ausdruck. Es sind jedoch auch Fallgestaltungen denkbar, in denen sich die Tat gegen den von allen Tatbeteiligten anvisierten körperlichen Gegenstand richtet und sich erst nachträglich herausstellt, daß einer der Komplizen zum Opfer dieser Tat wurde. Zur Veranschaulichung denke man sich den Fall 5 1 , daß A. den B. anstiftet, ein wertvolles Gemälde aus der Wohnung seines (des A.) Onkels X. zu entwenden. B. begeht die Tat; erst später erfahren A. und B., daß X. zur Zeit des Einbruchs bereits tot und A. als Alleinerbe Eigentümer des entwendeten Bildes war 52 . In diesem Beispiel entspricht der Tatablauf exakt den Vorstellungen der Beteiligten; 47

Ausführliche Stellungnahmen zum Rose / Rosahl-Fall finden sich bereits bei Hälschner, GA Bd. 7 (1859), 433 ff. und Binding, Normen III, S. 210 ff.; s. a. Bemmann, MDR 1958,817 ff.; Letzgus, Vorstufen, S. 54 ff.; Alwart, JuS 1979,351 ff. und Schreiber, JuS 1985, 873 (876 f.). 48 Vgl. die Entscheidung des Preußischen Obertribunals in GA Bd. 7 (1859), 322 ff. S. auch BGHSt. 37, 214 mit Anmerkungen von Puppe, NStZ 1991, 124 ff.; Roxin, JZ 1991, 680 f. und Geppert, JK, StGB § 26/4; zu dieser Entscheidung vgl. femer Streng, JuS 1991, 910 ff. und Wessels, AT, § 13 IV 4d (= S. 171 ff.). 49 Zu dieser Modifikation vgl. Hälschner, GA Bd. 7 (1859), 448; Binding, Normen III, S. 214; Bemmann, MDR 1958, 822; Letzgus, Vorstufen, S. 56 und Puppe, NStZ 1991, 124 f. so Studienkurs II, Fall 39, A 14 (= S. 163). 51 Das Beispiel ist einem von Herzberg (Täterschaft, S. 135; s. a. ders., GA 1991, 156) konstruierten Fall nachgebildet. 52 Auf die durch den Tod des X. bedingten Gewahrsamsfragen (vgl. dazu Wessels, BT 2, § 2 III 3d [= S. 21]; Arzt, in: Arzt/Weber, LH 3, S. 31) soll es im folgenden nicht ankommen; nötigenfalls wäre ein weiterer Wohnungsinhaber hinzuzudenken.

II. Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten

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lediglich die rechtliche Bedeutung bleibt ihnen verborgen, da sie von der Rechtsgutsträgereigenschaft des Teilnehmers keine Kenntnis haben. Der geschilderte Beispielsfall läßt sich unschwer in eine Mittäterschaftskonstellation umbilden, indem man ihn dahingehend abwandelt, daß A. und B. gemeinschaftlich handelnd das Gemälde aus der Wohnung des X. entwenden. Bemüht man sich um eine Antwort auf die Frage, wie die dargestellten Beispielsfälle zu lösen sind, so muß man erstaunt konstatieren, daß — jedenfalls bezüglich der beiden zuerst geschilderten Sachverhalte — sich jedes nur theoretisch denkbare Ergebnis durch eine Fundstelle im strafrechtlichen Schrifttum und / oder in der Judikatur belegen läßt. Im Verfolger-Fall hat die vom Bundesgerichtshof bestätigte Verurteilung auch des angeschossenen Komplizen wegen eines (untauglichen) gemeinschaftlichen Mordversuchs in der Literatur weithin Zustimmung erfahren 53, doch weist auch die für eine Bestrafung gemäß § 30 I I StGB eintretende Gegenansicht zahlreiche Anhänger 54 auf. Für Fallgestaltungen, in denen die Tat nicht bereits aus tatsächlichen Gründen im Versuchsstadium steckenbleibt, wird vereinzelt angenommen, daß das Opfer wegen einer Anstiftung zur vollendeten Tat strafbar sei, die die gleichfalls gegebene mittäterschaftlich versuchte Tat verdränge 55; es findet sich sogar die Auffassung, daß auch das getroffene Opfer wegen mittäterschaftlich vollendeter Tat zu bestrafen sei 56 . Die gegenteilige Extremposition völliger Straflosigkeit wird zwar nicht explizit ausgesprochen, doch lassen einige literarische Stellungnahmen auch eine Deutung in diesem Sinne zu 57 .

53 So etwa bei Küper, Versuchsbeginn, S. 35 ff. (43); Baumann I Arzt ! Weber, Strafrechtsfälle, S. 143 f.; Jescheck, AT, § 63 I 2 (= S. 612); Blei, AT, § 78 I (= S. 276; s. a. aaO. S. 280); SK-Samson, § 25 Rdn. 49; Wiegelmann, Jura 1983, 331; Geilen, Jura 1983, 334 ff. sowie bei Streng, JuS 1991, 915 f.; s. a. Jakobs, AT, 21/45. 54 Hier sind zu nennen Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen, S. 76 ff., 126; Roxin, Täterschaft, S. 286 f., 311 f.; ders., JA 1979, 519 f.; ders., in: LK, § 25 Rdn. 124; Seelmann, JuS 1980, 572; Herzberg, Täterschaft, S. 63 f.; Langer, Dünnebier-FS (1982), S. 426; Schreiber, JuS 1985, 876 und Spendet, JuS 1969, 314 f. Ebenfalls zu § 30 StGB gelangen —jedoch unter Verneinung einer mittäterschaftlichen Tatgestaltung — Schmidhäuser, AT, 14/19 (§30 I StGB wegen wechselseitiger versuchter Anstiftung; s. a. ders., StudB AT, 10/61) und (allerdings ohne konkrete Bezugnahme auf BGHSt. 11, 268) Rudolphi, Bockelmann-FS (1979), S. 380 f.; ders., Fälle, S. 70 ff., 75 (§ 30 II StGB wegen gegenseitigen Sich-bereit-Erklärens). 55 So Schröder, JR 1958, 427 f.; ihm folgend SIS-Cramer, § 25 Rdn. 96; ablehnend hingegen Baumann, JuS 1963, 126 f. und Spendet, JuS 1969, 317 f. 56 Maurach I Gössel, Fälle, S. 57 ff. (63 ff., 65). 57 Nicht ganz eindeutig erscheinen die (zu § 30 I StGB gemachten) Ausführungen von Sax, ZStW 90 (1978), 946 f., 961 ff. Auch der argumentative Hinweis auf die Straflosigkeit der Selbsttötung (vgl. dazu Spendel, JuS 1969, 316 und Schreiber, JuS 1985,876) könnte als Ansatzpunkt für eine auf völlige Straflosigkeit gerichtete Argumentation angesehen werden. Vgl. in diesem Sinne — allerdings aufgrund einer inzwischen übrholten Versuchstheorie — Binding, Handbuch, S. 692 ff. (Spendel und Schreiber aaO. gelangen zur Strafbarkeit gemäß § 30 II StGB).

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

Eine entsprechende Meinungsvielfalt läßt sich auch bezüglich des zweiten Beispielsfalles feststellen. Das Preußische Obertribunal 58 verurteilte Rosahl wegen Anstiftung zum (vollendeten) Mord. Dieses Ergebnis wird (hinsichtlich des Körperverletzungsdelikts) in der Literatur teilweise auch für die hier interessierende Abwandlung vertreten, daß der Anstifter selbst dem Täterhandeln zum Opfer fällt 59 . Als vorherrschend dürfte inzwischen jedoch die Gegenmeinung anzusehen sein, die das Verhalten des Initiators als versuchte Anstiftung (§ 30 I StGB) bewertet 60. Hinsichtlich der weiterhin denkbaren Lösungsalternativen einer völligen Straflosigkeit oder einer strafbaren Anstiftung zum Versuch (§§ 211, 22, 26 StGB) 61 lassen sich wiederum literarische Äußerungen mittelbar heranziehen. Das dritte Beispiel wird im Schrifttum kaum diskutiert. Es findet sich eine Stellungnahme, die für eine Anstiftung zum Versuch (§§ 242, 22, 26 StGB) eintritt 62 , doch wird man in Anlehnung an den Streitstand zu den zuvor geschilderten Fällen auch andere Lösungsmöglichkeiten in die Überlegungen miteinbeziehen müssen. 2. Die gebotene Trennung zwischen unterschiedlichen Zurechnungsebenen Die aufgezeigte Meinungsvielfalt legt die Vermutung nahe, daß sich hinter den dargestellten Beispielsfällen eine komplexe Problemstruktur verbirgt. Die vorrangig zu bewältigende Aufgabe besteht deshalb darin, das Problemknäuel zu entwirren und die für die Fallentscheidung jeweils maßgebliche(n) juristischein) Fragestellung(en) freizulegen 63. Daß die Schwierigkeiten der rechtlichen 58 GA Bd. 7 (1859), 322 (325, 337). Grundsätzlich übereinstimmend BGHSt. 37, 214 ff. (unter Abstellen auf die Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren). 59 So bereits Hälschner, GA Bd. 7 (1859), 448; ebenso Schröder, JR 1958, 428. Hinsichtlich des dem Rose / Rosahl-Falles zugrundeliegenden Originalsach Verhalts, bei welchem nicht der Anstifter, sondern ein anderes, gleichwertiges Opfer getroffen wurde, wird der „error in persona" des Ausführenden als auch für den Anstifter unbeachtlich angesehen von Welzel, Lehrbuch, S. 75,117; Maurach / Gössel, AT 2,51 / 48 f.; Dreher / Tröndle, § 26 Rdn. 15; Loewenheim, JuS 1966, 310 (314 f.); Backmann, JuS 1971, 113 (119 f.) und Puppe, GA 1984,120 f.; zumindest ähnlich (in Abweichung zur Vorauflage) nun auch Wessels (AT, § 13 IV 4d [= S. 172 f.]) im Anschluß an BGHSt. 37, 214. 60 Speziell bezüglich der Abwandlung für eine versuchte Anstiftung Bemmann, MDR 1958, 822; vgl. auch Binding, Normen III, S. 214; ebenso hinsichtlich des Originalsachverhalts Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen, S. 63 ff.; Letzgus, Vorstufen, S. 56 ff. (60); Jescheck, AT, § 64 III 4 (= S. 625); Otto, AT, § 22 II 3 c (= S. 346); LK-Roxin, § 26 Rdn. 26; SK-Rudolphi, § 16 Rdn. 30 und Schreiber, JuS 1985, 877. Im Rose / Rosahl-Fall nimmt Stratenwerth (AT, Rdn. 287) Anstiftung zum Versuch an; unter Aufgabe der früher vertretenen Ansicht nunmehr ebenso S/S-Cramer, § 26 Rdn. 19 (a. E.); vgl. auch Blei, AT, § 79 II 1 (= S. 285); Roxin / Schünemann / Haffke, Klausurenlehre, S. 128 f. sowie Moojer, Diskrepanz, S. 155 (Fn. 35). 62 Herzberg, Täterschaft, S. 135; s. a. ders., GA 1991, 157. 63 Zur Überlagerung mehrerer Problemaspekte vgl. bezüglich des Verfolger-Falles Eser, Strafrecht II, Fall 39 A 1 (= S. 160); s. femer Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen,

II. Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten

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Beurteilung nicht allein aus dem Umstand der Rechtsgutsträgereigenschaft resultieren, wird ersichtlich, wenn man nicht bei einer bloßen ergebnisorientierten Gegenüberstellung der unterschiedlichen Auffassungen stehenbleibt, sondern auch die den unterbreiteten Lösungsvorschlägen zugrundeliegenden Argumentationen mit in den Blick nimmt. Dann zeigt sich nämlich deutlich, daß in den ersten beiden Beispielsfällen die Personalunion zwischen Tatbeteiligtem und Tatopfer nur eine besondere Abwandlung einer dogmatischen Grundkonstellation darstellt, deren rechtliche Behandlung schon für sich betrachtet Gegenstand lebhafter Auseinandersetzung ist. Das gilt insbesondere für die Problematik des Rose / Rosahl-Falles. Denn die vorliegend interessierende Abwandlung, daß sich die Tat gegen den Anstifter kehrt, wurde im ursprünglichen Strafverfahren vom Verteidiger des Rosahl als hypothetischer Vergleich herangezogen, um darzutun, daß die infolge einer Verwechslung vom Vordermann begangene Tat dem Anstifter generell nicht zugerechnet werden dürfe 64 . Die eigentliche, auch heute noch umstrittene Frage besteht also darin, ob der „error in persona" des Vordermannes für den Hintermann als eine beachtliche „aberratio ictus" anzusehen ist und welche Konsequenzen sich aus einer derartigen Beurteilung ergeben. Eine ähnliche Situation läßt sich auch bezüglich des Verfolger-Falles feststellen. Zwar war hier der Angeklagte P. realiter Opfer des Handelns seines Komplizen geworden, doch belegen die literarischen Äußerungen zu diesem Fall, daß maßgebliche Gesichtspunkte von dieser Besonderheit unabhängig sind. So ist umstritten, ob der geschilderte Tatplan auf eine „gemeinschaftliche Begehung" im Sinne des § 25 I I StGB angelegt war 6 5 ; ferner wird diskutiert, ob die — bezüglich des Schützen als unbeachtlicher „error in persona" anzusehende — Fehlleistung des Handelnden aus der Sicht seiner Tatgenossen als ein die Handlungszurechnung ausschließender Exzeß zu qualifizieren ist 66 . Diese beiden Problemaspekte sind aber nicht allein für die Beurteilung des getroffenen Komplizen von Bedeutung; ihnen käme gleichfalls aus der Sicht des dritten Tatgenossen Relevanz zu, der weder den Schuß abgefeuert hatte noch von der Kugel getroffen wurde 67 . Bei näherem Hinsehen zeigt sich somit, daß die eingangs geschilderten Beispielsfälle zwar allesamt die Besonderheit aufweisen, daß durch das Tatgeschehen irrtumsbedingt Rechtsgüter des mitwirkenden Tatbeteiligten beeinträchS. 77 (Fn. 18), 78 f. sowie ausführlich Moojer, Diskrepanz, S. 142 ff. (153 ff., 164 f., 172, 178). 64 Vgl. die oben in Fn. 49 genannten Nachweise. 65 Verneinend Schmidhäuser und Rudolphi jeweils wie oben in Fn. 54. 66 Zum Gedanken eines der Zurechnung entgegenstehenden Exzesses vgl. Roxin, Seelmann, Herzberg und Schreiber (alle wie oben in Fn. 54 angegeben); s. a. Spendel, JuS 1969, 318. Gegen die Verwendung des Terminus „Exzeß" (und für die Annahme einer „aberratio ictus") Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen, S. 76 ff. (78 f.). 67 Gegenstand der Entscheidung BGHSt. 11, 268 war allein die Strafbarkeit des angeschossenen Komplizen.

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

tigt werden. Andererseits erklärt diese Besonderheit den um diese Fallkonstellationen geführten Streit nur unvollkommen, da die Beurteilung dieser Fälle auch maßgeblich von weiteren Problemaspekten abhängt. Eine exakte Trennung der sich teilweise überlagernden Problemstränge muß bei der Frage ansetzen, welche Zurechnungsbeziehungen für die Strafbarkeit eines Tatbeteiligten gegeben sein müssen68. Betrachtet man hierbei etwa die Strafbarkeit einer Anstiftung (für eine mittäterschaftliche Begehung gilt im Prinzip Entsprechendes) zu einem normalen Erfolgsdelikt, so muß in dreifacher Hinsicht eine Zurechenbarkeit festgestellt werden können, um eine strafbare Anstiftung zur vollendeten Tat zu bejahen: Erstens muß der eingetretene Taterfolg der Person des Haupttäters zurechenbar sein; zweitens müssen die Anforderungen erfüllt sein, die die jeweilige Beteiligungsnorm (in concreto § 26 StGB) für die Zurechnung des Täterverhaltens zur Person des Anstifters aufstellt, und drittens bedarf es schließlich der Feststellung, daß der eingetretene — und gemäß den ersten beiden Stufen zurechenbare — Erfolg auch aus der Sicht des Beteiligten eine Rechtsgutsverletzung darstellt. Für jede dieser drei genannten Zurechnungsbeziehungen läßt sich fragen, welche Zurechnungsvoraussetzungen gelten sollen. Ergibt sich hiernach, daß eine Zurechnungsstörung vorliegt, so stellt sich des weiteren die Frage, welche Konsequenz aus diesem Befund folgt. Eine umfassende Entwicklung aller die Beteiligungslehre betreffenden Zurechnungsmerkmale kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Dies ist aber auch entbehrlich; denn vor dem Hintergrund der Strafbarkeit des beteiligten Tatopfers erscheint allein die dritte Zurechnungsebene — der Aspekt des eigenen Rechtsgutsangriffs auch des Teilnehmers — als einschlägig. Gleichwohl sollen die auf den beiden anderen Ebenen angesiedelten Zurechnungsprobleme — nicht zuletzt wegen möglicher Überschneidungen — zumindest grob skizziert werden. a) Das Zurechnungsproblem zwischen Vordermann

und Taterfolg

Ob der tatbestandlich umschriebene Erfolg der Person des Haupttäters zugerechnet werden kann, ist eine von der Beteiligungslehre völlig getrennte Frage, deren Beantwortung sich nach den allgemeinen, unter dem Stichwort der „Lehre von der objektiven Zurechnung" diskutierten Regeln 69 entscheidet. Realisiert sich im konkret eingetretenen Erfolg nicht die vorsätzlich geschaffene Gefahr, so kommt (abgesehen von einer möglichen Fahrlässigkeitshaftung) nur eine Strafbarkeit wegen einer versuchten Tat in Betracht. Diese Bewertung ist aus Akzessorietätsgründen auch für den Teilnehmer maßgeblich. Im Falle mittäterschaftlichen Zusammenwirkens folgt das gleiche Ergebnis — Haftung (nur) für eine versuchte Tat — zwar nicht aus dem Akzessorietätsprinzip 70, doch werden 68 Zur Unterscheidung zwischen den einzelnen Zurechnungsbeziehungen vgl. auch Moojer, Diskrepanz, S. 156 ff. 69 Allgemein zur Lehre von der objektiven Zurechnung vgl. SK-Rudolphi, vor § 1 Rdn. 57 ff.; LK-Jescheck, vor § 13 Rdn. 59 ff. sowie Eberti Kühl, Jura 1979, 561 ff.

II. Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten

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Mängel der objektiven Zurechnung regelmäßig für beide Mittäter gleichermaßen gelten. Untersucht man die drei Eingangsbeispiele danach, ob bei ihnen die Zurechnung des eingetretenen Erfolges zur Person des handelnden Täters gestört erscheint, so ist dies zumindest für die beiden zuerst genannten Fallgestaltungen eindeutig zu verneinen; denn mit der Kennzeichnung als „error in persona" ist zugleich die Unbeachtlichkeit des Irrtums für die Person des Handelnden verbunden 71 . Lediglich im dritten eingangs geschilderten (= Erbschafts-)Beispiel ist eine Zurechnungsstörung für die Person des die Tat unmittelbar ausführenden B. denkbar; dies gilt freilich nur dann, wenn man die objektive Übereinstimmung mit dem Willen des zur Tatzeit an diesem Gegenstand Berechtigten für die Bejahung einer mutmaßlichen Einwilligung ausreichen läßt, so daß B. in Unkenntnis einer objektiv gegebenen Rechtfertigungslage 72 gehandelt hätte. Für A. ergäbe sich hieraus die Konsequenz, daß auch er — aus Akzessorietätsgründen — allenfalls wegen einer Anstiftung zum versuchten Diebstahl bestraft werden könnte 73 . b) Die Zurechnungsproblematik

zwischen Vordermann

und Hintermann

Die zweite Zurechnungsebene betrifft das personale Verhältnis zwischen den Tatbeteiligten. Den zentralen Problemaspekt bildet hierbei die Frage, inwieweit die irrtumsbehaftete Tatausführung des unmittelbar Handelnden den übrigen Tatbeteiligten zugerechnet werden kann. Auch im Rahmen dieser personalen Zurechnungsbeziehung kommt dem Umstand, daß sich das Tatgeschehen gerade 70 Denn die Mittäterschaft ist insoweit nicht in gleichem Maße akzessorisch wie die Teilnahme, da die rechtliche Bewertung des einen Komplizen nicht strikt von der für den anderen Tatgenossen vorgenommenen Beurteilung abhängen muß (vgl. LK-Roxin, § 25 Rdn. 114 f.; s. a. Jakobs, AT, 21 / 59). 71 Zur Unbeachtlichkeit des „error in persona (vel in objecto)" für den die Tat Ausführenden bei (vorliegend unproblematischer) rechtlicher Gleichwertigkeit von anvisiertem und getroffenem Tatobjekt vgl. statt aller Wessels, AT, § 7 IV 1 (= S. 74 f.) und SKRudolphi, § 16 Rdn. 29. 72 Die wohl vorzugswürdige, im Vordringen befindliche Ansicht unterstellt das Handeln in Unkenntnis einer Rechtfertigungslage den (direkt oder analog anwendbaren) Versuchsvorschriften. Ausführliche Begründungen für diese Auffassung geben Frisch, Lackner-FS (1987), S. 113, 138 ff. und Herzberg, JA 1986, 190 ff. (192); vgl. ferner SK-Rudolphi, § 22 Rdn. 29; Wessels, AT, § 8 I 2 (= S. 83) und Otto, AT, § 18 IV l a (= S. 276 f.); zur Gegenmeinung (= Vollendungslösung) s. die Nachweise bei LK-Hirsch, vor § 32 Rdn 59. 73 Weiß zwar der Rechtsgutsinhaber, nicht jedoch der die Tat unmittelbar Ausführende, daß sich das Verhalten ausschließlich gegen Rechtsgüter des Hintermannes richtet, so ist eine für den Problemkreis des „agent provocateur" typische Konstellation gegeben. Für die Straflosigkeit des Rechtsgutsträgers gelten die im vorigen Kapitel genannten Überlegungen (es liegt weder objektiv noch subjektiv ein Angriff des Rechtsgutsinhabers auf ihm gegenüber geschützte Rechtsgüter vor) unabhängig von der Unkenntnis des Vordermannes. Vgl. auch die Ausführungen von Mitsch, Provokation, S. 154 ff. (Fehlen eines sog. „gewöhnlichen persönlichen Merkmals").

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in der Beeinträchtigung von Rechtsgütern eines Tatgenossen niederschlägt, zunächst keine besondere Bedeutung zu. Vielmehr sind insoweit die — freilich umstrittenen—Zurechnungsregeln der allgemeinen Beteiligungsdogmatik heranzuziehen, wie sie insbesondere anhand des Originalsachverhalts des Rose / Rosahl-Falles oder bezüglich des nicht getroffenen Komplizen im Verfolger-Fall entwickelt worden sind. Während das Preußische Obertribunal bzw. der Bundesgerichtshof den Irrtum des Ausführenden als auch für die übrigen Tatbeteiligten unerheblich erachteten und somit eine rechtlich relevante Störung auf der personalen Zurechnungsebene zwischen Anstifter und Haupttäter bzw. zwischen dem handelnden und den anderen Mittätern verneinten, liegt der in der Literatur vertretenen Annahme eines Exzesses oder einer aberratio ictus die Vorstellung einer erheblichen Zurechnungsstörung zugrunde. Welcher dieser Grundpositionen man den Vorzug gibt, hängt wesentlich davon ab, welche Bedeutung man etwaigen im Tatplan enthaltenen Vorsatzkonkretisierungen beimißt. Wird das Opfer im Tatplan anhand seiner Identität (so bezüglich des Schliebe im Rose / Rosahl-Fall) oder nach bestimmten Kriterien (so bezüglich der Verfolgereigenschaft im Fall BGHSt. 11, 268) festgelegt, so bedarf es einer diese Abrede umsetzenden Individualisierung durch den Ausführenden 74. Überschreitet der Handelnde in bewußter Abweichung vom Tatplan die getroffene Abrede, so daß sich sein Handeln als ein rechtliches maius oder aliud darstellt, so spricht man von einem „Exzeß", der die übrigen Tatbeteiligten nicht belastet, da für sie die getroffene Übereinkunft gleichermaßen Haftungsgrundlage und Zurechnungsgrenze 75 ist. Diejenigen Autoren, die den „error in persona" des Vordermannes in der Person des Hintermannes für beachtlich halten, argumentieren damit, daß es für den Hintermann unerheblich sei, ob der Handelnde bewußt oder versehentlich die gemeinsame Abrede mißachte76; in beiden Fällen stelle sich die Tatausführung aus der Sicht des Hintermannes als wesentliche Abirrung dar. Allerdings ist zu betonen, daß auch auf der Grundlage dieser Auffassung nicht jeder in der Person eines Dritten eintretende Taterfolg zwangsläufig zu einem für den Hintermann 77 erheblichen Irrtum führt. Ist die im Tatplan vorgenommene Opferkonkretisierung in einer Weise erfolgt, daß der Vordermann unter Wahrung dieser Kriterien gleichwohl ein anderes als das vorgestellte Opfer trifft, so ist ein derartiges Fehlgehen angesichts der Planwahrung für den Hintermann unbeachtlich 78 . Gleiches soll dann gelten, wenn auch der Hintermann demselben 74 Zu den sich hieraus ergebenden Zurechnungsproblemen Moojer, Diskrepanz, S. 157 ff., 163 ff.; s. a. Jakobs, AT, 21/45. 7 5 Diese doppelte Funktion des gemeinschaftlichen Tatentschlusses betont Stratenwerth, AT, Rdn. 810. 7 * So insbesondere Roxin, Täterschaft, S. 287; ders., in: LK, § 25 Rdn. 124; vgl. auch die weiteren oben in Fn. 66 angegebenen Nachweise. 77 Im folgenden wird das Begriffspaar „Vordermann" — „Hintermann" auch für mittäterschaftliche Konstellationen verwandt; vgl. dazu Moojer, Diskrepanz, S. 153 f.

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„error in persona" erliegt 79 . Wäre etwa im Rose / Rosahl-Fall auch Rosahl am Tatort gewesen und hätte er beim Erscheinen des (für Schliebe gehaltenen) Hanisch den Rose aufgefordert: „Schieß doch!", so wäre der „error in persona" nach wohl einhelliger Auffassung für beide Beteiligte unbeachtlich80. Der Grund hierfür liegt darin, daß die ursprüngliche Abrede, Schliebe zu töten, im Augenblick der Tat zwar fehlerhaft, aber übereinstimmend umgesetzt wurde. Es liegt somit ein kongruentes Handeln vor; die personale Ebene zwischen Vorder- und Hintermann ist nicht gestört. Genau so verhält es sich im „Erbschafts-Beispiel". Besonders deutlich wird dies, wenn A. und B. das Gemälde gemeinsam aus der Wohnung des X. entwendet hätten, doch gilt das gleiche auch dann, wenn B. das auftragsgemäß individualisierte Bild allein wegnimmt und zu A. bringt. Sofern der „Fehlgriff 4 als ordnungsgemäßer Vollzug des Tatplanes erscheint 81, besteht kein Anlaß, einen der Tatbeteiligten anders zu behandeln, als hätte er selbst allein gehandelt. Denn im Mißlingen der Tat realisiert sich nicht das Risiko, daß es — aus der Sicht des Hintermannes — einer weiteren Person bedarf, um das Verabredete in die Tat umzusetzen. Eine Störung auf der personalen Ebene zwischen den einzelnen Tatbeteiligten scheidet dann aus. Während also im „Erbschafts-Beispiel" der Tatplan eingehalten wurde und eine Zurechnungsstörung insoweit zu verneinen ist, kommt eine solche in den beiden anderen Eingangsbeispielen zumindest in Betracht 82 . Hieran knüpft sich die Frage, welche Konsequenz sich aus der Annahme einer für den Hintermann beachtlichen Abweichung ergibt. Die Alternative besteht zwischen einer Teilnahme am Versuch bzw. einem mittäterschaftlichen Tatversuch einerseits und der allenfalls gemäß § 30 StGB strafbaren versuchten Teilnahme bzw. der Verabredung zu einem Verbrechen andererseits. Diese beiden Möglichkeiten werden vornehmlich für die Anstiftung anhand des Rose / Rosahl-Falles diskutiert, doch spricht vieles dafür, die Störungsfolgen beteiligungsformunabhängig zu bestimmen, da der zugrundeliegende Sachgesichtspunkt — Überschreitung des Tatplanes — übereinstimmt 83. Ob eine Beteiligung am Versuch anzunehmen oder 78 Ebenso Jakobs, AT, 21/45; vgl. auch Küper, Versuchsbeginn, S. 37 ff. (39 f.); Geilen, Jura 1983, 335 und Moojer, Diskrepanz, S. 154, 164 f. 79 Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen, S. 49 f.; Roxin, Täterschaft, S. 287. so Zu dieser Variante vgl. Binding, Normen III, S. 212; Bemmann, MDR 1958, 820 und Moojer, Diskrepanz, S. 155 f. 81 Zu diesen Fällen der Zweckverfehlung bei ordnungsgemäßem Planvollzug ist auch der im Anschluß an Schillers Gedicht „Der Gang nach dem Eisenhammer" gebildete Beispielsfall zu zählen; vgl. hierzu Maurach I Gössel, AT 2, 51/49; Blei, AT, § 79 II 1 (= S. 285) und Moojer, Diskrepanz, S. 147 f. 82 Zur Verneinung einer Störung, um dem Anstifter die Möglichkeit einer Abwälzung des Irrtumsrisikos zu nehmen, vgl. Backmann, JuS 1971, 120 sowie bereits Binding, Normen III, S. 211 (mit Fn. 3). 83 Ebenso Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen, S. 71,76 ff.; vgl. auchLoewenheim, JuS 1966, 314 f.; Jakobs, AT, 21 / 106 und Moojer, Diskrepanz, S. 153. Auch die Argumentation in der (eine Anstiftungskonstellation betreffenden) Entscheidung BGHSt. 37, 214 ff. nimmt auf den Verfolger-Fall Bezug (aaO. S. 218 f.).

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lediglich der von § 30 StGB abgedeckte Bereich strafbarer Vorbereitungshandlungen betroffen ist, hängt davon ab, ob ein störungsfreier, dem nichthandelnden Beteiligten somit zurechenbarer Tatversuch gegeben ist. Dies ist stets dann der Fall, wenn die Störung erst zu einem Zeitpunkt eintritt, nachdem das Versuchsstadium — auch aus der Sicht des Hintermannes — bereits erreicht war 84 . Komplizierter verhält es sich hingegen im Rose / Rosahl-Fall: Da die objektiv und subjektiv auf Schliebe bezogenen Tätigkeiten (Absprache zwischen Rose und Rosahl, Auflauern am Tatort) lediglich außerhalb des Versuchsstadiums liegende Vorbereitungshandlungen sind 85 , kommt eine Anstiftung zum versuchten Mord (§§ 211, 22, 26 StGB) nur in Betracht, wenn man die Tatbegehung am falschen Objekt zugleich als (untaugliches) Ansetzen am vorgestellten Tatobjekt deutet. Diese von einigen Autoren 86 vertretene Sichtweise wird im Schrifttum überwiegend 87 unter Hinweis darauf abgelehnt, daß der in einem (für ihn) unbeachtlichen „error in persona" handelnde Täter ja nur wegen einer vollendeten Tat, nicht aber zugleich wegen eines weiteren Versuchs zur Verantwortung gezogen wird. Die Ausführungen zur Störung der zwischen dem unmittelbar Handelnden und den übrigen Tatbeteiligten bestehenden Zurechnungsbeziehung lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Ob eine derartige Störung vorliegt, ist anhand der Regeln der strafrechtlichen Beteiligungsdogmatik zu entscheiden. Nimmt man eine solche Zurechnungsstörung an, so stellt sich die weitere Frage nach den rechtlichen Konsequenzen; d. h. es ist zu klären, ob eine Beteiligung an der versuchten Tat gegeben ist oder ob nur eine Strafbarkeit gemäß § 30 StGB in Betracht kommt. Sowohl der Verfolger-Fall als auch der Rose / Rosahl-Fall betreffen Sachverhaltsgestaltungen, in denen das Vorliegen einer Zurechnungsstörung im Verhältnis des Ausführenden zu den übrigen Tatbeteiligten in Betracht kommt und auch tatsächlich kontrovers diskutiert wird. Demgegenüber ist im „Erbschafts-Beispiel" eine Zurechnungsstörung auf dieser personalen Ebene eindeutig zu verneinen, da hier das Tatgeschehen als exakte Umsetzung des Tatplans erscheint. Freilich enthält dieser Tatplan unter Einbeziehung der von den Beteiligten verfolgten Motive selbst einen Fehler; doch bezieht sich die hier diskutierte β4 Vgl. das von Letzgus (Vorstufen, S. 60) gebildete Beispiel, daß sich der Dieb erst am Tatort entschließt, anstelle des „bestellten" Gemäldes von Manet das daneben aufgehängte, für den Anstifter aber wertlose Bild von Monet mitzunehmen. Allerdings ist zu betonen, daß sich auch vorsätzliche Abweichungen des Täters als für den Anstifter unbeachtlich erweisen können; vgl. Montenbruck, ZStW 84 (1972), 326 f. und LK-Roxin, § 26 Rdn. 27. Letztlich geht es hierbei um die Frage, ob sich in der Haupttat das vom Anstifter vorsätzlich geschaffene Risiko verwirklicht; vgl. hierzu Herzberg, JuS 1987, 617 ff.; Letzgus aaO. S. 45 ff. (50) und Baumann / Weber, AT, § 37 I 3c (= S. 565 ff.). 85 Zweifelnd insoweit Blei, AT, § 79 II 1 (= S. 285); wie hier jedoch Alwart, JuS 1979, 353 f. 86 Stratenwerth, AT, Rdn. 287; s. a. Roxin / Schünemann / Haffke, Klausurenlehre, S. 128 f. 87 Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen, S. 65 f.; Jescheck, AT, § 64 III 4 (= S. 625 in Fn. 28); SK-Rudolphi, § 16 Rdn. 30; Schreiber, JuS 1985, 877 und Geppert, JK, StGB § 26/4; vgl. aber auch die kritischen Ausführungen von Moojer, Diskrepanz, S. 178 ff. (180 f.).

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Zurechnungsebene nicht darauf, jegliche Zweckverfehlung in der Person des Hintermannes für beachtlich zu erklären, sondern es soll der Gefahr einer nur unzureichenden Synchronisaton zwischen dem Ausführungshandeln und dem zugrundegelegten Tatplan Rechnung getragen werden. c) Die Zurechnungsbeziehung zwischen Hintermann und Rechts gut Auf der dritten Zurechnungsebene geht es um die Frage, ob sich das Verhalten für den nicht unmittelbar die Tat ausführenden Tatbeteiligten als Angriff auf ein ihm gegenüber geschütztes Rechtsgut darstellt. Während für die Beurteilung von Zurechnungsstörungen auf der zwischen den einzelnen Tatbeteiligten bestehenden personalen Zurechnungsebene die dogmatischen Regeln der Beteiligungslehre ausschlaggebend sind, handelt es sich bei der durch die Rechtsgutsträgereigenschaft bedingten Störung um ein Problem der Versuchslehre 88. Für die Trennung der hier interessierenden Fragestellung von der Beteiligungslehre spricht zum einen der Umstand, daß die Rechtsgutsinhaberschaft ein beteiligungsformunabhängiges Kriterium bildet; dies legt eine einheitliche Behandlung zumindest nahe. Zum anderen ist diese besondere Beziehung zum tatbestandlich geschützten Rechtsgut von der Person des Vordermannes und damit zugleich von der — durch diesen vermittelten — Deliktsverwirklichungsstufe unabhängig89. Bewertet man auf dieser Grundlage die für den „Störfair diskutierten Lösungsvorschläge, so ist zunächst die Alternative der Verantwortlichkeit für eine vollendete Tat 9 0 abzulehnen. Ausgehend von der Prämisse, daß die Rechtsgutsträgereigenschaft einen beteiligungsformunabhängigen Störfaktor darstellt, ist aus Gründen höherer Transparenz zunächst die Situation des sich irrtümlich selbst schädigenden Alleintäters zu betrachten. Schießt etwa A. auf sein Spiegelbild 91 , wobei er dieses irrig für seinen Zwillingsbruder B. hält, den er zu töten beabsichtigt, und wird A. von der zurückprallenden Kugel selbst verletzt, so würde man neben der versuchten Tötung keine vollendete, sondern lediglich eine (gleichfalls auf die Person des B. als Opfer bezogene, im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktretende) versuchte gefährliche Körperverletzung (§§ 223 a I 1. Alt., 22 StGB) annehmen. Dieses Ergebnis folgt nicht etwa erst aus einer wesentlichen Abweiss Vgl. hierzu auch Eser, Strafrecht II, Fall 39 A 10 ff. (= S. 163) und Küper, Versuchsbeginn, S. 40 ff. 89 In besonders gelagerten Einzelfällen kann die durch die Rechtsgutsinhaberschaft bewirkte „Störung" auch erst nach Eintritt in das Versuchsstadium entstehen (so etwa im „Erbschafts-Beispiel", wenn der X. erst zu einem zwischen dem Eindringen und der vollendeten Wegnahme liegenden Zeitpunkt stirbt); dann ist das Vorliegen eines zurechenbaren („störungsfreien") Versuchs unproblematisch. 90 Vgl. dazu die oben in Fn. 55 f. genannten Nachweise. 91 Zum Beispielsfall des „Schusses in den Spiegel" vgl. Baumann / Arzt / Weber, Strafrechtsfälle, S. 143 f. Für Straflosigkeit in diesem Beispiel Spendel, JuS 1969, 317. Allerdings basiert Spendeis Ansicht auf der (abzulehnenden) objektiven Versuchstheorie; vgl. auch die Kritik von Blei, JA 1969, 538.

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chung des wirklichen vom vorgestellten Kausalverlauf, sondern es fehlt an einem tauglichen Tatobjekt, da durch die Tat kein von A. unterscheidbarer „anderer" Mensch getroffen worden ist. Diese an sich selbstverständliche Feststellung ist natürlich auch bei einem mittäterschaftlichen Zusammenwirken zu beachten; denn wer nicht Täter sein kann, kann eben auch nicht Mit-täter sein 92 . Auch bezüglich der Teilnahme im engen Sinne scheidet eine Haftung wegen Anstiftung oder Beihilfe zur vollendeten Tat auf dem Boden der hier entwickelten Konzeption aus. Denn die Strafbarkeit des Teilnehmers ist zwar akzessorisch gestaltet, doch steht das Erfordernis des eigenen Rechtsgutsangriffs gerade außerhalb des Akzessorietätsbereichs. Betreffen die Handlungen, zu denen der Täter vom Anstifter bestimmt oder bei denen er vom Gehilfen unterstützt worden ist, ein dem Teilnehmer gegenüber nicht geschütztes Rechtsgut, so fehlt es an der erforderlichen Unrechtsidentität 93. Dieser Mangel muß sich bei der strafrechtlichen Beurteilung des Teilnehmers auswirken. Eben weil die Rechtsgutsträgereigenschaft einer Zurechnung entgegensteht, ist eine Verantwortung wegen Teilnahme an einer vollendeten Tat ausgeschlossen. Die gegenteilige Extremposition bestünde in der Annahme völliger Straflosigkeit. Hiernach würde der Rechtsgutsinhaber nicht nur der Vollendungs-, sondern jeglicher Strafbarkeit a priori entzogen, sofern sich sein Verhalten objektiv ausschließlich gegen die ihm zugewiesenen Rechtsgüter richtet. Eine derartige Verabsolutierung der Bedeutung der Rechtsgutsträgereigenschaft kollidiert jedoch mit der Versuchsdogmatik, die nach eindeutiger gesetzgeberischer Entscheidung auch den untauglichen Versuch unter Strafe stellt 94 , obgleich vom Handelnden eine für Rechtsgüter Dritter ausgehende Gefahr in der aktuellen Tatsituation gar nicht geschaffen wird. Bisweilen wird im Schrifttum 95 allerdings eine differenzierte Behandlung dergestalt befürwortet, daß zwar — vorbehaltlich der Unverstandsklausel des § 23 I I I StGB — die Fälle des untauglichen Mittels und des untauglichen Tatobjekts strafbar sind, nicht jedoch die Fälle irrig angenommener Tatsubjektsqualität. Auf den ersten Blick scheint diese Auffassung auch für die Fälle des in Unkenntnis seiner Rechtsgutsträgereigenschaft mitwirkenden Tatbeteiligten von Bedeutung zu sein. Denn diese besondere personale Beziehung zum Rechtsgut läßt sich sprachlich in zwei unterschiedlichen Formulierungen zum Ausdruck bringen: Zum einen kann man den Ausschluß einer Rechtsgutsverletzung durch den Rechtsgutsinhaber so umschreiben, daß die eigenen Rechtsgüter keine tauglichen 92 Ebenso Geilen, Jura 1983,334 f.; unrichtig demgegenüber Maurach / Gössel, Fälle, S. 65 (zu III.). 93 Vgl. hierzu die Ausführungen im vorigen Kapitel (insbesondere zu Fn. 100). 94 S/S-Eser, § 22 Rdn. 60 ff.; Wessels, AT, § 14 ΠΙ 1 (= S. 187 f.); Maurach / Gössel, AT 2, 41 / 70 ff. 95 Zu den unterschiedlichen Fallgruppen des untauglichen Versuchs vgl. außer den in der vorigen Fn. angegebenen Nachweisen SK-Rudolphi, Rdn. 24 ff. und LK-Vogler, Rdn. 133, 138 ff., 153 ff. jeweils zu § 22.

II. Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten

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Angriffsgegenstände sind; dann handelt es sich um eine Untauglichkeit des Tatobjekts. Umgekehrt könnte man jedoch auch sagen, gerade der Rechtsgutsinhaber sei nicht in der Lage, die — für andere durchaus angreifbaren — Tatobjekte in rechtserheblicher Weise zu beeinträchtigen; diese Betonung legt dann eine Einordnung dieser Problemkonstellation in die Fallgruppe des untauglichen Tatsubjekts nahe. Dennoch vermag der Gedanke eines straflosen Versuchs des untauglichen Subjekts eine umfassende Straflosigkeit des Rechtsgutsinhabers nicht zu legitimieren. Zunächst ist schon grundsätzlich eine Ungleichbehandlung der einzelnen Fallgruppen der Untauglichkeit kaum zu begründen 96. Das Hauptargument derjenigen, die für die Straflosigkeit des untauglichen Subjekts eintreten 97 , lautet, daß dort, wo das Gesetz die Zuständigkeit einer Person von besonderen Pflichtenbindungen abhängig macht, nur das objektive Vorliegen der hierfür genannten Umstände eine Verantwortung des Betreffenden begründen könne; die bloße subjektive Einbildung vermöge demgegenüber eine derartige Zuständigkeit nicht zu schaffen 98. Damit werden die allgemeinen Grenzen zwischen dem strafbaren untauglichen Versuch und dem straflosen Wahndelikt verschoben. Denn es soll nach dieser Auffassung nicht darauf ankommen, ob der Handelnde die Voraussetzungen der Subjektsstellung (in der Laiensphäre) zutreffend erkennt und sie nur unrichtigerweise bezüglich seiner Person für gegeben hält, sondern es wird ein Reservat der objektiven Versuchslehre geschaffen, in welchem fehlende objektive Umstände durch deren subjektive Annahme (bei zutreffender Bedeutungskenntnis) nicht ausgeglichen werden können. Auch im Lager derjenigen, die den Versuch des untauglichen Subjekts (partiell) straflos lassen wollen, ist jedoch anerkannt, daß eine Versuchsstrafbarkeit dann gegeben ist, wenn — wie es in den hier interessierenden Konstellationen der Fall ist — die Untauglichkeit des Subjekts lediglich als Kehrseite eines untauglichen Tatobjekts erscheint 99. Damit betrifft der Meinungsstreit nur die echten Sonderdelikte; wie die Kontroverse bezüglich jener Deliktsgruppe zu entscheiden ist, kann hier unerörtert bleiben. Jedenfalls ist festzustellen, daß eine generelle Straflosigkeit des untauglichen Subjekts außerhalb der Gruppe der Sonderdelikte nicht vertreten wird; sie wäre überdies auch sachwidrig. Denn derjenige Täter, der in den Spiegel schießt, um (vermeintlich) einen anderen Menschen zu töten, erschüttert durchaus das Rechtssicherheitsgefühl der Allgemeinheit. Da sein Wille zu töten nicht ein rein gedankliches Internum geblieben ist, sondern in die (wenngleich konkret erfolgs96

Die wohl vorherrschende Auffassung einer (grundsätzlichen) Strafbarkeit des untauglichen Subjekts wird ausführlich begründet von Bruns, GA 1979,161 ff.; zustimmend Blei, AT, § 67 I 1 (= S. 231 f.); SK-Rudolphi, Rdn. 26 ff. und S/S-Eser, Rdn. 75 f. (mit weiteren Nachweisen) jeweils zu § 22. 97 Eine ausführliche Begründung der für die Straflosigkeit votierenden Auffassung gibt Stratenwerth, Bruns-FS (1978), S. 59 ff.; ders., AT, Rdn. 696 ff.; zu weiteren Vertreter dieser Ansicht vgl. die Nachweise bei S/S-Eser, § 22 Rdn. 75. 98 So etwa Baumann / Weber, AT, § 33 IV 3 a (= S. 498); vgl. auch Wolter, Zurechnung, S. 305 ff. 99 Stratenwerth, AT, Rdn. 701; Jakobs, AT, 25/43 ff.; s.a. SK-Rudolphi, §22 Rdn. 26.

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

ungeeignete) Tat umgesetzt wurde, ist zu befürchten, daß der Täter sich beim nächsten Mal entsprechend verhält und dann auch objektiv ein taugliches Rechtsgutsobjekt verletzt. Die durch die Tat bewiesene potentielle Gefährlichkeit 100 für fremde Rechtsgüter rechtfertigt eine strafrechtliche Sanktion. Hinsichtlich der echten Sonderdelikte mag man eine generelle Straflosigkeit des untauglichen Subjekts demgegenüber für kriminalpolitisch hinnehmbar halten; denn die Gefahr einer erfolgreichen Wiederholung ist hier ungleich geringer, da der Täter regelmäßig nicht aus eigener Kraft in die Stellung des Sonderpflichtigen einrücken kann 101 . Es ist somit festzuhalten, daß eine a priori feststehende völlige Straflosigkeit ebensowenig in Betracht kommt wie eine Haftung für ein vollendetes (Erfolgs-) Delikt. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß die generelle Straflosigkeit auch nicht für jene Fälle angenommen werden kann, in denen der irrende Rechtsgutsinhaber als Anstifter oder Gehilfe an der objektiv gegen seine eigenen Rechtsgüter gerichteten Tat mitwirkt. Zwar wird das Problem des untauglichen Tatsubjekts allein hinsichtlich der Täter-Qualifikation diskutiert, so daß man daran denken könnte, die tatferneren Beteiligten eher straflos zu stellen als den untauglichen Täter 102 . Jedoch zeigt die Einbeziehung des § 23 III StGB in die Vorschrift des § 301 StGB, daß auch der untaugliche Anstiftungsversuch de lege lata mit Strafe bedroht ist 1 0 3 . Diese gesetzgeberische Entscheidung verlangt eine parallele Auslegung, so daß auch bezüglich der Anstiftung die (aus der Sicht des Hintermannes bestehende) Untauglichkeit des Tatobjekts nicht in eine solche des Tatsubjekts „Anstifter" umgedeutet werden kann, um auf diese Weise einen größeren Straffreiheitsraum zu schaffen. Mit der Ablehnung der beiden denkbaren Extrempositionen stellt sich die Frage, ob die angemessene Berücksichtigung der Rechtsgutsinhaberschaft eine Bewertung als Beteiligung an versuchter Tat oder als eine allenfalls gemäß § 30 StGB strafbare vesuchte Beteiligung verlangt. Zunächst sei anhand der Anstiftung ein Argumentationsmodell vorgestellt, das auf die für den Rechtsgutsträger günstigere Möglichkeit einer allein gemäß § 30 StGB strafbaren Mitwirkung gerichtet ist. Hierfür ließe sich vortragen, der eigenständige Rechtsgutsangriff sei eine objektive Voraussetzung (auch) der Anstiftung. Derjenige, dem gegenüber das betroffene Rechtsgut nicht geschützt sei, könne mangels dieses objektiven Merkmals also gar nicht „Anstifter" im strafrechtlichen Sinne sein; bei irriger Annahme der für die Anstiftung zu fordernden tatsächlichen Umstände komme deshalb allenfalls eine versuchte Anstiftung in Betracht, die allein in dem durch § 30 I 100

Zu diesem Aspekt vgl. Stöger, Versuch, S. 66 ff. Als rechtlich relevantes Differenzierungsmerkmal wird dieser Gesichtspunkt verwandt von LK-Vogler, § 22 Rdn. 157 ff.; zustimmend Schünemann, GA 1986, 318 f. 102 Die Möglichkeit einer Ungleichbehandlung zwischen versuchter Täterschaft und versuchter Teilnahme wird explizit von Letzgus (Vorstufen, S. 188) erwähnt, der die Strafwürdigkeit der untauglichen Anstiftung bezweifelt (aaO. S. 185 ff.). 103 LK-Roxin, § 30 Rdn. 29 f. 101

II. Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten

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StGB abgesteckten Rahmen strafbar ist. Man könnte weiterhin versuchen, diese Argumentation durch einen Hinweis auf die Fälle des sog. omnimodo facturus 104 abzustützen: Da in der Person des zur Tatbegehung bereits fest entschlossenen Täters der Tatentschluß nicht durch den Anstifter hervorgerufen werden kann, sei das in § 26 StGB genannte Merkmal des „Bestimmens" zur Tat nicht verwirklicht; erkennt der Hintermann die Entschlossenheit des anderen jedoch nicht, so wird der vermeintliche Initiator wegen versuchter Anstiftung gemäß § 30 I StGB 1 0 5 bestraft, sofern das Angebot auf die Begehung eines Verbrechens (im Sinne des § 12 I StGB) gerichtet war. Mag diese Betrachtung vordergründig auch plausibel erscheinen, so streiten die besseren Gründe dennoch für die andere Alternative, die der Rechtsgutsträgereigenschaft die Wirkung einer Beteiligung an versuchter Tat zuerkennt. Hierbei ist freilich die Klarstellung geboten, daß es an dieser Stelle nur um jene Fälle geht, die ausschließlich den „Störfaktor" der Rechtsgutsträgerstellung des Tatbeteiligten aufweisen. Anders formuliert sind die hier zu untersuchenden Fälle dadurch gekennzeichnet, daß auf der zwischen den einzelnen Beteiligten bestehenden personalen Ebene keine Störung vorliegt (insoweit handelt es sich also um die im eingangs geschilderten „Erbschafts-Beispiel" gegebene Situation einer plankonformen Tatverwirklichung bei fehlerhaftem Tatplan). Gerade das Bestehen einer intakten personalen Verbindung unterscheidet die vorliegenden Fälle von der Situation des omnimodo facturus; denn dort betrifft die Störung bereits die Zurechnungsebene zwischen Hintermann und Vordermann. Diese Divergenz ist von entscheidender Bedeutung. Denn angesichts der störungsfreien personalen Beziehung ist die Problematik dem Bereich der Beteiligungsdogmatik entzogen, und es erscheint daher geboten, den Rechtsgutsträger mangels eines Defekts im Beteiligungsverhältnis so zu behandeln, als hätte er als Alleintäter gehandelt. Der Rechtsgutsinhaber versucht also nicht, Anstifter zu sein, sondern er ist wegen der störungsfreien Beziehung zum Haupttäter Anstifter, dem jedoch das Erfolgsunrecht der Haupttat nicht zugerechnet werden kann 106 . Auch der Umstand, daß der Anstifter beim korrekt vollzogenen, aber fehlerhaften Plan niemals eine auf fremde Rechtsgüter bezogene konkrete Gefahr geschaffen hat, zwingt nicht dazu, dieses Verhalten an den durch § 30 StGB markierten äußersten Rand der Strafbarkeit zu schieben. Denn auch in anderen Versuchskonstellationen ist die von vornherein feststehende Erfolgsungeeignetheit infolge einer Untauglichkeit des Tatobjekts oder des Tatmittels ohne Einfluß auf die Beteiligungsform; das unmittelbare (wenngleich ungefährliche) Ansetzen durch 104 Zur Rechtsfigur des „omnimodo facturus" vgl. SIS-Cramer, § 26 Rdn. 5; Jescheck, AT, § 64 III 2c (= S. 623 f.); Letzgus, Vorstufen, S. 92 f. sowie kritisch Puppe, GA 1984, 116 ff. los Daneben kommt eine Strafbarkeit wegen psychischer Beihilfe zur vollendeten Tat in Betracht; vgl. die in der vorigen Fn. genannten Nachweise. 106 Im Ergebnis ebenso Herzberg (Täterschaft, S. 135; s. a. ders., GA 1991, 157); zu dessen dogmatischer Konstruktion vgl. oben 2. Kap. (zu) Fn. 74 ff. 8 Sowada

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4. Kap.: Sonderfälle der Opfermitwirkung

den Vordermann führt zur Strafbarkeit des Hintermannes wegen Anstiftung zum (untauglichen) Versuch (und nicht etwa zur nur versuchten Anstiftung) 107 . Die sich bezüglich der Anstiftungskonstellation ergebende Unsicherheit ist möglicherweise durch die im Vergleich zur Mittäterschaft größere Distanz zwischen Vorder- und Hintermann zu erklären. Diese Distanz sowie die in den „LeitFällen" (Rose / Rosahl-Fall und Verfolger-Fall) ja tatsächlich diskutierte Störung auf der personalen Ebene legen es nahe, den Rechtsgutsträger vom Tatgeschehen weitgehend zu isolieren. Dennoch ist daran festzuhalten, beide Zurechnungsebenen strikt voneinander zu trennen. Das schließt freilich nicht aus, daß es Störfaktoren mit Doppelrelevanz gibt, die zugleich die personale Beziehung zwischen den Tatbeteiligten und die Rechtgutsbeziehung betreffen. So verhält es sich im Verfolger-Fall, sofern man den Schuß auf den Nicht-Verfolger als Exzeß, also als eine die mittäterschaftliche Handlungszurechnung unterbrechende Störung ansieht. Dann weist das Geschehen für den nicht getroffenen Komplizen (Th.) diese eine Zurechnungsstörung auf der personalen Ebene auf; für den angeschossenen Tatbeteiligten (P.) liegt hingegen eine doppelte Zurechnungsstörung vor. Die dieser Doppelstörung beizulegende Rechtsfolge richtet sich nach der für den Betreffenden günstigsten Einzelstörung. Wenn sich also anhand der durch die Beteiligungsdogmatik festgelegten Regeln ergibt, daß die Störung der personalen Beziehung dazu führt, die Nicht-Schützen allein wegen der Verabredung zum Mord (§ 30 I I in Verbindung mit § 211 StGB) zur Verantwortung zu ziehen, so ändert sich hierdurch für den tatsächlich angeschossenen Komplizen nichts dadurch, daß die für seine Person gestörte Rechtsgutsbeziehung bei isolierter Betrachtung (nur, aber immerhin) zur Strafbarkeit wegen einer gemeinschaftlichen versuchten Tat führen würde. Wollte man hingegen der Störung auf der personalen Ebene lediglich die Wirkung beilegen, daß für die Nicht-Schützen eine gemeinschaftliche versuchte Tötung anzunehmen ist, so würde sich auch hieran für den angeschossenen Mittäter nichts ändern. Die hinzutretende Rechtsgutsbeziehung stellt dann nur eine weitere Begründung für die Haftung wegen einer Versuchstat dar 108 . Die für den angeschossenen Komplizen zusätzlich gegebene Untauglichkeit des Tatobjekts würde mithin keine Verschiebung des Geschehens in den Anwendungsbereich des § 30 StGB bewirken, sondern sie wäre lediglich ein bei der konkreten Strafzumessung mildernd zu berücksichtigender Umstand 109 . 107 Vgl. etwa zur strafbaren Teilnahme am untauglichen Versuch des Schwangerschaftsabbruchs BGH bei Daliinger, MDR 1975, 542 (543) und Dreher / Tröndle, § 218 Rdn 10. In entsprechenden Mittäterschaftskonstellationen ist die Richtigkeit der Versuchslösung noch deutlicher erkennbar (vgl. auch Jakobs, AT, 21/59): So erschiene im (zur Mittäterschaft abgewandelten) „Erbschafts-Beispiel" eine völlige Straflosigkeit des A. wenig überzeugend (§ 30 II StGB entfällt mangels eines Verbrechens im Sinne des § 12 I StGB). los Deutlich in diesem Sinne Küper, Versuchsbeginn, S. 42 f. (mit Fn. 86). 109 Ein völliges Absehen von Strafe gemäß § 60 StGB kommt zwar grundsätzlich auch bei vorsätzlichen Tötungsdelikten in Betracht (vgl. BGHSt. 27, 298 [301]; LK-

II. Problematik des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten

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Abschließend läßt sich das Ergebnis zur Strafbarkeit des irrtümlich zum Opfer werdenden Tatbeteiligten wie folgt zusammenfassen: Beeinträchtigt eine Tat ausschließlich Rechtsgüter eines Tatbeteiligten, so kommt für den Rechtsgutsträger allenfalls eine Haftung wegen Beteiligung an einer Versuchstat in Betracht. Für die Frage, ob sogar lediglich eine nur unter den Voraussetzungen des § 30 StGB strafbare Vorbereitungshandlung anzunehmen ist, ist die Rechtsgutsträgereigenschaft ohne Bedeutung. Die Antwort richtet sich allein danach, ob eine Zurechnungsstörung auf der zwischen den Beteiligten bestehenden personalen Ebene vorliegt und welche Konsequenzen sich gegebenenfalls aus einer derartigen Störung ergeben. Dies ist — ohne daß es auf die Rechtsgutsinhaberschaft ankäme — anhand der Regeln der Beteiligungslehre zu entscheiden; allerdings ist in diesem Teilgebiet der Beteiligungsdogmatik noch vieles umstritten.

G. Hirsch, § 60 Rdn. 9), doch reicht die einmalige (durch § 23 II StGB ausgelöste) Strafmilderung gemäß § 49 I StGB nicht aus, um in den Fällen des § 211 oder § 212 StGB den Strafrahmen auf die für § 60 StGB geltende Sperrgrenze von einem Jahr Freiheitsstrafe abzusenken. 8*

Dritter

Abschnitt

Einzeldeliktsspezifische Privilegierungen des „notwendigen Teilnehmers" 5. Kapitel

Ablehnung eines allgemeingültigen Grundsatzes strafloser Rollenwahrung Als nahezu unbestritten 1 gilt der Grundsatz, daß bei den Begegnungsdelikten mit einseitiger Strafdrohung der andere Teil (jedenfalls dann) straflos bleibt, wenn sein Verhalten das notwendige Maß der Mitwirkung nicht überschreitet. Die Beurteilung dieser weithin geteilten These2 ist für eine Arbeit zur „notwendigen Teilnahme" von zentraler Bedeutung: Bedenkt man, daß es einen einheitlichen Generalansatz für die Begründung einer umfassenden, von der Intensität des Mitwirkungsverhaltens unabhängigen Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" nicht gibt, so wäre es für die dogmatische Stabilität dieser Rechtsfigur besonders wichtig, wenn sich für den Bereich der „notwendigen Teilnahme" als ergebnisbezogenes Fundament wenigstens eine Mindeststraflosigkeit nachweisen ließe. Es kommt hinzu, daß diese Straflosigkeitsthese gerade das gemeinhin als Charakteristikum der Begegnungsdelikte angesehene Merkmal der einander entgegenarbeitenden Parteien aufgreift. Wenn es gelänge, die These von der straflosen Mindestmitwirkung zu verifizieren, dann ließe sich ein dogmatisches System erstellen, das die Verhaltens- und die personenbezogene Deutung der „Notwendigkeit" miteinander verbindet: Das engere Begriffsverständnis der Notwendigkeit eines bestimmten Mitwirkungsverhaltens trüge (jedenfalls) eine auf diesen Komplementärakt beschränkte Privilegierung; die verhaltensbezogene Straflosigkeit erwiese sich hiermit als Kernpunkt der Lehre von der „notwendigen Teilnahme". Die hierdurch legitimierte Privile1

Besonders deutlich Stratenwerth, AT, Rdn. 945; SK-Samson, vor § 26 Rdn. 46 und Otto, Lange-FS (1976), S. 199; vgl. auch SIS-Cramer, Rdn. 46; Dreher I Tröndle, Rdn. 7; Lackner, Rdn. 12; Preisendanz, Anm. 6b jeweils vor § 25; LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 32; LK-Busch 9, § 50 Rdn. 27; Wessels, AT, § 13 IV 6 (= S. 175); Blei, AT, §74 I 2 (= S. 263 f.); Maurach I Gössel, AT 2, 50/10 ff.; Jescheck, AT, §64 VI (= S. 632); Schmidhäuser, StudB AT, 10/ 170 und Wolter, JuS 1982, 345. 2 Abgelehnt wird die Annahme eines allgemeingültigen Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung nur von Herzberg, Täterschaft, S. 138 f. und Jakobs, AT, 24/ 12.

5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser Rollenwahrung

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gierung würde durch eine weitergehende, umfassende Straflosigkeit überlagert, sofern das personale Tatobjekt zugleich Inhaber des tatbestandlich geschützten Rechtsguts ist 3 . In den Darstellungen zur „notwendigen Teilnahme" erscheint die Straflosigkeit der rollenwahrenden Mitwirkung als eine (nahezu) allgemein anerkannte Selbstverständlichkeit. Soweit überhaupt einzelne Delikte angeführt werden, geschieht dies nicht als Nachweis für die Richtigkeit dieser Straflosigkeitsthese, sondern lediglich zu deren Veranschaulichung, wobei regelmäßig auf die der Judikatur entnommenen Beispiele zurückgegriffen wird. Es hat den Anschein, als würde die allgemeine Akzeptanz dieses straffreien Raumes eine nähere Begründung überhaupt entbehrlich machen. Ein solches Denken wird ferner dadurch verstärkt, daß im Bereich der rollen überschreitenden Teilnahme bezüglich mehrerer Delikte eine langwährende Auseinandersetzung zwischen der Rechtsprechung und der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung darüber zu verzeichnen ist, ob auch derartige Mitwirkungshandlungen des personalen Tatobjekts straflos zu lassen sind. Vor diesem Hintergrund erscheint es in gewisser Hinsicht verständlich, wenn der Bereich rollenwahrender Mitwirkung als (vermeintlich) unproblematische Übereinstimmung „abgehakt" und der eigentlichen Kontroverse vorangestellt wird 4 . Gleichwohl kann auf die kritische Nachfrage nicht verzichtet werden, wie sich die Nichtanwendung von Strafrechtsnormen rechtfertigen läßt; denn grundsätzlich gelten die Bestimmungen über die Beteiligungsformen für jeden Straftatbestand. Ferner liegen auch in den Fällen rollenwahrender Tatbeteiligung die allgemeinen Teilnahmevoraussetzungen (vorsätzliche Mitwirkung an vorsätzlicher Haupttat) vor 5 , und besondere materielle Gesichtspunkte (wie beispielsweise die Rechtsgutsinhaberschaft in den Fällen der Opfermitwirkung), die die Straflosigkeit bestimmter Mitwirkungsformen legitimieren, sind nicht ersichtlich. Diese Umstände begründen eine dogmatische Vermutung für die Strafbarkeit auch der rollenwahrenden Mitwirkung. Wenn im Bereich der Rollenwahrung gleichwohl Straflosigkeit der Tatbeteiligung gelten soll, so bedarf es hierfür einer besonderen Begründung. Für die Begründung der Straflosigkeit des rollenwahrenden Verhaltens kommen methodisch zwei unterschiedliche Wege in Betracht. Zum einen kann man sich bemühen, die These von der Straflosigkeit rollenwahrender Tatbeteiligung von vornherein als ein abstraktes und allgemein geltendes Prinzip zu legitimieren. 3 Eine weitere Frage wäre freilich, ob man ungeachtet der Divergenz zwischen der im Allgemeinen Teil angesiedelten, rechtsgutsbezogenen Argumentation hinsichtlich der Opferstraflosigkeit einerseits und der auf die deliktsspezifischen Umstände abstellenden verhaltensbezogenen Begründung bezüglich der straflosen Mindestmitwirkung andererseits beide Komplexe unter die begriffliche Klammer der „notwendigen Teilnahme" (bzw. des Begegnungsdelikts) ziehen sollte. 4 Auch hierzu vgl. besonders deutlich Samson und Otto jeweils wie oben in Fn. 1 angegeben. s Maur ach / Gössel, AT 2, 50/12.

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser Rollenwahrung

Die einzelnen Begegnungsdelikte träten bei diesem Vorgehen für die Begründung in den Hintergrund; vielmehr wäre die Übertragung des generell verifizierten Satzes auf konkrete Einzeltatbestände die bloße deduktive Ableitung aus dem allgemeinen Prinzip. Die methodologische Alternative besteht in einer induktiven Vorgehensweise, bei welcher für die betreffenden Tatbestände nach einer einzeldeliktsbezogenen Begründung gesucht wird und sich allenfalls auf einer zweiten Argumentationsstufe ein für alle Begegnungsdelikte gültiger Grundsatz — gerade durch die Verifikation der einzelnen Bausteine — nachweisen läßt. Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen sei die eigene Position bereits an dieser Stelle vorausgeschickt: Die Annahme eines einzeldeliktsunabhängig geltenden Auslegungsgrundsatzes der generellen Straflosigkeit rollenwahrender Tatmitwirkung ist—im Gegensatz zur ganz vorherrschend vertretenen Auffassung— abzulehnen. Eine Straflosigkeit der Rollenwahrung kommt nur dann in Betracht, wenn sich diese Straflosigkeit speziell im Hinblick auf einzelne Tatbestände oder Deliktsgruppen begründen läßt.

I. Zum Umkehrschluß zu den Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung Die dogmatische Verankerung der weithin angenommenen Straflosigkeit rollenwahrender Tatbeteiligung erfolgt regelmäßig im Bereich der Tatbestandsauslegung 6 . Dies geschieht jedoch nicht in der Weise, daß bezüglich jedes in Betracht zu ziehenden Delikts gefragt wird, inwieweit der Begegnungsdeliktscharakter bei der Norminterpretation hinsichtlich der Teilnahmestrafbarkeit zu Besonderheiten führt, sondern es wird im Umkehrschluß zu den Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung 7 ein allgemeiner Auslegungsgrundsatz kreiert: Wo immer — so wird behauptet — das Gesetz denjenigen, der den zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Komplementärakt erbringt, für strafbar erachtet, habe es dies durch eine entsprechende Tatbestandsgestaltung eindeutig zum Ausdruck gebracht; dies sei etwa beim Verwandtenbeischlaf (§ 173 StGB) oder bei den Bestechungsdelikten (§§ 331 ff. StGB) geschehen. Hieraus sei im Gegenzug zu folgern, daß beim Fehlen einer ausdrücklichen Strafbarkeitsanordnung jedenfalls die tatbestandsnotwendige Mindestmitwirkung straflos sei.

6 Otto, Lange-FS (1976), S. 199. 7 Die auf den genannten Umkehrschluß gegründete Argumentation findet sich vor allem bei Maurach / Gössel, AT 2, 50/12; LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 32 und Wolter, JuS 1982, 345.

I. Umkehrschluß zu Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung

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1. Argumente gegen eine rein logische Fundierung des Umkehrschlusses Fragt man danach, warum dieser Umkehrschluß überzeugen soll, so sind zwei unterschiedliche Antworten denkbar. Zum einen könnte man dieses argumentum e contrario in den Bereich der historischen Auslegungsmethode einbetten. Dies impliziert die Behauptung, dem Gesetzgeber habe auch bei den Begegnungsdelikten mit einseitiger Strafdrohung (zumindest) das zur Deliktsverwirklichung notwendige Verhalten des jeweils anderen Teils konkret vor Augen gestanden. Die Entscheidung, von einer eigenständigen täterschaftlichen Vertypung des Komplementärakts abzusehen, stelle daher ein beredtes gesetzgeberisches Schweigen dar, mit welchem zugleich eine die entsprechende Teilnahmestrafbarkeit ausschließende Regelung beabsichtigt sei 8 . Bei dieser Sichtweise vollzieht der Norminterpret mit der Nichtanwendung der Teilnahmenormen eine Entscheidung, die bereits vom historischen Gesetzgeber bei der Schaffung des Gesetzes getroffen worden ist. Verlockender und kühner wäre hingegen der Versuch, den Umkehrschluß von einer entsprechenden Vorstellung des historischen Gesetzgebers zu lösen und ihn allein auf logische Erwägungen zu stützen. Dann wäre es unerheblich, ob in der Entstehungsgeschichte der jeweiligen Begegnungsdelikte ein legislatorischer Wille nachweisbar ist, die von der die Täterschaft charakterisierenden Tathandlungsumschreibung nicht erfaßte Person im Falle ihrer Mindestmitwirkung straflos zu lassen. Entscheidend wäre vielmehr, daß das Gesetz logisch widersprüchlich würde, wollte man auch die zur Deliktsverwirklichung erforderliche Mitwirkung als strafbare Teilnahme qualifizieren. Einer derartigen Begründung wäre jedoch aus doppeltem Grund zu widersprechen. Der erste Einwand basiert auf dem generellen Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen Teil des Strafgesetzbuches. Durch die Gestaltung der einzelnen Tatbestände legt das Gesetz nur die täterschaftliche Tatbegehung fest. Hinsichtlich der Teilnahmestrafbarkeit bedarf es demgegenüber keiner ausdrücklichen Regelung; vielmehr hat ein legislatorisches Schweigen insoweit grundsätzlich zur Folge, daß die im Allgemeinen Teil enthaltenen Regelungen auch für den jeweiligen Deliktstatbestand in Bezug genommen sind. Die Geltung der Beteiligungsnormen aufgrund eines gesetzgeberischen Schweigens entspricht somit aber durchaus der dogmatischen Regel; dieser Vorgang ist für sich betrachtet daher nicht logisch widersprüchlich. Überzeugend wäre der zu diskutierende Gegenschluß deshalb nur dann, wenn — abweichend vom allgemeinen Zusammenspiel von Deliktstatbestand und Teilnahmenormen — im Bereich der deliktsnotwendigen Tatbeteiligung das Erfordernis einer ausdrücklichen (!) Regelung der 7W/«tf/zm£Strafbarkeit bestünde. Hierfür reicht es jedoch nicht aus, die bloße 8 In dieser Richtung lassen sich die Äußerungen bei LK-Busch 9, § 50 Rdn. 26 f. und Stratenwerth, AT, Rdn. 946 interpretieren.

5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser Rollenwahrung

Möglichkeit der Zusammenfassung bestimmter Tatbestände zur Gruppe der („echten" 9 ) Begegnungsdelikte aufzuzeigen, sondern es müßte zugleich der Nachweis erbracht werden, daß dieser Gruppenbildung die — zunächst nur behauptete — rechtliche Relevanz (Ausnahmecharakter gegenüber den allgemeinen Beteiligungsregeln) tatsächlich zukommt 10 . Dieses Monitum findet — und dies begründet den zweiten Einwand — weiterhin Rückhalt in der allgemeinen juristischen Methodenlehre. Im methodenrechtlichen Schrifttum 11 wird deutlich hervorgehoben, daß es sich beim Umkehrschluß nicht um eine Frage der formalen Logik handelt, sondern daß es der Verbindung mit materiellen, teleologischen Erkenntnissen bedarf. Gerade dieses Erfordernis teleologischer Verankerung dokumentiert eine gravierende Schwäche des hier diskutierten Versuchs einer generellen Begründung gegenüber einer bei den Einzeldelikten ansetzenden Argumentation. Denn geht man vom einzelnen Tatbestand aus, so läßt sich für diesen eine „ratio legis" bestimmen, die auch für die Frage von Bedeutung ist, ob die Ausklammerung eines bestimmten Geschehensteils aus dem (Täter-)Tatbestand zugleich die Nichtanwendung der Teilnahmenormen gebietet. Indem der Generalansatz die Lösung auf einer abstrakteren dogmatischen Ebene anstrebt, verliert er zwangsläufig die materielle Absicherung der in der „ratio legis" verkörperten deliktsspezifischen Wertung. Denn soll der Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung generell gelten, so bleibt für die Frage, ob für das jeweilige Begegnungsdelikt tatsächlich eine Privilegierung dieser Teilnahmehandlungen angezeigt erscheint, kein Raum. 9 Als „echte" Begegnungsdelikte lassen sich — im Gegensatz zu den „potentiellen" Begegnungsdelikten (s. dazu oben 1. Kap. Fn. 102) —jene Tatbestände zusammenfassen, deren Verwirklichung (wie ζ. B. bezüglich § 302 a StGB) zwingend die Erbringung eines an sich unter die Teilnahmenormen subsumierbaren Komplementäraktes erfordert. 10 Nur als Behauptung ist in diesem Zusammenhang auch die im älteren Schrifttum teilweise vertretene Ansicht zu qualifizieren, die „notwendige Teilnahme" (= „concursus necessarius") stehe in einem dogmatischen Gegensatz zum „concursus facultativus", auf den allein die allgemeinen Teilnahmeregeln Anwendung fänden; vgl. zum Streitstand ausführlich Brunner, Notwendige Teilnahme, S. 12 ff. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß es sich beim „concursus necessarius" um ein in Wahrheit mittäterschaftliches Zusammenwirken handele, wobei freilich — entgegen der früher vertretenen strengen Akzessorietät — nicht alle Beteiligten schuldhaft handeln müßten; eben deshalb könnten die Teilnahmeregeln keine Anwendung finden und der Gesetzgeber habe allein die Möglichkeit, alle Parteien ausdrücklich unter Täterstrafe zu stellen (vgl. hierzu Dalcke, GA Bd. 37 [1889], 348 f.). Hiergegen ist die bereits von Schütze (Nothwendige Theilnahme, S. 321) getroffene Feststellung einzuwenden, daß die Delikte mit „notwendiger Teilnahme" nur eine Mehrheit von Subjekten, nicht jedoch eine Mehrheit von Verbrechern erfordern (überzeugend in diesem Sinne auch Geyer, in: Holtzendorffs Handbuch II, S. 323 ff.; vgl. zum Ganzen auch Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 46-65 mit Fn. 65). — Daß nach heutiger Ansicht die Teilnahmenormen im Bereich der Begegnungsdelikte nicht schlechthin ausgeschlossen sind, läßt sich auch daran zeigen, daß im Rahmen des § 173 StGB die über die rollenwahrende Mitwirkung hinausreichende Teilnahme des Deszendenten an der Tat des Aszendenten erst aus Konkurrenzgründen verdrängt wird; vgl. SK-Horn, Rdn. 7 und S/S-Lenckner, Rdn. 8 jeweils zu § 173. 11 Vgl. zum folgenden Larenz, Methodenlehre, S. 376 f.; Canaris, Feststellung, S. 44 ff. und Engisch, Einführung, S. 149 (mit S. 287 Fn. 166c und S. 288 Fn. 171).

I. Umkehrschluß zu Begegnungsdelikten mit allseitiger S t r a f d r o h u n g 1 2 1

Da der thematische Regelungsgehalt der Begegnungsdelikte mit einseitiger Strafdrohung ganz unterschiedliche Sachgebiete (ζ. B. Wirtschaftsdelikte, Sexualdelikte, Amtsdelikte) betrifft, ist es auch nicht möglich, eine für alle diese Delikte übereinstimmende materielle „Ratio" zu benennen. Das Fehlen verbindender Wertbezüge führt somit dazu, daß sich die auf den generellen Ansatz gründende Argumentation als ebenso formal erweist, wie es das bildhafte Kriterium der einander entgegenarbeitenden Parteien bzw. die Unentbehrlichkeit bestimmter Mitwirkungsakte für das Zustandekommen der Deliktsverwirklichung sind. Dies wird von Vertretern der herrschenden Meinung zum Teil auch offen eingestanden, wenn die Straflosigkeit der rollenwahrenden Mindestmitwirkung als vom Gesetz geboten angesehen wird, auch wenn sie „auf formalem, begriffsjuristischem und durchaus zufälligem Wege" zustande gekommen sein mag 12 . Diese Bereitschaft, sich mit einer rein formalen Legitimierung der Straflosigkeit rollenwahrender Tatmitwirkung zufrieden zu geben, muß mißtrauisch stimmen, insbesondere wenn man bedenkt, daß auch bezüglich der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme die einstmals weithin vertretene formal-objektive Tätertheorie inzwischen als überwunden gelten kann 13 .

2. Rechtliche Besonderheiten der Begegnungsdelikte mit allseitiger Strafdrohung Die bisherigen Erörterungen hatten einen Umkehrschluß zum Gegenstand, der die Vertypung des vom Tatbestand ausdrücklich normierten Täterverhaltens mit der fehlenden Vertypung des korrespondierenden Komplementärakts in Beziehung setzt. Die Vertreter der herrschenden Meinung berufen sich jedoch nicht allein auf diese deliktsinterne Polarität zwischen Täter und Tatobjekt, sondern sie sehen ein zusätzliches systematisches Argument in der Gegenüberstellung von Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung und solchen mit nur einseitiger Strafdrohung. Ob allerdings durch die Hinzufügung eines weiteren Bezugspunktes (die deliktsgruppenbezogene Gegenüberstellung neben der deliktsinternen Polarisierung) das Fehlen einer teleologischen Fundierung kompensiert zu werden vermag, erscheint bereits aus prinzipiellen Erwägungen zweifelhaft. Abgesehen von diesem allgemeinen Vorbehalt bilden die in der heutigen Strafrechts12 So ausdrücklich Wolter, JuS 1982, 345; der formale Charakter einer auf das gesetzgeberische Schweigen rekurrierenden Argumentation wird femer eingeräumt von Stratenwerth, AT, Rdn. 946. 13 Küpper, GA 1986, 438 f.; s. a. Bloy, Beteiligungsform, S. 117 f. (aaO. S. 118: „Der Formalismus... verhindert die teleologische Ausrichtung von Täterschaft und Teilnahme an leitenden Wertgesichtspunkten ..."). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die kritischen Ausführungen von Stein (Beteiligungsformenlehre, S. 61 ff.), der in bezug auf das Begriffspaar von den „täter- bzw. tatbezogenen Merkmalen" sowie hinsichtlich der zur Kennzeichnung der Täterschaft herangezogenen Umschreibung von der „Zentralgestalt des Tatgeschehens" die Ersetzung normativer durch rein semantische Begriffsinhalte rügt.

5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser Rollenwahrung

lehre angeführten Begegnungsdelikte mit allseitiger Strafdrohung noch aus weiteren Gründen eine unzureichende Basis für den angenommenen Gegenschluß. Als Grundlage des hier zu erörternden Umkehrschlusses erscheint die Vorstellung, bei den Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung habe der Gesetzgeber beide Parteien als Täter angesehen, um die Straflosigkeit des einen Partners zu vermeiden. Dies impliziert, daß eine Heranziehung der Teilnahmenormen jedenfalls im Bereich der deliktsnotwendigen Mitwirkung nicht in Betracht komme; denn nur dann stünde der Gesetzgeber vor der Alternative „Straflosigkeit oder Täterstrafbarkeit". Diese Argumentation fällt mithin in sich zusammen, wenn sich Gründe aufzeigen lassen, die die gesetzgeberische Entscheidung für eine täterschaftliche Erfassung auch dann als sinnvoll erweisen, wenn man von der grundsätzlichen Geltung der Teilnahmenormen auch im Bereich der tatbestandsnotwendigen Mindestmitwirkung ausgeht. Solche Gründe gibt es in der Tat. Bei einigen Begegnungsdelikten — dies gilt etwa für den Geschwisterbeischlaf (§ 173 I I 2 StGB) — läßt sich von einer ausdrücklichen Strafbarkeitsanordnung gegen beide Teile kaum sprechen; vielmehr folgt das Ergebnis beiderseitiger Strafdrohung hier aus der Gleichartigkeit der Handlung bei identischer personaler Stellung. Mangels handlungsbezogenen oder personalen Differenzierungsmerkmals könnte man schon sprachlich keine beide Parteien trennende Gegenüberstellung vornehmen. Wenn der Gesetzgeber hier die Einheitlichkeit des Geschehens bei der Gestaltung strafrechtlicher Tatbestände aufgreift, so rechtfertigt dies nicht die Annahme, er habe eine im Bereich der Begegnungsdelikte (vermeintlich) bestehende „Teilnahmelücke" schließen wollen. Bezüglich anderer Begegnungsdelikte mit allseitiger Strafdrohung wäre eine Aufteilung in eine täterschaftlich handelnde Partei und eine als Teilnehmer zu beurteilende Gegenpartei durchaus vorstellbar, doch sind insoweit besondere Sachgesichtspunkte zu beachten, die gleichwohl eine täterschaftliche Normierung auch der Gegenpartei (in den Augen des Gesetzgebers) als vorzugswürdig erscheinen lassen. Als erster, augenfälligster Aspekt ist in diesem Zusammenhang die in § 27 I I 2 StGB festgelegte obligatorische Strafmilderung 14 zu nennen. Würde das Gesetz ausschließlich den einen Handlungsteil vertypen, so könnte der Komplementärakt nicht als Mittäterschaft strafbar sein 15 , sondern das deliktsnotwendige Komplementärverhalten bliebe regelmäßig lediglich als Beihilfe, allenfalls ausnahmsweise als Anstiftung erfaßbar. Will der Gesetzgeber beide sich zu einem deliktischen Gesamtgeschehen ergänzenden Verhaltensweisen als gleichwertig beurteilen und deshalb die allein einer Partei zugute kommende Strafmilderung vermeiden, so muß er beide Handlungen als gleichrangige Formen täterschaftlicher Tatbestandsverwirklichung konstruieren. Umgekehrt kann hinter einer nur einseitigen Verty14 Dieser Gesichtspunkt verdient auch im historischen Kontext durchaus Beachtung, da auch das ursprüngliche Strafgesetzbuch für die Beihilfe eine (nach Versuchsgrundsätzen vorzunehmende) zwingende Strafmilderung vorsah; vgl. LK-Busch 9, § 49 Rdn. 28. is Vgl. oben 1. Kap. Fn. 98.

I. Umkehrschluß zu Begegnungsdelikten mit allseitiger S t r a f d r o h u n g 1 2 3

pung des Geschehens der Wille des Gesetzgebers stehen, den anderen Teil lediglich mit einer gemäß § 27 I I 2 StGB in Verbindung mit § 49 I StGB gemilderten Strafe zu bedrohen. Die auf der Rechtsfolgenseite zu verzeichnende Strafrahmendivergenz markiert mithin durchaus einen Umstand, der zur Erklärung unterschiedlicher legislatorischer Gestaltungskonzepte geeignet erscheint 16; mit dieser Erklärungsmöglichkeit wird aber zugleich der Wert der mit allseitiger Strafdrohung versehenen Begegnungsdelikte im Rahmen einer systematischen Argumentation geschwächt. Als zweite Konsequenz einer täterschaftlichen Erfassung beider Parteien ist die Abkoppelung der Strafbarkeit von den begrenzenden Kautelen des Akzessorietätsprinzips festzuhalten. So ist die Strafbarkeit des Vorteilsgebers gemäß §§ 333, 334 StGB bereits dann anzunehmen, wenn seine auf den Abschluß einer Unrechtsvereinbarung gerichtete Offerte zur Kenntnis des betreffenden Amtsträgers gelangt ist 17 . Ob dieser gewillt ist, auf das Ansinnen einzugehen, und ob er darüber hinaus seine diesbezügliche Bereitschaft in ein entsprechendes Verhalten umsetzt, ist für die Strafbarkeit des Vorteilsgebers ohne Belang. Wäre demgegenüber im Rahmen der Bestechungsdelikte ausschließlich das Verhalten des Amtsträgers normiert, so würde eine Strafbarkeit des außenstehenden Vorteilsgebers von einer Reaktion des Amtsträgers (Annahme oder Sichversprechenlassen des Vorteils 18 ) abhängen. Weiterhin führt die Aufhebung der akzessorischen Bindung zu einer Strafbarkeitserweiterung insofern, als der jeweils andere Teil nicht vorsätzlich gehandelt haben muß. Dies hat etwa zur Folge, daß sich derjenige, der mit einer verheirateten Person die Ehe schließt, auch dann gemäß § 171 StGB strafbar macht, wenn der Verheiratete seinen (ersten) Ehepartner für tot hält und deshalb unvorsätzlich handelt 19 . Ebensowenig bedarf es für eine Strafbar16 Eine ausführliche Behandlung erfährt der hier angesprochene Gesichtspunkt bereits bei Zadek (GS Bd. 40 [1888], 561 ff.): Einerseits (aaO. S. 565) räumt er ein, daß der auf dem gesetzgeberischen Schweigen basierende Schluß „kein zwingender" sei; „denn möglich bleibt es immerhin, daß der Gesetzgeber gerade deshalb die anderen theilnehmenden Personen nicht besonders unter Strafe gestellt hat, weil er sich eben bewußt gewesen ist, daß diese ja doch schon nach allgemeinen Grundsätzen wegen Theilnahme bestraft würden". Andererseits wird die zwischen Täterschaft und Beihilfe bestehende Strafrahmendivergenz als Erklärungsmöglichkeit für die Schaffung von Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung von Zadek (aaO. S. 573) ausdrücklich verworfen; anders insoweit v. Kries (ZStW 7 [1887], 546 [vor III.]), der hieraus jedoch nicht die entsprechenden Konsequenzen zieht (vgl. aaO. S. 553, 556 f.). 17 LK-Jescheck, Rdn. 1,4 und SK-Rudolphi, Rdn. 8 jeweils zu § 333; zur entsprechenden Beurteilung bei § 331 StGB vgl. BGH, NJW 1989, 914 (916); BGHSt. 10, 237 (243) und S/S-Cramer, § 331 Rdn. 33. 18 Hierzu bedarf es des Willens, den Vorteil anzunehmen; vgl. Dreher / Tröndle, § 331 Rdn. 13. 19 Vgl. hierzu RGSt. 4, 38; Olshausen, Anm. 2 und LK-Dippel, Rdn. 14 jeweils zu §171. Würde sich diese Norm ausschließlich gegen den anderweitig verheirateten Partner richten, so bliebe straflos, wer den Abschluß der Doppelehe dadurch erreicht, daß er dem Verheirateten den Tod des noch lebenden Ehepartners vortäuscht; denn § 171 StGB gilt als eigenhändiges Delikt, bei dem eine mittelbare Täterschaft ausscheidet (vgl. Dippel aaO. Rdn. 16).

5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser Rollenwahrung

keit des Deszendenten wegen Verwandtenbeischlafs (§ 173 StGB) des Nachweises, daß auch der Aszendent Vorsatz bezüglich des bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses hatte. Schließlich dient — und hierin ist der dritte und bedeutsamste Aspekt zu sehen — die täterschaftliche Normierung beider Teile als legislatorisches Mittel zur Realisierung bestimmter Privilegierungskonzepte. Beispielsweise greift die gemäß § 333 StGB strafbare Vorteilsgewährung — ungeachtet des die §§ 331 ff. StGB kennzeichnenden prinzipiellen Spiegel Verhältnisses20 — weniger weit als die in § 331 StGB für den Vorteilsnehmer getroffene Regelung21. Will der Gesetzgeber sicherstellen, daß der die aktive Bestechung vornehmende Bürger nicht in sachlich gleichem Umfang (sei es auch lediglich als Teilnehmer) strafbar ist wie der den Vorteil entgegennehmende Amtsträger, so liegt es nahe, diese Wertentscheidung durch eine eigenständige tatbestandliche Vertypung beider Seiten zum Ausdruck zu bringen. Hinsichtlich des Verwandtenbeischlafs (§ 173 StGB) ist die Absicht des Gesetzgebers deutlich erkennbar, die unterschiedliche Gewichtung von Aszendenten- und Deszendentenbeischlaf durch die Statuierung divergierender Strafrahmen hervorzuheben. Verallgemeinernd ist für den vorliegenden Zusammenhang folgendes festzustellen: Erstrebt der Gesetzgeber für einzelne Tatbestände eine Regelung der Beteiligungsstrafbarkeit, die mittels der Anwendung der allgemeinen Teilnahmeregeln nicht erreicht werden kann, so setzt er das von ihm angestrebte Ziel durch die Schaffung entsprechend gefaßter Tatbestände um. Aus dem Fehlen derartiger Spezialregelungen für andere Delikte kann aber nur geschlossen werden, daß im Rahmen jener Delikte die speziellen Sonderregeln nicht gelten sollen. Unzulässig wäre es hingegen, aus dem Fehlen derartiger Sonderregeln die Unanwendbarkeit auch der allgemeinen Teilnahmenormen ableiten zu wollen. Angesichts der aufgezeigten inhaltlichen Besonderheiten können die §§ 331 ff. StGB sowie § 173 StGB somit nicht als tragfähige Grundlage für den weithin vertretenen Umkehrschluß akzeptiert werden.

I I . Die historische Entwicklung des Grundsatzes der straflosen Mindestmitwirkung Der vermeintlich allgemeingültige Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung verdankt seine heutige dogmatische Stabilität maßgeblich einer weit zurückreichenden Anerkennung dieser Privilegierungsthese. Zwar kommt dem Umstand einer mehr als einhundertjährigen Tradition für die gegenwärtige dogmatische 20 Wessels, BT 1, § 25 I 1 (= S. 235 f.); Maurach / Schroeder, BT 2, § 76 II 3 (= S. 203); Bell, MDR 1979, 719; s. a. SIS-Cramer, § 334 Rdn. 12 ff. 21 Im Gegensatz zu § 331 StGB pönalisiert § 333 StGB nur auf künftige Diensthandlungen bezogene Verhaltensweisen; vgl. LK-Jescheck, § 333 Rdn. 1 und BT-Ds. 7 / 550, S. 274.

II. Historische Entwicklung der straflosen Mindestmitwirkung

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Beurteilung kein eigenständiger Argumentationswert zu, doch bietet die langwährende Akzeptanz einer derartigen Straflosigkeit durchaus Veranlassung, den Blick auf die historische Entwicklung dieser These zu richten. Hierbei könnte sich möglicherweise zeigen, daß ursprünglich vorhandene allgemeine Argumentationsansätze im Zuge einer vornehmlich ergebnisorientierten dogmatischen Fortschreibung verschüttet worden sind. Allerdings ist auch ein die herrschende Meinung schwächender Befund der historischen Rückschau denkbar; dies wäre dann anzunehmen, wenn ursprünglich einzeldeliktsbezogene Privilegierungen im Laufe der Zeit eine nicht näher begründete Verallgemeinerung erfahren hätten.

1. Die Entwicklung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung Verfolgt man die Entwicklung des Grundsatzes der Straflosigkeit der rollenwahrenden Mitwirkung des personalen Tatobjekts anhand der in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Reichsgerichts, fällt auf, daß die ersten Urteile stets zur Strafbarkeit der Teilnahme des Gläubigers an der Gläubigerbegünstigung (§211 KO a. F.) ergangen sind. Der Vorschrift des früheren § 211 KO entspricht der heutige § 283c StGB 22 , bezüglich dessen die Straflosigkeit (allerdings: nur) der rollen wahrenden Mitwirkung heute nahezu einhellig anerkannt ist 23 . Der Weg zu diesem Ergebnis vollzog sich in mehreren Etappen24, die zugleich belegen, daß ein geäußerter Wille des historischen Gesetzgebers, die rollenwahrende Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" stets straflos zu lassen, nicht erkennbar zutage getreten ist. In der frühesten Entscheidung25 (aus dem Jahre 1880) stellt der 2. Strafsenat des Reichsgerichts als Ausgangspunkt fest, daß die im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches enthaltenen Teilnahmegrundsätze auch auf alle Spezialgesetze (hier also die Konkursordnung) Anwendung finden; dies gelte „jedoch nur insoweit, als nicht in Specialgesetzen die entgegenstehende Absicht des Gesetzgebers Ausdruck gefunden hat" 26 . Im folgenden legt das Urteil unter ausführlicher (und 22

Zur Gesetzgebungsgeschichte des heutigen § 283 c StGB vgl. Vormbaum, GA 1981, 101 ff. 23 Die Vorschrift des § 283 c StGB gilt geradezu als typisches Beispiel für die auf die rollen wahrende Mitwirkung beschränkte Straflosigkeit, vgl. etwa Maurach / Gössel, Wolter, Dreher i Tröndle, Lackner und S/S-Cramer jeweils wie oben in Fn. 1 angegeben; s. femer BGH bei Herlan, GA 1967, 265; Vormbaum, GA 1981, 131 f. sowie LKTiedemann, § 283 c Rdn. 35 (mit weiteren Nachweisen in Fn. 52). Für eine Strafbarkeit des Gläubigers auch bezüglich der rollenwahrenden Mitwirkung demgegenüber Herzberg, Täterschaft, S. 138; Jakobs, AT, 24/12 sowie im älteren Schrifttum Merkel, in: Holtzendorffs Handbuch IV, S. 453. 24 Zusammenfassende Darstellungen der frühen reichsgerichtlichen Judikatur zur Gläubigerbegünstigung finden sich bei v. Kries, ZStW 7 (1887), 547 ff.; Dalcke, GA Bd. 37 (1889), 344 ff. und Stenglein, Lexikon, S. 783 ff. 25 RGSt. 2, 439. 2 6 AaO. S. 440.

5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

wörtlicher) Wiedergabe der Motive zur Reichskonkursordnung dar, daß die Absicht des Gesetzgebers auf eine Privilegierung des sein Recht (wenngleich zu Lasten der übrigen Konkursgläubiger) verfolgenden Gläubigers gerichtet gewesen sei. Dieser Wille habe im Gesetz auch hinreichend deutlichen Ausdruck gefunden; denn die Strafbestimmungen der Konkursordnung bildeten „ein geschlossenes System der strafbaren Handlungen im Konkurse" 27 ; hierbei sei das unlautere Verhalten des Gläubigers auf den in § 213 KO (a. F.) geregelten Stimmkauf beschränkt. Es ist mithin zu konstatieren, daß dieses Urteil entscheidend durch die Überlegungen zum konkreten Einzeldelikt (§211 KO a. F.) geprägt ist; es fehlt ferner eine ausdrückliche Beschränkung der Straflosigkeit auf die (rollenwahrende) Entgegennahme der Begünstigung. Eine deutlich restriktivere Beurteilung erfährt das Verhalten des mitwirkenden Gläubigers in einer nur wenige Wochen später ergangenen Entscheidung28. In diesem zweiten Urteil lassen es die Richter des 1. Strafsenats ausdrücklich dahinstehen, „welche Bedeutung im allgemeinen den Motiven zu einem Gesetze beizumessen ist", da die Motive zur Reichskonkursordnung „keineswegs principiell die Möglichkeit einer strafbaren Beteiligung an dem Vergehen des § 211 insbesondere von seiten eines Gläubigers" verneinten 29. Vielmehr beziehe sich die fragliche Stelle der Motive lediglich auf den in den §§ 309 und 341 der preußischen Konkursordnung hervorgehobenen Fall eines vom Konkursgläubiger nach Kenntniserlangung von der Zahlungseinstellung oder dem Konkursantrage mit dem Schuldner oder dessen Erben geschlossenen besonderen Vertrages. Auch dieses Urteil, das im älteren Schrifttum als der früheren Entscheidung des 2. Strafsenats „diametral entgegenstehend" bezeichnet worden ist 3 0 , rekurriert nicht auf allgemeine Teilnahmegrundsätze, sondern auf die — freilich abweichende — Interpretation der Konkursdelikte als einschlägige Spezialmaterie. Ebenfalls im Jahre 1881 hatte auch der 3. Strafsenat des Reichsgerichts 31 über die Strafbarkeit des als Teilnehmer an seiner eigenen Begünstigung mitwirkenden Gläubigers zu entscheiden. In diesem Urteil wird ausgeführt, daß „das Argument, welches für die Straflosigkeit der bloßen Annahme der Sicherung oder Befriedigung seitens des begünstigten Gläubigers geltend gemacht worden ist, . . . nicht für die Straflosigkeit der Anstiftung verwertet werden (könne), da deren Thatbestand ganz außerhalb des Rahmens der in § 211 mit Strafe bedrohten Handlungen liegt, insofern die auf selbständigem Entschlüsse beruhende Thätigkeit des Anstiftenden nicht mit dem Annehmen der Begünstigung zusammenfällt, sondern das Vergehen des § 211 erst veranlaßt" 32 . Mangels einer dem Gesetz zu entnehmen27 AaO. S. 441. 28 RGSt. 4, 1. 29 AaO. S. 2. 30 So Zadek, GS Bd. 40 (1888) 561 f. und Dalcke, GA Bd. 37 (1889), 344; zu einer anderen Bewertung gelangt Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 95 (in Fn. 2). 31 RGSt. 5, 275.

II. Historische Entwicklung der straflosen Mindestmitwirkung

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den Ausnahmebestimmung sei die vom begünstigten Gläubiger begangene Anstiftung daher strafbar. Auch die nächste Etappe der reichsgerichtlichen Judikatur betraf die Anstiftungskonstellation. Interesse verdient die Entscheidung33 aus dem Jahre 1882 deshalb, weil sie vom 2. Strafsenat getroffen wurde, dessen fünfzehn Monate zuvor vertretene Position einer weitgehenden Privilegierung des Gläubigers durch die zwischenzeitlichen Entscheidungen des 1. und 3. Strafsenats nicht bestätigt worden war und eher eine „höchstrichterliche Mindermeinung" darstellte. Mit seinem neuen Urteil schwenkt der 2. Strafsenat im Ergebnis auf die vom 3. Strafsenat vorgezeichnete Linie ein, ohne allerdings dessen Entscheidung ausdrücklich zu erwähnen. Für die bloße Annahme der Befriedigung bzw. Sicherheit wird die früher entwickelte Auffassung zunächst wiederholt; hieran schließt sich sodann die Feststellung, daß die dort angeführten Gründe für die Anstiftung nicht zuträfen. Zur Begründung dieser Ansicht führt der 2. Strafsenat wörtlich aus 34 : „Nach den . . . Motiven hat man den begünstigten Gläubiger nur soweit straflos lassen wollen, als er lediglich sein Recht — wenngleich unter Verletzung des civilrechtlichen Konkursanspruches der übrigen Gläubiger — verfolgt, d. h., als er die ihm vom Schuldner freiwillig angebotene Sicherung bezw. Befriedigung annimmt, also nur in der Rolle eines sogenannten notwendigen Teilnehmers verbleibt, ohne welchen der Schuldner das Vergehen gegen § 211 KO überhaupt nicht begehen kann. Dagegen liegt kein Grund vor, von der Regel der Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze des Strafgesetzbuches über Teilnahme auch dann eine Ausnahme für gegeben anzunehmen, wenn der Gläubiger über jene gewissermaßen passive Rolle hinausgegangen ist, und eine weitere Thätigkeit, ζ. B. durch Anstiftung des Schuldners zu dem Vergehen aus § 211 KO, entwickelt hat. Denn dann bildet seine intendierte Rechtsverfolgung nur das Motiv zur Anstiftung des Schuldners zu einer Strafthat. Dies Motiv ist für die Frage der Strafbarkeit des Anstifters unerheblich." Vergegenwärtigt man sich diese Entwicklung der Judikatur, so ist folgendes festzuhalten: Die in den angeführten Entscheidungen unterschwellig ausgetragene Kontroverse über die Reichweite der Privilegierung des an seiner Begünstigung mitwirkenden Gläubigers wird eindeutig beherrscht von den Sachgesichtspunkten der speziellen Regelungsmaterie. Hierbei kommt der Interpretation des in den Motiven zur Reichskonkursordnung zum Ausdruck gekommenen Willens des historischen Gesetzgebers besondere Bedeutung zu; Aspekte der Teilnahmelehre, insbesondere der Gedanke der „notwendigen Teilnahme", werden erst relativ spät in die Auseinandersetzung eingeführt. Dem Auslegungsstreit bezüglich der Motive zur Reichskonkursordnung 35 läßt sich weiterhin entnehmen, daß der 32 AaO. S. 275 f. 33 RGSt. 5, 435. 34 AaO. S. 437 (Hervorhebung im Original). 35 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, daß der 13. DJT (1876) bei nur einer Gegenstimme für die Strafbarkeit auch des die Befriedigung oder Begünstigung annehmenden Gläubigers votiert hatte; vgl. dazu Dalcke, GA Bd. 47 (1889), 342 ff.

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

historische Gesetzgeber weder die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" noch die hieraus etwa zu ziehende Konsequenz einer Straflosigkeit (nur) der deliktsnotwendigen Mindestmitwirkung so deutlich vor Augen hatte, daß eine entsprechende legislatorische Willensrichtung unzweifelhaft aus den Gesetzgebungsmaterialien herauszulesen wäre. Bei der — in späteren Urteilen bestätigten 36 — Judikatur des Reichsgerichts zur Gläubigerbegünstigung handelt es sich mithin nicht um die Befolgung eines eindeutigen legislatorischen Diktats, sondern um eine im Kräftespiel der Interpretationen entstandene Sichtweise, die deutliche Züge einer kompromißhaften Annäherung zweier entgegengesetzter Positionen trägt. Die Rechtsprechung hat in der Folgezeit das Kriterium der auf das Maß deliktsnotwendiger Mitwirkung beschränkten Straflosigkeit auch in anderen Sachgebieten herangezogen. In diesem Zusammenhang lassen sich Entscheidungen zum Stimmenverkauf (§213 KO a. F.) 3 7 , zu einschlägigen Preisvorschriften 38 , zum Gaststättengesetz39 und zum Parteiverrat (§ 356 StGB) 40 anführen; ferner wird in Entscheidungen zur Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) 41 und zur Kuppelei (§ 180 StGB) 42 ausgeführt, daß einer Strafbarkeit des Nutznießers wegen Anstiftung nicht der Aspekt der „notwendigen Teilnahme" entgegenstehe, da die Anstiftung über das zur Deliktsbegehung erforderliche Maß hinausgehe. Das weite Anwendungsgebiet könnte zu der Ansicht verleiten, das Reichsgericht hätte den Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung von den Gegebenheiten der jeweils konkret betroffenen Tatbestände gelöst und zu einem Gesichtspunkt der allgemeinen Teilnahmelehre umgestaltet. Die Annahme einer derartigen Verselbständigung wäre jedoch verfehlt; denn regelmäßig wird auch in den späteren Entscheidungen nicht auf das Wesen der „notwendigen Teilnahme" abgestellt, sondern maßgeblich bleibt für die Begründung der für das jeweilige Einzeldelikt feststellbare gesetzgeberische Wille 4 3 . Überhaupt war die Judikatur des Reichsgerichts hinsichtlich der Straflosigkeit des rollenwahrenden Verhaltens nicht so Zur Interpretation der Motive zur Reichskonkursordnung vgl. ferner Olshausen / Zweigert, §241 KO Anm. 11. 36 Vgl. RGSt. 48, 18 (21); 61, 314 (315 f.) und 65, 416 (417: „ständige Rechtsprechung"). 37 RGSt. 12, 122 und 29, 304. 38 Vgl. in diesem wirtschaftsrechtlichen Zusammenhang die Entscheidungen RGSt. 51, 131 (132 f.); 52, 3; 70, 344 (347); 73, 137 (138, 140) und 75, 266 (270 f.); s. ferner unten Fn. 46. 39 R G S t . 70, 233 (234). 40 RGSt. 71, 114 mit Anm. Schwinge, JW 1937, 1810. 41 RGSt. 61, 31 (33). 42 RGSt. 25, 369 (370); s. a. RGSt. 4, 252 (253) und 23, 69. 43 Besonders deutlich in diesem Sinne RGSt. 2, 439 (440 f.); 8, 294 (298) und 34, 273 (274). Allerdings lassen sich vereinzelte Äußerungen des Reichsgerichts (RGSt. 70, 344,347; aber auch RGSt. 8,294,298) auch im Sinne einer allgemeinen Unanwendbarkeit der Teilnahmevorschriften im Bereich deliktsnotwendiger Mitwirkung interpretieren (s. dazu auch oben Fn. 10).

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stringent, wie dies in der rückschauenden Betrachtung erscheinen mag. So wurde dem Reichsgericht in der Literatur vorgehalten, während des 1. Weltkrieges habe man den Grundsatz der Straflosigkeit der korrespondierenden Mitwirkung „vielfach vergessen" 44. Die Ausrichtung an den Gegebenheiten des jeweiligen Einzeldelikts belegen ferner jene Urteile, in denen entweder die mitwirkende Partei für umfassend straflos erklärt 45 oder aber eine Teilnahmestrafbarkeit auch bezüglich des zur Deliktsbegehung unabdingbaren Mitwirkungsaktes ausdrücklich bejaht wird 4 6 . Resümierend ist die reichsgerichtliche Judikatur dahingehend zu charakterisieren, daß im Ergebnis zwar grundsätzlich eine auf das rollenwahrende Verhalten beschränkte Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" vertreten wurde. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos; ferner ist zu beachten, daß diese Restriktion der Teilnahmestrafbarkeit zumeist auf der (historischen) Interpretation der betreffenden Norm des Besonderen Teils basierte. Bei einer Gesamtbetrachtung erscheint die einzeldeliktsorientierte Rechtsprechung somit als ein deutliches Indiz gegen einen allgemeinen legislatorischen Willen, das deliktsnotwendige Verhalten auch unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme straflos zu lassen.

2. Die Entwicklung des Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung im strafrechtlichen Schrifttum Die reichsgerichtliche Judikatur zur Beschränkung der Straflosigkeit auf die Erbringung des deliktsnotwendigen Komplementäraktes und insbesondere die Rechtsprechung zur Gläubigerbegünstigung haben im älteren Schrifttum vielfach Ablehnung erfahren 47. Hierbei wendet sich v. Kries dagegen, daß (u. a.) das Reichsgericht „äußerst vorsichtige Formulierungen" 48 wähle, indem der Begegnungsdeliktscharakter lediglich zum Anlaß genommen werde, nach den gesetzgeberischen Intentionen zu fragen. An die Stelle des bloßen Frageimpulses setzt v. Kries 49 ein eindeutiges Resultat: „Wo der Gesetzgeber nur die Thätigkeit einer 44 So Frank, vor § 47 Anm. V 1 (a. E.); s. a. ders., JW 1916, 280. 45 RGSt. 23, 242 (243 f.); um einen nicht handlungs-, sondern personenbezogenen Ausschluß der Teilnahmestrafbarkeit dürfte es sich auch bei RGSt. 8,294 (298) handeln. 46 RGSt. 34, 273 bezüglich des Ankaufs bereits verwendeter Invalidenversicherungsmarken (aaO. S. 275: „Die Nichterwähnung des Ankaufs neben dem im Gesetz vorgesehenen Veräußern und Feilhalten reicht hiemach auch in Verbindung mit der begrifflichen Notwendigkeit der Mitwirkung eines Anderen beim Veräußern nicht zu der Annahme aus, daß das Gesetz den Ankäufer auch als Gehülfen des Veräußerers habe straffrei lassen wollen, wenn er mit dem Gehilfenvorsatz gehandelt hat."). 47 Hierbei sind insbesondere die Arbeiten von Zadek (GS Bd. 40 [1888], 561 ff.) und Dalcke (GA Bd. 37 [1889], 342 ff.) zu nennen; vgl. femer die Nachweise bei Olshausen / Zweigert, § 241 KO Anm. 11. 48 ZStW 7 (1887), 556. 49 Ebd. In der Sache übereinstimmend auch Zadek, GS Bd. 40 (1888), 573 f. 9 Sowada

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser Rollen Währung

Person mit Strafe bedroht, während er die mit Notwendigkeit vorauszusetzende Thätigkeit einer zweiten unerwähnt läßt, kann mit Bestimmtheit behauptet werden, daß diese letztere nicht unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme bestraft werden darf." Dieses Auslegungsergebnis stützt v. Kries 50 darauf, daß der Gesetzgeber in den Fällen, in denen ein Zusammenwirken mehrerer Personen nach der Natur der Sache erforderlich sei, entweder eine Ausdrucksweise wähle, die beide Tätigkeiten umschließt, oder beide Personen selbständig nebeneinander erwähnt. Die auf diese Weise postulierte bewußte „Wahl" des Gesetzgebers ist aber der Sache nach nichts anderes als die Behauptung des bereits diskutierten Umkehrschlusses zu den Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung. Auch Freudenthal 51 erkennt ein derartiges allgemeines Auslegungsprinzip an; er betont hierbei jedoch dessen beschränkten Anwendungsbereich: „Man wird nur sagen dürfen: Wenn das Gesetz in einem Falle notwendiger Theilnahme die nothwendige Mitwirkung einer Person unter Strafe stellt, über die der anderen aber schweigt, so bedeutet dies, daß die zur Erfüllung des Thatbestandes ein für allemal nothwendige Mitwirkung der nicht ausdrücklich mit Strafe bedrohten Person unter dem Gesichtspunkte der Theilnahme nicht gestraft werden solle. Insoweit sind also durch den Willen des Gesetzes, wie er sich aus dessen Wortlaute, Sinn und Zusammenhang in Verbindung mit der Natur der nothwendigen Theilnahme ergiebt, die allgemeinen Theilnahmebestimmungen der §§47 ff. StGB außer Anwendung gesetzt. Hingegen ist für die strafrechtliche Behandlung des in abstracto nicht nothwendigen, sondern nur in concreto vorliegenden Thuns der nicht ausdrücklich unter Strafe gestellten Person aus der Thatsache, daß das Delikt seinem Thatbestande zufolge ein Zusammenwirken Mehrerer voraussetzt, unmittelbar nichts zu entnehmen." Mit seiner Äußerung erteilt Freudenthal den bisweilen unternommenen Versuchen eine Absage, aus der fehlenden Normierung eines bestimmten Verhaltens den umfassenden Verzicht auf die Strafbarkeit einer Person abzuleiten52. Fragt man jedoch nach dem Grund, warum zumindest für die deliktsnotwendige Tatbeteiligung eine Anwendung der Teilnahmenormen unterbleiben solle, so führt der „Wille des Gesetzes" nebst den hinzugefügten Merkmalen (Wortlaut, Sinn und Zusammenhang in Verbindung mit der Natur der notwendigen Teilnahme) ebenfalls nicht über die von v. Kries gegebene Antwort hinaus. Im Gegenteil belegt die Tatsache des Streits um die (Verhaltens- oder personenbezogene) Reichweite eines solchen Auslegungsprinzips gerade das Fehlen einer hinreichend deutlichen legislatorischen Willensäußerung. Auch der Blick in die ältere strafrechtliche Literatur bestätigt somit, daß die Annahme eines allgemeinen Auslegungsgrundsatzes 53, wonach (jedenfalls) die so ZStW 7 (1887), 557. 51 Nothwendige Theilnahme, S. 107 f. (Hervorhebungen im Original). 52 Die Straflosigkeit auch bezüglich der rollenüberschreitenden Anstiftung wird ζ. B. von Dalcke, GA Bd. 37 (1889), 349 und Zadek, GS Bd. 40 (1888), 576 ff. befürwortet; personenbezogen wird die Straflosigkeit ferner bestimmt bei Frank, vor § 47 Anm. V 2.

II. Historische Entwicklung der straflosen Mindestmitwirkung

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rollenwahrende Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" stets straflos sei, zwar eine lange Tradition hat, die sich aber nur auf die Normanwender und -Interpreten, nicht hingegen auf den Normgeber zurückführen läßt. Daß literarisch geäußerte Ansichten eine Übereinstimmung mit einem nur vermeintlich allgemeinen gesetzgeberischen Willen für sich reklamieren, verleiht ihnen jedoch kein erhöhtes dogmatisches Gewicht. Auf den historischen Gesetzgeber des ursprünglichen Strafgesetzgebers kann die postulierte These einer generellen Straflosigkeit deliktsnotwendiger Tatbeteiligung also nicht gestützt werden.

3. Die „notwendige Teilnahme" als Gegenstand gesetzgeberischer Beratungen Mit dem Fehlen eines bereits bei der Schaffung des Strafgesetzbuches von 1871 nachweisbaren gesetzgeberischen Willens sind die Möglichkeiten einer historisch orientierten Argumentation allerdings nicht erschöpft; denn es bleibt zu untersuchen, ob der Gesetzgeber den Gedanken strafloser Rollenwahrung bei späteren Reformvorhaben aufgenommen und in den betreffenden Materialien zum Ausdruck gebracht hat. Zwar fehlte es im strafrechtlichen Schrifttum nicht an konkreten Vorschlägen für eine allgemeine Regelung der „notwendigen Teilnahme" 54 , doch haben die gesetzgebenden Institutionen diesen Anregungen bei der Erarbeitung der jeweiligen Entwürfe keine Beachtung geschenkt55. Gegenstand gesetzgeberischer Beratung wurde die „notwendige Teilnahme" erst in der 1933 eingesetzten Strafrechtskommission 56. In diesem Gremium traten (u. a. zwischen den beiden Berichterstattern Mezger und Grau) Meinungsverschiedenheiten57 darüber zutage, ob in den Fällen „notwendiger Teilnahme" 53 Dezidiert für eine einheitliche Betrachtungsweise (und gegen ein Abstellen auf den Zweck des jeweiligen Einzeltatbestandes) im neueren Schrifttum freilich auch Bergen, Mehrheitsdelikt, S. 86, 88. 54 Vgl. Bergen (Mehrheitsdelikt, S. 104): „Wird wegen einer Tat, an der nach den Bestimmungen des Gesetzes mehrere Personen notwendig beteiligt sind, nur eine von ihnen mit Strafe bedroht, so ist jede Mitwirkung der anderen straflos." S. auch den von Goldschmidt (JW 1922, 253, s. a. aaO. S. 258) unterbreiteten § 31 des Gegenentwurfs zu den Abschnitten „Die Straftat" und „Täter und Teilnehmer" des Strafgesetzentwurfs von 1919: „Bedroht das Gesetz in Fällen, wo ein Tatbestand das Zusammenwirken mehrerer erfordert, nur einen von ihnen mit Strafe, so bleibt der andere straflos, auch wenn er sich als Urheber oder Gehilfe beteiligt." Kritisch hierzu Bergen aaO. S. 103 f. 55 So bemängelte Romeiß (GS Bd. 99 [1930], 382 ff., 388 f.), daß in dem Strafrechtsentwurf, der für Deutschland und Österreich gelten sollte (hiermit ist vermutlich der E 27 gemeint; vgl. LK-Jescheck, Einl. Rdn. 69), trotz partiell divergierender Rechtsprechung zwischen beiden Ländern eine das Problem der „notwendigen Teilnahme" klärende Bestimmung nicht enthalten sei; femer könne auch den bereits abgeschlossenen Ausschußverhandlungen keine Antwort entnommen werden. 56 Zur Arbeit dieser Kommission vgl. Regge / Schubert, Quellen, S. XIII ff. 57 Vgl. die einzelnen (jeweils nach dem Abdruck der Protokolle bei Regge / Schubert, Quellen, angegebenen) Äußerungen von Mezger (S. 38 f., 97, 102, 126); Grau (S. 42,

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durch eine ausdrückliche Regelung klargestellt werden sollte, daß auch das rollenüberschreitende Verhalten einer täterschaftlich nicht erfaßten Person straflos sei. Die Diskussion stellte damit nicht die auch vom Reichsgericht angenommene Straflosigkeit der deliktsnotwendigen Mindestmitwirkung in Frage, sondern es wurde darüber debattiert, ob in einem weiteren Rahmen eine Straflosigkeit gesetzlich festgeschrieben werden sollte. Hierbei wurde teilweise ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf verneint und die Bewältigung der Problematik ausdrücklich der Rechtsprechung anempfohlen 58. Schließlich hat man auf eine gesetzliche Regelung verzichtet, weil die eine Ausweitung der Straflosigkeit befürwortenden Kommissionsmitglieder das von ihnen für vorzugswürdig erachtete Ergebnis durch die Aufnahme eines allgemeinen Begriffs der „Mitwirkung" in den Entwurf für verwirklicht hielten 59 . Bei der Beurteilung dieser Beratungen ist zunächst einzuräumen, daß sie eine die Straflosigkeit der Rollenwahrung stützende Tendenz insoweit aufweisen, als der allein auf die Rollenüberschreitung ausgerichtete Streitgegenstand ein Indiz dafür bildet, daß die Straflosigkeit jedenfalls der rollenwahrenden Mitwirkung in diesem Gremium allgemein akzeptiert war. Allerdings ist der dogmatische Wert dieses Umstands eher als gering zu veranschlagen. Denn zum einen läßt sich das Absehen von einer ausdrücklichen Normierung auch als bewußter Regelungsverzicht interpretieren; zum anderen ist zu beachten, daß das mit der Einsetzung der Strafrechtskommission 1933 in Angriff genommene Reformvorhaben in der Folgezeit ohne ein konkretes Ergebnis eingestellt wurde 60 . Die dargestellten Äußerungen mögen deshalb als konkludente Stellungnahme eines mit Juristen und Politikern besetzten Gremiums erscheinen, doch fehlt ihnen die verbindliche Autorität eines legitimierten Gesetzgebers61. Mit dieser Beurteilung stimmt auch die von Lange im Jahre 1940 in seiner Habilitationsschrift getroffene Feststellung überein, daß bislang eine gesetzgebe97, 102); Klee (S. 99, 104, 126 f.); Schäfer (S. 104); Kohlrausch (S. 107); Nagler (S. 110); Gürtner (S. 126) und Dahm (S. 127). 58 So insbesondere Mezger (S. 38 f., 126), Schäfer, Nagler und Gürtner (jeweils wie in der vorigen Fn. angegeben). 59 Vgl. hierzu die Äußerungen von Klee und Dahm (bei Regge / Schubert, Quellen, S. 126 f.). 60 Vgl. LK-Jescheck, Einl. Rdn. 70. 61 Auf den Stellenwert, der der historischen Auslegungsmethode allgemein beizumessen ist, ist an dieser Stelle nicht näher einzugehen; vgl. dazu Larenz, Methodenlehre, S. 304 ff., 315 ff., 333 f.; Loos, Wassermann-FS (1985), S. 123 ff.; Baumann / Weber, AT, § 13 I 2b (= S. 154 f.) sowie die bei Schroth, Theorie, S. 76 ff. zusammengestellten Einwände. Immerhin spiegelt sich in diesem Streit auch die Frage, wie eng der Richter als Vertreter der Judikative an die Vorstellungen der Legislative gebunden sein soll; vgl. Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 97 Rdn. 18 ff. und Krey, ZStW 101 (1989), 838 ff. (868 ff.). „Gehorsam" kann ein Gesetzgeber aber auch für seine „subjektiven" Vorstellungen allenfalls dann fordern, wenn er gesetzgeberisch tätig wird; vgl. Art. 97 I GG sowie zur sog. „Andeutungstheorie" Krey, Studien, S. 182 ff. (186 f.). Zur Bedeutung von Gesetzentwürfen für die Auslegung vgl. ferner LK-Tröndle, § 1 Rdn. 56.

II. Historische Entwicklung der straflosen Mindestmitwirkung

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rische Regelung der „notwendigen Teilnahme" nicht erfolgt sei. Allerdings ist Lange der Ansicht, in der „Verordnung zur Ergänzung der Ersten Ausführungsverordnung zum Blutschutzgesetz" vom 16. Februar 1940 62 seien die Grundfragen zur „notwendigen Teilnahme" erstmalig und überdies in einer den von Lange erarbeiteten Vorstellungen völlig konformen Weise entschieden worden 63 . In dieser Ergänzungsverordnung wird allein der Mann als für das Verbrechen der „Rassenschande" verantwortlich bezeichnet und ausdrücklich die Straflosigkeit der beteiligten Frau (auch als Teilnehmerin an der Tat des Mannes) ausgesprochen. Hierin meint Lange eine für den Gesamtkomplex der „notwendigen Teilnahme" prototypartige Regelung erkennen zu können, deren exemplarischer Charakter ihn veranlaßt, seine Darstellung zur „notwendigen Teilnahme" an dieser Ergänzungsverordnung auszurichten 64. Die Möglichkeit, daß es sich bei dieser Verordnung um eine nicht verallgemeinerungsfähige, einzelgesetzliche Spezialregelung handeln könnte, wird von Lange65 nur kurz angesprochen, sodann aber als „rein positivistisch" und „völlig grundsatzlos" beiseitegeschoben. Zwar knüpft Lange seine Einschätzung an eine gesetzliche Straf/ös/gkeitsanordnung, doch vermittelt es auch in der zeitlichen Distanz eines halben Jahrhunderts ein bedrückendes Gefühl, wenn die in den sog. „Blutschutzgesetzen" und in ihrer exzessiven Handhabung durch die Gerichte 66 zutage getretene staatliche Perversion ihrer wahren Bedeutung entkleidet und mit einer Normalität versehen wird, die sie in eine Reihe mit den sonstigen Strafgesetzen stellt und ihr so den unverdächtigen Charakter einer verallgemeinerungsfähigen gesetzlichen Regelung der „notwendigen Teilnahme" zuweist. Der spezifische nationalsozialistische Gehalt der sog. „Blutschutzgesetze" sowie die Art ihres Zustandekommens67 verbieten es, sie als einen auch für die heute um die „notwendige Teilnahme" zu führende Diskussion maßgeblichen legislatorischen Fingerzeig zu akzeptieren. Abgesehen von diesem prinzipiellen Einwand erscheint die von Lange vorgenommene Beurteilung aber auch als sachlich verfehlt: Die Ergänzungsverordnung vom 16. Februar 1940 bringt eine Klarstellung nur für die Frage der Teilnahmestrafbarkeit der Frau bzw. ihrer Strafbarkeit wegen Begünstigung. Bereits § 5 I I BlutschutzG von 1935 hatte als Täter der in § 2 dieses Gesetzes normierten sog. 62 RGBl. I, S. 394. 63 Vgl. Lange, Notwendige Teilnahme, Vorwort sowie S. 1, 3 und 101. 64 AaO. am Ende des Vorworts. 65 A a O . S. 3. 66 Ausführlich hierzu Müller, Furchtbare Juristen, S. 105 ff. Doch auch zu damaliger Zeit konnte es über Ausmaß und Bedeutung dieser Rechtsentwicklung (zumindest) für Strafrechtskundige keinen Zweifel geben, wenn man an die hohe Zahl der Verurteilten (bis 1940 allein wegen sog. „Rassenschande" 1911 Personen; vgl. Gruchmann, DRiZ 1985,129) sowie an die zahlreichen Fachveröffentlichungen denkt (vgl. etwa die „stolze" Bilanz fünfjähriger reichsgerichtlicher Rechtsprechung zum sog. „Blutschutzgesetz" von Sandrock, DR 1940, 261 ff.). 67 Vgl. hierzu Gruchmann, DRiZ 1985, 121 ff. (129) sowie Spendel, Jescheck-FS Bd. I (1985), S. 181 f.

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

„Rassenschande" allein den männlichen Partner mit Strafe bedroht. Als Grund für diese Regelung wird im damaligen Schrifttum 68 überwiegend daraufhingewiesen, daß eine Überführung des Mannes regelmäßig nur durch das Zeugnis der Frau möglich sein werde, der daher auch kein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugebilligt werden sollte. Das Reichsgericht hat hingegen in mehreren Entscheidungen69 die Möglichkeit einer Strafbarkeit der beteiligten Frau wegen Begünstigung (§ 257 StGB a. F.) bejaht. Vor diesem Hintergrund erweist sich die ausdrücklich auch eine Strafbarkeit wegen Begünstigung ausschließende Ergänzungsverordnung als Korrektur einer für verfehlt gehaltenen Rechtsprechung, nicht jedoch als (an versteckter Stelle plazierter) Schlüssel zur Lösung eines allgemeinen Teilnahmeproblems. Bei den strafrechtlichen Reformbestrebungen nach dem Ende des 2. Weltkrieges spielt die „notwendige Teilnahme" praktisch keine Rolle mehr. Insbesondere befassen sich weder die Gesetzesvorschläge noch die Beratungen zur Teilnahmelehre mit dieser Spezialfrage. Auch hinsichtlich der einschlägigen Tatbestände des Besonderen Teils wird die Problematik der „notwendigen Teilnahme" kaum erörtert 70. Eine Ausnahme bildet insoweit der § 227 a des Entwurfs 1962, der eine Regelung der Teilnahmestrafbarkeit des Verkuppelten vorsah 71. Doch abgesehen davon, daß hierin gewiß keine „verkappte Gesamtregelung" für den generellen Problemkomplex der „notwendigen Teilnahme" gesehen werden kann, verzichtete bereits der Regierungsentwurf zum Vierten Strafrechtsreformgesetz 72 darauf, den im E 62 unterbreiteten Vorschlag aufzugreifen. Hierbei wird zwar einerseits bezüglich der durch den § 180 StGB geschützten minderjährigen Person auf die sich aus dem Gesichtspunkt der „notwendigen Teilnahme" ergebende umfassende Straflosigkeit verwiesen; andererseits aber wird die Frage der Teilnahmestrafbarkeit des sich an der Kuppelei beteiligenden Sexualpartners ausdrücklich der Klärung durch die Rechtsprechung überlassen 73.

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Lösener / Knost, Nürnberger Gesetze, § 5 Anm. 3 (= S. 77); s. a. Boschan, Nationalsozialistische Rassen- und Familiengesetzgebung, S. 201 und Gütt / Linden / Maßfeiler, Blutschutz- und Ehegesundheitsgesetz, § 5 Anm. II 4 (= S. 216 f.). 69 So etwa RG, DJ 1937, 668 und RG, JW 1937, 2445. 70 In den Sitzungen der Großen Strafrechtskommission wurde über die Gläubigerbegünstigung praktisch überhaupt nicht diskutiert (vgl. Niederschriften Bd. 8, S. 107); hinsichtlich des Parteiverrats wurde zwar auf die Entscheidung RGSt. 71, 114 Bezug genommen, ohne daß jedoch die Diskussion auch die Frage der Teilnahmestrafbarkeit der Gegenpartei zum Gegenstand gehabt hätte (vgl. Niederschriften Bd. 8, S. 108 ff.). 71 Hiemach sollte die vom Verkuppelten vorgenommene Anstiftung zur eigennützigen Kuppelei dann strafbar sein, wenn sich die Tat gegen Kinder oder Jugendliche bzw. gegen Angehörige oder Schutzbefohlene richtet; vgl. zur Begründung BT-Ds. IV / 650, S. 392 f.; s. a. Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 301 ff. 72 BT-Ds. VI / 1552, S. 22. 73 Ebd. heißt es wörtlich: „Ob hier [gemeint ist die Teilnahmestrafbarkeit des Nutznießers; der Verf.] eine Bestrafung wegen Teilnahme in Betracht kommt, wird die Rechtsprechung unter Berücksichtigung der rechtsdogmatischen Zusammenhänge zu entscheiden

II. Historische Entwicklung der straflosen Mindestmitwirkung

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Abzulehnen wäre schließlich auch der Gedanke, die in § 219 c I I StGB explizit ausgeschlossene Teilnahmestrafbarkeit der Schwangeren, die sich am Inverkehrbringen von zum Schwangerschaftsabbruch geeigneten Mitteln beteiligt, als Artikulation eines auf den Gesamtkomplex der Begegnungsdelikte zu beziehenden gesetzgeberischen Willens zu betrachten. Denn diese Regelung trägt eindeutig Sondercharakter, der einer generalisierenden Übertragung auf sonstige Begegnungsdeliktskonstellationen entgegensteht. Dies zeigt sich formal bereits daran, daß nicht die Teilnahmestrafbarkeit jedes Erwerbers ausgeschlossen wird 7 4 , sondern lediglich ein auf die Schwangere beschränkter persönlicher Strafausschließungsgrund 75 in das Gesetz aufgenommen wurde. Materiell ist dieser Strafbarkeitsausschluß in dem Privilegierungskontext zu sehen, mittels dessen das Gesetz der schuldmindernden psychischen Situation der Schwangeren Rechnung trägt 76 . Ebenso wenig wie die (bezüglich der Kuppelei gemäß § 180 StGB) diskutierten oder (hinsichtlich des § 219 c I I StGB) in das Gesetz aufgenommenen Beschränkungen der Teilnahmestrafbarkeit läßt sich das Schweigen des Gesetzgebers bei den übrigen Delikten in eine ausdrücklich gewollte und nur konkludent erklärte Billigung (jedenfalls) der von der Rechtsprechung entwickelten These der straflosen Mindestbeteiligung umdeuten. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß diese Teilnahmekonstellationen vom Gesetzgeber regelmäßig überhaupt nicht bedacht worden sind, so daß dem Schweigen jeglicher Regelungswille fehlt. Im Mittelpunkt der gesetzgeberischen Beratungen steht zumeist ein durch die entsprechende Fassung der täterschaftlichen Handlungsbeschreibung zu lösendes konkretes Regelungsproblem. Demgegenüber treten die Beteiligungsfragen eher in den Hintergrund; insoweit fehlt angesichts der grundsätzlichen Geltung der Normen des Allgemeinen Teils regelmäßig ein besonderer gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Erst recht lebensfremd erschiene die Vorstellung, der Gesetzgeber hätte bei seinem Schweigen nicht allein die sich bezüglich des jeweiligen Einzeldelikts ergebenden Teilnahmeprobleme, sondern weitergehend ein allgemeines System — nämlich einen allgemeinen Grundsatz strafloser Mindestmitwirkung — vor Augen, hinsichtlich dessen er mit seinem Schweigen seine Zustimmung zum Ausdruck bringen wolle. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Blick auf die tatbestandliche Verselbständigung von Teilnahmehandlungen: Auch dort wirft die vom Gesetzgeber gewählte Tatbestandsfassung die Frage auf, inwieweit hierdurch ein Rückgriff auf die allgemeine Teilnahmestrafbarkeit (partiell) gehaben. Sollte sie zu einer Strafbarkeit wegen Teilnahme gelangen, so würde dies der rechtspolitischen Tendenz des Entwurfs nicht widersprechen." 74 Im Gegenteil wird die Entgegennahme (!) abbruchsgeeigneter Mittel als typische Form der strafbaren Teilnahme an § 219 c StGB herausgestellt von Koch, in: Eser/ Koch, Schwangerschaftsabbruch, S. 227. 75 Vgl. SK-Rudolphi, Rdn. 5 und S/S-Eser, Rdn 9 jeweils zu § 219 c. 76 Zum System der zugunsten der Schwangeren geltenden Privilegierungen vgl. S/S-Eser, § 218 Rdn. 47 ff.; Koch, in: Eser / Koch, Schwangerschaftsabbruch, S. 199 ff., 201 ff. und Roxin, JA 1981, 228 f.

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

sperrt ist 77 . Daß der Gesetzgeber eine derartige Restriktion generell, also unabhängig vom konkret betroffenen Delikt gewollt habe, läßt sich weder nachweisen noch wird eine solche allgemeine legislatorische Intention auch nur behauptet78. Die (Un-) Anwendbarkeit der Teilnahmevorschriften bei den Delikten mit verselbständigter Teilnahme ist vielmehr anhand der für das jeweilige Delikt geltenden Situation zu entscheiden79; regelmäßig fehlt es im übrigen auch dort an „deliktsinternen" Äußerungen des Gesetzgebers80. Die bisherige Untersuchung zur Frage eines allgemein anzuerkennenden Grundsatzes der Straflosigkeit der deliktsnotwendigen Mindestmitwirkung hat somit ergeben, daß sich ein derartiges Prinzip weder aus systematischen Erwägungen (Umkehrschluß zu den Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung) ableiten läßt noch daß ein dieses Prinzip tragender, einzeldeliktsübergreifender Wille des historischen Gesetzgebers nachweisbar ist. Es handelt sich bei der behaupteten These mithin um eine im Zusammenwirken von Rechtsprechung und Strafrechtslehre entstandene dogmatische Konstruktion, die — jedenfalls in der postulierten Allgemeingültigkeit ihrer Aussage — nicht unter Berufung auf den Willen des historischen Gesetzgebers verteidigt werden kann.

I I I . Ungereimtheiten bei der Handhabung des Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung Wird die Position der herrschenden Meinung bereits durch die soeben herausgearbeitete Erkenntnis, daß weder systematische Erwägungen noch ein nachweisbarer Wille des historischen Gesetzgebers die Allgemeingültigkeit des Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung überzeugend begründen, nachhaltig erschüttert, so erleidet diese Konzeption einer einzeldeliktsübergreifenden Privilegierung eine zusätzliche Schwächung im Hinblick auf die konkrete Umsetzung des postulierten Grundsatzes. Die insoweit zu konstatierenden Unstimmigkeiten betreffen zum einen die Frage, bezüglich welcher Delikte der Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung überhaupt zur Anwendung gelangen soll; zum anderen ist der Vorwurf mangelnder Stringenz aber auch auf die konkrete Bestimmung des von der Privilegierung umfaßten Verhaltensbereichs zu beziehen. 77 Vgl. z. B. SK-Rudolphi, § 129 Rdn. 21; allgemein zur tatbestandlichen Verselbständigung von Teilnahmehandlungen vgl. Seligmann, Delictum sui generis, S. 28, 87 ff. und Fincke, Verhältnis, S. 65 ff. 78 Überzeugend gegen eine derart uneingeschränkte These Sommer, JR 1981, 492; selbst die in einem solch pauschalen Sinne interpretierbare Äußerung von Schmitt (NJW 1977, 1811) erfährt aaO. S. 1812 (unter III.) eine Abschwächung. 79 Vgl. hierzu Sommer, JR 1981, 494 f. so So hat das Problem der Beteiligung Dritter an den §§331 ff. StGB auch durch die im EGStGB vom 2.3.1974 erfolgte Neufassung der Bestechungstatbestände keine eindeutige Regelung erfahren; vgl. zu diesem Problem SIS-Cramer, § 334 Rdn. 13 ff. und Bell, MDR 1979, 719 ff.

III. Ungereimtheiten bei der praktischen Handhabung

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1. Schwierigkeiten bei der Ermittlung der in den Privilegierungskontext einzubeziehenden Tatbestände Im zuerst genannten Kontext verdient insbesondere der von Herzberg 81 erhobene Einwand Beachtung, es sei inkonsequent, wenn die Vertreter der Mehrheitsmeinung zwar einerseits den begünstigten Gläubiger im Falle des § 283 c StGB bei bloßer Entgegennahme der Leistung für straflos erachten, andererseits aber den an der Veräußerung beteiligten Geschäftspartner im Rahmen der Vereitelung der Zwangsvollstreckung (§ 288 StGB) ohne eine solche Einschränkung als strafbaren Teilnehmer ansehen. Hiergegen verteidigen die Vertreter der herrschenden Meinung die Ungleichbehandlung mit dem (freilich nicht näher begründeten) Hinweis, die Vereitelung der Zwangsvollstreckung (§ 288 StGB) sei kein Delikt mit „notwendiger Teilnahme" 82 , so daß eine Straflosigkeit der Mindestmitwirkung nicht in Betracht komme. Diese Position dürfte maßgeblich durch eine Entscheidung des Reichsgerichts 83 beeinflußt sein, in welcher eine Übertragung der für § 283 c StGB anerkannten Privilegierung auf die Situation des § 288 StGB explizit abgelehnt wird. Begnügt man sich jedoch nicht mit der vordergründigen Übereinstimmung hinsichtlich des Ergebnisses, so erscheint es durchaus zweifelhaft, ob die reichsgerichtliche Argumentation tatsächlich geeignet ist, das im modernen Schrifttum überwiegend angenommene Erklärungskonzept zu stabilisieren. Denn das Reichsgericht verweigert die Übertragung der zur Gläubigerbegünstigung entwickelten Strafbarkeitsfreiräume mit dem Hinweis, daß die für §211 KO (a. F.) geltenden historischen und kriminalpolitischen Besonderheiten bei der Vereitelung der Zwangsvollstreckung nicht vorlägen. Dieses Abheben auf einzeldeliktsspezifische Umstände ist aber vom Grundansatz her nur dann legitim, wenn man die Straflosigkeit rollenwahrender Tatbeteiligung als einen für jedes Delikt gesondert zu entscheidenden, aufgrund umfassender Auslegung jeweils eigenständig vorzunehmenden Wertungsakt ansieht. Postuliert man hingegen — wie es im heutigen Schrifttum überwiegend geschieht — die generelle Geltung eines Grundsatzes strafloser Rollenwahrung, so werden die zum jeweiligen Einzeldelikt bestehenden Argumentationstaue gekappt. Für einen direkten Einzelvergleich zwischen zwei Strafnormen bleibt dann kein Raum mehr; maßgeblich kann nur noch die Formalstruktur der jeweiligen Tatbestände (bzw. Tatbestandsalternativen) sein. Weiterhin ist zu bedenken, daß sich die genannte reichsgerichtliche Entscheidung auf die Tatvariante des „Beiseiteschaffens" bezog; insoweit ist tatsächlich eine Deliktsverwirklichung ohne Mitwirkung eines „notwendigen Teilnehmers" möglich. Da jedoch die Bestimmung des Begegnungsdeliktscharakters nicht schlechthin für einen Tatbestand insgesamt, sondern jeweils in Ansehung der si Täterschaft, S. 138 f. 82 Wolter, JuS 1982, 345 und Maurach I Gössel, AT 2, 50/12; s. a. Herzberg selbst, in: Täterschaft, S. 139. 83 RGSt. 20, 214 ff.

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konkreten Tatbestandsalternative erfolgen muß 84 , steht die Verneinung der Begegnungsdeliktsqualität bezüglich des „Beiseiteschaffens" einem gegenteiligen Ergebnis hinsichtlich des „Veräußerns" nicht entgegen. Indem diese Tatvariante alle von zwei Personen geschlossenen dinglichen Verfügungsgeschäfte umfaßt, durch welche der betreffende Vermögensbestandteil ohne vollwertiges wirtschaftliches Äquivalent aus dem Schuldnervermögen ausscheidet85, scheint die Formalstruktur dieser Tatbestandsalternative den Voraussetzungen eines Begegnungsdelikts durchaus zu entsprechen, zumal auch die Fälle des kollusiven Zusammenwirkens zwischen Schuldner und Geschäftspartner als tatbestandsmäßiges „Veräußern" qualifiziert werden 86 . Bei einer formalen Betrachtungsweise könnte der Begegnungsdeliktscharakter des § 288 I 1. Alt. StGB nur mit dem Argument bestritten werden, daß auch die Dereliktion als einseitiges dingliches Verfügungsgeschäft unter das Merkmal des „Veräußerns" subsumiert wird 8 7 ; allerdings erscheint es durchaus problematisch, die Privilegierungsfrage bezüglich dieser Tatbestandsalternative ausschließlich in Ansehung einer vom kriminologischen Tatbild her völlig atypischen Fallgestaltung zu beantworten 88. Schließlich spricht auch die vergleichbare Interessenlage zwischen den §§ 283 ff. StGB und dem § 288 StGB 89 für eine übereinstimmende Lösung des Privilegierungsproblems 90. Das dogmatische Grundproblem besteht freilich vordringlich nicht in der Frage, ob der Geschäftspartner des Schuldners auch im Rahmen des § 288 StGB (in beschränktem Umfang) straflos bleiben soll, sondern die eigentliche Schwierigkeit resultiert daraus, daß die Annahme eines allgemeingültigen Privilegierungsgrundsatzes für teleologische (d. h. aber notwendigerweise auf das konkrete Einzeldelikt bezogene) Überlegungen an sich keinen Raum gibt und zu (zweifelhaften) formalen Abgrenzungen zwingt.

84 Vgl. oben 1. Kap. II 3 a. 85 Zum „Veräußern" vgl. SK-Samson, § 288 Rdn. 15 und Geppert, Jura 1987, 105. 86 Ausführlich hierzu (unter Hinweis auf den Schutzcharakter der §§ 135, 136 BGB) Geppert, Jura 1987,105 (s. a. aaO. S. 106: Teilnahmestrafbarkeit des kollusiv mitwirkenden Vertragspartners). 87 Dreher / Tröndle, § 288 Rdn. 8. 88 Gegen eine allzu formalistische Betrachtung läßt sich in diesem Zusammenhang auch ein Beispiel aus der Kommentarliteratur zu § 283 c StGB anführen: nach Ansicht von Stree (in: Schönke / Schröder, Rdn. 66; ebenso SK-Samson, Rdn. 4 jeweils zu § 283 c) bedarf es zur Bejahung des „Gewährens" nicht unbedingt einer Mitwirkung des begünstigten Gläubigers; vielmehr genügt auch eine Überweisung auf dessen Konto durch den Schuldner. Gleichwohl sieht Stree (aaO. Rdn. 21) den Gläubiger als „notwendigen Teilnehmer" an. 89 Vgl. hierzu LK-Schäfer, § 288 Rdn. 2 f. und Geppert, Jura 1987, 427 (Fn. 7). 90 Ist der Geschäftspartner des Schuldners bereits vor der Veräußerung Gläubiger desselben, so entspricht die Fallkonstellation derjenigen des § 283 c StGB (freilich bezogen auf die Einzelzwangsvollstreckung). Fehlt eine derartige Vorbeziehung, so ist die Position des Geschäftspartners der Situation der Geschäftspartner des Schuldners im Rahmen des § 283 StGB vergleichbar; auch insoweit sollen die Grundsätze der „notwendigen Teilnahme" zur Anwendung kommen (s. unten zu Fn. 97).

III. Ungereimtheiten bei der praktischen Handhabung

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Diese Zerrissenheit zwischen formaler und teleologischer Betrachtungsweise läßt sich auch bezüglich der Mitwirkung des Schuldners an der Schuldnerbegünstigung (§ 283 d StGB) aufzeigen. Die Strafnorm des § 283 d StGB erweitert den Täterkreis gegenüber dem (täterschaftlich allein vom Schuldner begehbaren) Bankrott (§ 283 StGB) auf sonstige Dritte, die die Aktivmasse durch bestimmte Handlungen mit Einwilligung des Schuldners oder zu dessen Gunsten verringern. Die Strafbarkeit des durch seine Einwilligung involvierten Schuldners richtet sich zwar vornehmlich nach der Vorschrift des § 283 StGB; eine daneben möglicherweise bestehende Teilnahme an dem vom Dritten verwirklichten §283d StGB würde jedenfalls auf der Konkurrenzebene verdrängt werden 91 . Geht man aber mit der wohl überwiegend vertretenen Meinung davon aus, daß der § 283 StGB ungeachtet des beschränkten Täterkreises kein Pflichtdelikt 92 ist, sondern dem Tatherrschaftsprinzip unterliegt 93 , so sind Fälle denkbar, in denen der einwilligende Schuldner mangels eigener Tatherrschaft allenfalls als Teilnehmer an der Schuldnerbegünstigung strafbar sein kann 94 . Hinsichtlich dieser Fallkonstellationen ist daran zu denken, den Schuldner als „notwendigen Teilnehmer" straflos zu lassen, sofern seine Mitwirkung über das zur Deliktsverwirklichung erforderliche Maß — die Erteilung der Einwilligung — nicht hinausgeht. Die im strafrechtlichen Schrifttum zu dieser Frage vorhandenen Stellungnahmen95 lehnen eine derartige Privilegierung jedoch durchweg ab; sie stehen damit im Gegensatz zu der von der Normstruktur vergleichbaren Situation beim einverständlichen Parteiverrat (§ 356 I I StGB), wo eine Anwendung der Grundsätze der „notwendigen Teilnahme" zugunsten der mit dem pflichtwidrig handelnden Rechtsanwalt kollusiv zusammenwirkenden Gegenpartei bislang nicht in Zweifel gezogen wurde 96 . 91 Ebenso Weber, in: Arzt/ Weber, LH 4, Bern. 342. 92 So wohl S/S-Stree, § 283 d Rdn. 12; vgl. femer zur vergleichbaren Kontroverse im Rahmen des § 288 StGB Roxin, Täterschaft, S. 385, 653 (in Fn. 382); Herzberg, Täterschaft, S. 31 ff.; Krey, BT 2, Rdn. 291 ff. sowie allgemein Stratenwerth, AT, Rdn. 756 f., 793 ff. und SK-Samson, § 25 Rdn. 34 f. 93 Teilweise wird diesbezüglich eine erweiterte „normative" oder „soziale" Tatherrschaftskonzeption vertreten; vgl. LK-Tiedemann, § 283 d Rdn. 24 sowie LK-Schäfer, § 288 Rdn. 29; zu Recht kritisch jedoch Geppert, Jura 1987, 430 f. (bezüglich § 288 StGB). Es kommt hinzu, daß die bezüglich des § 288 StGB drohenden Strafbarkeitslücken (Stichwort: „qualifikationsloses Werkzeug") für die §§ 283 ff. StGB gerade durch die Möglichkeit einer strafbaren Teilnahme des Schuldners an §283d StGB vermieden werden können. 94 Ebenso Dreher / Tröndle, Rdn. 1; Lackner, Rdn. 5; LK-Tiedemann, Rdn. 24 jeweils zu § 283 d; Wessels, BT 2, § 12 III 6 (= S. 117); Otto, BT, § 61IV 5 e (= S. 292); Weber, in: Arzt /Weber, LH 4, Bern. 342 und Maurach ! Maiwald, BT 1, 48/42; s. a. Renkl, JuS 1973, 614 (zu § 242 KO a. F.). 95 So ausdrücklich Tiedemann, Lackner und Maiwald (jeweils wie in der vorigen Fn. angegeben). 96 Grundlegend RGSt. 71, 114 mit Anm. Schwinge, JW 1937, 1810 f.; zustimmend auch O. Geppert, Parteiverrat, S. 159 f.; Dingfelder ! Friedrich, Parteiverrat, S. 106 f.; Häcker, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 80/24; vgl. femer Dreherl Tröndle, Rdn. 13; Lackner, Rdn. 10; S/S-Cramer, Rdn. 25; SK-Rudolphi, Rdn. 33 und LK-Hübner, Rdn. 153 alle zu § 356. Eine auf die „notwendige Teilnahme" gestützte

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Die Entscheidung, dem Schuldner die Privilegierung der „notwendigen Teilnahme" zu versagen, steht zudem in einem merkwürdigen Spannungsverhältnis zu der umgekehrten Fallkonstellation: Verwirklicht der Schuldner durch gläubigerschädigende Rechtsgeschäfte das Delikt des § 283 StGB, so soll der Geschäftspartner als „notwendiger Teilnehmer" straflos bleiben, sofern sein Tatbeitrag das Maß des zur Deliktsverwirklichung Unabdingbaren nicht überschreitet 97. Die hierin zutage tretende Ungleichbehandlung basiert wohl auf der grundsätzlichen Überlegung, daß sich die Strafnormen der §§ 283 ff. StGB primär gegen das unlautere Verhalten des wirtschaftlich in die Krise geratenen Schuldners richten und daß angesichts dieser Zielrichtung eine den Schuldner (sei es auch nur im Bereich etwaiger Teilnahmestrafbarkeit) privilegierende Sichtweise unangemessen erscheine. Mag man diesen Sachgesichtspunkt auch für überzeugend (und die Ungleichbehandlung damit im Ergebnis für billigenswert) halten, so kann dies gleichwohl nicht über die prinzipielle Crux der herrschenden Meinung hinwegtäuschen: Wenn das Vorliegen der formalen Deliktsstruktur zur Anwendung der Regeln der „notwendigen Teilnahme" nicht ausreicht, es vielmehr einer zusätzlichen teleologischen und kriminalpolitischen Verträglichkeitsprüfung bedarf, dann ist die deliktsunabhängige Begründung für die Straflosigkeit rollenwahrender Tatmitwirkung in Wahrheit zugunsten einer einzeldeliktische Wertmaßstäbe aufnehmenden Konzeption aufgegeben (oder zumindest in dieser Richtung aufgeweicht).

2. Probleme bei der Bestimmung des Privilegierungsumfangs Die prinzipiellen Schwierigkeiten zwischen einem einzeldeliktsunabhängigen Erklärungsmodell einerseits und einzeldeliktsbezogenen Bewertungsmaßstäben andererseits sind nicht auf die Frage beschränkt, ob der Privilegierungsgrundsatz der straflosen Mindestmitwirkung überhaupt zur Anwendung kommt. Vielmehr läßt sich der gleiche Konflikt auch für die konkrete Festlegung des straflos bleibenden Verhaltensspielraums aufzeigen. Auch insoweit besteht die prinzipielle Alternative zwischen einer begriffslogischen oder einer teleologischen Bestimmung des Rolleninhalts. Betrachtet man zunächst die abstrakten, ohne Bezug zu einem bestimmten Delikt formulierten Stellungnahmen, so dominiert eindeutig die Auffassung, als „notwendige Teilnahme" bleibe nur jene Tatmitwirkung straflos, die sich auf den Tatbeitrag beschränke, der erforderlich ist, damit es überhaupt zur Tatbestandsverwirklichung kommen kann 98 . Nur vereinzelt stößt man auf FormulierunPrivilegierung der Gegenpartei ablehnend jedoch Arzt, in: Arzt /Weber, LH 5, Bern. 504 (in Fn. 21). 97 BGH bei Herlan, GA 1956, 348; LK-Tiedemann, Rdn. 71, 80, 89, 222; S/S-Stree, Rdn. 65 jeweils zu § 283 und Wessels, BT 2, § 12 III 3e (= S. 113).

III. Ungereimtheiten bei der praktischen Handhabung

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gen, die auf eine eher weitende Rollenbestimmung hindeuten". Das somit zu verzeichnende Übergewicht einer restriktiven, an logischer Notwendigkeit ausgerichteten Betrachtung steht durchaus im Einklang mit der von der herrschenden Auffassung propagierten Allgemeingültigkeit des Grundsatzes strafloser Rollenwahrung; denn der Inhalt eines einzeldeliktsunabhängigen Auslegungsgrundsatzes muß sich auch ohne Rückgriff auf den jeweiligen, austauschbaren Tatbestand beschreiben lassen. Die begriffliche Denknotwendigkeit bietet ein derartiges abstraktes Maß; umgekehrt würde die einzeldeliktsbezogene Ermittlung des Rolleninhalts der wertungsneutralen Abstraktheit des formalen Erklärungsansatzes zuwiderlaufen 10°. Für den von der herrschenden Meinung angenommenen Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung erlangt die Unverzichtbarkeit eines bestimmten Mitwirkungsverhaltens im idealtypischen Modell somit eine zweifache Bedeutung: Zum einen entscheidet das Erfordernis eines unentbehrlichen Komplementärakts (im Prinzip: abschließend) darüber, ob überhaupt ein Begegnungsdelikt vorliegt 101 ; zum anderen markiert die Unverzichtbarkeit des Tatbeitrages zugleich die quantitative Grenze strafloser Mitwirkung 102 . Hierbei wird das Merkmal der „Notwendigkeit" bezüglich beider Funktionen (idealtypisch) nach streng begriffslogischen Gesichtspunkten bestimmt. Konfrontiert man dieses theoretische Modell mit seiner praktischen Umsetzung, so zeigt sich, daß auch bezüglich der Reichweite der Straflosigkeit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen, indem auch solche Verhaltensweisen als straflose „notwendige Teilnahme" angesehen werden, bezüglich derer sich diese Beurteilung nicht aus formalen Erwägungen begrifflicher Logik ableiten läßt. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf zu verweisen, daß im neueren strafrechtlichen Schrifttum zwar die Limitierung der Privilegierung auf die denknotwendige Mindestmitwirkung grundsätzlich akzeptiert, bezüglich einzelner Strafnormen aber (über die Fälle der Opfermitwirkung hinaus) eine umfassende 98 Auf eine „begriffliche" Notwendigkeit zielen die Formulierungen bei Otto, LangeFS (1976), S. 199; Blei, AT, § 74 I 2 (= S. 263 f.); SiS-Cramer, vor § 25 Rdn. 46; SKSamson, Rdn. 46; LK-Roxin, Rdn. 32 jeweils vor § 26 und Stratenwerth, AT, Rdn. 945; in diesem Sinne sind wohl auch die „tautologisch" klingenden Formulierungen bei Dreher I Tröndle, Rdn. 7; Lackner, Rdn. 12 jeweils vor § 25 sowie Wessels, AT, § 13 IV 6 (= S. 175) zu verstehen. 99 Maurach / Gössel, AT 2, 50 / 10 und Jescheck, AT, § 64 VI 1 (= S. 632). 100 Vgl. auch Freudenthal, Nothwendige Theilnahme, S. 107 (Hervorhebung im Original): „Geht man davon aus, dass das Gesetz mit dieser Nothwendigkeit gerechnet habe, und dass demgemäß sein Schweigen über die Strafbarkeit der nothwendigen Handlung deren Straflosigkeit bedeute, so ist dagegen nichts einzuwenden. Behauptet man aber hierüber hinaus, es bedeute die volle Straflosigkeit des Schuldners oder Dritter für jede auch nicht nothwendige Art der Mitwirkung, so geht man zu weit; denn damit verliert man den Boden, nämlich den Willen des Gesetzes, unter den Füssen." ιοί Dies gilt freilich nur in Ansehung des Grundsatzes der straflosen Mindestmitwirkung (also nicht bezüglich der Fallgruppe der straflosen Opfermitwirkung). 102 Insbesondere im älteren Schrifttum wird der „notwendige Teilnehmer" teilweise freilich auch ohne eine Verhaltenslimitierung für umfassend straflos erklärt.

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" befürwortet wird 1 0 3 . Doch auch bezüglich der Delikte mit nur beschränkter Privilegierung ist eine am Begrifflichen haftende Grenzziehung nicht durchzuhalten. Würde man etwa den Inhalt der dem Erwerber von Raubdrucken (§§ 106 ff. UrhG) zugewiesenen Rolle ausschließlich nach der begrifflichen Notwendigkeit für das Vorliegen der entsprechenden Tathandlung bestimmen, so käme man zu dem Ergebnis, daß bereits die Entgeltlichkeit des Erwerbs das Mindestmaß überschreitet, da für die Tatbestandsverwirklichung des Verbreitenden auch die unentgeltliche Weitergabe der betreffenden Schriften ausreicht 104. Gleichfalls deliktstypisch (aber eben nicht abstrakt für die Tatbestandsverwirklichung unabdingbar) ist der Umstand, daß sich der Kunde mit seinem Erwerbswunsch an den Veräußerer wendet, indem er ein bestimmtes Exemplar dem Regal entnimmt oder beim Verkäufer erfragt. Da eine auf die aufgedrängte und unentgeltliche Abnahme entsprechender Druckerzeugnisse beschränkte Straflosigkeit des Erwerbers praktisch unsinnig wäre (und auch von niemandem gefordert wird 1 0 5 ), kann es nicht darum gehen, auf eine exakte Einhaltung des Begrifflichkeitsmerkmals zu drängen, sondern es ist das Eingeständnis zu fordern, daß die Rollenbestimmung tatsächlich nur gelingt, wenn sie die für das jeweilige Delikt typische Tatsituation miteinbezieht. Von Bedeutung ist ferner der Umstand, daß mit der Berücksichtigung teleologischer Gesichtspunkte ein Perspektivenwechsel einhergeht: Das begriffslogisch ausgerichtete Denkmodell bestimmt die Straflosigkeit danach, welches Mitwirkungsverhalten des „notwendigen Teilnehmers" unbedingt vorliegen muß, damit das betreffende Delikt in der Person des Täters (!) zur Entstehung gelangt; demgegenüber wird im Rahmen eines teleologisch festgelegten Privilegierungsbereichs die Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" in maßgeblicher Weise auch am Parameter einer allgemeinen „sozialen Rolle" (ζ. B. dem typischen Verhalten eines Käufers) gemessen. Zur Verdeutlichung dieser Vorgehensweise läßt sich auch das Delikt des Parteiverrats (§ 356 StGB) heranziehen: Hier entspricht es heute nahezu einhelliger Ansicht, daß die begünstigte Gegenpartei straflos bleibt, sofern sich ihre Mitwirkung auf die Entgegennahme der verräterischen Dienste beschränkt 106; andererseits stelle es eine strafbare Teilnahme dar, „wenn der Täter über die 103 Vgl. SK-Samson, vor § 26 Rdn. 48 f. 104 Weber, Schutz, S. 211 f. und v. Gravenreuth, Plagiat, S. 14 f. Bezüglich der Verbreitung pornographischer Schriften (§ 184 StGB) setzen — abgesehen von der in Nr. 7 ausdrücklich enthaltenen Entgeltklausel — einige Tatbestandsalternativen ein Handeln des Täters im gewerblichen Rahmen voraus. los Nach Ansicht von Laufhütte (in: LK, vor § 174 Rdn. 13) soll der Erwerber pornographischer Schriften den Bereich der straflosen Mitwirkung überschreiten, wenn die Überlassung durch den Einzelhändler auf die Aufforderung des Kunden zurückgeht, sich dieses Material zum Zwecke der Übergabe zu verschaffen; für die vergleichbare Konstellation des Erwerbs von Raubdrucken insoweit großzügiger Weber, Schutz, S. 346 f. 106 Vgl. die oben in Fn. 96 angegebenen Nachweise.

III. Ungereimtheiten bei der praktischen Handhabung

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vom Gesetz als notwendig gedachte Beteiligung hinausgeht" 107 . In der grundlegenden Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1937 108 wird hierzu ausgeführt, daß weder die Beauftragung des (zuvor) einer anderen Partei verpflichteten Rechtsanwalts noch der Umstand einer Honorarzahlung im Rahmen dieses pflichtwidrigen Mandatsverhältnisses die Annahme einer straflosen Mitwirkung der Gegenpartei a priori ausschließe. Denn auch bei Kenntnis von dem anderweitigen, früher eingegangenen Mandatsverhältnis könne sich die Gegenpartei auf die Annahme der Dienste beschränken; es sei ferner zu bedenken, daß Rechtsanwälte regelmäßig nur gegen Honorar tätig werden (dürfen). Deshalb sei eine strafbare Teilnahme erst bei Zahlung einer Vergütung, „die nicht den gesetzlichen oder üblichen Grundsätzen entspricht" 109 , oder bei einer in sonstiger Weise über die bloße Entgegennahme hinausgehenden Mitwirkung gegeben. Unabhängig davon, ob die Differenzierung zwischen der „normalen" Vergütung und einem „Sonderhonorar für die Treulosigkeit" 110 wirklich praktikabel ist, verdient diese Abgrenzung unter methodischen Gesichtspunkten Interesse. Denn sie erhellt, daß für die Bestimmung des Straffreiheitsraumes weniger die begrifflichformale Tatbestandsgestaltung als eine wertende Betrachtung maßgeblich ist, deren Vergleichsbasis in „unverfänglichen" Formen des Soziallebens begründet ist. Dieser Befund vermittelt eine über den Rahmen der angeführten Einzeldelikte hinausreichende Erkenntnis über die Struktur der „notwendigen Teilnahme": Der von der herrschenden Meinung als allgemeingültig postulierte Grundsatz einer straflosen Mindestmitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" erfährt eine zusätzliche Schwächung durch die Tatsache, daß bei der konkreten Ausgestaltung des straffreien Raumes der theoretisch geforderte abstrakt-formale Ansatz aufgegeben werden muß zugunsten einer materiell-wertenden Betrachtung, die sowohl teleologische Aspekte der betreffenden Einzelnorm als auch Rollenbilder des Soziallebens aufgreift. Diese Erkenntnis fordert zunächst eine terminologische Konsequenz: An die Stelle der am „Begriffslogischen" ausgerichteten Redeweise von der „straflosen Mwdesftnitwirkung" sollte die Formulierung von der „ Straflosigkeit rollenwahrenden Verhaltens" treten; durch die Bezugnahme auf den Rollenbegriff findet der (ja für die gegenwärtige Strafrechtsdogmatik bereits nachweisbare) Vorgang der wertenden Ermittlung von Privilegierungen auch sprachlichen Ausdruck. Wichtiger als die terminologische ist freilich die dogmatisch zu ziehende Schlußfolgerung: Die Unverzichtbarkeit der einzeldeliktsbezogenen Umstände bei der „Feinabstimmung" der Privilegierung wirft die Frage auf, ob sich das ιόν So wörtlich RGSt. 71, 114 (116). los RGSt. 71, 114 mit Anm. Schwinge, JW 1937, 1810 f. 109 RGSt. 71, 114 (116). no So wörtlich Dreher / Tröndle, § 356 Rdn. 13. Allgemein zur mangelnden Abgrenzbarkeit „notwendigen Verhaltens" bereits v. Kries, ZStW 7 (1887), 552 ff., 556.

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

Einzeldelikt nicht nur als Grenzwert, sondern in Wahrheit als das tragende Fundament des Strafbarkeitsverzichts erweist. Vor dem Hintergrund der zu Beginn dieses Kapitels vorgenommenen abstrakten Untersuchungen kann die Antwort nicht zweifelhaft sein: Da ein allgemeingültiger Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung weder aus systematischen noch aus historischen Gesichtspunkten begründbar erscheint, kommt als taugliche Privilegierungsbasis allein das jeweilige Einzeldelikt in Betracht. Denn nur der konkrete Deliktstatbestand bietet das materielle Substrat für eine sachlich unabweisbare Wertung. Auch der von der herrschenden Meinung vertretene formale Grundansatz läßt sich — in der Rechtsprechung des Reichsgerichts 111 — auf einzeldeliktsbezogene Wurzeln zurückführen; erst im Laufe der Zeit entwickelte die Rechtsfigur der straflosen deliktsnotwendigen Mindestmitwirkung ein dogmatisches Eigenleben 112 , das allerdings nicht auf eine legislatorische Legitimation, sondern vielmehr auf einen weitreichenden Konsens bezüglich des Ergebnisses gegründet ist. Dieser Konsens kann eine tragfähige dogmatische Begründung nicht ersetzen 113; er bietet jedoch Veranlassung, ausgehend von den jeweiligen Einzeltatbeständen nach einer solchen Begründung zu suchen 114 .

I V . Überblick über weitere einzeldeliktsübergreifende Argumentationsmodelle Aus dem Scheitern des von der herrschenden Meinung vertretenen Argumentationsmodells ergibt sich nicht nur die Offenkundigkeit eines neuen Begründungsbedürfnisses, sondern mit diesem Befund verbindet sich zugleich eine Erweiterung der nicht mehr ausschließlich auf das Problemfeld der „notwendigen Teilnahme" beschränkten Perspektive. Es sind vielmehr grundsätzlich auch solche 111 Vgl. oben II. 1. Eine einzeldeliktsübergreifende historische Wurzel bildet hingegen die (auch auf die Konvergenzdelikte bezogene) These, im Bereich des „concursus necessarius" seien die allgemeinen Teilnahmevorschriften schlechthin unanwendbar; diese Ansicht kann heute aber als überwunden gelten. 112 Das Phänomen, daß eine zunächst anhand einzelner Delikte entwickelte Konzeption zu einem eigenständigen Rechtsinstitut des Allgemeinen Teils ausgebaut wird, läßt sich auch bezüglich anderer strafrechtlicher Fragestellungen aufzeigen. Dies gilt etwa bezüglich der sog. „unechten Unternehmensdelikte"; vgl. hierzu (auch zu den mit derartigen Rechtsschöpfungen verbundenen Legitimations- und Handhabungsproblemen) Sowada, GA 1988, 195 ff. n 3 Zur Fragwürdigkeit des Konsensarguments allgemein Naucke, in: Hattenhauer/ Kaltefleiter, Mehrheitsprinzip, S. 47 ff. (insbesondere S. 49) sowie Kuhlen, StV 1986, 547 ff.; s. a. Neumann, G A 1985, 401 sowie zum Problem einer „Legitimation durch hM" Drosdeck, Herrschende Meinung, S. 131 ff. (insbesondere S. 133 f.). 114 Daß eine einhellig anerkannte Straflosstellung zumindest die Frage nach ihrer Begründbarkeit aufwirft, klingt auch bei Peters (Welzel-FS [1974], S. 421 f., 425) an; s. a. H. Mayer, AT, S. 150 f.; vgl. ferner die Diskussion um eine „Anerkennungstheorie" bei Lüderssen, Strafrecht und „Dunkelziffer", S. 9 ff. und Kuhlen, in: Lüderssen / Sack, Abweichendes Verhalten IV, S. 26 ff. (30 ff.).

IV. Weitere einzeldeliktsübergreifende Argumentationsmodelle

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Überlegungen in die Suche nach neuen Begründungsansätzen miteinzubeziehen, die bislang nur außerhalb der Begegnungsdelikte diskutiert worden sind. Die bereits oben angedeutete Vermutung, daß der Schlüssel für die Herausarbeitung von Straffreiräumen in den jeweiligen Deliktstatbeständen liegen könnte, steht dem hier vorzunehmenden Überblick nicht entgegen; denn es sind durchaus dogmatische Regelungsmodelle denkbar, die einerseits eine übereinstimmende abstrakte Struktur aufweisen, andererseits aber erst anhand einer Ausfüllung mittels einzeldeliktsbezogener Umstände operationabel werden.

1. Zur Brauchbarkeit des Rollenbegriffs als Ansatzpunkt für ein dogmatisches Lösungskonzept Der erste denkbare Begründungsansatz knüpft an die hier für vorzugswürdig erklärte terminologische Umschreibung des Privilegierungsbereichs als strafloses „rollenwahrendes" Verhalten an. Die Möglichkeit, daß sich hinter dieser Formulierung mehr verbergen könnte als nur ein sprachliches Ausdrucksmittel, resultiert insbesondere aus der Bedeutung, die der Rollenbegriff 115 im sozialwissenschaftlichen und rechtssoziologischen Kontext 116 aufweist. In diesem Rahmen dient der Rollenbegriff als „Konstruktionsmittel zur abstrahierenden Darstellung sozialer Strukturen" 117 . Hierbei basiert der Rollenbegriff auf dem sozialen Phänomen, daß die Menschen im sozialen Umgang ihren Interaktionspartner regelmäßig nicht in dessen umfassender Individualität erkennen können, sondern auf eine beschränkte Wahrnehmung ihres Gegenübers angewiesen sind 118 . Dieser „sozialen Verallgemeinerung" entspricht eine Standardisierung in dem Sinne, daß sich mit den jeweiligen Klassifizierungen („Kaufmann", „Beamter" usw.) die Vorstellung bestimmter Handlungen (und Einstellungen) verbindet 119 . Dieses Grundmodell bildet zugleich die Basis für die Begriffe „Position" und „Rolle": Während die „Position" die funktionale Stellung einer Person in der Gruppe bezeichnet, bringt die „Rolle" den mit dieser Stellung verbundenen dynamischen Aspekt zum Ausdruck 120 . Die „Rolle" läßt sich definieren als „der Inbegriff der an einen 115 Zur historischen Entwicklung des Rollenbegriffs vgl. Coburn-Staege, Rollenbegriff, S. 16 ff. und Ρopitz, Begriff, S. 4 f.; für die Diskussion in Deutschland ist vor allem auf die Abhandlung von R. Dahrendorf, Homo Sociologicus (1958), hinzuweisen. 116 Umfassend zur Bedeutung des Rollengedankens im Recht Wüstmann, Rolle und Rollenkonflikt im Recht (1972), insbesondere S. 31 ff. (S. 40: „Rollenrecht"), 64 ff.; vgl. auch Luhmann, Rechtssoziologie, S. 27 ff., 86 ff. H7 So Popitz, Begriff, S. 7; s. a. Coburn-Staege, Rollenbegriff, S. 5. us Dies gilt primär für flüchtige Alltagsbegegnungen. Bei näherer persönlicher Bekanntschaft mit dem Interaktionspartner fließen in den Kontakt natürlich eine Vielzahl von Rollenerfahrungen ein; vgl. zum Ganzen Popitz, Begriff, S. 32 ff.; Wüstmann, Rolle, S. 19 f. und Luhmann, Rechtssoziologie, S. 86 f. 119 Wüstmann, Rolle, S. 17. 120 Ebenso Bärwinkel, Struktur, S. 108; s. a. Coburn-Staege, Rollenbegriff, S. 39. 10 Sowada

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

Inhaber einer sozialen Position gerichteten Verhaltenserwartungen" 121. Eine weitergehende Differenzierung ergibt sich daraus, daß die einer bestimmten Rolle zugeordneten Verhaltensweisen mit unterschiedlicher Dringlichkeit erwartet werden können; auf diese Weise lassen sich anhand des jeweiligen Intensitätsgrades Kann-, Soll- und Muß-Erwartungen 122 unterscheiden. Der sog. „normative Rollenbegriff' 1 2 3 faßt schließlich die mit zwingendem Forderungscharakter versehenen Muß-Erwartungen zusammen, deren Einhaltung durch eine sanktionierende Reaktion auf abweichendes Verhalten abgesichert wird. Bereits diese vereinfachte Grobskizze macht die Eignung des Rollenbegriffs zur Darstellung rechtlicher Zusammenhänge deutlich; denn auch das Rechtssystem bezweckt eine Regelung des Verhältnisses zwischen Individuum und Gemeinschaft unter Rückgriff auf standardisierte Anschauungen124. Von den bloßen Sozialnormen unterscheiden sich Rechtsnormen vor allem durch den höheren Institutionalisierungsgrad, der ihnen ein höheres Maß an Verbindlichkeit verleiht 1 2 5 . Besonders einsichtig ist dies für den Bereich des Strafrechts 126. Die Erklärung von Kriminalität als „abweichendem Verhalten" bringt den Aspekt einer — als „Rolle" formulierbaren — Verhaltenserwartung deutlich zum Ausdruck. Auch beim Zustandekommen von Strafrechtsnormen ist ein Rückgriff auf den Rollenbegriff als Erklärungsinstrument möglich: Der Strafgesetzgeber kleidet die von ihm für ein bestimmtes Rechtsgut als besonders sozialschädlich bewerteten Verhaltensweisen in einen entsprechend formulierten Tatbestand und gewährleistet (idealtypisch) die Einhaltung dieser Verhaltenserwartung durch die Hinzufügung einer für den Fall des Normenverstoßes zu verhängenden Sanktion. Läßt sich mithin das tatbestandlich vertypte Verhalten unter Verwendung des Rollenbegriffs beschreiben, so gilt dies prinzipiell auch für bestimmte, dem Tatbestand nicht unterfallende Handlungen. Zur Darstellung der „notwendigen Teilnahme" ist der Rollenbegriff aus doppeltem Grund sogar in besonderer Weise geeignet: Zum einen erfaßt er die Straflosigkeit nicht nur nach statischen, einer bestimmten Person anhaftenden Merkmalen 127 , sondern er bildet — als dynami121 So die Formulierung bei Wüstmann, Rolle, S. 21; in der Sache ebenso CoburnStaege, Rollenbegriff, S. 34; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 56 und Schünemann, Grund, S. 132 f. 122 Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 96 und Coburn-Staege, Rollenbegriff, S. 42. 123 Zum „normativen Rollenbegriff 4 vgl. Coburn-Staege, Rollenbegriff, S. 5; s. a. Ρopitz, Begriff, S. 8 ff., 21, 28 f. sowie die Ablehnung der von Ρopitz vertretenen Beschränkung des Rollenbegriffs auf Muß-Erwartungen bei Wüstmann, Rolle, S. 20 f. 124 Vgl. in diesem Zusammenhang zu den Elementen der „sozialen Differenzierung" und der „sozialen Normierung" Ρ opitz, Begriff, S. 8 ff. 125 Coburn-Staege, Rollenbegriff, S. 14. Der Gesetzgeber kann bei seiner Tätigkeit soziale Rollenbilder aufnehmen und / oder einen Beitrag zur Rollenbildung bzw. -konkretisierung leisten, vgl. Wüstmann, Rolle, S. 40 f. 126 Zum Rollenbegriff im Strafrecht vgl. Wüstmann, Rolle, S. 64 ff. 127 Beispielhaft sei für solche verhaltensunabhängigen Strafbarkeitsausschlüsse auf

IV. Weitere einzeldeliktsübergreifende Argumentationsmodelle

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sehe Komponente — auch die Voraussetzung einer einzuhaltenden (oder anders formuliert: erwarteten) Verhaltensintensität ab. Zum anderen bezieht sich die Straflosigkeit der „notwendigen Teilnahme" (jedenfalls nach dem Ausgangspunkt der herrschenden Meinung) geradezu als spiegelbildliches Gegenstück auf das tatbestandsmäßige Handeln; man könnte insoweit sogar von einem (auch unter Teilnahmegesichtspunkten) straflosen „Gegentatbestand" sprechen. Diese Konstruktion findet eine soziologische Entsprechung insoweit, als auch innerhalb des sozialen Beziehungsgefüges der Begriff der „Gegen-" oder „Komplementärrolle" verwandt wird 1 2 8 . Beweist der Rollenbegriff seine „grenzenlose Brauchbarkeit als Formulierungsschablone" 129 gerade auch in bezug auf die „notwendige Teilnahme", so bestehen gleichwohl gravierende Bedenken dagegen, dem Rollenbegriff neben der beschreibenden auch eine begründende Funktion im Rahmen der „notwendigen Teilnahme" zuzuweisen. Als soziologische Grundkategorie 130 ist der Rollenbegriff durch ein äußerst hohes Maß an Abstraktion gekennzeichnet. Schon die Festlegung des soziologischen Rolleninhalts als Folge einer Serie von Abstraktionsprozessen, die auf entsprechenden sozialen Verabredungen beruhen, bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Die hierdurch aufgeworfenen Probleme verschärfen sich zusehends dadurch, daß das soziale Regelungsmodell weit über den rechtlich geregelten Bereich hinausgeht131, so daß es grundsätzlich fraglich erscheint, wodurch sich die (auch) rechtliche Relevanz einer bestimmten Rollenbeschreibung legitimieren läßt. Angesichts der vielfach anzutreffenden Komplexität juristischer Fragestellungen ist eine Lösung durch unmittelbaren Rückgriff auf soziologische Befunde regelmäßig ausgeschlossen132. So läßt sich beispielsweise die Rechtsfrage einer Garantenpflicht des Ehegatten, den freiverantwortlichen Suizid des Ehepartners zu verhindern, ebensowenig durch die unbesehene Übernahme von Anschauungen der Sozialmoral beantworten 133 wie die Frage des Umfangs § 173 III StGB (Altersgrenze) und auf § 258 VI StGB (Angehörigeneigenschaft) verwiesen. Situative Umstände werden demgegenüber aufgegriffen in § 139 II StGB sowie in § 36 StGB, dessen Satz 2 sogar in gewisser Hinsicht ein rollenwahrendes Element beschreibt. Noch deutlicher tritt die Rollenbegrenzung bei § 180 I 2 StGB zutage; hiernach gilt das bei der Kuppelei zum Tatbestandsausschluß führende sog. Erzieherprivileg nicht bei gröblicher Verletzung der Erziehungspflicht. Diese (auch Teilnahmehandlungen des Sorgeberechtigten umfassende) Privilegierung beweist zwar die Existenz rollenlimitierter Straffreiräume, doch wird man diese nach wie vor rechtspolitisch umstrittene Regelung nicht als verallgemeinerungsfähigen Prototyp ansehen können; vgl. auch § 131 IV StGB sowie Schroeder, Lange-FS (1976), S. 391 ff. 128 Bärwinkel, Struktur, S. 108 f. 129 So Popitz, Begriff, S. 3. 130 Ebenso Schünemann, Grund, S. 132 f.; vgl. zum folgenden auch Popitz, Begriff, S. 18 f. 131 Vgl. etwa das von Bloy (ZStW 90 [1978], 619) dargestellte dreistufige Modell: „natürliche" — „soziale" — ,»rechtliche" Betrachtungsweise. 132 Gegen eine unmittelbare Lösung mittels des Rollenkriteriums (bezüglich der Garantenproblematik) auch Otto, AT, § 914b bb (= S. 175 f.) und Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 54 ff., 147 f. 10*

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der strafrechtsbewehrten Dienstpflicht eines Polizisten 134 durch den Hinweis auf die soziale Rolle (als „Freund und Helfer") entschieden werden kann. Allgemein formuliert sind etwaige soziologisch feststellbare Rollenerwartungen für die Entscheidung von Rechtsfragen nicht absolut verbindlich; es bedarf vielmehr ihrer Einbeziehung in Argumentationsstrukturen, die dem spezifisch juristischen Gehalt der betreffenden Fragestellung Rechnung tragen. Diese allgemeinen Einwände gegen eine Begründungsfunktion des Rollenbegriffs für (straf-)rechtliche Problemstellungen werden noch verstärkt durch den Umstand, daß die „Straflosigkeitsrolie" des „notwendigen Teilnehmers" keine Muß-, sondern nur eine Kann-Erwartung verkörpert. Denn selbst wenn man die Richtigkeit dieses Straflosigkeitsmodells unterstellt, ist es ohne weiteres einsichtig, daß die Gesellschaft den Kauf von Raubkopien oder pornographischen Schriften nicht etwa verbindlich erwartet, sondern ihn lediglich straflos ermöglicht. Damit fehlt der Rollenbeschreibung aber das Element des verbindlichen gesellschaftlichen Wollens. Der Rollenbegriff sinkt in diesem Kontext zur bloßen Metapher herab, die zwar eine Möglichkeit sprachlich zum Ausdruck bringt, ohne aber etwas zum Geltungsgrund für diese Möglichkeit beizutragen. Der in diesem Zusammenhang fehlende Begründungsgehalt des Rollenbegriffs zeigt sich ferner darin, daß sich auch die einzelnen strafrechtlichen Beteiligungsformen als „rollenspezifische Verhaltensweisen" bezeichnen lassen135. Das an sich unter die Voraussetzungen des § 27 StGB (in Verbindung mit dem jeweiligen Deliktstatbestand) subsumierbare Verhalten des „notwendigen Teilnehmers" könnte somit — je nach Blickrichtung — einer zur Strafbarkeit führenden oder aber einer auf Straflosigkeit abzielenden Rollenbeschreibung zugeordnet werden. Welche Zuordnung den Vorzug verdient, ist eine Rechtsfrage, deren Antwort sich nicht unmittelbar aus dem Rollenbegriff ableiten läßt. Insgesamt ist somit zu konstatieren, daß der Wert des Rollenbegriffs im Rahmen der „notwendigen Teilnahme" darauf beschränkt ist, größere Anschaulichkeit zu leisten 136 .

2. Die Lehre von der Sozialadäquanz als Modell einer verhaltensbezogenen Tatbestandsrestriktion Die vorangegangenen Überlegungen haben ergeben, daß der soziologische Rollenbegriff nicht geeignet ist, die Straflosigkeit des („rollenwahrend" agierenden) „notwendigen Teilnehmers" dogmatisch zu fundieren. Damit wird zugleich 133

Vgl. zu dieser Problematik S/S-Eser, vor § 211 Rdn. 39 ff. Es lassen sich gute Gründe denken, eine strafrechtsbewehrte Kriminalisierung zu verneinen, ohne daß hiermit das Bestehen einer moralisch-sozialen Hilfspflicht geleugnet würde; vgl. zur kriminalpolitischen Auseinandersetzung Sowada, Jura 1985, 81 f. 134 Vgl. hierzu SK-Rudolphi, vor § 13 Rdn. 54b ff. 135 Zum Rollengedanken in der Beteiligungslehre vgl. Wüstmann, Rolle, S. 73 ff. 136 Ebenso Wüstmann, Rolle, S. 76 f.

IV. Weitere einzeldeliktsübergreifende Argumentationsmodelle

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der Blick auf die Lehre von der Sozialadäquanz137 gelenkt: Denn einerseits handelt es sich bei der Sozialadäquanz nicht um einen soziologischen, sondern um einen rechtlichen Begriff; andererseits ist dieser Begriff aber mit einer empirischen Komponente versehen und bewirkt dadurch das Zusammenspiel juristischer und gesellschaftlicher Betrachtungsweisen 138. Im Anschluß an Welzel 139 werden „sozialadäquat" diejenigen Handlungen genannt, „die sich innerhalb des Rahmens der geschichtlich gewordenen sozialethischen Ordnungen des Gemeinschaftslebens bewegen". Mittels der Bewertung als sozialadäquat werden diese Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des Strafrechts ausgeschieden, das allein sozialschädliches Verhalten zum Gegenstand hat. Für den Bereich der „notwendigen Teilnahme" läßt sich vom Gedanken der Sozialadäquanz dogmatischer Gewinn insbesondere deshalb erhoffen, weil dieser Lösungsansatz auch in Fallgestaltungen mit vergleichbarer Problemstruktur diskutiert wird 1 4 0 . Hierbei geht es um alltägliche, insbesondere im Rahmen beruflicher Tätigkeit vorgenommene Verhaltensweisen, die — wie der Handelnde erkennt — von dem Leistungsempfänger zur Begehung von Straftaten (oder zur Flucht 141 ) genutzt werden; konkrete Beispielsfälle bieten etwa der Verkauf von Benzin oder von zur Begehung eines Einbruchsdiebstahls geeigneten Werkzeugen, die Auszahlung eines Bankguthabens in Kenntnis der bevorstehenden Flucht oder einer geplanten Tatbegehung bzw. die Erteilung einer Rechtsauskunft durch einen Strafverteidiger 142. Dominiert bei diesen Handlungen der „normale" berufliche Bezug — und erweist sich damit die deliktische Überformung gleichsam als zufällig —, so erscheint es naheliegend, diese Verhaltensweisen dem Anwendungsbereich des Strafrechts zu entziehen. Andererseits stellt der berufliche Rahmen aber keinen generellen Freibrief gegenüber strafrechtlichen Verhaltens137

Allgemein zur Lehre von der Sozialadäquanz vgl. S/S-Lenckner, vor § 13 Rdn. 69 f.; LK-Hirsch, vor § 32 Rdn. 26 ff.; Jescheck, AT, § 25 IV (= S. 226 ff.); Welzel, Lehrbuch, S. 55 ff.; Roxin, Klug-FS Bd. II (1983), S. 303 ff.; Donatsch, Sorgfaltsbemessung, S. 158 ff. sowie jüngst die Monographie von Wolski, Soziale Adäquanz (1990). 138 Wie hier Maurach I Zipf, AT 1, 17/17; s. a. Peters, Welzel-FS (1974), S. 429; Dölling, ZStW 96 (1984), 59 und H. D. Weber, Vertrag, S. 57. 139 Erstmalig in ZStW 58 (1939), 491 ff. (513 ff.); das nachfolgend wiedergegebene Zitat stammt von Roeder (Einhaltung, S. 13); ganz ähnlich aber auch Welzel aaO. S. 516 sowie im Lehrbuch, S. 56. 140 Vgl. zum folgenden Schumann, Handlungsunrecht, S. 54 ff., 62 ff.; Frisch, Verhalten, S. 295 ff., 308 ff. und Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 ff. (3 ff. ). hi Die einschlägigen Beispielsfälle sind vielfach im Bereich der Strafvereitelung angesiedelt; vgl. hierzu vor allem Küpper, GA 1987, 385 ff.; Lenckner, Schröder-GS (1978), S. 355 f. und Frisch, JuS 1983,915 ff. Hierbei stellt sich als zusätzliches Problem die Streitfrage, ob unmittelbar an den sich selbst der Strafverfolgung entziehenden Vortäter geleistete Unterstützungshandlungen auch nach der Neuregelung des § 258 StGB als täterschaftliche Strafvereitelung zu beurteilen sind oder ob es sich um (mangels tatbestandmäßiger Haupttat) straflose Teilnahmehandlungen handelt; vgl. hierzu Beulke, Strafbarkeit, Rdn. 151 ff. und S/S-Stree, § 258 Rdn. 32 f. 142 Speziell hierzu vgl. Mallison, Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme (1979) sowie die Besprechung dieser Arbeit von Maiwald, ZStW 93 (1981), 885 ff.

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anforderungen aus 143 . Der straffreie Raum ist mithin — der „notwendigen Teilnahme" insoweit durchaus vergleichbar — auf ein rollenwahrendes Verhalten beschränkt; beide Konstellationen verbindet die Grundfrage, warum und bis zu welcher Grenze sich der einzelne vom Strafbarkeitskontext distanzieren und für sich den Bereich strafloser Normalität reklamieren kann. Inwieweit freilich die Lehre von der Sozialadäquanz ein geeignetes Instrument zur Bewältigung dieser Problematik darstellt, ist durchaus zweifelhaft 144 . Denn nach wie vor gilt die Sozialadäquanz als eine der „umstrittensten und schillerndsten Rechtsfiguren des Strafrechts" 145, deren Existenzberechtigung unter Hinweis auf die begriffliche Unschärfe bestritten und die überdies für dogmatisch überflüssig erklärt wird, weil die Sachprobleme in anderer Weise — insbesondere durch eine entsprechende Tatbestandsauslegung — zufriedenstellend gelöst werden können 146 . In der Tat erscheint Skepsis angebracht, ob sich unter unmittelbarer Berufung auf die „Sozialadäquanz" auch in weniger eindeutigen Fallkonstellationen die Strafbarkeitsgrenzen sicher und überzeugend ermitteln lassen 147 . Allerdings ist zu bedenken, daß die Sozialadäquanz im vorliegenden Kontext gar nicht als „Zauberhut" verwandt werden soll, dem sich mühelos alle Antworten zur (rollenwahrenden) „notwendigen Teilnahme" entnehmen ließen. Mag die Unentbehrlichkeit einer strikt tatbestandsbezogenen Argumentation den praktisch-technischen Wert der Sozialadäquanz desavouieren, so macht sie diese Rechtsfigur für den vorliegenden Problemzusammenhang gleichwohl nicht völlig wertlos 148 . Denn diese Vorüberlegungen erkennen ja für den Bereich der „notwendigen Teilnahme" das jeweilige Einzeldelikt als maßgebliche Wertungsgrundlage 143 Ebenso Lenckner, Schröder-GS (1978), S. 356; vgl. auch Küpper, GA 1987,401 f. sowie zur anwaltlichen Fluchthilfe Krekeler, NStZ 1989, 148 und Beulke, Strafbarkeit, Rdn. 73, 239 f. Im übrigen sind keineswegs alle problematischen Fallkonstellationen durch eine berufliche Tätigkeit gekennzeichnet; vgl. etwa zum Beherbergen eines flüchtigen Straftäters OLG Stuttgart, NJW 1981, 1569 mit Anm. Geppert, JK, StGB § 258 / 2. 144 Eine Lösung mittels der Sozialadäquanz verwerfend Jakobs, ZStW 89 (1977), 4 f.; ablehnend auch Schumann, Handlungsunrecht, S. 55 f. und Frisch, JuS 1983, 921 f. 145 So Roxin, Klug-FS Bd. II (1983), S. 303; s. a. Roeder, Einhaltung, S. 13. 146 So SK-Samson, vor § 32 Rdn. 15; ablehnend auch Baumann / Weber, AT, § 15 III l b (= S. 181 ff.) und Naucke, Lehre, S. 165 ff.; vgl. femer Hirsch, ZStW 74 (1962), 133 ff. sowie die Nachweise bei dems., in: LK, vor § 32 Rdn. 27. Bezüglich der konkreten Ergebnisse besteht zwischen Kritikern und Anhängern der Lehre von der Sozialadäquanz im wesentlichen Übereinstimmung; vgl. LK-Hirsch aaO. Rdn. 29; Krauß, ZStW 76 (1964), 47 (in Fn. 128) und Sommer, Erfolgsunrecht, S. 104 f. Für einen Vorrang strafprozessualer Erledigungsformen plädiert Wolski, Soziale Adäquanz, S. 135 ff., 201 ff. 147 Auf die Gefahr eines schlagwortartigen Gebrauchs der „Sozialadäquanz" wird deutlich hingewiesen von Roxin, Klug-FS Bd. II (1983), S. 312 f. und LK-Hirsch, vor § 32 Rdn. 29; vgl. auch Jakobs, ZStW 89 (1977), 4 f. und Schumann, Handlungsunrecht, S. 55 f. Wegen mangelnder Bestimmtheit wird die „Sozialadäquanz" lediglich als rechtspolitische Aufforderung an den Gesetzgeber gedeutet von Naucke, Lehre, S. 165 f. (mit Fn. 4), 172. Immerhin ist ein Verstoß gegen Art. 103 II GG nicht anzunehmen; vgl. Zipf, ZStW 82 (1970), 636 f. (in Fn. 4) und Hillenkamp, Vorsatztat, S. 156 ff. 148 Vgl. auch Sommer, Erfolgsunrecht, S. 104 f.; Dölling, ZStW 96 (1984), 56, 59; Jescheck, AT, § 25 IV 1 (= S. 227 mit Fn. 28) und Fiedler, Strafbarkeit, S. 80 ff.

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durchaus an 149 . Der möglichen Bedeutung einer unter systematischen Aspekten übereinstimmenden dogmatischen Grundstruktur steht deshalb nicht entgegen, daß eine konkrete Handhabbarkeit nicht bereits auf dieser abstrakten Ebene, sondern erst in Ansehung der einzeldeliktischen Umstände erreichbar ist. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung besteht somit durchaus Veranlassung, näher auf die dogmatische Wirkungsweise dieser Rechtsfigur einzugehen. Den Ausgangspunkt für das Verständnis der prinzipiellen dogmatischen Struktur der Lehre von der Sozialadäquanz150 bilden die unterschiedlichen Funktionen des Tatbestandsbegriffs 151 : Zum einen erfüllt der Tatbestandsbegriff die Aufgabe, die Einhaltung des verfassungsrechtlich in Art. 103 I I GG normierten Bestimmtheitsgrundsatzes zu gewährleisten; zum anderen kommt dem Tatbestand aber auch die Funktion zu, durch die für die jeweilige Deliktsart charakteristischen Unrechtsmerkmale den betreffenden Deliktstypus abzubilden. Das Ziel (insbesondere) der teleologischen Auslegung besteht darin, die Übereinstimmung zwischen dem formalen Tatbestand und dem hierin vertypten materiellen Unrecht herzustellen. Hierbei bewirkt das aus Art. 103 I I GG resultierende Analogieverbot eine Limitierung des Strafbarkeitsbereichs zugunsten des Täters: Ist sein Verhalten nicht mehr unter den Wortlaut des betreffenden Deliktstatbestandes subsumierbar, so bleibt es selbst dann straflos, wenn es den „materiellen Geist" jener Vorschrift verletzt und somit als Gesetzesumgehung erscheint 152. Für die Lehre von der Sozialadäquanz ist freilich die umgekehrte Konstellation von Bedeutung, in der ein Verhalten zwar dem Wortlaut einer Strafvorschrift unterfällt (oder diesem zumindest zugeordnet werden kann), ohne hierbei jedoch ihrem materiellen Verbotsinhalt zu entsprechen. In dieser Situation sind restriktive Tatbestandsauslegung und teleologische Reduktion 153 die methodenrechtlichen Instrumente, um 14 9 Immerhin ist zuzugeben, daß die Sozialadäquanz vielfach gerade bei sehr einfach strukturierten normativen Gebilden (ζ. B. einfache Erfolgsdelikte) herangezogen wird; dann wiegt der Einwand der Unbestimmtheit dieses Rechtsinstituts tendenziell schwerer. Für die hier interessierenden Begegnungsdelikte ist demgegenüber durch die (spiegelbildliche) Bezugnahme auf das tatbestandsmäßige Verhalten auch der Prüfungsgegenstand für die Sozialadäquanz relativ stark konturiert. 150 Zum folgenden vgl. — außer den in Fn. 148 angegebenen Nachweisen — Zipf, ZStW 82 (1970), 648 ff.; ders., in: Maurach / Zipf, AT 1, 17/21; Schaffstein, ZStW 72 (1960), 377; Stratenwerth, AT, Rdn. 340 f.; Schild, Merkmale, S. 123; Ehertl Kühl, Jura 1981, 226 f. und Roxin, Klug-FS Bd. II (1983), S. 304 ff. 151 Jescheck, AT, § 25 I (= S. 220 ff.); S/S-Lenckner, Rdn. 43 ff.; Dreher / Tröndle, Rdn. 5 ff. jeweils vor § 13 und Schild, Merkmale, S. 107 ff., 114 ff. 152 Lackner, Heidelberg-FS (1986), S. 56 ff. und SK-Rudolphi, § 1 Rdn. 23; s. a. Herzberg, NZV 1990, 375. 153 Zu Recht wird darauf hingewiesen, daß es sich bei mehreren der unter dem Stich wort „Sozialadäquanz" behandelten Fallkonstellationen (so ζ. B. um beim Neujahrsgeschenk an den Postboten) um wortlautunterschreitende Tatbestandsverengungen handelt, die methodologisch nicht mehr als „Auslegung", sondern als „teleologische Reduktion" zu klassifizieren sind; vgl. hierzu Suppert, Studien, S. 189 ff. (mit Fn. 293); Roxin, Klug-FS Bd. II (1983), S. 312 (mit Fn. 47); Hillenkamp, Vorsatztat, S. 155 ff. (s. a. ebd. S. 135 ff.); vgl. femer Schaffstein, ZStW 72 (1960), 375 f.; unzutreffend für Auslegung demgegenüber Hirsch, ZStW 74 (1962), 126 f., 132.

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sinnwidrige Bestrafungen zu vermeiden. Die Lehre von der Sozialadäquanz verbindet mehrere Anwendungsfälle einer solchen „Typenkorrektur' 4154 , denen gemein ist, daß bestimmte Verhaltensweisen gerade im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit historisch gewachsenen gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen aus den in den jeweiligen Tatbeständen normierten Unrechtstypisierungen herausfallen. Es handelt sich somit um ein auf der Tatbestandsebene155 angesiedeltes dogmatisches Restriktionsmodell, das situative Umstände berücksichtigt und wegen seiner Verhaltensbezogenheit — zumindest schwerpunktmäßig — den Bereich des Handlungsunrechts 156 betrifft. Dieser dogmatische Befund erhellt zugleich die Übereinstimmungen der Lehre von der Sozialadäquanz mit der Problemlage der straflosen Rollenwahrung des „notwendigen Teilnehmers": Durch den Bezug auf den jeweiligen konkreten Deliktstatbestand erweisen sich — erstens — beide Rechtsfiguren als spezielle Auslegungsprobleme, die — zweitens — in Anlehnung an soziologische Rollenvorstellungen 157 einerseits persönlich-situative, andererseits von der Verhaltensintensität abhängige Gesichtspunkte umsetzen und hierbei — drittens — innerhalb des Tatbestandsaufbaus an das Element des Handlungsunrechts anknüpfen 158. Die aufgezeigten Querverbindungen bezüglich der dogmatischen Wirkungsstruktur rechtfertigen es jedoch noch nicht, die Konstellationen der „notwendigen Teilnahme" tatsächlich in den Anwendungsbereich der Sozialadäquanz zu integrieren. Denn so schwierig die Inhaltsbestimmung der „geschichtlich gewordenen 154 Diesen Terminus verwendet im vorliegenden Zusammenhang Stratenwerth, AT, Rdn. 340, 342. 155 Vereinzelt (so Roeder, Einhaltung, S. 65 ff., 94) wird die Sozialadäquanz als Schuldproblem angesehen; eine andere Ansicht (Klug, Eb. Schmidt-FS [1961], S. 249 ff., insbesondere S. 255 ff., 260 f., 262 f.) unterscheidet zwischen tatbestandslosem „sozialkongruenten" und gerechtfertigtem „sozialadäquaten" Verhalten. Heute wird die Sozialadäquanz nur noch vereinzelt der Rechtswidrigkeit zugeordnet; vgl. zum Streitstand die Nachweise bei Dreher l Tröndle, Rdn. 12 und LK-Hirsch, Rdn. 26 jeweils vor § 32. Zu Recht hat sich die Auffassung durchgesetzt, die die Sozialadäquanz als Tatbestandsproblem begreift; vgl. ausführlich Roxin, Klug-FS Bd. II (1983), S. 304 ff.; s. a. Hirsch, ZStW 74 (1962), 79 ff. (87) und Schaffstein, ZStW 72 (1960), 378 ff. (386, 393). 15 6 Eine ausdrückliche Zuordnung zum Handlungsunrecht erfolgt bei Ο Stendorf, JZ 1981,174 und Maiwald, Jescheck-FS Bd. I (1985), S. 407 f.; ebenfalls hierher zu rechnen sind jene Stellungnahmen, die die Sozialadäquanz im Zusammenhang mit dem (auch für die Vorsatzdelikte bestehenden) Erfordernis einer Sorgfaltspflichtsverletzung erörtern; so etwa Krauß, ZStW 76 (1964), 47 f.; Jescheck, AT, § 25 IV 1 (= S. 226 f.) und Herzberg, NZV 1990,376. Vgl. femer Ostendorf, GA 1983, 344 und Sommer, Erfolgsunrecht, S. 105 (zur systematischen Gegenüberstellung von Sozialadäquanz und Gegingfügigkeitsprinzip). 157 Diese Bezugnahme klingt an, wenn Sozialadäquanz als „Übereinstimmung mit anerkannten sozialen Verhaltensnormen" charakterisiert wird; so Maurach / Zipf, AT 1, 17/16; s. a. Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 638 und Küpper, GA 1987, 389. 158 Insoweit unterscheidet sich die hier diskutierte Straflosigkeit des rollenwahrenden Mitwirkungsverhaltens dogmatisch von der im 2. Abschnitt behandelten Opferstraflosigkeit: Dort führte der Grundsatz der Unangreifbarkeit des Rechtsguts durch seinen Inhaber zur Verneinung (zumindest: auch) des Erfolgsunrechts.

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Ordnungen des Soziallebens" auch sein mag: Es führt kein Weg daran vorbei, daß es sich hierbei nicht lediglich um eine völlig belanglose Leerformel, sondern um eine jedenfalls im Kernbereich durchaus ernstzunehmende, echte Voraussetzung für eine Straflosigkeit qua Sozialadäquanz handelt. Der Gedanke der Sozialadäquanz bezeichnet mithin nicht isoliert ein allein mit Blick auf die Folgen definiertes formales Gebilde (nämlich die verhaltensbezogene Tatbestandsrestriktion schlechthin), sondern er trägt — wenn auch in sehr allgemeiner Weise — zugleich seinen Geltungsgrund (eben die verfestigten Sozialanschauungen) in sich 159 . Die relative Unbestimmtheit des sozialen, gleichwohl aber rechtlich relevanten Substrats darf deshalb nicht in dem Sinne mißdeutet werden, als könne auf eine derartige materielle Voraussetzung überhaupt verzichtet werden. Zwar mag es sich erweisen, daß es weiterer dogmatischer Modelle zur Tatbestandsrestriktion im Bereich des Handlungsunrechts bedarf; als Anwendungsfälle der „Sozialadäquanz" dürfen diese Kategorien aber nur dann ausgegeben werden, wenn das auf das Sozialleben bezogene Wesensmerkmal tatsächlich nachweisbar ist. Die Erfüllung dieses Erfordernisses erscheint in bezug auf die „notwendige Teilnahme" unter mehreren Aspekten zweifelhaft. Als zu eng sind zwar jene in der Literatur teilweise vertretenen Ansichten abzulehnen, die die Anwendbarkeit der Sozialadäquanz auf unvorsätzliches Handeln beschränken 160 oder die ein sozial werthaftes Verhalten verlangen 161 . Schwieriger ist jedoch bereits die Frage zu entscheiden, ob es sich zumindest um — an den Maßstäben des Soziallebens gemessen — wertneutrale Tätigkeiten handeln muß oder ob selbst regelwidrige Aktionen das Prädikat „sozialadäquat" erhalten können 162 . Selbst wenn man der zuletzt genannten, den weitesten Anwendungsbereich eröffnenden Alternative folgt, wird die Annahme von Sozialadäquanz trotz Regelwidrigkeit nur in engen Grenzen akzeptiert werden können. Speziell für die Konstellation der „notwendigen Teilnahme" kommt hinzu, daß der „notwendige Teilnehmer" an einem Gesamtgeschehen mitwirkt, das in der Person des (Haupt-)Täters als strafbar — und damit zwangsläufig als sozialinadäquat — bewertet wird; es stellt sich mithin die Frage, ob es eine „sozialadäquate Teilnahme an sozialinadäquater Tat" 1 6 3 geben kann.

159 Ebenso Maiwald, Jescheck-FS Bd. I (1985), S. 408 f. 160 So insbesondere Roeder, Einhaltung, S. 34 ff. (40), 47; vgl. auch die Einschränkung bei Zipf, ZStW 82 (1970), 633. Für eine Anwendbarkeit des Gedankens der Sozialadäquanz auch im Vorsatzbereich Krauß, ZStW 76 (1964), 47 f., 66; Jescheck, AT, § 25 IV 1 (= S. 227) und Eberl! Kühl, Jura 1981, 226 f. 161 So Peters, Welzel-FS (1974), S. 427 f.; vgl. auch den Hinweis auf die kirchliche Beurteilung bei Hirsch, ZStW 74 (1962), 110. 162 In diesem Sinne vor allem Dölling, ZStW 96 (1984), 59 f.; vgl. auch Welzel, Lehrbuch, S. 56 f. 163 Zu diesem Aspekt vgl. Jakobs, ZStW 89 (1977), 4 f.; s.a. Frisch, Verhalten, S. 237 (in Fn. 28) und Schumann, Handlungsunrecht, S. 55 f.

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Lassen sich diese die normativen Begrenzungen der Sozialadäquanz betreffenden Schwierigkeiten durch eine entsprechende Interpretation dieses (Rechts-) Begriffs grundsätzlich überwinden 164 , so ist ein weiteres Problem direkt im Kernbereich der Sozialadäquanz angesiedelt: Die jeweiligen Verhaltensweisen müssen „normale" Bestandteile des Soziallebens sein. Dieses Erfordernis ist zwar mit den Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht — (1) langwährende Übung, die (2) Ausdruck allgemeiner Rechtsüberzeugung ist 1 6 5 — nicht identisch, doch ist umgekehrt eine gewisse Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen 166 . Mag die faktische Übung einen kürzeren Zeitraum betreffen, als für die Annahme von Gewohnheitsrecht zu verlangen wäre, und ist zudem die „Rechtsüberzeugung" durch eine allgemeine soziale Anschauung zu ersetzen, so ändert dies gleichwohl nichts an der Tatsache, daß auch bei der Sozialadäquanz ein (abgeschwächtes) faktisches und ein (ebenfalls abgeschwächtes) normatives Element zusammentreffen. Das wird besonders deutlich, wenn man sich die ,»klassischen" Beispielsfälle der Sozialadäquanz167 vor Augen hält: die durch den modernen Massenverkehr verursachten Freiheitsbeschränkungen, das geringwertige Neujahrsgeschenk an den Postboten oder die im engsten Familienkreis in bezug auf Dritte geäußerten Beleidigungen — diese Verhaltensweisen erscheinen als alltäglich, was Auskunft sowohl über ihre Häufigkeit als auch über ihre Klassifizierung als „unverdächtige" Handlungen gibt. Hieraus folgt umgekehrt, daß nur ganz vereinzelt vorkommende Handlungen nicht das für das Sozialadäquanzurteil notwendige faktische Substrat aufweisen; ist daher die empirische Basis zu schwach, so vermag sie nicht die zweite Voraussetzung zu tragen, wonach die Straflosigkeit Folge einer allgemeiner Überzeugung entsprechenden Normalität ist. Dieses Wesensmerkmal der Sozialadäquanz — die Verankerung im gesellschaftlichen Bewußtsein — ermöglicht nicht nur eine praktische Abgrenzung gegenüber anderen Rechtsfiguren, sondern es leistet zugleich einen normtheoretischen Beitrag für die Straflosstellung. Denn Verhaltensweisen, deren Auftreten ubiquitär ist und die von den Rechtsgenossen als normale Erscheinungsformen des Soziallebens angesehen werden, werden nicht in einer Weise als bedrohlich erlebt, die nach dem Einsatz des Strafrechts zur Wiederherstellung normativen Vertrauens verlangt 168 . Angesichts dieses Bezuges der sozialen Anschauungen 164 Hierbei ist freilich zu bedenken, daß jede Extension der Sozialadäquanz tendenziell nur auf Kosten der — ohnehin schon geringen — begrifflichen Schärfe möglich ist. 16 5 Zu den Entstehungsvoraussetzungen von Gewohnheitsrecht vgl. Jescheck, AT, § 12 IV 1 (= S. 99 f.) und Dreher / Tröndle, § 1 Rdn. 9. 166 Vgl. hierzu vor allem Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 637 f. („Entwicklungsstufe zum Gewohnheitsrecht"); s. a. Maurach /Zipf AT 1, 17/17. 167 Zu den nachfolgenden Beispielsfällen vgl. Hirsch, ZStW 74 (1962), 87 ff.; s. a. Stratenwerth, AT, Rdn. 339, 341. 168 Zur Bedeutung gesellschaftlicher Vorstellungen für die Frage der Pönalisierung von Verhaltensweisen vgl. Lüderssen, Strafrecht und „Dunkelziffer", S. 9 ff.; Hassemer, Theorie, S. 242 ff. und Neumann ( Sehroth, Theorien, S. 45 (s. aber auch ebd. S. 105); s. femer Otto, ZStW 87 (1975), 561 f.

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zur Strafzweckdiskussion kommt der weithin geteilten gesellschaftlichen Überzeugung eine entlastende Wirkung bei der Aufgabe zu, die Straflosigkeit bestimmter Verhaltensweisen zu legitimieren 169 . Ist deshalb für die Lehre von der Sozialadäquanz die Anbindung an weithin konsentierte gesellschaftliche Überzeugungen beizubehalten, so erhellt hieraus zugleich, daß der Sozialadäquanz für die Fälle der „notwendigen Teilnahme" nur eine beschränkte Bedeutung zukommen kann. Denn die Mitwirkung des begünstigten Gläubigers (§ 283 c StGB) oder der an der Prävarikation beteiligten Gegenpartei (§ 356 StGB) können für sich gewiß nicht in Anspruch nehmen, daß dieses Verhalten eine allgemeine gesellschaftliche Bewertung als Bestandteil des normalen Soziallebens erfährt. Größere Beachtung könnte der Gedanke der Sozialadäquanz demgegenüber im Verhältnis des Freiers zur Prostituierten erlangen, während der Erwerb von pornographischen Schriften oder von Raubkopien sowie die Teilnahme des Sexualpartners an der Kuppelei (§ 180 StGB) in jene Grauzone fallen, in der eine Zuordnung zur Sozialadäquanz möglicherweise diskutabel, keineswegs aber unzweifelhaft erscheint 170 . Wichtiger als diese denkbaren partiellen Berührungspunkte ist jedoch die Erkenntnis, daß die Lehre von der Sozialadäquanz für die Problematik der rollenwahrenden „notwendigen Teilnahme" — ungeachtet der vergleichbaren dogmatischen Wirkungsstruktur — keinen allgemeinen Begründungsansatz bietet. 3. Straflose Teilnahmehandlungen als Ausfluß der Regreßverbotslehre Scheitert der Versuch, die Problematik der rollenwahrenden Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" als besonderen Anwendungsfall der Lehre von der Sozialadäquanz zu erklären, an dem Umstand, daß die für die Sozialadäquanz essentielle Verfestigung gesellschaftlicher Grundüberzeugungen allenfalls für einen Teil der einschlägigen Fallkonstellationen diskutabel erscheint, so verdienen jene Argumentationsmodelle stärkere Beachtung, die sich dem Problem einer Beschränkung der Teilnahmestrafbarkeit nicht aus einer gesellschaftlich orientierten, sondern aus einer originär strafrechtsdogmatischen Sichtweise nähern. Das Grundanliegen dieser Konzeptionen besteht darin, die Voraussetzungen zu be169 Allerdings wird die Rechtsfrage der Straflosigkeit durch diese auf der gesellschaftlichen Ebene nachweisbaren (Vor-)Wertungen nicht in einem unumstößlichen Sinne präjudiziert: So ist es einerseits möglich, ein gemeinhin als „Kavaliersdelikt" bagatellisiertes Verhalten entgegen dieser weitverbreiteten Einschätzung aus lerntheoretischen Gründen und zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsgüterschutzes mit Kriminalstrafe zu ahnden; andererseits lassen sich auch kriminalpolitische Konzepte denken, die partielle Straffreiräume eröffnen, ohne daß — überspitzt formuliert — der demoskopische Nachweis einer entsprechenden „Volksmeinung" geführt werden könnte. 170 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Beschränkung der Sozialadäquanz auf Evidenzfälle bei Stratenwerth, AT, Rdn. 343; (allgemein) restriktiv auch Peters, WelzelFS (1974), S. 428 sowie Jakobs, ZStW 89 (1977), 5 (Begriff der Sozialadäquanz ermöglicht allein einen „spontanen Zugriff 4).

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stimmen, unter denen eine Person sich von den strafrechtlichen Auswirkungen ihres Handelns distanzieren darf, weil diese Konsequenzen allein in den Zuständigkeitsbereich eines Dritten fallen. Die Strafrechtsdogmatik hat zur Bewältigung dieser Problematik unterschiedliche Theorien hervorgebracht; zu nennen sind hierbei vor allem die Lehre vom Regreßverbot 171 und der Vertrauensgrundsatz 172. Zwar betreffen diese Zurechnungslehren schwerpunktmäßig den Bereich der Fahrlässigkeit 173; denn dem Freiheitsinteresse des Ersthandelnden kommt tendenziell eine größere Bedeutung zu, wenn sein Verhalten ungewollt von einem Dritten zur Begehung einer Straftat ausgenutzt wird. Umgekehrt erscheint es fernliegend, wie jemand sich auf ein normtreues, rechtsgutswahrendes Verhalten Dritter soll verlassen dürfen, wenn er das vorsätzliche Dritthandeln seinerseits vorsätzlich initiiert oder fördert. Auch der Gedanke der Selbstverantwortung des Haupttäters ist zumindest auf den ersten Blick zur Beschränkung der Teilnahmestrafbarkeit ungeeignet, da die Teilnahmenormen — in Abgrenzung zur Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft — gerade ein eigenverantwortliches Täterhandeln voraussetzen 174. Vermag mithin der Gedanke der Autonomie des Täters eine Straflosigkeit des Teilnehmers nicht zu fundieren, so ist hiermit jedoch noch nicht entschieden, daß jegliche vorsätzliche Tatveranlassung oder -Unterstützung in den Strafbarkeitsbereich fallen muß 175 . Vielmehr werden auf den Grundgedanken der Regreßverbotslehre zurückgreifende Ansätze zur Beschränkung der Strafbarkeit auch für den Bereich vorsätzlicher Ersthandlungen diskutiert 176 . Ein solches Vorgehen erscheint im Prinzip durchaus berechtigt; denn die Grenze der Verantwortlichkeit für die Wirkungen eigenen Handelns muß nicht mit der zwischen den beiden 171 Zum Regreßverbot vgl. jüngst Roxin, Tröndle-FS (1989), S. 177 ff. 172 Zur sachlichen Nähe von „Regreßverbot" und „Vertrauensgrundsatz" im System einer Abgrenzung von Verantwortungsbereichen (oder als Teilbereich einer Lehre vom erlaubten Risiko) vgl. Schumann, Handlungsunrecht, S. 2 ff. und Roxin, Tröndle-FS (1989), S. 186 f.; s.a. Jakobs, AT, 7/51 und Krümpelmann, Lackner-FS (1987), S. 298 ff. 173 Dazu, daß die Lehre vom Regreßverbot regelmäßig im Zusammenhang mit fahrlässigen Ersthandlungen erörtert wird, vgl. SK-Rudolphi, vor § 1 Rdn. 72; Roxin, TröndleFS (1989), S. 177 ff., 185, 187 ff.; Fünfsinn, Aufbau, S. 135 ff., 142 (in Fn. 477) und Geppert, JK, OWiG § 14/3. Auch der Vertrauensgrundsatz wird primär im Rahmen der Fahrlässigkeitsdogmatik behandelt; vgl. etwa SIS-Cramer, § 15 Rdn. 148 ff.; Dreher I Tröndle, § 222 Rdn. 11 ff. und Donatsch, Sorgfaltsbemessung, S. 192 ff.; s. a. Stratenwerth, AT, Rdn. 1155 ff., 1162 ff. und Lackner, vor § 13 Rdn. 14 (a. E.). 174 Daß auch der (strafbare) Anstifter die Entscheidungsfreiheit des unmittelbar Handelnden unangetastet lassen muß, wird mit Recht von Roxin (Tröndle-FS [1989], S. 180) hervorgehoben. Vgl. auch Meurer, NJW 1987, 2424, der die Regelungen der §§25 ff. StGB als dem Prinzip der Selbstverantwortung der Anderen jedenfalls auf den ersten Blick entgegenstehend bezeichnet; ebenso Frisch, Verhalten, S. 242. 175 Ebenso Jakobs, ZStW 89 (1977), 12. 176 Zur prinzipiellen Anwendbarkeit des Regreßverbots auch bei vorsätzlichen Ersthandlungen vgl. Jakobs, AT, 24/21; Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 161 ff.; s.a. Stratenwerth, AT, Rdn. 1165 und Frisch, Vorsatz, S. 141 f.

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Grundformen deliktischer Tatbegehung verlaufenden Trennlinie übereinstimmen. Hierfür sprechen nicht allein die Abgrenzungsprobleme zwischen (bedingtem) Vorsatz und (bewußter) Fahrlässigkeit 177, sondern es kommt die Überlegung hinzu, daß die Beantwortung der Frage, inwieweit eigenes Handeln im Hinblick auf eine deliktische Überformung durch Dritte unterbleiben muß, wesentlich von objektiven Umständen — nämlich von Art und Intensität der Gefahr — abhängt und somit von der inneren Einstellung des Vor-Handelnden (zumindest partiell) unabhängig ist 1 7 8 . Die formale Einbettung dieser Einsicht in das Instrumentarium der Strafrechtsdogmatik ist noch nicht restlos geklärt: Aufgrund einer traditionell bedingten, primär erfolgsbezogenen Betrachtung des deliktischen Geschehens werden die Gesichtspunkte, die eine Verantwortlichkeit für bestimmte Gefahrschaffungen als zweifelhaft erscheinen lassen, überwiegend der objektiven Zurechnung als Bindeglied zwischen Handlung und Erfolg zugeordnet 179. Neuere Ansätze im strafrechtlichen Schrifttum bemühen sich hingegen um eine stärkere Konturierung des Handlungsunrechts; hiermit verbindet sich insbesondere die jüngst von Frisch 180 vorgetragene Konzeption, die die Aspekte der Gefahrschaffung von denen der Gefahrrealisierung trennt und die Abschichtung zwischen toleriertem Risiko und mißbilligter Gefahrschaffung einer eigenen dogmatischen Kategorie des „tatbestandmäßigen Verhaltens" zuweist. Dieses Gefahrenmodell verdient vor allem deshalb Beachtung, weil sich hier die Möglichkeit bietet, verhaltensbezogene Privilegierungen im Verbrechensaufbau auf der Tatbestandsebene dogmatisch zu verankern. Die Ermittlung des normrelevanten Risikos erfolgt aufgrund einer oftmals subtilen Interessenabwägung 181, bei der dem mit der Strafnorm bezweckten Gütererhaltungsinteresse die einer Pönalisierung bestimmter Verhaltensweisen widerstreitenden Gegeninteressen gegenüberzustellen sind 182 . Als ein 177 Vgl. SK-Rudolphi, § 16 Rdn. 38 ff.; Geppert, Jura 1986, 610 ff. und Küpper, ZStW 100 (1988), 758 ff. 178 Wie hier Preuß, Untersuchungen, S. 213 ff.; s. a. Frisch, Verhalten, S. 283 ff.; Krauß, ZStW 76 (1964), 47 f.; Jakobs, AT, 24/15 ff.; S/S-Lenckner, vor § 13 Rdn. 100 ff. und Roxin, Tröndle-FS (1989), S. 190 ff. sowie die oben in Fn. 176 genannten Nachweise. 179 Ebert! Kühl, Jura 1979. 569 f.; S/S-Lenckner, Rdn. 93; LK-Jescheck, Rdn. 61 und Lackner, Rdn. 14 jeweils vor § 13 sowie Roxin, Tröndle-FS (1989), S. 185. Kritisch hierzu Frisch, Verhalten, S. 18 ff., 23 ff. (insbesondere S. 31, s. a. S. 64 f.); vgl. femer Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 72, 161 f. 180 In: Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges (1988), S. 9 ff. (insbesondere S. 33 ff., 44 ff.); s.a. bereits ders., Vorsatz, S. 118 ff., 138 ff., 359 ff. Ahnlich Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 66 ff., 71 f.; vgl. auch Samson, ZStW 99 (1987), 631 ff. (633) und Küper, GA 1987, 504 f. Zur Differenzierung zwischen Risikoschaffung und Risikorealisierung vgl. bereits Wolter, Zurechnung, S. 31 ff., 330 ff., 358 (freilich — zumindest terminologisch — im Gewand der [personalen bzw. objektiven] Zurechnung). 181 Frisch, Vorsatz, S. 139; vgl. auch Stratenwerth, AT, Rdn. 342, 344, 1100. 182 Zur „Unvollständigkeit" des Rechtsgüterschutzgedankens vgl. Schünemann, Bockelmann-FS (1979), S. 129; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 151 f. und Hassemer, in: Philipps / Scholler, Jenseits des Funktionalismus, S. 86 ff.; siehe — außer den in der

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

derartiges Gegeninteresse ist insbesondere die Erhaltung einer möglichst unbeschränkten Handlungsfreiheit in Betracht zu ziehen 183 . Weitere Gesichtspunkte können der mit den betreffenden Handlungen verbundene soziale Nutzen, der Wert des geschützten Rechtsguts und das Maß der dem geschützten Gut allgemein sowie speziell durch die fragliche Verhaltensweise drohenden Gefahr bilden. Solche zur Ausbalancierung zwischen Verhaltenspflichten und Verhaltensfreiheit erforderlichen Interessenabwägungen können entweder mit Bezug auf deliktsspezifische Besonderheiten 184 oder aber auch vor dem Hintergrund einzeldeliktsunabhängiger Problemkonstellationen 185 vorgenommen werden; weiterhin ist zu betonen, daß derartige Abwägungsprozesse nicht auf die Person des Täters beschränkt sind, sondern im Prinzip ebenso hinsichtlich möglicher Teilnahmehandlungen zur Anwendung gebracht werden können 186 . Soweit diese modernen Gefahrenmodelle für den Bereich der strafrechtlichen Beteiligungslehre fruchtbar gemacht werden, geschieht dies in einer von konkreten Einzeldelikten unabhängigen Weise mit einer Zielsetzung, die dem Anliegen der Regreßverbotslehre entspricht. Gerade in dieser Variante ist der für die „notwendige Teilnahme" zu ziehende dogmatische Erkenntniswert relativ gering; er beschränkt sich auf die Feststellung, daß es überhaupt Konzeptionen gibt, die vorigen Fn. genannten Nachweisen — ferner Jakobs, ZStW 97 (1985), 752 f., 757; Weber, ZStW-Beiheft (1987), 2; Donatsch, Sorgfaltsbemessung, S. 181 ff. (aber auch aaO. S. 161 Fn. 136 und S. 165) sowie Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 9 ff., 358 ff., 411. 183 Die Forderung nach einer Berücksichtigung des Freiheitsinteresses wird in jüngster Zeit häufig hervorgehoben; vgl. neben Frisch, Verhalten, S. 72 ff., 76 (und passim) etwa Kindhäuser, Gefährdung, S. 182 sowie — mit speziellem Bezug (auch) zur Teilnahmelehre— Schumann, Handlungsunrecht, S. 1 ff. (4); Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 71 und Herzberg, NZV 1990, 375 ff.; deutlich in diesem Sinne auch bereits Münzberg, Verhalten, S. 273 ff. 184 Frisch hat seine Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten für mehrere Straftatbestände exemplifiziert; vgl. insbesondere JuS 1983, 915 ff. (920 ff.) bezüglich §258 StGB; s. a. ders., Vorsatz, S. 364 ff., 398 ff. bezüglich § 336 StGB sowie im Stichwortverzeichnis von „Vorsatz und Risiko" zum Begriff „tatbestandsmäßiges Verhalten im Sinne des . . . " . 185 Die Ausführungen in Frischs Arbeit „Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges" sind weitgehend von einzeltatbestandlichen Überlegungen abgelöst; hier findet sich auch mehrfach die Warnung vor einer „Überschätzung der interpretatori sehen Ergiebigkeit der Einzeltatbestände " (aaO. S. 236 mit Hervorhebung im Original; s. a. aaO. S. 83). Allerdings kann diese Stellungnahme wohl nicht als Abkehr von den früheren einzeldeliktsbezogenen Konturierungen des tatbestandsmäßigen Verhaltens angesehen werden. Vielmehr ist zu bedenken, daß die neuere Monographie vom Ansatz her „quer" zur Zurechnungslehre geschrieben wurde. Die erörterten Fragestellungen beziehen sich daher vielfach auf die einfach strukturierten Erfolgsdelikte, denen eine handlungsbezogene Risikodifferenzierung weithin fehlt. Deutet man Frischs Stellungnahmen dahingehend, daß zwar primär nach allgemeinen Konzeptionen Ausschau zu halten sei, ohne daß hierdurch jedoch einzeldeliktsbezogene Lösungen ausgeschlossen sind, so wäre insoweit eine methodische Übereinstimmung mit der vorliegenden Arbeit zu konstatieren. 18 6 Deutlich in diesem Sinne jüngst Herzberg, NZV 1990, 376 sowie ders., GA 1991, 149 ff. (150).

IV. Weitere einzeldeliktsübergreifende Argumentationsmodelle

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auf eine verhaltensbezogene Restriktion der Teilnahmestrafbarkeit gerichtet sind. Das gemeinsame Anliegen dieser allgemeinen Reduktionsmodelle besteht — wie etwa die Herausfilterung deliktsermöglichender Alltagshandlungen 187 veranschaulicht — darin, die Strafbarkeit solcher Verhaltensweisen zu verneinen, die bei normativer Betrachtung keine hinreichende Nähe zum eigentlichen (Haupt-) Tatgeschehen aufweisen. Eben dieses Erfordernis einer normativ zu bestimmenden Nähe 188 ist gemeint, wenn gesagt wird, das Teilnahmehandeln sei nur strafbar, wenn es einen „deliktischen Sinnbezug" aufweise 189 bzw. wenn es sich als „Solidarisierung mit dem Täter" 190 darstelle. Im Unterschied hierzu ist die Problematik der rollenwahrenden Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" anders strukturiert: Hier läßt sich ein hinreichend enger Bezug des Komplementärakts zur Tatbestandsverwirklichung nicht ernsthaft in Abrede stellen 191 ; es geht mithin — pointiert formuliert — nicht um eine Straflosigkeit wegen fehlender, sondern trotz „an sich" bestehender normativer Nähe der Mitwirkung. Diese Charakterisierung erhellt zugleich, daß sich die strafrechtliche Irrelevanz eines für die Deliktsverwirklichung unverzichtbaren Geschehensakts letztlich nur aus Umständen ergeben kann, die einen Bezug zum jeweiligen Einzeldelikt aufweisen. Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß sich der weithin postulierte Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung (bzw. der rollen wahrenden Beteiligung) des „notwendigen Teilnehmers" weder aus den von den Vertretern der herrschenden Meinung angeführten noch aus sonstigen einzeldeliktsübergreifenden Gesichtspunkten mit einer allgemeinen Gültigkeit ableiten läßt. Als Privilegierungskern kommt in diesem Bereich der „notwendigen Teilnahme" lediglich der konkrete Deliktstatbestand in Betracht. Immerhin hat der Blick auf die anderen allgemeinen Restriktionsmodelle (Sozialadäquanz, Regreßverbotslehre etc.) gezeigt, daß auch jenseits der „notwendigen Teilnahme" dogmatische Modelle zur verhaltensbezogenen Beschränkung der Teilnahmestrafbarkeit diskutiert werden. 187

Vgl. Frisch, Verhalten, S. 295 ff.; zu derartigen Fallkonstellationen s. ferner Jakobs, ZStW 89 (1977), 1 ff. (20 ff.); Schumann, Handlungsunrecht, S. 52 ff., 54 ff. und Roxin, Tröndle-FS (1989), S. 196 ff. «8 Zum Aspekt der „Nähe zur Tat" vgl. Frisch, Verhalten, S. 289 (Fn. 199) und Schumann, Handlungsunrecht, S. 57; zum situativen Bezug der Beurteilung vgl. ferner Wolter, Zurechnung, S. 348; Roxin, Tröndle-FS (1989), S. 195 f. sowie Stratenwerth, AT, Rdn. 1164 und Schünemann, Grund, S. 299 f. 189 Vgl. Frisch, Verhalten, S. 280 ff., 295 ff. 190 Schumann, Handlungsunrecht, S. 49 ff. 191 Vgl. im Hinblick auf den deliktsnotwendigen Komplementärakt auch die — freilich nicht speziell auf die „notwendige Teilnahme" bezogene — Äußerung Frischs (Verhalten, S. 289): „Verhaltensweisen, die sich i. d. S. objektiv ergänzend und auf den Angriff des eigentlichen Akteurs abgestimmt, also diesem ein- und angepaßt, in den deliktischen Angriff objektiv einfügen, sind schon deshalb... nur als eindeutig deliktisch sinnbezogene Aktionen qualifizierbar. Ganz entsprechendes gilt für Handlungen, die solche deliktischen Aktionen nur konsequent weiterführen, zum abgeschlossenen deliktischen Angriff komplettieren und deshalb objektiv eindeutig nur als deliktisch sinnbezogen begreifbar sind . . . " .

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5. Kap.: Kein allgemeingültiger Grundsatz strafloser R o l l e n h r u n g

Die moderne „Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten" weist durch das Kriterium des normrelevanten Risikos (bzw. der mißbilligten Gefahrschaffung) überdies den methodischen Weg, der auch für die Problematik der rollenwahrenden Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" zu beschreiten ist: die Straflosigkeit bestimmter Verhaltensweisen als Folge einer umfassenden Beurteilung der. deliktsspezifischen Gegebenheiten192.

!92 Weitergehend für eine generelle Verankerung der objektiven Zurechnung im Besonderen Teil Armin Kaufmann, Jescheck-FS Bd. I (1985), S. 270 f.; im gleichen Sinne vgl. zur Relevanztheorie Blei, AT, § 28 IV (= S. 104).

6. Kapitel

Die „notwendige Teilnahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte Die aus dem Fehlen eines einheitlichen Leitprinzips zu ziehende Konsequenz besteht darin, daß für die Problematik der „notwendigen Teilnahme" (jenseits der bereits untersuchten Straflosigkeit der Opfermitwirkung) allein eine einzeldeliktsbezogene Lösung in Betracht kommt. Bevor sich die Untersuchung gezielt einzelnen Straftatbeständen zuwendet, bedarf es jedoch noch eines kurzen Innehaltens, um Möglichkeiten und Grenzen eines derartigen Vorgehens zu verdeutlichen. Hierbei ist zunächst zu konstatieren, daß die nachfolgenden Untersuchungen zur Privilegierungsfrage hinsichtlich des Ergebnisses offen sind. Dies bedeutet zum einen, daß die von der herrschenden Meinung bislang vertretene Straflosigkeit der deliktsnotwendigen Mindestmitwirkung — ungeachtet der langwährenden Tradition des postulierten Grundsatzes — nicht als Gewohnheitsrecht anzuerkennen ist. Gewohnheitsrecht ist — mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts1 — zu charakterisieren als „Recht, das nicht durch förmliche Setzung, sondern durch längere tatsächliche Übung entstanden ist, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine sein muß und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird". Mag es hiernach auch prinzipiell gewohnheitsrechtliche Verfestigungen von durch Rechtsprechung und Lehre entwickelten Rechtsinstituten geben können 2 , so ist gleichwohl davor zu warnen, den Kreis derartiger dogmatischer „Besitzstände" zu weit zu ziehen; denn grundsätzlich muß die Möglichkeit erhalten bleiben, daß die Judikatur aus besserer Einsicht von früheren dogmatischen Positionen abrücken kann, wenn dies ohne Verletzung gesetzlicher Normen geschieht3. Abgesehen von diesem prinzipiellen Monitum scheitert eine gewohnheitsrechtliche Absicherung des dogmatischen Gesamtkomplexes „notwendige Teilnahme" daran, daß es sich — wie ι BVerfGE 22, 114 (121); vgl. femer Dreher / Tröndle, § 1 Rdn. 9 sowie Jescheck, AT, § 12 IV (= S. 99 ff.). 2 LK-Tröndle, § 1 Rdn. 27; kritisch demgegenüber jedoch Jakobs, AT, 4/46 f.; s. a. Stratenwerth, AT, Rdn. 92. 3 Wie hier auch SK-Rudolphi, § 1 Rdn. 21 und Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 103 Rdn. 112. Vgl. femer zur unterschiedlichen Bindungswirkung von Gewohnheits- und Richterrecht S/S-Eser, § 1 Rdn. 10; Maurach / Zipf, AT 1, 8 / 39; Stratenwerth, AT, Rdn. 91, 95 f. und Blei, AT, § 8 I 3 (= S. 22 f.); zum Ganzen schließlich auch Schreiber, JZ 1973, 716 und Hassemer, in: Kaufmann / Hassemer, Einführung, S. 226 ff. 11 Sowada

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

sowohl die historische Entwicklung als auch die Ungereimtheiten bezüglich der praktischen Handhabung belegen — bei diesem Rechtsinstitut keineswegs um ein harmonisch gewachsenes, konsistentes dogmatisches Gebilde handelt, das in permanenter und bewußter Anwendung als grundlegender Bestandteil der Strafrechtsdogmatik allseits akzeptiert und fortentwickelt worden wäre. Doch auch eine gewohnheitsrechtliche Verengung der jeweiligen Einzeltatbestände hinsichtlich der rollenwahrenden Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" ist abzulehnen; denn für das Konstitutivum jeden Gewohnheitsrechts, daß die langwährende Übung gerade Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung ist 4 , reicht es nach der billigenswerten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes 5 nicht aus, „daß sich weite Kreise in ihren vorausschauenden Maßnahmen auf die Nichtanwendung von Verboten eingerichtet haben". Dies muß um so mehr gelten, als es im vorliegenden Kontext nicht um die völlige Derogation eines Straftatbestandes geht, sondern lediglich die Teilnahmestrafbarkeit — und auch diese nur ausschnittsweise — betroffen ist. Kommt somit mangels gewohnheitsrechtlicher Verdichtung als bereits de lege lata zu beachtendes Ergebnis der einzeldeliktischen Analyse auch die Strafbarkeit selbst der denknotwendigen Mindestmitwirkung in Betracht, so bestehen umgekehrt jedoch auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, die (möglicherweise weiter gefaßte) Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" allein mittels einzeldeliktsbezogener Gesichtspunkte zu legitimieren. Es ist zwar zuzugeben, daß die Hauptaufgabe des Tatbestandes in der Festlegung täterschaftlichen Unrechts liegt, und auch das Akzessorietätsprinzip scheint auf den ersten Blick einer unmittelbaren Relevanz des Tatbestandes für den Teilnahmebereich entgegenzustehen. Gleichwohl wird hierdurch eine Bedeutung des Deliktstatbestandes (auch) als Privilegierungsbasis für Teilnahmehandlungen nicht schlechthin ausgeschlossen. Für die These, daß dem jeweiligen Einzeltatbestand auch bezüglich der Teilnahmestrafbarkeit Aussagewert zukommt, ist zunächst auf die Identität des Angriffsgegenstandes von Täterschaft und Teilnahme6 zu verweisen; weiterhin setzt sich in der dogmatischen Beurteilung der Teilnahmelehre verstärkt die Erkenntnis durch, daß die Teilnahme — ungeachtet der Geltung des Akzessorietätsprinzips — einen (partiell) eigenständigen Unrechtsgehalt aufweist 7, der nicht allein aus den §§26 ff. StGB resultiert, sondern mitbestimmt wird durch die sich aus dem jeweiligen Straftatbestand ergebenden Strafbarkeitsanforderungen 8. Be4 Vgl. oben Fn. 1 sowie H. J. Sack, JR 1983, 123 f. und Vormbaum, JR 1979, 477 f. 5 BGHSt. 5, 13 (24); s. a. BGHSt. 8, 360 (381 f.). 6 Vgl. dazu oben 3. Kap. II. 7 Vgl. insbesondere die jüngst von Stein (Beteiligungsformenlehre, S. 88 f., 241 ff. und passim) entwickelte Konzeption der „vollständigen Personalisierung des Unrechtsbegriffs"; s. a. Schumann, Handlungsunrecht, S. 44 ff., 49 ff. und Sax, ZStW 90 (1978), 927 ff. (931). 8 Deutlich in diesem Sinne jüngst Frisch, Verhalten, S. 301 f.; ebenso bereits Fincke, Verhältnis, S. 62 f.; vgl. auch Mitsch, Provokation, S. 161 f. (zu den nichtakzessorischen „gewöhnlichen persönlichen Merkmalen") sowie Herzberg, GA 1991, 145 ff.

6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

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treffen diese Gesichtspunkte die prinzipielle Frage nach der Unrechtsstruktur der Teilnahme, so unterstreichen mehrere beispielhaft heranzuziehende Strafnormen 9 die Möglichkeit einer (sei es auch nur als deliktsspezifische Ausnahme vom Akzessorietätsprinzip) aus dem Deliktstatbestand abgeleiteten Privilegierung im Teilnahmebereich. Für die nachfolgende Klärung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Verhalten des „notwendigen Teilnehmers" straflos bleibt, bedarf es der Aufhellung sowohl der strafrechtsdogmatischen als auch der kriminalpolitischen Aspekte der jeweiligen deliktstypischen Mitwirkungsformen. Die Tatsache, daß die These von der straflosen Mindestmitwirkung seit nunmehr über 100 Jahren weitgehende Akzeptanz erfahren hat, deutet darauf hin, daß die Strafwürdigkeit solcher Verhaltensweisen — zumindest intuitiv — als gering bewertet wird; denn erschiene eine derartige Straflosstellung vom Ergebnis her als unannehmbar, so hätte sich die Lehre von der „notwendigen Teilnahme" wohl kaum derart unangefochten behaupten können 10 . Allerdings ist die Verneinung hinreichender Strafwürdigkeit nicht geeignet, die Straflosigkeit entsprechender Verhaltensweisen unmittelbar zu legitimieren. Vielmehr handelt es sich bei der Strafwürdigkeit um ein normatives Leitprinzip, das der dogmatischen Umsetzung (insbesondere im Rahmen der Auslegung der betreffenden Strafnormen 11) bedarf 12. Gelingt es nicht, die kriminalpolitische Beurteilung in ein überzeugendes dogmatisches Konzept einzubetten, so reduziert sich der Wert einer Verneinung der Strafwürdigkeit auf eine Aufforderung an den Gesetzgeber zu einer angemessenen Normengestaltung (bzw. an die Strafverfolgungsbehörden zu einer entsprechenden Handhabung der strafprozessualen Möglichkeiten der Einstellung des Strafverfahrens). Macht die kriminalpolitische Analyse somit eine dogmatische Erörterung nicht entbehrlich, so erschiene es ebenso verfehlt, das Privilegierungsproblem ausschließlich unter strafrechtsdogmatischen Vorzeichen zu diskutieren und die kriminalpolitischen Aspekte generell auszublenden. Gegen ein solches Vorgehen spricht zum einen die Tatsache, daß Kriminalpolitik und Strafrechtsdogmatik eng miteinander verwoben sind 13 , so daß eine Offenlegung der dogmatischen 9 Vgl. exemplarisch zu den §§ 331 ff. StGB SK-Rudolphi, § 333 Rdn. 16 ff.; weitere Beispiele finden sich bei Sommer, JR 1981, 490 ff. (zur verselbständigten Teilnahme). 10 Insoweit gilt die von Herzberg (JuS 1986, 252) in einem anderen Zusammenhang getroffene Feststellung auch hier: „ . . . denn Theorien pflegen stillschweigend außer Kraft gesetzt zu werden, wo sie ihr Versprechen, überzeugende Resultate zu liefern, nicht einlösen können". n Exemplarisch hierzu Blei, Henkel-FS (1974), S. 109 ff.; vgl. ferner jüngst Naucke, JuS 1989, 865 (zu § 240 StGB). ι 2 Zur „Strafwürdigkeit" und „Strafbedürftigkeit" vgl. Bloy, Beteiligungsform, S. 30 ff., 35 ff. Mag es sich hierbei auch um wertvolle Kontrollmechanismen gegenüber einer „Überkriminalisierung" handeln, so ist eine eigenständige Deliktskategorie der „Strafwürdigkeit" und / oder „Strafbedürftigkeit" nicht anzuerkennen; vgl. hierzu Otto, Schröder-GS (1978), S. 53 ff.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 240 ff.; Volk, ZStW 97 (1985), 871 ff. (876 ff., 894 ff.) sowie umfassend» zum Ganzen die Dissertation von Altpeter, Strafwürdigkeit und Straftatsystem (1990), insbesondere S. 47 ff., 282 ff. 11*

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

Wertentscheidungen nur gelingt, wenn auch die diesem Resultat vorgelagerten kriminalpolitischen Gesichtspunkte erkennbar sind. Ferner ist zu bedenken, daß eine dogmatisch geradezu erzwungene Privilegierung nicht zu erwarten ist; bezüglich nur vertretbarer Privilegierungskonzeptionen ist die Frage der kriminalpolitischen Sinnhaftigkeit eines derartigen materiellen Strafbarkeitsverzichts aber durchaus von Bedeutung. Auch für die gegenteilige Konstellation, daß eine Privilegierung dogmatisch nicht (hinreichend) begründbar erscheint, bedarf es der kriminalpolitischen Beurteilung, um insoweit wirklich überzeugend für eine Aufgabe der Straflosigkeit der „notwendigen Teilnahme" eintreten zu können oder aber einen legislatorischen Handlungsbedarf zur ausdrücklichen Normierung einer solchen Privilegierung festzustellen. Schließlich gilt es zu beachten, daß die vorliegende Arbeit weitgehend neue Wege beschreitet 14, indem sie sich bemüht, das durch die Ablehnung der herrschenden Ansicht entstandene Argumentationsvakuum unter Rückgriff auf den jeweiligen Einzeltatbestand durch strafrechtsdogmatische und kriminalpolitische Aspekte auszufüllen. Diese Feststellung bedingt die Einsicht, daß sich im Zuge der mit dieser Arbeit eröffneten einzeldeliktischen Diskussion durchaus auch andere als die hier entwickelten Resultate ergeben können, indem entweder bestimmte Argumente anders gewichtet oder weitere Gesichtspunkte in eine umfassendere Beurteilung eingebracht werden. Die nachfolgenden Untersuchungen tragen somit topischen Charakter; sie sind weniger als endgültiges Fazit denn als erster Diskussionsbeitrag aufzufassen. Eine weitere Konsequenz der deliktsbezogenen Perspektive besteht darin, daß die Einzelbetrachtung nicht auf alle nur denkbaren (auch: Neben-)Strafrechtsnormen mit „notwendiger Teilnahme" erstreckt werden kann. Ist Vollständigkeit nicht erreichbar, so orientiert sich die zu treffende Auswahl an der Bedeutung, die einer bestimmten Strafnorm im Kontext der „notwendigen Teilnahme" zukommt. Es ist daher vornehmlich auf jene Delikte einzugehen, die in der strafrechtlichen Literatur in besonderer Weise als Anwendungsfälle dieses Rechtsinstituts erörtert werden oder die eine besondere praktische Relevanz aufweisen. Die Begutachtung jener exemplarischen Strafrechtsnormen fördert möglicherweise Bewertungsaspekte zutage, die sich auch in bezug auf andere, vorliegend ausgeklammerte Delikte als Ausgangspunkt für weitergehende Untersuchungen eignen könnten. 13 Zum Verhältnis zwischen Kriminalpolitik und Strafrechtsdogmatik vgl. allgemein Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem (1970), insbesondere S. 9 f., 40 f.; Hassemer, Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik (1974); Gössel, Peters-FS (1974), S. 41 ff. (51 f.); Amelung, in: Schünemann, Grundfragen, S. 85 ff. (88 f.) und Neumann, ZStW 99 (1987), 570 ff.; s. a. Wolter, Zurechnung, S. 64 („die Dogmatik [wird] von der Kriminalpolitik getragen") sowie Zipf, Kriminalpolitik, S. 22 ff., 26 ff. (insbesondere S. 28: „arbeitsteiliges Zusammenwirken zwischen Gesetzgebung und Rechtsanwendung bei der Realisierung kriminalpolitischer Vorstellungen"). 14 Eine ähnliche Untersuchungsmethode liegt jedoch der Arbeit von Blesse (Grund und Formen der notwendigen Teilnahme [1928]) zugrunde.

I. Die Mitwirkung des begünstigten Gläubigers (§ 283 c StGB)

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Die nachfolgende Einteilung der jeweiligen Einzeldelikte zu Sachgruppen (Wirtschafts-, Rechtspflege- und Sexualdelikte) dient lediglich der Strukturierung des Untersuchungsgegenstandes; diesem Zweck entsprechend erfolgt die Zusammenfassung mehr unter dem Aspekt eines ähnlichen Lebensbereichs denn im Hinblick auf eine wirkliche Identität des tatbestandlich geschützten Rechtsguts. Im Bereich der Wirtschaftsdelikte ist die Untersuchung zunächst auf die partielle Straflosigkeit des an seiner Begünstigung mitwirkenden Gläubigers (§ 283 c StGB) gerichtet. Während auf eine Erörterung der — in früheren Arbeiten mehrfach behandelten15 — Verstöße gegen Höchstpreisbestimmungen mangels praktischer Relevanz verzichtet wird, soll — gerade im Hinblick auf die bestehende tatsächliche Bedeutung — das Verhalten des Erwerbers von Raubkopien oder sonstiger Erzeugnisse der sog. Produktpiraterie in die Untersuchung einbezogen werden.

I . Die Mitwirkung des begünstigten Gläubigers (§ 283 c StGB) Ungeachtet der zunehmenden praktischen Bedeutung der Wirtschaftskriminalität im allgemeinen16 und der Konkursdelikte im besonderen 17 spielt das Delikt der Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB) in der heutigen Strafrechtswirklichkeit nur eine untergeordnete Rolle 18 . Im Rahmen der strafrechtsdogmatischen Auseinandersetzung über die „notwendige Teilnahme" weist dieses Delikt hingegen einen geradezu prototypartigen Charakter auf. Dieser herausgehobene dogmatische Stellenwert ist zum einen historisch bedingt, betrafen doch die ersten höchstrichterlichen Entscheidungen zur Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" bekanntlich 19 die Gläubigerbegünstigung; zudem zeigt sich bei näherem Hinsehen, daß sich die von der Rechtsprechung entwickelte Grenzlinie der straflosen Mindestmitwirkung erst als Kompromiß zwischen unterschiedlichen Grundkonzeptionen herausgebildet hat. Der zweite Grund dafür, daß die Gläubigerbegünsti15 S. etwa Lange, Notwendige Teilnahme, S. 24; Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 100 ff., 178 sowie Wolter, JuS 1982, 349 und LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 36 (a. E.); vgl. femer die Judikatur des Reichsgerichts in RGSt. 51, 131; 52, 3; 70, 344 (347 f.); 73, 137 und 75, 266 (275 f.). 16 Vgl. den Überblick bei Weber, in: Arzt/Weber, LH 4, Bern. 1 ff., 14 sowie den Abschlußbericht zur „Bundesweiten Erfassung von Wirtschaftsstraftaten nach einheitlichen Gesichtspunkten" (BWE) von Liebl, wistra 1988, 83 ff. 17 Speziell zu den Konkursdelikten vgl. LK-Tiedemann, vor § 283 Rdn. 9 ff.; Maurach / Maiwald, BT 1,48 / 3 und die Zusammenstellung statistischen Materials bei Liebl, Geplante Konkurse? (1988). is Von allen erfaßten Strafverfahren entfallen ca. 3% auf Wirtschaftsstraftaten (Liebl, wistra 1988, 83); der Anteil des § 283 c StGB an den vv/mcÄa/testrafrechtlichen Ermittlungsverfahren liegt bei etwas mehr als 3% (vgl. Liebl aaO. S. 87 sowie ders., Konkurse, S. 45). Die in der amtlichen Strafverfolgungsstatistik für die Jahre 1983 bis 1987 genannten Aburteilungszahlen weisen bezüglich des § 283 c StGB jährlich zwischen 22 und 27 Personen aus. 19 Vgl. oben 5. Kap. II. 1.

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

gung als besonders markanter Anwendungsfall des Rechtsinstituts „notwendige Teilnahme" gelten kann, liegt darin, daß bei diesem Delikt über das konkrete Ergebnis — Straflosigkeit nur bezüglich der rollenwahrenden Mitwirkung — weitgehend Einigkeit besteht20. Anders als etwa bei der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) oder der Kuppelei (§ 180 StGB) stimmt das Schrifttum bezüglich der Gläubigerbegünstigung der von der Rechtsprechung angenommenen Beschränkung der Straflosigkeit auf die deliktsnotwendige Mindestbeteiligung überwiegend zu; die in neuerer Zeit geäußerten kritischen Stellungnahmen treten nicht etwa für eine umfassende Straflosigkeit 21, sondern im Gegenteil für eine uneingeschränkte Teilnahmestrafbarkeit des mitwirkenden Gläubigers 22 ein.

1. Die Privilegierung des Gläubigers im Lichte der allgemeinen Auslegungsmethoden Da sich die für und gegen eine (partielle) Straflosigkeit des Gläubigers sprechenden Argumente nicht völlig unverbunden einander gegenüberstellen lassen, orientiert sich die nachfolgende Darstellung an dem herkömmlichen Kanon der Auslegungsmethoden23. Als „roter Faden" wird hierbei nach deliktsbezogenen Ansatzpunkten für eine (partielle) Straflosigkeit gefragt; die widerstreitenden Gesichtspunkte werden hierbei inzident abgehandelt. Als unergiebig erweist sich insoweit allerdings der auf den Wortlaut bezogene grammatikalische Aspekt. Denn es versteht sich von selbst, daß ein Verhalten, das zur Verwirklichung des Deliktstatbestandes denknotwendig ist, die semantischen Grenzen des „Hilfeleistens" zur Tat gemäß §§ 283 c, 27 StGB nicht überschreitet. Es liegt im Gegenteil sogar nahe, den begünstigten Gläubiger als eine Art „juristischen Hauptgehilfen" 24 zu betrachten und die Vornahme des delikts20 Vgl. nur LK-Tiedemann, § 283 Rdn. 35 (mit weiteren Nachweisen) sowie die oben 5. Kap. in Fn. 23 angegebenen Nachweise. 21 Zu einer umfassenden Straflosigkeit des Gläubigers gelangt allerdings Zöller (Notwendige Teilnahme, S. 230 ff., 241 ff.). Hinsichtlich des § 283 c StGB könnte an einen „mittäterschaftsähnlichen" Charakter allein im Hinblick auf die rechtsgeschäftsähnliche Deliktsstruktur (vgl. Zöller aaO. S. 64 ff., 219 und Vormbaum, GA 1981, 131 f.) gedacht werden. Neben diesem Aspekt stellt Zöller (aaO. S. 176 f.) jedoch auch maßgeblich darauf ab, daß der begünstigte Gläubiger Mitinhaber der Tatherrschaft sei, weil es „in erster Linie von dem Gutdünken eines Gläubigers" abhänge, ob der Konkursschuldner den von ihm als Gegenleistung für die Hingabe der Deckung erwarteten „ungefähr äquivalenten Vorteil" tatsächlich erhält. Dieser Begründung ist indes zu widersprechen; denn andernfalls würde auch der einen Bravo dingende Anstifter zum Mittäter, nur weil er die Herrschaft über die Auszahlung des vereinbarten Entgelts hätte. Zur Konzeption von Zöller vgl. auch allgemein oben 2. Kap. II. 1 sowie unten Fn. 24. 22 So insbesondere Herzberg, Täterschaft, S. 138 f. und Jakobs, AT, 24/ 12 (a. E.). 23 Zu den vier Methoden der Auslegung (grammatische, systematische, historische und teleologische Methode) vgl. statt aller Jescheck, AT, § 17 IV (= S. 137 ff.). 24 Als „Hauptgehilfe" wurde von den Vertretern der sog. „Notwendigkeitstheorie" eine Person bezeichnet, ohne deren Mitwirkung eine Straftat nicht ausgeführt werden

I. Die Mitwirkung des begünstigten Gläubigers (§ 283 c StGB)

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notwendigen Komplementäraktes dem Begriffskern 25 der „Beihilfe zu § 283c StGB" zuzuordnen. Vor diesem Hintergrund wäre sodann methodenrechtlich die weitere Frage zu stellen, ob die Straflosigkeit dieses Verhaltens überhaupt im Wege der Auslegung erzielt werden kann oder ob es sich hierbei angesichts des Eingriffs in den Begriffskern nicht allenfalls um eine — strengeren Maßstäben unterliegende — sog. teleologische Reduktion 26 handeln könnte. Dieser eher theoretische Aspekt soll an dieser Stelle jedoch nicht weiterverfolgt werden. Denn zum einen sind Gesetzesauslegung und teleologische Reduktion als Ausprägung richterlicher Rechtsfortbildung wesensverwandt; sie erscheinen „als voneinander verschiedene Stufen desselben gedanklichen Verfahrens" 27. Zum anderen sind diese methodenrechtlichen Grundfragen im vorliegenden Kontext erst dann klärungsbedürftig, wenn sich hinreichende Sachgesichtspunkte für eine (partielle) Straflosigkeit des mitwirkenden Gläubigers aufzeigen lassen. Die Entstehungsgeschichte des Delikts der Gläubigerbegünstigung 28 scheint die — im Prinzip auch von der herrschenden Meinung vertretene — Betrachtungsweise zu unterstützen, daß eine unbeschränkte Teilnahmestrafbarkeit des begünstigten Gläubigers abzulehnen sei. Hatte die preußische Konkursordnung von 1855 noch mittels eines eigenen Tatbestandes (§ 309 29 ) denjenigen Gläubiger mit Strafe bedroht, „welcher nach erlangter Kenntnis von der Zahlungseinstellung zu seiner Begünstigung und zum Nachtheil der übrigen Gläubiger einen besonderen Vertrag mit dem Gemeinschuldner oder dessen Erben eingeht", so wurde bei der Schaffung der Reichskonkursordnung von 1877 auf die Übernahme einer solchen Vorschrift bewußt verzichtet. Zur Begründung dieser Entscheidung wird in den Motiven zur Reichskonkursordnung 30 ausgeführt, die Bestimmung sei „mit Recht als zu hart getadelt worden"; denn „der Gläubiger verfolgt sein Recht, verletzt er dabei den Konkursanspruch der anderen, so kann er wohl civilrechtlich unwirksam handeln, aber nicht bestraft werden". Bietet diese Stelle in den Gesetzesmaterialien somit tatsächlich einen Fingerzeig für eine legislatorische Privilegierungsabsicht, so darf der argumentative kann; vgl. dazu Roxin, Täterschaft, S. 38 ff., 301; Bloy, Beteiligungsform, S. 67 ff.; s. a. Jakobs, AT, 22 / 37 („notwendiger Gehilfe"). In bezug auf die Konzeption von Zöller (s. oben Fn. 21) ist darauf hinzuweisen, daß die Unentbehrlichkeit eines Tatbeitrages der betreffenden Person keineswegs eo ipso Tatherrschaft verleiht; auch der „Hauptgehilfe" ist vielmehr Gehilfe. 25 Zur Unterscheidung zwischen „Begriffskern" und „Begriffshof 4 vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 337 ff. (338) und Schünemann, Klug-FS Bd. I (1983), S. 177 ff. 26 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 351 ff., 354 ff. und Schünemann, Klug-FS Bd. I (1983), S. 175 f. 27 So wörtlich Larenz, Methodenlehre, S. 351. 28 Zur Gesetzgebungsgeschichte des heutigen § 283 c StGB vgl. Vormbaum, GA 1981, 101 ff. 29 Eine entsprechende Regelung bezüglich des Konkurses von Nichtkaufleuten enthielt § 341 der preußischen Konkursordnung; vgl. Vormbaum, GA 1981, 103. 30 Die nachfolgenden wörtlichen Zitate sind enthalten in der Entscheidung RGSt. 2, 439 (440 f.).

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

Wert dieses Befundes doch nicht überschätzt werden 31 . Denn erstens kommt der Gesichtspunkt der mit zunehmendem Zeitablauf einhergehenden Abschwächung des historischen Arguments vorliegend deutlich zum Tragen 32 , zumal die zahlreichen nachfolgenden Neuregelungen der Bankrottdelikte keinen Anhaltspunkt für eine entsprechende Bekräftigung des früheren legislatorischen Willens enthalten 33 . Als zweiter Umstand ist festzustellen, daß die heute überwiegend angenommene Beschränkung der Straflosigkeit auf die bloße Entgegennahme des Vorteils keine Stütze in den Materialien zur Reichskonkursordnung findet. Die zitierte Formulierung legt vielmehr einen umfassenden persönlichen Strafausschließungsgrund bezüglich dieses Delikts nahe, und tatsächlich wurden die Motive der Reichskonkursordnung im älteren Schrifttum 34 überwiegend in dieser Weise interpretiert. Versagt also auch die herrschende Meinung dem ursprünglichen historischen Gesetzgeber partiell die Gefolgschaft 35, so erhellt hieraus, daß die über 100 Jahre zurückliegende legislatorische Entscheidung heute nicht mehr als absolut verpflichtend angesehen wird. Die Limitierung der Straflosigkeit wurde — wie dargestellt 36 — vom Reichsgericht gleichsam „erfunden", und Anhaltspunkte für eine nachfolgende gesetzgeberische Billigung sind nicht ersichtlich. In systematischer Hinsicht begegnet die (partielle) Straflosigkeit der Teilnahme des begünstigten Gläubigers an einer Tat gemäß § 283 c StGB tiefgreifenden Bedenken. So ist insbesondere nicht einzusehen, daß das entsprechende Gläubigerverhalten in der Einzelzwangsvollstreckung als Beihilfe zur Vollstreckungsvereitelung strafbar sein soll. Das denkbare Kriterium einer unterschiedlichen formalen Deliktsstruktur des § 288 StGB im Vergleich zu § 283 c StGB rechtfertigt diese Diskrepanz nicht, eben weil — wie gezeigt 37 — ein rein formal begrün31 Kritisch gegenüber der historischen Argumentation in bezug auf die Gläubigerbegünstigung bereits Blesse, Grenzen, S. 31 ff. 32 Ergänzend ist daraufhinzuweisen, daß sich mit den Veränderungen des Wirtschaftslebens auch die kriminologischen Tatbilder erheblich gewandelt haben. Dies zeigt sich ζ. B. daran, daß der Anteil der Einzelkaufleute an den Insolvenzdelikten etwas weniger als 20% beträgt (vgl. Liebl, Konkurse, S. 83; s. a. LK-Tiedemann, vor § 283 Rdn. 18); die kriminalphänomenologisch dominierenden Unternehmensformen sind aber erst nach der Einführung der Reichskonkursordnung (1877) entstanden. 33 Einen kurzen Abriß der Entwicklung der gesetzlichen Bestimmungen gibt LKTiedemann, vor § 283 Rdn. 34 ff. Den Verzicht auf den Tatbestand des Stimmenverkaufs begründete der E 62 (vgl. Begründung vor § 271 = BT-Ds. IV/650, S. 445) nicht mit einem weitergehenden Privilegierungswillen, sondern mit der praktischen Bedeutungslosigkeit des früheren § 243 KO. 34 Ausführlich v. Kries, ZStW 7 (1887), 547 ff. (553); Zadek, GS Bd. 40 (1888), 561 ff., 576 ff. und Dalcke, GA Bd. 37 (1889), 342 ff., 349 ff.; vgl. femer Olshausen / Zweigert, §241 KO Anm. 11 sowie aus heutiger Sicht zu diesem Meinungswandel Vormbaum, GA 1981, 132. 35 Auf den Umstand, daß sich durchaus divergierende Auffassungen auf die Motive zur Reichskonkursordnung berufen, hat bereits Blesse (Grenzen, S. 32) hingewiesen. 36 Vgl. oben 5. Kap. II. 1. 37 Speziell zur Gegenüberstellung von § 283 c und § 288 StGB vgl. oben 5. Kap. III. 1.

I. Die Mitwirkung des begünstigten Gläubigers (§ 283 c StGB)

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deter und von den materiellen Umständen der betreffenden Deliktstatbestände abstrahierender Grundsatz strafloser Mindestmitwirkung nicht existiert. Freilich könnte die im Vergleich zu § 288 StGB bestehende Ungereimtheit dadurch vermieden werden, daß man künftig auch für jenes Delikt den mitwirkenden Gläubiger für straflos jedenfalls dann erachtet, wenn sein Beitrag sich in der bloßen Entgegennahme des durch den Schuldner veräußerten Gegenstandes erschöpft. Im Rahmen der Frage nach einer teleologisch legitimierbaren Einschränkung der Teilnahmestrafbarkeit des begünstigten Gläubigers ist zunächst die dem § 283 c StGB eigene Privilegierungsstruktur 38 offenzulegen. Bei der Gläubigerbegünstigung handelt es sich um einen Sonderfall des „Beiseiteschaffens" im Sinne des § 283 I Nr. 1 StGB. Der Schuldner (!) verdient in den Fällen des § 283c StGB eine gegenüber § 283 StGB mildere Beurteilung insofern, als er sein Vermögen dem Zugriff der Gläubiger nicht schlechthin entzieht; er verstößt durch die inkongruente Leistung an einen Gläubiger nur gegen das Prinzip der gleichmäßigen Verteilung seines Vermögens. Der genannte Privilegierungsaspekt entfaltet zugleich eine tatbestandliche Sperrwirkung. Hiermit ist gemeint, daß in den Fällen, in denen die Anforderungen des § 283 c StGB nicht erfüllt sind, weil der einem Gläubiger gewährte Vorteil eine kongruente Leistung darstellt oder weil der Schuldner nicht in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit handelt, nicht auf die allgemeine Vorschrift des § 283 I Nr. 1 StGB zurückgegriffen werden darf. Leistungen des Schuldners an einen Gläubiger sind also nur unter den Voraussetzungen des § 283 c StGB strafbar; im übrigen sind derartige Verhaltensweisen straflos, obwohl sie die Interessen der Gläubigergemeinschaft auf gleichmäßige Befriedigung beeinträchtigen.

2. Der Interessenkonflikt innerhalb der Gläubigergemeinschaft Wendet sich das dargestellte, auf spezifisch konkursrechtlichen Erwägungen basierende Privilegierungskonzept zunächst an die Person des Schuldners, so ist weiterhin zu fragen, inwieweit die in § 283 c StGB erfaßte deliktstypische Besonderheit auch Anhaltspunkte für eine Privilegierung des mitwirkenden Gläubigers enthält 39 . Hierbei springt vor allem der schon in den Motiven zur Reichskonkurs38 Zum Privilegierungscharakter der Gläubigerbegünstigung (und zur damit verbundenen Sperrwirkung) vgl. ausführlich Vormbaum, GA 1981, 122 ff.; s. a. BGHSt. 8, 55 (56 f.); LK-Tiedemann, Rdn. 1, 5, 36; S/S-Stree, Rdn. 1 und Dreher ! Tröndle, Rdn. 2 jeweils zu § 283 c. 39 Die Tatsache, daß auch im Rahmen des § 283 StGB die rollen wahrende Mitwirkung von Geschäftspartnern und Mitspielern des Schuldners, die nicht Gläubiger im Sinne des § 283 c StGB sind, nach herrschender Meinung unter dem Aspekt der „notwendigen Teilnahme" straflos bleiben sollen (vgl. BGH bei Herlan, GA 1956, 348 sowie S/SStree, Rdn. 65 und LK-Tiedemann, Rdn. 222 jeweils zu § 283), berechtigt allerdings zu der Frage, ob der Privilegierungsgedanke im Bereich der Teilnahme an den §§ 283 ff. StGB für die Vertreter der herrschenden Ansicht wirklich an die besondere Gläubigerstellung anknüpft. Theoretisch eröffnet dieser Hinweis eine weitere Argumentationsmöglich-

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

Ordnung genannte Umstand ins Auge, daß der Gläubiger „sein Recht" verfolge. Allerdings reicht der Umstand, daß die Entgegennahme des vom Schuldner geleisteten Vorteils aus der Sicht des Gläubigers selbstbegünstigenden Charakter trägt, für die Annahme einer Privilegierung nicht aus; denn grundsätzlich erfolgt im Bereich der vermögensbezogenen Selbstbegünstigung eine Privilegierung nur in Gestalt der (hier nicht einschlägigen) mitbestraften Nachtat 40 . Immerhin könnte man dem entgegenhalten, daß es dem Gläubiger nicht um die egoistische Erlangung eines unrechtmäßigen Vermögensvorteils gehe; vielmehr steht ihm tatsächlich ein auch im Konkurs (partiell) zu beachtender zivilrechtlicher Anspruch auf Befriedigung zu 4 1 , so daß sich der gegen den Gläubiger zu erhebende Vorwurf nicht gegen das angestrebte Ziel als solches, sondern lediglich auf die Art und Weise der — unter Ausschaltung der übrigen Gläubiger vorgenommenen — Interessenverfolgung richte42. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß die Dinge so einfach nicht liegen. So ist zunächst zu bedenken, daß der Gläubiger bezüglich des Vorteils — in einer dem Zivilrecht entlehnten Terminologie gesprochen — als „Nichtmehr-", „Noch-nicht-" oder „Nicht-so-Berechtigter" erscheinen muß, da andernfalls bereits die Haupttat des § 283 c StGB angesichts fehlender Inkongruenz des Vorteils entfiele 43 . Weiterhin findet die mit dem Tatbestandsmerkmal „Gläubiger" implizierte grundsätzliche „Basisberechtigung" bereits dadurch Berücksichtigung, daß ohnehin nur eine Teilnahme an dem Privilegierungstatbestand des § 283 c StGB in Betracht kommt. Diese Beachtlichkeit der Gläubigerposition ist auch durchaus angemessen; denn es handelt sich hierbei gerade um die spiegelbildliche Verkehrung des aus der Schuldnerperspektive maßgeblichen Umstandes, daß der hingegebene Vermögenswert nicht völlig den Kreis der Berechtigten verläßt 44 . Es verdient ferner Zustimmung, daß der Bundesgerichtshof in einer keit: Könne schon der „normale" Geschäftspartner nicht bestraft werden (reibungsloser Ablauf des Wirtschaftslebens [?], Vermeidung eines ineffektiven Einsatzes von Strafverfolgungsressourcen), so müsse dies „erst recht" für den Gläubiger bei § 283 c StGB gelten. Dem ist entgegenzuhalten, daß die erforderlichen Korrekturen bereits bei der Tatbestandsauslegung bezüglich der Haupttat anzubringen sind; vgl. auch Tiedemann aaO Rdn. 25 ff. sowie (bezüglich des § 283c StGB) den nachfolgenden Text. 40 Vgl. oben 2. Kap. (zu) Fn. 17. 41 Die Fälle der Zuvielleistung sind nach herrschender Meinung nicht dem § 283 c StGB, sondern dem § 283 StGB zuzuordnen; vgl. (auch zur Frage unwirksamer Rechtsgeschäfte) S/S-Stree, Rdn. 9; LK-Tiedemann, Rdn. 18, 37 jeweils zu § 283 c sowie Vormbaum, GA 1981, 107 f. 42 In diesem Zusammenhang könnte auch darauf verwiesen werden, daß es im Rahmen des § 263 StGB für straflos erachtet wird, wenn jemand einen ihm zustehenden Anspruch unter Präsentation gefälschter Beweismittel realisiert; vgl. LK-Lackner, § 263 Rdn. 248, 317. 43 Dreher / Tröndle, Rdn. 9; S/S-Stree, Rdn. 8 und LK-Tiedemann, Rdn. 17 ff. jeweils zu § 283 c. 44 Immerhin ist selbst die Tragfähigkeit dieses Privilegierungsaspekts rechtspolitisch nicht unbestritten. So heißt es in der Begründung zum Alternativentwurf (Besonderer Teil, Straftaten gegen die Wirtschaft, Vorbemerkung vor § 192 = S. 81): „Auf eine

I. Die Mitwirkung des begünstigten Gläubigers (§ 283 c StGB)

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jüngst ergangenen Entscheidung45 den Anwendungsbereich der Schuldnerbegünstigung (§ 283 d StGB) für die Person des Gläubigers unter Rückgriff auf die in § 283 c StGB enthaltene gesetzliche Wertung eingeschränkt hat 46 . Auch ohne Heranziehung der „notwendigen Teilnahme" ergibt sich aus der Sicht des Gläubigers folgendes Bild: Solange der Gläubiger nur die tatsächlich geschuldete („kongruente") Leistung erhält, bleibt er mangels Haupttat ungeachtet der hierdurch für die übrigen Konkursgläubiger bewirkten Verringerung der Konkursquote straflos. Bei „inkongruenter" Leistung durch den Schuldner wirkt sich die Gläubigereigenschaft immerhin in der Anwendung des milderen Strafrahmens des § 283c StGB aus 47 . Ob über diese unumstrittene Besserstellung hinaus eine weitergehende Privilegierung des Gläubigers^unter dem Aspekt der „notwendigen Teilnahme" angezeigt ist, erscheint aus mehreren Gründen zweifelhaft. Die Inkongruenz wird nach einhelliger Ansicht im Rahmen des § 283 c StGB anhand der für § 30 Nr. 2 KO geltenden Maßstäbe bestimmt 48 . Das heißt aber, daß der an einem inkongruenten Geschehen beteiligte Gläubiger zwangsläufig die ihm durch das sachnähere Spezialgesetz — die Konkursordnung — zugewiesene „Rolle" überschreitet. Auch wenn hieraus nicht automatisch auf die uneingeschränkte Strafbarkeit derartiger Verhaltensweisen geschlossen werden kann, läßt sich folgendes nicht übersehen: Verwendet man das im Zusammenhang mit der „notwendigen Teilnahme" diskutierte Kriterium der Rollenwahrung nicht in einem rein formalen, auf die Denknotwendigkeit einer Handlung für die Deliktsverwirklichung beschränkten Sinne, so erscheinen für eine „materielle" Beurteilung vor allem die Bestimmungen der Konkursordnung von Bedeutung; denn diese Vorschriften balancieren in normativer Weise die Handlungsfreiheit des um seine besondere Vorschrift der Gläubigerbegünstigung ist verzichtet worden, weil die Fälle, in denen eine Strafmilderung gegenüber sonstigen Konkursstraftaten geboten ist, sich nicht in befriedigender Weise abschließend regeln lassen. . . . die Berechtigung einer Privilegierung (ist) zweifelhaft, wenn ein finanziell gut gestellter Gläubiger begünstigt wird und dadurch die übrigen Gläubiger durch den Konkurs besonders hart getroffen werden. Die Verfasser des AE sind daher der Meinung, daß es dem Richter überlassen sein soll, im Rahmen der Strafzumessung die besondere Situation einer Gläubigerbegünstigung auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen." 45 BGHSt. 35, 357; zustimmend hierzu Otto, JK, StGB § 283d/l. Dieses Urteil bewirkt eine Extension des § 283 c StGB auch insoweit, als für das Merkmal „Gläubiger" nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit, sondern auf den Zeitpunkt der Vornahme der Tathandlung abgestellt wird (aaO. S. 361; s. a. LK-Tiedemann, § 283 c Rdn. 8). 46 Für den Fall der Personenidentität von Schuldner und Gläubiger hat derselbe (1.) Strafsenat in BGHSt. 34, 221 ausschließlich § 283 StGB (also nicht § 283 c StGB) für anwendbar erklärt; die gegen dieses Urteil erhobene Kritik ÇWeber, StV 1988, 16 ff. [18]; Winkelbauer, JR 1988, 33 ff. [35 f.] und Achenbach, NStZ 1989, 503) erscheint berechtigt. 47 Ob außerdem die Strafmilderungsvorschrift des § 28 I StGB Anwendung findet, ist umstritten; vgl. (bejahend) Dreher / Tröndle, § 283 c Rdn. 12 in Verbindung mit § 283 Rdn. 38 sowie (verneinend) Vormbaum, GA 1981, 133. 48 Ausführlich hierzu Vormbaum, GA 1981, 111 ff.

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

Befriedigung bemühten Gläubigers einerseits und das Interesse der Gläubigergemeinschaft an einer ungeschmälerten Erhaltung der Konkursmasse andererseits aus. Der Verzicht auf ein Verhalten, das die durch die Konkursordnung festgelegten Limitierungen überschreitet, kann von dem Gläubiger insbesondere deshalb verlangt werden, weil er selbst durch die auch von den übrigen Gläubigern erwartete Einhaltung dieser „Spielregeln" in gleicher Weise begünstigt wird. Die Konkursgläubiger bilden in gewisser Hinsicht eine Art Gefahrengemeinschaft 49; sie sind gleichermaßen potentielle Teilnehmer und potentielle Opfer einer Tat gemäß § 283c StGB. Die Konkursordnung stellt ein Normenprogramm zur Verfügung, bei dessen allseitiger Befolgung die jeweiligen Gläubigerinteressen in toto optimal gewährleistet werden sollen; dies schließt nicht aus, daß der einzelne Gläubiger ein für sich noch günstigeres Ergebnis herausholt, indem er dieses Regelwerk zum Nachteil der übrigen Gläubiger unterläuft. Um zu verhindern, daß die sich normtreu verhaltenden Gläubiger am Ende „die Dummen" sind, erscheint es durchaus sinnvoll, die Einhaltung dieses Normprogramms mit strafrechtlichen Mitteln abzusichern und den jeweiligen Mitgläubigern den Anreiz zur Umgehung der konkursrechtlichen Vorschriften zu nehmen. Diese Auffassung entspricht im Prinzip auch der Überzeugung der herrschenden Meinung; denn auch nach dieser Ansicht soll der Gläubiger ja nicht straflos bleiben, wenn er sich gezielt an den Schuldner wendet, um ihn zur Gewährung einer inkongruenten Leistung zu veranlassen. Ungeachtet der Gläubigerposition und des eigenen Vorteilsstrebens geht also auch die herrschende Meinung von der grundsätzlichen Motivierbarkeit des begünstigten Gläubigers aus 50 ; lediglich der schmale Sektor der bloßen Entgegennahme solcher Vorteile soll aus dem Anwendungsbereich der §§ 283 c, 27 StGB ausgeklammert werden. Zwar läßt sich nicht leugnen, daß derartige Mitwirkungshandlungen auf der Schwereskala denkbarer Beteiligungshandlungen regelmäßig im unteren Bereich anzusiedeln sind 51 . Solche Gesichtspunkte sind jedoch auf der Strafzumessungsebene zu 49 Das ist freilich nicht im Sinne einer strafrechtsbewehrten Garantenstellung zu verstehen; vgl. zum folgenden auch Kindhäuser, Gefährdung, S. 153 ff. (154 f.). 50 Für die Erklärung der Straflosigkeit des begünstigten Gläubigers hob Lange (Notwendige Teilnahme, S. 25) besonders hervor, daß der Gläubiger einem „übermächtigen Motiv" ausgesetzt sei, das ihn zur Annahme der Begünstigung treibe. Überzeugend gegen diese Unterlegenheitsthese speziell zu § 283 c StGB (= § 241 KO a. F.) jedoch Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 86 ff.; s. a. oben Fn. 44. 51 Blesse (Grenzen, S. 29) bezeichnet die bloße Annahme der Begünstigung als eine „rein passive Tätigkeit" (s. a. Maurach / Maiwald, BT 1, 48 / 39: „Passivitätsgrenzen"). In diesem Zusammenhang ließe sich folgende Argumentation denken: Würde das Strafrecht die bloße Entgegennahme des Vorteils pönalisieren, so liefe dies auf eine dem Gläubiger auferlegte „Protestpflicht" (vgl. hierzu in einem allgemeineren Sinne MeyerArndt, wistra 1989, 281) hinaus; dies zeige, daß der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen liege, das mangels einer zugunsten der Mitgläubiger bestehenden Garantenpflicht straflos sei. Unterstützend könnte man zudem auf die berechtigte Kritik des Schrifttums an einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs verweisen, in welcher

II. Die Mitwirkung des Erwerbers von Raubkopien (§§ 106 ff. StGB)

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berücksichtigen; sie rechtfertigen es nicht, die Strafbarkeit solcher Handlungen überhaupt zu verneinen. Denn bei idealtypischer Betrachtung schwächt auch schon der partielle Straffreiheitsraum die generelle Normgeltung. Diese prinzipielle Besorgnis wird bezüglich des § 283 c StGB noch dadurch verstärkt, daß die Frage der Einhaltung oder Überschreitung des Kriteriums der denknotwendigen Mindestbeteiligung die Strafrechtspraxis vielfach vor unlösbare Beweisprobleme stellt 52 . Da sich im nachhinein die Interaktion zwischen Schuldner und Gläubiger kaum mit hinreichender Exaktheit wird aufklären lassen, käme die Anerkennung einer straflosen Rollenwahrung des den Vorteil lediglich annehmenden Gläubigers de facto seiner völligen Straflosigkeit auch in Fällen rollenüberschreitender Mitwirkung gleich. Demgegenüber erscheint es vorzugswürdig, die Privilegierung (auch) des Gläubigers in Übereinstimmung mit einschlägigen Bestimmungen der Konkursordnung auf die bereits für den Schuldner geltenden Tatbestandsmerkmale zu beschränken. Es ist somit festzuhalten, daß für eine Straflosigkeit des Gläubigers unter dem Gesichtspunkt der „notwendigen Teilnahme" im Rahmen des § 283 c StGB kein Raum ist; dies gilt selbst dann, wenn sich die Mitwirkung des Gläubigers auf die Entgegennahme der inkongruenten Leistung beschränkt.

I I . Die M i t w i r k u n g des Erwerbers am Verbreiten von Raubkopien (§§ 106 ff. U r h G ) Insbesondere bedingt durch die Ausgestaltung als Privatklagedelikt, erfolgte die juristische Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen 53 in den letzten Jahrzehnten vornehmlich auf dem Felde des Zivilrechts, während das strafrechtliche Instrumentarium als vergleichsweise ineffektiv angesehen wurde 54 . Infolge der die „passive Gesprächsteilnahme" als psychische Beihilfe durch aktives Tun qualifiziert wurde (BGH, StV 1982, 517 mit Anm. von Rudolphi, StV 1982, 518 ff.; Geppert, JK, StGB §27/3; Sieber, JZ 1983, 431 ff. und Ranft, JZ 1987, 859 ff.). Dennoch erscheint eine unterschiedliche Beurteilung beider Fälle geboten: Zwar ist die bloße Anwesenheit zur Tatzeit rechtlich als Unterlassen zu werten, doch geht die Mitwirkung des annehmenden Gläubigers über die reine Passivität hinaus (vgl. auch RGSt. 29, 413 f.; Vogels, Ausnahmen, S. 26 f. und LK-Tiedemann, § 283 c Rdn. 14); auch im Parallelfall des § 288 StGB wird eine Qualifikation der Annahme als Unterlassen nicht emsthaft erwogen (vgl. insoweit etwa Geppert, Jura 1987, 106). 52 Schon im älteren Schrifttum wird auf die faktische Undurchführbarkeit einer auf die Mindestmitwirkung beschränkten Straflosigkeit hingewiesen. Freilich verband sich hiermit die Sorge, daß der (angenommene) Privilegierungszweck praktisch vereitelt würde, da sich nahezu stets irgend eine zusätzliche Verhaltensweise nachweisen ließe; vgl. v. Kries, ZStW 7 (1887), 552 f. und Olshausen / Zweigert, § 241 KO Anm. 11; s. a. Apelt, Ausnahmen, S. 82 f. 53 Einen Überblick über die Erscheinungsformen von Urheberrechtsverletzungen und das urheberstrafrechtliche Instrumentarium bietet Weber, in: Krekeler / Tiedemann / Ulsenheimer / Weinmann, Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Stichwort „Urheberstrafrecht".

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

erleichterten technischen Möglichkeiten zur Nachahmung von Markenartikeln praktisch aller Art ist in den letzten Jahren ein sprunghafter Anstieg von Verletzungen des „geistigen Eigentums" zu verzeichnen. Diese Entwicklung hat der Gesetzgeber zum Anlaß genommen, durch neue gesetzliche Maßnahmen insbesondere die als „Produktpiraterie" bezeichneten Erscheinungsformen der planmäßigen, gezielt und massenhaft begangenen Schutzrechtsverletzungen zu bekämpfen und hierdurch zugleich allgemein zu einer Stärkung des „geistigen Eigentums" beizutragen. Die legislatorische Reaktion in Gestalt des unlängst verabschiedeten Gesetzes zur Bekämpfung der Produktpiraterie 55 belegt zum einen den zu einem gesetzgeberischen Handlungsbedarf führenden tatsächlichen Mißstand einer nicht hinnehmbaren Anzahl von (oftmals gravierenden) Schutzrechtsverletzungen 56. Zum anderen begründet das neue, auf eine Verbesserung gerade auch des strafrechtlichen Schutzes abzielende Gesetz die Erwartung, daß Verstöße gegen das „geistige Eigentum" künftig in stärkerem Maße auch die Strafverfolgungsbehörden beschäftigen werden. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung besteht verstärkter Anlaß, die Untersuchung zur „notwendigen Teilnahme" auch auf dieses Sachgebiet zu erstrecken. Denn die in § 106 UrhG genannte, unverändert gebliebene Tathandlungsumschreibung des „Verbreitens" urheberrechtlich geschützter Werke umfaßt neben dem öffentlichen Anbieten das Inverkehrbringen derartiger Gegenstände57. Die täterschaftliche Strafdrohung erfaßt also lediglich den Veräußernden, nicht hingegen den Erwerber der Tatobjekte. Da mithin dieses Delikt eine Tatbestandsstruktur aufweist, bei welcher nur die Handlung der einen Seite vertypt ist, stellt sich mit Blick auf die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" die Frage, inwieweit das Verhalten der Gegenpartei (jedenfalls bezüglich des „rollenwahrenden", komplementären Tataktes) auch einer Pönalisierung unter Anwendung der Teilnahmevorschriften entzogen ist.

54 So insbesondere Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 564 f.; zu der hiermit verbundenen Kritik an der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit und einer etwa seit 1982 zu verzeichnenden Tendenzwende vgl. Vinck, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, vor § 106 Rdn. 2 f.; Nordemann, NStZ 1982, 372 ff.; v. Gravenreuth, Plagiat, S. 144 ff. und Weber, Schutz, S. 2 f. Vgl. femer zur Auslegung des „(besonderen) öffentlichen Interesses" im Bereich der Softwarepiraterie Heghmanns, NStZ 1991, 112 ff. 55 Gesetz vom 7.3.1990, BGBl. I, 422. Zu diesem (am 1.7.1990 in Kraft getretenen) Gesetz vgl. Asendorf, NJW 1990, 1283 ff. 56 Zum Anlaß für die Neuregelung wird in der Begründung des Regierungsentwurfs (BR-Ds. 206/89; S. 45 ff.; s.a. JZ-GD 1989/10, S. 43) u.a. ausgeführt, daß nach Schätzungen der Internationalen Handelskammer von Ende 1987 der Anteil der Piratenware bereits 4-5% des Welthandels ausmacht. Geschädigt seien insbesondere die innovativen Klein- und Mittelbetriebe; aber auch der Verlust von ca. 50.000 Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik Deutschland schlage zu Buche; schließlich wird femer auf eine Schädigung der Verbraucher verwiesen, die oftmals ein qualitativ unterlegenes (und technisch gefährliches) Produkt erwerben. 57 Das folgt aus der Anknüpfung an § 17 UrhG; ausführlich zum „Verbreiten" Weber, Schutz, S. 208 ff.

II. Die Mitwirkung des Erwerbers von Raubkopien (§§ 106 ff. StGB)

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1. Zur Straflosigkeit des rollenwahrenden Erwerberverhaltens als Anwendungsfall der „notwendigen Teilnahme" Auch bezüglich des Urheberstrafrechts tritt die im Umgang mit der „notwendigen Teilnahme" weithin zu konstatierende Rigorosität zutage: Die Teilnahmestrafbarkeit des Erwerbers wird nicht problematisiert, sondern die Straflosigkeit seiner rollenwahrenden Mitwirkung wird einfach postuliert 58 , wobei die allgemeine Akzeptanz des (vermeintlichen) Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung eine nähere Begründung entbehrlich zu machen scheint. Demgegenüber ist jedoch angesichts der im Vorangegangenen entwickelten Unhaltbarkeit dieser allgemeinen Straflosigkeitsthese darauf zu bestehen, daß eine tragfähige deliktsbezogene Argumentation die unverzichtbare Voraussetzung für ein Zurückweichen der an sich (zumindest konstruierbaren) strafbaren Teilnahme bildet. Von den Stellungnahmen, die sich mit einer bloßen Nennung der „notwendigen Teilnahme" als Begründung(sersatz) begnügen, hebt sich allein die von U. Weber in seiner Habilitationsschrift 59 gegebene Darstellung ab. Soweit sich seine Ausführungen auf die Grenzziehung zwischen (noch) rollenwahrender (= strafloser) und (schon) rollenüberschreitender (= strafbarer) Mitwirkung beziehen60, erscheinen sie jedoch als nachrangig, solange es an einer hinreichenden Begründung dafür fehlt, den Erwerber urheberrechtlich geschützter Werke überhaupt — sei es auch nur partiell — vom Vorwurf strafbarer Beteiligung freizustellen. Hinsichtlich des „Ob" einer Privilegierung des Erwerbers enthalten die Überlegungen Webers vier Gesichtspunkte, die näherer Betrachtung bedürfen. Zunächst verweist Weber 61 auf die Situation bei den Bestechungsdelikten (§§331 ff. StGB), bei denen die Auslegung der Tatbestände ergebe, daß eine auf dem Umweg der Teilnahmestrafbarkeit herbeigeführte Pönalisierung den Intentionen des Gesetzgebers zuwiderlaufe. Angesichts des Umstandes, daß — wie auch Weber einräumt — eine den §§ 333, 334 StGB entsprechende, das Verhalten des Gegenparts (abschließend) normierende Regelung im Kontext des Urheberstrafrechts gerade fehlt, wird man den Hinweis auf die — im übrigen auch bezüglich des geschützten Rechtsguts und der mit Strafe bedrohten Verhaltensweisen deutlich von den §§106 ff. UrhG divergierenden — Bestechungsdelikte eher als exemplarische Verdeutlichung der abstrakten Möglichkeit von Restriktionen im Teilnahmebereich denn als wirkliche Parallele mit argumentativem Wert ansehen müssen.

58 So insbesondere KG, NStZ 1983, 561 (562); Weber, Schutz, S. 337, 344 ff.; Hentschel, FuR 1982, 239 f.; Friedrich, MDR 1985, 368; Rupp, Computersoftware, S. 228 f.; Sternberg-Lieben, Musikdiebstahl, S. 104 und Ganter, NJW 1986, 1479. 59 Der strafrechtliche Schutz des Urheberrechts (1976). 60 AaO. S. 346 ff. 61 AaO. S. 345.

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

Geringe dogmatische Überzeugungskraft entfaltet auch der von Weber 62 genannte Umstand, daß die Straflosigkeit der bloßen Abnahme eines urheberrechtlich geschützten Werkes nie zweifelhaft gewesen sei. Nennenswerte dogmatische Relevanz wird einer solchen communis opinio erst dann zuteil, wenn sich auch der Gesetzgeber die weithin geteilten Vorstellungen nachweisbar zu eigen gemacht hat; Anhaltspunkte hierfür sind jedoch nicht ersichtlich. Überdies ist die von Weber als Beleg herangezogene Stellungnahme von v. Calker 63 aus dem Jahre 1894 insoweit Bedenken ausgesetzt, als dort (ohne nähere Begründung und ohne weiteren Nachweis) erklärt wird, in dem Annehmen und insbesondere in dem Kaufen des betreffenden Exemplars könne „nach allgemeinen Grundsätzen" eine Teilnahme nicht erblickt werden. Erkennt man aber gerade diese „allgemeinen Grundsätze" (seil.: der „notwendigen Teilnahme") als fehlerhaft, so wird man von der für notwendig gehaltenen dogmatischen Korrektur nicht allein deshalb Abstand nehmen, weil es sich um einen „traditionsreichen Fehler" handelt. Der Hinweis auf die ältere Literaturmeinung teilt deshalb, sofern sich diese in der Berufung auf vermeintlich anzuerkennende Grundsätze erschöpft, das dogmatische Schicksal der Bewertung, die diese Prinzipien erfahren. Als weiteren Gesichtspunkt verweist Weber 64 auf den Umstand, daß frühere urheberrechtliche Gesetzeswerke eine Strafbarkeit nur für gewerbe- oder gewerbsmäßige Verbreitungshandlungen vorsahen; der im Urheberrechtsgesetz von 1965 vorgenommene legislatorische Verzicht auf die Gewerbsmäßigkeit des Handelns sollte jedoch keineswegs einer Einbeziehung des Abnehmers in den Strafbarkeitsbereich dienen. Auch gegen diese Argumentation sind allerdings schwerwiegende Einwände zu erheben. Zunächst wäre zu fragen, ob sich der Gesetzgeber nicht an der von ihm geänderten Gesetzeslage auch bezüglich etwaiger Konsequenzen im Bereich der Teilnahmestrafbarkeit festhalten lassen muß, zumal weder der gesetzlichen Normierung noch den Gesetzesmaterialien ein klarstellender Hinweis auf die gewollte Straflosigkeit des Erwerbers entnommen werden kann. Doch auch wenn man diesen Vorbehalt außer acht läßt, bleiben aufklärungsbedürftige Einwendungen. So ist zu beachten, daß die Gewerbsmäßigkeit des Handelns im allgemeinen von der ganz überwiegenden Ansicht 65 als besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 StGB verstanden wird. Teilt man diese grundsätzliche Auffassung, so würde das Fehlen eigener Gewerbsmäßigkeit des Erwerbers diesem selbst dann nicht zur Straflosigkeit verhelfen können, wenn man in Ansehung der Teilnahmestrafbarkeit (nur des Erwerbers ?!) das Erfordernis eines gewerblichen bzw. gewerbsmäßigen Verbreitens als fortbestehend fingieren würde; vielmehr wäre die Strafe lediglich unter Anwendung des § 28 I StGB gemäß § 49 I StGB zu mildern. Eine völlige Straflosigkeit wäre 62 Ebd. 63 Delikte, S. 262. 64 Schutz, S. 345 f. 65 B G H S t . 6, 260 (261); Lackner, Rdn. 5, 9; Dreher / Tröndle, Rdn. 6 f.; Rdn. 14 j e w e i l s zu § 28; s. a. Baumann / Weber, A T , § 37 I I I 2 ( = S. 582).

S/S-Cramer,

II. Die Mitwirkung des Erwerbers von Raubkopien (§§ 106 ff. StGB)

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allenfalls dann zu erzielen, wenn man mit einer teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung 66 auch die besonderen persönlichen Schuldmerkmale der Vorschrift des § 29 StGB zuweisen wollte. Doch selbst dann wäre zu fragen, wie zu entscheiden wäre, wenn der Erwerber — als Zwischenhändler — seinerseits gewerblich oder gewerbsmäßig handelt: Auf dem Boden der gängigen, formalistisch-bildhaften Betrachtungsweise wäre auch ein solcher Erwerber im Hinblick auf seine komplementäre Stellung gegenüber dem Verbreitenden „notwendiger Teilnehmer"; wollte man aber den von Weber genannten Hinweis auf die früher im Gesetz ausdrücklich normierte Gewerblichkeit / Gewerbsmäßigkeit des Verbreitens als maßgebliche Begründung akzeptieren, so stünde die Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" zumindest unter dem einschränkenden Vorbehalt, daß die Abnahme der Raubkopien (auch) in der Person des Erwerbers nicht als gewerbliches bzw. gewerbsmäßiges Handeln erscheinen darf. Der Gesichtspunkt des Gewerblichkeits- bzw. Gewerbsmäßigkeitszusammenhanges vermag also keinesfalls die Straflosigkeit eines jeden „rollenwahrend" agierenden Erwerbers zu begründen. Andererseits eröffnet dieser Aspekt jedoch eine interessante Perspektive insoweit, als an eine nach diesem Merkmal differenzierende Privilegierung zu denken ist. Hierauf wird zurückzukommen sein, doch soll zuvor kurz auf das letzte von Weber angeführte Argument eingegangen werden. Weber beschließt seine Begründung für eine Straflosigkeit des Erwerbers mit dem Hinweis auf die in den §§ 98, 99 UrhG geregelten Sicherungsmaßnahmen: Gegenüber dem Erwerber können — so Weber 67 — zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht werden; insbesondere sei es einhellige Ansicht, daß private Kunden als Endabnehmer nicht als an der rechtswidrigen Verbreitung Beteiligte im Sinne des § 98 IV UrhG anzusehen seien. Daher wäre es „widersinnig, wollte sich das Strafrecht mit einer Beihilfestrafbarkeit in diesen sanktionslosen Bereich hineindrängen" 68. Zwar erscheint eine solche Argumentation an sich durchaus geeignet, einen auf den Erwerber beschränkten Ausschluß der Teilnahmestrafbarkeit zu legitimieren; doch ist zweifelhaft, ob die Regelung des urheberrechtlichen Vernichtungsanspruchs tatsächlich das behauptete Privilegierungssubstrat aufweist. Denn abgesehen davon, daß von Teilen des Schrifttums ein Vernichtungsanspruch bezüglich der beim Erwerber befindlichen Ware bejaht wird, beschränkt auch die einen solchen Anspruch verneinende Auffassung ihr Votum zumeist auf den Endabnehmer, der ein Plagiat zum Zwecke privater Nutzung erwirbt 69 . 66 So insbesondere LK-Roxin, § 28 Rdn. 7 ff., § 29 Rdn. 5; Jescheck, AT, § 61 VII 4c,d (= S. 597 f.); Herzberg, ZStW 88 (1976), 71 f. und Stein, Beteiligungsformenlehre, S. 376 ff.; zu der insoweit gegenteiligen Position der herrschenden Meinung vgl. S/SCramer, Rdn. 2 ff., 5 und SK-Samson, Rdn. 9 ff. jeweils zu § 28 sowie Grünwald, Armin Kaufmann-GS (1989), S. 566 ff. 67 Schutz, S. 346. 68 Ebd. 69 Im Zusammenhang mit dem Erwerber wird der Vernichtungsanspruch (§§ 98, 99 UrhG) regelmäßig bezüglich der Hehlereistrafbarkeit erörtert. Im Sinne Webers wird ein Vernichtungsanspruch gegen den (End-)Abnehmer verneint von Lieben, GRUR 1984, 12 Sowada

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

Indem das Gesetz auch alle zur rechtswidrigen Verbreitung „bestimmten" Vervielfältigungsstücke dem Vernichtungsanspruch unterwirft, stellt es zugleich klar, daß die beim Zwischenhändler aufgefundenen Gegenstände vernichtet werden können, ohne daß ein eigenständiges Verbreiten seitens des Zwischenhändlers (zumindest in Gestalt eines öffentlichen Angebots) bereits nachweislich erfolgt sein muß. Hieraus folgt weiterhin, daß allenfalls die beim privaten Endabnehmer befindlichen Plagiate der Vernichtung entzogen sein können. Damit kehrt auch insoweit die Differenzierung zwischen gewerblichem bzw. gewerbsmäßigem Handeln einerseits und rein privaten Erwerbshandlungen andererseits wieder. Es ist mithin zu konstatieren, daß sich mittels der bisher vorgetragenen Überlegungen eine generelle Aussparung des Erwerbers aus dem Kontext der strafbaren Verbreitung urheberrechtsverletzender Gegenstände nicht legitimieren läßt. Eine rein formal ausgerichtete Gegenüberstellung von strafbarer Veräußererseite und strafloser Erwerberseite ist daher nicht anzuerkennen. Hierbei kommt es auch nicht auf die (zweitrangige) Frage an, ob sich der Erwerber etwa im Falle einer „rollenüberschreitenden" Tatbeteiligung (ausnahmsweise) dennoch strafbar macht. Denn bei einer solchen Konzeption würde die Restriktion der Teilnahmestrafbarkeit am handlungsbezogenen Maßstab der Verhaltensintensität ausgerichtet. Diskutabel erscheint demgegenüber allein eine Freistellung von der Strafdrohung, die in dem Sinne „positionsbezogen " ist, daß sie an die funktionale Besonderheit bestimmter Erwerber anknüpft: Gemeint ist hiermit die Frage der Straflosigkeit des privaten Endabnehmers.

2. Dogmatische Argumente für die Straflosigkeit der Teilnahme (nur) des Letzterwerbers Bei der Beurteilung der Straflosigkeit des Erwerbs durch private Endabnehmer ist zum einen nach der dogmatischen Begründbarkeit und zum anderen nach der kriminalpolitischen Sinnhaftigkeit einer solchen Privilegierung zu fragen. a) Der Privatbereich als traditionelle Grenze des Schutzes des „geistigen Eigentums" In dogmatischer Hinsicht bedeutsam erscheint die Tatsache, daß bereits der Referentenentwurf des Urheberrechtsgesetzes von einem im deutschen Urheber575; Rupp, wistra 1985, 138; Friedrich, MDR 1985, 368; im urheberrechtlichen Schrifttum ebenso Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 552; v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 98 Rdn. 8 und Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, §§ 98, 99 Rdn. 5. Demgegenüber wird eine Vernichtungsmöglichkeit (wohl) bejaht von Flechsig, NStZ 1983, 562 f.; Wahl, Kriminalistik 1982, 68 und Ganter, NJW 1986, 1480. Durch das Produktpiraterie-Gesetz (s. oben Fn. 55) wurde der Vernichtungsanspruch zwar erweitert, doch enthält die Begründung des Regierungsentwurfs (BR-Ds. 206 / 89, S. 88 ff., 150 f.) keine Stellungnahme zur Vernichtung von beim Endabnehmer befindlichen Exemplaren.

II. Die Mitwirkung des Erwerbers von Raubkopien (§§ 106 ff. StGB)

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recht geltenden Grundsatz ausgeht, nach welchem „das Recht des Urhebers dort seine Grenze finden soll, wo die private Sphäre des einzelnen beginnt" 70 . Diese Berücksichtigung des grundsätzlichen Interessenwiderstreits zwischen dem Urheberrechtsinhaber und dem Urheberrechtsnutzer eröffnet die Möglichkeit, daß es sich bei der Privatsphäre des Endabnehmers um einen auch strafrechtlich relevanten Privilegierungskern handelt mit der Folge, daß die Unterscheidung zwischen Veräußerer- und Erwerberseite insoweit tatsächlich Ausdruck einer teleologisch fundierten „Lagertheorie" ist. Auch die jüngste Gesetzesänderung — herbeigeführt durch das Gesetz zur Bekämpfung der Produktpiraterie vom 7.3.1990 — hat diese prinzipielle Dichotomie zwischen Geschäfts- und Privatsphäre nicht aufgehoben. Zwar wurde der im Gesetzgebungsverfahren unterbreitete Vorschlag, die Strafnormen ausschließlich auf gewerbsmäßige Verhaltensweisen zu beschränken, abgelehnt und die Gewerbsmäßigkeit des schutzrechtsverletzenden Handelns zum Gegenstand neu geschaffener Qualifikationstatbestände gemacht 71 . In den Gesetzesmaterialien wird hierzu jedoch eindeutig festgestellt, daß ein bloßes Handeln im Rahmen eines Gewerbebetriebes — also „gewerbliches" Handeln — für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes nicht ausreiche 72. Das Merkmal der „Gewerbsmäßigkeit" setze vielmehr voraus, daß der Täter „sich durch wiederholte Begehung einer Straftat aus deren Vorteilen eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschafft" 73 ; hingegen diene der „Begriff 'gewerblich 4 oder auch der Ausdruck ,im geschäftlichen Verkehr' der Abgrenzung des regelmäßig erlaubten Handelns zu privaten Zwecken gegenüber dem vom Ausschließlichkeitsrecht des Schutzrechtsinhabers erfaßten und deshalb untersagten Handeln" 74 . Es zeigt sich mithin, daß der Gesetzgeber nach wie vor an der grundsätzlichen Gegenüberstellung von privatem 75 und geschäftlichem Bereich festhält. Geht man freilich über diese 70 Referentenentwürfe, S. 148 f. (zu § 47); vgl. auch zum Gesetzentwurf BT-Ds. I V / 270, S. 31 (zu § 54). 71 BR-Ds. 206 / 89; S. 51 f., 71 ff. (73, 76). Im Urheberstrafrecht erfolgte die nunmehr auch für die übrigen Schutzrechtsverletzungen übernommene Einführung eines strafschärfenden Qualifikationstatbestandes bei gewerbsmäßigem Handeln bereits durch die Urheberrechtsnovelle 1985 (im dort neu geschaffenen § 108 a UrhG); vgl. dazu Möller, Urheberrechtsnovelle, S. 54 f. 72 BR-Ds. 206/89, S. 51 f., 77 f. 73 AaO. S. 77 (unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 260 und § 243 I Nr. 3 StGB). 74 AaO. S. 77 f. 75 Die Systematik des § 53 UrhG enthält insoweit noch eine Abstufung: Abs. 1 normiert die Regel, daß die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke „zum privaten Gebrauch" (= in früherer Terminologie: „zum persönlichen Gebrauch"; vgl. BT-Ds. 10 / 837, S. 16) grundsätzlich zulässig ist. Bezüglich des sonstigen „eigenen Gebrauchs" sind in den nachfolgenden Absätzen die Voraussetzungen für eine Vervielfältigungsbefugnis enumerativ aufgezählt; vgl. zum Ganzen Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, § 53 Rdn. 2, 8, 12 und Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 299 ff., 303 ff. Für alle befugtermaßen hergestellten Vervielfältigungsstücke untersagt § 53 V 1 UrhG grundsätzlich die Verbreitung. 12*

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

allgemeine Aussage hinaus und richtet den Blick auf diejenigen Bestimmungen, die konkret die Abschichtung der sanktionslosen Sphäre rein privater Nutzung bezwecken, stößt man auf beträchtliche Schwierigkeiten. Unter der Geltung des Literatur-Urheberrechtsgesetzes von 1901 (LUG) war die Rechtslage insoweit eindeutig: § 15 I I LUG erklärte eine Vervielfältigung zum persönlichen Gebrauch für zulässig, „wenn sie nicht den Zweck hat, aus dem Werke eine Einnahme zu erzielen". Auf der Grundlage dieser Vorschrift läßt sich die Straflosigkeit des Endabnehmers relativ einfach begründen; denn wenn es dem Letzterwerber kraft Gesetzes gestattet ist, selbst ohne Einwilligung des Urheberrechtsinhabers Vervielfältigungsstücke für den privaten Gebrauch anzufertigen, so muß es ihm gleichfalls erlaubt sein, solche Exemplare zu diesem Zwecke (käuflich) zu erwerben 76 . Als Reaktion auf verbesserte technische Reproduktionsmöglichkeiten (Tonband- und Fotokopiergeräte) hat der Grundsatz der Zulässigkeit privater Nutzung im Zuge der urheberrechtlichen Entwicklung Einschränkungen erfahren 77. Hierbei war nicht allein der Gebrauchszweck maßgeblich, sondern die gesetzlichen Regelungen knüpfen zum Teil an die Art des Vervielfältigungsvorgangs oder an eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit bestimmter Schutzgutsobjekte an. Für den vorliegenden Zusammenhang ist insbesondere die in § 53 IV UrhG enthaltene Beschränkung für im wesentlichen vollständige Vervielfältigungen eines Buches oder eines Computerprogramms von Bedeutung. Nach heutiger Gesetzeslage78 ist somit die Anfertigung von Fotokopien eines ganzen Buches grundsätzlich selbst dann unzulässig, wenn sie zu rein privaten Zwecken erfolgt. Es erhebt sich deshalb die Frage, ob diese Veränderung der Gesetzeslage auch auf die strafrechtliche Beurteilung von Erwerbshandlungen durchschlägt. Ähnlich wie zur Zeit des Literatur-Urheberrechtsschutzgesetzes aus der Zulässigkeit der Vervielfältigung auf die Straflosigkeit eines entsprechenden Erwerbs geschlossen werden konnte, ließe sich nunmehr umgekehrt argumentieren, eine 76 Zwar ist an die reichsgerichtliche Feststellung (RGSt. 23, 69 [70 f.] bezüglich der Kuppelei) zu denken, wonach kein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts bestehe, „daß man das, was man als alleinhandelnder straflos ausführen dürfe, auch in Gemeinschaft mit anderen selbst dann straflos ausführe, wenn sich die Gesamtwirksamkeit der handelnden Personen in Verbindung mit der eigenen zu einer strafbaren That gestalte". Vorliegend sind aber keine Gesichtspunkte ersichtlich, die für das Verhältnis des Privaten zum Schutzrechtsinhaber eine differenzierende Beurteilung von selbst hergestelltem oder käuflich erworbenem Einzelexemplar plausibel machen würden. 77 Zu dieser Abhängigkeit der Ausgestaltung des Urheberrechtsschutzes von den sich wandelnden technischen Gegebenheiten vgl. Referentenentwürfe, S. 149 ff.; BT-Ds. IV / 270, S. 31 f., 70 ff.; BT-Ds. 10 / 837, S. 17 f.; BR-Ds. 206 / 89, S. 46; einen instruktiven Überblick über die historische Entwicklung bietet Möhring, in: Möhring / Nicolini, Urheberrechtsgesetz, § 53 Anm. 1; s. a. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 296 ff. sowie die zivilrechtlichen Entscheidungen BGHZ. 17, 266 und 18, 44. 78 Das Vervielfältigungsverbot für Bücher und Computerprogramme wurde durch die Urheberrechtsnovelle 1985 eingeführt; vgl. dazu Möller, Urheberrechtsnovelle, S. 24, 28 sowie BT-Ds. 10 / 837, S. 17 (zu § 53 VI) und BT-Ds. 10 / 3360, S. 19 (zu § 53 IV).

II. Die Mitwirkung des Erwerbers von Raubkopien (§§ 106 ff. StGB)

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Privilegierung des (sei es auch mit lediglich privater Zweckrichtung handelnden) Erwerbers müsse ausscheiden, da inzwischen auch die eigene Anfertigung einer Raubkopie den Rahmen des Zulässigen überschreiten würde. Ein derartiger Umkehrschluß mag auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen; dies gilt jedenfalls dann, wenn man die einschlägigen Vorschriften als eine auch für das Strafrecht verbindliche, abschließende Regelung im Konflikt zwischen den Urheberschutzinteressen und der Handlungsfreiheit interpretiert. Ungeachtet dieser vordergründigen Plausibilität ist jedoch anzumerken, daß der die Straflosigkeit begründende frühere Grundsatz nicht logisch zwingend die strafbarkeitsbegründende Verkehrung hinsichtlich der nachträglich eingefügten Ausnahmen (ζ. B. bezüglich der Vervielfältigung vollständiger Bücher) gebietet. Richtig ist zwar, daß urheberrechtlich zulässiges Verhalten nicht (urheberrechtlich) strafbar sein kann; hieraus folgt jedoch nicht, daß die Urheberrechtswidrigkeit eines Verhaltens mit gleicher Stringenz seine Strafbarkeit nach sich zöge.

b) Die Position des Letzterwerbers

im neuen Produktpiraterie-Gesetz

Freilich bedarf es konkreter Anhaltspunkte, denen sich entnehmen läßt, daß die urheberrechtsinternen Verschiebungen die urhebersira/rechtlichen Grenzziehungen unangetastet lassen sollten. Derartige Indizien gibt es in der Tat; insbesondere stützt auch das neue Gesetz zur Bekämpfung der Produktpiraterie die These, daß es bei der strafrechtlichen Abschottung des Privatbereichs bleiben soll. Denn dieses Gesetz erstrebt — gerade auch durch die Verschärfung des strafrechtlichen Instrumentariums — die Verbesserung aller Schutzrechte des „geistigen Eigentums" in Form eines Artikelgesetzes, durch welches im wesentlichen gleichlautende Änderungen des Warenzeichengesetzes, des Urheberrechtsgesetzes, des Geschmacksmustergesetzes, des Patentgesetzes, des Halbleiterschutzgesetzes und des Sortenschutzgesetzes erfolgten. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird mehrfach der alle einschlägigen Schutzrechte umfassende „horizontale Ansatz" 79 herausgestellt, der auch in einem einheitlichen Rechtsfolgenmechanismus zum Ausdruck komme. Dieses Bemühen um eine Gleichartigkeit des strafrechtlichen Sanktionensystems ist insofern von Bedeutung, als die Herausnahme der Privatsphäre aus dem jeweiligen Schutzgutskontext für andere Schutzrechte ohne irgendwelche Einschränkungen vorgesehen ist. So erstreckt sich beispielsweise die Wirkung des Patents gemäß § 11 Nr. 1 PatG „nicht auf Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden" 80 . Ist diese Schutzrechtsexklave für die Bestimmung der Strafbarkeit nach patentrechtlichen Vorschriften zu beachten, so würde die prinzipiell angestrebte Einheitlich79 BR-Ds. 206/89, S. 52, 56. so Auch die Begründung des Entwurfs verweist (in unmittelbarem Anschluß an die oben im Text zu Fn. 74 wiedergegebene Formulierung) ausdrücklich auf die (einschränkungslose) Regelung in § 11 PatG.

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

keit partiell aufgebrochen, wenn im Rahmen des Urheberrechtsgesetzes der Straffreiraum der Privatsphäre nur in einem eingeschränkten Maße anerkannt würde. Einen deutlichen Fingerzeig gegen ein „Nachrücken" des urheberrechtlichen Strafrechtsschutzes in den Bereich der Privatsphäre bietet ferner die Regelung des neugeschaffenen Auskunftsanspruchs (§ 101a UrhG). Dieser Anspruch verpflichtet nur diejenigen Personen, die „im geschäftlichen Verkehr" eine Schutzrechtsverletzung durch Herstellung oder Verbreitung von Vervielfältigungsstükken begehen; der Anspruch ist neben Auskünften zur Menge der betreffenden Exemplare gerichtet auf Angaben über Name und Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie des „gewerblichen" Abnehmers oder Auftraggebers. In der Begründung des Regierungsentwurfs 81 wird hierzu ausdrücklich betont, daß private Letztverbraucher durch diese Norm nicht betroffen sind. Der Auskunftsanspruch bezwecke die Unterbindung der Produktpiraterie großen Stils, „ohne dabei zugleich auch den Letztverbraucher zu belasten"; Private werden daher auch „nicht verpflichtet, Auskunft über die Herkunft der in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Piraten ware zu geben". Wird der Letztverbraucher aber bereits von der mit relativ geringer Belastung verbundenen Pflicht befreit, durch die Weitergabe von Informationen die Aufdeckung der Vertriebswege zu ermöglichen, so deutet dies auf ein legislatorisches Bekämpfungsmodell hin, das auf die Mitwirkung des Endabnehmers verzichtet. Insoweit erschiene es systemwidrig, wollte man den Endabnehmer zwar von der Auskunftspflicht freistellen, ihn andererseits aber wegen seines privaten Erwerbs mit der viel gravierenderen Folge strafrechtlicher Sanktion bedrohen. Die Regelung des Auskunftsanspruchs offenbart mithin ein gesetzliche Konzeption, die im strategischen Vorgehen gegen Produktpiraten den Privatbereich der Konsumenten bewußt unangetastet läßt 82 . c) Die angemaßte Verwertungsbefugnis als Grundelement der urheberstrafrechtlichen Verletzungshandlungen Ein derartiges Regelungsmodell steht überdies auch in Einklang mit der dogmatischen Grundstruktur der urheberrechtlichen Straftatbestände. In systematischer Hinsicht stellen sich die strafrechtlich erfaßten Verletzungshandlungen als Spiegelbilder der dem Berechtigten zustehenden Nutzungsbefugnisse dar 83 . Der Täter des § 106 UrhG maßt sich mithin unbefugterweise eine dem Urheber vorbehaltene Verwertung an. Die Rechtsposition des Urhebers wird nicht allein durch eine si BR-Ds. 206/89, S. 107 f. (dort auch die anschließend wiedergegebenen Zitate). 82 In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, daß die außerhalb des geschäftlichen Verkehrs von Privatpersonen (etwa im Reisegepäck) vorgenommenen Einfuhren nicht der Zollbeschlagnahme unterliegen sollen, „soweit angesichts der Umstände des Einzelfalles ein späteres Inverkehrbringen ausgeschlossen werden kann" (BRDs. 206/89, S. 142 zu § 28 WZG; s. a. aaO. S. 154). 83 Weber, Schutz, S. 193 f.; s. auch Vinck, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, § 106 Rdn. 1.

II. Die Mitwirkung des Erwerbers von Raubkopien (§§ 106 ff. StGB)

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unbefugte Vervielfältigung beeinträchtigt, sondern auch durch jede unbefugte Weiterveräußerung verletzt 84 . Hieraus folgt, daß auch der Zwischenhändler in den Strafbarkeitskontext eingebunden ist, da auch er sich in einer an sich dem Schutzrechtsinhaber vorbehaltenen Weise betätigt. Aufgrund dieser Überlegung erscheint es angängig, bereits den Erwerbsvorgang, durch welchen sich der Zwischenhändler die Tatobjekte verschafft, mittels der Teilnahmevorschriften zu pönalisieren; denn auch schon dieser Geschehensakt ist als Teil der gesamten Vertriebskette eine Usurpation der dem Berechtigten zugewiesenen Rechtsstellung. Anders verhält es sich demgegenüber bezüglich des Letzerwerbers: Mit dem Erreichen der Privatsphäre des Endabnehmers findet die Verwertung des Schutzrechts ihren Abschluß; der Letztverbraucher steht also auch beim ordnungsgemäßen Verwertungsvorgang schon außerhalb des dem Schutzrechtsinhaber für die Verwertung seiner Rechtsposition eingeräumten Bereichs 85. Allenfalls der Erwerbsakt selbst ließe sich noch in den Verwertungsbereich ziehen, da dieser Augenblick auf dem Weg des Werkes vom geistigen Erzeuger zum Endverbraucher exakt die Nahtstelle zwischen Verwertung und privater Nutzung des Produkts markiert. Möglich erscheint hingegen auch die Betrachtungsweise, die den Schnitt quer durch diesen Vorgang legt, indem das Veräußererverhalten als Verwertungshandlung bewertet, die Erwerbshandlung hingegen abgespalten und dem Privatbereich zugeordnet wird 8 6 . Auf diese Weise entsteht tatsächlich eine Polarisierung zu gegensätzlichen Lagern, die der von der herschenden Meinung im Zusammenhang mit der „notwendigen Teilnahme" angenommenen Gegenüberstellung von Tathandlung und Komplementärbeitrag in gewisser Hinsicht entspricht. Hierbei darf freilich nicht der maßgebliche Unterschied aus den Augen verloren werden: Die Trennung resultiert nicht aus dem begrifflich-abstrakten Gegeneinander von „dem Veräußerer" und „dem Erwerber", so wie es sich für jeden Übertragungsakt konstruieren läßt, sondern es handelt sich um eine auf teleologisch-systematische Erwägungen gegründete Aufspaltung, die ausschließlich den Vorgang des Letzterwerbs betrifft und hierbei das Verhalten auf der Erwerberseite in der sanktionslosen Privatsphäre ansiedelt. s* Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 235; Weber, Schutz, S. 215, 337 f. und Rochlitz, Schutz, S. 171 (zu Fn. 242). 85 Dies wird bestätigt durch die im urheberrechtlichen Schrifttum gezogene Grenze, wonach zwar beim Händler befindliche, nicht jedoch die bereits an das Publikum abgesetzten Vervielfältigungsstücke der Vernichtung unterliegen; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 552; v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 98 Rdn. 8 und Nordemann, in: Fromm / Nordemann, Urherberrecht, §§ 98, 99 Rdn. 5; vgl. in diesem Zusammenhang auch die weiteren oben in Fn. 69 angegebenen Nachweise sowie Weber, Schutz, S. 161. Daß das Urheberrechtsgesetz allein Herstellung und Vertrieb untersagt, wird ferner von Nick (Musikdiebstahl, S. 51; gegen ihn Hentschel, FuR 1982, 241) betont; ähnlich auch Weber aaO. S. 352. 86 Auch die einzelnen Ausprägungen der urheberrechtlichen Verwertungsrechte (vgl. § 15 UrhG sowie Vinck, in: Fromm / Nordemann, Urheberrecht, § 15 Rdn. 1) beziehen sich stets auf den aktiven Part der Weiterleitung; sie enden also (jedenfalls) dort, wo das passive Komplementärverhalten nicht zugleich Vorstufe für eine geplante weitere Verwertung ist.

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6. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der Wirtschaftsdelikte

3. Kriminalpolitische Überlegungen zur Straflosigkeit des Endabnehmers Das Ergebnis der dogmatischen Untersuchung läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß eine allein auf die Person des Endabnehmers beschränkte Privilegierung durchaus begründbar, wenngleich nicht schlechterdings erzwungen erscheint. Diese Situation bietet Anlaß, danach zu fragen, inwieweit kriminalpolitische Gesichtspunkte die dogmatisch mögliche Straflosigkeit abstützen oder aber als unannehmbar erscheinen lassen. Daß sich die Privilegierung des Letzterwerbers keineswegs von selbst versteht, zeigt auch die Tatsache, daß einige Stimmen im strafrechtlichen Schrifttum 87 eine Strafbarkeit des Abnehmers wegen Hehlerei (§ 259 StGB) bejahen88. a) Die „ vervielfältigte

" Bagatellkriminalität

Den zentralen Gesichtspunkt für eine kriminalpolitische Beurteilung des Erwerberverhaltens bildet der Umstand, daß sich die Verletzung des „geistigen" Eigentums in einer praktisch unübersehbaren Vielzahl von Raubkopien manifestieren kann. Angesichts der Tatsache, daß die Auflagenhöhe der Nachdrucke im Buchwesen häufig bei mehreren tausend Exemplaren liegt 89 , hätte die Bejahung einer Teilnahmestrafbarkeit auch des Endabnehmers zur Folge, daß die wenigen in der Vertriebskette tätigen Personen von einer ganzen Heerschar strafbarer Gehilfen umgeben wären. Der massenhaften Vervielfältigung von Tatobjekten entspräche somit in gleichem Ausmaß eine massenhafte „Vervielfältigung" strafbarer Tatsubjekte. Neben diesem kriminalphänomenologischen „Gesetz der großen Zahl" ist zu bedenken, daß der durch den Enderwerber unmittelbar mitverursachte Schaden — jedenfalls im Bereich der Buch- und Tonträgerpiraterie — regelmäßig im Bagatellbereich verbleibt 90 .

87 Flechsig, NStZ 1983, 563 und Ganter, NJW 1986, 1480. Eine andere Ansicht differenziert: Gemäß § 259 StGB ist zwar nicht der zum privaten Verbrauch erwerbende Letztabnehmer, wohl aber der zum Zwecke späterer Weiterverarbeitung Erwerbende strafbar; so Nick, Musikdiebstahl, S. 51; v. Gravenreuth, Plagiat, S. 103 f.; wohl auch Rochlitz, Schutz, S. 214 ff. (220) und Hentschel, FuR 1982, 241 (aaO. S. 245 f. de lege ferenda für eine wohl unbeschränkte Strafbarkeit des bösgläubigen Erwerbers). 88 Überwiegend wird eine Strafbarkeit gemäß § 259 StGB jedoch (zu Recht) verneint, da die §§106 ff. UrhG keine geeigneten Vortaten im Sinne des § 259 StGB darstellen; vgl. ausführlich Weber, Locher-FS (1990), S. 431 ff. (434 ff., 438 f.); Rupp, wistra 1985, 137 ff.; Lieben, GRUR 1984, 573 ff., 577 und (allerdings von der Themenstellung auf den Endabnehmer bezogen) Friedrich, MDR 1985, 366 ff.; im Ergebnis ebenso KG, NStZ 1983, 561 (562); S/S-Stree, Rdn. 9; Dreher / Tröndle, Rdn. 6 jeweils zu § 259; Wulff, BB 1985, 428 und Weber, Schutz, S. 350 ff. 89 Zur Auflagenhöhe illegaler Druckerzeugnisse vgl. Weber, Schutz, S. 49 f. und v. Gravenreuth, Plagiat, S. 205; im Tonträger- und Videobereich ist die Auflagenstärke sogar noch erheblich höher; vgl. Rochlitz, Schutz, S. 25 f. und v. Gravenreuth aaO. S. 217 f.

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Dieser kriminologische Befund einer Vielzahl von für sich betrachtet geringen, sich freilich in der Addition beachtlich verstärkenden Schädigungen91 schlägt sich auch in einer entsprechenden Verfolgungssituation nieder. Wie empirische Untersuchungen zeigen, kommt ganz allgemein die Strafverfolgung in den weitaus meisten Fällen aufgrund einer Anzeige des geschädigten Opfers in Gang 92 . Hieraus folgt umgekehrt, daß die Ermittlungschancen erheblich beeinträchtigt sind, wenn sich die Tatbegehung der unmittelbaren Wahrnehmung durch das Tatopfer entzieht. Da auch die Hoffnung auf anzeigebereite Dritte unbegründet erscheint 93, bedarf es gezielter Kontrollmaßnahmen, um die Voraussetzungen für eine Verfolgung urheberrechtlicher Straftaten zu schaffen. Auch die Umgestaltung der qualifizierten Schutzrechtsverletzung zum Offizialdelikt ändert nichts an der Tatsache, daß mit einem Tätigwerden der staatlichen Strafverfolgungsorgane erst beim Vorliegen konkreter Anhaltspunkte zu rechnen ist 94 . Das Legalitätsprinzip verpflichtet nicht zur umfassenden Ausforschung des Dunkelfeldes 95 und trägt somit das insbesondere bei den sog. „Kontrolldelikten" zu konstatierende „passive Selbstverständnis" der Strafverfolgungsbehörden 96. Diesen theoretischen Überlegungen entspricht auch die tatsächliche Verfolgungssituation im Bereich strafbarer Urheberrechts Verletzungen97: Vom Börsen90 Synoptische Gegenüberstellungen der Herstellungskosten bei legaler und illegaler Produktion finden sich bei Weber, Schutz, S. 54 ff. und Rochlitz, Schutz, S. 44 ff. (s. a. aaO. S. 79). Bei einer Umlage der jeweiligen Lizenzgebühren auf die Anzahl der Raubkopien ergibt sich für den einzelnen Erwerber ein Schadenswert, der unterhalb der im Vermögensstrafrecht derzeit allgemein bei 50,— DM angenommenen Bagatellgrenze (vgl. nur Dreher I Tröndle, § 248 a Rdn. 5, § 259 Rdn. 25) liegt. Auch die konkreten Preisangaben bei Weber (aaO. S. 54 in Fn. 38) bestätigen dieses Urteil. Das ändert freilich nichts daran, daß für die gewerbsmäßig handelnden Produktpiraten erhebliche Gewinne zu erzielen sind. Allgemein zur wirtschaftlichen Geringwertigkeit vgl. ausführlich Kunz, Bagatellprinzip, S. 215 ff. (222 ff.). 91 Exakte Schadensangaben sind insoweit nicht möglich; vgl. die Schätzungen bei Nick, Musikdiebstahl, S. 52 f.; Rochlitz, Schutz, S. 60 f.; Weber, Schutz, S. 147 und v. Gravenreuth, Plagiat, S. 205 ff. 92 Allgemein zum Anzeigeverhalten (ganz überwiegend durch die Tatopfer) Eisenberg, Kriminologie, 26/8 ff.; Kaiser, Kriminologie, 54/6 ff. sowie Neumann / Schroth, Theorien, S. 78 f., 107. 93 Das liegt — abgesehen von der ohnehin geringen Anzeigebereitschaft unbeteiligter Dritter — zum einen an der „flüchtigen Tatsituation" in privater Atmosphäre (Lokalbesuch), zum anderen aber auch an einer „weitverbreiteten Gleichgültigkeit gegenüber Urheberrechtsverletzungen" (vgl. Weber, Schutz, S. 61 ff., 66). 94 Die arbeitsökonomischen und psychologischen Ursachen für die bei der früheren Rechtslage zu konstatierenden Unzulänglichkeiten staatlicher Verfolgungstätigkeit (vgl. dazu Nordemann, NStZ 1982, 372 ff. und v. Gravenreuth, Plagiat, S. 142 ff., 165 f.) dürften ungeachtet der prozeßrechtlichen Umgestaltung unterschwellig — zumindest in bezug auf den Endabnehmer — fortwirken. 95 Ausführlich hierzu Dölling, Ermittlungstätigkeit, S. 272 ff. 96 Vgl. hierzu Blankenburg, in: Göppinger / Kaiser, Kriminologie, S. 181 ff.; zum Zusammenhang zwischen Massenhaftigkeit der Normübertretung, Bagatellcharakter und Selektionsprozeß bei der Strafverfolgung s. Kaiser, ZStW 90 (1978), 877 ff. und Roos, Entkriminalisierungstendenzen, S. 234 ff.

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verein des deutschen Buchhandels beauftragte Privatdetektive mischen sich unter das Publikum der als einschlägig bekannten Lokale und warten dort auf den Verkäufer, der in seinem Bauchladen Raubkopien anbietet. Durch Observation des „fliegenden Händlers" versucht man, die höheren Ebenen der Vertriebsorganisation auszuspähen. Die Gewerbeaußenämter und Strafverfolgungsbehörden werden erst dann gezielt angesprochen, wenn die detektivischen Vorermittlungen zur Entdeckung eines Lagers oder einer Fabrikationsstätte geführt haben, die nunmehr mit strafprozessualen Zwangsmaßnahmen (Durchsuchung, Beschlagnahme) ausgehoben werden soll. Es ist unschwer zu erkennen, daß diese im Prinzip einzig erfolgversprechende Bekämpfungsstrategie an dem einzelnen Erwerber vorbeiführt, für den sich — schon im Hinblick auf das wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Verhältnis — niemand wirklich interessiert. Selbst für den Fall, daß ein beim Ankauf beobachteter Erwerber namentlich bekannt wäre, bestünde angesichts des Bagatellcharakters seiner Handlung keine ernsthafte Aussicht auf eine strafrechtliche Verurteilung 98 . Ein solcher für die zufällig in die Mühlen der Justiz geratenen Letzterwerber zu prognostizierender Verfahrensausgang trägt gleichfalls nicht zur Steigerung der Ermittlungstätigkeit bei, sondern begünstigt die Grundhaltung des geflissentlichen „Übersehens". Das minimale Entdeckungsrisiko und die praktisch ausgeschlossene Gefahr einer strafgerichtlichen Verurteilung implizieren eine äußerst geringe AbschrekkungsWirkung 99 auf potentielle Erwerber. Vor diesem Hintergrund läßt sich für eine Pönalisierung auch des Letzterwerbers eigentlich nur das Argument denken, daß das offene Bekenntnis zur Straflosigkeit des Endabnehmers als ein resignativer Rückzug des Strafrechts erschiene, der das zu schützende Rechtsgut gegenüber dem Privatabnehmer preisgibt und damit das besonders schutzbedürftige „geistige" Eigentum zusätzlich schwächt. An dieser Argumentation ist die Grundthese von der besonderen Anfälligkeit des angegriffenen Rechtsguts gewiß zutreffend; insbesondere lassen sich — gerade auch gegenüber dem Letzterwerber — weder geeignete faktische Schutzvorkehrungen denken, noch stehen dem Opfer 97

Vgl. zum folgenden (auch zur Zusammenarbeit zwischen den von den Geschädigten gebildeten Sonderreferaten und den Strafverfolgungsbehörden) Wahl, Kriminalistik, 1982, 68 ff. (auch in dem aaO. S. 70 genannten Kreis der Adressaten der Polizei ist der Endabnehmer nicht aufgeführt); s. a. Weber, Schutz, S. 65 ff. und Glauben, DRiZ 1991, 73. 98 Dies zeigt deutlich ein Blick auf den Ausgang einschlägiger Strafverfahren gegen Hersteller und Verbreiter; s. dazu v. Gravenreuth, Plagiat, S. 81 ff., 85 ff. und Rochlitz, Schutz, S. 239 f. Mag auch ein genereller Trend zur schärferen Reaktion auszumachen sein, der durch die neuen legislatorischen Maßnahmen zusätzliche Verstärkung erfährt, so ist das Verhalten der privaten Letztabnehmer — seine Strafbarkeit unterstellt — durch zahlreiche Milderungsfaktoren gekennzeichnet. Zu den Strafzumessungsgrundsätzen im Urheberstrafrecht vgl. femer Weber, Schutz, S. 363 ff. 99 Zur Auswirkung des Entdeckungsrisikos auf die Abschreckungsprävention vgl. Eisenberg, Kriminologie, 41/3; Kaiser, Kriminologie, 37 / 57; Kunz, Bagatellprinzip, S. 47; Hassemer / Hart-Hönig, in: Hassemer, Sozialwissenschaften, S. 241 und Puhm, Strafbarkeit, S. 189 ff.

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Instrumentarien für einen effektiv gestalteten zivilrechtlichen Schutz zur Verfügung. Angesichts dieser Schutzmisere mag es plausibel erscheinen, den — bei vordergründiger Betrachtung praktisch kostenlosen — mit einer Strafdrohung verbundenen Einschüchterungseffekt auszunutzen, um durch die Verunsicherung der privaten Erwerber den Verbreitern das Wasser abzugraben. Soweit im Einzelfall tatsächlich eine ungerecht erscheinende Kriminalisierung drohe, lasse sich diese Gefahr durch eine sachgerechte Handhabung der §§ 153 ff. StPO 100 abwenden. b) Generalprävention

und Ambivalenz des „Dunkelziffer-Arguments"

In dieser Problemskizze spiegelt sich die prinzipielle Ambivalenz des „Dunkelziffer· Arguments" 101 : Zum einen kann man auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts sowie darauf verweisen, daß das „scharfe Schwert" des Strafrechts allgemein abstumpft, wenn man es als „leere Drohung" allein wegen der plakativen Wirkung beibehält, obwohl man weder willens noch in der Lage ist, die betreffende Norm tatsächlich durch die Bestrafung der Übertreter nach außen sichtbar durchzusetzen 102. Die fundamentale Gegenposition103 wertet die hohe Zahl einschlägiger Normbrüche als Zeichen einer besonderen Gefahrenlage, angesichts derer sich jede Kapitulation des Strafrechts verbiete. Vielmehr gelte es, einer „Kavaliersdelikts-Mentalität" entschlossen entgegenzutreten 104 und durch möglicherweise erhöhte Strafrahmen den Wert des zu schützenden Rechtsguts den Rechtsgenossen in besonders nachhaltiger Weise vor Augen zu stellen. Soweit sich hinter der Kontroverse um die angemessene Reaktion auf hohe Dunkelziffern unterschiedliche „kriminalpolitische Weltanschauungen" verbergen, die entweder von einer stärkeren Betonung des Ordnungsdenkens oder von einem liberalen Strafrechtsverständnis getragen sind, scheint eine sachbezogene loo Vgl. hierzu Heghmanns, NStZ 1991, 113 ff. ιοί Zur Frage, ob auf hohe Dunkelziffern mit einem Abbau oder mit einer Intensivierung des Einsatzes von Strafrecht zu reagieren ist, vgl. allgemein Popitz, Über die Präventivwirkung des Nichtwissens (1968), insbesondere S. 12 ff., 20; Lüderssen, Strafrecht und „Dunkelziffer" (1972); Neumann! Sehroth, Theorien, S. 104 ff. und Kuhlen, in: Lüderssen/Sack, Abweichendes Verhalten IV, S. 28 ff.; s. a. Arzt, in: Arzt/Weber, LH 2, Bern. 460. 102 Dezidiert in diesem Sinne Peters, ZStW 77 (1965), 475 ff.; s. a. Arzt, JuS 1974, 697 f.; Vogler, ZStW 90 (1978), 131 ff. (151); Kaiser, Klug-FS Bd. II (1983), S. 581 ff. und Kunz, Bagatellprinzip, S. 24 f. Vgl. auch allgemein zu einem „symbolischen Strafrecht" neuestens Hassemer, NStZ 1989, 553 ff. (insbesondere S. 558 f. zur „Strafgesetzgebung und Strafrechtsanwendung als Bluff 4 bzw. einem „symbolischen Strafrecht mit Täuschungsfunktion"). 103 Dreher, Welzel-FS (1974), S. 929 ff. und Hünerfeld, ZStW 90 (1978), 907 ff.; s. a. Kunz, Bagatellprinzip, S. 36 f., 41 ff. 104 Dieses Motiv hat auch den Gesetzgeber bei der Einführung des ProduktpiraterieGesetzes bestimmt; vgl. BR-Ds. 206/89, S. 47, 49, 53, 72. Das schließt jedoch eine differenzierende Beurteilung von Herstellern und Verbreitem einerseits und privaten Endabnehmern andererseits nicht von .vornherein aus.

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Auseinandersetzung ihr Ende zu finden; da sich über derart fundamentale Grundfragen nicht mehr (oder aber endlos) streiten ließe, ginge es allein um die Darstellung des jeweils eigenen Bekenntnisses und um die Anrufung des Gesetzgebers als verbindlich entscheidenden Schiedsrichter. Andererseits ist aber die Verknüpfung von allgemeiner Grundüberzeugung und konkreter Einzelbeurteilung gewiß nicht als „Einbahnstraße", sondern als dogmatisch-kriminalpolitische Wechselbeziehung zu begreifen. Daher besteht durchaus Veranlassung, speziell für die Problematik des Letzterwerbs von Raubkopien nach weiteren kriminalpolitischen Abwägungsfaktoren Ausschau zu halten. Hierbei kann sich auch ein vergleichender Blick auf andere Straftatbestände als sinnvoll erweisen, deren deliktstypische Situation ebenfalls durch eine massenhaft auftretende Normverletzung und das Problem hoher Dunkelziffern gekennzeichnet ist. Grundsätzlich ist eine Strafbarkeit, die ein Rechtsgut bewußt gegen eine weitverbreitete Mißachtung durchzusetzen versucht, um so eher angebracht, je wertvoller dieses Rechtsgut ist. Deshalb verdient es beispielsweise Zustimmung, daß die Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr gemäß § 316 StGB mit Strafe bedroht ist, obwohl (oder gerade: weil) zahlreiche Autofahrer den Normappell herunterspielen und darauf vertrauen, wegen der notwendigerweise nur stichprobenartigen Kontrollen unentdeckt zu bleiben 105 . Bezüglich des Urheberstrafrechts ist demgegenüber das ohnehin nur fragmentarisch geschützte Vermögen betroffen. Dieses Schutzgut wird überdies vom Letzterwerber regelmäßig nur in einem bagatellartigen Ausmaß beeinträchtigt; es ist auch nicht zu besorgen, daß das Tun des Erwerbers für diesen den Anreiz zu einem die Bagatellgrenzen überschreitenden Verhalten schafft. Insoweit unterscheidet sich der Letzterwerb von Raubkopien beispielsweise vom Ladendiebstahl: Dort steht die Einhaltung des Bagatellbereichs prinzipiell im Willen des Täters; hieraus resultiert die Gefahr, daß bei „erfolgreichen" (= unentdeckten) Bagatelldiebstählen der Täter animiert werden könnte, sich auch an wertvolle(re) Tatobjekte zu wagen. Diese Furcht vor einem möglichen Steigerungseffekt kann daher das „Dammbruch-Argument" für den Bereich des Ladendiebstahls verstärken; es ist aber nicht auf den Raubkopienerwerb übertragbar. Größere Ähnlichkeit weist das Verhalten des Endabnehmers von Raubkopien hingegen zum Erschleichen von Leistungen (§ 265 a StGB) in der Begehungsform des „Schwarzfahrens" in öffentlichen Verkehrsmitteln auf. Die materielle Entsprechung besteht zum einen in der Vorenthaltung einer geschuldeten Vergütung als Schadensposten, zum anderen in der Beschränkung auf Taten mit Bagatellcharakter; in bezug auf die Verfolgungssituation bildet der Aspekt der Massenkriminalität und die Abhängigkeit der Strafverfolgung von Kontrollmaßnahmen des los Zur Strafbarkeit der Trunkenheitsfahrt vgl. Wolter, Zurechnung, S. 276 ff., 319 sowie jüngst Schöch, NStZ 1991, 11 ff. Die Bestrafung einzelner in Kenntnis einer hohen Dunkelziffer ist per se auch nicht verfassungswidrig („keine Gleichbehandlung im Unrecht"; vgl. Kuhlen, in: Lüderssen / Sack, Abweichendes Verhalten IV, S. 38 ff.; s. aber auch Arzt, JuS 1974, 694).

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Geschädigten ein übereinstimmendes Element. Gleichwohl läßt sich aus der Strafbarkeit des „Schwarzfahrens" nichts für die Strafwürdigkeit des Erwerbs von Piraterieprodukten herleiten. Denn abgesehen davon, daß die kriminalpolitische Berechtigung des § 265 a StGB im Schrifttum 106 teilweise in Zweifel gezogen wird, läge es nahe, daß der Gesetzgeber — gerade auch zur Verdeutlichung des Normbefehls — eine ausdrückliche Strafnorm statuiert, wenn er sich bei der Bekämpfung von Schutzrechtsverletzungen für eine Strategie entscheidet, die angesichts der Einbindung der Endabnehmer eine große Zahl von Straftätern hervorbringt. Dies gilt insbesondere dann, wenn — und insoweit besteht ein durchaus bedeutsamer Unterschied sowohl gegenüber der Situation des „Schwarzfahrens" als auch hinsichtlich des Ladendiebstahls — diese Vielzahl der neu geschaffenen Kleinkriminellen von dieser Strafbarkeitsausdehnung zwar unmittelbar getroffen werden, aber nur mittelbar gemeint sind, weil die Hauptstoßrichtung des Strafrechtseinsatzes auf andere (nämlich die Mitglieder des Verteilungsapparates) zielt 107 . Auch wenn das Fehlen eines effektiven zivilrechtlichen Schutzes gegenüber dem Endabnehmer einzuräumen ist, wird das Erfordernis einer Bestrafung der Randfiguren (zumindest weitgehend) kompensiert durch die verbleibende Strafdrohung gegenüber den Haupttätern 108. Der hiergegen denkbare Einwand, die Risikolosigkeit des Letzterwerbs könne nicht durch die dritten Personen gegenüber angedrohten Nachteile ausgeglichen werden, vermag nicht zu überzeugen. Denn erstens erfaßt die gegen den Veräußerer gerichtete Strafdrohung gerade das identische tatsächliche Geschehen, und zweitens ist trotz fehlender Strafdrohung gegen den (privaten) Erwerber nicht damit zu rechnen, daß dieser plötzlich — die Risikolosigkeit geradezu ausnutzend — besondere Initiativen zur Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts entfaltet. Rein faktisch — und dogmatisch abgesichert durch die gemeinhin angenommene Straflosigkeit unter dem Aspekt der „notwendigen Teilnahme" 109 — ist der Raubkopienerwerber bereits heute von allen straf- und zivilrechtlichen Zwängen freigestellt. Gleichwohl wird das Raubkopiensortiment nicht durch gezielte Nachfrage der Endabnehmer der Raub106 So insbesondere Alwart, JZ 1986, 563 ff. sowie die kritischen Anmerkungen zu OLG Hamburg, NJW 1987, 2688 von Albrecht, NStZ 1988, 222 ff. und Th. Fischer, NJW 1988, 1828 f.; s. a. ders., NStZ 1991, 41 f. ιόν Insoweit ähnelt die Konstellation in gewisser Hinsicht der—rechtspolitisch kontrovers diskutierten — Einführung des strafbewehrten Vermummungsverbots in § 125 II StGB; vgl. dazu Kühl, NJW 1986, 874 ff. 108 Zum Aspekt einer vollständigen Konflikterledigung allein durch eine Inanspruchnahme der Zentralgestalt vgl. — in bezug auf die Lehre vom Regreßverbot — Jakobs, ZStW 89 (1977), 8 ff. 109 Auf dem Boden der herrschenden Meinung ist die rollenüberschreitende Mitwirkung theoretisch strafbar. Andererseits werden Ermittlungen zur Feststellung etwaiger Rollenüberschreitungen — soweit ersichtlich — gar nicht durchgeführt. Die „notwendige Teilnahme" ermöglicht insofern einen dogmatisch abgesicherten Rückzug des Strafrechts (zu vergleichbaren Rückzugsformen vgl. Arzt, JuS 1974, 698), der von der Praxis aufgegriffen und überboten wird.

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Produkte bestimmt, sondern anhand von Beobachtungen der Marktentwicklung für die regulären Produkte durch die Hersteller und Verbreiter der Piratenware festgelegt 110. c) Zur Alternativität von materiell-rechtlicher und prozessualer Entkriminalisierung Kritischer Betrachtung bedarf auch der Hinweis auf die „geschmeidigere" verfahrensrechtliche Lösungsmöglichkeit durch eine sachgerechte Anwendung der §§ 153 ff. StPO. Zwar trifft es zu, daß zur Bewältigung der Bagatellkriminalität sowohl materiell-rechtliche als auch prozessuale Wege beschritten werden können 111 . Es wäre jedoch fatal, wollte man sich mit dem „Ausleiern" von Strafrechtsnormen abfinden, weil die §§ 153 ff. StPO die Möglichkeit eröffnen, die nahezu uferlosen Tatbestände für die Strafrechtspraxis wieder zu korrigieren 112 . Sachgerecht ist allein ein Strafrechtsverständnis, das den „ultima-ratio"Gedanken bei der Gestaltung und Auslegung der Normen des materiellen Strafrechts 113 ernst nimmt und die §§ 153 ff. StPO als ein Feinsteuerungsinstrument begreift, mit dessen Hilfe solche Fälle herausgefiltert werden, die aus deliktsatypischen Umständen 114 in ihrer Strafwürdigkeit oder Strafbedürftigkeit vermindert sind. Die vorliegend diskutierte Straflosigkeit des Letzterwerbs von Raubkopien zu privaten Zwecken stellt aber eine mit dem betreffenden Delikt typischerweise einhergehende Fallgruppe bloßen Bagatellunrechts dar 115 , für das mithin eine materiell-rechtliche Lösung zu suchen ist. Zur Nachdenklichkeit zwingen allenfalls die Fälle des Erwerbs von Computersoftwareprogrammen. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Dimensionen wird man bereits dem einzelnen Erwerbsvorgang auch durch private Endabnehmer den Bagatellcharakter absprechen müssen 116 ; insoweit läßt sich gewiß auch eine no Weber, Schutz, S. 49 f.; v. Gravenreuth, Plagiat, S. 206 und BR-Ds. 206 / 89, S. 46. m Allgemein zu den denkbaren Modellen einer Umsetzung des Bagatellprinzips Roos, Entkriminalisierungstendenzen, S. 169 ff. (178 ff.); Vogler, ZStW 90 (1978), 149 ff.; Hünerfeld, ZStW 90 (1978), 909 ff. (915 ff.) und Kunz, Bagatellprinzip, S. 49 ff., 319 ff. 112 Ebenso Vogler, ZStW 90 (1978), 153; für eine primär im Bereich des materiellen Rechts zu suchende Lösung auch Roos, Entkriminalisierungstendenzen, S. 186 und Arzt, JuS 1974, 695. us Zur Gesetzesauslegung als Mittel der Entkriminalisierung vgl. Roos, Entkriminalisierungstendenzen, S. 241 ff., 253 ff. li4 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Unterscheidung zwischen „eigentlichen" und „uneigentlichen" Bagatelldelikten bei Dreher, Welzel-FS (1974), S. 917 f. ι is Hierbei ist es unerheblich, daß die jeweiligen Haupttaten regelmäßig keinen bagatellarischen Charakter tragen; allgemein zum Bagatellcharakter von Teilnahmehandlungen vgl. auch Kunz, Bagatellprinzip, S. 212 f. 116 Ebenso Rochlitz, Schutz, S. 256; s. a. v. Gravenreuth, Plagiat, S. 196 f.; kritisch zur Heranziehung des § 248a StGB Heghmanns, NStZ 1991, 115. Vgl. aber auch Glauben, DRiZ 1991,73 (zur Frage der urheberstrafrechtlichen Schutzwürdigkeit von Computerspielen).

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Strafwürdigkeit des Erwerberverhaltens (eher) vertreten. Bindet man die Elimination aus der Teilnahmestrafbarkeit allein an das Kriterium des Letzterwerbs zu Privatzwecken, so bleibt auch der mit ausschließlich privater Zielsetzung handelnde Software-Erwerber straflos. Demgegenüber könnte man geneigt sein, das auf die Schadenshöhe bezogene Bagatellmerkmal als eine hinzutretende Privilegierungsvoraussetzung anzusehen. Durch die kumulative Verknüpfung zweier Erfordernisse würde der Privilegierungsbereich zwar in sachgerechter Weise verengt, doch dürfte eine derartige Konzeption nur als ein de lege ferenda unterbreiteter Vorschlag Geltung beanspruchen können. Denn das als weitere Privilegierungsvoraussetzung propagierte Geringfügigkeitsmerkmal ist nicht in gleicher Weise im Urheberrecht verankert wie die Sanktionslosigkeit des Privatbereichs. Insbesondere ist der Bagatellcharakter zwar ein regelmäßig feststellbarer Begleitumstand des Handelns im Privatbereich, er stellt jedoch — wie gerade die Fälle des Software-Erwerbs zeigen — kein der Privatsphäre immanentes Kriterium dar. Angesichts dieser Situation ließe sich die Ansicht vertreten, eine partielle Entkriminalisierung im Urheberstrafrecht sei nur im Rahmen der §§ 153 ff. StPO zu befürworten, da die denkbare materiell-rechtliche Alternative einen allzu weitreichenden Rückzug des Strafrechts mit sich brächte. Bei der Handhabung der strafprozessualen Einstellungsvorschriften könne man hingegen sicherstellen, daß nur die wirklich privilegierungswürdigen Fälle, die durch ein Zusammentreffen von privatem Handeln und geringem Schaden gekennzeichnet seien, aus dem Strafbarkeitskontext herausgenommen werden. Bei näherem Hinsehen erweist sich aber eine in dieser Weise begründete Ablehnung einer materiellen Entkriminalisierungslösung als zweifelhaft. Denn es ist zu bedenken, daß die Ermittlungschancen bezüglich privater Software-Erwerber noch sehr viel schlechter sind, als dies bereits hinsichtlich der Raubdruckerwerber der Fall ist 1 1 7 . Denn im Computerbereich findet die Veräußerung nicht „öffentlich" durch „fliegende Händler" statt, sondern der Übertragungsakt vollzieht sich im einer Beobachtung nicht zugänglichen Privatbereich. Die prozessuale Lösung würde somit die Strafbarkeit aus rein symbolischen Gründen befürworten, da sich die verbleibende Bestrafungsmöglichkeit gerade in dem Teilbereich, für den sie erhalten werden sollte, nicht realisieren ließe. Umgekehrt bliebe für das Gros der sonstigen Fälle des Erwerbs von Piratenware das Dilemma bestehen, das sich aus dem Auseinanderklaffen von materiell-rechtlich bestehender Strafbarkeit und faktischer Verfolgungslage ergäbe: Entweder man findet sich mit dem offensichtlichen Ignorieren dieser für strafbar erklärten Handlungen ab, oder man erhebt die unrealistische 117 Zur als „sehr hoch" eingeschätzten Dunkelziffer und den besonderen Ermittlungsschwierigkeiten bei der Softwarepiraterie vgl. v. Gravenreuth, Plagiat, S. 199 ff. Beachtenswert sind auch heute noch die Gesichtspunkte, die bereits 1962 den Gesetzgeber — freilich ohne Bezug zur Softwarepiraterie — zu der Einsicht geführt haben, daß ein Verbot der privaten Vervielfältigung (u. a. im Hinblick auf Art. 13 GG) in der Praxis nicht durchsetzbar ist; vgl. BT-Ds. IV / 270, S. 71 f. Selbst Zufallsfunde wären praktisch oftmals wirkungslos, da der Besitz als solcher nicht strafbar, der (nicht verjährte) Erwerb aber nicht beweisbar wäre.

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. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der

chtsdelikte

Forderung, in diesem Bereich die Ermittlungen so weit voranzutreiben, daß die betreffenden Verfahren einstellungsreif sind 118 . Vor diesem Hintergrund erscheint eine Lösung vorzugswürdig, die die skizzierte Divergenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit vermeidet, indem sie sich offen zu einem Strafbarkeitsverzicht bekennt, der dogmatisch begründbar und jedenfalls in seinen praktischen Auswirkungen auch allgemein akzeptiert ist.

4. Zur Reichweite der Privilegierung des Endabnehmers Die vorangegangenen Ausführungen haben deutlich gemacht, daß im Bereich des Urheberstrafrechts eine auf den privaten Endabnehmer bezogene materiellrechtliche Entkriminalisierungslösung Beifall verdient. Das durch die Ablehnung des allgemeinen Grundsatzes der Straflosigkeit rollenwahrender Mitwirkung entstandene Argumentationsvakuum erfährt somit eine Ausfüllung durch eine deliktsbezogene Privilegierung, die dogmatisch begründbar ist und zugleich kriminalpolitisch akzeptabel erscheint. Besteht daher hinsichtlich der prinzipiellen Anerkennung einer Privilegierung Übereinstimmung zwischen der von der herrschenden Meinung vertretenen und der hier entwickelten Auffassung, so verlaufen die zu ziehenden Privilegierungsgrenzen dennoch nicht kongruent. Die erste Divergenz ergibt sich aus dem Umstand, daß nach dem hier vorgetragenen Modell die Straflosigkeit auf den privaten Endabnehmer beschränkt ist: In dogmatischer Hinsicht gilt nur für den Letzterwerber der Privilegierungskern der sanktionslosen Privatsphäre 119; in kriminalpolitischer Hinsicht liegen auch nur insoweit die Gesichtspunkte der drohenden Massenkriminalisierung und (re-

us Vgl. hierzu Roos, Entkriminalisierungstendenzen, S. 182. Auch die Ausgestaltung der einfachen Schutzrechtsverletzung gemäß § 1061 UrhG als Antrags- und Privatklagedelikt gewährleistet keine eindeutige Entkriminalisierungslösung. Denn zum einen kann auch die Mitwirkung an nur einem Teilakt eine Beihilfe zur fortgesetzten (bzw. gewerbsmäßigen) Tat sein (Lackner, vor § 52 Rdn. 20, 22; vgl. aber auch oben [zu] Fn. 66); zum anderen erstreckt sich ein Strafantrag grundsätzlich auf alle Tatbeteiligten, sofern das Opfer von seinem Recht zur inhaltlichen Beschränkung seines Antrags keinen Gebrauch gemacht hat CLK-Jähnke, § 77 Rdn. 16 f.). 119 Der Alternativ-Entwurf verlangt in § 204 AE-BT auch für die Strafbarkeit der unbefugten Vervielfältigung ein Handeln in der Absicht anschließender Verbreitung; vgl. AE-BT (Wirtschaftsdelikte), S. 115; Weber, Sarstedt-FS (1981), S. 384 f.; kritisch hingegen Rochlitz, Schutz, S. 255 ff. Daß § 1061 UrhG eine solche Restriktion bezüglich des Herstellens eines Vervielfältigungsstückes nicht vorsieht, steht der hier befürworteten Privilegierung des Endabnehmers nicht entgegen: Erstens weist das Verhalten (auch) des (privaten) Herstellers gegenüber dem privaten Erwerber eine regelmäßig höhere kriminelle Energie auf (größere Vorbereitung und höherer Zeitaufwand gegenüber dem spontanen Kaufentschluß); zweitens steht hier die Möglichkeit einer Konflikterledigung durch Rückgriff auf einen Dritten nicht zur Verfügung. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß auch die herrschende Meinung zur „notwendigen Teilnahme" zu einer Besserstellung des Erwerbers gegenüber dem Hersteller eines zur privaten Verwendung bestimmten Exemplars führt.

II. Die Mitwirkung des Erwerbers von Raubkopien (§§ 106 ff. StGB)

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gelmäßig) des Bagatellcharakters vor 1 2 0 . Die am formalen Gegenspielermodell von Veräußerer und Erwerber ausgerichtete Sichtweise muß demgegenüber auch den sich in großer Zahl mit Piratenware eindeckenden Händler straflos lassen, solange er diese Gegenstände nicht öffentlich anbietet 121 . Eine zweite Abweichung der Strafbarkeitsfreiräume ist dadurch bedingt, daß die Mitwirkung des Erwerbers nach der traditionellen Konzeption der „notwendigen Teilnahme" strafbar ist, sofern die Beteiligung über das deliktsnotwendig vorausgesetzte Maß hinausgeht. Auf dem Boden der hier entwickelten Auffassung ist eine solche Restriktion der Straflosigkeit nicht vorgegeben; es bedürfte mithin einer eigenständigen Begründung für eine derartige Privilegierungsbegrenzung. Hierfür sind überzeugende Sachgesichtspunkte nicht ersichtlich. Vielmehr selektiert auch die Strafverfolgungspraxis nicht nach handlungsbezogenen Maßstäben, sondern sie blendet im Wege einer „funktional" zu nennenden Betrachtung den Endabnehmer vollständig aus. Dieses Vorgehen findet auch eine Entsprechung in den theoretischen Überlegungen, die auf dem Boden der herrschenden Ansicht zur Festlegung des Rolleninhalts entwickelt werden. Hiernach soll der Erwerber straflos bleiben, solange sich sein Verhalten im Rahmen des im Buchhandel Üblichen bewegt 122 . Das heißt aber, daß das Rollenbild des „normalen" Kunden den Straffreiraum bestimmt; das verbale Festhalten am Erfordernis der (deliktsnotwendigen oder rollenwahrenden) Mindestmitwirkung durch die Anhänger der herrschenden Meinung trägt die Züge eines leerformelhaften Lippenbekenntnisses, mit dessen Hilfe die dogmatische Übereinstimmung mit dem vermeintlichen Privilegierungsgrund — dem „Grundsatz" der straflosen „notwendigen Teilnahme" — aufrechterhalten werden soll. Die hier entwickelte Konzeption bedarf

120 Eine Verknüpfung von Bagatellcharakter und Privatsphäre liegt auch der Privilegierung des Erwerbs oder Besitzes von Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch (§ 29 V BtMG) zugrunde (vgl. Kunz, Bagatellprinzip, S. 224). Zwar eröffnet das Gesetz hier nur die fakultative Möglichkeit des Absehens von Strafe, doch zeigt auch dieser Schritt, daß eine Inpflichtnahme aller Beteiligten zur „Trockenlegung" des Marktes selbst in diesem gravierenden Bereich Ausnahmen erfährt. 121 Eine ähnliche Problemkonstellation läßt sich bezüglich der Münzdelikte aufzeigen: Während der Bundesgerichtshof (BGHSt. 29, 311 ff.; 32,68 [78]) und die wohl überwiegende Ansicht im Schrifttum (Dreher i Tröndle, Rdn. 2; Lackner, Rdn. 2; LK-Herdegen, Rdn. 4; S/S-Stree, Rdn. 5 jeweils zu § 147) auch denjenigen wegen „Inverkehrbringens als echt" gemäß § 147 StGB bestrafen, der Falschgeld an einen bösgläubigen Dritten zu dessen freier Verfügung weitergibt, plädiert die vorzugswürdige Gegenauffassung (SK-Rudolphi, § 147 Rdn. 6, § 146 Rdn. 12 f. mit weiteren Nachweisen) dafür, dieses Verhalten als Teilnahme zum „Sich-Verschaffen" (§ 146 I Nr. 2 StGB) — freilich mit einer Strafrahmenanalogie zu § 147 StGB — zu beurteilen. Der hiergegen von Otto (JR 1981, 85) erhobene Einwand, die Weitergabe müsse als Komplementärakt zum „SichVerschaffen" nach den Grundsätzen der „notwendigen Teilnahme" straflos bleiben, entspricht einer rein formalistischen Betrachtung und vermag mangels materieller Absicherung nicht zu überzeugen; überdies bedarf es für das „Sich-Verschaffen" im Rahmen des § 146 StGB — anders als bei der Hehlerei (§ 259 StGB) — keines derivativen Erwerbs (vgl. S/S-Stree, Rdn. 15; Dreher / Tröndle, Rdn. 7 jeweils zu § 146). 122 Vgl. Weber, Schutz, S. 346 f. 13 Sowada

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. Kap.: „Notwendige Teinahme" im Bereich der

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keiner solchen „Nachkorrektur"; Grund und Reichweite der Privilegierung stellen eine Einheit dar und bestimmen sich allein danach, ob das Mitwirkungsverhalten als typische Erwerbshandlung des privaten Letzterwerbers anzusehen ist. Als Quintessenz der Untersuchung zur Strafbarkeit des Raubkopienerwerbs ist folgendes festzuhalten: Die hier entwickelte deliktsbezogene Auffassung ist gegenüber der hergebrachten, auf der „notwendigen Teilnahme" basierenden Ansicht insofern enger, als sie ausschließlich den privaten Letzterwerber privilegiert; sie geht umgekehrt über die Doktrin von der straflosen Mindestmitwirkung hinaus, indem sie die Straflosigkeit nicht von einem verhaltensbezogenen Kriterium der „Rollenwahrung" abhängig macht.

7. Kapitel

Die „notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte I . Die M i t w i r k u n g des Gefangenen an der auf seine Befreiung gerichteten T a t (§ 120 StGB) Bereits in frühen Arbeiten zur „notwendigen Teilnahme" wurde die Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) dem Kreis der Begegnungsdelikte zugeordnet. Besonderes Interesse verdient dieser Tatbestand insoweit, als die Reichweite der Privilegierung des Inhaftierten von Anfang an zwischen der Judikatur und der im Schrifttum vorherrschenden Meinung umstritten war. Ungeachtet dieser nach wie vor fortbestehenden Meinungsverschiedenheiten lassen sich zwei allseits akzeptierte Grundaussagen als Grenzwerte des umstrittenen Terrains feststellen: Einerseits ist die einfache Selbstbefreiung des Gefangenen straflos 1; andererseits begündet die bloße Gefangeneneigenschaft keinen persönlichen Strafausschließungsgrund, der jeglicher Bestrafung aus der Strafnorm des § 120 StGB entgegenstünde. Vielmehr kann eine strafbare Gefangenenbefreiung auch durch eine inhaftierte Person begangen werden 2, wenn diese — ohne selbst zu fliehen — die Flucht eines Mithäftlings fördert oder ihn zur Selbstbefreiung verleitet. Auch der Umstand, daß diese Fremdbefreiung zeitlich und räumlich mit der eigenen Flucht zusammentrifft, führt per se noch nicht zur Straflosigkeit des Entweichenden, sondern die nur bei Gelegenheit der Selbstbefreiung erfolgende Fremdbefreiung bleibt — insoweit besteht ebenfalls Einigkeit 3 — strafbar. Abgesehen von diesen übereinstimmend beurteilten Fällen bleiben zwei Konstellationen, bezüglich derer die Frage einer strafbaren Mitwirkung des zum Zwecke seiner Befreiung handelnden Gefangenen kontrovers diskutiert wird. Zum einen geht es um jene Fälle, in denen der Gefangene einen (nicht inhaftierten) Dritten anstiftet, er solle ihn befreien bzw. Ausbruchswerkzeuge in die Strafanstalt schmuggeln; zum anderen sind die Fälle der gemeinschaftlichen Flucht bei wech1 Vgl. statt aller LK-v. Bubnoff, Rdn. 2 und S/S-Eser, Rdn. 9 jeweils zu § 120. 2 BGHSt. 17, 369 (373); OLG Celle, JZ 1961, 263 f.; Wessels, BT 1, § 14 IV 2 (= S. 138); Dreher / Tröndle, Rdn. 8; LK-v. Bubnoff, Rdn. 34 und S/S-Eser, Rdn. 14 jeweils zu § 120. 3 Vgl. hierzu insbesondere OLG Celle, JZ 1961, 263 (264) mit Anm. Schröder aaO. S. 265; s. a. Wolter, JuS 1982, 346. 13*

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

selseitiger Förderung zu erörtern. Sowohl das Reichsgericht 4 als auch der Bundesgerichtshof 5 erachteten die vom Inhaftierten verübte Anstiftung zu einer auf seine Befreiung gerichteten Tat für strafbar. Beim gemeinschaftlichen Entweichen ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes 6 eine strafbare Mitwirkung anzunehmen, wenn ein Gefangener mit seiner Unterstützungshandlung mehr tut, als seiner eigenen Befreiung nützlich ist. Demgegenüber wird im Schrifttum überwiegend für beide Fallkonstellationen die Straflosigkeit des zum Zwecke seiner eigenen Befreiung agierenden Gefangenen befürwortet 7. Es ist ohne weiteres einsichtig, daß sich die Privilegierungsfrage für die Anstiftungskonstellation und für die Fallgruppe der gemeinschaftlichen Flucht der Sache nach in gleicher Weise stellt. Diese Erkenntnis zwingt jedoch zu dem Eingeständnis, daß die formale Betrachtungsweise, die gemeinhin der Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" zugrundegelegt wird, für eine sachgerechte Erfassung des Privilegierungsproblems nur beschränkt geeignet ist. Denn wie in den einschlägigen gerichtlichen Entscheidungen zu Recht hervorgehoben wird, handelt es sich in den Fällen der gemeinschaftlichen Flucht gar nicht um eine „notwendige Teilnahme im Rechtssinne"8. Mag eine Flucht aus der Haft rein tatsächlich nur durch das gemeinschaftliche Handeln beider Gefangener möglich sein, so ändert dies nichts daran, daß bei rechtlicher Betrachtung die straflose Selbstbefreiung keineswegs zugleich eine hiermit einhergehende (Förderung einer) Fremdbefreiung bedingt. „Notwendiger Teilnehmer" ist der Gefangene hiernach also immer nur insoweit, als es um seine eigene Befreiung geht. Hieraus folgt für die Anstiftungsfälle, daß der Häftling, der einen in Freiheit befindlichen Dritten bittet, ihn aus der Haftanstalt zu befreien (bzw. seine Selbstbefreiung zu fördern) als „notwendiger Teilnehmer" anzusehen ist. Wenn die Rechtsprechung die dargestellte Aufforderung gleichwohl als strafbare Anstiftung zur Gefangenenbefreiung (§§ 120, 26 StGB) qualifiziert, so basiert diese Beurteilung auf der These, daß der Gefangene durch dieses Verhalten die ihm vom Gesetz eingeräumte „Rolle" strafloser Tätigkeit überschritten habe9. Demgegenüber betrifft die Konstellation der gemeinschaftlichen Flucht die (von der „notwendigen Teilnah4 RGSt. 3, 140; 61, 31 (32 f.). 5 BGHSt. 4, 396 (400 f.); 17, 369 (373, 376). 6 BGHSt. 17, 369 (375); zur gemeinschaftlichen Flucht vgl. femer OLG Oldenburg, NJW 1958, 1598 sowie OLG Celle, JZ 1961, 263. 7 Arzt, in: Arzt/Weber, LH 5, Bern. 161; SK-Horn, Rdn. 13; S/S-Eser, Rdn. 15; LKV. Bubnoff, Rdn. 35 f.; Lackner, Rdn. 11 jeweils zu §120; SK-Samson, vor §26 Rdn. 46 ff.; Wessels, BT 1, § 14IV 2 (= S. 138); Herzberg, Täterschaft, S. 136; Jescheck, AT, § 64 VI 2 (= S. 633); Stratenwerth, AT, Rdn. 950; Schmidhäuser, BT, 22/20 und Wolter, JuS 1982, 346 f. Wie die Rechtsprechung hingegen Dreher i Tröndle, § 120 Rdn. 9 und Bockelmann / Volk, AT, § 25 VI 4 (= S. 201); s. a. die Begründung zum E 62 (= BT-Ds. IV/650), S. 611. s So OLG Celle, JZ 1961, 263 (264); ebenso BGHSt. 17, 369 (373) und OLG Oldenburg, NJW 1958, 1598 (1599). 9 Besonders deutlich RGSt. 61, 31 (32 f.); s. a. Jescheck, AT, § 64 VI 1 (= S. 632); Herzberg, Täterschaft, S. 136 und Göhler, OWiG, § 115 Rdn. 18.

I. Die Mitwirkung des Gefangenen an seiner Befreiung (§ 120 StGB)

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me" dogmatisch unabhängige) Abgrenzung zwischen strafloser Selbst- und strafbarer Fremdbefreiung. 1. Zur Strafbarkeit des zu seiner Befreiung anstiftenden Gefangenen Es empfiehlt sich, die Erörterungen zu der Frage, ob der zu seiner Befreiung anstiftende Gefangene straflos ist, mit jenen Ansichten zu beginnen, die eine umfassende, nicht auf den „rollenwahrenden" Bereich beschränkte Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" befürworten. Denn wenn sich die Richtigkeit dieser weitesten Straflosigkeitskonzeption für die Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) nachweisen ließe, so entfiele hiermit zugleich die Notwendigkeit, die Grenzlinie des noch rollenwahrenden Verhaltens 10 exakt zu bestimmen. a) Die Anwendung allgemeiner Begründungsansätze im Rahmen der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) Zur Begründung der umfassenden Straflosigkeit des zu seiner Befreiung anstiftenden Häftlings werden im Rahmen des § 120 StGB teilweise Argumentationen vertreten, die in früheren Kapiteln dieser Arbeit als einzeldeliktsübergreifende Begründungsansätze diskutiert worden sind. In diesem Zusammenhang ist zunächst das von Roxin 11 angeführte Argument zu nennen, wonach die dem § 120 StGB zugrundeliegenden Rechtsgüter nicht dem Delinquenten gegenüber geschützt seien. Auf den ersten Blick scheint diese Argumentationsform derjenigen Begründung zu entsprechen, die sich als Legitimation einer umfassenden Straflosigkeit des mitwirkenden Tatopfers erwiesen hat. Doch darf hierbei der fundamentale dogmatische Unterschied zwischen beiden Fallkonstellationen nicht übersehen werden: Im Kontext der Opferstraflosigkeit basiert die Privilegierung auf der Erkenntnis, daß dem Rechtsgutsinhaber eine strafrechtsrelevante Verletzung der ihm zugewiesenen Rechtsgüter nicht möglich ist. Eine solche Verankerung der Unangreifbarkeit des Rechtsguts in den allgemeinen Strafrechtslehren kann die von Roxin in bezug auf § 120 StGB vertretene Ansicht für sich jedoch nicht in Anspruch nehmen. Denn das Delikt der Gefangenenbefreiung dient — zumindest in einem weiteren Sinne 12 — dem Schutz der staatlichen Rechtspflege und io Zu einer an den Beteiligungsformen ausgerichteten Grenzziehung, nach welcher die Beihilfe des Inhaftierten straflos, die von ihm begangene Anstiftung hingegen strafbar ist, vgl. BGHSt. 4, 396 (400 f.); Bockelmann I Volk, AT, § 25 IV 4 (= S. 201) und Feder er, Gefangenenbefreiung, S. 34 ff.; ähnlich auch LK-v. Bubnoff, § 120 Rdn. 35 („Ausnutzen der gebotenen Gelegenheit zum Entweichen"). π In: LK, vor § 26 Rdn. 34. 12 Überwiegend wird als Schutzgut des § 120 StGB die staatliche Hoheitsgewalt angesehen; vgl. LK-v. Bubnoff, § 120 Rdn. 6 (mit weiteren Nachweisen). Dies steht einer Einordnung in den Kreis der Rechtspflegedelikte jedoch nicht entgegen; ausführlich hierzu H. Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 209 ff.; ebenso M. E. Mayer, Gefangenenbefreiung, S. 33; Bockelmann, BT 3 § 71 (= S. 61 f.) und Welzel, Lehrbuch, S. 234, 507.

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

hier schwerpunktmäßig 13 dem Teilgebiet der Strafrechtspflege; es ist evident, daß insoweit eine Rechtsguts(mit)inhaberschaft des Delinquenten ausscheidet. Ob sich eine rechtsgutsbezogene Privilegierungskonzeption in anderer Weise überzeugend dartun läßt, erscheint äußerst zweifelhaft 14 : Auch das quasi-alleintäterschaftliche Entweichen des Gefangenen beeinträchtigt das Interesse des Staates an der Aufrechterhaltung des Gewahrsams über die inhaftierte Person; auch die Selbstbefreiung löst mithin staatlicherseits die notwendigen Maßnahmen zur Wiederergreifung des Flüchtigen aus, so daß bei der Selbstbefreiung — anders als bei der reinen Selbstschädigung — eine Interpretation des Vorgangs als bloße Privatangelegenheit nicht möglich erscheint. Für die Annahme des rechtsgutsverletzenden Charakters auch der Selbstbefreiung spricht weiterhin ein Blick auf das Delikt der Gefangenenmeuterei (§121 StGB). Es erscheint durchaus naheliegend, für die §§120 und 121 StGB ein übereinstimmendes Schutzgut anzunehmen 15 und die zwischen den beiden Tatbeständen bestehenden Unterschiede allein auf die Handlungsmodalitäten (gemeinschaftliches und gewaltsames Vorgehen mehrerer Gefangener in § 121 StGB) zu beziehen. Wenn aber die geschützten Rechtsgüter identisch sind und der gemeinschaftliche gewaltsame Ausbruch für jeden Delinquenten als strafbare Rechtsgutsverletzung erscheint, dann ist — so ließe sich argumentieren — hiermit die Angreifbarkeit dieses Rechtsgutes überhaupt dargetan mit der Folge, daß dasselbe Rechtsgut gegenüber derselben Person nicht bei lediglich verändertem Handlungsablauf als ungeschützt gelten könne. Vor diesem Hintergrund ließe sich die These vom gegenüber dem „notwendigen Teilnehmer" ungeschützten Rechtsgut allenfalls dann aufrechterhalten, wenn man den Privilegierungsumfang zur Grundlage des dogmatischen Sprachgebrauchs machen und eine rechtsgutsbezogene Erklärung immer dann heranziehen wollte, wenn die umfassende Straflosigkeit einer Person begründet werden soll. Eine solche ergebnisorientierte Strukturierung des dogmatischen Systems, die der Formel von der fehlenden Angreifbarkeit des Rechtsguts lediglich die Funktion einer sprachlichen Abkürzung beließe, ist aus doppeltem Grund abzulehnen: Erstens besteht die Gefahr der dogmatischen Verschleierung, indem die Reichwei!3 Daß nicht ausschließlich die Strafrechtspflege betroffen ist, ergibt sich daraus, daß neben den Straf- und Untersuchungshäftlingen noch weitere Personengruppen (ζ. B. Kriegsgefangene und Abschiebehäftlinge) dem § 120 StGB unterfallen; vgl. LK-v. Bubnoff; Rdn. 12 ff. und Dreher / Tröndle, Rdn. 2 jeweils zu § 120. 14 Im älteren Schrifttum wurde teilweise von der Strafbarkeit der phänotypischen Teilnahmehandlungen des „Verleitens" bzw. „Förderns" auf den Unrechtsgehalt der „fiktiven Haupttat" geschlossen; so Feder er, Gefangenenbefreiung, S. 35; für eine stärkere dogmatische Unabhängigkeit der gesetzlichen Tataltemativen hingegen AK-Zielinski, Rdn. 8 und SK-Horn, Rdn. 9 jeweils zu § 120. is Zum übereinstimmenden Schutzgut bei § 120 und § 121 StGB vgl. LK-v. Bubnoff, Rdn. 2 und AK-Zielinski, Rdn. 3 jeweils zu § 121. Sofern in den § 121 StGB zusätzlich die Schutzgüter des § 113 StGB einbezogen werden (S/S-Eser, Rdn. 1 und Lackner, Rdn. 1 jeweils zu § 120), wäre dies für den vorliegenden Zusammenhang nur dann von Bedeutung, wenn man ein alternatives (also kein kumulatives) Verhältnis der Schutzgüter annehmen wollte.

I. Die Mitwirkung des Gefangenen an seiner Befreiung (§ 120 S t G B ) 1 9 9

te des Rechtsgüterschutzes tatsächlich in Abhängigkeit von an sich rechtsgutsfremden, weitgehend kriminalpolitischen Strafbarkeits- oder Straflosigkeitsvorstellungen bestimmt wird 1 6 ; zweitens würde durch einen solchen ergebnisbezogenen (und damit letztlich zirkulären) Sprachgebrauch die oben herausgearbeitete Erkenntnis verschüttet, daß dem Rechtsgutsansatz bezüglich der Straflosigkeit des Tatopfers tatsächlich eine Begründungsfunktion zukommt. Es ist deshalb daran festzuhalten, daß der Gedanke der (relativen) Schutzlosigkeit eines Rechtsguts nur insoweit herangezogen werden sollte, als hiermit auch eine Begründung für die Straflosigkeit verbunden ist; dies ist jedoch bezüglich der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) zu verneinen 17. Zur Begründung der Straflosigkeit des zu seiner Befreiung anstiftenden Gefangenen werden ferner Argumentationen angeführt, die auf dem Aspekt des zwischen den einzelnen Beteiligungsformen bestehenden Subsidiaritätsverhältnisses aufbauen. So verweist Freudenthal 18 auch bezüglich der Gefangenenbefreiung auf den von ihm entwickelten Grundsatz, daß derjenige, der ein Rechtsgut als „Täter" straflos unmittelbar verletzen dürfe, bei einer nur mittelbaren Gefährdung dieses Rechtsguts nicht als Teilnehmer strafbar sein könne. Diesem Erst-rechtSchluß ist jedoch auch in Ansehung des § 120 StGB 19 entgegenzuhalten, daß das Fehlen der Täterqualität die Frage nach Existenz und Reichweite einer gesetzlich bezweckten Privilegierung zwar aufwirft, aber noch nicht beantwortet. Einen Bezug zu den unterschiedlichen Beteiligungsformen weist ferner die von Lange20 vertretene Argumentation auf, die das Teilnahmeverhalten des Gefangenen in eine täterschaftliche Selbstbefreiung umdeutet. Nach Auffassung von Lange handelt es sich „nur scheinbar um Fälle der Teilnahme"; da die Erlangung der Freiheit die „eigenste Angelegenheit" des Häftlings sei, nehme er nicht an einer fremden Tat teil, sondern bediene sich dritter Personen zur Durchführung seiner Befreiung. Deshalb sei — so Lange — das Verhalten des Gefangenen in Wahrheit als mittelbare Täterschaft der Selbstbefreiung zu wer16 Die Gefahr einer unzulässigen dogmatischen Verknüpfung von rechtsgutsbezogenen Argumentationsformen und rechtsgutsfremden Restriktionsgedanken besteht auch bezüglich der Konzeption der „strafwürdigen" {Sax, JZ 1976, 9 ff., 80 ff., 429 ff.) bzw. „scheinbaren Rechtsgutsverletzung" (Kruse, Rechtsgutsverletzung, S. 4 ff., 274 ff. im Anschluß an Schmidhäuser, AT, 8/ 111 ff.; ders., StudB AT, 5/95 ff.). 17 Roxin (in: LK, vor § 26 Rdn. 34) nennt als Ratio für die Schutzlosigkeit des Rechtsguts gegenüber dem Delinquenten den auf diesem lastenden „psychischen Druck"; freilich soll es sich hierbei nicht um den wirklichen Grund der Straflosigkeit, sondern nur um das den Gesetzgeber bestimmende Motiv handeln. ι» Nothwendige Theilnahme, S. 117, 118 f.; ihm zustimmend Hofmann, Gefangenenbefreiung, S. 62; M. E. Mayer, Befreiung, S. 15 (Fn. 1) und Brandes, Teilnahmehandlungen, S. 42 ff., 50. 19 Vgl. allgemein zum auf das Subsidiaritätsverhältnis der Beteiligungsformen gegründeten Argumentationsmodell 2. Kap. II. 2. 20 Notwendige Teilnahme, S. 86 ff. (insbesondere S. 88 f.; dort befinden sich auch die nachfolgend wiedergegebenen Zitate).

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

ten 21 . Diese Sichtweise steht nicht allein im Widerspruch zum sog. Verantwortungsprinzip 22 , sondern sie beruht auf einer am sozialen Bedeutungsgehalt ausgerichteten Interpretation des Geschehens, das einseitig aus der Perspektive des Befreiten gedeutet wird. Zwar erscheint aus diesem Blickwinkel der Gesamtvorgang nicht als Fremd-, sondern als Selbstbefreiung mit der Folge, daß die fremden Helfer nur als Werkzeuge zur Durchführung dieser Selbstbefreiung angesehen werden 23 , doch führt kein Weg daran vorbei, daß das Gesetz diese Unterstützungshandlungen rechtlich als strafbare Form der Fremdbefreiung qualifiziert. Will man diese Beurteilung für den befreiten Häftling nicht gelten lassen24, sondern daran festhalten, das Geschehen für ihn als Selbstbefreiung zu deuten, so bedarf es hierfür einer über die Behauptung dieser Sichtweise hinausreichenden Erklärung. b) Die Berücksichtigung der Motivationslage des Inhaftierten als Grundlage eines personalen Ρ rivile gierungskonzepts Neben den genannten allgemeineren Begründungsansätzen ist auch die hier als unumgänglich herausgestellte, auf die Ermittlung eines beteiligungsformübergreifenden Privilegierungsgedankens abhebende Argumentation weit verbreitet. Zahlreiche Autoren führen formale und materielle Aspekte nebeneinander an 25 , 21 Demgegenüber tragen für Zöller (Notwendige Teilnahme, S. 149 ff., 182 f., 225, 230) die Fälle des § 120 StGB zumeist mittäterschaftsähnlichen Charakter; allgemein zu dieser Konzeption vgl. oben 2. Kap. II. 1. Darüber hinaus erörtert Zöller mit Blick (u. a.) auf § 120 StGB die (im Ergebnis verneinte) Frage der Strafbarkeit einer sog. „Initiativ-Anstiftung" (vgl. aaO. S. 182, 233, 235 f., 243, 247). Nur am Rande ist hierzu anzumerken, daß der Begriff der „Initiativ-Anstiftung" von Zöller in einem unüblichen Sinne gebraucht wird: Zöller problematisiert eine möglicherweise begründbare Strafbarkeit eines vom „notwendigen Teilnehmer" ausgehenden ersten Anstoßes, während überwiegend (im Anschluß an Welzel, Lehrbuch, S. 123) die typischerweise vom „notwendigen Teilnehmer" ausgehende Initiative als Erklärung für eine Straf/os/gkeit diskutiert (und zumeist abgelehnt; vgl. Otto, Lange-FS [1976], S. 214 f. und LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 31, 36) wird. 22 Vgl. dazu allgemein Roxin, Täterschaft, S. 143 ff., 147 f.; ders., Lange-FS (1976), S. 177 und Bloy, Beteiligungsform, S. 345 ff.; s. aber auch kritisch Schaffstein, NStZ 1989, 153 ff. (zu BGHSt. 35, 347 ff. = „Katzenkönig-Fall"). 23 Zu Recht weist Roxin (Lange-FS [1976], S. 174 f.) daraufhin, daß die „Tatveranlassung in eigener Sache" für die Heranziehung der Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter" (als Sonderform der mittelbaren Täterschaft) nicht ausreicht. 24 Zur Konstruierbarkeit einer Teilnahmestrafbarkeit des befreiten Häftlings vgl. Otto, BT, § 92 I 4b (= S. 446); LK-v. Bubnoff, § 120 Rdn. 35 und Schröder, JZ 1961, 265. 25 Neben den bisher erörterten, eher formalen Aspekten (Schutzlosigkeit des Rechtsguts, Verhältnis der Beteiligungsformen) wird vielfach auf die bezüglich aller Beteiligungsformen übereinstimmenden Motivationslage bzw. auf die einheitliche Willensrichtung hingewiesen; vgl. etwa Lange, Notwendige Teilnahme, S. 87 f.; Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 155 f.; LK-Roxin, vor § 26 Rdn. 34 sowie aus dem älteren Schrifttum Hofmann, Gefangenenbefreiung, S. 62; Brandes, Teilnahmehandlungen, S. 14 f., 49 und Vogels, Ausnahmen, S. 56 f. Mehrgliedrige Argumentationen finden sich femer bei Herzberg, Täterschaft, S. 136 sowie in der Entscheidung BGHSt. 17, 369 (vgl. hierzu Deubner, NJW 1962, 2260 ff. und Zöller aaO. S. 152 ff.).

I. Die Mitwirkung des Gefangenen an seiner Befreiung (§ 120 S t G B ) 2 0 1

um eine breitere Argumentationsbasis für die Straflosigkeit des an seiner Befreiung teilnehmenden Gefangenen zu schaffen. Das Fundament der materiellen Gesichtspunkte ist vielfach auf die Frage gegründet, welche Motive den Gesetzgeber bewogen haben, (jedenfalls) die einfache, ohne Mitwirkung Dritter verübte Selbstbefreiung straflos zu lassen; hierbei wird allgemein die von humanitären Erwägungen geleitete Rücksichtnahme auf den menschlichen Freiheitsdrang und auf die besondere psychische Zwangslage des Inhaftierten als Grund genannt26. Eine Umsetzung dieses Erklärungsansatzes in dogmatische Kategorien legt es nahe, die für die Straffreistellung des Gefangenen maßgeblichen Aspekte auf der Schuldebene anzusiedeln. Sieht man aber die „notstandsähnliche Situation" des Häftlings als Grundlage der Privilegierung 27 , so erscheint es plausibel, die Straflosigkeit auch auf das Teilnahmeverhalten des auf seine Befreiung hinwirkenden Gefangenen zu erstrecken; denn die durch den hohen psychischen Druck gekennzeichnete Motivationslage ist regelmäßig auch für denjenigen Inhaftierten bestimmend, der sich an außenstehende Dritte mit der Bitte wendet, ihn zu befreien bzw. sein Entweichen zu fördern. Immerhin wird der Ausgangspunkt, daß das Gesetz mit der Straflosigkeit der einfachen Selbstbefreiung den Motivationsdruck des Gefangenen berücksichtigen und dem menschlichen Freiheitsdrang Rechnung tragen will, auch von den Vertretern der Ansicht geteilt, die das Anstifterverhalten des seine Befreiung betreibenden Delinquenten für strafbar erachtet 28. Die unterschiedlichen Ergebnisse in der Auseinandersetzung um die Strafbarkeit einer solchen Anstiftung resultieren daher aus der Frage, inwieweit die legislatorische Rücksichtnahme inhaltlichen Beschränkungen im Hinblick auf die zur Freiheitserlangung eingesetzten Mittel unterworfen ist. Verficht man bezüglich der Frage der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens eine eher restriktive Grundposition, so wird man möglicherweise der Ansicht zuneigen, durch die Privilegierung der ohne fremde Hilfe bewirkten Selbstbefreiung sei der Situation nicht nur in angemessener Weise, sondern auch in ausreichendem Umfang Beachtung geschenkt: Mag es daher die Rechtsordnung vom einzelnen Delinquenten auch nicht erwarten, daß er dem Impuls widersteht, durch bloßes Davonlaufen seine Freiheit zurückzuerlangen, so kann sie möglicherweise gleichwohl von ihm verlangen, daß er das Ziel seiner Befreiung nicht im Wege des Zusammenwirkens mit anderen zu verwirklichen trachtet 29. 26 So bereits RGSt. 3, 140; zur historischen Entwicklung vgl. ausführlich Hofmann, Gefangenenbefreiung, S. 46 ff.; s. a. Μ. E. Mayer, Befreiung, S. 2 und Apelt, Ausnahmen, S. 2 f. 27 Auf die „notstandsähnliche Lage" stellen ausdrücklich ab Wolter, JuS 1982, 346; Weber, in: Arzt/Weber, LH 5, Bern. 161; Schmidhäuser, BT, 22/17 und Schröder, JZ 1961, 265; den Schuldkontext betonen femer Stratenwerth, AT, Rdn. 950 und LKV. Bubnoff, § 120 Rdn 35. 28 Dies gilt insbesondere für die Rechtsprechung; vgl. RGSt. 3, 140 (141) und BGHSt. 17,369 (373 f.); s. a. die Begründung zum E 62 (= BT-Ds. IV / 650), S. 610 f. (zu § 425). 29 Vgl. hierzu die Überlegungen von Deubner (NJW 1962, 2260 f.), der auf die Verschuldetheit der Notstandslage hinweist; s. a. Lüderssen, Strafgrund, S. 169 ff. (174,

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

Es darf angenommen werden, daß die erforderliche Wertentscheidung vielfach von einer kriminalpolitischen Grundüberzeugung geleitet ist, in der sich entweder ein eher liberal ausgerichtetes Rechtsverständnis oder aber der Gedanke der Staatsraison widerspiegeln. Dies führt dazu, daß die jeweiligen Autoren sich zumeist bekenntnishaft einer Sichtweise anschließen, ohne daß eine offene Auseinandersetzung über das dahinter stehende kriminalpolitische Grundkonzept geführt wird. Immerhin erscheint der Versuch lohnend, der Frage nachzugehen, ob das Strafgesetzbuch an anderen Stellen bezüglich inhaltlich verwandter Tatbestände Regelungen aufstellt, die den Charakter eines auch für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Regelungsmodells tragen. Als sprachliches Kürzel für ein derartiges Regelungsmodell ist an das sog. Selbstbegünstigungsprinzip zu denken; als konkretes normatives Vorbild für das Problem der Beteiligungsstrafbarkeit des auf seine Befreiung hinwirkenden Gefangenen kommt die in § 258 Abs. 1 und 5 StGB getroffene Regelung in Betracht. c) Der Selbstbegünstigungsgedanke

als tragfähiger

Erklärungsansatz

Der Gesamtkomplex der (Selbst- und Fremd-)Begünstigung setzt sich zusammen aus der in § 257 StGB normierten vorteilssichernden (= sachlichen) Begünstigung und der nunmehr in § 258 StGB eigenständig geregelten strafvereitelnden (= persönlichen) Begünstigung, bezüglich derer zwischen der Verfolgungsvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) und der Vollstreckungsvereitelung (§ 258 Abs. 2 StGB) zu unterscheiden ist. Diese grobe Auffächerung erhellt bereits die thematische Verwandtschaft zwischen der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) und der persönlichen Begünstigung (§ 258 StGB); denn die (Selbst-)Befreiung eines Untersuchungs- oder Strafgefangenen dient regelmäßig dem Ziel, die Durchführung des gegen den Betreffenden in Gang gesetzten Strafverfahrens oder den Vollzug der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zu vereiteln. Überdies stimmen beide Delikte hinsichtlich der hier interessierenden dogmatischen Problemstruktur insofern überein, als die—mit schuldbezogenen Erwägungen begründete — Herausnahme des zur eigenen Besserstellung allein Handelnden aus dem Tatbestand auch im Kontext der (persönlichen) Begünstigung die Frage der Teilnahmestrafbarkeit desjenigen aufgeworfen hatte, der sich zur Erreichung des (aus seiner Sicht selbstbegünstigenden) Zieles der tatbestandsmäßigen Mitwirkung Dritter bedient 30 . Für den Bereich der Strafvereitelung ist die Streitfrage mit der Einführung 176). Für eine Teilnahmestrafbarkeit des Gefangenen (auch bezüglich der Beihilfe) Blesse, Grenzen, S. 46 ff. (48); vgl. femer Apelt, Ausnahmen, S. 79, 95; Hofmann, Gefangenenbefreiung, S. 59 ff. sowie die Nachweise bei OLG Celle, JZ 1961, 263, 264 (bezüglich der gemeinschaftlichen Flucht). 30 Sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum wird im Rahmen des § 120 StGB auf die parallel gelagerte Konstellation der strafvereitelnden (Selbst-)Begünstigung Bezug genommen; vgl. RGSt. 61, 31 (32); OLG Oldenburg, NJW 1958, 1598 (1599); OLG Celle, JZ 1961, 263 (264); s. a. BGHSt. 17, 369 (373) sowie Schröder, JZ 1961, 265; Ulsenheimer, GA 1972, 19 f.; Rudolphi, JuS 1979, 862 f.; Stratenwerth, AT, Rdn. 950 und Herzberg, Täterschaft, S. 136 f.

I. Die Mitwirkung des Gefangenen an seiner Befreiung (§ 120 S t G B ) 2 0 3

des § 258 Abs. 5 StGB dahingehend entschieden, daß die zur Abwendung eigener Strafverfolgung vorgenommenen Handlungen nicht als (Teilnahme an einer 31 ) Strafvereitelung bestraft werden. Angesichts der engen Verflechtung zwischen § 120 und § 258 StGB erscheint es mithin durchaus naheliegend, diesen Privilegierungsgedanken auch im Rahmen der Gefangenenbefreiung zur Geltung zu bringen und eine Teilnahmestrafbarkeit des seine Befreiung erstrebenden Häftlings zu verneinen 32. Bedenken gegen eine solche Übertragung der in § 258 Abs. 5 StGB normierten Privilegierung 33 könnten sich allenfalls daraus ergeben, daß die Strafrechtsordnung auf selbstbegünstigungsmotiviertes Verhalten durchaus ambivalent reagiert 34 : Einerseits bleibt (jedenfalls) die ohne fremde Hilfe vorgenommene Strafvereitelung oder Selbstbefreiung vor dem Hintergrund der §§ 258 und 120 StGB straflos; überdies werden bezüglich weiterer Delikte — insbesondere hinsichtlich des Vortäuschens einer Straftat (§ 145 d StGB) und der Falschverdächtigung (§ 164) StGB — auch nicht explizit geregelte Strafbarkeitseinschränkungen mit Blick auf den Selbstbegünstigungsaspekt befürwortet. Andererseits wird aber umgekehrt in einigen Tatbeständen das (auch) zur Abwehr eigener Strafverfolgung eingesetzte Verhalten täterbelastend gewertet; dies gilt etwa bezüglich des Verdeckungsmordes (§211 StGB), des räuberischen Diebstahls (§252 StGB) und des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB). Die dargestellte normative Ambivalenz hat eine ausführliche Untersuchung in der jüngst von H. Schneider vorgelegten Berliner Dissertation zu „Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips" erfahren. In dieser Monographie legt H. Schneider zunächst dar, daß es sich bei der strafvereitelnden Selbstbegünstigung um ein auf der Schuldebene angesiedeltes Problem handelt, dessen Lösung auf der Grundlage der modernen generalpräventiv-funktionalen Schuldkonzeptionen35 zu suchen ist. Das Wesen dieses Schuldverständnisses besteht darin, daß das Schuldurteil nicht allein an die subjektive Befindlichkeit des Täters (= die psychische Zwangslage) anknüpft; vielmehr muß die Privilegierung zudem als eine für die Rechtsgemeinschaft hinnehmbare Form entlastender 31 Dazu, daß § 258 Abs. 5 StGB auch für Teilnahmehandlungen des sich selbst begünstigenden Vortäters gilt, vgl. Stree, JR 1979, 253. 32 Auf § 258 V StGB wird im Rahmen des § 120 StGB verwiesen von AK-Zielinski, Rdn. 28; Lackner, Rdn. 11 jeweils zu § 120 sowie von Wolter, JuS 1982, 347 (zu Fn. 50). 33 Methodologisch sollte eine derartige Übertragung nicht in der Form der analogen Anwendung des § 258 V StGB erfolgen; denn hiemach würde die Privilegierung nur den im Zusammenhang mit einem Strafverfahren Inhaftierten zugute kommen. Vorzugswürdig erscheint es demgegenüber, den entsprechenden Straffreiraum eigenständig für § 120 StGB (wenngleich anhand der auch für die legislatorische Entscheidung bei § 258 V StGB maßgeblichen Erwägungen) zu entwickeln. 34 Zum folgenden vgl. BGHSt. 17, 236 ff.; Ulsenheimer, GA 1972, 1 ff. sowie ausführlich H. Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, Kap. 4, 5, 12 und 13. 35 AaO. 3. Kap.; zum generalpräventiv-funktionalen Schuldverständnis vgl. femer SK-Rudolphi, vor § 19 Rdn. la, l b sowie die Nachweise oben 3. Kap. in Fn. 22.

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

Konfliktbewältigung erscheinen. Diese Sichtweise eröffnet die Möglichkeit, die teilweise divergierenden rechtlichen Reaktionen im Selbstbegünstigungsbereich trotz vergleichbarer psychischer Zwangslage unter Hinweis auf unterschiedliche generalpräventive Rahmenbedingungen zu erklären. Bei seiner Analyse derjenigen Tatbestände, in denen der Gesetzgeber die strafvermeidende Selbstbegünstigung durch eine entsprechende Ausklammerung aus dem Täterkreis berücksichtigt hat 36 , arbeitet H. Schneider zwei normative Grundelemente heraus: Zum einen dienen die einschlägigen Straftatbestände dem Schutz der Strafrechtspflege; zum anderen haben diese Delikte jeweils ein selbstbegünstigungsspezifisches Verhalten — H. Schneider 37 rechnet hierzu die Flucht und die Lüge — zum Gegenstand. Von diesem Ausgangspunkt untersucht H. Schneider die (hier nicht einschlägige) Frage einer Übertragung auf weitere, formal selbstbegünstigungsneutral gestaltete Straftatbestände 38; er erörtert aber darüber hinaus zugleich die vorliegend interessierende Frage, inwieweit die vom Selbstbegünstigungsgedanken getragene Herausnahme aus dem Täterkreis auf die mögliche Teilnahmestrafbarkeit des Selbstbegünstigers zu erstrecken ist. Beide Problemstellungen sind nach Ansicht von H. Schneider unter Rückgriff auf die generalpräventiv-funktionalen Schuldkonzeptionen zu lösen. Hiernach hängt die Privilegierung entscheidend davon ab, ob sich der Staat den Verzicht auf die (Teilnahme-)Strafdrohung gegenüber dem Delinquenten leisten kann; als zentralen Gesichtspunkt nennt H. Schneider 39 hierbei den Umstand, ob dem Staat in der vom Selbstbegünstiger geschaffenen Gefahrenlage eine hinreichende „Kompensation durch Eigenleistung" möglich ist. Speziell für die Konstellation des zu seiner Befreiung anstiftenden Gefangenen ist — in Übereinstimmung mit H. Schneider 40 — die kriminalpolitische Hinnehmbarkeit der Straflosigkeit zu bejahen. Abgesehen davon, daß die von einem strafrechtsbewehrten Verbot, Dritte um Hilfe zur Flucht zu ersuchen, ausgehende normative Wirkkraft als vergleichsweise gering einzuschätzen ist, vermag der Staat die Kontaktaufnahme des Häftlings zu außenstehenden Dritten relativ gut zu überwachen. Zudem bleibt die abschreckende Wirkung des Strafrechts bezüglich des Dritten auch dann erhalten, wenn man den anstiftenden Gefangenen aus der Strafbarkeit entläßt; überdies beginnt die Strafbarkeit des Dritten angesichts der in § 120 I I I StGB angeordneten Versuchsstrafbarkeit bereits dann, wenn dieser unmittelbar zur Erbringung seines Unterstützungsbeitrags ansetzt41. In Anbetracht dieser Umstände ist die Sicherheitseinbuße, die durch den Verzicht 36 Neben der Strafvereitelung (§ 258 StGB) und der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) sind in diesem Zusammenhang die Aussagedelikte (§§ 153 ff. StGB) zu nennen. 37 Selbstbegünstigungsprinzip, S. 343 ff., 382 ff. 38 Vgl. aaO. 10. Kap. (zu § 145 d StGB) und 11. Kap. (zu § 164 StGB). 39 AaO. S. 382 ff.; s. a. aaO. S. 192 (a. E.). 40 Vgl. zum folgenden aaO. S. 190 ff., 205 ff. 41 Zum Versuchsbeginn bei § 120 StGB vgl. BGHSt. 9, 62 und S/S-Eser, § 120 Rdn. 23.

I. Die Mitwirkung des Gefangenen an seiner Befreiung (§ 120 StGB)

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einer Strafdrohung bezüglich der Anstiftung herbeigeführt wird, so gering, daß eine dem durch § 2581, V StGB vorgezeichneten Regelungsmodell entsprechende Privilegierung unter generalpräventiven Aspekten vertretbar erscheint. Hieraus ergibt sich eine Harmonisierung der Privilegierung im durch die §§ 258 und 120 StGB markierten Kernbereich strafrechtlicher Selbstbegünstigung mit der Folge, daß der Gefangene (aus Schuldaspekten) auch dann straflos bleibt, wenn er sich an einer auf seine Befreiung gerichteten Tat (als Anstifter oder Gehilfe) beteiligt.

2. Zur Strafbarkeit des Gefangenen in den Fällen gemeinschaftlicher Flucht Die Erkenntnis, daß unter dem Schuldaspekt des Selbstbegünstigungsgedankens das für den Strafvereitelungskontext in § 258 Abs. 5 StGB explizit normierte Regelungsmodell auf die — im wesentlichen vergleichbare — Situation bei der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) übertragbar ist, verdient auch für den Kontext der gemeinschaftlichen Flucht Beachtung. Ebenso wie gemäß § 258 V StGB die einen Dritten begünstigenden Handlungen vor dem Hintergrund des § 258 StGB straflos bleiben, sofern ihnen der Zweck zugrundeliegt, zugleich der eigenen Person drohende Strafverfolgungs- oder -Vollstreckungsmaßnahmen abzuwenden 42 , verlangt die dem Selbstbegünstigungsgedanken Rechnung tragende Interpretation des § 120 StGB, daß ein Inhaftierter — von den Fällen des § 121 StGB abgesehen — nicht wegen Fremdbefreiung (bzw. wegen des Verleitens zu oder des Förderns bei fremder Selbstbefreiung) bestraft werden kann, wenn sein Verhalten (zugleich) dem Gelingen der eigenen Flucht dienen sollte. Die Grenze zur strafbaren Fremdbefreiung / Fremdbegünstigung wird für den Delinquenten mithin durch ein subjektives Merkmal markiert; sie ist erst dann überschritten, wenn der fremdnützige Akt keinen finalen Bezug zur eigenen Besserstellung mehr aufweist, sondern mit der eigenen Begünstigung nur noch zufällig zeitlich und räumlich zusammenfällt. Insoweit erweist sich die Unterscheidung zwischen der Strafbarkeit einer nur „bei Gelegenheit" der Selbstbefreiung erfolgten (Förderung der) Fremdbefreiung und der Straflosigkeit der „in Ausübung" der Eigenbefreiung geleisteten Fremdhilfe als eine im Schuldbereich durchaus überzeugende Differenzierung 43. Denn (allein) bezüglich der nur gelegentlich des eigenen Entweichens vorgenommenen Unterstützung fremder Flucht läßt sich sagen, daß die im Ziel der Erlangung der eigenen Freiheit zutage tretende psychische Zwangslage für das Verhalten nicht (mit)bestimmend gewesen sei, während Fluchthandlungen mit Doppelcharakter (die also eigen- und fremdnützig zugleich sind) durchaus den erforderlichen Selbstbegünstigungsbezug aufweisen.

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2 Zur Reichweite des durch § 258 V StGB bewirkten Strafbarkeitsausschlusses vgl. S/S-Stree, Rdn. 35 sowie LK-Ruß, Rdn. 33 jeweils zu § 258. 43 Vgl. dazu oben Fn. 3.

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Indem die hier vertretene Position für die Straflosigkeit allein eine subjektive Verknüpfung zwischen der (auch) fremdnützigen Unterstützung und dem eigennützigen Betreiben der eigenen Flucht verlangt, reicht die hierdurch bewirkte Privilegierung wohl über den sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergebenden Freiraum hinaus. Zwar soll auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs 44 eine sich natürlicherweise aufdrängende Ganzheitsbetrachtung einer Aufspaltung des einheitlichen Geschehens grundsätzlich entgegenstehen mit der Folge, daß der gesamte Vorgang rechtlich als Selbstbefreiung zu werten sei. Wichtig ist hierbei jedoch die vom Bundesgerichtshof hinzugefügte Einschränkung 45 , daß diese Beurteilung nur insoweit gelte, als die Unterstützung des anderen „nur als Mittel zur Selbstbefreiung" erscheine. Eine Unterstützungshandlung, mit der ein Gefangener mehr tue, als seiner eigenen Befreiung nützlich ist, soll deshalb aus dem einheitlichen Gesamtvorgang herausfallen und selbständig als strafbare Teilnahmehandlung zu werten sein. Der exakte Sinngehalt dieser vom Bundesgerichtshof im Jahre 1962 (also vor der Einführung des § 258 V StGB) gemachten Ausführungen läßt sich nur schwer bestimmen. Als Ursache für die Unklarheiten erscheint bereits der zum Ausgangspunkt der Überlegungen gewählte Hinweis auf die „sich natürlicherweise aufdrängende Ganzheitsbetrachtung". Hiermit wird (jedenfalls sprachlich) deutlich Bezug auf die in der Konkurrenzlehre entwickelte Rechtsfigur der „natürlichen Handlungseinheit"46 genommen, mit deren Hilfe eine lebensfremd erscheinende atomisierende Betrachtung vermieden werden soll, indem mehrere logisch trennbare Teilakte zu einer rechtlichen Bewertungseinheit zusammengefügt werden. Ein solches Vorgehen erscheint auch bezüglich einer (gemeinschaftlichen) Gefangenenbefreiung durchaus plausibel: so wäre im Rechtssinne von einer (einheitlichen) Flucht auszugehen, obwohl die Entweichenden möglicherweise mehrere Türen und eine Mauer überwinden müssen (so daß rein tatsächlich eine Vielzahl von Befreiungs[förderungs]handlungen vorläge). Allerdings unterscheidet sich die mit dem gemeinschaftlichen Entweichen verbundene Problematik von der unter dem Stichwort der „natürlichen Handlungseinheit" diskutierten Problemlage insofern, als es im Kontext der allgemeinen Konkurrenzlehre um die Zusammenfassung mehrerer für sich betrachtet jeweils tatbestandsverwirklichender Handlungsweisen geht; die Bewertungseinheit wird also nur aus solchen Elementen gebildet, bezüglich derer eine Strafbarkeit zu bejahen ist. Demgegenüber umfaßt die vom Bundesgerichtshof für die Gefangenenbefreiung angenommene Ganzheitsbetrachtung straflose Selbst- und an sich strafbare Fremdbefreiungsakte, um sie einer einheitlichen Bewertung zu unterwerfen. Im Bereich der „natürlichen Handlungseinheit" geht es somit um die zeitliche Zusammendrängung 44 BGHSt. 17, 369 (374 f.). 45 AaO. S. 375. 46 Vgl. hierzu die Darstellung der Rechtsprechung bei S/S-Stree, vor § 52 Rdn. 23; zur Bedeutung und Problematik der „natürlichen Handlungseinheit" in der Konkurrenzlehre vgl. ferner Maiwald, NJW 1978, 300 ff. und Geppert, Jura 1982, 362.

I. Die Mitwirkung des Gefangenen an seiner Befreiung (§ 120 S t G B ) 2 0 7

gleichartiger Geschehensakte, während bei der Gefangenenbefreiung rechtlich gegenläufig bewertete Faktoren zusammengeführt werden. Diese Gegensätzlichkeit bei der Gefangenenbefreiung kann in zwei Erscheinungsformen auftreten: Zum einen kann bereits derselbe Geschehensakt ambivalente Züge tragen, indem er selbst- und fremdbegünstigende Faktoren in sich vereint; zum anderen kann sich aber auch das Gesamtgeschehen „Flucht" aus mehreren Teilakten zusammensetzen, von denen — bei isolierter Betrachtung — einige als ausschließlich eigennützig, andere hingegen als allein fremdnützig erscheinen. Der Grundidee der „natürlichen Handlungseinheit" entspräche es, vor allem die zweite Konstellation zu einer rechtlichen Bewertungseinheit zu verschmelzen. Dies erscheint auch nach der hier befürworteten Konzeption, die auf das schuldbezogene Regelungsmodell des § 258 V StGB rekurriert, in der Sache geboten: Sofern sich das Gesamtunternehmen als „gemeinschaftliche Flucht" — und nicht nur als zeitlich parallel zum eigenen Entweichen vorgenommene Fremdbefreiung — darstellt, bleiben die an dieser Kollektivbefreiung beteiligten Gefangenen vor dem Hintergrund des § 120 StGB umfassend straflos. Die vom Bundesgerichtshof postulierte Einschränkung der Straflosigkeit deutet auf eine strengere Sichtweise der obersten Strafrichter hin. Denn die für die Selbstbefreiung nicht förderlichen Geschehensakte sollen aus dem Gesamtvorgang herausfallen und eine Strafbarkeit begründen. Diese Position wird man wohl dahingehend verstehen müssen, daß jeder Teilakt auch bei isolierter Betrachtung zumindest in der Weise ambivalent sein muß, daß er auch der Selbstbefreiung nützt; Einzelakte, die für sich betrachtet nur fremdbegünstigend sind, würden hiernach die rechtliche Bewertungseinheit auch dann sprengen, wenn sie Bestandteil eines auf wechselseitige Unterstützung angelegten gemeinschaftlichen Fluchtunternehmens sind. Eine solche Sichtweise hätte jedoch eine allzu starke Verengung des Straflosigkeitsbereichs zur Folge. Dies läßt sich anhand eines Beispielsfalles verdeutlichen, der einem vom Oberlandesgericht Oldenburg 47 entschiedenen Sachverhalt (in geringfügig abgewandelter Form) nachgebildet ist. Dort hatten zwei Gefangene ihre Flucht in der Weise erreichen wollen, daß sich der eine (A.) auf die Schultern des anderen (B.) stellte, sich von dort aus auf den Mauerrand stemmte und sodann den Mithäftling mit heraufzog. Unterstellt man das Gelingen des Planes48, so erscheint es sachgerecht, beide Fliehenden gleichermaßen als straflos anzusehen. Obwohl zu vermuten ist, daß auch der Bundesgerichtshof sich dieser Bewertung anschließen würde, scheint die Beschränkung der Straflosigkeit auf Handlungen, die auch der eigenen Befreiung förderlich sind, eine divergierende Beurteilung beider Komplizen zu gebieten. Wenn im Beispielsfall der B. dem A. dazu verhilft, den Mauersims zu erreichen, so ist dieses Verhalten zugleich seiner (des B.) eigenen Flucht nützlich, da er ohne Hilfe des A. die Mauer nicht überwinden könnte; das Verhalten des B. wäre somit auch nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs straflos. Zweifel47 NJW 1958, 1598. 48 Im Original-Fall gelang es dem zweiten Gefangenen (hier: B.) nicht, den Mauerrand zu erreichen.

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

haft ist hingegen die Beurteilung des Α.: Denn mit dem Heraufziehen des B. bringt A. seine eigene Flucht nicht voran; vielmehr könnte er auch egoistisch handelnd allein zur anderen Seite abspringen. A. tut somit im strengen Sinne „mehr, als zu seiner eigenen Befreiung nützlich ist"; dies soll aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aus dem einheitlichen Gesamtgeschehen herausfallen und strafbar sein. Es ist einzuräumen, daß mit diesem Beispiel dem Bundesgerichtshof eine Bewertung zugeschrieben wird, die — aus der bezüglich eines anderen Falles verwandten Formulierung abgeleitet — für die hier zugrundegelegte Sachverhaltsgestaltung gar nicht gewollt war 49 ; allerdings bleibt der grundsätzliche Kritikpunkt, daß die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundlinien zumindest mißverständlich sind und somit eine überzeugende Lösung der betreffenden Fallkonstellation nicht gewährleisten. Im Ergebnis erscheint somit die Übertragung der in § 258 V StGB normierten Regelung auch bezüglich der gemeinschaftlichen Flucht als vorzugswürdige Konzeption. Maßgeblich ist hierbei, ob das Gesamtgeschehen sich unter Einbeziehung der subjektiven Vorstellungen der Beteiligten als gemeinschaftliche Befreiung darstellt. Die Grenze zur Strafbarkeit ist erst dann überschritten, wenn der innere Bezug zur Selbstbefreiung fehlt und sich die Förderung fremder Flucht als eine vom eigenen Entweichen inhaltlich zu trennende (und lediglich bei Gelegenheit derselben stattfindende) Tat erweist.

I I . Die „notwendige Teilnahme" im Rahmen des Parteiverrats (§ 356 StGB) Der in § 356 StGB geregelte Parteiverrat — die sog. Prävarikation — pönalisiert das pflichtwidrige Handeln eines Rechtsanwalts (bzw. eines Rechtsbeistandes); hierbei normiert § 356 I I StGB den Fall als Verbrechen, daß der Täter im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei handelt. Im Hinblick auf diese Deliktsstruktur wird die Gegenpartei gemeinhin als „notwendiger Teilnehmer" angesehen, dessen Mitwirkung (auch im Rahmen des § 3561 StGB) für straflos erklärt wird, soweit sie sich auf die bloße Entgegennahme der treuwidrig geleisteten Dienste beschränkt 50; eine rollenüberschreitende Mitwirkung der 49 Das OLG Oldenburg hatte nur das Verhalten des Häftlings zu beurteilen, dem die Flucht gelungen war; es bestätigte insoweit die erstinstanzliche Verurteilung gemäß § 120 StGB. Demgegenüber gibt der BGH (St. 17, 369, 372 f.) zu erkennen, daß er sich der vom OLG vertretenen Rechtsansicht nicht anschließt. 50 Grundlegend insoweit RGSt. 71, 114 (116) mit (zustimmender) Anm. Schwinge, JW 1937,1810 (1811); vgl. femer LK-Hübner, Rdn. 153; Lackner, Rdn. 10; SK-Rudolphi, Rdn. 33; SIS-Cramer, Rdn. 25; Dreher ! Tröndle, Rdn. 13 jeweils zu § 356; Jescheck, AT, § 64 VI 1 (= S. 632); Stratenwerth, AT, Rdn. 945, 952; Schmidhäuser, BT, 23 / 54; Maurach / Schroeder, BT 2, § 75 3 (= S. 200); Welzel, Lehrbuch, S. 526; Otto, LangeFS (1976), S. 214 sowie Münch, Praevarication; S. 253 f.; O. Geppert, Parteiverrat, S. 159 f.; Dingfelder / Friedrich, Parteiverrat; S. 106 f.; Hacker, in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 80/24 und Pfeiffer, Koch-FG (1989), S. 134.

II. Die „notwendige Teilnahme" beim Parteiverrat (§ 356 StGB)

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Gegenpartei soll hingegen (insoweit dem Privilegierungsumfang bei der Gläubigerbegünstigung gemäß § 283 c StGB grundsätzlich vergleichbar) als Teilnahme strafbar sein 51 . 1. Die Straflosigkeit der „verratenen" Partei Im Kontext der Prävarikation wird das Stichwort „notwendige Teilnahme" ausschließlich in bezug auf die Beteiligung der Gegenpartei verwandt. Eine solche Verengung entspricht der natürlichen Betrachtungsweise, die eine Teilnahmestrafbarkeit der „verratenen" Partei gar nicht erst in den Blick nimmt. Da jedoch die Zustimmung der „verratenen" Partei nach heute einhellig vertretener Auffassung 52 nicht schlechthin als unrechtsausschließende Einwilligung angesehen wird 5 3 , erscheint eine Teilnahmestrafbarkeit der „einwilligenden" ersten Partei zumindest konstruierbar. Eben diese Möglichkeit wirft die Frage auf, ob die Strafbarkeit der „verratenen" Partei unter dem Gesichtspunkt der straflosen Opfermitwirkung zu verneinen ist; maßgeblich ist hierfür die Bestimmung des durch § 356 StGB geschützten Rechtsgutes. Die Auseinandersetzung über das Schutzgut der Prävarikation läßt sich historisch weit zurückverfolgen; auch heute kann die systematische Einordnung dieses Delikts noch nicht als geklärt gelten 54 . Als Schutzgutsaspekte werden hierbei die Rechtspflege, die Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft und die Interessen der benachteiligten Partei genannt. Zwar besteht gegenwärtig Einigkeit darüber, daß der Parteiverrat nicht ausschließlich dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist. Für die Annahme einer straflosen Opfermitwirkung würde es jedoch ausreichen, wenn dem Tatbestand des § 356 StGB eine kumulative Schutzgutskombination zugrunde läge, die neben den Allgemeininteressen auch die Belange des konkret betroffenen Mandanten als (mit)geschütztes Rechtsgut ansieht55. Gerade dies ist freilich umstritten. Vielfach finden sich Äußerungen 56, 51 Zu einer umfassenden Straflosigkeit der Gegenpartei gelangt Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 178 f., 248; umgekehrt jegliche Einschränkung der Teilnahmestrafbarkeit unter dem Aspekt der „notwendigen Teilnahme" ablehnend hingegen Jakobs, AT, 24 / 12 (a. E.) und Arzt, in: Arzt/Weber, LH 5, Bern. 504 (in Fn. 21). 52 Vgl. BGHSt. 15, 332 (335 ff.) sowie LK-Hübner, § 356 Rdn. 91 mit weiteren Nachweisen. 53 Allerdings kann die Zustimmung im Einzelfall den Interessengegensatz zwischen den Parteien beseitigen und somit zur Verneinung des Merkmals der „Pflichtwidrigkeit" führen; vgl. BGHSt. 15, 332 (336 f.); BGH, NStZ 1982, 331 (332) und SK-Rudolphi, § 356 Rdn. 25 ff. (28 f.). 54 Vgl. — auch zum folgenden — LK-Hübner, § 356 Rdn. 1 ff. 55 Vgl. oben 4. Kap. I. 2. 56 Dreher I Tröndle, Rdn. 1; Lackner, Rdn. 1 jeweils zu § 356; Pfeiffer, in: Koch-FG (1989), S. 128 f.; s. a. Baumann / Pfohl, JuS 1983,25 sowie die zivilrechtliche Entscheidung BGH, NJW 1981, 1211 (1213). Vgl. auch die vielfach aufgegriffene Formulierung in BGHSt. 15, 332 (336; aaO. ohne Hervorhebung), wonach „der Unrechtsgehalt der Prävarikation nicht — jedenfalls nicht hauptsächlich — in der ungetreuen Benachteili14 Sowada

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

nach denen der Parteiverrat nicht nur den Schutz des Auftraggebers vor einer ungetreuen Benachteiligung durch den Rechtsbeistand bezweckt, sondern daneben dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft und dem allgemeinen Vertrauen in die Rechtspflege dient. Während diese Formulierungen auf ein duales Schutzgutsverständnis hindeuten, werden die beeinträchtigten Privatbelange teilweise ausdrücklich als bloßer „Schutzreflex" interpretiert 57, der eine rein faktische Begünstigung gewährt, ohne zugleich den Stellenwert eines eigenständigen (Teil-) Rechtsguts innezuhaben. Die Rubrizierung als „Schutzreflex" erscheint — wie bereits zu zeigen war 58 — aus allgemeinen Erwägungen als problematisch; oftmals resultiert diese dogmatische Verflüchtigung aus der Vermengung der Rechtsgutsträgerschaft mit dem eigenständigen (sekundären) Problem der Dispositionsbefugnis. Auch die systematische Stellung im Abschnitt der Amtsdelikte steht der Anerkennung einer auch Individualinteressen dienenden Schutzgüterkumulation nicht prinzipiell entgegen. Als Argument für eine monistisch auf Belange der Allgemeinheit gerichteten Deutung des § 356 StGB ist deshalb vor allem auf den Einwand 59 einzugehen, für die Tatbestandsverwirklichung sei der Eintritt eines Schadens beim ursprünglichen Auftraggeber entbehrlich; selbst im Fall des § 356 I I StGB bedürfe es nur einer diesbezüglichen Absicht des Rechtsbeistandes. Weiterhin wird eine Nähe zur Untreue (§ 266 StGB) mit dem Hinweis bestritten, daß es sich bei einem im Einzelfall zugefügten Nachteil nicht unbedingt um einen Vermögensschaden handeln müsse. Beide Argumente sind jedoch nicht stichhaltig. Denn eine Deliktsbegehung ohne real eintretenden Nachteil schließt nur die Deutung als (auch) individualschützendes Verletzungsdelikt aus; eine Interpretation als entsprechendes Gefährdungsdelikt bleibt hingegen möglich, zumal eine faktische Interessenbeeinträchtigung als regelmäßige Folge des pflichtwidrigen Handelns vielfach gegeben sein wird. Daß sich der erlittene Nachteil nicht stets in einer Vermögenseinbuße manifestieren muß, ist zwar zuzugeben; es trifft ferner zu, daß hierdurch eine exakte Konturierung des geschützten Individualgutes erschwert wird. Gleichwohl betrifft diese Schwierigkeit kein singuläres Problem der Prävarikation. Ähnlich verhält es sich beispielsweise bei der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB), die gleichermaßen materielle und immaterielle Privatinteressen schützt60. Die Parallele zu § 203 StGB erhellt zugleich, daß ein besonderes gung des Auftraggebers, sondern in der Erschütterung des Vertrauens in die Berufstreue des Rechtsbeistands" bestehe. 57 SK-Rudolphi, § 356 Rdn. 3 (a. E.); Geppert, Jura 1981, 85; s. a. / . Frank, MDR 1962, 947 sowie BayObLG, NJW 1989, 2903; Maurach / Schroeder, BT 2, § 75 1 (= S. 198) und O. Geppert, Parteiverrat, S. 29 ff. 58 Vgl. oben 4. Kap. I. 3. 59 Vgl. zum folgenden SK-Rudolphi, Rdn. 2; LK-Hübner, Rdn. 6 f. jeweils zu § 356 sowie J. Frank, MDR 1962, 947. 60 Zum Rechtsgut des § 203 StGB vgl. Rogali, NStZ 1983, 3 ff. („Privatheit"); zum relativ unbestimmten Individualrechtsgut des § 164 StGB vgl. Hirsch, Schröder-GS (1978), S. 313 f.

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Schutzbedürfnis des Vertrauens der Allgemeinheit auf die Zuverlässigkeit anwaltlichen Handelns mit der Annahme eines (auch) individualistischen Schutzkonzepts durchaus vereinbar ist. Stehen mithin die vorgetragenen Einwände der Anerkennung auch individualbezogener Schutzinteressen im Rahmen des § 356 StGB nicht entgegen, so gibt es umgekehrt beachtliche Gründe für eine solche Einbeziehung der Interessen des „verratenen" Mandanten in die tatbestandliche Schutzgutskonzeption. Das Merkmal der „Pflichtwidrigkeit" des Dienens erfaßt gerade die Verletzung der dem Mandanten geschuldeten Treuepflicht 61 ; weiterhin bedarf es für die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens eines zwischen den Parteien bestehenden Interessengegensatzes62. Der im Schrifttum 63 unternommene Versuch, diese Strafbarkeitsmerkmale als außerhalb des Schutzzwecks der Norm angesiedelte Merkmale zu erklären, die zwar strafbegründenden, nicht jedoch „eigentlich strafrechtfertigenden" Charakter tragen, vermag nicht zu überzeugen. Vielmehr haben im Prinzip alle Tatbestandsmerkmale eine unrechtstypisierende (und damit auch für den Umfang des Schutzzwecks grundsätzlich zu beachtende) Funktion; es versteht sich von selbst, daß die aus der „Pflichtwidrigkeit" abgeleiteten, auf das Mandatsverhältnis bezogenen Umstände nicht als lediglich die Strafwürdigkeit betreffende objektive Strafbarkeitsbedingungen angesehen werden können. Noch deutlicher tritt der Bezug zur Interessensphäre des Auftraggebers in § 356 I I StGB zutage, bei welchem der Täter (zumindest subjektiv) zum Nachteil seiner Partei handeln muß. Mit der ganz überwiegend vertretenen Auffassung 64 ist davon auszugehen, daß § 356 I I StGB einen Qualifikationstatbestand darstellt, der auf der Grundnorm des § 356 I StGB aufbaut und die Strafschärfung (zum Verbrechen) an die zusätzlichen Handlungsmerkmale des kollusiven Zusammenwirkens mit der Gegenpartei und des Handelns in Benachteiligungsabsicht knüpft. Diese dogmatische Sichtweise impliziert aber zugleich die Annahme eines identischen Schutzgegenstandes65; auch dieser Umstand spricht somit dafür, die Individualinteressen der „verratenen" Partei als mitgeschütztes Rechtsgut des § 356 StGB anzusehen. Angesichts der kumulativen Schutzgüterkombination scheidet eine Teilnahmestrafbarkeit der „verratenen" Partei von vornherein aus; hierbei handelt es sich um einen Anwendungsfall der straflosen Opfermitwirkung.

61 Dreher / Tröndle, § 356 Rdn. 6. 62 SK-Rudolphi, § 356 Rdn. 25. 63 J. Frank, MDR 1962, 947. 64 Dingfelder ! Friedrich, Parteiverrat, S. 109 f.; s. a. BGH, StV 1988, 388 und LKHübner, § 356 Rdn. 148 mit weiteren Nachweisen. 65 Ebenso Baumann ! Pfohl, JuS 1983, 25; als ausschließlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Anwaltschaft dienend wird (auch) § 356 Abs. 2 StGB hingegen gedeutet von SK-Rudolphi, § 356 Rdn. 4. 14*

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte 2. Zur Teilnahmestrafbarkeit der mitwirkenden Gegenpartei a) Das Problem einer generellen Privilegierung der allgemeinen Auslegungsmethoden

im Lichte

Die formale Gestaltung des § 356 I I StGB läßt die qualifizierte Prävarikation geradezu als Prototyp der Begegnungsdelikte erscheinen; denn hier wird die Gegenpartei als „notwendiger Teilnehmer" ausdrücklich erwähnt und zugleich ihr Mitwirkungsverhalten — das Einverständnis mit dem pflichtwidrigen Handeln des Anwalts zum Nachteil seiner Partei — explizit festgelegt. Legt man das herkömmliche Denkmuster zugrunde, so ergäbe die Vertypung unter Ausklammerung von der täterschaftlichen Strafbarkeit den Schluß, daß diese Normengestaltung gerade Ausdruck der legislatorischen Absicht sei, diesen Tatbeitrag straflos zu lassen. Allerdings bestätigt die Entstehungsgeschichte des § 356 StGB ein derartiges Erklärungsmodell nicht. Denn wie den Gesetzesmaterialien zu § 329 des Preußischen Strafgesetzbuches, dem Vorläufer 66 des heutigen § 356 StGB, zu entnehmen ist, erfolgte die ausdrückliche Erwähnung der Gegenpartei in § 329 I I PrStGB zu dem Zweck, die beiden denkbaren Fallgestaltungen des für strafbar erachteten anwaltlichen Fehlverhaltens zu erfassen 67. Ging es mithin allein um die deutliche und vollständige Umschreibung des Täterverhaltens, so kann die Gesetzesformulierung auch nicht als beredtes legislatorisches Schweigen im Hinblick auf eine etwa beabsichtigte Privilegierung der mitwirkenden Gegenpartei gelten. In der Folgezeit erklärten mehrere Autoren 68 — zumeist beiläufig — die Mitwirkung der Gegenpartei schlechthin für straflos; die hierbei zu konstatierende Berufung auf die „notwendige Teilnahme" 69 erweist sich als schematische Anwendung eines inhaltsleeren Formalprinzips. Ein solches Vorgehen unterschiebt dem Gesetzgeber einen vermeintlichen Willen 7 0 , indem eine Teilnahmestrafbarkeit der Gegenpartei als nicht gewollte (vermeintliche) Widersprüchlichkeit ausgegeben wird.

66 LK-Hübner, § 356 vor Rdn. 1 (Entstehungsgeschichte) und Pfeiffer, Koch-FG (1989), S. 127. 67 Goltdammer, Materialien II, S. 700. 68 Für die Straflosigkeit der Gegenpartei „trotz ihrer Mitwirkung bei dem häßlichen Handel" (auch bezüglich der Anstiftung) Binding, BT, S. 583; ihm folgend Neumeyer, VDB IX, S. 508 und Frank, § 356 Anm. III (a. E.); gegen jegliche Privilegierung der Gegenpartei jedoch Rothhardt, Prävarikation, S. 45 f. 69 So insbesondere Früh, Pflichtverletzungen, S. 152 f.; auf den Gedanken der Selbstbegünstigung rekurrierend hingegen Wolff, Parteiverrat, S. 115. 70 Auch aus der Begründung zum Vorentwurf 1909 (S. 399 f.) kann ein entsprechender legislatorischer Wille nicht gefolgert werden. Denn abgesehen davon, daß dieser Entwurf nie geltendes Recht wurde, erfolgt der Hinweis auf die Straflosigkeit der mitwirkenden Gegenpartei im Rahmen der gegen die bisherige Fassung zu erhebenden Einwendungen.

II. Die „notwendige Teilnahme" beim Parteiverrat (§ 356 StGB)

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Auch der heute überwiegend befürworteten, auf das rollenwahrende Maß beschränkten Privilegierung fehlt ein gesichertes historisches Fundament; diese Kompromißlösung partieller Straflosigkeit ist weder auf einen nachweisbaren legislatorischen Willen zurückführbar noch wahrt sie die Kontinuität zu der im älteren Schrifttum übrwiegend vertretenen Auffasung. Immerhin läßt sich im Rahmen der dogmatischen Entwicklung ein exakter Zeitpunkt für die Limitierung der Straffreiheit durch das Merkmal der Rollenwahrung in Gestalt eines Reichsgerichtsurteils aus dem Jahre 1937 angeben. In dieser Entscheidung71 folgert der 2. Strafsenat des Reichsgerichts aus dem Fehlen einer gegen die begünstigte Partei gerichteten Strafdrohung, daß jedenfalls bezüglich des § 356 Abs. 1 StGB diejenige Partei straflos bleibe, die „weiter nichts tut, als daß sie die verräterischen Dienste annimmt" 72 . Inwieweit eine Teilnahme der Gegenpartei auch in den Fällen des § 356 Abs. 2 StGB straflos bleibt, läßt das Urteil ausdrücklich offen 73 . Sodann stellt der Senat unter Hinweis auf Reichsgerichtsurteile zu anderen Straftatbeständen74 klar, daß auch bezüglich des Partei verrats eine strafbare Anstiftung oder Beihilfe gegeben sei, wenn die Beteiligung über das vom Gesetz als notwendig gedachte Maß hinausgeht. Hierfür genüge zwar nicht schlechthin jede Honorarzahlung, doch soll eine strafbare Teilnahme anzunehmen sein, wenn das gezahlte Entgelt die gesetzlichen oder üblichen Grundsätze übersteigt. Obwohl dieses Urteil nahezu einhellige Zustimmung fand 75 und deshalb als richtungsweisend gelten kann, sind gegen die Entscheidung erhebliche Bedenken anzumelden. Der Haupteinwand besteht darin, daß das Reichsgericht seine Position ausschließlich auf dem vermeintlichen Grundsatz der straflosen Mindestmitwirkung aufbaut; eben dieser Grundsatz existiert aber in der angenommenen Allgemeingültigkeit nicht. Überdies wird das Kriterium der straflosen Rollenwahrung in einem Sinne verwandt, der über die reine Denknotwendigkeit eines bestimmten Tatbeitrages hinausreicht. Gerade in bezug auf diese Inhaltsbestimmung wäre ein Rückgriff auf einzeldeliktsbezogene Gesichtspunkte zu erwarten, doch fehlen solche Überlegungen völlig. Sie können auch nicht nachträglich in überzeugender Weise (re-)konstruiert werden. Denn lassen sich den Gesetzesma71 RGSt. 71, 114 mit Anm. Schwinge, JW 1937, 1810 f. 72 AaO. S. 116 (im Abdruck in JW 1937, 1809, 1810 besonders hervorgehoben). 73 Auch insoweit zeigt sich die dogmatische Unsicherheit der Entscheidung: Denn unter wertenden Gesichtspunkten liegt es zwar nahe, eine Privilegierung eher für den relativ weniger gravierenden Fall des § 356 Abs. 1 StGB anzuerkennen. Die formale Argumentation („notwendige Teilnahme") müßte aber gerade von der Normstruktur des § 356 Abs. 2 StGB ihren Ausgang nehmen und lediglich im Wege eines wertungsmäßigen Erst-recht-Schlusses die Straflosigkeit auf die Situation des § 356 Abs. 1 StGB erstrecken (so der Sache nach Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 248). 74 Ebd. wird hingewiesen auf RGSt. 23, 242, 243 (bezüglich des Gesetzes betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln); RGSt. 25, 369, 370 (bezüglich der Anstiftung zur Kuppelei) sowie auf RGSt. 61,314 und RGSt. 65,416,417 (beide zur Gläubigerbegünstigung). 75 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 50.

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

terialien schon keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß die Gegenpartei überhaupt privilegiert werden sollte, so mutet die Annahme, der Gesetzgeber habe die Höhe des Honorars (zudem in Gestalt einer überaus unpräzisen „Üblichkeitsformel" 76 ) als für die Teilnahmestrafbarkeit maßgebliche Grenze erachtet, geradezu spekulativ an. Eine unter teleologischen Gesichtspunkten vorgenommene Interessenbewertung fordert ebenfalls die Versagung einer generellen (sei es auch auf rollenwahrendes Mitwirkungsverhalten beschränkten) Privilegierung. Denn anders als dies etwa für den Gläubiger im Fall des § 283 c StGB gilt, hat die Gegenpartei als „notwendiger Teilnehmer" am Parteiverrat grundsätzlich keine Rechtsposition inne, die sie schlechthin (zumindest partiell) als zu ihrer Vorgehensweise legitimiert erscheinen ließe. Gleichfalls zu verwerfen wäre der Versuch, das egoistische Vorteilsstreben der Gegenpartei einfach als Anwendungsfall tolerierter Selbstbegünstigung auszugeben77; denn die Heranziehung des Schlagwortes „Selbstbegünstigung" besagt nichts über die Privilegierung des betreffenden Verhaltens. Beim Parteiverrat handelt es sich aus der Sicht der mitwirkenden Gegenpartei weder notwendiger- noch typischerweise um Fälle bestrafungsvermeidender Selbstbegünstigung; im Rahmen der in Betracht zu ziehenden sachlichen Selbstbegünstigung findet eine Privilegierung aber allenfalls auf der Konkurrenzebene in Gestalt der mitbestraften Nachtat statt 78 . Hieraus erhellt, daß der Selbstbegünstigungsgedanke vorliegend eine Straflosigkeit der Gegenpartei nicht trägt. Eine an die Stellung der Gegenpartei geknüpfte generelle Privilegierung — mag sie auch auf rollenwahrendes Verhalten beschränkt sein — ist mithin bezüglich der Beteiligung am Parteiverrat (§ 356 StGB) abzulehnen. b) Einzelfallbezogene

Privile gierungsaspekte

Ungeachtet des Fehlens einer allein auf die Stellung als Gegenpartei gegründeten Privilegierung mag es in zahlreichen Fallkonstellationen durchaus zweifelhaft erscheinen, ob eine uneingeschränkte Teilnahmestrafbarkeit der Gegenpartei wirklich als sachgerecht anzuerkennen ist. Wenden sich etwa zwei Personen zur Erreichung eines übereinstimmend gewollten Zieles (z. B. einer einverständlichen Scheidung oder einer Erbauseinandersetzung gegenüber einem Dritten 79 ) gemein76 Weniger Skepsis bezüglich der Abgrenzbarkeit besteht offenbar bei Wolter, JuS 1982, 349. 77 Allerdings wird der Selbstbegünstigungsgedanke von Vft?/^ (Parteiverrat, S. 115) für eine unbegrenzte, von Schwinge (JW 1937, 1811) für eine auf ein „rein passives Verhalten" beschränkte Straflosigkeit herangezogen. 7 * Vgl. oben 2. Kap. I. (zu Fn. 17). 79 Zur Strafbarkeit des Rechtsanwalts im Falle einer einverständlichen Ehescheidung vgl. BayObLG, NJW 1981, 832 mit Anm. Hübner, JR 1981, 430 ff.; hierzu auch Baumann / Pfohl, JuS 1983, 24 ff.; LG Hamburg, Anwaltsblatt 1980, 120 mit Anm. Geppert, JK, StGB § 356/1; zur Fallkonstellation der Erbauseinandersetzung vgl. BayObLG, NJW 1989. 2903 mit Anm. Ranft, JR 1991, 164 ff.

II. Die „notwendige Teilnahme" beim Parteiverrat (§ 356 StGB)

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sam an einen Rechtsanwalt, der nach anfänglicher Vertretung beider Personen im allseitigen Einvernehmen das Mandat des einen Klienten übernimmt, so beseitigt das Einverständnis der „verratenen" Partei möglicherweise nicht den Interessengegegensatz und damit die Strafbarkeit des Rechtsanwalts gemäß § 356 StGB; gleichwohl erscheint es unangemessen, die beim Täter verbliebene Partei als strafbaren Teilnehmer zu beurteilen, während die zu einem anderen Anwalt wechselnde Partei als Opfer der Prävarikation straflos bleibt. Indessen ist die Verneinung einer generellen Privilegierung der Gegenpartei keineswegs gleichbedeutend mit einer tatsächlichen Strafbarkeit in jedem Einzelfall. Vielmehr sind selbstverständlich jeweils alle Voraussetzungen einer Teilnahmestrafbarkeit im konkreten Fall sorgfältig zu prüfen; hierbei ist im vorliegenden Zusammenhang insbesondere zu bedenken, daß das Delikt der Prävarikation angesichts der Häufung normativer Tatbestandsmerkmale eine Vielzahl schwieriger Irrtumsprobleme aufwirft 80 . Ohne an dieser Stelle verbindlich zu entscheiden, wo exakt die Grenzlinie zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum im Rahmen des § 356 StGB verläuft 81 , ist davon auszugehen, daß der rechtssuchenden (Gegen-)Partei vielfach der Vorsatz hinsichtlich der vom Rechtsanwalt verwirklichten Haupttat fehlen wird. In den Fällen, in denen die Fehlvorstellung der Gegenpartei lediglich als Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB zu qualifizieren ist, wird die Unvermeidbarkeit dieses Irrtums ernsthaft zu erwägen sein, wenn die Gegenpartei auf die Richtigkeit der fachkundigen Beurteilung durch den (objektiv freilich pflichtwidrig agierenden) Anwalt vertraut. Anlaß zu Mißtrauen hat die Gegenpartei um so weniger, als der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege standes- und strafrechtlich in besonderer Weise zur Erfüllung seiner Pflichten gehalten ist 82 . Daher ist es durchaus einsichtig, wenn die Gegenpartei davon absieht, gleichsam in die Rolle des „besseren" Anwalts zu schlüpfen und die Zulässigkeit des anwaltlichen Handelns etwa durch die Konsultation eines weiteren Rechtsanwalts überprüfen 80 Zu den bei § 356 StGB auftretenden Irrtumsproblemen vgl. O. Geppert, Parteiverrat, S. 131 ff.; Dingfelder / Friedrich, Parteiverrat, S. 90 ff.; Schlächter, Irrtum, S. 49 f., 129 f.; Kuhlen, Irrtum, S. 46 f., 247 ff., 530 f.; Seume, Bedeutung, S. 139 ff.; Herdegen, BGH-FS (1975), S. 204 und LK-Hübner, § 356 Rdn. 135 ff. 81 Ganz allgemein kann die Irrtumsproblematik im Umkreis von normativen Tatbestandsmerkmalen und gesamttatbewertenden Pflichtenmerkmalen keineswegs als geklärt gelten; vgl. — außer den in der vorigen Fn. angegebenen Autoren — Otto, Meyer-GS (1990), S. 583 ff. Weiterhin läßt sich auf Judikate verweisen, die dazu führen, daß eine für den Täter nur als Verbotsirrtum zu behandelnde Fehlvorstellung in der Person des Teilnehmers als vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum behandelt wird; vgl. Otto, JK, StGB § 27/5 (zu OLG Stuttgart, NJW 1987, 2883: keine Beihilfe zu § 184a StGB durch unrichtigen Rechtsrat). 82 Allgemein ist der Lebens- und Berufskreis bei der Bemessung der Sorgfaltsanforderungen zu beachten; vgl. SIS-Cramer, § 17 Rdn. 16 ff. Dies ist für den vorliegenden Zusammenhang von besonderer Bedeutung, da es um ein gerade den Raterteilenden betreffendes, berufsbezogenes Sonderdelikt geht. Auch die Strafverfolgungsstatistik erweist das Vertrauen in das anwaltliche Handeln als grundsätzlich berechtigt: Von 1982 bis 1987 einschließlich wurden insgesamt 86 Personen gemäß § 356 StGB abgeurteilt (hiervon 37 Verurteilungen).

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

zu lassen. Es ist freilich zu betonen, daß die auf Irrtumsaspekte gestützte Straflosigkeit der Gegenpartei kein generelles Privilegierungskonzept darstellt, sondern lediglich im konkreten Einzelfall Bedeutung erlangen kann. In diesem Zusammenhang hat auch das von der herrschenden Meinung (im Kontext der „notwendigen Teilnahme") herangezogene Kriterium des „Sonderhonorars für die Treulosigkeit" 83 einen gewissen Indizwert; denn die überhöhte Zuwendung impliziert das Vorhandensein von Bedeutungskenntnis und Unrechtsbewußtsein in der Person des Begünstigten. Diese indirekte Verknüpfung darf freilich die bestehenden dogmatischen Unterschiede nicht verdecken. Andere, auf der objektiven Tatseite angesiedelte Überlegungen, die auf eine — wenn auch nur einzelfallbezogen gültige — Angleichung an das von der herrschenden Meinung unter Berufung auf die „notwendige Teilnahme" vertretene Ergebnis einer vom Umfang her beschränkten Privilegierung gerichtet sind, erscheinen hingegen weniger aussichtsreich. So könnte man beispielsweise an eine Argumentation denken, die sich auf den Umstand stützt, daß das Delikt des § 356 StGB regelmäßig bereits mit der ersten pflichtwidrig dem Gegner erbrachten Dienstleistung vollendet ist 84 . Hieraus folgt, daß die Gegenpartei, die auf ein ihr unterbreitetes Ansinnen des Anwalts eingeht, mit der Entgegennahme der Dienste erst nach Tatvollendung mitwirkt. Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung ist eine strafbare (sog. „sukzessive") Beihilfe allerdings auch nach der Vollendung der Haupttat bis zu deren Beendigung möglich 85 ; im strafrechtlichen Schrifttum 86 findet sich jedoch auch die engere Auffassung, daß die Unterstützungshandlung spätestens im Augenblick der Vollendung erbracht sein müsse, so daß nachfolgende Mitwirkungshandlungen allenfalls als Nebentäterschaft oder im Rahmen einschlägiger Anschlußdelikte (§§ 257 ff. StGB) geahndet werden könnten. Doch auch wenn man sich dieser engeren Grundposition anschließt, wird sich hiermit für die Prävarikation nur in ganz seltenen Ausnahmefällen eine Verneinung der Teilnahmestrafbarkeit der Gegenpartei begründen lassen. Denn regelmäßig wird der Anwalt über die pflichtwidrige Mitteilung an die Gegenpartei hinaus noch weitere Handlungen vornehmen, die ihrerseits ebenfalls dem Tatbestand des § 356 StGB unterfallen 87; bei derartigen Fallgestaltungen reicht es 83 So wörtlich Dreher I Tröndle, Rdn. 13; ähnlich auch Lackner, Rdn. 10 jeweils zu § 356 (beide unter Hinweis auf RGSt. 71, 114 [116]). 84 LK-Hübner, § 356 Rdn. 152; O. Geppert, Parteiverrat, S. 157 und Dingfelderl Friedrich, Parteiverrat, S. 101. 85 So insbesondere BGHSt. 2, 344 (346); 6, 248 (251); BGH, StV 1981, 127; BayObLG, JZ 1981, 241; OLG Düsseldorf, MDR 1988, 515; Dreher I Tröndle, Rdn. 4; SIS-Cramer, Rdn. 17 jeweils zu § 27; Jescheck, AT, § 64 IV 2b (= S. 627); Blei, AT, § 80 I (= S. 287); Wessels, AT, § 13 IV 5 a (= S. 174) und Otto, JuS 1982, 565. 86 Die engste Auffassung (Beihilfe nur bis zum Abschluß des tatbestandsmäßigen Verhaltens des Haupttäters) wird von Rudolphi (Jescheck-FS Bd. I [1985], S. 559 ff., 569 [s. a. aaO. S. 578 zur Teilnahme am Sonderdelikt]; ders., in: SK, vor § 22 Rdn. 9) vertreten; gleichfalls restriktiv (ζ. T. jedoch differenzierend) Jakobs, AT, 22 / 40 f.; LKRoxin, Rdn. 22; SK-Samson, Rdn. 18 jeweils zu § 27; Maur ach I Gössel, AT 2, 52 / 13 und Küper, JZ 1981, 252.

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jedoch für die Gehilfenstrafbarkeit aus, wenn die Unterstützung des Gehilfen bis zum Abschluß der letzten tatbestandsmäßigen Handlung des Täters erbracht wird 8 8 . Der Versuch, einen Privilegierungsrahmen für die Gegenpartei — sei es auch nur in bezug auf einzelne Fallgruppen — dogmatisch zu fundieren, kann somit nicht aus der Perspektive einer zeitlichen Abschichtung der einzelnen Verhaltensweisen erfolgen, sondern es ist nach einer qualitativen Beurteilung bestimmter Mitwirkungsakte zu fragen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit sich aus zivilrechtlichen Wertungen Anhaltspunkte für eine straflose Mitwirkung der Gegenpartei (bei strafbarem Vorgehen des handelnden Rechtsbeistandes) ableiten lassen. Zur Veranschaulichung der Problemlage diene folgender (vereinfachter) Sachverhalt, der im Jahre 1981 Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs 89 war: Ein Rechtsanwalt hatte zunächst für seinen Mandanten B. von dessen Schuldner Geldersatzleistungen erlangt, die auf das Geschäftskonto des Anwalts gezahlt wurden. Nur einen Teil dieses Geldes hatte der Anwalt an den Mandanten B. überwiesen; der weitaus größte Teil ging auf ein eigens hierfür eingerichtetes anwaltliches Anderkonto. Anschließend wandte sich der Rechtsanwalt an seinen Mandanten H., der seinerseits Ansprüche gegen den finanzschwachen B. hatte. Auf Vorschlag des Anwalts beantragte H. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, wobei ihm der Anwalt beim Ausfüllen der Formulare behilflich war. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde erlassen und dem Anwalt als Drittschuldner zugestellt. Daraufhin zahlte der Rechtsanwalt den ursprünglich für B. vereinnahmten, auf dem Anderkonto befindlichen Betrag an H. aus. Während der Bundesgerichtshof allein über die Strafbarkeit des anwaltlichen Verhaltens zu befinden hatte, interessiert im vorliegenden Kontext die Frage nach der Strafbarkeit der begünstigten Gegenpartei. Diese war — ausweislich des tatrichterlichen Urteils — als Zeuge vernommen worden und hatte hierbei erklärt, sie habe zwar das anwaltliche Handeln für „unkorrekt" gehalten, ihr eigenes Verhalten jedoch im Hinblick auf die ihr zustehende Forderung als „gerechtfertigt" angesehen. Dieses Vorstellungsbild des Zeugen veranlaßt den Bundesgerichtshof, das Urteil im Strafausspruch aufzuheben, weil es möglicherweise an dem für den (vorinstanzlich bejahten) Qualifikationstatbestand des § 356 I I StGB erforderlichen gemeinsamen Schädigungsbewußtsein in der Person des Zeugen gefehlt habe. Eine solche innere Einstellung der Gegenpartei wäre auch für ihre Strafbarkeit unter Irrtumsaspekten durchaus von Interesse; vorrangig erscheint jedoch, bereits im objektiven Bereich anzusetzen und danach zu fragen, ob die Mitwirkung der begünstigten Gegenpartei für diese (strafrechtlich) zulässig 87 Zur Möglichkeit iterativer Deliktsbegehung (bzw. zur fortgesetzten Tat) im Rahmen des § 356 StGB vgl. O. Geppert, Parteiverrat, S. 158 f.; Dingfelder / Friedrich, Parteiverrat, S. 103 f. und LK-Hübner, § 356 Rdn. 155. 88 So insbesondere SK-Rudolphi, vor § 22 Rdn. 9. 89 BGH, NStZ 1981, 479 f. (= bei Holtz, MDR 1981, 981 f.); vgl. auch den der Entscheidung OLG Köln, NStZ 1982, 382 zugrundeliegenden Sachverhalt.

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

sein kann ungeachtet der Tatsache, daß dem Rechtsbeistand sein Verhalten bei Strafe untersagt ist. Anlaß zu solchen Überlegungen bieten die Ausführungen des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes 90, der im Jahre 1973 über die Frage zu entscheiden hatte, ob der Zwangsvollstreckung in ein Bankguthaben des Schuldners der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegengesetzt werden kann, wenn eine andere Bank unter Bruch des Bankgeheimnisses Kenntnis von dieser Vollstreckungsmöglichkeit verschafft hat. Mit Bezug auf § 242 BGB hebt der Bundesgerichtshof zunächst hervor, daß die Klägerin die pflichtwidrige Mitteilung nicht veranlaßt habe. Der Umstand, daß sie von einer Unkorrektheit der Bank gegenüber ihrem (früheren) Kunden ausgehen mußte, brauchte die Klägerin aber nicht davon abzuhalten, die zu ihrer Kenntnis gelangte Zugriffsmöglichkeit tatsächlich auszunutzen. Wörtlich führt das Urteil hierzu aus 91 : „Man würde dem Gläubiger, dessen Forderung der säumige Schuldner nicht bezahlt hat, einen wirklichkeitsfremden und von der Rechtsordnung nicht gebotenen Altruismus abverlangen, wenn man ihm zumuten würde, von einem an sich rechtmäßigen Vollstreckungszugriff nur deshalb abzusehen, weil ein Dritter ihm diese Vollstreckungsmöglichkeit nicht aufzeigen durfte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gläubiger selbst... nichts dazu getan hat, daß der Dritte ihm pflichtwidrig die Zugriffsmöglichkeit offenbart hat." Wenn es aber zutrifft, daß „die Rechtsordnung" einen solchen Altruismus nicht verlangt, dann liegt die Schlußfolgerung nahe, daß auch — ja angesichts der Subsidiarität des Strafrechts sogar: erst recht — die Strafrechtsordnung ein derartiges Verhalten zu tolerieren hätte und nicht mit Kriminalstrafe belegen dürfte. Diese Überlegung würde dazu führen, die im Zivilrecht entwickelte Abgrenzung zwischen dem zulässigen Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs und der sanktionsbewehrten Verleitung zum Vertragsbruch 92 als ein auch in strafrechtliche Zusammenhänge übertragbares Wertungsmodell anzusehen. Dieser Restriktionsgedanke, wonach das Strafrecht nicht pönalisieren dürfe, was das Zivilrecht zulasse, hätte gleichfalls eine (partielle) Bestätigung der von der überwiegenden Meinung (freilich unter Berufung auf die „notwendige Teilnahme" 93 ) angenommenen, verhaltensbezogen limitierten Straflosigkeit zur Folge. Für eine solche Konzeption spräche zudem der Vorteil einer höheren Plausibilität, da als Kriterium zur Festlegung der Rollenwahrung nicht bildhaft-begriffliche Notwendigkeitsbetrachtungen, sondern Maßstäbe her90 BGH, WM 1973, 892. 91 AaO. S. 894. 92 Aus der zivilrechtlichen Judikatur sei verwiesen auf BGHZ. 12, 308 (317 f.); BGH, NJW 1960, 1853 (1854) und NJW 1984, 2184 (2185); s.a. Staudinger ! Schäfer, Rdn. 171 ff.; RGRK-Steffen, Rdn. 104, 108 ff. und Erman / Schiemann, Rdn. 28 ff. jeweils zu § 826 sowie die umfassende Monographie von Krasser, Der Schutz vertraglicher Rechte gegen Eingriffe Dritter (1971), insbesondere S. 215 ff., 249 ff., 311 ff., 317 ff., 326 f. 93 Es ist interessant, daß Krasser (Schutz, S. 317 zu Fn. 374) im Zusammenhang mit der Beihilfe zum Vertragsbruch die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" vergleichend heranzieht.

II. Die „notwendige Teilnahme" beim Parteiverrat (§ 356 StGB)

219

angezogen würden, die sich im Rechtsleben zur Lösung von Interessenkonflikten herausgebildet haben. Andererseits sind jedoch auch die gegen ein solches Privilegierungsmodell zu erhebenden Bedenken nicht zu übersehen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Straflosigkeit der Gegenpartei allenfalls dann in Betracht kommt, wenn die Ausnutzung der anwaltlichen Pflichtwidrigkeit zur Erlangung eines Zustandes erfolgt, dessen Herbeiführung die Gegenpartei von der „verratenen" Partei an sich verlangen kann. Diese Beschränkung läßt sich anhand des Parallelfalles der Untreue (§ 266 StGB) aufzeigen: Dort wird allgemein die bloße vorsätzliche Entgegennahme veruntreuter Gegenstände als strafbare Beihilfe angesehen94, ohne daß dahingehend differenziert würde, ob der Erwerber den pflichtengebundenen Täter zum treuwidrigen Verhalten verleitet hat oder ob es sich lediglich um die Ausnutzung eines Pflichtenverstoßes handelt, zu dessen Begehung der Vermögensbetreuungspflichtige bereits von sich aus entschlossen war. Es kommt das prinzipielle Bedenken hinzu, daß die strafrechtliche Beachtlichkeit zivilrechtlicher Haftungsfreistellungen keineswegs allgemein akzeptiert ist 9 5 ; erst recht muß dies gelten, wenn das betreffende Delikt — wie dies bezüglich des § 356 StGB der Fall ist — nicht ausschließlich den gegnerischen Individualinteressen, sondern zugleich (daneben oder sogar vorrangig) Interessen der Allgemeinheit zu dienen bestimmt ist. Weiterhin ist zu bedenken, daß die Rechtmäßigkeit des angestrebten Zieles eine Strafbarkeit bezüglich eines zur Erreichung dieses Zieles eingeschlagenen unzulässigen Weges nicht schlechthin ausschließt; verprügelt beispielsweise ein Gläubiger seinen Schuldner, um auf diese Weise einen ihm zustehenden Zahlungsanspruch durchzusetzen, so entfällt zwar möglicherweise eine Strafbarkeit gemäß § 253 StGB, doch steht dies einer Strafbarkeit wegen Nötigung und Körperverletzung (§§ 240, 223 StGB) nicht entgegen96. Diesem Umstand kommt im Kontext des § 356 StGB besonderes Gewicht insofern zu, als die Prävarikation primär eine Vertrauensbeziehung schützen will und die Vermeidung einer tatsächlichen Interessenbeeinträchtigung erst in zweiter Reihe steht. Schließlich unterscheidet sich die Situation im dargestellten Sachverhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einem weiteren Gesichtspunkt von dem vergleichsweise herangezogenen Zivilrechtsfall: Im Fall der pflichtwidrigen 94 RGRspr. Bd. 8 (1886), 507 f.; BGHR, § 266 Abs. 1 — Beihilfe 1; LK-Hübner, § 266 Rdn. 105 und Baumann / Arzt / Weber, Strafrechtsfälle, Fall 28 (= S. 182 ff., 187). Vgl. auch BGH, wistra 1988, 305 (306), wo das Ausnutzen der Risikobereitschaft des Vermögensbetreuungspflichtigen jedoch als Anstiftung bewertet wurde. 95 Der Streit um die Beachtlichkeit zivilrechtlicher Wertentscheidungen im Strafrechtskontext wird zumeist anhand des § 679 BGB erörtert; für eine Harmonisierung beider Rechtsgebiete Weber, Baur-FS (1981), S. 139 f. und (insoweit) Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 53 f., 363 f.; ablehnend hingegen die überwiegende Auffassung; vgl. Jescheck, AT, § 34 VII 2 (= S. 348); LK-Hirsch, Rdn. 130; S/S-Lenckner, Rdn. 57 jeweils vor § 32 sowie Hellmann, Anwendbarkeit, S. 178 ff., 193 f. 9 6 Vgl. BGH, NStZ 1988, 216 und S/S-Eser, § 253 Rdn. 19; eine Strafbarkeit gemäß § 240 StGB verneinend hingegen Jakobs, Hilde Kaufmann-GS (1986), S. 799.

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7. Kap.: „Notwendige Teilnahme" im Bereich der Rechtspflegedelikte

Bankmitteilung ist davon auszugehen, daß der Gläubiger aus tatsächlichen Gründen vor der Alternative stand, entweder die Information zu nutzen oder seinen Anspruch überhaupt nicht durchsetzen zu können; erlangt eine (Gegen-)Partei hingegen von einem Rechtsanwalt Kenntnis von Umständen, die dieser im Hinblick auf die einem anderen Mandanten geschuldete Treuepflicht nicht hätte preisgeben dürfen, so besteht für den so Begünstigten die Möglichkeit, die erlangten Informationen in strafloser Weise unter Einschaltung eines anderen Anwalts zu verwerten 97. Die grundsätzliche Bejahung einer Teilnahmestrafbarkeit der mit dem pflichtwidrigen Anwalt zusammenwirkenden Gegenpartei würde mithin kein strafrechtsbewehrtes „privates Verwertungsverbot" begründen, dessen Beachtung den faktischen Verzicht auf eine an sich zulässige Rechtsposition verlangen würde, sondern der Gegenpartei würde lediglich die — regelmäßig freilich mit höheren Rechtsanwaltsgebühren verbundene — Last eines Anwaltswechsels zugemutet, um die erlangte Kenntnis in einer Weise umzusetzen, die dem Schutzanliegen des § 356 StGB Rechnung trägt. Eine solche Beurteilung erscheint durchaus sachgerecht, zumal etwaige Fehlvorstellungen der beim treuwidrig agierenden Anwalt verbleibenden Gegenpartei unter Irrtumsaspekten einzelfallbezogene Relevanz erlangen können 98 . Abschließend läßt sich mithin bezüglich des Parteiverrats (§ 356 StGB) feststellen, daß eine an objektive Kriterien anknüpfende Privilegierung der Gegenpartei nicht anzuerkennen ist. Eine mögliche Straflosigkeit der Mitwirkung kann sich somit lediglich aus allgemeinen Strafrechtsaspekten — hier ist insbesondere die Irrtumslehre zu nennen — im jeweiligen Einzelfall ergeben.

97 Vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHSt. 34, 190 (193 f.) mit Anm. Dahs, JR 1987, 476 (477). 98 Verneint man im Hinblick auf dieses Vorstellungsbild der Gegenpartei die Voraussetzungen des § 356 Abs. 2 StGB (vgl. BGH, NStZ 1981, 479 [480]; s. a. Dingfelderl Friedrich, Parteiverrat, S. 110 ff.), so kommt überdies eine Verfahrenseinstellung gemäß §§ 153 ff. StPO in Betracht.

8. Kapitel

Die „notwendige Teilnahme" im Bereich der Sexualdelikte Eine weitere nach thematischen Aspekten strukturierte Zusammenfassung von Tatbeständen, die allenthalben als wohl geradezu „klassischer" Anwendungsfall der „notwendigen Teilnahme" angesehen werden, bilden die Sexualdelikte. Innerhalb dieser Deliktsgruppe ist zunächst nach der Strafbarkeit des Erwerbs von pornographischen Schriften (§ 184 StGB) zu fragen; sodann ist die Problematik der Teilnahme des Sexualpartners an der Kuppelei (§ 180 StGB) zu erörtern. Abschließend ist die Untersuchung darauf zu richten, inwieweit eine Teilnahmestrafbarkeit des Freiers in bezug auf diejenigen Delikte in Betracht kommt, die eine strafrechtliche Regelung des Prostitutionsgeschehens zum Gegenstand haben. I . Z u r Teilnahmestrafbarkeit des Erwerbers von pornographischen Schriften (§ 184 StGB) 1. Der Erwerb durch Jugendliche als Fall der straflosen Opfermitwirkung Im Rahmen des § 184 StGB, der die Verbreitung pornographischer Schriften mit Strafe bedroht, kann das Stichwort der „notwendigen Teilnahme" in doppelter Hinsicht bedeutsam werden. Für die erste Konstellation ist § 184 I Nr. 1 StGB typisch, der das Anbieten, Überlassen oder Zugänglichmachen pornographischer Schriften an Personen unter 18 Jahren verbietet. Diese Bestimmung dient dem Jugendschutz1; hierbei erfordert die Verwirklichung des Tatbestandes in dieser Alternative ein Handeln unmittelbar gegenüber der geschützten Person 2. Muß mithin der Täter eine pornographische Darstellung einem konkreten Jugendlichen offerieren oder ihm die zumindest kurzfristige Verfügungsgewalt über einen solchen Gegenstand einräumen, so knüpft sich hieran die Frage, wie das (komplementäre) Verhalten des angesprochenen Jugendlichen strafrechtlich zu beurteilen ist, wenn er auf das Angebot eingeht und die betreffende Darstellung beispielsweise käuflich erwirbt. Diese Fallgruppe erweist sich insofern als unproblematisch, 1

S/S-Lenckner, Rdn. 3; Lackner, Rdn. 1 und Dreher / Tröndle, Rdn. 5 jeweils zu § 184. 2 BGHSt. 34,94 (98); S/S-Lenckner, Rdn. 6; Dreher / Tröndle, Rdn. 13 und SK-Horn, Rdn. 7 jeweils zu § 184.

222

. Kap.:

„otwendige Teilnahme" im Bereich der

eldelikte

als sie die „notwendige Teilnahme" in der Variante der Mitwirkung des Tatopfers betrifft 3 . Insoweit hat die Untersuchung 4 das (nahezu) einhellig anerkannte Ergebnis bestätigt, daß eine Teilnahmestrafbarkeit des Opfers mangels eines eigenen Rechtsgutsangriffs von vornherein ausscheidet, ohne daß es auf die Intensität des Mitwirkungsverhaltens ankommt. Daher bleibt auch der mitwirkende Jugendliche im Rahmen des § 184 StGB unabhängig vom Ausmaß seines Geschehensbeitrags straflos, soweit sich die Tat gegen ihn richtet5.

2. Der Erwerb pornographischer Schriften durch erwachsene Endabnehmer Für die nachfolgende Betrachtung interessieren nur diejenigen Fallkonstellationen, in denen dem Erwerber pornographischer Schriften die Opfereigenschaft fehlt. Von Bedeutung sind insoweit die Tatalternativen des § 184 I Nr. 2, 3 und 3 a StGB, die das Verbreiten pornographischer Schriften an bestimmten Orten oder in gewerblichen Vertriebsformen pönalisieren, bezüglich derer eine zuverlässige Alterskontrolle nicht gewährleistet erscheint. Im Hinblick auf derartige Taten ist fraglich, ob das Verhalten des erwachsenen Konsumenten, der seine Lektüre in Kenntnis der tatbestandsmäßigen Begleitumstände erwirbt, als strafbare Teilnahmehandlung zu qualifizieren ist. In der Strafrechtslehre wird insoweit allgemein auf die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" rekurriert und das Verhalten des Erwerbers wegen des denknotwendig vorausgesetzten Ergänzungscharakters zur jeweiligen Tathandlung für straflos erklärt. Interessant ist hierbei jedoch die Tatsache, daß einige Kommentatoren 6 die Straflosigkeit — der überwiegend zur „notwendigen Teilnahme" vertretenen Konzeption entsprechend — nur im Rahmen der „rollenwahrenden" Mitwirkung anerkennen, während andere Auto3 Obwohl der Jugendschutz ein allgemeines Anliegen darstellt und eine konkrete Gefährdung der sexuellen Entwicklung des einzelnen Jugendlichen nicht nachweisbar sein muß (vgl. dazu S/S-Lenckner, Rdn. 3, 6; SK-Horn, Rdn. 2 jeweils zu § 184), handelt es sich (jedenfalls) bei § 184 (I Nr. 1) StGB um ein individualschützendes Delikt; LKLaufhütte, § 184 Rdn. 1; Schroeder, Welzel-FS (1974), S. 873 (s. a. aaO. S. 871 ff. zu §183 StGB) und Kramer, Sexualdelikte, S. 34 f. Hierfür spricht im übrigen auch das Erzieherprivileg in § 184 IV 1 StGB. Auf Opferaspekte wird die Straflosigkeit des jugendlichen Teilnehmers auch gestützt von Horn aaO. Rdn. 11 (a. E.); Lenckner aaO. Rdn. 67; Laufhütte aaO. Rdn. 48 und Dreher I Tröndle, § 184 Rdn. 41b. 4 S. oben 3. Kap. 5 Diese Einschränkung ist insofern von Bedeutung, als auch Jugendliche gemäß § 184 StGB strafbar sein können (etwa durch Überlassen pornographischer Schriften an einen anderen Jugendlichen). In diesen Fällen wird allerdings allgemein die in § 21 V GjS normierte Möglichkeit des Absehens von Strafe für auch im Rahmen des § 184 StGB entsprechend anwendbar erachtet; OLG Stuttgart, NJW 1976, 529 (530); S/S-Lenckner, Rdn. 2, 68 (a. E.); Lackner, Rdn. 14 jeweils zu § 184; s. a. Steindorf, in: Erbs / Kohlhaas, GjS, § 21 Bern. 9. 6 So S/S-Lenckner, § 184 Rdn. 67 und LK-Laufhütte, vor § 174 Rdn. 13 (beide allerdings mit einem extensiven Rollen Verständnis).

I. Zum Erwerb von pornographischen Schriften

223

ren 7 von einer solchen Begrenzung der Straffreiheit im Rahmen des § 184 StGB (stillschweigend) absehen. Auf dem Boden der hier entwickelten Konzeption bietet die „notwendige Teilnahme" keinen tragfähigen Begründungsansatz für eine (partielle) Verneinung der Teilnahmestrafbarkeit; maßgeblich ist hiernach vielmehr allein die Frage, ob sich aus dogmatischen und kriminalpolitischen Überlegungen eine deliktsbezogene Privilegierungsstruktur ableiten läßt. a) Die Vertypung des Erwerberverhaltens in § 184 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 Nr. 3 StGB als Ausdruck eines normativen Privile gierungskonzepts In dogmatischer Hinsicht verdient vor allem der Umstand Beachtung, daß in § 184 StGB auch das Verhalten des Erwerbers eine ausdrückliche Regelung erfahren hat: Gemäß § 184 I Nr. 8, I I I Nr. 3 StGB wird derjenige bestraft, der pornographische Schriften „bezieht..., um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Nummern 1 bis 7 [bzw. bezüglich Abs. 3: im Sinne der Nummern 1 oder 2; der Verf.] zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen" 8. Bei einer dogmatischen Analyse des § 184 StGB erweist sich dieses Delikt als eine Zusammenfassung mehrerer Gefährdungstatbestände, mittels derer der Schutz einer ungestörten sexuellen Entwicklung Jugendlicher gewährleistet bzw. der Gefahr des einzelnen vor ungewollter Konfrontation mit pornographischen Darstellungen begegnet werden soll 9 . In bezug auf diese Gefährdungstatbestände erfaßt § 184 I Nr. 8, I I I Nr. 3 StGB bestimmte Vorbereitungshandlungen, die jedoch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung strafbedroht sind, daß der Täter mit der (im Sinne eines zielgerichteten Wollens zu verstehenden) Absicht einer den vorgenannten Nummern entsprechenden Verwendung handelt 10 . Eine derartige Willensrichtung ist bezüglich desjenigen, der sich pornographische Schriften für den eigenen Bedarf verschafft, aber gerade nicht gegeben. Es ist auch nicht möglich, die qualifizierte Vorsatzform nur hinsichtlich der täterschaftlichen Begehung im Sinne des § 1841 Nr. 8, I I I Nr. 3 StGB für maßgeblich zu erachten, für eine Teilnahmestrafbarkeit des Erwerbers zu einer (sonstigen) Tat hingegen jede Vorsatzform ausreichen zu lassen. Vielmehr ist das Absichtserfordernis als ein echtes die Strafbarkeit des Beziehers überhaupt limitierendes Merkmal aufzufassen, da allein bei einer solchen Interpretation ein hinreichender 7 Dreher / Tröndle, § 184 Rdn. 41 b; s. a. Lange, Notwendige Teilnahme, S. 25 f. und Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 182, 230 ff. (233). 8 Zur Alternative des „Beziehens" vgl. auch Neriich, MDR 1970, 552; die heutige Fassung („um . . . zu") stellt auch klar, daß der Erwerber selbst diese besondere Verwendungsabsicht aufweisen muß (s. a. unten Fn. 10). 9 SK-Horn, Rdn. 1 f.; Dreher I Tröndle, Rdn. 4 f.; LK-Laufhütte, Rdn. 1, 3; z. T. abweichend S/S-Lenckner, Rdn. 3 alle zu § 184. 10 BGHSt. 29,68 (72 f.); S/S-Lenckner, Rdn. 42,48; Dreher / Tröndle, Rdn. 25 f. und Lackner, Rdn. 6, 8 jeweils zu § 184.

224

. Kap.:

„otwendige Teilnahme" im Bereich der

eldelikte

(zumindest subjektiv vermittelter) Bezug zum tatbestandlich geschützten Rechtsgut garantiert ist 11 . Die dem Absichtsmerkmal zugewiesene ExklusionsWirkung macht die „um . . . zu"-Formel zum Träger eines Privilegierungskonzepts; auf diese Weise erhält der § 184 StGB zugleich eine den §§ 331 ff. StGB vergleichbare Normstruktur 12 . b) Kriminalpolitische Argumente für eine Straflosigkeit des Konsumenten Die dogmatisch begründete Straflosigkeit des Endabnehmers pornographischer Schriften ist auch kriminalpolitisch sinnvoll 13 . Denn angesichts der Tatsache, daß auch im Pornographiebereich die Anzahl der verbreiteten Exemplare die Zahl der Veräußerer wesentlich übersteigt, hätte eine den Erwerber kriminalisierende Konzeption den bereits bezüglich der Produktpiraterie dargestellten „Vervielfältigungseffekt" mit den gleichfalls aufgezeigten generalpräventiven Folgeerscheinungen 14 zur Konsequenz. Die Überwachung der Händler bezüglich der Einhaltung der jugendschützenden Bestimmungen ist Aufgabe der Gewerbeaußenämter, die nicht im Wege einer „Kriminalisierung im Schneeballsystem" auf die Kunden überwälzt werden kann, indem man ihnen bei Androhung von Kriminalstrafe den Boykott solcher Veräußerer abverlangt, die ihre pornographische Ware in jugendgefährdender Weise an ihre Kunden bringen. Für die Verhaltensentscheidung des Käufers muß daher der (für ihn unverbotene 15) Kaufgegenstand maßgeblich sein; von längerem Nachdenken über die Fernwirkungen bestimmter Verkaufsumstände ist der Konsument hingegen zu entlasten. Akzeptiert man ferner die legislatorische Grundentscheidung, daß das Gesetz dem erwachsenen Interessenten die Entscheidungsfreiheit über Lektüre und Betrachtung pornographischer Darstellungen bewußt eingeräumt hat, dann verbietet sich auch jegliu So weist auch Horn (in: SK, § 184 Rdn. 2) daraufhin, „daß der Gesetzgeber (ζ. B. in Abs. 1 Nr. 3) Handlungen unter Strafe gestellt hat, die nur einen extrem lockeren Bezug zu dem geschützten Rechtsgut aufweisen"; für eine restriktive Auslegung des § 184 I Nr. 8, III Nr. 3 StGB auch S/S-Lenckner, § 184 Rdn. 42. 12 Vgl. dazu oben 5. Kap. I. 2 (zu Fn. 20 f.). 13 Auch nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des 4. StrRG war die Straflosigkeit des Letzterwerbers praktisch allgemein akzeptiert; vgl. Bockelmann, Maurach-FS (1972), S. 394; Dreher, JR 1974, 85; Baumann, JR 1974, 373 sowie ders., ZRP 1971, 131. Vgl. dazu oben 6. Kap. III. 3 a, b. ι 5 Der Gesetzgeber des 4. StrRG hat bewußt von einem generellen Herstellungs- und Verbreitungsverbot für pornographische Schriften abgesehen; lediglich die Verbreitung sog. „harter" Pornographie ist gemäß § 184 III Nr. 1 StGB umfassend verboten; vgl. BT-Ds. VI / 3521, S. 58 f., 61 f.; s. a. Hanack, NJW 1974,7 sowie ders., DJT-Gutachten, Rdn. 363 f. Angesichts der auch schon zur alten Gesetzeslage anerkannten Straflosigkeit des Konsumenten (s. Fn. 13) ist die insgesamt deutlich restriktivere Neuregelung auch bezüglich der „harten" Pornographie in dem Sinne zu interpretieren, daß der Bezug zu eigener Lektüre zwar verhindert, aber nicht (auch nicht als Teilnahme) bestraft werden sollte. Insoweit ist also auch bezüglich des § 184 III Nr. 3 StGB von einem Gegenschluß auszugehen.

II. Zur Teilnahme der verkuppelten Person

225

ches Gedankenspiel, in bezug auf Jugendschutznormen denkbare Konstruktionsmöglichkeiten aufzugreifen, um moralische Anschauungen mit (zweckentfremdeten) strafrechtlichen Instrumentarien einzufangen. Es ist somit festzustellen, daß der Bezug pornographischer Schriften allenfalls als täterschaftliche Verwirklichung des § 184 I Nr. 8, I I I Nr. 3 StGB strafbar ist. Fehlt die hierfür erforderliche besondere Verwendungsabsicht, so ist der Erwerb als solcher straflos, ohne daß es hierbei auf eine zusätzlich zu fordernde „Rollenwahrung" ankäme. Eine spätere Strafbarkeit bezüglich der erworbenen Pornographika (etwa durch Überlassen an einen Jugendlichen; vgl. § 184 I Nr. 1 StGB) ist hierdurch freilich nicht ausgeschlossen.

I I . Z u r Teilnahme der verkuppelten Person am Delikt der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 StGB) 1. Problemlage und Streitstand Mit der Neuregelung des Sexualstrafrechts durch das Vierte Strafrechtsreformgesetz 1 6 hat auch der frühere Kuppeleitatbestand (§ 180 StGB a. F.) eine deutliche Verengung erfahren 17. So ist insbesondere das Problem der Verlobtenkuppelei durch die Einfügung des sog. Erzieherprivilegs (§ 18012 StGB) gelöst worden 18 . Der wesentliche Grundgedanke sowohl der Reform des Sexualstrafrechts im allgemeinen als auch der Reform des Kuppeleitatbestandes im besonderen besteht darin, daß mit dem Mittel des Strafrechts nicht (mehr) moralische Anschauungen, sondern ausschließlich konkrete Rechtsgüter geschützt werden sollen. Für die Kuppelei bedeutet dies, daß nicht die Moralwidrigkeit der „Förderung fremder Unzucht" pönalisiert wird, sondern der Einsatz des Strafrechts darf allein auf den Zweck gerichtet sein, die ungestörte sexuelle Entwicklung der Jugendlichen zu schützen19. Aus diesem Grund erfaßt der § 180 StGB n. F. nur noch Handlungen, die sich auf die Verkuppelung von Personen unter 16 (so in § 180 Abs. 1 StGB) bzw. unter 18 Jahren (so in § 180 Abs. 2 und 3 StGB) beziehen. Hieraus 16 Zur Reform des Sexualstrafrechts durch das 4. StrRG (vom 23.11.1973) vgl. Dreher, JR 1974, 45 ff. und Baumann, JR 1974, 370 ff. sowie (aus größerer zeitlicher Distanz) Roos, Entkriminalisierungstendenzen, S. 107 ff., 111 ff. und Jäger, in: Jäger/ Schorsch, Sexualwissenschaft, S. 1 ff. 17 Speziell zur Reform der Kuppeleitatbestände vgl. BT-Ds. VI / 1552, S. 18 ff.; Horstkotte, JZ 1974, 84 ff. sowie LK-Laufhütte, § 180 vor Rdn. 1. is Zum Problem der „Verlobtenkuppelei" ist insbesondere auf BGHSt. (GS) 6, 46 ff. (bestätigt durch BGHSt. 17, 230 ff.) zu verweisen; vgl. auch Wallner, Ausgestaltung, S. 85 ff.; BT-Ds. VI / 1552, S. 23 sowie S/S-Lenckner, Rdn. 11 ff. und Dreher / Tröndle, Rdn. 10 ff. jeweils zu § 180. 19 Horstkotte, JZ 1974, 84f.; LK-Laußütte, § 180 Rdn. 1 (s.a. aaO. vor § 174 Rdn. 1 f.). 15 Sowada

226

. Kap.:

„otwendige Teilnahme" im Bereich der

eldelikte

erhellt zugleich, daß die Mitwirkung der verkuppelten jugendlichen Person für diese keine Teilnahmestrafbarkeit begründet. Insoweit handelt es sich um einen Fall der straflosen Opferbeteiligung, weil der Jugendliche das ihm zustehende Rechtsgut der „ungestörten Sexualentwicklung" nicht selbst angreifen kann. Entspricht die (von der Intensität des Mitwirkungsverhaltens unabhängige) Straflosigkeit des verkuppelten Jugendlichen einhelliger Auffassung 20, so bereitet die Frage der Teilnahmestrafbarkeit des (erwachsenen) Sexualpartners nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten. Im Spektrum der (teilweise allerdings zur früheren Rechtslage geäußerten) Ansichten wird die eine Extremposition durch die vereinzelt im Schrifttum vertretene Auffassung 21 markiert, für die Teilnahme an § 180 StGB gälten auch in bezug auf den Sexualpartner des Jugendlichen keinerlei Besonderheiten, so daß eine Teilnahmestrafbarkeit dieser Person durchaus in Betracht komme. Da allerdings bei dieser Stellungnahme explizite Äußerungen zur Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" fehlen, läßt sich nicht mit Gewißheit sagen, ob diese Ansicht nicht doch mit der in der Rechtsprechung 22, aber auch von Teilen des Schrifttums 23 vertretenen Meinung übereinstimmt, wonach zwar die bloße Annahme der kupplerischen Dienste als denknotwendiger Mindestbeitrag straflos sei, eine darüber hinausgehende Mitwirkung jedoch eine rollenüberschreitende (und daher strafbare) Teilnahme darstelle. Dieser Betrachtungsweise eng verwandt ist die Auffassung 24, die seitens des Verkuppelten eine Beihilfestrafbarkeit ausschließt, eine strafbare Anstiftung hingegen für denkbar hält. Andere Stimmen im Schrifttum 25 stellen nicht auf die Intensität des Mitwirkungsbeitrages oder auf die Beteiligungsform ab, sondern differenzieren anhand der unterschiedlichen Absätze des § 180 StGB. Hiernach ist eine strafbare Teilnahme des Verkuppelten an der Förderung sexueller Handlungen von Jugendlichen unter sechzehn Jahren (§ 180 I StGB) sowie an der Förderung sexueller 20 So bereits die Begründung des Regierungsentwurfs zum 4. StrRG (BT-Ds. V I / 1552, S. 22); vgl. außerdem statt aller S/S-Lenckner, Rdn. 31; SK-Horn, Rdn. 23 jeweils zu § 180 sowie Maurach / Schroeder, BT 1, 20/35. Fincke, Verhältnis, S. 71 ff. 22 Die höchstrichterliche Judikatur ist insoweit nicht bruchlos: Nach der frühen Rechtsprechung des Reichsgerichts war die Kuppelei gar kein Delikt mit „notwendiger Teilnahme", da es einer Vornahme der Unzuchtshandlungen für die Vollendung der Kuppelei gar nicht bedurfte; in diesem Sinne etwa RGSt. 4, 252 (253); 23, 69 (71). Die Entscheidung RGSt. 25,369 (370) argumentiert zweigleisig ( . . . selbst wenn man eine „notwendige Teilnahme" annehmen wollte ...); teilweise widersprüchlich auch BGHSt. 10, 386 (387); 15, 377 (382). 23 Dreher/Tröndle, §180 Rdn. 25; Gössel, BT 1, 27/57; Blei, AT, § 74 I 2 (= S. 264); Baumann, JuS 1963, 53; Dreher, JR 1974, 52; Wallner, Ausgestaltung, S. 111; vgl. femer ausführlich Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 114 ff., 122 ff., 248 f. und Usteri, Strafwürdigkeit, S. 97 ff. 24 LK-Laufhütte, § 180 Rdn. 19 f.; eine strafbare Beihilfe bezüglich § 180 I, Π StGB verneinend auch Horstkotte, JZ 1974, 87 und Sommer, JR 1981, 495. 2 5 S/S-Lenckner, Rdn. 32; SK-Horn, Rdn. 24, 42, 48 jeweils zu § 180; in ähnlicher Weise zum alten Recht zwischen § 180 und § 181 StGB a. F. differenzierend Eschweiler, Kuppelei, S. 73 f. und Lange, Notwendige Teilnahme, S. 80 ff. (83).

II. Zur Teilnahme der verkuppelten Person

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Handlungen Minderjähriger gegen Entgelt (§ 180 I I StGB) ausgeschlossen; demgegenüber ist die Teilnahme an der Förderung sexueller Handlungen von Schutzbefohlenen (§ 180 I I I StGB) auch für den Sexualpartner nach dieser Ansicht strafbar. Komplettiert wird das Meinungsbild schließlich durch die in der strafrechtlichen Literatur überwiegend vertretene Auffassung 26, daß eine strafbare Beteiligung auch des erwachsenen Sexualpartners am Delikt des § 180 StGB ohne jede Einschränkung zu verneinen sei. Die uneinheitliche Beurteilung der Teilnahmestrafbarkeit des Verkuppelten spiegelt sich auch in der wechselvollen Entwicklung wider, die diese Frage in den gesetzgeberischen Beratungen der Nachkriegszeit erfahren hat. Im Zuge der Beratungen der Großen Strafrechtskommision 27 verständigte man sich darauf, die Straflosigkeit der verkuppelten Person ausdrücklich im Gesetz festzuschreiben. Auch der E 62 enthielt (in § 227 a) eine eigenständige Bestimmung zur Teilnahme an der Kuppelei. Nach der dort vorgeschlagenen Regelung war zwar die Teilnahme des Verkuppelten grundsätzlich straflos, doch galt dies gemäß § 227 a S. 2 nicht für die Anstiftung zur Verkuppelung von Kindern und Jugendlichen (§ 226 I I I E 62) bzw. zur Kuppelei an Angehörigen und Schutzbefohlenen (§ 227 E 62) 28 . Der im Jahre 1968 vorgelegte Alternativ-Entwurf zum Sexualstrafrecht lehnte eine Übernahme des § 227a E 62 ab; in der Begründung 29 wird die von der Großen Strafrechtskommission einstimmig befürwortete Straflosigkeit der verkuppelten Personen als eine „an sich richtige Erkenntnis" bezeichnet. Eine ausdrückliche Regelung des Teilnahmeproblems hielten die Verfasser des Alternativ-Entwurfs jedoch im Hinblick auf den stark verengten Zuschnitt des Kuppeleitatbestandes für entbehrlich. Sympathisiert der Alternativ-Entwurf erkennbar mit einen Verneinung der Teilnahmestrafbarkeit des Verkuppelten, so rückt der Regierungsentwurf zum Vierten Strafrechtsreformgesetz 30 von dieser Postion wieder ab. Zwar wird in diesem Entwurf von einer ausdrücklichen Regelung der Teilnahmefrage bewußt abgesehen. Diesen Verzicht begründet der Entwurf mit dem Hinweis, angesichts der beabsichtigten Neugestaltung des § 180 StGB komme der Teilnahmeproblematik lediglich eine geringere Tragweite zu; insbesondere folge aus dem jugendschützenden Charakter der geplanten Neuregelung, daß jedenfalls der verkuppelte Jugendliche als Tatopfer straflos bleibe. Die Beurteilung der Teilnahmestrafbarkeit des außenstehenden Nutznießers wird aus26 Lackner, § 180 Rdn. 14; Maurach / Schroeder, BT 1, 20 / 35; Otto, BT, § 66 V 4c (= S. 326); Stratenwerth, AT, Rdn. 951; Welzel, Lehrbuch, S. 444; Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 301 ff.; Armin Kaufmann, MDR 1958, 117 f.; A. Esser, GA 1958, 330 f.; Bindokat, NJW 1961, 1731; Lang-Hinrichsen, GA 1970, 238 (s.a. aaO. S. 227 f.); Herzberg, GA 1971, 10; vgl. femer aus dem älteren Schrifttum Bohne, Frank-FG Bd. II (1930), S. 470 ff.; Olshausen, Anm. 14b und Frank, Anm. VU jeweils zu § 180. 27 Niederschriften Bd. 8, S. 290 ff. (300 f.) sowie S. 609 in Verbindung mit S. 474. 28 Kritisch zu diesem Vorschlag Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 301 ff. und Simson! Geerds, Straftaten, S. 500 f. (mit Fn. 486). 29 AE-BT (Sexualdelikte), S. 51. 30 BT-Ds. VI / 1552, S. 22. 15*

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drücklich der Rechtsprechung zur Entscheidung „unter Berücksichtigung der rechtsdogmatischen Zusammenhänge" übertragen. Der Regierungsentwurf stellt hierzu jedoch klar, daß eine etwaige Bejahung der Teilnahmestrafbarkeit durch die Judikatur „der rechtspolitischen Tendenz des Entwurfes nicht widersprechen" würde 31 . Diese legislatorische Stellungnahme ist in doppelter Hinsicht aufschlußreich: Zum einen zeigt sie, daß sich der Gesetzgeber nicht ohne weiteres für eine generelle Straflosigkeit des verkuppelten Sexualpartners vereinnahmen läßt; zum anderen belegt jedoch gerade der Umstand, daß sich der Gesetzgeber einer verbindlichen gesetzlichen Regelung bewußt enthalten hat, einen für die dogmatische Bewältigung des Teilnahmeproblems prinzipiell bestehenden Spielraum.

2. Zum dogmatischen Stellenwert der in der bisherigen Diskussion angeführten Argumente Der seit langem mit Vehemenz ausgetragene Streit um die Teilnahmestrafbarkeit des Nutznießers kupplerischer Tätigkeit hat neben dem bereits skizzierten Meinungsspektrum auch zahlreiche Argumente für und wider die einzelnen Auffassungen hervorgebracht. Will man den heutigen dogmatischen Wert dieser Argumente angemessen beurteilen, so ist einerseits zu beachten, daß sich die strafrechtsdogmatische Grundkonzeption der Kuppelei in Richtung auf einen (ausschließlich) dem Jugendschutz dienenden Tatbestand verändert hat 32 . Andererseits wäre es voreilig, allein aufgrund dieses Wandels die älteren Stellungnahmen pauschal als unergiebig abzutun. Vielmehr sollen die wesentlichen Argumente in der bisherigen Auseinandersetzung kurz angesprochen werden, um auf diese Weise einen Ansatzpunkt für die vorzugswürdige Problemlösung herauszuarbeiten. Eine analysierende Betrachtung der dogmatischen Kontroverse führt zu der Erkenntnis, daß sowohl die Befürworter als auch die Gegner einer Teilnahmestrafbarkeit des Verkuppelten jeweils einen sehr abstrakten, fundamentalen Gesichtspunkt in das Zentrum ihrer Argumentation rücken. Zur Begründung einer Strafbarkeit der Teilnahmehandlungen wird regelmäßig darauf verwiesen, daß es sich bei der Kuppelei (bzw. bei der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger) um einen dogmatisch selbständigen Straftatbestand handele33; angesichts dieser 31 Ebd. 32 Zur historischen Entwicklung des Kuppeleidelikts vgl. Eschweiler, Kuppelei, S. 27 ff. (44 ff.); s. a. rechtsvergleichend Simson / Geerds, Straftaten, S. 487 ff. (494 ff.) sowie zum Problemkreis „Sexualmoral und Strafrecht" Franzheim, GA 1962, 129 ff.; Woesner, NJW 1968,673 ff.; Wallner, Ausgestaltung, S. 9 ff. und Bockelmann, MaurachFS (1972), S. 404 ff. (410, 412 ff.). 33 Die dogmatische Eigenständigkeit des § 180 StGB wird besonders betont von Fincke, Verhältnis, S. 71 ff.; s.a. RGSt. 4, 252 (253); 23, 69 (70 f.); 25, 369 (371); BGHSt. 10, 386 f. sowie (jedoch nicht bezüglich der Strafbarkeit des Verkuppelten) Goltdammer, Materialien II, S. 307 f.

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Eigenständigkeit seien die strafrechtlichen Beteiligungsregeln in gleicher Weise anwendbar, wie dies auch für alle sonstigen Straftatbestände gelte. Die gegenteilige Position 34 gründet sich auf die Überlegung, daß die Tathandlungen des § 180 StGB der Sache nach eine Teilnahme zur fremden Unzucht darstellen. Die Sexualpartner sind daher zugleich „Haupttäter" bezüglich der von § 180 StGB nicht erfaßten Tat (nämlich der Vornahme sexueller Handlungen). Ist aber die Haupttat als solche straflos, so dürfe die hierin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Weitentscheidung nicht dadurch unterlaufen werden, daß man mittelbare Vorbereitungshandlungen des „Haupttäters" unter Rückgriff auf die Teilnahmenormen für strafbar erklärt. Will man die beiden dargestellten Sichtweisen jeweils auf ein kennzeichnendes Schlag wort reduzieren, so betont die strafbarkeitsbejahende Auffassung den Aspekt des „delictum sui generis", während die strafbarkeitsverneinende Gegenmeinung auf dem Gedanken der „verselbständigten Teilnahme" basiert. Beide Betrachtungsweisen greifen einen für die dogmatische Situation des § 180 StGB durchaus zutreffenden Teilaspekt heraus. Dennoch läßt sich auf dieser abstrakten Ebene das Problem der Teilnahmestrafbarkeit nicht überzeugend lösen; es hat vielmehr den Anschein, als führten die beiden Fundamentalargumente zu einem strafrechtsdogmatischen Patt 35 . Die Sichtweise von der „verselbständigten Teilnahme" hat insoweit recht, als die Berufung auf das „delictum sui generis" etwaige materielle Sinnbezüge nicht auszuschalten vermag 36 ; umgekehrt enthebt aber der Hinweis auf den teilnahmeähnlichen Charakter des § 180 StGB nicht von der Notwendigkeit, eine hinter dieser Gestaltungsform vermutete Privilegierung tatsächlich nachzuweisen37. Wendet man sich deshalb den auf einer niedrigeren Ebene angesiedelten deliktsbezogenen Argumenten zu, so stößt man auf den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 38 mehrfach hervorgehobenen Gesichtspunkt, daß die Kuppelei einen gegenüber der bloßen Vornahme der nachfolgenden Unzuchtshandlung durchaus eigenständigen Unwertgehalt aufweise, an dessen Verwirklichung auch der Sexualpartner in strafbarer Weise mitwirken könne. Diese Eigenständigkeit 34 Insbesondere Armin Kaufmann, MDR 1958, 177 f. und Sommer, JR 1981, 495 (die beide auch über die Person des Verkuppelten hinaus eine Straflosigkeit mittelbarer Teilnahmehandlungen problematisieren); s. a. S/S-Lenckner, Rdn. 32 sowie bereits Ophausen, Anm. 14 b jeweils zu § 180. 35 Gleichfalls unentschieden Zöller, Notwendige Teilnahme, S. 122 ff. 36 Zu den Bedenken, aus der Rechtsfigur des „delictum sui generis" dogmatische Schlußfolgerungen abzuleiten, vgl. allgemein Blei, AT, § 23 V (= S. 82 ff.); Haffke, JuS 1973, 402 ff., 407; Lübbe-Wolff, Rechtsfolgen, S. 102 ff. und V. Hassemer, Delictum sui generis, S. 98 f. 37 Vgl. hierzu — unter Hinweis auf § 120 StGB — auch SK-Horn, § 180 Rdn. 48. Eine für die dogmatische Beurteilung prinzipiell vergleichbare Konstellation aus dem Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts liegt der Entscheidung KG, JR 1991, 169 f. zugrunde. 38 Vgl. die oben in Fn. 33 angegebenen Nachweise.

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zeige sich auch daran, daß es zur Vollendung der Kuppelei einer tatsächlichen Ausübung der Unzucht gar nicht bedarf. Gerade anhand dieses zuletzt genannten (im übrigen unumstrittenen 39) Aspekts läßt sich die dogmatische Fragwürdigkeit der „notwendigen Teilnahme" als eigenständiger Rechtsfigur deutlich machen: Ist die Vornahme sexueller Handlungen für die Deliktsbegehung nicht erforderlich, so überschreitet jeder Sexualpartner die denknotwendig (!) vorausgesetzte Mitwirkung bereits dann, wenn er die ihm durch die kupplerische Tätigkeit eingeräumte Gelegenheit tatsächlich zu „Unzuchtshandlungen" ausnutzt. Das Kriterium der Rollenwahrung kann daher auch insoweit nicht an rein begrifflichlogischen, sondern nur an teleologischen Maßstäben ausgerichtet werden; als „telos" kommt aber nur der konkrete Tatbestand in Betracht. Abgesehen davon, daß eine wirklich deliktsbezogene Inhaltsbestimmung praktisch nicht offen erfolgt, ist sie auch nur auf Kosten einer Preisgabe eines allgemein (also gerade deliktsunabhängig) gültigen Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung denkbar. In der Sache wichtiger als dieser weitere Beleg für die Unhaltbarkeit der herkömmlichen Sichtweise zur „notwendigen Teilnahme" ist freilich die These vom eigenständigen Unwertgehalt der Kuppelei. Dieser Unwert wurde darin gesehen, daß das Kupplerwesen eine durch Eigennutz und Gewohnheitsmäßigkeit charakterisierte selbständige kriminologische Erscheinung mit schädlichen Folgen für das Gemeinwesen darstelle 40. Diese Beurteilung aus der Zeit vor der Reform des Sexualstrafrechts läßt sich jedenfalls für die gegenwärtige Rechtslage nicht mehr aufrechterhalten. Denn der Gesetzgeber des Vierten Strafrechtsreformgesetzes hat den Tatbestand des § 180 StGB strikt auf die Belange des Jugendschutzes ausgerichtet und in konsequenter Umsetzung dieser Zielvorgabe bewußt darauf verzichtet, die moralisch bedenkliche Motivation des Kupplers (etwa in Gestalt des Merkmals „gewohnheitsmäßigen", „eigennützigen", „gewinnsüchtigen" oder „gewerbsmäßigen" Handelns) zum Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit zu wählen 41 . Ist daher eine auf moralischen Vorbehalten gegen das kupplerische Handeln gegründete Konzeption unhaltbar (geworden), so gilt gleiches für den Versuch, die Strafbarkeit des Sexualpartners wegen Anstiftung zur Kuppelei mit dem Hinweis zu legitimieren, durch dieses Verhalten werde der Kuppler in ein ihm hinsichtlich des betroffenen Jugendlichen gemäß § 180 StGB untersagtes, strafrechtlich relevantes Geschehen verstrickt 42 . Denn die sprachliche Einbeziehung des Jugendlichen vermag nichts daran zu ändern, daß eine solche Argumentation die unverfälschte Umsetzung der aus der Schuldteilnahmelehre hervorgegangenen Unrechtsteilnahmetheorie darstellt. Läßt sich aber — wie heute (zu 39 Anders insoweit jedoch Goltdammer, Materialien II, S. 309. 40 So insbesondere BGHSt. 10, 386 (387); vgl. auch zur Kriminologie der Kuppelei Göppinger, Kriminologie, S. 638 f.; Eisenberg, Kriminologie, 45 / 39, 58 / 20 sowie ausführlich Eschweiler, Kuppelei, S. 83 ff. 41 BT-Ds. VI / 1552, S. 18, 20 ff. 42 So aber LK-Laufhütte, § 180 Rdn. 20.

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Recht 43 ) unstreitig ist — weder die Teilnahmestrafbarkeit im allgemeinen noch auch nur die Strafbarkeit der Anstiftung im besonderen mit dem Gedanken der Schuldverstrickung bzw. der sozialen Desintegration des Täters erklären, so darf auf diesen Aspekt auch nicht im Rahmen des § 180 StGB zurückgegriffen werden. Um eine unzulässige Auswechslung des Schutzgegenstandes zu vermeiden, ist somit klarzustellen, daß auch bezüglich der Teilnahmestrafbarkeit des erwachsenen Sexualpartners ausschließlich der Aspekt eines (mittelbaren) Angriffs auf das Rechtsgut der ungestörten sexuellen Entwicklung des Jugendlichen in Betracht kommt. Diese Festlegung des Angriffsgegenstandes bezeichnet zugleich den Ausgangspunkt für eine Argumentation, die auf die Verneinung der Teilnahmestrafbarkeit des verkuppelten Sexualpartners gerichtet ist. Als Kernstück dieser Konzeption erscheint hierbei die These, der Schutz einer ungestörten Sexualentwicklung Jugendlicher habe bezüglich des jeweiligen Sexualpartners in den Tatbeständen der §§ 174 ff., 182 StGB eine abschließende Regelung erfahren 44. Aus dem Umstand, daß diese Delikte gerade das Sexualverhalten gegenüber Minderjährigen erfassen, wird also der Schluß gezogen, daß der Sexualpartner des Jugendlichen entweder als Täter dieser einschlägigen Delikte strafbar oder aber gänzlich straflos sei. Die Frage nach dem abschließenden Charakter der §§ 174 ff., 182 StGB ist gleichbedeutend mit dem Problem einer Privilegierung des als (gedachter) „Haupttäter" straflosen Sexualpartners. Dennoch verspricht die auf die sonstigen Sexualdelikte rekurrierende Argumentation insofern einen dogmatischen Gewinn, als sie einen von § 180 StGB unabhängigen, externen Beurteilungsmaßstab anbietet. Ist die Straflosigkeit der fiktiven „Haupttat" für sich genommen kein hinreichender Grund für eine generelle Straflosigkeit des „Haupttäters", so eröffnet sich nunmehr die Möglichkeit, das Resultat einer etwaigen Teilnahmestrafbarkeit an den Ergebnissen vergleichbarer täterschaftlicher Strafbarkeitsnormierungen zu messen. Allerdings ist zu beachten, daß die bloße pauschale Behauptung des abschließenden Charakters der das unmittelbare Sexualverhalten betreffenden Straftatbestände ebensowenig ausreicht wie die These von der mittelbaren Vorbereitung der eigenen straflosen Haupttat oder die Bezeichnung des Geschehens als Anwendungsfall strafloser Selbstbegünstigung. Es ist vielmehr konkret zu fragen, inwieweit anderen Straftatbeständen ein auch für die Teilnahmeproblematik im Rahmen des § 180 StGB maßgeblicher Aussagegehalt entnommen werden kann. Dies wird um so eher in überzeugender Weise gelingen, je größer die normative Übereinstimmung der beiden vergleichsweise gegenübergestellten Regelungen ist. Bedenkt man, daß der § 180 StGB in seinen einzelnen Absätzen durchaus unterschiedliche Problemgegenstände erfaßt, so empfiehlt es sich, in bezug auf 43 Vgl. oben 3. Kap. II. 1. 44 Dieser Aspekt wird angesprochen bei S/S-Lenckner, Rdn. 32; SK-Horn, Rdn. 1, 24 und LK-Laufhütte, Rdn. 19 jeweils zu § 180; s. a. Maurach / Schroeder, BT 1,20 / 30.

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jeden einzelnen Absatz nach einem normativen Vergleichsmaßstab Ausschau zu halten. 3. Die Verführung (§ 182 StGB) als Grundlage für ein Privilegierungsmodell im Rahmen des § 180 Abs. 1 StGB Die Regelung des § 180 Abs. 1 StGB betrifft die Förderung sexueller Handlungen von (bzw. an) Jugendlichen unter sechzehn Jahren. Als ein vergleichsweise heranzuziehendes Pendant bietet sich der Straftatbestand der Verführung (§ 182 StGB) an; hiernach ist strafbar, „wer ein Mädchen unter sechzehn Jahren dazu verführt, mit ihm den Beischlaf zu vollziehen". Die identische Schutzaltersgrenze deutet darauf hin, daß dem Gesetzgeber in beiden Fällen Opfer auf gleicher biologisch-psychischer Entwicklungsstufe mit einer entsprechenden Schutzbedürftigkeit vor Augen gestanden haben45. Ferner erscheinen beide Tatbestände insofern vergleichbar, als bestimmte Anbahnungsformen des (als solchen regelmäßig gewaltlosen) Sexualkontakts mit der minderjährigen Person unter Strafe gestellt werden. Diese parallele Deliktsstruktur bestärkt die Vermutung, daß ein identischer Geschehensablauf eine personenbezogene Aufspaltung in zwei unterschiedliche Straftatbestände erfahren hat: Während der Vorgang aus der Sicht des kupplerisch tätigen Dritten durch § 180 StGB geregelt ist, bestimmt sich die Beurteilung desselben Geschehens aus der Perspektive des Sexualpartners anhand des für seine Person einschlägigen § 182 StGB. Diese be wußte Trennung würde dann in der Tat unterlaufen, wenn man bezüglich des Sexualpartners auf die ihn gerade ausblendende Vorschrift des § 180 StGB — sei es auch nur in Verbindung mit den Teilnahmebestimmungen — zurückgreifen wollte. Nicht nur zulässig, sondern geradezu geboten erscheint die personenbezogene Exklusivitätsbetrachtung, wenn man berücksichtigt, daß — ungeachtet der dargestellten Vergleichbarkeit beider Delikte — der Anwendungsbereich des Verführungstatbestandes hinter dem von § 1801 StGB abgesteckten Rahmen in mehrfacher Hinsicht zurückbleibt. Überhaupt wird die Existenzberechtigung des § 182 StGB unter Hinweis darauf bestritten, daß Kinder bis zu 14 Jahren durch § 176 StGB umfassend gegenüber sexuellen Handlungen geschützt seien und daß es für den problematischen Bereich von Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren eines strafrechtlichen Schutzes vor gewaltlosen, einvernehmlichen Sexualkontakten nicht bedürfe 46. Doch auch wenn man die gesetzgeberische Entscheidung47 45 Zur Abstufung des strafrechtlichen Jugendschutzes nach Altersgrenzen vgl. Maurach / Schroeder, BT 1, 20/1; s.a. Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 137, 149, 183 ff.; (rechtsvergleichend) Simson / Geerds, Straftaten, S. 393 ff. sowie aus den Gesetzesmaterialien BT-Ds. VI / 3521, S. 22 f., 35 f., 46 f. und 50 f. 46 Kritisch zur Berechtigung des § 182 StGB die Dissertation von Ackermann (Der Tatbestand der Verführung [§ 182 StGB]), aus dem Jahre 1972 (insbesondere S. 123 ff., 230 ff., 254 f.); Lautmann, in: Jäger / Schorsch, Sexualwissenschaft, S. 54 ff., 68 und jüngst Sick, ZStW 103 (1991), 74ff., 91; s.a. Gössel, BT 1, 27/23; Hanack, DJTGutachten, Rdn. 187,189 ff. sowie allgemein zu den im Wandel begriffenen gesellschaft-

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für die Beibehaltung des Verführungstatbestandes akzeptiert oder sogar begrüßt, muß man erkennen, daß der enge Zuschnitt des § 182 StGB Privilegierungscharakter insoweit trägt, als es sich bei den tatbestandlichen Aussparungen nicht lediglich um eine eher zufällige Randerscheinung, sondern um eine bewußte legislatorische Grenzziehung handelt 48 . So wurde die Strafbarkeit gemäß § 182 StGB ausschließlich auf den Beischlaf beschränkt, da nur dieses Verhalten in bezug auf das Schwangerschaftsrisiko (mit den damit verbundenen psychischen Belastungen) eine hinreichende Strafwürdigkeit aufweise 49. Auch das Festhalten am Merkmal der „Verführung" ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Formen leichterer (etwa einer Anstiftung vergleichbarer) psychischer Beeinflussung sowie Einwirkungen im Rahmen eines „echten Liebesverhältnisses" von der Tatbestandsmäßigkeit auszuschließen50. Nimmt man zu dieser Divergenz die Abweichung hinsichtlich der Strafrahmen hinzu, lassen sich unschwer folgende grotesk anmutende Ergebnisse konstruieren: Bewegt jemand ein 15jähriges Mädchen mittels massiver psychischer Einwirkung dazu, mit ihm den Beischlaf zu vollziehen, so verwirklicht er den Straftatbestand des § 182 StGB mit der Folge einer denkbaren Höchststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe. Mit der dreifachen Höchststrafe würde hingegen — eine Strafbarkeit der Teilnahme unterstellt — gemäß §§ 180 I, 26 StGB derjenige bedroht, der einen Dritten überredet, ihm das 15jährige Mädchen zu demselben Zweck zuzuführen; hierbei ist die Strafe sogar schon verwirkt, ohne daß es tatsächlich zum Beischlaf gekommen sein muß 51 . Noch eklatantere Ungereimtheiten ergeben sich, wenn das Ansinnen des Sexualpartners auf andere sexuelle Handlungen gerichtet ist, die zwar dem § 1801 StGB, nicht jedoch dem § 182 StGB unterfallen: liehen Vorstellungen von Sexualität und Jugendrolle Killias, Jugend, S. 173 ff., 181 ff. (aber auch aaO. S. 213 mit Fn. 89). Vgl. femer Kusch, MDR 1991, 99 ff. (zu den Konsequenzen der Fortgeltung des § 149 StGB-DDR) sowie M. Bruns, ZRP 1991,166 f. (zur geplanten einheitlichen Jugendschutzvorschrift). 47 Zur Entstehungsgeschichte vgl. LK-Laufhütte, § 182 vor Rdn. 1. 48 Dem steht nicht entgegen, daß der § 182 StGB durch das 4. StrRG angesichts der Streichung des (moralisierenden) Merkmals der „Unbescholtenheit" (vgl. dazu BT-Ds. VI / 1552, S. 31; VI / 3521, S. 51 f.) sogar eine Ausweitung erfahren hat und der Tatbestand im übrigen der früheren Gesetzesfassung entspricht. 49 BT-Ds. VI/3521, S. 52; s.a. AE-BT (Sexualdelikte), S. 27 und Horstkotte, JZ 1974, 89. Entgegen der Auffassung von Schroeder (in: Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, 17 / 34 und 20 / 23) folgt hieraus nach überwiegend vertretener Ansicht aber nicht das Erfordernis einer immissio seminis; vgl. SK-Horn, Rdn. 2 und Lackner, Rdn. 4 jeweils zu § 182. so Während Leferenz (ZStW 77 [1965], 392 f.) für die Streichung (auch) des Verführungsmerkmals eintrat, hat sich der Gesetzgeber des 4. StrRG (vgl. BT-Ds. VI/3521, S. 51; s. a. Auerbach, Eigenhändige Delikte, S. 22\\Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 185 f. und ders., NJW 1974, 4) gerade im Hinblick auf die diesem Merkmal zugewiesene Restriktionswirkung für eine Beibehaltung entschieden. Zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals vgl. LK-Laufhütte, § 182 Rdn. 2 sowie ausführlich Ackermann, Verführung, S. 9 ff., 190 ff., 243 f. 5i Vgl. BGHSt. 24, 249; Dreher ! Tröndle, Rdn. 6; S/S-Lenckner, Rdn. 28 und SKHorn, Rdn. 2 jeweils zu § 180 sowie die oben in Fn. 33 angegebenen Nachweise.

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Hier steht der dreijährigen Höchststrafe bei Einschaltung eines vermittelnden Dritten die völlige Straflosigkeit im Falle alleinigen Handelns gegenüber. Scheint angesichts solcher Resultate die Forderung unabweisbar, eine Anwendbarkeit der Teilnahmestrafbarkeit hinsichtlich des Nutznießers kupplerischer Tätigkeit zu verneinen, so läßt sich hiergegen noch eine letzte Entgegnung denken, um eine Teilnahmestrafbarkeit des Verkuppelten zu legitimieren: Es könnte das Argument vorgebracht werden, die unbestreitbaren Privilegierungen des § 182 StGB gelten nur bei einer ausschließlichen Zweierbeziehung zwischen Täter und Opfer. Da das Delikt der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger auf Konstellationen mit drei beteiligten Personen zugeschnitten ist, ließe sich zwischen § 180 StGB und § 182 StGB eine tiefgreifende Wesensverschiedenheit postulieren, die es ausschließe, die für Zweipersonenverhältnisse gültigen Privilegierungen auf die Tatsituationen des § 180 StGB zu übertragen. Allerdings würde die mit der Einschaltung eines Dritten verbundene Moralwidrigkeit nicht ausreichen, um eine randscharfe Abgrenzung zwischen Verführungs- und Kuppeleitatbestand zu legitimieren; vielmehr wäre eine solche Trennung nur dann zulässig, wenn das Hinzutreten eines Kupplers dem Geschehen gerade im Hinblick auf den Jugendschutz eine erhebliche Gefahrsteigerung verleihen würde. Dem ist aus der Perspektive des § 180 StGB entgegenzuhalten, daß eine Verwirklichung dieses Tatbestandes im Schrifttum 52 teilweise verneint wird, wenn die kupplerisch tätige Person mit ihrem Verhalten ihre eigene Mitwirkung an den sexuellen Handlungen erstrebt. Dies heißt aber, daß gerade die intensivste Form der Einwirkung auf die Psyche des Jugendlichen, der sich mehreren Sexualpartnern gegenübersieht, von der strengen Strafnorm des § 180 StGB nicht erfaßt würde. Selbst wenn man diese Ansicht ablehnt und für eine Anwendung des § 180 StGB auch hinsichtlich des sexuell motivierten Kupplers eintritt 53 , bleibt die für die Person des („eigentlichen") Sexualpartners wichtigere Frage zu erörtern, ob das Geschehen aus dem Anwendungsbereich des § 182 StGB herausfällt, sofern er sich der Unterstützung einer Dritten Person bei der Vorbereitung des Beischlafs mit der Jugendlichen bedient. Hierfür scheint die teilweise in der Strafrechtsliteratur 54 zu findende Bemerkung zu sprechen, die Verführung sei ein „eigenhändiges Delikt". Diese Formulierung legt den Schluß nahe, der Täter müsse den Tatbestand ausschließlich durch eigene Tätigkeit verwirklichen, so daß es sich bei § 182 StGB tatsächlich um eine Festlegung auf bloße Zweipersonenverhältnisse zu handeln scheint. Ohne an dieser Stelle die Fragwürdigkeit der Rechtsfigur des „eigenhändigen Delikts" im allgemeinen zu diskutieren 55 , ist die Verwendung 52 S/S-Lenckner, § 180 Rdn. 3; ebenso (zur früheren Gesetzeslage) Franzheim, GA 1962, 141 f. 53 So die ganz überwiegend vertretene Auffassung; vgl. SK-Horn, Rdn. 4; LK-Laufhütte, Rdn. 7; Lackner, Rdn. 1 jeweils zu § 180; Fincke, Verhältnis, S. 72; eigennütziges Handeln im Sinne des § 180 StGB a. F. bejahend auch BGHSt. 11, 94 ff. 54 Dreher / Tröndle, Rdn. 1; Lackner, Rdn. 2 jeweils zu § 182 sowie Otto, BT, § 66 V 5 (= S. 327).

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dieses Terminus bezüglich des § 182 StGB zumindest mißverständlich. Dieser Tatbestand weist eine zweiaktige Deliktsstruktur 56 auf, so daß es zu seiner Verwirklichung sowohl der „Verführung" als auch der anschließenden „Vollziehung des Beischlafs" bedarf. Aus der Gesetzesformulierung „ . . . verführt, mit ihm den Beischlaf zu vollziehen" läßt sich ableiten, daß es zur Deliktsverwirklichung nicht ausreicht, wenn jemand ein Mädchen zum Beischlaf mit einem Dritten verführt. Täter des § 182 StGB kann mithin nur derjenige sein, der selbst den Beischlaf vollzieht; insoweit 57 kann man die Verführung daher als ein „eigenhändiges Delikt" bezeichnen. Hiervon zu trennen ist jedoch die Frage, ob der § 182 StGB auch bezüglich des Teilakts der „Verführung" Eigenhändigkeit in dem Sinne verlangt, daß der den Beischlaf Anstrebende bei der Einwirkung auf das Mädchen sich nicht der Mithilfe eines Dritten bedienen dürfe. Für diese Annahme ist ein einleuchtender Grund nicht ersichtlich. Will sich der männliche Teil nicht auf seine Überredungskünste verlassen, sondern veranlaßt er dritte Personen, das Mädchen von seinen Vorzügen zu überzeugen, so kann zwar der Dritte nicht Mittäter zu § 182 StGB sein 58 , doch ändert dies nichts daran, daß der Gesamtvorgang aus der Sicht des Sexualpartners im Anwendungsbereich des Verführungstatbestandes verbleibt. Das Delikt des § 182 StGB ist also nicht strikt auf Konstellationen einer ausschließlichen Täter-Opfer-Beziehung beschränkt. Verliert der Sexualpartner die mit dem § 182 StGB verbundenen Privilegierungen aber selbst dann nicht, wenn er sich bei der psychischen Einwirkung auf das Mädchen fremder Mithilfe bedient 59 , so bliebe die Möglichkeit einer Teilnahmestrafbarkeit zu § 1801 StGB ungereimt, zumal dieses Delikt auch durch Unterstützungshandlungen verwirklicht werden kann, die ausschließlich dem Erwachsenen gegenüber erbracht werden und von denen der Minderjährige keine Kenntnis zu erlangen braucht 60. Schließlich sind auch Sinn und Zweck der in den Absätzen 2 und 3 des § 182 StGB normierten Privilegierungen 61 (Antragserfordernis, Straflosigkeit 55 Ausführlich zu dieser Rechtsfigur Auerbach, Die eigenhändigen Delikte (1978); s. aber auch Liibbe-Wolff, Rechtsfolgen, S. 95 ff. (eigenhändige Delikte als Anwendungsfall sog. „voraussetzungsleerer Begriffe"). 56 Blei, BT, § 44 II (= S. 153); Gössel, BT 1, 27 / 24. 57 Korrekt insoweit die Formulierung bei Lackner, § 182 Rdn. 2. 58 Für die Gesetzeslage vor dem 4. StrRG war die Frage der Mittäterschaft einer nur den ersten Teilakt (Verführen) verwirklichenden Person umstritten; vgl. LK-MösP, § 182 Rdn. 4. 59 Die Möglichkeit der Verführung durch Mitwirkung Dritter wird zutreffend bejaht von LK-Laufhütte, Rdn. 4; S/S-Lenckner, Rdn. 6; SK-Horn, Rdn. 6 jeweils zu § 182; Gössel, BT 1, 27 / 32; Maurach / Schroeder, BT 1, 20 / 26 und Auerbach, Eigenhändige Delikte, S. 222 f. 60 S/S-Lenckner, Rdn. 6; SK-Horn, Rdn. 12 und LK-Laußütte, Rdn. 4, 6 jeweils zu § 180. 61 Vgl. dazu BT-Ds. VI/1552, S. 31; VI/3521, S.52f.; Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 191 ff. Zur Problematik eines relativ geringen Altersunterschiedes zwischen Täter und Opfer vgl. auch Bohnert, Jura 1988, 546 ff. und Killias, Jugend, S. 209 f.; zum Ganzen aus kriminologischer Sicht ausführlich Ackermann, Verführung, S. 41 ff.

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bei nachträglicher Heirat, Möglichkeit des Absehens von Strafe bei Tätern unter 21 Jahren) auf die Person des Sexualpartners bezogen und durchaus nicht davon abhängig, ob sich der Verführer im Vorfeld der sexuellen Handlungen fremder Hilfe bedient. In Anbetracht der genannten Umstände führt die dogmatische Analyse des Verhältnisses zwischen § 180 Abs. 1 StGB und § 182 StGB zu dem Ergebnis, daß für die Person des Sexualpartners des / der Minderjährigen allein der Verführungstatbestand einschlägig ist. Eine Teilnahmestrafbarkeit des Sexualpartners zu § 180 I StGB ist somit ausgeschlossen, da andernfalls die im § 182 StGB angelegte Privilegierungsstruktur untergraben würde 62 . Gegenüber dem Sexualpartner ist das Kind bis zu Alter von 14 Jahren umfassend, darüber hinausgehend das Mädchen bis zum Alter von 16 Jahren (nur) unter den Voraussetzungen des § 182 geschützt. 4. Zur Teilnahmestrafbarkeit des verkuppelten Sexualpartners in den Fällen der Förderung entgeltlicher sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 Abs. 2 StGB) Es wäre verfehlt, wollte man die für den Sexualpartner des Jugendlichen bezüglich des § 180 Abs. 1 StGB festgestellte Verneinung der Teilnahmestrafbarkeit unbesehen auf die übrigen Absätze dieser Strafnorm erstrecken. Gegen eine solche Übertragung spricht bereits das Unwertgefälle, das sich in den gegenüber §180 Abs. 1 StGB höheren Strafrahmen der Absätze 2 und 3 (fünf statt drei Jahre Freiheitsstrafe als Höchststrafe) manifestiert. Denn aus der Straflosigkeit der Mitwirkung an einem relativ geringen Unrecht kann nicht der Schluß gezogen werden, daß auch die Beteiligung an einem gravierenderen Unrecht sanktionslos bleiben müsse. Es kommt hinzu, daß sich auch die in den einzelnen Absätzen des § 180 StGB genannten Strafbarkeitsvoraussetzungen maßgeblich voneinander unterscheiden. So weiten die Absätze 2 und 3 den Strafrechtsschutz auf Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres aus, knüpfen diese Ausdehnung aber an das Vorliegen besonderer Gefährdungsmerkmale. Die Strafbarkeit gemäß Absatz 2 richtet sich gegen die Förderung gegen Entgelt vorgenommener sexueller Handlungen Minderjähriger; der Strafgrund ist hierbei darin zu sehen, daß der Gefahr eines Abgleitens in die Prostitution begegnet werden soll 63 . Demge62 Die Ungereimtheiten, die sich aus der Tatsache ergeben, daß in § 180 StGB die Förderung an sich strafloser Sexualhandlungen pönalisiert wird (vgl. dazu S/S-Lenckner, Rdn. 1; SK-Horn, Rdn. 1 jeweils zu § 180; Maurach l Schroeder, BT 1, 20 / 30), werden durch diese Lösung der Teilnahmeproblematik allerdings nur für die Person des Sexualpartners beseitigt. 63 Horstkotte, JZ 1974,87. Zur erhöhten Schutzbedürftigkeit Jugendlicher im Hinblick auf die Verführung zur Prostitution vgl. Eschweiler, Kuppelei, S. 157 f. und Simson / Geerds, Straftaten, S. 500 (jeweils für eine Schutzaltersgrenze von 21 Jahren); s. a. Kramer, Sexualdelikte, S. 65 ff. Der Alternativ-Entwurf (AE-BT, Sexualdelikte) beschränkte die Kuppeleivorschrift (§ Β 10) generell auf denjenigen, der einen Minderjährigen „zur Prostitution bringt" (vgl. aaO. S. 51, 53).

II. Zur Teilnahme der verkuppelten Person

237

genüber stellt § 180 Abs. 3 StGB die unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses begangene Förderung sexueller Handlungen Jugendlicher unter Strafe 64 . Für diese besonders thematisierten Gefahrenaspekte ist auch der Straftatbestand der Verführung (§ 182 StGB) nicht ohne weiteres einschlägig; denn er bezieht sich grundsätzlich auf die „normalen" Fallkonstellationen, denen das Element der Entgeltlichkeit (oder des Mißbrauchs von besonderen Autoritätsstellungen) regelmäßig fehlt 65 . Deshalb läßt sich dem § 182 StGB auch nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob die Teilnahme des verkuppelten Sexualpartners auch noch beim Hinzutreten der besonderen Umstände der Absätze 2 und 3 straflos sein soll. Allerdings spricht eine andere Ungereimtheit dafür, die Straflosigkeit der Teilnahme des Sexualpartners an den Förderungshandlungen auch für die Fälle des §180 Abs. 2 StGB zu bejahen: Würde der Sexualpartner der/dem Minderjährigen ohne Einschaltung eines Dritten wirtschaftliche Vorteile als Entgelt für die Vornahme sexueller Handlungen zuwenden, wäre er mangels eines entsprechenden Straftatbestandes straflos. Dieser Umstand ist nicht etwa Folge eines legislatorischen Versehens, sondern er beruht auf einer bewußten gesetzgeberischen Entscheidung. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs 66 zu § 180 I I StGB entnehmen läßt, wurde eine Strafbarkeit desjenigen, der den Minderjährigen dazu bestimmt, mit ihm selbst sexuelle Handlungen gegen Entgelt vorzunehmen, zwar erwogen, letztlich aber verworfen. Für die Ablehnung seien „praktische Gründe" ausschlaggebend gewesen; hierbei wird zum einen die von dem Minderjährigen ausgehende Erpressungsgefahr angeführt, zum anderen auf die drohende Diskriminierung des Opfers im Strafverfahren verwiesen. Gleichwohl erscheint die getroffene gesetzliche Regelung als inkonsequent67. Denn wie die Entwurfsbegründung 68 selbst einräumt, gelten die gegen eine Strafbarkeit im Zweipersonenverhältnis sprechenden Umstände im Prinzip auch gegenüber den durch die Mitwirkung eines Dritten gekennzeichneten Fallkonstellationen. Allerdings hielten sich diese Nachteile dort in einem engeren Rahmen, „weil die Fälle einer Bestimmung durch Dritte seltener sein werden als die Bestimmung des Mädchens durch den zahlungswilligen Sexualpartner". Etwas überspitzt läßt sich diese Argumentation 69 dahingehend charakterisieren, daß die Dreipersonenverhältnisse deshalb strafbedroht sind, weil sie seltener vorkommen. 64

S. dazu unten zu 5. Diese Umstände kommen zwar als Mittel zur Verführung im Sinne des § 182 StGB in Betracht (LK-Laufhütte, Rdn. 2; Dreher / Tröndle, Rdn. 4 jeweils zu § 182), sind aber für dieses Delikt weder in besonderer Weise normativ vertypt noch kriminalphänomenologisch bedeutsam (vgl. Ackermann, Verführung, S. 105 ff.; s. aber auch Groß I Geerds, Handwörterbuch der Kriminalistik Bd. I, S. 356). 66 BT-Ds. VI / 1552, S. 24. S. auch Horstkotte, JZ 1974, 87. 67 Kritisch auch S/S-Lenckner, § 180 Rdn. 1 und Maurach / Schroeder, BT 1, 20 / 50. 68 BT-Ds. VI / 1552, S. 24. 69 Schroeder (in: Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, 20 / 50) spricht insoweit von einem „Argument von klassischer Absurdität". 65

238

. Kap.:

„otwendige Teilnahme" im Bereich der

eldelikte

Das kann freilich nicht überzeugen. Denn entweder verlangt die von der Entgeltlichkeit der sexuellen Handlungen ausgehende gesteigerte Gefährlichkeit bezüglich des Abgleitens in die Prostitution ungeachtet der gegenläufigen Erpressungsund Diskriminierungsgefahren den Einsatz des Strafrechts: Dann muß aber gerade (auch) die praktisch häufigere Erscheinungsform von der Strafdrohung erfaßt sein. Oder aber man kann die häufigere Gefährdungsform straflos hinnehmen: Dann jedoch ist zweifelhaft, ob bei gleicher Gefährdungsintensität die seltenere Variante bestraft werden sollte. Diese unbefriedigende Gesetzeskonzeption eröffnet prinzipiell zwei (zu entgegengesetzten Ergebnissen führende) Auswege: Die erste Alternative besteht darin, im Interesse eines möglichst weitreichenden Jugendschutzes die Straflosigkeit des direkt einen Minderjährigen für sexuelle Dienste bezahlenden Partners für kriminalpolitisch verfehlt zu erachten und eine Teilnahmestrafbarkeit im Rahmen des § 180 I I StGB zu bejahen, um die (angenommenen) Lücken im Strafrechtsschutz möglichst gering zu halten. Die gegenteilige Sichtweise akzeptiert die gesetzgeberische Entscheidung der Straflosigkeit des entgeltlichen Zweipersonenverhältnisses; mag dann die Regelung des § 180 I I StGB überhaupt fragwürdig erscheinen, so wäre dies jedenfalls kein Grund, die für den Sexualpartner angenommene Straflosigkeit unter Rückgriff auf die Teilnahmenormen teilweise wieder aufzuheben. Für diese zuletzt genannte Sichtweise ließe sich anführen, daß der Reiz des Geldes für die Gefahr, auf den Weg in die Prostitution zu geraten, gewiß höher zu veranschlagen ist als die Einschaltung einer dritten Person beim Zustandekommen des Sexualkontakts. Ist aber das Merkmal der Entgeltlichkeit für die Person des Sexualpartners grundsätzlich irrelevant, so erschiene es sachfremd, die Strafbarkeit allein an den relativ unbedeutenden Umstand der Einschaltung einer weiteren Person zu knüpfen 70 . Schließlich ist auch die Sachnähe des § 180 I I StGB zum Problemkreis der Prostitution 71 zu bedenken. Angesichts dieses thematischen Bezuges erscheint es für eine friktionslose Problemlösung unabweisbar, sich mit der generellen Frage auseinanderzusetzen, inwieweit der Freier in die strafrechtliche Verantwortlichkeit der zum Schutz der Dirne geschaffenen Prostitutionsdelikte eingebunden ist 72 .

70 Im Ergebnis wird die Beachtung der legislatorischen Grundentscheidung auch für die Teilnahme an § 180 II StGB befürwortet von S/S-Lenckner, Rdn. 32; SK-Horn, Rdn. 48 jeweils zu § 180; s. a. Horstkotte, JZ 1974, 87 (rechte Spalte). 71 Allgemein zur Überschneidung von Kuppelei und Prostitution vgl. Groß / Geerds, Handwörterbuch der Kriminalistik Bd. I, S. 357; Göppinger, Kriminologie, S. 639; Eschweiler, Kuppelei, S. 97 f. sowie — speziell zu § 180 II StGB n. F. — Bargon, Prostitution, S. 111. 72 Vgl. dazu unten zu III. 2.

II. Zur Teilnahme der verkuppelten Person

239

5. Der sexuelle Mißbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) als Vergleichsmaßstab für die Fälle des § 180 Abs. 3 StGB Die durch § 180 Abs. 3 StGB unter Strafe gestellten Fälle sind dadurch gekennzeichnet, daß sich die kupplerische Tätigkeit auf eine jugendliche Person bezieht, die dem Täter aufgrund bestimmter Umstände besonders anvertraut oder untergeordnet ist. Als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung des Teilnahmeproblems drängt sich hierbei der sexuelle Mißbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) auf. Der prinzipielle Unterschied zwischen beiden Strafnormen besteht darin, daß in den Fällen des § 174 StGB das Schutzverhältnis zwischen der minderjährigen Person und dem Sexualpartner besteht, während in den Fallkonstellationen des § 180 I I I StGB den Jugendlichen die besondere Beziehung mit dem Kuppler verbindet. Hiervon abgesehen, weisen § 180 I I I StGB und § 174 I Nr. 2, I I Nr. 2 StGB eine nahezu völlig übereinstimmende dogmatische Struktur auf 73 . Geschützt werden jeweils minderjährige Personen unter 18 Jahren, der jeweilige Täter muß „unter Mißbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit" handeln, und auch hinsichtlich der erfaßten Sexualhandlungen sind beide Vorschriften dekkungsgleich. Lediglich in bezug auf die Strafrahmen besteht eine partielle Divergenz: Zwar beträgt die Höchststrafe für Verhaltensweisen mit einem unmittelbaren Sexualkontakt der jugendlichen Person in beiden Strafnormen fünf Jahre Freiheitsstrafe. Dieser Strafrahmen gilt gemäß § 180 I I I StGB auch für das Bestimmen eines jugendlichen Schutzbefohlenen zur Vornahme sexueller Handlungen vor einem Dritten; damit fehlt (ohne ersichtlichen Grund 74 ) eine dem § 174 Abs. 2 Nr. 2 StGB entsprechende Vorschrift, der für die Fälle, in denen der Täter den Schutzbefohlenen bestimmt, vor ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen, eine Höchstfreiheitsstrafe von (nur) drei Jahren vorsieht. Da beide Tatbestände die Strafbarkeitsgrenzen in gleicher Weise ziehen, würde durch eine Teilnahmestrafbarkeit des Verkuppelten bezüglich des § 180 I I I StGB keine Verhaltensweise in die Strafbarkeit gezogen, die der Sexualpartner — stünde der Minderjährige ihm gegenüber in einer besonderen Schutzbeziehung — ohne die Einschaltung eines Dritten straflos begehen dürfte. Fehlt es aber bei dem für die unmittelbare Sexualbeziehung einschlägigen § 174 I Nr. 2, I I Nr. 2 StGB an bewußten Aussparungen im Strafbarkeitsprogramm, so ist diese Norm auch nicht als Privilegierungsbasis anzuerkennen; mangels eines tragfähigen Privilegierungskonzepts ist deshalb von der Strafbarkeit des verkuppelten Sexualpartners im Bereich des § 180 I I I StGB auszugehen75. 73 Zur Ergänzungsfunktion des § 180 III StGB in bezug auf § 174 I Nr. 2, II Nr. 2 StGB vgl. BT-Ds. VI/1552, S. 24; VI/3521, S. 46 f.; Dreher, JR 1974, 49 f.; LKLaufhütte, Rdn. 17; SK-Horn, Rdn. 45 jeweils zu § 180; Blei, BT, § 45 III (= S. 154) und Gössel, BT 1, 27/67. 74 Ebenso S/S-Lenckner, Rdn. 26; Dreher / Tröndle, Rdn. 21 jeweils zu § 180; Maurach / Schroeder, BT 1, 20/48; zu weiteren geringfügigen Abweichungen zwischen beiden Delikten vgl. Tröndle aaO. Rdn. 18 ff.

240

. Kap.:

„otwendige Teilnahme" im Bereich der

eldelikte

Gegen diese Argumentation ließe sich allenfalls einwenden, es sei unzulässig, den herangezogenen Vergleichsfall in der Weise zu bilden, daß die bezüglich des Kupplers bestehende Schutzbeziehung für die Person des Sexualpartners fingiert wird. Würde man sich stattdessen den Sexualpartner — seiner wirklichen Stellung entsprechend — ohne ein derartiges Sonderverhältnis zum Minderjährigen denken, so bliebe er regelmäßig straflos. Einer solchen Sichtweise, die den Aspekt des besonderen Autoritätsverhältnisses völlig ausblenden würde, kann indessen nicht gefolgt werden. Denn die Sphäre der Betreuungs- und Ausbildungsverhältnisse hat deshalb eine weitgehende Tabuisierung erfahren, weil der Schutzbefohlene vielfach nicht in der Lage sein wird, einen ihm unerwünschten Sexualkontakt abzuwehren, wenn das Ansinnen von einer Person an ihn herangetragen wird, zu der er in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis steht 76 . Die gesteigerte Schutzbedürftigkeit des / der Minderjährigen ist aber im wesentlichen davon unabhängig, ob (beispielsweise) der Lehrherr die sexuelle Beziehung für sich selbst anstrebt oder aber seinen Einfluß geltend macht, um sexuelle Handlungen des Jugendlichen mit einem Dritten zu fördern. Angesichts dieser Gleichwertigkeit der psychologischen Drucksituation erscheint es aus der Opferperspektive unannehmbar, die Tatsituation des § 180 I I I StGB mit einer Fallgestaltung zu vergleichen, der ein solches Moment institutionalisierter Überlegenheit fehlt. Überdies wird auch dem verkuppelten Sexualpartner keineswegs Unrecht getan, wenn als Vergleichsmaßstab die Bestimmung des § 174 I Nr. 2, I I Nr. 2 StGB herangezogen wird. Denn immerhin partizipiert der außenstehende Dritte an der mit der Autoritätsstellung des Kupplers verbundenen latenten psychischen Überlegenheit. Wenn gerade die Einschaltung eines solchen Kupplers mittelbar den Einfluß des Sexualpartners auf das Opfer verstärkt 77, dann ist es auch angemessen, als Vergleichsfall die Konstellation der eigenen entsprechenden Übermacht (und nicht das Zusammentreffen von prinzipiell gleichberechtigten Personen) zu wählen. Hiermit steht es überdies in Einklang, wenn die überwiegend 78 vertretene (freilich nicht ganz unbedenkliche79) Auffassung im Schrifttum das Schutzverhältnis als ein tatbezogenes Merkmal interpretiert und deshalb die Anwendung 75 Wie hier SK-Horn, Rdn. 48; S/S-Lenckner, Rdn. 32 jeweils zu § 180; s. a. Horstkotte, JZ 1974, 87. 76 Kramer, Sexualdelikte, S. 63 ff.; SK-Horn, § 180 Rdn. 45; s. a. BT-Ds. VI/3521, S. 21 ff. 77 Dies wird dadurch gewährleistet, daß § 180 III StGB nur das „unter Mißbrauch" der Abhängigkeit (vgl. dazu — bezüglich § 174 I Nr. 2 StGB — BGHSt. 28, 365 ff.; BGH, NStZ 1982, 329 und S/S-Lenckner, § 174 Rdn. 14) erfolgende „Bestimmen" des Schutzbefohlenen erfaßt; vgl. auch LK-Laufhütte, § 180 Rdn. 17. 78 So insbesondere SK-Horn, § 180 Rdn. 48 und S/S-Lenckner, § 180 Rdn. 30, § 174 Rdn. 20; s. a. LK-Laußütte, Rdn. 20; Lackner, Rdn. 17 jeweils zu § 174; Maurach / Schroeder, BT 1, 18/45, 20/21, 46; Blei, BT, § 43 vor I. (= S. 150) und Otto, BT, § 66 III 4b (= S. 321). 79 Zur Gegenansicht vgl. insbesondere LK-Roxin, §28 Rdn. 38 f. sowie Dreher/ Tröndle, § 174 Rdn. la; Arzt, in: Arzt/Weber, LH 2, Bern. 479 und Gössel, BT, 25/ 30, 27/73.

III. Zur Teilnahme des Freiers bezüglich der Prostitutionsdelikte

241

des § 28 StGB in bezug auf außerhalb dieser Schutzbeziehung stehende Dritte ablehnt. Auch dieser Aspekt bestärkt eine opferbezogene Sichtweise und steht mithin einer personalen Exklusivitätsbetrachtung, die diesen opferrelevanten Umstand für die Person des extranen Sexualpartners absorbieren würde, entgegen.

6. Vorläufiges Ergebnis Die Überlegungen zur Teilnahme des Sexualpartners am Delikt der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 StGB) haben somit zu einem differenzierten Ergebnis geführt: Während für die von § 180 Abs. 1 StGB erfaßten Fallkonstellationen dem Straftatbestand der Verführung (§ 182 StGB) ein Privilegierungskonzept entnommen werden konnte, aus welchem sich die Straflosigkeit der Teilnahme des Verkuppelten ableiten läßt 80 , ist hinsichtlich der Mitwirkung an der Kuppelei gegenüber Schutzbefohlenen (§ 180 Abs. 3 StGB) eine Privilegierung — wie sich aus der vergleichenden Betrachtung zu § 174 I Nr. 2, I I Nr. 2 StGB ergeben hat — ausgeschlossen, so daß insoweit eine Teilnahmestrafbarkeit des verkuppelten Sexualpartners uneingeschränkt möglich ist. Die größten Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung der in § 180 Abs. 2 StGB normierten Fallgruppe der Förderung gegen Entgelt vorgenommener sexueller Handlungen Minderjähriger. Insoweit enthält das Strafgesetzbuch keine andere, als Vergleichsmaßstab heranzuziehende Parallelvorschrift. Als Privilegierungsträger kommt jedoch die auf bewußter gesetzgeberischer Entscheidung beruhende Straflosigkeit des unmittelbaren Erkaufens sexueller Handlungen in Betracht. Da die Vorschrift angesichts des Entgeltcharakters im Vorfeld der Prostitution angesiedelt ist, sollte in die Beurteilung der Teilnahmestrafbarkeit auch die allgemeinere Frage einer Teilnahmestrafbarkeit des Freiers in bezug auf die zum Schutz der Prostituierten geschaffenen Straftatbestände einbezogen werden.

I I I . Z u r Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich der Prostitutionsdelikte Als letzter Komplex im Rahmen der Sexualdelikte ist schließlich die Frage der Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich solcher Tatbestände zu untersuchen, die bestimmte Verhaltensweisen in bezug auf die Prostitution unter Strafe stellen. Das Strafgesetzbuch greift das soziale Phänomen „Prostitution" in mehreren Straftatbeständen auf; allerdings enthält keiner der einschlägigen Tatbestände eine ausdrücklich auf die Person des Freiers bezogene Regelung. Die Sonderstellung des Freiers, die seine Strafbarkeit zweifelhaft erscheinen läßt, resultiert also nicht aus dem formalen Aspekt einer auf ihn zugeschnittenen besonderen Tatbe80

Vgl. zur Begründungstechnik im einzelnen noch unten zu III. 1 c.

16 Sowada

242

. Kap.:

„otwendige Teilnahme" im Bereich der

eldelikte

standsgestaltung, sondern sie wird vermittelt durch die sozialen Sinnbezüge, die über den Begriff der „Prostitution" Eingang in die betreffenden Deliktstatbestände finden. Daß der zahlende Kunde im sozialen Kontext ein „notwendiger Teilnehmer" am Prostitutionsgeschehen ist, läßt sich freilich nicht bestreiten, da die Erbringung von Sexualhandlungen gegen Entgelt gerade Definitionsmerkmal der Prostitution 81 ist. Leitet sich die besondere personale Stellung des Freiers aber aus seiner Funktion innerhalb dieser Erscheinungsform des Soziallebens ab und fehlen zudem speziell auf seine Person bezogene tatbestandliche Handlungsvertypungen, so liegt es nahe, die Frage einer personal-funktionalen Privilegierung in einer generalisierenden, einzeldeliktsübergreifenden Weise zu erörtern. Dennoch erscheint es ratsam, die Untersuchung in zwei Deliktsgruppen aufzuspalten, die sich bezüglich der tatbestandlichen Schutzrichtung unterscheiden 82. Zum einen gibt es Straftatbestände, die die „Außenwirkung" der Prostitution in den Blick nehmen und bestimmte Formen der Prostitutionsausübung mit Strafe bedrohen, weil sie schutzwürdige Interessen Dritter beeinträchtigen. So pönalisiert § 184 a StGB ein beharrliches Zuwiderhandeln gegen Prostitutionsverbote, die sich aus einschlägigen Rechtsverordnungen ergeben; der Zweck dieser Strafnorm besteht im Schutz der Allgemeinheit vor den mit der Prostitutionsausübung verbundenen Belästigungen 83 . Der Straftatbestand der jugendgefährdenden Prostitution (§ 184b StGB) will den Gefahren begegnen, die sich für die sittliche Entwicklung Jugendlicher aus der Konfrontation mit der Prostitution ergeben können 84 . Diese Delikte mit externer Schutzrichtung stimmen zugleich insoweit überein, als sie täterschaftlich nur durch die der Prostitution nachgehende Person verwirklicht werden können 85 . Im Gegensatz hierzu stehen die Delikte der Förderung der Prostitution (§ 180 a si Näher zu der im einzelnen durchaus schwierigen Abgrenzung der „Prostitution" gegenüber anderen sexualbezogenen Erscheinungsformen des Soziallebens vgl. Borelli / Starck, Prostitution, S. 2 ff.; Bargon, Prostitution, S. 123 ff. und Kreuzer, Prostitution, S. 8 ff.; s. a. Otto, BT, § 66 V 6 (= S. 327). Zum kriminologischen Erscheinungsbild vgl. femer Schneider, Handwörterbuch der Kriminologie Bd. 5, Stichwort „Prostitution", S. 1 ff. 82 Zur nachfolgenden Unterscheidung vgl. Gössel, BT 1, 26/2, 28/ 1 und Arzt, in: Arzt / Weber, LH 2, Bern. 482 ff. Noch deutlicher trat die unterschiedliche Schutzrichtung systematisch in der früheren Gesetzesfassung zutage (die heutigen §§ 184 a und 184 b StGB waren in § 361 Nr. 6-6c geregelt). 83 S/S-Lenckner, § 184a Rdn. 1; LK-Laufhütte, vor § 174 Rdn. 11; als abstrakte Jugendschutznorm wird § 184 a StGB interpretiert von Schroeder (in: Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, 20/57, 60); kritisch zur Einordnung als Kriminalunrecht Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 263; ders., JR 1980,435; s. a. die Nachweise bei Bargon, Prostitution, S. 78 (Fn. 6). 84 Vgl. — auch zur Frage der Gefahrintensität (konkrete Wahrnehmung?, konkrete sittliche Gefährdung?) — SK-Horn, Rdn. 1, 5; S/S-Lenckner, Rdn. 1, 5; LK-Laufhütte, Rdn. 5 f. jeweils zu § 184 b; Maurach / Schroeder, BT 1,20 / 59; Kramer, Sexualdelikte, S. 69 f. und Bargon, Prostitution, S. 78 ff. 85 BayObLG, JR 1985,470 mit Anm. Geerds aaO. S. 472 (473); S/S-Lenckner, § 184a Rdn. 7, § 184b Rdn. 6 sowie Auerbach, Eigenhändige Delikte, S. 230 ff.

III. Zur Teilnahme des Freiers bezüglich der Prostitutionsdelikte

243

StGB), des Menschenhandels (§181 StGB) und der Zuhälterei (§ 181a StGB). Diese Delikte sind gleichsam nach „innen" gerichtet, indem sie das mit der Prostitution einhergehende Beziehungsgeflecht thematisieren. Hierbei erscheint die sich prostituierende Person nicht als Täter, sondern als Opfer, das vor einer gravierenden Ausnutzung sowie vor einer die Entscheidungsfreiheit massiv beeinträchtigenden Abhängigkeit bewahrt werden soll 86 . Es wäre verfehlt, die dargestellten Richtungsunterschiede bei der Beurteilung der Teilnahmestrafbarkeit des Freiers dadurch zu überspielen, daß man allein auf das jeweils gleichartige Handlungsmuster — den „Kauf 4 von Sexualität — abhebt. Denn bei der „notwendigen Teilnahme" handelt es sich um personen(oder handlungs-)bezogene Privilegierungskonzepte; d. h. bestimmte Personen werden aufgrund teleologisch-systematischer Erwägungen (partiell) von einer Verantwortlichkeit suspendiert, die sich formal unter Rückgriff auf die allgemeinen Teilnahmenormen an sich konstruieren ließe. Ist diese Privilegierung aber auf die personal-funktionale Verneinung von Zuständigkeiten gerichtet, so ist stets mitzubedenken, wessen Interessen in welchem Ausmaß von einem derartigen Strafbarkeitsverzicht betroffen wären. Das jeweils identische Handlungsmuster charakterisiert lediglich die Täterperspektive; die angemessene Beurteilung des Privilegierungsproblems verlangt demgegenüber auch nach der Einbeziehung der jeweiligen Opferperspektive. Es besteht auch kein logischer Zwang zu einer einheitlichen Privilegierungsentscheidung für beide Schutzrichtungen. Vielmehr ist es durchaus denkbar, den Freier zwar gegenüber dem sozialen Fernraum (Schutz der Allgemeinheit, Jugendschutz) umfassend von der Strafbarkeit freizustellen, andererseits aber an seiner Mitverantwortung zur Einhaltung der strafrechtlichen „Spielregeln" im Innenverhältnis festzuhalten. Auch die umgekehrte Argumentation ist theoretisch denkbar: Man kann die Beschränkungen der Prostitution gegenüber den Belangen der Allgemeinheit als für alle am Prostitutionsgeschehen Beteiligte gleichermaßen verbindliche Außengrenzen begreifen und eine Privilegierung des Freiers insoweit verneinen, umgekehrt aber innerhalb des so abgesteckten Rahmens eine Strafbarkeit nur für gegeben erachten, soweit der Gesetzgeber durch entsprechende Handlungsumschreibungen bestimmte Verhaltensweisen ausdrücklich pönalisiert hat. Schließlich spricht auch die deutliche Divergenz der jeweiligen Strafdrohungen für eine getrennte Untersuchung beider Regelungskomplexe: Während § 184 a StGB sechs Monate Freiheitsstrafe, § 184 b StGB ein Jahr Freiheitsstrafe als Höchststrafe vorsehen, reichen die Strafrahmen bei den zum Schutz der Prostituierten geschaffenen Delikten von drei bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.

86 Lackner, Rdn. 4; LK-Laußütte, Rdn. 6 jeweils vor § 174; Horstkotte, JZ 1974, 87 ff. und Kramer, Sexualdelikte, S. 70 ff.; vgl. auch aus der Rechtsprechung BGH, StV 1983, 239; BGH, NStZ 1983, 262 (263) und OLG Köln, JR 1979, 342. 1*

244

. Kap.:

„otwendige Teilnahme" im Bereich der

eldelikte

1. Zur Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich des externen Verhältnisses zur Allgemeinheit (§§ 184a und 184b StGB) a) Praktische Bedeutung und gegenwärtiger

Meinungsstand

Bei nüchterner Betrachtung darf die Frage der Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich der verbotenen bzw. jugendgefährdenden Prostitution allenfalls auf ein rein akademisches Interesse hoffen. Hinsichtlich der jugendgefährdenden Prostitution (§ 184b StGB) belegt die amtliche Strafverfolgungsstatistik die praktische Bedeutungslosigkeit dieser Vorschrift 87 . Im Vergleich hierzu liegen die Aburteilungszahlen bezüglich der Ausübung der verbotenen Prostitution (§ 184 a StGB) zwar höher 88 , doch ist insoweit für den Teilnahmekontext eine dogmatische Besonderheit dieses Delikts zu beachten: Von § 184 a StGB werden ausschließlich „beharrliche" Verstöße gegen die zur Prostitutionsausübung erlassenen Rechtsverordnungen erfaßt; fehlt es hingegen an einer solchen „Beharrlichkeit", so kann die Übertretung der Rechtsvorschrift lediglich als Ordnungswidrigkeit gemäß § 120 OWiG geahndet werden 89 . Beide Regelungen (§ 184a StGB und § 120 OWiG) bilden zusammen einen sog. Mischtatbestand; für eine solche dogmatische Konstruktion bestimmt § 14 IV OWiG, daß jeder Beteiligte nach der für sein Verhalten einschlägigen Norm beurteilt wird. Selbst wenn man also eine strafbare Beteiligung des Freiers an einer Tat gemäß § 184 a StGB grundsätzlich für denkbar hält, so käme eine Strafbarkeit gemäß §§ 184 a, 27 StGB nur dann in Betracht, wenn der Kunde selbst „beharrlich" an einer Mißachtung der einschlägigen Rechtsverordnungen durch die Prostituierte mitwirkt. Das wird jedoch regelmäßig zu verneinen (oder doch zumindest nicht zu beweisen) sein, so daß die Mitwirkung des Kunden allenfalls der Vorschrift des Ordnungswidrigkeitengesetzes unterfallen würde. Insoweit träte jedoch das in § 47 OWiG normierte Opportunitätsprinzip an die Stelle des Legalitätsprinzips mit der Folge, daß bereits die Einleitung eines Bußgeldverfahrens in das pflichtgemäße Ermessen der Verfolgungsbehörde gestellt ist 90 . Durch diese prozessuale Möglichkeit der Sanktionsvermeidung wird das Problem der Teilnahmestrafbarkeit zusätzlich entschärft. Für derartige prozessuale Lösungsstrategien besteht freilich kein Bedarf, wenn man mit der ganz einhellig vertretenen Auffassung 91 die Mitwirkung des Freiers 87 Für die Jahre 1982 bis 1987 (einschließlich) beträgt die Gesamtzahl der gemäß § 184b StGB abgeurteilten Personen 23 (davon 11 Verurteilungen). s» Bezüglich des § 184 a StGB liegt die Zahl der Aburteilungen für denselben Zeitraum bei 2.432 (Verurteilte: 2.000). 89 Vgl. hierzu BayObLG, JR 1985, 470 mit Anm. Geerds aaO. S. 472 ff. 90 Göhler, OWiG, § 47 Rdn. 1, 6 ff. 91 LK-Laufhütte, § 184a Rdn. 6, § 184b Rdn. 8 in Verbindung mit vor § 174 Rdn. 13; SK-Horn, § 184a Rdn. 5, § 184b Rdn. 7; Dreher I Tröndle, § 184a Rdn. 6, § 184b Rdn. 5; S/S-Lenckner, § 184a Rdn. 7, § 184b Rdn. 6; Lackner, § 184a Rdn. 7; Bargon, Prostitution, S. 82, 85; Maurach / Schroeder, BT 1, 20 / 61; Gössel, BT 1, 28 / 69; Otto,

III. Zur Teilnahme des Freiers bezüglich der Prostitutionsdelikte

245

aus dem Anwendungsbereich der Teilnahmevorschriften völlig herausnimmt. Allerdings bietet — wie ausgeführt — die in diesem Zusammenhang gemeinhin 92 angeführte Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" keine hinreichende Erklärung für die Straflosigkeit des Kunden Verhaltens. Das gilt selbst dann, wenn man die Existenz eines Grundsatzes strafloser Mindestmitwirkung unterstellen würde. Denn der Prostitution „nachgehen" kann der / die Täter(in) nach einhelliger Ansicht 93 auch durch bloße Anbahnungshandlungen. Erfordert die Tatbestandsverwirklichung aber nicht die tatsächlich Vornahme der sexuellen Handlungen, so beschränkt sich ein Freier auch nicht auf das zur Deliktsbegehung notwendige Mindestmaß, wenn in der konkreten Tatsituation der Sexualkontakt zustandekommt. Bei näherem Hinsehen erweist sich somit, daß die von der herrschenden Meinung herangezogene „notwendige Teilnahme" auch bezüglich der §§ 184 a und 184 b StGB nicht an logischen, sondern an teleologischen Kriterien ausgerichtet ist. Dahinter verbirgt sich nach alledem unmißverständlich und einmal mehr die Unhaltbarkeit eines allgemein gültigen Grundsatzes strafloser („denknotwendiger") Mindestmitwirkung; zugleich wird der Blick erneut auf Privilegierungskonzepte gelenkt, die im jeweils thematisch einschlägigen Bereich des Besonderen Teils gesucht werden müssen. b) Kriminalpolitische

Argumente für die Straflosigkeit

des Freiers

Die dogmatische Beurteilung wird maßgeblich dadurch erschwert, daß der Gesetzgeber die Person des Freiers weitgehend ignoriert hat. Der Kunde wird nicht nur in den einschlägigen Strafnormen nicht erwähnt, sondern auch die Gesetzesmaterialien enthalten keine auf den Freier bezogenen Stellungnahmen. Dieses Phänomen der Nichtbeachtung des Freiers galt lange Zeit auch für sozialwissenschaftliche Untersuchungen des Prostitutionsmilieus 94; insoweit deutet sich inzwischen jedoch eine Zunahme des wissenschaftlichen Interesses an 95 . Erfährt aber das Schweigen des Gesetzes bezüglich des Freiers keine Erklärung durch den Gesetzgeber, so muß die Suche nach einem Privilegierungskonzept weiter ausgreifen und beim allgemeinen legislatorischen Umgang mit der Prostitution ansetzen.

BT, §66 VI 3b (= S. 329); Hanack, JR 1980, 434 und Lüderssen, StV 1985, 180 (abstellend auf mangende Schuld bzw. fehlende Strafwürdigkeit / -bedürftigkeit). 92 So idle in der vorigen Fn. angegebenen Autoren. 93 BVerfG, NJW 1985, 1767; BGHSt. 23, 267 (173); OLG Karlsruhe, MDR 1974, 858 f. und S/S-Lenckner, § 180a Rdn. 5. 94 Borelli / Starck, Prostitution, S. 39 und Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 243. 95 Vgl. insbesondere Girtler, KZfSS 36 (1984), 323 ff.; Brakhoff, in: dies., Sucht und Prostitution, S. 17 ff.; Störi, ebd. S. 71 ff. sowie aus dem kriminologischen Schrifttum Bargon, Prostitution, S. 160 ff.; Schneider, Handwörterbuch der Kriminologie Bd. 5, S. 9 f.; ders., Middendorff-FS (1986), S. 267 f.; vgl. femer die historische Untersuchung bei Ulrich, Bordelle, S. 80 ff., 95 ff.

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„otwendige Teilnahme" im Bereich der

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In der Erkenntnis, daß sich eine gewisse Nachfrage nach den Angeboten der Prostitution nicht beseitigen läßt und ein Übermaß an staatlicher Repression eine unkontrollierbare „Winkelprostitution" hervorzubringen droht, hat der Gesetzgeber bewußt von einem Modell umfassender Prohibition Abstand genommen und sich für eine an dem Gedanken der Reglementierung ausgerichtete Gesetzeskonzeption entschieden96. In der nur fragmentarischen Pönalisierung der Prostitution zeigt sich zum einen kriminalpolitisches Augenmaß, das die Leistungsgrenzen des strafrechtlichen Instrumentariums ebenso bedenkt wie mögliche unerwünschte Nebeneffekte. Zum anderen ist in der legislatorischen Restriktion eine gewisse Rücksichtnahme auf die Interessen der Kunden zu erblicken, die nicht völlig vom Angebot „käuflicher Sexualität" abgeschnitten werden sollen 97 . Eine solche Deutung reicht für eine dogmatisch fundierte Privilegierung jedoch nicht aus. Denn es bleibt die Frage unbeantwortet, warum die für die Prostituierte durch die §§ 184 a und 184 b StGB gesteckten Grenzen nicht auch für den Freier maßgeblich sein sollen. Die Wertung, wonach es nicht dasselbe ist, wenn zwei (sei es auch in unterschiedlichen Rollen) das gleiche tun, entspricht gewiß langer gesellschaftlicher Tradition, die das Verhalten des zahlenden Freiers geflissentlich übersieht 98, die Prostituierte hingegen in massiver Weise diskriminiert. Wenngleich sich die Stigmatisierung der Prostituierten im Laufe der letzten Jahre abgeschwächt hat, gilt wohl nach wie vor das Verhalten der Prostituierten in weiten Kreisen der Bevölkerung als sittlich verwerflich, während man trotz gewisser moralischer Vorbehalte sehr viel eher geneigt ist, das Kundenverhalten als „normal" hinzunehmen99. Hinter dieser Bewertung verbirgt sich zum einen die Vorstellung, daß es unmoralisch sei, den eigenen Körper und die eigene Sexualität zu vermarkten; zum anderen wird die quasi berufsmäßig in dieser Weise tätige Prostituierte in weitaus stärkerem Maße durch diesen Umstand geprägt (und wahrgenommen), als dies für ihre Kunden gilt, die weiterhin als Freund, Arbeitskollege oder Nachbar erlebt werden und somit ihre Unauffälligkeit und Normalität behalten. Dieser Befund könnte dazu verleiten, die Straflosigkeit des Freiers dogmatisch auf die Rechtsfigur der „Sozialadäquanz" zu stützen, da sich das Verhalten des Kunden in Übereinstimmung mit den historisch gewachsenen Ordnungen des Soziallebens befinde. Ein solcher Begründungsversuch ist jedoch nicht allein wegen der dem Rechtsinstitut der „Sozialadäquanz" allgemein 96 Zu den unterschiedlichen Kontrollstrategien vgl. Kaiser, Kriminologie, 79/17 f.; Schneider, Middendorff-FS (1986), S. 268 ff.; zur Aussichtslosigkeit eines umfassenden gesetzlichen Verbots vgl. (historisch) BorellH Starck, Prostitution, S. 16; Bohne, FrankFG Bd. Π (1930), S. 445 (mit Fn. 3) und Simsoni Geerds, Straftaten, S. 512. 97 Zur (Forderung einer) Bekämpfung der Prostitution mittels einer auch gegen den Freier gerichteten Strafdrohung vgl. Kaiser, Kriminologie, 79/19 sowie den Bericht in der Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel" vom 15.11.1989, S. 30 (bezüglich der Situation in China). 98 Boreìli i Starck, Prostitution, S. 3. 99 Borelli / Starck, Prostitution, S. 17, 56 ff.; Schneider, Middendorff-FS (1986), S. 267; Brakhoff, in: dies., Sucht und Prostitution, S. 11, 17 ff. (20).

III. Zur Teilnahme des Freiers bezüglich der Prostitutionsdelikte

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anhaftenden Bestimmtheitsprobleme zu verwerfen. Es mag ferner dahinstehen, ob für die Anwendbarkeit dieser Rechtsfigur eine sittliche Akzeptanz zu fordern ist, die auch dem Verhalten des Freiers nicht in hinreichendem Maße eigen ist. Der prinzipielle Einwand gegen eine Heranziehung der Sozialadäquanz besteht für den vorliegenden Zusammenhang darin, daß hierdurch moralische (Vor-) Urteile „Rechtskraft" in einem Bereich erlangen würden, der nach dem Willen des Reformgesetzgebers gerade von moralischen Anschauungen weitgehend befreit und auf den Gedanken des Rechtsgüterschutzes hin ausgerichtet werden sollte. Hat aber der Gesetzgeber mit Blick auf den Rechtsgüterschutz (nur) bestimmte Formen der Prostitutionsausübung unter Strafe gestellt, so muß sich auch die Tragfähigkeit einer auf den Freier bezogenen, personal-funktionalen Straffreiheitszone allein an dem Gedanken des Rechtsgüterschutzes erweisen. Allerdings läßt sich anhand mehrerer Gesichtspunkte aufzeigen, daß dem Verhalten des Freiers eine deutlich geringere Wirkung in bezug auf die geschützten Rechtsgüter (Schutz der Allgemeinheit vor den mit der Prostitutionsausübung verbundenen Belästigungen bzw. Schutz der sittlichen Entwicklung Jugendlicher 100 ) zukommt, als dies für die Prostituierte der Fall ist. In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die Flüchtigkeit des sexuellen Kontakts zu verweisen. Dieses Charakteristikum des Prostitutionsgeschehens bedingt ein erhebliches quantitatives Ungleichgewicht in dem Sinne, daß einer relativ geringen Anzahl von Prostituierten eine sehr viel größere Gruppe von Kunden gegenübersteht 101. Hieraus resultiert zum einen, daß der auf den einzelnen Freier entfallende Anteil am äußeren Gesamtbild der Prostitutionsausübung äußerst gering ist. Es kommt der psychologische Unterschied hinzu, daß zwar die Prostituierte sich zu „Werbezwecken" möglicherweise bewußt auffällig verhält, daß aber das Bestreben des Freiers regelmäßig darauf gerichtet sein wird, von den übrigen Passanten nicht in besonderer Weise wahrgenommen zu werden. Erscheint das Verhalten des Kunden somit selbst nicht in nennenswertem Ausmaß anstößig oder jugendgefährdend, so erlangt es auch keine gesteigerte Relevanz im Hinblick auf eine etwaige Beeinflussung der Prostituierten. Die Mitwirkung des Freiers erschöpft sich vielmehr — insoweit der Rolle des Erwerbers pornographischer Schriften (§ 184 StGB) durchaus vergleichbar — in der Annahme einer Leistung, die als solche für ihn nicht verboten ist. Die Strafbarkeit des Geschehens knüpft allein an die äußeren Umstände (Ort und Zeit) des Angebots, auf die der Annehmende aber keinen unmittelbaren Einfluß hat und die ihm im Vergleich zum Inhalt der Offerte regelmäßig auch gleichgültig sein werden. Aus dem Blickwinkel des 100 Vgl. oben Fn. 83 f. ιοί Schätzungen zur Zahl der weiblichen Prostituierten in der Bundesrepublik Deutschland belaufen sich auf ca. 200.000 (bis 400.000); vgl. Brakhoff\ in: dies., Sucht und Prostitution, S. 17; die Zahl der Kunden wird (aaO.) auf 6 bis 12 Mio. geschätzt. Nach Angaben von Schneider (Handwörterbuch der Kriminologie Bd. 5, Stich wort „Prostitution", S. 9) haben 69% der männlichen Bevölkerung im Laufe ihres Lebens ein- oder zweimal Kontakt mit Prostituierten; häufigere Erlebnisse gebe es demgegenüber bei 15-20%.

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Kunden erscheinen diese Strafnormen somit vorrangig als Regelungen der „Gewerbeausübung", die sich an denjenigen wenden, der dieser (quasi-)beruflichen Tätigkeit nachgeht. Die Einhaltung dieser Verbote ist hiernach eine polizeiliche Überwachungsaufgabe. Der einzige Sinn einer Teilnahmestrafbarkeit des Freiers könnte darin bestehen, eine strafbewehrte Pflicht zum Boykott solcher unzulässigen Prostitutionsformen zu statuieren, um hierdurch der Prostituierten den Anreiz zur normwidrigen Ausübung ihres „Gewerbes" zu nehmen. Eine solche Strategie, die auf den Konsumenten zielt, letztlich aber den Anbieter meint, ist jedoch — wie gleichfalls bereits bezüglich des Erwerbs pornographischer Schriften festzustellen war 1 0 2 — kriminalpolitisch äußerst zweifelhaft. Denn eine derartige Konzeption nimmt eine schneeballartige Vervielfältigung der Kriminalisierung in Kauf, die neben justizökonomischen Problemen auch die Gefahr eines allgemeinen Abstumpfens des Strafrechts heraufbeschwört. Überdies ist auch die Geeignetheit eines solchen Vorgehens skeptisch zu beurteilen. Einen effektiven Beitrag zum Rechtsgüterschutz vermag die Boykottkonzeption nur zu erbringen, wenn von einer relativ hohen Normbefolgungsrate ausgegangen werden kann. Denn wenn nur wenige Kunden wegbleiben, wird der lediglich indirekt vermittelte Anstoß zur Verhaltensänderung der Prostituierten nicht hinreichend stark sein. In Anbetracht der relativ großen Zahl von Freiern ist das reale Entdekkungsrisiko — und hiervon abhängig auch die Abschreckungswirkung —jedoch minimal. Da zudem der Schweregrad des Unwerts schon der Haupttat, erst recht aber der Mitwirkung des Freiers als vergleichsweise gering zu veranschlagen ist, sind auch keine lerntheoretischen Notwendigkeiten anzuerkennen, die ungeachtet einer unvermeidbar hohen Dunkelziffer eine Erstreckung der Strafbarkeit (sei es auch in Gestalt der Teilnahmevorschriften) auf die Person des Kunden verlangen. c) Die Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183 a StGB) als Grundlage einer dogmatisch tragfähigen Privile gierungskonzeption Ist eine Straflosigkeit des Freiers bezüglich der Teilnahme an den Taten gemäß §§ 184 a und 184 b StGB aus den genannten Gründen kriminalpolitisch wünschenswert, so bleibt fraglich, ob dieses Ergebnis bereits de lege lata dogmatisch begründbar ist oder ob die obigen Ausführungen lediglich zur Untermauerung einer rechtspolitischen Anregung dienen, die Straflosigkeit des Kunden ausdrücklich im Strafgesetzbuch festzuschreiben. Zwar ist es theoretisch denkbar, die phänomenologische Gegenüberstellung der Prostituierten und ihres Kunden in die rechtliche Konstruktion einer „Lagertheorie" umzuformen und zu postulieren, daß im Hinblick auf die dargestellten Gesichtspunkte eine strikte Trennung beider Lager anzunehmen sei, die auch nicht durch den Rückgriff auf die Teilnahmenormen unterlaufen werden dürfe. Die methodologischen Zweifel würden hierdurch 102 Vgl. oben I. 2b.

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jedoch nicht vollständig beseitigt. Denn die oben angeführten Argumente sind vorerst nur solche, die von außen an diesen Problemkreis herangetragen wurden. Damit bleibt das Bedenken bestehen, daß ein sicherer Hinweis auf eine entsprechende gesetzgeberische Wertung fehlt. Da aber nicht jegliches Schweigen des Gesetzgebers schlechthin als Ausdruck einer entsprechenden legislatorischen Privilegierungsabsicht verstanden werden kann, ist das Erfordernis, daß die (partielle) Nichtanwendung der Teilnahmevorschriften im Gesetz (oder zumindest in den Gesetzesmaterialien) angelegt sein muß, im Prinzip unverzichtbar. Eine Möglichkeit, das dargestellte Privilegierungskonzept bereits de lege lata gesetzlich abzusichern, bietet der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183 a StGB). Nach dieser Vorschrift ist die öffentliche Vornahme sexueller Handlungen unter der Voraussetzung strafbedroht, daß hierdurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt wird. Ebenso wie die §§ 184 a und 184 b StGB bezweckt auch der § 183 a StGB den Schutz vor ungewollter Konfrontation mit sexuellen Vorgängen 103 . Weiterhin ist zu bedenken, daß das Prostitutionsgeschehen für den Freier gerade als Bestandteil seines Sexuallebens von Bedeutung ist. Im Hinblick auf die übereinstimmende Schutzrichtung und auf den Sexualbezug des Vorgangs erscheint der Tatbestand des § 183 a StGB für das Verhalten des Freiers durchaus einschlägig. Hieraus resultiert die Möglichkeit, die sich zum sozialen Phänomen der Prostitution zusammenfügenden Handlungsabläufe im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (jedenfalls soweit es die Gefahr störender Auswirkungen auf Dritte betrifft) personenbezogen aufzuspalten: Das Verhalten der Prostituierten wird durch die §§ 184 a und 184 b StGB geregelt, während für das Verhalten des Kunden § 183 a StGB den Maßstab für die rechtliche Bewertung abgibt. Die hier beschriebene Argumentationsstruktur bezeichnet exakt den Vorgang der „Lagerbildung", wie er etwa auch den Bestechungsdelikten (§§ 331 ff. StGB) zugrundeliegt. Ist dort die Lagerbildung unschwer zu erkennen, weil der Gesetzgeber die Trennung zwischen den beteiligten Personen bereits zur systematischen Grundlage dieses Regelungsbereichs gemacht hat, so ist die Annahme eines Lagermodells gleichwohl nicht auf solche Evidenzfälle beschränkt, bezüglich derer das Gesetz schon in formaler Hinsicht jeder Partei ihren eigenen Tatbestand zuweist. Maßgeblich ist vielmehr stets, daß ein zunächst einheitlich erscheinender Geschehenskomplex im strafrechtlichen Kontext eine differenzierende Beurteilung erfährt, weil bestimmten funktionalen Unterschieden auch rechtliche Relevanz zukommt. Die strafrechtsdogmatische Funktion des Begriffs „Lagertheorie" besteht somit darin, die ungeachtet der phänomenologischen Einheitlichkeit eines Geschehens bestehende rechtliche Maßgeblichkeit einer personenbezogenen Trennung zum Ausdruck zu bringen. Zwar klingt es so, als wäre die Lagerzugehö103 Zum systematischen Zusammenhang zwischen § 183 a und § 184 a StGB vgl. Bargon, Prostitution, S. 86, 288 ff., 295 ff.; SK-Horn, vor § 174 Rdn. 3 (a. E.); Gössel, BT 1, 28 / 1 und Maurach / Schroeder, BT 1, 22 / 3 f.

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rigkeit ein ungeschriebenes besonderes Erfordernis für die Möglichkeit strafbarer Beteiligung an bestimmten Delikten. In Wahrheit verhält es sich aber gerade umgekehrt: Das Bild zweier einander gegenüberstehender Lager wird verwandt, um der Distanzierung einer bestimmten Personengruppe von dem für den Haupttäter maßgeblichen Straftatbestand sprachlichen Ausdruck zu verleihen. Entscheidend ist jeweils, daß der Rückgriff auf die mittelbaren Teilnahmevorschriften im Widerspruch stünde zu den speziellen gesetzlichen Wertungen, die für den jeweiligen Funktionsträger vorrangig zu beachten sind. In diesem Sinne läßt sich auch das oben 104 dargestellte systematische Verhältnis zwischen der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger gemäß § 180 I StGB und der Verführung (§ 182 StGB) als Anwendungsfall der Lagertheorie bezeichnen. Denn die Formulierung, daß der verkuppelte Sexualpartner nicht im Lager des Kupplers steht, ist letztlich gleichbedeutend mit der Aussage, daß die in § 182 StGB enthaltenen Privilegierungsfaktoren für die Person des Sexualpartners auch in solchen Fallgestaltungen Beachtung verlangen, die formal als Teilnahme zu § 180 I StGB erfaßbar wären. Diese Austauschbarkeit macht allerdings zugleich deutlich, daß es nicht ausreicht, irgendwelche Lagerbildungen ohne nähere Begründung einfach zu postulieren. Denn bei einem solchen Vorgehen würde die von den Argumentationszusammenhängen abgelöste dogmatische Veselbständigung der „notwendigen Teilnahme" nur eine begriffliche Ersetzung erfahren, ohne daß hiermit ein wirklicher dogmatischer Gewinn verbunden wäre. Entscheidend ist deshalb der Nachweis einer in den Teilnahmebereich hineinwirkenden Privilegierung. Die hierfür erforderliche Begründung vollzieht sich in mehreren Etappen: Auf der ersten Stufe ist zu klären, ob die als Privilegierungsträger ins Auge gefaßte Regelung denselben Interessenkonflickt betrifft, der auch der fraglichen Teilnahmekonstellation zugrundeliegt. Bei der Kuppeleiproblematik ging es übereinstimmend um den sexuellen Kontakt zu Jugendlichen unter 16 Jahren. Für den vorliegend interessierenden Problemkreis ist ebenfalls eine gleichartige Schutzrichtung zwischen dem Privilegierungsträger (§ 183 a StGB) und den die etwaige Teilnahmestrafbarkeit betreffenden Straftatbeständen (§§ 184 a und 184b StGB) festzustellen: Betroffen ist jeweils das Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse an einem möglichst uneingeschränkten Ausleben der eigenen Sexualität und der notwendigen Rücksichtnahme auf die Interessen Dritter, die als Beobachter jenen Vorgängen ungewollt ausgesetzt sind 105 . Auf der zweiten Begründungsstufe ist die Reichweite der beiden Regelungsformen miteinander zu vergleichen. Es ist zu fragen, ob der Normbereich derjenigen Strafvorschrift, die den präsumtiven Teilnehmer unmittelbar (also als Täter) 104 Zu II. 3. los Für diese thematische Verknüpfung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob man § 183 a StGB als ein Delikt zum Schutz von Individual- oder von Allgemeininteressen (vgl. S/S-Lenckner, Rdn. 1 und Dreher I Tröndle, Rdn. 2 jeweils zu § 183 a) ansieht.

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erfaßt, bewußt vorgenommene Einschränkungen aufweist, die im Rahmen der Teilnahmealternative in Wegfall gerieten. Für den Tatbestand der Verführung (§ 182 StGB) ergab sich insoweit, daß die Strafbarkeit (im Hinblick auf die Ausrichtung am Schwangerschaftsrisiko) auf weibliche Tatopfer und auf die Vollziehung des Beischlafs als Tathandlung beschränkt ist. Diese Restriktionen fänden im Rahmen einer etwaigen Teilnahmestrafbarkeit an einer Tat gemäß § 180 I StGB keine inhaltliche Entsprechung. Auch die Vorschrift des § 183 a StGB enthält im Vergleich zu den §§ 184a und 184b StGB deutliche Einengungen. So handelt es sich bei § 183 a StGB um ein Erfolgsdelikt, dessen Begehung voraussetzt, daß mindestens ein Beobachter die sexuelle Handlung tatsächlich wahrnimmt und hierdurch (legitimerweise) in seinem Anstands- und Schamgefühl beeinträchtigt wird 1 0 6 ; seitens des Täters ist hinsichtlich der Erregung von Ärgernis zumindest Wissentlichkeit erforderlich. Die für den vorliegenden Problemkontext entscheidende Restriktion ist aber darin zu sehen, daß der § 183 a StGB nur durch die Vornahme der sexuellen Handlung selbst verwirklicht werden kann; bloße Vorbereitungshandlungen oder verbale Äußerungen reichen für eine Tatbestandsverwirklichung nicht aus 107 . Die strafrechtliche Grenzziehung bestimmt mithin nicht allein die Verbotsmaterie, sondern der bewußt fragmentarische Charakter der Strafnorm legt auch der Gesellschaft Duldungspflichten auf, so daß das gesetzliche Konfliktlösungsmodell zugleich einen Privilegierungskern bezüglich der auf eine möglichst uneingeschränkte Gestaltung des Sexuallebens gerichteten Interessen enthält. Legt man den Maßstab des § 183 a StGB an, so verbleibt der öffentlich wahrnehmbare, die Anbahnungsphase betreffende Teil des Prostitutionsgeschehens außerhalb des abgesteckten Strafbarkeitsrahmens 108. Im Regelungsmodell der Teilnahmestrafbarkeit bezüglich der §§ 184 a und 184 b StGB blieben diese Aussparungen grundsätzlich unberücksichtigt. Die dritte Argumentationsstufe betrifft schließlich die Frage, ob besondere Umstände einer Übertragung der Privilegierung auf den Teilnahmebereich entgegenstehen. Bezüglich der Kuppeleiproblematik war insoweit zu erörtern, ob die im Verführungstatbestand (§ 182 StGB) angelegte Privilegierung ausschließlich auf Zweipersonenverhältnisse zwischen Täter und Opfer beschränkt sein soll. Die dahinter verborgene Problematik läßt sich in einen allgemeineren Zusammenhang stellen: Die Strafnorm, die in Verbindung mit den Teilnahmevorschriften an sich zur Strafbarkeit führt, wird regelmäßig durch einen größeren situativen Bezug gekennzeichnet sein. So bringt § 180 StGB die — für § 182 StGB nicht erforderliche — Drei-Personen-Konstellation zum Ausdruck, und die §§ 184 a und 184 b StGB verengen (und präzisieren) die zahlreichen Formen anstößigen 106 S/S-Lenckner, Rdn. 5; LK-Laufhütte, Rdn. 5 jeweils zu § 183 a. io? Vgl. hierzu BGHSt. 12, 42 ff. mit Anm. Armin Kaufmann, MDR 1959, 229 f.; S/S-Lenckner, § 183a Rdn. 3; s. a. BGHSt. 11, 280 (zu § 361 Nr. 6 StGB a. F.). los Zur Ahndung motorisierter Freier unter dem Gesichtspunkt der Verursachung ruhestörenden Lärms vgl. OLG Hamm, JZ 1967, 608 f. sowie die Glosse von Baumann, ebd. S. 610 f.

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Sexualverhaltens in der Öffentlichkeit auf das Erscheinungsbild der Prostitution. Die über die Teilnahmenormen herangezogenen Tatbestände zeichnen sich mithin durch eine besondere Situationsgerechtigkeit infolge ausgeprägter Spezifizierung aus. Demgegenüber betont die als (möglicher) Privilegierungsträger fungierende Norm den besonderen personalen Bezug. Denn hier wird der am Geschehen Beteiligte nicht erst mittelbar über die Teilnahmevorschriften der §§ 26, 27 StGB einbezogen, sondern die Privilegierungsaussage ist unmittelbar auf seine (wenngleich allgemeiner betrachtete) Funktion gerichtet. Die besondere Stellung des Freiers ist somit dadurch zu charakterisieren, daß sie einerseits einen situativen Bezug zum Prostitutionsgeschehen, andererseits aber zugleich einen personalen Bezug hinsichtlich der auf die Realisierung der eigenen Sexualität gerichteten Motivation aufweist. Das situativ geprägte Regelungsmodell führt zur (Teilnahme-)Strafbarkeit, die personal geprägte Konzeption hingegen zur Privilegierung. Angesichts der divergierenden Ergebnisse ist deshalb die Frage unausweichlich, ob im Schnittfeld beider Modelle der primär situativen oder der primär personalen Konzeption der Vorrang gebührt. Eine generelle Prävalenz wird sich hierbei nicht angeben lassen. Insbesondere erscheint es nicht angängig, die größere Sachnähe der situativ „einschlägigeren" Teilnahmekonstellation als grundsätzliche Schranke für die Übertragbarkeit von Privilegierungen anzusehen. Dies wäre allenfalls dann vertretbar, wenn der Gesetzgeber bei der Gestaltung der einzelnen Straftatbestände die jeweiligen deliktstypischen Situationen umfassend, also unter Einschluß der einschlägigen Teilnahmekonstellationen bedenken und bewerten würde. Hiervon kann aber nicht ausgegangen werden. Ebensowenig wie das Fehlen einer eigenen täterschaftlichen Vertypung des „notwendigen Teilnehmers" im betreffenden Tatbestand den generellen Schluß auf eine legislatorisch gewollte umfassende Straflosigkeit dieser Person zuläßt, kann umgekehrt angenommen werden, die ausdrückliche Übernahme einer Privilegierungsregelung sei gerade deshalb unterblieben, weil der Gesetzgeber eine derartige Privilegierung nicht gewollt habe. Wenn sich weder der Gesetzeslage noch den Gesetzesmaterialien eine eindeutige Aussage in der einen oder anderen Richtung entnehmen läßt, dann ist die Frage nach der „einschlägigeren" Norm offen. Da beide (sich gegenseitig ausschließenden) Alternativen auf das Gesetz zurückgeführt werden können, erscheint es legitim, diesen dogmatischen Konflikt unter Heranziehung der kriminalpolitischen Abwägungsfaktoren zu entscheiden. Für den hier interessierenden Themenkomplex sind keine Gründe ersichtlich, die einer Sperrwirkung der in § 183 a StGB angelegten Privilegierung für den Bereich der Teilnahme an den §§ 184 a und 184 b StGB entgegenstünden. Vielmehr erlauben die in der kriminalpolitischen Analyse aufgezeigten Umstände, eine Zurechenbarkeit des in der Prostitution angelegten „Störpotentials" zu verneinen und in diesem Zusammenhang eine Distanzierung des Kunden vom strafrechtsrelevanten Prostitutionsgeschehen zuzulassen. Bedenkt man ferner die mit der Kriminalitätsaufblähung verbundenen negativen Nebeneffekte, so ist ab-

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schließend zu konstatieren, daß der von der herrschenden Meinung angenommenen Straflosigkeit des Freiers bezüglich einer Teilnahme an den Taten gemäß §§ 184 a und 184 b StGB im Ergebnis zuzustimmen ist. Allerdings resultiert diese Straflosigkeit nicht auf einer schlagwortartigen Verwendung der „notwendigen Teilnahme", sondern darauf, daß im Verhältnis zwischen der Person des Freiers und dem gesellschaftlichen Interesse am Schutz vor ungewollter Konfrontation mit sexuellen Vorgängen der allgemeine Maßstab des § 183 a StGB die entscheidende Beurteilungsgrundlage darstellt.

2. Zur Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich des internen Verhältnisses zur Prostituierten (§§ 180 a, 181 und 181a StGB) Die festgestellte Straflosigkeit des Freiers hinsichtlich der Taten gemäß §§ 184 a und 184 b StGB darf nicht unbesehen auf diejenigen Fallkonstellationen übertragen werden, in denen eine Teilnahmestrafbarkeit des Kunden im Hinblick auf die zum Schutz der Prostituierten geschaffenen Straftatbestände in Rede steht. Zwar betreffen beide Problemkonstellationen denselben Ausschnitt aus dem Sozialleben, und auch das die personale Situation des Freiers kennzeichnende Motiv der sexuellen Triebbefriedigung gegen Entgelt stellt ein übereinstimmendes Merkmal dar. Dennoch läßt sich eine verbindliche Entscheidung über eine Privilegierung des Kunden nur unter Einbeziehung der jeweiligen Opferinteressen treffen; denn es ist theoretisch vorstellbar, daß das Freiheitsinteresse des Kunden zwar die Schutzinteressen der Gesellschaft zurückdrängt, andererseits aber seine Grenze an der Freiheitssphäre der Prostituierten findet. Bedenkenswert erscheint diese Möglichkeit vor allem deshalb, weil — wie sich aus den Strafrahmen der insoweit einschlägigen Straftatbestände (§§ 180 a, 181 und 181a StGB) 1 0 9 ergibt — das Unrecht der gegen die Prostituierte gerichteten Haupttat(en) das durch die §§ 184 a und 184 b StGB bekämpfte Unrecht deutlich übersteigt. In dogmatischer Hinsicht kommt hinzu, daß eine als Privilegierungsträger fungierende Strafnorm, die denselben Regelungskonflikt betrifft, für das Innenverhältnis zwischen der Prostituierten und ihrem Kunden nicht ersichtlich ist. a) Die Notwendigkeit einer dogmatisch tragfähigen Legitimation des Zustandes faktischer Nichtverfolgung Wirft man einen Blick auf die Strafrechtswirklichkeit, so mag bereits die Fragestellung, ob der Bordellbesucher (sei es auch nur als Teilnehmer) strafbar ist, als allzu blauäugig erscheinen. Denn die Vorstellung, im Anschluß an eine in einem solchen Etablissement durchgeführte Razzia würden strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht nur gegen die Betreiber, sondern auch gegen die dort 109 Zu den zwischen diesen Delikten bestehenden Überschneidungen Β argon, Prostitution, S. 108 ff., 292 f.; s. a. Horstkotte, JZ 1974, 87 ff.

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angetroffenen Kunden eingeleitet, mutet ziemlich lebensfremd an 110 . Vielmehr ist wohl davon auszugehen, daß die anwesenden Kunden erst gar nicht nach ihren Personalien gefragt, sondern daß sie diskret übersehen werden, bis sie sich der für sie peinlichen Situation entzogen haben. Es ist sogar anzunehmen, daß sich an diesem Modell praktischer Konfliktvermeidung selbst dann nichts ändern würde, wenn die dogmatische Untersuchung eine Bejahung der Teilnahmestrafbarkeit des Freiers zum Ergebnis hätte. Denn das Bestreben, einen letztlich ineffektiven Arbeitsaufwand zu vermeiden, und die Befürchtung, den faktischen Repressalien einer auf diese Weise aktenkundig gemachten „angesehenen Persönlichkeit" ausgesetzt zu sein, wären vermutlich deutlich größer als die (unrealistische) Gefahr, ein Strafverfahren wegen Strafvereitelung im Amt (§ 258 a StGB) auf sich zu ziehen 111 . Vor diesem Hintergrund erscheint die Prüfung der Teilnahmestrafbarkeit als „totes Rennen", und der Verzicht darauf, dieses Tabu — noch dazu unter dogmatischen Vorzeichen — anzurühren, wäre wohl kaum ernsthafter Kritik ausgesetzt. Das geflissentliche Übersehen als allgemein konsentierter Selektionsmechanismus 1 1 2 findet eine dogmatische Entsprechung insofern, als eine (Teilnahme-) Strafbarkeit des Freiers im strafrechtlichen Schrifttum gar nicht thematisiert wird; insbesondere fehlt im vorliegenden Zusammenhang selbst der (bezüglich der Beteiligung an den §§ 184 a und 184 b StGB gemeinhin angeführte 113) Hinweis auf die Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme". Gleichwohl gibt es gute Gründe dafür, die Mitwirkung des Freiers auch bezüglich der zum Schutz der Prostituierten geschaffenen Straftatbestände dem Themenkreis der „notwendigen Teilnahme" zuzuordnen: Zum einen hat der Bundesgerichtshof 114 in einer zur früheren Gesetzeslage ergangenen Entscheidung die ausgebeutete Dirne im Hinblick auf die Teilnahme an der ihr gegenüber begangenen Zuhälterei (§ 181a StGB a. F.) unter dem Gesichtspunkt der „notwendigen Teilnahme" (nur) insoweit für straflos erklärt, als sich die Mitwirkung „in der Ausübung des Unzuchtgewerbes und im Abführen des Unzuchterlöses" an ihren Zuhälter erschöpfte 115. In entsprechender no So bezeichnet es bereits Dohna (Aufbau, S. 56) als „notorisch", „daß nicht jeder, der ein Bordell besucht, wegen Anstiftung zur Kuppelei verfolgt wird"; unter Übernahme dieses Zitats ebenso Armin Kaufmann, MDR 1958, 177. 111 Eine durch Unterlassen begangene Beihilfe des Amtswalters zur Prostitutionsförderung (§ 180 a StGB) kommt (unabhängig von dem Problem der Garantenpflicht; vgl. hierzu BGH, JR 1987, 335 mit Anm. Rudolphi aaO. S. 336 ff. und Winkelbauer, JZ 1986, 1119 ff.) in der dargestellten Konstellation nicht in Betracht, da die Haupttat gerade nicht geduldet wird. 112 Allgemein zur Selektivität der Strafverfolgung Sack, in: Kaiser / Kemer / Sack / Schellhoss, Kleines Kriminologisches Wörterbuch, Stichwort „Selektivität, Selektion, Selektionsmechanismen", S. 387 ff. 113 S. oben Fn. 91 f. 114 BGHSt. 19, 107; das nachfolgend wiedergegebene Zitat befindet sich aaO. S. 108 (unter Bezugnahme auf BGH, Urt. vom 25.5.1962 — 5 StR 187 / 62). us Zur Neuregelung durch das 4. StrRG ist anerkannt, daß § 181 a StGB dem Schutz der Prostituierten dient; BGH, NStZ 1982, 507; S/S-Lenckner, § 181a Rdn. 1. Hieraus

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Weise wird man wohl auch das Komplementärverhalten des Kunden der „notwendigen Teilnahme" zuordnen können. Als weiterer Ansatzpunkt ist in Betracht zu ziehen, daß die heute in § 180 a StGB pönalisierte Förderung der Prostitution aus dem früheren Kuppeleitatbestand (§ 180 StGB a. F.) hervorgegangen ist 1 1 6 . Für jenes Delikt war aber auch in der (hinsichtlich der Privilegierung grundsätzlich restriktiven) höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, daß die bloße Vornahme der unzüchtigen Handlungen für eine Teilnahmestrafbarkeit des Verkuppelten nicht ausreichen sollte 117 . Freilich ist die dogmatische Verknüpfung mit den sonstigen der „notwendigen Teilnahme" zugeordneten Fallkonstellationen nur zur Einbindung in die hier zu erörternde Thematik geeignet; eine dogmatische Legitimation für eine Straflosigkeit ist hiermit nicht verbunden, da ein allgemein gültiger Grundsatz einer straflosen Rollenwahrung nicht anzuerkennen ist. b) Die „Sozialadäquanz " als unbefriedigende dogmatische Vermeidungsstrategie Angesichts der Tatsache, daß sich die Straflosigkeit des Freiers zwar nicht dogmatisch, wohl aber faktisch von selbst versteht (oder dies doch zumindest so scheint), könnte man geneigt sein, zur Rechtsfigur der „Sozialadäquanz" Zuflucht zu nehmen, um den dargestellten Zwiespalt zu überwinden. Sowohl die Häufigkeit der fraglichen Verhaltensweise 118 als auch die auf langer Tradition beruhende Evidenz der Straflosigkeit scheinen die Sozialadäquanz als einschlägiges dogmatisches Begründungsmodell auszuweisen. Andererseits sind jedoch auch die Bedenken gegen einen derartigen Legitimationsversuch nicht zu übersehen. Sieht man von dem allgemeinen Problem einer hinreichenden Bestimmtheit dieser Rechtsfigur ab 1 1 9 , so bliebe fraglich, ob eine Bewertung als „sozialadäquat" folgt, daß eine Teilnahmestrafbarkeit der Prostituierten als geschütztes Opfer unabhängig von dem Ausmaß ihrer Mitwirkung ausscheidet; so (unter Hinweis auf die „notwendige Teilnahme") Dreher / Tröndle, Rdn. 4; LK-Laufhütte, Rdn. 18; S/S-Lenckner, Rdn. 25 und SK-Horn, Rdn. 7 jeweils zu § 181a; Dreher, JR 1974, 53; s. a. BayObLG, NJW 1974, 1573 (1574). Π6 Dreher / Tröndle 44y § 180a Rdn. 1; Horstkotte, JZ 1974, 88. 117 Vgl. das bei Pfeiffer / Maul/Schulte (§180, Nr. 15) angeführte Urteil vom 30.10.1959 — 4 StR 375 / 59 —, wonach zwar im Unzuchttreiben selbst noch keine strafbare Beihilfe liege, wohl aber im Herbeischaffen alkoholischer Getränke durch den Verkuppelten. Kritisch hierzu LK-MösP, § 180 Rdn. 19; s. a. BGH, NJW 1964, 2023, 2025 (zu 4c); zur Position der Rechtsprechung zur „notwendigen Teilnahme" bezüglich § 180 StGB (a. F.) vgl. femer oben Fn. 22. 118 Beispielsweise berichtet Kreuzer (Prostitution, S. 266) von einem Frankfurter ErosCenter, das täglich von ca. 3.000 Männern frequentiert wurde; hierbei haben jedoch nur 25 % (immerhin also 750 Männer täglich in einem einzigen Betrieb) die Leistungen der Prostituierten in Anspruch genommen. Die polizeilichen Schätzungen belaufen sich für die Stadt Frankfurt auf mindestens 3.000 Freier täglich (s. den Bericht von Zeitler in der Berliner Tageszeitung „Volksblatt" vom 4.8.1990, S. 16). Vgl. femer oben Fn. 101. 119 Vgl. allgemein zur Rechtsfigur der „Sozialadäquanz" oben 5. Kap. IV. 2; speziell zur nachfolgend angesprochenen Frage moralischer Werthaftigkeit aaO. zu Fn. 161.

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eine moralische Qualität des Handelns verlangt, die dem Verhalten des Freiers — ungeachtet der gesellschaftlichen Toleranz — abzusprechen ist. Zweifelhaft erscheint eine Heranziehung der „Sozialadäquanz" jedoch vor allem angesichts der naheliegenden Gefahr, daß hier tradierten Vorurteilen die normative Kraft des Faktischen zuerkannt würde. In der Tat weisen mehrere Anhaltspunkte darauf hin, daß die Bewertung des Prostitutionsgeschehens einer personenbezogenen Differenzierung unterliegt, die zu einer einseitigen Diskriminierung der Prostituierten führt. So zeigt ein Blick auf die historische Entwicklung 120 , daß die Bordellfrage traditionell primär im Zusammenhang mit gesundheitspolizeilichen Aspekten diskutiert worden ist 1 2 1 . Die Prostituierte wurde also im Hinblick auf die Gefahr der Übertragung von Geschlechtskrankheiten Objekt staatlicher Kontrolle; bezüglich der Ansteckung erscheint die übertragende Dirne als „Täterin", der sich infizierende Freier hingegen als ihr Opfer 122 . Eine ähnliche Gegenüberstellung läßt sich auch für die psychologische und moralische Ebene aufzeigen: Hier erfährt die Prostituierte eine besondere soziale Abwertung möglicherweise nicht zuletzt deshalb, um — quasi in der Rolle des „Sündenbocks" — dem Kunden das Gefühl moralischer Integrität zu erhalten 123 . Schließlich scheint auch im rechtlichen Umgang mit der Prostitution zweierlei Maß Verwendung zu finden: Als „normal" wird die Prostitution vor allem in malam partem behandelt, während die Rechtsordnung ihren Schutz der Dirne unter Hinweis auf die Sittenwidrigkeit ihres Tuns weithin vorenthält 124 . Die „Sozialadäquanz" droht damit im vorliegenden Zusammenhang zu einem Mittel zu werden, mit dessen Hilfe weitverbreitete und zum großen Teil unterschwellige Moralvorstellungen zur Stigmatisierung einer sozialen Randgruppe 120 Vgl. auch allgemein zur historischen Entwicklung die Dissertation von Brinitzer, Strafrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Prostitution (1933), insbesondere S. 59 ff. zur Zeit der Aufklärung; Aufschluß über die Sozialmoral im Umgang mit der Prostitution gibt femer die sozialgeschichtliche Studie von Ulrich, Bordelle, Straßendirnen und bürgerliche Sittlichkeit in der Belle Epoque (1985), insbesondere S. 71 ff., 124 ff. und 144 ff. 121 Kreuzer, Prostitution, S. 23 ff. 122 Vor dem Hintergrund der Aids-Problematik vgl. auch Brakhoff, in: dies., Sucht und Prostitution, S. 11 f. Eine entsprechende Rollenverteilung läßt sich auch für die sog. Begleitdelikte (insbesondere den Beischlafdiebstahl) aufzeigen, deren praktische Bedeutung jedoch nicht überschätzt werden sollte; vgl. Kaiser, Kriminologie, 79 / 20; Simson / Geerds, Straftaten, S. 516 und Schneider, Middendorff-FS (1986), S. 258 f. 123 Zur „Sündenbocktheorie" vgl. Kühne, ZRP 1975, 187 f.; zur gesellschaftlichen Doppelmoral vgl. auch Ulrich, Bordelle, S. 82 ff. (83), 90 ff. (94 f.), 145 ff.; BorellH Starck, Prostitution, S. 56 ff.; Brakhoff, in: dies., Sucht und Prostitution, S. 18 f., 20 und Schneider, Middendorff-FS (1986), S. 267. Daß auch die Prostituierte zur Erhaltung ihres Selbstwertgefühls ihre Kunden verachtet, wird angemerkt bei Kaiser, Kriminologie, 19 HA und Girtler, KZfSS 36 (1984), 328 ff. 124 Zur Behandlung der Prostitution in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vgl. Kühne, ZRP 1975, 184 ff.; Schatzschneider, NJW 1985, 2793 ff. und Pötz-Neuburger, Streit 1985, 43 ff.

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verwandt werden; dieser Rückgriff auf eine weithin unreflektierte „vox populi" ist um so bedenklicher, als die betreffenden Straftatbestände nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers gerade dem Schutz dieser im sozialen Abseits stehenden Personen dienen sollen. Andererseits hieße es, das Kind mit dem Bade auszuschütten, wollte man die Kriminalisierung des Freiers allein deshalb fordern, um der kritisierten Scheinmoral besonders deutlich entgegenzutreten. Vielmehr kann die angemessene Reaktion nur darin bestehen, ungeachtet der aufgezeigten Vorwertungen nach kriminalpolitischen und dogmatischen Gesichtspunkten zu suchen, die legitimerweise als Privilegierungsfaktoren in Betracht zu ziehen sind. c) Der fragmentarische Schutz der Prostituierten eines spezifischen Gefahrenmodells

als Basis

Die Beobachtung, daß sich die Rechtsordnung des sozialen Phänomens der Prostitution nur „mit spitzen Fingern" annimmt 125 , hat bis auf den heutigen Tag Berechtigung. Bereits in der grundsätzlichen Bewertung als „unausrottbarem Übel" spiegelt sich die Ambivalenz der Beurteilung, die einerseits an der strikten Mißbilligung festhält, sich andererseits aber aus kriminalpolitischer Vernunft — gleichsam „zähneknirschend" — tolerant gibt 1 2 6 . Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht verwundern, daß die strafrechtliche Liberalisierung durch das Vierte Strafrechtsreformgesetz keine umfassende Wende im rechtlichen Umgang mit der Prostitution eingeleitet hat. Vielmehr wählten auch in der Zeit nach 1973 zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen die fortbestehende gesellschaftliche Bewertung der Prostitution als „sittenwidrig" zur Grundlage ihres Urteilsspruches 1 2 7 . Das nach wie vor diffuse Bild erschwert auch eine friktionslose Interpretation der einschlägigen Straftatbestände. In der Zeit vor der Reform des Sexualstrafrechts galt die Prostituierte nicht als Opfer der Zuhälterei, sondern als allen125 Schatzschneider, NJW 1985, 2797. 126 Prägnanten Ausdruck findet diese Grundposition bereits in BGHSt. 23, 167 (175): „Verdient das Dirnenwesen auch wenig Rücksicht, so muß das Strafrecht nach allen seinen Erfahrungen mit der Bekämpfung gerade dieses Übelstandes sich doch vor Überschärfung hüten." Vgl. BT-Ds. VI / 1552, S. 25; Müller-Emmert, DRiZ 1974, 94; Dieckmann, Bild des Zuhälters, S. 19; s. aber auch BT-Ds. VI / 3521, S. 43 (Verdrängung sei aus kriminalpolitischen Gründen nicht wünschenswert und nicht durchsetzbar). 127 So insbesondere BGHZ 67, 119 (122 ff.) und BGH, NStZ 1987, 407; vgl. femer Dickersbach, WiVerw 1986, 19; s. aber auch Kühne, ZRP.1975, 185. Auch die äußerst kontrovers diskutierte Frage, ob die freiwillige Vermarktung der eigenen Sexualität (stets oder unter bestimmten Voraussetzungen) als Verstoß gegen die Menschenwürde (Art. 11GG) anzusehen ist, spiegelt die merkwürdige Verquickung von Aspekten des Schutzes der Prostituierten, der Duldung der Prostitution und der gesellschaftlichen Ablehnung; zu diesem Problemkreis vgl. — eine Grundrechtsverletzung bejahend — BVerwG, NJW 1982, 664; NVwZ 1987, 411; OVG Mannheim, NVwZ 1988, 640 (mit zahlreichen Nachweisen) und Dickersbach aaO. S. 1 ff. (18 f.); (zu Recht) kritisch hingegen v. Olshausen, NJW 1982, 2221 ff.; Hoerster, JuS 1983, 95 f.; Schatzschneider, NJW 1985, 2796 f. und Würkner, NVwZ 1988, 600 ff.; vgl. zum Ganzen ausführlich auch Discher, JuS 1991, 642 ff. Allgemein zum „Grundrechtsschutz gegen sich selbst?" (verneinend) v. Münch, Ipsen-FS (1977), S. 113 ff. (128). 17 Sowada

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falls reflexartig geschütztes Tatobjekt 128 . Es darf wohl angenommen werden, daß diese Interpretation maßgeblich von dem Bestreben geprägt war, eine moralwidrige Betätigung nicht unter den besonderen Schutz der Strafrechtsordnung zu stellen. Die Prostituierte interessierte nur insoweit, als sie den strafrechtlichen Zugriff auf andere Personen ermöglichte, deren Verhalten in noch stärkerem Maße als verwerflich erschien. Das Bestreben, den Strafrechtsschutz auf möglichst konkret gefaßte Rechtsgüter zu beschränken und insbesondere bloße Moralvorstellungen nicht zur Grundlage von Strafrechtsnormen zu machen, hat den Gesetzgeber veranlaßt, die einschlägigen Straftatbestände als Normen zum Schutz der wirtschaftlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Prostituierten zu konzipieren 1 2 9 . Dieser bekenntnishafte Akt beseitigt freilich nicht die Gefahr, daß die Solidarität der Rechtsgemeinschaft mit der Prostituierten an der sozialethischen Barriere scheitert und die Dirne somit zum „Opfer zweiter Klasse" wird. Doch selbst wenn man das legislatorische Anliegen ernst nimmt, bleibt die Schwierigkeit bestehen, bei der Auslegung der einschlägigen Straftatbestände die Gewichte angemessen zwischen einem Schutz der Prostituierten in ihrem Gewerbe bzw. einem Schutz vor diesem Gewerbe 130 zu verteilen. Dieser Konflikt tritt vor allem in dem Auslegungsproblem zutage, ob auch die Herbeiführung besonders angenehmer Umstände und die Schaffung einer gehobenen Atmosphäre als strafbare Förderung der Prostitution im Sinne des § 180 a I Nr. 2 StGB anzusehen ist 1 3 1 . Ausgehend von einer Sichtweise, die die Prostitution als Verstoß gegen die Menschenwürde auffaßt 132 , wird man eine schützenswerte Entscheidungsfreiheit der Prostituierten möglicherweise nur als Möglichkeit zum Ausstieg anerkennen; hier dominiert der Schutz vor der Tätigkeit mit der Folge einer extensiven Interpretation der Strafnorm. Hält man demgegenüber auch die Entscheidung für ein Festhalten an dieser Tätigkeit für akzeptabel, so wird man eher geneigt sein, den Strafrechtsschutz dort zu verneinen, wo sich die Beeinflussung lediglich als besondere Annehmlichkeit präsentiert 133. Unabhängig davon, wie die konkrete Auslegungsfrage zu entscheiden ist, läßt sich die gesetzliche Konzeption insgesamt als ein kompromißhaftes Regelungsmodell 1 3 4 charakterisieren. Es wird also nicht lediglich die Prostitutionsausübung 128 BGHSt. 9, 71 (74); 18, 283 (284 f.) und 19, 107; s. a. Oehler, JZ 1964, 382 f. 129 Müller-Emmert, DRiZ 1974, 93; Dieckmann, Bild des Zuhälters, S. 18 f. 130 Zu diesem Nebeneinander vgl. — bezüglich § 180 a I Nr. 2 StGB — Loos, JR 1975, 249. 131 So insbesondere die Rechtsprechung; vgl. (teilweise auch zu § 181 a I Nr. 2 StGB) BGH, NStZ 1982, 379; StV 1986, 294 und 297; NJW 1987, 3209 (3210); OLG Köln, JR 1979, 342 mit zustimmender Anm. Geerds aaO. S. 343 ff.; KG, JR 1980, 121; ebenso Lackner, Rdn. 4 und Dreher I Tröndle, Rdn. 5 jeweils zu § 180 a. 132 Vgl. dazu oben Fn. 127. 133 In diesem Sinne die in Fn. 131 genannte Judikatur ablehnend vor allem Köberer, StV 1986, 295 ff. und Nitze, NStZ 1986, 359 ff.; kritisch auch Lautmann, ZRP 1980, 45; ders., Zwang zur Tugend, S. 85 ff.; SK-Horn, Rdn. 9 und S/S-Lenckner, Rdn. 10, 12 jeweils zu § 180 a.

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straflos gelassen, aber jegliche Förderung unter Strafe gestellt 135 , sondern das Strafrecht gewährt einen gewissen Freiraum und greift zum Schutze der Prostituierten erst dann ein, wenn besondere Umstände eine gesteigerte Gefahr für eine Verstrickung in die Prostitution begründen 136. Dieses bewußt fragmentarische Schutzkonzept zeigt sich insbesondere daran, daß § 180 a I StGB lediglich die Prostitution in Bordellen oder bordellähnlichen Betrieben erfaßt 137 und hierbei ausdrücklich das bloße Gewähren von Wohnung, Unterkunft oder Aufenthalt sowie die damit üblicherweise verbundenen Nebenleistungen von der Strafbarkeit ausnimmt 138 . Die strafrechtliche Bekämpfung richtet sich insoweit also allein gegen „verfestigte Institutionen im Vorfeld" 139 , die gerade im Hinblick auf den organisatorischen Zusammenhalt besondere Abhängigkeitsgefahren aufweisen. Das Grundmotiv struktureller Abhängigkeit ist ferner im Delikt der Zuhälterei (§ 181a StGB) erkennbar, das eine Strafbarkeit nur für den Fall androht, daß der Täter zu der Prostituierten Beziehungen unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen140. Anknüpfend an diese Überlegungen läßt sich eine Interpretation des gesetzlichen Schutzprogramms denken, die zwischen strafrechtsirrelevanten Grundrisiken der Verstrickung in die Prostitution einerseits und strafrechtlich bedeutsamen Sondergefahren für eine erschwerte Loslösung aus diesen Umständen andererseits differenziert. Diese Unterscheidung eröffnet zugleich die Möglichkeit zur dogmatischen Fundierung einer Privilegierung des Freiers, der geradezu prototypartig das straflose Grundrisiko verkörpert, weil seine Mitwirkung die „Geschäftsgrundlage" jeglicher Prostitution ausmacht und der von ihm geschaffe134 Loos, JR 1975, 249. 135 Vgl. die Einwände gegen den sog. „Abolitionismus" bei Schneider, MiddendorffFS (1986), S. 269. In diesem Zusammenhang ist femer auf den gesellschaftlichen Wert der Prostitution als Ventil und Stabilitätsfaktor hinzuweisen; vgl. Hanack, DJT-Gutachten, Rdn. 246 und Schneider, Handwörterbuch der Kriminologie Bd. 5, Stichwort „Prostitution", S. 13. 136 Zur grundsätzlich geltenden Prostitutionsfreiheit vgl. Bargon, Prostitution, S. 308 f. (s. a. aaO. S. 113 ff. speziell zu § 180a I StGB) und Arzt, in: Arzt/Weber, LH 2, Bern. 482, 484; s. a. BT-Ds. VI/3521, S. 47 f. und BT-Ds. 7/514, S. 9. 137 Das Merkmal des „Betriebes" stellt auf eine Gesamtorganisation ab, in die mehrere Prostituierte eingefügt sind; BT-Ds. VI / 1552, S. 26; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1978, 386; SIS-Lenckner, Rdn. 4 und SK-Horn, Rdn. 3 jeweils zu § 180a. Die fraglichen Maßnahmen müssen „in" dem (nicht also lediglich „durch" den) Betrieb erfolgen, weshalb bloße Werbeinserate nicht den Tatbestand verwirklichen; vgl. Lüthge-Bartholomäus, NJW 1975, 1872. 138 Zu den mit dieser Einschränkungsklausel verbundenen Auslegungsproblemen vgl. KG, NJW 1977, 2223 (2224 f.); SIS-Lenckner, § 180a Rdn. 11 f. und Köberer, StV 1986, 296; s. a. oben (zu) Fn. 131 und 133. 139 OLG Köln, JR 1979, 342; KG, JR 1978, 296 und JR 1980, 121; daß diese Formulierung auch einen Restriktionsansatz bietet, wird deutlich bei SIS-Lenckner, § 180 a Rdn. 10; der Zuschnitt auf typische Gefahren im Zusammenhang mit der betrieblichen Organisation wird femer hervorgehoben von BGH, NJW 1987, 3209 (3210). 140 Die Funktion dieses (in gewisser Hinsicht tautologischen; Dreher I Tröndle**, § 181a Rdn. 10) Merkmals besteht gerade in einer Restriktion des Tatbestandes; vgl. SK-Horn, § 181 a Rdn. 5 und Blei, BT, § 46 IV (= S. 158). 17*

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ne Anreiz des Geldverdienens im Bereich der tolerierten Prostitutionsfaktoren verbleibt. d) Die Beachtlichkeit der tolerierten Prostitutionsanreize im Teilnahmekontext Der bloße Hinweis auf den fragmentarischen Zuschnitt des strafrechtlichen Regelungsmodells besagt freilich noch nicht, daß der Freier auch dann straflos bleibt, wenn sich sein Verhalten in einen Geschehensablauf einfügt, der in der Person eines Dritten als tatbestandsmäßig erscheint. Vielmehr ist es theoretisch denkbar, daß die Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter in einer für alle Beteiligten verbindlichen Weise ein hinreichendes Gefährdungspotential impliziert, das für auf die Person des Freiers bezogene Gefahrenbetrachtungen keinen Raum läßt. Dann würde sich der dogmatische Wert des dargestellten Privilegierungsansatzes darin erschöpfen, das Fehlen einer gegen den Freier gerichteten täterschaftlichen Strafdrohung zu erklären. Wiederum geht es also darum, den durch die Haupttatbegehung vermittelten situativen Bezug auf seine Bedeutung für die besondere Situation des präsumtiven Teilnehmers zu untersuchen 141 . aa) Mit speziellem Bezug auf den vorliegend interessierenden Themenkomplex ist zunächst festzustellen, daß sich die Frage einer auch den Teilnahmebereich erfassenden Privilegierung keineswegs allein im Hinblick auf den Freier stellt. Vielmehr sind in den Gesetzesmaterialien zum Vierten Strafrechtsreformgesetz ausdrücklich Fallgestaltungen angeführt, die der Gesetzgeber als nicht (hinreichend) strafwürdig bewertet hat. So sollen die Friseuse oder die Kosmetikerin, die im Hinblick auf die guten Einkommensverhältnisse der Prostituierten ein besonders hohes Entgelt verlangen, natürlich ebensowenig wegen Zuhälterei bestraft werden 142 wie der Hotelportier oder der Taxifahrer, die einem nachfragenden (Fahr-)Gast gelegentlich einen Tip geben und hierfür ein Trinkgeld erhalten 143 . Eine etwaige täterschaftliche Strafbarkeit dieser Personen hat der Gesetzgeber durch eine entsprechende Fassung des § 181 a StGB — insbesondere durch die Einfügung des Erfordernisses von über den Einzelfall hinausgehenden Beziehungen — ausgeschlossen. Es erschiene aber ungereimt, wollte man den Tipgeber als Gehilfen zur ausbeuterischen Zuhälterei (§ 181 a I Nr. 1 StGB) sogar mit einer höheren Strafe 144 belegen, 141

S. dazu bereits den Text oben nach Fn. 108. 142 BT-Ds. VI/3521, S. 50; s. a. BT-Ds. VI / 1552, S. 30. 143 BT-Ds. VI/3521, S.50f. 144 Die gemäß § 27 II 2 StGB in Verbindung mit § 49 I StGB gemilderte Strafe des Gehilfen zu einer Tat gemäß § 181 a I StGB beträgt 3 Jahre und 9 Monate Freiheitsstrafe (eine Geldstrafe kommt — abgesehen von § 47 II StGB — nicht in Betracht); demgegenüber ist die täterschaftliche Begehung des § 181a II StGB mit einer Höchststrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe (oder Geldstrafe) bedroht.

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sofern sich sein Hinweis auf eine Prostituierte bezog, die — wie er wußte — von einem Zuhälter ausgebeutet wird. Ähnlich unverständlich wäre es, selbst die zu Normalpreisen erbrachte Dienstleistung der Friseuse als Beihilfe zur Zuhälterei zu beurteilen, wenn sie vom Zuhälter aus dem Dirnenlohn bezahlt wird, um mit der Attraktivität der Prostituierten auch deren „Marktchancen" zu erhöhen. Als letztes Beispiel sei schließlich noch genannt, daß nach der Neuregelung des § 181 a StGB das ausschließlich beschützende Überwachen der Prostitutionsausübung nicht (mehr) als Zuhälterei strafbar sein soll 1 4 5 . Ein derartiger strafloser Beistand ist etwa dann anzunehmen, wenn sich der Beschützer im Hintergrund hält und gegebenenfalls bei Streitigkeiten mit Kunden eingreift oder die Prostituierte vor dem Herannahen der Polizei warnt 146 . Wenig überzeugend wäre es hingegen, wollte man jeden der Prostituierten gewährten Schutz dann als strafbare Beihilfe zur Zuhälterei bewerten, wenn die Prostituierte von einem Zuhälter ausgebeutet oder dirigiert wird. Der in diesen Fallgestaltungen maßgebliche Gesichtspunkt läßt sich in allgemeinerer Form bezeichnen: Der Gesetzgeber hat bewußt darauf verzichtet, jedes Ausnutzen oder Fördern der Prostitution zu pönalisieren; mit den Mitteln des Strafrechts sollen lediglich die aus bestimmt gearteten (latenten) Abhängigkeitsverhältnissen resultierenden Gefahren für ein dauerhaftes Festhalten im Prostitutionsmilieu bekämpft werden. Ist die Prostituierte aber solchen strafbarkeitsbegründenden Umständen ausgesetzt, so trägt jede Unterstützung der Prostituierten ambivalente Züge insofern, als mit der Besserstellung der Prostituierten untrennbar eine Perpetuierung der für ihre Tätigkeit geltenden Rahmenbedingungen verbunden ist. Es ginge jedoch allzu weit, wollte man allen Personen die ihnen grundsätzlich gestatteten prostitutionsfördernden Handlungen allein deshalb unter Strafandrohung verbieten, weil andere Personen gegenüber der Prostituierten ein strafbares Übermachtsverhältnis begründet haben. Zwar ist es zutreffend, daß die Teilnahmestrafbarkeit allgemein gerade durch ein Zurückbleiben gegenüber den für eine täterschaftliche Strafbarkeit geltenden Anforderungen gekennzeichnet ist; insbesondere muß daher ein Teilnehmer an den Taten gemäß §§ 180 a, 181 oder 181a StGB nicht selbst eine solche Position dauerhafter Überlegenheit gegenüber der Prostituierten innehaben. Hieraus kann aber nicht umgekehrt gefolgert werden, daß es an jeglicher Strafbarkeitsbeschränkung im Hinblick auf dieses Abhängigkeitsverhältnis fehlt. Vielmehr ist für eine strafbare Teilnahme zu verlangen, daß die gewährte Unterstützung gerade derÄüfrechterhaltung des Abhängigkeitsverhältnisses dient. Die Beihilfehandlung muß also vom Schutzzweck des jeweiligen Tatbestandes in dem Sinne umschlossen sein, daß sie die Prostitution gerade im Hinblick auf jene organisatorischen Umstände fördert, die den Strafgrund der betreffenden Strafnorm ausmachen. Eine lediglich reflexartige Begünstigung, die jeder prostitutionsfördernden Handlung als mittelbare Neben145 BT-Ds. V I / 1552, S. 30. 146 SIS-Lenckner, § 181a Rdn. 8.

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Wirkung immanent ist, reicht hingegen nicht aus 147 . Wollte man anders entscheiden, so liefe dies auf eine umfassende Boykottpflicht gegenüber Prostituierten hinaus, die in besonderen Abhängigkeitsverhältnissen festgehalten werden. Eine derartige Konzeption hätte in ihrer Gesamtwirkung nicht allein eine unangemessene Einschränkung der Handlungsfreiheit zur Folge, sondern auch der mögliche Beitrag zu einem effektiven Rechtsgüterschutz muß als äußerst gering veranschlagt werden 148 . Denn die Wirksamkeit jeglicher Boykottstrategie hängt entscheidend von einem hohen Befolgungsgrad ab, der im Hinblick auf die erhebliche Streubreite des Verbots und die hiermit verbundene, unvermeidbar hohe Dunkelziffer 149 nicht sichergestellt werden könnte. Die Einsicht, daß das Strafrecht bei der Bekämpfung pönalisierter Prostitutionsformen keine umfassende Boykottpflicht statuiert, tritt auch bereits in einer Entscheidung des Reichsgerichts 150 aus dem Jahre 1906 zutage. Dort wird ausgeführt, daß der Bäcker oder der Metzger, die ihre Waren an ein Bordell liefern, gleichwohl nicht als Gehilfen zur Kuppelei (§ 180 StGB a. F.) strafbar sind. Etwas anderes soll jedoch nach Ansicht des Reichsgerichts hinsichtlich des Weinhändlers gelten, da sein Beitrag nicht allein als Grundversorgung mit Lebensmitteln anzusehen sei, sondern einen spezifischen Bezug zur Unzuchtsförderung aufweise. Festzuhalten ist aber jedenfalls die Tatsache, daß auch das Reichsgericht die Strafbarkeitsgrenzen im Teilnahmebereich mittels einer tatbestandsbezogenen Gefahrenbetrachtung absteckt und keineswegs jeden Geschäftskontakt mit einem Bordell als strafbar bewertet 151 . Es kommt somit nicht allein auf die einem solchen Betrieb förderliche Wirkung an, sondern maßgeblich ist auch für die Teilnahmestrafbarkeit eine vom Schutzzweck der betreffenden Verbotsnorm umfaßte Gefahrschaffung. Die aus diesen Überlegungen zu ziehende Konsequenz besteht darin, daß die durch die Haupttat implizierten Gefährdungen einer differenzierenden Gefahrenbeurteilung für den Teilnahmekontext nicht entgegenstehen. Diese Erkenntnis ist insoweit von dogmatischer Bedeutung, als die Grundlage der Gefahrenbetrach147 In ganz entsprechender Weise werden bereits die Tathandlungen restriktiv interpretiert bei S/S-Lenckner, § 180a Rdn. 10, § 181a Rdn. 14, 18 (Unterscheidung zwischen strafbarer Gefahr für die Unabhängigkeit und straflosem Anreiz); s. a. KG, NJW 1977, 2223 (2224). Die Ablehnung einer derartigen Tatbestands Verengung für die Täterstrafbarkeit (vgl. oben zu Fn. 130) stünde der im Text diskutierten Beschränkung der Teilnahmestrafbarkeit im übrigen nicht entgegen, da dem Freier ein hinreichender Bezug zum maßgeblichen Gefahrenaspekt der betrieblichen Organisation gerade fehlt. i« Vgl. bereits oben I. 2 b (zu § 184 StGB) sowie 6. Kap. II. 3 a, b (zur Produktpiraterie). 149 Zur Dunkelziffer bei der (täterschaftlichen) Zuhälterei (ca. 1:10) vgl. Bargon, Prostitution, S. 147 f. 150 RGSt. 39, 44 (zum folgenden vgl. aaO. S. 48 f.); zu dieser Entscheidung auch Schumann, Handlungsunrecht, S. 62. 151 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die zivilrechtliche Entscheidung BGH, NStE, Nr. 1 zu § 184 a StGB (keine Sittenwidrigkeit eines mit dem Betreiber eines Bordells abgeschlossenen Bierlieferungsvertrages).

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tung auch bezüglich der Teilnahmeproblematik im jeweiligen Tatbestand, nicht jedoch (zumindest nicht vorrangig) in der allgemeinen Beteiligungsdogmatik verankert ist. Zwar gibt es auch in der allgemeinen Teilnahmelehre ähnliche Mechanismen zur Strafbarkeitsrestriktion; hier ist insbesondere an das Erfordernis der Risikoerhöhung zu denken. Dieser Gesichtspunkt erscheint aber vorliegend nicht einschlägig; denn gemessen an der stabilisierenden Wirkung für die belieferten Unternehmen läßt sich eine (wenngleich minimale) Risikoerhöhung nicht gut bestreiten. Entscheidend ist vielmehr, daß diese Gefährdungen angesichts (aber auch: ungeachtet) ihrer minimalen Unterstützungswirkung als für eine Strafbarkeitsbegründung nicht ausreichend angesehen werden; dieses Werturteil läßt sich aber nur in Ansehung des jeweiligen Einzeldelikts treffen 152 . Hiermit verbindet sich die dogmatisch wesentliche Feststellung, daß die im jeweiligen Deliktstatbestand wurzelnden Gefahrenmomente nicht allein für die Haupttat bestimmt und sodann qua Akzessorietät auf die Teilnahmeformen übertragen werden, sondern die Teilnahme ist insofern partiell eigenständig, als der durch die Haupttat verwirklichte Tatbestand eine von der Haupttat unabhängige Bedeutung für die Reichweite der Teilnahmestrafbarkeit erlangen kann. bb) Ist eine Restriktion der Teilnahmestrafbarkeit im Hinblick auf die Art der geschaffenen Gefahr somit grundsätzlich anzuerkennen, so bleibt zu untersuchen, wo die Grenzen zwischen tolerierter und mißbilligter Gefahrschaffung hinsichtlich der Mitwirkung des Freiers zu ziehen sind. Anknüpfend an die genannten Beispiele ist als erstes Abschichtungskriterium das Erfordernis zu nennen, daß der dem § 180 a StGB unterfallende Betrieb (bzw. die zwischen der Dirne und dem Zuhälter bestehende Beziehung) gerade im Hinblick auf die Prostitutionsausübung gefördert werden muß. Auf diese Weise lassen sich jene Mitwirkungshandlungen dem Bereich der Teilnahmestrafbarkeit entziehen, die lediglich beiläufig eine mittelbare Prostitutionsförderung durch einen allgemeinen geschäftlichen oder persönlichen Umgang bewirken. Mit Hilfe dieses Kriteriums läßt sich das Verhalten des Freiers freilich nicht herausfiltern; denn die Beziehung zwischen dem Freier und der Dirne wird gerade im Hinblick auf die käufliche Sexualität hergestellt. Zu einer für den vorliegenden Zusammenhang einschlägigen Strafbarkeitsreduktion gelangt man hingegen, wenn man sich vor Augen hält, daß sich hinter dem genannten Kriterium in Wahrheit zwei unterschiedliche Aspekte — die Förderung der Prostitution und die Unterstützung der jeweiligen organisatorischen Verfestigung — verbergen. Ebensowenig wie organisationsbezogene Unterstützungshandlungen ohne (hinreichenden) Prostitutionsbezug zur Strafbarkeit führen, reichen prostitutionsbezogene Verhaltensweisen ohne (hinreichenden) Bezug zu der jeweiligen Organisationsstruktur für die Annahme einer (Teilnahme-)Strafbarkeit aus. 152

Zu den Auswirkungen des jeweiligen Tatbestands auf die Reichweite der Teilnahmestrafbarkeit vgl. allgemein bereits oben 6. Kap. vor I.

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Diese Akzentuierung greift die bereits angesprochene 153 Unterscheidung zwischen der tolerierten Grundgefahr und der Mitwirkung an der institutionalisierten Sondergefahr auf. Diese Differenzierung läßt sich — zugegeben ebenfalls in recht bildhafter Weise — in Gestalt einer „Lagertheorie" zum Ausdruck bringen 154 . Strafbarer Teilnehmer an den fraglichen Delikten ist hiernach nur derjenige, dessen Mitwirkung in funktionaler Hinsicht auf die Verstärkung oder Absicherung der organisatorisch verfestigten Abhängigkeitsverhältnisse gerichtet ist. Hierbei dürfte eine Betrachtungsweise den Vorzug verdienen, die nicht (primär) auf die subjektive Willensrichtung des Handelnden, sondern auf die objektive Bedeutung des von ihm erbrachten Tatbeitrages abstellt. Als wesentliches Indiz für eine lagerimmanente Mitwirkung ist hierbei vor allem die organisatorische Einbindung in die betreffende Betriebsstruktur zu nennen. Deshalb werden die von nichtleitenden Betriebsangehörigen erbrachten, auf die Prostitutionsausübung gerichteten Unterstützungs- und Überwachungshandlungen regelmäßig als strafbare Teilnahme zu qualifizieren sein. Hierdurch ist keineswegs ausgeschlossen, daß auch einmalige oder gelegentliche Förderungsmaßnahmen als Beihilfe strafbar sein können. Dies wird etwa dann anzunehmen sein, wenn jemand als Vertreter des Zuhälters Kontrollaufgaben übernimmt, ohne selbst die täterschaftlichen Voraussetzungen des § 181 a StGB zu erfüllen. Entscheidend ist mithin nicht die organisatorische Eingliederung der Person des Teilnehmers, sondern die funktionale Verknüpfung seines Tatbeitrages, der sich planmäßig in die für die besondere Abhängigkeit maßgebliche Stuktur einfügt. Diesem Erfordernis genügt die typische Mitwirkung des Freiers am tatbestandsmäßigen Geschehen gerade nicht: Ebenso wie sein Beitrag für die jeweiligen Haupttäter als nicht konkret planbare Zufälligkeit erscheint, die lediglich als allgemeiner Kalkulationsfaktor auf der Einnahmeseite bedeutsam ist, ist die konkrete Ausgestaltung des zwischen der Prostituierten und ihrem „Arbeitgeber" bestehenden Verhältnisses aus der Sicht des Kunden ein für diesen eher nachrangiges betriebliches Internum. Darüber hinaus lassen sich noch zahlreiche weitere Gesichtspunkte anführen, die eine Herausnahme des Freiers aus dem Strafbarkeitskontext stützen: Die legislatorische Nachsicht gegenüber der Prostitution überhaupt ist vor allem als Zugeständnis an die Bedürfnisse der nachfragenden Kunden zu begreifen 155 ; soweit diese die Angebote der Prostitution zur Überwindung ihrer sexuellen 153 S. oben 2c (a.E.). 154 Für den vorliegenden Themenkomplex besteht sachliche Übereinstimmung mit den Überlegungen von Schumann (Handlungsunrecht, S. 62 ff.), wobei allerdings dahingestellt bleiben kann, ob das von Schumann entwickelte Kriterium einer „Solidarisierung" mit dem Täter eine generelle Voraussetzung jeglicher Teilnahmestrafbarkeit bezeichnet oder nur für einzelne Delikte Geltung beansprucht. 155 Einerseits wird das soziale Phänomen der „Prostitution" maßgeblich von der bestehenden Nachfrage bestimmt (vgl. Simson / Geerds, Straftaten, S. 512; Kühne, ZRP 1975, 188 und Bargon, Prostitution, S. 309; s. a. Kaiser, Kriminologie, 79/ 19); andererseits ist der legislatorische Verzicht auf ein umfassendes gesetzliches Verbot gewiß nicht durch einen Schutz der Erwerbsinteressen der Prostituierten motiviert.

III. Zur Teilnahme des Freiers bezüglich der Prostitutionsdelikte

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(oder psychischen) Schwierigkeiten nutzen, erscheint ein strafrechtliches Verbot, das weder die aktuelle Situation noch den Gegenstand der Leistung betrifft, sondern den Kunden zum Kontrollinstrument für die Umstände der Prostitutionsausübung im Hinblick auf die Gefahren dauerhafter Verstrickung macht, ziemlich aussichtslos. Hierbei ist auch zu bedenken, daß derartige Organisationsformen gerade zu dem Ziel geschaffen wurden, den Freier als zahlenden Kunden zu gewinnen oder zu halten 156 ; die Erwartung, daß das auf ihn zugeschnittene Angebot im Hinblick auf Interessen Dritter vom Kunden zurückgewiesen wird, wäre somit ohnehin gering. Im übrigen ist davon auszugehen, daß auch die Prostituierte den Kunden nicht dem Lager jener zuordnen wird, die ihre Tätigkeit organisatorisch bestimmen 157 ; vielmehr dürfte auch insoweit der Freier als „neutraler" Begleitumstand verstanden werden, von dem zwar im Einzelfall Gefahren drohen können, der aber für ein generelles Festhalten an der Prostitution nur eine unbedeutende Größe darstellt. Weiterhin erscheint eine Kriminalisierung des Freiers auch deshalb entbehrlich, weil sie sich schon aus Beweisgründen allenfalls gegen Besucher von Bordellen oder bordellähnlichen Betrieben richten könnten; denn nur insoweit könnte angesichts der institutionalisierten Abläufe 158 eine Kenntnis des Kunden von den die Haupttat ausmachenden Umstände angenommen werden. Abgesehen davon, daß bezüglich anderer Prostitutionsformen eine Teilnahmestrafbarkeit des Kunden regelmäßig (auch) aus Beweisgründen ins Leere liefe, bestehen gerade im Hinblick auf die Bordelle bzw. bordellähnlichen Betriebe durchaus effektivere staatliche Kontrollmechanismen: Wird im Rahmen eines gegen die Betreiber solcher Etablissements gerichteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens 159 oder anläßlich einer gewerbe- oder ausländerpolizeilichen Überprüfung eine Razzia in einem derartigen Betrieb durchgeführt, so bewirkt allein die hierdurch ausgelöste Unruhe eine Abschreckungswirkung, die durch eine zusätzliche Strafdrohung gegen die Kunden nicht nennenswert verstärkt werden könnte. Bezieht man schließlich die Aspekte des effektiven Umgangs mit den knappen Verfolgungsressourcen und die allgemeine Gefahr eines Abstumpfens des Strafrechts in die Überlegungen mit ein, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ungeachtet des durchaus schwerwiegenden Rechtsguts der persönlichen und wirt156 Die Anpassung der Prostitution an die wirtschaftlichen und sexualideologischen Entwicklungen der Nachkriegszeit wird ausführlich beschrieben von Kreuzer, Prostitution, S. 211 ff. (s. im vorliegenden Zusammenhang u. a. aaO. S. 273 f., 282 f.). Vgl. auch Dieckmann, Bild des Zuhälters, S. 35 ff. 157 Die personale Beziehung der Prostituierten sowohl zum Freier als auch zum Zuhälter trägt durchaus ambivalente Züge; vgl. Kaiser, Kriminologie, 79 / 24; Bargon, Prostitution, S. 164 f.; Dieckmann, Bild des Zuhälters, S. 38 f. und Schneider, Middendorff-FS (1986), S. 268. iss Vgl. die Darstellung bei Kreuzer, Prostitution, S. 266 ff., 274 ff. 159 Für eine Bestrafung des Kunden ist eine nachweisbare Haupttat ohnehin unverzichtbar. Zu dem Aspekt, daß die Polizei durch die Überwachung der Strafvorschriften „den Fuß in der Tür" der Prostitutionsbetriebe hat, vgl. auch Horstkotte, JZ 1974, 88.

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schaftlichen Unabhängigkeit der Prostituierten eine Herausnahme des Kunden aus dem Strafbarkeitskontext vorzugswürdig erscheint 160. cc) Ist eine Privilegierung des Freiers im Rahmen der zum Schutz der Prostituierten geschaffenen Straftatbestände mithin grundsätzlich zu bejahen, so bedarf die Reichweite der Straflosigkeit näherer Klärung. Denn die bisherigen Überlegungen waren maßgeblich durch den Umstand geleitet, daß das strafrechtliche Regelungskonzept an der Bekämpfung institutionalisierter Abhängigkeitsgefahren ausgerichtet ist. Es gibt jedoch in dem hier interessierenden Sachgebiet auch einige Strafdrohungen, die dem Schutz der Unabhängigkeit der Prostituierten dienen, ohne eine besonders geartete Organisationsform oder auf Dauer angelegte Beziehungen zwischen Täter und Opfer zu verlangen. Dies gilt vor allem für den Menschenhandel (§181 StGB), aber auch für das Hineinführen von Personen unter 21 Jahren in die Prostitution (§ 180 a IV StGB). Angesichts dieser Straftatbestände ist zu entscheiden, ob der Freier nur in bezug auf die Haupttaten mit organisationsbezogenen Strafbarkeitsanforderungen straflos bleibt oder ob eine weitergehende Privilegierung des Kunden anzunehmen ist. In dogmatischer Hinsicht spitzt sich die Problemstellung auf die Frage zu, ob der Aspekt der besonders strukturierten Abhängigkeitsverhältnisse das (auch als Grenzwert der Privilegierung) maßgebliche Kriterium darstellt oder ob es sich hierbei nur um einen vorgelagerten Gesichtspunkt handelt, der auf das eigentlich relevante Gefahrenmodell verweist, wonach die allgemeinen Prostitutionsanreize als tolerierte Gefahrschaffungen von den strafbaren Sondergefahren einer Verstrickung ins Prostitutionsmilieu abzuschichten sind. Die zuletzt genannte Konzeption einer allgemeineren Gefahrenbetrachtung erscheint hierbei aus mehreren Gründen vorzugswürdig. Zunächst ist festzustellen, daß der Schutz der Unabhängigkeit der Prostituierten auch in den Fällen bewußt fragmentarisch gestaltet ist, in denen die betreffende Strafnorm auf besondere Organisationserfordernisse verzichtet; hierbei wird das Fehlen struktureller Umstände regelmäßig kompensiert durch restriktive, nur besonders massive Beeinträchtigungen der Willensfreiheit erfassende Handlungsbeschreibungen 161. Zudem würde eine Beschränkung der Straflosigkeit auf Delikte mit besonders vertypten Abhängigkeitsstrukturen die positiven Wirkungen der Entkriminalisierung teilweise wieder zunichte machen: Die Privilegierung befreit den Kunden von der Pflicht, sich 160 Vgl. auch die allgemeine Einschätzung von Schneider (Handwörterbuch der Kriminologie Bd. 5, Stichwort „Prostitution", S. 12): „Die strafrechtliche Verfolgung der Prostitution verursacht hohe Kosten und hat einen zweifelhaften Wert." 161 Soweit § 181 Nr. 1 StGB neben „Gewalt" und „Drohung mit einem empfindlichen Übel" auch die „List" nennt, erfährt dieses Merkmal eine einengende Interpretation dahingehend, daß »jedenfalls . . . das bloße listige Schaffen eines Anreizes zur Ausübung der Prostitution gegenüber einer erwachsenen Person, die sich im übrigen frei zur Aufnahme dieser Tätigkeit entschließt, noch nicht den Tatbestand des Menschenhandels im Sinne des § 181 Nr. 1 StGB" erfüllt (so wörtlich BGHSt. 27, 27 [28]); s. a. BGH bei Holtz, MDR 1989, 305 (zum „Einwirken" im Sinne des § 180a IV StGB).

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Gedanken über die allgemeine Lebenssituation der Prostituierten zu machen; er ist insbesondere nicht (strafrechtlich) gehalten, darauf zu achten, daß ihr die ungehinderte Möglichkeit zur Aufgabe dieser Tätigkeit offensteht. Dieser Verengung des Verantwortungskreises korrespondiert eine Entlastung der strafrechtlichen Ermittlungsorgane dergestalt, daß sich ihre Pflicht zur Strafverfolgung nicht auf das Verhalten derjenigen erstreckt, die lediglich die angebotenen Dienstleistungen gegen Entgelt annehmen. Dieses Regelungskonzept würde aufgebrochen, wenn man eine Teilnahmestrafbarkeit des Freiers zum Einwirken auf eine noch nicht 21jährige Prostituierte (§ 180a IV StGB) annehmen wollte 1 6 2 . Abgesehen von den allgemeinen Vorbehalten gegen eine strafrechtsbewehrte Boykottpflicht könnte eine solche Teilnahmestrafbarkeit auch deshalb nicht als geeigneter Beitrag zu einem effektiv gestalteten Rechtsgüterschutz anerkannt werden, weil eine Kenntnis des Freiers von den besonderen Handlungsmerkmalen regelmäßig nicht gegeben, jedenfalls aber nicht beweisbar sein wird 1 6 3 . Ebenso wie dies allgemein für die Begründung der Teilnahmestrafbarkeit bei den hier erörterten Straftatbeständen gilt, ist allerdings auch die Straflosigkeit des Freiers nicht nach der personalen Stellung, sondern im Hinblick auf die funktionale Bedeutung des Verhaltens zu entwickeln. Es wäre daher verfehlt anzunehmen, das Rechtsgut der persönlichen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Prostituierten sei dem Freier schutzlos preisgegeben. Vielmehr ist zu betonen, daß der Straflosigkeit eine deliktstypische Gefahrenbetrachtung zugrundeliegt: Jemand ist also nicht schlechthin gegenüber der Prostituierten straflos, weil er für die Erbringung sexueller Dienste bezahlt (hat), sondern der „Endverbraucher" der „Ware" Sexualität begründet bei normativer Betrachtung typischerweise keine hinreichende Gefahr einer strukturell verfestigten Abhängigkeit. Hieraus folgt zum einen, daß die Kundeneigenschaft jenseits der Gefahren einer (dauernden) Verstrickung der Dirne in die Prostitution ohne strafrechtliche Bedeutung ist; insbesondere sind die §§177 ff. StGB uneingeschränkt anwendbar, wenn die Prostituierte zu der konkreten sexuellen Einzelhandlung genötigt 162 Gerade zum Spannungsfeld Minderjährigenschutz und Prostitutionsgefahren ist daran zu erinnern, daß der Gesetzgeber bewußt davon abgesehen hat, den zahlenden Sexualpartner einer Person unter 18 Jahren (!) für strafbar zu erklären; vgl. oben II. 4. 163 Einschlägig für eine etwaige Teilnahmestrafbarkeit des Freiers wären vor allem die „positiven" Förderungsmaßnahmen (vgl. Geerds, JR 1979, 343 f.) im Sinne des § 180a I Nr. 2 StGB; hierunter fallen z.B. (vgl. die kasuistische Zusammenstellung bei Dreher l Tröndle, § 180 a Rdn. 5) die Zuweisung von Freiem oder das zentrale Kassieren (zum sog. „Bon-System" vgl. BGH, StV 1986, 294), mithin also Verhaltensweisen, die einen unmittelbaren Bezug (auch) zum Freier aufweisen und von ihm als Maßnahmen der Betriebsorganisation erkannt werden. Demgegenüber kann das Delikt des Menschenhandels (§181 StGB) im Hinblick auf eine Teilnahmestrafbarkeit des Freiers vernachlässigt werden. Denn eine Person, die an sich bereit ist, sich zu prostituieren, kann grundsätzlich nicht Opfer des § 181 StGB werden. Erforderlich ist vielmehr, daß jemand durch Ausnutzung bestimmter Willensdefekte zur Prostitution veranlaßt wird, die er (so) nicht (mehr) will; vgl. Dencker, NStZ 1989, 249 ff. (254). An einer diesbezüglichen Kenntnis wird es dem „normalen" Kunden aber regelmäßig fehlen.

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wird . Zum anderen wird man eine Teilnahmestrafbarkeit des Kunden aber auch im Hinblick auf § 181a StGB dann annehmen müssen, wenn er sich als sog. „Testfreier" 165 in die tatbestandsmäßigen Beherrschungs- und Kontrollstrukturen einbinden läßt; denn mit der kommunikativen Rückkopplung verliert dieser Freier seine „Neutralität" und wird zum funktionalen Bestandteil des Überwachungssystems 1 6 6 . Als Ergebnis läßt sich somit feststellen, daß auch bezüglich der zum Schutz der Prostituierten geschaffenen Straftatbestände (§§ 180a, 181 und 181a StGB) eine Privilegierung des Freiers zu bejahen ist. Soweit sich das Verhalten des Kunden darauf beschränkt, die ihm offerierten Angebote entgeltlicher Sexualität zu nutzen, stellt sich seine Mitwirkung in bezug auf den tatbestandlichen Schutzzweck dieser Strafnormen als toleriertes — und damit strafloses — Risiko dar; denn insoweit handelt es sich um einen bloßen allgemeinen Prostitutionsanreiz, dem der normative Bezug zu den (vorwiegend institutionalisierten) Sondergefahren fehlt.

164 Besondere — allerdings nicht auf die Prostitution beschränkte — Probleme ergeben sich, sofem die Gewalt ausschließlich von einem Dritten (ζ. B. dem Zuhälter) ausgeübt wird; vgl. dazu BGH, NStZ 1985, 70 und 71; S/S-Lenckner, § 177 Rdn. 10 f. und Gössel, Jescheck-FS Bd. I (1985), S. 541 ff., 557. Bedenklich erscheint es, (allein) aus der Prostituierteneigenschaft auf einen minder schweren Fall zu schließen; zweifelhaft insoweit BGH, MDR 1973, 555; s. a. Burgsmüller, Streit 1985, 50 ff. und Hillenkamp, Vorsatztat, S. 289 f. (mit Fn. 357). 165 Vgl. Kreuzer, Prostitution, S. 261. 166 Fraglich ist, ob das Ausnutzen fremder Gewalt (s. oben Fn. 164 und BGH bei Holtz, MDR 1983,984) stets den Privilegierungsrahmen sprengt und eine Teilnahmestrafbarkeit des Kunden auch bezüglich § 181(a) StGB begründet. Allerdings betrifft diese Fallgestaltung nicht das typische Kundenverhalten; außerdem sind die praktischen Konsequenzen im Hinblick auf die Strafrahmen der §§177 ff. StGB gering.

Ergebnisse der Untersuchung Der Begriff der „notwendigen Teilnahme" findet in der Strafrechtsdogmatik unterschiedliche Verwendung. Zum einen bezeichnet er die Spitze eines klassifikatorischen Systems, das die Teilgebiete der Konvergenzdelikte und der Begegnungsdelikte umschließt. Zum anderen wird der Terminus aber auch als Synonym für den Komplex der Begegnungsdelikte verwandt; in diesem Zusammenhang soll durch den Begriff der „notwendigen Teilnahme" die Straflosigkeit bestimmter Teilnahmekonstellationen zum Ausdruck gebracht werden. Die vorliegende Untersuchung konzentrierte sich auf die Begegnungsdelikte; maßgeblich hierfür war neben der einheitlichen Zielrichtung privilegierter Teilnahmehandlungen der Umstand, daß sich auch in diesem engeren Teilgebiet hinter einem schlagwortartigen Sprachgebrauch ganz unterschiedliche dogmatische Erscheinungsformen verbergen, die eine Zusammenfassung unter einem einheitlichen dogmatischen Oberbegriff — sei es auch „nur" der des „Begegnungsdelikts" — zumindest zweifelhaft erscheinen lassen. Die Heterogenität innerhalb der Begegnungsdelikte zeigt sich besonders deutlich daran, daß der Bezugspunkt der „Notwendigkeit" nicht einheitlich bestimmt wird; hiermit korrespondiert eine unterschiedliche Reichweite der mit dem Terminus der „notwendigen Teilnahme" bezeichneten Privilegierung. Als nahezu unbestritten gilt die These, daß die durch eine Strafnorm geschützte Person nicht wegen Teilnahme an einer diese Norm übertretenden Haupttat bestraft werden kann. Da hier eine umfassende, nicht von der Intensität des Mitwirkungsverhaltens abhängige (und insbesondere auch die Anstiftung einschließende) Straflosigkeit angenommen wird, kann sich die „Notwendigkeit" nicht auf das Verhalten, sondern allein auf die Person des „notwendigen Teilnehmers" beziehen. Demgegenüber wird für andere Delikte nur eine inhaltlich beschränkte Privilegierung anerkannt; hiernach soll der „notwendige Teilnehmer" nur insoweit straflos bleiben, als sein Verhalten nicht den Rahmen des zur Deliktsverwirklichung denknotwendigen Mindestmaßes übersteigt. Im Rahmen dieser Fallgruppe wird die „Notwendigkeit" mithin in einem verhaltensbezogenen Sinne interpretiert. Vor dem Hintergrund dieser Divergenz bezüglich der dogmatischen Struktur und der Reichweite der Privilegierung bestand das Ziel dieser Arbeit darin, beide Teilgruppen des Komplexes der Begegnungsdelikte auf ihre dogmatische Tragfähigkeit hin zu untersuchen. An dieser Stelle sollen nunmehr die für beide Teilbereiche gewonnenen Ergebnisse kurz skizziert und daraufhin untersucht werden, welche Schlußfolgerungen sich hieraus in bezug auf eine einheitliche Rechtsfigur der „notwendigen Teilnahme" (sei es in einem auf die Begegnungsdelikte beschränkten oder sogar in einem übergreifenden klassifikatorischen Sinne) ziehen lassen.

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Ergebnisse der Untersuchung

Hinsichtlich der Mitwirkung der durch die Norm geschützten Person hat die Untersuchung das praktisch einhellig akzeptierte Ergebnis der umfassenden Straflosigkeit des Tatopfers bestätigt. Die Begründung dieser Privilegierung basiert auf allgemeingültigen — und nicht von Besonderheiten des jeweiligen Einzeldelikts abhängigen — Prinzipien. Im einzelnen stellt sich die Argumentationskette wie folgt dar: 1. Als „Opfer" im hier gemeinten Sinne ist der Inhaber des vom jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts anzusehen. 2. Der materielle Grund für die Bestrafung des Teilnehmers liegt im Angriff auf das durch die Haupttat beeinträchtigte Rechtsgut. 3. Da dem Rechtsgutsträger zwar eine faktische Zerstörung der Rechtsgutsobjekte, nicht aber eine „Rechtsgutsverletzung" im Rechtssinne möglich ist, entspricht sein Mitwirkungsverhalten nicht dem Strafgrund der Teilnahme und ist daher straflos. In Fallkonstellationen mit mehreren Rechtsgutsträgern ist durch eine Auslegung des betreffenden Tatbestandes zu ermitteln, ob die einzelnen Rechtsgüter (bzw. Rechtsgutsteile) in einem alternativen oder in einem kumulativen Schutzkonzept zusammengefaßt sind. Nur bei einer alternativen Schutzgüterkombination kommt eine (Teilnahme-)Strafbarkeit eines Teilinhabers in Betracht, da allein bei einer solchen Normstruktur bereits die fremden Rechtsgüter (bzw. Rechtsgutsteile) den vollen Strafrechtsschutz erfahren. Wird ein Tatbeteiligter irrtümlich Opfer der Tat, so hat seine Rechtsgutsträgereigenschaft zur Folge, daß er allenfalls wegen (Teilnahme an) einer versuchten Tat bestraft werden kann. Ob der Strafbarkeitsbereich noch weiter einzuengen und lediglich auf die Fälle des § 30 StGB zu beschränken ist, bestimmt sich unabhängig von der Personenidentität von Tatbeteiligtem und Tatopfer; maßgeblich ist hierbei allein die (umstrittene) Frage, ob eine Störung der personalen Beziehung zwischen dem unmittelbar Handelnden und den übrigen Tatbeteiligten vorliegt und welche Konsequenzen (Beteiligung am Versuch oder versuchte Beteiligung) sich hieraus ergeben. Den zentralen Gesichtspunkt dieses Begründungsmodells bildet die Erkenntnis, daß das „Rechtsgut" einen sog. Bezugsbegriff darstellt; hiermit ist gemeint, daß das rechtliche Schutzsubstrat untrennbar mit demjenigen verbunden ist, dem diese werthafte Funktionseinheit zugewiesen ist. Diese Ableitung aus der Rechtsgutsträgereigenschaft ermöglicht es, die unterschiedliche dogmatische Behandlung der Straflosigkeit des Tatopfers gegenüber der Teilnahmestrafbarkeit des Extraneus am Sonderdelikt zu erklären. Andererseits ergeben sich aus dem Kriterium der Rechtsgutsinhaberschaft zugleich die dogmatischen Grenzen dieses Begründungsansatzes. Der Aspekt der Unangreifbarkeit des geschützten Rechtsguts darf deshalb nicht in der Weise überdehnt werden, daß er auch auf solche Personen angewandt wird, die — wie etwa der Gefangene in bezug auf § 120

Ergebnisse der Untersuchung

StGB — nicht Träger dieses Rechtsguts sind. Umgekehrt ist es jedoch gleichermaßen abzulehnen, sich mit einer normativen Begünstigung in Gestalt eines bloßen „Schutzreflexes" zu begnügen. Vielmehr ist daran festzuhalten, daß das legislatorische Schutzkonzept seinen Niederschlag gerade in der Festlegung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts (bzw. einer Kombination mehrerer Rechtsgüter) findet. Die Vorstellung, es gebe einen minderen Schutzgutsbezug, der zwar unter Zuhilfenahme des Schlagwortes von der „notwendigen Teilnahme" die Straflosigkeit des reflexartig Begünstigten sicherstellt, andererseits aber keinen Zweifel an einer fehlenden Dispositionsbefugnis aufkommen läßt, ist allzu stark von dem sekundären Problem der Einwilligungsdogmatik geprägt. Erkennt man hingegen, daß die Rechtsgutsinhaberschaft eine zwar notwendige, keineswegs aber hinreichende Bedingung für die (auf die Straflosstellung Dritter gerichtete) Dispositionsbefugnis ist, so wird der nebulose Begriff eines mit beschränkter Rechtswirkung ausgestatteten „Schutzreflexes" entbehrlich. Ein weiteres Ergebnis der vorliegenden Untersuchung besteht in der Erkenntnis, daß der weithin konsentierte Grundsatz der Straflosigkeit der denknotwendigen Mindestmitwirkung bzw. des rollen wahrenden Teilnahme Verhaltens nicht anzuerkennen ist. Diese Straflosigkeitsthese, die eine Kernaussage der Lehre von der „notwendigen Teilnahme" beinhaltet, ist theoretisch als ein von einzeldeliktsbezogenen Umständen prinzipiell unabhängiger, allgemeine Gültigkeit beanspruchender Grundsatz konzipiert. Doch weder der bisweilen angeführte Umkehrschluß zu den Begegnungsdelikten mit allseitiger Strafdrohung noch die historische Entwicklung dieser Privilegierung ermöglichen eine einzeldeliktsunabhängige, originär auf das Rechtsinstitut der „notwendigen Teilnahme" gegründete Straflosigkeit. Auch bei der Handhabung des vermeintlichen Prinzips zeigt sich, daß der vom Einzeldelikt abstrahierende Denkansatz nicht durchgehalten werden kann; insbesondere erfolgt die Festlegung des straflos bleibenden Mitwirkungsverhaltens nicht strikt anhand einer logisch-abstrakten Denknotwendigkeit, sondern das Bemühen um eine sinnhafte Gestaltung des Privilegierungsrahmens zwingt zu Wertungen, die ihre Grundlage ausschließlich im Sinn und Zweck der jeweils betroffenen Einzelnorm finden. Mit dem Fehlen eines allgemeinen Formalprinzips ist jedoch nicht definitiv die Strafbarkeit auch der „rollenwahrenden" Mitwirkung des „notwendigen Teilnehmers" festgestellt. Bieten schon die traditionsreiche und weithin widerspruchslose Akzeptanz jener Strafbarkeitsbeschränkungen hinreichenden Anlaß, nach anderen, dogmatisch tragfähigen Argumentationsmodellen Ausschau zu halten, so kommt hinzu, daß in jüngster Zeit auch unabhängig von der „notwendigen Teilnahme" dogmatische Strukturen zur Begrenzung der Teilnahmestrafbarkeit verstärkt Gegenstand der strafrechtlichen Diskussion waren. Allerdings haben sich weder der unmittelbare Rückgriff auf den (rechts-)soziologischen Rollenbegriff noch die Rechtsfigur der „Sozialadäquanz" oder die moderne Lehre vom

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Ergebnisse der Untersuchung

tatbestandsmäßigen Verhalten als taugliche Lösungskonzepte für die „notwendige Teilnahme" erwiesen. Die Heranziehung jener Rechtsinstitute im Rahmen der „notwendigen Teilnahme" begegnet grundsätzlichen Bedenken insofern, als es der „Sozialadäquanz" oder der Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten um die Abschichtung peripherer Mitwirkungsakte, mithin um die Herausfilterung von Verhaltensweisen ohne (hinreichenden) deliktischen Sinnbezug geht, während der spiegelbildlich zur Tathandlung erbrachte Komplementärakt des „notwendigen Teilnehmers" gerade im Zentrum des tatbestandsmäßigen Geschehens angesiedelt ist. Angesichts dieses dogmatischen Befundes kommt als Ansatzpunkt für ein teilnahmespezifisches Privilegierungskonzept im vorliegenden Zusammenhang allein das jeweilige Einzeldelikt in Betracht. Die Verankerung im Besonderen Teil des Strafrechts befreit das Privilegierungsproblem vom Prokrustesbett einer „denknotwendigen Mindestmitwirkung" und ermöglicht einen sachgerechten Zuschnitt des Straflosigkeitsrahmens. Freilich ist der zusätzliche dogmatische Gestaltungsspielraum nur um den Preis einer tendenziellen Auflösung einheitlicher Konturen zu gewinnen. Hierdurch wird zwar die Berechtigung der „notwendigen Teilnahme" als eigenständige Rechtsfigur stark erschüttert, doch gibt es insoweit mangels eines allgemeinen Begründungsansatzes keine wirkliche Alternative. Die Untersuchung des Privilegierungsproblems zu ausgewählten Einzeldelikten nimmt nicht eine abschließende Klärung dieser Frage für sich in Anspruch, sondern versteht sich als erster Beitrag einer noch zu führenden Diskussion, in der die Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" unter dogmatischen und kriminalpolitischen Aspekten zu erörtern ist. Eingedenk dieses Vorbehalts lassen sich folgende Ergebnisse der einzeldeliktsbezogenen Untersuchung feststellen: 1. Eine Privilegierung des auf seine Begünstigung hinwirkenden Gläubigers im Rahmen des § 283 c StGB ist nicht anzuerkennen; dies gilt auch, sofern sich die Mitwirkung auf die Entgegennahme der vom Schuldner gewährten Sicherheit oder Befriedigung beschränkt. 2. Hinsichtlich des Erwerbs von Raubkopien führte die Untersuchung zu einer Straflosigkeit allein des Endabnehmers; der Erwerb durch den Zwischenhändler ist demgegenüber als strafbare Teilnahme am Verbreiten (§§ 106 ff. UrhG) zu beurteilen. 3. Für das Delikt der Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) ist bezüglich der Mitwirkung des seine Befreiung erstrebenden Häftlings ein dem normativen Vorbild des § 258 Abs. 5 StGB entsprechendes Privilegierungsmodell anzuerkennen, dessen dogmatische Grundlage das strafrechtliche Selbstbegünstigungsprinzip bildet. 4. Beim Parteiverrat (§ 356 StGB) ist eine Privilegierung der mitwirkenden Gegenpartei abzulehnen, doch kann sich ihre Straflosigkeit im Einzelfall unter Irrtumsaspekten ergeben. Die „verratene" Partei ist als von der Norm (mit)geschütztes Opfer auch im Fall ihres unwirksamen Einverständnisses straflos.

Ergebnisse der Untersuchung

5. Bezüglich des Verbreitens pornographischer Schriften (§ 184 StGB) begründet der Erwerb durch den Endabnehmer keine Teilnahmestrafbarkeit. 6. Im Rahmen der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180 StGB) ist hinsichtlich der Teilnahmestrafbarkeit des verkuppelten Sexualpartners der minderjährigen Person zu differenzieren: Hinsichtlich der Taten gemäß § 180 Abs. 1 StGB ist eine Teilnahmestrafbarkeit des Sexualpartners zu verneinen; entsprechend dürfte bezüglich der Fälle des § 180 Abs. 2 StGB zu entscheiden sein. Strafbar ist die Mitwirkung des Sexualpartners hingegen in den Fällen des § 180 Abs. 3 StGB, der den Mißbrauch einer zum Kuppler bestehenden besonderen Abhängigkeit des Opfers (parallel zu § 174 StGB) pönalisiert. Der Umfang der mitwirkenden Tätigkeit in bezug auf das kupplerische Verhalten ist in allen Fällen ohne Bedeutung. 7. Im Hinblick auf die Prostitutionsdelikte scheidet eine Teilnahmestrafbarkeit des Freiers bezüglich der von der Prostituierten begangenen Taten gemäß §§ 184 a und 184b StGB aus. Auch hinsichtlich der zum Schutz der Prostituierten geschaffenen Straftatbestände (§§ 180 a, 181 und 181a StGB) ist eine strafbare Teilnahme des Kunden grundsätzlich zu verneinen. Wichtiger als die minutiöse Nachzeichnung der für die jeweiligen Einzeldelikte ermittelten Straffreiheitsräume ist im Rahmen dieser zusammenfassenden Betrachtung jedoch die Frage, inwieweit sich allgemeinere Aussagen über diesen Teilbereich der „notwendigen Teilnahme" treffen lassen. In diesem Zusammenhang ist zunächst das Negativum festzustellen, daß keineswegs für alle Delikte mit „notwendiger Teilnahme" eine Privilegierung begründbar erscheint. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB), die in der historischen Entwicklung des Rechtsinstituts der „notwendigen Teilnahme" eine herausragende Rolle gespielt hat. Ein uneinheitliches Bild bietet sich weiterhin bezüglich der dogmatischen Anknüpfungspunkte für ein Privilegierungskonzept: Eine explizite Äußerung des historischen Gesetzgebers in bezug auf die Teilnahmestrafbarkeit des „notwendigen Teilnehmers" konnte nicht festgestellt werden. Vielmehr mußte die Privilegierung unter Rückgriff auf indizielle Aspekte erschlossen werden; hierbei waren neben allgemeineren Stellungnahmen in den einschlägigen Gesetzesmaterialien vor allem systematische Überlegungen im Hinblick auf solche Strafnormen von Bedeutung, die sich in Ansehung desselben Regelungskonflikts unmittelbar auf die Person des „notwendigen Teilnehmers" bezogen. Als mehrfach wiederkehrende Argumentationsstruktur hat sich die Ablehnung einer strafrechtsbewehrten Boykottpflicht für Endverbraucher erwiesen. In diesem Auslegungsgrundsatz verbinden sich teleologische Aspekte mit der Berücksichtigung allgemeiner kriminalpolitischer Rahmenbedingungen; im einzelnen sind hierbei folgende, sich teilweise überschneidende Gesichtspunkte zu nennen: Die vom Konsumenten unmittelbar (mit)verursachte Rechtsgutsbeeinträchtigung trägt regelmäßig Bagatellcharakter; diesen Umstand vermag der Endabnehmer, 18 Sowada

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Ergebnisse der Untersuchung

der vom jeweiligen Angebot abhängig ist und für den Haupttäter nur als statistische Kalkulationsgröße fungiert, durch eigenen Willensentschluß nicht gezielt zu verändern. Die mit einer strafrechtsbewehrten Boykottpflicht einhergehende Einschränkung der Handlungsfreiheit erscheint insbesondere dann als unangemessen, wenn nicht die Erlangung der Leistung als solche, sondern nur bestimmte Angebotsformen, auf deren Gestaltung der Kunde keinen Einfluß hat, die Strafbarkeit begründen. Da angesichts einer unvermeidbar hohen Dunkelziffer die für eine effektive Boykottstrategie unverzichtbare (relativ) hohe Normbefolgungsrate nicht durchgesetzt werden kann, leistet die Erwerberstrafbarkeit auch aus der Opferperspektive keinen geeigneten Beitrag zum Rechtsgüterschutz; größere Erfolgsaussichten bietet insoweit der konzentrierte Einsatz des strafrechtlichen und ordnungspolizeilichen Instrumentariums gegen die (zumeist gewerbsmäßig handelnden) Anbieter. Vor diesem Hintergrund wirkt die Vervielfältigung von Kriminalität im Schneeballsystem geradezu kontraproduktiv, da hierdurch die ohnehin schon knappen Strafverfolgungsressourcen im Bagatellbereich gebunden werden. Die dargestellten Gesichtspunkte lassen sich pointiert dahingehend zusammenfassen, daß eine Strafrechtsnorm, die für das Opfer praktisch unnütz, für den Täter (hier: den „notwendigen Teilnehmer") nicht einsichtig und für die Strafverfolgungsbehörden nicht durchsetzbar ist, keine ernsthafte Aussicht hat, befolgt zu werden. Dies schließt nicht aus, daß der Gesetzgeber sich entgegen dieser Bedenken für eine Strafbarkeit auch des jeweiligen Erwerbers entscheidet, doch muß er dann den betreffenden Tatbestand entsprechend fassen. Der entwickelte Auslegungsgrundsatz ist auf jene Delikte beschränkt, in denen in deliktstypischer Weise einer geringen Zahl von Tätern (bzw. auf Täterseite tätigen Hilfspersonen) eine Vielzahl von Personen gegenübersteht, deren Beitrag zum Gesamtgeschehen von minimaler Bedeutung ist. Es ist hervorzuheben, daß in allen erörterten Fallkonstellationen über diese Grundstruktur hinaus die Privilegierung durch zusätzliche deliktsspezifische Gesichtspunkte dogmatisch untermauert wurde. Die hier befürwortete Straflosigkeit ist deshalb auch nicht dem Vorwurf ausgesetzt, dem Ungehorsam gegenüber dem Gesetz(geber) das Wort zu reden, indem eine an sich gebotene Strafbarkeit unter Hinweis auf ein bestimmtes kriminalpolitisches Programm partiell aufgehoben wird. Im Gegenteil darf vermutet werden, daß der traditionsreiche Konsens über die Straflosigkeit der „notwendigen Teilnahme" maßgeblich darauf beruht, daß unter dem Deckmantel dieser Rechtsfigur die gemeinhin für evident erachtete Straflosigkeit bestimmter Teilnahmehandlungen zumindest mit einem dogmatischen Etikett versehen werden konnte. Am Ende dieser Untersuchung stellt sich die Frage, ob die „notwendige Teilnahme" als eigenständige Rechtsfigur beibehalten oder aufgegeben werden sollte. Wollte man die ,»notwendige Teilnahme" als abstrakte Beschreibung einer Deliktsstruktur verstehen, die zwingend den Schluß auf eine (sei es auch nur verhaltenslimitierte) Privilegierung im Teilnahmebereich rechtfertigt, so käme nur ein sehr enger Anwendungsbereich für diese Rechtsfigur — nämlich die Straflosig-

Ergebnisse der Untersuchung

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keit des Tatopfers — in Betracht. Freilich ist zu bedenken, daß hier nur ein äußerst schwach ausgeprägter gedanklicher Bezug zur „notwendigen" Teilnahme besteht, da insoweit nur die Existenz eines (besonderen) personalen Tatobjekts, nicht hingegen die Erbringung eines bestimmten Komplementärbeitrages für die Deliktsbegehung erforderlich ist. Größeres Interesse verdient die Beibehaltung der „notwendigen Teilnahme" hingegen dann, wenn man die starre Verknüpfung von formaler Deliktsstruktur und Privilegierung auflöst. Der Begriff der „notwendigen Teilnahme" wird dann nicht von der Voraussetzungsseite her gebildet, sondern bewußt von der Rechtsfolgenseite her entwickelt; „notwendige Teilnahme" in diesem Sinne ist ausschließlich die straflose Teilnahme1. Freilich gilt es zu beachten, daß einem am Ergebnis der Straflosigkeit ausgerichteten Begriff kein eigenständiger Wert für die Begründung dieser Straflosigkeit zukommt, da andernfalls ein argumentativer Zirkelschluß vorläge. Der dogmatische Wert ergebnisorientierter Formalbegriffe liegt vielmehr in ihrer systematisierenden Funktion 2 . In diesem Sinne kommt der „notwendigen Teilnahme" durchaus Bedeutung zu; denn die „notwendige Teilnahme" ergänzt die modernen Zurechnungslehren einschließlich der Bemühungen um eine Konturierung des Handlungsunrechts in eigenständiger Weise. Soweit die Privilegierung ihre Grundlage in dem jeweiligen Straftatbestand findet, stellt die „notwendige Teilnahme" zugleich eine dogmatische Herausforderung des Akzessorietätsprinzips dar. Denn indem das Verhalten des „notwendigen Teilnehmers" eine normative Beurteilung als tatbestandsirrelevante Mitwirkung erfährt, wird der Teilnahme — jenseits der §§28 und 29 StGB — eine dogmatische Eigenständigkeit zuteil, die die Deutung der Teilnahme als bloßen unselbständigen Bezugsbegriff ins Wanken bringt. Im Gegensatz zur Rechtsfigur des agent provocateur oder zum Grundsatz der Straflosigkeit des Rechtsgutsinhabers weisen die tatbestandsbezogenen Privilegierungen eine ungleich größere dogmatische Sprengkraft auf, da sie sich nicht als Bestandteile der allgemeinen Beteiligungsdogmatik in die §§25 ff. StGB einbetten lassen. Der begründungsersetzende Hinweis auf die „notwendige Teilnahme" hatte den Nebeneffekt, die Tatbestandsrelevanz für die Privilegierung des Teilnehmers zu kaschieren, indem eine vermeintlich eigenständige Rechtsfigur als Legitimation für die Straflosigkeit ι Ist für die „notwendige Teilnahme" nicht mehr die begrifflich-formale Besonderheit des denknotwendigen Zusammenwirkens mehrerer Personen maßgeblich, sondern orientiert sich die Begriffsbestimmung an der materiell zu begründenden Straflosigkeit, so folgt hieraus zugleich, daß einem klassifikatorischen Oberbegriff der „notwendigen Teilnahme", der auch den Konvergenzbereich umfaßt, keine dogmatische Bedeutung zukommt. 2 Eine vergleichbare dogmatische Konsistenz hat Maiwald (Jescheck-FS Bd. I [1985], S. 424 f.; vgl auch bereits Preuß, Untersuchungen, S. 225) für die Rechtsfigur des „erlaubten Risikos" festgestellt: Hierbei handele es sich nicht um ein „materiales Prinzip", sondern um einen „Formalbegriff 4 im Sinne einer zusammenfassenden Bezeichnung für eine mehrfach auftretende normative Struktur, wobei die für eine Straflosigkeit jeweils maßgeblichen Sachgründe sich aus unterschiedlichen dogmatischen Kategorien ergäben. 18*

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Ergebnisse der Untersuchung

benannt werden konnte. Inwieweit sich die hier erarbeiteten Privilegierungen als eng umgrenzte Ausnahmen darstellen oder doch ein weitergehendes Umdenken in Richtung auf ein eigenständiges „Teilnehmerdelikt" fordern, bei welchem der durch die Haupttat verwirklichte Deliktstatbestand über die Akzessorietät hinaus Bedeutung für das Teilnahmeunrecht erlangt, kann hier nicht abschließend entschieden werden. Wichtig ist jedoch die Feststellung, daß die hier entwickelten Straffreiräume nicht pauschal unter Hinweis auf die Kautelen des Akzessorietätsprinzips zurückgewiesen werden können. Hiergegen spricht bereits die jahrzehntelange Tradition, die Freiräume rollenwahrender Tätigkeit faktisch unter Berücksichtigung der jeweils deliktstypischen Situation zu bestimmen; die Strafverfolgungspraxis überbot diese verhaltensbezogene Privilegierung vielfach im Sinne einer umfassenden Selektion bestimmter Personen aus den Ermittlungsvorgängen. Daß sich dieser dogmatische Besitzstand auch in den Fallkonstellationen, in denen sich eine Privilegierung als kriminalpolitisch sinnvoll und dogmatisch begründbar erwiesen hat, allein im Hinblick auf die „heilige Kuh" einer uneingeschränkten Akzessorietät beseitigen ließe, ist ebenso unwahrscheinlich wie ein gesetzgeberisches Tätigwerden, das die jeweilige Straflosigkeit ausdrücklich im Gesetz festschreibt. Soweit im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Privilegierung des „notwendigen Teilnehmers" abgelehnt wurde, hat dies zwar ebenfalls die Konsequenz, daß künftig strafrechtliche Ermittlungen erforderlich werden, die bislang unter Hinweis auf die „notwendige Teilnahme" vermieden werden konnten. Allerdings ist zu bedenken, daß hierdurch praktisch keine nennenswerte Mehrarbeit anfällt; denn die Person des begünstigten Gläubigers muß im Rahmen des § 283 c StGB ebenso bereits für den Nachweis der Haupttat ermittelt werden wie die Mitwirkung der Gegenpartei in den Fällen des (einverständlichen) Parteiverrats (§ 356 StGB). Abschließend ist zu entscheiden, ob der Begriff der „notwendigen Teilnahme" unter Einbeziehung der Opferstraflosigkeit gebildet werden oder ob er auf diejenigen Fallgestaltungen beschränkt sein soll, in denen sich die Privilegierung aus besonderen Umständen des jeweiligen Einzeldelikts ergibt. Für die Einbeziehung der Straflosigkeit des Rechtsgutsinhabers läßt sich auf die historische Entwicklung der „notwendigen Teilnahme" und auf eine auch heute gültige assoziative Zuordnung der Opferstraflosigkeit zum Problemkreis der „notwendigen Teilnahme" verweisen; für eine Ausgrenzung der Opferstraflosigkeit könnte hingegen geltend gemacht werden, daß hier ein dogmatisch festgefügtes, im Allgemeinen Teil verankertes Erklärungsmodell besteht, das sich strukturell maßgeblich von den an den Gegebenheiten der jeweiligen Norm des Besonderen Teils ausgerichteten Fallkonstellationen unterscheidet. Ungeachtet dieses Unterschiedes läßt sich jedoch ein beide Komplexe verklammernder Gesichtspunkt benennen, angesichts dessen eine entsprechend weite Konzeption der „notwendigen Teilnahme" letztlich als vorzugswürdig erscheint: In beiden Erscheinungsformen resultiert die Straflosigkeit des „notwendigen Teilnehmers" aus seiner funktionalen Sonderstellung. Das Opfer der Straftat ist ein besonderes Tatobjekt; eben diese Besonderheit,

Ergebnisse der Untersuchung

daß sich die Tat gegen die ihm zugewiesenen Rechtsgüter richtet, steht einer Beurteilung entgegen, die ihn zugleich der Gruppe der Deliktssubjekte zuordnet. Ähnlich, wenn auch nicht auf einer generellen Betrachtung beruhend, verhält es sich auch bei der anderen Fallgruppe der „notwendigen Teilnahme": Hier liegt dem jeweiligen Tatbestand ein Gefahrenmodell zugrunde, in dem der Beitrag des „notwendigen Teilnehmers" gleichsam als „weißer Fleck" erscheint und für die Begründung einer Teilnahmestrafbarkeit (aus Tatbestandsgründen) irrelevant ist. Der „notwendige Teilnehmer" ist „als Kunde", „als Endverbraucher" oder „als Sexualpartner" straflos; diese Beschreibungen stellen keine einer Person auf Dauer anhaftenden Merkmale dar, sondern sie beziehen sich auf eine typisierte Funktion, die jemand in einem bestimmten sozialen Kontext erfüllt. Hierin — und nicht im Merkmal der Denknotwendigkeit des Mitwirkungsaktes — liegt zugleich der berechtigte Ansatzpunkt für eine rollenorientierte Straflosigkeit; überschreitet jemand den sozialen Rahmen, der aufgrund einer Analyse des betreffenden Straftatbestandes als strafbarkeitsirrelevant ermittelt wurde, dann ist sein Beitrag als mißbilligte, nicht privilegierungsfähige Gefahrschaffung zu beurteilen. In diesem Sinne ist sowohl die im Allgemeinen Teil wurzelnde Straflosigkeit des Tatopfers als auch die sich aus tatbestandsspezifischen Gefahrenmodellen ergebende Straflosigkeit Ausdruck einer „funktionalen Privilegierung " im Teilnahmebereich. Eben durch diese besondere Funktionalität unterscheidet sich diese Privilegierungsstruktur von den übrigen Bemühungen, bestimmte Verhaltensweisen unter allgemeinen (nicht gerade deliktsspezifischen) Gesichtspunkten (fehlende Solidarisierung, mangelnder deliktischer Sinnbezug, Sozialadäquanz) der Teilnahmestrafbarkeit zu entziehen. Gerade aus dieser Besonderheit bezieht die „notwendige Teilnahme" als Ausdruck funktionaler Privilegierung im Bereich der Teilnahmelehre ihre dogmatische Berechtigung.

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eines Strafgesetzbuches: Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1969 (zitiert: AE-

— Besonderer Teil: Sexualdelikte, Straftaten gegen Ehe, Familie und Personenstand, Straftaten gegen den religiösen Frieden und die Totenruhe, 1968 (zitiert: AE-BT [Sexualdelikte]). — Besonderer Teil: Straftaten gegen die Wirtschaft, 1977 (zitiert: AE-BT [Wirtschaftsdelikte]). Alternativkommentar zum Strafgesetzbuch §§ 80-145 d, 1986 (zitiert: AK-[Bearb.]).

(hrsg. von Rudolf Wassermann), Band 3:

Altpeter, Frank: Strafwürdigkeit und Straftatsystem: eine Untersuchung zur Einbeziehung von Strafwürdigkeitsaspekten in das Straftatsystem am Beispiel der vortatbestandlichen und tatbestandlichen Ebene, 1990. Alwart, Heiner: Der praktische Fall — Strafrecht: Die Geschichte von dem Zimmermann Schliebe, dem Gymnasiasten Emst Hanisch, dem Holzhändler Rosahl und von dem Arbeiter namens Rose; in: JuS 1979, S. 351-357. — Über die Hypertrophie eines Unikums (§ 265 a StGB) — Die unbemerkte Straflosigkeit des Schwarzfahrens im Massenverkehr —; in: JZ 1986, S. 563-569. Amelung, Knut: Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft. Untersuchungen zum Inhalt und zum Anwendungsbereich eines Strafrechtsprinzips auf dogmengeschichtlicher Grundlage. Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der „Sozialschädlichkeit" des Verbrechens, 1972. — Vorteilssicherung und Angehörigenprivileg. Eine Studie zum Verhältnis zwischen den beiden Begünstigungstatbeständen; in: JR 1978, S. 227-233. — Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes. Eine Untersuchung im Grenzbereich von Grundrechts- und Strafrechtsdogmatik, 1981. — Die Zulässigkeit der Einwilligung bei den Amtsdelikten. Zum Verhältnis von Staatsschutz und Individualschutz im deutschen Amtsstrafrecht; in: Festschrift für Hanns Dünnebier zum 75. Geburtstag, 1982, S. 487-518. — Zur Kritik des kriminalpolitischen Strafrechtssystems von Roxin; in: Schünemann, Bernd (Hrsg.), Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, 1984, S. 85-102.

Schrifttumsverzeichnis

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Baumann, Jürgen /Weber,

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Bockelmann, Paul: Zur Reform des Sexualstrafrechts; in: Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, 1972, S. 391-414. — Strafrecht Besonderer Teil / 3 (Ausgewählte Delikte gegen Rechtsgüter der Allgemeinheit), 1980. Bockelmann, Paul/ Volk, Klaus: Strafrecht — Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1987. Bohne, Gotthold: Kuppelei; in: Festgabe für Reinhard v. Frank zum 70. Geburtstag, Band II, 1930, S. 440-515. Bohnert, Joachim: Zu § 236 StGB; in: ZStW Band 100 (1988), S. 508-526. — Übungsfall im Jugendstrafrecht: Torsten und Kerstin; in: Jura 1989, S. 546-553. — Beteiligung an notwendiger Beteiligung am Beispiel der Mietpreisüberhöhung (§ 5 WiStG); in: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 519-532. Borchert, Theodor: Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für Handlungen Dritter, insbesondere die Theilnahme am Verbrechen und die mittelbare Täterschaft, nach deutschpreußischem Recht, 1888. Borelli, Siegfried /Starck,

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Feder er, Georg: Die Gefangenenbefreiung nach geltendem Recht und den neuesten Strafgesetzentwürfen, Diss. jur. Tübingen 1932. Fiedler, Ralf-Peter: Zur Strafbarkeit der einverständlichen Fremdgefährdung — unter besonderer Berücksichtigung des viktimologischen Prinzips, 1990. Fincke, Martin: Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts, 1975. Finger, August: Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, Erster Band, 1904. Fischer, Dietmar: Die strafrechtliche Problematik des polizeilichen Lockspitzels, Diss, jur. Bonn 1982. Fischer, Thomas: Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung. Grundlagen und Entwicklung des Rechtsguts „öffentlicher Friede", insbesondere in den §§ 126, 130, 140 Nr. 2, 166 StGB, 1986. — „Erschleichen" der Beförderung bei freiem Zugang?; in: NJW 1988, S. 1828-1829. — Anmerkung zu OLG Stuttgart, Urteil vom 10.3.1989 — 1 St 635 / 88 = NJW 1990, 924; in: NStZ 1991, S.41-42. Flechsig, Norbert P.: Anmerkung zu KG, Urteil vom 1.12.1982 — (2) Ss 169 / 82 (30 / 82) = NStZ 1983, 561; in: NStZ 1983, S. 562-563. Frank, Jürgen: Ist die Bestimmung über den Parteiverrat (§ 356 StGB) ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB?; in: MDR 1962, S. 945-947. Frank, Reinhard: Anmerkung zu RG, Urteil des I. Senats vom 11.11.1915 (744/ 15) = JW 1916, 280; in: JW 1916, S. 280. — Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Einführungsgesetz, 15. Aufl. 1924. Franzheim, Horst: Die Teilnahme an unvorsätzlicher Haupttat, 1961. — Zur strafrechtlichen Relevanz von Individual- und Sozialethik—Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des Tatbestandes der Kuppelei —; in: G A 1962, S. 129-143. Frehsee, Detlev: Schadenswiedergutmachung als Instrument strafrechtlicher Sozialkontrolle. Ein kriminalpolitischer Beitrag zur Suche nach alternativen Sanktionsformen, 1987. Freudenthal, Berthold: Die nothwendige Theilnahme, 1901. Friedrich, Matthias: Strafbarkeit des Endabnehmers von Raubkopien?; in: MDR 1985, S. 366-368. Frisch, Wolfgang: Der Begriff des „Verletzten" im Klageerzwingungsverfahren. Eine dogmatische Untersuchung aus Anlaß der Entscheidung OLG Hamm NJW 72,1874; in: JZ 1974, S.7-13. — Vorsatz und Risiko. Grundfragen des tatbestandsmäßigen Verhaltens und des Vorsatzes. Zugleich ein Beitrag zur Behandlung außertatbestandlicher Möglichkeitsvorstellungen, 1983. — Tatbestandsprobleme der Strafvollstreckungsvereitelung; in: NJW 1983, S. 24712474. — Zum tatbestandsmäßigen Verhalten der Strafvereitelung — OLG Stuttgart, NJW 1981, 1569; in: JuS 1983, S. 915-924.

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— Grund- und Grenzprobleme des sog. subjektiven Rechtfertigungselements; in: Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag, 1987, S. 113-148. — Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs, 1988. Fromm, Friedrich Karl / Nordemann, Wilhelm: Urheberrecht, 7. Aufl. 1988. Früh, Paul: Die strafbaren Pflichtverletzungen des Rechtsanwalts gegenüber seinem Klienten (mit besonderer Berücksichtigung des deutschen und schweizerischen Strafrechts), 1910. Fünfsinn, Helmut: Der Aufbau des fahrlässigen Verletzungsdelikts durch Unterlassen, 1985. Gallas, Wilhelm: Beiträge zur Verbrechenslehre, 1968. — Der dogmatische Teil des Alternativ-Entwurfs; in: ZStW Band 80 (1968), S. 1-33. — Zur Struktur des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs; in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, 1979, S. 155-179. v. Gamm, Otto-Friedrich: Urheberrechtsgesetz, 1968. Ganter, Alexander: Strafrechtliche Probleme im Urheberstrafrecht; in: NJW 1986, S. 1479-1480. Geerds, Friedrich: Einwilligung und Einverständnis des Verletzten im Strafrecht; in: GA 1954, S. 262-269. — Zur Lehre von der Konkurrenz im Strafrecht, 1961. — Rechtsfriedensdelikte; in: Sieverts, Rudolf / Schneider, Hans Joachim (Hrsg.), Handwörterbuch der Kriminologie, Band 3, 2. Aufl. 1975, S. 1-10. — Anmerkung zu OLG Köln, Urteil vom 5.12.1978 — 1 Ss 605 / 78 = JR 1979, 342; in: JR 1979, S. 343-345. — Anmerkung zu BayObLG, Urteil vom 18.12.1984 — RReg 4 St 172 / 84 = JR 1985, 470; in: JR 1985, S. 472-474. Geilen, Gerd: Examensklausur Strafrecht; in: Jura 1979, S. 201-210. — Zusammenfassende Würdigung zum 1. Preis des Klausurenwettbewerbs Strafrecht; in: Jura 1983, S. 332-336. Geppert, Klaus: Rechtfertigende „Einwilligung" des verletzten Mitfahrers bei Fahrlässigkeitsstraftaten im Straßenverkehr? (Ein Beitrag zur dogmatischen Struktur der Einwilligung); in: ZStW Band 83 (1971), S. 947-1001. — Anmerkung zu LG Hamburg, Beschluß vom 5.11.1979 — (84) Qs 78 / 79 = Anwaltsblatt 1980, 120; in: Jura-Kartei (JK), StGB § 356/1. — Begünstigung (§ 257 StGB); in: Jura 1980, S. 269-276, 327-334. — Amtsdelikte (§§331 ff. StGB); in: Jura 1981, S. 42-51, 78-86. — Anmerkung zu OLG Stuttgart, Urteil vom 6.3.1981 — 4 Ss (14) 951 /80 = NJW 1981, 1569; in: Jura-Kartei (JK), StGB § 258/2. — Grundzüge der Konkurrenzlehre (§§ 52 bis 55 StGB); in: Jura 1982, S. 358-371, 418-429. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 10.2.1982 — 3 StR 398 / 81 = StV 1982, 517; in: Jura-Kartei (JK), StGB §27/3.

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— Anmerkung zu BGH, Urteil vom 28.10.1982 — 4 StR 480/82 = BGHSt. 31, 136; in: Jura-Kartei (JK), StGB § 26/2. — Anmerkung zu BGH, Beschluß vom 10.10.1984 — 2 StR 470/84 = BGHSt. 33, 50 ff.; in: Jura-Kartei (JK), StGB § 244/4. — Zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit; in: Jura 1986, S. 610-613. — Zur strafbaren Kindesentziehung (§ 235 StGB) beim „Kampf um das gemeinsame Kind". Überlegungen de lege lata und de lege ferenda; in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, 1986, S. 759-789. — Anmerkung zu OLG Karlsruhe, Beschluß vom 5.12.1985 — 3 Ss 121 / 85 = NStZ 1986, 128; in: Jura-Kartei (JK), OWiG § 14/3. — Übungsklausur Strafrecht: Verstrickungen um eine Strickmaschine; in: Jura 1987, S. 102-109. — Vollstreckungsvereitelung (§ 288 StGB) und Pfandkehr (§ 288 StGB); in: Jura 1987, S. 427-434. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 25.10.1990 — 4 StR 371 / 90 = BGHSt. 37, 214; in: Jura-Kartei (JK), StGB § 26/4. — Anmerkung zu BGH, Beschluß vom 12.12.1990 — 4 StR 531/90 = NJW 1991, 1120; in: Jura-Kartei (JK), StGB § 315b/4. Geppert, Otto: Der strafrechtliche Partei verrat, 1961. Geyer, August: Theilnahme Mehrerer an einem Verbrechen und Begünstigung; in: Handbuch des deutschen Strafrechts, hrsg. von Fr. v. Holtzendorff, 2. Band, 1871, S. 319428 (zitiert: Geyer, in: Holtzendorffs Handbuch II). Girtler, Roland: Die Prostituierte und ihre Kunden; in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS) 36 (1984), S. 323-341. Glauben, Paul J.: Kopieren von Computerprogrammen; in: DRiZ 1991, S. 73. Göhler, Erich: Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch; in: NJW 1974, S. 825-836. — Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 9. Aufl. 1990. Göppinger, Hans: Kriminologie, 4. Aufl. 1980. Gössel, Karl Heinz: Strafrechtsgewinnung als dialektischer Prozeß; in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts. Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag, 1974, S. 41 57. — Besprechung zu: Fincke, Martin: Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts (1975); in: JA 1975, S. 385-387. — Besprechung zu: Wagner, Joachim: Selbstmord und Selbstmordverhinderung (1975); in: JA 1976, S. 395-396. — Sukzessive Mittäterschaft und Täterschaftstheorien; in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Erster Halbband, 1985, S. 537-557. — Das Rechtsgut als ungeschriebenes strafbarkeitseinschränkendes Tatbestandsmerkmal. Zugleich ein Versuch über das Verhältnis von Rechtsgut, Tatbestand und Norm; in: Festschrift für Dietrich Oehler zum 70. Geburtstag, 1985, S. 97-109.

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— Probleme notwendiger Teilnahme bei Betrug, Steuerhinterziehung und Subventionsbetrug — Zugleich ein Beitrag zur sog. Parteispendenaffäre —; in: wistra 1985, S. 125-137. — Strafrecht — Besonderer Teil Band 1 : Delikte gegen immaterielle Rechtsgüter des Individuums, 1987 (zitiert: Gössel, BT 1). Goldschmidt, James: Gegenentwurf zu den Abschnitten „Die Straftat" und „Täter und Teilnehmer" des Strafgesetzentwurfes von 1919; in: JW 1922, S. 252-258. Goltdammer: Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, Theil 2 (Besonderer Teil), 1852. Gores, Claus-Jürgen: Der Rücktritt des Tatbeteiligten, 1982. v. Gravenreuth, Günter: Das Plagiat aus strafrechtlicher Sicht, 1986. Groß, Hans / Geerds, Friedrich: Handbuch der Kriminalistik, Band I, 1977. Gruchmann, Lothar: ,31utschutzgesetz" und Justiz. Zu Entstehung und Auswirkung des Nürnberger Gesetzes vom 15.9.1935; in: DRiZ 1985, S. 121-130. Grünwald, Gerald: Zu den besonderen persönlichen Merkmalen (§ 28 StGB); in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, 1989, S. 555-571. Günther, Hans-Ludwig: Verurteilungen im Strafprozeß trotz subsumtionsrelevanter Tatsachenzweifel. Ein Beitrag zum Institut der sog. „ungleichartigen Wahlfeststellung", 1976. — Die Genese eines Straftatbestandes. Eine Einführung in Fragen der Strafgesetzgebungslehre; in: JuS 1978, S. 8-14. — Strafrechtswidrigkeit und Unrechtsausschluß. Studien zur Rechtswidrigkeit als Straftatmerkmal und zur Funktion der Rechtfertigungsgründe im Strafrecht, 1983. Gütt, Arthur / Linden, Herbert / Maßfeiler, Franz: Blutschutz- und Ehegesundheitsgesetz, 1936. Hälschner, Hugo: Der Kriminalprozeß gegen Rose und Rosahl, ein Beitrag zur Lehre vom Irrthum; in: GA Band 7 (1859), S. 433-450. Haffke, Bernhard: Delictum sui generis und Begriffsjurisprudenz; in: JuS 1973, S. 402407. Hanack, Ernst-Walter: Empfiehlt es sich, die Grenzen des Sexualstrafrechts neu zu bestimmen?; Gutachten A zum 47. Deutschen Juristentag 1968 (zitiert: Hanack, DJTGutachten). — Die Reform des Sexualstrafrechts und der Familiendelikte. Viertes Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 23.11.1973 (BGBl. I 1725); in: NJW 1974, S. 1-9. — Anmerkung zu BayObLG, Urteil vom 8.11.1978 — RReg 3 St 267 / 78 = JR 1980, 432; in: JR 1980, S. 434-436. Hassemer, Raimund: Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, 1981. Hassemer, Volker: Delictum sui generis, 1974. Hassemer, Winfried: Theorie und Soziologie des Verbrechens. Ansätze zu einer praxisorientierten Rechtsgutslehre, 1973 (Ausgabe 1980). — Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik, 1974.

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— Rücksichten auf das Verbrechensopfer; in: Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Band II, 1983, S. 217-234. — Rechtssystem und Kodifikation: Die Bindung des Richters an das Gesetz; in: Kaufmann, Arthur / Hassemer, Winfried (Hrsg.), Einführung in Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 5. Aufl. 1989, S. 212-232. — Grundlinien einer personalen Rechtsgutslehre; in: Philipps, Lothar / Scholler, Heinrich, Jenseits des Funktionalismus. Arthur Kaufmann zum 65. Geburtstag, 1989, S. 85-94. — Symbolisches Strafrecht und Rechtsgüterschutz; in: NStZ 1989, S. 553-559. Hassemer, Winfried / Hart-Hönig, Kai: Generalprävention im Straßenverkehr; in: Hassemer, Winfried (Hrsg.), Sozialwissenschaften im Strafrecht, 1984, S. 230-262. Heghmanns, Michael: Öffentliches und besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung von Softwarepiraterie; in: NStZ 1991, S. 112-117. Heinitz, Emst: Gedanken über Täter- und Teilnehmerschuld im Deutschen und Italienischen Strafrecht; in: Festschrift der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin zum 41. Deutschen Juristentag in Berlin 1955, S. 93-118 (zitiert: Heinitz, DJT-FS). Hellmann, Uwe: Die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht, 1987. Hentschel, Udo: Die rechtswidrige Vervielfältigung aktueller Kinospielfilme. Erscheinungsformen der Video-Piraterie und die Möglichkeiten ihrer Bekämpfung; in: Film und Recht (FuR) 1982, S. 237-247. Herbst, G.: Die Rückwirkung der Geisteskrankheit und Straf-Unmündigkeit (§§ 51, 55 StGB) auf das Thatbestandsmerkmal der Hehlerei, das Erlangtsein mittels einer strafbaren Handlung (§ 259), das Vergehen des von Mehreren begangenen Hausfriedensbruchs und der in gleicher Weise begangenen Körperverletzung (§§ 123 Abs. 3, 223a StGB); in: GA Band 28 (1880), S. 112-125. Herdegen, Gerhard: Der Verbotsirrtum in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes; in: 25 Jahre Bundesgerichtshof, 1975, S. 195-209 (zitiert: Herdegen, BGH-FS). Hermle, Stefan: Der praktische Fall — Strafrecht: Die eigenwillige Patientin; in: JuS 1987, S. 976-980. Herzberg, Rolf-Dietrich: Anstiftung und Beihilfe als Straftatbestände; in: GA 1971, S. 1-12. — Der praktische Fall — Strafrecht: Der Privatdetektiv; in: JuS 1973, S. 234-239. — Die Problematik der „besonderen persönlichen Merkmale" im Strafrecht; in: ZStW Band 88 (1976), S. 68-116. — Täterschaft und Teilnahme, 1977. — Zur Strafbarkeit der Beteiligung am frei gewählten Selbstmord, dargestellt am Beispiel des Gefangenensuizids und der strafrechtlichen Verantwortung der Vollzugsbediensteten — Zugleich ein Beitrag zu § 101 StrVollzG —; in: ZStW Band 91 (1979), S. 557-589. — Der agent provocateur und die „besonderen persönlichen Merkmale" (§ 28 StGB); in: JuS 1983, S. 737-747. — Beteiligung an einer Selbsttötung oder tödlichen Selbstgefährdung als Tötungsdelikt; — Teil 1 —, in: JA 1985, S. 131-138; — Teil 3 —, in: JA 1985, S. 265-272.

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— Die Abgrenzung von Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit—ein Problem des objektiven Tatbestandes; in: JuS 1986, S. 249-262. — Handeln in Unkenntnis einer Rechtfertigungslage; in: JA 1986, S. 190-201. — Anstiftung zur unbestimmten Hauptat — BGHSt. 34, 63; in: JuS 1987, S. 617-622. — Täterschaft, Mittäterschaft und Akzessorietät der Teilnahme; in: ZStW Band 99 (1987), S. 49-81. — Zur Teilnahme des Fahrzeughalters am Unterlassungsdelikt nach § 142 II StGB; in: NZV 1990, S. 375-377. — Akzessorietät der Teilnahme und persönliche Merkmale; in: G A 1991, S. 145-184. Hillenkamp, Thomas: Die Bedeutung von Vorsatzkonkretisierungen bei abweichendem Tatverlauf, 1971 (zitiert: Hillenkamp, Vorsatzkonkretisierungen). — Verkehrsgefährdung durch Gefährdung des Tatbeteiligten — OLG Stuttgart, NJW 1976, 1904; in: JuS 1977, S. 166-172. — Vorsatztat und Opferverhalten, 1981. — Der Einfluß des Opferverhaltens auf die dogmatische Beurteilung der Tat — einige Bemerkungen zum Verhältnis zwischen Viktimologie und Dogmatik, 1983. — Besprechung zu Maeck, Manfred: Opfer und Strafzumessung. Ein Beitrag zur Systematik und Dogmatik derrichterlichen Strafzumessung (1983); in: MSchrKrim 1984, S. 141-143. — Zur Einführung: Viktimologie; in: JuS 1987, S. 940-943. Hirsch, Hans Joachim: Soziale Adäquanz und Unrechtslehre; in: ZStW Band 74 (1962), S. 78-135. — Hauptprobleme einer Reform der Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit; in: ZStW Band 83 (1971), S. 140-176. — Einwilligung und Selbstbestimmung; in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 775-800. — Zur Rechtsnatur der falschen Verdächtigung; in: Gedächtnisschrift für Horst Schröder, 1978, S. 307-329. — Der Streit um Handlungs- und Unrechtslehre, insbesondere im Spiegel der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (Teil II); in: ZStW Band 94 (1982), S. 239278. — Zur Reform der Reform des Widerstandsparagraphen (§113 StGB); in: Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Band II, 1983, S. 235-255. Hobbing, Peter: Strafwürdigkeit der Selbstverletzung: Der Drogenkonsum im deutschen und brasilianischen Recht, 1982. Höpfner, Wilhelm: Über die rechtliche Eigenart von Anstiftung und Beihilfe; in: ZStW Band 26 (1906), S. 579-631. Hoerster, Norbert: Grundsätzliches zur Strafwürdigkeit der Gefälligkeitssterilisation; in: JZ 1971, S. 123-126. — Zur Bedeutung des Prinzips der Menschenwürde; in: JuS 1983, S. 93-96. Ηofmann, Hans: Die Gefangenenbefreiung in ihren historischen Grundlagen sowie in rechts vergleichender und dogmatischer Darstellung, 1903. 19 Sowada

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Hohendorf\ Andreas: Das Individualwucherstrafrecht nach dem ersten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von 1976, 1982. Honig, Richard: Die Einwilligung des Verletzten. Teil I: Die Geschichte des Einwilligungsproblems und die Methodenfrage, 1919. Hruschka, Joachim: Extrasystematische Rechtfertigungsgründe; in: Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag, 1977, S. 189-210. — Alternativfeststellung zwischen Anstiftung und sog. psychischer Beihilfe. Zugleich eine Anmerkung zu der Entscheidung des BGH vom 28.10.1982 (JR 1983, 202); in: JR 1983, S. 177-181. — Strafrecht nach logisch-analytischer Methode. Systematisch entwickelte Fälle mit Lösungen zum Allgemeinen Teil, 2. Aufl. 1988. Horn, Eckhard: Das „Inverkehrbringen" als Zentralbegriff des Nebenstrafrechts; in: NJW 1977, S. 2329-2336. — Der medizinisch nicht indizierte, aber vom Patienten verlangte ärztliche Eingriff — strafbar ? — BGH, NJW 1978, 1206; in: JuS 1979, S. 29-31. Horstkotte, Hartmuth: Kuppelei, Verführung und Exhibitionismus nach dem Vierten Gesetz zur Reform des Strafrechts; in: JZ 1974, S. 84-90. Hübner, Engelbert: Anmerkung zu BayObLG, Urteil vom 23.1.1981 — RReg. 2 St 125/80 = JR 1981, 429; in: JR 1981, S. 430-432. Hünerfeld, Peter: Kleinkriminalität und Strafverfahren; in: ZStW Band 90 (1978), S. 905-926. — Mittelbare Täterschaft und Anstiftung im Kriminalstrafrecht der Bundesrepublik Deutschland; in: ZStW Band 99 (1987), S. 228-250. Jäger, Herbert: Entkriminalisierungspolitik im Sexualstrafrecht; in: Jäger, Herbert/ Schorsch, Eberhard (Hrsg.), Sexualwissenschaft und Strafrecht, 1987, S. 1-9. Jagusch, Heinrich / Hentschel, Peter: Straßenverkehrsrecht, 31. Aufl. 1991. Jakobs, Günther: Regreßverbot beim Erfolgsdelikt. Zugleich eine Untersuchung zum Grund der strafrechtlichen Haftung für Begehung; in: ZStW Band 89 (1977), S. 135. — Kriminalisierung im Vorfeld einer Rechtsguts Verletzung; in: ZStW Band 97 (1985), S. 751-785. — Anmerkung zu BGH, Beschluß vom 10.10.1984 — 2 StR 470/84 = BGHSt. 33, 50; in: JR 1985, S. 342-343. — Nötigung durch Gewalt; in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, 1986, S. 791-811. — Strafrecht — Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1991. Janiszewski, Horst: Verkehrsstrafrecht, 3. Aufl. 1989. Jescheck, Hans-Heinrich: Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988. Jung, Heike: Die Stellung des Verletzten im Strafprozeß; in: ZStW Band 93 (1981), S. 1147-1176. — Viertes Internationales Symposium für Viktimologie; in: MSchrKrim 1984, S. 125134.

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— Viktimologie; in: Kaiser, Günther / Kerner, Hans-Jürgen / Sack, Fritz / Schellhoss, Hartmut (Hrsg.), Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 2. Aufl. 1985, S. 518-525. Jung, Heike / Kunz, Karl-Ludwig: Das Absehen von Strafe nach § 174 IV StGB; in: NStZ 1982, S. 409-413. Kageler, Herwig: Die gemeinsame und beschränkte zivilrechtliche Inhaberschaft des Hausrechts unter besonderer Berücksichtigung der Bestimmung des Rechtsguts des § 123 StGB, Diss. jur. Hamburg 1974. Kaiser, Günther: Möglichkeiten der Bekämpfung von Bagatellkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland; in: ZStW Band 90 (1978), S. 877-904. — Kriminalisierung und Entkriminalisierung in Strafrecht und Kriminalpolitik; in: Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Band II, 1983, S. 579-596. — Kriminologie, 2. Aufl. 1988. Kant, Bruno: Die notwendige Teilnahme, Diss. jur. FU Berlin 1958. Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Karlheinz, 1989 (zitiert: KK / OWiG-[Bearb.]).

hrsg. von Boujong,

Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz hrsg. von Pfeiffer, Gerd, 2. Aufl. 1987 (zitiert: KK-[Bearb.]). Kaufmann, Armin: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 1.10.1957 — 5 StR 404 / 57 = BGHSt. 10, 386; in: MDR 1958, S. 177-178. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 2.9.1958 — 5 StR 339/58 = BGHSt. 12, 42; in: MDR 1959, S. 229-230. — „Objektive Zurechnung" beim Vorsatzdelikt?; in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Erster Halbband, 1985, S. 251-271. Keller, Rainer: Rechtliche Grenzen der Provokation von Straftaten, 1989. Kielwein, Gerhard: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 6.10.1955 — 3 StR 279/55 = BGHSt. 8, 205; in: MDR 1956, S. 308. Kientzy, Dieter: Der Mangel am Straftatbestand infolge Einwilligung des Rechtsgutsträgers (auf Grund einer kritischen Betrachtung der Differenzierung in Einwilligung und Einverständnis), 1970. Killias, Martin: Jugend und Sexualstrafrecht, 1979. Kindhäuser, Urs: Gefährdung als Straftat. Rechtstheoretische Untersuchungen zur Dogmatik der abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikte, 1989. Kleinknecht, Theodor / Meyer, Karlheinz: Strafprozeßordnung mit GVG und Nebengesetzen, 40. Aufl. 1991. Klinkenberg, Henning: Die Rechtspflicht zum Weiterleben und ihre Grenzen — Zur Strafbarkeit der Teilnahme am Suizid —; in: JR 1978, S. 441-445. Klug, Ulrich: Sozialkongruenz und Sozialadäquanz im Strafrechtssystem; in: Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag, 1961 (Neudruck 1971), S. 249-265. — Konkursstrafrecht, 1973. Klughardt, Werner: Die Gesetzgebung zur Bekämpfung des Terrorismus aus strafrechtlich-soziologischer Sicht, 1984. 19*

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KMR: Kommentar zur Strafprozeßordnung (Loseblattsammlung), hrsg. von Fezer, Gerhard und Paulus, Rainer; 8. Aufl., Stand: Januar 1990 (zitiert: KMR-[Bearb.]). Köberer, Wolfgang: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 17.9.1985 — 1 StR 279/85 = StV 1986, 294; in: StV 1986, S. 295-297. Kohlmann, Günter: Untreue zum Nachteil des Vermögens einer GmbH trotz Zustimmung sämtlicher Gesellschafter?; in: Festschrift für Winfried Werner zum 65. Geburtstag, Handelsrecht und Wirtschaftsrecht in der Bankpraxis, 1984, S. 387-404. Kohlrausch, Eduard: Täterschuld und Teilnehmerschuld; in: Festschrift für Erwin Bumke zum 65. Geburtstag, 1939, S. 39-51. Kramer, Adelinde: Sexualdelikte — als abstrakte Gefährdungsdelikte, Diss. jur. Tübingen 1981. Krasser, Rudolf: Der Schutz vertraglicher Rechte gegen Eingriffe Dritter. Untersuchungen zum Delikts- und Wettbewerbsrecht Deutschlands, Frankreichs und Belgiens, 1971. Kratzsch, Dietrich: Verhaltenssteuerung und Organisation im Strafrecht. Ansätze zur Reform des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs und der Regeln der Gesetzesanwendung, 1985. Krauß, Detlef: Erfolgsunwert und Handlungsunwert im Unrecht; in: ZStW Band 76 (1964), S. 19-68. Krekeler, 153.

Wilhelm: Strafrechtliche Grenzen der Verteidigung; in: NStZ 1989, S. 146-

Kreuzer, Margot D.: Prostitution: Eine sozialgeschichtliche Untersuchung in Frankfurt a. M. — Von der Syphilis bis AIDS, 1989. Krey, Volker: Studien zum Gesetzesvorbehalt im Strafrecht. Eine Einführung in die Problematik des Analogieverbots, 1977. — Strafrecht Besonderer Teil. Band 1 : Besonderer Teil ohne Vermögensdelikte, 7. Aufl. 1989 (zitiert: Krey, BT 1); Band 2: Vermögensdelikte, 7. Aufl. 1988 (zitiert: Krey, BT 2). — Gesetzestreue und Strafrecht. Schranken richterlicher Rechtsfortbildung; in: ZStW Band 101 (1989), S. 838-873. v. Kries, August: Ein Beitrag zu der Lehre von der Teilnahme; in: ZStW Band 7 (1887), S. 521-572. Krümpelmann, Justus: Die Bagatelldelikte. Untersuchungen zum Verbrechen als Steigerungsbegriff, 1966. — Die Verwirkung des Vertrauensgrundsatzes bei pflichtwidrigem Verhalten in der kritischen Verkehrssituation; in: Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag, 1987, S. 289-306. Kruse, Margret: Die scheinbare Rechtsgutsverletzung bei den auf Enteignung gerichteten Eigentumsdelikten (Diebstahl, Unterschlagung, Raub), 1986. Kühl, Kristian: Landfriedensbruch durch Vermummung und Schutzbewaffnung?; in: NJW 1986, S. 874-881. Kühne, Hans-Heiner: Prostitution als bürgerlicher Beruf?; in: ZRP 1975, S. 184-189. Küper, Wilfried: Der „agent provocateur" im Strafrecht; in: GA 1974, S. 321-335.

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— Versuchsbeginn und Mittäterschaft, 1978. — Entwicklungstendenzen der Strafrechtswissenschaft in der Gegenwart. Die Festschrift für Paul Bockelmann; in: GA 1980, S. 202-219. — Grenzfragen der Unfallflucht — Zugleich ein Beitrag zur Deliktsbeendigung —; in: JZ 1981, S. 251-257. — Vorsatz und Risiko — Zur Monographie von Wolfgang Frisch —; in: GA 1987, S. 479-509. Küpper, Georg: Anspruch und wirkliche Bedeutung des Theorienstreits über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme; in: GA 1986, S. 437-449. — Strafvereitelung und „sozialadäquate" Handlungen; in: GA 1987, S. 385-402. — Zum Verhältnis von dolus eventualis, Gefährdungsvorsatz und bewußter Fahrlässigkeit; in: ZStW Band 100 (1988), S. 758-785. Kuhlen, Lothar: Normative Konsequenzen selektiver Strafverfolgung?; in: Lüderssen, Klaus/Sack, Fritz (Hrsg.), Seminar: Abweichendes Verhalten IV, Kriminalpolitik und Strafrecht, 1980, S. 26-67. — Zur Rechtfertigung von Gewässerverschmutzungen — zugleich Anmerkung zu OLG Köln, StrVert 1986, 537 —; in: StV 1986, S. 544-550. — Die Unterscheidung von vorsatzausschließendem und nichtvorsatzausschließendem Irrtum, 1987. Kuhlmey, Georg: Die notwendige Teilnahme, Diss. jur. Halle 1927. Kunz, Karl-Ludwig: Das strafrechtliche Bagatellprinzip. Eine strafrechtsdogmatische und kriminalpolitische Untersuchung, 1984. Kusch, Roger: Gespaltenes Sexualstrafrecht im vereinten Deutschland — Vereinbarkeit mit Art. 3 GG —; in: MDR 1991, S. 99-101. Labsch, Karl Heinz: Grundprobleme des Mißbrauchstatbestandes der Untreue (§ 266 Abs. 1, 1. A l t StGB); in: Jura 1987, S. 343-352, 411-419. Lackner, Karl: Zu den Grenzen derrichterlichen Befugnis, mangelhafte Strafgesetze zu berichtigen; in: Richterliche Rechtsfortbildung. Erscheinungsformen, Auftrag und Grenzen. Festschrift der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg, 1986, S. 39-63 (zitiert: Lackner, Heidelberg-FS). — Strafgesetzbuch, 19. Aufl. 1991. Lampe, Emst-Joachim: Das personale Unrecht, 1967. Lange, Richard: Die notwendige Teilnahme, 1940. Langenbeck, Wilhelm: Die Lehre von der Theilnahme am Verbrechen, 1868. Langer, Winrich: Das Sonderverbrechen. Eine dogmatische Untersuchung zum Allgemeinen Teil des Strafrechts, 1972. — Die falsche Verdächtigung. Ein Beitrag zur Strafrechtsreform, 1973. — Gesetzlichkeitsprinzip und Strafmilderungsgründe; in: Festschrift für Hanns Dünnebier zum 75. Geburtstag, 1982, S. 421-445. — Zur Strafbarkeit des Teilnehmers gemäß § 28 Abs. 1 StGB; in: Recht und Rechtserkenntnis. Festschrift für Emst Wolf zum 70. Geburtstag, 1985, S. 335-359.

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Lang-Hinrichsen, Dietrich: Erwägungen zur künftigen Ausgestaltung der Kuppeleivorschriften; in: GA 1970, S. 225-239. Larenz, Karl: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983. Lautmann, Rüdiger: Sexualdelikte — Straftaten ohne Opfer?; in: ZRP 1980, S. 44-49. — Der Zwang zur Tugend. Die gesellschaftliche Kontrolle der Sexualität, 1984. — Die heterosexuelle Verführung — sexuelle Interaktion und Kriminalisierung bei § 182 StGB, in: Jäger, Herbert / Schorsch, Eberhard (Hrsg.), Sexualwissenschaft und Strafrecht, 1987, S. 54-70. Leferenz, Heinz: Die Sexualdelikte des E 62; in: ZStW Band 77 (1966), S. 379-397. Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Jescheck, Hans-Heinrich / Ruß, Wolfgang und Willms, Günther; 10. Aufl. 1978-1989 (zitiert: LK-[Bearb.]); 9. Aufl. 1970-1974 (zitiert: LK-[Bearb.] 9); 3. Aufl. s. Ebermayer / Lobe / Rosenberg. Lenckner, Theodor: Zum Tatbestand der Strafvereitelung; in: Gedächtnisschrift für Horst Schröder, 1978, S. 339-357. Less, Günter: Der Unrechtscharakter der Anstiftung; in: ZStW Band 69 (1957), S. 4358. Letzgus, Klaus: Vorstufen der Beteiligung. Erscheinungsformen und ihre Strafwürdigkeit, 1972. Lieben, Detlev: Strafrechtliche Bekämpfung der Videopiraterie durch die §§257 ff. StGB; in: GRUR 1984, S. 572-577. Liebl, Karlhans: Geplante Konkurse? — Prüfung der Vorhersehbarkeit eines Konkurses und Konkursanalysen anhand einschlägiger Bankrottverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, 1988. — Statistik als Rechtstatsachenforschung — Ein Abschlußbericht zur Bundesweiten Erhebung von Wirtschaftsstraftaten nach einheitlichen Gesichtspunkten; in: wistra 1988, S. 83-87. v. Liszt, Franz / Schmidt, Eberhard: Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 25. Aufl. 1927. Lohr, Holle Eva: „In dubio pro reo" und Wahlfeststellung — BGHSt. 23, 203; in: JuS 1976, S. 715-722. Lösener, Bernhard / Knost, Friedrich Α.: Die Nürnberger Gesetze über das Reichsbürgerrecht und den Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, 2. Aufl. 1937. Löwe ! Rosenberg: Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, hrsg. von Rieß, Peter; Erster Band: Einleitung, §§ 1 -111 n; 24. Aufl. 1988; Fünfter Band: §§ 374-474, Nachtrag, EGStPO; 24. Aufl. 1989 (zitiert: LR-[Bearb.]). Loewenheim, Ulrich: Error in obiecto und aberratio ictus — OLG Neustadt, NJW 1964, 311; in: JuS 1966, S. 310-315. Loos, Fritz: Anmerkung zu OLG Köln, Urteil vom 28.5.1974 — Ss 85 / 74 = JR 1975, 247; in: JR 1975, S. 248-250. — Bemerkungen zur „ h i s t o r i s c h e n Auslegung"; in: Festschrift für Rudolf Wassermann zum 60. Geburtstag, 1985, S. 123-133. Lübbe-Wolff, Gertrude: Rechtsfolgen und Realfolgen: Welche Rolle können Folgeerwägungen in der juristischen Regel- und Begriffswelt spielen?, 1981.

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Lüderssen, Klaus: Zum Strafgrund der Teilnahme, 1967. — Strafrecht und „Dunkelziffer", 1972. — Anmerkung zu BVerfG, Beschluß vom 27.11.1984 — 2 BvR 236 / 84 = NJW 1985, 1767; in: StV 1985, S. 178-180. Lüthge-Bartholomäus, Renate: Die polizeirechtliche Schließung von „Massagesalons"; in: NJW 1975, S. 1871-1873. Luhmann, Niklas: Rechtssoziologie, 2. Aufl. 1983. Maaß, Wolfgang: Die Behandlung des „agent provocateur" im Strafrecht; in: Jura 1981, S. 514-520. Maiwald, Manfred: Das Absehen von Strafe nach § 16 StGB; in: ZStW Band 83 (1971), S. 663-696. — Die Feststellung tatmehrheitlicher Deliktsbegehung; in: NJW 1978, S. 300-303. — Zur Leistungsfähigkeit des Begriffs „erlaubtes Risiko" für die Strafrechtssystematik; in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Erster Halbband, 1985, S.405-425. Mallison, Jochen: Rechtsauskunft als strafbare Teilnahme, 1979. Marx, Michael: Zur Definition des Begriffs „Rechtsgut". Prologomena einer materialen Verbrechenslehre, 1972. Maunz, Theodor / Dürig, Günter / Herzog, Roman / Scholz, Rupert: Kommentar zum Grundgesetz (Loseblattsammlung), Band IV: Art. 91a-146, Stand: 27. Lieferung, 1989. Maurach, Reinhart / Gössel, Karl Heinz: Fälle und Lösungen nach höchstrichterlichen Entscheidungen: Strafrecht, 5. Aufl. 1988. Maurach, Reinhart / Gössel, Karl Heinz / Zipf, Heinz: Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 2: Erscheinungsformen des Verbrechens und Rechtsfolgen der Tat, 7. Aufl. 1989 (zitiert: Mäurach / [Bearb.], AT 2). Maurach, Reinhart / Schroeder, Friedrich-Christian: Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 2: Straftaten gegen Gemeinschaftswerte, 6. Aufl. 1981. Maurach, Reinhart / Schroeder, Friedrich-Christian / Maiwald, Manfred: Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte, 7. Aufl. 1988 (zitiert: Maurach/[Bearb.], BT 1). Maurach, Reinhart / Zipf, Heinz: Strafrecht Allgemeiner Teil, Teilband 1 : Grundlehren des Strafrechts und Aufbau der Straftat, 7. Aufl. 1987. Mayer, Hellmuth: Das Strafrecht des Deutschen Volkes, 1936 (zitiert: Mayer, Strafrecht). — Strafrecht — Allgemeiner Teil, 1953 (zitiert: Mayer, AT). — Täterschaft, Teilnahme, Urheberschaft; in: Festschrift für Theodor Rittler zu seinem 80. Geburtstag, 1957, S. 243-274. — Strafrecht — Allgemeiner Teil, 1967 (zitiert: Mayer, StudB). Mayer, Max Ernst: Die Befreiung von Gefangenen, 1906. — Der Allgemeine Teil des Deutschen Strafrechts, 2. Aufl. 1923.

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Mer gen, Armand: Hans von Hentig, Begründer der Viktimologie und deren Entwicklung bis heute; in: Haesler, Walter T. (Hrsg.), Viktimologie, 1986, S. 9-16. Merkel, Adolf: Diebstahl und Unterschlagung; in: Handbuch des deutschen Strafrechts, hrsg. von Fr. v. Holtzendorff, Band 4, Ergänzungen zum deutschen Strafrecht, 1877, S. 405-463 (zitiert: Merkel, Holtzendorffs Handbuch IV). M eurer, Dieter: Besprechung zu: Schumann, Heribert: Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der Anderen (1986); in: NJW 1987, S. 24242425. Meyer, Jürgen: Zur Täterschaft beim Bandendiebstahl — BGHSt. 33, 50; in: JuS 1986, S. 189-192. Meyer, Maria-Katharina: Die Strafwürdigkeit der Anstiftung dem Grade nach (beschränkt auf die vorsätzliche vollendete Anstiftung zu vorsätzlicher Tat), 1970 (Diss. jur. Hamburg 1969). — Tatbegriff und Teilnehmerdelikt; in: GA 1979, S. 252-271. — Ausschluß der Autonomie durch Irrtum. Ein Beitrag zu mittelbarer Täterschaft und Einwilligung, 1984. — Die Rechtsnatur und Funktion des Strafantrags, 1984 (zitiert: M. K. Meyer, Strafantrag). Meyer-Arndt,

Lüder: Beihilfe durch neutrale Handlungen?; in: wistra 1989, S. 281-287.

Miehe, Olaf: Die Schutzfunktion der Strafdrohung gegen Begünstigung und Hehlerei; in: Festschrift für Richard Honig zum 70. Geburtstag, 1970, S. 91 -132. Mitsch, Wolfgang: Straflose Provokation strafbarer Taten. Eine Studie zu Grund und Grenzen der Straffreiheit des agent provocateur, 1986. — Examensklausur Strafrecht: Die erschlichene Abtreibung; in: Jura 1988, S. 203-208. Möhring, Philipp /Nicolini,

Käte: Urheberrechtsgesetz, 1970.

Möller, Margret: Die Urheberrechtsnovelle, *85, 1986. M öl le ring, Jürgen: Schutz des Lebens — Recht auf Sterben. Zur rechtlichen Problematik der Euthanasie, 1977. Montenbruck, Axel: Abweichung der Teilnehmervorstellung von der verwirklichten Tat; in: ZStW Band 84 (1972), S. 323-352. Moojer, Donald: Die Diskrepanz zwischen Risikovorstellung und Risikoverwirklichung — Ein Beitrag zur Diskussion über Kausalabweichung und aberratio ictus, Diss. jur. FU Berlin 1985. Müller, Ingo: Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz, 1987. Müller-Emmert, S. 93-95.

Adolf: Kuppelei, Prostitutionsförderung und Zuhälterei; in: DRiZ 1974,

Müller-Gugenberger, Christian (Hrsg.): Wirtschaftsstrafrecht. Eine Gesamtdarstellung des deutschen Wirtschaftsstraf- und -ordnungsWidrigkeitenrechts, 1987. v. Münch, Ingo: Grundrechtsschutz gegen sich selbst?; in: Hamburg — Deutschland — Europa. Beiträge zum deutschen und europäischen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht. Festschrift für Hans Peter Ipsen zum 70. Geburtstag, 1977, S. 113128.

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Münch, Rolf: Die Praevarication im Strafgesetzbuch, Diss. jur. Münster 1958. Münzberg, Wolfgang: Verhalten und Erfolg als Grundlagen der Rechtswidrigkeit und Haftung, 1966. Mylonopoulos, Christos: Über das Verhältnis von Handlungs- und Erfolgsunwert im Strafrecht. Eine Studie zur Entwicklung der personalen Unrechtslehren, 1981. — Das Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit und der Grundsatz in dubio pro reo. Eine strafrechtlich-rechtstheoretische Untersuchung; in: ZStW Band 99 (1987), S. 685-722. Naucke, Wolfgang: Zur Lehre vom strafbaren Betrug. Ein Beitrag zum Verhältnis von Strafrechtsdogmatik und Kriminologie, 1964. — Der Aufbau des § 330c StGB. Zum Verhältnis zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil des Strafrechts, in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 761-774. — Konsens als Quelle richtigen Rechts;richtiges Recht als Grenze des Konsenses; in: Hattenhauer, Hans / Kaltefleiter, Werner (Hrsg.), Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, 1986, S. 47-60. — Strafrecht. Eine Einführung, 5. Aufl. 1987. — Gesetzlichkeit und Kriminalpolitik; in: JuS 1989, S. 862-867. Neriich, Horst: Zur Verbreitungsabsicht bei der Einfuhr ausländischer Sexliteratur in das Bundesgebiet (§ 184 Abs. 1 Satz 1 Nr. l a StGB); in: MDR 1970, S. 549-552. Neumann, Ulfried: Normtheorie und strafrechtliche Zurechnung; in: GA 1985, S. 389401. — Die Strafbarkeit der Suizidbeteiligung als Problem der Eigenverantwortlichkeit des „Opfers"; in: JA 1987, S. 244-256. — Die Stellung des Opfers im Strafrecht; in: Hassemer, Winfried (Hrsg.), Strafrechtspolitik. Bedingungen der Strafrechtsreform, 1987, S. 225-253. — Neue Entwicklungen im Bereich der Argumentationsmuster zur Begründung oder zum Ausschluß strafrechtlicher Verantwortlichkeit; in: ZStW Band 99 (1987), S. 567 594. Neumann, Ulfried / Schroth, Ulrich: Neuere Theorien von Kriminalität und Strafe, 1980. Neumeyer: Prävarikation (§ 356 RStrGB); in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts — Besonderer Teil, IX. Band, 1906, S. 503-516. Nick, Wolfgang: Musikdiebstahl. Technische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte der illegalen Herstellung und Verbreitung von Tonträgern, 1979. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 8. Band: Besonderer Teil (76. bis 90. Sitzung), 1959. Niestroj, Christa: Die rechtliche Bewertung der Selbsttötung und die Strafbarkeit der Suizidbeteiligung, Diss. jur. Göttingen 1983. Nitze, P.: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 17.9.1985 — 1 StR 279 / 85 = NStZ 1986, 358; in: NStZ 1986, S. 359-361. Noll, Peter: Übergesetzliche Rechtfertigungsgründe (im besonderen die Einwilligung des Verletzten), 1955.

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Nordemann, Wilhelm: Umwandlung der Straftaten gegen das Urheberrecht in Offizialdelikte?; in: NStZ 1982, S. 372-374. Oehler, Dietrich: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 22.2.1963 — 4 StR 9 / 63 = BGHSt. 18, 282; in: JZ 1964, S. 382-383. v. Olshausen, Henning: Menschenwürde im Grundgesetz: Wertabsolutismus oder Selbstbestimmung?; in: NJW 1982, S. 2221-2224. Olshausen, Justus: Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, Erster Band, 8. Aufl. 1909; Zweiter Band (nebst einem Anhang: Die Strafbestimmungen der Konkursordnung [von Zweigert, Arthur]), 8. Aufl. 1910. Ostendorf, Heribert: Die strafrechtliche Rechtmäßigkeit rechtswidrigen hoheitlichen Handelns; in: JZ 1981, S. 165-175. — Grundzüge des konkreten Gefährdungsdelikts; in: JuS 1982, S. 426-433. — Das Recht zum Hungerstreik. Verfassungsmäßige Absicherung und strafrechtliche Konsequenzen, 1983 (zitiert: Ostendorf, Hungerstreik). — Das Geringfügigkeitsprinzip als strafrechtliche Auslegungsregel (zugleich eine Anmerkung zu OLG Hamm NJW 1980, 2537); in: GA 1983, S. 333-345. Otto, Harro: Rechtsgutsbegriff und Deliktstatbestand; in: Müller-Dietz, Heinz (Hrsg.), Strafrechtsdogmatik un Kriminalpolitik, 1971, S. 1-20. — „In dubio pro reo" und Wahlfeststellung; in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts. Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag, 1974, S. 373-392. — Personales Unrecht, Schuld und Strafe; in: ZStW Band 87 (1975), S. 539-597. — Straflose Teilnahme?; in. Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag, 1976, S. 197-217. — Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit als eigenständige Deliktskategorien? — Überlegungen zum Deliktsaufbau; in: Gedächtnisschrift für Horst Schröder, 1978, S. 5371. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 5.8.1980 — 1 StR 376/80 = BGHSt. 29, 311; in: JR 1981, S. 82-86. — Anstiftung und Beihilfe; in: JuS 1982, S. 557-566. — Grundkurs Strafrecht: Die einzelnen Delikte, 2. Aufl. 1984 (zitiert: Otto, BT). — Selbstgefährdung und Fremdverantwortung — BGH NJW 1984, 1469 —; in: Jura 1984, S. 536-541. — Die Beteiligung des Betroffenen an der falschen Verdächtigung; in: Jura 1985, S. 443-444. — Anmerkung zu OLG Stuttgart, Beschluß vom 18.12.1986 — 1 Ausschl. 3/86 = NJW 1987, 2883; in: Jura-Kartei (JK), StGB § 27/5. — Recht auf den eigenen Tod? — Strafrecht im Spannungsverhältnis zwischen Lebenserhaltungspflicht und Selbstbestimmung; Gutachten D zum 56. Deutschen Juristentag 1986 (zitiert: Otto, DJT-Gutachten). — Grundkurs Strafrecht: Allgemeine Strafrechtslehre, 3. Aufl. 1988 (zitiert: Otto, AT). — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 29.9.1988 — 1 StR 332/88 = BGHSt. 35, 357; in: Jura-Kartei (JK), StGB § 283 d/ 1.

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— Eigenverantwortliche Selbstschädigung und -gefährdung sowie einverständliche Fremdschädigung und -gefährdung; in: Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag, 1989, S. 157-175. — Der vorsatzausschließende Irrtum in der höchstrichterlichen Rechtsprechung; in: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 583-605. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 24.10.1990 — 3 StR 196 / 90 = BGHSt. 37, 207; in: Jura-Kartei (JK), StGB §331/3. Paasch, Fritz R.: Grundprobleme der Viktimologie, 1965 (Diss. jur. Münster 1964). Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 50. Aufl. 1991 (zitiert: Palandt/[Bearb.]). Peters, Karl: Beschränkung der Tatbestände im Besonderen Teil; in: ZStW Band 77 (1965), S. 470-505. — Sozialadäquanz und Legalitätsprinzip; in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 415-429. Pfeiffer, Gerd: Parteiverrat als straf- und standesrechtliches Problem; in: Strafverteidigung und Strafprozeß. Festgabe für Ludwig Koch, 1989, S. 127-141. Pfeiffer, Gerd/Maul, Heinrich/Schulte, Benno: Strafgesetzbuch. Kommentar an Hand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 1969. Plate, Hartwig: Zur Strafbarkeit des agent provocateur; in: ZStW Band 84 (1972), S. 294-322. Pötz-Neuburger, Susanne: Billig und ungerecht — Über den anständigen Umgang der Rechtsprechung mit Prostituierten; in: Streit 1985, S. 43-46. Preisendanz, Holger: Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 1978. Prittwitz, Cornelius: Strafbarkeit des HIV-Virusträgers trotz Aufklärung des Sexualpartners?; in: NJW 1988, S. 2942-2943. Popitz, Heinrich: Der Begriff der sozialen Rolle als Element der soziologischen Theorie, 1967. — Über die Präventivwirkung des Nichtwissens. Dunkelziffer, Norm und Strafe, 1968. Preuß, Wilhelm: Untersuchungen zum erlaubten Risiko im Strafrecht, 1974. Puhm, Günther: Strafbarkeit gemäß § 315 c StGB bei Gefährdung des Mitfahrers, Diss, jur. Passau 1990. Puppe, Ingeborg: Der objektive Tatbestand der Anstiftung; in: GA 1984, S. 101-123. — Verführung als Sonderopfer — Zugleich Besprechung von BGH — 2 StR 446 / 85, NStZ 1986, 162 —; in: NStZ 1986, S. 404-406. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 25.10.1990 — 4 StR 371 / 90 = BGHSt. 37, 214; in: NStZ 1991, S. 124-126. Ranft, Otfried: Delikte im Straßenverkehr; in: Jura 1987, S. 608-616. — Rechtsprechungsübersicht zu den Unterlassungsdelikten — Teil 1; in: JZ 1987, S. 859-866. — Anmerkung zu BayObLG, Urteil vom 26.7.1989 — RReg. 3 St 50/89 = NJW 1989, 2903; in: JR 1991, S. 164-167. Referentenentwürfe zur Urheberrechtsreform, sterium, 1954 (zitiert: Referentenentwürfe).

veröffentlicht durch das Bundesjustizmini-

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Regel, Wolfgang: „Entziehen" und „Entführen" Minderjähriger. Zur Auslegung der §§ 235, 236 StGB, Diss. jur. Münster 1975. Regge, Jürgen / Schubert, Werner: s. Schubert / Regge / Rieß / Schmid. Reichsgerichtsrätekommentar: Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung und des Bundesgerichtshofes, Band II, 5. Teil (§§812831), 12. Aufl. 1989 (zitiert: RGRK-[Bearb.]). Renkl, Günter: Abgrenzungsprobleme bei den Straftatbeständen der Konkursordnung; in: JuS 1973, S. 611-614. Rieß, Peter: Die Rechtstellung des Verletzten im Strafverfahren; Gutachten C für den 55. Deutschen Juristentag 1984 (zitiert: Rieß, DJT-Gutachten). — Der Strafprozeß und der Verletzte — eine Zwischenbilanz; in: Jura 1987, S. 281 - 291. Rochlitz, Burkhard: Der strafrechtliche Schutz des ausübenden Künstlers, des Tonträgerund Filmherstellers und des Sendeunternehmens, 1986. Roeder, Hermann: Die Einhaltung des sozialadäquaten Risikos und ihr systematischer Standort im Verbrechensaufbau, 1969. Rogali, Klaus: Die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) — Aktuelle Probleme und ungelöste Fragen —; in: NStZ 1983, S. 1-9. Romeiß, H.: Eine ungelöste Teilnahmefrage im Entwurf zum deutschen und österreichischen Strafgesetzbuch; in: GS Band 99 (1930), S. 382-389. Roos, Gerhard: Entkriminalisierungstendenzen im Besonderen Teil des Strafrechts, 1981. Rothhardt, Hans: Die Prävarikation der Rechtsbeistände, 1906. Roxin, Claus: Franz von Liszt und die kriminalpolitische Konzeption des Alternati ventwurfs; in: ZStW Band 81 (1969), S. 613-649. — Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, 1970. — „Schuld" und „Verantwortlichkeit" als strafrechtliche Systemkategorien; in: Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft. Festschrift für Heinrich Henkel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 171-197. — Bemerkungen zum „Täter hinter dem Täter"; in: Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag, 1976, S. 173-195, — Die Mitwirkung beim Suizid — ein Tötungsdelikt?; in: Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag, 1977, S. 331-355. — Zur jüngsten Diskussion über Schuld, Prävention und Verantwortlichkeit im Strafrecht; in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, 1979, S. 279-309. — Die Mittäterschaft im Strafrecht; in: JA 1979, S. 519-526. — Entwicklung und gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs; in: JA 1981, S. 226-232. — Bemerkungen zur sozialen Adäquanz im Strafrecht; in: Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Band II, 1983, S. 303-313. — Die durch Täuschung herbeigeführte Einwilligung im Strafrecht; in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, 1984, S. 275-294.

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— Die Wiedergutmachung im System der Strafzwecke; in: Schöch, Heinz (Hrsg.), Wiedergutmachung und Strafrecht. Symposion aus Anlaß des 80. Geburtstages von Friedrich Schaffstein, 1987, S. 56-61. — Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe in Abgrenzung von sonstigen Strafausschließungsgründen; in: JuS 1988, S. 425-433. — Bemerkungen zum Regreßverbot; in: Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag, 1989, S. 177-200. — Täterschaft und Tatherrschaft, 5. Aufl. 1990. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 25.10.1990 — 4 StR 371 / 90 = BGHSt. 37, 214; in: JZ 1991, S. 680-681. Roxin, Claus / Schünemann, Bernd / Hajfke, mit Fallrepetitorium, 4. Aufl. 1982.

Bernhard: Strafrechtliche Klausurenlehre

Rudolphi, Hans-Joachim: Ist die Teilnahme an einer Notstandstat i. S. der §§ 52, 53 Abs. 3 und 54 StGB strafbar?; in: ZStW Band 78 (1966), S. 67-99. — Die verschiedenen Aspekte des Rechtsgutsbegriffs; in: Festschrift für Richard Honig zum 70. Geburtstag, 1970, S. 151-167. — Strafbarkeit der Beteiligung an den Trunkenheitsdelikten im Straßenverkehr; in: GA 1970, S. 353-367. — Strafvereitelung durch Verzögerung der Bestrafung und Selbstbegünstigung durch Vortäuschen einer Straftat — Bay ObLG, NJW 1978,2563; in: JuS 1979, S. 859 - 863. — Zur Tatbestandsbezogenheit des Tatherrschaftsbegriffs bei der Mittäterschaft; in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, 1979, S. 369-387. — Anmerkung zu BayObLG, Beschluß vom 23.1.1981 — RReg 3 St 168/80a, b = JR 1982, 25; in: JR 1982, S. 27-29. — Anmerkung zu BGH, Beschluß vom 17.5.1982 — 2 StR 201 / 82 = StV 1982, 516 und zu BGH, Urteil vom 10.2.1982 — 3 StR 398/81 = StV 1982, 517; in: StV 1982, S. 518-521. — Fälle zum Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1983. — Die zeitlichen Grenzen der sukzesiven Beihilfe; in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Erster Halbband (1985), S. 559-579. — Anmerkung zu BGH, Beschluß vom 15.7.1986 — 4 StR 301 / 86 = JR 1987, 335; in: JR 1987, S. 336-339. — Anmerkung zu BGH, Beschluß vom 25.9.1990 — 4 StR 359/90 = BGHSt. 37, 179; in: JZ 1991, S. 572-574. Rupp, Wolfgang: Computersoftware und Strafrecht, Diss. jur. Tübingen 1985. — Zur strafrechtlichen Verantwortung des „bösgläubigen" Softwareerwerbers; in: wistra 1985, S. 137-142. Sack, Fritz: Selektivität, Selektion, Selektionsmechanismen; in: Kaiser, Günther / Kerner, Hans-Jürgen / Sack, Fritz / Schellhoss, Hartmut (Hrsg.), Kleines Kriminologisches Wörterbuch, 2. Aufl. 1985, S. 387-395. Sack, H. J.: Anmerkung zu BayObLG, Urteil vom 22.6.1982 — RReg 4 St 224/81 = JR 1983, 120; in: JR 1983, S. 123-124.

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Samson, Erich: Kausalitäts- und Zurechnungsprobleme im Umweltstrafrecht; in: ZStW Band 99 (1987), S. 617-636. Sandrock: Fünf Jahre reichsgerichtliche Rechtsprechung zum Blutschutzgesetz; in: Deutsches Recht — Ausgabe Β (DR) 1940, S. 261-265. Sax, Walter: Zur rechtlichen Problematik der Sterbehilfe durch vorzeitigen Abbruch einer Intensivbehandlung. Überlegungen zum „Unterlassen durch Tun", zum „Schutzzweck der Norm" und zur „scheinbaren Rechtsguts Verletzung"; in: JZ 1975, S. 137-151. — „Tatbestand" und Rechtsgutsverletzung, I. Überlegungen zur Neubestimmung von Gehalt und Funktion des „gesetzlichen Tatbestandes" und des „Unrechtstatbestandes"; in: JZ 1976, S. 9-16, 80-85; II. Folgerungen aus der Neubestimmung von Gehalt und Funktion des „gesetzlichen Tatbestandes" und des „Unrechtstatbestandes"; in: JZ 1976, S. 429-439. — Zur Problematik des „Teilnehmerdelikts"; in: ZStW Band 90 (1978), S. 927-964. Schaffstein, Friedrich: Rechtswidrigkeit und Schuld im Aufbau des neuen Strafrechtssystems; in: ZStW Band 57 (1938), S. 295-336. — Soziale Adäquanz und Tatbestandslehre; in: ZStW Band 72 (1960), S. 369-396. — Handlungsunwert, Erfolgsunwert und Rechtfertigung bei den Fahrlässigkeitsdelikten; in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 557-578. — Der Täter hinter dem Täter bei vermeidbarem Verbotsirrtum und verminderter Schuldfähigkeit des Tatmittlers — Zugleich eine Besprechung von BGH — 4 StR 352/88 — [= BGHSt. 35, 347]; in: NStZ 1989, S. 153-158. Schatzschneider, Wolfgang: Rechtsordnung und Prostitution. Einige Anmerkungen zur staatlichen Reglementierung des „ältesten Gewerbes"; in: NJW 1985, S. 2793-2797. Schild, Wolfgang: Die „Merkmale" der Straftat und ihres Begriffs, 1979. Schlehofer, Horst: Einwilligung und Einverständnis: Dargestellt an der Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung, 1985. Schlüchter, Ellen: Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale im Strafrecht, 1983. Schmidhäuser, Eberhard: Gesinnungsmerkmale im Strafrecht, 1958. — Zur Systematik der Verbrechenslehre. Ein Grundthema Radbruchs aus der Sicht der neueren Strafrechtsdogmatik; in: Gedächtnisschrift für Gustav Radbruch, 1968, S. 268-280. — Selbstmord und Beteiligung am Selbstmord in strafrechtlicher Sicht; in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 801-822. — Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1975 (zitiert: Schmidhäuser, AT). — Teleologisches Denken in der Strafrechtsanwendung; in: Kultur, Kriminalität, Strafrecht. Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag, 1977, S. 91 -108. — Strafrecht Allgemeiner Teil (Studienbuch), 1982 (zitiert: Schmidhäuser, StudB AT). — Strafrecht — Besonderer Teil (Grundriß), 2. Aufl. 1983 (zitiert: Schmidhäuser, BT). — Über einige Begriffe der teleologischen Straftatlehre; in: JuS 1987, S. 373-380.

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Schmidt-Hertzberg, Georg: Die notwendige Beteiligung an strafbaren Handlungen nach deutschem und anglo-amerikanischem Recht, 1941. Schmitt, Rudolf: Strafrechtlicher Schutz des Opfers vor sich selbst? Gleichzeitig ein Beitrag zur Reform des Opiumgesetzes; in: Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, 1972, S. 113-126. — Täterschaft und Teilnahme am Beispiel des § 281 StGB; in: NJW 1977, S. 18111812. Schneider, Hans Joachim: Viktimologie — Wissenschaft vom Verbrechensopfer, 1975. — Das Opfer und sein Täter — Partner im Verbrechen, 1979. — Prostitution; in: Sieverts, Rudolf / Schneider, Hans Joachim (Hrsg.), Handwörterbuch der Kriminologie, 2. Aufl., Band 5, Lieferung 1, 1983, S. 1-15. — Neuere kriminologische Forschungen zur Prostitution; in: Festschrift für Wolf Middendorff zum 70. Geburtstag, 1986, S. 257-272. — Kriminologie, 1987. Schneider, Hartmut: Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips, 1991 (zitiert: H. Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip). Schöch, Heinz (Hrsg.): Wiedergutmachung und Strafrecht. Symposion aus Anlaß des 80. Geburtstages von Friedrich Schaffstein, 1987. — Kriminologische und sanktionsrechtliche Aspekte der Alkoholdelinquenz im Verkehr; in: NStZ 1991, S. 11-17. Schönke, Adolf ! Schröder, arb.]).

Horst: Strafgesetzbuch, 24. Aufl. 1991 (zitiert: S/S-[Be-

Schreiber, Hans-Ludwig: Rückwirkungsverbot bei einer Änderung der Rechtsprechung im Strafrecht?; in: JZ 1973, S. 713-718. — Grundfälle zu „error in objecto" und „aberratio ictus" im Strafrecht; in: JuS 1985, S. 873-877. Schroeder, Friedrich-Christian: Der Täter hinter dem Täter. Ein Beitrag zur Lehre von der mittelbaren Täterschaft, 1965. — Systematische Stellung und Rechtsgut der Sexualstraftaten nach dem 4. StrRG; in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 859-878. — Das „Erzieherprivileg" im Strafrecht; in: Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag, 1976, S. 391-400. — Die Straftaten gegen das Strafrecht, 1985. Schröder, Horst: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 23.1.1958—4 StR 613 / 57 = BGHSt. 11, 268; in: JR 1958, S. 427-428. — Anmerkung zu OLG Celle, Urteil vom 7.4.1960 — 1 Ss 52/60 = JZ 1961, 263; in: JZ 1961, S. 264-265. — Zur Rechtsnatur der falschen Verdächtigung; in: NJW 1965, S. 1888-1890. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 16.12.1969 — 1 StR 339/69 = BGHSt. 23, 203; in: JZ 1970, S. 422-423. Schroth, Ulrich: Theorie und Praxis subjektiver Auslegung im Strafrecht, 1983.

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Schubert, Werner /Regge, Jürgen /Rieß, Peter / Schmid, Werner: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts, II. Abteilung: NS-Zeit (1933-1939) — Strafgesetzbuch, Band 2: Protokolle der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums, 1. Teil, 1 Lesung: Allgemeiner Teil, Besonderer Teil (Tötung, Abtreibung, Körperverletzung, Beleidigung, Staatsschutzdelikte), hrsg. von J. Regge und W. Schubert, 1988 (zitiert: Regge / Schubert, Quellen). Schüler-Springor um, Horst: Über Victimologie; in: Festschrift für Richard Honig zum 70. Geburtstag, 1970, S. 201-215. Schünemann, Bernd: Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte. Zugleich ein Beitrag zur strafrechtlichen Methodenlehre, 1971. — Moderne Tendenzen in der Dogmatik der Fahrlässigkeits- und Gefährdungsdelikte; in: JA 1975, S. 575-584, 715-724. — Methodologische Prolegomena zur Rechtsfindung im Besonderen Teil des Strafrechts; in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, 1979, S. 117-132. — Einige vorläufige Bemerkungen zur Bedeutung des viktimologischen Ansatzes in der Strafrechtsdogmatik; in: Schneider, Hans Joachim (Hrsg.), Das Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege, 1982, S. 407-421. — Die Gesetzesinterpretation im Schnittfeld von Sprachphilosophie, Staatsverfassung und juristischer Methodenlehre; in: Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag, Band I, 1983, S. 169-186. — Einführung in das strafrechtliche Systemdenken; in: ders. (Hrsg.), Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, 1984, S. 1-68. — Die Zukunft der Viktimo-Dogmatik: die viktimologische Maxime als umfassendes regulatives Prinzip zur Tatbestandseingrenzung im Strafrecht; in: Festschrift Hans Joachim Faller, 1984, S. 357-372. — Zur Stellung des Opfers im System der Strafrechtspflege; in: NStZ 1986, S. 193200, 439-443. — Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft nach der Strafrechtsreform im Spiegel des Leipziger Kommentars und des Wiener Kommentars, 2. Teil: Schuld und Kriminalpolitik; in: GA 1986, S. 293-352. Schütze, Theodor Reinhold: Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen. Zugleich ein Beitrag zur Läuterung der gesammten Lehre von der Verbrechermehrheit, 1969. Schultz, Hans: Kriminologische und strafrechtliche Bemerkungen zur Beziehung zwischen Täter und Opfer; in: SchwZStrR Band 71 (1956), S. 171-192. Schumann, Heribert: Strafrechtliches Handlungsunrecht und das Prinzip der Selbstverantwortung der anderen, 1986. — Verfahrenshindernis bei Einsatz von V-Leuten als agents provocateurs?; in: JZ 1986, 66-72. Schwinge, Erich: Anmerkung zu RG, Urteil vom 22.2.1937 — 2 D 291 / 36 = RGSt. 71, 114; in: JW 1937, S. 1810-1811. Seebode, Manfred: Das Verbrechen der Rechtsbeugung (§ 336 StGB), 1969 (zitiert: Seebode, Rechtsbeugung). Seelmann, Kurt: Mittäterschaft im Strafrecht; in: JuS 1980, S. 571-574.

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Seier, Jürgen: Die Gesetzeseinheit und ihre Rechtsfolgen. Zugleich ein Beitrag zur Behandlung der Gesetzeseinheit in strafrechtlichen Gutachten; in: Jura 1983, S. 225237. Seligmann, Erwin: Delictum sui generis, 1920. Sessar, Klaus: Über das Opfer. Eine viktimologische Zwischenbilanz; in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Zweiter Halbband, 1985, S. 1137 -1157. Seume, Manfred: Die Bedeutung unrechtsbetonender Ausdrücke wie ,»rechtswidrig", „unbefugt" und dergleichen in Strafgesetzen im Hinblick auf die Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum, Diss. jur. Erlangen-Nümberg 1968. Sick, Brigitte: Zweierlei Recht für zweierlei Geschlecht. Wertungswidersprüche im Geschlechterverhältnis am Beispiel des Sexualstrafrechts; in: ZStW Band 103 (1991), S. 43-91. Sieber, Ulrich: Die Abgrenzung von Tun und Unterlassen bei der „passiven" Gesprächsteilnahme — Zugleich eine Besprechung der Entscheidung BGH 3 StR 398 / 81 vom 10.2.1982 —; in: JZ 1983, S. 431 -437. Sigg, Fred. Α.: Begriff, Wesen und Genese des Beziehungsdelikts. Ein kriminologischer Beitrag aus daseinsanalytischer, tiefenpsychologischer und juristischer Sicht, 1969. Simson, Gerhard: Die Suizidtat. Eine vergleichende Betrachtung, 1976. Simson, Gerhard / Geerds, Friedrich: Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechts vergleichender Sicht, 1969. Sina, Peter: Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut", 1962. Sippel, Kurt: Zur Strafbarkeit der „Kettenanstiftung", 1989. Sitzmann, Valentin: Zur Strafbarkeit sado-masochistischer Körperverletzungen; in: GA 1991, S. 71-81. Sommer, Ulrich: Verselbständigte Beihilfehandlungen und Straflosigkeit des Gehilfen; in: JR 1981, S. 490-495. — Das fehlende Erfolgsunrecht. Zur Strafbarkeitsbewertung des Agent provocateur, 1987. Sowada, Christoph: Strafbares Unterlassen eines Arztes, der seinen Patienten nach einem Selbstmordversuch bewußtlos auffindet? — BGH, Urt. v. 4.7.84 — 3 StR 96/84 = BGHSt. 32, 367 —; in: Jura 1985, S. 75-88. — Das „unechte Unternehmensdelikt" — eine überflüssige Rechtsfigur; in: GA 1988, S. 195-214. Spendel, Günter: Zur Kritik der subjektiven Versuchs- und Teilnahmetheorie — BGHSt. 11, 268; in: JuS 1969, S. 314-318. — Unrechtsurteile der NS-Zeit; in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Erster Halbband, 1985, S. 179-198. — Rechtsbeugung im Jugendstrafverfahren; in: JR 1985, S. 485-490. Spotowski, Andrzej: Erscheinungsformen der Straftat im deutschen und polnischen Recht, 1979. 20 Sowada

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Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch von Rudolphi, Hans-Joachim / Horn, Eckhard und Samson, Erich; Band I: Allgemeiner Teil (§§ l-79b), 5. Aufl., Stand: 13. Lieferung (November 1989); Band Π: Besonderer Teil (§§ 80-358), 4. Aufl., Stand: 28. Lieferung (Oktober 1990) (zitiert: SK-[Bearb.]). v. Staudinger, Julius: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 823-832), erläutert von Karl Schäfer, 12. Aufl. 1986 (zitiert: Staudinger / Schäfer). Stein, Ulrich: Die strafrechtliche Beteiligungsformenlehre, 1988. Stenglein, M.: Lexikon des Deutschen Strafrechts nach den Entscheidungen des Reichsgerichts zum Strafgesetzbuche, Erster Band (A-H), 1900. — Besprechung zu: Freudenthal, Berthold: Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen (1901); in: GS Band 59 (1901), S. 79. Sternberg-Lieben, Detlev: Musikdiebstahl, 1985. Stöger, Fritz: Versuch des untauglichen Täters. Zugleich ein Beitrag zur strafrechtlichen Lehre vom Unrecht, 1961. Störi, Doris: Sucht, Aids, Prostitution und die Freier; in: Brakhoff, Jutta (Hrsg.), Sucht und Prostitution, 1989, S. 71-82. Stratenwerth,

Günter: Der agent provocateur; in: MDR 1953, S. 717-721.

— Prinzipien der Rechtfertigung; in: ZStW Band 68 (1956), S. 41-70. — Der Versuch des untauglichen Subjekts; in: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag, 1978, S. 59-69. — Strafrecht Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 1981. Stree, Walter: Die Ersatzhehlerei als Auslegungsproblem; in: JuS 1961, S. 50-53. — Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei. Betrachtungen zu der Neuregelung; in: JuS 1976, S. 137-145. — Anmerkung zu BayObLG, Urteil vom 20.7.1978 — RReg 5 St 118 / 78 = JR 1979, 252; in: JR 1979, S. 253-255. — Beteiligung an vorsätzlicher Selbstgefährdung — BGHSt. 32, 262 und BGH, NStZ 1984, 452; in: JuS 1985, S. 179-184. Streng, Franz: Die Strafbarkeit des Anstifters bei error in persona des Täters (und verwandte Fälle) — BGHSt 37, 214; in: JuS 1991, S. 910-917. Suppert, Hartmut: Studien zur Notwehr und „ n o t w e h r ä h n l i c h e n Lage", 1973. Tiedemann, Klaus: Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht. Untersuchungen zu einem rechtsstaatlichen Tatbestandsbegriff, entwickelt am Problem des Wirtschaftsstrafrechts, 1969. — Besprechung zu: Fincke, Martin: Das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen Teil des Strafrechts (1975); in: GA 1976, S. 89-90. — Insolvenzstraftaten aus der Sicht der Kreditwirtschaft; in: ZIP 1983, S. 513-522. Trechsel, Stefan: Der Strafgrund der Teilnahme, 1967. Tischler, Werner Georg: Freiheit und soziale Bindung im Wirtschaftsrecht — „Betrug und Opfermitverantwortung"; in: Jura 1988, S. 122-125.

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Ulmer, Eugen: Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980. Ulrich, Anita: Bordelle, Strassendirnen und bürgerliche Sittlichkeit in der Belle Epoque. Eine sozialgeschichtliche Studie der Prostitution am Beispiel der Stadt Zürich, 1985. Ulsenheimer, Klaus: Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens bei Gefahr eigener Strafverfolgung; in: GA 1972, S. 1-26. Usteri, Paul: Strafwürdigkeit der Kuppelei, Diss. jur. Zürich 1972. Vogels, Albert: Die Ausnahmen in der Lehre von der Teilnahme am Verbrechen, Diss, jur. Heidelberg 1911. Vogler, Theo: Zur Frage der Ursächlichkeit der Beihilfe für die Haupttat; in: Festschrift für Emst Heinitz zum 70. Geburtstag, 1972, S. 295-315. — Die Begünstigungshandlung. Zum Begriff „Hilfe leisten" im § 257 StGB; in: Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag, 1977, S. 405-424. — Möglichkeiten und Wege einer Entkriminalisierung; in: ZStW Band 90 (1978), S. 132-172. — Funktionen und Grenzen der Gesetzeseinheit; in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, 1979, S. 715-736. Volk, Klaus: Entkriminalisierung durch Strafwürdigkeitskriterien jenseits des Deliktsaufbaus; in: ZStW Band 97 (1985), S. 871-918. Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch nebst Begründung, 1909 (zitiert: Vorentwurf 1909). Vormbaum, Thomas: Anmerkung zu BayObLG, Beschluß vom 4.12.1978 — RReg 5 St 194/78 = JR 1979, 475; in: JR 1979, S. 477-479. — Probleme der Gläubigerbegünstigung. Zur Auslegung des §283c StGB; in: GA 1981, S. 101-133. — Entkriminalisierung und Strafgesetz. Über Schwierigkeiten, Entkriminalisierung zu begründen und zu verwirklichen; in: Festschrift für Rudolf Gmür zum 70. Geburtstag, 1983, S. 323-343. — Besprechung zu: Schroeder, Friedrich-Christian: Die Straftaten gegen das Strafrecht (1985); in: GA 1986, S. 467-469. — Der strafrechtliche Schutz des Strafurteils. Untersuchungen zum Strafrechtsschutz des strafprozessualen Verfahrenszieles, 1987. Wachenfeld,

Friedrich: Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 1914.

Wagner, Heinz: Amtsverbrechen, 1975. — Die Rechtsprechung zu den Straftaten im Amt seit 1975 — Teil 2; in: JZ 1987, S. 658-669. Wagner, Rolfhelmuth: Die Strafbarkeit des notwendig Beteiligten als Anstifters, Diss, jur. Erlangen 1933. Wahl, Adolf: Video-Piraterie: Eine neue Erscheinungsform der Verletzung von Urheberrechten; in: Kriminalistik 1982, S. 68-71. Wallner, Rainer: Die Ausgestaltung von Kuppelei, Menschenhandel und Zuhälterei. Ein Beitrag zur Reform des Sexualstrafrechts, 1970 (Diss. jur. München 1971). *

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Wank, Rolf: Die juristische Begriffsbildung, 1985. Weber, Hans-Dieter: Der zivilrechtliche Vertrag als Rechtfertigungsgrund im Strafrecht, 1986. Weber, Ulrich: Der strafrechtliche Schutz des Urheberrechts, 1976. — Zur strafrechtlichen Erfassung des Musikdiebstahls; in: Festschrift für Werner Sarstedt zum 70. Geburtstag, 1981, S. 378-392. — Zur strafrechtsgestaltenden Kraft des Zivilrechts; in: Festschrift für Fritz Baur, 1981, S. 133-145. — Urheberstrafrecht; in: Krekeler, Wilhelm / Tiedemann, Klaus / Ulsenheimer, Klaus / Weinmann, Günther (Hrsg.), Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Ergänzungslieferung August 1986, S. 1-11. — Die Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes durch Gefährdungs- und Unternehmensdelikte; in: Beiheft zur ZStW, 1987, S. 1-36 (zitiert: Weber, ZStW-Beiheft). — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 6.11.1986 — 1 StR 327 / 86 = BGHSt. 34, 221; in: StV 1988, S. 16-18. — Sind die Urheberdelikte (§§ 106 ff. UrhG) für die Hehlerei (§ 259 StGB) geeignete Vortaten?; in: Festschrift für Horst Locher zum 65. Geburtstag, 1990, S. 431-439. Weiberg, Wilhelm: Der gegenwärtige Stand der notwendigen Teilnahme, 1932. Weigend, Thomas: Viktimologische und kriminalpolitische Überlegungen zur Stellung des Verletzten im Strafverfahren; in: ZStW Band 96 (1984), S. 761-793. — Über die Begründung der Straflosigkeit bei der Einwilligung des Betroffenen; in: ZStW Band 98 (1986), S. 44-72. — Deliktsopfer und Strafverfahren, 1989. Welzel, Hans: Studien zum System des Strafrechts; in: ZStW Band 58 (1938), S. 491566. — Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969 (zitiert: Welzel, Lehrbuch). Wessels, Johannes: Strafrecht — Allgemeiner Teil: Die Straftat und ihr Aufbau, 21. Aufl. 1991 (zitiert: Wessels, AT). — Strafrecht Besonderer Teil — 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 15. Aufl. 1991 (zitiert: Wessels, BT 1). — Strafrecht Besonderer Teil — 2: Straftaten gegen Vermögenswerte, 14. Aufl. 1991 (zitiert: Wessels, BT 2). Wiegelmann, Norbert: Jura-Klausurenwettbewerb, 1. Preis Strafrecht; in: Jura 1983, S. 328-331. Winkelbauer, Wolfgang: Anmerkung zu BGH, Beschluß vom 15.7.1986 — 4 StR 301/86 = JZ 1986, 967; in: JZ 1986, S. 1119-1121. — Anmerkung zu BGH, Urteil vom 6.11.1986 — 1 StR 327 / 86 = BGHSt. 34, 221; in: JR 1988, S. 33-36. Wittkamp, Horst: Die Strafschärfung bei der Mitwirkung mehrerer Personen an einer Straftat, 1967. Woesner, Horst: Erneuerung des Sexualstrafrechts; in: NJW 1968, S. 673-679.

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Wolff, Konrad: Der Parteiverrat des Sachwalters. Die Prävarikation in Geschichte und Gegenwart, 1930. Wolski, Sabine: Soziale Adäquanz: Schutzzweck der Norm, Verwerflichkeitsklausel, erlaubtes Risiko, „rechtsfreier Raum", Strafwürdigkeit, Verfolgungsverzicht bei geringer Schuld — ein methodologisches Problem mit vielen Facetten, 1990. Wolter, Jürgen: Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einem funktionalen Straftatsystem, 1981. — Notwendige Teilnahme und straflose Beteiligung; in: JuS 1982, S. 343-349. — Objektive und Personale Zurechnung zum Unrecht. — Zugleich ein Beitrag zur aberratio ictus und objektiven Strafbarkeitsbedingung; in: Schünemann, Bernd (Hrsg.), Grundfragen des modernen Strafrechtssystems, 1984, S. 103-134. — Wahlfeststellung und in dubio pro reo. Zugleich eine Dokumentation der höchstrichterlichen Rechtsprechung 1934-1986, 1987. Worms, Martin J.: Die Bekenntnisbeschimpfung im Sinne des § 166 Abs. 1 StGB und die Lehre vom Rechtsgut, 1984. Würkner, Joachim: Prostitution und Menschenwürdeprinzip — Reflexionen über die Ethisierung des Rechts am Beispiel des gewerblichen Ordnungsrechts; in: NVwZ 1988, S. 600-602. Würtenberger, Thomas: Rechtsfriede und Strafrecht; in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts. Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag, 1974, S. 209-219. Wüstmann, Ephard: Rolle und Rollenkonflikt im Recht, 1972. Wulff, Claus-Peter: Computerprogramm und Videoaufzeichnung als Gegenstand einer Straftat; in: BB 1985, S. 427-429. Zachariä, Heinrich Albert: Zur Lehre von der Theilnahme am Verbrechen, insbesondere der Anstiftung; in: Archiv des Criminalrechts, Neue Folge 1850, S. 265-286. Zaczyk, Rainer: Anmerkung zu BGH, Urteil vom 7.3.1985 — 4 StR 82 / 85 = JZ 1985, 1059; in: JZ 1985, S. 1059-1061. Zadek: Macht sich im Falle des § 211 der Reichsconcursordnung der Gläubiger, welcher die Befriedigung annimmt, der Theilnahme an dem Vergehen des Schuldners schuldig?; in: GS Band 40 (1888), S. 561-579. Zielinski, Diethart: Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff. Untersuchungen zur Struktur von Unrechtsbegründung und Unrechtsausschluß, 1973. — Strafantrag — Strafantragsrecht: Zur Frage der Funktion des Strafantrages und seinen Wirksamkeitsvoraussetzungen; in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, 1986, S. 875-890. Zipf, Heinz: Einwilligung und Risikoübernahme im Strafrecht, 1970. — Rechtskonformes und sozialadäquates Verhalten im Strafrecht; in: ZStW Band 82 (1972), S. 633-654. — Kriminalpolitik, 2. Aufl. 1980. Zöller, Paul Heinrich: Die notwendige Teilnahme, Diss. jur. Bonn 1970.