Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht [Reprint 2014 ed.] 9783110903782, 9783110076455

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Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht [Reprint 2014 ed.]
 9783110903782, 9783110076455

Table of contents :
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
1. Die Strafkompetenz des Staates in Auslandssachen
2. Die Gesetzeskompetenz des inländischen Strafrechts in Auslandssachen
a) Die Rechtslage nach dem 2. StrRG
b) Der Ansatzpunkt der nachfolgenden Untersuchung
c) Das Ziel der nachfolgenden Untersuchung
ERSTER HAUPTTEIL
I. Die Akzessorietät des Strafrechts
1. Die Aufgabe des Strafrechts innerhalb der Rechtsordnung
2. Das Verhältnis des Strafrechts zu den übrigen Rechtsgebieten
3. Die Erscheinungsformen strafrechtlicher Abhängigkeit
II. Die Bedeutung der strafrechtlichen Akzessorietät für das internationale Strafrecht
1. Allgemeine Abgrenzung des Problemkreises
2. Besondere Abgrenzung des Problemkreises
ZWEITER HAUPTTEIL
I. Vorbemerkung zum ersten Lösungsversuch
II. Der Strafgesetzbegriff bei Binding
1. Der Strafgesetzbegriff im Rahmen der Normenlehre
2. Der formelle Strafgesetzbegriff
3. Der materielle Strafgesetzbegriff
III. Der Strafgesetzbegriff in Rechtsprechung und Lehre
1. Der formelle Strafgesetzbegriff
2. Der rechtsgutstheoretische Strafgesetzbegriff
3. Der materielle Strafgesetzbegriff
IV. Ergebnis des ersten Lösungsversuchs
DRITTER HAUPTTEIL
I. Vorbemerkung zum zweiten Lösungsversuch
II. Das internationale Kollisionsrecht
1. Der Begriff des internationalen Kollisionsrechts
2. Die Struktur des deutschen internationalen Kollisionsrechts
3. Allseitige und einseitige Kollisionsnormen
4. Die Anknüpfung
III. Die Bedeutung des internationalen Kollisionsrechts für die Fremdrechtsanwendung im deutschen Strafrecht
1. Die “Allseitigkeit” des Internationalen Privatrechts
2. IPR-Normen im deutschen Strafrecht
3. Die “Einseitigkeit” des Internationalen Verwaltungsrechts
4. Die (Un- )Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts
IV. Ergebnis des zweiten Lösungsversuchs
V. Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht und der Ausschließlichkeitsanspruch (§§ 5-7 StGB)
1. Die Anknüpfung der akzessorischen Begriffe
2. Der historische Hintergrund des Ausschließlichkeitsanspruchs
3. Die klassischen Argumente aus heutiger Sicht
4. Ergebnis
VI. Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht und der Satz “nullum crimen, nulla poena sine lege”
1. Die Grundgedanken des “nulla-poena-Satzes”
2. Die Verwendung akzessorischer Merkmale im Strafrecht
3. Die Verweisung auf ausländische Rechtssätze
4. Ergebnis
SCHLUSS
LITERATURVERZEICHNIS

Citation preview

Karin Cornils Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht

Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht

von Karin Cornils

1978

w DE

Walter de Gruyter · Berlin · New York

CIP-Kurzritelaufnähme

der Deutschen

Bibliothek

Cornils, Karin Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht. 1. Aufl. - Berlin, New York: de Gruyter, 1978. ISBN 3-11-007645-4

© Copyright 1978 by Walter de G r u y t e r & Co., vormals G. J. G ö s c h e n ' s c h e Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G e o r g Reimer, Karl J. Trübner, Veit & C o m p . , 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das R e c h t der Vervielfältigung u n d Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) o h n e s c h r i f t l i c h e G e n e h m i g u n g d e s Verlages reproduziert o d e r unter V e r w e n d u n g elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in G e r m a n y Druck: W. Hildebrand, 1000 Berlin 65 • Bindearbeiten'. W ü b b e n , 1000 Berlin 42

V O R W O R T

Diese Arbeit hat im Herbst 1977 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation vorgelegen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Hans Lüttger, möchte ich an dieser Stelle für seine wohlwollende Förderung und dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i.Br. für die mir gewährten idealen Arbeitsbedingungen aufrichtig danken. Die Arbeit wurde durch ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes unterstützt.

Karin Cornils

INHALTSVERZEICHNIS Seite ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

XIII

EINLEITUNG

1

1. Die Strafkompetenz des Staates in Auslandssachen

1

2. Die Gesetzeskompetenz des inländischen Strafrechts in Auslandssachen

3

a) Die Rechtslage nach dem 2. StrRG b) Der Ansatzpunkt der nachfolgenden Untersuchung

3

c) Das Ziel der nachfolgenden Untersuchung

6

4

ERSTER HAUPTTEIL I. Die Akzessorietät des Strafrechts

7

1. Die Aufgabe des Strafrechts innerhalb der Rechtsordnung

7

2. Das Verhältnis des Strafrechts zu den übrigen Rechtsgebieten

8

3. Die Erscheinungsformen strafrechtlicher Abhängigkeit

10

a) Ausdrücklich verweisende Akzessorietät b) Still schweigend verweisende Akzessorietät

11

c) Indirekte Akzessorietät

12

II. Die Bedeutung der strafrechtlichen Akzessorietät für das internationale Strafrecht 1. Allgemeine Abgrenzung des Problemkreises a) Die Fragestellung b) Die Behandlung in Literatur und Rechtsprechung

11

1k 12 13 14·

- VIII Seite 2. Besondere Abgrenzung des Problemkreises a) Die Fälle der ausdrücklich verweisenden Akzessorietät

16 16

aa) "Unechte" Blankettverweisungen

1?

bb) "Echte" Blankettverweisungen

18

b) Die Fälle der stillschweigend verweisenden Akzessorietät aa) Deskriptive u n d normative Tatbestandsmerkmale

20 20

bb) Rechtlich-normative Tatbestandsmerkmale c) Die Fälle der indirekten Akzessorietät

22 26

aa) der Die Fahrlässigkeitsdelikte objektive Sorgfalt im Rahmen

26

bb) Die Garantenpflicht im Rahmen der unechten Unterlassungsdelikte

31

cc) Die Rechtfertigungsgründe

38

ZWEITER HAUPTTEIL I. Vorbemerkung zum ersten Lösungsversuch II. Der Strafgesetzbegriff bei Binding

44 47

1. Der Strafgesetzbegriff im Rahmen der Normenlehre

47

2. Der formelle Strafgesetzbegriff

48

3. Der materielle Strafgesetzbegriff

49

III. Der Strafgesetzbegriff in Rechtsprechung und Lehre 1. Der formelle Strafgesetzbegriff

50 52

a) Der formelle Strafgesetzbegriff im Rahmen des § 2 Abs.3 StGB

54

b) Der formelle Strafgesetzbegriff im Rahmen der Irrtumslehre

55

c) Kritik u n d Anwendbarkeit des formellen Strafgesetzbegriffs im internationalen Strafrecht

56

- IX Seite 2. Der rechtsgutstheoretische Strafgesetzbegriff a) Der rechtsgutstheoretische Strafgesetzbegriff im Zusammenhang mit der verweisenden Akzessorietät b) Der rechtsgutstheoretische Strafgesetzbegriff im Zusammenhang mit der indirekten Akzessorietät c) Kritik und Anwendbarkeit des rechtsgutstheoretischen Strafgesetzbegriffs im internationalen Sti"afrecht 3. Der materielle Strafgesetzbegriff a) Der materielle Strafgesetzbegriff im Verhältnis zu BlankettbeStimmungen b) Der materielle Strafgesetzbegriff im Verhältnis zu rechtlich-normativen Tatbestandsmerkmalen c) Der materielle Strafgesetzbegriff im Verhältnis zu Rechtfertigungsgründen d) Anwendbarkeit des materiellen Strafgesetzbegriffs im Rahmen des ersten Lösungsversuchs IV. Ergebnis des ersten Lösungsversuchs

58 60 60 61 62 64 66 67 69 70

DRITTER HAUPTTEIL I. Vorbemerkung zum zweiten Lösungsversuch II. Das internationale Kollisionsrecht

71 73

1. Der Begriff des internationalen Kollisionsrechts

73

2. Die Struktur des deutschen internationalen Kollisionsrechts

74

3. Allseitige und einseitige Kollisionsnormen

75

4. Die Anknüpfung

77

a) Die methodische Grundlage des Rechtsanwendungsbefehls b) Die Sonderanknüpfung der Vorfrage

77 78

- Χ Seite III. Die Bedeutung des internationalen Kollisionsrechts für die Fremdrechtsanwendung im deutschen Strafrecht

82

1. Die "Allseitigkeit" des Internationalen Privatrechts

82

2. IPR-Normen im deutschen Strafrecht

84

3. Die "Einseitigkeit" des Internationalen Verwaltungsrechts

86

4. Die (Un-Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts

88

a) Rechtsanwendung in Haupt- und Vorfrage b) Die Anwendung ausländischen Verwaltungsrechts im deutschen Strafrecht IV. Ergebnis des zweiten Lösungsversuchs V. Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht und der Ausschließlichkeitsanspruch (§§ 5 - 7 StGB) 1. Die Anknüpfung der akzessorischen Begriffe a) Pauschalanknüpfung nach §§ 5-7 StGB b) Einzelanknüpfung nach eigenen Kollisionsregeln 2. Der historische Hintergrund des Ausschließlichkeitsanspruchs a) Die Zeit bis zum 19. Jahrhundert

89 92 98

99 100 100 101 102 103

b) Die Wende im 19. Jahrhundert

103

c) Neuere und jüngste deutsche Gesetzgebung

104

3· Die klassischen Argumente aus heutiger Sicht

105

a) Das Argument der Souveränität b) Das Argument der Gerechtigkeit

105 107

c) Das Argument der praktischen Schwierigkeiten

109

4. Ergebnis

113

- XI

Seite

VI. Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht und der Satz "nullum crimen, nulla poena sine lege" 1. Die Grundgedanken des "nulla-poena-Satzes" a) Die rechtsstaatliche Begründung b) Die strafrechtliche Begründung

114 114 114 115

2. Die Verwendung akzessorischer Merkmale im Strafrecht

116

5. Die Verweisung auf ausländische Rechtssätze

117

a) Die Vereinbarkeit Grundgedanken des b) Die Vereinbarkeit Grundgedanken des

mit dem rechtsstaatlichen "nulla-poena-Satzes" mit dem strafrechtlichen "nulla-poena-Satzes"

118 119

4. Ergebnis

120

SCHLUSS

121

LITERATURVERZEICHNIS

123

- XIII.-

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AcP

Archiv für die zivilistische Praxis

AE

Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1969

BayObLG BerdDGesVR

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch v.18.8.1896 (RGBl. 195; BGBl. III 4 Nr.400-2)

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BQHSt (GrSen)

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Großer Senat)

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BSeuchG

Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht

Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundesseuchengesetz) v. 18.7.1961 (3GB1. I, 1012)

BSHG

Bundessozialhilfegesetz idP v. 13.2.1976 (BGBl. I 289)

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch v. 18.8.1896 (RGBl. 604; BGBl. III 4 Nr. 400-1)

EheG

Ehegesetz v. 20.2.1946 (BGBl. III 4 Nr. 404-1)

GA

Goltdammer's Archiv für Strafrecht

GewO

Gewerbeordnung idP v. 26.7.1900 flSGBl. 871; BGBl. III 7 Nr. 7100-1)

GewSfcG

Gewerbesteuergesetz idF v. 15.8.1974 (BGBl. I 1971)

GG

Grundgesetz für die Bundesrenublik Deutschland v. 23.5.1949 (BGBl. I 1 )

GjS

Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften idF v. 29.4. 1961 (BGBl. I 497)

- XIV -

GS

Der Gerichtssaal

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen idF ν. 4.4.1974 (BGBl. I 869)

HdwbdR II

Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, Bd. II 1927

HGB

Handelsgesetzbuch v. 10.5.1897 (RGBl. 219; BGBl. III 4 Nr. 4-100-1)

IPR

Internationales Privatrecht

IRuD

Internationales Recht und Diplomatie

IVerwR

Internationales Verwaltungsrecht

JA

Juristische Arbeitsblätter

JR

Juristische Rundschau

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juri stenzeitung

KG

Kammergericht

KO

Konkursordnung idF v. 20.5.1898 (RGBl. 612; BGBl. III 3 Nr. 311-4)

LB (AT, BT)

Lehrbuch (Strafrecht, Allgemeiner Teil; Strafrecht, Besonderer Teil)

LK

Leipziger Kommentar, begr. v. Ebermayer, Lobe u. Rosenberg

LM

Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, hrsg. v. Lindenmaier u. Möhring

LuftVG

Luftverkehrsgesetz idF v. 28.11. 1968 (BGBl. I 1113)

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MRK

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention) v. 4.11.1950 (BGBl. II 685)

MSchrKrim

Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform

OLG

Oberlande sgericht

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten idF v. 2.1.1975 (BGBl. I 80, 520)

PaßG

Gesetz über das Paßwesen v. 4.3.1952 (BGBl. I 29Ο)

- XV -

PersBefG

Gesetz über die Beförderung von Personen zu Lande (Personenbeförderungsgesetz) v. 21.3.1961 (BGBl. I 241)

RabelsZ

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begr. v. Ernst Rabel

Revue

Revue internationale de droit pSnal

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RVO

Reichsversicherungsordnung idF v. 15.12.1924· (RGBl. I 779; BGBl. III 8 Nr. 820-1)

ScheckG

Scheckgesetz v. 14-.8.1933 (RGBl. I 597)

SchwZStr

Schweizer Zeitschrift für Strafrecht

SeemannsG

Seemannsgesetz v. 26.7.1957 (BGBl. II 7 1 3 )

StGB

Strafgesetzbuch idF v. 2.1.1975 (BGBl. I 1)

StPO

Strafprozeßordnung idF v. 7.1.1975 (BGBl. I 129)

2.StrRG

Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts v. 4.7.1969 (BGBl. I 717)

SfcVO

Straßenverkehrs-Ordnung v. 16.11. 1970 (BGBl. I 1665)

StVZO

Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung idF v. 15.11.1974- (BGBl. I 3193)

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7.6.1909 (RGBl. I 4-99; BGBl. III 4 Nr. 43-1)

VereinsG

Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts v. 5.8.1964(BGB1. I 595)

- XVI -

VerkehrssicherstellungsG

Gesetz über die Sicherstellung des Verkehrs idF v. 8.10.1968 (BGBl. I 1082)

WaffG

Waffengesetz idF v. 8.3.1976 (BGBl. I 432)

WassersicherstellungsG

Gesetz über die Sicherstellung v o n Leistungen auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft für Zwecke der Verteidigung v. 24.8.1965 (3GB1. I 1225)

WG

Wechselgesetz v. 21.6.1933 (RGBl. I 399)

WirtschaftssicherstellungsG Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft sowie des Geld- u n d KapitalVerkehrs idF v. 3.11.1968 (BGBl. I 1069) WiStG

Gesetz zur v/eiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz) idF v. 3.6.1975 (BGBl. I 1313)

WPflG

Wehrpflichtgesetz idF v. 8.12. 1972 (BGBl. I 2277)

WStG

Wehrstrafgesetz idF v. 24.5.1974 (BGBl. I 1213)

V/ZG

Warenzeichengesetz idF ν. 2.1. 1968. (BGBl. I 29)

ZPO

Zivilprozeßordnung idF v. 12.9. ^lviiürozeiiordnung 1950 "(3GB1. I 535)

ZStW

Zeitschrift für die Gesamte Strafrechtswissenschaft

EINLEITUNG Die wachsenden internationalen Beziehungen auf allen Gebieten zwischenstaatlicher Zusammenarbeit sowie die zunehmende Leichtigkeit des grenzüberschreitenden Verkehrs machen den modernen Menschen beweglicher, führen ihn - sei es aus beruflichen, sei es aus privaten Gründen - immer häufiger ins Ausland. Allein die zahlreichen Touristen und Gastarbeiter mögen als Beispiel dafür dienen, welch beachtlicher Teil der Bevölkerung sich vorübergehend oder dauernd außerhalb der eigenen Landesgrenzen aufhält. Im Bereich der Kriminalität kann dieses Phänomen nicht ohne Auswirkungen bleiben und zeigt sich tatsächlich durch entsprechendes Ansteigen der De-

1) likte mit Auslandsberührung. ' Der Richter sieht sich in zunehmendem Maße vor das Problem der Beurteilung nicht nur ausländischer Täter, sondern insbesondere auch im Auslande begangener Handlungen gestellt.

Die Strafkompetenz des Staates in AuslandsSachen Die erste Frage, welche die Behandlung einer Auslandstat aufwirft, ist die nach der inländischen Strafgewalt (ius puniendi), d.h. nach der strafrechtlichen Kompetenz des Inlandes gegenüber anderen Staaten - insbesondere gegenüber dem Tatortsstaat -, die aus demselben Sachverhalt selbst einen Bestrafungsanspruch herleiten könnten.^ 1)

vgl. Vogler, Grützner-Festschrift, S. 14-9; Zimmerli, Europäisches Ubereinkommen, S. 13; Zlataric, Droit penal international, S. 2 ff 2) vgl. Binding, Handbuch, S. 440; Jescheck, LB S. 8 f, 127 ff; ders., WVR Bd. III, S. 396; Linke, Grützner-Festschrift, S. 85; Staubach, Anwendung ausländischen Strafrechts, S. 15 f

-

2

-

Nach den Regeln des internationalen Strafrechts bedarf es zur Begründung des eigenen staatlichen Strafanspruchs mindestens eines "sinnvollen" Anknüpfungspunktes, der den Sachverhalt in rechtliche Be3) Ziehung zum Inland setzt. "

Außer dem Begehungsort, der gerade bei Auslandstaten als Bezugsmoment entfällt, kommen in Betracht: - die Nationalität der Beteiligten (handelt es sich um die Tat eines eigenen Staatsangehörigen oder gegen einen solchen, so kann das Inland allein auf diesen Umstand seine Strafberechtigung stützen Ό und - das verletzte Rechtsgut (neben innerstaatlichen Rechtsgütern''^ und jenen, die im Rahmen internationaler Vereinbarungen als generell schutzwürdig anerkannt sind 6), umfaßt der Schutzbereich des inländischen Strafrechts alle Individualrechtsgüter der Menschen - ungeachtet ihrer Nationalität -7) sowie ausländische Gemeinschaftsgüter, sofern diese nicht der fremden Staatshoheit selbst zuzuordnen sind. 8) Diese Grundsätze haben in den § § 5 - 7 StGB ihre gesetzliche Ausprägung erfahren. Danach ist gegenüber Auslandstaten die inländische Strafgewalt dann zu bejahen, wenn entweder ein Deutscher aktiv oder passiv beteiligt ist oder der Angriff sich gegen ein vom deutschen Strafrecht geschütztes Rechtsgut richtet. 3) vgl. v.Bar, LB, S. 208 ff, 216 ff; Jescheck, Maurach-Festschrift, S. 580 ff; Maurach, LB AT S. 118; Oehler, Internationales Strafrecht, S. 133 f; Schultz, GA 66, S. 194 4) aktives bzw. passives Personalitätsprinzip 5) Schutzprinzip 6) Universalitätsprinzip 7) vgl. BayObLG JZ 72, 563; Jescheck, LB, S. 138; ders., Maurach-Festschrift, S. 583; SchönkeSchröder, Vorbem. §§ 3-7 Rdn. 15; Samson, SK, § 3 Rdn. 12 8) vgl. Binding, Handbuch, S. 394; Oehler, MezgerFestschrift, S. 99; Schönke-Schröder, Vorbem. §§ 3-7 Rdn. 16-18

Die Gesetzeskompetenz des inländischen Strafrechts in Auslandssachen Ist die deutsche Strafkompetenz danach gegeben, so schließt sich die weitere Frage nach der Gesetzeskompetenz des eigenen materiellen Strafrechts q) a n . " Soll auf den betreffenden Sachverhalt das inländische Strafrecht oder das eines anderen beteiligten Staates - insbesondere das des Tatortstaates - Anwendung finden? a) Die Rechtslage nach dem 2. StrRG Die Vorschriften der §§ 5-7 StGB beantworten diese Frage uneingeschränkt zugunsten des deutschen Strafrechts. Eine klare, wenn auch dogmatisch nicht zwingende Entscheidung in dem Jahrhunderte währenden Streit um die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht. Seit Bartolus gehörte die unmittelbare Anwendung des fremden Tatortrechts zu den festen Grundsätzen des internationalen Strafrechts ' und war - später als lex mitior - im deutschen StGB verankert, bis durch die nationalsozialistische Gesetzgebung im 11 )

Jahre 1940 ' mit dem Personalitätsprinzip die strikte Nichtanwendung fremder Strafgesetze eingeführt wurde. Die mit dem 2. StrEG erfolgte Rückkehr zum Territorialität sprinzip stellt den Anknüpfungspunkt des 9)

vgl. Donnedieu de Vabres, Principes, S. 173 ff» Jescheck, IRuD 56, S. 76 f; Staubach a.a.O.,

s. 15 f

10)

vgl. Baltatzis, Personalitätsgrundsatz, S. 27; Köhler, Internationales Strafrecht, S. 28; Staubach, a.a.O. , S. 32 ff; v.Cleric, SchwZStr. 37 (1924), S. 63 11) Verordnung über den Geltungsbereich des Strafrechtes vom 6. Mai 19^0, RGB1.I, S. 754

-

4

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Begehungsortes erneut in den Vordergrund und führt damit zu einer Wiederbelebung der Frage nach der Berücksichtigung des Tatortrechts bei Auslandsdelikten. Tatsächlich scheint das am Begehungsort geltende also auch unmittelbar verletzte - Recht am ehesten geeignet, den besonderen Umständen der Tat Rechnung 12) zu tragen. Dennoch hat sich der deutsche Gesetzgeber entgegen den in zahlreichen Beschlüssen internationale) ler Strafrechtskongresse wiederholt geäußerten Empfehlungen aus vorwiegend praktischen Erwägungen für die ausschließliche Anwendung des inländischen Strafrechts entschieden. Mit Ausnahme des § 7 StGB, in welchem das fremde Tatortrecht wenigstens in Form der lex loci, d.h. dem Erfordernis der ausländischen Strafdrohung, Beachtung findet, ist die Geltung des deutschen Strafrechts sogar ausdrücklich als "unabhängig vom Recht des Tatorts" bestimmt. b) Her Ansatzpunkt der nachfolgenden Untersuchung Wenn auch der Gesetzgeber mit dieser Absolutheit allein das deutsche Strafrecht auf Auslandstaten für anwendbar erklärt, so folgt daraus nicht not12) vgl. Donnedieu de Vabres, a.a.O.; Jescheck, LB, S. 128; Oehler, Internationales Strafrecht, S. 145; Vogler, Maurach-Festschrift, S. 596, 605; Schultz, Rapport gSnSral, S. 643 13) Tagung des Institut de Droit International 1883, Resolution Art. 5 und 10, GS 35, S. 564 ff; Kongreß der Association de droit pSnal 1929, Resolution Punkt 1, Revue de droit pSnal international 1930, S. 12 ff; VIII. Internationaler Strafrechtskongreß 1961, Beschlüsse I 3» II 1-3, ZStW 74 (1962) S. 189 ff

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5

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wendig, daß alle in Betracht kommenden Fälle ausschließlich nach unserer auf inländische Verhältnisse zugeschnittenen Rechtsordnung zu beurteilen sind und eine Berücksichtigung des Tatortrechts daneben völlig ausscheidet. Folgender Fall soll beispielhaft die angesprochene Problematik verdeutlichen: Ein deutscher Urlauber bringt im Ausland sein defektes Kraftfahrzeug in eine Reparaturwerkstatt. Bei der Abholung kann er sich mit dem Werkstattinhaber über den Reparaturpreis nicht einigen und bemächtigt sich, ohne die Rechnung zu begleichen, seines Wagens, um nach Deutschland zurückzufahren. Aufgrund der Strafanzeige des Unternehmers beginnt die ausländische Polizei ihre Ermittlungstätigkeit und leitet die Sache schließlich an die deutschen Verfolgungsbehörden weiter. Im Rahmen des deutschen Strafrechts ist zunächst die inländische Strafgewalt zu prüfen, die in diesem Falle durch die Staatsangehörigkeit des Täters begründet ist. Die anschließende Beurteilung der Strafbaxkeit nach dem (gem. §§ 5-7 StGB allein anwendbaren) deutschen Strafrecht setzt voraus, daß die im Ausland begangene Handlung überhaupt einem Tatbestand des StGB unterfällt. In Betracht kommt hier § 289 StGB. Danach ist der Deutsche wegen Pfandkehr strafbar, wenn dem Werkstattunternehmer ein Pfand- oder Zurückbehaltungsrecht an dem reparierten Fahrzeug zugestanden hätte. Ob dies zutrifft, läßt sich nur unter Heranziehung zivilrechtlicher Normen beantworten, und hier stellt sich die Frage, welcher Rechtsordnung diese zu entnehmen sind: Bestimmt sich die der strafrechtlichen Beurteilung zugrunde liegende Rechtslage nach, dem inländischen oder dem am Tatort geltenden fremden Privatrecht ?

-

6

-

Die Fragestellung steht nicht im Widerspruch zu der eingangs erwähnten Grundentscheidung des Gesetzgebers für die .ausschließliche Anwendung deutscher Strafnormen auch bei Auslandstaten. Die §§ 5-7 StGB erheben diesen Ausschließlichkeitsanspruch nur im Hinblick auf Vorschriften des S t r a f r e c h t s selbst, nicht auch auf solche anderer Rechtsgebiete wie des Zivil- oder Verwaltungsrechts.

c) Das Ziel der nachfolgenden Untersuchung Ausgehend von dem Gedanken, daß es sinnvoll erscheint, bei der rechtlichen Beurteilung eines Auslandssachverhalts das unmittelbar betroffene ausländische Recht mit heranzuziehen, soll im folgenden untersucht werden, inwieweit die Anwendung des deutschen Strafrechts eine Berücksichtigung der besonderen rechtlichen Verhältnisse am Tatort erlaubt oder gebietet. Nachdem die §§ 5-7 StGB die Anwendung fremder Strafgesetze nicht zulassen, kommt eine Heranziehung ausländischen Rechts jedoch überhaupt nur dann in Betracht, wenn im Rahmen der strafrechtlichen Sachverhaltsprüfung zusätzlich andere Rechtsgebiete berührt werden. Nur dort, wo das Strafrecht eine Beziehung zu anderweit normierten Rechtssätzen aufweist, sind die "Einbruchstellen" für eine mögliche oder notwendige Anwendung ausländischen Tatortsrechts denkbar. Dieses Untersuchungsfeld abzugrenzen, ist Aufgabe des ersten Hauptteils, der das Verhältnis des Strafrechts zu den übrigen Rechtsteilen behandelt.

7

ERSTER HAUPTTEIL I.

Die Akzessorietät des Strafrechts

1.

Die Aufgabe des Strafrechts innerhalb der Recht so rdnung Innerhalb des von der Rechtsordnung allgemein verfolgten Zwecks der Regelung menschlicher Beziehungen kommt dem Strafrecht als ihrem Teilgebiet die besondere Aufgabe zu, das Gemeinschaftsleben Λ •) vor Störungen zu bewahren. ' Mit den Mitteln der Androhung und Durchführung von öffentlichem Zwang sollen die wichtigsten, zu Grundwerten der Sozialordnung erhobenen Rechtsgüter geschützt werden. Da das Strafrecht dabei dieselben Werte sichert, an denen die Gesamtheit der Rechtsnormen ausgericht e t i s t , weist es in seiner Eigenschaft als Schutzrecht eine enge Verknüpfung mit benachbarten Rechts2") gebieten auf. ' Es ergibt sich daraus die Notwend i g k e i t , das Strafrecht, obwohl es eine in sich geschlossene, selbständige Materie d a r s t e l l t , stets - •· - m -· -• ' " • - ϊ- j- zusammenund

1) 2) 3)

v g l . Engisch, Auf der Suche nach der Gerechtigk e i t , S. 281, 282; Zimmerl, Aufbau des S t r a f rechtssystems, S. JAv g l . Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 5 f> 32, 34> 35 f f ; Henkel, Strafrichter und Gesetz, S. 36 f f ; Zimmerl, a.a.O., S. 34- f f v g l . Engisch, Einheit, S. 32

-

2.

8

-

Das Verhältnis des Strafrechts zu den übrigen Rechtsgebieten 4·) Im Anschluß an Binding i s t das Verhältnis des Strafrechts zu den übrigen Rechtsgebieten häufig als akzessorisch bezeichnet w o r d e n . D i e s e schlagwortartige Charakterisierung, die ursprünglich auf der Vorstellung beruhte, das Strafrecht finde die zu schützenden Rechtsgüter sämtlich b e r e i t s in den anderen Rechtsteilen begründet vor und füge selbst nur noch seine Sanktion h i n z u7)^ , muß heute d i f f e renzierter verstanden w e r d e n . " Seit der grundlegenden Untersuchung von Bruns über die "Befreiung des Strafrechts vom z i v i l i s t i schen Denken" besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß die strafrechtliche Stellung innerhalb der Gesamtrechtsordnung nicht durch Abhängigkeit, sondern vielmehr durch Autonomie gekennzeichnet i s t . Tatsächlich steht das Strafrecht nicht grundsätzlich zu seinen Schutzobjekten in Sekundärbeziehung, indem es sie von anderer S t e l l e vorgeformt übernimmt. Wichtigsten Gütern wie Leben, körperlicher I n t e g r i t ä t , Ehre, F r e i h e i t , sexueller Selbstbestimmung hat es als primäres Regelungsgeb i e t selbständig die Rechtsgutsqualität v e r l i e hen. 8 ) 4)

Handbuch, S. 9, 257 (dort auch FN 3 ) ; Lehrbuch BT, S. 5

5)

v g l . v . L i s z t , LB (24. A u f l . ) , S. 8; Schubert, Ex-tunc-Wirkung, S. Ί8. V. Hippel, LB, S. 237 f f » spricht von "dogmatischer Akzessorietät", Hirschberg, Schutzobj e k t e , S. 320 f f , von "materieller Akzessorietät". v g l . Binding, Handbuch, S. 9 f ; Kohlrausch, ZStW 23 (197, S. 42, 57; Hirschberg, a.a.O.; Schubert, a.a.O. v g l . Jescheck, LB, S. 35 f ; Maurach, LB AT, S. 28 f f v g l . H. Mayer, GS 104, S. 105 f ; Jescheck, LB, S. 35

6) 7) 8)

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9

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Auch im Zusammenhang mit vorgeprägten Elementen verfährt das Strafrecht t e i l w e i s e autonom durch 9) eigene Begriffsbildung oder -auslegung. - So beschränkt sich beispielsweise der s t r a f rechtliche Sach-Begriff im Gegensatz zu dem. des § 90 BGB auf körperliche Gegenstände.'10·' - Besitz und Gewahrsam iSd § 246 StGB sind anders als im Z i v i l r e c h t , dem sie entstammen, gleichbedeutend und setzen immer ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis voraus."11) - Der in § 248 b Abs.5 StGB d e f i n i e r t e B e g r i f f des Kraftfahrzeugs i s t weiter als der des § 4 StVZO; er umfaßt neben Landfahrzeugen auch Was- .g-j ser- und Luftfahrzeuge mit eigener Antriebskraft. - Ebensowenig decken sich der Schußwaffenbegriff in §§ 244 Abs.1 Nr.1 und 250 Abs.1 Nr.1 StGB mit dem des § 1 BWaffGl?) und der B e g r i f f der Privaturkunde in § 267 StGB mit dem des § 416 ZPO. - § 266 StGB s t e l l t in seinem Mißbrauchstatbestand an das Merkmal der Verfügung weniger strenge rechtsgeschäftliche Anforderungen als das BGB'W, strengere dagegen an das Merkmal der Vermögensbetreuungspflicht im Treubruchstatbestand.

9) 10) 11)

v g l . Bruns, Befreiung, S. 51 f f v g l . RGSt 3, 349; 29, 111; Bruns, a.a.O., S. 206 f f ; E. Wolf, RG-Festgabe Bd. V, S. 44 f f ; Dreher, § 242 Anm. 2 v g l . RGSt 5, 42; 37, 200; EG JW 37, 1334; Schönke-Schröder, § 246 Rdn. 8; Louven, MDS 60, S. 268

12)

v g l . Dreher, § 248 b Anm. 1; SchönkeSchröder, § 248 b Rdn. 3; Maurach LB BT, S. 266

13)

v g l . BayOblG NJW 71, S. 392; a.A. BGH NJW 71, S. 1223, Anm. Schröder, JS 71, S. 382 v g l . Schönke-Schröder, § 266 Rdn. 11; B l e i JA 7 1 , S. 305; Meyer, JuS 73, S. 215; Schröder, JZ 72, s. 707 v g l . RGSt 71, 91; BGHSt 1, 189; 4, 170; 5, 64, 188; Dreher, § 266 Anm. 1 Β

14) 15)

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10

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Von Akzessorietät kann nur dort die Rede sein, wo das Strafgesetz unter Verzicht auf die selbständige Normierung bestimmter Schutzbereiche einzelne Rechtsbegriffe oder ganze Vorschriften unverändert aus anderen Rechtsgebieten übernimmt bzw. ausdrücklich auf sie verweist oder sonst ihre Berücksichtigung voraussetzt. Die so verstandenen und im folgenden gebrauchten Bezeichnungen Akzessorietät und Abhängigkeit stehen 16) durchaus im Einklang mit dem oben ' als autonom charakterisierten Wesen des Strafrechts, denn seine Autonomie besteht gerade darin, selbständig zu bestimmen, welche Regelungsinhalte neu gefaßt oder nach eigener Zielsetzung modifiziert werden und eben auch welche Wertentscheidung allein anderen Rechtsgebieten überlassen bleiben. ' Akzessorietät ist somit nicht im Sinne von Unselbständigkeit zu verstehen, sondern eher als Anknüpfung des Strafrechts an benachbarte Rechtssätze.



Die Erscheinungsformen strafrechtlicher Abhängigkeit Im einzelnen lassen sich drei verschiedene Erscheinungsformen strafrechtlicher Abhängigkeit nachweisen''^:

16) 17)

vgl. oben, I. 2. vgl. Bruns, Befreiung, S. 296 ff; Schubert, Ex-tunc-Wirkung, S. 18; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 222 ff 18) die hier zunächst kurz vorgestellt und anschließend ausführlich behandelt werden

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11

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a) Ausdrücklich verweisende Akzessorietät Der Strafgesetzgeber begnügt sich mit der Aufstellung einer Strafdrohung und verweist bezüglich des Tatbestandsinhaltes auf anderweit bestehende Rechtssätze bzw. überläßt die nähere Bestimmung dessen, was geboten oder verboten sein soll, einer 19") anderen Instanz. JJ Diese legislative Technik der sog. Blankettgesetzgebung stellt sich als Anwendungsform der ausdrücklieh verweisenden Abhängigkeit dar. 20) b)

Stillschweigend verweisende Akzessorietät

Davon zu unterscheiden sind diejenigen Strafbestimmungen, welche den Tatbestand inhaltlich zwar selbst gestalten - und insofern im Gegensatz zu den Blankettnormen "vollständig" sind -, sich bei der Aufstellung der Tatmerkmale aber einzelner, in anderen Eechtsteilen beheimateter, ausfüllungsbedürftiger Begriffe bedienen und auch deren ursprüngli21) che Auslegung zu eigen machen. ' Es handelt sich hierbei um besondere normative Tatbestandselemente, die eine stillschweigend verweisende Abhängigkeit begründen.22") 19)

vgl. Jescheck, LB, S. 35; Maurach, LB AT, S. 93; Lobe, LK Einf. AT S. 11, 21 ff; Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 14 ff; Kerscher, Tatbestands- und Verbotsirrtum, S. 43 f 20) Beispiele im StGB: §§ 145a, 184a, 353a, 353d 21) vgl. Grünhut, Begriffsbildung, S. 6; Hegler, Prank-Festgabe Bd.I, S. 251 ff, 275 PN 3; Schroeder, AcP 97 (1905), S. 361 ff, 376 ff; Schwinge, Begriffsbildung, S. 69 ff; Wolf, Typen, S. 60 22) Beispiele im StGB: §§ 136 (Pfändung, Beschlagnahme), 171 (Ehe), 242, 246, 249, 303 (fremd), 288 (Zwangsvollstreckung)

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c)

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Indirekte Akzessorietät

Schließlich begegnet man einer dritten Abhängigkeit sform des Strafrechts bei der Prüfung der verschiedenen Verbrechensmerkmale, die vielfach einen Rückgriff auf außerstrafrechtliche Regelungen erfordert, ohne daß es einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Verweisung durch das Gesetz bedürfte. So können zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorschriften maßgebend sein für die Voraussetzungen der Garantenstellung im Rahmen der Unterlassungsdelikte, für die Konkretisierung der objektiven Sorgfaltspflicht im Fahrlässigkeitsbereich und nicht zuletzt für den Ausschluß der Rechtswidrigkeit. 2 ^ Diese Art strafrechtlicher Abhängigkeit von der übrigen Rechtsordnung soll im folgenden "indirekte Akzessorietät" genannt werden.

II.

Die Bedeutung der strafrechtlichen Akzessorietät für das internationale Strafrecht

1.

Allgemeine Abgrenzung des Problemkreises Das deutsche Strafrecht ist also nur in einzelnen Teilen, dort aber in vielschichtiger Weise abhängig von anderen Rechtsgebieten. Unter dem hier zu behandelnden besonderen Gesichtspunkt des internationalen Strafrechts erhebt sich die Frage, ob sich diese Akzessorietätsbezie23) vgl. Bruns, Befreiung, S. 24-1 f; Engisch, Einheit, S. 58; Jescheck, LB, S. 243 f; Lobe, Frank-Festgabe I, S. 57; Levi, Diritto penale internazionale, S. 132

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hungen unseres Strafrechts auf den Bereich der deutschen Rechtsordnung beschränken oder unter Umständen auf ein fremdes - etwa das am Tatort geltende Recht erstrecken können. Dabei geht es um die Abgrenzung des Rahmens, in welchem die deutsche, an innerstaatlichen Bedingungen ausgerichtete Rechtsordnung überhaupt geeignet ist, einen ausländischen Lebenssachverhalt vollständig zu erfassen, sowie um die Prüfung von Möglichkeit oder Notwendigkeit der Anwendung fremden Tatortrechts. a)

Die Fragestellung

- Kommen als Ergänzung unserer Blankettstrafgesetze - wie häufig behauptet wird ' - ausschließlich deutsche Ausfüllungsvorschriften in Betracht? (Ausdrücklich verweisende Akzessorietät) - Wann und inwieweit können zur inhaltlichen Bestimmung normativer Tatbestandsmerkiaale ausländische Zivil- oder Verwaltungsrechtsnormen herangezogen werden? (Stillschweigend verweisende Akzessorietät) - Welcher Rechtsordnung sind im Einzelfall die Maßstäbe für objektive Sorgfaltspflicht, welcher die Voraussetzungen der Garantenstellung oder des Rechtswidrigkeitsausschlusses zu entnehmen, wenn es sich um die Beurteilung eines AuslandsSachverhalts handelt? (Indirekte Akzessorietät) 24)

vgl. Lackner, JR 68, S. 268; Tröndle, LK, § 2 Rdn. 43; a.A. Allwang, DRiZ 65, S. 15^ (156)

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b)

Die Behandlung in Literatur und Rechtsprechung

Diese Fragen sind in der Strafrechtswissenschaft - soweit ersichtlich - bisher nicht im Zusammenhang behandelt worden, wie Nowakowski 25) ·" , dem die Auf26) deckung des Problemkreises J zu verdanken ist, zutreffend bemerkt. 27) Außer einem Aufsatz von Neumeyer aus dem Jahre 1903, in welchem die Fragestellung teilweise berührt ist, finden sich in Literatur und Rechtsprechung nur einzelne Andeutungen oder Behauptungen, die zumeist einer eingehenden Begründung entbehren. - So stellt z.B. Tröndle28^ fest, "deutsche Blankettstrafgesetze" könnten "nicht mit ausländischen Normen ausgefüllt werden". - Ebenfalls zum Thema der Blahkettvorschriften prägt der BGH29) den Satz: "Als deutsches Strafrecht, dessen Tatbestand durch das Verhalten im Ausland erfüllt sein muß, ist nur die dem deutschen Recht entnommene Regelung anzusehen." 30) - Nach Schönke-Schröder^ ' schließt die Unbeachtlichkeit des Tatortrechts "freilich nicht aus, daß es zur Beurteilung von Inzidentfragen herangezogen werden kann oder gar muß'. So könne "sich z.B. bei Fahrlässigkeitsdelikten die Verletzung der Sorgfaltspflicht aus ausländischen Normen ergeben". 31) - Samson ' hält "die Anwendung außerstrafrechtlicher Normen" dort für "geboten, wo normative Begriffe des deutschen Strafrechts auf außerstrafrechtliche Normen verweisen". 32) - Während Neumeyer zurückhaltend formuliert: 25) JZ 71, S. 633 ff; vgl. auch Samson, SK, § 9 Rdnr. 17-20 26) ohne Einbeziehung der Blankettstrafgesetze 27) ZStW 23, S. 4-36 ff 28) LK, § 2 Rdnr. 43 29) BGHSt 21, 277 (279) 30) § 6 Rdn. 22 und Vorbem. §§ 3-7 Rdn. 24, 24a 31) SK, § 9 Rdn. 19 32) ZStW 23, S. 436 ff (4-38)

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"Wo das Strafrecht an Einrichtungen anknüpft, die einem anderen Hechtszweig angehören, da kann diese Einrichtung unter deutschen Gesetzen stehen, und sie kann in die Zuständigkeit einer fremden Rechtsordnung fallen", - verweist Köhler ausdrücklich auf zwischenstaatliches Zivil- und Verwaltungsrecht: "Wird eine im Auslande begangene Tat der inländischen Strafgewalt unterworfen ... , so muß eine dabei hervorbrechende (zivilistische) Präjudizialfrage stets nach den Regeln des maßgebenden (Zivil-) Rechts entschieden werden." ΧΖιΛ - Jescheck^ J schließt sich Nowakowski dahingehend an, daß "wenn auf eine Auslandstat inländisches Strafrecht anzuwenden ist, auch ausländische Rechtssätze eine Rolle spielen können, die nicht zur Materie 'Strafrecht' gehören", und nennt als Beispiel die Garantenpflichten bei unechten Unterlassungsdelikten. - Für Oehler^ endlich ist das Tatortrecht "selbstverständlich ... nicht völlig ohne jede Bedeutung". Es könne "über die Rechtfertigungsund Entschuldigungsgründe im Strafrecht des aburteilenden Staates...wirksam werden". In solchcn Äußerungen - nicht selten schlagwortartig gesetzt, ohne auf theoretische Hintergründe oder praktische Auswirkungen einzugehen - erschöpft sich die Stellungnahme von Rechtsprechung und Lehre zu diesem Problembereich. Insbesondere die innere Beziehung zwischen Fremdrecht sanwendung und strafrechtlicher Akzessorietät scheint nicht im Zusammenhang erkannt zu sein. Es soll hier der Versuch unternommen werden, xgS anhand der oben·' ' getroffenen Gruppierung verschiedener Abhängigkeitsformen die Grundfälle 33) Internationales Strafrecht, S. 383 34) Lehrbuch, S. 128 35) Internationales Strafrecht, S. 383 36) vgl. oben, I. 3.

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16

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zusammenzustellen, in denen das deutsche Strafrecht eine Heranziehung ausländischer Rechtsnormen möglich oder gar unerläßlich macht.

2.

Besondere Abgrenzung des Problemkreises a) Die Fälle der ausdrücklich verweisenden Akzessorietät Die nach außen am deutlichsten hervortretende, den gesamten Tatbestand erfassende Erscheinungsform strafrechtlicher Abhängigkeit ist die der ausdrücklich auf Premdausfüllung verweisenden Blankettstrafsätze. Es handelt sich um solche Bestimmungen, die ihre Strafdrohung auf ein ganz oder teilweise durch andere Rechtsquellen tatbestandlich umschriebenes Verhalten beziehen. Die in Bezug genommene Regel, welche das die Norm bildende Ge- oder Verbot und damit die materiellen Voraussetzungen der Strafbarkeit enthält, wird als Ausfüllungsvorschrift (oder Blankettergänzung) bezeichnet.5'' Bei der Subsumtion eines ausländischen Sachverhalts kann zweifelhaft sein, ob die blankettausfüllende Norm, die das an die Strafdrohung geknüpfte Verhaltensmuster näher beschreibt, dem Recht des aburteilenden Inlandes oder dem des fremden Tatortes) staates zu entnehmen ist. ' 37)

Der Ausdruck "Blankettstrafgesetz" stammt von Binding, Normen I, S. 74. Neumann, Blankostrafgesetζ, S. 13 ff» vertritt die Bezeichnung "Blankostrafgesetz" und nennt die Ausfüllungsvorschrift "Blankettnorm". 38) vgl. Grützner, NJW 61, S. 2185 ff (2187); Lackner, JR 68, S. 268 ff; Neumann, a.a.O., S. 90 ff

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aa)

"Unechte" Blankettverweisungen Von einer "unechten" Blankettverweisung ist

dann die Rede, wenn als Ergänzungsnorm eine bestimmte, in demselben oder einem anderen Gesetz derselben legislativen Instanz normierte Rechts39) Vorschrift dient.•/JJ Die erste Form, daß Blankett und Ergänzung im selben Gesetz enthalten sind, tritt vorwiegend im Nebenstrafrecht auf, und zwar in der Weise, daß die Strafdrohung nicht mit jedem einzelnen Ge- und Verbot verbunden, sondern zur Vereinfachung auf alle zu sichernden Richtlinien des betreffenden Normenkomplexes gleichermaßen pauschal bezogen ist. Dieses gesetzestechnische Verfahren im Interesse 40) von Klarheit und Bequemlichkeit ' läßt sich auf 41 > die von Lohberger gebrauchte Formel reduzieren: "Wer die Vorschriften x, y, ζ dieses Gesetzes übertritt, wird ... bestraft", und findet sich beispielsweise in - § 11 Abs.1 Nr.1 PaßG (Verweis auf §§ 1, 2); - § 20 UWG (Verweis auf §§ 17, 18); - § 63 BSeuchenG (Verweis auf § 37 Abs.1 Satz 1); - § 21 Abs.1 GjS (Verweis auf § 6). Durch die zweite Form, den Verweis auf einen bestimmten Rechtssatz in einem anderen Gesetz des39)

40)

41)

vgl. Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 20 f. Kerscher, Tatbestands- und Verbotsirrtum, S. 44, spricht von Blankettnormen "i.w.S.", Neumann, a.a.O., S. 4 ff von "relativ vollständigen Gesetzen". vgl. Nickusch, NJW 67, S. 811 ff (813); Oetker, GS, 64 (1904), S. 55 ff (156); Kerscher, a.a.O. a.a.O., S. 20

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18

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selben Gesetzgebers, wird vermieden, die b e r e i t s einmal an anderer S t e l l e normierten P f l i c h t e n im einzelnen nochmals anführen und b e i j e d e r Neufas' """ " ' zugleich auch die Die entsprechende Formel l a u t e t h i e r : "Wer der V o r s c h r i f t χ des Gesetzes y zuwiderhandelt, wird . . . b e s t r a f t " , und a l s M u s t e r b e i s p i e l i s t zu nennen - § 1 WiStG (Verweis auf § 18 W i r t s c h a f t s s i c h e r s t e l l u n g s G , § 26 V e r k e h r s s i c h e r s t e l l u n g s G , § 22 ErnährungssicherstellungsG, § 28 WassersicherstellungsG). A l l e n unechten B l a n k e t t v o r s c h r i f t e n i s t gemein, daß s i e b e z ü g l i c h des V e r b o t s i n h a l t s ausdrücklich auf einen bestimmten, vom selben Gesetzgeber e r lassenen Hechtssatz verweisen. Damit e r ü b r i g t s i c h f ü r d i e s e F ä l l e die F r a g e , welcher Rechtsordnung das Ausfüllungsgesetz im einzelnen zu entnehmen i s t , denn die Verweisung i s t von vornherein an konkrete i n l ä n d i s c h e Normen gebunden. bb)

"Echte" Blankettverweisunpen

Von diesen sog. unechten Blankettbestimmungen unterscheiden s i c h die "echten" dadurch, daß h i e r der Gesetzgeber s i c h auf die Festlegung der S t r a f drohung beschränkt und die i n h a l t l i c h e A u s g e s t a l tung des Tatbestandes anderen, der zu regelnden Materie näher stehenden Organen ü b e r l ä ß t . 42) 43)

iL*)

·"

v g l . Köhler, Reformfragen, S. 16 f ; Lohberg e r , a . a . O . , S . 21 v g l . Lohberger, a . a . O . , S. 2 2 . K e r s c h e r , a . a . O . , S. 4 3 , s p r i c h t von B l a n kettnormen " i . e . S . " , Neumann, a . a . O . , S. 6 , von "absolut unvollständigen S t r a f g e s e t z e n " .

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Als Ergänzung e i n e r solchen Blankettnorm kommen Landesgesetze, Rechtsverordnungen und Verwalt u n g s v o r s c h r i f t e n , aber vor allem auch E i n z e l v e r 44) fügungen der Exekutive i n B e t r a c h t . Um e i n i g e B e i s p i e l e anzuführen: - § 184a StGB verweist auf ein durch R e c h t s v e r ordnung e r l a s s e n e s P r o s t i t u t i o n s v e r b o t , - § 315a Abs.1 Nr.2 StGB auf R e c h t s v o r s c h r i f t e n zur Sicherung des Schienehbahn-, Schwebebahn-, S c h i f f s - und L u f t v e r k e h r s ; - § 330 A b s . 1 , 2 StGB i s t zu ergänzen durch d i e "allgemein anerkannten Regeln der Technik"; - § 47 Abs.1 Nr.4 AuslG b e z i e h t die Strafdrohung auf eine v o l l z i e h b a r e Verfügung der Ausländerpolizei, - § 20 Abs.1 Nr.4 VereinsG auf ein v o l l z i e h b a r e s Vereinsverbot und - § 2 WiStG auf R e c h t s v o r s c h r i f t e n oder v o l l z i e h bare Verfügungen zur P r e i s r e g e l u n g . Der Grund f ü r d i e s e gesetzgeberische Technik i s t i n e r s t e r L i n i e die Notwendigkeit der Anpassung an ö r t l i c h und z e i t l i c h u n t e r s c h i e d l i c h e und s i c h wandelnde V e r h ä l t n i s s e im I n t e r e s s e 45) eines einheitlichen Strafschutzes. J Gerade d i e s e Zielsetzung l ä ß t im Rahmen des i n t e r n a t i o n a l e n S t r a f r e c h t s den Gedanken an eine Blankettausfüllung durch ausländische R e c h t s s ä t z e entstehen. So wie im i n n e r s t a a t l i c h e n B e r e i c h d i e B l a n k e t t strafdrohung die a n g e s t r e b t e "Tatnähe" durch Heranziehung l a n d e s r e c h t l i c h e r , r e g i o n a l e r oder i n d i 44)

v g l . BGH JR 6 8 , 266 f f ( 2 6 9 ) ; J e s c h e c k , LB, S. 8 6 ; Maurach, LB AT, S . 9 3 ; K e r s c h e r , T a t b e s t a n d s · und Verbotsirrtum, S. 43

4-5)

v g l . Kerscher, a . a . O . ; Nickusch, BJV 6 7 , S. 811 ( 8 1 2 ) ; Warda, Abgrenzung, S. 9

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20

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viduell bestimmter Anordnungen gewinnt, kann sie im Falle einer Auslandstat eine entsprechende A n passungsfähigkeit an die besonderen Verhältnisse des Tatortes durch tatbestandliche Ergänzung aus der fremden Rechtsordnung erlangen. b)

Die Fälle der stillschweigend verweisenden Akzessorietät

Während die ausdrücklich verweisende Akzessorietät der "unvollständigen" Blankettstrafdrohungen darin besteht, daß die gesamte Tatbestandsauffüllung der ergänzenden Bechtsquelle überlassen bleibt, die Verweisung sich also auf das Ge- oder Verbot selbst bezieht, können "vollständige" Strafgesetze insofern von anderen Hechtsnormen abhängig sein, als sie diese zur inhaltlichen Erläuterung bestimmter ausfüllungsbedürftiger Begriffe innerhalb des Tatbestands heranziehen, so daß der Verweisung hier eher interpretatorisehe Funktion zu46) kommt. ' Diese Form der (stillschweigend verweisenden) strafrechtlichen Abhängigkeit tritt auf im Zusammenhang mit der Verwendung sog. normativer Tatbebtandsmerkmale. aa)

Deskriptive und normative Tatbestandsmerkmale

Beim Aufbau des gesetzlichen Tatbestands durch Aufzählung der einzelnen deliktstypisehen Merkmale bedient sich der Gesetzgeber verschiedenartiger Begriffe. 46)

zur Unterscheidung vgl. Neumann, Blankostrafgesetz, S. 86; Warda, a.a.O., S. 5; Iohberger, a.a.O., S. 17

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21

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Üblicherweise wird differenziert zwischen deskriptiven und normativen Merkmalen und der Unterschied dadurch gekennzeichnet, daß erstere den Sachverhalt konkret beschreiben und die Subsumtionstätigkeit des Richters auf Tatsachenfeststellung beschränken, während die anderen ihm ein ergänzendes "Werturteil" abverlangen. 4 "^ Zu den deskriptiven Merkmalen werden z.B. gezählt: - "Mensch" in §§ 211, 212, 222, 234, 239 StGB - "töten" in §§ 211, 212, 217, 220a Abs.1 Nr.1 StGB - "Sache" in §§ 133, 136 Abs.1, 242, 246, 248a, 249 259, 303 StGB - "beweglich" §§ 133 Abs.1,. 2, 242, 246, 249 StGB, zu den normativen: - "niedrige Beweggründe" in § 211 StGB - "Pfändung, Beschlagnahme" in § 136 StGB - "fremd" in §§ 242, 246, 249, 303 StGB - "Unerfahrenheit" in § 302a StGB - "die guten Sitten" in § 226a StGB. Welzel 4 ®^ unterscheidet zwischen den "sinnlicher Wahrnehmung zugänglichen" und den "nur geistig verstehbaren" Merkmalen. Die Abgrenzung läßt sich allerdings nicht mit absoluter Klarheit durchführen, denn letztlich sind alle im Gesetz verwendeten Begriffe auslegungsfäh i g 4 9 ) ( s 0 a u c h «Sache" iSd § 242 und "töten" iSd § 212), und andererseits geht auch von allen eine 47)

48) 49)

vgl. Baumann, LB, S. 128; Maurach, LB, S.244; Grünhut, Frank-Festgabe I, S. 21; ders., Begriffsbildung, S. 6; Mezger, Traeger-Festschrift, S. 217, 225 Lehrbuch, S. 75 vgl. Baumann, LB, S. 129; Maurach, LB AT, S. 244 f; Wolf, RG-Festgabe V, S. 56; ders., Typen, S. 59

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gewisse beschreibende Wirkung a u s ^ ^ (dies gilt beispielsweise auch für die Begriffe "Pfändung" und "Beschlagnahme" iSd § 136 sowie für "Leichtsinn" und "Unerfahrenheit" iSd § 302a). Doch bleibt die grundsätzliche Einteilung in deskriptiv und normativ insofern sinnvoll, als sich die einzelnen Tatbestandsmerkmale nach überwiegend beschreibender und überwiegend wertbezüglicher 51) Natur unterscheiden. ' bb)

Rechtlieh-normative Tatbestandsmerkmale

Die hier zu untersuchende Abhängigkeit des Strafrechts von anderen Teilen der Rechtsordnung kann nur im Bereich der ergänzungsbedürftigen Begriffe entstehen, also unter den normativen Merkmalen, und innerhalb dieser wiederum nur dort, wo die notwendige Inhaltsbestimmung nicht im außerrechtlichen Bereich erfolgt wie z.B. bei den Merkmalen - "verwerflich" in §§ 24-0 Abs. 2, 253 Abs. 2 StGB - "rücksichtslos" in § 315c Abs.1 Nr.2 StGB - "waidmännisch" in § 292 Abs.2 StGB, sondern den Vorschriften anderer Rechtsgebiete zu entnehmen ist wie beispielsweise die Begriffe - "Ehe" in § 171 StGB - "Adoptivkind" in § 174 Abs.1 Nr.3 StGB - "Vormund, Pfleger" in §§ 235 Abs.1, 236, StGB - "Eigentümer, Nutznießer, Pfandgläubiger, Gebrauchs- und Zurückbehaltungsrecht" in § 289 StGB 50) vgl. Engisch, Mezger-Pestschrift, S. 147 f; Grünhut, Begriffsbildung, S. 8 ff; Kunert, Normative Tatbestandsmerkmale, S. 86; Thierfelder, Normativ und Wert, S. 66 51) vgl. Baumann, LB, a.a.O.

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- "Zwangsvollstreckung" i n § 288 StGB. Solche B e g r i f f e werden i n d e r L i t e r a t u r a l s r e c h t 5?) lich-normativ bezeichnet. ' E. W o l f ^ s p r i c h t von " w e r t g e f ü l l t e n " im Geg e n s a t z zu " w e r t a u s f ü l l u n g s b e d ü r f t i g e n " Tatbestandselementen; w e r t g e f ü l l t d e s h a l b , w e i l dem R i c h t e r " d i e Werte s e l b s t vom Hechte geformt angeboten" werden. Andere Autoren s t e l l e n auf den U n t e r s c h i e d zwischen "unechtem" und "echtem" 54) W e r t u r t e i l des R i c h t e r s a b . ^ R i c h t i g e r e r s c h e i n t es h i n g e g e n , im Zusammenhang mit r e c h t l i c h - n o r m a t i v e n Merkmalen überhaupt n i c h t von einem W e r t u r t e i l zu sprechen. Der Ausdruck "normativ" h a t h i e r n i c h t d i e Bedeutung von "be-55) wertend" oder "wertbezogen" im e t h i s c h e n Sinne. "Werten" kann vielmehr auch d a s r e i n e Erkennen von Zusammenhängen s e i n im Sinne e i n e r o b j e k t i v e n b e g r i f f l i c h e n Zuordnung ( z . B . d a s Werten e i n e s S c h r i f t s t ü c k e s a l s Urkunde). E n g i s c h ^ ) d e f i n i e r t "normativ" a l s "überhaupt nur u n t e r l o g i s c h e r Voraussetzung e i n e r Norm" v o r s t e l l b a r und d e n k b a r . T a t s ä c h l i c h e r f o r d e r n d i e r e c h t s n o r m a t i v e n Tatbestandsmerkmale k e i n W e r t u r t e i l des R i c h t e r s , son52) v g l . Bruns, B e f r e i u n g , S. 521; S e e l , Unbestimmt e und normative Tatbestandsmerkmale, S. 38. Grünhut, Frank-Festgabe I , S. 21, und B e g r i f f s b i l d u n g , S. 6 , s p r i c h t von " j u r i s t i s c h - n o r m a t i v e n " , Wex, Grenzen, S. 157> von " r e c h t s n o r mativen" Tatbestandsmerkmalen. 53) RG-Festgabe V, S. 55; Typen, S. 58 54) z.B. H e g l e r , F r a n k - F e s t g a b e I , S. 275 FH 3; H. Mayer, LB AT, S. 183 55) 56)

v g l . Bruns, B e f r e i u n g , S. 320; S e e l , a . a . O . , S. 38; W o l t e r , MSchrKrim 21, S. 465, 467; K u n e r t , a . a . O . , S. 36 f M e z g e r - F e s t s c h r i f t , S. 146 f

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dern eine objektive BegriffsbeStimmung nach Maßgabe "normierter" - überwiegend außerstrafrechtlicher - Rechtssätze. Vereinzelt hat das StGB die gesetzliche Definition für den eigenen Geltungsbereich selbst übernommen: - § 11 (Angehöriger, Amtsträger, Richter, Behörde, Entgelt) - § 92 (Beeinträchtigung des Bestandes der BRD, Verfassungsgrundsätze) - § 93 (Staatsgeheimnis) - § 184c (sexuelle Handlungen). Daneben haben zahlreiche juristisch-normative Begriffe, deren primäre Regelung anderen Rechtsbereichen zukommt, durch die Aufnahme ins Strafgesetz einen Bedeutungswandel oder durch Lehre und Praxis eine an spezifisch strafrechtlichen Zielsetzungen ausgerichtete Inhaltsverschiebung erfahren·7'' wie z.B. die Begriffe - "Besitz" in § 246 - "Verfügung" in § 266 - "Urkunde" in § 26?· In beiden Fällen verfährt das Strafrecht selbständig und ohne Bindung an andere Normbereiche, so daß eine eventuelle Verweisung auf fremde Rechtsordnungen nicht in Betracht kommt. Zur Abhängigkeit von außerstrafrechtlicher Begriff sbildung führen dagegen insbesondere jene Tatbestandsmerkmale, die ausschließlich der Rechts57)

vgl. Beel, a.a.O., S. 39; Wolf, RG-Festgabe V, S. 46 ffj Schwinge, Begriffsbildung, S. 69, 70, mit Beispielen aus der Rechtsprechung des RG; vgl. auch oben, S. 9

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spräche angehören und eine feste terminologische Bedeutung haben-*®^ (z.B.: Ehe, Adoptivkind, Vormund, Eigentum, Zwangsvollstreckung usw.). Sie sind stets in derselben Weise auszulegen, und zwar nach Maßgabe der jeweils geltenden Inhaltsbestimmung in ihrem ursprünglichen Regelungsgebiet. cq·) Schroeder^ y stellt ab auf die Punktion des Strafrechts: Dort, wo es in erster Linie zum Schutz von anderen Normbereichen angehörenden Lebensgütern eingreift, wo "mithin der Schwerpunkt der Strafbarkeit in dem (zivil-rechtswidrigen Erfolg der Handlung liegt", seien für die begriffliche Inhaltsbestimmung die geltenden Vorschriften des originären Rechtsgebietes maßgebend. Er zählt dazu vor allem die Frage nach der Wirksamkeit eines Vertrages^^; auf keinem anderen Gebiete habe der strafrechtliche Eingriff in höherem Grade die unselbständige Funktion des Zivilrechtsschutzes zu erfüllen. Kennzeichnend für die hier angesprochene Gruppe der normativen Merkmale ist jedenfalls, daß das Strafrecht bewußt als unselbständig und abhängig zurücktritt, um im Interesse der Sachnähe sich die speziellere Begriffsinterpretation der Primärnormierung zu eigen zu machen.

58) Bruns, Befreiung, S. 525, nennt sie "reine Denkgebilde der positiven Normenordnung", "Kunstgebilde des Rechts". Vgl. ferner Schwinge, a.a.O., S. 71 59) AcP 97 (1905), S. 561 ff 60) a.a.O., S. 578 ff

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Aus der Sicht des internationalen Strafrechts setzt hier wiederum die Frage an, ob für die inhaltliche Ausgestaltung solcher rechtlich-normat i v e r Tatbestandselemente ausschließlich Vorschriften innerhalb der deutschen Rechtsordnung maßgebend sein können oder ob ausnahmsweise, im Falle der Beurteilung eines Auslandssachverhalts, entsprechende Normenkomplexe des fremden Tatortrechts heranzuziehen sind. Wo das Strafrecht im Streben nach sachgerechter Entscheidung auf seine Selbständigkeit zugunsten anderweitiger Spezialregelungen v e r z i c h t e t , könnte es seine Akzessorietät auch auf ausländische Rechtssätze - als die f ü r eine Auslandstat spezielleren ausdehnen. c) aa)

Die Fälle der indirekten Akzessorietät Die ob.iektive Sorgfalt im Rahmen der Fahrlässigkeit sdelikte

Eine d r i t t e Form strafrechtlicher Abhängigkeit, auf die das Gesetz selbst allerdings weder durch ausdrückliche noch durch stillschweigende Verweisung hindeutet, verbirgt sich hinter dem ungeschriebenen Merkmal der objektiv gebotenen Sorgfalt im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte. Eine Handlung wird fahrlässig genannt, wenn sie der "verkehrsmäßigen" S o r g f a l t s p f l i c h t nicht genügt. Engisch^"1^ versteht unter Sorgfalt "das, was jemand als Mittel zur Vermeidung drohender Tatbestandsverwirklichungen den konkreten Verhältnissen entsprechend anzuwenden v e r p f l i c h t e t i s t " . 61)

Vorsatz und Fahrlässigkeit, S. 327

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Tatsächlich findet die Sorgfaltspflicht ihren Ausgangspunkt in dem generellen Gebot, die Gefährdung von Rechtsgütern zu vermeiden, das angesichts des durch technische Entwicklung heute in fast allen Lebensbereichen gesteigerten Risikos zunehmend an Bedeutung gewinnt. Da zahlreiche Verhaltensabläufe, die einerseits typische Gefahrenquellen darstellen, wie z.B. die Teilnahme am Straßenverkehr, die Benutzung technischer Anlagen, der Umgang mit Energie und chemischen Stoffen, andererseits wegen ihres sozialen Nutzens für die moderne Gesellschaft immer unentbehrlicher werden, müssen sie grundsätzlich erlaubt sein. ^ ^ Das Strafrecht kann seiner Aufgabe des Rechtsgüterschutzes nur dadurch gerecht werden, daß es den Handelnden verpflichtet, die Gefahr durch Einhaltung der gebotenen Sorgfalt gering zu halten.63) Uber Art und Umfang der anzuwendenden Sorgfalt enthalten die gesetzlichen Tatbestände keine An64·) gaben ', so daß zunächst die besonderen Umstände des Einzelfalles entscheiden^^, d.h. die Gefährlichkeit einer Handlung im Verhältnis zu ihrer sozialen Bedeutung und der Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen. 62) vgl. Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 158; Jescheck, LB, S. 4-38; Lenckner, Engisch-Festschrift, S. 4-93; Stratenwerth, LB, Rdn. 341, 342, 1099; Welzel, LB, S. 132; ders., Fahrlässigkeit, S. 6 63) vgl. Maurach, LB AT, S. 557; Engisch, a.a.O., S. 285, 291; Stratenwerth, a.a.O.; Lenckner, a.a.O. 64-) vgl. Jescheck, LB, S. 4-36 65) vgl. Stratenwerth, LB, Rdn. 1101; Niekrentz, Diss., S. 14; Jescheck, Aufbau, S. 10

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Einen wichtigen Anhaltspunkt für die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten bieten jedoch die zahlreichen Verhaltensregeln, die sich in verschiedenen Lebensbereichen zur Beschränkung typischer Risiken herausgebildet haben. Als Quellen solcher Sonderregeln kommen sowohl Rechtsnormen und Hoheitsakte in Betracht als auch autonome Satzungen, privatrechtliche Vereinbarungen und anerkannte Übungen. Unter den ersteren sind insbesondere zu nennen: - die Arbeitsschutzbestimmungen der §§ 120a ff GewO - die StVO und StVZO - die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften gem. § 848a RVO - Sicherheitsmaßregeln in Form von Polizeiverordnungen und Verwaltungsakten. Zur zweiten Gruppe zählen die von privatrechtlichen Interessenverbänden aufgestellten Richtlinien auf den Gebieten der Technik und des Sports sowie für einzelne Berufszweige gewohnheitsrechtlich anerkannte Kunstregeln wie die der Ärzte und Baustatiker. Erwähnenswert sind vor allem - die DIN-Normen des Deutschen Normenausschusses e.V. - die VDE-Vorschriften des Verbandes Deutscher Elektrotechniker e.V. - das DVGW-Regelwerk des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachleuten e.V. - die VDI-Richtlinien des Vereins Deutscher Ingenieure. 66) vgl. Engisch, Vorsatz, S. 285 ff; Welzel, LB, S. 133; Schönke-Schröder, § 15 Rdn. 182; Zippelius, NJW 57, S. 1?07 (1708) 67) vgl. Deutsch, a.a.O., S. 160 ff; Jescheck, LB, S. 4-39; Maurach, LB AT, S. 559

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Welche Punktion diesen Sonderregeln in der Fahrlässigkeitsprüfung tatsächlich zukommt, wieweit das Strafrecht also von ihnen abhängig ist, wird unterschiedlich beurteilt. Während sie von einigen als Verkörperung, als konkretisierter Inhalt der Sorgfaltspflicht bezeichnet werden68) , neigen andere dazu, ihnen jede rechtliche Bedeutung für die Feststellung 69) der Fahrlässigkeit abzusprechen. ' Beide Ansichten sind fragwürdig. Wären Sicherheitsvorschriften, Verhaltensund Kunstregeln identisch mit dem Inhalt der Sorgfaltspflicht, so müßte ihre Befolgung regelmäßig den Vorwurf der Fahrlässigkeit entfallen lassen, ihre Verletzung in jedem Falle eine Sorgfalt swidrigkeit darstellen. Dies kann schon deshalb nicht zutreffen, weil es sich um schematisierte Richtlinien auf der Grundlage von Erfahrungssätzen handelt, die nur für 70 alle gleichartigen oder t^ischen Fälle gelten.' Denkbar ist aber eine Vielzahl anders gelagerter Sachverhalte, in denen die Einhaltung bestimmter Sicherheitsregeln allein nicht ausreicht oder umgekehrt die konkrete Situation gerade ein Abwei'' ' ' " "ektiven Sorg-

68) 69)

vgl. hierzu Herschel, NJW 1968, S. 617 ff vgl. Blei, LB AT, S. 265; Binavince, Momente der Fahrlässigkeitsdelikte, S. 77, 79 70) vgl. Welzel, LB, S. 154; Maurach, LB AT, S. 560 71) vgl. Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 165, 165; Engisch, Vorsatz, S. 563; Jescheck, LB, S. 440; Lenckner, Engisch-Festschrift, S. 502 ff; Schroeder, LK, § 59 Rdn. 182

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Der Inhalt der im Verkehr gebotenen Sorgfalt ist demzufolge nicht deckungsgleich mit dem der Sonderregeln; das Strafrecht ist in der Konkretisierung der Sorgfaltspflicht nicht unmittelbar von ihnen abhängig. Andererseits sind die Sicherheitsvorschriften und Erfahrungssätze auch nicht ohne jeden Einfluß auf das Fahrlässigkeitsurteil, denn indem sie Techniken und Vorsichtsmaßregeln bezeichnen, die ein einsichtiger Mensch anwendet, um vorausseh72) bare mögliche Gefahren auszuschließen' ', bieten 73) sie ein Indiz für die Erkennbarkeit des Risikos' und können zugleich die subjektive Verantwortlichkeit desjenigen begrenzen, der sich selbst nach ihnen richtet und auf ihre Einhaltung durch ande74) re vertraut.' ' Daher ist der überwiegend vertretenen Meinung zuzustimmen, nach welcher die Sonderregeln zwar keine den Richter bindende Bewertung, wohl aber einen Anhaltspunkt, einen Maßstab für die inhaltliche Bestimmung der objektiven Sorgfaltspflicht 75) darstellen.' ·" Der BGH nennt die Zuwiderhandlung gegen besondere 76) Verhaltensrichtlinien ein "Beweisanzeichen".' ' 72) vgl. BGHSt 12, 75 (78); Stratenwerth, LB Rdn. 1100; Welzel, LB, S. 135 73) vgl. BGHSt 4, 182 (185); 12, 75 (78); BGH VRS 10, 282 (285); BGH LM BGB § 823 Hr. 5, 10; Maurach, LB AT, S. 561; Schroeder, LK, § Rdn. 185, 186 74) vgl. Schöhke-Schröder, § 15 Rdn. 182; Lenckner, Engisch-Festschrift, S. 503; Welzel, LB, S. 134 75) vgl. Engisch, a.a.O., S. 362; Lenckner, a.a.O S. 498; Mäurach, LB AT, S. 561; Welzel , LB, S. 134; ders., Fahrlässigkeit, S. 19; Schönke Schröder, a.a.O. 76) z.B. BGHSt 4, 182 (185); 12, 75 (77); vgl. auch RGSt 67, 12 (21)

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Lipps''

spricht von einer widerlegbaren tatsäch-

lichen Vermutung für das Vorliegen einer Sorgfaltsp fIi chtverlet zung. In jedem Falle müssen bei der Entscheidung über die Fahrlässigkeit einer bestimmten Handlung die bestehenden einschlägigen Sicherheits- und Kunstregeln mit herangezogen werden. Daraus ergibt sich eine indirekte Abhängigkeit des Strafrechts von ihnen und - entsprechend unserer besonderen Fragestellung - das Problem, ob im Falle eines zu beurteilenden Auslandssachverhalts der Maßstab für die objektiv gebotene Sorgfalt aus deutschen, ausländischen oder ggf. übernationalen Sonderregeln*7®^ zu entnehmen ist.

bb)

Die Garantenpflicht im Rahmen der Tinechten Unterlassungsdelikte So wie bei den Fahrlässigkeitsdelikten das

Merkmal der objektiv gebotenen Sorgfalt den nqS "Orientierungspunkt"'" bildet, von dem aus im konkreten Fall die Tatbestandsergänzung vorzunehmen ist, kommt im Rahmen der unechten Unterlas77)

NJW 68, S. 279 (282)

78)

u.a. folgende internationale Gremien befassen sich mit der Vereinheitlichung von technischen Normen: ISO (International Organization for Standardization) IEC (International Electrical Commission) CEE/el (International Commission on Rules for the Approval of Electrical Equipment; CENELCOM (Comite Europeen de Coordination des ITormes Electroniques des Pays du Marche Commun)

79)

vgl. Welzel, Fahrlässigkeit, S. 15

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sungsdelikte eine entsprechende Punktion der Ga80") r a n t e n p f l i c h t zu. ' I n § 13 Abs.1 StGB i s t die G l e i c h s t e l l u n g der Erfolgsherbeiführung durch Unterlassen mit der Tatbegehung durch p o s i t i v e s Tun erstmals g e s e t z l i c h normiert worden. A l l e r d i n g s s t e l l t s i c h die V o r s c h r i f t a l s eine i n doppelter Weise ausfüllungsbedürftige Formel dar. - Die Erfolgsabwendungspflicht Wenn gem. dem e r s t e n T e i l des § 13 Abs.1 StGB d i e S t r a f b a r k e i t des Unterlassenden davon abhängt, ob e r " r e c h t l i c h dafür einzustehen h a t , daß der E r f o l g n i c h t e i n t r i t t " , so bedarf d i e s e s Merkmal des "Einstehenmüssens" e i n e r näheren Bestimmung. Da das Gesetz s e l b s t keinen entsprechenden Anhaltspunkt b i e t e t außer dem, daß es s i c h um " r e c h t l i c h e " Verantwortung f ü r d i e Erfolgsabwendung han81") dein muß ' , i s t es angewiesen auf i n h a l t l i c h e E r gänzung durch anderweit normierte Handlungspflicht e n y und i n s o f e r n von diesen abhängig. Solche g e s e t z l i c h e n Erfolgsabwendungsgebote finden s i c h z a h l r e i c h i n a l l e n T e i l e n der B e c h t s ordnung. Die h ä u f i g s t e n Erscheinungsformen sind K i r s o r g e und Obhutspflichten im zwischenmenschlichen B e r e i c h 80) 81) 82) 83)

v g l . Niese, F i n a l i t ä t , S. 6 2 ; Welzel, a . a . O . v g l . Baumann, LB, S. 251; Maurach, LB AT, S . 601 v g l . Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendung,

s. 325

v g l . Engisch, E i n h e i t , S. 3 7 , 38; Schöne, a.a.O.

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(z.B. die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft, § 1353 Abs.1 BGB; die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten, § 1601 BGB; die Personen- und Vermögenssorgepflicht von Eltern und Vormund gegenüber Kindern und Mündeln, §§ 1626 Abs.2, 1793 BGB) sowie Schutzvorkehrungs- oder andere Sicherungspflichten auf dem weiten Gebiet der Technik (z.B. §§ 120a ff GewO, 1 StVO, 29b LuftVG). Der Grad der strafrechtlichen Abhängigkeit von diesen in anderen Rechtsteilen gesetzten Verhaltensvorschriften bestimmt sich danach, wieweit sie für die Beurteilung von Unterlassungsdelikten maßgebend sind. Stellte man die genannten Rechtspflichten zur Erfolgsabwendung gleich mit den sog. Garantenpflichten, aus denen sich das Einstehenmüssen und damit die Strafbarkeit des Unterlassenden unmittelbar ergibt, so käme man zu einer direkten Akzessorietät des Strafrechts. Bei dieser Betrachtungsweise würde sich § 13 Abs.1 StGB insoweit nicht von einer Blankett84) Vorschrift unterscheiden. ' Es weist jedoch nicht jede Verletzung eines Erfolgsabwendungsgebotes denselben Unwertgehalt, dieselbe Strafwürdigkeit auf wie die Verwirklichung eines gesetzlichen Begehungs85) tatbestandes. Allgemeine, für jedermann geltende Handlungspflichten sind ebensowenig wie die oben genannten Erfolgsabwendungsgebote geeignet, Ver84) vgl. Schöne, a.a.O., S. J29 85) vgl. Busch, Weber-Pestschrift, S. 139; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 226; Armin Kaufmann, Dogmatik, S. 284; ders., JuS 61, S. 177; v.Nagler, GS 111 (1938), S. 65

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pflichteten in eine strafrechtliche Garantenposition zu drängen, aus der sich im Falle seiner Untätigkeit die Anwendung des Strafrahmens für aktio/r Ν ves Tun rechtfertigen würde. ' Die rechtlichen Handlungsgebote sind also nicht identisch mit den Garantenpflichten, sondern gehören zu deren Voraussetzungen.®^ Das Strafrecht ist in der Bewertung von Unterlassungsdelikten nicht ausschließlich von ihnen abhängig. Doch bilden sie einen unverzichtbaren Anhaltspunkt für die Garantenpflicht des Täters und müssen daher stets bei der Prüfung der Strafbarkeit eines Un. fiß} terlassens mit herangezogen werden. ' Wie bei dem zuvor behandelten Merkmal der objektiven Sorgfalt im Rahmen der Fahrlässigkeitsdelikte ergibt sich hier eine indirekte Abhängigkeit des Strafrechts von anderweit normierten Rechtssätzen. Für den Fall der Beurteilung einer im Ausland begangenen Unterlassung erhebt sich die Frage, ob als zu berücksichtigende Erfolgsabwendungspflicht auch ein rechtliches Handlungsgebot in Betracht kommt, das der am Tatort geltenden fremden Rechtsordnung angehört.

86)

vgl. RGSt 73, 55; BGHSt 23, 327 f: Böhm, Rechtspflicht, S. 55; Busch, a.a.O., S. 134; v.Kagler, a.a.O., S. 65 ff

87)

vgl. Herzberg, a.a.O., S. 56; ders., JuS 61, vgl. Herzberg,

88)

Unterlassung, S. 209; Böhm, Kaufmann, Dogmatik, S. 284; S. 176 a.a.O., S. 216

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- Die Garantenstellung Heben dem hießen Erfolgsabwendungsgebot, das allein noch kein Garantieverhältnis schafft, ist als weitere Voraussetzung für die Begründung einer Garantenpflicht die besondere persönliche Rechtsstellung des Verpflichteten erforderlich, aus der sich seine spezielle, inhaltlich fest umrissene Schutzaufgabe für ein bestimmtes gefährde89) tes Rechtsgut ergibt. ' Erst im Zusammenhang mit dieser sog. Garantenstellung wird das allgemeine 90) Handlungsgebot zur Garantenpflicht7 ' , deren Verletzung nach Unwertgehalt und Strafwürdigkeit "der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht", wie es in § 13 Abs.1 StGB heißt. Damit ist der zweite ausfüllungsbedürftige Teil der Vorschrift angesprochen. Das Gesetz enthält wiederum keinen Ansatzpunkt für den Maßstab dieser "Entsprechung" von Unterlassen und Tun. Er ist nur dadurch zu gewinnen, daß im Anschluß an das Merkmal der Handlungspflicht das der Garantenstellung inhaltlich konkretisiert wird. In der Strafrechtswissenschaft sind herkömmlicherweise vier Gründe für die Entstehung einer Garantenposition anerkannt: - Gesetz - freiwillige Übernahme - vorangegangenes gefährdendes Tun 89) 90)

vgl. RGSt 69, 3^9; Busch, Weber-Festschrift, S. 134; Böhm, a.a.O., S. 55; v.Nagler, GS, 111, S. 65; Stratenwerth, LB, Rdn. 985 vgl. Kaufmann, Dogmatik, S. 284, 286; ders. JuS 61, S. 176

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- enge Lebens- oder Gefahrengemeinschaft.

9l) '

Diese formelle Systematisierung wird heute zunehmend durch eine Einteilung nach materiellen Gesichtspunkten abgelöst, die auf die besondere soziale Stellung des Unterlassenden abhebt: - seine Schutzfunktion für ein bestimmtes Rechtsgut - seine Verantwortlichkeit für eine bestimmte 92") Gefahrenquelle. Der Unterschied zwischen formeller und materieller Gliederung liegt allein in der Systematik und bleibt ohne Bedeutung für Inhalt und Umfang der 93) Garantenstellung s e l b s t . " Insbesondere können auch innerhalb der materiellennicht Einteilung Entstehungsgrün94) de außer die acht verschiedenen gelassen werden. ' Da es hier um die Abhängigkeit des Strafrechts von rechtlichen Normen geht, nehmen die rein tatsächlichen Garantiegründe wie vorangeganges gefährdendes Tun und enge Lebens- oder Gefahrengemeinschaft an der Untersuchung nicht teil. Die Fälle freiwilliger Übernahme wurden früher als solche "vertraglicher Übernahme" bezeichnet.^-^ 91)

vgl. Schönke-Schröder, § 13 Rdn.8; Bärwinkel, Struktur, S. 58 fj Stratenwerth, LB Rdn. 1012 ff; Nickel, Problematik, S. 1; Stree, MayerFestschrift, S. 146

92)

vgl. Kaufmann, Dogmatik, S. 283; Jescheck, LB, S. 470 f; Bärwinkel, a.a.O., S. 59; Stree, a.a.O.; Nickel, a.a.O., S. 2

93) 94)

vgl. Schönke-Schröder, § 13 Rdn. 9 vgl. Jescheck, LB, S. 471; Stree, a.a.O.

95)

vgl. Maurach, LB AT, S. 606. Welzel, LB, S.215,spricht von "Übernahme vertraglicher Pflichten", Baumann, LB, S. 256, von "Rechtsgeschäft" und "Vertrag" als Quelle der Garantenpflicht.

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Daraus könnte sich der Schluß auf eine Abhängigkeit von zivilrechtlichen Vertragsregeln herleiten. Es entspricht jedoch der heute einhelligen Ansicht, daß den Rechtsgrund für die Garantenstellung hier nicht die rechtsgeschäftliche Bindung darstellt, sondern vielmehr die tatsächliche Übernahme der 96) Erfolgsabwendungspflicht. ' Genauer: ein bestimmtes Verhalten des Übernehmenden, "welches dazu führt, daß anderweitige Sicherungsvorkehrungen im Vertrauen auf seine Zusage unterbleiben" und das Eechtsgut dadurch erhöhter Gefahr ausgesetzt ist.97) Vertragliche Gesichtspunkte treten hinter denen des Vertrauensprinzips zurück; auf den Abschluß eines Rechtsgeschäftes oder gar dessen Wirksamkeit kommt es nicht an, so daß das Strafrecht hier von zivilrechtlichen Segeln völlig unabhängig ist und allein auf tatsächliche Gegebenheiten abstellt.98^ Von Interesse in diesem Zusammenhang bleiben also nur die durch Gesetz begründeten Garantenpositionen. Im Rahmen der Schutzfunktion für ein bestimmtes Rechtsgut sind vor allem zu nennen: - das Verhältnis zwischen Ehegatten (§ 1353 BGB) und unterhaltspflichtigen Verwandten (§§ 1601, 1626 Abs.2, 1631, 1705 BGB) 96) vgl. Maurach, LB, S. 606; Welzel, LB, S. 214; Vogt, ZStW 63 (1951), S. 401; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 227; Schönke-Schröder, § 13 Rdn. 28 97)

vgl. Blei, Mayer-Festschrift, S. 122, 142; Stree, Mayer-Festschrift, S. 1 5 1 , 154; Böhm, Rechtspflicht, S. 81 f, 95 98) vgl. Vogt, a.a.O.; Stree, a.a.O., S. 151 f; Jescheck, LB, S. 472; Stratenwerth, Rdn. 996; RGSt 16, 269; 17, 260; 64, 84; abw. Baumann, LB, S. 256

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- sowie zwischen Vormund und Mündel (§ 1793). Im Rahmen der Verantwortung für eine bestimmte Gefahrenquelle: die Positionen - des Aufsichtspflichtigen (§ 832 BGB) - des Vorgesetzten (§§ 41 WStG, 108 SeemannsG) - des Tierhalters (§ 833 BGB) - des Kfz-Halters oder -Führers (§ 21 StVZO) - des Gewerbeunternehmers (§ 120a GewO). In allen diesen Fällen ist das Strafrecht unmittelbar abhängig vom Inhalt der in anderen Rechtsteilen normierten Vorschriften. Die gesetzliche Begründung von Garantieverhältnissen muß sich jedoch nicht unbedingt auf die deutsche Rechtsordnung beschränken. Denkbar ist vielmehr, daß sich eine im Ausland begangene Unterlassung nur im Zusammenhang mit den besonderen am Tatort herrschenden und in der fremden Rechtsordnung verankerten Vorstellungen über Garantenpflicht und -Stellung des Täters beurteilen läßt. cc)

Die RechtfertisunKSKründe

Schließlich begegnet uns eine Form strafrechtlicher Abhängigkeit im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung. Jeder Tatbestand enthält eine Aufzählung der für die betreffende Deliktsart typischen unrechtsbegründenden Merkmale. Neben diesen können im konkreten Einzelfall aber weitere Umstände eine Rolle spielen, aus denen sich ausnahmsweise eine rechtliche Billigung der Tat ergibt.

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Die Rechtsordnung hält für diese Ausnahmefälle besondere Erlaubnissätze b e r e i t , die als Rechtfertigungsgründe den Unrechtstatbeständen selb. . . 99) standig gegenübertreten und ihnen vorgehen.

Solche Erlaubnissätze finden sich in allen Rechtsteilen, und es war lange umstritten, ob sich ihre unrechtsausschließende Wirkung j e w e i l s auf das Einzelgebiet beschränkt, in welchem sie normiert sind, oder ob sie - unabhängig von ihrem Standort - für die gesamte Rechtsordnung gleichermaßen gelten." 100 ^ Nach der sog. Trennungstheorie, die davon ausgeht, daß die Frage nach der Rechtmäßigkeit oder Widerrechtlichkeit einer Handlung innerhalb eines jeden Regelungsbereichs gesondert zu beantworten 101) ist ' , unterschied man zwischen spezifisch z i vilrechtswidrigem, polizeirechtswidrigem, völkerrechtswidrigem und strafrechtswidrigem Verhalten, j e nachdem, welcher Rechtsquelle die v e r l e t z t e Norm entstammte.^^ Im Rahmen dieser Betrachtungsweise konnten a l s Rechtsfertigungsgründe für s p e z i e l l strafrechtliche Tatbestandsverwirklichungen nur solche Erlaubnissätze in Betracht kommen, die im StGB selbst ihren Niederschlag gefunden haben. 99)

100) 101) 102)

v g l . Maurach, LB, AT, S. 295; Jescheck, LB, S. 241

v g l . Lange, Weber-Festschrift, S. 162 f f ; Seib, a.a.O., S. 1 f f v g l . Bruns, Befreiung, S. 259 f f ; Lobe, Frank-Festgabe I , S. 56 v g l . Bruns, a.a.O.; Lobe, a.a.O., S. 34; Stooß, ZStW 24 (1904), S. 319; ähnlich in der Tendenz: Stratenwerth, LB, Rdn. 177

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Damit sollte gerade die Unabhängigkeit des Strafrechts von anderen Rechtsteilen unterstrichen werden. Demgegenüber wird heute in Anerkennung der Rechtsordnung als einem in sich geschlossenen einheitlichen Ganzen' 10 ^ die sog. Einheitstheorie vertreten, nach welcher die Rechtmäßigkeit einer Handlung stets an der Gesamtheit der Nor104) men aller Teilrechtsgebiete zu messen ist. ' Den Grundgedanken bildet die Erkenntnis, daß die Rechtsordnung das, was sie an einer Stelle ausdrücklich billigt, in anderem Zusammenhang nicht rechtswidrig nennen kann. -ins) Danach gibt es weder eine besondere Strafrechtswidrigkeit noch beschränkt sich der Unrechtsausschluß eines straftatbestandsmäßigen Verhaltens auf die speziellen Rechtfertigungsgründe des StGB. Die strafrechtliche Beurteilung eines Verhaltens setzt vielmehr die Berücksichtigung sämtlicher Normbereiche und insbesondere auch aller außerstrafrechtlicher Erlaubnissätze voraus. 103)

104)

105)

106)

vgl. Engisch, Einheit, S. 55 ff; v.Nagler, Binding-E'estschrift, S. 360; Heinitz, Problem der materiellen Rechtswidrigkeit, S. 47; Oescheck, LB, S. 243; abw. Bettermann, NJW 57, S. 986 vgl. Zitelmann, AcP 99, S. 11; Engisch, a.a.O., S. 37» 58; Baumann, LB, S. 269; v.Nagler, a.a.O., S. 364, 375 vgl. Heinitz, a.a.O.; Zitelmann, a.a.O.; Kern, ZStW 64, S. 262; Engisch, a.a.O., S. 55; Welzel, LB, S. 84 vgl. Jescheck, LB, S. 244; Mäurach, LB, S. 297; v.Nagler, a.a.O., S. 361, 375; Baumann, LB, S. 269; Zitelmann, a.a.O., S. 23; Schönke-Schröder, Vorbem. §§ 32 ff Rdn. 28, 28a

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Hier tritt die Abhängigkeit des Strafrechts von den übrigen Rechtsgebie'ten deutlich hervor; und zwar lassen sich zwei Stufen der Akzessorietät unterscheiden: - unmittelbare Abhängigkeit im Verhältnis zu ausdrücklich als solche normierten Rechtfertigungsgründen außerhalb des Strafgesetzes. Die bekanntesten sind: §§ 228, 904 BGB (defensiver und aggressiver Kotstand) §§ 229, 859, 860, 561 BGB (Fälle der Selbsthilfe) § 127 StPO (Pestnahmerecht). Aus der Sicht des internationalen Strafrechts ist zu überlegen, ob diese Erlaubnissätze des deutschen Rechts überhaupt auf einen ausländischen Lebenssachverhalt Anwendung finden können (was z.B. beim Festnahmerecht wegen der Berührung mit der fremdstaatlichen Hoheitsgewalt höchst zweifelhaft ist) und ob daneben oder - im Falle der Nichtanwendbarkeit einer deutschen Norm - statt derer die besonderen Rechtfertigungsgründe des fremden Tat107) ortrechts eingreifen. '' - mittelbare Abhängigkeit gegenüber solchen außerstrafrechtlichen Bestimmungen, die nicht als Erlaubnissätze normiert wurden, im Zusammenhang mit allgemeinen Rechtfertigungsgrundsätzen aber zum Ausschluß der Rechtswidrigkeit führen können. 107)

vgl. Neumeyer, ZStW 23 (1903), S. 444 ff, 449, 457; Oehler, Internationales Strafrecht, S. 383, 456; Baltatzis, Personalitätsgrundsatz, S. 48

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So können die zivilrechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag eine Rolle spielen hei der Beurteilving einer mutmaßlichen Einwilligung des Verletzten108); Hoheitsakte in Form von dienstlichen Anweisungen, militärischen Befehlen, behördlichen Anordnungen und Genehmigungen können rechtfertigende Wirkung entfalten109), ebenso wie die Ausübung staatlichen Zwanges aufgrund etwa der §§ 112 ff StPO, 808, 885, 890 ZPO oder der Landespolizeigesetze.110) Das Verhältnis des Strafrechts zu diesen Bestimmungen ist - ähnlich wie das zu den Verhaltensregeln, welche für die Konkretisierung von Sorgfalts- und Erfolgsabwendungspflichten von Bedeutung sind - als indirekte Akzessorietät zu bezeichnen. Sie in Betracht kommenden Rechtssätze sind nicht unmittelbar anzuwenden und nicht allein entscheidend bei der Rechtswidrigkeitsprüfung, aber sie bilden unentbehrliche Anhaltspunkte für die rechtliche Tatwürdigung und dürfen daher nicht außer acht gelassen werden. Im Falle der Beurteilung einer Auslandstat entsteht hier wieder die bereits bekannte Frage, ob die Rechtsfertigung einer tatbestandsmäßigen Handlung sich auch aus der fremden Rechtsordnung des Tatortstaates herleiten läßt. 108) vgl. Lobe, Frank-Festgabe I, S. 59; v.Nagler, Binding-Festschrift, S. 361 f; v.Hippel, RG-Festgabe V, S. 5 ff; Baumann, LB, S. 359; Velzel, LB, S. 92 f; Maurach, LB, S. 34-7 f 109) vgl. Jescheck, LB, S. 371 ff; Maurach, LB, S. 352 f; Stratenwerth, LB, Rdn. 471 110) vgl. Baumann, LB, S. 342 ff; Maurach, LB, S. 350 ff

-

-

Damit sind die Fälle angeführt, in denen als folge der Akzessorietät - eine Heranziehung ausländischer (außerstrafrechtlicher) Rechtssätze im Rahmen der nach §§ 5-7 StGB gebotenen Anwendung deutschen Strafrechts denkbar ist, und zugleich das Untersuchungsfeld dieser Arbeit abgesteckt.

Im folgenden soll versucht werden, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen die Fremdrechtsanwendung im deutschen Strafrecht möglich bzw. erforderlich ist.

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ZWEITER HAUPTTEIL I.

Vorbemerkung zum ersten Lösungsversuch Ό Wie bereits oben ' ausgeführt, gilt nach den Regeln der §§ 5-7 StGB für alle Auslandstaten, die der inländischen Strafgewalt unterliegen, allein deutsches Strafrecht. Um die Tragweite dieses Ausschließlichkeitsanspruchs zu erfassen, ist es notwendig, den Umfang des Strafrechtsbegriffs inhaltlich näher zu bestimmen. Nach den Vorschriften des deutschen internationalen Strafrechts ist auf die betreffenden Auslandstaten stets deutsches Strafrecht anzuwenden, aber eben auch nur deutsches S t r a f r e c h t , wobei dieser Begriff sich als auslegungsfähig und -bedürftig erweist. Er könnte im. engeren Sinne des materiellen Rechts oder im weiteren Sinne einschließlich des Strafverfahrensund Strafvollstreckungsrechts zu verstehen sein; er könnte sich allein auf die Vorschriften des Strafgesetzbuchs oder auch auf Nebengesetze beziehen oder gar sämtliche Rechtsnormen umfassen, die für die strafrechtliche Beurteilung eines Verhaltens von Bedeutung sind. Der Gesetzgeber hat nicht zu erkennen gegeben, was er im einzelnen meint, wenn er an dieser Stelle den Ausdruck "Strafrecht" verwendet. Weder dem Gesetz selbst noch den Motiven lassen sich entsprechende Anhaltspunkte entnehmen. 1)

Einleitung 2. a)

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Aus dem allgemeinen Sprachgebrauch folgt zunächst die Einordnung des Begriffs zum objekti2) ven und materiellen Recht. In der Literatur sind heute für das materielle Strafrecht Definitionen gebräuchlich wie - "Das Strafrecht ist derjenige Teil der Hechtsordnung, der die Merkmale der verbrecherischen Handlung festlegt und an ,·> sie Strafe oder sichernde Maßnahmen knüpft."·'' - "Es /das materielle Strafrecht/ bestimmt die Voraussetzungen, unter denen die Strafgewalt ausgelöst wird, umreißt den Inhalt der Rechtsfolgen und regelt die Verkuppelung von Voraussetzungen und Folgen. " Ό Auch nach diesen Umschreibungen bleibt der Strafrechtsbegriff sowohl einer restriktiven als auch einer extensiven Auslegung zugänglich. Nur im Idealfall enthalten nämlich die Strafvorschriften des StGB und seiner Nebengesetze in ihrem Tatbestand selbst eine genaue Beschreibung des jeweils ge- oder verbotenen Verhaltens, auf welches sich die Strafdrohung bezieht. Aus gesetzestechnischen Gründen ist diese - dem Rechtsstaatsprinzip am ehesten entsprechende - Form jedoch oft nicht einzuhalten, und der Gesetzgeber verweist zur näheren Inhaltsbestimmung eines einzelnen Tatbestandsmerkmals oder sogar zur Ausgestaltung der Norm selbst auf andere, außerhalb des Strafgesetzes liegende Vorschriften. Dieses Phänomen ist oben^ als strafrechtliche Akzessorietät bezeichnet worden. 2) vgl. Maurach, LB AT, S. 25 5) Welzel, LB, S. 1 4) Maurach, LB AT, S. 23 f 5) Erster Hauptteil I 2, 3

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Bei extensiver Auslegung werden dem Strafgesetzbegriff alle diejenigen Rechtssätze zuzuordnen sein, aus denen sich die Merkmale einer deliktischen Handlung ergeben, sämtliche Bestimmungen also, die für die Prüfung der Strafbarkeitsvoraussetzungen von Bedeutung sein können. Eine solche Betrachtungsweise könnte zur Folge haben, daß jede Rechtsanwendung im Rahmen der §§ 5-7 StGB - ganz gleich, welche Rechtsgebiete sie berührt - stets Strafrechtsanwendung ist und sich daher gemäß dem Ausschließlichkeitsgrundsatz von vornherein auf die deutsche Rechtsordnung beschränken muß. Den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung bildet demgegenüber die Feststellung, daß zur Würdigung der besonderen Umstände einer Auslandstat am ehesten das am Begehungsort geltende Recht geeignet ist.^ Folglich erscheint in diesem Zusammenhang zunächst eine restriktive Auslegung des Strafrechtsbegriffs geboten, um den Ausschluß der Fremdrechtsanwendung zu begrenzen auf Normen des Strafrechts in einem engeren Sinne und daneben die Heranziehung von Regeln des ausländischen Tatortrechts weitgehend zu ermöglichen. Der folgende Lösungsversuch beruht deshalb auf einer restriktiven begrifflichen Umgrenzung des Strafrechts im Sinne der §§ 5-7 StGB mit dem Ziel einer allgemeinen Unterscheidung zwischen den Fällen der zulässigen und der verbotenen Anwendung fremder Rechtsnormen bei der Beurteilung von Auslandstaten. 6)

vgl. oben, S.4

-Μ -

Da von der Zugehörigkeit der im StGB und den Nebengesetzen ausdrücklich als solche normierten Strafvorschriften zum Strafrechtsbegriff ohne weiteres auszugehen ist, konzentriert sich die Prüfung auf die Frage, ob und inwieweit auch die außerhalb der eigentlichen Strafgesetze geregelten und von diesen in Bezug genommenen Hechtssätze als Bestandteil der jeweils verweisenden Strafbestimmung anzusehen sind. Lassen sie sich vom Strafgesetzbegriff mit umfassen, so ergibt sich daraus zugleich ihre eigene Zuordnung zum "Strafrecht" in dem hier zu erörternden Sinne und folglich für den Richter eine Anwendungsbeschränkung auf die deutsche Rechtsordnung.

II.

Der Strafgesetzbegriff bei Binding

In der Literatur sind im wesentlichen drei verschiedene Strafgesetzbegriffe vertreten worden: ein formeller, ein rechtsgutstheoretischer und ein materieller, denen gemein ist, daß sie sich alle auf Binding zurückführen lassen.

1.

Der Straftesetzbesriff in der Normenlehre Den Ansatz für seine Lehre findet Binding in einem besonderen Normenbegriff. Als Normen bezeichnet er die dem Strafrecht zugrunde liegenden, aber außerhalb desselben stehenden Gebote und Verbote, die er nicht als Bestandteile des Strafgesetzes, sondern als dessen

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Voraussetzungen ansieht. Dem S t r a f g e s e t z selbst kommt b e i d i e s e r Betrachtungsweise nur ergänzende Bedeutung zu; es b e i n h a l t e t die Strafdrohung f ü r den F a l l der Übertretung einer Norm.®^ Binding s t e l l t den B e g r i f f des S t r a f g e s e t z e s dem der Norm gegenüber und beharrt auf i h r e r scharfen Trennung: Während die Norm die verbindl i c h e Richtschnur des Handelns i n Form von Rechtsp f l i c h t e n a u f s t e l l e , knüpfe das S t r a f g e s e t z e r s t an den Gedanken der P f l i c h t v e r l e t z u n g an und bestimme die darauf anzuwendende S t r a f f o l g e a l s Re9) aktion des Gemeinwesens. Die Verfolgung dieses Gedankens - wie ihn d i e Rechtsgutstheoretiker zur Grundlage i h r e r Lehre gemacht haben ' - führt zu einem S t r a f g e s e t z b e g r i f f , der a l s Gegenstück zur Norm nur noch deren Schutzvorschrift umfaßt, sich i n h a l t l i c h also a l l e i n auf d i e die R e c h t s f o l g e bildende S t r a f d r o hung beschränkt.

2. Der f o r m e l l e S t r a f g e s e t z b e g r i f f Binding selbst entzieht sich d i e s e r Konsequenz, indem er den B e g r i f f des S t r a f g e s e t z e s außer i n diesem normentheoretischen Sinne zugleich noch i n einer zweiten Bedeutung gebraucht, nämlich im Sinne von Strafparagraph, der gesetzestechnischen 7) 8) 9) 10)

v g l . Binding, Normen I , S. 45 v g l . Binding, Normen I , a . a . O . , f e r n e r S. 21, 36, 70 v g l . Binding, Normen I , S. 45, 81 f f (insbes. S. 82) v g l . unten, Zweiter H a u p t t e i l , I I . 2.

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Einheit mit den beiden Bestandteilen: Tatbestand und Rechtsfolge. 1 1 ^ Der Unterschied gegenüber dem normentheoretischen Begriff besteht hier in der Einbeziehung des Tatbestandes, der allerdings ganz formell als die Summe der im ersten Teil einer Strafvorschrift 12) aufgeführten Merkmale zu verstehen ist. ' Auf dieser Gleichsetzung des Strafgesetzes mit dem rein äußerlichen Umfang des Strafparagraphen beruht der insbesondere in der Rechtsprechung jahrzehntelang vertretene formelle Strafgesetzbegriff.



Der materielle Strafgesetzbesriff Demgegenüber entschließt sich Binding in sei14) nem "Handbuch des Strafrechts" zu einem wiederum anderen Standpunkt, welcher mit den in seiner Normenlehre dargelegten Ansichten wenig gemein hat. Hier versteht er unter Strafgesetzen nicht nur die Strafparagraphen (oder gar die bloße Strafdrohung allein), sondern diese "in ihrer Abhängigkeit auch von nicht kriminellen Rechtssätzen gedacht, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil am allerwenigsten die Strafgesetze sich aus der Verbindung mit den übrigen Rechtsteilen losreißen lassen". 1 11)

vgl. Binding, Normen I, S. 7, 36 f, 185

12)

vgl. Binding, Normen I, a.a.O.

13)

vgl. unten, Zweiter Hauptteil, II. 1.

14)

Handbuch des Strafrechts, Bd. I, 1885

15)

Binding, Handbuch, S. 257

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Er lehnt in diesem Zusammenhang den "Versuch der Praxis, das Strafgesetz als solches von nicht kriminellen Vorschriften zu trennen"''^ , ausdrücklich ab und kommt damit zu einer materiellen Betrachtungsweise des Strafgesetzbegriffes, wie sie der heute allgemein anerkannten Auffassung 17) zugrunde liegt. ''

III. Der Strafgesetzbegriff in Rechtsprechung und Lehre

Mit diesen unterschiedlichen Begriffsbildungen bei Binding sind zugleich die drei dogmatischen Hauptlinien gekennzeichnet, an denen der Begriff des Strafgesetzes in Schrifttum und Rechtsprechung bisher ausgerichtet worden ist. Freilich darf die Entwicklung der einzelnen Theorien nicht losgelöst von den jeweiligen Rechtsfragen gesehen werden, in deren Rahmen das Problem des Strafrechtsbegriffes im einzelnen behandelt wurde. Dabei tritt zunächst die innere Verknüpfung mit den Erscheinungsformen der strafrechtlichen Akzessorietät deutlich hervor: Sowohl Blankettvorschriften als auch rechtlich-normative Tatbestandsmerkmale und Rechtfertigungsgründe haben in der Diskussion um die Abgrenzung des Strafgesetzbegriffes stets eine besondere Rolle gespielt. 16)

Binding, Handbuch, a.a.O. FN 3

17) vgl. unten, Zweiter Hauptteil, II.

- 51 -

Wenn auch nicht in dem hier zu untersuchenden Zusammenhang mit der Fremdrechtsanwendung, so haben sich doch Rechtsprechung und Lehre mit der rechtlichen Zuordnung von strafrechtsexternen Erlaubnissätzen sowie von Ausfüllungs- und Ergänzungsnormen, auf die das Strafgesetz Bezug nimmt, im Rahmen anderer Rechtsfragen ausführlich beschäftigt. Insbesondere zwei Problemkreise haben die Auseinandersetzung über den Umfang des Strafgesetzbegriffes wiederholt angeregt: -

die Frage der Gesetzesänderung im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB (§ 2 Abs. 2 Satz 2 StGB a.F.) und die Frage des sog. außerstrafrechtlichen Rechtsirrtums.

§ 2 Abs. 3 StGB enthält eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot für den Fall, daß das Gesetz nach Beendigung der Tat milder geworden ist, setzt also eine Änderung des Strafgesetzes voraus. Inwieweit hierbei auch die Modifizierung solcher Rechtssätze beachtlich ist, auf die das Strafrecht zur Ausfüllung von Blankettvorschriften oder normativen Tatbestandsmerkmalen verweist, hängt allein davon ab, ob diese dem Strafgesetzbegriff zuzuordnen sind oder nicht. Nur wenn die Inbezugnahme durch eine Strafrechtsvorschrift sie zu deren eigenem Bestandteil werden läßt, stellt eine Wandelung der Ausfüllungsnorm selbst eine Änderung des (Straf-) "Gesetzes" im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB dar. Entsprechendes gilt im Hinblick auf außerhalb des StGB geregelte Rechtfertigungsgründe.

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Wird ein Erlaubnissatz in einem der anderen Rechtsgebiete nachträglich geschaffen oder erweitert, so kommt er dem Täter entgegen dem Rückwirkungsverbot nur dann zugute, wenn er die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 StGB erfüllt und damit unter den Strafgesetzbegriff fällt. Ebenso bedeutend war lange Zeit die Frage nach der rechtlichen Natur der anderweit normierten - strafrechtsexternen - Vorschriften für die Behandlung eines sie betreffenden Irrtums. Nach der früheren, insbesondere vom Reichsgericht vertretenen Lehre, die zwischen strafrechtlichem und außerstrafrechtlichem Rechtsirrtum unterschied, wurde als beachtlich nur die Verkennung einer nicht zum Strafrecht gehörenden Gesetzesbestimmung, der sog. außerstrafrechtliche Irrtum, anerkannt. Bis zur Ablösung dieser Theorie durch die modernen Irrtumslehren kam es also für die Strafbarkeit des Täters entscheidend darauf an, ob einem Rechtssatz, über den er irrte, strafrechtliche oder außerstrafrechtliche Natur zugeschrieben, ob er dem Strafgesetzbegriff untergeordnet wurde oder nicht.

1.

Der formelle Strafgesetzbegriff Eine naheliegende Möglichkeit, den Begriff des Strafgesetzes restriktiv auszulegen, ist seine - an der systematischen Stellung im Strafgesetzbuch orientierte - Beschränkung auf die vom Gesetzgeber ausdrücklich als Strafrechtssätze erlassenen Bestimmungen.

- 53 -

So verfolgte das Reichsgericht im Anschluß an das Königliche Obertribunal und das Kammergericht in ständiger Rechtsprechung einen rein 18") formellen Strafgesetzbegriff , der nur den Strafparagraphen in seiner äußeren Erscheinung umfaßte. Wie zahlreiche Entscheidungen beweisen, wurde das Wesensmerkmal eines "eigentlichen Strafgesetzes" darin gesehen, daß in ihm die grundsätzliche Rechtsanschauung des Gesetzgebers über die Strafbarkeit einer bestimmten Handlung zum Aus19) druck komme. ' Die so charakterisierten "Strafgesetze als solche" wurden jenen Vorschriften gegenübergestellt, die"nur die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des speziellen Strafgesetzes auf einem anderen Gebiete als dem des eigentlichen Strafrechts" bilden.20^ Unter den Vertretern dieser formellen Theorie 21) 22) in der Rechtslehre ' ist besonders Goehrs ' zu nennen, der die deutliche Unterscheidung forderte zwischen Gesetzen, die eine eigene Strafbestimmung enthalten, und gesetzlichen Regelungen auf nichtstrafrechtlichem Gebiet, auf welche die ersteren in ihrem Tatbestand Bezug nehmen. 23) ·" 18) vgl. zur sog. Motiventheorie RGSt 13, 249 (253); Käckell, Bedeutung des Strafgesetzbegriffs, S. 93 f 19) 20)

vgl. u.a. RGSt 13, 249 a.a.O.; 21, 294 (295) vgl. RGSt 46, 30? (308 f), 337 (339); 49, 116 (121); 51, 150 (153 f) 21) u.a. Seeger, Über die rückwirkende Kraft, S. 90 f, 117 f; Schmid, Herrschaft der Gesetze, 186 ff (197); Olshausen, § 2 Anm. 14-16; Schwartz,! 2 Anm. 9 22) Das "mildeste Gesetz", 1897 23) vgl. Goehrs, a.a.O., S. 30

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Nach Goehrs sind nur die in der Strafnorm, d.h. im Strafparagraphen enthaltenen Tatbestandsmerkmale Bestandteile des Strafgesetzes, "nicht aber irgend welche in Bezug genommenen außerhalb dieser StrafbeStimmung selbst liegenden Rechtsverhältnisse und Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten" a)

Der formelle Strafgesetzbegriff im Rahmen des § 2 Abs. 3 StGB

Entsprechend seiner formellen Betrachtungsweise lehnte das Reichsgericht in den Fällen strafrechtlicher Akzessorietät die Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 2 StGB a.P. regelmäßig dann ab, wenn die Gesetzesänderung lediglich die ' äußerlich getrennte - Ergän-

Im Bereich des Blankettstrafrechts wurde die Ausfüllungsvorschrift nur in Ausnahmefällen als zum Tatbestand des Blankettgesetzes gehörig anerkannt; so fand § 2 Abs. 2 Satz 2 StGB a.P. Berücksichtigung etwa bei einer Modifikation der Regeln des HGB über Vollkaufleute, auf welche § 240 Nr. 3 KO als Blankett verweist.26^ Im übrigen jedoch betrachtete das Reichsgericht den von einer Blankettbestimmung in Bezug genommenen und diese ergänzendeil Rechts sat ζ nicht als deren Tatbestandsinhalt, sondern als bloße "Be27} dingung der Strafbarkeit"

, also nacht als

25) 24) vgl. RGSt Goehrs, 16, a.a.O., 171 (172); S. 35 31, 225 (227); 46, 307 (308), 337 (339) 26) vgl. RGSt 33, 184 (185 ff); zustimmend Lucas-Ebermayer, S. 38 27) vgl. RGSt 16, 171 (172): 31, 225 (227); 46, 307 (309), 337 (339); 49, 410 (413); nicht zu verwechseln mit der "objektiven Bedingung der Strafbarkeit".

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"Strafgesetz" im Sinne des damals vorherrschenden formellen Begriffsverständnisses. Ebenso verfuhr man im Zusammenhang mit rechtlich- normativen Tatbestandsmerkmalen. Ergab sich die inhaltliche Definition eines solchen ausfüllungsbedürftigen Begriffes aus strafrechtsexternen Vorschriften, so wurden diese lediglich als Voraussetzung der Strafbarkeit, nicht aber als Teil des Tatbestands behandelt und § 2 Abs. 2 Satz 2 StGB a.F. auf eine sie betreffende pO \ Änderung nicht angewendet. ' b)

Der formelle Strafgesetzbegriff im Rahmen der Irrtums!ehre Insbesondere aber spielte der formelle Straf-

gesetzbegriff eine entscheidende Rolle in der Irrtumsjudikatur des Reichsgerichts. Auch hier wurden außerhalb des eigentlichen Strafgesetzes geregelte Blankettausfüllungen, Tatbestandsergänzungen und Rechtfertigungsgründe beοοΛ grifflich nicht zum Strafrecht gezählt. Während sich die Vorschriften des StGB als jedermann bekannt unterstellen ließen und ein sie betreffender "strafrechtlicher" Rechtsirrtum unbeachtlich blieb^ , konnte die Kenntnis von strafrechtsexternen Rechtssätzen nicht allgemein vorausgesetzt werden, so daß ein entsprechender sog. außerstrafrechtlicher Irrtum beachtlich war und dem Tatsachenirrtum gleichgestellt w u r d e . ^ ^ 28) vgl. RGSt 4, 4 (5 f); 27, 98 (99 f); 34, 157 (158 ff) 29) vgl. grundlegend RGSt 57, 15 (17) 30) vgl. RGSt 42, 142 (144) 31) vgl. RGSt 22, 141 (147 f) m.w.N.; 42, 26 (27); 57, 15 a.a.O.; 64, 25 (26); 72, 305 (309; Olshausen, § 59 Anm. 2

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Allerdings entschied das Reichsgericht - wohl in der Einsicht, daß der formelle Strafgesetzbegriff allein kein geeignetes Abgrenzungskriterium darstellte - zuweilen umgekehrt über die Einordnung eines Irrtums als strafrechtlich oder außerstrafrechtlich gerade danach, ob es 7

>2)

ihn für noch oder nicht mehr entschuldbar hielt.^ ' So wurde der Irrtum über die gem. § 240 Nr. 3 KO a.F. zur Führung bestimmter Handelsbücher verpflichtende Kaufmannseigenschaft als strafrechtlich^^, der Irrtum über die Beamteneigenschaft hingegen J als außerstrafrechtlich gewertet. 34} c)

Kritik und Anwendbarkeit des formellen Strafgesetzbepiriffs im internationalen Strafrecht

Die sowohl im Rahmen des Rückwirkungsverbots als insbesondere auch bei der Behandlung des Irrtums häufig zu willkürlichen Ergebnissen und erhöhter Rechtsunsicherheit führende Anwendung der formellen Strafgesetztheorie ist in der Literatur immer auf nahezu einhellige Ablehnung gestoBen.??) Auch der BGH^ ' hat sich später ausdrücklich von der Rechtsprechung des Reichsgerichts distanziert, 32)

vgl. RGSt 57, 235 ff; 45, 381 (382); 67, 114, (115 f); Lohberger, Blankettstrafrecht, S. 9

33)

vgl. RGSt 4, 418 (419 ff); 5, 407 (410); 8, 147 (149) vgl. RGSt 23, 374 (375)

34)

35) vgl. Binding, Normen II 1, S. 38; Dohna, Recht und Irrtum, S. 26; Kohlrausch, Irrtum und Schuldbegriff, S. 118 ff; Oetker, GS 93, 1 (11 ff); Olshausen, § 59, Anm. 30; Welzel, LB, S. 158 f, 168; ders., JZ 1952, 208; Jescheck, LB, S. 230; Baumann, LB, S. 415 ff 36) grundlegend BGKSt Gr.Sen. 2, 194 (196 ff)

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der zu Recht entgegengehalten wurde, daß es mehr oder weniger auf Zufall beruhe, welcher Rechtsgedanke in einem Strafparagraphen selbst Aufnahme findet und welcher statt dessen an anderer S t e l l e gesetzlich formuliert wird. Es handelt sich dabei o f t um rein gesetzestechnische oder arbeitsökonomische Erwägungen der Legislativorgane, die für sachliche Abgrenzungsfragen weder als Anhaltspunkt dienen sollen noch als solcher herangezogen werden dürfen. Für die Strafbarkeit des Täters kann es nicht darauf ankommen, ob B e g r i f f e wie "Angehöriger", "Amtsträger" oder "Beschlagnahme" in einem Paragraphen des StGB selbst oder außerhalb desselben d e f i n i e r t sind, ob der Gesetzgeber in § 184-a StGB sämtliche geltenden Prostitutionsverbote im Wortlaut anführt oder aus praktischen Gründen sich pauschal auf die verschiedenen regional wirksamen Rechtsverordnungen bezieht, ob er in § 1 WiStG die verschiedenen Sicherstellungsgesetze auszugsweise wörtlich wiederholt oder auf die einzelnen in Betracht kommemden Spezialvorschriften durch Paragraphenangabe verweist. Ebensowenig kann die formale Stellung eines Rechtssatzes außerhalb der "eigentlichen Strafgesetze" ein taugliches Kriterium dafür sein, daß er nicht unter den Strafrechtsbegriff der §§ 5-7 StGB f ä l l t . Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber die Geltung des deutschen Rechts für Auslandstaten beschränken wollte auf die im StGB und seinen Nebengesetzen ausdrücklich als S t r a f vorschriften normierten RechtsbeStimmungen, auf

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leere Blankettstrafdrohungen, normativ gefaßte Tatbestände ohne Inhaltsausfüllung, auf einen Bruchteil der insgesamt anerkannten Rechtfertigungsgründe. Die formelle Strafgesetztheorie, deren Anwendung im Bereich des internationalen Strafrechts die Geltung einer inländischen Rechtsnorm dem Zufall ihrer Stellung innerhalb oder außerhalb des Strafgesetzbuches überlassen würde, ist daher als Auslegungsmaßstab für den Strafrechtsbegriff der §§ 5-7 StGB abzulehnen.

2.

Der rechtsgutstheoretische Strafgesetzbeprriff Noch weiter in der Einschränkung des Strafrechtsbegriffes gehen die Rechtsgutstheoretiker. 37) In Anlehnung an Bindings Normenlehre betrachten sie das Strafrecht als rein akzessorisches Schutzrecht, das seine Schutzobjekte "auf allen Rechtsgebieten zerstreut"^ ' vollständig ausgebildet vorfinde und sie diesen entlehne, um sie als Rechtsgüter mit gesetzlichem Schutz zu umgeben. Die Gegenüberstellung heißt hier nicht mehr "Strafgesetz als solches" - d.h. Strafparagraph - und "außerstrafrechtliche" Vorschrift, sondern "SchutzObjekt" und "schützende Norm".^'

37) u.a. Kohlrausch, ZStW 23, S. 4-1 ff; Schubert, Ex-tunc-Wirkung; Hirschberg, Schutzobjekte 38) vgl. Binding, Handbuch, S. 9 39) vgl. Kohlrausch, a.a.O., S. 57

- 59 ZLO") Nach Kohlrausch

' b i l d e t dabei "die äußere

Stellung einer R e c h t s v o r s c h r i f t im S t r a f g e s e t z buch . . . kein geeignetes Kriterium, um i n h a l t l i c h s t r a f r e c h t l i c h e von41) außerstrafrechtlichen Normen zu unterscheiden" . Es s e i Sache g e s e t z geberischer Zweckmäßigkeit, ob e i n Tatbestand

ei-

nen technischen Ausdruck, der i n anderen Rechtst e i l e n e r l ä u t e r t i s t , aufnehmen s o l l . Der s t r a f r e c h t l i c h e oder n i c h t s t r a f r e c h t l i c h e Charakter werde dadurch kein anderer. Ganz im Gegensatz zur formellen Betrachtungsweise b l e i b t es f ü r d i e Rechtsgutstheoretiker so unbeachtlich, wo das Schutzobjekt

al-

letztlich

seine Ausprägung gefunden hat, ob es i n seinem außerstrafrechtlichen "Heimatgesetz" belassen und vom Tatbestand nur i n Bezug genommen oder i n diesem ausdrücklich wiederholt wird. In jedem F a l l sind nach i h r e r Ansicht d i e Schutzobjekte sämtlich f r ü h e r , außerhalb des S t r a f r e c h t s , begründet gewesen, gehen diesem b e g r i f f l i c h voran und können somit nicht i n h a l t l i c h dem S t r a f r e c h t 4?) selbst zugeordnet werden. y Übrig b l e i b t a l s " S t r a f g e s e t z " dann nur noch d e r j e n i g e T e i l des Strafparagraphen, der den e i g e n t l i c h e n Rechtsschutz, nämlich die S t r a f d r o hung e n t h ä l t .

40)

ZStW 23, S. 41 f f ; ders. , Irrtum und Schuldbegriff

41)

ZStW a . a . O . , S. 55

42)

v g l . Kohlrausch, a . a . O . , S. 42, 47, 60; Schubert, a . a . O . , S. 18; Hirschberg, a . a . O . , S. 57; so auch RGSt 31, 225 (227)

-

a)

60

-

Der rechtsgutstheoretische Strafgesetzbegriff im Zusammenhang mit der verweisenden Akzessorietät Bezüglich strafrechtsexterner

Ausfüllungsvor-

schriften v o n normativen Tatbestandsmerkmalen u n d Blankettgesetzen führt d i e

rechtsgutstheoretische

Betrachtungsweise zu k e i n e m anderen Ergebnis als die formelle. Soweit der Strafgesetzbegriff sich inhaltlich auf die bloße Strafdrohung beschrankt, k ö n n e n ihm andere Elemente des Tatbestandes - u n d insbesondere deren außerhalb des StGB normierte Ergänzungen - nicht zugeordnet werden. Kohlrausch versteht u n t e r Strafgesetzen "solche, die zum Schutz bestimmter Objekte des Verbrechens dienen, nicht aber solche, die deren E x i stenz und Gestalt regeln" Während er die ersteren "Normen ü b e r Rechtsschutz" nennt, bezeichnet er die zweiten als "Normen ü b e r Schutzobjekte", und diese gehören nach seiner A u f fassung "nicht inhaltlich dem Strafrecht an, mög e n sie auch formell als Teil d e s strafrechtli44) c h e n Tatbestandes aufzufassen sein". ' Dies muß erst recht gelten für Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten, die ihrerseits die Normen über Schutzobjekte lediglich ergänzen.

b)

Der rechtsgutstheoretische Strafgesetzbegriff im Zusammenhang mit der indirekten Akzessorietät Anders entscheiden die Rechtsgutstheoretiker

43)

ZStW 23, S. 60

44)

ZStW a.a.O., S. 57

-

61

-

in der Frage der •begrifflichen Zuordnung von Rechtfertigungsgründen. Bei einer Gegenüberstellung von Schutzobjekten und schützenden Normen lassen sich Erlaubnissätze eher unter die zweite Gruppe fassen, denn sie beziehen sich nicht auf den Gegenstand, sondern auf die Strafwürdigkeit einer Handlung. Dementsprechend zählt Kohlrausch die Hegeln des Rechtswidrigkeitsausschlusses zu den "Normen über Rechtsschutz" und damit zur Materie Strafrecht. Beachtlich ist dabei im vorliegenden Zusammenhang, daß diese strafrechtliche Zuordnung für alle Rechtfertigungsgründe gilt, auch für die außerhalb des StGB geregelten, denn der rechtsgutstheoretische Strafgesetzbegriff unterscheidet sich vom formellen gerade dadurch, daß die äußere Stellung einer Vorschrift in einem bestimmten 46") Rechtsgebiet völlig außer Betracht bleibt. ' c) Kritik und Anwendbarkeit des rechtsgutstheoretischen Strafgesetzbegriffs im internationalen Strafrecht Während die letztgenannte, die Rechtswidrigkeit betreffende Abweichung von der formellen Theorie dieser gegenüber vorteilhaft erscheint, nehmen die Rechtsgutstheoretiker in der Frage der begrifflichen Einordnung des Tatbestands einen Standpunkt ein, der die von ihnen als zu äußerlich abgelehnte formelle Betrachtungsweise 45) ZStW 23, S. 45, 59, 61; so im Ergebnis auch Lange, Weber-Festschrift, S. 166 46) vgl. oben, S. 59

-

62

-

an Formalismus noch ü b e r t r i f f t , indem sie das S t r a f g e s e t z i n h a l t l i c h auf die l e e r e S t r a f d r o hung reduzieren. Geht man aber f ü r den Bereich des i n t e r n a t i o nalen S t r a f r e c h t s davon aus, daß die Geltung des deutschen Rechts b e i Auslandstaten nicht beschränkt auf die - o f t unvollständigen und e r gänzungsbedürftigen - Paragraphen des S t r a f g e » 47) setzbuches s e l b s t zu verstehen i s t ' , so scheidet damit eine noch engere Begrenzung auf die bloße Strafdrohung von vornherein aus. Die Anwendbarkeit des inländischen S t r a f r e c h t s nach Maßgabe der §§ 5-7 StGB s e t z t in jedem P a l i voraus, daß der zu beurteilende Sachverhalt zumindest einem s t r a f g e s e t z l i c h e n Tatbestand des 48) deutschen Rechts u n t e r f a l l t . ' Da der rechtsgutstheoretische S t r a f g e s e t z b e g r i f f , der a l l e i n auf d i e Rechtsfolge a b s t e l l t , sich mit d i e s e r Grundbedingung nicht vereinbaren l ä ß t , i s t er f ü r die h i e r zu untersuchende Abgrenzung im Zusammenhang mit der Fremdrechtsanwendung e b e n f a l l s nicht geeignet.

5.

Der m a t e r i e l l e

Strafgesetzbesriff

Die in der neueren L i t e r a t u r und Rechtsprechung uneingeschränkt v e r t r e t e n e Theorie i s t die des materiellen Strafgesetzbegriffs. Danach i s t unter " S t r a f g e s e t z " ein komplexer S t r a f 47)

v g l . oben, Zweiter H a u p t t e i l , I I .

48)

v g l . Schönke-Schröder, Vorbem. §§ 3-7, Rdn. 13

1. c )

- 63 J rechtszustand zu verstehen49) , nicht einzelne Paragraphen oder gar deren Teile.

Mäurach"^ spricht von der "Gesamtheit der zur Formung des konkreten Unrechtssachverhalts erforderlichen Normen". Der das Strafgesetz bildende Rechtszustand umfaßt sowohl den Strafparagraphen als auch dessen 51) strafrechtlich relevanten "Unterbau". ' Es gehören dazu alle strafrechtsexternen Vorschriften, "auf die sich der anzuwendende Tatbestand bezieht und die mit ihm in einer inneren oder unlösbaren Abhängigkeit stehen". 52) ' Bereits v.Bar^^ verwendet in diesem Zusammen54) hang die Bezeichnung "Rechtszustand" und Frank^ J definiert negativ das "Nichtstrafgesetz" als den Rechtszustand, bei dem eine Handlung nicht mit Strafe bedroht ist. "Strafgesetz" ist demnach der rechtliche Zustand, d.h. die Summe aller Rechtssätze, nach denen eine bestimmte Handlung mit einer bestimmten Strafe oder Maßregel bedroht ist. Dabei ist gleichgültig, wo der Strafrechtszustand 49)

50) 51) 52) 53) 54)

vgl. Mezger, LB, S. 69 ; Tröndle, LK, § 2 Rdn. 39; Schönke-Schröder, § 2 Rdn. 22; Käckell, a.a.O., S. 18?; Flehinghaus, Temporäre Strafgesetze, S. 49 ff,; Heumann, Blankostrafgesetz, S. 84 ff (52) LB AT, S. 136 vgl. Schönke-Schröder, § 2 Rdn. 23; Flehinghaus, a.a.O. vgl. Tröndle, LK, § 2 Rdn. 42 Gesetz und Schuld, S. 77 S. 20, § 2 Anm. IV 1

- 64 -

geregelt ist, ob ausschließlich im StGB seihst oder in anderen nicht spezifisch strafrechtlichen Gesetzen.

a)

Der materielle Strafgesetzbegriff im Verhältnis zu Blankettbestimmungen

Die Konsequenzen dieser materiellen Betrachtungsweise werden deutlich am Beispiel der Blankettgesetze. 55) Die überwiegende Meinung im Schrifttum^' ist seit jeher von der Unvollständigkeit der leeren 56) Blankettstrafdrohung ausgegangen - Binding^ ' vergleicht sie mit einem "irrenden Körper", der "seine Seele sucht" - und bezieht daher die zur Blankettergänzung erforderliche Ausfüllungsnorm als wesentlichen Bestandteil des Tatbestands in den Strafrechtsbegriff mit ein. Im Anschluß an die Literatur hat auch der BGH 57) seine anfangs vom RG übernommene Rechtsprechung^'' aufgegeben und vertritt nunmehr ebenfalls die am materiellen Strafgesetzbegriff ausgerichtete Auffassung, daß das Blankett ohne Ausfüllung "funktionslos" sei. ' Zu einem "Strafgesetz" werde die Blankettbestimmung erst durch den der Ergänzungsvorschrift zu entnehmenden Tatbestand; die Ausfüllungsnorm sei ein wesentliches Element des Strafgesetzes selbst. 59) " 55) 56) 57)

vgl. st.a. Jescheck, LB, S. 230 Normen I, S. 162 vgl. insbes. BGHSt 6, 30 (40); 7, 294 (295) (unter ausdrücklichem Hinweis auf RG 31, 225 und 46, 307) 58) vgl. BGHSt 20, 177 (180); BGH NJW 1965, 981 (982) 59) vgl. OLG Bremen NJW 64, 2261 (2262); Lackner, Anm. zu BGH Beschl. v. 26.7.67, JR 1968, S. 268 f

- 65 -

Daraus ergibt sich für die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 StGB, daß als "Gesetzesänderung" auch jede nachträgliche Abänderung der Blankettergänzung beachtlich ist. 6 ^ Wechselt der Unterbau der Strafdrohung, so wechselt der gesamte Rechtszustand und damit das"Gesetz" im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB. 61 ) Ebenso nehmen nach materieller Betrachtung auch im Rahmen der modernen Irrtumslehre die - durch die Ausfüllungsnormen ergänzten - Blankettgesetze keine Sonderstellung mehr ein. Sie unterscheiden sich von den "vollständigen" StrafbeStimmungen lediglich dadurch, daß bei ihnen Strafdrohung und Verbotsinhalt nicht an derselben Stelle normiert sind. 6 ^ Im übrigen erfahren sie keine gesonderte Behandlung und unterliegen den allgemeinen Irrtumsregeln, d.h. der Irrtum über ein objektives Merkmal der Ausfüllungsnorm ist Tatbestandsirrtum, der Irrtum über die Norm selbst Verbotsirrtum.63) Damit werden auch in diesem Zusammenhang Blankett und Ergänzungsvorschrift als notwendige Einheit betrachtet. Die Ausfüllungsbestimmung bildet als Träger der Tatbestandsmerkmale einen wesentlichen Bestand64) teil des Strafgesetzes selbst. ' 60)

vgl. BGHSt 6, a.a.O.; Jescheck, LB, S. 111 PN 40; Maurach, LB AT, S. 139 61) vgl. Schönke-Schröder, § 2 Rdn. 23 62) vgl. Warda, Abgrenzung von Tatbestands- und Verbot sirrtum, S. 5 63)

64)

vgl. Mäurach, LB AT, S. 274; Welzel, LB, S. 168; ders. MDR 1952, S. 584 (586); Warda, a.a.O., S. 35 ff; Lohberger, a.a.O., S. 11; abw. Lange, JZ 1956, S. 73 (75)5 JZ 1957, S. 233 (234); Kohlrausch-Lange, § 59 Anm. V 3 d, VI vgl. Jescheck, LB, S. 230; Nickusch, NJW 1967, S. 811 ff; Lobe, LK, Einf. AT, S. 11, 21 f; Kerscher, Tatbestands- und Verbotsirrtum, S. 58 f

-

b)

66

-

Der materielle Strafgesetzbegriff im Verhältnis zu rechtlich-normativen Tatbestandsmerkmalen Seltener ausgesprochen, aber von vergleichba-

rer Bedeutung ist die Konsequenz der materiellen Theorie im Bereich der normativen Tatbestandsmerkmale. Nach Käckell

ist "der Inhalt eines Gesetzes,

das einen in einem Strafgesetz gebrauchten Begriff inhaltlich bestimmt (definiert)

als Teil des

Strafgesetzes selbst anzusehen und zu behandeln, und zwar ohne Rücksicht auf die örtliche Stellung des definierenden Gesetzesparagraphen". Dies gilt also nicht nur in solchen Fällen, in denen - wie oben^®^ geschildert - das StGB die Begriffsbestimmung eines rechtlich-normativen Merkmals selbständig vornimmt oder dessen ursprüngliche Bedeutung bei der Übernahme aus dem fremden Rechtsgebiet modifiziert, sondern auch im Falle stillschweigend verweisender Akzessorietät. "Steht einmal fest, daß der Gesetzgeber einen Begriff einem anderen Gesetz entnommen hat, um ihn in demselben Sinne zu verwenden, so wird der Inhalt dieses Begriffes Bestandteil des Strafgesetzes".6^ Im Rahmen des § 2 Abs. 3 StGB hat die Anwendung dieses materiellen Strafgesetzbegriffes die Rückwirkung einer die strafrechtsexterne Ausfüllungsnorm betreffenden Gesetzesänderung zur Folge, so65)

Bedeutung des Strafgesetzbegriffes, S. 209

66) 67)

S. 24 vgl. Käckell, a.a.O.

- 67 -

f e r n deren Berücksichtigung eine mildere Bestrafung e r m ö g l i c h t . D e n n jede Wandlung des komplexen Strafrechtszustands, g l e i c h , in welchem Rechtsgebiet sie s t a t t f i n d e t , führt zu einer Änderung des in § 2 Abs. 3 StGB gemeinten "Gesetzes". Ebenso i s t bei materieller Betrachtung der Sinngehalt eines rechtlich-normativen Merkmals als zum gesetzlichen Tatbestand im Sinne des § 16 StGB gehörend anzusehen, so daß ein entsprechender Irrtum als Tatbestandsirrtum den Vorsatz entfallen läßt. Ein durch normative B e g r i f f e umschriebener Tatumstand s t e l l t nur insoweit eine Besonderheit dar, als zu seiner Kenntnis keine j u r i s t i s c h exakte Subsumtion verlangt wird, sondern vielmehr eine der rechtlichen Bewertung entsprechende Einschätzung im individuellen Gedankenkreis des Tät e r s (sogenannte Parallelwertung in der Laiensphäre) ausreicht. Dies ändert jedoch nichts an der dogmatischen Zuordnung der Inhaltsergänzung zum gesetzlichen Tatbestand und damit zum S t r a f g e s e t z b e g r i f f . c)

Der materielle S t r a f g e s e t z b e g r i f f im Verhältnis zu RechtfertiguriKsgriinden

Schließlich werden nach der heute vorherrschenden materiellen Theorie auch die Rechtfertigungsgründe als Bestandteile des Strafrechts betracht e t , und zwar - unter Berufung auf die Einheit der Rechtsordnung - sämtliche Erlaubnissätze, ungeachtet ihres systematischen Standortes innerhalb gqS oder außerhalb des Strafgesetzbuches. 68)

v g l . Weinberger, Das "mildeste Gesetz", S. 47; Lobe, LK, § 2 Anm. IV

69)

v g l . Maurach, LB AT, S. 297 f f ; Baumann, LB, S. 269 f f ; Käckell, a.a.O., S. 4-7

-

68

-

Gemäß der materiellen Auffassung vom Strafgesetz als Rechtszustand umfaßt der Gesetzesbegriff des § 2 Abs. 3 StGB auch alle von der Rechtsordnung anerkannten gesetzlichen Rechtfertigungsgrün70 ) de.' y So gilt das Rückwirkungsgebot im Falle einer nachträglichen Erweiterung der Erlaubnisgrün71) de' , weil mit ihr zugleich die Strafbarkeit eingeengt, der gesamte Strafrechtszustand also gemildert wird. Der Irrtum über die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes wird sowohl in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (die die eingeschränkte Schuldtheorie vertritt)^^ als auch überwiegend in der Literatur (die zunehmend der Lehre vom sog. Erlaubnistatbestandsirrtum als einem Irrtum eigener Art folgt)^^ wie ein Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 StGB behandelt. Hier werden die Merkmale der Erlaübnisnorm entweniL·) der als Bestandteile des Tatbestands selbst' ' oder als solchen gleichgestellt in den Strafgesetzbegriff mit einbezogen.

70)

vgl. Tröndle, LK, § 2 Rdn. 39; Mäurach, LB AT, S. 136 f

71) 72)

vgl. Maurach, LB AT, S. 139 vgl. grundlegend BGHSt Gr.Sen. 2, 194- (209 ff); ferner BGHSt 3, 7 (12); 105 (106 ff); BGH NJW 1951, ^-12 (413) vgl. Jescheck, LB, S. 347 ff; Dreher, § 16, Anm. 7 Β c; ders. , Heinitz-Pestschrift, S. 207 ff; Lackner, § 17, Anm. 5 b nach der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen

73)

74) 75)

vgl. zu dem gesamten Problemkreis Dreher, Heinitz-Festschrift, S. 207 ff

- 69 -

d)

Anwendbarkeit des materiellen Strafgesetzbegriffs im Rahmen des ersten Lösungsversuchs

Aus der materiellen Betrachtungsweise ergibt sich der am weitesten gefaßte Strafrechtsbegriff. Er umfaßt neben den "eigentlichen" Strafgesetzen alle akzessorisch in Bezug genommenen Ergänzungsvorschriften, d.h. sämtliche Hechtssätze, die bei der materiellen Prüfung der Strafbarkeit einer Handlung zu berücksichtigen sind. Demgegenüber war die vorstehende Untersuchung darauf angelegt, zugunsten der Anwendung ausländischer Rechtsnormen den Ausschließlichkeitsanspruch der §S 5-7 StGB, der sich ausdrücklich auf deutsches "Strafrecht" bezieht, gerade mittels restriktiver Auslegung des Strafgesetzbegriffs zu beschränken.^) Unter diesem speziellen Gesichtspunkt erweist sich die materielle Theorie mit ihrer extensiven Begriffsbestimmung daher als unbrauchbar.

76) vgl. oben, Vorbemerkung zum ersten Lösungsversuch

- 70 -

Ergebnis des ersten Lösungsversuchs

Als Ergebnis des ersten Lösungsversuchs ist festzustellen, daß die restriktive Auslegung des Strafrechtsbegriffs mit Hilfe der formellen oder rechtsgutstheoretischen Betrachtungsweise nicht geeignet ist, einen sachgerechten Abgrenzungsmaßstab für die Unterscheidung zwischen Fällen der zulässigen und der ausgeschlossenen Fremdrecht sanwendung zu schaffen. Andere restriktive Theorien sind, soweit ersichtlich, in der Rechtslehre nicht entwickelt worden. Hechtsprechung und Lehre vertreten heute uneingeschränkt den materiellen Strafrecht sbe77) griff , der sämtliche strafrechtsexternen Ergänzungsnormen dem Strafrecht selbst zuordnet und sie damit dem Ausschließlichkeitsanspruch der §§ 5-7 StGB unterstellt, so daß in diesem Rahmen jede Fremdrechtsanwendung ausgeschlossen erscheint. Durch begriffliche Einschränkung des Strafrechts läßt sich daher die Zulässigkeit einer Heranziehung ausländischer Rechtsvorschriften bei der Beurteilung von Auslandssachverhalten nicht nachweisen. Hierfür bedarf es vielmehr eines anderen als im ersten Lösungsversuch verwendeten gedanklichen Ansatzes.

77)

vgl. oben, Zweiter Hauptteil, III. 3.

- 71 -

DRITTER HAUPTTEIL I.

Vorbemerkung zum zweiten Lösungsversuch

Dem Folgenden liegt als Ausgangspunkt die auf materieller Betrachtungsweise beruhende Feststellung zugrunde, daß der Strafrechtsbegriff sämtliche den materiellen Rechtszustand bestimmenden Normen einschließlich der strafrechtsexternen Ausfüllt lungs- und Ergänzungsvorschriften umfaßt. ' Damit werden auch die akzessorisch in Bezug genommenen Rechtssätze des deutschen Zivil- und Verwaltungsrechts dem Strafgesetz begrifflich zugeordnet. Die Normen dieser beiden Rechtsgebiete unterliegen freilich in der Behandlung von Sachverhalten mit Auslandsberührung besonderen sogenannten Kollisionsregeln, die unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbar die Anwendung fremdstaatlichen Rechts anordnen. Für das deutsche internationale Strafrecht bedeutet dies: Wenn der Gesetzgeber in den §§ 5-7 StGB die Anwendung des deutschen Strafrechts gebietet, so bezieht sich die Einschränkung "deutsch" nicht nur auf spezifisch strafrechtliche Bestimmungen, sondern darüber hinaus auf die Gesamtheit der bei einer materiellen Deliktsprüfung berührten Rechtssätze, also auch solche privat- und verwaltungsrechtlicher Art. Da es sich aber gerade im internationalen Strafrecht um Sachverhalte mit Auslandsbeziehung handelt, sind die Normen des deutschen Zivil- und Verwaltungsrechts nur im Zusammenhang mit den jeweils 1) vgl. oben, Zweiter Hauptteil, II.3.

-

yd -

dazugehörenden Kollisionsregeln zu sehen, so daß der materielle Strafgesetzbegriff notwendig auch diese mit erfaßt. Durch die akzessorische Verweisung auf strafrechtsexterne Rechtsgebiete wird im Falle eines Auslandssachverhalts stets deren Kollisionsrecht 2") mit angesprochen , so daß sich unter diesem Gesichtspunkt ein Lösungsweg abzeichnet, im Rahmen des deutschen Strafrechts, das selbst nur Normen der deutschen Rechtsordnung direkt in Bezug nimmt, dennoch die Heranziehung ausländischer Gesetze zu ermöglichen. Einige in diesem Zusammenhang wesentliche Grundsätze des Kollisionsrechts bedürfen zunächst der genaueren Betrachtung. Die anschließende Untersuchung im Hinblick auf seine Bedeutung für die Fremdrechtsanwendung im deutschen Strafrecht wird sich auf den Bereich der stillschweigend verweisenden Akzessorietät durch rechtlich-normative Tatbestandsmerkmale konzentrieren, die die häufigste Form der strafrechtlichen Bezugnahme auf andere Rechtsgebiete darstellt.^

2) vgl. dazu auch Kohler, Internationales Strafrecht, S.253 ff; Neumeyer, ZStW 23, S. 4-5S; Levi, Diritto Penale Internazionale, S. 171 f; Solnar, Rapport particulier, S. 596 f 3) Gesonderte Lösungsversuche für die Fälle der ausdrücklichen und indirekten Akzessorietät können im Rahmen dieser Arbeit nur angedeutet werden und bleiben einer späteren Untersuchung vorbehalten.

- 73 -

II.

1.

Das internationale Kollisionsrecht

Der Begriff des internationalen Kollisionsrechts Ein international gelagerter Sachverhalt berührt stets mehrere nationale Rechtsordnungen zugleich, von denen grundsätzlich jede für sich dessen sachliche Regelung beanspruchen könnte. Um hierbei entstehende Konflikte zu vermeiden und die Regelungskompetenzen gegeneinander abzustecken, ist das sog. internationale Kollisionsrecht entwikkelt worden, das - ohne in der Sache selbst zu entscheiden - mit Hilfe besonderer Zuweisungsnormen, der Kollisionsnormen, jeweils eine bestimmte RechtsOrdnung für materiell anwendbar erklärt.

J

Es handelt sich dabei, entgegen dem Eindruck, den die Bezeichnung "internationales" Kollisionsrecht zunächst 5·) erweckt, ganz überwiegend um nationales Recht^', denn eine umfassende Regelung auf völkerrechtlicher Basis, die an sich denkbar und wünschenswert w ä r e ^ , gibt es bisher n i c h t . ^ 4) vgl. Palandt, Vorbem. 5 vor Art.7 EGBGB; Heiz, Das fremde öffentliche Recht, S. 11; Neumeyer, IPR, S. 7; Vogel, Anwendungsbereich, S. 275 5) vgl. Kegel, IPR, S. 4- f; Heiz, a.a.O., S. 3 8 ; fur das IPR: Ferid, Internationales Privatrecht, S. 151; Makarov, WVR II, S. 129; Dölle, Internationales Privatrecht, S. 3, 23; Neumeyer, Internationales Privatrecht, S. Ψ wertet das IPR als Teil des nationalen öffentlichen Rechts; für das IVerwR: Steindorff, WVR III, S. 581, 583; Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht. S.19; für das IStrR: Schönke-Schröder, Vorbem. §s 3-7, Rdn.2; Tröndle LK, Vorbem. § 3, Rdn.2 6) vgl. Gamillscheg, Nipperdey-Festschrift I, S. 326: Heiz, a.a.O., S. 26 ff 7) Neben den Grundsätzen des Völkergewohnheitsrechts sind von übernationalem Rang nur die zu einzelnen speziellen Rechtsfragen abgeschlossenen zweioder mehrseitigen Staatsverträge, vgl. unten, & PN 10, 14 '

- 74 -

So bleibt es den einzelnen Staaten weitgehend selbst überlassen, durch die Aufstellung von Kollisionsnormen den Wirkungsumfang ihrer nationalen Rechtsordnungen festzulegen.

2.

Die Struktur des deutschen internationalen Kollisionsrechts In der deutschen Rechtsordnung bildet das internationale Kollisionsrecht keinen selbständig kodifizierten Rechtszweig, sondern setzt sich zusammen aus den jeweiligen Kollisionsregeln der einzelnen Rechtsgebiete. Dementsprechend unterscheiden wir zwischen privatem und öffentlichem Kollisionsrecht, wobei die zivilrechtlichen Vorschriften unter dem Begriff des "Internationalen Privatrechts" (IPR) zusammengefaßt sind, während die öffentlichrechtlichen Kollisionsnormen in solche des Staats-, Verwaltungs-, Straf- und Prozeßrechts zerfallen.®^ Die Hauptquellen des IPR bilden die Art. 7-21 q\ EGBGB, vereinzelte Sondernormen" und eine Reihe 10) von Staatsverträgen '; ergänzt wird es durch Ge11) wohnheitsrecht ' sowie durch Rechtsprechung und Lehre. 8) Abweichend hiervon wird im romanischen Hechtsraum das IVerwR häufig als Teilgebiet des IPR angesehen, während andererseits Neumeyer das IPR als einen Sonderzweig des öffentlichen Rechts bezeichnet, vgl. oben, PN 5 9) z.B. Art.91, 92 WG; Art.60 ff ScheckG; § 13 b HGB; §§ 10, 15 a EheG 10) z.B. das Übereinkommen v. 2 0 . 6 . 1 9 % über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland; das Haager übereinkommen v. 5.10.1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen; vgl. die Aufstellung bei Staudinger-Korkisch, EGBGB Teil 2, Einl. Rdn.137-1/tO 11) z.B. das sog. Welthandelsrecht

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Das öffentliche Kollisionsrecht ist demgegenüber nur sehr sporadisch kodifiziert; seine Regeln finden sich, soweit überhaupt gesetzlich 12) festgelegt, verstreut in den einzelnen Gesetzen 13) häufig in den Sachnormen selbst J J , und beruhen 14-•) im übrigen auf Staatsverträgen ' und GewohnheitsrechtJ5)l6)

Allseitige und einseitige Kollisionsnormen Unter den Kollisionsregeln lassen sich zwei Erscheinungsformen feststellen: Die einen erklären bei Sachverhalten mit internationalem Einschlag jeweils eine der berührten Rechtsordnungen für anwendbar; man nennt sie "voll ΛΠ~\ kommene" oder "allseitige" Kollisionsnormen. ' ' Beispiel: Art.17 Abs.1 EGBGB, "Für die Scheidung der Ehe sind die Gesetze des Staates maßgebend, dem der Ehemann zur Zeit der Er12) z.3. §§ 3-7, 91 StGB; § 5 OV/iG; § 98 Abs.2 GWB §, 1 EStG; § 2 GewStG 13) z.B. §§ 34, 35 WZG; § 52 Abs.3 PBefG; §§ 84, 85 StGB; § 2 Abs.1 WPflG; § 23 a LuftVG 14) z.B. das Tokioter Abkommen v. 14.9.1963 über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen; das Belgrader Abkommen v. 18.8.1948 über die Regelung der Schiffahrt auf der Donau; das Abkommen über den Internationalen Währungsfonds v. 27. 12.1945; das Wiener Übereinkommen v. 21.5.1963 über die Haftung für nukleare Schäden 15) z.B. das völkerrechtliche Prinzip der Anerkennung ausländischer Hoheitsakte 16) vgl. hierzu die Abgrenzung gegenüber den sog. metarechtlichen Normen des IPR bei Vogel, Anwendungsbereich, S. 287 ff (300 ff); vgl. auch Steindorff, WVR III, S. 581 17) vgl. Kegel, Internationales Privatrecht, S.104 Neumeyer, Internationales Privatrecht, S. 8; Heiz, Das fremde öffentliche Recht, S. 48

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hebung der Klage angehört." Diese Regelung ist insofern "allseitig", als sie - ausgehend vom Sachverhalt - das jeweils anzuwendende Recht aus einer Fülle von nationalen Rechten auswählt. Für jede denkbare Staatsangehörigkeit des Ehemannes 18) i s t die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung vorgesehen. Die anderen beschränken sich darauf, die Geltungsgrenzen der eigenen Rechtsordnung abzustecken, 19) weshalb sie als "Grenznormen" J ' bezeichnet werden, bzw. als "unvollkommene" oder "einseitige" Kolli20) sionsnormen. ' Beispiel: Art.14 Abs.1 EGBGB, "Die persönlichen Rechtsbeziehungen deutscher Ehegatten zueinander werden nach den deutschen Gesetzen beurteilt, auch wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz im Auslande haben." Hier bildet nicht der Sachverhalt den Ausgangspunkt, sondern die inländische Rechtsordnung, deren Geltungsbereich dadurch festgelegt wird, daß ihr bestimmte Sachverhalte zugeordnet werden. Die Vorschrift ist insofern "einseitig", als sie nur Ehen deutscher Staatsangehöriger erfaßt; die Rechtszuständigkeit im Falle einer sog. Mischehe oder einer Ehe zwischen Ausländern bleibt ungeregelt. Zu dieser zweiten Gruppe gehören insbesondere die §§ 3-7 StGB, die den räumlichen Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts festlegen. Es handelt sich hierbei um Grenznormen streng einsei18) Selbst der Fall seiner Staatenlosigkeit ist berücksichtigt: Art.17 Abs.1 iVm Art.29 EGBGB 19) Ausdruck von Neumeyer, Internationales Verwaltung s r e c h t IV, S. 105, 116 20) vgl. Heiz, a.a.O., S. 47; Kegel, Internationales Privatrecht, S. 104

- 77 -

tiger Art, da sie die Anwendung fremder Strafgesetze nicht nur unerwähnt lassen, sondern ausdrücklich verbieten (vgl. den Wortlaut in §§ 4, 5, 6: "Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts. ..").

Die Anknüpfung a)

Die methodische Grundlage des Rechtsanwendungsbefehls

Die Bestimmung, welcher der in Betracht kommenden nationalen Rechtsordnungen ein konkreter Sachverhalt zugewiesen wird, bzw., bei einseitiger Regelung, welche Sachverhalte dem eigenen Recht unterstellt werden, erfolgt im Wege der Anknüpfung. Die Kollisionsnorra greift dazu von den Beziehungen, die ein internationaler Sachverhalt zu verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen aufweist, diejenige heraus, welche für die konkret zur Entscheidung stehende Rechtsfrage als die gewichtig21) ste erscheint. ' Einen solchen sog. Anknüpfungspunkt kann die Staatsangehörigkeit eines der Beteiligten bilden Beispiele: Art.7 Abs.1 EGBGB, "Die Geschäftsfähigkeit einer Person wird nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem die Person angehört." (allseitige Kollisionsnorm); 21) vgl. Eckstein, Rabeis Z. 8 (193*0, S. 132; Neuner, ebenda, S. 117; Dölle, Internationales Privatrecht, S. 54. Ficker, Nipperdey-Festschrift I, S. 299 ff, untersucht demgegenüber die Möglichkeit, "durch Kombination und Verknüpfung von Anknüpfungen zu gesetzgeberisch brauchbaren Ergebnissen" zu kommen.

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§ 7 Abs.1 StGB, "Das deutsche Strafrecht' gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden ..." (einseitige Kollisionsnonn); sein Wohnsitz oder Aufenthaltsort Beispiele: Art. 24- Abs. 2 EGBGB, "Hat ein Deutscher zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz im Auslande gehabt, so können die Erben sich in Ansehung der Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten auch auf die am Wohnsitze des Erblassers geltenden Gesetze berufen." (allseitige Kollisionsnorm); § 1 Abs.1 EStG, "Natürliche Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig." (einseitige Kollisionsnorm) ; oder auch der Ort, an dem eine Handlung begangen bzw. eine Erklärung abgegeben wurde Beispiele: Art.11 Abs.2 EGBGB, "Es genügt jedoch die Beobachtung der Gesetze des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird." (allseitige Kollisionsnorm); § 3 StGB, "Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inlande begangen werden." (einseitige Kollisionsnorm).

b)

Die Sonderanknüpfung der Vorfrage

Häufig wirft die Beurteilung eines Sachverhalts jedoch nicht nur eine, sondern mehrere Rechtsfragen auf, und zwar regelmäßig dann, wenn der materiell anzuwendende Rechtssatz in seinem Tatbestand einen rechtlich-normativen Begriff enthält, den es selbständig zu subsumieren gilt. ^2) 22) vgl. Raape, Internationales Privatrecht, S. 117; Dölle, Internationales Privatrecht, S. 85. Wengler, Rabeis Z. 8 (193*0, S. 148 ff, spricht von "präjudiziellen Begriffen".

- 79 -

Das internationale Kollisionsrecht unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen "Haupt-" und "Vorfrage". 25 ·* Dabei wird als Hauptfrage das jeweils streitige Hechtsverhältnis selbst bezeichnet und als Vorfrage ein inzident zu prüfendes weiteres Rechtsverhältnis, welches eine tatbestandsmäßige Voraussetzung des ersteren bildet.

2H.~)

Beispiel: Ein französischer Urlauber Deutschland mit seinem Pkw unfall und klagt vor einem richt auf Schadensersatz. Der Schadensersatzanspruch Hauptfrage.

erleidet in einen Verkehrsdeutschen Gebildet die

Nach deutschem IPR gxlt fur deliktische Ansprüche das Recht des Tatortes (lex loci delicti), hier also deutsches Schadensersatzrecht, u.a. § 823 Abs.1 BGB, der das Eigentum des Klägers voraussetzt. Im Rahmen der Hauptfrage nach dem Schadensersatzanspruch stellt sich die inzident zu beantwortende Vorfrage, ob der Franzose Eigentümer des beschädigten Pkw ist. Die Vorfrage bezieht sich auf ein selbständiges Rechtsverhältnis mit eigenen Bedingungsmerkmalen 2 ®^ 23) Auch "Inzident-" oder "Teilfrage" genannt. Auf das spezifisch internationalprivatrechtliche Vorfragenproblem der selbständigen bzw. unselbständigen Anknüpfung ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht einzugehen. 24) vgl. Melchior. Grundlagen, S. 246, 259 f; Serick, Rabeis Z. 18 (l953), S. 642 f; Raape, Internationales Privatrecht, S. 118. Perid, Internationales Privatrecht, S.97» und Eckstein, a.a.O., S. 137 ff» sprechen von "präjudiziellen Rechtsverhältnissen". 25) das als lex fori für den deutschen Richter zunächst verbindlich ist 26) vgl. Serick, Rabeis Z. 18 (1953), S. 633 ff Schnitzer, Handbuch, S. 113 ff

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und eigenen Kollisionsregeln, woraus sich das Problem ihrer Anknüpfung ergibt: Wird sie als bloße Voraussetzung der Hauptfrage kollisionsrechtlich von dieser beherrscht, so daß der gesamte Tatbestand einheitlich dem in der Hauptfrage zuständigen Recht unterliegt, oder ist die Vorfrage kollisionsrechtlich autonom, so daß für sie eigene Rechtsanwendungsregeln gelten? Raape'^ sieht das Problem darin, "ob eine deutsche Kollisionsnorm in gewissen Fällen von einer anderen deutschen Kollisionsnorm verdrängt oder absorbiert werde", und erklärt grundsätzlich, "daß sich unsere Kollisionsnormen gegenseitig achten, daß keine die andere absorbieren und in fremdem pQ Λ Revier pirschen will". 29") Zu demselben Ergebnis kommt Schnitzer , der versucht, die kollisionsrechtliche Selbständigkeit von Haupt- und Vorfrage im Wege einer "Gegenprobe" dadurch zu beweisen, daß die Reihenfolge ihrer Prufung beliebig sei. ' Wurde man also mit der Vorfrage beginnen, so stieße man ohnehin zunächst auf deren Kollisionsnorm. Eckstein^ ' schließlich stellt auf den Zeitpunkt der Anknüpfung ab: "Ein einmal entstandenes Rechtsverhältnis darf nicht dadurch unter die Herrschaft eines anderen Rechts geraten, daß es später zur Entstehung eines anderen Rechtsverhältnisses führt."^2) 27) 28) 29) 30)

Internationales Privatrecht, S. 116 ff Baape, a.a.O., S. 119 Handbuch des Internationalen Privatrechts, £.114 "... wenn es auch methodologisch besser ist, mit der Frage "qualis est actio" zu beginnen ..." 31) Rabeis Z. 8 (1934) S. 1 3 7 f 32) Eckstein, a.a.O., S. 138

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Den verschiedenen Äußerungen dieser Art dürfte wohl die gemeinsame Überlegung zugrunde liegen, daß das Kollisionsrecht gleichartige Rechtsverhältnisse stets gleich zu behandeln hat. Die Geschäftsfähigkeit eines Menschen beispielsweise, für die gem. Art.7 Abs.1 EGBG3 sein Heimatrecht maßgebend ist, muß auch dann nach diesem beurteilt werden, wenn sie im Zusammenhang mit einer Rechtsfrage interessiert, die selbst einem anderen Recht untersteht. Dementsprechend wird der Vorfrage eine so weitgehende rechtliche Selbständigkeit zuerkannt, daß xx") sie nach einhelliger Auffassung eine von der Hauptfrage getrennte, erneute Befragung des Kollisionsrechts nach der Rechtszuständigkeit, eine eigene Anknüpfung erfordert. Man spricht von der Sonderanknüpfung der Vorfrage. Im vorstehenden Beispielsfall ist hinsichtlich der Vorfrage nach dem Eigentum am Pkw erneut das IPR einzuschalten. Dieses verweist sachenrechtliche Prägen (solcher Art) an das Recht des Belegehheits- bzw. gewöhnlichen Standortes der Sache 3 Ό (lex rei sitae), hier also an französisches Recht. So entscheiden über die Rechtszuständigkeit in Haupt- und Vorfrage unabhängig voneinander verschiedene Normen des IPR, die zur materiellen Regelung wiederum auf verschiedene Rechtsordnungen verweisen.

33) vgl. Serick, a.a.O., S. 643; Melchior, Grundlagen, S. 261; Eckstein, a.a.O., S. 137; Schnitzer, a.a.O., S. 113 f 34·) zur Bedeutung des Registrierungslandes für Kraftfahrzeuge vgl. Ferid, Internationales Privatrecht, S. 193

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Dieser kurze Abriß mag zur Darstellung der besonderen Rechtssätze u n d Grundregeln, mit denen wir es im internationalen Kollisionsrecht zu tun haben, vorerst genügen.

III.

Die Bedeutung des internationalen Kollisionsrechts für die Fremdrechtsanwendung im deutschen Strafrecht

1.

Die "Allseitigkeit" des Internationalen Privatrechts Im Falle einer akzessorischen Verweisung auf das Zivilrecht scheint die Möglichkeit einer Heranziehung ausländischer Privatrechtsnormen sich dadurch zu ergeben, daß das deutsche IPR weitgehend allseitig ausgestaltet ist. Dies wiederum erklärt sich aus der Natur des privaten Rechtszweiges selbst: D e n Gegenstand des Zivilrechts bilden private Einzelinteressen, denen der Staat icLR neutral gegenübersteht. Seine Rolle beschränkt sich darauf, Regeln bereitzustellen für die Abwicklung privater Rechtsverhältnisse, u n d zwar auch für solche, die über die Grenzen der eigenen Rechtsordnung hinausreichen. Nach Ansicht N e u m e y e r s ^ ^ gibt es für das bürgerliche Recht "kein Vakuum" u n d wäre es "eine Gefährdung der Rechtssicherheit im eigenen Land, wollte 55) Internationales Verwaltungsrecht, Bd. IV, S. 79, 178

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ein Staat Tatbestände des bürgerlichen Rechts, die seinen Vorschriften nicht unterliegen, als rechtlich ungeregelt betrachten". Eine derart umfassende Regelung ist nur mit Hilfe allseitiger Kollisionsnormen möglich, die bestimmen, welche der durch einen internationalen Sachverhalt berührten Rechtsordnungen materiell anwendbar sein soll. Dementsprechend sahen die Gebhardschen Entwürfe zum IPR, das unter dem Titel "Anwendung ausländischer Gesetze" als 6. Buch dem BGB eingefügt wer36) den sollte, nur allseitige Kollisionsnormen v o r . J ' Aufgrund außenpolitischer Bedenken im damaligen Bundesrat wurden die Vorschriften jedoch statt dessen dem Einführungsgesetz zugewiesen und teilweise in unvollständige Regelungen, -57) teilweise in einseitige Grenznormen umgewandelt. '' In dieser Form erwies sich das IPR aber mit dem sich durchsetzenden Grundsatz der "internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit", nach dem ausschließlich die privaten Interessen an der Anwendung des einen oder des anderen Rechts entscheiv ") dende , während staatspolitisehe Belange weitge36) vgl. Palandt, Vorbem. 4 vor Art.7 EGBGB; Melchior, Grundlagen, S. 31 ff: Staudinger-Korkisch, EGBGB Teil 2, Einl. Rdn. 154 ff (166);vgl. insbes. die Protokolle der 2. Kommission Bd. VI, S. 89 37) vgl. Palandt, Vorbem. 4 vor Art.7 EGBGB; Kegel, Internationales Privatrecht, S. 83: Firsching, Einführung, S. 31; Staudinger-Korkisch, EGBGB Teil 2, Rdn. 162 f 38) vgl. BGHZ 31, 367 (370 f); Kegel, a.a.O., S. 42; Eckstein, Rabeis Z. 8 (1934), S. 132; vgl. auch die Darstellung bei Wengler, Rabeis Z. 8 (1934), S. 196 ff

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hend auszuschalten sind., bald nicht mehr vereinbar. Deshalb sind moderne Rechtsprechung und Lehre dazu übergegangen, lückenhafte oder unvollständige Regelungen sowie die meisten einseitigen Kollisionsnormen im Wege der Analogie wieder zu allseitigen zu erweitern. •/J' Die damit in weitem Umfang wiederhergestellte Allseitigkeit im IPR ermöglicht für bürgerliche Rechtsbeziehungen mit Auslandsberührung eine gerechtere Beurteilung insofern, als die den Streitgegenstand bildende Rechtsfolge auch unmittelbar einem ausländischen Gesetz entnommen werden kann, und zwar demjenigen, welches der inländische Gesetzgeber als das sachnähere und daher sachgerechtere ansieht.

2.

IPR-Normen im deutschen Strafrecht Soweit Zivilrechtsfragen allerdings im Rahmen einer strafrechtlichen Deliktsprüfung auftreten, geht es gar nicht um die Abwicklung privater Rechtsverhältnisse, nicht um bürgerliche, sondern um hoheitliche Rechtsfolgen. Die zivile Rechtsbeziehung spielt hier lediglich die Rolle einer Voraussetzung für die Tatbestandserfüllung. Daß dieser Umstand jedoch für das IPR nichts Ungewöhnliches darstellt, beweist schon seine Doppelfunktion bei der Sonderanknüpfung der Vorfrage^0^ 39) vgl. BGHZ 27, 375 (379); 64, 19 (23 f); BGH NJW 76, 1028;Palandt, Vorbem. 5 vor Art.7 EGBGB; Kegel, Internationales Privatrecht, S. 104; Firsching, Einführung, a.a.O. 40) vgl. oben II 4 b

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im Zivilrecht selbst: Die Kollisionsnormen werden nicht nur unmittelbar in bezug auf den jeweils streitigen privaten Rechtsanspruch angerufen, sondern unabhängig davon auch hinsichtlich eines solchen bürgerlichen Rechtsverhältnisses, das nur mittelbar - als Vorfrage - zur Beantwortung der Hauptfrage beiträgt. Genau dies entspricht dem Wirkungsbereich der IPRNormen innerhalb des internationalen Strafrechts. Ob die inzidente Präge etwa nach der Gültigkeit einer im Ausland geschlossenen Ehe im Zusammenhang mit einem zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch interessiert oder mit dem strafrechtlichen Verbot der Doppelehe, macht für das IPR keinen Unterschied. Dort, wo bei der strafrechtlichen Beurteilung eines Auslandssachverhaltes eine zivilrechtlichakzessorische "Vorfrage" entsteht, führt die Verweisung auf das deutsche Privatrecht zur direkten Anwendung der IPR-Normen, welche die in dieser Vorfrage zuständige nationale (Privat-)Rechtsordnung bestimmen. Unter dieser und der weiteren Voraussetzung, daß die angesprochene Kollisionsnorm die betreffende Rechtsfrage allseitig behandelt, kann es hier zu einer Anwendung ausländischer Zivilrechtsvorschriften im deutschen Strafrecht kommen. Beispiel: Ein spanischer Gastarbeiter, der in der Bundesrepublik mit einer Deutschen verheiratet ist, wird hier wegen eines Vergehens gem. § 171 StGB angezeigt, weil er während seines Heimaturlaubs in Sevilla mit einer Spanierin ebenfalls die Ehe geschlossen habe. Die Strafbarkeit des Spaniers nach § 171 StGB setzt eine formell gültige zweite Eheschlie-

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ßung voraus. Ob eine solche vorliegt, läßt sich nur anhand zivilrechtlicher Vorschriften beurteilen. Die deutsche Zivilrechtsordnung erklärt sich jedoch gegenüber im Ausland vollzogenen Eheschließungen nicht für zuständig, sondern verweist in Art.11 Abs.1 und 17 Abs.1 EGBGB auf die einschlägigen Normen des jeweiligen Auslandsrechts (als Ortsrecht bzw. Heimatrecht), hier auf spanisches Eherecht. Es führt also die strafrechtliche Sachverhaltssubsumtion nach § 171 StGB auf dem Wege über das deutsche IPR zur Anwendung spani scher Privatre cht svorschriften.

Die "Einseitigkeit" des Internationalen Verwaltungsrechts Weitaus schwieriger stellt sich die Frage nach einer möglichen Fremdrechtsanwendung im Falle der akzessorischen Verweisung auf das Verwaltungsrecht dar, denn im Gegensatz zum IPR enthält das internationale öffentliche Recht, soweit es gesetzlich niedergelegt ist, fast ausschließlich einseitige Kollisionsnormen. Hier treten staatliche Interessen mehr in den Vordergrund, denn der Staat ist nicht - wie im Zivilrecht - unbeteiligter Dritter oder neutraler 41 'i Mittler, sondern selbst Partei. ' Er regelt mit der Aufstellung öffentlich-rechtlicher Vorschriften eigene Angelegenheiten^^ und hält sich dabei ganz überwiegend an die eigene inländische Rechtsordnung. 4-1) vgl. Wiethölter, Einseitige Kollisionsnormen, S. 104; Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 119 42) vgl. Heiz, Das fremde öffentliche Recht, S. 51 f Neumeyer, a.a.O., S. 115

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Auch gegenüber Sachverhalten mit Auslandsberührung beschränkt sich der Gesetzgeber hier in der Regel darauf, durch einseitige Grenznormen den Geltungsbereich der deutschen Vorschriften festzulegen; es werden nur solche Fälle erfaßt, auf die das deutsche Recht Anwendung findet. Ein Sachverhalt, der den inländischen Gesetzen nicht unterliegt, wird nicht etwa einer fremden Rechtsordnung zugewiesen, sondern bleibt unerwähnt. Dies erklärt sich daraus, daß das öffentliche Recht das Verhältnis des einzelnen zum Staat regelt, und zwar stets zu einem bestimmten Staat. So ist die Steuerpflicht oder der Sozialhilfeanspruch des Bürgers nicht abstrakt, sondern nur einem bestimmten Staat gegenüber denkbar. Bei der Aufstellung öffentlich-rechtlicher Normen, die also staatliche Befugnisse und Pflichten betreffen, kann die Regelung durch den gesetzgebenden Staat freilich nur so weit gehen, wie er selbst berechtigt oder verpflichtet wird, über die hoheitlichen Eingriffsrechte eines fremden Staates kann der Gesetzgeber ebensowenig rechtlich verfügen wie über dessen 4 4 } Leistungspflichten im Verhältnis zum einzelnen , weshalb er sich regelmäßig auf den eigenen Machtbereich beschränkt und damit auf die eigene Rechtsordnung. Ein weiterer Grund für die Einseitigkeit liegt darin, daß das öffentliche Recht sich eines umfassenden Behördenapparates bedient, der selbst auf eine einzige Rechtsordnung, nämlich die inländische, zugeschnitten ist. ^ 43) vgl. Heiz, a.a.O., S. 52; Neumeyer, a.a.O., S.115 44) vgl. Kegel, Internationales Privatrecht, S. 52; Heiz, a.a.O., S. 52 45) vgl. Wiethölter, Einseitige Kollisionsnormen, S. 104; ders. Internationaler ordre public, S . 1 5 5

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Überdies fehlt es den nationalen Behörden in aller Regel an der Zuständigkeit, um ausländisches Ho4-6) heitsrecht zu vollziehen. Aus alledem folgt, daß die Beschränkung auf die inländische Rechtsordnung durch einseitige Kollisionsnormen im öffentlichen Recht naheliegend und sachgerecht ist. Man könnte daraus schließen, daß eine Anwendung fremder Verwaltungsvorschriften deshalb grundsätzlich - also auch im Rahmen des internationalen Strafrechts - nicht in Betracht kommt.

4.

Die (Un-Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts Tatsächlich begegnet man in allen Rechtskreis e n ^ ) dem Satz von der "Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen R e c h t s " . ^ Dabei bedarf es jedoch einer Klärung, was in diesem Zusammenhang unter "Rechtsanwendung" zu verstehen ist. 46) vgl. N e u m e y e r , a . a . O . , S. 68 f, 101, 120;

Steindorff, WVR III, S. 582, mit Einschränkungen; vgl. auch die Einschränkungen bei Wengler, IRuD 1956, S. 205; und bei Kegel, Internationales Privatrecht, S. 439 f

47) sei es in Form der anglo-amerikanischen "publicpolicy-Klausel", vgl. dazu Heiz, a.a.O., S. 73 ff, oder in der kontinentaleuropäischen Lehre von der Nichtberücksichtigung ausländischer "lois politioues", vgl. dazu Wengler, IRuD 1956, S. 181 ff, und Heiz, a.a.O., S. 115 ff 48) vgl. BGHΖ 31, 367 (371) m.w.N.; Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 115 ff, 425 ff; P.A. Mann, Rabeis Z. 21 (1956), S. 1 ff; Jaenicke, Internationaler ordre public, S. 96 f; Wengler, a.a.O.; Heiz, a.a.O., S. 68 ff

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a)

Rechtsanwendung in Haupt- und Vorfrage

Bereits für den Bereich des Zivilrechts ist auf die Unterscheidung von Haupt- und Vorfrage hingeh.q)

wiesen worden. •" Sie zeigt sich dort in der getrennten kollisionsrechtlichen Behandlung, der Sonderanknüpfung von Vorfragen, die dazu führen kann, daß bei der Beurteilung eines einzigen Sachverhalts mehrere verschiedene Rechtsordnungen zur "Anwendung" kommen. Auch das öffentliche Recht kennt die Erscheinung, daß ein Rechtssatz als Voraussetzung für die Tatbestandserfüllung ein inzident zu beurteilendes selbständiges Rechtsverhältnis enthält, und unterscheidet entsprechend zwischen Haupt- und Vorfra50) Hier wirkt sich diese Unterscheidung allerdings in besonderer Weise auf die Rechts-"Anwendung" aus: Mit der Anwendung einer öffentlich-rechtlichen Norm in der Hauptfrage wird eine bestimmte Beziehung zwischen Staat und einzelnem geregelt. Die Rechtsanwendung gipfelt (als Antwort auf die Hauptfrage) in dem unmittelbaren Ausspruch einer Rechtsfolge, und zwar derjenigen, mit welcher der Staat auf den konkreten Sachverhalt reagieren will. Beispiel: Ein Deutscher mit ständigem Wohnsitz in Kanada beantragt von der Bundesrepublik eine Sozialhilfe in Form der Altenhilfe gem. §§ 27 Abs.1 Nr.12, 75 iVm § 119 Abs.2 Nr.2 BSHG für seine in demselben Haus-

49) vgl. oben, II 4 b 50) vgl. Vogel, Anwendungsbereich, S. 121 ff, 288 ff; Neumeyer, a.a.O., S. 200 ff, 324-

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halt lebende kanadische Schwiegermutter. Die auszusprechende Rechtsfolge besteht in der Gewährung oder Versagung der Sozialhilfe. In dieser Form ist die Rechtsanwendung zugleich Durchsetzung des in dem angewandten Rechtssatz zum Ausdruck kommenden staatlichen Regelungswilc/i·) lens. ' Es handelt sich insofern um die Ausubung staatlicher Macht. Da der Staatswille sich jedoch stets nur in den eigenen Gesetzen niederschlagen kann und zur Verwirklichung fremdstaatlicher Hoheit in aller Regel sowohl die Zuständigkeit als auch die Bereitschaft fehlt, beschränkt sich die Rechtsanwendung in der Hauptfrage grundsätzlich auf die eigene Rechtsordnung. In diesem Zusammenhang könnte der Satz von der Unanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts begründet sein. Demgegenüber dient die Anwendung einer öffentlich-rechtlichen Norm in der Vorfrage nicht der unmittelbaren Regelung eines Rechtsverhältnisses, sondern vielmehr der rechtlichen Ermittlung eines solchen als selbständiger Beitrag zur Lösung der Hauptfrage. Hier kommt es auch nicht zum Ausspruch einer Rechtsfolge, sondern lediglich zur Feststellung, welche Rechtsfolge an einen bestimmten Sachverhalt geknüpft ist.

51) vgl. Vogel, a.a.O., S. 237; F.A. Mann, a.a.O., S. 6 f; Heiz, Das fremde öff. Recht, S. 167; Engisch, Auf der Suche nach der Gerechtigkeit, S. 121 ff

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Beispiel: Die Gewährung der beantragten Altenhilfe setzt nach § 119 Abs.3 BSGH u.a. voraus, daß eine solche Unterstützung von dem Aufenthaltsstaat nicht gewährt wird oder zu erwarten ist. Die Frage, ob Kanada eine entsprechende Alten-Sozialhilfe gewährt, ist inzident als Vorfrage zu prüfen. Dabei wird die einschlägige kanadische Rechtsregelung nicht verwirklicht (etwa durch eine verbindliche Zusage von Geldleistungen aus der kanadischen Staatskasse), sondern nur ermittelt. Die Anwendung öffentlichen Rechts stellt in dieser Form keinen Hoheitsakt, sondern reine juristische Subsumtionstätigkeit dar, die an keine Zuständigkeit gebunden ist. Der gesetzlich geäußerte Staatswille wird nur ermittelt, nicht aber vollzogen. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum sich der Rechtsanwendende (beispielsweise der inländische Richter) im Falle eines Auslandssachverhaltes hier auf die eigene öffentliche Rechtsordnung beschränken sollte. Die Abklärung einer Vorfrage - sei es anhand eigener oder fremder Rechtsnormen - dient immer nur der richtigen Anwendung des inländischen Rechts 52") in der Hauptfrage. J Die Argumente für die Einseitigkeit im internationalen öffentlichen Recht greifen somit, auf die Vorfrage bezogen, nicht durch.

52) vgl. Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 176 f

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Tatsächlich stimmt die neuere Lehre darin uberein ^ , daß die behauptete Einseitigkeit des öffentlichen Rechts sich auf solche Fälle beschränkt in denen "es jeweils um die Anwendung öffentlichrechtlicher Normen unmittelbar auf die von einer Behörde oder einem Gericht zu entscheidenden Haupt frage, d.h. auf die von ihnen auszusprechende Rechtsfolge geht".54) Soweit das in der Hauptfrage grundsätzlich anzuwendende inländische Recht jedoch eine Vorfrage aufwirft, stehen zu deren Abklärung sowohl die eigene als auch fremde Rechtsordnungen zur Verfügung. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen also keine Bedenken gegen die Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts auch auf diejenigen verwaltungsrecht liehen Vorfragen, die - in Gestalt akzessorischer Begriffe - bei der Beurteilung von Auslandstaten nach deutschem Strafrecht auftreten. b) Die Anwendung ausländischen Verwaltungsrechts im deutschen Strafrecht Das fremde Verwaltungsrecht kann jedoch im Rahmen der strafrechtlichen Akzessorietät nicht auf demselben Wege zur Anwendung gelangen wie ausländisches Zivilrecht, nämlich über spezielle kolli53) vgl. Steindorff, WVR III, S. 582; Heiz, a.a.O. S. 94; Vogel, Anwendungsbereich, S. 196 ff, 310 m.w.N. 54) vgl. Vogel, a.a.O., S. 198 55) so bereits Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 1 7 5 56) in diesem Sinne P.A. Mann, Rabeis Z. 21 (1956) S. 6 f; Vogel, a.a.O., S. 197; Neumeyer, a.a.O S. 491

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sionsrechtliche Zuweisungsnormen, die für jeden Sachverhalt einen bestimmten Rechtsanwendungsbefehl bereithalten. Da die Kollisionsregeln des Internationalen Verwaltungsrechts grundsätzlich nur den Geltungsbereich der eigenen Rechtsordnung abgrenzen, kommen sie als Verweisungsnormen auf Auslandsrecht nicht in Betracht.^ Neumeyer-^ will, um hier dennoch zu einer Fremdrechtsanwendung zu gelangen, entweder die Grenznormen des Internationalen Verwaltungsrechts durch ungeschriebene zweiseitige Kollisionsregeln ergänzen oder - dort, wo das inländische Gesetz keine Grenznormen enthält - die Vorschriften des IPR entsprechend anwenden. In dieser Weise soll bei verwaltungsrechtlichen Vorfragen "das anwendbare Recht nach der Anknüpfung bestimmt werden, die das Inlandsrecht anwendbar machen würde, wenn cq·) ihm gegenüber die Anknüpfung verwirklicht wäre". ' Nach Steindorff 6 ^ erfolgt die Verweisung auf ausländisches Recht durch sogenannte abhängige Rechtsanwendungsnormen, die dann eingreifen, wenn "Sachnormen des materiellen Verwaltungsrechts in ihrem Tatbestand ausländische Akte und Regelungen den inländischen Akten und Regeln gleichsetzen". 61) Isay ' schließlich stellt auf die enge Beziehung des Internationalen Verwaltungsrechts zum 57) vgl. Heiz, Das fremde öffentliche Recht, S. 51 ff, 110 58) Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 200 ff 59) Neumeyer, a.a.O., S. 201 60) Verwaltungsrecht, Internationales, WVR III, S. 582 61) Internationales Verwaltungsrecht, HdwbdR III, S. 346

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Völkerrecht ab und führt aus, daß dort, wo "das staatliche Recht schweigt", die Verweisungslücke "durch den aus dem Völkerrecht gewonnenen international-verwaltungsrechtlichen Satz auszufüllen" sei, denn es sei "zu vermuten, daß das Landesrecht die Regelung geben will, die dem Völkerrecht entspricht". Diese Lösung erscheint in der Tat überzeugend. 62) Wie bereits eingangs erwähnt , besteht das Internationale Verwaltungsrecht nicht nur aus kodifizierten Rechtsanwendungsvorschriften, sondern enthält daneben eine Reihe ungeschriebener Grundsätze, die den Kollisionsregeln an Bedeutung gleichstehen. Zu den wichtigsten gehört das aus dem Völkerrecht hergeleitete Gebot der Respektierung fremdstaat63) licher Rechtssouveränität. Danach sind die Staaten nicht nur berechtigt, innerhalb ihres eigenen Herrschaftsbereiches die Hoheitsgewalt auszuüben, sondern zugleich verpflichtet, den entsprechenden Machtanspruch anderer Staaten zu respektieren. 64") '

62) vgl. oben, II 2 63) vgl. Wengler, IRuD 1956, S. 202 f; Steindorff, WVR III, S. 583; Heiz, a.a.O., S. 160 ff. Dieses Prinzip liegt beispielsweise dem Art. VIII Abschn.2 b des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds (Abkommen von Bretton Woods, BGBl. 1952 II, S. 637) zugrunde, der zur Berücksichtigung fremden Devisenrechts verpflichtet; vgl. hierzu BGHΖ 55, 334· ff 64) vgl. Oppenheim-Lauterpacht I, S. 22, 257 f, 293; Jaenicke, Internationaler ordre public, S. 99; Staubach, Die Anwendung ausländischen Strafrechts, S. 162; Wengler, a.a.O., S. 205; Heiz, a.a.O., S. 28 ff

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Da der Herrschaftswille eines Staates sich, wie oben g e z e i g t ® ^ , u.a. in seinen öffentlich-rechtlichen Gesetzen niederschlägt, müssen auch diese vom Ausland beachtet werden. Wenn also eine verwaltungsrechtliche Vorfrage, bei der es allein um die Peststellung einer objektiven Rechtslage geht, den Hoheitsbereich eines fremden Staates berührt, so sind - als innerhalb dieses Bereiches für den Rechtszustand maßgebend - dessen eigene Verwaltungsvorschriften heranzuziehen. Dieser Grundsatz gilt auch für die Ausfüllung verwaltungsrechtlich-akzessorischer Begriffe in anderen Rechtsgebieten

und bildet damit die Rechts-

grundlage auch für die (subsumierende, nicht regelnde) Anwendung fremder Verwaltungsgesetze im Rahmen des deutschen Strafrechts. Über den Umfang der Anwendung ausländischen Verwaltungsrechts entscheidet dabei allein der deutsche Strafgesetzgeber, indem er selbst bestimmt, ob und wie weit das Inland seine Strafgewalt überhaupt auf Sachverhalte mit Auslandsberührung erstrecken will. ; Er trifft diese Entscheidung für jeden einzelnen Straftatbestand gesondert und unter Berücksichtigung des jeweils geschützten Rechtsgutes. ^ ^ In einigen Fällen kommt es dabei zu einer ausdrücklichen Bezugnahme auf ausländische Verwaltungsgesetze.

65) vgl. oben, S. 90 66) vgl. oben, Erster Hauptteil 1 . 2 67) vgl. Oehler, Internationales Strafrecht, S. 475 ff; Staubach, a.a.O., S. 161: Jescheck; LB, S. 138 f

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Beispiel: § 152 a StGB, der u.a. das Führen ausländischer Amts- oder Dienstbezeichnungen sowie nach ausländischem Recht verliehener akademischer Grade, Titel oder öffentlicher Würden sanktioniert 68). § 1 5 2 StGB, der zu den Gegenständen von Geld- und Wertzeichenfälschung auch Geld, Wertzeichen und Wertpapiere ausländischer Währungsgebiete zählt "9), in anderen Fällen zur Verwendung verwaltungsrechtlich-akzessorischer Begriffe, die nicht ohne weiteres erkennen lassen, ob sie durch in- oder ausländische Rechtssätze auszufüllen sind, und daher der - am speziellen Geltungsbereich der betreffenden Strafnorm orientierten - Auslegung bedürfen Beispiel: die Merkmale "Beschlagnahme" in § 136 StGB und "Zwangsvollstreckung" in § 288 StGB. Geschütztes Rechtsgut des § 136 StGB ist die in der Beschlagnahme zum Ausdruck „QN kommende (inner-)staatliche Autorität ' , so daß nur Inlandssachverhalte erfaßt werden und fremdes Recht außer Betracht bleibt 71). § 288 StGB dagegen sichert die zwangsweise Befriedigung des Gläubigers aus dem Schuldnervermögen 72)· für eine Beschränkung auf inländische Vollstreckungsmaßnahmen besteht hier kein zwingender Grund, so daß nach 68) zur Berücksichtigung fremden Rechts vgl. hier Schönke-Schröder, § 132 a, Rdn. 6 69) zur Anwendung des ausländischen Währungsrechts in diesem Falle vgl. Schönke-Schröder, § 152 Rdn. 2 70) vgl. BGHSt 5, 157; Dreher, §136 Rdn. 1; Mösl, LK, § 137 a.F. Rdn. 1; Maurach BT, S. 662 71) vgl. RGSt 24, 10; Mösl LK, § 137 a.F. Rdn. 11 72) vgl. Schäfer LK, § 288 Rdn. 2; Dreher, Anm. 1 zu § 288; Schönke-Schröder, § 288 Rdn. 2; Maurach, BT, S. 277

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herrschender Auffassung auch Auslandssachverhalte - einschließlich des jeweiligen fremden Zwangsvollstreckungsrechts unter die Regelung fallen. 73) So ist auch die Anwendung ausländischer Verwaltungsvorschriften im deutschen Strafrecht möglich, allerdings nicht durch Zwischenschaltung besonderer kollisionsrechtlicher Verweisungsnormen, sondern unmittelbar aufgrund der im Internationalen Verwaltungsrecht als grundlegend anerkannten völkerrechtlichen Pflicht zur Respektierung fremder Hoheitsgewalt. Den Umfang der Fremdrechtsanwendung bestimmt hier der deutsche Gesetzgeber selbst durch die Begrenzung des strafrechtlichen Schutzbereiches. Beispiel: Einem türkischen Gastarbeiter ist in der Türkei die Anzahl seiner Kinder aufgrund seiner unzutreffenden Angaben falsch beurkundet worden. Er weist die falsche Bescheinigung in der Bundesrepublik einer für die Zahlung von Kindergeld zuständigen Stelle vor, um auf diese Weise die Auszahlung eines überhöhten Betrages zu erreichen. 74-) Der Türke ist strafbar nach §§ 271, 275 StGB, wenn es sich bei der vorgelegten Bescheinigung um eine öffentliche Urkunde im Sinne dieser Vorschriften handelt. n c )

Nach herrschender Meinung'·" bestimmt sich der Begriff der öffentlichen Urkunde auch im Strafrecht nach §§ 415 ff ZPO und umfaßt daher (vgl. § 438 ZPO) auch ausländische Urkunden. 76) 73) vgl. Schönke-Schröder, § 288 Rdn. 5; Schäfer LK, § 288 Rdn. 3 74-) vgl. Wiedenbrüg, NJW 1973, S. 301 75) vgl. BGHSt 19, 21: Dreher, § 271 Rdn. 3; Maurach BT, S. 476: abw. Wiedenbrüg, NJW 1973, S. 301 ff 76) vgl. RGSt 68, 300; Dreher, § 271 Rdn. 3; § 273 Rdn. 1; a.A. Schönke-Schröder, § 271 Rdn. 4

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Ob die Bescheinigung über die Kinderzahl in der Türkei durch eine zuständige Behörde und in der vorgeschriebenen Form als öffentliche Urkunde ausgestellt worden ist, entscheidet sich allein nach dem türkischen Beurkundungsrecht. Die strafrechtliche Sachverhaltssubsumtion nach §§ 271, 273 StGB führt also unmittelbar zur Anwendung türkischer Verwaltungsvorschriften.

Ergebnis des zweiten Lösungsversuchs

Im Ergebnis führt der zweite Lösungsversucli zu folgenden FestStellungen: Bei der Beurteilung von Auslandssachverhalten läßt das deutsche Strafrecht - zumindest im Rahmen der stillschweigend verweisenden Akzessorietät durch rechtlich-normative Tatbestandsmerkmale - die Heranziehung sowohl zivil- als auch verwaltungsrechtlicher Vorschriften des Auslands zu. Im Falle der Sachverhaltssubsumtion unter ein strafrechtliches Tatbestandsmerkmal, welches sich auf ein im Zivilrecht geregeltes Rechtsverhältnis bezieht, kommt es dann zur Fremdrechtsanwendung, wenn das in Bezug genommene Privatrechtsverhältnis einer allseitigen Kollisionsnorm des deutschen IPR unterliegt, die aufgrund der Auslandsberührung eine fremdstaatliche Rechtsordnung für regelungszuständig erklärt. Die einschlägigen ausländischen Zivilrechtsvorschriften sind danach allein maßgeblich für die Bestimmung des betreffenden Rechtsverhältnisses, und zwar auch im Rahmen des akzessorisch darauf verweisenden deutschen

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Strafrechtstatbestands, so daß sie hier unmittelbar Anwendung finden. Handelt es sich dagegen um ein Tatbestandsmerkmal verwaltungsrechtlicher Art, so greifen keine allseitigen Kollisionsnormen ein, sondern folgt die Fremdrechtsanwendung aus einem ungeschriebenen Grundsatz des Internationalen Verwaltungsrechts, dem Gebot der Respektierung fremder Hoheitsgewalt. Dabei ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob und wie weit das Inland hinsichtlich bestimmter Rechtsgutsverletzungen seine Strafgewalt überhaupt auf Auslandssachverhalte erstrecken will. Innerhalb dieses Rahmens führt die als Vorfrage zu klärende Inhaltsbestimmung eines öffentlich-rechtlichen Begriffes im deutschen Strafrechtstatbestand zur direkten Anwendung des ausländischen Verwaltungsrechts.

V.

Die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht und der Ausschließlichkeitsanspruch (§§ 5-7 StGB)

Mit dem vorstehenden Untersuchungsergebnis scheint sich ein gewisser Widerspruch innerhalb des deutschen Strafrechts abzuzeichnen: Einerseits läßt es zur Ausfüllung akzessorischer Begriffe in den dargelegten Grenzen die Anwendung ausländischer Zivil- und Verwaltungsgesetze zu, andererseits enthält es in §§ 5-7 StGB einen Ausschließlichkeitsgrundsatz, der - nach dem herrschenden materiellen Strafrechtsbegriff1^ - auch sämtliche zivil- und verwaltungsrechtlichen Er77) vgl. oben, Zweiter Hauptteil, III. 3

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gänzungsvorschriften allein auf die deutsche Rechtsordnung zu beschränken scheint. Es könnten Zweifel entstehen, ob die Fremdrechtsanwendung im Rahmen der strafrechtlichen Akzessorietät mit dem Grundsatz der §§ 5-7 StGB vereinbar ist.

1.

Die Anknüpfung der akzessorischen Begriffe Ein Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot würde voraussetzen, daß die zur Ausfüllung akzessorischer Begriffe des Strafrechts in Anspruch genommenen (strafrechtsexternen) Ergänzungsvorschriften überhaupt den §§ 5-7 StGB unterliegen, d.h. nach den strafrechtlichen Rechtsanwendungsnormen angeknüpft werden.

a)

Pauschalanknüpfung nach §§ 5-7 StGB

Die Lehre vom materiellen Strafrechtsbegriff, der sämtliche Tatbestandsergänzungen, ungeachtet ihrer rechtlichen Herkunft, mit umfaßt, scheint dafür zu sprechen. Auch könnte man die Ansicht vertreten, daß die Merkmale eines gesetzlichen Tatbestands regelmäßig aufeinander - und insbesondere auf dieselbe Rechtsordnung - abgestimmt sind, so daß sie stets eine Einheit bilden und deshalb auch kollisionsrechtlich als einheitliches Ganzes zu behandeln 78) seien.' ' 78) vgl. Firsching, Einführung, S. 62; Schnitzer, Handbuch, S. 103. Neuhaus, Grundbegriffe, S. 83,warnt in diesem Zusammenhang vor "der Entleerung eines Begriffs durch Abspaltung wesentlicher Einzelheiten".

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Danach würden die streng einseitigen Rechtsanwendungsregeln des internationalen Strafrechts auch für die im Rahmen der Akzessorietät mit herangezogenen Zivil- und Verwaltungsrechtsnormen gelten, so daß diese ausnahmslos der deutschen Rechtsordnung zu entnehmen wären. b)

Einzelanknüpfung nach eigenen Kollisionsregeln

Gegen eine derartige Pauschalanknüpfung spricht, daß die strafrechtsexternen Ergänzungsvorschriften trotz ihrer Inbezugnahme durch das Strafrecht eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen."^ Sie verlieren durch den "Verleih" an das Strafrecht nicht ihre originäre zivil- oder verwaltungsrechtliche Natur und bleiben auch im Rahmen ihrer begrifflichen Zuordnung zum Strafrecht in sich weitgehend selbständig, denn sie betreffen eigene Rechtsverhältnisse, die das Strafgesetz zwar voraussetzt, die es jedoch nicht selbst regelt. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es denkbar und angemessen, die akzessorischen Elemente des Strafrechts nicht pauschal den §§ 5-7 StGB zu unterstellen, sondern sie statt dessen selbständig nach dem jeweil s für sie selbst zuständigen Recht zu beurteilen. Ein solches "zweigleisiges" Vorgehen findet seine Parallele in der Sonderanknüpfung der Vorfragen im Internationalen Privatrecht. Die von der Hauptfrage getrennte und unabhängige Anknüpfung wird dort mit der rechtlichen Selbständigkeit der Vorfragen begründet, die innerhalb des Tatbestands insofern eine besondere Stellung ein79) vgl. oben, Erster Hauptteil, II 2a bb), 2b bb)

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nehmen, als sie ein gesondertes Rechtsverhältnis mit eigenen Bedingungsmerkmalen zum Gegenstand haben. 8 0 > Bex den akzessorischen Begriffen des Strafrechts ist die rechtliche Selbständigkeit innerhalb des Tatbestands noch ausgeprägter als bei den Vorfragen des Zivilrechts, denn während diese überwiegend selbst privatrechtlicher Natur und insofern mit der Hauptfrage zumindest der Herkunft nach verwandt sind, handelt es sich bei der Akzessorietät im Strafrecht immer um die Verweisung auf ein anderes Rechtsgebiet. Wenn also eine zivilrechtliche Vorfrage gegenüber einer ebenfalls zivilrechtlichen Hauptfrage genügend Autonomie aufweist, um gesondert angeknüpft zu werden, so muß dies erst recht gelten im Verhältnis zwischen einem strafrechtlichen Tatbestand und einem durch Zivil- oder Verwaltungsrecht auszufüllenden akzessorischen Merkmal. Daher erscheint auch hier eine "Sonderanknüpfung" gerechtfertigt, d.h. eine kollisionsrechtliche Behandlung der Ergänzungsnormen nicht nach §§ 5-7 StGB, sondern nach den eigenen Rechtsanwendungsregeln ihres jeweiligen Ursprungsrechtsgebietes.

2.

Der historische Hintergrund des Ausschließlichkeit sanspruchs Wenn auch die akzessorischen Begriffe auf diese Weise dem unmittelbaren Ausschließlichkeitsanspruch der §§ 5-7 StGB entzogen werden, so könnten demgegenüber die Gründe, die zu der strengen Einseitigkeit im deutschen internationalen Strafrecht 80) vgl. oben, Dritter Hauptteil, II 4b

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geführt haben, derart gewichtig sein, daß sie dennoch jede Fremdrechtsanwendung im Rahmen des Strafrechts verbieten. a)

Die Zeit bis zum 19. Jahrhundert In der Rechtsgeschichte ist die Idee von der

Selbstbeschränkung des Strafrechts auf die eigene Rechtsordnung eine relativ neue Erscheinung. Seit der Zeit der germanischen Volksrechte hatte in Deutschland jahrhundertelang die Anwendung fremder Gesetze im Strafrecht - sei es als Heimatrecht des Täters (lex domicilii), sei es als Recht des Begehungsortes (lex loci delicti commissi) - stets zu den festen Grundsätzen in Lehre und Rechtspre81) chung gezählt. ' b)

Die Wende im 19. Jahrhundert Erst im 19. Jahrhundert bahnte sich mit dem Zer-

fall des deutschen Reiches in selbständige Einzelstaaten und dem aufkommenden Souveränitätsdenken eine radikale Wende a n . ® ^ Unter dem Einfluß nationalistischer Bewegungen setzte sich nunmehr die Überzeugung durch, daß "ein Staat, ohne sich selbst in seiner höchsten Würde herabzusetzen, niemals fremde Gesetze anwenden" könne. Dies sei immer der "Staatswürde und der höchsten Machtvollkommenheit entgegen". 81) vgl. oben, Einleitung 2a mit PN 10; vgl. ferner die Nachweise bei Granitza, Dogmengeschichte, S. 20, und Staubach, Die Anwendung ausländischen Strafrechts, S. 24-57 82) vgl. Oehler, Internationales Strafrecht, S. 12? f; Staubach, a.a.O., S. 57 ff m.w.N. 83) Abegg, Bestrafung der Auslandstaten, S. 65 f, zitiert nach Staubach, a.a.O., S. 59; ähnlich Binding, Handbuch, S. 372

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Allein die Maßstäbe der eigenen Rechtsordnung galten als unzweifelhaft richtig. Milderes Auslandsrecht wurde als unzureichend, strengeres als ungerecht von vornherein abgelehnt. Bremer®*1^ formulierte die damals herrschende Meinung zu folgendem Satz: "Der Staat kann aber nicht sein eigenes Rechtsbewußtsein verleugnen und eine fremde Anschauungsweise für sich als maßgebend anerkennen; er kann nur die ihm selbst gerecht erscheinende, d.h. nur die in seiner eigenen Gesetzgebung aufgestellte Strafe verhängen. Daneben wurde mehr und mehr auf die praktischen Schwierigkeiten hingewiesen, die den Richter bei der Anwendung fremden Rechts vor eine unlösbare Aufgabe stellen w ü r d e n . D i e unzureichende Kenntnis der ausländischen Gesetze erschien - anders als zuvor - bald nach allgemeiner Ansicht als ein unüberwindliches Hindernis.®^ c)

Neuere und jüngste deutsche Gesetzgebung Diese Entwicklung, die sich in der Gesetzgebung

widerspiegelt und insbesondere anhand der verschiedenen Reformentwürfe zum RStGB deutlich verfolgen DO Λ

läßt

, fand ihren Höhepunkt in der Verordnung

über den Geltungsbereich des Strafrechts vom 6.5. mit der in Deutschland die noch verbleien) 85) 86) 87)

GS 17 (1865), S. 418 ff Bremer, a.a.O., a.a.O., S. 457 S. 61 f m.w.N. vgl. Staubach, vgl. Berner, Wirkungskreis, S. 162; Groß, Archiv d. Criminalrechts n.P. 1853, S. 72; Mittermaier, Neues Archiv d. Criminalrechts 1824, S. 399 88) vgl. Ε 1875, Stenographische Berichte, III 1875/76, Bd.I Nr. 54-; Vorentwurf 1909, S. 16; Gegenentwurf 1911; Ε 1913, Protokolle der Strafrechtskommission 1913, Prot.4, S. 22; 5,S.6 f; vgl. auch Staubach, a.a.O., S. 81 ff 89) RGBl. I, S. 754

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benden Fälle der Anwendung milderen fremden Tatortrechts beseitigt und die ausschließliche Geltung des eigenen Strafrechts eingeführt wurde. Seither ist an der Gültigkeit dieses Grundsatzes - der unstreitig zur Verfolgung nationalso90) zialistischer Ziele aufgestellt worden war' ' nichts geändert. qi Λ Wie eingangs 7 ' erwähnt, hat auch das 2. StrRG trotz Wiederbelebung des Territorialprinzips an der strikten Nichtanwendung ausländischer Strafgesetze festgehalten. Auf diesem rechtshistorischen Hintergrund drängt sich die Frage auf, womit der absolute Ausschließlichkeitsanspruch der §§ 5-7 StGB angesichts einer gewandelten rechtspolitischen Grundeinstellung heute überzeugend begründet werden kann.

3.

Die klassischen Argumente aus heutiger Sicht Auch im modernen Schrifttum werden gegen die Fremdrechtsanwendung im Strafrecht zum Teil wieder die "klassischen" Argumente angeführt. a)

Das Argument der Souveränität So begegnet man noch heute staatspolitischen

Bedenken hinsichtlich eines möglichen Souveränitätsverlustes für das Inland.^ ^ Dazu heißt es gelegentlich, daß der Staat im öffentlich-rechtlichen Bereich mit der Anwendung aus90) vgl. Jescheck, Niederschriften Bd. 4- AT, 38. Sitzung, S. 12; Schorn, JR 1964·, S. 205 91) oben, Einleitung, 2a) 92) vgl. die Nachweise bei Vogel, Anwendungsbereich, S. 201 ff, und Staubach, a.a.O., S. 159 ff

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ländischer Gesetze seine eigene Rechtssouveränität verneinen würde, daß er sich nicht dazu hergeben könne, die Ausübung fremder staatlicher Souveränität innerhalb des eigenen Staatsgebietes 93) durch seine Organe zu unterstutzen. Selbst wenn man diesen Gedanken im Strafrecht als vertretbar anerkennen wollte - was in der heutigen Zeit internationaler Zusammenarbeit auch auf dem Gebiet der Strafrechtspflege zweifelhaft erscheint - so bedarf er jedoch einer differenzierteren Betrachtung. Tatsächlich liegt in der Strafrechtsanwendung die Ausübung staatlicher Gewalt, insofern nämlich, als dadurch der Strafanspruch des Staates geltend Ο/ιΛ gemacht und verwirklicht wird.y ' Dies kann uneingeschränkt aber nur für die Rechtsanwendung in der "Hauptfrage" gelten'^ , d.h. für die Grundentscheidung über das Ob der Strafbarkeit in Verbindung mit dem Ausspruch der Straffolge selbst. Der Vollzug eines ausländischen Strafrechtssatzes in dieser Form könnte daher als "Unterstützung fremder Staatsgewalt" und als Beeinträchtigung der eigenen Souveränität ausgelegt werden. Davon zu unterscheiden ist jedoch die (subsumierende, nicht regelnde) Rechtsanwendung in einer 96) "Vorfrage" \ d.h. im Rahmen der strafrechtlichen Akzessorietät. Hier setzt der Staat seinen eigenen Strafanspruch durch, indem er seine eigenen Deliktsvoraussetzun93) vgl. Kegel, Internationales Privatrecht, S. 52, 440 f; Oppenheim-Lauterpacht I, S. 296 f m.w.N. 9^) vgl. Vogel, a.a.O., S. 237 95) vgl. oben, S. 89 f 96) vgl. oben, S. 90 f

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gen, sein eigenes Strafmaß zugrunde legt, und zieht lediglich im Falle eines Sachverhalts mit Auslandsberührung zur näheren begrifflichen Bestimmung einzelner Tatbestandsmerkmale ausländische Zivil- und Verwaltungsrechtsnormen als Ausfüllungshilfe heran. Dadurch wird nicht etwa eine fremde Strafgewalt, sondern allein die eigene unterstützt. Das Souveränitätsargument greift somit jedenfalls gegenüber der Fremdrechtsanwendung auf akzessorische Begriffe des deutschen Strafrechts nicht durch. b)

Das Argument der Gerechtigkeit Im Vordergrund steht bei den Befürwortern des

Ausschließlichkeitsgrundsatzes häufig auch ein QgX besonderes Gerechtigkeitsanliegen. 7 J Es wird zu Recht darauf hingewiesen 7 7 , daß der inländische Gesetzgeber mit der Aufstellung seiner Strafvorschriften zum Ausdruck bringt, was er - nicht selten als Ergebnis eines schwierigen Entscheidungspro zesses — für die gerechte Beurteilung einer Handlung hält. Unter dieser Voraussetzung könnte eine Anwendung fremder, von den eigenen Normen abweichender Bestimmungen weniger gerecht erscheinen. 97) vgl. Donnedieu de Vabres, Principes, S. 183; Grützner, Revue 1961, S. 410; Staubach, Anwendung ausländischen Strafrechts, S. 161 f ; vgl. auch Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht IV, S. 176 f 98) vgl. Staubach, a.a.O., S. 135 ff, 166 ff, m.w.N. 99) vgl. Meili, LB, S. 140; Hälschner, System, S. 64; Berner, Wirkungskreis, S. 164; Bremer, GS 1864, S. 457

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Dabei ist jedoch zu beachten, daß der Sträfgesetzgeber bei der Abfassung der einzelnen Tatbestände vornehmlich inländische Sachverhalte und inländische Hechtsverhältnisse im Auge hat und seine Gerechtigkeitsvorstellungen auf solche ausrichtet'"·'^, so daß der hier erwähnte Grundsatz auch nur für diese uneingeschränkt gelten kann. Handelt es sich demgegenüber um die strafrechtliche Beurteilung einer Auslandstat, so kann gerade im Interesse der Gerechtigkeit eine Berücksichtigung der am Begehungsort geltenden und von dem Geschehen unmittelbar berührten Rechtsordnung ge101) boten sein. ' Eine Beeinträchtigung des inländischen Rechtsbewußtseins ist im vorliegenden Zusammenhang um so weniger zu befürchten, als die Fremdrechtsanwendung hier nicht die eigentlichen Strafgesetze selbst betrifft, die nach §§ 5-7 StGB in jedem Falle stets und ausschließlich dem deutschen Recht zu entnehmen sind, sondern lediglich einzelne ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale privat- oder verwaltungsrechtlicher Natur. Wenn der Richter in diesem Rahmen ausländische Zivil- bzw. Verwaltungsvorschriften heranzieht, so berücksichtigt er damit die andersartigen Rechtsverhältnisse am Tatort gerade so weit, wie es die gerechte Anwendung der inländischen Strafgesetze auf den Einzelfall erfordert.

100) vgl. Raape, Internationales Privatrecht, S. 105 101) vgl. Wengler, IRuD 1956, S. 205; Staubach, a.a.O., S. 135 ff; v. Bar, Gesetz, S. 177

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c)

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Das Argument der praktischen Schwierigkeiten Der für viele noch immer wichtigste Vorbehalt ge-

gen die Anwendung ausländischen Rechts gründet sich auf praktische Schwierigkeiten. Gemeint sind weniger etwaige Unbequemlichkeiten für den Richter bei der Ermittlung des fremden Rechts, sein Arbeits- und Zeitaufwand oder drohende Oberlastung der Gerichte, sondern vor allem die Gefahr einer auf Unkenntnis beruhenden, nicht vertretbaren Unsicherheit in der Rechtsanwendung.''®^ Dieses Problem schien im Anschluß. an den Bukarester Kongreß der Association Internationale de Droit PSnal von 1929 und den VIII. Internationalen Strafrechtskongreß 1961 in Lissabon mit Hilfe zahlreicher Vorschläge und Lösungsansätze in Form von Resolutionen' 1 ®^ bereits weitgehend überwunden. Inzwischen wird es jedoch wieder als so wesentlich erachtet

', daß demgegenüber sogar Gerechtigkeits-

erwägungen bewußt in den Hintergrund gestellt werden. So hat selbst Jescheck, der die Entschließungen von Lissabon "ein leuchtendes Dokument für völkerrechtsverbindenden Geist" genannt hatte'10-'\ sich später in den Beratungen zur Strafrechtsreform "nicht entschließen können, die Anwendung des milderen ausländischen Gesetzes für deutsche Gerichte 102) vgl. Oehler, Internationales Strafrecht, S. 14-5 f, 455 f ; Staubach, a.a.O., S. 168 f 103) die teilweise selbst praktische Hilfsmittel anbieten, teilweise auf nationale und internationale wissenschaftliche Einrichtungen verweisen; vgl. die Resolutionen, abgedr. in: Revue 1930, S. 12 ff; ZStW 74 (1962), S. 189 ff; vgl. auch oben, Einleitung, FN 13 104) vgl. Oehler, Internationales Strafrecht, S. 4-55 105) Jescheck, ZStW 74 (1962), S. 188

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vorzuschreiben"^®*^, und zwar, wie er selbst einräumt, allein aus Furcht vor Schwierigkeiten bei 107) der praktischen Durchführung. Lediglich der A E 1966 vertrat die Ansicht, daß die von der Großen Strafrechtskommission geltend gemachten praktischen Hindernisse angesichts der umfassenden modernen Informationsmöglichkeiten "heu10J te nicht mehr als unüberwindbar angesehen werden" könnten. Diese Überzeugung vermochte sich freilich im 2. StrRG nicht durchzusetzen. Selbst wenn man sich der vorherrschenden Skepsis gegenüber der Fähigkeit insbesondere der Instanzgerichte zur fehlerfreien Ermittlung des fremden Rechts anschließen wollte, so ist hier wiederum bemerkenswert, daß sich die Bedenken ausdrücklich auf die Anwendung ausländischer Strafgesetze, m.a.W. auf die Rechtsanwendung in der Hauptfrage, 109") y beziehen. Im vorliegenden Zusammenhang geht es indessen nicht um die Anwendung der StrafVorschriften selbst (die ohnehin nach Maßgabe der §§ 5-7 StGB unzweifelhaft der inländischen Rechtsordnung zu entnehmen sind), sondern um die Ausfüllung darin enthaltener akzessorischer Begriffe durch ausländische Zivil- oder Verwaltungsnonnen. Die Ermittlung frem106) Jescheck, Niederschriften 4. Bd. AT, 38. Sitzung, S. 16 107) vgl. Jescheck, Niederschriften, a.a.O. 108) Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Begründung zu § 7, S. 37 109) zu den angeblichen Unterschieden bei der Ermittlung fremden Straf- und Zivilrechts vgl. Staubach, a.a.O., S. 176: Oehler, a.a.O., S. 145 f, 455

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den Privat- und Verwaltungsrechts aber stellt eine Aufgabe dar, die beispielsweise dem Zivilrichter unter Hinweis auf die ihm - und in der gleichen Weise auch dem Strafrichter - zur Verfügung stehenden vielfältigen Hilfsmittel''''0^ ohne weiteres zugemutet wird.

1 1 1 J)

Gegen den Vergleich mit dem Zivilprozeß könnte eingewandt werden, daß dort - im Gegensatz zum Strafverfahren - für fremdes Recht gem. § 293 S. 2 ZPO der Beibringungsgrundsatz gelte. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist der Richter lediglich "befugt, auch andere Erkenntnisquellen zu benutzen" als die von den Parteien beigebrachten Nachweise. Demgegenüber wäre die Aufgabe für den Strafrichter, der nach dem Ermittlungsgrundsatz (§§ 155 Abs. 2, 244 Abs. 2 StPO) arbeitet, vergleichsweise schwieriger. § 293 S. 2 ZPO wird jedoch übereinstimmend dahin ausgelegt, daß der Zivilrichter nicht nur befugt, sondern vielmehr verpflichtet ist, den Inhalt des anwendbaren ausländischen Rechts von Amts wegen zu 112^ ermitteln , und zwar ohne Beschränkung der Er113} kenntnisquellen. Nur zusätzlich kann er die Mithilfe der Parteien in Anspruch nehmen, indem er sie 110) vgl. Staudinger-Korkisch, EGBG3 Teil 2, Rdn.28 vor Art.7 EGBGB 111) vgl. Baltatzis, Personalitätsgrundsatz, S. 59 112) vgl. Baumbach-Lauterbach, § 293 Anm. 1 B; BGH NJW 1961, 410; 1964, 2012; BGH MDR 1957, 31 (33); Kegel, Nipperdey-Pestschrift I, S. 458; ders., Internationales Privatrecht, S. 200; Palandt, Vorbem. 16 vor Art.7 EGBGB; Neumeyer, Internationales Privatrecht, S. 9; Heiz, Das fremde öffentliche Recht, S. 63 113) vgl. Neuhaus, Grundbegriffe, S. 224; BaumbachLauterbach, § 293 Anm.2

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zu Nachweisen a u f f o r d e r t . ^ ^ Die Ermittlungspflicht des Richters geht sogar so weit, daß ihre Mißachtung einen Revisionsgrund im Sinne der §§ 549, 559 ZPO darstellt. 11 ^ Praktisch unterscheidet sich die Pflicht des Zivilrichters zur FestStellung fremden Hechts also nicht von der des Strafrichters. Ebensowenig ließe sich einwenden, daß die Aufgabe für den Strafrichter deshalb schwieriger sei, weil er sich bei der Ermittlung ausländischen Zivil- oder Verwaltungsrechts nicht nur auf den Boden einer fremden Rechtsordnung, sondern darüber hinaus in das Gebiet eines fremden Rechtszweiges begeben müsse. Eben dies wird dem Zivilrichter, der im Rahmen des Internationalen Privatrechts häufig ausländisches öffentliches Recht (insbesondere Enteignungs-. Währungs- und Kartellrecht)''''^ zu prüfen hat'1''", in gleicher Weise zugemutet. Die richterliche Tätigkeit der Fremdrechtsermittlung und die dabei auftretenden praktischen 114) vgl. BGH NJW 1964, 2012; 1969, 1539; Eerid, Internationales Privatrecht, S. 103; Neuhaus, a.a.O., S. 224 115) vgl. BGH NJW 1964 a.a.O.; Kegel, Internationales Privatrecht, S. 200 116) Es handelt sich dabei vor allem um fremde Enteignungs- und Konfiskationsgesetze, um Devisenbestimmungen, die Zahlungsverbote und -beschränkungen vorsehen und Zwangskurse festsetzen, sowie um Währungsgesetze, die Abwertungen oder Aufwertungen vornehmen. 117) vgl. Kegel, Nipperdey-Festschrift I, S. 453; Schnitzer, Handbuch, S. 192; Heiz, Das fremde öffentliche Recht, S. 96 ff, 101 ff

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Schwierigkeiten sind folglich dieselben wie im Internationalen Privatrecht, wo sie nicht als unüberwindlich erachtet werden. Es ist daher nicht einzusehen, warum sie sich im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Deliktsprüfung nicht ebenso bewältigen lassen sollten. Auch das Argument der praktischen Schwierigkeiten bei der Fremdrechtsanwendung im Strafrecht - soweit ihm heute überhaupt noch Berechtigung zukommt - gilt jedenfalls nicht für die Heranziehung ausländischer Zivil- oder Verwaltungsrechtsnormen im Rahmen der strafrechtlichen Akzessorietät.

4-,

Ergebnis Es ergibt sich somit, daß die "klassischen" Argumente, die zum Ausschließlichkeitsgrundsatz im deutschen internationalen Strafrecht geführt haben und teilweise noch heute vertreten werden, auf die Anwendung spezifisch strafrechtlicher Vorschriften (in der Hauptfrage) in Grenzen vielleicht zutreffen mögen, hinsichtlich der Rechtsanwendung im Rahmen der strafrechtlichen Akzessorietät aber, d.h. bei der Ausfüllung zivil- oder verwaltungsrechtlicher Begriffe (als Vorfrage), nicht überzeugend sind. Unter diesen Gesichtspunkten besteht daher kein zwingender Grund für eine Einbeziehung der akzessorischen Tatbestandsmerkmale unter die streng einseitige Regelung der §§ 5-7 StGB, so daß die Premdrechtsanwendung insoweit den Ausschließlichkeitsanspruch nicht verletzt.

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Die ffremdrechtsanwendung im Strafrecht und der Satz "nullum crimen, nulla poena sine lege" Gegenüber der akzessorischen Verweisung des Strafrechts auf ausländische Normen könnten sich jedoch Zweifel ergeben im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz "nullum crimen, nulla poena sine lege": Genügen Strafrechtssätze, die zur vollständigen Erfassung ihres Inhalts der Ausfüllung durch Zivil- oder Verwaltungsvorschriften einer fremden Rechtsordnung bedürfen, dem in § 1 dem Strafgesetzbuch vorangestellten und in Art.103 Abs.2 GG verfassungsrechtlich verankerten Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit?

Die Grundgedanken des "nulla-poena-Satzes" a) Die rechtsstaatliche Begründung Die historische Grundlage des Gedankens, daß niemand wegen eines Ihins oder Unterlassens bestraft werden darf, das nicht bereits vor der Begehung kraft Gesetzes für strafbar erklärt war, findet sich in dem politisch-rechtsstaatlichen Vorstoß der Aufklärung gegen die Willkür der Strafjustiz.118) Im Rahmen einer strengen Gewaltenteilung wurde gefordert, die Strafgerichte, deren frei nach billigem Ermessen geübte Spruchpraxis im 17. und 18. Jahrhundert zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit geführt hatte, an das geschriebene Gesetz zu binden. Dieses Verlangen fand Ausdruck in Art.8 118) vgl. Tröndle LK, § 2 a.F. Rdn.2; Schreiber SK, § 1 Rdn.1; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 24-8 119) vgl. Jescheck, LB, S. 103 f; Lohberger, Blankettstrafrecht und Grundgesetz, S. 69

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der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 durch die grundlegende Formel der Beschränkung des Strafrechts auf die "lex scripta et praevia". b) Die strafrechtliche Begründung Später wurde dem Gesetzlichkeitsprinzip mit der Lehre Feuerbachs vom "psychologischen Zwang"' 120 ) eine selbständige strafrechtliche Begründung zur Seite gestellt: Damit die Strafdrohung ihre abschreckende Wirkung entfalten und der Bürger sich zwischen Recht und Unrecht entscheiden kann, muß die strafrechtliche Bewertung eines Verhaltens im voraus eindeutig aus 1 ?1

J dem Gesetz erkennbar sein. Denn nur dann, wenn der einzelne zwischen strafbaren und straflosen Handlungen klar zu unterscheiden vermag, kann die Strafdrohung ihn von einer Tatbegehung abhalten.

Hieraus ergibt sich die Forderung nach größtmöglicher Bestimmtheit des Strafgesetzes ("lex certa"). Nach heutigem Verständnis bilden Gesetzlichkeit und Bestimmtheit untrennbare Elemente des "nullapoena-Satzes" im Sinne des Art.103 Abs.2 GG.' 122 ) 120) vgl. Feuerbach, IB, § 23 121) vgl. BVerfG NJW 1969, 1059 (1060 f); 1972, 860 (862); Maunz-Dürig-Herzog, Art.103 Rdn.106; Maurach, L3 AT, S. 108; lohberger, a.a.O., S. 72 f; Seel, Unbestimmte Tatbestandsmerkmale, S. 68 122) vgl. BVerfGE 25, 269 (285); 26, 41 (42); 27 201 (207); Dreher, § 1 Anm.1. Maurach, LB AT, S. 95, sieht das Bestimmtheitsgebot als eine unselbständige Auswirkung des Gesetzlichkeitsprinzips an.

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Das Gerechtigkeitsgebot ist nur dann erfüllt, wenn der Gesetzgeber selbst das strafbare Verhalten 123) möglichst genau bestimmt.

Die Verwendung akzessorischer Merkmale im Strafrecht Bei strenger Auslegung dieses Grundsatzes könnten sich bereits insofern verfassungsrechtliche Bedenken ergeben, als das deutsche Strafrecht überhaupt akzessorische Elemente enthält, d.h. teilweise bewußt auf eine eigene Regelung verzichtet und statt dessen auf anderweit bestehende Normen verweist. 124) Wie bereits oben ' erwähnt, stellt freilich gerade die Verwendung akzessorischer Merkmale im Strafrecht eine unentbehrliche gesetzgeberische Technik dar. Sie gewährleistet die Anpassungsfähigkeit der einzelnen Vorschriften an örtlich oder zeitlich unterschiedliche und sich wandelnde Verhältnisse, ohne die das Strafrecht seiner Aufgabe Λ des Rechtsgüterschutzes nicht gerecht werden kann. Dementsprechend sieht das BVerfG in der akzessorischen Verweisung als solcher keinen Verstoß gegen Art.103 Abs.2 GG, da das Bestimmtheitsgebot nicht dazu zwinge, "im Strafrecht auf die Verwendung auslegungsfähiger Begriffe ganz zu verzich123) vgl. Schönke-Schröder, § 1 Rdn. 27; Schreiber SK, § 1 Rdn. 10 ff· Tröndle LK, § 2 a.F. Rdn. 14 124) Erster Hauptteil, I 2, II 2 125) vgl. Kerscher, Tatbestands- und Verbotsirrtum S. 43; Nickusch, NJW 1967, S. 811 (812); Warda, Abgrenzung, S. 9

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ten. Ohne sie wäre der Gesetzgeber nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden".126) Das Gericht geht davon aus, daß es eine Übersteigerung des Gesetzlichkeitsprinzips bedeuten würde, "wenn der Gesetzgeber stets jeden Straftatbestand bis ins letzte ausführen rnüßte ... Die Gesetze würden starr und kasuistisch und könnten dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzel127) falles nicht mehr gerecht werden". Nach dieser maßgebenden Auslegung des Art.103 Abs.2 GG stehen akzessorische StrafvorSchriften nicht bereits deshalb dem Satz "nullum crimen, nulla poena sine lege" entgegen, weil sie ausfüllungsbedürftige Merkmale enthalten.

3.

Die Verweisung auf ausländische Rechtssätze Fraglich bleibt dennoch, wo die Grenzen der zulässigen Unbestimmtheit liegen.''2®^ Sind sie auch dort noch gewahrt, wo die strafrechtliche Akzessorietät zur Fremdrechtsanwendung führt, d.h. wo die Strafbarkeit eines Verhaltens nur unter Heranziehung ausländischer Rechtssätze zu ermitteln ist?

126) BVerfGE 4, 352 (358); 11, 234 (237); 28, 175 (183); 32, 3^6 (364) 127) BVerfG NJW 1962, 1563 (1564) 128) Das BVerfG, Ε 26, 41 (42 f), entzieht sich einer grundsätzlichen Stellungnahme, indem es ausführt, daß der Grad der gesetzlichen Bestimmtheit jeweils von der Besonderheit des einzelnen Straftatbestandes und von den Umständen abhänge, die zu der gesetzlichen Regelung führten.

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a)

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Die Vereinbarkeit mit dem rechtsstaatlichen Grundgedanken des "nulla-poena-Satzes"

Nach Ansicht des BGH'' 2 ^, der sich die Lehre angeschlossen h a t ^ ® ^ , muß eine Strafvorschrift durch den Gesetzgeber so weit präzisiert sein, daß "der Rechtsprechung damit eine feste und zuverlässige Grundlage geboten ist". Darüber, was in diesem Sinne als ausreichende Hechtsprechungsgrundlage anerkannt wird, lassen sich keine allgemeinen Maßstäbe nachweisen. Das BVerfG hält zum Beispiel die Begriffe "im politischen Leben des Volkes stehend" (§ 187 a S t G B ) 1 ^ sowie "grober Unfug" (§ 360 Abs.1 Nr. 11 StGB a.F. für hinreichend bestimmt. Der BGH hat als eindeutig genug anerkannt: den Ausdruck "Hilfe" (§ 170 c StGB a . F . ) 1 5 5 ) ; den Begriff der "Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen" (§ 7 Abs.1 Satz 1 StVO a.F. · die Bezeichnung "Bier" im Sinne des BierStG, zu deren Auslegung das Gericht auf die "herrschende berechtigte Verbrauchererwartung" der bayerischen Bevölkerung zu1 3S") ruckgreift. Diesen Beispielen ist gemein, daß sie sämtlich ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale betreffen, welche zu ihrer inhaltlichen Bestimmung auf Anschauungen und Wertungen im außerrechtlichen Bereich verweisen. 129) BGHSt 12, 136 (145) 130) vgl. Maunz-Dürig-Herzog, Art.103 Rdn.107; Schreiber SK, § 1 Rdn.11; Schönke-Schröder, § 1 Rdn.28 131) BVerfGE 4, 352 (357 f) 132) BVerfGE 26, 41 ff 133) BGHSt 18, 102 (105) 134) BGHSt 18, 359 (361 f) 135) BGHSt 11, 365 (377 f)

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Gemessen daran müssen akzessorische Begriffe, deren Auslegung anhand gesetzlich normierter - und sei es ausländischer - Rechtsvorschriften erfolgt, um so eher als "feste und zuverlässige Grundlage" für den Richter und damit als hinreichend bestimmt im Sinne des Art.103 Abs.2 GG angesehen werden. Insoweit ist dem Gesetzlichkeitsprinzip in seiner rechtsstaatlichen Grundbedeutung als Schutz vor richterlicher Willkür Genüge getan, denn gegenüber den dargestellten Beispielen zeichnen sich die rechtlich-akzessorischen Begriffe gerade dadurch aus, daß ihre Ausfüllung streng an Rechtsvorschriften gebunden ist und für eigene Rechtsschöpfung des Richters keinen Raum läßt. b)

Die Vereinbarkeit mit dem strafrechtlichen Grundgedanken des "nulla-poena-Satzes"

Im Hinblick auf den ursprünglich strafrechtlichen Grundgedanken des "nulla-poena-Satzes", daß die Strafbarkeit einer Tat für den Täter eindeutig aus dem Gesetz erkennbar sein müsse, bleibt im Falle der Verweisung auf ausländische Rechtsvorschriften schließlich der erschwerte Zugang zur fremden Rechtsordnung zu berücksichtigen. Die Forderung nach Berechenbarkeit des Strafrechts wird jedoch nicht in einem absoluten Sinne dahin verstanden, daß der einzelne Bürger stets in der Lage sein müsse, die genaue Subsumtion aus eigenem Verständnis zu vollziehen. Der B G H 1 ^ 6 ) stellt dies klar, indem er ausführt, die in Art.103 Abs.2 GG vorgeschriebene gesetzliche Bestimmtheit des Tatbestandes werde "nicht dadurch aufgehoben, daß er nicht sofort klar übersehbar ist; es 136) BGHSt 11, 365 (377)

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genügt vielmehr, daß sein Sinn und Umfang durch Auslegung ermittelt werden kann". Danach wird lediglich verlangt, daß überhaupt - und sei es im Wege fachkundiger Auslegung - die strafrechtliche Bewertung eines bestimmten Verhal137) tens mit Sicherheit festzustellen ist. ' Die der Strafrechtswissenschaft heute zur Verfügung stehenden modernen Informationsquellen ermöglichen nach der h i e r ^ ® ^ vertretenen Ansicht ohne unüberwindliche Schwierigkeiten eine zuverlässige Kenntnis auch der ausländischen Rechtslage, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt verfassungsrechtliche Bedenken nicht durchgreifen.

Ergebnis Die Fremdrechtsanwendung im Rahmen der strafrechtlichen Akzessorietät - soweit sie in der vorausgegangenen Untersuchung bejaht wurde - ist aus der Sicht des Verfassungsrechts nicht zu beanstanden. Die Verweisung auf ausländische Rechtsvorschriften steht im Einklang mit dem Grundsatz "nullum crimen, nulla poena sine lege" sowohl in seiner rechtsstaatlichen Bedeutung als Gesetzesvorbehalt für den Richter wie auch im Hinblick auf die Forderung nach eindeutiger Bestimmbarkeit des Strafrechts.

137) vgl. Schönke-Schröder, § 1 Rdn.28; Maunz-DürigHerzog, Art.103 Rdn.107; Schreiber SK, § 1 Rdn.11 158) vgl. oben, V 3 c)

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SCHLUSS Die Untersuchung hat ergeben, daß das deutsche internationale Strafrecht weniger einseitig auf die inländische Rechtsordnung beschränkt ist, als seine gesetzliche Ausgestaltung in §§ 3 ff StGB erwarten läßt. Der in §§ 5-7 StGB erhobene Anspruch, auch auf Auslandstaten, sofern sie der inländischen Strafgewalt unterliegen, "unabhängig vom Recht des Tatorts" ausschließlich deutsches Strafrecht anzuwenden, ist nicht dahin zu verstehen, daß die am Begehungsort geltende und durch den Sachverhalt unmittelbar berührte fremde Rechtsordnung gänzlich unberücksichtigt bleibt. Dem Ausschließlichkeitsgrundsatz unterliegt das Strafrecht nur insoweit, als in seinen Gesetzen der staatliche Strafanspruch durch die Festlegung der wesentlichen Deliktsmerkmale sowie der Straffolge verwirklicht wird. Daneben umfaßt der Strafrechtsbegriff nach der herrschenden materiellen Theorie auch sämtliche außerhalb der eigentlichen Strafgesetze geregelten und von diesen akzessorisch in Bezug genommenen Ergänzungsvorschriften. Deren Anwendung stellt keinen Ausdruck der staatlichen Strafgewalt dar, sondern dient der Beantwortung einer zivil- oder verwaltungsrechtlichen Vorfrage, die im Falle eines Sachverhaltes mit Auslandsberührung nicht nach §§ 5-7 StGB, sondern selbständig nach eigenen Rechtsanwendungsregeln angeknüpft wird. Dort, wo das deutsche Strafrecht also zu seiner inhaltlichen Ergänzung auf anderweit normierte Rechtssätze verweist, überwindet es den Ausschließlichkeitsanspruch und läßt insoweit die Heranziehung aus-

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ländischer Gesetze grundsätzlich zu. In diesem Rahmen ist die Fremdrechtsanwendung sowohl mit strafrechtlichen als auch mit verfassungsrechtlichen Prinzipien vereinbar. Ihr Umfang bestimmt sich zunächst danach, ob und wie weit der deutsche Strafgesetzgeber den Schutzbereich einer jeweiligen Strafvorschrift überhaupt auf Auslandssachverhalte erstrecken will. Auf dem Gebiet der ausdrücklich verweisenden Akzessorietät durch Blankettgesetze, mit denen das Strafrecht sich regional unterschiedlichen Rechtsverhältnissen anzupassen sucht, entscheidet der Umfang des Schutzbereiches zugleich darüber, ob die Ergänzungsnorm im Einzelfall einer ausländischen Rechtsordnung zu entnehmen ist. Innerhalb der stillschweigend verweisenden Akzessorietät durch rechtlich-normative Tatbestandsmerkmale ist zu unterscheiden zwischen Begriffen des zivilen und des öffentlichen Rechts. Erstere führen zur Fremdrechtsanwendung nach Maßgabe der einschlägigen Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts, letztere im Rahmen der Respektierung ausländischer Hoheitsgewalt. Für die Fälle der indirekten Akzessorietät lassen sich vergleichbare Grundregeln nicht aufstellen. Hier bedarf es für jede in Betracht kommende Rechtsnorm einer gesonderten Prüfung anhand des jeweils konkreten Sachverhaltes, um Möglichkeit und Grenzen der Fremdrechtsanwendung im Einzelfall zu bestimmen.

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Entwicklungstendenzen im internationalen Strafrecht unter Berücksichtigung der Konvention des Europarats, in: Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, Karlsruhe 1972, S. 595 f (zitiert: Vogler, MaurachFestschrift) Geltungsanspruch und Geltungsbereich der Strafgesetze, in: Aktuelle Probleme des Internationalen Strafrechts. Heinrich Grützner zum 65. Geburtstag, Hamburg 1970, S. 149 ff (zitiert: Vogler, Grützner-Festschrift)

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Das Pflichtenproblem der kommissiven Unterlassung. ZStW 63 (1951), S. 381 ff

Welzel, Η.:

Zur Abgrenzung des Tatbestandsirrtums vom Verbotsirrtum. MDR 1952, S. 584 ff Der Irrtum über die Amtspflicht. JZ 1952, S. 208 f

Wengler, W.:

Uber die Maxime von der Unanwendbarkeit ausländischer politischer Gesetze. IRuD 1956, S. 191 ff Die Vorfrage im Kollisionsrecht. Rabeis Z. 8 (1934), S. 148 ff

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Schutz ausländischer öffentlicher Urkunden durch §§ 271, 273 StGB? NJW 1973, S. 301 ff

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Wolf, E.:

Der Sachbegriff im Strafrecht, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben. Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, 5. Bd., Berlin- Leipzig 1929, S. 44 ff (zitiert: Wolf, RG-Festgabe V)

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Normative Tatbestandselemente. MSchrKrim 21 (1930), S. 455 ff

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Erfolgsunrecht oder Handlungsunrecht? NJW 1957, S. 1707 f

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Gesetzes- und Kongreßmaterialien Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches. Allgemeiner Teil. 2. Aufl., Tübingen 1969 Gegenentwurf zum Vorentwurf eines deutschen Strafgesetzbuchs, Berlin 1911 Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd., Allgemeiner Teil, 38. - 52. Sitzung, Bonn 1958 Protokolle der Strafrechtskommission 1913 (Maschinenschrift] Schultz, H.:

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Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 2. Legislaturperiode, III. Session 1875/76, Drucksachen Bd. I, Berlin 1876 Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, Berlin 1909