Die Natur des Krieges: Militärisches Wissen und Umwelt im 17. und 18. Jahrhundert [1 ed.] 3593514079, 9783593514079, 9783593447544

Zwischen 1650 und 1780 verstärkten sich zwei Grundsignaturen der europäischen Frühen Neuzeit: die Etablierung moderner A

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Die Natur des Krieges: Militärisches Wissen und Umwelt im 17. und 18. Jahrhundert [1 ed.]
 3593514079, 9783593514079, 9783593447544

Table of contents :
Inhalt
Mensch, Krieg und Natur. Einleitung
1. Krieg als »Wissenschaft«? Die Heterogenität militärtheoretischen Wissens im 17. und 18. Jahrhundert
1.1 Wissen (re-)produzieren: Militärtheoretisches Schreiben und Lesen
1.1.1 Die Entwicklung militärtheoretischen Schreibens
1.1.2 Die Persona des Militärtheoretikers
1.1.3 Die Rezeption und Verbreitung militärtheoretischen Wissens
1.2 Wissen strukturieren: Krieg führen zwischen Handwerk und Wissenschaft
1.2.1 Die Unordnung des Wissens. Kompilationen und die Suche nach Vorbildern
1.2.2 Von Systemen und Prinzipien. Krieg als Operation der Vernunft
1.2.3 Die Geometrie des Krieges. Fortifikation und Mathematik als Leitwissenschaft
1.2.4 Empiristische Skepsis und das Ideal militärischer Bildung am Ende des 18. Jahrhunderts
1.3 Wissen legitimieren: Eine kurze Geschichte des militärtheoretischen Beispiels
1.3.1 Die Vermischung der »Alten« und »Neuen«
1.3.2 Kritik an den »Alten« und die Belegpraxis der Fortifikationstheorie
1.3.3 Der Aufstieg eigener Erfahrung und die Etablierung von Referenzkriegen
1.4 Der rationale Krieg in der Militärtheorie. Zwischenfazit
2. Taktische Topografien. Die Kontrolle des Krieges durch die Kontrolle der Natur
2.1 »Geschlossene« und »offene« Länder. Klassische Beschreibungen militärischer Topografien
2.2 Befestigte Räume als Nutzen und Kontrolle der Natur
2.2.1 Den Standort beschreiben. Der fortifikatorische Blick auf naturale Umwelt
2.2.2 Natur als Ausnahme. Das Ideal der Fläche und Irregularität als Problem
2.2.3 Die Rückkehr der Natur. Von der Irregularität zum Normalfall
2.3 »Ein Nichts ändert alles«? Militärisches »Terrain« zwischen Wirkmächtigkeit und Unberechenbarkeit
2.3.1 Umwelten der Taktik in Folards Découvertes und der Histoire de Polybe
2.3.2 »Geometrical Precision«. Taktische Kontrolle der Natur als Voraussetzung des kontrollierten Krieges
2.3.3 »Manie de Topographie«. Das Terrain als Störfall militärischer Theorie
2.4 Befestigte und unsichtbare Schlachtfelder. Feldbefestigung als Naturkontrolle und die Topografie des »Kleinen Krieges«
2.4.1 Das »engineered battlefield«: Die Armee als Festung
2.4.2 Gefährliches Terrain. Die wilde Natur und der »Kleine Krieg«
2.5 Nutzen, kontrollieren, ausblenden. Zwischenfazit
3. Natur lesbar machen. Die epistemische Erfassung des Landes
3.1 Die Landeskenntnis als Thema der Militärtheorie
3.1.1 »Connoissance du Pays«. Der Aufstieg eines Themenkomplexes
3.1.2 Geografie und Erdbeschreibung in der militärischen Bildung
3.2 Die Augen der Anderen. Guides als problematische Informationsquelle
3.2.1 »Die Augen im Körper eines großen Tieres«. Guides als klassische Informationsressource
3.2.2 Der unwissende Landmann. Subjektive Umweltwahrnehmung als Problemfall
3.3 Vermessen und Verzeichnen. Karten zwischen Kritik und Kontrollfantasie
3.3.1 Entscheiden auf Papier. Karten als vielfältiges und ambivalentes Medium
3.3.2 Genauigkeit als Praxis. Umwelt vermessen und verzeichnen als Themen des militärtheoretischen Diskurses
3.3.3 Die Statistik des Krieges. Die ökonomisch-militärische Landeskenntnis als Idealvorstellung
3.4 »Militärisches Augenmaß« als Umweltwahrnehmung
3.4.1 Ein Land »militärisch sehen«. Optische Naturerfassung vor Ort und der militärische Blick als Korrektiv
3.4.2 Naturwahrnehmung als Naturtalent. Das Augenmaß zwischen Erlernbarkeit und Geniekult
3.5 Die Natur erfassen. Zwischenfazit
4. Die mobile Stadt. Naturale Ressourcen und militärisches Ressourcenmanagement
4.1 Schärfer als das Schwert. Kriegführung unter dem Zeichen des Mangels als Teil des militärischen Reflexionsrahmens
4.2 Der Treibstoff des Krieges. Fourage als umkämpfte Ressource
4.2.1 Zwischen Versorgung und Taktik. Anleitungen zum »Fouragieren« als militärisches Ressourcenmanagement
4.2.2 Überschlagen, Berechnen, Schonen. Optimierte Fouragenutzung und Sparsamkeit im Krieg
4.3 Unsichere Gewässer. Trink- und Brauchwasser im Dienst des Krieges
4.3.1 Gutes Wasser, schlechtes Wasser. Wasserqualität und Nutzungskonflikte im Spiegel der Militärtheorie
4.3.2 Speichern, Abgraben, Umleiten. Das umkämpfte Wasser der Festungen
4.3.3 Der Hort der Seuchen. Medizinisches Wissen und das Wasser als Krankheitsüberträger
4.4 Kurzfristiges Denken bei einer langfristigen Ressource? Holz als ignoriertes Problemfeld
4.4.1 Der Hunger nach Holz als Problem der Disziplin
4.4.2 Festungen und das »Einziehen« von Holz in Kriegszeiten
4.5 Ressourcen als Waffe. Zwischenfazit
5. Verbrannte Erde im Licht der Vernunft. Die Natur als Ziel militärischer Gewalt
5.1 »Ravagiren«. Das Schädigen sozionaturaler Schauplätze als Taktik
5.1.1 »Ravager le pais« als Maxime des 17. Jahrhunderts
5.1.2 Die Ausdifferenzierung der Landesverwüstung am Beginn des 18. Jahrhunderts
5.1.3 Verbrannte Erde im Zeitalter der Aufklärung
5.2 Eine »unfruchtbare Wüste« vermeiden. Schonung von Land als militärisch-ökonomische Rationalität
5.2.1 Was nutzt eine Wüste? Die Landesverwüstung in der Kritik
5.2.2 Ökonomischer Nutzen als Argument: Kontributionen als Schonung des Landes
5.3 Gerechter Krieg und Nützlichkeit. Landesverwüstungen im völkerrechtlichen und militärrechtlichen Diskurs
5.3.1 Überlegungen zur Schonung der Natur in Kriegszeiten: Grotius, Vattel und das entstehende Völkerrecht
5.3.2 Disziplin und Eigennutz. Die Natur im Militärrecht
5.4 Perspektivwechsel. Der »Landmann im Kriege« – Kriegsfolgen im Spiegel agrarischer Schriften
5.4.1 Die Abwesenheit des Krieges in der Hausväterliteratur
5.4.2 Das zweischneidige Schwert des Krieges im Diskurs der Agrarökonomie
5.4.3 Kriegszerstörung managen. Der Landwirth in und nach dem Kriege
5.5 Kontrolle durch Vernichtung – Ökonomisierung als Schutz. Zwischenfazit
Die Natur des Krieges. Fazit und Ausblick
Quellen
Personenregister
Dank

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Jan Philipp Bothe

Die Natur des Krieges Militärisches Wissen und Umwelt im 17. und 18. Jahrhundert

Krieg und Konflikt

Die Natur des Krieges

Krieg und Konflikt Herausgegeben von Martin Clauss, Marian Füssel, Oliver Janz, Sönke Neitzel und Oliver Stoll Band 11

Jan Philipp Bothe, Dr. phil., ist Historiker.

Jan Philipp Bothe

Die Natur des Krieges Militärisches Wissen und Umwelt im 17. und 18. Jahrhundert

Campus Verlag Frankfurt/New York

Gefördert im Niedersächsischen Vorab durch:

Zugleich Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen

ISBN 978-3-593-51407-9 Print ISBN 978-3-593-44754-4 E-Book (PDF) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehmen wir keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich. Copyright © 2021 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main Umschlaggestaltung: Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main Umschlagmotiv: Kupferstich aus Allain Manesson Mallet, Les Travaux des Mars, Bd. 1, Amsterdam 1684. © SUB Göttingen, 8 ARS MIL 526/19:1. Gesetzt aus der Garamond Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Printed in Germany www.campus.de

Inhalt

Mensch, Krieg und Natur. Einleitung .................................................................. 11 Die Umweltgeschichte des Krieges ................................................................ 20 Militärtheorie in der Frühen Neuzeit ............................................................. 27 Militärisches Wissen und naturale Umwelt. Schlüsselbegriffe und Methode ............................................................................................... 32 Wissen – Diskurs – Praxis ............................................................................ 32 Natur – Raum – Ressourcen ........................................................................ 37

1. Krieg als »Wissenschaft«? Die Heterogenität militärtheoretischen Wissens im 17. und 18. Jahrhundert ............................................................... 45 1.1 Wissen (re-)produzieren: Militärtheoretisches Schreiben und Lesen.............................................................................................................. 50 1.1.1 Die Entwicklung militärtheoretischen Schreibens ........................... 51 1.1.2 Die Persona des Militärtheoretikers .................................................. 61 1.1.3 Die Rezeption und Verbreitung militärtheoretischen Wissens ....... 71

1.2 Wissen strukturieren: Krieg führen zwischen Handwerk und Wissenschaft........................................................................................ 76 1.2.1 Die Unordnung des Wissens. Kompilationen und die Suche nach Vorbildern ................................................................................. 78 1.2.2 Von Systemen und Prinzipien. Krieg als Operation der Vernunft ............................................................................................... 82 1.2.3 Die Geometrie des Krieges. Fortifkation und Mathematik als Leitwissenschaft .................................................................................. 86 1.2.4 Empiristische Skepsis und das Ideal militärischer Bildung am Ende des 18. Jahrhunderts ................................................................. 92

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1.3 Wissen legitimieren: Eine kurze Geschichte des militärtheoretischen Beispiels .................................................................. 96 1.3.1 Die Vermischung der »Alten« und »Neuen«..................................... 98 1.3.2 Kritik an den »Alten« und die Belegpraxis der Fortifikationstheorie .........................................................................102 1.3.3 Der Aufstieg eigener Erfahrung und die Etablierung von Referenzkriegen .................................................................................105

1.4 Der rationale Krieg in der Militärtheorie. Zwischenfazit...............109 2. Taktische Topografien. Die Kontrolle des Krieges durch die Kontrolle der Natur ...................................................................................111 2.1 »Geschlossene« und »offene« Länder. Klassische Beschreibungen militärischer Topografien ...................120 2.2 Befestigte Räume als Nutzen und Kontrolle der Natur .................125 2.2.1 Den Standort beschreiben. Der fortifikatorische Blick auf naturale Umwelt ..........................................................................126 2.2.2 Natur als Ausnahme. Das Ideal der Fläche und Irregularität als Problem ........................................................................................134 2.2.3 Die Rückkehr der Natur. Von der Irregularität zum Normalfall ..........................................................................................139

2.3 »Ein Nichts ändert alles«? Militärisches »Terrain« zwischen Wirkmächtigkeit und Unberechenbarkeit ..........................................146 2.3.1 Umwelten der Taktik in Folards Découvertes und der Histoire de Polybe ...........................................................................149 2.3.2 »Geometrical Precision«. Taktische Kontrolle der Natur als Voraussetzung des kontrollierten Krieges .................................153 2.3.3 »Manie de Topographie«. Das Terrain als Störfall militärischer Theorie .........................................................................160

2.4 Befestigte und unsichtbare Schlachtfelder. Feldbefestigung als Naturkontrolle und die Topografie des »Kleinen Krieges«.....167 2.4.1 Das »engineered battlefield«: Die Armee als Festung...........169 2.4.2 Gefährliches Terrain. Die wilde Natur und der »Kleine Krieg« .............................................................................179

2.5 Nutzen, kontrollieren, ausblenden. Zwischenfazit ..........................184

INHALT

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3. Natur lesbar machen. Die epistemische Erfassung des Landes ............187 3.1 Die Landeskenntnis als Thema der Militärtheorie...........................193 3.1.1 »Connoissance du Pays«. Der Aufstieg eines Themenkomplexes ............................................................................194 3.1.2 Geografie und Erdbeschreibung in der militärischen Bildung .....199

3.2 Die Augen der Anderen. Guides als problematische Informationsquelle ...................................................................................204 3.2.1 »Die Augen im Körper eines großen Tieres«. Guides als klassische Informationsressource ...............................................205 3.2.2 Der unwissende Landmann. Subjektive Umweltwahrnehmung als Problemfall ............................................208

3.3 Vermessen und Verzeichnen. Karten zwischen Kritik und Kontrollfantasie................................................................................213 3.3.1 Entscheiden auf Papier. Karten als vielfältiges und ambivalentes Medium ...............................................................217 3.3.2 Genauigkeit als Praxis. Umwelt vermessen und verzeichnen als Themen des militärtheoretischen Diskurses .............................227 3.3.3 Die Statistik des Krieges. Die ökonomisch-militärische Landeskenntnis als Idealvorstellung ................................................233

3.4 »Militärisches Augenmaß« als Umweltwahrnehmung.....................240 3.4.1 Ein Land »militärisch sehen«. Optische Naturerfassung vor Ort und der militärische Blick als Korrektiv ............................242 3.4.2 Naturwahrnehmung als Naturtalent. Das Augenmaß zwischen Erlernbarkeit und Geniekult ............................................246

3.5 Die Natur erfassen. Zwischenfazit ......................................................251 4. Die mobile Stadt. Naturale Ressourcen und militärisches Ressourcenmanagement ..................................................................................255 4.1 Schärfer als das Schwert. Kriegführung unter dem Zeichen des Mangels als Teil des militärischen Reflexionsrahmens ...................................................................................266 4.2 Der Treibstoff des Krieges. Fourage als umkämpfte Ressource....................................................................................................270 4.2.1 Zwischen Versorgung und Taktik. Anleitungen zum »Fouragieren« als militärisches Ressourcenmanagement ...............275

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4.2.2 Überschlagen, Berechnen, Schonen. Optimierte Fouragenutzung und Sparsamkeit im Krieg ...................................281

4.3 Unsichere Gewässer. Trink- und Brauchwasser im Dienst des Krieges .............................................................................288 4.3.1 Gutes Wasser, schlechtes Wasser. Wasserqualität und Nutzungskonflikte im Spiegel der Militärtheorie ...........................289 4.3.2 Speichern, Abgraben, Umleiten. Das umkämpfte Wasser der Festungen ...........................................................................................295 4.3.3 Der Hort der Seuchen. Medizinisches Wissen und das Wasser als Krankheitsüberträger .......................................303

4.4 Kurzfristiges Denken bei einer langfristigen Ressource? Holz als ignoriertes Problemfeld ..........................................................313 4.4.1 Der Hunger nach Holz als Problem der Disziplin .........................318 4.4.2 Festungen und das »Einziehen« von Holz in Kriegszeiten ...........325

4.5 Ressourcen als Waffe. Zwischenfazit..................................................329 5. Verbrannte Erde im Licht der Vernunft. Die Natur als Ziel militärischer Gewalt ..........................................................................................333 5.1 »Ravagiren«. Das Schädigen sozionaturaler Schauplätze als Taktik.....................................................................................................342 5.1.1 »Ravager le pais« als Maxime des 17. Jahrhunderts........................344 5.1.2 Die Ausdifferenzierung der Landesverwüstung am Beginn des 18. Jahrhunderts ......................................................350 5.1.3 Verbrannte Erde im Zeitalter der Aufklärung ................................356

5.2 Eine »unfruchtbare Wüste« vermeiden. Schonung von Land als militärisch-ökonomische Rationalität............................................360 5.2.1 Was nutzt eine Wüste? Die Landesverwüstung in der Kritik .......362 5.2.2 Ökonomischer Nutzen als Argument: Kontributionen als Schonung des Landes .......................................................................368

5.3 Gerechter Krieg und Nützlichkeit. Landesverwüstungen im völkerrechtlichen und militärrechtlichen Diskurs............................374 5.3.1 Überlegungen zur Schonung der Natur in Kriegszeiten: Grotius, Vattel und das entstehende Völkerrecht ..........................376 5.3.2 Disziplin und Eigennutz. Die Natur im Militärrecht .....................386

INHALT

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5.4 Perspektivwechsel. Der »Landmann im Kriege« – Kriegsfolgen im Spiegel agrarischer Schriften ..................................395 5.4.1 Die Abwesenheit des Krieges in der Hausväterliteratur................398 5.4.2 Das zweischneidige Schwert des Krieges im Diskurs der Agrarökonomie .................................................................................402 5.4.3 Kriegszerstörung managen. Der Landwirth in und nach dem Kriege.............................................................................................413

5.5 Kontrolle durch Vernichtung – Ökonomisierung als Schutz. Zwischenfazit ............................................................................................419 Die Natur des Krieges. Fazit und Ausblick.......................................................423 Quellen ........................................................................................................................436 Ungedruckte Quellen ........................................................................................436 Gedruckte Quellen ............................................................................................438 Literatur ......................................................................................................................445 Personenregister .......................................................................................................483 Dank ............................................................................................................................491

Mensch, Krieg und Natur. Einleitung

Der Krieg ist ein Ungeheuer, wenn man dem in der Mitte des 17. Jahrhunderts schreibenden Georg Andreas Böckler glaubt. Er sei ein »wütendes Übel«, das gewaltige Reiche zerschmettert, mächtige Monarchen ins Unglück gestürzt und zahllose Städte in Schutt und Asche gelegt habe. 1 Auch für den am Ende des 18. Jahrhunderts schreibenden Comte de Guibert ist der Krieg ein trauriges Geschäft: Die älteste Kunst der Menschheit, so stellt er ernüchtert fest, ist die eigene Zerstörung. 2 Doch das Ziel dieser beiden und vieler anderer Autoren der Zeit war es nicht, den Krieg grundsätzlich zu kritisieren. Vielmehr befassen sich ihre Schriften damit, wie ein Krieg zu führen, wie sein unstillbarer Hunger nach Menschen und Ressourcen zu stillen und seine Wucht zu dirigieren ist. Dieses militärische Wissen steht im Zentrum der vorliegenden Studie – aber nicht allein. Krieg ist in Böcklers und Guiberts Äußerungen ein anthropozentrisches Ungeheuer, und es scheint tatsächlich so zu sein, dass die (historische) Betrachtung von Konflikten fast ausschließlich menschliche Interessen, menschliche Agency und menschliches Leid in den Blick nimmt. Doch erinnert Krieg durch seine umfassenden Auswirkungen schmerzlich an die Verbindung des Menschen mit verschiedenen anderen Entitäten, seien sie technisch oder natürlich.3 Krieg zerstört im schlimmsten Fall nicht nur den menschlichen Körper, sondern menschliche Gesellschaften, ihre Behausungen und materiellen Güter – und auch ihre Umwelt. Das in heutigen Umweltdebatten immer wieder konstatierte Zeitalter des Anthropozäns, in dem der Mensch zu einem Einflussfaktor auf globale ökologi-

—————— 1 Georg Andreas Böckler, Georg Andreas Böcklers, Archit. & Ingenieurs, Schola Militaris Moderna, oder neu-vermehrte Kriegs-Schule, Frankfurt a. M. 1685, S. 1. 2 Jacques Antoine Hippolyte de Guibert, Essai Général de Tactique, Bd. 1, London 1772, S. LXVI. 3 Vgl. auch Benjamin Bertram, Bestial Oblivion. War, Humanism, and Ecology in Early Modern England, New York NY; London 2018, S. 1–2.

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sche Prozesse gezählt wird, ist in kriegerischen Schreckensszenarien schon lange präsent. Die befürchtete atomare Katastrophe des Kalten Krieges wies unmissverständlich darauf hin, dass hierbei nicht nur die Menschheit allein, sondern ihr gesamter Lebensraum vernichtet werden konnte. Dieses Szenario führte zu ersten Debatten über den Einfluss von Kriegen auf die Umwelt. Mittlerweile werden bewaffnete Konflikte als eines der größten Hindernisse für eine nachhaltige Entwicklung betrachtet, vor allem im globalen Süden.4 Doch ist die Natur nicht nur Opfer des Krieges, sondern gewissermaßen auch Teilnehmer. Aus militärischer Perspektive ist sie Operationsgrundlage und Hindernis, Waffe und Kollateralschaden; als »Terrain« ist sie ein taktisch wirkmächtiger Faktor, in Form der Unbilden des Wetters oder des Klimas der größte Feind von durchgeplanten Aktionen. Diese Unberechenbarkeiten nannte Clausewitz, einer der auch heute noch am breitesten rezipierten Theoretiker des Krieges, in seinem Hauptwerk Vom Kriege die »Friktionen«, die ein Feldherr überwinden müsse.5 Seitdem die Beeinflussung der naturalen Umwelt durch den Menschen auf globaler Ebene immer deutlicher wird, scheint die Aufmerksamkeit gegenüber unbeabsichtigten Folgewirkungen militärischen Handelns einerseits und ökologischen Faktoren als Konfliktursache andererseits ebenfalls immer mehr ins Bewusstsein zu treten. Die Einschätzung klimatischer Veränderungen als Konfliktverschärfer nicht nur in aktueller, sondern auch in historischer Perspektive weist in den letzten Jahren darauf hin. 6

—————— 4 Vgl. Armin Grunwald, Jürgen Kopfmüller, Nachhaltigkeit, Frankfurt a. M.; New York 2006, S. 169–170. Die von der UN formulierten und 2016 in Kraft getretenen »Ziele für Nachhaltige Entwicklung« führen unter 17 Punkten unter anderem den Punkt »Peace, Justice, and Strong Institutions« auf, vgl. un.org/sustainabledevelopment/sustainabledevelopment-goals/ (Abruf am 18.10.2019). 5 Vgl. dazu Lisa M. Brady, Nature as Friction. Integrating Clausewitz into Environmental Histories of the Civil War, in: Brian Allen Drake (Hrsg.), The Blue, the Gray, and the Green. Toward an Environmental History of the Civil War, Athens GA; London 2015, S. 144–162, hier S. 145–146. 6 Vgl. Roland Oberschmidleitner, Militärökologie – Die Ökologisierung des militärischen Denkens, in: Christian Wagnsonner, Stefan Gugerel (Hrsg.), Krieg mit der Natur? Militärische Einsätze zwischen Beherrschung des Geländes und Bewahrung der Umwelt, Wien 2013, S. 87–101; Hans Günter Brauch, Ökologische Kriegstheorien, in: Thomas Jäger, Rasmus Beckmann (Hrsg.), Handbuch Kriegstheorien, Wiesbaden 2011, S. 105–122; Harald Welzer, Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird, Frankfurt a. M. 2008. Welzer argumentiert gerade aufgrund dieser von ihm postulierten Verbindung von Umweltwandel und Konfliktpotenzial für die stärkere Einbeziehung der Geistes- und Kulturwissenschaften bei der Lösung der Probleme des Klimawandels. Kritisch auf die fehlende empirische

EINLEITUNG

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Das gleichzeitige Betrachten von Krieg und Umwelt in der menschlichen Geschichte ist eine Herausforderung. Der Umwelthistoriker Edmund Russel schreibt in seiner Studie War and Nature, es gebe eine lange Tradition des westlichen Denkens, die Krieg als gegen Menschen gerichtetes Unterfangen von der Nutzung und Beeinflussung der Natur abgrenze. Nicht umsonst betont bereits der bekannte Bibelvers einen fundamentalen Unterschied zwischen »Schwertern« und »Pflugscharen«: Nur wenn der Krieg gegen Menschen vorbei ist, wird der Frieden eingeläutet, der sich durch die Bewirtschaftung der Natur auszeichnet. Beide Zustände schließen einander aus.7 Erst in den letzten zwei Jahrzehnten etabliert sich langsam eine Subdisziplin aus Umwelt- und Militärhistorikern, die diese ontologische Trennung überwindet und beginnt, beide Bereiche in ihren vielgestaltigen Verknüpfungen zu erforschen. Dabei geht es sowohl um die verschiedenen, für Akteure kaum absehbaren Folgewirkungen menschlicher Eingriffe in die naturale Umwelt, als auch um die Verbindung und gegenseitige Intensivierung des Führens von Krieg und des Kontrollierens von Natur. Die Perspektive dieses Buches ist es, diese Relation zwischen Mensch, Krieg und Natur an einem entscheidenden, aber bislang wenig beachteten Punkt in den Blick zu nehmen. Die meisten Studien dieses Feldes betrachten die technisierte Kriegführung der Moderne sowie technisches und naturwissenschaftliches Wissen als Bindeglied zwischen der Beeinflussung von Natur und dem Führen von Krieg. Die Perspektive des Militärs selbst bleibt allerdings oftmals bemerkenswert wenig beleuchtet. Demgegenüber betont dieses Buch die Rolle taktischen und strategischen Wissens über die Nutzung und Beeinflussung von Natur. Als Beispiel wählt es das 17. und 18. Jahrhundert, eine formative Phase des militärischen und strategischen Denkens über den Krieg. Autoren wie der eingangs angeführte Böckler oder Guibert sind bereits gute Beispiele für die frühneuzeitliche Militärtheorie, die Krieg versuchte erlern- und letztlich kontrollierbar zu machen, indem sie ihn anhand von Maximen, Prinzipien und Theorien aufschlüssel-

——————

Unterfütterung dieser These und auf die a priori erfolgende Verortung von Krieg als Problem »unterentwickelter« Länder hinweisend allerdings Benedikt Korf, Klimakriege. Zur politischen Ökologie der »Kriege der Zukunft«, in: Thomas Jäger, Rasmus Beckmann (Hrsg.), Handbuch Kriegstheorien, Wiesbaden 2011, S. 577–585; zur Verbindung von Krieg und Klimawandel zur Zeit der »Kleinen Eiszeit« vgl. Geoffrey Parker, Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century, New Haven 2014. 7 Vgl. Edmund Russel, War and Nature. Fighting Humans and Insects with Chemicals from World War I to Silent Spring, Cambridge u. a. 2001, S. 2.

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te. Die Nutzung und Beeinflussung der naturalen Umwelt war auf mehreren Ebenen Teil dieser Überlegungen. Dieses Schreiben über Krieg als Form militärischen Wissens steht im Kontext mehrerer makrohistorischer Prozesse: Erstens die klassisch durch Johannes Burkhardt konstatierte »Bellizität« Europas sowie eine durch langsame Herrschaftsverdichtung hervorgerufene militärische Dynamik;8 zweitens der Beginn der europäischen »Aufklärung« sowie der Aufstieg der empirischen Wissenschaften;9 drittens ein sich in diesem Zuge verändernder und intensivierender Zugriff auf die Umwelt, der vor dem Hintergrund der in dieser Studie gewählten Perspektive ebenfalls von Bedeutung ist.10 Das Argument dieser Studie ist, dass sich im 17. und 18. Jahrhundert verstärkt ein systematischer militärischer Blick auf die naturale Umwelt anhand verschiedener Problemlagen entwickelte. In der Militärtheorie ging es im Laufe der Zeit immer stärker darum, Krieg durch die Etablierung bestimmter Regeln und Maximen systematisch beschreibbar und folglich auch kontrollierbar zu machen. Diese Kontrolle des Krieges war im militärtheoretischen Diskurs verknüpft mit der Kontrolle von Natur. In den Ratschlägen zu verschiedenen Bereichen militärischen Agierens wurde

—————— 8 Vgl. klassisch Johannes Burkhardt, Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegungen einer Theorie der Bellizität Europas, in: Zeitschrift für historische Forschung 24 (1997), S. 509–574. 9 Vgl. Steven Shapin, The Scientific Revolution, Chicago IL; London 1996, S. 1–4; S. 30– 64; Paul Hazard, Die Herrschaft der Vernunft. Das europäische Denken im 18. Jahrhundert, Hamburg 1949; Peter Gay, The Enlightenment. An Interpretation, 2 Bde., 1967–69; Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Frankfurt a. M. 1973; Horst Moeller, Vernunft und Kritik. Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1986; Jonathan Israel, Radical Enlightenment. Philosophy and the Making of Modernity, 1650–1750, Oxford 2001; Jonathan Israel, Enlightenment Contested. Philosophy, Modernity, and the Emancipation of Man, 1670–1752, Oxford 2006; Jonathan Israel, Democratic Enlightenment. Philosophy, Revolution, and Human Rights, 1750–1790, Oxford 2012; kritisch zur bisherigen Aufklärungsforschung zuletzt Andreas Pečar, Damien Tricoire, Falsche Freunde. War die Aufklärung wirklich die Geburtsstunde der Moderne?, Frankfurt a. M.; New York 2015. 10 Klassisch Günter Bayerl, Die Natur als Warenhaus. Der technisch-ökonomische Blick auf die Natur in der Frühen Neuzeit, in: Sylvia Hahn, Reinhold Reith (Hrsg.), UmweltGeschichte. Arbeitsfelder, Forschungsansätze, Perspektiven (Querschnitte, Bd. 8), Wien; München 2001, S. 33–52; weniger stark vgl. Roy Porter, The Environment and the Enlightenment: The English Experience, in: Lorraine Daston, Gianna Pomata (Hrsg.), The Faces of Nature in Enlightenment Europe, Berlin 2003, S. 17–38, hier S. 23–26; ebenfalls Rainer Beck, Ebersberg oder das Ende der Wildnis. Eine Landschaftsgeschichte, München 2003, S. 128–130.

EINLEITUNG

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immer stärker auf Eigenheiten des Terrains oder auf besondere naturale Bedingungen geachtet. Ihnen wurde eine taktische Wirkmächtigkeit zugeschrieben, sie sollten an taktische Erfordernisse angepasst werden und sie wurden das Objekt einer genauen Erfassung nach militärisch relevanten Gesichtspunkten. Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts, als bereits erste Zweifel an der Kontrollierbarkeit des Krieges durch Regeln und Systeme des Wissens aufkamen, wurde auch die Verbindung mit der Kontrolle der Natur in Frage gestellt. Doch zugleich wurde in diesem Diskurs auch die Kontrolle des Krieges durch die Natur explizit gemacht. Dass naturale Faktoren militärisches Handeln bis zu einem gewissen Grad bestimmten, war nicht nur militärisches Standardwissen; ihre Limitierungen waren integraler Bestandteil des Reflexionsrahmens. So war nicht nur das Nutzen lokaler Ressourcen als Thema präsent, sondern auch das Anwenden von Taktiken der »verbrannten Erde«, die diese Abhängigkeiten auszunutzen versuchten. Nicht trotz der Abhängigkeit von der Natur wurde Krieg geführt, sondern diese Abhängigkeiten wurden selbst zum Führen des Krieges genutzt. Diese Entwicklung eines militärischen Wissens über die naturale Umwelt verlief keineswegs geradlinig, sondern fließend und zum Teil widersprüchlich. Zudem wird deutlich, dass gerade anhand der vielfältigen Erscheinungsformen von Natur unterschiedliche Wissensbereiche in die Militärtheorie eingeflochten wurden – seien es kameralistische Raumkonzepte, gelehrte Ausführungen über Ressourcen oder völkerrechtliche Einschätzungen zur Legitimität von Krieg und Kriegspraktiken. Um diese Geschichte zu erzählen, wurde primär eine Stichprobe von etwa 180 militärtheoretischen Traktaten ausgewertet, um einen Zugang zum zeitgenössischen Wissen über das Führen von Krieg möglich zu machen und den militärtheoretischen Diskurs zu erschließen. Über diese Quellen hinaus aber werden verschiedene weitere Quellenarten in die Studie einbezogen. So ermöglichen gedruckte Abhandlungen über das Völkerrecht einen Einblick in die Betrachtung von Umweltschäden im Kriegsrecht des 17. und 18. Jahrhunderts. Sammlungen von Kriegsartikeln und Reglements werden genutzt, um schlaglichtartig den Bereich der innermilitärischen Disziplin und dessen Verhältnis zur Nutzung oder Zerstörung von Natur zu beleuchten. 11 Gedruckte Traktate der Hausväterliteratur und agrarökonomische Werke werden ebenfalls auf ihre Bezugnahme auf Kriegseinflüsse befragt. 12 Zu Beginn jedes Kapitels wird die jeweilige Ebe-

——————

11 Vgl. dazu Kap. 5.3. 12 Vgl. dazu Kap. 5.4.

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ne des Umgangs mit der naturalen Umwelt anhand von verschiedenen Beispielen aus der Kriegspraxis des 17. und 18. Jahrhunderts und unter Rückgriff auf ungedruckte Quellen problematisiert. Dies verdeutlicht, dass der militärtheoretische Diskurs durchaus grundsätzliche Probleme ansprach, die auch in der Kriegspraxis auftraten. Die Beispiele stammen aus zwei Konflikten, die jeweils am Ende des 17. und am Ende des 18. Jahrhunderts ausgetragen wurden und die damit die Betrachtung der militärtheoretischen Traktate in den etwa einhundert Jahren gewissermaßen »rahmen«: der Pfälzische Erbfolgekrieg 1688 bis 1697 sowie der historiographisch weniger präsente Bayerische Erbfolgekrieg 1778 bis 1779.13 Zwei wesentliche Aspekte dieser Konflikte sprechen für ihre Betrachtung. Erstens weisen viele Militärtheoretiker, wie im Laufe der Studie deutlich werden wird, auf verschiedene Arten einen Bezug zu diesen Konflikten auf. So war der Pfälzische Erbfolgekrieg nicht nur für viele französische Militärtheoretiker Teil ihrer eigenen Biografie, sondern darüber hinaus auch später im 18. Jahrhundert noch ein prominenter Referenzpunkt; verschiedene Autoren des späten 18. Jahrhunderts kämpften zudem im Bayerischen Erbfolgekrieg, und er war einer der letzten europäischen Konflikte des Ancien Régime vor der Französischen Revolution. Zweitens aber sind bei-

—————— 13 Die Ursprünge und jeweiligen Verläufe dieser Konflikte werden in dieser Studie nicht thematisiert. Hierzu sei auf die historische Forschung verwiesen, die sich bereits mit beiden Kriegen auseinandergesetzt hat, wenn auch nicht in so umfangreicher Form, wie es für andere Kriege geschehen ist. Für den Pfälzischen Erbfolgekrieg vgl. John A. Lynn, The Wars of Louis XIV. 1667–1714, London; New York 1999, S. 191–265; Peter H. Wilson, German Armies. War and German Politics, 1648–1806, London 1998, S. 68–100; Winfried Dotzauer, Der historische Raum des Bundeslandes Rheinland-Pfalz von 1500–1815. Die fürstliche Politik für Reich und Land, ihre Krisen und Zusammenbrüche (Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 538), Frankfurt a. M. u. a. 1993, S. 164–180; Meinrad Schaab, Geschichte der Kurpfalz, Bd. 2: Neuzeit, Stuttgart u. a. 1992, S. 149–153. Für den Bayerischen Erbfolgekrieg vgl. Eduard Reimann, Geschichte des Bairischen Erbfolgekrieges, Leipzig 1869; Adolf Beer, Zur Geschichte des bayerischen Erbfolgekrieges, in: Historische Zeitschrift 35 (1876), S. 88–152; Rudolf Walter Litschel, Der bayerische Erbfolgekrieg 1778/79 und der Erwerb des Innviertels. Ein Report, Linz 1978; Volker Press, Bayern am Scheideweg. Die Reichspolitik Kaiser Josephs II. und der Bayerische Erbfolgerkieg 1777–1779, in: Max Spindler (Hrsg.), Festschrift für Andreas Kraus zum 60. Geburtstag (Münchener Historische Studien, Abteilung Bayerische Geschichte, Bd. X), Kallmünz; Opferdingen 1982, S. 277–307; František Stellner, Zu einigen außenpolitischen und militärischen Aspekten des bayrischen Erbfolgekrieges, in: Prague Papers on the History of International Relations 1998, H. 2, S. 237–264; Daniel Hohrath, Die Rolle des Prinzen von Heinrich im Bayerischen Erbfolgekrieg von 1778– 1779, in: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hrsg.), Prinz Heinrich von Preußen. Ein Europäer in Rheinsberg, München; Berlin 2002, S. 112–114.

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de Konflikte aus der Perspektive einer Umweltgeschichte des Krieges auch deswegen besonders interessant, weil die naturale Umwelt hier stellenweise zum Schlüsselelement des Kriegsgeschehens wurde. Während der »Verwüstung der Pfalz« zerstörten französische Soldaten nicht nur Städte, sondern auch Dörfer sowie Ernten und Gärten, um mit dieser Taktik der verbrannten Erde ein Hindernis für vorrückende Reichstruppen zu schaffen.14 Der Bayerische Erbfolgekrieg, auf den ersten Blick als Krieg ohne Schlachten eine Art historisches Kuriosum, zeichnete sich dagegen durch die Nutzung von Terrain und die »Friktion« naturaler Elemente aus: Österreicher und Preußen standen sich in den Bergzügen Nordböhmens in derart festen Stellungen gegenüber, dass größere Aktionen ausblieben. Stattdessen übernahmen nun stets präsente Begleiter des Krieges die Hauptrolle: Hunger, Durst und Mangel, Krankheit und Kälte. Die angeführten und aus verschiedenen Korrespondenzen gezogenen Beispiele sind keineswegs darauf angelegt, erschöpfend Einblick in diese Konflikte zu geben – vielmehr dienen sie als induktive Einleitung in die verschiedenen Bereiche des militärischen Wissens über Natur. Die Studie gliedert sich in fünf inhaltliche Kapitel. Im Untersuchungszeitraum etablierte sich in der Militärtheorie immer mehr die Überzeugung, dass Krieg als das Gebiet eines »wissenschaftlichen« Interesses zu gelten habe; dabei befand sich nicht nur diese Vorstellung einer »KriegsWissenschaft«, sondern auch die Vorstellung von »Wissenschaft« selbst noch im Fluss. Dieser Entwicklung widmet sich das erste Kapitel des Buches, bevor die Perspektive auf die Stellung der naturalen Umwelt in dieser Wissensform gerichtet wird, um ihre vielfältigen Rahmenbedingungen zu erforschen: Wie wurde militärtheoretisches Wissen produziert und rezipiert, und nach welchen Systematiken sollte es geordnet werden? Es gab verschiedene Antworten auf diese Fragen, und somit unterschiedliche Perspektiven auf die »Wissenschaft« des Krieges. In der Folge wird systematisch in jedem weiteren Kapitel eine Ebene der Thematisierung von Natur im militärtheoretischen Diskurs herausgearbeitet. Diese konstituierten sich an vier unterschiedlichen Problemlagen und damit verbundenen militärischen Praktiken. Das zweite Kapitel betrachtet zunächst die taktische und operative Ebene der Nutzung und Veränderung von Natur. Dabei wird anhand von Praktiken wie dem Marschieren, dem Lagern oder dem Befestigen nachvollzogen, wie sich im

—————— 14 Vgl. dazu Kap. 5.

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militärtheoretischen Diskurs sowohl über die allgemeine Kriegskunst als auch über den Festungsbau langsam eine größere Aufmerksamkeit gegenüber naturalen Faktoren ausformte. Dies äußerte sich in immer differenzierteren Beschreibungen von taktischer Wirkmächtigkeit, aber auch in immer weitreichenderen Ideen zur taktischen Nutzung und Umgestaltung von naturalen Umgebungen. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts kritisierten wenige Autoren eine von ihnen wahrgenommenen »Manie« der Rücksichtnahme auf die Topografie und auf Faktoren der Umwelt. Die Kontrolle der Natur als Kontrolle des Krieges begann, sich aufzulösen. Wenn naturalen Elementen eine taktische Wirkmächtigkeit zugeschrieben wurde, dann waren exakte Informationen über die Beschaffenheit eines Landes mindestens ebenso wichtig wie Informationen über den Feind. Mit der Erlangung dieser Informationen befasst sich das dritte Kapitel. Anhand der primären, immer wieder auftauchenden Praktiken der Informationsgewinnung wie der Befragung von lokalen Wegweisern oder der Nutzung von Karten wird deutlich, wie sich im Diskurs an den eingeforderten Informationen über die naturale Umwelt eine bestimmte Vorstellung von militärischer Genauigkeit etablierte. Damit stellten die Militärs nach eigenem Bekunden höhere Anforderungen an die Erfassung eines Landes als nahezu jede andere Gruppe – verzweifelten allerdings zugleich an der immer wieder konstatierten Fehleranfälligkeit der ihnen zur Verfügung stehenden Verfahren. Die Natur wurde zu einem Objekt einer epistemischen Kontrolle, was sich anhand der stetigen Kritik an den Unzulänglichkeiten und Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung aber immer wieder als eine Kontrollfantasie entpuppte. Kapitel vier richtet den Blick auf Praktiken der Logistik und die Abhängigkeiten von Armeen von bestimmten naturalen Ressourcen, um ein militärisches Ressourcenmanagement herauszuarbeiten. In Bezug auf die Ressourcen Fourage, Wasser und Holz wurden in der Militärtheorie immer wieder Handlungsanweisungen gegeben, nach denen sich eine Armee in Eigenregie mit diesen Ressourcen versorgen sollte. In diesen drei Themenfeldern der Armeeversorgung zeigen sich gewisse Gemeinsamkeiten. So wurde der Gebrauch dieser Ressourcen stets in einem eher kurzfristig angelegten militärischen Zeithorizont verortet, in dem höchstens die nächste, wenn nicht sogar die unmittelbar stattfindende Kampagne den zeitlichen Bezugspunkt bildete. Zugleich prägte aber der Ge- und Verbrauch bestimmter Ressourcen auch den Zeithorizont militärischen Agierens, wenn Lager beispielsweise nur so lange bestehen konnten, wie es

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genügend Fourage in der Region gab. Außerdem zeigt sich in der Thematisierung von Natur als Ressource ein deutlich militärischer Zug, der vor allem darin bestand, den eigenen Bedarf in Beziehung zu einem möglichen Feind zu setzen. Der eigene Verbrauch naturaler Ressourcen war stets gekoppelt mit dem Bestreben, diese einem Gegner zugleich streitig zu machen und ihn so durch Mangel zu schädigen. Es ist zuletzt nicht verwunderlich, dass sich militärische Gewalt genau wegen dieser Abhängigkeiten auch gegen die naturale Umwelt selbst richten konnte. In Kapitel fünf wird daher mit der Taktik der »verbrannten Erde« eine Gewaltpraktik in der Militärtheorie untersucht, in der Schäden an der naturalen Umwelt nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern das Ziel militärischen Handelns waren. Weil diese Kriegsschäden auch außerhalb des militärtheoretischen Diskurses verstärkt diskutiert wurden, wird der Blick um Stichproben aus dem entstehenden Völkerrecht und aus agrarökonomischen Schriften erweitert. Die Taktik der »verbrannten Erde« ist eine Kriegspraktik, die zwar nicht im 17. und 18. Jahrhundert geprägt wurde. Allerdings wurde sie auch nicht unter dem Eindruck einer »gezähmten Bellona«15 im 18. Jahrhundert einstimmig verurteilt. Vielmehr wurde sie als Bestandteil des militärischen Wissens und damit als denkund artikulierbar aufgefasst und in die Suche nach generellen Regeln des Krieges integriert. Zugleich sind Beschränkungen der kriegerischen Gewalt gegen die naturale Umwelt ebenfalls Teil des Diskurses. Besonders wirkmächtig war eine in der Militärtheorie vorgetragene Kritik an der Landesverwüstung, die sich auf ein Argument der Effizienz stützte: Anstatt ein Land zu verwüsten, sei es ökonomisch interessanter, es mit Kontributionen zu belegen und so den größtmöglichen Nutzen daraus zu ziehen. Letztlich zeigt sich in der Betrachtung der Legitimität oder Illegitimität der gezielten Verwüstung von Land eine funktionale, utilitaristische Perspektive auf militärische Gewalt gegen Natur: Nutzlose Verwüstungen waren zwar zu verurteilen, aber ein generelles Verbot der Taktik der »verbrannten Erde« fand sich in den »aufgeklärten Kriegswissenschaften« nicht. Zuletzt fasst ein kurzes Fazit die herausgearbeiteten Linien der Studie zusammen und verortet die Ergebnisse im größeren historischen Kontext. Auch öffnet ein kurzer Ausblick die Perspektive auf die möglichen Nach-

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15 Zu diesem Begriff vgl. klassisch Gerhard Ritter, Staatskunst und Kriegshandwerk. Das Problem des »Militarismus« in Deutschland, Bd. 1: Die altpreußische Tradition (1740– 1890), München 1959, S. 59.

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wirkungen dieses frühneuzeitlichen Wissens und damit die breiteren Implikationen der Ergebnisse. Der Beginn des 19. Jahrhunderts markiert in traditionellen historischen Narrativen Ende und Neuanfang auf verschiedenen Ebenen. Das Ancien Régime brach in der Französischen Revolution und den folgenden Umwälzungen in Europa zusammen; gleichzeitig betrat eine neue Form des Krieges ungekannten Ausmaßes die Bildfläche, in dem mehrfach die Wurzel des »totalen« Krieges erblickt worden ist. Mit den zu dieser Zeit schreibenden Theoretikern, besonders Clausewitz, endete die Vorstellung der Kontrollierbarkeit des Krieges. Obgleich er sich auf das umfangreiche militärische Wissen des 18. Jahrhunderts bezog, war Clausewitz bereits kein Vertreter der »aufgeklärten Kriegswissenschaften« mehr – deren zentrale Episteme war zusammengebrochen. 16 Doch der militärische Blick auf die Natur folgte diesem Bruch nur teilweise. Hier zeigt sich die besondere Möglichkeit einer umwelthistorischen Perspektive auf Konflikte, die geeignet ist, traditionelle militärhistorische Periodisierungen produktiv zu irritieren.

Die Umweltgeschichte des Krieges Wechselwirkungen zwischen Krieg und Natur werden in mehreren Forschungsfeldern thematisiert. Die konsequente Adressierung dieses Themengebietes aus der Perspektive einer »environmental history of war« hat verschiedene Vorgänger sowohl in der Militärgeschichte als auch in anderen Forschungsgebieten. Die klassische militärische Operationsgeschichte befasste sich immer auch mit dem Terrain als Einfluss auf die Kriegführung. Punktuell wurde ihm eine gewisse Wichtigkeit für den Verlauf von Schlachten zugesprochen. Ansonsten entsprach es aber eher einer »Kulisse« des militärischen Handelns. Ein Beispiel sind die operationsgeschichtlichen Schilderungen des Preußischen Generalstabs zu den Schlachten Friedrichs II.: Zur Schlacht von Kolin gehört die Schilderung der Topografie des Schlachtfel-

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16 Vgl. Peter Paret, Clausewitz in seiner Zeit. Zur Kriegs- und Kulturgeschichte der Jahre von 1780 bis 1831, Würzburg 2017, S. 34–41.

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des dazu, sowie die Erwähnung von Nebel, der Friedrich den Blick auf das Schlachtfeld erschwerte. 17 In der neueren Militär- und Schlachtengeschichte findet die Umwelt als eigener Faktor der Kriegführung vermehrt Aufmerksamkeit auch jenseits taktischer Belange. Als Element des militärischen Alltags betrachtet beispielsweise bereits John Keegan in seiner Studie Das Antlitz des Krieges die Auswirkungen naturaler Faktoren wie Wetter oder topografische Gegebenheiten, die neben dem taktischen Handeln auch die Wahrnehmung der Kombattanten beeinflussten. 18 In seiner breit angelegten Studie Die Kultur des Krieges geht er zudem auf die Wirkmächtigkeit der Geografie ein, die in bestimmten Regionen besonders häufig zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt habe. 19 Einen ähnlich großen Einfluss sprechen der Topografie die Sammelbände von Michael Stephenson und Harold A. Winters zu. Anhand von Portraits verschiedener Landschaften, wie Ebenen, Flüssen oder Wäldern, werden in operationsgeschichtlicher Perspektive Feldzüge von der Antike bis zum Ersten Golfkrieg und ihre Abhängigkeit von Faktoren des Terrains und des Wetters betrachtet. 20 Naturale Einflüsse auf entscheidende militärische Momente bestimmt Winters in seiner Einleitung als »important, cogent, and sometimes decisive in combat.«21 Mit der expliziten Betonung der Geo- und Topografie bei einer zugleich stark operationsgeschichtlich gelagerten Perspektive bewegen sich Stephenson und Winters damit zwischen der Operationsgeschichte und dem Feld der »Military Geography«. Die Militärgeografie entstand als eine Form der militärischen »Geländekenntnis« und institutionalisierte sich im

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17 Vgl. Großer Generalstab, Kriegsgeschichtliche Abteilung II, Der Siebenjährige Krieg. 1756– 1763, Bd. 3: Kolin (Die Kriege Friedrichs des Großen, Dritter Teil: Der Siebenjährige Krieg), Berlin 1901, S. 65–93. 18 Vgl. dafür zum Beispiel seine Schilderung der Schlacht von Azincourt 1415. John Keegan, Das Antlitz des Krieges. Die Schlachten von Azincourt 1415, Waterloo 1815 und an der Somme 1916, Frankfurt a. M. 20072, S. 89–134. 19 Vgl. John Keegan, Die Kultur des Krieges, Köln 2012, S. 104–123. 20 Vgl. Michael Stephenson (Hrsg.), Battlegrounds. Geography and the History of Warfare, New York NY 2003; Harold A. Winters u. a. (Hrsg.), Battling the Elements. Weather and Terrain in the Conduct of War, Baltimore; London 1998. Fokussiert auf Kampfhandlungen in Wäldern hat in den letzten Jahren Anthony Clayton einen ebenfalls operationsgeschichtlichen Überblick vorgelegt, der sich von der frühneuzeitlichen Kriegführung bis auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erstreckt, vgl. Anthony Clayton, Warfare in Woods and Forests, Bloomington IN 2012. 21 Harold A. Winters, Introduction. War and Geography, in: Ders. u. a. (Hrsg.), Battling the Elements. Weather and Terrain in the Conduct of War, Baltimore; London 1998, S. 1–4.

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Laufe des 19. Jahrhunderts.22 Die moderne Militärgeografie, die im englischen Sprachraum seit den 1990er Jahren unter dem Einfluss kulturwissenschaftlicher Methoden als »new military geography« firmiert, sieht sich stärker als Subdisziplin einer allgemeinen Geografie. Nicht nur die entscheidende Bedeutung von Terrain für die operative Kriegführung wird – oftmals unter historischer Perspektive – betrachtet.23 Auch die »Militarisierung« ganzer Landschaften steht im Fokus, durch Sicherheitsarchitektur sowie zahlreiche Aktivitäten von Streitkräften, wie das Nutzen von Truppenübungsplätzen und Armeestützpunkten. Dabei widmen sich einzelne Studien auch ökologischen Paradoxien, wie beispielsweise der bemerkenswerten Biodiversität in der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea.24 Die Perspektive auf »militarisierte Landschaften« in Form von Kriegsvorbereitung und Rüstung eröffnet einen weiteren Fragehorizont. Immer wieder haben historische Studien Teilaspekte der Kriegsvorbereitung und der Rüstung thematisiert. Hervorzuheben für die Frühe Neuzeit sind am Beispiel von Holz die klassischen Studien von Robert Albion und Paul Bamford, die jeweils für die englische sowie die französische Marine auf die Bedeutung verschiedener Holzarten für die Produktion von Kriegsschiffen verwiesen. Bestimmte Holzsorten waren daher strategisch wichti-

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22 Vgl. ihre Entstehungsgeschichte bei Philippe Boulanger, Geographie militaire, Paris 2006. 23 Vgl. beispielsweise die Beiträge in Peter Doyle, Matthew R. Bennett (Hrsg.), Fields of Battle. Terrain in Military History (The GeoJournal Library, Bd. 64), Dordrecht; Boston, MA; London 2002; Douglas R. Caldwell, Judy Ehlen, Russel S. Harmon (Hrsg.), Studies in Military Geography and Geology, Dordrecht; Boston, MA; London 2004; C. E. Wood, Mud. A Military History, in: Washington D. C. 2007. 24 Vgl. beispielsweise Rachel Woodward, Military Geographies, Malden MA 2004; Colin Flint (Hrsg.), The Geography of War and Peace. From Death Camps to Diplomats, Oxford 2005; Chris Pearson, Peter Coates, Tim Cole (Hrsg.), Militarized Landscapes. From Gettysburg to Salisbury Plain, London 2010; Gary A. Boyd, Denis Linehan (Hrsg.), Ordnance: War + Architecture & Space, Farnham 2013. Dass sich auch frühneuzeitliche militarisierte Landschaften durchaus positiv auf lokale Ökosysteme auswirken konnten, zeigt Sander Govaerts am Beispiel der zahlreichen Befestigungsanlagen in der Flussregion der Meuse: So stellte der Botaniker André Devos Ende des 19. Jahrhunderts fest, dass das erst seit dem Mittelalter in der Region heimische Eisenkraut besonders gut an den steinverkleideten Wallanlagen aufgrund des wärmeren Mikroklimas der alten Festungen gedieh; die diversen Überreste alter Fortifikationen dienen heute Fledermäusen und anderen seltenen Tier- und Pflanzenarten als Refugium. Vgl. Sander W. E. Govaerts, Mosasaurs. Interactions between armies and ecosystems in the Meuse Region, 1250–1850, Unveröff. Diss., Universität von Amsterdam 2019, S. 77; S. 122–123. Ich danke dem Autor für den Einblick in das unveröffentlichte Manuskript.

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ge Ressourcen für beide Staaten. 25 Auch umwelthistorische Studien, die sich mit der generellen Bedeutung des Rohstoffes Holz für die Frühe Neuzeit befassen, betonen am Rande die Verbindung von Holzwirtschaft, Bergbau und Krieg, wenn beispielsweise Holz als Werkstoff des Bergbaus ein Grund für Konflikte war, der Krieg aber wiederum die Bergbautätigkeit zum Erliegen brachte. 26 Wie die Studie von Axel Bader zeigt, war die Ressource Holz noch im Ersten Weltkrieg von elementarer Bedeutung für die Versorgung mit Nutzholz und die Gewinnung von Gerbrinde.27 Die mit der Rüstung verbundene Nachfrage nach naturalen Ressourcen war zudem schon früh ein Motor transregionaler Verflechtung, sei es der Bezug von Holz zum Schiffbau aus entlegenen Gegenden der Ägäis in der Antike28 oder aus dem Baltikum für die englische Flotte in der Frühen Neuzeit,29 chinesische Kohlereserven am Ende des 19. Jahrhunderts als Triebkraft des Kolonialismus 30 oder die Förderung von Uran für USamerikanische Atombomben in Südafrika.31 Besonders am Beispiel der Uranförderung weist die Studie von Valerie Kuletz auf die Verflechtung von Militär, Rüstungsindustrie und US-amerikanischer Waffenforschung hin, die desaströse ökologische und soziale Folgewirkungen zeitigte. 32 Diese ökologischen und sozialen Folgen von Rüstung und Krieg stehen auch im Fokus der bereits angesprochenen Betrachtung von Krieg und Umwelt aus der juristischen und politikwissenschaftlichen Perspektive. Aus

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25 Vgl. Robert Greenhalgh Albion, Forests and Sea Power. The Timber Problem of the Royal Navy 1652–1862, Cambridge 1926; Paul Walden Bamford, Forests and French Sea Power, 1660– 1789, Toronto 1956. 26 Vgl. beispielsweise Peter-Michael Steinsiek, Nachhaltigkeit auf Zeit. Waldschutz im Westharz vor 1800 (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Bd. 11), Münster u. a. 1999, S. 209–211. 27 Vgl. Axel Bader, Wald und Krieg. Wie sich in Kriegs- und Krisenzeiten die Waldbewirtschaftung veränderte. Die deutsche Forstwirtschaft im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2011; für die britische und US-amerikanische Perspektive vgl. bereits A. Joshua West, Forests and National Security: British and American Forestry Policy in the Wake of World War I, in: Environmental History 8 (2003), S. 294–311. 28 Vgl. Russel Meiggs, Trees and Timber in the Ancient Mediterranean World, Oxford 1982, S. 128, der auf den Transport von Holz aus Mazedonien für die Flotte Athens verweist. 29 Vgl. das Kapitel bei Albion, Forests and Sea Power, S. 139–199. 30 Vgl. Shellen Xiao Wu, Empires of Coal. Fueling China’s Entry into the Modern World Order, 1860–1920, Stanford CA 2015, S. 129–145. 31 Vgl. Jade Davenport, Digging Deep. A History of Mining in South Africa, 1852–2002, Johannesburg 2013. 32 Vgl. Valerie L. Kuletz, The Tainted Desert. Environmental Ruin in the American West, New York NY; London 1998.

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den späten 80er- und 90er-Jahren sind aus dem Kontext der Friedensforschung, der Biologie sowie des Umwelt- und Völkerrechts die Sammelbände und Studien von Glen Plant, Arthur Westing und Richard Falk relevant. Sie weisen auf die völkerrechtlich problematische Stellung von Umweltschäden hin und plädieren zum Teil angesichts einer bislang nur unzureichenden juristischen Definition für eine »fünfte Genfer Konvention« zum Schutz der Umwelt in Kriegszeiten. 33 Dabei war bereits 1978, nach dem Ende des Vietnam-Krieges, die ENMOD-Konvention34 von 47 Staaten der Vereinten Nationen unterzeichnet worden, die in bewaffneten Konflikten gezielte militärische Eingriffe in die naturale Umwelt untersagte; 1977 wurde im ersten Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen ebenfalls in manchen Punkten auch die bewusste Schädigung der naturalen Umwelt völkerrechtlich geächtet.35 Die umwelthistorische Betrachtung des Krieges ist in den letzten zwanzig Jahren im anglophonen Raum zu einer eigenen Subdisziplin herangewachsen. Ihre Wurzeln liegen ebenfalls in den 80er- und 90er-Jahren. In einem ersten Aufsatz betrachtete Albert Cowdrey bereits 1983 kursorisch die verschiedenen Auswirkungen des Krieges auf die naturale Umwelt. 36 Zwei Jahre später widmete sich Ralph H. Lutts der Verbindung von Atomwaffentests, dem entstehenden Bewusstsein von der Schädlichkeit atomaren Fallouts und dem Erfolg von Rachel Carsons Silent Spring und

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33 Vgl. Arthur H. Westing, Constraints on military disruption of the biosphere: an overview, in: Ders. (Hrsg.), Cultural Norms, War and the Environment, Oxford 1988, S. 1– 17; Glen Plant, Elements of a ›Fifth Geneva‹ Convention on the Protection of the Environment in Time of Armed Conflict, in: Ders. (Hrsg.), Environmental Protection and the Law of War: A ›Fifth Geneva‹ Convention on the Protection of the Environment in Time of Armed Conflict, London; New York NY 1992, S. 37–64; Richard Falk, The Inadequacy of the Existing Legal Approach to Environmental Protection in Wartime, in: Jay E. Austin, Carl E. Bruch (Hrsg.), The Environmental Consequences of War. Legal, Economic and Scientific Perspectives, Cambridge 2000, S. 137–155. 34 Convention on the Prohibition of Military or Any Other Hostile Use of Environmental Modification Techniques, zu deutsch auch »Umweltkriegsübereinkommen«. Vgl. für den Text Ingo von Münch, Martin Klingst (Hrsg.), Abrüstung – Nachrüstung – Friedenssicherung. NATO-Doppelbeschluss, NATO-Vertrag, Stationierungsvertrag, Umweltkriegsübereinkommen, SALT 1, SALT 2, KSZE-Schlußakte, KSZE-Folgekonferenz, München 1983. 35 Vgl. v. a. Teil III, Art. 35, Abs. 3 (Verbot umweltschädlicher Waffen), Teil IV, Art. 54 (Verbot des Aushungerns und des Zerstörens von Nahrungsmittelproduktion und -reserven zur Schädigung der Zivilbevölkerung) sowie besonders Teil IV, Art. 55 (Verbot des gezielten Zerstörens der Umwelt als militärisches Ziel oder als Repressalie). 36 Vgl. Albert Cowdrey, Environments of War, in: Environmental Review 7 (1983), H. 2, S. 155–164.

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wies so auf die möglichen Wurzeln der Umweltbewegung in den Rüstungsbemühungen des Kalten Krieges hin.37 Die schweren Umweltschäden im Verlauf des Ersten Golfkrieges zu Beginn der 90er-Jahre scheinen der weiteren Entwicklung der Umweltgeschichte des Krieges Vorschub geleistet zu haben. 38 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts begann sich diese im anglophonen Raum verstärkt zu etablieren. Im Jahr 2001 erschien Edmund Russels Studie War and Nature, auf die bereits eingegangen wurde und die durch ihre Analyse der Verbindung von Naturkontrolle durch Pestizideinsatz und der Nachfrage nach chemischen Kampfstoffen als grundlegend für diese Forschungsrichtung angesehen werden muss. 39 Zusammen mit Russel gab der Umwelthistoriker Richard Tucker 2004 den Sammelband Natural Enemy, Natural Ally heraus, in dem zahlreiche interepochale Studien zur Verbindung von Umweltgeschichte und Militärgeschichte vertreten sind. In der Einleitung beschreibt Tucker dieses Feld als eine »new historical synthesis«,40 eine Einschätzung, die er 2012 im Handbuch Companion to Global Environmental History wiederholt, in dem das Thema neben klassischen umwelthistorischen Forschungsobjekten ein eigenes Kapitel einnimmt. 41 In der Zwischenzeit erschienen weitere Sammelbände und Studien, die besonders die Neuzeit in den Blick nehmen.42

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37 Vgl. Ralph H. Lutts, Chemical Fallout: Rachel Carson’s Silent Spring, Radioactive Fallout, and the Environmental Movement, in: Environmental Review 9 (1985), H. 3, S. 210–225. 38 So erschien kurz darauf mit direkter Referenz zum Ersten Golfkrieg beispielsweise die Studie von Susan D. Lanier-Graham, The Ecology of War. Environmental Impacts of Weaponry and Warfare, New York 1993. 39 Russel, War and Nature. 40 Vgl. Richard P. Tucker, The Impact of Warfare on the Natural World: A Historical Survey, in: Ders., Edmund Russell (Hrsg.), Natural Enemy, Natural Ally. Toward an Environmental History of Warfare, Corvallis OR 2004, S. 15–41, hier S. 15. 41 Vgl. Richard P. Tucker, War and the Environment, in: John Robert McNeill, Erin Stewart Mauldin (Hrsg.), A Companion to Global Environmental History, Oxford 2012, S. 319–339. 42 Vgl. John Robert McNeill, Woods and Warfare in World History, in: Environmental History 9 (2004), S. 388–410; Christopher D. Stone, The Environment in Wartime: An Overview, in: Jay E. Austin, Carl E. Bruch (Hrsg.), The Environmental Consequences of War, Cambridge 2000, S. 16–38; Charles E. Closmann (Hrsg.), War and the Environment. Military Destruction in the Modern Age, College Station TX 2009; John Robert McNeill, Corinna R. Unger (Hrsg.), Environmental Histories of the Cold War, Washington DC 2010; Brian Allen Drake (Hrsg.), The Blue, the Gray, and the Green. Toward an Environmental History

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Die Kriegführung der Frühen Neuzeit bleibt indes in dieser Subdisziplin wenig beleuchtet. In den eher programmatisch zu verstehenden Überblicken Tuckers spielt diese Epoche lediglich durch das Ausgreifen Europas auf andere Regionen der Welt eine Rolle. Die Periode von 1500 bis 1800 wird bislang vor allem im kolonialen und außereuropäischen Kontext thematisiert; eine Ausnahme besteht freilich in der Untersuchung der Folgen der »Kleinen Eiszeit« für das Europa des 17. Jahrhunderts und dem Zusammenhang dieser klimatischen Ungunstphase mit einer generell konstatierten Krise, in der Missernten, politische Instabilität, religiöse Auseinandersetzungen und Krieg miteinander verbunden waren.43 Einen Schwerpunkt von Untersuchungen bildet momentan die Kriegführung in Indien zur Zeit des Mogulreiches.44 Die einflussreichste Studie ist ohne Zweifel John Robert McNeills Monographie Mosquito Empires. In einem Zeitraum von 1620 bis 1914 betrachtet McNeill die Verflechtung von ökologischen Bedingungen, Tropenkrankheiten und Geopolitik in der Karibik anhand der Bedeutung von Mosquitos. Seine Studie zeigt die Limits und Grenzen menschlicher Handlungsfähigkeit, aber auch die starke Beeinflussung der naturalen Umwelt durch menschliches Handeln, und weist dieser Wechselwirkung eine geopolitische und historische Wirkmächtigkeit zu.45Außer vereinzelten Ausblicken auf die möglichen Themenfelder einer Umweltgeschichte frühneuzeitlicher Kriege auch im europäischen

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of the Civil War, Athens GA; London 2015; Richard P. Tucker u. a. (Hrsg.), Environmental Histories of the First World War, Cambridge u. a. 2018. 43 Vgl. Parker, Global Crisis; zur klimatischen Veränderung, auch durch das sogenannte »Maunder Minimum«, vgl. John A. Eddy, The ›Maunder Minimum‹. Sunspots and climate in the reign of Louis XIV, in: Geoffrey Parker, Lesley M. Smith (Hrsg.), The General Crisis of the Seventeenth Century, London; New York2 1997, S. 264–298; zu den kulturellen Konsequenzen vgl. Wolfgang Behringer, Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, München4 2011, S. 117–222; zur generellen Krisenhaftigkeit des 17. Jahrhunderts vgl. Niels Steensgard, The Seventeenth-Century Crisis, in: Geoffrey Parker, Lesley M. Smith (Hrsg.), The General Crisis of the Seventeenth Century, London; New York2 1997, S. 32–56; mit dezidiertem Bezug zur »Kleinen Eiszeit« auch Heinz Dieter Kittsteiner, Die Stabilisierungsmoderne. Deutschland und Europa 1619–1715, München 2010, S. 36–96; S. 143–148. 44 Vgl. beispielsweise Stewart Gordon, War, the Military, and the Environment: Cental India, 1560–1820, in: Richard P. Tucker, Edmund Russell (Hrsg.), Natural Enemy, Natural Ally. Toward an Environmental History of Warfare, Corvallis OR 2004, S. 42–64; jüngst auch Pratyay Nath, Climate of Conquest. War, Environment, and Empire in Mughal North India, Oxford 2019. 45 Vgl. John Robert McNeill, Mosquito Empires. Ecology and War in the Greater Caribbean, 1620–1914, Cambridge 2010, S. 1–11; 304–314.

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Kontext existiert hier allerdings eine Forschungslücke, die nur langsam gefüllt wird.46 Diese ist auch durch den impliziten Fokus auf umwelthistorische Narrative zu erklären, die mit den Auswirkungen der technischchemischen Kriegführung des 20. Jahrhunderts besser zu schreiben sind als mit der demgegenüber relativ ereignislos erscheinenden Geschichte der Frühen Neuzeit.

Militärtheorie in der Frühen Neuzeit Um anstatt der Fokussierung auf die technischen Einflüsse der Kriegführung die Dimension des taktisch-strategischen Denkens zu betrachten, nutzt die vorliegende Studie vor allem Quellen aus der frühneuzeitlichen Militärtheorie. Diese ist als Objekt einer Geschichte des strategischen Denkens bereits seit längerem Teil der Militärgeschichte. Der älteren militärhistorischen Forschung waren die meisten militärtheoretischen Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts fremd. Die »gelahrten, die aufgeklärten Führer, die am liebsten durch Kunst, ohne Blutvergießen gesiegt hätten« 47 galten vielen Militärhistorikern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts als naive, weltfremde Theoretiker. Deren Ablösung durch die emphatische Kraft der »patriotischen« Kriege an der Wende zum 19. Jahrhundert erschien nur folgerichtig.48 Eine Ausnahme stellen freilich

—————— 46 Vgl. den Überblick über umwelthistorische Aspekte der frühneuzeitlichen Militärgeschichte bei Sven Petersen, Zwischen Feuer und Eis. Umwelthistorische Aspekte einer Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Ders., Dominik Collet, Marian Füssel (Hrsg.), Umwelten. Ereignisse, Räume und Erfahrungen der Frühen Neuzeit. Festschrift für Manfred Jakubowski-Tiessen, Göttingen 2015, S. 61–80; zu den Kriegsereignissen, die im Theatrum Europaeum beschrieben wurden, vgl. auch Martin Knoll, Das Theatrum Europaeum – eine umwelthistorische Quelle?, in: Flemming Schock u. a. (Hrsg.), Das Theatrum Europaeum. Wissensarchitektur einer Jahrhundertchronik, Wolfenbüttel 2012, abrufbar unter http://diglib.hab.de/ebooks/ed000081/id/ebooks_ed000081_03/start.htm (abgerufen am 9.9.2020). Hervorzuheben ist auch die bereits erwähnte jüngst abgeschlossene Längsschnittstudie von Sander W. E. Govaerts, die die Interaktion zwischen Armeen und der naturalen Umwelt mithilfe des Ökosystem-Modells von 1250 bis 1850 anhand der Region entlang des Flusses Meuse beleuchtet, vgl. Govaerts, Mosasaurs. 47 Colmar Freiherr von der Goltz, Von Jena bis Pr. Eylau. Des alten preußischen Heeres Schmach und Ehrenrettung. Eine kriegsgeschichtliche Studie, Berlin 1907, S. 201. 48 Vgl. die Zusammenstellung von Charakterisierungen der »Kriegskunst« des 18. Jahrhunderts bei Winfried Mönch, »Rokokostrategen«. Ihr negativer Nachruhm in der Militärgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts. Das Beispiel von Reinhard Höhn und

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berühmte Feldherren dar. Vor allem die historische Figur Friedrichs II. ist in vielen Schriften auch in seiner Rolle als Feldherr und Stratege betrachtet worden.49 Ohnehin hat Daniel Hohrath zu Recht darauf hingewiesen, dass biographisch-monografische Darstellungen zu einzelnen Akteuren weitaus zahlreicher sind als generelle Betrachtungen. 50 Die »großen« Denker des Krieges wurden in den Sammelbänden des US-amerikanischen Historikers Edward Mead Earle sowie des deutschen Militärhistorikers Werner Hahlweg versammelt, um als Makers of Modern Strategy beziehungsweise als Klassiker der Kriegskunst einen überzeitlichen Kanon an Militärstrategen vorzustellen.51 In ähnlicher Weise präsentieren auch neuere Darstellungen das taktische und strategische Denken der Frühen Neuzeit in Form von Portraits.52 Von den wenigen systematischen Überblicken zu diesem Thema ist das monumentale Werk des preußischen Offiziers und Militärschriftstellers Max Jähns auch für die heutige Forschung gänzlich unverzichtbar. In meh-

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das Problem des »moralischen« Faktors, in: Daniel Hohrath, Klaus Gerteis (Hrsg.), Die Kriegskunst im Lichte der Vernunft. Militär und Aufklärung im 18. Jahrhundert (Aufklärung 11 (1996), H. 2), Bd. 1, Hamburg 1996, S. 75–97. 49 Vgl. Karl Linnebach, Friedrich der Große und Folard. Ein Blick in die geistige Werkstatt des Feldherrn, in: Wissen und Wehr 17 (1936), S. 522–543; Theodor Schieder, Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche, Frankfurt a. M. 1983; Bernhard R. Kroener, Friedrich der Große und die Grundzüge der europäischen Kriegführung seiner Zeit, in: Wilhelm Treue (Hrsg.), Preußens großer König. Leben und Werk Friedrichs des Großen, Freiburg; Würzburg 1986, S. 219–230; Ullrich Marwitz, Friedrich der Große als Feldherr, in: MGFA (Hrsg.), Friedrich der Große und das Militärwesen seiner Zeit (Vorträge zur Militärgeschichte, Bd. 8), Herford; Bonn 1987, S. 73–92; Christopher Duffy, Friedrich der Große – Ein Soldatenleben, Zürich; Köln 1986; Johannes Kunisch, Friedrich der Große als Feldherr, in: Oswald Hauser (Hrsg.), Friedrich der Große in seiner Zeit (Neue Forschungen zur Brandenburg-Preußischen Geschichte, Bd. 8), Berlin 1987, S. 193–212; Dennis Showalter, The Wars of Frederik the Great, London; New York 1996; Andreas Pečar, Autorität durch Autorschaft? Friedrich II. als Militärschriftsteller (Hallesche Universitätsreden, Bd. 4), Halle 2013. 50 Vgl. Daniel Hohrath, Spätbarocke Kriegspraxis und aufgeklärte Kriegswissenschaften. Neue Forschungen und Perspektiven zu Krieg und Militär im »Zeitalter der Aufklärung«, in: Ders., Klaus Gerteis (Hrsg.), Die Kriegskunst im Lichte der Vernunft. Militär und Aufklärung im 18. Jahrhundert, Teil II (Aufklärung. Interdisziplinäre Halbjahresschrift zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte, Bd. 12, H. 1), Hamburg 2000, S. 5–48, hier S. 37–38. 51 Vgl. Edward Mead Earle (Hrsg.), Makers of Modern Strategy. Military Thought from Machiavelli to Hitler, Princeton NJ 1943; Werner Hahlweg (Hrsg.), Klassiker der Kriegskunst, Darmstadt 1960. 52 Vgl. Daniela Schnitter, Helmut Schnitter, Feldherren und Kriegsgelehrte. Porträts aus drei Jahrhunderten, Berlin 1997.

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reren Bänden zeichnet Jähns die Geschichte der Kriegswissenschaften anhand von hunderten Autoren und Titeln nach und erfasst dabei auch Schriften von ansonsten eher unbekannten Autoren, gibt einen Überblick über den Inhalt und ordnet ihn in den Kontext der Zeit ein. 53 Besonders für das 18. Jahrhundert existieren zudem kleinere Schriften aus den 1930er-Jahren, die einen Überblick über das militärtheoretische Schriftgut und seine Autoren ermöglichen.54 Edward Mead Earle hatte bereits einige frühneuzeitliche Autoren als Begründer der modernen Strategie bezeichnet. Auch die neuere Forschung betrachtet die Frühe Neuzeit und ihre militärtheoretischen Werke im Zuge einer Geschichte der Strategie. In der Mitte der 50er-Jahre widmete sich Robert S. Quimby diesen Schriften als Hintergrund für die Kriegführung in der Zeit Napoleons.55 Für den israelischen Militärhistoriker Martin van Creveld hingegen, der die Militärtheorie und die militärischen Taktik und Strategie in einem eher populärwissenschaftlichen Werk behandelt, bleibt die Frühe Neuzeit eine Zeit der theoretischen Stagnation aufgrund einer zu starken Verhaftung in den Ideen der Antike. 56 In einem detaillierteren Überblick thematisiert auch die Militärhistorikerin Beatrice Heuser die Militärtheorie der Frühen Neuzeit als ein Kapitel der »Entwicklung der Strategie seit der Antike«.57 Heuser betrachtet die frühneuzeitliche Militärtheorie ebenfalls als zu großen Teilen in der Antike verhaftet und konstatiert eine Verdrängung von Veränderungen.58 Allerdings stellt sie ebenfalls fest, dass sich seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts militärische Denker langsam von diesem Vorbild zu lösen begannen. Ansonsten identifiziert Heuser die Suche nach der Berechenbarkeit des Krieges und universellen

——————

53 Vgl. Max Jähns, Geschichte der Kriegswissenschaften vornehmlich in Deutschland, 3 Bde., München; Leipzig 1898–1901. 54 Vgl. Otto Basler, Wehrwissenschaftliches Schrifttum im 18. Jahrhundert. Mit einem Beitrag zur Kartenkunde von R. U. Heinze, Berlin 1933; Ursula Waetzoldt, Preußische Offiziere im geistigen Leben des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1936. 55 Quimby betonte schon damals für die napoleonischen Kriege eine starke Kontinuität der taktischen Ideen, wie sie in der französischen Militärtheorie entwickelt wurden, vgl. Robert S. Quimby, The Background of Napoleonic Warfare. The Theory of Military Tactics in Eighteenth-Century France, New York NY 1957. 56 Vgl. Martin van Creveld, The Art of War. War and Military Thought, London 2000; ähnlich Martin van Creveld, A History of Strategy: From Sun Tzu to William S. Lind, Kouvola 2015. 57 Vgl. Beatrice Heuser, Den Krieg denken. Die Entwicklung der Strategie seit der Antike, Paderborn u. a. 2010; Beatrice Heuser, Strategy before Clausewitz. Linking Warfare and Statecraft, 1400–1830, London; New York 2018. 58 Heuser, Krieg denken, S. 98–107; Heuser, Strategy, S. 55–64.

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Regeln sowie die Vermeidung von Schlachten und die Betonung der Defensive als besondere Wesensmerkmale. Dieses militärische Denken habe sich erst mit Guibert, Jomini, Clausewitz und den Kriegen der Ära Napoleons grundlegend gewandelt. Mit der Orientierung am Wendepunkt um 1800 bleibt die Frühe Neuzeit in Heusers Betrachtung damit eine Zwischenphase vor der eigentlichen »Modernität« des Krieges, aus der es die – so wörtlich – »echten Perlen« unter »einer Menge Streu« zu entdecken gelte.59 Auch wenn sie mehrmals ausdrücklich betont, dass gerade Clausewitz’ Ideen nicht gänzlich neu waren und er zudem nicht der einzige Schriftsteller der Zeit war, der Politik und Kriegführung miteinander in Beziehung setzte, bleibt Heuser so implizit einer Fortschrittsgeschichte militärischen Denkens verpflichtet, die weniger herausragende Werke von tatsächlich »wichtigen« Werken unterscheidet und auf den fundamentalen Bruch um 1800 hinausläuft.60 Die Betrachtung der Geschichte strategischen Denkens durch Lawrence Freedman schließlich besticht zwar durch ihren Umfang und durch die Betrachtung der Übertragung des »strategischen« Denkmodus von der Sphäre des Militärs auf Politik oder Wirtschaft, thematisiert allerdings die Militärtheorie der Frühen Neuzeit nur in Form von Machiavelli und als begriffshistorischen Ursprung des Wortes »Strategie«.61 Während die vorangegangenen Studien die Militärtheorie vor allem als ein innermilitärisches Phänomen beschreiben, wird in der vorliegenden Studie ihre Verbindung mit aufklärerischen Diskursen und verschiedenen anderen, außermilitärischen Wissensbereichen betont. Besonders das Schlagwort der »militärischen Aufklärung« findet sich hierzu in der Forschung. Als Standardwerk für die Verbindung des militärtheoretischen Diskurses mit »Proto-Science«62 und der Aufklärung gilt die Monografie Origins of Military Thought des israelischen Militärhistorikers Azar Gat. Anhand von verschiedenen einflussreichen Autoren betrachtet Gat beginnend mit Machiavelli das militärtheoretische Schreiben im Kontext der französischen und deutschen Aufklärung bis hin zum Aufstieg von Clausewitz. 63 Die Stärken von Gats Studie liegen in der detaillierten Thematisierung

—————— 59 Heuser, Krieg denken, S. 58. 60 Vgl. ebd., S. 34–35; Heuser, Strategy, S. 185–199. 61 Vgl. Lawrence Freedman, Strategy. A History, Oxford; New York NY 2013. 62 Vgl. Azar Gat, The Origins of Military Thought. From the Enlightenment to Clausewitz, Oxford 1989, S. 13. 63 Ebd.

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einzelner Autoren und der Betrachtung ihrer Bezüge zum Ideal von Wissenschaftlichkeit und »Vernunft«. Allerdings spielt das 17. Jahrhundert lediglich durch das Auftreten Montecuccolis eine Rolle, und viele deutsche Autoren vor Bülow wurden von Gat nicht berücksichtigt. Um die Erforschung der deutschsprachigen »militärischen Aufklärung« hat sich Daniel Hohrath in mehreren Schriften verdient gemacht: Seine Aufsätze zählen zu den Standardwerken der deutschsprachigen Erforschung frühneuzeitlicher Militärtheorie im 18. Jahrhundert. Hohrath verortet das militärtheoretische Schrifttum im Kontext aufklärerischer Diskurse über den »gelehrten Offizier« sowie in Verbindung mit einer militärischen Bildungsbewegung und einer sich etablierenden »militärwissenschaftlichen Öffentlichkeit«.64 Auch in der englischsprachigen Forschung wird das »military enlightenment« betrachtet. Hervorzuheben ist hier Armstrong Starkeys War in the Age of Enlightenment, in dem der Autor diesem Phänomen ein ganzes Kapitel widmet und ähnlich wie Gat eine starke Beeinflussung des Militärs durch aufklärerische Diskurse feststellt.65 Die jüngste Studie hat zu diesem Themenkomplex die US-amerikanische Romanistin Christie Pichichero publiziert. Sie weist dem französischen Militär des 18. Jahrhunderts eine elementare Rolle in der Entwicklung und Durchsetzung aufklärerischer Ideale zu und betrachtet auch die französische Militärtheorie.66 Allerdings zeigt sich Pichichero einer implizit fortschrittsgetriebenen und positiven Perspektive auf »die« Aufklärung verhaftet, wenn sie vor allem Aspekte wie die Entstehung von »Brüderlichkeit« als Ideal oder Hu-

—————— 64 Vgl. Daniel Hohrath, Die »Bildung des Officiers« im 18. Jahrhundert, in: Württembergische Landesbibliothek (Hrsg.), Die Bildung des Offiziers in der Aufklärung. Ferdinand Friedrich von Nicolai (1730–1814) und seine enzyklopädischen Sammlungen, Stuttgart 1990, S. 28–63; Daniel Hohrath, Beherrschung des Krieges in der Ordnung des Wissens. Zur Konstruktion und Systematik der militairischen Wissenschaften im Zeichen der Aufklärung, in: Theo Stammen, Wolfgang E. J. Weber (Hrsg.), Wissenssicherung, Wissensordnung und Wissensverarbeitung. Das europäische Modell der Enzyklopädien, Berlin 2004, S. 371–386; Hohrath, Spätbarocke Kriegspraxis; Daniel Hohrath, Ferdinand Friedrich von Nicolai – Bemerkungen zur Biographie eines gelehrten Offiziers, in: Württembergische Landesbibliothek (Hrsg.), Die Bildung des Offiziers in der Aufklärung. Ferdinand Friedrich von Nicolai (1730–1814) und seine enzyklopädischen Sammlungen, Stuttgart 1990, S. 7–27; vgl. Daniel Hohrath, Jacob von Eggers (1704–1773), in: Daniel Hohrath, Klaus Gerteis (Hrsg.), Die Kriegskunst im Lichte der Vernunft. Militär und Aufklärung im 18. Jahrhundert (Aufklärung 11 (1996), H. 2), Bd. 1, Hamburg 1996, S. 99–101. 65 Vgl. Armstrong Starkey, War in the Age of Enlightenment, Westport CN; London 2003. 66 Vgl. Christy Pichichero, The Military Enlightenment. War and Culture in the French Empire from Louis XIV. to Napoleon, Ithaca NY; London 2017.

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manität im Krieg betrachtet und die eigentliche Dialektik der Aufklärung erst bei Napoleon verortet. Demgegenüber versteht die vorliegende Studie die frühneuzeitliche Militärtheorie gerade aufgrund ihrer vielfältigen Bezüge zu außermilitärischen Bezügen als ein zeitgebundenes und vielschichtiges, oft paradoxes Wissen. Dies zeigt sich besonders anhand der Betrachtung der Natur in diesen Schriften.

Militärisches Wissen und naturale Umwelt. Schlüsselbegriffe und Methode In dieser Studie werden analytisch zwei Begriffe miteinander in Beziehung gesetzt: Es geht um eine spezifische Ausprägung militärischen »Wissens« über die »naturale Umwelt«. Beides sind Schlüsselbegriffe; sie beschreiben den Gegenstandsbereich, mit dem sich die Studie befasst. Zudem geht mit ihnen eine Reihe theoretischer und methodischer Perspektiven sowie anschlussfähiger Analysebegriffe einher, die der Arbeit in der Folge zugrunde liegen.

Wissen – Diskurs – Praxis Die Erforschung historischer Wissensformationen hat in den letzten 50 Jahren eine erstaunliche Dynamik entfaltet. 67 Die neue Wissensgeschichte widmet sich abseits der traditionellen, disziplingebundenen Wissenschaftsgeschichte der Verflechtung von Wissen, Kultur und Macht und betrachtet die Produktion, Kommunikation und Anwendung von unter-

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67 Vgl. zu diesem Bezug auf die »Wissensgesellschaft« Johannes Fried, Thomas Kailer, Einleitung: Wissenskultur(en) und gesellschaftlicher Wandel. Beiträge zu einem forschungsstrategischen Konzept, in: Dies. (Hrsg.), Wissenskulturen. Beiträge zu einem forschungsstrategischen Konzept (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Bd. 1), Berlin 2003, S. 7–20; zu einem Forschungsüberblick für die Frühe Neuzeit sowie einer kritischen Einschätzung des historischen Potenzials des Begriffs der »Wissensgesellschaft« vgl. Marian Füssel, Auf dem Weg zur Wissensgesellschaft. Neue Forschungen zur Kultur des Wissens in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für historische Forschung 34 (2007), H. 2, S. 273–290.

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schiedlichen Wissensarten.68 Beeinflusst wurde sie durch kritische wissenssoziologische Positionen, aber auch durch die kulturalistische Wende in der Geschichtswissenschaft seit den 1980er Jahren. Grundlegende Annahme ist die Abgrenzung des Wissensbegriffes von einer objektiven »Wahrheit«, die in einem kumulativen und teleologischen Prozess der »Anhäufung« von Erkenntnissen entdeckt werden könne. Stattdessen betonen die Wissenssoziologie wie auch die Wissensgeschichte den Konstruktcharakter von Wissen, das nicht unabhängig von seiner soziokulturellen Genese und Anwendung betrachtet werden kann. In diesem Sinne definiert der Wissenssoziologe E. Doyle McCarthy in Anlehnung an Peter Berger und Thomas Luckmann Wissen als »every set of ideas and acts accepted by one or another social group or society of people – ideas and acts pertaining to what they accept as real for them and for others.«69 Ein solches Wissen kann als gesichert geltende Fakten, Begriffe, Theorien sowie Denk- und Handlungsmuster umfassen. Es ist nicht als Singular, sondern im Plural zu verstehen: Verschiedene Wissensformen können durchaus nebeneinander und im Konflikt zueinander stehen, wie wissenschaftliches Wissen und Alltagswissen. Zudem ist Wissen in diesem Verständnis auf verschiedene Institutionen, Medien und Akteure verteilt. 70 McCarthy und vor allem die Wissenschaftstheoretikerin Karin KnorrCetina haben Wissen als kulturell gebundenes System bezeichnet, ein Konzept, das in Form des Begriffes der »Wissenskultur« in der Forschung übernommen wurde. 71

—————— 68 Vgl. Staffan Müller-Wille, Carsten Reinhard, Marianne Sommer, Wissenschaftsgeschichte und Wissensgeschichte, in: Dies. (Hrsg.), Handbuch Wissenschaftsgeschichte, Stuttgart 2017, S. 2–18, hier S. 3; Philipp Sarasin, Was ist Wissensgeschichte?, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 36 (2011), S. 159–172, hier S. 164; Daniel Speich-Chassé, David Gugerli, Wissensgeschichte. Eine Standortbestimmung, in: Traverse 19 (2012), H. 1, S. 85–100, hier S. 86–93; Peter Burke, What is the History of Knowledge?, Cambridge 2016, S. 1–43; Marian Füssel, Wissensgeschichten der Frühen Neuzeit: Begriffe – Themen – Probleme, in: Ders. (Hrsg.), Wissensgeschichte (Basistexte Frühe Neuzeit 5), Stuttgart 2019, S. 7–39. 69 E. Doyle McCarthy, Knowledge as Culture. The new sociology of knowledge, London; New York 1996. 70 Vgl. Müller-Wille u. a., Wissenschaftsgeschichte, S. 3; Speich-Chassé, Gugerli, Wissensgeschichte, S. 86; S. 93–94. 71 Vgl. McCarthy, Knowledge, S. 1; Karin Knorr-Cetina, Epistemic Cultures. How the Sciences Make Knowledge, Cambridge, MA; London 1999, S. 1–2; dazu auch Füssel, Auf dem Weg, S. 275; Fried, Kailer, Wissenskultur(en); Wolfgang Detel, Claus Zittel, Introduction: Ideals and Cultures of Knowledge in Early Modern Europe, in: Dies. (Hrsg.), Wissensideale und Wissenskulturen in der frühen Neuzeit. Ideals and Cultures of Knowledge in Early

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Mit dem Blick auf die militärische Theorie des 17. und 18. Jahrhunderts wird unter »militärischem Wissen« jene Gruppe von Aussagen, Denk- und Handlungsmustern begriffen, die das Führen von Krieg konzeptualisieren. Bei militärtheoretischen Traktaten handelt es sich um eine spezielle Form des gesamten militärischen Wissens. Um diese medial fixierten sprachlichen Äußerungen abzugrenzen von anderen Formen des Wissens, wird hier vom Begriff des expliziten Wissens ausgegangen.72 Aus methodisch-theoretischer Sicht ist mit Philip Sarasin eine regelrechte Zweiteilung der jüngeren Wissensgeschichte festzustellen: Unter dem Einfluss praxistheoretischer Perspektiven aus der anglophonen »Sociology of Knowledge« sowie den durch Bruno Latour und anderen etablierten »Laboratory Studies« habe sich die Wissensgeschichte vor allem den Praktiken der Wissensgenese und -verbreitung zugewendet. Allerdings sei die Analyse von Diskursen nach wie vor ein bevorzugter Zugriff besonders bei den Wissensbereichen, »in denen die Konstruktion epistemischer Dinge weniger im Labor als vielmehr durch den démon du classement, d. h. durch die Anstrengung der Klassifikation und durch ordnende Strukturen erfolgte.« 73 Diese Einschätzung trifft zentral die umfangreichen Systematisierungsversuche militärischen Wissens, wie sie in der Militärtheorie erkennbar sind. Dementsprechend bildet der Zugriff der Diskursanalyse einen primären theoretischen und methodischen Ausgangspunkt für diese Studie. Unter Diskurs wird unter Anlehnung an Michel Foucault ein Analysebegriff verstanden, der die Genese von Sinn und Wissen über die Welt durch Sprache bezeichnet und damit die Grenzen des Mach-, Denkund Sagbaren betrachtet. Unter »Diskurs« versteht Foucault in seiner Archäologie des Wissens sowohl die regulierte Praktik der Repräsentation, die bestimmte Aussagen über die Welt hervorbringt, als auch die Gruppe von Aussagen selbst, die einen Diskurs konstituiert. Diskurse produzieren spe-

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Modern Europe (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Bd. 2), Berlin 2002, S. 7–21; Burke, What is the History of Knowledge?, S. 8. 72 Vgl. Michael Titzmann, Wissen und Wissensgeschichte. Theoretisch-methodologische Bemerkungen, in: Thorsten Burkard u. a., Natur – Religion – Medien. Transformationen frühneuzeitlichen Wissens, Berlin 2013 (Diskursivierung von Wissen in der Frühen Neuzeit, Bd. 2), S. 17–38, hier S. 17. 73 Philipp Sarasin, Diskursanalyse, in: Staffan Müller-Wille, Carsten Reinhard, Marianne Sommer (Hrsg.), Handbuch Wissenschaftsgeschichte, Stuttgart 2017, S. 45–54, hier S. 51–52.

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zifische Wissensordnungen und bringen ihren Gegenstandsbereich dabei selbst hervor.74 Methodisch litt die Diskursanalyse als Arbeitsweise lange an der Problematik, dass Foucault selbst diese nie als methodisches Programm ausgestaltete. Mittlerweile existieren jedoch gerade für die historische Diskursanalyse Handbücher, die das Vorgehen in Form von operationalisierten Handlungsschritten darstellen, ohne die Arbeitsweise dabei zu strikt festzulegen. Unter Bezug auf das durch Achim Landwehr beschriebene Vorgehen einer historischen Diskursanalyse wird dementsprechend in dieser Studie an einem Korpus militärtheoretischer Schriften gearbeitet, der nach spezifischen Aussageformationen durchsucht und analysiert wird. Aus diesem Korpus werden Themenfelder und Argumentationslinien sowie -strategien herausgearbeitet, die den Wissensbestand der Verflechtung von Mensch, Krieg und Natur ausmachen.75 Dieser Zugriff wird durch Perspektiven aus der Praxeologie ergänzt. Der Kultursoziologe Andreas Reckwitz betont, dass sich Diskurs- und Praxisanalyse aufgrund ihres gemeinsamen Bezuges auf die Rekonstruktion impliziter oder expliziter Wissensordnungen relativ nahe stehen. Dazu müssen sie allerdings nicht als umfassende und daher einander jeweils als sekundäres Phänomen begreifende Sozialtheorien gesehen werden, sondern als methodische Werkzeuge einer umfassenden Kultursoziologie.76 Praktiken, im Sinne der Praxeologie verstanden als eine typisierte Form des Verhaltens und des Handelns,77 sind bereits vergangen und durch Histori-

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74 Michel Foucault, Archäologie des Wissens, Frankfurt a. M.17 2015, S. 70–74; S. 169–171; Rolf Parr, Diskurs, in: Clemens Kammler u. a. (Hrsg.), Foucault Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2014, S. 233–237, hier S. 233–235; Philipp Sarasin, Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Frankfurt a. M. 2014, S. 34–35; Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse, Frankfurt a. M.; New York 20092, S. 15–24; dazu auch Andreas Reckwitz, Auf dem Weg zu einer kultursoziologischen Analytik zwischen Praxeologie und Poststrukturalismus, in: Monika Wohlrab-Sahr (Hrsg.), Kultursoziologie. Paradigmen – Methoden – Fragestellungen, Wiesbaden 2010, S. 179–206, hier S. 191. 75 Vgl. Landwehr, Diskursanalyse, S. 101–131. 76 Vgl. Andreas Reckwitz, Praktiken und Diskurse. Eine sozialtheoretische und methodologische Relation, in: Herbert Kalthoff u. a. (Hrsg.), Theoretische Empirie. Zur Relevanz qualitativer Forschung, Frankfurt a. M. 2008, S. 188–209, hier S. 193–195. 77 Vgl. zur Praxeologie als soziologische Theorie und Methode Theodore R. Schatzki, Social Practices. A Wittgensteinian Approach to Human Activity and the Social, Cambridge 1996, S. 88–133; Theodore R. Schatzki, The Site of the Social. A Philosophical Account of the Constitution of Social Life and Change, University Park, PA 2002, S. 70–105; Andreas Reckwitz, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken, in: Ders. (Hrsg.), Unscharfe

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ker nur diskursiv vermittelt greifbar; Diskurse wiederum bedürfen der Kontextualisierung durch den Einbezug nicht-diskursiver Praktiken.78 Dass auch Foucault beide Bereiche als miteinander verbunden betrachtete, wird bei der Befassung mit Foucaults späterer Schaffensphase deutlich. Hier verschob sich sein Interesse von einer Archäologie des Wissens stärker zu einer Genealogie der Macht und einer Beschreibung der Verbindungen von Diskursen, Institutionen und Praktiken.79 Damit einher geht die Verwendung des Begriffes »Dispositiv«, mit dem er die Verbindung verschiedener Diskurse untereinander genauso zu fassen versuchte wie die komplexe Relation mit nicht-diskursiven Praktiken und Macht.80 Unter Bezugnahme auf dieses Konzept entwirft Reckwitz eine kultursoziologische Analytik, die neben Diskursen und Praktiken auch die materielle Ebene einschließt und die er als Praxis-Diskursformation bezeichnet.81 Die Anlehnung an diesen kultursoziologischen Zugriff bedeutet für die Studie, dass ebenfalls auf die Beschreibung des militärischen Handelns in der Militärtheorie selbst geachtet wird: Welche Praktiken sind es, die in der Militärtheorie empfohlen oder beschrieben werden, und wie werden sie diskursiv eingebettet und kodifiziert? Zudem werden in den Anfangsbeispielen jedes Kapitels zentrale militärische Praktiken identifiziert, deren diskursive Ausformung daraufhin weiter untersucht wird: sei es das Lagern

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Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie, Bielefeld 2008, S. 97–130, hier S. 97–102; zur praxeologisch operierenden Geschichtswissenschaft vgl. Marian Füssel, Praktiken historisieren. Geschichtswissenschaft und Praxeologie im Dialog, in: Frank Schäfer u. a. (Hrsg.), Methoden einer Soziologie der Praxis, Bielefeld 2008, S. 267–287; Marian Füssel, Die Praxis der Theorie. Soziologie und Geschichtswissenschaft im Dialog, in: Arndt Brendecke (Hrsg.), Praktiken der Frühen Neuzeit. Akteure – Handlungen – Artefakte (Frühneuzeit-Impulse, Bd. 3), Köln; Weimar; Wien 2015, S. 21–33. 78 Vgl. Reckwitz, Praktiken und Diskurse, S. 198–199. 79 Gilles Deleuze spricht in diesem Zusammenhang von Foucault als »Kartograf«, der die Verbindungen verschiedener, heterogener Elemente nachverfolge, vgl. Gilles Deleuze, Foucault, Frankfurt a. M.8 2015, S. 37–52. 80 Vgl. zu diesem Begriff Jürgen Link, Dispositiv, in: Clemens Kammler u. a. (Hrsg.), Foucault Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2014, S. 237–242. Auch der Dispositiv-Begriff wird seit einiger Zeit im Bereich der Soziologie und darüber hinaus als Analysebegrif fruchtbar gemacht, vgl. Andrea D. Bührmann, Werner Schneider, Vom Diskurs zum Dispositiv. Eine Einführung in die Dispositivanalyse, Bielefeld 2008; Dies., Vom ›discursive turn‹ zum ›dispositive turn‹? Folgerungen, Herausforderungen und Perspektiven für die Forschungspraxis, in: Joannah Caborn Wengler, Britta Hoffarth, Łukasz Kumięga (Hrsg.), Verortungen des Dispositiv-Begriffs. Analytische Einsätze zu Raum, Bildung, Politik, Wiesbaden 2013, S. 21–36. 81 Vgl. Reckwitz, Kultursoziologische Analytik, S. 197.

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von Armeen, das Beschaffen von Ressourcen oder das Zerstören von Natur.

Natur – Raum – Ressourcen Wenn in der Folge immer wieder nach dem Umgang mit der »Natur« oder spezifischer nach der »naturalen Umwelt« gefragt wird, dann wird in vollem Bewusstsein mit einem schwierigen Begriff operiert. Die traditionelle Umweltgeschichte ist sich der Problematik ihres Gegenstandsbereiches oft genug bewusst. Es gehört zu den mittlerweile anerkannten Problemlagen der Subdisziplin, dass es kaum möglich ist, trennscharf zwischen einer »Natur-« und einer »Kulturlandschaft« zu unterscheiden oder zu einem Ideal der »ursprünglichen« Natur zurückzukehren, da »die« Natur sich dem Menschen zumeist kulturell überformt präsentiert. 82 Dabei ist es bemerkenswert, dass gerade die deutsche Umweltgeschichte in manchen Teilen noch immer die anschlussfähigen kultursoziologischen Impulse ignoriert, in denen auf das Kernthema nicht-menschlicher Einflüsse eingegangen wird.83 Eine postkonstruktivistische Kritik zielt auf die generelle Auflösung der ontologischen Trennung von Natur und Kultur ab und kritisiert eine in Soziologie und Kulturwissenschaften wahrgenommene »Entmaterialisierung« einerseits und einen als naiv wahrgenommenen Essentialismus in den Naturwissenschaften (und auch der Umweltgeschichte) andererseits. Prominent wurde diese Perspektive durch die Arbeiten des Techniksoziologen Bruno Latour und der feministischen Wissenschaftshistorikerin Donna Haraway etabliert.84 Unter Begriffen wie

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82 Vgl. beispielsweise Hansjörg Küster, Die wissenschaftliche Botschaft der Umweltgeschichte für den Umgang mit Natur, Umwelt und Landschaft, in: Wolfram Siemann, Nils Freytag (Hrsg.), Umweltgeschichte. Themen und Perspektiven, München 2003, S. 21–38, hier S. 31–35. 83 Dagegen prognostiziert beispielsweise Martin Knoll, dass die neue Beschäftigung mit dem Materiellen zu einer Renaissance der Umweltgeschichte führen müsste, vgl. Martin Knoll, Nil sub sole novum oder neue Bodenhaftung? Der material turn und die Geschichtswissenschaft, in: Neue Politische Literatur 59 (2014), S. 191–207. 84 Vgl. dazu die Schlüsseltexte von Latour und Haraway, Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Berlin 1995, S. 7–67; Bruno Latour, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld 2006, S. 286–423; Bruno Latour, Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie, Frankfurt a. M. 2010, S. 22–86; Donna Haraway, Simians, Cyborgs, and Women. The Reinvention of Nature, New York, NY 1991, S. 149–182.

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der »Akteur-Netzwerk-Theorie«85 oder weiter gefasst dem »material turn«86 wird verstärkt auf die Rolle nicht-menschlicher Entitäten hingewiesen, denen als »Aktanten« ein eigener Einfluss zugestanden wird. Gesellschaften werden aus dieser Perspektive als Geflechte von menschlichen und nichtmenschlichen Elementen beschrieben, als »Netzwerke«, »Hybride« und »Cyborgs«. Kristin Asdal hat in dieser Strömung eine »postconstructivist challenge« der traditionellen Umweltgeschichte festgestellt und zugleich auf das Potenzial hingewiesen, das eine solche auf Relationen fokussierte Perspektive für die Beschreibung von Mensch-Umwelt-Interaktionen bereithält.87 Als anschlussfähiges Forschungskonzept, das die berechtigte Kritik an ontologischen Absoluten wie »Natur« und »Kultur« berücksichtigt, hat sich in der Umweltgeschichte das Konzept des »sozionaturalen Schauplatzes« etabliert. Es soll auch in dieser Studie genutzt werden, um die Verflechtungen von menschlichem Handeln und naturaler Umwelt aus dem Blickwinkel einer kulturwissenschaftlich erweiterten Umweltgeschichte zu fassen. Sozionaturale Schauplätze werden aufgefasst als Verknüpfungen von Praktiken mit Arrangements, die sowohl Artefakte als auch »Naturdinge« umfassen. Umweltgeschichte wird daher verstanden als Geschichte der vielfältigen Transformation dieser sozionaturalen Schauplätze. 88 Im Kern handelt es sich dabei um ein praxeologisches Konzept, das sich im Wesentlichen an einem Aufsatz des Praxistheoretikers Theodore Schatzki orientiert. 89 Unter Bezugnahme auf Bruno Latour beschreibt Schatzki die Problematik der Verortung von Technologie und Natur in der

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85 Vgl. als konzise Einführung Andréa Belliger, David J. Krieger, Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, in: Dies. (Hrsg.), ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld 2006, S. 13–50. 86 Vgl. als Einführung in die Erforschung materieller Kultur Stefanie Samida u. a. (Hrsg.), Handbuch Materielle Kultur, Stuttgart; Weimar 2014. 87 Vgl. Kristin Asdal, The Problematic Nature of Nature: The Post-Constructivist Challenge to Environmental History, in: History and Theory 42 (2003), H. 4, S. 60–74. 88 Vgl. Verena Winiwarter, Martin Knoll, Umweltgeschichte, Köln 2007, S. 129–143; Martin Knoll, Die Natur der menschlichen Welt. Siedlung, Territorium und Umwelt in der historischtopografischen Literatur der Frühen Neuzeit, Bielefeld 2013, S. 92–107; Verena Winiwarter, Martin Schmid, Umweltgeschichte als Untersuchung sozionaturaler Schauplätze? Ein Versuch, Johannes Colers »Oeconomia« umwelthistorisch zu interpretieren, in: Thomas Knopf (Hrsg.), Umweltverhalten in Geschichte und Gegenwart. Vergleichende Ansätze, Tübingen 2008, S. 159–173. 89 Vgl. Theodore R. Schatzki, Nature and Technology in History, in: History and Theory 42 (2003), H. 4, S. 82–93. Zur materiellen Dimension historischer Praxeologie vgl. außerdem Füssel, Die Praxis der Theorie, S. 27–28.

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auf menschliche Gesellschaften fokussierten Geschichtsschreibung. Aus seiner Sichtweise definiert er menschliche Aktivitäten als Praktiken, die jedoch stets in bestimmten »Arrangements« stattfinden, die aus »Entitäten« verschiedener Art bestehen.90 Zu diesen Arrangements zählt Schatzki in der Folge nicht nur Artefakte, sondern auch »nature«, die er definiert als »any thing, process, or event, or any aspect of a thing, process, or event, that exists, happens, or changes not as a result of human activity.« 91 Zentral ist dabei, dass Schatzki das »Natürliche« und das Artifizielle nicht voneinander abgrenzt, sondern betont, dass Entitäten sowohl artifiziell, sozial und natural zur gleichen Zeit sein können. Ein Wald beispielsweise besteht aus Bäumen, also aus verschiedenen naturalen Entitäten; trotzdem kann er »künstlich« sein, weil er vom Menschen bewirtschaftet oder gar komplett angelegt wurde.92 Damit geht Schatzki über die von ihm als »interaktionistisch« bezeichneten Theorien hinaus, die von einer Verflechtung distinkter Bereiche von »Natur« und »Kultur« ausgehen, und setzt dagegen eine relationale, praxiszentrierte Perspektive. Geschichte ist dementsprechend für ihn »a social natural history: a perpetual development that encompasses the omnipresent and varied active presence of nature in human life.« 93 Dieser Zugang erweist sich besonders hinsichtlich des Problems der »Agency« nicht-menschlicher Entitäten als anschlussfähig an die generelle Beschäftigung mit »materieller Kultur« und dem »material turn«.94 Indem nicht-menschliche Arrangements als konstitutive Bestandteile menschlichen Handelns begriffen werden, wird ihnen eine gewisse Gestaltungsmacht zugesprochen, die am ehesten mit dem Begriff der »Affordanz« beschrieben werden kann. Der Begriff geht auf den Wahrnehmungspsychologen James J. Gibson zurück, der damit die

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90 Schatzki nennt dies »social sites«, vgl. auch Schatzki, The Site of the Social, S. 123–188. 91 Schatzki, Nature and Technology, S. 85. 92 Ebd., S. 87–88. 93 Ebd., S. 90. 94 Vgl. dazu Knoll, material turn; Andreas Reckwitz, Der Ort des Materiellen in den Kulturtheorien. Von sozialen Strukturen zu Artefakten, in: Ders. (Hrsg.), Unscharfe Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie, Bielefeld 2008, S. 131–158; Andreas Reckwitz, Die Materialisierung der Kultur, in: Friederike Elias u. a. (Hrsg.), Praxeologie. Beiträge zur interdisziplinären Reichweite praxistheoretischer Ansätze in den Geistes- und Sozialwissenschaften (Materiale Textkulturen. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 933, Bd. 3), Berlin; Boston 2014, S. 13–25; für die Frühe Neuzeit vgl. den Überblick von Marian Füssel, Die Materialität der Frühen Neuzeit. Neuere Forschungen zur Geschichte der materiellen Kultur, in: Zeitschrift für Historische Forschung 42 (2015), S, 433–463.

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Umweltwahrnehmung von Subjekten beschreibt. 95 »Affordanz« meint nach Gibson die verschiedenen Handlungsangebote, die Entitäten aufgrund ihrer Charakteristika einem Akteur machen.96 Es geht also weder darum, dass Topografie stets menschliches Handeln determiniert, noch darum, dass Flüsse und Bäume tatsächlich selbsttätig handeln, sondern um das Spannungsfeld aus Ermöglichung und Beeinflussung menschlichen Handelns durch Entitäten der naturalen Umwelt. Der Vorteil des Konzeptes eines »sozionaturalen Schauplatzes« ist die Fokussierung auf die Relationen zwischen unterschiedlichen, heterogenen Elementen. In dieser Studie werden dabei nicht so sehr die eigentlichen Praktiken vor Ort betont, sondern eher die diskursiven Praktiken der Militärtheorie, die eigene sozionaturale Schauplätze beschrieben und konstituierten. Diese Betrachtung der unterschiedlichen Relationen zwischen der naturalen Umwelt und militärischem Handeln wird als strukturierendes theoretisches Element der Studie betrachtet und ist zudem anschlussfähig an zwei weitere Analysebegriffe, die im Laufe der Studie als verschiedene Ebenen sozionaturaler Schauplätze auftreten werden. Der erste ist der in der Analyse von militärischen Topografien präsente Begriff des Raums.97 Die kultursoziologische Raumtheorie ist aufgrund der von ihr vertretenen relativen Raumauffassung anschlussfähig an das Konzept der sozionaturalen Schauplätze. Im Gegensatz zu »absoluten« Raumkonzepten werden Räume als Produkte der Relationalität bestimmter Elemente aufgefasst. 98 In Anlehnung an den französischen Soziologen und Philosophen Henri Lefebvre kann von einer »Produktion des Raums« gesprochen werden, der als »sozialer Raum« letztlich materielle und mentale Räume auf mehreren Ebenen miteinander verbindet.99 Der Raumbegriff wird hierbei deutlich über die Ebene des physischen Raumes erweitert und

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95 Vgl. James J. Gibson, The Ecological Approach to Visual Perception, Hillsdale NJ; London 1986; zur Begriffsdiskussion außerdem Richard Fox u. a., Art. »Affordanz«, in: Thomas Meier, Michael R. Ott, Rebecca Sauer (Hrsg.), Materiale Textkulturen. Konzepte – Materialien – Praktiken, Berlin 2015, S. 63–70. 96 Vgl. Gibson, Ecological Approach, S. 127–138. 97 Zu Raum und Militärgeschichte vgl. Christoph Nübel, Raum in der Militärgeschichte und Gewaltgeschichte. Probleme, Ergebnisse und neue Felder der Forschung, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 73 (2014), S. 285–307. 98 vgl. Susanne Rau, Räume. Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzungen (Historische Einführungen, Bd. 14), Frankfurt a. M.; New York2 2017, S. 60–62; S. 106–120. 99 Ebd.; Henri Lefebvre, Die Produktion des Raums, in: Jörg Dünne, Stephan Günzel (Hrsg.), Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2006, S. 330–342.

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umfasst Beziehungsgeflechte zwischen Akteuren ebenso wie Raumvorstellungen.100 Anschlussfähig an das praxeologisch orientierte Konzept sozionaturaler Schauplätze erweist sich die Raumkonzeption des französischen Theologen, Soziologen und Historikers Michel de Certeau, der begrifflich zwischen Ort und Raum unterscheidet. Während ein Ort die Konfiguration bestimmter Elemente beschreibt, wird dieser erst durch Performanz, durch Aktion zu einem – relational gedachten – Raum.101 Dementsprechend werden in der Militärtheorie die Beschreibungen bestimmter militärischer Raumpraktiken sowie Raumkonzeptionen betrachtet, die sich vor allem anhand der naturalen Umwelt ausformten. Der zweite Begriff ist der der Ressource, der insbesondere bei der Betrachtung der Versorgung von Armeen genutzt wird. In dieser Studie werden unter Ressourcen diejenigen Stoff- und Energieflüsse bezeichnet, die notwendig für eine menschliche Gesellschaft sind, um sich zu erhalten. Damit lehnt sich diese Begriffsverwendung an die Thematisierung von Ressourcen als Teil von materiell-energetischen Austauschprozessen an, die sich in der Umweltgeschichte aufgrund einer Fokussierung auf die Genese von Systemen der Energieerzeugung herausgebildet hat. 102 Um diese Austauschprozesse zwischen menschlichen Gesellschaften und ihrer naturalen Umwelt zu beschreiben, hat sich besonders unter Einfluss der Wiener sozialen Ökologie das Konzept des »sozialen Metabolismus« und der damit verbundenen »Kolonialisierung der Natur« entwickelt: Aus systemischer Perspektive werden Gesellschaften in Analogie zu einem Organismus als Entitäten gesehen, die in einem vielfältigen energetischen und materiellen Austausch mit ihrer Umwelt stehen und sich zudem aktiv in Energieflüsse einschalten. Beispielsweise werden bestimmte Parameter der naturalen Umwelt so verändert, dass sich der Ressourcen- und Energieoutput für menschliche Gesellschaften steigert – das beste Beispiel dafür sind die verschiedenen Landnutzungspraktiken der Landwirtschaft.103

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100 Rau, Räume, S. 172–182. 101 Vgl. Michel de Certeau, Kunst des Handelns, Berlin 1988, S. 217–218; Marian Füssel, Zur Aktualität von Michel de Certeau. Einführung in sein Werk, Wiesbaden 2018, S. 118. 102 Dieter Schott bringt dies in Zusammenhang mit der frühen Verbindung der deutschsprachigen Umweltgeschichte mit der Technikgeschichte, vgl. Dieter Schott, Resources of the City. Towards a European Urban Environmental History, in: Ders., Bill Luckin, Geneviève Massard-Guilbaud (Hrsg.), Resources of the City. Contributions to an Environmental History of Modern Europe, Aldershot u. a. 2005, S. 1–27, hier S. 5–6. 103 Vgl. klassisch Marina Fischer-Kowalski, Helmut Haberl, Stoffwechsel und Kolonisierung: Konzepte zur Beschreibung des Verhältnisses von Gesellschaft und Na-

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Dies führt zu einer Periodisierung der Umweltgeschichte anhand verschiedener voneinander abgegrenzter Energienutzungsregime, wobei als elementare Transformationsprozesse der Übergang zur aktiven Kolonialisierung der Natur während der neolithischen Revolution sowie die verbreitete Nutzung fossiler Energieträger im Laufe des 19. Jahrhunderts gesehen werden. 104 In der englischsprachigen Umweltgeschichte hat sich in Anlehnung an Fernand Braudel der Begriff des »old biological regime« beziehungsweise der »organic economy« zur Beschreibung der Vormoderne bis etwa 1800 etabliert, um auf die Abhängigkeit von der Umsetzung von Solarenergie in Pflanzenwachstum für die Agrargesellschaft hinzuweisen.105 Der britische Historiker John Landers hat dieses Konzept aufgegriffen und in seiner Studie The Field and the Forge auf die Abhängigkeit der vormodernen Kriegführung und damit des Staatsbildungsprozesses von dieser »organic economy« hingewiesen, die zudem militärische Verhaltensweisen geprägt habe.106 Während der Hinweis auf die Limitierungen einer »organic economy« hilfreich ist, um den Handlungsspielraum der Akteure einschätzen zu können, erscheint für den Zuschnitt dieser Studie der Versuch einer Bilanzierung von Energieflüssen und Stoffströmen, wie sie in der umwelthistorischen Forschung beizeiten unternommen wurde, weniger hilfreich.107 Theodore Schatzki bemerkte in seinem Essay, dass materiell-energetische Austauschprozesse immer erst durch einen Nexus aus Praktiken und materiellen Arrangements ermöglicht werden. In diesem Sinne konzentriert sich die Studie auf die jeweiligen Praktiken der militärischen Nutzung naturaler

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tur, in: Dies. u. a. (Hrsg.), Gesellschaftlicher Stoffwechsel und Kolonisierung von Natur. Ein Versuch in Sozialer Ökologie, Amsterdam 1997, S. 3–12; Rolf Peter Sieferle u. a., Das Ende der Fläche. Zum gesellschaftlichen Stoffwechsel der Industrialisierung (Umwelthistorische Forschungen, Bd. 2), Köln; Weimar; Wien 2006, S. 7–38. 104 Vgl. Sieferle u. a., Fläche, S. 104–139; Rolf-Peter Sieferle, Nachhaltigkeit in universalhistorischer Perspektive, in: Wolfram Siemann, Nils Freytag (Hrsg.), Umweltgeschichte. Themen und Perspektiven, München 2003, S. 39–60. 105 Vgl. den Begriff bei Fernand Braudel, Civilization and Capitalism, 15th-18th Century, Bd. 1: The Structure of Everyday Life, New York 1981, S. 70–72; als Konzept zur Periodisierung genutzt bei Robert B. Marks, The (Modern) World since 1500, in: John Robert McNeill, Erin Stewart (Hrsg.), A Companion to Global Environmental History, Malden, MA 2012, S. 57–78, hier S. 58. 106 Vgl. John Landers, The Field and the Forge. Population, Production, and Power in the Pre-industrial West, Oxford 2003, hier S. 1–13. 107 Vgl. dieses Vorgehen z. B. bei Sieferle, Nachhaltigkeit.

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Ressourcen und die in der Militärtheorie dafür formulierten Wissensbestände. Um genau diese Wissensbestände wird es in der Folge gehen.

1. Krieg als »Wissenschaft«? Die Heterogenität militärtheoretischen Wissens im 17. und 18. Jahrhundert

Die Betrachtung von Naturkonzeptionen und Vorstellungen der Naturnutzung in der frühneuzeitlichen Militärtheorie ist untrennbar mit der sich herausbildenden Idee einer »Kriegs-Wissenschaft« verbunden, die in diesem Kapitel betrachtet wird. Damit wird zunächst die epistemische Ordnung dieses Wissensgebietes in den Fokus gerückt, um es in der Wissensgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts zu kontextualisieren. Kriegführung als eine »Wissenschaft« zu denken, hat Konsequenzen für das Verständnis der Natur in der Militärtheorie. Aber was zeichnete diese »wissenschaftliche« Kriegführung aus? Einen ersten Anhaltspunkt mag die Betrachtung der Quellen selbst liefern. Für »Militärtheorie« existieren verschiedene Definitionen. Eine strikt formale Beschreibung von Julian Lider bezeichnet Militärtheorie als »the study of military affairs and its findings in the form of concepts, categories, propositions, laws and theorems.«1 Speziell für militärisches Denken in der Frühen Neuzeit spricht die englischsprachige Forschung eher allgemein von »military thought«, während andere Konzepte die Interdependenzen zwischen Militärtheorie und allgemeinen Diskursen zu Gelehrsamkeit und »Aufklärung« betonen und damit auf eine »militärische Aufklärung« hinwiesen. Für diese Studie wird unter militärtheoretischen Traktaten eine – durchaus breite und heterogene – Gattung von zumeist gedruckten und vervielfältigten Texten verstanden, in denen normative Aussagen über militärische Organisation, Aktionen und Akteure generiert, in einer wie auch immer gearteten Form zusammengestellt und systematisiert, und dann in Form von Modellen, Axiomen oder Prinzipien verbreitet werden. 2 Dabei wirkten diese Publikationen sowohl deskriptiv als auch präskriptiv,

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1 Julian Lider, Military Theory. Concept, Structure, Problems, Aldershot 1983, S. 1. 2 Vgl. zu dieser Definition und zur Quellengattung Jan Philipp Bothe, Gedruckte militärtheoretische Traktate, in: Handbuch Quellen Militärgeschichte (in Vorbereitung).

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beschrieben militärisches Handeln und wollten zugleich das Erlernen dieses Handelns anleiten.3 Dieser militärische Reflexionsrahmen ist Teil einer generellen militärischen Dynamik der Frühen Neuzeit. In der englischen Forschungsdiskussion ist es besonders der Begriff der »military revolution«, der diese militärische Veränderung und seine Wechselwirkung mit Staatsbildung und technologischem Wandel zu fassen versucht. 4 Michael Roberts, auf den das Konzept zurückgeht, identifiziert taktische, organisatorische und technische Elemente der Kriegführung des 16. Jahrhunderts als wegweisend für die weitere Entwicklung; militärtheoretische Literatur hingegen spielt kaum eine Rolle. 5 Auch in den vielen seither erschienenen Kritiken dieses Konzeptes bleibt die Betrachtung der Theorie des Krieges eher oberflächlich.6

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3 Vgl. zu dieser Ansicht auch. Jeremy Black, War in the Eighteenth-century World, Basingstoke 2013, S. 192. 4 Der aus der englischen Historiographie stammende Begriff wird bis heute in der deutschsprachigen Forschung eher weniger thematisiert, auch wenn Bernhard R. Kroener ihm unter dem Eindruck einer seit den 1980er-Jahren erfolgenden Öffnung der deutschen Militärgeschichte eine gewisse Relevanz zuschreibt. Vgl. Bernhard R. Kroener, Militär in der Gesellschaft. Aspekte einer neuen Militärgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Thomas Kühne, Benjamin Ziemann (Hrsg.), Was ist Militärgeschichte? (Krieg in der Geschichte, Bd. 6), Paderborn u. a. 2000, S. 283–299, hier S. 287–289; außerdem Bernhard R. Kroener, Kriegswesen, Herrschaft und Gesellschaft 1300–1800 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 92), München 2013, S. 62–74; auf die Vernachlässigung in der deutschen Historiographie hinweisend auch Ralf Pröve, Vom Schmuddelkind zur anerkannten Subdisziplin? Die »neue Militärgeschichte« der Frühen Neuzeit – Perspektiven, Entwicklungen, Probleme, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 51 (2000), S. 597–612, hier S. 599–600. 5 Dazu zählte er eine verstärkte Betonung von Drill und Disziplin, eine neue Dynamisierung der Infanterieformationen sowie ein starkes Wachstum europäischer Armeen und damit ein größerer Maßstab der Kriegführung. Michael Roberts, The Military Revolution, 1560–1660, in: Clifford J. Rogers (Hrsg.), The Military Revolution Debate. Readings on the Military Transformation of Early Modern Europe, Boulder CO; San Francisco CA; Oxford 1995, S. 13–37. 6 Zu einer konzisen Zusammenfassung der Diskussion vgl. u. a. Kroener, Kriegswesen, S. 62–74, sowie Jutta Nowosadtko, Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte (Historische Einführungen, Bd. 6), Tübingen 2002, S. 213–221. Neben verschiedenen anderen Kritikpunkten an Roberts Analyse weist Geoffrey Parker darauf hin, dass bereits im 16. und 17. Jahrhundert eine große Anzahl an Literatur über die Theorie des Krieges publiziert wurde. Vgl. Geoffrey Parker, The »Military Revolution,« 1560– 1660 – a Myth?, in: The Journal of Military History 48 (1976), S. 195–214, hier S. 197. Jeremy Black kritisiert die Annahme einer einzelnen »military revolution« und stellt Roberts These eine Analyse der Zeit von etwa 1650 bis 1720 gegenüber, die sich durch ein weiteres massives Wachstum europäischer Armeen sowie technische Veränderungen

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Es spricht jedoch einiges dafür, die Entwicklung der Militärtheorie als intellektuellen Prozess der Ausformung eines spezifischen Reflexionshorizontes stärker zu betrachten als bisher, der verbunden war mit den politischen, militärischen und intellektuellen Prozessen dieser Zeit. Der Versuch der Ordnung des Krieges in Modellen, Systemen und Generalprinzipien ist mit einem Prozess der »Rationalisierung« in Verbindung gebracht worden, der auch als treibender Faktor des neuen Zugriffs auf die naturale Umwelt identifiziert worden ist. Der Begriff der »Rationalisierung« ist dabei nicht notwendig wertend im Sinne einer stärkeren »Modernität« zu verstehen, sondern beschreibt eher eine Wahrnehmung der Welt als berechenbar und geordnet.7 Das Schreiben über Krieg fand in dieser Zeit nicht nur in einem militärisch, sondern auch intellektuell dynamischen Klima statt. Anhand der Werke und Leistungen einzelner Akteure wie Francis Bacon, Robert Boyle, René Descartes, Baruch de Spinoza, Isaac Newton, John Locke und Gottfried Wilhelm Leibniz wird diese Zeit entweder als Ausgang der »wissenschaftlichen Revolution«8 oder als »frühe Aufklärung« bezeichnet.9 Jenseits herausragender Einzelleistungen fassbarer wird dieser intellektuelle und kulturelle Gärungsprozess des 17. Jahrhunderts, wenn man ihn mit den Worten Daniel Fuldas als einen »Selbst-

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ausgezeichnet habe. Vgl. Jeremy Black, A Military Revolution? A 1660–1792 Perspective, in: Clifford J. Rogers (Hrsg.), The Military Revolution Debate. Readings on the Military Transformation of Early Modern Europe, Boulder CO; San Francisco CA; Oxford 1995, S. 95–117. An anderer Stelle erwähnt auch Black die Bedeutung von gedruckten Handbüchern und der Entstehung einer militärischen Öffentlichkeit, die sich in Schriften über das Führen von Krieg austauschte. Vgl. Jeremy Black, Rethinking Military History, London; New York 2004, S. 152. 7 Vgl. Max Weber, Wissenschaft als Beruf, in: Ders. (Hrsg.), Schriften zur theoretischen Soziologie, zur Soziologie der Politik und Verfassung, Frankfurt a. M. 1947, S. 1–32, hier S. 8: »das Wissen davon oder den Glauben daran«, dass es »keine geheimnisvollen, unberechenbaren Mächte gebe«, sondern dass man »vielmehr alle Dinge […] durch Berechnen beherrschen« könne. 8 Dabei positioniert sich die neuere Forschung durchaus kritisch zum Begriff der »Revolution« und betont dagegen eher langsame Wandlungsprozesse und Kontinuitäten, vgl. Shapin, The Scientific Revolution, S. 1–4; S. 30–64; Lorraine Daston, Kathrin Park: Introduction. The Age of the New, in: Dies. (Hrsg.), The Cambridge History of Science, Bd. 3: Early Modern Science, Cambridge 2006, S. 1–20, hier S. 7–9; dabei kritisch gegenüber einer einfachen Übernahme mechanistischer naturphilosophischer Ansätze im 18. Jahrhundert Peter Hanns Reil, Science and the Enlightenment, in: Roy Porter (Hrsg.), The Cambridge History of Science, Bd. 4: Eighteenth-Century Science, Cambridge u. a. 2003, S. 23–43. 9 Vgl. Moeller, Vernunft und Kritik, S. 19–29.

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verständlichkeitsverlust der traditionellen Ordnungen des Handelns, Wissens und Glaubens«10 betrachtet, der eine intensive kommunikative Auseinandersetzung mit diesem Wandel provozierte. 11 Diese Intensivierung der Kommunikation und die Suche nach Ordnung zeigten sich in vielen Bereichen und bildeten auch ein loses Bindeglied zwischen der Betrachtung von Krieg und der Betrachtung von Natur: Als eine Signatur, die den Naturwissenschaften des 17. Jahrhunderts und der »Aufklärung« des 18. Jahrhunderts immer wieder zugesprochen wird, gilt ein neues Bestreben zur Aufschlüsselung und zur Kontrolle der Natur. Die von Gelehrten und Forschern betriebene »Naturgeschichte« beispielsweise lenkte die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen auf die vielfältigen Erscheinungsformen der Natur in der »neuen Welt«, aber auch in Europa selbst.12 Diese Erfassung und Klassifizierung der naturalen Umwelt ist mit einer konstatierten Veränderung des Mensch-Umwelt-Verhältnisses in Verbindung gebracht worden: Die naturale Umwelt sei in den Worten Günther Bayerls zu einem »Warenhaus« geworden, das bestmöglich zu nutzen sei.13 In den letzten Jahren ist dieses Bild einer rücksichtslosen Ausbeutung der Natur zunehmend modifiziert worden, 14 aber die »Naturgeschichte« des 17. und 18. Jahrhunderts spielt immer noch eine

—————— 10 Daniel Fulda, Gab es »die Aufklärung«? Einige geschichtstheoretische, begriffsgeschichtliche und schließlich programmatische Überlegungen anlässlich einer neuerlichen Kritik an unseren Epochenbegriffen, in: Das Achtzehnte Jahrhundert 37 (2013), H. 1, S. 11– 25, hier S. 23. 11 Ebd.; vgl. dazu auch Hans Erich Bödeker, Aufklärung als Kommunikationsprozess, in: Rudolf Vierhaus (Hrsg.), Aufklärung als Prozess, Hamburg 1988, S. 89–112. 12 Vgl. Lorraine Daston, Gianna Pomata, The Faces of Nature: Visibility and Authority, in: Dies. (Hrsg.), The Faces of Nature in Enlightenment Europe, Berlin 2003, S. 1–16, hier S. 1–2; Roy Porter, Introduction, in: Ders. (Hrsg.), The Cambridge History of Science, Bd. 4: Eighteenth-Century Science, Cambridge u. a. 2003, S. 1–20, hier S. 10–11; Alix Cooper, Inventing the Indigenous. Local Knowledge and Natural History in Early Modern Europe, Cambridge u. a. 2007, S. 1–31. 13 Bayerl, Die Natur als Warenhaus. Nach Jürgen Mittelstraß habe gerade in diesem Grundmotiv der Naturkontrolle der Keim der »kompromisslosen Verwissenschaftlichung und Technisierung« gelegen, die für ihn ein Grundmerkmal industrialisierter Gesellschaften und ihres »verfügenden« Verhältnisses zur Natur darstellt. Vgl. Jürgen Mittelstrass, Leben mit der Natur. Über die Geschichte der Natur in der Geschichte der Philosophie und über die Verantwortung des Menschen gegenüber der Natur, in: Oswald Schwemmer (Hrsg.), Über Natur. Philosophische Beiträge zum Naturverständnis, Frankfurt a. M. 1987, S. 37–62, hier S. 48; ähnlich Donald Worster, Nature’s Economy. A History of Ecological Ideas, Cambridge u. a. 1977, S. 26–55. 14 Porter, The Environment and the Enlightenment, S. 23–26; Keith Thomas, Man and the Natural World. Changing Attitudes in England, 1500–1800, London 1983.

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tragende Rolle: Sie beschrieb und klassifizierte die verschiedenen Elemente der naturalen Welt und teilte sie nach ihrer ökonomischen Nutzbarkeit ein.15 Mit einem ähnlichen einteilenden und systematiserenden Blick versuchte die entstehende Kriegswissenschaft, die »Natur« des Krieges zu ergründen und zum Teil auf generelle Prinzipien und Regeln zu reduzieren. Damit passt die Entwicklung der »Kriegswissenschaft« in größere, wissenschaftshistorische Narrative des 17. und 18. Jahrhunderts und ist zugleich mit der europäischen Aufklärung verbunden: Christy Pichichero attestiert der Militärtheorie einen bedeutenden Beitrag zum »Military Enlightenment«. In dieser Bewegung, für die Militärtheoretiker mit ihren Schriften das »backbone« dargestellt hätten, sieht sie wesentliche Elemente aufklärerischen Denkens verwirklicht, wie den Humanitarismus und eine neue Soziabilität in Form der »Kameradschaft«.16 Ähnlich konstatierte bereits Azar Gat eine Übertragung von Prinzipien der frühneuzeitlichen »Proto-Science« und ab der Mitte des 18. Jahrhunderts den Einfluss eines »newton’schen«, empiristischen Wissenschaftsideals auf die Militärtheorie.17 Die vielfältigen Bezüge auf aufklärerische Schlüsselthemen wie den Gebrauch der »Vernunft« oder zu den aufkommenden Wissenschaften sind mit Sicherheit ein Strukturmerkmal der frühneuzeitlichen Militärtheorie, die sich dadurch in zeitgenössische Diskussionen über die Form und Verfasstheit »wissenschaftlichen« Wissens einschrieb. Trotzdem sollte nicht angenommen werden, dass die entstehende »Kriegswissenschaft« dadurch ein einheitliches Gepräge besaß oder einem einzigen, speziellen Wissenschaftsideal folgte. Vielmehr ist die These dieses Kapitels, dass militärtheoretisches Wissen durch seine Heterogenität geprägt war, da es im Kontext eines Transformationsprozesses stand: Das Konzept von »Wissenschaft« selbst mit seinen Praktiken der Wissensgenese, der Systematisierung und der damit verbundenen Akteure war noch keineswegs

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15 Vgl. Beck, Ebersberg, S. 128–130. Ähnlich kritisch gegenüber dieser Erzählung einer rücksichtslosen Naturausbeutung auch Paul Warde, The Invention of Sustainability. Nature and Destiny, c. 1500–1870, Cambridge u. a. 2018, S. 1–5; zur »Verklammerung« von Ökonomie und Naturgeschichte durch den Kameralismus und die Bedeutung eines utilitaristischen Naturverständnisses vgl. auch Anne Mariss, »A World of New Things«. Praktiken der Naturgeschichte bei Reinhold Forster (Campus Historische Studien, Bd. 72), Frankfurt a. M.; New York 2015, S. 83–90. 16 Vgl. Pichichero, Military Enlightenment, S. 1–22; S. 39. 17 Vgl. Gat, Origins, S. 13–29.

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einheitlich definiert, und selbiges galt auch für die »Kriegswissenschaft«. Um diese Heterogenität zu beleuchten werden in der Folge drei Ebenen des militärtheoretischen Wissens betrachtet: seine Produktion und Rezeption; seine Strukturierung als Wissensgebiet; sowie seine Strategien der Legitimation.

1.1 Wissen (re-)produzieren: Militärtheoretisches Schreiben und Lesen In dieser Studie geht es um militärisches Wissen in einer besonderen Form: Es handelt sich um explizites, kodifiziertes Wissen, das primär über gedruckte Traktate verbreitet wurde. Auch wenn es in Indien, Japan oder China Schriften zur »Kunst des Krieges« gab, sind die hier betrachteten militärtheoretischen Traktate aufgrund ihrer Publikations- und Überlieferungsdichte ein europäisches Phänomen.18 Primär stammen die Quellen aus dem deutschen und französischen Sprachraum. Beide zeichneten sich durch eine hohe Produktivität und durch intensive Verflechtungen miteinander aus. Auch andere Sprachräume waren in dieser Hinsicht in der Frühen Neuzeit produktiv: So zählte Geoffrey Parker für den Zeitraum von 1470 bis 1642 wenigstens 164 englischsprachige Werke zur Militärtheorie.19 Die Produktion dieser Traktate, aber auch ihre Rezeption verliefen keineswegs einheitlich. Um die Produktions- und Reproduktionsbedingungen dieses militärischen Wissens zu kartieren, wird zunächst ein kurzer kontextualisierender und quantifizierender Überblick über die Publikationsentwicklung der Traktate gegeben. Danach wird nach den verschiedenen Gruppen und den Selbstbildern der Autorenschaft gefragt; zuletzt wird ein Blick auf die unterschiedlichen Orte der Rezeption von militärtheoretischen Schriften geworfen.

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18 Vgl. Black, War in the Eighteenth-Century World, S. 192. 19 Vgl. Geoffrey Parker, The »Military Revolution,« 1560–1660 – a Myth, hier S. 197.

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1.1.1 Die Entwicklung militärtheoretischen Schreibens In historischen Narrativen wird als Ausgangspunkt militärtheoretischen Schreibens klassisch die griechisch-römische Antike gewählt. 20 Viele dieser Schriften wurden allerdings erst im 16. und 17. Jahrhundert in Druck gelegt.21 Das Aufkommen gedruckter Traktate der Kriegskunst in der Frühen Neuzeit lässt sich, Daniel Hohrath folgend, in drei grobe Zeitabschnitte einteilen: Die »Renaissance der Kriegskunst« und die »militärische Revolution« vom 16. Jahrhundert bis zum Dreißigjährigen Krieg; die Herausbildung der »Kriegswissenschaft« vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts; und die »militärische Aufklärung« etwa ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Französischen Revolution.22 Im 15. und 16. Jahrhundert kam es zu verbreiteten Neuübersetzung und Kommentierung zahlreicher antiker Autoren.23 Zugleich markierten das 15. und 16. Jahrhundert mit der Verbreitung von Schwarzpulverwaffen und großen Infanterieformationen eine Zeit des militärischen Wandels.24 Ein weiterer Umbruch war die Veränderung der Kommunikation und

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20 Vgl. beispielsweise Heuser, Krieg denken. Schriftsteller wie Thukydides, Xenophon oder Polybios schrieben ausführlich über kriegerische Auseinandersetzungen ihrer Zeit. Aber auch militärische Handbücher wurden verfasst. Eines der ältesten ist das nur in Teilen überlieferte Werk des Aineias Taktikos (4. Jhd. v. Chr.), weitere sind das Strategikos Onasanders (1. Jhd. n. Chr.) sowie die Taktika des Aelianus Tacticus (1. Jhd. n. Chr.). Populärer war die Schrift des späten römischen Autors Publius Flavius Vegetius Renatus, Epitoma Rei Militaris. Diese wurde bereits im Mittelalter rezipiert und stellte darüber hinaus auch für die Frühe Neuzeit eine zentrale antike Referenz dar, vgl. Friedhelm L. Müller, Einleitung, in: Publius Flavius Vegetius Renatus, Abriß des Militärwesens. Lateinisch und deutsch mit Einleitung, Erläuterung und Indices von Friedhelm L. Müller, Stuttgart 1997, S. 11–26; Übersetzungen des Werkes kursierten als Handschriften in den Bibliotheken französischer Fürsten und Bischöfe. Bereits früh fand es am Ende des 15. Jahrhunderts Verbreitung in Form von verschiedenen Inkunabeldrucken, vgl. Philippe Richardot, Végèce et la Culture Militaire au Moyen Âge (Ve-XVe siècles), Paris 1998, S. 5–18; S. 37–38; S. 43–45. 21 Vgl. Heuser, Krieg denken, S. 56. 22 Vgl. Daniel Hohrath, Die Kunst des Krieges lernen? Die Entwicklung der Militärwissenschaften zwischen Renaissance und Aufklärung, Rastatt 2004. 23 Vgl. Bernd Roeck, Der Morgen der Welt. Geschichte der Renaissance, München 2017, S. 533. Zur Bearbeitung militärischer Werke in der Renaissance siehe Therese Schwager, Militärtheorie im Späthumanismus. Kulturtransfer taktischer und strategischer Theorien in den Niederlanden und Frankreich (1590–1660), Berlin 2012. 24 Vgl. Christon Archer u. a., World History of Warfare, Lincoln NE 2002, S. 224–228; Lauro Martinez, Furies. War in Europe, 1450–1700, New York 2014, S. 82–92; Clifford J. Rogers, Tactics and the face of battle, in: Frank Tallett, D. J. B. Trim (Hrsg.), European Warfare, 1350–1750, Cambridge 2010, S. 203–235, hier S. 208–219.

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Informationsverbreitung durch die Erfindung und weitgehende Verbreitung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern seit den 1460er Jahren.25 Die kosten- und zeiteffizientere Vervielfältigungstechnik ermöglichte einen neuartigen Buchmarkt mit einer bisher ungekannten Reichweite. 26 Diese drei Schlüsselprozesse spiegeln sich in dem wahrscheinlich ersten gedruckten Kriegsbuch wider: Der italienische Schriftsteller und Ingenieur Robertus Valturius, der seit 1446 in den Diensten des condottiere Sigismondo Malatesta stand, schrieb 1460 seine zwölf Bücher umfassende und stark durch antike Vorbilder geprägte Schrift De Re Militari, die 1472 in Verona in den Druck ging.27 Das wohl bekannteste militärtheoretische Werk aus dem 16. Jahrhundert stammt aus der Feder des florentinischen Schriftstellers Niccolò Machiavelli, der in seinem 1511 erschienenen Dell’arte della guerra schon früh das systematische Nachdenken über militärische Organisation mit politischen Rahmenbedingungen verknüpfte. 28

—————— 25 Vgl. Elizabeth L. Eisenstein, The Printing Press as an Agent of Change. Communications and Cultural Transformations in Early-Modern Europe, Volumes I and II, Cambridge 200914, S. 44. 26 Vgl. ebd., S. 113–126; Roeck, Morgen, S. 577–587. Auf die potenzielle Instabilität von Wissen durch die Gefährdung seiner Träger hat auch Martin Mulsow im Kontext des klandestinen und bedrohten Wissens hingewiesen, vgl. Martin Mulsow, Prekäres Wissen. Eine andere Ideengeschichte der Frühen Neuzeit, Berlin 2012, S. 11–18. Vgl. Eisenstein, Printing Press, S. 686–687; Elizabeth L. Eisenstein, Divine Art, Infernal Machine. The Reception of Printing in the West from First Impressions to the Sense of an Ending, Philadelphia PA; Oxford 2011, S. 80–86. 27 Als älteste deutschsprachige Zusammenstellung gilt das aus acht Teilen bestehende, ohne Gesamttitel erschienene Kriegsbuch des Grafen Reinhardt von Solms, welches etwa zwischen 1556 und 1560 gedruckt wurde. Das erste deutschsprachige Werk zum Festungsbau stammt von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1527 und befasst sich mit der damals aktuellen Herausforderung durch mauerbrechende Schwarzpulverkanonen. Auch das mehrfach neu aufgelegte Kriegsbuch des kaiserlichen Feldgerichts-Schuldheiß Leonhardt Frönsberger ist von Bedeutung, in dem unter Rückgriff auf andere Autoren das deutsche Landsknechtswesen detailliert beschrieben wird. Vgl. Hohrath, Kunst des Krieges lernen, S. 5, S. 7; zur militärischen Literatur des 16. Jahrhunderts und zum Aufkommen eines neuen Idealbildes des militärischen Anführers vgl. auch Marco Faini, Maria Elene Severini, Introduction, in: Dies. (Hrsg.), Books for Captains and Captains in Books. Shaping the Perfect Military Commander in Early Modern Europe (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung, Bd. 32), Wiesbaden 2016, S. 11–18; Gastone Breccia, Virtus under Fire. Renaissance Leaders in a Deadlier Battlefield, in: Marco Faini, Maria Elene Severini (Hrsg.), Books for Captains and Captains in Books. Shaping the Perfect Military Commander in Early Modern Europe (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung, Bd. 32), Wiesbaden 2016, S. 21–33. 28 Dabei lehnt sich Machiavelli an die Organisation der römischen Armee an, ebenso wie der später schreibende einflussreiche Gelehrte und Philosoph Justus Lipsius in seinen Politicorum libri sex (1589) und De militia Romana (1596). Die traditionelle Historiographie

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In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges schrieben bereits verschiedene Autoren militärtheoretische Werke, von Johann Jacobi von Wallhausen als früher »Systematiker« des Kriegswesens29 über den kompilatorisch arbeitenden Schriftsteller Neumair von Ramsla30 bis hin zu dem französischen General Henri II., Duc de Rohan und seiner kommentierten französischen Übersetzung von Caesars De Bello Gallico.31 Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges in Mitteleuropa begann langsam eine weitere Intensivierung der Publikationstätigkeit unter dem Zeichen der langsamen Herrschaftsverdichtung und »Verstaatlichung« der Heere. Diese Prozesse sind lange unter dem Begriff des »Absolutismus« zusammengefasst worden, dessen universelle Gültigkeit und Homogenität

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sieht in Lipsius’ neostoizistischen Idealen sowohl die Keimzelle der mittlerweile vielzitierten und -kritisierten Sozialdisziplinierung als auch die Grundsätze der oranischen Heeresreform zur Zeit des Niederländischen Unabhängigkeitskrieges angelegt. Vgl. Roeck, Morgen, S. 642–646; Felix Gilbert, Machiavelli: The Renaissance of the Art of War, in: Edward Mead Earle (Hrsg.), Makers of Modern Strategy. From Machiavelli to Hitler, Princeton 1943, S. 3–25, hier S. 12–19; Gat, Origins, S. 7; klassisch zur Sozialdisziplinierung Gerhard Oestreich, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 55 (1969), H. 3, S. 329–347; kritisch dazu z. B. Reinhard Blänkner, »Absolutismus« und »frühmoderner Staat«. Probleme und Perspektiven der Forschung, in: Rudolf Vierhaus (Hrsg.), Frühe Neuzeit – Frühe Moderne? Forschungen zur Vielschichtigkeit von Übergangsprozessen (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte, Bd. 104), Göttingen 1992, S. 48–74, hier S. 58–59. Demgegenüber betont Therese Schwager in ihrer Studie zur Militärtheorie im Späthumanismus, dass weniger der Neostoizismus Justus Lipsius’ Eingang in die oranischen Heeresreformen gefunden habe. Vielmehr sei es der Zugang Machiavellis gewesen, der Vegetius und Polybios als Referenzen der frühneuzeitlichen Militärtheorie weiter etabliert habe. Vgl. Schwager, Militärtheorie im Späthumanismus, S. 756. 29 Johann Jacobi von Wallhausen, Corpus Militare. Darinnen das heutige Kriegswesen in einer Perfecten und absoluten idea begriffen und vorgestellet wird, Hanau 1617. 30 Johann Wilhelm Neumair von Ramsla, Vom Krieg sonderbarer Tractat, Jena 1641. 31 De Rohan wurde 1579 als Sohn einer mächtigen protestantischen Familie geboren und kämpfte unter König Heinrich IV. gegen spanische Truppen in Flandern. Nach der Ermordung des Königs 1610 und unter der folgenden Herrschaft von Maria de Medici und Ludwig XIII. wurde de Rohan stattdessen einer der Anführer des hugenottischen Widerstandes in Frankreich bis zum Frieden von Alès 1629. Unter Ludwig XIII. kämpfte er außerdem im Dreißigjährigen Krieg. Vgl. die Studie zur Familie de Rohan von Jonathan Dewald, Status, Power, and Identity in early modern France. The Rohan Family, 1550–1715, University Park PA 2015; Lucienne Hubler, »Rohan, Henri de«, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), online abrufbar unter http://www.hls-dhsdss.ch/textes/d/D16930.php (Abruf am 19.02.2018); Henri II, Duc de Rohan, Le Parfaict Capitaine. Autrement, l’Abregé des Guerres de Gaule des Commentaires de Cesar, Paris 1636.

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seit den 90er-Jahren vielfach kritisiert wurde.32 Trotz der Feststellung diverser Diskontinuitäten und einer großen Heterogenität der Entwicklung verschiedener Territorien gilt eine sich intensivierende obrigkeitliche Administrations- und Verwaltungstätigkeit noch immer als Kennzeichen des makrohistorischen Prozesses der »Staatsbildung«; eine besonders wichtige Rolle spielten dabei Ausbau, Verstetigung und Umstrukturierung des Militärs als Stütze der Macht. 33 Zugleich wurde die Armee das standesgemäße Betätigungsfeld des frühneuzeitlichen Adels, in dem im Dienst des

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32 Vgl. Dagmar Freist, Absolutismus, Darmstadt 2008. Freist fasst die Kontroverse um den Begriff des »Absolutismus« konzise zusammen. Vgl. exemplarisch für die Debatte auch die Zusammenstellung der wichtigsten Diskussionsbeiträge in Ronald G. Asch, Heinz Duchhardt (Hrsg.), Der Absolutismus – ein Mythos? Strukturwandel monarchischer Herrschaft in West- und Mitteleuropa (ca. 1550–1700), Köln; Weimar; Wien 1996. 33 Vgl. dazu Lynn, Giant, S. 108–114; Martin van Creveld, Supplying War. Logistics from Wallenstein to Patton, Cambridge u. a. 1977, S. 18–22; kritisch gegenüber Crevelds Charakterisierung von frühneuzeitlichen Armeen vgl. John A. Lynn, The History of Logistics and Supplying War, in: Ders. (Hrsg.), Feeding Mars. Logistics in Western Warfare from the Middle Ages to the Present, Boulder CO 1993, S. 9–30; zum »Fiscal Military State« vgl. z. B. Hamish Scott, The Fiscal-Military State and International Rivalry during the Long Eighteenth Century, in: Ders. (Hrsg.), The Fiscal-Military State in Eighteenth-Century Europe. Essays in honour of P. G. M. Dickson, Farnham 2009, S. 23–54; dagegen auf die Rolle von privaten Kriegsunternehmern hinweisend David Parrott, The Business of War. Military Enterprise and Military Revolution in Early Modern Europe, Cambridge u. a. 2012. Der Ausbau frühneuzeitlicher Heere war allerdings von Territorium zu Territorium unterschiedlich, der einsetzende Prozess eines Wachstums der meisten europäischen Armeen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war weder linear noch homogen. Johannes Burkhardt schrieb in dieser Hinsicht noch von dem »stehen gebliebenen Heeren« des Dreißigjährigen Krieges als Grundstock der neuen stehenden Heere, vgl. Johannes Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt a. M. 1992, S. 213. Seit längerem ist aber von periodischen Anwerbungs- und Abdankungswellen auch nach dem Dreißigjährigen Krieg auszugehen. Vgl. schon Gerhard Papke, Von der Miliz zum Stehenden Heer. Wehrwesen im Absolutismus (Handbuch zur deutschen Militärgeschichte 1648–1939, Bd. 1), München 1979, S. 175; vgl. Bernhard R. Kroener, »Das Schwungrad an der Staatsmaschine«? Die Bedeutung der bewaffneten Macht in der europäischen Geschichte der Frühen Neuzeit, in: Ders., Ralf Pröve (Hrsg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn u. a. 1996, S. 1–11. Besonders das Beispiel Frankreich wurde unter diesem Gesichtspunkt betrachtet. Wie beispielsweise John Lynn betont muss auch hier zwischen der Stärke der Armee »auf dem Papier« sowie den tatsächlichen Zahlen unterschieden werden, vgl. John A. Lynn, Giant of the Grand Siècle. The French Army, 1610–1715, Cambridge 1997, S. 32–64. Vgl. außerdem Peter Wilson, Warfare in the Old Regime, 1648–1789, in: Jeremy Black (Hrsg.), European Warfare 1453–1815, Basingstoke 1999, S. 69–95; Black, A Military Revolution?, S. 95–116.

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Fürsten Ehre und Einfluss zu gewinnen waren.34 Die Veränderung von der »Kriegskunst« zur »Kriegswissenschaft« fand in dieser kriegerischen Zeit statt. Gegenüber einer vorherigen Dominanz italienischer und auf Latein verfasster Werke fiel in diese Zeit die langsame Verstetigung und Etablierung eines wirkmächtigen französischsprachigen militärtheoretischen Diskurses, der sich besonders aus den Arbeiten von französischen Militärs speiste, die ihre Erfahrungen in den Kriegen Ludwigs XIV. machten. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts lässt sich ein besonders deutlicher Publikationsschub militärtheoretischer Traktate konstatieren, eine Kulmination und kommunikative Verdichtung. Dies genau nachzuweisen ist schwierig. Laut Azar Gat waren zuvor als generelle Werke zur »Kunst des Krieges« im 17. Jahrhundert 70 Traktate veröffentlicht worden, von 1700 bis 1748 erschienen weitere 30; danach allerdings wurden bis an das Ende des Jahrhunderts über 100 neue Werke publiziert.35 Gat bezieht sich für diese Zahlen auf eine Auszählung unter Zuhilfenahme der Bibliotheca historico-militaris von Johann Pohler aus dem Jahr 1895.36 Dabei ist Pohlers Bibliografie zwar umfangreich, allerdings aufgrund ihrer Kategorisierungen für eine solche Auswertung nur mit Vorsicht nutzbar. Pohler ordnete die Werke anhand einer inhaltlichen Klassifikation anstatt nach ihrem Publikationsdatum. Dieses System ist teilweise schwer nachvollziehbar, weshalb hier eine Neuauszählung der Bibliografie rein anhand der Erscheinungsjahre vorgenommen wurde (Abb. 1).37

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34 Vgl. Ronald G. Asch, Ständische Stellung und Selbstverständnis des Adels im 17. und 18. Jahrhundert, in: Ders. (Hrsg.), Der europäische Adel im Ancien Régime. Von der Krise der ständischen Monarchie bis zur Revolution (1600–1789), Köln; Weimar; Wien 2001, S. 3–48, hier S. 16. 35 Vgl. Gat, Origins, S. 25; auch Christy Pichichero bezieht sich in ihrer neuesten Studie auf diese Zahlen, vgl. Pichichero, Military Enlightenment, S. 38. 36 Johann Pohler, Bibliotheca historico-militaris. Systematische Übersicht der Erscheinungen aller Sprachen auf dem Gebiete der Geschichte der Kriege und Kriegswissenschaft seit Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Schluss des Jahres 1880, 4 Bde., Kassel 1887–1899, hier Bd. 3, Kassel 1895. 37 Pohler betont in seinem Vorwort, dass er Doppelnennungen von Werken vermeide. Einschlägige Werke mit einem Erscheinungsdatum zwischen 1700 und 1800 können also nicht unter seiner Kategorie »18. Jahrhundert« verzeichnet worden sein, sondern beispielsweise unter »Taktik«, was seine Kategorisierungen unbrauchbar für eine Auszählung macht. Für die Neuauszählung wurden folgende von Pohlers Kategorien berücksichtigt: »Allgemeines«, »Kriegskunst des Altertums«, »Kriegskunst des Mittelalters«, »Kriegskunst des 15. und 16. Jahrhunderts«, »Kriegskunst des 17. Jahrhunderts«, »Kriegskunst des 18. Jahrhunderts«, »Militärische Betrachtungen«, »Taktik«, »Lagerung«, »Kleiner Krieg«. Für die Aussagen zur Publikationsdichte der Artillerie-, Ingenieur- und

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Abb. 1: Diagramm zur Auszählung der von Pohler erfassten Neuerscheinungen, Übersetzungen oder Neuauflagen militärtheoretischer Werke von 1500 bis 1800, getrennt nach allgemeinen und speziell die Artillerie, Ingenieurskunst oder Fortifikation betreffenden Traktaten. Quelle: Eigene Auszählung.

Die Erhebung zeigt einen stetigen Anstieg der Publikationszahlen sowie den bereits konstatierten drastischen Schub ab der Mitte des 18. Jahr-

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Fortifikationstraktate wurden die Kategorien »Geschichte der Artillerie«, »Geschichte der Genietruppen«, »Geschichte der Befestigungskunst: Allgemeines, Altertum und Mittelalter, 15. und 16. Jahrhundert, 17. Jahrhundert, 18. Jahrhundert« und »Feldbefestigungskunst« genutzt. Vgl. Pohler, Bibliotheca, Bd. 3, S. 567–714.

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hunderts; darüber hinaus ermöglicht sie aber eine differenziertere Perspektive. Die Gesamtzahl der im Laufe des 16. Jahrhunderts erschienenen militärtheoretischen Traktate lag nach Pohlers Bibliografie bei etwa 169; am Ende des 17. Jahrhunderts waren 367 Werke oder Neuauflagen sowie Übersetzungen erschienen, also mehr als das Doppelte. Demgegenüber erscheint die für das 18. Jahrhundert feststellbare Zahl von etwa 667 Publikationen den Trend der Verdoppelung der Publikationszahlen fortzusetzen. Allerdings ist die Zusammensetzung dieser Zahlen entscheidend. Werke zur Befestigungskunst oder zur Artillerie machten über 50% der Publikationen des 17. Jahrhunderts aus. Demgegenüber erschienen allein nach dem Jahr 1750 im Bereich der Taktik und der allgemeinen Kriegskunst 359 neue Werke. Durch diesen Publikationsschub außerhalb des traditionell produktiven Spezialbereiches des technischen Ingenieurswissens ist der scharfe Anstieg der militärtheoretischen Publikationstätigkeit erklärbar.38 Das bisher bestehende Übergewicht französischsprachiger theoretischer Schriften wurde nun vermehrt durch diverse deutschsprachige Traktate ausgeglichen; außerdem stieg in dieser Zeit die Übersetzungstätigkeit stark an, sowohl von französischsprachigen Werken ins Deutsche, als auch anders herum, vor allem im Hinblick auf preußische Reglements. 39 Zudem differenzierten sich die Themengebiete aus. Vermehrt wurden nun Spezialstudien zu Themenbereichen wie Logistik, dem »Kleinen Krieg«, der Feldbefestigung oder der militärischen Bildung veröffentlicht. Zuletzt etablierte sich ein dynamisches militärisches Zeitschriftenwesen: Azar Gat zählt allein 14 verschiedene Reihen bis zum Beginn der Französischen Revolution auf, von denen die langlebigste Georg Dietrich von der Groebens Kriegsbibliothek war, die von 1755 an mit kleineren Unterbrechungen bis 1784 erschien.40 Christie Pichichero zählt für Frankreich ab den 1770er Jahren ebenfalls mehrere militärische Journale auf, wie die Encyclopédie militaire ab 1770, das Journal militaire et politique ab dem Jahr 1778 oder das Journal de la marine aus dem selben Jahr. 41

—————— 38 Daniel Hohrath wies wiederholt auf die hohe Produktivität dieser speziellen Schicht hin, vgl. Hohrath, Bildung, hier S. 49. 39 Vgl. ebd., S. 46. 40 Vgl. Gat, Origins, S. 64–65. 41 Vgl. Pichichero, Military Enlightenment, S. 58–60. Die von Pichichero angeführte Encyclopédie militaire ist allerdings nicht das erste militärisches Journal Europas.

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Woraus speiste sich diese Dynamik der »militärischen Aufklärung« als »militärische Bildungsbewegung«?42 Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war militärisch und politisch von einer neuartigen Dynamik gekennzeichnet: Der Österreichische Erbfolgekrieg und der Siebenjährige Krieg, in denen Friedrich II. von Preußen sowohl gegen Frankreich und Russland, als auch gegen Österreich unter Kaiserin Maria Theresia kämpfte, etablierten Preußen als neue europäische Großmacht. Die auch außerhalb Europas ausgetragenen Konflikte erreichten eine Größenordnung, die bereits Zeitgenossen als bedeutsam empfanden. Besonders der Siebenjährige Krieg wurde intensiv medial begleitet und kommentiert. 43 Die Erfolge der preußischen Armee sowie die Verklärung Friedrichs II. zu einem militärischen Genie führten zu einem erheblichen Interesse an preußischen militärischen Konzepten. Diese militärischen Erfolge mögen die Produktion deutschsprachiger Schriften weiter angeregt haben. Aber auch die Niederlagen auf französischer Seite führten dazu, dass dort vermehrt über militärtheoretische Fragen diskutiert wurde. 44 Zudem intensivierte sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts verstärkt eine innermilitärische Diskussion über die nötige Bildung und Ausbildung von Offizieren und Soldaten. Zuvor hatte militärische Bildung als Teil einer generellen adeligen Standeserziehung oder in den sich seit dem 16. Jahrhundert etablierenden Ritterakademien stattgefunden. 45 Im ausgehenden 17. Jahrhundert wurden darüber hinaus Kadettenanstalten zur Ausbildung des jungen Offiziersnachwuchses etabliert, wie beispielsweise die Kadettenanstalt in Frankreich 1682, die allerdings nur kurz bestand. Auch

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42 Hohrath, Bildung, S. 45. 43 Die Literatur zu diesem Themenfeld ist mittlerweile so unüberschaubar, dass der Siebenjährige Krieg als einer der am besten erforschten Kriege der Frühen Neuzeit gelten kann. Vgl. als Überblick Marian Füssel, Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert, München 2010; Sven Externbrink (Hrsg.), Der Siebenjährige Krieg (1756–1763). Ein europäischer Weltkrieg im Zeitalter der Aufklärung, Berlin 2011; die koloniale Dimension und die Konfrontation zwischen England und Frankreich betonend vgl. exemplarisch Daniel Baugh, The global Seven Years War, 1754–1763. Britain and France in a great power contest, London 2011; Mark H. Danley, Patrick J. Speelman (Hrsg.), The Seven Years’ War. Global Views, Leiden 2012. 44 Vgl. Quimby, Background, S. 3–4. 45 Vgl. zu Ritterakademien das Standardwerk von Norbert Conrads, in dem die Idee der Ritterakademie als Institution sowie ihre Realisierung in Frankreich und dem Reich bis ins frühe 18. Jahrhundert nachvollzogen wird, Norbert Conrads, Ritterakademien in der Frühen Neuzeit. Bildung als Standesprivileg im 16. und 17. Jahrhundert (Schriftenreihe der historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 21), Göttingen 1982.

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im Reich gab es entsprechende Bemühungen, wie beispielsweise 1692 in Kursachsen.46 Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings intensivierte sich eine »gouvernementale Sorge« 47 um die Bildung von Offizieren: In nahezu allen deutschen Territorien fanden in diesem Zeitraum von der Obrigkeit, aber auch von Militärs unterstützte Neugründungen von Offiziersschulen statt. 48 Auch die intellektuellen Strömungen dieser Zeit sind von Bedeutung. Roy Porter beschreibt das 18. Jahrhundert und die »Aufklärung« in ihrer Hochphase als eine Form der Popularisierung der Vorstellungen, die bereits im 16. und 17. Jahrhundert geprägt worden seien: Skeptizismus und Kritik auch an gesellschaftlichen Bedingungen wie Herrschaft und Religion; zugleich aber ein »esprit geometrique«,49 die Übertragung des Ideals mathematischer Exaktheit auf verschiedene Bereiche. 50 Wissenschaftshistorisch zeichnete sich das 18. Jahrhundert durch die Bemühung aus, die Suche nach »natürlichen« Prinzipien sowie ein rasant anwachsendes Wissen über die Welt in neue Systeme und Ordnungen zu bringen. Eine Antwort darauf war der Versuch der Enzyklopädisierung des menschlichen Wissens. Als das »Flaggschiff« der Aufklärung gilt der Historiographie das Projekt der Encyclopédie Jean Baptiste le Rond d’Alemberts und Denis Diderots. In diesem verband sich der Versuch einer Neuordnung des Wissens mit subtiler Kritik.51 Nicht nur hier fand militärisches Wissen seinen Platz.52 Auch in eigenen militärischen Enzyklopädien und Wörterbüchen wurde versucht, militärisches Grundlagenwissen zu systematisieren. 53 Die neue Dynamik militärischen Schreibens war eine Facette einer generellen kommunikativen Verdichtung. In der entstehenden »bürgerlichen Öffentlichkeit« spielten auch Offiziere eine Rolle. Sie wurden ab der Jahrhundertmitte Mitglieder gelehrter und aufklärerischer Sozietäten und Lese-

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46 Hohrath, Bildung, S. 38–43; noch immer grundlegend zu diesem Thema Bernhard Poten, Geschichte des Militär-, Erziehungs- und Bildungswesens in den Landen deutscher Zunge, 5 Bde., Berlin 1889–1897. 47 Hohrath, Bildung, S. 45. 48 Ebd. 49 Vgl. Jürgen Mittelstrass, Neuzeit und Aufklärung. Studien zur Entstehung der neuzeitlichen Wissenschaft und Philosophie, Berlin; New York 1970, S. 121–124. 50 Ebd.; Porter, Introduction, S. 3–5. 51 Vgl. Robert Darnton, Eine kleine Geschichte der Encyclopédie und des enzyklopädischen Geistes, in: Anette Selg, Rainer Wieland (Hrsg.), Die Welt der Encyclopédie, Frankfurt a. M. 2001, S. 455–464. 52 Vgl. dazu Kap. 1.2 dieser Studie. 53 Vgl. Hohrath, Beherrschung des Krieges, S. 381–384.

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kreise und beteiligten sich durch Artikel an aufklärerischen Diskursen.54 Dadurch entstand gewissermaßen eine »militärwissenschaftliche Öffentlichkeit«,55 die nicht allein durch Militärs geprägt wurde: Krieg und militärische Aktionen waren Themen eines breiteren Interesses jenseits der Offiziere und Kadettenschulen. 56 Dieses ausgreifende Interesse an militärischen Themen lässt sich zuletzt mit der verstärkten Rezensionstätigkeit militärtheoretischer Werke in gelehrten Journalen des 18. Jahrhunderts belegen. Die Forschungsdatenbank Gelehrte Journale und Zeitungen als Netzwerke des Wissens im Zeitalter der Aufklärung der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 57 erfasst in ihrem Korpus diverse Journale der deutschsprachigen Aufklärung und verzeichnet sowohl Aufsätze als auch Rezensionen.58 In der Gesamtübersicht aller erschienenen Rezensionen zwischen 1688 und 1789 macht dabei der Anteil der »militärwissenschaftlichen« Rezensionen gerade einmal 0,43% aus. 59 Betrachtet man die Rezensionen in der Kategorie »Militärwissenschaft« gesondert und in absoluten Zahlen, so lässt sich trotzdem eine Entwicklung nachzeichnen. Von 1688 bis 1789 erschienen laut der Forschungsdatenbank insgesamt 727 Rezensionen zu militärtheoretischen Werken. Im Zeitraum von 1688 bis 1740 belief sich die Gesamtzahl an publizierten Rezensionen zu militärtheoretischen Werken nur auf 58. Von 1740 bis 1789 steigerte sich diese Zahl jedoch auf 681, also gut um das Elffache. Diese Steigerung ist besonders eindrucksvoll, da sie von der militärtheoretischen Publikationsentwicklung entkoppelt scheint, wobei allerdings die intensivierte Rezensionstätigkeit und die Etablierung neuer gelehrter Journale in dieser Zeit ebenfalls miteinbezogen werden müssen. Am Ende des 18. Jahrhunderts war das militärtheoretische Schreiben also ein Teil der generellen intellektuellen Landschaft – und somit eine Facette einer generellen kommunikativen Verdichtung in dieser Zeit.

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54 Vgl. Hohrath, Aufgeklärte Kriegswissenschaften, S. 28–32. 55 Ebd., S. 32–42. 56 Ebd. Vgl. dazu auch Kap. 1.4 dieser Arbeit. 57 Vgl. http://www.gelehrte-journale.de/startseite/ (Abruf am 30.10.2018). 58 Dabei setzt sich der Korpus des Projektes aus insgesamt 323 Zeitschriften zusammen, die bis zum Jahr 2025 erschlossen werden sollen. Zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Studie – Stand Oktober 2018 – waren bereits 316 verschiedene Zeitschriften durchsuchbar. Vgl. dazu die Informationen des Webauftrittes des Projekts, http://www. gelehrte-journale.de/ueber-uns/projekte-und-datenbanken/ (Abruf am 30.10.2018). 59 Die Kategorie »Militärwissenschaft« umfasst hier sowohl allgemeine Werke zur Kriegskunst als auch enzyklopädische, taktische, logistische oder militärhistorische Werke und Werke zu Festungsbau und Artillerie.

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1.1.2 Die Persona des Militärtheoretikers Das Konzept von »Wissenschaft« war im 17. und 18. Jahrhundert alles andere als ein klar umrissener Bereich mit festen Institutionen, Disziplinen und Vorgehensweisen. Zu einem gewissen Grad lag dies auch daran, dass die soziale Rolle des »Wissenschaftlers« an sich noch nicht existierte. Der »man of science« agierte in der Frühen Neuzeit im Rahmen verschiedenster traditioneller gelehrter Rollen: Als Universitätsprofessor, Geistlicher, Sekretär, Privatlehrer.60 Zugleich existierten aber auch verschiedene Selbstzuschreibungen.61 Lorraine Daston schreibt in diesem Zusammenhang von der langsamen Etablierung einer wissenschaftlichen Persona, die erst im frühen 19. Jahrhundert feste Formen annahm: Wissenschaft als Beruf und Berufung setzte nicht nur die Aufwertung von Gegenstandsbereichen zu validen Interessengebieten voraus, sondern auch eine »tiefgreifende Transformation des Selbst«.62 Vorher existierten verschiedene, heterogene Konzepte und Positionierungsversuche. Die entstehende »Kriegswissenschaft« ist hierbei keine Ausnahme: Während in den militärtheoretischen Schriften versucht wurde, den Krieg als angemessenen Gegenstandsbereich einer wissenschaftlichen Betrachtung zu etablieren, wurde zugleich besonders im 18. Jahrhundert auch nach einer Persona des Militärtheoretikers gesucht, mit der sich die theoretische Beschäftigung mit dem Krieg rechtfertigen ließ. Dabei war allerdings die bestehende Heterogenität militärtheoretischer Autorenschaft schon in der Herkunft und dem sozialen Status der Autoren sichtbar. Die Autoren der frühneuzeitlichen Militärtheorie wurden als größere Gruppe bislang wenig thematisiert. Wie Daniel Hohrath bemerkt, fehlt eine erschöpfende sozialgeschichtliche Untersuchung für die Repräsentanten der deutschen »militärischen Aufklärung« bislang;63 dies kann auch in einer größeren, nicht auf das 18. Jahrhundert und das Reich be-

—————— 60 Vgl. Steven Shapin, The Man of Science, in: Katharine Park, Lorraine Daston (Hrsg.), The Cambridge History of Science, Bd. 3: Early Modern Science, Cambridge 2006, S. 179–191, hier S. 179–181. 61 Vgl. Steven Shapin, The Image of the Man of Science, in: Roy Porter (Hrsg.), The Cambridge History of Science, Bd. 4: Eighteenth-Century Science, Cambridge u. a. 2003, S. 159–183, hier S. 160. 62 Vgl. Lorraine Daston, Die wissenschaftliche Persona. Arbeit und Berufung, in: Theresa Wobbe (Hrsg.), Zwischen Vorderbühne und Hinterbühne. Beiträge zum Wandel der Geschlechterbeziehungen in der Wissenschaft vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart (Interdisziplinäre Forschungsberichte, Bd. 12), Bielefeld 2003, S. 109–136. 63 Vgl. Hohrath, Bildung, S. 48.

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schränkten Perspektive bestätigt werden. Sowohl Hohrath als auch Armstrong Starkey nehmen allerdings anhand der Autoren eine gewisse Periodisierung der »militärischen Aufklärung« im 18. Jahrhundert vor. Beide unterscheiden zwischen einer »frühen« Phase, deren Autoren vor der Umbruchsphase ab 1740 oder 1750 geboren wurden, und einer späten Phase nach dieser Zäsur. Hohrath bezeichnet erstere als »Lehrer« und Begründer der militärischen Bildungsbewegung, während die danach folgenden, zumeist jungen Offiziere bereits in diesem intellektuellen Klima aufwuchsen, frühere Schriften verstärkt rezipierten und militärische Bildungsanstalten besuchten. 64 Darüber hinaus wird immer wieder der auffällig hohe Anteil an entweder nicht in militärischen Diensten stehenden Gelehrten oder an Ingenieur- und Artillerieoffizieren mit vermehrt bürgerlichem Hintergrund betont, die sich im 17. und 18. Jahrhundert schriftlich zu militärischen Themen äußerten. 65 Dies passt zu dem Befund, dass der Spezialbereich der technisch und mathematisch anspruchsvollen Fortifikationslehre einen großen Teil der gesamten erschienenen militärtheoretischen Traktate ausmacht. Aber trotzdem waren nicht nur Ingenieure und Artilleristen besonders »schreibaffin«. Unter Berücksichtigung von Herkunft, Stand und militärischem Rang lassen sich bei den für diese Studie betrachteten Autoren verschiedene Gruppen ausmachen. Erstens hatte die bereits angesprochene, produktive Gruppe von Artillerie- und Ingenieuroffizieren einen großen Anteil an der Produktion militärtheoretischer Traktate. Diese setzten sich zu einem gewissen Teil auch aus Angehörigen der bürgerlichen gelehrten Schichten zusammen. Allerdings ist hier durchaus Vorsicht geboten, stellten Mathematik und Fortifikation als ihre angewandte Form doch auch klassische Bildungsinhalte einer adeligen Standeserziehung dar, sie waren also kein exklusives Kennzeichen der Schicht der »gelehrten Bürger«.66 Zugleich schrieben diese Ingenieure nicht nur über ihre »Kernthemen« der Fortifikationstheorie, sondern verfassten zum Teil auch generelle Kriegsbücher, die die ganze Breite militärischen Wissens abdecken sollten. Eine zweite Gruppe war die

—————— 64 Vgl. ebd.; Starkey, War, S. 53. 65 Vgl. Hohrath, Bildung, S. 49. 66 Vgl. z. B. Gernot Heiss, Die Liebe des Fürsten zur Geometrie: Adelserziehung und die Wertschätzung der höfischen Gesellschaft für Symmetrie und Regelmäßigkeit, in: Peter J. Burghard (Hrsg.), Barock: Neue Sichtweisen einer Epoche, Köln; Weimar; Wien 2001, S. 101–119.

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der Autoren, die primär keine Offiziere waren, sich aber trotzdem zu militärischen Themen äußerten und theoretische Traktate verfassten. Besonders im Bereich der fortifikatorischen Literatur ist dies häufiger anzutreffen, war die Fortifikation als Form der »angewandten Mathematik« doch auch Arbeitsbereich verschiedener Gelehrter.67 Auch militärische Taktik wurde jungen Adeligen zusammen mit der Fortifikation unter anderem von Mathematikern beigebracht. Allerdings steht diesen zwei Gruppen eine dritte Gruppe gegenüber, die besonders vor der Mitte des 18. Jahrhunderts bedeutsam war: die adeligen oder hochadeligen Praktiker des Krieges, also Feldherren oder zumindest adelige Offiziere in den obersten militärischen Rängen, die durch ihre Aktionen bereits vor dem Abfassen ihrer Memoiren oder Denkschriften Bekanntheit und einen hohen Rang erlangt hatten. Viele dieser Schriften bestanden zunächst nur in der Form eines Manuskriptes, bis sie – oft posthum – herausgegeben wurden. Klassische Beispiele hierfür wären Turenne oder sein Gegenspieler Montecuccoli, Antoine de Pas de Feuquières sowie Moritz von Sachsen oder Jacques de Chastenet de Puységur, beides Marschalle von Frankreich. Eingeschränkt können auch die militärischen Schriften Friedrichs II. dieser Gruppe zugerechnet werden, obgleich er seine militärischen Anweisungen nur für die eigene Generalität schrieb, nicht für eine gesamte militärisch interessierte Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu dieser Gruppe der (hoch-)adeligen Feldherren gibt es zuletzt die Gruppe derjenigen Militärs, die noch nicht den Gipfel ihrer militärischen Karriere erreicht hatten und die oft als noch junge Hauptleute oder Obristen über eigene Erfahrungen und Ansichten zum Kriegswesen schrieben. Unter diesen lassen sich zum Teil auch die von Hohrath als »Schüler« der militärischen Bildungsbewegung beschriebenen Autoren verorten. Besonders nach 1750 steigt der Anteil dieser Gruppe an den veröffentlichten Werken. Sozial zeichnete sich die Gruppe der militärtheoretischen Autoren also durch eine Heterogenität aus, die sich im 18. Jahrhundert noch verstärkte. Augenfällig ist zudem, dass im Laufe der Zeit die lokale Herkunft der Autoren eine immer geringere Rolle spielte und auch Militärs kleinerer Territorien verstärkt vertreten waren. 68 Ohnehin waren viele der Autoren durch

——————

67 Vgl. Hohrath, Bildung, S. 34–35; Hohrath, Beherrschung des Krieges, S. 379–380; Henning Eichberg, Geometrie als barocke Verhaltensnorm. Fortifikation und Exerzitien, in: Zeitschrift für Historische Forschung 4 (1977), H. 1, S. 17–50, hier S. 21–26. 68 Vgl. Hohrath, Bildung, S. 49.

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ihren militärischen Werdegang besonders mobil und dienten oftmals in verschiedenen Armeen; der britische Offizier Henry Lloyd (1720–1783) stand in seiner Funktion als begabter Ingenieur und Militärkartograf in preußischen, österreichischen, französischen und russischen Diensten. 69 Schon anhand seiner Träger ist der militärtheoretische Diskurs also als grenzüberschreitend zu bezeichnen. Eine Feststellung eint allerdings fast alle dieser Autoren: Sie gehörten einer gesellschaftlichen Elite an, sei es der alten adeligen Elite oder der relativ neuen gelehrten Elite. Die Militärtheorie zu betrachten heißt, ihre ständische Codierung und inhärente Machtdimension stets mitzudenken: Hier redete eine sozial hochgestellte Gruppe über Armeen, deren Hauptakteure – die einfachen Soldaten – in überwältigender Mehrheit nicht an diesem Diskurs teilnehmen konnten. Doch warum schrieben diese Autoren überhaupt über den Krieg? Während in der Forschung anhand der Schriften der Militärtheoretiker oft ein Narrativ verfolgt wird, das die Geschichte des strategischen Denkens erzählt oder auf die Inspiration durch zeitgenössische aufklärerische Diskurse verweist, wird die konkrete Schreibmotivation der Autoren eher weniger thematisiert. Die Frage nach dem »Warum« des Schreibens in den Biografien einzelner Autoren tritt hinter der Genese der Werke selbst zurück. An diesem Punkt besteht Bedarf nach genaueren vergleichenden Studien, allerdings können begründete Vermutungen angestellt werden. Denkbar erscheint als Motiv des Schreibens der Faktor der eigenen Reputation. Gerade für rangniedrige Adelige und Militärs, aber auch bürgerliche Akteure ist davon auszugehen, dass das Verfassen einer militärtheoretischen Schrift den eigenen Aufstieg befördern sollte. Das Verfassen dieser Schriften, aber auch die Beschäftigung mit ihnen wurde so neben dem tatsächlichen militärischen Handeln zu einer Praktik, die die eigenen Fähigkeiten unter Beweis stellen und somit gewissermaßen »Expertise« in Fragen der Kriegskunst konstituieren sollte.70

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69 Vgl. Starkey, War, S. 56–63. 70 Zu Expertise als Praxis und der Auffassung des »Experten« als performativ hergestellte soziale Rolle vgl. Marian Füssel, Frank Rexroth, Inga Schürmann, Experten in vormodernen und modernen Kulturen. Zur Einführung, in: Dies. (Hrsg.), Praktiken und Räume des Wissens. Expertenkulturen in Geschichte und Gegenwart, Göttingen 2019, S. 7–18; Marian Füssel, Die Experten, die Verkehrten? Gelehrtensatire als Expertenkritik in der Frühen Neuzeit, in: Björn Reich, Frank Rexroth, Matthias Roick (Hrsg.), Wissen, maßgeschneidert (Historische Zeitschrift, Beihefte, Bd. 57), München 2012, S. 269– 288, hier S. 269–271; Christelle Rabier, Introduction. Expertise in Historical Perspectives, in:

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Dies war zunächst vor allem ein Kennzeichen bürgerlicher Ingenieure. Der Ingenieur und Major Johann Sebastian Gruber, der am Ende des 17. Jahrhunderts mehrere Traktate verfasste, betont in seinem 1697 erschienenen Werk Die heutige Kriegs-Disciplin in dieser Hinsicht explizit einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den »niedrigsten Clienten« der Fürsten und dem Adel. Zeichneten sich diese »Clienten« als Diener der »höchsten Häupter« durch »ihre Wissenschaften und Tapffrigkeit« aus und machten sich »meritiret […] und vor andern […] merklich distinguiret«, so würden sie es »zu dem höchsten Gipffel der Ehre« bringen, was »wohl sonst ausser disen nimmermehr würde geschehen seyn / massen alle Adeliche […] von dem Degen herkommen«.71 Das Wissen um die von Gruber in Anlehnung an Wallhausen schon als »Kriegs-Wissenschaft« bezeichnete Kriegskunst ist es, was auch Nicht-Adeligen eine Chance auf einen Aufstieg verspricht. Es zur Schau zu stellen ist ein Mittel der Distinktion. Im 18. Jahrhundert betonen viele Militärtheoretiker in ihren Vorworten die allgemeine Verbreitung des Lesens von Kriegsgeschichten und theoretischen Traktaten unter adeligen und nicht-adeligen Offizieren. Auch hier zeigt sich die Motivation der Distinktion gegenüber anderen Akteuren in derselben sozialen Arena. In den im Jahr 1769 ediert herausgegebenen Briefen des kursächsischen Offiziers Hans Carl Heinrich von Trautschen beschreibt dieser das eigene eifrige Studium der Militärgeschichte und -theorie: »Die Wissenschaften, die einem Kriegsmanne nöthig sind, wenn er sich nicht unter dem großen Haufen verlieren will, machen einen Theil unsrer Arbeit aus.«72 Von Trautschens Motivation des Lesens benennt er selbst als den Wunsch, sich in der Masse an anderen Offizieren besonders auszuzeichnen – mit dem Vorweisen eines bestimmten Professionalisierungsniveaus war also wieder die Hoffnung auf Distinktion gegenüber anderen Konkurrenten und somit auf militärischen Aufstieg verbunden. Für Adelige und hochrangige Feldherren wie Moritz von Sachsen oder Feuquières mag allerdings auch eine Schreibmotivation in Betracht kommen, die bereits in Hinblick auf adelige Selbstzeugnisse diskutiert worden ist: die Beanspruchung von Deutungshoheit, die Erfüllung eines adeligen

—————— Dies. (Hrsg.), Fields of Expertise: A Comparative History of Expert Procedures in Paris and London, 1600 to Present, Newcastle 2007, S. 1–34. 71 Johann Sebastian Gruber, Die heutige Kriegs-Disciplin, Augsburg 1697, S. 6–7. 72 Hans Carl Heinrich von Trautschen, Militarische und Litterarische Briefe des Herrn von T., Leipzig 1769, S. 32–33.

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Habitus und die Erhöhung des eigenen symbolischen Kapitals. 73 Ihnen waren klassische Werke wie die Schrift des Vegetius oder Caesars De Bello Gallico durchaus vertraut, und auch Feldherren wie Turenne oder Montecuccoli waren als begabte Feldherren im 18. Jahrhundert bekannt; Friedrich II. sah in Turenne beispielsweise ein Vorbild. 74 Mit ihrem militärischen Schreiben trugen diese hochrangigen Autoren nicht nur zu einer zeitgenössischen Diskussion über Regeln und Grundsätze des Krieges bei, sondern stellten sich zugleich in eine lange Tradition bekannter und angesehener Feldherren.75 Um dieses eigene Schreiben über den Krieg zu rechtfertigen, aber auch um Deutungshoheit über diesen Gegenstand zu beanspruchen, entwickelte sich im Untersuchungszeitraum ein immer stärker zur Selbstbeschreibung genutztes Idealbild – das des »gelehrten Offiziers«. Diese Figur war grundlegend problematisch, da sie als Grenzgänger zwischen Militär und Wissenschaft konzipiert war: Sie musste praktische Erfahrung und Anwendungsorientierung mit theoretischem Reflexionspotenzial vereinen, durfte dabei aber nie zu stark als Soldat oder als Gelehrter identifizierbar sein. In dieser immer populärer werdenden Selbstbeschreibung spiegelte sich die Entwicklung militärtheoretischer Autorenschaft wider. Besonders nach 1750 hatten viele Autoren selbst militärische Bildungsanstalten besucht oder lehrten an ihnen. Dazu kam die Tatsache, dass sie sich allein durch das Veröffentlichen ihrer Schriften der problematischen Zwischenstellung zwischen den Polen des »Soldaten« und des »Gelehrten« ausgesetzt sehen

——————

73 Zu dieser Argumentation vgl. beispielsweise Sarah von Hagen, Ehr-Korrekturen. Zur Redaktionsgeschichte des Journal de la Campagne en Flandre 1746 des Fürsten Carl August Friedrich zu Waldeck, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 69 (2019), S. 115– 139; zu Pierre Bourdieus Kapitaltheorie vgl. exemplarisch Pierre Bourdieu, Ökonomisches Kapital – Kulturelles Kapital – Soziales Kapital, in: Margareta Steinrücke (Hrsg.): Die verborgenen Mechanismen der Macht, Hamburg 1992, S. 49–79, hier S. 63; Boike Rehbein, Gernot Saalmann, Kapital (capital), in: Gerhard Fröhlich, Boike Rehbein (Hrsg.), Bourdieu-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2009, S. 134–140, hier S. 138; vgl. zur militärischen Erinnerungskultur als Form der Selbstdarstellung außerdem Frank Zielsdorf, Militärische Erinnerungskulturen in Preußen im 18. Jahrhundert. Akteure – Medien – Dynamiken (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Bd. 21), Göttingen 2016, S. 86–94. 74 Vgl. dazu jüngst Adam Lindsay Storring, Frederick the Great and the Meanings of War, 1730– 1755, unv. Diss., Cambridge 2017, S. 155–158. 75 Vgl. zu dieser Argumentation in Bezug auf Friedrich II. auch Pečar, Autorität, S. 16–20.

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konnten, was besonders bei der aktiven Gruppe der Artillerie- und Ingenieuroffizieren der Fall war. 76 Bereits früh betonten Autoren mithilfe der Figur des Gemeinwohls die nötige Verbindung von Gelehrsamkeit und Kriegskunst. 77 Hans Friedrich von Fleming widmet in seinem Vollkommenen teutschen Soldaten das erste Kapitel seines Anhanges »denen Soldaten, die sich so wohl durch den Degen, als durch die Gelehrsamkeit signalisirt.«78 Hier führt er zahlreiche Personen der klassischen Antike, aber auch aus der Zeit Flemings selbst an, die seiner Ansicht als Vorbilder für »gelehrte« Soldaten taugten. Im Hauptwerk platziert Fleming in dem grundlegenden Kapitel »Vom Kriege« die Forderung, zugunsten des Gemeinwohls der »Republick« den Streit zwischen Gelehrten und Soldaten, die »beständig einander in den Haaren gelegen«, endlich beizulegen. Elementar aber ist, dass diese Beilegung des Streits in der Etablierung einer einzigen Rolle resultieren sollte: »Der Degen und die Feder lassen sich trefflich wohl mit einander vereinigen. Der Soldat kann seinen Herrn weit besser Dienste leisten, der zugleich ein Gelehrter mit dabey ist.«79 Unter explizitem Rückgriff auf die bereits vorher geprägte Metaphorik des »Degens« und der »Feder« propagiert Fleming passend zu seinem nahezu enzyklopädischen Werk ein Bild militärischer Gelehrsamkeit. Dass diese Verbindung nötig war, wurde mithilfe eines Arguments unterstrichen, das als Kritik eines rein erfahrungsbasierten epistemischen Zugangs zu militärischem Wissen lesbar ist und das theoretische Lernen des Krieges zu einem Sachzwang erklärte. Die Schwierigkeit, sich alles Wissenswerte über das Führen von Krieg durch die Praxis anzueignen, bildete den Kern dieses Arguments. In diesem Bezug wird Friedrich II. oft mit einem Ausspruch aus seinen militärischen Schriften zitiert: »Der Maulesel, der zehn Feldzüge lang den Packsattel des Prinzen Eugen trug, ist

—————— 76 Der »gelehrte Offizier« ist dabei keinesfalls als tatsächliche Beschreibung des Offizierskorps im 18. Jahrhundert zu sehen. Vgl. die Schilderungen zu Glücksspiel und Alkoholkonsum bei Christopher Duffy, The Military Experience in the Age of Reason, London; New York 1987, S. 84–88, oder die noch immer verbreiteten Klagen von Militärtheoretikern über den Lebenswandel ihrer Mitoffiziere, vgl. Hohrath, Beherrschung des Krieges, S. 383–384. 77 Vgl. beispielsweise Johann Sebastian Gruber, Die heutige neue vollkommene Kriegs-Politica, worinnen in besondern Capituln nicht allein die wahren Gründe der Kriegs-Wissenschafften kürtzlich an- und ausgeführet […], Frankfurt a. M. 1699, Vorrede. 78 Hans Friedrich von Fleming, Der vollkommene teutsche Soldat, Leipzig 1726, S. 698. 79 Ebd., S. 95.

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dadurch kein besserer Taktiker geworden.«80 Tatsächlich reproduziert er damit nahezu wortgleich einen Passus, der sich über den Ingenieur Johann Anton von Herbort, der ihn verbreitete, 81 auf Johann Christoph Glaser zurückverfolgen lässt, der damit seine Fortifikationskenntnisse verteidigte. In seinen Vernünfftigen Gedanken von der Kriegsbaukunst im Jahr 1728 schreibt Glaser, es sei ein Vorurteil, dass nur Militärs die Fortifikation beherrschten: »Wenn dis wahr, so würde weiter folgen, daß die Pferde und Maul-Thiere, so die Artillerie und Munition […] in die Tranchées bringen, auch etwas von dem Genie wissen müssten…«.82 Glaser vertrat freilich in seiner Schrift nicht das Ideal eines »gelehrten Offiziers«, sondern stritt in seinem Vorwort dafür, als Gelehrter ebenfalls Deutungshoheit in Kriegsangelegenheiten, vor allem der Fortifikation, zugesprochen zu bekommen. Letztlich lässt sich die Argumentation über die Problematik des militärischen Wissenserwerbs bis in die Vorworte zu den Bildungsprogrammen Nicolais verfolgen, der damit argumentiert, »das Mittel den Krieg durch die Erfahrung allein zu lernen, würket zu langsam.« 83 Damit wurde die die Teilnahme an vielen Feldzügen zugunsten eines kodifizierten, theoretischen Wissens abgewertet. Zur Konturierung der eigenen Rolle wurde besonders gern die rhetorische Abwertung von Gegnern und das Nutzen überzeichneter Negativfiguren genutzt. Militärtheoretiker bedienten sich ähnlicher rhetorischer Muster einer »polemischen Selbstbeschreibung« wie andere Autoren der Aufklärung, um sich selbst Deutungshoheit zuzusprechen. 84 Jean-Charles, Chevalier de Folard85 vertrat beispielsweise eine besonders aggressive Form der Selbstpositionierung: Seinen Gegnern unterstellt er, sie täten so, »als sei das Studium inkompatibel mit dem Militär«. Den eigenen Offizieren stellt er ein vernichtendes Zeugnis der Ignoranz aus, wenn er über die »Mehrzahl unserer Offiziere« behauptet, sie wüssten von nichts als ihrer

—————— 80 Friedrich II., Betrachtungen über einige Veränderungen in der Art der Kriegführung, in: Gustav Berthold Volz (Hrsg.), Die Werke Friedrichs des Großen in deutscher Übersetzung, Bd. 6: Militärische Schriften, Berlin 1913, S. 116–117. 81 Vgl. Johann Anton von Herbort, Nouvelles Methodes pour Fortifier les Places, Augsburg; Frankfurt; Leipzig 1735, Vorwort. 82 Johann Christoph Glaser, Vernünfftige Gedanken von der Kriegs-Bau-Kunst, Halle 1728, S.109. 83 Ferdinand Friedrich von Nicolai, Nachrichten von alten und neuen Kriegs-Büchern, Stuttgart 1765, Vorwort. 84 Vgl. Pečar, Tricoire, Falsche Freunde, 28–30. 85 Zu Folard vgl. Kap. 1.2.2.

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»Routine« und betrachteten Krieg lediglich als »Handwerk«.86 Sich selbst stellt er dagegen als überlegenen kritischen Denker dar, während er seine Gegner in die Nähe religiös konnotierter »Eiferer« rückt.87 In gewisser Weise wirkte diese aggressive Selbstbeschreibung noch in Guiberts Essai nach. Indem er sein Werk der »Wahrheit« widmet, die seine »Feder führt« und er die »philosophes« stellvertretend für sich selbst gegen den Vorwurf des unpatriotischen Verhaltens in Schutz nimmt, schreibt er sich ähnlich wie Folard unter Zuhilfenahme eines Feindbildes in aufklärerische Selbstbeschreibungen ein. Diese Form der polemischen Selbstbeschreibung bediente sich zweier überzeichneter Rollenbilder: dem tumben, exerzierwütigen »Haudrauf« und dem weltfremden »Pedant«.88 In extremer Art skizziert eine in der Mitte des 18. Jahrhunderts erschienene Schrift diese beiden Negativbeispiele, um durch diese Überzeichnung das Ideal des »gelehrten Offiziers« zu legitimieren. In der 1757 in Leipzig erschienenen Schrift mit dem programmatischen Titel Die glückliche Vereinigung des Soldatenstandes mit der Gelehrsamkeit nimmt der unter dem Pseudonym »Purus Larmesius ab Imagine« schreibende Autor vor allem Tugenden und Untugenden beider Rollen in den Blick. Auch in seiner Zeit seien Gelehrte und Militärs sich in gegenseitiger Abneigung verbunden. Als Beispiel der gelungenen Vereinigung beider Stände führt er jedoch Friedrich II. an, der beweise, dass Gelehrsamkeit der »Tapferkeit« nicht entgegenstehe. Denn »Tapferkeit« sei für den Autor nicht, »daß ich mich totstechen, schiesen, oder von Pferden zertreten lasse«, sondern in dem »Muth«, konsequent gegen Feinde vorzugehen. In Anspielung auf das dänische, von Johann Christoph Gottsched ins Deutsche übersetzte Drama Bramarbas oder der großsprecherische Offizier schreibt der Autor, es werde »kein roher Bramarbas, der seine Selenkräfte in keinen Wissenschaften geübet« im Krieg weit bringen können.89

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86 »La plûpart de nos Officiers, qui ne scavent que leur routine, s’imaginent faussement, […] qu’elle ne peut s’apprendre que par l’usage, c’est donc un metier«. Jean-Charles de Folard, Nouvelles Découvertes sur la Guerre, dans une Dissertation sur Polybe, Paris 1726, S. 11, Übers. durch J. P. B. Alle weiteren Übersetzungen französischer Originalpassagen stammen ebenfalls vom Autor. 87 »La hardiesse que j’ai eue de m’écarter des routes ordinaires, & d’en vouloir ouvrir de nouvelles révoltera les zelateurs [...]«, ebd., S. XVII-XVIII. 88 Zum Vorwurf der weltabgewandten Pedanterie als typische Kritik an Gelehrten des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. Füssel, Die Experten, die Verkehrten?, S. 277–278; S. 284– 287. 89 [P. von Falckenstein], Die glückliche Vereinigung des Soldatenstandes mit der Gelehrsamkeit. Entworfen von Purus Larmesius ab Imagine, Frankfurt a. M.; Leipzig 1757, S. 16–17.

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Schuld an diesem Graben zwischen Militärs und Gelehrten sei aber nicht deren grundsätzliche Inkompatibilität, sondern allein deren eigene Fehler. So solle der Offizier sein »wildes« und »hitziges« Wesen beruhigen und darüber hinaus weder faul, noch geizig, verfressen oder ungestüm sein.90 Doch auch die Laster der Gelehrten werden in geradezu idealtypischer Weise nach dem gängigen gelehrtenkritischen Diskurs vorgeführt. So sei vor allem der »Hochmuth, so von Eigenliebe und Dumheit abstammt«, das schlimmste Laster, mit dem sich »ganz besonders die sogenanten graduirten Personen kentbar und lächerlich« machten.91 Diese Anschuldigungen speisten sich aus klassischen moralischen Diskursen über beide soziale Rollen. Als Folgerung aus diesen Negativbeispielen führt der Autor seine Vorstellung eines gebildeten Offiziers an, der nicht die »Akademien besuchen« solle, sondern sich durch eigenes »Nachsinnen, fleißiges Lesen guter Bücher, daran es nirgends fehlet, und den Umgang wahrer Gelehrten« zu bilden habe.92 Diese Form der Selbstbeschreibung durch Abgrenzung als »Boundary Works« fügt sich in ähnliche Bestrebungen ein, die durch das noch immer instabile Rollenbild des »Wissenschaftlers« in anderen Disziplinen genutzt wurden.93 Zur eigenen Distinktion und zur Etablierung der eigenen Deutungshoheit musste auch in der Militärtheorie festgelegt werden, wer überhaupt zugelassen sein sollte, über die Materie qualifiziert zu sprechen – und wer nicht. Damit wurde die allerdings noch immer bestehende Heterogenität der verschiedenen Arten militärtheoretischer Autoren nicht etwa beseitigt; stattdessen verständigte man sich hier lediglich über die zwei Pole,

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90 Ebd., S. 24–25. 91 Ebd., S. 35–36. 92 Ebd., S. 48–51. Ganz ähnlich wird auch in der anonym erschienenen Schrift Zufällige Gedanken über die Pedanterie im Kriege aus dem Jahr 1758 vorgegangen, in der der Autor das Lesen militärtheoretischer Autoren gegen den Vorwurf der »Pedanterie« verteidigt. Hier lässt der Autor eine Karikatur eines Veteranen auftreten: »Wie! schreyt Hans Schnurrbart, aus dem Kabinet will der Herr einen Soldaten machen? Ohne Pulver gerochen zu haben will er ein Kriegsmann seyn?« Zugleich sei man allerdings kein Feldherr, nur weil man »einen Puisegur, einen Folard durchblättern, oder ein paar Kriegsreglements durchgelesen hat«. Anonym, Zufällige Gedanken über die Pedanterie im Kriege, Frankfurt a. M.; Leipzig 1758, S. 10–12. 93 Vgl. dazu das Konzept bei Thomas F. Gieryn, Boundaries of Science, in: Sheila Jasanoff u. a. (Hrsg.), Handbook of Science and Technology Studies, London u. a. 1995, S. 393–443; ebenfalls zur Beschreibung frühmoderner Akteure der sich herausbildenden Naturwissenschaften genutzt bei Oliver Hochadel, Öffentliche Wissenschaft. Elektrizität in der deutschen Aufklärung, Göttingen 2003, S. 274–276.

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zwischen denen der Militärtheoretiker und »Kriegswissenschaftler« im 18. Jahrhundert changierte.

1.1.3 Die Rezeption und Verbreitung militärtheoretischen Wissens Wenn es nicht die eine Art des militärtheoretischen Autors gab, so gilt dasselbe auch für Rezipienten. Vielmehr zeichnete sich die Militärtheorie anscheinend durch eine relativ offene Lesererwartung aus und wurde an verschiedenen Orten und in verschiedenen Kontexten rezipiert. 94 Nach Michael Gieseckes Betrachtungen über den Buchdruck in der Frühen Neuzeit zeichnete sich das Entstehen des »modernen« Buches unter anderem dadurch aus, dass es in Vorworten oder Titelformulierungen oft bereits Angaben zum intendierten Leser machte. 95 Wird für die Militärtheorie anhand der Vorworte nach den intendierten Lesern gefragt, so fallen die eher sporadisch vorkommenden Aussagen auf, die den Nutzen der Werke für bestimmte Leser herausstellen sollen. Grundsätzlich sprachen Autoren als Adressaten ihrer Schriften zumeist den »jungen Offizier« oder ganz allgemein den »jeune homme« an, womit in der Regel junge Adelige gemeint sein dürften. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings lassen sich verstärkt Hinweise darauf finden, dass Militärtheoretiker auch von einem veränderten Rezipientenkreis innerhalb des Militärs ausgingen. Georg Dietrich von der Groeben, der Herausgeber der erfolgreichen militärwissenschaftlichen Zeitschrift Krieges-Bibliothek, hatte beispielsweise besonders den »jungen Officier« im Blick, der »auch seine Achtung« fordere. Dabei spielt er besonders auf die Verbreitungsproblematik der Traktate an: Die Schriften selbst zu erwerben war oft teuer, und man wolle mit den kurzen Auszügen und Übersetzungen in der Krieges-Bibliothek daher »von den jungen Officieren gelesen werden, die nicht in den Büchersammlungen nachforschen können.«96 Nur sehr selten wird in den Traktaten selbst sicht- und greifbar, dass darüber hinaus ein noch größeres Publikum existierte. Der wohl expliziteste Verweis auf nichtmilitärische Rezipienten findet sich im Vorwort des populären Werkes Les Amusements Militaires des

—————— 94 Vgl. Hohrath, Bildung, S. 48–49. 95 Vgl. Michael Giesecke, Der Buchdruck in der Frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt a. M. 1994, S. 646–649. 96 Georg Dietrich von der Groeben, Krieges-Bibliothek oder gesammelte Beyträge zur Kriegswissenschaft, H. 1, Breslau 1755, S. 17–18.

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französischen Ingenieurgeographen Dupain de Montesson aus dem Jahr 1757. Zwar betont Dupain de Montesson, dass auch sein Werk seinen Sinn darin finde, junge Adelige an die Kunst des Krieges heranzuführen. Aber trotzdem stellt er fest, dass das Interesse an Krieg weit verbreitet sei: »Personen jeden Alters, jeden Geschlechts [sexe] und jedes Standes« beschäftigten sich zu seiner Zeit mit den »Kriegsoperationen«.97 Damit findet sich zugleich der extrem seltene Fall, dass in diesem von Männern geführten und beherrschten Diskurs 98 auch Frauen als mögliche Rezipienten angesprochen wurden. Darüber hinaus lässt sich über Zitate die Rezeption militärtheoretischer Autoren untereinander verfolgen. Hierbei lässt sich ein Fokus auf besonders prominente Werke feststellen, wie auf die Schriften Montecuccolis, auf Feuquières, Folard, teilweise Santa Cruz, oftmals auf Puységur. Diese Bezugnahme fand fast immer durch eine explizite Bezugnahme im Text statt, nur selten wurden Fußnoten genutzt. Besonders aufschlussreich sind in dieser Hinsicht die umfangreichen Leselisten, die Ferdinand Friedrich Nicolai in seinen dem Studium der Kriegswissenschaft gewidmeten Werken zusammenstellt. In seinen Nachrichten von alten und neuen Kriegsbüchern, aber auch im systematischer angelegten Versuch eines Grundrisses zur Bildung des Officiers führt er zahlreiche Werke der Fortifikationstheorie und der allgemeinen Militärtheorie an: Neben Bearbeitungen antiker Klassiker wie Vegetius oder Onasander empfiehlt er beispielsweise die Lektüre älterer fortifikatorischer Autoren wie Wilhelm Dilich, aber auch von Autoren wie Justus Lipsius sowie Johann Jakobi von Wallhausen, ebenso wie die oben

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97 Louis Charles Dupain de Montesson, Les Amusemens Militaires. Ouvrage Egalement Agreable et Instructif, Paris 1757, S. V. 98 Dieser Genderaspekt spiegelte sich auch in der benutzten Sprache und teilweise auch in den genutzten Vergleichen und Metaphern wider. Klassisch ist die Personifikation von Städten als junge Frau: so vergleicht beispielsweise der Bremer Obristlieutenant und Ingenieur Christian Neubauer eine Stadt, die seiner Ansicht nach zu sehr auf die Verteidigung ihrer äußeren Festungswerke setze als auf ihre Wälle, mit einer »Jungfer«, die ihre »Schamhafftigkeit« gegenüber einem »jungen Gesellen« dadurch schützen wolle, dass sie »das Hämde vorn in die Höh« und »vors Angesicht« halte und sich somit erst recht entblöße. Vgl. Christian Neubauer, Unnöthige Kriegs-Affaires, Bremen 1690, S. 47. Zur gängigen Sexualisierung von belagerten Städten in der Frühen Neuzeit vgl. Ulinka Rublack, Metze und Magd. Krieg und die Bildfunktion des Weiblichen in deutschen Städten der Frühen Neuzeit, in: Sibylle Backmann (Hrsg.), Ehrkonzepte in der Frühen Neuzeit. Identitäten und Abgrenzungen (Colloquia Augustana, Bd. 8), Berlin 1998, S. 199–222.

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genannten Klassiker der Kriegskunst des 17. und 18. Jahrhunderts.99 Nicolais Fokus auf diese »Klassiker« zeigt, dass sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bereits ein Kanon der Militärtheorie etabliert hatte, der bestimmten Werken deutlichen Vorrang einräumte. Die Dominanz französischer Autoren in den Leseempfehlungen und im persönlichen Bücherbesitz lässt sich auch in Großbritannien nachvollziehen, wie Ira Gruber in einer Studie anhand von verschiedenen britischen Offizieren nachzeichnet.100 Nicolai selbst erstellte seine Empfehlungen mithilfe einer eigenen, durch lange Sammeltätigkeit entstandenen Militärbibliothek. 101 Über die Materialität der Traktate selbst als Gegenstände von Sammlungen und Bibliotheken kann ebenfalls auf die Rezeption der Werke und auf ihre Leser geschlossen werden. Zu den Büchersammlungen von Universitäten und Kriegsakademien kamen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts immer mehr Regimenter, die eigene Bibliotheken einrichteten. 102 Dies lässt sich auch für Frankreich beobachten, wo die Subskriptionsliste des Journals Encyclopédie militaire nicht nur verschiedene Mitglieder des Königshofs oder Buchhändler enthielt, sondern dazu fast die Hälfte aller französischen Regimenter.103 Im Fall der niederländischen Streitkräfte führte eine anhaltende und umfangreiche Sammlungstätigkeit sowohl auf der Ebene militärischer Einrichtungen und Schulen als auch auf Regimentsebene zur Überlieferung eines 10.000 Bände umfassenden Korpus an militärischen Werken.104

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99 Vgl. Ferdinand Friedrich von Nicolai, Versuch eines Grundrisses zur Bildung des Officiers, Ulm 1775, S. 26; S. 195; S. 273. 100 Vgl. Ira D. Gruber, Books and the British Army in the Age of the American Revolution, Chapel Hill DC 2010, S. 137–235. 101 Vgl. Daniel Hohrath, Die Sammlungen Nicolais in der Württembergischen Landesbibliothek, in: Württembergische Landesbibliothek (Hrsg.), Die Bildung des Offiziers in der Aufklärung. Ferdinand Friedrich von Nicolai (1730–1814) und seine enzyklopädischen Sammlungen, Stuttgart 1990, S. 64–71, hier S. 64. 102 Vgl. Hohrath, Bildung, S. 49. Dabei weist er darauf hin, dass die gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufkommenden Subskribentenverzeichnisse militärischer Schriften im Reich noch nicht ausgewertet wurden. 103 Vgl. Pichichero, Military Enlightenment, S. 59. 104 Vgl. Louis Ph. Sloos, The Ministry of Defence’s treasury of books: 10,000 volumes from the 16th to the 18th century. Military libraries in the Netherlands (1600–1940) and their historical legacy, in: Ders. (Hrsg.), Warfare and the age of printing. Catalogue of early printed books from before 1801 in Dutch military collections, Leiden; Boston 2008, hier S. 22–27.

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Auch in den Bibliotheken von Adeligen existierten Bestände zur »Ars Militaris«. Dabei ist nicht so sehr der im Vergleich zu anderen Gattungen oftmals geringe Umfang der militärischen Bestände entscheidend. Wichtiger ist die Tatsache, dass sich darin die Etablierung eines militärtheoretischen Lesekanons genauso abzeichnete wie der Befund, dass es einen Markt für diese Traktate gab, der nicht nur einzelne hervorstechende Sammler wie Nicolai bediente. Als Beispiel kann die Bibliothek des Fürsten Friedrich Karl August von Waldeck-Pyrmont dienen. Dessen Vater, Karl August Friedrich von Waldeck-Pyrmont, diente unter anderem im Österreichischen Erbfolgekrieg als Oberbefehlshaber der niederländischen Armee, während sein Sohn als Oberstleutnant auf Seiten der österreichischen Armee im Siebenjährigen Krieg kämpfte. 105 Beide besaßen also eigene militärische Erfahrungen. Ein Katalog der im Schloss Bad Arolsen befindlichen Bibliothek aus dem Jahr 1774 führt insgesamt 4011 Bände auf, die im Katalog systematisch nach verschiedenen Wissensbereichen geordnet waren. Mit einem Anteil von 30% am Gesamtvolumen nahmen die Bereiche Belletristik und Geschichte den größten Teil ein. 106 Allerdings verzeichnet der Katalog auch einen 185 Bände umfassenden Bereich der »Sciences Militaires«.107 Unter diesen etwa 5% des Gesamtvolumens finden sich zahlreiche der zuvor bereits angesprochenen militärtheoretischen Klassiker des 18. Jahrhunderts, darunter Schriften Folards, Feuquières sowie die Memoiren Montecuccolis oder die zwölf Bände der Reflexions von Santa Cruz, aber auch neuere Schriften wie Puységurs Art de la Guerre, Moritz von Sachsens Rêveries oder Guiberts Essai. Bei der Einschätzung von Bibliotheken als adelige Sammlungen ist durchaus Vorsicht geboten, konnten sie doch nicht notwendigerweise auf den tatsächlichen Gebrauch und damit die Rezeption von Büchern hinweisen, sondern vielmehr auf eine durch eine repräsentative Rationalität geprägte Sammelleidenschaft. 108 Gleichzeitig kann aus dem Nicht-Besitzen von Büchern nicht auf eine definitiv fehlende Lesetätigkeit geschlossen werden. Roger Chartier weist darauf hin, dass der Verleih von Büchern

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105 Vgl. zum Haus Waldeck-Pyrmont Torsten Haarmann, Das Haus Waldeck und Pyrmont. Mehr als 900 Jahre Gesamtgeschichte mit Stammfolge, Werl 2011. 106 Dies ist mit der von Roger Chartier konstatierten Entwicklung von Adelsbibliotheken in Frankreich vergleichbar. Vgl. Roger Chartier, Lesewelten. Buch und Lektüre in der Frühen Neuzeit (Historische Studien, Bd. 1), Frankfurt a. M.; New York 1990, S. 98–102. 107 Fürstlich Waldecksche Hofbibliothek Bad Arolsen, V Waldec 1109, Catalogue de la Bibliotheque de Son Altesse Serenissime Monseignuer le Prince regnant de Waldeck. 108 Vgl. Chartier, Lesewelten, S. 110.

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über soziale Kontakte hinweg eine gängige Praxis war. 109 Am Beispiel von Lesezirkeln zeigt zudem Daniel Hohrath, dass sich besonders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Reich Offiziere zusammenschlossen, um einerseits das Lesen als Form der Geselligkeit zu betreiben und sich andererseits die Kosten für die Neuerwerbungen zu teilen. 110 Das Militär hatte auch einen Anteil an den urbanen Diskussionsräumen der französischen Aufklärung: So wurde 1762 in Paris ein »Café militaire« in der Rue Saint-Honoré eröffnet, das im Stil eines militärischen Lagers eingerichtet war und ein besonderes Umfeld für die Diskussion militärischer Neuigkeiten oder Theorien bieten sollte.111 Die Verbreitung der Rezeption militärtheoretischer Werke und eines spezifischen Kanons zeigt sich sogar in den Empfehlungen einzelner Militärs an Bekannte. Der spätere britische General James Wolfe, der die Eroberung von Québec im Jahr 1759 leitete, empfahl beispielsweise in einem Brief an Thomas Townshend 1756 mehrere Militärtheoretiker zur Lektüre für dessen jüngeren Bruder. Er habe einem anderen Kontakt »the Comte Turpin’s book« empfohlen, da es »a good deal of plain practice« enthalte. Darüber hinaus sprach Wolfe nahezu alle militärtheoretischen Klassiker an, die im 18. Jahrhundert bis dahin erschienen waren: »Then there are the ›Memoirs‹ of the Marquis de Santa Cruz, Feuquières, and Montecucculi; Folard’s ›Commentaries upon Polybius‹ […] ›L’Attaque et la Défense des Places‹, par le Maréchal de Vauban…«.112 Darüber hinaus wies er auf die »ancients« hin, für ihn »Vegetius, Cäsar, Thucydides« sowie Xenophon. Zuletzt empfahl er auch einige Neuerscheinungen: »There is a book lately published that I have heard commended, ›L’Art de la Guerre Pratique‹113 […] and there is a little volume, entitled ›Traité de la Petite

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109 Vgl. ebd., S. 111–113. 110 Vgl. Hohrath, Bildung, S. 50–52. 111 Adelige Offiziere gehörten außerdem nicht nur zu den Besuchern solcher neuen Orte der Geselligkeit, sondern waren teilweise auch Gastgeber. Der Salon des französischen Generals Charles de Rohan, prince de Soubise in Paris war beispielsweise vor allem wegen seiner hervorragenden Mahlzeiten bekannt, vgl. Pichichero, Military Enlightenment, S. 62. 112 Vgl. Beckles Willson, The Life and Letters of James Wolfe, London 1909, S. 296. 113 Er meinte damit das Buch von Saint-Genies, vgl. Jacques Marie Ray de Saint-Genie, L’Art de la Guerre Pratique, 2 Bde., Paris 1754.

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Guerre‹,114 that your brother should take in his pocket when he goes upon outduty and detachments. The Maréshal de Puységurs book, too, is in esteem.«115

Diese Passage zeigt neben der offensichtlichen Verbreitung bestimmter militärtheoretischer Werke, dass militärtheoretische Traktate nicht nur in Bibliotheken oder Salons präsent waren, sondern auch im Kriegsgeschehen selbst. Ohnehin zeigt eine Betrachtung der militärtheoretischen Veröffentlichungen vom 17. ins 18. Jahrhundert einen verbreiteten Trend zum handlicheren Oktav- oder Duodezformat, eine Entwicklung, die sich in der allgemeinen Entwicklung des Buches widerspiegelt. Das kleinere Format lässt ein Mitführen der Bücher auf Reisen oder im Krieg umso denkbarer erscheinen. Ein greifbares Beispiel dafür ist ein Inventar eines bei der Schlacht von Minden am 1. August 1759 gefallenen französischen Offiziers. Die Auflistung seiner Habseligkeiten zeigte neben Gegenständen adeliger Repräsentation wie einem Zelt »a la turque«, mehreren Tischen und Stühlen sowie einer großen Anzahl Weinflaschen auch über 20 Bücher: darunter Puységurs Art de la Guerre, aber auch die später herausgegebenen Schriften Vaubans, die Memoiren Montecuccolis sowie verschiedene Wörterbücher und Bücher zur Géometrie de l’officier.116 Der militärische Reflexionsrahmen dieser Schriften wurde zum Teil ins Feld hineingetragen – ein Kriegsrat für die Rocktasche. Damit zeigt sich, dass militärtheoretisches Wissen in unterschiedlichen Kontexten präsent war: In verschiedenen Bibliotheken von Institutionen, Sammlern oder von Adeligen, in Salons, als Empfehlung in der privaten Korrespondenz von Offizieren und schlussendlich im Feldlager selbst.

1.2 Wissen strukturieren: Krieg führen zwischen Handwerk und Wissenschaft Die Entwicklung des Schreibens über Militär und Krieg im 17. und 18. Jahrhundert wird in der Forschung entlang eines gängigen geistesgeschichtlichen Narrativs der Verwissenschaftlichung und der »militärischen Auf-

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114 Wahrscheinlich de la Croix, Traité de la petite Guerre pour les Compagnies Franches, Paris 1752. 115 Willson, James Wolfe, S. 296–297. 116 Vgl. Joster, L’»Équipage« d’un Chef de Brigade de Carabiniers sous Louis XV, in: Carnet de la Sabretache 10 (1902), S. 417–424.

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klärung« erzählt.117 Aber was genau »militärisches« Wissen war und welche epistemischen Grundlagen und Mechanismen es auszeichnete, war noch am Ende des 18. Jahrhunderts Gegenstand einer Diskussion.118 Der Bezug auf andere Diskurse über das Nutzen der »Vernunft« und den Status menschlichen Wissens über die Welt als systematisier- und regulierbar war ein zentrales Kennzeichen der Entstehung einer »Kriegswissenschaft« im Laufe des 18. Jahrhunderts. Doch dieser Bezug wurde genutzt, um unterschiedliche epistemologische Konzepte zu stützen: Mathematische Exaktheit, eine angenommene logische Systematik des Wissens und sowohl rationalistische als auch empiristische Positionen. Neben radikalen Mathematisierern des Krieges standen Skeptiker oder vor »Pedanterie« und »Routine« warnende Autoren – die Ansichten zum Stand der »Kriegswissenschaft« waren vielfältig. Umkämpft war in dieser Idealvorstellung auch das Verhältnis von Theorie und Praxis: Bereits früh hatten Theoretiker darauf gedrungen, beides miteinander zu verbinden, allerdings mit unterschiedlichen Gewichtungen. Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde diese Frage in den Warnungen vor dem blinden Befolgen von Regeln wieder aktuell, indem die Verbindung von theoretischer Reflexion und praktischer Anwendung betont wurde. In dieser Art des militärischen »Empirismus« stand der Feldherr oder Offizier als geschulter Beobachter im Mittelpunkt, der die Regeln und Prinzipien letztlich aus der eigenen Beobachtung und Erfahrung erkenne. In diesen verschiedenen Vorstellungen zeigt sich aber letztlich stets der Versuch, über die Strukturierung des Wissens auch Ordnung in das Chaos des Krieges zu bringen. Der Krieg sollte auf bestimmte, eigentliche »Grundsätze« zurückgeführt werden, die im expliziten Wissen der Militärtheorie formulierbar und damit zum Teil auch erlernbar waren, um eine gewisse Kontrolle zu ermöglichen und den Krieg als ernstzunehmendes Gebiet des Studiums und der Erforschung zu etablieren.

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117 Als Beleg dafür führt beispielsweise Azar Gat Äußerungen ausgewählter Militärtheoretiker an, vgl. Gat, Origins.

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1.2.1 Die Unordnung des Wissens. Kompilationen und die Suche nach Vorbildern Die meisten militärischen Autoren des 17. Jahrhunderts schrieben wenig explizit über den Status und die Ordnung militärischen Wissens. Allerdings lässt sich bei einigen Autoren feststellen, dass sie militärisches Wissen als ungeordnet bezeichneten. Als Maßstab dafür legten sie den Entwicklungsstand anderer »Künste« an militärisches Wissen an. Damit etablierten sie ein im 18. Jahrhundert weiter rezipiertes und ausdifferenziertes Muster in der Klassifikation militärischen Wissens. Viele Autoren bezogen sich auf Vegetius. Implizit zeigten sie sich im Aufbau ihrer Werke von seinem Vorgehen beeinflusst; die Gliederung seines Werkes wirkte sich auch auf die im 17. Jahrhundert geschriebenen Kriegstraktate aus. 119 So beginnen Autoren des 17. Jahrhunderts ähnlich wie Vegetius ihre Betrachtungen oft mit der Aufzählung der nötigen Qualitäten eines Generals und der Auswahl der Soldaten. Vegetius’ Aufzählung von verschiedenen Kriegsratschlägen am Ende des dritten Buches, in der er diverse allgemeine Grundregeln formuliert, wurde ebenfalls von Autoren des 17. Jahrhunderts aufgegriffen. Ein Beispiel dafür ist der kompilatorisch arbeitende Autor Georg Andreas Böckler: 120 In seiner 1665 erschienenen Schola Militaris Moderna präsentiert er seinen Lesern in einem Kapitel hunderte von einzelnen Axiomen zum Führen von Krieg, die oft ungeordnet nebeneinander stehen, sich manchmal widersprechen oder wiederholen.121 Schola Militaris Moderna erreichte neun Auflagen und zählt damit zu seinen erfolgreichsten Werken; ganz offensichtlich war diese Form der Präsentation militärischen Wissens akzeptabel. 122 Doch einige Autoren äußerten sich in Vorworten bereits im 17. Jahrhundert über eine wahrgenommene Unordnung des Wissens über Krieg und beanspruchten für sich die Rolle von Kriegsgelehrten, die die besten Ratschläge zusammentrugen. Johann Jacobi von Wallhausen, einer der

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119 So schätzt Beatrice Heuser den Einfluss des Werkes auf die Gliederung militärtheoretischer Werke als so hoch ein, dass selbst moderne Dienstvorschriften dort implizite Anleihen machten, vgl. Heuser, Krieg denken, S. 99. 120 Vgl. Carl Graf von Klinckowstroem, Art. »Böckler, Georg Andreas«, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 2 (1955), S. 371. Böckler schrieb kompilatorische Werke zu unterschiedlichen Wissensbereichen, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durchaus erfolgreich waren. Besonders im Bereich der mechanischen Künste war er einflussreich. 121 Ebd., S. 16. 122 Vgl. Hohrath, Kunst des Krieges lernen, S. 11.

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bekannteren deutschsprachigen militärischen Autoren des frühen 17. Jahrhunderts,123 formuliert schon früh eine Klage über die fehlende Systematisierung und Beachtung der Militärtheorie, besonders im Vergleich mit anderen »Künsten«.124 Dieser Vergleich mit anderen Wissensbereichen, den Wallhausen in seinem Vorwort explizit verfolgt, wurde ein für die Entwicklung der Selbstthematisierung des militärtheoretischen Diskurses elementares Motiv. Der Bezug zu anderen Wissensbeständen und sich herausbildenden Wissenschaften mit damit verbundenen sozialen Rollen sowie eine sich im Laufe der Zeit verstärkende Semantik der »Regeln« und der »Systematik« wurde immer häufiger hergestellt. Besonders einflussreich war in dieser Hinsicht Raimondo Montecuccoli (1609–1680), der in der Forschung neben Wallhausen als einer der frühen Systematiker des Krieges und als bedeutendster Militärtheoretiker des 17. Jahrhunderts gilt.125 Erst 20 Jahre nach seinem Tod wurden seine militärtheoretischen Handschriften gedruckt, entfalteten dann aber große Wirkung und etablierten Montecuccoli als zeitgenössische Autorität. 126 Azar Gat beschreibt den Beitrag Montecuccolis zur Kriegstheorie als den »impact of protoscience«, als einen ersten Versuch der Verwissen-

—————— 123 Wallhausen leitete unter anderem kurz eine der ersten Kriegsschulen des 17. Jahrhunderts in Siegen und zählt zu den produktivsten deutschsprachigen militärischen Autoren des 17. Jahrhunderts. Vgl. Hans Zopf, Art. »Jacobi von Wallhausen, Johann«, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10 (1974), S. 238; https://www.deutsche-biographie.de /sfz36668.html#ndbcontent; Schnitter, Schnitter, Feldherren und Kriegsgelehrte, S. 80– 93. 124 Wallhausen, Corpus Militare, Vorwort. 125 Am 21. Februar 1609 als Sohn einer adeligen Familie in Modena geboren, trat er mit 17 Jahren in kaiserliche Kriegsdienste und kämpfte auf der Seite der Liga im Dreißigjährigen Krieg. Auf dem deutschen Kriegsschauplatz sammelte er seine ersten militärischen Erfahrungen und stieg jung von niedrigen Rangstufen bis in den Rang eines Obersts der Kavallerie auf. Von 1639 bis 1642 befand sich Montecuccoli in schwedischer Gefangenschaft auf der Festung Stettin, wo er erste militärtheoretische Manuskripte begann. Nach seiner Befreiung 1642 stieg Montecuccoli weiter auf, 1658 wurde er Feldmarschall. Die Schlacht bei St. Gotthard am 1. August 1664 vollendete seinen militärischen Aufstieg, als es ihm gelang, die Hauptstreitmacht des Osmanischen Reiches zu schlagen. Ihm wurde der Rang eines Generalleutnants verliehen, 1668 wurde er zum Präsidenten des kaiserlichen Hofkriegsrates ernannt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm er seine Arbeit an militärtheoretischen Schriften wieder auf und stellte eine umfangreiche Bibliothek zusammen. Für eine konzise Zusammenfassung der Vita Montecuccolis Gat, Origins, S. 13–24; Heuser, Strategy, S. 150–152; Piero Pieri, Raimondo Montecuccoli, in: Werner Hahlweg (Hrsg.), Klassiker der Kriegskunst, Darmstadt 1960, S. 134–150. 126 Gat, Origins, S. 23–24.

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schaftlichung und der Rationalisierung. Dabei betont Gat letztlich Bezüge Montecuccolis zu dem tiefgreifenden epistemischen Wandlungsprozess des 16. und 17. Jahrhunderts:127 Montecuccolis Interesse an der Mathematik und der Naturphilosophie bildete eine fruchtbare Grundlage für die Etablierung dieser Wissensbereiche als Vorbilder für die Militärtheorie. Besonders in seiner als Kompendium konzipierten Schrift Zibaldone wird Montecuccolis breiter intellektueller Horizont deutlich, der bis ins Okkulte reichte: Eine erhalten gebliebene Liste seiner Quellen offenbart eine Fülle an Bezügen, beispielsweise zum englischen paracelsischen Naturphilosophen und Hermetiker Robert Fludd, der seine mathematischmagischen Ideen in einem Streit mit Johannes Kepler verteidigte, oder zu dem frühen Chemiker und Physiker Johann Rudolph Glauber.128 Die Auswirkung dieses Interesses auf die militärischen Schriften sieht Gat in einer Tendenz zur Suche nach spezifischen Grundlagen und Regeln des Krieges. Diese Äußerungen Montecuccolis, in denen er den Bezug zwischen Kriegführung und Wissenschaft herstellt, finden sich in den Vorworten seiner Manuskripte. Im Vorwort zu seinem in schwedischer Gefangenschaft geschriebenen umfangreichsten Werk Tratato della Guerra zeigt sich diese Thematisierung bereits deutlich. Montecuccoli bezieht sich hier auf militärische Autoren wie beispielsweise von Wallhausen oder Henri de Rohan, aber auch auf Nicolò Machiavelli und auf die Essays Francis Bacons. Dieses Interesse an einer sich entwickelnden »Proto-Wissenschaft«129 zeigt sich in der Diagnose über den Stand der Kriegskunst, die Montecuccoli dort stellt. Das Erkennen von Regeln sowie das Anpassen

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127 Vgl. ebd., S. 13. 128 Zu weiteren Bezügen Montecuccolis, besonders zur Medizin und Naturphilosophie paracelsischer Prägung, vgl. ebd., S. 17–20; zu Robert Fludd und seiner Auseinandersetzung mit Kepler vgl. außerdem Johannes Rösche, Robert Fludd. Der Versuch einer hermetischen Alternative zur neuzeitlichen Naturwissenschaft, Göttingen 2008, S. 465–494; zu Glauber vgl. Erich Pietsch, Art. »Glauber, Johann Rudolph«, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 6 (1964), S. 437f. Während Jean Chagniot in diesen Bezügen Montecuccolis einen Beleg für vorwissenschaftliche Irrationalität sah, ist demgegenüber zu betonen, dass das Konzept einer »Wissenschaftlichkeit«, die sich gegen Okkultismus und Magie vehement abgrenzte, erst im laufenden 17. Jahrhundert an Kontur gewann. Vgl. Jean Chagniot, Guerre et Societé à l’Époque Moderne, Paris 2001, S. 326; vgl. diese Grenzziehung am Beispiel des Stellenwertes des Wunders als Beweis im 17. Jahrhundert bei Lorraine Daston, Wunder und Beweis im frühneuzeitlichen Europa, in: Dies. (Hrsg.), Wunder, Beweise und Tatsachen. Zur Geschichte der Rationalität, Frankfurt a. M.2 2003, S. 29–77. 129 Gat, Origins, S. 13.

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dieser Regeln an Besonderheiten sei wesentlich, um die Kriegskunst wirklich zu erlernen. Dies unterstreicht er, indem er Bezug nimmt auf »die Physiker« seiner Zeit, die in ähnlicher Form die Natur beobachteten. 130 Später, in seinem Della Guerra Col Turco in Ungherica, plädiert er in seinem Vorwort noch expliziter für die Ergründung allgemeiner Regeln und Ursachen des Krieges, wie es »die Mathematiker zu tun pflegen«.131 Die breite Rezeption der Schriften Montecuccolis fand erst verzögert statt. Keine wurde zu seinen Lebzeiten in den Druck gegeben; bis weit nach seinem Tod zirkulierten höchstens seine Manuskripte und Abschriften davon. 132 1736 wurden seine Memorie della Guerra als deutsche Übersetzung gedruckt. 133 Zwar enthielten sie einige Kapitel zum Erlernen und zur Nützlichkeit mathematischer Fähigkeiten. Aber seine in den anderen Manuskripten vorangestellten Vorworte, in denen er die Kunst des Krieges mit der Physik oder der Mathematik verglich, fehlten in dieser Veröffentlichung. Das »conceptual framework«134 Montecuccolis, welches Azar Gat als Inspiration für andere Militärtheoretiker der kommenden Aufklärung identifiziert, zeigte sich in dieser Veröffentlichung höchstens noch in den abgedruckten Tabellen, in denen Montecuccoli die »KriegsKunst« als »eine Lehre wohl Krieg zu führen« in verschiedene, immer spezieller werdende Bereiche aufschlüsselt.135 Das macht es schwierig, eine direkte Linie der Rezeption von Montecuccolis Vergleichen mit anderen Wissensbereichen zu ziehen. Trotzdem galt gerade er späteren Generationen von Militärtheoretikern als Bezugspunkt für die Etablierung einer »wissenschaftlichen« Kriegführung. Mit dem Bezug auf die ihm bekannten Naturphilosophen, die Mathematik sowie auf die Systematisierung des bestehenden Wissens überträgt Montecuccoli mittels eines Vergleiches mit

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130 Raimondo Montecuccoli, Abhandlung über den Krieg, in: Alois Veltzé (Hrsg.), Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli, General-Lieutenant und Feldmarschall, Bd. 1: Militärische Schriften, Wien; Leipzig 1899, S. 5. 131 Raimondo Montecuccoli, Über den Krieg gegen die Türken in Ungarn, in: Alois Veltzé (Hrsg.), Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli, General-Lieutenant und Feldmarschall, Bd. 2: Militärische Schriften, Wien; Leipzig 1899, S. 199. Ähnlich bereits Gat, Origins, S. 21. 132 Die erste Drucklegung seiner Memorie della Guerra geschah 1706 durch den in russischen Diensten stehenden Kriegsrat Heinrich von Hussen in Köln; 1712 erschien eine erste französische Übersetzung des Werkes. Vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1166. 133 Raimondo Montecuccoli, Besondere und geheime Kriegs-Nachrichten des Fürsten Raymundi Montecuculi, Leipzig 1736. 134 Gat, Origins, S. 24. 135 Vgl. Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 293f.

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anderen Wissensfeldern deren »Art zu wissen« als erstrebenswertes Modell auf die Militärtheorie. In Montecuccolis, aber auch in anderen Schriften lässt sich bereits der Bezug auf mathematisch-naturphilosophisches gelehrtes Wissen finden, welches als Vorbild aufgebaut wurde.

1.2.2 Von Systemen und Prinzipien. Krieg als Operation der Vernunft Im frühen 18. Jahrhundert wandelten sich verschiedene Elemente des Diskurses über die Ordnung der Militärtheorie. Diese wurden in der Folge zunehmend bestimmend und zu stets wiederholten Versatzstücken in den Vorworten militärtheoretischer Traktate. Die vermehrte Rezeption Montecuccolis zu Beginn des 18. Jahrhunderts im deutschen und französischen Sprachraum hing mit der Übersetzung seiner Schriften und seinem militärischen Ansehen zusammen. Zugleich passte sie in den Prozess einer sich langsam herausbildenden Dominanz rationalistischer und empiristischer Diskurse über die Ordnung menschlichen Wissens. Das Schreiben über die Notwendigkeit von allgemeingültigen Regeln und Prinzipien des Krieges wurde in dieser Zeit zu einem beherrschenden Thema der Militärtheorie. Die Suche nach den »wahren« Grundsätzen des Krieges und der Vergleich zu anderen Wissensbereichen wurde nun in das aufkommende Konzept einer »Wissenschaft« des Krieges eingepasst und von manchen Autoren in aggressiver Abgrenzung zu anderen 136 vertreten: Krieg sollte nach dieser Auffassung nicht mehr als »Handwerk« geführt, sondern theoretisch durchdrungen werden. Langsam differenzierte sich auch aus, was als militärisches Wissen verstanden und folglich auch vermittelt werden sollte: Ratschläge zum »Festmachen« durch Gebete oder Rituale verschwanden und wurden durch umfangreiche Bildungsprogramme ersetzt, die Elemente einer adeligen Standeserziehung, aber auch höhere Mathematik und Geografie einschlossen.137 Das heißt nicht, dass alle Autoren gleichermaßen auf die Etablierung einer konkreten »Kriegswissenschaft« drängten; allerdings wurde militärisches Wissen zunehmend als defizitär beschrieben. So beklagt sich der französische General Antoine de Pas, Marquis de Feuquières (1648– 1711)138 in seinen 1711 erschienenen Memoiren über das Fehlen »sicherer«

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136 Vgl. dafür auch Kap. 1.1.2 dieser Studie. 137 Zur Rolle der Geografie vgl. Kap. 3 dieser Studie. 138 Feuquières, der sich in den Kriegen Ludwigs XIV. bis zum Rang eines Generalleutnants hocharbeitete, dann allerdings mit dem Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges in Un-

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Regeln einer systematischen Kriegstheorie. In seinen Memoiren will er allerdings noch kein allgemeingültiges System des Krieges entwickeln. Vielmehr geht es ihm darum, theoretische Grundlagen zum Erkennen des »Wahren« in der Praxis zu etablieren. Feuquières bleibt in Bezug auf die notwendigen Bildungsinhalte eines Offiziers oder Generals bemerkenswert unspezifisch und führte mit Treue, Tapferkeit oder Eifer moralische Tugenden an, die idealtypische Rollenvorstellungen widerspiegelten. 139 In anderen Schriften äußerte sich eine barocke Ordnungsvorstellung einer möglichst umfassenden Kompilation bereits bestehenden Wissens. Eine solche Zusammenstellung unternimmt der sächsische Oberstleutnant und Oberforst- und Wildmeister Hans Friedrich von Fleming (1670–1733) in seinem Der Vollkommene teutsche Soldat aus dem Jahr 1726. Das Werk folgt prinzipiell der Logik eines adeligen Bildungsprogrammes. 140 Dabei spricht er Themen an, die besonders in der Ausbildung junger Adeliger relevant waren. Der erste Teil seines Kompendiums enthält beispielsweise klassische Elemente einer adeligen Standeserziehung wie »Tanzen, Fechten und Voltigieren« bis hin zu den »Mathematischen Wissenschaften«, der Geografie und der Fortifikation.141 Doch auch technische Bereiche werden in diesem ersten Teil abgehandelt, wie das Verfertigen von Kanonen oder die Einrichtung eines Salpetergewölbes.142 Damit vertritt er eine besonders breite Definition »militärischen« Wissens, die auch bei späteren Autoren

—————— gnade fiel, war einer der wichtigen Referenzautoren des 18. Jahrhunderts. Friedrich II. bezog sich auf ihn, Voltaire bediente sich seiner Ausführungen als Quelle für seine Geschichte Ludwigs XIV. und andere Autoren lobten ihn aufgrund seines kritischen Urteils über viele seiner Zeitgenossen. Vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1467–1469; Anonym, »Feuquières, Antoine de Pas, marquis de«, in: Marie-Nicolas Bouillet (Hrsg.), Dictionnaire Universel d’Histoire et de Géographie, Paris 1878, S. 662. 139 Vgl. Antoine de Pas, Marquis de Feuquières, Memoires de M. le Marquis de Feuquiere, Lieutenant General des Armes du Roi; Contenans ses Maximes sur la Guerre, & l’application des Exemples aux Maximes. Nouvelle Edition, London 1736, Bd. 1, S. 131–132. Das Original erschien 1711 in Paris. Vgl. zu den Qualitäten eines Generals auch Hohrath, Bildung, S. 45. 140 Hier ist die Überschneidung zu den Bildungsprogrammen der seit dem späten 17. Jahrhundert aufkommenden Kadettenanstalten besonders deutlich. 141 Fleming, Soldat, S. 13. 142 Ebd. Dies umfasste zum Teil auch gelehrtes, »naturwissenschaftliches« Wissen: in seinen Ausführungen zur Entstehung des Salpeters beispielsweise beschrieb Fleming unter Rückgriff auf Francis Bacon die angenommene Wirkung des Salzes auf die Fruchtbarkeit der Erde, vgl. ebd., S. 57.

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noch Anklang fand. 143 Die Funktion der Ordnung dieses Wissens ist elementarer Bestandteil seines Werkes: Ordnung und Vermittlung militärischen Wissens gehen Hand in Hand. Dabei betont Fleming allerdings, er wolle keineswegs »alten erfahrnen Officieren Regeln geben, oder Vorschrifften ertheilen«.144 Fleming beansprucht also eine kompilatorische Funktion, mit der er nicht das praktische Wissen erfahrener Militärs verändern, wohl aber durch das Etablieren einer theoretischen Ordnung das Erlernen des Krieges vereinfachen wollte. Demgegenüber wurde im frühen 18. Jahrhundert der Anspruch auf eine Stellung der Militärtheorie als rational geordneter Wissensbereich besonders durch Jean-Charles, Chevalier de Folard (1669–1752) vorgetragen.145 Viele seiner militärischen Ideen wurden schon von Zeitgenossen als unkonventionell betrachtet. So entzündete sich an seinem Vorschlag, Kolonnen als Angriffsformation zu nutzen, erhebliche Kritik. 146 Folard fand jedoch besonders aufgrund seiner Verortung der Militärtheorie als eine vernunftbasierte »science« großen Anklang bei anderen militärischen Autoren des 18. Jahrhunderts. Der Autor Friedrich Nockhern de Schorn nennt ihn noch 1785 zusammen mit Montecuccoli und Feuquières einen »er-

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143 Spätere Autoren lobten Flemings Versuch. 1775 bemerkte Ferdinand Friedrich Nicolai, Fleming sei seines Wissens nach »der erste dogmatische Schriftsteller unseres Jahrhunderts in Deutschland, der sich das ganze Kriegswesen zum Vorwurf einer theoretischpraktischen Abhandlung genommen hat.«; der Militär de Ligne urteilte wohlwollend, aber weniger enthusiastisch: »Die Mehrheit des Buches ist exzellent, und der Rest ist gut zu wissen.« Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1455–1457. 144 Ebd. 145 Folards erste militärische Erfahrungen sammelte er unter dem Duc de Duras im Neunjährigen Krieg. Zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges wurde er zum Adjutanten des französischen Generals Vendome in Italien berufen. Während des Spanischen Erbfolgekrieges wurde er mehrmals verwundet; in der Zeit seiner Genesung entwickelte er erste militärtheoretische Ideen. Für kurze Zeit diente er später unter dem schwedischen König Karl XII., dessen Gunst er zu erlangen versuchte; in Stockholm begann er zudem, an den Manuskripten seiner späteren Werke zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich 1719 sowie seiner Anstellung als mestre de camp begann er die Niederschrift seiner Ideen. Vgl. ausführlicher Jean Chagniot, Le Chevalier de Folard. La stratégie de l’incertitude, Monaco 1997, S. 33–78. 146 Spätere Militärhistoriker haben sich dieser Kritik oft grundsätzlich angeschlossen. Martin van Creveld gilt Folard beispielsweise als extremes Beispiel einer wenig »beeindruckenden« Stagnation militärischen Denkens, da er seine Ideen als Kommentar zu einer Neuübersetzung der Werke des griechischen Schriftstellers Polybios entwickelte. Vgl. Creveld, War, S. 73; abwägend, aber doch kritisch Quimby, Background, S. 26–27.

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leuchteten Lehrer«, der den Krieg zu einer regelgeleiteten und umfassenden Wissenschaft gemacht habe. 147 Betrachtet man die von Folard genutzte Sprache und die Argumente, mit denen er sein Werk positionierte, so ist dies bezeichnend für das spätere Verständnis dieser »Wissenschaft« des Krieges: Viele seiner Äußerungen werden erst vor dem Hintergrund zeitgenössischen Widerstandes gegen Folards Theoreme verständlich.148 Zu seiner Verteidigung beruft sich Folard in seinen Werken wiederholt nicht auf seine militärische Erfahrung, sondern auf die Vernunft als Leitkategorie.149 Sein eigenes Schreiben über den Krieg vergleicht er explizit mit René Descartes, der ebenfalls trotz seines Nutzens der Vernunft angefeindet worden sei. 150 Konsequent bezeichnet er die Militärtheorie als eine »science« und legte damit den Fokus gegenüber der Bezeichnung als »art« auf Krieg als theoretisches Wissen.151 Diese »science« lebe von der ständigen Überprüfung und Befragung ihrer Grundlagen, die es zu erforschen und zu ermitteln gelte. Dabei war für Folard klar, dass es sich nicht um eine »rein experimentelle Wissenschaft [science]« handele, die er abwertend mit einem »Handwerk [métier]« gleichsetzt.152 Stattdessen vertritt er die Verbindung von Theorie und Praxis, allerdings mit einer deutlichen Betonung der Theorie. Folard fordert eine dominante Stellung der »science de la guerre« ein, deren Aufgabe es sei, nach den Grundlagen des Krieges zu suchen und diese – gegen alle Widerstände eines vorurteilsbehafteten Zeitalters – zu neuen Leitlinien zu erheben. Letztlich vertritt er in seiner Ablehnung eines Vorranges militärischer Praxis eine Art des militärischen Rationalismus und schreibt sich damit in zeitgenössische, rationalistische und erfahrungskritische Diskurse ein, um seine Position zu vertreten. 153

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147 Vgl. Nicolai, Nachrichten, S. 64–66; Friedrich Nockhern de Schorn, Versuch über ein allgemeines System aller militairischen Kenntnisse, Nürnberg; Altdorf 1785, S. III. 148 Vgl. dazu Quimby, Background, S. 38–40. 149 Beispielsweise bei Folard, Découvertes, S. XVI. »On juge presque toujours des hommes par ce u’ils sont plustôt que par ce qu’ils disent. C’est ce qui fait faire fortune à une infinité d’opinions absurdes en dépit du bon sens & de la raison, & conserver certaines coutumes qui ne leur sont pas moins contraires.« 150 Ebd., S. XIX-XX. 151 Vgl. Daston, Park, Age of the New, S. 3–4; Gierl, Wissenschaft. 152 »qu’elle ne peut s’apprendre que par l’usage, c’est donc un métier.«, Folard, Découvertes, S. 11. 153 Quimby bezeichnet Folard in ähnlicher Art und Weise als einen »Maker of Systems«, vgl. Quimby, Background, S. 26.

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Diese vehemente Inanspruchnahme von »Vernunft« und »Wissenschaft« wurde in der Militärtheorie breit rezipiert. Der bedeutende Feldherr Moritz von Sachsen, der seine bekannten Rêveries 1732 verfasste, bezieht sich in seinem Vorwort direkt auf Folard, der es mit seinem Vorgehen gewagt habe, »die Grenzen der Vorurteile zu überschreiten«.154 Auch wenn er sich von Folard in Bezug auf den Glauben an eine totale Systematisierbarkeit des Krieges abgrenzt, betont er doch die Existenz gewisser Grundregeln, die es gegen die Widerstände seiner Zeit offenzulegen gelte. Wieder klagt er in dezidiertem Vergleich zu anderen Wissenschaften: »Alle Wissenschaften haben Prinzipien und Regeln; der Krieg hat gar keine.«155 Mit dieser Klage, dem expliziten Vergleich mit anderen Wissenschaften sowie der Betrachtung des Krieges als Gebiet der »Vernunft« als Leitkategorie etablierte sich eine wirkmächtige Selbstbeschreibung der Militärtheorie, die das Schreiben über Krieg im 18. Jahrhundert prägte.

1.2.3 Die Geometrie des Krieges. Fortifikation und Mathematik als Leitwissenschaft Als Vorbild für die Etablierung dieser Prinzipien und Regeln galt im Laufe des 18. Jahrhunderts immer stärker die Mathematik. Für die Militärtheorie spielte dabei das fortifikatorische Wissen, in dem mathematische Exaktheit und systematische Überlegungen zu verschiedenen Fortifikationssystemen bereits verankert war, eine Rolle als »Brückendisziplin«.156 Daniel Hohrath schreibt treffend, dass die Fortifikation »den Nukleus der aufgeklärten Kriegswissenschaft« gebildet habe, indem sie als Vorbild für die Organisation des größeren militärischen Wissensbereiches diente: 157 ein technischmechanisches und mathematisches Spezialwissen, dessen Akteure ähnlich wie Instrumentenbauer oder Kartografen einen hohen Ausbildungsstand besaßen. Dieses praktisch-mathematische Wissen war eine Verbindung der

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154 »le seul qui ait osé franchir les bornes des préjugés«, Moritz von Sachsen, Mes Rêveries. Ouvrage Posthume de Maurice Comte de Saxe, Bd. 1, Amsterdam; Leipzig 1757, S. 2. Ähnlich betonte Armstrong Starkey die Bedeutung Folards für die »military enlightenment«, vgl. Starkey, War, S. 33–34. 155 »Toutes les sciences ont des principes et des règles; la guerre n’en a point.« Moritz von Sachsen, Rêveries, S. 1. 156 Ähnliches betont auch Janis Langins, Conserving the Enlightement. French Military Engineering from Vauban to the Revolution, Cambridge 2004, 29–30. 157 Vgl. Hohrath, Beherrschung des Krieges, S. 380; Starkey, War, S. 38.

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»scientific« mit der »military revolution«.158 Aus der Orientierung an Geometrie und Mathematik entwickelte sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eine wirkmächtige Ordnungsvorstellung der Theorie des Krieges, die Krieg als durch mathematische und geometrische Regeln berechenbar betrachtete. Diese wurde besonders von Mathematiklehrern, Ingenieuren und Lehrern der Kriegskunst vertreten. Gerade aufgrund der Orientierung an mathematischen Verfahren erschienen Festungsbau und Belagerungskrieg anscheinend als besonders reguliert und systematisch. Als prominentes Beispiel für den Einfluss mathematischen Wissens auf die Kriegführung des 18. Jahrhunderts gilt der Forschung das Werk Art de la Guerre. Par Principes et par Regles aus dem Jahr 1748 von Jacques de Chastenet, Marquis de Puységur (1656–1743).159 Wie Folard legt Puységur ein besonderes Augenmerk auf den Stellenwert der Theorie des Krieges. Die im Titel angesprochenen Prinzipien sind für ihn aber vor allem geometrisch-mathematisch beschreibbar. Als zentrales Vorbild gilt ihm hierbei die Fortifikation, die zugleich als Beleg für seine eher erfahrungskritische Haltung dient. In einer vielzitierten Stelle seines Vorwortes beschreibt er sein Anliegen als die Erlernung des Krieges ohne Krieg oder Armee – nur mit »ein wenig Geometrie und Geografie«. Etwas Ähnliches habe Vauban bereits für die Belagerung von Festungen getan: Anhand seiner »Theorie, die er uns in seinen Büchern hinterlassen hat« und die sogar durch Personen gelehrt werde, die selbst nie im Krieg gewesen seien, seien die Belagerungskriegführung und der Festungsbau perfektioniert worden.160

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158 Vgl. Lesley B. Cormack, Mathematics and Empire: The Military Impulse and the Scientific Revolution, in: Brett D. Steele, Tamara Dorland (Hrsg.), The heirs of Archimedes. Science and the Art of War through the Age of the Enlightenment, Cambridge MA; London 2005, S. 181–203. 159 Bei Puységur handelte es sich um einen erfahrenen französischen Offizier, dessen militärische Karriere in den Kriegen Ludwigs XIV. begann, wo er 1691 zum Generalquartiermeister des Marschalls von Luxemburg aufstieg. Ab 1702 war er General-Lieutenant, und im polnischen Erbfolgekrieg wurde er zum Marschall von Frankreich ernannt. Vgl. Jähns, Kriegswissenschaft, Bd. 2, S. 1515–1516. 160 Jacques de Chastenet, Marquis de Puységur, Art de la Guerre. Par Principes et par Règles, Paris 1748, S. 2. An anderer Stelle fügt Puységur ein eigenes Unterkapitel zum Stand der Kriegstheorie seiner Zeit an, in dem er diese Orientierung an der Ordnung fortifikatorischen Wissens wiederholte. Die Fortifikation baue auf den »bekannten Prinzipien« der Geometrie auf; hier gebe es eine auf sicheren, feststehenden mathematischen Grundsätzen fußende Theorie. Der Rest des Kriegswesens habe »gar keine Theorie, keine Regel, keine etablierten Prinzipien«. Ebd., S. 37.

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Mit Puységurs Nennung des französischen Militäringenieurs Sébastien Le Prestre de Vauban wird die Wahrnehmung von Festungsbau und Belagerungskriegführung als besonders regulierte Bereiche der Kriegführung deutlich.161 Die Rezeption Vaubans als Personifikation einer regelgeleiteten Kriegführung durch Puységur und andere Militärtheoretiker wie beispielsweise Guibert162 gründete letztlich auf einem populären Bild der Fortifikationstheorie und des Festungskrieges: der Gleichsetzung mit Kontrolle, Exaktheit und Überprüfbarkeit. 163 Diese Orientierung an der Fortifikation lässt sich auch damit erklären, dass unter dem Eindruck einer immer anspruchsvolleren und wichtigeren Belagerungskriegsführung seit dem 17. Jahrhundert eine Verschränkung des fortifikatorischen Spezial- mit dem allgemeinen militärtheoretischen Diskurs greifbar ist. Die Kunst des Festungsbaus und der Belagerung bildete seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in den Abhandlungen der Militärtheoretiker immer öfter umfangreiche Spezialkapitel. Ohnehin waren Traktate zum Festungsbau im 17. Jahrhundert die häufigsten militärischen Veröffentlichungen. Außerdem erschienen seit dem frühen 18. Jahrhundert

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161 Vauban hatte als Ingenieur und Festungsbaumeister Ludwigs XIV. zahlreiche erfolgreiche Belagerungen geführt und die Befestigung der französischen Grenzgebiete geleitet; in der Forschung wird ihm weitgehend die Etablierung der effektivsten Befestigungsart des 17. und 18. Jahrhunderts sowie der geregelten Belagerung frühneuzeitlicher Festungen zugeschrieben. Daneben verfasste er auch politische und ökonomische Denkschriften. Die Literatur zu Vauban ist, im Gegensatz zu den meisten anderen Festungsbauingenieuren der Frühen Neuzeit, kaum noch zu überschauen. Für einen konzisen Überblick über seine diversen handschriftlichen fortifikatorischen Schriften vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1403–1447; als Biographie zu Vauban vgl. Anne Blanchard, Vauban, Paris 1996; zu Vaubans Befestigungen in Frankreich vgl. Jean-Denis G. G. Lepage, Vauban and the French Military under Louis XIV. An illustrated History of Fortifications and Strategies, Jefferson NC; London 2010; zu Vaubans wirtschaftlichen Ideen vgl. z. B. David Bitterling, Marschall Vauban und die absolute Raumvorstellung, in: Lars Behrisch (Hrsg.), Vermessen, Zählen, Berechnen. Die politische Ordnung des Raums im 18. Jahrhundert (Historische Politikforschung, Bd. 6), Frankfurt a. M.; New York 2006, S. 65–74; zu seinen militärischen Wasserbauprojekten vgl. Raphaël Morera, Vauban et l’hydraulique militaire. Les inondations défensives dans le nord de la France, in: Isabelle Warmoes (Hrsg.), Vauban, bâtisseur du Roi-Soleil, Paris 2007, S. 198–207. 162 Vgl. Guibert, Essai, S. LXXIX. 163 In seinen militärischen Schriften verglich Friedrich II. dies mit der mechanischen Exaktheit und Routine des »Uhrmacherhandwerks«. Friedrich II., Die Generalprinzipien des Krieges und ihre Anwendung auf die Taktik und Disziplin der preußischen Truppen, in: Gustav Berthold Volz (Hrsg.), Die Werke Friedrichs des Großen in deutscher Übersetzung, Bd. 6: Militärische Schriften, Berlin 1913, S. 2–86, hier S. 55. Dazu auch Langins, Conserving the Enlightenment, S. 203.

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Traktate der Fortifikationstheorie auch mit dem Anspruch, für Offiziere anderer Truppenteile nützlich zu sein. 164 In Form der ab der zweiten Hälfte aufkommenden Feldbefestigung 165 hielt sich diese Adressierung von Nicht-Ingenieuren bis an das Ende des 18. Jahrhunderts. 166 Zu beachten ist zudem, dass der fortifikatorische Spezialdiskurs gut als Vorbild für eine systematischen Ordnung des Wissens funktionierte. Kennzeichen der fortifikatorischen Literatur war die Orientierung anhand eindeutiger Maximen und die Etablierung dieser als konkrete Handlungsanweisungen und Grundregeln. Diese Maximen wurden von den Autoren meist bestimmten Befestigungssystemen zugeordnet, die in Schriften gelehrt, aber auch analysiert, kritisiert und verbessert wurden. Dieses Idealbild der Fortifikation mit Vauban als »Kronzeuge« war allerdings problematisch. Nicht nur war die Praxis der Belagerungskriegsführung vor Ort oft alles andere als systematisch und festgelegt;167 auch Vauban selbst als definitive Autorität des Festungsbaus stellte andere Ingenieure vor ein Problem. Als Vauban im Jahr 1707 verstarb, hatte er kein Werk in den Druck gegeben, in dem er seine Art der Befestigung als Gesamtsystem vorstellte. Wie viele Ingenieure in der Folge betonten, sei dies gerade das Problem der Betrachtung des »Systems Vauban«. So schreibt der in sächsischen, wolfenbüttelischen und preußischen Diensten stehende Baumeister Leonhard Christian von Sturm beispielsweise in seinem als ein »Wettstreit« verschiedener Systeme konzipiertes Sammelwerk, er könne nur aus den

—————— 164 Der in kaiserlichen und württembergischen Diensten stehende Ingenieur Johann Anton von Herbort (1702–1757) untertitelte sein 1735 erschienenes Werk Nouvelles Methodes pour Fortifier les Places beispielsweise mit »Mit einer Einführung zu dem, was jeder Offizier der Infanterie über die Fortifikation wissen sollte«. Herbort, Nouvelles Methodes, Titel: »Avec Une Introduction de ce que chaque Officier d’Infanterie devroit scavoir de la Fortification«. 165 Vgl. dazu Kap. 2 dieses Buches. 166 Noch 1778 wies Friedrich Wilhelm von Gaudi in seinem Vorwort zu »Wie Feldschanzen angelegt und erbauet werden« darauf hin, dass ein komplettes Wissen der Fortifikation »für einen Offizier von der Infanterie nicht eben unumgänglich nöthig ist«, doch müsse »seine äusserste Sorgfalt dahin gehen, dasienige in dem größten Grade der Vollkommenheit zu erlernen, was zu Sicherheit und Befestigung aller und jeder Posten gehöret.« Friedrich Wilhelm von Gaudi, Versuch einer Anweisung für Officiers von der Infanterie, wie Feldschanzen von allerhand Art angelegt und erbauet […] werden können, Wesel4 1778, Vorwort. 167 Vgl. dazu Sven Petersen, Die belagerte Stadt. Alltag und Gewalt im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) (Krieg und Konflikt, Bd. 6), Frankfurt; New York NY 2019, S. 18–20; S. 35–41.

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Festungen selbst einschätzen, was Vauban gemeint habe, da Sturm weder dessen »eigene Worte« noch »beglaubigte Risse« davon habe.168 Trotzdem etablierte sich die Mathematik für einen Teil des militärtheoretischen Diskurses als Leitwissenschaft. Dies schlug sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts besonders populär in der Encyclopédie Diderots und d’Alemberts nieder.169 In der bekannten Systematisierung des menschlichen Wissens findet militärisches Wissen seinen Platz als Teil der Geometrie und der »reinen« Mathematik.170 Darüber hinaus ist es in der Enzyklopädie mit 1.250 Einträgen zu militärischen Themen vertreten. 171 Bis zu 65% dieser Artikel wurden von einem einzigen Beiträger verfasst, dem Mathematiker Guillaume Le Blond (1704–1781).172 Im Artikel »Guerre« bezieht er sich auf Militärtheoretiker wie Montecuccoli, Feuquières oder Folard und wiederholt die bekannte Regel- und System-

—————— 168 Leonhard Christian Sturm, Freundlicher Wett-Streit der französischen / holländischen und teutschen Krieges-Bau-Kunst, Augsburg 1718. Noch 1731 beklagte ein anderer Ingenieur, der in französischen Diensten stehende Claude Rozard, es sei ihm »unmöglich in der ganzen Zeit, die ich in Frankreich war, dort ein Traktat der Fortifikation von Herrn Vauban zu finden«. Claude Rozard, Nouvelle Fortification Françoise, Où il est traité de la construction des Places, Bd. 1, Nürnberg 1731, S. 32. Die verschiedenen Veröffentlichungen und Abschriften der Handschriften Vaubans sowie verschiedenen unter seinem Namen veröffentlichten, aber wahrscheinlich nicht von ihm stammenden Schriften legt Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1406–1440 dar. 169 Vgl. Darnton, Geschichte der Encyclopédie; zum Charakter der Encyclopédie als Ware vgl. ebenfalls Robert Darnton, Glänzende Geschäfte. Die Verbreitung von Diderots Encyclopédie. Oder: Wie verkauft man Wissen mit Gewinn?, Berlin 1993; vgl. klassisch zur Geschichte der Encyclopédie Jacques Proust, Diderot et l’Encyclopédie, Paris 1962. Generell zu Enzyklopädien und wissenschaftlichen Wörterbüchern im Zeitalter der Aufklärung vgl. Richard Yeo, Encyclopaedic Visions. Scientific Dictionaries and Enlightenment Culture, Cambridge 2001. 170 Vgl. Denis Diderot, Jean-Baptiste le Rond d’Alembert (Hrsg.), Encyclopédie, ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, Bd. 1, Paris 1751, eingebunden nach S. XLVIII. 171 Vgl. dazu John A. Lynn, The Treatment of Military Subjects in Diderot’s Encyclopedie, in: The Journal of Military History 65 (2001), S. 131–165, hier S. 133; siehe dafür auch die Rechercheoption nach »domaine« auf http://enccre.academie-sciences.fr/encyclopedie/ (Abruf am 19.06.2018). 172 Guillaume Le Blond wurde 1736 zum Professor der Mathematik an der École des Pages in Versailles ernannt; 1751 stieg er zum persönlichen Mathematiklehrer der Enfants de France auf und verblieb bis an das Ende seines Lebens 1781 im Dienst der königlichen Familie. Spätestens seit 1748 verfasste er Beiträge für die Encyclopédie. Lynn, Treatment, S. 134–137; Frank A. Kafker, Notices sur les Auteurs des Dix-Sept Volumes de »Discours« de l’Encyclopédie, in: Recherches sur Diderot et sur l’Encyclopédie 7 (1989), S. 125– 150, hier S. 146.

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semantik: Krieg sei eine Kunst mit »Regeln und Prinzipien«.173 Was er unter diesen Regeln verstand, wird deutlich, wenn man Le Blonds weitere publizistische Tätigkeit als militärischer Autor betrachtet. Die Mathematik war für Le Blond die grundlegende militärische Wissenschaft. In seinem Werk Élémens de Tactique aus dem Jahr 1758, mit dem er die »fundamentalen Regeln der Taktik«174 offenzulegen versprach, wird dies besonders deutlich. Im Vorwort schreibt er, das Werk solle als »die Fortsetzung des Mathematikunterrichts zum Nutzen der Soldaten« angesehen werden, und er betont, es sei seiner Meinung nach gerechtfertigt, die taktische Schulung junger Adeliger in die Hände der »Maîtres de Mathematique« zu legen.175 Als Endpunkt dieser mathematischen Orientierung stand eine radikale Anlehnung allen militärischen Handelns an mathematischen Grundlagen, wie sie der an der Stuttgarter Hohen Karlsschule lehrende württembergische Offizier Franz Georg Anton von Miller vertrat. 176 In seinem zweibändigen Werk Reine Taktik der Infanterie aus dem Jahr 1787 beklagt er, mathematische Autoren des Krieges würden zu wenig gelesen, sodass die Offiziere seiner Zeit nicht in der Lage seien, »mathematisch-systematische

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173 Guillaume Le Blond, Art. »Guerre«, in: Denis Diderot, Jean-Baptiste le Rond d’Alembert (Hrsg.), Encyclopédie, ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, Bd. 7, Paris 1757, S. 985–993, hier S. 985: »la guerre est un art qui a ses regles & ses principes«. 174 Guillaume le Blond, Élémens de Tactique, Paris 1758, S. VI-VII. 175 Le Blond, Tactique, S. IX. In ganz ähnlicher Weise lässt sich dies auch bei Louis-Félix Guynement de Keralio (1731–1793) feststellen, der für den militärischen Teil der Encyclopédie methodique verantwortlich war, der Erweiterung der Encyclopédie Diderots. LouisFélix Guynement de Keralio trat 1746 in militärische Dienste im Regiment d’Anjou, nach 1756 schied er aus dem aktiven Militärdienst aus und wurde Lehrer an der Pariser École militaire. Seither verfolgte er eine Karriere als Militärgelehrter und Publizist. Seit 1780 war er Mitglied der Pariser Académie des Inscriptions; kurz darauf unterzeichnete er einen Vertrag mit dem Herausgeber der Encyclopédie Methodique, Charles-Joseph Panckoucke. Als Lehrer an der Pariser École militaire verfasste auch Keralio eigene mathematisch-militärische Handbücher. In Recherches sur les Principes Généraux de la Tactique aus dem Jahr 1769 vergleicht er das Wissen vom Krieg mit anderen regelbasierten Wissenschaften; dabei ordnet er die Taktik als eine »physisch-mathematische Wissenschaft« ein. Vgl. Louis-Félix Guynement de Keralio, Recherches sur les Principes Généraux de la Tactique, Paris 1769, S. 1f.; zu Keralio selbst vgl. Annie Geffroy, Les Cinq Frères Keralio, in: Dix-huitième Siècle 40 (2008), H. 1, S. 69–77, hier S. 72; Jean Sgard, Louis Félix Guynement de Keralio. Traducteur, Académicien, Journaliste, Intermédiaire, in: Dix-huitième Siècle 40 (2008), H. 1, S. 43–52. 176 Zu Miller vgl. Hohrath, Kunst des Krieges lernen, S. 23.

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Beobachtungen« über die Taktik anzustellen. 177 Dabei ist es für Miller gerade der »sicher gehende mathematische Geist«, der die wahren Gesetze des Krieges offenzulegen und den »Geiste der Nichtpräcision« zu besiegen vermöge.178 Die Anlehnung an die Fortifikationstheorie war also einerseits eine willkommene Möglichkeit für Vertreter der generellen Militärtheorie, eine Kriegführung nach Regeln und Systemen zu propagieren; andererseits bildete diese Orientierung am Festungsbau aber auch den Ausgangspunkt für eine besonders radikale Mathematisierung des Krieges.

1.2.4 Empiristische Skepsis und das Ideal militärischer Bildung am Ende des 18. Jahrhunderts Millers Kritik an den Offizieren seiner Zeit zeigt allerdings, dass diese radikale Orientierung an Mathematik als definitive Leitwissenschaft des Krieges nur einen Teil der Militärtheorie repräsentiert. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts etablierte sich eine kritische, empiristische Position gegenüber einer »Mechanisierung« in den Beschreibungen der Militärtheorie, die sich in der Ablehnung eines blinden Befolgens von Regeln ohne eigene Beobachtung äußerte. Ähnlich wie bei dem bereits konstatierten Bedeutungswandel des militärischen Exerzierens179 wurde das »Mechanische« von einem Bild für Exaktheit zu einem Begriff, der das unhinterfragte »Kleben« an überkommenen Routinen versinnbildlichte – in seinem vielbeachteten Essai General de Tactique schreibt Guibert von »elenden Routinen«.180 Stattdessen sollte nach der Ansicht einiger Autoren militärisches Wissen durchaus in gewissen Regeln formuliert werden. Diese aber sollten durch die Beobachtung aus der Praxis abgeleitet werden, was einen fähigen Beobachter voraussetzte – den Offizier oder Feldherren selbst. Zugleich

—————— 177 Franz Miller, Reine Taktik der Infanterie, Cavallerie und Artillerie, Bd. 1, Stuttgart 1787, S. 7– 8. Dabei bezog sich Miller explizit auf das Werk Keralios und dessen mathematisch angelegte Vorgehensweise. 178 Ebd., S. 24. 179 Vgl. zur Veränderung von militärischen Körperpraktiken wie dem Exerzieren Harald Kleinschmidt, Mechanismus und Biologismus im Militärwesen des 17. und 18. Jahrhunderts. Bewegungen – Ordnungen – Wahrnehmungen, in: Daniel Hohrath, Klaus Gerteis (Hrsg.), Die Kriegskunst im Lichte der Vernunft. Militär und Aufklärung im 18. Jahrhundert (Aufklärung 11 (1996), H. 2), Bd. 1, Hamburg 1996, S. 51–73, sowie ausführlicher Harald Kleinschmidt, Tyrocinium Militare. Militärische Körperhaltungen und -bewegungen im Wandel zwischen dem 14. und dem 18. Jahrhundert, Stuttgart 1989. 180 Guibert, Essai, S. XCI-XCII.

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deutet sich hier eine Skepsis gegenüber Regeln und Doktrinen der Kriegführung bereits an, die allgemein eher mit Carl von Clausewitz’ Vom Kriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts assoziiert wird, aber ihre Wurzeln im ausgehenden 18. Jahrhundert hatte. 181 Letztlich ähnelt diese Skepsis der empiristischen Kritik, die auch in anderen Wissensbereichen in der Mitte des 18. Jahrhunderts formuliert wurde.182 Neben diesen vielfältigen Wandlungen der Regel- und Systemzuschreibungen zeichnete sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ab, dass bestimmte Elemente des militärisch relevanten Wissens nun als studier- und erlernbar aufgefasst wurden und in der Diskussion einer militärischen Erziehung eine wichtige Rolle spielten. Der französische Husarenoffizier und spätere lieutenant-general Lancelot Turpin de Crissé beispielsweise spricht die seiner Meinung nach problematische Beschaffenheit des Untersuchungsgegenstandes »Krieg« an.183 In seinem 1754 erschienenen Essai sur l’Art de la Guerre äußert er sich kritisch zum Status der Kriegswissenschaft: Zwar sei die »Wissenschaft des Krieges« die »wichtigste und nützlichste unter allen Wissenschaften«.184 Anstatt sie in diesen Kanon einzubetten, bezeichnet Turpin de Crissé die Wissenschaft des Krieges allerdings als Ausnahme: Krieg sei zu variabel, um einfache Grundsätze aus ihm abzuleiten. Sein Ausgang sei stets ungewiss und entziehe sich somit einer völligen Kontrolle.185 Trotzdem versucht er in Anlehnung an die Belagerungskunst, eine »generelle Methode« eines Feldzuges zu etablieren, die »Operationen sicherer und den Erfolg weniger zweifelhaft« mache.186 Er weist also zwar auf die aus seiner Sicht bestehenden Probleme einer vollkommenen »Mechanisierung« des Krieges hin, sieht aber trotzdem das Potenzial einer Generalisierbarkeit von gewissen militärischen Vorgehensweisen. Einer der expliziten Verfechter eines »militärischen Empirismus«, der die Wichtigkeit der Beobachtung der Praxis des Krieges betonte, war der

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181 Für diese sich bei Clausewitz schon früh äußernde Skepsis gegenüber Regeln und Dogmen des Krieges vgl. Paret, Causewitz, S. 39–40; S. 49–50. 182 Für das Beispiel der Naturgeschichte vgl. Mariss, Naturgeschichte, S. 71–74. 183 Vgl. Gat, Origins, S. 36. De Crissé zählte zu den produktivsten Militärschriftstellern der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er verfasste eine Reihe von Kommentaren zu Größen der Militärgeschichte wie Caesar, Vegetius und Montecuccoli. Sein eigenes theoretisches Werk Essai sur l’Art de la Guerre erschien 1754 in Paris. Aufgrund seiner Popularität erfuhr es 1757 eine Neuauflage sowie mehrere Übersetzungen ins Deutsche, Englische und Russische. 184 Lancelot Turpin de Crissé, Essai sur l’Art de la Guerre, Bd. 1, Paris 1754, S. 1. 185 Vgl. dazu auch Gat, Origins, S. 36–37. 186 De Crissé, Essai, S. 132.

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aus Piemont stammende sardische Generalstabsoffizier Marquis de Silva. 187 In seinen 1778 in Turin erschienenen Pensées sur la Tactique, et la Stratégique ou vrais Principes de la Science Militaire geht es auch Silva um »wahre« Grundsätze der selbstbewusst im Titel als »Wissenschaft« benannten Kriegskunst. Das Wissen um die wahren Grundsätze des Krieges emergiert für ihn allerdings aus der genauen Beobachtung des Krieges anstatt aus dem Befolgen von vorgefertigten Regeln und muss mit geometrischer Präzision demonstriert werden: »In einem Wort, ich habe mir kein System ausgedacht, das auf willkürlichen Grundlagen basiert, um es unter Zwang anzupassen; sondern das System rührt von den Taten und Beobachtungen her.«188 Diese Betonung des Offiziers als empirischer Beobachter setzte allerdings voraus, dass er über das notwendige intellektuelle Rüstzeug für diese Rolle verfügte. Sollte der Krieg in einer wie auch immer gearteten »Ordnung des Wissens« beherrscht werden, so setzte dies seine Erlernbarkeit voraus. Gerade um dieses Lernen des Krieges zu erleichtern, wurde die militärische Erziehung ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstärkt diskutiert. Bestes Beispiel dafür sind die umfangreichen Bildungsprogramme für den »aufgeklärten Offizier«, wie sie früh von Johann Gottlieb Töllner,189 später dann in deutlich ausgeweiteter Form von Ferdinand Friedrich von Nicolai und Friedrich Wilhelm Zanthier entworfen wurden. In ihren Werken gaben diese Autoren einen Überblick über das ihrer Meinung nach militärisch relevante Wissen sowie über die besten Werke, deren Konsultation und Studium sie empfahlen; zugleich etablierte sich hier eine Art der »Literaturgeschichte« der Militärtheorie, etwas, was zu dieser Zeit auch in anderen Bereichen üblich war. Zentrales

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187 Vgl. die spärlichen Informationen zu de Silva bei Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 2088. 188 »Il faut que ces principes soient d’une évidence incontestable [...] En un mot, je n’ai pas imaginé un système étayé sur des fondemens arbitraires, pour y accomoder forcée; mais des faits & des observations émane le système, fondé sur des principes susceptibles de démonstration géométrique«, ebd., S. 3. 189 Johann Gottlieb Töllner war ein protestantischer Theologe, der seit 1749 eine Stelle als Feldprediger im Regiment des Grafen Schwerin in Frankfurt a. O. innehatte; dies erklärt eine gewisse Nähe zu militärischen Themen. Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges 1756 konnte er aufgrund einer Erkrankung nicht mit dem Regiment ausrücken. Im selben Jahr erlangte er eine außerordentliche Professur der Theologie an der Universität Frankfurt a. O., auf der er in der Folge vor allem theologische Schriften publizierte. Vgl. R. Schwarze, Art. »Töllner, Johann Gottlieb«, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 38 (1894), S. 427–429.

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Anliegen war es nun nicht mehr nur, dem chaotischen Krieg selbst eine (Wissens-)Ordnung zu geben, sondern auch eine Ordnung in die diversen Schrifterzeugnisse zu bringen, die sich in der einen oder anderen Weise mit Krieg befassten oder doch nützliche Kenntnisse für Offiziere zu vermitteln versprachen. Der Offizier in schaumburg-lippischen Diensten und Militärschriftsteller Friedrich Wilhelm Zanthier (1741–1781) schreibt in seinem Versuch über die Kunst, den Krieg zu studieren aus dem Jahr 1775: »das Studium des Kriegs ist ein Wirbel, der mehr als eine Wissenschaft in sich schlingt.«190 Diese Verbindung mehrerer Wissensbereiche mit der Kriegskunst in systematisierter Form sei es, die nach Zanthier den Krieg erst als studierbares Gebiet der »Wissenschaft« anstatt eines »Handwerks« erkennbar werden lasse.191 Einen Blick auf das, was Vertreter dieser militärischen Bildungsbewegung als militärisch relevantes Wissen ansahen, ermöglichen die umfangreichen Systeme und Lektüreempfehlungen des württembergischen Generalquartiermeisters und Militärschriftstellers Ferdinand Friedrich von Nicolai.192 So bemängelt Nicolai im Vorwort zu seinem 1775 erschienenen Grundriss zur Bildung des Offiziers, gerade die Fülle an möglichem Studienstoff wirke beim Studium der Kriegskunst überfordernd.193 Dieser unbefriedigenden Situation sollten systematische Bildungsprogramme samt Leseempfehlungen etwas entgegensetzen. Dabei zeichnete sich militärisches Wissen auch aus seiner Sicht durch eine besondere Breite und nicht durch eine ausgeprägte Tiefe aus: An Nicolais Bildungsprogramm lässt sich erkennen, dass das Ideal eines »militärischen« Wissens für Verfechter seiner Interpretation gerade in der Verbindung diverser primär nicht-

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190 Friedrich Wilhelm von Zanthier, Freyer Auszug aus des Herrn Marquis von Santa-CruzMarzenado, Gedanken von Kriegs- und Staatsgeschäften, nebst einem Versuch über die Kunst, den Krieg zu studieren, Göttingen; Gotha 1775, S. 3. 191 Ebd., S. 4. 192 Nicolai machte im Siebenjährigen Krieg im Generalstab der württembergischen Armee Karriere. Hier stieg er vom Rang eines Fähnrichs in den eines Generalquartiermeisters auf. Nach dem Siebenjährigen Krieg trat er als einer der wichtigsten »Aufklärer des Militärs« auf, übersetzte französische militärtheoretische Schriften und arbeitete an einer großangelegten militärischen Bibliografie. Seit 1767 war er zusammen mit dem württembergischen Offizier Georg Bernhard Bilfinger an der Planung für die »Hohe Karlsschule« beteiligt, die als eine der einflussreichsten Offiziersschulen des Alten Reiches gilt. Sein Schüler Jakob Friedrich Roesch war einflussreicher Lehrer an der Karlsschule bis zu ihrer Auflösung 1794. Vgl. für die Vita Ferdinand Friedrich Nicolais Hohrath, Ferdinand Friedrich Nicolai. 193 Vgl. Nicolai, Versuch, S. 26.

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militärischer Wissensbereiche mit ihrer militärischen Anwendungsmöglichkeit und dem genuin militärischen, »taktischen« Wissen lag. In diesem Ideal wurde ein im Vergleich zu vorherigen Idealen enorm breites Allgemeinwissen zusammen mit einer Fülle mathematischer, technischer, philosophischer und juristischer Kenntnisse zu einem Anspruch »militärischer Professionalität« verbunden.194 Die Selbstbeschreibung der Militärtheorie im 17. und 18. Jahrhundert zeichnete sich durch eine Vielfalt von einander zum Teil widersprechenden Positionen aus, die den Status der »Kriegswissenschaft« und ihrer Ordnung auf unterschiedliche Weise kategorisierten. Eine ähnliche Stoßrichtung aber war stets die Suche nach einem Weg, das Wissen über den Krieg zu ordnen und erlernbar zu machen. Zentraler Anknüpfungspunkt für diese Debatten in der Militärtheorie war ein Begriff von »Vernunft« sowie ein Konzept von »Wissenschaft«, das sich zu dieser Zeit noch stark im Fluss befand. Deshalb war die Idee einer »Verwissenschaftlichung« des Krieges auch kein einheitliches Projekt, sondern facettenreich.

1.3 Wissen legitimieren: Eine kurze Geschichte des militärtheoretischen Beispiels Im Zentrum des sich herausbildenden Konzeptes der »Wissenschaftlichkeit« stand im 17. und 18. Jahrhundert allerdings nicht nur die Suche nach einer gültigen Systematik des Wissens. Die Frage nach der Genese von Wissen und der Konstruktion wissenschaftlicher Fakten berührte letztlich auch unterschiedliche Modi des wissenschaftlichen Beweises. Stärker noch als für andere Wissensbereiche ist für die frühneuzeitliche Militärtheorie in diesem Prozess eine starke Verhaftung in einem antiken Referenzhorizont konstatiert worden. Die Militärgeschichtsschreibung weist dabei auf eine auffällige Differenz zwischen technologischer Entwicklung, eigenen Erfahrungen der Autoren und den genutzten antiken Beispielen in ihren Schriften hin. So habe laut Gat die Anziehungskraft antiker Autoren Machiavelli daran gehindert, das wegweisende Potenzial von Feuerwaffen zu erkennen;195 Beatrice Heuser nennt die Orientierung am römischen

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194 Vgl. Gat, Origins, S. 61–64. 195 Vgl. Gat, Origins, S. 6–8; ebenfalls Creveld, Art, S. 69–70.

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Militärautor Vegetius eine »Verdrängen von Veränderungen«, die sich erst nach der »Querelle des Anciens et Modernes« gewandelt habe, dem Streit um den Vorrang antiker vor neueren Referenzen an der Pariser Académie française, der als Ausgangspunkt aufklärerischen Denkens stilisiert worden ist.196 Jedoch sei dieser Wandel weit bis in das 18. Jahrhundert hinein kaum spürbar gewesen.197 Betrachtet man allerdings die tatsächliche Belegpraxis in den Texten, so zeichnet sich auch in der Militärtheorie ein Wandel ab. 198 Dieser hatte nicht die Form eines radikalen Bruches, sondern vielmehr die eines graduellen, sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts beschleunigenden Prozesses. Gegenüber antiken Klassikern wie Vegetius, Caesar und anderen wurden Verweise auf die Konflikte der Zeitgenossen immer wichtiger, vermischt mit dem vermehrten Bezug auf eigene Erfahrungen. Eine Vorreiterrolle spielte dabei der fortifikatorische Diskurs, in dem eigene Erfahrung zusammen mit verhaltener Kritik an den »Alten« und einer mathematischen Beweisführung bereits im 17. Jahrhundert etabliert waren. Dabei wurden die »Alten« nicht aus dem Repertoire der Beispiele für militärische Ereignisse und Vorgehensweisen verbannt; vielmehr wurden sie vermehrt unter einem kritischen Blick betrachtet und mit zeitgenössischen Referenzen in Beziehung gesetzt. Spätestens seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges ist ein regelrechter Erfahrungsdruck spürbar,199 der sich in dem vermehrten Bezug auf den wenige Jahre zurückliegenden Konflikt sowie eigene Erfahrungen darin äußerte.

—————— 196 Vgl. z. B. Paul Hazard, Die Krise des europäischen Geistes, 1680–1715, Hamburg 1939, S. 56–80; eher die nationale Komponente der Antikenkritik an den französischen Akademien betonend Christoph Oliver Mayer, Konstruktion von Kontinuität und Diskontinuität. Die »Querelle des Anciens et des Modernes« im Frankreich des 17. Jahrhunderts, in: Gert Melville, Karl-Siegbert Rehberg (Hrsg.), Gründungsmythen, Genealogien, Memorialzeichen. Beiträge zur institutionellen Konstruktion von Kontinuität, Köln; Weimar; Wien 2004, S. 209–239. 197 Vgl. Heuser, Strategy, S. 60–64. Noch stärker zugespitzt vgl. Creveld, Art, S. 73: »…much of the remaining military thought is even less impressive. […] military thought continued to draw on ›the ancients‹, taking their works as the acme of wisdom and contributing little themselves that was fundamentally new.« 198 Vgl. zu einer ähnlichen Betrachtungsweise auch die Studie des US-amerikanischen Militärhistorikers Donald Neill, der anhand der Schriften von Vauban und Moritz von Sachsen zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommt. Vgl. Donald A. Neill, Ancestral Voices: The Influence of the Ancients on the Military Thought of the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in: The Journal of Military History 62 (1998), H. 3, S. 487–520. 199 Vgl. dazu Wolf Lepenies, Das Ende der Naturgeschichte. Wandel kultureller Selbstverständlichkeiten in den Wissenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts, München; Wien 1976, S. 16–20.

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1.3.1 Die Vermischung der »Alten« und »Neuen« Es ist nicht zu bestreiten, dass dem Bezug auf antike Autoren gerade in der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts ein hoher Stellenwert zukam. So bezieht sich beispielsweise der aus Hessen stammende Topograf und Festungsbaumeister Wilhelm Dilich 200 (1561–1650) in seiner posthum erschienenen umfangreichen Krieges-Schule, einem bis in das 18. Jahrhundert breit rezipiertem Überblickswerk, ausführlich auf die römische Antike. Er beschreibt in den ersten Kapiteln die Aufstellung römischer Legionen; in seiner Aufzählung und Erläuterung der verschiedenen Funktionen und »Kriegsämter« einer Armee stellt er stets den Vergleich zu antiken Vorläufern her.201 Mehrmals zitiert Dilich als Hauptautorität explizit den römischen Militärschriftsteller Vegetius, doch auch Bezüge zum römischen Baumeister Vitruv lassen sich insbesondere bei den mit der Fortifikation befassten Passagen greifen.202 Bei der Frage nach dem optimalen Platz für eine Festung führt Dilich mit dem Rückgriff auf Vitruv gar antike Tieropfer an, mit denen die »gesündesten« Orte erwählt worden seien.203 Besonders die Referenz auf Vegetius und Gaius Julius Caesar war weit verbreitet; Vegetius blieb eine militärische Autorität bis an das Ende des 18. Jahrhunderts. Auch Raimondo Montecuccoli bezieht sich wiederholt auf ihn, wie in der deutschen Ausgabe seiner Memorie deutlich wird. In

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200 Dilich stammte aus einer Pfarrerfamilie. Studium ab 1589 in Wittenberg, dort Aneignung von Kenntnissen im Zeichnen und der Kartografie. Ab 1591 als Hofzeichner in Diensten des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel, ab 1607 mit einer kartografischen Landesaufnahme des Territoriums in 174 Tafeln betraut. Reiste im selben Jahr in die Niederlande, um sich an einer Kriegsschule Kenntnisse der Fortifikation anzueignen. 1604 Jahr veröffentlichte Dilich eine erste Fassung seiner »Kriegesschule«. Da Dilich das Projekt der Landesaufnahme aufgrund des zu großen Umfanges nie fertigstellte und deshalb zwei mal vom Landgrafen inhaftiert wurde, trat er 1625 unter Johann Georg I. als Festungsbaumeister in sächsische Dienste und verantwortete die Befestigung der Städte Wittenberg, Torgau, Dresden und Leipzig. Seine letzte Erweiterung seines Kriegsbuches stellte er 1647 fertig, sie gelangte aber erst 1689 in den Druck. Zu Dilich vgl. Horst Nieder, Wilhelm Dilich (um 1571–1650). Zeichner, Schriftsteller und Kartograph in höfischem Dienst, Weserrenaissance-Museum Schloß Brake 2002, S. 10–14; S. 50–55; S. 72–82; Ingrid Baumgärtner, Wilhelm Dilich und die Landtafeln hessischer Ämter, in: Dies. u. a. (Hrsg.), Wilhelm Dilich. Landtafeln hessischer Ämter zwischen Rhein und Weser 1607– 1625, Kassel 2001, S. 9–36. 201 Wilhelm Dilich, Wilhelmi Dilichii, Weyland verschiedener […] Ingenieur- und Baumeister […] Krieges-Schule, Frankfurt a. M. 1689, S. 40. 202 Ebd., S. 55. Zur »Wiederentdeckung« Vitruvs bzw. eher seiner Publikmachung für einen größeren Leserkreis vgl. Langins, Conserving the Enlightenment, S. 24. 203 Dilich, Krieges-Schule, S. 294–295.

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diesen Besonderen und geheimen Kriegs-Nachrichten wird in Fußnoten immer wieder auf klassische Standardautoren verwiesen, vor allem Vegetius und Caesar.204 Dies setzte sich auch im 18. Jahrhundert fort. Die Macht der »Alten« erscheint auch Mitte des 18. Jahrhunderts ungebrochen, wenn Puységur sein Art de la Guerre mit einem Kapitel einleitet, das er den Dichtungen Homers, Xenophons, Thukydides’ und Polybios’ bis hin zu Caesar und Vegetius widmet. 205 Erst mit Guiberts direkter Kritik im Discours Preliminaire seines 1772 erschienenen Essais scheint auch die Vorrangstellung der Antike in Frage gestellt zu werden. Guibert betont an einer Stelle, es lägen zweitausend Jahre zwischen den »Alten« und seinen Zeitgenossen – dass es mittlerweile anderer taktischer Prinzipien bedürfe, sei nicht verwunderlich.206 Guiberts Polemik weist allerdings weniger auf einen radikalen Bruch mit dem antiken Referenzhorizont hin als auf einen graduellen Prozess. Militärische Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts nutzten nicht nur antike Referenzen und Beispiele, um ihre Standpunkte zu belegen. Vielmehr lässt sich bei vielen eine Mischung von antiken Referenzen und zeitgenössischen Beispielen sowie eigenen Erfahrungen feststellen, die sich im Laufe der Zeit immer mehr zugunsten eigener Erfahrung und aktuellen Ereignissen verschob. Schon Montecuccoli integriert sowohl Verweise auf »die Alten« als auch Abgleiche mit eigenen Erfahrungen und seinem zeitgenössischen Referenzrahmen in seine Ausführungen zum Krieg: So begründet er zum Beispiel seinen Ratschlag, eine Position auf Hügeln zu beziehen, implizit mit seinen eigenen Erfahrungen, wenn er als Beispiel die Schlacht von Nördlingen anführt. Dort hatte er sich in jungen Jahren in der kaiserlichen Armee ausgezeichnet. 207 Einen großen Teil seines militärtheoretischen Œuvres nehmen darüber hinaus Montecuccolis Erfahrungen während seiner Feldzüge gegen das Osmanische Reich auf dem Balkan ein. Stärker noch als Montecuccoli nutzt Feuquières zeitgenössische Beispiele und eigene Erfahrungen, um seine Aussagen über den Krieg zu bekräftigen.

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204 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 72. 205 »Observations sur les Auteurs Grecs et Romains, Pour connoître comment l’Art de la guerre s’enseignoit chez ces Nations«, Puységur, L’Art de la Guerre, S. 4. 206 »On craignit de s’égarer en s’écartant de l’ordonnance des anciens. […] On cita toujours les anciens, & on ne s’appercut pas qu’il y avoit deux mille ans entre les anciens & nous, qu’il falloit d’autres principes, parce que les armes, les constitutions, & sur-tout la trempe des ames, n’étoient plus les mêmes«, Guibert, Essai, S. LXXVIII. 207 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 114; Pieri, Montecuccoli, S. 134.

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Seine oftmals beißende Kritik an seinen Zeitgenossen war sogar besonders beliebt bei Lesern wie Friedrich II. Dabei bezieht sich Feuquières vor allem auf Konflikte, an denen er selbst als Kommandeur beteiligt war: Der holländische Krieg sowie der Pfälzische Erbfolgekrieg sind für ihn eine wichtige Referenz.208 Andere Autoren mischen antike und zeitgenössische Beispiele und spannen einen großen Bogen zwischen verschiedenen Zeiten und Orten. Der vielgelesene spanische Obrist Alvaro Navia-Oroso y Vigil, Marquis de Santa Cruz (1687–1732) ist ein Beispiel dafür.209 Er bezieht sich in seinen in den 1720er Jahren geschriebenen und später ins Französische übersetzten Reflexiones Militares oft auf antike Beispiele in Form von wichtigen Feldherren, um eigene Ausführungen zu bekräftigen. Allerdings stellt er ohne größere Probleme auch ihm selbst bekannte Beispiele aus der eigenen Zeit neben diese antiken Autoritäten. 210 Als er über Maßnahmen schreibt, die ein Feldherr ergreifen solle, um die geflohene Landbevölkerung eines Gebietes zur Rückkehr zu bewegen, dienen ihm als Referenzen unter anderem Alexander der Große, der französische »Chevalier d’Asfeldt« am Beginn des 18. Jahrhunderts, der Konquistador Hérnan Cortéz und zuletzt wieder der römische Feldherr Scipio Africanus. 211 Die Art, wie Santa Cruz seine Aussagen belegt, ordnet die Antike auf einer gleichen Ebene ein wie spätere Feldherren. Zeitliche Differenz spielt hier keine Rolle. Aber trotzdem scheint ihm der stetige Hinweis auf selbst erlebte Konflikte sowie auf andere zeitgenössische Konflikte ein Anliegen zu sein: Häufig verweist er auf den Pfälzischen und auf den Spanischen Erbfolgekrieg.212

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208 Vgl. zum Beispiel Feuquières, Memoires, Bd. 2, S. 159. 209 Santa Cruz trat mit 17 Jahren 1699 in den Militärdienst. Auf Seiten der Bourbonen kämpfte er im Spanischen Erbfolgekrieg und stieg mit 23 Jahren zum Brigadegeneral auf. Nach Kriegsende wurde er zunächst 1718 Inspekteur der spanischen Armee in Nordafrika. Ab 1722 wurde er für fünf Jahre Botschafter am Hof von Viktor Amadeus II. von Savoy in Turin, wo er seine vielgelesenen und später ins Französische übersetzten Reflexiones Militares verfasste. 1731 hegte Santa Cruz Ambitionen auf die Stellung des Kriegsministers in Spanien, wurde allerdings durch interne Intrigen wieder nach Nordafrika versetzt, wo er im Jahr 1732 bei der Verteidigung einer Stadt gegen die Osmanen getötet wurde. Vgl. Heuser, Strategy, S. 62; Beatrice Heuser, Santa Cruz de Marcenado, in: Thomas Jäger, Rasmus Beckmann (Hrsg.), Handbuch Kriegstheorien, Wiesbaden 2011, S. 191–197, hier S. 191–192. 210 Vgl. ebd., S. 196. 211 Alvaro de Navia-Oroso y Vigil de Santa Cruz de Marcenado, Reflexions Militaires et Politiques, Bd. 4, Den Haag 1739, S. 220–221. 212 Vgl. dazu v.a. Kap. 5.1 und 5.2 dieser Arbeit.

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Selbst Folard, ein Autor, der oft als extremes Beispiel einer Verhaftung in der Antike herangezogen wird,213 offenbart bei näherem Hinsehen ein deutlich zwiespältigeres Verhältnis zur antiken Kriegskunst. Auf der einen Seite publizierte er seine militärischen Gedanken und Axiome als Teil eines Kommentars einer Übersetzung der Werke des Polybios, also mit einem klaren Bezug zu einer antiken Autorität. Sein von Zeitgenossen und Militärhistorikern gleichermaßen kontrovers diskutierter Vorschlag, die Kolonne als Kampfformation wieder einzuführen, bezieht sich dezidiert auf antike Taktiken. Auf der anderen Seite setzt er in seiner Vorrede zu seinen Nouvelles Découvertes dans une Disseration sur Polybe aus dem Jahr 1726 die Fähigkeiten seiner Zeit mit denen der Antike gleich: An »Geist und Verstand« seien seine Zeitgenossen der Antike ebenbürtig.214 Neben der Antike bezieht sich Folard in seinen Kommentaren zur Histoire de Polybe oft auf den zurückliegenden Spanischen Erbfolgekrieg, also auf einen Krieg, an dem er selbst beteiligt war und zu dem seine Leser ebenfalls einen Bezug herstellen konnten. An anderer Stelle bezweifelt Folard den Eigenwert antiker Beispiele und warnt vor ihrer vorschnellen Überschätzung: »Je länger wir sie von weitem anblicken, desto mehr scheinen sie uns perfekt«, allerdings dürfe nichts aus der Antike nur aufgrund des Alters geschätzt werden.215 Die Antike war also einerseits der Erfahrungsraum, 216 in dem Folard seine versprochenen neuen Prinzipien und Ideen suchte. Andererseits aber waren für ihn die »Alten« durchaus fehlbar. Folards Werk zeigt beispielhaft den langsamen Umbruch des militärtheoretischen Erfahrungsraumes, der sich im 18. Jahrhunderts vollzog.217

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213 Vgl. Creveld, Art, S. 73. 214 »Avons-nous plus d’esprit & de bon sens que ceux de qui nous tenons nos principes? non: mais nous en avons autant; (car la nature n’a pas dépéri, peut-être) & avec la même mesure d’esprit & de bon sens nous pouvons faire ce qu’ils ont fait. Ils ont inventé, nous pouvons inventer, & trouves ce qui leur est peut-être échapé«, Folard, Découvertes, S. XXXVII. 215 »Que l’on admire ce qui est digne d’estime, & que l’on porte chaque chose à son juste prix, je ne vois rien de plus raisonnable; mais qu’on cherche à louer ce qui n’a d’autre mérite que d’être ancien, la prévention me paroît un peu forte«, ebd., S. 342. 216 In Anlehnung an den Begriff bei Reinhart Koselleck, Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a. M. 1979, S. 349–375. 217 Vgl. zu einer ähnlich differenzierten Einschätzung Folards auch Starkey, War, S. 34–36. Dagegen verurteilte bereits Guibert Folard als negatives Beispiel einer weitverbreiteten Ignoranz. Vgl. Guibert, Essai, S. LXXXII.

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1.3.2 Kritik an den »Alten« und die Belegpraxis der Fortifikationstheorie Die vorherigen Ausführungen betreffen die generelle »Kunst des Krieges«; in der Fortifikationstheorie herrschte bereits im 17. Jahrhundert eine anders gelagerte Wissenskultur.218 Sie war stärker durch eine epistemologische Neubewertung eigener, durch überprüfbare mathematische Beschreibungen nachvollziehbarer Erfahrung und einen aufkommenden Empirismus beeinflusst.219 Hier wurde früh ein Bezug zu eigenen Erlebnissen und zeitgenössischen Erfahrungen hergestellt sowie Kritik an der Antike geübt. Rückblickend schreibt Guibert in seinem Essai, die »Erhellung« des Kriegswesens habe nur in der Fortifikation dazu geführt, dass sich die Kriegskunst vom dominanten Vorbild der Antike emanzipierte. 220 Gerade im hochgradig technischen Bereich der Belagerung und Fortifikation war die technische Differenz besonders offensichtlich, was sich auch im Diskurs widerspiegelte. Es war möglich, sich kritisch auf frühere Formen der Befestigung zu beziehen und diese technische und zeitliche Differenz zu artikulieren.221 Autoren des ausgehenden 17. Jahrhunderts leiteten die fortifikatorischen Formen ihrer Gegenwart mithilfe regelrechter »Fortschrittsgeschichten« ab, die beispielsweise der sächsische, später in kurbrandenburgischen Diensten stehende Ingenieur Johann Heinrich von Behr (1647–1717) auch visuell darstellte (vgl. Abb. 2).222 Der hallische Ingenieur, Mathematikprofessor und Schriftsteller Johann Christoph Glaser223 schreibt in seinem 1728 in Halle erschienenen Werk Vernünfftige

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218 Vgl. Hohrath, Beherrschung des Krieges, S. 378. 219 Vgl. Peter Dear, The Meanings of Experience, in: Katharine Park, Lorraine Daston (Hrsg.), The Cambridge History of Science, Bd. 3: Early Modern Science, Cambridge 2006, S. 106–131, hier S. 106–108; S. 119–130. Dear betont allerdings den pluralen und umkämpften Charakter des Bezugs auf »Erfahrung« als epistemische Größe. 220 Vgl. Guibert, Essai, S. LXXIX. 221 Vgl. dazu auch Langins, Conserving the Enlightenment, S. 24–25. 222 Vgl. Johann Heinrich Behr, Der verschanzte Turenne / oder Gründliche Alt- und Neue KriegsBau-Kunst, Frankfurt a. M.; Leipzig 1677. Seit 1680 befand sich Behr in kurbrandenburgischen Diensten und übernahm nach dem Großen Türkenkrieg 1685 den Unterricht für Mathematik am Kadettencorps in Berlin; seit 1691 wirkte er als Planer und später als Leiter des Baus der Friedrichsstadt. Vgl. zu Behr Brückner, Art. »Behr, Johann Heinrich«, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1875), S. 285; zu einer ähnlichen »Fortschrittsgeschichte« vgl. auch Allain Manesson Mallet, Les Travaux de Mars, ou l’Art de la Guerre, Bd. 1, Paris 1685, S. 2–8. 223 Zu Glaser vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1729.

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Abb. 2: Eine Reise durch die Zeit anhand der Befestigungsform. Der Ingenieur Johann Heinrich Behr illustrierte mit dieser Abbildung eine historische Herleitung der bastionären Befestigungsweise als konstante Verbesserung der Verteidigungsmöglichkeiten. Quelle: Behr, Der Verschanzte Turenne, eingebunden nach S. 8. Bild: SUB Göttingen, 8 BIBL UFF 296.

Gedanken von der Kriegs-Bau-Kunst von einem »langsamen Wachsthum der Wissenschafften insonderheit der Fortification«.224 In diesem Wachstum des Wissens nahm die Antike die Stellung eines Anfangspunktes der Befestigungskunst ein, der durch weitere, technische Entwicklungen überholt worden sei. Einige Autoren wagten eine vorsichtige Kritik. So sieht sich der kaiserliche Ingenieur Ernst Friedrich von Borgsdorff225 zunächst gezwungen, in seinem Traktat Die unüberwindliche Festung aus dem Jahr 1682 zu betonen, dass er die Leistung vorheriger Autoren keineswegs schmälern wolle. Bezogen auf alte sowie neuere Autoren schließt er diesen Paragraphen dennoch mit der Feststellung: »Die vor uns gewesen / haben viel gethan / aber wenig vollendet.«226 Auch der streitbare schweizerische Ingenieur Johann Jakob Werdmüller, 227 der in

—————— 224 Glaser, Vernünfftige Gedanken, S. 1. 225 Auf Befehl Kaiser Leopolds II. trat Borgsdorff später in Dienste Peters I., vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1380. 226 Ernst Friedrich von Borgsdorff, Die Unüberwindliche Festung, Ulm 1682, S. 7. 227 Jähns betonte ebenfalls seine »klassische Grobheit«, vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1392.

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seinen Werken vor allem durch seine polemischen Angriffe auf andere Ingenieure auffiel, stellt fest, er könne bei »alten und neuen Scribenten« stets etwas Verbesserungswürdiges finden.228 Von unmittelbarer Wichtigkeit für die Autoren der fortifikatorischen Werke waren in der Regel zeitgenössische Entwicklungen. So beziehen sich mehrere Ingenieure des ausgehenden 17. Jahrhunderts besonders auf den Holländischen Krieg (1672–1678) und sehen in ihm eine »Krise« der bisherigen Formen der Fortifikation. Hatte bis dahin die stark auf Materialien wie Erde setzende Fortifikationsweise von niederländischen Ingenieuren dominiert, so warfen die sich in schneller Folge ergebenden Städte der Generalstaaten im Holländischen Krieg für die Ingenieure drängende Fragen auf. Ein Beispiel ist der kaiserliche Oberingenieur und Obristleutnant Georg Rimpler. Rimpler war vor allem für seine unkonventionellen fortifikatorischen Ideen bekannt; einige Historiker haben ihn mit dem im späten 18. Jahrhundert lebenden Franzosen Montalembert verglichen, der versuchte, den französischen Festungsbau zu reformieren. 229 Rimplers einziges Traktat, in dem er seine fortifikatorischen Ideen präsentierte, begründet er ohne Umschweife mit der Krise des Holländischen Krieges, in dem viele Festungen der Generalstaaten kampflos übergeben wurden. 230 Auch andere Autoren beziehen sich auf dieses Erlebnis: Johann Christoph Glaser identifiziert mit dem »Katastrophenjahr« 1672 der Generalstaaten in der Rückschau die Ablösung der niederländischen Manier durch die Arbeiten Vaubans.231 Auch der selbstbewusste Bezug auf eigene Erlebnisse und Erfahrungen zur Begründung der Validität der eigenen Aussagen war in fortifikatorischen Werken bereits im ausgehenden 17. Jahrhundert verbreitet. So leitet der französische Mathematiker, Festungsbaumeister und »maître de ma-

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228 Johann Jakob Werdmüller, Der Probier-Stein der Ingenieuren, Frankfurt a. M. 1685, Vorrede. 229 Nach einer kurzen Zeit als schwedischer Soldat studierte Rimpler Mathematik und Fortifikation in Nürnberg, 1669 diente er als Leutnant der braunschweig-lüneburgischen Hilfstruppen im letzten Jahr der Belagerung von Candia (1621–1669). Dort erwarb er besonders Wissen über die Errichtung von Kasematten und das Minieren. Nach einer Beteiligung an mehreren Belagerungen auf französischer und kaiserlicher Seite im Niederländischen Krieg starb Rimpler 1683 bei der Verteidigung Wiens gegen die osmanische Armee. Vgl. Sch., Art. »Rimpler, Georg«, in: Allgemeine Deutsche Biographie 28 (1889), Online abrufbar unter https://www.deutsche-biographie.de/pnd129830402. html#adbcontent (Abruf am 05.02.20). 230 Georg Rimpler, Beständiges Fundament zu Fortificieren und Defendiren, Frankfurt a. M. 1674, S. 5. 231 Vgl. Glaser, Vernünfftige Gedanken, S. 24.

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thematique« am Hofe Ludwigs XIV., Allain Manesson Mallet (1630–1706), sein erfolgreiches Werk Les Travaux des Mars beispielsweise mit einer Feststellung zu seiner persönlichen Eignung ein. Durch die »Anzahl an Plätzen«, die er in Portugal, Spanien und anderswo selbst befestigt habe, habe er eine Erfahrung erlangt, die »ganz anders« sei als jene, die »man durch die Bücher erlangt«.232 Der Bezug auf eigenes Wissen und eigene Erfahrungen wurde in den Vorworten oft hervorgehoben. Zugleich sah sich Manesson Mallet allerdings auch gezwungen, sich als Praktiker zu inszenieren, um so als Mathematiker Geltung auch in Fragen des Krieges zu beanspruchen. Zusammenfassend zeichnete sich die Belegstruktur in der Fortifikationstheorie also schon im 17. Jahrhundert dadurch aus, dass zeitgenössische Konflikte und eigene Erfahrungen als Bezugskategorien akzeptiert waren und eine technische Differenz gegenüber der Antike betont wurde.

1.3.3 Der Aufstieg eigener Erfahrung und die Etablierung von Referenzkriegen Die Auseinandersetzungen und Diskussionen über die epistemische Struktur der Kriegswissenschaft schlugen sich auch in der Belegstruktur der Militärtheorie nieder. Ein Beispiel für den Einfluss empirischer Verfahren ist die Etablierung von Experimenten, die zum Ziel hatten, die militärische Effektivität von Technologien herauszustellen: Auch in diesem Bereich wurden im 18. Jahrhundert Versuche aufgebaut, um bestimmte Beobachtungen zu machen. Beispiele sind Schießversuche zur Reichweite und Zielgenauigkeit von Musketenfeuer oder der Test einer kasemattierten Befestigungsform Montalemberts auf der Île d’Aix, bei dem ihre Stabilität und eine mögliche Verrauchung der Kasematten beim Abfeuern von Artillerie zur Debatte stand. 233 Aber größere militärische Aktionen waren kaum reproduzierbar, auch wenn es in Europa spätestens seit Ludwig XIV. die Praxis der Zuschaustellung von Armeen in großangelegten Manövern

—————— 232 Vgl. Manesson Mallet, Travaux, Bd. 1, Vorwort. 233 Vgl. Langins, Conserving the Enlightenment, S. 318–319, sowie Christopher Duffy, The Fortress in the Age of Vauban and Frederick the Great 1660–1789, London 1985, S. 160. Einen ähnlichen ballistischen Versuch auf preußischer Seite beschreibt Jürgen Luh, Kriegskunst in Europa 1650–1800, Köln; Weimar; Wien 2004, S. 135.

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gab.234 Für größere militärische Zusammenhänge verwiesen die militärtheoretischen Autoren des 18. Jahrhunderts zunehmend auf Konflikte, die nur wenige Jahre zurücklagen. Diese Referenzkriege waren den meisten ihrer Leser hinreichend bekannt und gehörten zu einem gemeinsamen Erfahrungsraum. Mit Beispielen aus diesen Konflikten konnte eine höhere Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit beansprucht werden. Dies lässt sich bereits am Beginn des 18. Jahrhunderts beobachten. Santa Cruz bezieht sich beispielsweise öfter auf den Pfälzischen Erbfolgekrieg und den von ihm selbst miterlebten Spanischen Erbfolgekrieg, ebenso wie Feuquières. Auch Puységur integriert neben einem Kapitel über die Wichtigkeit antiker Schriftsteller auch ein Kapitel über die wichtigsten »modernen« Militärschriftsteller in sein Werk, in dem er auf Montecuccoli und Turenne verweist. Diese Referenz auf das 17. Jahrhundert war Puységur unter anderem deshalb so wichtig, weil dies ebenfalls die Phase seines eigenen militärischen Aufstiegs war. In einem eigenen Kapitel mit dem Titel »Von den Aufgaben, die der Autor bei der Armee ausgeführt hat«235 schreibt er eine militärische Autobiographie, die mit seinem Eintritt in militärische Dienste im Jahr 1677 beginnt und in der er sich besonders auf den Pfälzischen Erbfolgekrieg und den Spanischen Erbfolgekrieg sowie seine eigenen Erfahrungen dort bezieht. Der explizite Verweis auf eigene Erfahrungen als Beleg ist bei diesen Autoren greifbar. In steigendem Maße avancierte der Österreichische Erbfolgekrieg zu einem Reservoir an zeitgenössischen Beispielen. Autoren wie Turpin de Crissé oder der über den »kleinen Krieg« schreibende Thomas de Grandmaison236 beziehen sich in auf verschiedene Begebenheiten dieses Konfliktes, um Beispiele für ihre Erläuterungen zu finden. Eine neue Qualität und Verbreitung erlangte dieses Phänomen allerdings nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges.237 Dieser avancierte in der Folge zu einem Referenzkonflikt schlechthin, der die Bezüge zu früheren Konflikten marginalisierte. Dem bereits zuvor beschriebenen Ideal eines »militärischen Empirismus« wuchs eine neue, dominante Form der Evidenzerzeugung heran: ein selbstbewusstes Rekurrieren auf eigene Erfahrungswerte, die in

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234 Vgl. dazu am Beispiel des »Zeithainer Lustlagers« Augusts II. Jan Philipp Bothe, »Martialische Lustbarkeiten«. Die Inszenierung des Zeithainer Lagers (1730) zwischen Hof und Militär, in: Archiv für Kulturgeschichte 101 (2019), H. 1, S. 29–60. 235 Puységur, Art de la Guerre, S. 41. 236 Thomas Auguste le Roy de Grandmaison, La petite Guerre ou Traite du Service des Troupes Legeres en Campagne, Frankfurt a. M.; Leipzig 1756. 237 Vgl. auch Starkey, War, S. 53.

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Anekdoten zur Veranschaulichung und Überzeugung genutzt wurden. Schon während des Siebenjährigen Krieges schreibt beispielsweise der nicht näher bekannte Autor G. Knock 238 in seinen Reflexions Militaires sur differens objets, er sei unter dem Eindruck des »aktuellen Krieges« dazu bewogen worden, seine Beobachtungen der letzten Jahre schriftlich zusammenzufassen, da es in diesem Konflikt »viele bekannte Dinge«, aber auch »neue Gedanken und Entdeckungen« gebe.239 Der ehemalige preußische Befehlshaber und Generalleutnant Friedrich August von Finck (1718– 1766) schreibt seine Gedanken über militärische Gegenstände, die im Jahr 1788 erschienen, mit explizitem Bezug zu seiner Rolle als Involvierter des Siebenjährigen Krieges. Er hatte dort auf preußischer Seite gekämpft, war aber nach einem Gefecht bei Maxen gefangen genommen und danach zu einer Festungshaft von zwei Jahren verurteilt worden. Auch bezog er sich in seinen Beispielen auf den Österreichischen Erbfolgekrieg.240 Der anonyme, wahrscheinlich österreichische Autor mit dem Kürzel V. D. S. G. bezieht sich in seinem 1766 in Wien erschienenen Abrégé de la Théorie Militaire nahezu ausschließlich auf Beispiele aus dem zurückliegenden Siebenjährigen Krieg.241 Militärtheoretisches Wissen wurde also im Laufe des 18. Jahrhunderts immer stärker durch erfahrungsbasierte Beispiele legitimiert. Trotzdem fand die Idee einer Verdrängung antiker Beispiele aus dem Kanon militärischen Wissens wenige Anhänger.242 Vielmehr zeichnete sich ein anderer, reflektierender und vergleichender Blick auf die vormals so dominanten antiken Beispiele in der Militärtheorie ab. Anstatt antike und zeitgenössische Bezüge gegeneinander auszuspielen, begann sich besonders gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Ansatz eine Art der Historisierung zu etablieren, die die Gegenwart als das Produkt einer historischen Entwicklung analog zu einer Geschichte der Entwicklung der Menschheit zu erklären

—————— 238 Nach Jähns handelt es sich bei Knock um einen Offizier im Regiment Oranien-Nassau, vgl. Jähns, Kriegswissenschaft, Bd. 3, S. 2049. 239 G. Knock, Reflexions Militaires sur differens Objets, Frankfurt a. M.; Leipzig 1762, Vorwort. 240 Friedrich August von Finck, Gedanken über militärische Gegenstände, Berlin 1788, z. B. S. 1; S. 69. 241 V. D. S. G., Abrégé de la Théorie Militaire, Wien 1766. 242 Wobei nicht bestritten werden kann, dass es solche Positionen gab: Der Fürst de Ligne (1735–1814) schreibt in seinem Préjugés Militaires am Ende des 18. Jahrhunderts, man solle lieber in einer »action d’humanité« ein Lazarett besuchen, anstatt alte Schriftsteller zu lesen. Vgl. Karl Joseph Fürst de Ligne, Préjugés Militaires, par un Officier Autrichien, Bd. 1, Kralovelhota 1783, S. 143–144.

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versuchte. Der als Oberst in Diensten der Generalstaaten stehende Autor Friedrich Nockhern de Schorn243 beispielsweise leitet sein Werk mit einem 65 Seiten umfassenden Exkurs zur Geschichte der Entstehung des Krieges ein, in dem er sich auf die Entwicklungsstufen der Völker und der Menschheit sowie auf Montesquieu als einen der populärsten Vertreter dieses Entwicklungsgedankens bezieht. Die Antike ordnet er hier in eine allgemeine Entwicklungsgeschichte der Kriegswissenschaft ein. 244 Noch expliziter ist dieser Entwicklungsgedanke beim österreichischen Autor J. W. von Bourscheid etabliert: In seinem Kurs der Taktik und der Logistik aus dem Jahr 1782 – einem der ersten Werke, in dem der Begriff »Logistik« als solcher prominent benutzt wird – verwendet er einen Großteil der ersten Hälfte darauf, den Bereich der Logistik als eine Entwicklung darzustellen, für deren Frühphasen er sich auf »primitive« Stufen der Menschheitsgeschichte stützt. Die Reisenden seiner Zeit seien in Länder gekommen, »wo die Menschheit kaum aus jenem Stande hervorsteiget, in welchem uns Moses die ersten Kinder Abrahams beschreibet«.245 Mit Bezug auf Rousseau und den Geschichtsphilosophen Isaak Iselin beschreibt er diesen »ursprünglichen« Stand der Menschheit als Ausgangslage seiner Beobachtungen über die historische Entwicklung des Krieges.246 Wolf Lepenies folgend könnte man dies als eine Form der »Verzeitlichung« von Wissen begreifen, in der immer komplexer werdende Wissensbestände von einer auf Gleichzeitigkeit zielenden Wissenssystematik in eine prozesshafte Erzählung ihrer Genese verwandelt wurden.247 Hier trat auch Außereuropa als möglicher Bezugsrahmen für Beispiele auf – als eine Möglichkeit, die Menschheit in einer früheren Entwicklungsstufe zu betrachten. Vereinzelt wurden nun auch Erfahrungen mit Kriegen außerhalb Europas herangezogen, verbunden

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243 Vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 1775. 244 Nockhern de Schorn, Versuch, S. 3–4; S. 22f. 245 J. W. von Bourscheid, Kurs der Taktik und der Logistik, Wien 1782, S. 29. 246 Ebd., S. 35f. 247 Vgl. Lepenies, Naturgeschichte, S. 16–20; Wolf Lepenies, Historisierung der Natur und Entmoralisierung der Wissenschaften seit dem achtzehnten Jahrhundert, in: Hubert Markl (Hrsg.), Natur und Geschichte, München; Wien 1983, S. 263–288, hier S. 275–280. Allerdings verweist Anne Mariss in ihrer Studie zur Naturgeschichte bei Reinhold Forster darauf, dass die Naturgeschichte vor der Verzeitlichung in Form einer »Geschichte der Natur« eben nicht als statische »Vorwissenschaft« zu verstehen ist. Anhand ihrer vielfältigen Praktiken der Wissensgenese und ihren Verknüpfungen mit politischen und ökonomischen Dimensionen unterlag sie auch während ihrer Hochphase im 18. Jahrhundert unterschiedlichen Dynamiken. Vgl. Mariss, Naturgeschichte, S. 357–358.

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mit eigenen Erfahrungen. Beispielsweise schreibt der Hauptmann eines in Hessen-Kasselischen Diensten stehenden Infanterieregiments, Johann Ewalds, sein Traktat zum »Kleinen Krieg« im Jahr 1785 mit dem expliziten Verweis auf seine eigenen Erlebnisse im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.248 Die Militärtheorie erlebte also im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts einen langsamen Wandlungsprozess nicht nur in ihrer Selbstbeschreibung, sondern auch in ihrer Art und Weise der Legitimierung und Begründung von Aussagen.

1.4 Der rationale Krieg in der Militärtheorie. Zwischenfazit Die Rahmenbedingungen des militärtheoretischen Diskurses, der Krieg als ein systematisierbares und durch Regeln beherrschbares Phänomen konzipierte, wurde in diesem Kapitel in beleuchtet, um die verschiedenen Konstellationen seiner Produktion, Rezeption, Strukturierung und Legitimation zu verdeutlichen. Die »Kriegswissenschaft« des 18. Jahrhunderts lässt sich nicht auf eine Autorengruppe, eine Systematik oder einen Weg der Evidenzerzeugung festlegen, sondern kannte ganz unterschiedliche Positionierungen: Zwar entwickelte sich die Figur des »gebildeten Offiziers« im Laufe des 18. Jahrhunderts zur idealen Selbstbeschreibung der Militärtheoretiker. Die Nutzung moralisch aufgeladener Feindbilder zur Konturierung dieser Rolle verweist darauf, dass dies auch zur Legitimation der militärtheoretischen Autoren selbst diente: Kritikern aus dem Militär, aber auch aus gelehrten Schichten konnten sie so einen Platz zuweisen, während sie selbst auf der Basis dieses Ideals Deutungshoheit für den Diskurs über das Militär und Expertise für das Führen von Krieg beanspruchten. Allerdings waren es im gesamten Betrachtungszeitraum verschiedene Arten militärischer Autoren, die über den Krieg schrieben: Neben Mathematikern und Ingenieuren, die Deutungshoheit über das Führen von Krieg beanspruchten, standen adelige Autoren, die sich mit ihren Gedanken über den Krieg in eine lange Traditionsreihe schreibender Feldherren einreihen wollten, oder weniger hochrangige Militärs, die sich durch das Schreiben dieser Traktate einen Reputationsgewinn erhofften.

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248 Johann Ewald, Abhandlung über den kleinen Krieg, Kassel 1785, S. 39.

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Vom späten 17. Jahrhundert an intensivierte sich die Selbstbeschreibung der Militärtheorie in Paratexten wie Vorworten und Widmungen als »wissenschaftlich«, »geordnet« und »rational« und wurde im 18. Jahrhundert zu einem bestimmenden Topos. Funktionierte er zunächst über den Vergleich mit anderen, naturphilosophischen oder mathematischen Wissensbereichen als Vorbild, das die Vereinigung der »Praxis« mit einer adäquaten »Theorie« einforderte, so spielte spätestens im 18. Jahrhundert die Fortifikationstheorie eine zentrale Rolle als Vorbild für die »wissenschaftliche« Kriegführung. Dabei bestand aber durchaus auch Skepsis und Dissens zwischen verschiedenen Positionen. So waren sowohl erfahrungskritische, rationalistische Positionen als auch empiristische, die Erfahrung betonende Positionen vertreten; radikale, den Krieg als mathematische Operation betrachtende Perspektiven standen zum Ende des 18. Jahrhunderts neben der Abscheu vor »Routine«, dem Befolgen von Regeln und einer Betonung bewusster, kritischer und empirischer Auseinandersetzung. Damit einher ging eine schrittweise Veränderung der Art und Weise, wie Evidenz und Beweiskraft im militärtheoretischen Wissen erzeugt wurde. Die griechisch-römische Antike blieb als Referenzrahmen bis an das Ende des 18. Jahrhunderts bedeutsam. Der wachsende Einfluss von Mathematik und Geometrie schlug sich aber auch im breiteren Diskurs nieder, verbreitet durch schreibende Ingenieure und die Vorbildfunktion der Fortifikation, in der ohnehin selbstbewusst Bezug auf »eigene« Erfahrung genommen wurde. Im Laufe des 18. Jahrhunderts lässt sich beobachten, dass verstärkt mit zeitgenössischen Kriegsereignissen oder eigenen Erfahrungen argumentiert wurde, wobei allerdings die Referenz auf die »Alten« nicht gänzlich aus dem Referenzhorizont verdrängt wurde. Der Anspruch, Ordnung in das Chaos des Krieges zu bringen, war dabei allen Herangehensweisen der Militärtheorie gemein. Die Betrachtung des Krieges als Gegenstand einer Theorie mit bestimmten, durchaus auch erlernbaren Grundsätzen war der gemeinsame Kern der verschiedenen Positionen; doch wie genau dieses Ziel erreicht werden könnte, war genauso wenig klar definiert und unumstritten wie das Konzept von »Wissenschaftlichkeit« an sich sowie seine Implikationen für das Führen von Krieg. Nach dieser Kartierung des vielgestaltigen Wissensgebietes der Militärtheorie im 17. und 18. Jahrhundert mag es kaum verwundern, dass Konzepte der naturalen Umwelt nicht nur sehr unterschiedlich sein konnten – sie waren auch immer wieder verflochten mit grundsätzlichen epistemischen Fragen des Führens und des Denkens von Krieg.

2. Taktische Topografien. Die Kontrolle des Krieges durch die Kontrolle der Natur

In kaum einem Bereich der frühneuzeitlichen Militärgeschichte ist so oft der Einfluss einer »Rationalisierung« des Kriegswesens konstatiert worden wie im Bereich der Taktik: Schlachtaufstellungen in geometrischen Formationen und die Stilisierung des Belagerungskrieges als technischmathematische Operation werden in Überblickswerken oft als Versuch einer »Zähmung« des Krieges in den Grenzen der Wissenschaft gesehen. 1 Bei der Beschäftigung mit Schlachtordnungen und geometrischen Festungsgrundrissen fällt oft erst auf den zweiten Blick auf, dass auch der taktische Umgang mit naturalen Entitäten 2 ein alltägliches militärisches Problem war. Sei es bei Märschen, Lagerstellungen oder bei der Vorbereitung einer Schlacht: Die Topografie des Kriegsschauplatzes und das Wetter stellten Armeen immer wieder vor Herausforderungen. 3 Wie zwei Beispiele vom Ende des 17. und vom Ende des 18. Jahrhunderts zeigen, unterschieden sich diese Herausforderungen und ihre praktische Bewältigung trotz des zeitlichen Abstandes auf den ersten Blick kaum voneinander. Die Schlacht von Neerwinden am 29. Juli 1693 sowie ihre Anbahnung zeigen diese grundlegenden taktischen Probleme beispielhaft. Anfang Juli standen sich in dieser Hochphase des Pfälzischen Erbfolgekrieges der Duc de Luxembourg, François-Henri de Montmorency, mit seiner Armee in einem Lager bei Melden, sowie die Armee unter Wilhelm von Oranien in einem Lager bei Löwen gegenüber. Am 8. Juli beschloss Luxembourg, das

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1 Vgl. Creveld, Art, S. 74–88. 2 Hier in Abgrenzung von der (geo-)strategischen Perspektive verstanden als operative Kriegführung von Verbänden in einem lokalen Rahmen. 3 Vgl. die Bedeutung von »Terrain« für militärische Operationen, aber auch deren kulturelle Codierung bei Peter Doyle, Matthew R. Bennett, Terrain in Military History: an Introduction, in: Dies. (Hrsg.), Fields of Battle. Terrain in Military History (The GeoJournal Library, Bd. 64), Dordrecht; Boston; London 2002, S. 1–9.

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Lager seiner Armee aufgrund seiner problematischen Versorgungslage4 zu verändern. So bezog er eine neue Position bei »Heylesem«,5 wo er die rechte Seite seiner Armee durch ein Dorf, die linke durch eine Anhöhe deckte und seine Front hinter einem Fluss aufstellte, der »Jane«.6 In dieser Position verweilte die Armee zehn Tage lang. In einem verschlüsselten Schreiben an den König vom 12. Juli warnte Luxembourg vor überhasteten Aktionen gegen die unweit von Lüttich gelegene kleine Festung Huy. Sollte Wilhelm von Oranien die Belagerung von Huy durch eine Schlacht aufzuheben versuchen, könnten die Franzosen dazu gezwungen sein, sich in den Süden zurückzuziehen. Dabei hätten sie die Maas zu überqueren – ein nach seiner Ansicht besonders gefährlicher und ungangbarer Fluss, der leicht zu einer Falle werden könne, wenn er sich als nicht passierbar erwies.7 Trotz dieser Befürchtungen wurde Huy ab dem 19. Juli belagert. Nördlich von Huy sicherte Luxembourg die Belagerung mit seiner Armee, wobei ihm die »außergewöhnliche Situation des Landes« nach eigener Aussage »nicht wenig Mühe« machte, eine vorteilhafte Position und zugleich eine Verbindung mit der Belagerungsarmee zu finden. 8 Nach der Kapitulation Huys bestand die Möglichkeit einer Belagerung Lüttichs. Wie Luxembourg in einem langen Bericht an den König vom 27. Juli erklärte, entschied er sich jedoch dagegen: Teile des Umlandes der Stadt waren zusätzlich mit »Linien« verschanzt worden, die noch dazu in unwegsamem Terrain lagen. Man müsse an einer Seite nicht nur einen schwierig zu durchquerenden Graben passieren, sondern werde auch durch »undurchdringliche Hecken« am Vorrücken gehindert, die man »unter Feuer […] abschlagen« müsse. Stattdessen habe er sich entschlossen, der Position Wilhelms entgegen zu marschieren.9 Noch während er seinen

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4 So die Darstellung in SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Resumée des Operations. 5 Heute Hélécine in der belgischen Provinz Wallonisch-Brabant. 6 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Resumée des Operations. 7 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Nr. 75, Luxembourg an Louis XIV., 12. Juli 1693. 8 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Nr. 166, Luxembourg an Louis XIV., 24. Juli 1693. 9 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Nr. 201, Luxembourg an Louis XIV., 27. Juli 1693. Wilhelm hatte sich zuvor durch das Absenden eines größeren Verbandes zum Angriff auf befestigte Positionen in der Nähe von Ypern sowie durch das Entsenden von Verbänden zur Unterstützung der Garnison Lüttich geschwächt, vgl. Lynn, The Wars, S. 234.

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Bericht verfasste, erreichte Luxembourg die Nachricht, dass sich sein Gegner zu einem in Richtung Tillemont gehenden Abmarsch bereit machte. »Da es die ganze Nacht und den ganzen Tag geregnet hat, was die Wege sehr schlecht gemacht hat«,10 zweifelte Luxembourg aber daran, dass Wilhelm seinen Marsch rechtzeitig würde antreten können, bevor er Wilhelms Stellungen erreichte. Luxembourg sollte mit dieser Einschätzung Recht behalten, allerdings verzögerte sich auch sein eigenes Eintreffen, sodass er mit seiner etwa 80.000 Soldaten starken Armee erst am Abend des 28. Juli direkt vor der nur noch 50.000 Soldaten umfassenden Armee Wilhelms von Oranien zum Stehen kam. Die Überraschung war Luxembourg geglückt, doch die hereinbrechende Nacht verhinderte eine Schlacht.11 Dies gab den alliierten Truppen Wilhelms Zeit zur Vorbereitung. Die Flanken seiner Armee wurden jeweils durch die Dörfer Neerwinden und Landen geschützt, zwischen denen in der Nacht zusätzlich Gräben und Brustwehren aus Erde aufgeschüttet wurden, um die in der Ebene stehende Mitte zu schützen. Der in der Nähe verlaufende Fluss Geete erschwerte ein Vorrücken gegen die Position zusätzlich. 12 Am Morgen des 29. Juli kam es zur Schlacht. Luxembourg konzentrierte seinen Angriff auf das befestigte Dorf Neerwinden an der Flanke der alliierten Armee, während er mit dem Rest seiner Armee Druck auf die Stellungen der Alliierten in der Ebene ausübte. Der Kampf um Neerwinden und das benachbarte Dorf Laer war besonders heftig; mehrmals wechselten beide den Besitzer, bis es französischen Truppen zuletzt gelang, dort ihre Stellung zu behaupten und die restliche Armee der Alliierten in der Ebene in der Flanke zu fassen. Dies veranlasste die Armee Wilhelms zum Rückzug. Während eine deutschsprachige Relation der Schlacht von einer geordneten Passage der Geete schreibt, betont die französische Relation, dass zahlreiche Soldaten der Alliierten in der Nähe von Neerwinden in den Fluss getrieben wurden, wo sie ertranken.13 Das Sich-Positionieren in schwierigem Terrain war für die Vorbereitung und Durchführung der Schlacht von Neerwinden eine Hauptaufgabe und ein ambivalentes Unter-

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10 SHD Vincennes, Nr. 201. 11 Vgl. Anonym, The Paris Relation of the Battel of Landen, July 29th 1693, London 1693, S. 2. 12 Ebd., S. 4–5; Anonym, Ausführliche Beschreibung des blutigen Treffens / welches den 29. Jul. 1693 zwischen der Alliierten Armee […] und dann zwischen der Französis. Armee […] in denen Niderlanden bey Neerwinden und Lare vorgegangen, o. O. o. J., S. 2–3. 13 Vgl. zu diesen Schilderungen Anonym, Relation, S. 5–10; Anonym, Ausführliche Beschreibung des blutigen Treffens, S. 4–8.

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fangen: Einerseits wurde Natur in Form der Topografie zur Absicherung genutzt, andererseits konnte sie sich aber auch geradezu gegen die Militärs verschwören und ihnen den Rückzug abschneiden, wenn sich die Umstände änderten. Die traditionelle Militärgeschichte hat neben der Schwerfälligkeit der Manöverkriegführung auch den Charakter frühneuzeitlicher Schlachten als oft vermiedene militärische Aktionen ohne Entscheidungscharakter betont.14 Erst die Kriege Preußens unter Friedrich II., die sich durch eine besondere Häufung von Schlachten auszeichneten, hätten so etwas wie eine »Entscheidungsschlacht« priorisiert.15 Es ist allerdings aus kulturhistorischer Perspektive darauf hingewiesen worden, dass diese fehlende Entscheidungsqualität nicht unbedingt als Defizit militärischer Aktionen dieser Epoche zu verstehen ist, sondern dass das »Entscheidende« einer Schlacht selbst stark durch ausgeformte Narrative und die mediale Vermittlung des Geschehens beeinflusst wurde und damit einen erheblichen Konstruktionscharakter aufweist.16 Erfolg und Misserfolg militärischen Handelns lassen sich daher nicht anhand einer überzeitlichen Kategorie der »Schlacht« bemessen. Sie sind oft eine Frage der Perspektive, wie das folgende Beispiel zeigt. Knapp ein Jahrhundert nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg zog Friedrich II. in den Bayerischen Erbfolgekrieg gegen Österreich unter Joseph II. Dieser Krieg zeichnete sich nicht durch entscheidende Schlachten aus, sondern durch eine genaue taktische Einschätzung naturaler Faktoren. Beide Armeen wurden in diesem Konflikt

—————— 14 Vgl. für diese Deutung v. a. Russel F. Weigley, The Age of Battles. The Quest for decisive Warfare from Breitenfeld to Waterloo, London 1993; auf die zentrale Bedeutung der Schlacht hinweisend jedoch James Q. Whitman, The Verdict of Battle. The Law of Victory and the Making of Modern War, Cambridge MA 2012. 15 Diese Betrachtungsweise war bereits Gegenstand des »Strategiestreits« zwischen Hans Delbrück und dem preußischen Generalstab, bei dem Delbrück betonte, Friedrich II. habe keine »Niederwerfungsstrategie«, sondern eine »Ermattungsstrategie« verfolgt. Vgl. zum »Strategiestreit« die umfangreiche Betrachtung von Sven Lange, Hans Delbrück und der »Strategiestreit«. Kriegführung und Kriegsgeschichte in der Kontroverse, 1879–1914, Freiburg i. Breisgau 1995; vgl. dazu auch Schieder, Friedrich der Große, S. 351–354. Unter Bezug auf die Kriegführung Friedrichs II. schrieb auch in jüngerer Zeit der amerikanische Militärhistoriker Robert M. Citino von der Entstehung eines »german way of war«, der sich in der späteren deutschen Neigung zum »Bewegungskrieg« geäußert habe, vgl. Robert M. Citino, The German Way of War. From the Thirty Year’s War to the Third Reich, Lawrence KS 2005, S. XV–XVIII; S. 34–62; S. 306–312. 16 Vgl. dazu Marian Füssel, Michael Sikora, Einführung: Schlachtengeschichte als Kulturgeschichte, in: Dies. (Hrsg.), Kulturgeschichte der Schlacht (Krieg in der Geschichte, Bd. 78), Paderborn 2014, S. 11–26, hier S. 12–14; S. 22–26.

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mit ähnlichen Problemen der Nutzung von Terrain konfrontiert, wie sie bereits für die Schlacht von Neerwinden beschrieben wurden – mit dem Unterschied, dass eine Schlacht genau deshalb ausblieb. Nach einem anfänglichen Vorrücken der preußischen Armeen in den Norden Böhmens belauerten sich die Feldherren gegenseitig und standen einander in befestigten Lagerstellungen gegenüber. Im Laufe des Jahres 1778 wurde Böhmen an einigen Orten zu einer regelrechten Festung ausgebaut. Im April wurden auf österreichischer Seite konkrete Überlegungen angestellt, wie ein preußischer Angriff aus der Richtung Schlesiens und Sachsens zu blockieren sei. Neben der Nutzung der Elbe bei Leitmeritz als Barriere gegen die aus Sachsen vordringenden Preußen wurde beispielsweise die Einrichtung vorsorglich »retranchirter Lager« als feste Rückzugspunkte empfohlen. 17 Ein Tagebuch des Konfliktes, verfasst vom österreichischen Generalmajor von Steinbach, berichtet ebenfalls von umfangreichen Vorkehrungen der Österreicher: So habe Joseph II. selbst das Grenzgebiet besichtigt und die Anlage von umfangreichen Feldbefestigungen an der Elbe und an nahgelegenen Bergen befohlen.18 Doch auch auf Seiten Preußens wurden augenscheinlich Vorbereitungen getroffen, um einen möglichen Einfall österreichischer Truppen nach Schlesien zu verhindern. So berichtete ein österreichischer Report an Kaiser Joseph II. Anfang Mai von einer Besichtigung des Grenzlandes um Glatz19 durch Friedrich II. Bei dieser Gelegenheit sei auch eine Schleuse angelegt worden, um »jene große Wiesen zu überschwemmen die an der Vestung auf dem Weg nach Frankenstein liegt.« Dem dortigen Landrat habe der König versichert, dass dadurch »die Grafschaft […] sehr mitgenommen« würde, er aber ansonsten dafür Sorge trage, dass ihm »die Österreicher kein Haar krümmen werden«.20 Ein weiterer Bericht schilderte, dass der preußische König wenige Wochen danach in der Nähe von Glatz angeordnet habe, einen »Buchwald« auf einer Länge von zwei Meilen »rasie-

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17 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 777 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, III/113. 18 AT-OeSta / KA FA AA Akte 783 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, XIII/33. 19 Heute Kłodzko. 20 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 777 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, V/16.

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ren« zu lassen und dort eine Straße anzulegen, was die Zerstörung der dortigen Wälder zur Folge hatte. 21 Auf österreichischer Seite reagierte man auf die Möglichkeit eines Angriffes aus der Richtung von Glatz wiederum mit eigenen Überlegungen. Eine umfangreiche, auf den 26. Juni datierte Relation einer möglichen Verteidigungsposition wurde von dem kaiserlichen Ingenieur Ludwig Michael von Jeney (1723–1797) verfasst, der auch militärtheoretische Traktate veröffentlichte. 22 Von Jeney empfahl Lagerstellungen in der Nähe der böhmischen Stadt Trautenau unweit von Glatz, sowie Stellungen auf verschiedenen Bergen und Anhöhen. Diese seien jedoch sorgfältig zu prüfen: Zur Sicherung eines Weges beispielsweise könne »man sich von der dabey liegenden Anhöhe darum nicht bedienen, weil sie von den beforstehenden [sic!] dominiret ist«, daher empfahl von Jeney stattdessen eine Position auf einem nahe gelegenen Berg, welcher das »gantze Thal gegen Altstadt« bestimme.23 Nach der offiziellen Kriegserklärung Preußens gegen Österreich am 3. Juli 1778 marschierten preußische Truppen unter dem Kommando Friedrichs II. am 5. Juli bei Náchod in Böhmen ein. Ein weiteres Vorstoßen in das Land wurde allerdings, wie ein anderes österreichisches Journal der ersten Kriegsmonate berichtete, durch die zu starken österreichischen Verschanzungen dort verhindert.24 Zu größeren militärischen Aktionen kam es sowohl wegen der angespannten Versorgungslage, als auch wegen der Verschanzung beider Parteien in den unzugänglichen böhmischen Gebirgszügen nicht. Stattdessen machten kleinere Scharmützel und Hinterhalte die Kriegführung aus. Bei jeder größeren Lagerverlegung wurde die neue Position sorgsam befestigt, indem die naturale Umwelt transfor-

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21 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 778 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, VI/4b. Ein Bericht eines »glatzischen Vertrauten« Mitte Juni beschrieb außerdem die Errichtung mehrerer Verhaue – aus Baumstämmen bestehende Sperranlagen – sowie das Anlegen starker Verschanzungen aus Erdwällen in der Nähe der Stadt. Ebd., VI/34a. 22 Zu Von Jeney vgl. Kap. 2.3.3. 23 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 778 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, VI/40. Zudem regte er mehrmals die Postierung von »Scharfschützen« und »Jägern« in besonders unwegsamem Gelände an. Zusätzlich empfahl de Jeney in diesen Lagerstellungen eine Sicherung durch »Redouten«, teilweise bestanden laut seinem Bericht aber auch »die alten Schantzen« – vermutlich noch aus dem Siebenjährigen Krieg –, die es nun zu reparieren gelte. 24 AT-OeSta / KA FA AA Akte 783 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, XIII/31.

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miert wurde. Über das preußische Lager bei Schatzlar25 Ende September, eine Stadt auf böhmischen Gebiet, berichteten beispielsweise preußische Deserteure, dass auf dortigen Anhöhen »alles Gebüsche niedergehauen« und dort »6 Schuh hohe« Schanzen errichtet worden seien.26 Laut eines anderen Deserteurs ereilte dieses Schicksal Anfang Oktober auch dortige Wälder, weil sie die Sicht auf das Gelände störten. 27 Mehrere Berichte beschrieben das »Niederhauen« des Waldes am dortigen Schloss hinter Schatzlar, der nach Einschätzung eines anderen Deserteurs etwa eine Meile umfasste.28 Für den preußischen Militärschriftsteller Adam Heinrich von Bülow, auf den gemeinhin die begriffliche Unterscheidung von »Strategie« und »Taktik« zurückgeführt wird,29 wurde der Bayerische Erbfolgekrieg nur »uneigentlich einen Krieg« genannt.30 Für andere Beobachter war er geradezu beispielhaft. Ein anonymer Autor publizierte im Jahr 1778 in der kurzlebigen Zeitschrift Arbeiten in Kriegszeiten über erhebliche Gegenstände aus den Staats- und Kriegswissenschaften einen Aufsatz über den Bayerischen Erbfolgekrieg.31 Darin argumentierte er, der »Endzweck« des Krieges könne auch ohne massenhaftes Töten erreicht werden: Derjenige, der den »Feind durch geschickte Stellungen, Bewegungen, Märsche, Gegenmärsche, mit einem Worte, durch was immer für Vortheile der Kriegskunst zum Rückzuge nöthiget«, verdiene höchstes Ansehen.32 Im Bayerischen Erbfolgekrieg sehe man den »allerstärcksten Beweis« dafür, dass »ein ganzer Feld-

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25 Heute Žacléř. 26 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 780 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, IX/18. 27 Ebd., IX/19. 28 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 781 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, X/42; auch X/12a. Wenig später berichtete der österreichische Feldmarschalllieutenant d’Alton, dass das Holz des Waldes »vom Feinde um baares Geld in Schlesien verkauft« werde. Ebd., X/131. 29 Dabei lässt sich eine solche begriffliche Unterscheidung bereits früher greifen. Vgl. beispielsweise Ferdinand Friedrich Nicolai, Anordnung für eine Kriegsschule aller Waffen, Stuttgart 1781, S. 2; darauf Bezug nehmend auch Bourscheid, Kurs, S. 3–16; als »Kunst des Kommandierens« und Verbindung sämtlicher Elemente des Krieges auch bei Nockhern de Schorn, Versuch, S. 6–12. 30 Adam Heinrich von Bülow, Prinz Heinrich von Preußen. Kritische Geschichte seiner Feldzüge, Berlin 1805, S. 332–333. 31 GLA K K 1274, Arbeiten in Kriegszeiten über erhebliche Gegenstände aus den Staatsund Kriegswissenschaften, sechzehntes Stück: Über die Hauptbewegungen der beyderseitigen Kriegsheere im ersten Feldzuge des vierten preußischen Krieges, Wien 1778. 32 Ebd., S. 123.

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zug der gelehrtesten und erfahrensten Feldherren, ohne Feldschlacht, und sogar ohne Belagerung und Stürme, bloß durch die Geschicklichkeit der Stellungen und Hauptbewegungen der Gegner fruchtlos geworden« sei.33 Durch die Ausnutzung der Natur avancierte der Konflikt in dieser Schrift zu einem Musterbeispiel aufgeklärter Kriegführung, in dem die Entscheidung scheinbar nur durch die Berechnung von optimal gewählten Stellungen und Bewegungen möglich war. Freilich unter Ausblendung der zehntausenden Opfer, die der Krieg auf beiden Seiten durch Krankheit, Hunger, Erschöpfung und Kälte forderte: Christopher Duffy geht für die preußische Seite allein von über 30.000 Toten aus.34 Beide Beispiele zeigen, dass Armeen bereits in der Frühen Neuzeit nicht nur durch die naturale Umwelt beeinflusst wurden, sondern diese auch entscheidend selbst beeinflussten, sie veränderten und an taktische Erfordernisse anpassten – Armeen konzipierten ihre eigenen sozionaturalen Schauplätze. Gemessen an den beschriebenen Praktiken war das Einbinden naturaler Faktoren militärisches Standardwissen, das situativ zum Einsatz kam und alltäglich war. Die Praktiken der taktischen Nutzung von Natur ähneln sich in beiden Fällen. Doch zugleich wird an der publizistischen Begleitung des Bayerischen Erbfolgekrieges sichtbar, dass sich der Diskurs veränderte. Der Bayerische Erbfolgekrieg mit seiner intensiven taktischen Umwandlung der naturalen Umwelt zu taktischen Zwecken wurde zu einem Beispiel für eine besonders »aufgeklärte« und rationale Kriegspraxis, weil er in dieser Form besonders gut in einen gängigen militärischen Naturdiskurs dieser Zeit passte. In der Folge wird argumentiert, dass im Laufe des 18. Jahrhunderts im militärtheoretischen Diskurs ein Wandel stattfand in der Art und Weise, wie der taktische Umgang mit der naturalen Umwelt konzipiert wurde. Sowohl im generellen militärtheoretischen Diskurs als auch im Spezialbereich der Fortifikationstheorie entwickelte sich eine erweiterte taktische Aufmerksamkeit gegenüber naturalen Elementen, deren Nutzung, Erfassung und Berechnung letztlich die Kontrolle des Krieges versprach. Die besondere Beachtung naturaler Faktoren wurde zu einem wichtigen Teil des im Diskurs ausgeformten Ideals eines »rationalen« Krieges. Dabei spielte sowohl die Neubewertung von »Natur« als Vorbild für eine »natürliche« Ordnung im Laufe des 18. Jahrhunderts eine Rolle, als auch der Blick der Militäringenieure auf das »Terrain« des Krieges: Dieser ließ natu-

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33 Ebd., S. 127. 34 Vgl. Duffy, Friedrich der Große, S. 395.

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rale Faktoren nicht einfach als »Nebensächlichkeiten« verschwinden, sondern spielte im Laufe des 18. Jahrhunderts eine zunehmend wichtige Rolle bei der Erfassung und Transformation der Topografie. Eine in der Forschung zuletzt konstatierte »zweidimensional-geometrische« Sicht der Militärtheorie auf das Schlachtfeld, die das Ancien Régime beherrscht habe und die erst durch den topografischen Blick der Napoleonischen Kriege abgelöst worden sei,35 scheint daher nicht haltbar. Unter Rückgriff auf diverse militärtheoretische Autoren wird stattdessen die Formation eines topografisch-taktischen Blickes im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts rekonstruiert, für den die Kontrolle und Einbindung der Natur wesentlich war. Die in diesem Kapitel herausgearbeiteten Naturkonzeptionen als Bestandteile militärischen Wissens formten sich dabei vor allem an den im Diskurs immer expliziter beschriebenen räumlichen Praktiken des Militärs aus, wie dem Marschieren, Lagern oder dem Befestigen von Orten. Um diesen Wandel in seiner Breite zu fassen, werden zunächst klassische militärisch-taktische Raumkonzeptionen zusammengetragen, die im 17. und 18. Jahrhundert das Sprechen über das Terrain bestimmten und die im Kern über die naturale Umwelt strukturiert wurden. Danach wird anhand der Überlegungen zur Lage von Festungen in fortifikationstheoretischen Traktaten sowohl eine diskursiv produktivere Art der Raumkonzeption identifiziert, als auch nachvollzogen, wie sich die Konzeption eines »befestigten« Ortes unter Rücksicht auf seine naturale Umwelt in Laufe des 18. Jahrhunderts veränderte: Von einer starken Betonung geometrischer Festungsgrundrisse und der »Regularität« hin zu einer Betonung von Standortfaktoren, die geschickt eingebunden werden sollten. Daraufhin werden zwei Entwicklungen dieses taktischen Naturdiskurses im 18. Jahrhundert analysiert, die sich auf der Ebene der Beschreibung von Raumpraktiken sowie auf der Ebene der Theoretisierung taktischer Wirkmäch-

—————— 35 Vgl. Anders Engberg-Pedersen, Empire of Chance. The Napoleonic Wars and the Disorder of Things, Cambridge MA; London 2015, S. 1–7; S. 10–33. Engberg-Pedersen beschreibt in Anlehnung an Michel Foucault einen tiefgreifenden Wandel im militärischen Diskurs um 1800, bei dem die Epistemologie der Kontrolle des Krieges durch die Napoleonischen Kriege eine fundamentale Erschütterung erfahren habe. Traditionelle Wissensbestände des Krieges seien durch neue Formationen abgelöst worden, welche die tendenzielle Unberechenbarkeit des Krieges betonten. Eines seiner Argumente ist dabei eine angebliche Zäsur in der militärischen Wahrnehmung von Raum. Unter Bezug auf Vaubans fortifikatorische Schriften konstatiert Engberg-Pedersen für das 18. Jahrhundert eine zweidimensional-geometrische Sicht auf das Schlachtfeld, die erst mit dem topografisch-dreidimensionalen Blick der Napoleonischen Kriege abgelöst worden sei.

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tigkeit vollzogen: Erstens wird die Ausprägung eines Diskursstrangs betrachtet, in dem die elementare Bedeutung selbst kleinster naturaler Faktoren betont wurde. Deren taktische Kontrolle wurde in der Militärtheorie durch detaillierte Beschreibung erreicht; eine minutiöse Erfassung der taktischen Möglichkeiten verschiedener naturaler Elemente versprach auch die Möglichkeit, den Lauf des Krieges vorauszusehen und zu bestimmen. Am Ende des 18. Jahrhunderts etablierte sich hier allerdings auch eine Gegenposition, die diese Faktoren aufgrund ihrer Unberechenbarkeit nicht mehr zum Zentrum taktischer Theorie erklären wollte. Zweitens zeigt sich die Entwicklung eines produktiven Diskurses über Feldbefestigungen und den »kleinen Krieg«, die mit ihren beschriebenen Raumpraktiken eine Veränderung des Wissens über militärische Naturnutzung und damit eine Veränderung klassischer militärischer Raumrepräsentationen darstellten.

2.1 »Geschlossene« und »offene« Länder. Klassische Beschreibungen militärischer Topografien Um ein Land im Hinblick auf taktische Belange aufzuteilen und zu klassifizieren, nutzte die Militärtheorie klassische Raumkonzepte, die sich an bestimmten naturalen Entitäten orientierten. Anhand dieser wurde die grundsätzliche Einteilung eines Landes in »eng« oder »weit«, »geschlossen« oder »offen« vorgenommen. Diese Einteilung bildete durch stetige Wiederholung ein basales Ordnungsprinzip des militärischen Sprechens über die taktische Nutzung von Natur und fasste bestimmte naturale Faktoren zu eigenen »Terrains« zusammen. Damit wurden spezifische Operationsräume konstruiert, denen militärische Handlungsanweisungen zugeordnet wurden. Die taktischen Axiome und Vorsichtsmaßnahmen betonten nicht nur den Aspekt der Passierbarkeit von Terrain, sondern auch den der Sichtbarkeit: Das mit dem Auge zugängliche Terrain versprach letztlich die Möglichkeit der Kontrollierbarkeit durch das wortwörtliche »Voraussehen« möglicher Ereignisse. Drei grundsätzliche Felder, in denen in der Militärtheorie Aussagen zur taktischen Einschätzung von Land vorkommen, werden durch die wichtigsten Raumpraktiken des Militärs definiert: das Marschieren, das Lagern sowie das Kämpfen selbst. Zwei der bedeutendsten Feldherren des 17.

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Jahrhunderts äußern sich in ihren Memoiren explizit dazu und bilden dadurch einen guten Ansatzpunkt, um den militärischen Umgang mit der Topografie zu betrachten. In den posthum herausgegebenen militärischen Memoiren des französischen Feldherren Henri Vicomte de Turenne (1611–1675)36 wurden die wichtigsten Elemente der »Bewegungen im Feld« einer Armee kurz zusammengefasst. Turenne stand zuletzt im Rang eines Generalmarschalls von Frankreich und gilt als einer der wichtigsten französischen Feldherren Ludwigs XIV. 37 In einem Kapitel über die »Bewegungen« einer Armee fasst Turenne die wichtigsten räumlichen Praktiken des Militärs zusammen: das Marschieren, das Lagern und den Kampf. 38 Diese Praktiken stehen in unmittelbarer Beziehung zum Terrain, in dem und mit dem sie stattfinden; daher befasst sich Turenne an dieser Stelle auch genauer mit Elementen der naturalen Umwelt. Diese wird entlang einer traditionellen militärischen Sprache aufgeteilt: Turenne arbeitet letztlich mit Kategorien eines »pays […] découvert« und eines »pays coupé«, die er mit verschiedenen Handlungsanweisungen verbindet. So bezieht er sich auf die Einteilung eines Landes in »eng« oder »weit«, um jeweils Infanterie oder Kavallerie die wichtigere Rolle zuzuweisen. 39 Ein offenes Land sei für die Kavallerie besonders sinnvoll, während ein »geschlossenes« oder »durchschnittenes« Land für die Infanterie zu bevorzugen sei. Auch weist er darauf hin, dass sich eine Armee eine unwegsame Umwelt auch zunutze machen könne: beispielsweise durch das Bedecken der Flanken einer Armee durch naturale Hindernisse, wie Flüsse oder Berge, die es zugunsten der eigenen Sicherheit auszunutzen gelte, um Hinterhalte zu verhindern. 40 Auch für das Lagern gibt es laut Turenne einige Grundregeln. So sei es wichtig, stets »in der Ebene« zu campieren, »in einem guten Terrain«, das

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36 Die Publikation der militärischen Memoiren Turennes geschah zunächst als Teil der Histoire du vicomte de Turenne von André Michel de Ramsay aus dem Jahr 1735; 1738 wurden sie in einer Pariser Edition einzeln abgedruckt. Vgl. Jähns, Kriegswissenschaft, Bd. 2, S. 1155; auch Jean Bérenger, Turenne, Paris 1987, S. 498–499. 37 Seit dem Dreißigjährigen Krieg kämpfte Turenne im französischen Militär auf niederländischen, deutschen und norditalienischen Schauplätzen; nach dem Tod Ludwigs XIII. 1643 wurde er zum Marechal de France ernannt und erhielt den Oberbefehl über die französischen Truppen im Reich. Bis zu seinem Tod bei der Schlacht von Sasbach im Holländischen Krieg kommandierte er wiederholt die Armeen des jungen Ludwigs XIV. Vgl. Storring, The Meanings of War, S. 155–158; Bérenger, Turenne. 38 Ebd., S. 19. 39 Henri de la Tour d’Auvergne de Turenne, Mémoires sur la guerre, Paris 1738, S. 15. 40 Ebd., S. 24.

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nicht durch eine Anhöhe »beherrscht« werde, von denen die eigene Armee möglicherweise beschossen werden könnte. Befinde sich in der Nähe ein Wald, so empfiehlt Turenne, ihn »abzuhauen oder abzubrennen« – zu groß schätzt er die Gefahr eines möglichen Hinterhaltes ein. 41 Darüber hinaus beschreibt er das Verschanzen des Feldlagers, wenn zu vermuten stehe, dass sich der Feind in der Nähe aufhalte. Zwar sei ein Lager immer dann am sichersten, wenn es »unter den Kanonen« einer eigenen Festung aufgeschlagen werde; zur Not helfe aber auch das Verschanzen mit Erdwällen und Redouten, »der Anordnung des Terrains entsprechend«.42 Damit verweist der Feldherr auf die gängige Praxis der defensiven räumlichen Abgrenzung des Heerlagers. In Turennes Aussagen finden sich zwei Prinzipien des taktischen Umgangs mit der naturalen Umwelt. Erstens kategorisiert er das Land in »eng« oder »weit«, oder »geschlossen« und »offen«. Diese Kategorien bilden grundsätzliche Ordnungsmuster, an denen die folgenden taktischen Ratschläge festgemacht werden. Diese bestehen zweitens darin, grundsätzliche Vorteile der Natur zu nutzen: Schwer passierbare Elemente wie Berge oder Flüsse dienen beispielsweise als Absicherung. Wälder hingegen, die die Sicht der Armee behindern, sollen abgeschlagen werden – eine Aufforderung, die sich in den Ratschlägen zum Schlagen eines Lagers in der Militärtheorie generell häufte. Die taktischen Bedürfnisse der Armee wurden der naturalen Umwelt aufgezwungen. Dieses Nutzen von Natur und Topografie aus taktischer Sicht kann als ein grundlegendes Element militärischen Wissens angesehen werden. Bei einem der bedeutendsten Gegner Turennes lässt sich ein sehr ähnliches Schreiben über die taktische Wahrnehmung der naturalen Umwelt herausarbeiten, was dafür spricht, dass es sich hierbei um militärisches Allgemeinwissen handelte. Der kaiserliche Feldherr Raimondo Montecuccoli 43 nimmt in seinen Memoiren die Bedeutung der örtlichen Topografie ebenfalls auf: Schon auf den ersten Seiten, auf denen er grundsätzlich definiert, was unter »Krieg« zu verstehen sei, teilt er diesen »nach Unterscheid der Personen, Mittel und Oerter« ein.44 Den verschiedenen »Beschaffenheiten« des Ortes widmet Montecuccoli eigene Passagen. Es ist dabei auffällig, wie nah seine Ausführungen an denen Turennes liegen. Auch Montecuccoli

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41 Ebd., S. 34–35. 42 Ebd., S. 33–34; S. 44–45. 43 Vgl. Kap. 1. 44 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 2.

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teilt die »Oerter« auf in »entweder enge oder offen«, differenziert diese Einteilung aber in der Folge noch etwas aus: »Eben oder voller Gebürge, mit einem oder mehreren Wegen, das Erdreich ist entweder weich oder vest zu der Artillerie, es gehen da Zäune, Hölzer, Flüsse, Maräste, oder gar keine Wege durch.«45 Letztlich beschreibt er mit diesen Ausführungen das, was Turenne als ein »Pays coupé«, ein »durchschnittenes Land«, bezeichnet. Auch seine taktischen Anweisungen sind sehr ähnlich. Er empfiehlt besonders, Engstellen, »Hölzer« und Pässe zuvor zu besetzen, um diese riskanten Orte abzusichern.46 Zudem weist er auf die Rolle des eigenständigen Ausbesserns der Wege durch Schanzgräber hin, die zudem dazu benötigt würden, die temporären Befestigungsanlagen einer lagernden Armee wieder zuzuschütten, damit diese »mit grosser Fronte ausmarchiren« könne.47 Sei der Kontakt mit dem Feind zu erwarten, so sollen naturale Entitäten als Hindernis genutzt werden: Man solle eine Seite der Armee »mit einem Fluss, einigen Erdschlüchten oder Dämmen, Gebürgen […]«48 oder ähnlichem bedecken. Die vorteilhafte räumliche Platzierung eines Armeelagers ist für ihn zentral: Das Lager solle »bequem« sein, in einer Ebene oder aber »auf einem leicht zu steigenden Hügel«, wobei wieder Sorge getragen werden solle, dass »nichts höhers drüber« sei. Liege in der Nähe des Lagers ein Wald, so empfiehlt Montecuccoli ebenso wie Turenne, diesen »abhauen, einschliessen, verbrennen« zu lassen. Montecuccoli ist allerdings etwas detaillierter, was mögliche Gefahren für das Lager angeht: Man solle am idealen Ort »weder Ueberschwemmungen noch FeuersBrünste« zu befürchten haben, wobei nicht ganz klar wird, ob diese von einem Gegner oder als natürliches Phänomen zu erwarten sind. Befürchte man eine Überschwemmung mit Wasser, so seien vorsorglich Dämme einzurichten. 49 In Montecuccolis Ausführungen wird also vorsorglich noch etwas stärker in die Umgebung einer Armee eingegriffen, als es bei Turenne der Fall war, insgesamt ist allerdings die starke Überschneidung der Ratschläge beider Autoren feststellbar. Montecuccolis Ausführungen über eine besonders problematische Aufgabe des Bewegens einer Armee sind allerdings sehr detailliert: Die Über-

—————— 45 Ebd., S. 64. 46 Ebd., S. 65. 47 Ebd., S. 65–66. 48 Ebd., S. 68. 49 Ebd., S. 72–73.

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querung von Flüssen wurde von ihm vergleichsweise breit geschildert, wobei deutlich wird, vor welche Probleme die naturale Umwelt die militärische Taktik stellen konnte. Eine solche Operation sei gefährlich, besonders in Gegenwart einer feindlichen Armee. Nach Montecuccoli nutze man dazu eine Furt, Eis, Fahrzeuge oder überquere den Fluss schwimmend. Montecuccoli beschreibt die Flussüberquerung als eine besondere Herausforderung, da sie die eigene Armee trenne und somit verwundbar mache. So solle man stets an mehreren Orten zum Schein eine Überquerung des Flusses vorbereiten, aber nur eine dieser Stellen zum tatsächlichen Übergang wählen, um den Feind zu verwirren; zudem müsse auf dem diesseitigen Ufer eine »Höhe« gefunden werden, von der man das gegenüber liegende Ufer möglichst breit einsehen und, wenn nötig, beschießen könne. Geschehe der Flussübergang während der Kampfhandlungen, so sollte Infanterie in Booten zusammen mit Schanzgräbern übersetzen, um am anderen Ufer sofort mit der Errichtung eines befestigten Brückenkopfes zu beginnen. Bezüglich des Flusses selbst mahnte Montecuccoli: »Man muß die Natur des Flusses, darüber man gehet, wohl kennen, damit, wenn er etwa plötzlich anlief, einem der Rück-Weg, bey unverhofftem Fall, nicht abgeschnitten werde.«50 Die mögliche Unberechenbarkeit des Flusses war eine zusätzliche Gefahr jenseits feindlicher Hinterhalte und mindestens so wichtig wie der Gegner. In diesem Punkt spielte die naturale Umwelt eine herausragende Rolle, und ihr wurde eine eigene Wirkmacht zugeschrieben. Wie diese Beispiele zeigen, war die Kategorisierung eines Landes im Kontext militärischer Raumpraktiken in »eng« oder »weit« eine verbreitete Art der Naturwahrnehmung. Anhand dieser recht stabilen Kategorisierung wurden Grundregeln taktischen Verhaltens festgemacht, wie die Organisation eines Marsches oder die Zusammensetzung der Armee aus Kavallerie und Infanterie. Dieser Ratschlag kann als einer der basalsten taktischen Grundsätze der letzten 2.000 Jahre gelten: Die Autoren wiederholten letztlich Äußerungen, die in dieser Art bereits bei Vegetius in seinen Epitoma Rei Militaris vorkamen.51 Diese Einteilung sollte den Lesern ein Konzept geben, mit dem sie die Effektivität des Einsatzes verschiedener Waffengattungen einschätzen konnten. Die Beschreibung der naturalen Umwelt mit dieser taktischen Perspektive und die damit einhergehenden Ratschläge können als militärisches Standardwissen gewertet werden.

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50 Ebd., S. 119–120. 51 Vegetius, Abriß des Militärwesens, S. 125.

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Umso mehr bilden diese Beschreibungen einen Vergleichspunkt für den langsamen Wandel der Thematisierung von Natur, der sich in mehreren Bereichen der militärischen Taktik bis ans Ende des 18. Jahrhunderts vollzog. Im Vergleich zur späteren Entwicklung des Diskurses lässt sich konstatieren, dass die Beschreibungen der naturalen Entitäten und der sozionaturalen Schauplätze in diesem Standardwissen vergleichsweise kurz waren. Die entworfenen Räume und die diskursive Praktik ihrer Beschreibung sind wenig ausdifferenziert. In einem anderen Bereich der Militärtheorie etablierte sich zur selben Zeit eine produktivere Art der Beschreibung des taktischen Wertes von Natur, die zum Teil auf den in diesem Kapitel beschriebenen Klassifikationsformen des Landes basierte, aber viel detaillierter die naturale Umgebung beschrieb und ihr dabei einen erweiterten taktischen Wert beimaß.

2.2 Befestigte Räume als Nutzen und Kontrolle der Natur Der französische Ingenieur Vauban gilt als zentrales Beispiel für eine Epistemologie des Krieges im 17. und 18. Jahrhundert, die sich durch ihren Fokus auf Ordnung und Geometrie ausgezeichnet habe. 52 In Vaubans Werk habe nicht nur die Architektur der frühneuzeitlichen geometrischen Festung ihren Höhepunkt erreicht, sondern er habe diese geometrischen Prinzipien auch auf die Belagerung von Festungen angewendet. Dies sei letztlich Ausdruck einer »Geometrie des Krieges« gewesen, die sich in der Konzeption von Raum als geometrische Fläche ausgedrückt habe, passend zum »esprit géométrique« des 18. Jahrhunderts. Zwar übte die Befestigungskunst durch ihre Implikation eines »regulierten«, berechen- und kontrollierbaren Krieges einen Einfluss auf den generellen militärtheoretischen Diskurs aus. Es ist allerdings zu einfach, unter Rückgriff auf schematische Festungsgrundrisse eine Wahrnehmung des Raumes als geometrisch-mathematische Fläche abzuleiten, in dem Terrain und Umwelt keine Rolle spielten. Vauban selbst wies darauf hin, dass es im Festungsbau nicht um das Erlernen von Befestigungssystemen und Prinzipien gehe, sondern vielmehr um die kluge Ausnutzung lokaler Faktoren. 53

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52 Vgl. Engberg-Pedersen, Empire, S. 11–20. 53 Vgl. zu lokalen Faktoren in der Befestigungskunst und Vauban auch Langins, Conserving the Enlightenment, S. 55.

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Wie im Folgenden deutlich wird, zeigte der fortifikationstheoretische Diskurs zum Teil eine besondere Beachtung taktisch wichtiger, naturaler Standortfaktoren. Die »befestigten« Räume, die durch Festungen geschaffen werden sollten, definierten sich vor allem durch die geschickte Nutzung naturaler Elemente. Dabei spielten die Sichtbarkeit und die Nutzung von Elementen wie Flüssen als Barriere und räumliche Grenze tragende Rollen. Der »flache« Raum der Festungsgrundrisse wurde dabei vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts im Zuge einer in den Traktaten dominanten Position der theoretischen Fortifikation betont; ab der Mitte des 18. Jahrhunderts aber zeigte sich ein verstärkter Einfluss der praktischen Fortifikation, verbunden mit einer gewachsenen Aufmerksamkeit gegenüber der Realisierung von Festungen in unwegsamen Gebieten, wodurch topografische Faktoren wieder verstärkt in Raumkonzeptionen aufgenommen wurden. In diesem Spezialgebiet militärischen Wissens lässt sich beobachten, dass die natürliche Topografie in ihrem taktischen Wert verstärkt betont wurde.

2.2.1 Den Standort beschreiben. Der fortifikatorische Blick auf naturale Umwelt Sich bewegende Armeen, die unter einem gewissen Entscheidungsdruck binnen weniger Tage eine neue Position einnehmen mussten, blieben zumeist nicht länger in einem Gebiet als einige Monate. Demgegenüber handelte es sich bei Festungen um militärische Installationen, die längerfristig Kontrolle ausüben sollten. Ihnen ging eine längere Zeit der Planung voraus. Sie sollten ihre Umgebung sowie Nachschubwege über Jahrzehnte sichern. Hierdurch konzentrierte sich der Krieg ganz besonders auf diese befestigten Orte und führte zu einer gewissen Dominanz des Belagerungskrieges vom 17. bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts.54 Zudem waren Festungen obrigkeitliche Großprojekte: finanziell aufwändig und hochgradig

—————— 54 Vgl. Christopher Duffy, Fire and Stone. The Science of Fortress Warfare, Newton Abbot 1975, S. 11–13. Vgl. John A. Lynn, Food, Funds, and Fortresses: Resource Mobilization and Positional Warfare in the Campaigns of Louis XIV, in: Ders. (Hrsg.), Feeding Mars. Logistics in Western Warfare from the Middle Ages to the Present, Boulder CO; Oxford 1993, S. 137–159, hier S. 146–150; Langins, Conserving the Enlightenment, S. 122f.; Petersen, Belagerte Stadt, S. 18–19.

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arbeitsintensiv, aber auch manchmal verbunden mit eigenen ökonomischen Interessen, wie der Etablierung eines neuen Handelszentrums.55 Damit eine solche Investition in eine immobile Verteidigungsanlage nicht vergebens war, musste ihr Standort klug gewählt sein. 56 Anhand dieser Standorteinschätzungen lässt sich das Sprechen über Natur unter dem Blick der Befestigungskunst betrachten. Hier fand eine Differenzierung in verschiedene naturale Elemente statt: Ein Ort wurde durch das Errichten von Festungswerken in Relation zu naturalen Entitäten zu einem »befestigten Raum«, der sich aus der »natürlichen« und der »künstlichen« Befestigung zusammensetzte. Die geometrisch angelegten Sternfestungen mit ihren ebenen, sanft ansteigenden Glacis, 57 den dazugehörigen, zum Teil mit Wasser gefüllten Gräben und den aus Erde und Mauerwerk bestehenden Bastionen und Wallanlagen nannte John Lynn ein »engineered battlefield«: Das Kräfteverhältnis wurde durch eine vorteilhafte Konfiguration örtlicher Faktoren zugunsten der Verteidiger verschoben.58 Die hier im Vordergrund stehende Raumkonzeption der Fortifikationstheorie wählte die naturalen Elemente eines Standortes nach bestimmten Kriterien aus und kategorisierte sie in taktisch vorteilhaft oder problematisch. Dies zeigt sich beispielsweise am Werk Wilhelm Dilichs. In seiner Krieges-Schule finden sich im Kontext des Festungsbaus detaillierte Äußerungen zur Auswahl von Festungsstandorten. »Um sich vor dem Anlauff einer feindlichen Gewalt« zu schützen, sei neben der Versorgung der Festung und den Mitteln der Befestigung als erstes vor allem der »Locorum« zu prüfen, der Ort. Dilich stellt die »Loci Qualitate« sowie spezieller den

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55 Vgl. zum Beispiel Henning Eichberg, Zirkel der Vernichtung oder Kreislauf des Kriegsgewinns? Zur Ökonomie der Festung im 17. Jahrhundert, in: Bernhard Kirchgässner, Günter Scholz (Hrsg.), Stadt und Krieg (Stadt in der Geschichte, Bd. 15), Sigmaringen 1989, S. 105–124, hier S. 106–107. 56 Vgl. auch Duffy, Fire and Stone, S. 24–32. 57 Mit Glacis wurde eine leicht ansteigende Aufschüttung von Erde vor dem eigentlichen Graben der Festung genannt, der weder von Vegetation noch von Bauwerken bedeckt sein sollte, um der Besatzung der Festung ein optimales Schussfeld zu bieten. Vgl. Lepage, Vauban, S. 108–110. 58 Lynn, The Wars, S. 73; vgl. zum Raum der Festung als Repräsentation von Sicherheit auch Stefan Kroll, Frühneuzeitliche Festungsräume als sicheres Terrain? Die kursächsischen Festungen Königstein und Sonnenstein im Spiegel der Verduten Bernardo Bellottos, in: Christoph Kampmann, Ulrich Niggemann (Hrsg.), Sicherheit in der Frühen Neuzeit. Norm – Praxis – Repräsentation (Frühneuzeit-Impulse, Bd. 2), Köln; Weimar; Wien 2013, S. 683–700.

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»Situ, und wie er gelegen« vor.59 Zunächst liege ein Ort »in plano, in der Ebene / oder aber in alto, und auff einer Höhe«. Bei einer Ebene betont er jedoch, dass hier »in acht zu nehmen« sei, ob diese sich zusätzlich an einem »starcken schiffreichen Strohm / oder obs sey an einem See oder an dem Meere selbsten / oder aber in einer Insel« befinde. Auf Bergen müsse der Boden erkundet werden, »ob der Berg inwendig ein Felß« sei und somit das Untertunneln und Minieren der Festung – also das unterirdische Sprengen von Wallanlagen – unmöglich mache, oder er stattdessen »wässerig« sei. In der Folge stellt Dilich verschiedene mögliche naturale Umgebungen für Befestigungen vor und zählt die damit verbundenen taktischen Vorzüge auf. »Der bequemste Situs ist […] harter Felß / oder ein felsiger Berg / so in der Nähe nicht überhöhet / und überall umb sich sehen kann«; der nächstbeste Ort sei eine größere Insel, an der man die Festung an einer Seite bis an das Wasser legen könne. »Der dritte ist ein Morast oder Sumpff / darinnen der Feind auch nicht nach seinem Gefallen handeln kann« – hier könne der Belagerer zwar versuchen, den Sumpf »abzugraben und auszutrucknen« oder ihn mit »Brettern / Matten und Hörden zu durchlegen«, doch erfordere diese Arbeit »viel Unkosten« und Zeit, und eigene Gräben zu fertigen sei für Belagerer durch den nassen Boden nur schwer möglich. 60 Allerdings warnt Dilich, dass solche Orte schnell »beschlossen« werden könnten. Der vierte Ort ist für Dilich die »Ebene im guten festen Boden«, da hier das »Erdreich« gut geeignet sei, um damit Festungswerke aufzuschütten; die Nähe eines größeren Flusses sei zudem taktisch förderlich, um als zusätzliche Barriere zu dienen. Als Nachteil führt der Autor an, dass der Feind seine Verschanzungen bei einer Belagerung in der Ebene ebenso leicht erbauen könne. Der »unbequemste Situs«, vor dem Dilich explizit warnte, war »an Halden oder Bergen«.61 Er schließt diese generelle Einführung mit einer Definition des idealen »festen« Ortes, der von der »Natur« selbst zu einer »Vestung« vorgesehen sei: »Solche Situs machen also loci securitatem, und daß man sich eines Orts Sicherheit vergewissern kann / wann es nemlich etwa in einer schönen Ebene / zwischen

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59 Dilich, Krieges-Schule, S. 290–291. 60 Ebd., S. 290. 61 Ebd.

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starcken Wassern / auff hohen starcken Felsen / in Summa / welcher nicht durch eine darbey liegende Höhe oder Berg überhöhet werden könne […].« 62

Zwei Faktoren sind in Dilichs Standortbetrachtungen entscheidende Qualitäten naturaler Elemente, die eine Befestigung begünstigten: Erstens die Nutzung von naturalen Elementen als eine Barriere gegen einen Gegner, sei es durch Wasser oder durch die Unzugänglichkeit von Anhöhen; zweitens die optische Kontrollierbarkeit der Umgebung. Wie er selbst formuliert, waren diese naturalen Standortfaktoren von ähnlichem taktischem Wert wie künstliche Befestigungsanlagen. Das Verhältnis von Natur und Kunst verhandelt Dilich wenig später aus dem Blick eines Militäringenieurs, wenn er in »zweyerley Arten« der Befestigung unterscheidet: »Die erste der Natur / als wann ein Ort hoch […] auf Felsen oder Klippen / oder mit Wasser umgeben: Die andere aber der Bau-Kunst / darin der Architectus den Mangel der Natur durch die Kunst erstattet.«63 Der Natur kommt in seiner Darstellung die Rolle eines Akteurs zu, der mitunter bessere Befestigungen hervorbringe als der Mensch. Daher sei »unter andern diejenigen Vestungen für die beste zu halten / in deren Auffbauung die Natur der Kunst beyspringet«. Es komme jedoch auch vor, dass »die Natur wol selbsten einen Ort also beschaffen machen« könne, dass »Gewalt oder menschliche Geschicklichkeit und Kunst schwerlich / oder wol gar nicht darzu gelangen mag / und es darob heisset: Natura potentior arte. Wo Natur stärcker ist / als Kunst / ficht widr [sic!] sie nicht / es ist umbsonst.«64 Eine ähnliche Konzeption eines komplementären Verhältnisses von »Kunst« und »Natur« findet sich auch bei anderen Autoren des 17. Jahrhunderts, die sich in ihren Werken mit der Fortifikation befassten. 65 In dieser Perspektive war die Natur gewissermaßen das Vorbild für menschliche Technologie.66

—————— 62 Ebd., S. 291. 63 Ebd., S. 293. 64 Ebd. 65 In ihrer Untersuchung zu frühneuzeitlichen Festungsstädten und ihrer Bildlichkeit spricht Martha Pollack hierbei von einem grundsätzlichen Ordnungsschema, vgl. Martha Pollack, Cities at War in Early Modern Europe, Cambridge 2010, S. 89–90. 66 So schreibt Johann Sebastian Gruber in ganz ähnlicher Weise, die Natur habe »die Menschen zu erst in der Kunst und Wissenschafft der Kriegs-Baukunst und Fortification unterrichtet / indem selbige so glückliche und wolgelegene Situs formiret / welche da wider frembde Gewalt sichere Retiraden und Gräntzen seyn«. Gruber, KriegsPolitica, S. 184; ähnlich auch Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 75. Vgl. dazu die Anmerkungen zum mechanistischen Naturbild bei Jim Bennett, The Mechanical Arts,

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Zum Sprechen über Festungen gehörte der anhand von Dilich herausgearbeitete Katalog verschiedener »befestigter« Orte dazu. Er bildete einen konstitutiven Teil des kodifizierten fortifikatorischen Wissens, der immer wieder aufgerufen und nur leicht variiert wurde. So betont beispielsweise auch Johann Heinrich Behr in einem seiner Traktate,67 vor dem Bau einer Festung seien »alle Umstände der Situation« auf das »fleißigste zu untersuchen«.68 Die darauf folgenden Empfehlungen zu vorteilhaften Festungsstandorten sind nahezu exakt dieselben, die bereits Dilich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts formuliert hatte und die Festungen aufgrund ihres naturalen Ortes und der daraus erwachsenden Vor- und Nachteile einordneten. Zudem schildert Behr stärker als Dilich das Nutzen von Wasser für künstliche Verteidigungszwecke, wie das Überschwemmen des Gegners: Liege die Festung günstig, so könne »dem Feind aufm Lande grosser Schade gethan werden / wann die Tämme durchstochen werden / dass das Wasser über das Land lauffet«,69 eine Taktik, die die Niederländer im »Katastrophenjahr« 1672 im großen Stil gegen die französische Armee nutzten.70 Der Zugriff auf das Umland erfolgte also nicht nur durch die optische Kontrollierbarkeit, sondern auch durch die situative taktische Veränderung der Festungsumgebung. Nicht nur deutschsprachige Ingenieure teilten die Standorte einer Festung auf diese Art ein. Eine der umfangreichsten und detailliertesten Darstellungen dieser Art wurde von dem bereits erwähnten französischen Ingenieur und Mathematiker Allain Manesson Mallet verfasst. Den ersten Band seines dreiteiligen Werkes Les Travaux de Mars widmete er ausschließlich der Befestigungskunst. Schon zu Beginn seines dritten Kapitels, das sich mit der »Definition und Unterteilung der Fortifikation«71 befasst, spielt die naturale Umwelt eine bedeutende Rolle. In einem dazugehörigen Kupferstich teilt Manesson Mallet die »Kunst des Ingenieurs«72 anhand verschiedener Begriffspaare ein: Neben »offensiv« und »defensiv«, also der Belagerung sowie der Verteidigung eines Platzes, oder »alt« und »neu«,

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in: Katherine Park, Lorraine Daston (Hrsg.), The Cambridge History of Science, Bd. 3: Early Moden Science, Cambridge 2006, S. 673–695, hier S. 693–694. 67 Behr, Der verschanzte Turenne. 68 Ebd., S. 306. 69 Ebd., S. 315. 70 Vgl. Lynn, The Wars, S. 115–117; zu den Schäden der Überflutung des Festungsumlandes vgl. auch Eichberg, Ökonomie der Festung, S. 111–113. 71 Manesson Mallet, Travaux, Bd. 1, S. 45. 72 Ebd., S. 48.

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repräsentiert durch mittelalterliche Stadtmauern und eine frühneuzeitliche Sternfestung, steht auch »natürlich« im Gegensatz zu »künstlich« (vgl. Abb. 3).73 Die Befestigung der »Natur« verbindet Manesson Mallet dezidiert mit »vorteilhaften« Orten: »Die natürliche Befestigung betrifft diejenigen Orte, die die Natur befestigt hat, sei es durch den Vorteil ihrer Lage auf Anhöhen, oder durch das Hindernis des Wassers, das den Zugang verteidigt.«74 Diese Bewertung naturaler Faktoren unter dem Blick der Befestigungskunst, wie Dilich, Behr und Manesson Mallet es in ihren Werken beschreiben, war im militärtheoretischen Diskurs weit verbreitet. Noch 1726 wiederholte der kursächsische Oberforstmeister Hans Friedrich von Fleming diese Art der Einteilung von Orten in seinem Vollkommenen teutschen Soldat,75 und auch spätere Ingenieure im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wiederholten diese Einteilung möglicher »fester« Orte anhand verschiedener topografischer Situationen. 76 Ein Fluss wurde als Barriere geschätzt, die Belagerer zusätzlich auf Abstand hielt und es ihnen zudem unmöglich machte, ungesehen und durch Gräben geschützt näher an die Verteidigungswerke zu gelangen. Wälder hingegen galten auch im Festungsbau aufgrund ihrer Uneinsehbarkeit als gefährlich.77 Dies deckt sich mit den oft vorgestellten Argumenten, im Belagerungsfall die Vorstädte einer Festungsstadt abzubrennen: Alles, was vor den Wallanlagen lag, konnte einem Belagerer möglicherweise Sichtschutz bieten und die Kontrollzone der Festung behindern. 78 So weist Behr in seinem Traktat darauf hin, dass vor einer Belagerung um die Festung »Zäune / Gärten und anderes Strauchwerk oder was sonsten mehr vor Bedeckungen

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73 Vgl. dazu auch Pollack, Cities at War, S. 91–92. 74 »La Fortification Naturelle concerne les lieux que la nature a fortifiez, soit par l’avantage de leur situation sur des hauteurs, ou par l’obstacle des eaux qui en défendent l’approche…«, Manesson Mallet, Travaux, Bd. 1, S. 46. 75 So auch zum Beispiel Johann Sebastian Gruber, Neuer und Gründlicher Unterricht von der heutigen Fortification und Artillerie, Nürnberg 1700, S. 74–78. 76 Vgl. zum Beispiel Joseph de Fallois, L’École de la Fortification, ou les Élémens de la Fortification permanente, réguliere et irréguliere, Dresden 1768, S. 245. 77 Vgl. auch Langins, Conserving the Enlightenment, S. 13. 78 Vgl. dazu auch Daniel Hohrath, Der Bürger im Krieg der Fürsten. Stadtbewohner und Soldaten in belagerten Städten um die Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Bernhard R. Kroener, Ralf Pröve (Hrsg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn u. a. 1996, S. 305–329, hier S. 312–314.

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Abb. 3: Anhand von verschiedenen Leitdifferenzen teilte der französische Mathematiker Allain Manesson Mallet den Gegenstandsbereich der Fortifikation ein. Die Natur spielt als »fortifiction naturelle« den Widerpart der künstlichen, durch den Menschen geschaffenen Befestigung. Quelle: Manesson Mallet, Travaux, Bd. 1, S. 47. Bild: SUB Göttingen, 8 ARS MIL 526/19:1.

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vorhanden« bis auf »einen Musquetenschuss weggeräumet« werden solle.79 Diese Ausdehnung der optischen Kontrolle durch das »Rasieren« des Umlandes war zugleich der praktische und symbolische Hinweis, dass die Festung belagert wurde, nahm allerdings durch die Zerstörung von Gebäuden, Zäunen, Hecken und Gärten zugleich das Ausmaß einer kleinen Naturkatastrophe an.80 Entdecken des Feindes und Kontrollieren des Landes gingen Hand in Hand. Doch nicht nur die optische Kontrolle des Umlandes sollte durch die vorteilhafte Lage einer Festung realisiert werden. Wenn möglich erstreckte sich diese Kontrolle auch auf die tatsächliche taktische Beeinflussung, beispielsweise von Wasser für künstliche Überflutungen. Die die Festungen umgebende Topografie war letztlich Teil einer fortifikatorischen Kontrollzone. Diese Vorstellung spiegelt sich beispielsweise im Vorschlag des französischen Heerführers Moritz von Sachsen in seinen Rêveries, eine weite Teile des Umlandes einschließende Wallanlage als Befestigungsform zu erproben.81 Hier wurde der befestigte Raum um die Festung auch baulich eingeschlossen und somit der Festung selbst einverleibt. Letztlich sind die hier angeführten topografischen Kategorisierungen standardisierte Elemente des fortifikatorischen Diskurses im 17. und 18. Jahrhundert: Sie machen deutlich, dass sich die Fortifikationstheorie mit der Natur eines Standortes und ihren taktischen Vor- und Nachteilen auseinandersetzte, da

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79 Behr, Der verschanzte Turenne, S. 513. Gruber wiederholte diese Passage nahezu wortgleich in seinem Traktat Unterricht von der heutigen Fortification und Artillerie, unter dem Zusatz, dass der Festung damit das »Gesichte frey« gemacht werde, vgl. Gruber, Fortification und Artillerie, S. 186. Zwar wurde diese Praktik auch als unnötig kritisiert, wie die Schrift des Bremer Obristleutnants Christian Neubauer über Nöthige und Unnöthige Kriegs-Affaires zeigt. In seiner Kritik lässt sich jedoch die weite Verbreitung dieses Vorgehens greifen, wenn Neubauer schrieb, Kommandanten täten dies lediglich aus Gewohnheit und um »vor einen braven Commendanten« angesehen zu werden. Christian Neubauer, Unnöthige Kriegs-Affaires, Das ist Was man bis dato wegen Abbrechung der Vor-Städte / Canoniren / Carcassiren / Bombardiren / Feuer-Einwerffen und andern Dingen mehr in Belägerungen / vor vergebliche und doch sehr kostbahre und hochschädliche Sachen vorgenommen […], Bremen 1690, S. 9–16. Interessant ist, dass Neubauer das Spiel mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit gewissermaßen umkehrte: so schrieb er von Vorstädten sowie den dortigen Gärten als hervorragende Möglichkeit, das Erkunden der Festungsanlagen für den Belagerer zu erschweren, und zudem als geeignet, um Ausfälle der Garnison zu verbergen. 80 Vgl. Petersen, Belagerte Stadt, S. 136–137; Govaerts, Mosasaurs, S. 114. 81 Dabei stand Moritz von Sachsen der traditionellen bastionären Befestigung von Städten kritisch gegenüber, vgl. Duffy, The Fortress, S. 154.

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der Natur die Fähigkeit zugesprochen wurde, »befestigte« Orte bereits selbst hervorzubringen.

2.2.2 Natur als Ausnahme. Das Ideal der Fläche und Irregularität als Problem Die Frage aber, ob Natur oder menschliche Kunst taktisch wirkmächtiger sei, wurde im fortifikatorischen Diskurs des 17. und 18. Jahrhunderts tatsächlich lange zugunsten der menschlichen Kunst beantwortet, wie die Differenzierung zwischen »regulären« und »irregulären« Festungen zeigt. Die Aufteilung in »natürliche« und »künstliche« Befestigungen wurde durch diese Kategorien zunehmend überlagert. Die Schilderung lokaler Standortfaktoren wurden dem Bereich der irregulären Befestigungsweise zugeordnet; damit wurden Elemente der naturalen Umwelt zum Problemfall stilisiert, während die »perfekten« Festungsgrundrisse ohne große Rücksicht auf die naturale Umwelt entworfen wurden. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts und auch darüber hinaus wurden naturale Elemente immer wieder als Hindernis bei der Realisierung von Festungsplänen beschrieben. Semantisch auffällig sind Formulierungen, die das künstliche Befestigen eines Ortes als das »Verbessern« einer »fehlerhaften Natur« bezeichneten. Hier lernte die »Kunst« nicht von der Natur, sondern wurde zu ihrer weiteren Vervollkommnung eingesetzt.82 Das Bild einer durch die Fortifikationskunst »gewappneten Natur« wurde durch die Bevorzugung einer durch den Ingenieur geformten taktischen Umgebung ersetzt. Der ideale Raum, der dadurch konzipiert wurde, lässt sich mit dem »Raum der Raumplaner« vergleichen, den Henri Lefebvre als bestes Beispiel einer technokratischen Raumrepräsentation bezeichnet. 83 Die ideale »Ebene«, die Ingenieure wie Manesson Mallet, Rozard oder Le Blond in den Vordergrund stellten, war letztlich die Entsprechung eines leeren Blattes Papier, auf dem Festungsgrundrisse eingezeichnet wurden: ein »leerer« Raum, bereit zur Konfiguration.

—————— 82 Vgl. dazu z. B. die Überlegungen zur »Unterwerfung« der Natur unter dem Einfluss eines mechanistischen Weltbildes bei Worster, Nature’s Economy, S. 39–54, sowie Peter Coates, Nature. Western Attitudes since Ancient Times, London u. a. 1998, S. 70–81. 83 »Der Raum der Raumplaner, der Urbanisten, der Technokraten, die ihn zerschneiden und wieder zusammensetzen«, Lefebvre, Produktion, S. 336.

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Zentrales Merkmal der Grundrisse idealer frühneuzeitlicher Sternfestungen, wie sie von Mathematikern und Ingenieuren entworfen wurden, war ihre Symmetrie. Jede Festungsseite sollte gleichmäßig mit idealen Winkeln befestigt werden, um den Einsatz von Artillerie zur Verteidigung zu erleichtern. Die technische Notwendigkeit dieser Regularität, die es ermöglichte, einen Gegner in jeder Richtung und Position unter Beschuss zu nehmen, wurde unter anderem durch den Soziologen Henning Eichberg 84 in Frage gestellt. Eichberg stellt dieser Perspektive den zeitgenössischen Fokus auf »Geometrie als Verhaltensnorm«85 gegenüber und betont zudem eine repräsentative Motivation.86 Auch die neue Forschung weist darauf hin, dass die Geometrie der Sternfestungen weniger mit einem einfachen »action-response«-Modell eines technischen Wettlaufes von Angriff und Verteidigung zu tun habe. Vielmehr müsse die geometrische Ausrichtung der Festungsgrundrisse in Verbindung mit der generellen Verbreitung mathematischer und geometrischer Demonstrationen seit der Renaissance gesehen werden, die ein neues Maß an Exaktheit suggerierten, wie beispielsweise in der Kartografie oder der Navigation.87 Darüber hinaus haben weitere Historiker betont, dass es eine Differenz zwischen den idealen, geometrischen Grundrissen und ihrer letztlichen Realisierung vor Ort gab.88 Daher muss auch die Einbettung der Festungen

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84 An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, dass es sich bei Henning Eichberg abseits seiner soziologischen und historischen Arbeiten um eine kontroverse politische Persönlichkeit handelte. So gilt er in der deutschsprachigen politikwissenschaftlichen Forschung zur Entstehung der europäischen Neuen Rechten als einer ihrer wichtigsten Theoretiker der sechziger und siebziger Jahre. Unter dem Pseudonym Hartwig Singer verfasste er diverse nationalrevolutionäre Schriften und prägte das heute noch in der Neuen Rechten präsente Konzept des »Ethnopluralismus«. Vgl. Thomas Assheuer, Hans Sarkowicz, Rechtsradikale in Deutschland. Die alte und die neue Rechte, München 1994, S. 179–184; Manuel Seitenbecher, »Wenn die Nationalisten vom revolutionären Mai sprechen, sagen sie: ›wir‹« – Henning Eichbergs Weg von der Rechten zur Linken über die 68er-Bewegung, in: Jahrbuch Extremismus und Demokratie 25 (2013), S. 79–93. 85 Eichberg, Geometrie, S. 212–227. 86 Vgl. ebd.; vgl. Henning Eichberg, Festung, Zentralmacht und Sozialgeometrie. Kriegsingenieurwesen des 17. Jahrhunderts in den Herzogtümern Bremen und Verden, Köln 1989, S. 481; S. 561f.. Vgl. Kritisch zu Henning Eichbergs Thesen und auf die Bedeutung von Festungsansichten und Profilen gegenüber Grundrissen hinweisend Ralf Gebuhr, Festung und Repräsentation. Zur Sozialgeometrie-These von Henning Eichberg, in: Torsten Meyer, Marcus Popplow (Hrsg.), Technik, Arbeit und Umwelt in der Geschichte. Günter Bayerl zum 60. Geburtstag, Münster u. a. 2006, S. 181–200, hier S. 196–200. 87 Vgl. Langins, Conserving the Enlightenment, S. 22–32. 88 So bereits Duffy, Fire and Stone, S. 28.

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in die umgebende Landschaft berücksichtigt werden. In der historischen Betrachtung muss zwischen theoretischer und praktischer Geometrie unterschieden werden, ebenso wie zwischen Vertretern einer »theoretischen« und einer »praktischen« Fortifikation, die sich zeitweise regelrechte Auseinandersetzungen lieferten. 89 Das Verhältnis zur naturalen Umwelt der Festungen wurde besonders im Hinblick auf das Ideal der Regularität zu einem Problem. Dass die Anlage einer geometrisch symmetrischen Festung einen Ingenieur vor Herausforderungen stellte, war auch dem Ingenieur Behr bekannt. Aus diesen Herausforderungen leitet er in seinem Werk die Unterscheidung in reguläre und irreguläre Festungen ab. Aufgrund der Beschaffenheit der Topografie sei es offensichtlich, dass »nicht ein Ort wie der andere sich bequem zu einer ieglichen verlangten Figur schicke«. Aus dieser Einsicht schließt Behr, dass »etliche Festungen recht in den Circkel gebaut werden können / etliche nicht: Und werden jene genennet Regulare, diese aber Irregulare Festungen.« 90 In der Folge erklärt er in einem umfangreichen Kapitel zur regulären Befestigungsweise die ideale Bauform einer geometrisch angelegten Festungsanlage und behandelt erst danach die irreguläre Befestigungsart als eine Ausnahme von der Regel, bei der er verstärkt auf die naturale Umgebung der Festung eingeht. 91 Behr ist ein gutes Beispiel für ein diskursives Ordnungsmuster, das im 17. Jahrhundert bereits zur grundsätzlichen Ordnung des fortifikatorischen Wissens gehörte.92 Noch eindeutiger formuliert diese Ordnungsvorstellung der französische Mathematiker Manesson Mallet in seinen Les Travaux des Mars. Nach einem Kapitel über die reguläre Befestigungsweise platziert er im Kontext der irregulären Befestigung seine Standortbetrachtungen zu Festungen, in denen er auf »sonderbare Umstände« eingeht, »die es fast unmöglich machen, diese Orte regulär zu befestigen«, besonders weil »sie umgeben sind von Abgründen, Tälern, Teichen, Flüssen, Hügeln oder Bergen.« Hier könne nur diejenige »Figur« gewählt werden, »die die Natur

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89 Vgl. Gebuhr, Festungen und Repräsentation, S. 195–200; vgl. Ralf Gebuhr, Festungsbau und geometrische Praxis, in: Bettina Marten, Ulrich Reinisch, Michael Korey (Hrsg.), Festungsbau. Geometrie – Technologie – Sublimierung, Berlin 2012, S. 67–85, hier S. 67–68; S. 79–83; Pollack, Cities at War, S. 86–95. 90 Behr, Der verschanzte Turenne, S. 316–317. 91 Ebd., S. 441. 92 Vgl. dazu Pollack, Cities at War, S. 88–89.

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euch vorschreibt.«93 Naturale Entitäten, die die geometrische Errichtung einer Festung stören konnten, waren in dieser Sicht problematisch, weil sie die Errichtung einer regulären Festung verhinderten. In seiner Definition der irregulären Fortifikation problematisiert Manesson Mallet naturale Entitäten eines Standortes noch weiter als »Fehler« eines Ortes, die »von der Natur und der Irregularität des Terrains verursacht werden.«94 Im Gegensatz dazu wurde die Ebene als Ort stilisiert, der für die Realisierung einer regulären Festung geeignet war: Behr schreibt, es sei einer der Vorteile einer Festung in der Ebene, dass diese durch »RegularFiguren« zu befestigen und daher »besser zu defendiren«95 sei, und Manesson Mallet beschrieb die Ebene als »vorteilhaft für den Ingenieur«, da hier die Realisierung regulärer Befestigungen möglich sei.96 Die Ebene wurde gewissermaßen als einförmige Fläche imaginiert, auf die sich die Planungsrisse der Ingenieure übertragen ließen. Die Einordnung des Sprechens über naturale Standortfaktoren in den Bereich der irregulären Befestigung etablierte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und wurde von vielen Ingenieuren des 18. Jahrhunderts weitergeführt. Ein Beispiel dafür ist der in französischen Diensten stehende Ingenieur Claude Rozard. In seinem zweibändigen Werk Nouvelle Fortification Françoise aus dem Jahr 1731 spielt die naturale Umwelt der Festungsbauten, deren Grundrisse er zuvor anhand mathematischer und geometrischer Prinzipien eingehend erläuterte, erst zu Beginn des zweiten Bandes überhaupt eine Rolle – wieder im Kapitel »De la Fortification irréguliére«.97 Das »Terrain«, also die örtliche Konfiguration naturaler Elemente, wurde von ihm dezidiert als Störfaktor benannt: »Ich weiß, dass man sehr oft gezwungen ist, sich an eine schlechte Anordnung des Terrains anzupassen.«98 Um die »Mängel der Natur« zu beheben, müsse der

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93 »Mais comme il se trouve des Assietes si bizarres, […] qu’il est presque impossible de les fortifier Regulierement, tant pour la diversité de leurs côtez, dont les uns sont trop longs, & les autres trop petits, que pour être environnées de Precipices, de Vallons, d’Etangs, de Rivieres, de Collines, ou de Montagnes. Dans cette situation il est bien difficile, & même comme impossible, de leur faire prendre une autre Figure que celle que la Nature leur a prescrite«, Manesson Mallet, Travaux, Bd. 1, S. 224. 94 »Le principal objet de la Fortification Irreguliére est de corriger le défaut des Places, tant celui qui peut venir de la nature & de l’Irregularité du Terrain...«, ebd., S. 225. 95 Behr, Der verschanzte Turenne, S. 311. 96 Manesson Mallet, Travaux, Bd. 1, S. 330. 97 Rozard, Nouvelle Fortification Françoise, Bd. 2, S. 57. 98 »Je scais que l’on est fort souvent obligé de s’accommoder à la mauvaise disposition du terrain«, ebd., S. 58.

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Ingenieur die Größe der Befestigungsanlagen anpassen – oder diese trotz des Terrains und seiner Eigenarten so lange verändern, bis alle Teile der Befestigung die reguläre Befestigungsmaxime erfüllten. 99 Auch Rozard äußert sich nur im Kontext der irregulären Befestigungsweise zu taktisch wichtigen Standortfaktoren.100 Rozard war sich durchaus der taktischen Möglichkeiten einer vorteilhaften Umgebung bewusst. Explizit weist er in seiner Schrift darauf hin, dass die Vorteile der Natur zu nutzen seien, wie Böschungen bei Klippen und Bergen, oder Wasser als Hindernis für den Belagerer, wie im Fall von Seen, Flüssen oder Sümpfen. 101 Letztlich aber hatte für ihn die Regularität der Festung Vorrang. Fänden sich die geschilderten Vorteile der Natur nicht in einer Art, welche die Einrichtung der Festungswerke nach diesen Regeln ermöglichte, so solle sich ein Ingenieur eher auf die geometrisch perfekte Ausführung einer regulären Festung verlassen.102 Die zwischen Skepsis und Ausblenden changierende Thematisierung naturaler Standortfaktoren ist Kennzeichen eines Diskursstranges des fortifikatorischen Diskurses, der die Perspektive der theoretischen Fortifikation betonte und der besonders bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts festzustellen ist. Der Mathematiker und Enzyklopädist Guillaume Le Blond beispielsweise spricht naturale Bedingungen in seinem Traktat und Lehrbuch Élémens de Fortification aus dem Jahr 1739 kaum an und beschränkt sich nahezu ausschließlich auf die grundlegende Darstellung verschiedener fortifikatorischer Systeme anhand ihrer geometrischen Konstruktion. Erst am Ende seiner Ausführungen – wieder in einem Kapitel zur irregulären Befestigungsweise – kommt er auf das Terrain als Problem zu sprechen: Es komme »nahezu nie« vor, dass die Orte, die ein Ingenieur zu befestigen habe, tatsächlich der Maxime der Regularität folgten. Man könne sämtliche vorangestellten Festungsentwürfe »gut auf dem Papier« ausführen, aber nicht vor Ort. Hier spiele die Erfahrung des Ingenieurs eine wichtige Rolle. Weiter führt Le Blond verschiedene Festungsstandorte nicht aus – die naturale Umwelt war ihm kaum eine Erwähnung wert. Ihn beschäftigt vor allem die ideale Konzeption einer Festung als theoretische Fortifikation.

—————— 99 Ebd. 100 Ebd., S. 79. 101 Ebd., S. 81. 102 Ebd.

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Naturale Gegebenheiten waren nicht Bestandteil der Theorie, sondern der individuellen Erfahrung 103 Dies macht deutlich, dass in der Fortifikationstheorie nicht eine gleichbleibende Konzeption der naturalen Umwelt vorherrschte, sondern dass es verschiedene Positionen gab. Die Verbreitung der theoretischen Perspektive auf die Fortifikation, in der die Natur als Einfluss an den Rand gedrängt wurde, verweist auf eine Verschiebung in der Einschätzung der Wirkmächtigkeit der naturalen Umwelt. Zwar war der Standort einer Festung auch in der theoretischen Fortifikation wichtig. Die Betonung der Regularität als Ideal zeigt allerdings, dass in diesem Diskursstrang das Verhältnis von »Kunst« und »Natur« deutlich zugunsten der »Kunst« verschoben war. Menschliche Technologie war in dieser Perspektive offenkundig entscheidender als das Einbinden naturaler Faktoren; es kam auf die geometrisch korrekte Anlage der Festung an, während die Natur im besten Fall nicht störte oder gar nachteilig war.

2.2.3 Die Rückkehr der Natur. Von der Irregularität zum Normalfall Die Anmerkung Le Blonds, dass es einen Unterschied zwischen den Festungsplänen auf dem Papier und der Realisierung der Festung vor Ort gebe, weist allerdings darauf hin, dass es sich bei der Ausblendung der naturalen Umwelt zugunsten der Vorstellung eines geometrischen, formbaren Raumes nur um einen Strang im fortifikatorischen Diskurs handelte. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts lässt sich ein Wandel der Bewertung naturaler Umgebungen von Festungen und der Maxime der Regularität feststellen. Der zweidimensional gedachte Raum der Ebene, in der die Errichtung einer idealen, geometrisch regulären Festung möglich war, wurde durch die Betonung der Wichtigkeit naturaler Elemente verdrängt und zum Ausnahmefall gemacht, auch wenn an seinem Beispiel die Grundzüge der Fortifikation demonstriert wurden. Die Kontrolle der Natur wurde hier nicht durch das Ausblenden und völlige Überformen realisiert: Vielmehr betonten die Autoren, die sich dezidiert mit der praktischen Fortifikation oder der irregulären Fortifikation befassten, einen »befestigten« Raum, der gerade durch das geschickte Einbinden naturaler Elemente und durch die Verbindung von »Kunst« und »Natur« erreicht wurde. Das dafür nötige persönliche Geschick wurde oft nur erfahrenen Ingenieuren zugeschrieben

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103 Guillaume Le Blond, Élémens de Fortification, Paris 1739, S. 186.

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und zum Distinktionsmerkmal stilisiert. Die »Geometrie des Krieges« definierte sich also in diesem wirkmächtigen Diskursstrang des 18. Jahrhunderts durch die Erfassung, Kontrolle und Einbindung naturaler Faktoren. Dieser Wandel in der Militärtheorie muss auch im Zusammenhang mit der Krise und Neuorientierung von Festungsbau und Ingenieursstand gesehen werden. Der Soziologe Henning Eichberg beschreibt mit Bezug auf Michel Foucaults Die Ordnung der Dinge einen am Ende des 18. Jahrhunderts einsetzenden epistemischen Wandlungsprozess, in seinen Worten einen »Zusammenbruch des geometrischen Verhaltens«,104 der neben dem bastionären Festungsbau auch Elemente wie Exerzierübungen umfasste. 105 Dies verknüpft er mit ökonomischen Argumenten: Befestigte Städte standen am Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend einem Blick auf den urbanen Raum entgegen, der Produktivität und Wirtschaftskraft betonte.106 Zugleich erhielt das alte Argument neuen Auftrieb, dass Festungen im Verhältnis zu ihrem Nutzen zu kostspielig seien. Diese Krisenerscheinungen begannen nach dem Siebenjährigen Krieg. Zwar ereigneten sich auch in diesem Krieg mehrere Belagerungen von Festungen; die Kriegspraxis an sich verschwand nicht, obgleich sich auf diesem Kriegsschauplatz bedeutend weniger Festungen befanden als beispielsweise in Flandern.107 Doch die Diskussion militärischer Taktik priorisierte ab 1760 vermehrt den Angriff anstatt der Verteidigung. Prominente Autoren wie Guibert forderten eine Abkehr von dem als ruinös und ineffektiv betrachteten Festungskrieg; statische Befestigungen wurden immer mehr als militärisches Beiwerk gesehen anstatt als kriegsentscheidende Elemente.108 Zudem zeigen die Studien von Christopher Duffy und Janis Langins, dass Festungsbauingenieure auch institutionell eine Krise erlebten.109 Wäh-

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104 Vgl. Henning Eichberg, Die Rationalität der Technik ist veränderlich. Festungsbau im Barock, in: Ulrich Troitzsch, Gabriele Wohlauf (Hrsg.), Technik-Geschichte. Historische Beiträge und neuere Ansätze, Frankfurt a. M. 1980, S. 212–240, hier S. 227. 105 Ebd., S. 228–232. 106 Vgl. Eichberg, Ökonomie, S. 117–119. 107 Diesen Unterschied griffen einige Autoren explizit auf und verglichen beide Kriegsschauplätze miteinander, um anhand der Häufigkeit der Festungen die Unterschiede in der militärischen Strategie deutlich zu machen. Vgl. beispielsweise Knock, Reflexions Militaires, S. 86–95. 108 Vgl. Duffy, The Fortress, S. 145–147; S. 153–156; Langins, Conserving the Enlightenment, S. 160. 109 Dagegen argumentiert allerdings Ken Alder, dass es gerade französische Militäringenieure waren, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowie in der Zeit der Französischen Revolution besonders erfolgreich darin waren, ihren Status und ihren Einfluss in-

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rend in vielen Territorien im 18. Jahrhundert der Versuch unternommen wurde, Ingenieursschulen einzurichten, war Friedrich II. anscheinend weniger an seinen Militäringenieuren interessiert. Seine persönliche Beziehung zu den wichtigsten Ingenieuren des Österreichischen Erbfolgekrieges und Siebenjährigen Krieges war oft unterkühlt, und viele seiner Ingenieure stiegen kaum in der preußischen Militärhierarchie auf.110 In Frankreich war das Militäringenieurswesen zwar institutionell stärker gefestigt, doch auch hier verstärkte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine Kluft zwischen Ingenieuren und anderen Offizieren.111 Seit der Berufung von CharlesRéne de Fourcroy de Ramecourt im Jahr 1776 zum wichtigsten französischen Ingenieur herrschte zudem eine Auseinandersetzung über die korrekte, Vauban folgende Art des Festungsbaus. Diese eskalierte zum Ende des Jahrhunderts durch die Vorschläge des französischen Ingenieurs MarcRéne, Marquis de Montalembert, der von 1776 bis 1796 sein elf Bände umfassendes Werk La Fortification Perpendiculaire herausgab. Er schlug eine Abkehr vom bastionären Festungsbau vor und priorisierte stattdessen eine drastische Erhöhung der Feuerkraft von Festungen durch Artillerie sowie durch gerade, kasemattierte Wallanlagen. In Frankreich setzte er sich damit zu seinen Lebzeiten jedoch nicht durch.112 Die praktische Fortifikation erlebte zu dieser Zeit einen Bedeutungszuwachs. Dadurch geriet die idealisierte Annahme einer imaginierten Ebene als Ort der regulären Festung unter Druck. Damit einher ging auch eine veränderte Bewertung der Natur. Diese könne zwar durch Kunst verbessert werden, besaß darüber hinaus aber einen eigenen Wert.113 Dies lässt sich zum Teil an Positionen ablesen, die eine graduelle Verlagerung in der

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nerhalb des Militärs zu festigen. Langins kritisiert dies besonders vor dem Hintergrund, dass sich Alder auf Artillerieingenieure bezieht und nicht auf das größere Corps der Festungsbauingenieure, für die Langins eine Krise feststellt. Vgl. Ken Alder, Engineering the Revolution. Arms and Enlightenment in France, 1763–1815, Princeton NJ 1997, S. 3–20; dagegen Langins, Conserving the Enlightenment, S. 4–5. 110 Vgl. Duffy, The Fortress, S. 134–139. Der bei Friedrich II. in Ungnade gefallene General Friedrich August von Finck schrieb nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, es sei besonders die mangelnde Wertschätzung der Ingenieure, ihre Zurücksetzung im »Avancement« sowie in den »Pensions«, die zum Mangel an ausgebildeten Ingenieuren in Preussen führe. Finck, Gedanken, S. 41. 111 Vgl. Langins, Conserving the Enlightenment, S. 215–222. 112 Duffy, The Fortress, S. 157–163; ausführlich dazu Langins, Conserving the Enlightenment, S. 263–398. 113 Zur Orientierung an »Natürlichkeit« als Ideal vgl. auch Pomata, Daston, Faces of Nature, S. 1–2.

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Konzeption des Verhältnisses von »Natur« und »Kunst« vertraten: Das Schreiben von einer »Umgebung, deren »Fehler« der Ingenieur als Former künstlicher Umwelten auszubessern habe, wurde ins Gegenteil verkehrt. Nicht der Mensch, sondern die Natur brachte wieder die wirkmächtigeren »Befestigungen« hervor. So schreibt Moritz von Sachsen, einer der frühen und radikalen Kritiker der traditionellen bastionären Stadtbefestigungen, 114 auch über das Ausnutzen lokaler naturaler Faktoren in der Befestigung von Orten – wie beispielsweise das Nutzen von Flüssen. Hier finde man einen Ort, der »von der Natur befestigt« worden sei, da der Einschluss der Position kaum zu bewerkstelligen sei. Es gebe, so fuhr er fort, »niemanden, der nicht zugeben würde, dass sich ähnliche Lagen finden lassen, und dass man durch das Hinzufügen von Kunst zur Natur diese Orte nicht uneinnehmbar machen könne; denn ich halte die Natur für unendlich viel stärker als die Kunst…«.115 In einer ähnlichen Art und Weise wird im Traktat Reflexions Militaires sur Differens Objets de la Guerre aus dem Jahr 1762 argumentiert. Es erschien anonymisiert und wird von Jähns einem G. Knock zugeschrieben, der Offizier im Regiment Oranien-Nassau war und sich in besonderer Weise an den Rêveries Moritz von Sachsens orientierte.116 Knock argumentiert ähnlich wie Moritz von Sachsen, dass es nicht vieler befestigter Städte bedürfe, um ein Territorium strategisch günstig zu sichern, sondern lediglich ausgewählter, taktisch gut gelegener Plätze. Es gebe diverse Orte, die durch die Natur selbst nahezu perfekt angelegt worden seien, sodass »man fast gar keine Kunst« benötige.117 Knock schreibt von einer Addition von »Kunst« zur bereits bestehenden »Natur« und spricht sich explizit gegen die Idee aus, die Befestigungskunst könne trotz einer »schlechten« Situation die Natur hinreichend korrigieren. Vielmehr handele es sich bei einem solchen Vorgehen um das »Aufzwingen« der Kunst, was zusätzlich viel aufwändiger sei als das geschickte Nutzen der Natur: »Sobald man die Mittel gefunden hat, die Kunst mit der Natur in Einklang zu bringen [de concilier], wird man gute Festungen haben, und zu behaupten, man wolle das eine dem anderen aufzwingen […], erscheint mir wie das Aufgeben eines reel-

—————— 114 Vgl. Duffy, The Fortress, S. 154. 115 Moritz von Sachsen, Rêveries, Bd. 2, S. 3. 116 Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 2049. 117 »combien n’y a-t’il pas de terreins si avantageux par eux mêmes pour la construction d’une fortresse, qu’il ne faudroit prèsque point d’art pour perfectionner la nature; n’est ce pas là, où il faudroit placer une fortresse?«, Knock, Reflexions Militaires, S. 99.

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len Vorteils, um einem zweifelhaften nachzulaufen […]. Ihr sagt vielleicht, dass die Kunst die Natur verbessern kann, und dass man trotz dieser schlechten Situation eine Festung sehr stark machen kann. Ich will es so: man kann in einem nachteiligen Terrain eine Festung konstruieren, die einer Festung in Stärke gleicht, die vorteilhafter errichtet wurde. Aber gibt es nicht einen Unterschied zwischen beiden? Ohne Zweifel.« 118

Im Vergleich zur Betonung der regulären Befestigungsweise zuvor zeigen die Aussagen von Moritz von Sachsen und Knock eine veränderte Konzeption der Umwelt einer Festungsanlage. Waren naturale Elemente vorher eher Störfaktoren, so betonten beide Autoren nun die Natur als Vorbild. Der »befestigte« Raum der Festung existierte gerade aufgrund der eingebundenen naturalen Umwelt. Dies zeigt zudem eine gerade von Knock betonte Rücksichtnahme auf naturale Faktoren vor Ort, die in der Betonung der regulären Befestigungsweise durch die theoretische Fortifikation lange wenig beleuchtet wurde. Diese vorherige Ausblendung der praktischen Erfordernisse vor Ort wurde zunehmend kritisert. Ab der Jahrhundertmitte traten öfter kritische Kommentare zur regulären Befestigungsweise auf, die darauf hinwiesen, dass es sich bei den geometrisch perfekt angelegten Grundrissen um ein problematisches Ideal handelte, das besonders der naturalen Umwelt vor Ort sowie ihrer taktischen Wirkmächtigkeit nicht genug Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Der aus Deutschland stammende Mathematiker und Ingenieur John Müller (1699–1784)119 publizierte ab 1746 zwei diesem Thema gewidmete Bände. Bereits im Vorwort zu seinem Treatise, Containing the Elementary Part

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118 »Dès qu’on a trouvé le moien de concilier l’art à la nature, on aura de bonnes fortresses, & prétendre vouloir forcer l’une par l’autre, […] c’est ce me semble abandonner un avantage réel, pour courir après un doteux […]. Vous direz peut-être, que l’art a corrigé la nature, & que malgré cette mauvaise situation on en a fait des fortresses très-fortes. Je le veux; on peut dans un terrein désavantageux contruire une fortresse égale en force à une autre construite plus avantageusement. Mais n’y auroit-il pas une différence entre ces deux fortresses? Sans doute.« Ebd. 119 Johann Müller wanderte im Jahr 1736 nach London aus und wurde dort 1741 stellvertretender Leiter der Royal Military Academy in Woolwich. Nach dem Tod des damaligen Leiters der Militärakademie im Jahr 1754 wurde Müller zum »first master of the Academy«, in den Jahren danach wurde er zum Professor der Artillerie und Fortifikation ernannt. Vgl. H. M. Chichester, Steven A. Walton: Art. »Muller, John«, in: Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 39: Morant–Murray, Oxford 2004, S. 714. Seine Traktate wurden 1755 und 1756 neu aufgelegt; bis an das Ende des 18. Jahrhunderts wurden die zwei Bände immer wieder neu aufgelegt, was auf ihre anhaltende Popularität verweist.

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of Fortification bezieht sich Müller auf die Differenz zwischen dem Planen einer Festung auf dem Papier und ihrer tatsächlichen Realisierung. Für die Unterschlagung dieses fundamentalen Unterschieds kritisiert er die Autoren seiner Zeit: »Particular care should be taken, in tracing plans on paper, in order to know whether they are practicable or not; which has been neglected by many, even by some of those who are generally esteeemed the best writers.«120

In direktem Zusammenhang bedauert er, dass die »art of fortifying irregular places«, die er als »most useful« bezeichnet, kaum behandelt werde. 121 Müller publizierte zusätzlich zu diesem Traktat noch eine weitere Schrift, die sich dezidiert mit dieser von ihm wahrgenommenen Wissenslücke befasst. In seinem Treatise, Containing the Practical Part of Fortification widmet er sich vor allem den Problemen, mit denen sich ein Ingenieur beim Bau einer Festung vor Ort auseinandersetzen musste. Letztlich schließt er seine Ausführungen damit, die »variety of nature« sei so groß, dass es kaum möglich sei, alle Lagen aufzuführen, in denen sich eine Festung errichten lasse – stattdessen betont er die Wichtigkeit der örtlichen Gegebenheiten wie auch die Erfahrung und das Können des ausführenden Ingenieurs. 122 Anhand dieser Verbindung zur naturalen Umwelt wurde teilweise der ganze Ingenieurstand kritisiert – für manche Autoren war das Erbauen einer Festung in einer idealen Ebene ohne größere Hindernisse kein Ausweis von Expertise mehr, sondern von regelrechter Faulheit. So argwöhnte der Ingenieur, Kartograf und Militärtheoretiker Henry Lloyd, 123 die meisten Ingenieure verdeckten durch die Bevorzugung der Ebene ihre eigene Inkompetenz: »The difficulty to find such a situation, or the want of that sure coup d'oeil, has determined many engineers, to choose the plains for their fortresses, which frees them from the censure of having ill chose their ground, and flatters their vanity, by giving them an opportunity, to produce all the different works they have seen in the schools, and make such a fine appearance on paper.«124

—————— 120 Vgl. John Muller, Treatise, Containing the Elementary Part of Fortification, Regular and Irregular, London 1756, S. V–VI. 121 Ebd., S. VI. 122 Ebd., S. 126. 123 Zu Lloyd vgl. Kap. 2.3. 124 Henry Lloyd, History of the late War in Germany, London 1766, S. XV.

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Hier äußert sich die Wichtigkeit des Auswählens eines vorteilhaften Ortes anhand gewisser naturaler Merkmale, die für Lloyd nicht vergleichbar ist mit der theoretischen Fortifikation. Das Nutzen der Natur wurde zur Möglichkeit der Distinktion durch Erfahrung und den taktischen Blick auf die Umwelt. Die Stärke einer Festung ist nun vor allem dadurch definiert, dass die große Bandbreite der Natur gerade nicht ignoriert, sondern umfangreich erfasst und eingeschätzt wurde. Diese Fähigkeit ist für Müller und Lloyd ein großer Teil dessen, was einen Festungsbauingenieur ausmache – als Wissen, was noch dazu nur durch Erfahrung erlangt werden könne. Diese Kritik wurde von einem generellen Trend im fortifikatorischen Diskurs ab der Mitte des 18. Jahrhunderts begleitet, der lokalen Faktoren und ihrer Integration in die eigenen Befestigungen eine größere Bedeutung beimaß. Darauf weisen Publikationen hin, die nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges erschienen und die der irregulären Befestigung neue Aufmerksamkeit entgegenbrachten. Das Traktat eines niederländischen Mineurs namens Philipp Friedrich von Bellersheim aus dem Jahr 1767 warb beispielsweise mit dem Titel Neue Methode, irreguläre Vestungen zu vertheidigen.125 Während sich der erste Teil mit der generellen Methode der Festungsverteidigung auseinandersetzt und vor allem wieder praktische Anwendungen wie das Bauen von Schanzen in Sümpfen besprochen werden,126 kommt er in seinem zweiten Teil auf die konkrete Verteidigung der »irregulären Vestungen« zu sprechen. Zur Einleitung bemängelt auch Bellersheim, »zum Befestigen regulärer Plätze neue Methoden ausfindig zu machen, würde eine überflüßige Arbeit seyn«, denn hier sei bereits genug »abgehandelt worden«. Doch diese »geschickte Leute, von denen man so schöne Methoden über das Befestigen regulärer Plätze hat«, hätten »uns keine Anweisung hinterlassen«, wie »man auch ihre Methode zum Befestigen irregulärer Plätze« nutzen könne. Die Maxime der regulären Befestigung seien jedenfalls meist nicht umzusetzen – der Ingenieur müsse sich »nach den Umständen des Orts« richten und dabei »auf alle Kleinigkeiten Acht« haben.127 Diese Rücksicht auf »Kleinigkeiten« beschreibt eine taktische Erfassung der Umgebung einer Festung, die in diesem Diskursstrang zu neuer Geltung gelangte. Wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, zeichnete sich die

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125 Philipp Friedrich von Bellersheim, Neue Methode, irreguläre Vestungen zu vertheidigen, Frankfurt a. M. 1767. 126 Ebd., S. 29. 127 Ebd., S. 147–148.

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Suche nach möglichen Festungsstandorten im fortifikatorischen Diskurs durch eine Betonung verschiedener naturaler Elemente aus, die einen Ort von »Natur aus« befestigten. Allerdings muss neben diesen gewissermaßen standardisierten Klassifikationen in verschiedene Festungsstandorte, die in der Fortifikationstheorie immer wieder geradezu topisch auftauchen, zwischen der Perspektive der theoretischen Fortifikation und der praktischen Fortifikation unterschieden werden. Die theoretische Fortifikation richtete den Blick vor allem auf menschliches Handeln und betonte die Wichtigkeit einer regulären, symmetrischen Bauweise: Es war menschliche »Kunst«, die einen Ort zu einem befestigten Raum transformierte. Aus der Perspektive der praktischen Fortifikation, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts immer stärker diesen Fokus auf die angestrebte Regularität kritisierte, war es gerade die Natur, nach der sich ein Ingenieur zu richten hatte. Über die Klassifikationen in klassische Festungsstandorte hinaus wurde es nun zum Kennzeichen eines erfahrenen Ingenieurs, die individuellen Umstände eines Ortes taktisch zu erfassen und einzuschätzen. Mit der langsam einsetzenden Krise des klassischen Festungsbaus und der Belagerungskriegführung änderte sich anscheinend auch die Einstellung zur naturalen Umwelt im fortifikatorischen Diskurs.

2.3 »Ein Nichts ändert alles«? Militärisches »Terrain« zwischen Wirkmächtigkeit und Unberechenbarkeit Auch der allgemeine Diskurs der Militärtheorie erlebte einen Wandel der taktischen Betrachtung von Natur, der auf einen neuen Stellenwert topografisch-taktischen Wissens hinweist. Im 18. Jahrhundert spielte die Kontrolle der Natur durch ein genaues Erfassen ihrer Elemente und durch Versuche ihrer taktischen Einbindung eine immer größere Rolle. Dies lässt sich in der Entfaltung immer ausdifferenzierterer Räume der Taktik durch diskursive Beschreibungs- und Zuschreibungspraktiken zeigen: Die klassische Kategorisierung in »eng« oder »weit« diente noch als Bezugspunkt, wurde aber immer stärker ausdifferenziert und in ihre verschiedenen Bestandteile zerlegt, von denen jeder entscheidend sein konnte. Diese taktischen Räume galten zwar durch Beschreibung und Einplanung als verfügbar und kontrollierbar, sodass die Kontrolle des Krieges mit der taktischen Kontrolle der Natur zusammenfiel. Zugleich wurde am Beispiel der natura-

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len Umwelt aber auch immer wieder eine basale Unsicherheit des Krieges betont. Die Topografie konnte sich von Schauplatz zu Schauplatz deutlich unterscheiden, und Elemente wie das Wetter entzogen sich ohnehin jeder Kontrolle. Diese kontingenten unterschiedlichen Elemente führten auch dazu, dass sich auf dieser Basis ein weiterer Diskursstrang zu etablieren begann. Er wies Natur und Topografie gerade aufgrund ihrer starken Variabilität letztlich eine Stellung als nicht theoretisierbar zu und begann, den Einfluss des »Terrains« stärker aus dem Fokus des taktischen Wissens zu rücken. Ein Blick auf im 17. Jahrhundert häufig geäußerte Ratschläge zu sogenannten »Stratagemata« verdeutlicht diesen angesprochenen Wandel bereits. Unter dieser Kategorie wurden taktische Kunstgriffe abgehandelt, die den Gegner schwächen oder überrumpeln sollten. Ein klassisches, bei mehreren Autoren des 17. Jahrhunderts genanntes Element war die Nutzung naturaler Einflüsse, die des Windes, des Wetters oder der Sonne. 128 Allerdings äußerten Autoren sich auch kritisch darüber, das Wetter auf eine solche Weise nutzen zu wollen. In seinen erst 1738 erschienenen Memoiren kritisiert Turenne, dass Staub, Wind und Regen zwar nützlich sein könnten – aber sie seien letztlich nicht kontrollierbar. Für ihn waren diese ein Teil der »hazard«, der kontingenten Natur des Krieges. Genau aus diesem Grund verschwand im Laufe des 18. Jahrhunderts die Nennung dieser »Stratagemata« aus dem militärtheoretischen Diskurs. Während die Kontrolle von Natur bislang immer wieder auch die Berechenbarkeit ihrer Erscheinungsformen bedeutete, stellt sich mit dem Begriff des »Zufalls« sowie der Abwägung seiner Folgen die Frage nach Kontingenz als einem Faktor militärischen Handelns hier besonders. In den Worten Luhmanns handelt es sich bei dem Begriff der Kontingenz schlicht um das, was »wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. 129 Der Soziologe Michael Makropoulos nutzt den Begriff für die Bezeichnung des Dualismus von Handlungsoffenheit einerseits, für Zufälliges und Unbe-

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128 Eine Schlachtordnung sei so zu wählen, dass die Sicht des Feindes durch die Sonne oder durch Staub und Rauch behindert werde, der ihm durch Wind entgegengeweht wurde; diese verbreitete Passage findet sich bereits bei Vegetius, wurde aber auch in der Militärtheorie der Frühen Neuzeit immer wieder rezipiert und wiederholt. Vgl. Vegetius, Abriß des Militärwesens, S. 146–147; angeführt beispielsweise bei Dilich, Krieges-Schule, S. 158; aber auch bei Fleming, Soldat, S. 269. 129 Niklas Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 201516, S. 152.

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herrschbares andererseits.130 Als wesentliches Merkmal der Vormoderne gilt Makropoulos der Versuch der absoluten Kontingenzkontrolle, also letztlich der Eliminierung des Zufalls.131 Naturale Elemente wurden gerade wegen ihrer latenten Unberechenbarkeit verstärkt in der Militärtheorie thematisiert: Ein kleiner Zufall in Form eines nicht weiter beachteten Baches beispielsweise konnte eine ganze Operation gefährden. Diese Kontingenz militärischen Handelns sollte in der Theorie immer mehr durch die minutiöse Beschreibung der Natur und ihrer militärischen Nutzung ausgeschaltet werden. Zwei einander überlagernde Diskursstränge der Militärtheorie lassen sich herausarbeiten: Der erste, zeitlich früher gelagerte betonte naturale Umwelt und ihre möglichst exakte Erfassung und Kontrolle in taktischen Überlegungen zur optimalen Geländenutzung. Er erhob die taktisch eingebundene Natur zu einem Ideal, das den »geometrisch perfekten« Krieg erst denkbar machte. Allerdings bildete sich zu diesem Diskurs am Ende des Jahrhunderts auch eine wirkmächtige Gegenposition heraus, die Natur letztlich als totale Variable begriff: In dieser Konzeption wurde naturalen Elementen der Status völliger Unberechenbarkeit zugewiesen, sodass sie folglich nicht im Zentrum taktischer Überlegungen stehen konnten. Letztlich formierte sich anhand der Einschätzung naturaler Elemente sowohl die Möglichkeit, Natur als »Friktion« zu denken, wie Carl von Clausewitz es später formulierte, als auch die Wahrnehmung von Krieg als Spiel mit Risiko und Zufall.

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130 Vgl. Michael Makropoulos, Möglichkeitsbändigungen. Disziplin und Versicherung als Konzepte zur sozialen Steuerung von Kontingenz, in: Soziale Welt 41 (1990), H. 4, S. 407–423, hier S. 409–411. 131 Ebd., S. 417. In der Geschichtswissenschaft wird die Erzählung der »Entdeckung« der Kontingenz und ihrer produktiven Bewältigung als Signum der Moderne in Frage gestellt. Auch vormoderne Gesellschaften konzipierten grundsätzlich Bereiche ihrer Lebens- und Erfahrungswelt als kontingent und praktizierten eigene Arten der Kontingenzbewältigung. Vgl. Benjamin Scheller, Kontingenzkulturen – Kontingenzgeschichten: Zur Einleitung, in: Frank Becker, Benjamin Scheller, Ute Schneider (Hrsg.), Die Ungewissheit des Zukünftigen. Kontingenz in der Geschichte (Kontingenzgeschichten, Bd. 1), Frankfurt a M.; New York 2016, S. 9–29, hier S. 18–20; Uwe Walter, Kontingenz und Geschichtswissenschaft – aktuelle und künftige Felder der Forschung, in: Frank Becker, Benjamin Scheller, Ute Schneider (Hrsg.), Die Ungewissheit des Zukünftigen. Kontingenz in der Geschichte (Kontingenzgeschichten, Bd. 1), Frankfurt a. M.; New York 2016, S. 95–118, hier S. 99–102.

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2.3.1 Umwelten der Taktik in Folards Découvertes und der Histoire de Polybe Der streitbare und schon zu seinen Lebzeiten kontrovers betrachtete französische Militärtheoretiker Jean-Charles de Folard war nicht nur aufgrund seiner Verortung der Militärtheorie als theoretisches Wissensgebiet ein beliebter Bezugspunkt für spätere Autoren, sondern auch aufgrund seiner Einschätzungen des Terrains.132 Dass seine Bemerkungen zur Interaktion mit naturalen Elementen gern als Bezugspunkt genutzt wurden, hat einen Grund: Folards Art, taktische Umwelten zu konzipieren, ist ein Hinweis auf eine allmähliche Transformation des Diskurses über naturale Umwelten und ihre taktische Wirkmächtigkeit im 18. Jahrhundert. Bereits zuvor waren bestimmte Elemente wie Anhöhen oder Wälder unter topografischen Kategorien zusammengefasst worden, an denen sich taktische Ratschläge orientierten. Bei Folard aber wurden diese Kategorien durch eine skeptische Betrachtungsweise aufgebrochen, die gegenüber der pauschalen Codierung eines Landes als »eng« oder »weit« die einzelnen Elemente betonte. Unter diesem taktischen Blick wurden Umweltfaktoren wie Flüsse, Anhöhen oder Wälder noch mehr zu wichtigen Bestandteilen militärischer Planung und des militärischen Agierens. Die dadurch geschaffenen taktischen Räume zeichneten sich sowohl durch eine größere Differenziertheit aus als auch durch die Annahme einer latenten Kontingenz naturaler Faktoren. Durch eine genaue Betrachtung und die Einplanung dieser »Kleinigkeiten« sollten diese Elemente letztlich kontrollierbar werden, und diese Fähigkeit machte maßgeblich das taktische Geschick eines Feldherrn aus. Dabei spielte Folards militärische Erfahrung sicher ebenfalls einer Rolle. Die Talente und Aufgabengebiete des jungen Offiziers Folard lagen vor allem in der Erkundung von Wegen, Umgebungen und Feindbewegungen, aber auch in der konkreten Beeinflussung der naturalen Umwelt zu taktischen Zwecken.133 Jean Chagniot beschreibt in seiner Biografie Folards

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132 Lancelot Turpin de Crissé beispielsweise bezieht sich in seinen ausführlichen Äußerungen zu Flussübergängen explizit auf Folard; der französische Feldingenieur JeanLouis Le Cointe, aber auch der schaumburg-lippische Militärschriftsteller Friedrich Wilhelm Zanthier führen seine Werke als Referenz für die Kriegführung im Gebirge an. De Crissé, Essai, Bd. 1, S. 328; Jean-Louis Le Cointe, Science des Postes Militaires, ou Traité des Fortifications de Campagne, Paris 1759, S. 52; Friedrich Wilhelm von Zanthier, Versuch über die Märsche der Armeen, die Läger, Schlachten und den Operations-Plan, Dresden 1778, S. 110. 133 Ferdinand Friedrich von Nicolai schreibt Folards Zeit als junger Kadett im Regiment Béarn eine besondere Bedeutung zu: als »Partheygänger« habe er sich in dieser Zeit »auf

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dessen Zeit als Lieutenant in Italien 1702 bis 1707 als prägend: Dort habe er nicht nur durch hervorragende Ortskenntnis Festungen in einen besseren Verteidigungszustand gebracht, sondern auch an Erkundungsmissionen teilgenommen. Von Chagniot als wahrer Meister der »Hydrologie« beschrieben, war es auch Folard, der im Herbst 1703 die Ebene bei Modena überfluten ließ, um der kaiserlichen Armee den Marsch Richtung Parma zu versperren.134 In Folards späteren Werken zeigt sich eine bemerkenswerte Betonung naturaler Faktoren als taktisch wirkmächtige Elemente der Kriegführung, die über die klassischen Topografien der »engen« und »weiten« Orte hinausgeht. In seinen 1726 erschienenen Découvertes verbindet sich die Betrachtung naturaler Faktoren und ihrer Einflüsse auf die Kriegführung mit der epistemischen Aufschlüsselung des Krieges selbst. Es geht ihm darum, die Notwendigkeit eines theoretischen Studiums des Krieges gegenüber einer rein auf Erfahrung basierenden Epistemologie zu begründen.135 Um die Unzulänglichkeit einer rein erfahrungsbasierten Kenntnis des Krieges zu betonen, nutzt Folard die mögliche Varianz der naturalen Umwelt als Argument. »Derjenige, der eine Schlacht in der Ebene geschlagen hat, findet sich in einem unebenen Terrain in Verlegenheit; und noch mehr in einem durchschnittenen Land, in dem er fünfzig verschiedene Schlachten schlagen kann, je nach Situation der Orte, die sich nie gleichen.«136

Es gebe »tausend Veränderungen, tausend zu machende Bewegungen, sehr gefährlich und sehr kompliziert«, die »in Erwägung« gezogen werden müssten, um eine Schlacht für sich zu entscheiden.137 »Wie«, fragt Folard daher, »soll man das aus der Erfahrung ziehen, was man nie gesehen, nie durchgeführt hat?« 138 In einem weiteren Absatz bringt Folard die Abhängigkeit von diversen kleinen Elementen, die seiner Meinung nach Krieg zu einem solch komplexen Unterfangen machten, auf den Punkt: »Ein Graben, eine He-

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die Kenntniß der Länder« verlegt und Karten aufgenommen. Nicolai, Nachrichten, S. 64. 134 Vgl. Chagniot, Folard, S. 36–37. 135 Vgl. dazu Kap. 1. 136 »Tel qui a donné une bataille dans un Pais de plaine, se trouve embarassé dans un terrain inégal; il l’est encore plus dans un pais fourré, il en donnera cinquante toutes diferentes les unes des autres par les différentes situations des lieux, qui ne se ressemblement jamais«, Folard, Découvertes, S. 17. 137 Ebd., S. 18. 138 Ebd.

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cke, eine Schlucht, ein Fluss, ein Sumpf, ein Dorf, ein Haus, eine Bewegung des Feindes, wahr oder vorgetäuscht, ein Fehler, das kleinste Versehen, endlich ein Nichts ändert alles.«139 Die besondere Betonung naturaler Elemente als entscheidende »Kleinigkeiten« ist bemerkenswert: Folard schreibt kleinsten topografischen Besonderheiten eine enorme taktische Wirkmächtigkeit zu. Kontrolliert werden konnte diese Varianz von Topografie und Vegetation nur dadurch, alles genauestens »in Erwägung« zu ziehen, bevor der Feldherr taktische Pläne entwarf. Die Natur sollte durch diesen geschärften taktischen Blick als Quelle der Unberechenbarkeit neutralisiert und zum eigenen Vorteil genutzt werden. Immer wieder bezieht sich Folard auf die Wichtigkeit der Topografie, besonders in seinen Ausführungen zu Feldschlachten. Hier erhebt er den taktischen Blick auf die naturale Umwelt zum Kennzeichen eines geschickten Heerführers. »Ein in der Taktik geschickter General führt den Krieg, wie er will; ein Ignorant […] bittet um Glück. Der eine wendet alles zu seinem Vorteil, ihm entgeht nichts. Das Studium und seine Anwendung bieten ihm tausend Mittel und Wege, die nicht nur die Mängel des Schlachtfeldes ausgleichen […]. Der andere, dem diese durch das Studium verdeutlichte Erfahrung fehlt, sieht keine Abhilfe in einem Terrain, das ihm nicht gelegen ist. Er weiß weder, wo er dort ist, noch, was er dort tun soll.«140

Das im militärtheoretischen Diskurs durchaus verbreitete Argument, dass Schlachten vor allem durch Glück und Zufall entschieden würden, wird von Folard also nicht anerkannt: Seiner Meinung nach brauche es einen taktisch geschulten Feldherren, der die Unwägbarkeiten des »Terrains« in berechenbare Vorteile verwandele. Selbst die »Mängel« des Schlachtfeldes könne dieser geschickte Feldherr umgehen. Aus diesem Grund empfiehlt Folard auch das unwegsame Gelände als Ort für eine Schlacht. Die Ebene, die »uns als besonders vorteilhaft erscheint«, sei »gegen einen Feind […] oft komplizierter und sehr gefährlich«.141 Nur der »ungeschickte« Feldherr würde die Ebene wählen, da er sie für vorteilhafter halte. Doch hänge in einem solchen Terrain nichts von der List und Geschicklichkeit ab – Stärken, die gerade der geschulte Feldherr für sich nutzen könne.142

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139 Ebd., S. 18–19. 140 Ebd., S. 368–369. 141 Ebd., S. 370. 142 Ebd.

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In seiner später erschienenen Histoire de Polybe zeigt sich immer wieder, was Folard unter der genauen taktischen Betrachtung naturaler Faktoren verstand. Unter seinem Blick erscheinen die herkömmlichen militärischen Topografien, wenngleich er sich auch ihrer bedient, um Umgebungen zu beschreiben, als zu undifferenziert. Beispielsweise thematisiert er in einem Kapitel die »science des marches« als essenzielle und wichtigste Bewegung einer Armee. Ein »Marsch in einem flachen Land« müsse »bedacht und methodisch« eingerichtet werden: also möglichst dynamisch, »sodass die Kolonnen dergestalt verteilt sind, dass man die Marschordnung nach der Natur des Landes verändern kann, durch das man kommt: Denn die Ebenen, wie flach sie auch immer sein mögen, sind niemals gleich.«143 Trotz der meist als unkompliziert dargestellten Topografie der Ebene rät Folard aufgrund naturaler Eigenarten zur Vorsicht. Diese Mahnung führt er vor allem in seinem Kapitel zur Kriegführung im Gebirge weiter aus. Für Folard handelt es sich bei dieser Art der Kriegführung um eine taktische Königsdisziplin – eine »lange Erfahrung« reiche hier nicht aus: »Diese Art des Krieges verlangt außergewöhnliche Qualitäten von demjenigen, der sich darin betätigen will, einen großen Verstand, einen listigen und tatkräftigen Geist«.144 Vor allem die Unwegsamkeit und Uneinsehbarkeit machten das Gebirge nach Folard zu einem besonders riskanten Operationsgebiet. Doch auch hier mahnt er, nicht vorschnell über die Beschaffenheit des Geländes zu urteilen: »Ihr befindet euch in einem Tal, beengt durch hohe Berge, wo solltet ihr entlangmarschieren? Wenn die Vorkehrungen, wie man sagt, euch nicht der Passage versichern, sind diese Berge unpassierbar [impratiquables]. Solches kommt oft vor. Aber wenn man es genau betrachtet, sind sie nahezu nie unzugänglich […].«145

Wieder betont Folard die besondere Aufmerksamkeit gegenüber Details und damit eine differenziertere Betrachtungsweise der Topografie. Zugleich kommt dem Land hier geradezu eine eigene Akteursqualität zu:

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143 Jean Charles de Folard, Histoire de Polybe, nouvellement traduite du Grec par Dom Vincent Thuillier, Bénédictin de la Congregation de Saint Maur. Avec un commentaire ou un Corps de Science Militaire […] par M de Folard, Bd. 4, Amsterdam 1729, Bd. 2, S. 37. 144 »Cette sorte de guerre demande des qualitez extraordinaires dans celui qui s’en méle, un grand sens, un génie rusé & entreprenant«, ebd., Bd. 4, S. 79. 145 »Vous voilà dans une valée serrée de hautes montagnes, n’y a-t-il qu’à marcher? Si les précautions, qui ne sont pas en petit nombre, ne nous assûrent ce passage, ces montagnes, dit-on, sont impratiquables. Cela arrive souvent. Mais si l’on y fait bien attention, il n’y en a presque point d’inaccessibles […]«, ebd.

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Sowohl die »Fallen« des Landes, als auch der Feind stellten den General vor eine Herausforderung, die sich nur durch die Berücksichtigung kleinster Details kontrollieren und bewältigen ließ: »Alles ist ernst, alles ist es wert, genau bedacht zu werden, alles ist von extremer Wichtigkeit, und die kleinsten Fehler sind entscheidend in dieser Art des Landes, bedeckt durch Fallen und gegen einen wachsamen Feind«.146 Folard räumt der Umwelt also einen besonderen Platz in der militärischen Taktik ein. Durch seine skeptische Perspektive auf Kategorien wie die »Ebene« oder das »offene Land« fordert er eine sehr viel detailliertere Beschreibung taktischer Faktoren der Topografie als zuvor. Dabei weist er topografischen Details eine doppelte Stellung zu: Einerseits sind sie latent gefährlich, ungewiss und unberechenbar und können einen unfähigen Feldherren in sein Verhängnis führen. Andererseits sind sie durch Klugheit und Erfahrung für einen fähigen Feldherren kontrollier- und nutzbar und machen damit einen großen Teil seiner taktischen Kenntnisse aus. Damit hat die Topografie gewissermaßen eine neue Stufe der Wirkmächtigkeit erreicht. Sie ist bei Folard eine kriegsentscheidende Kleinigkeit, die es zu erfassen und taktisch einzuschätzen gilt – eine Position, die im weiteren Verlauf prägend wurde.

2.3.2 »Geometrical Precision«. Taktische Kontrolle der Natur als Voraussetzung des kontrollierten Krieges Im 18. Jahrhundert lässt sich ein Diskursstrang identifizieren, der aus ähnlichen Aussagen zur taktischen Kontrollierbarkeit einer gefährlich erscheinenden Natur bestand, wie sie am Beispiel Folards herausgearbeitet wurden. Taktisches Denken und Handeln wurde zunehmend am Umgang mit topografischen Details gemessen. Die Kontrolle der Natur wurde durch ihre genaue Beschreibung erreicht. Somit zeichnete sich dieser Diskursstrang letztlich durch eine Betonung der Wirkmächtigkeit des »Terrains« aus, die sich in der starken Ausdifferenzierung der diskursiven Praktiken seines Beschreibens zeigte. Damit wurde ein taktischer Raum konstruiert, der sich durch eine Vielzahl naturaler Faktoren auszeichnete, die einkalkuliert und fixiert werden mussten. Damit verband sich das Ideal eines bere-

—————— 146 Ebd.

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chenbaren Krieges mit dem Ideal einer rationalen Kriegführung: 147 Die Kontrolle des Krieges wurde denkbar durch die Kontrolle der Natur. Lancelot Turpin de Crissé war einer derjenigen späteren Autoren, die Folard explizit für seine besondere Betonung naturaler Elemente in der Taktik nannten. Als Offizier der leichten Truppen legt er in seinem theoretischen Hauptwerk Essai sur l’Art de la Guerre aus dem Jahr 1754 großen Wert auf die Betonung naturaler Faktoren. 148 Ähnlich wie bei Folard wird die Varianz möglicher taktischer Topografien bei ihm zu einem Argument in einer Diskussion epistemischer Grundlagen. Direkt zu Beginn seines Werkes integriert de Crissé den Verweis auf die naturale Umwelt, um auf die Notwendigkeit, aber auch die Schwierigkeit der Etablierung einer »science de la guerre« hinzuweisen, die wie andere Wissensbereiche auch Grundsätzen und Prinzipien folge. De Crissé konzipiert Natur allerdings problematischer als Folard: Aus seiner Perspektive zeige sich am Umgang mit der naturalen Umwelt gerade die Unzulänglichkeit der Planung des Krieges im Kabinett. Oft habe sich herausgestellt, »dass die Märsche, die Lager, die Dispositionen, die Manöver, die im Kabinett in einer exakten und strikten Ordnung zusammengestellt wurden, nicht nur sehr schwierig, sondern sogar unmöglich im Terrain durchzuführen waren«.149 Dies liege vor allem daran, dass diese taktischen Anweisungen nicht ausreichend an das Land angepasst gewesen seien, wobei auch de Crissé vor der Gleichsetzung von Landschaften anhand homogener Kategorien warnt: »Eine gute Ordnung in einem bergigen Land ist schlecht in einem ebenen Land; eine genaue Ordnung in einem ebenen Land ist mangelhaft in einem anderen ebenen Land.«150 Passend zur kritischen Perspektive de Crissés auf eine vollständige Systematisierbarkeit des Krieges zeichnet sich der durch ihn konzipierte taktische Raum durch die latente Unberechenbarkeit seiner Elemente aus, die jede Planung aus der Distanz problematisch machte.

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147 Zu dieser Verbindung vgl. auch Ewa Anklam, Wissen nach Augenmaß. Militärische Beobachtung und Berichterstattung im Siebenjährigen Krieg, Münster 2007, S. 73. 148 Vgl. dazu auch Kap. 3.1.1. 149 »Combien en est-il, qui, croyant être assurés de leurs principes, ont éprouvé que des marches, des camps, des dispositions, des manoeuvres combinées dans le cabinet avec un ordre exact & sévere, ont été non seulement très-difficiles, mais encore impracticable sur le terrein?«, De Crissé, Essai, Bd. 1, S. 2–3. 150 »Une disposition bonne dans un Pais de montagnes, fera mauvaise dans un Pais de plaine; une disposition exacte dans un Pais de plaine, manquera dans un autre Pais de plaine.« Ebd.

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Die taktische Kontrolle naturaler Umwelt durch ihre exzessive Beschreibung und Ausdifferenzierung lässt sich besonders gut bei de Crissés Kapitel zur riskanten Operation des Flussübergangs nachvollziehen, in dem er sich mehrmals explizit auf Folard bezieht. Bevor er auf mögliche Methoden einer Flussquerung eingeht, wie beispielsweise das Errichten von Brücken oder das Nutzen von Furten, beschreibt er geradezu enzyklopädisch die verschiedenen möglichen naturalen Erscheinungsformen eines Gewässers: »Man kann die Flüsse aufteilen in Sümpfe, Bäche, große und kleine Flüsse, oft bilden sie Seen, oft schrumpft ihr Bett und ihr Lauf verliert sich im Sande. Man nennt einen Sumpf einen gewissen Umfang von Wasser, dessen Grund entweder fest ist oder nicht, entweder beweglich oder schlammig. […] Ein See ist eine große Menge an Wasser und wird durch die Vereinigung mehrerer Bäche gebildet, oder mehrerer Flüsse […], ein Bach windet sich in einem unebenen, verwinkelten Bett, dessen Ufer oft durch seine Bewegungen überflutet werden; er nimmt an Größe zu, je weiter er sich von seiner Quelle entfernt, und er hat seine Mündung in einen Fluss. Ein Fluss bezieht seine Quelle normalerweise aus den Bergen; er empfängt in seinem Bett den Lauf von Bächen und Quellen, und ergießt sich in große Flüsse: diese haben denselben Ursprung; aber durch das Wasser der kleineren Flüsse vergrößert behalten sie ihren Namen und ihren Lauf bis ans Meer.«151

Angelehnt an Folard formuliert de Crissé in der Folge die notwendigen taktischen Vorsichtsmaßnahmen für eine Flussüberquerung, vor allem das Nutzen von Anhöhen zur Platzierung von Artillerie und die Suche nach »vorteilhaftem« Terrain für Infanterie und Kavallerie. Zentral in dieser Passage ist jedoch die genaue Aufmerksamkeit gegenüber der Beschaffenheit des Flusses, seiner Umgebung und seiner möglichen Dynamik, die noch größeren Raum einnimmt als die eigentliche Beschreibung des zu bekämpfenden Gegners. De Crissé ist so von den Details dieses naturalen

—————— 151 »On peut diviser les Rivieres en Marais, Ruisseaux, grandes & petites Rivieres & Fleuves; souvent elles forment des Lacs, souvent leur lit se rétrecit & leur cours se perd dans des sables. On appelle Marais une certaine étendue d’eau, dont le fond profond ou non, est ou mouvant ou bourbeux. [...] Un Lac est une grande étendue d’eau & est formé par la réunion de plusieurs Ruisseaux, ou par quelque Riviere [...], Un Ruisseau coule dans un lit inégal, tortueux, dont les bords souvent innondés son mouvans; il grossit à mesure qu’il s’éloigne de sa source, & il a son embouchure dans une Riviere. Une Riviere tire ordinairement sa source des montagnes; elle recoit dans son lit le cours des Ruisseaux & des Fontaines, & se jette dans les Fleuves: ceux-ci ont la même origne; mais grossis par les eaux des Rivieres qui y aboutissent, ils conservent leur nom & leur lit jusqu’à la Mer.« Ebd., S. 329.

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Elementes besessen, dass er sogar zwei Mal die »nature du riviere« anführt, die es zu erfassen gelte: »Untersucht die Zeit, den Zustand der feindlichen Kräfte, die Hindernisse und Möglichkeiten der Offensive und Defensive und vergleicht sie miteinander, untersucht die Natur und den Lauf des Flusses, kennzeichnet die Orte an denen es Furten gibt, ihre Größe, ihre Tiefe, ihre Ausdehnung, wie dort der Grund ist, ob er fest ist oder sumpfig, ob es nicht einige Sümpfe diesseits oder jenseits gebe, ob diese Sümpfe durchquerbar seien, ob die Passage dort schwieriger wird, wenn man sie mit vielen Leuten durchquert, ob die Ufer steil sind, und an welchem Punkt sie so sind, ob das Terrain jenseits besser für Infanterie oder Kavallerie ist, ob die Anhöhen diesseits geeignet sind dort Kanonen zu platzieren, und die Anhöhen jenseits geeignet sind, Kanonen dorthin zu bringen, die Natur des Flusses, ob er angeschwollen ist von Regen oder der Schneeschmelze.« 152

Verschiedene Werke des ausgehenden 18. Jahrhunderts zeichnen sich durch eine ähnlich detaillierte Betonung naturaler Elemente aus. Beispielsweise lassen sich ähnliche Äußerungen auch 20 Jahre später im 1778 erschienenen Werk des sardischen Generalstabsoffiziers de Silva finden. 153 Explizit betont er die Rolle naturaler Elemente als mögliche Gefahr bei seinen umfangreichen Schilderungen zeitgenössischer Beispiele. Detailliert bezog er sich auf eine Episode des Siebenjährigen Krieges, die als »Finckenfang von Maxen« bekannt geworden ist: Am 20. November 1759 gelang es österreichischen Verbänden unter Leopold Joseph Graf von Daun, ein großes preußisches Korps unter dem Kommando des Generalleutnants Friedrich August von Finck in die Enge zu treiben und über 11.000 preußische Soldaten gefangen zu nehmen. 154

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152 »examiner le temps, l’état des forces de son Ennemi, les obstacles & les facilités dans l’attaque comme dans la défense & les comparer ensemble, examiner la nature & le cours de la Riviere, marquer les endroits où il y a des gués, leur largeur, leur profondeur, leur éloignement de l’un à l’autre, quel en est le fond, s’il est ferme ou marécageux, s’il n’y a pas quelques marais en-deca ou en-delà, si ces marais sont practicables, si le Passage en devient plus difficile à mesure qu’il y passe plus de monde, si les bords sont escarpés, & à quel point ils le sont, si le terrein qui est en-delà est plus favorable à l’Infanterie qu’à la Cavalerie, les hauteurs qui sont en-deca pour y placer du canon, & celles qui sont en-delà pour s’y porter, la nature de la Riviere, si elle est sujette à grossir tout d’un coup par les pluies ou par la fonte des neiges.« Ebd., S. 336. 153 De Silva, Pensées, S.110; S. 119. 154 Dabei handelte es sich vor allem um große Kavallerieverbände, die bei einem Rückzug in unwegsames Terrain gerieten und sich ergeben mussten. Friedrich II. war derart erzürnt über die Kapitulation bei Maxen, dass er Generalleutnant Finck vor ein Kriegsgericht stellen ließ, von dem dieser zu einer zweijährigen Festungshaft verurteilt wurde. Vgl. zur Kapitulation von Maxen Marcus von Salisch, Zwei »unerhörte Exempel«. Die

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De Silvas Schilderung des Gefechts fällt durch eine Betonung naturaler Faktoren auf. Genauestens beschreibt er, welche Anhöhen durch österreichische Truppen besetzt wurden, welche Wälder genutzt wurden und wie Finck schließlich kapitulieren musste: »Das ganze Korps von General Finck, gegen die Elbe gedrängt, und an allen Seiten eingeschlossen durch seine Feinde, war am Ende dazu genötigt, sich gefangen zu geben, sowie der General Rebentisch, der […] umsonst versuchte, die Kavallerie durch einen Sumpf und ungangbare Engpässe zu retten.«155

Dies führt de Silva zu einigen weiteren Betrachtungen von Märschen in tückischem Gelände. Ähnlich wie Folard geht er dabei darauf ein, dass eine »Ebene« höchstens als gedachter Raum flach und unproblematisch sei. »Aber auch ein ebenes und ungedecktes Land, das wenig geeignet für Hinterhalte und Überfälle scheint, verlangt nichts desto weniger nach guten Vorsichtsmaßnahmen.«156 Außerdem schreibt de Silva in Anlehnung an das Debakel bei Maxen über Märsche in Sümpfen: Diese seien selten, »und sollten es auch sein, denn es gibt kaum etwas Unangenehmeres und Mühsameres.«157 Man solle den Sumpf sondieren lassen und müsse die besten Routen für Infanterie, Kavallerie sowie Artillerie und Bagage durch die Analyse des Grundes feststellen.158 Auch de Silva betont also die einzelnen Besonderheiten von Landschaften und beschreibt sie stellenweise genau als mögliche taktische Herausforderungen, die sich nur durch die Erfassung und das Planen mit diesen Faktoren bewältigen ließen. In besonderer Weise schließlich ist der bereits erwähnte, in Diensten diverser europäischer Mächte stehende Ingenieur, Kartograf und Militärtheoretiker Henry Lloyd ein Beispiel für die taktische Erfassung und Kontrolle einer Natur, die als entscheidend für den Verlauf des Krieges betrachtet wurde. Lloyd gilt als einflussreichster englischsprachiger Autor der Militärtheorie im 18. Jahrhundert und legt in seinen Werken großen Wert auf die Rolle der Topografie im Krieg. Dies liegt vermutlich darin begründet, dass er im Lauf seines wechselvollen Lebens umfangreiche Kenntnisse in der Vermessung, Skizzierung und taktischen Nutzung von naturalen Gegebenheiten erwarb. Nach dem Besuch eines Jesuitenkollegs in Venedig

—————— Kapitulationen von Pirna 1756 und Maxen 1759 im Vergleich, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 84 (2013), S. 97–132. 155 De Silva, Pensées, S. 125. 156 Ebd., S. 126. 157 Ebd., S. 127. 158 Ebd., S. 128.

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und einer Ingenieurschule in Barcelona, wo er besonders in Kartografie, Mathematik und angewandter Geometrie ausgebildet wurde, gelangte er 1745 in französische Kriegsdienste und nahm in der Armee Moritz von Sachsens an der Schlacht von Fontenoy teil, wo er durch seine besondere Kenntnis der Landesaufnahme und der Skizzierung von möglichen Stellungen auffiel. Nach dem Frieden von Aachen 1748 begab sich Lloyd auf der Suche nach einer Anstellung in preußische Dienste, wechselte jedoch 1754 wieder in französische und ab dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges in österreichische Dienste – hier ab 1757 als Teil des Generalquartiermeisterstabes unter Franz Moritz, Graf von Lacy, ab 1761 im den Rang eines Hauptmannes der leichten Infanterie. Hier nahm er ebenfalls am Gefecht von Maxen teil. Die letzten Jahre des Siebenjährigen Krieges diente er in braunschweigischen Diensten auf Seiten Preußens. Nach Ende des Krieges, während dessen er umfangreiche Notizen angefertigt hatte, publizierte er seine History of the Late War in Germany, eine Darstellung des Siebenjährigen Krieges, die ihn in ganz Europa bekannt machte. Kurz vor seinem Tod publizierte Lloyd 1781 zudem seine generellen Military Memoirs, in denen er seine Erfahrungen in verschiedenen europäischen Armeen in einem theoretischen Werk zusammenfasste, sowie seine Fortsetzung seiner Analyse des Siebenjährigen Krieges.159 In seiner History of the late War in Germany verwendet Lloyd große Mühe darauf, die naturalen Faktoren des Kriegstheaters zu beschreiben. So stellt er seinem Werk zunächst eine »Military Description of the Seat of War« voran, in der er die unzugängliche Topografie Böhmens und Mährens thematisiert. Die beiden »great provinces« seien von Schlesien, Sachsen, Bayern und Österreich durch »very high mountains« getrennt, sodass es nur wenige militärisch nutzbare Wege gebe. Diese seien nach Lloyd ein »continual defile, formed by mountains, ravins, rivers« und durch geschickte Stellungen leicht zu verteidigen. 160 Lloyd beschreibt mehrere Positionen in dem unwegsamen Terrain, die aufgrund ihrer vorteilhaften Lage die Verteidigung Böhmens durch die Österreicher ermöglichen würden: Zum Beispiel seien in der Nähe von Jägersdorf Befestigungen einzurichten,

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159 Vgl. zum Leben Lloyds die ausführliche Biografie von Patrick Speelman, Henry Lloyd and the Military Enlightenment of Eighteenth-Century Europe, Westport CO; London 2002. 160 So argumentierte er beispielsweise, dass die Preußen durch das Aussenden von Verbänden nach Jägersdorf und nach Glatz leicht in das österreichische Gebiet eindringen könnten, wobei sie zugleich den Vorstoß nach Preußen verhinderten. Die österreichischen Festungen seien dagegen wenig geeignet, einen Einfall nach Böhmen zu blockieren. Lloyd, History, S. XIII–XIV.

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zwischen »Freudenthal and Zuckmanthel«, um die Wege von Glatz aus zu versperren.161 Seine Einschätzungen der Topografie des Kriegstheaters und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten beeindruckten seine Zeitgenossen. Als 1783 seine Military Memoirs auf Deutsch herausgegeben wurden, lobte der Verfasser des Vorworts Lloyds Kenntnisse als geradezu prophetisch, da er die Stellungen des Bayerischen Erbfolgekrieges vorausgesehen habe.162 Die Vorteile der Topografie zu kennen und taktisch zu nutzen war für Lloyd gleichbedeutend mit der Fähigkeit, den Verlauf des Krieges zu kontrollieren. Pointiert vertritt er diese Ansicht in seiner kurz vor seinem Tod erschienenen Fortsetzung Continuation of the History of the Late War in Germany. Das Wichtigste sei die taktische Nutzung topografischer Elemente in äußerster Perfektion: »if you possess these points, you may reduce military operations to geometrical precision, and may for ever make war without ever being obliged to fight.«163 Eine Einschätzung, die an die Darstellung des Bayerischen Erbfolgekrieges als »aufgeklärter« und kontrollierter Krieg ohne Schlachten durch den anonymen Autor der Zeitschrift Arbeiten in Kriegszeiten zu Beginn erinnert: Topografische Kenntnisse, taktische Geländenutzung und die Berechnung des Krieges wurden miteinander verbunden. Die »Geometrie des Krieges«, die Lloyd meinte, zeichnete sich also keineswegs durch das Ausblenden der eigentlichen Topografie aus, sondern vielmehr durch ihre totale Erfassung in ihren taktischen Möglichkeiten. Wie in den genannten Beispielen deutlich geworden ist, betonten diverse Autoren des 18. Jahrhunderts gerade die genaue taktische Aufschlüsselung eines Kriegsschauplatzes in seine naturalen Elemente. Alle möglichen Eigenarten der Topografie galt es zu erfassen und genau in ihrer tatischen Wirkmächtigkeit zu beschreiben, um sie dadurch letztlich in taktische Planungen integrierbar zu machen und ihre Unberechenbarkeit in einen Vorteil zu verwandeln. Aus dieser Perspektive ist die Natur im Krieg ein taktisch besonders wirkmächtiger Faktor, gewissermaßen ein eigener Mitspieler auf dem Feld.

—————— 161 Ebd., S. XIV. 162 Henry Lloyd, Des Herrn General von Lloyds Abhandlung über die allgemeinen Grundsätze der Kriegskunst, Frankfurt a. M.; Leipzig 1783, S. IV. 163 Henry Lloyd, Continuation of the History of the Late War in Germany, London 1781, S. XXXI.

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2.3.3 »Manie de Topographie«. Das Terrain als Störfall militärischer Theorie Die Annahme, die Natur des Krieges sei letztlich gerade durch die genaue Einkalkulierung des Terrains beherrschbar, wurde allerdings auch von einigen Autoren in Frage gestellt. Der Historiker Anders EngbergPedersen beschreibt einen epistemischen Wandel der Kriegswahrnehmung ab der Jahrhundertwende – von einer berechenbar erscheinenden Operation hin zu einem Spiel mit Zufall und Risiko. Dieser ist am Ende des 18. Jahrhunderts besonders bei der Diskussion der Wirkmächtigkeit von Terrain zu beobachten. Damit zeigt sich allerdings, dass die Formation dieses epistemischen Wandlungsprozesses bereits im Ancien Régime stattfand und somit eher von einem diskursiven Wandel zu sprechen ist als von einem Bruch.164 Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts formierte sich in einigen französischsprachigen Traktaten eine Skepsis gegenüber der planerischen, in der Theorie ausdifferenzierten Kontrolle und Einbindung der naturalen Umwelt in die militärische Taktik. Dabei wurde die Wirkmächtigkeit topografischer Faktoren nicht generell bezweifelt. Vielmehr wurde diesen Elementen im taktischen Wissen ein anderer Platz zugewiesen: Das Terrain wurde als etwas konzipiert, das zwar lokal präsent war und beachtet werden musste. Aber aufgrund der Betonung seiner großen Varianz und letztlich Unberechenbarkeit war es hier nicht mehr Teil taktischer, theoretischer Überlegungen. Wegen seiner letztlich nicht auflösbaren Kontingenz wurde es in diesem Diskursstrang in den Bereich des Zufalls verschoben. Die Idee einer Kontrollierbarkeit des Krieges löste sich von der Idee einer Kontrollierbarkeit der Natur. Eine Schlüsselrolle in dieser Entwicklung kam dabei dem schon öfter angesprochenen französischen Militärtheoretiker Jacques Antoine Hypolyte Comte de Guibert (1743–1790) zu. Er war der Sohn eines französischen Generals und trat mit 14 Jahren an der Seite seines Vaters in französische Kriegsdienste. Nach dem Siebenjährigen Krieg kämpfte Guibert in dem kurzen Krieg gegen die korsische Republik und stieg durch seine Erfolge mit 26 Jahren in den Rang eines Colonels auf. 1772 machte ihn die Veröffentlichung seines Essai Général de Tactique in Europa berühmt, in dem er sich in einem Vorwort besonders kritisch mit dem Stand der europäischen Monarchien und des Militärs auseinandersetzte. In der

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164 Wie Adam Storring in seiner Dissertation über die Kriegführung zur Zeit Friedrichs II. schreibt, war die Wichtigkeit des Zufalls für Militärs des 18. Jahrhunderts keineswegs unbekannt; als ein Schlüsselelement der »uncertainties of war« identifizierte auch er die Rolle des variablen Terrains. Vgl. Storring, Meanings of War, S. 124–148.

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Folge führte er einen intensiven Briefwechsel mit Julie de Lespinasse, die einen der wichtigsten Pariser Salons unterhielt und in engem Kontakt mit einem der Herausgeber der Encyclopédie stand, dem Mathematiker und Philosophen Jean-Baptiste le Rond d’Alembert. 1773 vermittelte d’Alembert eine Reise des jungen Guibert nach Berlin und Wien, wo er Friedrich II. und Joseph II. traf. Guiberts Reputation und seine weiteren Schriften, die allerdings nie dieselbe Aufmerksamkeit erreichen sollten wie sein Essai, verhalfen ihm zu einer Anstellung im französischen Kriegsministerium unter Saint-Germain 1775; nach 1779 schied er wieder aus dem Ministerium aus und erhielt das Kommando über ein Regiment, welches er allerdings nie einsetzen sollte. Nach langer Bemühung erlangte er 1785 seine Aufnahme in die französische Académie des Sciences; 1788 wurde er zum Marechal de Camp ernannt. Doch bereits 1790 verstarb er, nachdem er im Jahr der Revolution 1789 erfolglos versucht hatte, sich als Kandidat für die Abordnung des Adels von Bourges für die Generalstände wählen zu lassen.165 Zuvor hatte er in seinem letzten Werk, De la force publique aus dem Jahr 1790, einige seiner Ideen aus dem Essai unter dem Eindruck der Französischen Revolution verworfen.166 Guiberts Essai gilt heute als wichtiger Einfluss für die napoleonische Kriegführung.167 Neben seinem umfangreichen und bekannten »Discours Preliminaire« schildert er in seinem Essai Général im ersten Band sowohl die grundsätzliche Definition von Taktik als auch verschiedene elementartaktische Operationen, welche die Bewegungen der Soldaten umfassten. Was dabei auffällt, ist die Abwesenheit exakter Naturbeschreibungen und topografischer Besonderheiten. Dies begründet Guibert erst im zweiten Band seines Werkes, in einem Kapitel mit dem Titel »Application des manoeuvres précédentes aux terrains & aux circonstances«. Von allen Manövern, die er bislang beschrieben habe, gebe es wohl keines, das in der Realität exakt so ausgeführt werden könne. Denn »die Terrains und die Umstände verän-

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165 Vgl. für die Vita Guiberts die Biografie von Éthel Groffier, Le Stratège des Lumières. Le comte de Guibert (1743–1790), Paris 2005, S. 17–52; 149–153; 293–297; 331–340; außerdem Quimby, Background, S. 106–113; R. R. Palmer, Frederick the Great, Guibert, Bülow: From Dynastic to National War, in: Edward Mead Earle (Hrsg.), Makers of Modern Strategy. From Machiavelli to Hitler, Princeton 1943, S. 49–76; Rudolf Vierhaus, Lloyd und Guibert, in: Werner Hahlweg (Hrsg.), Klassiker der Kriegskunst, Darmstadt 1960, S. 187–210; Gat, Origins, S. 43–53. 166 Vgl. Beatrice Heuser, Jacques Antoine Hippolyte Guibert, in: Thomas Jäger, Rasmus Beckmann (Hrsg.), Handbuch Kriegstheorien, Wiesbaden 2011, S. 198–205, hier S. 202–203. 167 Quimby, Background, S. 108.

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dern alles Gegebene, und im Krieg können die Natur der Terrains und die Umstände oft nicht vorhergesehen werden […].«168 Daher habe er seine Beschreibungen getrennt und zunächst den generellen »Mechanismus« des Krieges betrachtet. 169 Seine Aussagen sollten in einem idealen Raum gedacht werden, der an die ideale »Ebene« der Fortifikation erinnert: »In Terrains, die absolut nackt und einförmig sind«.170 Erst im zweiten Teil wolle er öfter auf tatsächlich mögliche Umgebungen eingehen, denn jede Operation arbeite letztlich mit dem, »was das Terrain anbietet«.171 Die folgenden Kapitel aber nutzt Guibert vor allem dazu, mit einer in seinen Augen überkommenen Vorstellung militärischer Taktik abzurechnen. Dies betrifft vor allem die enge Verbindung zur Befestigungskunst, die er in einem »Memoire« zur »science des fortifications avec la tactique & avec la guerre en general« konstatiert. Beide Bereiche, so Guibert, teilten sich bestimmte Prinzipien: So sei die Befestigungskunst für defensive taktische Überlegungen von Bedeutung, während die Taktik idealerweise ihre »wahren Prinzipien« des Anpassens von Dispositionen an das »Terrain« an die Fortifikation weitergebe.172 Doch hier liege bereits ein Problem: Während der Einfluss der Befestigungskunst auf die Taktik von Offizieren zur Genüge erkannt worden sei, weigerten sich Ingenieure, taktische Maxime zu befolgen und versteiften sich auf ihre »art«.173 Die von Guibert erkannte neue Dominanz der Feldbefestigungen 174 kritisiert er: Zu viele sinnlose Verteidigungswerke würden dadurch errichtet, die die Armeen eher einschlössen und behinderten. Stark verschanzte Lager hielt er für ein Zeichen eines »vorurteilsbehafteten Zeitalters«.175 Grundsätzlich kritisiert er auch die Ausrichtung des Krieges auf die Belagerung und Verteidigung von Festungen, was seiner Argumentation nach zu ruinöseren Kriegen und enormen Kosten führe. 176 Diese kritische Beurteilung der Fortifikation verbindet er in seinem nächsten Kapitel mit einer grundlegenden Kritik der taktischen Aneignung von Umgebungen. In seinem zweiten »Memoire« über »la Connoissance

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168 Guibert, Essai, Bd. 2, S. 67. 169 Ebd. 170 Ebd., S. 68. 171 Ebd. 172 Ebd., S. 81. 173 Ebd., vgl. zu dieser Kritik auch Langins, Conserving the Enlightenment, S. 202. 174 Vgl. Kap. 2.4. 175 Guibert, Essai, S. 82–83. 176 Ebd., S. 87.

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des Terreins avec la Tactique« widmet sich Guibert der Bedeutung der naturalen Umwelt in der militärischen Taktik. Mit der Einführung von Schusswaffen sei das Terrain überhaupt wichtig und wirkmächtig geworden, denn Infanterie sei nun auch in einem anderen Terrain als der Ebene einsetzbar.177 Außerdem spielt er auf die weitverbreiteten Postengefechte und verschanzten Armeelager des Endes des 18. Jahrhunderts an: Diese unzugänglichen Positionen hätten sich in feste Posten verwandelt, was Lagerkunst und Taktik veränderte. Diese Feldbefestigungen hätten das Ingenieurskorps in seiner Bedeutung noch weiter gestärkt. Für Guibert war diese Orientierung am Terrain unter der Ägide der Ingenieure allerdings zum Problem geworden: »Nach und nach ist dieser Einfluss des Terrains auf die Operationen absolut geworden. Die Wissenschaft der Bewegung der Truppen ist vernachlässigt worden; man glaubte, dass es unnütz geworden sei zu manövrieren, dass die ganze Wissenschaft des Krieges daraus bestehe, vorteilhafte Positionen zu wählen.«178

Schuldige seien unter anderem die »officiers topographes«, die sich in den Stäben der Armeen und den Kabinetten der Minister ausgebreitet hätten, und die Guibert scharf attackierte. Diese seien »Offiziere, die, für den größten Teil, überhaupt keine Kenntnis der Taktik« hätten.179 Guibert verurteilt dies als eine »Manie de topographie«, eine »übertriebene Beschäftigung in den Generalstäben der Armee zugunsten von Details.«180 Dabei geht es Guibert nicht darum, die Wichtigkeit der Geländekenntnis in Zweifel zu ziehen. Doch für ihn spielte die Betrachtung des Ortes eine untergeordnete Rolle – sie sei »ein Zweig der Taktik, die, ich wiederhole mich, die Mutterwissenschaft ist.«181 Daher müssten Offiziere einer Armee vor allem Taktiker sein, die durch ihre Kenntnis der Elementartaktik Truppen und Verbände organisieren und in Schlachtordnung stellen könnten. Die Wirkmächtigkeit, die andere Autoren dem Terrain zuwiesen, verortet Guibert dezidiert wieder bei der Armee selbst: »Sie müssen […] nicht vergessen, dass […] das Terrain nie mehr ist als eine Ergänzung, und die Armee immer das Wichtigste ist«.182 Guiberts Kritik ist nicht als eine Erneuerung einer »zweidimensionalen« Sicht auf taktische Manöver zu

—————— 177 Ebd., S. 99. 178 Ebd. 179 Ebd. 180 Ebd. 181 Ebd., S. 99. 182 Ebd.

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verstehen. Vielmehr verbindet er den Einfluss der Fortifikationstheorie auf die Taktik mit einer starken Beschäftigung mit lokalen naturalen Elementen. Diese sei jedoch mit zwei Problemen konfrontiert: Erstens seien die möglichen Terrains, mit denen ein Feldherr konfrontiert sein könnte, derart variabel, dass es kaum eine sichere Einschätzung ihrer verschiedenen Ausprägungsformen geben könne; dies führe zweitens dazu, dass Armeen laut Guibert zu viel Zeit und Aufwand für die genaue taktische Erfassung ihrer Umgebung verwandten, anstatt mobil zu sein. Dass Autoren die Natur im Hinblick auf taktische Ratschläge als variabel und unberechenbar bezeichneten, ist bereits mehrfach aufgefallen. Bei Guibert jedoch spitzte sich diese Charakterisierung weiter zu: Hier wurde die naturale Umwelt als derart unberechenbar konzipiert, dass es nicht möglich erschien, für sie generelle Prinzipien oder Regeln zu entwerfen. Während die Taktik für seine Vorgänger immer stärker zu einem Wissen um das geschickteste Nutzen von Anhöhen, Wäldern oder Flüssen geworden war, wies er diesem Wissen nun einen untergeordneten Platz zu. Aus dem Zentrum des Wissensbestandes der Taktik wurde die Erfassung der naturalen Umwelt an den Rand gedrängt – auch, weil sie derart kontingent zu sein schien, dass sie sich gewissermaßen als nicht theoretisierbar erwies. Mit dieser Position brach Guibert mit der Idee einer taktischen Kontrolle der Natur durch eine genaue Erfassung und Betrachtung ihrer möglichen Ausprägungen und eigenen Wirkmächtigkeit. Die Ausformung dieses Gegendiskurses über taktisch genutzte Umwelten lässt sich auch bei weiteren französischen Autoren des letzten Viertels des 18. Jahrhunderts beobachten, die verstärkt die unberechenbare und daher für die Theorie vernachlässigbare Rolle naturaler Elemente beschrieben; allerdings wurden sie selten so explizit wie Guibert selbst. Ähnlich verfährt der französische Gelehrte, Militärtheoretiker und Oberstleutnant Paul-Gédéon de Maizeroy (1719–1780), der laut Jähns einer der »produktivsten und einflussreichsten Autoren« seiner Zeit war.183 Maizeroy erlebte die Feldzüge in Böhmen und Flandern unter Moritz von Sachsen im Österreichischen Erbfolgekrieg als Offizier in einem Infanterieregiment mit und kämpfte ebenfalls im Siebenjährigen Krieg. Nach dem Frieden widmete er sich einer umfassenden literarischen Tätigkeit; laut Jähns stand er mit diversen europäischen Gelehrten sowie mit Friedrich II.

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183 So Jähns, Kriegswissenschaft, Bd. 3, S. 2083.

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in Briefkontakt.184 Sein theoretisches Hauptwerk, in dem er seine Überlegungen zusammenfasste und bündelte, erschien schließlich 1777 unter dem Titel Theorie de la guerre; im Jahr zuvor war er Mitglied der französischen Académie des Inscriptions et Belles-Lettres geworden.185 Was in Maizeroys ansonsten umfangreichen Reflexionen des zeitgenössischen Krieges in der Théorie de la Guerre auffallend fehlt, sind genauere Auseinandersetzungen mit lokalen naturalen Faktoren. Bis auf die öfter auftretende Empfehlung, seine Verbände »nach dem Terrain« aufzustellen, widmet er diesen Elementen kaum eine genaue Beschreibung. Dies liegt vor allem in seinem Verständnis der Taktik begründet, das er – wie verschiedene andere Begriffe – zu Beginn seines Werkes zunächst explizit definiert. Unter dem Begriff »Tactique« beschreibt er diesen Wissensbereich unabhängig von naturalen Elementen als »eine Wissenschaft der Maße und Proportionen, angestellt nach Beobachtungen, Vergleichen und einer Analyse verschiedener Formen, in der die Entscheidung von Erfahrung, Autoritäten, vor allem aber der Vernunft abhängt, und in der die Sicherheit durch Berechnungen und geometrische Demonstrationen bewiesen wird.«186 Unter den Begriffen »Armée, Camp, Ordre de Bataille« kritisiert er die traditionelle Schlachtordnung europäischer Armeen, die aus einem Zentrum aus Infanterie und Flügeln von Kavallerie bestand, als »absurd«.187 Denn die Stellung und Anordnung der Truppen »hängt völlig von den Orten ab, die bis ins Unendliche variieren…«.188 Damit weist Maizeroy der Natur den Status einer unberechenbaren Variable zu, ohne grundsätzlich ihre Wichtigkeit zu negieren. Jedoch war diese Vielfalt eben

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184 Ebd. Vor allem studierte Maizeroy die Kriegführung der Antike: so publizierte er im Jahr 1770 die erste französische Übersetzung der Tactica, einem militärtheoretischen Werkes des byzantinischen Kaisers Leo VI (895–908). Doch auch in seinen militärtheoretischen Schriften betonte Maizeroy die Kriegskunst der Antike als Referenzrahmen seiner Überlegungen. Sein Cours de Tactique erschien 1766 und war anscheinend in Frankreich, aber auch darüber hinaus populär: so wurde das Werk 1776 sowie 1785 neu aufgelegt; bereits im Jahr der Ersterscheinung erschien eine von Hans Moritz Graf von Brühl verfasste deutsche Übersetzung. 185 Ebd.; Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 2083. 186 »Une science de mesures & de proportions prises d’après des observations, des comparaisons, & une analyse de différentes formes, dont le choix est déterminé par l’experience, par des autorités, surtout par la raison, & dont la solidité, comme la sureté, sont prouvées par des calculs & des démonstrations géométriques.«, Paul-Gédéon de Maizeroy, Théorie de la Guerre, Paris 1777, S. 3. 187 Ebd., S. 13. 188 Ebd.

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nicht Teil seiner theoretischen Ausführungen: Wie bei Guibert verschob sich in Maizeroys Werk der Ort der taktischen Geländenutzung an die Ränder des Diskurses über militärische Taktik.189 Während die Verschiedenartigkeit des Landes bei anderen Autoren Grund dafür war, eben jene Ausprägungen genau zu beschreiben und die Wirkmächtigkeit jedes einzelnen Faktors anzuführen, zeigt sich hier eine regelrechte Ausblendung dieser Details zugunsten »genereller« Regeln, die eben nur für den menschlichen Teil des Krieges, das Anordnen und Führen von Truppen, zu geben seien – nicht aber für die Nutzung der Topografie und der Natur eines Landes. Für das 18. Jahrhundert wurden also zwei unterschiedliche Diskursstränge im allgemeineren militärtheoretischen Diskurs herausgearbeitet, die einander überlagerten. Während der eine zunehmend die Rolle von »Kleinigkeiten« der Topografie als entscheidend darstellte und dementsprechend sozionaturale Schauplätze der Taktik entwarf, die äußerst differenziert waren, enthielt sich der andere eben dieser Beschreibungen mit dem Hinweis, im Hinblick auf die Variabilität der Natur seien ohnehin kaum generelle taktische Regeln zu fassen. Während der eine Diskursstrang die Regeln des Krieges und damit seine Berechenbarkeit auf die Natur ausdehnte, schloss der andere Diskursstrang sie aus diesen Regeln aus. Die Natur wurde so bereits am Ende des 18. Jahrhunderts zum Element des Zufalls, der am Übergang zum 19. Jahrhundert entscheidende Bedeutung in der neuen Epistemologie des Krieges erhalten sollte.

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189 Ähnlich wie Maizeroy argumentiert auch der französische Offizier und Militärschriftsteller Philippe Henri, Comte de Grimoard (1753–1815) in seinem 1775 erschienenen Essai théoretique et pratique sur les Batailles, einem Versuch, ein theoretisches Traktat einzig über die Feldschlacht zu verfassen. Im wichtigsten zweiten Abschnitt seines Werkes, »Des Dispositions«, widmet er sich der Anordnung einer Armee zur Schlacht. Dabei stellt er das Terrain zunächst wieder als besonders wichtig heraus. Zwar schreibt er, es sei »unerlässlich zu wissen, wie man von verschiedenen Lagen profitiert, die die Natur anbietet.« Jedoch weist Grimoard zugleich immer wieder darauf hin, dass die Natur in der Theorie kaum beschreibbar sei. Sie sei der Grund, warum man keine festen Regeln für die Anordnungen einer Armee finden könne: »Das Terrain variiert sehr oft, sogar in einem ebenen Land. […].« Diese Vielfalt der Orte und Umstände verhindert es, generelle und unabänderliche Regeln für die Anordnungen zu geben, ich beschränke mich darauf, die generellen Grundsätze auszuführen.« Philippe Henri, Comte de Grimoard, Essai Théorique et Pratique sur les Batailles, Paris 1775, S. V.

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2.4 Befestigte und unsichtbare Schlachtfelder. Feldbefestigung als Naturkontrolle und die Topografie des »Kleinen Krieges« Eine militärische Praktik, die Guibert in seiner Kritik der »topografischen Manie« als Beispiel anführte, war die der Feldbefestigung und der verschanzten Lager: Dort äußerte sich für ihn die Fokussierung auf topografische Details besonders. Wie das Eingangsbeispiel des Bayerischen Erbfolgekrieges gezeigt hat, galten das Einnehmen vorteilhafter Positionen und das Anlegen eines nur schwer anzugreifenden Lagers einigen Zeitgenossen offensichtlich als Zeugnis der angewandten Kriegswissenschaft. Abschließend soll die Betonung der taktischen Wirkmächtigkeit der Topografie, die im fortifikatorischen und im allgemeinen Diskurs herausgearbeitet worden ist, in ihren Auswirkungen auf militärische Praktiken hin untersucht werden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden zwei militärische Handlungsfelder zum Gegenstand der Militärtheorie gemacht, deren beschriebene Praktiken auf unterschiedliche Art und Weise der naturalen Umwelt eine neue taktische Bedeutung beimaßen. Ab der Mitte des Jahrhunderts erschienen sowohl mehrere Werke, die sich explizit mit dem Anlegen von Feldbefestigungen für Armeen befassten, als auch Handbücher für den sogenannten »kleinen Krieg«.190 In beiden spielte das Berücksichtigen der »Kleinigkeiten« der Natur eine taktische Rolle. Beides waren zu diesem Zeitpunkt keine neuen militärischen Praktiken. So war es für lagernde Armeen bereits lange vorher Usus sich zu verschanzen, und das Aussenden von »Partheygängern« ist ebenfalls lange vor dem 18. Jahrhundert belegt. 191 Die militärhistorische Forschung hat jedoch für den Siebenjährigen Krieg verstärkt auf die Bedeutung der »leichten Truppen« hingewiesen, also sowohl berittenen Verbänden aus Husaren oder Panduren und Kroaten, als auch Infanterieverbänden wie Jägern. Diese waren im unzugänglichen Kriegsgebiet Böhmens besonders auf österreichischer Seite damit beschäftigt, gegnerische Versorgungskonvois zu stö-

—————— 190 Vgl. klassisch Johannes Kunisch, Der kleine Krieg. Studien zum Heerwesen des Absolutismus, Wiesbaden 1973, S. 1–11. 191 Vgl. die Beispiele der französischen Armee unter Ludwig XIV. bei Lynn, Giant, S. 538– 546, oder die Beispiele für »partisan warfare« bei Simon Pepper, Aspects of operational art: communication, cannon, and small war, in: Frank Tallet, D. J. B. Trim (Hrsg.), European Warfare, 1350–1750, Cambridge 2010, S. 181–202, hier S. 195–201.

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ren, Feindbewegungen zu beobachten und eigene Konvois sowie die Armee zu schützen. 192 Zugleich wiesen Zeitgenossen darauf hin, dass der Siebenjährige Krieg sich auch durch das verstärkte Nutzen verschanzter Lagerpositionen auszeichnete, ein Bereich außerhalb der zu dieser Zeit kritisierten Stadtbefestigung, der besser zum neuen Fokus auf Armeen passte.193 Hier ließ sich fortifikatorisches Wissen ebenfalls nutzen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts traten mit diesen Wissensgebieten zwei militärische Raumpraktiken prominent in der Militärtheorie auf, die zwar unterschiedlich waren, aber trotzdem beide der naturalen Umwelt große Aufmerksamkeit schenkten. Die Feldbefestigung beschrieb umfassende Transformationen und Umformungen der naturalen Umgebung, um mit den Methoden der Mathematik und der Geometrie, aber auch mit einer genauen Geländekenntnis einen berechenbaren taktischen Vorteil zu erschaffen. Dies passte zur Tendenz einer semantischen Übertragung zwischen dem Diskurs der Fortifikation und dem größeren militärischtaktischen Diskurs: Armeen wurden wegen ihrer Naturnutzung auch sprachlich mit Festungen verglichen. Diese semantische Übertragung erschien Zeitgenossen deshalb so passend, weil die militärische Taktik sich nun auf einen ähnlichen Nutzen der naturalen Umwelt konzentrierte, die bereits als Kennzeichen des fortifikatorischen Wissens herausgearbeitet worden ist. Ein Armeelager sollte ebenfalls vorteilhafte Anhöhen nutzen, die Gegend um sich optisch kontrollieren und seine Umgebung verstärkt anpassen und mit künstlichen Verschanzungen versehen, um dieses Ziel zu erreichen. Zugleich etablierte sich in der Beschreibung von Natur im »kleinen Krieg« ein Diskurs über die taktische Nutzung der naturalen Umwelt, der diese Idee von »befestigten« Räumen auf den Kopf stellte. Diese verdeckte Kriegführung stellte letztlich eine Raumkonzeption in den Fokus, die sich komplementär zu den taktischen Räumen der regulären Armeen verhielt: Die »leichten Truppen« machten die Orte zu taktischen Räumen, die ansonsten aufgrund ihrer Uneinsehbarkeit als unkontrollierbar und latent gefährlich galten. Die Beschreibung der Praktiken des »kleinen Krieges« schuf eine eigene Topografie, in der naturale Elemente gleichwohl eine zentrale Rolle spielten, um den Gegner zu behindern und die eigene Position zu verschleiern. Zudem wurde die als problematisch und illegitim

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192 Kunisch, Der kleine Krieg, S. 6–11; S. 17–24. Zur Bedeutung der leichten Truppen als Informationslieferanten vgl. Anklam, Wissen, S. 129–152. 193 Vgl. Langins, Conserving the Enlightenment, S. 202; S. 217.

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betrachtete Form des verdeckten Kämpfens mit dieser taktischen Nutzung der Natur gekoppelt: Die immer wieder beschriebenen Wälder wurden zu einem Ort einer anders gearteten Kriegsgewalt. In der Etablierung dieser beiden Handlungsfelder im militärtheoretischen Wissen zeigt sich, dass die herausgearbeitete Beachtung topografischer Details nicht nur eine relativ abstrakte Facette der diskursiven Konstruktion militärischer Räume blieb, sondern konkret die taktischen Vorstellungen beeinflusste, indem mit dem regelrechten »Stellungskrieg« und dem verdeckten »kleinen Krieg« bestimmte Formen des Krieges betont wurden.

2.4.1 Das »engineered battlefield«: Die Armee als Festung Im 18. Jahrhundert kam es verstärkt zu einer Übertragung von Semantiken aus dem Bereich des Festungsbaus und des Belagerungskrieges in die Beschreibung von Kriegspraktiken von Armeen. In dieser Übertragung lässt sich die Etablierung einer taktischen Perspektive nachvollziehen, die besonderen Wert auf die Nutzung der Umgebung als Zeichen einer rationalen, regelgeleiteten Kriegführung legte. Die tatsächliche Transformation des Umlandes einer Armee wurde in den Traktaten zur Feldbefestigung seit der Mitte des 18. Jahrhunderts explizit beschrieben. Die Anwendung mechanischen und mathematischen Wissens zu militärischen Zwecken außerhalb der klassischen Fortifikation von Städten wurde in diesen Traktaten zu einem neuen militärischen Wissensgebiet. Der semantische Übertragungsprozess, eine Armee als »Festung« zu bezeichnen, weil sie ihre naturale Umgebung ähnlich taktisch nutzte, wurde hier konsequent weitergeführt: Sowohl diskursiv als auch praktisch und materiell lehnte sich die Feldbefestigung an den Festungsbau an. Während John Lynn den Begriff »engineered battlefield« vor allem für die klassischen Festungsbauten nutzte, manifestierte sich in der Feldbefestigung die tatsächliche Realisierung dieser durchgeformten Schlachtfelder. Hier wurden Veränderungen der Natur konzipiert, die lokal erheblichen Einfluss haben konnten. Vor allem die starke Konzentration auf künstliche Überschwemmungen und die Manipulation von Flüssen ist augenfällig: Dieses hydrologische Wissen wurde zugleich auch zur Trockenlegung von Sümpfen, im 19. Jahrhundert dann auch bei der Begradigung ganzer Flüsse

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als Teil der obrigkeitlichen Gestaltung der Natur genutzt. 194 Die »vorteilhaften« und »festen« Räume sollten durch diese Raumpraktiken für die Armeen erst geschaffen werden und waren ein Bestandteil in der Idee einer kontrollierten Kriegführung. Durch das Anwenden fortifikatorischen Wissens sollte letztlich auch die Feldschlacht berechenbarer gemacht werden, indem die Natur kontrolliert und geformt wurde. Die Vorstellung einer Armee als »Festung«, die ihre Umgebung wie eine solche taktisch ausnutzte, lässt sich bei diversen Autoren des 18. Jahrhunderts feststellen. Der Ingenieur Johann Anton von Herbort beispielsweise erklärt mit einer solchen Übertragung im Vorwort seines Werkes Nouvelles Methodes pour Fortifier les Places 1735, warum es für Offiziere der Infanterie sinnvoll sein könne, sich der Befestigungskunst zu widmen. Neben der Bedeutung ihrer »wichtigsten Prinzipien« für tatsächliche Belagerungen seien diese auch für Feldschlachten ein unabdingbares Wissen: Die Fortifikation sei »ebenso sehr in den Schlachten zu nutzen, wie in den Belagerungen der Täler, der Anhöhen, der Wälder, der Bäche, der Sümpfe und all der anderen Vorteile, die die Lage des Terrains bieten könnte.«195 Auch vorher sollten solche Orte gewählt werden, um der Armee eine möglichst »feste« Stellung zu verleihen, die naturale Faktoren nutzte und die sowohl die visuelle Erfassung des Umlandes garantierte als auch möglichst unzugänglich gelegen war. Diese Darstellung des Krieges in der Sprache eines Festungsbauingenieurs markiert mit dem Hinweis auf die Nutzbarkeit fortifikatorischer Prinzipien einen Übertragungsprozess fortifikatorischen Wissens in den Wissensbereich der generellen militärischen Taktik. Ähnlich bezieht sich der französische Offizier Jacques Marie Ray de Saint-Genies (1712–1777) in seinem theoretischen Werk Art de la Guerre Pratique 1766 auf Verschanzungen, die die Topografie optimal nutzten. Ein Eckpfeiler der science de la guerre sei für ihn die Fähigkeit, sich bewusst für militärische Gewalt entscheiden zu können, also »nur dann zu kämpfen wann man will«.196 Dadurch sei man gegen übermächtige Feinde, aber auch Überraschungsangriffe versichert – »wie in einer Festung«.197 Für SaintGenies war das Nutzen des Geländes zur Verschanzung gleichbedeutend

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194 Vgl. Blackbourn, Eroberung der Natur, S. 33–65; Christof Mauch, Thomas Zeller, Rivers in History and Historiography. An Introduction, in: Dies. (Hrsg.), Rivers in History. Perspectives on Waterways in Europe and North America, Pittsburgh PA 2008, S. 1–10, hier S. 2. 195 Vgl. Herbort, Nouvelles Methodes, Vorwort. 196 Saint-Genies, L’Art de la Guerre, Bd. 2, S. 6.1. 197 Ebd.

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mit der Souveränität eines Feldherrn, selbst das Ausmaß und den Zeitpunkt eines Kampfes kontrollieren zu können. Ein Beispiel der praktizierten Kriegswissenschaft – und das sprachliche Bild einer Armee als Festung drückte dies deutlich aus.198 Aber auch bekannte Feldherren nutzten Allegorien des Festungsbaus und des Belagerungskrieges. Sogar in den militärischen Schriften des roiconnetable Friedrich II. lassen sich diese Formulierungen finden. Als politischer Schriftsteller mit einem Verständnis für die Wichtigkeit der eigenen Reputation 199 schrieb er auch über seine militärischen Erfahrungen. 200 Zudem hatte Friedrich II. einen direkten Bezug zum militärtheoretischen Diskurs seiner Zeit.201 Nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg betätigte er sich auch selbst als militärtheoretischer Autor. Die meisten seiner militärischen Schriften waren allerdings nicht für die Drucklegung und Veröffentlichung gedacht, sondern vielmehr als Handreichung für seine Generäle und Offiziere, vor denen er sich als militärischer Geist profilierte. 202

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198 Wenig überraschend formulierte es so auch Puységur, der die Fortifikation als Wissensbereich zum generellen Leitbild einer regelgeleiteten Kriegswissenschaft erklärte. In seinem Kapitel über Schlachtordnungen schreibt er von einer großen Abhängigkeit von der »Situation des Ortes«, die sich mithilfe der Prinzipien der Befestigungskunst theoretisch aufschlüsseln lasse. Letztlich sei die Übertragung dieser Prinzipien deshalb logisch, weil »eine in Schlachtordnung aufgestellte Armee« dasselbe sei wie »eine sich bewegende Festung« – beide nutzen ihre Umgebung ähnlich. Vgl. Puységur, Art, S. 146. 199 Vgl. Jürgen Luh, Der Große. Friedrich II. von Preußen, München 2011, S. 82–83. 200 Bereits im Österreichischen Erbfolgekrieg veröffentlichte er eigene Schlacht- und Operationsbeschreibungen, um seine Sicht der Ereignisse in Europa publik zu machen und zudem einen Grundstein für seinen eigenen Ruhm als Feldherr zu legen. Ebd., S. 55–58; Starkey, War, S. 46. Vgl. dazu auch Marian Füssel, Der »roi connétable« und die Öffentlichkeit, in: Bernd Sösemann, Gregor Vogt-Spira (Hrsg.), Friedrich der Große in Europa. Geschichte einer wechselvollen Beziehung, Stuttgart 2012, Bd. 2, S. 199–215. 201 Während er sich in seiner Jugend vor allem mit antiken Autoren wie Caesars Schriften über den Gallischen Krieg beschäftigte, begann er seit 1745 mit dem Studium von Werken wie den Memoires sur la guerre von Feuquières, den er dezidiert als taktisches Vorbild begriff; außerdem las er die Reflexiones militares von Santa Cruz. Seine besondere Beachtung fand das Werk Folards, den er kurz vor dessen Tod 1752 sogar nach Berlin einlud. Danach befasste sich Friedrich eingehend mit Folards Werk und gab im Jahr 1753 eine eigene Zusammenfassung mit dem Titel Extrait tiré des commentaires du chevalier Folard heraus. Vgl. Luh, Der Große, S. 139–140; Schieder, Friedrich der Große, S. 344; Marwitz, Friedrich der Große als Feldherr, S. 75–76; Storring, Meanings of War, S. 11–16. Vgl. Linnebach, Friedrich der Große, S. 529. 202 Vgl. Pečar, Autorität, S. 9–20. Im Fall seiner Generalprinzipien des Krieges aus dem Jahr 1748 geschah die Veröffentlichung ungewollt durch die Erbeutung der Schrift bei der Gefangennahme eines preußischen Offiziers im Siebenjährigen Krieg. Vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 1936–1974; Schieder, Friedrich der Große, S. 342.

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In seiner kurzen Schrift Betrachtungen über einige Veränderungen in der Art der Kriegführung befasst er sich Ende des Jahres 1758 mit der österreichischen Taktik.203 Seine Gegner hätten sich vor allem durch eine perfektionierte Geländenutzung ausgezeichnet und »die Kunst, stets ein vorteilhaftes Gelände für ihre Stellungen zu wählen« gemeistert.204 Sie legten ihre Positionen auf »Anhöhen«, »ihre Flanken lehnen sich stets an Schluchten, steile Abhänge, Sümpfe, Flüsse oder Städte.«205 Er beschreibt die österreichische Lagerkunst als idealtypische Realisierung der Ratschläge, die auch in der Militärtheorie immer wieder gegeben wurden. Zusammen mit dem massiven Einsatz von Verschanzungen fühlt sich Friedrich II. durch dieses Nutzen der Topografie merklich an den Festungskrieg erinnert: Als er in seiner Beschreibung der gegnerischen Lager fortfährt, beschreibt er diese in Termini des Festungsbaus. »Ihr erstes Treffen steht am Fuße der Anhöhen in fast ebenem Gelände, das nach der Seite des feindlichen Angriffs glacisartig [Hervorhebung J. P. B.] abfällt.« 206 Wenige Zeilen später macht er die Gleichsetzung eine Armee mit einer ihre Umgebung taktisch kontrollierenden Festung sprachlich explizit: »Es ist also fast das gleiche, ob man eine Festung stürmt, […] oder eine Armee angreift, die sich derart in ihrem Gelände eingerichtet hat.« 207 Offensichtlich spiegelte sich der Diskurs einer von dem Vorbild der Fortifikation beeinflussten taktischen Ausnutzung der Topografie in Friedrichs Wahrnehmung seines Gegners wider. Auch der französische Brigadier und Ingenieur Louis-André de la Mamie de Clairac bedient sich der verbreiteten Semantik einer verschanzten Armee als Festung: »Eine mit Klugheit verschanzte Armee«, so schreibt er, »erzeugt […] dieselben Effekte wie eine Festung«, indem sie den Gegner zwinge, in nachteiligem Terrain zu kämpfen.208 Diese semantische Über-

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203 Friedrich II., Betrachtungen; Theodor Schieder wies unter dem Eindruck der starken Geländenutzung der Österreicher auf eine Angleichung der preußischen Taktik hin, vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 361. 204 Friedrich II., Betrachtungen, S. 118. 205 Ebd., S. 119. 206 Ebd. 207 Ebd., S. 120. Vgl. zu dieser Übertragung auch John A. Lynn, Battle. A History of Combat and Culture, Boulder CO 2003, S. 119. 208 Louis-André de la Mamie de Clairac, L’Ingenieur de Campagne, ou Traité de la Fortification passagere, Paris 1749, S. 2. De Clairac hatte nach eigenen Angaben als Ingenieur im Österreichischen Erbfolgekrieg gekämpft; er verstarb bereits 1752. Sein Werk war populär, wie verschiedene Nachauflagen und Übersetzungen zeigen; so erschien 1757 eine zweite Auflage auf Französisch, eine erste deutsche Übersetzung des Originals wurde

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tragung wiederholt sich in seinem Werk mehrmals: Beispielsweise vergleicht er bei Befestigungen am Ufer eines Flusses das Gewässer mit einem Festungsgraben [»fosse«].209 Doch während andere Autoren es bei dieser semantischen Übertragung belassen, um die taktische Geländenutzung zu verdeutlichen, dreht sich in de Clairacs Werk alles um die tatsächliche Realisierung der »Festungs-Armee«: Sein Traktat gilt als eine der ersten Schriften im 18. Jahrhundert, die sich mit der Feldbefestigung auseinandersetzten. Es wurde zu einem zentralen Referenzwerk für andere Militäringenieure. Seine Betonung selbst kleinster naturaler Elemente scheint dabei wie von Folard abgeschaut: »Ein Sumpf, ein Graben, ein Hohlweg, was soll ich noch sagen? Eine starke Hecke, der geringste Bach werden sogar Objekte der Aufmerksamkeit, sei es um daraus irgendeinen Nutzen zu ziehen, sei es um zu verhindern, dass sie uns behindern.«210

Dass frühneuzeitliche Armeen bestimmte Praktiken nutzten, um die Umgebung ihres Lagerortes zu verändern, ist beispielsweise in Form des Abschlagens störender Vegetation bereits mehrfach deutlich geworden. Insofern war der Ratschlag, dass eine Armee ihre naturale Umgebung zu ihrem taktischen Vorteil verändern sollte, keineswegs neu.211 Die Raumpraktiken der Feldbefestigung waren allerdings um einiges weitreichender, da sie sowohl stärker in die naturale Umwelt eingreifen sollten, als auch diese Veränderung mit einem Hintergrundwissen verbanden, das in der Kriegsbaukunst verortet war. Die Etablierung der Feldbefestigung als militärisches Spezialwissen durch eigene Traktate und Lehrschriften fällt dabei auffallend in die Zeit, in der auch die traditionelle Orientierung des fortifikatorischen Diskurses an der »Regularität« unter Druck geriet. 212 Zum Teil ist dies sicher auch durch die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts verändernde Stellung von Ingenieuren in den Armeen zu erklären, die immer stärker auch für Aufgaben außerhalb des klassischen Bereichs des Fes-

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von Georg Dietrich von der Groeben 1755 veröffentlicht; 1758 erschien eine englische Übersetzung. Vgl. Jähns, Kriegswissenschaft, Bd. 3, S. 2731. 209 Ebd., S. 23. 210 Ebd., S. 224. 211 Nach Santa Cruz gebe es prinzipiell zwei Arten, mit einem »unvorteilhaften Terrain« umzugehen: entweder passe man seine Truppen an die Umwelt an – oder die Umwelt an die Truppen, indem man die Umgebung regelrecht planierte durch »das Abschlagen der Mauern und der Hecken der Gärten, und das Einebnen des Terrains.« Santa Cruz, Reflexions, Bd. 5, S. 3. 212 Vgl. Kap. 2.2.

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tungsbaus und der Belagerungskriegführung genutzt wurden, wie für das Anfertigen von Karten oder die Feindaufklärung.213 Nach der Veröffentlichung von de Clairacs Werk erschienen weitere Traktate, die sich vor allem mit der Feldbefestigung befassten; der Infanterie- und Kavallerie-Offizier Jean Louis Le Cointe beispielsweise publizierte bereits 1759 sein Werk Science des Postes Militaires, das ganz ähnlich aufgebaut war.214 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlangte die Feldbefestigung eine dominante Stellung. So publizierte der preußische Minister, Ökonom und Lehrer an der Ritterakademie zu Liegnitz, Karl August von Struensee (1735–1804), im Jahr 1771 drei Bände zu den Anfangsgründen der Kriegsbaukunst,215 die aus seiner Tätigkeit an der Ritterakademie entstanden und in denen er explizit auf de Clairac Bezug nahm; 216 für ihn war die Feldbefestigung als eigener Wissensbereich derart wichtig, dass sich sein gesamter erster Band seiner Anfangsgründe damit befasst. Zudem verorteten manche Militärs das Anlegen von Feldbefestigungen nicht mehr nur als die Aufgabe von Ingenieuren, sondern auch von Offizieren der Infanterie. Mit diesem Anspruch schrieb der preußische Generalleutnant Friedrich Wilhelm von Gaudi217 (1725–1788) als Kommandeur eines Infanterieregi-

—————— 213 In Frankreich beispielsweise wurden 1672 Ingenieure und Artilleristen zu einem eigenen Corps zusammengefasst, in dem neben Festungsbauingenieuren ab 1692 auch Spezialisten für die Vermessung des Kriegstheaters integriert waren; im Siebenjährigen Krieg setzten sowohl Frankreich als auch die Alliierten Ingenieure und Feldmesser zur Aufklärung und zur Anlage ihrer Lagerplätze ein. Vgl. Anklam, Wissen, S. 110–129. Vgl. dazu auch Kap. 3. 214 Le Cointe, Science des Postes Militaires. 215 Karl August von Struensee, Anfangsgründe der Kriegsbaukunst, 3 Bde., Leipzig; Liegnitz 1771. 216 Struensee hatte in Halle zunächst Theologie, dann Mathematik und Philosophie studiert und wurde 1757 Lehrer an der Liegnitzer Akademie. Sein Bruder war der Arzt Johann Friedrich Struensee, der es als Leibarzt und Minister des dänischen Königs Christian VII. für zwei Jahre schaffte, de facto Regent des Königreiches zu sein, und der versuchte, die dänische Gesellschaft unter aufklärerischen Prinzipien umzuformen. Karl August ging 1769 an der Seite seines Bruders nach Dänemark und unterstützte ihn bei der Durchführung von finanziellen Reformen, wurde allerdings nach dessen Sturz und der Hinrichtung inhaftiert; nach kurzer Zeit gelang ihm jedoch die Rückkehr nach Preußen im Jahr 1772. Neben seinen hier behandelten Schriften gab er bereits 1760 die Anfangsgründe der Artillerie heraus und veröffentlichte 1767 die Rêveries Moritz von Sachsens in deutscher Veröffentlichung, zusammen mit umfangreichen Kommentaren. Vgl. Herman von Petersdorff, Art. »Struensee, Karl August von«, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 36 (1893), S. 661–665. 217 Gaudi war im Siebenjährigen Krieg bis zum Flügeladjutanten Friedrichs II. aufgestiegen; nur eine Verletzung hielt ihn davon ab, auch im Bayerischen Erbfolgekrieg in der preu-

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mentes im Jahr 1778 seinen Versuch einer Anweisung für Officiers von der Infanterie, wie Feldschanzen angelegt und erbauet […] werden.218 Im Vorwort argumentiert Gaudi, es sei für einen Infanterieoffizier zwar nicht notwendig, zugleich ein Experte der Fortifikation zu sein – jedoch sei das Wissen um die Feldbefestigung, also »alles das, was unter dem Namen von Feldschanzen verstanden wird«, für die Infanterie von großer Bedeutung. 219 Dem Infanterie-Offizier solle »bekannt seyn, wie ein Verhack anzufertigen sey, wie man Dämme durch Bäche ziehe, um das Wasser aufzuhalten, und eine Ueberschwemmung zu machen«.220

Die Praktiken dieser Veränderung der naturalen Umwelt, die zur Zeit des Erscheinens des Traktates im Bayerischen Erbfolgekrieg intensiv genutzt wurden, sollten von einem Spezialwissen der Ingenieure zu einem generellen Wissen der Infanterieoffiziere werden. Dies zeigt einen neuen Stellenwert in der taktischen Nutzung und Veränderung von Natur am Ende des 18. Jahrhunderts. Der ganze Umfang dieses neuen Wissensgebietes wird an dem Werk eines Vertreters der »aufgeklärten Kriegswissenschaft« deutlich, der selbst am Bayerischen Erbfolgekrieg teilnahm und dort eine Artilleriebatterie kommandierte. Der in kursächsischen Diensten stehende Artilleriehauptmann Johann Gottlieb Tielke (1731–1787) stand ab 1753 im Dienst der »Hausartillerie-Kompagnie« in Dresden und besuchte dort die IngenieurAkademie, ab 1758 diente er als Feldingenieur auf sächsischer Seite. Nach dem Siebenjährigen Krieg publizierte er den Unterricht für die Officiers, die sich zu Feld-Ingenieurs bilden, oder doch den Feldzügen mit Nutzen beywohnen wollen;221 mit seinen ab 1775 erscheinenden Beyträgen zur Kriegs-Kunst und Geschichte des Krieges von 1756 bis 1763 wurde er auch einer größeren, militärwissenschaftlichen Öffentlichkeit bekannt. Zudem unterhielt er ein ausgedehntes Korrespondenznetzwerk, beispielsweise mit Herzog Ferdinand von Braunschweig, dem habsburgischen Kaiser Joseph II., aber auch mit Militärschriftstellern wie dem bereits genannten Friedrich Wilhelm von Gaudi

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ßischen Armee zu kämpfen. Vgl. E. Graf zur Lippe, Art. »Gaudy, Friedrich Wilhelm von«, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 8 (1878), S. 419–420. 218 Friedrich Wilhelm von Gaudi, Versuch einer Anweisung für Officiers von der Infanterie, wie Feldschanzen von allerhand Art angelegt und erbauet […] werden, Wesel 1778. 219 Ebd., Vorwort. 220 Ebd. 221 Johann Gottlob Tielke, Unterricht für die Officiers, die sich zu Feld Ingenieurs bilden, oder doch den Feldzügen mit Nutzen beywohnen wollen, Dresden 1779, S. 58–59.

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oder den einflussreichen preußischen Militärtheoretikern Georg Friedrich von Tempelhoff und Gerhard von Scharnhorst. 222 Als Vorbild für sein Werk dienen Tielke nach eigener Angabe die »ingenieurs geographe« der französischen Armee, was sich in der Breite der von ihm beschriebenen Tätigkeiten und Wissensbestände widerspiegelt: Sein Werk umfasst sowohl das Erkunden feindlicher Festungen und Stellungen als auch das Angeben von Marschrouten, Flussübergänge, generelle militärische Lagerkunst sowie die eigentliche »Feld-Arbeit«, also das Errichten von Feldschanzen. Was bei Tielke deutlich wird, ist der Bezug zu denselben kritischen Diskussionen zur regulären Befestigungskunst, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts auch im Bereich der praktischen Fortifikation geführt wurden und die zu einer neuen Betonung der irregulären Befestigung führten. Die »Entwürfe auf dem Reißbrette« anderer Ingenieure würden den Anforderungen der Feldbefestigung nicht gerecht; denn dort müsse man sich »nicht so […] an die Gleichförmigkeit (Regularité)« halten, sondern sich nach der »Beschaffenheit der Gegend und andern Nebenumständen richten«.223 Damit verortet Tielke die Feldbefestigung gerade durch seine besondere Betonung der Topografie der »Gegend« als eine Kritik und Veränderung der klassischen Befestigungskunst. Die Prinzipien der Naturnutzung erinnern an die Standorteinschätzungen von Festungen, werden aber auf die taktischen Anforderungen einer Feldarmee übertragen. Bemerkenswert ist die detaillierte Beschreibung naturaler Faktoren, die stellenweise sogar die Auswirkungen militärischer Gewalt auf die Natur sowie die Wirkung der Natur auf die Soldaten berücksichtigt. Wälder beispielsweise hält Tielke generell für eine schlechte Möglichkeit der Absicherung einer Armee: Neben der Sichtbehinderung durch Bäume beschreibt er als einer der wenigen Autoren dezidiert die Wirkung eines Feuergefechtes auf den Wald und sogar die Auswirkung dieses Terrains auf die Moral der eigenen Truppen: »Hierzu kömmt noch, daß der verdoppelte Wiederhall des Waldes, das Krachen und Prasseln der

—————— 222 Vgl. Marcus von Salisch, Johann Gottlob Tielke (1731–1787). Leben und Werk. Eine Skizze, in: Ders. (Hrsg.), Johann Gottlob Tielke, Unterricht für die Officiers, die sich zu FeldIngenieurs bilden, oder doch den Feldzügen mit Nutzen beywohnen wollen. Reprint der Handschrift von 1769 (Potsdamer Reprints, Bd. 1), Potsdam 2010, S. 17–32. 223 Ebd., S. 123.

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Bäume, und die herumfliegenden Aeste und Splitter dem gemeinen Mann die Gefahr vergrößern, und den Muth benehmen.«224 Demgegenüber seien Flüsse, Seen, Moräste, aber auch selbst angelegte Überschwemmungen gute »Bedeckungen«, da sie räumlich als Grenze dienten, ohne die Sicht zu behindern, wie er explizit schreibt: »Flüsse, besonders wenn man nicht durch selbige waten kann, und große Seen und Moräste, wie auch Ueberschwemmungen, (Inondations) sind am vorzüglichsten, die Seiten zu bedecken [...]. Sie brauchen keine Vertheidigung, und verbergen auch nicht, wie Wald und Anhöhen, die Bewegung des Feindes…«.225

Zudem mache es die Indienstnahme der Natur möglich, auf diese Weise die eigenen Truppen zu schonen und ganz praktisch gesehen militärische Stärke einzusparen: Wo eine Überschwemmung ein Gebiet unpassierbar gemacht habe, seien keine weiteren Soldaten zur Absicherung mehr erforderlich.226 An seinen Ausführungen zu diesem Themengebiet lässt sich deutlich die Übertragung klassischen fortifikatorischen Wissens auf Transformation der Umwelt einer Armee feststellen. Ausgesprochen detailliert widmet er sich beispielsweise der Verfertigung der Dämme. So reiche bei einem träge fließenden Fluss ein Damm aus gestampfter Erde oft aus und sei die beste Wahl für kurzfristige Arbeiten unter Zeitdruck. Mit »Rasen« sowie »Weidenruthen« könne ein solcher Damm weiter verkleidet und in seiner Struktur verstärkt werden; die »allerbesten und dauerhaftesten Dämme« seien »von Flechtwerk gemacht, welches sogar der Eißfahrt widerstehet«, und auch mit Faschinen, Bündeln aus Reisig, lasse sich ein widerstandsfähiger Damm errichten. 227 Damit ähneln diese Anweisungen zum Anfertigen von Dämmen stark den Anweisungen zum Errichten von Wallanlagen – ein Zusammenfließen von fortifikatorischem und wasserbaulichem Wissen, das Tielke explizit selbst thematisiert. Mit der Nutzung von gestochenen

—————— 224 Ebd., S. 90. Der in braunschweig-wolfenbüttelschen Diensten stehende Soldat Johann Heinrich Ludwig Grotehenn schildert eine ebensolche Problematik in einem seiner Briefe: Als er während der Schlacht von Hastenbeck am 25. Juli 1757 in einem Waldstück unter Beschuss geriet, wurden »äste so mit dem großen kugeln von dem (sic!) bäumen geschoßen« zu gefährlichen Trümmerstücken; ganze Bäume wurden durch den feindlichen Kanonenbeschuss »zerspalten«. Vgl. Johann Heinrich Ludewig Grotehenn, Briefe aus dem Siebenjährigen Krieg, Lebensbeschreibung und Tagebuch, hrsg. und komm. von Marian Füssel und Sven Petersen, Potsdam 2012, S. 39. 225 Ebd. 226 Ebd. 227 Ebd., S. 271–277.

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Rasensoden würden »auch die Brustwehren der Festungen gemacht«,228 und mit Faschinen können Dämme »wie bey denen Feldschanzen«229 errichtet werden. Beide Bereiche teilen sich explizit dieselben Materialien und praktischen Verfahren.230 Diese Überschneidung von militärischem Ingenieurwesen und zivilem Wasserbau ist öfter zu beobachten und lässt sich sogar in den Karrieren mancher Offiziere nachverfolgen. Der in dänischen Diensten stehende Ingenieuroffizier Claus Hinrich Christensen beispielsweise wurde aufgrund seiner hydrologischen Kenntnisse im Jahr 1800 Deichinspektor in Holstein, blieb aber mit kurzer Unterbrechung Teil des dänischen Ingenieurkorps und sorgte 1803 für die Instandsetzung der Befestigungsanlagen der Festung Glückstadt. Die Personalunion als Militär- und Wasserbauingenieur war im Falle Glückstadts anscheinend vorteilhaft, da die Elbdeiche der Stadt zugleich als Festungswälle genutzt wurden.231 Der zivile Wasserbau als Abwehr von Fluten und der militärische Befestigungsbau als Abwehr des Krieges lagen also auch personell und institutionell noch am Ende des 18. Jahrhunderts nah beieinander. Dies verweist auf die praktische Nähe beider Wissensbereiche, die in den Ideen zur Transformation der naturalen Umwelt der Feldingenieure besonders greifbar ist. Die Beispiele aus der Militärtheorie zeigen, wie die Logik der Etablierung eines »befestigten Raumes« unter Ausnutzung und Veränderung der naturalen Umwelt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auf mehreren Ebenen auf die Kriegführung übertragen wurde. Das Bild der Festung diente als Chiffre für die Beschreibung von besonders gut in ihrem Gelände platzierten Armeen und beschrieb ein Ideal taktischer Naturnutzung. In der Feldbefestigung wurde wiederum aktiv das Wissen der Fortifikationskunst auf die Veränderung der Umgebung von Armeen übertragen und etablierte ein Wissensfeld, in dem die taktische Umwelt der mobilen Armee mit der taktischen Umwelt einer Festung verschmolz. Krieg wurde so als Stellungskrieg gedacht, in dem die Natur transformiert und ein durchorganisiertes Schlachtfeld geschaffen werden sollte. Die Einbindung der natura-

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228 Ebd., S. 273. 229 Ebd., S. 274. 230 Vgl. zu Tielkes Verschanzungsratschlägen auch Heinz Musall, Die Feldzüge der französischen Armee am Oberrhein in den Jahren 1734 und 1735 während des polnischen Thronfolgekrieges. Kriegführung und Militärkartographie am Oberrhein zu Beginn des 18. Jahrhunderts, KarlsruheDurlach 2013, S. 90–92. 231 Vgl. Jörg Meiners, Claus Hinrich Christensen (1768–1841). Festungen, Deiche und Schleusen in Schleswig-Holstein und Dänemark, Heide in Holstein 1995, S. 37–56; S. 77–79.

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len Umwelt als zentrale Herausforderung der militärischen Taktik, die sich im allgemeinen militärtheoretischen Diskurs etablierte, schlug sich also nicht nur in besonders ausdifferenzierten Beschreibungen von sozionaturalen Schauplätzen nieder. Sie etablierte sich auch in Form eines Wissens, das die Formung und Beherrschung von Natur vor Ort praktisch ermöglichen sollte.

2.4.2 Gefährliches Terrain. Die wilde Natur und der »Kleine Krieg« Gegenüber dieser Anwendung fortifikatorischen Wissens auf die Umgebung von Armeen trat zur selben Zeit ein Wissensbereich auf, in dem eine andere Raumkonzeption und eine andere Nutzung der naturalen Umwelt vorherrschte. Der »Kleine Krieg« unterschied sich graduell sowohl in den beschriebenen Raumpraktiken, als auch in den Raumkonzepten der naturalen Umwelt von dem bislang herausgearbeiteten Diskurs. Orte, die sich vor allem durch ihre Uneinsehbarkeit auszeichneten und die deshalb von großen Armeen gemieden werden sollten, waren gerade für die leichten Truppen das wichtigste Einsatzgebiet. Die Definition eines taktisch »vorteilhaften« Geländes und eines »gefährlichen« Terrains kehrte sich um. Die naturale Umwelt spielte aus taktischer Perspektive für den Partisanenkrieg eine Hauptrolle: Als Rückzugsort und Versteck. Zugleich waren die uneinsehbaren, gefährlichen Orte assoziiert mit einer spezifischen Form der Gewalt. Die Wälder und unwegsamen Gebiete wurden zum Bestandteil des Hinterhaltes und des verdeckten Tötens. Diese eigene Topografie des »kleinen Krieges« war daher gewissermaßen komplementär zu den taktischen Räumen der regulären Militärtheorie, betonte aber ebenso wie diese die taktische Bedeutung von Natur. Mit der Etablierung des »kleinen Krieges« als Element des kodifizierten militärischen Wissens wurde das Aufgabengebiet der sogenannten leichten Truppen zum Teil der Militärtheorie.232 Die Erfolge der Österreichischen leichten Truppen im österreichischen Erbfolgekrieg waren es, die besonders auf französischer Seite erste Publikationen zum »kleinen Krieg« her-

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232 Zum durchaus fließenden Begriff der »leichten Truppen« und der Definition des »Kleinen Krieges« vgl. auch Martin Rink, Vom »Partheygänger« zum Partisanen. Die Konzeption des kleinen Krieges in Preußen 1740–1813 (Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 851), Frankfurt a. M. u. a. 1999, S. 79–93.

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vorriefen.233 Das erste gedruckte Traktat des 18. Jahrhunderts, das sich explizit mit der Perspektive des »kleinen Krieges« befasste, stammte von einem französischen Anführer einer Husarenkompanie namens de la Croix, der zuletzt den Rang eines »Marechal de Camp« innehatte und der nach eigenen Angaben nahezu 50 Jahre in Diensten der französischen Armee stand. Es erschien 1752 unter dem Titel Traité de la petite guerre pour les compagnies Franches, wie der Autor in seinem Vorwort schreibt als eine Art Leitfaden für junge Offiziere. 234 Wenige Jahre später folgte bereits ein weiteres Traktat von dem französischen Capitaine der Kavallerie, Thomas Auguste le Roy de Grandmaison, der in einem Korps von Freiwilligentruppen aus Flandern diente und der auch unter de la Croix gekämpft hatte.235 Als Beispiel dafür, wie wichtig Kenntnisse der Topografie für Ingenieure und leichte Truppen gleichermaßen waren, reicht ein Blick auf die Vita des zu Beginn des Kapitels angeführten österreichischen Offiziers Ludwig Michael von Jeney. Zur Zeit des Bayerischen Erbfolgekrieges war er Teil des österreichischen Generalquartiermeisterstabes und verfasste in dieser Funktion eine Relation zur Verteidigung des böhmischen Grenzgebietes. 1759 veröffentlichte er ein Traktat über den »Kleinen Krieg«, den er zu Beginn seiner militärischen Laufbahn aus der Perspektive eines Husaren miterlebt hatte. 236 Von Jeney stammte ursprünglich aus Siebenbürgen und begann seine militärische Karriere auf Seiten der Habsburger als Husar in den Türkenkriegen 1737 bis 1739. Ab 1754 stand er als Ingenieurkartograf in französischen Diensten und war an der Vermessung der Grenzregion des Rheins zu Beginn des Siebenjährigen Krieges beteiligt, bevor er 1758 auf die Seite der Preußen wechselte; zur selben Zeit erschien sein militärtheoretisches Traktat Le Partisan, in dem er sich vor allem mit der Theorie des »Kleinen Krieges« aus Sicht der leichten Reiterei befasste. Seine kartogra-

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233 Ebd., S. 10. Zuvor hatte der österreichische Hofkriegsrat Giorgio Basta 1612 ein Traktat über die leichte Reiterei publiziert, und eine ungedruckte Abhandlung Folards mit dem Titel »De la Guerre des partisans« existierte ebenfalls vorher. Vgl. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 2710–2711. 234 De la Croix, Traité de la petite guerre pour les compagnies Franches, Paris 1752, S. 2. Vgl. zu den französischen Autoren sowie ihrer Herkunft auch Sandrine Picaud-Monnerat, La Petite Guerre Au XVIIIe Siècle, Paris 2010, S. 153–204. 235 Grandmaison, La petite Guerre. Vgl. Rink, Konzeption des kleinen Krieges, S. 82. 236 Ludwig Michael von Jeney, Le Partisan ou l’Art de faire la Petite-Guerre avec Succès, Den Haag 1759; vgl. Annamária Jankó, An Outstanding Person of the 1st Military Survey: Mihály Lajos Jeney, in: Z. László, G. János, T. Zsolt (Hrsg.), Studia Cartologica 13. Papers in Honour of the 65th Birthday of Prof. István Klinghammer, Budapest 2006, S. 201–207.

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phischen Kenntnisse führten ab 1768 zur Anstellung als Major im österreichischen Generalquartiermeisterstab. Im Bayerischen Erbfolgekrieg stand er im Rang eines Obristleutnants. 237 Diese Dominanz von Autoren der leichten Kavallerie wurde erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch zwei wenig bekannte Autoren durchbrochen, die als Offiziere der leichten Infanterie schrieben. Der österreichische Unterlieutenant Siegmund von Boch publizierte 1779 direkt nach dem Bayerischen Erbfolgekrieg sein Traktat Der Feldjägerdienst, in dem er explizit auf seine eigenen Erfahrungen als junger »angehender Officier«238 der leichten Infanterie einging; der in Hessen-Kasselischen Diensten stehende Johann Ewald schließlich war ein Infanteriehauptmann, der nach eigener Aussage als Offizier der »leichten Truppen« im Siebenjährigen Krieg und im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatte und der seine Abhandlung über den kleinen Krieg 1785 publizierte.239 Sämtliche Autoren identifizieren zwei Aufgaben als wesentliche Beschäftigung der leichten Truppen: das Einholen von Informationen – Ewa Anklam nannte sie daher in Anlehnung an zeitgenössische Beschreibungen auch die »Fackeln des Feldherren«240 – sowie das Stören von gegnerischen Operationen. Beide Aufgaben waren untrennbar damit verbunden, in der restlichen Militärtheorie als »unsicher« kategorisierte Orte zu erkunden und zu nutzen. Mehrmals wurde zwar auch von Autoren des »kleinen Krieges« darauf hingewiesen, dass Wälder und unzugängliches Gelände gefährlich seien – dort sei aber genau der Einsatzort der leichten Truppen, die solche unsicheren Orte für die Hauptarmee sichern sollten. Jeney beispielsweise weist darauf hin, dass jedes unzugängliche Terrain, wie »Wälder« oder »Gräben«, zunächst durch die leichten Truppen ausgekundschaftet werden sollte.241 Somit nehmen sie die Rolle der Spezialisten für besonders unzugängliche Topografie ein. Darüber hinaus aber war diese besonders »wilde«, unzugängliche Natur auch besonders mit der »wilden« militärischen Gewalt des »kleinen Krieges« verknüpft. Jeney schreibt ein eigenes Kapitel über »Des Embuscades«, wo er den »Hinterhalt« als »jeden durch Kunst oder die Natur bedeckten Ort […], in dem sich eine Truppe verbergen kann, um den Feind zu über-

—————— 237 Vgl. Jankó, Mihály Lajos Jeney, S. 201–207. 238 Siegmund von Boch, Der Feldjägerdienst, Wien 1779. 239 Johann von Ewald, Abhandlungen über den kleinen Krieg, Kassel 1785. 240 Anklam, Wissen, S. 129. 241 Jeney, Le Partisan, S. 43; vgl. auch Grandmaison, La petite Guerre, S. 252.

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raschen«242 bezeichnet. In der Folge schreibt auch er vor allem von Wäldern,243 aber auch Kornfelder in einem eher offenen Land zählt er als mögliche Verstecke.244 Ein anderer französischer Autor, de Vernier, der nach eigenen Angaben Obristwachtmeister eines französischen Husarenregimentes im Österreichischen Erbfolgekrieg war, leitet das französische Wort »embuscade« und das spanische »Embosques« von »bois« für »Wald« ab, so stark scheint dieser Operationsraum für ihn mit der Kriegslist verbunden.245 Der Infanteriehauptmann Ewald identifiziert »die verdeckte Gegend« als bestes Gebiet für Jäger, wo diese »den Feind in Flanken und Rücken zu fallen suchen.246 Auch das Gebirge spricht er als hervorragendes Operationsgebiet an, warnt jedoch, dass sich dieses Terrain auch gegen die leichten Truppen wenden könne: »Hat man das Glück den Feind bey solcher Gelegenheit in einer durchschnittenen, gebürgigten oder waldigten Gegend zu schlagen, so kann man nicht behutsam genug im Verfolgen seyn [...]. Denn da man in solcher Gegend nicht weit vor sich sehen kann; so kann man leicht in einen Hinterhalt fallen.«247

In diesem Kontext wurde die Praktik der militärischen Tarnung angesprochen, ein Thema, das ansonsten im militärtheoretischen Wissen praktisch keine Rolle spielte. Wie Jürgen Luh betont hat, erscheinen dem modernen Betrachter die farbigen Uniformen des Militärs der Frühen Neuzeit besonders unter dem Gesichtspunkt der optischen Anpassung an die Natur ineffizient; dabei zitiert er auch Überlegungen aus den Rêveries Moritz von Sachsens, Soldatenuniformen mit gedeckten Farben herzustellen, die allerdings im Ancien Régime für reguläre Truppen nie umgesetzt wurden. 248 Im Kontext des »kleinen Krieges« allerdings findet sich beispielsweise bei Jeney der Hinweis, aufgestellte Wachen sollten ihren Körper mit einem »grauen oder grünen Mantel, nach der Farbe des Terrains«249 bedecken. Boch, der sich zu Beginn seines Werkes auch mit der nötigen Ausbildung

—————— 242 »tout endroit couvert par l’Art ou la Nature […] dans lequel une Troupe se cache, pour surprendre l’Ennemi«, Jeney, Le Partisan, S. 100. 243 Ebd., S. 112. 244 Ebd., S. 121. 245 Vernier, Militarische Anweisung für leichte Truppen, Basel 1773, S. 53. 246 Dies habe er »besonders in der Affäre von Williamsburg in Virginien gesehen« – ein seltener Fall, dass ein militärtheoretischer Autor Erfahrungen aus den Kriegen außerhalb Europas einfließen ließ. Ewald, Abhandlung, S. 39. 247 Ebd., S. 40. 248 Vgl. Luh, Kriegskunst, S. 178–180. 249 Jeney, Le Partisan, S. 120.

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der »Feldjäger« befasst, schreibt, es sei »nöthig die Leute zu unterrichten, wie sie sich in einem Gebüsche, Wald, Hohlenwegen, hinter Hecken verdeckt halten«.250 Zusammen mit seiner Forderung, die Soldaten auch »in geschwindem Laufen« und dem »Uebersetzen der Graben«251 zu schulen, muten seine Ausführungen fast schon an wie Ratschläge zur Ausbildung eines Infanteristen einer modernen Armee. 252 Die Natur wurde hier auf einer anderen Ebene für taktische Belange eingespannt und zu einer Waffe gemacht: Statt der Herstellung optischer Kontrolle über die Umgebung wird für diese Form des Partisanenkampfes das taktische Nutzen von Natur zu einem Spiel mit der Unsichtbarkeit, in dem die genaue Kenntnis der naturalen Umwelt von entscheidender Bedeutung war. Mit dem Nutzen unwegsamer und uneinsehbarer Gegenden sowie der Kriegführung aus dem Verborgenen heraus, die letztlich die militärische Raumlogik regulärer Truppen dieser Zeit umkehrte, war auch ein Diskurs über die Regelwidrigkeit dieser Kriegsgewalt verbunden. Besonders die leichte Infanterie in Form von Jägern war davon betroffen, machte es ihre Bewaffnung mit Büchsen doch potenziell möglich, zielgerichteter zu feuern.253 Boch unterscheidet das Feuern der »Feldjäger« von dem massenhaften, aber letztlich ungezielten »pelotonsweise donnern lassen« der regulären Infanterie und stellt diesem das genaue Zielen auf individuelle Menschen entgegen: »Man läßt jeden Jäger für sich, sobald er seinen Gegner gut gefasset hat, loßfeuern.«254 Die Verbindung des verdeckten Kampfes und des gezielten Schießens brachte der leichten Infanterie den Vorwurf der »Heimtücke« ein: Die Möglichkeit des gezielten Tötens von Offizieren erwies sich in der ständischen Gesellschaft als mögliche Destabilisierung der sozialen Ordnung.255 Gegenüber diesem Verdacht sieht Boch sich in seinem Werk mehrmals zur Rechtfertigung gezwungen: Es gehe nicht darum, »dem Feinde Menschen zu tödten«.256 Noch stärker ist die Formulierung, die »Menschen wie das Wild«257 zu schießen, die durch die Übertragung des Bildes der Jagd auffällt. Der Wald, in dem normalerweise die

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250 Boch, Der Feldjägerdienst, S. 24. 251 Ebd. 252 Vgl. zu dieser Verbindung von unzugänglichem Terrain, der Jagd als Betätigungsfeld und der Entwicklung der militärischen Ausbildung auch Govaerts, Mosasaurs, S. 61–63. 253 Vgl. Luh, Kriegskunst, S. 147. 254 Boch, Der Feldjägerdienst, S. 35. 255 Vgl. Luh, Kriegskunst, S. 149. 256 Boch, Der Feldjägerdienst, S. 6. 257 Ebd., S. 13.

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(höfische) Jagd stattfindet, wird in dieser Kritik zum Schauplatz einer ins Negative verkehrten Menschenjagd. Gegen diese als ehrlos und nicht regelkonform kodierte Gewalt stellt Boch zur Verteidigung der leichten Truppen die Argumentation, dass diese lediglich dazu eingesetzt würden, ein unwegsames Terrain unter Kontrolle zu bringen, was der eigentliche Zweck sei: Es gehe darum, in »Gegenden, die mit Wäldern bedeckt sind, gewiße Posten mit Schützen besser, als mit Musquetieren erobern, und vertheidigen zu können…«.258 Boch verweist auf eine taktische Expertise beim Umgang mit der naturalen Umwelt, die er bei den leichten Truppen verortet: Sie sind die Spezialisten für alle unwegsamen Gebiete und zugleich für die Nutzung der Natur als Möglichkeit, die eigenen Bewegungen und Absichten zu verbergen. Die Ingenieure der Feldbefestigung waren demgegenüber die Spezialisten für die Anpassung der Natur an die taktischen Erfordernisse der Armee. Beide Handlungsfelder, die sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Militärtheorie etablierten, bezogen sich im Kern auf den taktischen Umgang mit der naturalen Umwelt und sind Beispiele dafür, wie ihre Nutzung und Kontrolle am Ende des 18. Jahrhunderts zu einem zentralen Element des militärischen Wissens geworden war, das in der Militärtheorie artikuliert wurde.

2.5 Nutzen, kontrollieren, ausblenden. Zwischenfazit Was zeichnete also den taktischen Diskurs über die Nutzung von Natur in der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts aus? Eine basale Erkenntnis ist, dass vormoderne Armeen auf der taktischen Ebene Rücksicht auf die naturalen Umwelten nahmen, in denen sie operierten. Das Terrain formte militärisches Handeln mit; in der Militärtheorie wurden Operationen stets von der Beschaffenheit des Landes abhängig gemacht, und die taktische Einschätzung naturaler Entitäten war ein selbstverständlicher Teil des in den Traktaten vermittelten Wissens. Darüber hinaus aber zeigt sich, dass vormodernen Armeen trotz ihres im Vergleich zu modernen Armeen geringeren Zerstörungspotenzials ein gewisser Einfluss auf die naturale Umwelt zugeschrieben wurde. Sei es das Abschlagen von Wäldern, um ein

—————— 258 Ebd., S. 6.

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Lager gegen Überfälle abzusichern, das Errichten von Festungen und das damit einhergehende Einebnen des Umlandes, oder das Anlegen von künstlichen Überschwemmungen, wie sie die Feldbefestigung des 18. Jahrhunderts beschrieb – ein eklatanter Teil des militärischen Wissens und militärischer Praktiken zielte auf die Beeinflussung und Formung der naturalen Umwelt ab. Neben dieser grundlegenden Feststellung aber ist deutlich geworden, dass in diesem taktischen Diskurs der Naturnutzung die Idee eines kontrollierten Krieges verankert war. Die militärtheoretische »Rationalisierung« des Krieges zeigte sich gerade im taktischen Bereich nicht durch eine auf geometrische Formen reduzierte Perspektive auf das »Terrain«, die erst mit dem Aufkommen eines »Bewegungskrieges« von einer »topografischen« Sichtweise abgelöst wurde. Die Beschreibungen militärischer Raumpraktiken, wie dem Marschieren, Lagern, aber auch dem Festungsbau, zeigen eine anders gelagerte Logik und damit eine andere taktische Perspektive auf die naturale Umwelt. Dominierten zunächst vor allem Einteilungen eines Landes in Raumkategorien wie »eng« oder »weit«, an denen sich Axiome der Truppenauswahl sowie Handlungsanweisungen anschlossen, war es gerade der Einfluss des Festungsbaus und der Belagerungskriegführung, der trotz seiner Nähe zu Mathematik und Geometrie topografische Faktoren immer stärker zum Gegenstand des Diskurses machte. So mochte der Fokus auf reguläre Festungsgrundrisse eine Sichtweise nahelegen, die naturale Entitäten ausblendete; die konkreten Standortempfehlungen in der fortifikatorischen Literatur sowie aufkommende Kritik am Ideal einer regulären Befestigungsweise aber zeigen demgegenüber ein anderes Wissen um die taktische Nutzung und Einbindung lokaler Faktoren. Dieses war hochgradig produktiv und hatte die Formung eines »befestigten Raumes« durch das Zusammenspiel von »künstlicher« und »natürlicher« Befestigung zum Ziel. Darüber hinaus veränderte sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Konzeption von Natur als Faktor militärischer Taktik. Während die beschriebenen militärischen Praktiken, wie das Lagern unter Rücksichtnahme auf Flüsse oder Anhöhen, sich in ihrer grundsätzlichen Form kaum veränderten, wandelte sich ihre diskursive Einbettung. Die Betonung der Wirkmächtigkeit kleinster topografischer Details zeigte einen ausgeprägten Versuch der Kontrolle von Natur, sowohl physisch in Form der verstärkten Transformation von Umgebungen, als auch diskursiv in Form von immer breiteren Beschreibungen von naturalen Entitäten. Die taktische

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Einschätzung des Geländes wurde darin zu einem Garanten des berechenbaren Krieges, wie es Zeitgenossen mit dem Belagerungskrieg assoziierten. Ein »geometrisch perfekter« Krieg zeichnete sich gerade durch die totale taktische Erfassung naturaler Entitäten aus. Die Kontrolle der Natur bedeutete die Kontrolle des Krieges. Diese Vision einer taktischen Kontrolle der Natur war allerdings ein zweischneidiges Schwert, wurde sie doch stets zusammen mit der Warnung vor ihrer möglichen Unberechenbarkeit geäußert. Die latente Unkontrollierbarkeit und unmöglich abschätzbare Varianz naturaler Entitäten wurde im 18. Jahrhundert immer wieder in der Militärtheorie angesprochen; Einflüsse wie das Wetter, der Stand der Sonne oder der Wind wurden schon früh als kontingent und damit für die Planung militärischer Operationen als zu zufällig aufgefasst. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zeigte sich beispielsweise bei Guiberts pointierter Kritik an einer »topografischen Manie« die Anbahnung eines epistemischen Wandlungsprozesses, der Krieg stärker als Spiel mit Zufall und Risiko beschrieb. Dass naturale Faktoren wie das Wetter, die Beschaffenheit des Bodens oder der Verlauf von Flüssen militärisch relevant waren, wurde in diesem sich formierenden Diskurs nicht abgestritten, allerdings wurden sie aus dem Zentrum des taktischen Wissens an seine Ränder verbannt: Sie waren Erscheinungen, zu denen keine grundsätzlichen Maximen und Regeln gegeben werden konnten, weil sie zu kontingent waren.

3. Natur lesbar machen. Die epistemische Erfassung des Landes

Während es im vorigen Kapitel vor allem um die Natur als taktisch wirkmächtiges Element in der Militärtheorie ging, an dem sich eine immer differenziertere taktische Naturnutzung und -kontrolle ausbildete, stellt sich nun die Frage, auf welche Art und Weise die von Autoren eingeforderte genaue Betrachtung des Terrains angestellt werden sollte. Die Beschaffung dieser Informationen war ebenfalls Thema der theoretischen Traktate. Vor der Etablierung der Luftaufklärung war ihre Einholung vor allem mühsam und riskant. Dies lässt sich anhand zweier Beispiele nachvollziehen, die beide auf verschiedene Art und Weise die Probleme der militärischen Informationsbeschaffung über naturale Elemente darlegen, wie sie Feldherren in der alltäglichen Kriegspraxis immer wieder begegneten. So wurde der Duc de Luxembourg im Vorfeld der Schlacht von Neerwinden 1693 häufig mit der Problematik konfrontiert, Informationen über das vor seiner Armee liegende Land sammeln zu müssen – deren Erlangung trotz seiner unternommenen Anstrengungen oft nicht allein in seiner Hand lag. Beispielsweise berichtete er bei der Verlegung seines Lagers nach Heylesem am 8. Juli von einem öfter auftretenden Ärgernis: »großer Nebel« habe zunächst die Sicht auf das Land stark eingeschränkt und damit den Abmarsch verzögert. Lakonisch bemerkte er, er habe gedacht, »dass es besser sei, wenn man von weitem sehen könnte, was auf uns zu kommt.« 1 Erst ein Marsch auf eine nahe gelegene Anhöhe habe ihn in die Lage versetzt, die Situation besser einschätzen zu können: Dort habe er »einiges Lärmen« aus dem feindlichen Lager vernommen, allerdings ebenfalls sehen können, dass sein Gegner den Positionswechsel nicht verhindern könne. 2

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1 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Nr. 59, Luxembourg an Louis XIV., 9. Juni 1693. 2 Ebd.

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In Luxembourgs Korrespondenz spielte sein eigenes Sehvermögen eine herausgehobene Rolle. In einem Brief vom 19. Juli beschrieb er die Verlegung seines Lagers von Heylesem nach »Walef«, um das dortige Terrain in Augenschein zu nehmen und eine Verbindung zur Armee des Duc de Villeroi sicherzustellen, der die Belagerung der in der Nähe liegenden Festung Huy durchführte. Dabei betonte Luxembourg, er habe besonders die Umgebung der Maas »selbst sehen [voir moy meme]« wollen, da »die Ufer dieses Flusses sehr schwierig« seien.3 Das komplexe Terrain war Argument für seine eigene, persönliche Präsenz vor Ort. Als er wenige Tage später in einem Brief vom 24. Juli die Verlegung seines Lagers von Walef nach Vignamont bei Huy beschrieb, betonte er dies erneut: Er sei selbst aufgebrochen, um das Lager auszuwählen – »dies machte uns nicht wenige Schwierigkeiten wegen der außergewöhnlichen Lage des Landes hier.«4 Das komplizierte Terrain um das Lager Wilhelms von Oranien war auch ein Argument für Luxembourg, um dem König zu empfehlen, eine Karte zu konsultieren, »damit eure Majestät diese Lage kenne«. Allerdings sei diese Karte normalerweise ungenau: Wie Luxembourg bemerkte, verzeichnete sie »die Flüsse überhaupt nicht so, wie sie sind.« Für die Region, um die es Luxembourg ging, sei die Aufzeichnung aber anscheinend genau genug – und offenbar gab es sonst kein Material, mit dem sich der König hätte behelfen können.5 Einige Tage später offenbarte sich in seinem Schreiben vom 27. Juli auch die Anstrengung, die es Luxembourg kostete, die nötigen Informationen über das Land zu erlangen: Aus einem Lager bei Lechy schrieb er, er sei nicht nur ausgeritten, um »das Lager zu betrachten [voir le camp]«, sondern auch um weitere Informationen über das Land und die mögliche Marschrichtung des Feindes einzuholen. Wenige Zeilen später sah sich Luxembourg zu einer Entschuldigung gezwungen: Gern hätte er die Ehre gehabt, dem König schon früher zu schreiben, »aber um Euch die Wahrheit zu sagen, all die Runden die wir gemacht haben um das Lager zu nehmen, und um all die Wege zu sehen, haben uns spät zurückkehren lassen

—————— 3 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Nr. 120, Luxembourg an Louis XIV., 19. Juli 1693. 4 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Nr. 166, Luxembourg an Louis XIV., 24. Juli 1693. 5 Ebd.

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und uns zu einem solchen Punkt erschöpft, dass es für mich unmöglich war, zu schreiben.«6 Im Bayerischen Erbfolgekrieg präsentierten sich den Feldherren dort letztlich ganz ähnliche Probleme, trotz der Tatsache, dass ein Jahrhundert der Verbreitung und Verfeinerung der Kartografie zwischen beiden Beispielen lag. Das unzugängliche Kriegsgebiet in Böhmen war beiden Kriegsparteien nicht gut genug bekannt, um auf Erkundungen vor Ort verzichten zu können: Für den österreichischen Kaiser Joseph II. beschreibt das Tagebuch des österreichischen Generalmajors von Steinbach beispielsweise mehrere Erkundungsritte entlang der Elbe, um das dortige Terrain selbst in Augenschein zu nehmen und auf Basis dieser Beobachtungen mögliche Verschanzungen anzuweisen.7 Lokale Wegweiser wurden ebenfalls genutzt: Ein Rapport des österreichischen Feldmarschallleutnants Wurmser vom 18. August 1778 berichtet beispielsweise davon, dass »die an der Gräntze befindliche Revier Jäger, wie auch einige Dorfs Richter« zum Prinzen von Braunschweig beordert worden seien; für Wurmser war dies ein sicheres Indiz dafür, dass sich die Preußen über »die Gränitz Waldungen erkundigt haben dürffte[n].« 8 Auch am Ende des 18. Jahrhunderts existierten in der kartografischen Erfassung der böhmischen Gebiete »weiße Flecken«, die nun aufgrund des Krieges behoben werden sollten, indem strategisch wichtige Orte nach militärischen Kriterien aufgezeichnet wurden. So findet sich auf österreichischer Seite die auf den 6. November datierte Anweisung an einen Ingenieur und Obristleutnant d’Traux, den Fluss Iser von der »Vereinigung mit der Elbe bis inclus. Simile« aufzunehmen; besonders sollten »beyde Ufers wohl exprimiret«, sowie »die durchgehende Weege, Stiege, Furthen wohl angemerket« werden. Auch die »Tiefe des Wassers« sollte eingezeichnet werden.9 Ganz offensichtlich sollte hier der taktisch wichtige Flussverlauf der Iser, der nun eine Grenze zu den preußischen Verbänden bildete, nach militärischen Bedürfnissen verzeichnet werden.

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6 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1748 (=GR A1 1206): 1693 Flandre Bataille de Nerwinde, Juillet, Nr. 201, Luxembourg an Louis XIV., 27. Juli 1693. 7 AT-OeSta / KA FA AA Akte 783 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, XIII/33. 8 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 779 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, VIII/163g. 9 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 782 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, XI/50.

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Das Erkunden eines Geländes vor Ort war allerdings ebenso fehleranfällig wie falsche oder ungenaue Karten, wie eine hitzige Korrespondenz zwischen Joseph II. und dem kaiserlichen Heerführer Gideon Ernst von Laudon zeigt. Ende Juli 1778 war Laudon ein Missgeschick geschehen: Laut seines Schreibens vom 1. August hatte er aufgrund fehlerhafter Informationen einen Rückzug des Prinzen Heinrich angenommen und daher seine vorteilhafte Position verlassen, dann aber schnell gemerkt, dass sich sein Feind nicht zurückzog, sondern Richtung Prag vorrückte. 10 Nun befinde sich Prinz Heinrich auf dem Weg Richtung Iser – zudem auch noch durch ein Gebiet, das die Österreicher nicht abgesichert hätten. Man habe »auf diese Gegend keine Attention genohmen«, vielmehr habe man es »vor unglaublich angesehen«, dass der Feind durch die dortigen Berge marschieren könne.11 Joseph II. zeigte sich in seiner Antwort schockiert: Unter allen Umständen habe Laudon die Iser zu halten. 12 Ganz offensichtlich sah sich Laudon in dieser Situation genötigt, seine Sicht der Dinge klarzustellen, wollte er doch nicht für einen möglichen Fehlschlag des Feldzuges in Böhmen verantwortlich gemacht werden. In einem zwar noch immer förmlichen, aber ansonsten scharf formulierten Brief vom 3. August schrieb Laudon: »Euer Majestät geruhen sich nur allergnädigst zu erinnern, dass ich diese Folgen lang voraus gesehen, und von da her mir auch die Freyheit genohmen habe, Euer Majestät die allerunterthänigste Vorstellung zu machen, wie es eine pure Unmöglichkeit seyn werde, einen überlegenen Feind alle diese Eingänge in Böhmen zu verbieten.« Außerdem solle sich Joseph daran erinnern, dass auf die Gegend des feindlichen Einfalls, »auf dies gantze Gebürge nie eine Attention getragen, noch solche bey so vielen und so verschiedenen vorgenohmenen Recognoscierungen in Augenschein genohmen worden sind, weil man Euer Majestät immer versichert hat, wie es eine glatte Unmöglichkeit seye, das der Feind von da her eindringen könne«.13

Laudon wies die Schuld für eine mögliche Invasion Böhmens also von sich und verwies auf die fehlenden Informationen und eine folglich falsche

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10 Vgl. Litschel, Der bayerische Erbfolgekrieg 1778/79, S. 24–25. 11 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 799 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Kampagne gegen Preußen, VIII/2. 12 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 799 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Kampagne gegen Preußen, VIII/4. 13 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 799 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Kampagne gegen Preußen, VIII/10.

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Einschätzung des Landes als Ursache. In einem folgenden Schreiben versicherte Joseph Laudon seines vollsten Vertrauens, und dieser machte sich daran, die Iser als Front gegen die preußische Armee zu verteidigen. 14 Beide Beispiele zeigen, dass die militärische Gewinnung von Informationen über naturale Besonderheiten vor allem schwierig, mühselig und fehleranfällig war – aber zugleich von höchster Wichtigkeit. Die taktische Geländekenntnis, wie sie im vorherigen Kapitel diskutiert wurde, aber auch Versorgungsfragen und ganze Feldzugspläne waren ohne Informationen über die naturale Umwelt schlichtweg kaum umzusetzen. Die Kontrolle über den Krieg konnte nur durch genaue Informationen über das Terrain realisiert werden. In den Beispielen wurden drei Wege genutzt, um Informationen über das Land zu erlangen: Das Einholen von Informationen von ortskundigen Wegweisern, das Nutzen von Karten und das Nutzen des eigenen Blickes der Feldherren. Im Folgenden sollen diese Praktiken nicht direkt im Fokus der Untersuchung stehen; Ewa Anklam hat für das Zusammenspiel dieser verschiedenen Informationswege eine wegweisende Studie vorgelegt. 15 Stattdessen wird eine an diese Informationsgewinnung angeschlossene militärtheoretische Diskursebene betrachtet, in der sozionaturale Schauplätze zum Objekt einer möglichst genauen militärischen Informationsgewinnung wurden. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurde das Gewinnen von Informationen über die naturale Umwelt als Thema der Militärtheorie immer wichtiger: Neben die taktische Kontrolle von Natur trat eine epistemische Erfassung der Natur durch Informationsgenese. Diese Informationsgenese stand allerdings in einem diskursiven Spannungsfeld. Zum einen wurden immer genauere Informationen über naturale Elemente gefordert, zum anderen wurden die Praktiken der Informationsgenese im Laufe des 18. Jahrhunderts immer kritischer betrachtet. Dies zeigt sich darin, dass immer öfter die Genauigkeit der über die naturale Umwelt eingeholten Informationen diskutiert wurde. Diese Diskussion lässt sich im Kontext der Entwicklungen in anderen Wissensbereichen sehen: Während auch in anderen Wissenschaften die Bedeutung von Praktiken der Genauigkeit zur Erzeugung von Evidenz und für eine sich herausbildende Vorstellung von Objektivität diskutiert wurde,16 formierte sich

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14 Vgl. Litschel, Der bayerische Erbfolgekrieg 1778/79, S. 26. 15 Vgl. Anklam, Wissen. 16 Zu Genauigkeit als Anspruch und »epistemische Tugend« einer sich herausbildenden Wissenschaftlichkeit vgl. den Überblick bei Brigitte Lohff, Bettina Wahrig, »…über

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in der Militärtheorie im Laufe des 18. Jahrhunderts ein Anspruch auf möglichst genaue Informationen über das Land. Diese Betonung von Genauigkeit verweist darauf, dass die epistemische Erfassung der naturalen Umwelt eine Form der militärischen Kontrollfantasie war, die sich in unterschiedlichen Entwicklungen äußerte: So galt einigen Autoren die immer exaktere und quasi-statistische kartografische Erfassung des Kriegstheaters als Weg zu einer perfekten Kenntnis des Landes, während ein anderer besonders wirkmächtiger Diskursstrang die kontrollierende und erfassende Kraft des Feldherren und seines Augenmaßes in den Fokus stellte. An der epistemischen Erfassung und Kontrolle der Natur wurden somit auch Fragen der epistemischen Erfassung und Kontrolle des Krieges verhandelt. Im Fokus steht in der Folge das Wissen der militärischen Informationsgewinnung. Der Begriff Information wird nicht als Synonym für Wissen genutzt. Den Überlegungen bei Matthias Pohlig folgend wird hier Information in Anlehnung an Peter Burke17 im Gegensatz zu Wissen als spezifischer, kleinteiliger und fragmentierter definiert. Wissen ist im Gegensatz dazu aggregiert und systematisch.18 Zunächst wird die Konjunktur der »Landeskenntnis« als Thema der Militärtheorie nachgezeichnet. Die breite Beschäftigung mit der Informationsbeschaffung war nicht selbstverständlich, sondern wuchs erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts zu einem elementaren Wissensbereich der

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Sekunden lacht man nicht« – über die Folgen der Anwendung von Genauigkeit und Präzision in den Wissenschaften, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 25 (2002), S. 71–79; Markus Krajewski, Genauigkeit. Zur Ausbildung einer epistemischen Tugend im »langen 19. Jahrhundert«, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 39 (2016), S. 211–229; klassisch Norton Wise, Introduction, in: Ders. (Hrsg.), The Values of Precision, Princeton 1995, S. 3–16; zu Präzision durch bildliche Darstellung und Praktiken der Genauigkeit vgl. Matthias Bruhn, Cutting Edges. Präzision in der Form des Bildes, in: Ders., Sara Hillnhütter (Hrsg.), Bilder der Präzision. Praktiken der Verfeinerung in Technik, Kunst und Wissenschaft, Berlin 2018, S. 11–22; K. Lee Chichester, Von Tupfen, Rissen und Fäden. Präzision als verkörperte Praxis in der Frühen Neuzeit, in: Matthias Bruhn, Sara Hillnhütter (Hrsg.), Bilder der Präzision. Praktiken der Verfeinerung in Technik, Kunst und Wissenschaft, Berlin 2018, S. 137–152; David Bitterling, Der absolute Staat und seine Karten. Eine kritische Geschichte der Genauigkeit am Beispiel Frankreichs, in: Christof Dipper, Ute Schneider (Hrsg.), Kartenwelten. Der Raum und seine Repräsentation in der Neuzeit, Darmstadt 2006, S. 94–109. 17 Vgl. Peter Burke, A Social History of Knowledge, Bd. 1: From Gutenberg to Diderot, Cambridge 2000, S. 11. 18 Vgl. Matthias Pohlig, Marlboroughs Geheimnis. Strukturen und Funktionen der Informationsgewinnung im Spanischen Erbfolgekrieg (Externa. Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven, Bd. 10), Köln; Weimar; Wien 2016, S. 34–35.

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Traktate heran. Daraufhin werden in drei Kapiteln die hauptsächlichen Formen der Informationsgewinnung angesprochen – das Nutzen von Wegweisern, die Anfertigung und Nutzung von Karten sowie der Fokus auf das »Augenmaß« des Befehlshabers. Jeder dieser Bereiche unterlag verschiedenen Bewertungen in der Militärtheorie, die sich vor allem mit der zu erwartenden Exaktheit der Informationen über die naturale Umwelt befassten. Es ist dabei auffällig, dass Wegweiser und Karten gleichermaßen einer gewissen Skepsis ausgesetzt waren, sodass das »Sehen mit eigenen Augen« einen Bedeutungsschub erlebte. Zugleich etablierte sich die Hoffnung auf eine Weiterentwicklung der Kartografie, die eine totale statistische Erfassung des Kriegstheaters ermöglichen sollte – letztlich eine totale militärische »Lesbarkeit« des Raumes.

3.1 Die Landeskenntnis als Thema der Militärtheorie Dass die »Landeskenntnis« ein wichtiger Begriff im militärtheoretischen Diskurs war, ist nicht selbstverständlich. Zwar war wahrscheinlich jedem Befehlshaber hinreichend klar, dass ein Mangel an verwertbaren Informationen über die topografische Beschaffenheit des Landes, mögliche Wege oder Gefahren potenziell schwerwiegende Folgen haben konnte. Anklam fasst in ihrer Studie unter der Erlangung der »Landeskenntnis« dementsprechend vor allem politische und ökonomische Belange und geht in Verbindung mit dem Begriff weniger stark auf die eigentliche Topografie ein.19 Doch zeigt sich bei der Betrachtung der Äußerungen dazu in der Militärtheorie ein starker Fokus auf naturale Gegebenheiten. Wie die Betrachtung der Schriften vom frühen 17. bis ins späte 18. Jahrhundert verdeutlicht, gewann die Thematisierung der »Landeskenntnis« erst im Laufe der Zeit ihre herausragende Stellung im militärtheoretischen Diskurs. Diese Entwicklung muss zusammen mit anderen Prozessen gesehen werden, wie beispielsweise mit der vermehrten Thematisierung naturaler Einflüsse in der militärischen Taktik sowie mit der Bestrebung einer »Rationalisierung« des Kriegswesens, aber auch mit der immer größer werdenden Verfügbarkeit von detaillierteren Informationen, wie Landesbeschreibungen oder Karten.20

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19 Vgl. Anklam, Wissen, S. 66. 20 Vgl. dazu auch Kapitel 3.3.

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Die »Kenntnis des Landes« beziehungsweise die »connoissance du pays« wurde im Laufe der Zeit zu einer eigenen Kategorie, die als solche verstärkt als militärische Fähigkeit thematisiert sowie in eigenen Kapiteln beschrieben wurde. Besonders in militärischen Bildungskonzepten, wie sie seit der Mitte des 18. Jahrhunderts durch Autoren wie Ferdinand Friedrich von Nicolai entworfen wurden, nahmen die »Landeskenntnis« sowie ihre Erlangung einen elementaren Platz ein, wie sich an einer veränderten Thematisierung des Wissensgebietes der Geografie zeigt. Die Kenntnis der Länder sollte sich nun auch auf die mathematisch exakte Anfertigung von Karten oder zumindest ein basales Verständnis davon erstrecken, dem ein konkreter militärischer Nutzen zugesprochen wurde. Informationsgewinnung über naturale Eigenarten wurde in der Theorie so zu einer militärischen Hauptaufgabe.

3.1.1 »Connoissance du Pays«. Der Aufstieg eines Themenkomplexes Vom 17. bis ins 18. Jahrhundert lässt sich ein Aufstieg des Themas der Landeskenntnis im militärtheoretischen Diskurs beobachten, der zeigt, dass diesen Informationen ein immer höherer Stellenwert zugesprochen wurde. Dies äußerte sich zum einen in der Bündelung von Aussagen zur Landeskenntnis in eigenen, explizit so bezeichneten Kapiteln, zum anderen in der prominenten Platzierung dieser Kapitel in den Werken von Theoretikern und in ihrem zunehmenden Umfang. In den militärischen Schriften des frühen 17. Jahrhunderts trat ein eigenes Kapitel zur »Landeskenntnis« in dieser Form zunächst nicht auf. Obgleich die meisten Autoren an anderer Stelle stets einige Sätze zur Einholung von Informationen über die topografische Beschaffenheit des Kriegstheaters verloren, ist doch die fehlende Bündelung dieser Aussagen auffällig. Zumeist wurden diese entweder im Kontext von Kapiteln gemacht, die sich mit der Bewegung einer Armee befassten, oder in die Nähe von Versorgungsfragen gerückt. Der französische Feldherr Henri de Rohan widmet in seinem Le Parfaict Capitaine aus dem Jahr 1636 das fünfzehnte Kapitel seines Traité particulier de la Guerre zumindest den »Espions et des Guides«,21 bevor er sich mit der Lebensmittelversorgung von Armeen befasste. Hier schreibt er zwar, die Guides würden einem Feldherren die »cognoisance [sic!] du pays« verschaffen, hält sich aber nicht mit einer

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21 Vgl. Rohan, Le Parfaict Capitaine, S. 326.

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genaueren Definition dieser auf.22 In ganz ähnlicher Art und Weise behandelt auch Montecuccoli dieses Thema: Auch sein Kapitel zu »Wegweisern«23 findet sich im Kontext der »Kriegs-Zurüstungen« zusammen mit anderen kriegswichtigen Ressourcen, geht aber auf die zu erlangende Landekenntnis nicht ein.24 Diese Form der Thematisierung hielt sich bis an das Ende des 17. Jahrhunderts. Autoren, die weitgehend kompilatorisch arbeiteten, wie Böckler oder Gruber, übernahmen Kapitel über »Wegweiser«,25 welche die »Gelegenheit des Landes« berichten,26 oder über »Kundschafften« sowie das »Recognosciren«.27 Dabei wurden sowohl das Einholen von Informationen über Feindbewegungen als auch Informationen über die Beschaffenheit der Topografie behandelt. Zusätzlich aber betrachteten beide die »Landeskenntnis« als Qualität spezifischer Offiziere. Eine Auflistung aller wichtigeren Chargen einer frühneuzeitlichen Armee findet sich in vielen militärtheoretischen Werken des 17. Jahrhunderts. Hier waren es besonders die Chargen des Generalquartiermeisters sowie des »Capitaine des Guides«,28 denen die Kenntnis des Landes zugesprochen wurde.29 Einer der wenigen Autoren des 17. Jahrhunderts, die in ihren Schriften die Kenntnis des Landes herausgehoben als eine der wichtigsten Qualitäten

—————— 22 Ebd., S. 327. 23 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 33. 24 Ebd., S. 33–34. Ein weiteres und früheres Beispiel ist der säschsische Adelige und Gelehrte Johann Wilhelm Neumair von Ramsla (1570–1644?), der neben seinen diversen europäischen Reisebeschreibungen auch mehrere militärische Werke herausgab, die er aus verschiedenen italienischen Kriegsbüchern kompilierte. Er schrieb nahezu nichts über die Landeskenntnis; nur bei der Beschreibung der Märsche von Armeen mahnte er kurz, der Befehlshaber solle hier »ander Leut Bericht / wie auch den Abrissen der Landschafften nicht trawen«, sondern am Besten selbst alles »absehen«. Vgl. Johann Wilhelm Neumair von Ramsla, Erinnerungen und Regeln vom Kriegswesen, Jena 1630, S. 153. 25 Vgl. Gruber, Kriegs-Politica, S. 87. 26 Ebd., S. 91. 27 Böckler, Schola Militaris, S. 425. 28 Vgl. auch Kapitel 3.2. 29 Vgl. beispielsweise Böckler, Schola Militaris, S. 44; Gruber, Kriegs-Politica, S. 91. Die Bandbreite der Informationen, die eingeholt werden und die idealerweise schon vor dem Beginn des Krieges verfügbar sein sollten, war allerdings bereits in diesen Schriften enorm. Böckler beispielsweise führte sowohl »der Inwohner Gelegenheit Natur und Wesen« an als auch die »Fruchtbarkeit« des Bodens, sowie ob ein Land »bergicht oder eben« sei, ob die betreffenden Berge »felsicht« oder »flach von Erden« seien und wie dicht die Vegetation des Landes sei. Auch die Qualität der Wege und die Verfügbarkeit von Trinkwasser spielten eine Rolle. Ebd., S. 270–271; vgl. zu den Ressourcen auch Kapitel 4.

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eines Generals behandelten, war Turenne. Direkt im ersten Kapitel zu den notwendigen Eigenschaften findet sich hier die Notwendigkeit einer »perfekten Kenntnis des Feindeslandes [parfaite connoissance du pays de l’Ennemi]«:30 es sei für einen General notwendig, die Geschichte, die Geografie und Topografie des Landes zu kennen, in dem Krieg geführt werde.31 Bei ihm lässt sich bereits eine gewisse Hervorhebung des Begriffes erkennen. Zu dem Zeitpunkt, als Turennes Memoiren in den Druck gingen, hatte allerdings bereits ein anderer einflussreicher militärischer Autor die »Landeskenntnis« dezidierter hervorgehoben: In seinen Memoiren widmete der Marquis de Feuquières der »connoissance des pais«32 ein eigenes Kapitel. Zusammen mit dieser strukturellen Verankerung des Themas differenziert Feuquières zugleich auch die Bedeutung dieser Landeskenntnis aus. Anstatt als eine Art der Ressource oder als spezielles Talent zu gelten, nimmt die Landeskenntnis bei ihm den Status des »Fundamentes« für sämtliche Operationen des Krieges ein, sei es eine Belagerung, Märsche, Lagerstellungen oder die Sicherstellung der Versorgung.33 Feuquières beschränkt die Landeskenntnis auch nicht auf einzelne Akteure, sondern betont, dass »nicht nur der Fürst und sein Kriegsrat«, sondern sogar »alle diejenigen, die damit beauftragt sind die Vorhaben durchzuführen«34 eine perfekte Landeskenntnis besitzen sollten. In seinen folgenden Beispielen, die die Bedeutung der Landeskenntnis illustrieren, bezieht er sich beispielsweise auf das Jahr 1672, in dem der französische Vorstoß in den Niederlanden durch die großflächige Überflutung des Landes gestoppt wurde: Hier sei es »das Fehlen der exakten Kenntnis des Niveaus des Wassers der Kanäle in Holland« gewesen, welches das Schicksal der Offensive besiegelt habe.35 Die besondere Betonung der Landeskenntnis ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts ist mit der neuen taktischen Aufmerksamkeit gegenüber der naturalen Umwelt, aber auch mit Diskussionen zur epistemischen Grund-

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30 Turenne, Mémoires, S. 3. 31 Ebd., S. 4. 32 Vgl. Feuquières, Memoires, Bd. 2, S. 140. 33 Ebd., S. 140–142. 34 »Ainsi on peut dire, que non seulement le Prince & son Conseil, mais même tous ceux qui sont chargés d’executer ses projets, doivent avoir une connoissance parfaite du pais.« Ebd. 35 »En l’année 1672. le manque de la connoissance exacte des niveaux des eaux des canaux de la Hollande, & de leurs effets, fut cause que l’on perdit le tems de s’approcher d’Amsterdam…«. Ebd., S. 143.

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lage der »Kriegswissenschaft« eng verbunden. Das zeigt beispielsweise eine Schrift des in sächsischen Diensten stehenden Ingenieurs Ludwig Andreas Herlin. Er gehörte zu einer späten Generation von Autoren, die das Werk des sächsischen Ingenieurs Georg Rimpler diskutierten. 36 Herlin verteidigte Rimpler gegen einen Ingenieur namens Adam Cass, der dessen Ideen zuvor in einem Werk aus dem Jahr 1721 angegriffen hatte, weshalb sich ein hitziger Disput zwischen Cass und Herlin entwickelte. 37 Über zehn Jahre nach diesem Disput erschien eine weitere Schrift Herlins, mit dem Titel Das zum Krieg gehörige Augen-Merk, in Ansehung der Vortheile, so man in einer wohl ordinirten Bataille von der Situation des Orts zu gewarten hat.38 Hier versammelt Herlin unterschiedliche Auszüge von Autoren wie Folard, Feuquières oder Quincy, zusammen mit einigen Schriften Rimplers. Erst in seinem umfangreichen Vorwort wird klar, was er damit zu bezwecken sucht: In Verteidigung der Ideen Rimplers gegen einen weiteren Herausforderer, den hallischen Mathematikprofessor Johann Christoph Glaser,39 wollte Herlin anscheinend erneut die Überlegenheit der Rimplerschen Ideen herausstellen. Eines der größten Ärgernisse für Herlin war allerdings Glasers fundamentale Kritik an der Erfahrung als wichtigste Grundlage des Krieges. Daher habe Herlin die von Folard oder Feuquières angezeigte Wichtigkeit der taktischen Rücksichtnahme auf das Terrain mit einigen Auszügen begreiflich machen wollen, um zu betonen, dass dieses »AugenMerck« mindestens so wichtig sei wie die Vernunft selbst. 40 Auch das bereits genannte Kapitel Feuquières’ zur »Landeskenntnis« wurde von Herlin zitiert, wobei er sich auf die von Feuquières zusammengestellten Beispiele konzentrierte.41 So wurde das »Wissen vom Land«, dem Feuquières als eigene Kategorie militärischen Wissens in seinem Werk ein eigenes Kapitel gewidmet hatte, in einem taktisch-theoretischen Kontext erneut aufgerufen und zur Grundlage der Kriegskunst erklärt. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts lässt sich an einigen militärtheoretischen Werken ablesen, dass die »Landeskenntnis« zu einem beherrschenden Themenkomplex des Diskurses über die Kontrolle eines Kriegsschau-

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36 Zu Rimpler vgl. Kapitel 1. 37 Vgl Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1365. Im Jahr 1724 gab Herlin außerdem Herrn George Rimplers sämtliche Schriften von der Fortification heraus. 38 Ludwig Andreas Herlin, Das zum Krieg gehörige Augen-Merk, in Ansehung der Vortheile, so man in einer wohl ordinirten Bataille von der Situation des Orts zu gewarten hat, Dresden 1738. 39 Zu Glaser vgl. Kapitel 1. 40 Herlin, Augen-Merk, Vorwort. 41 Ebd., S. 104.

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platzes geworden war. Dies wirkte sich auf den Aufbau der Traktate selbst aus. Das beste Beispiel dafür ist zweifelsohne bei Turpin de Crissé zu finden. Während andere Autoren zuvor ihre Traktate mit Kapiteln zur generellen Definition des Krieges begannen oder mit den notwendigen Qualitäten eines Befehlshabers, wählt de Crissé ein umfangreiches Kapitel zur Landeskenntnis als Einstieg. An derart exponierter Stelle schreibt er 19 Seiten lang sowohl von verschiedenen Methoden der Erlangung der Landeskenntnis, als auch allgemein von ihrer Wichtigkeit: »Es gibt keinen Plan eines Feldzuges, kein Manöver, dessen Erfolg man garantierten kann, ohne eine exakte Landeskenntnis […]. Die Märsche, die Lager, die Konvois, die Fouragierungen, die Detachements, in einem Wort, die größten Operationen werden ohne Genauigkeit ausgeführt werden, wenn ihnen diese Kenntnis nicht voran geht, oft entscheidet sie die Geschehnisse.«42

Als Basis aller Operationen war es nicht mehr das Nachdenken über das Wesen des Krieges oder die Qualitäten eines Generals, welches das theoretische Reflektieren über den Krieg einleitete. Vielmehr war das Kennen des Landes – im Sinne der Genese umfangreicher Informationen über seine Natur – der Schlüssel geworden, um den Krieg zu verstehen. Dabei gliedert er diese auf in eine generelle Kenntnis, die größere Städte und Dörfer, wichtige Flüsse, Berge oder Wälder umfasste, und eine speziellere Landeskenntis, die auch kleinere regionale Besonderheiten umfasste wie Gräben, Bäche oder Anhöhen. 43 Letztlich war die »Connoissance du pais« auch eine Art Orakel des Krieges, denn sie gebe dem Feldherrn genug Informationen über mögliche feindliche Lagerstellungen oder Marschrouten. 44 Wieder betont de Crissé gegenüber älteren Konzeptionen, dass die Landeskenntnis nicht exklusive Eigenschaft bestimmter Offiziere oder des Befehlshabers selbst sein sollte: Vielmehr sollte jeder Offizier über genaue Informationen über das Land verfügen, um umsetzen zu können, was der General befehle. 45

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42 »Il n’est point de Project de Campagne, il n’est point de manoeuvre dont on puisse garantir le succès, sans une connoissance exacte du pais […], Les Marches, les Camps, les Convois, les Fourrages les Détachemens, en un mot, les plus grandes Opérations seront exécutées sans justesse, si cette connoissance ne la précéde, souvent elle décide des événemens.«, De Crissé, Essai, S. 23–24. 43 Vgl. ebd. 44 Vgl. ebd., S. 27. 45 Vgl. ebd., S. 39.

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Andere Autoren wiesen zur selben Zeit diesem Wissensbereich eine ähnlich hohe Bedeutung zu wie de Crissé. Die »Landeskenntnis« war nun immer wieder mit eigenen Kapiteln in den Traktaten vertreten, in denen stets auf ihre elementare Wichtigkeit für jede Kriegsoperation hingewiesen wurde. Mit dieser Art der Thematisierung zeigt sich die zentrale Position des Themas der Landeskenntnis und der Methoden ihrer Erlangung in der Militärtheorie des 18. Jahrhunderts. Während die »Landeskenntnis« als Begriff und als Themenfeld im 17. Jahrhundert weniger prominent im militärtheoretischen Diskurs war, hatte sich ihre Stellung im 18. Jahrhundert grundlegend gewandelt: Nun war das »Kennen« der Topografie und Natur eines Landes eine zentrale militärische Anforderung, die epistemische Erfassung des Kriegsschauplatzes wurde zur Basis der Kriegswissenschaft. 46

3.1.2 Geografie und Erdbeschreibung in der militärischen Bildung Dass die »Landeskenntnis« und ihre Erlangung im Verlauf des 18. Jahrhunderts immer stärker als wichtiger Gegenstandsbereich des militärischen Wissens gesehen wurden, lässt sich auch an dem Stellenwert ablesen, den dieses Wissen in militärischen Bildungsprogrammen einnahm. Hier lässt sich eine Verschiebung des Themenbereichs der Geografie beziehungsweise der »Erdbeschreibung« nachverfolgen. Aus dem Bereich einer allgemeinen standestypischen Bildung des adeligen Offiziers, der diese Kenntnis der Länder eher als Konversationswissen begriff, wurde sie in den Schriften von Militärtheoretikern der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer »Vorbereitungswissenschaft« des Krieges erhoben: Als systematisch zu erlernendes theoretisches Wissen mit konkretem praktischem Bezug zur Erlangung der Landeskenntnis. Damit war die Bedeutung der Landes-

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46 Der anonyme Autor mit dem Kürzel V. D. S. G. beispielsweise platzierte in seinem Abrégé de la Théorie militaire ebenfalls ein Kapitel zur Landeskenntnis weit am Anfang seines Werkes und betonte ihre absolute Notwendigkeit, sowohl in der Phase der Planung als auch während der Durchführung vor Ort. So war auch hier die Kenntnis des Landes letztlich die Basis für sämtliche Kriegsoperationen, zugleich aber auch der entscheidende Faktor, der einen General auszeichnete: »la connoîssance du terrein régle l’emplacement & la distribution des Troupes le jour d’ine Bataille, […] également la connoîssance d’un pays produit des idées avantageuses qui couronnent les bonnes dispositions du succès le plus brillant. Entre deux Généraux également capables, celui qui connoît mieux le pays, a la supériorité, quoiqu’inférieur en nombre.«, V. D. S. G., Abrégé, S. 28–29.

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kenntnis auch das Argument für eine genauere Ausbildung des Offizierskorps in Geografie. Für den Chevalier de la Vallière, einen Maréchal de Bataille unter Ludwig XIII.,47 der zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges schrieb, waren die wichtigen Qualitäten eines Generals klar: Tapferkeit und Eifer standen bei ihm als Kerntugenden in höchsten Ehren. Andere Kompetenzen waren weniger wichtig: »Die Wissenschaft der Karten und der Geschichte« wurde zusammen mit der »Geschicktheit der Rede« oder einer guten körperlichen Verfassung zwar angesprochen, doch sei dies »nicht absolut nötig.«48 Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts schreibt Feuquières ähnlich über den perfekten General. Vergleicht man dies mit den Qualitäten, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts als notwendig für einen General sowie nun auch den einfachen Offizier erachtet wurden, lässt sich ein deutlicher Wandel feststellen. Nun standen nicht mehr primär moralische Eigenschaften im Fokus von Schriften, die sich mit der Bildung des Offiziers befassten, sondern ganze Systeme der »vorbereitenden Unterweisung«, »Vorbereitungswissenschaften« und eigentlichen »Kriegswissenschaften«, in denen Geografie und »Erdbeschreibung« einen wichtigen Platz einnahmen. 49 Die Geografie war bereits Gegenstand einer adeligen Standeserziehung. Als Teil der ständischen Erziehung gehörte die grundlegende Kenntnis der Länder in Verbindung mit historischem Wissen zur politischen Grundbildung des jungen Adeligen. Sie sollte es ihm ermöglichen, sich in der ständischen Lebenswelt zu orientieren und zu bewegen, ihm aber auch ein solides und standesgemäßes Konversationswissen geben. Zusammen mit einem Kanon an Sprachen, militärischen Wissensbeständen wie dem Festungsbau und körperlichen Fähigkeiten wie dem Tanzen, Fechten und Jagen gehörte die Geschichte in der Verbindung mit einer allgemein gehaltenen Geografie zum Bildungsprogramm der sich im Laufe des 17. Jahr-

—————— 47 Nach Jähns Angaben verstarb de la Vallière bereits 1647 bei der Belagerung der katalonischen Stadt Lérida. Sein Werk Pratique et Maximes de la Guerre erschien 1652 und 1666 unter dem Namen Laon d’Aigremonts, welcher das unvollendete Manuskript unter Zusatz eines eigenen Anhanges veröffentlichte. Unter de Vallières Namen erschien es im Jahr 1671 und wurde bis 1693 immer wieder neu aufgelegt; Charles Sevin de Quincy, Militärhistoriograf Ludwigs XIV. und ebenfalls Militärschriftsteller, bezog sich wiederholt darauf. Vgl. Jähns, Kriegs-Wissenschaften, Bd. 2, S. 1160; Charles Sevin de Quincy, L’Art de la Guerre: ou Instructions sur l’Art Militaire, Den Haag 1728. 48 François de La Vallière, Pratiques et Maximes de la Guerre […]. Avec l’Exercice general & Militaire de l’Infanterie du Sieur D’Aigremont, Ingenieur du Roy, Paris 1671, S. 13–15. 49 Vgl. auch Hohrath, Bildung, S. 45.

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hunderts etablierenden Ritterakademien.50 Der Status der Geografie als Teil der Allgemeinbildung spiegelt sich auch bei Fleming wider, dessen erster Teil des Vollkommenen teutschen Soldaten letztlich Themen behandelt, die dem Adel auch an Ritterakademien näher gebracht werden sollten. Eines seiner Kapitel befasst sich explizit mit der »Geographie« als Teil der ohnehin wichigen »mathematischen Wissenschaften«. Darin rät Fleming dem bildungshungrigen »jungen Herren«, sich um die »physicalische und politische Erkäntniß der Länder und Staaten« zu bemühen: So solle er sich zahlreiche Landkarten, aber auch Reiseberichte und »geographische Bücher« anschaffen und studieren, zudem von »Teutschland« viele »speciale Land-Charten«.51 Außerdem umfasst diese Geografie sowohl religiöse und politische Informationen als auch die wichtigsten Namen von Städten und Flüssen.52 Die Geografie hatte sich im 17. Jahrhundert aus dem Kontext der Kosmograhie gelöst und war zu einem eigenen Wissensgebiet mit gedruckten Handbüchern geworden.53 Weiteren Eingang in die militärische Bildung erhielt die Geografie aber im Zuge der militärischen Bildungsbewegung im 18. Jahrhundert. So wurden vor allem in den entstehenden Militärakademien für Ingenieure in Frankreich angehende Offiziere in Mathematik und Kriegsbaukunst, aber auch in Geografie unterwiesen; 54 als Teil einer systematischen Bildungsvorstellung etablierte sie sich bei Autoren wie Johann Gottlieb Töllner oder Ferdinand Friedrich Nicolai.55 Für Töllner beispielsweise, der in seinem Werk Die Bildung eines zukünftigen vollkommnen Officiers aus dem Jahr 1755 ein erstes Programm für die Offiziersbildung veröffentlichte, war die Geografie als Wissensgebiet des Offiziers bereits ein gesondertes Thema in einem Bildungssystem. Primär behandelt Töllner die »Historie« als ein Wissensgebiet, das dem Offizier einen »vernünftigen Begriff« des Staates verschaffen solle, dem er diene, und damit

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50 Vgl. Conrads, Ritterakademien, S. 67–86; vgl. Michael Sikora, Der Adel in der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2009, S. 106–113; Ronald G. Asch, Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung, Köln; Weimar; Wien 2008, S. 132–151; Hohrath, Bildung, S. 38. 51 Fleming, Soldat, S. 36. 52 Ebd. 53 Vgl. zur Entstehung der Geografie Klaus A. Vogel, Cosmography, in: Katherine Park, Lorraine Daston (Hrsg.), The Cambridge History of Science, Bd. 3: Early Modern Science, Cambridge 2006, S. 469–496. 54 Vgl. Anklam, Wissen, S. 52–53. 55 Vgl. Hohrath, Bildung, S. 45–46.

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verbunden waren auch geografische Kenntnisse.56 Doch auch eine gewisse Fähigkeit zum Lesen und Deuten von Karten sollte entwickelt werden, die bei der Erlangung einer genauen »Landeskenntnis« hilfreich war. Dabei verwies er auf die pädagogischen geographischen Werke Johann Hübners 57 und Anton Friedrich Büschings, der einflussreiche Schriften zu Geschichte, Geografie und Statistik verfasste und damit die sich herausbildende Disziplin der Geografie maßgeblich beeinflusste. 58 Der Lernende solle wissen, »was die auf den Charten befindlichen verschiednen Zeichen und Cirkel zu bedeuten haben, und was die Erdbeschreiber wollen, wenn sie z. B. von der Länge und Breite eines Ortes, vom Clima u. s. w. reden.« 59 Diese Kartenkenntnis umfasste auch die Fähigkeit, »militärische« Karten mit exakten Markierungen des Terrains zu lesen.60 Diese Stellung der Geografie als wissenschaftliche Grundlage zur Erlangung der Landeskenntnis verfestigte sich in den durch Nicolai ausgearbeiteten Bildungsprogrammen zum Ende des 18. Jahrhunders. Als »Vorbereitungswissenschaften« des Krieges werden bei ihm praktische Vorteile dieser theoretischen Wissenschaft betont. Wie üblich hängen Geschichtskunde und Erdbeschreibung unmittelbar zusammen. 61 Die »Erdbeschrei-

—————— 56 Johann Gottlieb Töllner, Die Bildung eines zukünftigen vollkommnen Officiers, Frankfurt a. O. 1755, S. 66–67. 57 Johann Hübner (1668–1731) war seit 1694 Rektor des Merseburger Gymnasiums und zugleich Autor verschiedener geografischer Werke, die geografisches und historisches Wissen in einem populären Format vermittelten. Vgl. Heinrich Kämmel, Art. »Hübner, Johann«, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 13 (1881), S. 267–269. 58 Anton Friedrich Büsching (1724–1793) war ein evangelischer Theologe und Autor verschiedener geografischer Schriften. Ab 1754 war er außerodentlicher Professor für Theologie der Universität Göttingen, später wurde er Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin. Seine »Neue Erdbeschreibung« erschien seit 1754, brachte es bis 1792 auf elf Teile und prägte die deutschsprachige Geografie des 18. Jahrhunderts. Vgl. zu Büschings Leben und Wirken die Biografie von Peter Hoffmann, Anton Friedrich Büsching (1724–1793). Ein Leben im Zeitalter der Aufklärung, Berlin 2000; zu Büsching aus wissenschaftsgeschichtlicher Sicht vgl. Dean W. Bond, Plagiarists, enthusiasts and periodical geography: A. F. Büsching and the making of geographical print culture in the German Enlightenment, c. 1750–1800, in: Transactions of the Institute of British Geographers 42 (2017), H. 1, S. 58–71; Dean W. Bond, Enlightenment geography in the study: A.F. Büsching, J. D. Michaelis and the place of geographical knowledge in the Royal Danish Expedition to Arabia, 1761–1767, in: Journal of Historical Geography 51 (2016), S. 64–75. 59 Ebd., S. 68. 60 Ebd., S. 70. 61 Ebd., S. 105–109. Zur Orientierung für historische Zusammenhänge empfiehlt Nicolai Werke von August Ludwig von Schlözer sowie von Philippe-Auguste d’Arc, vgl. Ludwig August von Schlözer, August Ludwig Schlözers Vorstellung seiner Universal-Historie, 2 Bde.,

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bung« sei von der Geschichte als »unzertrennbar« anzusehen und solle dem »Soldaten« sowohl »aus physischem, oder aus politischem, oder aus mathematischem Gesichtspunkte« 62 nähergebracht werden. Wichtig ist Nicolai hier, dass ohne die »Erdbeschreibung« nicht nur die »Historie« für den Schüler unbegreiflich sei – sondern er »rechnet mit der Zeit in seinen eigenen Entwürfen auf falsche Distanzen, auf schimärische Lagen, auf erdichtete Vortheile des Bodens.«63 Die praktische Anwendung des Wissens im Krieg und zur Erfassung und Beurteilung des Kriegsschauplatzes denkt Nicolai bereits mit. Der Unterricht in der »Erdbeschreibung« war dabei systematisiert und sollte von allgemeinen Kenntnissen der Lage der Länder bis in topografische Details voranschreiten. 64 Als Lehrwerk empfiehlt auch Nicolai ein geografisches Lehrwerk Büschings aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, was ob dessen Popularität nicht verwundern dürfte. 65 Auch die »mathematische Geographie« ist für Nicolai ein Thema. Ähnlich wie Töllner verortet er hier die Kenntnis, Landkarten lesen zu können. Auf diese Weise wird der Unterricht in Geografie zur Basis der militärischen Landeskenntnis erklärt. Nicolai illustriert dies mit einem konkreten Fall: Einem »Reuterofficier«, der »gemeiniglich noch mehr als der von Fußvolke in dem Wahne steht, daß man bey seinem Dienste die Zeuchnungskunst als etwas sehr Entbehrliches ansehen könne«,66 könne trotzdem die Erkundung eines Landstriches aufgetragen werden. »Von der Beschaffenheit einer Gegend, eines Landstriches, von den Wendungen der Wege, die durch solche gehen, von dem Lauf der Flüsse, womit sie durchschnitten sind, von der Beschaffenheit der Ufer und des nächst anstossenden Bodens, von der Figur der Gehölze, die auf solchem stehen, von der Gestalt und dem flachen oder steilen Hang der Berge«67 habe er dann »zuverlässige« und vor allem »genaue Rapports« zu machen; für Nicolai ist eine solche

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Göttingen 1772–1773. Philippe-Auguste de Sainte-Foy d’Arcq, Histoire Générale des Guerres, Paris 1756. 62 Nicolai, Versuch, S. 115. 63 Ebd., S. 116. 64 Ebd., S. 122. 65 Ebd., S. 121. Anton Friedrich Büsching, D. Anton Friderich Büschings Vorbereitung zur gründlichen und nützlichen Kenntniss der geographischen Beschaffenheit und Staatsverfassung der europäischen Reiche und Republiken, Hamburg 1761. 66 Nicolai, Versuch, S. 128. 67 Ebd.

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genaue Beschreibung der Natur und der Topografie nur durch die Kenntnis der Geografie und ihrer Prinzipien adäquat artikulierbar.68 Am Ende des 18. Jahrhunderts war also die Landeskenntnis nicht nur ein festes Themenfeld in militärtheoretischen Traktaten, sondern wurde auch als Argument für eine allgemeine systematische und theoretische Geografieausbildung des Offizierskorps genutzt, wobei direkte Bezüge zu bedeutenden geografischen Werken der Aufklärung hergestellt wurden. Zugleich war die Ausbildung in Geografie Teil eines neuen Bildungsideals des »aufgeklärten« Offiziers. Das Beherrschen der »Zeichenkunst« und des Lesens von Karten als Beherrschung der Topografie wurde zu einem Ausweis militärischer Gelehrsamkeit, die sich an der Genauigkeit der Repräsentation naturaler Faktoren maß.

3.2 Die Augen der Anderen. Guides als problematische Informationsquelle Trotz aller Betonung der theoretischen Geografie in den Bildungsprogrammen erfreute sich das Konsultieren von Wegweisern noch lange großer Beliebtheit. Die militärische »Nahaufklärung« war ein wichtiger Bestandteil frühneuzeitlicher Kriege bis ans Ende des 18. Jahrhunderts.69 Die Befragung von Wegweisern ergänzte die im Vorfeld verfügbaren Informationen über das Land durch lokale Spezifika. Ewa Anklam hat die Bedeutung von »local knowledge« bereits für den Siebenjährigen Krieg eindrucksvoll herausgestellt.70 Die aktive Erlangung dieses lokalen Wissens und seine durchgehende Bedeutung spiegelt sich zwar auch im militärtheoretischen Diskurs wider; die Praktik des Befragens von Wegweisern war weit verbreitet. Trotzdem veränderte sich die Bedeutung der Befragung von ortskundigen Lokalen im militärtheoretischen Diskurs. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts mehrten sich kritische Stimmen gegenüber den rekrutierten Guides. Zentral war hierbei eine sich herausbildende Differenz zwischen der »ländlichen« Umweltwahrnehmung der »einfachen Leute« einerseits und der militärischen Umweltwahrnehmung der Feldherren und Offiziere andererseits. Anhand

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68 Ebd., S. 128–129. 69 Pohlig, Geheimnis, S. 142. 70 Vgl. Anklam, Wissen, S. 164–175.

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der graduellen Veränderung der Beschreibung und Bewertung dieser Praktik lässt sich beispielhaft die verstärkte epistemische Erfassung der naturalen Umwelt anhand von Maßstäben einer »militärischen Exaktheit« greifbar machen, die von anderen Formen der Naturwahrnehmung und Landnutzung abgegrenzt wurde.

3.2.1 »Die Augen im Körper eines großen Tieres«. Guides als klassische Informationsressource Die Nutzung von Wegweisern war als militärisches Standardwissen im militärtheoretischen Diskurs präsent. Das Argument dafür ist denkbar einfach nachvollziehbar: Ein »Land« zu kennen, also seine naturale Beschaffenheit und seine Topografie einschätzen zu können, war eine Fähigkeit, die den Bewohnern des Landes zugeschrieben wurde. Anhand von »local knowledge« sollte sich eine Armee orientieren, um sich nicht in unwegsamem Gelände zu verirren oder, schlimmer noch, in nachteiligem Terrain in einen Hinterhalt zu geraten. Doch erstens wurde diese Praktik im Laufe der Zeit immer mehr mit anderen Maßnahmen der Informationsbeschaffung gekoppelt; zweitens spielten bei dieser Art der Informationsbeschaffung Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit der Wegweiser immer eine Rolle. Die Stellung des Befragens von Wegweisern als Teil militärischen Standardwissens zeigt sich bereits darin, dass die meisten Autoren des 17. Jahrhunderts dieser Methode der Informationsgewinnung über »das Land« eine dominante Stellung in ihren Traktaten zuwiesen. Die Kenntnis des Landes wurde in vielen Traktaten des 17. Jahrhunderts vor allem in Kapiteln zu »Wegweisern« verhandelt. Auf diese Art integriert beispielsweise Montecuccoli die Gewinnung der »Landeskenntnis« in sein Werk: In seinem Unterkapitel »Von den Wegweisern« schreibt er, diese seien für die Armee wie »Augen in dem Cörper eines grossen Thieres«.71 Allerdings konnten diese Augen der Armee auch gefährlich werden, wenn sie falsche Informationen lieferten. Daher diskutiert Montecucoli verschiedene Formen der Absicherung: So solle ein kluger Feldherr die Wegweiser »durch Belohnung, Hoffnung und Furcht vor der Strafe« an sich binden, sowie Geiseln nehmen, um im Falle einer Fehlinformation ein Druckmittel

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71 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 33.

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in der Hand zu haben.72 Karten hingegen spielen kaum eine Rolle. Die lokale Landeskenntnis ist bei Montecuccoli die sicherste Informationsquelle. Die Wegweiser waren somit eine Ressource, die aus dem Land selbst gezogen werden sollte, denn die dortigen Anwohner kannten ihr Land am Besten – und ganz besonders die Tücken der dortigen Natur. Dies ist auch bei Autoren nachweisbar, die bereits früh die Bedeutung von Plänen und genauen Karten betonen, wie beispielsweise Wilhelm Dilich. Für ihn sind Wegweiser ebenfalls ein unverzichtbarer Teil der Informationsbeschaffung einer Armee. Dilich verbindet »local knowledge« der Landesbewohner dabei vor allem mit naturalen Faktoren: »Dann weil sie alle Oerter der Gegend / darinnen sie wohnen / gleichsam durchkrochen / so kan durch sie die Armee / dero Gesümpffe / Moraste / und anderer Unbequemlichkeit halber / auch wegen dero engen Gebürge / der dicken und unwegsamen Gehölze / desto besser unterrichtet und geführet werden.«73

Doch auch Dilich betont eine gewisse Vorsicht gegenüber verräterischen Wegweisern: So solle man stets mehrere befragen, weil einem Wegweiser allein nicht zu trauen sei, und zudem müsse sichergestellt werden, dass diese ihr »Maul bey männiglich recht im Zaum zu halten« wüssten.74 Die Figur des »Wegweisers« zeichnet sich also bereits im 17. Jahrhundert durch seine Unverzichtbarkeit einerseits und durch seine angenommene Untreue andererseits aus. Diese schwierige Informationsressource angemessen zu gewinnen und zu verwalten war Aufgabe des »Capitain des Guides«, eine Charge, die auch zu Zeiten des Siebenjährigen Krieges noch üblich war und die zumeist durch einen Ingenieur ausgeübt wurde. 75 Mehrere Autoren des 17. Jahrhunderts widmen dieser Charge eigene Unterkapitel oder stellen zumindest dessen besondere Fähigkeiten heraus. Manesson Mallet beispielsweise schreibt, diese Charge sei einer Person zuzutrauen, die »die Karten und mehrere Sprachen kennt« – sowohl ein grundlegendes Verständnis der Geografie des betreffenden Landes war also vonnöten als auch sprachliche

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72 Ebd., S. 33–34. 73 Dilich, Krieges-Schule, S. 58. 74 Ebd., S. 59. 75 Vgl. Anklam, Wissen, S. 170–171.

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Fähigkeiten. Ihm oblige es, sich mit »einer guten Zahl an treuen Leuten« zu umgeben, um die Armee auf ihren Märschen zu leiten. 76 An dieser Thematisierung änderte sich auch im frühen 18. Jahrhunderts zunächst wenig. Feuquières verortet die »connoissance du pais« besonders bei der Charge des »Capitain des Guides.« An anderer Stelle widmet er den Wegweisern ein eigenes Kapitel und leitet dieses mit der Feststellung ein, dass eine Armee unter keinen Umständen ohne eine »große Anzahl« an Wegführern unterwegs sein sollte. Zudem seien diese anständig zu bezahlen, und dem »Capitain des Guides« sei sogar eine eigene Gruppe an Pferden zuzuteilen, um bei Bedarf mit seinen Wegweisern bestimmte Areale abreiten zu können.77 Etwas mehr als ein Jahrzehnt später weist Fleming in einem eigenen Kapitel zum »Capitain des Guides« ebenfalls darauf hin, dass diese »Wegweiser und Führer bey einer Armee höchst vonnöthen« seien, und wiederholte die Forderung nach der Kenntnis der Landessprache für den Offizier, um diese Quelle von »local knowledge« anzapfen zu können.78 Für den zeitgleich schreibenden Folard gelten die Guides bei gebirgigen Ländern gar als »das beste Mittel, um exakt und sicher von der Natur des Landes informiert zu sein, welches man durchqueren will«:79 Diese ziehe man »durch große Versprechungen« an sich, und auch hier galt die Maxime, dass mehr Wegführer stets eine bessere Informationslage bedeuteten.80 Augenscheinlich war die Nutzung von »local knowledge« bei der Gewinnung von Informationen über das Land vom 17. bis ins 18. Jahrhundert ungebrochen ein Thema des militärtheoretischen Diskurses, obgleich in der Vorstellung von »Guides« oder »Wegweisern« bereits die Warnung vor ihrer möglichen Unsicherheit angelegt war. Die Herkunft der Wegweiser war der schlagende Ausweis ihrer Kompetenz, das unsichere Terrain eines Landes zu kennen – die Topografie und Natur sollten als Gefahrenquelle dadurch neutralisiert werden, dass Einheimische um die unpassierbaren Wälder, die Engpässe oder schwer gangbaren Flüsse wussten.

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76 »La Charge de Capitaine des Guides demande une personne qui sçache Carte & plusieurs langues […] ait toûjours auprés de lui un bon nombre de gens fideles pour conduire l’Armée quand elle marche«, Manesson Mallet, Travaux, Bd. 3, S. 175. 77 Feuquières, Memoires, Bd. 1, S. 221–222. 78 Vgl. Fleming, Soldat, S. 178. 79 »Le meilleur expédient pout être exactement & sûrement informé de la nature du pais que l’on veut traverser, ou dans lequel on est résolu de porter la guerre, est d’attirer à soi sous des grandes promesses quelques personnes du pais«, Folard, Histoire, Bd. 4, S. 85. 80 Ebd.

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3.2.2 Der unwissende Landmann. Subjektive Umweltwahrnehmung als Problemfall Dass Wegweiser eine Armee auch verraten konnten, war stets Teil ihrer Darstellung in der Militärtheorie. Im Laufe des 18. Jahrhunderts aber fingen einige Autoren an, die Fähigkeiten lokal rekrutierter Wegweiser grundsätzlich anzuzweifeln. Militärtheoretiker äußerten ihre Skepsis gegenüber den von Wegweisern zu erlangenden Informationen, betonten stärker deren Unsicherheit und empfahlen Maßnahmen zur genaueren Prüfung. Problematisiert wurde letztlich ihre Wahrnehmung der Natur: Oft habe der »Landmann« ein militärisch kaum verwertbares Bild seiner eigenen Umwelt, ihre »zivile« Umweltwahrnehmung erwies sich angeblich als inkompatibel mit der »militärischen«. Die Kritik an ihrer »Ländlichkeit« und der »Unwissenheit« zeigt aber möglicherweise auch den Einfluss anderer Diskurse über das Wissen der lokalen Bevölkerung. Die Strömung der Volksaufklärung sah den »Landmann« als primären Adressaten: An den »einfachen Leser« sollte gelehrtes Wissen vermittelt werden, um das »Unwissen« auch auf dem Land zu bekämpfen und beispielsweise neue ackerbauliche Methoden zu popularisieren.81 Alix Cooper hat darüber hinaus auf die im frühen 18. Jahrhundert aufkommende Skepsis gegenüber einer »local knowledge« im Bereich der Naturgeschichte hingewiesen, die »gelehrtes« Wissen zum Teil in Konflikt mit lokalen Wissensbeständen über Flora und Fauna brachte.82 Der »Landmann« wurde nun auch im militärtheoretischen Diskurs immer stärker nicht mehr als Informationslieferant, sondern als Objekt kritischer Befragungen gesehen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts etablierte sich in der Militärtheorie eine grundlegende Skepsis gegenüber den Aussagen von Guides. Informationen über die Beschaffenheit eines Landes sollten nun besonders kritisch geprüft werden. Neben die aus heutiger Sicht wenig schmeichelhafte Praktik, Wegweisern unter Androhung von Gewalt Informationen abzupressen, die sich als Ratschlag auch im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute – Friedrich II. schreibt selbst noch 1777, man solle Wegweisern »verspre-

—————— 81 Zur Volksaufklärung vgl. exemplarisch Holger Böning, Entgrenzte Aufklärung – Die Entwicklung der Volksaufklärung von der ökonomischen Reform zur Emanzipationsbewegung, in: Ders. u. a. (Hrsg.), Volksaufklärung. Eine praktische Reformbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts (Presse und Geschichte – neue Beiträge, Bd. 27), Bremen 2007, S. 13–50. 82 Cooper, Inventing, S. 152–172.

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chen, sie ohne Gnade zu hängen, wenn sie sich etwa verirren«83 –, trat in der Folge eine Form des geschickten Verhörs.84 Puységur gestaltet dieses Vorgehen beispielsweise argumentativ aus. Zunächst sei jeder Wegweiser »einer nach dem anderen« zu befragen, denn »wenn man sie alle zusammen fragt, so sagen sie oft alle dieselbe Sache, und widersprechen sich nicht.«85 Doch gerade diese Widersprüche in den Informationen über ein Land seien es, die einen Feldherren besonders zu interessieren hätten, ermöglichten sie doch das Aufspüren der wirklich brauchbaren Wegweiser. So gebe es Leute, die »wegen böser Absicht nichts erklären wollen, andere können es nicht aus Dummheit, aber es finden sich unter ihnen auch intelligente Leute, durch die man die Wahrheit besser entdecken kann.«86 Diese »intelligenten« Leute sollten in der Folge noch einmal zusammen befragt und auf eventuelle Widersprüche angesprochen werden. Erst nach dieser systematischen Befragung sei man einer »connoissance plus parfaite du pays« versichert.87 Nicht mehr die einfache Frage nach der Beschaffenheit eines Landes garantierte ein brauchbares Bild seiner Topografie, sondern gerade die mögliche Differenz unterschiedlicher Perspektiven auf das Land.

—————— 83 Friedrich II., Über Kriegsmärsche und was dabei zu beachten ist, in: Gustav Berthold Volz (Hrsg.), Die Werke Friedrichs des Großen in deutscher Übersetzung, Bd. 6: Militärische Schriften, Berlin 1913, S. 197–198. 84 Die Befragung von Guides und die Empfehlung von bestimmten Fragetechniken lässt sich bis Feuquières verfolgen. Er betont zwar die Wichtigkeit von Wegweisern, nennt seinen Lesern allerdings ebenfalls mögliche Techniken, um diese Informationsquelle kritisch zu prüfen. Neben der sanften Befragung sowie Drohungen betonte er, man solle Guides sowohl einzeln als auch zusammen befragen, um mögliche Widersprüche aufzudecken.Vgl. Feuquières, Memoires, Bd. 1, S. 221. 85 »Je dis l’un après l’autre, parce que quand on les fait entrer plusieurs ensemble, souvent ils disent tous la même chose, & ne se contrarient pas.«, Puységur, L’Art de la Guerre, Seconce Partie, S. 116. 86 »Il y en a qui par mauvaise volonté ne veulent rien éclarir, d’autres ne le peuvent par ignorance, mais il s’en trouve d’intelligens & de bonne-foi de qui on découvre mieux la vérité.«, ebd. 87 Ebd. In ähnlicher Weise griff beispielsweise Jacques Marie Ray de Saint-Genies dieses Thema auf und wiederholte nahezu wortgleich die Verhörmethode von Feuquières und Puységur: »Wenn die einzeln befragten Wegweiser sich über irgendeine Sache nicht einig sind, soll man sie zusammen damit konfrontieren und versuchen, ihnen am besten mit Sanftheit, aber auch manchmal mit Drohungen die Wahrheit zu entlocken.« »Si les Guides interrogés séparément ne conviennent pas sur quelque fait, il les faut confronter ensemble, & tâcher d’en tirer la vérité par la douceur, c’est le mieux, mais quelquefois par menaces«, Saint-Génies, L’Art de la Guerre, Bd. 1, S. 168.

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Was aber, wenn die Einwohner ihr eigenes Land gar nicht kannten? Mehrere Autoren problematisieren gerade im 18. Jahrhundert das angeblich kaum verwertbare lokale Wissen der Landbevölkerung, das sich aus ihrer Nutzung der naturalen Umwelt speiste. Alvaro de Santa Cruz de Marcenado äußert sich ablehnend gegenüber der Idee, Bauern als Wegweiser heranzuziehen: »Wegen ihrer Unwissenheit [ignorance], und ihrer Ländlichkeit [rusticité] sind sie nicht in der Lage, zu unterscheiden, ob ein Weg gut oder schlecht ist für die Kavallerie, die Infanterie, die Artillerie, oder für die Karren.«88 Stattdessen solle man Wegweiser suchen, die tatsächlich das Land in einer militärisch brauchbareren Form kannten: Partisanen, Schmuggler oder Banditen, die mehr über die »verborgenen Routen, die Furten, die Brücken, die Wälder, die Sümpfe« wüssten als der einfache Landmann.89 In ähnlicher Weise urteilt Moritz von Sachsen negativ über Guides und ihren Nutzen für eine Armee: »Die Menschen, die sie bewohnen [gebirgige Länder, J. P. B.], kennen sie [die Wege, J. P. B.] selbst nicht, weil die Notwendigkeit sie nicht gezwungen hat, nach ihnen zu suchen; und nie sollte man den Bewohnern glauben, die nichts von ihrem Land kennen außer durch Überlieferung: Ich habe die Ignoranz und die Falschheit ihrer Berichte oft genug erkannt.«90

Mit dieser Kritik einer angeblich »ländlichen« Umweltwahrnehmung etablierten diese Autoren ein Deutungsmuster, das sich bis ins letzte Drittel des 18. Jahrhunderts hielt. So sieht sich Friedrich Wilhelm von Zanthier in seinem Versuch über die Märsche der Armeen aus dem Jahr 1778 genötigt, auf den Einfluss von »Stand und Nahrung« bei der Gewinnung von Wegweisern einzugehen. Es sei »schwer, gute Wegweiser unter den Leuten zu finden, die auf dem Lande wohnen, und ihre Nahrung blos vom Ackerbaue haben. Denn die meisten von ihnen glauben, man könne überall mit Armeen marschiren, wo sie zu Fuß gehen können, und

—————— 88 »parce que leur ignorance, & leur rusticité ne leur permettent pas de distinguer quel est celui est bon ou mauvais pour la Cavalerie, l’Infanterie, l’Artillerie, & quel autre pour la chariage.«, Santa Cruz, Reflexions, Bd. 3, S. 205–206. Eine ähnliche Abwertung der Kenntnisse der Landbevölkerung findet sich allerdings bereits bei Vegetius: »bisweilen nämlich verheißt die unerfahrene Einfalt der Landbevölkerung zu viel und meint zu wissen, was sie nicht weiß.« Vegetius, Abriß des Militärwesens, S. 121. 89 Ebd., S. 207. 90 »Les hommes qui les habitent ne les connoissent pas eux-mêmes, parceque la nécessité ne les a pas obligés à les chercher; & il n’en faut jamais croire les habitans, qui ne connoissent les choses de leur pays que par tradition: j’ai souvent reconnu leur ignorance & l’imposture de leurs récits.« Moritz von Sachsen, Rêveries, Bd. 2, S. 71–72.

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überdem sind sie der gebahnten Wege so gewohnt, daß sie sich wenig um neue oder verborgene bekümmern mögen. Die besten Subjekte zu Wegweisern sind Leute, deren Stand und Nahrung es mit sich bringt, neue und verborgene Wege zu suchen, als z. E. die Partheygänger voriger Kriege, Jäger, Hirten, Schleichhändler, und in manchen Ländern die Banditen…«.91

Zudem verbindet Zanthier die bereits geschilderte Fragetechnik mit der Berücksichtigung der angenommenen Naturwahrnehmung der Landbevölkerung. So sollten Wegweiser zwar »freundlich« befragt werden, aber auch »ihrer Fähigkeit gemäß«: »Will man wissen, ob es möglich ist, Geschütz auf eine Höhe zu führen: Was liegt, fragt man, hinter dieser oder jenen Höhe. Dieß oder jenes Dorf. Wie kömmt man dahin? Zu Pferde, auf diesem oder jenem Wege? Warum nicht über die Höhe weg? Gehn die Jäger und Hirten nicht über, u. s. f.«.92

Die eigentliche Frage nach der Gangbarkeit von Anhöhen für schweres militärisches Gerät traut er den Wegweisern nicht zu. 93 Militärisch genaue Informationen über das Land waren höchstens durch diese Form der indirekten Befragung und durch die kritische Abwägung der Antworten herauszuarbeiten. Die Wegweiser wurden damit von einer primären Quelle militärischer Informationen zum Objekt eines Verhörs gemacht, das Ähnlichkeit mit einem Verhör vor Gericht besaß.94 So schreibt Jacob Mauvillon, Schriftsteller, Ingenieur und Professor für Kriegsbaukunst und Kriegswissenschaft in Kassel und Braunschweig,95 in seiner 1784 erschie-

—————— 91 Zanthier, Versuch über die Märsche, S. 46–47. 92 Ebd., S. 48. 93 Vgl. dazu ebenfalls beispielsweise Tielke, Unterricht, S. 8–9, der von der gefährlichen »Einfältigkeit« des Informationslieferanten schreibt. 94 Zur Praxis des Zeugenverhörs im 16. und 17. Jahrhundert mit einem Fokus auf die ländliche Gesellschaft sowie das Quellenpotenzial dieser Protokolle vgl. Ralf-Peter Fuchs, Winfried Schulze, Zeugenverhöre als historische Quellen – einige Vorüberlegungen, in: Dies. (Hrsg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. Zeugenverhörprotokolle als Quellen für soziale Wissensbestände in der Frühen Neuzeit (Wirklichkeit und Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, Bd. 1), Münster u. a. 2002, S. 7–40. 95 Jakob Mauvillon war neben seiner Position als Ingenieur und Professor der Kriegsbaukunst vor allem als Schriftsteller aktiv und widmete sich zudem der Verbreitung physiokratischer Ideen im deutschen Sprachraum. Vgl. zu Mauvillons umfangreichem Wirken die biografische Studie von Jochen Hoffmann, Jakob Mauvillon: Ein Offizier und Schriftsteller im Zeitalter der bürgerlichen Emanzipationsbewegung, Berlin 1980; Jochen Hoffmann, Art. »Mauvillon, Jacob«, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 16 (1990), S. 455–457; zu Mauvillons Verbindung zur Physiokratie vgl. Rubin Herz, Jacob Mauvillon und seine Stellung in der Geschichte der Nationalökonomie, Frankfurt a. M. 1908; zu Mauvillons Religionsphilosophie

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nenen Einleitung in die sämmtlichen militärischen Wissenschaften unter Rückgriff auf ebenjenen Vergleich, der befragende Offizier solle sich verhalten »wie ein geschickter Auditeur bey einem Verhör«.96 Zugleich zeigen diese Beispiele, wie sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts im militärtheoretischen Diskurs die Einschätzung von Wegweisern und einer »local knowledge« gerade unter Bezug auf die naturale Umwelt wandelte: War der Wegweiser im 17. Jahrhundert eine Figur, die potenziell listig und verräterisch sein konnte, wurde er im 18. Jahrhundert zunehmend mit Ignoranz und Unwissenheit gegenüber seinem eigenen Land assoziiert, das ihn als Quelle militärisch exakter Informationen disqualifizierte. Seine angenommene Umweltwahrnehmung wurde zum Problemfall für die epistemische Erfassung und Kontrolle des Kriegstheaters. Während diese Position in der Militärtheorie bis zum 18. Jahrhundert verbreitet war, bedeutet dies jedoch nicht, dass Guides in der Folge nicht mehr genutzt oder dass sie durchweg als negativ dargestellt wurden. Im Nachgang der Napoleonischen Kriege beispielsweise taugte gerade die Figur des »einfachen«, aber dafür die feindliche Natur gut kennenden Mannes sogar als Sujet für die künstlerische Verarbeitung des Kriegsgeschehens. So steht im Vordergrund des 1853 entstandenen Ölgemäldes des britischen Malers Thomas Jones Barker über Wellington bei der Schlacht von Sorauren (1813) nicht nur der Feldherr selbst. Stattdessen wird sein Pferd von einem unschwer an der Tracht erkennbaren lokalen Wegführer einen gewundenen, steilen Pfad in den Pyrenäen entlanggeführt. Während die Figur des Guides in der Militärtheorie des 18. Jahrhunderts mit Misstrauen und Skepsis betrachtet wurde, war der lokale Wegweiser noch Mitte des 19. Jahrhunderts augenscheinlich ein präsenter und zudem unverzichtbarer Teil des Krieges.

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vgl. Gisela Winkler, Die Religionsphilosophie von Jakob Mauvillon in seinem Hauptwerk »Das einzige wahre System der christlichen Religion« (Deutsche Dissertationen, Bd. 2), Bochum 2000; zu Mauvillons literaturhistorischem Wirken vgl. Arne Klawitter, Ein Freigeist »in Sachen des Genies«. Jakob Mauvillon als Rezensent von Goethe und Lenz, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 43 (2018), H. 2, S. 255–288. 96 Jakob Mauvillon, Einleitung in die sämmtlichen militärischen Wissenschaften für junge Leute, die bestimmt sind, als Offiziers bey der Infanterie und Kavallerie zu dienen, Braunschweig 1784, S. 514.

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3.3 Vermessen und Verzeichnen. Karten zwischen Kritik und Kontrollfantasie Zeitgleich mit dieser Skepsis gegenüber der Befragung von Wegweisern lässt sich der Aufstieg einer scheinbar objektiveren Methode der Gewinnung der Landeskenntnis nachvollziehen: der Verwendung von militärischen Karten. Die Auseinandersetzung mit Karten intensivierte sich im militärtheoretischen Diskurs vom 17. bis ins 18. Jahrhundert: Bei vielen Autoren nahmen sie einen wichtigen Platz bei der Erlangung von militärischen Informationen über das Land ein, obgleich das konkrete Nutzen von Karten durch Militärs – zumindest vor Ort im konkreten Kriegsgeschehen – noch im Siebenjährigen Krieg in der Mitte des 18. Jahrhunderts eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Vielmehr mussten oft vor Ort erst genaue Pläne und Karten angefertigt werden. 97 Für Engberg-Pedersen markiert vor allem die vermehrte Nutzung von Karten in den Napoleonischen Kriegen einen entscheidenden Wendepunkt hin zu einer »Topografie« des Krieges. So sieht er in den Napoleonischen Kriegen den Motor für die Explosion der Kartenproduktion seit 1800, da diese Kriege einen erheblichen Bedarf für das »Management« des Raumes erzeugten; die militärische Karte wurde hierfür zum wichtigsten Werkzeug der Planung. 98 In der Militärtheorie stand der steigenden Produktion von Karten und ihrer Erwähnung allerdings stets die Kritik ihrer Genauigkeit gegenüber. Idealvorstellungen militärisch verwertbarer Karten und eine teilweise fundamentale Kartenskepsis waren beide Teile des militärischen Wissens. Besonders am Beispiel des militärischen Kartengebrauchs wurde eine exakte und militärisch verwertbare Naturdarstellung zu einem beherrschenden Anspruch an das Einholen und Darstellen von Informationen. Die Intensivierung des militärtheoretischen Kartendiskurses ist mit der europäischen Formierung der Geografie und Kartografie in der Frühen Neuzeit verbunden, die hier nur in ihren Grundzügen angeführt werden soll. Die mittelalterliche Kartentradition der »mappae mundi«, die sowohl geografisches, als auch historisches und religiöses Wissen in Form von Karten darstellte, wandelte sich am Übergang von 15. zum 16. Jahrhundert grundlegend.99 Durch die Reisen entlang der europäischen Küstenlinie,

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97 Vgl. Anklam, Wissen, S. 98. 98 Engberg-Pedersen, Empire, S. 8. 99 Vgl. für diese Entwicklung den Überblick bei Vogel, Cosmography, S. 476–491.

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aber auch durch die »Entdeckung« der »Neuen Welt« wurden neue Erfahrungen gesammelt, die nicht mehr vereinbar waren mit dem Bild der Welt aus Bibel oder antiken Texten; zugleich führte die Vervielfältigung von Karten durch die Drucktechnik zu einer Explosion an verfügbaren Karten. Zusammen mit der Ausarbeitung mathematisch-kartografischer Verfahren führte dies zu einem Aufstieg des Wissensbereichs der Geografie. Zudem verband sich in europäischen Territorien seit dem 16., verstärkt im 17. Jahrhundert die Anfertigung von Karten mit dem Staatsbildungsprozess: Karten als Abbildung und Aufschlüsselung des eigenen Herrschaftsraumes wurden zu einem Machtmittel, zugleich wurde über die Kartografie und naturale Eigenarten wie Flüsse sowohl das eigene Territorium als auch die eigene politische Identität konstruierbar. Zum Ende des 17. Jahrhunderts verlagerte sich der Fokus der Kartografie vermehrt auf die Erreichung einer größeren Genauigkeit; mithilfe der Methode der Triangulation, die bereits im 16. Jahrhundert durch den Niederländer Snell van Roijen erfunden wurde, begann ab 1667 unter der Leitung der Familie Cassini ein großangelegtes Vermessungsprojekt Frankreichs. Auf Grundlage der dort erhobenen Daten begann unter der Leitung César François Cassini de Thurys ab 1750 mit der Kartierung Frankreichs nach der Methode der Triangulation eines der größten kartografischen Projekte des 18. Jahrhunderts. Doch auch im Reich gab es derartige Projekte, die vor allem militärischen sowie administrativen Zwecken dienen sollten, wie beispielsweise die durch den Ingenieur Georg Josua du Plat zwischen 1764 und 1786 vorgenommene Kurhannoversche Landesaufnahme. 100 Wie Matthew Edney allerdings betont hat, bestand zwischen dem aufklärerischen Ideal der »wahren« und vollständigen Abbildung des Raumes durch die Geografie und der tatsächlichen Vielzahl an Karten, Maßstäben und Messungenauigkeiten ein großer Unterschied.101

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100 Vgl. dazu Georg Schnath, Die kurhannoversche Landesaufnahme des 18. Jahrhunderts und ihre Kartenwerke, in: Ders. (Hrsg), Ausgewählte Werke zur Geschichte Niedersachsens (=Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen, Bd. 3), Hildesheim 1968, S. 258–277. 101 Vgl. für diesen kurzen Überblick Ute Schneider, Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute, Darmstadt 2004, S. 16–19; S. 26–35, S. 96–98; Jeremy Black, Maps and History. Constructing images of the past, New Haven CT 1997, S. 6–25; Bitterling, Der absolute Staat, S. 95–100; Anklam, Wissen, S. 59; Achim Landwehr, Die Zeichen der Natur lesen. »Natürliche« Autorität im habsburgisch-vevezianischen Grenzgebiet in der Frühen Neuzeit, in: Christine Roll, Frank Pohle, Matthias Myrczek (Hrsg.), Grenzen und Grenzüberschreitungen. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung (Frühneuzeit-Impulse, Bd. 1), Köln; Weimar; Wien 2010, S. 131–145; Martina Stercken,

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Diese Schwierigkeiten weisen auf die Konstruiertheit und Subjektivität dieses Mediums hin, die auch im folgenden Kapitel betont wird. Besonders im Bezug auf die politische Erfassung, Verwaltung und Beherrschung von Raum ist die Kartografie kritisch betrachtet worden, um den Status von Karten als »objective bearers of truth«102 zu hinterfragen. John Brian Harley formulierte in mehreren Studien unter Rückgriff auf Michel Foucault und Anthony Giddens eine Kritik an der vermeintlich objektivwissenschaftlichen Sicht auf und von Landkarten und stellte dieser die Analyse von Karten aus einer diskurstheoretischen Perspektive gegenüber. Mit der Thematisierung von Karten als Form des »Macht-Wissens« betonte er damit besonders die Konstruktion des Raumes durch inhärente Machtbeziehungen.103 Eine anders gelagerte Kartenkritik, die gerade ihre Lückenhaftigkeit und Anfälligkeit betont, formuliert Michel de Certeau, der sich in seinen Überlegungen zu räumlichen Praktiken in der Stadt mit Foucaults Konzeption einer lückenlosen Disziplinarmacht auseinandersetzte.104 Für de Certeau ist der »Blick von oben« auf eine Stadt eine lustvolle panoptische Szenerie, die eine Lesbarkeit des Raumes suggeriert. Sein Kernargument ist allerdings, dass diese Perspektive der »Raumplaner«, aber auch der »Kartographen«105 nur scheinbar eine totale Lesbarkeit herstellt: Die eigentlichen räumlichen Praktiken der Stadtbewohner bleiben für den

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Repräsentation, Verortung und Legitimation von Herrschaft. Karten als politische Medien im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Ingrid Baumgärtner, Martina Stercken, Axel Halle (Hrsg.), Wilhelm Dilich. Landtafeln hessischer Ämter zwischen Rhein und Weser 1607–1625, Kassel 2011, S. 37–52; Matthew H. Edney, Reconsidering Enlightenment Geography and Map Making: Reconnaissance, Mapping, Archive, in: David N. Livingstone, Charles W. J. Withers (Hrsg.), Geography and Enlightenment, Chicago IL; London 1999, S. 165–198. 102 Edney, Enlightenment Geography, S. 165. 103 Vgl. John Brian Harley, Maps, Knowledge, and Power, in: Paul Laxton (Hrsg.), The New Nature of Maps. Essays in the History of Cartography, Baltimore MD; London 2001, S. 51–82; Ders., Deconstructing the Map, in: Paul Laxton (Hrsg.), The New Nature of Maps. Essays in the History of Cartography, Baltimore MD; London 2001, S. 149–168. In jüngerer Zeit haben Studien auf die Verengung auf Foucaults Studien zur »Disziplinarmacht« in Harleys Perspektive hingewiesen und stattdessen die Anschlussfähigkeit an Foucaults Konzept der »Gouvernementalität« betont, um die Funktion von Karten als Herrschaftstechnik herauszuarbeiten. Vgl. beispielsweise Stefan Fuchs, Herrschaftswissen und Raumerfassung im 16. Jahrhundert. Kartengebrauch im Dienste des Nürnberger Stadtstaates (Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen, Bd. 35), Zürich 2018, S. 21–22. 104 Vgl. Füssel, De Certeau, S. 108–110. 105 Certeau, Kunst des Handelns, S. 180–181.

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»Voyeur-Gott« 106 unsichtbar.107 Diese scheinbare Erfassung und Objektivität bei Ausblendung lokaler Elemente identifizierte James C. Scott als ein Problem, an dem sich obrigkeitliche Kontrollfantasien immer wieder brachen: Karten als Herrschafts- und Verwaltungstechnik erfassten letztlich die sozionaturalen Beziehungen eines Ortes nicht, sondern »verflachten« sie, um eine administrative Perspektive herzustellen und Totalität zu suggerieren.108 Vor dem Problem dieser latenten Lückenhaftigkeit stand auch die epistemische Aneignung der naturalen Umwelt für militärische Erfordernisse. Wie sich im folgenden Kapitel zeigt, betrifft die Selektivität von Karten auch naturale Umwelten und ihre spezifischen topografischen Charakteristika. Wie Militärtheoretiker immer wieder anmahnten, gestaltete sich die naturale Umwelt anhand dieser Informationen nur unzreichend als »lesbar«. Allerdings gingen die meisten davon aus, dass dies durch bessere, »militärischere« Karten zu lösen sei. Dieser Kontrollanspruch war Gegenstand und Triebfeder des militärischen kartografischen Diskurses zwischen Skepsis und Idealvorstellung. Drei Bereiche werden in den Blick genommen: Zuerst werden die verschiedenen Positionen zum »Entscheiden auf dem Papier«, also unter Zuhilfenahme von Karten, in der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts untersucht. 109 In der Folge wird unter dem Eindruck der dort formulierten Kritik die Etablierung von Ratschlägen und eigenen Handbüchern untersucht, die durch Hinweise zum korrekten Messen und zum genauen Zeichnen naturaler Elemente exaktere und militärisch brauchbare Informationen möglich machen sollten. Zuletzt wird die am Ende des 18. Jahrhunderts verbreitete Idee eines durch Karten und Beschreibungen statistisch erfassten Kriegstheaters als Idealvorstellung einer »perfekten« militärischen Landeskenntnis herausgearbeitet.

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106 Ebd. 107 Vgl. auch Füssel, de Certeau, S. 112–114. 108 Vgl. Scott, Seeing like a State, S. 25–52. 109 Zum Problem militärischen Entscheidens und der Landeskenntnis als Entscheidungsressource vgl. auch Jan Philipp Bothe, Bellona als Vermesserin der Welt? Die »Landeskenntnis« als Entscheidungsressource und ihre Erlangung in der frühneuzeitlichen Militärtheorie, in: Martin Clauss, Christoph Nübel (Hrsg.), Militärisches Entscheiden. Voraussetzungen, Prozesse und Repräsentationen einer sozialen Praxis von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M.; New York 2020, S. 99–124.

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3.3.1 Entscheiden auf Papier. Karten als vielfältiges und ambivalentes Medium Im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts wurden Karten als Mittel der Informationsgewinnung über die naturale Umwelt immer prominenter in der Militärtheorie diskutiert, bis sie schließlich zu einem stets präsenten, selbstverständlichen Teil des Krieges wurden, der zur Ausrüstung eines Offiziers dazugehörte. Dieser Aufstieg an Bedeutung gegenüber anderen Methoden der Informationsgewinnung in der Militärtheorie ging allerdings einher mit einer ebenfalls präsenten konstanten Kritik ihrer Genauigkeit, die sich besonders an der militärisch exakten Darstellung von Natur entzündete und teilweise zu einer grundlegenden Kritik des gesamten Mediums wurde. Latent wurde immer die mögliche Unsicherheit und Ungenauigkeit kartografischer Informationen über die Natur betont, gerade dadurch aber formte sich eine Vorstellung einer »militärisch exakten« Information über die naturale Umwelt aus. Im 17. Jahrhundert wurde das Konsultieren von Karten im Gegensatz zur Wichtigkeit von Wegweisern nicht derart prominent in militärtheoretischen Werken genannt. Präsenter war die Betonung der Wichtigkeit von Karten und Plänen im Bereich des Festungsbaus und des Belagerungskrieges, da sich das mathematische Wissen für die Anlegung einer Festung als anschlussfähig an das benötigte kartografische Grundwissen erwies. So schreibt der Ingenieur Johann Heinrich Behr in seinem Verschanzten Turenne beispielsweise, dass es gerade bei »irregulären« Orten110 nötig sei, »denselben zuvor in Grund« zu legen, »mit allen umliegenden Gelegenheiten«, »sonderlich die Berge / Flüsse / Pässe und Straßen«, um »gleichsam alles übersehen« zu können.111 Besonders sichtbar wird die Verortung der Anfertigung und des Gebrauchs von Karten im Bereich des Festungsbaus, wenn Autoren, die allgemein über den Krieg schrieben, erst in ihren Kapiteln zum Festungsbau Karten und Pläne ansprachen, wie beispielsweise Böckler.112 In ähnlicher Weise hat Engberg-Pedersen den militärischen Kartengebrauch im Ancien Régime vor allem in Kontext von Festungsbau und Belagerungskrieg verortet und auf die höchstens ergänzende Funktion von Karten seit Machiavelli hingewiesen.113 Nur am Rande tauchen Karten als Hilfsmittel in anderen Kontexten auf: Manesson Mallet beispielsweise

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110 Vgl. dazu Kapitel. 2. 111 Behr, Der verschanzte Turenne, S. 441. 112 Vgl. Böckler, Schola Militaris, S. 544; ähnlich noch Fleming, Soldat, S. 45; S. 620. 113 Vgl. Engberg-Pedersen, Empire, S. 148.

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nannte die »Kenntnis der Karten« als eine besondere Qualität des »Capitain des Guides«.114 Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts wies beispielsweise Feuquières darauf hin, dass sich die »Landeskenntnis« zwar durch Karten erlangen lasse, aber ebenso durch Gespräche mit Landeskundigen sowie »unendlich viel besser durch die eigene Anschauung.«115 Die Karte ist in diesen Aussagen zur Informationsgewinnung zwar präsent, spielt aber noch eine untergeordnete Rolle. Als Sonderfall weist Wilhelm Dilich in seiner Krieges-Schule umfassend auf die Bedeutung von Karten hin, um die Natur und Topografie eines Landes für den Krieg aufzuschlüsseln. Das ist wenig verwunderlich, war Dilich als Topograf in Hessen-Kasselischen Diensten doch beispielsweise für die umfassende Landesaufnahme des hessischen Territoriums zuständig. Für ihn, der selbst in der Erstellung von Karten geschult war, nahmen diese folglich auch einen wichtigen Platz in der militärischen Informationsgewinnung ein. So solle sich der »Kriegsfürst« um einen »der Chorographi erfahrnen Mann« bemühen, der durch »gewisse Abrisse und Beschreibung(en)« dafür sorge, dass »der Fürste / erlernen und wissen möge / an welchem Ort Gebürge / Ebne / Morast/ Wasser-Anfurte / Strassen / Gehölze und Wälder / Weyde und Fütterung« zu finden seien.116 Der Schlüssel zur Erlangung »gewisser«, also exakter Pläne und Karten, ist für Dilich die explizite Betonung naturaler Elemente. Dies zeigt sich in seiner nachfolgenden Unterscheidung verschiedener Arten, ein Land aufzunehmen. Es reiche demnach nicht aus, »Topographiis / deren sich die Historici und Geographi in ihren Operibus gebrauchen« zu nutzen, denn in diesen seien »weder Strassen noch Furten / weder Moräste oder die unwegsame Beschwerlichkeit des Gebürges« enthalten. Um diese militärisch wichtigen Informationen über die Beschaffenheit der Natur zu erlangen, müssten »absonderliche tabulae chorographicae« vorliegen.117 Anhand von Dilichs angeführter Unterteilung in verschiedene kartographische Modi wird deutlich, dass Karten in ihrer Darstellungsform sowie ihrem Gebrauchskontext höchst unterschiedlich waren und auch auf unterschiedliche Weise genutzt wurden. Anklam wies beispielsweise darauf hin, dass sich hinter dem Begriff der »Karte« ganz unterschiedliche Formate, Maßstäbe und Aufnahmearten verbargen. So waren allgemeinere geo-

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114 Manesson Mallet, Travaux, Bd. 3, S. 175. 115 Feuquierès, Memoires, Bd. 2, S. 140. 116 Dilich, Krieges-Schule, S. 57. 117 Ebd.

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grafische und topografische Karten und Post- beziehungsweise Straßenkarten zur ersten Vorbereitung eines Feldzuges hilfreich und seit dem 17. Jahrhundert relativ frei verfügbar, da ein europäischer Kartenmarkt für diese Druckerzeugnisse existierte. Tatsächliche Militärkarten, die zum Gebrauch im Krieg aufgenommen wurden und die naturale Elemente genauer verzeichneten, waren Gebrauchsmaterial, beispielsweise für Einquartierungen oder Lagerstellungen. Sie unterlagen einer strengen Geheimhaltung und waren nur wenigen Personen zugänglich.118 Die Berücksichtigung von naturalen und topografischen Elementen im Bereich der »Chorographie« machte diesen kartografischen Modus militärisch besonders interessant. Die Verknüpfung der Berücksichtigung naturaler Eigenschaften mit der militärischen Nutzbarkeit scheint in Zedlers Universallexikon bei der genaueren Bestimmung unterschiedlicher Kartenarten auf: Die »Geographie« als »Erd-Beschreibung« wurde relativ großräumig verstanden, gefolgt von der »Topographie«, die im Gegensatz zum heutigen Wortsinn vor allem die Beschreibung von bestimmten Orten sowie »ihrer Lage, nach ihrem District und Jurisdiction« verfolgte.119 Die »Chorographie« aber verzeichnete laut des dazugehörigen Artikels im Zedler »auch was nur im geringsten zu annotiren vorkömmt, als Flüssen, Canälen, Dämmen, Mühlen, Wäldern, Holzungen« und vielem mehr. Der Autor des Artikels muss seinen Wunsch nach der größeren öffentlichen Verfügbarkeit solcher Karten gegen den Einwand verteidigen, »dergleichen besondere Beschreibungen des Landes wären in Kriegs-Zeiten dem Lande mehr schädlich als nützlich«, da ein Feind schnell erkennen werde, »wie und wo am leichtesten in das Land einzudringen sey«. Eine Befürchtung, die der Autor nur halbherzig mit dem Argument zu zerstreuen versucht, dass ein Feind sich im Krieg letztlich auch ohne Karten über das Land genau erkundigen könne.120 Die Genauigkeit bei der Darstellung naturaler Elemente ist es, die die »Chorographie« auch militärisch relevant macht. Die problematische Stellung topografisch exakter Karten als mögliches Machtmittel war also als Argument weit verbreitet.

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118 Vgl. Anklam, Wissen, S. 63–66. 119 Anonym, Art. »Geographie oder Erd-Beschreibung«, in: Johann Heinrich Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 10, Halle; Leipzig 1735, Sp. 919f; Anonym, Art. »Topographie«, in: Johann Heinrich Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 44, Halle; Leipzig 1745, Sp. 1278. 120 Anonym, Art. »Chorographie«, in: Johann Heinrich Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 5, Halle; Leipzig 1733, Sp. 2193.

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Als Mittel der militärischen Informationsgewinnung erlangten Karten im 18. Jahrhundert trotzdem nach und nach eine geradezu dominante Stellung im militärischen Diskurs. Diese Entwicklung ist mit der sich intensivierenden kartografischen Erfassung von Grenzregionen und Kriegsgebieten seit den 1730er Jahren verbunden, wie sich anhand des französischen Ingenieurgeographen Dupain de Montesson verdeutlichen lässt. In seiner Schrift Des Amusemens Militaires aus dem Jahr 1757 geht er explizit auf die Wichtigkeit von Karten zur Erlangung der Landeskenntnis ein, allerdings kombiniert auch er diese mit verschiedenen anderen Informationsarten, die sich um die Karte herum »gruppieren«: »Es kommt durch die Betrachtung einer exzellenten Karte und durch die Lektüre eines guten Memoirs, zudem durch die häufige und enge Unterhaltung mit verschiedenen Personen, die das Land kennen, dass man das Land perfekt kennt.«121 Dabei betont er, dass ein absolutes Ideal der militärischen Raumerfassung selten zu erreichen sei: Man solle besser nicht annehmen, solche »exaktesten und detailliertesten« Karten zu haben wie in den französischen Kampagnen von 1744 bis 1748, die durch die Ingenieurgeografen angefertigt worden seien.122 Damit präsentiert er jene militärischen Landesaufnahmen als Ideal dessen, was in diesem Bereich möglich sei. Dupain de Montesson spielt an dieser Stelle auf die enge Verbindung von ziviler und militärischer Kartografie an, die besonders Frankreich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts prägte und an der er als Akteur aktiv mitwirkte. Gerade die Rheingrenze wurde seit den Kriegen Ludwigs XIV. im ausgehenden 17. Jahrhundert und frühen 18. Jahrhundert von französischer Seite aus für militärische Aktionen kartografiert.123 Seit dem Jahr 1691 bestand dafür eine eigene Untergruppe der französischen Ingenieure, die ingénieurs géographes, die der französischen Armee folgten und Kriegsgebiete vermaßen; die

—————— 121 »C’est par l’aspect d’une excellente carte & par la lecture d’un bon Mémoire bien circonstancié qui lui est relatif, ainsi que par des entretiens familiers & fréquents avec différentes personnes qui connoissent parfaitement le pays, qu’on parvient à en avoir une connoissance non-seulement générale, mais encore particuliere.« Dupain de Montesson, Amusemens Militaires, S. 79–80. Dupain de Montesson war auch der Autor eines 1763 erschienenen Werkes mit dem Titel L’Art de lever les Plans, in dem er in der Einleitung ähnlich die Bedeutung von genauen militärischen Karten betonte. Louis Charles Dupain de Montesson, L’ Art de lever les Plans, Paris 1763, S. 4–5. 122 Dupain de Montesson, Amusemens Militaires, S. 80–81. 123 Federführend waren dabei vor allem der Ingenieur Henri Sengre sowie die Militärgeografen Favrot und Vosign. Vgl. Musall, Militärkartographie, S. 101–116.

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daraus entstehenden Karten wurden in dem seit 1688 existierenden Depot de Guerre verwahrt. Diese Ingenieurgeografen spielten auch in den Feldzügen am Rhein des Polnischen Thronfolgekrieges124 und des Österreichischen Erbfolgekrieges eine Rolle. Zwischen 1741 und 1748 vermaßen französische Ingenieurgeografen weite Teile Süddeutschlands. Wie Henri Berthaut in seiner noch immer als Standardwerk zu betrachtenden Studie zu den französischen Ingenieurgeografen zudem nachweist, wurde zu dieser Zeit besonders Flandern auch durch Landmesser aufgenommen, die für Cassini de Thury arbeiteten und die sich der Methode der Triangulation bedienten.125 Seit dem Kriegsausbruch 1757 begleiteten Vermessungsingenieure Cassinis die französische Armee bei ihrem Vorstoß in westrheinische Gebiete und nahmen die dortige Landschaft auf.126 In einer Instruktion aus dem Jahr 1761 wurden die Ingenieurgeografen beispielsweise mit der detaillierten Vermessung des rechten Rheinufers beauftragt, bei der sie auch Fließgeschwindigkeit des Wassers, sumpfige Ufergegenden oder andere naturale Besonderheiten aufnehmen sollten. 127 Dupain de Montessons Angaben zu seiner eigenen Person als Ingenieurgeograf lassen darauf schließen, dass er bei den Vermessungen der Kriegstheater vor dem Siebenjährigen Krieg beteiligt war, und Berthaut weist ihn 1744 für den Kriegsschauplatz Flandern mit der Anfertigung eines Plans von Courtrai nach.128 An Dupain de Montesson und der französischen Kartografierung lässt sich somit zeigen, in welch engem Wechselverhältnis die zivile und die militärische Kartografie standen und wie diese Vermessung langsam zu

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124 Vgl. hierfür auch die im Depot de Guerre verwahrte Denkschrift des französischen Ingenieurs Antoine de Regemorte aus dem Jahr 1739. Musall, Militärkartographie, S. 137; ediert durch Grégoire Binois, Luc Ramotowski, Mémoire relatif à la carte du cours du Rhin d’Antoine de Régemorte, in: Hervé Drévillon, Arnaud Guinier (Hrsg.), Les Lumières de la Guerre. Mémoires militaires du XVIIIe siècle conservés au Service historique de la Défense, Bd. 2, Paris 2014, S. 75–226. 125 Henri Marie Auguste Berthaut, Les ingénieurs géographes militaires 1624–1831. Étude historique, 2 Bde., Paris 1902, S. 23. 126 Vgl. Anklam, Wissen, S. 59–60. 127 Vgl. Berthaut, Ingénieurs, S. 28. 128 Vgl. ebd., S. 23; S. 30; S. 33; S. 44; S. 62. Dies muss eine seiner ersten Aufgaben gewesen sein, die ihm in der Folge einen militärischen Aufstieg ermöglichten: Zu Beginn des Siebenjährigen Krieges stand er laut Berthaut unter direktem Kommando des »ingenieur en chef« Berthier, für 1759 ist er namentlich für Aufnahmen von Marschrouten und Lagern in Hessen belegt. Nach dem Siebenjährigen Krieg nahm er an der Kartierung der französischen Küstengebiete teil und ging 1776 in den Ruhestand.

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einem Ideal der militärischen Erfassung von Land wurde, das Eingang in den militärtheoretischen Diskurs fand. Die Folge war ein weiterer Bedeutungsschub der Karte im Diskurs der Militärtheorie. Nach dem Siebenjährigen Krieg behandelten militärische Autoren Karten geradezu als militärischen Alltagsgegenstand, ihre Konsultation als alltägliche Praktik und die eigene Anfertigung von Plänen und Karten als wichtige Fähigkeit – auch wenn diese, wie Friedrich August von Finck betont, besonders außerhalb Frankreichs der gesonderten Schulung bedürfe. So empfiehlt er 1766, dass jedes Jahr »Ingenieurs zu den Regimentern geschickt werden« müssten, um den Offizieren neben der Anlage von Feldverschanzungen auch das »Aufnehmen« einer Gegend beizubringen.129 Die Entwicklung dieser Fähigkeit scheint für ihn dem geäußerten Anspruch noch nicht gerecht zu werden. Diese Omnipräsenz der Karte im militärtheoretischen Diskurs ist besonders anhand der Ausführungen Georg Dietrich von der Groebens zu diesem Thema erkennbar. Folgt man seiner Abhandlung aus dem Jahr 1777, war zum Ende des 18. Jahrhunderts das Nutzen von Karten für Offiziere völlig selbstverständlich geworden, ebenso wie der Glaube an eine sich immer weiter verfeinernde Kartografie und die Macht des alles übersehenden Blickes. Karten identifiziert Groeben gar spöttisch als Schmuckstück des Offiziers seiner Tage, so weit verbreitet seien sie: »Der Gebrauch der Charten ist den Officieren sehr gemein, und das bey sich führen so Mode geworden, daß einige meiner Freunde sie militärische Berlocks 130 zu nennen pflegten, weil sie für unzählige, so sie führeten, eben so wie jene, sehr entbehrlich waren.«131

Trotzdem weist er ihnen eine zentrale Stellung in der Planung von Operationen zu. »Gewohnt, die Dispositionen nach Anleitung der Charten zu machen und auszuführen, auch in dem kleinen Detaildienst sich auf selbigen Anleitungen zu suchen, den Kriegern, deren Verrichtungen wir studieren, auf der Charte zu folgen, können wir es kaum begreifen, wie man ohne sie gekrieget habe.«132

—————— 129 Finck, Gedanken, S. 39–40. 130 Mehrzahl von Berlocke, laut Duden ein kleiner, an Uhrenketten befestigter Schmuckgegenstand. 131 Georg Dietrich von der Groeben, Neue Kriegsbibliothek, oder gesammlete Beyträge zur Kriegswissenschaft, Bd. 6, Breslau 1777, S. 280. 132 Ebd.

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In einem treffenden Vergleich zur Illustration der Problematik fehlender Karten vereinten sich für Groeben die zivile, wirtschaftliche Erfassung von Land zu seiner optimalen Nutzung mit dem militärischen Blick auf die Karte: »Sie führen ihre Kriege, auch wenn sie sonsten Kenntnisse von dem Lande haben, doch so, wie Ackersleute, die ein weitläufiges Feld ohne Riss anbauen. Wie viel Zeit haben sie hierbey nicht nöthig, wenn das Feld fremde ist, und wie viel Nachforschens, ehe sie sich die Kenntnisse vorbereiten, die zu ihrem Vorhaben nöthig sind! Auf einer gezeichneten Vorstellungstafel konnten sie alle Theile im Zusammenhang mit einem Blicke übersehen.«133

Genaue, militärische Karten waren allerdings auch für Groeben selten – und zudem geheimes Wissen, das »unter dem Siegel einiger Generale bewahret werden« müsse.134 Damit spielt er auf den insgesamt schwierigen Status militärischer Kartografie zwischen Notwendigkeit und Geheimhaltung an. Doch das Argument Groebens in dieser Hinsicht ist klar und pointiert: Es sei hochgradig notwendig, auch diese genauen Karten anzufertigen, trotz aller »politischer Vorsichtigkeit«, womit er wahrscheinlich auf den Status der Karte als Staatsgeheimnis gerade in Preußen unter Friedrich II. anspielte.135 Spöttisch schreibt er: »Fast aus ähnlichem Grunde könnte es heißen, man müsse keine Wege bessern, damit der Feind nicht bequem marschire […]. Der Mangel an guten Charten drückt aber den Freund, wie den Feind.«136 Damit war nicht nur die Nennung der Karte als Ressource der Informationsgewinnung am Ende des 18. Jahrhunderts weit verbreitet, sondern auch die Klage über ihren Mangel. Doch neben diesem offensichtlichen Aufstieg der Karte stand ein Diskursstrang, der sich durch eine ausgeprägte Skepsis gegenüber ihrer militärischen Verwendung auszeichnete. Eine militärische Kartenkritik flankierte die immer stärkere Thematisierung von Karten. Sie entzündete sich vor allem an der problematischen Repräsentation von Natur. 137

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133 Ebd. 134 Ebd., S. 301. 135 Vgl. Anklam, Wissen, S. 62. 136 Groeben, Neue Kriegsbibliothek, S. 298. 137 Neumair von Ramsla riet in seinen Erinnerungen und Regeln vom Kriegs-Wesen aus dem Jahr 1620 beispielsweise bereits davon ab, Karten zu trauen: so solle man sich für den Marsch eine Armee weder auf »ander Leute Bericht«, noch auf »Abrisse der Landschaften« verlassen. Ramsla, Erinnerungen, S. 152.

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Besonders prominent attackiert bereits Folard in seiner Histoire den Gebrauch von Karten. Um »gut und sicher« den Krieg zu planen, seien sie schlichtweg zu ungenau in ihrer Darstellung der naturalen Umwelt. »Wie exakt, wie sicher auch immer eine Karte sein möge, ein General einer Armee findet dort kaum die Sicherheit für die Operationen einer Kampagne, und der Kriegsrat kann kaum ein Projekt der Verteidigung oder des Angriffs auf dem Papier begründen.«138

Folard führt hier die »militärische Exaktheit« als grundsätzliche Anforderung wörtlich an, der die Naturdarstellungen nicht entsprächen: »die Bäche, die Flüsse, die Furten, die Anhöhen, die dort an dem Ort sind, die Engstellen, die bedeckten Umgebungen, all diese Dinge können nicht mit der militärischen Exaktheit gezeigt werden [être représentée dans l’exactitude militaire].«139 Folard betont besonders die Grenzen in der Naturdarstellung von Karten als militärisches Problem. Aus diesem Motiv entwickelte sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts eine grundsätzliche Kritik von Karten als Medium der Umweltdarstellung für militärische Zwecke. Wohl am ausführlichsten kritisiert Turpin de Crissé das Konsultieren von Karten, obgleich er ihnen in seinem Kapitel zur Erlangung der Landeskenntnis durchaus eine wichtige Position einräumt. Seine Kritik betrifft zwei Problemfelder: Erstens sei die naturale Umwelt derart dynamisch, dass ihre statische Repräsentation in Form von Karten notwendig Ungenauigkeiten enthalten müsse; die wandelbare Natur überhole also stets die mühevolle Arbeit der Kartografen. So seien die »topografischen Karten nahezu nie perfekt exakt; tausende Umstände können manchmal, in einem Jahr, einen beträchtlichen Teil des Landes verändern, selten verzeichnen sie die kleinen Bäche, die Hügel, die Gräben von geringer Wichtigkeit; sie können nicht verzeichnen, was sich durch kürzliche Überschwemmungen oder Erdrutsche ereignet hat…«.140

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138 Folard, Histoire, Bd. 5, S. 289. 139 Ebd. 140 »Les Cartes Topographiques ne sont presque jamais parfaitement exactes; outre que mille circonstances peuvent quelquefois, en un an, changer une étendue considérable de pais, rarement marquent-elles les ponts, les gués qui sont sur les petits ruisseaux, les monticules, les ravins, de peu importance; elles ne peuvent marquer ceux qui ont été occasionnés par des innondations récentes, par des éboulemens de terre, &c.«, De Crissé, Essai, S. 24. Ähnlich argumentierte auch Groeben: »Daß sich die Lage beständig verändere, ist ausgemacht, und zwar so, daß in einigen, ich sage nur wenigen Jahren, die Situation auf dem vorigen Plan nicht mehr zu finden ist. [...]. Diese Abänderungen stehen

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Zweitens kritisiert de Crissé die ohnehin begrenzte Möglichkeit der Darstellung von Natur in bildlicher Form.141 So argumentiert er dezidiert mit der Beschaffenheit naturaler Elemente, deren Komplexität letztlich das zeichnerische Darstellungsvermögen der Kartografen übertreffe: »Aber die Karten können nicht alles ausführlich darstellen: ein Graben zum Beispiel, wäre dort eingezeichnet; aber würde man seine Tiefe kennen, wüsste man ob man in ihn hinab- oder aus ihm heraufsteigen kann? […] Die Karten können sagen, dass dort ein Wald in dem Land sei; aber wenn man nicht selbst darüber hinaus einige Aufklärungen anstellt, würde man nicht beachten, ob sie sumpfig sind, ob sie licht oder dicht sind, und folglich ob es möglich ist, durch sie Truppen, Artillerie und Bagage zu führen.«142

Diese grundlegende Kritik verdeutlicht den Anspruch, der im militärtheoretischen Diskurs der Mitte des 18. Jahrhunderts bereits an die Aussagekraft von Karten gestellt wurde, wenn sie die naturale Umwelt militärisch brauchbar und »exakt« darstellen wollten. Der Anspruch auf die totale Lesbarkeit des Landes führte das Medium selbst an seine Grenzen. Die Reaktion auf diese Skepsis war das Verlangen nach genaueren und somit »militärischeren« Karten, die diese Probleme lösen sollten. Anhand der diversen Fehler, die aus Sicht der Militärs Karten unbrauchbar machten, formuliert der Göttinger Professor Albrecht Ludwig Friedrich Meister143 im Jahr 1766 in seiner Abhandlung von dem Kriegsunterricht

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uns übrigens täglich vor Augen, wir sehen neue Inseln entstehen, Erdfälle einsinken, Berge fallen, Flüsse ihren Lauf verändern [...] Die Kunst verändert den Grund durch Fleiß in Aeckern, Wiesen und Feldern. Hier werden Wälder ausgehauen und Dörfer angeleget, dorten gehen Aecker ein«, Groeben, Neue Kriegsbibliothek, Bd. 6, S. 303. 141 Vgl. auch Saint-Genies, L’Art de la Guerre, S. 185, mit großer Ähnlichkeit zu Folards Ausführungen. 142 »Mais les Cartes ne peuvent pas tout détailler: un ravin, par exemple, y sera marqué; mais en connoîtra-t-on mieux la profondeur, sçaura-t-on s’il est facile d’y descendre ou d’en remonter? […] Les Cartes peuvent apprendre s’il y a des forêts dans un pais; mais si l’on ne prend là-dessus des éclaircissemens par soi-même, on ignorera si elles sont marécageuses, si elles sont claires ou fourées, & par conséquent s’il est d’y faire passer des Troupes, de l’Artillerie & des Equipages.«, De Crissé, Essai, S. 25; S. 28. 143 Meister hatte ab 1743 in Göttingen studiert und wurde dort im Jahr 1753 mit einer Arbeit über ein Hilfsmittel zum perspektivischen Zeichnen promoviert. 1764 wurde er außerordentlicher Professor an der Philosophischen Fakultät Göttingens, wo er besonders im Bereich der Geometrie, der Baukunst und der Feldmessung Vorlesungen hielt. Da die hannoversche Regierung in dieser Zeit plante, Kriegsschulen nach französischem Vorbild zu etablieren, schickte sie Meister mit dem Auftrag nach Frankreich, die dortigen Einrichtungen zu inspizieren. Sein 1766 erschienenes Werk Abhandlung von dem Kriegsunterricht konzentrierte sich im Wesentlichen auf die Einrichtung von Kriegsschu-

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grundsätzliche Anforderungen an eine militärische Karte, die ebenfalls eindrücklich zeigen, was ab der Mitte des 18. Jahrhunderts an »militärischer Exaktheit« von Karten erwartet, aber wohl nur bei explizit für den militärischen Gebrauch angefertigten Karten überhaupt eingelöst werden konnte. Meister, der Erfahrung in der Feldmesskunst mit militärischem Interesse verband, konzentriert sich auffällig auf die militärische Aneignung der naturalen Umwelt, die ihm wichtiger ist als andere Details. Die möglichst exakte Repräsentation der Natur wird zu einem eigenständigen Merkmal der »Kriegskarte«: »Umstände die an sich unerheblich und von einem Jahr zum andern veränderlich sind, die in jeder andern Charte lächerlich seyn würden, können in einer Kriegscharte das Hauptwerck seyn. Man begnügt sich in den gewöhnlichen die Berge nach ihrem Umfang anzudeuten, ohne sich um die Höhe zu bekümmern, ohne zu bemerken wo sie steil sind, wo Menschen, Pferde, Wagen hinauf kommen können; Ebenen die nur vergleichungsweise diesen Nahmen verdienen, stellet man als würkliche Ebenen vor [...], die Beschaffenheit des Bodens zeigt man nie an; Wiesen, gepflügtes Feld, Hecken, kleines Buschwerk, Bäume, mehrentheils nur willkührlich; den Lauff der Flüsse, aber nicht ihre Geschwindigkeit, Tieffe, die Beschaffenheit ihrer Ufer, Brücken, Furthe, die Oerter wo sie austreten; [...] Diese Umstände sind aber der Kriegscharte wesentlicher, als die genaueste geometrische Richtigkeit in der Lage der Kirchthürme.«144

Im Spannungsfeld zweier Diskursstränge, die jeweils die neue Bedeutung von Karten auf der einen und ihre Fehleranfälligkeit und Ungenauigkeit auf der anderen Seite betonten, formte sich im militärtheoretischen Diskurs eine Vorstellung davon aus, wie eine militärisch verwertbare bildliche Repräsentation eines Kriegsschauplatzes auszusehen hatte. Die Bedeutung der naturalen Umwelt ist dabei besonders deshalb augenfällig, weil sich an ihr sowohl die besondere Kritik an Karten als auch Verbesserungsvorschläge und die Eigenarten des »militärischen« Kartengebrauchs gleichzeitig entfalteten: Einerseits war die Natur das Objekt einer Aneignung durch

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len, betrachtete dabei aber vor allem notwendige Kenntnisse der Vermessungs- und der Ingenieurskunst für Militärs. Zudem befasste sich Meister neben diversen mathematischen und naturwissenschaftlichen Themen, wie optischen Phänomenen oder dem Vulkanismus, auch mit militärischen Themen: so schrieb er eine kurze Abhandlung über Instrumente und Maschinen der Antike, die unter anderem Einsatz im Krieg fanden. Vgl. Menso Folkers, Art. »Meister, Albrecht Ludwig Friedrich«, in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 722–723. 144 Albrecht Ludwig Meister, Abhandlung von dem Kriegsunterricht und Nachricht von den Königl. Französischen Kriegsschulen, Göttingen 1766, S. 45; ähnlich detailliert auch Mauvillon, Einleitung, S. 514–516.

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das Vermessen und Verzeichnen ihrer einzelnen Elemente, andererseits irritierte ihre Komplexität diese Aneignungsversuche immer wieder.

3.3.2 Genauigkeit als Praxis. Umwelt vermessen und verzeichnen als Themen des militärtheoretischen Diskurses Es war ohnehin leichter, diese »militärische Exaktheit« bei Karten einzufordern, als sie tatsächlich herzustellen. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts traten zwei Themenfelder in den militärtheoretischen Diskurs ein, die zuvor eher in mathematischen oder die Kriegsbaukunst betreffenden Schriften behandelt wurden. Beide betrafen die Produktion von Karten und Plänen im Krieg auf verschiedenen Ebenen und sollten eine größere Genauigkeit militärischer Informationen ermöglichen, indem sie Elemente der Natur konkret verorteten und voneinander unterscheidbar machten; zugleich problematisierten sie aber auch die Erstellung von Karten, indem sie auf die praktischen Schwierigkeiten von deren Produktion hinwiesen. Erstens ging es um das konkrete Abmessen des Landes, das äußerst mühsam war und sich – trotz der Produktion eines alles »übersehenden« Blickes über den Kriegsschauplatz – physisch mit der naturalen Umwelt auseinandersetzen musste. Erst durchschritten, durchmessen und parzelliert war sie wirklich »genau« aufzuzeichnen. Zweitens mussten spezifische Darstellungstechniken für die militärisch wichtigen Elemente der naturalen Umwelt etabliert werden, um sie letztlich nach den anspruchsvollen Maßstäben der militärischen Landeskenntnis auf Papier zu bannen: Mithilfe dieser Zeichenanleitungen sollte die Fähigkeit geschult werden, die Natur auf der Karte militärisch »lesbar« darzustellen, indem zwischen verschiedenen Elementen der Natur auch zeichnerisch differenziert wurde. Diese Thematisierung von Praktiken des Messens und Zeichnens zeigt die steigende Bedeutung der Kartografie ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, aber auch die praktischen Probleme, die ein solcher Anspruch an eine exakte Kartierung des Kriegsschauplatzes mit sich brachte. Messpraktiken vor Ort wurden zuvor vor allem im Kontext festungsbaulicher Traktate thematisiert. Hier wurden sowohl notwendige Rechenoperationen als auch der Umgang mit verschiedenen Messwerkzeugen angesprochen, um dem Leser einen Eindruck von der Detailarbeit zu vermitteln, die Feldmesser und Ingenieure im Terrain selbst zu leisten hatten, um einen Festungsgrundriss vom Papier in die Landschaft zu übertragen

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oder um die Landschaft um eine belagerte Festung aufzunehmen. Manesson Mallet präsentiert seinen Lesern im Kontext des Festungsbaus ein eigenes Kapitel zum Abmessen von Plänen, in dem er zunächst das notwendige Messwerkzeug vorstellt.145 Neben einem Winkelmesser und einem Kompass beschrieb er eine eiserne Messkette, die zwischen eingeschlagenen Pfählen gespannt werden konnte und genutzt werden sollte, um Distanzen abzumessen. 146 Anhand verschiedener, immer komplexer werdender Beispiele erklärt er in der Folge das Abmessen vor Ort: das Spannen der Messkette oder von Schnüren und das Abmessen der Winkel. 147 Dabei bezieht sich Manesson Mallet aber vor allem auf das Abmessen von Festungswerken oder Dörfern, nicht auf die Aufnahme der naturalen Umwelt. Etwa einhundert Jahre später allerdings schreibt beispielsweise Karl August von Struensee detaillierter auch über das Abmessen des Umlands von Festungen im Fall einer Belagerung, was das gesteigerte Interesse an möglichst genauen Landesvermessungen auch in diesem Kontext verdeutlicht. Dabei hatte sich der Ingenieur ebenfalls der Messkette zu bedienen, mit der er die Umgebung zunächst »in lauter kleine, leicht zu übersehende Theile« zerteilen sollte, die er mithilfe von Pfählen markierte und deren Maße er aufschrieb.148 Nach der maßstabsgetreuen Übertragung dieser Planquadrate auf einen Riss konnte der Ingenieur erneut ins Gelände gehen, um die wichtigen Elemente »nach Augenmaaß« in die jeweiligen Abschnitte einzutragen. 149 Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Vermessen ganzer Landstriche auch zu einem Thema dezidiert militärischer Veröffentlichungen. 150 Dabei zeichnete sich diese eigene Form des »militärischen« Vermessens von Land nicht nur durch eine besondere Aufmerksamkeit gegenüber naturalen Faktoren, sondern zudem durch Zeitdruck, Gefahr und Mühe aus, wie Johann Gottlob Tielke klarmacht. Zum Ende des 18. Jahrhunderts

—————— 145 Vgl. Manesson Mallet, Travaux, Bd. 1, S. 199. 146 Ebd., S. 200–201. 147 Vgl. zu der von Manesson Mallet angewendeten »Kreisschrittmethode« zur Distanzmessung auch Musall, Kriegführung und Militärkartographie, S. 93. Vgl. zu dieser Methode des Messens als Teil der »Geometrica Practica« auch Frank Büttner, Das messende Auge. Meßkunst und visuelle Evidenz im 16. Jahrhundert, in: Gabriele Wimböck, Karin Leonhard, Markus Friedrich (Hrsg.), Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit (Pluralisierung und Autorität, Bd. 9), Berlin 2007, S. 263–290. 148 Struensee, Anfangsgründe, Bd. 3, S. 86. 149 Ebd., S. 87; vgl. auch Kapitel 3.4. 150 Dupain de Montesson, L’Art.

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setzt er sich in seiner Schrift auch mit dieser Aufgabe der französischen »ingenieurs geographes« auseinander: Der Feldingenieur sei oft bei der Aufnahme des Geländes und der Lage einer feindlichen Armee gefährdet, sodass er sich der regulären Praktiken des Vermessens und des Herstellens von Genauigkeit nicht bedienen könne; weder die Messkette noch das Abzählen seiner eigenen Schritte sei ein praktikabler Weg, wenn es plötzlich zu Gefechten mit feindlichen Vorposten komme. 151 Später widmet er dem »Aufnehmen« von Gegenden einen ganzen Abschnitt seines Werkes, in dem er auf verschiedene naturale Elemente und die besten Wege ihrer Vermessung mit Kompass, Messkette und dem Abzählen der eigenen Schritte eingeht. Auch hier steht die Mühseligkeit solcher Unterfangen im Vordergrund. So schreibt er, das Vermessen mit dem Kompass sei eigentlich aufgrund der Genauigkeit des Instruments »allen andern Arten, militarisch aufzunehmen«, überlegen – »wenn nicht zu Beruhigung und Einspielung der Magnetnadel zu viel Zeit darauf gienge«.152 Doch gerade für »Wälder« und »durchschnittene Gegenden«, die das Nutzen von Messketten oder »Schnur-Folgen« aufgrund ihrer Unwegsamkeit unmöglich machten, empfiehlt er das Bestimmen von Winkeln mit dem Kompass.153 Nicht nur der Feind ist in Tielkes Schriften eine Herausforderung für die mühsame Arbeit des Feldingenieurs, sondern auch die unzugängliche und unberechenbare Natur. Für verschiedene naturale Entitäten führt Tielke in der Folge Ratschläge zur besten Vermessungspraxis aus, die zeigen, wie sehr ein Gelände einem Ingenieur bei seiner Erfassung für die Produktion von Karten zu schaffen machen konnte. Ein Wald beispielsweise solle erst wenn möglich umrundet werden, dann sollten sämtliche Hauptwege abgeritten werden, während sich der Ingenieur alle abgemessenen Distanzen und Winkel zu den Messpunkten notierte; 154 um einen Berg »recht richtig in Grund zu legen«, solle man »oben auf dessen höchste Spitze« klettern, um ihn tatsächlich überblicken zu können: »Das richtige Aufnehmen der Berge ist nicht allein sehr beschwerlich und mühsam, sondern es richtet die Pferde auch sehr hin. Ich habe mich selbst einmal dermaßen auf einen Felsen verstiegen, daß ich nur mit großer Lebensgefahr wieder

——————

151 Vgl. auch die Anmerkungen bei Anklam, Wissen, S. 112. 152 Tielke, Unterricht, S. 383. 153 Ebd., S. 383–384. 154 Vgl. ebd., S. 401f.

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herunter kam, und mein Pferd in vier Wochen nicht brauchen konnte.« 155 In Tielkes Schilderungen wird deutlich, dass ein Unterschied zwischen dem theoretischen Vermessen der Festungsbauingenieure und dem »militärischen« Vermessen von Land im Kriegsfall etabliert wurde. Letzteres zeichnete sich besonders dadurch aus, dass nicht nur der Feind, sondern auch das Gelände selbst es dem Ingenieur schwer machten, ein »exaktes« Bild über einen Kriegsschauplatz abzuliefern, und zeigt deutlich die Kompromisse auf, die bei der Erstellung eines möglichst genauen Planes geschlossen werden mussten. Das Vermessen der Natur vor Ort war das erste Element dieser epistemischen Erfassung eines Kriegsschauplatzes; das zweite Element war die Repräsentation dieser Bemühungen durch verschiedene Aufzeichnungsund Darstellungspraktiken. Diese sollten schließlich militärischen Ansprüchen genügen, indem sie eine ausreichend genaue Informationsbasis für die taktische oder logistische Naturnutzung bereitstellten. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, verstärkt nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges, wurden eigene Zeichenanleitungen für die Verbesserung von Karten und Plänen für den militärischen Gebrauch publiziert, die exemplarisch das Streben nach einer militärisch genauen Umweltrepräsentation zeigen. Schon zuvor hatten Ingenieure vereinzelt im Kontext größerer Traktate über die Praktik des Zeichnens und Kolorierens geschrieben. 156 Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings wurde die Thematisierung des Zeichnens der naturalen Umwelt besonders wichtig. Autoren widmeten diesem Thema eine neue Aufmerksamkeit, die sich in eigenen Schriften oder umfangreichen Kapiteln äußerte. Diese Verbindung militärisch relevanter Informationen über die naturale Umwelt mit differenzierten Zeichentechniken wird besonders zum Ende des 18. Jahrhunderts in den Werken Tielkes, des braunschweigischen Ingenieurhauptmannes Johann Dietrich Carl Pirscher oder des sächsischen Hauptmannes und Lehrers an der Dresdener Militärschule, Gottlob Friedrich von Brücks, sichtbar, die alle in ähnlich aufgebauten Kapiteln zu ähnlichen Darstellungsarten rieten. 157

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155 Ebd., S. 406. 156 Fleming beispielsweise schrieb in seinem Kapitel vom »in Grundlegen«, dass Grundrisse und Karten »ein feines Ansehen« bekämen, wenn man sie »mit Saft-Farben illuminieren lernt«; zudem solle man sich bemühen, auch die naturale Umwelt in seinem Plan zu berücksichtigen, denn je detaillierter diese Darstellungen seien, desto »mehr Nachrichten kann ein Officier daraus erkennen«. Vgl. Fleming, Soldat, S. 45. 157 Johann Dietrich Carl Pirscher, Coup d’Oeil militaire, oder kurzer Unterricht, wie man sich ein militärisch Augenmaß erwerben, nach demselben Carten aufnehmen und leicht verstehen könne, Berlin

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Tielke behandelt diese Zeichentechniken in einem gesonderten Kapitel, in dem deutlich wird, dass es sich hier um Versuche einer epistemischen Erfassung der Natur für militärische Zwecke handelte. Zentral ist hierbei die Verbindung einer geforderten Genauigkeit mit einer adäquaten, militärisch-kartografischen Zeichensprache. Das größte Problem dieser Repräsentation von Natur betrifft die Notwendigkeit möglichst ausdifferenzierter, der Vielfalt der Natur angepasster Darstellungstechniken. Ausgeprägt widmet sich Tielke daher der Darstellung von Natur anhand militärisch wichtiger Gesichtspunkte. Mit dieser zielt Tielke auf eine umfassende Lesbarmachung der naturalen Umwelt. Bei »Wasser und Morast« unterschied er beispielsweise in »a. Quellen, b. Bächen, c. Gräben, d. Canälen, e. Flüssen, f. Strömen, g. Seen, h. Teichen, i. Tümpeln, k. Morästen, l. Brüchen oder Sümpfen, m. Wassergallen und n. Litt-Erde oder Weichland.«158 Das genaue Zeichnen der verschiedenen Wasservorkommen verbindet er immer wieder dezidiert mit militärischen Anforderungen. Das Aufzeichnen von Gräben sei »von der größten Wichtigkeit« und müsse »wohl angegeben, aber auch nach gehörigem Verhältniß, weder zu groß noch zu klein« eingezeichnet werden, da »sie öfters an dem glücklichen oder unglücklichen Ausgange eines Gefechts schuld« seien.159 Zu »Litt-Erde oder Weichland«, was anzugeben sei wie »Moräste«, bemerkte er: »Der Boden derselben ist kiesigt, sie scheinen ganz trocken zu seyn, sind aber so schlimm, als sumpfigte Gegenden, man ist mit schweren Wagen, und zumal mit Stücken, nicht im Stande drüber zu fahren«.160 Für das Aufzeichnen von Vegetation und Bodenbeschaffenheit zeigt sich ein Fokus auf militärisch relevante Elemente der naturalen Umwelt, wenn Tielke betont, dass Wiesen »gemeiniglich auf denen Campagnen-Plans« eingezeichnet würden, Felder aber kaum; Wiesen sollten beispielsweise »auf schrafirten Plans mit der Feder […] dergestalt punktirt [werden], daß allezeit zwey bis drey Punkte neben einander zu stehen kommen.« 161 Ein zentrales Problem ist freilich für Tielke nicht nur die Vielfalt der Natur, sondern auch die Vielfalt der Möglichkeiten, diese aufzuzeichnen. Er bemerkt dazu, es gebe noch keinen verbindlichen Standard in der Ver-

—————— 1775; Gottlob Friedrich von Brück, Coup d’Oeil Militaire, oder das Augenmerk im Kriege, nebst denen verschiedenen darzu nöthigen Wissenschaften, Dresden; Leipzig 1777. 158 Tielke, Unterricht, S. 434. 159 Ebd., S. 435. 160 Ebd., S. 438. 161 Ebd., S. 442.

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Abb. 6: Ähnlich wie Tielke fügte auch Johann Dietrich Carl Pirscher seinem Traktat Zeichenanleitungen für die Repräsentation verschiedener Elemente der Natur auf Plänen und Karten bei: »Einzelne Bäume, hart Holz, als: Eichen, Buchen etc. Fig. 14. Ein Wald, wo mehr als einzelne Bäume stehen, nachdem solche nahe oder zerstreuet stehen, wird wie Fig. 15. gezeichnet.« Beispielhaft zeigt sich die angemahnte zeichnerische Differenzierung naturaler Elemente aufgrund taktischer Überlegungen. Quelle: Pirscher, Coup d’Oeil, S. 29. Bild: SUB Göttingen, 8 ARS MIL 470/3.

zeichnung naturaler Elemente für militärische Karten. Die »Zeichen« seien »nicht fest gesetzt«, sodass zu jeder Karte unbedingt eine Legende beizufügen sei.162 Um die Lesbarkeit der Topografie und der Natur zu gewährleisten, sei zumindest auf Einheitlichkeit und Differenziertheit der Zeichen zu achten. Ein Versagen könnte dazu führen, dass zwei verschiedene naturale Elemente miteinander verwechselt wurden – mit potenziell katastrophalen Folgen: »Auf vielen, zumal bunten Plans, findet man die Wiesen so undeutlich gemacht, daß man sie vom Moraste nicht unterscheiden kann, welches kein geringer Fehler ist.«163 Hier unterstreicht Tielke die taktische Bedeutung einer erfassten und einschätzbaren Natur, weist aber zugleich auf die Brüchigkeit ihrer epistemischen Erfassung hin. Beispielhaft verbindet sich

—————— 162 Ebd., S. 433. 163 Ebd., S. 442.

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hier das Streben nach einer »militärischen Exaktheit« in der Praxis des Anfertigens von Karten und Plänen mit möglichen taktischen Konsequenzen. Die zuvor beschriebene Ausdifferenzierung der Beschreibung von naturalen Umwelten im Bereich der Taktik findet am Ende des 18. Jahrhunderts ihre Entsprechung in der Darstellung von Terrain zu militärischen Zwecken: Letztlich sollten Tielkes Anweisungen das Problem des ungenügenden Darstellungsvermögen von Karten, die de Crissé zuvor kritisiert hatte, durch eine möglichst ausdifferenzierte Repräsentation naturaler Elemente beheben. Die Präsenz dieser Zeichenanleitungen, aber auch der Passagen zur möglichst »genauen« Messung im Feld zeigt, wie in der Militärtheorie der Anspruch an eine »militärisch exakte« Kartografie formuliert wurde.

3.3.3 Die Statistik des Krieges. Die ökonomisch-militärische Landeskenntnis als Idealvorstellung Der Gebrauch von Karten zur militärischen Erfassung der naturalen Umwelt war also im militärtheoretischen Diskurs am Ende des 18. Jahrhunderts einerseits eine Selbstverständlichkeit, andererseits einer stetigen Kritik unterworfen. Eine Antwort für die stets beklagte Ungenauigkeit wurde ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von einigen Theoretikern in der Erweiterung des Mediums gesehen: Karten sollten mit weiteren Informationen angereichert werden, um eine totale Erfassung eines Landes zu militärischen Zwecken zu erschaffen, die sowohl das Terrain als auch relevante politische und wirtschaftliche Informationen zusammenführen sollte. Diese Idealvostellung eines kartografisch und statistisch aufgeschlüsselten Kriegsschauplatzes speiste sich dabei aus der langsamen Etablierung der Statistik als Herrschaftsinstrument und ökonomisch-kameralistischen Raumvorstellungen, die sich im militärtheoretischen Diskurs mit militärischen Zielen vereinigten. Somit wurde der Idee eines kontrollierbaren Krieges anhand der Kontrolle und Erfassung der Natur durch eine Mischung aus topografischen und ökonomischen Karten gewissermaßen das ideale Informationsmedium an die Seite gestellt. Die Vereinigung von politischen mit topografischen und ökonomischen Informationen zur optimalen Landeskenntnis ist dabei für sich ge-

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nommen kein Gedanke des 18. Jahrhunderts.164 Doch ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ist eine immer intensivere Verschränkung militärischer Informationen mit ökonomischen Informationen in den Ausführungen zum militärischen Kartengebrauch und zur Landeskenntnis deutlich greifbar. Dies lässt sich mit der Etablierung und Entfaltung einer ökonomisierten Sicht auf den Raum im Laufe des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts in Verbindung setzen, die als »Merkantilismus« oder in seiner deutschen Spielart »Kameralismus« bezeichnet worden ist. 165 Am Beispiel Frankreichs ist bereits auf die Verbindung der kartografischen Erfassung des Territoriums und der Optimierung der Nutzung seiner Wirtschaftskraft hingewiesen worden, die Voraussetzung der Mehrung des Reichtums eines Staates gewesen sei.166 Der Fokus auf eine optimierte Nutzung der wirtschaftlichen Quellen eines Territoriums, beispielsweise durch Peuplierungspolitik, ist Kennzeichen einer »kameralistischen« Sicht auf das Wirtschaften, die sich aus der Hausväterliteratur entwickelte und die den Wiederaufbau der verwüsteten deutschen Territorien zu einem Argument ihres Handlungsprogrammes machte. 167 Handelte es sich zunächst um einzelne Autoren, die ähnliche Empfehlungen für das Wirtschaften gaben,

—————— 164 Die »Fruchtbarkeit des Bodens« zu kennen findet sich auch in diversen Schriften des 17. Jahrhunderts als Anforderung an eine optimale Informationslage. Zur perfekten Kenntnis des Feindeslandes gehört nach Turenne beispielsweise nicht nur seine »Geschichte und die Geografie, vor allem die Topografie«, sondern auch, »was es erzeugt«; und der am Ende des 17. Jahrhunderts schreibende Böckler rät gleichfalls, dass nicht nur die Topografie eines Landes militärisch von Interesse sei, sondern auch die Frage nach der Fruchtbarkeit des Landbodens: »fett und trächtig / oder sandicht und mager / fruchtbar oder unfruchtbar.«, Turenne, Mémoires, S. 3–4; Böckler, Schola Militaris, S. 270. 165 Zum problematischen Begriff des »Merkantilismus«, der hier lediglich als Möglichkeit einer Epochenbezeichnung gesehen wird, vgl. exemplarisch den Überblick bei Moritz Isenmann, Einleitung, in: Ders. (Hrsg.), Merkantilismus. Wiederaufnahme einer Debatte (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte 228), Stuttgart 2014, S. 9–18, sowie die Diskussion bei Lars Magnusson, Is Mercantilism a Useful Concept Still?, in: Moritz Isenmann (Hrsg.), Merkantilismus. Wiederaufnahme einer Debatte (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte 228), Stuttgart 2014, S. 19– 38; zur Abgrenzung zum deutschen »Kameralismus« vgl. Thomas Simon, Merkantilismus und Kameralismus. Zur Tragfähigkeit des Merkantilismusbegriffs und seiner Abgrenzung zum deutschen »Kameralismus«, in: Moritz Isenmann (Hrsg.), Merkantilismus. Wiederaufnahme einer Debatte (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte 228), Stuttgart 2014, S. 65–82. Klassischer Überblick zur ökonomischen Ideengeschichte und zu den wichtigsten Autoren ist zudem Terence Hutchinson, Before Adam Smith. The Emergence of Political Economy, 1662–1776, Oxford 1988. 166 Vgl. Bitterling, Der absolute Staat, S. 100–101; Bitterling, Marschall Vauban, S. 70–74. 167 Vgl. z. B. Hutchinson, Before Adam Smith, S. 90–100.

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etablierte sich der Kameralismus ab 1727 als eigenes Fachgebiet an deutschen Universitäten. 168 Besonders an der Staatswirthschaft 169 Johann Heinrich Gottlob Justis wird von der Forschung eine neue Systematisierung des kameralistischen Wirtschafts- und Verwaltungsdenkens sowie eine neue Verankerung im politischen und administrativen, praktischen Bereich konstatiert. Ökonomie, »Staatskunst« und Polizeiwissenschaft wurden zum von ihm aus der Naturrechtslehre entlehnten Staatszweck der »gemeinschaftlichen Glückseligkeit« miteinander vereint. Das Territorium wurde durch diese Form einer »Raumstaatswirtschaft« 170 als ein Gesamtgefüge aus Raum, Bevölkerung und Ressourcen konzipiert.171 Dieser wirtschaftliche Diskurs wurde auch in der Militärtheorie wirkmächtig. Ein Element des kameralistischen Diskurses war der Fokus auf die »Cultur des Bodens« und somit die Erfassung des naturalen Raumes eines Territoriums unter wirtschaftlichen Aspekten: Das »Land« wurde hier als »ökonomischer Wechselwirkungszusammenhang« gedacht,172 ein Konzept, das sich auch bei der Erfassung eines Landes zu militärischen Zwecken finden lässt. Ein Beispiel für die immer stärkere Fokussierung auf ökonomische Themen in der Militärtheorie ist wieder bei dem französischen Ingenieurgeografen Dupain de Montesson zu sehen. Einige Seiten nach den Ausführungen zur Erlangung der Landeskenntnis, die er als eine Mischung aus verschiedenen Vorgehensweisen, aber mit einem deutlichen Hinweis auf minutiös angefertigte Militärkarten konzipiert, führt er die Landeskenntnis noch weiter aus. Es sei nicht genug für eine gute und spezielle Kenntnis des Landes, nur »Positionen« sowie »Bewegungen und Märsche« und dazu die »Flüsse, Bäche und Gräben« zu kennen. 173 Auch der logistische Bedarf

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168 Vgl. Marcus Sandl, Ökonomie des Raumes. Der kameralwissenschaftliche Entwurf der Staatswirtschaft im 18. Jahrhundert (Norm und Struktur, Bd. 11), Köln; Weimar; Wien 1999, S. 61. 169 Johann Heinrich Gottlob Justi, Staatswirthschaft oder systematische Abhandlung aller oeconomischen und Cameralwissenschaften, 2 Bde., Leipzig 1755. 170 Sandl, Ökonomie, S. 178. 171 Ebd., S. 178–188. Allerdings hat Andre Wakefield zuletzt kritisch darauf hingewiesen, dass die kameralistische Praxis dem idealistischen Bild des kameralistischen Diskurses in keiner Weise entsprochen habe. Andre Wakefield, The Disordered Police State. German Cameralism as Science and Practice, Chicago IL; London 2009, S. 1–25; S. 134–144. 172 Sandl, Ökonomie, S. 82. 173 »Ce n’est point assez pour avoir une connoissance bien particuliere d’un pays, d’être instruit des positions qu’on y peut prendre; des mouvemens & des marches qu’on y peut faire; des postes qu’on y doit occuper; des rivieres, des ruisseaux & des ravins qu’il faud-

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einer Armee sollte mit einer idealen Karte zu decken sein, die das Land, seine Ressourcen und seine zivile Nutzung aufschlüsselte: 174 »Das erste ist zu wissen, welche Arten der Lebensmittel und Getränke das Land produziert; unterrichtet zu sein von dem Gewerbe, das an jedem Ort getrieben wird; von dem, was es in einigen Provinzen gibt, was sich nicht in den anderen finden lässt; ob die Wasser gut sind und keine epidemischen Krankheiten verursachen; ob die Wälder häufig sind, ob die Weiden dort gut oder schlecht sind.«175

In einer ähnlichen Art und Weise, nur deutlich komprimierter fasste diese Informationen auch der unbekannte Autor mit dem Kürzel V.D.S.G. zusammen, was auf die allmähliche Verbreitung dieses Ideals einer optimalen Informationslage hinweist. Für einen Offensivkrieg solle man im Voraus das Land des Gegners kennen: »Ob es fruchtbar ist, reich an Holz, an Wasser, an Lebensmitteln und an Fourage; ob es bevölkert ist, geschäftig [commerçant]; ob es reich ist an Pferden und an Vieh.«176 Die Verbindung von ökonomischen und militärischen Informationen verdichtete sich im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts teilweise zu einer militärisch-statistischen Kontrollfantasie par excellence. Das Ideal, was nun beschrieben wurde, war eine umfassende, aus verschiedenen Karten und Beschreibungen aggregierte Landeskenntnis, die es letztlich möglich machen sollte, aufgrund topografischer sowie ökonomischer Faktoren das militärische Vorgehen abzuleiten. Die Natur sollte also letztlich sowohl in ihrem ökonomischen, als auch in ihrem taktischen Potenzial erfasst werden: Zwei Aspekte, die sich idealerweise nicht gegenseitig ausschließen sollten wie in einem Gegensatz von »ökonomischen« und »militärischen« Karten, sondern die zusammen eine perfekte Landeskenntnis ergaben. In dieser Vorstellung zeigt sich eine Überschneidung militärischer, ökonomischer und administrativer Diskurse, die an die sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts etablierende Nutzung von quantifizierenden Herangehens-

—————— ra passer; des bois, des défilés, &c.«, Dupain de Montesson, Amusemens Militaires, S. 86. 174 Zur Versorgung vgl. Kapitel 4. 175 »La premiere est de savoir quelles sont les especes de denrées & de boissons que le pays produit; d’être instruit du commerce qui se fait dans chaque endroit; de ce qu’il y a dans certains cantons, qui ne se trouve pas dans d’autres; si les eaux y sont bonnes & incapables de causer des maladies épidémiques; si le bois y est commun, si les paturages y sont bon ou mauvais.« Dupain de Montesson, Amusemens Militaires, S. 86. 176 »Il faut, pour réussir, connoître d’avance le pays ennemi où on doit porter la Guerre, s’il est fertile, abondant en bois, en eau, en vivres & en fourage; s’il est peuplé, commerçant«, V. D. S. G., Abrégé, S. 113.

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weisen in manchen Territorien und an die »politische Arithmetik« erinnert: Lars Behrisch hat dieses »Eindringen zahlenmäßiger Wirklichkeitserfassung in Politik und Verwaltung« 177 in seiner Studie als »Geburt der Statistik« und als Etablierung einer gouvernementalen Machttechnik untersucht. 178 Auf diese Verschränkung ökonomischer, politischer und militärischer Repräsentationen eines Territoriums kommt Georg Dietrich von der Groeben in seinem sechsten Band der Neuen Kriegsbibliothek aus dem Jahr 1777 in einer Passage zu sprechen, die beispielhaft illustriert, wie weitreichende Informationen über die Natur und ihre Nutzung im Medium der Karte aggregiert werden sollten. Zu Beginn des Kapitels gibt er zu bedenken, dass zu seiner Zeit zahllose Details und Informationen über verschiedene Länder zusammengetragen würden: »Regierungsart« und »Reichthum«, »Fonds und Quellen der Einkünfte«, die »Stärke der Truppen«, ihre »Rekrutierungs- und Verpflegungsart« sowie die »Festungen und Zeughäuser« oder die »Population, Religion, Gesinnung des Volkes gegen die Regenten, seine Nahrungsart, ob es eigene Stärke durch Ackerbau und Manufakturen, oder abhängige durch Kaufhandel habe«.179 Es ist hier bereits auffallend, wie in dieser als »politisch« markierten Gemengelage an Informationen wirtschaftliche und militärische Informationen vermengt werden. Allerdings fehlt diesen Informationen eine kartografische Darstellung, wie sie Groeben bei der »physikalischen Beschaffenheit des Landes« verortet, die für den militärischen Gebrauch nötig sei.180 Doch auch eine bildliche Repräsentation der »politischen« Zustände sei in Groebens Zeit unternommen worden: »Man hat in unsern Tagen eine Weise, die Karten zu malen, versuchet, dadurch man vieles Merkwürdige aus dem politischen Zustande auszudrücken gemeinet.« Dies sei zwar »eigentlich nicht für den besonderen Gebrauch im Kriege gerathen«, allerdings hält Groeben die »Erfindung dieser Methode« für »sehr gut, und wird Gelegenheit geben, Charten darnach zu formieren«.181 Damit spielt er deutlich auf die Wichtigkeit der Verbindung militärisch-topografischer mit ökonomisch-politischen Informationen im Medium der Karte an und sieht darin großes Potenzial.

—————— 177 Vgl. Lars Behrisch, Die Berechnung der Glückseligkeit. Statistik und Politik in Deutschland und Frankreich im späten Ancien Régime (Beihefte der Francia, Bd. 78), Ostfildern 2016, S. 23. 178 Ebd., S. 493–503. 179 Groeben, Neue Kriegsbibliothek, S. 277. 180 Ebd., S. 278–279. 181 Ebd., S. 279.

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Später geht er umso deutlicher auf diese Verbindung ein, wenn er sich mit der detaillierten Darstellungsform topografischer Karten befasst. Gerade hier, wo besonders auf die Repräsentation der naturalen Umwelt nach militärischen Gesichtspunkten geachtet werde, vermerkt Groeben auch die Verzeichnung wichtiger ökonomischer Informationen: »Nach gut getriebener Ackerwirthschaft, sollte jede Feldmark verzeichnet seyn; ist nun ein Feld auch im wirthschaftlichen Gebrauche aufgenommen, so kann die Charte dem Soldaten sehr wohl dienen. Wenn sie gut ist, giebt sie gewiß Anzeige vom Wasser, Paß, der Höhe. Sie bemerket die der Oekonomie wegen angebrachten Werke.«182

Sogar ein »Cataster vom Viehbestande, von Aussaat«183 sei zum »Soldatengebrauch« hervorragend nutzbar, ermögliche dies doch die Einschätzung des ökonomischen Potenzials eines Gebietes, welches militärisch genutzt werden sollte.184 Wenig später identifiziert Groeben pointiert die hauptsächlichen Produzenten der militärisch nutzbaren Karten: »Von den guten Charten, so wir Soldaten zu diesem Gebrauch haben können, hat man einen großen Theil Finanzeinrichtungen, andere den Kriegen zu danken.«185 Die intensivierte Erschließung von Ressourcen durch die Vermessung und Kartografierung von Land wird von Groeben an die Seite der militärischen Erfassung eines Landes gestellt. Entscheidend ist an dieser Feststellung, dass sie letztlich die Pointe für ein Idealbild der militärischen Erfassung eines Landes darstellt, das Groeben hier umreißt. In seiner Idee einer kartografischen Landeskenntnis waren die Informationen zu militärischen Zwecken mit den Informationen zu ökonomischen Zwecken verbunden und ergänzten einander. In dieser Aggregierung umfangreicher Informationen kann der Beginn einer strategischen Perspektive auf das Führen von Krieg gesehen werden. In dem Versuch über ein allgemeines System aller militairischen Kenntnisse des Autors Friedrich Nockhern de Schorn wird diese Form der militärischökonomischen Landeskenntnis zum Kennzeichen des aufkommenden Wortes »Strategie«. Wie andere militärische Autoren auch unterscheidet er bereits vor Bülow unter Rückgriff auf den antiken Begriff »strategos« zwischen Strategie und Taktik.186 Die »Strategie« als zusammenfassende

—————— 182 Ebd., S. 295. 183 Ebd. 184 Zur Berechnung von Getreidemengen zur militärischen Versorgung vgl. auch Kap. 4.2. 185 Ebd., S. 298. 186 Vgl. Nockhern de Schorn, Versuch, S. 8–12.

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»Kunst des Kommandierens«187 enthält auch Überlegungen zur »militärischen Kenntnis des Landes«.188 In seiner Beschreibung der Erlangung dieser Landeskenntnis setzte er implizit einen kartografischen Blick voraus. Zuvor hatte er bereits mehrfach die für ihn selbstverständliche Nutzung von Karten angedeutet: Karten seien fester Bestandteil der militärischen Bildung und der militärischen Bibliothek eines Offiziers. 189 Um ein Land aber wirklich »militärisch zu kennen«, gehe es nicht nur um seine »Lage«, seine »Grenzen« sowie sein »Inneres«, womit er vor allem topografische Details und die naturale Umwelt meint. Als Viertes fügte er den Punkt der »Producte« hinzu und gibt seiner Landeskenntnis damit einen ausgeprägt ökonomisch-statistischen Zug, der sich in der Vorstellung einer umfangreichen Berechenbarkeit des Krieges im Voraus niederschlug, die zumal die eigene Staatskasse entlasten sollte. Der Krieg, der in diesen Überlegungen imaginiert wurde, wurde also nicht nur militärisch, sondern auch ökonomisch effizient geführt. 190 »Viertens, in Ansehung einer Menge oeconomischer und militairischer Absichten, ist es nöthig, vollkommen von den Producten eines Landes unterrichtet zu seyn. Man untersucht also, ob es fruchtbar überhaupt, oder nur in gewissen Gegenden ist. Was für Arten von Getraide es hervorbringt, ob es Ueberfluß an Fourage hat; ob es eigene Pferde zur Cavallerie und zum Fuhrwesen zieht. Ob es viele Ochsen, Kühe, Schafe und Federvieh hat. Ob der Wein, das Bier, und der Brandewein in Ueberflusse und gut daselbst sind, mit einem Worte, man muss alle Quellen kennen und genau berechnen, welche man aus dem feindlichen Lande zum Unterhalte unserer Armee ziehen kann, im den Landesherrn so viel als möglich davon zu entledigen...«191

Trotz der geschilderten Kartenskepsis bei einigen militärischen Autoren in der Mitte des 18. Jahrhunderts entfaltete sich also zum Ende des 18. Jahrhunderts ein Diskursstrang in der Militärtheorie, in dem eine »totale« Landeskenntnis imaginiert wurde: Eine epistemische Aufschlüsselung eines Kriegsgebietes, seiner Natur und deren Nutzungsformen durch die Verbindung eines militärischen mit einem ökonomischen Blick. Wie die immer wieder geäußerten Kritikpunkte an der kartografischen Verfügbarmachung des Kriegstheaters aber deutlich machen, wurde in diesem militärischen

——————

187 Ebd., S. 7. 188 Ebd., S. 201. 189 Ebd., S. 67–76. 190 Vgl. zu lokaler Ressourcennutzung und der Entlastung der eigenen finanziellen Mittel auch Kap. 4. 191 Nockhern de Schorn, Versuch, S. 201.

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Kartografiediskurs eine ausgeprägte Kontrollfantasie artikuliert und letztlich auch kritisiert. Dies zeigt zuletzt die Bandbreite der militärtheoretischen Positionierungen zur Nutzung von Karten zur »Lesbarmachung« der naturalen Umwelt auf, die sich im 18. Jahrhundert entfaltete.

3.4 »Militärisches Augenmaß« als Umweltwahrnehmung Doch die Betonung eines kartografischen und administrativen Blickes ist nur eine Seite des militärtheoretischen Diskurses. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde zugleich ein subjektives, im Körper des Feldherren selbst verortetes, praktisches Wissen betont: Das »Augenmaß« als unhintergehbare Möglichkeit der Informationsgewinnung. Wie Ewa Anklam gezeigt hat, war das Besichtigen der naturalen Umwelt vor Ort durch Feldherren, aber auch durch Ingenieure Mitte des 18. Jahrhunderts ein zentraler Teil der militärischen Informationsbeschaffung. 192 Das »militärische Augenmaß« wurde dabei in den Schriften der Theoretiker besonders vor dem Hintergrund der Einschätzung und Erfassung naturaler Elemente diskutiert. Diese Fähigkeit war mit der direkten, unmittelbaren Einschätzung taktischer Möglichkeiten verbunden und eine Form der Umweltwahrnehmung, die von den Autoren deutlich von anderen Formen abgegrenzt wurde. Zugleich steht diese »militärische Umweltwahrnehmung« im Zentrum epistemischer Diskussionen über das Führen und Erlernen von Krieg. Der eingeforderte »militärische Blick« auf das Land ist mit der Bedeutung des Sehens auch in anderen Wissensbereichen durchaus vergleichbar und muss vor dem Hintergrund zeitgenössischer Diskurse über das »Augenmaß« und die epistemische Bedeutung des Sehens gesehen werden.193 Verschiedene

——————

192 Vgl. Anklam, Wissen, S. 95–110. Auch für die Kriege Napoleons betonte Thomas Kaufmann in seiner Studie, dass die Armeen der napoleonischen Ära letztlich Armeen waren, die sich im wahrsten Sinne des Wortes »gegenüber-standen«: sowohl die Kommunikation innerhalb der Armeen als auch die Feindaufklärung zwischen den Armeen vor Ort wurden durch optische Signale und das Sehen »mit eigenen Augen« ermöglicht. Thomas Kaufmann, Kommunikationstechnik und Kriegführung 1815–1945. Stufen telemedialer Rüstung, München 1996, S. 31–32. 193 Zum Sehsinn als »privilegiertem Sinn« vgl. Vgl. Robert Jütte, Geschichte der Sinne. Von der Antike bis zum Cyberspace, München 2000, S. 40–57; S. 73. Zu seinem Aufstieg in der Frühen Neuzeit vgl. Robert Jütte, Augenlob – oder die (Neu-)Bewertung des Sehsinnes in der Frühen Neuzeit, in: Gabriele Wimböck, Karin Leonhard, Markus Friedrich (Hrsg.), Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit (Pluralisierung und

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Studien haben versucht, die Frühe Neuzeit entweder als Zeitalter des Aufstieges des Sehsinnes im Sinne eines »skopischen Regimes« oder aber als Zeit der Kritik am Sehen darzustellen.194 Einerseits nahm das SichtbarMachen und »vor Augen stellen« von Sachverhalten einen hohen epistemischen Stellenwert in der Produktion von Evidenz und Fakten ein, 195 andererseits wurde dem Auge und seinen optischen Hilfsmitteln immer wieder misstraut, und optische Illusionen erfreuten sich einer großen Beliebtheit.196 Im 18. Jahrhundert wurde unter dem Einfluss der französischen Sensualphilosophie die Erziehung des Sehsinnes auch zu einem Anliegen pädagogischer Diskurse.197 Das Diskutieren über die Genauigkeit des militärischen Augenmaßes, seine Schulung sowie die Betonung seiner Bedeutung insgesamt ist mit diesen Entwicklungen verknüpft. In der Militärtheorie wurde das optische Erfassen von Natur zu einer eigenen, genuin militärischen Fähigkeit erklärt, die als schnellste und oftmals auch genaueste Methode galt, relevante Informationen über die Topografie eines Landes zu erhalten. Dabei wurde das »Augenmaß« über das Einschätzen der naturalen Umwelt definiert und damit als Gegenposition zum verstärkten Kartografiediskurs etabliert. Die epistemische Erfassung der Natur war in diesem Diskursstrang im Sinne des Wortes »inkorporiert«, indem sie als körperliche Praktik des begabten Feldherren gesehen wurde. Indem die Person des Feldherren selbst in den Fokus gestellt wurde, lässt sich anhand dieser »militärischen Umweltwahrnehmung« auch der Einfluss eines militärischen Genieglaubens zeigen, in

—————— Autorität, Bd. 9), Berlin 2007, S. 41–59, hier S. 43–46; zur Skepsis gegenüber optischen Geräten in der Wissenschaftsgeschichte, wie dem Mikroskop, vgl. Catherine Wilson, Some Skeptical Reactions to Early Microscopy, in: Gabriele Wimböck, Karin Leonhard, Markus Friedrich (Hrsg.), Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit (Pluralisierung und Autorität, Bd. 9), Berlin 2007, S. 215–234; zur Rolle der optischen Forschungen von Descartes, Kepler und Newton vgl. Ralph Köhnen, Das optische Wissen. Mediologische Studien zu einer Geschichte des Sehens, München 2009, S. 12–13; S. 193–212. 194 Vgl. beispielsweise Thomas Kleinspehn, Der flüchtige Blick. Sehen und Identität in der Kultur der Neuzeit, Reinbek 1989; Martin Jay, Scopic Regimes of Modernity, in: Nicholas Mirzoeff (Hrsg.), Visual Culture Reader, London; New York 1998, S. 66–69; kritisch dazu vgl. Stuart Clark, Vanities of the Eye. Vision in early modern European culture, Oxford; New York 2009. 195 Vgl. Gabriele Wimböck, Karin Leonhard, Markus Friedrich, Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit, in: Dies. (Hrsg.), Evidentia. Reichweiten visueller Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit (Pluralisierung und Autorität, Bd. 9), Berlin 2007, S. 9–38, hier S. 22–26. 196 Vgl. Jütte, Augen-Lob, S. 42–43. 197 Vgl. Jütte, Geschichte, S. 140–148; S. 172–181.

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dem ständisch geprägte Naturnutzungsdiskurse in Konflikt mit Formen des mathematischen und »gelehrten« Wissens gerieten, in dem das »Augenmaß« als geistig-theoretische Fähigkeit galt.

3.4.1 Ein Land »militärisch sehen«. Optische Naturerfassung vor Ort und der militärische Blick als Korrektiv Im Lauf des 18. Jahrhunderts etablierte sich das Augenmaß, oder »Coup d’Oeil«, als Referenzbegriff in der Militärtheorie. Er beschrieb eine spezielle militärische Umweltwahrnehmung: das optische Erfassen eines Landes innerhalb einer kurzen Zeit und das Abschätzen der naturalen Umwelt durch die eigene Anwesenheit an einem Ort. Dieser »militärische Blick« wurde mithin als wichtiger eingeschätzt als das Befragen von Wegweisern oder das Konsultieren von Karten, da die durch das eigene Auge gewonnenen Informationen angeblich dem Maßstab einer militärischen Genauigkeit genügten. Die Etablierung des Augenmaßes als eigene Kategorie, der sogar umfangreiche Kapitel und später ganze Bücher gewidmet wurden, ist verbunden mit den Werken des französischen Militärtheoretikers Folard. In seinen Hauptwerken Nouvelles Decouvertes und der umfangreichen Histoire de Polybe etablierte er das »Coup d’Oeil« als eine Verknüpfung der Informationsgewinnung über die naturale Umwelt und ihrer gleichzeitigen taktischen Einschätzung als wichtige militärische Fähigkeit. In Nouvelles Decouvertes beschreibt er das »Coup d’Oeil« im Kontext von Schlachten bereits als »große Eigenschaft eines Generals und eines jeden Kriegsmannes«.198 In seiner Histoire de Polybe hingegen widmet Folard dem Augenmaß ein ganzes Kapitel direkt im ersten Band seines Werkes, in dem er eine wirkmächtige Definition dieser Fähigkeit vornimmt, die sich explizit auf die naturale Umwelt und ihre militärische Nutzung bezieht. »Das militärische Augenmaß«, so Folard, »ist nichts anderes als die Kunst des Kennens der Natur und der verschiedenen Lagen des Landes, in dem man den Krieg führt«.199 Die der Landeskenntnis später zugeschriebene Wirkung eines »Orakels« des Krieges wird bereits in Folards Ausführungen zum Augenmaß greifbar,

—————— 198 »C’est une grande qualité dans un Général & dans toute homme de guerre«, Folard, Decouvertes, S. 370. 199 »Le coup d’oeil militaire n’est autre chose que l’art de connoître la nature & les différentes situations du pais où l’on fait, & où l’on veut porter la guerre«, Folard, Histoire, Bd. 1, S. 219.

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wenn er schreibt, dass dadurch »ein großer Feldherr die Ereignisse eines ganzen Feldzuges« vorhersehen könne. Nach Folard sei ohne das Augenmaß auf einen Sieg nicht zu hoffen, und damit sei es ein Hauptteil der gesamten »science militaire«.200 Immer wieder kommt er in der Folge auf das »Coup d’Oeil« zu sprechen. Beispielsweise nennt er es in Verbindung mit militärischen Märschen eine »militärische Dialektik [dialectique militaire]«,201 und für den Angriff auf verschanzte Armeen bedürfe es ebenfalls eines »bewundernswerten Augenmaßes«, um das Gelände dafür genau abzuschätzen.202 Die genaue taktische Einschätzung von Natur erfolgt nach Folard also über das Betrachten der Topografie vor Ort und ist direkt mit dem Sehsinn des Feldherren verbunden. Folards Definition des Augenmaßes als kriegsentscheidende Qualität prägte den Begriff stark. Vor allem deutsche Autoren bezogen sich in der Folge explizit auf ihn. 203 So finden sich in den aufkommenden militärischen Wörterbüchern Verweise auf das Augenmaß und Folard: Im 1757 veröffentlichten Kriegs-Lexicon204 von Jacob von Eggers (1704–1773), der als schreibender Militäringenieur und leidenschaftlicher Sammler militärtheoretischer Werke gewissermaßen als »Prototyp« des aufgeklärten Offiziers gelten kann, 205 führt beispielsweise das Stichwort »Augenmerck

—————— 200 Ebd. 201 Ebd., Bd. 2, S. 52. 202 Ebd., Bd. 3, S. 294. 203 So zum Beispiel neben den hier genannten Autoren Finck, Gedanken, S. 109; Johann Friedrich Beer, Einleitung zu den großen Kriegs-Theilen, zum Gebrauch junger Officiers, München; Leipzig 1772, S. 49–50; Pirscher, Coup d’Oeil, S. 18. 204 Jacob von Eggers, Neues Kriegs- Ingenieur- Artillerie- See- und Ritter-Lexicon, worinnen alles, was einem Officier, Ingenieur, Artilleristen und Seefahrenden aus der Tactique, der Civil- Militair- und Schiffsbaukunst […], 2 Bde., Dresden; Leipzig 1757. Dabei handelte es sich um die Übersetzung des bereits 1751 erschienenen französischen Originals von Eggers, dem Dictionnaire Militaire. 205 Eggers wurde 1704 als Sohn eines Bäckermeisters geboren und trat 1723 in schwedische Kriegsdienste. Seine Kenntnisse als Militäringenieur erwarb er vor allem durch eine Reise in die österreichischen Niederlande. Nach dem Polnischen Thronfolgekrieg trat Eggers in sächsische Dienste, diente dort in der Garde und wurde 1740 in Schweden zum Hauptmann der Fortifikation, zugleich aber in Sachsen zum Major der Feldbrigade des Ingenieurkorps ernannt. Er nahm auf sächsischer Seite am Österreichischen Erbfolgekrieg teil und diente zudem freiwillig auf Seiten der Franzosen bei der Belagerung der Stadt Bergen-Op-Zoom. Über seine dortigen Beobachtungen veröffentlichte er ein Diarium. Eggers wurde nach dem Krieg in die schwedische Akademie der Wissenschaften aufgenommen und diente zugleich als Erzieher des Prinzen von Sachsen. Im Siebenjährigen Krieg bewarb sich Eggers nach der Kapitulation der sächsischen Armee bei Pirna am 16. Oktober 1756 um den Posten des Festungskommandanten der Stadt Danzig. Bis

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im Kriege, Coup d’oeil militaire« unter direktem Verweis auf den »Chevalier de Folard« als eine »Kunst, die Lage und Eigenschaft […] einer Gegend, […] ohne sich lange dabey aufzuhalten, sich zu imprimiren und vorzubilden.«206 Nahezu wortgleich findet sich Folards Definition zudem in Zedlers Universallexikon.207 In Folards Rezeption wurde sein Bezug des Augenmaßes auf die naturale Umwelt in verschiedenen Formulierungen übernommen. Das Augenmaß wurde so als Begriff geprägt, der besonders die Informationsgewinnung über Topografie und Terrain bezeichnete. 208 Diese militärische Naturwahrnehmung wurde von einigen Theoretikern ab der Mitte des 18. Jahrhunderts nicht nur in ihre Werke übernommen, sondern in den Rang eines Korrektivs erhoben: Das Auge des Feldherren war das letztgültige Mittel zur genauen Erfassung eines Landes, seiner Topografie und naturalen Besonderheiten. Diese Betonung der persönlichen Fähigkeiten und des »Vor-Ort-Seins« reichte bis zur Fundamentalkritik jeder anderen Form des epistemischen Zugangs. Zum Ende des 18. Jahrhunderts bezeichnet der sardische Generalstabsoffizier de Silva den eigenen Blick auf die Natur des Schlachtfeldes als unhintergehbare Grundvoraussetzung des Krieges. Seine Skepsis gegenüber den »Augen anderer« ist derart groß, dass er weder das »Untersuchen der Karten«, noch das »Befragen der Landesbewohner«, sogar nicht das Aussenden von Offizieren und das Anfertigen von Plänen durch Ingenieure gelten lässt. »Alles das ist gut, essenziell, unverzichtbar; aber die Karten können fehlerhaft sein, die Landesbewohner kennen das, was sie bewohnen, nicht gut, die Offiziere haben

——————

zu seinem Tod 1773 baute er dort eine Bibliothek auf, die sich vor allem durch einen großen Umfang an militärtheoretischen Schriften auszeichnete. Vgl. Hohrath, Jacob von Eggers, S. 99–101. 206 Eggers, Neues Kriegs- Ingenieur- Artillerie- See- und Ritter-Lexicon, Bd. 1, Sp. 148. 207 Anonym, Art. »Augenmerk«, in: Johann Heinrich Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Supplement Bd. 2, Halle; Leipzig 1751, Sp. 873. 208 Saint-Génies schreibt beispielsweise 1754 explizit über das Augenmaß, nachdem er besonders Karten fundamental kritisiert hatte. Ähnlich wie Folard hatte er angeführt, dass ein General auf Karten nicht die »Sicherheit« fände, die er zur Ausarbeitung seiner Pläne benötige. Um eine tatsächliche Kenntnis des Landes zu erlangen, müssten Offiziere und der Feldherr über das Augenmaß verfügen, das Saint-Génies nun nahezu wortgleich wie Folard definierte. Saint-Genies, L’Art de la Guerre, Bd. 1, S. 185–186; S. 190–191. Ähnlich gilt de Crissé das »schnelle und sichere Augenmaß [coup d’oeil prompt & assûré]« als Qualität eines Generals neben »Genie« und »Kaltblütigkeit«, De Crissé, Essai, Bd 1, S. 5.

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nicht genug Verstand und Aufmerksamkeit, und die Ingenieure und ihre Pläne sind nie ganz exakt.«209

Nur die eigenen Augen des Generals seien letztlich Garanten maximaler Exaktheit, alles andere sei letztlich gleichzusetzen mit Blindheit: »Man sieht kaum mit den Augen anderer, am wenigsten sieht man gut. Ein blinder General, und ein General der nicht selbst sieht, das ist fast dieselbe Sache.«210 In dieser Betonung der inkorporierten Erfassung von Natur durch das eigene »Vor-Ort-Sein« spiegelt sich eine Entwicklung, die Michael Maurer in Anlehnung an William E. Stewart das »Autopsie-Ideal« der Aufklärung genannt hat, das sich auch in der kritischen Betrachtung von Reiseberichten im 18. Jahrhundert erkennen lässt.211 Das Augenmaß versprach aber nicht nur eine größere Genauigkeit, sondern auch eine Umweltwahrnehmung, die stärker an taktische Bedürfnisse angepasst und daher »militärischer« war als andere. Aus dem Bereich der Landeskenntnis und der Erlangung topografischer Informationen wurde das Augenmaß zunehmend im Bereich der militärischen Taktik verschoben. Dieser spezielle »militärische Blick« wurde nun in Unterscheidung zu einem »kartografischen Blick« verstanden. Dies zeigt sich in Guiberts Ausführungen zur Topografie des Krieges und zur Bedeutung der Taktik, in denen auch das Augenmaß eine Rolle spielt. Für ihn ist das »Coup d’Oeil« der militärische Gegenentwurf zur von ihm verachteten rein »topografischen« Kenntnis eines Landes.212 Mit dem eigenen Auge schaffe man sich eine »deutlichere [nette] und militärischere Idee des Landes«, als es mit anderen Mitteln jemals möglich wäre. 213 Durch ein ausgebildetes »Coup d’Oeil« etabliere sich bei einem Offizier die Fähigkeit, »ein Land militärisch zu sehen [voir un pays militairement]«:214 Man lerne, Distanzen

——————

209 »Il ne suffit certainement pas d’examiner les cartes, & de consulter les gens du pays, ni même d’envoyer reconnaître les lieux par des officiers, & d’en faire lever les plans par des ingénieurs. Tout cela est bon, essentiel, indispensable; mais les cartes peuvent être défecteuses, les gens du pays ne pas bien connaître celui qu’ils habitent, les officiers n’anvoir pas assez d’intelligence ou d’attention, & les ingénieurs & leurs plans n’être pas tout-à-fait exacts.«, De Silva, Pensées, S. 120. 210 »Un Général aveugle, & un Général qui ne voit que de cette maniere, c’est presque la même chose.« Ebd., S. 121. 211 Vgl. Michael Maurer, Reiseberichte, in: Ders. (Hrsg.), Aufriß der Historischen Wissenschaften in sieben Bänden, Bd. 4: Quellen, Stuttgart 2002, S. 325–348, hier S. 333. 212 Guibert, Essai, Bd. 2, S. 102. 213 Ebd., S. 101. 214 Ebd., S. 102.

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abzuschätzen, sich mögliche Truppenmanöver vorzustellen und sich sogar gegen optische Täuschungen zu wappnen. 215 Entscheidend ist, dass sich hier die Genauigkeit der Erfassung der Topografie dezidiert mit der Genauigkeit taktischer Manöver verbindet. Es reicht nicht mehr nur, die naturale Umwelt möglichst genau zu erfassen – für Guibert müssen zeitgleich auch die richtigen taktischen Schlüsse gezogen werden. In seiner Konzeption des »Augenmaßes« verbindet sich die optische, informative Erfassung der Natur mit ihrer taktischen Nutzung; in diesem militärischen Blick fallen epistemische und taktische Kontrolle der Natur in eins.

3.4.2 Naturwahrnehmung als Naturtalent. Das Augenmaß zwischen Erlernbarkeit und Geniekult Das militärische Augenmaß wurde also von diversen Autoren des 18. Jahrhunderts als wichtige Fähigkeit für Offiziere und Generäle hervorgehoben. Diese nahezu einstimmig positive Wertung dieser schnellen optischen Erfassung eines Landes aber war verbunden mit einer Uneinigkeit über eine zentrale Beschaffenheit des Augenmaßes: War es erlernbar oder nicht? Diese Diskussion zeigt eine Verbindung mit ständisch codierten Arten der Naturnutzung, wenn als Voraussetzung für die Ausbildung des Augenmaßes beispielsweise die Neigung zur Jagd in der Jugend betont wurde. 216 An der Frage nach dieser Form der Naturwahrnehmung lässt sich erneut ein Konflikt über den Status der gesamten Kriegswissenschaft nachvollziehen, der verdeutlicht, wie stark traditionelle militärische Vorstellungen abseits der oft betonten Gelehrsamkeit der Offiziere des 18. Jahrhunderts noch im Wissen verankert sein konnten. Während Ingenieure und Mathematiker das Augenmaß als Operation des Verstandes und als Grundlage der Messkunst als eine erlernbare Fähigkeit auffassten, betonten ab der Mitte des Jahrhunderts militärische Praktiker immer wieder die Bedeutung einer kriegerischen Begabung, die sich als Motiv später mit einer Verehrung militärischen Genietums verband. Für die einen war auch die optische

—————— 215 Ebd. 216 Vgl. zur höfischen Jagd und zum adeligen bzw. fürstlichen Selbstverständnis Martin Knoll, Dominanz als Postulat. Höfische Jagd, Natur und Gesellschaft im »Absolutismus«, in: François Duceppe-Lamarre, Jens Ivo Engels (Hrsg.), Umwelt und Herrschaft in der Geschichte. Environnement et pouvoir: une approche historique (Atelier des Deutschen Historischen Instituts Paris, Bd. 2), München 2008, S. 73–91.

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Erfassung von Natur ein Teil der Mathematik – für die anderen war sie ein Naturtalent. Schon seit Beginn der expliziten Diskussion des Augenmaßes im militärtheoretischen Diskurs wurde auch die mögliche Erlangung dieser Fähigkeit angeregt diskutiert, wobei der Übung im Krieg, aber auch bei der Jagd eine zentrale Stellung zukam. Folard kommt als prägendem Autor für diesen Begriff wenig überraschend auch hier eine Schlüsselposition zu. In seiner Histoire kritisiert er die generelle Meinung, dass das Augenmaß ein »Geschenk der Natur« sei, ohne das selbst die schärfsten Augen in den »Schatten wandeln«.217 Dagegen schreibt Folard: »Man irrt sich, wir haben alle das Augenmaß, abhängig von der Menge an Geist und gutem Verstand, die uns die Vorsehung verliehen hat.«218 Das Augenmaß wird hier also mit dem Verstand verbunden. Dabei betont Folard aber, dass selbst ein »zwei Jahrhunderte währender Krieg« wohl kaum ausreichen werde, um den Krieg und damit das Augenmaß allein durch militärische Erfahrung zu lernen.219 Stattdessen müsse man seinen »Geist« auch bei anderen Tätigkeiten bemühen, bei denen das Augenmaß zu erlangen sei: Folard nennt prominent die Jagd sowie das Reisen.220 Dieser Verweis auf die Jagd als mögliches Mittel zur Ausbildung eines militärischen Augenmaßes wurde stetig wiederholt. Der Autor Johann Friedrich von Beer, der nach eigener Auskunft »Oberlieutenant des Churbayerischen Leibregiments« war, greift dieses Thema erneut in seiner 1772 erschienenen Einleitung zu den großen Kriegs-Theilen auf. Das Augenmaß sei schwer zu erlernen, da es auf die konstante Übung ankomme; 221 doch unter Bezug auf Folard führte auch er das Formen der »Einbildungskraft eines Officiers […] auf der Jagd, im Spazieren gehen und auf Reisen« an.222

——————

217 Folard, Histoire, Bd. 1, S. 219. Dabei ist seine Position zum Augenmaß vorher nicht so eindeutig, wie sie später rezipiert wurde. In seinen Nouvelles Decouvertes nennt Folard das Augenmaß noch ein »Geschenk Gottes«, das nicht zu erwerben sei: »Le coup d’oeil est un don de Dieu & ne s’acquiert pas«, Folard, Decouvertes, S. 369. 218 »On se trompe, nous avons tous le coup d’oeil, selon la portion d’esprit & de bon sens qu’il a plû à la Providence de nous départir.«, ebd. 219 Ebd., S. 221. 220 Ebd. 221 Beer, Einleitung, S. 50. 222 Ebd., S. 80. Ähnlich bereits bei Eggers in seinem Artikel zum Augenmerk: hier schreibt er ebenfalls von dem »den Helden gemeiniglich angebohrne Trieb zur Jagd«, der »sehr viel zu der Formirung des Augenmerks« beitrage und der »überhaupt mit dem Kriege viele Verwandtschaft« habe, Eggers, Lexicon, Bd. 1, S. 149.

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Die Jagd als Betätigungsfeld des Adels ist hier eine Möglichkeit zur Schulung einer militärischen Umweltwahrnehmung. Es war allerdings besonders Folards Einordnung des Augenmaßes in den Bereich des Verstandes, die in der Folge zu seiner Rezeption in der Militärtheorie erheblich beitrug. Daran schloss sich bald das Postulat an, dass sich der militärische Blick einüben und einstudieren lasse. Als Operation des Verstandes passte diese Auffassung gut in die von Mathematikern und Ingenieuren vertretene Vorstellung einer mathematisch strukturierten und erlernbaren Kriegswissenschaft.223 Beispielsweise vertritt der sächsische Ingenieur und Major Joseph von Fallois in seinem 1771 erschienenen Werk zur Kunst des Lagerschlagens die Auffassung, dass es sich beim Augenmaß nicht um ein Naturtalent handele: Um ein taktisch gut gelegenes Lager auszuwählen, komme es auf ein »gutes Augenmaß« an, und »dieses Augenmaß ist keine Gabe der Natur, wie es sich einige Personen vorstellen.«224 Die »Basis« dieses Augenmaßes verortet Fallois in der Befestigungskunst: »Ein General, der die Befestigungskunst gut beherrscht, wird auf den ersten Blick unter hundert verschiedenen Situationen die vorteilhafteste auswählen können.«225 Diese Verortung des Augenmaßes im Bereich der Befestigungskunst oder der Geometrie lässt sich besonders stark bei Albert Ludwig Friedrich Meister feststellen, der in seiner Abhandlung von dem Kriegsunterricht 1766 das Augenmaß dezidiert als Objekt einer mathematischen Theorie anführt. Bei Meister ist das »Augenmaß« durch die Übung des Zeichnens und Aufnehmens eines Geländes zu schärfen, doch in einer Fußnote verweist er auf »eine Theorie des Augenmaasses

——————

223 Vgl. dazu Kapitel 1. 224 »Pour réussir dans toutes ces opérations, il faut avoir le coup d’oeil bon, & de coup d’ oeil n’est pas und on de la nature, comme bien des personnes se l’imaginent«, Joseph de Fallois, Traité de la Castrametation et de la Défense des Places Fortes, Berlin 1771, S. 74. 225 »Un Général qui possede bien la fortification, saura choisir à la premiere vue, entre cent situations, la plus avantageuse«, Fallois, Traité, S. 74–75. In seinem dem militärischen Augenmaß gewidmeten Traktat betont der braunschweigische Ingenieurhauptmann Pirscher ebenfalls Folards Rolle in der Zuordnung des Augenmaßes als eine erlernbare Fähigkeit und ordnet sie dem Verstand zu: »Solche Fertigkeit in Beurtheilung einer Gegend haben viele als eine besondere Gabe der Natur angesehen, allein der Herr von Folard hat erwiesen, daß es einem jeden Menschen nach seinem Witze und Verstande angemessen sey, und daß es durch Uebung feiner und vollkommner gemacht werden könne«. Da sich diese »Wissenschaft vornehmlich auf die Geometrie« gründe, empfiehlt Pirscher daher in diesem mathematischen Wissensgebiet eine gewisse Vorkenntnis, vgl. Pirscher, Coup d’Oeil, S. 17.

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[sic!], oder wenn man will, eine Feldmesskunst des Auges«,226 die der Mathematiker Johann Heinrich Lambert in seinen ab 1765 erscheinenden Beyträgen zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung behandelt. Für Lambert, dessen erstes Traktat sich im Übrigen mit Überlegungen zur Optik befasst,227 bedeutet das Augenmaß vor allem »die Schätzung der Größe und Entfernung der Gegenstände durch das bloße Anschauen«.228 In der Folge behandelt er das Augenmaß als ein optisches Phänomen, das er teilweise mit Begriffen aus der Geometrie beschreibt.229 Diese Einschätzung des Augenmaßes als Form des gelehrten Wissens teilten jedoch nicht alle militärtheoretischen Autoren. Vielmehr lässt sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts sogar ein Gegendiskurs belegen, mit dem erfahrene Praktiker des Krieges dieser Konzeption des militärischen Blickes entgegentraten und der zum Ende des 18. Jahrhunderts besonders wirkmächtig wurde, da er Elemente eines militärischen Genie-Konzeptes aufnahm. Anstatt eine mit dem Verstand assoziierte Fähigkeit zu sein, wurde sie nun vermehrt im Bereich der physischen Beschaffenheit und damit im Körper des Feldherrn selbst verortet, wodurch implizit diejenigen ausgeschlossen wurden, die nicht über diese angeborene militärische Begabung verfügten.230 Dieses »militärische Sehen« der naturalen Umwelt war abhängig von einer vorteilhaften, physischen Veranlagung des Auges. In seinen Gedanken über militärische Gegenstände schreibt beispielsweise der preußische General von Finck ein eigenes Kapitel über dieses Thema, wobei er seine eigene Erfahrung anführt: Seine eigene Niederlage bei Maxen im Siebenjährigen Krieg führt er auf sein schlechtes Augenmaß zurück. »Wer diese Gabe nicht von Natur hat, dem werden zwar seine Bemühungen in etwas helfen,

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226 Meister, Abhandlung, S. 46. 227 Johann Heinrich Lambert, Les propriétés remarquables de la route de la lumière par les airs et en général par plusieurs milieux réfringens, sphériques et concentriques, Den Haag 1758. 228 Johann Heinrich Lambert, Beyträge zum Gebrauche der Mathematik und deren Anwendung, Bd. 1, Berlin 1765, S. 12. 229 Ebd., S. 19. 230 Dieses ständisch geprägte Konzept lässt sich in Spuren noch in Clausewitz’ Vom Kriege bemerken, wo er das »Coup d’Oeil« in seinem Kapitel zum »Kriegerischen Genius« anspricht. Carl von Clausewitz, Vom Kriege. Als Handbuch bearbeitet und mit einem Essay Zum Verständnis des Werkes herausgegeben von Wolfgang Pickert und Wilhelm Ritter von Schramm (Rowohlts Klassiker der Literatur und Wissenschaft, Bd. 12), Hamburg 19 2011, S. 35. Schon Friedrich II. bezeichnete den »Feldherrenblick« als ein Element, das zu »erwerben« und zu »vervollkommnen« sei, sofern man »mit einer glücklichen Anlage zum Kriegführen geboren ist«, Friedrich II., Generalprinzipien, S. 21–22.

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er wird aber niemals zur Vollkommenheit darin gelangen.«231 Es brauche »hierzu ein gutes Auge, welches scharf in die Ferne sieht« – nicht einmal »Augengläser« könnten diese Schärfe des eigenen Blickes auf die Natur ersetzen.232 Für Finck ist die genaue militärische Naturwahrnehmung und die Fähigkeit, alle relevanten Informationen über ein Gelände allein durch den eigenen Blick zu erlangen, gewissermaßen ein Naturtalent durch physische Veranlagung. Für andere Autoren verbindet sich das Augenmaß mit einer militärischen, quasi genialischen Grundbegabung. Die Verknüpfung des Augenmaßes mit militärischem »Genietum« lässt sich bereits bei Hans Moritz von Brühl finden, der 1770 seine Schrift zur École de l’Officier veröffentlichte. 233 In seiner eigenen Schrift verortet er das »Augenmaß« weit vorne in seinem Kapitel zu den »Reflexions sur l’Art de la Guerre«. Das Augenmaß bilde sich durch eine lange Benutzung der Fähigkeit aus – allerdings sehe man dies sehr selten, wenn nicht »die Natur selbst« den »glücklichen Keim« dazu gepflanzt habe. 234 Seinen Abschnitt schließt er mit dem Ausruf: »Solcherart ist der Einfluss des Genies [génie]; es triumphiert über alle Hindernisse […].«235 Die glückliche Veranlagung zum »militärischen Sehen« war also hier bereits ein Element des militärischen Genies. Ganz ähnlich wie Brühl argumentiert zuletzt Guibert in seinen Ausführungen zum Augenmaß und untermauert damit die bereits angesprochene Differenz zwischen der Figur des bloßen »Topografen« und der des »Taktikers«. Das »Coup d’Oeil« könne höchstens verbessert, nicht aber erlangt

—————— 231 Finck, Gedanken, S. 105. 232 Ebd., S. 106. Ähnlich äußert sich noch 1778 der bereits erwähnte de Silva in seinem Kapitel zum »Coup d’Oeil«: die »Genauigkeit und Schnelligkeit« des Augenmaßes hänge »notwendigerweise von der Perfektion der Sehorgane« ab – daher sei es eine »unanfechtbare Wahrheit«, dass das Augenmaß »ein Naturtalent [talent naturel]« sei. »Cette justesse & cette promptitude du coup d’oeil […] doivent nécessairement dépendre de la perfection de l’organe de la vue […] C’est donc une vérité incontestable, & non une erreur, ainsi qu’on l’a prétendu, que le coup d’oeil est un talent naturel«, De Silva, Pensées, S. 283. 233 Moritz von Brühl, École de l’Officier, Paris 1770. Brühl war zunächst Oberstleutnant in der sächsischen Armee und ab 1766 in der französischen Armee, zudem übersetzte er zahlreiche französische militärtheoretische Werke ins Deutsche. Vgl. Christine Schatz, Art. »Brühl, Hans (Hanns) Moritz Christian Maximilian Clemens Graf von«, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V., Online-Ausgabe: http://saebi.isgv.de/biografie/Hans_von_Br%C3% BChl_(1746-1811) (Abruf am 11.05.2019). 234 Brühl, École, S. 70. 235 »Tel est l’ascendant du génie; il triomphe de tous les obstacles«, ebd., S. 71.

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werden: »Es ist ein Geschenk der Natur, und ein Instinkt des Genies [l’instinct du génie].« 236 Ein exzellenter Topograf könne nach Guibert deshalb trotzdem kein »homme de guerre« sein, denn ohne das Augenmaß bleibe er letztlich im Krieg »blind [aveuglé]«.237 In dezidierter Ablehnung eines »gelehrten« Augenmaßes betont Guibert, das Augenmaß sei »inmitten des Aufruhrs und der Gefahr« zu verbessern und zudem ein wahrhaft seltenes Talent: »in einem ganzen Jahrhundert haben es nur wenige privilegierte Menschen.« 238 Die militärische Naturwahrnehmung durch den unfehlbaren und genauen Blick des Feldherren war eine Bastion der militärischen Praktiker in der Verwissenschaftlichung des frühneuzeitlichen Krieges: Die epistemische Erfassung des Landes war also nicht einzig durch Praktiken der Kartografie und des Vermessens vorstellbar, sondern im militärischen Wissen noch immer verbunden mit der Vorstellung eines besonders begabten Offiziers.

3.5 Die Natur erfassen. Zwischenfazit Philippe Despoix hat in Die Welt vermessen die Dispositive der Entdeckungsreise im Zeitalter der Aufklärung untersucht und dabei die vielfältigen Praktiken des Beschreibens, Aufschreibens, Vermessens und Verzeichnens betont, die jenseits der großen Akteure wie Cook und Bougainville die Welt »wissenschaftlich eroberten«. In Anlehnung an Foucault sieht er dies als eine Verschränkung von Macht und Wissen; die Beschreibung der Welt, die durch wissenschaftliche und technische Apriori möglich wurde, war die Grundlage für die Eroberung fremder Länder.239 Doch die »Eroberer« in Form des Militärs waren in Europa ebenfalls damit beschäftigt, die Erfassung von Landschaft und Topografie unter militärischen Gesichtspunkten voranzutreiben. Die genaue Repräsentation der naturalen Umwelt, in der der Krieg geführt wurde, war ein wichtiges Thema der Militärtheorie des

——————

236 »Il es tun présent de la nature, & l’instinct du génie.«, Guibert, Essai, Bd. 2, S. 102. 237 Ebd. 238 »[…] comme son coup d’oeil, qu’elle soit prise au milieu du tumulte & du danger, au milieu des inconvéniens […], C’est-là cette sagacité de coup d’oeil & de jugement qui gagne les batailles, & que la nature ne donne, dans l’espace d’un siecle, qu’à quelques hommes privilégiés.«, ebd. 239 Vgl. Philippe Despoix, Die Welt vermessen. Dispositive der Entdeckungsreise im Zeitalter der Aufklärung, Göttingen 2009, S. 11–16; S. 40.

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18. Jahrhunderts. Die Vermessung der Welt war in direkter Weise auch ein militärisches Projekt. Wie gezeigt wurde, spielte die Erlangung von Informationen über das Land eine entscheidende Rolle im militärtheoretischen Diskurs. Möglichst verlässliche und genaue Informationen waren gerade bei der militärischen Nutzung der Natur wichtig, denn jede Fehleinschätzung konnte einen fatalen taktischen Fehler bedeuten. Erst mit einer militärisch exakten Erfassung eines Landes war seine taktische Kontrolle denkbar: Die taktische Kontrolle des Landes wurde durch seine epistemische Erfassung und Kontrolle bedingt. Die genaue Erfassung des Landes unter militärischen Gesichtspunkten bildete jedoch eine Idealvorstellung, die als eine Art der Kontrollfantasie interpretiert werden kann. Denn zugleich speiste sich jeder Aufruf zur exakten Erfassung der Natur aus einer grundlegenden Skepsis. Sie war auch in der Theorie immer wieder mit Problemen verbunden und wurde von Zweifel und Unsicherheit begleitet: Guides konnten lügen oder verfügten nicht über die notwendige »militärische« Form der Umweltwahrnehmung. Karten konnten ungenau und nicht passend zum »militärischen Gebrauch« aufgenommen worden sein oder verfügten erst gar nicht über die Möglichkeit, einen dynamischen sozionaturalen Schauplatz für den militärischen Gebrauch zu fixieren. Die Informationen über das »Land« wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts zwar als immer wichtiger wahrgenommen, wie die Etablierung der »Landeskenntnis« als eigener Themenkomplex zeigt, aber zugleich wurden sie auch als immer unsicherer und fehlbarer beschrieben. Am Ende des 18. Jahrhunderts gab es verschiedene Vorstellungen, wie eine wirklich genaue Erfassung des Landes gewährleistet werden könnte: Das Augenmaß des Feldherrn selbst – der geübte, militärische, bisweilen geniale Blick – wurde beispielsweise als Korrektiv konzipiert, das die Mängel der anderen Methoden der Informationsbeschaffung aufheben sollte. Andere Autoren kreuzten militärische und ökonomische Elemente der »Connoissance du Pays« in Form einer immer ausdifferenzierteren »Statistik« des Kriegstheaters. Objekt dieser epistemischen Kontrollversuche und Zentrum dieser militärtheoretischen Überlegungen war stets die Natur. Letztlich bedeutete dieses Einholen von Informationen die Sicht durch die Linse eines militärischen Blicks, der die naturale Umwelt als sozionaturalen Schauplatz unter Berücksichtigung militärischer Anforderungen erfasste: Die Tiefe eines Flusses könnte Aufschluss über seine überraschende Überquerung bieten,

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die Höhe eines Berges könnte ihn attraktiv für eine Artilleriestellung machen und die Dichte eines Waldes bedingte, ob ein Marsch durch ihn möglich oder gefährlich war. Die Forderung einer »militärischen Genauigkeit« machte die Natur zum Objekt des Befragens, Beschreibens, Vermessens, Zeichnens und Sehens. Dieser Prozess ist über Referenzen verbunden mit der in der Forschung öfter thematisierten Erfassung der Natur für wirtschaftliche und wissenschaftliche Zwecke, stellt darüber hinaus aber auch einen eigenen Bereich der »Vermessung der Welt« dar. In der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts formierte sich somit ein topografischer Blick auf den Krieg – und ein kriegerischer Blick auf die Topografie.

4. Die mobile Stadt. Naturale Ressourcen und militärisches Ressourcenmanagement

Wenn eine Seite der Thematisierung von Natur in der Militärtheorie die taktische Beherrschung der Topografie und ihre genaue Erfassung war, dann war die andere Seite die Befassung mit der Abhängigkeit des frühneuzeitlichen Militärs von naturalen Ressourcen. Vom 17. bis ins 18. Jahrhundert wuchsen die meisten europäischen Armeen zu immer größeren Gebilden aus Menschen, Tieren und Material. Doch sie existierten gleichzeitig in den Grenzen der agrarischen Wirtschaftsweise der Vormoderne und einer »organic economy«; von bestimmten naturalen Ressourcen waren Armeen abhängig. Um zu funktionieren, musste die Verfügbarkeit dieser Ressourcen sichergestellt werden – eine Aufgabe, mit der die sich entwickelnde Militäradministration, aber auch Feldherren selbst befasst waren, und die oft zu Problemen und Spannungen zwischen Armeen und der Zivilbevölkerung führte. In der Kriegspraxis wurden nicht nur die teils engen Grenzen der militärischen Nutzung naturaler Ressourcen deutlich. Diese Limitierungen wurden darüber hinaus in taktische Überlegungen einbezogen. Dies lässt sich schlaglichtartig anhand der Bedeutung von Fourage – Pferdefutter in verschiedenen Formen1 – sowohl im Pfälzischen Erbfolgekrieg als auch hundert Jahre später im Bayerischen Erbfolgekrieg zeigen. Während des französischen Vorstoßes in rechtsrheinische Gebiete im Herbst 1688 spielte beispielsweise nicht nur der Versuch eine Rolle, Druck auf das Reich auszuüben. Auch logistische Überlegungen wurden in der militärischen Planung geäußert. Das Gebiet der Pfalz und der umgebenden Territorien sei, so schrieb der königliche Berater Jules Louis Bolé, Marquis de Chamlay am 27. Oktober 1688 an den französischen Kriegsminister Francois Michel le Tellier de Louvois, ein »sehr gutes Land« – womit er nicht nur seine Finanzkraft meinte, sondern auch seine Fruchtbarkeit. Im

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1 Vgl. zu einer Ausdifferenzierung das Kap. 4.2.

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selben Brief empfahl er das Anlegen von Magazinen an strategisch vorteilhaft gelegenen Orten, vor allem Heidelberg, Heilbronn und Pforzheim, um aus dem Umland große Mengen an Fourage für die französische Armee einzuziehen, und zwar unter Zeitdruck, »bevor die Jahreszeit ganz schlecht« werde.2 In einem Schreiben an Louvois vom gleichen Tag gab zudem der Militärintendant des Elsass, des Breisgaus und der französischen Armee im Reich, Jacques La Grange, zu bedenken, dass die besetzten Territorien Fourage für französische Magazine im Elsass liefern könnten: Diese seien zuvor durch Entrepreneure versorgt worden, die allerdings unter dem Verweis auf die allgemeine Knappheit von Fourage in Kriegszeiten im Vergleich zum ursprünglich vorgesehenen Preis nahezu das Doppelte in Rechnung stellten. Die Nutzung der Fourage aus den pfälzischen Gebieten erschien ihm als Möglichkeit, die Kriegskasse zu schonen und sich zugleich mit dieser naturalen Ressource zu versorgen. 3 In der Folge wurden die in den rechtsrheinischen Gebieten ausgeschriebenen französischen Kontributionen nicht nur in Geld, sondern auch in Fourage eingetrieben. Im Fall der Markgrafschaft Baden kam es im Februar 1689 dabei zu immer größeren Problemen: Am 6. Februar baten einige Vertreter der Markgrafschaft La Grange anscheinend um einen Aufschub wegen der geforderten Fourage. Ihre Bereitstellung sei mittlerweile »völlig unmöglich«, da »alles verbraucht wurde durch die Logierung und die stetigen Durchzüge der Truppen des Königs«.4 In einem Schreiben vom 7. Februar drohte La Grange daraufhin den Bürgermeistern der Markgrafschaft, er würde »ohne Unterschied brennen« lassen, denn »von den 20.000 Rationen Fourage« seien erst 600 geliefert worden. 5 Am 11. Februar folgte ein Brief an La Grange, in dem betont wurde, dass »in dem gantzen Land ahn Fourage fast nichts noch übrig geblieben« sei. Geschickt versuchte man, eine militärische Argumentation gegen die weitere Abpressung von Fourage anzubringen: Werde noch mehr gefordert, müssten die

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2 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1385 (=GR A1 826): Depesches recues concernant le siege de Philisbourg depuis le 15. Octobre 1688: jusqu’a la reduction de ladite place, N93. 3 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1385 (=GR A1 826): Depesches recues concernant le siege de Philisbourg depuis le 15. Octobre 1688: jusqu’a la reduction de ladite place, N95. 4 GLA K 48 3384, St. 7, Copie de la lettre escrite a M. de la Grange Intendant du Roy le 6. Feb. 1689. 5 GLA K 48 3384, St. 12, Schreiben an die Vertreter der Markgrafschaft Baden vom 7. Feb. 1689.

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Untertanen »ihr Vieh aus ermanglung der benötigten fourage« abschaffen, sodass die zu leistenden Lieferungen für die französische Armee nach Fort Louis in Ermangelung an Zugtieren ins Stocken geraten würden. 6 Erfolgreich waren diese Bitten nicht. Am 18. Februar erfolgte eine erneute Ausschreibung für die »Subsistenz der Kavallerie«,7 die jedoch an den Lieferschwierigkeiten nichts geändert zu haben scheint. Anfang März berichtete der Gouverneur von Straßburg, Noël Bouton de Chamilly, in einem Schreiben an Louvois von den stockenden Lieferungen an Fourage aus der Markgrafschaft, die er bereits mit militärischen Zwangsmaßnahmen beantwortet habe. 8 Wie das Protokoll einer Beratschlagung der Lage in der Markgrafschaft durch einige Vertreter der Markgrafschaft Ende März zeigt, war das ökologische Limit des Territoriums anscheinend erreicht: Es konnte nicht mehr Fourage geliefert werden, weil nicht mehr genug davon vorrätig war. Das Schreiben warnte eindringlich vor einer zu befürchtenden Landflucht und dem Verlust des Viehes weiter Teile der Landbevölkerung, da dieser das nötige Futter zur Ernährung der Tiere fehle. 9 Ein vorwurfsvoller Zusatz lässt zudem aufscheinen, dass man hinter den französischen Eintreibungen mehr vermutete als logistische Notwendigkeiten. Die Forderungen seien vor allem deshalb unbegründet, »allermaßen dann denen […] in dieser Marggrafschaft einquartirten deutschen trouppen ihr underhalt nit auß dem Land sondern bekanter maßen aus dem Herzogthumb Würtenberg und Schwaben zugeführt wird […]«.10

Hinter der stetigen Forderung von Fourage vermutete man also auch den französischen Versuch, deutschen Truppen in der Region die Versorgung zu erschweren. Die Knappheit von Fourage wurde auch im Bayerischen Erbfolgekrieg einhundert Jahre später Gegenstand des Taktierens. An der Versorgung mit dieser Ressource hing die militärische Präsenz beider Armeen im Kriegsgebiet Böhmen. Berichte über ihren Mangel wurden daher als Indi-

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6 GLA K 48 3384, St. 11, Copia des Schreibens ahn königl. französischen Intendanten zu Straßburg, 11. Feb. 1689. 7 GLA K 48 3384, St. 28, Ausschreibung La Granges in der Markgrafschaft Baden vom 18.2.1689. 8 SHD Vincennes, DE 2014 SA 1432 (=GR A1 875): Recueil des depesches recues concernant la guerre en allemagne, pendant les mois de mars, avril, de l’ année 1689, Chamilly an Louvois, 5. März 1689. 9 GLA K 48 3384, St. 34. 10 Ebd.

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kator gewertet, wie lange sich eine gegnerische Armee in einem Gebiet halten würde. Wie Kaiser Joseph II. in seinem Schreiben an Laudon vom 2. August 1778 bemerkte, sei es die Zeit, auf die er hoffe: »Wie sehr einen jeden Tag zu gewinnen in meiner jetzigen Position Mir gelegen sey, kann Ich ihnen nicht genugsam ausdrücken, da dadurch dem Feind die Einräumung eines grossen Theil Landes […] dann die Gewinnung so vieler Vortheile für ihn behindert werde«.

Auch in »politischen Anbetracht« sei jeder Tag wichtig. 11 Das Hinhalten der preußischen Armee war sowohl eine militärische als auch eine politische Strategie.12 Vor diesem Hintergrund wurde jeder Hinweis auf Versorgungsprobleme der Preußen registriert. Bereits vor der offiziellen Kriegserklärung am 3. Juli, als sich die erste preußische Armee noch in der Nähe von Glatz auf schlesischem Gebiet befand, scheint es Probleme gegeben zu haben: Ein Rapport über die Aktivitäten der Preußen berichtet von »Wasser Mangel«, weswegen Brunnen gegraben würden, und Mangel an »Heu, Brodt und Habern«.13 Als die preußische Armee Anfang Juli nach der Kriegserklärung in Böhmen eingerückt war, wurden am 11. Juli 18 bei den Österreichern angelangte preußische Deserteure aus dem preußischen Lager bei Skalitz über die Lage der Armee Friedrichs befragt. Auch diese zeichneten ein problematisches Bild. Die Ernährung bestehe »in nichts anderem, als Wasser und Brod«, und man »behelfe sich mit jenem, so auf dem Felde« vorzufinden sei; mit der Fourage sei es dasselbe. Auch die Wasserversorgung scheint noch immer schlecht gewesen zu sein: »so gar seyen die Brunnen mit Mist unbrauchbar gemacht« worden.14 Am 18. Juli sagten mehrere Deserteure aus, es sei »die allgemeine Rede«, dass sich Friedrich aufgrund des Mangels nach Schlesien zurückziehen müsse. 15 Im August des Jahres 1778 spitzte sich die Lage für die preußische Armee in ihrem Lager bei Nachod und Skalitz zu. Die Berichte der Deserteu-

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11 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 799 1778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Kampagne gegen Preußen, VIII/5. 12 Hohrath, Heinrich im Bayerischen Erbfolgekrieg, S. 113; Stellner, Zu einigen außenpolitischen und militärischen Aspekten, S. 246. 13 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, VI/36. 14 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, VII/23a. 15 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 778, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, VII/32; VII/35.

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re beschreiben erneut einen starken Mangel an Fourage. Zwei am 8. August befragte desertierte Husaren sagten aus, dass eine am Tag zuvor stattgefundene Fouragierung vermutlich die letzte gewesen sei, da »kaum der 3te Theil die competente Fourage« gefunden habe; zudem sei ihr Regiment durch den »allzu grossen Abgang von Mann und Pferden« stark geschwächt.16 Joseph II. schrieb noch am 15. August, er erwarte, dass sich Friedrich II. besonders wegen des Mangels an Fourage bald zurückziehen müsse.17 Binnen weniger Stunden bestätigte sich seine Vermutung, und am darauffolgenden Tag schrieb er an Laudon, er habe das verlassene preußische Lager selbst in Augenschein genommen. Seine Beobachtungen weisen auf die Auswirkungen einer Futterknappheit hin: »Es ist aber eine solche Infection, und Gestank von crepirten Pferden allda, daß alsogleich mittels des Landvolks Ich alles dieses habe theils eingraben, theils verbrennen lassen müssen.«18 Doch auch aus dem neuen preußischen Lager in der Nähe bei Trautenau erreichten die Österreicher im September Meldungen durch Deserteure, die auf eine schlechte Versorgung mit Fourage hinwiesen. Laut einer Befragung vom 11. September sei das Fouragieren mittlerweile zwecklos, weil auf den Feldern im Umkreis der Armee nichts Brauchbares mehr zu finden sei. 19 Ein Bericht vom 6. September betonte deutlich, dass es bei den Versorgungsschwierigkeiten paradoxerweise nicht um die Nahrung für die Soldaten gehe, sondern allein um die Ernährung der Pferde: daran sei »so großer Abgang, daß die Pferde die Erde unter sich fressen.«20 Zwei Tage später zog sich die preußische Armee weiter Richtung Schlesien zurück. 21 Diese Probleme betrafen aber nicht nur die preußische Armee. Zur selben Zeit beklagte sich auch Joseph II. über die Schwierigkeit, eine Armee in einem »ausgefressenen Land« zu ernähren, die ihn in seinem Bewe-

—————— 16 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 779, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, VIII/2k. 17 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 799, Bayerischer Erbfolgekrieg, Kampagne gegen Preußen, VIII/34. 18 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 799, Bayerischer Erbfolgekrieg, Kampagne gegen Preußen, VIII/38. 19 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 780, Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, IX/10. 20 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 780 Bayerischer Erbfolgekrieg, Hauptarmee in Böhmen, IX/28. 21 Litschel, Bayerische Erbfolgekrieg, S. 33.

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gungsradius einschränkte.22 Die Zivilbevölkerung litt stark unter der großflächigen »Ausfouragierung« des Landes. In einem Schreiben vom 10. Oktober an den Präsidenten der Wiener Hofkammer, Leopold Graf Kolowrat-Krakowski, sowie an den österreichischen ersten Kanzler Graf Heinrich von Blümegen bat Joseph II. darum, einen Weg zu finden, die »vom Feind ausgeplünderte Gegend, wo bis auf den letzten Halmen Gras alles weg fouragiret« mit Nahrung für Mensch und Tier auszustatten – ansonsten seien Krankheiten und »Emigrierung« zu fürchten. Die Folge waren Überlegungen, ungeachtet der nicht genau bekannten Ausmaße des Schadens eine monatliche Hilfszahlung an die am stärksten betroffenen Untertanen zu leisten, damit sich diese wenigstens den Winter hindurch versorgen konnten.23 Wie beide Beispiele zeigen, spielte eine naturale Ressource wie Fourage in verschiedenen Formen sowohl am Ende des 17. als auch am Ende des 18. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle. Sie sollte für den Gebrauch des Militärs – notfalls unter Androhung von Gewalt – eingezogen werden, war Objekt logistischer Planungen und verantwortlich dafür, wie lange sich eine Armee an einem Ort aufhalten konnte. Zudem zeigen beide Beispiele den regelrechten »Hunger« der jeweiligen Armeen, der im wahrsten Sinne ganze Landstriche »auffressen« konnte. Doch Armeen ging es nicht nur darum, stets präsente Abhängigkeiten von bestimmten naturalen Ressourcen optimal zu berücksichtigen. Die militärische Logistik ging weiter: Sie war selbst Teil des taktischen Handelns. Krieg führen hieß auch die Störung der gegnerischen Logistik zugunsten der eigenen Operationsfähigkeit, sei es wie im Pfälzischen Erbfolgekrieg durch das Abziehen von Fourage in französische Magazine, um gegnerische Truppen zu behindern, oder der Versuch der österreichischen Armee im Bayerischen Erbfolgekrieg, eine Invasion Böhmens so lange »auszusitzen«, bis der Mangel an Ressourcen den Gegner in die Knie zwingen würde. Dabei spielen vor allem drei Ressourcen eine Rolle, die in der Militärtheorie als eine Form der »lokalen« Ressource wahrgenommen wurden, also als eine Ressource, die vor allem vor Ort genutzt werden musste. Neben der bereits angesprochenen Fourage wurden auch Wasser und Holz stets zusammen genannt, wenn es um die Verpflegung von Truppen aus

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22 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 799, Bayerischer Erbfolgekrieg, Kampagne gegen Preußen, IX/31 und IX/35. 23 AT-OeSta / KA FA AA Akten, 799, Bayerischer Erbfolgekrieg, Kampagne gegen Preußen, IX/106.

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dem Land selbst ging. Munition oder Mehl und die weitere Verpflegung der Soldaten unterlagen zwar ebenfalls derselben logistischen Problematik, die sämtliche Ressourcenflüsse in der Vormoderne beeinflusste: Ohne eine Möglichkeit, diese Materialien über den Wasserweg zu bewegen, blieb nur ein oft beschwerlicher und teurer Landweg. Dies schränkte die effektive Reichweite der militärischen Logistik erheblich ein. Aber die stetige besondere Betonung der naturalen Ressourcen Fourage, Wasser und Holz zeigt, dass diese in besonderem Maße von dieser Problematik betroffen waren und Armeen es deshalb oft vorzogen, sie vor Ort zu nutzen. Sie nahmen daher in den sozionaturalen Schauplätzen des Militärs einen besonderen Stellenwert ein. Es erscheint aus der Perspektive einer Umweltgeschichte des Krieges lohnend, das Verhältnis von Armeen zu diesen Ressourcen nähergehend zu beleuchten. Die Umweltgeschichte betrachtet seit Jahren im Sinne einer »Urban Environmental History«24 die Beziehungen von Städten und ihrem jeweiligen Umland aus dem Blickwinkel der Ressourcennutzung und der Identifizierung von Stoffströmen, die im Sinne eines »gesellschaftlichen Metabolismus« der Stadt betrachtet werden.25 Diese Betrachtung der Mobilisierung naturaler Ressourcen ließe sich auch auf Armeen des 17. und 18. Jahrhunderts übertragen. In dieser Zeit verzeichneten die meisten Armeen Europas ein graduelles Wachstum. Doch wie beispielsweise Montecuccoli oder Moritz von Sachsen in ihren Schriften betonen, sollte die ideale Größe einer einzelnen Armee 50.000 Mann nicht übersteigen. Wie Jürgen Luh argumentiert, beachteten beispielsweise die Heerführer des Siebenjährigen Krieges diese Idealgröße, denn noch größere Verbände waren nicht nur

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24 Vgl. die grundlegenden Aufsätze von Martin V. Melosi, The Place of the City in Environmental History, in: Environmental History Review 17 (1993), H. 1, S. 1–23; Charles M. Rosen, Joel A. Tarr, The Importance of an Urban Perspective in Environmental History, in: Journal of Urban History 20 (1994), H. 3, S. 299–310. 25 Klassisch zu diesem Ansatz die Studie von Stephen Boyden, The ecology of a city and its people. The case of Hong Kong, Canberra 1981; zur Analyse städtischer Energie- und Ressourcenversorgung sind vor allem die zahlreichen Studien von Dieter Schott bedeutsam, der für die Stadt der Moderne den Begriff der »vernetzten Stadt« starkgemacht hat, vgl. Dieter Schott, Europäische Urbanisierung (1000–2000). Eine umwelthistorische Einführung, Köln; Weimar; Wien 2014, S. 14–22; Dieter Schott, Energie und Stadt in Europa. Von der vorindustriellen »Holznot« bis zur Ölkrise der 1970er Jahre. Einführung, in: Ders. (Hrsg.), Energie und Stadt in Europa. Von der vorindustriellen »Holznot« bis zur Ölkrise der 1970er Jahre (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte, Bd. 135), Stuttgart 1997, S. 7–42.

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schwierig zu koordinieren, sondern auch kaum zu versorgen. 26 Zur Menge an Soldaten müssen zudem noch diverse weitere Mitglieder einer Armee gerechnet werden, wie Handwerker, Wagenknechte und – zumindest bis an das Ende des 17. Jahrhunderts – auch die Familien der Soldaten.27 Eine solche sich bewegende Masse von Menschen hatte bereits etwa so viele Mitglieder wie manche europäische Großstadt.28 Zeitgenossen nannten Armeen deshalb auch »sich bewegende Städte«.29 Die Versorgung von frühneuzeitlichen Armeen als Aufgabe der militärischen Logistik ist bislang in verschiedenen Studien betrachtet worden, die vor allem die administrative Organisation der Heeresversorgung in den Blick nehmen. 30 Dabei werden auch naturale Ressourcen wie beispielsweise die Fourage in ihrer Bedeutung betont. Bei der Betrachtung der Versorgung von frühneuzeitlichen

—————— 26 Vgl. Luh, Kriegskunst, S. 32. 27 Vgl. Martinez, Furies, S. 161–166; Luh, Kriegskunst, S. 17–18; detailliert dazu auch John Lynn, Women, Armies, and Warfare in Early Modern Europe, Cambridge 2008, S. 8–14; S. 215–228. 28 Vgl. Heinz Schilling, Die Stadt in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte 24), München2 2013, S. 2–7. Zur Mitte des 18. Jahrhunderts beispielsweise zählte die Residenzstadt Dresden etwa 60.000 Einwohner. 29 Beispielsweise Maizeroy, Théorie, S. 11: »Une armée peut être considérée comme une citée mouvante peuplée de guerriers.« 30 Vgl. dazu kürzlich am Beispiel des Siebenjährigen Krieges Marcus Warnke, Logistik und friderizianische Kriegsführung. Eine Studie zur Verteilung, Mobilisierung und Wirkungsmächtigkeit militärisch relevanter Ressourcen im Siebenjährigen Krieg am Beispiel des Jahres 1757 (Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Bd. 50), Berlin 2018; Guy Rowlands, Moving Mars. The Logistical Geography of Louis XIV’s France, in: French History 25 (2011), H. 4, S. 492–514; Hans Schmidt, Militärverwaltung in Deutschland und Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert, in: Bernhard R. Kroener, Ralf Pröve (Hrsg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn u. a. 1996, S. 25–46; zudem die Aufsätze in John Lynn (Hrsg.), Feeding Mars. Logistics in Western Warfare from the Middle Ages to the Present, Boulder, CO; Oxford 1993; Peter Broucek, Logistische Fragen der Türkenkriege des 16. und 17. Jahrhunderts, in: MGFA (Hrsg.), Die Bedeutung der Logistik für die militärische Führung von der Antike bis in die neueste Zeit (Vorträge zur Militärgeschichte, Bd. 7), Bonn 1986, S. 35–60; Walter Hummelberger, Kriegswirtschaft und Versorgungswesen von Wallenstein bis Prinz Eugen, in: MGFA (Hrsg.), Die Bedeutung der Logistik für die militärische Führung von der Antike bis in die neueste Zeit (Vorträge zur Militärgeschichte, Bd. 7), Bonn 1986, S. 61–86; Bernhard R. Kroener, Les Routes et les Étapes. Die Versorgung der französischen Armee in Nordostfrankreich (1631–1661). Ein Beitrag zur Verwaltungsgeschichte des Ancien Régime (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte e. V., Bd. 11), Münster 1980; van Creveld, Supplying War; James A. Hutson, The Sinews of War. Army Logistics 1775–1953, Washington D. C. 1966.

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Städten mit Ressourcen kommt zudem vereinzelt das Militär als Störfaktor vor.31 Abseits dieser auf die administrative Ebene fokussierten Forschungsperspektiven geht es in der Folge um das Wissen über die Nutzung von lokalen naturalen Ressourcen in der Militärtheorie. Anhand der Problematik der Abhängigkeit von naturalen Ressourcen konstituierte sich in der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts eine Form des militärischen Ressourcenmanagements, das sich durch drei wesentliche Faktoren auszeichnete. Erstens war dieses Ressourcenmanagement geprägt durch einen grundsätzlich agonalen und strategischen Zug: Ressourcen wie Fourage, Wasser oder Holz sollten stets nicht nur für die eigene Armee, sondern zusätzlich auch zum Nachteil eines Gegners genutzt werden. Die Abhängigkeit von naturalen Ressourcen war also nicht nur als Hindernis in der Militärtheorie präsent, mit ihr wurde vielmehr Krieg geführt, indem sie taktisch handhabbar gemacht wurde. Zweitens folgte der militärische Umgang mit Ressourcen einem an kurzfristige Zielvorstellungen angepassten Zeithorizont, in welchem der Verbrauch lokaler Ressourcen eine tragende Rolle spielte. Feldarmeen waren verglichen mit einer Stadt mobil, ihre Verbindung mit ihrem Umland war daher dynamischer und temporär. Während Städte oft versuchten, ihren Ressourcenverbrauch zu regulieren, auf längerfristige Stabilität auszurichten oder Substitute für offensichtliche Mangelerscheinungen nutzten, wie es beispielsweise bei der städtischen Versorgung mit Holz erkennbar ist,32 blieb Armeen stets die Möglichkeit, ihre Position zu verlagern. Diese Verlagerung sollte allerdings möglichst lange herausgezögert werden: An der Versorgung hing die zeitliche militärische Präsenz in einem Gebiet. Aber auch im Fall von Festungsstädten wird diese militärische Logik der

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31 So beispielsweise bei Bettina Borgemeister, Die Stadt und ihr Wald. Eine Untersuchung zur Waldgeschichte der Städte Göttingen und Hannover vom 13. bis zum 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Bd. 228), Hannover 2005. 32 Vgl. Joachim Radkau, Das Rätsel der städtischen Brennholzversorgung im »hölzernen Zeitalter«, in: Dieter Schott (Hrsg.), Energie und Stadt in Europa. Von der vorindustriellen »Holznot« bis zur Ölkrise der 1970er Jahre (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte, Bd. 135), Stuttgart 1997, S. 43–76, hier S. 48–61; Schott, Urbanisierung, S. 68–76; zum Ersetzen von Holz durch Torf als Brennmaterial in den Städten der Niederlande und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Umwelt vgl. Petra J. E. M. van Dam, Frühmoderne Städte und Umwelt in den Niederlanden, in: Dieter Schott, Michael Toyka-Seid (Hrsg.), Die europäische Stadt und ihre Umwelt, Darmstadt 2008, S. 83– 103.

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Ressourcennutzung deutlich. Bei einer Belagerung überschrieb die militärische, kurzfristig orientierte Nutzung von Ressourcen für das Überstehen oder zumindest lange Aushalten einer Belagerung die reguläre, städtische Ressourcennutzung. 33 Bemühungen einer Schonung dieser Ressourcen und einer effizienteren Nutzung lassen sich im Zuge der »Rationalisierung« des Kriegswesens stellenweise feststellen: Im Laufe der Zeit zeigt sich ein deutlicher Einschlag eines kameralistischen Raumkonzeptes, das Bevölkerung, Ressourcen und Raum miteinander verknüpfte, bis hin zu einer angemahnten »Oeconomie« bei bestimmten Ressourcen.34 Dies weist auf einen dritten Aspekt hin. Anhand von manchen Ressourcen und ihrer militärischen Nutzung wurden immer wieder Klassifikationen und Systeme aus anderen Wissensgebieten in der Militärtheorie rezipiert, beispielsweise um unterschiedliche Qualitäten einzuschätzen und die gegebenen militärischen Handlungsanweisungen zu autorisieren. Während sich manche Bereiche dieses militärischen Ressourcendiskurses im Laufe des Untersuchungszeitraumes wandelten, lässt sich ansonsten eher eine Kontinuität des Wissensbestandes feststellen. Dies ist vielleicht dadurch zu erklären, dass es auf dieser Diskursebene um den Umgang mit einer grundsätzlichen Abhängigkeit von naturalen Ressourcen geht, die sich über den Untersuchungszeitraum nicht grundlegend veränderte. Mit dem Diskurs zur militärischen Ressourcennutzung verbunden ist letztlich der kriegsentscheidende Faktor Zeit. Anhand der Nutzung von Ressourcen konstituierte sich im militärtheoretischen Diskurs eine spezifische Form des Zeitwissens, eines nach Achim Landwehr »regulierten, zu einem gewissen Grad institutionalisierten und medial verfügbaren Organisation soziokultureller (Selbst-)Verständnisse[s] der Zeit.«35 Damit wird Zeit neben der physikalischen Dimension in einer kulturwissenschaftlichen Art und Weise verstanden als historisch und sozial konstruierte Dimension menschlichen Handelns, die im Sinne einer »Pluritemporalität« in verschiedenen sozialen Gruppen oder Situationen unterschiedlich eingeteilt und ermessen wird. Das Militär in der Frühen Neuzeit ist hierbei ein Beispiel für unterschiedliche Perspektiven auf Zeit: Grundlegendes Charakteristi-

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33 Vgl. zu diesem Aspekt zum Teil auch Hohrath, Bürger im Krieg der Fürsten, S. 312– 314; vgl. auch zu den während einer Belagerung oft zu beobachtenden »Praktiken der Verausgabung« Petersen, Belagerte Stadt, S. 152–161; 417–418. 34 Vgl. Sandl, Ökonomie, S. 58–72; S. 458–459; vgl. dazu Kap. 3.3.3. 35 Achim Landwehr, Alte Zeiten, Neue Zeiten. Aussichten auf die Zeit-Geschichte, in: Ders. (Hrsg.), Frühe Neue Zeiten. Zeitwissen zwischen Reformation und Revolution, Bielefeld 2012, S. 9–40, hier S. 32.

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kum der Kriegführung war beispielsweise die quälende Langsamkeit des Trosses von Armeen oder die zeitliche Verzögerung bei der Übermittlung von Befehlen – die eigentlich gerade im Militär zeitliche Abläufe synchronisieren sollen.36 In der Militärtheorie spannten sich Zeithorizonte unter anderem anhand der Nutzung bestimmter lokaler Ressourcen auf. Zeit wurde zunehmend in der Form knapper Ressourcen gedacht, und das Verbrauchen von Ressourcen, bevor ein Gegner dies tun konnte, war letztlich gleichbedeutend damit, seinen zeitlichen Aufenthalt an einem Ort zu verkürzen und ihn aus dem Feld zu drängen, während die eigene Armee gewissermaßen »Zeit gewann«. Mithilfe eines stetig wiederkehrenden und im Diskurs präsenten Topos wird zunächst eine bemerkenswerte Kontinuität in der Thematisierung der Kriegführung mithilfe der eigenen Ressourcenversorgung deutlich gemacht: Eine bestimme Passage aus Vegetius’ Epitoma Rei Militaris wurde in der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts zu einer immer wieder zitierten Chiffre für eine Kriegführung, in der das gegenseitige Ausmanövrieren und das Ausnutzen problematischer Versorgungslagen zum taktischen Repertoire gehörten. Vor diesem Hintergrund werden daraufhin die drei wichtigsten naturalen Ressourcen von Armeen in der Frühen Neuzeit in ihren jeweils unterschiedlichen Ausprägungen des militärischen Ressourcenmanagements beleuchtet. Im Fall der Fourage schlugen sich im Laufe des 18. Jahrhunderts zusammen mit den stetig wiederholten Ratschlägen der militärischen Ressourcennutzung auch Ideen der Sparsamkeit und der Berechnung nieder. Die Ressource Wasser war besonders im Kontext von Belagerungen eine kritische und umkämpfte Ressource, die zugleich aber stets in ihrer Qualität überprüft werden sollte, weil sie im Verdacht stand, tödliche Krankheiten zu übertragen. Die Ressource Holz schließlich wurde trotz ihrer Bedeutung und trotz ihrer Anfälligkeit und langsamen Regenerationsfähigkeit im Diskurs der Militärtheorie wenig berücksichtigt, obgleich sich besonders an dieser Ressource im zivilen Bereich umfangreiche Regelsysteme etablierten und Machtkämpfe ausgetragen wurden – was auf die letztlich zweckgebundene Perspektive des

—————— 36 Vgl. ebd., S. 15–17; S. 20–23; mehrere Werke zusammenfassend Caroline Rothauge, Es ist (an der) Zeit. Zum »temporal turn« in der Geschichtswissenschaft, in: Historische Zeitschrift 305 (2017), S. 729–746; zu Zeit und Militär vgl. Achim Landwehr, Zeit und Militär in der Frühen Neuzeit. Unsystematische Beobachtungen, in: Ders. (Hrsg.), Militär und Zeit in der Frühen Neuzeit (Themenheft Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Bd. 21), Potsdam 2017, S. 7–30.

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militärtheoretischen Diskurses verweist, in dem kurzfristiger militärischer Erfolg wichtiger war als Überlegungen zu langfristigen Folgewirkungen eines Krieges, die nicht mehr im Verantwortungsbereich der Militärs lagen.

4.1 Schärfer als das Schwert. Kriegführung unter dem Zeichen des Mangels als Teil des militärischen Reflexionsrahmens Das Kämpfen war nur eine Betätigung einer Armee in der Frühen Neuzeit, und die Feldschlacht nur eine mögliche Option der militärischen Strategie. In der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts galt diese Option lange als mindestens problematisch. Mehr noch: Verschiedene Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts beschrieben die Schlacht keineswegs als hauptsächliches Werkzeug des Krieges, sondern vielmehr als ein gefährliches Spiel mit dem Zufall. Stattdessen seien Schlachten nach Möglichkeit zu vermeiden, um die kostbaren Armeen möglichst zu schonen. Zu unberechenbar und volatil erschien die Schlacht, die zu sehr von Glück und Zufall abhänge und daher kaum zu kontrollieren sei.37 Wie John Lynn für die Kriege Ludwigs XIV. betont hat, war der Hang zu Manöverkriegführung und Belagerung nicht notwendigerweise ein Beleg für eine ineffiziente Kriegführung, sondern eher ein Kennzeichen eines Vorgehens, das den Gegner durch andere Faktoren aufreiben sollte. Letztlich war entscheidend, welche Armee länger einsatzfähig blieb.38 Auch in der Militärtheorie wurde ein solches Vorgehen lange Zeit empfohlen, selbst nachdem die Versorgung europäischer Armeen ab dem Ende des 17. Jahrhunderts verstetigter ablief. Die Armeen konkurrierten also nicht nur auf dem Schlachtfeld miteinander, sondern auch mit ihren jeweiligen Versorgungsmöglichkeiten und Ressourcennutzungen. Damit stellte die Idee einer Abnutzung des Feindes durch eine überstrapazierte Versorgungsbasis letztlich eine Anpassung an die in der Vormoderne präsente Erscheinung des Mangels und der Ressourcenknappheit dar, in der das militärische »Spielen auf Zeit« gleichbedeutend war mit dem Nutzen oder Übernutzen

—————— 37 Vgl. auch Marian Füssel, Die Krise der Schlacht. Das Problem der militärischen Entscheidung im 17. und 18. Jahrhundert, in: Rudolf Schlögl u. a. (Hrsg.), Die Krise in der Frühen Neuzeit (Historische Semantik, Bd. 26), Göttingen 2016, S. 311–332, hier S. 322– 326. 38 Lynn, Food, Funds, and Fortresses, S. 139.

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von Ressourcen. Dieser Fokus auf die Kontrolle von letztlich agrarisch und damit in der Fläche und dezentral erzeugten Ressourcen führte nach John Landers zu einem Konflikt mit dem Verlangen nach entscheidenden militärischen Vorstößen, da dazu die Konzentration der militärischen Kräfte an einem Punkt vonnöten war, während das Kontrollieren von Fläche eine dezentrale Verteilung der Kräfte notwendig machte. 39 In der Militärtheorie betteten Autoren des 17. und 18. Jahrhunderts diese Form des Krieges in einen Referenzrahmen ein, der sich auf die Autorität der Antike stützte. Der Verweis auf den Hunger, der »schlimmer« sei »als das Schwert«, wurde dabei vor allem in zwei Bereichen topisch wiederholt: bei der Betonung der Wichtigkeit der eigenen Versorgung auf der einen und bei der Betonung der Möglichkeit der Schädigung eines Gegners ohne direkte Gewalt auf der anderen Seite. Die Sicherung der eigenen Versorgung und die Behinderung des Gegners bedeuteten die Möglichkeit, in einem Operationsgebiet länger auszuharren als ein Gegner – eine Strategie, die John Lynn als charakteristischen Teil der Kriegführung des 17. Jahrhunderts identifiziert und als »warfare of attrition« bezeichnet.40 Die Wichtigkeit einer funktionierenden Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Ressourcen stellen die meisten Autoren auf eine ähnliche Weise heraus. Dilich schreibt in seiner Krieges-Schule beispielsweise über die Versorgung von Armeelagern. Wesentliches und dementsprechend als erstes angeführtes Element einer günstigen Lage ist »gnugsam Proviant«,41 was er mit einer eindrucksvollen Textpassage unterstreicht: »Mangel an Proviant richtet offt mehr Mannschaft zu Grunde / als das feindliche Schwerdt nicht zu thun vermocht hätte: so grausam pflegt der Hunger zu wüten / sagt Vegetius, und zeiget darmit an / daß / so wenig man ohne Speiß und Tranck leben / so wenig könne man auch ohne dieselbe siegen / ja daß zum öfftern vielmehr der Hunger / als der Feind ein Kriegs-Heer zerschlagen / und zu Grunde gerichtet.«42

Mit dem Verweis auf den antiken römischen Schriftsteller Vegetius nennt Dilich damit die zentrale Referenz, die in diesem Diskursstrang bis an das Ende des 18. Jahrhunderts präsent war. Sie wurde mit der Taktik des Aushungerns und der Bedeutung einer ausreichenden und widerstandsfähigen Versorgung gegenüber einer Schlacht in Verbindung ge-

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39 Vgl. Landers, Field and the Forge, S. 203. 40 Lynn, Food, Funds, and Fortresses, S. 154. 41 Dilich, Krieges-Schule, S. 574. 42 Ebd.

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bracht. Im dritten Buch der Epitoma Rei Militaris Vegetius’ befinden sich drei Textpassagen, auf die in unterschiedlicher Art und Weise immer wieder angespielt wird. Eine der prägnantesten Passagen betrifft die Wirkmächtigkeit des Mangels als Waffe und findet sich in einem Kapitel, in dem Vegetius Argumente für oder gegen eine offene Feldschlacht vorbringt. Diese Entscheidung sei letztlich von verschiedenen Informationen abhängig, so auch davon, »wer mehr Proviant hat oder wem er mangelt; denn der Hunger, wie man sagt, kämpft von innen her mit und siegt öfters ohne Schwert.«43 Doch auch in den am Ende des Buches angeführten allgemeinen Maximen des Krieges taucht diese Thematik wieder auf. So empfiehlt Vegetius, es sei besser als eine Schlacht, »durch Mangel oder Überfälle den Feind zu bezwingen«;44 kurz darauf beschreibt er es als eine »große Leistung«, einen Feind »mehr durch Hunger als mit dem Schwert zu bekämpfen.«45 Die im 17. und 18. Jahrhundert präsente semantische Verschränkung von Mangel oder Hunger und dem »Schwert« geht auf diese Passagen zurück. Sie wurden in der frühneuzeitlichen Militärtheorie häufig referenziert, wenn es um die Ausnutzung von Versorgungsschwierigkeiten und somit den Krieg mithilfe des Mangels ging, und bildet einen Referenzhorizont für eine anscheinend weitgehend anerkannte Vorgehensweise. Über die Nennung bei Dilich hinaus beziehen sich auch diverse weitere Autoren des 17. Jahrhunderts entweder explizit oder implizit auf Vegetius, wenn es um die Wichtigkeit des eigenen Proviants oder um die Möglichkeit der Vermeidung einer Schlacht geht. Einige Beispiele verdeutlichen sowohl die Häufung dieser Referenz als auch die unterschiedlichen Kontexte, in die ein Verweis auf den »grausamen Hunger« integriert wurde. Der deutschsprachige Autor Böckler scheint beispielsweise seine gesammelten Kriegsmaximen, mit denen er relativ ungeordnet seine kompilatorische Schola Militaris Moderna aus dem Jahr 1665 beginnt, stark an die Maximen des Vegetius angelehnt zu haben. Auch bei ihm finden sich mehrere Verweise auf das Nutzen von »Hunger« oder Ressourcenmangel als Waffe, die eine Schlacht unnötig machen könne. Gleich mehrfach taucht dieser Ratschlag in unterschiedlichen Formulierungen auf: Entweder auf Festungen bezogen, bei denen ein Feldherr »einen Ort […] mit Hunger und Durst«

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43 Vegetius, Abriß des Militärwesens, S. 133. 44 »Aut inopia aut superventibus aut terrore melius est hostem domare quam proelio.«, ebd., S. 177. 45 »Magna dispositio est hostem fame magis ugere quam ferro.«, ebd., S. 179.

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bezwingen solle;46 oder als Maxime für die Vermeidung einer Schlacht, »wann man den Feind durch Hunger / oder andere Mittel zwingen kann«.47 Wenige Seiten weiter wiederholt er diesen Ratschlag erneut, mit dem Zusatz, der Hunger sei letztlich »sicherer« als die »Waffen«, über die »das Glück vielmehr Gewalt« habe.48 Kaum eine Maxime wiederholt Böckler derart häufig, was auf die Wichtigkeit und die Präsenz dieses Vorgehens in der von ihm zu Rate gezogenen Literatur hinweist. Anstatt dies als redundant anzusehen und zusammenzufassen, betont Böckler dieses Vorgehen durch Wiederholung als militärisches Standardwissen. 49 Die Referenz auf Vegetius wurde in diesem Punkt auch in der Mitte des 18. Jahrhunderts noch gezogen, selbst wenn sie sich im Laufe der Zeit zusammen mit der Prominenz antiker Beispiele in anderen Bereichen langsam abzuschwächen begann. 50 In der Beschreibung der militärischen Ausnutzung eines Mangels an Lebensmitteln zeigt sich dennoch eine weitgehende Kontinuität dieser Argumentationsfigur, die sich letztlich in einzelnen Ratschlägen der Militärtheorie bis ans Ende des Ancien Régime finden lässt. 1754 zitiert Turpin de Crissé die einschlägige Passage des Vegetius im Zusammenhang mit dem Schutz der eigenen Versorgung mit Fourage: Manöver der Armee, die letztlich auf die Sicherstellung ihrer Versorgung ausgerichtet seien, müssten mit größter Wachsamkeit ausge-

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46 Böckler, Schola Militaris Moderna, S. 10. 47 Ebd., S. 14. 48 Ebd., S. 23. 49 Stellenweise lässt sich sogar eine irrtümliche Übertragung dieser Argumentation auf eine andere Autorität der Kriegführung feststellen. Dies verdeutlicht die Stabilität dieses Topos. Ohne die explizite Nennung Vegetius’, allerdings mit definitivem Bezug zu ihm, führt auch Raimondo Montecuccoli die Wichtigkeit einer ausreichenden Versorgung der eigenen Armee an. Die prominente Platzierung dieser Passage durch Montecuccoli führte dazu, dass er selbst wiederum durch andere Autoren des 18. Jahrhunderts zitiert wurde, um die Wichtigkeit der Heereslogistik herauszustellen: um für die Verkleinerung und Neuorganisation von Armeen zu werben, bezieht sich der Chevalier de Qureille in seinem 1771 zunächst nur an Fürsten und andere einflussreiche Personen versendeten Projet d’un Etablissement Militaire utile a la Societé en General in diesem Punkt explizit auf Montecuccoli. Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 43; De Qureille, Projet d’un Etablissement Militaire Utile a la Societé en General, et a Chaque Etat en Particulier, Altona 1771, S. 53–54; Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 2160; Qureilles kurzes Traktat fand nach eigenem Bekunden so viel Beifall, dass er es nur ein Jahr später in größerer Auflage publizierte, und Groeben druckte eine Teilübersetzung des Werkes 1777 im fünften Band seiner »Neuen Kriegs-Bibliothek« ab, mit dem Hinweis, in diesem Traktat finde sich »manches Außerordentliches«. Groeben, Neue Kriegs-Bibliothek«, Bd. 5, S. 268. 50 Vgl. Kap. 1.

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führt werden, denn von der Versorgung hänge letztlich der Sieg ab. So sei auch ein noch so überlegener Gegner hoffnungslos, dem es an »der Fourage und den Lebensmitteln« mangele: Auch hier ist »der Hunger [...] grausamer als das Schwert.«51 De Grimoard nimmt 1774 in seinem Essai, mit dem er auch für die Schlacht eine militärische Theorie entwerfen wollte, noch immer das »sich selbst ruinieren« des Feindes durch den Mangel an Geld und Lebensmitteln als einen der Gründe auf, eine Schlacht zu meiden.52 Wie die Stabilität dieser herausgearbeiteten Bezugnahme auf Vegetius und die verbreitete Semantik des »Aufzehrens« und des Nutzens des »Mangels« verdeutlicht, war auch am Ende des 18. Jahrhunderts die Möglichkeit, einen Gegner durch Mittel der Versorgung unschädlich zu machen, ein selbstverständlicher Teil des militärtheoretischen Diskurses. Dies bildete den impliziten Bezugspunkt, wenn das Nutzen von lokalen naturalen Ressourcen durch die Armee und gegen einen Gegner thematisiert wurde.

4.2 Der Treibstoff des Krieges. Fourage als umkämpfte Ressource Eine der in der Militärtheorie präsentesten lokalen Ressourcen war unzweifelhaft die Fourage. Die Versorgung einer Armee mit verschiedenen Formen des Pferdefutters war eine der wichtigsten logistischen Herausforderungen der frühneuzeitlichen Kriegführung. Ohne die Möglichkeit, die Pferde der Kavallerie, aber auch der Artillerietrains und der Versorgungskonvois zu ernähren, konnte sich eine Armee weder bewegen noch ihre Kavallerie in der Schlacht effektiv einsetzen oder durch leichte berittene Truppen das Gelände absichern.

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51 »parce que, comme dit Végece, la disette est souvent plus funeste aux Armées que les Batailles, & que la faim est plus cruelle que l’épée.«, De Crissé, Essai, Bd. 1, S. 126. Der französische Autor Andreu de Bilistein zitiert in seinem 1762 erschienenen Werk Institutions militaires, ou le Végèce français den für sein Traktat namensgebenden Vegetius in einer Fußnote: die hinreichende Versorgung der Armee sei der Schlüssel dafür, gefährliche Krankheiten zu vermeiden, wobei Bilistein wieder die Verbindung von »Schwert« und »Hunger« beziehungsweise »Mangel« aufgreift, um die Integrität der eigenen Versorgung als entscheidend für den Sieg darzustellen. Andreu de Bilistein, Institutions Militaires pour la France, ou le Vegece François, Amsterdam 1762, S. 31–32. 52 Grimoard, Essai, S. 12.

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Fourage war der Treibstoff des Krieges, an dem sich im militärtheoretischen Diskurs eine besonders oft angesprochene Facette des militärischen Umgangs mit naturalen Ressourcen ausformte. Das Zusammenziehen von Fourage über Ausschreibungen und Magazine im eigenen Land war nur eine Ebene der Mobilisierung dieser Ressource, die größtenteils die jeweiligen Militäradministrationen beschäftigte. Im Feld selbst, besonders in Feindesland, versorgten sich die Armeen in Eigenregie durch das »Fouragieren« und versuchten, so viel Fläche wie möglich zu kontrollieren; auch, um diese Ressource einem möglichen Gegner vorzuenthalten. In der Militärtheorie existierte ein relativ fester Kanon von Ratschlägen, die das Fouragieren sowohl unter dem Gesichtspunkt der eigenen Versorgung als auch als »Nullsummenspiel« gegen den Feind konzipierten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde wegen der ständigen Knappheit von Futter in Kriegs- aber auch in Friedenszeiten53 immer häufiger die Schonung und Berechnung dieser Ressource angemahnt, um die Mobilisierung der Fourage im Feld noch effizienter zu gestalten. Denn besonders an der Fourage hing stets die Frage, wie lange eine Armee in einer Region operieren oder lagern konnte, und wann sie sich zurückziehen musste. Dabei störte sich militärisches Effizienzstreben an derselben »Verschwendung« dieser naturalen Ressource wie manche Agrarreformer der Zeit, die ebenfalls die Weidewirtschaft aufgrund der Verschwendung wichtigen und knappen Futters kritisierten. Hinter dem Begriff der Fourage verbirgt sich eine Vielzahl von naturalen Ressourcen, die zur Erhaltung der notwendigen Pferde genutzt wurden. Am einfachsten war es, die Pferde auf Weiden grasen zu lassen; Militärs empfahlen daher den Zeitraum zwischen Ende Mai und Anfang November als beste Zeit, einen Krieg zu führen, da in dieser Zeit das Graswachstum die Pferde einer Armee grundsätzlich besser ernähren konnte als in den Wintermonaten. 54 Die Kraftanstrengungen, die von den Tieren verlangt wurden, machten allerdings auch eine Fütterung durch energiereiches Getreide nötig, vor allem Hafer und Roggen, die in der Agrargesellschaft der europäischen Frühen Neuzeit deshalb vermehrt angebaut wurden.55 Zudem war mit Fourage auch die »trockene« Variante

—————— 53 Vgl. zur Futtermittelknappheit in der Tierproduktion Walter Achilles, Landwirtschaft in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 10), München 1991, S. 23–27. 54 Vgl. Warnke, Logistik, S. 126; Lynn, Giant, S. 130. 55 Vgl. Ulrich Raulff, Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung, München 2015, S. 44–45; Jutta Nowosadtko, Zwischen Ausbeutung und Tabu. Nutztiere in der Frühen

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gemeint, also Heu und Stroh, was aus den Speichern der Zivilbevölkerung requiriert wurde; 56 dadurch konkurrierte der Bedarf einer Armee mit den für die Viehwirtschaft wichtigen Futterreserven für den Winter. Aufgrund der Bemerkungen von Lynn lässt sich der Bedarf von Pferden über die Reglements der französischen Armee aus dem 17. Jahrhundert grob einschätzen: Für die trockene Verpflegung in den Winterquartieren gab ein Reglement aus dem Jahr 1665 etwa 20 Pfund Heu pro Pferd pro Tag an; in grüner Fourage schätzt Lynn etwa das Doppelte, also 50 Pfund Gras. 57 Stets musste hierbei auf die schonende Umstellung des Futters und die Qualität geachtet werden, wollte man nicht riskieren, dass die Pferde erkrankten.58 Die Bereitstellung der Fourage für frühneuzeitliche Armeen ist ein Teil der Logistik, der bislang in der Forschung öfter diskutiert wurde. Martin van Creveld schreibt in seiner Studie Supplying War, dass es trotz des Aufstiegs des Magazinsystems im 17. und 18. Jahrhundert für Armeen kaum anders möglich war, als »aus dem Land« zu leben, besonders im Hinblick auf das notwendige Futter für Pferde. 59 John Lynn kritisierte Creveld zwar aufgrund seiner Annahme, das »Leben aus dem Land« beträfe auch die Versorgung der Menschen, bestätigte aber letztlich die Abhängigkeit von lokalen Quellen der Fourage.60 Zwar wurde auch Fourage für den Krieg in Magazinen eingelagert. Diese Vorräte wurden aber vor allem für Operationen genutzt, die zu Beginn eines Feldzuges stattfanden oder die Flüsse als Transportwege nutzen konnten. In einem begrenzten Maße konnten militärische Operationen so unabhängig von der Jahreszeit durchgeführt werden.61 Der preußische Kriegskommissar Johann Erdmann Korge beispielsweise schreibt in seinem eigens zu den Verpflegungen der Armeen erschienenen Werk aus dem Jahr 1779 Magazinen vor allem die Funktion zu,

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Neuzeit, in: Paul Münch, Rainer Walz (Hrsg.), Tiere und Menschen. Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses, Paderborn u. a.2 1999, S. 247–274, hier S. 260–263. 56 Warnke, Logistik, S. 127; Lund, War, S. 75. 57 Lynn, Giant, S. 128–129; auch Landers, Field and the Forge, S. 206–207. 58 Warnke, Logistik, S. 126–128. Zahlreiche, in den militärtheoretischen Werken enthaltene Ausführungen zum Umgang mit Pferden betonen die Wichtigkeit einer schonenden Futterumstellung für Pferde und assoziierten den Ausbruch von Krankheiten, wie beispielsweise die hochansteckende Druse, mit der fehlenden oder falschen Anweidung der Pferde. Heute dauert es ungefähr zwei bis vier Wochen, um Pferde von der Fütterung mit Heu auf Grünfutter umzustellen, um das Risiko einer Kolik zu minimieren. 59 Vgl. Creveld, Supplying War, S. 17–26. 60 Vgl. John Lynn, The History of Logistics and Supplying War, S. 15–21. 61 Vgl. Lynn, Food, Funds, and Fortresses, hier S. 139–142; Lynn, Giant, S. 129–132.

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eine Armee »wenigstens zu Anfang des Krieges« zu versorgen, bis sie sich »aus feindlichen Ländern durch Beytreibungen oder durch Fouragirungen erhalten« könne.62 Das Transportieren dieser Ressource in Form von Heu oder Stroh über den Landweg erwies sich ohnehin als problematisch.63 Marcus Popplow skizziert zwar eine als Transportinnovation des 17. und 18. Jahrhunderts beschriebene Entwicklung.64 Diese konnte aber aus dem »Old Biological Regime« und seinen energetischen Abhängigkeiten letztlich nicht ausbrechen, sondern höchstens dessen Grenzen dehnen. Auch hier blieb die Abhängigkeit von Pferden und damit der Bedarf an nur langsam nachwachsenden Ressourcen bestehen, was die effektive Transportfähigkeit von Gütern limitierte. Mit der Masse an notwendiger Fourage wären die meisten Transportsysteme wahrscheinlich auf Dauer ohnehin überfordert gewesen. Schon um die Lebensmittel und Munition für eine Armee zu bewegen, mangelte es oftmals an verfügbaren Wagen und Pferden, die zu einem erheblichen Teil zudem durch die Nutzung von zivilen Gespannen im Rahmen der »Vorspanndienste« beschafft wurden. 65 Daher war die O-

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62 Johann Erdmann Korge, Von den Verpflegungen der Armeen, Breslau 1779, S. 18–19. Kritisch zu Magazinen auch Luh, Kriegskunst, S. 28. 63 Vgl. Martinez, Furies, S. 154–160; vgl. hierzu auch die einer energetischen Betrachtungsweise verpflichtete Behandlung des Themas des Transports in agrarischen Gesellschaften bei Rolf Peter Sieferle, Transport und wirtschaftliche Entwicklung, in: Ders., Helga Breuninger (Hrsg.), Transportgeschichte im internationalen Vergleich. Europa – China – Naher Osten (Der europäische Sonderweg, Bd. 12), Stuttgart 2004, S. 5–44, hier S. 7: »die Energiekosten des Transports mussten zum überwiegenden Teil von der gemeinsamen ›Währung‹ der agrarischen Produktionsweise, der Nutzung von Fläche, gedeckt werden.« 64 Vgl. Marcus Popplow, Europa auf Achse. Innovationen des Landtransports im Vorfeld der Industrialisierung, in: Rolf Peter Sieferle, Helga Breuninger (Hrsg.), Transportgeschichte im internationalen Vergleich. Europa – China – Naher Osten (Der europäische Sonderweg, Bd. 12), Stuttgart 2004, S. 87–154, hier S. 108–133. Hervorzuheben ist die von Popplow in diesem Zuge konstatierte Forschungslücke zum Thema Transport, besonders in der Militär- und Umweltgeschichte. 65 Vgl. Luh, Kriegskunst, S. 42–55. Zur Marschorganisation am Beispiel der kursächsischen Armee vgl. Martin Schröder, Die bewegte Bellona. Die kursächsische Durchzugsund Marschorganisation am Beispiel eines braunschweig-lüneburgischen Durchzugs von 1685, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 77 (2018), S. 1–36.

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Abb. 5: Kupferstich eines Reiters mit Fouragebeutel. Das Beschaffen des notwendigen Pferdefutters war eine alltägliche Aufgabe in frühneuzeitlichen Armeen. Quelle: Die Kriegskunst des Grafen von Sachsen […] übers. v. Karl August von Struensee, Leipzig 1767. Bild: SUB Göttingen, 8 BIBL UFF 933.

peration des »Fouragierens«, während der Soldaten das Futter selbst von den Feldern in ihrer Nähe ernteten, eine nahezu alltägliche Aufgabe. Lynn

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stellt pointiert fest: »clearly, a cavalryman spent far more time wielding a sickle than a sword.«66 Dies führte zu einer paradox anmutenden Situation: Einerseits war eine Nähe zu den eigenen Magazinen für eine Armee im 18. Jahrhundert überlebenswichtig, da von dort Mehl und Munition herangeschafft wurden; andererseits aber mussten sich Armeen besonders wegen ihrer Abhängigkeit von Fourage stets bewegen, um ihren Bedarf daran zu decken. Für Landers besteht in der Abhängigkeit von Fourage die fundamentale Problematik und zugleich ein wichtiges Charakteristikum der frühneuzeitlichen Kriegführung. Diese naturale Ressource war nur in der Fläche zu erzeugen, sodass gerade die Kontrolle der Fläche und dieser Ressource die militärische Strategie der Zeit formte. 67 Im militärtheoretischen Diskurs waren es genau diese Probleme mit dieser Ressource, die sich in umfangreichen Anordnungen zum Fouragieren niederschlugen.

4.2.1 Zwischen Versorgung und Taktik. Anleitungen zum »Fouragieren« als militärisches Ressourcenmanagement Bei der Wichtigkeit von Fourage mag es kaum verwundern, dass Militärtheoretiker diesen Bereich der Versorgung vor Ort besonders häufig betrachteten. Dabei banden sie die Verfügbarkeit von Fourage zurück an die Tage oder Wochen, in denen eine Armee an einem Ort lagern könnte, bis sie schließlich aufgebraucht war; ein militärischer Zeithorizont wurde durch den Verbrauch einer lokalen, naturalen Ressource konstituiert. Bei der Betrachtung der verschiedenen Anleitungen zum »Fouragieren« lässt sich im Laufe des Untersuchungszeitraumes eine starke Kontinuität feststellen: Das Nutzen dieser naturalen Ressource wurde reguliert und immer in Abhängigkeit von der Ressourcennutzung eines möglichen Gegners gedacht. Der Umgang mit dieser naturalen Ressource vor Ort folgte damit letztlich der Logik eines Nullsummenspieles, bei dem jeder Verlust des Gegners einen Gewinn für die eigene Seite darstellte. Gewissermaßen handelte es sich hier um eine militärische Form der Konkurrenz um agrarische Nutzfläche und Ressourcen. Zusammen mit Anweisungen, welche die Effizienz der Ressourcennutzung sicherstellen sollten, indem in kritischen Phasen der Versorgung unnötig lange Wege vermieden werden sollten,

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66 Lynn, Giant, S. 129. 67 Vgl. Landers, Field and the Forge, S. 205–226.

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stellt diese agonale Versorgungslogik eine grundsätzliche Konstante in der frühneuzeitlichen Militärtheorie dar. Zudem zeigt die stetige Beschreibung dieser Strategien die komplexe Wechselwirkung dieser Ressource mit dem Führen von Krieg. Bereits in den Aussagen der Militärtheoretiker des 17. Jahrhunderts ist die Verflechtung taktischer und logistischer Elemente offensichtlich. Alle Autoren warnen davor, dass das Aussenden von Truppen zum Einholen von Fourage eine Gefahr darstellte, da die Armee hierdurch geteilt und für Hinterhalte oder Überraschungsangriffe verwundbarer wurde. Zugleich zeigen diese Aussagen jedoch drei Grundsätze des Fouragierens, die in der Folge im Kontext der Versorgung einer Armee zu einem stets wiederholten Set an Verhaltensvorschriften werden sollten: Erstens die Orientierung an der längeren Aufenthaltsdauer in einer Region und somit die Integration einer zeitlichen Ebene; zweitens die räumlich orientierte Anweisung, Fourage möglichst zuerst von weiter entfernten Orten zur Armee zu führen und nahe gelegene Vorräte zu schonen; und drittens die Orientierung am jeweiligen Feind und seinem eigenen Bedarf an Fourage. Raimondo Montecuccoli beispielsweise betont, die »Fütterung« sei »von dem Lande und von den benachbarten Orten« einzuholen, allerdings stets mit ausreichenden Vorsichtsmaßnahmen: Die »Futter-Knechte« seien mit »Geleit« auszusenden, um sie »wider die feindlichen Partheyen in Sicherheit zu setzen«.68 Auch solle man diese stets zu verschiedenen Zeiten aussenden, um sich durch diese Unberechenbarkeit vor möglichen Angriffen zu schützen. Die Störung der eigenen Versorgung durch den Gegner war also bereits in dieses logistische Denken integriert. Schon bei ihm lässt sich ein zentraler Grundsatz als ausformulierter Ratschlag finden, ohne dass er allerdings auf den Sinn dieses Vorgehens weiter eingeht: »Anfänglich muss man die Fütterung an den entlegensten Orten holen, und darauf nach und nach an die nähesten kommen.«69 Auch Turenne beschreibt die Vorgehensweise bei der Beschaffung von Fourage ähnlich. Die Aufteilung des Fouragierens in weiter entfernte und näher an der Armee gelegene Orte taucht hier ebenfalls auf, Turenne koppelt dies aber mit einem Hinweis auf das Bestreben, mit einer Armee länger an einem Ort zu verweilen: »Beginnt an den Orten, die am weitesten vom Lager entfernt sind, und endet an den nahe an der Armee gelegenen, besonders wenn man glaubt, lange an dem-

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68 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 72. 69 Ebd.

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selben Ort zu sein.«70 Hier wird das Nutzen der Fourage bereits explizit an die Zeit des Aufenthaltes vor Ort gekoppelt. Diese relativ kurze Anweisung zum Fouragieren wurde noch am Ende des 18. Jahrhunderts unter Bezugnahme auf Turenne wiederholt, was die Stabilität dieser Aussageformation verdeutlicht: Der lediglich aufgrund seiner Selbstbeschreibung als »ancien Officier d’Infanterie« greifbare französische Autor Alexis Toussaint de Gaigne formuliert noch 1776 in seinem Werk Manuel ou Journée Militaire seinen kurzen Ratschlag zum Fouragieren nahezu wortgleich mit Turennes Ausführungen. 71 Doch auch die Wirkung des Fouragierens auf den Gegner wird bereits früh im militärtheoretischen Diskurs thematisiert. Ein Beispiel dafür ist Böckler: Er fasst in seiner Schola Militaris Moderna das »Fouragieren« ebenfalls in einem kurzen Kapitel zusammen und beschreibt es als »nothwendig und gefährlich« gleichermaßen – notwendig, weil »die Pferde darvon müssen unterhalten werden«, gefährlich, »weilen man auffs wenigste in der Woche zweymal auff die Fütterung hinaus muss«72 und man sich dabei der Gefahr durch den Feind aussetze. In seinen darauf folgenden Ausführungen taucht neben der bereits bekannten Formulierung, mit dem Fouragieren in einiger Entfernung zu beginnen, nun auch eine Orientierung am Feind selbst auf: diesem könne man die Ressource gezielt entziehen. So sei es zu empfehlen, »dass man am ersten an den Oertern / die am weitesten entlegen / auff die Fütterung ziehe / und daselbst Futter abhole / da man vermeynt / wo der Feind dahin zu logiren kommen möchte«: Dies führe dazu, dass man »dem Feinde das Futter hinweg nimt«, aber auch dazu, dass »man eine Zeitlang allda still ligen« könne.73 Wenn möglich sei außerdem Fourage an Orten zu holen, »die dem Feinde entlegen« seien.74 Der Gegner und sein eigener Bedarf an Ressourcen ist hier bereits explizit ein Bezugspunkt für die Ausrichtung der eigenen Ressourcenbeschaffung, ebenso ist

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70 »Commencer par les lieux les plus éloignés du Camp, & finir par les plus voisins, surtout lorsqu’on croit être longtems dans un même lieu«, ebd., S. 41. 71 Diese relativ kurze Anweisung zum Fouragieren wurde noch am Ende des 18. Jahrhunderts unter Bezugnahme auf Turenne wiederholt, was die Stabilität dieser Aussageformation verdeutlicht: Der lediglich aufgrund seiner Selbstbeschreibung als »ancien Officier d’Infanterie« greifbare französische Autor Alexis Toussaint de Gaigne formuliert noch 1776 in seinem Werk Manuel ou Journée militaire seinen kurzen Ratschlag zum Fouragieren nahezu wortgleich mit Turennes Ausführungen. Alexis Toussaint De Gaigne, Manuel ou Journée Militaire, Paris 1776, S. 72. 72 Böckler, Schola Militaris Moderna, S. 533. 73 Ebd. 74 Ebd.

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das Motiv des Entziehens von Ressourcen durch den eigenen Verbrauch bereits Bestandteil von Böcklers Anweisungen. An diesen klassischen Anleitungen zum Fouragieren änderte sich im 18. Jahrhundert wenig, lediglich die Ausführlichkeit der Thematisierung dieses Vorgehens nahm zu. Ein anschauliches und zudem diskursiv wirkmächtiges Beispiel für die Ausdifferenzierung der klassischen Ratschläge findet sich in den Memoiren Feuquières’. In seinem zweiten Band widmet er der Fourage ein umfangreiches Kapitel von elf Seiten, in dem er ausführlicher als andere Autoren auf diese Ressource eingeht. So unterscheidet er direkt zu Beginn seines Kapitels zwischen »grüner« und »trockener« Fourage. Dies war von Bedeutung: Zwar sei nach Feuquières »der Verbrauch der grünen Fourage sehr viel größer als der Verbrauch der trockenen«, allerdings sei von der grünen auch »sehr viel mehr im Überfluss auf der Erde«, sodass es ein Feind schwer habe, diese Ressource von den Weiden abzuführen und somit den eigenen Truppen zu schaden.75 Die trockene Fourage, also vor allem Heu, welches bereits konzentriert in den Scheunen und auf den Speichern der Landbevölkerung lag, könne dagegen durch den Feind »verringert« werden, beispielsweise durch das Abtransportieren oder gar das Verbrennen.76 Feuquières denkt hier also bereits mögliche Formen der Gewaltanwendung gegen wichtige Ressourcen mit und konzipiert das Fouragieren stärker noch als zuvor als militärische Operation.77 Auffallend ist auch die Ausdifferenzierung der räumlichen Organisation des Fouragierens, die Feuquières vornimmt. So teilt er die verfügbare Fourage räumlich aus dem Blickwinkel einer Armee in verschiedene Seiten auf: »Vor, oder hinter einer Armee, oder an ihren Flügeln.«78 Die jeweilige Lage bestimmt auch das taktische Vorgehen und die Rolle der verfügbaren Fourage. So schreibt Feuquières, die Fourage vor einer Armee liege oft in Richtung des Feindes und damit zwischen zwei Armeen; hier empfiehlt er eine nach eigener Einschätzung gefährliche Operation mit der Kavallerie, die vorrücken und dann unter dem Schutz der Infanterie so schnell wie möglich fouragieren solle. Der Sinn eines solchen Vorgehens ist auch hier das »Entziehen« [dérober] der Fourage, sodass sie nicht in feindliche Hände

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75 »La consommation des fourages en verd est beaucoup plus grande que celle du sec, mais aussi la quantité en est plus abondante sur la terre«, Feuquières, Memoires, Bd. 2, S. 354. 76 Vgl. zu Strategien der »verbrannten Erde« auch Kap. 5. 77 Vgl. zur Definition der Vernichtung wichtiger Ressourcen als Form militärischer Gewalt Kap. 5. 78 »Les fourages se sont ou en avant, ou derriere l’Armée, ou sur les aîles.«, Feuquières, Memoires, Bd. 2, S. 355.

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fallen konnte – wieder wird die eigene Armee versorgt und der Gegner geschädigt.79 Die Rolle der Fourage »hinter« einer Armee wird von Feuquières völlig anders geschildert: Sie sei »sehr zu schonen«, denn sie diene als »letzte Ressource«, vor allem wieder für den Fall eines »langen Aufenthalts im Lager«.80 Das Argument für diese Schonung betrifft auch die komplexe Organisation des Fouragierens: Der Vorteil einer Reserve hinter der Armee liege laut Feuquières auch darin, keine umfangreichen Patrouillen für die Absicherung zu benötigen, sodass diese Reserve schnell und sicher zur Verfügung stehe. 81 Die Fourage »an den Flügeln« sei »wiederum von einer anderen Natur« und diene den jeweiligen Armeeflügeln als Ressource, die somit zur Versorgung der Pferde nur kurze Wege zurückzulegen hätten.82 Es sei auch hier darauf zu achten, dass weder der Feind noch die lokale Bevölkerung diese Fourage nutze – dies ist einer der seltenen Fälle, in denen die lokale Bevölkerung mit ihrer eigenen Landnutzung und ihrem Bedarf an Viehfutter überhaupt im militärischen Diskurs eine Rolle als Konkurrent spielt.83 Die immer wieder deutlich werdende Konkurrenz um die Ressource Fourage spricht Feuquières zuletzt sogar noch als besonderen Punkt in seinem Kapitel an, denn hier zeige sich ein »sicheres Prinzip« des Krieges: Stets müsse dem Feind so viel Fourage wie nur möglich vorenthalten werden. Doch wie dieser Kampf um diese wichtige Ressource funktionierte, ist für Feuquières von der Art der Ressource abhängig: »Die grüne Fourage kann man einem Feind nie völlig nehmen.«84 Höchstens sei die eigene Armee mit ihren Vorposten so zu platzieren, dass sich die gegnerische Armee nur mit größten Vorsichtsmaßnahmen mit Fourage versorgen könne.85 Feuquières war einer der ersten Militärtheoretiker, die der Fourage eine derart explizite Beschreibung widmeten, und wurde dadurch zum Bezugspunkt späterer Autoren. Später im 18. Jahrhundert übernahm der Enzyklopädist Louis de Jaucourt mit nur wenigen Veränderungen Feuquières’ Ausführungen zu den »subsistances« einer Armee in seinem gleichnamigen

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79 Ebd., S. 359. 80 Ebd., S. 361. 81 Ebd. 82 Ebd., S. 362. 83 Ebd. 84 »Les fourages en verd ne se peuvent ôter à l’Ennemi total.«, ebd., S. 364. 85 Ebd.

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Artikel, darunter auch die Äußerungen zur Fourage. 86 Im eigenen Artikel zur »Fourrage« in der Encyclopédie, welcher durch Guillaume le Blond verfasst wurde, wies dieser unter anderem auf Feuquières’ Mémoires hin, um seinen Lesern weiterführende Literatur zu diesem Thema zu empfehlen. 87 Dies weist auf die weitergehende Verbreitung dieser ausdifferenzierten Betrachtung von Fourage im 18. Jahrhundert hin: Auch im Bereich der Ressourcennutzung war Feuquières eine Autorität der Kriegführung geworden. Die Kontrolle dieser Ressource erforderte laut Feuquières ein Ausbreiten der eigenen Kräfte. Zugleich wird in den Ausführungen sehr deutlich, dass neben dem Standort der eigenen Armee wieder der Gegner ein zentraler Bezugspunkt ist, an dem sich die Besorgung von Fourage ausrichtet und an dessen Präsenz die Nutzung der Ressource immer weiter ausdifferenziert wird. Die Ressource wird gewissermaßen ein »Schlachtfeld auf Zeit« zwischen zwei Armeen. Ihre Nutzung für die eigene Seite ist nicht nur stets gewaltbehaftet, sondern selbst eine Form der militärischen Gewalt. Die Verbreitung der beschriebenen Ratschläge zum Fouragieren zeigt sich, wenn man betrachtet, wie andere Militärtheoretiker im 18. Jahrhundert sie immer wieder aufgriffen. Die Methode, dem Gegner diese Ressource streitig zu machen, beschreibt beispielsweise auch Friedrich II. in seinen Generalprinzipien des Krieges: »Will man in einem Lager in der Nähe des Feindes stehen bleiben, so nimmt man dem Feinde zunächst die Fourage zwischen beiden Lagern weg. Alsdann fouragiert

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86 Louis de Jaucourt, Art. »Subsistance, (Art. Milit).«, in: Denis Diderot, Jean-Baptiste le Rond d’Alembert (Hrsg.), Encyclopédie, ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, Bd. 15, Paris 1765, S. 582–583. Originalstelle Feuquières: »Le Général se campera toujours de maniére que l’ennemi ne puisse lui ôter ses fourages, ni les lui rendre trop difficiles. Il n’en laissera point manquer à ses Troupes; mais il n’en laissera point faire de dégat, principalement lorsqu’il a un séjour considérable à faire dans son Camp«, Feuquières, Memoires, Bd. 1, S. 194. Jaucourt: »[…] un général a l’attention de se camper de telle sorte que l’ennemi ne puisse les lui enlever, ni les lui rendre difficiles. Il est de sa prudence & son intérêt de n’en pas laisser manquer à ses troupes. Il doit en empêcher le dégât, surtout s’il séjourne dans son camp un tems considérable.« 87 Guillaume Le Blond, Art. »Fourrages«, in: Denis Diderot, Jean-Baptiste le Rond d’Alembert (Hrsg.), Encyclopédie, ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, Bd. 7, Paris 1757, S. 249–253. Außerdem wies er auf das Werk von Folard und Santa Cruz hin. Bemerkenswert ähnlich zu Feuquières’ Text ist auch das Kapitel von Saint-Genies zum Thema Fourage, Saint-Genies, L’Art de la Guerre, Bd. 2, S. 72.

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man auf eine Weile rund um das Lager herum, und zwar nimmt man die an weitesten entlegene Fourage zuerst und spart sich die nächstliegende bis zuletzt auf.«88

De Crissé bezieht sich wenige Jahre später in seinem Essai dezidiert auf Montecuccoli 89 und paraphrasiert dessen Aussagen. Wieder spielte die Zeit in Form des Aufenthaltes in einem Lager eine Rolle und wurde mit einem taktischen Argument verbunden. Je mehr Fourage auf diese Weise »avec économie« behandelt werde, desto länger könne eine Armee »im selben Lager« bleiben, und desto weniger sei sie gezwungen, »unnütze und ermüdende Bewegungen« zu machen – es handelte sich also auch um eine Strategie, die Kraft von Mensch und Tier zu schonen. 90 Zudem könne der Feind durch das weite Ausgreifen der Fouragiertruppen am Anfang wieder geschädigt oder gar dazu gezwungen werden, »eine vorteilhafte Stellung« zu verlassen, »um sich woanders zu erhalten [subsister]«.91 Die stetige und kaum modifizierte Wiederholung dieses Umgangs mit Fourage zeigt also letztlich wieder einen selbstverständlichen Teil des militärischen Wissens.92 Seine relative Stabilität zeigt, dass sich an der grundlegenden Abhängigkeit von Fourage im betrachteten Zeitraum sowie am taktischen Umgang mit dieser Abhängigkeit wenig änderte. Zugleich wird aber auch deutlich, dass diese Abhängigkeit nicht nur militärische Aktionen behinderte oder determinierte, sondern dass ein Teil des militärischen Wissens auch damit befasst war, diese Limitierungen zum größten eigenen Nutzen gegen einen Gegner auszuspielen.

4.2.2 Überschlagen, Berechnen, Schonen. Optimierte Fouragenutzung und Sparsamkeit im Krieg Ein wahrnehmbarer Wandlungsprozess im militärtheoretischen Diskurs dagegen ist, dass Fourage im Laufe des 18. Jahrhunderts immer häufiger als ein knappes Gut beschrieben wurde, das mit einer neuen Sparsamkeit behandelt werden sollte. Nicht nur der Feind wurde nun als Gefahr für die Versorgung mit Fourage wahrgenommen, sondern auch die eigene Armee. Es mehrten sich Aussagen, die die Verschwendung von Fourage anpran-

—————— 88 Friedrich II., Generalprinzipien, S. 19–20. 89 Ähnlich tat dies auch Folard, Histoire, Bd. 4, S. 282. 90 De Crissé, Essai, Bd. 1, S. 139. 91 Ebd. 92 Vgl. dieselben Formulierungen auch bei Fleming, Soldat, S. 213.

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gerten und verstärkt eine Schonung dieser wichtigen Ressource anmahnten. Als Instrument dieser Schonung trat ab der Mitte des 18. Jahrhunderts die konkrete Berechnung von Fourage als Lösungsvorschlag im Diskurs auf: Von nun an äußerten sich immer mehr Autoren mit der Forderung, die verfügbare Fourage bereits im Vorfeld genau abzuschätzen, um daraus umso sicherer abzuleiten, ob und wie lange eine Armee auf einer bestimmten Fläche genügend Futter für die Pferde finden würde. Die Abhängigkeit von dieser naturalen, lokalen Ressource sollte durch eine Regulierung der Versorgung im Feld kontrollierbar und effizient gestaltet werden. Die Warnung vor der Verschwendung dieser kriegswichtigen Ressource war also verbunden mit Überlegungen ihrer effizienteren Nutzung, um daraus einen logistischen und zeitlichen Vorteil zu generieren. Das gehäufte Auftreten dieses Argumentes der Effizienz ist nicht nur vor dem Hintergrund der Bemühung um einen »wissenschaftlichen« Krieg zu sehen, in dem auch die Logistik generellen Regeln unterworfen werden sollte. Ebenfalls muss berücksichtigt werden, dass gerade in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Optimierung der Agrarproduktion zu einem Diskussionsthema höchster Schichten wurde. Die »ökonomische Aufklärung« als auf den Agrarbereich fokussierte Reformbewegung propagierte die Erfassung der in den Territorien verfügbaren Naturalien und ihre effizientere Nutzung. 93 Im Zentrum dieser Debatten stand unter anderem die von den Reformern ab der Mitte des 18. Jahrhunderts angeprangerte Form der unkontrollierten Viehweide: Klagen, das Vieh »zertrete« zu viel an Futter, wurden in dieser Weidekritik aus einer landwirtschaftlichen Perspektive formuliert, erinnern aber stark an die Klagen, die auch Militärs immer wieder über das Viehfutter äußerten. 94 Kameralistische Vorstellungen eines ökonomisch optimierten Herrschaftsraumes betonten die Erfassung und Steigerung des agrarischen Potenzials eines Territoriums, und physiokratische Debatten um den Wert des Bodens und seiner Erzeugnisse konzipierten den Fürsten und Monarchen als »ersten Landmann« seines Staates.95 Es ist anzunehmen, dass auch Militärs von diesen Debatten be-

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93 Vgl. Marcus Popplow, Die Ökonomische Aufklärung als Innovationskultur des 18. Jahrhunderts zur optimierten Nutzung natürlicher Ressourcen, in: Ders. (Hrsg.), Landschaften agrarisch-ökonomischen Wissens. Strategien innovativer Ressourcennutzung in Zeitschriften und Sozietäten des 18. Jahrhunderts (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt, Bd. 30), Münster; München; Berlin 2010, S. 3–48, hier S. 5–6. 94 Vgl. Beck, Ebersberg, S. 100–106. 95 Vgl. ebd., S. 126–128; Susan Richter, Der Monarch am Pflug – Von der Erweiterung des Herrschaftsverständnisses als erstem Diener zum ersten Landwirt des Staates, in: Das

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einflusst wurden. Ein Artikel in der Militärischen Monatsschrift aus dem Jahr 1785 zur »Aufklärung des Militärs« verweist auf die Überschneidung von militärischem und agrarischem Wissen allein schon aufgrund der vielfältigen Rollen adeliger Offiziere: Ein Offizier sei nicht nur »Soldat«, sondern »Mensch«, »Bürger« – und oft Besitzer »ansehnlicher Güter«, wodurch in seiner breiten Allgemeinbildung auch »Kenntnisse von der Landwirthschaft unentbehrlich« seien.96 Die Berechnung des Bedarfs an Fourage war für sich genommen keine Entwicklung des 18. Jahrhunderts. Für die französische Armee beispielsweise wurden spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts Reglements herausgegeben, in denen die jeweiligen Mengen an Fourage festgeschrieben wurden.97 Regelungen zur Verpflegung einer Armee wurden zudem in militärtheoretischen Werken integriert: Böckler druckt in seiner Schola Militaris Moderna 1685 zur Veranschaulichung dieser Verwaltungspraxis verschiedene Ordonnanzen ab, in denen feste Größen zur Verpflegung der Pferde angegeben wurden.98 Doch diese Passagen unterscheiden sich wesentlich von denen, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts vermehrt in der Militärtheorie auftauchten. In seinem militärischen Wörterbuch beispielsweise nimmt sich Eggers kritisch des Themas der Fourage an.99 In seinem Artikel »Futter, Fourage« geht Eggers zwar ausführlich auf die taktische Vorgehensweise zum Schutz der fouragierenden Truppenteile ein, betont aber am Anfang auch andere

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Achtzehnte Jahrhundert 34 (2010), H. 1, S. 40–64; Susan Richter, Pflug und Steuerruder. Zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Aufklärung (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 75), Köln; Weimar; Wien 2015, S. 227–293: S. 485–491. 96 Anonym, Über die Aufklärung des Militärs, in: Christian Freiherr von Massenbach, Militärische Monatsschrift, Bd. 1, Berlin 1785, S. 590–601, hier S. 597; S. 600. In ähnlicher Weise hat bereits Eric Lund auf das anzunehmende Wissen von Offizieren im Umgang mit Landgütern hingewiesen, vgl. Lund, War, S. 68–69; S. 76; S. 92. 97 Vgl. Lynn, Giant, S. 127–128. 98 Böckler, Schola Militaris Moderna, S. 94–95. Auch die Verschwendung von Fourage seitens des Militärs wurde bereits vorher als Problem angesprochen, so beispielsweise bei Feuquières: dieser mahnt in seinem Kapitel zu Fourage, der General solle keinen »Schaden« [dégat] an der Fourage im Lager tolerieren, besonders wenn er bereits wisse, dass er eine gewisse Zeit an einem Ort verbleiben müsse. Vgl. Feuquières, Memoires, Bd. 2, S. 354. 99 Dies wird bereits bei der Beschreibung des Fouragierens deutlich: Mit der Operation identifiziert Eggers zwar zunächst »sich nach Futter für die Pferde umsehen«, ordnet diesem Begriff aber zugleich direkt eine deutlich negativere Bedeutung zu: »Fouragiren bedeutet auch verheeren, plündern, oder höflicher zu reden, ein Land mitnehmen.« Eggers, Lexicon, Bd. 1, Sp. 936. Vgl. dazu auch Kap. 5.

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Vorsichtsmaßnahmen: So solle der kommandierende General darauf achten, »daß nichts verschwendet und unter die Füße getreten werde, und dieses um so vielmehr, wenn er einsieht, daß sein Aufenthalt in dem gegenwärtigen Lager von einer gewissen Dauer sein werde.« 100 Hier wurde die zeitliche Komponente der Nutzung von Fourage nicht mehr an die Präsenz eines Gegners gebunden, sondern an den eigenen Umgang mit der Ressource. Dies zeigt ein verändertes Problembewusstsein, das ab der Mitte des 18. Jahrhunderts vermehrt in den Diskurs aufgenommen worden zu sein scheint. Ab etwa 1760 häufen sich bei diversen Autoren mehr oder weniger explizite Klagen über das Nutzen von Fourage. So schreibt der Autor Christian Conrad Friderici, der als Professor und Jurist in Jena, Leipzig und Greifswald lehrte, in seiner 1763 erschienenen und stark auf rechtliche Aspekte eingehenden Einleitung in die Kriegswissenschaft von dieser Problematik: Die »Sorgfalt« eines Generals müsse in Sachen Verpflegung besonders »auf die Fütterung mit gerichtet seyn«. Wieder spielt der »Feind« eine Rolle, dem keine Gelegenheit gegeben werden sollte, die »Fütterung […] abschneiden« zu können. Doch neben diesen Faktor tritt die Verschwendung durch die eigenen Soldaten. »Bey dem Ueberflusse« an Fütterung solle erst recht darauf geachtet werden, dass diese nicht »gemißbrauchet« werde: »Der Schaden davon ist so beträchtlich, daß dieser einmahl eingerissenen Unordnung kaum wiederum abzuhelfen stehet.«101 Teilweise wurde die Kritik an der Verschwendung von Fourage aber auch sehr viel deutlicher formuliert. Der anonyme Autor V. D. S. G betont beispielsweise, es sei zur längeren Nutzung dieser Ressource notwendig, die Kavallerie im Feld an das Schonen [ménager] der eigenen Fourage zu gewöhnen: »Man hat Ebenen gesehen, die mehr als das Notwendige für sechs Wochen gegeben hätten, die in acht Tagen ruiniert und entblößt [ruinées & dégarnies] wurden; dieses ist unvorteilhaft für die Armee, und verursacht einen beträchtlichen Schaden für das Land.«102

Diese deutliche Kritik zeigt einmal mehr die Verflechtung der Dimension Zeit mit dem Verbrauch von Ressourcen im Diskurs der Militärtheorie.

—————— 100 Ebd., Sp. 962. 101 Christian Conrad Friderici, Gründliche Einleitung in die Kriegswissenschaft, Breslau; Thoren 1763, Bd. 2, S. 121. 102 »On a vu des plaines qui auroient procuré au-delà du nécessaire pendant six semaines, ruinées & dégarnies en huit jours; ce qui est désavantageux pour l’Armée, & cause un domage considérable au pays.«, V. D. S. G., Abrégé, S. 25.

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Zudem wurde Fourage als eine deutlich vulnerablere Ressource konzipiert als zuvor: Nun bedurfte es einer besonderen Vorsicht nicht nur aufgrund der Präsenz eines Feindes, sondern auch aufgrund des Zerstörungspotenzials der eigenen Armee. Zur gleichen Zeit mehrten sich in der Militärtheorie auch Aussagen, die auf eine stärker regulierte Art der Abschätzung und Berechnung von Fouragemengen im Vorfeld drängten, um diese Ressource besser nutzen zu können. Daraus etablierte sich ein eigener Diskursstrang, der die konkrete Quantifizierung dieser lebenswichtigen Ressource nicht nur als Erleichterung der Planung, sondern auch als militärische Effizienzsteigerung ansah. Ein frühes Beispiel sind die Aussagen zur Armeeversorgung bei Puységur, der sich nicht nur in der Taktik, sondern auch im Bereich der Versorgung für eine stärkere Berechnung und Mathematisierung ausspricht. Bevor die Lage dieser Ressource erkundet werden sollte, müsse zunächst die »nombre total« der zu versorgenden Pferde ermittelt werden – also sowohl Pferde der Kavallerie als auch Pferde der Equipage der Offiziere, Artillerie- und Trosspferde. Diese »Berechnung« [calcul] sei notwendig, um darauf aufbauend den eigentlichen Bedarf an Rationen festzulegen. 103 Während dies selbstverständlich erscheint, endet Puységurs Berechnung allerdings nicht bei der Anzahl der Pferde. Systematisch dehnt er die Berechnung auf die benötigte Fläche und auf die geschätzte Produktivität des Landes aus. Als Beispiel setzt er eine Anzahl von 20.000 Pferden: »man suche nun ein Terrain welches diese 20.000 Bündel [trousses] liefern kann; dafür muss man die Menge an Terrain in toises quarrées104 wissen, die notwendig ist, ein Bündel zu produzieren [produire], sei es in Weizen, Hafer, Roggen oder einem anderen Korn; man muss es sich außerdem zur Gewohnheit machen, den Unterschied durch die verschiedenen Qualitäten des Terrains zu kennen, und wie viel man wenigstens für ein Bündel in der besseren sowie in der schlechtesten Lage benötigt…«.105

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103 Puységur, Art de la Guerre, S. 190. 104 Wahrscheinlich »toise im Quadrat«. Die »toise« war eine alte französische Maßeinheit und maß etwa 1,950 Meter. 105 »On cherchera à reconnoître un terrain qui puisse fournir ces vingt mille trousses; pour cela il faut sçavoir la quantité de toises quarrées de terrain nécessaires pour produire une trousse, soit que le terrain soit semé en froment, en seigle, en avoine, ou autre grain; on doit encore s’être habitué à reconnoître la différence que peut causer la diverse qualité du terrain & combien dans les meilleurs on a besoin de moins d’étendue pour faire une trousse que dans les plus médiocres…«, Puységur, Art de la Guerre, S. 190.

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Dieser Berechnung fügt Puységur notgedrungen einen weiteren Faktor hinzu, der ebenfalls berechenbar gemacht werden sollte: Die Verschwendung der Fourage während der Operation des Fouragierens, die er kritisch dafür verantwortlich macht, dass sich der Zeitraum des Lagerns einer Armee drastisch verkürzen konnte. Eine Ebene, die rechnerisch 28.000 Bündel Fourage hergebe, werde letztlich gerade einmal die Hälfte liefern, weil »unsere Truppen ohne irgendeine Ordnung fouragieren […] muss man damit rechnen [compter], dass sie mehr verderben als mitnehmen, sei es weil die Pferde es verderben, wenn sie die Fourage durchqueren, sei es weil sie es fressen, oder sei es das, was die Fourageure nicht mitnehmen wollen; […] Aus der Art, wie unsere Truppen fouragieren, ergibt sich: erstens, dass sie das Doppelte verbrauchen und man deshalb gezwungen ist, halb so lange in einem Lager zu bleiben wie man wollte. Zweitens, dass eine größere Eskorte für eine Fourage benötigt wird […], weil die Truppen erschöpfter sind.«106

Die konsequente Berechnung nicht nur des eigenen Verbrauchs, sondern auch der im Feld auffindbaren Ressource sowie der zu ihrer Erzeugung benötigten Fläche ist letztlich die Ausdehnung des Strebens nach mathematischer Exaktheit in Kriegsoperationen auch auf den Bereich der Versorgung. Zugleich kommt in Puységurs Aussagen nun eine anders gelagerte Perspektive auf diese Ressource zur Anwendung: Zum militärischtaktischen Blick, zu dem das Nutzen der Ressource unter Bezugnahme auf einen Gegner gehörte, gesellt sich nun ein administrativer Blick hinzu, der auf die Effizienzsteigerung der eigenen Ressourcennutzung bedacht ist. Puységurs Ausführungen zur Berechnung der Fourage, aber auch zu der ineffizienten Ressourcennutzung der französischen Armee wurden wenige Jahre später von Guillaume le Blond in den Artikel »Fourrages« der Encyclopédie Diderots aufgenommen. Le Blond fügt sogar noch den Vergleich zu deutschen Armeen hinzu, die »mit größerer Ordnung und Sparsamkeit« fouragierten.107 Offensichtlich wurde das Problem der mangelnden Sparsamkeit von französischen Autoren vor allem als Kritik an der eigenen militärischen Administration und Organisation wahrgenommen.

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106 »Comme nous troupes fouragent sans aucun ordre, […] on doit compter qu’il s’en gâte plus qu’il ne s’en enléve, soit par celui que les chevaux gâtent en traversant le fourage, soit par celui qu’ils mangent, ou par celui que les fourageurs ne veulent point emporter; […] Il résulte de la façon dont nos troupes fouragent, 1. Qu’elles consomment le double & par conséquent on est olbigé de demeurer la moitié moins dans un camp qu’on ne voudroit. 2. Il faut plus d’escorte pour un fourage […] partant les troupes en sont plus fatiguées.«, ebd. 107 Vgl. Le Blond, Art. »Fourrages«.

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Durch die Berechnung der im Feld verfügbaren Fourage sollte ihre Nutzung plan- und berechenbarer gemacht werden, was wiederum die Dimension der Zeit berechenbarer machte, die eine Armee an einem Ort verbringen konnte: Die Nutzung der Fourage konstituierte gewissermaßen einen militärischen Zeithorizont. Diese Perspektive wurde zum Ende des 18. Jahrhunderts von verschiedenen anderen Autoren geteilt, was mit Sicherheit auch daran lag, dass die Klagen über die Verschwendung von Fourage zu diesem Zeitpunkt nicht abgerissen waren. Noch immer stand französischsprachigen Autoren dabei die Armee der Preußen und der Österreicher als Vorbild an Sparsamkeit vor Augen. Der Marquis de Silva schreibt noch 1778, die Preußen und Österreicher fouragierten mit »größerer Ordnung und Sparsamkeit« als alle anderen »nations«, die die Mehrheit der Fourage »verschwenden« [gaspiller].108 Der Grund dafür liege in zu groß abgesteckten Gebieten. »Es ist von größter Wichtigkeit, sparsam mit der Fourage umzugehen« – deshalb betont auch er, man solle ihre Menge zuvor sorgfältig prüfen und eine Verteilung nach der angestrebten Aufenthaltsdauer vor Ort veranlassen.109 Doch auch deutschsprachige Autoren äußerten sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts häufig über verschiedene Methoden, den Umgang mit Fourage effizienter, sparsamer und kontrollierbarer zu gestalten, wobei sie die Argumentation für eine explizite Quantifizierung der Ressource aufnahmen und fortführten. Zanthier beispielsweise schreibt in seinem Versuch über die Kunst, den Krieg zu studieren 1775, es sei wichtig zu lernen, den »Ertrag eines Terrains, das man fouragiren soll, zu überschlagen«, aber auch, wie Fourage bündig gepackt und gelagert werde; sogar das »Ausmessen« der Scheunen übernimmt er in seine Bemerkungen. 110 In seinem drei Jahre später erschienenen Werk Versuch über die Märsche der Armeen weist er zudem darauf hin, dass es auch für das Vertreiben eines Feindes durch das Abschneiden der Fourage nützlich sei, »den Ertrag von Fourage zu berechnen, den ein Land von gewisser Größe und Fruchtbarkeit liefert«.111 Andere Autoren übernehmen die von Puységur vorgeschlagene Methode der Berechnung über die Leistungsfähigkeit einer Fläche und integrieren sogar ebenfalls einen Abschlag von nicht verwertbarer Fourage, wie beispielsweise Friedrich Wilhelm von Bessel:

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108 De Silva, Pensées, S. 263. 109 Ebd., S. 257. 110 Zanthier, Versuch über die Kunst, S. 19. 111 Zanthier, Versuch über die Märsche, S. 53–54.

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»Auf dem Feld macht man Ueberschlag, wieviel Korn etwa auf einem Quadrat=Schritt stehe; ob es 2 oder 1 1/2 oder zuweilen nur 1 Bund giebt. Man überschreitet alsdenn das Feld, welches man fouragiren will, in der Länge und in der Breite; multiplicirt beide Summen, und auf diese Art bekömmt man den QuadratInnhalt des Feldes. Hievon rechnet man 1/3 des ganzen Innhalts ab, dieses reducirt man zu Garben und zu Bunden.«112

War es zuvor die Orientierung an der Sicherstellung der eigenen, aber auch der Störung der gegnerischen Ressourcenversorgung, die im militärtheoretischen Diskurs das Wissensgebiet der Versorgung mit Fourage definierte, so war am Ende des 18. Jahrhunderts auch die Quantifizierung und Schonung der Ressource ein Bestandteil dieses Wissens geworden. Nicht nur zeigt dieses beschriebene Wissen, wie präsent die Abhängigkeit von bestimmten naturalen Faktoren in der Militärtheorie war, sondern auch, wie diese Abhängigkeit definiert und handhabbar gemacht wurde.

4.3 Unsichere Gewässer. Trink- und Brauchwasser im Dienst des Krieges Doch nicht nur Fourage war eine simple Notwendigkeit, sondern auch Wasser. Wie Marcus Warnke vermutet, wurde Wasser in den von ihm ausgewerteten Versorgungsakten des Siebenjährigen Krieges so gut wie nie thematisiert, weil es frei verfügbar war und sich somit kein Mangel einstellte, der in irgend einer Form einen Niederschlag in den Quellen fand. 113 Demgegenüber ist jedoch die vielfältige Art und Weise zu betonen, auf die Wasser in der Militärtheorie als Versorgungsgut eine Rolle spielte. Dies geschah auf verschiedenen Ebenen. Wasser als Trinkwasser wurde ebenso angesprochen wie das Nutzen von Wasser zum Betreiben von Mühlen in Festungsstädten sowie die Rolle von Wasser in der Übertragung von Krankheiten: Es war also nicht nur eine lebenswichtige Ressource, sondern zugleich eine Seuchen auslösende Gefahr. In diesen verschiedenen Erscheinungsformen war Wasser in unterschiedlichem Maße in den entworfenen sozionaturalen Schauplätzen präsent. Seine Thematisierung blieb, anders als die sich langsam etablierende

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112 Friedrich Wilhelm Bessel, Entwurf eines Militair-Feld-Reglements, Hannover 1778, S. 146– 147; auch Mauvillon, Einleitung, S. 469–470. 113 Vgl. Warnke, Logistik, S. 94.

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Warnung vor dem Mangel an Fourage und der Regulierung ihrer Beschaffung, über den Untersuchungszeitraum weitestgehend konstant. Über die Aussagen der Militärtheorie lässt sich exemplarisch auch für diese Ressource ein Wissen herausarbeiten, das ihre Nutzung in das Schema militärischer Anforderungen einpasste. So stand für das Trinkwasser einer Armee meist nicht seine Menge im Vordergrund, wohl aber seine Qualität, die an jedem Ort neu gesichert werden und zum Teil gegen eigene Soldaten, aber auch Zivilisten verteidigt werden musste. Bei der Thematisierung von Festungen hingegen offenbarte sich Wassermangel als größter Schrecken eines Kommandanten, durch den sich die Zeit, die eine Festung standhielt, rasant verkürzen konnte. Selten kam auch in der Militärtheorie explizit die Funktion von Flüssen als Möglichkeit der Entsorgung zum Vorschein, wobei sich die allermeisten Militärtheoretiker kaum Gedanken um die Entsorgung der Fäkalien und Abfälle ihrer Truppen machten. Vielmehr war es das Wasser selbst, das als Ort infektiöser Krankheiten der Armee gefährlich werden konnte. Anhand der vielgestaltigen Ausprägungen dieser Ressource wird zudem deutlich, dass immer wieder Wissensbereiche außerhalb des genuin militärischen Wissens in den Diskurs der Militärtheorie integriert wurden, um Ordnungs- und Klassifizierungsschemata für diese Ressource bereitzustellen, anhand derer Militärtheoretiker ihre Handlungsanweisungen ausrichteten.

4.3.1 Gutes Wasser, schlechtes Wasser. Wasserqualität und Nutzungskonflikte im Spiegel der Militärtheorie Das Vorhandensein von Wasser war für militärische Lager ein wesentliches Kriterium: Trinkwasser für Menschen und Tiere musste möglichst in der Nähe verfügbar sein, durfte allerdings auch nicht durch einen möglichen Feind abgeschnitten oder verunreinigt werden können. Dabei kam es den meisten Autoren zumeist nicht auf die konkrete Menge des Wassers, sondern auf seine Qualität an. Die Reinheit der Wasserquellen war es, die Militärtheoretiker immer wieder betonten. Hier wurde vor allem gelehrtes Wissen über die Güte von Trinkwasser in die Ausführungen integriert, das auf antike Wissensbestände zurückgriff: Die Qualität des Wassers sollte anhand verschiedener Kriterien beurteilt werden, beispielsweise anhand seines Geruchs oder seines Gehalts an Sedimenten und Schwebstoffen. Zudem galt auch bei dieser Ressource, dass die Armee häufig vor sich selbst geschützt werden musste. Die Ressource Trinkwasser konnte auch

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verunreinigt werden, was es stets zu vermeiden galt, und ihre Nutzung musste reguliert werden, um jedem Truppenteil den Zugang zu der lebenswichtigen Ressource zu garantieren und zu vermeiden, dass Armeen ihr eigenes Wasser verschmutzten. Es ist wenig verwunderlich, dass die Hinweise auf die absolute Notwendigkeit von Trinkwasser eine Konstante im Schreiben über die bestmöglichen Lagerbedingungen von Armeen in der Militärtheorie bilden. Raimondo Montecuccoli nennt das Wasser in einer Reihe mit Holz und Pferdefutter als Element einer »bequemen« Lage. Das Wasser komme entweder »aus Spring-Brunnen, aus dem Fluss, oder gegrabenen Brunnen«, und stets solle ein Kommandant »wohl Acht haben, dass der Feind es nicht benehmen könne.«114 In ähnlicher Weise schreiben fast alle Autoren über dieses Lebensmittel.115 Einzig bei Santa Cruz war die Thematisierung der Ressource anders gelagert, wodurch sich in Europa bestehende klimatische Unterschiede in diesem Punkt auch in der Militärtheorie spiegelten: In Spanien, Santa Cruz’ Herkunftsland, war Wasser anscheinend ungleich knapper, und diese Knappheit äußerte sich in vorsichtigeren Formulierungen zur Nutzung von Wasser als bei anderen Autoren. So schreibt er nicht einfach von der Notwendigkeit von Wasser, sondern den »genügenden Quellen des Wassers«, von denen wieder der Feind keine abgraben oder abschneiden können solle.116 Wenig später geht er erneut auf das Wasser ein, welches er als wichtigste Ressource überhaupt darstellt: Hier spielten der mögliche Mangel an Wasser und das Leiden unter unerträglicher Hitze eine Rolle, eine Einschränkung, die ansonsten selten thematisiert wurde. 117 Gegenüber der grundsätzlichen Verfügbarkeit von Wasser wird auf seine Qualität jedoch häufig Bezug genommen, wenn militärische Autoren über die Grundlagen der Versorgung einer Armee schreiben. Das Erkennen des guten oder schlechten Wassers bildete einen Wissensbestandteil, der deutliche Bezüge zum generellen gelehrten Wissen über Wasser als Lebensmittel aufweist und somit zeigt, wie stark solche Elemente in das militärische Wissen eingeflochten wurden. Eine sehr differenzierte Passage widmet beispielsweise Dilich den verschiedenen Arten des Wassers, wobei

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114 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 72. 115 Noch am Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich an dieser Formulierung nichts geändert: Jacob Mauvillon schreibt beispielsweise in der gleichen Art über die Wichtigkeit von Wasser, die »Gegend« eines Lagers werde stets »in Rücksicht auf Furage, Wasser, Holz und dergleichen untersucht.« Mauvillon, Einleitung, S. 287. 116 Vgl. Santa Cruz, Reflexions, Bd. 3, S. 144. 117 Ebd., S. 147.

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das Unterscheidungskriterium stets die unterschiedliche Güte ist. So unterscheidet er zunächst in fließendes Wasser sowie Regenwasser und diskutiert in der Folge deren verschiedene Arten. Das Wasser der »Brunnen und Flüsse« werde »insgemein für gut gehalten / so es helle und durchsichtig« sei. Das Wasser der Quellen wurde nach ihrer Lage und ihrem Boden unterteilt: So gebe eine Quelle, die »gegen Mitternacht«, also gen Norden falle, »zwar ein frisches Wasser / so aber schwer und unverdaulich« sei – dagegen solle man die Quellen in Richtung Osten und Süden bevorzugen.118 Ein Boden aus »Sand und Kies« gebe »ein beständiges und gesundes«, der tiefere Sand aber »ein schleimig unliebliches Wasser«.119 Das Regenwasser sei laut Dilich das gesündeste, »welches rein / lauter / klar und dünne« sei. Er fügt jedoch hinzu, dass es dazu auch andere Meinungen gebe, die das Regenwasser aufgrund seiner Vermischung mit »dem Dunste und Dampff der Erde« für »halb ungesund« hielten.120 Wichtig ist für Dilich die Qualität fließenden Wassers, welches allen anderen Arten des Wassers vorzuziehen sei. Durch die »stätige Bewegung und den Sonnenschein« sei dieses das Reinste.121 Um die Qualität des Wassers zu prüfen, empfielt er unter Rückgriff auf den antiken Autor Palladius 122 eine Probe: »Wann das Wasser an ein messinges glänzend Gefässe angesprenget / und daran vertrocknet / keine Flecken mache / oder wann es in einem ehernen Gefässe abgesotten und erkaltet / keinen Sand oder Schleim im Grunde anlege«,123 sei es für rein und trinkbar zu halten. Ein Ratschlag, den beispielsweise auch Böckler in seine Schola Militaris Moderna aufnimmt. 124 Diese Probe und die Einschätzung der Wasserqualität betten letztlich Wissensbestände in einen militärischen Kontext ein, die stark auf antiken Texten zu diesem Thema basieren: Palladius war ein Autor antiker agrarischer Schriften, die in der Frühen Neuzeit in Übersetzungen und Zusammenfassungen diverse Neuauflagen erfuhren. 125 Er behandelte neben

—————— 118 Dilich, Krieges-Schule, S. 296. 119 Ebd. 120 Vgl. dazu auch Kap. 4.3.3. 121 Dilich, Krieges-Schule, S. 296. 122 Über Palladius Rutilius Taurus Aemilianus, wie der Autor mit vollem Namen hieß, ist wenig bekannt; vermutet wird eine Wirkungszeit zwischen dem 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. sowie eine Herkunft aus Gallien. Vgl. Kai Brodersen (Hrsg.), Palladius. Das Bauernjahr, Berlin 2016, S. 10–12. 123 Dilich, Krieges-Schule, S. 297. 124 Vgl. Böckler, Schola Militaris Moderna, S. 75. 125 Brodersen, Palladius, S. 19–21.

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den Qualitäten des Wassers auch andere günstige Standortfaktoren für die Landwirtschaft, wie beispielsweise die Qualität des Erdbodens. 126 Die Einordnung von Wasser anhand der Qualitäten von »leicht« und »schwer« und die Rücksichtnahme auf die Fließrichtung des Wassers finden sich in dieser Form außerdem bereits in den Schriften des griechischen Arztes Hippokrates.127 Diese Einschätzungen des Wassers und seiner Qualitäten wurde zudem ähnlich in Zedlers Universallexikon beschrieben, was auf die allgemeine Verbreitung dieser Gütekriterien zu Beginn des 18. Jahrhunderts hinweist.128 Anhand der grundsätzlichen Unterscheidung in fließende Gewässer und Brunnen wurde in der Militärtheorie die Qualität des Wassers festgemacht, wobei die meisten Autoren den Wert eines sauberen Fließgewässers für die Versorgung der eigenen Armee mit Wasser stets betonten. Es war also in der Tat selten der generelle Wassermangel, der die Militärs umtrieb, sondern vielmehr seine Qualität und die Notwendigkeit der Abschätzung und Klassifizierung dieser Ressource. Feuquières äußert sich im Kontext der »subsistances« einer Armee auch zur Wichtigkeit von Wasser und weist seinen Leser an, möglichst immer in der Nähe von Flüssen oder Bächen zu campieren, denn »die fließenden Wasser sind die besten und gesündesten«, und sie seien nicht zu sehr zu stauen oder gar zu verschmutzen.129 Brunnen hingegen seien laut Feuquières nur dann als Wasserquelle zu graben, wenn sich kein Fluss in der Nähe finde. 130 Diese Warnung vor dem schlechten Wasser von Brunnen setzte sich fort. 131 Damit bezogen sich die Militärtheoretiker letztlich auf generelle Einschätzungen zur Wirkung von Wasser auf die Gesundheit, denn auch der Autor

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126 Ebd., S. 42–47. 127 Vgl. Jacques Joanna, Water, Health and Disease in the Hippocratic Treatise Airs, Waters, Places, in: Ders. (Hrsg.), Greek Medicine from Hippocrates to Galen (Studies in Ancient Medicine, Bd. 40), Leiden; Boston 2012, S. 155–172, hier S. 160–165. 128 Vgl. Anonym, Art. »Aqua«, in: Johann Heinrich Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 2, Halle; Leipzig 1732, Sp. 983–993, hier Sp. 985–986. 129 »Les eaux coulantes étant les meilleures & les plus saines«, Feuquières, Memoires, Bd. 1, S. 198. 130 Ebd. 131 So bevorzugt Saint-Genies 1766 noch immer Fließgewässer gegenüber gegrabenen Brunnen, da das Wasser ungesund und selten klar und trinkbar sei; Bier und Wein schaffen seiner Meinung nach in einer Situation ohne fließendes Wasser eine bessere Abhilfe. Saint-Genies, L’Art de la Guerre, Bd. 1, S. 157. Auch in militärischen Wörterbüchern findet sich die Warnung vor der längerfristigen Nutzung von Brunnen: so schreibt Eggers, Brunnen seien zu oft »trübe und in der Länge der Gesundheit schädlich«. Eggers, Lexicon, Bd. 1, Sp. 1314.

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des Zedler-Artikels bezeichnete das Wasser aus Brunnen eher als eine Notlösung, wenn reines Quellwasser nicht zu bekommen sei. 132 Erst im späteren 18. Jahrhundert kommen vereinzelt Äußerungen vor, die bei der Nutzung von Brunnen zur Versorgung mit Trinkwasser zwischen den Bedürfnissen der Menschen und denen der mitgeführten Tiere differenzierten und im Hinblick auf Brunnen nun einen möglichen Mangel an Wasser in quantitativer Hinsicht konstatierten: Brunnen waren also in ihrer Sicht durchaus durch den zu großen Verbrauch der Armeen zu erschöpfen. So schreibt der Hauptmann und Lehrer an der Dresdener Militärschule Gottlob Friedrich von Brück 1777 in seiner Abhandlung zum Augenmerk im Kriege, der Bedarf an Wasser einer Armee könne die örtlichen Brunnen überfordern: »Wo weder Flüsse, Teiche oder starke Bäche in der Nähe wären, so würden die Brunnen in denen Dörfern nur allein zum Trinken und Kochen derer Soldaten bald ausgeschöpft werden, ohne noch auf die Pferde zu rechnen.«133

In seinen Augen war es möglich, lokale Wasserquellen durch den erhöhten Verbrauch der Soldaten, aber auch der mitgeführten Tiere zu übernutzen. Das erscheint nachvollziehbar: Ein Pferd trinkt pro Tag etwa 50 Liter Wasser, sodass mitgeführtes Vieh eine ungleich größere Menge an Wasser verbraucht haben dürfte als die Soldaten selbst.134 Diese Vorsicht im Umgang mit dem zu nutzenden Wasser im Feld erstreckte sich bei einigen Autoren auch auf mögliche Nutzungskonflikte dieser Ressource. Lagernde Armeen waren in der Regel keine bleibenden Gäste, waren aber temporär auf die Nutzung von Flüssen angewiesen, was auch die Verdrängung ziviler Wassernutzungen bedeuten konnte, sofern sie in den Augen der Militärs zur Verunreinigung des Wassers beitrugen. Zwar war der Glaube an die Selbstreinigungskräfte eines fließenden Gewässers weit verbreitet, und tatsächlich verfügen ausreichend große Flüsse durch Verdunstung, Sonneneinwirkung sowie Bakterienkulturen über die Fähigkeit, biologische Abfallstoffe abzubauen. 135 Trotzdem schreibt bei-

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132 Vgl. Anonym, Art. »Aqua«, Sp. 986. 133 Brück, Coup d’Oeil Militaire, S. 188–189. 134 Vgl. für diese Einschätzung für den Fall von Festungen Benedikt Loew, Die Versorgung von Festungen mit Trink- und Brauchwasser, in: Ders. u. a. (Hrsg.), Intra Muros. Infrastruktur und Lebensalltag in Festungen, Bd. 2: Wasserversorgung und Hygiene (Vereinigung für Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e. V. Sonderband, Bd. 21), Saarlouis 2015, S. 45–66, hier S. 50. 135 Vgl. Schott, Urbanisierung, S. 120.

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spielsweise Santa Cruz davon, den Bauern der umliegenden Ortschaften das Auswaschen von Leinen oder Hanf, das sogenannte »Hanfrösten«, zu verbieten; bei dem Verfahren wurden die nötigen Fasern zur Herstellung von Seilen durch die natürliche Fermentation der Pflanzen in Wasser gewonnen, was in den Augen Santa Cruz’ allerdings das Wasser der Armee verunreinigte.136 Vor derselben Wassernutzung warnt auch Zanthier in deutlicher Anlehnung an Santa Cruz: Das Wasser solle davor geschützt werden, »durch Flachs- oder Hanfrösten, und dergleichen, verderbt« zu werden.137 Doch auch die eigene Armee und die Soldaten waren augenscheinlich eine Gefahr für die Reinheit des Wassers. Das Beschaffen von Trinkwasser und seine Abgrenzung zum Brauchwasser der Armee wurde daher in der Militärtheorie bei einigen Autoren als ein Bereich der Versorgung angesehen, der einer besonderen militärischen Regulierung bedurfte. Stellenweise wirkt es dabei so, als sei den Soldaten schlichtweg nicht zuzutrauen, selbstständig für trinkbares Wasser zu sorgen. Santa Cruz mahnt beispielsweise, ein Kommandant solle Wachen unterhalb der Stelle am Fluss aufstellen, an der die Soldaten ihre Wäsche waschen, um zu verhindern, dass die Soldaten das verunreinigte Brauchwasser tränken: »Die Soldaten«, besonders die der spanischen Armee, »trinken das erste, was sie finden« und seien derart »begierig [avides]« auf Wasser, dass Vorsichtsmaßnahmen nötig seien. 138 Zanthier fügt seiner Warnung vor den Hanfröstern eine ähnliche Passage hinzu, die eher das Nutzungsverhalten der Armee selbst in den Fokus nimmt: »Das Wasser zum Trinken« sei unter keinen Umständen »durch das Schwemmen und Tränken der Pferde« oder »durch Auswaschen der Gefäße und Wäsche« zu verunreinigen.139 Ausschlaggebend war die direkte Nähe von Brauch- und Trinkwasser. Auch die disziplinierte Nutzung von Brunnen wurde immer wieder eingeschärft, um diese nicht zu verunreinigen: Feuquières betont dies ebenso140 wie viele Jahrzehnte später Friedrich Wilhelm von Bessel, der in seinem Kapitel zum Beschaffen der im Lager nötigen Ressourcen seine Leser darauf hinweist, »dass die Brunnen nicht verunreiniget und die Schwängel

—————— 136 Vgl. Santa Cruz, Reflexions, Bd. 3, S. 152. 137 Zanthier, Versuch über die Märsche, S. 85. 138 Vgl. Santa Cruz, Reflexions, Bd. 3, S. 152. 139 Zanthier, Versuch über die Märsche, S. 85. 140 Vgl. Feuquières, Memoires, Bd. 1, S. 198.

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und andere Brunnen-Geräthschaft nicht ruiniret« werden sollten.141 Die Trinkwasser-Disziplin ist auch Gegenstand seines Kapitels zur »Ordnung« im Lager: Bei »Stand-Lagern«, die für einen längeren Aufenthalt der Armee gedacht waren, muss »nachgeforschet werden, ob keine Wasserquellen anzutreffen« seien; falls man doch welche finde, seien diese laut Bessel auszugraben und zu bewachen, um »zu verhüten, dass man die Brunnen nicht auf einmal erschöpft, oder sie verunreiniget«.142 Um die Position einer Armee nicht durch verunreinigtes Wasser zu gefährden, war es notwendig, das Trinkwasser in seiner Qualität einzuschätzen und zu bewahren – ein Wissensbestandteil, der zu den standardmäßig aufgerufenen Elementen in den Kapiteln zur Versorgung einer Armee in der Militärtheorie gehört.

4.3.2 Speichern, Abgraben, Umleiten. Das umkämpfte Wasser der Festungen Gegenüber diesen auf die Qualität des Wassers abzielenden Äußerungen zeigt sich besonders beim Schreiben über Festungen eine andere Facette: Hier wird die Ressource als knapp und zudem als für eine Belagerung kritisch und entscheidend beschrieben. Festungen sind in der Militärtheorie der Kristallisationspunkt für den Kampf mit und um das Wasser. Belagerungen wurden als eine Form des frühneuzeitlichen Abnutzungskrieges konzipiert, ein Spielen auf Zeit: Festungen hatten die Aufgabe, einen Gegner möglichst lange zu beschäftigen. Im besten Fall sollten die Jahreszeiten und sich verschlechterndes Wetter oder bereits vorher seine zusammenbrechende Versorgung den Feind zu einem Rückzug nötigen. Eine »ideale« Belagerung sollte etwa 30 Tage dauern – ein Richtwert, der in der Praxis sowohl drastisch unter- als auch überschritten werden konnte. Jürgen Luh hat betont, dass die ersten Belagerungen mit der Vaubanschen Angriffsmethode Festungen in wenigen Tagen bezwangen; andererseits dauerten zahlreiche Belagerungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts 50 Tage und mehr. 143 Bedenkt man, dass saisonale Wetterveränderungen die Kriegführung außerhalb eines etwa 150 Tage umfassenden, zwischen Mai und September

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141 Bessel, Entwurf, S. 119. 142 Ebd., S. 131. 143 Vgl. Luh, Kriegskunst, S. 9–102; S. 107–114; Petersen, Belagerte Stadt, S. 12.

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liegenden Zeitfensters logistisch schwierig machten, so wird die geradezu »zeitfressende« strategische Aufgabe einer Festung ersichtlich. In dieser Kriegführung war die Abhängigkeit von Wasser theoretisch die Achillesferse: Konnte eine Festung von der Versorgung mit Wasser abgeschnitten werden, war eine Kapitulation nur noch eine Frage von Tagen. Die Kontrolle über das Wasser war ein Teil des Ressourcenmanagements in solchen extremen Zeiten des verdichteten Mangels, wie es Belagerungen waren. Dementsprechend häuften sich in den Traktaten Passagen, in denen entweder Techniken zur Speicherung und Versorgung einer Garnison mit dem wertvollen Nass empfohlen wurden oder Maßnahmen, um einer Festung das wichtige Wasser zu nehmen und die Garnison auf diese Art auszutrocknen. Allerdings war die Kapitulation allein wegen Mangels an Trinkwasser in der Praxis vermutlich nicht weit verbreitet. Wie Dieter Schott für die Wasserversorgung mittelalterlicher Städte in Europa bemerkt, basierte die Versorgung einer Stadt mit Wasser – wofür ein relativ geringer Teil als Trinkwasser, der größte Anteil stattdessen als Brauchwasser für das Kochen, Waschen und für Gewerbe genutzt wurde – nahezu nie ausschließlich auf von außen zugeführtem Wasser.144 Eine Stadt in der Frühen Neuzeit versorgte sich auf unterschiedliche Weisen mit Wasser zu unterschiedlichen Zwecken: Trinkwasser wurde entweder durch Ziehbrunnen gewonnen oder durch hölzerne Leitungen in die Stadt geführt, wie beispielsweise im Fall von Metropolen wie Wien und London, aber auch kleineren Städten wie Braunschweig. Für Brauchwasser und als Ergänzung wurden angrenzende Flüsse und Bäche genutzt. Es ist also von einer kombinierten Wasserversorgung der meisten Städte auszugehen. 145

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144 Vgl. Schott, Urbanisierung, S. 109. 145 Vgl. ebd., S. 110–116; Thomas Rommelspacher, Das natürliche Recht auf Wasserverschmutzung. Geschichte des Wassers im 19. und 20. Jahrhundert, in: Franz-Josef Brüggemeier, Thomas Rommelspacher (Hrsg.), Besiegte Natur. Geschichte der Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert, München2 1989, S. 42–63. Vgl. für Wien exemplarisch Martin Schmid, Die Donau als sozionaturaler Schauplatz, S. 64–79; Verena Winiwarter u. a., Urban Waters and the Development of Vienna between 1683 and 1910, in: Environmental History 23 (2018), H. 4, S. 721–774; Ruth Koblizek, Lauwarm und trübe. Trinkwasser in Wien vor 1850, in: Karl Brunner, Petra Schneider (Hrsg.), Umwelt Stadt. Geschichte des Natur- und Lebensraums Wien (Wiener Umweltstudien 1), Köln; Weimar; Wien 2005, S. 188–194; für nordwestdeutsche Städte vgl. Olaf Grohmann, Vom Umgang mit einer begrenzten Ressource. Wasser und Abwasser in nordwestdeutschen Städten des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 80 (2008), S. 183–213; Ralf Busch, Die Wasserversorgung des Mittelalters und der frühen Neuzeit in norddeutschen

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In diesem Sinne muss auch die Wasserversorgung einer Festung ausdifferenziert werden. Wie es Daniel Hohrath für eine belagerte Stadt beschreibt, überlagerte im Fall einer Belagerung der militärische Raum der Festung den der Stadt und begann, die Stadt, ihre Bewohner und ihre Infrastruktur für den militärischen Bedarf zu vereinnahmen. 146 Wasser spielte aus militärischer Perspektive auf drei Ebenen eine Rolle. Die Versorgung mit Trinkwasser war selbstverständlich eine Notwendigkeit. Ebenso wichtig war aber die Nutzung eines Flusses oder von Bächen zum Betreiben von Mühlen. 147 Mit der Kraft des Wassers wurden die Getreidereserven einer Festung zu Mehl verarbeitet. Getreide ist im Vergleich zu Mehl oder daraus gebackenem Brot länger haltbar, doch ohne eine Möglichkeit, das Getreide zu verarbeiten, war es für die Garnison nutzlos. Somit spielte Wasser hier als Energielieferant erneut eine wichtige Rolle in der Versorgung und wurde bei der Planung zu diesem Zweck oftmals explizit durch das Umleiten bestehender Wasserläufe in die Festung integriert. 148 Zuletzt darf auch nicht der Bedarf an Löschwasser unterschätzt werden: Stadtbrände waren schon in Friedenszeiten wahre Katastrophen für die städtische Bevölkerung, und im Krieg wurde die Brandgefahr durch den Beschuss der Belagerer und die Munitionsvorräte der Garnison noch verstärkt. Je nach individueller Lage der Festung konnte das Abschneiden von externen Wasserquellen allerdings schnell dazu

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Städten, in: Cord Meckseper (Hrsg.), Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150–1650, Stuttgart 1985, Bd. 4, S. 301–310. Vgl. zu London exemplarisch Leslie Tomory, The History of the London Water Industry 1580–1820, Baltimore MD 2017. 146 Vgl. Hohrath, Bürger im Krieg der Fürsten, S. 312–314. 147 Die Bedeutung von Wasserkraft gehört zu den wichtigen Flussnutzungen, die bislang abseits von klassischen Studien kaum zusammenfassend erforscht wurde. Vgl. zu dieser Feststellung Wiebke Bebermeier u. a., Einleitung: Wasser in Umwelthistorischer Perspektive, in: Dies. u. a. (Hrsg.), Vom Wasser. Umweltgeschichtliche Perspektiven auf Konflikte, Risiken und Nutzungsformen (Schriften der Deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft, Sonderband 4), Siegburg 2008, S. 1–16. Klassisch zu den verschiedenen industriellen und auf die Energiegewinnung fokussierten Flussnutzungen Richard White, The Organic Machine, New York NY 1995; Mühlen werden in der deutschsprachigen Forschung vor allem aus der Perspektive der Lokalgeschichte und der Denkmalspflege behandelt, vgl. exemplarisch Stefan Winghart (Hrsg.), Mühlen in Niedersachsen: Mühlen im Osnabrücker Land (Arbeitshefte zur Denkmalspflege in Niedersachsen 47), Petersberg 2017. 148 Vgl. Jörg Wöllper, Getreidemühlen in Festungen und befestigten Städten, in: Benedikt Loew u. a. (Hrsg.), Intra Muros. Infrastruktur und Lebensalltag in Festungen – Versorgung mit Lebensmitteln (Schriftenreihe Festungs-Froum Saarlouis, Bd. 3), Saarlouis 2018, S. 13–34, hier S. 14–17.

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führen, dass die Gesundheit der Garnison litt, wenn alternative Wasserquellen nur minderwertiges Wasser führten, wie beispielsweise im Fall der Festung Marburg im Siebenjährigen Krieg.149 Generell zeigen Betrachtungen, dass die unterschiedlichen Methoden der Wasserversorgung mit verschiedenen Arten von Wasser durchaus bei der Anlage von neuen Festungen berücksichtigt wurden, wie beispielsweise bei der Festung Saarlouis oder Luxembourg. Diese Versorgung unterschied sich allerdings von Friedens- zu Belagerungszeiten erheblich: Im Belagerungsfall konnte Wasser von außen teilweise verknappt werden, während der Verbrauch im Inneren der Festung durch eine stärkere Garnison sowie teilweise auch durch die Versorgung von in die Festung geschafftem Vieh erheblich stieg. 150 Dementsprechend war das Vorhandensein von Wasser bereits bei den Überlegungen zu einem möglichen Standort für eine Festung stets eines der Hauptargumente und wurde von Ingenieuren mit diesen drei Funktionen begründet. Dilich beispielsweise schreibt von der Notwendigkeit eines fließenden Gewässers für eine optimal gelegene Festung, mit dem Hinweis auf »des Mahlwercks und anderer Nothdurfft«.151 Bei der Diskussion verschiedener Standorte von Festungen 152 ist auch für Manesson Mallet das Vorhandensein von Wasser ein Argument. So zählt er die Versorgung mit Wasser zu einem der Vorteile einer Festung in ebenem Gelände, da dort meistens Brunnen gegraben werden können, während Bergfestungen explizit wegen der Schwierigkeit der Wasserversorgung als nachteilig geschildert werden.153 Allerdings wandelt sich die Versorgung mit Wasser in der Ebene zugleich zu einem Nachteil, denn das Wasser

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149 Vgl. Elmar Brohl, Auf dem Trockenen – Die Festung Marburg im Siebenjährigen Krieg, in: Benedikt Loew u. a. (Hrsg.), Intra Muros. Infrastruktur und Lebensalltag in Festungen, Bd. 2: Wasserversorgung und Hygiene (Vereinigung für Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e. V. Sonderband, Bd. 21), Saarlouis 2015, S. 143–162. 150 Vgl. Loew, Versorgung; für den Fall Saarlouis vgl. Benedikt Loew, Frisches Quellwasser für die Stadt am Fluss – Die Wasserversorgung der Festung Saarlouis, in: Ders. u. a. (Hrsg.), Intra Muros. Infrastruktur und Lebensalltag in Festungen, Bd. 2: Wasserversorgung und Hygiene (Vereinigung für Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e. V. Sonderband, Bd. 21), Saarlouis 2015, S. 67–105; für Luxembourg vgl. Guy Thewes, Ein Schwachpunkt der Festung Luxembourg: die Wasserversorgung, in: Benedikt Loew u. a. (Hrsg.), Intra Muros. Infrastruktur und Lebensalltag in Festungen, Bd. 2: Wasserversorgung und Hygiene (Vereinigung für Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e. V. Sonderband, Bd. 21), Saarlouis 2015, S. 105–122. 151 Dilich, Krieges-Schule, S. 294. 152 Vgl. dazu Kap. 2.2. 153 Vgl. Manesson Mallet, Travaux, Bd. 1, S. 230; S. 226.

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könne auch durch den Feind genutzt werden. Diese Ambivalenz der Wasserversorgung war ein stetig wiederholter Teil der Diskussion verschiedener Festungsstandorte. 154 Besonders deutlich wird diese Funktion des Wassers als Lebensmittel und »Motor« der Festung, wenn in der Militärtheorie vor den Möglichkeiten gewarnt wird, einer Festung das Wasser zu nehmen. Augenscheinlich stellte dies in den Augen der meisten Autoren eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar; zumindest waren die Warnungen Teil der von den meisten Autoren gegebenen Ratschläge für Festungskommandanten im Falle einer Belagerung. Ob der Belagerer oder die Belagerten geschickter und sparsamer mit der Ressource umgehen konnten, wurde in der Militärtheorie zu einem entscheidenden Faktor für ein Standhalten oder ein Kapitulieren von Festungen erklärt. In den Ratschlägen der Ingenieure und militärischen Autoren wurde das Wasser zu einer umkämpften Ressource. In den Ausführungen zur idealen Proviantierung von Festungen wurde daher auch ein Vorrat oder ein Zugang zu frischem Wasser immer wieder angesprochen. Dabei zeigt sich, dass die Kontrollzone im Umland einer Festung nicht nur im taktischen Sinne gedacht war, sondern auch ihre Versorgung mit Ressourcen betraf. Wasserquellen von außen, die sich im Fall einer Belagerung der Kontrolle durch die Garnison entzogen, wurden in der Militärtheorie als unsicher und vermutlich nicht von Dauer angesehen. Anstatt einer Zuleitung von außen wurde stets die Versorgung mit Wasser durch Quellen und Speicher angemahnt, die in der Festung lagen: Das Regenwasser wurde so zu einer wichtigen Notreserve, die in Zisternen aufgefangen werden sollte. So schreibt beispielsweise Montecuccoli zur Versorgungslage einer Festung, dass nicht nur die Kornspeicher einer Stadt gut gefüllt sein sollten: »Man soll Brunnen und Wasser-Fänge haben, weil das Wasser, so von den Wasserleitungen zugeführt wird, verderbet werden kann.«155 Ähnlich äußert sich auch Fleming zu diesem Thema. Es gebe seiner Aussage nach wenig, auf das ein Belagerer derart »bedacht« sei, »als wie er den Belagerten das frische zufliessende Wasser benehmen möge, es werde

—————— 154 Vgl. unter anderem Fleming, Soldat, S. 48. Der Ingenieur Behr weist ebenfalls auf die Bedeutung von »rein Wasser« für die »gute Leibes-Befindligkeit« der Garnison hin, womit er vermutlich auf Trinkwasser anspielt; später schreibt er aber auch von der Wichtigkeit eines Flusses oder eines Baches, um Mühlen zu betreiben. Vgl. Behr, Der verschanzte Turenne, S. 308; S. 413. 155 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 105.

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solches gleich von aussen durch Röhren, Rinnen, Canäle, Bäche oder einen Fluss in und durch die Stadt geführet ...«.156 Daher müsse ein Kommandant besonders bei der Versorgung mit Wasser »gute Vorsorge« treffen, was hier wieder auch das Disziplinieren der eigenen Soldaten umfasst: Nicht nur solle der Kommandant »noch mehr Brunnen verfertigen« lassen, sondern auch »die bereits stehenden Trouppen […] wohl observieren«, damit die bestehenden Brunnen nicht »verunreiniget« werden.157 Dabei hat Fleming nicht nur den Nutzen des Wassers »zum täglichen Gebrauch« im Blick, sondern auch den Nutzen zur »Löschung der entstandenen, und zum theil von [sic!] Feinde verursachten FeuersBrunst«.158 An dieser Anweisung änderte sich grundsätzlich wenig: Noch 1776 schreibt der französische Autor de Gaigne in einem Kapitel über die Versorgung einer Festung mit Lebensmitteln kurz zusammenfassend: »Das Wasser [ist zu nehmen J. B.] aus Brunnen oder Zisternen, denn das der Brunnen, deren Quelle außerhalb liegt, und das der Aquädukte, kann abgeschnitten werden.«159 Die Wichtigkeit von Regenwasser spiegelt sich auch in Entwürfen von Festungen wider, in die manche Autoren Ideen zur besseren Nutzung und Speicherung dieser Ressource integrierten. So schreibt beispielsweise der Ingenieur Borgsdorff in seinem Entwurf einer befestigten Stütze eines Fürstentums von in den Wall integrierten Rinnen und Löchern, die das Regenwasser auffangen und letztlich in Richtung des Wassergrabens der Festung ableiten sollten.160 Allerdings scheint das Wasser der Zisternen oft von unterschiedlicher Qualität gewesen zu sein, was auch auf den Weg des Wassers durch Rinnen und Abläufe auf Dächern und auf seine Lagerung in den Zisternen selbst zurückzuführen ist: Als Trinkwasser war es in vielen Fällen nur im Notfall brauchbar und musste zuvor oft gefiltert werden, um Insekteneier und anderen Unrat zu entfernen. Als Wasser zur Viehtränke oder als Löschwasser hingegen konnte dieses Wasser eingesetzt werden. 161 Der Ingenieur Behr weist auch darauf hin, dass eines der größeren Probleme nicht das Abschneiden von Trinkwasser war, solange man dieses durch Brunnen ersetzen konnte, sondern das Stilllegen der Mühlen in der

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156 Fleming, Soldat, S. 418. 157 Ebd. 158 Ebd. 159 De Gaigne, Manuel, S. 129. 160 Vgl. Ernst Friedrich von Borgsdorff, Die befestigte Stütze eines Fürstenthums, Nürnberg 1687, S. 21. 161 Vgl. Loew, Versorgung, S. 53–57; Thewes, Schwachpunkt, S. 113–116.

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Stadt durch das Ableiten von Bächen. »Weil auch das Wasser in den Vestungen nicht zu entbehren«, solle jeder mögliche »Fleis« angewendet werden, um die bestehenden Quellen zu erhalten – »zumal wenn etwa zugleich eine Mühl davon getrieben wird.« Als Ausweichmöglichkeit empfehlen Behr und andere das Nutzen von Muskelkraft, wo die Wasserkraft fehlte: »An statt der Wassermühlen« sollen »viel Hand- und Rossmühlen zur Hand schaffen / damit an dem mahlen / dessen man in einer Vestung nicht entbehren kan / kein Mangel vorfalle«.162 Dieses Ausweichen auf andere Energiequellen zur Sicherstellung der Versorgung einer Festung mit Mehl lässt sich bei diversen Autoren immer wieder finden, was auf die Verbreitung der Befürchtung hinweist, die Mühlen einer Stadt aufgrund von Wassermangel nicht mehr nutzen zu können. 163 Anfang des 18. Jahrhunderts betont der französische Ingenieur Claude Rozard ebenfalls die Wichtigkeit von Hand- oder Pferdemühlen, falls der Feind die Mühlen vernichte oder aber eine Festung über keinen Zugang zu einem Fluss oder Bach verfügte.164 Bessel schreibt gleichfalls noch 1778 in seinen Ratschlägen zu Maßnahmen bei einer Belagerung, »sich der Roß-Mühlen« zu bedienen, falls die »ordinairen Mühlen« abgebrannt waren oder nicht mehr funktionierten. 165 Diese stetigen Verweise zeigen, dass die Abhängigkeit von Wasserkraft im Fall von Festungen zu den grundsätzlichen Nutzungsarten des Wassers gehörte, die im Belagerungsfall zu militärischen Zielen werden konnten. Zugleich finden sich in den Kapiteln zur Belagerung von Festungen immer wieder Anweisungen, die den Status der Ressource Wasser als umkämpft und als kritische Ressource weiter unterstreichen. Das Graben von Gräben diente nicht nur der Annäherung an die Festung, und der Beschuss durch Kanonen sollte nicht nur die Wälle beschädigen: Mit denselben Methoden, mit denen eine belagernde Armee versuchte, den Festungsanlagen beizukommen, sollte auch der Angriff auf die Wasserversorgung der eingeschlossenen Stadt geführt werden. Montecuccoli empfiehlt beispielsweise in seinen Ausführungen zur Belagerung einer Festung beiläufig, auch »die Cisternen« zu beschießen, um diese »unbrauchbar« zu machen und das

—————— 162 Behr, Der verschanzte Turenne, S. 413. 163 Für den Hinweis auf die Verbreitung von Ross- oder Handmühlen in Festungen vgl. Wöllper, Mühlen, S. 22–26. 164 Vgl. Rozard, Nouvelle Fortification Françoise, Bd. 1, S. 136. 165 Vgl. Bessel, Entwurf, S. 234.

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Speichern von Regenwasser zu verhindern.166 Dass der Beschuss dieser Wasserquellen tatsächlich eine Sorge einer belagerten Festung war, zeigt unter anderem die Tatsache, dass Zisternen dagegen meist durch starke Gewölbe geschützt wurden. 167 Santa Cruz beschreibt für den Fall einer Belagerung, zu prüfen, ob die Quelle eines »Wassers« sich »unter den Kanonen der Festung« befinde, also außerhalb der Wälle, aber noch innerhalb der Feuerreichweite der Verteidiger. In einem solchen Fall sei weder Arbeit noch Gefahr zu scheuen: Ein Graben müsse zwischen Quelle und Festung getrieben werden, um dem Gegner das Wasser abzuschneiden und selbst genügend Trinkwasser im Lager zu haben.168 Das Thema des Abschneidens von Wasser durch das Ableiten von Bächen und das Zerstören von Wasserleitungen war anscheinend eine solch präsente Erscheinung des Belagerungskrieges, dass auch Autoren außerhalb des Militärs, die sich mit dem Krieg ihrer Zeit befassten, dies in ihre Betrachtungen aufnahmen: Der Pfarrer Johann Gottlob Nitzsche beispielsweise gab 1782 ein Werk heraus, in dem er die »neue Kriegskunst« seiner Zeit mit der »alter Zeiten« unter Rückgriff auf biblische Beispiele vergleicht. Unter den von ihm betrachteten Kriegspraktiken findet sich auch die Zerstörung des »Zugang von Fluß- und Röhrenwasser« bei belagerten Städten – was er ohne Umschweife als besonders alte Kriegslist markiert, die bereits bei der Belagerung Babylons durch Cyrus angewendet worden sei, der den Euphrat umgeleitet habe. 169 Ganz gleich, wie realistisch die Idee der Umleitung ganzer Flüsse auch gewesen sein mag – in dem Wissen über Belagerungen, das in den militärtheoretischen Traktaten konstituiert wurde, war der Kampf um das Wasser ein wesentlicher Bestandteil.

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166 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 94. 167 Vgl. das Beispiel der Festung Grimmenstein und des Schlosses Friedenstein in Gotha, Udo Hopf, »… was noch zu der Cisternne zu fertigenn kostenn will…« Zur Wasserversorgung des Grimmenstein und von Schloss Friedenstein in Gotha, in: Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (Hrsg.), Bleibende Werte. Schlösser und Gärten. Denkmäler einer Kulturlandschaft. Festschrift für Prof. Dr. Helmut-Eberhard Paulus, Rudolstadt 2017, S. 161–176. 168 Vgl. Santa Cruz, Reflexions, Bd. 8, S. 10. 169 Johann Gottlob Nitzsche, Die neue Kriegskunst in Vergleichung gestellt mit der Kriegskunst alter Zeiten, durch Beyspiele und Zeugnisse aus der heiligen Schrift, Leipzig 1782, S. 47.

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4.3.3 Der Hort der Seuchen. Medizinisches Wissen und das Wasser als Krankheitsüberträger Doch Wasser war nicht nur ein notwendiges Versorgungsgut für Armeen und Festungsgarnisonen. Zuletzt trat es auch immer wieder als gefährlicher natürlicher Einfluss auf den Krieg auf: Als ein Umweltmedium, das stark mit Krankheit und dem Ausbruch von Seuchen unter den Soldaten assoziiert wurde. Krankmachende Dämpfe, die aus stehendem und fauligem Wasser aufstiegen und die ganze Armeen in kürzester Zeit dahinraffen könnten, waren das Objekt stetiger Warnungen und Belehrungen in den militärtheoretischen Schriften. Die Vorsicht vor bestimmten Wasservorkommen sowie die Maßnahmen zur Erkennung solcher Gefahren begleiteten stets die Standortempfehlungen für Lager oder Festungen. Anhand dieser gefährlichen Form des Wassers zeigt sich erneut die Verflechtung des militärtheoretischen Diskurses mit einem Wissensbereich außerhalb der genuin »militärischen« Sphäre. Nicht nur wurde medizinisches Wissen in den Kontext militärischen Wissens eingebettet, indem gängige ätiologische Vorstellungen aufgegriffen wurden. Anhand der Beobachtung der »ambulant« und »dying city«,170 wie Lauro Martinez Armeen in der Frühen Neuzeit beschreibt, wurde auch neues medizinisches Wissen über die Krankheiten des Krieges konstituiert. Über die kritische Betrachtung von Wasservorkommen und Luftfeuchtigkeit wurde einer Landschaft über das Wasser eine infektiöse Wirkung zugeschrieben, wodurch Wasser eine ambivalente Stellung im militärischen Wissen erhielt: Einerseits war es als Ressource das Objekt militärischer Aneignung und Klassifizierungen, andererseits hatte es als gefährlicher Teil eines sozionaturalen Schauplatzes fast schon eine eigene Agency. Armeen wurden in der Frühen Neuzeit von mehreren Krankheiten begleitet, meist hervorgerufen durch die Enge von Lagern oder Garnisonen bei schlechten hygienischen Zuständen. Bei manchen spielte Wasser eine Rolle als relevanter Übertragungsfaktor. Die unter der Bezeichnung Ruhr bekannte Dysenterie war beispielsweise lange unter Armeen verbreitet; Soldaten infizierten sich durch den Kontakt mit durch Fäkalien verunreinigtem Wasser und durch eine mangelhafte Ernährung. 171 Außerdem war

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170 Martinez, Furies, S. 142. 171 So bringt die französische Historikerin Sofiane Boudhiba beispielsweise die sogenannte »Kanonade von Valmy« 1792, bei der es der französischen Revolutionsarmee gelang, das preußische Kontingent der Interventionsarmee zurückzudrängen, mit einer Dysenterie-

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bis ins 19. Jahrhundert die Malaria in weiten Regionen Europas eine endemisch vorkommende Krankheit, die erst durch das Trockenlegen von Sümpfen und die Begradigung von Flüssen und Austrocknung von Flussauen ausstarb. Gebiete am Oberrhein waren lange von Malaria betroffen; zugleich wurde an dieser Grenze zwischen dem Reich und Frankreich immer wieder Krieg geführt, sodass dem »Wechselfieber« zahlreiche Soldaten zum Opfer gefallen sein dürften. 172 John McNeill hat darüber hinaus auf die Rolle von Malaria und Gelbfieber bei der Kriegführung in der Karibik hingewiesen. An diesen Krankheiten starben nicht-resistente europäische Soldaten zu Tausenden, wodurch der Verlauf dortiger Konflikte erheblich beeinflusst wurde.173 Eine andere Krankheit war so sehr mit dem Krieg assoziiert, dass diese Verbindung in ihren Namen überging: Das Fleckfieber, bis ins 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum noch Typhus genannt, bekam zum Teil den Beinamen typhus bellicum, Kriegstyphus. Übertragen wird Fleckfieber durch den Stich von Läusen und Flöhen, die in den beengten Lebensverhältnissen der Soldaten umso besser gediehen.174 In den verschiedenen ätiologischen Vorstellungen, mit denen solche Krankheiten erklärt wurden, kam dem Wasser eine wichtige Rolle zu. Durch die Zersetzung von organischer Materie entstanden in dieser Vorstellung krankmachende Dämpfe und verseuchte Luft, die in einem Zusammenspiel mit dem dafür verantwortlichen Wasser und der Feuchtigkeit standen. Die Vorstellung von aufsteigenden, infektiösen Ausdünstungen aus der feuchten Erde oder aus Sümpfen geht dabei auf den altgriechischen Begriff des »Miasma« zurück, der beispielsweise durch antike Autoren wie Hippokrates, von Galen oder Palladius verwendet wurde. Diese Vorstellung hielt sich im gelehrten medizinischen Diskurs als Erklärung für

—————— Epidemie in Verbindung, welche die preußische Armee stark geschwächt habe. Vgl. Sofiane Boudhiba, L’Ennemi invisible, Villers-sur-Mer 2015, S. 51–58. 172 Vgl. Robert Jütte, Krankheit und Gesundheit in der Frühen Neuzeit, Stuttgart 2013, S. 63–69; Joachim Radkau, Natur und Macht. Eine Weltgeschichte der Umwelt, München 2000, S. 154– 159; zu einer tiefergehenden Betrachtung vgl. auch Walter A. Maier, Das Verschwinden der Malaria in Europa. Ursachen und Konsequenzen, in: Wiebke Bebermeier u. a. (Hrsg.), Vom Wasser. Umweltgeschichtliche Perspektiven auf Konflikte, Risiken und Nutzungsformen (Schriften der Deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft, Sonderband 4), Siegburg 2008, S. 143–163. 173 Vgl. McNeill, Mosquito Empires. 174 Vgl. Jütte, Krankheit, S. 59–63.

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manche Krankheiten weit bis ins 19. Jahrhundert. 175 Das Kommentieren von Texten von Galen oder Hippokrates war noch im 18. Jahrhundert ein normaler Teil eines medizinischen Examens, was zeigt, dass die klassischen Autoren noch immer einen festen Platz im medizinischen Wissen einnahmen.176 Auch dem Wasser selbst wurde Misstrauen entgegengebracht. Es galt manchen Gelehrten als ein auflösender Stoff, der durch zahlreiche Öffnungen und Poren in den menschlichen Körper eindringen könne. Besonders sumpfiges und stehendes Wasser galt deswegen als gefährlich, da seine fauligen Stoffe schnell ihren Weg in den menschlichen Körper fänden. 177 Im Laufe des 18. Jahrhunderts kam dem Wasser als Mittel zur Reinigung des Körpers, aber auch im Rahmen diätischer Gesundheitsvorstellungen, langsam ein neues Maß an Wertschätzung zu, allerdings verdrängte dies nicht die Angst vor aus »schlechtem« Wasser aufsteigenden Dämpfen, die zum Teil schon durch den Geruchssinn aufspürbar waren. 178 In gewisser Konkurrenz zur Lehre der Miasmen stand die Kontagienlehre, welche die Schriften von Girolamo Fracastoro seit dem 16. Jahrhundert in Europa populär gemacht hatten. Sie verortete die Ursache für Krankheiten im Kontakt mit einer materiellen Substanz, wodurch eine Ansteckung von Mensch zu Mensch denkbar wurde.179 Allerdings sind hier die Abgrenzungen im medizinischen Wissen des 17. und 18. Jahrhunderts stellenweise fließend. So konnte »schlechte«, verseuchte Luft auch aus den Leibern der Kranken selbst entstehen und so zu einem ansteckenden Fieber führen, das weitergegeben werden konnte: Das »Faulen« der feuchten Luft schloss also die Idee einer Ansteckungsgefahr nicht immer aus, und eine Reihe weiterer Faktoren wurde ebenfalls für das Entstehen von Krankheiten verantwortlich gemacht, wie beispielsweise die Temperatur.

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175 Vgl. ebd., S. 27; Jacques Joanna, Air, Miasma and Contagion in the Time of Hippocrates and the Survival of Miasmas in Post-Hippocratic Medicine (Rufus of Ephesus, Galen and Palladius), in: Ders. (Hrsg.), Greek Medicine from Hippocrates to Galen (Studies in Ancient Medicine, Bd. 40), Leiden; Boston 2012, S. 121–135; Manuel Frey, Der reinliche Bürger. Entstehung und Verbreitung bürgerlicher Tugenden in Deutschland, 1760–1860 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 119), Göttingen 1997, S. 38. 176 Vgl. Lisa Rosner, Medical Education in the Age of Improvement, Edinburgh 1991, S. 73–81. 177 Frey, Der reinliche Bürger, S. 37–44. 178 Vgl. ebd., S. 39–40; Alain Corbin, Pesthauch und Blütenduft. Eine Geschichte des Geruchs, Berlin 2005, S. 35–52; David Gentilcore, Food and Health in Early Modern Europe. Diet, Medicine and Society, 1450–1800, London u. a. 2016, S. 159–162. 179 Vgl. Jütte, Krankheit, S. 27; Margaret DeLacy, Contagionism Catches On. Medical Ideology in Britain, 1730–1800, Cham 2017, S. 4–5; S. 19–23.

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Die Rolle der Entsorgung von Abwässern und Schmutz und die Angst vor verunreinigtem Wasser spielte später in der aufkommenden Idee einer neuen urbanen Hygiene eine Hauptrolle, die sich in den großangelegten Wasserver- und Entsorgungsprojekten des 19. Jahrhunderts zeigte. 180 Auch für frühneuzeitliche Armeen als »wandernde Städte« hatte die Entsorgung ihres Abfalls zur Vermeidung von Krankheiten und »Unsauberkeit« eine gewisse Wichtigkeit. Allerdings lag in ihrer Mobilität und ihrer zeitlich begrenzten Aufenthaltsdauer an einem Ort zugleich auch die wohl am meisten genutzte Möglichkeit des Umgangs mit Abfall: Armeen verlagerten unter anderem wegen des »Gestanks« im Lager öfter ihre Position.181 Die Entsorgungsproblematik, obgleich sie groß gewesen sein muss, taucht kaum in den militärtheoretischen Schriften auf. Nur kurz schreibt der habsburgische Offizier und Heerführer im Österreichischen Erbfolgekrieg Ludwig Andreas von Khevenhüller182 (1683–1744) in seinen populären Anmerkungen zum Kriegswesen, die Armee solle »das Lager sauber halten, und den Unflath eingraben.« Hier kam die Lage eines Armeelagers an einem Fluss sehr gelegen, da er eine sicherere Möglichkeit der Entsorgung darstellte. Ein Fließgewässer stelle nicht nur eine gute taktische Position dar und gebe »das nöthige Wasser«, sondern mache es auch möglich, dass »man auch die Unsauberkeit hinein werffen kann.«183

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180 Vgl. als Überblick und zur »Externalisierung« der Umweltproblematiken der Städte Schott, Urbanisierung, S: 223–252; Martin V. Melosi, The Sanitary City. Urban Infrastructure in America from Colonial Times to the Present, Baltimore MD 2000, S. 17–57; zur Entwicklung in Deutschland und zur Einführung von Bade- und Waschanstalten vgl. Frey, Der reinliche Bürger, S. 286–309. 181 Zu Klagen über den allgegenwärtigen »Gestank« der Armeelager vgl. auch Luh, Kriegskunst, S. 62–63. 182 Ludwig Andreas von Khevenhüller begann seine militärische Laufbahn während des Spanischen Erbfolgekrieges sowie im Türkenkrieg von 1716 bis 1718 unter dem Oberkommando von Prinz Eugen von Savoyen. 1723 stieg er in den Rang eines Generalmajors auf und wurde 1726 Inhaber eines Dragonerregimentes. Im Polnischen Thronfolgekrieg 1733 bis 1735 erhielt er als General der Kavallerie den Oberbefehl über die österreichischen Streitkräfte in Italien. 1741 wurde er von Maria Theresia zum Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee ernannt und verteidigte Österreich erfolgreich gegen bayerische und französische Truppen. Vgl. Grete Mecenseffy, Art. »Khevenhüller, Ludwig Andreas Graf von Khevenhüller-Frankenburg, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 11 (1977), S. 571–572. 183 Ludwig Andreas Khevenhüller, Kurzer Begriff aller Militarischen Operationen, Wien 1744, S. 30–31. Ähnlich schreibt Santa Cruz über die Anlage der »unsauberen« Orte: nicht nur die Latrinen für 30.000 bis 50.000 Menschen, sondern auch andere Elemente der Armeeversorgung, wie Orte für die Entsorgung von Tierkadavern oder Schlachthäuser,

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Das im 17. und 18. Jahrhundert präsente medizinische Wissen von Miasmen und den schädlichen Auswirkungen aufsteigender Dämpfe und Ausdünstungen wurde in den militärtheoretischen Schriften bis an das Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder eingeflochten und somit zu einem Teil der Standortempfehlungen für Armeen und Festungen. In den sozionaturalen Schauplätzen des Militärs war Wasser also ein zwiespältiges Element. Zugleich spielte wieder die Zeit des Aufenthalts der Armee eine Rolle: So gut wie alle Ausführungen bezogen sich auf den Aufenthalt einer Armee oder einer Garnison, der länger als einige Tage dauern sollte. Für Festungsbauingenieure war die Qualität des Wassers in der Nähe einer Festung auch im Hinblick auf die mögliche Verbreitung von Krankheiten zu untersuchen, denn im Gegensatz zu einer Armee konnte eine Festung im Falle einer Epidemie nicht einfach verlegt werden. Daher war die Einschätzung der Infektionsgefahr des Wassers im fortifikatorischen Diskurs deutlich präsent und verband schlechtes Wasser direkt mit einer ungesunden Luft. Dilich beispielsweise warnt in diesem Zusammenhang vor Wasser, »so zwischen unsaubern und tieffen Ufern gleichsam mit stillem tieffen Gange daher schleichen« würde, da dieses »kein gesund Wasser gebe / und die Lufft mercklich verunreinige.«184 Ganz besonders gefährdet waren in diesem Zusammenhang Festungen in Sümpfen. In den standardisierten Betrachtungen des Ortes einer neu anzulegenden Festung 185 war die ungesunde Umgebung eines der schwerwiegendsten Argumente gegen eine Befestigung dort. Behr schreibt drastisch in seinem Verschanzten Turenne, eine solche Festung könne durch das »faul Wasser und ungesund Luft […] daher denn allerley Krankheiten gar leichtlich entstehen können« sogar »bey zufälligen Krankheiten und Pesten leichtlich ganz aussterben.« 186 Diese Warnung vor Festungen in Sümpfen war eine stets in diesem Kontext vorkommende Aussage. Fleming nahm die Warnung vor ungesunder Luft, durch die eine »Guarnison sehr ruiniret werden kann«187 ebenso auf wie der französische Ingenieur Claude Rozard, der von den »Dämpfen« schreibt, »die stetig durch die fauligen Wasser des Sumpfes ausströmen«, und die »Luft verderben und diverse Krankheiten erzeugen, die oft tödlich

—————— sollten »mit viel Erde« bedeckt und zugeschüttet werden, damit »die Luft nicht verdirbt, und nicht Krankheiten verursacht«. Santa Cruz, Reflexions, Bd. 3, S. 151. 184 Dilich, Krieges-Schule, S. 297. 185 Vgl. Kap. 2.2. 186 Behr, Der verschanzte Turenne, S. 312. 187 Fleming, Soldat, S. 290.

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für einen Teil der Garnison sind […].«188 Nahezu wortgleich schreibt noch 1767 Joseph de Fallois in seiner École de la Fortification, die »Nebel und die Dämpfe die ein Sumpf verströmt, verderben die Luft, und erzeugen Krankheiten, die die Garnison töten.«189 Doch nicht nur die natürliche Qualität des Ortes war auf Krankheiten zu prüfen. Die eigene Vorgehensweise bei der Befestigung konnte die Gefahr vielmehr erst selbst erschaffen. Die Diskussion, ob eine Festung mit einem Wassergraben oder einem trockenen Graben umgeben werden solle, beschreibt Gruber in seinem im Jahr 1700 erschienenen Neuen und gründlichen Unterricht von der heutigen Fortification und Artillerie als Streitpunkt unter Ingenieuren.190 Am häufigsten wurde der Schluss gezogen, dass große Festungen einen trockenen Graben haben sollten, da die zahlreichere Garnison eines solchen Ortes den Platz für eigene Ausfälle gegen die Belagerer benötige, während eine kleinere Festung mit einer geringeren Anzahl an Verteidigern eher durch einen Wassergraben profitiere. Eines der Argumente im Streit der Ingenieure um dieses Thema war erneut medizinischer Natur: Ein trockener Graben, so fasst Rozard die Diskussion in seinem Werk zusammen, »erzeugt keine schlechte Luft, denn ein Großteil der Wassergräben findet sich erfüllt mit fauligen Wassern, dessen bösartige Dämpfe manchmal einen größeren Teil der Soldaten einer Garnison töten, als alle Anstrengungen einer langen und rauen Belagerung.« 191 Die Überlegungen der Festungsbauingenieure zeigen die ambivalente Rolle des Wassers geradezu programmatisch auf. Diente es einerseits als taktische Verteidigung, die im Falle von Wassergräben sogar künstlich angelegt wurde, so kam es auf verschiedene Qualitätskriterien des Wassers an, ob diese

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188 »D’ailleurs les vapeurs, qui s’exhalent continuellement des eaux croupissantes de ces marais, corrompent l’air, & produisent diverses maladies, souvent mortelles pour une partie de la garnison […].«, Rozard, Nouvelle Fortification Françoise, Bd. 2, S. 87. 189 »Les brouillards & les vapeurs que les marais exhalent, corrompent l’air, & y occasionnent des maladies qui font périr la garnison.«, Fallois, L’École de la Fortification, S. 246. 190 Vgl. Gruber, Fortification und Artillerie, S. 116–117. 191 »[…] qu’un fossé sec n’est point sujet à produire un mauvais air, comme le sont la plupart de ceux qui se trouvent remplis d’eaux croupissantes, dont les vapeurs malignes font quelque fois perir plus de soldats d’une garnison, que toutes les fatigues d’un siége le plus long & le plus rude.«, Rozard, Nouvelle Fortification Françoise, Bd. 1, S. 129. Ähnliches brachte schon Hans Conrad Lavater in seinem auf den Festungsbau konzentrierten »Kriegs-Büchlein« aus dem Jahr 1651 vor: bei einer Festung mit einem trockenen Graben herrsche »bessere Luft«. Dies zeigt die Verbreitung dieser Diskussion seit spätestens dem 17. Jahrhundert an. Vgl. Hans Conrad Lavater, Kriegs-Büchlein: Das ist / gründliche Anleitung zum Kriegswesen, Zürich 1651, S. 7.

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positive Rolle sich nicht ins Gegenteil verkehrte. Das krankmachende Wasser erscheint hier als noch größere Gefahr als eine Belagerung, so hoch wird der potenzielle Schaden an der Garnison eingeschätzt. Doch auch für sich bewegende Armeen war das »faule« Wasser eine Gefahr für die Gesundheit der Soldaten. Santa Cruz beispielsweise geht explizit und sehr detailliert auf das Thema der Vermeidung von Krankheiten ein: Dies erfordere sogar die »größte Aufmerksamkeit«192 bei der Auswahl eines Ortes, »an dem man länger campieren muss«.193 Wie er es formuliert, solle der Ort »gesund« sein, eine Qualität, die er mit bestimmten Merkmalen einer Landschaft assoziiert. So solle ein solches Lager auf Anhöhen aufgeschlagen werden – »entfernt von den Sümpfen, von den fauligen Wassern [eaux croupissantes], oder denen, die nur langsam über einem morastigen Grund fließen.«194 Noch am Ende des 18. Jahrhunderts wird die durch Wasservorkommen »verdorbene« Luft beispielsweise durch Friedrich Wilhelm von Bessel als eine »allerschädlichste Ursache« für die Entstehung von Krankheiten gesehen, wie er in einem eigenen und ausführlichen Artikel zu diesem Thema ausführt. Zu dieser Zeit war auch die medizinische Versorgung der Armeen bereits zu einem beliebten Thema der aufgeklärten Kritik geworden, die sich sowohl an der inhumanen Behandlung erkrankter Soldaten als auch an der ineffizienten Verschwendung der Ressource Mensch entzündete. Bessel teilt die Krankheiten der Armeen anhand verschiedener Jahreszeiten ein und verbindet dies mit der klassischen humoralpathologischen Lehre: So sei die »Galle« in »heissen Ländern, und in der heissen Sommer-Witterung« zu einer »Fäulnis« geneigt, sodass er die »Sommerkrankheiten« auch als Krankheiten »gallischer Art« bezeichnete.195 Als Ursache gilt Bessel die »Fäulnis« der Luft, die sowohl durch »anhaltende Hitze und Feuchte der stillen Luft« erzeugt werde als auch »durch stillstehende verdorbene Gewässer, und viele Sümpfe« sowie »durch die Ausdünstungen eines grossen Lagers«, welches »keinen freien durchstreichenden Winden« ausgesetzt sei. 196 Hier verbindet sich die Schädlichkeit des Wassers mit den wässrigen Ausdünstungen des Körpers zu einer allgemei-

—————— 192 Santa Cruz, Reflexions, Bd. 3, S. 150. 193 Ebd. 194 »dans tout les postes hauts, & éloignés des marais, des eaux croupissantes, ou qui ne coulent que peu sur un fond bourbeux.«, ebd. 195 Bessel, Entwurf, S. 308; S. 309. 196 Ebd., S. 310–311.

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nen, infektiösen Zersetzung. Beide Beispiele zeigen, dass auch im generellen militärtheoretischen Diskurs die Warnung vor infektiösen Wasservorkommen weit verbreitet und in sich bis ans Ende des 18. Jahrhunderts relativ stabil war. Doch Militärs rezipierten nicht nur medizinische Erklärungsmodelle für die Entstehung von Krankheiten, um vor »schlechtem« Wasser zu warnen. Anhand der Armeen und ihrer naturalen Umwelt auf Feldzügen wurde im 18. Jahrhundert auch neues medizinisches Wissen konstituiert, wie das Beispiel des britischen Armeearztes John Pringle (1707–1782) zeigt. Seine Schrift zu den verschiedenen Krankheiten der Armeen förderte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Interesse am sich etablierenden Bereich der Militärmedizin. Der aus einer schottischen niederadeligen Familie stammende Pringle gelangte nach seinem Studium der Medizin in Edinburgh und Leyden197 als Armeearzt während des Österreichischen Erbfolgekrieges ab 1742 nach Flandern, wo er unter John Darymple arbeitete, dem Second Earl of Stair und dem Kommandeur der dortigen britischen Streitkräfte. Dort wurde er der zuständige Arzt für die britischen Militärhospitäler, eine Position, in der er seine Beobachtungen zu den bei Armeen vorkommenden Krankheiten machte. 198 Nach dem Frieden von Aachen 1748 kehrte er nach London zurück, wo er sich als Arzt niederließ; seit 1745 war er zudem Fellow der Royal Society, in der er sich fortan immer stärker engagierte. 1750 brach in London das »jail fever« aus, eine schwere Typhusepidemie, an der einflussreiche Personen wie der Lord Mayor verstarben. Pringle publizierte dazu ein erstes kurzes Traktat zu den Hospital and Jayl-Fevers, in dem er aufgrund seiner eigenen Erfahrungen während des Krieges die Schlussfolgerung traf, dass die von ihm beobach-

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197 Pringle studierte in Leyden ab 1728 Medizin unter Herrman Boerhave, einem der anerkanntesten Professoren für Medizin seiner Zeit. Für eine konzise Zusammenfassung vgl. Delacy, Contagionism, S. 21–23. Vgl. zu Pringles Werdegang auch Dorothea Waley Singer, Sir John Pringle and his Circle, Part I: Life, in: Annals of Science 6 (1949), S. 127– 180, hier S. 128–129; Sydney Selwyn, Sir John Pringle: Hospital Reformer, Moral Philosopher and Pioneer of Antiseptics, in: Medical History 10 (1966), S. 266–274, hier S. 266–267. Nach dem Ende seines Studiums im Jahr 1730, das er mit einer Dissertation abschloss, war Pringle praktizierender Arzt in Edinburgh und zudem an der dortigen Universität Professor für Moralphilosophie. Einer seiner Studenten, Alexander Carlyle, bemerkte, Pringle sei kein sonderlich innovativer Philosoph gewesen, allerdings dafür ein glühender Verehrer der Schriften Roger Bacons. Vgl. Stephen C. Craig, Sir John Pringle MD, Early Scottish Enlightenment Thought and the Origins of Modern Military Medicine, in: Journal for Eighteenth-Century Studies 38 (2015), S.99–114, hier S. 102. 198 Vgl. Singer, Sir John Pringle, S. 131–133; Craig, Sir John Pringle, S. 102.

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tete Fiebererkrankung in den Lazaretten dieselbe Krankheit war, die London heimsuchte. 199 Zwei Jahre später publizierte Pringle sein Hauptwerk, in dem er seine Beobachtungen während des Österreichischen Erbfolgekrieges systematisiert. Seine Observations on the Diseases of the Armies war aufgrund der minutiösen Beschreibung der auftretenden Fiebererkrankungen erfolgreich: Es wurde allein in englischer Sprache acht Mal aufgelegt und erfuhr auch im Ausland diverse Übersetzungen.200 Andere Autoren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die sich mit der Militärmedizin befassten, nannten Pringle als zentrale Referenz, wie beispielsweise der französische Arzt und Reformer des militärischen Medizinalwesens Jean Colombier in seinem Code de Médecine Militaire 201 oder der Mediziner und Militärarzt Ernst Baldinger in seinem Werk Von den Krankheiten einer Armee.202 Nach mehreren Schriften, die Pringle der Royal Society präsentierte und für die er die Copley Medal verliehen bekam, wurde er 1772 zum Präsident der Royal Society ernannt und übte diese Funktion bis ins Jahr 1778 aus. 203 Pringle unterhielt zudem eine umfangreiche Korrespondenz, unter anderem mit seinem Studienfreund Albrecht von Haller, aber auch mit Carl von Linné, dem Göttinger Theologieprofessor Johann David Michaelis sowie Benjamin Franklin.204 Pringle war also nicht nur ein Arzt mit militärischer Erfahrung, sondern ein Produzent gelehrten Wissens, bestens vernetzt und ein Vertreter der empirischen Beobachtung natürlicher Phänomene.205 In seinen ursprünglichen Observations spielt trotz seiner Einordnung durch die Forschung als Vertreter der Kontangienlehre206 die Beschaffenheit eines Landes eine entscheidende Rolle. Im ersten Teil seiner Observation sei es seine Intention

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199 Vgl. Selwyn, Sir John Pringle, S. 267–268. 200 Ebd. Jähns erwähnt beispielsweise eine nur zwei Jahre später erschienene deutsche Übersetzung. Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 3, S. 2181; John Pringle, Über die Krankheiten einer Armee sowohl im Felde als in Garnisonen, übers. von Greding, Altenberg 1754. 201 Jean Colombier, Code de Médecine Militaire, 5 Bde., Paris 1772. 202 Ernst Baldinger, De Militium Morbis, Wittenberg 1763; auf Deutsch übersetzt Langensalza 1765. Vgl. auch Craig, Sir John Pringle, S. 99. 203 Vgl. Singer, Sir John Pringle, S. 142; Selwyn, Sir John Pringle, S. 271. 204 Selwyn, Sir John Pringle, S. 266; Singer, Sir John Pringle, S. 142. Pringles Korrespondenz mit Albrecht von Haller ist als Edition erschienen, vgl. dazu Otto Sonntag (Hrsg.), John Pringle’s correspondence with Albrecht von Haller, Basel 1999. 205 Zu Pringles Werk in Verbindung mit der schottischen Frühaufklärung vgl. Craig, Sir John Pringle, S. 104–110. 206 Vgl. Delacy, Contagionism, S. 55f.

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gewesen, die »remoter causes of military distempers«207 darzulegen, und Teil dieser Ursachen sei noch immer die Beschaffenheit des Landes selbst. Daher beginnt sein Werk mit einer minutiösen Beschreibung der »Air and Endemic Diseases of the Low Countries«. Seine Landesbeschreibungen nimmt Pringle aus einer Perspektive vor, die besonders die Faktoren hervorhebt, die Krankheiten bei einer Armee beförderten; in seinen Beschreibungen naturaler Elemente schreibt er gewissermaßen die »Krankheit« in das Land selbst ein. Das Wasser und die Feuchtigkeit als Ursprungsort infektiöser Krankheiten spielen dabei eine Hauptrolle. Seine Formulierungen lassen die von ihm beschriebenen Niederlande wie eine infektiöse Hölle erscheinen: Vor allem Seeland habe unter den schlechtesten Bedingungen zu leiden, »as being not only low and watery, but surrounded with the oozy and slimy beaches of the eastern and western Scheld«, sodass »almost every wind […] must add to its native and unwholesome exhalations.«208 Das Wasser als Eindringling lässt sich auch nicht durch »incredible labor«, durch Dämme und Deiche eindämmen, denn es überflute immer wieder Teile des Landes, und auch die zahlreichen Kanäle und Entwässerungsgräben seien letztlich ungesund: »in which innumerable plants and insects die and rot, the atmosphere is filled, during the latter part of summer and autumn, with most putrid and insalutary vapours.«209 Doch auch die menschliche Veränderung der Landschaft ist für Pringle ein Grund für die Häufigkeit von Krankheiten: Diese stammen auch »from an imperfect ventilation«. Durch die flache Topografie der Niederlande sei die Luft »apt to stagnate«, und die »large plantations made for pleasure, inclosures, or fuel« sowie die Anpflanzung von Bäumen, die »not only confine, but moisten the air« verhinderten ebenfalls die notwendige Bewegung der Luft. 210 Damit schreibt Pringle primär über das Umweltmedium Wasser die Infektiosität in die Landschaft selbst ein, die allerdings durch menschliche Kultivierung sogar noch verstärkt anstatt abgeschwächt werden. Anhand von Pringles Äußerungen lässt sich die ambivalente Bedeutung von Wasser in der Militärtheorie, aber auch dem gesamten medizinischen Diskurs festhalten: Wasser spende einerseits Leben und sei eine wichtige lokale

—————— 207 John Pringle, Observations on the Diseases of the Army, in Camp and Garrison, London 1753, S. VI. 208 Ebd., S. 2. 209 Ebd. 210 Ebd., S. 3–4.

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Ressource; andererseits sei es einer der primären Überträger für Krankheiten und bedrohe Armeen mit dem Tod. So spielte auch bei einem Autor, der von der Forschung teilweise als vormoderner Begründer der modernen Militärmedizin bezeichnet wird,211 eine über Wasser und Feuchtigkeit in die Landschaft selbst integrierte Krankheit eine bedeutende Rolle.212 Zugleich zeigt das Beispiel Pringles erneut die intensive Verflechtung medizinischer und anderer Diskurse über die naturale Umwelt mit dem militärtheoretischen Diskurs, in dem Klassifikationen und Ordnungen in einen militärischen Kontext eingebettet wurden.

4.4 Kurzfristiges Denken bei einer langfristigen Ressource? Holz als ignoriertes Problemfeld Die dritte Ressource, die neben Fourage und Wasser als wichtiges Element beim Schlagen eines Lagers oder bei der Errichtung einer Festung genannt wurde, war Holz. An diesem für die Vormoderne entscheidenden Rohstoff zeigt sich zuletzt ganz besonders die zweckrationale Perspektive der Militärtheorie im Umgang mit naturalen Ressourcen: Außerhalb der unmittelbaren Verwendbarkeit von Holz für den militärischen Bedarf und den Erhalt der direkten Operationsfähigkeit des militärischen Apparates äußerten sich die Theoretiker kaum zu einem speziellen Umgang mit Wäldern oder Holz. Bislang wurde oft auf die Verbindung der Militärtheorie mit anderen Wissensbestandteilen hingewiesen, beispielsweise mit ökonomischen oder medizinischen Diskursen; am Beispiel Holz zeigt sich, dass die Militärtheorie zeitgenössische Ressourcendiskurse aber auch ausblenden konnte. Die langfristigen Folgen des eigenen Handelns für eine derart

—————— 211 Selwyn, Sir John Pringle, S. 268; Craig, Sir John Pringle, S. 99. 212 Wie Sydney Selwyn allerdings in seiner Würdigung Pringles zu bedenken gibt, scheint sich Pringle im Verlauf seines Lebens kritisch mit der bestehenden Theorie der Luftqualität auseinandergesetzt zu haben. So findet sich in seiner vierten Edition der »Observations« eine Anmerkung, in der er eine weitere Beobachtung möglicher »animalcula« befürwortet – seit dem 16. Jahrhundert bestand die Theorie, dass es sich bei Krankheitsverursachern um lebendige Wesen handeln könnte. In seiner letzten, erst posthum erschienenen und fragmentarisch gebliebenen Arbeit Pringles zu den Epidemic Diseases in London verwarf er die Betrachtung der Luft anscheinend gänzlich und betonte, es handele sich um keine »principles we are acquainted with, but upon some others, to be investigated«. Vgl. Selwyn, Sir John Pringle, S. 268; S. 271.

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empfindliche Ressource wie Wälder waren schlichtweg aus der Perspektive der Militärs unwichtig, weil sie die Armee nicht mehr direkt betrafen. Die Bedeutung von Holz für die vorindustrielle Welt ist bereits oft konstatiert worden. Joachim Radkau bezeichnet in Anlehnung an Werner Sombart die Zeit vor 1800 als »hölzernes Zeitalter«.213 Diese Charakterisierung erscheint logisch, wenn man die verschiedenen Nutzungsweisen von unterschiedlichen Holzarten sowie die geradezu ubiquitäre Verbreitung dieser Ressource betrachtet. Holz war der primäre Energieträger für das Heizen im Winter und das Kochen; es war der Rohstoff für Gewerbe wie Köhler oder die Hersteller von Pottasche; es war das primäre Baumaterial sowohl für Häuser als auch für Schiffe, Wagen und zahlreiche Gerätschaften; Holz fand sich als Werkstoff in Residenzschlössern und in Bauernhütten. Holz war nicht immer im Überfluss vorhanden. So kam es im Reich im 16. Jahrhundert in einigen Regionen zu der Befürchtung einer Holzverknappung durch intensiven Bergbau; im 18. Jahrhundert wurden »Holzsparkünste« angesichts einer erneut angeblich drohenden »Holznot« zu einem diskutierten Thema in Europa. Werner Sombart sah in der »Holznot« des 18. Jahrhunderts das Resultat eines verschwenderischen Umgangs mit Holz: Eine ökonomische Zeitbombe, die erst durch die Wende zur »anorganischen Welt« der fossilen Energieträger entschärft worden sei. Gegenüber dieser Deutung schreibt Joachim Radkau eher von einer »Holzbremse«. Die Abhängigkeit von Holz hemmte zwar das vormoderne Wirtschaftswachstum, konnte aber auch zum Schutz und zur geregelten Nutzung von Wäldern führen, da man sich ihrer ökonomischen Bedeutung bewusst war.214 An der »Holznot« entzündete sich eine mittlerweile klassisch gewordene umwelthistorische Debatte über den Grad der tatsächlichen Schädigung

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213 Sombart schreibt von einem »ausgesprochen hölzernen Gepräge«, vgl. Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis in die Gegenwart, Bd. 2: Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frühkapitalismus, vornehmlich im 16., 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 1969, S. 1138; Joachim Radkau, Das »hölzerne Zeitalter« und der deutsche Sonderweg in der Forsttechnik, in: Ulrich Troitzsch (Hrsg.), »Nützliche Künste«. Kultur- und Sozialgeschichte der Technik im 18. Jahrhundert, Münster 1999, S. 97–117. 214 Vgl. Joachim Radkau, Holzverknappung und Krisenbewusstsein im 18. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 9 (1983), S. 513–543, hier S. 513–515; Joachim Radkau, Holz. Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt (Stoffgeschichten Bd. 3), München 2007, S. 27–29.

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der Wälder, deren Verlauf hier nicht wiedergegeben werden soll.215 Joachim Radkau hat darauf hingewiesen, dass hinter der Klage über ruinierte und heruntergewirtschaftete Wälder das Interesse von Territorialfürsten stehen konnte, ihren Zugriff auf die Wälder zu stärken, die als Holzlieferanten besonders für den Bergbau benötigt wurden.216 Wälder waren bereits seit dem 16. Jahrhundert vielfach dem Versuch einer Intensivierung obrigkeitlicher Zugriffsrechte unterworfen. 217 Stadtwälder wurden zum Teil unter der Perspektive auf das gemeine Wohl der Bürger verwaltet: Jeder Holzberechtigte sollte die Möglichkeit haben, sich aus dem Wald gegen Gebühr mit dem wichtigen Energieträger zu versorgen. 218 Selbst das in seiner heutigen Begriffsverwendung in den 1970er Jahren geprägte Konzept der »Nachhaltigkeit« wird gemeinhin auf die Idee einer Ressourcenschonung der frühen Forstwirtschaft zurückgeführt, obgleich die jüngere Studie von Paul Warde die diversen ideen- und wissensgeschichtlichen Verflechtungen betont, die vom 16. bis ins 18. Jahrhundert das Konzept der Abhängigkeit von Gesellschaften von ökologischen Faktoren und damit gleichsam die »Wurzeln« eines Konzeptes der »Nachhaltigkeit« herausbildeten.219 Viele Wälder waren wichtige Ressourcenlieferanten für

—————— 215 Vgl. klassisch Bernd-Stefan Grewe, »Man sollte sehen und weinen!« Holznotalarm und Waldzerstörung vor der Industrialisierung, in: Frank Uekötter (Hrsg.), Wird Kassandra heiser? Die Geschichte falscher Ökoalarme (Historische Mitteilungen, Beihefte 57), Stuttgart 2004, S. 24–41; Rolf-Jürgen Gleitsmann, Und immer wieder starben die Wälder: Ökosystem Wald, Waldnutzung und Energiewirtschaft in der Geschichte, in: Jörg Calließ u. a. (Hrsg.), Mensch und Umwelt in der Geschichte (Geschichtsdidaktik, Bd. 5), Pfaffenweiler 1989, S. 175–204; revisionistisch dagegen Radkau, Holzverknappung sowie Joachim Radkau, Zur angeblichen Energiekrise des 18. Jahrhunderts. Revisionistische Betrachtungen über die »Holznot«, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 73 (1986), S. 1–37. Konziser Überblick über die Debatte bei Reinhold Reith, Umweltgeschichte der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte 89), München 2011, S. 104–105. 216 Vgl. Radkau, Holzverknappung, S. 522–530; Radkau, Natur und Macht, S. 164–172; Rakdau, Holz, S. 97–101. 217 Vgl. Radkau, Natur und Macht, S. 164–172; Radkau, Holz, S. 88–101; Paul Warde, Ecology, Economy and State Formation in Early Modern Germany (Cambridge Studies in Population, Economy and Society in Past Time, Bd. 41), Cambridge u. a. 2006, S. 354–355. 218 Vgl. Radkau, Natur und Macht, S. 175–180. 219 Vgl. Warde, Sustainability. Vgl. die klassische Historisierung des Begriffs unter Bezug auf die frühe Forstwirtschaft bei Joachim Hamberger, Aus dem Wald in die Welt. Von der nachhaltenden Nutzung zur nachhaltigen Entwicklung, Freising 2016; Harald Thomasius, Die Sylvicultura oeconomica – eine Rezension aus heutiger Sicht, in: Sächsische Hans-Carlvon-Carlowitz-Gesellschaft e. V. (Hrsg.), Die Erfindung der Nachhaltigkeit. Leben, Werk und Wirkung des Hans Carl von Carlowitz, München 2013, S. 61–80; kulturgeschichtlich weiter

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Fürsten, sei es für den Bergbau, den Schiffbau oder als Handelsgut; ihre langen Regenerationszyklen, besonders bei Bauholz, erforderten eine immer stärkere administrative Durchdringung und eine planvolle Nutzung dieser Ressource, die sowohl der Engländer John Evelyn in seinem 1664 erschienenen Traktat Sylva als auch der sächsische Oberbergrat Hans Carl von Carlowitz in seinem 1713 erschienenen Werk Sylvicultura Oeconomica forderten. Der Wald sollte »nachhaltend« genutzt werden, also stets ebenso stark aufgeforstet werden, wie er durch Verbrauch in Anspruch genommen wurde. Hinter dem forstreformerischen Argument einer »nachhaltigen« Nutzung des Waldes verbarg sich allerdings auch ein Versuch der Ausdehnung obrigkeitlicher Macht, um ihn zur besseren ökonomischen Nutzbarkeit umzugestalten und unerwünschte Formen der Waldnutzung zu verdrängen, wie beispielsweise die Fütterung von Vieh im Wald. 220 Es steht zu vermuten, dass die Armeen des 17. und 18. Jahrhunderts ebenfalls »hölzern« waren, denn auch sie benötigten die Ressource Holz in verschiedenen Formen und zu verschiedenen Zwecken. Wagen zur Beförderung von Munition und Proviant waren aus Holz, Soldaten benötigten Holz, um sich zu wärmen, Feldbäckereien wurden mit Holz geheizt, Festungswälle wurden ebenso mit hölzernen Pfählen gesichert und mit aus

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gefasst vgl. Ulrich Grober, Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs, München 2013; als Einführung vgl. auch Oliver Auge, »Nachhaltigkeit« als historisches Thema – eine Hinführung, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 32 (2014), S. 34–54; Steinsiek, Nachhaltigkeit auf Zeit; zur globalen Dimension vgl. Christof Mauch, Mensch und Umwelt. Nachhaltigkeit aus historischer Perspektive (Carl-von-Carlowitz-Reihe, Bd. 3), München 2014; zur Analyseperspektive der Verflechtung ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebenen vgl. auch Jeremy Caradonna, Sustainability. A History, Oxford 2014, besonders S. 1–20; Felix Ekardt, Problemebenen des modernen Diskurses um das Carlowitz-Konzept »Nachhaltigkeit«, in: Sächsische Hans-Carl-von-Carlowitz-Gesellschaft e. V. (Hrsg.), Die Erfindung der Nachhaltigkeit. Leben, Werk und Wirkung des Hans Carl von Carlowitz, München 2013, S. 157–171; generell kritisch zum Begriff Donald Worster, Auf schwankendem Boden. Zum Begriffswirrwarr um »nachhaltige Entwicklung«, in: Wolfgang Sachs (Hrsg.), Der Planet als Patient. Über die Widersprüche globaler Umweltpolitik, Berlin 1994, S. 93–112. 220 Vgl. Joachim Radkau, »Nachhaltigkeit« als Wort der Macht. Reflexionen zum methodischen Wert eines umweltpolitischen Schlüsselbegriffs, in: Francois Duceppe-Lamarre und Jens Ivo Engels (Hrsg.), Umwelt und Herrschaft in der Geschichte. Environnement et pouvoir: une approche historique (Ateliers des Deutschen Historischen Instituts Paris, Bd. 2), München 2008, S. 131–136, hier S. 132–133; Radkau, Holz, S. 157–162; zu den Forstreformern und der entstehenden Forstwissenschaft vgl. auch Richard Hölzl, Umkämpfte Wälder. Die Geschichte einer ökologischen Reform in Deutschland 1760–1860 (Campus Historische Studien, Bd. 51), Frankfurt; New York 2010, S. 41–166.

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Zweigen geflochtenen Faschinen verstärkt wie die Gräben der Belagerer. Dieser Feststellung steht allerdings die merkliche Abwesenheit einer genaueren Befassung mit Wäldern und mit Holz als kriegswichtige Ressource in der Militärtheorie gegenüber: Von einer »Nachhaltigkeit« und von einem Denken in längeren Zeiträumen ist nicht einmal im engeren, forstlichen Sinne zu sprechen. Während die Qualität des Wassers und die planvolle, effiziente Nutzung von Fourage stets wiederkehrende Themenkomplexe waren, lässt sich beim Thema Holz und Wald in der Militärtheorie eine gewisse Einsilbigkeit konstatieren. Es scheint fast, als habe die Regulierung und Verrechtlichung der Nutzung von Wäldern und der Gewinnung von Holz den Diskurs der Militärtheorie wenig beeinflusst. Das bedeutet freilich nicht, dass die Versorgung der Soldaten mit dem notwendigen Brennholz kein Problem dargestellt hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Bei Lagern und Einquartierungen von Soldaten war es verbreitet, dass den Soldaten unter anderem eine festgelegte Portion Holz zugestanden wurde, die ihnen von der Zivilbevölkerung zu liefern war. Wie beispielsweise Bettina Borgemeister in ihrer Studie zur Geschichte der Stadtwälder Göttingens und Hannovers zeigt, barg diese Versorgung der Soldaten erhebliches Konfliktpotenzial. So stellt sie eine besondere Belastung der Göttinger und Hannoveraner Stadtwälder zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges fest: Die geregelte Bewirtschaftung der Wälder war aufgrund des Mangels an Arbeitskräften oft nicht zu bewerkstelligen, und den Ankauf von Brennholz konnten sich viele Bürger durch ihre Verarmung während des Krieges kaum leisten. Aber auch die Wälder selbst scheinen laut Borgemeister die vor dem Krieg veranschlagten Einschlagquoten nicht mehr vertragen zu haben. Das Kriegswesen forderte selbst Unmengen an Holz, und durchziehende oder belagernde Truppen kümmerten sich wenig um verbriefte Nutzungsrechte, sondern schlugen das Holz dort, wo es verfügbar war. 221 Im Fall Hannovers wurde die »Verwüstung« der Stadtwälder zudem den in der Stadt einquartierten braunschweig-lüneburgischen Soldaten selbst angelastet, die sich über die ihnen zugedachte Quote hinaus Holz aus dem Wald beschafften, weil sie angaben, ansonsten nicht ausreichend damit versorgt zu sein. 222 Stellenweise konnte der Mangel an Feuerholz sogar zu einer Verselbstständigung der militärischen Ressourcenbeschaffung führen – mit desaströsen Folgen für die Zivilbevölkerung und die Vegetation in der unmittel-

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221 Borgemeister, Stadt und ihr Wald, S. 198–199. 222 Ebd., S. 249–254.

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baren Umgebung. Der in braunschweig-wolfenbüttelischen Diensten stehende Soldat Johann Heinrich Grotehenn schilderte beispielsweise in seinen Briefen das Nachspiel der Schlacht bei Warburg am 31. Juli 1760, nach der die siegreiche Armee unter dem Oberbefehl des preußischen Feldmarschalls Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel für eine längere Zeit am Ort der Schlacht verweilte. Nach etwa zwei Monaten des Lagerns notierte Grotehenn, dass das »Holtz raer« sei, sodass von einem nahe gelegenen Berg nicht »allein das buschwerk«, sondern auch die »wurtzeln« aus der Erde gehackt und verfeuert würden.223 Einige Wochen später klagte Grotehenn in einem weiteren Brief, es sei »kein Holtz mehr zu haben«, die Nächte seien mittlerweile »sehr lang und kalt, und kömt mann eher vor frost, als Hunger, und feindes gefahr ums leben.«224 Die Situation war laut Grotehenn so unerträglich geworden, dass Soldaten nicht nur Obstbäume, Hecken, sogar Wiesen »abgehauen« hätten, sondern auch Gebäude abbrachen und hölzerne Heiligenbilder und »gerichts Räder« verfeuerten.225 Wie sich in der Folge zeigt, war es Militärtheoretikern durchaus wichtig, eine solche Reaktion der eigenen Truppen zu verhindern, da sie eine Einschränkung der Bewirtschaftung des Landes durch die Landbevölkerung befürchteten, wodurch die folgende Kampagne in diesem Gebiet unter Umständen schnell an logistische Grenzen stoßen konnte. Darüber hinaus aber war der Umgang mit Wäldern in der Militärtheorie wenig reguliert. Selbst im Fall des Schreibens über Festungen spielt Holz eine eher untergeordnete Rolle, obgleich der Bedarf an Holz während einer Belagerung enorm war. Für diesen Fall beschreiben manche Autoren die Vorstellung einer Festung, in der bereits ein Teil der für Schanzarbeiten wichtigen Bäume wachsen sollte – der längerfristige Bedarf einer Stadt an Holz wich in dieser Perspektive der auf kurzfristige Nutzung ausgelegten Anlage solcher kleinerer Holzreserven.

4.4.1 Der Hunger nach Holz als Problem der Disziplin Für Armeen, die grundsätzlich mobil waren, spielte das Vorhandensein von Holz zwar vordergründig bei längerfristigen Lagern eine ebenso große

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223 Grotehenn, Briefe, S. 93. Vgl. zu diesem Beispiel auch die Schilderungen bei Petersen, Feuer und Eis, S. 72–74. 224 Grotehenn, Brief, S. 94. 225 Ebd., S. 95–96.

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Rolle wie die Verfügbarkeit von Fourage oder Wasser. Doch im Gegensatz zu diesen Ressourcen gingen die meisten Militärtheoretiker kaum auf eine spezifische Nutzung des Holzes ein, obgleich zumindest einigen die zeitgenössische Klage über die Verwüstung von wertvollen Wäldern definitiv bekannt war. Eine längerfristige Perspektive auf diese sich nur langsam regenerierende Ressource lässt sich nicht feststellen, auch wenn vermutet werden kann, dass in einem lokal begrenzten Rahmen eine lagernde Armee erheblichen Schaden an bestehenden Wäldern verursachen konnte. Eine Ausnahme bildet allerdings die undisziplinierte Beschaffung von Holz, die auch vor dem bereits verbauten Holz der Gebäude nicht Halt machte: Im Laufe des 18. Jahrhunderts wiederholte sich hier stetig die Mahnung, solche ungezügelten Beschaffungsmaßnahmen mit Rücksicht auf die Landbevölkerung zu unterlassen, da deren Abwanderung befürchtet wurde, was unmittelbare, logistische Auswirkungen auf die Armee zur Folge habe. Die unregulierte Beschaffung von Holz wurde im militärtheoretischen Diskurs zu einem disziplinarischen Problem. Die Befassung mit längerfristigen Folgen des eigenen Handelns passte bei der Ressource Holz dagegen nicht in den implizit konstruierten Zeitrahmen, der höchstens die nächste Kampagne im Blick hatte. 226 Die Ressource Holz wurde in den Ratschlägen zu Armeelagern meist in einem Satz mit Fourage und Wasser genannt. Diese Nennung war dermaßen stabil, dass nur einige Beispiele gegeben werden sollen. La Valliere, der während des Dreißigjährigen Krieges schrieb, kannte die Sorge um das Holz bei einem Lager ebenso wie die Suche nach Wasser und einer »guten Luft«.227 Für Böckler kommt »das Holz« bei der »Logierung eines Lagers« an vierter Stelle hinter Proviant, Wasser und Fourage. Als Nutzen zählt er das »Feuer in den Wachten / zu dem Kochen / und Waschen / auch anderer Nothdurfft bey der Artilleria, auch zu Pallisaden / Battereyen / Brücken / Blockhäuser etc.« auf – eine Bandbreite, die ihn zu der Feststellung veranlasst, an Holz solle »kein Mangel«, sondern »ein Uberfluß« vorhanden sein.228 Allerdings geht er ansonsten kaum darauf ein, wie diese Ressource genutzt werden sollte. Auch knapp einhundert Jahre später schreibt de Crissé standardmäßig vom Holz als Element der Aufzählung von wichtigen Ressourcen für ein Lager: In der Nähe sollte sich »Fourage, Wasser

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226 Anders ist die Lage allerdings im völkerrechtlichen Diskurs und der mutwilligen Zerstörung von bestimmten Baumarten. Vgl. dazu Kap. 5.3. 227 de la Vallière, Pratique et maximes, S. 28. 228 Böckler, Schola Militaris Moderna, S. 436–437.

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und Holz« finden, doch geht er auf das letzte Element so gut wie nicht ein.229 Noch am Ende des 18. Jahrhunderts reicht Zanthier die Feststellung, eine Armee »muß Wasser und Holz haben.«230 Vordergründig hatte sich also an der Thematisierung dieser Ressource so gut wie nichts geändert. Ein vorausschauendes Denken bezüglich zukünftiger Operationen in einem Gebiet oder genauere Anweisungen zum Verbrauch von Holz lassen sich nur selten finden. Im Jahr 1737 wurden unter dem Titel Deutliche und Ausführliche Beschreibung, wie eine Stadt soll Belagert und nachher die Belagerung mit gutem Success bis zur Ubergabe geführet 231 die nach Tagen geordneten Befehle an eine Belagerungsarmee veröffentlicht, die anscheinend von Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau (1676-1747) stammen, einem der wichtigsten preußischen Heeresorganisatoren und Feldherren. Die Stadt und der genaue Zeitpunkt der Belagerung sind anonymisiert, und der Ablauf der Belagerung – die etwa einen Monat lang dauert und die erfolgreich und ohne das Stürmen der Festung beendet wird – scheint idealisiert, was auf die Funktion des Textes als Lehrstück hindeutet: Ursprünglich sei die Abhandlung laut Jähns zum Unterricht des preußischen Kronprinzen Friedrich bestimmt gewesen, allerdings habe Friedrich Wilhelm I. den Fürsten von Anhalt-Dessau veranlasst, sein Werk in den Druck zu geben. 232 Öfter scheinen in den Befehlen Vorkehrungen auf, die auf die Knappheit von Ressourcen verweisen, besonders in Bezug auf Fourage. Aber auch Holz spielt an einem Punkt eine Rolle: Wenige Tage nach dem Beginn der Belagerung wird befohlen, »Faschinen zu machen wie die gegebene Probe zeiget«. Diese »Probe« wurde leider nicht mitgedruckt, allerdings scheint sie auf eine effiziente Nutzung der dazu erforderlichen Zweige ausgelegt gewesen zu sein. So bezieht sich der Fürst von Anhalt-Dessau auf die Belagerung von Kaiserswerth im Spanischen Erbfolgekrieg im Jahr 1702, die er als Offizier miterlebt hatte: »Wie solches vor etlichen 30. Jahren vor Kayerswert und Bonn geschehen, als wodurch die Holzungen des Landes sehr menagiret werden.«233 Bezeichnenderweise ist diese Thematisierung

—————— 229 De Crissé, Essai, Bd. 1, S. 86. 230 Zanthier, Versuch über die Märsche, S. 85. 231 [Leopold von Anhalt-Dessau], Deutliche und Ausführliche Beschreibung, wie eine Stadt soll Belagert und nachher die Belagerung mit gutem Success bis zur Ubergabe geführet, Dessau 1737. 232 Jähns, Kriegswissenschaften, Bd. 2, S. 1739. 233 Leopold von Anhalt-Dessau, Deutliche und Ausführliche Beschreibung, S. [3].

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einer militärischen Schonung der »Holzungen« eines Landes ein seltener Ausnahmefall in der militärtheoretischen Literatur. Dieser Abstand zwischen militärischen Überlegungen und den diversen Nutzungs- und Übernutzungsbefürchtungen, die Zeitgenossen in Bezug auf Wälder äußerten, wird umso auffallender, wenn man bedenkt, dass den Militärs diese Diskussionen nicht fremd gewesen sein dürften. Der aus Sachsen stammende Hans Friedrich von Fleming ist ein Indiz dafür, war er doch seit spätestens 1726, wenn nicht früher, als Oberforst- und Wildmeister in kursächsischen Diensten tätig. 234 Vor seinem Vollkommenen teutschen Soldaten veröffentlichte Fleming im Jahr 1719 den ersten Band seines Vollkommenen teutschen Jägers, in dem er in ähnlich enzyklopädischer Breite alles Wissenswerte für die fürstliche Jagd zusammenstellte. Im ersten Teil seines Buches betrachtet Fleming ausführlich den Wald in seiner botanischen Zusammensetzung, beschreibt die am häufigsten vorkommenden Baumarten und geht auch auf spezifische Nutzungskontexte des Waldes ein. Dabei nimmt er in einem allgemeinen Kapitel auch den Topos einer Warnung vor der »Holznot« als großes Übel auf: »Ob nun wohl besagter massen von Alters Wald und Holz genug mag gewesen seyn, so hat dennoch Zeithero das Holzhauen dermassen überhand genommen, daß fast allenthalben die entblößten Gebürge und kahle Wälder jederman ihre Armuth an Holz zeigen und ihre Einwohner bey dem Schöpfer verklagen, wie übel sie Haus gehalten…«.235 Der Wald sei eine verwundbare Ressource, ohne die der Mensch bei »grimmiger Winterkälte« erfriert, weder Häuser, noch »Wagen und Pflug« bauen und die »Schätze der Erden« nicht bergen kann.236 Wenig später schildert er Techniken der Aufforstung und fordert, dass ein »junges Holz« unbedingt »mit Viehhüten« verschont werden solle: Das Grasen sei für den Wald schädlich, und besonders die Ziegen seien von einem »schädlichen Gebiss« und müssten ganz aus dem Wald verbannt werden.237 Demgegenüber beschreibt Fleming den Förster als einen »treuen Haushalter« des Waldes, der neben umfangreichem botanischem Wissen auch über die Durchsetzungsfähigkeit verfügen solle, die verschiedenen »Gewerbe« des Waldes zu regulieren.238 Unter diesen identifiziert

—————— 234 So weist er sich beispielsweise auf dem Titelblatt seines 1726 erschienenen »Vollkommenen Teutschen Soldaten« selbst aus. 235 Hans Friedrich von Fleming, Der vollkommene teutsche Jäger, Leipzig 1719, S. 23. 236 Ebd. 237 Ebd., S. 41. 238 Ebd., S. 60–61.

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Fleming zahlreiche »holzfressende Vorhaben«, wie beispielsweise Glashütten 239 oder den Bergbau.240 Trotz dieser wortgewaltigen, in ihrer Semantik in forstreformerische Diskurse seiner Zeit passenden Verurteilung von bestimmten Waldnutzungen 241 fehlt in seinem Vollkommenen teutschen Soldaten fast jede Spur von Flemings forstlichem Wissen. Der Militär Fleming erlaubt sich nur stellenweise kritische Bemerkungen, wenn es um die Verteilung von Holz als Teil des »Servis« geht: Mehrfach weist er auf Holz als Streitpunkt einquartierter Soldaten mit der Zivilbevölkerung hin. So seien den einquartierten Soldaten im Winterquartier die festgesetzten »Holz-Fuhren« nicht durch Offiziere zu schmälern, 242 und das »Feuerkauffen« wird als ein Grund für »einige Irrung zwischen den Bürgern und Soldaten«243 genannt, welche der Kommandeur einer Festung unter Rücksicht auf die einzuhaltende »Policey« unterbinden solle. Ansonsten fügen sich Flemings Äußerungen nahtlos in den bestehenden militärtheoretischen Diskurs ein: Wenn von Holz geschrieben wird, dann schlicht als einen Standortvorteil bei Festungen oder Lagern. Eine seit Feuquières verbreitete Warnung betraf allerdings das bereits angesprochene Eskalieren des selbstständigen Beschaffens von Feuerholz durch die Soldaten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde dieser Punkt zu einer disziplinarischen Problematik gemacht: Die Soldaten sollten daran gehindert werden, aus Bequemlichkeit die möglicherweise leichter verfügbaren Gebäude naher Ortschaften abzutragen, da dies der Bevölkerung einen zu großen Schaden zufüge. Nicht die naturale Ressource an sich wurde also mit einem Schutz belegt, sondern das Holz in seiner verarbeiteten, gewissermaßen »kultivierten« Form. Allerdings lässt sich feststellen, dass die meisten Autoren darunter kein generelles Verbot verstanden zu haben scheinen: Diese radikale Möglichkeit der Brennholzbeschaffung sollte vielmehr für den äußersten Notfall reserviert bleiben. Feuquières ist in dieser Hinsicht einer der ersten Autoren, die sich detaillierter zur Brennholzbeschaffung von Armeen im Feld äußern. Wie auch schon seine detaillierten Äußerungen zur Fourage gezeigt haben, geht

—————— 239 Ebd., S. 62. 240 Ebd., S. 64–65. 241 Vgl. dazu Beck, Ebersberg, S. 103–104; Radkau, Holz, S. 65–67; zum Zusammenhang von Agrarreform und Waldnutzung vgl. S. 146–148. 242 Vgl. Fleming, Soldat, S. 383. 243 Ebd., S. 455.

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er in einem eigenen Kapitel »Vom Holz« zur Versorgung der Armee auch auf diesen Punkt gesondert ein. Dabei steht für ihn vor allem der Gebrauch von Holz als Energieträger im Vordergrund. Es sei »absolut notwendig« für eine Armee, sei es »für das Kochen und das Wärmen der Menschen, wenn die warmen Monate vorüber sind, oder um sie nach dem Regen zu trocknen.«244 In diesem Punkt aber sei zu hoffen, »dass die Disziplin besser in Acht genommen« werde: oft nutzten laut Feuquières Armeen das Bauholz von bereits stehenden Gebäuden als Brennholz. Es sei explizit zu verbieten, dass die Soldaten »die Häuser zerstören, um das Bauholz zu verbrennen, weil es trockener ist, und man muss die Offiziere und Soldaten verpflichten, das ihnen nötige Holz aus den nahen Wäldern zu holen.«245 Dies bedeute zwar mehr Arbeit, komme der Armee aber im Laufe des Krieges auf anderem Wege zugute: »Denn die Bewohner des Landes kehren nach dem Abmarsch der Armee wieder zurück und unterbrechen nicht die Kultivierung ihrer Böden [la culture des leurs terres]«, wodurch die das Land nicht verwüstet [désolé] werde.246 Auch deutschsprachige Autoren der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahmen dieses Element in ihre Schilderungen der Versorgung einer Armee auf. Der preußische Generalleutnant Finck beispielsweise beschreibt mehrere Wege, beim Beziehen eines Lagers die Zufuhr von Holz zu organisieren. »Das beste ist, wenn das Commissariat durch Ausschrei-

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244 »Le bois est d’un usage absolument nécessaire pour les Armées tant pour cuire & pour chauffer les hommes quand les chaleurs sont passées, que pour les essuier après des pluies.«, Feuquières, Memoires, Bd. 1, S. 196–197. 245 »qu’il fût bien expressément défendu de détruire les maisons pour en brûler le bois de charpente, parce qu’il est plus sec, & qu’on obligeât l’Officier & le Soldat à prendre le bois dont il a besoin, dans les bois qui sont sur pied.«, ebd., S. 197. 246 »parce que les Habitans du pais y reviendroient après le départ de l’Armée, & ne cesseroient pas la culture de leurs terres«, ebd. Vgl. zur »Verwüstung« eines Landes durch fehlende menschliche Kultivierung als Element des militärtheoretischen Diskurses das Kap. 5. In nahezu wortgleicher Art und Weise nimmt Saint-Genies Feuquières Warnung vor einem solchen undisziplinierten Vorgehen auf und betont ganz ähnlich die Schonung von bereits verbautem Holz und die Rücksichtnahme auf die Landbevölkerung. Dies geschah ebenfalls nicht aus Gründen einer allgemeinen Sparsamkeit, sondern um die kriegswichtige Bevölkerung nicht zu vertreiben: ein General solle die »Schonung des Bauholzes, der Gebäude und Häuser« beachten und ihre Zerstörung verbieten. Diese »Disziplin erzeugt große Vorteile im Verlauf des Krieges«, da es die Landflucht vermeide. Zudem stellt Saint-Genies fest, dass die »Beschädigung der Wälder« in der französischen Armee zu den »militärischen Vergehen« gezählt und körperlich bestraft werde. Saint-Genies, L’Art de la Guerre, Bd. 1, 156. Zu der Bedeutung der Schonung naturaler Ressourcen im militärischen Recht vgl. Kap. 5.3.

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bungen Holz und Stroh« liefern könne. Sei dies nicht machbar, »so muß man das nötige aus dem nächsten Walde holen.« Sei eine Position länger zu halten, so seien die Bauern dazu anzuhalten, »Holz zu schlagen und anzuführen.« Wenn die Landbevölkerung diese Aufgabe erledige, seien ihre Gebäude zu verschonen: »Die Scheunen, ja wohl gar die Häuser abzubrechen um die Balken und Bretter zu Brennholz zu gebrauchen, muß man durchaus nicht zugeben, es sei denn im äussersten Nothfalle.«247 Diesen Notfall der militärischen Brennholzversorgung führt 1778 noch Bessel als einen Fall an, der durchaus eintreten könne. Zentral für ihn ist aber die regulierte Beschaffung von Holz, um Schäden zu vermeiden. Dies soll für ihn durch die Expertise von damit befassten Zimmerleuten geschehen: »Im Nothfall muß man auch Gebäude, und zwar durch die Zimmerleute abtragen lassen«.248 Zugleich spielen hier auch tatsächliche Bäume eine Rolle, die verschont werden sollen: »Fruchttragende Bäume« und »Alleen« seien so lange wie möglich zu schonen, und ein »muthwilliges Abhauen von Gebäuden und Bäumen« sei den Soldaten auf keinen Fall zu erlauben. 249 Während alle Autoren das Abhauen von Obstbäumen und das Abtragen von Gebäuden nicht generell verbieten, sondern es für äußerste Notfälle reservieren, zeigt eine Randnotiz in den 1779 erschienenen Betrachtungen und Erfahrungen über verschiedene militarische Gegenstände des Anton Eberhard, Freiherrn Schertel von Burtenbach, dass das Argument des militärischen »Holzmangels« auch als Vorwand verstanden werden konnte: Der Autor beklagt sich über den »puren Muthwillen«, den Soldaten des Öfteren an den Tag legen würden, und führt als Beispiel die Zerstörung der »Fürstl. Gärten zu Bruchsal« durch französische Offiziere im Jahr 1734 an. Hier sei »die Orange- nebst andern fruchtbaren Bäumen aus Lust, um ihre Degen zu probiren, zusammen gehauen« worden – ein »Excess«, gegen den sich besagte Offiziere »mit dem Holzmangel wider alle Wahrheit« entschuldigten, denn laut Schertel von Burtenbach seien »genugsame Waldungen in der Nähe um Bruchsal herum befindlich«.250 In Schertel von Burtenbachs Klage zeigt sich erneut die charakteristische Trennung zwischen generellen Wäldern und den speziellen, kultivierten Formen des Holzes: Allgemein wurde auf Wälder keine besondere Rücksicht genom-

—————— 247 Finck, Gedanken, S. 75. 248 Bessel, Entwurf, S. 120. 249 Ebd. 250 Anton Eberhard, Freiherr Schertel von Burtenbach, Betrachtungen und Erfahrungen über verschiedene militarische Gegenstände, Nürnberg 1779, S. 10.

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men, aber bei verbautem oder in anderer Form »kultiviertem« Holz wurde die Grenze zur Disziplinlosigkeit und »Muthwilligkeit« gezogen.

4.4.2 Festungen und das »Einziehen« von Holz in Kriegszeiten Im Fall von Festungsbauten wurde Holz als Ressource ebenfalls eher marginal betrachtet. Hier ist das Vorhandensein von Wäldern zum Bezug von Baumaterialien nicht nur ein Standortfaktor für die Errichtung einer Festung, sondern Holz ist auch Bestandteil eines Kampfes um die Ressource. Im Fall von Festungen, deren Standort nicht einfach in Abhängigkeit nötiger Ressourcen zu verlegen war, ist nicht nur Wasser unter Umständen eine knappe Ressource, sondern auch Holz. Daher empfehlen viele Autoren das vorsorgliche Einziehen von notwendigem Holz in die Festung im Falle einer Belagerung, sowohl, um die Garnison mit Brenn- und Bauholz zu versorgen, als auch, um dem Gegner diese Vorteile zu entziehen. Dabei wurde auch die Festung selbst während ihrer Anlage zu einem Reservoir für diese Ressource: Stellenweise schreiben einige Autoren ausdrücklich vom Bepflanzen der Festung mit Bäumen, die im Falle einer Belagerung als Holzreserve dienen sollen. Allerdings ist auch hier deutlich, dass der militärische Zeithorizont jegliche zivile und längerfristige Nutzung von Wäldern und Holzreserven zugunsten einer Fokussierung auf die verdichtete Notlage einer Belagerung ausblendet. Der Mangel an Holz ist, ebenso wie der Mangel an Wasser und an Nahrungsmitteln, ein Faktor, der den Zeithorizont einer Belagerung konstituiert; der städtische Raum sowie seine Beziehung zu den Ressourcen des Umlandes sollte im Fall einer Belagerung rücksichtslos zugunsten einer militärischen Nutzungslogik umgewandelt werden, die ein möglichst langes »Spiel auf Zeit« ermöglichte. Ähnlich wie das Vorhandensein von Wasser waren Holzvorkommen logistische Elemente, die neben taktischen Überlegungen bei der Errichtung von Festungen berücksichtigt werden sollten. Dilich beispielsweise, der ohnehin großen Wert auf die verschiedenen »loci qualitate« legt, ordnet ausreichende Holzvorkommen der »Fertilitas« des umgebenden Landes zu: Die »Fruchtbarkeit des Bodens« besteht neben Wasser auch in »Gehöltze«, und die Festung solle sich »mit Holz und Kohlen auch anderer Nothdurfft / so aus umbligenden Wäldern nicht eben auff ein Jahr allein / sondern mehr im Nothfall« versorgen können.251 Doch auch zum Bau der Festung

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251 Dilich, Krieges-Schule, S. 294.

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selbst ist nach Dilich eine Unmenge an Holz vonnöten, welches sowohl als »Bau-Holz zu denen Fundamenten und Gerüsten«, als auch als »Reisig zu dem Einlegen / darmit die Erde« der Wälle nicht ins Rutschen gerate. 252 Das Fehlen von Holz wird für manche Festungslagen dezidiert als Nachteil identifiziert. So schreibt Fleming nicht nur, dass Bergfestungen aufgrund ihres Mangels an Wasser nachteilig gelegen seien, sondern auch aufgrund ihres möglicherweise auftretenden Mangels an Holz.253 Für den preußischen Ingenieur Abraham Humbert (1689-1761),254 der sich in seinem Vollkommenen Unterricht der zur Kriegs-Kunst gehörigen Wissenschaften ausgedehnt mit dem Bau von Festungen befasst, ist Holz ebenfalls eine wichtige Voraussetzung; das Land solle selbst neben »Holz« auch »alles das übrige zur Erbauung der Stadt« liefern können.255 Ähnlich wie Dilich ordnete er das Vorkommen von Holz zusammen mit Wasser und agrarischen Produkten zur nötigen »Fruchtbarkeit« eines Landes zu, die zur Versorgung der Festung nötig sei. 256 Im Falle einer Belagerung allerdings äußerten sich Autoren öfter zu einem möglichen Mangel an Holz – war die Ressource bedroht, so mussten Vorkehrungen getroffen werden, sie für die Garnison zu sichern. Für Dilich scheint das Holz im Falle einer Belagerung eine besondere Rolle gespielt zu haben, dessen Mangel deutlich schwerer wog als das Fehlen anderer Ressourcen, denn dieser sei kaum zu beheben. »Zu Kriegs- und Belagerungs-Zeiten ist unter allem Vorrath / wie er auch Namen haben mag / keiner schwerer herbey zu schaffen / dann der an Holtzung.«257 Die meisten anderen Ressourcen ließen sich ersetzen oder auf anderem Wege gewinnen: Sollte ein Mangel an »Früchten« auftreten, könne dieser mit »Fleisch / Gekräut / und allerhand Zugemüse« wettgemacht werden, und Wassermangel lasse sich auch durch aufgefangenes Regenwasser bekämpfen. »Allein der Vorrath an Holz […] ist schwer und beschwerlich herbey

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252 Ebd., S. 298. 253 Fleming, Soldat, S. 290. 254 Humbert war seit 1718 in preußischen Diensten und stand zuletzt im Rang eines Ingenieur-Majors, zudem war er geheimer Rat und legte die Festungswerke von Stettin und Memel an. Seit Januar 1744 war Humbert Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften. Vgl. die Website der berlin-brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, http://www.bbaw.de/die-akademie/akademiegeschichte/mitglieder-historisch /alphabetische-sortierung?altmitglied_id=1225 (abgerufen am 01.08.2019). 255 Abraham von Humbert, Herrn von Humberts Königlichen Preußischen Ingenieur Majors, vollkommener Unterricht der zur Kriegs-Kunst gehörigen Wissenschaften, Bernburg 1756, S. 22–23. 256 Ebd., S. 25–27. 257 Dilich, Krieges-Schule, S. 388.

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zu schaffen«.258 Holz kann für Dilich also aufgrund der Alternativlosigkeit seines Einsatzes als Energieträger der neuralgische Punkt einer Belagerung werden. Dementsprechend gehört es auch zu einem immer wieder beschriebenen Vorgehen von Festungskommandanten, die Versorgung mit dieser Ressource möglichst lange zu gewährleisten, während sie zugleich einem möglichen Feind entzogen werden sollte. Hier zeigt sich wieder eine agonale Logik der militärischen Ressourcennutzung: Im Fall einer befürchteten Belagerung wurde das Umland der Festung zu einem Reservoir an Ressourcen, aus dem vor allem das Holz in die Festung gezogen werden sollte, um die Vorräte der Garnison aufzufüllen und der Belagerungsarmee das so wichtige Brenn- und Baumaterial vorzuenthalten. So gehört zu den immer wieder geschilderten Vorsichtsmaßnahmen im Falle einer Belagerung nicht nur das Abbrennen der Vorstädte, sondern auch das Einziehen von so viel Holz aus dem Umland wie möglich. Santa Cruz schreibt beispielsweise, ein Kommandant solle im Fall einer bevorstehenden Blockade »alles notwendige Holz für die Feuer, die Faschinen und die Barrikaden« in die Festung schaffen lassen; alles andere solle verbrannt werden, um »nicht den Belagerern zu dienen.«259 Nahezu wortgleich beschreibt Struensee diese Vorkehrungen eines Festungskommandanten: Er müsse »alle nur möglichen Vortheile ziehen, dem Feind aber alle daher zu erwartenden Vortheile […] vereiteln«. Dazu gehöre es auch, »aus der umliegenden Gegend so viel Holz als zum Brennen, zu Faschinen und zu Schanzkörben nöthig seyn möchte noch bey gehöriger Zeit« in die Festung zu schaffen. 260 Und auch Bessel führte neben dem Abbrechen von »hinderlichen Vorstädten« das »Abkappen« von Bäumen und Weiden um die Stadt und sogar in allen umliegenden Dörfern als Maßnahme vor einer Belagerung an. Daraus sollten ebenfalls Faschinen gefertigt werden, aber es solle dadurch zugleich »dem Feinde an Faschinen« fehlen.261 Das Nutzen der Ressource Holz ging hier wieder Hand in Hand mit der Behinderung des Gegners. Vor dem Hintergrund dieser Rolle von Holz im Kontext von Belagerungen ist es kaum verwunderlich, dass einige Autoren die Versorgung mit

—————— 258 Ebd. 259 »[…] par avance amener des environs tout le bois nécessaire pour les Feux, les Fascines & les Piquets dont elle peut avoir besoin, & brûlez tous les autres bois, afin qu’ils ne servent pas à l’Assiégeant.«, Santa Cruz, Reflexions, Bd. 10, S. 100. 260 Struensee, Anfangsgründe, Bd. 3, S. 426. 261 Bessel, Entwurf, S. 230.

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Holz zumindest teilweise in die Festungen selbst integrieren. Die Idee einer »grünen« Festung lässt sich bis zu dem in kaiserlichen Diensten stehenden Ingenieur Georg Rimpler zurückverfolgen. Einer seiner Vorschläge war die »innere Befestigung« einer Festung: Auch die Häuser und Straßen der Stadt sollten darauf ausgelegt sein, einen Feind nach dem Fall des Walls zurückzuhalten und der Garnison eine Verteidigungsposition zu bieten. 262 In diesen angelegten Quartieren verbindet Rimpler in der Folge das Schöne mit dem militärisch Nützlichen. Eine solche Stadt könne »auch die schönsten Plätze / Alleen oder Spaziergänge und Gärten haben / damit so wol das Aug eine Ergötzlichkeit / als das Gemüt eine Ermunterung hätte: und würde solcher gestalt in feindlichen Zeiten den Belagerten weder Holz noch Gartengewächse […] abgehen…«. 263

Damit verlagerte er einen Teil der Notfallversorgung gewissermaßen in die Festung selbst – und Holz spielte in Form von Weiden eine elementare Rolle. Diese Idee setzt sich bei einigen Autoren fort: Borgsdorff, der in seiner befestigten Stütze des Fürstenthums ohnehin mit Rimplers Ideen arbeitet, sieht hinter dem Wall ebenfalls einen Ort vor, um »allda / eine Menge Weiden« anzupflanzen und diese im Fall einer Belagerung »zu benöthigten SchantzKörben und andern Nothdurfften« zu machen.264 Die Bepflanzung von Festungen mit Weiden wird noch hundert Jahre später durch Jacob Mauvillon als eine allgemein übliche Praktik beschrieben: Der Wall werde gemeinhin auch mit Bäumen bepflanzt, und »sie dienen der Stadt zur Zierde und zur Annehmlichkeit, und liefern auch in Belagerungszeiten das so nöthige Holz.«265 Doch trotz dieser Thematisierung als während einer Belagerung notwendige Ressource, die nicht nur aus dem Umland eingezogen werden, sondern auch in der Festung selbst vorrätig gehalten werden sollte, lässt sich auch im Bereich des Festungsbaus und der Belagerungskriegführung ein eher gering ausgeprägtes Interesse für die Ressource Holz feststellen. Militärische Verwendungsmöglichkeiten standen im Vordergrund, und zum Zeitpunkt einer Belagerung musste Holz vorrätig sein, um eine Festung möglichst lange zu versorgen; darüber hinaus war für zusätz-

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262 Vgl. Rimpler, Beständiges Fundament, S. 92. 263 Ebd., S. 93. 264 Borgsdorff, Die befestigte Stütze, S. 30. 265 Mauvillon, Einleitung, S. 195.

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liche Erwägungen zur Bewirtschaftung von Wald keine Notwendigkeit gegeben.

4.5 Ressourcen als Waffe. Zwischenfazit Die Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts betrachtete naturale Ressourcen aus einer Perspektive, die in diesem Kapitel als eine Art des militärischen Ressourcenmanagements bezeichnet worden ist. Anhand der drei Schlüsselressourcen Fourage, Wasser und Holz wurden jeweils unterschiedliche Wissensbestände herausgearbeitet, die in den etwa einhundert Jahren des Betrachtungszeitraumes relativ stabil blieben – ebenso wie die Abhängigkeiten der Armeen von diesen Ressourcen. Eine Gemeinsamkeit für alle drei Ressourcen ist die grundsätzliche Agonalität ihrer jeweiligen Nutzung, die in der Militärtheorie betont wurde. Die Logistik wurde zu einem Teil der militärischen Taktik. Der Verbrauch lokaler Ressourcen wurde als eine Form des Nullsummenspiels beschrieben: Der Gewinn der einen führt unweigerlich zu einem Verlust der anderen Seite. Dementsprechend wurde im Fall der kriegswichtigen Fourage die vorausschauende Nutzung von Weiden und Getreidevorkommen zu einem stetig wiederholten Bestandteil militärischen Wissens. Wenn möglich sollte die Fourage in der Nähe eines Gegners bereits verbraucht sein, wenn er mit seiner Armee an einem Ort eintraf. In ähnlicher Weise wurde im Fall einer Belagerung betont, das Holz des Umlandes in die Festung bringen zu lassen – nicht nur die eigene Versorgung stand im Vordergrund, sondern auch der dadurch eintretende Mangel auf Seiten des Feindes. Das in einer Festung als Lebensmittel, aber auch als Löschwasser und als »Motor« für die Mühlen einer Stadt so bedeutsame Wasser war dementsprechend ein Angriffspunkt für Belagerer, dem Autoren immer wieder Bedeutung beimaßen, wenn sie beispielsweise von Gegenmaßnahmen wie dem Einrichten von Zisternen oder dem zusätzlichen Graben von Brunnen schreiben, oder die Versorgung einer Festung mit genügend Handmühlen forderten: Der durch einen Gegner verursachte Mangel an Wasser wurde in der Militärtheorie als durchaus ernstzunehmende Gefahr für eine Festung gewertet. Der Kampf um Ressourcen war auch ein Kampf mit Ressourcen, und das Nutzen von Mangel als Waffe des Krieges war in der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts stets präsent.

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Denn die Verfügbarkeit oder der Mangel von Ressourcen bestimmte in der Militärtheorie wesentlich den Zeithorizont militärischen Agierens, und zwar auf mehreren Ebenen. Durch den Verbrauch von Ressourcen wurde der Zeithorizont eines Aufenthaltes einer Armee oder die Dauer einer Belagerung konstituiert. Allerdings beeinflusste diese relativ kurzfristige, auf militärischen Erfolg oder Misserfolg ausgelegte Perspektive auch das in der Militärtheorie empfohlene Nutzen dieser Ressourcen. Fourage – Wiesen und Getreide – regeneriert sich bei der richtigen Pflege relativ schnell, aber ihr Mangel scheint auch besonders schnell als problematisch aufgefasst worden zu sein; zumindest häuften sich hier im 18. Jahrhundert die Bemühungen, die verfügbare Menge an Fourage in der Umgebung einer Armee effizienter zu verbrauchen, was dezidiert mit der Zeit eines Aufenthaltes einer Armee in Verbindung gebracht wurde. War bei Fourage die verfügbare Menge von Bedeutung, die im Laufe der Zeit als eine zu militärischen Zwecken quantifizierbare Ressource beschrieben wurde, so kam es bei Wasser vor allem auf seine Qualität an. Ein längerfristiger Aufenthalt einer Armee war nur durch die Verfügbarkeit »guten« Wassers sicherzustellen; verunreinigtes oder gar Krankheiten verursachendes Wasser war dagegen stets zu vermeiden und ein Garant dafür, binnen kurzer Zeit die Position wechseln zu müssen. In diesem Fall bedeutete eine effizientere Nutzung aus militärischer Perspektive nicht so sehr die Kontrolle der Menge, sondern die Kontrolle der verschiedenen Nutzungsweisen und Qualitäten des Wassers. Bei Fourage und Wasser lässt sich zudem wieder beobachten, wie unterschiedliche Wissensbereiche je nach Problemlage in den militärtheoretischen Diskurs eingebunden wurden. Im Fall des Wassers spielten Wissensbestände zu seiner Überprüfung und Qualität eine Rolle, die vor allem medizinischer Natur waren und die sich bis in die Antike zurückverfolgen lassen; bei der Fourage äußert sich genau in jenem Zeitraum ein verstärkter Aufruf zu Sorgfalt und Berechnung, in dem die Erfassung und effiziente Nutzung der Ressourcen eines Landes allgemein in kameralistischen und agrarreformerischen Schriften eine Konjunktur zu erleben begann. Dagegen erscheint die militärische Befassung mit Holz als die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Holz wurde trotz der kaum bestreitbaren Relevanz für Armeen wenig explizit in der Militärtheorie thematisiert – obgleich es sich hierbei um eine besonders empfindliche, weil sich nur langsam regenerierende Ressource handelte und sich deshalb seit Jahrhunderten komplexe Bemühungen zur Regulierung der Nutzung dieser Res-

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source feststellen lassen. Gegenüber einer auf längerfristige Bewirtschaftung von Wäldern ausgerichteten Perspektive – zu der nicht nur das Schlagen von Holz, sondern auch die Waldweide und die Jagd gehörten – scheint im militärischen Sinne stets nur die momentane Verfügbarkeit von Bau- und Feuerholz gezählt zu haben. Der längerfristige Schaden an Wäldern passte nicht zu dem auf kurzfristige militärische Erfolge ausgerichteten Ressourcenmanagement in der Militärtheorie – und spielte deshalb auch in diesen Schriften kaum eine Rolle. Diese Orientierung an der Sicherstellung der militärischen Versorgung und an der Schädigung eines Gegners musste, wie das nächste Kapitel zeigen wird, erst mit utilitaristischen Argumenten überschrieben werden, die eine effizientere Versorgung der Armee versprachen. Denn ansonsten blieb eine besonders radikale Möglichkeit der Schädigung eines Feindes durch Mangel stets denkbar: die mutwillige und planvolle Zerstörung von naturalen Ressourcen als Weg der »verbrannten Erde«.

5. Verbrannte Erde im Licht der Vernunft. Die Natur als Ziel militärischer Gewalt

Die gezielte Zerstörung von Natur ist eine alte militärische Praxis. Wie Victor David Hanson schreibt, war die Zerstörung landwirtschaftlich genutzter naturaler Elemente bereits in der Antike eine altbekannte Taktik,1 und auch in der Frühen Neuzeit gibt es mehrere Fälle, in denen es zur gezielten Vernichtung von Ernten oder von Fourage kam. 2 Wieder seien hier zwei kurze Fallbeispiele aus dem Kontext des Pfälzischen Erbfolgekrieges und des Bayerischen Erbfolgekrieges angeführt. Die Besetzung der Pfalz durch die französische Armee im Jahr 1688 sollte primär als Druckmittel wirken, um die Anerkennung der Reunionen zu erreichen; Ludwig hoffte auf einen schnellen und wenig ereignisreichen Krieg. Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Mehrere Reichsstände kündigten Widerstand gegen die Invasion an. Als danach sowohl die Generalstaaten als auch England unter Wilhelm von Oranien in den Krieg eintraten, hatte sich die Aussicht auf einen schnellen Schlagabtausch in die Ahnung eines langen und schweren Konfliktes verwandelt. 3 Daher wurden die Pläne der französischen Armee unter dem Duc de Duras im Reichsgebiet neu bewertet. Bereits Ende Oktober 1688 beschäftigte sich der Marquis de Chamlay mit der Möglichkeit eines französischen Rückzuges hinter den Rhein.4 Jedoch sollte in diesem Fall nichts zurückgelassen werden, was einer feindlichen Armee nutzen könnte. Der in der älteren Forschung

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1 Vgl. Victor David Hanson, Warfare and Agriculture in Classical Greece, Berkeley; Los Angeles; London2 1998, S. 4–6. 2 Vgl. die von Tallett beschriebene Störung der Logistik durch Zerstörungen von lokaler Infrastruktur und einer »scorched-earth policy« für das 16. und 17. Jahrhundert, Frank Tallett, War and Society in Early-Modern Europe, 1495–1715, London; New York 1992, S. 59–60, sowie die Anmerkung Richard Tuckers zur antiken Form der Kriegführung in Griechenland, vgl. Richard P. Tucker, The Impact of Warfare, hier S. 19–20. 3 Vgl. Tallett, War and Society, S. 167; Lynn, The Wars, S. 199. 4 Vgl. Lynn, The Wars, S. 195–196.

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sogenannte »Glacis-Plan«5 sah zunächst die Entfestigung wichtiger Städte wie Mannheim, Speyer oder Heidelberg vor. Doch empfahl Chamlay in einem Brief vom 27. Oktober 1688 an den Kriegsminister Louvois weitreichendere Maßnahmen: Die Stadt Mannheim solle zerstört und »untergepflügt« werden.6 In einem Brief von Louvois an den lieutenant-général Joseph de Montclar vom 18. Dezember hieß es, der König empfehle, dass Montclar sämtliche Plätze entlang des unteren und oberen Neckar »gründlich verwüsten« solle, sodass der Gegner weder Fourage noch Lebensmittel finden könne.7 Die Verwüstung von Städten im Kurfürstentum Pfalz und in seiner Umgebung wurde in den Wintermonaten des Jahres 1688 vorbereitet und im Frühjahr 1689 umgesetzt. 8 Was zunächst als »Exekution« bei nicht gezahlten Kontributionen begann und auch als solche gegenüber den Einwohnern argumentativ dargestellt wurde,9 wuchs sich in der Folge zum Versuch einer umfangreichen Zerstörungsaktion aus, die Zeitgenossen und der heutigen historischen Forschung als die »Verwüstung der Pfalz« bekannt geworden ist. 10 Zahlreiche Flugschriften und Flugblätter skanda-

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5 Zu dieser Benennung vgl. Raumer, Die Zerstörung, S. 80–113. 6 SHD Vincennes, GR A1 826, Nr. 93, Chamlay an Louvois, 27. Oktober 1688. 7 Vgl. Lynn, The Wars, S.196. 8 Ebd., S. 198. Zur Zerstörung Heidelbergs vgl. außerdem die ausführliche Darstellung von Robert Salzer, Das Schloß gesprengt, die Stadt verbrannt. Zur Geschichte Heidelbergs in den Jahren 1688 und 1689 und von dem Jahre 1689 bis 1693. Nachdruck der Ausgaben von 1878 und 1879, kommentiert von Roland Vetter, Heidelberg 1993; zu Repräsentation und Bewältigung der Zerstörung vgl. Susan Richter, »Zeuch hinauff in diß Land und verderbe es« – Zeitgenössische Erklärungsmodelle für Erbfolgekriege am Beispiel der Zerstörung Heidelbergs 1689/1693, in: Susan Richter, Heidrun Rosenberg (Hrsg.), Heidelberg nach 1693. Bewältigungsstrategien einer zerstörten Stadt, Weimar 2010, S. 29–52; Frieder Hepp, Heidelberga Deleta. Die Zerstörung Heidelbergs im Bild, in: Susan Richter, Heidrun Rosenberg (Hrsg.), Heidelberg nach 1693. Bewältigungsstrategien einer zerstörten Stadt, Weimar 2010, S. 53–76; Frieder Hepp, »Weh dir Pfalz!« – Erfahrungen wiederholter Kriegszerstörung an Rhein und Neckar, in: Volker Gallé u. a. (Hrsg.), Kurpfalz und RheinNeckar. Kollektive Identitäten im Wandel, Heidelberg 2008, S. 123–144. 9 Die Androhung einer militärischen »Exekution«, also des Abbrennens von Häusern aufgrund nicht gezahlter Kontributionen, taucht immer wieder in der Korrespondenz der Heidelberger Bürgerschaft mit französischen Kommandanten auf. Vgl. GLA K 77, 3701, Memoire der Heidelberger Vertreter an de Tessé wegen exzessiver Kontributionsforderungen und der angedrohten Zwangsmaßnahmen, 21. Januar 1689. 10 Selbst französische Offiziere äußerten gegenüber Louvois Bedenken: So schrieb der Duc de Duras am 21. Mai in Bezug auf Speyer und Worms, es schmerze ihn sehr, bemerkenswerte Städte wie diese vernichten zu müssen, und warnte vor einem negativen Effekt dieser Aktionen auf die königliche »gloire«. Vgl. Lynn, The Wars, S. 197. Der

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lisierten die französische Kriegführung am Oberrhein; die Zerstörung pfälzischer Städte wie beispielsweise der Residenzstadt Heidelberg wurde zu einem Medienereignis.11 Allerdings brannten neben den Städten auch zahlreiche Dörfer ihres unmittelbaren Umlandes.12 Die ländliche Umgebung litt ebenfalls unter Kontributionen und Zerstörungen und dem Versuch, ein »logistisches Hindernis«13 zu schaffen, welches das Fortkommen einer feindlichen Armee behindern sollte. Französische Offiziere warnten davor, dass das Vernichten der Dörfer auch die Entfestigung der Städte beeinträchtigen werde: So schrieb de Tessé von den fieberhaften Arbeiten zur Zerstörung Mannheims, er zweifle daran, dass die 400 aus der Region eingezogenen Bauern noch seinen Befehlen gehorchen würden, da sie »nichts mehr zu verlieren« hätten, »weil alle ihre Dörfer verbrannt« worden seien. 14 Ein anderer Offizier führte militärische Exekutionen nicht aus, da er befürchtete, die unter ihm arbeitenden Bauern könnten sich an ihm für die Zerstörungen in ihrem Land rächen.15 Bei der französischen Zerstörungsaktion wurde zudem auf wichtige naturale Ressourcen abgezielt, wie die Bemerkung Louvois mit dem Fokus auf Lebensmittel und Fourage bereits andeutete. Aus derselben defensiven Rationalität befahl Louvois’ beispielsweise außerdem, dass von Mézières

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französische Offizier René de Froulay, Comte de Tessé, der mit der Zerstörung Heidelbergs und Mannheims beauftragt worden war, schrieb gar an den französischen Kriegsminister, die Zerstörungen hätten sein »Herz« aus dem Gleichgewicht gebracht. SHD Vincennes, GR A1 875, Tessé an Louvois, 4. März 1689. Vgl. auch Roland Vetter, »Ein anderes Mal werden wir es besser machen«. Aus der Korrespondenz des französischen Kriegsministeriums über die Zerstörung Heidelbergs im Jahre 1689, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 150 (2002), S. 571–580, hier S. 576. 11 Vgl. Emilie Dosquet, Die Verwüstung der Pfalz als (Medien-)Ereignis. Von der rheinländischen Kriegshandlung zum europäischen Skandal, in: Andreas Rutz (Hrsg.), Krieg und Kriegserfahrung im Westen des Reiches 1568–1714, Göttingen 2016, S. 333–369; Jan Philipp Bothe, Von Mordbrennern und Feuer-Hunden. Heidelbergs Zerstörungen im Neunjährigen Krieg als frühneuzeitliche Medienereignisse, in: Militär und Gesellschaft in der frühen Neuzeit 18 (2014), S. 11–47. Vgl. Martin Wrede, Das Reich und seine Feinde. Politische Feindbilder in der Reichspatriotischen Publizistik zwischen westfälischem Frieden und siebenjährigem Krieg, Mainz 2004, S. 400–404. 12 Vgl. Lynn, The Wars, S. 198. 13 Vgl. John A. Lynn, A Brutal Necessity? The Devastation of the Palatinate, 1688–1689, in: Mark Grimsley, Clifford J. Rogers (Hrsg), Civilians in the Path of War, Lincoln, NE; New York 2002, S. 79–110, hier S. 92. 14 SHD Vincennes, GR A1 875, Tessé an Louvois, 9.3.1689. 15 SHD Vincennes, GR A1 827, Puysieulx an Louvois, 11.9.1688.

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bis Verdun im französischen Grenzgebiet an der Meuse zwei Jahre lang kein Weizen ausgesät werden sollte, um im Falle eines Angriffs keine Ressourcen für die Versorgung eines feindlichen Heeres bereitzuhalten. 16 In einem Brief an Louvois befahl Montclar dem französischen Offizier Peyssonel, er solle so viel Fourage aufzehren wie möglich, aber den Rest verbrennen.17 Die Folgen dieses Vorgehens für Heidelberg und Umland berichtete der kaiserliche Obristwachtmeister Carlin de Somaripa, der zugleich in Diensten Baden-Durlachs stand, an den Markgrafen Friedrich Magnus. In einem Bericht vom 19. Februar aus Bruchsal betonte er, die französische Garnison habe beim Abzug »das ganze Land rundherum« verbrannt.18 Als er direkt nach dem Abzug der französischen Truppen am 2. März in Heidelberg eintraf, habe er die Stadt in einem »erbärmlichen Zustand« gefunden; die Bewohner verweigerten seinen Soldaten den Eintritt in die Stadt, weil sie keinerlei »Subsistenz für meine Pferde« hätten: Die Franzosen »haben alles verbrannt […].«19 Auch Berichte der Räte des Kurfürstentums Pfalz erwähnen Aktionen zur Zerstörung von Fourage oder die Zerstörung von anderen naturalen Ressourcen. In einem Bericht vom 3. Januar 1689 wurde die Nachricht weitergeleitet, zu Heilbronn »haben sie […] Fourage verbrant, wobei auch ein Theil der Statt eingeäschert«20 worden sei. In einem Brief vom 25. Januar wurden außerdem die Schäden der Entfestigungsarbeiten für die unmittelbar vor der Stadt gelegene wirtschaftlich genutzte Natur angesprochen: »durch alle Gärten« habe man »mittelst Niederreißung der Mauren eine Öfnung dergestalt, daß 5 Pferd neben einander passiren können« gemacht.21 Diese wurden auch in einem Bericht vom 5. Februar wieder aufgegriffen: Der Heidelberger Vorstadt habe man nicht nur sämtliche Fourage genommen, sondern die französische Garnison sei auch dabei, »wie man es findet, was von Häusern undt Gärtten zur defensionsanstalt dienen könne wird […] ruiniret, die fruchtbahre Bäume

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16 Vgl. Lynn, A Brutal Necessity, S. 92–93. 17 Vgl. John A. Lynn, Giant of the Grand Siècle. The French Army, 1610–1715, Cambridge 1997, S. 129. 18 »[…] ils viendront encore brules tout le pays des environs […].«, GLA K 48 3386, Bericht Somaripas an Friedrich Magnus, 19. Februar 1689. 19 »[…] qu’il n’y avoit point de subsistence pour mes chevaux les francois ont tout brulé […]«. GLA K 48 3386, Bericht Somaripas an Friedrich Magnus, 2. März 1689. 20 GLA K 77 3701, Bericht vom 3. Januar 1689. 21 Ebd.

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in den dem Speyrer thor gelegenen Weingärthen abzuhauen […].«22 Wieder litten die Vorstädte und die unmittelbare Umgebung der Festungswerke am meisten.23 Die Vernichtung der Heidelberger Weinberge zählte zu den Zerstörungen, die auch nach dem Abzug der Truppen weiterhin kommuniziert wurden. Drei Wochen nach dem Abzug der französischen Garnison meldeten sich die Heidelberger Bürger Bernhard Köhler und Georg Zellemühl bei der Heidelberger Hofkammer. In einer Supplik erklärten sie, sie hätten nahe der Vorstadt am Speyerer Tor Weingärten »als ein Leibgeding bishero im Baw gehabt«,24 welches sie mit der Abgabe eines Drittels der Ernte bezahlten. »Durch die französische Kriegs Unruhen« seien diese Gärten nun »nicht nur gänzlich abgerissen, verwüstet, und das wenig erhalt verbrand, sondern dabei noch gänzlich erfroren, also, dass solche eher 6 jähriger Freyheit, nicht können wiederumb aufgebawt werden.« 25 Diese Forderung für eine Befreiung von der Abgabe für sechs Jahre beantwortete die Kammer mit einer Untersuchung vor Ort durch zwei Amtleute. In einem Gutachten vom 30. März 1689 stellte man nach Begehung der betroffenen Gärten fest, dass nicht nur die Weinstöcke beschädigt, sondern »auch die darinen gestandnen fruchtbare Bäume […] abgehawen« worden seien, »dardurch die Weingarten sehr vernichtet worden«. 26 Noch im Jahr 1700 wirkte die Zerstörung der Weingärten nach: In einem Bericht an den Kurfürsten schrieb ein Vertreter des Oberamtes, dass die Weingärten noch immer nicht im Sinne der Verpächter bebaut wurden. Die »Possessores« hätten »der herrschaftlichen Theil Weingarth in der Anzahl bereits über die 100, darunder auch wüst und ödt liegen lassen, wogegen sie ihre eigenthümliche Weingarth theils […] zum Korn bawen appliciren […].«27 An-

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22 GLA K 77 3701, Bericht vom 2. Februar 1689. 23 Vgl. hierfür Kap. 2. 24 GLA K 145 268, Schreiben von Bernhard Köhler und Georg Zellemühl vom 21. März 1689. 25 Ebd. 26 GLA K 145 268, Gutachten vom 30. März 1689. Letztlich riet das Gutachten zu einer Steuerbefreiung von drei Jahren. Dabei ist nicht klar, ob es sich dabei um absichtlich verursachte Kriegsschäden handelte oder ob der Krieg als Argument durch die Supplikanten genutzt wurde; allerdings befahl Louvois dem Marquis de Feuquières bezüglich der Entfestigung und Zerstörung Heilbronns auch die »Einebnung der Hecken und Gärten«, um feindlichen Aktionen gegen die Stadt in der Zukunft jegliche Deckung zu nehmen. Ein ähnliches Vorgehen bei Heidelberg erscheint denkbar. SHD Vincennes, GR A1 871, Louvois an Feuquières, 12.11.1688 = Nr. 26. 27 GLA K 145 268, Schreiben an den Kurfürsten vom 21. Januar 1700.

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statt also die anspruchsvollen Weinpflanzen zu kultivieren, hatten einige Pächter ihre Landnutzung auf den Kornbau umgestellt – ein sicherer Ertrag in unsicheren Zeiten. Auch im angeblich unblutigen Bayerischen Erbfolgekrieg trifft man auf den Vorwurf einer Verwüstung von Feldern und einer allgemeinen Vernichtung von Ressourcen. Als Begleiterscheinung des gegenseitigen »Aushungerns« der Armeen wurden die dabei entstehenden Schäden für die Landbevölkerung thematisiert: So warf eine Beilage des Wiener Diariums, welches die Kriegshandlungen propagandistisch begleitete, preußischen Soldaten Verwüstungen und Plünderungen in Böhmen vor. 28 Einige Wochen später hieß es: »Der Feind fahrt mit Ausschreibung der Brandschatzungen, die unter dem Namen einer Kriegsbeysteuer eingetrieben wird, mit Fouragirungen, und mit Verwüstung alles dessen, so nicht mitgeschleppt werden kann, noch immer fort […]«.29 Die im vorigen Kapitel beschriebenen Versorgungsengpässe der preußischen Armee und die auch vor Ort an die österreichische Armee berichteten Kontributionsforderungen lassen diese Darstellung neben aller propagandistischen Überzeichnung nicht gänzlich unwahrscheinlich wirken. Auch Akteure vor Ort artikulierten ihre Beobachtungen zu den Schäden, die die Präsenz zweier so großer Armeen über einen längeren Zeitraum in einer Region anrichten konnten. Joseph II. selbst schilderte in seinen Briefen an Maria Theresia besonders die Verwüstung von Feldern und Dörfern. 30 In einer Beschreibung des Feldzuges eines preußischen Offiziers des Regiments von Krockow lassen sich ebenfalls Hinweise auf den zerstörerischen Einfluss von Armeen auf das Land finden: So schilderte der Offizier die Ankunft seines Regimentes in Nordböhmen, bei der er Friedrich II. zum ersten Mal in dieser Kampagne zu Gesicht bekam. Neben der glanzvollen Überhöhung des Preußenkönigs durch den Schreiber wurde auch das Entsetzen der dortigen Landbevölkerung deutlich: »Doch auch Scenen ganz anderer Art spielten sich vor uns ab. Die Einwohner Böhmens waren in einer schrecklichen Aufregung und hatten, wie es schien, ganz den Kopf verloren; überall erblickte man Leute, die sich in die Berge und Wälder zu retten suchten, und alle sahen sich bereits im Geiste ruiniert und beraubt. Als sich der König näherte, stürzten die Leute, die ihn von früher her noch recht gut

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28 GLA K 48, 4006, Extra-Blatt zu Num. 59, undatiert. 29 GLA K 48, 4006, Extra-Blatt zum N. 62, Wien, den 5. Augustmonats 1778. 30 Vgl. Reimann, Geschichte des Bairischen Erbfolgekrieges, S. 111–112, S. 120.

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kannten, aus ihren Hütten, warfen sich vor ihm nieder und flehten seine Großmut und Hülfe an.«31

Später, am 10. Januar 1779, nahm der Schreiber an einer Aktion unter Prinz Heinrich von Preußen gegen österreichische leichte Truppen teil, die wiederholt versucht hatten, die preußischen Winterquartiere zu stören. Dabei befahl Prinz Heinrich die Zerstörung eines Dorfes, um dem Gegner seine Operationsgrundlage zu entziehen: »Da es nicht in der Absicht und der Macht des Prinzen lag, die betreffenden Ortschaften dauernd zu besetzen, und es unmöglich war, dem Gesindel beizukommen, so entschloss er sich, das Dorf Braunsdorf, welches zunächst an der Oppa lag, anzuzünden, weil von dort aus die Kroaten am unbequemsten zu werden pflegten.« 32 Dabei betonte der Offizier jedoch, es sei eine »schreckliche, gräuliche Scene« gewesen, und schilderte bei den ausführenden Husaren sogar Züge von Mitleid und Menschlichkeit.33 Wie sich in der beschriebenen Aktion des Prinzen Heinrich bereits andeutet, existierten auch hier Überlegungen, durch taktisches Verwüsten und Verbrauchen von Magazinen, aber auch von Dörfern und Feldern absichtlich ein Hindernis für den Gegner zu schaffen: So schrieb Friedrich II. in einem Brief an seinen Bruder Heinrich vom 26. August 1778, bei einem preußischen Rückzug spiele er mit dem Gedanken, das Gebiet zwischen Schlesien und den in Nordböhmen stehenden österreichischen Truppen in eine »Wüste« zu verwandeln.34 Wie die Beispiele aus der Kriegspraxis zeigen, war die agrarisch genutzte Umwelt ein Ziel militärischer Gewalt. Eingebrachte Ernten wurden zerstört, Fourage und Vieh vernichtet; die Zerstörung von Dörfern brachte zugleich die Vertreibung wichtiger Arbeitskräfte mit sich, die in der Sicht der Zeitgenossen zur Kultivierung des Bodens dringend erforderlich waren. Jedoch waren diese Armeen zugleich, wie im vorigen Kapitel gezeigt, fundamental abhängig von der Nutzung und Ausbeutung bestimmter lokaler Ressourcen. Diese Abhängigkeit ist auch für John Landers der Grund für die beliebte Taktik der mutwilligen Zerstörung ländlicher Gebiete.35 Das bewusste Durchtrennen dieser Verbindung zum Land war eine Maßnahme, dem Feind jegliche Kontrolle darüber in letzter Instanz zu verwei-

—————— 31 Anonym, Erinnerungen an die letzte Campagne Friedrich des Großen, in: Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine 53 (1884), S. 21–42, hier S. 36. 32 Ebd., S. 163. 33 Ebd., S. 163–164. 34 Vgl. Stellner, Zu einigen außenpolitischen und militärischen Aspekten, S. 250. 35 Vgl. Landers, Field and the Forge, S. 301.

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gern.36 Die Schädigung dieses aus naturalen Entitäten, der Zivilbevölkerung und ihrer Bewirtschaftungsweise der kultivierten Natur bestehenden Schauplatzes nahm die abziehende französische Armee im Pfälzischen Erbfolgekrieg billigend in Kauf, um seine feindliche Nutzung zu verhindern; im Bayerischen Erbfolgekrieg einhundert Jahre später stand dieser Vorwurf der »Mordbrennerei« zwar implizit wieder im Raum, doch hier äußerten Militärs ihr Bedauern ob der angerichteten Verwüstung. Trotzdem erwog zumindest Friedrich II. das Verwandeln des nördlichen Böhmens in eine »Wüste«, ein in diesem Zusammenhang oft gebrauchter Begriff. Wie lässt sich diese Kontinuität eines Mittels der Kriegführung erklären, welches so wenig zur Idee einer »humaneren« Kriegführung des 18. Jahrhunderts zu passen scheint? In diesem Kapitel wird zuletzt gefragt, wie die absichtliche Zerstörung sozionaturaler Schauplätze im militärtheoretischen Diskurs situiert wurde. Welche Praktiken standen in diesem Zusammenhang im Fokus, und mit welchen Argumenten unter Rückgriff auf welche Wissensbestände und Kontexte wurde die Verwüstung eines Landes als taktische Maßnahme empfohlen? Zugleich wird damit die Frage berührt, ob es nicht auch Argumente gegeben hat, die zur Schonung der genutzten Umwelt rieten. War es die in den Äußerungen der Akteure des Bayerischen Erbfolgekrieges beschworene »Menschlichkeit«, die im Sinne einer »gezähmten Bellona« und einer erhofften »Humanisierung der Kriegführung« durch Rationalisierung37 auch eine Schonung von Natur einforderte – sofern sie vom Menschen genutzt wurde?38 Damit berühren diese Fragen zuletzt militärische Gewaltausübung nicht mehr in ihrer Vorbereitung, sondern in ihrem unmittelbaren Vollzug. Krieg erscheint zunächst als Kristallisationspunkt menschlicher Befähigung, Gewalt auszuüben: 39 Die Zerstörung von Umwelt spielt auf den

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36 Vgl. zu einer ähnlichen Argumentation Brady, Devouring the Land, S. 49–51. 37 Vgl. Hohrath, Beherrschung des Krieges, S. 371–372. 38 So schrieb Richard P. Tucker beispielsweise, dass die generell besser werdende Versorgung von Armeen nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zu einer Reduzierung des Schadens an der Umwelt geführt haben müsse, wobei er diese Vermutung aber nicht weiter ausführt. Vgl. Tucker, War and the Environment, S. 325. 39 Vgl. Heinrich Popitz, Phänomene der Macht, Tübingen2 1992, S. 52. Zum Massaker als besonders entgrenzte Gewalt siehe die Überlegungen bei Wolfgang Sofsky, Traktat über Gewalt, Frankfurt a. M. 1996, S. 173f; in historischer Perspektive Hans Medick, Massaker in der Frühen Neuzeit, in: Claudia Ulbrich, Claudia Jarzebowski, Michaela Hohkamp (Hrsg.), Gewalt in der Frühen Neuzeit, Berlin 2005, S. 15–20; Peter Burschel, »… es muss ja ein Unterschied sein…«. Das Massaker von Frankenhausen, in: Claudia Ulbrich, Claudia

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ersten Blick im Vergleich zur Gewalt gegen Menschen eine untergeordnete, allenfalls marginale Rolle. In seinen Überlegungen zu den Phänomenen der Macht definiert Heinrich Popitz allerdings die Aktionsmacht, in seinen Worten die Macht, »anderen etwas anzutun«,40 durch drei ineinander übergehende Gruppen von Machtaktionen: Zwischen der Minderung sozialer Teilhabe durch Ausgrenzung auf der einen und der basalen körperlichen Verletzung auf der anderen Seite steht für ihn die materielle Schädigung als abstufbare Form der Aktionsmacht des Menschen gegen andere, »von der Schmälerung der Ressourcen bis zum Verlust der Subsistenzmittel.« 41 Popitz selbst schränkt Gewalt in der Folge stark ein auf eine absichtliche körperliche Schädigung. Konsequent verfolgt heißt das Vernichten der Subsistenz aber das indirekte Einwirken auf den Körper über seine biologischen Notwendigkeiten, allen voran durch das Bedürfnis der Ernährung. Das Zerstören von Ressourcen zum »Aushungern« eines anderen ist damit als Machtaktion letztlich ebenso eine auf den Körper gerichtete Gewalt wie direktere Formen der Gewaltanwendung. Im verschriftlichen Wissen der Militärtheorie zeigt sich eine besondere Dialektik der militärischen Vernunft. Die planmäßige Verwüstung von Regionen war ein Wissensbestandteil der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts, der sich durch eine bemerkenswerte Kontinuität auszeichnet. Die Idee einer Schonung von Land existierte zwar ebenfalls, richtete sich jedoch primär an militärischen Effizienzüberlegungen aus. Hier zeigt sich keine »gemäßigte« Kriegführung des Ancien Régime, sondern vielmehr eine »am Ziel der Effizienz« abgemessene militärische Gewaltanwendung. 42 Zugleich aber wurde der Schaden, den Krieg an sozionaturalen Schauplätzen anrichten konnte, sowohl in völker- und militärrechtlichen als auch in agrarischen und ökonomischen Diskursen kritisch diskutiert. Während in juristischen Schriften zum Krieg bereits früh einzelne Elemente der kultivierten Natur als schützenswert definiert wurden, spiegelt sich in agrari-

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Jarzebowski, Michaela Hohkamp (Hrsg.), Gewalt in der Frühen Neuzeit, Berlin 2005, S. 21– 32; Peter Burschel, Das Heilige und die Gewalt. Zur frühneuzeitlichen Deutung von Massakern, in: Archiv für Kulturgeschichte 86 (2004), S. 341–369. 40 Popitz, Phänomene der Macht, S. 43. 41 Ebd., S. 44–45. 42 Martin Wrede, »Zähmung der Bellona« oder Ökonomie der Gewalt? Überlegungen zur Kultur des Krieges im Ancien régime, in: Irene Dingel u. a. (Hrsg.), Theatrum Belli – Theatrum Pacis. Konflikte und Konfliktregelungen im frühneuzeitlichen Europa. Festschrift für Heinz Duchhardt zu seinem 75. Geburtstag (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft 124), Göttingen 2018, S. 207–237, hier S. 237.

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schen Schriften eine Naturalisierung des Krieges als Naturgewalt, die mit eigenen Anpassungen der Landnutzung in seinen schädlichen Auswirkungen kontrollierbar und abgeschwächt erschien. Die Untersuchung dieser Schriften ermöglicht nicht nur einen »zivilen« Blick auf die zerstörerische Präsenz von Armeen, der durch militärtheoretische Autoren nicht artikuliert wurde, sondern verdeutlicht auch, dass Kriegsschäden an der naturalen Umwelt über den militärtheoretischen Diskurs hinaus rationalisiert und mit utilitaristischen Argumenten gerechtfertigt werden konnten, sofern gewisse Grenzen eingehalten wurden.

5.1 »Ravagiren«. Das Schädigen sozionaturaler Schauplätze als Taktik Es ist bereits mehrfach deutlich geworden, dass die Abhängigkeit von lokalen naturalen Ressourcen zu Schäden an lokalen sozionaturalen Schauplätzen führen konnte, beispielsweise durch das Abholzen von Wäldern aufgrund des Bedarfs an Brennmaterial.43 Von anderer Art aber waren die Ratschläge und Ideen in der Militärtheorie, wenn es um die Zerstörung von Land als Strategie ging. Hier handelte es sich um die planvolle und nach Befehl ausgeführte Vernichtung bestimmter Elemente: Sowohl Dörfer als auch die genutzte ländliche Umgebung wurden dabei zu Zielen erklärt, um einen taktischen Vorteil gegenüber einer gegnerischen Armee zu erlangen. Lisa Brady untersucht ein ähnliches Vorgehen bereits für die Kampagnen des Nordstaatengenerals William Tecumseh Sherman im Amerikanischen Bürgerkrieg: Die Verbindung zwischen Land und Bewohnern sollte gekappt werden, indem zentrale Bestandteile ziviler Landbewirtschaftung vernichtet wurden; in den betroffenen Regionen verglichen Zeitgenossen die Auswirkungen mit einer Naturkatastrophe. 44 Das »Verschlingen des Landes«45 als Maßnahme der »verbrannten Erde«

—————— 43 Vgl. Kap. 2 sowie Kap. 4. 44 Vgl. Brady, Devouring, S. 49–50; Lisa M. Brady, The Wilderness of War. Nature and Strategy in the American Civil War, in: Paul S. Sutter, Christopher J. Manganiello (Hrsg.), Environmental History and the American South. A Reader, Athens GA, London 2009, S. 168–195, hier S. 169. 45 Brady, Devouring.

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zielte damit letztlich darauf, einem Gegner die Operationsgrundlage zu entziehen. Vorschläge für diese Art der Kriegführung finden sich als etablierter Wissensbestandteil ausformuliert in den militärtheoretischen Schriften des 17. und 18. Jahrhunderts. Dieses Wissen zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Kontinuität aus. Das »Verwüsten«, »Verbrennen« oder »Ravagiren« einer Region stellte einen festen Bestandteil im militärischen Wissen der Zeit dar; die Taktik der verbrannten Erde verschwand nie gänzlich aus dem militärtheoretischen Diskurs.46 Vielmehr wurde immer expliziter das sozionaturale Gefüge einer agrarisch geprägten ländlichen Region ins Visier militärischer Gewalt gerückt; die Natur war stets ein benanntes Ziel. Immer wieder wurden geradezu topisch neben Gebäuden und der Landbevölkerung auch die naturalen Elemente eines Landes benannt, wie Ernten und Fourage, seltener auch Wasserquellen. 47 Dabei wurden Ordnungskategorien festgeschrieben, in denen das »Ravagiren« gedacht und artikuliert werden konnte. Paradoxerweise zählte dazu vor allem die Verwüstung des »eigenen« Landes, weniger die des »fremden«.48 Das Mittel der »verbrannten Erde« sollte gerade im Falle eines drohenden Kontrollverlustes die Kontrolle auch ohne die eigene räumliche Präsenz gewährleisten. Hier zeigt sich auch die Orientierung an einer spezifischen militärischen Nützlichkeit, ohne die Landeszerstörungen offensichtlich nicht als Strategie geäußert werden können. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zur gängigen Einschätzung, dass es vor allem logistische Engpässe und eine generell mangelhaft organisierte Versorgung der Armeen waren, die zur Schädigung der Landbevölkerung führten: 49 In den Ausführungen zur Landesverwüstung war es gerade die logistische Bedeutung bestimmter lokaler Ressourcen, die ihre Zerstörung denkbar machte.

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46 Vgl. zu dieser Einschätzung auch in gekürzter Form Jan Philipp Bothe, How to »Ravage« a Country: Destruction, Conservation and Assessment of Natural Environments, in: Hungarian Historical Review 7 (2018), H. 3, Theme Issue: Environments of War, S. 510–540. 47 Damit handelte es sich bei dieser Kriegspraktik um eine weitergeführte Form der Verwüstung von Ackerland durch das Abbrennen oder Abschneiden von Ähren, die bereits in der Antike vorgenommen wurde. Vgl. Hanson, Warfare, S. 30–31; S. 40–41. 48 Dies steht in markantem Kontrast zu der Beobachtung Hansons zur »Scorched Earth Policy« im antiken Griechenland, vgl. Hanson, Warfare, S. 117–118. 49 So z. B. bei Martin Rink, Die noch ungezähmte Bellona. Der kleine Krieg und die Landbevölkerung in der Frühen Neuzeit, in: Stefan Kroll, Kersten Krüger (Hrsg.), Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Bd. 1), Hamburg 2000, S. 165–189, hier S. 172–179.

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Mit dem Rekurs auf »allgemeine Regeln« und eine spezifisch militärische Rationalität wurde in diesem Diskursstrang das Verwüsten eines Landes nicht etwa marginalisiert, sondern vielmehr in den Kontext regelgeleiteter Kriegführung integriert. Der konkrete Nutzen der Maßnahmen wurde hierbei immer genauer argumentativ ausgestaltet. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts zeigt sich, dass dieser destruktive Umgang mit der naturalen Umwelt durchaus unter Druck geriet. Äußerungen dieser Art wurden weniger häufig, der Nutzen und die Legitimität im Sinne einer »Raison de Guerre« und einer nach Befehl befolgten Handlung musste anscheinend stärker herausgestellt werden. Die Orientierung an einer militärischen Effizienz wies auch der Vernichtung von Feldern, Ernten oder Futtervorräten einen konkreten Nutzen zu.

5.1.1 »Ravager le pais« als Maxime des 17. Jahrhunderts Bereits Autoren des Dreißigjährigen Krieges und des 17. Jahrhunderts beschreiben eine Gewaltpraktik gegen zivile Ziele, die begrifflich mit immer wiederkehrenden Semantiken wie dem »verbrennen« oder dem »verwüsten« und »verderben« [ravager] gefasst wird. Wie diese Verwüstung zustande kommen sollte, wurde, außer durch die Andeutung »verbrennen«, meist wenig explizit thematisiert. In manchen Ausführungen klingt an, dass sowohl die Landbevölkerung selbst als auch wichtige Bestandteile des agrarischen sozionaturalen Settings wie Mühlen oder naturale Entitäten wie Feldfrüchte oder Wasserquellen als Ziele dieses Vorgehens galten. Auch die Behausungen und Gehöfte der Landbevölkerung spielten dabei letztlich eine Rolle, waren sie doch die Orte, an denen nicht nur die Ernten gelagert wurden, sondern an denen die das Land bewirtschaftende Bevölkerung lebte.50 Als Muster der Zeitgenossen für einen zerstörerischen und schrankenlosen Krieg galt bereits im frühen 18. Jahrhundert der Dreißigjährige Krieg.51 Zwar hat die neuere Forschung dem Bild eines geradezu »totalen«

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50 Vgl. dazu mit ähnlicher Argumentation Hanson, Warfare, S. 71–72. 51 Vgl. dazu z. B. Ralf-Peter Fuchs, »In continuirlichem Allarm und Schrecken«. Erinnerungszeugnisse von 1726/28 an den Dreißigjährigen Krieg und das kriegerische 17. Jahrhundert, in: Benigna von Krusenstjern, Hans Medick (Hrsg.), Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte, Bd. 148), Göttingen 1999, S. 531–542, hier S. 541–542. Peter Wilson argumentiert sogar mit einer solchen Wahrnehmung während des Dreißigjähri-

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Krieges widersprochen und dagegen festgehalten, dass keineswegs das gesamte Gebiet des Alten Reiches gleichmäßig, sondern verschiedene Regionen unterschiedlich unter Durchzügen, Schlachten, Belagerungen und Massakern oder Plünderungen zu leiden hatten, was sich deutlich in regional unterschiedlichen Bevölkerungsverlusten niederschlug.52 Dennoch verbanden die Zeitgenossen das Bild eines im Sinne des Wortes gänzlich »verheerten« Landes zunächst mit diesem Krieg. 53 Autoren, die am Dreißigjährigen Krieg teilnahmen und die zum Teil bereits zu dieser Zeit ihre militärischen Reflexionen niederschrieben und verbreiteten, sparten wenig überraschend auch Überlegungen zum Vernichten von Land nicht aus ihren Schriften aus. Der französische Feldherr Henri de Rohan kämpfte unter Ludwig XIII. im Dreißigjährigen Krieg. In seinem 1636 veröffentlichten Le Parfaict Capitaine, das noch am Ende des 18. Jahrhundert als wichtiges Referenzwerk galt, 54 behandelte er in einem

—————— gen Krieges in Großbritannien, vgl. Peter H. Wilson, Europes Tragedy. A History of the Thirty Years War, London 2009, S. 779. 52 Vgl. dazu Wilson, Europes Tragedy, S. 781–789, der auch ökologische Folgen wie zum Beispiel einen zeitgleich ansteigenden Bestand an Nagetieren oder die Erholung von Wolfspopulationen in manchen Regionen einbezieht; deutlich zugespitzt und popularisierend auch Axel Gotthart, Der Dreißigjährige Krieg. Eine Einführung, Köln; Weimar; Wien 2016, S. 203–213; klassisch zu Bevölkerungsverlust und zur gering eingeschätzten Rolle der Wüstungen vgl. Günther Franz, Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk. Untersuchungen zur Bevölkerungs- und Agrargeschichte (Arbeiten zur Landes- und Volksforschung, Bd. 6), Jena 1940, S. 14–53; S. 94. Allerdings weist Wilson zu Recht darauf hin, dass Franz’ Schätzungen durchaus durch seine Mitgliedschaft in der NSDAP übertrieben worden sein könnten, um die Bevölkerungsverluste der deutschen Territorien zu überzeichnen, vgl. Wilson, Europes Tragedy, S. 787; ebenfalls regionale Unterschiede und auch wirtschaftlich positive Effekte erwähnend vgl. Wolfgang von Hippel, Bevölkerung und Wirtschaft im Zeitalter des Dreissigjährigen Krieges. Das Beispiel Württemberg, in: Zeitschrift für Historische Forschung 5 (1978), S. 412–448, hier S. 435–442; Wilhelm Abel betonte als Auswirkung des Dreißigjährigen Krieges nicht so sehr eine generelle Lebensmittelknappheit als vielmehr ein Ungleichgewicht zwischen agrarischem Angebot und Nachfrage, was sich regional auch in zu niedrigen Kornpreisen niederschlagen konnte, vgl. Wilhelm Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert (Deutsche Agrargeschichte 2), Stuttgart 1962, S. 239–243; viele Wüstungen entstanden vorwiegend im Spätmitterlalter und nicht im Dreißigjährigen Krieg, vgl. dazu klassisch Wilhelm Abel, Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Bd. 1), Stuttgart 1976, S. 179–181. 53 So gehört die Vorstellung eines vorher blühenden, nach dem Krieg aber verwüsteten Landes zentral zur Wahrnehmung einer schrankenlosen Kriegsgewalt im Dreißigjährigen Krieg, vgl. Wilson, Europes Tragedy, S. 780. 54 So führte Nockhern von Schorn de Rohans Werk noch 1785 als Teil einer idealen militärischen Bibliothek. Vgl. Nockhern de Schorn, Versuch, S. 73.

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separaten Traité particulier de la Guerre auch das Schädigen eines Landes als taktisches Vorgehen.55 Dass Krieg die Landwirtschaft einer Region ohnehin schädigte, war de Rohan bewusst. Eine Zerstörung von mehreren Ernten in Folge durch feindliche Streifzüge sieht de Rohan sogar als kriegsentscheidende Gefahr an: Eine Armee müsse daher stets versuchen, das eigene Land zu schützen, anstatt sich in Festungen zu verschanzen. Denn damit, so de Rohan, »riskiert ihr eure Mittel, eine Armee im Feld zu halten; und die Vernichtung von zwei oder drei Ernten wird euch die Schlinge um den Hals legen.«56 Nur wenige Seiten weiter empfiehlt er jedoch eine Vorgehensweise, die sich nicht sonderlich durch eine Rücksichtnahme auf Ernten auszeichnet. Im Kontext der Maßnahmen, die bei einem Angriff eines stärkeren Gegners ergriffen werden sollten, schreibt er: »In diesem Fall ist es notwendig, das Land zu verlassen, und alle Lebensmittel zu verbrennen die ihr nicht in euren Festungen fassen könnt, und auch alle Städte und Dörfer die ihr nicht behalten könnt: denn es ist besser sich in einem ruinierten Land zu halten, als es für seinen Feind zu bewahren.« 57

Mitleid mit den eigenen Untertanen sei dabei für einen Fürsten hinderlich und gefährlich: »Aber weil es eine Maxime ist dass kein gemeines Wohl sein kann ohne einige Nachteile für einzelne: so kann auch ein Fürst sich nicht mit einem solch gefährlichen Unterfangen belasten, wenn er es jedem Recht machen will.«58

Trotz der zuvor betonten Abhängigkeit von Ernten und einer funktionierenden Bewirtschaftung des Landes stellt für de Rohan der drohende Kontrollverlust über das eigene Land den Moment dar, in dem Gewalt gegen

—————— 55 Dieses Traktat wurde relativ früh auch in Deutsche übersetzt. Vgl. Henri de Rohan, Erfahrner Capitain oder Lustige Kriegs=Practick, Übers. Peter Lucius, Rinteln an der Weser 1643. 56 De Rohan, Parfaict Capitaine, S. 357. 57 »en ce cas il faut deserter la campagne, & bruiler tous les vivres que vous ne pouvez contenir dans vons fortresses, & mesme toutes les villes & villages que vous ne pouvez garder: car il vaut mieux se conserver en un pays ruyné, que de le conserver pour son ennemy.« Ebd. S. 361. 58 »Mais c’est plustot vice d’irresolution, & de foiblesse de courage qui nous tient, qu’une vraye compassion que nous ayons du mal d’autruy […]. Mais comme c’est une maxime que nul bien public ne peut estre sans quelque prejudice aux particuliers: aussi un Prince ne se peut demester d’une perilleuse entreprise, s’il veut complaire à tous.« Ebd. S. 362.

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das eigene Territorium nicht nur denkbar, sondern unter Bezug auf das »Gemeinwohl« unvermeidbar wird. Das »Verbrennen« und »Verwüsten« von Land findet sich als Vorgehensweise auch bei anderen Militärtheoretikern der Zeit, deren Erfahrungsraum sich primär aus ihrer Beteiligung an den Kriegen des 17. Jahrhunderts speiste.59 Die von de Rohan beschriebene Vorgehensweise wurde auch von Raimondo Montecuccoli geteilt, was nicht verwunderlich ist: De Rohans Werk war Montecuccoli bekannt, und er nutzte es in seinen eigenen Ausführungen zum Kriegswesen. 60 Allerdings sticht gegenüber de Rohan die ausdifferenzierte Beschreibung der Gewalt ins Auge, die nun explizit die naturale Umwelt selbst zum Ziel macht. Während Beatrice Heuser Montecuccoli »restraint, clemency and moderation« in seinen Überlegungen zur Kriegspraxis zuspricht, 61 zeigt sich in seinen Überlegungen zu Angriffs- und Verteidigungskriegen doch eine scharfe Vorgehensweise gegen das Land, seine Bevölkerung und seine lokalen naturalen Ressourcen. Im Falle eines Verteidigungskrieges mit einem Feind, der stärker sei als die eigenen Kräfte, solle man »1) Alles, was man kan, in die vesten Plätze bringen, das übrige hin gegen, und absonderlich die Oerter, wo der Feind sich postiren könnte, gänzlich verwüsten.«62 Diese Anweisung unterscheidet sich kaum von den Vorschlägen de Rohans. Tatsächlich übernimmt Montecuccoli in seinem Trattato della Guerra sogar die Formulierung de Rohans, es sei besser, ein Land zu verwüsten, als es für den Gegner zu

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59 Auch François de La Vallière gibt explizit den Rat, einen übermächtigen Feind im eigenen Land durch eine Taktik des Aushungerns zu besiegen, die auch das Vernichten lokaler Ressourcen einschließt: »Wenn eine Armee in euer Land eingedrungen ist, und ihr euch daran macht, sie zu vertreiben, müsst ihr versuchen, sie ohne Kampf untergehen zu lassen […], dies erreicht man oft dadurch, indem man die Lebensmittel […] in eure Festungen zieht, und sie verbrennt und euch zwischen einen Fluss, oder andere enge Passagen legt, um ihn beim Beziehen seiner Subsistenz zu behindern…« Für ihn ist also das »Verwüsten« ein selbstverständliches strategisches Mittel der Kriegführung. de la Vallière, Pratique et maximes, S. 71. »Si vous entrez avec une armée dans un pays ennemy, c’est ou à dessein de former un siege […] ou pour ravager le pays, ou pour y prendre un poste pour subsister quelque temps […] si vous ne voulez que ravager le pays, vous divisez vostre armée en autant de divers corps que vous croirez le pouvoir faire sans crainte qu’ils soient batus.« Ebd., 70. 60 Vgl. Gat, Origins, S. 15; Heuser, Strategy, S. 151. 61 Vgl. Heuser, Strategy, S. 154. 62 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 59.

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erhalten.63 Doch zeigt sich im Falle eines Angriffskrieges auf feindlichem Gebiet eine noch extremere Auslegung einer möglichen Landesverwüstung, die im Kontext taktischer Empfehlungen geäußert wurden. Hier vertritt Montecuccoli ein rücksichtsloses Vorgehen: »Man muss ihm den Proviant abschneiden, seine Magazine durch Überfall oder mit Gewalt aufheben; ihn nahe auf den Hals treten und ihn in die Enge treiben; [...] sein Lager und seinen Kriegs-Vorrath verbrennen, und stinckenden Rauch hinein bringen; Die Felder um die Städte herum verwüsten, die Mühlen niederreissen, das Wasser verderben, ansteckende Seuchen unter ihn bringen […].«64

Neben das Vernichten von Vorräten und das hier explizit genannte Verwüsten von Feldern zur Störung der Landwirtschaft tritt hier das »Verderben« des Wassers und das Nutzen von Seuchen – eine Art des Vorgehens, die eine diskursive Extremposition darstellt und zeitgenössischen Vorstellungen des Kriegsrechtes zuwiderlief. 65 Dabei ist der Versuch der Kontrolle eines Landes als Rationalität dieses Handelns von besonderer Wichtigkeit.66 Der Handlungsmöglichkeit eines Gegners, mögliche Ressourcen zu nutzen, sollte letztlich mit der Zerstörung eben dieser Ressourcen ein Riegel vorgeschoben werden. Außerdem zeigt sich hier wiederum die wichtige Funktion von Festungen im militärischen Denken der Zeit. Im Kontext einer Landesverwüstung dienen sie zur Ressourcenmobilisierung und zur Kontrolle von Land, in die im Ernstfall so viel wie möglich an Ressourcen eingezogen werden sollte.67 Die Äußerungskontexte, in denen diese Gewaltpraktik im militärtheoretischen Diskurs verortet wurden zeigen eine zunächst paradox anmutende Ordnung auf: Das »Eigene« sollte im Verteidigungskrieg wenn nötig vernichtet werden, auch wenn ansonsten stets dazu geraten wurde, einen Feind aufgrund der zu erwartenden Schäden niemals im »eigenen« Land zu bekämpfen. Die Ressource »Land« sollte nicht zum Nutzen des Gegners angewendet werden können. Das militärische Verwüsten von Land war also letztlich eine im militärischen Wissensbestand des 17. Jahrhunderts weitverbreitete Idee, die argumentativ aufgrund eines drohenden Kontrollver-

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63 Alois Veltzé (Hrsg.), Ausgewählte Schriften des Raimund Fürsten Montecuccoli, General-Lieutenant und Feldmarschall, Bd. 1: Militärische Schriften, Wien; Leipzig 1899, S. 132–133. 64 Montecuccoli, Kriegs-Nachrichten, S. 57. 65 Vgl. dazu Kap. 5.3. 66 Vgl. dazu vor allem Kap. 2, Taktik. 67 Vgl. dazu Lynn, Food, Funds, and Fortresses, S. 146–148.

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lustes als akzeptabel dargestellt wurde. Im Feindesland dagegen diente diese Taktik zum Erzwingen einer Entscheidung: um einen Gegner entweder zum Frieden oder zu einer Schlacht zu zwingen. Wie in der Folge deutlich wird, setzte sich diese Art des rücksichtslosen Vorgehens gegen einen Feind im Diskurs nicht durch. Die generelle Argumentation, mit der die Taktik der »verbrannten Erde« gerechtfertigt und als Teil des militärischen Wissens angeführt wurde, nahmen allerdings zahlreiche andere Autoren ganz ähnlich auf. Böckler beispielsweise betont ebenfalls die Vernichtung von Land als taktische Maßnahme der Verteidigung. Für ihn ergebe es sich aus den »Kriegs-Reguln«, »dass man alles dasjenige / was der Feind zu seinem Vortheil haben möge / ihme aus dem Wege räume und entziehe« 68 – eine Argumentation, die bereits im Hinblick auf die Versorgung von Armeen angeklungen ist.69 Böckler legt aber besonderen Wert darauf, zu betonen, dass ein solches Vorgehen durch einen ausdrücklichen Befehl legitimiert werden müsse, der dem jeweiligen ausführenden Offizier schriftlich mitzugeben sei: Dabei gebe es einen »General- oder aber […] einen special Befehl«; bei einem Generalbefehl handele es sich darum, »ein ganzes Land in Grund zu verbrennen […].« Die schriftliche Ausfertigung diene vor allem dazu, »dass er ihm eine solche Order schriftlich ertheilen lässet / damit wann er etwan gefangen […] würde / ihme dieses zu seiner Wiederloslassung [...] dienen möchte […].« 70 Dies zeigt einerseits, wie verbreitet dieses »Verwüsten« eines Landes als militärische Taktik in der Militärtheorie war, verweist aber andererseits bereits auf dessen problematische Legitimität. Für Böckler ist es augenscheinlich notwendig, diese über die explizite Zuschreibung eines militärischen Nutzens herzustellen, die durch den schriftlichen Befehl Glaubwürdigkeit beanspruchen sollte. Dies verweist auf ein Problem der Taktik der »verbrannten Erde«. Die beschriebene Gewaltpraktik erscheint in den Schriften des 17. Jahrhunderts zunächst sehr unspezifisch. Die Begrifflichkeit eines »ruinierten Landes« taucht auch auf, wenn Militärtheoretiker von den Folgen von Plünderungen und generellen Kriegsfolgen aufgrund der Versorgung von Heeren schreiben.71 Äußerlich kaum von marodierenden und plündernden Solda-

—————— 68 Böckler, Schola Militaris Moderna, S. 662. 69 Vgl. dazu Kap. 4. 70 Böckler, Schola Militaris Moderna, S. 662. 71 Johann Gruber schreibt der Versorgung der eigenen Armee und der Verwüstung des Landes durch feindliche Truppen sogar zu, »das Land zu einer Einöde und ganz un-

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ten oder Deserteuren zu unterscheiden, war erst der schriftliche Befehl das Zeichen einer geplanten Aktion. In der Theorie waren allerdings Plünderungen und Landesverwüstungen unterschiedliche Elemente des Krieges. Die bei der Pfalzzerstörung stattfindenden Plünderungen wurden beispielsweise als Anomalien angesehen, die mit dem eigentlichen Zweck der Entfestigung auf dem Papier nichts zu tun haben sollten.72 Das Abzielen auf naturale Entitäten scheint, bis auf die Äußerungen Montecuccolis, weniger belegbar, da in der Regel vor allem allgemein von »Lebensmitteln« oder »vivres« geschrieben wurde. Die hier ausgestalteten sozionaturalen Schauplätze sind dementsprechend bemerkenswert wenig ausdifferenziert. Im 17. Jahrhundert zeichnet sich der militärtheoretische Diskurs zum Thema der Landesverwüstung also dadurch aus, dass dieses Vorgehen zwar durch prominente Autoren beschrieben wurde, diese Beschreibungen allerdings eher unspezifisch waren. Greifbar ist als Wahrnehmungsmuster aber bereits in diesen Schriften, dass es sich bei der Zerstörung des eigenen Landes um eine Maßnahme handelte, die im Diskurs stark mit dem Verlust der Kontrolle über ein Gebiet assoziiert war.

5.1.2 Die Ausdifferenzierung der Landesverwüstung am Beginn des 18. Jahrhunderts Die Karriere der Landesverwüstung als Wissensbestandteil endet nicht in den Schriften des 17. Jahrhunderts. Vielmehr zeigt sich gerade im dominanten französischsprachigen Diskurs zu Beginn des 18. Jahrhunderts, dass

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fruchtbar« zu machen. Hier wird nicht klar, ob es sich bei den Verwüstungen um die Folgen unregulierter Plünderung handelt oder um eine geplante Aktion. Äußerlich kaum von marodierenden und plündernden Soldaten oder Deserteuren zu unterscheiden, war erst der schriftliche Befehl das Zeichen einer geplanten und strategisch gewollten Aktion. Gruber, Kriegs-Politica, hier S. 104. 72 Vgl. Lynn, A Brutal Necessity, S. 86. Dass sich diese Trennung von planmäßiger Zerstörung und Plünderung allein aus Gründen der Disziplin in der Praxis kaum durchsetzen ließ, stellte John Lynn ebenfalls bereits im Kontext der Pfalzzerstörung dar: »While Louis and Louvois instructed soldiers to carry out their work in a disciplined manner, the line between purposeful destruction and outright pillage blurred. It proved nearly impossible to command a soldier to burn down a house but not to steal any of its contents or abuse its occupants«, Lynn, The Wars, S. 198. Diese aufgrund der Begrifflichkeiten problematische Unterscheidung von Plünderungen und dem Zerstören von landwirtschaftlichen Gütern, welche trotz der praktischen Nähe eigentlich verschiedene Vorgehensweisen beschreiben, ist von Hanson auch für die griechische Antike festgestellt worden. Vgl. Hanson, Warfare, S. 14.

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dieses Wissen weiter konkretisiert und expliziter ausgestaltet wurde. Anstatt nach der Pfalzzerstörung mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts an Bedeutung zu verlieren,73 wurde das »Verwüsten« oder »ravager« als mögliche taktische Maßnahme explizit gemacht, mit »unfehlbaren Maximen« des Krieges in Verbindung gebracht und letztlich im Kanon militärischen Wissens verfestigt. Die beschriebene Praktik und die Beschreibung sozionaturaler Schauplätze gewinnt in diesen Aussagen spezifische Konturen: Es handelt sich um das Abzielen auf Ressourcen wie Korn, aber auch Fourage sowie auf die Möglichkeit, diese anzubauen und zu nutzen. Die lokale zivile Landnutzung sollte dadurch in vulnerablen Phasen so empfindlich gestört werden, dass die Tragfähigkeit einer Region für die kommende Zeit beeinträchtigt wurde. Dazu gehörte ebenfalls das Abbrennen von Vorräten, was leichter zu bewerkstelligen war als das tatsächliche Vernichten von Ernten auf dem Feld. 74 Dadurch sollte der ländliche Raum transformiert werden in eine »nutzlose Wüste«,75 in einen »sterilen«76 Raum, in dem eine feindliche Präsenz nicht mehr möglich sei. Der taktische Nutzen der Landesverwüstung lag gerade darin, auch dann noch Kontrolle über ein Gebiet auszuüben, wenn man selbst nicht mehr in der Lage war, seine Präsenz dort aufrecht zu erhalten. Diese »künstliche Wüste« sollte letztlich ein logistisches Hindernis darstellen, welches es ohne die Nutzung von Engpässen oder Flussübergänge möglich machte, Kontrolle auszuüben. 77 Zugleich zeigt sich im Rekurs auf »generelle Maximen« des Krieges durch Folard und Feuquières, dass in diesem Kontext eine spezifische Form des regelgeleiteten Handelns evoziert wurde, die sich letztlich wieder auf den »natürlichen« oder »vernünftigen« Maximen des Krieges gründen sollte. Zusammen mit dem Rückgriff auf die antike Autorität des Vegetius bildete dies die Grundlage, diese Form der Kriegführung zu rechtfertigen. Die alte Taktik der verbrannten Erde wurde eingebettet in den Kontext eines regelgeleiteten, rationalen Vorgehens im Krieg. Auffallend ist, dass das Schädigen feindlichen Territoriums immer weniger thematisiert wurde

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73 Vgl. z. B. Lynn, Brutal Necessity, S. 88, der die Pfalzzerstörung als Negativfolie für das kommende 18. Jahrhundert darstellt. 74 Vgl. zu diesem praktischen Aspekt mit derselben Schlussfolgerung Hanson, Warfare, S. 49–51. 75 Santa Cruz, Reflexions, Bd. 4, S. 139: »desert inutile«. 76 Ebd., Bd. 12, S. 7: »pais sterile«. 77 Vgl. dazu auch die Darstellung der Logik der Pfalzzerstörung bei Lynn, Brutal Necessity, S. 92–93.

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– das Verwüsten von Land verengte sich auf eine defensive Maßnahme bei drohendem Kontrollverlust, die Nennung als Taktik im Feindesland verknappte sich zusehends und wurde marginalisiert. Dementsprechend kommt das Verwüsten von Land als eine taktische Maßnahme vor allem dann vor, wenn von Verteidigungskriegen geschrieben wird – eine Zuordnung, die sich Anfang des 18. Jahrhunderts verfestigte. Beispielsweise diskutiert Feuquières in seinen Memoiren das Verwüsten eines Landes im Falle eines unvermutet ausgebrochenen Krieges. Dabei sei es »sehr schwierig, den Weg, diese Art Krieg zu führen, durch generelle Maximen vorzuschreiben. Er liegt ganz in der Klugheit und dem Verstand und der Voraussicht dessen, der ihn führt.«78 In den Kontext dieser Suche nach generellen Regeln ordnet Feuquières ein rücksichtsloses Vorgehen ein: »Das platte Land kann nicht geschont werden. Dort muss man das, was man kann, in die besten Festungen ziehen, und den Rest verzehren, sogar durch Feuer, alles an Korn und Fourage, welches man nicht an einen sicheren Ort bringen kann, um dadurch die leichte Versorgung der feindlichen Armee zu verringern.«79

Das Verzehren »durch Feuer« verweist wieder auf die zuvor überlieferte Semantik des »Verbrennens« eines Landes, während hier Korn und Fourage explizit als Ziele genannt wurden. Zwischen der Beschreibung des Krieges in Regeln und Maximen und der rücksichtslosen Taktik der verbrannten Erde kam eben deshalb keine nennenswerte Spannung auf, weil die Verwüstung des eigenen Landes ein generell anerkannter Bestandteil militärischen Wissens war. Feuquières’ Verweis auf die Schwierigkeit, »generelle Regeln« für dieses Vorgehen zu geben, ist in sich paradox, denn in der Folge tut er genau das: Er bettet damit das rücksichtslose Vorgehen gegen das eigene Land ein in die Suche nach »Regeln« des Krieges. Für Folard war die Kampagne im Jahr 1688 und die Pfalzzerstörung gewissermaßen seine Feuertaufe. 80 Auch er, der »Erfinder« der Kriegswissenschaften in den Augen vieler Zeitgenossen,81 verortet in seinen Kom-

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78 Feuquières, Memoires, Bd. 2, S. 2. 79 »Le plat pais ne doit point être ménagé. Il en faut retirer dans les meilleures Places tout ce que l’on peut en ôter, & consumer, même par le feu, tous les grains & fourages qu’on ne peut mettre en lieu sur, afin de diminuer par-là la subsistance aisée de l’Armée ennemie.« Ebd. 80 Vgl. Chagniot, Folard, S. 13–29. Zu Folards Vita vgl. Kap. 1 dieser Arbeit. 81 Vgl. Kap. 1.

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mentaren zu Polybios die Idee einer Taktik der verbrannten Erde und verknüpft sie mit generellen Regeln des Krieges: »Ich erinnere mich an eine bewundernswerte Maxime des Vegetius, die es wert ist, hier genannt zu werden. ›Die beste Disposition für eine Armee, sagt er, ist nicht jene, die uns in den Stand versetzt, den Feind zu schlagen, sondern die, die ihn aushungert und über längere Zeit ruiniert‹. […] Es gibt sichere und unfehlbare Regeln und Prinzipien für diese Art des Krieges. […] Man sinnt daraufhin darüber nach, den Feind auszuhungern, indem man alles was man kann in die Festungen rettet, vor allem die Fourage, die Lebensmittel und das Vieh: man beschäftigt sich danach, das Land weit und breit zu ruinieren, und vor allem die Orte, wohin sich der Feind zuerst bewegen will […].«82

Mit dem Zitat des römischen Militärschriftstellers Vegetius benennt er im Kontext der Landeszerstörung einmal mehr dessen Maxime der Abnutzung als zentrales Konzept frühneuzeitlicher Taktik, das bereits für die Diskursebene der Versorgung von Armeen als zentrales Referenzkonzept identifiziert worden ist. 83 Durch Folard sowohl mit der Autorität eines antiken Beispiels als auch mit dem Attribut einer »unfehlbaren Regel« legitimiert, bleibt die »Verwüstung« eines Landes auch bei ihm ein Bestandteil des verschriftlichen, militärischen Wissens. Das ganze Ausmaß dieses Vorgehens sowie die dahinter stehende Rationalität wird bei Santa Cruz besonders deutlich. Seine Beschreibung der Landesverwüstung und der verschiedenen Praktiken des »ravager le pais« thematisiert explizit das Vernichten von Natur. Menschlich genutzte Teile der Umwelt werden somit explizit zu Zielen militärischer Gewalt. Zudem wird bei Santa Cruz deutlich, dass die Pfalzzerstörung einen wichtigen Bezugspunkt für diese Taktik bildete. Er bezieht sich dezidiert auf dieses Vorgehen der französischen Armee, obgleich er selbst nicht im Pfälzischen Erbfolgekrieg gekämpft hatte. Könne man ein Land nicht länger kontrollieren und Kontributionen daraus ziehen, so sei seine Zerstö-

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82 »Je me souviens d’une maxime admirable de Végéce, qui mérite d’avoir place ici. ›La meilleure disposition d’une armée, dit-il, n’est pas tant celle qui nous met en état de battre l’ennemi, que celle qui l’affame & le ruine à la longue’. [...] Il y a des régles & des principes certains & infaillibles dans cette sorte de guerre. [...] On songe ensuite à affamer l’ennemi en sauvant tout ce qu’on peut dans les places fortes, & sur tout les fourrages, les vivres & les bestiaux: on s’attache après cela à ruiner la campagne au long & au large, & particuliérement les lieux où l’ennemi a principalement dessein d’aller [...].« Folard, Histoire, Bd. 4, S. 148. 83 Vegetius Abriß des Militärwesens, S. 175; vgl. dazu insbesondere Kap. 4.

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rung anzuraten, so wie es die französischen Truppen in der Pfalz getan hätten: »Wenn ihr nicht die Zeit habt, ein Land mit Kontributionen auszulaugen, oder ihr euch dort nicht halten könnt, so ist es manchmal ratsam, es zu ruinieren, sodass der feindliche Fürst daraus keine Unterstützung gegen euch ziehen kann. Die Franzosen setzten 1689 diese Maxime in die Praxis um, verbrannten und verwüsteten Worms, Speyer und andere Städte der Pfalz, die sie von den Deutschen genommen hatten.«84

Dabei macht Santa Cruz aber auch Angaben zur besten Zeit für die Zerstörung: »Die am besten geeignete Zeit, um ein Land zu verbrennen, ist wenn die Ernte herannaht, und wenn die Gebinde von Korn noch auf dem Feld stehen.«85 Mit diesem Hinweis auf die Erntezeit für den besten Zeitraum der Landeszerstörung zeigt sich ein Fokus auf naturale Ressourcen, den Santa Cruz später noch expliziter äußert.86 Wenig später dehnt er die militärische Zerstörung aus und beschreibt minutiös verschiedene Praktiken: »[…] befehlt den Bewohnern der offenen Orte dieser Region, dass sie sich zu einer bestimmten vorgeschriebenen Zeit in bestimmte Festungen zurückziehen sollen, oder an in bestimmter Distanz gelegene Orte, mit ihren ganzen Familien, ihrem Korn, ihrem Gemüse, ihrem Öl, ihrem Wein, ihren Herden, ihren Karren, ihren Rindern, Pferden, ihrem Heu, ihrem Stroh, ihrer Munition und ihren Waffen. Gebt ihnen den Befehl, alles zu zerstören, was sie nicht mit sich führen können; die Ernte, die beginnt zu reifen, abzubrennen; das noch grüne Korn mit Pflügen oder Viehkarren niederzureißen und abzuschlagen; Backöfen und Mühlen zu vernichten; die Brücken über große Flüsse einzureißen; die Dämme einzureißen, die die Wege verderben können, und den Marsch des Gegners verlangsamen; zuletzt, wenn es kein anderes Wasser gibt als das der Meere, der Zisternen und Brunnen, schreibt ihnen vor, sie zu verderben, indem sie die Kadaver von toten Hunden

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84 »Lorsque vous n’avez pas le tems d’appauvrir par des contributions un Pais, où vous ne pouvez vous maintenir, il est quelquefois à propos de le ruiner; afin que le Prince ennemi ne puisse pas en tirer des assistances contre le vôtre. Les Francois mirent en 1689. cette maxime en pratique, brûlant & saccageant, Wormes, Spire & autres Places du Palatinat, qu’ils prirent sur les Allemans.« Santa Cruz, Réflexions, Bd. 4, S. 169. 85 »Le tems le plus propre pour brûler un Pais, est quand les moissons approchent, ou que les gerbes sont encore dans l’aire.« Ebd. 86 Zur Wichtigkeit der Erntezeit für die Vernichtung von Feldern durch Feuer vgl. Hanson, Warfare, S. 32–40.

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oder Pferden hineinwerfen und die Seile und Eimer wegnehmen, allerdings ohne dass sie das Wasser mit einem versteckten Gift vergiften […].«87

Diese umfangreichen Vernichtungsmaßnahmen sollten von der eigenen Bevölkerung unter Zwang ausgeführt werden und zielten explizit auf die naturalen Ressourcen ab, die auch von frühneuzeitlichen Armeen genutzt wurden. Sogar das Vergiften von Brunnen erwähnt Santa Cruz, allerdings mit der Einschränkung, dass dies nicht versteckt und als List geschehen müsse: Die Sichtbarkeit der Vergiftung schließe die Sünde der Hinterlist und Heimtücke aus, wodurch sich Santa Cruz noch im Rahmen zu dieser Zeit anerkannter Normen des »guten« Krieges bewegte.88 Letztlich geht es um die Veränderung sozionaturaler Schauplätze durch militärische Gewalt: um das Stören der Funktionsweise einer agrarisch geprägten Gesellschaft. Zugleich zeigt seine detaillierte Schilderung, wie diese Praktik der verbrannten Erde mit den naturalen Bedingungen des Wirtschaftens und der Kriegführung umging, wenn die besonders vulnerable Phase der Erntezeit für solche Maßnahmen empfohlen wurde. Argumentativ wurde ein solches Vorgehen mit dem drohenden Kontrollverlust über ein Gebiet gerechtfertigt, wodurch sich seine Ausführungen fast nahtlos in die bereits im 17. Jahrhundert präsente Argumentation einfügen lassen. Die militärische Kontrolle über das eigene Gebiet und seine Ressourcen ist also nicht nur für die Erhaltung der eigenen Armee von besonderer Wichtigkeit, sondern kann ohne Probleme im militärtheoretischen Diskurs auch zum Argument für eine Vernichtungsaktion kippen.

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87 »ordonnez aux Habitans des lieux ouverts de cette Contré, que dans un certain tems préscrit ils ayent à se retirer à telles Places designées, ou à une distance de tant de lieues, avec toutes leurs Familles, leurs Grains, leurs Légumes, leur Huile, leur Vin, leurs Troupeaux, leurs Charettes, leurs Boeufs, leurs Chevaux, leur Foin, leur Paille, leurs Munitions & leurs Armes. Donnez-leur ordre de détruire tout ce qu’ils ne pourront pas emporter; de brûler les moissons qui commencent à jaunir; de coucher & d’abattre avec des Rateaux & par les troupeaux de Bestiaux, celles qui sont encore vertes; de détruire les Fours & les Moulins; de couper les Ponts sur les grandes Rivieres; de rompre les Digues qui peuvent gâter les chemins, & retarder la marche des Ennemis; enfin, s’il n’y a pas d’autres eaux que celles des Mares, des Cîternes & des Puits, préscrivez-leur de les corrompre, en y jettant dedans des Corps de Chiens & de Chevaux morts, d’en ôter les Cordes & les Seaux, sans pourtant empoisonner ces eaux par quelque poison cache […]«, Santa Cruz, Reflexions, Bd. 10, S. 35. 88 Vgl. zum Verbot vergifteter Waffen aufgrund moralischer Argumente im zeitgenössischen Völkerrecht Hugo Grotius, Hugonis Grotii Drey Bücher von Kriegs- und FriedensRechten, Frankfurt a. M. 1709, Buch III, S. 59.

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Die Autoren Feuquières, Folard sowie Santa Cruz, deren Werke in kurzer Folge zu Beginn des 18. Jahrhunderts erschienen, prägten den militärischen Diskurs als wichtige Referenzwerke nachhaltig. Am besten weist auf den Stellenwert dieses militärischen Wissensbestandteils zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein Eintrag in Rudolf Fäschs Kriegs-, Ingenieur- und ArtillerieLexicon89 hin. Rudolf Fäschs Lexikon war neben dem 1724 in Rom herausgegebenen Lexicon Militare des Jesuiten Caroli de Aquino 90 eines der ersten militärischen Wörterbücher, in denen militärisches Wissen kondensiert, kodifiziert und letztlich kanonisiert wurde. Unter den Schlagworten »Ravage« und »Ravager, ravagieren« verortet Fäsch folgende Erklärung, die die Landesverwüstung argumentativ an einen zu erwartenden militärischen Nutzen bindet: »Verheerung, Plünderung, ist alle Verwüstung, welche man in einem Lande verübet, indem man die Feld-Früchte abmähet, oder samt den Land-Gütern gar verbrennet; entweder der feindlichen Armee die Subsistence zu benehmen, oder einen Ort auszuhungern.«91

Der Beginn des 18. Jahrhunderts war für den militärtheoretischen Diskurs der Verwüstung von Land also gerade nicht durch einen Bruch geprägt, sondern vielmehr durch eine Verstetigung und Ausdifferenzierung einer bereits bekannten Argumentation.

5.1.3 Verbrannte Erde im Zeitalter der Aufklärung Die Integration des »Ravagirens« in Fäschs Wörterbuch zeigt eine Verfestigung dieses Bestandteiles des militärischen Wissens, die das ganze 18. Jahrhundert Bestand hatte. Trotz der in manchen Darstellungen konstatierten Humanisierung der Kriegführung im »Zeitalter der Aufklärung« blieb das Verwüsten von Land bis an das Ende des 18. Jahrhunderts ein immer wiederkehrender Bestandteil militärtheoretischer Werke. Nur langsam wurde das »Ravagiren« nicht mehr so häufig und explizit als Taktik genannt, und selbst am Ende des 18. Jahrhunderts wurde dieses Vorgehen – als ultima ratio – noch empfohlen. Dabei spielte die Zerstörung der Pfalz

—————— 89 Vgl. Johann Rudolf Fäsch, Kriegs-, Ingenieur- und Artillerie-Lexikon, Worinnen die einem Ingenieur Officier und Artilleristen, bey eines jedweden Profeßion vorkommende Wörter, ihrem eigentlichen Verstande nach […] erkläret werden, Nürnberg 1726. 90 Jähns, Kriegswissenschaften, S. 1454. 91 Fäsch, Lexicon, S. 195.

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noch immer die Rolle als expliziter Bezugspunkt für die Frage nach der Legitimität dieses Vorgehens. Anstatt also einen diskursiven Bruch zu erleben, zeichnet sich dieser Diskursstrang eher durch einen schleichenden Wandel aus. Die bruchlose Übernahme der Aussagen zur »Verwüstung« eines Landes lässt sich beispielsweise anhand der weiteren Übernahme in ein militärisches Wörterbuch nachvollziehen. Selbst ein »aufgeklärter« und gelehrter Offizier wie Eggers widmet dem »Ravagiren« eines Landes einen eigenen Eintrag in seinem 1757 erschienenen erschienene Kriegs- Ingenieur- ArtillerieSee- und Ritter-Lexicon. In seinem militärischem Wörterbuch ist unter diesem Stichwort vermerkt: »wenn Kriegsvölcker eine Provinz oder Gegend, wo sie keinen festen Fuß behalten können, mit Sengen und Brennen, Rauben und Plündern verheeren, und alles, was sie nur mit sich nehmen können, entwenden und fortschleppen.«92 Eggers weicht also in diesem Punkt nicht etwa von dem früheren Wörterbuch Fäschs ab, sondern entschied sich dazu, diese Praktik aufzunehmen. Auch Eggers verweist dabei wieder auf die Problematik des drohenden Kontrollverlustes, wenn er diese Praktik explizit mit dem Behalten eines »festen Fußes« in einer Gegend assoziiert.93 Auch in der Mitte des 18. Jahrhunderts spielte die planmäßige Verwüstung von Land eine Rolle im militärischen Wissen – in einer Zeit, in der Friedrich II. über den idealen Krieg schreibt, der »friedliche Bürger« erfahre vom Krieg höchstens aus den Zeitungen.94 Allerdings wird ebenfalls eine Entwicklung deutlich, die sich in späteren Äußerungen von Militärtheoretikern zu dieser Praktik fortsetzen sollte: Eggers, dessen Artikel meistens genauer und detaillierter waren als die Fäschs, beschreibt das »Ravagiren« in seinem Wörterbuch ungenauer. Er bringt sogar das Plündern als unkontrollierte Gewaltpraxis damit in Verbindung – etwas, das Fäsch in seinem Artikel zugunsten einer militärisch-logistischen Argumentation nicht tut. Es ist auffallend, dass sich die Anzahl der Äußerungen

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92 Eggers, Neues Kriegs- Ingenieur- Artillerie- See- und Ritter-Lexicon, Bd. 2, S. 559. 93 Auch der französische Offizier Saint-Genie schreibt in seiner Abhandlung L’art de la Guerre Pratique aus dem Jahr 1754 wieder von einer »umfassenden Verwüstung in ihrem gesamten Land« mit dem Vernichten von Korn, Fourage und Vieh im Falle eines Verteidigungskrieges. In seinem zweiten Band verortet Saint-Genie diese Art des Krieges zum ersten Mal bei einer besonderen Truppengattung: den »partisans«, deren Einsatzzweck es sei, »ungestraft das Land des Feindes zu durchstreifen« und: »dort Verwüstung anzurichten«. Saint-Genies, L’Art de la Guerre, Bd. 1, S. 201; Bd. 2, S. 138. 94 Friedrich II., Die politischen Testamente. Übersetzt von Friedrich v. Oppeln-Bronikowski. Mit einer Einführung von Gustav Bernhard Volz, Berlin 1922, S. 129.

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zum expliziten Zerstören von Land in Form dieses »Ravagirens« ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend von der enorm steigenden Publikationsdichte im militärtheoretischen Bereich entkoppelt: Obwohl mehr geschrieben wurde, gingen explizite Aussagen zur Taktik der verbrannten Erde zurück und waren zudem weniger genau als noch die Beschreibungen Folards oder Santa Cruz’.95 Zudem musste die Verwüstung eines Landes anscheinend verstärkt legitimiert werden, um noch geäußert werden zu können. Der Militärschriftsteller Philippe Henri de Grimoard bezieht in seinem Essai sur les Batailles 1775 bei der Frage, wie ein Gegner zur Schlacht zu zwingen sei, den kurz gefassten Punkt »durch das Verwüsten des feindlichen Landes«96 mit ein, obgleich dieses Vorgehen ansonsten kaum noch geäußert wurde. Dementsprechend versieht er diese Maßnahme sogleich mit einer wichtigen Fußnote, in der er dieses Vorgehen rechtfertigt. Nicht auf eine antike Autorität, sondern auf den französischen Diplomaten und Übersetzer Blaise de Vigènere in seinen Kommentaren zu Caesars De Bello Gallico bezieht er sich, um dieses Mittel zu rechtfertigen: »Wie gewaltsam auch immer dieses Mittel sei, die Gesetze des Krieges erlauben es. Im Krieg ist alles erlaubt, bis auf die Hinterlist […].« 97 Ähnlich legitimatorisch klingt die Erwähnung der Landesverwüstung als Verteidigungsmaßnahme bei Friedrich Wilhelm von Bessel in seinem Entwurf eines Militär-Feld-Reglements aus dem Jahr 1778. Die alte Taktik der verbrannten Erde wurde hier wieder zitiert und war somit noch immer im militärischen Wissen der Traktate vorhanden, wurde aber argumentativ ausgestaltet: Man verliere das verwüstete Land ohnehin bei der Eroberung durch den Feind und gefährde möglicherweise die Armee. »Im offenen Lande muß man, nachdem Zeit und Umstände es erfordern, ganze Provinzen dem Feinde preiß geben, selbige lieber selbst räumen und verwüsten, als sie vertheidigen. Denn das Land gehet doch verloren, und die Armee wird mit aufgeopfert.« 98

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95 In den 1770er Jahren äußert beispielsweise der französische Offizier de Gaigne in seinem Manuel ou Journée Militaire das »Verbrennen des Landes« nur noch im Kontext nicht bezahlter Kontributionen, also in einem völkerrechtlich akzeptierten Rahmen. De Gaigne, Manuel, S. 94; Carl, Occupation, S. 124. 96 »De ravager le pays de l’ennemi«. Grimoard, Essai, S. 13. 97 »Quelque violent que soit ce moyen, les loix de la guerre l’autorisent. Tout est permis à la guerre, sors la perfidie, dit Blaise de Vigenère dans les maximes militaires, jointes à sa traduction de César.«, Ebd. 98 Bessel, Entwurf, S. 9.

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Noch am Ende des 18. Jahrhunderts stellte außerdem die Pfalzzerstörung einen Referenzrahmen dar, in dem die Legitimität dieser Kriegspraktik diskutiert wurde. In den 1779 erschienenen Betrachtungen und Erfahrungen über verschiedene militarische Gegenstände des Freiherren Schertel von Burtenbach wird die eigentümliche Verflechtung von Effektivität und Regulierung militärischer Gewalt im Diskurs zum »Ravagiren« evident. So kritisiert der Autor zunächst die Pfalzzerstörung scharf: »Ob hingegen die französische Zerstörung der Städte Worms, Speyer etc. im Jahr 1689 zu entschuldigen sei, daran zweifle ich sehr, denn es war weder Raison de Guerre noch Nutzen für den Feind selbst dabey ausfindig zu machen […].«99

Dabei schließt er aber in der Folge die Landesverwüstung trotzdem in seine Ausführungen mit ein, als eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel: »Oben ist gesagt worden, daß der Soldat in feindlichen Ländern ohne Befehl und Erlaubnis nichts an Gebäuden, Früchten etc. ruiniren solle; die Ausnahme versteht sich also von selbsten dahin, daß die Verheerung geschehen könne und müsse, wenn es die Kriegsraison erfordere, um dem Feind den Auf- und Unterhalt zu entziehen, oder auch ihn durch die Wiedervergeltung zu künftigem billigeren Vetragen zu zwingen. Hierüber wird allezeit von der Generalität Befehl ertheilet. Wird die Verwüstung des eigenen Landes an Früchten nothwendig, so pflegt man den Einwohnern aufzulegen, sich mit Sack, Pack und allen beweglichen Gütern tiefer in das Land zurück zu begeben.«100

Wieder weist Schertel von Burtenbach auf die »Raison de Guerre« und bestimmte Notwendigkeiten und den »Nutzen« hin, die als Legitimation für die Zerstörung von Land notwendig erscheinen – eine Verwüstung, die im Übrigen streng nach Befehl erfolgen sollte. In seiner Diktion wird daraus eine taktische Notwendigkeit, aber zugleich eine Ausnahme. Zusammenfassend ist also der Diskurs der Landesverwüstung in der Militärtheorie des 18. Jahrhunderts charakterisiert durch einen kaum merklichen Wandlungsprozess. Während das »Ravagiren« eines Gebietes sich als Wissensbestandteil einer gewissen Kontinuität erfreute und dementsprechend auch noch von Autoren während und nach dem Siebenjährigen Krieg in ihre militärtheoretischen Werke integriert wurde, zeigt sich vereinzelt eine immer weitere Verknappung der Aussagen und eine Verschränkung mit legitimatorischen Argumenten, was darauf hinweisen könnte, dass diese

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99 Schertel von Burtenbach, Betrachtungen, S. 14. 100 Ebd., S. 14–15.

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Taktik implizit unter Druck geriet. Dies verweist auf einen weiteren Diskursstrang zur Verwüstung eines Landes, der sich im Laufe des 18. Jahrhunderts etablierte und in dem sich Militärtheoretiker kritisch zu diesem Vorgehen äußerten – ohne freilich die Bezugskategorie des militärischen Nutzens aus den Augen zu verlieren.

5.2 Eine »unfruchtbare Wüste« vermeiden. Schonung von Land als militärisch-ökonomische Rationalität Ratschläge zur planvollen Verwüstung eines Landes und Ratschläge zu seiner Schonung schlossen einander aber nicht notwendigerweise aus. Viele Autoren, die zuvor das »Ravagiren« von Land als Wissensbestandteil beschreiben, treten an anderer Stelle für das entgegengesetzte Ideal einer schonenden Kriegführung ein. Das »Ravagiren« mochte zwar militärisches Standardwissen sein, aber immer wieder wurden auch Argumente gegen seine Nützlichkeit vorgebracht, die die naturale Umwelt dezidiert als schützenswert begriffen. Wie allerdings deutlich wird, richten sich die Argumente der Militärtheoretiker für diese Schonung primär an Effizienzüberlegungen aus – es ging also um die Erhaltung der eigenen Operationsfähigkeit. Hierbei lässt sich der Einfluss zeitgenössischer Umweltdiskurse und -vorstellungen nachweisen. In den Überlegungen zu einer Schonung von Land wird immer wieder mit dem Begriff der »Wüste« als Gegenstück einer kultivierten und nützlichen Landschaft argumentiert, die nach Möglichkeit zu vermeiden sei. Dabei reflektieren die Autoren zum Teil sehr genau die negativen regionalen Folgen von Krieg auf die Landwirtschaft und das sozionaturale Gefüge eines Gebietes. Gerade die Bewirtschaftung von Natur gibt sowohl der Natur selbst als auch der Bevölkerung im militärischen Blick einen Wert. Die Flucht der Landbevölkerung, die brachliegende Felder und leere Scheunen hinterließ, war dementsprechend die größte Gefahr für eigene Armeen. Diese wirtschaftliche Bedeutung wurde auch zum Argument einer schonenden Behandlung von feindlichen Untertanen. Während sich die Aussagen zur Verwüstung von Land ab einem bestimmten Punkt zumeist im Kontext eines Verteidigungskrieges beim Verlust von Kontrolle artikulieren lassen, ist es bei der Schonung von Land

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umgekehrt: Hier geht es vor allem um das Land des Feindes, welches nicht durch undisziplinierte Plünderung oder geplante Verwüstung geschädigt werden soll. Letztlich ist dies mit dem Aufstieg des Kontributionssystems am Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert verknüpft: Zahlreiche Autoren im frühen 18. Jahrhundert argumentieren für die Einschränkung militärischer Gewalt vor Ort besonders mit dem geregelten Einziehen von Kontributionen. Diese würden der lokalen Bevölkerung eher die Möglichkeit bieten, ihre normalen Geschäfte und damit auch die Bewirtschaftung des Landes zur Erzeugung lebenswichtiger lokaler Ressourcen fortzuführen – und somit dazu beitragen, eine »Ver-Wüstung« im Wortsinne zu verhindern. Das Feindesland wurde vermehrt in seinem wirtschaftlichen Potenzial betrachtet. Die Zuschreibung von Nützlichkeit bekommt damit im Kontext der Frage nach der militärischen Schonung von kultivierter Natur eine besondere Bedeutung. Das Zuweisen eines konkreten Nutzens von naturalen Entitäten für den Erhalt von Armeen oder sogar der Wert einer zukünftigen Eroberung funktionierten in diesem Diskurs als Argumente, diese Entitäten zu schonen. Dies zeigt allerdings die Ambivalenz solcher kontextabhängigen Nützlichkeitszuschreibung und der Orientierung an einer »Vernunft« des Krieges. Der besondere Nutzen einer Verwüstung von Natur dient in einem Diskursstrang als Argument für seine Rechtmäßigkeit, während der besondere Nutzen von Natur im anderen Diskursstrang eine Verwüstung unrechtmäßig erscheinen lässt. Beide Male konnte aber im Prinzip mit der »Raison de Guerre« argumentiert werden. Damit zeigt sich eine Rationalität, die traditionelle umwelthistorische Narrative ergänzt. Anstatt dass die Zuschreibung ökonomischen Nutzens und die Absicht der Ausbeutung von Ressourcen letztlich zur Zerstörung von Natur führte, 101 wirkten genau diese Zuschreibungen im Kontext von Krieg als Argumente ihrer bewussten, kurzfristigen Schonung.

—————— 101 Klassisch dazu die kritische Sicht von Donald Worster, Transformations of the Earth, hier S. 1097–1106. Zur Rolle neuer Wissensbestände bei der Ausbeutung naturaler Ressourcen vgl. Günter Bayerl, Prolegomena der »Großen Industrie«. Der technischökonomische Blick auf die Natur im 18. Jahrhundert, in: Werner Abelshauser (Hrsg.), Umweltgeschichte. Umweltverträgliches Wirtschaften in historischer Perspektive, Göttingen 1994 (Geschichte und Gesellschaft Sonderheft, Bd. 15), S. 29–56, hier S. 41–53.

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5.2.1 Was nutzt eine Wüste? Die Landesverwüstung in der Kritik Im frühen 18. Jahrhundert bildete sich eine militärische Kritik der Landesverwüstung heraus. Erstens findet teilweise eine Abgrenzung von einer »barbarischen« Kriegspraxis des vergangenen Jahrhunderts statt, die auch anhand der negativen Folgen von Krieg für ein Land beschrieben wurde. Dagegen wurde die Befolgung der »Raison de Guerre« gestellt: Wenn übermäßig gewalttätige Kriegspraktiken angewendet würden, so das Argument, verschaffe dies dem Gegner ebenfalls eine Rechtfertigung für den eigenen Gebrauch solcher Praktiken. Zugleich aber wurde zweitens auch der eigentliche militärische Nutzen von Landesverwüstungen in Frage gestellt. Die vertiefte Diskussion über die Folgen von Krieg im Allgemeinen und einer großflächigen »Verwüstung« von Land im Speziellen für die agrarische Landnutzung wurde für einige Autoren zu einem Argument gegen Landesverwüstungen gemacht. Hier zeigt sich deutlich eine zeittypische Naturwahrnehmung, die nur der durch den Menschen gezähmten und kontrollierten Natur einen Wert beimaß. »Wildnis« war gleichbedeutend mit »Wüste«.102 Damit einher geht die Kritik an einem längerfristig »ruinierten«, das heißt in diesem Kontext nicht bewirtschafteten Land, das ein Operieren auch für die eigene Armee unmöglich mache. Am Beispiel der zusammenfassenden Betrachtungen bei Hans Friedrich von Fleming lässt sich besonders gut beobachten, wie das Zerstören von genutzter Natur im Kontext des »Raison de Guerre«-Begriffes als unverhältnismäßig verurteilt wurde: Fleming ist sich in seinem Vollkommenen teutschen Soldaten sicher, dass sich die Kriegführung seiner Zeit fundamental von der früheren Art des Krieges unterscheide. Nach der »heutigen Raison de guerre« sei es nicht rechtens, »alle und jede Feindseligkeit, die ausgedacht werden kann, in des Feindes Landen« anzuwenden. Wehrlose Zivilisten zu töten steht hier in einer Reihe mit der Beschädigung von Mühlen, Pflügen und Korn. 103 Wenige Zeilen später weitet Fleming diese

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102 Vgl. dazu klassisch Clarence J. Glacken, Traces on the Rhodian Shore. Nature and Culture in Western Thought from Ancient Times to the End of the Eighteenth Century, Berkeley; Los Angeles 1967, S. 494–497; Keith Thomas, Man and the Natural World, S. 192–194; auch Rainer Beck, Die Abschaffung der »Wildnis«. Landschaftsästhetik, bäuerliche Wirtschaft und Ökologie zu Beginn der Moderne, in: Werner Komold, Rainer Beck (Hrsg.), Naturlandschaft, Kulturlandschaft. Die Veränderung der Landschaften nach der Nutzbarmachung durch den Menschen, Landsberg 1996, S. 27–44, hier S. 28–29. 103 Fleming, Soldat, S. 266.

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Beschränkung möglicher militärischer Gewalt auf Elemente der naturalen Umwelt aus: »Es darf sich keiner, ohne ausdrückliche Ordre der Generalité, unterstehen, die Gebäude in dem Lande anzuzünden, so dürfen sie auch nicht ohne Ordre die Häuser, Plancken, Zäune, Wälder, Weiden, Obst- und andere fruchtbare Bäume abbrennen und abbrechen, es wäre denn, das solches die unumgängliche Nothwendigkeit erforderte.« 104 Denn auch die »Länder« würden »heutiges Tages nicht mehr so barbarisch ruiniret werden, als vor diesen […].«105 Ein Verzicht auf das »Ruinieren« eines Landes wurde bei Fleming zum Kennzeichen eines neuen, »vernünftigen« Krieges erklärt. Dabei spielt besonders der von Fleming prominent verwendete Begriff der »Raison de Guerre« eine wichtige Rolle. Wie die Nennung zusammen mit der »Staatsräson« in Eggers’ militärischem Wörterbuch zeigt, 106 waren beide Begriffe eng miteinander verbunden. Die Begriffe bezogen sich letztlich auf das, was Koselleck unter Bezugnahme auf Hobbes als Aufstieg einer »Vernunftmoral«107 bezeichnet hat: einen Versuch der Trennung von christlicher Moral und Politik.108 Der Begriff der Staatsräson ist damit in seiner Umwertung des »gemeinen Wohls« in das Wohl des Staates und letztlich des Souveräns untrennbar verbunden mit dem Versuch der Errichtung eines »absolutistischen« Machtsystems, wobei betont worden ist, dass diese Sichtweise heftigem Widerstand ausgesetzt war. 109 Wie Koselleck beschrieben hat, geriet gerade der Begriff der Staatsräson im 18. Jahrhundert im

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104 Ebd., S. 267. Dabei reproduziert Fleming wortgetreu Passagen zum Schutz von Mühlen und Pflügen, die in zahlreichen Truppenordonnanzen lange vor dem 18. Jahrhundert geäußert wurden. Vgl. dazu Kap. 5.3. Fleming integrierte auch kursächsische Kriegsartikel in sein Werk, vgl. Fleming, Soldat, S. 141. 105 Ebd. 106 Vgl. Eggers, Neues Kriegs- Ingenieur- Artillerie- See- und Ritter-Lexicon, S. 557. 107 Vgl. Koselleck, Kritik und Krise, S. 24. 108 Ebd., 28–30. 109 Vgl. Roman Schnur, Einleitung, in: Ders. (Hrsg.), Staatsräson. Studien zur Geschichte eines politischen Begriffs, Berlin 1975, S. 11–25, hier S.14–22. Klassisch zur Kritik des Konzeptes des »Absolutismus« vgl. Nicholas Henshall, The Myth Of Absolutism. Change and Continuity in Early Modern European Monarchy, London 1992; außerdem exemplarisch Blänkner, »Absolutismus« und »frühmoderner Staat«, S. 51–59; Albert Cremer, Weshalb Ludwig XIV. kein »absoluter« König war, in: Bernhard Jussen (Hrsg.), Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005, S. 319–235.

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Kontext der von ihm beschriebenen bürgerlichen Kritik und »Moralisierung« der Politik als Abgrenzungsfolie zunehmend unter Druck. 110 Für Fleming bedeutet diese »Vernunftmoral« eine Hegung der militärischen Gewalt, in die er auch die Schonung der naturalen Umwelt einschließt. Die »Raison de Guerre« als »Observanz, die bey denen meisten moralisirten Völckern bey denen Kriegessachen eingeführet ist, nach der sie dasjenige, was sie vor gut, vor nützlich, vor löblich und vernünfftig erachten, verrichten«,111 fordere, als »grausam« deklarierte Praktiken zu vermeiden – da sie der Feind sonst ebenso anwende und damit einen größeren Schaden verursache.112 In diesen Kontext bettet er durch die oben geschilderten Aussagen auch Zerstörungsaktionen ein, die Elemente der naturalen Umwelt oder ihrer Kultivierung umfassten. Aber zugleich äußert sich Fleming kritisch zu diesem Begriff: Die »Raison de Guerre« könne je nach Situation entweder mit den »Krieges-Gesetzen« gleichgesetzt, in anderen Situationen aber gegen »die göttlichen Gesetze« selbst in Anspruch genommen werden. 113 Es ist der Begründungszusammenhang sowie der zu erwartende Nutzen, der diese »vernunftgeleitete« Form der Kriegführung entweder zum Argument für eine Kriegshegung oder zum Argument für Zersörungsaktionen macht.114 Doch in der Verwüstung eines Landes wurde nicht nur eine unerwünschte Eskalation militärischer Gewalt gesehen; zum Beginn des 18. Jahrhunderts stellten einige wirkmächtige Autoren sogar die eigentliche militärische Notwendigkeit und Nützlichkeit eines solchen Vorgehens in Frage und wiesen auf die verheerenden Folgen für die »Kultivierung« eines Landes hin. Unter Bezugnahme auf die Nützlichkeit militärischer Gewalt wurde die Schonung des feindlichen Landes und seiner genutzten Umwelt artikulierbar. Folard, der sich zuvor im Falle eines Verteidigungskrieges für

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110 Koselleck, Kritik und Krise, S. 41–48; 80–81. 111 Fleming, Soldat, S. 187. 112 Ebd. 113 Ebd., S. 188. 114 Mit seiner kritischen Betrachtung des Missbrauchs des Begriffs steht Fleming nicht allein. Seine kritische Definition des Begriffs wurde als Artikel zur »Raison de Guerre« in Band 30 von Johann Heinrich Zedlers Großem vollständigen Universal-Lexicon aus dem Jahr 1741 nahezu wortgleich abgeschrieben, womit die Auffassung von Kriegsräson als die Verdeckung von Unrecht unter einem »guten Scheine« übernommen wurde. Vgl. zu dieser Erkenntnis bereits Eckart Kutsche, Kriegsbild, Wehrverfassung und Wehrwesen in der deutschen Encyclopädie des 18. Jahrhunderts, dargestellt an Zedlers Großem Universallexicon, Diss. Phil. Freiburg 1974, S. 142. Vgl. in Kutsches Dissertation ebenfalls die Abhandlung zur Begriffsgeschichte der Raison de Guer-re, ebd. S. 138–141.

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die Taktik der verbrannten Erde ausspricht und die Maxime des Vegetius als »bewundernswert« bezeichnet, kritisiert an anderer Stelle diese Kriegführung im Falle eines Angriffskrieges mit deutlichen Worten. So verurteilt er besonders die Streifzüge von Armeen im Feindesland, um dort Schaden anzurichten, als nutzlos und gefährlich: »Die Streifzüge der Armeen oder eines großen Teils der Truppen im Feindesland bringen kaum einen Nutzen, wenn sie nicht Teil eines größeren Vorhabens sind: denn nichts ist besser geeignet, um die Armee zu ruinieren. Diese Arten von Vorhaben, die nur daraus bestehen, zu zerstören und eine Verwüstung weit vor einer Grenze anzurichten, sind fast nie nützlich und sind mehr Getöse als dass sie nützlich sind, wenn es nicht zu bestimmten Anlässen geschieht.«115

Damit das »Durchstreifen« eines Landes überhaupt einen Vorteil bringe, sei es nach Folard wichtig, den korrekten Zeitpunkt für eine solche Aktion abzuwarten. Sich auf Montecuccoli beziehend, führt er aus: »Diese Arten der Invasionen sind nicht vorteilhaft außer in der Zeit der Ernte, und dies ist genau die Zeit, die man dafür wählen sollte, wenn man kein anderes Vorhaben hat als die Verwüstung einer Grenze oder einer Provinz: denn im Winter bringt dies keinerlei Nutzen. […] ›Was nützt es?‹ Sagt derselbe Autor [Monteccucoli, J. B.], ›das Korn ist ausgesät, man kann die Pflanze nicht daran hindern, zu ihrer Zeit zu wachsen.‹«116

In Folards Einschätzung zu Beginn des 18. Jahrhunderts sind also Aktionen, die nur auf das Verwüsten feindlicher Gebiete ausgerichtet sind, problematisch: Sie seien durchaus gefährlich für die eigene Armee und nur zu bestimmten Zeiten tatsächlich effizient; alles andere qualifiziert er als »Getöse«, als unnütze Verschwendung von Zeit und Ressourcen ab. Neben dieser praktischen Problematik aber wurden auch die negativen Auswirkungen von Krieg auf Landwirtschaft und ländliche Bevölkerung nun thematisiert, um Landesverwüstungen zu verurteilen – und zudem als

—————— 115 »Les courses d’armées ou d’un grand corps de troupes dans le pais ennemi, n’apportent guéres de profit, si elles ne sont l’objet de quelque dessein considérable: car rien n’est plus capable de ruiner une armée. Ces sortes d’entreprises, qui consistent uniquement à ravager & à faire le dégât bien avant dans une frontiére, ne sont guéres utiles, & sont plus de bruit qu’elles ne sont avantageuses, si ce n’est en certaines occasions.« Folard, Histoire de Polybe, Bd. 5, S. 237. 116 »Ces sortes d’invasions ne sont avantageuses que dans le tems de la récolte, & c’est justement le tems qu’il faudroit choisir, lorsqu’on n’a d’autre dessein que le dégât d’une frontiére, ou d’une province: car en hiver cela ne méne à rien de fort utile. [...] ›A quoi bon? dit le même Auteur, les grains sont semez, on ne peut pas empêcher l’herbe de croître en son tems.«, ebd.

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Gefahr für die eigene Armee darzustellen. Der spanische Obrist Santa Cruz de Marcenado schildert in seinen zwölfbändigen Reflexiones die Verwüstung von Land sowie die Auswirkungen von Krieg auf ein Land, seine Landbevölkerung und seine Bewirtschaftung. Dieser genaue Blick mag damit zusammenhängen, dass sich der junge Santa Cruz neben seinen militärischen Relfexionen ebenfalls mit ökonomischen Themen befasste und in seiner Zeit als spanischer Gesandter in Turin auch ein Traktat zu diesem Thema verfasste, die Rapsodia economico-politico-monarquica.117 Dabei verbindet Santa Cruz das Verwüsten von Land vermutlich absichtlich mit der Verurteilung unregulierter Plünderungen. Im Kontext eines Kapitels zu den »Verschiedenen Gründen, die man zur Verteidigung des Plünderns anführt«, schildert er zunächst die Landesverwüstung durch die Freigabe zur Plünderung, oder in einer extremeren Form das »Verbrennen« von Land. Es gebe durchaus »Anlässe, zu denen man nicht nur das Land der Plünderung freigeben muss; sondern man muss es völlig zerstören und verbrennen, wie ich es an seinem Ort bereits geschildert habe.«118 Allerdings fährt er fort, dass gerade die ungeregelte Gewalt des Plünderns für ihn einer der am meisten zu verachtenden Auswüchse des Krieges sei. »Weil das Plündern die Bewohner in größte Armut stürzt, ist es normalerweise gefolgt von epidemischen Krankheiten […] das Häufigste ist, dass die Bewohner, denen das Plündern nichts mehr zum Leben gelassen hat, iher Häuser verlassen […] und so rächen sich die Bewohner an dem Eroberer, indem sie das in eine nutzlose Wüste [desert inutile] verwandeln, was eine vorteilhafte Eroberung für ihn hätte sein sollen.«119

Die »unnütze Wüste«, die erst durch das Brachliegen von Feldern durch vertriebene Landbevölkerung zustande komme, soll unbedingt vermieden werden. Immer wieder beschreibt Santa Cruz die Auswirkungen des Krieges mit dieser Wortwahl, die die Auswirkung von Krieg dezidiert als Einfluss auf die genutzte naturale Umwelt beschreibt: Krieg »macht die

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117 Vgl. Heuser, Santa Cruz de Marcenado, S. 191–192. 118 »des occasions, où il ne faut pas seulement donner le Pais au pillage; mais on doit absolument le détruire & le brûler, comme je le dirai en son lieu.« Santa Cruz de Marcenado, Reflexions Militaires, Bd. 4, S. 144. 119 »Comme le pillage réduit les Habitans à une extrême pauvreté, il est ordinairement suivi de maladies épidémiques ... Le plus ordinaire est, que les Habitans, à qui le pillage ne laisse pas le moien de vivre, abandonnent leurs maisons ... & alors ces Habitans se vangent du Conquérant, en réduisant en un desert inutile, ce qui devoit être une Conquête avantageuse pour lui.«, ebd., S. 145.

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fruchtbarsten Provinzen unfruchtbar«,120 denn »die durch die feindlichen Truppen verarmten Bauern verlassen den Feldbau«, und so erzeuge der Krieg ein »fruchtloses Land [Pais sterile]«.121 Während es sich hierbei augenscheinlich um Ausführungen zu illegitimen Plünderungen handelt, bezieht sich Santa Cruz einige Kapitel später mit denselben Argumenten direkt auf die Idee einer taktischen Landesverwüstung auf feindlichem Gebiet.122 Dabei verweist er auf das Gewohnheitsrecht bei Belagerungen, wenn er das »Ruinieren des feindlichen Landes« mit der Erstürmung einer Stadt vergleicht: Es ist ein Mittel letzter Instanz. 123 Außerdem grenzt er sich in diesem Zusammenhang scharf von militärischer Gewalt ab, die keinerlei unmittelbaren Nutzen verspricht, und verurteilt dies als Sünde und Barbarei: »Ich füge hier hinzu, dass ich […] meine, dass es ein Verbrechen, eine Sünde und eine Barbarei ist, das zu zerstören was keinerlei Nutzen für euren Fürsten bringt […].« 124 Die Verwüstung eines Landes war für Santa Cruz aber nicht nur mit dem moralischen Makel der Barbarei behaftet. Ein weiteres Argument, das er breit ausführt, war sogar wirkmächtiger. Vorher führt er die französischen Aktionen in der Pfalz 1688 als Beispiel dafür an, dass eine Landesverwüstung in manchen Situationen taktisch vertretbar sei; doch schränkt er dies mit einem gewichtigen Argument nach wenigen Seiten wieder ein: »Wie ich gezeigt habe, hatten die Franzosen und Burgunder Grund, zu bereuen, dass sie das Land ruiniert haben, in das sie sich zurückziehen wollten; denn weil sie nichts fanden, um sich zu versorgen, starben sie an Hunger.«125

Nicht nur verurteilt Santa Cruz also in seinen Augen nutzlose und ineffiziente militärische Gewalt und verbindet sie mit einer Warnung vor einer möglichen Landflucht. Er stellt auch den möglichen Schaden für die eigene

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120 »rendre incultes les plus fertiles Provinces«, ebd., Bd. 12, 7. 121 »les Paisans épouvantés par les Partis ennemis, abandonnent la culture des Champs sur les Frontieres«, ebd. 122 Dies macht er in Bd. 4 explizit: »Die selben Gründe, die ich angeführt habe, um das Plündern nicht zu erlauben, können auch dazu dienen, die Zerstörung eines Landes zu verhindern.« Ebd., Bd. 4, S. 172. 123 Ebd. 124 »J’ajoûte ici, que bien loin de croire qu’il soit permis, je pense au contraire, qu’il y a du crime, de l’impieté & e la barbarie de détruire ce qui ne scauroit être d’aucune utilité pour votre Prince […].«, ebd. 125 »J’ai déja fait voir, que les Francois & les Bourguignons avoient eû lieu de se repentir d’avoir ruiné le Pais par lequel ils devoient se retirer; puisque n’y aiant plus trouvé de quoi subsister, ils y périrent de faim.«, ebd., S. 173.

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Armee in den Vordergrund, die sich nicht in einem verwüsteten Land erhalten könne. Damit geriet die Verwüstung eines Landes zu Beginn des 18. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Argumentationskontexten unter Druck: nicht nur wurde sie im Kontext einer »alten« Kriegspraxis als unverhältnismäßig angesehen, sondern sie begann zudem auch, als militärisch ineffizient zu gelten.

5.2.2 Ökonomischer Nutzen als Argument: Kontributionen als Schonung des Landes Allerdings kritisierten die Militärtheoretiker nicht nur die Praxis der Landesverwüstung, sondern empfahlen zugleich auch ein Vorgehen, das zur Schonung eines feindlichen Landes in Kriegszeiten beitragen sollte: das Erheben von Kontributionen als Widerpart zu Plünderungen und Brandschatzungen. In der Folge diente das Erheben von Kontributionen im militärtheoretischen Diskurs als Argument dafür, ein feindliches Land in seinem sozionaturalen Wirtschaftsgefüge zu schonen. Die Möglichkeit eines längerfristigen Einkommens aus besetzten feindlichen Gebieten zur Finanzierung und Versorgung der eigenen Armee ist dabei an die Kultivierung des Landes gekoppelt. An dieser Argumentation lässt sich ein Wandel der militärischen Raumwahrnehmung ablesen. Durch die Betonung des Potenzials eines feindlichen Landes, durch Kontributionen und ein schonendes Vorgehen gegen die ländliche Bevölkerung ein längerfristiges Einkommen zur Versorgung der eigenen Armee zu erzielen, wurde der feindliche Raum gleichsam ökonomisiert. Die Schonung von Natur im Krieg gründet sich aus militärtheoretischer Perspektive auf der Sicherstellung der eigenen Operationsfähigkeit und der effizienten Kriegführung. Bereits bei Folard und Santa Cruz ist das Erheben von Kontributionen im Kontext der Kritik an der Verwüstung eines Landes eine geschilderte Alternative. Folard bemängelt beispielsweise, dass man sich durch das Zerstören eines Gebietes und das Vertreiben der dortigen Bewohner »die Kontributionen vor[enthält, J. B.] die man daraus ziehen könnte, und es bringt dem Fürsten gar nichts.«126 Dem »Ruhm« von ganzen Invasionen stellt Folard in der Folge die Nützlichkeit des Einziehens von Kontribu-

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126 »Si nous n’avons d’autre but que celui de détruire une certaine étendue de pais, on se prive des contributions qu’on peut en tirer, & il n’en revient rien au Prince.« Folard, Histoire de Polybe, Bd. 5, S. 237.

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tionen gegenüber, da diese das Land verschonen würden: »Die Streifzüge und Invasionen mögen ruhmreich und nützlich sein, wenn die Armeen im Feld sind […], aber das Nützlichste ist das weite Ausschreiben von Kontributionen, ohne dabei das Land zu ruinieren.« 127 Diese Argumentation sollte in der Folge noch öfter auftreten: Das ökonomische Potenzial eines Landes und seiner kultivierten Natur wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einem mächtigen militärischen Argument, in dem das Einziehen von Kontributionen als Alternative eine Hauptrolle spielte. Als Alternative zur und als Argument gegen die Landesverwüstung wird auch in Santa Cruz’ Reflexiones die Praktik des Erhebens von Kontributionen geschildert. Anstatt ein Land auszuplündern oder zu entvölkern, solle ein Feldherr eine andere Maßnahme ergreifen – und zwar »Kontributionen in Geld, in Pferden oder Lebensmitteln, die dazu dienen, die Truppen zu versorgen, und damit erlangt ihr eine gerechte Entschädigung für euch, für die Magazine und für die Schatzkammer des Fürsten.« 128 Wie Santa Cruz weiter ausführt, seien Kontributionen in Geld notwendig, um das Land vor weiterem Schaden zu bewahren. Während unbedachte Landesverwüstungen also das Stigma der nutzlosen Gewalt tragen, sind Kontributionen in Geld, aber auch in Naturalien für Santa Cruz ein Weg, das Land zu erhalten, da diese das unregulierte Plündern oder gar das vollständige Zerstören eines Landes durch das geregelte Abziehen von Ressourcen unnötig machen – und somit auch der größten Gefahr, der Landflucht der Bevölkerung, vorbeugen. Damit wird bei Santa Cruz der Einfluss der Kontributionspraxis deutlich, die sich sich im Laufe des späten 17. und des 18. Jahrhunderts immer mehr zu einer administrativ geregelten Besatzungspraktik entwickelte. Fritz Redlich stellt das 16. und 17. Jahrhundert als die Zeitalter der Plünderungen dar, während das 18. Jahrhundert das Zeitalter der Kontributionen gewesen sei; damit sei eine für Zivilisten geringere Belastung durch feindliche Armeen einhergegangen.129 Martin van Creveld argumentiert ähnlich, die Armeen

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127 »Les courses & les invasions peuvent être glorieuses & utiles, lorsque les armées sont en campagne [...] mais les plus utiles sont de porter au loin les contributions, sans les accompagner de la ruine du pais [...]«, ebd. 128 »contributions en argent, en chevaux, ou en vivres, qui serviront à récompenser les Troupes, & dont on fera une juste repartition pour elles, pour les Magasins & pour le trésor du Prince.« Santa Cruz de Marcenado, Reflexions Militaires, Bd. 4, S. 144. 129 Fritz Redlich, De Praeda Militari. Looting and Booty 1500–1815 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte, Bd. 39), Wiesbaden 1956, S. 6–26; S. 58–72; S. 78–79.

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des frühen 17. Jahrhunderts hätten sich aufgrund der Ineffizienz der Versorgungsstrukturen und fehlenden finanziellen Mittel durch Plünderungen aus dem Land ernährt.130 Während Creveld jedoch auch für den weiteren Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts keine Veränderung dieser »Tyranny of Plunder«131 feststellt, da er Kontributionen und Fouragierungen mit Plünderungen gleichsetzt und die Rolle von Magazinen gering einschätzt, kritisiert John Lynn diese Annahme: Nach Lynn bilden vor allem die sich in der zweiten Hälfte herausbildenden Mittel der Magazinierung und der Eintreibung von Kontributionen einen wichtigen Wandel.132 Während sich Kontributionen als Form des Brandschatzens aus älteren Praktiken entwickelt hatten und bereits im Dreißigjährigen Krieg unter Wallenstein Anwendung fanden,133 wurde ihre Erhebung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts besonders in Frankreich als zentraler Bestandteil der Kriegführung verstetigt. 134 Kontributionen dienten der Ressourcenmobilisierung außerhalb des eigenen Territoriums und auf Kosten des Gegners.135 Insofern war die Eintreibung von Ressourcen zwar noch immer mit Gewaltandrohung verbunden, sollte aber geordneter ablaufen. Dies hatte seine Gründe auch im enormen Größenzuwachs europäischer Armeen.136 Verbände dieser Größenordnung überforderten anscheinend die zur Verfügung stehende logistische Infrastruktur; zugleich hätten unregulierte Plünderungen solcher Heere schnell zu großen Schäden an den betroffenen Regionen geführt. 137 Im Laufe des 18. Jahrhunders wurde das Erheben von Kontributionen zu einer regulierten Besatzungspraktik, die die Kooperation mit der Zivilbevölkerung voraussetzte. 138 Diese generelle Entwicklung erklärt teilweise, warum Kontributionen im Laufe des 18. Jahrhunderts immer öfter im militärtheoretischen Diskurs angesprochen wurden. Ein gewisses Eigeninteresse von Offizieren darf allerdings ebenfalls nicht vergessen werden:

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130 Vgl. Creveld, Supplying War, S.7–28; S. 38. 131 Ebd., S. 5. 132 Vgl. John Lynn, The History of Logistics and Supplying War, S. 10–13; 15–25; John Lynn, Food, Funds, and Fortresses, S. 139–146. 133 Vgl. Redlich, De Praeda, S. 45–46; Creveld, Supplying, S. 8. 134 Lynn, Giant, S. 198f. 135 Lynn, Food, Funds, and Fortresses, S. 143–146; Lynn., Giant, S. 214. 136 Vgl. die Zahlen bei Tallett, War and Society, S. 4–13. 137 Lynn, Giant, S. 215–216; Luh, Kriegskunst, S. 77–80; Redlich, De Praeda, S. 59–61. 138 Lynn, Giant, S. 213; Carl, Restricted Violence, S. 122–125.

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Truppenführer bereicherten sich anscheinend oftmals an eingetriebenen Geldern, beispielsweise ist dies für Feuquières vermutet worden. 139 Auch im 18. Jahrhundert war dies für die französische Armee noch keinesfalls eingedämmt, wie Horst Carl für die durch Frankreich besetzten deutschen Gebiete im Siebenjährigen Krieg gezeigt hat. 140 Die Möglichkeit eines Zuverdienstes durch das Abzweigen von Kontributionsgeldern kann ein weiteres, verdecktes Motiv für die einhellige Befürwortung dieser Praktik in der Militärtheorie gewesen sein. In den Beschreibungen der Kontributionspraxis wurde die Landbevölkerung zu einem Teil des Landes selbst, zu einer eigenen Ressource, die idealerweise ebenfalls mit Vorsicht und Mäßigung zu behandeln sei, wie Santa Cruz betont. Setze ein Fürst zu hohe Kontributionen an, schädige dies unter Umständen die Landbevölkerung: Nicht nur das Geld, sondern die ebenfalls eingeforderten Naturalien verhindern, dass die Bevölkerung das Land weiterhin kultivieren könne, was wiederum den Fürsten um ein regelmäßiges Einkommen bringe: »Die überhöhten Kontributionen erschöpfen völlig das Land und entziehen dem Fürsten ein regelmäßiges Einkommen, das er durch vernünftige Besteuerung [impositions] hätte: Denn der Bauer, dem der erbarmungslose Eintreiber die Ochsen oder Maultiere zur Feldarbeit, das Saatkorn und die Werkzeuge seines Pfluges wegnimmt, wird keine Ernte mehr einbringen; und ohne mehr die Möglichkeit zu haben, zu arbeiten, ist er zu einem Leben von Almosen gezwungen, oder er verlässt das Land.«141

Aus militärischer Sicht beschreibt Santa Cruz detailliert die Interaktion zwischen dem Land und seinen naturalen Ressourcen, seiner Bewirtschaftung durch die Zivilbevölkerung, die ländliche Infrastruktur, und der in dieses System der Naturbewirtschaftung eindringenden Armee. Der Land-

—————— 139 Redlich, De Praeda, S. 47. 140 Horst Carl, Unter fremder Herrschaft. Invasion und Okkupation im Siebenjährigen Krieg, in: Bernhard R. Kroener und Ralf Pröve (Hrsg.), Krieg und Frieden. Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Paderborn u. a. 1996, S. 331–348, hier S. 334–338; Horst Carl., Okkupation und Regionalismus. Die preussischen Westprovinzen im Siebenjährigen Krieg (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Bd. 150), Mainz 1993, S. 417–421. 141 »Les exhorbitantes contributions épuisent entiérement le Pais, & privent le Prince d’un revenu annuel, qu’iltireroit par de raisonnables: Car le Paisan, à qui un impitoiable Receveur prend les Boeufs ou les Mules de Labour, le grain destiné pour les semences, & les instrumens de sa Charrue, ne fait plus de récolte; & ne se fouciant plus de travailler, il se met à vivre d’aumône, ou il abandonne le Pais.« Ebd., S. 254.

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bevölkerung durch Plünderungen oder gar die Verwüstung des Landes die Lebensgrundlage zu entziehen, war in dieser Argumentation nicht ratsam. In gewisser Weise argumentiert Santa Cruz hier also im Sinne einer ausbalancierten »organic economy«: Die Bewirtschaftung naturaler Ressourcen durch Arbeitskraft ist der Garant dafür, nicht nur die eigene Armee zu erhalten, sondern auch, um über Kontributionen Geld in die Schatzkammer des Fürsten zu bringen. Störe der Krieg diese fragile Beziehung zwischen Bevölkerung und dem Land, so gingen nicht nur der Armee selbst, sondern auch dem Fürsten diverse Vorteile verloren. Santa Cruz konzipiert aus militärischer Sicht letztlich eine agrarökonomische Wirkungskette. Die kritische Frage nach der militärischen Nützlichkeit der Verwüstung von Land, gepaart mit Äußerungen zu einer möglichst effizienten und das Land nicht schädigenden Forderung von Kontributionen, war im Verlauf des 18. Jahrhunderts zentral für die Verbreitung von diskursiven Positionen, die eine Schonung von Land und Bevölkerung betonten. Um diese Aspekte gruppierten sich die Aussagen zur Rücksichtnahme auf die naturale Umwelt und zu einem schonenderen Umgang mit eroberten Gebieten. Moritz von Sachsen beispielsweise stellt in seinen Rêveries das Eintreiben von Kontributionen als ein fein austariertes System des Schreckens dar. Selbst bei ihrer Verweigerung empfiehlt er nur eingeschränkte Strafaktionen gegen die Bevölkerung. Eine größere Aktion führe nur dazu, dass »die Einwohner ihre Habseligkeiten und ihr Vieh verbergen, und in diesem Fall bekommt man von ihnen wenig, weil sie merken, dass man nicht lange bleiben kann.«142 Wieder ist die Furcht vor einem durch Landflucht brach liegenden Gebiet das Argument für eine Zügelung militärischer Gewaltanwendung. Es lässt sich allgemein eine immer öfter artikulierte Ablehnung von schädigenden Praktiken des Krieges feststellen, die mit dem Attribut des »Unnützen« belegt werden, während stets Argumente der Nützlichkeit für die Schonung von Land und als Argument gegen das »Verwüsten« aufgeführt werden. Der Schriftsteller Johann Michael Loen äußert sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts aus einer gänzlich anderen Perspektive als die meisten militärtheoretisch schreibenden Autoren ebenfalls zur Verwüstung von Gebieten durch Kriege. Vehement grenzt er sich dabei von Gewalt gegen Zivilisten ab, aber auch von Gewalt gegen das Land selbst. Mit

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142 »les habitans cachent leurs effets, leurs bestiaux; & dans cet état l’on en tire peu, parcequ’ils sentent bien que l’on ne scauroit demeurer lontems...«, Moritz von Sachsen, Rêveries, Bd. 2, S. 20.

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Bezug auf das fünfte Buch Mose schreibt er: »Du sollst die Bäume nicht verderben / sagt das Mosaische Gesetz, ist es doch nur Holtz auf dem Felde und nicht ein Mensch der vor der Festung streiten könnte.« 143 Das Land zu schonen, sei eine Sache der »Ehre«. Zudem argumentiert Loen ebenfalls mit einer Form der Nützlichkeit, hier im diplomatischen Sinne: Es sei für Friedensverhandlungen nützlicher, ein unverwüstetes Land zur Rückgabe anzubieten. 144 Bemerkenswerterweise spielt diese politischstrategische Perspektive in den meisten anderen, eher im engen Sinne militärtheoretisch ausgerichteten Schriften nie eine Rolle, was die noch im 18. Jahrhundert bestehende Trennung zwischen militärtaktischer und militärstrategischer und der größeren, politischen Perspektive zeigt. Doch auch das Erheben von Kontributionen wurde weiter diskutiert, besonders die Frage, in welcher Höhe diese Forderungen auszuschreiben seien, damit das besetzte Land davon keinen Schaden nahm. Im zweiten Teil der durch Georg Dietrich von der Groeben herausgegebenen Neuen Kriegsbibliothek wurde 1775 eine Abhandlung gedruckt, die sich mit der Verpflegung von Armeen, speziell dem Sold, befasst und welche der Einleitung nach zu urteilen durch Groeben selbst verfasst wurde. 145 Dort schreibt der Verfasser auch über das Nutzen des feindlichen Landes zur Versorgung der eigenen Armee sowie über den »wahren und besten Gebrauch der Ausschreibungen im Feindlichen«. Dabei sei es Sache des »Eroberungsrechts«, aus dem feindlichen Land den besten Vorteil bei einer Besatzung zu ziehen. Allerdings sollen nach Groeben diese Forderungen niemals zu hoch sein, da sie ansonsten wiederum eine Landflucht auslösen. Letztlich rekurriert Groeben hier auf Warnungen, die bereits Santa Cruz formuliert: Kontributionen sollen möglichst so erhoben werden, dass das längerfristige ökonomische Potenzial eines Landes nicht gefährdet wird. Wieder sind es hier letztlich Argumente der Effizienz und der Idee einer längerfristigen wirtschaftlichen Nutzung eines besetzten Landes, die für ein schonenderes Vorgehen vorgebracht werden. Mit einem eindrucksvollen Sprachbild bekräftigt Groeben dies:

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143 Johann Michael Loen, Der Soldat oder der Kriegsstand, betrachtet als der Stand der Ehre, Frankfurt a. M. 1744, S. 378. Die Schrift basierte wahrscheinlich auf Loens 1739 veröffentlichter Kurzer Betrachtung des Soldaten-Standes, die er zusammen mit Cosander von Goethes Wohl unterwiesener Deutscher Soldat veröffentlichte. 144 Ebd., S. 380. 145 Vgl. Georg Dietrich von der Groeben, Neue Kriegsbibliothek oder gesammlete Beyträge zur Kriegswissenschaft, Bd. 2, Breslau 1775, S. 2–8.

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»Es ist aber der Vernunft gemäß, nicht mehr zu fordern, als man wahrscheinlicher Weise allda zu finden, rechnen kann. [...] Denn wenn dieses geschieht, werden die Einwohner davon laufen, der Betrieb der Arbeiten von aller Art wird liegen bleiben, und man hat die Henne geschlachtet, die täglich legen würde.«146

In dem Zitat von Groeben zeigt sich wie unter einem Brennglas die generelle Entwicklung dieses Diskursstranges in der Militärtheorie: Zeitgleich zu der weiteren Verfestigung der Strategie der »verbrannten Erde« als letzte Maßnahme im eigenen Land etablierte sich eine militärische Perspektive, die das feindliche Land und seine Ressourcen unter dem Aspekt der Nützlichkeit betrachtete. Diese Perspektive wurde insbesondere dann artikuliert, wenn die Taktik der Landesverwüstung kritisiert wurde. Stattdessen wurde der Blick auf das Feindesland im Laufe des 18. Jahrhunderts immer stärker ökonomisiert, während die Landesverwüstung selbst in ihrer militärischen Nützlichkeit hinterfragt wurde. Schließlich konnte nicht nur ein Gegner unter der Etablierung eines »logistischen Hindernisses« leiden – sondern auch die eigene Armee. Es ist nicht das Motiv einer humanisierten Kriegführung oder gar die Zuschreibung eines Eigenwertes der Natur, auf die diese Aussagen hinweisen, sondern vielmehr das Streben nach möglichst effizienter militärischer Organisation und ein erheblicher Eigennutz.

5.3 Gerechter Krieg und Nützlichkeit. Landesverwüstungen im völkerrechtlichen und militärrechtlichen Diskurs Allerdings produzierten nicht Militärtheoretiker allein den Diskurs, der legitime von illegitimen Kriegspraktiken scheiden sollte. Vielmehr beziehen sie sich in ihren Schriften häufig auf Vorstellungen des »gerechten« Krieges und Werke des entstehenden Völkerrechts, aber auch auf Dokumente des innermilitärischen Rechts. Die Zerstörung von Natur als Kriegspraktik stand damit auch in einem juristischen Spannungsfeld. Die Frage nach der militärischen Schädigung von Natur berührt zentral den Aspekt der Legitimität und der Illegitimität von Kriegspraktiken. In diesen Kontexten wurde die Schädigung von Natur zwischen Recht und Unrecht, christlicher Moral, militärischer Notwendigkeit und Nützlichkeit betrachtet.

—————— 146 Ebd., S. 179.

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In beiden Diskursen lässt sich eine ähnlich funktionale Einstellung gegenüber militärischer Gewalt feststellen, die das Schädigen von Natur explizit einschloss. Allerdings existierten in beiden Bereichen wichtige Unterscheidungen zwischen legitimer und illegitimer Gewalt gegen die naturale Umwelt. Im sich herausbildenden Völkerrecht des 17. und 18. Jahrhunderts zeigt sich eine Abwägung: Das Zerstören von Feindesland galt weder Grotius noch seinem über einhundert Jahre danach in der Mitte des 18. Jahrhunderts schreibenden Nachfolger Vattel als vollkommen unrecht. 147 Allerdings unterschieden beide explizit, welche Bereiche der genutzten Umwelt rechtmäßig geschädigt werden durften. Lebensmittel, also Ernten sowie Fourage als unmittelbar nutzbare Ressourcen für Armeen, bestätigten beide Autoren als legitime Ziele militärischer Aktionen. Das Vernichten der »Subsistenz« des Gegners wurde explizit gestattet. Doch in Bezug auf andere Elemente der naturalen Umwelt mahnten beide eine Einschränkung der militärischen Gewalt an: Grotius bezieht sich dabei auf die »fruchtbaren Bäume« und Äcker und bildet in manchen Betrachtungen damit einen vormodernen Bezugspunkt für den völkerrechtlichen Schutz von Natur im Krieg für das 20. Jahrhundert.148 Der Diskurs des Militärrechts behandelt ebenfalls das Zerstören von Elementen der naturalen Umwelt oder ihrer Nutzung. Hier wird die mutwillige Verwüstung von Feldern, Wiesen, aber auch von Brunnen zu einem disziplinarischen Problem gemacht. Dabei ergingen die meisten »Kriegsartikel« zur expliziten Schonung von kultivierter Natur stets im Kontext der Disziplin von Armeen im eigenen Land. Als solche sollten sie schlichtweg, wie die Verbote des Plünderns oder Stehlens, die militärische Disziplin wahren, Schaden am Eigentum eigener Untertanen verhindern und das ohnehin problematische Verhältnis frühneuzeitlicher Armeen zur Zivilbevölkerung regulieren. Letztlich zeigt sich hier wieder eine Logik militärischen Eigennutzes: die »Notdurft« der eigenen Armee wurde öfter als Argument angeführt, auch im Hinblick auf das Agieren im Feindesland.

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147 Dies steht in einem gewissen Gegensatz zu einem auch in der Geschichte des Völkerrechts herrschenden Narrativ, welches eine Humanisierung der Kriegführung und eine Verfeinerung des Kriegsrechtes im 18. Jahrhundert verortete, vgl. dazu jüngst Oona A. Hathaway, Scott J. Shapiro, The Internationalists. How a Radical Plan to Outlaw War Remade the World, New York u. a. 2017, S. 75–81; 415–424. 148 Stone beginnt mit Grotius z. B. seine Betrachtung zur völkerrechtlichen Bedeutung von Umweltschäden, vgl. Stone, The Environment.

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5.3.1 Überlegungen zur Schonung der Natur in Kriegszeiten: Grotius, Vattel und das entstehende Völkerrecht Das sich herausbildende europäische Völkerrecht wurde besonders von zwei Autoren geprägt: Hugo Grotius im 17. Jahrhundert sowie Emer de Vattel im 18. Jahrhundert. Stichprobenartig kann anhand ihrer Hauptwerke nachvollzogen werden, welche Bedeutung sie der Schonung oder Schädigung der naturalen Umwelt in Kriegszeiten einräumten. In diesen Schlüsseltexten des europäischen Völkerrechts gilt das Schädigen von Natur nicht per se als illegitim: Wie sich zeigt, wird Gewalt gegen Natur als Instrument betrachtet, das möglichst nützlich eingesetzt werden soll, obgleich auch diesem Vorgehen gewisse Grenzen gesetzt werden. So zeigt sich die utilitaristische Einstellung zur Schädigung von Natur im Krieg auch im zeitgenössischen Völkerrecht. Um legitime und illegitime militärische Gewalt zu unterscheiden, nutzten Gelehrte in Europa seit der Spätantike die Lehre des »bellum iustum«, wie sie durch St. Augustin von Hippo im 5. Jahrhundert und später durch Thomas von Aquin vertreten wurde. 149 Die Lehre vom »gerechten Krieg« teilte das Recht des Krieges in zwei Bereiche: Gegenstand des »ius ad bellum« war die Frage nach der Legitimität verschiedener Parteien, Kriege zu führen, während das »ius in bellum« die Art der Kriegführung selbst betrachtete. Nach St. Augustin sei ein Krieg dann gerecht, wenn er zur Verteidigung, zur Erreichung des Friedens, zum Ausgleich von Ungerechtigkeit und zur Verbreitung des Christentums geführt werde. Dagegen wurden Angriffskriege mit Motiven der territorialen Vergrößerung beispielsweise als ungerechte Gründe aufgeführt. 150 Während die Lehre des gerechten Krieges Gewalt gegen Nichtchristen legitimierte, 151 erwies sie

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149 Letztlich bezog sich St. Augustin dabei auf Ideen, die bereits durch den römischen Autor Cicero formuliert worden waren. Vgl. Mary Ellen O’Connell, Peace and War, in: Bardo Fassbender, Anne Peters (Hrsg.), The Oxford Handbook of the History of International Law, Oxford 2012, S. 272–293, hier S. 274. 150 Ebd.; Matthew Bennett, Legality and legitimacy in war and its conduct, 1350–1650, in: Frank Tallett, D. J. B. Trimm (Hrsg.), European Warfare, 1350–1750, Cambridge 2010, S. 264–277, hier S. 265–266; Richard Tuck, The Rights of War and Peace. Political Thought and the International Order From Grotius to Kant, Oxford 1999, S. 55–56. Zu Augustin vgl. Theresa Fuhrer, Krieg und (Un-)Gerechtigkeit. Augustin zur Ursache und Sinn von Kriegen, in: Marco Formisano, Hartmut Böhme (Hrsg.), War in Words. Transformations of War from Antiquity to Clausewitz (Transformationen der Antike, Bd. 19), Berlin; New York 2011, S. 23–36, hier S. 23–27. 151 Vgl. Bennett, Legality, S. 270–274.

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sich zur Legitimierung kriegerischer Gewalt zwischen christlichen Herrschern als problematisch: In der Regel beriefen sich beide kriegführenden Parteien auf die Legitimität ihres Handelns durch »gerechte« Kriegsgründe. In der Sicht der Völkerrechtsgeschichte machte die spanische Spätscholastik erste Schritte zur Problematisierung dieses Legitimitätsdefizites. Vor allem der Dominikaner Francisco Vitoria entwickelte die Lehre des ius ad bellum insofern weiter, als dass er den Sonderfall zweier Kriegsparteien beschrieb, die beide mit Recht Krieg gegeneinander führen konnten, solange beide subjektiv gerechte Gründe für ihr Handeln annahmen.152 Damit erodierte jedoch die einschränkende Kraft der Idee eines gerechten Krieges.153 Im 17. Jahrhundert geriet die Lehre des »bellum iustum« außerdem durch den Aufstieg der Idee der Souveränität unter Druck, wie sie populär durch Jean Bodin vertreten und durch Thomas Hobbes an den Aufstieg des Staates gebunden wurde. 154 In diesem Kontext wird das Traktat De Iure Belli ac Pacis des niederländischen Juristen Hugo Grotius aus dem Jahr 1625 oft als wichtige Modifikation der älteren Lehre des gerechten Krieges auf dem Weg zu einem modernen Völkerrecht gedeutet. 155 Wie kaum ein anderer Autor gilt er als

—————— 152 Vgl. Karl-Heinz Ziegler, Völkerrechtsgeschichte. Ein Studienbuch, München 1994, S. 158– 160. 153 Vgl. O’Connell, Peace and War, S. 276. 154 Vgl. Peter Schröder, Sine fide nulla pax – Überlegungen zu Vertrauen und Krieg in den politischen Theorien von Machiavelli, Gentili und Grotius, in: Marco Formisano, Hartmut Böhme (Hrsg.), War in Words. Transformations of War from Antiquity to Clausewitz, Berlin; New York 2011, S. 37–60, hier S. 37–38; Peter Schröder, Natural Law, Sovereignty and International Law: A comparative Perspective, in: Ian Hunter, David Saunders (Hrsg.), Natural Law and Civil Sovereignty. Moral right and state authority in early modern political thought, Basingstoke u. a. 2002, S. 204–218; Ralf Pröve, Vom ius ad bellum zum ius in bello. Legitimation militärischer Gewalt in der Frühen Neuzeit, in: Claudia Ulbrich, Claudia Jarzebowski, Michael Hohkamp (Hrsg.), Gewalt in der Frühen Neuzeit (Historische Forschungen, Bd. 81), Berlin 2005, S. 262–270, hier S. 264–268. 155 Hugo Grotius, 1583 in Delft geboren und bereits in seiner Jugend als philologisches »Wunderkind« bekannt, studierte mit elf Jahren an der Universität Leiden und erwarb mit 16 im Zuge einer diplomatischen Reise die juristische Doktorwürde der Universität von Orléans. Ab 1601 arbeitete er in den Generalstaaten als Anwalt. In Diensten der holländischen East India Company schrieb er das Manuskript für sein erstes größeres juristisches Werk, De Indis, in dem er die Theorie der Freiheit der Weltmeere und eine Begründung für das Prisenrecht entwickelte. Nach seiner Annäherung an eine liberale calvinistische Strömung wurden Grotius und sein Patron Johan van Oldenbarnevelt durch Prinz Moritz von Oranien der Häresie für schuldig befunden; in der Folge wurde Grotius zu lebenslanger Haft auf der Festung Loevenstein in Gelderland verurteilt. In der Haft legte er den Grundstein für sein Hauptwerk, De Iure Belli ac Pacis. Nach seiner

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charakteristisch für den völkerrechtlichen Diskurs des 17. und 18. Jahrhunderts.156 Im traditionellen völkerrechtlichen Narrativ ist Hugo Grotius als »Vater des Völkerrechts« apostrophiert worden.157 Dabei bezog sich Grotius, wie mittlerweile oft betont worden ist, sowohl auf antike Vorbilder wie Cicero als auch auf Werke der Spätscholastik und auf den italienischen Rechtsgelehrten Alberico Gentili.158 In diesem Sinne war Hugo Grotius also weniger ein Neuerer als ein konsequenter Systematisierer bereits bestehender Gedanken unter den Vorzeichen des Naturrechts. 159 In Bezug auf das »ius in bellum«, also die Legitimität von verschiedenen Kriegspraktiken, bescheinigen die meisten Autoren Grotius eine konservative, auf frühere Vorbilder bezogene Vorgehensweise, die sich besonders

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Flucht aus der Festung im Jahr 1621 stellte er es 1625 in Paris fertig. Die Forschungsliteratur zu Person und Wirken von Hugo Grotius ist kaum zu überblicken. Vgl. zu den Ausführungen hier grundlegend Peter Haggenmacher, Grotius et la doctrine de la guerre juste, Paris 1983; Peter Haggenmacher, Hugo Grotius (1583–1645), in: Bardo Fassbender, Anne Peters (Hrsg.), The Oxford Handbook of the History of International Law, Oxford 2012, S. 1098–1100; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 168–169; Hathaway, The Internationalists, S. 6–8; 17–30; O’Connell, S. 276–277. 156 Auch neueste Darstellungen wählen Grotius als Repräsentanten des frühneuzeitlichen Völkerrechts, vgl. Hathaway, The Internationalists, S. XIX. Hier wird Grotius als greifbarste Verkörperung einer völkerrechtlichen »Old World Order« angesprochen und von einer Krieg als illegal auffassenden modernen »New World Order« abgegrenzt. 157 Vgl. dafür Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 169. Kritisch dazu beispielsweise Haggenmacher, Grotius, S. 1099. 158 Für die Bezüge zur antiken Rechtstradition vgl. Benjamin Straumann, Hugo Grotius und die Antike. Römisches Recht und römische Ethik im frühneuzeitlichen Naturrecht (Studien zur Geschichte des Völkerrechts 14), Baden-Baden 2007, S. 197–204; auch Kaius Tuori, The Reception of Ancient Legal Thought in Early Modern International Law, in: Bardo Fassbender, Anne Peters (Hrsg.), The Oxford Handbook of the History of International Law, Oxford 2012, S. 1012–1033, hier S. 1020–1022; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 167. 159 Vgl. O’Connell, War and Peace, S. 276–277; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 169; Colm McKeogh, Grotius and the Civilian, in: Erica Charters, Eve Rosenhaft, Hannah Smith (Hrsg.), Civilians and the War in Europe, 1618–1815, Liverpool 2012, S. 36–51, hier S. 39. Oona A. Hathaway und Scott J. Shapiro betonen in ihrer jüngsten Darstellung der Geschichte des internationalen Völkerrechts, dass Grotius’ eigentliche Signifikanz in der Anerkennung von Krieg als legitimes Mittel für die Lösung zwischenstaatlicher Streitfälle bestanden habe. Diese Grundidee habe sich durch seine starke Rezeption durch die Rechtsphilosophie des 17. und 18. Jahrhunderts fortgesetzt. Vgl. Hathaway, The Internationalists, S. 12–17; in diese Richtung gehend auch Christoph Stumpf, Vom Recht des Krieges und des Friedens im klassischen Völkerrecht: Alberico Gentili und Hugo Grotius, in: Ines-Jacqueline Werkner, Klaus Ebeling (Hrsg.), Handbuch Friedensethik, Wiesbaden 2017, S. 291–300, hier S. 297–298.

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auf antike Traditionen und christliche Moral gründete. 160 Für die Identifizierung und Verurteilung illegitimer Gewalt im Krieg ist seinem Denken gar die kriegshegende Kraft abgesprochen worden. 161 Allerdings bemühte sich Grotius mit moralischen Argumenten zumindest um eine Schonung der Zivilbevölkerung im Krieg neben der klassischen scharfen Verurteilung von Gift, Meuchelmord und Vergewaltigungen. Durch das »ius in bellum« sollte der Krieg, wenn er schon notwendig war, in weniger zerstörerische Bahnen gelenkt werden. 162 In ebenjenem Kontext befasst sich Grotius auch mit dem Schädigen des Feindeslandes und der Schonung von naturalen Ressourcen.163 Unter dem Punkt zur »Mässigung in Verwüstung oder Verheerung des Feindes Landes«164 stellt Grotius zunächst fest, dass es im Krieg nicht unbedingt unrecht sei, »des andern Land oder Gut verheeren und verderben« zu wollen, falls es eine besondere »Noth« erfordere.165 Dabei zitiert er den antiken Autor Onasander: »Ein Feldherr wird sich erinnern, des Feindes Land zu verheeren, zu sengen und zu brennen, und solches zu verwüsten; weilen, wenn es dem Feinde an LandesFrüchten und Geld gebricht, der Krieg dadurch um so viel mehr abnimmt und geschwächet wird […].«166

Gezielte Verwüstungen auch der naturalen Umwelt, die die Fähigkeit des Gegners zur Fortführung der Feindseligkeiten einschränken, seien laut Grotius also legitim. Er folgert: »So ist derohalben diejenige Verheer- und Verwüstung zu gestatten, welche den Feind in kurzem zwingen kann, den Frieden zu suchen.« 167

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160 Vgl. Hathaway, The Internationalists, S. 71–73; Heinz Duchhardt, From Peace of Westphalia to the Congress of Vienna, in: Bardo Fassbender, Anne Peters (Hrsg.), The Oxford Handbook of the History of International Law, Oxford 2012, S. 628–653, hier S. 638– 639. 161 Vgl. zu dieser scharfen Einschätzung Gerald I. Draper, Grotius’ place in the development of legal ideas about war, in: Michael A. Meyder (Hrsg.), Reflections on law and armed conflicts. The selected works on the laws of war by the late professor colonel G. I. A. D. Draper, OBE, Den Haag 1998, S. 177–207. 162 Vgl. Hathaway, The Internationalists, S. 71–73; McKeogh, Grotius, S. 40–41; S. 49–51. 163 Vgl. dazu auch den Bezug auf Grotius bei Stone, The Environment, hier S. 16–18. 164 Grotius, Drey Bücher von Kriegs- und Friedens-Rechten, S. 168. 165 Ebd. 166 Ebd. 167 Ebd., S. 169.

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Doch ist diese Aussage in einen Kontext eingebettet, der bestimmte Verwüstungen untersagt. Grotius schreibt zuvor recht deutlich, dass es bei diesen Aktionen immer einen militärischen Nutzen geben müsse: »Wofern wir nicht durch einigen daraus zu erlangenden Nutzen dazu bewogen werden / so ist es närrisch und eine Thorheit / daß man einem andern Schaden zufüget / bloß allein um Schaden zuzufügen.« 168 Grotius kritisiert, dass diese »Thorheit« öfter geschehe als die rational abgewogene Entscheidung zur Verwüstung: »Solche Verheerungen« würden viel eher »aus Zorn und Verbitterung / oder auch aus Begierde zur Beute / als aus einer vernünfftigen Ursache«169 heraus stattfinden. Signifikant für die Schonung von Land und für eine Hegung kriegerischer Gewalt ist die folgende Passage, in der Grotius die Gründe anführt, aufgrund derer von einer Verwüstung abzuraten sei. So sei es zunächst entscheidend, wer die Kontrolle über das jeweilige Land habe. Liege der Fall so, dass »wir selbsten des Feindes Land und Güter also inne haben und besitzen / daß er die Früchte und Nutzen davon nicht haben kann«,170 so sei eine Verwüstung dieser Güter prinzipiell nutzlos. In der darauffolgenden Passage, in der er sich auf den jüdischen Philosophen Philo von Alexandria beruft, formuliert Grotius explizit den Schutz naturaler Entitäten, vor allem fruchtbarer Bäume und Äcker: »Und hierher gehöret eigentlich das Göttliche Gesetz / welches gebeut / daß man zur Aufführung der Bollwercke und Schanzen / in Belagerung der Städte / bloß allein wilde Bäume nehmen und brauchen / die fruchtbare Bäume aber beybehalten solle / daß die Menschen davon essen können; mit hinzugefügter folgender Ursache: Weilen die Bäume nicht wie die Menschen sich wider uns aufflehnen / und in Schlachten wider uns streitten können. Welches Philo aus Gleichförmigkeit der Ursache auch auf die fruchtbare Aecker ziehet / dem bemeldten Gesetze folgende Worte andichtend: Was willst du dich über leblose Dinge erzürnen / welche von Natur mild sind / und auch milde Früchte tragen? […] Ja / sie sind im Gegentheil denen Uberwindern vielmehr nützlich / und geben ihnen reichlich […]. Nicht allein die Menschen tragen Schatzung / sondern auch die Bäume / und noch viel bessere / alle Jahr zu ihren gewissen Zeiten / und zwar solche / ohne welche man nicht leben kann.«171

—————— 168 Ebd. 169 Ebd., S. 170. 170 Ebd. 171 Ebd., S. 171. Vgl. dazu auch das fünfte Buch Mose 20, 19, vgl. Radkau, Natur und Macht, S. 73.

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Als weiteres Argument neben der unmittelbaren Nützlichkeit der Bäume argumentiert Grotius außerdem unter Rückgriff auf Alexander den Großen, dass es unklug sei, ein Land zu verwüsten, welches man ohnehin erobern wolle, da man »hernach das Land / worauf man Fuß gefasst / sammt dessen Früchten und Abnutzung künfftig zur Belohnung haben«172 werde. Außerdem spricht er sich dafür aus, auch dann von einer Verwüstung von Land abzusehen, wenn klar sei, dass der Feind seine Versorgung ohnehin aus anderen Ländern beziehe, sodass eine Landesverwüstung seine Logistik ohnehin nicht schädigen würde.173 Damit gleicht seine Argumentation den Beobachtungen, die er zum Schutz der Zivilbevölkerung macht: Während er grundsätzlich die Schädigung feindlicher Untertanen und feindlich kontrollierter Ressourcen als im Krieg möglich anerkennt, führt er diverse moralische und »vernünftige« Gründe dagegen an. 174 Grotius argumentiert noch mit dem expliziten Bezug auf antike Autoritäten, wenn er zugleich den größeren möglichen Nutzen eroberter Natur für den Eroberer herausstellt; wieder spielt die Kontrolle des Feindeslandes dabei eine entscheidende Rolle, denn das Vernichten bereits kontrollierten Territoriums gilt Grotius als unnütz und daher als illegitim. Damit ist in der völkerrechtlichen Betrachtung der Schädigung von Natur militärische Gewalt explizit mit dem zu erwartenden Nutzen verbunden. Ähnlich wie in der Militärtheorie ist der Nutzen der Schädigung naturaler Elemente das entscheidende Argument, mit dem sich auch eine Schonung von Natur artikulieren lässt. Während Hugo Grotius im traditionellen rechtshistorischen Narrativ die Grundlagen der Naturrechtslehre und des Völkerrechts formulierte, war der prägendste Autor des 18. Jahrhunderts der Schweizer Rechtsphilosoph Emer de Vattel.175 Den meisten Darstellungen zur Geschichte des internationalen Völkerrechts gilt er als wirkmächtigster Autor des 18. Jahr-

—————— 172 Ebd., S. 173. 173 Ebd., S. 174. 174 Vgl. McKeogh, Grotius, hier S. 50–51. 175 De Vattel wurde am 25. April 1714 im Fürstentum Neuchâtel geboren, studierte Theologie in Basel sowie Philosophie, Natur- und Völkerrecht in Genf. Nach erfolglosen Bemühungen, in den Dienst Friedrichs II. zu treten, wurde er 1747 Gesandter Friedrich Augusts II. von Sachsen. In dieser Funktion hielt sich Vattel hauptsächlich wieder in Neuchâtel auf, wo er genügend Zeit fand, seiner literarischen Tätigkeit nachzugehen. Bereits 1767 verstarb er ebendort. Vgl. Ziegler, Emer de Vattel, S. 328–329; Christoph Good, Emer de Vattel (1714–1767) – Naturrechtliche Ansätze einer Menschenrechtsidee und des humanitären Völkerrechts im Zeitalter der Aufklärung, Zürich; St. Gallen 2011, S. 11–16.

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hunderts und als zentraler Rechtsgelehrter der europäischen Aufklärung. 176 Das von Grotius entwickelte System des Natur- und Völkerrechts war zuvor neben Samuel von Pufendorf vor allem durch den Naturrechtsphilosophen Christian Wolff in Ius Gentium Methodo Scientifica Pertractatum 177 behandelt worden.178 Dieser war Emer de Vattels Vorbild in seiner Befassung mit dem Stand des europäischen Völkerrechts des 18. Jahrhunderts. In seinem rechtsphilosophischen Hauptwerk Le Droit des Gens ou Principes de la Loi Naturelle appliqués à la conduite et aux affaires des nations et des souverains aus dem Jahr 1758 schuf Vattel eine auf die rechtliche Praxis zwischen Souveränen ausgelegte Zusammenfassung und Systematisierung des europäischen Völkerrechts. Recht sieht er vor allem als Werkzeug zur Interaktion zwischen Staaten an. 179 Auch in der Militärtheorie war das Werk bekannt: So empfiehlt Ferdinand Friedrich Nicolai in seinem Grundriss zur Bildung des Officiers 1775 die »Durchwanderung des Natur- und Völkerrechts« anhand Vattels Werk.180 Bemerkenswerterweise spielt bei Vattel die Kultivierung der Natur immer wieder eine Schlüsselrolle, wodurch die Kategorie des »Natürlichen« und der Bezug auf »Natur« eine Aufwertung erfährt. 181 Nach Vattel sei die Kultivierung der Natur in Form von Ackerbau eine »Verpflichtung, dem Menschen durch die Natur auferlegt«.182 Dieser naturrechtliche Imperativ

——————

176 Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 199; Karl-Heinz Ziegler, Emer de Vattel und die Entwicklung des Völkerrechts im 18. Jahrhundert, in: Markus Kremer, Hans-Richard Reuter (Hrsg.), Macht und Moral – Politisches Denken im 17. und 18. Jahrhundert (Theologie und Frieden 31), Stuttgart 2007, S. 321–341, hier S. 321; Francis Stephen Ruddy, International Law in the Enlightenment. The Background of Emmerich de Vattel’s Le Droit des Gens, New York 1975, S. 217f. Durch die Abänderung und Vervollständigung des von Christian Wolff angedachten Systems des Natur- und Völkerrechts habe dieses nach Karl-Heinz Ziegler in Vattel den »absoluten Höhepunkt erreicht«. Andere Autoren rechnen Vattel bereits der aufkommenden Strömung des Völkerrechtspositivismus zu. 177 Vgl. Ziegler, Emer de Vattel, S. 326. 178 Vgl. Knut Haakonssen, Samuel Pufendorf (1632–1694), in: Bardo Fassbender, Anne Peters (Hrsg.), The Oxford Handbook of the History of International Law, Oxford 2012, S. 1098–1105; Ziegler, Emer de Vattel, S. 327; Ruddy, International Law, S. 35–38; Emmanuelle Jouannet, Emer de Vattel (1714–1767), in: Bardo Fassbender, Anne Peters (Hrsg.), The Oxford Handbook of the History of International Law, Oxford 2012, S. 1118– 1123, hier S. 1118–1119. 179 Vgl. Ziegler, Emer de Vattel, S. 331–332. 180 Vgl. Nicolai, Versuch, S. 147. 181 Emer de Vattel, Le Droit des Gens ou Principes de la Loi Naturelle, Bd. 1, London 1758, S. 76. 182 Ebd.

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gehe nach Vattel sogar so weit, dass Völker wie die alten Germanen oder die Tartaren, die ihr fruchtbares Land nicht bebauen, »es verdienen, ausgelöscht zu werden, wie wilde und schädliche Tiere.«183 Vattels Darstellung zum »ius in bello« gilt als eine besonders detaillierte Darstellung der für das 18. Jahrhundert diskutierten Normen des Kriegsvölkerrechts.184 In diesem Kontext wird er immer wieder als Vertreter einer zvilisierteren und humaneren Kriegführung dargestellt, die das »Zeitalter der Aufklärung« geprägt habe.185 Doch wie dieser Bezug auf die Dichotomie »zivilisiert – barbarisch« bereits zeigt, kannten auch diese Normen gewisse Grenzen. In seinem Kapitel zum »Recht des Krieges in Bezug auf die Dinge, die den Feind betreffen«186 schreibt Vattel auch in einem direkten Zusammenhang über Kontributionen sowie die »Verwüstung« von Land. Kontributionen stellt Vattel gegenüber Plünderungen als »zugleich menschlicher und vorteilhafter für den Souverän«187 dar: Das Land werde durch diese Maßnahme eher »erhalten«. Damit bezieht sich Vattel letztlich auf dieselben Argumente, die bereits von Folard oder Santa Cruz vorgebracht wurden. Bezüglich der Verwüstungen argumentiert Vattel ähnlich wie Grotius, erweitert aber seine Ausführungen. Zunächst stellt er unter dem Punkt »Von der Verwüstung« fest, dass diese aus denselben militärischen Gründen erlaubt sei wie das Entziehen von Gütern, um einen Feind zu schwächen.188 Während diese Form der Verwüstung nach Vattel legitim sei, müsse das Verwüsten von Land aber in einem engen Rahmen geschehen, »mit Mäßigung und dem Bedarf folgend«.189 Besonders das Schädigen spezifischer naturaler Elemente sei davon ausgenommen: »Diejenigen, die Weinpflanzen ausreißen und fruchttragende Bäume abschlagen, wenn es nicht geschieht, um einen Verstoß gegen das Völkerrecht durch einen Feind zu bestrafen, werden als Barbaren angesehen; sie verwüsten ein Land für viele Jahre, und darüber hinaus das, was ihre eigene Sicherheit verlangt. Ein solches Vorgehen ist weniger bestimmt durch die Klugheit, als durch Hass und Raserei.«190

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183 Ebd., S. 78. 184 Vgl. Ziegler, Emer de Vattel, S. 338; Good, Emer de Vattel, S. 78. 185 Vgl. Hathaway, The Internationalists, S. 76–77; Ziegler, Emer de Vattel, S. 321. 186 Vattel, Le Droit des Gens, Bd. 2, S. 133. 187 Ebd., S. 134. 188 »[…] que l’on fait le dégât dans un pays, qu’on y détruit les vivres & les fourages, afin que l’ennemi n’y puisse subsister«. Ebd. 189 »avec moderation, & suivant le besoin«, ebd. 190 »Ceux qui arrachent les vignes & coupent les arbres fruitiers, si ce n’est pour punir l’Ennemi de quelque attentat contre le Droit des Gens, sont regardés comme des bar-

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Vattel verurteilt hier ähnlich wie Grotius, jedoch pointierter, die Schädigung von bestimmten Elementen der Natur als »barbarisch«: Fruchttragende Bäume und Weinstöcke werden mit dem Argument unter Schutz gestellt, dass diese viele Jahre bräuchten, um sich von Schäden zu erholen – ein so angerichteter Schaden übersteige damit auch nach Vattel die Verwüstungen, die aus militärischer Rationalität geschähen. Damit ist die Regenerationsfähigkeit naturaler Elemente für Vattel entscheidend für die Einschätzung der Schwere eines Kriegsschadens. Für eine extreme Art des Krieges, die auch das Verwüsten des Landes einschließt, gebe es zwei Gründe, die ein solches Vorgehen nach Vattel dennoch völkerrechtlich legitim erscheinen lassen: Erstens »die Notwendigkeit, eine ungerechte und wilde Nation zu züchtigen.« 191 Damit legitimiert Vattel, ähnlich wie es bereits in der Lehre des gerechten Krieges angelegt ist, extreme Gewalt gegen Nicht-Christen und nichtstaatliche Akteure. Zweitens aber schreibt Vattel hier von ebenjener militärischen Rationalität, die bereits in vielen militärtheoretischen Werken in Bezug auf das Verwüsten von Land angesprochen wurde: »Man verwüstet ein Land, oder macht es unbewohnbar, um sich eine Barriere zu schaffen, um seine Grenze gegen den Feind zu bedecken […].«192 Damit wurde diesem militärischen Vorgehen auch im Völkerrecht Legitimität zugesprochen, auch wenn es sich um ein »hartes« Mittel handele.193 Letztlich ist aber auch für Vattel das Anwenden der Maßnahme einer Landesverwüstung an die Begleitumstände und die zu erwartende Nützlichkeit gebunden. Mit deutlichen Worten grenzt er sich gegen Zerstörungen ohne Not und Nutzen ab und argumentiert mit der Verantwortung des Fürsten gegen seine Untertanen.194 Überraschenderweise zieht er als Beispiel für eine solche unrechtmäßige Kriegführung wieder die Zerstörung der Pfalz durch die französi-

—————— bares; Ils désolent un pays pour bien des années, & au-delà de ce qu’exige leur propre sûreté. Une pareille conduite est moins dictée par la prudence, que par la haine & la fureur.« Ebd., S. 137–138. 191 »La nécessité de châtier une Nation injuste & féroce«, ebd. 192 »On ravage un pays, on le rend inhabitable, pour s’en faire une barrière, pour couvrir sa frontière contre un Ennemi […].« Ebd. 193 »Le moyen est dur, il est vrai; mais pourquoi n’en pourroit-on user aux dépens de l’Ennemi, puisqu’on se détermine bien, dans les mêmes vues, à ruiner ses propres Provinces?«, ebd. 194 »Un Prince qui, sans nécessité, [sein eigenes Land verwüstet, J. B.], seroit coupable envers son peuple: Celui qui en fait autant en pays ennemi, quand rien ne l’y oblige, ou sur de foibles raisons, se rend le fléau de l’humanité.« Ebd., S. 139.

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sche Armee 1689 als Beispiel heran und kritisiert diese Aktion Louvois’ scharf als unrechtmäßig und unnütz: »Die Franzosen verwüsteten und verbrannten die Pfalz, im vergangenen Jahrhundert. Es erhob sich ein allgemeiner Aufschrei gegen diese Art, Krieg zu führen. Umsonst rechtfertigte sich der Hof mit der Absicht, seine Grenzen zu bedecken. Die geplünderte Pfalz tat dafür wenig: Man sah nichts außer die Rache und die Grausamkeit eines harten und hasserfüllten Ministers.«195

Der Pfälzische Erbfolgekrieg war also auch im Völkerrecht des 18. Jahrhunderts noch ein Bezugspunkt, wenn es um die »Verwüstung« eines Landes ging. Gewalt gegen die naturale Umwelt bleibt aber auch bei Vattel an den militärischen Nutzen gebunden. Allerdings zeigt sein kritischer Bezug zum Pfälzischen Erbfolgekrieg, dass sich für ihn die Legitimität eines solchen Vorgehens in engen Bahnen bewegt: In scharfer Abgrenzung zur damaligen Kriegspraxis spricht Vattel der Aktion prinzipiell ihre völkerrechtliche Legitimität ab. Unnütze Landesverwüstungen gelten ihm als Zeichen einer »barbarischen« Kriegsgewalt, besonders, wenn anfällige Elemente wie Bäume zum Ziel militärischer Gewalt werden. Vattels steter Bezug auf Kategorien wie »zivilisiert« und »barbarisch« zeigt allerdings auch eine grundsätzliche Ausnahme in der Verurteilung extremer Kriegsgewalt: diese ist für ihn dann gestattet, wenn sie bereits von einem »barbarischen« Feind angewendet werde. Gegen einen solchen Feind ist auch das restlose Vernichten der naturalen Umwelt gestattet. In den Passagen beider Autoren äußert sich eine nutzenfokussierte Sichtweise auf Kriegsgewalt und damit auch auf die Zerstörung von Natur: Es ist passend, dass nur »fruchtbare«, also durch den Menschen nutzbare Bäume eine Schonung verdienen, während »nutzloser« Zorn und ungeregelte Plünderungen zu verurteilen seien. Hier kristallisierte sich symptomatisch die Problematik kriegerischer Gewalt im Spannungsfeld von Legitimität und der »Raison de Guerre« heraus, die sich genau wie in den militärtheoretischen Traktaten am Argumentieren mit der »Nützlichkeit« zeigte: Der Fokus auf »Nützlichkeit« lieferte sowohl den Begründungszusammenhang für militärischer Gewalt gegen die naturale Umwelt als auch Ansatzpunkte für ihre Verurteilung. Diese Spannung lässt sich noch in der Kodifizierung der Einschränkung militärischer Gewalt in der Haager

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195 »Les François ravagèrent & brûlèrent le Palatinat, dans le siècle passé. Il s’éleva un cri universel, contre cette manière de faire la guerre. En vain la Cour s’autorisa du dessein de metre à couvert ses frontières. Le Palatinat saccagé faisoit peu à cette fin: On n’y vit que la vengeance & la cruauté d’un Ministre dur & hautain.« Ebd.

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Landkriegsordnung von 1899 beobachten, in der ein spezifischer Verweis auf naturale Elemente in der Kriegführung bemerkenswerterweise fehlt: Nur die »Zerstörung oder Wegnahme« feindlichen Eigentums sei Unrecht, es sei denn, die »Gebote des Krieges« würden es notwendig machen. 196

5.3.2 Disziplin und Eigennutz. Die Natur im Militärrecht Neben dieser völkerrechtlichen Seite des Wissensbereiches ist auch der innermilitärische Bereich des Militärrechts und der militärischen Disziplin für eine Schonung von Umwelt von Interesse. Mehrere bereits genannte Autoren beziehen sich auf den Schutz von bestimmten Elementen sozionaturaler Schauplätze in Ordonnanzen, Artikelbriefen und Reglements. In diesen zeigt sich bereits am Ende des 17. Jahrhunderts eine weite Verbreitung von Vorschriften zur Rücksichtnahme auf die kultivierte Natur. In seinem Kurtzen Entwurf des Kriegs-Rechts definiert der Jurist Johann Stephan Dancko 1725 das Kriegsrecht aus in ein »Jus militare […] publicum und privatum«,197 eine Definition, die das Zedlersche Universallexikon in dieser Form übernahm. Während das »öffentliche« Kriegsrecht in dieser Definition vor allem das »allgemeine Völcker-Recht« umfasse, bestehe das »private« Kriegsrecht »aus denen Gesetzen, welche ein Fürst seinen Soldaten vorschreibet«.198 Damit ist die relative Autonomie des militärischen Rechtsraumes bereits angesprochen, die als Merkmal den sozialen Sonderstatus Militärangehöriger in der ständischen Gesellschaft

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196 Vgl. Die Haager Landkriegsordnung nebst Anlagen und Ergänzungen, Bremen 2010, S. 9, Artikel 23: Verbot von vergifteten Waffen, »meuchlerische Tödtung« und von sich ergebenden Feinden. 197 Johann Stephan Dancko, Kurtzer Entwurf des Kriegs-Rechts, Wie solches vornehmlich in denen Königlichen Preußischen und Churfürstl. Brandenburgischen Land-Tags-Abschieden, Kriegs-Articulen, Ordonnanzien, Reglementen, Edicten &c. enthalten, Frankfurt a. O. 1725, S. 1; vgl. von dieser Definition ebenfalls ausgehend Diethelm Klippel in seiner Begriffsdefinition, Diethelm Klippel, Kriegsrechtsgelehrsamkeit. Die Literatur des Militärrechts im Deutschland des 18. Jahrhunderts, in: Jutta Nowosadtko, Diethelm Klippel, Kai Lohsträter (Hrsg.), Militär und Recht vom 16. bis 19. Jahrhundert. Gelehrter Diskurs – Praxis – Transformationen (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Bd. 19), Göttingen 2016, S. 29– 46, hier S. 32–35. Eine Definition, die das Zedlersche Universallexikon in dieser Form übernahm, vgl. Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 15, Halle; Leipzig 1737, Sp. 1934–1939, hier Sp. 1934. 198 Vgl. Klippel, Kriegsrechtsgelehrsamkeit, S. 33–34.

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besonders akzentuierte. 199 Die sogenannten Artikelbriefe stammten aus der Zeit der Anwerbung von Landsknechtsverbänden im 16. Jahrhundert. Als Vertragsurkunde zwischen Kriegsdienstleister und Kriegsherr legten diese besondere Rechte und Pflichten beider Parteien fest. 200 Eine gewisse Standardisierung erfuhren diese Rechtsdokumente bereits ab der Mitte des 16. Jahrhunderts, da sie oft vorformuliert in aufkommenden militärischen Handbüchern abgedruckt wurden.201 Auf dem Speyerer Reichstag 1570 erfolgte erstmals der umfassende Versuch einer Vereinheitlichung von verschiedenen im Reich existierenden Artikelbriefen zu einer allgemeinen Kriegsordnung für Reichstruppen; zugleich markierte dies den Prozess der »Verherrschaftlichung«202 des Militärwesens auch in militärrechtlicher Hin-

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199 Vgl. Jutta Nowosadtko, Militärjustiz in der Frühen Neuzeit. Anmerkungen zu einem vernachlässigten Feld der historischen Kriminalitätsforschung, in: Unrecht und Recht. Kriminalität und Gesellschaft im Wandel von 1500–2000. Gemeinsame Landesausstellung der rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive (Veröffentlichung der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz, Bd. 98), Koblenz 2002, S. 638–651, hier S. 644. Zu Militärjustiz vgl. exemplarisch Jutta Nowosadtko, Vom Kriegsprozess in bürgerlichen und peinlichen Sachen. Die Militärjustiz des Fürstbistums Münster im 18. Jahrhundert, in: Harriet Rudolph, Helga Schnabel-Schüle (Hrsg.), Justiz – Justice – Justicia? Rahmenbedingungen von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa (Trierer Historische Forschungen 48), Trier 2003, S. 491–514, sowie die Einführung von Kai Lohsträter, Militär und Recht vom 16. bis 19. Jahrhundert: Ergebnisse und Perspektiven, in: Jutta Nowosadtko, Diethelm Klippel, Kai Lohsträter (Hrsg.), Militär und Recht vom 16. bis 19. Jahrhundert. Gelehrter Diskurs – Praxis – Transformationen (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Bd. 19), Göttingen 2016, S. 9–27. Auf die durch die gesonderte militärische Rechtsprechung problematische Interaktion mit der Zivilbevölkerung ist wiederholt hingewiesen worden, vgl. exemplarisch Maren Lorenz, Das Rad der Gewalt. Militär und Zivilbevölkerung in Norddeutschland nach dem Dreißigjährigen Krieg (1650–1700), Köln; Weimar; Wien 2007, S. 99f.; zu Militärrecht als Quelle für eine Gewaltgeschichte des Militärs vgl. Janine Rischke, »Mit dem bloßen Pallasch ihn etliche mal über den Kopff geschlagen.« Gewalttätigkeiten von Soldaten in den Gerichtsakten des preußischen Militärs im 18. Jahrhundert, in: Christian Th. Müller, Matthias Rogg (Hrsg.), Das ist Militärgeschichte! Probleme – Projekte – Perspektiven, Paderborn u. a. 2013, S. 292–311. 200 Zu den mittelalterlichen Vorläufern und Wurzeln der Artikelbriefe vgl. Hans-Michael Möller, Das Regiment der Landsknechte. Untersuchungen zu Verfassung, Recht und Selbstverständnis in deutschen Söldnerheeren des 16. Jahrhunderts (Frankfurter Historische Abhandlungen, Bd. 12), Wiesbaden 1976, S. 32–34; zu Befehl und Gehorsam in Artikelbriefen vgl. Jan Willem Huntebrinker, »Fromme Knechte« und »Garteteufel«. Söldner als soziale Gruppe im 16. und 17. Jahrhundert (Konflikte und Kultur – historische Perspektiven 22), Konstanz 2010, S. 204–208; Peter Burschel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts. Sozialgeschichtliche Studien (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 113), Göttingen 1994, S. 129. 201 Vgl. Möller, Das Regiment, S. 36. 202 Für diese Formulierung vgl. Nowosadtko, Militärjustiz, S. 644.

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sicht. Alte Freiheiten der Landsknechtsverbände wurden im Laufe der Zeit vermehrt durch Reglements ersetzt, die den Charakter einer einseitigen Dienstvorschrift trugen. Damit einher ging bis in das 17. Jahrhundert die schrittweise Beseitigung der Mitspracherechte von Gemeinen oder Unteroffizieren in Strafsachen sowie die umfangreiche Vermehrung von strafbewehrten Verhaltensweisen.203 Im Jahr 1672 verabschiedete der Reichstag erneut Kriegsartikel, die um verschiedene Delikte erweitert waren und als Grundlage des Militärrechts auch im 18. Jahrhundert innerhalb der Reichskreise und verschiedener Territorien galten.204 Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die regional unterschiedlichen Kriegsartikel in Sammelwerken zusammengefasst, die neben deutschen zumeist auch holländische, französische oder schwedische Regelungen enthielten. Beispielsweise erschien 1657 ein Sammelwerk dieser Art von dem Frankfurter Buchhändler Christian Hermsdorff. 205 Seit 1693 erschien ein von dem Frankfurter Buchhändler Johann Völcker herausgegebenes militärrechtliches Kompendium, welches es bis 1709 auf fünf Auflagen brachte und neben dem kaiserlichen Kriegsrecht auch französische, schwedische, polnische, schweizerische und holländische Vorschriften enthielt. 206 Das bekannteste Werk dieser Art wurde durch den sächsischen Reichspublizisten Johann Christian Lünig im Jahr 1723 herausgegeben.207 Durch die Zusammenstellung unterschiedlicher Vorschriften sollte eine Vergleichsmöglichkeit für die Rechtsprechung von Auditoren gewährleistet werden. 208 Die Tatsache, dass die Corpus Iuris Militaris-Zusammenstellungen nicht nur überregional, sondern auch überzeitlich zusammengesetzt waren und neben aktuellen auch frühere Kriegsartikel enthielten, macht es möglich, bestimmte Regelungen und Einzelartikel zum Teil bis in das 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen, auch wenn mit Kürzungen zu rechnen ist und die Zusammenstellung der Verordnungen bestenfalls selektiv erfolgte.

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203 Burschel, Söldner, S. 138; allgemein dazu S. 129–145; vgl. zu dieser Argumentation auch Nowosadtko, Militärjustiz, S. 645. 204 Nowosadtko, Militärjustiz, S. 645; Peter H. Wilson, Early Modern German Military Justice, in: Davide Maffi (Hrsg.), Tra Marte e Astrea. Guistizia e giurisdizione militare nell’Europa della prima età moderna (secc. XVI-XVIII), Mailand 2012, S. 43–85, hier S. 53– 54. 205 Christian Hermsdorff (Hrsg.), Corpus Juris Militaris, Frankfurt a. M. 1657. 206 Johann Völcker (Hrsg.), Corpus Juris Militaris auctum et emendatum, Frankfurt a. M. 1709. 207 Johann Christian Lünig (Hrsg.), Corpus Juris Militaris des Heil. Röm Reichs, Leipzig 1723. 208 Dazu Nowosadtko, Militärjustiz, S. 645.

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Dabei zeigen Artikelbrief und Reiterbestallung des Kaisers Maximilian II. aus dem Jahr 1570 eine mittlerweile schon bekannte Formulierung. Unter Artikel 53 der »Artikel auf die teutschen Knechte« und in Artikel 69 der kaiserlichen Reiterbestallung heißt es: »Item / es sol auch keiner keinen Pflug berauben / noch Mühlen / Backöfen / und was zu gemeiner Nothdurfft dienlich / es sey bey Freunden oder Feinden / ohne Erlaubnis beschädigen und zerbrechen / noch kein Wein / Korn / oder Mehl muthwilliger Weise auslauffen lassen / verderben und zu Schanden bringen / bey Leibes-Straffe.« 209

Dieser Artikel des »Mühlenfriedens«,210 der in den Kriegsartikeln Kaiser Maximilians I. aus dem Jahr 1508 noch nicht enthalten war, 211 deckt sich nahezu wortgleich mit der Mahnung zur Schonung ländlicher Infrastruktur, wie sie Hans Friedrich von Fleming in seinem Vollkommenen Teutschen Soldaten 1726 äußert. 212 Die mehr oder weniger ähnliche Wiederholung dieser Passage durch andere militärtheoretische Autoren213 geht auf die Bestrafung der Zerstörung von Artefakten und naturalen Elementen der »gemeinen Notdurft« aus dem 16. Jahrhundert zurück. Auch andere Kriegsartikel, die Völcker und Lünig in ihre Kompilationen aufnahmen, führen diesen oder ähnliche Schutzparagrafen, was auf die grenz- und zeitüberschreitende Qualität dieser Forderungen hinweist. Ein von Völcker abgedruckter Artikelbrief der Generalstaaten aus dem Jahr 1592 mahnt neben dem Verbot, ohne Bezahlung Nahrungsmittel von der Bevölkerung zu entwenden, auch, »Wasser-Mühlen und Wercke« nicht zu ruinieren.214 Ein schwedischer Artikelbrief von Karl X. Gustav, König von Schweden von 1654 bis 1660, führt unter der Rubrik »Von Brand, Raub und Diebstahl« ebenfalls das Verbot, neben Mühlen auch »Backöfen« sowie »Schmiede / Pflüge / oder andere Bauren-Geräthschafft«215 zu beschädigen. Ob es sich hierbei um eine Übertragung der Passage aus den

—————— 209 Zum Artikel auf die teutschen Knechte vgl. Völcker, Corpus Juris, S. 12; zur Reiterbestallung vgl. Lünig, Corpus Juris, Bd. 1, S. 64. 210 Vgl. dazu Burschel, Söldner, S. 130; zum Mühlenstrafrecht und zu Mühlen als spezielle Rechtsräume vgl. Richard Horna, Zur Geschichte des Mühlenstrafrechts. Eine Studie aus der mitteleuropäischen rechtlichen Volkskunde, in: Karl S. Bader (Hrsg.), Festschrift Guido Kisch. Rechtshistorische Forschungen, Stuttgart 1955, S. 87–97. 211 Vgl. dazu Völcker, Corpus Juris, S. 1. 212 Fleming, Soldat, S. 266. 213 Vgl. z. B Böckler, Schola Militaris Moderna, S. 322; Beust, Observationes, Bd. 1, S. 25. 214 Völcker, Corpus Juris, S. 216. 215 Ebd., S. 302.

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kaiserlichen Artikelbriefen handelt, lässt sich nur vermuten. Eine von Völcker ebenfalls übertragene Verweisstruktur unter jedem schwedischen Artikel weist aber darauf hin: Hier wurden sowohl die Kriegsartikel Maximilians I. und Maximilians II. als auch dänische, brandenburgische und holländische Artikel zitiert, sowie auf Hugo Grotius’ De Iure Belli ac Pacis verwiesen.216 Der Bezug auf den Schutz der kultivierten Natur im völkerrechtlichen Diskurs wird hier deutlich; innermilitärisches Recht und Völkerrecht waren in diesem Punkt miteinander verbunden.217 Während diese Formulierungen alle auf die Elemente abzielen, die zur Kultivierung der Natur und zur Landwirtschaft notwendig waren, dehnt sich der Schutz vor militärischer Gewalt in den bereits erwähnten kaiserlichen Kriegsartikeln von 1672 zumindest im eigenen Land aus. Unter Artikel 29 führen diese eine Strafe auf, »wann die Officirer den Unterthanen die Häuser, Plancken, Zäune, Wälder, Weiden, Obst- und andere fruchtbare Bäume abbrennen und abbrechen lassen, es wäre dann, daß es unumgängliche Nothdurfft erfoderte.«218 Diesen allgemeinen Artikelbriefen war 1668 ein erneuerter Artikelbrief für kaiserliche Truppen vorausgegangen, an dem sich diese erweiterten Bestimmungen in den Corpus IurisKompilationen zum ersten Mal greifen lassen. Zusammen mit dem Verbot des Brandschatzens im eigenen Land wird in Artikel 17 und 18 die kultivierte Natur unter Schutz gestellt: »Häuser / Plancken / Zäune und fruchtbare Bäume sollen weder abgebrochen noch beschädiget werden: Es wäre dann / daß es die unumgängliche Nothdurfft erforderte […]. Wer muthwillig Aecker / Wiesen / Gärten ruiniret / soll willkürlich gestraffet werden.«219

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216 Ebd. 217 Diese Formulierung war weit verbreitet. Auch in den brandenburgischen Kriegsartikeln, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu großen Teilen aus der wortgetreuen Übernahme der schwedischen Artikelbriefe des Dreißigjährigen Krieges unter Gustav Adolf bestanden, findet sich der besondere Schutz von Mühlen und Geräten der Landwirtschaft, zum Beispiel in den Artikeln aus dem Jahr 1656. Die bei Völcker aus dem Jahr 1673 abgedruckten Kriegsartikel des Kurfürsten von Brandenburg – im Wesentlichen eine Neuauflage von 1656 – enthalten nahezu wortgleich denselben Artikel, und der bei Völcker abgedruckte Artikelbrief Karls XI. von Schweden aus dem Jahr 1682 übernahm ihn ebenfalls aus früheren Versionen. Vgl. dazu Siegfried Pelz, Die preussischen und reichsdeutschen Kriegsartikel. Historische Entwicklung und rechtliche Einordnung, Hamburg 1979, S. 34–35; S. 62; Völcker, Corpus Juris, S. 365. 217 Ebd., S. 64. 218 Lünig, Corpus Juris, Bd. 1, S. 117. 219 Ebd., Bd. 1, S. 102; Völcker, Corpus Juris, S. 121.

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Wieder lassen sich bei näherem Hinsehen diverse Übertragungen dieser explizit auf naturale Umwelt bezugnehmenden Artikel beobachten. In einem Artikelbrief des oberrheinischen Kreises aus dem Jahr 1698, den Lünig abdruckt, wird die Formulierung beispielsweise übernommen und nur durch regional wichtige Bestandteile ergänzt: Hier sollten »Wälder, Weiden, Weinstöcke, Obst- und andere fruchtbare Bäume«220 unter Schutz gestellt werden. In einem dänischen Artikelbrief von Christian V. (reg. 1670 bis 1699) schließlich verbindet sich der alte Schutz von ländlicher Infrastruktur mit der neueren Formulierung von Schutz für naturale Entitäten und einer besonderen Rücksichtnahme auf wirtschaftlich zentrale Strukturen: Mühlen und Backöfen, aber auch Bergwerke, Brunnen, Wagen werden ebenso unter Schutz gestellt wie Obstbäume sowie Korn und Mehl.221 Mit den durch Friedrich Wilhelm I. erlassenen preußischen Kriegsartikeln aus dem Jahr 1713 etablierte sich im 18. Jahrhundert eine neben den kaiserlichen Kriegsartikeln stehende Tradition. In diesen kommen weder der immer wieder aufgelegte Artikel zum Schutz von landwirtschaftlichen Notwendigkeiten vor noch der jüngere und elaboriertere Artikel zur Schonung von Wäldern, Weiden oder Obstbäumen. Stattdessen werden allgemeiner gehaltene Verbote des Plünderns, Stehlens und des Raubens aufgeführt, in denen die oben genannten Vergehen prinzipiell aufgehen konnten.222 Die 1713 erlassenen Kriegsartikel waren die ersten von insgesamt sechs bestätigten oder neu aufgelegten preußischen Fassungen im 18. Jahrhundert bis 1797.223 Auch in der Version aus dem Jahr 1787 fehlen die nach dem ius in bellum interpretierbaren Artikel zum Schutz der kultivierten Umwelt. 224 Dies ist umso auffallender, als dass die Kriegsrechte anderer Reichsterritorien diese Formulierungen bis an das Ende des 18.

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220 Lünig, Corpus Juris, Bd. 1, S. 617. 221 Völcker, Corpus Juris, S. 469. 222 Vgl. die abgedruckten preußischen Kriegsartikel aus dem Jahr 1713 bei Pelz, Kriegsartikel, Anhang. 223 Ebd. 224 Vgl. die abgedruckten preußischen Kriegsartikel aus dem Jahr 1787 bei Pelz, Kriegsartikel, Anhang. Durch die Übernahme der preußischen Kriegsartikel blieb die Abwesenheit dieser Artikel nicht auf Preußen beschränkt: so scheinen beispielsweise die Kriegsartikel Karls I. von Braunschweig-Wolfenbüttel aus dem Jahr 1752 in ihrer Fassung sehr nah an einer preußischen Vorlage zu sein. Auch diese führen keine gesonderten Artikel zur Schonung von kultivierter Natur auf. Vgl. Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel, Serenissimi gnädigst neu approbirte Krieges-Articul für die Unter-Officiers und gemeinen Soldaten, so wol von der Infanterie, als auch von der Cavallerie, Dragoner und Artillerie, Braunschweig 1752.

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Jahrhunderts beibehielten.225 Die Kriegsartikel Karl Theodors von der Pfalz aus dem Jahr 1779, der Zeit kurz nach dem Ende des Bayerischen Erbfolgekrieges, wiederholen in Artikel 25 wieder den Schutz von »Häusern, Plancken, Zäune, Wälder, Weiden, Weinstöck, Obst- und andere fruchtbare Bäume« und banden die Verwüstung dieser ausdrücklich an den Befehl durch die Generalität und eine militärische Notwendigkeit. 226 Dieser Schutz der naturalen Umwelt wurde aufgrund einer militärischen Logik eingefordert: Auch in den Artikelbriefen ist die militärische Nützlichkeit als Argument greifbar. Als Beispiel können die Artikel dienen, die Völcker samt einer Annotation in seiner Sammlung abdruckte. Eine Fassung kurbrandenburgischer Kriegsartikel, die unter Kurfürst Friedrich Wilhelm (reg. 1640-1688) erlassen wurden, wurde durch den brandenburgischen Kriegsrat und Generalauditor Johann Friedrich Schulze kommentiert. Der klassische »Mühlen«-Artikel wird hier mit dem expliziten Verweis auf die reichsweiten Kriegsartikel Kaiser Maximilians II. versehen, zusammen mit der Erklärung, was unter einem »Mordbrenner« zu verstehen sei: »Mordbrenner sind alle die / so boshafftiger / geflissener / und fürsetzlicher Weise / entweder aus Haß / oder ihres Raubes / oder anderer Gottlosigkeit halber in eine Stadt / Dorff oder Läger Feuer anlegen und abbrennen.«227

Damit stellt der Kommentar den Artikel zum Schutz von Pflügen und Mühlen in den Kontext des »Mordbrennens«, einem seit seiner Erwähnung im Sachsenspiegel 1224 kodifizierten Straftatsbestand. 228 Direkt auf den Artikel zur Schonung von Mühlen folgt der Artikel zum expliziten Verbot des »Feuer einwerffens« im Feindesland.229 Die beiden Artikel erscheinen also eng miteinander verbunden, sodass sich der Kommentar für das Verbot eigenmächtiger Brandschatzung auch als Anmerkung für den vorheri-

—————— 225 Zur »Dürftigkeit« der preußischen Kriegsartikel hinsichtlich ihres nach dem Kriegsvölkerrecht interpretierbaren Gehalts vgl. Pelz, Kriegsartikel, S. 126–128. Ob dies allerdings, wie Pelz argumentiert, an dem »Vertrauen in die absolute Disziplin eines scharf reglementierten, staatlich voll integrierten Heeres« gelegen hat, lässt sich nicht belegen. 226 Karl Theodor von der Pfalz, Kurpfälzische Kriegsartikel, München 1779, S. 23. 227 Völcker, Corpus Juris, S. 648. 228 Dabei wurde interessanterweise schon in dieser Zeit auch das Rauben von Pflügen im selben Kontext genannt: »alle mordere unde de den pluch roven oder molen […] unde mordbernere […] de scal men alle radebreken«, vgl. Deutsches Rechtswörterbuch online, http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw-cgi/zeige?term=Mordbrenner&index=lem mata (Abruf am 12.03.2018). 229 Völcker, Corpus Juris, S. 649.

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gen Artikel begreifen lässt: »Die Ursache / warumb kein Soldat vor sich in Feindes Lande Feuer anlegen und brennen solle« bestehe letztlich wieder in der »Contribution« oder »andere nothwendige Subsistenz vor die Armée«, denn: »Dann gleich wie die Conservierung des Feindlichen Landes nicht ohne pressante und sonderliche Raison geschiehet […] also muss auch die devastation desselben von keinem privato vorgenommen […] werden […].« 230

Letztlich zeigt sich also auch in diesem innermilitärischen Diskurs zu legitimer und illegitimer Gewalt ein funktionales Verhältnis zur Schädigung des feindlichen Landes, in dem primär mit Argumenten der militärischen Versorgung und des Eigennutzes operiert wurde. Zuletzt stellt sich bei diesen normativen Quellen die Frage nach der tatsächlichen Auswirkung dieser Disziplinierungsversuche. Die meisten der hier versammelten und stets wiederholten Vorschriften zeugen davon, dass die verurteilten Praktiken im Kriegsalltag wohl an der Tagesordnung waren. Wie auch bei anderen Bereichen der frühneuzeitlichen »guten Policey« wurde dem Ordnungsdrang der Obrigkeit auch im Schoß der durch Gerhard Oestreich postulierten »Sozialdisziplinierung«,231 der Armee, gewisse Grenzen gesetzt. 232 Wie neuere Forschungen dargelegt haben, wurden Vorschriften oftmals schlichtweg ignoriert und bedurften der Kooperation von Amtleuten sowie der Anzeige des Fehlverhaltens, um überhaupt zu greifen. 233 Das beste Beispiel für die Diskrepanz von in Kriegsartikeln publizierten Ordnungsidealen und der Realität ist wohl die Desertion von Soldaten, die trotz der Androhung schwerster Strafen im ganzen 18.

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230 Ebd., S. 696. 231 Vgl. Oestreich, Strukturprobleme. 232 Vgl. auch Peter Burschel, Zur Sozialgeschichte innermilitärischer Disziplinierung im 16. und 17. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 42 (1994), S. 965–981, hier S. 977–981. 233 Vgl. dazu Achim Landwehr, »Normdurchsetzung« in der Frühen Neuzeit? Kritik eines Begriffs, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 48 (2000), H. 2, S. 146–162; Jürgen Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden – ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates?, in: Geschichte und Gesellschaft 23 (1997), S. 647–663. Kritisch dazu vgl. André Hohlenstein, Die Umstände der Normen – die Normen der Umstände. Policeyordnungen im kommunikativen Handeln von Verwaltung und lokaler Gesellschaft im Ancien Régime, in: Karl Härter (Hrsg.), Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft (Ius Commune, Bd. 129), Frankfurt a. M. 2000, S. 1–46.

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Jahrhundert ein Hauptproblem militärischer Organisation war. 234 Allerdings sollte, wie die Forschung zur »Policey« in der Frühen Neuzeit nahegelegt hat, jenseits eines dichotomen Blickes auf Normdurchsetzung oder ihrem Fehlschlag auf die konkreten Auswirkungen dieser Normsetzungen geachtet werden. 235 Für die Einhaltung der geschilderten Artikel zum Schutz naturaler Elemente muss dies noch im Detail untersucht werden. Es erscheint aber denkbar, dass bei der Durchsetzung dieser Artikel wie auch bei anderen Fällen die Zusammenarbeit von geschädigten Zivilisten, ziviler Obrigkeit und den jeweiligen Offizieren und Militärgerichten entscheidend war. So war es beispielsweise von besonderer Bedeutung, dass die Zivilbevölkerung die Artikelbriefe kannte, um darin geschilderte Vergehen anzeigen zu können – etwas, was beispielsweise bei Vergehen wie Gewalt gegen Quartiergeber durchaus vorkam. 236 Ob eine Anzeige auch zu einer Verurteilung nach dem in den Artikelbriefen festgelegten Strafmaß führte, ist fraglich und nicht generell zu beurteilen. Studien zu anderen Vergehen weisen darauf hin, dass gerade die Todesstrafen für Vergehen in der Praxis oft durch ein umfangreiches System der Begnadigung und der Umwandlung in andere Strafformen ersetzt wurde, um die wertvolle Ressource Mensch zu schonen. 237 Schwer wog aber bei der Schädigung der naturalen Umwelt sicher auch eine stets im juristischen Diskurs präsente Ausnahmeregelung: die der Notwendigkeit und der »Raison de Guerre«. Wie beispielsweise der herzoglich Altenburgische Floßaufseher Johann Georg von Hochhausen nach der Schlacht von Rossbach am 21. November 1757 zu berichten wusste, habe die Reichsarmee in seinem Verantwortungsbereich das Holz »gewaltig ravagiret«: So hätten Bataillone unter dem Kommando des Prinzen von Baden-Durlach bei Kösen »frevelhaffte Schäden und Excesse« an den dort gelegenen »Holz-Vorräthe« verübt, in der Meinung, sie gehörten dem Kö-

—————— 234 Vgl. dazu klassisch Michael Sikora, Disziplin und Desertion. Strukturprobleme militärischer Organisation im 18. Jahrhundert (Historische Forschungen 57), Berlin 1996. 235 Vgl. dazu Achim Landwehr, Policey vor Ort. Die Implementation von Policeyordnungen in die ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Karl Härter (Hrsg.), Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft (Ius Commune, Bd. 129), Frankfurt a. M. 2000, S. 47–70, hier S. 48–50. 236 Vgl. Lorenz, Das Rad, S. 129. 237 Wilson, Early Modern German Military Justice, S. 72; Christopher Storrs, Military Justice in Early Modern Europe, in: Davide Maffi (Hrsg.), Tra Marte e Astrea. Guistizia e giurisdizione militare nell’Europa della prima età moderna (secc. XVI-XVIII), Mailand 2012, S. 11–41, hier S. 21–24.

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nig von Preußen. Von Hochhausen resignierte: Obwohl man »deswegen wiederholte reprasentation geschehen« lassen habe, habe der Prinz von Baden-Durlach letztlich »raison de guerre vorgeschüzet«.238

5.4 Perspektivwechsel. Der »Landmann im Kriege« – Kriegsfolgen im Spiegel agrarischer Schriften Kriegsschäden an der naturalen Umwelt wurden nicht nur im militärtheoretischen Wissen und in rechtlichen Diskursen thematisiert. Ihre ökonomischen Auswirkungen wurden ab einem bestimmten Punkt auch im verschriftlichen Wissen über Landwirtschaft aufgegriffen. In der Folge soll daher ein Perspektivwechsel unternommen werden, um die außermilitärische Sicht der durch Landesverwüstungen und andere Kriegshandlungen geschädigten Akteure einzunehmen. Abschließend wird in diesem Kapitel gefragt, ob und ab wann Krieg im agrarischen Wissen als Problem der Bewirtschaftung kultivierter Natur aufgefasst wurde, wie sein Zerstörungspotenzial in diesen Schriften eingeschätzt wurde und welche Strategien zur Verfügung standen, um dem Krieg zu begegnen. Dabei werden vor allem zwei Textarten untersucht: die Gattung der Hausväterliteratur sowie die gedruckten Texte der sich herausbildenden ökonomischen Aufklärung und der Agrarreformer. Über die Betrachtung agrarischer und ökonomischer Diskurse ist es möglich, anhand der Problematisierung durch Zeitgenossen den Umfang von Kriegsschäden besser einzuschätzen. Victor David Hanson führt am Beispiel der Verwüstung von Attika im Peloponnesischen Krieg an, dass die Äußerungen antiker Autoren zum »Verwüsten« eines Landes nicht immer wörtlich genommen werden sollten.239 Das Verwüsten von Land, so seine Argumentation, war für präindustrielle Armeen vor allem harte Arbeit und erforderte umfangreiche Anstrengungen.240 Damit weist Hanson sicher zu Recht darauf hin, dass die praktische Ausführung einer Landesverwüstung schwierig war, wenn sie nicht nur im Abbrennen von Behausungen bestand. Mit seiner Ein-

—————— 238 Thüringer Hauptstaatsarchiv Weimar, B 12161. Online abrufbar unter http://www.badkoesen-geschichte.de/index.php/aufsaetze/die-schlacht-bei-rossbachund-die-folgen-bei-der-commun-floesse.html (Abruf am 20.03.2018). 239 Hanson, Warfare, S. 172–174. 240 Ebd., S. 174.

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schränkung auf präindustrielle Gesellschaften kommt Hanson letztlich zu einer Einschätzung, die in der umwelthistorischen Erforschung von Kriegsfolgen geteilt wird: Das Potenzial moderner Streitkräfte zur (gezielten) Schädigung der naturalen Umwelt ist aufgrund ihrer umfassenden Technisierung ungleich größer als das vormoderner Armeen. Besonders für Atomwaffen, aber auch chemische Kampfstoffe und die chemischen Abfallprodukte einer hochtechnisierten Kriegführung ist dies immer wieder diskutiert und analysiert worden.241 Dennoch erscheint die zugespitzte Feststellung, dass vormoderne Gesellschaften schlichtweg zu schlecht ausgerüstet gewesen seien, um tatsächlichen Schaden an naturalen Umwelten anzurichten, zu kurz gegriffen. Was ein »Schaden« überhaupt ist, hängt in historischer Perspektive vor allem von der Einschätzung der Zeitgenossen ab. Kriegsfolgen können oft nur relativ zum Blickwinkel der Betroffenen untersucht werden, der an spezifische Umweltdiskurse gekoppelt war. Wie in der Militärtheorie bereits angeklungen ist, galt beispielsweise die »Verwilderung« vormals kultivierter Natur als schwerwiegender Kriegsschaden. In historischer Perspektive ist zumeist nur eine Thematisierung von kultivierter, durch den Menschen genutzter Natur möglich, da diese ihren Niederschlag in den Quellen fand. Es stellt sich heraus, dass der Krieg und seine Schäden in der Hausväterliteratur kaum thematisiert werden. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts zeigt sich eine Veränderung durch zwei Einflüsse: Erstens das verstärkte Aufkommen eines agrarökonomisch geprägten Wissens, welches sich in den Diskursen der ökonomischen Aufklärung und der Agrarreformer konstituierte und auf eigenen Erfahrungen und Beobachtungen basierend für sich in Anspruch nahm, nach »rationalen« Kriterien den Landbau zu verbessern; zweitens der zu dieser Zeit ausbrechende Siebenjährige Krieg, auf den sich alle Autoren beziehen. Aus dieser Kombination entstand eine neue und intensivere Thematisierung von Kriegsschäden und Kriegsfolgen. Als beherrschende Themen kristallisierten sich dabei vor allem die militärische Versorgung vor Ort sowie das Lagern einer großen

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241 Vgl. Tucker, The Impact, S. 26–34; Tucker, War, S. 326–332; John Robert McNeill, The Global Environmental Footprint of the U. S. Military, 1789–2003, in: Charles E. Closmann (Hrsg.), War and the Environment. Military Destruction in the Modern Age, College Station, TX 2009, S. 10–31; John Robert McNeill, Corinna R. Unger, Introduction. The Big Picture, in: Dies. (Hrsg.), Environmental Histories of the Cold War, Cambridge 2010, S. 1–20; Asit K. Biswas, Scientific Assessment of the long-term environmental consequences of war, in: Jay E. Austin, Carl E. Bruch (Hrsg.), The Environmental Consequences of War. Legal, Economic and Scientific Perspectives, Cambridge 2000, S. 303–315.

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Armee heraus: Beeinflusst wurde diese Einschätzung durch generelle agrarische Diskurse der Zeit, die vor allem die mangelnde Düngung der Böden als größte Problematik identifizieren. Das Abziehen der Fourage ist für die Autoren das Hauptproblem, da dies das Erhalten der Viehbestände erschwerte oder unmöglich machte. Dagegen spielt der Verlust von Korn nur dann eine Rolle, wenn dies umfänglich geschah, also auch Reserven zur Selbstversorgung und zur Aussaat eliminiert wurden. Als Todesurteil erscheint freilich allen Autoren die gewollte Verwüstung eines Landes – ein Vorgehen, welches sie übereinstimmend mit dem militärtheoretischen Diskurs noch bis ans Ende des 18. Jahrhunderts als denkbar und möglich beschreiben. Der angeblich humaneren Kriegführung des Zeitalters der Aufklärung stehen viele Autoren wegen genau dieser Auswirkungen auf die Landwirtschaft skeptisch gegenüber. Doch Krieg wurde auch als möglicher Glücksfall aufgefasst. Die Differenzierung der regional unterschiedlichen Wirkungen von Krieg spielte eine gewichtige Rolle bei der Einschätzung seiner Schädlichkeit. Nicht direkt betroffene Gebiete, so das Argument, könnten sogar vom Krieg profitieren, indem die Abhängigkeiten der Armeen von agrarischen Produkten ausgenutzt wurden. Voraussetzung war allerdings eine Anpassung von Praktiken der Bewirtschaftung der kultivierten Natur. Das Risiko einer Unterbrechung des Wirtschaftens wurde einkalkuliert und die agrarischen Praktiken dementsprechend angepasst, um Totalverluste zu vermeiden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zeigt sich also eine neue ökonomische Logik: Krieg wurde als Etablierung eines neuen Marktes gedeutet, auf den sich die Praktiken des Wirtschaftens einzustellen hatten. Hierbei wird die Machtlogik dieses Diskurses besonders greifbar: Die Ratschläge der Agrarökonomen richteten sich an adelige Gutsbesitzer, nicht an die einfache Landbevölkerung. Diese wurde in den agrarökonomischen Schriften höchstens als Ressource »Arbeitskraft« konzipiert – ganz ähnlich wie im Diskurs der Militärtheorie. Das Erzielen von Gewinn durch das Nutzen veränderter Marktdynamiken war eine Handlungsmaxime, die vor allem der privilegierten Gruppe der Landbesitzer offengestanden haben dürfte; die abwertend behandelten Praktiken des Sich-Entziehens hingegen waren auch der einfachen Landbevölkerung möglich.

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5.4.1 Die Abwesenheit des Krieges in der Hausväterliteratur Bei der Hausväterliteratur handelt es sich um eine im 16. Jahrhundert entstandene Textgattung, deren Wurzeln sich bis in antike Wirtschaftslehren zurückverfolgen lassen.242 Typisch ist der in diesen Texten entfaltete wirtschaftliche Diskurs, der eine idealisierte Form eines landadeligen Haushaltes entwirft. In Anlehnung an die antike Vorstellung des oikos sollte die »soziale« Umwelt mit der bewirtschafteten »natürlichen« Umwelt zur Deckung kommen.243 Sowohl das Verhältnis zur eigenen Familie, der Umgang mit den eigenen Untertanen, aber auch die Bewirtschaftung des eigenen Landes werden in diesen Schriften mit Bezug auf christlich-religiöse Moralvorstellungen sowie unter Rückgriff auf antike Schriftsteller thematisiert. Der Landbau spielt dabei als Quelle des eigenen Einkommens und zugleich als christlich-tugendhafte Form des Lebensunterhaltes eine herausragende Rolle.244 Als zentrales Genremerkmal wird von der Forschung vor allem die aus den früheren Hauspredigten herrührende religiöse Einbettung des Haushaltens genannt, 245 mit dem in Abgrenzung von negativ beschriebenem höfischen Luxus eine paternalistisch-genügsame adelige

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242 Gewissermaßen als »Gründungstext« wird in der Forschung die Oeconomia von Johann Coler angesehen, die er 1591 veröffentlichte und die bis 1691 in 15 Gesamtausgaben neu aufgelegt wurde. Doch auch andere Autoren wie Wolf Helmhard von Hohberg, Julius Bernhard von Rohr oder Johann Joachim Becher gelten mit ihren Ökonomien als klassische Vertreter des Genres. Vgl. zu Colers Werk und seiner Nachwirkung besonders Philip Hahn, Das Haus im Buch. Konzeption, Publikationsgeschichte und Leserschaft der »Oeconomia« Johann Colers (Frühneuzeit-Forschungen, Bd. 18), Epfendorf/Neckar 2013, hier S. 13; Jörn Sieglerschmidt, Die virtuelle Landwirtschaft der Hausväterliteratur, in: Rolf Peter Sieferle, Helga Breuninger (Hrsg.), Natur-Bilder. Wahrnehmungen von Natur und Umwelt in der Geschichte, Frankfurt a. M.; New York 1999, S. 223–254, hier S. 223–229; Inken Schmidt-Voges, Oíko-nomía. Wahrnehmung und Beherrschung der Umwelt im Spiegel adeliger Haushaltungslehren im 17. und 18. Jahrhundert, in: Heike Düselder u. a. (Hrsg.), Adel und Umwelt. Horizonte adeliger Existenz in der Frühen Neuzeit, Köln; Weimar; Wien 2008, S. 403–427, hier S. 404–405; Irmintraut Richarz, Oikos, Haus und Haushalt: Ursprung und Geschichte der Haushaltsökonomik, Göttingen 1991. 243 Dazu Schmidt-Voges, Oíko-nomía, S. 405, S. 410. 244 Vgl. Torsten Meyer, Cultivating the Landscape: The Perception and Description of Work in Sixteenth- to Eighteenth-Century German »Household Literature« (Hausväterliteratur), in: Josef Ehmer, Catharina Lis (Hrsg.), The Idea of Work in Europe from Antiquity to Modern Times, Farnham 2009, S. 215–244, hier S. 335. 245 Klassisch vgl. Julius Hoffmann, Die »Hausväterliteratur« und die »Predigten über den christlichen Hausstand«, Weinheim a. d. Bergstr.; Berlin 1959, S. 63–65.

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Lebensform propagiert wird.246 Die meisten dieser Werke wurden von protestantischen Gutsbesitzern und Geistlichen verfasst; geschrieben wurden sie für ein niederadeliges Lesepublikum, auch wenn Formatänderungen und der Verzicht auf aufwändige Kupferstiche in manchen Neuauflagen darauf hinweisen können, dass auch ein ökonomisch schwächeres Publikum erreicht werden sollte. 247 Im Hinblick auf diese normativ-idealisierenden Quellen konzipierte Otto Brunner sein klassisches Konzept des »Ganzen Hauses«. In Abgrenzung von modernen Wirtschaftsweisen begriff er als dessen Merkmal eine Verwebung von Religion, Familie und wirtschaftlichem Handeln in Form einer Balance.248 Trotz der deutlichen Einschränkung der Validität des Konzeptes des »Ganzen Hauses« aufgrund des Hinweises auf die idealisierende Qualität der Hausväterliteratur – Jörn Sieglerschmidt nannte sie eine »virtuelle Landwirtschaft«249 – ist die Betonung einer spezifischen moralischen und sozialen »Einbettung« der dort dargestellten Wirtschaftsweise noch immer Konsens der Forschung. 250

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246 Vgl. Matthias Steinbrink, Adlige Ökonomie in der Frühen Neuzeit zwischen Idealbild und Realität, in: Jan Hirschbiegel, Werner Paravicini (Hrsg.), Atelier Hofwirtschaft. Ein ökonomischer Blick auf Hof und Residenz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 9), S. 33–40, hier S. 37–39. 247 Vgl. Meyer, Cultivating, S. 229–232; detaillierter zu Colers Leserschaft vgl. Hahn, Das Haus, S. 34f. 248 Vgl. Otto Brunner, Das »Ganze Haus« und die alteuropäische »Ökonomik«, in: Ders. (Hrsg.), Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen2 1968, S. 103–127, hier S. 111–112. Brunners Konzept ist nicht zuletzt aufgrund seiner Belastung durch die NSIdeologie kritisiert worden; ebenfalls wurde eine ahistorische Annahme einer Abkopplung autarker, bäuerlicher Wirtschaftsbetriebe von Marktstrukturen kritisiert, die aber Brunner in dieser Schärfe nicht selbst behauptete. Zur deutlichen Kritik vgl. Claudia Opitz, Neue Wege der Sozialgeschichte? Ein kritischer Blick auf Otto Brunners Konzept des »ganzen Hauses«, in: Geschichte und Gesellschaft 20 (1994), S. 88–98; Opitz ging es allerdings ebenfalls um die »Verdeckung« der weiblichen Seite des Haushaltes durch Brunner. Zur Kritik an der angeblichen Autarkie ländlichen Wirtschaftens relativierend Steinbrink, Adelige Ökonomie, S. 34–36; Brunner äußerte sich selbst zu Hohbergs Hauptwerk in Bezug zu den dort am Rande erwähnten Beziehungen des adeligen Gutes zu Märkten, vgl. Otto Brunner, Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612–1688, Salzburg 1949, S. 245. 249 Sieglerschmidt, Die virtuelle Landwirtschaft. 250 Vgl. ebd., S. 248; Meyer, Cultivating, S. 227; in eine ähnliche Richtung gehend SchmidtVoges, Oíko-nomía, S. 407–410. Johannes Burkhardt wies zuletzt darauf hin, dass aus dieser Balancevorstellung angesichts heutiger wirtschaftlicher Fragen zu sozialer Gerechtigkeit sowie ökologischen Problematiken der europäischen Hauslehre eine ge-

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Wie gingen aber Autoren der Hausväterliteratur mit dem Einbruch des Krieges in ein solch idealisiertes Bild eines genügsamen Wirtschaftens um? Bei der Durchsicht verschiedener Autoren der klassischen Hausväterliteratur ist auffällig, dass Krieg so gut wie nie eine wirklich eigenständige Rolle spielt. Einzig in Wolf Helmhard von Hohbergs (1612–1688)251 Georgica Curiosa Aucta aus dem Jahr 1682 findet sich ein dezidiertes Kapitel dazu. Da Hohberg als protestantischer Adeliger in Österreich der Aufstieg in Hofämter verwehrt war, blieb ihm der Dienst im kaiserlichen Heer als Möglichkeit, Ansehen und finanzielle Mittel zu erlangen. Während des Dreißigjährigen Krieges trat er daher 1632 in ein kaiserliches Regiment ein und nahm während des Krieges an Feldzügen durch Sachsen, Schlesien, Brandenburg und Pommern teil. 252 Es ist bezeichnend, dass Hohberg mit seiner zehn Jahre langen Erfahrung als niedriger Offizier im Dreißigjährigen Krieg kriegerische Gewalt in seine Darstellungen der Landwirtschaft integriert. In seinem Kapitel »Was ein Haus-Vatter zu thun / wann Krieg im Land ist« beschäftigt sich Hohberg mit Krieg als einer von Naturkatastrophen unterschiedenen Form der »Land-Straffen«.253 Der Krieg sei dabei aber »die allerärgeste / weil er meistentheils mit Hunger und Pest begleitet wird / und dann muß ein weiser Haus-Vatter klüglich handeln / gute Vorsehung thun …«.254 Diese »gute

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wisse Modernität innewohne. Vgl. Johannes Burkhardt, Die Modernität der Altökonomik. Entwicklungspotential und Aktualität der alteuropäischen Hauslehre, in: Christian Jaser (Hrsg.), Alteuropa – Neue Zeit. Epochen und Dynamiken der europäischen Geschichte (1200–1800), Berlin 2012, S. 191–202, hier S. 200–202. 251 Wolf Helmhard von Hohberg, geboren 1612 auf dem ritterlichen Gut Lengenfeld in Niederösterreich, entstammte einer Familie schlesischer protestantischer Landadeliger. Bereits seine Kindheit wurde durch sich verschärfende konfessionelle Gegensätze bestimmt. Brunner vermutet in seiner Biografie unter Rückgriff auf verschiedene Andeutungen in seiner »Georgica Curiosa«, dass er seine Bildung durch seine Mutter sowie den Mann der Cousine seiner Mutter erlangte, Amandus von Gera. Dieser hatte in Tübingen und Marburg studiert und nahm Wolf Helmhard von Hohberg einige Zeit in seinem Haushalt auf. Eine Bildung durch eine Lateinschule oder eine Universität erhielt er nicht. 1659 erlangte er mit der Begründung seiner langen Dienstzeit in der kaiserlichen Armee den Aufstieg in den Freiherrenstand. Nach 1664 siedelte Hohberg unter dem stärker werdenden konfessionellen Druck wie viele österreichische protestantische Adelige nach Regensburg über. Vgl. die detaillierte Biografie bei Brunner, Adeliges Landleben, S. 18– 59. 252 Ebd., S. 38–40. 253 Wolfgang Helmhard Freiherr von Hohberg, Georgica Curioisa Aucta, Nürnberg 1701, S. 180. 254 Ebd.

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Vorsehung« hänge nach Hohberg vor allem von der Art des jeweiligen Feindes ab, nach der ein Hausvater seine Möglichkeiten zum Selbstschutz untersuchen solle. Sei es ein »grausamer und barbarischer Feind / wie der Türck und Tarter«,255 so gehe es vor allem darum, sich so schnell wie möglich in Festungen zurückzuziehen und dabei sowohl alles Geld, als auch »Korn / Getrayd und Wein«256 mit sich zu nehmen; den eigenen Untertanen solle der Hausvater empfehlen, »sich selbst in die Gebürg / Klippen und Wälder« zurückzuziehen, allen Proviant zu vergraben, damit der Feind davon keinen Nutzen habe, und die Wege unwegsam zu machen. 257 Letztlich geht es Hohberg also im Fall des Krieges um Ausweichstrategien für die Landbevölkerung, die Hanson schon für die griechische Antike als Handlungsmaximen beschreibt, weniger um konkrete Auswirkungen auf die Bewirtschaftung des Landes.258 Dabei zeichnet Hohberg in seiner Schrift ein dezidiert negatives Bild von Krieg. Sei der Feind von »Christlicher Nation und Glaubens«, so sollte sich die Landbevölkerung »solcher Grausamkeit und tyrannischen Hausens zu ihme von Rechts wegen nicht zu versehen haben.« 259 Allerdings betont er: »Wer die Weise und die Handlungen der itzigen Christlich-genannten Soldatesca will examiniren / der wird vielmal zwischen Christen und Türcken / des Raubens / Plünderns und übel hausens halber / einen geringen Unterschied finden …«.260

Plünderungen und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung galten dem im 17. Jahrhundert schreibenden Hohberg also noch immer als generelle Erscheinungsform des Krieges, deren Folgen er als Hauptmann der kaiserlichen Armee im Dreißigjährigen Krieg mit eigenen Augen gesehen haben wird. Abgesehen von den von Hoberg beschriebenen Ausweichstrategien, die auch Militärtheoretiker als negative Folge von Landesverwüstungen immer wieder beklagten, 261 wurde Krieg in den meisten Schriften der Hausväterliteratur nicht angesprochen. Eine vermehrte Thematisierung des Krieges in Verbindung mit der Landwirtschaft lässt sich erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts feststellen.

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255 Ebd., 180. 256 Ebd. 257 Ebd. 258 Vgl. Hanson, Warfare, S. 103f. 259 Hohberg, Georgica Curiosa, S. 180–181. 260 Ebd. 261 Beispielsweise Moritz von Sachsen, vgl. Moritz von Sachsen, Rêveries, Bd. 2, S. 20.

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5.4.2 Das zweischneidige Schwert des Krieges im Diskurs der Agrarökonomie Das Nachdenken und Schreiben über agrarische Themen wandelte sich im 18. Jahrhundert. Oft als Einfluss aufklärerischer Diskurse und der zuehmenden Bedeutung einer neuen Form der Wissenschaftlichkeit beschrieben,262 wurde die Bewirtschaftung von Land zum Thema gelehrter Diskurse, in deren Zentrum die Optimierung der Nutzung naturaler Ressourcen rückte. 263 Institutionell getragen wurde diese neue Beschäftigung mit landwirtschaftlichen Themen durch die sich etablierenden ökonomischen Sozietäten.264 Unter dem Vorbild der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegründeten irischen (»Dublin Society«, 1731), englischen (»Society for the Encouragement of Arts, Manufactures and Commerce«, 1754) und französischen (»Société d’ Encouragement de l’industrie nationale«, 1764) Gesellschaften, aber auch im Anschluss an das Akademiewesen bildeten sich auch in Deutschland ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ökonomische Gesellschaften heraus.265 Deren primäres Ziel war es, bestehendes Wissen durch eigene Anbauexperimente zu überprüfen, neue Erkenntnisse zu sammeln und diese dann in Form von Druckerzeugnissen zu verbreiten; 266 es bestanden Parallelen und Überschneidungen zur pädagogisch geprägten Volksaufklärung.267 Gegenüber den vorherigen agrarischen Schriften der Hausväterliteratur zeichnen sich die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts erscheinenden agrarökonomischen Schriften durch eine langsame Ablösung vom einzelnen Haushalt und durch eine Hinwendung zur Beschreibung von größeren ökonomischen Prozessen aus.268 Verstärkt wurde die Suche nach einer optimierten

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262 Vgl. dazu in Abgrenzung zur Hausväterliteratur Schmidt-Voges, Oíko-nomía, S. 419– 420. 263 Vgl. Marcus Popplow, Die Ökonomische Aufklärung, S. 5–6. 264 Zum Sozietätenwesen als Element der europäischen Aufklärung vgl. kursorisch Ulrich im Hof, Das Europa der Aufklärung, München 1993, S. 95–96. 265 Klassisch dazu vgl. Rudolf Rübberdt, Die Ökonomischen Sozietäten. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des XVIII. Jahrhunderts, Würzburg 1934, S. 17–48; S. 49–81; Hans Hubrig, Die patriotischen Gesellschaften des 18. Jahrhunderts (Göttinger Studien zur Pädagogik 36), Weinheim a. d. Bergstr. 1957, S. 21–54; Focko Eulen, Die patriotischen Gesellschaften und ihre Bedeutung für die Aufklärung, in: Volker Schmidtchen, Eckhard Jäger (Hrsg.), Wirtschaft, Technik und Geschichte. Beiträge zur Erforschung der Kulturbeziehungen in Deutschland und Osteuropa, Berlin 1980, S. 173–186. 266 Vgl. Popplow, Die Ökonomische Aufklärung, S. 3; S. 10; S. 27–30. 267 Vgl. Böning, Entgrenzte Aufklärung, S. 13–50. 268 Popplow, Die Ökonomische Aufklärung, S. 27–30.

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Nutzung von naturalen Ressourcen durch die sich verschärfenden agrarischen Krisen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In diesem durch einen sich verändernden Ökonomiebegriff erweiterten agrarischen Diskurs fand auch der Krieg als Problem eine neuartige Beachtung. Autoren betonten ihn als ein normales Element des Wirtschaftens und damit als valides Objekt agrarökonomischer Betrachtungen. Dabei scheint der Siebenjährige Krieg eine Initialzündung dargestellt zu haben. In dieser Thematisierung des Krieges fallen drei Punkte besonders auf. Erstens zeigt sich die Etablierung eines zeitlichen Referenzrahmens. In diesem wurde die »neue« Kriegführung des 18. Jahrhunderts mit Extremereignissen wie dem Dreißigjährigen Krieg oder dem Pfälzischen Erbfolgekrieg verglichen – wobei die Autoren sich oft kritisch gegenüber dem zeitgenössischen Ideal eines »gezähmten« Krieges äußerten. In den Leipziger Sammlungen von allerhand zum land- und stadt-wirthschafftlichen Policey-, Finanzund Cammer-Wesen dienlichen Nachrichten erschien im Jahr 1758 ein Aufsatz mit dem Titel Der gute Wirt im Kriege, in dem auf die aktuellen »betrübten Zeiten« des Siebenjährigen Krieges Bezug genommen wurde. 269 Daher sei die »kluge Wirtschafft im Kriege« nach Meinung des anonymen Autors gerade zu diesem Zeitpunkt ein »sehr wichtiger Gegenstand«.270 Trotz der Darstellung des Krieges als »grosses wirtschaftliches Unglück der Menschen« definiert er ihn wenige Seiten weiter allerdings als Teil der Normalität des Wirtschaftens: Zum Frieden gehöre der Krieg als das »Mittel, solchen zu erhalten und wieder herzustellen«,271 was den »guten Wirt« verpflichte, »ein hartes Uebel eine Zeitlang zu ertragen«.272 Damit markiert diese Schrift einen Anfangspunkt der agrarökonomischen Definition von Krieg als Gegenstand wirtschaftlicher Überlegungen. In einer kritischen Passage thematisiert der Autor allerdings den Unterschied alter und neuer Kriegspraxis. Gegenüber einer »alten« Art des Krieges betont er für seine Zeit »Mannszucht und Ordnung« – was jedoch nicht bedeutet, dass Zivilisten keinesfalls geschädigt würden. Stattdessen sei es

—————— 269 Anonym, Der gute Wirt im Kriege, oder zufällige Gedanken von der Klugheit eines Wirtschaffters im Kriege, in: Leipziger Sammlungen von Wirthschafftlichen, Policey- Finanz- und Cammer-Sachen, Bd. 13, Leipzig 1758, S. 675–691; S. 1006–1031, hier S. 677. 270 Ebd. 271 Ebd., S. 682–654. 272 Ebd.

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»diese feine Art, die Leute auszuziehen […], welche darinn bestehet, daß man zwar nicht brennet, mordet, keine Sclaven […] macht, nicht plündert, sondern nur durch andere schreckende, Furcht und Angst erweckende Dinge diejenigen, so noch etwas haben, zwinget, das Ihrige […] vor die Füße des Befehlshabers zu liefern.«273

Ohne Zweifel spielt er damit auf die im 18. Jahrhundert bereits institutionalisierte Kontributionspraxis an, die im militärtheoertischen Diskurs stets im Kontext der Schonung von Land und Zivilbevölkerung thematisiert wurde. Für den Autor bedeutet dies aber ein System, welches Menschen und Ressourcen nur zur Erhaltung der Armee selbst schont: »[…] und überdem auch wohl noch den Einwohner etwas läßt, was der Feind noch nicht gleich mitnehmen, und auch nicht verzehren kan, […] wie etwan die Erndte von dem Felde, die man dem Landmann ruhig bestellen lässet, genüssen kan, und weil es überhaupt besser ist, wenns die Umstände zulassen, immer kleine Zwickmühlen, als gar keine mehr zu haben. Die arge Welt, wenn sie gleich mit guten Sitten prahlet, ist doch immer falsch, und man läßt heut zu Tage nicht gerne die Leute gleich plötzlich hinrichten, sondern sauget sie aus, damit sie allmählich sterben. Und das heißt bey vielen heut zu Tage im Kriege, die beste Mannszucht halten.«274

Im selben Journal erschien im Jahr 1760 ein weiterer anonym publizierter Aufsatz, der die aktuellen Kriegsschäden des Siebenjährigen Krieges in einen historischen Referenzrahmen stellt. Direkt zu Beginn schildert der Autor die Kriegsfolgen des Dreißigjährigen Krieges, um ihn direkt im Anschluss mit der »Zornfackel des Höchsten Gottes« zu vergleichen, die im Siebenjährigen Krieg auf Sachsen niedergehe.275 Dabei lässt der Autor das Argument, die »Art und Weise, Krieg zu führen« sei »im 30jährigen Kriege etwas grausamer und unmenschlicher, als jetzo«,276 in historischer Rückschau nicht gelten: Vielmehr lasse sich in der Geschichte der letzten Kriege zeigen, dass man »theils aber auch in den letzten, offt noch grössere Grausamkeiten, als in den ältern« anzutreffen habe. 277 Als Argument für diese Sicht dienen dem Autor die »Grausamkeiten«, die »durch den General

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273 Ebd. 274 Ebd., S. 1009. 275 Anonym, Anonymi Betrachtungen über die Verwüstung der Wirthschaft und Policey, die der jetzige Krieg anrichtet, in: Leipziger Sammlungen von Wirthschafftlichen, Policey- Cammer- und Finanz-Sachen, Bd. 15, Leipzig 1761, S. 37–68, hier S. 37–38. 276 Ebd., S. 38. 277 Ebd., S. 39.

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Melac und andere in den churpfälzischen Ländern ausgeübt wurden«278 – der Pfälzische Erbfolgekrieg ist aufgrund der Verwüstungsaktion der Franzosen der Beleg dafür, dass die Kriegsgewalt gegen den »Nahrungsstand« nach dem Dreißigjährigen Krieg eben nicht abgenommen habe, und wird im Kontext der »Landesverwüstung« auch im agrarischen Diskurs als Referenzereignis aufgerufen. So stellt der Autor, dem es ausdrücklich um die Verwüstung und »Verödung« vorher »wohl angebauter« agrarischer Nutzflächen geht, 279 den Dreißigjährigen Krieg, den Pfälzischen Erbfolgekrieg und den Siebenjährigen Krieg in eine Reihe. Im aktuellen Konflikt sieht er die Schädlichkeit des Krieges für die Landwirtschaft bestätigt, die sich in den vorangegangenen Konflikten bereits gezeigt habe. Einzig die tatsächlich so bezeichnete »nachhaltende Oconomie« des Landes mache es im 18. Jahrhundert leichter, sich nach dem »Ruin« des Krieges »bald wieder zu erhohlen«.280 Der durch »Policey« und den Sachverstand von Experten geordneten Landwirtschaft misst der Autor also eine höhere Resilienz bei – der Krieg selbst aber sei noch immer grausam, zerstörerisch und schlicht ein »großes Übel«. Zweitens etablierte sich bei einigen Autoren eine detaillierte Ausdifferenzierung von Kriegsschäden, die aus Sicht der Landwirte aufgezählt wurden und die somit die schädlichen Auswirkungen des Krieges für das sozionaturale Geflecht einer ganzen Region anprangern sollten. Verschiedene Beispiele beziehen sich auf den Siebenjährigen Krieg. Der anonyme Autor des Aufsatzes Der gute Wirth im Kriege hatte bereits in seinem Anfangsstück 1758 auf die negativen Wirkungen eines Krieges hingewiesen.281 In seiner Fortsetzung des Aufsatzes zwei Jahre später sieht er sich aber anscheinend trotzdem genötigt, noch direkter auf Kriegs-

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278 Ebd., S. 40. 279 Ebd., S. 42. Anders argumentierte Rudolph Zacharias Becker in seinem populären Nothund Hülfs-Büchlein: In seinen Zeiten werde nicht auf dieselbe »barbarische« Art Krieg geführt wie im Dreißigjährigen oder im Pfälzischen Erbfolgekrieg. Trotzdem bestätigte auch Becker mit diesem Vergleich den zeitlichen Referenzhorizont, der sich zwischen dem Dreißigjährigen Krieg, dem Pfälzischen Erbfolgekrieg und dem Siebenjährigen Krieg aufspannt. Vgl. Rudolph Zacharias Becker, Noth- und Hülfs-Büchlein für Bauersleute, oder lehrreiche Freuden- und Trauer-Geschichte des Dorfs Mildheim, Gotha; Leipzig5 1789, S. 397–400. 280 Ebd., S. 44. 281 So beklagt er beispielsweise »Theuerung, Hunger, Pestilenz unter Menschen und Vieh« als unmittelbare Folgen, Anonym, Der gute Wirt im Kriege, oder zufällige Gedanken von der Klugheit eines Wirtschaffters im Kriege, in: Leipziger Sammlungen von Wirthschafftlichen, Policey- Finanz- und Cammer-Sachen, Bd. 13, Leipzig 1758, S. 689.

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schäden einzugehen, die sich auch im Siebenjährigen Krieg bereits in einigen Regionen zeigten. Mit Bezug zum Dreißigjährigen Krieg und seinen »kläglichen Spuren« thematisiert er die Zerstörungen, denen sich die Landbevölkerung im Kriegsfall gegenübersah.282 So bezieht er sich explizit auf Schäden an Ernten, Äckern und Nutzwäldern und ihrer Verwüstung: »wie die Gebäude dieser Güter im Rauch und Flammen aufgehen, die Besitzer ihrer Fahrniß auf ihren Gütern beraubet, und geplündert, endlich verjaget, oder doch die Feld-Früchte weg fouragiret werden. Ueberdem liegen die Aecker unbebauet, die Gärten, Anger, Wiesen und Hölzer mittelst allerhand Folgen des Krieges erschrecklich verwüstet, und des dazu nöthigen Arbeits- und Zuchtviehs entblösset […]. Aus solchen Anfängen aber erfolget endlich der Untergang solcher Güter, wenn es lange währet, wenn die Besitzer ganz verarmen, oder gar zum Tode kommen [ …].«283

Zentral für die Einschätzung des Schadens ist die zeitliche Dimension. Während kurzfristige Schäden durchaus als verkraftbar erscheinen, ist es hier die längerfristige und wiederkehrende Schädigung oder der Extremfall des Todes des Besitzers eines Landgutes, welcher zum »Untergang« des gesamten Gutes führt. Gegen die Extremform des Krieges, die Verwüstung ganzer Landstriche, weiß der Autor »kein Mittel, keine Klugheit und nichts vorzuschlagen, dieses Unglück […] zu verhüten oder zu mindern.«284 Doch sei dies nicht der Normalfall, wie er betont. So sei die lokale Landwirtschaft für die Armeen eine der »wichtigen Quellen ihrer eignen Subsistenz im Kriege«;285 bei diesem »äußerst barbarischen Verfahren, welches alles zu Grunde richtet, und gleichsam alles ausrottet« würden die Armeen letztlich »so gar wieder sich selbst rasen«.286 Diese Abhängigkeit von Armeen sei der Grund dafür, warum letztlich den Offizieren mehr an einer Kooperation mit der lokalen Landbevölkerung gelegen sei. Eine noch negativere Sicht auf den Krieg äußert sich in einem in den Schlesischen Oeconomischen Sammlungen« erschienenen Aufsatz aus dem Jahr 1762 mit dem Titel »Das Verhalten des Landmanns im Kriege«. In seiner Definition vergleicht dieser anonyme Autor den Krieg dezidiert mit einer Naturkatastrophe. Ganz ähnlich wie Hohberg stellt er den Krieg als

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282 Anonym, Der gute Wirt im Kriege, oder zufällige Gedanken von der Klugheit eines Wirtschaffters im Kriege, in: Leipziger Sammlungen von Wirthschafftlichen, Policey- Cammerund Finanz-Sachen, Bd. 14, Leipzig 1760, S. 68–86; 89–123; S. 481–485; hier S. 70. 283 Ebd. 284 Ebd., 72. 285 Ebd. 286 Ebd., S. 73.

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schlimmer dar: während Naturkatastrophen berechenbar und durch die Quantifizierung zu beherrschen seien, sei Krieg in der Größenordnung seines Schadens unermesslich: »Eine von Blitz und Donner schwangere Wolke rauscht bald vorüber, und nur seltene Beyspiele der dadurch Verunglückten machen sie denkwürdig. Erdbeben, Stürme und Wasserfluthen haben zu unseren Zeiten grosse Verwüstungen angerichtet, die aber doch zu übersehen und zu berechnen sind. Aber der Krieg, der verderbliche Krieg, stürzet ganze Länder zu Grunde, und die Berechnungen des daraus erwachsenen Schadens laufen, sowol in Ansehung des gegenwärtigen, als des zukünftigen Umfanges, in das Unendliche.«287

Um diese vielfältigen Schäden trotzdem ins Bewusstsein seiner Leser zu rücken, widmet der Autor der Beschreibung militärischer Aktivitäten aus der Perspektive des »Landmanns« größte Aufmerksamkeit. Dafür bezieht er sich auf eigene Erfahrungen: »Ich, der ich dieses schreibe, kann leyder die Erfahrung zum Grunde meiner Betrachtungen legen.«288 Diese Beschreibungen zeichnen ein besonders düsteres Bild des Krieges. Schon der Marsch von Armeen durch ein Land sei schädlich: »Recht freventlich und vorsetzlich hinterläßt man Fußstapfen von Unachtsamkeit, und geflissentlicher Beschädigung der Landfrüchte. Wie man einmal aufmarschirt ist; so marschirt man fort; die ersten Reyhen treten die schönsten Feld-Früchte darnieder, und die folgenden betreten die Bahn der vorhergehenden, ohne zu bedenken, wie empfindlich es dem Landmann fallen muß, den von Gott erlangten Segen, ohne Noth, und mit lachendem Muthe, mit Füssen zutreten sehen.«289

Noch größerer Schaden lasse das Lagern einer Armee für die Feldfrüchte einer ganzen Gegend befürchten. Nicht nur durch das Lager selbst würden die auf den Feldern wachsenden Pflanzen niedergetreten: der Autor geht sogar auf das Aufwerfen von Feldbefestigungen ein, die den sorgsam kultivierten Boden verformten. Die Einebnung dieser Gräben und Wälle stellt nach seiner Darstellung eine enorme Arbeitsbelastung für die Landbevölkerung dar: »Da, wo ein Lager aufgeschlagen wird, kann man, ohne das Kriegshandwerk zu verstehen, leicht schliessen, daß die Früchte der ganzen Gegend verlohren seyn werden: zu geschweigen, daß alle Feldgraben zugeworfen, und dagegen durch

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287 Anonym, Das Verhalten des Landmanns im Kriege, in: Schlesische Oeconomische Sammlungen, Bd. 3, Breslau 1762, S. 535–609, hier S. 536. 288 Ebd., S. 536. 289 Ebd., S. 542.

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Eröffnung der Linien, Aufwerfungen der Batterien, und durch Fertigung unzählicher Löcher und Graben, das Feld durchwühlet, und ganz anders, als es der Ackersmann haben will, geformet werde. […] so wird man doch nicht in Abrede seyn können; daß der Landmann dadurch leide, und daß es lange Zeit erfordere, das, was so viele tausend Menschen aufgeführet haben, von einigen schwachen Gemeinden wieder in den alten Stand zu setzen.«290

Eine lagernde Armee macht die mühsame Anpassung der Natur an die Landwirtschaft also rückgängig; die militärische Nutzung überschreibt in dieser Darstellung alle anderen Formen der Naturnutzung. Die Intensität einer Belastung koppelt der Autor an die Präsenz von Armeen. Besonders betroffen seien demnach Landstriche, die zwischen zwei verfeindeten Heeren lagen. Zunächst müssten diese beiden Armeen Nahrungsmittel und Geld durch Kontributionen liefern; in der Folge seien solche Gegenden auch den Fouragierungen beider Parteien ausgesetzt, etwas, was sich mit den Ratschlägen der Militärtheorie in einem solchen Fall deckt. 291 Dabei relativiert der Autor auch die Berechnung der Lieferungen nach dem Verhältnis der wirtschaftlichen Potenz eines Landes: Dies komme lediglich bei Proviantämtern im eigenen Territorium vor. »Allein wenn der Feind Lieferungen ausschreibt, so wird nicht sowohl auf die Stärke der Oerter, und auf den etwan vorhandenen Vorrath; sondern bloß auf die Bedürfniß der Armee gesehen. Ein gewisser Proviantofficier fragte einstens einen Landwirth; wie viel Rationen man wohl von dieser und jener Ortschafft nehmen könnte? Der Landwirth antwortete: Da 200. und 300. und so fort. Der Officier lachte, und indem er anfieng auszuschreiben, sagte er: Wir müssen in die Tausende gehen.«292

Den letztlichen Extremfall beschreibt der Autor als das komplette Vernichten eines Landes, bei dem »dem Landmann das Messer an die Kehle gesetzt« 293 werde. Letztlich meint er damit nichts anderes als das »Ravagiren« einer Gegend als militärische Taktik, um dem Gegner die Operationsgrundlage zu entziehen. Wie er betont, sei dies auch im 18. Jahrhundert und »bey gesitteten Völkern«294 noch Brauch. Sowohl feindliche als auch befreundete Heere griffen zu dieser Taktik:

—————— 290 Ebd., S. 543. 291 Ebd., S. 546; Vgl. dazu Kap. 4, Fourage. 292 Ebd., S. 547. 293 Ebd., S. 548. 294 Ebd.

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»wenn er [der Landmann, J. B.], ohne Benennung einer gewissen Summa, alles, was er an Getrayde, an Stroh und in Körnern, an Vieh und an Victualien vorräthig hat, ohne Ausnahme liefern soll. Diese Anmuthung hat er nun wohl mehrentheils von den Feinden zu besorgen. Es können aber doch Fälle kommen, daß in der höchsten Noth von dem Freunde selbst zu dieser Extremität geschritten wird.«295

Dies geschehe entweder in einer Notlage, in der eine Armee von sämtlichen Magazinen abgeschnitten sei; oder aber, »wenn man dem gegenseitigen Kriegsheer alle Unterhaltung abschneiden will; oder endlich, wenn man gewohnt ist, aller Orten Denkmale der Grausamkeit zurück zu lassen.«296 Im Gegensatz zum Autor in den Leipziger Sammlungen lässt er dabei das Argument der Kriegsraison nicht gelten, welche er als ein »abscheuliches Gespenst«297 bezeichnet. Diese konstatierten Auswirkungen des Krieges für die agrarisch genutzte naturale Umwelt werden vom Autor letztlich zu einem komplexen Wirkungsgefüge verdichtet, in dem das Geflecht von naturalen Ressourcen und menschlicher Bewirtschaftung empfindlich gestört wird. Zur Veranschaulichung greift er auf die Metapher eines Uhrwerkes zurück, dessen mechanische Bestandteile und Räder in ihrem Lauf durch den Krieg gestört würden. Zunächst werde der Landbevölkerung das Vieh genommen, was nicht nur zu einer Schwächung der Arbeitskraft bei der Bestellung der Felder führe, sondern auch die entsprechende Düngung der Pflanzen verhindere.298 Als zweite Stufe schilderte der Autor den »Abgang des Gesindes«: Aus der Perspektive des Gutsherren zählt die einfache Landbevölkerung als eine Ressource für Arbeitskraft. Der Entzug von Menschen durch Flucht und Vertreibung aber sei für den Landwirt kaum zu ersetzen, im Gegensatz zu Geld, Lebensmitteln oder Fourage. Der dritte Schritt sei allerdings der Entzug von diesen weiteren Ressourcen durch Lieferungen oder Fouragierungen: Dadurch habe der Landwirt auch keine Möglichkeiten mehr, Menschen oder Vieh zu unterhalten, »da ihm nichts, als das kümmerliche Leben, gelassen worden.«299 Durch diese Zusammenhänge gingen Ernten verloren, die Folge sei letztlich der Verfall der kultivierten Äcker durch den Mangel an Bewirtschaftung.300 Durch diese gestörte »Me-

—————— 295 Ebd. 296 Ebd. 297 Ebd., S. 550. 298 Ebd., S. 554. 299 Ebd., S. 555. 300 Ebd.

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chanik« der Landwirtschaft treten für den Autor die bekannten Folgen des Krieges ein, also Nahrungsmittelknappheit und Seuchen. Als Endpunkt zeichnet er ein Szenario des Verfalls jeglicher Ordnung in geradezu eschatologischer Dimension, die sich in der Transformation der Landschaft selbst spiegelt. Der ländliche Raum verwandelt sich in eine von Pestilenz und Tod geprägte Wüste, deren unverwechselbares Kennzeichen die feindliche Natur selbst ist: »Was zu erst hitzige Fieber, Fleckfieber, Beulen und Geschwüre gewesen; verwandelt sich in eine schleichende Pestilenz, greift geraume Gegenden an, und wird zuletzt allgemein. Eine Wolke von faulen und vergifteten Dünsten ziehet, nach so vielen erschrecklichen Auftritten, einen Vorhang für. Nunmehr entfliehen die herzhaftesten Krieger selbst, und verlassen ein Land, worinnen der Tod, Freunde und Feinde, Bauern und Soldaten über einen Haufen wirft. […] Ich sehe nichts als Einöden und traurige Fußstapfen von der Wuth des Krieges und dessen Folgen. Grosse und schöne Dörfer sind theils zerstöret, theils ausgestorben […]. Die Triften und Felder stehen jämmerlich. Da, wo sonst Heerden Vieh zu tausenden weideten; siehet man jetzund einige verhungerte Stücke ohne Hirten herum irren. Dornen und Disteln nehmen an statt der gesegneten Landfrüchte ihren verfluchten Platz ein.«301

In dieser Verurteilung des Krieges stecken vermutlich sowohl Befürchtungen und Übertreibungen als auch tatsächliche Probleme der zeitgenössischen Landwirtschaft in Krisenzeiten. Auffällig ist, dass die Definition eines Kriegsschadens untrennbar verbunden ist mit einem Naturbild, das der »kultivierten«, das heißt der aufwändig geformten und an menschliche Bedürfnisse angepassten Natur einen Wert zumisst. Die Praktiken dieser Naturformung und das dadurch konstituierte komplexe sozionaturale Wirkungsgefüge der vormodernen Landwirtschaft wurden im agrarökonomischen Diskurs explizit dort benannt, wo der Krieg sie störte – mit dem Resultat einer möglichen »Einöde« eines unkultivierten, ungeordneten Landes. Diese Kriegsschäden wurden nach dem Siebenjährigen Krieg durchaus auch außerhalb des agrarökonomischen Diskurses angeführt: In seinem Neuen Staats-Gebäude nutzt der Schriftsteller Jakob Heinrich von Lilienfeld 1767 den »Ruin der Wälder, Aecker und des Wiesenwachses«, die »Verderbung des Getraydes, der Jagden, Gärten« als Teil einer Aufzählung der »Verheerung alles Annehmlichen und Nothwendigen«, um die Schädlichkeit des Krieges generell vorzuführen – und daraus ein weiteres Argu-

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301 Ebd., S. 561–562.

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ment für sein in seiner Schrift verfolgtes Ideal einer friedlichen Streitschlichtung zwischen europäischen Mächten zu generieren. 302 Doch der Krieg war nicht in allen Schriften ein Zerstörer der geordneten Natur. Vielmehr wurde er, drittens, trotz der Klagen über seine Auswirkungen immer stärker als ökonomisches Phänomen betrachtet, dessen »Bilanz« für Landwirte auch positiv ausfallen konnte. Wie auch in der Militärtheorie wurde in den agrarökonomischen Schriften immer wieder konstatiert, dass Armeen von der Bewirtschaftung naturaler Ressourcen abhängig waren. Wies diese Ansicht für Militärs auf die Wichtigkeit eines schonenden Umgangs mit lokalen Subsistenzquellen hin, so wurde sie in der Agrarökonomie ein Argument, Krieg als Glücksfall zu betrachten. Deutlich wird dies, wenn die vorherigen Ausführungen mit einem Werk verglichen werden, welches etwa zehn Jahre später erschien. In seinem sechs Bände umfassenden Werk Der Hausvater aus dem Jahr 1772 schildert der landwirtschaftliche Schriftsteller Otto Freiherr von Münchhausen (1716–1774) auch »Das Verhalten bey Gefahren, und insbesondere im Kriege«.303 Er sei durch den Siebenjährigen Krieg und seine Auswirkungen vor Ort im Kurfürstentum Hannover dazu gebracht worden, Anmerkungen über das Wirtschaften im Krieg zu schreiben. 304 Sein Hauptanliegen ist dabei, der Landbevölkerung die unnötige Angst vor dem Krieg zu nehmen: »Dieser Krieg schien für uns Niedersachsen um so gefährlicher zu seyn, nachdem wir seit dem dreyßigjährigen Kriege, also in länger als hundert Jahren, keinen Feind gesehen hatten.« 305 Wieder war der Dreißigjährige Krieg also negativer Bezugspunkt, dieses Mal allerdings für Münchhausen zu Unrecht. Aus unbegründeter Angst vor dem »Feind« – also den das Territorium besetzenden französischen Soldaten – hätten viele zu unnötigen und erst recht schädlichen Maßnahmen gegriffen: So schildert er beispielsweise Landflucht, das Verstecken von Wertsachen oder das Ausbleiben der Bestellung von Feldern.306 All diese Vorsichtsmaßnahmen seien jedoch völlig unnötig gewesen. Was nach Münchhausen tatsächlich ge-

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302 Jakob Heinrich von Lilienfeld, Neues Staats-Gebäude, in drei Bänden, Leipzig 1767, S. 81. 303 Otto Freiherr von Münchhausen, Der Hausvater, Bd. 4, Hannover 1774, S. 473–541. Die Forschung verortet sein Werk als Endpunkt der »Hausväterliteratur« auf dem Übergang zu einer agrarökonomisch geprägten Position, vgl. Schmidt-Voges, Oíko-nomía, S. 418– 420. 304 Münchhausen, Der Hausvater, S. 516. 305 Ebd. 306 Ebd., S. 518.

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schah, liest sich wie die im Detail umgesetzte Vorstellung der »gezähmten Bellona« des 18. Jahrhunderts: »Allgemählig lernten wir, daß wir mit einem billig denkenden Feinde zu thun hatten, daß ein jeder, der sich nicht feindselig bezeigte, geruhig bey dem Seinigen bleiben konnte […] daß wenn gleich hie oder da Korn abfuragirt und niedergetreten ward, dennoch das mehrste uns übrig blieb; daß wenn gleich durch die Hinzukunft einer zahlreichen Armee eine stärkere Consumtion veranlaßt werde, dennoch kein Mangel entstehe, weil mehr für die Zufuhr gesorgt wird […]; daß dem Feinde zu Beförderung seiner eigenen Subsistenz zu viel daran gelegen sey, daß er einen jeden, der sich nicht feindselig bezeigt, ungestöhrt lasse […].«307

Hier verbindet sich das Argument, dass Armeen auf die funktionierende lokale Landwirtschaft angewiesen waren, mit dem erhofften positiven Effekt des Krieges. Durch die steigende Nachfrage nach agrarischen Produkten vor Ort gebe es für Landwirte die Chance, durch den Krieg zu Reichtum zu gelangen. Die »Balanz« des Krieges, so Münchhausen an anderer Stelle, sei für das besetzte Land letztlich durchaus positiv: Der Handel werde stimuliert und die Armut nehme ab. Wer allerdings geflohen sei, könne von diesen Geschäftsmöglichkeiten nicht profitieren. 308 Zentral für seine Ausführungen ist jedoch, dass er sie dezidiert aus eigener Perspektive und unter Rückgriff auf eigene Erfahrungen schreibt. Münchhausen war hannoverscher Landdrost zu Harburg und Gutsherr bei Schwöbber, einem Dorf bei Hameln an der Weser.309 Münchhausens Erfahrungen in Niedersachsen, welches im Siebenjährigen Krieg kaum militärische Aktionen erlebte und die meiste Zeit besetzt war, lässt sich nicht mit den Aktionen in Schlesien, Böhmen und Sachsen vergleichen, wo die meis-

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307 Ebd. 308 Ebd., S. 528. Ähnliche Äußerungen finden sich auch bei dem anonymen Autor des Aufsatzes »Der gute Wirth im Kriege«: Er verwirft Ratschläge wie das Fliehen auf Berge oder in unwegsames Gelände und das Zurücklassen sämtlicher Habe. Die Flucht mache auch mögliche positive Effekte des Krieges für die eigene Wirtschaft zunichte. Im Krieg könne man »oft unverhofft zu grossen Vermögen […] rechtmässig und sicher gelangen.« Krieg bedeutete also für diesen Autor neben einer Gefahr auch die Möglichkeit zum Profit. Vgl. Anonym, Der gute Wirt im Kriege, oder zufällige Gedanken von der Klugheit eines Wirtschaffters im Kriege, in: Leipziger Sammlungen von Wirthschafftlichen, PoliceyCammer- und Finanz-Sachen, Bd. 13, Leipzig 1758, S. 1015–1016. Ähnlich auch die Ratschläge zur Anpassung an die Bedürfnisse der Soldaten bei Becker, Noth- und HülfsBüchlein, S. 397–400. 309 Vgl. Carl Leisewitz, »Münchhausen, Otto Freiherr von«, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 23 (1886), S. 7–8 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de /pnd100037461.html#adbcontent (Abruf am 03.04.2018).

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ten Belagerungen und Schlachten des Siebenjährigen Krieges stattfanden.310 Allein Breslau, der Erscheinungsort der Schlesischen Oeconomischen Sammlungen, wechselte im Siebenjährigen Krieg zwei Mal hintereinander durch Belagerungen den Besitzer. Die agrarökonomischen Schriften beschreiben also jeweils unterschiedliche Kriegsschauplätze, auf die sich ihr Wissen über den Krieg aus agrarischer Perspektive bezieht. Die Wahrnehmung des Einflusses von Krieg auf die Landwirtschaft und das durch diese Erfahrungswerte in den Schriften produzierte Wissen waren auch durch regionale Unterschiede in der Intensität der tatsächlichen Kampfhandlungen geprägt. Trotz dieser Unterschiede in der Bewertung seiner Auswirkungen lässt sich also beobachten, dass der Krieg ab der Mitte des 18. Jahrhunderts als »Normalfall« des agrarischen Wirtschaftens in der Agrarökonomie beschrieben, bewertet und im Sinne einer Bilanzierung von Risiko und Gewinnpotenzial betrachtet wurde.

5.4.3 Kriegszerstörung managen. Der Landwirth in und nach dem Kriege Gegen Ende des 18. Jahrhunderts schließlich äußerte sich die Thematisierung des Krieges im agrarökonomischen Diskurs in der 1779 erschienenen Schrift Der Landwirth in und nach dem Kriege des agrar- und nationalökonomischen Schriftstellers Karl Friedrich von Beneckendorf. 311 Hier zeigt sich eine andere Art des Umgangs mit Krieg: Konkrete Handlungsanweisungen zur agrarischen Praxis, den Krieg aus Sicht eines Landbesitzers handhabbarer und kontrollierbarer zu machen. Passte sich der Krieg in der Militärtheorie teilweise den zwingenden Erfordernissen einer kultivierten

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310 Vgl. generell zum Kriegsablauf auf dem europäischen Kriegsschauplatz Füssel, Der Siebenjährige Krieg, S. 32–56. 311 Der 1713 vermutlich auf dem Gut Blumenfelde in Neumark geborene Beneckendorf studierte in Halle, wurde 1735 Kammergerichtsrat in Berlin und 1742 Präsident der Oberamtsregierung in Breslau. Zehn Jahre später wurde er wegen der Veruntreuung von Geldern zu zehn Jahren Festungshaft verurteilt, von denen er aufgrund einer Begnadigung sieben Jahre verbüßte. Nach seiner Freilassung zog er sich auf sein Gut Blumenfelde zurück, welches er im Sinne der preußischen Agrarreformer und der Rationalisierungsbestrebungen der ökonomischen Aufklärung zu einem Mustergut machte. Auch mit der Kodifizierung agrarökonomischen Wissens setzte er sich auseinander: sein Hauptwerk ist das in der Agrargeschichte bekannte achtbändige Werk Oeconomia Forensis. Vgl. August Skalweit, »Beneckendorff, Karl Friedrich von«, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 2 (1955), S. 42 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/ pnd116120347.html#ndbcontent (Abruf am 04.04.18).

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Natur an, wenn die Abhängigkeit von bestimmten lokalen Ressourcen betont wurde, kehrt sich hier diese Anpassung um: Der Landbau sollte auf den Krieg und seine Erfordernisse reagieren. Wie auch oft bei militärtheoretischen Traktaten zu beobachten, argumentiert Beneckendorf mit dem von ihm wahrgenommenen weitgehenden Fehlen von landwirtschaftlichen Anleitungen für den Kriegsfall, welches ihn zur Verfassung seines Traktates gebracht habe. Allerdings bezieht auch er sich auf einen aktuellen politischen Anlass. In seiner Einleitung bezog er sich auf die »gegenwärtigen kriegerischen Zeiten«,312 womit er vermutlich den zum Zeitpunkt des Erscheinens seines Werkes gerade beendeten Bayerischen Erbfolgekrieg meint. Dabei greife er aber ebenfalls auf langjährige eigene Erfahrungen zurück: »Der gegenwärtige Krieg ist schon der vierte, den ich erlebe.«313 Doch auch Beneckendorf sieht den Krieg als Normalität an. Krieg sei genauso gewöhnlich wie Frieden, und so schreibe er ein Handbuch, dessen Wissen auch für die nachfolgende Generation gelte. 314 Dabei folgt Benckendorf prinzipiell der Argumentation, die sich bereits im Hausvater von Münchhausen identifizieren lässt, allerdings ohne die zum Teil erheblichen Schäden zu verschweigen. Krieg sei das »größte Schreckensbild aller Sterblichen«, speziell derer im »Nahrungsgewerbe«.315 Die schädlichen Folgen des Krieges führt Beneckendorf detailliert aus und bindet sie zurück an die Dauer und Intensität militärischer Präsenz vor Ort.316 Egal ob Durchmärsche, Einquartierungen oder Fouragierungen: Jedes dieser Vorkommnisse sei genug, um »einen Landwirt, der davon betroffen wird, zu Grunde zu richten«.317 Jedoch differenziert Beneckendorf stark die verschiedenen Situationen aus, in denen es zu diesen militärischen Aktionen komme. Bei befreundeten Truppen seien Durchmärsche keinesfalls so schädlich wie durch feindliche. Während sich Erstere stets ankündigten, erfolgten Letztere überraschend und schädigten oft »Saaten und das Getreide des Landmannes«.318 Hier seien Landwirte seiner Meinung nach oft selbst Schuld, da sie die vorhandenen Wege nicht gut genug ausgebessert hätten, was die feindliche Armee zu einem Marsch durch die

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312 Karl Friedrich von Beneckendorf, Der Landwirth in und nach dem Kriege, Berlin 1779, S. 2. 313 Ebd., S. 15. 314 Ebd., S. S. 23. 315 Ebd., S. 3. 316 Ebd., S. 31. 317 Ebd. 318 Ebd., S. 33.

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Felder zwinge.319 Als zerstörerischste militärische Praktik führt auch Beneckendorf das Campieren von Armeen an, besonders wenn es sich um zwei verfeindete Armeen handelte. Vor allem in solchen Fällen komme es zu Fouragierungen, die für ihn die schädlichste Auswirkung des Krieges auf die Landbevölkerung darstellen.320 Zentral sei bei den Fouragierungen der Verlust der mühsam angelegten Futterreserven sowie des Getreides: »Die Körner sind zwar an und vor sich der edelste und nutzbareste Teil der eingeschnittenen Feldfrüchte. Des Strohes aber kan ein Landwirt, um das zu seiner Ackerwirthschaft nötige Vieh zu unterhalten, eben so wenig entbehren.«321 Der Verlust des Viehfutters sei besonders problematisch, da dieses in Kriegsgebieten kaum zu kaufen sei, was den Landwirt in der Not auf die natürliche Regeneration seiner Weiden zurückwerfe. Dabei spricht Beneckendorf wieder die Zeitlichkeit militärischer Präsenz an, die in seiner Erfahrung einen Unterschied in der militärischen Ressourcennutzung ausmache: Habe eine Armee vor, sich längerfristig in einem Gebiet aufzuhalten, so versuche sie die Ressourcen des Umlandes möglichst zu schonen, während kurzfristige Einquartierungen und Lager dazu führten, dass sämtliche Vorräte und Ressourcen aufgezehrt würden.322 Diese Feststellung deckt sich in bemerkenswerter Weise mit den in der Militärtheorie gegebenen Ratschlägen zur Nutzung lokaler Ressourcen. Als größter längerfristiger Schaden gilt Beneckendorf die Verwilderung von Ackerflächen sowie der drohende Verlust der Bodenfruchtbarkeit durch fehlende Düngung – eine Folgewirkung, die er bei lang andauernden und lokal intensiv geführten Konflikten befürchtet, wie es der Siebenjährige Krieg gewesen sei. 323 Hier bedürfe es aufwändiger Rekultivierungsmaßnahmen. Seine Ausführungen wiederholen also letztlich die anhand anderer Schriften herausgearbeiteten Bilder eines gestörten sozionaturalen Gefüges, das sich letztlich in der »Verwilderung« der vorher geordneten und kultivierten Landschaft niederschlug. Doch neben diesen negativen Kriegsfolgen betont Beneckendorf die positiven Seiten eines Krieges für einen Landwirt. Ähnlich wie Münchhausen argumentiert er mit der Etablierung eines veränderten Marktes in den vom Krieg betroffenen Gebieten, den der Landwirt nutzen solle:

—————— 319 Ebd. 320 Ebd., S. 43. 321 Ebd., S. 64. 322 Ebd., S. 51. 323 Ebd., S. 403–404.

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»Die Vermehrung der Consumtion ziehet natürlicher Weise einen stärkern Absatz und höhere Preise derjenigen Produkten, so zu dieser vermehrten Consumtion erheischet werden, nach sich. Alle Bedürfnisse aber, deren die im Felde stehende Kriegsheere zu Unterhaltung, so wohl vor Menschen, als Pferden, benötiget, sind Waaren und Produkte, so sie aus den Händen des Landmanns empfangen müssen.«324

Die Präsenz von Armeen verstärke den Bedarf und damit die Nachfrage an agrarisch erzeugten Produkten, wobei zugleich das Angebot durch die tatsächlich im Kriegsfall geschädigten und daher nicht produzierenden Felder verknappt werde. Daraus ergäben sich für Landwirte potenziell erhebliche Gewinnchancen. Was Beneckendorfs Abhandlung neben der expliziten Betonung dieser marktökonomischen Logik stark von den vorhergegangenen agrarökonomischen Thematisierungen von Krieg unterscheidet, ist der hohe Grad an operationalisierten Handlungsmaximen und darin enthaltenen Modifikationen von Praktiken des Landbaus. Der Krieg schrieb sich also nicht nur durch genuin militärische Aktivitäten in die Natur ein – sondern auch durch angepasste agrarische Landnutzungsweisen. Man müsse dem Wirtschaften im Krieg eine andere »Richtung« geben, um die Folgen der Unsicherheit und der möglichen Zerstörungen zu mildern und zugleich den höchsten Gewinn aus der Situation zu ziehen. 325 Schon beim Kauf eines Gehöftes solle der informierte künftige Landwirt nach Beneckendorf beispielsweise untersuchen lassen, ob Flüsse in der Nähe im Kriegsfall passierbar seien und daher zu Überquerungen genutzt würden; sei dies der Fall, sei stets mit Schäden und Ernteausfällen durch Durchmärsche zu rechnen, was den Wert eines Gutes mindere.326 Auch Beneckendorf nimmt deutlich von der vorschnellen Flucht aus dem Land Abstand. Diese führe erst recht zu einer Verwüstung des Gebietes, zu einer »von Menschen und Vieh entblößten Einöde«,327 in der die Kultivierung der Böden unterbleibe. Stattdessen empfiehlt er neben der sicheren Verwahrung von Vieh eine Veränderung der bäuerlichen Landnutzung als Anpassung an die Unsicherheit des Krieges. So schaffe dieser Nachfrage nach Kornarten, die im Frieden weniger wertvoll seien, nun

—————— 324 Ebd., S. 89. 325 Ebd., S. 17. 326 Ebd., S. 40. 327 Ebd., S. 110.

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aber mit Gewinn vermehrt angebaut werden könnten, während andere Kornarten an Wert einbüßten: »Zum Beweise hievon kan ich den Weizen, der sonst unter allen Ackerfrüchten zu Friedenszeiten die edelste und im höchsten Preise stehende ist, anführen. Daß deßen Gebrauch im Kriege, wo man nur wenig von Semmel, desto mehr aber von Commißbrodt weiß, sehr eingeschränket sey, hat die Erfahrung der vorigen Zeiten zur Gnüge bestätiget, indem es nicht an Beispielen gefehlet, daß der Weitzen wohlfeiler, oder doch wenigstens in eben dem Preise, als der Roggen, verkaufet worden.«328

Neben diesen Erwägungen gehe es aber vor allem darum, mögliche Risiken abzuschwächen und richtig einzuschätzen. So warnt Beneckendorf eindringlich vor einer falschen, zu geringen Bestellung der Äcker, auch wenn dies aus der Furcht vor feindlichen Aktivitäten geschehe: Dies führe nicht nur zu einer kurzfristig schlechteren Ernte, sondern schädige den Boden auch für die zukünftige Aussaat durch die unweigerlich auftretende »Verwilderung«.329 Um einen nachhaltigen Schaden an der so wichtigen »Grundressource« des Bodens zu vermeiden, solle sich der Landwirt im Krieg auf die korrekte Bestellung weniger Äcker beschränken.330 Auch die Reihenfolge der zu bestellenden Böden solle an kriegsbedingte Unsicherheit angepasst werden. So sei es im Frieden ökonomisch sinnvoll, sämtliche zur Verfügung stehenden Böden zu bebauen und dabei mit den »magern und leichten Hinteräckern« zu beginnen; erst danach wende man sich den »guten und fetten Forderäckern [sic!]« zu, die einen großen Ertrag versprächen.331 Die Unsicherheit des Krieges zusammen mit dem in dieser Zeit zu erwartenden Mangel an Vieh und Arbeitskräften verändere die Prioritäten. Werde »die Fortsetzung der Pflugarbeit durch feindliche Märsche oder Ueberfälle gestöret«, so sei es »ganz natürlich, daß diese gute und fette bis zuletzt gelaßene Aecker diejenigen sind, die darunter leiden, und entweder gar keine, oder doch eine unrichtige und zu unrechter Zeit geschehene Bestellung erhalten«332 würden; daher solle man diese ertragreichen Böden vorziehen. Auch das Anpassen der Pflüg- und Aussaatzeiten sei ein Mittel, zumindest das Bestellen einiger Äcker zu sichern: Zwar laufe

—————— 328 Ebd., S.182. 329 Ebd., S. 248. 330 Ebd. 331 Ebd., S. 262. 332 Ebd., S. 262–263.

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das »Verrücken« dieses agrarischen Rhythmus nicht ohne Schäden ab, sei aber manchmal die einzige Chance, Felder überhaupt zu bestellen. Hierbei ging es Beneckendorf nicht nur um die Vermeidung von Ernteausfällen, sondern vor allem um eine Optimierung der zu erwartenden Erträge: So gab er in einem kompletten Kapitel Anweisungen für den besten Zeitpunkt zum Verkauf eingelagerter Getreidevorräte, also prinzipiell eine Anleitung für das Spekulieren mit Lebensmitteln in Krisenzeiten. 333 Die Ratschläge zeigen deutlich die Konsequenzen eines Konzeptes, das Krieg als Normalfall der frühneuzeitlichen Landwirtschaft ansah: Auch in der Agrarökonomie sollte die Natur den Erfordernissen des Krieges angepasst werden. Beneckendorfs Ausführungen zeigen als Schlusspunkt der hier vorgenommenen Betrachtung beispielhaft den Blick auf den Krieg aus der Perspektive eines sich entwickelnden agrarökonomischen Wissens. Vordergründig verurteilten alle Autoren grundsätzlich den Krieg aufgrund der ihm zugeschriebenen Schädigung der Landwirtschaft. Es ist dabei festzuhalten, dass die aus der Perspektive der Landbesitzer gestellten Diagnosen zur Schädlichkeit von verschiedenen Praktiken des Krieges zwar weiteren Aufschluss über die wahrgenommenen Auswirkungen auf die Landwirtschaft geben können – sei es die Furcht vor dem Mangel an Dünger oder die Vernichtung von Aussaat. Aber grundsätzlich ähneln diese Ausführungen stark den durch militärische Autoren konstatierten Schädigungen eines Landes durch militärische Aktionen. Es scheint wahrscheinlich, dass sich der Diskurs der Militärtheorie und der agrarökonomische Diskurs in diesem Punkt sehr nahestanden, wenn auch eine explizite interdiskursive Rezeption in den Schriften nicht greifbar ist. Zentral für die Frage nach den Auswirkungen von Krieg auf die naturale Umwelt sind letztlich die Schlussfolgerungen, die in der Agrarökonomie gezogen wurden: Der Krieg, verstanden als »Normalfall« des Wirtschaftens, sollte nicht nur kontrollierbarer, sondern profitabel gemacht werden. In diesem marktökonomischen Blick auf die Erzeugung agrarischer Produkte wurden Konflikte zu Situationen umdefiniert, in denen die eigenen Praktiken des Landbaus angepasst werden sollten, um selbst in solchen Situationen möglicherweise Gewinn zu machen.

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333 Ebd., S. 282–283.

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5.5 Kontrolle durch Vernichtung – Ökonomisierung als Schutz. Zwischenfazit Anhand des Diskurses zur systematischen Landesverwüstung konnte ein Wissen herausgearbeitet werden, welches vor allen in den Kategorien von Kontrolle und Nutzen operierte. Praktiken dieser Art wurden in der Militärtheorie explizit gemacht und beschrieben: Das Abbrennen von Kornernten und Viehfutter, das Vertreiben der Landbevölkerung, teilweise gar das Unterpflügen von Feldern oder das Vergiften von Wasserquellen. Bemerkenswert erscheint die sich im 18. Jahrhundert sowohl im militärischen als auch im agrarischen Wissen herausbildende genaue Beschreibung von Kriegsfolgen für die Landwirtschaft einer Region, die regelrechte Wirkungsketten aufstellte, an deren Endpunkt die Landflucht der Bevölkerung stand. Einziges Argument für ein derart extremes Vorgehen war stets die Furcht vor Kontrollverlust: war ein Feind durch nichts anderes aufzuhalten als durch diese Taktik der »verbrannten Erde«, so lag ein solches militärisches Vorgehen im Bereich des Denkbaren. Auffallend ist die defensive Logik dieses Vorgehens, die sich mit der Zeit an einer Unterscheidung von »eigenem« und »fremdem« Land organisierte: Während zunehmend nur »eigenes« Land im Falle einer mächtigen Invasion davon betroffen sein durfte, wurden solche Aktionen im Land des Feindes paradoxerweise immer häufiger kritisiert. Es war die stets beschworene Abhängigkeit der Armeen vom Land, seinen Ressourcen und seiner Bewirtschaftung, welche im militärischen Diskurs nicht nur das Zerstören dieses Landes als Mittel gegen den Feind rechtfertigte, sondern auch langsam die Sagbarkeit eines rücksichtslosen Vorgehens einschränkte. Gerade weil in dieser zeitgenössischen Vorstellung tausende Soldaten nicht ohne Rückgriff auf die Zivilbevölkerung – und das hieß ebenso ihr Geld, ihre Behausungen und auch ihre Ernten und ihre Bewirtschaftung des Landes – in einem Gebiet überleben konnten, wurde im Laufe des Untersuchungszeitraumes ein systematischerer und schonenderer Umgang mit ihr eingefordert.334 Eine »Wüste«, verstanden als nicht weiter kultiviertes Land, sollte vermieden werden, womit sich hier typische Formen der zeitgenössischen Naturwahrnehmung spiegeln. Als Mittel, das neben den militärischen auch in den juristischen Diskursen

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334 Vgl. hierzu auch die Studie von Govaerts, der für die militärischen Aktivitäten während der Vormoderne in der Meuse-Region zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt, Govaerts, Mosasaurs, S. 344–347.

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auftauchte, galt das Einfordern von Kontributionen: In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden sie stets im Kontext einer Schonung des Landes angesprochen, oft als dezidiertes Argument gegen das Verwüsten. Die Abhängigkeit von Armeen von lokaler Infrastruktur und der Bewirtschaftung kultivierter Natur war ein derart gängiges und akzeptiertes Deutungsmuster, dass es sich auch in agrarökonomischen Schriften wiederfand, die ihre Aussicht auf Gewinn im Kriegsfall auf der Notwendigkeit der »Subsistenz« der Armeen und der damit verbundenen Schonung eines besetzten Landes basierten. Manche Elemente der naturalen Umwelt waren unter Bezugnahme auf ältere Traditionen sogar unter besonderen Schutz gestellt: Fruchtbare Bäume, später auch generell Wälder oder Weinpflanzen sollten wegen der zu erwartenden Längerfristigkeit des Schadens nicht mutwillig geschädigt werden. Trotz vermehrter Kritik blieb die Idee einer absichtlichen Landesverwüstung ein transportierter Wissensbestand in der Militärtheorie bis an das Ende des 18. Jahrhunderts. Für diese Kontinuität gibt es drei mögliche Erklärungen. Zuerst erscheint ein simples Abschreiben und Übertragen von früheren Autoren durchaus denkbar: Weil es stets als ein Bestandteil taktischen Wissens behandelt worden war, musste es auch in späteren Werken genannt werden. Besonders wenn man die Übertragung des Stichwortes »ravagiren« in die militärischen Fachlexika betrachtet, mag dieses Argument durchaus stichhaltig sein, aber es erklärt noch nicht, warum sich dieses Vorgehen trotz der daran geäußerten Kritik bei Autoren halten konnte, die offensiv mit ihren »eigenen Erfahrungen« und »eigenen Gedanken« warben. Eine zweite Erklärung wäre, dass das in diesen Ratschlägen geäußerte Wissen ebenso wie die in Kapitel 4 beschriebenen Logiken der Ressourcennutzung schlicht seine Aktualität am Ende des 18. Jahrhunderts nicht eingebüßt hatte. Die grundsätzlichen Probleme und Abhängigkeiten von Armeen hatten sich um 1780 gegenüber 1680 nicht verändert. Warum aber zeigten sich dann viele Autoren davon überzeugt, dass zwar einerseits in ihrer Zeit Kriegführung und »Menschlichkeit« Hand in Hand gingen, andererseits aber das Verwüsten von Land trotzdem gerechtfertigt war? Während die zwei zuvor diskutierten Antworten für sich durchaus stichhaltig erscheinen, wurde in diesem Kapitel ein dritter Aspekt herausgearbeitet. Sowohl der Diskursstrang, der sich mit der Verwüstung von Land beschäftigte, als auch der mit ihm verwobene Diskursstrang einer militärischen Schonung von Ressourcen operierten mit derselben Vor-

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stellung einer »rationalen« Kriegführung, die sich in ihren Argumenten immer wieder zeigte: Einer auf Nützlichkeit fokussierten Sichtweise auf militärische Gewalt. 335 Der Nutzen einer Landesverwüstung wurde immer wieder angemahnt: War keiner zu erkennen, war eine solche Handlung nicht legitim. Die Schonung von Land operierte hingegen mit einem immer stärker auf das ökonomische Potenzial des feindlichen Raumes gerichteten Nutzenvorstellung. Der langfristige finanzielle Nutzen eines durch Kontributionen angezapften Landes für eine effizientere Versorgung von Armeen funktionierte als Argument gegen die Verwüstung von Land. Der militärisch relevante Nutzen einer längerfristig sichergestellten Operationsfähigkeit war das tragende Argument, nicht moralische Erwägungen. Dieses argumentative Muster findet sich dabei nicht nur im militärtheoretischen, sondern auch im juristischen oder sogar agrarischen Diskurs. In sich trug allerdings dieses Effizienzargument stets die Möglichkeit seiner eigenen Negation. Mit genau derselben Zuschreibung von Nützlichkeit ließ sich im Zweifelsfall wieder ein rücksichtsloses Vorgehen gegen das Land rechtfertigen – in nahezu jedem Kontext der Landesverwüstung spielte das Argument einer »unumgänglichen Notwendigkeit« eine Rolle.336 Sein Akzeptieren im juristischen Diskurs, sei es als »raison de guerre« oder als Mittel zur Bestrafung von Brüchen des Völkerrechts, verhinderte eine klar einschränkende Position. Da der »Feind« ebenfalls Gebrauch vom sorgsam geschonten ländlichen Raum und seinen Ressourcen machen konnte, war ein Umschlagen von Schonung in Zerstörung unter Bezug auf dieselben »rationalen Prinzipien« des Krieges denkbar. Die Betonung einer längerfristigen Nutzung von Ressourcen, ihrer möglichen Schonung oder ihrer effizienteren Behandlung verweist allerdings keinesfalls auf eine »militärische Nachhaltigkeit«. Auch die Idee einer »Humanisierung« der Kriegführung aufgrund der steigenden Bedeutung von Werten wie »Menschlichkeit« spiegelt sich darin wenig wider. Darin zeigt sich vielmehr das Streben nach der Sicherstellung einer im Vergleich

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335 Zur Kategorie der »Nützlichkeit« als Maßstab der Verbindung praktischen mit wissenschaftlichem Wissens vgl. Ursula Klein, Nützliches Wissen. Die Erfindung der Technikwissenschaften, Göttingen 2016, S. 7–13 sowie S. 188–190. 336 Vgl. dazu auch die Anmerkung Daniel Hohraths zur »Kehrseite« utilitaristischer militärischer Erwägungen, vgl. Daniel Hohrath, Eroberer, Besatzer, Verteidiger. Festungsstädte unter »fremder« Herrschaft im Krieg des 18. Jahrhunderts, in: Günther Kronenbitter, Markus Pöhlmann, Dierk Walter (Hrsg.), Besatzung. Funktion und Gestalt militärischer Fremdherrschaft von der Antike bis zum 20. Jahrhundert (Krieg in der Geschichte 28), Paderborn u. a. 2006, S. 67–80, hier S. 68.

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zu wirtschaftlichen Kreisläufen kurzfristigen militärischen Effizienz: Stets wird mit dem Wohl oder dem Schaden der eigenen Armee argumentiert, oder dem potenziellen Nutzen des Landes für spätere Bewirtschaftung oder als Eroberung. Es ist also ein Effizienzargument, welches die militärische Schonung von Natur im 17. und 18. Jahrhundert empfiehlt.

Die Natur des Krieges. Fazit und Ausblick

»Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen.« Die Passage aus der Offenbarung des biblischen Propheten Micha trennt Krieg und Natur eindeutig voneinander: Nicht nur in Form der materiellen Umwandlung des Kriegsgerätes, das zu Zwecken der Naturnutzung umgeschmiedet wird, sondern auch durch die Abwesenheit des Lernens von Krieg, die einen Friedenszustand denkbar macht, der sich durch die Nähe zur Natur auszeichnet. In diesem Idealbild waren die Rollen klar verteilt. Das kriegsgeplagte Europa des 17. und 18. Jahrhunderts war freilich von diesem Friedensideal weit entfernt. Das Erlernen des und das Lernen aus dem Krieg, wie es sich in dieser Zeit in der Militärtheorie etablierte, war zudem weitaus stärker mit der Natur befasst, als es das Bibelzitat nahelegt. Die Verflechtung von Krieg und Natur im Diskurs der Militärtheorie formierte im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts einen militärischen Blick auf die naturale Umwelt, der in den vorangegangenen Kapiteln auf verschiedenen Ebenen Thema gewesen ist. Abschließend werden auf Basis der herausgearbeiteten Erkenntnisse vier größere Thesen zu diesem militärischen Wissen gebildet, die die Ergebnisse der Arbeit zusammenfassen und in den größeren historiografischen Kontext einbetten. 1. Die Befassung mit der naturalen Umwelt war für die entstehende Militärtheorie diskursiv produktiv und ein Themenfeld, an dem sich die interdiskursive Verflechtung des militärtheoretischen Diskurses mit anderen Diskursen zeigt. Eine Schwierigkeit bei der Betrachtung der Wissensbestände zur naturalen Umwelt in der Militärtheorie ist zweifelsohne die große Streuung der relevanten Aussagen im Textkorpus. Zudem tritt »Natur« stets vorgeprägt durch die Perspektive des Militärs und seiner Anforderungen auf: Als »Terrain«, als »Feindesland«, als Ressource, als Ziel. Diese Verstreuung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei der naturalen Um-

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welt um einen zentralen Bezugspunkt militärischen Wissens handelte. Allein schon die immer differenziertere Beschreibung militärischer Praktiken ist kaum loszulösen von der Betrachtung der Umgebung, in der diese Praktiken stattfanden und mit denen sie sich aktiv auseinandersetzen mussten. Das Lesen der Traktate »gegen den Strich« zeigt, dass das militärische Wissen im Hinblick auf die naturale Umwelt immer ausdifferenzierter wurde. Die Problematisierung des Verhältnisses der bewaffneten Macht zu »ihren« verschiedenen Umwelten war also schon für sich genommen diskursiv produktiv. Darüber hinaus ist allerdings im Laufe der Studie immer wieder augenfällig geworden, dass sich der militärtheoretische Diskurs im Laufe des 18. Jahrhunderts immer stärker an andere Wissensbereiche anzunähern versuchte. Dies gilt für Strategien der Selbstbeschreibung der »KriegsWissenschaft« genauso wie für Überlegungen, welche Kenntnisse ein Offizier über die Bereiche der militärischen Taktik und der Befestigungskunst hinaus besitzen sollte. Diese Tendenz zeigt sich ebenso im Umgang mit der naturalen Umwelt. Das Beschreiben komplexer sozionaturaler Schauplätze führte dazu, dass verschiedene außermilitärische Diskurse aufgegriffen wurden: Seien es kameralistische Raumvorstellungen, die Staatsgebiet, Bevölkerung und naturale Ressourcen als Wirkungsgefüge konzipierten, gängiges gelehrtes oder medizinisches Wissen zur Einschätzung der Qualität von Ressourcen oder Begründungen zur Schädigung von Natur, die sich sowohl in der Militärtheorie als auch im Völkerrecht ähnelten. Anhand der Thematisierung von Natur zeigt sich beispielhaft eine besondere interdiskursive Verflechtung: Wissensbestände außerhalb der Sphäre militärisch-taktischen Wissens wurden nicht nur durch den Einbezug in den militärtheoretischen Diskurs »militarisiert«; vielmehr zeigt sich an diesem Beispiel, dass es noch im 18. Jahrhundert diskutabel war, was genau »militärisches« Wissen eigentlich umfasste. Wie es der schaumburglippische Offizier Friedrich Wilhelm von Zanthier in seinem Versuch über die Kunst den Krieg zu studiren unter Bezug auf Folard ausdrückte, war der Krieg im Verständnis der Zeitgenossen »ein Wirbel, der mehr als eine Wissenschaft in sich schlingt«.1 Diesen Wirbel ein Stück weit zu entwirren und am Beispiel der Nutzung der Natur sichtbar zu machen, bedeutet auch, die frühneuzeitliche Militärtheorie über die Zirkulation und Verknüpfung von Wissensbeständen an eine allgemeine Wissensgeschichte der Frühen Neu-

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1 Zanthier, Versuch über die Kunst, S. 3.

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zeit heranzuführen, anstatt sie als isoliertes Gebiet der Militärgeschichte zu betrachten. 2. Die frühneuzeitliche Militärtheorie ist ein Wissensbereich, in dem die Kontrolle von Natur im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts als Motiv entscheidend war. Die angestrebte Kontrolle des Krieges war mit der Kontrolle und Nutzung der Natur verknüpft. In diesem Sinn hat die Studie zwei klassische Narrative historischer Subdisziplinen zusammengeführt, um beiden eine neue Dimension zu eröffnen. Eine zentrale umwelthistorische Erzählung über das 17. und 18. Jahrhundert ist, dass sich in dieser Zeit die Kontrolle und Erfassung von Natur bedeutend intensivierte. Die naturale Umwelt wurde dabei beispielsweise durch die »Naturgeschichte« zunehmend in ihren vielfältigen Erscheinungsformen klassifiziert, systematisiert und in Wissenssystemen erschlossen – vor allem unter utilitaristischer Perspektive. Untrennbar mit dieser Wissensproduktion verbunden waren obrigkeitliche Projekte, die in die naturale Umwelt eingriffen, um sie nutzbar zu machen: von der Trockenlegung von Sumpfgebieten über die ersten Flussbegradigungen bis zur Anwendung eines nutzenorientierten Blicks auf traditionelle bäuerliche Naturnutzungen. Eine zentrale militärhistorische Erzählung über das 17. und 18. Jahrhundert ist die des Versuchs der Limitierung und der Kontrolle des Krieges. Dementsprechend wurde diese Zeit in der Forschung auch als »Zeitalter der Kabinettkriege« bezeichnet, um die Beschränkung militärischer Gewalt zugunsten politischer Ziele zum Ausdruck zu bringen. In der Militärtheorie drückte sich dieser Erzählung zufolge das Verlangen einer Kontrolle des Krieges aus: Wenn Krieg ein Teil der Staatsgeschäfte war, dann sollte er wenn möglich berechenbar gemacht werden, indem die Logik der Systematisierung und der Aufstellung von allgemeingültigen Regeln auf diesen Bereich angewendet wurde. Krieg sollte »in der Ordnung des Wissens« beherrscht werden.2 Die Betrachtung des militärtheoretischen Wissens über die naturale Umwelt verdeutlicht, dass sich über das Motiv der Kontrolle beide Narrative miteinander in Beziehung setzen lassen. Die angestrebte Kontrolle des Krieges wurde in der Militärtheorie unter anderem über die Kontrolle der Natur erreicht. Dies äußerte sich in der taktischen Erfassung naturaler Elemente, die sich in der immer expliziter werdenden Beschreibung sozio-

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2 Vgl. Hohrath, Beherrschung des Krieges.

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naturaler Schauplätze sowie ihrer taktischen Wirkmächtigkeit ebenso manifestierte wie in der Beschreibung tatsächlicher Eingriffe in die naturale Umwelt, um das Ideal eines »engineered battlefield« zu schaffen. Um den daraus erwachsenden Hunger nach Informationen über die naturale Umwelt zu stillen, wurde verstärkt auf die Fehler und Tücken traditionell verfügbarer Verfahren der Informationsbeschaffung hingewiesen und ein neues Ideal der militärischen Genauigkeit gegenüber der naturalen Umwelt propagiert. Gerade die für die Kartografiegeschichte immer wieder benannte Intensivierung der Erfassung von Land aus ökonomischen, aber auch militärischen Motiven wird in diesem Fall besonders greifbar. Georg Dietrich von der Groeben schrieb am Ende des 18. Jahrhunderts nur zwei weiteren Bereichen eine ähnliche Detailliertheit bei der Erfassung von Natur und Raum zu. Mit den »Finanzeinrichtungen« und ihren Karten bezog er sich auf ökonomische Diskurse der Erfassung von Land. Doch zuvor betonte er ebenfalls unter Bezug auf reisende Gelehrte wie Niebuhr, in deren Reisebeschreibungen fänden sich ebenfalls zahlreiche Informationen zur militärischen Nutzung. Mit der Betrachtung des militärtheoretischen Wissens über die naturale Umwelt erweitert die Studie also das umwelthistorische Narrativ: Zur Ökonomie und der sich etablierenden Wissenschaft trat das Militär als weiterer Bereich, in dem Wissen über die Kontrolle von Natur artikuliert wurde. Für das militärhistorische Narrativ bedeuten die Ergebnisse der Studie die Modifizierung eines Bildes, das frühneuzeitliches militärisches Denken aufgrund der Verbreitung geometrischer Visualisierungen als Form der »flachen« Kriegführung auf dem Papier zeichnete, in der tatsächliche Geländekenntnis nicht so bedeutend war wie die Wahl des optimalen Schusswinkels. Stattdessen ist es gerade die explizite Beachtung unterschiedlicher naturaler Elemente, die für die Kontrolle und Berechnung des Krieges sorgen sollte. Wie und ob diese Kontrolle aber erreicht wurde, war keineswegs einheitlich festgelegt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts artikulierte beispielsweise Guibert eine generelle Kritik an der »topografischen Manie« seiner Zeitgenossen und betonte stattdessen militärische »Kernkompetenzen« wie die militärische Taktik; zum selben Zeitpunkt äußerten vermehrt Autoren die Ansicht, dass einzig der militärische Blick des Feldherren selbst – eine nicht erlernbare Qualität, die sie in die Nähe des Genies rückten – eine Landschaft wirklich zuverlässig erfassen könne. In dieser Kritik lässt sich eine wachsende Unzufriedenheit mit dem Versuch der »wissenschaftlichen« Erschließung des Krieges, aber auch die Abwehr

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eines Einflusses gelehrten Wissens feststellen. Hier zeigt sich die besondere Heterogenität der Militärtheorie, in der unterschiedliche Positionen und eigene Diskursstränge existierten. 3. Die Militärtheorie explizierte nicht nur die Abhängigkeiten vormoderner Kriegführung von Einflüssen der naturalen Umwelt und einer agrarischen Wirtschaftsweise, sondern artikulierte zudem ein Wissen, das diese Limitierungen handhabbar machen sollte. Krieg wurde nicht trotz der Friktionen der Natur geführt, sondern mit ihnen. Gegenüber der genannten Erzählung der Umweltgeschichte, die die Erfassung und Kontrolle der Natur im Untersuchungszeitraum als Wurzel rücksichtsloser Naturausbeutung identifiziert, haben sich in den letzten Jahren vermehrt Positionen etabliert, die eine differenziertere Sichtweise nahelegen. In dieser wird der limitierte Geltungsbereich radikal mechanistischer Weltbilder betont und vielmehr von einer erweiterten, gestaltenden Art gesprochen, mit der Natur zu haushalten. In dieser Erzählung ist die Periode vom 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Zeit einer Naturkonzeption, in der aus paternalistischer oder gouvernementaler Sicht versucht wurde, die Abhängigkeiten von Natur zu erfassen, zu beschreiben und zu optimieren – als Form des »guten« Haushaltens, für die das Zusammenspiel der Naturkräfte gern als Beispiel herangezogen wurde. In ähnlicher Weise ist das zuvor angesprochene Motiv der Kontrolle von Natur zu modifizieren: Diese war nicht zu trennen von einem Bewusstsein dafür, dass die Natur auch den Krieg kontrollierte. In der Militärtheorie war das Wissen um die fundamentale Abhängigkeit des Führens von Krieg von Umweltfaktoren und der agrarischen Wirtschaftsweise der Vormoderne in grundlegender Weise verankert und setzte den Möglichkeiten militärischen Handelns Grenzen. Diese Erkenntis war ein integraler Bestandteil des militärtheoretischen Wissens, weil Abhängigkeiten von Topografien, Einflüssen wie dem Wetter, aber auch von wichtigen naturalen Ressourcen mit der Zeit immer stärker beschrieben wurden. Im expliziten militärtheoretischen Wissen existierte besonders im Hinblick auf bestimmte naturale Ressourcen und den Einfluss der Versorgung von Armeen auf den Verlauf des Krieges ein Set von Beschreibungen und Verhaltensanweisungen, das als Form des militärischen Ressourcenmanagements zu bezeichnen ist. Was hier deutlich wurde, ist eine spezifische militärische Zeitvorstellung, die an den Ge- und Verbrauch von Ressourcen gekoppelt war: Das Aufbrauchen lebenswichtiger Ressourcen wurde stets als mögliche Gefahr für eine Armee beschrieben, weil dies die Zeit einer Armee an einem Ort drastisch verkürzen konnte. Der Gebrauch von

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Ressourcen in der Militärtheorie war zugleich einer kurzfristigen Zeitvorstellung unterworfen, die höchstens die Zeit bis zur nächsten Kampagne im Blick hatte – längerfristige Überlegungen zur Nutzung von Ressourcen wie Wäldern finden sich kaum. Die Abhängigkeit von Armeen von einer Ressource wie Fourage oder die im Laufe des 18. Jahrhunderts immer stärker beschriebene und betonte generelle Abhängigkeit von einem genutzten, kultivierten und somit lebenswichtige Ressourcen produzierenden Land lässt sich allerdings nicht auf das Aufzeigen der Grenzen militärischer Handlungsfähigkeit reduzieren. Stattdessen wurde in der Militärtheorie versucht, diese Abhängigkeit durch Ratschläge handhabbar zu machen, indem sie für den eigenen Vorteil genutzt werden sollten. Zur Betonung der Wichtigkeit der eigenen Armeeversorgung gehörte der Hinweis auf den »Hunger«, der schlimmer sei als das »Schwert« – was man sich durchaus zunutze machen könne, indem man den Feind durch Ressourcenmangel aufrieb, anstatt eine Schlacht zu wagen. Die Nutzung von Ressourcen dachte dementsprechend das Schädigen eines potenziellen Gegners stets mit. Mangel wurde zur Waffe. Dabei muss betont werden, dass sich dieser herausgearbeitete und zudem im Untersuchungszeitraum vergleichsweise stabile Bestandteil militärischen Wissens gerade nicht durch die Abwesenheit militärischer Gewalt auszeichnete, wie es eine Sichtweise nahelegen könnte, die vor allem die Wichtigkeit einer funktionierenden Logistik gegenüber Schlachten betont. Die Beschaffung von Ressourcen war mit dem Anwenden von Gewalt verbunden und wurde als militärische Operation verstanden. 4. Der Umgang mit Kriegsschäden an der naturalen Umwelt zeigt exemplarisch, dass es bei der »Rationalisierung des Krieges« in der Militärtheorie in diesem Punkt nicht um eine Humanisierung des Krieges ging, sondern um militärische Effizienzüberlegungen. Sowohl die Zerstörung als auch der Schutz von Natur in Kriegszeiten ließ sich so im Kontext einer nutzenfokussierten Sichtweise auf militärische Gewalt rechtfertigen. Der Blick auf die naturalen Abhängigkeiten von Armeen ist besonders in dem Bereich der Militärtheorie artikuliert worden, in dem es um die Ausnutzung dieser Verbindungen in der extremsten Form ging: um militärische Gewalt gegen die naturale Umwelt und die Agrarproduktion. Es wurde herausgearbeitet, dass dieses Vorgehen als Taktik der »verbrannten Erde« ebenfalls einen festen Platz im militärtheoretischen Wissen hatte. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts etablierte sich zugleich ein Diskursstrang, in dem die Verwüstung eines Landes für die Armeen selbst problematisiert wurde. Anstatt dessen sollten als Form einer Limitierung des

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Krieges im feindlichen Land Kontributionen ausgeschrieben werden, die nach Möglichkeit an die ökonomische Leistungsfähigkeit des Landes angepasst sein sollten. Das Feindesland wurde als ökonomisch wertvoll konzipiert, aber dies führte nicht dazu, dass die Verwüstung von Land völlig aus dem militärischen Reflexionsrahmen verschwand. Besonders am Anfang des 18. Jahrhunderts wurde dieses Vorgehen in den Rahmen der Suche nach allgemeinen »Regeln« des Krieges integriert – als vielleicht zu bedauernde, aber trotzdem in bestimmten Situationen anzuratende Kriegspraktik, die noch dazu bei dem Verlust von Kontrolle vor allem im eigenen Land als Mittel der Verteidigung angeführt wurde. Im Laufe des Jahrhunderts nahm die explizite Thematisierung dieser Taktik allerdings ab, und Autoren sahen sich anscheinend dazu gezwungen, ihre Erwähnung zu legitimieren. Trotzdem taucht sie als denkbares Extrem des Krieges bis an das Ende des 18. Jahrhunderts auf. Dies ist besonders vor dem Hintergrund der Erzählung einer »gezähmten Bellona« des 18. Jahrhunderts ein bedeutsames Ergebnis. Ältere, aber auch jüngere Studien betonen für den Bereich der Militärtheorie ein gewisses Potenzial zur Humanisierung der Kriegführung. Es scheint, die Zähmung und Einhegung des Krieges müsse wenigstens im Rahmen des durch die Aufklärung beeinflussten militärischen Denkens gerettet werden, während sie in der Kriegspraxis von der Forschung bereits weitgehend relativiert oder ganz verabschiedet wurde.3 Gerade die »aufgeklärten Kriegswissenschaften« der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden in der Forschung öfter in ihrer Gesamtheit als Versuch verstanden, mithilfe der Vernunft und der generellen Regeln und Prinzipien Krieg so weit zu mechanisieren, dass seine Folgen zunächst weniger brutal waren, bis sich am Ende dieser Entwicklung das Führen des Krieges selbst erübrigte. 4 Aber die Vorstellung eines geordneten, erlernbaren und letztlich dadurch kontrollierbaren Krieges war nicht bei allen Autoren mit dem Gedanken an eine Humanisierung und letztlich eine Abschaffung des Krieges verbunden. Die Position eines de Silva, eine solche Art des Krieges würde weniger

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3 Vgl. jüngst zur problematischen Annahme einer »gezähmten Bellona« Wrede, Ökonomie der Gewalt, S. 237. 4 Vgl. dazu die Schlussfolgerungen Johannes Kunischs, der als logische Konsequenz der »Mechanisierung« und Regulierung des Krieges in der Militärtheorie und durch die Disziplinierung der Soldaten letztlich den »völligen Verzicht von Waffengewalt« sieht. Johannes Kunisch, Friedensidee und Kriegshandwerk im Zeitalter der Aufklärung, in: Ders., Fürst – Krieg – Gesellschaft. Studien zur bellizistischen Disposition des absoluten Fürstenstaates, Köln u. a. 1992, S. 131–159, hier S. 142–159.

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»lang und ruinös« sein,5 oder die eines Friedrich Meinert, der in verschiedenen Schriften am Ende des 18. Jahrhunderts das humanisierende Potenzial eines verwissenschaftlichten Kriegswesens betonte, 6 waren nicht die einzig beherrschenden Positionen der Militärtheorie. Weitaus häufiger lässt sich für das militärtheoretische Wissen ein Ordnungs- und Effizienzstreben erkennen: Ähnlich wie in anderen Bereichen – Foucault zeigte dies klassisch an der Entwicklung des modernen Strafdispositives, das er nicht als Form der Humanisierung, sondern als neuartige Machttechnologie begreift7 – war hier die »Vernunft« im Einsatz für die Verbesserung eines fürstlichen Machtmittels. 8 Die Vernunft der Militärtheorie stand im Dienst eines möglichst effizient zu führenden Krieges, in dem selbst zerstörerische Kriegswerkzeuge beizeiten eingesetzt werden mussten. Im Hinblick auf den Umgang mit der naturalen Umwelt lässt sich eine Dialektik der Aufklärung entdecken: Argumente der Schonung von Natur kommen aus einer Perspektive, die die Operationsfähigkeit der Armee selbst in den Vordergrund stellt. Es scheint gerade die immer genauere Beschreibung der Abhängigkeit von naturalen Einflüssen zu sein, die dafür sorgte, dass die Taktik der »verbrannten Erde« eben nicht völlig marginalisiert wurde. Das Motiv der Humanisierung oder der Rücksichtnahme gegenüber der Landbevölkerung um ihrer selbst willen ist kaum festzustellen, vielmehr wird ihr als Bewirtschafter des Bodens lediglich eine »nützliche« Funktion zugewiesen. Erst durch dieses militärische Effizienzargument können Landesverwüstungen kritisiert werden – allerdings nicht auf moralischer, sondern auf ökonomischer Ebene. Zugleich ist die Taktik der »verbrannten Erde« argumentativ noch immer vertretbar – wenn dieser Form der militärischen Gewalt ein konkreter Nutzen zugewiesen werden konnte. Lediglich bestimmte Elemente der naturalen Umwelt wurden generell als unantastbar angesehen: Die Formulierung der »fruchtbaren Bäume«, die in diesem Kontext immer wieder auftauchte, verweist dabei sowohl auf die zeitliche Dimension eines Kriegsschadens an einer solchen Ressource, als auch auf die Nützlichkeit der Natur, die wieder entscheidend für ihren

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5 De Silva, Pensées sur la Tactique, et la Stratégique, ou vrais Principes de la Science Militaire, Turin 1778, S. 1. 6 Hohrath, Beherrschung des Krieges, S. 385–386. 7 Vgl. Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M. 1977. 8 Vgl. ebenfalls Starkey, War, S. 26, der in ähnlicher Form auf die Zielsetzung der »military writers« nach den Maßstäben militärischen Erfolges hinweist.

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Schutz ist. Es ist auffallend, dass dies nicht nur eine in der Militärtheorie vertretene Position ist, sondern sich eine solche Einschätzung von Kriegsgewalt gegen die kultivierte naturale Umwelt auch im Völkerrecht und in militärischen Reglements finden lässt. Zugleich betonten aber beispielsweise agrarische Schriften am Ende des 18. Jahrhunderts die Abhängigkeit von Armeen von der lokalen Landbewirtschaftung eines Kriegsgebietes, die aus der Perspektive der Landwirte sogar zum eigenen Vorteil genutzt werden sollte. Es ist also in diesem Punkt eine eigentümliche Verschränkung von Positionen festzustellen, die Taktiken der verbrannten Erde grundsätzlich für denkbar hielten, und Positionen, die diese aufgrund der Abhängigkeiten von Armeen verurteilten. Beide ließen sich letztlich mit dem Bezug auf die Nützlichkeit militärischer Gewalt rechtfertigen. Die Zerstörung von Natur blieb im 18. Jahrhundert also ein erwartbarer Kollateralschaden des Krieges. Die Argumentation im Diskurs der Militärtheorie macht es schwer, die dort artikulierte Schonung von Natur in Kriegszeiten als Anfangspunkt eines wie auch immer gearteten Umweltschutzes in bewaffneten Konflikten zu konzipieren oder als Bestrebungen der »Nachhaltigkeit« – dazu unterlagen sie zu sehr innermilitärischen Logiken. Andererseits kann dagegengehalten werden, dass es besonders in der Umweltgeschichte die unvorhergesehenen und unbeabsichtigten Folgen menschlichen Denkens und Handelns sind, die für die sozionaturale Umwelt des Menschen bedeutsam sind. Aus dieser Perspektive ließe sich die eigentümliche Feststellung machen, dass gerade die militärische Bedeutung der naturalen Umwelt als »Ressourcenreservoir« für Armeen zumindest in der Militärtheorie auch zu ihrem Schutz beigetragen hat. Was aber bleibt von diesem militärischen Blick auf die Natur? Am Ende des Untersuchungszeitraumes steht mit den Kriegen der Französischen Revolution und den Koalitionskriegen gegen Napoleon Bonaparte ein Einschnitt, der nicht nur eine traditionelle Epochengrenze der Frühen Neuzeit darstellt, sondern darüber hinaus auch die Militärgeschichte und unser historisches Verständnis von Konflikten strukturiert hat. Der über 20 Jahre lange Dauerkonflikt veränderte nicht nur die politische Landkarte Europas, sondern gebar darüber hinaus eine Form des Krieges, die sämtliche Grenzen und Limitierungen vorheriger Konflikte zu sprengen schien. In der traditionellen Betrachtung wird vor allem die Rolle der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, aber auch von Patriorismus und Nationalismus hervorgehoben, die zu einer neuen Form des Volksheeres geführt habe. Der Begriff des »Kabinettkrieges«, mit dem die Kriegführung

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des 18. Jahrhunderts als vergleichsweise limitiertes Unterfangen beschrieben wurde, verdankt seine Existenz überhaupt nur der Abgrenzung von dieser als »Volkskrieg« beschriebenen neuen Form des Konfliktes des frühen 19. Jahrhunderts.9 Im revolutionären Frankreich wurde ein Maß an Mobilisierung erblickt, dass David A. Bell zur Charakterisierung dieser Kriege als »total« führte – eine folgenreiche Interpretation, die die Wurzeln der totalen Vernichtungskriegführung des 20. Jahrhunderts an das Ende des 18. Jahrhunderts zurückführt.10 Unter dem Eindruck dieser neuen Art des Krieges, so eine weitere Erzählung, veränderte sich auch das Denken über den Krieg fundamental. Zu den Gründungsmythen strategischen Denkens, die stets Clausewitz als Propheten des modernen Krieges auftreten lassen, steht eine fundamentale Erschütterung: Die Kriege der Revolution und Napoleons erscheinen als Zusammenbruch einer alten epistemischen Ordnung, in der Krieg als berechen- und kontrollierbar imaginiert wurde. Die »aufgeklärte Kriegswissenschaft« starb – ersetzt wurde sie durch das Denken Clausewitz’ und anderer, das Kontingenz und Zufall zu entscheidenden Einflüssen des Krieges erhob.11 Beiden Narrativen wurde immer wieder widersprochen, indem anstatt eines Bruches mit alten Strukturen und Konzepten vielmehr ein Prozess nachgezeichnet wurde, der sich durch eine Verschränkung von Kontinuität und Wandel auszeichnete. Verschiedene Elemente der napoleonischen Kriegführung ähnelten viel eher dem Krieg des 18. Jahrhunderts als dem des 20. Jahrhunderts.12 In Bezug auf Clausewitz wurde darauf hingewiesen, dass er in manchen Bereichen seinen Vorgängern aus dem 18. Jahrhundert mehr verdankte, als es in traditionellen Betrachtungen seiner Kriegstheorie aufscheint.13

—————— 9 Vgl. Göse, Der Kabinettskrieg, S. 123. 10 Vgl. David A. Bell, The First Total War. Napoleons Europe and the Birth of Warfare as We Know It, Boston MA; New York NY 2007, S. 1–20; ähnlich auf die Kriegserfahrung von Soldaten und Zivilisten abzielend auch Mark Hewitson, Absolute War. Violence and Mass Warfare in the German Lands, 1792–1820, Oxford 2017, S. 1–8. 11 Engberg-Pedersen, Empire of Chance, S. 1–4; S. 51–56; Paret, Clausewitz, S. 34–41. 12 Vgl. Wrede, Ökonomie der Gewalt, S. 231–234; Ute Planert, Die Kriege der Französischen Revolution und Napoleons. Beginn einer neuen Ära der europäischen Kriegsgeschichte oder Weiterwirken der Vergangenheit?, in: Dietrich Beyrau, Michael Hochgeschwender, Dieter Langewiesche (Hrsg.), Formen des Krieges. Von der Antike bis zur Gegenwart (Krieg in der Geschichte, Bd. 37), Paderborn u. a. 2007, S. 149–162. 13 Vgl. zum Beispiel Pichichero, Military Enlightenment, S. 230–232.

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In ähnlicher Form löst sich diese militärhistorische Epochenschwelle auf, wenn man sie aus einer umwelthistorisch beeinflussten Perspektive betrachtet. Die frühneuzeitliche Militärtheorie, die im Zentrum dieser Studie stand, war zwar tatsächlich ein »zeitgebundenes Konstrukt«. Aber das herausgearbeitete militärische Wissen über Natur war damit nach 1789 nicht geltungslos geworden. Die Kontrolle der Natur durch das Militär beispielsweise wurde gerade im 19. Jahrhundert zu einem beherrschenden Thema. In seinen Studien zu den Ursprüngen der Militärgeografie in Frankreich verortet Philippe Boulanger in diesem Zeitraum die eigentliche Institutionalisierung der Kartografierung und Aufschlüsselung von Ländern unter militärischen Gesichtspunkten.14 Und Engberg-Pedersen bezeichnet ja gerade die Napoleonischen Kriege als erste »topografische« Kriege, die in vorher nicht dagewesener Form Gebrauch von topografischen Karten machten und Rücksicht auf die naturale Umwelt als taktisches Element nahmen. 15 Während der Napoleonischen Kriege wurden auch im Reich Territorien zunehmend unter militärischen Gesichtspunkten und unter Rückgriff auf die Methode der Triangulation aufgenommen, wie es beispielsweise der spätere Militärtheoretiker Gerhard David Scharnhorst im Dienste Braunschweig-Lüneburgs und Preußen tat. 16 Wie in dieser Studie deutlich geworden ist, lag die Formationsphase dieser Entwicklungen allerdings bereits in der Militärtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts; es handelte sich also bei der Kontrolle der Natur durch ihre epistemische Erfassung eher um eine konsequente Fortführung bereits bestehender Motive als um das Resultat eines Bruches. Selbst wenn der Krieg nicht mehr als kontrollierbares und berechenbares Phänomen galt, hatte die Erfassung der Natur unter militärischen Gesichtspunkten ihren Wert nicht verloren. Sie war zwar kein Garant mehr dafür, den Verlauf eines Krieges völlig zu kontrollieren. Aber sie war noch immer wichtig, um ihn zu gewinnen. Naturale Einflüsse spielten im Krieg auch nach dem 18. Jahrhundert noch eine Rolle. Schließlich müssen sich auch die hochtechnisierten Ar-

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14 Vgl. Boulanger, Géographie militaire, S. 11–14. 15 Vgl. Engberg-Pedersen, Empire of Chance, S. 38–50; S. 147–162. 16 Vgl. dazu beispielsweise die topografisch-militärische Karte des Bistums Hildesheim von 1798, Hans-Martin Arnoldt, Die topographisch-militärische Karte des Bistums Hildesheim. Ihre Entstehung und ihre Rezeption, in: Die topografisch-militärische Karte des Bistums Hildesheim von 1798. Herausgegeben und erläutert von Hans-Martin Arnoldt u. a. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Bd. 285), Beiheft, Göttingen 2015, S. 11–24.

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meen der Moderne ungünstigen Wetterbedinungen oder klimatischen Einflüssen geschlagen geben.17 Es ist auffallend, dass sich manche Abhängigkeiten, die in der frühneuzeitlichen Militärtheorie beschrieben und kommentiert wurden, auch in den hundert folgenden Jahren so gut wie nicht veränderten. In der auch in dieser Studie verfolgten Perspektive auf Ressourcen unter dem Blickwinkel von Energieregimen ist der eigentliche Bruch mit der Vormoderne der Wandel vom »biologischen« zum »fossilen« Energieregime. Dieser Wandel war jedoch ein langsamer, partieller Prozess. Am Beispiel der Nutzung tierischer Muskelkraft zeigt die klassische Studie von Joel Tarr und Clay McShane eindrücklich die Kontinuität dieser Energienutzung: Selbst in den Städten der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging ohne Pferde nichts. 18 Das galt auch für die Kriegführung. Lisa Brady hat eindrücklich beschrieben, wie im Amerikanischen Bürgerkrieg, der bereits die Nutzung der Eisenbahn als Mobilitätsfaktor kannte, noch immer Krieg mit und gegen die Ressource Fourage geführt wurde. Ein in diesem Konflikt agierender Offizier hätte aus den Ratschlägen zur Fouragenutzung der Militärtheorie des 18. Jahrhunderts noch immer genug für seine eigene Zeit ziehen können, weil sich das grundlegende Problem wenig verändert hatte. 19 Selbst in den apokalyptischen Kriegen des frühen 20. Jahrhunderts wurde in nicht unerheblichem Ausmaß noch Gebrauch von der Zugkraft der Pferde gemacht, die wiederum ernährt werden mussten – Fourage war noch immer ein kriegswichtiger Rohstoff. 20 Der Soldat zu Pferd ist erst vergleichsweise spät zu einer Erscheinung geworden, die in Reiterdenkmälern präsenter ist als in heutigen Konflikten. Die Taktik der »verbrannten Erde« schließlich hat vor und auch nach ihrer Karriere in der frühneuzeitlichen Militärtheorie Anwendung gefunden, was zuletzt die allgemeine Frage aufwirft, ob militärische Konflikte – besonders jene, die um Ressourcen oder Land ausgetragen werden – nicht stets die Gefahr bergen, in das Schädigen der naturalen Umwelt und das Zerstören der Lebensgrundlage von Menschen zu kippen, wenn es oppor-

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17 Vgl. die verschiedenen, in jedem Kapitel aufgeführten kurzen Beispiele für Armeen des 20. Jahrhunderts bei Winters, Battling the Elements. 18 Vgl. Joel A. Tarr, Clay McShane, Urban Horses and Changing City-Hinterland Relationships in the United States, in: Dieter Schott, Bill Luckin, Geneviève MassardGuilbaud (Hrsg.), Resources of the City. Contributions to an Environmental History of Modern Europe, Aldershot u. a. 2005, S. 48–62. 19 Vgl. Brady, Devouring the Land, S. 49–51. 20 Vgl. Raulff, Das letzte Zeitalter der Pferde, S. 115–122.

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tun oder unausweichlich erscheint. Vor dem Hintergrund des in dieser Studie herausgearbeiteten militärtheoretischen Diskurses wäre zu fragen, welche Rolle in den folgenden Jahrhunderten rassistische Feindbilder sowie die gleichzeitige Entkopplung der militärischen Logistik von Ressourcen vor Ort als Verschärfer solcher Taktiken spielten. Wenn die fortgeführte Bewirtschaftung des Landes für die militärische Effizienz nicht mehr dieselbe Rolle spielte und zugleich die Bevölkerung weder als »nützlich« noch generell als gleichwertige Menschen gesehen wurde, machte dies dann ein solches Vorgehen noch denkbarer? Insbesondere im Kontext kolonialer Kriegführung lässt sich die Verbindung von Rassismus und der Vernichtung von Natur nachzeichnen, wie es beispielsweise Emmanuel Kreike in seiner Betrachtung der niederländischen Kolonialkriegführung auf Sumatra getan hat: Hier führten die Kolonialtruppen einen Krieg der »verbrannten Erde« gegen die lokale Bevölkerung und »ihre« Umwelt, den Kreike als »indirekten Genozid« beschreibt.21 Auch ohne tatsächliche »Klimakriege«22 zu befürchten, wird in Zukunft verstärkt über die Bedeutung von Krieg für Natur und Natur für Krieg nachgedacht werden müssen. Diese Studie hat aufgezeigt, dass die naturale Umwelt ein zentraler Bezugspunkt für militärisches Wissen war, weil militärische Akteure sie in theoretischen Schriften selbst ins Zentrum der Betrachtung stellten. Das taktische und strategische Denken der Frühen Neuzeit ist sicher nicht der historische Ursprung der Verbindung von Krieg und Natur; doch sie ist ein Kapitel in der westlichen Kriegführung, ohne das es schwieriger wird, die Verflechtung von Mensch, Krieg und Natur generell zu erzählen. Die Studie arbeitete die Bedeutung der »Verwissenschaftlichung« der militärischen Theorie für militärische Konzepte der naturalen Umwelt heraus, aber auch die zentrale Stellung der Natur in diesem militärischen Wissen. Die Beschäftigung mit den angenommenen versteckten Prinzipien und Regeln des Krieges, die in der Frühen Neuzeit einen Höhepunkt erlebte, war zugleich die Formationsphase für verschiedene militärische Naturwahrnehmungen, die die naturale Umwelt als eigenen Faktor im taktischen und strategischen Denken etablierten. Oder anders gesagt: Die Suche nach der »Natur« des Krieges formte auch die Natur des Krieges.

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21 Vgl. Emmanuel Kreike, Genocide in the Kampongs? Dutch nineteenth century colonial warfare in Aceh, Sumatra, in: Journal of Genocide Research 14 (2012), S. 297–315. 22 Vgl. Welzer, Klimakriege.

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Personenregister

Aineias Taktikos, antiker griechischer Militärschriftsteller 51 d’Alembert, Jean Baptiste le Rond, französischer Mathematiker und Herausgeber der Encyclopédie 59, 90, 161 D’Alton, österreichischer Feldherr 117 Aquin, Thomas von, italienischer Philosoph, Gelehrter und Dominikanermönch 367 Aquino, Caroli de, Jesuit 356 Bacon, Francis, englischer Philosoph 47, 83 Bacon, Roger, englischer mittelalterlicher Naturphilosoph 310 Baldinger, Ernst Gottfried, preußischer Militärarzt und Professor der Medizin in Jena, Göttingen und Marburg 311 Becher, Johann Joachim, deutscher Gelehrter und Ökonom 398 Beer, Johann Friedrich, Oberlieutnant des kurbayerischen Leibregimentes 247 Behr, Johann Heinrich von, kurbrandenburgischer Militäringenieur 102f., 130f., 133, 136f., 217, 299, 300f., 307 Bellersheim, Philipp Friedrich von, niederländischer Mineur 145

Beneckendorf, Karl Friedrich von, preußischer Kammergerichtsrat, Präsident der Oberamtsregierung in Breslau und agrar- und nationalökonomischer Schriftsteller 413–418 Bessel, Friedrich Wilhelm von, 287–288, 294f., 301, 309, 324, 327, 358 Beust, Joachim Ernst von, Reichsund Kriegsrat des fränkischen Reichskreises 389 Bilistein, Andreu de, französischer Schriftsteller 270 Blümegen, Heinrich Graf von, österreichischer erster Kanzler 260 Boch, Siegmund von, österreichischer Unterlieutenant 181–184 Bodin, Jean, französischer Jurist und Staatstheoretiker 377 Böckler, Georg Andreas, sächsischer Ingenieur und Baumeister 11, 13, 78, 195, 217, 234, 268f., 277, 283, 291, 319, 349, 389 Borgsdorff, Ernst Friedrich von, kaiserlicher Ingenieur 103, 300, 328 Bougainville, Louis Antoine de, französischer Seefahrer und Weltumsegeler 251

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D I E N A TU R D ES K R I EG E S

Boule, Jules Louis, Marquis de Chamlay, französischer Berater 256, 333f. Bourscheid, J. W. von, österreichischer Offizier 108, 117 Bouton de Chamilly, Noel, französischer Gouverneur von Straßburg 257 Brück, Gottlob Friedrich von, Hauptmann in sächsischen Diensten und Lehrer an der Dresdener Militärschule 231, 293 Brühl, Hans Moritz Graf von, Oberstlieutenant in sächsischen und französischen Diensten sowie Militärschriftsteller und Übersetzer 165, 250 Bülow, Adam Heinrich von, preußischer Militärschriftsteller 31, 117, 238 Büsching, Anton Friedrich, Geograf 202f. Caesar, Gaius Julius 53, 66, 75, 93, 97–99, 171, 358 Cass, Adam, Ingenieur 197 Cassini de Thury, César François, französischer Astronom und Erdvermesser 214, 221, 224 Christian V., König von Dänemark 391 Christensen, Claus Hinrich, dänischer Ingenieur 178 Cicero, Marcus Tullius, römischer Politiker, Autor und Anwalt 376, 378 Clausewitz, Carl von, preußischer Generalmajor und Militärtheoretiker 12, 20, 30, 93, 148, 249, 432

Coler, Johann, brandenburgischer Pfarrer und Autor der Hausväterliteratur 389 Colombier, Jean, französischer Militärarzt 311 Cook, James, englischer Seefahrer und Kartograf 251 Cortéz, Hernán, spanischer Konquistador 100 Dancko, Johann Stephan, Jurist 387 Darymple, John, Second Earl of Stair, englischer General 310 Daun, Leopold Joseph Graf von, kaiserlicher Feldherr 156 Descartes, René, französischer Mathematiker und Philosoph 47, 85, 241 Durfort, Jacques-Henri de, Duc de Duras, französischer Heerführer 84, 333, 334, Diderot, Denis, französischer Philosoph, Schriftsteller und Herausgeber der Encyclopedie 59, 90, 91, 286 Dilich, Wilhelm, Topo- und Historiograf sowie Festungsbaumeister in Hessen-Kasselischen und sächsischen Diensten 72, 98, 127–131, 147, 206, 218, 267f., 290f., 298, 307, 325–327 Dupain de Montesson, französischer Ingenieurgeograf 72, 220f., 235f. Eggers, Johann Jacob von, Ingenieur und General in schwedischen und sächsischen Diensten 243f., 247, 283, 292, 357, 363 Ewald, Johann, Hauptmann in Hessen-Kasselischen Diensten 109, 181f.

P E R S O N E N R E G IS T E R

Fäsch, Rudolf, Ingenieur und Obrist in kaiserlichen und sächsischen Diensten 356f. Fallois, Joseph de, Militäringenieur in französischen Diensten 131, 200, 248, 308 Ferdinand von BraunschweigWolfenbüttel, Herzog und preußischer sowie hannoverscher Generalfeldmarschall 175, 318 Feuquières, Antoine de Pas, Marquis de, französischer Offizier 63, 65, 72, 74, 75, 82–84, 90, 99f., 106, 171, 196f., 200, 207, 209, 218, 278–280, 283, 292, 294, 322f., 337, 351f., 356, 371 Finck, Friedrich August von, preußischer Generalleutnant 107, 141, 156f., 222, 243, 249f., 323f., Fleming, Hans Friedrich von, sächsischer Oberforst- und Wildmeister sowie Oberstleutnant 67, 83f., 131, 147, 201, 207, 217, 230, 281, 299f., 307, 321f., 326, 362f., 364, 389 Fludd, Robert, englischer Philosoph und Gelehrter 80 Folard, Jean Charles de, französischer Offizier 68–70, 72,74f., 84–87, 90, 101, 149–155, 157, 171, 173, 180, 197, 207, 224, 225, 242–244, 247f., 280f., 351– 353, 356, 358, 364f., 368, 383, 424, Fourcroy de Ramecourt, CharlesRéne de, französischer Ingenieur 141 Fracastoro, Girolami, italienischer Arzt und Philosoph 305 Franklin, Benjamin, amerikanischer Verleger, Schriftsteller, Natur-

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forscher und Gründervater der Vereinigten Staaten 311 Friedrich Magnus, Markgraf von Baden-Durlach 336 Friedrich II., König in Preußen 58, 66–69, 83, 88, 100, 114f., 141, 156, 161, 164, 171f., 208f., 223, 249, 259, 280f., 338f., 340, 357 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 392 Friedrich Wilhelm I., König in Preußen 320 Friedrich Wilhelm von Gaudi, preußischer Offizier 89, 175f. Friderici, Wilhelm Conrad, Jurist und Professor in Jena, Leipzig und Greifswald 284 Froulay de Tessé, René de, französischer General und Marschall von Frankreich 334, 335 Gaigne, Alexis Toussaint de, französischer Offizier 277, 300, 358 Gentili, Alberico, italienischer Rechtsgelehrter 378 Glaser, Johann Christoph, hallensischer Mathematikprofessor 68, 102–104, 197 Glauber, Johann Rudolph, fränkischer Alchemist und Chemiker 80 Gottsched, Johann Christoph, deutscher Dichter 69 Grandmaison, Thomas Auguste le Roy de, französischer Kavallerieoffizier 106, 180, 181 Grimoard, Philippe Henri de, französischer Offizier und Militärschriftsteller 166, 270, 358 Groeben, Georg Dietrich von der, preußischer Offizier 171, 173, 222f., 224–225, 237f., 269, 373f., 426

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D I E N A TU R D ES K R I EG E S

Grotehenn, Johann Heinrich, Soldat in braunschweigwolfenbüttelischen Diensten 177, 318 Grotius, Hugo, niederländischer Jurist, Schriftsteller und Völkerrechtler 355, 375–384 Gruber, Johann Sebastian, Major, vermutlich in kurbrandenburgischen Diensten 65, 67, 129, 131, 133, 195, 308, 349f. Guibert, Jacques Antoine Hippolyte de, französischer Offizier 11, 13, 30, 88, 92, 99, 101, 102, 140, 160–164, 166f., 245f., 250f., 426 Gustav II Adolf, König von Schweden 390 Haller, Albrecht von, Schweizer Mediziner, Arzt und Botaniker 311 Heinrich von Preußen, Prinz und Bruder König Friedrichs II., preußischer Feldherr 339 Herbort, Johann Anton von, kaiserlicher und württembergischer Militäringenieur 68, 89, 170 Herlin, Ludwig Andreas, in sächsischen Diensten stehender Ingenieur 197 Hermsdorff, Christian, Frankfurter Buchhändler 388 Hippokrates, antiker griechischer Gelehrter und Arzt 292, 304f. Hobbes, Thomas, englischer Philosoph, Staatstheoretiker und Mathematiker 363 Hohberg, Wolf Helmhard von, schlesischer protestantischer Landadeliger und kaiserlicher Offizier, Autor der Hausväterliteratur 398, 400f., 406

Hübner, Johann, Geograf und Gelehrter 202 Humbert, Abraham, preußischer Ingenieur 326 Iselin, Isaak, schweizerischer Publizist und Geschichtsphilosoph 108 Jaucourt, Louis de, französischer Enzyklopädist 279 Jeney, Ludwig Michael von, kaiserlicher Husarenoffizier und Ingenieur 116, 180–182 Jomini, Antoine-Henri, schweizerischer Offizier und Militärtheoretiker 30 Joseph II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 114f., 161, 175, 189–191, 258–260, 338 Justi, Johann Heinrich Gottlob, deutscher Kameralist 235 Johann Georg I., Herzog von Sachsen 98 Karl I. von BraunschweigWolfenbüttel, Kurfürst von Braunschweig-Wolfenbüttel (Kurhannover) 391 Karl X Gustav, König von Schweden 389 Karl XII., König von Schweden 84 Karl Theodor von der Pfalz, Kurfürst der Pfalz sowie als Karl II. Kurfürst von Bayern 392 Kepler, Johannes, deutscher Naturphilosoph, Mathematiker und Astronom 80, 241 Keralio, Louis-Guynement de, französischer Offizier und Enzyklopädist 91 Khevenhüller, Ludwig Andreas von, kaiserlicher General 306

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Knock, G., vermutlich Offizier im Regiment Oranien-Nassau 107, 140, 142f. Kolowrat-Krakowski, Leopold Graf, Präsident der Wiener Hofkammer 260 Korge, Johann Erdmann, preußischer Kriegskommissar 272f. Lacy, Franz Moritz, Graf von, kaiserlicher Generalquartiermeister 158 De La Croix, französischer Husarenoffizier 76, 180 La Grange, Jacques, französischer Militärintendant 256 la Mamie de Clairac, Louis-André de, französischer Feldingenieur 172, 174 Lambert, Johann Heinrich, Mathematiker 249 Laudon, Gideon Ernst von, österreichischer Feldherr 190f., 258f. Lavater, Hans Conrad, schweizerischer Offizier 308 De la Valliere, französischer General 200, 319, 347 Le Blond, Guillaume, französischer Mathematiker und Enzyklopädist 90f., 134, 138f., 280, 286, Leopold I., Fürst von AnhaltDessau, Generalfeldmarschall in preußischen Diensten 320 le Tellier de Louvois, Francois Michel, französischer Kriegsminister 255–257, 334–336, 337, 350, 385 Le Cointe, Jean Louis, französischer Feldingenieur 149, 174 Ligne, Karl Joseph Fürst De, kaiserlicher Feldmarschall und Schriftsteller 84, 107

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Linné, Carl von, schwedischer Naturforscher und Botaniker 311 Lipsius, Justus, flämischer Philosoph 52–53, 72 Lilienfeld, Jakob Heinrich von, baltischstämmiger Adeliger und Schriftsteller 410f. Lloyd, Henry, britischstämmiger Offizier in mehreren europäischen Armeen 64, 144f., 157– 159 Locke, John, englischer Philosoph und Arzt 47 Loen, Johann Michael von, Schriftsteller, Gelehrter und Staatsmann in preußischen Diensten 372f. Leibniz, Gottfried Wilhelm, sächsischer Philosoph, Mathematiker und Gelehrter 47 Ludwig XIII., König von Frankreich 279 Ludwig XIV., König von Frankreich 105, 167, 363 Lünig, Johann Christian, sächsischer Reichspublizist, Jurist und Historiker 388f., 391 Machiavelli, Niccolò, florentinischer Politiker und Schriftsteller 30, 52, 80, 96, 217 Maizeroy, Paul-Gédéon de, französischer Oberstleutnant und Militärschriftsteller 164–166 Manesson-Mallet, Allain, französischer Mathematiker und Lehrer am Hofe Ludwigs XIV. 102, 105, 130–132, 134, 136f., 206f., 217f., 228, 298 Mauvillon, Jakob, Ingenieur, Schriftsteller, Professor für Kriegsbaukunst in Kassel und

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D I E N A TU R D ES K R I EG E S

Braunschweig 211, 226, 288, 290, 328 Maria Theresia, Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches 58, 306, 338 Maximilian II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 389 Meinert, Friedrich, preußischer Leutnant, Mathematiker und Schriftsteller 430 Meister, Albrecht Ludwig Friedrich, Göttinger Professor der Philosophie, Mathematiker und Physiker 225f., 248f. Melac, französischer Brigadier 405 Michaelis, Johann David, Göttinger Theologieprofessor 311 Miller, Franz Georg Anton von, württembergischer Offizier und Militärlehrer 91f. Montalembert, Marc-Réne, Marquis de, französischer Ingenieur 104f., 141 Montclar, Joseph de, französischer Offizier 334, 336 Montecuccoli, Raimondo, aus Modena stammender kaiserlicher Feldherr und Präsident des Hofkriegsrates 31, 63, 79–81, 84, 90, 93, 98f., 106, 122–124, 129, 195, 205f., 261, 269, 276, 281, 290, 299, 301f., 347f., 350, 365 Montmorency, François-Henri de, Duc de Luxembourg, französischer Befehlshaber 111–113, 187f. Moritz von Sachsen, Feldherr in französischen Diensten, Marschall von Frankreich 63, 65, 74, 86, 97, 133, 142f., 158, 164, 174, 182, 210, 261, 372, 401,

Moritz von Hessen-Kassel, Landgraf 98 Müller, John, deutscher Mathematiker und Ingenieur in britischen Diensten 143–145 Münchhausen, Otto Freiherr von, kurhannoverscher Autor und Gutsherr von Schwöbber 411f., 414 Napoleon Bonaparte, französischer General, Diktator und Kaiser Frankreichs 32, 431 Neubauer, Christian, Bremer Obristleutnant und Ingenieur 72, 133 Neumair von Ramsla, Johann Wilhelm, sächsischer Gelehrter und Publizist 53, 195, 223 Newton, Isaac, englischer Naturforscher, Gelehrter und Philosoph 47, 241, Nicolai, Ferdinand Friedrich von, 68, 72–74, 84, 94f., 117, 149, 194, 201–203, 382 Nitzsche, Johann Gottlob, Pfarrer 302 Nockhern de Schorn, Friedrich, Obrist eines niederländischen Regimentes 84f., 108, 117, 238f., 345 Onasander, griechischer Autor 72, 379 Palladius Rutilius Taurus Aemilianus, antiker römischer Schriftsteller 291, 304 Philo von Alexandria, jüdischer Philosoph und Theologe 380 Pirscher, Johann Dietrich Carl, braunschweigischer Ingenieurhauptmann 230, 232, 243, 248

P E R S O N E N R E G IS T E R

Plat, Georg Josua du, Ingenieur und Generallieutenant in braunschweig-lüneburgischen Diensten 214 Polybios, antiker griechisher Historiker 51, 53, 75, 84, 99, 101, 353 Pringle, John, britischer Militärarzt und Präsident der Royal Society 310–313 Pufendorf, Samuel von, sächsischer Philosoph, Natur- und Völkerrechtler und Historiker 382 Puységur, Jacques François de Chastenet, Marquis de, französischer General und Marschall von Frankreich 63, 72, 87f., 99, 106, 171, 209, 285–287 Quincy, Charles Sevin de, französischer Offizier und Schriftsteller 197, 200 Rimpler, Georg, kaiserlicher Oberingenieur 104, 197, 328 Rohan, Henri II., Duc de 53, 80, 194, 345–347 Rohr, Julius Bernhard von, sächsischer Kameralist und Schriftsteller 398 Rousseau, Jean-Jacques, französischer Gelehrter, Schriftsteller, Philosoph und Naturforscher 108 Rozard, Claude, Ingenieur in französischen Diensten 90, 134, 137f., 301, 307f. Santa Cruz de Marcenado, Alvaro de Navia Osorio y Vigil de, spanischer Obrist und Mariscal de Camp, Gesandter in Turin

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und General-Leutnant 72, 74f., 100, 106, 171, 173, 210, 280, 290, 294, 302, 306, 309, 327, 353–356, 358, 366–369, 371– 373, 383 Saint-Genies, Jacques Marie Ray de, französischer Offizier 75, 170, 209, 225, 244, 280, 292, 323, 357 Scharnhorst, Gerhard von, Militärtheoretiker, Generalstabsoffizier in braunschweig-lüneburgischen und preußischen Diensten 176, 433 Schulze, Johann Friedrich, brandenburgischer Kriegsrat und Generalauditor 392 Schertel von Burtenbach, Anton Eberhard Freiherr, 324, 359 Sherman, William Tecumseh, General der Nordstaaten im USamerikanischen Bürgerkrieg 342 De Silva, sardischer Generalstabsoffizier 94, 156f., 244f., 250, 287, 429f. Somaripa, Carlin de, kaiserlicher Obristwachtmeister 336 Spinoza, Baruch de, niederländischer Philosoph 47 Steinbach, von, österreichischer Generalmajor 115, 189 Struensee, Karl August von, preußischer Minister, Ökonom und Lehrer an der Ritterakademie zu Liegnitz 174, 228, 274, 327 Sturm, Leonhard Christian von, Baumeister und Ingenieur 89f. Tempelhoff, Georg Friedrich von, preußischer Militärschriftsteller 176 Thukydides, antiker griechischer Historiker 51, 75, 99

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D I E N A TU R D ES K R I EG E S

Tielke, Johann Gottlieb, kursächsischer Ingenieur, Artillerist und Schriftsteller 175–178, 211, 228–233 Töllner, Johann Gottlieb, Feldprediger, später Professor der Theologie 94, 201–203 Trautschen, Hans Carl Heinrich von 65 d’Traux, österreichischer Ingenieur und Obristlieutenant 152 Turenne, Henri de La Tour d’Auvergne, Vicomte de, französischer Feldherr und Marschall von Frankreich 63, 66, 106, 121–123, 147, 196, 234, 276f. Turpin de Crissé‚ Lancelot, französischer Husarenoffizier und Generallieutenant 93, 106, 149, 154f., 198f., 224f., 233, 244, 269f., 281, 319f. Valturius, Robertus, italienischer Schriftsteller 52 Vattel, Emer de, schweizerischer Jurist und Völkerrechtler 375, 376, 381–385 Vauban, Sebastien le Prestre de, Ingenieur, französischer Festungsbaumeister und Marschall von Frankreich 75, 87–90, 97, 125, 141 V.D.S.G, anonymer Autor 107, 199, 236, 284 Vegetius Renatus, Publius Flavius, antiker römischer Schriftsteller und Militärtheoretiker 51, 53, 66, 72, 75, 78, 93, 97–99, 124, 147, 210, 265, 267–270, 351, 353, 365 Vernier, de, französischer Husarenoffizier 182

Vigenere, Blaise de, französischer Diplomat und Übersetzer 358 Vitoria, Francisco, Dominikaner und Philosoph 377 Vitruv, antiker römischer Baumeister 98 Völcker, Johann, Frankfurter Buchhändler 388–390, 392 Waldeck, Karl August Friedrich von 74 Wallenstein, Albrecht von, kaiserlicher Feldherr 370 Wallhausen, Johann Jacobi, Obristleutnant in Diensten des Kurfürsten von Mainz 53, 65, 72, 78–80 Werdmüller, Johann Jakob, schweizerischer Militäringenieur 103f. Wilhelm von Oranien 111f., 333 Wolfe, James, britischer General 75f. Wolff, Christian, Mathematiker, Philosoph und Universalgelehrter 382 Wurmser, kaiserlicher Feldmarschalllieutenant 189 Xenophon, antiker griechischer Schriftsteller 51, 75, 99 Zanthier, Friedrich Wilhelm von, schaumburg-lippischer Militärschriftsteller 94f., 149, 210f., 287, 294, 320, 424

Dank

Es gehört wohl zu den angenehmsten Aufgaben eines Autors, denen mit einigen freundlichen Zeilen auf der letzten Seite seinen Dank auszusprechen, die ihn jahrelang bei seinem Projekt begleitet haben. Besonders danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Marian Füssel sowie Herrn Prof. Dr. Manfred Jakubowski-Tiessen. Sie haben nicht nur diese Studie von der ersten Idee bis zum fertigen Buch betreut, sondern mich mit vielen Gesprächen und Ratschlägen dazu ermutigt, auf der Schnittstelle verschiedener Subdisziplinen zu forschen, ohne das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Weiterhin danke ich der Forschergruppe »Nachhaltigkeit als Argument«, der Volkswagenstiftung und dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur für die finanzielle Ermöglichung meiner Forschung sowie der Drucklegung des Buches. Den Herausgebern der Reihe »Krieg und Konflikt« danke ich für die Aufnahme in die Reihe. Dem Campus Verlag sowie Herrn Jürgen Hotz danke ich dafür, das Buch in das Verlagsprogramm aufgenommen und mich auf den letzten Metern zur Drucklegung gut betreut zu haben. Daniel Hohrath sei für die Gespräche und Hinweise bei jeder Tagung, bei der wir uns über den Weg liefen, herzlich gedankt. Für Hinweise, Korrekturlesen und vieles mehr danke ich Dr. Miriam Müller und Dr. Sven Petersen, ohne die meine Zeit am Lehrstuhl für Frühe Neuzeit in Göttingen nicht dieselbe gewesen wäre. Für ihr Talent, immer die richtigen Worte zu finden, danke ich herzlich Dr. Stefanie Rüther. Zuletzt bedanke ich mich ganz besonders bei meinen Paten Rolf und Petra Lange und bei meinen Eltern, Susanne Bothe und Rudolf Draß, für ihr Vertrauen in mich und ihre Ermunterung, neugierig zu sein. Und von ganzem Herzen danke ich Eva Klay für ihre Unterstützung auf diesem langen Weg, ihre unglaubliche Geduld und ihren Humor – danke für unsere gemeinsame Reise durch Raum und Zeit.

Krieg und Konflikt Herausgegeben von Martin Clauss, Marian Füssel, Oliver Janz, Sönke Neitzel und Oliver Stoll

Die weltweite Präsenz militärischer Konflikte in gegenwärtigen Gesellschaften hat auch das Bewusstsein der historischen Forschung verändert, die sich intensiv mit Kriegen, gewaltsamen Konflikten und dem Militär auseinandersetzt. Die 2017 begründete Reihe »Krieg und Konflikt« versammelt Studien von herausragender wissenschaftlicher Qualität zur »modernen Militärgeschichte« und zur »Kulturgeschichte der Gewalt«. Methodisch breit angelegt, schließt die Reihe auch soziologische und politikwissenschaftliche Zugänge mit ein. Der zeitliche und räumliche Rahmen ist ebenso breit gesteckt: Er reicht von der Antike bis zur Zeitgeschichte und setzt globalgeschichtliche Schwerpunkte, um insbesondere der außereuropäischen Militär- und Gewaltgeschichte im deutschsprachigen Raum zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.

Sie finden die Reihe mit sämtlichen Bänden unter www.campus.de/buecher-campus-verlag/wissenschaft/geschichte