Die Ämter für Verfassungsschutz als Präventionsbehörden: Rechtsfragen zur Stellung der Verfassungsschutzämter in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur [1 ed.] 9783428583171, 9783428183173

Aufklärungsmängel im Tatkomplex um den sog. »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) und Diskussionen hinsichtlich der

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Die Ämter für Verfassungsschutz als Präventionsbehörden: Rechtsfragen zur Stellung der Verfassungsschutzämter in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur [1 ed.]
 9783428583171, 9783428183173

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Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit

Band 13

Die Ämter für Verfassungsschutz als Präventionsbehörden Rechtsfragen zur Stellung der Verfassungsschutzämter in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur

Von

Maximilian Banzhaf

Duncker & Humblot · Berlin

MAXIMILIAN BANZHAF

Die Ämter für Verfassungsschutz als Präventionsbehörden

Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Köln

Band 13

Die Ämter für Verfassungsschutz als Präventionsbehörden Rechtsfragen zur Stellung der Verfassungsschutzämter in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur

Von

Maximilian Banzhaf

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen und zum Druck freigegeben.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D384 Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 2199-3475 ISBN 978-3-428-18317-3 (Print) ISBN 978-3-428-58317-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie stellenweise überarbeitet und auf den Stand November 2020 gebracht. Nicht erst die aktuellen Gesetzesinitiativen und die Diskussion um die Beobachtung der Partei „Alternative für Deutschland“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zeigen die Dynamik und die dauernde Bedeutung der Thematik Verfassungsschutz. Bedanken möchte ich mich zuallererst bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger. Von der Themenfindung bis zur Veröffentlichung hat er mich unterstützend begleitet und mir dabei den nötigen Freiraum zur eigenen wissenschaftlichen Entfaltung gelassen. Ihm verdanke ich die Zeit, die ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg verbringen durfte. Diese Zeit hat mich geprägt und hat mir wunderbare Erinnerungen beschert. Herrn Prof. Dr. Josef Franz Lindner danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, seine hilfreichen Anmerkungen sowie die anregende Diskussion im Rahmen meiner Disputation. Für die Aufnahme meiner Arbeit in die Schriftenreihe „Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit“ danke ich dem Reihenherausgeber Herrn Prof. Dr. Markus Thiel. Für den großzügigen Druckkostenzuschuss bedanke ich mich bei dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Für die schöne Zeit an der Universität Augsburg bin ich meinen Kolleginnen und Kollegen sowie meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen zum Dank verpflichtet. Kritische Diskussionen und freundschaftliche Gespräche haben diesen Lebensabschnitt ungemein bereichert. Mit Blick auf die vorliegende Arbeit gilt ein besonderer Dank Dr. Cornelia Kibler und Dominik Klaus. Die Unterhaltungen mit ihnen und ihre Anmerkungen waren für die Erstellung dieser Dissertation äußerst wertvoll. Herrn Konstantin Sahr möchte ich an dieser Stelle für seine sprachlichen Anmerkungen danken. Meine Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter prägten, neben bereits erwähnter Dr. Cornelia Kibler, Annika Schmidl und Johannes Stapf vom Lehrstuhl meines Doktorvaters sowie Michael Biesinger vom ACELR im besonderen Maß. Ihnen bin ich für die Unterstützung, stets freundliche Zusammenarbeit sowie insbesondere die bleibende Freundschaft sehr dankbar. Ein besonderer Dank gilt meinem persönlichen Umfeld, welches mich unentwegt bestärkt, unterstützt und, wo notwendig, auch abgelenkt hat. Herauszuheben ist aus dieser Riege Felix Kriss, der mit seinen gestalterischen Fähigkeiten einen Beitrag zu

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Vorwort

dem vorliegenden Buch geleistet hat. Ihm und allen anderen, die sich durch diese Zeilen hoffentlich angesprochen fühlen, bin ich für ihre Freundschaft unendlich dankbar. Außerordentlicher Dank gilt zu guter Letzt meiner Familie für den enormen Rückhalt, den sie bietet: meinen liebevollen Großeltern; meinen Brüdern Johannes und Leonhard, die mich mit angenehmen Gesprächen und anspornender Herausforderung begleiten; meinem Vater Peter Banzhaf, der mich jederzeit in vollem Umfang unterstützt hat und mir nicht nur mit seinem Arbeitsethos ein ungemein wertvolles Vorbild ist, und meiner Mutter Sabine Banzhaf, deren Herzlichkeit und Verständnis mich unentwegt bestärken. Ihnen ist die Arbeit gewidmet. Berlin, 02. 06. 2021

Maximilian Banzhaf

Inhaltsverzeichnis Einleitung Moderner Verfassungsschutz im Informationszeitalter

27

A. Forschungsanlass: Neue Herausforderungen für den Verfassungsschutz in der Informationsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Untersuchungsgegenstand und Darstellung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Begrenzung auf die nationale Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Unionsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Völkerrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Teil Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur – Konturen einer nationalen Verfassungsschutzarchitektur

38

Kapitel 1 Der umfassende Begriff der Sicherheitsarchitektur

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A. Die Institutionen der äußeren Sicherheit zum Schutz des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B. Die Entfaltung der inneren Sicherheit anhand der zu schützenden Rechtsgüter . . . . . 42 I. Der Verfassungsauftrag zum Schutz von Individualrechtsgütern . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Der Schutz des Verfassungsstaats als Gemeinschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 C. Das Zusammenwirken von äußerer und innerer Sicherheit in der Sicherheitsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Kapitel 2 Eingrenzung anhand der Gefahrenursache

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A. Vom Menschen ausgehende Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Bestrebungen im Sinne des Bundesverfassungsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . 46

10

Inhaltsverzeichnis II. Verfassungsfeindliche Verhaltensweisen im Sinne der wehrhaften Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Strafbare Handlungen im Sinne des Staatsschutzstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

B. Von der Natur ausgehende Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Kapitel 3 Eingrenzung anhand der Schutzgüter

50

A. Die freiheitliche demokratische Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 B. Der Bestand des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 C. Die Sicherheit des Bundes und der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 D. Eine Gesamtschau der Schutzgüter des Verfassungsschutzes im Sinne des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 E. Das Verhältnis der Begriffe Verfassungsschutz und Staatsschutz im Wandel von einer differenzierenden zu einer synonymen Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 F. Der Verfassungsschutz als Ausdruck des grundgesetzlichen Prinzips der wehrhaften Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Kapitel 4 Verfassungsschutzarchitektur: Der Staatsauftrag Verfassungsschutz im Gefüge der Sicherheitsarchitektur 66 A. Der Umfang des grundgesetzlichen Verfassungsschutzauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 B. Die Verfassungsschutzarchitektur… . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 I. … als Teilbereich der Sicherheitsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. … als föderale Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Die Vorherrschaft des Bundes in Angelegenheiten mit Auslandsbezug, im Staatsschutzstrafrecht und bei den Nachrichtendiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Die Dominanz der Länder in der polizeilichen Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . 74

Inhaltsverzeichnis

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2. Teil Die Entwicklung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter und die Stellung der Ämter in der Verfassungsschutzarchitektur

76

Kapitel 1 Weitgehende Aufgabenunität der Verfassungsschutzämter trotz föderaler Organisation

78

A. Die föderale Struktur der Verfassungsschutzämter im Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Die Zentralstelle BfV und die Verpflichtung der Länder gemäß § 2 Abs. 2 BVerfSchG zur Errichtung von Verfassungsschutzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Die Aufgabenverteilung und Zusammenarbeit innerhalb des Verfassungsschutzverbunds aus Bundesamt und Landesämtern für Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . 83 1. Die ausschließlichen Aufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz . . . . . 84 2. Die ausschließlichen Aufgaben der Landesämter für Verfassungsschutz . . . . . 85 3. Die Reservezuständigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Die Veränderungen im föderalen System der Verfassungsschutzämter . . . . . . . . . 88 B. Der Verfassungsschutzverbund aus Bundesamt und Landesämtern für Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Kapitel 2 Entwicklung und Einordnung der Aufgaben des Verfassungsschutzverbundes

91

A. Die eigenständigen Aufgaben: Beobachtungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 I. Tätigkeit: Sammlung und Auswertung von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Tatbestandsmerkmale der Beobachtungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Beschränkung: Beobachtung ohne „polizeiliche Befugnisse“ . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Beobachtungsgegenstände: chronologisch nach ausdrücklicher Aufnahme in den Text des BVerfSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Beobachtungsobjekt „Bestrebungen“ und die Möglichkeit der Beobachtung von Einzelpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sowie der Amtsführung der Verfassungsschutzorgane des Bundes oder eines Landes (Nr. 1) . . . . . . . . . 101 a) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung . . . . . . 103 b) Bestrebungen, die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes . . . . . . . . . 105 d) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes . . . . . . . . 106

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Inhaltsverzeichnis 3. Beobachtung als Teil der Spionageabwehr (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Gewalttätige Bestrebungen, die auswärtige Belange gefährden (Nr. 3) . . . . . . . 109 5. Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Nr. 4) . . . . . . . . 111 6. Länderspezifische Sonderaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 7. Entwicklung der eigenständigen Aufgaben der Verfassungsschutzämter . . . . . 115 III. Die Hierarchie der Beobachtungszwecke der Verfassungsschutzämter zwischen Gesellschafts- und Regierungsaufklärung einerseits sowie Informationsvorsorge für die Verwaltung andererseits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Primärzwecke: Information der politischen Entscheidungsträger … . . . . . . . . . 119 2. … und Information der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. Sekundär Information der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden . . . 120 4. Prioritäten zwischen Tradition und moderner Gesetzessystematik . . . . . . . . . . 122

B. Mitwirkungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Personeller Sabotage- und Geheimschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Technischer Sabotage- und Geheimschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 C. Thematische Zweiteilung der Aufgabenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 D. Verbindendes Element: Der Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 E. Zeitliche Einordnung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter in Gefahrenprophylaxe, Gefahrenabwehr oder Repression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Repression im Verfassungsschutzkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 II. Einzelfallbezogene Prävention durch Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Einordnung der Gefahrenabwehr in die Verfassungsschutzarchitektur anhand funktioneller Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Informatorische und aktionelle Maßnahmen der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . 140 III. Gefahrenprophylaxe zur abstrakt-generellen Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Abgrenzung zu Repression und Gefahrenabwehr … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. … verdeutlicht am Beispiel des Verfassungsschutzberichts . . . . . . . . . . . . . . . . 143 IV. Der Wandel der nationalen Sicherheitsarchitektur als Reaktion auf sich ändernde Bedrohungsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 V. Die Verfassungsschutzämter zwischen Gefahrenprophylaxe und zunehmender Einbindung in die Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 F. Rekapitulation der Aufgaben der Verfassungsschutzämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Die Aufgabe der Verfassungsschutzämter im Allgemeinen und des BfV im Speziellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Exkurs: Die Bundesoberbehörde mit Zentralstellenfunktion als passende Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 3 Der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum Verfassungsschutz und die daraus resultierende Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur 159 A. Der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum Staatsauftrag Verfassungsschutz … . . . 160 I. … in Abgrenzung zu verfassungsgerichtlichem und ministerialem Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Die spezifischen Verfassungsschutzaufgaben des Bundesverfassungsgerichts

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2. Der ministerielle Verfassungsschutz in Vereins- und Versammlungsrecht . . . . . 161 3. Abgrenzung zu den Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. … in Abgrenzung zu den anderen Nachrichtendiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Verfassungsschutz durch den MAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Die Beteiligung des BND am Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Weitere Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland? . . . . . . . . . . . . . 165 4. Abgrenzung zu den Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Der MAD als Teil des Verfassungsschutzverbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Abgrenzung des BND vom Verfassungsschutzverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. … in Abgrenzung zum Verfassungsschutz durch die Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . 174 IV. … in Abgrenzung zu strafrechtlichem Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Strafverfolgung im Rahmen des Verfassungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Abgrenzung von Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutzämtern in der Verfassungsschutzarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 V. … in Abgrenzung zu präventiv-polizeilichem Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . 178 1. Die Polizei als Teil der Verfassungsschutzarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Abgrenzung zu den Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 VI. Ergebnis: Der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum Verfassungsschutz und deren partielle Sonderstellung in der Verfassungsschutzarchitektur . . . . . . . . . . . . 182 B. Befund: Aufgabenparallelität bei strafbewehrten, verfassungsschutzrelevanten Bestrebungen und der Grenzfall der Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Parallele Beobachtung strafbewehrter oder gefährlicher Bestrebungen durch Polizei und Verfassungsschutzämter als Herausforderung für die Verfassungsschutzarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Zuständigkeitsschwierigkeiten zwischen BND und Verfassungsschutzämtern bei der Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

14

Inhaltsverzeichnis 3. Teil Herausforderungen für die Verfassungsordnung durch die Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern

195

Kapitel 1 Parallele Zuständigkeiten von Polizei und Verfassungsschutzämtern als verfassungsrechtliche Herausforderung

197

A. Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I. Verfassungsrechtliche Verankerung und Reichweite der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Der Ursprung des Trennungsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Verfassungsrang eines pauschalen Trennungsgebots? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Verfassungsrang und inhaltliche Reichweite spezifischer Trennungsgebote zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Gebot der organisatorischen Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Gebot der funktionalen Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Gebot der kompetenziellen Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Grundsätzliche Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Keine polizeilichen Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Eingriffsschwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 dd) Aufklärungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 ee) Keine verfassungsrechtliche Verankerung einer strikten Trennung der Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . 211 d) Verfassungsrechtlich gebotene Stringenz der Trennung statt Vorgabe einzelner Gebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 e) Gebot der informationellen Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4. Konsolidierungen des verfassungsrechtlichen Trennungsprinzips zwischen Polizei und Nachrichtendiensten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Beeinträchtigung … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. … der verfassungsrechtlich gebotenen Stringenz der Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Klare organisatorische Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Relativierung der funktionalen Trennung durch Betonung der Überschneidungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 c) Weitgehende Angleichung der Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

Inhaltsverzeichnis

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2. … des verfassungsrechtlichen Prinzips der grundsätzlichen informationellen Trennung von nachrichtendienstlichen und polizeilichen Datenbeständen . . . . 226 a) Kritik der Literatur am Grundsatz der Datentrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Das informationelle Trennungsprinzip und die Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 c) Das informationelle Trennungsprinzip und überschneidende Ermittlungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 B. Verbot ungerechtfertigter additiver Grundrechtseingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 I. Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Verfahren bei additiven Grundrechtseingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Grundrechtsschonende Aspekte kombinierter Überwachungsmaßnahmen . . . . 233 2. Die umfassende Abstimmung als zentrale Verfahrensvorgabe . . . . . . . . . . . . . . 233 II. Herausforderungen durch die parallele Aufklärungstätigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Beeinträchtigungsszenarien durch parallele Beobachtung von Polizei und Verfassungsschutzämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Prozedurale Sicherungsmechanismen zur Verhinderung unkoordinierter, additiver Überwachungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Verbleibende Beeinträchtigungen und mögliche Schlussfolgerungen . . . . . . . . 237 C. Gebot der Verantwortungsklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Maßstabsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Der Grundsatz der ausschließlichen Aufgabenzuweisung: Ein grundlegendes Ordnungsprinzip des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Grundgesetzliche Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Verwaltungsorganisatorische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Bedeutung für die Aufgabenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) Verflochtene Verfahrensbeteiligungen als legitimatorische Herausforderung auch auf behördlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 bb) Die ausschließliche Aufgabenzuweisung als Gewinn für demokratische Verantwortungszusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 c) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 d) Konsolidierung eines verfassungsrechtlichen Grundsatzes ausschließlicher Aufgabenzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Verfassungsrechtliche Verankerung und Reichweite des Gebots der Verantwortungsklarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Verantwortungsklarheit im Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Verantwortungsklarheit in der Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 c) Verantwortungsklarheit im föderalen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa) Grundsätzliches Verbot der Mischverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 bb) Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . 261

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Inhaltsverzeichnis II. Beeinträchtigung … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. … durch parallele Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämter . . . . 263 2. … durch Einbindung der Verfassungsschutzämter in fremde Verwaltungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Beteiligung der Verfassungsschutzämter am ministeriellen Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Verfahrensherrschaft über die Sicherheitsüberprüfung von Journalisten . . . . 267 c) Übertragbarkeit auf polizeiliche Verwaltungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . 268 aa) Verdeckte Beiträge der Verfassungsschutzämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Faktische Verfahrensherrschaft der Verfassungsschutzämter durch überlegenes Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 cc) Ungenügende Dokumentationspflichten de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . 271

D. Gebot der Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Kapitel 2 Potentielle Rechtfertigung: Die Effektivität der Verfassungsschutz-Verwaltung 275 A. Effektivitäts- und Effizienzbegriff dieser Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 B. Verfassungsrechtliche Verankerung des Prinzips möglichst effektiver Verwaltung . . . 277 C. Auswirkungen paralleler Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern auf die Effektivität der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Gesteigerte Effektivität durch parallele Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 II. Effektivitätshindernisse durch parallele Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 D. Keine Rechtfertigung der Aufgabenparallelität mangels Effektivitätssteigerung . . . . . 287 Kapitel 3 Verfassungswidrige Parallelzuständigkeit de lege lata

289

A. Die Organisation von Polizei und Verfassungsschutzämtern: Ein verfassungsrechtlicher Problemfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 I. Enge Zusammenarbeit im Spannungsfeld mit dem informationellen Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 II. Inkonsequente Informationserhebungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 III. Gefahr nicht rechtfertigbarer additiver Grundrechtseingriffe aufgrund mangelnder Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 IV. Verstoß gegen das Gebot der Verantwortungsklarheit aufgrund von Intransparenz 293 B. Keine Rechtfertigung mit Blick auf die Effektivität der Verfassungsschutzverwaltung 295

Inhaltsverzeichnis

17

Kapitel 4 Verfassungsmäßige, durch Kollisionsnormen abgesicherte Funktionentrennung de lege ferenda 297 4. Teil Herausforderungen für die Verfassungsordnung durch die Organisation der Spionageabwehr

303

Kapitel 1 Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland

305

A. Das faktische Übergewicht der nachrichtendienstlichen gegenüber der polizeilichen Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 B. Der Auslandsbezug als definierendes Element der Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . . 307 I. Der Auslandsbezug als stetes Merkmal einer ansonsten weitreichenden Spionagedefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 II. Die Lokalität als Zurechnungs- und Abgrenzungskriterium zwischen der Spionageabwehr des BND und der Verfassungsschutzämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 C. Die grundgesetzlichen Vorgaben an die Organisation der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 I. Der Grundsatz ausschließlicher Aufgabenzuordnung als grundlegende Organisationsvorgabe auch für die nachrichtendienstliche Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . 310 II. Die grundgesetzliche Kompetenzordnung als Rahmenordnung der Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 III. Die Effektivität der Gefahrenabwehr als maßgebliches Kriterium für die Funktionalität der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 IV. Das Verbot der Tätigkeit des BND auf „innenpolitischem Gebiet“: Die bisher zentrale Vorgabe für die nachrichtendienstliche Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . 315 1. Die Begrenzung der Spionageabwehr durch den BND auf die Eigensicherung 315 2. Die einfachgesetzliche Grundlage des Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 3. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung des Verbots . . . . . . . . 316 a) Spionageabwehr als zwingende Ländersache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Effektive Spionageabwehr auch in zentralistischer Struktur möglich . . . . . . 318 4. Fazit: Beeinträchtigung einer effektiven Spionageabwehr durch das überkommene Verbot der Tätigkeit des BND auf innenpolitischem Gebiet . . . . . . . . . . 319

18

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2 Die Zentralisierung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr unter dem Dach des BND

320

A. Kein verfassungsrechtliches Konzentrationsverbot hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 B. Die Argumente für eine Konzentration der Spionageabwehr unter dem Dach des BND 322 I. Effektivierung des Übergangs von Spionageabwehr in Gegenspionage . . . . . . . . . 323 II. Größere Flexibilität des BND im Umgang mit auslandsbezogenen Ermittlungen 324 III. Größere Erfahrung des BND im Umgang mit wirtschaftsbezogenen Informationen 324 C. Ergebnis: Sinnvolle Konzentration der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr als Aufgabe des BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 5. Teil Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes – Die Verfassungsschutzämter als Behörden der primären Prävention

326

Kapitel 1 Der weite Verfassungsschutzauftrag: Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Aufgabenverteilung

329

A. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Aufgabenverteilung bei thematischer Nähe, vorliegend innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 I. Das Verbot der Aufgabenidentität als äußerste Grenze der Aufgabengestaltung 331 II. Der Kooperationsaufwand innerhalb eines Oberauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. Die Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Aufgabenstruktur der Verfassungsschutzämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I. Das Verbot von Aufgabenidentitäten als Vorgabe an die Aufgabenverteilung innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 II. Bedarf an hinreichender Abstimmung bei Kooperationsbeziehungen . . . . . . . . . . 334 1. Informationsübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 2. Überlappende Aufklärungstätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 III. Aufgabenneustrukturierung als Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Inhaltsverzeichnis

19

Kapitel 2 Rückbau bisheriger Aufgaben

341

A. Differenzierte Behandlung der Beobachtungsgegenstände als Spiegel der gesetzgeberischen Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 I. Der weite Spielraum der Verfassungsschutzämter bei der Spionageabwehr und der Beobachtung völkerverständigungswidriger Bestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 II. Die Behandlung von Einzelpersonen und Bestrebungen gegen auswärtige Belange: Tiefgreifende Aufklärung unter hohen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 III. Die vergleichsweise zurückhaltende Behandlung der verfassungsfeindlichen, aber friedlichen Bestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 IV. Unterschiedliche Behandlung der Beobachtungsgegenstände als Ergebnis gesetzgeberischer Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 B. Begrenzung der Beteiligung an Gefahrenabwehr und Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . 347 I. Subsidiarität der Informationserhebung der Verfassungsschutzämter gegenüber der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 II. Keine vertiefte Einbindung in sonstige Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 354 1. Parteiverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Vereinsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 III. Grundsätzliche Reduktion auf Berührungspunkte zur Vorbereitung aktioneller Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 C. Neuverteilung der Spionageabwehr anhand funktionaler Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . 361 I. Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 II. Weitere Macht-Disaggregation durch Ausgliederung des personellen und technischen Geheim- und Sabotageschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 1. Effektiver und transparenter personeller Geheim- und Sabotageschutz . . . . . . . 362 2. Technischer Geheim- und Sabotageschutz aus der einen Hand des BSI . . . . . . 362 III. Der BND als zentrale Spionageabwehrinstitution und das BSI zur technischen Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 D. Keine Schutzlücken ohne die Ermittlungstätigkeit der Verfassungsschutzämter . . . . . 364 Kapitel 3 Bedeutung der verbleibenden Aufgabe – Identitätsversicherung der Verfassungsschutzämter

366

A. Strukturen-Analyse als Vorgehensweise der Verfassungsschutzämter statt personenbezogener Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 B. Präzise Zweckbestimmung als weiteres Abgrenzungs- und Steuerungsmittel . . . . . . . 370 I. Warnung der Bevölkerung als Teil des Verfassungsschutzes durch Aufklärung . . 370

20

Inhaltsverzeichnis II. Informationsvorsorge zur primären Prävention als Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Kapitel 4 Konsolidierung: Die Verfassungsschutzämter als strukturbezogene Aufklärungsbehörden der primären Prävention

374

Kapitel 5 Auf die reduzierten Aufgaben abgestimmte Anpassungen der Befugnis- und Organisationsstruktur

376

A. Neue Befugnisse für eine alte Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 I. Notwendigkeit verdeckter Ermittlungsmethoden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 II. Verzicht auf Verarbeitung personenbezogener Daten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 B. Föderale oder zentralistische Organisationsstruktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 C. Die reduzierte Aufgabe durch Veränderungen in der Ressortzuteilung der Verfassungsschutzämter verdeutlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Kapitel 6 Zur Umsetzung des vorliegenden Vorschlags befugte Staatsorgane

385

Rückblick und Ausblick Die Neuausrichtung der Verfassungsschutzämter im Zeichen des Wandels der wehrhaften in eine widerstandsfähige Demokratie

387

A. Rückblick: Die strukturbezogene Prävention der Verfassungsschutzämter . . . . . . . . . 387 B. Ausblick: Von der wehrhaften zur widerstandfähigen Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABl. EU Abs. AEUV a. F. AK-GG Alt. Amtsbl. ÄndG Anm. AO AöR APSR APuZ ArbG ARSP Art. ASOG Bln Aufl. AWG Az. BAFA BAG BayGVBl. BayLT-Drs. BayPAG BayPOG BayVBl. BayVerfGH BayVersG BayVGH BayVSG BBG BbgPolG

andere Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Europäische Union Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Alternativkommentar zum Grundgesetz Alternative Amtsblatt Änderungsgesetz Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts The American Political Science Review Aus Politik und Zeitgeschichte Arbeitsgericht Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz) Auflage Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bundesarbeitsgericht Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Drucksachen des bayerischen Landtages Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz) Gesetz über die Organisation der Bayerischen Polizei (Polizeiorganisationsgesetz) Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerisches Versammlungsgesetz Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bayerisches Verfassungsschutzgesetz Bundesbeamtengesetz Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Land Brandenburg (Brandenburgisches Polizeigesetz)

22 BbgVerfSchG

Abkürzungsverzeichnis

Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg (Brandenburgisches Verfassungsschutzgesetz) Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BeckOK Beck’sche Online-Kommentare BeckOK DatenschutzR Beck’scher Online-Kommentar Datenschutzrecht BfV Bundesamt für Verfassungsschutz BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BK GG Bonner Kommentar zum Grundgesetz BKA Bundeskriminalamt BKAG Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz) BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat BMVg Bundesministerium der Verteidigung BND Bundesnachrichtendienst BNDG Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz) BPolG Bundespolizeigesetz BRD Bundesrepublik Deutschland BR-Drs. Drucksachen des Deutschen Bundesrates BremPolG Bremisches Polizeigesetz BremVerfSchG Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen (Bremisches Verfassungsschutzgesetz) BRJ Bonner Rechtsjournal BT Deutscher Bundestag BT-Drs. Drucksachen des Deutschen Bundestages BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGK Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfSchG Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. beziehungsweise CILIP Civil Liberties and Police (Bürgerrechte & Polizei) DDR Deutsche Demokratische Republik ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe(n) DSGVO Datenschutzgrundverordnung DÖD Der Öffentliche Dienst DÖV Die Öffentliche Verwaltung DRiZ Deutsche Richterzeitung DV Die Verwaltung DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt

Abkürzungsverzeichnis Ed. EG EGStGB Einl. EL EMRK Entsch. erw. etc. EuGH EuGRZ EuR EUV EvStL f., ff. F.A.Z. Fn. FS G 10 GA gem. gen. GewArch GG ggf. ggü. GRC/GrCH GSZ GTAZ GVG HdbdRdND HessGVBl. HessLT-Drs. HmbPolDVG HmbVerfSchG Hrsg. HRRS HS. HSOG HStR HVerfR HVSG i. d. i. E. IGMG

23

Edition Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einleitung Ergänzungslieferung Europäische Menschenrechtskonvention Entscheidung erweitert(e) et cetera Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Vertrag über die Europäische Union Evangelisches Staatslexikon die folgende(n) Seite(n) (oder Rn.) Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Festschrift Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz) Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß genannt Gewerbearchiv Grundgesetz gegebenenfalls gegenüber Grundrechtecharta der Europäischen Union Zeitschrift für das gesamte Sicherheitsrecht Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum des Bundes und der Länder Gerichtsverfassungsgesetz Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste Hessisches Gesetz- und Verordnungsblatt Drucksachen des hessischen Landtages Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei Hamburg Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz Herausgeber Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Handbuch des Verfassungsrechts Hessisches Verfassungsschutzgesetz in der im Erscheinen Islamische Gemeinschaft Millî Görüs

24 insb. i. S. i. S. d. i. V. m. JA Jura JuS JZ Kap. KJ KPD KriPoZ KritV LfDI Lfg. LFGB LfV lit. LKV LT-Drs. LVerfSchG M-V LVerfSchG R-P LVerfSchG S-H LVSG BW MAD MADG ME PolG MüKo-StGB MüKo-StPO m. w. N. NiedersächsLT-Drs. NJW no. NPD Nr. NRW NRWLT-Drs. NStZ NSU NVerfSchG NVwZ NWVBl. NZM

Abkürzungsverzeichnis insbesondere Im Sinne Im Sinne des in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Ausbildung Juristische Schulung JuristenZeitung Kapitel Kritische Justiz Kommunistische Partei Deutschlands Die Kriminalpolizei Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Lieferung Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzbuch Landesamt/Landesämter für Verfassungsschutz littera Landes- und Kommunalverwaltung Drucksachen des Landtags Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Mecklenburg-Vorpommern (Landesverfassungsschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern) Landesverfassungsschutzgesetz Rheinland-Pfalz Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Schleswig-Holstein (Landesverfassungsschutzgesetz Schleswig-Holstein) Gesetz über den Verfassungsschutz in Baden-Württemberg Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst/Militärischer Abschirmdienst Gesetz über den militärischen Abschirmdienst (MAD-Gesetz) Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch Münchener Kommentar zur Strafprozessordnung mit weiteren Nachweisen Drucksachen des niedersächsischen Landtages Neue Juristische Wochenschrift number Nationaldemokratische Partei Deutschlands Nummer Nordrhein-Westfalen Drucksachen des Landtages von Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht National Sozialistischer Untergrund Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht

Abkürzungsverzeichnis OFD OLG OVG PAG PinG PKGr PolG PolGBW PolG NRW RAF RL Rn. Rs. RuP RW S. s. SächsGVBl. SächsLT-Drs. SächsVBl. SächsVerfGE SächsVerfGH SächsVSG SG Slg. sog. Sp. SRP StenBer. StGB StPO StV SÜG SVerfSchG TKG ThürVBl. ThürVerfSchG UA u. a. UN unveränd.

25

Oberfinanzdirektion Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Polizeiaufgabengesetz Privacy in Germany Parlamentarisches Kontrollgremium Polizeigesetz Polizeigesetz Baden-Württemberg Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen Rote-Armee-Fraktion Richtlinie Randnummer Rechtssache Recht und Politik Rechtswissenschaft Seite siehe Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Drucksachen des sächsischen Landtages Sächsische Verwaltungsblätter Entscheidungssammlung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen (Sächsisches Verfassungsschutzgesetz) Soldatengesetz Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Union und des europäischen Gerichts erster Instanz sogenannt(e/en) Spalte Sozialistische Reichspartei stenographischer Bericht Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Strafverteidiger Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen (Sicherheitsüberprüfungsgesetz) Saarländisches Verfassungsschutzgesetz Telekommunikationsgesetz Thüringer Verwaltungsblätter Thüringer Gesetz zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur Vorbeugung vor Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung (Thüringer Verfassungsschutzgesetz) Untersuchungsausschuss unter anderem/unter andere United Nations unverändert(e)

26 Urt. v. Var. VBlBW. VereinsG Verf. VerfBlog VerfSchG-LSA VerfThüringen VerwArch VG VGH vgl. VISZG VO Vorb. VSG Bln VSG NRW VSSR VVDStRL VwGO VwVfG WRV WP z. B. ZBR ZD ZFIS ZIS ZRP ZSKG ZStW

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Einleitung

Moderner Verfassungsschutz im Informationszeitalter Diese Untersuchung befasst sich mit der Rolle der Verfassungsschutzämter als Präventionsbehörden in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland. Nachdem zunächst zum Forschungsanlass ausgeführt wird (A.), werden in einem nächsten Schritt der Untersuchungsgegenstand sowie die Forschungsfragen dargestellt (B.).

A. Forschungsanlass: Neue Herausforderungen für den Verfassungsschutz in der Informationsgesellschaft Die freiheitliche und demokratische Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ist mittlerweile eine „Informationsgesellschaft“1 und als solche, aufgrund der Allgegenwart von Nachrichten und weitgehend ungehinderten Informationsflüssen, mit neuartigen Herausforderungen konfrontiert. Global vernetzte Gruppierungen scheuen einerseits den geordneten politischen Diskurs – etwa in Parlamenten – und nutzen andererseits intensiv die weite Öffentlichkeit des Internets. Während in der Gründungsphase starke und offen undemokratische Bestrebungen2 die Stabilität der jungen Demokratie bedrohten, stehen den gewachsenen demokratischen Strukturen 70 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes weniger monolithische, vielmehr oftmals diffuse Gruppierungen gegenüber, die in losen Netzwerken organisiert sind oder sich als Einzeltäterinnen und Einzeltäter3 radikalisieren. Gut organisierte und mitgliederstarke Parteien wie die KPD Anfang der 1950er Jahre hatten Teilhabe am politischen Prozess und eine reale Möglichkeit, das Gesellschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland zu verändern. Diesen Organisationen können terroristische Einzeltäterinnen und Einzeltäter sowie Netzwerke als Bedrohung der Neuzeit gegenübergestellt werden, die sich auch über das Internet global austauschen und ra-

1 Eingehend dazu M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 6 ff. Zur „Datafizierung“ der Gesellschaft, H. Hofmann, Pedictive Policing, 2020, S. 21 ff. 2 Etwa SRP (BVerfGE 2, 1) oder KPD (BVerfGE 5, 85). Zur „Rolle der KPD 1945 – 1949“, W. Buschfort, Geheime Hüter der Verfassung, 2004, S. 31 ff.; zur SRP und ähnlichen Gruppierungen a. a. O., S. 128 ff. 3 In dieser Arbeit wird das generische Maskulinum und Femininum verwendet. Gemeint sind aber alle Geschlechter.

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dikalisieren. Den neuzeitlichen Bedrohungen fehlt allerdings die unmittelbare politische Gestaltungsmacht einer im Bundestag vertretenen Partei. Aber ohnehin droht der demokratischen Gesellschaft nicht nur von furchteinflößenden Terroranschlägen Gefahr, sondern auch durch die deutlich unterschwelligere Bedrohung durch eine schleichende, stetige Verschiebung des gesellschaftlichen Grundkonsenses4 – die Demokratie droht nicht mehr durch eine Revolution mit einem Schlag unterzugehen, sondern schleichend zu sterben.5 Diese neuen Bedrohungen fordern eine Auseinandersetzung mit den verfassungsschützenden Instrumenten der deutschen Rechtsordnung. Im Zentrum des verfassungsschützenden Systems der Bundesrepublik Deutschland stehen die Verfassungsschutzämter. Als „Informationsdienstleister für die Demokratie“ nehmen die Ämter im „Informationszeitalter“ eine bedeutende Rolle zur Erfüllung des staatlichen Verfassungsschutzauftrags ein.6 Eine klare Terminologie ist entscheidend für das Verständnis des Verfassungsschutzes in Deutschland; terminologische Ungenauigkeiten und Mehrdeutigkeiten von Begriffen erschweren den Zugang zu diesem Themenkomplex. Es gilt, den staatlichen Auftrag zum Verfassungsschutz, der etwa in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG7 anklingt, sowohl von dem institutionellen System zur Erfüllung dieses Auftrags („Verfassungsschutzarchitektur“) als auch von den Verfassungsschutzämtern als Behörde in diesem Schutzsystem zu unterscheiden. Was bedeutet aber „Verfassungsschutz“ in der Bundesrepublik Deutschland und ist das System zum Schutz der Verfassung de lege lata noch zeitgemäß? Die Tauglichkeit des Verfassungsschutzsystems steht in Zweifel. Fehler, die im Zusammenhang mit der Verfolgung der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“, die „[z]wischen 1998 und 2011 […] zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verübt“8 hat, begangen wurden, sind durch diverse Untersuchungsausschüsse9 zu Tage gefördert worden und veranlassten die zustän4

Für den Rechtsstaat ist es essenziell, auch hochkontroverse Frage gewaltfrei im politischen Diskurs zu klären. Zur Bedeutung der Reformation und des Augsburger Religionsfriedens von 1555 für die gewaltfreie, diskursive Konfliktlösung, E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 11 m. w. N. 5 C. Schönberger, Machenschaften im Maschinenraum, F.A.Z., 28. 2. 2019, Nr. 50, S. 11 in Besprechung von S. Levitsky/D. Ziblatt, How Democracies Die, 2018. 6 Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident H. G. Maaßen sieht den Inlandsnachrichtendienst als „Dienstleister der Demokratie“, Interview mit VBOB Magazin Juli/August 2015, S. 4 f. 7 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100 – 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Art. 1 u. 2 S. 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I, S. 2048) geändert worden ist. 8 Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT- Drs. 17/14600, S. 71. 9 Erster Untersuchungsausschuss des Bundestages, Einsetzungsantrag am 24. 1. 2012 (BTDrs. 17/8453); Zweiter Untersuchungsausschuss des Bundestages, Einsetzungsantrag am 14. 10. 2015 (BT-Drs. 18/6330); Untersuchungsausschuss des Landtages Thüringens, Fortset-

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digen Gesetzgeber zu Novellierungen der Verfassungsschutzgesetze.10 Nicht erst diese Entwicklungen geben Anlass zu einer grundlegenden Untersuchung der Stellung der Verfassungsschutzämter in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands.11 Als Inlandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland haben die Verfassungsschutzämter einen entscheidenden Anteil am staatlichen Verfassungsschutzauftrag. Es ist daher umso problematischer, dass dem Recht der Nachrichtendienste im Allgemeinen eine mangelhafte dogmatische Struktur und Durchdringung attestiert wird.12 Noch zu Zeiten des Kalten Krieges geschaffen, müssen das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz heute mit veränderten Gegebenheiten umgehen. Globalisierung, internationaler Terrorismus und technischer Fortschritt stellen den Verfassungsschutz vor neue Herausforderungen.13 Angesichts dieser Bedrohungen fordern Vertreter der Sicherheitsbehörden unablässig neue Befugnisse.14 Dem steht, nach den Erfahrungen in der deutschen Geschichte mit nationalsozialistischer Geheimer Staatspolizei und dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR, allgemeine Skepsis entgegen. Die Abschaffung der Nachrichtendienste ist zu einer populären Forderung geworden;15 die politische Entscheidung, die Verfassung auch mit zungsantrag am 18. 2. 2015 (ThürLT-Drs. 6/232); Erster Untersuchungsausschuss des Landtages Sachsens, Einsetzungsantrag (SächsLT-Drs. 5/8497); Zweiter Untersuchungsausschuss des Landtages Sachsens, Einsetzungsantrag (SächsLT-Drs. 6/1241); Untersuchungsausschuss des Landtages Bayerns, Einsetzungsbeschluss am 4. 7. 2012 (BayLT-Drs. 16/13150); Untersuchungsausschuss des Landtages Nordrhein-Westfalens, Einsetzungsantrag am 28. 10. 2014 (NRWLT-Drs. 16/7148); Erster Untersuchungsausschuss des Landtages Baden-Württembergs, Einsetzungsantrag am 4. 11. 2014 (BaWüLT-Drs. 15/6049), Antrag auf vorläufiges Ruhenlassen der davor tätigen Enquetekomission am 5. 11. 2014 (BaWüLT-Drs. 15/6047); Zweiter Untersuchungsausschuss des Landtages Baden-Württembergs, Einsetzungsantrag am 13. 7. 2016 (BaWüLT-Drs. 16/311); Untersuchungsausschuss des Landtages Hessens, Einsetzungsantrag am 22. 5. 2014 (HessLT-Drs. 19/445); Untersuchungsausschuss des Landtages Brandenburgs, Einsetzungsantrag am 29. 4. 2016 (BBLT-Drs. 6/3993). 10 Siehe etwa die Änderung des BVerfSchG durch Art. 1 des Gesetzes vom 26. 7. 2016 (BGBl. I, S. 1818); Novellierung des BayVSG durch Gesetz vom 12. 7. 2016 (BayGVBl., S. 145). 11 Siehe auch K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 85. 12 M. Löffelmann, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag am 21. 3. 2018, 90. Kl., 86. VF, Anlage 3, S. 8. 13 Erneut M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 6 ff. 14 Z. B. H. G. Maaßen, welcher in einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 30. 10. 2016 anmerkt, dass der Verfassungsschutz „aber auch andere Instrumente in [seinem] Werkzeugkasten [braucht], damit [er] in der Lage [ist], diesen Herausforderungen zu begegnen“ und, dass „Sicherheit […] täglich erarbeitet werden [muss]“, was wiederum „auch vielleicht einen kleinen Bewusstseinswandel, nämlich, dass die Nachrichtendienste auch Befugnisse brauchen, um die Sicherheit in diesem Land aufrecht zu erhalten und weiterhin zu gewährleisten“ braucht. Im Internet unter https://www.deutschlandfunk.de/verfassungsschutzpraesident-maassen-wir-le ben-in-einem.868.de.html?dram:article_id=369975 (abgerufen: 30. 11. 2020). 15 So z. B. die Wahlprogramme der Parteien Die Linke, S. 90 f., im Internet unter http:// www.die-linke-berlin.de/fileadmin/download/2016/wahlprogramm.pdf (abgerufen: 30. 11.

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nachrichtendienstlichen Mitteln zu schützen, scheint nicht mehr unumstößlich zu sein. Im Spannungsfeld zwischen dem Schutz grundsätzlicher, für eine demokratische Gesellschaft bedeutender Rechtsgüter und den durch weitreichende Ermittlungsbefugnisse bedrohten Freiheitssphären einzelner Bürgerinnen und Bürger gilt es, den Anteil der Verfassungsschutzämter an dem staatlichen Verfassungsschutzauftrag zu vergegenwärtigen, Überschneidungen und Friktionen durch die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter und anderer Verfassungsschutzbehörden zu untersuchen und einen Vorschlag zur Umstrukturierung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter zu unterbreiten.

B. Untersuchungsgegenstand und Darstellung der Forschungsfragen Die vorliegende Untersuchung setzt sich zunächst mit der These auseinander, dass sich die Stellung der Verfassungsschutzämter in der deutschen Sicherheitsarchitektur (I.) von einem Monopol bei der Aufklärung legaler und nicht konkret gefährlicher politischer, insbesondere nicht strafrechtlich relevanter, Bestrebungen, in die eines Frühwarnsystems zur allgemeinen Gefahrenabwehr gewandelt habe (II.). Hieraus entstehende Überschneidungen mit den Aufgabenbereichen der Polizei und des Bundesnachrichtendienstes (BND) gilt es an verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen und einen Reformvorschlag für die ermittelten Friktionen zu unterbreiten. Insgesamt wirft die Untersuchung einen Blick auf den Gesamtzusammenhang der Verfassungsschutzarchitektur. Dabei werden vereinzelt Detailfragen nicht vertieft behandelt, um dem breiten Ansatz der Untersuchung gerecht zu werden.

I. Begrenzung auf die nationale Dimension Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Stellung der Ämter für Verfassungsschutz in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland. Europarechtliche (1.) oder völkerrechtliche (2.) Implikationen bleiben im Rahmen dieser Arbeit weitgehend außer Betracht.

2020) und Bündnis90/Die Grünen, S. 31 oder im Internet unter https://gruene.berlin/wp (abgerufen: 30. 11. 2020) zur Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2016.

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1. Unionsrechtliche Dimension Nach dem Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung16 (Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUV) ist die Europäischen Union (EU) nur zuständig, soweit die Mitgliedsstaaten ihr Kompetenzen übertragen haben. Nach Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 2 S. 2 EUV verbleiben alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedsstaaten („Regelzuständigkeit der Mitgliedstaaten“17). Vorliegend wird die staats- und verwaltungsorganisationsrechtliche Frage behandelt, welchen Beitrag die Verfassungsschutzämter als Nachrichtendienst zum staatlichen Verfassungsschutzauftrag leisten können. „Nachrichtendienst“ wird in dieser Untersuchung als Sammelbegriff für Behörden verwendet, die im Kontext staatlicher Sicherheitsgewährleistung auf Informationserhebung und -verarbeitung beschränkt sind; denen mithin keine aktionellen, in Kausalverläufe eingreifende Befugnisse zur Verfügung stehen.18 Im Primärrecht19 hat es bisher keine explizite, umfassende Kompetenzzuweisung an die EU in Sachen Nachrichtendienste oder Verfassungsschutz gegeben und auch das Sekundärrecht20 lässt keinen gegenteiligen Schluss zu. Der grundgesetzliche Verfassungsschutzauftrag umfasst lediglich den Schutz grundlegendster Staatsprinzipien und der Funktionsgrundlagen des Staates.21 In

16 Vgl. dazu S. Schill/C. Krenn, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 71. EL August 2020, Art. 4 EUV Rn. 2 f. 17 W. Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, Art. 4 EUV Rn. 12. 18 In Deutschland somit das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz, der MAD sowie der BND. Der Begriff „Nachrichtendienst“ wird in dieser Untersuchung bewusst nach der aufgestellten, freilich unterkomplexen Definition verwendet, da er für die Forschungsfragen nach dem Zuschnitt der Aufgaben der Verfassungsschutzämter nicht von entscheidender Bedeutung ist. Zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Rechtsbegriff „Nachrichtendienst“, J.-H. Dietrich, in: ders./Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, III § 3 Rn. 2 ff. Ferner ist der Begriff bisher nicht legaldefiniert worden (a. a. O., Rn. 3). Siehe auch J.-H. Dietrich, in: ders./Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 471, 475 Rn. 7. 19 O. Rüß, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 4 Rn. 5 ff. 20 Die RL (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27. 4. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates v. 27. 4. 2016, ABl. EU 2016/L 119/89 (RL (EU) 2016/680) etwa ist auf Regelungen des Datenschutzes beschränkt und erweitert daher die Kompetenzen der EU nicht auf den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Grundlagen der Staatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland als solchen. 21 Dazu eingehend unten, 1. Teil Kap. 3 (S. 50 ff.).

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Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV wurde explizit festgeschrieben, dass „die nationale Sicherheit […] weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten“ fällt.22 Der damit begründete absolute Zuständigkeitsvorbehalt der Mitgliedsstaaten23 gilt lediglich für den Bereich der nationalen Sicherheit. Der Begriff der „nationalen Sicherheit“ i. S. d. Art. 4 Abs. 2 S. 3 EUV ist dabei unionsautonom auszulegen.24 Der EuGH auf der einen Seite hat diesen Begriff im Rahmen seines letztverbindlichen Auslegungsmonopols bisher nicht verbindlich definiert.25 Die Literatur auf der anderen Seite behilft sich vereinzelt damit, die „nationale Sicherheit“ in die Nähe der vom EuGH bereits mehrfach thematisierten „öffentlichen Sicherheit“ zu rücken. Letzterer Begriff ist klar konturiert, nachdem der EuGH bereits mehrfach entschieden hat, „dass [die öffentliche Sicherheit] sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasst“26. Gleichwohl darf der Begriff der nationalen Sicherheit, nicht zuletzt ob der semantischen Unterschiede, nicht mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit gleichgesetzt werden. Er muss vielmehr eigenständig definiert werden. Die nationale Sicherheit wird daher als der engere Begriff verstanden27, der „sich nicht auf das Straf- und Polizeirecht allgemein, sondern lediglich auf für die Existenz des Staates fundamentale Bereiche“28 bezieht.29 Dies ergibt sich auch aus einer systematischen Auslegung des Art. 4 Abs. 2 S. 2 EUV.30 Danach ist der Schutz der nationalen Sicherheit ebenso eine Unterkategorie der 22

Hierin „ein[en] echt[n] nationale[n] Zuständigkeitsvorbehalt begründet [sehend], der eine unionale Kompetenzbegründung und -ausübung für einen eng definierten Sachbereich von vornherein ausschließt“, U. Karpenstein/R. Sangi, GSZ 2020, 162. 23 U. Karpenstein/R. Sangi, GSZ 2020, 162, 163 ff. 24 Eingehend dazu S. Sule, in: Dietrich/ders. (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 335, 342 ff. Rn. 19 ff., zum Umstand der fehlenden Legaldefinition im EUV (a. a. O., S. 343 Rn. 23, S. 348 Rn. 43). Vgl. auch U. Karpenstein/R. Sangi, GSZ 2020, 162, 166 f., ferner knapp zu dem Begriff der „Verantwortung“ im Kontext dieser Norm, a. a. O., 162, 163 f. 25 So auch A. Sandhu, Grundrechtsunitarisierung durch Sekundärrecht, i. E. Vgl. auch im Zusammenhang mit dem „Aufgabenprofi[l] des Bundesnachrichtendienstes“, BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 65. Siehe allerdings zur Gleichsetzung von „national security“ und „state security“ sowie der Rechtsprechung des EuGH zu Letzterer, S. Sule, in: Dietrich/ders. (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 335, 350 ff. Rn. 46 ff. 26 EuGH – Richardt und „Les Accessoires Scientifiques“, Rs. C-367/89 – Slg. 1991, I-4621, Rn. 22; EuGH – Leifer u. a., C-83/94 – Slg. 1995, I-3231, Rn. 26; EuGH – Sirdar, Rs. C-273/ 97 – Slg. 1999, I-7403 Rn. 17; EuGH – Kreil, Rs. C-285/98 – Slg. 2000, I-69 Rn. 17; EuGH – Dory, Rs. C-186/01 – Slg. 2003, I-2479 Rn. 32. 27 W. Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, Bd. 1, 7. Aufl. 2015, Art. 4 EUV Rn. 45; S. Sule, in: Dietrich/ders. (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 335, 358 Rn. 71. 28 A. Sandhu, Grundrechtsunitarisierung durch Sekundärrecht, i. E., auch eingehend zu den Definitionsversuchen der sog. Art. 29-Datenschutzgruppe. 29 Lediglich „existenzielle Sicherheitsbelange der Mitgliedsstaaten“, A. Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 4 EUV Rn. 19. 30 Allgemein zu den Auslegungsmethoden im Europarecht B. W. Wegener, in: Calliess/ Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 19 EUV Rn. 13 ff.

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grundlegenden Funktionen des Staates („insbesondere“) wie die „Wahrung der territorialen Unversehrtheit“ und der „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“. Mit dem Bezug auf die Grundlagen des Staates decken sich der europarechtliche Begriff der nationalen Sicherheit und der grundgesetzliche Begriff des Verfassungsschutzes.31 Demnach unterfällt die staats- und verwaltungsorganisationsrechtliche Regelung des Verfassungsschutzes nicht der Zuständigkeit der EU, sondern verbleibt im Kompetenzbereich der Mitgliedsstaaten.32 Nachdem die vorliegend behandelten Rechtsfragen nicht im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegen, fällt nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GRCh auch die 31 Konsequent daher im Sekundärrecht etwa RL (EU) 2016/680, Erwägungsgrund 14: „Da diese Richtlinie nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten gelten sollte, die im Rahmen einer nicht unter das Unionsrecht fallenden Tätigkeit erfolgt, sollten die nationale Sicherheit betreffende Tätigkeiten, Tätigkeiten von Agenturen oder Stellen, die mit Fragen der nationalen Sicherheit befasst sind […] nicht als Tätigkeiten betrachtet werden, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.“ Ebenso Erwägungsgrund 16, Art. 23 Abs. 1 lit. a Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27. 4. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO). Relativierend J. Stender-Vorwachs, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 35. Ed. Stand: 1. 2. 2021, Art. 23 DSGVO Rn. 15. Gegen eine Verbindung der Begriffe „nationale Sicherheit“ und „Verfassungsschutz“ allerdings, S. Sule, in: Dietrich/ders. (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 335, 356 f. Rn. 65 ff., gleichwohl „nationale Sicherheit“ als „basis of a substantial part of national intelligence activities“ anerkennend (S. 343 Rn. 21), dabei allerdings mit einem weiteren Verständnis des Begriffs des „Verfassungsschutzes“ agierend (S. 358 Rn. 72). Vgl. auch B. Schöndorf-Haubold, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 4, 32; U. Karpenstein/R. Sangi, GSZ 2020, 162, 167. 32 So auch Antwort der Bundesregierung auf Frage 3 einer kleinen Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 18/5048, S. 2: „Die EU hat keine Zuständigkeit für die Belange der Nachrichtendienste. Auf Ebene der EU findet daher keine Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten statt. Die Nachrichtendienste des Bundes nutzen für die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union die bewährten Kooperationsformate.“; G. Conrad, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/ Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 161, 162. Wohl auch J.-M. Palacios, in: Dietrich/Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 201, 226 Rn. 77 f.; ebenso, da zwar europarechtliche Vorgaben bei nachrichtendienstlichen Maßnahmen einzelner mitgliedsstaatlicher Institutionen in speziellen Fallgestaltungen für anwendbar erklärend, jedoch die organisationsrechtlichen Fragen der Aufgabenverteilung nicht behandelnd, S. Sule, in: Dietrich/ders. (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 335, 358 ff. Rn. 74 ff., insbesondere S. 385 f. Rn. 164 ff. Eingehend zur unterstützenden Rolle der EU und ihrer Institutionen bei der zwischenstaatlichen Intelligence-Kooperation der Mitgliedsstaaten, J.-M. Palacios, in: Dietrich/Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 201, allerdings mit einem sehr weiten „Intelligence“-Begriff (S. 204 ff. Rn. 4 ff.; zur Uneinheitlichkeit der Definition auch S. 226 Rn. 76). Zur weitgehenden Beschränkung der EUInstitutionen auf Informationsauswertung und damit einhergehender Abhängigkeit von mitgliedsstaatlicher Informationserhebung und -übermittlung, vgl. a. a. O., S. 207 f. Rn. 15. Zu den „Abnehmern“ geheimdienstlicher Informationen auf EU-Ebene, a. a. O., S. 209 ff. Rn. 21 ff. Zu den „Produzenten/Auswertern“ geheimdienstlicher Informationen auf EU-Ebene, a. a. O., S. 213 ff. Rn. 38.

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Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRCh) aus der Betrachtung der Untersuchung. Insbesondere ist die Grundrechtecharta nicht geeignet, neue Zuständigkeiten oder Aufgaben für die EU zu begründen (Art. 51 Abs. 2 GRCh). Der Ansicht des EuGHs, die Grundrechtecharta setze einen allgemeinen Grundrechtsstandard, der auch in Organisationsfragen der inneren und äußeren Sicherheit beachtet werden müsse33, wird vorliegend mit Verweis auf den klaren Wortlaut des Art. 51 Abs. 2 GRCh und des Art. 4 Abs. 2 EUV sowie dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nicht gefolgt.34 Eine vertieftere Behandlung der europarechtlichen Dimension findet in dieser Untersuchung daher nicht statt.35 2. Völkerrechtliche Dimension Ähnlich verhält es sich mit völkerrechtlichen Implikationen.36 Nachdem die Staats- und die Verwaltungsorganisation originär nationalstaatliche Kompetenzen sind, werden die Argumente für die innerstaatliche Verteilung des Auftrags Verfassungsschutz in der vorliegenden Untersuchung auch vordringlich aus nationalen Rechtsprinzipien und Regelungen abgeleitet. Deshalb ist die vorliegende Untersuchung auf die Vorgaben des Grundgesetzes beschränkt.37 Die völkerrechtlichen Implikationen bleiben daher außer Betracht.

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EuGH – Kreil, Rs. C-285/98 – Slg. 2000, I-69 Rn. 14 – 18. Demgegenüber jüngst deutlich restriktiver in der Anwendung der Unionsgrundrechte, BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. 11. 2019 – 1 BvR 16/13 –, Rn. 43 ff. 34 Vgl. auch BVerfGE 133, 277, 315 f. Rn. 90 f. 35 Siehe zur europäischen Sicherheitsarchitektur grundlegend B. Schöndorf-Haubold, Europäisches Sicherheitsverwaltungsrecht, 2010, Rn. 34 ff., 77 ff. Eingehend zur informellen, europäischen Kooperation der Nachrichtendienste, dies., in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/ Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 4, 15 ff. Zum Wirken der EU für Sicherheit, Europäische Kommission, Die Europäische Sicherheitsarchitektur, Straßburg, den 28. 4. 2015, COM(2015) 185 final, im Internet abrufbar unter https://ec.eu ropa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/e-library/documents/basic-documents/docs/eu_ agenda_on_security_de.pdf (abgerufen: 30. 11. 2020). 36 Siehe allerdings zur Rechtsprechung des EGMR zum Begriff des „national security“, S. Sule, in: Dietrich/ders. (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 335, 354 f. Rn. 56 ff. Vgl. insbesondere EGMR, Klass and others v. Germany, no. 5029/71, 6. 9. 1978, Rn. 45 f.; Weber and Savaria v. Germany, no. 54934/00, 29. 6. 2006, Rn. 104. 37 Zur EMRK als „Auslegungshilfe“ für die Grundrechte des Grundgesetzes, die allerdings „keine schematische Parallelisierung der Aussagen […], sondern nur ein Aufnehmen von […] Wertungen [der EMRK verlangt], soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist“, BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 6. 11. 2019 – 1 BvR 16/ 13 –, Rn. 58. Ebenso BVerfGE 111, 307, 315 ff.; 128, 326, 366 ff.; 131, 268, 295 f.; 148, 296, 355 Rn. 133.

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II. Gang der Untersuchung Einleitend wird in einem ersten Teil der institutionelle Rahmen der Untersuchung dahingehend konturiert, dass aus der umfassenden deutschen Sicherheitsarchitektur durch Eingrenzungen nach Gefahrenursache und betroffenen Schutzgütern der für die Untersuchung relevante Teilbereich herausgearbeitet wird. Dieser als „Verfassungsschutzarchitektur“ definierte Ausschnitt umfasst mithin sämtliche zum materiellen Verfassungsschutz aufgerufene Institutionen der allgemeinen Sicherheitsarchitektur und dient als Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands. In dem folgenden zweiten Teil werden zunächst Organisation und Aufgaben der Ämter für Verfassungsschutz als zentrale Untersuchungsobjekte dargestellt. Die Verfassungsschutzämter sind ein eng kooperierender Behördenverbund aus dem Bundesamt und 16 Landesämtern für Verfassungsschutz. Ihnen ist durch den Bundesgesetzgeber in § 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG)38 ein Katalog an Mindestaufgaben gegeben. Der Verfassungsschutzverbund ist zum einen mit der frühzeitigen Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten beauftragt, welche eine Gefahr für existenzielle Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates der Bundesrepublik Deutschland darstellen; wobei zwischen der Beobachtung zur Spionageabwehr nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG und der Beobachtung der sonstigen Gefährdungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 BVerfSchG insbesondere deshalb unterschieden werden muss, da Spionage im Gegensatz zu den übrigen Beobachtungsobjekten stets einen Bezug zum Ausland aufweist. Zum anderen wirken die Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG an Sicherheitsüberprüfungen von Personen, technischen Sicherheitsmaßnahmen zur Geheimhaltung sowie der Geheimschutzbetreuung mit und leisten mithin einen Beitrag zum personellen und technischen Sabotage- und Geheimschutz. Ihre Tätigkeit besteht in defensiv ausgerichteter und bereits im Vorfeld konkreter Gefahrenlagen ansetzender Sammlung und Auswertung von Informationen. Polizeiliche Befugnisse stehen ihnen indes nicht zu. Von der ursprünglichen, in den Gründungsjahren der Bundesrepublik Deutschland entwickelten Konzeption der nationalen Sicherheitsarchitektur ausgehend, welche insbesondere durch die historisch bedingte, strenge Trennung von Nachrichtendiensten und Polizei gekennzeichnet ist, haben die Ämter für Verfassungsschutz im Laufe der Zeit eine stetige Ausweitung ihrer Aufgaben und Befugnisse erfahren. Die in der übergeordneten Struktur der Verfassungsschutzarchitektur erkennbaren Verschiebungen und die Aufgabenerweiterungen der Verfassungsschutzämter werden zum Abschluss des zweiten Teils zusammengeführt, um den Beitrag der Verfassungsschutzämter für die spezifische Umsetzung des Verfas38 Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20. 12. 1990 (BGBl. I, S. 2954, 2970), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 30. 6. 2017 (BGBl. I, S. 2097) geändert worden ist.

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Einleitung: Moderner Verfassungsschutz im Informationszeitalter

sungsschutzes, gerade in Abgrenzung zu anderen Akteuren, aufzuzeigen sowie daraus ihre Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur zu ermitteln. Die klassische Aufgabe der Verfassungsschutzämter liegt nämlich in der Beobachtung von zwar noch legalen, dennoch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten, Bestrebungen. Von der Befassung mit eben solchen Tätigkeiten, die auch die Schwelle des polizeilichen Gefahrenbegriffs noch nicht überschritten haben, wird die Polizei strikt ferngehalten, da anderenfalls die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols nicht gerechtfertigt werden kann.39 Mittlerweile weisen beide Behörden jedoch einen sich in weiten Teilen überschneidenden Aufgabenbereich sowie parallele Befugnisse auf. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass die Verfassungsschutzämter zunehmend in der Informationsvorsorge zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung eingesetzt werden, während der Polizei mittlerweile vormals exklusiv den Verfassungsschutzämtern zustehende „nachrichtendienstliche“, sprich verborgene Informationserhebungsbefugnisse zur Verfügung stehen. Die Aufgaben der Verfassungsschutzämter wurden ferner aus Praktikabilitätserwägungen noch in eine andere Richtung von der ursprünglichen Konzeption entfernt. Die Beobachtung geheimdienstlicher Tätigkeiten, insbesondere, soweit es um Wirtschaftsspionage und Wirtschaftsschutz geht, dient zumindest nicht mehr unmittelbar dem Schutz grundlegender Prinzipien des Rechtsstaats und des demokratischen Prozesses. Den Aufgabenerweiterungen geschuldet, nehmen die Verfassungsschutzämter in der Verfassungsschutzarchitektur lediglich hinsichtlich ihrer ursprünglichen Aufgabe, mithin eine bloß partielle Sonderstellung ein. In den „hinzugewonnenen“ Tätigkeitsfeldern hingegen drohen Überschneidungen und Friktionen mit anderen Sicherheitsbehörden. Ausgehend von den zuvor gewonnenen Erkenntnissen wird in zwei anschließenden Teilen erörtert, ob die durch überschneidende Tätigkeitsfelder von Verfassungsschutzämtern, BND und Polizei auftretenden Zuordnungsschwierigkeiten verfassungsrechtliche Prinzipien beeinträchtigen. Die parallele Aufgabenzuweisung von Verfassungsschutzämtern und Polizeibehörden im Bereich der Aufklärung bereits gefahrträchtiger oder strafbewehrter Bestrebungen bedingt mannigfaltige verfassungsrechtliche Probleme – insbesondere etwa die Gefahr additiver Grundrechtseingriffe –, welche dazu zwingen, die Aufgabenverteilung in diesem Bereich zu überdenken (3. Teil). Daneben kollidiert die thematisch fragwürdige Erweiterung in den Bereich der Spionageabwehr einerseits mit der Tätigkeitsbegrenzung der Verfassungsschutzämter auf rein defensive Informationserhebung (4. Teil); soll doch Gegenspionage, also das Beeinflussen und Einwirken auf einen anderen Geheimdienst, mit den Aufgaben der Verfassungsschutzämter nicht vereinbar und allein dem BND möglich sein. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Beobachtung von Spionage, welche stets einen Auslandsbezug aufweist, unter Kompetenzgesichts39 Die Grundsatzfrage nach der Legitimität grundrechtsbeeinträchtigender Maßnahmen der Verfassungsschutzämter gegenüber legalen Bestrebungen wird hingegen in der vorliegenden Arbeit nicht vertieft behandelt werden, sondern dient lediglich als Abgrenzungskriterium der Polizei von den Verfassungsschutzämtern.

Einleitung: Moderner Verfassungsschutz im Informationszeitalter

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punkten überhaupt dem föderalen System der Verfassungsschutzämter zugeordnet werden darf. Die beiden Problemkreise werden, aufgrund der verschiedenen Referenzbehörden – Polizei und BND – sowie partiell divergierender verfassungsrechtlicher Herausforderungen, mit unterschiedlichen Schwerpunkten versehen und daher in zwei voneinander getrennten Teilen behandelt. Einleitend zum fünften Teil der Untersuchung wird die Weite des grundgesetzlichen Verfassungsschutzauftrags beschrieben. Dieser Spielraum ermöglicht, flexibel auf die bei der Betrachtung der Referenzgebiete offenkundig gewordenen Schwierigkeiten zu reagieren. Dem Gesetzgeber sind hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur nur wenige Grenzen gesetzt. Diesen Freiraum zum Abschluss der Untersuchung aufnehmend, wird im weiteren Fortgang des fünften Teils ein Vorschlag zur Neustrukturierung der Aufgabenverteilung innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur unterbreitet. Der Fokus liegt dabei auf den Verfassungsschutzämtern. Sie sollen in einer Rückbesinnung auf ihre ursprüngliche Aufgabe und in Konzentration auf ihre Sonderstellung in der Verfassungsschutzarchitektur zu eigenständigen Präventionsbehörden für den Verfassungsschutz werden, anstatt als unvollständige Ermittlungsbehörden weitreichend an der Informationsvorsorge für die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden teilzunehmen. Um das aktuell hohe Schutzniveau nicht zu gefährden, wird im Blick zu behalten sein, ob die über die ursprüngliche Konzeption hinausgehenden Aufgaben der Verfassungsschutzämter von anderen Behörden übernommen werden können; konkret, ob die Verfassungsschutzämter aus der Beobachtung illegaler Tätigkeiten ausgenommen werden könnten und die Spionageabwehr unter dem Dach des BND zusammengeführt werden könnte.

1. Teil

Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur – Konturen einer nationalen Verfassungsschutzarchitektur Im ersten Teil dieser Untersuchung wird die Verfassungsschutzarchitektur als ein Teilbereich der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland beschrieben. Die nationale40 Sicherheitsarchitektur ist ein Oberbegriff für die Organisation der Sicherheitsbehörden und Ermittlungsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland.41 Dieses überkommene System umfasst nach einem weiten Verständnis neben der Polizei, den Nachrichtendiensten, der Bundeswehr und dem Katastrophenschutz42 auch den Zivilschutz sowie die repressive Sicherheitsgewährleistung durch Justiz und Ermittlungsbehörden.43 Damit ist die Sicherheitsarchitektur die Ordnung derjenigen Institutionen, welche den Auftrag haben, „Sicherheit“ zu gewährleisten44, 40 Zur ursprünglich internationalen Prägung des Begriffs der Sicherheitsarchitektur, H. Kuschewitz, Bundesverfassungsgericht, 2014, S. 10. Die europäische Ebene ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung, siehe gleichwohl zur europäischen Sicherheitsarchitektur als Vollzugsstruktur eines europäischen Sicherheitsverwaltungsrechts ausführlich B. SchöndorfHaubold, Europäisches Sicherheitsverwaltungsrecht, 2010, Rn. 34 ff. Die europäische Sicherheitsarchitektur eingehend aus politikwissenschaftlicher Sicht beleuchtet M. Berndt, Die „Neue Europäische Sicherheitsarchitektur“, 2007. 41 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 1. 42 Die „alte“ Sicherheitsarchitektur auf diese Behörden beschränkt C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 322 f.; ders., Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MAT A S-1 zu ADrs. 38, S. 1. J. Ziercke, Kriminalistik 2002, S. 346, 346 weist auf die Unbestimmtheit des Begriffs der Sicherheitsarchitektur hin. 43 H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsarchitektur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 24 f. Rn. 22 f. Eine nur auf einer Ebene unterteilte und auf exekutive Sicherheitsgewährleistung beschränkte Gliederung aufzeigend S. Hansen, Sicherheitsarchitektur, 2009, S. 171. Siehe zu einem weiteren Verständnis staatlicher Sicherheitsgewährleistung P.-T. Stoll, Sicherheit als Aufgabe, 2003, S. 18. Vgl. auch D. Dienstbühl, Extremismus und Radikalisierung, 2019, S. 40. 44 Als Sicherheitsverwaltung bezeichnet Gröpl 1993 diejenigen Behörden, „die aufgabenhalber mit der Staatsaufgabe der inneren (und auch äußeren) Sicherheit der Bundesrepublik befaßt sind“, C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 32; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 14 Rn. 7. Ähnlich m. w. N. B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 114. Ferner auf die innere Sicherheit begrenzt, um das

Kap. 1: Der umfassende Begriff der Sicherheitsarchitektur

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und umfasst nach vorliegendem Verständnis nicht nur Behörden45 sondern auch Gerichte, etwa die Strafgerichtsbarkeit im Rahmen der Repression oder das Bundesverfassungsgericht bei Entscheidungen über die Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 S. 2 GG. Innerhalb dieser umfassenden Struktur der Sicherheitsarchitektur (Kap. 1) kann eine Differenzierung zunächst anhand des Gefährdungsursprungs, vor dem geschützt werden soll, getroffen werden. Die Verfassungsschutzarchitektur befasst sich mit der Abwehr von Gefährdungen ihrer Schutzgüter durch menschliche Taten. Daher kann der Katastrophenschutz, der mit Naturkatastrophen umgeht, für die Zwecke der Untersuchung weitgehend unbehandelt bleiben (Kap. 2). Der grundgesetzliche Auftrag zum Verfassungsschutz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GG wird aufgrund seiner Diversität von verschiedenen Institutionen bearbeitet. Verklammert wird der Verfassungsschutzauftrag durch die gemeinsamen Schutzgüter: Die freiheitliche demokratische Grundordnung, der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder (Kap. 3). Die Verfassungsschutzarchitektur, die in dieser Untersuchung die Struktur der verschiedenen Institutionen bezeichnet, die mit dem Verfassungsschutz befasst sind, ist somit lediglich ein Teilbereich der umfassenden Sicherheitsarchitektur (Kap. 4). Gleichwohl ist die so definierte Verfassungsschutzarchitektur der maßgebliche institutionelle Rahmen der vorliegenden Untersuchung, da in diesem Geflecht auch die Verfassungsschutzämter ihren Platz einnehmen. Kapitel 1

Der umfassende Begriff der Sicherheitsarchitektur Innerhalb der Sicherheitsarchitektur wird traditionell zwischen innerer und äußerer Sicherheit unterschieden46 sowie die innere Sicherheit in die repressive Sicherheitsgewährleistung, die Gefahrenabwehr und die präventiv-nachrichtenZusammenwirken von Staat und Gesellschaft erweitert T. Würtenberger/S. Tanneberger, in: Riescher (Hrsg.), Sicherheit und Freiheit statt Terror und Angst, 2010, S. 97, 97 f. 45 Unter einer Behörde wird in dieser Untersuchung mit dem engen organisatorischen Behördenbegriff „eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln [verstanden], die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein.“ Für diesen engeren – da unter den funktionalen Begriff nach § 1 Abs. 4 VwVfG auch Organe der Legislative und Judikative gefasst werden können – organisatorischen Behördenbegriff, BVerfGE 10, 20, 48. 46 V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 17; H. Kuschewitz, Bundesverfassungsgericht, 2014, S. 11 ff.; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 24 Rn. 22; D. Dienstbühl, Extremismus und Radikalisierung, 2019, S. 40.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

dienstliche Sicherheitsgewährleistung dreigeteilt.47 Die äußere (A.) und die innere (B.) Sicherheit lassen sich anhand ihrer Schutzgüter entfalten und ergänzen sich zu einem Institutionengebilde (C.).

A. Die Institutionen der äußeren Sicherheit zum Schutz des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder Die äußere Sicherheit wird aus den Bereichen „Verteidigung“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 und Art. 87a Abs. 1 GG) und „auswärtige Angelegenheiten“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG) zusammengesetzt, die beide der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterliegen.48 Die „auswärtigen Angelegenheiten“ im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG sind mit Blick auf die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern in besonderem Maße auslegungsbedürftig. Der Begriff „darf [zum einen] nicht in einer Weise ausgelegt werden, daß die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unterlaufen wird. Zum anderen muß er sich in die verschiedenen Kompetenzzuweisungen an den Bund einfügen. Unter beiden Gesichtspunkten verbietet sich ein Verständnis des Begriffs, nach dem alle Tatbestände mit Auslandsbezug zu den auswärtigen Angelegenheiten zählen.“49 Vielmehr müssen die auswärtigen Angelegenheiten im Gesamtkontext mit der sonstigen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gesehen werden.50 Für den vorliegend relevanten Bereich der staatlichen Sicherheitsgewährleistung sind Art. 73 Abs. 1 Nr. 3, 5 (Grenzschutz) und 10 GG insbesondere maßgeblich. Auswärtige Angelegenheiten im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 GG „sind nur die Beziehungen, die sich aus der Stellung der 47 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1077; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 147 ff.; T. Kingreen/ R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 4. Ebenfalls das drei Säulen Modell zugrunde legend M. Löffelmann, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag am 21. 3. 2018, 90. Kl., 86. VF, Anlage 3, S. 7. Zu den Ursprüngen der Dreiteilung, C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MATA S-1 zu A-Drs. 38, S. 1: „Die letztlich schon auf das Jahr 1949 zurückgehende Grundentscheidung lautet: Die Polizei soll aus der Aufklärung legaler Handlungen herausgehalten werden.“ Für eine ungebrochene Aktualität des „drei Säulen Modells“ C. Gusy, a. a. O., S. 1: „Die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik im genannten Sinne hat sich seit 1992 (bis zum Ende des Beobachtungszeitraums 2011) in zahlreichen Einzelheiten verändert, blieb aber in ihren Grundzügen konstant“; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 23 Rn. 17, zum Zeitraum von 2011 bis 2017: „keine neue strukturelle Grundlinie“. Die drei Säulen seien durch unterschiedliche Aufgaben und Zwecke geprägt, so C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 323: Sicherheit ist „das gemeinsame Produkt der unterschiedlichen Aufgabenerfüllung unterschiedlicher Stellen“. Für eine zunehmende Erosion der Unterschiede allerdings statt vieler hier nur M. Thiel, Entgrenzung, 2011. 48 V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 17. 49 BVerfGE 100, 313, 368. 50 BVerfGE 100, 313, 368.

Kap. 1: Der umfassende Begriff der Sicherheitsarchitektur

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Bundesrepublik als Völkerrechtssubjekt zu anderen Staaten [und weiteren Völkerrechtssubjekten] ergeben.“51 Für die internationale Sicherheitsgewährleistung bedeutet das, dass dem Bund die ausschließliche Kompetenz zur Regelung der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und von Einsätzen im Ausland52 obliegt. Exemplarisch auf den Begriff der internationalen Verbrechensbekämpfung in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG bezogen, ist darunter „nicht die Bekämpfung internationaler Verbrechen, sondern die internationale Bekämpfung von Verbrechen, also etwa die Zusammenarbeit deutscher mit ausländischen Stellen in kriminalpolizeilichen Fragen, zu verstehen.“53 Während im Rahmen der auswärtigen Angelegenheiten überwiegend in Friedenszeiten Sicherheit gewährleistet wird, liegt die Hauptaufgabe der „Verteidigung“ demgegenüber im Umgang mit kriegerischen Auseinandersetzungen.54 Der Verteidigungsbegriff wird in einen ausschließlich vom Bund ausgeführten, militärischen und einen Bund und Ländern gemeinsam überantworteten, zivilen Teil untergliedert (vgl. auch Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2: „die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung“).55 Die militärische Verteidigung bekämpft militärisch bewaffnete, feindliche Kombattanten; demgegenüber schützt die zivile Verteidigung im Innern vor Gefahren, die im Zusammenhang mit den Kriegshandlungen stehen.56 Die nach Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG zur Verteidigung aufgestellten Streitkräfte dienen der Abwehr bewaffneter, kriegerischer Angriffe57 und können daher, aller Verwischungstendenzen zum Trotz58, von der Gefahrenabwehr im Rahmen der inneren Sicherheit dadurch unterschieden werden, dass sie ausschließlich in Kriegszeiten zum Einsatz kommen und in Friedenszeiten auf die Einsatzvorbereitung beschränkt bleiben59.60

51

BVerfGE 33, 52, 60. Vgl. für den Einsatz von Landesbeamten in UN-Missionen, OFD Hannover v. 19. 3. 2008 – S 2128 – 5 – StO 217, abrufbar unter https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/2 98857/ (abgerufen: 30. 11. 2020), III: „Das Bundesministerium des Innern verfügt die Zuweisung des deutschen Polizeikontingents (Bund-/Landesbeamte) zu den Vereinten Nationen, wo es der UN-Polizeitruppe unterstellt wird.“ Zur Verwendung der Bundespolizei im Ausland nach § 8 BPolG F. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 4. 53 BVerfGE 100, 313, 369. 54 F. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 4. 55 F. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 2. 56 F. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 2. 57 BVerfGE 69, 1, 21 f.; 48, 127, 159 f. 58 F. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 1. 59 BVerwGE 43, 353, 356 f. 60 F. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 4. 52

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

B. Die Entfaltung der inneren Sicherheit anhand der zu schützenden Rechtsgüter Der Begriff der inneren Sicherheit ist nicht legaldefiniert. Einzelnen Stimmen aus der Literatur zufolge soll das Feld der inneren Sicherheit die Verbrechensbekämpfung durch Verbrechensverhütung und Strafverfolgung von Polizei und Justiz, die sicherheitspolizeilichen Teile des Melde-, Pass-, Ausländer-, Vereins- und Versammlungswesens, die Tätigkeit der Nachrichtendienste sowie den Katastrophenschutz umfassen61 und sei durch gemeinsame Schutzgüter verbunden.62 Jedenfalls werden zumindest die Verbrechensbekämpfung und der Schutz von Staat und Verfassung unstreitig als Teil der inneren Sicherheit angesehen,63 da diese Bezugsgegenstände ihre Rückkoppelung in der Verfassung finden;64 nämlich durch den verfassungsrechtlichen Staatsauftrag zum Schutz der Individualrechtsgüter (I.) und des Gemeinschaftsrechtsgutes des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht, (II.), welcher hauptsächlich in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG deutlich wird.

I. Der Verfassungsauftrag zum Schutz von Individualrechtsgütern Staatliche Sicherheitsgewährleistung stellt sich unter dem Grundgesetz zuvorderst als Individualrechtsgüterschutz dar.65 Im Zentrum staatlicher Sicherheitsgewährleistung stehen traditionell die elementaren Rechtsgüter des Einzelnen – Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Eigentum.66 Der Auftrag des Staates zum Rechtsgüterschutz findet sich in der Verfassung im staatsorganisationsrechtlichen Teil – in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG – wieder. Die Staatszielbestimmung67 zum Schutz der inneren Sicherheit ist in dieser Norm allerdings insoweit unvollständig abgebildet, als lediglich der Bundesgesetzgeber adressiert wird und damit die Beiträge der Länder und der Justiz unerwähnt bleiben.68 Deshalb ist diese Staatszielbestimmung notwendigerweise zusätzlich aus den Schutzpflichten abzuleiten, die dem Staat aus 61

V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 6. Ähnlich K. F. Gärditz, Strafprozeß und Prävention, 2003, S. 23 f., welcher Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und nachrichtendienstliche Aufklärung durch eine gemeinsame Zweckbestimmung verklammert sieht; kritisch dazu H. Lisken, DRiZ 1992, 250, 251. 63 Mit Schwerpunkt auf der Verbrechensbekämpfung V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 4; R. Pitschas, JZ 1993, 857, 858; demgegenüber mit Fokus auf den Schutz von Staat und Verfassung A. Dietl, in: Bull (Hrsg.), Sicherheit durch Gesetze, 1987, S. 57 f. 64 Zu den Anknüpfungspunkten auch M. Möstl, Garantie, 2002, S. 51, Fn. 57. 65 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 51. 66 C. Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 27; R. Herzog, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. III, 2. Aufl. 1996, § 58 Rn. 26; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 52. 67 Zum Charakter des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG als Staatszielbestimmung unten S. 63. 68 V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 23. 62

Kap. 1: Der umfassende Begriff der Sicherheitsarchitektur

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den Grundrechten erwachsen.69 Denn es ist mittlerweile einhellige Meinung in der Literatur, dass die dem Bürger grundrechtlich garantierten Rechtsgüter vom Staat zu achten und gegen Dritte zu verteidigen sind.70 Die bereits erwähnten elementaren Individualrechtsgüter unterfallen vollständig dieser Schutzpflichtdimension der Grundrechte.71

II. Der Schutz des Verfassungsstaats als Gemeinschaftsgut Vom Individualgüterschutz ist der Schutz von Gemeinschaftsgütern zu unterscheiden.72 Sie stellen einen weiteren Teil der grundgesetzlichen Gewähr für die innere Sicherheit dar.73 Die, etwa in Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG74 erwähnten, Gemeinschaftsgüter der inneren Sicherheit umfassen hauptsächlich den Bestand und die Sicherheit des Staates sowie die freiheitliche demokratische Grundordnung.75 Die Gewährleistung des Bestandes, der Sicherheit, aber auch der Funktionsfähigkeit76 des Staates sind selbstverständliche, natürliche Aufgaben des Staates.77 Sämtliche andere staatliche Gewährleistungen können ohne sie nicht gedacht werden – sie sind

69 V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 24. Zur Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten und ihrer Begründung ausführlich M. Möstl, Garantie, 2002, S. 52 ff. 70 Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten als „Herzstück grundrechtlichen Rechtsgüterschutzes“ bezeichnend M. Möstl, Garantie, 2002, S. 52; siehe ebenso m. w. N. V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 24; für die Menschenwürde sogar ausdrücklich im Art. 1 I 2 GG formuliert: Die Menschenwürde „zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. 71 J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 22 f. 72 So auch M. Möstl, Garantie, 2002, S. 51 ff. 73 V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 25; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 129. 74 Aber auch in Art. 11 Abs. 2, 18 S. 1, 20 Abs. 4, 21 Abs. 3, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b, 87a Abs. 4, 91 Abs. 1 GG. 75 J. Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, 1. Aufl. 1992, § 167 Rn. 47 f.; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 55; V. Götz, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 85 Rn. 25. Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus multidisziplinärer Sicht umfassend S. Schulz, Die freiheitliche demokratische Grundordnung, 2019. 76 G. Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 88; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 56; vgl. für die überkommene Einordnung des Bestands und der Funktionsfähigkeit des Staates als gefahrenabwehrrechtliches Schutzgut der öffentlichen Sicherheit E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 20 ff.; M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 53, 100; F. Schoch, in: Schmidt-Aßmann/ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2008, 2. Kap. Rn. 75 ff.; H. P. Bull, Staatsaufgaben, 2. Aufl. 1977, S. 354 ff. Deklaratorisch bestimmt der Art. 73 Nr. 10 lit. b GG (Bestand und Sicherheit), dass auch Beeinträchtigung unterhalb der Gefährdung des Bestands des Staates erfasst sind, M. Möstl, Garantie, 2002, S. 57. 77 Statt vieler M. Möstl, Garantie, 2002, S. 47.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

deren Voraussetzung.78 Zu unscharf, weil auch die Deutung als Relativierung grundrechtlicher Standards offen lassend,79 formulieren Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht wortgleich: „Die Sicherheit des Staates als verfaßter Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet.“80

Die Interpretation, wonach Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates lediglich Voraussetzungen für eine effektive staatliche Gewährleistung der Verfassungsordnung sind,81 verträgt sich besser mit dem Schutz der Grundrechte. Der Schutz staatlicher Institutionen ist dann lediglich „ein verfassungsrechtlich zulässiges, aber gesetzlich [festzulegendes] Rechtsgut“, genießt mithin an sich keinen Verfassungsrang.82 Staatliche Maßnahmen zum Schutz seiner Funktionsfähigkeit müssen sich an grundrechtlichen Vorgaben messen lassen und nicht die Gewährleistung grundrechtlicher Standards auf die Sicherheit des Staates abgestimmt werden.83 Im Grundgesetz wird von der Verfassungsordnung als Schutzgut regelmäßig lediglich die Teilmenge der freiheitlichen demokratischen Grundordnung angesprochen.84 Die Verfassung des Grundgesetzes ist durch ihre Konzeption als wehrhafte Demokratie85 selbst Schutzgut des Staates.86 Eine verfassungsgemäße Rechtsordnung ist sowohl Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols als auch not78 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 56; G. Ress, VVDStRL 48 (1990), 56, 88; als Vorbedingung für sozialstaatliche Gewährleistungen, W. Martens, DÖV 1982, 89, 90. Jedoch besteht der Staat nicht zum Selbstzweck, sondern um seiner Funktionen willen, P. Badura, in: BfV (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, 1990, S. 27, 36; J. Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. I, 2. Aufl. 1995, § 13 Rn. 173. 79 So die Kritik von C. Möllers, Staat als Argument, 2. Aufl. 2011, Einleitung zur 2. Aufl. S. XXXI f. und S. 268 ff.; M. Winkler, Kollisionen verfassungsrechtlicher Schutznormen, 2000, S. 132 ff.; T. Wülfing, Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und Grundrechtsschranken, 1981, S. 122. 80 BVerfGE 49, 24, 56 f.; BVerwGE 49, 202, 209. 81 C. Möllers, Staat als Argument, 2. Aufl. 2011, S. 268; M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, 1970, S. 15 ff.; J. Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 190 Rn. 119 ff.; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 56. Vgl. auch für den Schutz von Bestand und Sicherheit des Bundes oder eines Landes als „allenfalls mittelbar[er] Verfassungsschutz“, C. Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/ders., Das Bonner Grundgesetz, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Nr. 10, Rn. 618. 82 C. Möllers, Staat als Argument, 2. Aufl. 2011, S. XXXI. 83 Vgl. C. Möllers, Staat als Argument, 2. Aufl. 2011, S. XXXI f. u. 268 ff. 84 Art. 10 Abs. 2 S. 2, 11 Abs. 2, 18 S. 1, 20 Abs. 4, 21 Abs. 3, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b, 87a Abs. 4, 91 Abs. 1 GG; ansonsten „verfassungsmäßige Ordnung“, in Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 2, 98 Abs. 2 GG. 85 Dazu unter 1. Teil Kap. 3 F. (S. 62 ff.). Auf die entsprechenden Schutznormen im GG verweisend M. Möstl, Garantie, 2002, S. 58. 86 Vgl. C. Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/ders., Das Bonner Grundgesetz, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Nr. 10, Rn. 618.

Kap. 1: Der umfassende Begriff der Sicherheitsarchitektur

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wendiges Pendant dazu und damit Garant für ein geordnetes und friedliches Zusammenleben im Staat.87 Zu unterscheiden ist hierbei der Auftrag zur Durchsetzung der Rechtsordnung an sich, welcher seinen Ursprung im Rechtsstaatsprinzip findet, und dem grundrechtlichen Individualrechtsgüterschutz im Einzelnen.88 Die Gemeinschaftsgüter sind demnach, um Schutzlücken zu vermeiden, auch staatliche Schutzgüter, die jedoch dem Individualgüterschutz gedanklich vorgelagert sind, ohne dabei eine Rangordnung nach Wertigkeit zu generieren.89 Die Gemeinschaftsgüter des Bestandes und der Sicherheit des Staates sowie der Rechtsordnung lassen sich nach ihren Schutzobjekten unterscheiden: Auf der einen Seite der Staat an sich sowie, wie bereits gezeigt, seine Funktionsfähigkeit und auf der anderen Seite die gesamte Rechtsordnung, hauptsächlich geschützt durch ihre konsequente Durchsetzung. Der Schutz des Staates an sich und der Schutz der Verfassungsordnung wirken zusammen als „Schut[z] des Verfassungsstaates“.90

C. Das Zusammenwirken von äußerer und innerer Sicherheit in der Sicherheitsarchitektur Die Begriffe der inneren und der äußeren Sicherheit beschreiben zunächst Schutzgüter und Bedrohungspotenziale für diese Schutzgüter. Die Abwehr dieser Gefahren bedarf spezifischer Institutionen, die teilweise schon im Grundgesetz konkret benannt werden – etwa in Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG die Streitkräfte zur Verteidigung. Aus diesen einzelnen Institutionen kann wiederum, etwa durch die Darstellung von Zusammenarbeit oder Abgrenzung, eine Struktur gezeichnet werden: Die Sicherheitsarchitektur.91 Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die Aufgaben der Verfassungsschutzämter und deren Beitrag zum grundgesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes. Für diesen Untersuchungsgegenstand ist lediglich ein Teilbereich der umfassenden Sicherheitsarchitektur relevant. Daher wird in den folgenden Abschnitten der für die Untersuchung bedeutende Teil zunächst unter Betrachtung der Gefahrenursache (Kap. 2) und danach mit Blick auf die Schutzgüter (Kap. 3) eingegrenzt und damit der Rahmen der Untersuchung (Kap. 4) definiert. 87 Vgl. R. Scholz, NJW 1983, 705, 705 f., 707; D. Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol, 1975, S. 42 f., 60. Vgl. auch H.-H. Trute, in: GS Jeand’Heur, 1999, S. 403, 413: „Die Gewährleistung von Sicherheit ist wohl unbestritten eine fundamentale Staatsaufgabe, die Komplement des staatlichen Gewaltmonopols ist.“ 88 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 65 ff. 89 Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf BVerfGE 49, 24, 56 f.; BVerwGE 49, 202, 209: „Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stehen“. 90 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 59. 91 B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 114; T. Würtenberger, in: Kugelmann, Polizei unter dem Grundgesetz, 2010, S. 73.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Kapitel 2

Eingrenzung anhand der Gefahrenursache Mit dem Ziel, den Teil der Sicherheitsarchitektur zu umfassen, der mit dem Verfassungsschutz befasst ist, kann zunächst zwischen dem Schutz vor Gefährdungen durch Menschen und Natur unterschieden werden. Während weite Teile der Sicherheitsarchitektur und insbesondere die, die sich dem Verfassungsschutz widmen, ausschließlich mit menschengemachten Gefahren befasst sind (A.), dient der Katastrophenschutz der Abwehr von Gefahren, die von der Natur ausgehen (B.).

A. Vom Menschen ausgehende Gefahren Die nationale Sicherheitsarchitektur Deutschlands und der Verfassungsschutz im Besonderen schützen überwiegend vor Gefahren, die von Menschen ausgehen.

I. Bestrebungen im Sinne des Bundesverfassungsschutzgesetzes Allen voran sind die Ämter für Verfassungsschutz explizit mit der Beobachtung menschengemachter Gefährdungen befasst. Die Verfassungsschutzämter sammeln nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG Informationen über verfassungsschutzrelevante Bestrebungen und wirken nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG bei Sicherheitsüberprüfungen von Personen und Geheimschutzmaßnahmen mit, um Kenntnisnahmen geheimhaltungsbedürftiger Umstände durch Unbefugte zu verhindern. Verfassungsschutzrelevante Bestrebungen sind nach § 4 Abs. 1 BVerfSchG politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, mithin zwingend menschliche Handlungen. Bedrohungen durch Naturkatastrophen unterfallen hingegen nicht der Zuständigkeit der Ämter für Verfassungsschutz.

II. Verfassungsfeindliche Verhaltensweisen im Sinne der wehrhaften Demokratie Die Werkzeuge der wehrhaften Demokratie, die im Grundgesetz vorgesehen sind,92 richten sich ausschließlich gegen verfassungsfeindliche Bedrohungen durch Personen. Gemäß Art. 9 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 2 GG sind verfassungsfeindliche 92 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 171, nennen Art. 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2, 87a Abs. 4 und 91 GG.

Kap. 2: Eingrenzung anhand der Gefahrenursache

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Personenzusammenschlüsse sowohl in der Organisationsform als Verein als auch als Partei verboten. Nach Art. 18 GG verwirkt jemand seine „politischen“ Grundrechte93, wenn er sie zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzt. In Art. 87a Abs. 4 GG wird schließlich die Möglichkeit eröffnet, die Bundeswehr im Innern gegen organisierte und militärisch bewaffnete Aufständische einzusetzen, wenn der Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes bedroht ist. Zum selben Schutzzweck können die Länder nach Art. 91 GG Polizeikräfte anderer Länder sowie Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen und des Bundesgrenzschutzes anfordern.

III. Strafbare Handlungen im Sinne des Staatsschutzstrafrechts Die Grundlage der Strafbarkeit nach den §§ 13 ff. StGB94 bilden ausschließlich das Tun oder Unterlassen von Personen. Eine Handlung im strafrechtlichen Sinne ist „jedes menschliche Verhalten“.95 Dementsprechend befassen sich Strafverfolgungsbehörden und Strafjustiz ausschließlich mit menschlichen Verhaltensweisen. Für den Bereich des Staatsschutzstrafrechts, der als strafrechtlicher Verfassungsschutz ein Teilbereich der Verfassungsschutzarchitektur ist96, gilt nichts Abweichendes. Der Verfassungsschutz in Deutschland, gleich ob durch die Beobachtung der Verfassungsschutzämter, Parteiverbote nach Art. 21 Abs. 2, 3 Alt. 1 GG oder die Verfolgung von Staatsschutzdelikten, ist stehts auf die Abwehr von Gefahren bezogen, die vom Menschen ausgehen.97 Daher ist für die vorliegende Untersuchung lediglich der Bereich der deutschen Sicherheitsarchitektur relevant, der sich mit menschengemachten Gefahren befasst. Dieser Bereich kann anhand der Gefahrenursache von Teilen der Sicherheitsarchitektur abgegrenzt werden, die sich mit der Abwehr von Gefahren befassen, die von der Natur ausgehen. 93 Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 81. Lfg. September 2017, Art. 18 Rn. 16 und mit dem Hinweis darauf, dass auch andere Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht werden können, kritisch gegenüber der abschließenden Aufzählung von verwirkbaren Grundrechten (Rn. 17); F. Wittreck, in: Dreier, GrundgesetzKommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 18 Rn. 26. 94 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. 11. 1998 (BGBl. I, S. 3322), das zuletzt durch Art. 62 des Gesetzes vom 20. 11. 2019 (BGBl. I, S. 1626) geändert worden ist. 95 M. Heuchemer, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 49. Ed. Stand: 1. 2. 2021, StGB § 13 Rn. 2. 96 Dazu später unter 2. Teil Kap. 3 A. IV. 1 (S. 175 f.). 97 Vgl. E. Denninger, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HVerfR, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 16 Rn. 17: „Spezifikum [des Verfassungsschutzbegriffs – unabhängig davon, ob weit oder eng verstanden] ist […] die gezielte Abwehr von absichtsvollen, ,vorsätzlichen‘ Angriffen auf die Grundlagen der Verfassung, und der staatlichen Existenz“; E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 171.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

B. Von der Natur ausgehende Gefahren Die Sicherheit innerhalb der Bundesrepublik ist, abgesehen von unmittelbar durch menschliches Verhalten verursachten Gefahren, auch durch Naturkatastrophen bedroht. Der Schutz vor bzw. das Folgenmanagement nach Naturkatastrophen liegt in Deutschland in der Zuständigkeit der Länder (vgl. Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG).98 Im Gegensatz zu den im vorherigen Abschnitt behandelten Gefahren setzt eine Katastrophe im Sinne des Katastrophenschutzrechts gerade keine unmittelbare Verursachung durch Menschen voraus.99 Aufgrund dieses Unterschieds in der Gefahrenursache kann der Katastrophenschutz für die Zwecke dieser Arbeit von vornherein vernachlässigt werden.100 Relevante Berührungspunkte zum Schutz vor von Menschen ausgehenden Bedrohungen sind nicht ersichtlich.101 Der Systematisierung der Sicherheitsarchitektur nach der Gefahrenursache kann nicht entgegengehalten werden, dass die nach Landesrecht mit dem Katastrophenschutz beauftragten Einheiten und Einrichtungen nach § 11 Abs. 1 S. 1 Zivilschutzund Katastrophenhilfegesetz (ZSKG)102 auch Zivilschutzaufgaben im Verteidigungsfall wahrnehmen, mithin auch gegen von Menschen verursachte Gefahren eingesetzt werden. Die vorliegend vorgenommene Abgrenzung verfolgt lediglich das Ziel der Strukturierung der sehr weitenreichenden Sicherheitsarchitektur, ohne dabei unüberwindbare Grenzen zwischen den einzelnen Bereichen aufbauen zu wollen. Durch die vorgenommene Systematisierung soll lediglich der Rahmen der vorliegenden Untersuchung gesetzt werden; mithin stehen diese Überlegungen einer Zusammenarbeit der umfassten Institutionen über die „Bereichsgrenzen“ hinweg keinesfalls im Weg. 98

Für die Möglichkeiten der Unterstützung durch die EU siehe Art. 222 Abs. 1 lit. b, c, Abs. 2 AEUV. Dazu W. Frenz, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV, Bd. 4, 1. Aufl. 2017, AEUV Art. 222, Rn. 12 ff. 99 Vgl. die Legaldefinition von Katastrophe in Art. 1 Abs. 2 Bayerisches Katastrophenschutzgesetz: „Eine Katastrophe im Sinn dieses Gesetzes ist ein Geschehen, bei dem Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder die natürlichen Lebensgrundlagen oder bedeutende Sachwerte in ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet oder geschädigt werden und die Gefahr nur abgewehrt oder die Störung nur unterbunden und beseitigt werden kann, wenn unter Leitung der Katastrophenschutzbehörde die im Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden, Dienststellen, Organisationen und die eingesetzten Kräfte zusammenwirken.“ 100 Zum Katastrophenschutzrecht eingehen M. Kloepfer (Hrsg.), Katastrophenrecht, 2008. Das Katastrophenschutzrecht aufgrund der Orientierung auf den Umgang mit den Folgen von Naturkatastrophen auch treffend als „Katastrophenfolgenmanagementrecht“ bezeichnend C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 323 Fn. 87. Gleichwohl versteht M. Kloepfer, in: ders. (Hrsg.), Katastrophenrecht, 2008, S. 1 den Katastrophen-Begriff weiter und bezieht technische Katastrophen, Großunfälle sowie kriegerische und terroristische Ursachen mit ein. 101 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1077; so auch für das Katastrophenschutzrecht und die Terrorismusabwehr C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 323 Fn. 87. 102 Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz vom 25. 3. 1997 (BGBl. I, S. 726), das zuletzt durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 29. 7. 2009 (BGBl. I, S. 2350) geändert worden ist.

Kap. 2: Eingrenzung anhand der Gefahrenursache

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Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf den Teilbereich der deutschen Sicherheitsarchitektur, der sich mit der Abwehr von Gefahren befasst, die unmittelbar von Menschen ausgehen. Außer Betracht bleibt die Abwehr bzw. das Folgenmanagement von Naturkatastrophen, selbst wenn Menschen für solche Gefahren mitursächlich waren.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Kapitel 3

Eingrenzung anhand der Schutzgüter Die Abwehr menschengemachter Gefahren kann anhand der bedrohten Schutzgüter weiter systematisiert werden. Für die vorliegende Untersuchung ist die „Verfassungsschutzarchitektur“ der maßgebliche Teil der Sicherheitsarchitektur. Diese Teilstruktur wird durch gemeinsame Schutzgüter verklammert. Daher kann die Verfassungsschutzarchitektur als Organisation der Institutionen, die mit dem Auftrag Verfassungsschutz befasst sind, maßgeblich anhand ihrer grundgesetzlichen Schutzgüter definiert werden.103 Diese Schutzgüter ergeben sich aus der grundgesetzlichen Legaldefinition von Verfassungsschutz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG:104 „[…] Schut[z] der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) […]“

Die Verfassung gibt seit Einführung dieser Definition 1972105 ausdrücklich vor, was vom Verfassungsschutz gegen „absichtsvolle, ,vorsätzliche‘ Angriffe“106 verteidigt werden soll: Die Schutzgüter der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, der „Bestand“, sowie die „Sicherheit des Bundes oder eines Landes“.107 Bei Fassung der Legaldefinition wurde sich an den Formulierungen der Art. 21 Abs. 2, Art. 91 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 GG orientiert.108 Davor verhielt sich das Grundgesetz nicht ausdrücklich zum Inhalt des Begriffs „Verfassungsschutz“.109 In den Begriffsdiskussionen dieser Zeit wurde der Verfassungsschutz grundsätzlich auf den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beschränkt,110 welcher 103 Vgl. zur Definition von Sicherheit über die Definition der geschützten Rechtsgüter, A. Armborst, RW 2019, 436, 443. 104 R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 53 Rn. 9; W. Cremer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 278 Rn. 1; terminologisch von Verfassungsschutz im weiten Sinne sprechen H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 1 BVerfSchG, Rn. 5 und C. Gusy, BayVBl. 1982, 201, 201 und meinten damit „alle Instrumentarien, Einrichtungen und Maßnahmen […], die dem Schutz der genannten Rechtsgüter […] dienen sollen“ (H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 1 BVerfSchG, Rn. 5). Die grundgesetzliche Legaldefinition ist in § 1 Abs. 1 BVerfSchG übernommen worden. Kritisch gegenüber der grundgesetzlichen Legaldefinition, H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 170 f. 105 BGBl. I 1972, S. 1305. 106 E. Denninger, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HVerfR, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 16 Rn. 17; E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 171. 107 Vgl. P. Badura, Staatsrecht, 7. Aufl. 2018, S. 371 D Rn. 4; D. Murswiek, NVwZ 2004, 769, 770: Verfassungsschutz im materiellen Sinne. 108 R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 6. 109 H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109. 110 H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109, 109 f.; Parl. Staatssekretär F. Dorn, 84. Sitzung des Deutschen Bundestages am 9. 12. 1970, Plenarprotokoll S. 4728: „Verfassungsschutz bedeutet

Kap. 3: Eingrenzung anhand der Schutzgüter

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jedoch nach damaligem Verständnis den Bestand des Bundes und der Länder mitumfasste.111 Wie § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950112 verdeutlicht, folgte auch der Bundesgesetzgeber 1950 bei Schaffung der einfachgesetzlichen Grundlagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) diesem auf die freiheitliche demokratische Grundordnung begrenzten Verständnis. Demnach war die ursprüngliche Aufgabe der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder „die Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen über Bestrebungen, die eine Aufhebung, Änderung oder Störung der verfassungsmäßigen Ordnung im Bund oder in einem Land oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben“113. Im Jahr 1972 wurden der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowohl in die grundgesetzliche Legaldefinition von Verfassungsschutz als auch in den Auftrag der Verfassungsschutzämter aufgenommen.114 Das Verhältnis der einzelnen Schutzgüter zueinander wird unterschiedlich beurteilt. Einerseits wird die Verbindung der Merkmale des „Bestandes“ und der „Sicherheit“ betont, da beide gemeinsam die Wirkungsgrundlage des Staates bilden115 und damit als Fundament der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dienen.116 Andernorts werden die Gemeinsamkeiten der Sicherheit des Bundes oder Landes und des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung herausgestellt.117 Im Folgenden werden die drei Schutzgüter (A.–C.), mit dem Wortlaut der Verfassung und aufgrund der vorhandenen Unterschiede, getrennt dargestellt. Der in einer Gesamtschau der Schutzgüter (D.) gebildete Begriff des Verfassungsschutzes im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG gewinnt ferner dadurch an Kontur, dass er zu denen des Staatsschutzes (E.) und der wehrhaften Demokratie (F.) in Beziehung gesetzt wird.

Schutz gegen Anschläge auf Grundlagen unserer rechtlichen und politischen Ordnung“; Antwort des BMI H.-D. Genscher v. 22. 5. 1970, BT-Drs. 6/872, S. 5; R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 6. 111 R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 6. 112 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. 9. 1950 (BGBl. I, S. 682). 113 BGBl. I 1950, S. 682. 114 BGBl. I 1972, S. 1305; BGBl. I 1972, S. 1382. Mit den Gesetzesänderungen wird der Verfassungschutzbegriff merklich erweitert, so auch K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 21. 115 H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 30 f., welcher eine „gleichförmige Gewichtung der Begriffe Bestand und Sicherheit [anstrebt], deren Schutzzweck […] auf den Weiterbestand des Staates gerichtet ist. 116 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 56. 117 H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 80, 82 f.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

A. Die freiheitliche demokratische Grundordnung Die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG ist ebenso zu verstehen wie in den Art. 18 und Art. 21 GG.118 Das Grundgesetz selbst trifft keine Aussagen über den Inhalt dieser Grundordnung und hat die Ausdifferenzierung dem Bundesverfassungsgericht überlassen.119 Das Gericht füllte diese Lücke im Einklang mit der überwiegenden Literatur120 und umschreibt die freiheitliche demokratischen Grundordnung wie folgt: „So läßt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“121

Die freiheitliche demokratische Grundordnung ist damit keineswegs deckungsgleich mit dem gesamten Inhalt des Grundgesetzes, sondern vielmehr eine Sammlung seiner bedeutendsten Prinzipien.122 Durch die Begrenzung auf zentrale Verfassungswerte rückt der Begriff zwar in die Nähe des in Art. 79 Abs. 3 GG festgeschriebenen Verfassungskerns. Eine Identität beider Begriffe wird dabei gleichwohl nicht erreicht,123 da der Bereich des Art. 79 Abs. 3 GG über den der freiheitlichen 118

Aus der Literatur auch m. w. N. C. Gusy, AöR 1980, 279; M. Ruland, Begriff, 1971, S. 48; W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch und Verwirkung, 1968, S. 33, 45 Fn. 99; C. Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 50; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 149; vgl. ferner BVerfGE 5, 85, 200. 119 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 172. 120 M. Pagenkopf, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 18, Rn. 12; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 568; G. Leibholz, in: Matz (Hrsg.), Grundprobleme der Demokratie, 1973, S. 314 f.; W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch und Verwirkung, 1968, S. 43 ff.; W. Priepke, DRiZ 1974, 109, 110 f.; W. Krebs, in: v. Münch/P. Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 18, Rn. 8; F. Wittreck, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 18, Rn. 44 m. w. N.; aus der umfangreichen Literatur zum Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, A. Sattler, Entscheidung, 1982, S. 56; P. Badura, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 2, 1976, S. 5 ff. 121 BVerfGE 2, 1, 12 f.; bestätigt durch E 5, 85, 140; seitdem ständige Rechtsprechung. 122 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 172. Siehe allerdings für eine Identität der Begriffe „verfassungsmäßige Ordnung“ und „freiheitliche demokratische Grundordnung“, C. Hubo, Verfassungsschutz durch geistig-politische Auseinandersetzung, 1998, S. 24 f. 123 BVerfGE 144, 20, 206 Rn. 537. So aber J. Ipsen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 160; P. Kunig, in: v. Münch/ders., GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 21, Rn. 81; G. Roellecke, in: Umbach/Clemens, GG, Bd. I, 2002, Art. 21, Rn. 121; H. H. Klein, VVDStRL 37 (1979), 53,

Kap. 3: Eingrenzung anhand der Schutzgüter

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demokratischen Grundordnung hinausgeht und auch die föderale Ordnung einschließt.124 Die vom Bundesverfassungsgericht so definierte freiheitliche demokratische Grundordnung beschränkt sich in materieller Hinsicht auf die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und konzentriert sich auf den Schutz formaler Prinzipien der Staatsorganisation und politischen Willensbildung. Diese Entscheidungslinie fortschreibend hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung im NPD-Verbotsverfahren 2017 genutzt, um den Begriff weiter zu schärfen: „Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 GG umfasst nur jene zentralen Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. a) Ihren Ausgangspunkt findet die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit. b) Ferner ist das Demokratieprinzip konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Unverzichtbar für ein demokratisches System sind die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG). c) Für den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind schließlich die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte bestimmend. Zugleich erfordert die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Einzelnen, dass die Anwendung physischer Gewalt den gebundenen und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden staatlichen Organen vorbehalten ist.“125 56 ff., LS I. 2. Wie hier R. Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, 7. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 227 ff.; B. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 49; V. Volkmann, Meinungsfreiheit, 2019, S. 137 ff. Wohl auch E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 172. Ohne Wertung m. w. N. auf die langjährige Diskussion verweisend W. Krebs, in: v. Münch/P. Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 18, Rn. 8. 124 BVerfGE 144, 20, 206 Rn. 537; R. Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, 7. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 227; E. Denninger, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HVerfR, Bd. 1, 2. Aufl. 1994, § 16 Rn. 35 f.; E.-W. Böckenförde, VVDStRL 37 (1979), Wortbeitrag zur Aussprache, 138, 138; D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 33. A. A. K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 565; W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch und Verwirkung, 1968, S. 46; W. O. Schmitt, DÖV 1965, 433, 438 ff., 442; H. H. Klein, VVDStRL 37 (1979), 53, 56 Fn. 11; E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 177. Eine früher vertretene Ansicht, wonach die freiheitliche demokratische Grundordnung insoweit über den Bereich der Unabänderlichkeitsklausel hinausginge, als sie auch das Mehrparteienprinzip sowie dessen Ausfluss der Gründungsfreiheit für Parteien nach Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG umfasse [E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 172], wir heute abgelehnt, siehe nur J. Dietlein, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 46. Ed. Stand: 15. 2. 2021, Art. 79, Rn. 52; H. Dreier, in: ders., GrundgesetzKommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 79, Rn. 41. 125 BVerfGE 144, 20, LS 3.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Mit dieser Konkretisierung weicht das Gericht von der vormaligen, in der Literatur ohnehin umstrittenen126 Aufzählung einzelner Teilaspekte der Grundordnung ab. Das Gericht unterscheidet nun zwischen den Kernelementen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip) und sich aus selbigen ergebende fallbezogene Ableitungen.127 Maßgeblich sind vor allem die in den Leitsätzen herausgestellten Aspekte der Kernelemente128 : Die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die Rechtsgleichheit als elementare Inhalte der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) als Grundlagen einer menschenwürdigen demokratischen Ordnung sowie die Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte als Kernaussagen des Rechtsstaatsprinzip. Ferner ist das rechtsstaatlich eingehegte Gewaltmonopol des Staates zum Schutz der Freiheit des Einzelnen konstitutiv und daher ein maßgeblicher Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Mithin bietet die freiheitliche demokratische Grundordnung das Grundgerüst, mithilfe dessen der Bürger den Verfassungsstaat gestaltet129, und harmoniert so mit der ursprünglichen Auffassung der streitbaren Verfassung als Absicherung der politischen Willensbildung.130 Das Bundesverfassungsgericht definiert die freiheitliche demokratische Grundordnung nun – mit den Veränderungen der Formel 2017 – allein von der Menschenwürde ausgehend131, sodass die Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Staatsorganisation festgesetzt werden.132 Die weiteren Verfas126 Aus der Auswahl des BVerfGE 144, 20, 204 f. Rn. 534: Aus der jüngeren Literatur Kalla/ Zillmann, BRJ 2012, 176, 176 f.; E. M. Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, 2014, S. 61. Unter Beachtung kritischer Stimmen letztlich zustimmend M. Morlok, NJW 2001, 2931, 2940; ders., Jura 2013, 317, 321; ders., in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 21, Rn. 148. Aus der befürwortenden Literatur nur H. Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, 1969, S. 204; M. Thiel, in: ders. (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 173, 198 f. Positiv gegenüber der jüngsten Konturierung durch das BVerfG Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 81. Lfg. September 2017, Art. 18, Rn. 65. 127 BVerfGE 144, 20, 204 f. Rn. 534. 128 BVerfGE 144, 20, LS 3. 129 E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 27. 130 Zu dieser ursprünglichen Auffassung E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 49 LS 5. Die Wehrhaftigkeit des Grundgesetzes schützt „in erster Linie die Demokratie“, V. Volkmann, Meinungsfreiheit, 2019, S. 139. 131 BVerfGE 144, 20, 206, Rn. 538. Vgl. auch T. Wihl, KJ 2020, 216, 221 ff. 132 Insbesondere soll hierbei in Abgrenzung zu Diktaturen eben gerade kein „starres Wertesystem“ aufgezwungen, sondern vielmehr die „Grundlagen für ein friedliches Funktionieren einer sozialen Ordnung“ geschützt werden, E. M. Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, 2014, S. 38 unter Verweis auf K. Mannheim, Diagnose unserer Zeit, 1951, S. 17 f.

Kap. 3: Eingrenzung anhand der Schutzgüter

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sungsprinzipien (Demokratie133 und Rechtsstaat134) sind nur im Hinblick auf diese Bedingung aufgenommen worden135 und entsprechend begrenzt auszulegen. Dementsprechend restriktiv umfasst die freiheitliche demokratische Grundordnung lediglich die grundlegenden Ordnungsprinzipien, ohne die eine geordnete Willensbildung des Volkes undenkbar wären. Exemplarisch dafür bewegt sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auch derjenige noch innerhalb der demokratischen freiheitlichen Grundordnung, der zwar danach strebt, die parlamentarisch-repräsentative Demokratie des Grundgesetzes zu beseitigen, aber zugleich einen „anderen Weg [aufzeigt, auf welchem] dem Grundsatz der Volkssouveränität Rechnung getragen und die Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses gewährleistet werden kann“.136

B. Der Bestand des Bundes und der Länder Der Bestand des Bundes und der Länder im Sinne der Legaldefinition von Verfassungsschutz umfasst, ebenso wie im Rahmen des Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG, die territoriale Integrität und die staatliche Souveränität.137 Die Unabhängigkeit der Länder ist allerdings nur in dem vom Grundgesetz gebilligten Rahmen geschützt.138 Das zu schützende Territorium erschöpft sich in den in der Präambel des GG aufgezählten Ländern.139 In welchem Umfang die staatliche Unabhängigkeit, mithin die Souveränität des Staates, geschützt ist, ist umstritten.140 In nahezu allen Fällen ginge nämlich mit einer Beschränkung der Souveränität auch eine Beeinträchtigung ihrer freiheitlichen demokratischen Grundordnung einher. Einen eigenständigen Gehalt neben der geschützten freiheitlichen demokratischen Grundordnung erlangt der Schutz der Souveränität daher lediglich im Fall der Verteidigung gegen die Abtrennung einzelner Landesteile ohne eine damit einhergehende Beeinträchtigung der freiheitli133

BVerfGE 144, 20, 208 ff., Rn. 542 ff. BVerfGE 144, 20, 210, Rn. 547. 135 BVerfGE 144, 20, 206 ff. Rn. 529, 538 ff.; G. Warg, NVwZ-Beilage 2017, 42, 43 f.; F. Thrun, DÖV 2019, 65, 69. 136 BVerfGE 144, 20, 210, Rn. 546. 137 R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 150; die Souveränität unstrittig mitumfasst bei B. Grzezick/J. Rauber, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 136. 138 R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 150. 139 J. Ipsen, Staatsrecht, Bd. I, 31. Aufl. 2019, Rn. 30; B. Grzezick/J. Rauber, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 136; H. H. Klein, in: Maunz/ Dürig, GG, 82. Lfg. Januar 2018, Art. 21, Rn. 520 f.; R. Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 229. 140 J. Ipsen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 166. 134

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

chen demokratischen Grundordnung in diesen Gebieten.141 Um eine Schutzlücke in diesem Fall zu vermeiden, ist auch die Souveränität des Staates als Schutzgut mitumfasst. Bestrebungen, welche eine weitere Integration der Bundesrepublik in einen europäischen Verfassungsverbund forcieren, stellen hingegen schon keine Gefahr für die Souveränität dar, da selbst in einem solchen Verbund die Souveränität bei den Mitgliedsstaaten verbleibt.142 Der Bestand des Bundes und der Länder ist nicht um seiner selbst willen geschützt, vielmehr muss er in Verbindung mit dem Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gesehen werden. Das Bestehen des Bundes und der Länder ist eine zwingende Voraussetzung für die freiheitliche demokratische Grundordnung.

C. Die Sicherheit des Bundes und der Länder Die Uferlosigkeit des Sicherheitsbegriffs erschwert die Definition des Schutzgutes der Sicherheit des Bundes und der Länder. Die Sicherheit selbst ist lediglich eine inhaltslose Zustandsbeschreibung, welche eines Bezugsobjekts bedarf.143 Damit werden der Auslegung nach dem Wortlaut offenkundige Grenzen gesetzt. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG bezieht die Sicherheit auf den Bund und die Länder, womit für die materielle Eingrenzung des Schutzbereichs freilich noch wenig getan ist.144 Eine weitere Konkretisierung anhand des Wortlauts erscheint unergiebig. Jedenfalls soll nach überwiegender Meinung nicht die Sicherheit im Sinn des allgemeinen Polizeirechts gemeint sein.145 Die Sicherheit des Bundes und der Länder kann nicht mit der Sicherheit in Bund und Ländern gleichgesetzt werden.146 141

J. Ipsen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 166. Vgl. F. Wollenschläger, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 23, Rn. 18; ebenso auf Wollenschläger Bezug nehmend, bewertet J. Ipsen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 167 selbst „Bestrebungen [als] verfassungsmäßig, auch wenn sie auf die Abschaffung (souveräner) europäischer Nationalstaaten abzielen“. 143 P. Häberle, VVDStRL 35 (1977), Wortbeitrag zur Aussprache, 306, 306; K. Eichenberger, VVDStRL 35 (1977), Wortbeitrag zur Aussprache, 295, 296; J. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983, S. 22; C. Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2017, Rn. 80; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 119; J. Isensee, in: FS Eichenberger, 1982, S. 23, 34. Denninger definiert zwei unterschiedliche Sicherheitsverständnisse: Zum einen Sicherheit i. S. d. Art. 6 GRCh-EU als Rechtssicherheit, abgeleitet aus europäischer, insbesondere französischer, Menschenrechtstradition und zum anderen am Präventionsgedanken orientierte Rechtsgütersicherheit, E. Denninger, KritV 2003, 313, 317 f. 144 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 180. 145 C. Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/ders., Das Bonner Grundgesetz, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Nr. 10, Rn. 639; C. Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 50; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 151 m. w. N.; A. A. noch E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 180: „Im Kontext der Norm zielt der Begriff auf die innere, die äußere und die 142

Kap. 3: Eingrenzung anhand der Schutzgüter

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Ein weiteres Indiz zur Inhaltsbestimmung ergibt sich aus der Systematik der Norm. Die Sicherheit muss auf ähnlich gewichtige, erhebliche Belange bezogen sein wie die freiheitliche demokratische Grundordnung und der Bestand des Bundes oder eines Landes, ohne dabei völlig deckungsgleich und damit redundant zu sein.147 Demzufolge muss die Sicherheitsbeeinträchtigung ebenfalls eine gewisse Erheblichkeitsschwelle übersteigen, ohne dabei jedoch die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand des Bundes oder eines Landes zu gefährden.148 Zur weiteren Auslegung kann auch der Wille des historischen, verfassungsändernden Gesetzgebers herangezogen werden: Eines seiner Ziele war es, mit dem Begriff der Sicherheit eine Auffangnorm für sämtliche bis dahin wahrgenommene, aber nicht ausdrücklich erwähnte Aufgaben der Verfassungsschutzämter zu schaffen.149 Vor den Gesetzesänderungen des Jahres 1972 waren diese nicht im Gesetzestext aufgeführten Aufgaben in vertraulichen Dienstanweisungen geregelt; dementsprechend war der Inhalt der geschaffenen Auffangnorm nicht ohne Weiteres zu überblicken. Der Gesetzgeber stellte deshalb zum einen in der Aussprache im Bundestag klar, dass es „sich [bei den bis dato nicht ausdrücklich in § 3 BVerfSchG genannten, aber dennoch ausgeführten Aufgaben] um die Spionagebekämpfung sowie um die Mitwirkung bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen in Behörden und in der öffentliche Sicherheit.“, Rn. 184: „Der polizeirechtliche Begriff der öffentlichen Sicherheit schließlich meint […]“. 146 Der verfassungsschutzrechtliche Sicherheitsbegriff ist enger, da grundsätzlicher, als der polizeirechtliche zu verstehen, so W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 59; N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 20; B. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 37. 147 Die Abgrenzung zum polizeilichen Sicherheitsbegriff anhand der Notwendigkeit des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel vornehmend C. Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/ ders., Das Bonner Grundgesetz, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Nr. 10, Rn. 639 ff.; C. Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 50; P. Kunig, in: v. Münch/ders., GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 73, Rn. 44; B. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 37; R. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 151; zu Recht kritisch weisen E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 186 auf den „gleichermaßen verbreiteten Einsat[z] von nachrichtendienstlichen Mitteln“ bei Polizei und Verfassungsschutzämtern hin. 148 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 187. 149 Berichterstatter H. Sieglerschmidt, SPD, in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestages am 22. 6. 1972, StenBer. S. 11426; zitiert auch von E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 188 Fn. 251. Insbesondere auf den fehlenden Widerspruch gegen Sieglerschmidts Aussagen abstellend K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 98. Auch Bundesinnenminister H.-D. Genscher hebt in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestages am 22. 6. 1972, StenBer. S. 11433 die Kompetenzerweiterung des Bundesamtes hervor. Zur „Anstoß-, Modell- und interpretationsleitenden Wirkung des Verwaltungsrechts“ für das Grundgesetz eingehend F. Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), 187, 210 ff., insbesondere zur „konstitutionalisierend[en] [Rezeption]“ von bewährte Begriffe, Institute und Figuren des Allgemeinen Verwaltungsrechts (S. 212).

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Wirtschaft, die dort mit geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten zu tun haben oder an sicherheitsempfindlichen Stellen von Lebens- und verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind“, handelte.150 Zum anderen bieten die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Änderung des Grundgesetzes in das BVerfSchG integrierten Aufgaben einen Anhaltspunkt.151 Neben der Spionageabwehr und der Beteiligung an Sicherheitsüberprüfungen wurde auch die Beobachtung gewaltbereiter Bestrebungen gegen auswärtige Belange nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG 1972 aufgenommen.152 Die wechselseitigen Einflüsse von grundgesetzlicher Legaldefinition und einfachrechtlichen Normen rechtfertigen zur Auslegung des Merkmals „Sicherheit“ in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG auch solche Regelungen zu Rate zu ziehen, welche erst mit der Neufassung des BVerfSchG 1990 aufgenommen wurden.153 Nach der einfachgesetzlichen Legaldefinition in § 4 Abs. 1 lit. b BVerfSchG ist eine Bestrebung gegen die Sicherheit eine solche, die „darauf gerichtet ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen“154, womit zumindest ein weiteres Indiz für das Merkmal der Erheblichkeit auch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Definition gegeben ist. Als erhebliche, sicherheitsrelevante Belange im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG sind bisher die organisierte Kriminalität (z. B. Art. 3 S. 2 BayVSG155, § 2 Abs. 2 Nr. 5 VSG HE156), die Proliferation (abgeleitet aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG157), die Spionageabwehr (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG), der personelle Geheim- und Sabotageschutz (§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 2 BVerfSchG) sowie der materielle Geheimschutz (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 BVerfSchG) anerkannt und einfachgesetzlich ausdrücklich geregelt.158

150 Berichterstatter H. Sieglerschmidt, SPD, in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestages am 22. 6. 1972, StenBer. S. 11426. 151 Bericht der Abgeordneten Vogel und Sieglerschmidt über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes (VerfSchutzÄndG), BTDrs. 6/3533zu, 15. 6. 1972, S. 3. 152 BGBl. I 1950, S. 682 und BGBl. I 1972, S. 1382. 153 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 189: „Die Koinzidenz beider Gesetzgebungsverfahren rechtfertigt es jedoch, zur Interpretation der Verfassung auf den einfachen Gesetzgeber (Verfassungsschutzänderungsgesetz von 1972 und die Neufassung des BVerfSchG von 1990) zurückzugreifen“. 154 Hervorhebung nicht im Gesetzestext. 155 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz vom 12. 7. 2016 (BayGVBl., S. 145, BayRS 12 – 1-I), das zuletzt durch § 1 Abs. 14 der Verordnung vom 26. 3. 2019 (BayGVBl., S. 98) geändert worden ist. 156 Hessisches Verfassungsschutzgesetz vom 25. 6. 2018 (HessGVBl., S. 302). 157 S. Morweiser/S. Hinüber, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 5 Rn. 165; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 136 ff. 158 C. Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 50; E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 192 ff.

Kap. 3: Eingrenzung anhand der Schutzgüter

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Der Verfassungsschutz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG wird allerdings nicht allein von den Verfassungsschutzämtern ausgeführt159; mithin darf die Definition des Schutzgutes Sicherheit des Bundes und der Länder auch nicht allein mit Blick auf die Aufgaben der Verfassungsschutzämter vorgenommen werden. Vielmehr muss die Sicherheit im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG insbesondere mit Blick auf die anderen beiden Schutzgüter des Verfassungsschutzes ausgelegt werden. Ein hinreichendes Niveau an Sicherheit ist ebenso Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie der Bestand des Staates. In bürgerkriegsähnlichen Zuständen können etwa dem Grundsatz der Volkssouveränität oder der Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses160 nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Sicherheit im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG ist daher Schutz der grundsätzlichen Funktionsfähigkeit staatlicher Institutionen. Bedrohungen der Sicherheit sind somit erst dann verfassungsschutzrelevant, wenn die Gefährdung eine besondere Intensität erreicht oder ein sehr grundlegender Bedrohungsansatz verfolgt wird, der gerade auf die Handlungsfähigkeit der staatlichen Ordnung zielt.

D. Eine Gesamtschau der Schutzgüter des Verfassungsschutzes im Sinne des Grundgesetzes Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der grundgesetzlich legaldefinierte Verfassungsschutz sich gegen Gefahren für das „verfassungskonstituierte Gemeinwesen“ im Ganzen wendet.161 Geschützt sind der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder als absolute Existenzgrundlagen des Staates sowie die freiheitliche demokratische Grundordnung, die aus zentralen Prinzipien einer menschenwürdigen Staatsordnung in der Bundesrepublik Deutschland gebildet wird162. Jedoch bleibt auch nach der Erweiterung des Verfassungsschutzbegriffs um den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder die freiheitliche demokratische Grundordnung das primäre Schutzgut.163 Die ausdrückliche Aufnahme des Bestandes und der Sicherheit stellt lediglich fest, dass auch die für die freie 159

M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 29 f. Diese beiden Aspekte des Demokratieprinzips sind maßgebliche Teile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, BVerfGE 144, 20, 209 f., Rn. 545 f. 161 J. Krüper, in: Dietrich/Eiffeler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, III § 1 Rn. 20: „Begreift man Verfassungsschutz […] als Aufgabe des Schutzes eines verfassungskonstituierten Gemeinwesens im Ganzen, also in seinen rechtlich determinierten und nicht determinierten Teilen“. 162 Beim zentralen Schutzgut des Verfassungsschutzes, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, „eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind“ fordernd BVerfGE 144, 20, 205 Rn. 535. 163 R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 7; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 197. 160

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Entfaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung notwendigen Grundlagen mitumfasst sind; eine Gefährdung dieser Schutzgüter ist dementsprechend nur bei gleichzeitiger Stoßrichtung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gegeben164 – sie sind entsprechend restriktiv auszulegen. Der Verfassungsschutz bleibt mithin auf die Grundlagen des demokratischen Diskurses bezogen.165 Sein Ziel war und ist es, die politische Willensbildung der Gesellschaft abzusichern.166 Der grundgesetzliche Verfassungsschutzbegriff gewinnt weiter an Kontur, wenn er mit den verwandten Begriffen „Staatsschutz“ (E.) und „wehrhafte Demokratie“ (F.) in Beziehung gesetzt wird.

E. Das Verhältnis der Begriffe Verfassungsschutz und Staatsschutz im Wandel von einer differenzierenden zu einer synonymen Verwendung Der Verfassungsschutz wurde früher vielfach entweder als Teilbereich des Staatsschutzes angesehen167 oder aber beide Termini wurden als sich in Teilen überschneidende, aber zu unterscheidende Schutzbereiche betrachtet.168 Staatsschutz diene der Verteidigung gegen Angriffe, die gegen den tatsächlichen und rechtlichen Bestand des Staates sowie seiner Grenzen gerichtet sind, gleich ob von

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R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 7. Zur Bedeutung der „Offenheit des politischen Prozesses, C. Hubo, Verfassungsschutz durch geistig-politische Auseinandersetzung, 1998, S. 28. 166 Erneut E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 49 LS 5. In den geordneten, meist mehrstufigen Verfahren, in welchen aus politischem Willen Staatsakte werden, kann zu Recht eine weitere Sicherung zum Schutz der Verfassung gesehen werden, so K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 185. 167 F. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/ders., Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 1 BVerfSchG, Rn. 5; R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 53 Rn. 1; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 9; F. Stollberg, Grundlagen des Parteiverbots, 1976, S. 23; U. Scheuner, BayVBl. 1963, 65; P. Spitzer, Nachrichtendienste, 2010, S. 17; R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 6; K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 21 ff. 168 Im Ergebnis gleich und ausführlich E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 159 ff., allerdings eine inhaltliche Abgrenzung anhand der Schutzgebiete ablehnend (Rn. 164); diese rechtssystematischen Unterschiede auch aufzeigend F. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/ders., Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 1 BVerfSchG, Rn. 5; vgl. auch P. Badura, in: BfV (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, 1990, S. 27, 35 f.; im Ergebnis gleich, aber dennoch schon eine synonyme Verwendung der Termini erlaubt, B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 302 f.; A. A. heute G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 96; so auch schon C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 303 f. 165

Kap. 3: Eingrenzung anhand der Schutzgüter

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innen oder außen.169 Der Schutz des Staates werde dabei zunächst unabhängig von der jeweiligen Art seiner Verfasstheit gewährleistet.170 Demgegenüber beziehe sich der Verfassungsschutz auf die „besondere Form des Staates, wie sie durch die Verfassung festgelegt ist“.171 Primäres Schutzgut sei dabei die Art der Verfasstheit und nicht ausschließlich die Gebietskörperschaft des Staates an sich.172 Dementsprechend seien Staatsschutz und Verfassungsschutz nicht in der Gänze deckungsgleich.173 Nach der Aufnahme des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes in die Legaldefinition des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG plädieren Teile der Literatur heute für eine synonyme Verwendung der beiden Begriffe.174 Diese Ansicht überzeugt, da der Bestand des Bundes und der Länder nun Schutzgut sowohl des Staats- als auch des Verfassungsschutzes ist. Ferner wird nach heutigem Verständnis auch der Schutzbereich des Staatsschutzes weiter gezogen. Er umfasse nun mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit des Bundes und der

169 W. Cremer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 278 Rn. 1; R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 53 Rn. 1; F. Ebert, in: BorgsMaciejewski/ders., Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 1 BVerfSchG, Rn. 5; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 9; A. A. wonach „der Staatsschutz der Schutz gegen äußere, der V[erfassungsschutz] gegen innere Feinde“ ist, L. Michael, Verfassungsschutz, in: EvStL, Neuausgabe 2006, Sp. 2568. 170 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 178: „hebt der ,Bestand‘ ab auf den Staat als eine eigenständige, von fremder Herrschaft unabhängige und erst dadurch als Fundament für die freiheitliche demokratische Grundordnung taugliche Gebietskörperschaft“; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 24 f.; R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 6 f. 171 R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 53 Rn. 1; E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 152; R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 7; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 181 f. 172 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 152: „Verfassungsschutz ist daher nicht nur Staatsschutz“, Rn. 178; ebenso E. Werthebach/ B. Droste-Lehnen, DÖV 1992, 514, 517; L. Michael, Verfassungsschutz, in: EvStL, Neuausgabe 2006, Sp. 2567 f.; F. Stollberg, Grundlagen des Parteiverbots, 1976, S. 23; A. A. wohl BVerwG, Beschl. v. 18. 10. 2005 – 6 VR 5/05, NVwZ 2006, 214, 215; NVwZ 2006, 597, 598 f. 173 So im Ergebnis auch W. Cremer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 278 Rn. 1, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen. Der Verfassungsschutz sei gegenüber dem Staatsschutz der weitere Begriff: „Jedenfalls dort, wo der Verfassungsstaat fähig ist, sich zu verteidigen, ist der Schutzauftrag des Verfassungsschutzes gegenüber dem des Staatsschutzes umfangreicher“ (a. a. O., Rn. 1). M. König, Trennung und Zusammenarbeit, 2004, S. 27. 174 J. Lampe, NStZ 2015, 361, 363; schon deutlich früher M. Brenner, Bundesnachrichtendienst, 1990, S. 19. In diese Richtung auch C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 27; für Wesensgleichheit plädierte bereits K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 21 ff., welcher den Begriff des Staatsschutzes allerdings noch wesentlich weiter zeichnet.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Länder auch die weiteren Schutzgüter des Verfassungsschutzes.175 Von seiner freiheitlichen demokratischen Verfasstheit getrennt ist der Bestand des Bundes und der Länder nicht mehr schützenswert. Bestand und Verfasstheit sind untrennbar verbunden.176 Mithin schützt auch der Staatsschutz den Verfassungsstaat Bundesrepublik Deutschland umfassend.177

F. Der Verfassungsschutz als Ausdruck des grundgesetzlichen Prinzips der wehrhaften Demokratie Oftmals werden die Begriffe des Verfassungsschutzes und der wehrhaften Demokratie synonym verwendet.178 Das Prinzip der wehrhaften Demokratie179 ist aus Lektionen der Historie gescheiterter Demokratien geboren.180 Es knüpft an das Konzept der „militant democracy“ von Karl Loewenstein an.181 Hinter diesem Konzept steht die Idee, durch kontrollierte Freiheitsbeschränkung zu verhindern, dass die freiheitliche Ordnung unter Ausnutzung der von ihr bereitgestellten Freiheiten abgeschafft wird.182 Damit steht das Prinzip der wehrhaften Demokratie in 175 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 59. Von einem Verlust der eigentlichen Bedeutung des Begriffs Verfassungsschutz als Schutz der Verfassung schreibt deshalb M. Brenner, Bundesnachrichtendienst, 1990, S. 19. 176 H. H. Klein, VVDStRL 37 (1997), 53, 62: „ohne eine funktionierende Staatlichkeit bleibt die freiheitliche demokratische Grundordnung ein leerer Wahn“; insbesondere a. a. O., Fn. 39. 177 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 59. 178 Vgl. A. Sattler, Entscheidung, 1982, S. 40, 47; M. Ostheimer/H.-L. Lange, in: Lange (Hrsg.), Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland, 2000, S. 167, 169. 179 Wie hier U. Schliesky, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 277; synonym verwendet streitbare (BVerfGE 5, 85, 139; zur Terminologie der Rechtsprechung knapp U. Schliesky, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 277 Rn. 15) oder abwehrbereite (E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 150 ff.) Demokratie; zur umstrittenen Rechtsnatur H.-J. Papier/W. Durner, AöR 2003, 363 ff. Ohne weitere Ausführungen behauptet E. M. Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, 2014, S. 42 der Begriff der „streitbaren Demokratie“ habe sich durchgesetzt und die anderen Begriffe verdrängt. 180 In der deutschen Literatur ist das Scheitern der Weimarer Republik besonders präsent, statt vieler U. Schliesky, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 277 Rn. 2. 181 K. Loewenstein, APSR 1937, 417 ff.; dazu F. Wittreck, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 18, Rn. 4; E. M. Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, 2014, S. 37 merkt insbesondere an, dass die „fehlende anfängliche Unterbindung subversiver Bewegungen […] für Loewenstein […] die einzig wahre Erklärung für die Machtergreifung Hitlers [ist] und […] anderen Demokratien als Warnung dienen“ sollte. Eingehend zu den theoretischen Vorläufern der „Wehrhaften Demokratie nach dem Grundgesetz“, V. Volkmann, Meinungsfreiheit, 2019, S. 118 ff. 182 K. Loewenstein, APSR 1937, 417, 432: „Where fundamental rights are institutionalized, their temporary suspension is justified.“; A. Sattler, Entscheidung, 1982, S. 109 Fn. 205; auch

Kap. 3: Eingrenzung anhand der Schutzgüter

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Tradition der Kant’schen Lösung für das von Platon erstmals aufgeworfene Paradoxon der Freiheit. Diesen Zusammenhang hat Karl R. Popper in prägnanter Kürze dargestellt: „Uneingeschränkte Freiheit hat das Gegenteil der Freiheit zur Folge; denn ohne Schutz und ohne Einschränkungen durch das Gesetz muß die Freiheit zu einer Tyrannei der Starken über die Schwachen führen. Dieses Paradox […] wurde von Kant gelöst; er forderte die Einschränkung der Freiheit jedes einzelnen, aber in nicht höherem Grade als notwendig ist, um ein gleiches Ausmaß an Freiheit für alle zu sichern.“183

Ebendieser Gedanke findet sich im grundgesetzlichen Prinzip der wehrhaften Demokratie wieder: Es wird keine absolute Freiheit garantiert. Viel eher werden die bestimmten Freiheitsrechte einzelner Verfassungsfeinde zum Schutze der Ordnung eingeschränkt, deren Zweck es ist, grundsätzlich freie und gleiche Teilhabe für alle zu gewährleisten. So verknüpft auch Carlo Schmid 1948 in seiner vielbeachteten Rede im Parlamentarischen Rat das Paradoxon der Freiheit mit dem Bedürfnis nach einer wehrhaften Demokratie: „Soll[en] Gleichheit und Freiheit völlig uneingeschränkt und absolut sein, soll[en] sie auch denen eingeräumt werden, deren Streben ausschließlich darauf ausgeht, nach der Ergreifung der Macht die Freiheit selbst auszurotten? […] Ich für meinen Teil bin der Meinung, daß es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, daß sie selber die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft.“184

Schmid hat sich mit seiner Meinung insoweit durchgesetzt, als die Verfassung der Bundesrepublik im vermeintlichen185 Gegensatz zur relativistischen Verfassung der Weimarer Republik186 als wehrhafte Demokratie konzipiert187 und damit auch selbst Schutzgut des Staates ist.188 Die zentralen, die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes kennzeichnenden Normen sind die Art. 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2, 87a Abs. 4

BVerfGE 5, 85, 138; 144, 20, 195 Rn. 514: „keine unbedingte Freiheit für die Feinde der Freiheit“. 183 K. R. Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Bd. II, Falsche Propheten, 3. Aufl. 1973, S. 58. 184 C. Schmid, in: Werner (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat, Bd. 9, 1996, S. 36. 185 Vermeintlich deshalb, weil C. Gusy, Weimar – die wehrlose Republik?, 1991, der Mär von einer Neutralität der Weimarer Reichsverfassung bis zum Selbstmord eindrucksvoll entgegengetreten ist. Siehe auch den Überblick über weitere Faktoren, die den Aufstieg des nationalsozialistischen Regimes ermöglichten V. Volkmann, Meinungsfreiheit, 2019, S. 146 ff., 188 f. 186 J. Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, 1. Aufl. 1992, § 167 Rn. 4 ff. Erneut differenziert einer Deutung der WRV als „neutraler Verfassung“ entgegentretend C. Gusy, 100 Jahre Weimarer Verfassung, 2018, S. 234 ff. 187 Statt vieler M. Thiel, in: ders. (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 1 ff. Auf die entsprechenden Schutznormen im GG verweisend M. Möstl, Garantie, 2002, S. 58. 188 Vgl. C. Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/ders., Das Bonner Grundgesetz, Bd. 8, 3. Aufl. 1996, Art. 73 Nr. 10, Rn. 618.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

und 91 GG.189 Das primäre Schutzgut der wehrhaften Demokratie ist die freiheitliche demokratische Grundordnung.190 Das Grundgesetz sieht – in der Rechtsprechung der Bundesverfassungsgerichts – die „freiheitliche demokratische Grundordnung, […] innerhalb der staatlichen Gesamtordnung der ,verfassungsmäßigen Ordnung‘ als fundamental a[n]“191. Daneben ist auch der Schutz des Bestandes des Bundes und der Länder umfasst, wie etwa Art. 21 Abs. 2 GG verdeutlicht.192 Die Instrumente der Art. 5 Abs. 3 S. 2, Art. 9 Abs. 2, Art. 20 Abs. 4, Art. 79 Abs. 3 und Art. 98 Abs. 2, 5 GG adressieren explizit die staatliche Gesamtordnung als „verfassungsmäßige Ordnung“, der Art. 18 GG lediglich den Teilbereich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, während die Art. 10 Abs. 2 S. 2, Art. 11 Abs. 2, Art. 21 Abs. 2 und 3, Art. 73 Nr. 10 lit. b, Art. 87a Abs. 4, Art. 91 Abs. 1 GG beide Schutzgüter – Bestand und freiheitliche demokratische Grundordnung – erwähnen. Demgegenüber geht der Verfassungsschutz dergestalt über den Schutzbereich der wehrhaften Demokratie hinaus, als er auch den Schutz der Sicherheit des Bundes und der Länder umfasst.193 Beide Begriffe sollten deshalb nicht synonym verwendet werden.194 Angesichts der sich weitgehend überschneidenden Schutzbereiche scheint es dennoch angezeigt, beide Begriffe in Beziehung zu setzen. Die wehrhafte Demokratie ist ihrer Rechtsnatur nach ein abstraktes Prinzip der Verfassung.195 Sie findet 189 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 171; daneben beinhaltet das Grundgesetz neun weitere Normen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, aufgelistet von A. Sattler, Entscheidung, 1982, S. 44 ff.; von 25 das Grundgesetz schützenden Artikeln spricht K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 59. 190 R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 53 Rn. 4 ff.; über dieses Schutzgut sind der materielle Verfassungsschutz und die „wehrhafte“ oder „streitbare“ Demokratie miteinander verbunden, beiden ist dieses Schutzgut immanent. Zur wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes ausführlich U. Schliesky, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 277; zur synonymen Verwendung von „wehrhaft“ und „streitbar“ a. a. O., § 277 Rn. 15; zum Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung a. a. O., § 277 Rn. 16 ff. 191 BVerfGE 2, 1, 12. Ebenso zwischen „verfassungsmäßiger Ordnung“ und „freiheitlich[er] demokratischer Grundordnung“ differenzierend H. Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, 1969, S. 205. 192 U. Schliesky, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 277 Rn. 22; J. Becker, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. VII, 1. Aufl. 1992, § 167 Rn. 48; H. H. Klein, VVDStRL 37 (1997), 53, 61 f. 193 Die wehrhafte Demokratie erschöpft sich im Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, vgl. U. Schliesky, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 277 Rn. 23: „Weiter als der Schutz der freiheitlich[en] demokratischen Grundordnung kann auch das Prinzip der wehrhaften Demokratie als Auslegungs- und Abwägungstopos nicht reichen“. 194 In diese Richtung aber E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 171. 195 So die mittlerweile wohl herrschende Meinung, siehe U. Schliesky, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 277 Rn. 11 f.; H.-J. Papier/W. Durner, AöR 2003, 363 ff.; auch früh das Bundesverfassungsgericht, etwa in BVerfGE 28, 36, 48 f.; A. A. – als

Kap. 3: Eingrenzung anhand der Schutzgüter

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sich nicht in einer Norm oder einem Normkatalog, sondern lässt sich aus einer Gesamtschau der Verfassung ablesen.196 Demgegenüber ist der Verfassungsschutz ein konkreter, staatlicher Auftrag, der mit bestimmten Institutionen und Maßnahmen ausgeführt werden muss. Der Begriff des Verfassungsschutzes im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG stellt sich damit als ein Teilaspekte umsetzender Ausdruck der wehrhaften Demokratie dar.197 Dazu passt auch die Selbsteinschätzung der Verfassungsschutzämter, sich als „institutionalisierte Elemente“ des Prinzips der streitbaren Demokratie zu sehen.198 Dennoch dürfen dabei aber die Unterschiede zwischen dem Verfassungsschutz und dem Prinzip der wehrhaften Demokratie nicht übersehen werden. So wird zu Recht behauptet, dass etwa die Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzämter „in dem Prinzip der streitbaren Demokratie ihre Rechtfertigung [finden], soweit sie dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dienen“199. Das darüberhinausgehende Schutzgut der Sicherheit des Bundes und der Länder muss daher im Verfassungsschutzkontext stets mit Blick auf die freiheitliche demokratische Grundordnung interpretiert werden.200 Nichtsdestoweniger stellt sich der letztlich auf allen Ebenen auf konkrete Realisierung ausgerichtete Verfassungsschutz zumindest in Bezug auf den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als Umsetzung des rein abstrakt gehaltenen Prinzips der wehrhaften Demokratie dar.201

Zielbestimmung – früher A. Sattler, Entscheidung, 1982, S. 61 f.; differenziert zwischen bloßer Sammelbezeichnung für die Staatsschutzvorschriften des Grundgesetzes und einem darüberhinausgehenden Verfassungsprinzips H. H. Klein, VVDStRL 37 (1979), 53, 67 f. 196 A. Sattler, Entscheidung, 1982, S. 31 ff. 197 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 150 ff.; ferner E. Werthebach/D. Droste-Lehnen, DÖV 1992, 514, 517: „Hierzu zählt als Element der abwehrbereiten Demokratie der Verfassungsschutz“; N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 1; G. Boeden, in: BfV (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, 1990, S. 1, 2; K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 59. Vgl. auch V. Volkmann, Meinungsfreiheit, 2019, S. 137. 198 E. Werthebach/D. Droste-Lehnen, DÖV 1992, 514; J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 166; V. Volkmann, Meinungsfreiheit, 2019, S. 143; BT-Drs. 16/12412, S. 4. 199 E. Werthebach/D. Droste-Lehnen, DÖV 1992, 514, 517 (Hervorhebung nicht im Original). 200 Siehe bereits soeben, 1. Teil Kap. 3 C. (S. 56 ff.). 201 In diese Richtung auch M. Dieters, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 291.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Kapitel 4

Verfassungsschutzarchitektur: Der Staatsauftrag Verfassungsschutz im Gefüge der Sicherheitsarchitektur Im Unterschied zur überkommenen Systematisierung der Sicherheitsarchitektur – Unterscheidung in innere und äußere Sicherheit sowie die anschließende Dreiteilung der inneren Sicherheit in die repressive Sicherheitsgewährleistung, die Gefahrenabwehr und die präventiv-nachrichtendienstliche Sicherheitsgewährleistung202 – wird in der vorliegenden Untersuchung anhand der Art der Gefahrenursache und anhand der Schutzgüter der für die vorliegende Untersuchung maßgebliche Teilbereich der Sicherheitsarchitektur definiert – die Verfassungsschutzarchitektur. Der soeben entfaltete, staatliche Auftrag, die Verfassung zu schützen, findet mehrere grundgesetzliche Anknüpfungspunkte203 und hat in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG eine explizite Legaldefinition erfahren. Der Begriff des Verfassungsschutzes umfasst den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie ihrer Voraussetzungen der Sicherheit und des Bestandes des Bundes und der Länder.204 Dieser Schutzauftrag (A.) fügt sich als Teilbereich in die Sicherheitsarchitektur ein (B.).

A. Der Umfang des grundgesetzlichen Verfassungsschutzauftrags Der Verfassungsschutzauftrag ist trotz der Begrenzung auf die drei Schutzgüter und die Abwehr menschengemachter Gefährdungen noch wenig spezifisch. Die Weite des Verfassungsschutzauftrags liegt zunächst in der fundamentalen Bedeutung der Schutzgüter begründet. Die Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzämter sind auf „fundamentale Gefährdungen, die das Gemeinwesen als Ganzes destabilisieren können“ begrenzt, denn nur so können nach dem BVerfG etwa die weitreichenden, überwiegend heimlichen Vorfeldermittlungsmethoden im Rahmen der Aufklärung zum Zwecke des Verfassungsschutzes verhältnismäßig, mithin gerechtfertigt sein.205 Eine Situation, in der eines der drei Schutzgüter ernsthaft gefährdet ist und zugleich mit den Mitteln der Verfassungsschutzinstitu202 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1077; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 147 ff.; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 24 f. Rn. 22; T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 4; H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 43. 203 Etwa Art. 79 Abs. 3 GG. 204 Zu den einzelnen Schutzgütern bereits 1. Teil Kap. 3 A.–C. (S. 52 ff.). 205 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118; K. F. Gärditz, JZ 2013, 633, 634.

Kap. 4: Verfassungsschutzarchitektur

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tionen noch bewahrt werden kann, ist – abgesehen vom Verteidigungsfall206 – kaum vorstellbar.207 Selbst in Zeiten schwerster innerer Krisen, etwa während des Deutschen Herbsts 1977, waren die freiheitliche demokratische Grundordnung, der Bestand oder die Sicherheit des Bundes und der Länder nicht fundamental bedroht.208 Wäre etwa die Sicherheit des Bundes oder eines Landes akut bedroht, erschiene die Schutzwirkung, beispielsweise eines Parteiverbotsverfahrens, als äußerst zweifelhaft. Dies berücksichtigend ließe sich argumentieren, dass der Schutz dieser existenziellen Schutzgüter zeitlich früher ansetzen müsste, um den Werkzeugen des spezifischen Verfassungsschutzes Zeit und Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten. Allerdings erweitert diese Vorverlagerung den Verfassungsschutzauftrag in zeitlicher Hinsicht und würde damit zu einer gewissen Entkoppelung der Schutzmaßnahmen von den ohnehin wenig konturierten Schutzgütern209 führen. Ferner ist die Vielfalt an möglichen Gefährdungen groß. Destabilisierendes Potenzial liegt sowohl in verfassungsfeindlichen Parteien und Vereinen als auch in den Taten terroristischer Einzeltäter oder Kleinstgruppen. Die Einschätzung, ob ein entsprechendes Potenzial eine hinreichende Gefahr für die Schutzgüter darstellt, ist eine Entscheidung, die in einem laufenden Prozess innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur zu treffen ist. Diese Entscheidung steht unter Umständen am Ende einer verfassungsschutzrechtlichen Behandlung, niemals jedoch an deren Anfang. Beispielsweise entscheidet das Bundesverfassungsgericht erst am Ende eines Ver206 Hierbei sind sowohl Sicherheit als auch Bestand des Bundes oder eines Landes ernsthaft bedroht. Die Streitkräfte der Bundeswehr sollten allerdings hinreichend ausgestattet sein, um die Bedrohung abzuwehren. 207 „Gewalttäter stellen immer ein Sicherheitsproblem, aber nicht unbedingt ein systemisches Stabilitäts- oder Konsolidierungsproblem dar. Bei allen rechtsterroristischen Gruppierungen der letzten vier Jahrzehnte in Deutschland und Europa war dies offensichtlich.“, U. Backes, in: ders./Gallus/Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 29. Jahrgang 2017, S. 13, 14, welcher allerdings auch die Gefahr für das demokratische Gefüge durch gewaltfreie Gruppen anspricht. Siehe auch M. Bäcker, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 9 f. Ferner F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 230 über die potentielle Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch Kriminalität. Vgl. auch Präsident des BfV T. Haldenwang, Rede auf dem 16. BfV-Symposium am 13. 5. 2019 in Berlin, https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/vortraege/rede-p-haldenwang-201 90513-bfv-symposium-2019 (abgerufen: 30. 11. 2020): „Viele Aktionen von Extremisten sind eine ernste Bedrohung für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, aber strafrechtlich noch nicht relevant.“ 208 M. Bäcker, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 9. Lediglich von einer „Drucksituation“ und „erhöhte[m] Stresslevel“ schreibt etwa T. Brings-Wiesen, in: ders./Ferreau (Hrsg.), 40 Jahre „Deutscher Herbst“, S. 9, 12. Vgl. auch M. Möstl, DVBl. 2020, 160, 161: „wir [sind] von einem […] Notstand wirklich existenzieller Bedrohung noch ein weites Stück entfernt“; D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 89; R. Mehring, in: Voigt (Hrsg.), Ausnahmezustand, 2. Aufl. 2019, 155, 163: „In der Dramatisierung von Krisen liegt eine gefährliche Übertreibung“; J.-M. Palacios, in: Dietrich/Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 201, 233 Rn. 100: „In the post-modern world, however, we rarely have to face existential threats“; J. Griebel/C. Schäfer, NVwZ 2020, 511, 513. 209 Vgl. zur „Vorverlagerung der Strafbarkeit durch Universalrechtsgüter“, J. Brons, Binnendissonanzen im AT, 2014, S. 216 ff.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

fahrens, das zuvor mit Informationen unterschiedlichster Verfassungsschutzinstitutionen geführt wird, ob eine Partei nach Art. 21 Abs. 3, 4 GG aufgrund einer verfassungsfeindlichen Ausrichtung von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen ist. Die Unschärfe des Auftrags zeigt sich noch deutlicher auf Landesebene: Nach dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG stehen den Ländern die Kompetenzen für die allgemeine Gefahrenabwehr und den Landesverfassungsschutz zu. Das Grundgesetz bietet einen denkbar weiten Rahmen, da es den Ländern keine weiteren Vorgaben zur Gestaltung dieser Themenbereiche stellt. Unter Beachtung landesverfassungsrechtlicher Vorgaben haben sich ganz unterschiedliche Ansätze für die Landesverfassungsschutzämter entwickelt. Einige Länder schreiben eine Kooperationsverpflichtung von Polizei und Verfassungsschutzamt vor (deutlich etwa Art. 2 Abs. 1 BayVSG) und binden letztere damit intensiv in die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung ein. Demgegenüber werden andere Landesverfassungsschutzämter viel stärker als Institutionen der politischen Bildung und Öffentlichkeitsarbeit begriffen als etwa das Bundesamt.210

B. Die Verfassungsschutzarchitektur… Den Teilbereich Verfassungsschutzarchitektur bilden mithin Institutionen der deutschen Sicherheitsarchitektur, welche mit spezifischen Verfassungsschutzaufgaben betraut sind.211 Der Fokus der vorliegenden Untersuchung liegt auf den Verfassungsschutzämtern, da diese als institutioneller Verfassungsschutz, mithin zentrale Behörde für Verfassungsschutz etabliert wurden.212 Im Folgenden strikt zu unterscheiden sind daher: - Der materielle Begriff des staatlichen Auftrags zum spezifischen Verfassungsschutz; - Die Verfassungsschutzarchitektur als Institutionengeflecht zur Erfüllung des staatlichen Verfassungsschutzauftrags; - Die Verfassungsschutzämter als einzelne Behörden innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur. In den folgenden Abschnitten wird die Verfassungsschutzarchitektur nochmals zusammenfassend als Teilbereich der Sicherheitsarchitektur (I.) und als föderale Struktur (II.) beschrieben. 210 R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 151. Siehe etwa § 4 Abs. 2 BremVerfSchG. Kritisch gegenüber der Öffentlichkeitsarbeit der Ämter M. Assall, Verfasstheit, nicht Verfassung, in: Schmincke/Siri (Hrsg.), NSU Terror, 2013, S. 107, 111 ff. 211 Vgl. auch K. Riekenbrauk, Verfassungsfeind-Bestimmung, 1986, S. 47 ff. 212 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 56 f.

Kap. 4: Verfassungsschutzarchitektur

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I. … als Teilbereich der Sicherheitsarchitektur Der Begriff „Verfassungsschutz“ wird im Grundgesetz an lediglich zwei Stellen explizit erwähnt: Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG. Diese Normen bilden zum einen die Gesetzgebungskompetenz und Verwaltungskompetenz zur Regelung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Noch bedeutender ist allerdings, dass diese Normen zum anderen den staatlichen Verfassungsschutzauftrag positivieren. Dieser Auftrag ist keinesfalls allein den Verfassungsschutzämtern übertragen. Er bildet vielmehr das verbindende Element der mehrere Institutionen umfassenden und mehrere Staatsfunktionen durchziehenden Verfassungsschutzarchitektur. Neben den Verfassungsschutzämtern sind etwa das Bundesverfassungsgericht, die Vereinsverbotsbehörden, die Polizei, der Militärische Abschirmdienst (MAD) und der BND sowie die Bundeswehr Verfassungsschutzinstitutionen im Sinne dieser Untersuchung.213 Der Verfassungsschutzauftrag nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG ist auf den Schutz grundlegender Verfassungsprinzipien und der absoluten Grundlagen des Staates beschränkt. Mit diesem Begriff können aus den thematisch weiten Aufgabenfeldern einzelner Sicherheitsbehörden Teilbereiche abgegrenzt werden (etwa die Verfolgung der Staatsschutzdelikte durch die Strafverfolgungsbehörden), Verbindungen über Institutionsgrenzen hinweg gezogen werden (etwa das Zusammenspiel von polizeilicher Informationserhebung und Verbotsbehörde im Sinne des Vereinsrechts nach § 4 Abs. 1 S. 1 VereinsG) und somit eine Architektur sichtbar gemacht werden. Auf die demokratische Herrschaftsform der Bundesrepublik Deutschland (Art. 20 Abs. 1 GG) gewendet, hat der derart begrenzte Verfassungsschutz das Ziel, den ungehinderten Ablauf politischer Meinungsbildung zu sichern.214 Er schützt lediglich die Spielregeln, überlässt die Inhalte damit weitgehend dem politischen Diskurs.215 „Ein Ausschluss aus dem Prozess der politischen Willensbildung kommt erst in Betracht, wenn dasjenige in Frage gestellt und abgelehnt wird, was zur Gewährleistung eines freiheitlichen und demokratischen Zusammenlebens schlechthin unverzichtbar ist und daher außerhalb jedes Streits stehen muss.“216 213 Zu einer kursorischen Darstellung der einzelnen Beiträge der Verfassungsschutzinstitutionen, insbesondere mit Blick auf den Beitrag der Verfassungsschutzämter, sogleich unter 2. Teil Kap. 3 A. (S. 160 ff.). 214 E. M. Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, 2014, S. 54; vgl. auch H.-G. Jaschke, in: BfV (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, 1990, S. 225, 254 f.; kritisch H. Dreier, JZ 1994, 741, 752. 215 Bezogen auf das Mittel des Parteiverbots nach Art. 21 Abs. 2, 4 GG BVerfGE 144, 20, 205 Rn. 535: „Die Grundentscheidung der Verfassung für einen offenen Prozess der politischen Willensbildung hat zur Folge, dass auch das kritische Hinterfragen einzelner Elemente der Verfassung möglich sein muss“. 216 Im Kontext des zweiten Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD BVerfGE 144, 20, 205 Rn. 535.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

Der Verfassungsschutzauftrag bietet damit vielmehr ein materielles Fundament für eine Reihe an spezifischen Schutzaufträgen als eine konkrete Aufgabe für ein Amt für Verfassungsschutz.217 Die Verfassungsschutzämter können daher – und sind auch dahingehend konzipiert218 – lediglich ein Teilaspekt des Verfassungsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland sein. Sie sind Teil der Verfassungsschutzarchitektur. Der grundgesetzliche Verfassungsschutzbegriff erfasst sowohl den materiellen Schutzauftrag also auch die mit der Umsetzung beauftragten, in der Verfassungsschutzarchitektur organisierten Institutionen.

II. … als föderale Struktur Als Reaktion auf exzessiven Machtmissbrauch im zentralistischen NS-Staat hat sich die Bundesrepublik Deutschland der Machtdiversifikation durch föderale Aufspaltung der Zuständigkeiten zur Gewährleistung von Sicherheit verschrieben.219 Die Verfassungsschutzarchitektur bildet hierbei keine Ausnahme. Die föderale Aufgliederung hat in der Sicherheitsverwaltung generell und auch im Verfassungsschutz im Speziellen angesichts ihrer machtbegrenzenden Wirkung220 eine traditionell große Bedeutung. Insbesondere in diesem sensiblen Spannungsfeld zwischen bürgerlicher Freiheitsausübung und hoheitlichem Gewaltmonopol bedarf es einer effektiven Einschränkung der staatlichen Macht. Im föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland haben nach dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG die Länder „das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.“ Diese grundsätzliche Zuordnung wird nach Art. 30, 83 ff. GG in den Verwaltungskompetenzen fortgeführt. Aus den Kompetenzkatalogen der Art. 73 und 74 GG ergibt sich weder für die Organisation der Sicherheitsarchitektur noch der Verfassungsschutzarchitektur eine generelle Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Regelungen zu Teilbereichen mit Bezügen zur Verfassungsschutzarchitektur sind dem Bund nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 (äußere Sicherheit, insbesondere Verteidigung), Nr. 9a (Abwehr von internationalen Gefahren des Terrorismus), Nr. 10 (Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in verschiedenen Bereichen der inneren Sicherheit) und Nr. 12 (Waffenrecht) GG ausschließlich zugewiesen. Ferner hat der Bund mit dem Strafgesetzbuch von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 GG umfassend Gebrauch gemacht und damit die Kompetenz der Länder nach Art. 72

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So im Ergebnis auch M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 50. Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzämter eingehend 2. Teil Kap. 2 (S. 91 ff.). 219 M. Stolleis, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. I, 3. Aufl. 2003, § 7 Rn. 116; H. Bauer, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 20 GG, Rn. 7. 220 Machtdiversifikation mittels vertikaler Gewaltengliederung B. Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG, 46. Lfg. März 2006, Art. 20, Abschnitt IV. Rn. 20 ff. 218

Kap. 4: Verfassungsschutzarchitektur

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Abs. 1 GG – abgesehen von den Ausnahmen nach Art. 2 – 4 EGStGB221 – verdrängt.222 Dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik folgt auch die Verfassungsschutzarchitektur mit einer primären Zuständigkeit der Länder und einer Sekundärzuständigkeit des Bundes.223 Dieses Verhältnis zeigt sich besonders deutlich darin, dass der Bund nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG auf die Regelung der Zusammenarbeit in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes beschränkt ist. Die Zuständigkeit des Bundes kommt sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Verwaltung insbesondere beim Schutz bundeseigener Schutzgüter (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG), bei länderübergreifenden Bedrohungen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG), bei der Abwehr terroristischer Gefährdungen (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG), bei der internationalen Zusammenarbeit (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG) oder auf expliziten Wunsch der Länder (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 5 BVerfSchG) zum Tragen.224 Die Verfassungsschutzarchitektur als föderales Geflecht kann daher in vom Bund dominierte (1.) und überwiegend in der Zuständigkeit der Länder liegende Teile (2.) unterschieden werden. 1. Die Vorherrschaft des Bundes in Angelegenheiten mit Auslandsbezug, im Staatsschutzstrafrecht und bei den Nachrichtendiensten Die Dominanz des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1, Art. 87a, Art. 87b GG) hat zur Folge, dass mit den Tätigkeiten des BND und der Notfallzuständigkeit der Bundeswehr nach Art. 91 Abs. 2 S. 1, 2 i. V. m. Art. 87a Abs. 4 GG in den Bereichen des Verfassungsschutzes mit starken Auslandsbezügen die Zuständigkeiten nahezu vollständig beim Bund liegen.225 Im Bereich des Staatsschutzstrafrechts zeichnet sich ein differenzierteres Bild. Der Bund hat mit Schaffung des StGB und der StPO226 von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG weitgehend Gebrauch ge221

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. 3. 1974 (BGBl. I, S. 469; 1975 I, S. 1916; 1976 I, S. 507), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 11. 6. 2017 (BGBl. I, S. 1612) geändert worden ist. 222 Zur Verdrängung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder eingehend F. Wollenschläger, in: BK GG, 192. Lfg. Aug. 2018, Art. 72, Rn. 164 ff. 223 So für die Sicherheitsarchitektur im Allgemeinen C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 4. 224 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 4 f. 225 Zur Monopolstellung des Bundes im Bereich der äußeren Sicherheit H. A. Wolff, in: FS Schünemann, 2014, S. 847. 226 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. 4. 1987 (BGBl. I, S. 1074, 1319), die zuletzt durch Art. 15 des Gesetzes vom 12. 12. 2019 (BGBl. I, S. 2652) geändert worden ist.

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

macht und damit bundeseinheitlich die rechtlichen Grundlagen für die Repression geschaffen. Nachdem der Ausspruch von Strafe nach Art. 92 HS. 1 GG den Richtern anvertraut ist, bestimmt sich der Vollzug des Strafrechts nicht nach den üblichen Verwaltungskompetenzen.227 Nach Art. 92 HS. 2 GG i. V. m. Art. 30 GG ist der Bund in der Gerichtsorganisation auf die im GG ausdrücklich erwähnten Bundesgerichte beschränkt;228 ansonsten verbleibt die Organisation der Rechtsprechung Sache der Länder.229 Dieser Grundsatz wird durch Art. 96 Abs. 5 GG für einen abschließend umfassten Bereich des Strafrechts inklusive des Staatsschutzes (Nr. 5) in eine grundsätzliche Zuständigkeit des Bundes umgekehrt. Von der ebenfalls in Art. 96 Abs. 5 GG geregelten Möglichkeit, den Ländern in Form einer Organleihe die Ausübung der Gerichtsbarkeit des Bundes für Strafverfahren in den aufgezählten Gebieten zu übertragen,230 wurde insbesondere durch § 120 GVG Gebrauch gemacht.231 Die grundsätzliche Bundeskompetenz für die aufgezählten Gebiete des Strafrechts rechtfertigt auch die Institution des Generalbundesanwaltes232 und die Möglichkeit des Generalbundesanwalts die Anklage vor den Oberlandesgerichten zu führen233. Die präventiv-nachrichtendienstliche Sicherheitsgewährleistung wird überwiegend vom Bund wahrgenommen. Der Verfassungsschutz in der Bundeswehr obliegt in der Gesetzgebung234 wie auch in der Verwaltung durch den MAD (als Bundesoberbehörde im Kompetenzbereich des Art. 87a GG235) allein dem Bund. Ebenso verhält es sich nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 und Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG mit dem 227 B. Rusteberg, Zustand der föderalen Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 5. 228 BVerfGE 8, 174, 176. 229 Vgl. BVerfGE 10, 200, 213; G. Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 46. Ed. Stand: 15. 2. 2021, Art. 92, Rn. 34. 230 Eingehend dazu, insbesondere mit Blick auf die historische Entwicklung, K. Nehm, NJW 2020, 1343. 231 B. Rusteberg, Zustand der föderalen Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 5. 232 Die Regelungskompetenz für die Institution des Generalbundesanwalts folgt entweder aus der Gerichtszuständigkeit oder der Kompetenz der Exekutive, K. F. Gärditz, BRJ 2010, Sonderausgabe, 11, 14; BT-Drs. 5/4085, S. 3; ferner A. Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 96 Abs. 5, Rn. 24; M. Jachmann, in: Maunz/Dürig, GG, 86. Lfg. Januar 2019, Art. 96, Rn. 56. 233 Vgl. K. Nehm, NJW 2020, 1343, 1346. 234 BT-Drs. 11/4306, S. 66. Obwohl auch gestützt auf Gesetzgebungskompetenzen zur Regelung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern gem. Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG, wurde 1990 doch gezwungenermaßen – da in Deutschland lediglich der Bund Streitkräfte unterhält – nur das MADG als Bundesgesetz für eine zentralisierte Organisation des Verfassungsschutzes in der Bundeswehr erlassen. Deshalb sei Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 1 GG die alleinige Kompetenzgrundlage für das MADG, so K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 375. 235 F. Rachor/F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 111.

Kap. 4: Verfassungsschutzarchitektur

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Arbeitsfeld des Auslandsnachrichtendienstes BND.236 Demgegenüber ist der verbleibende Teil des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes sowohl dem Bund als auch den Ländern aufgetragen. Nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b und c GG ist der Bund in Sachen des Verfassungsschutzes und des Schutzes vor – nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG ebenfalls den Verfassungsschutzämtern zur Beobachtung überantwortete – auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden, gewalttätigen Bestrebungen im Bundesgebiet, auf die Regelung der Zusammenarbeit mit den Ländern beschränkt. Die Gesetzgebungskompetenz für den Verfassungsschutz im Allgemeinen steht ihm jedoch nicht zu.237 Für die Umsetzung besitzt der Bund nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG die Verwaltungskompetenz zur Errichtung einer Zentralstelle. Von diesen Kompetenzen hat der Bund mit der Schaffung des BVerfSchG und der Einrichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz Gebrauch gemacht. Den Ländern verbleibt es nach Art. 70 Abs. 1 GG, die Grundlagen sowie behördlichen Strukturen für eine Zusammenarbeit mit dem Bund zu schaffen.238 Sie sind dabei sowohl in der Wahl der Organisationsstruktur als auch in der Übertragung weiterer Aufgaben frei.239 Rein personell lässt sich allerdings im Verhältnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu den Landesämtern ein deutliches Übergewicht des Bundes ausmachen.240 Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist jedoch nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG in seiner Informationserhebungstätigkeit eingeschränkt. Die Zulässigkeit eigenständiger, von der Zusammenarbeit mit den Ländern unabhängiger Ermittlungen des Bundesamtes ist umstritten.241 Ferner steht das Weisungsrecht nach § 7 BVerfSchG gegenüber den Landesämtern für Verfassungsschutz für den Fall eines Angriffs auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes lediglich der Bundesregierung, nicht aber dem BfV zu.

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S. Hölscheidt, Jura 2017, 148, 149 f. BVerfGE 113, 63, 79. 238 BVerfGE 113, 63, 79. 239 SächsVerfGH, NVwZ 2005, 1310, 1311: „Die Bestimmung der für die Zusammenarbeit zuständigen Behörde und die Bestimmung der konkreten Aufgaben bleibt aber nach Art. 70 I GG Sache des jeweiligen Landesgesetzgebers.“ 240 F. Rachor/F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 105 u. 108; siehe auch S. Hansen, Sicherheitsarchitektur, S. 65: „Sämtliche Verfassungsschutzbehörden beschäftigen zusammen etwa 5500 hauptamtliche Mitarbeiter – davon 2503 (2007) das BfV“. Allgemein auch G.-D. Schoen/P. Frisch, in: Thomsen/Merk (Hrsg.), Zivilschutz und Zivilverteidigung, Heft K, 1973, S. 104 f. 241 Zur Diskussion eingehend M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 843 f. 237

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1. Teil: Der Verfassungsschutz in der deutschen Sicherheitsarchitektur

2. Die Dominanz der Länder in der polizeilichen Gefahrenabwehr Demgegenüber zeigt sich in der polizeilichen Gefahrenabwehr zum Zweck des Verfassungsschutzes ein grundsätzlicher Vorrang der Länder.242 Die Länderzuständigkeit ist in der polizeilichen Gefahrenabwehr insoweit sehr stark ausgeprägt, als unmittelbare Gefahrenabwehr mit Ausnahme der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus, welche nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 9a GG ausschließlich dem Bund zur Gesetzgebung zugewiesen ist, weitgehend Ländersache ist.243 Dem Bundeskriminalamt (BKA) als Behörde des Bundes ist lediglich die Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus sowie der Schutz von Mitgliedern der Verfassungsorgane aufgetragen (§ 1 Abs. 3 i. V. m. §§ 5, 6 BKAG244).245 Bezüglich Polizei und Nachrichtendiensten waren zwei Grundentscheidungen die Folge der angestrebten Machtverteilung nach dem zentralistischen NS-Regime: Einerseits soll die Polizei von der Aufklärung legaler Handlungen ferngehalten werden. Andererseits wird die Beobachtung bestimmter legaler Handlungsweisen dennoch als notwendig erachtet.246 Es sollte ein möglichst freiheitsschonendes System geschaffen werden, in welchem „die Behörde, die fast alles weiß (Nachrichtendienste), […] nicht alles dürfen [soll, und] die Behörde, die alles darf (Polizei), […] nicht alles wissen [soll]“247. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bund im Verfassungsschutz zwar nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG nominell auf die Regelung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beschränkt ist – die Zuständigkeit für den Verfassungsschutz an sich daher bei den Ländern liegt – und gleichwohl in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur ein deutliches faktisches Übergewicht des Bundes, nicht nur mit Blick auf die Personalverteilung der Verfassungsschutzämter248, be-

242 Zur Zuständigkeitsverteilung im Bereich der inneren Sicherheit A. Hanning, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus, Bd. II, 2012, § 53 Rn. 29 f. 243 A. Hanning, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus, Bd. II, 2012, § 53 Rn. 24 ff. 244 Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz) vom 1. Juni 2017 (BGBl. I, S. 1354; 2019 I S. 400). 245 Die hierfür nötige Verwaltungskompetenz des Bundes ergibt sich systematisch richtigerweise aus Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG und nicht etwa direkt aus der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 9a GG, vgl. M. Heintzen, in: Starck (Hrsg.), Förderalismusreform, 2007, Rn. 95; C. Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 48a. 246 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MATA S-1 zu A-Drs. 38, S. 1. Zu den Anfängen der Verfassungsschutzämter plakativ und kritisch auch C. Leggewie/H. Meier, Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2012, 63, 65 f. 247 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1078; C. Gusy, GA 1999, 319, 325. 248 Dazu noch in 2. Teil Kap. 1 A. (S. 79 ff.).

Kap. 4: Verfassungsschutzarchitektur

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steht. Mit Bundesverfassungsgericht, Bundeswehr, BKA, BND, MAD und BfV sind prägende Verfassungsschutzinstitutionen solche des Bundes.249 Die föderale Aufgliederung jedenfalls ist und bleibt innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur ein probates Mittel zur Machtverteilung. In einem nächsten Schritt wird der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum Verfassungsschutz im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG beleuchtet. Im weiteren Fortgang der Untersuchung wird die Stellung der Verfassungsschutzämter innerhalb dieser Verfassungsschutzarchitektur erarbeitet und die Aufgabenverteilung in der Organisationsstruktur Verfassungsschutzarchitektur untersucht.

249 Hierin zeigt wieder die institutionelle Vielfalt des grundgesetzlichen Verfassungsschutzes, der trotz der Legaldefinition in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG auch Institutionen der Verteidigung und der auswärtigen Angelegenheiten nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasst.

2. Teil

Die Entwicklung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter und die Stellung der Ämter in der Verfassungsschutzarchitektur In der eben aufgespannten Verfassungsschutzarchitektur werden nun die Verfassungsschutzämter verortet, um davon ausgehend eine Aufgaben- und Organisationskritik des Verfassungsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Nachdem diese kritische Betrachtung von den Aufgaben der Ämter für Verfassungsschutz ausgehen wird, gilt es die Verfassungsschutzämter in den nächsten Kapiteln explizit zu beleuchten. Das Bundesamt und die 16 Landesämter für Verfassungsschutz arbeiten innerhalb des sogenannten Verfassungsschutzverbunds zusammen. Diese Zusammenarbeit ist im Bereich des institutionellen Verfassungsschutzes von zentraler Bedeutung.250 Daher soll zunächst die föderale Organisation der Verfassungsschutzämter vergegenwärtigt werden (Kap. 1). Privilegierte Informationsbeziehungen, identischer Aufgabenkern und weitgehend gleiche Befugnisse zeichnen eine derart verflochtene Zusammenarbeit aus, dass eine gemeinsame Behandlung der 17 Ämter für Verfassungsschutz gerechtfertigt ist. Danach werden die von diesem Verbund ausgeführten Aufgaben beschrieben und insbesondere deren Entwicklung und Erweiterung seit Gründung nachgezeichnet (Kap. 2). Anhand dieser Aufgabenaufstellung lässt sich der Anteil der Verfassungsschutzämter an dem Staatsauftrag Verfassungsschutz bemessen (Kap. 3). Dieser Anteil hat sich über die Zeit grundlegend verändert und stellt nun die Organisationsstruktur der Verfassungsschutzarchitektur vor Herausforderungen (Kap. 4). Der Fokus der Untersuchung liegt auf den Aufgaben der betrachteten Institutionen, etwa deren Verteilung im Verbund oder deren Entwicklung über die Zeit. Behörden gewinnen als Rechtssubjekte ihre Identität über ihren gesetzlichen Auftrag. Über die Aufgabendefinition wird das behördliche, mithin staatliche, Handeln rechtsstaatlich beherrschbar und begrenzbar. Dem Befugniseinsatz werden Ziel und Zweck gegeben.

250 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 11: „,Zusammenarbeit‘ ist namentlich im Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes ein viel gebrauchtes Stichwort.“

2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

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Die Verbindung von Behörde und staatlichem Auftrag wird über Zuständigkeiten geknüpft, da diese insbesondere bei umfangreichen Aufträgen wie dem des Verfassungsschutzes den Beitrag der einzelnen Behörde an und damit ihr Handeln für den Gesamtauftrag beschreibt. Die folgenden Kapitel behandeln daher die gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzämter, um deren Zuständigkeiten innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur und damit deren Beitrag zum staatlichen Auftrag des Verfassungsschutzes erfassen zu können.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Kapitel 1

Weitgehende Aufgabenunität der Verfassungsschutzämter trotz föderaler Organisation Mit den Verfassungsschutzämtern sind in dieser Untersuchung das Bundesamt und die 16 Landesämter251 für Verfassungsschutz gemeint. Der vom einfachen Gesetz252 und Teilen der Literatur253 verwendete Oberbegriff der Verfassungsschutzbehörden wird in dieser Untersuchung deshalb weiter verstanden, weil neben den Verfassungsschutzämtern auch andere Behörden für den Verfassungsschutz zuständig sind254 und diese dementsprechend auch als Verfassungsschutzbehörden bezeichnet werden können.255 Ebenso wenig ist der Begriff der Nachrichtendienste allein den Verfassungsschutzämtern vorbehalten. Vielmehr werden auch der MAD und der BND berechtigterweise als Nachrichtendienste bezeichnet, da der Primärzweck ihrer Tätigkeit ebenfalls in der Information übergeordneter Entscheidungsträger liegt.256 Als Exklusivbezeichnung verbleibt nur, von den Verfassungsschutzämtern zu sprechen. 251 Bzw. Verfassungsschutzabteilungen der jeweiligen Landesministerien des Innern, dazu sogleich unter 2. Teil Kap. 1 A. I. (S. 83 Fn. 279 f.). In dieser Untersuchung wird unabhängig von der organisatorischen Struktur von „Landesämtern für Verfassungsschutz“ gesprochen. 252 §§ 3, 5 BVerfSchG; § 2 BbgVerfSchG; § 2 BremVerfSchG; Art. 2 Abs. 2 BayVSG; § 1 Abs. 2 VSG HE; § 3 Abs. 2 HmbVerfSchG; § 2 LVerfSchG M-V; §§ 3, 4 LVerfSchG S-H; § 2 Abs. 2 LVSG BW; § 2 NVerfSchG; § 2 VSG NRW; § 3 Abs. 1 LVerfSchG R-P; § 2 SVerfSchG; § 1 Abs. 3 SächsVSG; § 3 Abs. 2 ThürVerfSchG; § 4 Abs. 2 VSG Bln; § 2 Abs. 1, 4 VerfSchGLSA. 253 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 15; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 27; M. Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. 2018, „Verfassungsschutz“ und „Verfassungsschutzbehörden“, S. 2430 f. 254 Zu den einzelnen Beiträgen sogleich 2. Teil Kap. 3 A. (S. 160 ff.). So auch M. Brenner, Bundesnachrichtendienst, 1990, S. 20 f.; H. J. Schwagerl, Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, 1985, S. 19; U. Scheuner, in: FS Kaufmann, 1950, S. 313, 321; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 38; M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 127. 255 Wie hier E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 36, 38; für den BND explizit J. Lampe, NStZ 2015, 361, 370. 256 So verwendet auch der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 VISZG (VIS-Zugangsgesetz) den Oberbegriff Nachrichtendienste entsprechend, BT-Drs. 16/11569, S. 8. Die von der Bundesrepublik benannten Behörden, die für die Datenabfrage Zugang zum Visa-Informationssystem haben, umfassen neben anderen BND, MAD, BfV sowie sämtliche Landesämter für Verfassungsschutz, ABl. EU 2013/C 236/01 v. 14. 8. 2013, 1; H. Aden, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 VISZG, Rn. 3. Zum Verständnis des Gesetzgebers, dass nachrichtendienstliche Tätigkeit vom Bund durch das BfV, den BND und den MAD ausgeführt wird M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 124 ff.; § 1 Abs. 1 PKGrG. Siehe auch zu „nachrichtendienstlicher Tätigkeit“ i. S. d. Art. 45d GG und anderen Behörden als ÄfV, BND und MAD J. Singer, PKGrG, 2016, Art. 45d GG, Rn. 51 f.

Kap. 1: Aufgabenunität trotz förderaler Organisation

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In diesem Kapitel sollen nun die föderale Struktur der Verfassungsschutzämter sowie die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern erarbeitet werden (A.). Dabei wird ein Verbund aus dem Bundesamt sowie den 16 Landesämtern für Verfassungsschutz skizziert, welcher aufgrund weitgehender Aufgabenunität eine einheitliche Betrachtung der 17 Behörden rechtfertigt (B.). Die zentralen Rechtsgrundlagen dieser Behörden sind das auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG gestützte BVerfSchG, die entsprechenden Verfassungsschutzgesetze der Länder und das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10-Gesetz; G 10)257.

A. Die föderale Struktur der Verfassungsschutzämter im Verbund Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b und 87 Abs. 1 S. 2 GG treffen für den Bereich des Verfassungsschutzes unter anderem auch Aussagen im Hinblick auf die Organisationsstruktur. Der Bund ist nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG bei der Gesetzgebung im Bereich des Verfassungsschutzes auf die Regelung der „Zusammenarbeit des Bundes und der Länder“ beschränkt, während Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG den Bundesgesetzgeber ermächtigt, eine „Zentralstell[e] […] zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes“ einzurichten. Beide Normen lassen den Ländern in Gesetzgebung sowie im Vollzug Raum zur Selbstbestimmung.258 Ferner setzt eine solche Zusammenarbeit ebenso zwei autonom arbeitende Seiten voraus,259 wie eine Zentralstelle für ihre Koordinationsaufgaben ihrerseits zu koordinierende Landesbehörden benötigt.260 Somit ist der Weg in eine föderale Organisationsstruktur der Verfassungsschutzämter bereits grundgesetzlich vorgezeichnet. Während der Bund mit dem BfV eine Zentralstelle geschaffen hat, haben die Länder jeweils Stellen zur Zusammenarbeit mit dem Bund errichtet (I.). In dieser föderalen Kooperationsstruktur sind trotz erkennbarer Zentralisierungstendenzen (III.) die Aufgaben derart verteilt, dass eine intensive Zusammenarbeit notwendig ist (II.).

257 Artikel 10-Gesetz vom 26. 6. 2001 (BGBl. I, S. 1254, 2298; 2007 I S. 154), das zuletzt durch Art. 12 des Gesetzes vom 17. 8. 2017 (BGBl. I, S. 3202) geändert worden ist. 258 C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 14 f. 259 BVerfGE 133, 277, 317 f. Rn. 97 unter Hinweis auf A. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. April 2010, Art. 73, Rn. 231: „Zusammenarbeit ist eine auf Dauer angelegte Form der Kooperation, die die laufende gegenseitige Unterrichtung und Auskunftserteilung, die wechselseitige Beratung sowie gegenseitige Unterstützung und Hilfeleistung in den Grenzen der je eigenen Befugnisse umfasst und funktionelle und organisatorische Verbindungen, gemeinschaftliche Einrichtungen und gemeinsame Informationssysteme erlaubt“. 260 Vgl. M. Sachs, in: ders., GG, 8. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 40.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

I. Die Zentralstelle BfV und die Verpflichtung der Länder gemäß § 2 Abs. 2 BVerfSchG zur Errichtung von Verfassungsschutzbehörden In Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG261 wird der Bund zur Regelung der Zusammenarbeit in Sachen des Verfassungsschutzes ermächtigt und dafür die Errichtung einer Zentralstelle zur Sammlung von Unterlagen gestattet. Der Bund hat sich jedoch entschlossen, nach § 2 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG für die Zusammenarbeit mit den Ländern in Sachen des Verfassungsschutzes das Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde262 zu etablieren. Damit weicht der Bundesgesetzgeber von der Ermächtigung zur Etablierung einer Zentralstelle nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG zumindest begrifflich ab.263 Über die Bedeutung dieser terminologischen Diskrepanz besteht in der juristischen Literatur Streit,264 welcher an dieser Stelle mangels entscheidender Bedeutung für die vorliegende Untersuchung lediglich kursorisch dargestellt werden soll. Die Diskrepanz zwischen dem Wortlaut des einfachen Gesetzes (§ 2 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG: „Bundesoberbehörde“) und der grundgesetzlichen Verwaltungskompetenz (Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG: „Zentralstelle“) ist lediglich dann von Bedeutung, wenn mit den verschiedenen Begriffen unterschiedliche rechtliche Inhalte verknüpft sind. Daher ist zunächst zur Verdeutlichung der praktischen Relevanz des Dissenses festzuhalten, dass nach mittlerweile einhelliger Meinung zwischen einer Zentralstelle und einer selbstständigen Bundesoberbehörde nicht nur ein begrifflicher, sondern auch ein rechtstatsächlicher Unterschied besteht.265 Darüber hinaus differenziert auch das Bundesverfassungsgericht zwischen den beiden Behördentypen.266 Während der Begriff der selbstständigen Bundesoberbehörde – nach dem das Bundesamt für Verfassungsschutz eine dem Bundesministerium des Innern unterstehende, jedoch organisatorisch ausgegliederte Bundesbehörde ohne eigenen Verwaltungsunterbau und mit Zuständigkeit für das gesamte Bundesgebiet wäre267 – klar umrissen ist, ist der Terminus der Zentralstelle noch nicht abschließend konturiert.268 261 Vgl. zum Verhältnis dieser Normen auch H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 52 ff. 262 Angesichts der Terminologie des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG noch als „falsa demontratio“ gewertet von A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 234. 263 Zu Zentralstellen eingehend C. Gusy, DVBl. 1993, 1117; B. Becker, DÖV 1978, 551; A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 230 ff. 264 Deutlich M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 843 f.: „Wie weit die Bundeskompetenz inhaltlich reicht, ist bislang in wichtigen Punkten ungeklärt. Weder über das systematische Verhältnis der beiden Kompetenztitel noch über die Interpretation der relevanten Begriffe der Zusammenarbeit, der Zentralstelle und der Sammlung von Unterlagen besteht Konsens“. 265 M. Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 64. Lfg. Januar 2012, Art. 87, Rn. 122; B. Becker, DÖV 1978, 551, 554; vorsichtiger ders., VerwArch 1978, 149, 156. 266 BVerfGE 110, 33, 51. 267 BVerfGE 14, 197, 211.

Kap. 1: Aufgabenunität trotz förderaler Organisation

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Dementsprechend stellt sich die Frage, ob die Begrenzung auf die Errichtung einer Zentralstelle überhaupt zwingend ist. Mit guten Argumenten kann sich in dieser Diskussion auf die abwägende Position des Bundesverfassungsgerichts zurückgezogen werden. Dieser Ansicht nach darf der Bund mit dem Ziel der effektiven Aufgabenerfüllung insbesondere dort, „wo eine Zentralstelle im Hinblick darauf, dass diese im Wesentlichen auf die Wahrnehmung von Koordinationsaufgaben beschränkt ist, für die Erfüllung einer Aufgabe nicht ausreicht, […] unter den Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG eine selbständige Bundesoberbehörde einrichten“.269 Für diese gesetzgeberische Freiheit sprechen zweierlei Gründe. Zum einen berechtigt der Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG zunächst einmal den Gesetzgeber, wohingegen eine Beschränkung auf die Organisationsform der Zentralstelle dem Wortlaut nicht ohne Weiteres entnommen werden kann;270 mit anderen Worten, Art. 87 Abs. 1 GG verbietet nicht, sondern ermöglicht lediglich.271 Zum andern erfüllt der Bundesgesetzgeber auch die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG, da ihm für die Angelegenheit der Zusammenarbeit in Sachen des Verfassungsschutzes nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG die Gesetzgebungskompetenz

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M. Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 64. Lfg. Januar 2012, Art. 87, Rn. 122, charakterisiert die Zentralstellen als auf die bundesweite Koordinierung beschränkte, einem Bundesministerium nachgeordnete Verwaltungseinrichtung der unmittelbaren Bundesverwaltung ohne eigenen Verwaltungsunterbau; ebenso C. Gusy, DVBl. 1993, 1117, 1125, 1128; ähnlich P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 63. EL 2011, Art. 87 (Vorbearbeitung 2011), Rn. 129; M. Sachs, in: ders., GG, 8. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 47. Zur Diskussion um Zentralstellen eingehend A. Abbühl, Der Aufgabenwandel des Bundeskriminalamtes, 2010, S. 89 ff. 269 BVerfGE 110, 33, 51 Rn. 98. Ebenso F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 857. A. A., jedoch relativierend und m. w. N. auf die bisher noch nicht abgeschossene Konturierung des Begriffs „Zentralstelle“ hinweisend J. Masing, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 3, 11. D. Kugelmann, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus, Bd. II, 2012, § 52 Rn. 15, vertritt demgegenüber die Subsidiarität des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG gegenüber Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG. 270 P. Badura, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz: Bestandsaufnahme und Perspektiven, 1998, S. 13, 17; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 147 ff.; W. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 4; ebenso allerdings noch unzutreffend inhaltliche Unterschiede zwischen Bundesoberbehörden und Zentralstellen verneinend H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 2 BVerfSchG, Rn. 8. Wohl auch B. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 5 u. 7. Gänzlich A. A. M. Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 64. Lfg. Januar 2012, Art. 87, Rn. 113, 146; M. Sachs, in: ders., GG, 8. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 78; die Grenzen betonend J. Masing, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/ Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 3, 11. 271 BVerfGE 110, 33, 50: „Art. 87 GG sichert nicht nur die Beachtung der Interessen der Länder am Schutz der eigenen Verwaltungskompetenz, sondern auch die des Bundes an einer leistungsfähigen Verwaltung, soweit er eigene Verwaltungskompetenzen hat oder sie begründen kann. Dementsprechend stellt Art. 87 GG unterschiedliche Möglichkeiten bereit, zwischen denen der Bund wählen darf, soweit die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Einrichtung der jeweiligen Behörden erfüllt sind.“; A. A. noch A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 252 f.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

zusteht.272 Ob eine Zentralstelle für die Erfüllung der Aufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz ausreicht, wird mangels Relevanz für die vorliegenden Fragen in dieser Untersuchung nicht ausführlich behandelt.273 Bei Bejahung der zwingenden Beschränkung auf die Organisationsform der Zentralstelle würden sich ebenso ungeklärte Fragen nach deren Folgen stellen.274 Jedenfalls – und das ist an dieser Stelle der Untersuchung für die Darstellung der föderalen Struktur des Verfassungsschutzverbundes primär relevant – ist das Bundesamt etwa nach § 5 Abs. 3 BVerfSchG mit den klassischen Koordinierungsaufgaben einer Zentralstelle i. S. d. Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG betraut. Zumindest in dieser Funktion ist die Behörde auf föderale Zusammenarbeit angewiesen. Ein Weisungsrecht gegenüber den Landesämtern für Verfassungsschutz (LfV) steht ausdrücklich nicht dem BfV, sondern nach § 7 BVerfSchG lediglich der Bundesregierung zu.275 Demnach schließt das BfV nach § 5 Abs. 3 BVerfSchG konsequenterweise mit den LfV auch lediglich „Vereinbarungen“, anstatt Weisungen auszusprechen. Den Blick auf die Länderebene werfend, verpflichtet § 2 Abs. 2 BVerfSchG die Bundesländer, eigene Behörden „zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes“ einzurichten und zu unterhalten. Mit dieser Verpflichtung genügt der Bundesgesetzgeber insoweit auch seinem durch das Grundgesetz vermittelten Auftrag, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu regeln, als dass zur Zusammenarbeit mit dem Bund immer ein Pendant auf Länderseite vorhanden sein muss.276 Die Kompetenz des Bundgesetzgebers, die Länder derart zu verpflichten, ergibt sich mithin direkt aus Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG.277 Es bleibt dabei jedoch den Ländern überlassen, wie sie ihre Landesbehörden für Verfassungsschutz organisatorisch ausgestalten. Selbst ein gemeinsames Amt für mehrere Bundes272 Zur mittlerweile unbestrittenen Tauglichkeit der Kompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG als Zuständigkeitsregel i. S. d. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 147. 273 Siehe den kurzen Exkurs unter 2. Teil Kap. 2 F. II. (S. 157 f.). 274 Auf diese Folgefragen hinweisend J. Masing, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 3, 11; M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 843 f.; G. Hermes, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 46 ff. 275 Zum Ausschluss von Weisungsrechten für Zentralstellen schon früh B. Becker, DÖV 1978, 551, 554. 276 A. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. April 2010, Art. 73, Rn. 235; M. Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 111; U. Wittmoser, Die Landesämter für Verfassungsschutz, 2012, S. 42 f.; M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 26. 277 BT-Drs. 10/4737, S. 50; SächsVerfGH, NVwZ 2005, 1310, 1311; F. Ebert, in: BorgsMaciejewski/ders., Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 2 BVerfSchG, Rn. 7, S. 13 ff.; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 46; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 87 ff.; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 14; A. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. April 2010, Art. 73, Rn. 245.

Kap. 1: Aufgabenunität trotz förderaler Organisation

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länder ist nach dem 2015 eingeführten278 § 2 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG möglich. Bisher wurden in den Ländern entweder spezielle Abteilungen in den Landesministerien des Innern279 oder eigenständige Landesämter für Verfassungsschutz280 eingerichtet. Jedes Bundesland ist seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG nachgekommen. Von der Möglichkeit der Schaffung gemeinsamer Ämter haben bisher keine Länder Gebrauch gemacht.281

II. Die Aufgabenverteilung und Zusammenarbeit innerhalb des Verfassungsschutzverbunds aus Bundesamt und Landesämtern für Verfassungsschutz Der föderale Aufbau der Verfassungsschutzämter ermöglicht und bedingt die Verteilung der Aufgaben zwischen den einzelnen Behörden und die Regelung ihrer Zusammenarbeit. Von der Möglichkeit, beide Ebenen adressierende Regelungen zu schaffen, hat der Bundesgesetzgeber in § 3 BVerfSchG Gebrauch gemacht, indem er die dort geregelten Aufgaben ausdrücklich auch für die Verfassungsschutzbehörden der Länder festgeschrieben hat. Der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG unterfällt zumindest ausdrücklich lediglich die Regelung „der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder“ in Verfassungsschutzsachen. Die Befugnis, die Aufgaben der Verfassungsschutzämter zu bestimmen, ist im Grundgesetz hingegen nicht ausdrücklich geregelt. Diese Kompetenz schließt sich jedoch als Annex der Kompetenz des Bundes aus Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG jedenfalls insoweit an, als die Umschreibung der Aufgaben zum Zwecke der Zusammenarbeit nötig ist.282 Zusammenarbeit setzt notwendigerweise beiderseitig 278

Eingeführt durch Art. 1 Nr. 1 Gesetz v. 17. 11. 2015, BGBl. I 2015, S. 1938. So Berlin (§ 2 Abs. 1 VSG Bln), Brandenburg (§ 2 Abs. 1 BbgVerfSchG), MecklenburgVorpommern (§ 2 Abs. 1 VerfSchG M-V), Niedersachsen (§ 2 Abs. 1 NVerfSchG), NordrheinWestfalen (§ 2 Abs. 1 VSG NRW), Rheinland-Pfalz (§ 2 Abs. 1 LVerfSchG R-P), Saarland (§ 2 Abs. 1 SVerfSchG), Sachsen-Anhalt (§ 2 Abs. 1 S. 2, 3 VerfSchG-LSA) und Schleswig-Holstein (§ 2 Abs. 1 S. 2, 3 LVerfSchG S-H); so auch Bremen, wessen Verfassungsschutzabteilung jedoch die Bezeichnung „Landesamt für Verfassungsschutz“ führt (§ 2 Abs. 1 S. 1, 2 BremVerfSchG). 280 So Baden-Württemberg (§ 2 Abs. 1 LVSG BW), Bayern (Art. 1 BayVSG), Hessen (§ 1 Abs. 1 S. 1 VSG HE), Sachsen (§ 1 Abs. 1 SächsVSG) und Thüringen (§ 2 Abs. 1 ThürVerfSchG); auch Hamburg (§ 2 Abs. 1 HmbVerfSchG), wobei das Landesamt dort in eine Behörde für Inneres und Sport eingegliedert ist. 281 Selbiges aufgrund „föderalistischer Eigengesetzlichkeiten“ bereits antizipiert von D. Marscholleck, NJW 2015, 3611, 3612. 282 BVerwGE 69, 53, 57 f.; BVerwG, Urt. v. 22. 12. 1994 – 3 C 35.93 –, DÖV 1995, 692, 693; A. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. April 2010, Art. 73, Rn. 233; zur Annexkompetenz allgemein C. Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 70, Rn. 37 ff.; hingegen eine Kompetenz kraft Natur der Sache annehmend W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 14. A. A. – Bundeskompetenz le279

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

einen Beitrag zur geteilten Arbeit voraus. Diesen Beitrag muss der Bund dementsprechend auch für die Landesämter verbindlich regeln können.283 Davon unbenommen, steht es den Landesgesetzgebern frei, im Rahmen ihrer eigenen Regelungskompetenz in Sachen Verfassungsschutz den Landesämtern weitere Aufgaben zuzuweisen.284 Mithin legt § 3 BVerfSchG einen Mindestkatalog an Aufgaben fest, die von keinem Landesamt vernachlässigt werden dürfen.285 Die Aufgabenverteilung beinhaltet ausschließliche Aufgaben der Zentralstelle (1.) und eröffnet zugleich den Landesgesetzgebern den Spielraum, über den Mindestaufgabenkatalog hinauszugehen (2.), während dem BfV nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG eine Reservezuständigkeit zukommt (3.). 1. Die ausschließlichen Aufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz Der gesamte Bereich der Informationsbearbeitung ist nach § 3 BVerfSchG sowohl dem Bundesamt als auch den Landesämtern zugewiesen. Als alleinig dem Bundesamt aufgegebene Tätigkeiten verbleiben damit die klassischen Zentralstellenaufgaben,286 die der Gesetzgeber dieser Behörde im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übertragen hat.287 Hierbei bleibt der Gesetzgeber eng am Wortlaut der Kompetenznorm des Art. 87 Abs. 1 S. 2 („Zentralstelle […] zur Sammlung von Unterlagen für die Zwecke des Verfassungsschutzes“). Diese besonderen Aufgaben des BfV wurden 2015 ausdrücklich im BVerfSchG normiert.288 Dahinter verbergen sich die Koordinierungsaufgaben nach § 5 Abs. 3 BVerfSchG, die technische und didaktische Unterstützung der Landesämter nach § 5 Abs. 4 BVerfSchG, die zentrale Auswertungstätigkeit und Erstellung bundesweiter Lageberichte nach § 5 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG289 sowie die Pflege der gemeinsamen Dateien der Verfassungsschutzämter nach § 6 Abs. 2, 3 BVerfSchG. diglich zur Beschreibung der Bereiche, auf die sich die Zusammenarbeit bezieht – H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 118. 283 BT-Drs. 10/4737, S. 50; BVerwGE 69, 53, 57 f.; 110, 126, 135 f.; W. Roth, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 14. 284 BVerfGE 113, 63, 79; SächsVerfGH, NVwZ 2005, 1310, 1311; W. Roth, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 19; H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 120. 285 H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 2; W. Roth, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 19. Eine grundsätzliche Zuständigkeit des BfV für die Beobachtung im Rahmen der Spionageabwehr ohne Belege behauptet S. Schmidt, BWV 2009, 50, 52. So aber auch schon M. Hirsch, Schriftlicher Bericht 2. UA 5. WP BT, 16. 5. 1969, BT-Drs. 5/4208, S. 6. 286 BT-Drs. 18/4654, S. 20. 287 Dazu bereits 2. Teil Kap. 1 A. I. (S. 80 ff.). 288 Art. 1 Nr. 2 Gesetz v. 17. 11. 2015, BGBl. I 2015, S. 1938. 289 BT-Drs. 18/4654, S. 21 bezeichnet „die zentrale Auswertung als Kern der Zentralstellenaufgabe“.

Kap. 1: Aufgabenunität trotz förderaler Organisation

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Ferner ist das Bundesamt gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 BVerfSchG primär für den Austausch mit den zuständigen öffentlichen Stellen anderer Staaten zuständig. Den Landesämtern verbleiben in diesem Bereich nach § 5 Abs. 5 S. 2 BVerfSchG lediglich begrenzte Kompetenzen. Grenzüberschreitender Dienstverkehr ist ihnen lediglich mit den Dienststellen der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Streitkräfte, mit den Nachrichtendiensten angrenzender Nachbarstaaten in regionalen Angelegenheiten oder im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz erlaubt. 2. Die ausschließlichen Aufgaben der Landesämter für Verfassungsschutz Von der bereits erwähnten eigenen Regelungskompetenz der Länder in Sachen Verfassungsschutz290 haben die Bundesländer Sachsen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 SächsVSG291), Thüringen (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 ThürVerfSchG292) und Sachsen-Anhalt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 VerfSchG-LSA293) dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie ihre Landesämter damit betraut haben, fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zu beobachten. Das Land Sachsen-Anhalt hat das Beobachtungsobjekt spezifiziert, indem es insbesondere fortwirkende Tätigkeiten (im Sinne der §§ 94 bis 99, 129, 129a StGB) sowie Strukturen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit oder des Amtes für Nationale Sicherheit aufklären lässt. Ein eigenständiger Beobachtungsauftrag kann diesen Regelungen jedoch lediglich insoweit entnommen werden, als die beschriebenen Strukturen und Tätigkeiten ohne Verbindung mit einem fremden Nachrichtendienst i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG stattfinden und die Voraussetzung einer Bestrebung nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 BVerfSchG nicht erfüllen.294 Ansonsten kommt in der Beobachtung ebenjener fortwährender Strukturen lediglich deklaratorisch zum Ausdruck, dass sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten auch dann noch im Aufgabenfeld der Verfassungsschutzämter verbleiben, wenn diese von ehemaligen Angehörigen eines aufgelösten Nachrichtendienstes nun für eine andere, noch aktive geheimdienstliche Struktur ausgeführt werden. Sollten ehemalige Mitarbeiter oder Verbindungen der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik unabhängig von fremden Geheimdiensten tätig werden, stellen sie in der Regel einen Spezialfall einer Bestrebung i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 BVerfSchG dar. Der eigen-

290

BVerfGE 113, 63, 79. Sächsisches Verfassungsschutzgesetz vom 16. 10. 1992 (SächsGVBl., S. 459), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 3. 5. 2019 (SächsGVBl., S. 312) geändert worden ist. 292 Thüringer Verfassungsschutzgesetz vom 8. 8. 2014 (ThürGVBl., S. 529), das zuletzt durch Art. 15 des Gesetzes vom 6. 6. 2018 (ThürGVBl., S. 229, 263) geändert worden ist. 293 Verfassungsschutzgesetz Sachsen-Anhalt vom 6. 4. 2006 (GVBl. LSA, S. 236), das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 2. 8. 2019 (GVBl. LSA, S. 218, 233) geändert worden ist. 294 Ebenso G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 58a f. 291

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

ständige Gehalt dieses speziellen Beobachtungsauftrags erscheint dementsprechend gering. Eine weitere Abweichung vom bundesgesetzlichen Aufgaben-Mindestkatalog nehmen die Länder Bayern (Art. 3 S. 2 BayVSG), Hessen (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 VSG HE) und das Saarland (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 SVerfSchG295) vor. In diesen Bundesländern beobachten die Landesämter für Verfassungsschutz Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland.296 Parallel formulierte Legaldefinitionen von Organisierter Kriminalität finden sich in Art. 4 Abs. 2 BayVSG, § 2 Abs. 3 lit. d VSG HE und § 5 Abs. 1 Nr. 4 SVerfSchG: „Organisierte Kriminalität […] ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung für die Rechtsordnung sind, durch mehr als zwei Beteiligte, die auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig tätig werden 1. unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, 2. unter Anwendung von Gewalt oder durch entsprechende Drohung oder 3. unter Einflussnahme auf Politik, Verwaltung, Justiz, Medien oder Wirtschaft.“

Anderen Landesämtern oder dem Bundesamt ist die Beobachtung der Organisierten Kriminalität grundsätzlich nicht gestattet. Fraglos können gewisse kriminelle Organisationen ein solches Ausmaß annehmen, dass sie eine beobachtungswürdige Bestrebung i. S. d. § 3 Abs. 1 BVerfSchG darstellen. Würde durch Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger oder staatliche Organe versucht, die Funktionsfähigkeit des Bundes oder eines Landes und damit deren Sicherheit i. S. d. § 4 Abs. 1 lit. b BVerfSchG derart zu beeinträchtigen, dass daraus Vorteile für kriminelle Taten gezogen werden könnten, wäre auch der Beobachtungsauftrag des Bundesamtes oder der übrigen Landesämter nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG eröffnet. Liegt die besondere Gefahr „in dem Streben nach partieller Verdrängung der Staatsgewalt, der Dysfunktionalisierung staatlicher oder sonst legitimierter Ordnungsfunktionen oder der Schaffung staats- oder rechtsfreier Räume“297 fallen derartige Handlungsformen ohne Weiteres unter den Beobachtungsauftrag aller Verfassungsschutzämter. Ein eigenständiger Beobachtungsauftrag ergibt sich aus den genannten Landesnormen damit lediglich bezüglich solcher Tätigkeiten, welche der zitierten landesrechtlichen Legaldefinitionen der Organisierten Kriminalität unterfallen, ohne dabei ein taugliches Beobachtungsobjekt des § 3 Abs. 1 BVerfSchG darzustellen.

295 Saarländisches Verfassungsschutzgesetz 24. 3. 1993 (Amtsbl. Saarland, S. 296), das zuletzt durch das Gesetz vom 18. 4. 2018 (Amtsbl. Saarland I, S. 332) geändert worden ist. 296 Zum Beobachtungsauftrag Organisierte Kriminalität ausführlich, allerdings auf den BND bezogen K. v. Lampe, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 6. 297 Allerdings zur Beobachtung durch den BND C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 31.

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Im Gegensatz zur Beobachtung der fortwirkenden Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ist das Tätigkeitsfeld der betreffenden Landesämter durch die Beobachtung der Organisierten Kriminalität merklich erweitert. Mit der weitgehenden Loslösung von dem ursprünglichen, in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG legaldefinierten, Verfassungsschutzauftrag, unter nahezu vollständiger Aufgabe der einschränkenden Voraussetzung des Bezugs zur politischen Willensbildung und der Hinwendung zu primär strafrechtlich relevanten Tätigkeiten stoßen die betroffenen Landesämter in Bereiche vor, welche klassischerweise der Polizei und den anderen Strafverfolgungsbehörden zugeordnet werden, was wiederum als systemfremd kritisiert wird.298 3. Die Reservezuständigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG Für die Beobachtung von Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 – 4 BVerfSchG ist dem Bundesamt für Verfassungsschutz nach § 5 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG eigene Informationssammlung innerhalb eines Bundeslandes nur gestattet, sofern sich diese Bestrebungen gegen den Bund richten (Nr. 1), Gewalt anwenden, vorbereiten, unterstützen oder befürworten (Nr. 2), über die Grenzen einzelner Bundesländer hinauswirken (Nr. 3), auswärtige Belange Deutschlands berühren (Nr. 4) oder das Bundesamt von einer Landesbehörde um Hilfe gebeten wird (Nr. 5).299 Dieser bundesweiten Zuständigkeit zur Informationserhebung in den Ländern darf das Amt nach § 5 Abs. 1 BVerfSchG erst nachkommen, wenn dies im Benehmen mit dem jeweiligen Landesamt für Verfassungsschutz geschieht. Um Benehmen mit einer Landesbehörde herzustellen, wird vom Bundesamt mehr erwartet, als eine substantiierte Unterrichtung mit Gelegenheit zur Stellungnahme.300 Vielmehr ist das Bundesamt verpflichtet, einen ersthaften Versuch zur Einigung zu unternehmen.301 Gelingt eine solche nicht, darf das Bundesamt auch ohne Zustimmung des jeweiligen

298 So schon, wegen der fehlenden politischen Motivation solcher Bestrebungen H. BorgsMaciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 61; ferner C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 353 ff.; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 204 ff. Rechtfertigend, allerdings unter dem Hinweis auf fehlende Bindung der Länder an die spezifischen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen des Grundgesetzes, T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 20. Relativierend, da anerkennend, dass „von der Organisierten Kriminalität […] Gefahren [ausgehen], die Relevanz für die Verfassungsordnung aufweisen“ F. Wollenschläger, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 13. 299 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 5 BVerfSchG, Rn. 10 ff. 300 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 71 f.; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 180 f. 301 K. Schmalenbach, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 415, 422. Ähnlich bereits BVerwGE 11, 195, 200.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Landesamtes seinen Ermittlungstätigkeiten nachgehen.302 Der Gesetzgeber sieht die Ermittlung vor Ort dennoch vorrangig bei den Landesämtern angelegt, während die normierte Zuständigkeit des Bundesamtes als Reservezuständigkeit verstanden werden soll.303

III. Die Veränderungen im föderalen System der Verfassungsschutzämter Das derart austarierte System, mit einer primären Zuständigkeit und weitgehenden Eigenständigkeit der Länder gegenüber einer auf Koordination, Reserve und Zusammenführung beschränkten Bundeszuständigkeit, sieht sich jedoch einigen Veränderungen ausgesetzt. Insbesondere unter dem Eindruck internationaler Bedrohungen hat mit dem Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus (TerrorBekInfoAustG) vom 26. 7. 2016304 eine gewisse Zentralisierung im Bereich der Verfassungsschutzämter stattgefunden.305 Notwendige internationale Kooperationen sollen primär über das Bundesamt abgewickelt werden. Der Dienstverkehr der Landesämter mit öffentlichen Stellen anderer Staaten ist nach § 5 Abs. 5 BVerfSchG auf einzelne Ausnahmefälle beschränkt. Ferner wird die Auswertungstätigkeit des BfV mit § 5 Abs. 2 BVerfSchG erheblich dahingehend erweitert, dass eine zentrale Auswertung durch das Bundesamt unbeschadet der Auswertungsverpflichtungen der Landesbehörden für Verfassungsschutz stattfindet. Darüber hinaus erfährt auch die eigenständige Tätigkeit der Landesämter mit der Festlegung allgemeiner Arbeitsschwerpunkte durch das Bundesamt nach § 3 Abs. 3 S. 1, 2 Nr. 2 BVerfSchG eine gewisse Steuerung. Daneben wird der gegenseitige Informationsfluss zwischen Bundesamt und den Landesämtern dadurch nochmals intensiviert, dass nach § 6 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG nicht mehr nur alle erforderlichen, sondern vielmehr alle relevanten Informationen 302

W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 5 BVerfSchG, Rn. 15. 303 BT-Drs. 18/4654, S. 20. 304 BGBl. I 2016, 1818. 305 Zum Folgenden H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 46 ff. Rn. 106 ff. Demgegenüber wurde in Reformen der Verfassungsschutzämter im unmittelbaren Nachgang der Terroranschläge vom 9. 11. 2001 in den USA zwar explizit auf den „internationalen Terrorismus“ als „weltweite Bedrohung“ reagiert [BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 1], jedoch ohne eine Zentralisierung innerhalb des Verfassungsschutzverbundes zu bewirken. Durch die in dieser Reform dem Bundesamt neu zugewiesenen Befugnisse kann zwar von einer Stärkung des Bundesamtes an sich gesprochen werden, jedoch nicht im Verhältnis zu den Landesämtern, da es den Ländern unbenommen blieb, entsprechende Befugnisse auch ihren Landesämtern zuzuweisen. Selbiges lässt sich für das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz konstatieren.

Kap. 1: Aufgabenunität trotz förderaler Organisation

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zu übermitteln sind. Das Kriterium der Relevanz soll für den Informationsaustausch eine geringere Hürde darstellen.306 Dadurch, dass das Bundesamt nach § 5 Abs. 3 S. 1, 2 Nr. 3 BVerfSchG für die Vereinbarung von „Relevanzkriterien für Übermittlungen nach § 6 [Abs.] 1 [BVerfSchG]“ zuständig ist, zeigt sich erneut eine gewisse Zentralisierungstendenz. Entgegen der vorherrschenden Meinung wurde unlängst die bisher allgemein anerkannte307 eigene Ermittlungstätigkeit des BfV im Untersuchungsausschuss des Bundes zum Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz308 kritisiert.309 Der Gesetzgeber hat auf diese Kritik bisher allerdings noch nicht reagiert. Mit der Erwartung höherer Effektivität gerechtfertigt, sind in allen drei Bereichen der staatlichen Sicherheitsgewährleistung (Repression, polizeiliche Prävention, nachrichtendienstliche Prävention) gewisse Zentralisierungstendenzen auszumachen.310 Die föderale Staatsstruktur setzt der Machtzentralisierung allerdings Grenzen,311 zumal sich auch das Argument der Effektivitätssteigerung durch Zentralisierung Kritik ausgesetzt sieht.312 306

BR-Drs. 123/15, S. 27. K. F. Gärditz, Zustand der föderalen Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA BT 19. WP, S. 32; M. Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 46 f.; J. Hecker, in: Dietrich/ Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, III § 2 Rn. 16. Schon früh C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 145. 308 Am 19. 12. 2016 wurde ein Sattelschlepper auf einen Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin gelenkt. Es gab zwölf Todesopfer und mehrere Verletzte. Eine knappe Beschreibung des Sachverhalts durch das BMI ist unter https://www.bmi.bund.de/Shared Docs/kurzmeldungen/DE/2016/12/anschlag-weihnachtsmarkt-berlin.html abrufbar (abgerufen: 30. 11. 2020). 309 M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA BT 19. WP, S. 3, 11 ff.; M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 843 f. Sich anschließend B. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 5. Schon in der Weimarer Republik gab es Zentralstellen. Diesen standen keine eigenen Überwachungsbefugnisse zu, so C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 12. 310 Beispielsweise sei hier auf die stärkere faktische Belastung der Bundesanwaltschaft hingewiesen. Dies zeigt der Anstieg an neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren bei der Bundesanwaltschaft. Ende des Jahres 2018 werden es bis zu 1400 neu eingeleitete Verfahren sein, während 2015 die Zahl noch im unteren dreistelligen Bereich lag, so die Nachrichten der beckaktuell-Redaktion v. 29. 10. 2018, abrufbar unter https://tinyurl.com/yc7umv8d (abgerufen: 30. 11. 2020). Einbeziehung des BKA in die Gefahrenabwehr durch Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 lit. a GG und § 5 BKAG, dazu auch F. Rachor/F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 80; F. Roggan, NJW 2009, 257. Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten des BfV durch das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. 11. 2015, BGBl. I 2015, S. 1938 ff., vgl. BT-Drs. 18/ 4654, S. 18, 20 ff. 311 Siehe nur Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG, welcher den Bund in Sachen des Verfassungsschutzes auf die Regelung der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder beschränkt. Eine vollständige Bündelung der Aufgabe des Verfassungsschutzes beim Bund wäre de constitione lata verfassungswidrig, so M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 26; B. Droste, Handbuch 307

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

B. Der Verfassungsschutzverbund aus Bundesamt und Landesämtern für Verfassungsschutz Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass unabhängig von den eben genannten noch ungelösten Reibungen im föderalen System eine weit überwiegende Zahl der Aufgaben der Verfassungsschutzämter in Zusammenarbeit des Bundesamtes mit den Landesämtern ausgeführt wird.313 Wenig verwunderlich spiegelt sich diese Erkenntnis auch im BVerfSchG vielfach wieder. Semantisch hat sie bereits Eingang in den ausgeschriebenen Titel des „Gesetz[es] über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz“ gefunden. Die Pflicht zur Zusammenarbeit ist zudem an prominenter Stelle in § 1 Abs. 2, 3 BVerfSchG geregelt. Daher verwundert es nicht, dass der Gesetzgeber angesichts der weitgehenden Einheitlichkeit des Auftrags das System der Verfassungsschutzämter als „Verfassungsschutzverbund“ bezeichnet.314 Die Informationsflüsse innerhalb dieses Behördenverbundes laufen ungehinderter als zwischen den Verfassungsschutzämtern und sonstigen Institutionen.315 Aufgrund der engen Zusammenarbeit und der weitgehend deckungsgleichen Funktion können die Verfassungsschutzämter im Rahmen der Untersuchung weitgehend als einheitliche Institution behandelt werden. Eine getrennte Befassung ist für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung nicht nötig,316 da sich die Aufgabenbereiche im Verfassungsschutzverbund derart decken, dass eine umfassende Aufgabenkritik angezeigt ist. Die vorliegende Untersuchung geht daher auch der Rolle des gesamten Verbundes aus Bundesamt und Landesämtern als Präventionsinstitution nach. Im weiteren Verlauf sollen zunächst die bisher lediglich angerissenen Aufgaben detaillierter dargestellt und die Verfassungsschutzämter anhand ihrer Aufgaben in die deutsche Sicherheitsarchitektur eingeordnet werden.

des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 47; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 88. So wohl auch K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 114. 312 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 20 Fn. 19: „Dezentralisierung (richtig verstanden) ist also kein unauflöslicher Widerspruch zur Effektivität der Aufgabenerfüllung, sofern alle dezentralen Behörden über ein hinreichendes Maß an Effektivität bei der Aufgabenerfüllung verfügen.“ 313 Konkurrierende Zuständigkeiten für das Sammeln und Auswerten feststellend J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1121. 314 BT-Drs. 18/4654, S. 19. Ebenso m. w. N. J.-H. Dietrich, in: ders./Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 471, 479 Rn. 19. Ferner zu diesem Verbund K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 88 ff. 315 Vgl. § 6 und § 17 ff. BVerfSchG. 316 So bereits generell zur getrennten Betrachtung von Bundes- und Landesämtern für Verfassungsschutz C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 213.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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Kapitel 2

Entwicklung und Einordnung der Aufgaben des Verfassungsschutzverbundes Das folgende Kapitel ist der detaillierteren Beschreibung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter, insbesondere im Hinblick auf deren Wandel von ausschließlicher Politikbeobachtung zu allgemeiner Frühwarntätigkeit, gewidmet. In Kapitel Drei werden die Ämter sodann anhand ihrer Aufgaben in der dargestellten Verfassungsschutzarchitektur positioniert und dabei zutage tretende, im weiteren Verlauf der Untersuchung vertiefter zu behandelnde, Herausforderungen vorgestellt. § 3 BVerfSchG enthält in einem Mindestkatalog die Aufgaben der Verfassungsschutzämter.317 Daneben bestimmen §§ 5, 6 BVerfSchG die besonderen Aufgaben des Bundesamtes und die Verbundaufgaben aller Verfassungsschutzämter zur gegenseitigen Unterrichtung.318 Der Mindestkatalog des § 3 BVerfSchG unterscheidet zwischen eigenständigen Aufgaben der Ämter nach Abs. 1 und Mitwirkungsaufgaben nach Abs. 2. Darüber hinaus beinhaltet Abs. 3 den lediglich deklaratorischen Hinweis, dass die „Verfassungsschutzbehörden […] an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden [sind] (Artikel 20 des Grundgesetzes)“.319 Die Gesetze über die jeweiligen Verfassungsschutzämter der Länder verweisen bezüglich ihrer Aufgabenstellung entweder direkt auf die Norm des BVerfSchG320 oder gestalten sie weitgehend parallel aus321. Einzelne Bundesländer gehen über die Aufgabenzuweisung in § 3 BVerfSchG hinaus322 und weisen die Beobachtung der organisierten Kriminalität323 oder von fortwirkenden Strukturen der Aufklärungsund Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik324 den jeweiligen Landesämtern zu. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 GG und die Verbindlichkeit der Aufgabenbestimmung des § 3 BVerfSchG verhindern diese Erweiterung des Aufgabenkatalogs durch den Lan-

317

Dazu bereits unter 2. Teil Kap. 1 A. II. (S. 83 f.). BT-Drs. 18/4654, S. 20. 319 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 154. 320 Art. 3 S. 1 BayVSG; § 4 Abs. 2 HmbVerfSchG; § 2 Abs. 3 VSG HE. 321 § 3 Abs. 2, 3, 4 LVSG BW; § 5 Abs. 2, 3 VSG Bln; §§ 1 Abs. 2, 3 BbgVerfSchG; § 3 BremVerfSchG; § 4 Abs. 1 HmbVerfSchG; § 2 Abs. 1, 2, 4 VSG HE; § 5 VerfSchG M-V; § 3 NVerfSchG; § 3 Abs. 1 – 4 VSG NRW; §§ 5, 6, 7 LVerfSchG R-P; §§ 3, 4 SVerfSchG; § 2 SächsVSG; § 4 VerfSchG-LSA; §§ 1, 5 LVerfSchG S-H; §§ 4, 5 ThürVerfSchG. 322 Dazu bereits unter 2. Teil Kap. 1 A. II. 2. (S. 85 ff.). 323 Art. 3 S. 2 BayVSG; § 2 Abs. 2 Nr. 5 VSG HE; § 3 Abs. 1 Nr. 4 SVerfSchG. 324 § 2 Abs. 1 Nr. 4 SächsVSG; § 4 Abs. 1 Nr. 5 ThürVerfSchG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 VerfSchGLSA. 318

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

desgesetzgeber nicht, jedenfalls soweit hierdurch die Ausführung der Mindestaufgabenstellung nicht beeinträchtigt wird.325 Die Aufgaben des Verfassungsschutzverbundes lassen sich unter Einbeziehung ihrer Genese zunächst hinsichtlich des Mitwirkungsanteils der Verfassungsschutzämter in eigenständige Aufgaben (A.) und Mitwirkungsaufgaben (B.) systematisieren. Unter inhaltlichen Gesichtspunkten ist eine Zweiteilung in Spionageabwehr und Wirtschaftsschutz auf der einen sowie Extremismusbeobachtung auf der anderen Seite festzustellen (C.). Der Inlandsbezug aller Aufgaben der Verfassungsschutzämter verbindet wiederum diese aufgegliederten Einzelaufträge (D.) Ferner werden die Aufgaben der Verfassungsschutzämter im Rahmen einer zeitlichen Einordnung dem Gefahrenvorfeld zugewiesen (E.). Diese umfassende Vergegenwärtigung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter (F.) ist für den Fortgang der Untersuchung grundlegend. Durch dieses vollständige Bild des Tätigkeitsrahmens kann der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum grundgesetzlichen Verfassungsschutz bemessen werden und ihre Tätigkeit zu den anderen Institutionen in der Verfassungsschutzarchitektur in Beziehung gesetzt werden.

A. Die eigenständigen Aufgaben: Beobachtungsaufträge Die in § 3 Abs. 1 BVerfSchG geregelten eigenständigen Aufgaben der Ämter umfassen sämtliche Beobachtungsaufträge sowie den beobachtenden Teil der Spionageabwehr. Als zentrale Aufgabennorm trifft § 3 Abs. 1 BVerfSchG ausdrückliche Aussagen hinsichtlich der von den Verfassungsschutzämtern erwarteten Tätigkeit (I.) sowie den Gegenständen der nachrichtendienstlichen Beobachtung (II.). Den Zweck der Informationstätigkeit offenbart die Norm allerdings nicht. Dieser ergibt sich aus einer Zusammenschau der einfachgesetzlichen und der verfassungsrechtlichen Grundlagen (III.). Die eigenständigen Aufgaben der Verfassungsschutzämter wurden, insbesondere durch neue Beobachtungsobjekte, merklich erweitert. Dies hat wiederum die Stellung der Ämter innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur verändert und sie näher an die Aufgabenbereiche der Polizei und des BND geführt.

I. Tätigkeit: Sammlung und Auswertung von Informationen Die Tätigkeitsbeschreibung des § 3 Abs. 1 BVerfSchG erschöpft sich in der „Sammlung und Auswertung von Informationen“.326 Für die Sammlung und Aus325

BT-Drs. 11/4306, S. 60. Dazu auch ausführlicher, G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 1 ff. 326

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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wertung verwendet die Literatur den verklammernden Oberbegriff der Beobachtung.327 Die Verfassungsschutzämter haben die in § 3 Abs. 1 BVerfSchG genannten Personenzusammenschlüsse aufzuklären, um zu ermitteln, ob verfassungsschutzrelevante Bestrebungen vorliegen.328 Diese Beobachtungstätigkeit der Ämter lässt sich anhand ihrer Tatbestandsmerkmale als Informationstätigkeit charakterisieren (1.), die durch den Ausschluss polizeilicher Mittel begrenzt wird (2.). 1. Tatbestandsmerkmale der Beobachtungstätigkeit Das Sammeln von Informationen wird als das bewusste Festhalten und Speichern selbst erworbener oder passiv erhaltener Daten definiert.329 Unerheblich ist dabei die Form, in der die Daten die Behörde erreichen und von dieser verarbeitet werden; ob mündlich, schriftlich oder digital.330 Maßgeblich ist, dass die Behörde bewusstwillentlich, zielgerichtet die Verfügungsgewalt über die Information, in der Regel durch Speicherung, übernimmt.331 Notwendig ist damit das subjektive Element des Erhebungswillens.332 Zufallsfunde oder der Behörde unfreiwillig zugetragene Auskünfte werden dementsprechend erst mit der bewussten Übernahme durch das Amt „gesammelt“ i. S. d. § 3 Abs. 1 BVerfSchG. Das bloße Registrieren dieser In-

327 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 44; W. Roth, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 87. Zur Verwendung des Begriffs in Praxis und Gesetzessprache J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 820. 328 BVerwGE 137, 275 Rn. 31: „Die Beobachtung dient gerade der Aufklärung, ob Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gegeben sind“. 329 M. w. N. W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 88 f.; J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 820. 330 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 1; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 93; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 11; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 88; H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 8. 331 K. Brandt, Ermittlungsverfahren, 2015, S. 41; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 282; M. Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 66. 332 U. Dammann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 3, Rn. 102, 104. Nach § 27 Nr. 2 BVerfSchG finden für die Aufgabenerfüllung der Ämter die Legaldefinitionen des § 46 BDSG [Bundesdatenschutzgesetz vom 30. 6. 2017 (BGBl. I, S. 2097), das durch Art. 12 des Gesetzes vom 20. 11. 2019 (BGBl. I, S. 1626) geändert worden ist] entsprechende Anwendung. Dies dient laut Gesetzgeber dazu, eine „einheitliche Datenschutzterminologie“ zu etablieren (BTDrs. 18/11325, S. 123). Im Datenschutzrecht wird die „Verarbeitung“ von Daten in § 46 Nr. 2 BDSG legaldefiniert und umfasst auch „das Erheben, das Erfassen [oder] die Speicherung“ von personenbezogenen Daten (H. H. Schild, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 35. Ed. Stand: 1. 2. 2021, BDSG § 46 Rn. 5 ff.); mithin unterfällt die Sammlungstätigkeit der Ämter dem Datenverarbeitungsbegriff i. S. d. § 46 BDSG.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

formationen stellt noch keine Informationserhebung im nachrichtendienstlichen Sinne dar.333 Eigeninitiative Informationsbeschaffung durch die Verfassungsschutzämter speist sich entweder aus frei verfügbaren oder vor der Öffentlichkeit verborgenen Quellen. Aus dem Umkreis der Ämter wird immer wieder eine deutlich überwiegende Nutzung offener Quellen behauptet.334 Allerdings wird die Informationserhebung auch aus offen zugänglichen Quellen, wie Parteiveröffentlichungen, Zeitungen und Internetforen den Betroffenen in der Regel nicht mitgeteilt. Sie findet damit trotz Öffentlichkeit der Information verdeckt statt.335 Verdeckte Informationsbeschaffungen336 können sehr unterschiedliche Eingriffsintensitäten aufweisen. Wenn verdeckte Überwachungsmaßnahmen „gebündelt durchgeführt werden und dabei unter Nutzung moderner Technik darauf zielen, möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich wie akustisch festzuhalten, können sie tief in die Privatsphäre eindringen und ein besonders schweres Eingriffsgewicht erlangen.“337 Ein vergleichsweise geringes Eingriffsgewicht weist die bloße Informationserhebung aus offen zugänglichen Quellen an sich auf.338 Die besondere Grundrechtssensibilität liegt hierbei in der systematischen Speicherung und Verknüpfung der Daten und somit im Arbeitsschritt der Auswertung.

333

C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 38; zur Rechtswidrigkeit auf Zufallsfunde angelegter Aufklärungsaufträge, BVerfG, NJW 2011, 2417, 2420. 334 BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, S. 17; H.-H. Preußinger, in: Robbers/Raab (Hrsg.), Rechtspolitisches Forum 69, 2014, S. 7, 9: „maximal ein Drittel entfällt auf die geheime Beschaffung“; ferner M. Rehbein, Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, 2011, S. 37; J. Singer, PKGrG, 2016, Art. 45d GG, Rn. 49. 335 J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 827: „angesichts der grundsätzlich verdeckten Arbeitsweise des Verfassungsschutzes [erlangen Betroffene von der Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter] bis zu einer eventuellen Berichterstattung in der Regel [keine Kenntnis]“. Siehe auch BVerfGE 125, 260, 332: „Eine besondere Belastungswirkung solcher [Informationserhebungs-]Eingriffe gegenüber den Bürgern liegt im Übrigen darin, dass nicht nur der jeweilige Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis als solcher in der Regel verdeckt geschieht, sondern praktisch die gesamten Aktivitäten der Nachrichtendienste geheim erfolgen“; kritisch demgegenüber J. Unterreitmeier, NWVBl. 2018, 227, 229. 336 Deren Hauptanteil wohl durch V-Leute etwa nach § 9b BVerfSchG erfolgt, so zumindest für den Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz der ehemalige Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur Rheinland-Pfalz H.-H. Preußinger, in: Robbers/Raab (Hrsg.), Rechtspolitisches Forum 69, 2014, S. 7, 9. 337 BVerfGE 141, 220, 287 Rn. 151. 338 Die Qualität eines Grundrechtseingriffs sei durch das Sammeln von Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen als solchem nicht erreicht, so K. F. Gärditz, AfD – „Prüffall“ ohne Rechtsgrundlage?, VerfBlog, 2019/2/28, https://verfassungsblog.de/afd-prueffall-ohnerechtsgrundlage/ (abgerufen: 30. 11. 2020); ders., Die Alternative für Deutschland und der Verfassungsschutz, VerfBlog, 2019/1/17, https://verfassungsblog.de/die-alternative-fuerdeutschland-und-der-verfassungsschutz/ (abgerufen: 30. 11. 2020).

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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Im Rahmen der Auswertung sind zunächst die gesammelten Informationen auf ihre Relevanz hin zu sichten.339 Fällt das Urteil positiv aus, wird der Wert des betreffenden Materials vor der Weiterverarbeitung einer qualitätssichernden Überprüfung unterzogen.340 Im Anschluss daran wird die valide Auskunft in die bereits gesammelten Informationen eingeordnet, mit diesen in Beziehung gesetzt und den jeweilig passenden Sach- und Personenakten beigefügt. Aus den so verknüpften Informationen fertigen die Verfassungsschutzämter Lageberichte sowie Gefährdungsanalysen oder erkennen weiteren Aufklärungsbedarf.341 Die Sammlungs- und Verwertungstätigkeit der Verfassungsschutzämter bezieht sich auf Informationen. Das BVerfSchG verwendet den Informationsbegriff als Oberbegriff für sowohl sach- als auch personenbezogene342 Vorgänge, unabhängig davon, auf welchem Datenträger sie verfestigt sind.343 Die Differenzierung in „Auskünfte“, „Nachrichten“ und „Unterlagen“ nach § 5 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG verdeutlicht die Irrelevanz des Mediums und hat im Übrigen keine weitere Bedeutung. Sie beschreiben lediglich Auskunftsformen.344 Die Offenheit des nachrichtendienstlichen Informationsbegriffs wird ferner dadurch verdeutlicht, dass selbst die Auflistung der Auskunftsformen nicht abschließend, mithin entwicklungsoffen ist. Die Beobachtung wird nach § 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG erst möglich, sobald tatsächliche Anhaltspunkte für eine beobachtungswürdige Bestrebung vorliegen.345 Bloße Vermutungen genügen dabei nicht, vielmehr müssen „konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht [des Bestehens einer beobachtungswürdigen Bestrebung] vorliegen“346.347 339

BVerwGE 69, 53, 59. Bundesamt für Verfassungsschutz, Im Visier des Verfassungsschutzes – Der gläserne Bürger?, 2013, S. 16. 341 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 89 f.; H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 9; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 145; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 91. Auch den Arbeitsschutz der Auswertung fasst der Gesetzgeber vollumfänglich unter den Verarbeitungsbegriff des § 46 Nr. 2 BDSG (BT-Drs. 18/11325, S. 123). 342 BT-Drs. 10/4737, S. 51; 11/4306, S. 60. 343 BT-Drs. 11/4306, S. 60. 344 So auch G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 2; ebenso bezüglich „Unterlagen“ W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 92: „Zu den Unterlagen zählen z. B. Druckwerke, Flugblätter, Fotographien“; BT-Drs. 11/4306, S. 60; A. A. bezüglich „Nachrichten“ W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 92: „Nachricht ist die Mitteilung eines gedanklichen Inhalts“; H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 7 Fn. 4. 345 BVerwGE 137, 275, 284 Rn. 28. Eingehend dazu D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 37 ff. Zur Frage, ob und welche „Kontakte zu Extremisten“ tatsächliche Anhaltspunkte i. S. d. §§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG sind, a. a. O., S. 150 ff. 346 BVerwGE 137, 275, 284 Rn. 30. Ähnlich zur Auslegung „tatsächlicher Anhaltspunkte“ als Tatbestandsmerkmal für eine Beobachtung durch den BND, BVerfGE 100, 313, 395. 340

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Ein Verdacht kann ferner auch dann angenommen werden, wenn für sich betrachtet noch nicht ausreichende Anhaltspunkte erst in Kumulation den betreffenden Verdacht begründen.348 So soll es genügen, wenn „aussagekräftiges Tatsachenmaterial lediglich einen Teilbereich der Zielsetzungen, Verlautbarungen und Aktivitäten des Personenzusammenschlusses widerspiegel[n]. Deren Aussagekraft wird nicht allein dadurch in Frage gestellt, dass daneben eine Vielzahl von Äußerungen existiert, denen sich keine Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung entnehmen lassen“349. Ein Verdacht auf eine verfassungsfeindliche Bestrebung entsteht nicht ohne Vorermittlungen.350 Zu diesen Vorermittlungen – der Arbeit an einem solchen sogenannten „Prüffall“ – stehen den Verfassungsschutzämter aus Gründen der Verhältnismäßigkeit lediglich Ermittlungsbefugnisse mit geringem Eingriffsgewicht zur Verfügung, da sich das Beobachtungsverfahren in seinem frühsten Stadium befindet und noch keine gesicherten Erkenntnisse über die Verfassungsschutzrelevanz des Beobachtungsobjekts vorliegen. In dieser frühen Phase dürfen daher lediglich Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen erhoben werden.351 Die grundrechtsbeschränkenden Befugnisse der Ämter sind stets an die Erfüllung ihrer in § 3 BVerfSchG geregelten Aufgaben gebunden. 2. Beschränkung: Beobachtung ohne „polizeiliche Befugnisse“ In ihrer Tätigkeit sind die Verfassungsschutzämter auf die Informationssammlung beschränkt, da ihnen sogenannte „polizeiliche Mittel“ gesetzlich vorenthalten

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Zur Definition von „tatsächlichen Anhaltspunkten“ schon, allerdings im Rahmen des § 3 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 G 10, BVerfGE 100, 313, 395. Diese Definition des Bundesverfassungsgerichts greift das Bundesverwaltungsgericht zur Definition von „tatsächlich Anhaltspunkten“ im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG auf, BVerwGE 137, 275, 284 Rn. 30. 348 BVerwGE 87, 23, 28; 137, 275, 284 Rn. 30; ebenso wenig ist für die Beobachtung einer Partei nötig, dass diese in ihrer Gesamtheit gegen Schutzgüter des BVerfSchG gerichtet ist. Verfassungsfeindliche Bestrebungen nur einzelner Gruppierungen innerhalb einer Partei sind ausreichend. Die Beobachtung der Partei in ihrer Gesamtheit bleibt jedoch besonders rechtfertigungsbedürftig, vgl. E 137, 275, 292 Rn. 45. Zu „hinreichende[m] Gewicht und hinreichende[r] Zahl“ an tatsächlichen Anhaltspunkten, D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 57 ff. 349 BVerwGE 137, 275, 295 Rn. 49. 350 D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 63 f. 351 So auch und instruktiv zum „Prüffall“ K. F. Gärditz, Die Alternative für Deutschland und der Verfassungsschutz, VerfBlog, 2019/1/17, https://verfassungsblog.de/die-alternative-fuerdeutschland-und-der-verfassungsschutz/ (abgerufen: 30. 11. 2020). Differenzierter J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 824. Vgl. ferner die ausdrücklichen Normierungen der Vorprüfphase in § 4 Abs. 1 S. 5 ThürVerfSchG, § 4 Abs. 2 VSG HE und § 7 Abs. 2 VSG Bln. Ohne Regelung der einsetzbaren Befugnisse ist die Verdachtsgewinnung in § 8 NVerfSchG normiert.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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sind.352 Eine unmittelbare Veränderung eines Kausalverlaufs ist ihnen mithin nicht möglich.353 Gleichwohl können zum einen auch mit der reinen Informationstätigkeit der Ämter durchaus, teils schwerwiegende Grundrechtseingriffe verbunden sein.354 Zum anderen steht durch den Ausschluss von Zwangsbefugnissen355 und der Anwendung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes356 die Möglichkeit der Durchsetzung der nach § 8b Abs. 6 BVerfSchG verpflichtenden, besonderen Auskunftsverlangen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (§ 8a Abs. 1 BVerfSchG) in Frage.357 Auf eine Möglichkeit zur Behandlung dieser Anwendungsprobleme, die mit der Berechtigung der Verfassungsschutzämter zu grundrechtsbeschränkenden Eingriffen auf der einen Seite und dem kategorischen Ausschluss von Zwangsbefugnissen auf der anderen Seite einhergehen, wird an späterer Stelle eingegangen.358 Die Tätigkeiten von Polizei und Verfassungsschutzämtern im Rahmen des Verfassungsschutzes können durch den Ausschluss der Verfassungsschutzämter von kausalverlaufsverändernden Befugnissen voneinander unterschieden werden.359 Allerdings gibt es – von der anderen, der polizeilichen Seite betrachtet – de lege lata keine spezifische Ermittlungsbefugnis der Verfassungsschutzämter, die der Polizei nicht grundsätzlich auch zur Verfügung stünde.360 Dementsprechend vollzieht sich die Unterscheidung von Polizei und Verfassungsschutzämtern auch nicht mehr in den 352

§ 8 Abs. 3 HS. 1 BVerfSchG; § 5 Abs. 3 HS. 1 VSG BW; § 8 Abs. 7 VSG Bln; § 6 Abs. 4 S. 1 BbgVerfSchG; § 6 Abs. 4 HS. 1 BremVerfSchG; § 2 Abs. 2 S. 2 HS. 1 HmbVerfSchG; § 5 S. 3 VSG HE; § 8 HS. 1 LVerfSchG M-V; § 5 S. 1 NVerfSchG; § 5 Abs. 9 S. 2 VSG NRW; § 8 Abs. 3 HS. 1 LVerfSchG R-P; § 2 Abs. 2 S. 1 SVerfSchG; § 4 Abs. 3 S. 1 SächsVSG; § 7 Abs. 5 HS. 5 VerfSchG-LSA; § 9 HS. 1 LVerfSchG S-H; § 7 Abs. 2 S. 1 ThürVerfSchG. Lediglich implizit Art. 5 Abs. 2 BayVSG. 353 T. Schwabenbauer, Grundrechtseingriffe, 2013, S. 17. 354 Eingehend zum Eingriffscharakter heimlicher Informationsgewinnung T. Schwabenbauer, Grundrechtseingriffe, 2013, S. 128 ff. 355 O. Mallmann, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8a BVerfSchG, Rn. 2 f. 356 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 39. 357 Ohne Frage durchsetzbar sind Auskunftsverlangen nach § 8a Abs. 2 BVerfSchG, da diese nach § 8b Abs. 1 S. 1, 2 BVerfSchG lediglich vom BfV beantragt, jedoch vom Bundesministerium des Inneren angeordnet werden, so auch K. F. Gärditz, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, VI § 1 Rn. 15 ff. Zum Streit über die Durchsetzbarkeit von besonderen Auskunftsverlangen nach dem BVerfSchG eingehend und mehrere Durchsetzungsalternativen aufzeigend, a. a. O., Rn. 14 ff. 358 5. Teil Kap. 5 A. (S. 376 ff.). 359 J. Unterreitmeier, NWVBl. 2018, 227, 228. 360 So schon C. Gusy, KritV 1994, 242, 249. Mittlerweile geht die Polizei in einigen Bereichen sogar über die verdeckten Ermittlungsmethoden der Verfassungsschutzämter hinaus. So wurden nach eingehender Debatte zur Neufassung des VSG Hessen die Quellen-TKÜ und der Einsatz staatlicher Spionage-Software eben nicht dem Landesamt für Verfassungsschutz, sondern der Polizei zugewiesen [LT Hessen Plenarprotokolle 19/141, S. 10187 ff. und 19/143, S. 10384 ff.], heise online, Nach stürmischer Debatte: Hessens Verfassungsschutzgesetz verabschiedet, 22. 6. 2018, http://www.heise.de/-4089744 (abgerufen: 30. 11. 2020).

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Arbeitsweisen, sondern lediglich noch in den „unterschiedlichen Aufgabenzuschreibung[en]“.361 Die Beobachtungstätigkeit der Verfassungsschutzämter stellt damit eine ausschließlich auf die Verarbeitung von Daten bezogene Informationstätigkeit dar. Ihr Beitrag zum Verfassungsschutz muss dementsprechend begrenzt sein. Zur Positionierung der Verfassungsschutzämter in der Verfassungsschutzarchitektur ist, angesichts des geringen Unterscheidungswerts der Befugnisse, allerdings ihr Aufgabenzuschnitt entscheidend.

II. Beobachtungsgegenstände: chronologisch nach ausdrücklicher Aufnahme in den Text des BVerfSchG Die Beobachtungsaufgabe der Verfassungsschutzämter lässt sich ganz wesentlich an den gesetzlich vorgegebenen Beobachtungsgegenständen bemessen. Die beschriebene Beobachtungstätigkeit der Verfassungsschutzämter bezieht sich auf die in § 3 Abs. 1 BVerfSchG genannten Bestrebungen und Tätigkeiten. In diesen Beobachtungsobjekten liegt der wesentliche Unterscheidungsgehalt der Aufklärungstätigkeit der Verfassungsschutzämter, da lediglich ihnen die Beobachtung politischer, noch legaler Tätigkeiten übertragen wurde. Das erste Gesetz über die Verfassungsschutzämter aus dem Jahr 1950362 umfasste lediglich sechs Paragraphen und bestach auch in der Beschreibung der Aufgaben in § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950 durch Übersichtlichkeit. Einziger Beobachtungsgegenstand waren „Bestrebungen, die eine Aufhebung, Änderung oder Störung der verfassungsmäßigen Ordnung im Bund oder in einem Land oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben“. Schon in dieser ersten positivierten Aufgabenbeschreibung zeigt sich das gesetzgeberische Mittel, die Beobachtungsgegenstände von den gefährdeten Schutzgütern ausgehend zu definieren. Diese Vorgehensweise wurde mit Ausnahme des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG, welcher „sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten […] für eine fremde Macht“ der Beobachtung der Verfassungsschutzämter überantwortet, beibehalten.

361 V. Mehde, JZ 2005, 815, 817; M. Albers, in Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 35. Ed. Stand: 1. 5. 2020, Grundlagen und bereichsspezifischer Datenschutz Syst. L, Rn. 6; H. P. Bull, in: FS Götz, 2005, S. 341, 342; R. Riegel, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutzrecht, 2003, 8.4 Rn. 56; ferner E. Denninger, KritV 1994, 232 ff., auch in kritischer Auseinandersetzung mit R. Rupprecht, Kriminalistik 1993, 131 ff. Auf Überlappungen hinweisend K. Nehm, NJW 2004, 3289, 3292; P. Badura, in: BfV (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, 1990, S. 27, 33 f.; 362 Bundesverfassungsschutzgesetz vom 27. 9. 1950, BGBl. I 1950, S. 682.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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Die ursprüngliche Fassung des BVerfSchG hat mehrere Änderungen und eine Novellierung363 erfahren, welche auch die Aufgabenbeschreibung der Verfassungsschutzämter erfasst haben. Die Aufgaben wurden beständig und teils umfassend erweitert. Insbesondere um diese Entwicklung aufzuzeigen, werden, nach einer einleitenden Auseinandersetzung mit dem den meisten Beobachtungsaufträgen zugrundeliegenden Begriff der Bestrebung (1.), die Beobachtungsgegenstände der Verfassungsschutzämter chronologisch nach ihrer ausdrücklichen Aufnahme in das BVerfSchG dargestellt (2.–5). Danach wird in gebotener Kürze auf die bereits erwähnten länderspezifischen Sonderaufträge eingegangen (6.) und abschließend die Entwicklung der eigenständigen Aufgaben der Verfassungsschutzämter zusammengefasst (7.). 1. Beobachtungsobjekt „Bestrebungen“ und die Möglichkeit der Beobachtung von Einzelpersonen Mit Ausnahme der Beobachtung sicherheitsgefährdender und geheimdienstlicher Tätigkeiten in § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG beziehen sich alle Beobachtungsaufträge des Mindestaufgabenkataloges der Verfassungsschutzämter in § 3 Abs. 1 BVerfSchG auf „Bestrebungen“.364 Der Begriff der „Bestrebung“ wird in § 4 Abs. 1 BVerfSchG legaldefiniert als „politisch bestimmt[e], ziel- und zweckgerichtet[e] Verhaltensweis[e] in einem oder für einen Personenzusammenschluß“. In § 4 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG wird ferner ausgeführt, dass für „einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt“. Die „Bestrebung“ ist demnach im Grundfall eine kollektive Handlung, welche sich notwendigerweise aus Teilnahmebeiträgen einzelner Personen speist.365 Verhaltensweisen einzelner, unabhängiger Personen sind lediglich im Ausnahmefall des § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG Beobachtungsgegenstand der Verfassungsschutzämter, sofern sie gewalttätig oder in ihrer Wirkweise geeignet sind, Schutzgüter des BVerfSchG erheblich zu beschädigen. Der Fokus der Aufklärung der Verfassungsschutzämter liegt daher auf kollektiven Handlungsweisen und Strukturen.366 Sie müssen sich vor363

Zur Novellierung Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20. 12. 1990, BGBl. I 1990, S. 2954, 2970. Bei der Novellierung war allerdings im Vergleich zu dem davor gültigen BVerfSchG auf dem Stand von 1972 (BGBl. I 1972, S. 1382) keine Aufgabenneuordnung vorgesehen, H. Bäumler, NVwZ 1991, 643, 644; H. Busch, CILIP 1/1991, 75, 78 f.; G.-D. Schoen, in: BfV (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, 1990, S. 125, 133 f.; K. Brandt, Ermittlungsverfahren, 2015, S. 33. Übersicht zur Gesetzgebungsgeschichte etwa bei T. Kornblum, Rechtsschutz gegen geheimdienstliche Aktivitäten, 2011, S. 43 ff. 364 Die spezifischen Landesämteraufgaben beziehen sich auf Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität (Art. 3 S. 2 BayVSG; § 2 Abs. 2 Nr. 5 VSG HE; § 3 Abs. 1 Nr. 4 SVerfSchG) und fortwirkende Strukturen und Tätigkeiten der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen DDR (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 SächsVSG; § 4 Abs. 1 Nr. 5 ThürVerfSchG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 VerfSchG-LSA). 365 D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 149. 366 D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 29.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

dringlich mit „der Programmatik, der zahlenmäßigen Erfassung der Mitgliederschaft, der Darstellung der Organisationsformen und der Aktivität der verschiedenen Gruppen“ beschäftigen.367 Die Aussage, „Zielobjekte des Verfassungsschutzes haben Organisationen zu sein und nicht einzelne Personen“368, ist in ihrer generalisierenden Absolutheit gleichwohl abzulehnen,369 da Organisationen gerade durch Handlungen einzelner Personen geformt werden370. Nichtsdestoweniger gilt es anzuerkennen, dass sich die von den Verfassungsschutzämtern erwarteten Erkenntnisse grundsätzlich auf Personenzusammenschlüsse beziehen.371 In dieser Strukturbezogenheit der Aufklärung liegt eine der Eigenheiten der Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter. Weder Gefahrenabwehr- noch Strafverfolgungsbehörden ermitteln derart losgelöst vom Einzelfall bzw. der Einzelperson wie die Verfassungsschutzämter. Umstritten ist dabei der Umgang mit Erkenntnissen über einzelne Personen. Einerseits werden die personenbezogenen Daten lediglich als Mittel zum Zweck des Erkenntnisgewinns über das Kollektiv gesehen und mithin der Rückgriff auf personenbezogene Daten lediglich im behördeninternen Zwischenstadium der Sammlung und Speicherung erlaubt. Auswertung und Übermittlung sollen demgegenüber lediglich auf generelle Aussagen bezogen sein.372 Andererseits wird neben der Sammlung auch die Auswertung und Übermittlung personenbezogener Daten als vom einfachen Gesetz gedeckt angesehen. Denn Beobachtung von Bestrebungen und der Verfassungsschutz im Allgemeinen hätten immer zielgerichtetes, menschliches, mithin personenbezogenes Handeln zum Gegenstand. Die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter diene ganz überwiegend dazu, weitere grundgesetzliche Instrumente des Verfassungsschutzes, wie das Vereins- (Art. 9 Abs. 2 GG), das Parteiverbot (Art. 21 Abs. 2 GG), die Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG) oder das Gebot der Verfassungstreue für die Beamtenschaft (Art. 33 Abs. 4 GG), vorzube-

367 H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 51; H. P. Bull, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 133, 142. 368 ArbG Hamburg, Urt. v. 11. 10. 1976. 369 H. H. Klein, VVDStRL 37 (1979), 53, 87 Fn. 152; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./ Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 53. 370 D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 29 f., 149. 371 K. F. Gärditz, EuGRZ 2018, 6, 17: „Die nachrichtendienstliche Aufklärung von Strukturen […] ist per se überindividuell“. E. Denninger, APuZ B 10 – 11/2002, 22, 26, kritisch gegenüber einer Abgrenzung der Verfassungsschutzämter zur Polizei anhand der „strukturbezogenen“ Aufklärung der Verfassungsschutzämter. 372 So noch nach mittlerweile überholter datenschutzrechtlicher Dreiteilung, S. Simitis/ R. Wellbrock, NJW 1984, 1591, 1593 f. Zur Abkehr von der Dreiteilung Erhebung, Verarbeitung und Nutzung siehe nur, H. H. Schild, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 35. Ed. Stand: 1. 2. 2021, DSGVO Art. 4, Rn. 32. Dennoch kann nach heutigem Verständnis durchaus zumindest die Übermittlung personenbezogener hinterfragt werden. Insbesondere hat der Gesetzgeber für diese Fälle etwa in § 19 BVerfSchG besondere Rechtsgrundlagen geschaffen.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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reiten. Eine adäquate Vorbereitung entsprechender Verfahren setze auch personenbezogene Erkenntnisse voraus.373 In einer vermittelnden Position könnte die Notwendigkeit bestimmter personenbezogener Erkenntnisse akzeptiert werden und zugleich über eine Begrenzung der Auswertung und Übermittlung personenbezogener Daten nachgedacht werden. Unbestritten ist nämlich, dass das Hauptaugenmerk der Beobachtung und Auswertung der Ämter auf Informationen über Kollektive zu legen ist. Ebenjener Fokus auf Strukturen kann auch gewahrt werden, wenn personenbezogene Daten nur von führenden Persönlichkeiten verwertet werden und die von für die Struktur unbedeutenden Gruppenmitglieder, sobald als solche erkannt, gelöscht oder anonymisiert werden.374 Damit wäre auch das Argument, personenbezogene Erkenntnisse würden für Grundrechtsverwirkungsverfahren nach Art. 18 GG benötigt, was personenbezogene Beobachtung ganz grundsätzlich rechtfertige,375 insoweit entkräftet, als derartige Verfahren ausschließlich gegen Führungskader erfolgversprechend eingeleitet werden können. In diesem Sinne kann auch die Ausgestaltung des § 16 Abs. 3 BVerfSchG interpretiert werden, welche die Bekanntgabe, und damit die Übermittlung, personenbezogener Daten nur zum Zweck des besseren Verständnisses einer Organisation zulässt. Einer solchen Beschränkung, insbesondere der Übermittlung, auf prägende Persönlichkeiten steht auch nicht entgegen, dass es für die Beobachtung einer Verhaltensweise nicht darauf ankommen soll, dass sie einen „nachweisbaren oder messbaren Nutzen“ für die Ziele der Bestrebung hat.376 Der Begriff der Bestrebung in § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 BVerfSchG kennt keine dem § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG vergleichbare Einschränkung („für eine fremde Macht“) auf staatliche oder staatlich unterstützte Tätigkeiten. Daher können auch rein private Gruppierungen Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzämter sein. 2. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sowie der Amtsführung der Verfassungsschutzorgane des Bundes oder eines Landes (Nr. 1) Im Beobachtungsgegenstand der „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines 373

H. Roewer, NJW 1985, 773, 776. Vgl. für ein größeres Gewicht der Aussagen von führenden Parteifunktionären im Vergleich zu einfachen Mitgliedern, D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 59. 375 So aber H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 56. 376 Zur Irrelevanz eines nachweisbaren oder messbaren Nutzens, VG Mannheim, NVwZRR 2011, 298, 298; allgemein zum Begriff der Unterstützung terroristischer Machenschaften, BVerwGE 123, 114, 125 ff.; 147, 261, 266 Rn. 15; BGHSt 20, 89, 89 f.; BGH NJW 2005, 2164, 2165. 374

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Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG) kumulieren vier Typen beobachtungswürdiger Objekte zu einem sehr weit gefassten Aufklärungsauftrag. Der Inhalt dieser Einzelaufträge und ihre Aufnahme in das BVerfSchG wird im Folgenden beschrieben (a–d). In dieser gesammelten Aufgabe lebt der ursprüngliche Beobachtungsauftrag des § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950, teils sogar wortgleich,377 fort.378 Rein semantisch wurde das BVerfSchG 1972 an die im selben Jahr ins Grundgesetz aufgenommene Definition von Verfassungsschutz379 angepasst,380 was zumindest mit einer inhaltlichen Erweiterung um das Schutzgut der „Sicherheit des Bundes oder eines Landes“ verknüpft war.381 Die Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, 2, 3 BVerfSchG richten sich daher gegen die Schutzgüter des grundgesetzlichen Verfassungsschutzes.382 Diese Bestrebungen werden in § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BVerfSchG legaldefiniert. Nach der Erweiterung auf den Schutz der Sicherheit des Bundes oder eines Landes wird auch von den Verfassungsschutzämtern ein Beitrag zur Terrorismusabwehr verlangt und einer ihrer Arbeitsschwerpunkte dahingehend verschoben.383

377 Vgl. § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950 (BGBl. I 1950, S. 682): „[…] eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben“ und § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG in seiner aktuellen Fassung (BGBl. I 1990, S. 2954, 2970; zuletzt geändert BGBl. I 2017, S. 2097): „[…] eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben“. 378 Zur Gesetzesänderung 1972, BT-Drs. 6/3533zu, S. 3 f.; zur Gesetzesnovellierung 1990, BT-Drs. 11/4306, S. 60. Seitdem ist § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG unverändert geblieben. Dementsprechend werden die Verfassungsschutzämter auch in die Tradition der Politischen Polizeien absolutistischer Monarchien gestellt, vgl. F. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/ders., Das Recht der Geheimdienste, 1986, Einleitung, S. 13 ff. Rn. 2 ff. 379 BGBl. I 1972, S. 1305. 380 BT-Drs. 6/3533zu, S. 3 f. Präziser erscheint es, als wäre die grundgesetzliche Kompetenzgrundlage des Art. 73 Nr. 10 GG passend der geplanten Änderung des BVerfSchG geschaffen worden, vgl. BT-Drs. 6/3533zu, S. 3: „Da zweifelhaft ist, ob der in diesen Artikeln des Grundgesetzes enthaltene Begriff ,Verfassungsschutz‘ die in der Neufassung des § 3 Abs. 1 zusätzlich genannten Aufgaben der Behörden für Verfassungsschutz ganz umfaßt, hat die Bundesregierung den Entwurf eines […] Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 73 und 87 – Drucksache VI/1439) im Parlament eingebracht.“; so wohl auch H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109, 111. 381 BT-Drs. 6/3533zu, S. 3 f. 382 Zu diesen bereits unter 1. Teil Kap. 3 A.–D. (S. 52 ff.). 383 C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 325; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 96 ff.; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 27 Rn. 30; ders., DVBl. 2015, 1076, 1078; M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 126 ff.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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a) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung Der jungen Bundesrepublik wurde in dem sogenannten Polizeibrief von den drei alliierten Militärgouverneuren gestattet, eine Stelle zur Sammlung von Informationen über „subversive Aktivitäten“ einzurichten.384 Diese Erlaubnis nutze der Bundesgesetzgeber zur Errichtung des Bundesamts für Verfassungsschutz mit dem ersten Beobachtungsgegenstand der Bestrebungen, die eine Aufhebung, Änderung oder Störung der verfassungsmäßigen Ordnung im Bund oder in einem Land zum Ziel haben.385 Mit der Umformulierung386 1972 war im Hinblick auf diesen speziellen Beobachtungsgegenstand387 keine inhaltliche Änderung vorgesehen.388 Diese Formulierung wurde beibehalten und bei der Novellierung des Gesetzes 1990 um eine Legaldefinition in § 4 BVerfSchG ergänzt.389 § 4 Abs. 1 lit. c BVerfSchG definiert gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen als solche, die „darauf gerichtet [sind] einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen“. In § 4 Abs. 2 lit. a–f BVerfSchG übernimmt das einfache Gesetz bewusst390 die ursprüngliche Inhaltsbestimmung des Bundesverfassungsgerichts zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.391 Eine Anpassung auf die jüngste Konkretisierung des BVerfG392 hat bislang nicht stattgefunden. Bis einschließlich lit. f ist die Inhaltsbestimmung des § 4 Abs. 2 BVerfSchG wortgleich mit der des § 92 Abs. 2 StGB zu den vom Strafrecht über die Staatsschutznormen geschützten Verfassungsgrundsätzen. § 92 StGB möchte der Ge384 Abgedruckt in deutscher und englischer Fassung in, M. Feldkamp, Der Parlamentarische Rat, Bd. 8, 1995, S. 230 f. Außerdem sollen die Begriffe „extremistisch“ und „verfassungsfeindlich“ sowohl untereinander als auch zu dem im Polizeibrief verwendeten Begriff „subversiv“ inhaltsgleich sein, H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 68. 385 Bundesverfassungsschutzgesetz vom 27. 9. 1950, BGBl. I 1950, S. 682. 386 Fortan „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung […] gerichtet sind“. 387 Allerdings wurde der Auftrag der Verfassungsschutzämter um die Beobachtung der Bestrebungen gegen den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie der gewalttätigen Bestrebungen gegen auswärtige Belange erweitert und die Zuständigkeitsfrage bezüglich der Spionageabwehr positiv beantwortet, BGBl. I 1972, S. 1382; zu dieser Auftragserweiterung auch H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109, 110. 388 BT-Drs. 6/3533zu, S. 3. Der Entwurf der Bundesregierung sah sogar vor, die Formulierung beizubehalten, BT-Drs. 6/1179, S. 2, 4. Siehe dazu auch H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, BVerfSchG, § 3 Rn. 14. 389 BGBl. I 1990, S. 2954, 2971. 390 BT-Drs. 11/4306, S. 60: „Die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind durch die Rechtsprechung (BVerfGE 2, 1 ff. und 5, 85 ff.) sowie durch den Gesetzgeber in § 92 des Strafgesetzbuches inhaltlich festgelegt worden.“; ferner BT-Drs. 11/7504, S. 7 f. 391 BVerfGE 2, 1, 12 f.; 5, 85, 140, 197 ff. 392 BVerfGE 144, 20. Dazu bereits 1. Teil Kap. 3 A. (S. 46 ff.).

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

setzgeber bewusst zur Auslegung des Auftrags der Verfassungsschutzämter herangezogen wissen, da er darin bereits die Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung festgeschrieben sieht.393 Jedoch ergänzt § 4 Abs. 2 lit. g BVerfSchG die Aufzählung um „die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte“, wobei es für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals genügt, wenn sich die betreffende Bestrebung lediglich gegen eines der geschützten Menschenrechte richtet.394 Der Auftragsinhalt war anfangs – also noch vor der ersten Definition durch das Bundesverfassungsgericht – angesichts der Unschärfe des Begriffs der freiheitlichen demokratischen Grundordnung umstritten und sollte etwa durch systematische Auslegung weiterer Normen der wehrhaften Demokratie des Grundgesetzes konkretisiert werden.395 Auch wegen dieser Unsicherheit stieß die Definition des Bundesverfassungsgerichts in der Folge auf breite Zustimmung.396 Seitdem ist die Definition der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Kern unverändert geblieben.397 Gleichwohl ist die bereits erwähnte398, vom Bundesverfassungsgericht im zweiten NPD-Verbotsverfahren399 vorgenommene Konturierung400 zu beachten. Mit der bundesverfassungsgerichtlichen Definition blieb auch die Aufgabe der Beobachtung von gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen weitestgehend unverändert, weshalb sie zu Recht als ursprüngliche401, „zentrale [und] klassische“402 Aufgabe der Verfassungsschutzämter bezeichnet wird.

393

BT-Drs. 11/4306, S. 60. VG München, Urt. v. 29. 8. 2002 – M 24 K 02.2483, juris, Rn. 34. 395 Siehe nur H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109: „wenn auch der Schutzgegenstand dem Wortlaut nach als „verfassungsmäßige Ordnung“ [aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950, Anm. Verf.] noch einer klarstellenden Auslegung durch die Einbeziehung der Vorschriften über das Parteiverbot (Art. 21 Abs. 2 GG), der Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG) und des Vereinigungsverbots (Art. 9 Abs. 2 GG) bedurfte“. 396 Statt vieler M. Pagenkopf, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018. 397 BVerfGE 144, 20, 205 Rn. 534, unter Hinweis darauf, dass die Kernelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung von den sich aus ihr ergebenden, einzelfallbezogenen Ableitungen zu unterscheiden sind. 398 1. Teil Kap. 3 A. (S. 46 ff.). 399 BVerfGE 144, 20. 400 Dazu F. Thrun, DÖV 2019, 65, 69 ff. 401 Noch zu § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950, H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109: „In erster Linie soll die ,freiheitliche demokratische Grundordnung‘ vor verfassungswidrigen Angriffen geschützt werden“. 402 H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 64. Abstrakt als „grundgesetzliche[s] Selbstverständni[s]“ bei H. H. Klein, VVDStRL 37 (1979), 53, 65 f. 394

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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b) Bestrebungen, die eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben Der Schutz der unbeeinträchtigten Amtsführung der Verfassungsorgane war ebenfalls von Gründung an Teil des Aufgabenprofils der Verfassungsschutzämter und der entsprechende Beobachtungsauftrag wurde bereits in § 3 Abs. 1 Alt. 2 BVerfSchG 1950 festgeschrieben.403 Dieser Beobachtungsauftrag hat in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG keine explizite Erwähnung gefunden, mithin geht das einfache Gesetz in diesem Fall zum ersten Mal, zumindest dem Wortlaut nach, über den im Grundgesetz definierten Begriff des Verfassungsschutzes hinaus. Damit sind Personenzusammenschlüsse erfasst, welche gegen Normen zum Schutz der „freie[n] und integre[n] Staatswillensbildung“ gerichtet sind.404 In Parallelität zu den staatsschützenden §§ 105, 106 StGB sind hiervon insbesondere die Fälle erfasst, in denen die Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihre Mitglieder genötigt werden, ihre Befugnisse in vom Beeinflusser gewünschten Weise auszuüben oder eben die Ausübung zu unterlassen.405 c) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes Der Beobachtungsgegenstand der „Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes“ wurde im Zuge der Anpassung an die grundgesetzliche Verfassungsschutzdefinition im Jahr 1972 in das BVerfSchG aufgenommen; damals noch ohne den Begriff legal zu definieren.406 Selbst der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des BVerfSchG 1990 sah zunächst noch vor, weiterhin auf eine ausdifferenzierte Begriffsbestimmung im BVerfSchG zu verzichten und statt dessen den Begriff des Bestandes der Bundesrepublik parallel zur Definition in § 92 StGB zu fassen.407 Erst der in der Folge angerufene Vermittlungsausschuss408 brachte den Wechsel zu einer eigenständigen Begriffsbestimmung im BVerfSchG mit sich.409 In § 4 Abs. 1 lit. a BVerfSchG ist seither bestimmt, dass der Bestand des Bundes oder eines Landes „die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder 403

BGBl. I 1950, S. 682. W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 62; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 124 f.; C. Gusy, StV 1995, 320, 323 f.; H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, BVerfSchG, § 3 Rn. 32. 405 H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 86; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 63; H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, BVerfSchG, § 3 Rn. 32; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 124. 406 BGBl. I 1972, S. 1382. 407 BT-Drs. 11/4306, S. 60. 408 BT-Drs. 11/7504. 409 BT-Drs. 11/7843, S. 4. 404

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Herrschaft […], ihre staatliche Einheit […] oder [die Unversehrtheit des] zu ihm gehörende[n] Gebiet[es]“ bedeutet. Der Bestand des Bundes oder eines Landes ist demnach in Gefahr, wenn die staatliche Souveränität und Unabhängigkeit sowie die Handlungsfähigkeit gegenüber fremden Mächten bedroht ist.410 Ferner wird die staatliche Einheit gegen Sezession und Umwandlung in einen Staatenbund ebenso geschützt411 wie die territoriale Integrität.412 Letztere auch vor der bloßen Unterwerfung einzelner Landesteile unter fremde Weisungsmacht.413 Diese Definition gilt sowohl für den Bestand des Bundes als auch eines Landes. Bei den Ländern ist dabei allerdings deren Status als Gliedstaat der Bundesrepublik zu beachten.414 d) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes Die Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes wurden ebenfalls 1972 in das BVerfSchG aufgenommen und 1990 in § 4 Abs. 1 lit. b BVerfSchG legaldefiniert. Auch den Begriff „Sicherheit“ wollte die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zunächst einheitlich mit dem Sicherheitsbegriff nach § 92 Abs. 3 Nr. 3 StGB verstanden wissen.415 Auf Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses wurde allerdings auch hierfür eine eigenständige Legaldefinition in das Gesetz aufgenommen.416 Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sind nach § 4 Abs. 1 lit. b BVerfSchG „darauf gerichtet […], den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen“. Die Sicherheit des Bundes oder eines Landes umfasst demnach die Funktionsfähigkeit des Bundes, des jeweiligen Landes sowie von deren Einrichtungen. Jedoch ist nicht jede marginale Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit ausreichend, vielmehr befasst sich der Verfassungsschutz mit einem Sachverhalt erst ab einer gewissen Erheblichkeit der Beeinträchtigung.417 3. Beobachtung als Teil der Spionageabwehr (Nr. 2) Die Beobachtung „sicherheitsgefährdende[r] oder geheimdienstliche[r] Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht“ wurde mit dem Verfassungsschutzänderungsgesetz von 1972 erstmals in das BVerfSchG aufge410

H. H. Klein, VVDStRL 37 (1979), 53, 62; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 80; W. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 57. 411 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 191 f. 412 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 191 f. 413 H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 80. 414 E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 177 f. 415 BT-Drs. 11/4306, S. 60. 416 BT-Drs. 11/7843, S. 4. 417 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 194 f.

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nommen.418 Damit löste der Gesetzgeber einen bis dato in der Literatur geführten Streit dahingehend auf, dass den Verfassungsschutzämter nun ausdrücklich der Auftrag zur Spionageabwehr bzw. -aufklärung erteilt wurde.419 Zuvor war bezweifelt worden, ob geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht eine beobachtungswürdige Beeinträchtigung der verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. § 3 Abs. 1 Alt. 1 BVerfSchG 1950 darstellten.420 Diese Verknüpfung zum historischen Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzämter bleibt nur dann aufrechterhalten, wenn die Spionage oder Sabotage ein Schutzgut des Verfassungsschutzes tatsächlich gefährdet. Fraglos können Spionagetätigkeiten, etwa Agitation oder Sabotage, für eine fremde Macht sämtliche Schutzgüter des Verfassungsschutzes beeinträchtigen. Für andere Teile der Spionageabwehr, insbesondere des Wirtschaftsschutzes, muss dieser Konnex allerdings bezweifelt werden.421 Zwar wird argumentiert, dass „mit jeder unerlaubten nachrichtendienstlichen Tätigkeit eines fremden Staates […] ein empfindlicher Eingriff in ureigene Souveränitätsrechte des betroffenen Staates“ vorläge, ein solcher nicht hingenommen werden müsse422 und es dementsprechend möglich sein soll, auch Unternehmen und Bürger vor Spionagetätigkeiten zu schützen.423 Dies kann angesichts des Gemeinschaftsgüter-Konnex’ des Verfassungsschutzes allerdings nicht vollends überzeugen. Privatinteressen sind gerade deshalb vom Verfassungsschutz grundsätzlich nicht umfasst, um die verfassungs- und staatsschützende Verbindung der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter nicht zu lösen.424 Mit dieser Prämisse eines grundsätzlich Gemeingüter bewahrenden Verfassungsschutzes425 bräche eine Spionageabwehr, die rein privaten Wirtschaftsinteressen dient. Daher – um den staatsschützenden Konnex der Verfassungsschutztätigkeit zu 418

BGBl. I 1972, S. 1382. H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109, 112. 420 BT-Drs. 6/1179, Vorblatt, S. 4. Zur historischen Ableitung des Spionageabwehrauftrags aus dem allgemeinen Verfassungsschutzauftrag, G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 5 f.; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 127 f. Zum Drängen der Alliierten zur Aufgabenerweiterung und deren vom BVerfSchG 1950 abweichende Einbindung in die Spionageabwehr, s. J. Foschepoth, Überwachtes Deutschland, 2012, S. 134 ff. 421 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 6. 422 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 7. 423 N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 28; zur Pflicht zum staatlichen Eingreifen gegen auf Private gerichtete Ausspähtätigkeiten, N. Ulrich, DVBl. 2015, 204, 207 ff.; D. Deiseroth, DVBl. 2015, 197, 199; allerdings auf das weite Auswahlermessen hinweisend W. Ewer/T. Thienel, NJW 2014, 30, 34. 424 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 129. 425 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 72; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 15; differenziert G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 14. 419

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wahren – muss auch bei der Abwehr der gegen Private gerichteten Geheimdiensttätigkeiten eine Beeinträchtigung zumindest eines der Schutzgüter des Verfassungsschutzes drohen. So gelten als sicherheitsgefährdende Tätigkeiten i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG lediglich solche Tätigkeiten, welche den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes zumindest gefährden.426 Demgegenüber gibt es Stimmen in der Literatur, die die sicherheitsgefährdende Tätigkeit für eine fremde Macht als Unterfall der geheimdienstlichen Tätigkeit und damit ohne eigenständige Bedeutung ansehen.427 Unbefugte geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG beeinträchtigt „wesentliche Belange des Staates“.428 Offen bleibt, ob dabei zwingend immer auch die freiheitliche demokratische Grundordnung, der Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes – und damit ein vom Verfassungsschutz zu bewahrendes Gemeingut – betroffen ist. Insofern liegt also ein sehr weiter, lediglich die Wirtschaftsspionage unter Privaten429 ausschließender, Beobachtungsauftrag vor. Ohne eine Einschränkung dieses Auftrags auf die Abwehr von Gefahren für eines der Schutzgüter des Verfassungsschutzes steht der Konnex zum grundgesetzlichen Verfassungsschutz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG gleichwohl in Frage.430 Der Beobachtungsauftrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG entfernt die Verfassungsschutzämter vom grundgesetzlichen Verfassungsschutzbegriff; es fehlt die eindeutige semantische Verbindung zur grundgesetzlichen Legaldefinition. Lediglich in den Fällen, in denen die geheimdienstliche Tätigkeit für eine fremde Macht auch ein Schutzgut des Verfassungsschutzes bedroht, ist der Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG eindeutig in der Verfassungsschutzarchitektur zu verortet. Weit überwiegend werden die Verfassungsschutzämter daher bei der Beobachtung 426

W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 64; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 92. 427 So H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 44; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 25. Die sicherheitsgefährdende Tätigkeit als Redaktionsversehen bewertet B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 130. Von einem Redaktionsversehen kann nach mehrfacher Bestätigung des Begriffs durch Beibehaltung trotz mehrerer Gesetzesänderungen nicht mehr ausgegangen werden, dennoch stellt die sicherheitsgefährdende Tätigkeit lediglich einen Unterfall der geheimdienstlichen Tätigkeit dar, so auch T. Siems, DÖV 2012, 425, 428. 428 BT-Drs. 6/1179, S. 4; daher auch zur Weite des Begriffs der „geheimdienstlichen Tätigkeit“ i. S. d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB, BVerfGE 57, 250, 262 ff. und jüngst BGH, Beschl. v. 7. 8. 2019, 3 StR 562/18, NJW 2020, 856, 857 ff. Rn. 15 ff. 429 Hiernach auf zwischen Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung differenzierend und auf Schwierigkeiten in der statistischen Erfassung hinweisend M. Kilchling, GSZ 2020, 57, 58. 430 Kritisch gegenüber der grundgesetzlichen Legaldefinition daher H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 170 und dabei, mit knapper Begründung (Rn. 191, 289), behauptend, dass die Spionageabwehr „als Bereich des Verfassungsschutzes zu verstehen“ sei.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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von Spionagebestrebungen nicht innerhalb der staatlichen Verfassungsschutzauftrags, sondern schlicht als Sicherheitsbehörden tätig. Die Aufklärung geheimdienstlicher Aktivitäten fremder Mächte nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG, inklusive der Ausspähung in Deutschland ansässiger Exiloppositionen, dem sogenannten Staatsterrorismus sowie die Verhinderung der Proliferation, lässt sich zusammenfassend als repressive Spionageabwehr bezeichnen.431 Ausgeschlossen sind solche Tätigkeiten, welche den fremden Mächten per Vereinbarung zugestanden wurden.432 In diesem Fall findet eben keine Beeinträchtigung der Souveränität oder der verfassungsmäßigen Ordnung statt.433 Der Gewährleistungsbereich des Verfassungsschutzes ist in diesem Fall nicht eröffnet. Der Beitrag der Verfassungsschutzämter zur Bekämpfung der Proliferation434 wird mit einer weiten Auslegung der Begriffe sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG gerechtfertigt.435 Lediglich einen Beitrag liefernd, sind die Ämter in diesem Bereich auf die Zusammenarbeit mit anderen Behörden, primär den Zoll-, Strafverfolgungs- und Genehmigungsbehörden beschränkt.436 Gegenspionage, also das Einwirken auf einen gegnerischen Spionageakteur, ist mit dem Wortlaut des § 3 BVerfSchG („Sammlung und Auswertung von Informationen“) nicht vereinbar. Das Abwerben eines gegnerischen Spions zur Sammlung weitergehender Informationen über den fremden Dienst liegt noch im Rahmen der Norm.437 Alles darüberhinausgehende, etwa Desinformation oder andere Beeinflussung des fremden Dienstes, ist dem BND vorbehalten.438 4. Gewalttätige Bestrebungen, die auswärtige Belange gefährden (Nr. 3) In § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG übernimmt der Bundesgesetzgeber einmal mehr den Wortlaut des Grundgesetzes und erteilt den Verfassungsschutzämtern einen Beobachtungsauftrag zum Schutz gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, welche 431

B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 131. BT-Drs. 6/1179, S. 4; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 91; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 191; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 70. 433 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 9 434 Dazu ausführlich S. Morweiser/S. Hinüber, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 5 Rn. 165 ff. 435 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 137 f. 436 Vertieft S. Morweiser/S. Hinüber, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 5 Rn. 168 ff., 175 ff. 437 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 2. 438 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 251 f.; T. Rieger, Der Bundesnachrichtendienst im demokratischen Rechtsstaat, 1986, S. 44 ff. 432

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durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dabei bezieht sich der Bundesgesetzgeber allerdings nicht mehr auf die grundgesetzliche Definition von Verfassungsschutz, sondern nutzt seine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG.439 Dieser Beobachtungsauftrag führt die Verfassungsschutzämter also erstmals440 aus dem Bereich der Verfassungsschutzarchitektur und weist ihnen eine Aufgabe ohne Bezug zum Verfassungsschutz im Sinne der grundgesetzlichen Legaldefinition nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG zu.441 Der Bereich, den das Schutzgut der auswärtigen Belange umfasst, ist denkbar weit. Zunächst sind davon die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten der Bundesrepublik umfasst,442 aber auch das friedliche Zusammenleben mit anderen Völkern und Staaten443 und sogar gänzlich unbestimmt die guten und freundschaftlichen Beziehungen zu anderen Völkern, Staaten und Regierungen,444 selbst zu solchen ohne formelle diplomatische Verbindung zur Bundesrepublik.445 Damit ist es für eine Gefährdung eines auswärtigen Belangs i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG bereits ausreichend, wenn durch die Tätigkeiten der zu beobachtenden Bestrebung eine Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zu einem anderen Staat droht.446 Zur Eingrenzung auf den Zuständigkeitsbereich der Verfassungsschutzämter werden nur Bestrebungen im Geltungsbereich des BVerfSchG, also im Inland, erfasst. Nicht notwendigerweise müssen allerdings auch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen in Deutschland stattfinden.447 Die Staatsangehörigkeit der 439

Vgl. auch H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 172 f., 288. Zur Entfernung von der grundgesetzlichen Legaldefinition durch den Beobachtungsauftrag im Rahmen der Spionageabwehr nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG soeben unter 2. Teil Kap. 2 A. II. 3 (S. 106 ff.). 441 Kritisch gegenüber der grundgesetzlichen Legaldefinition daher H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 170 und dabei, mit knapper Begründung (Rn. 173), behauptend, dass das „das Beobachtungsfeld des inländischen internationalen Terrorismus […] als ein Teil des Verfassungsschutzes zu verstehen“ sei. 442 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 119; H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 74; A. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. April 2010, Art. 73, Rn. 247. 443 BT-Drs. 6/1179, S. 5; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 94; M. Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 57. 444 BT-Drs. 6/1179, S. 5; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 121. 445 BT-Drs. 6/1179, S. 5; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 94. 446 VG München, Urt. v. 29. 8. 2002 – M 24 K 02.1718, juris, Rn. 34, bereits aggressive Propaganda oder das friedliche Zusammenleben anderer Völker gefährdende Hetze reichen aus, Rn. 31 ff. 447 VG Berlin, Urt. v. 7. 9. 2016 – 1 K 12.15, juris, Rn. 27; BVerwGE 142, 132 Rn. 17; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 121; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 81. A. A. noch 440

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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handelnden Personen ist ebenso wenig relevant, obgleich der Regelungsanlass 1972 explizit die Beobachtung des Ausländerextremismus war.448 Die wichtigste Eingrenzung, insbesondere in Abgrenzung zum Beobachtungsauftrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG, bildet das Merkmal der Gewaltanwendung oder auf solche Gewaltanwendung gerichtete Vorbereitungshandlungen. Damit sind die sonst das Wesen der Verfassungsschutzämter prägenden Beobachtungen des legalen, geistigen Meinungskampfes von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG gerade nicht umfasst.449 5. Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Nr. 4) Trotz des weiten Verständnisses der „auswärtigen Belange“ in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG entschied sich der Gesetzgeber mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. 1. 2002450, die Beobachtung von Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) explizit zu regeln. Diese eigenständige Regelung rechtfertige sich – so die Gesetzesbegründung – aus dem Umstand, dass Gruppierungen, die sich gegen im Ausland befindliche politische Gegner richten und denen Gewaltanwendung oder entsprechende Vorbereitungshandlungen nur schwer nachgewiesen werden können, nicht von § 3 Abs. 1 Nr. 3 erfasst seien.451 Ferner daraus, dass der Verstoß gegen den Gedanken der Völkerverständigung einen Vereinsverbotsgrund nach Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG, § 3 Abs. 1 S. 1 Alt. 3 VereinsG darstellt und die Verfassungsschutzämter mit der VorH. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 95. 448 BT-Drs. 6/1179, S. 3 f. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sprach noch von „Bestrebungen von Ausländern, die geeignet sind, die innere oder äußere Sicherheit oder auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen.“ BT-Drs. 6/1179, S. 2; zur heutigen Form später im Innenausschuss verändert, BT-Drs. 6/3533, S. 2; BT-Drs. 6/3533zu, S. 4: „§ 3 Abs. 1 Nr. 3 umfaßt alle Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Bestrebungen von Deutschen oder Ausländern ausgehen.“; G. Warg, VerwArch 2011, 570, 582; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 73. 449 K. Schmalenbach, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 415, 424. Aufgrund dieser Begrenzung für eine verstärkte Beobachtung nicht gewaltanwendender Bestrebungen durch die Landesämter eintretend J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 55. 450 BGBl. I 2002, S. 361. 451 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 38; M. A. Zöller, JZ 2007, 763, 765; M. Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 58. Diese Erweiterung habe allerdings nicht zu einer großen „Zahl von zusätzlichen Maßnahmen, die nicht [auch] auf Gefahren für andere Schutzgüter hätte gestützt werden können,“ geführt, J. Ziekow/D. Katz/A. Piesker/H. Willwacher, Gesetzliche Regelungen zur Terrorismusbekämpfung in Deutschland auf dem Prüfstand, 2016, S. 30.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

bereitung entsprechender Verbotsverfahren betraut werden sollen.452 Dieser Argumentation lässt sich jedoch mit dem Hinweis auf den weiten Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG insoweit entgegenhalten, dass selbiger bereits Bestrebungen erfasst, die lediglich die guten und freundschaftlichen Beziehungen unter den Völkern gefährden.453 Gute und freundschaftliche Beziehungen sind gerade Ausdruck des Gedankens der Völkerverständigung und eines friedlichen Zusammenlebens der Völker. Der Beobachtungsgegenstand des § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG ist demnach vollständig in dem der Nr. 3 enthalten;454 zur Unterscheidung kann lediglich auf das Tatbestandsmerkmal der Gewalt oder auf Gewalt gerichtete Vorbereitungshandlungen verwiesen werden.455 Der Gesetzgeber hatte offensichtlich die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals im Blick. Inkonsequent rekurriert er bei der Definition des vom Gedanken der Völkerverständigung umfassten Verbots der Störung des Friedens unter den Völkern und Staaten allein auf gewaltanwendende Tätigkeiten.456 Als eigenständiger Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG verbleibt somit die Beobachtung von Bestrebungen, welche andere gewalttätige Gruppen unterstützen, ohne dabei selbst gewalttätig zu agieren.457 Gleichwohl wurden Maßnahmen des BfV, die auf Grund der Aufgabe nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG durchgeführt, weit überwiegen zusätzlich auf eine weitere Aufgabennorm, zumeist §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 BVerfSchG, gestützt.458 Ferner ist die ausländische Staatsangehörigkeit auch für eine gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Bestrebung kein maßgebliches Kriterium, denn hierbei „kann es sich um Personen handeln, die eine doppelte Staatsangehörigkeit besitzen, ausländischer Herkunft oder Abstammung sind, um Angehörige des Geschäftsbereiches, die anderweitige Verbindungen oder Kontakte zu Personen oder Personengruppen mit entsprechenden Bestrebungen unterhalten, oder um sonstige

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W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 84. 453 BT-Drs. 6/1179, S. 5; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 121. 454 T. Siems, DÖV 2012, 425, 429. 455 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 121 f. Vgl. auch für das Verständnis in der Praxis, Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation, Abschlussbericht, Juli 2018, S. 19. 456 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 38: „Dies umfasst das Verbot militärischer Gewaltanwendung im Ausland, das Verbot, konfessionelle, rassische oder ethnische Gruppen im Ausland zu vernichten oder als Verbrechen gegen die Menschlichkeit physisch oder psychisch zu beeinträchtigen“. Dazu auch S. Middle, Innere Sicherheit, 2007, S. 226 f. 457 K. Schmalenbach, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 415, 424. 458 Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation, Abschlussbericht, Juli 2018, S. 19 f., 147. Im Berichtszeitraum der Evaluation nach Artikel 5 Gesetz zur Verlängerung der Befristung von Vorschriften nach den Terrorismusbekämpfungsgesetzen vom 3. Dezember 2015 wurde § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG sogar „immer in Verbindung mit weiteren Aufgabennormen […] herangezogen“, a. a. O., S. 19 f., 147.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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Personen deutscher oder anderer Staatsangehörigkeit, die […] solchen Bestrebungen nahe stehen“.459 6. Länderspezifische Sonderaufgaben Den Bundesländern ist es durch den Mindestaufgabenkatalog des BVerfSchG und aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für den Verfassungsschutz als solchen nach Art. 70 Abs. 1 GG unbenommen, ihren Verfassungsschutzbehörden darüber hinaus Aufgaben zuzuweisen, sofern die Erledigung der Mindestaufgaben darunter nicht leidet.460 Vereinzelt haben Bundesländer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und fortwirkenden Strukturen der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik461 sowie Organisierte Kriminalität zum Beobachtungsobjekt ihrer Landesämter bestimmt. Die Beobachtung der Organisierten Kriminalität ist im BVerfSchG nicht ausdrücklich geregelt.462 Ebenso wenig im BNDG, wo sie allerdings als „prägende Erscheinung der inneren Verhältnisse eines anderen Staates“, mithin als außen- und sicherheitspolitisch bedeutsame Erkenntnis über das Ausland im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG, qualifiziert wird und damit Beobachtungsobjekt des BND ist.463 Explizite Erwähnung findet der Beobachtungsauftrag die Organisierte Kriminalität betreffend in den Gesetzen für die Landesämter für Verfassungsschutz in Bayern (Art. 3 S. 2 BayVSG), Hessen (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 VSG HE) und dem Saarland (§ 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SVerfSchG). Für das LfV Sachsen wurde diese Aufgabe 2003 im § 2 Abs. 1 Nr. 5 SächsVSG eingeführt464 und 2006 wieder aus dem Aufgabenkatalog entnommen.465 Es ist mittlerweile wohl einhellige Meinung, dass kriminelle Organisationen unter Umständen eine Bedrohung für die Schutzgüter des spezifischen Verfassungsschutzes darstellen können.466 Der SächsVerfGH hat in seinem Urteil vom 21. 7. 2005 459

BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 41 zum entsprechenden Beobachtungsauftrag an den MAD. BT-Drs. 11/4306, S. 60. 461 Die bereits dargestellte geringe Relevanz des Beobachtungsauftrags fortwirkender Strukturen der Aufklärungs- und Abwehrdienste der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik rechtfertigt, auf diesen Auftrag nicht weiter als bereits in 2. Teil Kap. 1 A. II. 2. (S. 85 f.) geschehen einzugehen 462 Zur Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Verfassungsschutzämter eingehend J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 139 ff. 463 M. Soiné, DÖV 2006, 204, 204 f. 464 ÄndG v. 15. 8. 2003, SächsGVBl., S. 313, 315. 465 Zweites Gesetz zur Änderung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes vom 28. 4. 2006 (SächsGVBl., S. 129), Art. 1 Nr. 3. 466 M. Soiné, ZRP 2008, 108, 110; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 169 ff.; E. Werthebach/B. Droste-Lehnen, ZRP 1994, 57, 59 f.; K. Nehm, NStZ 1996, 513, 516, 518; W.-D. Remmele, in: ders. (Hrsg.), Brennpunkt Kriminalität, 1996, S. 156, 162 f.; R. Rupprecht, Kriminalistik 1993, 131, 134 f.; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutz460

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

die Einordnung dieses Aufklärungsauftrags erörtert.467 In der Entscheidung ging es um die Frage, ob die Aufklärung der Organisierten Kriminalität als eigene Aufgabe neben die bereits geregelten klassischen Verfassungsschutzaufgaben tritt oder ob es sich dabei um einen Unterfall der vorhandenen Zuständigkeiten handelt. Der SächsVerfGH schloss sich letzter Interpretation an, wonach der Begriff der Organisierten Kriminalität im Recht der Nachrichtendienste enger zu verstehen sei. Es sollen nur solche Organisationen beobachtet werden, die eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes darstellen, oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden.468 Die Ansicht des Gerichts überzeugt schon aufgrund dessen,469 dass die Kriminalitätsbekämpfung und unmittelbare Gefahrenabwehr, auch der Organisierten Kriminalität, Aufgabe der Polizei- und Ordnungs- sowie Strafverfolgungsinstitutionen ist.470 Auch verfängt das Argument der Gegenansicht nicht, welches dem eingeschränkten Begriff der Organisierten Kriminalität im Nachrichtendienstrecht mangelnde Praxistauglichkeit vorwirft.471 Zwar kann die Ausrichtung einer kriminellen Organisation und damit ihre Gefährlichkeit für die Schutzgüter des Verfassungsschutzes aus einer Ex-ante-Sicht kaum beurteilt werden; mithin kann Entsprechendes nicht von den handelnden Behörden bzw. von deren Mitarbeitern verlangt werden. Jedoch besteht ein Unterschied darin, kriminelle Organisationen grundsätzlich zum Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzämter zu erklären oder sich auf Verflechtungen von verfassungsfeindlichen Bestrebungen und kriminellen Organisationen zu beschränken. Es ist Aufgabe der Verfassungsschutzämter, rechts, 2007, S. 55, 203 ff. m. w. N. A. A., da Organisierte Kriminalität nicht primär politisch motiviert sei, E. Denninger, KritV 1994, 232, 233 f. 467 SächsVerfGH, Urt. v. 21. 7. 2005 – Vf. 67-II-04, NVwZ 2005, 1310. 468 So im Ergebnis SächsVerfGH, NVwZ 2005, 1310, 1312 f. Ebenso M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 29. 469 Ebenfalls eine Beobachtung der Organisierten Kriminalität sowohl unter strategischen wie auch operativen Aspekten im Ergebnis ablehnend J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 204 ff. Gleichwohl kommt Singer zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber durch die Verfassung nicht daran gehindert wäre, den Ämtern die strategische Beobachtung der Organisierten Kriminalität als Aufgabe zuzuweisen, a. a. O., S. 205. Demgegenüber wird die Ansicht vertreten, dass eine Gesetzesänderung nötig wäre, diese allerdings verfassungsrechtlich unzulässig sei, so S. Sule, Spionage, 2006, S. 128. Kriminelle Organisationen ohne politische Motivation schließt schon H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 61 aus dem Aufgabengebiet der Verfassungsschutzämter mit dem Argument aus, dass sich deren Beobachtung lediglich auf politisch bestimmte Verhaltensweisen bezieht. Das Tatbestandsmerkmal der politisch bestimmten Verhaltensweisen hat mittlerweile in § 4 Abs. 1 BVerfSchG Eingang in das einfache Gesetz gefunden. A. A. M. Soiné, ZRP 2008, 108, 111. 470 Dazu später auch unter 2. Teil Kap. 2 E. I., II. (S. 133 ff.); C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 353 ff. 471 So aber M. Soiné, ZRP 2008, 108, 110.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten, und es ist Aufgabe der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden, die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen.472 Etwaige Überschneidungen in den Verhaltensweisen eines Personenzusammenschlusses bleiben in bestimmten Fällen möglich, woraus eine Zuständigkeit beider Institutionsgruppen folgen würde. 7. Entwicklung der eigenständigen Aufgaben der Verfassungsschutzämter Sammlung und Analyse von Informationen sind die ureigene Handlungsform der Verfassungsschutzämter. In der Ausgestaltung der Beobachtungsaufträge lässt sich daher die Entwicklung der inhaltlichen Ausrichtung der Verfassungsschutzämter nachzeichnen. Anfangs waren sie ausschließlich gegen umstürzlerische, republikfeindliche Gruppierungen gerichtet und der ungehinderten Verwirklichung einer freiheitlichen Demokratie verpflichtet.473 Wovon allerdings schon damals die Informationsvorsorge im Vorfeld politisch motivierter Gewaltverbrechen mit dem Argument umfasst war, dass den Strafverfolgungsbehörden zu dieser Zeit passende Mittel zur Erkennung derartiger Bestrebungen bereits im frühen Stadium konspirativer Planungen unter Verweis auf das Trennungsgebot vorenthalten waren.474

472 R. Kriszeleit, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen, HessLT-Drs. 19/5412 und 19/5782, S. 6; M. Löffelmann, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen, HessLT-Drs. 19/5412 und 19/5782, S. 2 ff., 27; T. Müller-Heidelberg, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen, hessLT-Drs. 19/5412 und 19/5782, S. 4; relativierend aber F. Wollenschläger, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 13, welcher die von der Organisierten Kriminalität für die Verfassungsordnung ausgehenden Gefahren für die Beobachtung durch das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz als ausreichend erachtet. Ebenfalls für die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch die Verfassungsschutzämter mit kurzem Hinweis auf eine ähnliche Aufgabenzuweisung an das britische Pendant Security Service (vgl. 1(4) Security Service Act 1989 ergänzt durch 1 (1) Security Service Act 1996 und verändert durch Serious Organised Crime and Police Act 2005 (c. 15), s. 178(8), Sch. 4 para. 56 sowie Crime and Courts Act 2013 (c. 22), s. 61(2), Sch. 8 para. 34: „It shall also be the function of the Service to act in support of the activities of police forces, the National Crime Agency and other law enforcement agencies in the prevention and detection of serious crime.“) J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 821 mit Fn. 28. 473 Die Beobachtung des „politischen Extremismus“ unlängst als „ureigene Aufgabe“ und „Kernaufgabe des Bundesverfassungsschutzes“ bezeichnet T. Haldenwang, Rede auf dem 16. BfV-Symposium am 13. 5. 2019 in Berlin, https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeits arbeit/vortraege/rede-p-haldenwang-20190513-bfv-symposium-2019 (abgerufen: 30. 11. 2020). 474 H. Sieglerschmidt, Bericht in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestags am 22. 6. 1972, Plenarprotokoll Nr.: 06/195, S. 11426. Zur Unbeschränktheit des Informationsaustauschs zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern in der Zeit bis Ende der 1970er Jahre eingehend J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 246 ff.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Dieser Aufgabenbereich wurde, den Umständen des kalten Krieges geschuldet, früh um die Spionageabwehr erweitert.475 Zunächst in umstrittener, extensiver Auslegung des bereits normierten Beobachtungsauftrags; mit der Gesetzesänderung 1972 durch explizite Zuweisung im BVerfSchG. Allerdings war die ausdrückliche Regelung der Spionageabwehr nicht der primäre Anlass dieser Gesetzesänderung, sondern die Erweiterung des Auftrags um die Beobachtung von „Bestrebungen von Ausländern […], die auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden“476. Die damit verbundene Aufnahme der auswärtigen Belange in die Schutzobjekte der Verfassungsschutzämter war auch nach Ansicht der Bundesregierung nicht ohne Grundgesetzänderung möglich.477 Im Zuge ebendieser Grundgesetzänderung478 wurde die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aber auch mit dem Ziel verändert, die bisher lediglich in extensiver Auslegung, mitunter umstrittenen, jedoch bereits von den Ämtern tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben kompetenzrechtlich abzusichern.479 So wurde die noch heute bestehende Legaldefinition des Verfassungsschutzes in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG normiert. Gleichwohl wurde der Schutz auswärtiger Belange nicht in die Legaldefinition des Verfassungsschutzes aufgenommen, sondern in einer eigenständigen Gesetzgebungskompetenz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG normiert. Diese in den Beratungen des Rechtsausschusses angeregte Änderung480 zum ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung481 verdeutlicht, dass dem verfassungsändernden Gesetzgeber der Unterschied von Verfassungsschutz und dem Schutz auswärtiger Belange präsent war. Den Verfassungsschutzämtern wurde bewusst eine Aufgabe außerhalb des Verfassungsschutzes übertragen und damit die, durch die pauschale Beobachtung geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht entstandene, erste Diskrepanz zwischen Ver-

475

A. A. – die nachrichtendienstliche Aufklärung ausländischer Spionage gegen die Bundesrepublik stellt einen ursprünglichen Auftrag der Verfassungsschutzämter dar – C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 12. 476 H. Sieglerschmidt, Bericht in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestags am 22. 6. 1972, Plenarprotokoll Nr.: 06/195, S. 11426. 477 H. Sieglerschmidt, Bericht in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestags am 22. 6. 1972, Plenarprotokoll Nr.: 06/195, S. 11426. 478 BGBl. I 1972, S. 1305. 479 Neben der Spionageabwehr waren dies auch die Mitwirkung bei Sicherheitsüberprüfungen und technischen Sicherheitsmaßnahmen des Geheimschutzes sowie die Nachrichtensammlung „im Vorfeld politisch motivierter Gewaltverbrechen“, vgl. H. Sieglerschmidt, Bericht in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestags am 22. 6. 1972, Plenarprotokoll Nr.: 06/ 195, S. 11426. 480 H. Sieglerschmidt, Bericht in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestags am 22. 6. 1972, Plenarprotokoll Nr.: 06/195, S. 11426. 481 BT-Drs. 6/1479, S. 2, sah noch eine schlichte Aufzählung der „Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen von Ausländern im Bundesgebiet, die die Sicherheit oder auswärtige Belange de[r] Bundesrepublik Deutschland gefährden“ neben der Kriminalpolizei, der Errichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und der internationalen Verbrechensbekämpfung vor.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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fassungsschutzauftrag i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG und den Beobachtungsaufträgen der Verfassungsschutzämter vergrößert. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der damit einhergehenden Abnahme der Bedrohung durch Linksterrorismus und Spionage aus dem „Ostblock“ nahm die Arbeitsbelastung der Verfassungsschutzämter ab. Mit den frei werdenden Kapazitäten wandten sich die Ämter gesellschaftlichen Phänomenen wie der Organisierten Kriminalität oder dem religiösen Fundamentalismus zu.482 Im Nachgang zu der Zäsur durch die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 in den USA rückte die Terrorabwehr immer mehr in den Fokus der Verfassungsschutzämter.483 Die eigenständigen Aufgaben der Verfassungsschutzämter sind sämtlich Beobachtungsaufträge, die überwiegend im Zusammenhang mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen. Dieser seit jeher unablässig betonte Verfassungsschutzkonnex dient als stete Rechtfertigung für die Verfassungsschutzämter und prägt daher deren Ausrichtung. Sämtliche Tätigkeiten der Verfassungsschutzämter, gleich ob Beobachtung extremistischer, terroristischer Bestrebungen, Spionageabwehr oder die Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen484, müssen eine Verbindung zu dem zentralen Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aufweisen.485 Diese Konzentration auf grundlegende und gewichtige Schutzgüter ist eine Besonderheit der Aufklärung durch die Verfassungsschutzämter.486 Die Verbindung zum zentralen Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist bei den Beobachtungsaufträgen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BVerfSchG sowie in den stark wirtschaftsbezogenen Bereichen der Spionageabwehr nur noch mit erheblichem Begründungsaufwand oder gar nicht mehr erkennbar. Die Verfassungsschutzämter entfernen sich mit diesen Aufträgen von der Verfassungsschutzarchitektur und greifen in Tätigkeitsfelder anderer Behörden über.

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J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 4 ff. H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 27 Rn. 30. Vgl. für die unmittelbaren Reaktionen auf der Ebene des internationalen Rechts, E. Töpfer/B. Rudolf, RW 2019, 525, 527 f. 484 Dazu sogleich unter 2. Teil Kap. 2 B. (S. 124 ff.). 485 D. Murswiek, NVwZ 2004, 769, 770: Die freiheitliche demokratische Grundordnung als „Zentralbegriff des Verfassungsschutzrechts“; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 123. Der Arbeitsbegriff „Extremismus“ wird von den Verfassungsschutzämtern als Klammerbegriff für alle verfassungsfeindlichen Bestrebungen verwandt, s. G. Forster, in: Remmele (Hrsg.), Brennpunkt Kriminalität, 1996, S. 206 ff. Er ist kein juristischer Begriff, s. J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 129. Allerdings stellt auch die Einstufung einer Bestrebung als extremistisch, laut VG Bremen, NJW 1978, 1650, 1651, keine Aufgabe der Ämter dar. Vielmehr ist diese Qualifikation als notwendiger Verfahrensschritt im Rahmen einer Beobachtung zu sehen. 486 Zum Strukturbezug als andere Eigenart der Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter bereits 2. Teil Kap. 2 A. II. 1. (S. 99 ff.). 483

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

III. Die Hierarchie der Beobachtungszwecke der Verfassungsschutzämter zwischen Gesellschaftsund Regierungsaufklärung einerseits sowie Informationsvorsorge für die Verwaltung andererseits Die Aufgabennorm des § 3 Abs. 1 BVerfSchG beschreibt lediglich die von den Ämtern auszuführende Tätigkeit, ohne für diese Informationssammlung einen Zweck zu bestimmen. Die Beobachtung der Verfassungsschutzämter, ihre Informationssammlung und -verarbeitung, greift jedoch insbesondere bei der Behandlung personenbezogener Daten in grundrechtsgeschützte Bereiche ein. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Tätigkeit ohne legitimes Ziel nicht gerechtfertigt sein kann.487 Der entsprechend benötigte Zweck lässt sich dem Grundgesetz entnehmen. Nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG ist es möglich, Zentralstellen zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes einzurichten.488 Dieser reichlich unkonturierte Beobachtungsauftrag konkretisiert sich primär in der politischen Information von Regierung (1.) und Gesellschaft (2.)489 und sekundär in der Aufklärung für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden in Form der Gefahrenfrüherkennung (3.).490 Diese Hierarchisierung der Aufklärungszwecke kann auf der Systematik des

487 R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 57; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 3; M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 324 f.; BVerfGE 65, 1, 46; siehe auch § 3 BDSG. Keine Informationssammlung lediglich um des Sammelns oder Ordnens willen, vgl. OVG Berlin, Urt. v. 18. 4. 1978, NJW 1978, 1644, 1645; H.-U. Evers, Privatsphäre, 1960, S. 233. Vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 10. 9. 2019 – 15 A 2751/15, NVwZ 2020, 1610, 1614, Rn. 64. 488 R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 149 allerdings ohne Begründung die Art. 87 Abs. 1 S. 2 Alt. 5 GG („Sammlung von Unterlagen für Zwecke […] des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden“) in den Aufgabenbereich der Verfassungsschutzämter inkludierend. 489 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118; 130, 151, 206; BVerfG, NJW 2013, 1499 Rn. 118; vgl. auch BVerwGE 137, 275, 292 Rn. 45; ausführlich R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, Heft 1, S. 57 ff.; ähnlich BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, S. 16; relativierend, da daneben ohne Abstufung die Information der zur Gefahrenabwehr befugten Stellen nennend W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 105; J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 825. Auf die Information staatlicher Stellen begrenzt hingegen J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168 f., 173. 490 Diesen Erhebungszweck auch allerdings ohne Abstufung anerkennend W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 6; D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 26; J.-H. Dietrich, in: ders./Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 471, 482 Rn. 25. Wie hier und deshalb die Weitergabe von Informationen an Sicherheitsbehörden als „Änderung des Verarbeitungszwecks“ qualifizierend M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 18. A. A. mithin eine Zweckänderung in diesen Fällen ablehnend J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 173 f.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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BVerfSchG abgestützt werden, widerstrebt dabei allerdings der Tradition, die Beobachtungszwecke gleich zu gewichten (4.). 1. Primärzwecke: Information der politischen Entscheidungsträger … Wie bereits in ihrem Ursprung, dem Polizeibrief der Alliierten, angelegt, dienen die Verfassungsschutzämter der Information politischer Entscheidungsträger über subversive, extremistische Bedrohungen der demokratischen Strukturen. Insbesondere die Regierung491 soll so in die Lage versetzt werden, frühzeitig mit Maßnahmen aus der gesamten Bandbreite staatlichen Handelns reagieren zu können; von städtebaulichen bis bildungspolitischen Programmen.492 Das Ziel der Tätigkeit ist nicht, unmittelbar gefahrabwendende Exekutivmaßnahme vorzubereiten, sondern über Gefahren weit im Vorfeld frühzeitig zu informieren.493 Dieser Zweck der Regierungsinformation ist strikt von der Gefahrenfrüherkennung und deren Ziel, konkrete Gefahren abzuwehren, zu trennen.494 Durch Informationen soll die Politik befähigt werden, verfassungsschutzrelevante Bestrebungen wahrzunehmen und ihnen weniger rechtlich, als vielmehr politisch zu begegnen.495 Das geschieht primär durch die Berichterstattung an das BMI. Die Information politischer Entscheidungsträger lässt sich in einem fünfphasigen Informationskreislauf beschreiben: Von der Bestimmung des konkreten Aufklärungsziels durch die politische Führung, über die Gewinnung der notwendigen Informationen, deren Aufbereitung (Vorselektion, Entschlüsselung etc.) und Auswertung, bis hin zur Rückübermittlung an die zuständige Stelle.496 Wird die Informationserhebung der Nachrichtendienste auf die politische Information der Regierung beschränkt, erkennt das Bundesverfassungsgericht darin einen Umstand, der geeignet ist die Eingriffsintensität erheblich zu vermindern.497 Sollten politische Maßnahmen nicht ausreichen, bietet die Verfassung ein Spektrum an präventiven Verfassungsschutzinstrumenten (Art. 9 Abs. 2, Art. 18, 491 Das „Ziel der Information der [R]egierung und der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen“ für Überwachungsmaßnahmen des BND anerkennend BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 177. Eingehend zu dieser Entscheidung P. Aust, DÖV 2020, 715. 492 T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 20; R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 62 f. Eher auf die strategische Einsatzplanung begrenzt M. Soiné, ZRP 2008, 108, 111. 493 BVerfGE 120, 274, 330; 122, 120, 145; BVerfG, NJW 2013, 1499 Rn. 116. 494 Vgl. BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 177, 226, 228. 495 BVerwGE 110, 126, 131; 137, 275, 282 Rn. 24, 285 f. Rn. 31; aus der Literatur R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 62 f.; V. Götz/M.-E. Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 16 Rn. 42; T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 20. 496 M. A. Zöller, JZ 2007, 763, 766. Vgl. auch für den nachrichtendienstlichen/geheimdienstlichen „Informationskreislauf“ in der Zusammenarbeit europäischer Staaten J.-M. Palacios, in: Dietrich/Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 201, 206 ff. 497 Vgl. BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 177, 190, 198, 211, 219, insb. 223 ff.

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Art. 21 Abs. 2 GG).498 Mithin liegt ein weiterer Hauptzweck der Sammlung von Informationen durch die Verfassungsschutzämter darin, die entsprechenden Verfahren vorzubereiten und zu unterstützen.499 2. … und Information der Gesellschaft Die Verfassungsschutzbehörden informieren die Gesellschaft über beobachtete Bestrebungen direkt (etwa gemäß § 16 Abs. 1 BVerfSchG für das BfV) oder auch mittelbar durch die Berichterstattung an das jeweilige Innenministerium und dessen Weiterverarbeitung der Informationen zur Unterrichtung der Öffentlichkeit (für das BfV nach § 16 Abs. 2 BVerfSchG).500 Einmal jährlich veröffentlicht das BMI den Verfassungsschutzbericht auf Grundlage von Informationen, die das BfV einbringt.501 Damit soll jedem Bürger die Möglichkeit gegeben werden, bedrohliche Bestrebungen zu erkennen und gesellschaftlichen Widerstand zu organisieren.502 3. Sekundär Information der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden Weitere Informationsaufträge sind den ersten beiden Abschnitten des BVerfSchG nicht zu entnehmen. Die Aufgabe der Verfassungsschutzämter erschöpft sich dementsprechend in Berichten gegenüber politisch verantwortlichen Staatsorganen und der Öffentlichkeit.503 Die unmittelbare Gefahrenabwehr oder die Verfolgung konkreter Straftaten ist folglich keine Aufgabe der Verfassungsschutzämter.504 Die Übermittlungsvorschriften des dritten Abschnitts des BVerfSchG ermöglichen es jedoch, auch andere Behörden an den Erkenntnissen der Verfassungsschutzämter teilhaben zu lassen, und eröffnen damit einen andersartigen, dritten Informations498

BVerfGE 149, 160, 194 Rn. 101. BVerfGE 134, 141, 180 Rn. 113. 500 BVerfGE 133, 277 Rn. 116; BVerwGE 110, 126, 134; W. Roth, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 5. 501 Abrufbar unter https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikatio nen/verfassungsschutzberichte (abgerufen: 30. 11. 2020). 502 D. Murswiek, NVwZ 2004, 769, 771; sog. „negativer Verfassungsschutz“, ders., Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 67 f. Ebenfalls knapp zu den Zwecken der Verfassungsschutzberichte C. Hubo, Verfassungsschutz durch geistig-politische Auseinandersetzung, 1998, S. 64 f. 503 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118; 130, 151, 206; R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 62 ff.; F. Rachor/F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 98 zählen allerdings auch die Versorgung der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden mit konkreten Ermittlungsansätzen im Einzelfall unter die Aufgaben der Nachrichtendienste. 504 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118. Ebenso wenig deren Informationsvorsorge, vgl. R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 59 ff. Zur Abgrenzung und Überschneidungsbereichen mit Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden später unter 2. Teil Kap. 3 A. IV., V. (S. 175 ff.). 499

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fluss. Diese andersartige Datenübermittlung bedeutet immer eine Zweckänderung, wenn die Daten ursprünglich mit dem Zweck der Information von Regierung und Öffentlichkeit erhoben wurden und hat sich daher in den verfassungsrechtlichen Grenzen zu bewegen.505 Jedenfalls ist es unzulässig, die Übermittlung pauschal zur Aufgabenerfüllung zu erlauben.506 Denn die Aufgabenbeschreibung für die Verfassungsschutzämter beschränkt sich auf die Sammlung und Auswertung von Informationen und bleibt damit hinsichtlich des Verwendungszwecks der Informationen zu unbestimmt.507 Es verbleibt daher eine Unsicherheit hinsichtlich des Tätigkeitsrahmens in welchem sich die Verfassungsschutzämter bewegen dürfen. Falls politische oder gesellschaftliche Maßnahmen nicht ausreichen, sollen subsidiär die zuständigen Institutionen rechtzeitig die entstehenden Gefahren ggf. mit juristischen Mitteln abwehren können.508 Die Information der Gefahrenabwehrund Strafverfolgungsbehörden findet, im Gegensatz zu den eben genannten primären Informationsaufträgen, allerdings nur im Einzelfall und nur sofern notwendig statt.509 Durch die Vorverlagerung polizeilicher Tätigkeiten510 und den verstärkten Informationsfluss zwischen Nachrichtendiensten und Polizei hat das Dogma der Trennung der beiden Tätigkeitsfelder an Absolutheit eingebüßt. Viel eher sind die Nachrichtendienste durch informationelle Vorarbeit und Gefahrenfrüherkennung in die Gefahrenabwehr der Polizei, beispielsweise über gemeinsame Lagezentren, eingebunden.511 Diese Verstrickung vormals getrennter Tätigkeitsfelder gilt es im Laufe dieser Untersuchung weiter zu beleuchten.

505 V. Mehde, JZ 2005, 815, 819; vgl. ferner BVerfGE 141, 220, 324 f. Rn. 279; BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 119. A. A. J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293; J. F. Lindner/ J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 173 f. Zum Gebot der Zweckbindung unter 3. Teil Kap. 1 D. (S. 272 f.). 506 So für die Übermittlungsvorschriften des BNDG, BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 313, mit kritischer Erwähnung der „an die Entwicklung der Rechtsprechung nicht hinreichend angepassten Strukturen des Bundesverfassungsschutzgesetzes“, Rn. 319. Vgl. auch zu Datenübermittlungen bei Bestandsdatenabfragen, BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 –, Rn. 218. 507 Vgl. soeben 2. Teil Kap. 2 A. III. (S. 118 ff.). 508 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 87. A. A. – Information von Polizei und Staatsanwaltschaft gleichrangig neben Berichtspflichten ggü. Politik und Öffentlichkeit – J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1, 4. 509 F. Rachor/F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 98. Vgl. auch T. Engelstätter, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 97, 100. 510 Kritisch dazu H. Aden/J. Fährmann, ZRP 2019, 175, 176 mit Reaktion von M. Möstl, ZRP 2020, 26. Für einen Überblick über die Kriminalisierung des Vorfeldes terroristischer Anschläge siehe E. Töpfer/B. Rudolf, RW 2019, 525, 533 f. 511 So auch N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 7.

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4. Prioritäten zwischen Tradition und moderner Gesetzessystematik Das weitere Vorgehen gegen als verfassungsfeindlich erkannte Bestrebungen ist zumindest im BVerfSchG nicht explizit normiert. Einer Interpretation der Tätigkeit der Ämter als Informationsquelle für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungs- oder andere Verfassungsschutzbehörden (z. B. Einstellungsbehörden für den Staatsdienst512) steht der Wortlaut des Gesetzes daher zumindest nicht entgegen.513 Und so werden die Ämter bisweilen in die Tradition Politischer Polizeien absolutistischer Monarchien gerückt.514 Sie seien in diesem Sinne Gefahrenabwehrbehörde, ohne Gefahren tatsächlich zu bekämpfen.515 Dieser Aufgabeninterpretation steht allerdings die aktuelle Systematik des BVerfSchG entgegen, dernach lediglich die Information von Regierung und Öffentlichkeit, nicht aber der Gefahrenabwehr- geschweige denn Strafverfolgungsbehörden, in den Abschnitten über die Aufgaben der Verfassungsschutzämter geregelt wird.516 Bezüglich des BND hat das Bundesverfassungsgericht bereits geurteilt, dass der Bund den BND nicht mit Aufgaben der Gefahrenabwehr betrauen darf. Dieser Dienst müsse auf politische Aufklärung bezogen bleiben und dürfe dabei nicht mit Befugnissen agieren, welche auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet sind.517 Diese Rechtsprechung lässt sich allerdings nicht auf die Verfassungsschutzämter übertragen, da die Argumentation des Gerichts allein auf den BND und die entsprechende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG bezogen war.518 Jüngst hat das Bundesverfassungsgericht zudem auch dem BND den Aufklärungszweck der Gefahrenfrüherkennung zwar grundsätzlich eröffnet519, dieser Aufklärung jedoch hohe Hürden vorangestellt520 und die

512

BAG, NJW 1981, 71, 72. In diese Richtung H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A vor § 1 BVerfSchG, Rn. 4. 514 F. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/ders., Das Recht der Geheimdienste, 1986, Einleitung, S. 13 ff. A. A. M. König, Trennung und Zusammenarbeit, 2004, S. 297. 515 H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A vor § 1 BVerfSchG, Rn. 5. 516 Angedeutet auch bei R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/ Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 153. Dementsprechend auch BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118: „Ziel ist nicht die operative Gefahrenabwehr, sondern die politische Information“. 517 M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA BT 19. WP, S. 16 f. unter Verweis auf BVerfGE 100, 313, 368 ff. 518 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 410 ff. 519 BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 107. Zur grundsätzlichen Legitimität dieses Zwecks bereits BVerfGE 100, 313, 373 im Zusammenhang mit der Inlandsfernmeldeüberwachung durch den BND nach §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 G-10. 520 Vgl. BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 190, siehe sodann Rn. 177 f., 187 f., 189. 513

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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strikte Trennung von der Aufklärung zur Information der Regierung betont521. Von dieser vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Möglichkeit Datenerhebung und -auswertung nach Zwecken zu trennen, hat der Gesetzgeber im BVerfSchG noch keinen Gebrauch gemacht. Die grundsätzliche Trennung der Verfassungsschutzämter von den Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung kann „mittelbar im grundrechtlichen Informationsschutz durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 10 und Art. 13 GG verankert“ werden.522 Aus den genannten Grundrechten folgen Anforderungen an die behördliche Datenverarbeitung. Für die Bemessung der Eingriffsintensität von Datenerhebungsmaßnahmen ist auch von Bedeutung, wie die Daten weiterverwendet werden, mithin „welche Nachteile den Grundrechtsträgern aufgrund der Maßnahmen drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden“.523 Würden die Verfassungsschutzämter nun in die Informationsvorsorge zur Gefahrenabwehr- und Strafverfolgung einbezogen, verlören sie einen entscheidenden eingriffsabschwächenden Aspekt ihrer Informationstätigkeit – die Begrenzung der Datenweiterverwendung auf politische Information. Eine zwingende Konsequenz wäre, dass die Eingriffsvoraussetzungen der Verfassungsschutzämter, denen der Gefahrenabwehrund Strafverfolgungsbehörden weiter angeglichen werden müssten.524 Für eine Privilegierung der Verfassungsschutzämter wäre dann weniger Raum. 521 Vgl. BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 177, 226, 228. Ausnahmen von dieser Trennung sind nur möglich, „soweit die Daten aus sich heraus eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für lebenswichtige Güter der Allgemeinheit oder für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes erkennen lassen“ (a. a. O., Rn. 228). 522 M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA BT 19. WP, S. 17 unter Verweis auf BVerfGE 133, 277. 523 BVerfGE 100, 313, 376; 107, 299, 320; 109, 279, 353; 115, 320, 347. 524 Für eine Angleichung der Eingriffsvoraussetzungen bei eingriffsintensiven Überwachungsmaßnahmen BVerfGE 125, 260, 331 ff.; 120, 274, 329 ff.; M. Bäcker, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 249; M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 136. Zur Vergleichbarkeit „wegen des faktisch meist nicht durchsetzbaren Rechtsschutzes“ bei verdeckten Ermittlungsmaßnahmen R. Poscher, in: Vesting/Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2011, S. 245, 256. A. A. J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 172 f., welche allerdings zur Begründung auf ein reziprokes Verhältnis von der Eingriffsintensität verdeckter Überwachungsmaßnahmen und der Möglichkeit zu kausalverlaufsverändernder Befugnisse derselben Behörde verweisen. Dem ist insofern zuzustimmen, dass in der Trennung von Informationserhebung und aktioneller Umsetzung intensitätsminderndes Potential liegt (so auch BVerfGE 100, 313, 383, 391 f.; 110, 33, 70 f.; 133, 277, 325 ff. Rn. 116 ff.; R. Poscher, DV 2008, 345, 359; H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1078). Gleichwohl wirkt sich die regelmäßige Heimlichkeit nachrichtendienstlicher Beobachtung demgegenüber eingriffsintensivierend aus und die fehlenden Möglichkeiten, Rechtsgutsverletzungen unmittelbar zu verhindern, wirkt sich rechtfertigungsmindernd aus (BVerfGE 125, 260, 332). Ferner verkennt eine Privilegierung der nachrichtendienstlichen Informationserhebung die Allgemeinheit von Information, deren staatliche Erhebung auch unabhängig von unmittelbarer Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung weitgehende Erschwernisse für den Betroffenen bedeuten können, vgl. B. W. Wegener, VVDStRL 75 (2016), 293, 312. Darüber hinaus verliert das Kriterium der fehlenden Exekutivbefugnisse der Verfassungs-

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Die Arbeit der Verfassungsschutzämter dient somit primär der Information der Öffentlichkeit, inklusive der politischen Entscheidungsträger, zur Absicherung demokratischer Meinungsbildungsprozesse. Eine Einbindung der Ämter in Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung ist im BVerfSchG lediglich in zweiter Linie angelegt.525

B. Mitwirkungsaufgaben Die Aufgaben der Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG unterscheiden sich im Grad des nachrichtendienstlichen Beitrags von den selbstständigen Aufgaben nach Absatz eins. In ersterem Aufgabenfeld sind die Verfassungsschutzämter lediglich zur Mitwirkung aufgerufen. Hierbei geht es um die defensive Tätigkeit der Verfassungsschutzämter, zum einen gegen geheimdienstliche Einwirkungen526 und zum anderen gegen extremistische Unterwanderung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. c und Nr. 3 SÜG527). Ursprünglich wurde auch dieser Auftrag aus dem allgemeinen Verfassungsschutzauftrag abgeleitet.528 Eine explizite Verankerung hat er im BVerfSchG durch Art. 1 VerfSchÄndG 1972 erfahren.529 Der gesamte Aufgabenbereich der Verfassungsschutzämter lässt schutzämter angesichts des immer intensiveren Informationsaustausches mit Exekutivbehörden zunehmen an Gewicht, s. B. W. Wegener, a. a. O., S. 313 mit Fn. 80. 525 Ein entsprechendes Rangverhältnis auch erkennbar bei BVerfGE 100, 313, 372. Dazu auch S. Tanneberger, Sicherheitsverfassung, 2014, S. 333. A. A. R. Riegel, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutzrecht, 2003, 8.4 Rn. 10 f.; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 68 f.; J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 291, unter Verweis in Fn. 290 auf BT-Drs. 11/4306, S. 62 in der die Bundesregierung in einem Gesetzentwurf die „Information der Regierung“ als „eine Hauptaufgabe“ des BfV beschreibt. Daraus den Schluss zu ziehen, die Information der Sicherheitsbehörden nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG „steh[e] gleichrangig neben der Berichtspflicht gegenüber Politik und Öffentlichkeit (§ 16 BVerfSchG)“ (a. a. O., S. 291), greift allerdings zu kurz und lässt die zweite Hauptaufgabe der Verfassungsschutzämter nach § 16 BVerfSchG, die Information der Öffentlichkeit, unbeachtet. Daher verbietet es sich auch, den Erhebungszweck pauschal in der Benachrichtigung „anderer Stellen“ zu sehen, so aber a. a. O., S. 281 ff., 298 ff. Wohl auch ohne Rangverhältnis, M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 131. 526 Ausführlich dazu G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 und zur Facette der Proliferation S. Morweiser/S. Hinüber, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 5. 527 Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. 4. 1994 (BGBl. I, S. 867), das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 20. 11. 2019 (BGBl. I, S. 1626) geändert worden ist. 528 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 5 f.; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 127 f. A. A. C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 12: Die Aufgaben der Verfassungsschutzämter „expandierten von der nachrichtendienstlichen Aufklärung ausländischer Spionage gegen die Bundesrepublik und unmittelbarer inländischer Verfassungsgefährdungen weit in deren Vor- und Umfeld: bei der Fernhaltung ,Radikaler‘ vom öffentlichen Dienst, der Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen jeder Art“. 529 BGBl. I 1972, S. 1382.

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sich mithin in einen präventiven und einen repressiven Teil trennen.530 Der Schutz deutscher Cyberstrukturen, die Unterstützung spionage-gefährdeter Unternehmen sowie der Geheim- und Sabotageschutz nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG sollen Gefahren durch Ausspähung bereits im Vorfeld begegnen. Deshalb werden diese Tätigkeiten auch unter dem Begriff der präventiven Spionageabwehr zusammengefasst.531 Dabei sind die potentiellen Gefahren keinesfalls auf Gefährdungen durch Spionage für eine fremde Macht beschränkt. Viel eher müssen, aufgrund neuer Ressourcen und Vorgehensweisen, auch Beeinträchtigungen von nichtstaatlichen, terroristischen oder anderweitig kriminellen Organisationen in Betracht gezogen werden.532 Dementsprechend reicht der Begriff der präventiven Spionageabwehr nicht aus, um auch die Vorsorge gegen Unterwanderung durch Extremisten zu erfassen. Deshalb sollte ohne thematische Färbung, allein am Handlungszweck orientiert, von Sabotage- und Geheimschutz gesprochen werden. Dieser Aufgabenbereich kann anhand des Bezugsobjekts (Person oder Gegenstand) in ein personelles und ein technisches Feld unterteilt werden.

I. Personeller Sabotage- und Geheimschutz Im Geheim- und Sabotageschutz werden die Verfassungsschutzämter unterstützend tätig. Bei der Überprüfung einzelner Personen zum Schutz vor Geheimnisverrat und Sabotage (personeller Geheim- und Sabotageschutz, nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 und 4 BVerfSchG) treten die Ämter als mitwirkende Behörde i. S. d. § 3 Abs. 2 SÜG auf. Das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz sind, abgesehen vom MAD im militärischen Bereich, die einzigen „mitwirkenden Behörden“ im Verfahren bei Sicherheitsüberprüfungen. Lediglich der BND wird, und das auch nur in Bezug auf seine eigenen Mitarbeiter, nach § 3 Abs. 3 SÜG neben den Ämtern und dem MAD als mitwirkende Behörde tätig.533 Die mitwirkenden Behörden holen nach § 12 Abs. 1 SÜG die notwendigen Angaben ein, um bewerten zu können, ob die Einstellung der Person ein Sicherheitsrisiko i. S. d. § 5 Abs. 1 SÜG birgt. Das Ergebnis der Überprüfung teilt die mitwirkende Stelle der für die Einstellung zuständigen Stelle nach § 14 SÜG mit. Diese für die Einstellung „zuständige Stelle“ i. S. d. § 3 Abs. 1 SÜG triff nach § 14 Abs. 3 S. 1 SÜG eine eigenständige Entscheidung über die Relevanz des Sicherheitsrisikos.534

530

Explizit für den Bereich der Spionageabwehr, G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 1. 531 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 1. 532 M. A. Zöller, JZ 2007, 763, 765. 533 G. Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3 SÜG, Rn. 12 ff., 15 ff.; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 74 ff. 534 W. Däubler, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, 2019, § 14 SÜG, Rn. 2.

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II. Technischer Sabotage- und Geheimschutz Nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 BVerfSchG sind die Verfassungsschutzbehörden zur Mitwirkung bei technischen Sicherheitsmaßnahmen und dementsprechend mit dem Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte beauftragt. Der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum Schutz deutscher Cyberstrukturen hat im BVerfSchG noch keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden, obwohl der Gesetzgeber für die Verfassungsschutzämter ausdrücklich eine Rolle im Bereich der Cyberabwehr vorsieht.535 Die Geheimschutzbetreuung spionage-gefährdeter, nichtöffentlicher Stellen ist mit § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, S. 3, 4 BVerfSchG mittlerweile im Gesetz verankert worden.536 Diese Tätigkeit kann sowohl personen-, als auch gegenstandsbezogen sein und bewegt sich damit zugleich im personellen und im technischen Sabotageund Geheimschutz. Allerdings bedarf es hierbei auch des Konnexes zu den Schutzgütern des Verfassungsschutzes. Deshalb ist das rein private Ausspähen unter Konkurrenten mit lediglich monetären Zielen nicht vom Schutz durch die Verfassungsschutzämter umfasst.537

C. Thematische Zweiteilung der Aufgabenbereiche Aus der Aufgabenübersicht der Verfassungsschutzbehörden lässt sich die These von einer prinzipiellen Zweiteilung der Aufgaben zumindest in thematischer Hinsicht untermauern. Eine solche Zweiteilung, einerseits die Befassung mit Spionage, andererseits mit Extremismus, ist nach inhaltlichen Kriterien durchzuführen. Extremismusbeobachtung soll in dieser Arbeit als Oberbegriff für die Aufklärung von Bestrebungen i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 BVerfSchG fungieren.538 Das Gesetz 535

BT-Drs. 18/4654, S. 21. „Cyber-Abwehr“ selbstverständlich als Aufgabe nach § 3 BVerfSchG aufzählend K. F. Gärditz, AfD-Mitglieder im Verfassungsschutz: Politische Betätigungsfreiheit oder Sicherheitsrisiko?, VerfBlog, 2019/3/09, https://verfassungsblog.de/afdmitglieder-im-verfassungsschutz-politische-betaetigungsfreiheit-oder-sicherheitsrisiko/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 536 Eingeführt durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b), Nr. 2 Erstes Gesetz zur Änderung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes v. 16. 6. 2017, BGBl. I 2017, S. 1634, 1645 f. 537 So auch G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 34 ff. 538 Zur Terminologie bereits W. Ganßer, „Verfassungswidrig“ – „verfassungsfeindlich“ – „extremistisch“, BayVBl. 1980, S. 545 ff., insbesondere zu „extremistisch“ als Oberbegriff, S. 550. Ausführlich zum sozialwissenschaftlichen Extremismusbegriff und dem sich wandelnden Begriffsverständnis, S. Salzborn, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 3. „Radikalismus“ und „Extremismus“ abgrenzend D. Dienstbühl, Extremismus und Radikalisierung, 2019, S. 71 ff.

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selbst verwendet den Extremismusbegriff nicht, sondern umfasst die Beobachtungsobjekte anhand der von diesen gefährdeten Schutzgüter. So erfasst § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG Bestrebungen, die gegen die Schutzgüter des Verfassungsschutzes, die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. § 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 BVerfSchG erweitert den Beobachtungsauftrag auf Bestrebungen, welche auswärtige Belange der Bundesrepublik gefährden oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. Schon die Ausrichtungen der beiden Aufgabenbereiche § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG und § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 BVerfSchG stehen diametral zu einander: Dient die Beobachtung geheimdienstlicher Tätigkeiten allein defensiv zur Abwehr von Gefahren der Spionage, werden bei der Extremismusbeobachtung sehr wohl proaktiv, offensiv noch legale Tätigkeiten mit dem Ziel der Erkenntnisgewinnung aufgeklärt. In den selbstständigen Beobachtungsaufgaben der Verfassungsschutzämter zeigen sich die Divergenzen zwischen den beiden Aufgabenbereichen539 insbesondere deshalb deutlich, da sich die Beobachtungsobjekte im Bereich der Spionageabwehr signifikant von denen in der Extremismusbeobachtung unterscheiden. Während sich die geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht von Beginn ihrer Handlungen an außerhalb der Rechtsordnung bewegen, gelten extremistische Parteien oder Vereinigungen solange als legal, bis das Gegenteil von staatlicher Stelle festgestellt wurde. Dementsprechend müssen Spione von Beginn ihrer Tätigkeit an mit einer Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter rechnen, während Extremisten den Einsatz der gegen sie vorgenommenen Maßnahmen nicht ohne Weiteres absehen können. Dies verdeutlicht, wie unterschiedlich die Beobachtungsobjekte von den Maßnahmen der Verfassungsschutzämter betroffen sind. Aufgrund dieser Unterschiede ist der Rechtfertigungsbedarf für Eingriffe im Bereich der Spionageabwehr deutlich geringer als bei der Extremismusbeobachtung, bei welcher zum Teil rechtstreue Bürgerinnen und Bürger unwissentlich Grundrechtseingriffe erdulden.540 Ein weiterer Unterschied zeigt sich, bedenkt man die rechtliche Persönlichkeit der Beobachtungsgegenstände. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG sollen von einer fremden Macht ausgehende geheimdienstliche Gefährdungen beobachtet werden. Bei dem Beobachtungsobjekt handelt es sich, wie üblicherweise im Bereich der äußeren Sicherheit, um einen staatlichen oder zumindest staatlich unterstützten Akteur.541 Demgegenüber sind bei der Extremismusbeobachtung private Bestre539 Die Mitwirkungsaufgaben nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG sind thematisch ungebunden, siehe bereits 2. Teil Kap. 2 B. (S. 124 ff.). 540 C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 69 u. 71. 541 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 8; Zur Notwenigkeit der staatlichen Steuerung bzw. Beeinflussung im Rahmen des § 99 StGB, J. Lampe/S. Hegmann, MüKo-StGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2017, § 99, Rn. 6.

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bungen das Ziel der Verfassungsschutzmaßnahmen. Daher unterscheiden sich diese „Gegner“ auch deutlichen in ihren Handlungsmöglichkeiten.542 Ferner ist gesetzeshistorisch daran zu erinnern, dass die Aufgabe der Extremismusbeobachtung i. S. d. heutigen § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG bereits seit der ersten Fassung des BVerfSchG von 1950543 nahezu unverändert besteht. Die Spionageabwehr i. S. d. Nr. 2 wurde demgegenüber erst 1972 mit der selben Gesetzesänderung aufgenommen, mit der die Extremismusbeobachtung um den Bereich des Ausländerextremismus i. S. d. Nr. 3 erweitert wurde.544 Im Rahmen der Antiterrorgesetzgebung im Nachgang zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gab der Gesetzgeber mit der Aufnahme der Nr. 4 dem § 3 Abs. 1 BVerfSchG seine heutige Form.545 Weil die Aufgabenbeschreibung der Verfassungsschutzämter schon immer von offenen Rechtsbegriffen geprägt, mithin interpretationsoffen, ausgestaltet war, zeigt sich der Tätigkeitswandel in den letzten Jahren nicht nur in Veränderungen des gesetzlichen Rahmens.546 Vielmehr kam es insbesondere, getrieben durch tatsächliche Umstände, zu einer Verschiebung der Prioritäten und Arbeitsweisen innerhalb des rechtlichen Rahmens.547

D. Verbindendes Element: Der Inlandsbezug Den Differenzierungsmöglichkeiten zum Trotz besteht für die Aufgaben der Verfassungsschutzämter eine Gemeinsamkeit: Der Inlandsbezug. Dieser Inlandsbezug ergibt sich aus der zentralen Aufgabennorm des § 3 BVerfSchG und festigt die Konzeption der Verfassungsschutzämter als Inlandsnachrichtendienst. § 3 Abs. 1 Nr. 2 – 4 BVerfSchG weist den Ämtern die Beobachtung der genannten Tätigkeiten nur insoweit zu, als die Tätigkeit im Geltungsbereich des BVerfSchG, also im Inland stattfindet. Da diese Beobachtungsgegenstände einen inhaltliche

542

So auch C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 65 ff., welcher aus der internen Organisationsstruktur des BfV eine Priorisierung der Aufgabe der Extremismusbeobachtung ableiten will, Rn. 65 f. 543 BVerfSchG v. 27. 9. 1950, BGBl. I, S. 682. 544 BVerfSchG v. 7. 8. 1972, BGBl. I, S. 1382. 545 BVerfSchG v. 9. 1. 2002, BGBl. I, S. 361. 546 Die zentrale Aufgabennorm § 3 BVerfSchG ist, bis auf die Aufnahme der völkerverständigungswidrigen Bestrebungen in Abs. 1 Nr. 4, seit der Novellierung 1990 unverändert. 547 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 26 f.

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Auslandsbezüge aufweisen, wird die Begrenzung auf das Inland für diese Fälle explizit geregelt.548 Die Extremismusbeobachtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG kennt demgegenüber keine geographische Begrenzung auf das Inland.549 Eine Beschränkung des Auftrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG auf Tätigkeiten im Inland,550 sei es aufgrund der „Rolle“ als Inlandsnachrichtendienst551 oder eines postulierten Redaktionsversehens552, überzeugt nicht.553 Extremistische Bestrebungen, die eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel haben, sind nicht mehr auf das Inland beschränkt. Grenzüberschreitende Verflechtungen sind für manche dieser Gruppierungen von großer Bedeutung, etwa zur Netzwerkbildung, Waffen-Beschaffung oder Ausbildung.554 Aufgrund dieser internationalen Bezüge soll die Beobachtung der Verfassungsschutzämter in diesen Fällen nicht an der bundesdeutschen Grenze enden.555 Der Bezug zur Bundesrepublik wird dabei über die geschützten Rechtsgüter hergestellt.556 Als Konsequenz daraus werden die Verfassungsschutzämter ausschließlich bei der Extremismusbeobachtung nach Nr. 1 im Ausland tätig, wenn nationale Schutzgüter bedroht werden. Beispielsweise ist an eine sich im Ausland bildende, radikale Zelle zu denken, welche mit dem Ziel operiert, die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu beseitigen. Wie diese Beobachtung wiederum ausgestaltet ist, sei es durch Kooperation mit ausländischen Partnern oder auf andere Weise, ist eine davon getrennt zu betrachtende Frage. Jedenfalls ist die schon 1993 allenfalls vorsichtig vorgebrachte Interpretation, wonach extremistische Bestrebungen im Ausland grundsätzlich aus-

548 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 27. 549 K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 102 f. 550 M. Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 48. Unlängst F. Meinel, NVwZ 2018, 852, welcher die alleinige Kompetenz für Handlungen im Ausland beim BND sieht. A. A. G. Warg, NVwZ 2019, 127. 551 So aber noch K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 187; H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 13. 552 H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 13; M. Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 48. 553 So richtigerweise auch W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 28 f. 554 Vgl. hierzu die globalen Verflechtungen des Blood & Honour bzw. Combat 18 Netzwerks, https://exif-recherche.org/?p=4399#sub393 (abgerufen: 30. 11. 2020); M. Pichl, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2018, 111, 115 f. 555 Vgl. auch K. F. Gärditz, Strategische Fernmeldebeschränkung und Netzknotenüberwachung für den Verfassungsschutz, in: FG Graulich, 2019, S. 153, 162. 556 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 29.

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schließlich vom BND aufzuklären seien,557 im Zeichen der heute deutlich gestiegenen internationalen Mobilität zu hinterfragen. Extremistische Bestrebungen können zwar durchaus auch dem Beobachtungsauftrag des BND unterfallen, da sie Erkenntnisse über das Ausland von sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik darstellen.558 Diesbezüglich ist allerdings zunächst zu erinnern, dass Doppelzuständigkeiten im Zweifel nicht anzunehmen sind.559 Diese Vermutungsregelung gegen Doppelzuständigkeiten gilt jedoch zum einen keinesfalls absolut560 und zum anderen steht ihr der Grundsatz der Selbstvornahme entgegen, wonach das Selbsthandeln einer Behörde zur Aufgabenerfüllung der Regelfall und die Kooperation mit einer anderen die Ausnahme zu sein hat.561 Eine parallele Aufklärung von extremistischen Bestrebungen im Ausland durch den BND und die Verfassungsschutzämter ist danach jedenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Ebenso wenig überzeugt der Einwand, das BfV erhalte mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG ohne teleologische Beschränkung auf das Inland „eine schlechterdings unbegrenzte Zuständigkeit zur grenzüberschreitenden Beobachtung“562, da mit dem „Kriterium der inländischen Schutzgüter […] faktisch keinerlei Einschränkung verbunden“563 sei. Dem Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzämter sind durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG vielmehr robuste Grenzen gesetzt. Die Aufklärungsziele müssen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sein oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, mithin eine starke Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland aufweisen. Extremistische Bestrebungen, welche sich im Ausland gegen ausländische Staaten richten, sind selbst dann nicht Aufklärungsobjekt der Verfassungsschutzämter, wenn sie Beziehungen nach Deutschland pflegen. Mithin ist das Tätigkeitsfeld der Verfassungsschutzämter im Ausland äußerst begrenzt und das „rechtlich[e] und faktisch[e] Primat“564 des BND bei der Aufklärung im Ausland bleibt unangetastet. Bestrebungen, die keine innerdeutschen Schutzgüter beeinträchtigen, sind allenfalls durch den BND aufzuklären, sofern sie 557 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 248 f. Eine zeitliche Abgrenzung mit einer „Frühwarn-Funktion“ BND andeutend K. F. Gärditz, Strategische Fernmeldebeschränkung und Netzknotenüberwachung für den Verfassungsschutz, in: FG Graulich, 2019, S. 153, 160 f. 558 C. Bareinske, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 8 Rn. 81 f.; F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 855. 559 F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 854. 560 C. Gusy, ZRP 2012, 230, 231; differenziert J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1123 ff. 561 C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 2 Rn. 10, 21. Vgl. auch F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 853. Ferner 3. Teil Kap. 1 C. I. 2. c) bb) (S. 261 ff.). 562 F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 854. 563 F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 854 564 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 25.

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von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Zu guter Letzt spricht auch der Wortlautvergleich zwischen BVerfSchG und BNDG gegen eine Reduktion des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG. Während bei dieser Regelung, auch nach mehreren Gesetzesnovellen565, eine ausdrückliche geographische Beschränkung fehlt, ist der Aufklärungsauftrag des BND nach § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG ausdrücklich auf „Erkenntnisse über das Ausland“ beschränkt. Mithin stellt der Gesetzgeber im Fall des BND klar, dass „Sachverhalte, Personen und Vorgänge des innerstaatlichen politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland […] – auch soweit es im Zusammenhang mit Vorgängen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung steht – nicht Gegenstand der nachrichtendienstlichen Aufklärung durch den Bundesnachrichtendienst sind“566. Der erste Gesetzentwurf des BNDG formulierte in § 1 Abs. 2 noch deutlicher: „Auf innenpolitischem Gebiet wird der Bundesnachrichtendienst nicht tätig“. Dieser Absatz wurde zwar im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen, jedoch nur unter Aufnahme des Merkmals der „Erkenntnisse über das Ausland“.567 Die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes von der des Verfassungsschutzes und des Militärischen Abschirmdienstes klar abzugrenzen, blieb ein wesentliches Anliegen der Gesetzgebung.568 Zusammenfassend erscheint es überzeugender, bei der Beobachtung extremistischer Bestrebungen gegen die Schutzgüter des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG im Ausland ausnahmsweise eine Doppelzuständigkeit des BND und der Verfassungsschutzämter anzuerkennen und mithin auch den Verfassungsschutzämtern im Ausland eigenständiges, vom BND unabhängiges Handeln zu ermöglichen.569 Dies jedoch begrenzt auf Bestrebungen, welche die Bundesrepublik zum Ziel haben. Eine Alleinzuständigkeit des BND für das Ausland ist de lege lata zumindest keinesfalls zwingend. Dem Gesetzgeber steht es damit frei, die überschneidenden Beobachtungssphären von BND und Verfassungsschutzämtern im Ausland einer der Institutionen zur alleinigen Bearbeitung zuzuweisen oder die Kooperation zu regeln. Bei den Mitwirkungsaufgaben nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG folgt der Inlandsbezug für die Verfassungsschutzämter aus dem Inlandsbezug der jeweiligen Verfahren, an denen sie mitwirken. Es bleibt festzuhalten, dass zur Aufgabeneröffnung der Ämter für Verfassungsschutz stets ein inhaltlicher Bezug zum Inland vorliegen muss. Sei es durch Lokalität der Tätigkeit, wie in den Fällen der § 3 Abs. 1 Nr. 2 – 4 BVerfSchG, oder durch die bedrohten Schutzgüter, wie bei der Extremismusbeobachtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG. 565 566 567 568 569

BGBl. I 2002, S. 361; I 2007, S. 2; I 2011, S. 2576; I 2015, S. 1938; I 2015, S. 2161. BT-Drs. 11/4306, S. 70. BGBl. I 1990, S. 2979; Siehe auch BT-Drs. 11/7235, S. 78: „Vorgänge im Ausland“. BT-Drs. 11/7235, S. 110. Wie hier G. Warg, NVwZ 2019, 127. A. A. F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 854 f.

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E. Zeitliche Einordnung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter in Gefahrenprophylaxe, Gefahrenabwehr oder Repression Nachdem die Aufgaben der Verfassungsschutzämter in den letzten Abschnitten hinsichtlich des Inhalts dargestellt und systematisiert wurden, widmet sich der folgende Teil der zeitlichen Dimension. Diese wird oftmals mit der pauschalen Aussage, die Verfassungsschutzämter würden bereits im Vorfeld der Gefahrenabwehr tätig,570 als Kriterium genutzt, um die Tätigkeit der Ämter in einer klassischen Sicherheitsarchitektur571 von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung abzugrenzen. In diesem Abschnitt wird die Validität dieser Abgrenzung überprüft und mithin deren Wert für eine Einordnung der Verfassungsschutzämter in der deutschen Sicherheitsarchitektur bestimmt. In zeitlicher Hinsicht sind in der staatlichen Sicherheitsgewährleistung zunächst Repression – staatliches Handeln nach einer bereits eingetretenen Rechtsgutverletzung mit dem Zweck, mittels des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts den staatlichen Strafanspruch zur Ahndung eines sanktionsbewehrten Fehlverhaltens durchzusetzen572 (I.), – und Prävention – staatliches Handeln, das zeitlich vor einer Rechtsgutsverletzung ansetzt, um diese Störung zu verhindern – zu trennen.573 Prävention ist nach der vorliegenden Definition ein sehr weitreichender Begriff, der für die Zwecke dieser Untersuchung weiter untergliedert wird. Mit Blick auf die Verfassungsschutzarchitektur kann im weiten Feld der Prävention zwischen einzelfallbezogener Gefahrenabwehr (II.) und abstrakt-genereller Gefahrenprophylaxe im Vorfeld konkreter Gefahren (III.) unterschieden werden.574 Sowohl repressive Strafverfolgung als auch präventive Gefahrenabwehr sind – im Gegensatz zur Gefahrenprophylaxe – einzelfallbezogen. Während die Strafverfolgung dabei den Täter in den Mittelpunkt der Ermittlungen stellt, mithin personenbezogen handelt, wird im Rahmen der Gefahrenabwehr objektbezogen versucht, ein Schutzgut vor Schaden zu 570

W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 105; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 8; M. Albers, Determination, 2001, S. 111; K.-A. Schwarz, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 6, S. 8 f. 571 Gemeint ist hier die Trennung in äußere und innere Sicherheit sowie die Dreiteilung der inneren Sicherheit in nachrichtendienstliche Tätigkeit, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung; dazu bereits eingehend unter 1. Teil Kap. 1 (S. 39 ff.). 572 M. Möstl, in: ders./Trurnit, BeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg, 21. Ed. Stand: 1. 1. 2021, Systematische Vorbemerkungen Rn. 25; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 25 Rn. 23. 573 Ähnlich im kriminologischen Kontext, D. Dienstbühl, Extremismus und Radikalisierung, 2019, S. 221 f. 574 Wie hier, allerdings für die Polizeiaufgaben, in der Terminologie Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und Prävention, E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 5.

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bewahren. Sowohl präventiv-objektive575 Gefahrenabwehr wie auch präventiv-generelle Gefahrenprophylaxe setzen sich aus informationeller Vorbereitung und aktionellen Umsetzungsmaßnahmen zusammen. Gesammelte Informationen sind zwar im Kontext staatlicher Sicherheitsgewährleistung oftmals sowohl für die Repression als auch beide Bereiche der Prävention von Bedeutung.576 Gleichwohl sind die Informationserhebungsbefugnisse von Sicherheitsbehörden auf ihre jeweiligen Aufgaben abgestimmt und jede Datenerhebung an einen spezifischen Erhebungszweck gebunden.577 Daher kann – trotz Multirelevanz einer Information und der Möglichkeit einer Zweckänderung578 – nach dem ursprünglichen Erhebungszweck, mithin der Funktion der Informationsvorsorge unterschieden werden. Diese abstrakte Unterscheidung, die der überkommenen Dreiteilung der inneren Sicherheit zugrundgelegt werden kann, hat trotz veränderter Bedrohungslage und zunehmender Verwischung der Grenzen in den Grundprämissen unverändert Bestand (IV.). Die Verfassungsschutzämter betreiben Gefahrenprophylaxe, werden aber zunehmend auch mit der Informationsvorsorge zur Gefahrenabwehr betraut (V.).

I. Repression im Verfassungsschutzkontext Im Sicherheitsrecht bildet die Schutzgutsverletzung in zeitlicher Hinsicht die erste Zäsur. Die repressive Sicherheitsgewährleistung setzt zeitlich am spätesten, nämlich nach einer bereits eingetretenen Rechtsgutverletzung, an und dient mittels des Strafrechts der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zur Ahndung eines sanktionsbewehrten Fehlverhaltens.579 Trotz nicht unwesentlicher präventiver Effekte des Strafrechts, bleibt doch Repression der vorrangige Zweck dieser Regelungsmaterie.580 575 Gegenüber der repressiv-personenbezogenen Strafverfolgung, BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. 12. 2018 – 1 BvR 142/15, Rn. 68 f., NVwZ 2019, 381, 386. 576 Zur Multifunktionalität polizeilicher Wissensproduktion, E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 4. 577 Zum verfassungsrechtlichen, datenschutzrechtlichen Grundsatz der Zweckbindung, BVerfGE 133, 277, 323 Rn. 113. 578 Eine solche Zweckänderung wird vom Grundsatz der Zweckbindung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, BVerfGE 100, 313, 360; 109, 279, 375 f.; 110, 33, 69; 133, 277, 323 Rn. 114. 579 M. Möstl, in: ders./Trurnit, BeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg, 21. Ed. Stand: 1. 1. 2021, Systematische Vorbemerkungen Rn. 25; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 25 Rn. 23. Für die Trennung von Repression und Prävention innerhalb der staatlichen Sicherheitsgewährleistung im Allgemeinen, M. Möstl, Garantie, 2002, S. 147. Zur Trennung von Gefahrenabwehr und repressivem Handeln, B. Pieroth/B. Schlink/M. Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, 9. Aufl. 2016, § 2 Rn. 7 ff.; ebenso in der Fortsetzung T. Kingreen/ R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 5 ff. Beachtlich ist in diesem Zusammenhang auch das Ordnungswidrigkeitenrecht zur Ahndung minderschwerer Vergehen. 580 T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 5.

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Repressives Staatshandeln wird primär von den Ermittlungsbehörden und der Strafjustiz ausgeführt. Um den Begriff der Ermittlungsbehörden auf ein handhabbares Maß zu begrenzen, sind darunter lediglich Behörden zu verstehen, welche mit der Aufklärung von Straftaten beauftragt sind.581 Nach diesem Verständnis sind Ermittlungsbehörden zumindest die Staatsanwaltschaften zusammen mit der Vollzugspolizei in ihrer Funktion als Unterstützungsbehörde der Staatsanwaltschaft nach § 161 StPO, § 152 GVG582, die Zollbehörden und die Finanzbehörden in Steuerstrafsachen nach § 386 Abs. 1 und 2 AO583. Der Ausspruch von Strafe ist nach Art. 92 GG hingegen allein den Gerichten vorbehalten.584 Die Strafjustiz nimmt damit die zentrale Rolle bei der Realisierung des staatlichen Repressionsanspruches ein. Sie ist über den Untersuchungsgrundsatz verpflichtet, „zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen“ durchzuführen, wobei § 244 Abs. 2 StPO dahingehend ausgelegt wird, dass die Untersuchungspflicht nicht auf den Umfang der Hauptverhandlung beschränkt ist.585 Daher wird die Strafgerichtsbarkeit zu Recht als funktionale Ermittlungsbehörde bezeichnet.586 Auch innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur ist in zeitlicher Hinsicht die Schutzgutsverletzung die maßgebliche Trennlinie zwischen Prävention und Repression. Ab dem Zeitpunkt der Verletzung greift das primär repressive (Staatsschutz-)Strafrecht587 ein; vor dem Schadenseintritt wirkt das Präventionsregime. Allerdings bewirkt die Vorverlagerung durch Organisations-588 und Vorbereitungsdelikte589 auch im Bereich des Staatsschutzstrafrechts eine zeitliche Erweiterung

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Damit scheiden Ermittlungsbehörden zur Aufklärung bloßer Ordnungswidrigkeiten ebenso aus der Betrachtung aus, wie die Verbotsbehörden, welche nach § 4 Abs. 1 VereinsG als Ermittlungsbehörden im Vereinsverbotsverfahren auftreten. Zu diesen W. Roth, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 VereinsG, Rn. 2 ff. 582 E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 182 ff. 583 W. Joecks, in: ders./Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 399 AO, Rn. 5 ff. 584 BVerfGE 22, 49, 77 f.; 8, 197, 207: „Denn sicher gehört die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit zu den Funktionen [der rechtsprechenden] Gewalt.“; E 12, 264, 274. 585 G. Trüg/J. Habetha, in: MüKo-StPO, Bd. 2, 1. Aufl. 2016, § 244, Rn. 48. 586 H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 37 Rn. 68. Zur Einordnung als Sicherheitsbehörde, F. Rachor/ F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 126 ff. 587 Zur Präventivfunktion des Strafrechts, M. Möstl, Garantie, 2002, S. 149 ff. Zur Gefahr des Missbrauchs zur Verächtlichmachung politischer Gegner, M. Güde, Probleme des politischen Strafrechts, Vortrag vor der Gesellschaft Hamburger Juristen am 22. 3. 1957, S. 10 ff. Das Staatsschutzstrafrecht wird bisweilen auch als Teil des „einfachgesetzlichen Verfassungsschutzes“ oder als „politisches Strafrecht“ bezeichnet, G. Dürig/H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. Lfg. September 2017, Art. 18, Rn. 128 bzw. 131. 588 Oder „Vereinigungsdelikte“, J. Brons, Binnendissonanzen im AT, 2014, S. 216. 589 Zu diesen eingehend J. Brons, Binnendissonanzen im AT, 2014, S. 207 ff.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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desselben.590 Der Bereich kriminalisierten Verhaltens wird ausgedehnt. Dabei werden Verhaltensweisen einbezogen, die in zeitlicher Hinsicht weiter von der Rechtsgutsverletzung entfernt sind. Diese Erweiterung führt damit auch zu einem Verschwimmen der Grenzen zwischen Prävention und Repression.591 Besonders dünn wird die Grenze zwischen der der Strafverfolgung zugeordneten Strafverfolgungsvorsorge und der Abwehr von Gefahren. Das Bundesverfassungsgericht äußert sich zu dieser Unterscheidung wie folgt: „Unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 GG fällt auch die Vorsorge für die spätere Verfolgung von Straftaten, die sogenannte Strafverfolgungsvorsorge […]. Hierzu werden Maßnahmen gerechnet, welche die Ahndung von Straftaten ermöglichen oder erleichtern sollen, die erst in Zukunft erwartet werden. Sie knüpfen nicht an eine bereits begangene Straftat oder einen Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO an, sondern zielen auf die Verfolgung noch nicht begangener, sondern in ungewisser Zukunft möglicherweise bevorstehender Straftaten. Die Strafverfolgungsvorsorge geschieht mithin in zeitlicher Hinsicht präventiv, betrifft aber gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren […]. (b) Demgegenüber richtet sich die Gefahrenabwehr auf die Beseitigung und Verhinderung von Gefahren und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Sie ist nicht repressiv-personenbezogen auf die Verfolgung von Straftätern ausgerichtet, sondern präventiv-objektiv unmittelbar auf den Schutz der Integrität der Rechtsordnung und der durch sie geschützten Rechtsgüter. Hierzu gehört auch die Verhinderung von Straftaten […].“592

590

Zum Begriff der Vorfeldstrafbarkeit, J. Brons, Binnendissonanzen im AT, 2014, S. 179 f. Zu den Voraussetzungen für eine solche Vorverlagerung des Strafrechts, a. a. O., S. 184 f. Zu den Mechaniken der Vorverlagerung, a. a. O., S. 194 ff. Zur Vorverlagerung der staatlichen Repressionstätigkeit durch die Kriminalisierung von Vorfeldtätigkeiten, etwa die Bildung krimineller und terroristischer Organisationen durch §§ 129 und 129a StGB ausführlich, M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 67 ff., welcher die „(Gefahren-)Vorsorge in den polizeilichen Tätigkeitsbereich der Gefahrenabwehr“ einbeziehen möchte, S. 95; ebenso D. Heckmann, in: Blaschke/Förster/Lumpp/Schmidt (Hrsg.), Sicherheit statt Freiheit?, 2005, S. 9, 12; ferner M. Möstl, Garantie, 2002, S. 204 ff. Vgl. auch den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 7. 2. 2018, abrufbar unter https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsver trag_2018.pdf?file=1 (abgerufen: 30. 11. 2020), S. 128: „Wo Strafbarkeitslücken bestehen, werden wir eine Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Infrastrukturen einführen, um speziell im Internet eine Ahndung von Delikten wie z. B. das Betreiben eines Darknet-Handelsplatzes für kriminelle Waren und Dienstleistungen einzuführen“. 591 Zu Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall und „Mischformen“ präventiver und repressiver Maßnahmen überblicksartig m. w. N. M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 95 f. Die Abgrenzung zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr erhält unter dem Gesichtspunkt der Gesetzgebungskompetenz besondere Relevanz, da erstere dem Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, wovon insbesondere mit der StPO Gebrauch gemacht wurde, und letztere grundsätzlich den Ländern zugewiesen ist. Dazu und insbesondere zur Abgrenzung nach dem Zweck der Regelung, BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. 12. 2018 – 1 BvR 142/15, Rn. 61 ff. Zu entsprechenden Abgrenzungsschwierigkeiten für handelnde Polizeibeamte am Beispiel des 2018 reformierten NRWPolG J. Griebel/C. Schäfer, NVwZ 2020, 511, 513. 592 BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. 12. 2018 – 1 BvR 142/15, Rn. 68 f., NVwZ 2019, 381, 386.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen präventiver Schadensvermeidung und repressiver Strafverfolgung sind für die Einordnung der Verfassungsschutzämter allerdings insofern kaum von Belang, als diese selbst im Verfassungsschutzkontext – im Staatsschutzstrafrecht – nicht als Strafverfolgungsbehörden auftreten.593 Ihnen sind im BVerfSchG jedenfalls ausdrücklich keine Sanktionsaufgaben übertragen. Ebenso wenig lassen die ihnen überantworteten Befugnisse einen gegenteiligen Schluss zu. Zumal die weniger präzise Beschreibung der Befugnisse der Verfassungsschutzämter im Gegensatz zu denen der Polizei- und Sicherheitsbehörden damit begründet wird, dass sie keine „Zwangsmaßnahmen bis hin zu Eingriffen in die persönliche Freiheit vorbereiten und begründen können“594. Außerdem werden die Ämter in der StPO konsequenterweise nicht als Beteiligte des Ermittlungs- oder des Strafverfahrens erwähnt.595 Ihrer Einbindung stünden strukturelle Hindernisse entgegen, da die Verfassungsschutzämter im Gegensatz zur Polizei596 hinsichtlich der Weitergabe von Informationen grundsätzlich nicht an das Legalitätsprinzip gebunden sind.597 Ihnen steht es nach § 19 Abs. 1 BVerfSchG in der Regel frei, ihre Erkenntnisse über Straftaten mit den Strafverfolgungsbehörden zu teilen.598 Die Befreiung der Verfassungsschutzämter findet ihre Grenze in § 138 StGB und der Übermittlungspflicht nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG. Die Pflicht nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG ist allerdings durch die Übermittlungsverbote des § 23 BVerfSchG wieder teilweise relativiert.599 Demgegenüber muss die Polizei nach § 163 Abs. 2 S. 1 StPO der Staatsanwaltschaft ihren gesamten Ermittlungsverlauf offenbaren.600 Ohne uneingeschränkte Pflicht der Verfassungsschutzämter zur Weitergabe sind Informationsdefizite sowohl der Gerichte (§ 199 Abs. 2 S. 2 StPO) als auch der Verteidiger (§ 147 StPO) mög593 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118; N. Gazeas, Übermittlung, 2014, S. 193 und Zusammenfassung S. 624 Nr. 1; K. L. Lang, Das Antiterrordateigesetz, 2011, S. 60. Differenziert J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 292 f. 594 BVerfGE 133, 277, 327 Rn. 120. 595 Die StPO führt die Verfassungsschutzämter lediglich in den §§ 477 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 492 Abs. 4 StPO als Informationsempfänger. 596 § 163 Abs. 1 StPO und §§ 152 Abs. 2, 160, 161 StPO; zur Bindung der Polizei an den Legalitätsgrundsatz eingehend E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 185 ff. 597 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 278 f.; N. Gazeas, Übermittlung, 2014, S. 294 f.; J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 292. 598 Zur Ermessensentscheidung des BfV bei Übermittlungen nach § 19 Abs. 1 S. 1, 2 BVerfSchG, W. Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 19 BVerfSchG, Rn. 9, 21. 599 W. Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 20 BVerfSchG, Rn. 6. 600 M. von Häfen, in: Graf, BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 39. Ed. Stand: 1. 1. 2021, § 163 StPO, Rn. 16 f.; in Staatsschutzsachen erfolgt die Vorlage nach § 142a Abs. 1 GVG, Nr. 202 Abs. 4 RiStBV an den Generalbundesanwalt, Rn. 16. Siehe auch BVerfGE 133, 277, 328 Rn. 121.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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lich.601 Bei Einbindung der Verfassungsschutzämter in das Ermittlungsverfahren droht insofern eine eklatante Beeinträchtigung des „Fair-trial“-Grundsatzes, als die Ermittlungen vom Angeklagten im anschließenden Strafprozess gegebenenfalls nicht nachvollzogen werden können.602 De lege ferenda könnten die Verfassungsschutzämter daher auf die Lieferung von Ermittlungsansätzen an die Strafverfolgungsbehörden beschränkt werden, um die eigene Ermittlungen letzterer anzustoßen. Basierend auf den Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden könnte das Strafverfahren ohne Beweisführungsschwierigkeiten durchgeführt werden.603 Die skizzierten Strukturbedenken würden nicht mehr durchgreifen. Denn die von den Verfassungsschutzämtern gelieferten Ermittlungsansätze wären zum einen von den Strafverfolgungsbehörden im Strafverfahren offen zu legen,604 womit ein Informationsdefizit verhindert werden könnte. Zum anderen müssten die Verfassungsschutzämter in ihren Anzeigen keine Quellen nennen. Der Bedeutung des Quellenschutzes bei der nachrichtendienstlichen Tätigkeit wäre damit Rechnung getragen. Aufklärung und Auswertung zur Initiierung oder Unterstützung von konkreten Ermittlungsverfahren war und ist den Ämtern bis heute nicht zugewiesen worden.605 Mithin stehen die Verfassungsschutzämter außerhalb des repressiven Teilbereichs des spezifischen Verfassungsschutzes606 und sind damit Präventionsbehörden.

II. Einzelfallbezogene Prävention durch Gefahrenabwehr Die Prävention ist der prägende Gedanke des modernen deutschen Sicherheitsrechts.607 Anders als der liberale Nachtwächterstaat ist der demokratische und soziale 601 J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 116 f.; H. Frister, in: FS Bemmann, 1997, S. 542, 552 f.; H. Ferse, KritV 1994, 256, 260. 602 Relativierend für den Fall, dass sowohl Gericht als auch Angeklagter über denselben, unvollständigen Wissenstand verfügen, B. Nowrousian, Heimliches Vorgehen und aktive Täuschung im Ermittlungsverfahren, 2015, S. 84 ff. 603 Zu Beweiswerten nachrichtendienstlicher Hinweise, vgl. M. A. Zöller, in: Dietrich/ Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 79, 85 ff. 604 Allerdings begrenzt auf den Hinweis, dass nachrichtendienstliche Informationen den Anlass für eigene Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden gaben. Denn für die Nachrichtendienste besteht in diesen Fällen im Strafverfahren keine Offenlegungspflicht, so J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 118. Beachte allerdings die Offenlegungspflicht im Verwaltungsstreitverfahren bei Sicherheitsüberprüfungen, s. BVerfG, DÖV 2000, 287, 288 ff. 605 J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 123 f. 606 F. Rachor/F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 101. 607 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 17 ff., 199. Vgl. auch H. Hofmann, Pedictive Policing, 2020, S. 27 ff. Zum Vorrang der Prävention vor der Repression im Kontext von „vorbeugenden“

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Rechtsstaat nicht derart auf die Strafverfolgung begrenzt, als dass ihm Prävention schon grundsätzlich verwehrt bliebe.608 Zusätzlich drängen Gefahrenpotentiale von ungekanntem Ausmaß609 die staatliche Sicherheitsgewährleistung dazu, eine Gefahr bannen zu wollen, bevor sie sich in einem gegebenenfalls gewaltigen Schaden realisiert. Darüber hinaus erhebt die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten610 die Gefahrenvorsorge und die Prävention zur Verfassungsaufgabe.611 Diese Schutzpflichten des Staates setzen nicht erst ab einer gewissen Wahrscheinlichkeitsschwelle ein, sondern bereits bei noch diffusen Bedrohungen612 und bewirken damit eine gewisse Vorverlagerung der Gefahrenabwehr. Zur Prävention werden verschiedenste Ansätze verfolgt, die vorliegend grob in zwei Ausrichtungen unterscheiden werden: die auf Abwehr im Einzelfall ausgerichtete Gefahrenabwehr (1.) und die abstrakt-generelle Gefahrenprophylaxe613. Innerhalb der Gefahrenabwehr können wiederum informationelle Vorbereitungsund aktionelle Umsetzungsmaßnahmen unterschieden werden (2.). 1. Einordnung der Gefahrenabwehr in die Verfassungsschutzarchitektur anhand funktioneller Kriterien Im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld eines Schadensereignisses versucht der Staat, Rechtsgutverletzungen zu verhindern, unabhängig davon, ob die gefährdende Handlung kriminalisiert ist, indem Gefahren erkannt werden und rechtzeitig in entsprechende Kausalverläufe eingegriffen wird.614 Ziel ist, auf ein Wort reduziert, die Gefahrenabwehr. Die Einordnung der Gefahrenabwehr in die vorliegend entfaltete Verfassungsschutzarchitektur soll anhand funktioneller Kriterien erfolgen – nach den mit der Aufgaben- und Befugniszuteilung verfolgten Zwecken staatlichen Handelns – und nicht formell nach den ausführenden Institutionen. Eigentlich geht es hier darum, die Repression von der Prävention und diese wiederum in ihren Ausprägungen der Gefahrenabwehr und der Gefahrenprophylaxe zu differenzieren. und „heilendenden“ Maßnahmen, G. Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 51, 263 f. unter Verweis auf BVerfGE 30, 336, 350; 39, 1, 44, 52. 608 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 160. 609 Zu denken ist an „katastrophenähnliche Ereignisse“, wie „denkbare Anschläge auf Atomkraftwerke oder den Gebrauch von ABC-Waffen“, S. Huster/K. Rudolph, in: dies. (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat?, S. 9, 15. 610 Eingehend dazu M. Möstl, Garantie, 2002, S. 84 ff. 611 Zur Gefahrenabwehr, B. Drews/G. Wacke/K. Vogel/W. Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 2. 612 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 95 f. 613 Dazu sogleich unter 2. Teil Kap. 2 E. III. (S. 142 ff.). 614 M. Möstl, in: ders./Trurnit, BeckOK Polizeirecht Baden-Württemberg, 21. Ed. Stand: 1. 1. 2021, Systematische Vorbemerkungen Rn. 25.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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Für die Einordnung der Gefahrenabwehr in zeitlicher Hinsicht ist der Anlass des Einschreitens maßgeblich. Während im Rahmen der Repression eine bereits eingetretene615 Schutzgutsverletzung einem Verdächtigen zugeordnet werden muss, besteht im Rahmen der Gefahrenabwehr dieser strikte personelle Konnex nicht. Ziel der Gefahrenabwehr ist nicht, den Kreis der Verdächtigen auf einen Täter einzuschränken, sondern ein spezifisches Schutzgut vor Verletzung zu bewahren. Die Orientierung der Gefahrenabwehr ist daher eine präventiv-objektive, auf Schutzgut und Einzelfall bezogene. Der Einzelfallbezug von repressiver Strafverfolgung und präventiver Gefahrenabwehr616 deckt die Parallele der beiden staatlichen Handlungszwecke auf: Die Abhängigkeit von einem hinreichend konkreten Anlass – der Anfangsverdacht einer Straftat oder der Gefahrenverdacht617 im Gefahrabwehrkontext. Auf den Verfassungsschutz bezogen: entweder der Verdacht einer Straftat nach §§ 81 – 90b StGB618 oder der Verdacht einer Gefährdung eines der Schutzgüter nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG619. Oftmals steht am Anfang der Ermittlungen noch nicht fest, ob die Rechtsgutsverletzung bereits eingetreten ist oder nicht; mithin ob die Ermittlungen der repressiven Strafverfolgung oder der präventiven Gefahrenabwehr dienen.620 Wird der Verdacht allerdings nicht durch eine Rechtsgutsverletzung erweckt – etwa durch 615 Selbst die im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung ansetzende Strafverfolgungsvorsorge, ist eine Informationserhebung die nur im Falle einer später tatsächlich stattfindenden Rechtsgutsverletzung und einem daraus resultierenden Strafverfahren, mithin repressiv, zum Tragen kommt, s. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. 12. 2018 – 1 BvR 142/15, Rn. 68 f., NVwZ 2019, 381, 386. 616 Siehe allerdings zur „Tendenz […], wonach auch im Rahmen der polizeilichen Verfolgungsvorsorge verhäuft organisationsbezogene [– mithin vom Einzelfall entfernte –] Betrachtungen und Ermittlungen angestellt werden“, M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 130. 617 In der vorliegenden Untersuchung wird ein enger Gefahrenverdachtsbegriff verwendet. Ein Gefahrenverdacht liegt dann vor, „wenn die Polizei Anhaltspunkte hat, die auf einen schon bestehenden (fortdauernden) Schaden oder einen erst zukünftig drohenden Schadenseintritt hindeuten, diese Anhaltspunkte aber noch nicht für die Bejahung einer konkreten Gefahr durch die Polizei genügen, weil sie noch nicht die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts begründen“ (W.-R. Schenke, JuS 2018, 505, 508; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 83; BVerwG, Urt. v. 3. 7. 2002 – 6 CN 8.01, DVBl. 2002, 1562, 1563 f.). In diesen Fällen des Gefahrenverdachts „kommen nach dem allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr in erster Linie Maßnahmen zur weiteren Erforschung des Sachverhaltes in Betracht. Dagegen sind Maßnahmen, die über die Abklärung des Verdachts hinaus auf die Abwehr der vermuteten Gefahr gerichtet sind, ohne spezialgesetzliche Ermächtigung zur Gefahrenvorsorge grundsätzlich nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn höchstrangige Rechtsgüter auf dem Spiel stehen“ (BVerwG, Urt. v. 3. 7. 2002 – 6 CN 8.01, DVBl. 2002, 1562, 1565). 618 Zum Staatsschutzstrafrecht als Teil des grundgesetzlichen Verfassungsschutzes, 2. Teil Kap. 3 A. IV. 1. (S. 175 f.). 619 Zu diesen bereits unter 1. Teil Kap. 3 A. – C. (S. 52 ff.). 620 Zur „multifunktionalen“ „Wissensproduktion“ der Polizei, E. Denninger, in: Lisken/ ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 4.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Geldströme zur Terrorismusfinanzierung nach § 89c StGB –, muss davon ausgegangen werden, dass der Eintritt eines Schadens noch verhindert werden kann; mithin eine Gefahrabwehrsituation besteht. Selbst wenn schon einzelne Staatsschutzdelikte vollendet wurden, können dadurch ausgelöste Ermittlungen zur Verhinderung weiterer Straftaten beitragen. Repressive Strafverfolgung und präventive Gefahrenabwehr fließen in diesen Fällen zwar zeitlich ineinander, können aber in einzelne Komplexe – Strafverfolgung einer bestimmten Person wegen eines bestimmten Deliktes und Vorbereitung der Gefahrenabwehr zum Schutz eines bestimmten Schutzgutes – unterschieden werden. 2. Informatorische und aktionelle Maßnahmen der Gefahrenabwehr Im weiten Feld der staatlichen Gefahrenprävention unterscheiden sich die die Prognose unterstützenden Tätigkeiten (Informationsvorsorge) und die auf Grundlage der Prognose unmittelbar wirkenden Tätigkeiten (aktionelle Maßnahmen).621 Die aktionelle Gefahrenabwehr soll auf eine als hinreichend gefährlich erkannte Situation direkt einwirken.622 Ein Kausalverlauf, welcher bei ungehindertem Fortgang die Beeinträchtigung eines Schutzgutes vermuten lässt, soll verändert werden.623 Während eine Vielzahl an Behörden Informationsvorsorge im Gefahrenvorfeld betreiben, ist die unmittelbare, aktionelle Gefahrenabwehr die Domäne der Polizeien des Bundes und der Länder sowie der Sicherheits- und Ordnungsbehörden der Länder. Zur unmittelbaren Gefahrenabwehr sind Maßnahmen nötig, die einen konkreten Kausalverlauf verändern können.624 Es müssen also gefährliche Gegenstände beschlagnahmt, Störer in Gewahrsam genommen oder Platzverweise erteilt werden können. Ziel ist es, zu verhindern, dass sich eine Gefahr in einem Schaden realisiert. Zur Beurteilung, ob ein Anlass für aktionelle Maßnahmen vorliegt, und zur Wahl des adäquaten Mittels ist eine Einschätzung der Situation grundlegend. Zu dieser Einschätzung ist aufgrund der Unsicherheit des weiteren Verlaufs einer bedrohlichen Situation eine Prognose zu treffen. Der Vorbereitung dieser Prognose dienen die 621

In der Sache identisch spricht B. Müller, BayVBl. 2018, 109, 112 von „informatorischen“ und „aktionellen“ Maßnahmen. 622 Vgl. E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 14. Zu aktionellen Maßnahmen bereits im Vorfeld von Gefahren, A. Kießling, in: Kulick/ Goldhammer (Hrsg.), Der Terrorist als Feind?, 2020, S. 261. 623 Vgl. A. Kießling, in: Kulick/Goldhammer (Hrsg.), Der Terrorist als Feind?, 2020, S. 261, 263. 624 Zur Informationsvorsorge sind demgegenüber Maßnahmen zur Informationserhebung und Verarbeitung nötig. Diesen beiden als charakteristische Handlungsalternativen der Sicherheitsbehörden in Rahmen der Prävention beschreibend M. Möstl, Garantie, 2002, S. 169 ff. Ebenfalls den Zweck und eben nicht den Anlass einer Maßnahme zur Einordnung in den Bereich der Repression oder der Prävention als maßgeblich ansehend M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 105; ebenso F. Rachor/K. Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, E. Rn. 395.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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Tätigkeiten der Informationsvorsorge.625 Eine Unterscheidung von aktionellen und informatorischen Maßnahmen626 ist angezeigt, da sich die im jeweiligen Bereich eingesetzten Mittel unterscheiden und damit unterschiedlich intensive Grundrechtseingriffe verbunden sind.627 Im Optimalfall sind beide Bereiche zwei ineinandergreifende Rädchen zur Verhinderung von Schutzgutsverletzungen.628 Dementsprechend ist die Unterscheidung im Sinne einer Systematisierung im weiten Bereich der Prävention zu sehen.629 Der Begriff der Gefahrenabwehr darf folglich nicht zu eng auf das schlussendlich die unmittelbare Gefahr abwendende Eingreifen in einen Kausalverlauf bezogen werden. Vielmehr ist auch das informatorische Vorbereiten des Einschreitens von diesem Begriff umfasst.630 Maßnahmen wie der polizeiliche Platzverweis, etwa nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 BayPAG, oder auch der Ausspruch einer partiellen Grundrechtsverwirkung durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 18 GG631 verändern einen Kausalverlauf mit dem unmittelbaren Zweck ein Schadensereignis zu ver625 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 208 ff. Insbesondere zum Zweckbindungsgebot E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 36 ff. N. Pütter, CILIP 1/2007, 3, 10: „Um wirksam prävenieren zu können, muss man über ausreichendes Wissen verfügen. Man muss innerhalb der sozialen Wirklichkeit sowohl die zukünftigen potenziellen Gefährdungen diagnostizieren als auch jene Faktoren bestimmen, durch deren Beeinflussung das Diagnostizierte verhindert werden kann.“ 626 B. Müller, BayVBl. 2018, 109, 112. Zur Herausforderung die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge unter den Begriff der Gefahrenabwehr zu subsumieren M. Albers, Determination, 2001, S. 118 ff. Aufgrund dieser Schwierigkeiten geht E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 5 von einer Dreiteilung der Polizeiaufgaben aus und unterscheidet Gefahrenabwehr und Prävention. 627 F. Rachor/K. Graulich, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, E. Rn. 820: Die Anwendung von unmittelbarem Zwang „ist die schärfste Form des Eingriffs in die Rechte des Bürgers“. Zum Informationseingriff eingehend S. Tanneberger, Sicherheitsverfassung, 2014, S. 223 ff. 628 Von der Informationstätigkeit im Gefahrenvorfeld als natürliche Ergänzung zur Gefahrenabwehr spricht M. Möstl, Garantie, 2002, S. 208 ff.; dagegen mit einer Beschränkung der Polizei auf die Abwehr konkreter Gefahren noch E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl. 1996, D. Rn. 19; nunmehr auch mit dem Schlagwort „Prävention II“ E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 5, zu „Prävention II“, B. Rn. 14 ff. 629 Zur Uneinheitlichkeit, in welcher Vorfeldbefugnisse in die Systematik der jeweiligen Landespolizeigesetze eingefügt sind S. Kral, Vorfeldbefugnisse, 2012, S. 164 ff. 630 F. Schoch, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kap. 1 Rn. 10 mit Verweis auf die einfachgesetzliche Normierung in § 1 Abs. 1 S. 2 ASOG Bln; § 1 Abs. 1 S. 2 BbgPolG; § 1 Abs. 1 S. 2 BremPolG; § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei Hamburg (HmbPolDVG); § 1 Abs. 1 S. 2 HSOG. 631 Dazu Art. 18 GG G. Dürig/H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. Lfg. September 2017, Art. 18, Rn. 132: „Die Strafe wirkt repressiv […]. Die Verwirkung dagegen ist ausschließlich präventiv; der Täter wird wegen seiner objektiven Gefährlichkeit, die durch sein bisheriges Verhalten indiziert wird, für die Zukunft aus dem politischen Leben eliminiert, soweit dies für die Sicherheit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erforderlich ist.“

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

hindern. Die Entscheidungsgrundlage zur Begründung solcher, teils mit erheblichen Freiheitsbeschränkungen verbundenen, aktionellen Maßnahmen wird mittels Informationserhebung, etwa durch polizeiliche Identitätsfeststellungen (vgl. Art. 13 BayPAG) oder der Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter nach §§ 3 i. V. m. 19 BVerfSchG, bereitet.

III. Gefahrenprophylaxe zur abstrakt-generellen Prävention In der unmittelbaren Einwirkung auf einen konkreten Kausalverlauf unterscheiden sich die Ziele von Gefahrenabwehr und Gefahrenprophylaxe. Unter Gefahrenprophylaxe wird in dieser Untersuchung staatliches Handeln verstanden, dass abstrakt-generell – weitgehend losgelöst von Einzelfall und -person632 – Anreize setzt, um Schadensereignisse zu vermeiden. Umfasst sind davon Bildungsmaßnahmen ebenso wie polizeiliche Streifenfahrten633 oder der Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit nach § 16 BVerfSchG. 1. Abgrenzung zu Repression und Gefahrenabwehr … Im Unterschied zur Repression setzt die Gefahrenprophylaxe präventiv zur Verhinderung eines Schadensereignisses ein. Das Ziel ist nicht die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, sondern die Bestärkung der gesellschaftlichen Resilienz und die Verminderung von Konfliktpotenzialen. Von der Gefahrenabwehr kann die Gefahrenprophylaxe durch weitgehende Loslösung vom Einzelfall, vom konkreten Anlass abgeschichtet werden. Maßgeblich ist dafür keine zeitliche Unterscheidung, wie zwischen aktionellen und zeitlich zwingend vorgelagerten, da vorbereitenden, informationellen Maßnahmen, sondern eine funktionelle. Aktionelle Maßnahmen der Gefahrenprophylaxe haben nicht die unmittelbare Veränderung eines konkreten Kausalverlaufs zum Ziel, sondern richten sich abstrakt-generell an einen weiten Adressatenkreis. Dementsprechend muss sich auch die korrespondierende informationelle Vorbereitung von der Informationsvorsorge zur Gefahrenabwehr unterscheiden. Zwar darf auch für die Gefahrenprophylaxe nicht völlig anlasslos „ins Blaue hinein“ ermittelt werden – ein Ermittlungsrahmen, eine Ermittlungsrichtung wollen begründet werden. Gleichwohl ist mit der Loslösung vom Einzelfall eine erhebliche Erweiterung des Ermittlungsfeldes verbunden. Diese deutlich erhöhte Streubreite der staatlichen Ermittlungstätigkeit 632

Siehe für die Beobachtung der Nachrichtendienste, die im Vergleich zu den Aufgaben der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden „abstrakter“ sei, N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 15. Vgl. auch BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118; 130, 151, 206. 633 „Allgemeine Beobachtung“ der Verfassungsschutzämter in der „Vorprüfphase“ mit polizeilichen Streifgängen vergleichend J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 823.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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muss rechtsstaatlich gefasst werden. Grundrechtssensible Ermittlungsbefugnisse dürften mit dem Zweck der Gefahrenprophylaxe regelmäßig nicht gerechtfertigt sein. Den Präventionsbehörden verbleibt die Analyse offen zugänglicher Quellen unter Beachtung der Grenzen, die die Grundrechte der staatlichen Datenverarbeitung setzen.634 2. … verdeutlicht am Beispiel des Verfassungsschutzberichts Für den Verfassungsschutz ist der von den Innenministerien veröffentlichte Verfassungsschutzbericht (für den Bund nach § 16 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG) eine zentrale Maßnahme zur Gefahrenprophylaxe, an welcher sich die Unterschiede zur Repression und der präventiven Gefahrenabwehr verdeutlichen lassen. Nach § 16 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG informiert das Bundesministerium des Innern (BMI) die Öffentlichkeit über Bestrebungen und Tätigkeiten, die vom BfV nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG beobachtet werden. Diese Berichterstattung hat nach § 16 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG mindestens einmal jährlich zu erfolgen. Für diese Berichterstattung hat sich das Format des sogenannten „Verfassungsschutzberichts“ etabliert.635 Der Verfassungsschutzbericht dient der „fundierte[n] Aufklärung und Informationsvermittlung über Art und Umfang [der] extremistische[n] Bedrohung“ in der Bundesrepublik Deutschland bzw. den jeweiligen Bundesländern und basiert, im Fall des Verfassungsschutzberichts des Bundes „auf den Erkenntnissen, die das BfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat.“636 Allerdings werden die Verfassungsschutzberichte von den Innenministerien herausgegeben (auf Bundesebene § 16 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG) und sind damit klar von der eigenen Öffentlichkeitsarbeit der einzelnen Verfassungsschutzämter (auf Bundesebene § 16 Abs. 1 BVerfSchG) zu trennen. Den Verfassungsschutzberichten kommt durch die größere Wirkmacht ministerieller Verlautbarungen ein größeres Gewicht zu als der Öffentlichkeitsarbeit der Verfassungsschutzämter.637 Die jährlichen Verfassungsschutzberichte sind „kein[e] beliebige[n] Erzeugnis[se] staatlicher Öffentlichkeitsarbeit“; mithin „geht eine Veröf634

Zum Verbot umfangreiche Persönlichkeitsprofile zu erstellen BVerfGE 130, 1, 24. Veröffentlicht unter https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publika tionen/verfassungsschutzberichte (abgerufen: 30. 11. 2020). 636 BMI, Verfassungsschutzbericht des Bundes 2018, S. 19, abrufbar unter https://www.ver fassungsschutz.de/embed/vsbericht-2018.pdf (abgerufen: 30. 11. 2020). Dazu im Kontext der Verfassungsschutzberichte des Landes Nordrhein-Westfalen über die Jahre 1994 und 1995, BVerfGE 113, 63, 77 – 80. Ferner E 40, 287, 292 f.; BVerwG, Urt. v. 26. 6. 2013 – 6 C 4/12, NVwZ 2014, 233, 234 Rn. 11; BayVGH, Beschl. v. 16. 7. 2010 – 10 CE 10.1201, juris, Rn. 13; BayVGH, Urt. v. 22. 10. 2015 – 10 B 15.1320, juris, Rn. 35 f. Eingehend zur Weiterverwendung der Verfassungsschutzberichte schon K. Riekenbrauk, Verfassungsfeind-Bestimmung, 1986, S. 168 ff. Vgl. ferner E. Karahan, in: Oebbecke/Pieroth/Towfigh (Hrsg.), Islam und Verfassungsschutz, 2007, S. 91, 107 ff. mit Replik von H. Möller, in: Oebbecke/Pieroth/Towfigh (Hrsg.), Islam und Verfassungsschutz, 2007, S. 113. 637 VG Berlin, Beschl. v. 28. 5. 2020, VG 1 L 97/20, S. 9. 635

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

fentlichung im Verfassungsschutzbericht über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger […] hinaus.“638 Für die im Bericht genannten Organisationen ist mit dem Verfassungsschutzbericht zwar keine unmittelbare negative Rechtsfolge verknüpft. Sie können ihre als verfassungsschutzrelevant eingestufte Tätigkeiten ohne Einschränkung fortführen. Allerdings wird durch die Verfassungsschutzberichte die breite Öffentlichkeit vor den aufgeführten Bestrebungen gewarnt.639 Diese staatlichen Warnungen können für die betroffenen Organisationen negative Folgen, etwa den Entzug finanzieller oder sonstiger Unterstützung, nach sich ziehen.640 Die Erwähnung in einem Verfassungsschutzbericht stellt damit eine „mittelbar belastende negative Sanktion“641, mithin einen Grundrechtseingriff642 dar.

638

BVerfGE 113, 63, 77. BVerfGE 113, 63, 77 f.; VG Berlin, Beschl. v. 28. 5. 2020, VG 1 L 97/20, S. 9. M. w. N. auch D. Murswiek, NVwZ 2004, 769, 771 f. 640 Zu einem Presseorgan BVerfGE 113, 63, 78: „Potenzielle Leser können davon abgehalten werden, die Zeitung zu erwerben und zu lesen, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass etwa Inserenten, Journalisten oder Leserbriefschreiber die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht zum Anlass nehmen, sich von der Zeitung abzuwenden oder sie zu boykottieren.“ Zu einer Parteigruppierung VG Berlin, Beschl. v. 28. 5. 2020, VG 1 L 97/20, S. 9. Zur Stigmatisierung durch öffentliche Stellungnahmen der Verfassungsschutzämter VG Köln, Beschluss v. 26. 2. 2019, – 13 L 202/19 –, juris Rn. 59: Der „Äußerung, eine Partei stelle einen ,Prüffall‘ dar, kommt – unabhängig davon, ob dieser begriffliche Unterschied in der Öffentlichkeit überhaupt ausreichend differenziert wahrgenommen werden kann – eine negative Wirkung zu“; siehe ferner das Medienecho auf die Pressemitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 15. 1. 2019 auf welche die Entscheidung des VG Köln u. a. gerichtet war. In dieser Pressemitteilung wurden Teilorganisationen der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „Verdachtsfälle“ eingestuft und verlautbart, die Gesamtpartei AfD werde als „Prüffall“ behandelt. Etwa J. Bender/H. Bubrowski/M. Wehner, Ein 1069 Seitenlanger Verdacht, F.A.Z.net, 15. 1. 2019, https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wird-die-afdals-extremistisch-eingestuft-15990522.html (abgerufen: 30. 11. 2020); R. Bingener/P. Eppelsheim/A. Nefzger, Wie die AfD zum Prüffall wurde – Noch verfassungskonform?, F.A.Z.net, 25. 1. 2019, https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/der-verfassungsschutz-hat-die-afd-als-pru effall-eingestuft-16006495.html (abgerufen: 30. 11. 2020). Kritisch gegenüber einer weitgehend ungeprüften Übernahme der Einschätzungen der Verfassungsschutzämter D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 71. 641 BVerfGE 113, 63, 77. Eingehend auch D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 68 ff. 642 D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 75 f. Grundlegend zur Grundrechtsrelevanz staatlicher Warnungen BVerfGE 105, 252; 105, 279; U. Di Fabio, JuS 1997, 1, 4 f. Dazu H.-J. Cremer, JuS 2003, 747. Jüngst im Verfassungsschutzkontext VG Köln, Beschl. v. 26. 2. 2019 – 13 L 202/19, juris, Rn. 52 ff. Zu Grundrechtseingriffen durch Informationstätigkeit im Rahmen des Verbraucherschutzrechts F. Wollenschläger, VerwArch 2011, 20, 35 ff.; ders., DÖV 2013, 7, 9. Zur Dogmatik der staatlichen Informationstätigkeit eingehend T. Barczak, NVwZ 2015, 1014. 639

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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Diese mittelbaren Wirkungen sind allerdings nicht der explizite Hauptzweck des Verfassungsschutzberichts. Dieser liegt vielmehr in der Verdeutlichung der Grenzen des vom Verfassungsschutz Tolerierten durch negative Abgrenzung. In der Darstellung des Verfassungsschutzrelevanten – mithin Verfassungsfeindlichen – werden der Öffentlichkeit zum einen die Grenzen des politischen Diskurses aufgezeigt643 und zum anderen versichert, dass staatliche Institutionen mit Umtrieben befasst sind, die jenseits dieser Grenzen agieren. Die Berichte zielen damit auf die breite Öffentlichkeit. Weder soll – zumindest nicht hauptsächlich und unmittelbar – eine bestimmte Organisation für verfassungsfeindliches Handeln bestraft werden, noch wird durch die Berichterstattung eine konkrete Gefahr abgewehrt oder eine Störung beseitigt. Die Verfassungsschutzberichte wirken weit im Vorfeld konkreter Gefahren oder bereits eingetretener Rechtsgutsverletzungen und unterstützen eine aufmerksame, widerstandsfähige Gesellschaft bei der Bewahrung ihrer freiheitlichen demokratischen Grundordnung und deren staatlicher Grundlagen. Adressat der Gefahrenprophylaxe ist die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Hinsichtlich der Zielrichtung vollzieht die staatliche Sicherheitsgewährleistung hier einen Perspektivwechsel weg von der negativen Abwehr hin zur positiven Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Resilienz gegenüber verfassungsschutzrelevanten Bedrohungen. Die konkrete, einzelfallbezogene Gefahrenabwehr ergänzt die Gefahrenprophylaxe zu einem umfassenden staatlichen Präventionsansatz in der Verfassungsschutzarchitektur.

IV. Der Wandel der nationalen Sicherheitsarchitektur als Reaktion auf sich ändernde Bedrohungsszenarien Die Differenzierung in Repression, Gefahrenabwehr und Gefahrenprophylaxe liegt auch der überkommenen Dreiteilung der inneren Sicherheit (repressives Strafrecht, polizeiliche Gefahrenabwehr und nachrichtendienstliche Aufklärung) zugrunde.644 Dies lässt sich daran erkennen, dass die prägenden Institutionen der einzelnen Teilbereiche der inneren Sicherheit überwiegend einer der staatlichen Sicherheitsgewährleistungen verpflichtet sind, nämlich die Strafverfolgungsbehörden der Repression645, die Polizei der Gefahrenabwehr646 und die Nachrichtendienste 643 So bereits in dramatischer Freund-Feind-Terminologie D. Murswiek, NVwZ 2004, 769, 770 ff., ders., Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 67 f. und zum Verfassungsschutzbericht als „Kampfinstrument“, S. 68 ff. 644 Vgl. auch H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 43. 645 Zur Strafjustiz, wenn auch unter Betonung aufkommender präventiver Maximen F. Rachor/F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 113. Zur Polizei E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 169 f.

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der Gefahrenprophylaxe647. Diese klare Organisation der Sicherheitsarchitektur sieht sich insbesondere im Bereich der inneren Sicherheit erheblichem Anpassungsdruck ausgesetzt. Die Sicherheitsarchitektur hat sich als staatliche Struktur zur Schadensvermeidung an tatsächlichen Schutzgutsbedrohungen zu orientieren und muss dementsprechend auf Veränderungen der Bedrohungslagen reagieren.648 Einschneidende Ereignisse, wie die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 in den USA, provozieren die sicherheits(rechts)-politische Diskussion und so wurde in der Zeit nach 2001, aber auch schon davor als Reaktion auf den RAF-Terror649 und die Organisierte Kriminalität650, der Weg zu einer „neuen Sicherheitsarchitektur“ unter anderem mit dem Hinweis darauf diskutiert,651 dass die einer globalisierten und digitalisierten Welt entstammenden Bedrohungen652 den Staat zu Anpassungen seiner überkommenen Sicherheitsstruktur zwängen. In Anbetracht dieser neuen Herausforderungen und Veränderungen sei das bisherige System zu starr und nicht mehr zeitgemäß; der Präventionsstaat,653 welcher die Sicherheit ganzheitlich betrachtet, die „Grenzziehungen zwischen äußerer und innerer, zwischen privater und staatlicher, zwischen rechtsstaatlicher und sozialer, zwischen ökonomischer und ökologischer Sicherheit“ verschwimmen lässt und damit frühzeitiger auf Bedrohungen reagieren kann, sei die Lösung.654 Diese Überlegungen scheinen auch den Gesetzgeber zumindest in Teilen zu leiten. Es zeigt sich eine gesteigerte Bereitschaft, bei der Erweiterung von Aufgaben und Befugnis einzelner Institutionen der Sicherheitsarchitektur damit einhergehende wachsende oder entstehende Überschneidungsbereiche mit anderen Institutionen in

646

Rn. 1. 647

E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D.

Dazu sogleich unter 2. Teil Kap. 2 E. V. (S. 149). Vgl. F. Becker, NVwZ 2015, 1335, 1335: „Dabei passt sich das vom Staat zu befriedigende Sicherheitsbedürfnis dynamisch den realen Gefahren an“. Ein Überblick über die Reaktionen auf die „grundlegende Zäsur in der deutschen Sicherheitspolitik“ mit den Terroranschlägen vom 11. 9. 2001 gebend T. Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, A. Rn. 130 ff.; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 33 Rn. 55. 649 T. Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, A. Rn. 83 ff. 650 T. Petri, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, A. Rn. 116 ff. 651 C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 323 m. w. N. in Fn. 90. 652 Zu den vergleichsweise neuen Herausforderungen an das Recht der inneren und äußeren Sicherheit M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 5 ff. 653 Exemplarisch seien hier die Beiträge von M. Baldus, W. Bosbach und E. Denninger in Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 107, 137, 85 erwähnt. 654 Entsprechende Überlegungen rekapituliert H.-J. Lange, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 64, 69 f. 648

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

147

Kauf zu nehmen.655 So können sich beispielsweise durch die Sanktionierung von Vorbereitungshandlungen, etwa der Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 StGB, strafrechtliche Ermittlungsverfahren und Gefahrenabwehrprozesse in großen Teilen überschneiden.656 Insbesondere bei der in beiderlei Hinsicht tätigen Polizei stellen sich mithin Fragen der Behandlung von doppelfunktionalen Maßnahmen.657 Nichtsdestoweniger unterscheiden und ergänzen sich aber die Zwecke und die Zielrichtung der Prozesse heute noch genauso wie in den Anfängen der Bundesrepublik.658 Das Ermittlungsverfahren dient immer noch primär der Repression gegen begangenes Unrecht,659 die Gefahrenabwehr der Verhinderung von Rechtsgutverletzungen660 und die nachrichtendienstliche Tätigkeit der Information von Politik und Gesellschaft661. Den überkommenen Zielrichtungen stehen gleichwohl immer weitere Angleichung der Tätigkeiten selbst gegenüber. Zwar bleibt einerseits die Beibehaltung der Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten unablässig 655 Noch 1972 zur klaren Trennung zwischen Nachrichtendiensten und Polizeibehörden H. Sieglerschmidt, Bericht in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestags am 22. 6. 1972, Plenarprotokoll Nr.: 06/195, S. 11426: „der von uns allen gewollten strengen Trennung zwischen Exekutive und Nachrichtendienst“. Zur Erweiterung polizeilicher Tätigkeiten in das Gefahrenvorfeld sei exemplarisch an die Einführung der drohenden Gefahr in Art. 11 Abs. 3 BayPAG (§ 1 Nr. 2 Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen vom 24. 7. 2017, BayGVBl., S. 388) erinnert. Dazu eingehend T. Holzner, DÖV 2018, 946; A. LeisnerEgensperger, DÖV 2018, 677. 656 Zur Erweiterung der Strafverfolgungsaufgaben der Polizei durch strafbewehrte Vorfeldhandlungen C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 325. 657 Zu diesen Fragen T. Würtenberger/D. Heckmann/S. Tanneberger, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2017, § 4 Rn. 67 ff.; knapp auch M. Ibler, in: Ennuschat/ders./ Remmert (Hrsg.), Öffentliches Recht in Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2017, § 2 S. 122 Rn. 132 f. Die Bestrafung von Vorfelddelikten verschiebt die Repression allerdings nicht nur in den Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr, sondern auch in das Tätigkeitsfeld der Nachrichtendienste. Der materiellen Vorverlagerung folgt eine Verschiebung der strafprozessualen Eingriffsschwellen; mithin wandelt sich das Strafrecht „von einer retrospektiven und einzelfallorientierten Sanktionsordnung (insbesondere im Vorgehen gegen komplexe kriminelle Strukturen, wie Organisierte Kriminalität oder terroristische Gruppierungen,) in eine prospektive und fallübergreifende Präventionsordnung“, s. M. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, 2015, S. 382 f. Zum Problem der fehlenden, aber bei komplexen kriminellen Strukturen notwendigen Ermächtigung zu strategischen, einzelfallübergreifenden Beobachtungen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren, s. a. a. O., S. 388 f. Für eine Regelung de lege feranda im Straf(prozess-)recht a. a. O., S. 379 ff.; B. Weißer, JZ 2008, 388, 394; M. A. Zöller, GA 2010, 607, 617; A. Petzsche, Strafrecht und Terrorismusbekämpfung, 2013, S. 90 ff. Zum Spannungsfeld zwischen strategischer Überwachung und Legalitätsprinzip a. a. O., S. 356 ff., 393. 658 M. Löffelmann, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag am 21. 3. 2018, 90. Kl., 86. VF, Anlage 3, S. 12 f. 659 E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 171 f. 660 E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 1 f., 5, 171 f. 661 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118.

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behauptetes Narrativ gesetzgeberischer Reformbemühungen662 und sind auch heute noch den Nachrichtendiensten kausalverlaufsverändernde oder strafende Befugnisse vorenthalten. Andererseits begleiten viele Reformvorhaben kritische Stimmen, die vor einer Aufweichung der Trennung warnen.663 Unbeirrt konstatieren Teile der Literatur, dass trotz großer gesetzgeberischer Aktivität664 eine grundlegende Abkehr von der bisherigen Struktur nicht festzustellen sei.665 Die klassische Dreiteilung der inneren Sicherheit bestehe den angesprochenen Veränderungen zum Trotz weiterhin fort.666 Größere Überschneidungen von Betätigungsfeldern relativieren diesen Befund allerdings. Gleichwohl sind Grenzziehungen in zeitlicher Hinsicht noch am ehesten möglich. Einer im repressiven Staatshandeln beachtlichen Rechtsgutsverletzung geht zwingend eine entsprechende Gefährdung des Rechtsguts voraus. Die Gefahrenprophylaxe ist vom Einzelfall weitgehend gelöst und kann daher schon einsetzen, wenn noch kein Verdacht einer Gefahr oder einer Straftat vorliegt. Diese grundlegenden Feststellungen stehen zeitlich überschneidenden Ermittlungen nicht entgegen. Für die vorliegende Abgrenzung ist der Zeitpunkt des potenziellen Einsetzens der staatlichen Sicherheitsgewährleistung maßgeblich. Eine enge Abstimmung der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist in Anbetracht der sich wandelnden Umstände heute umso wichtiger. Die durch „Vernetzung“ entstehenden Kooperationsbeziehungen bedürfen klarer Regeln und Abgrenzungen.667 Sich überschneidenden Betätigungsfeldern haftet die Gefahr an, Redun662 Etwa bei der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen, hessLT-Drs. 19/5412, S. 24: Eine der Leitlinien der Reform sei, die „[k]onsequente Beibehaltung des Trennungsgebots“. 663 R. Steinke, Die Polizeiarbeit wandert ins Dunkle ab, Süddeutsche.de, 5. 4. 2019, https:// www.sueddeutsche.de/politik/polizei-geheimdienst-sicherheit-1.4396276 (abgerufen: 30. 11. 2020); Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie einzelner Abgeordneter v. 25. 3. 2019, BT-Drs. 19/8700, S. 2. Mit kritischem Blick auf die Kooperation von Polizei und Nachrichtendiensten im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) F. Roggan, ZRP 2017, 208, 210. 664 Siehe Übersichten bei H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 15 ff. Rn. 10 f.; B. Rusteberg, Zustand der föderalen Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 86 ff. 665 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 1; H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 23 Rn. 17. 666 H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 25 Rn. 26. 667 So auch für seine Idee einer „integrierten Sicherheit“ H.-J. Lange, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 64, 79: „Integrierte Sicherheit bedeutet dabei nicht, alles irgendwie ,zu vernetzen‘, sondern vor allem, klare Regeln, Kompetenzen und Aufgabenbereiche zu formulieren, wenn nicht ein undurchschaubarer Sicherheitsmoloch das Ergebnis sein soll.“

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danzen zu schaffen.668 Ineffiziente und freiheitsbelastende669 Kompetenzdoppelungen sollen, wo sie durch gesetzlich klar vorgegebene Zuständigkeitsregelungen nicht verhindert werden können670, durch Abstimmung der beteiligten Behörden möglichst frühzeitig aufgelöst werden. Eine angestrebte verstärkte Zusammenarbeit671 aller an der Sicherheitsgewährleistung Beteiligten erfordert eine umso klarere Rollenverteilung.

V. Die Verfassungsschutzämter zwischen Gefahrenprophylaxe und zunehmender Einbindung in die Gefahrenabwehr Die Einordnung der Verfassungsschutzämter in die dargestellten Arten staatlicher Sicherheitsgewährleistung ist bisher nicht im Detail geklärt. Mit Abschluss dieses Abschnitts gilt es daher, die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter in das aufgespannte Spektrum zwischen Repression, Gefahrenabwehr und Gefahrenprophylaxe im Rahmen des spezifischen Verfassungsschutzes einzuordnen. Mangels entsprechender Befugnisse und aufgrund systematischer Probleme bei der Beteiligung der Verfassungsschutzämter in Strafprozessen672 haben die Ämter in der Repression grundsätzlich keinen Auftrag. Gleichwohl können die Verfassungsschutzämter den Strafverfolgungsbehörden Ermittlungsansätze liefern und damit Verfahren der Repression anstoßen. Im Bereich der Prävention stellt sich die Situation differenzierter dar. Grundsätzlich können die Verfassungsschutzämter als Nachrichtendienste der Gefahren668

Diesen und weitere Nachteile nennen M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/ S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 155 ff. 669 Zum Begriff additiver Grundrechtseingriffe J. Lücke, DVBl. 2001, 1469 ff. Dazu auch S. Tanneberger, Sicherheitsverfassung, 2014, S. 257 ff.; D. Winkler, JA 2014, 881 und G. Kirchhof, NJW 2006, 732 insbesondere zu deren Behandlung anhand der Grundrechtsdogmatik. M. Kloepfer, VerwArch 1983, 201, 210 zur meist auf einzelne Handlungen beschränkten Jurisprudenz und dem daraus folgenden Problem der „Eingriffsaddition[, die versucht dem additiven Grundrechtseingriff] mit dem – den Einzeleingriff steuernden – Übermaßverbot beizukommen“. 670 D. Winkler, JA 2014, 881, 883: „Im einfachsten Fall lassen sich Belastungskumulationen auflösen, indem die verschiedenen Eingriffsnormen in ihren Anwendungsbereichen gegeneinander abgegrenzt werden“. 671 Siehe nur Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 863, insb. Nr. 20. Diese politische Leitlinie ist zwar der Gesetzgebung vorgelagert, allerdings ist noch keine rechtsförmige Umsetzung erfolgt, meint C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 323 m. w. N. in Fn. 90. Nach der Zäsur durch den 11. 9. 2001 sei viel eher eine Beschleunigung denn Änderung der Sicherheitsgesetzgebung zu beobachten, da das meiste nach 2001 Eingeführte bereits davor diskutiert worden war, a. a. O., 331. 672 Vgl. etwa H. Lisken, DRiZ 1992, 250, 251 zur Untauglichkeit verdeckter Ermittler als Beweismittel im Strafprozess. Ausführlich zur Übermittlung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse an Strafverfolgungsbehörden N. Gazeas, Übermittlung, 2014, S. 197 ff.

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prophylaxe zugeordnet werden, nachdem sie „schon im Vorfeld von staatlichen Maßnahmen tätig [sind] und mannigfaltige Bestrebungen auf ihr Gefahrenpotential hin allgemein […] beobachten, sie also gerade auch unabhängig von konkreten Gefahren in den Blick […] nehmen“673. Zweck der meisten Befugnisse der Verfassungsschutzämter, informationell (§§ 8 ff. i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG) wie aktionell (§ 16 Abs. 1, 2 BVerfSchG674), ist „zu beobachten und […] zu berichten, um eine politische Einschätzung der Sicherheitslage zu ermöglichen.“675 Die politischen Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit mit Wissen um Bedrohungen für grundlegende Verfassungsgüter zu versorgen ist das Ziel dieser Tätigkeit. Damit soll die Aufmerksamkeit und Sensibilität der Gesellschaft gegenüber dieser Gefährdungspotenziale gestärkt werden. Diese Aufgabe ist weitgehend losgelöst von der Gefahrenabwehr und setzt angesichts der Unabhängigkeit von konkreten Einzelfällen zeitlich in der Regel früher an.676 Erst mit der Erweiterung des Beobachtungsauftrags677 – insbesondere auf gewalttätige Bestrebungen678 – und nachdem keine expliziten und ausschließlichen Regelungen zu einem Spurwechsel von Gefahrenprophylaxe auf Gefahrenabwehr geschaffen wurden679, wuchsen die Überschneidungsbereiche.680 Die Verfassungsschutzämter beobachten nun auch Tätigkeiten, die eine abzuwehrende Gefahr sind oder strafrechtliche Relevanz besitzen. Gleichwohl ist die Gefahrenabwehr keine originäre Aufgabe der Verfassungsschutzämter, da ihre „Aufklärung […] nicht unmittelbar auf die Verhütung und Verhinderung von konkreten Straftaten oder die Vorbereitung entsprechender ope673 BVerfGE 122, 120, 145; 133, 277, 325 Rn. 116; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 176. 674 Zu den Verfassungsschutzberichten als aktionelle „Bekämpfungsmaßnahme“, vgl. D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 88 ff. 675 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118. Gleichwohl auf das redaktionelle Element von Individualmaßnahmen hinweisend K. F. Gärditz, Strategische Fernmeldebeschränkung und Netzknotenüberwachung für den Verfassungsschutz, in: FG Graulich, 2019, S. 153, 166. 676 Dafür, dass nachrichtendienstliche Informationsermittlung weiter im Gefahrenvorfeld ansetzt als andere staatliche Sicherheitsgewährleistungen T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 17. 677 2. Teil Kap. 2 A. II. 3., 4., 5. (S. 106 ff.). 678 2. Teil Kap. 2 A. II. 4. (S. 109 ff.). 679 Vgl. N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 17, 32. 680 Zur gegengleichen Entwicklung der verstärkten Einbindung der Polizei in die Gefahrenprophylaxe durch die größere Bedeutung von Gefahrenvorsorge und vorbeugender Straftatenbekämpfung R. Pitschas, Kriminalprävention und „Neues Polizeirecht“, 2002, S. 266. Zu Prävention und Sicherheitsvorsorge ders., JZ 1993, 857; ebenfalls veröffentlicht in ders., ,Neues‘ Polizeirecht, Speyerer Arbeitshefte 121, 1999, 105; zu erweiterten Vorfeldaufgaben und -befugnissen der Polizei S. Kral, Vorfeldbefugnisse, 2012, S. 71 ff., 97 ff.; D. Kugelmann, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus, Bd. II, 2012, § 52 Rn. 21 f. Diese Erweiterung als „Repolizeilichung der Gefahrenabwehr“ überschreibend M. Kniesel/F. Braun/C. Keller, Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2018, Rn. 7 ff.

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rativer Maßnahmen [zielt]. [Vielmehr] beschränkt sich die Aufgabe der Dienste auf eine Berichtspflicht gegenüber den politisch verantwortlichen Staatsorganen beziehungsweise der Öffentlichkeit […].“681 Insbesondere haben die Verfassungsschutzämter keine kausalverlaufsverändernden Eingriffsbefugnisse wie die Polizei und sind dementsprechend nicht in der unmittelbaren, aktionellen Gefahrenabwehr tätig. Gleichwohl können die Verfassungsschutzämter nach den Übermittlungsvorschriften §§ 19 ff. BVerfSchG ihre gesammelten Erkenntnisse mit den Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden teilen. Mithin können die Ämter in die informationelle Vorbereitung der aktionellen Gefahrenabwehr anderer Behörden eingebunden werden. Diese Beteiligung der Verfassungsschutzämter ist allerdings zum einen nicht frei von Komplikationen682 und war zum anderen in der ursprünglichen Aufgabenbeschreibung nicht angelegt. Hauptzweck der Informationssammlung durch die Verfassungsschutzämter war und ist die Unterrichtung von politischen Entscheidungsträgern und der breiten Öffentlichkeit über die Bedrohungen für die Schutzgüter der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, der Sicherheit und des Bestandes des Bundes und der Länder. In dieser gefahrenprophylaktischen Ausrichtung bleiben die Verfassungsschutzämter verankert. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass die Übermittlungsvorschiften nach §§ 19 ff. BVerfSchG den Ämtern einen großen Ermessensspielraum hinsichtlich Ob und Wie der Informationsweitergabe belassen.683 Sie entscheiden darüber, ob und in welchem Ausmaß von ihnen zum Zwecke der Aufklärung erhobene Informationen nun zur Gefahrenabwehr umgewidmet werden. Die Verfassungsschutzämter werden aufgrund ihrer von Einzelpersonen weitgehend losgelösten Zielrichtung in der Regel zeitlich früher tätig als beispielweise die Institutionen der Gefahrenabwehr.684 Nachrichtendienste bewegen sich in ihrer Ermittlungstätigkeit schwerpunktmäßig bereits im Vorfeld von Gefährdungslagen und eben nicht zur Abwehr einer Gefahr, sondern um politische Einschätzungen der Gefahrenlage zu ermöglichen.685 In dieser Ausrichtung endet die Sammlung und Auswertung von Informationen der Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 1 681

BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118. Ebenso E 130, 151, 206. Dazu später eingehend, insbesondere mit Blick auf die Kooperation mit der Polizei, 3. Teil. 683 T. Siems, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, VI § 7 Rn. 24. Mit Hinweis auf die Übermittlungspflicht nach § 20 BVerfSchG und deren Relativierung durch die auch in diesen Fällen anwendbaren Übermittlungsverbote nach § 23 BVerfSchG R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 154 f. Kritisch gegenüber der Ausgestaltung der §§ 19 ff. BVerfSchG BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 319. 684 S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 363 f.: „in zeitlicher Hinsicht kaum Grenzen gesetzt“. Zur „herkömmliche[n] Aufgabenverteilung“ zwischen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie Nachrichtendiensten knapp auch J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 38 f. 685 BVerfGE 133, 277, 325 f. Rn. 116 ff. 682

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

BVerfSchG allerdings auch nicht mit Abschluss einer Gefahrabwehrmaßnahme oder eines Strafverfahrens gegen eine Person, die für eine beobachtete Bestrebung tätig wird. Vielmehr verwerten die Verfassungsschutzämter gerade auch Informationen, die etwa aus der Gefahrenabwehr der Polizei oder aus Strafverfahren im Rahmen des Staatsschutzstrafrechts stammen.686 Als weiteres Beispiel beobachten die Ämter auch eine Bestrebung, die hauptsächlich von einem Verein getragen wird, unabhängig davon weiter, ob der betreffende Verein bereits verboten wurde. Für den ministeriellen Verfassungsschutz687 demgegenüber ist der Auftrag mit Abschluss des Vereinsverbotsverfahrens beendet. Durch die Übermittlungsvorschriften der §§ 19 ff. BVerfSchG bestehen gleichwohl auch Verbindungen zu laufenden Verfahren der unmittelbaren Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung. Die gesammelten und ausgewerteten Informationen können durch diese Übermittlungsvorschriften in Ermittlungsverfahren zur Gefahrenabwehr oder in Strafverfahren eingebracht werden. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass diese Informationsvorsorge für die Verfahren anderer Institutionen allenfalls eine sekundäre Tätigkeit der Ämter darstellt. Liefern die Verfassungsschutzämter den Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden Ermittlungsansätze, veranlassen mithin deren eigene Informationsvorsorge, steht das System des Verfassungsschutzes dem nicht entgegen.688 Die Übermittlung von Informationen durch die Verfassungsschutzämter, aufgrund derer direkt aktionell gehandelt werden kann, ist für die Empfangsbehörde allerdings risikobehaftet. Denn die schlussendlich handelnde Eingriffsbehörde kann das Zustandekommen der Information aufgrund von Quellenschutzerwägungen zum einen in der Regel selbst nicht nachvollziehen und zum anderen steht dadurch die Gerichtsfestigkeit der eigenen Verwaltungsentscheidung in Frage.689 Ohnehin sollte diese Informationsvorsorge für die Aufgabenerfüllung anderer Behörden lediglich eine nachrangige Tätigkeit sein, welche die Hauptaufgaben der Information von Politik und Gesellschaft nicht beeinträchtigt. Eine eindeutige zeitliche Einordnung der Verfassungsschutzämter scheitert an ihrem multifunktionalen Informationsauftrag de lege lata. Die kompromisslose 686 BMI, Verfassungsschutzbericht des Bundes 2018, abrufbar unter https://www.verfas sungsschutz.de/embed/vsbericht-2018.pdf (abgerufen: 30. 11. 2020), S. 23: „Die im Verfassungsschutzbericht genannten Zahlen zu den politisch motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund basieren auf Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA).“ 687 Zu diesem sogleich 2. Teil Kap. 3 A. I. 2. (S. 161 f.). 688 Explizit so G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 8. 689 Siehe etwa VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 516.17; VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 519.17. Dazu vertieft 3. Teil Kap. 1 C. II. 2. b) (S. 267 ff.). A. A. – rechtsstaatliche Absicherung durch Lieferung „verdichteter Auswertungsprodukte“ an die Polizei – J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 295; ders., GSZ 2018, 1, 4 f. Wiederum sei es mit Blick auf Übermittlungen an die Strafverfolgungsbehörden „nicht die Aufgabe der Nachrichtendienste, einzelne Straftaten für eine Anklageerhebung auszuermitteln“ (J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293). Zur im Vergleich zur Datenerhebung geringeren Eingriffstiefe der Übermittlung nachrichtendienstlicher „Auswertungsergebnisse“ J. Unterreitmeier, NWVBl. 2018, 227, 230 f.; darauf erwidernd T. Siems, NWVBl. 2018, 231, 232.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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Abgrenzung des Bundesverfassungsgerichts, demzufolge die Aufgabe der Verfassungsschutzämter nicht der operativen Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung diene, sieht sich durch die Übermittlungsvorschriften nach §§ 19 ff. BVerfSchG und die weitreichenden Beobachtungsaufträge, insbesondere hinsichtlich kriminalisierter oder gewalttätiger Bestrebungen, relativiert.690 Diese Multifunktionalität der von den Verfassungsschutzämtern ermittelten Informationen führt zu weitreichende Überschneidungen mit der eigenen Informationsvorsorge der Strafverfolgungs- und Gefahrabwehrinstitutionen; Überschneidungsbereiche die im weiteren Verlauf der Untersuchung eingehender beleuchtet werden.

F. Rekapitulation der Aufgaben der Verfassungsschutzämter Die umfassende Darstellung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter wird im Folgenden nochmals zusammengefasst (I.), auch um in einem kurzen Exkurs der bereits aufgeworfenen Frage nachzuspüren, ob diese Aufgabenstellung die hybride Organisationsform des BfV als Bundesoberbehörde mit Zentralstellenaufgaben trägt (II.).

I. Die Aufgabe der Verfassungsschutzämter im Allgemeinen und des BfV im Speziellen Die Aufgabenbeschreibung der Verfassungsschutzämter ergibt sich aus einer Vielzahl verfassungsrechtlicher wie einfachgesetzlicher Normen. Zunächst ist der für die Ämter namensgebende Verfassungsschutz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG legaldefiniert. Der allgemein einfachgesetzlich formulierte Auftrag der Verfassungsschutzämter nach § 1 Abs. 1 VerfSchG ist es, „dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder“ zu dienen.691 Gefahren für die existenziellen Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland sollen frühzeitig erkannt,692 analytisch aufbereitet und Regierung sowie Gesellschaft vorgelegt werden, um sie durch Information zu weiterem Vorgehen zu befähigen.693 Die funktionalen Eigen690

N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 107. 691 § 1 Abs. 1 BVerfSchG als bloße „allgemeine Zielbeschreibung und Charakterisierung des Verfassungsschutzes ansehend W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 2. 692 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 6 f. 693 R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57 ff. A. A. insofern, als den Aufgabenbereich der Verfassungsschutzämter um die Informationsdienstleistung für Polizei- und Strafverfolgungsbehörden erweiternd, W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bun-

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

arten der Aufgaben der Verfassungsschutzämter liegen in der Konzentration auf Strukturen und Organisationen sowie den grundlegenden Schutzgütern. In den Worten des Bundesverfassungsgerichts ist der Aufgabenbereich der Verfassungsschutzämter nach § 1 Abs. 1 BVerfSchG „von vornherein dadurch gekennzeichnet, dass sie [– die Verfassungsschutzämter –] dem Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter oder vergleichbar gewichtiger öffentlicher Interessen dienen“694. Die Beobachtungsaufgaben der Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG lassen sich thematisch in die Extremismusbeobachtung und die Spionageabwehr zweiteilen.695 Die Mitwirkung der Ämter am Geheimnisschutz und der Sabotageprävention nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG erfährt keine thematische Unterteilung696 und ist – jedenfalls innerhalb des BfV – in einer Abteilung mit der Spionageabwehr organisiert.697 Gleichwohl soll mittels dieser Mitwirkungstätigkeit der Ämter sowohl vor Gefahren durch Extremismus wie auch Spionage geschützt werden.698 Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG sind die Verfassungsschutzämter mit der Aufklärung extremistischer Bestrebungen beauftragt. Diese ursprünglichste Verfassungsschutzaufgabe begleitet die Ämter seit ihrer Gründung699 und hat dementsprechend Eingang in die erste Fassung des BVerfSchG von 1950 gefunden.700 Sie hat ferner auch die Neufassung des BVerfSchG von 1990 überdauert, in welcher keine Aufgabenneuordnung für die Ämter vorgesehen war.701 Mit den Aufträgen aus § 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 BVerfSchG haben die Verfassungsschutzämter eine Aufgabenerweiterung über die grundgesetzliche Legaldefinition von Verfassungsschutz hinaus des, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 6; J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168 f.; J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293. 694 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118; 141, 220, 339 Rn. 320; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 –, Rn. 240. 695 2. Teil Kap. 2 C. (S. 126 ff.). 696 Zum Anteil der Verfassungsschutzämter an Sicherheitsüberprüfungen bereits 2. Teil Kap. 2 B. (S. 124 ff.); dazu ferner BVerwGE 113, 267; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 146 ff. 697 Siehe C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 65. 698 So bestimmt die Legaldefinition des § 5 SÜG sowohl Bedrohungen durch Spionage (Abs. 1 Nr. 2 lit. a), als auch durch Extremisten (Abs. 1 Nr. 2 lit. b, c, Nr. 3) als Sicherheitsrisiko. 699 Schon der sog. Polizeibrief der Alliierten erlaubte der jungen Bundesrepublik eine Behörde zur Beobachtung umstürzlerischer Tätigkeiten einzurichten („2. The Federal Government will also be permitted to establish an agency to collect and disseminate information concerning subversive activities directed against the Federal Government. This agency shall have no police authority.“), abgedruckt in M. Feldkamp, Der Parlamentarische Rat, Bd. 8, 1995, S. 231. Aus dieser Erlaubnis gingen die Verfassungsschutzämter hervor, so K. Brandt, Ermittlungsverfahren, 2015, S. 291 ff. 700 § 3 Abs. 1 BVerfSchG, Gesetz v. 27. 9. 1950, BGBl. I, S. 682. 701 H. Bäumler, NVwZ 1991, 643, 644; H. Busch, CILIP 1/1991, 75, 78 f.; G.-D. Schoen, in: BfV (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, 1990, S. 125, 133 f.; K. Brandt, Ermittlungsverfahren, 2015, S. 33.

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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erfahren. Eine Rückkoppelung an das sonst zentrale Schutzgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fehlt. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG hat allein auswärtige Belange zum Schutzgut702 und ist daher nicht auf die Gesetzgebungskompetenz des Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG, sondern auf die des lit. c gestützt. Der Beobachtungsauftrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG wird lediglich mit allgemeinen Sicherheitsbedenken gerechtfertigt703 und damit lose auf den Schutz der Sicherheit des Bundes und der Länder nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG bezogen.704 Diese beiden Beobachtungsaufträge (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 BVerfSchG) finden daher weitgehend außerhalb der Verfassungsschutzarchitektur statt. Die Beobachtung von geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht im Inland ist seit 1972 den Verfassungsschutzämtern in § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG ausdrücklich zugewiesen, womit sich der Gesetzgeber in zweierlei Hinsicht positioniert hat. Zum einen soll Spionage ganz grundsätzlich Beobachtungsgegenstand der Verfassungsschutzämter sein; auch wenn sie sich nicht unmittelbar gegen eines der Schutzgüter des Verfassungsschutzes richtet und obwohl sie größtenteils auch strafbar ist, womit ihre Abwehr bereits Aufgabe der Polizei ist.705 Zum anderen sollen die Ämter, aufgrund der Annahme anwachsender Bedrohungen durch Wirtschaftsspionage, als Teil einer verstärkten präventiven Spionageabwehr, intensiveren Wirtschaftsschutz betreiben.706 Durch die weitere Entfernung von der eigentlichen Aufgabe der Verfassungsschutzämter, dem Schutz der existenziellen Grundlagen des Verfassungsstaates, stellen sich Fragen nach der Rechtfertigung der Beteiligung der Ämter an der Spionageabwehr. Angesichts weitreichender Kriminalisierung unbefugter geheimdienstlicher Tätigkeiten und eines zwingenden Auslandsbezugs steht der Anteil der Verfassungsschutzämter an der Spionageabwehr in Zweifel. Diese Fragen haben bisher weder der Gesetzgeber noch die Literatur überzeugend beantwortet.707 Bei der Mitwirkung an personeller und technischer Sabotage- und Spionageprävention und dem Geheimschutz gemäß § 3 Abs. 2 BVerfSchG bringen die Ver702

Auf eine Gefährdung der inneren Sicherheit im Allgemeinen, geschweige denn der existenziellen Grundlagen des demokratischen Rechtsstaats, soll es dabei nicht ankommen, s. W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 74; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 63; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 121. 703 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 38; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 83. 704 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 37. 705 Der Gesetzgeber begnügt sich mit dem Hinweis, „daß jegliche Tätigkeit fremder Geheimdienste im Bundesgebiet dann gegen wesentliche Belange des Staates verstößt, wenn sie nicht fremden Staaten vertraglich zugestanden wurde.“, BT-Drs. 6/1179, S. 4. 706 BT-Drs. 18/4654, S. 32. Der Gesetzgeber bezieht allerdings auch „Bedrohungen durch gewaltorientierten Extremismus und Terrorismus“ in den Wirtschaftsschutz, mithin die Spionageabwehr ein. 707 Lediglich andeutend G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 6.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

fassungsschutzämter ihre anderenorts erlangten Erkenntnisse ein, um die staatliche Organisation vor Infiltration zu schützen. Ein Ende zwischenstaatlicher Spionage oder extremistischer Infiltrationspotenziale und damit der Wegfall der Notwendigkeit präventiven Geheimnisschutzes sind nicht ersichtlich. Richtigerweise bleibt die präventive Sabotage- und Spionageabwehr damit „unverzichtbares Mittel staatlichadministrativer Selbstverteidigung“.708 Die Einbindung der Verfassungsschutzämter in die Abwehr von Cyberattacken hat bisher noch keinen expliziten Niederschlag im BVerfSchG gefunden, wird allerdings vom Gesetzgeber – bisher weder von Literatur noch Rechtsprechung beanstandet – mitgedacht.709 Mangels Lokalisierung durch den Gesetzgeber ist die Einordnung dieser Aufgabe noch nicht abschließend geklärt. Sie könnte sowohl Teil der eigenständigen Beobachtungsaufgaben (darauf deutet die Informationsübermittlung zum Zwecke der weiteren Aufklärung nach § 7 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 8 G 10 hin) als auch Teil der unselbstständigen, technischen Spionage- und Sabotageprävention sein. Eine Erweiterung des Aufgabenbereichs der Verfassungsschutzämter in immer weiteren Kreisen um das ursprüngliche Schutzgut der grundlegenden Prinzipien des menschenwürdigen, freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats ist deutlich erkennbar.710 Die neu zugewiesenen Aufgaben sind nur noch lose über den nachträglich in die grundgesetzliche Legaldefinition integrierten Terminus der „Sicherheit des Bundes und der Länder“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 und Nr. 2, 4 BVerfSchG) oder überhaupt nicht mehr (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG) mit dem ursprünglichen Schutzgut verknüpft.711 Darüber hinaus muss der Informationserhebung und -verarbeitung der Verfassungsschutzämter ein Eigenwert zugemessen werden.712 Zu kurz 708

G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 147. BT-Drs. 18/4654, S. 21: „Speziell im Bereich der Cyberabwehr“. 710 So auch mit Hinweis auf die letzte Erweiterung mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 125 f.: „Der Umfang der zu beobachtenden Bereiche wurde über die Jahre hinweg mehrmals ausgeweitet.“ Ferner M. Albers, in Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 35. Ed. Stand: 1. 5. 2020, Grundlagen und bereichsspezifischer Datenschutz Syst. L Rn. 7; dies., in: dies./Weinzierl (Hrsg.), Menschenrechtliche Standards in der Sicherheitspolitik, 2010, S. 25, 27. Beachte die Neukonturierung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in BVerfGE 144, 20, LS 3. Dazu aus der Literatur G. Warg, NVwZ-Beilage 2017, 42; F. Thrun, DÖV 2019, 65. 711 Kritisch angesichts der Aufgabenunschärfe unlängst Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen sowie einzelner Abgeordneter v. 25. 3. 2019, BT-Drs. 19/8700, S. 2: „Der Verfassungsschutz erkennt in seiner jetzigen Form wegen seiner derzeit nicht klar definierten Aufgaben, […] viele Sicherheitsrisiken nicht. Wissenschaft und engagierte Zivilgesellschaft sind regelmäßig viel besser über gefährliche Entwicklungen informiert als das BfV. Es fehlt in der Innenpolitik insgesamt, aber insbesondere beim Verfassungsschutz, an der vielerorts in der Zivilgesellschaft vorhandenen Expertise über verfassungsfeindliche Bestrebungen.“ 712 So unlängst wieder R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 152. Früher schon R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 59 ff. 709

Kap. 2: Entwicklung und Einordnung der Aufgaben

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greift daher, die Verfassungsschutzämter lediglich über die Kooperation mit anderen Sicherheitsbehörden zu definieren.713 In dem folgenden Kapitel wird darauf aufbauend erörtert, wie sich insbesondere die Aufgabenerweiterung auf den Anteil der Verfassungsschutzämter am Verfassungsschutz ausgewirkt hat und welche Stellung sie deshalb in der Verfassungsschutzarchitektur einnehmen.

II. Exkurs: Die Bundesoberbehörde mit Zentralstellenfunktion als passende Organisationsform Unabhängig von der Betrachtung des Anteils des Verfassungsschutzverbundes am Verfassungsschutz, soll nun im Wege eines Exkurses die Frage behandelt werden, ob innerhalb des Verbundes für das Bundesamt die passende Organisationsform gewählt wurde.714 Das Bundesamt ist eine Bundesoberbehörde, die zugleich auch mit Aufgaben einer klassischen Zentralstelle betraut ist.715 Nach der vermittelnden Position des Bundesverfassungsgerichts darf der Bund, „wo eine Zentralstelle im Hinblick darauf, dass diese im Wesentlichen auf die Wahrnehmung von Koordinationsaufgaben beschränkt ist, für die Erfüllung einer Aufgabe nicht ausreicht, […] unter den Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG eine selbständige Bundesoberbehörde einrichten.“716 Im Konkreten muss daher danach gefragt werden, ob die vielfältigen Aufgaben des BfV allein durch die Koordination der eigenständigen Handlungsbeiträge der LfV bewältigt werden können. Dies muss wohl verneint werden. Eine Vielzahl der zu beobachtenden Bestrebungen fordert angesichts ihrer Mobilität auch über Bundesländergrenzen hinweg jedenfalls eine überblickende eigene Auswertungskompetenz des BfV. Die Notwendigkeit eigener Informationserhebungsbefugnisse ist unter diesem Aspekt, insbesondere angesichts des Erhebungsbonus der LfV durch engeren Lokalbezug, zwar noch nicht zwingend. Doch führt man sich die höchst unterschiedlichen personellen und sachlichen Ausstattungen der einzelnen LfV vor Augen, erscheint zumindest ein subsidiäres Eintrittsrecht des BfV zur Sicherung der Informationserhebung nötig.717 Für diese Fälle benötigt das BfV dann auch eigenständige Informationserhebungs713

In diese Richtung allerdings J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168 ff. Bereits aufgeworfen in 2. Teil Kap. 1 A. I. (S. 80 ff.). 715 So auch B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 36 f.; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 2 BVerfSchG, Rn. 5; ähnlich konstatiert C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 146 ff. einen verwaltungsorganisatorischen Doppelcharakter. Für die grundsätzliche Möglichkeit eines verwaltungsorganisatorischen Doppelcharakters am Beispiel des BKA E.-H. Ahlf, Das Bundeskriminalamt als Zentralstelle, 1985, S. 32 ff. 716 BVerfGE 110, 33, 51. Ebenso F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 857. A. A. G. Hermes, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 46 m. w. N. in Fn. 195. 717 Zu einem solchen Eintritt des Bundes und der „[e]lastische[n] Kooperationsstruktu[r]“ zwischen BfV und Landesämtern K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 88 ff., 116 f. 714

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

kompetenzen, um seinen Aufgaben gerecht zu werden.718 Angesichts dieser in den Unterschieden des föderal organisierten Verfassungsschutzverbundes wurzelnden Notwendigkeit eigenständiger Erhebung und Auswertung kann sich das BfV – in der Aufgabenstruktur der Verfassungsschutzämter de lege lata719 – nicht auf bloße Koordinierung zurückziehen. Dem Gesetzgeber stand es daher frei, unter den Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG das BfV als Bundesoberbehörde einzurichten.720 Nachdem dem Bund in den Angelegenheiten der Zusammenarbeit in Sachen des Verfassungsschutzes nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zusteht, sind die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG erfüllt. Daher steht die Verfassung der derzeitigen organisatorischen Ausgestaltung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, insbesondere angesichts der noch bestehenden Unschärfe des Zentralstellenbegriffs721, nicht entgegen.722

718

F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 35 f.; M. Sachs, in: ders., GG, 8. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 43. A. A. M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 843 f. 719 Zu einer reduzierten Struktur und deren Auswirkung auf die Organisationsform des BfV, 5. Teil Kap. 2 – 5 (S. 341 ff.). 720 Zweifelnd hingegen H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19 WP, S. 60 Rn. 191. 721 J. Masing, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat, 2018, S. 3, 11 mit Verweisen in Fn. 25 auf M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 843 f.; G. Hermes, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 46 ff.; M. Sachs, in: ders., GG, 8. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 43. 722 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, § 2 BVerfSchG, Rn. 4.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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Kapitel 3

Der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum Verfassungsschutz und die daraus resultierende Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur Der Verfassungsschutz ist zu mannigfaltig, um ihn einer einzigen Behörde anzuvertrauen.723 Mithin wird der Auftrag im Grundgesetz auch nicht einer Institution explizit zugeordnet – nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG ist der Bund befugt, Zentralstellen zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes einzurichten. Die konkrete Ausgestaltung und Anzahl der einzurichtenden Institutionen obliegen weitgehend dem einfachen Gesetzgeber. In der Bundesrepublik Deutschland sind nicht nur alle staatlichen Funktionsträger gehalten, für den Verfassungsschutz einzutreten,724 sondern es werden auch ganz spezifische Verfassungsschutzaufgaben auf verschiedene zur Zusammenarbeit verpflichtete725 Institutionen verteilt. Die Struktur dieser Institutionen wird in der vorliegenden Untersuchung als Verfassungsschutzarchitektur bezeichnet. Die maßgeblichen, explizit mit spezifischen Verfassungsschutzaufgaben betrauten Institutionen sind das Bundesverfassungsgericht, der ministerielle Verfassungsschutz, die Nachrichtendienste des Bundes und der Länder, der Verfassungsschutz durch die Bundeswehr, die Strafverfolgungsbehörden sowie die Polizei in ihrer Funktion als Gefahrenabwehrbehörde. Die Darstellung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter diente dazu, die Grundlage zu schaffen, um die Verfassungsschutzämter anhand dieser Aufgaben in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur zu positionieren.726 Der Beitrag der Ämter zum spezifischen Verfassungsschutz zeigt sich im Vergleich zu den Beiträgen der anderen Verfassungsschutzinstitutionen. Der Auftrag, noch legale, ungefährliche Bestrebungen zu beobachten und darüber zu berichten, ist exklusiv den Verfassungsschutzämtern übertragen, womit sie einen einzigartigen Beitrag innerhalb der 723

C. Gusy, ZRP 2012, 230, 232. J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 38; H. P. Bull, FS Götz, 2005, S. 341, 347 ff.; M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 29 f.: „Die Aufgabe, die Verfassung zu schützen, ist nicht beim behördlichen Verfassungsschutz monopolisiert.“; R. Griesbaum/ F. Wallenta, NStZ 2013, 369, 369 f. Für Einstellungsbehörden als Verfassungsschutzbehörden BAG, NJW 1981, 71, 72: „Auch die Einstellungsbehörden leisten dadurch Verfassungsschutz, daß sie bei der Einstellung von Beamten deren Verfassungstreue prüfen und bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen ungeeignete Bewerber zurückweisen.“ 725 M.w.N. K. Nehm, NJW 2004, 3289, 3292. 726 Allgemein zur Bedeutung des institutionellen Rahmens, also welche Stelle mit welchen Kompetenzen und in welcher organisationsrechtlichen Gesamtarchitektur eine Ermächtigung zur Erfüllung ihrer Aufgaben einsetzen darf E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, S. 27, 123; ders., in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 21 ff. 724

160

2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Verfassungsschutzarchitektur leisten (A.). Aufgrund der festgestellten Aufgabenerweiterung haben sich allerdings andernorts Aufgabenparallelitäten und Reibungspotentiale mit den Aufträgen anderer Behörden ergeben (B.).

A. Der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum Staatsauftrag Verfassungsschutz … Die Verfassungsschutzämter werden gemeinhin als Frühwarnsystem727 der oder Informationsdienstleister728 für die Demokratie bezeichnet, womit die Einordnung im Vorfeld der Gefahrenabwehr angedeutet ist. Sie schützen den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder sowie die auf diesen Grundlagen basierende freiheitliche demokratische Grundordnung. Charakteristisch für die Verfassungsschutzämter und deswegen Bedingung aller ihrer Aufgaben ist der Aspekt des Staatsschutzes.729 Sie unterstützen die Absicherung des rechtsstaatlichen Systems. Diese auf Strukturen bezogene Informationsvorsorgetätigkeit zum Schutz essentieller Staatsgrundlagen, gepaart mit einem steten Inlandsbezug unter Ausklammerung des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, bildet eine einzigartige Aufgabenstellung und Befugnisstruktur. Dieser exklusiven Ausgestaltung werden im Folgenden die Beiträge der anderen im Verfassungsschutz tätigen Institutionen gegenübergestellt (I.–V.) und damit der einzigartige Beitrag, den die Verfassungsschutzämter in der Verfassungsschutzarchitektur leisten, hervorgehoben (VI.).

I. … in Abgrenzung zu verfassungsgerichtlichem und ministerialem Verfassungsschutz Sowohl das Bundesverfassungsgericht (1.) als auch der ministerielle Verfassungsschutz (2.) haben entscheidende Funktionen in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur, von denen die Aufgaben der Verfassungsschutzämter abgegrenzt werden können (3.).

727 BVerwG, Urt. v. 26. 6. 2013 – 6 C 4/12, NVwZ 2014, 233, 234 Rn. 25; K. F. Gärditz, Die Alternative für Deutschland und der Verfassungsschutz, VerfBlog, 2019/1/17, https://verfas sungsblog.de/die-alternative-fuer-deutschland-und-der-verfassungsschutz/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 728 BT-Drs. 18/4654, S. 31; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 6. 729 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 6.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

161

1. Die spezifischen Verfassungsschutzaufgaben des Bundesverfassungsgerichts Die Rolle der Judikative zum Schutz der Verfassung wurde unter dem Grundgesetz gestärkt. Sah die Weimarer Reichsverfassung noch keine gerichtlichen Maßnahmen gegen Verfassungsfeinde vor,730 werden unter dem Grundgesetz die einschneidendsten Freiheitsbeschränkungen gegenüber Einzelnen zum Schutze der Freiheit der Gesellschaft durch das Bundesverfassungsgericht angeordnet. Das Bundesverfassungsgericht spricht Parteiverbote aus (Art. 21 Abs. 2, 4 GG)731, schließt Parteien von staatlichen Finanzierungsmitteln aus (Art. 21 Abs. 3, 4 GG)732 und entscheidet über die individuelle Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG).733 Auch dank dieser Entscheidungskapazität kommt dem Gericht – neben seinen rechtlichen Einflussmöglichkeiten – bedeutendes politisches Gewicht zu.734 2. Der ministerielle Verfassungsschutz in Vereins- und Versammlungsrecht Art. 9 Abs. 2 GG eröffnet die Möglichkeit, die Vereinigungsfreiheit zum Schutz der Verfassung einzuschränken. Der ministerielle Verfassungsschutz umfasst dementsprechend die Ministerien und obersten Landesbehörden, welche Verbotsbehörden im Sinne des § 3 Abs. 2 VereinsG735 sind. Diese Behörden entscheiden über Vereinsverbote nach Art. 9 Abs. 2 GG i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG. Entgegen dem Wortlaut („sind verboten“) bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für ein Vereinsverbot im Einzelfall zusätzlich einer Verfügung der zuständigen Stelle.736 Dieser Ansicht hängt, wie § 3 Abs. 1 S. 1 730 Lediglich verwaltungsmäßigen Verfassungsschutz, insbesondere politische Polizei, erwähnen F. Ebert, in: Borgs-Maciejewski/ders., Das Recht der Geheimdienste, 1986, Einleitung, S. 14 f. und C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 242. Für Verbote verfassungsfeindlicher Parteien waren in der Weimarer Republik Reichs- und Landesbehörden nebeneinander und nacheinander zuständig, mithin handelte es sich hierbei ebenfalls um Verfassungsschutz durch die Exekutive, s. J. Ipsen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 147 f. Ausführlich zur Bedeutung der Justiz für den Verfassungsschutz in der Weimarer Republik C. Gusy, Weimar – die wehrlose Republik?, 1991, S. 309 ff., 325 ff. 731 Ausführlich dazu schon früh und exemplarisch für die umfangreiche Literatur zu diesem Thema F. Stollberg, Grundlagen des Parteiverbots, 1976. 732 Zur Einführung des Ausschlusses von der staatlichen Parteienfinanzierung nach Art. 21 Abs. 3 GG als Folge des zweiten NPD-Urteils des Bundesverfassungsgerichts 2017 J. Ipsen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 21, Rn. 212. 733 Siehe auch K. Riekenbrauk, Verfassungsfeind-Bestimmung, 1986, S. 42 ff. 734 R. Zippelius/T. Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. 2018, § 53 Rn. 10. 735 Vereinsgesetz vom 5. 8. 1964 (BGBl. I, S. 593), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. 3. 2017 (BGBl. I, S. 419) geändert worden ist. 736 So BVerwGE 4, 188, 189; bestätigt durch E 47, 330, 351; 55, 175, 177; H. Bauer, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 9, Rn. 54; P. Kunig, Jura 1995, 384, 385; vgl. ferner BVerfGE 149, 160, 194 Rn. 101. A. A. H. Ridder, in: AK-GG, GW 2001, Art. 9 Abs. 2, Rn. 23. M. Sachs, in: FS Saglam, 2006, S. 349, 365 f.; ders., in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. IV/1, 2006, § 107 S. 1343 ff., überlässt lediglich die Ausgestaltung und Umsetzung des ansonsten unmittelbar wirksamen Verbots dem Gesetzgeber und dem Vollzug.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

VereinsG zeigt, auch der Gesetzgeber an. Mit dem Vereinsverbot ist den Verbotsbehörden ein scharfes und regelmäßig genutztes Schwert des Verfassungsschutzes an die Hand gegeben.737 Damit ist der ministerielle Verfassungsschutz für eine der relevantesten Maßnahmen des Verfassungsschutzes zuständig. Daneben ist das Bundesministerium des Innern für die Durchsetzung der Beschränkung der Versammlungsfreiheit durch Bannmeilen um wichtige Bundesorgane bzw. ausnahmsweise Zulassung von Versammlungen nach § 3 Abs. 2 Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes738 zuständig. Entsprechendes gilt für die obersten Landesbehörden.739 Auch diese Maßnahmen dienen dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Staates und sind mithin als Verfassungsschutzmaßnahmen zu sehen. 3. Abgrenzung zu den Verfassungsschutzämtern Das Bundesverfassungsgericht und der ministerielle Verfassungsschutz bilden mit Maßnahmen wie dem Ausspruch der Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG oder Vereinsverboten nach Art. 9 Abs. 2 GG i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG in der Regel den Abschluss eines Verfahrens im Verfassungsschutz. Vereins- oder Parteiverbot, Grundrechtsverwirkung, Ausschluss von der Parteienfinanzierung oder Bannmeilen sind gemein, dass sie einzelfallbezogene Maßnahmen sind und sich damit von den abstrakt-generellen Maßnahmen der Verfassungsschutzämter unterscheiden. Im Hinblick auf den Zeitpunkt des Tätigwerdens und der Wirkrichtung der Maßnahmen unterscheiden sich die Verfassungsschutzämter deutlich sowohl vom Bundesverfassungsgericht als auch von den Institutionen des ministeriellen Verfassungsschutzes.

II. … in Abgrenzung zu den anderen Nachrichtendiensten Neben den Verfassungsschutzämtern, deren Aufgaben in dieser Untersuchung bereits gesondert und eingehend beleuchtet wurden740, unterhält der Bund den MAD (1.) und den BND (2.) als weitere Nachrichtendienste. Auf Landesebene werden lediglich die Landesämter für Verfassungsschutz als Nachrichtendienste tätig. Es 737 Siehe für die Verbotsmaßnahmen des BMI, Verfassungsschutzbericht 2018, Anhang S. 346 ff., abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/ themen/sicherheit/vsb-2018-gesamt.html (abgerufen: 30. 11. 2020). 738 Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes vom 8. 12. 2008 (BGBl. I, S. 2366). 739 Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Landtags nach Art. 19 Abs. 3 BayVersG. 740 2. Teil Kap. 2 (S. 91 ff.).

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

163

gibt in Deutschland keine weiteren institutionellen Nachrichtendienste (3.). Von den Aufgabenbereichen des MAD und des BND wird die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter abgegrenzt (4.).

1. Verfassungsschutz durch den MAD Der Militärische Abschirmdienst ist als zivile Bundesoberbehörde organisiert und direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt.741 Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG ermöglicht dem Bund die Errichtung einer solchen Behörde, da ihm für Angelegenheiten der Verteidigung nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz742, nach Art. 87a GG die Verwaltungskompetenz zusteht und der MAD den Streitkräften zugerechnet wird.743 Aus dieser Zurechnung ergibt sich auch eine entscheidende Besonderheit der Tätigkeit des MAD: Der doppelte Bundeswehrbezug. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 HS. 2 MADG744 wird der MAD zur Beobachtung nur dann tätig, wenn sich die zu beobachtenden Bestrebungen oder Tätigkeiten gegen Personen, Dienststellen oder Einrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) richten und von Personen ausgehen oder ausgehen sollen, die diesem Geschäftsbereich angehören oder in ihm tätig sind. Zuständigkeitsbegründend ist damit ein sowohl auf Täter- als auch auf Schutzgutsseite bestehender, an Personen orientierter BMVg-Bezug.745 Durch den Personalbezug endet der Beobachtungsauftrag des MAD nicht am Kasernenzaun; eine Abgrenzung anhand der Lokalität der Bestrebung oder Tätigkeit verbietet sich.746 Dem Geschäftsbereich des BMVg gehören alle Personen an, welche mit dem Bund in einem privat- oder öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen und ihre Bezüge aus dem Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes beziehen, der dem BMVg zugeordneten ist. Damit sind neben den eigentlichen Streitkräften auch die zivile Bundeswehrverwaltung,747 das BMVg, die Truppendienstgerichtsbarkeit, der Bundeswehrdisziplinaranwalt und die Wehrdisziplinaranwälte sowie die 741 Tagesbefehl der Bundesverteidigungsministerin vom 30. 5. 2017, https://www.bmvg.de/ de/aktuelles/tagesbefehl-der-ministerin-zur-streitkraeftebasis-11322 (abgerufen: 30. 11. 2020). 742 Vom Bundesgesetzgeber wurde das MADG dennoch auf die Gesetzgebungskompetenzen zur Regelung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern gem. Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 1 und 10 lit. b GG gestützt, BT-Drs. 11/4306, S. 66. 743 Für die Zuordnung des MAD zum Kompetenzbereich des Art. 87a GG, s. C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 81 f.; E. Brissa, DÖV 2011, 391, 393. 744 MAD-Gesetz vom 20. 12. 1990 (BGBl. I, S. 2954, 2977), das zuletzt durch Art. 6 des Gesetzes vom 18. 12. 2018 (BGBl. I, S. 2639) geändert worden ist. 745 T. Siems, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 MADG, Rn. 19. 746 T. Siems, DÖV 2012, 425, 430. Zur Ausnahme in Fällen des § 14 MADG später in diesem Abschnitt. 747 Zu deren Trennung B. Pieroth, NVwZ 2011, 705.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Dienststellen der Militärseelsorge umfasst.748 In anderen Fällen wird die Zugehörigkeit im Einzelfall geprüft. Reservisten sind in Zeiten der Aktivität Teil des Geschäftsbereichs, genauso wie als Militärattachés an das Auswärtige Amt abgestellte Soldaten.749 Die Dienstverhältnisse müssen von einer gewissen Dauerhaftigkeit sein, lediglich kurzfristige oder gelegentliche Engagements, beispielsweise zu Lieferungs- oder Wartungsarbeiten, unterfallen nicht dem Geschäftsbereich des BMVg i. S. d. MADG.750 Der Aufgabenbereich des MAD ist in § 1 und § 14 MADG geregelt. Er umfasst die Extremismusaufklärung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 MADG), inklusive des internationalen Extremismus und Terrorismus (§ 1 Abs. 1 S. 2 MADG), die Spionageabwehr (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 MADG) und ferner wirkt der MAD beim technischen (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 MADG) sowie personellen Geheim- und Sabotageschutz (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 MADG) mit. § 14 MADG regelt die Tätigkeit des MAD während der Auslandseinsätze der Bundeswehr. 2. Die Beteiligung des BND am Verfassungsschutz Nach § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG751 ist der BND eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes. Der Bundesgesetzgeber hat das BNDG auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nach Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt.752 Damit besteht nach Art. 87 Abs. 3 GG auch die Kompetenz zur Errichtung des BND als Bundesoberbehörde.753 Die Zuordnung zum Bundeskanzleramt und eben keinem Fachministerium, wie im Falle der anderen Nachrichtendienste, gründet auf dem Umstand, dass die Analysen des BND aufgrund ihrer inhaltlichen Weite für die gesamte Regierung und nicht nur für einzelne Fachministerien relevant sind.754

748 BT-Drs. 11/4305, S. 66 f.; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 242; T. Siems, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 MADG, Rn. 20; T. Siems, DÖV 2012, 425, 430; K. Dau, DÖV 1991, 661, 664; K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 181 f. 749 T. Siems, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 MADG, Rn. 20. 750 BT-Drs. 11/4306, S. 67; K. Dau, DÖV 1991, 661, 664; T. Siems, DÖV 2012, 425, 430. 751 BND-Gesetz vom 20. 12. 1990 (BGBl. I, S. 2954, 2979), das zuletzt durch Art. 4 des Gesetzes vom 30. 6. 2017 (BGBl. I, S. 2097) geändert worden ist. 752 BT-Drs. 11/4306, S. 70. Ebenso BVerfGE 100, 313, 371 f. und m. w. N. K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 96. 753 So auch E. Brissa, DÖV 2011, 391, 392. 754 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 218; auch zum Einwand einer umfassenden Ressortverteilung, S. 218 ff.; F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 852 f., 856; ebenso mit Hinweis auf den „sachlichen Zusammenhan[g] mit der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers und der Leitung der Bundesregierung“ W. Schreiber, DVBl. 1986, 974, 977.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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Der Beobachtungsauftrag des BND bezieht sich nach § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG auf Erkenntnisse über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Diese Informationen sammelt der BND und wertet sie aus. Der inhaltlich bewusst kaum umgrenzte755 und damit denkbar weite Beobachtungsauftrag des BND bezieht auch Gefährdungen für die Schutzgüter des Verfassungsschutzes mit ein.756 Aus der in Anspruch genommenen Gesetzgebungskompetenz (Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 1 GG) wird geschlossen, dass sich die erstrebten Erkenntnisse hauptsächlich auf die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beziehen,757 mithin werden Gefährdungen für die Schutzgüter des Verfassungsschutzes vom BND lediglich dann in den Blick genommen, wenn die Gefahren einen Bezug zum Ausland aufweisen758. 3. Weitere Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland? Die Informationserhebung und -verarbeitung ist die wesensprägende Tätigkeit eines staatlichen Nachrichtendienstes.759 Solche Dienste sind von weiteren aktiven Geheimoperationen, wie Sabotagen oder verdeckten Kommandooperationen, ausgeschlossen.760 Derart definierte und beschränkte Dienste sind in Deutschland die bisher behandelten Verfassungsschutzämter (vgl. § 3 Abs. 1 BVerfSchG), der MAD (vgl. § 1 Abs. 1 MADG) und der BND (vgl. § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG). Davon sind Institutionen zu unterscheiden, welche Informationserhebung und -bearbeitung lediglich als Mittel zu einem davon zu unterscheidenden Primärzweck betreiben. Beispielsweise den Strafverfolgungsbehörden, deren Haupttätigkeit in der Strafverfolgung liegt.761 Ferner wird das militärische Nachrichtenwesen der Bundeswehr bisweilen als „weiterer militärischer Nachrichtendienst“ bezeichnet762 und ist deshalb von den institutionellen Nachrichtendiensten abzugrenzen.763 Seine Aufgabe ist die „Nach755

BT-Drs. 11/7235, S. 110. C. Bareinske, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 8 Rn. 81; C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 27. 757 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 26. 758 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 43; C. Bareinske, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 8 Rn. 87. 759 E. Brissa, DÖV 2011, 391, 392, 396. 760 So für Nachrichtendienste „im engeren Sinn“ und die Verfassungsschutzämter als solche bezeichnend H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 4. Ebenso C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 37; ferner zur Abgrenzung von Geheim- und Nachrichtendiensten a. a. O., S. 35 ff. 761 Zur Abgrenzung dieser von den Verfassungsschutzämtern siehe sogleich, 2. Teil Kap. 3 A. IV. 2. (S. 177 f.). 762 A. Daun, in: Jäger/dies. (Hrsg.), Geheimdienste in Europa, 2009, S. 56, 59. 763 Dazu auch K. Porzner, DV 1993, 235, 243; J.-H. Dietrich, in: ders./Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, III § 3 Rn. 9, welcher das militärische Nachrichtenwesen als „eine streit756

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

richtengewinnung und Aufklärung“ mit dem dreifachen Ziel, die politische und militärische Leitung im BMVg zur Entscheidungsfindung zu informieren, Lageanalysen über andere Staaten zu erstellen und die Sicherheit der Streitkräfte im Inund Ausland zu gewährleisten.764 In der verwendeten Terminologie zeigt sich bereits die Nähe zu den Aufträgen der institutionalisierten Nachrichtendienste. Das militärische Nachrichtenwesen der Bundeswehr war zunächst in einem Amt (bis 2002765) und später in einem Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (bis 2007766) konzentriert. Nach der Auflösung dieser Organisationseinheiten im Zuge der Übertragung der Aufgaben der zentralen Lagebearbeitung und der Informationsversorgung des BMVg und der Bundeswehr auf den BND,767 wurden die verbleibenden Aufgaben der fernmeldeelektronischen und satellitengestützten Aufklärung im „Kommando Strategische Aufklärung“ gebündelt.768 Das militärische Nachrichtenwesen der Bundeswehr hat keine eigene, den Nachrichtendienstgesetzen vergleichbare, gesetzliche Ausformung erfahren. Dementsprechend richtet sich diese Tätigkeit der Bundeswehr nach Art. 87a GG.769 Der Einsatz im Innern ist nach Art. 87a Abs. 2 GG, außer zur Verteidigung, nur möglich, sofern im GG ausdrücklich geregelt.770 Ein solcher expliziter Aufklärungsauftrag wurde nicht erteilt. Damit muss davon ausgegangen werden, dass die Institutionen des militärischen Nachrichtenwesens weder deutsche Staatsbürger noch deutsches Hoheitsgebiet beobachten.771 Ein Blick in die Historie der Gesetze der institutionalisierten Nachrichtendienste der Bundesrepublik bestärkt den eben gefassten Schluss. Im sogenannten „Volkszählungsurteil“ formulierte das BVerfG 1983 die Pflicht, staatliche Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) nur auf verfassungsgemäßer gesetzlicher Grundlage zuzulassen.772 In Folge und aufgrund dieses Urteils wurden für die Aufklärungstätigkeiten des BND und des kräftegemeinsame Fähigkeit im sog. Fähigkeitsprofil der Bundeswehr“ (Hervorhebung im Original) bezeichnet; mithin als eine die gesamten Streitkräfte durchziehende, gemeinsame Informationserhebungsaufgabe. Damit kann bereits die Abgrenzung zu den institutionalisierten Nachrichtendiensten gelingen. 764 D. Klocke, Strategie und Technik 2009, 14, 14 f.; A. Hasenpusch, Europäische Sicherheit 2002, 7; festgelegt in der als Verschlusssache qualifizierten Dienstvorschrift „Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) 2/1 – Das Militärische Nachrichtenwesen“ des BMVg vom 28. 10. 2004, s. E. Brissa, DÖV 2011, 391, 394. 765 A. Hasenpusch, Europäische Sicherheit 2002, 7. 766 E. Brissa, DÖV 2011, 391, 396. 767 Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs W. Kolbow, BT-Drs. 15/5944, S. 24 f. 768 E. Brissa, DÖV 2011, 391, 396. 769 A. Daun, in: Jäger/dies. (Hrsg.), Geheimdienste in Europa, 2009, S. 56, 63; E. Brissa, DÖV 2011, 391, 393. 770 J. Kokott, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 87a GG, Rn. 11 ff. 771 A. Daun, in: Jäger/dies. (Hrsg.), Geheimdienste in Europa, 2009, S. 56, 63. 772 BVerfGE 65, 1, 44 u. LS 2.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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MAD erstmals eine Gesetzesgrundlage geschaffen.773 Nachdem das Nachrichtenwesen der Bundeswehr bis heute keine solche Grundlage bereithält, kann ein Rückschluss auf die fehlende Notwendigkeit derartiger Eingriffsbefugnisse gezogen werden.774 Das militärische Nachrichtenwesen greift bei der Aufklärung lediglich auf offene Mittel und Methoden zurück.775 Dieser Tätigkeitsbereich der Bundeswehr kann so vom Tätigkeitsfeld des Verfassungsschutzverbundes abgegrenzt werden. Signifikante Überschneidungen zeigen sich hingegen mit der auf militärische Informationen bezogenen Aufklärungstätigkeit des BND. 4. Abgrenzung zu den Verfassungsschutzämtern In diesem Abschnitt soll nun dargestellt werden, wie sich MAD (a) und BND (b) zu dem Verfassungsschutzverbund776 aus Bundesamt und Landesämtern für Verfassungsschutz verhalten. Den Bereich der Extremismusbeobachtung teilen sich die Verfassungsschutzämter auch mit dem MAD (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 MADG) und dem BND (§ 1 Abs. 2 S. 1 BNDG777). Derartige Überschneidungen der Aufgaben schaffen, etwa mit Blick auf die Behandlung additiver Grundrechtseingriffe, einen hohen Kooperationsbedarf und die Notwendigkeit präziser Abgrenzung der tatsächlichen Tätigkeitsfelder innerhalb der Aufgaben.778 Mit Spionageabwehr sind alle Nachrichtendienste der Bundesrepublik in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich befasst.779 Die Zusammenarbeit der Dienste ist daher, auch zur optimalen Ergänzung und zur Vermeidung von Zuständigkeitslücken oder -doppelungen und damit zur Bewahrung grundrechtlich geschützter Freiheitssphären, in diesen Bereichen gesetzlich vorzuprägen. a) Der MAD als Teil des Verfassungsschutzverbundes Der Aufgabenbereich des MAD deckt sich inhaltlich größtenteils mit dem der Verfassungsschutzämter. Aufgrund dieses weitgehenden Gleichlaufs der Aufgaben wird der MAD auch als „Verfassungsschutz[behörde] der Bundeswehr“ bezeich-

773 774

286. 775

T. Siems, DÖV 2012, 425, 427; BT-Drs. 11/4306, S. 1 f. Siehe auch J. Singer, in: Jäger/Daun (Hrsg.), Geheimdienste in Europa, 2009, S. 265,

A. Hasenpusch, Europäische Sicherheit 2002, 7. 2. Teil Kap. 1 B. (S. 90 f.). 777 N. Gazeas, Übermittlung, 2014, S. 147. 778 Dazu auch später 5. Teil Kap. 1 B. II. (S. 334 ff.). 779 § 1 Abs. 1 Nr. 2 MADG; T. Siems, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 MADG, Rn. 13; § 2 Abs. 1 Nr. 1 BNDG; C. Gusy, in: Schenke/ Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BNDG, Rn. 23. 776

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

net.780 Dem besonderen Tätigkeitsfeld geschuldet, lassen sich dennoch Unterschiede in den Aufträgen des MAD und der Verfassungsschutzämter feststellen. So divergieren schon die wortgleichen Aufträge zur Extremismusbeobachtung in ihrer Zielsetzung. Während die Verfassungsschutzämter durch Aufklärung primär die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft unterstützen, dient der MAD der Selbstreinigung der Bundeswehr.781 Der Fokus des MAD gleicht dabei dem der Ämter bei ihrer Tätigkeit im personellen Geheimnisschutz und Sabotageprävention nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2, 4, S. 2 BVerfSchG. Soldaten sind gemäß § 8 Soldatengesetz (SG782) – ebenso Beamte und Angestellte der Bundeswehrverwaltung nach § 60 Abs. 1 S. 3 Bundesbeamtengesetz (BBG783) – zu qualifizierter Verfassungstreue verpflichtet. Bei Verstößen drohen Disziplinarmaßnahmen. Dem MAD obliegt die Information der für entsprechende Maßnahmen zuständigen Wehrdienststellen.784 Ferner ist die Beobachtung solcher Bestrebungen, welche eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, exklusiv den Ämtern für Verfassungsschutz vorbehalten. Diese stehen außerhalb des vom MAD bearbeiteten Wehrbereichs. Zudem ist der MAD bei der Beobachtung des internationalen Extremismus nach § 1 Abs. 1 S. 2 MADG auf solche Bestrebungen beschränkt, welche gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Das weitere Feld der Bestrebungen zur Gefährdung auswärtiger Belange der Bundesrepublik ist dagegen den Verfassungsschutzämtern vorbehalten.785 Demgegenüber geht der Aufgabenkatalog des MADG über den der Verfassungsschutzgesetze dergestalt hinaus, dass der MAD nach § 1 Abs. 2 MADG mit der Beurteilung der Sicherheitslage der Dienststellen und Einrichtungen im Geschäftsbereich des BMVg, verbündeter Streitkräfte und internationaler militärischer Hauptquartiere, sofern sich die Bundesrepublik zur Wahrung ihrer Sicherheit verpflichtet hat, betraut ist.786 Im Rahmen dieser Tätigkeit ist der MAD nach §§ 1 Abs. 2 HS. 2, 4 Abs. 1 S. 2 MADG einerseits auf die Auswertung von Daten beschränkt. Eigene Ermittlungen eigens zu diesem Zweck sind nicht gestattet, wohl aber Abfragen bereits bei anderen Behörden vorhandener Informationen und selbstver780

C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 81; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 232; von dem BfV als zivilem Pendant zum MAD spricht T. Siems, DÖV 2012, 425, 426; vgl. ferner D. Marscholleck, NJW 2015, 3611, 3613. 781 T. Siems, DÖV 2012, 425, 428. 782 Soldatengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. 5. 2005 (BGBl. I, S. 1482), das zuletzt durch Art. 64 des Gesetzes vom 20. 11. 2019 (BGBl. I, S. 1626) geändert worden ist. 783 Bundesbeamtengesetz vom 5. 2. 2009 (BGBl. I, S. 160), das zuletzt durch Art. 11 des Gesetzes vom 20. 11. 2019 (BGBl. I, S. 1626) geändert worden ist. 784 T. Siems, DÖV 2012, 425, 428. 785 Zu diesem Auftrag bereits 2. Teil Kap. 2 A. II. 4. (S. 109 f.). 786 T. Siems, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 MADG, Rn. 23 f.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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ständlich die Arbeit mit dem beim MAD bereits bekannten Material.787 Andererseits erweitert sich mit § 1 Abs. 2 HS. 2 MADG die Analysebefugnis auf Daten, die von Personen ausgehen oder ausgehen sollen, die nicht dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung angehören oder in ihm tätig sind. Der doppelte BMVg-Bezug wird in diesem Fall gelockert.788 § 14 MADG beinhaltet, vom System des § 1 MADG abweichend, die Aufgabe des MAD, die Auslandeinsätze der Bundeswehr abzuschirmen. In diesen Fällen wird der BMVg-Bezug dahingehend modifiziert, dass aus dem Personalbezug auf Täterseite ein Lokalitätsbezug wird. Der MAD darf nach § 14 Abs. 1 S. 1 MADG nur in Liegenschaften, in denen sich Dienststellen und Einrichtungen der Truppe befinden, Informationen erheben. In diesem besonderen Fall endet der Beobachtungsauftrag des MAD tatsächlich am Kasernenzaun.789 Die Abgrenzung, als erster Schritt eines In-Beziehung-setzens von MAD und zivilem Verfassungsschutzverbund, kann am besten anhand der jeweiligen Zuständigkeitsbereiche stattfinden. Die Aufgabeninhalte sind aufgrund der großflächigen Überschneidungen dafür nicht geeignet.790 Der MAD ist, dem Willen des Gesetzgebers entsprechend,791 die spezielle Verfassungsschutzbehörde für den Wehrbereich. Aus den Besonderheiten des Wehrbereichs heraus rechtfertigt sich die Existenz eines eigenen Verfassungsschutzamtes. Die Wichtigkeit militärischer Erkenntnisse macht die Streitkräfte zu einem Hauptziel geheimdienstlicher Aufklärung.792 Zur Aufklärung im Geschäftsbereich des BMVg wird eine besondere Kenntnis der Umstände und Materie vorausgesetzt.793 Der Bereich der Streitkräfte ist der Er787 T. Siems, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 MADG, Rn. 24, § 4 MADG, Rn. 11. 788 T. Siems, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 MADG, Rn. 11. 789 T. Siems, DÖV 2012, 425, 431. 790 So schon C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 241 ff. 791 Regierungsbegründung zu § 1 MADG, BT-Drs. 11/4306, S. 66; BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 41 f. 792 T. Siems, DÖV 2012, 425. 793 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 232; Begründung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes von 2002, BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 41 f.: „In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die Bundeswehr mit ihren vielfältigen Betätigungsfeldern und Ausbildungsmöglichkeiten, insbesondere im Umgang mit Waffensystemen und Waffen mit Munition und Sprengstoff, als attraktiver Anziehungspunkt für Personen mit extremistischen Intentionen wirkt. Den sich daraus ergebenden Gefahren muss künftig in besonderer Weise entgegengetreten werden. Nicht zuletzt für die Durchführung der verfassungsgemäßen Aufgaben der Bundeswehr, insbesondere auch einer etwaigen besonderen Auslandsverwendung ist die Kenntnis über entsprechende Bestrebungen von entscheidender und herausragender Bedeutung für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte. Auf Grund dieser Besonderheiten des militärischen Dienstes kann die Sammlung und Auswertung von Informationen im Sinne des Satzes 2 für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nicht dem Bundesamt für Verfassungsschutz übertragen werden.“ Ebenso J.-H. Dietrich, in: ders./Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 471, 480 Rn. 20.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

mittlung anderer Behörden entzogen. Verfassungsschutzrelevante Bestrebungen innerhalb der Bundeswehr werden von Angehörigen der Streitkräfte selbst aufgeklärt.794 Diese Ausklammerung des Wehrbereichs ist nicht nur auf den Verfassungsschutz begrenzt. Zu denken ist auch an die Möglichkeit der Einrichtung von Wehrstrafgerichten nach Art. 96 Abs. 2 GG. Der MAD ist damit als Spezialbehörde für den Wehrbereich zu sehen und das MADG als lex specialis zum BVerfSchG. Daraus folgt, dass die Verfassungsschutzämter keinen Aufklärungsauftrag für Bestrebungen mit doppeltem BMVg-Bezug innehaben. Der Wehrbereich ist von ihrem Tätigkeitsbereich ausgespart.795 Die Parallelität des Aufgabeninhalts rechtfertigt es, den MAD als Komplettierung des Verfassungsschutzverbundes in Wehrangelegenheiten aufzufassen.796 Auch hinsichtlich der Befugnisse des MAD verweist das MADG in weiten Teilen auf das BVerfSchG.797 Die Einbindung des MAD in den Verfassungsschutzverbund spiegelt sich ferner in den Übermittlungsvorschriften wider. Der MAD ist nach § 6 Abs. 2 S. 3 HS. 2 BVerfSchG die einzige Stelle, welche im automatisierten Verfahren Daten aus der obligatorischen gemeinsamen Datei der Verfassungsschutzämter gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG abrufen darf. Darüber hinaus ist die Übermittlung von Informationen durch die Staatsanwaltschaft und Polizeien an den MAD in § 22 des BVerfSchG und nicht etwa im MADG geregelt. Zusätzlich verweist § 22 BVerfSchG außerdem zur entsprechenden Anwendung auf § 18 BVerfSchG, welcher die Übermittlung von Informationen an die Verfassungsschutzämter regelt. Der MAD wird den Ämtern für Verfassungsschutz damit nahezu gleichgestellt. Der Informationsfluss zwischen dem MAD und den Verfassungsschutzämtern findet folglich ähnlich ungehindert statt wie zwischen den Verfassungsschutzämtern untereinander.798 Dieser Befund kann auch aus dem MADG heraus begründet werden. § 3 MADG regelt die Zusammenarbeit des MAD mit den Verfassungsschutzämtern in einem eigenen Paragraphen, dessen erster Absatz den so definierten Verfassungsschutzverbund zur Zusammenarbeit inklusive gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung verpflichtet. Die Unterrichtungspflichten zwischen MAD und Verfassungsschutzämtern nach § 3 Abs. 3 MADG entsprechen denen der Verfassungsschutzämter untereinander nach § 6 Abs. 1, 2 BVerfSchG.799 Außerdem kann für ausgewählte Fälle nach § 3 Abs. 3 S. 2 ff. MADG wechselseitig der Zugriff auf die automatisierte Datei des jeweils anderen gewährt werden.800 Ein gegenseitiges 794

C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 82. Ebenso C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 244 f.; T. Siems, DÖV 2012, 425, 431. 796 Siehe auch T. Siems, DÖV 2012, 425, 427. 797 BT-Drs. 11/4306, S. 65; T. Siems, DÖV 2012, 425, 427. 798 Zur geplanten weiteren Intensivierung dieser Einbindung, vgl. den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts vom 20. 10. 2020, S. 3, 17 f. 799 D. Marscholleck, NJW 2015, 3611, 3613. 800 D. Marscholleck, NJW 2015, 3611, 3613. 795

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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Übergreifen in den Tätigkeitsbereich des jeweils anderen ist nach § 3 Abs. 2 S. 1 und § 14 Abs. 4 S. 3, 4 MADG im Benehmen mit der betroffenen Behörde möglich. Das Benehmen i. S. d. MADG ist im Einklang mit der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Terminologie als qualifiziertes Abstimmen ohne Vetomöglichkeit zu verstehen.801 Die Behörde, die im Zuständigkeitsbereich der anderen tätig werden will, muss letzterer Gelegenheit zur Äußerung geben und einen ernsthaften Versuch der Einigung unternehmen. Die übergreifende Behörde ist allerdings nicht auf die Zustimmung der ursprünglich, und auch weiterhin, zuständigen Behörde angewiesen.802 Der MAD kann damit als Teil des unter 2. Teil Kap. 1 B. (S. 90 f.) beschriebenen Verfassungsschutzverbundes betrachtet werde.803 Dabei ist allerdings die Eigenständigkeit des MAD zu beachten, die auch durch die divergierenden Ressortzuweisungen verdeutlicht wird. Für den Anteil der Verfassungsschutzämter am Verfassungsschutz kann konstatiert werden, dass der Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums von ihren Beobachtungen weitgehend ausgeschlossen ist. b) Abgrenzung des BND vom Verfassungsschutzverbund Für die Koalitionsfraktionen war die Abgrenzung der Tätigkeit des BND von denen der Verfassungsschutzämter und des MAD schon im Gesetzgebungsprozess zum erstmaligen Erlass des BNDG 1990 von ausgesprochener Wichtigkeit.804 Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah vor, die traditionelle Trennung in Auslands- und Inlandsaufklärung durch einen Ausschluss der Inlandsaufklärung aus dem Tätigkeitsfeld des BND zu positivieren.805 An der inhaltlichen Trennung wurde auch nach den im Gesetzgebungsprozess vorgenommenen textlichen Veränderungen – auf einen ausdrücklichen Ausschluss wurde zugunsten einer positiven Begrenzung der Aufklärungstätigkeit auf „Erkenntnisse über das Ausland“ verzichtet – festgehalten.806 Dies kann, gedenk der Übergriffe des BND auf die Inlandsaufklärung in den 1950er und 1960er Jahren807, als Bestätigung der Trennung durch den Gesetzgeber 801

Dazu bereits im Zusammenhang mit dem „Benehmen“ i. S. d. § 5 Abs. 1 BVerfSchG, 2. Teil Kap. 1 A. II. 3. (S. 87) 802 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 72. 803 Ähnlich J.-H. Dietrich, in: ders./Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 471, 480 Rn. 20. 804 BT-Drs. 11/7235, S. 110. Die Eigenständigkeit gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz als charakteristisch für den BND konstatiert C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, Vorb. BNDG, Rn. 1; W. Krieger, in: Dietrich/ Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, I § 1 Rn. 88 ff. 805 „Auf innenpolitischem Gebiet wird der Bundesnachrichtendienst nicht tätig.“, BTDrs. 11/4306, S. 33; Verweis auf Klarstellung einer wohl bereits geübten Praxis, a. a. O., S. 70. 806 BT-Drs. 11/7235, S. 110. 807 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, Vorb. BNDG, Rn. 2; Beispiele für Inlandsaufklärung des BND bei K.-D. Henke, APuZ 18 – 19/2014, 32, 34.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

gewertet werden. Die Weite des Beobachtungsauftrags des BNDG, der einzig durch den Auslandsbezug sowie die außen- und sicherheitspolitische Bedeutung der gesammelten Erkenntnisse für die Bundesrepublik begrenzt wird, wurde allerdings schon 1990 ausdrücklich kritisiert.808 Eben diese Weite erschwert, neben der praktischen Handhabung, die Abgrenzung zwischen den Nachrichtendiensten und schafft darüber hinaus Überschneidungsbereiche. § 1 Abs. 1 S. 1 BNDG fordert mit dem Merkmal der „Erkenntnisse über das Ausland“ einen inhaltlichen Auslandsbezug. Die Tätigkeit des BND selbst, beispielsweise die Informationserhebung, wird durch diese Regelung jedoch keineswegs auf das Ausland beschränkt.809 Schon hierin zeigt sich die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung zwischen den unter Umständen auf demselben territorialen Raum arbeitenden Nachrichtendiensten. Dementsprechend kann nicht mehr allein nach der Lokalität der Informationsgewinnung abgegrenzt werden.810 Es ist daher sinnvoll, den Auslands- bzw. Inlandsbezug einer Information nach dem Inhalt der Erkenntnis zu differenzieren, nicht dem Ort der Erkenntnisquelle.811 Fraglos bleiben in der Praxis Mischformen und damit einhergehend überschneidende Zuständigkeiten möglich, wenn nicht wahrscheinlich; im Bereich der Spionage sogar unausweichlich. So weist die den Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG übertragene Beobachtung geheimdienstlicher Tätigkeiten für eine fremde Macht stets einen Auslandsbezug auf812 und liefert damit Erkenntnisse über das Ausland, welche zu sammeln ebenso Aufgabe des BND ist.813 Schon früher erkannte Korrelationen durch grenzüberschreitende Sachverhalte814 stellen sich heute noch enger verflochten dar. Weitgehende Reisefreiheit und gesteigerte Mobilität bedingen einen Anstieg an grenzüberschreitenden Sachverhalten. 808 A. Emmerlich (SPD) nannte sie „uferlos weit“, BT-Plenarprotokoll 11/214 v. 31. 5. 1990, S. 16788. 809 Siehe nur § 1 Abs. 2 S. 2 BNDG; C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 24; J. Kretschmer, Jura 2006, 336, 340. Ebenfalls zur Unterscheidung von Aufklärung über das Ausland und Aufklärung im Ausland instruktiv, G. Warg, NVwZ 2019, 127, 127 f. 810 Deutlich F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 853: „Überschneidungen zwischen beiden Feldern [der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter und des BND] kamen vor, blieben aber […] Episode. Davon kann heute keine Rede mehr sein.“ A. A. wohl C. Gusy, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 25: „als es in der Bundesrepublik keine andere zur Auslandsaufklärung zuständige Stelle gibt“. 811 Näher schon B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 162 f.; C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 24. 812 Zu diesem Beobachtungsgegenstand bereits 2. Teil Kap. 2 A. II. 3. (S. 106 ff.). 813 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 24 f. Eingehend zu den Herausforderungen dieser Aufgabenüberschneidung im 4. Teil dieser Untersuchung. 814 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 248 f.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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Aber insbesondere aufgrund der Erweiterung der Aufgaben der Inlandsnachrichtendienste mit § 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 BVerfSchG muss die Abgrenzung zwischen Inlands- und Auslandsdienst überdacht werden. So sind die Verfassungsschutzämter mittlerweile auch zum Schutz auswärtiger Belange tätig und, ebenso wie der MAD, mit der Beobachtung von gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten Bestrebungen beauftragt. Da diese Gruppierungen in der Regel in einem Bezug zum Ausland stehen, mithin deren Beobachtung Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung liefern können, fällt deren Aufklärung gleichwohl auch in den Aufgabenbereich des BND.815 Jedoch soll für den BND auch heute noch die 1990 positivierte Prämisse gelten, „daß Sachverhalte, Personen und Vorgänge des innerstaatlichen politischen Geschehens in der Bundesrepublik Deutschland […] – auch soweit es im Zusammenhang mit Vorgängen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung steht – [ebenso wenig] Gegenstand der nachrichtendienstlichen Aufklärung durch den Bundesnachrichtendienst sin[d, wie] Informationen, die weder für sich allein noch im Zusammenhang mit anderen Informationen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind.“816 Der Aufklärungsauftrag sei in diesem Bereich im Vergleich zu dem der anderen Nachrichtendienste eingeschränkt. An anderer Stelle geht die Tätigkeit des BND über die der Verfassungsschutzämter hinaus. Dann nämlich, wenn der Auftrag des BND Gegenspionage ermöglicht,817 oder Möglichkeiten und Chancen der Wirtschaft als aufklärungsrelevante Informationen ansieht.818 Konsequent ist deshalb die Einschätzung, dass Auslandsaufklärung sich doch von der durch den Verfassungsschutzverbund betriebenen Inlandsaufklärung unterscheidet und der BND diesem Verbund damit nicht zugerechnet werden kann.819 Ferner wird durch die von den Aufgabenbeschreibungen der Verfassungsschutzämter und des MAD abweichende Formulierung des § 1 BNDG die Eigenständigkeit des BND gegenüber den anderen Nachrichtendiensten und sonstigen Sicherheitsbehörden ausgedrückt.820 Zur Verifizierung des Befunds bietet sich abermals ein Blick auf den Informationsfluss zwischen den Behörden, hier BND und Verfassungsschutzämter bzw. MAD, an. Der BND ist weder zum automatisierten Abruf von Daten aus der gemeinsamen Datei der Verfassungsschutzämter nach § 6 Abs. 2 BVerfSchG berechtigt noch ist er in dem Maße wie der MAD nach § 3 Abs. 1 MADG zur Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutzverbund verpflichtet. Vielmehr richtet sich die 815

BVerwG, Urt. v. 23. 1. 2008 – 6 A 1/07, NJW 2008, 2135, 2137 f. BT-Drs. 11/4306, S. 70; so auch heute noch C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 2, 43. 817 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 251 f. 818 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 29. 819 Ähnlich C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 88: „Auslandsaufklärung ist partiell anders, und der BND ist es auch“. 820 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, Vorb. BNDG, Rn. 1, § 1 BNDG, Rn. 11. 816

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Informationsübermittlung nach Regelungen, die auch für den Informationsaustausch zu anderen Behörden gelten. Zwar darf der BND zum einen nach § 18 Abs. 2 BVerfSchG, im Gegensatz zu anderen Behörden, auf eigene Initiative Informationen übermitteln, ebenso wie das BfV nach § 20 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG von sich aus Informationen an den BND übermitteln darf. Zum anderen kann der BND nach § 25 BNDG mit den Verfassungsverbundbehörden befristete, projektbezogene gemeinsame Dateien anlegen. Gleichwohl steht dem BND diese Möglichkeit nach § 25 BNDG auch mit den Polizeibehörden oder dem Zollkriminalamt offen. Ein Informationsfluss in herausgehobenem Maße, wie er zwischen MAD und den Verfassungsschutzämtern stattfindet, ist nicht erkennbar. Der BND steht damit außerhalb des Verfassungsschutzverbundes aus Verfassungsschutzämtern und MAD. Gleichwohl erfüllt er angesichts der gestiegenen Zahl an internationalen Verflechtungen wichtige Funktionen in der Verfassungsschutzarchitektur – exemplarisch kann die Analyse von Verbindungen extremistischer Organisationen in das Ausland genannt werden821. Für die Stellung der Verfassungsschutzämter in der Verfassungsschutzarchitektur bedeutet das, dass die Ämter weitgehend neben dem BND getrennt durch die Grenze zwischen Inlands- und Auslandsbezug der erhobenen Informationen operieren. Bei der Beobachtung von Bestrebungen, die im Ausland agieren und gegen die Schutzgüter des Verfassungsschutzes gerichtet sind, besteht ein erhöhter Kooperationsbedarf. Besondere Schwierigkeiten, auf welche im weiteren Verlauf der Untersuchung vertieft einzugehen ist, wirft die Verteilung der Zuständigkeit für die Spionageabwehr zwischen den beiden Institutionen auf.

III. … in Abgrenzung zum Verfassungsschutz durch die Bundeswehr Die Bundeswehr wird nur im äußersten Notfall zum Verfassungsschutz im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG eingesetzt. Die Bundeswehr ist zwar zur Verteidigung des Landes und damit zum Schutz des Bestandes der Bundesrepublik einzusetzen, allerdings fehlt es in dieser Funktion an dem für den Verfassungsschutz maßgeblichen Konnex zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.822 Im „Einklang mit dem bereits in Art. 26 Abs. 1 GG enthaltenen Verbot des Angriffskrieges [wird durch Art. 73 Nr. 1 und Art. 87a GG] der eindeutige und unmißver-

821 Vgl. hierzu erneut die globalen Verflechtungen des Blood & Honour bzw. Combat 18 Netzwerks, https://exif-recherche.org/?p=4399#sub393 (abgerufen: 30. 11. 2020). Zum Verbot von „Combat 18 Deutschland“ durch das BMI, siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/ faqs/DE/themen/sicherheit/vereinsverbot-combat-18/vereinsverbot-combat-18-liste.html (abgerufen: 30. 11. 2020). 822 Zum Auftrag der Bundeswehr F. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 84 Rn. 13 f.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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ständliche Wille des Verfassungsgebers zum Ausdruck gebracht, daß die Streitkräfte der Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe dienen sollen.“823 Die Streitkräfte können außerhalb des militärischen Verteidigungseinsatzes – allerdings nur im Notstandsfall nach Art. 91 Abs. 2 S. 1, 2 i. V. m. 87a Abs. 4 GG – auch zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Innern eingesetzt werden.824 Nur in diesem Ausnahmefall sind die Schutzgüter deckungsgleich, da der Verfassungsschutz, auch wenn er den Schutz des Bestandes oder der Sicherheit von Bund oder Land umfasst, dies immer mit Blick auf die freiheitliche demokratische Grundordnung tut. Der Beitrag der Bundeswehr besteht in aktioneller Gefahrenabwehr (Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG: „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr“). Mit der überwiegend gefahrenprophylaktischen Tätigkeit der Verfassungsschutzämter besteht keine unmittelbare Verbindung. Die Verfassungsschutzämter leisten keinen aktionellen Beitrag zur Gefahrenabwehr im Verfassungsschutz, insbesondere nicht bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer, zu welchem die Bundeswehr eingesetzt werden kann (Art. 87a Abs. 4 S. 1 GG).

IV. … in Abgrenzung zu strafrechtlichem Verfassungsschutz Mit der Verfolgung von Staatsschutzdelikten werden die Strafverfolgungsbehörden im Verfassungsschutz tätig (1.). Die repressive Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden kann von der präventiven der Verfassungsschutzämter unterschieden werden (2.). 1. Strafverfolgung im Rahmen des Verfassungsschutzes An prominenter Stelle im ersten Abschnitt des besonderen Teils des Strafgesetzbuches sind die Staatsschutzdelikte825 normiert, nach denen die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates unter Strafe gestellt ist (§§ 81 ff. StGB). Neben diesem Katalog erfassen eine Vielzahl an Strafnormen Verhaltensweisen, welche gegen die Schutzgüter des Verfassungsschutzes im engeren Sinn gerichtet ist, ohne den Schutz eines dieser Güter explizit zu bezwecken. Beispielsweise kann als Wahlfälschung zu klassifizierendes Handeln durchaus mit der Intention stattfinden, die Wahl zugunsten einer Partei zu beeinflussen, welche im weiteren Verlauf danach strebt, beispielsweise die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen. Dennoch bezweckt § 107a StGB nicht den Schutz der freiheitlichen demokratischen 823

BVerfGE 48, 127, 160; 69, 1, 20 f. J. Kersten, JuS 2016, 193, 197. Kritisch gegenüber einer Anwendung auf den Fall eines terroristischen Anschlags S. Middle, Innere Sicherheit, 2007, S. 79 f. 825 Grundlegend zum „Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht“ F.-C. Schroeder, Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht, 1970, § 12, § 20 ff. 824

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Grundordnung, sondern „das Interesse der Allgemeinheit an ordnungsgemäßen Wahlen“.826 Den Kern des strafrechtlichen Verfassungsschutzes bilden mithin solche Delikte, welche das Rechtsgut der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vor Tätigkeiten schützen, „deren Verwirklichung tatbestandlich ein auf ihre dauerhafte Beseitigung gerichtetes Verhalten voraussetzt“827. Der Bundesgesetzgeber zieht den Kreis der Staatsschutzdelikte allerdings deutlich weiter. Im Rahmen der Übermittlungspflicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz „in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes“ nach § 20 BVerfSchG hat der Gesetzgeber den Begriff der Staatsschutzdelikte legaldefiniert. Nach § 20 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG sind solche Delikte alle, die nach § 74a GVG828 speziellen Staatsschutzstrafkammern und nach § 120 GVG den Oberlandesgerichten in erster Instanz zugewiesen sind. Des Weiteren „sonstige Straftaten, bei denen auf Grund ihrer Zielsetzung, des Motivs des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchstabe b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind“. Der Gesetzgeber erfasst damit alle Delikte, die die Schutzgüter des Verfassungsschutzes i. S. d. Art 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG betreffen, und erweitert darüber hinaus die Übermittlungsverpflichtung des Bundesamtes auch auf Informationen, die Delikte betreffen, die auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG gefährden.829 Der Bereich der Staatsschutzdelikte umfasst damit den des Verfassungsschutzes vollständig und geht sogar noch darüber hinaus. Über die Staatsschutzdelikte sind die Strafverfolgungsbehörden, inklusive der Strafjustiz als funktionaler Ermittlungsbehörde830, mit dem Verfassungsschutz befasst und damit Bestandteil der Verfassungsschutzarchitektur.

826

BGHSt 29, 380, 386; OLG Celle, RDG 2012, 76, 77; OLG Zweibrücken, NStZ 1986, 554, 555; T. Zimmermann, ZIS 12/2011, 982, 991; H. E. Müller, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2017, § 107a, Rn. 1; F. L. Lorenz, NStZ 1992, 422, 427 f. 827 M. Dieters, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 291, 294 behandelt diese Delikte ausführlich. 828 Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. 5. 1975 (BGBl. I, S. 1077), das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 12. 12. 2019 (BGBl. I, S. 2633) geändert worden ist. 829 W. Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 20 BVerfSchG, Rn. 5: „das gesamte Spektrum der verfassungsschutzrelevanten Straftaten.“ 830 H. A. Wolff, Überblick über die föderale Sicherheitsstruktur, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 37 Rn. 68; zur Einordnung als Sicherheitsbehörde F. Rachor/ F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 126 ff. Vgl. auch M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 282, 322; K. Riekenbrauk, Verfassungsfeind-Bestimmung, 1986, S. 40 ff.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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2. Abgrenzung von Strafverfolgungsbehörden und Verfassungsschutzämtern in der Verfassungsschutzarchitektur Aufgrund der identischen Schutzgüter ist es durchaus vorstellbar, dass die Strafverfolgungsbehörden zur Aufklärung von Staatsschutzdelikten in Milieus ermitteln, welche auch die Verfassungsschutzämter beobachten. So wird regelmäßig eine Vereinigung i. S. v. § 129a StGB auch eine Bestrebung i. S. d. § 3 Abs. 1 BVerfSchG darstellen. Ebenso sind mit den §§ 98 ff., 202a ff. StGB alle Spionagetätigkeiten unter Strafe gestellt.831 Die Spionageabwehr ist damit zu einem Großteil auch Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden. In diesen Fällen müssen die Zuständigkeiten geklärt und die Handlungen abgestimmt werden. Für das in diesem Teil der Untersuchung angestrebte Ziel, die Verfassungsschutzämter zu den anderen Verfassungsschutzbehörden in Beziehung zu setzen, reicht es allerdings aus, die grundsätzliche Relevanz des Strafrechts für den Verfassungsschutz festzustellen. Daher sind auch die Strafgerichtsbarkeit, die Staatsanwaltschaft und die Polizei bei Ermittlungen bezüglich der genannten Delikte als Verfassungsschutzbehörden in die Verfassungsschutzarchitektur einzuordnen. In diesem Abschnitt des Verfassungsschutzes agieren folglich Institutionen der Judikative wie auch der Exekutive gemeinsam. Die Staatsanwaltschaft nimmt eine Sonderstellung in der Schnittstelle zwischen administrativem und justiziellem Verfassungsschutz ein.832 Der strafrechtliche Verfassungsschutz durch Strafgerichtsbarkeit, Staatsanwaltschaft und Polizei ist als klassisch repressive Sicherheitsgewährleistung zu kategorisieren.833 Ziel ist hierbei die Sanktionierung von unerlaubtem Handeln im Nachgang einer Schutzgutsverletzung.834 Demgegenüber ist der administrativ aufklärende Verfassungsschutz der Verfassungsschutzämter mit seiner Begrenzung auf politische Vorfeldaufklärung835 zum präventiven Teil des Verfassungsschutzes zu

831 Auch bei Bekämpfung der Proliferation, einem Unterfall der Spionageabwehr, ist mit der Strafbarkeit nach §§ 17, 18 AWG i. V. m. Ausfüllungsvorschriften eine Koordination der Verfassungsschutzämter mit den ermittelnden Zoll- und Strafverfolgungsbehörden und mit den für die Exportkontrolle nach § 13 AWG zuständigen Verwaltungs- und Genehmigungsbehörden, grundsätzlich das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA, § 13 Abs. 1 AWG), angezeigt. 832 K. Schmalenbach, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 415, 416. 833 Zur theoretischen Grenze zwischen Prävention und Repression E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 171. Kritisch gegenüber dem Wert des Strafrechts für die Prävention von Terrorismus und gewaltbereitem Extremismus A. Armborst, RW 2019, 436, 444 f. 834 Dazu bereits 2. Teil Kap. 2 E. I. (S. 133 ff.). 835 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118; M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 17. Vgl. ferner K. F. Gärditz, Strategische Fernmeldebeschränkung und Netzknotenüberwachung für den Verfassungsschutz, in: FG Graulich, 2019, S. 153, 161.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

zählen.836 In das Strafverfahren sind die Ämter nicht eingebunden.837 Allenfalls können sie als Hinweisgeber Verdachtsmomente für einen Anfangsverdacht mit den Strafverfolgungsbehörden teilen.838 Angesichts der weiter ausgreifenden Vorfeldkriminalisierung müssen allerdings überschneidende Ermittlungszuständigkeiten von Verfassungsschutzämtern und den Behörden des strafrechtlichen Verfassungsschutzes konstatiert werden.

V. … in Abgrenzung zu präventiv-polizeilichem Verfassungsschutz Der Beitrag der Polizei zum Verfassungsschutz (1.) ist von dem der Verfassungsschutzämter zu unterscheiden (2.). 1. Die Polizei als Teil der Verfassungsschutzarchitektur Polizei- und Ordnungsbehörden sind zur Abwehr von Gefahren und zur Unterbindung und Beseitigung von Störungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufgerufen. Damit sind die Polizei und die allgemeinen Ordnungsbehörden bei der Abwehr erheblicher Gefahren für die Schutzgüter des Verfassungsschutzes Teil der Verfassungsschutzarchitektur.839 Unschädlich ist dabei, dass der polizeiliche Sicherheitsbegriff insoweit nicht mit dem Sicherheitsbegriff des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG identisch ist, als die Sicherheit innerhalb des Bundes oder eines Landes

836 2. Teil Kap. 2 E. V. (S. 149 ff.).; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 68; R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 1, 4 f. 837 N. Gazeas, Übermittlung, 2014, 1 S. 193 und Zusammenfassung S. 624 Nr. 1. Schon früher eingehend zur Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen im Strafprozess M. Rehbein, Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, 2011, S. 139 ff., mit dem Ergebnis einer grundsätzlichen Verwertbarkeit (S. 285 f., 411 f.). Die Verfolgung konkreter Straftaten ist keine Aufgabe der Nachrichtendienste, sondern der Kriminalbeamten und Staatsanwaltschaften, so R. Steinke, Aus der Zeit gefallen, Süddeutsche.de, 6. 11. 2018, https://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsschutz-aus-der-zeit-gefallen-1.4198706 (abgerufen: 30. 11. 2020). 838 So auch R. Steinke, Aus der Zeit gefallen, Süddeutsche.de, 6. 11. 2018, https://www.su eddeutsche.de/politik/verfassungsschutz-aus-der-zeit-gefallen-1.4198706 (abgerufen: 30. 11. 2020): „Im Erkennen von Gefahren leistet der Verfassungsschutz heute schon gute Zuarbeit für die Polizei“. Auf den Einzelfall begrenzend F. Rachor/F. Roggan, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, C. Rn. 98. Kritisch dazu allerdings noch H. Lisken, DRiZ 1992, 250, 251. 839 A. Hirsch, Kontrolle, 1996, S. 22 f., welcher die Vollzugspolizei und die besonderen Sicherheitsbehörden auch zu den im Bereich des Verfassungsschutzes agierenden Sicherheitsbehörden zählt. Ebenso M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 29 f.; M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 282, 322; K. Riekenbrauk, Verfassungsfeind-Bestimmung, 1986, S. 40 ff.; M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 128: „Kurzum: Polizeilicher Verfassungsschutz ist (auch) Verfassungsschutz im Sinne des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG.“

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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nicht inhaltsgleich mit der Sicherheit des Bundes oder eines Landes ist.840 Während die öffentliche Sicherheit als Schutzgut der Polizei und Ordnungsbehörden bei jeder Rechtsgutsbedrohung beeinträchtigt ist, wird die Sicherheit des Bundes oder eines Landes im Gesamten erst ab einer gewissen Intensität gefährdet. Einzelne Rechtsgutsbeeinträchtigungen oder bloße Ordnungswidrigkeiten erreichen diese, verfassungsschutzrelevante Qualität noch nicht.841 Die Zuständigkeit von Polizei und Ordnungsbehörden bereits für solch niederschwellige Gefahren bedeutet allerdings nicht, dass ihnen der Verfassungsschutz verschlossen bliebe. Vielmehr sind sie auch für Sachverhalte, welche die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes bedrohen, zuständig.842 Ihr Eingreifen wird immer dann benötigt, wenn sich eine Bedrohung in zeitlicher Hinsicht bereits zu einer hinreichenden Gefahr verdichtet hat, mithin ohne kausalverlaufsverändernde Maßnahmen mit der Verletzung von Schutzgütern des spezifischen Verfassungsschutzes gerechnet werden muss. Für das Eingreifen der Polizei und Ordnungsbehörden in den Verfassungsschutz ist mithin eine doppelt qualifizierte Situation erforderlich: Einerseits müssen ausreichend Hinweise auf eine konkrete Gefahrenlage, welche unmittelbar in eine Schutzgutsverletzung umzuschlagen droht, vorliegen. Andererseits muss ein Schutzgut des Verfassungsschutzes hinreichend intensiv bedroht sein.

2. Abgrenzung zu den Verfassungsschutzämtern Die Polizei- und Ordnungsbehörden sind, in höherem Maß als andere Sicherheitsbehörden, mit Befugnissen zur präventiven Veränderung eines Kausalverlaufs ausgestattet.843 Daneben ist, wie bereits dargestellt wurde, die Prävention das Hauptanliegen des modernen deutschen Sicherheitsrechts.844 Damit sind die Polizeiund Ordnungsbehörden des Bundes und der Länder die zentralen Organe der deutschen Sicherheitsarchitektur. Mit ihren vielfältigen Präventionsbefugnissen, insbesondere denen zur Datenerhebung, bieten sie sich als wertvolle Vergleichsbehörde zu den ausschließlich zur Prävention tätigen Verfassungsschutzämtern in einem besonderen Maße an. 840

Dazu bereits 1. Teil Kap. 3 C. (S. 56 ff.); W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 59; N. Bergemann, in: Lisken/ Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 20; B. Pieroth, in: Jarass/ ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 37. 841 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 194 f.; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 55. 842 Zu polizeilichen Aufgaben überblicksartig und plakativ F. Ebert, LKV 2018, 399 ff. Ausführlicher E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. 843 Beispielsweise den Gewahrsam (§ 39 BPolG, Art. 17 BayPAG, § 28 PolGBW) oder die Sicherstellung (§ 47 BPolG, Art. 25 BayPAG, § 32 PolGBW) 844 Dazu bereits 2. Teil Kap. 2 E. II. (S. 137).

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Allerdings wird betont, dass sich „klassische“ polizeiliche Informationstätigkeit in dreierlei Hinsicht von der Informationstätigkeit der Verfassungsschutzämter unterscheide: Erstens steht ein grundsätzlicher Einzelfallbezug der Polizeitätigkeit der strategischen, nachrichtendienstlichen Aufklärung gegenüber.845 Zweitens sei Informationstätigkeit bloße Nebenaufgabe der Polizei zur Vorbereitung eigener Exekutivmaßnahmen, aber Hauptaufgabe der Verfassungsschutzämter zur Ermöglichung politischer Einschätzungen bezüglich der Gefahrenlage.846 Und drittens stünden grundsätzlich offene Ermittlungen der Polizei der regelmäßig verborgenen Tätigkeit der Verfassungsschutzämter gegenüber.847 Bei aller Annäherung der „modernen“ polizeilichen Informationstätigkeit an die Kriterien nachrichtendienstlichen Handelns848 dürften die Divergenzen, etwa die unterschiedlichen Eingriffsschwellen849, zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit nicht vollständig aufgehoben werden.850 Trotzdem muss mittlerweile konstatiert werden, dass der Polizei als zentraler Gefahrenabwehrbehörde dieselben, früher den Nachrichtendiensten vorbehaltene, Befugnisse zur Informationserhebung zur Verfügung stehen.851 Damit steht eine Beteiligung der Verfassungsschutzämter an der Informationsvorsorge von Gefahrenabwehrmaßnahmen ebenso in Zweifel wie an der Informationsversorgung der Strafverfolgung.852 Das früher zur Integration der Verfassungsschutzämter in die Gefahrenabwehr vorgebrachte Argument, nur sie

845 J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 289 f. Eine ähnliche Abgrenzung zwischen den nachrichtendienstlich-analytisch arbeitenden EU-Organisationen INTCEN und EUMS INT auf der einen Seite sowie der polizeilich, mithin „fall- und personenbezogen“, agierenden EUROPOL auf der anderen Seite vornehmend G. Conrad, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 161, 169. 846 J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 290 f., welcher allerdings die Informationstätigkeit der Verfassungsschutzämter als Vorbereitung von Exekutivmaßnahmen anderer Behörden sieht. 847 J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 291 f. 848 Annäherung der Befugnisse bereits 1991 feststellend C. Gusy, DVBl. 1991, 1288, 1289. Siehe auch J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 292 ff. 849 Deutlich jüngst BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. November 2020 – 1 BvR 3214/15 –, LS 3, Rn. 118 – 120. 850 N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 3; M. Kutscha, in: Roggan/ders. (Hrsg.), Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, 2. Aufl. 2006, S. 81. 851 Für das thüringische Landesrecht M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 32. Das BMI schlägt in seinen Reformplänen 2019 bereits weitere Informationserhebungsbefugnisse für die Polizei vor. Kritisch dazu A. Schadwinkel/L. Sontheimer, Verfassungsschutz-Staatstrojaner für alle, ZEIT ONLINE 29. 3. 2019, https://www.zeit.de/digital/2019-03/verfassungsschutz-staatstroja ner-horst-seehofer-gesetzesentwurf-ueberwachung-bnd (abgerufen: 30. 11. 2020). 852 Dazu soeben 2. Teil Kap. 3 A. IV. (S. 175 ff.).

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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könnten mittels nachrichtendienstlicher Mittel in dem oftmals klandestinen Gefahrenvorfeld ermitteln,853 ist kaum noch haltbar. Insbesondere gilt es, die offenbar immer noch gewünschte Abgrenzung der Verfassungsschutzämter von der Gefahrenabwehr zu bedenken. So sieht auch das Bundesverfassungsgericht die Nachrichtendienste zumindest nicht als Gefahrenabwehrbehörde im Sinne des Telekommunikationsgesetzes (TKG854) an855 und begründet die damit in vielen Fällen ausscheidende Zugriffsmöglichkeit der Nachrichtendienste auf Daten aus der Vorratsdatenspeicherung856 mit der Art ihrer Tätigkeit als Vorfeldaufklärung.857 Darüber hinaus ist die Aufklärungsarbeit der Verfassungsschutzämter mit ihrem Fokus auf Strukturen und Zusammenhänge auch nicht auf die Vorsorge von Gefahrenabwehrmaßnahmen, welche konkrete Gefahren und Störer voraussetzen, ausgelegt. Die Verfassungsschutzämter können also, wie schon für den strafrechtlichen Verfassungsschutz festgestellt,858 die Institutionen des präventiv-polizeilichen Verfassungsschutzes auf potenziell bedrohliche Milieus aufmerksam machen859. Die konkrete Informationsvorsorge zur Gefahrenabwehr hingegen ist keine originäre Aufgabe der Verfassungsschutzämter.860

853 H. Sieglerschmidt, Bericht in der 195. Sitzung des 6. Deutschen Bundestags am 22. 6. 1972, Plenarprotokoll Nr.: 06/195, S. 11426. 854 Telekommunikationsgesetz vom 22. 6. 2004 (BGBl. I, S. 1190), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 6. 2. 2020 (BGBl. I, S. 146) geändert worden ist. 855 BVerfGE 133, 277 Rn. 118. Ebenso C. Dieterle, ZD 2016, 517, 520 f.; M. Bäcker, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 12 f.; A. Decker, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 39; A. A. vertritt der bayerische Gesetzgeber, BayLT-Drs. 17/10014, S. 36; dazu F. Wollenschläger, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 45 ff.; T. Petri, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 5, S. 5. 856 Zur Vorratsdatenspeicherung siehe F. Wollenschläger, Stellungnahme BT – Speicherpflicht für Verkehrsdaten am 21. 9. 2015, http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileT oLoad=4302&id=1273 (abgerufen: 30. 11. 2020); F. Wollenschläger/L. Krönke, Telekommunikationsüberwachung und Verkehrsdatenspeicherung – eine Frage des EU-Grundrechtsschutzes?, NJW 2016, 906; F. Wollenschläger, Die Erga-omnes-Wirkung von EuGH-Urteilen in Vorabentscheidungsverfahren und die TK-Verkehrsdatenspeicherung, NJW 2018, 2532; A. Sandhu, EuR 2017, 453. 857 BVerfGE 125, 260, 332. 858 2. Teil Kap. 3 A. IV. 1. (S. 175 f.). 859 K. F. Gärditz, EuGRZ 2018, 6, 21 spricht sogar von einem gemeinsamen Sicherheitsauftrag von Nachrichtendiensten und anderen Sicherheitsbehörden. 860 M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 388 f. A. A. J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293. Zu den Herausforderungen durch die Einbindung der Verfassungsschutzämter über §§ 19 ff. BVerfSchG in Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung eingehend im 3. Teil dieser Untersuchung. Ferner zu den Unterschieden von „nachrichtendienstlichen“ und „exekutivischen“ Verfassungsschutz M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 127 ff., insb. 137.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Trotz des doppelten Qualifikationsbedarfs aus hinreichend konkreter Gefahrenlage und Bedrohung eines Schutzguts des Verfassungsschutzes droht die Extremismusbeobachtung durch die Verfassungsschutzämter vielfach mit der Terrorismusabwehr durch die Polizei vermischt zu werden. Dies gilt es zu vermeiden, da Terrorakte lediglich eine, wenn auch die radikalste, Handlungsform von Extremisten darstellen.861 Gleichwohl offenbaren sich hier Aufklärungs-Schnittmengen. So, wenn sich die Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter mit der Informationsvorsorge zur Abwehr terroristischer Handlungsformen zeitlich überlappt.862 In diesen Fällen sind klare Kompetenzzuschnitte und Kooperationsregelungen nötig, um etwa ineffektive Mehrfachzuständigkeiten zu vermeiden.

VI. Ergebnis: Der Beitrag der Verfassungsschutzämter zum Verfassungsschutz und deren partielle Sonderstellung in der Verfassungsschutzarchitektur Die Verfassungsschutzämter tragen durch ihre Informationssammlungs- und Analysetätigkeit zum Verfassungsschutz bei. Dadurch gewonnene Erkenntnisse werden der Gesellschaft zur Information und der Regierung zur Kenntnisnahme und zur Vorbereitung weiterer Abwehrmaßnahmen zugeleitet. Zu diesem Zweck, allerdings konzentriert auf „umstürzlerische“ Bestrebungen, wurden die Verfassungsschutzämter in Anlehnung an die Erlaubnis der Alliierten863 ursprünglich geschaffen. Diese Offenlegung verfassungsfeindlicher, aber noch legaler Bestrebungen ist bis heute ursprüngliche864 und ureigene Aufgabe der Verfassungsschutzämter. Die Polizei sollte bewusst von der Aufklärung legaler Handlungen ferngehalten werden.865 Mithin kann die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG geregelte Aufgabe nicht nur problemlos unter die grundgesetzliche Legaldefinition von Verfassungsschutz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG subsumiert werden.866 Sie ist vielmehr charakteristisch für den behördlichen Verfassungsschutz an sich. Die Beobachtung noch ungefährlicher 861

Ähnlich C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 70. M. A. Zöller, JZ 2007, 763, 767; differenzierend, insbesondere strukturelle nachrichtendienstliche und einzelfallbezogene polizeiliche Aufklärung unterscheidend K.-A. Schwarz, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 6, S. 9. 863 Siehe Originaltext des Polizeibriefs, abgedruckt in deutscher und englischer Fassung in M. Feldkamp, Der Parlamentarische Rat, Bd. 8, 1995, S. 230 f. 864 Vgl. zu § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950, H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109: „In erster Linie soll die ,freiheitliche demokratische Grundordnung‘ vor verfassungswidrigen Angriffen geschützt werden“. 865 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MATA S-1 zu A-Drs. 38, S. 1. Ausführlicher auch ders., APuZ 18 – 19/2014, 9. 866 Zur Entfernung der Aufgabe der Spionageabwehr von eben dieser grundgesetzlichen Definition G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 5 f. 862

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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und nicht strafrechtsrelevanter Bestrebungen ist allein den Verfassungsschutzämtern übertragen worden.867 Neben der Information von Politik und Gesellschaft können die ermittelten Informationen für die Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen der Mitwirkungsaufgaben aus § 3 Abs. 2 BVerfSchG verwendet werden. Lediglich als Nebenprodukt ihrer Aufklärungsarbeit übermitteln die Ämter den Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden Daten nach §§ 19 ff. BVerfSchG.868 Aktionelle Maßnahmen, wie Partei- oder Vereinsverbote, polizeilicher Gewahrsam (z. B. nach Art. 17 BayPAG) oder Vollzug einer angeordneten Untersuchungshaft nach § 112 StPO, sind den Verfassungsschutzämtern, abgesehen vom Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit nach § 16 BVerfSchG, vorenthalten.869 Mit der strukturellen870, strategischen Beobachtung extremistischer Bestrebungen leisten die Verfassungsschutzämter mithin insoweit einen einzigartigen Beitrag innerhalb der deutschen Sicherheitsarchitektur, als es sich um noch legale Tätigkeiten handelt.871 Keine andere Institution nimmt sich diesen noch sehr abstrakt bleibenden und deshalb noch nicht strafbewehrten Bedrohungen mit solch niederschwelligen Maßnahmen872 an. In dieser Funktion sind die Verfassungsschutzämter die idealen Vorsorgebehörden einer Prävention, welche nicht nur von der Schutzgutsgefährdung

867

Zur Aufgabe der Beobachtung politischer Bestrebungen als „Alleinstellungsmerkmal, also […] ursprüngliche[m] Grund“ der Verfassungsschutzämter und dieser kritisch gegenüberstehend R. Steinke, Aus der Zeit gefallen, Süddeutsche.de, 6. 11. 2018, https://www.sueddeut sche.de/politik/verfassungsschutz-aus-der-zeit-gefallen-1.4198706 (abgerufen: 30. 11. 2020). 868 A. A. J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293. 869 M. Möstl, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 4, S. 9 f., stützt darauf und auf das „tendenziell weiter im Vorfeld konkreter Gefahren“ ansetzen der Aufklärungsarbeit der Nachrichtendienste seine Einschätzung von einem „von der Polizei verschiedenes Aufgaben- und Befugnisprofil“ der Verfassungsschutzämter. 870 Kritisch gegenüber diesem Unterscheidungsmerkmal E. Denninger, APuZ 10 – 11/ 2002, 22, 26; früher schon deutlich H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 53. An dem Kriterium festhaltend K.-A. Schwarz, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 6, S. 9 f. 871 M. Albers, Determination, 2001, S. 226 f.: „Insbesondere ist die Frage, ob das Verhalten der Bürger rechtmäßig oder rechtswidrig ist, für ihn weniger maßgeblich als für die Polizei“. Ausführlicher zu den Unterschieden C. Gusy, DV 1991, 467, 472 ff. 872 Die enge Verbindung von polizeilicher Ermittlung und aktionellen Eingriff sei „deutlich eingriffsintensiver als bloße Vorfelduntersuchungen“ der Verfassungsschutzämter, so K.-A. Schwarz, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 6, S. 9 f. A. A., wonach die Verteilung von Überwachung und Intervention auf verschiedene Behörden angesichts vielfältiger interbehördlicher Übermittlung(-sverpflichtungen) die Eingriffsintensität nicht entscheidend verringert, T. Petri, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 5, S. 4.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

ausgeht, sondern die Entstehungsursachen gegen rechtsstaatliche Grundlagen gerichteter Bestrebungen in den Mittelpunkt stellt.873 Ebenso ohne Pendant sind die Verfassungsschutzämter in ihrer Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen von Personen und technischen Sicherheitsmaßnahmen nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG.874 Aus dieser Einzigartigkeit heraus kann die Institution der Verfassungsschutzämter gerechtfertigt werden.875 Da diese Einzigartigkeit jedoch nur auf einen Teil der Aufgaben der Verfassungsschutzämter zutrifft, kann auch nur eine partielle Sonderstellung der Ämter in der Verfassungsschutzarchitektur konstatiert werden: Sammeln die Verfassungsschutzämter Auskünfte zur Information von Regierung und Gesellschaft über Bestrebungen, die allein von den Ämtern für Verfassungsschutz beobachtet werden, sind für diese Informationstätigkeit die verfassungsrechtlichen Maßstäbe gesondert zu betrachten; eine Privilegierung gegenüber der Informationstätigkeit etwa der Polizei ist dabei möglich.876 In anderen Bereichen bearbeiten die Verfassungsschutzämter mittlerweile allerdings die gleichen Aufgaben mit den gleichen Befugnissen wie andere Behörden innerhalb der Sicherheitsarchitektur und sind entsprechend an die gleichen verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden.

873 C. Gusy, VerwArch 2010, 309, 332 f. Vgl. auch H. Lisken, DRiZ 1992, 250, 252: „Wer hingegen die Kriminalität schlechthin ,bekämpfen‘ will, muß – wie ein Arzt – Ursachenforschung und Therapieversuche betreiben, muß also Sonderordnungsbehörden schaffen oder bestehende Fachbehörden mit entsprechenden Kompetenzen und Eingriffsbefugnissen ausstatten. Der Strafprozess kann dies nicht leisten“. Zur Gefahrenprophylaxe bereits eingehend, 2. Teil Kap. 2 E. III. (S. 142 ff.). 874 Dazu bereits 2. Teil Kap. 2 B. (S. 124 ff.). 875 R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 65. 876 Zur verfassungsmäßigen Möglichkeit der Sonderbehandlung des Nachrichtendienstrechts, vgl. BVerfGE 146, 1, LS 3; 143, 101, LS 5; dazu auch J. K. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 18 f.

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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Graphische Darstellung der Verfassungsschutzarchitektur als Teil der Sicherheitsarchitektur. Grafik von F. Kriss unter Anleitung des Verfassers.

B. Befund: Aufgabenparallelität bei strafbewehrten, verfassungsschutzrelevanten Bestrebungen und der Grenzfall der Spionageabwehr Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sich die Verfassungsschutzämter unter Erweiterung ihrer Aufgaben zu einer umfassenden Vorfeldbehörde, einem Frühwarnsystem für den gesamten Bereich der inneren Sicherheit, entwickelt haben.877 Denn die Verfassungsschutzämter sind längst nicht mehr auf Aufklärung

877

Vgl. C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 12: „Stark gewandelt haben sich auch die Aufgaben. Sie expandierten von der nachrichtendienstlichen Aufklärung ausländischer Spionage gegen die Bundesrepublik und unmittelbarer inländischer Verfassungsgefährdungen weit in deren Vor- und Umfeld: bei der Fernhaltung ,Radikaler‘ vom öffentlichen Dienst, der Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen jeder Art bis hin zu eigenen Aufklärungsbeiträgen zur Verhinderung

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

extremistischer, umstürzlerischer Umtriebe beschränkt.878 Mittlerweile sind sie auch in der Spionage- und Sabotageabwehr879 tätig sowie in die Terrorismusbekämpfung eingebunden.880 So meinen Stimmen in der Literatur zu erkennen, dass die Befugnisse der Ämter mit dem Ziel einer besseren Terrorabwehr ausgeweitet werden881 und damit der Überschneidungsbereich mit der Polizei vergrößert wird.882 Die Verfassungsschutzämter werden „zu ,Informationsschaltstellen‘ im Verbund der Sicher-

von Organisierter Kriminalität, Korruption und Terrorismus.“ (Hervorhebung bereits im Original). 878 So jedoch zu Beginn ihrer Tätigkeit, vgl. 2. Teil Kap. 2 A. II. 2. (S. 101 ff.). Für den Erweiterungsbefund auch J. Singer, in: Jäger/Daun (Hrsg.), Geheimdienste in Europa, 2009, S. 265, 289. 879 Dazu 2. Teil Kap. 2 A. II. 3. und B. (S. 106 ff. und 124 ff.). 880 Sogar explizit in § 3 Abs. 1 Nr. 13 lit. b BSIG. C. Streiß, Trennungsgebot, 2011, S. 228, bezeichnet die Bekämpfung des internationalen Terrorismus sogar als wesentlichen Teil der Tätigkeit der Nachrichtendienste. Ähnlich BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 36: „Dem Verfassungsschutz [verstanden als die Verfassungsschutzämter] kommt bei der Terrorismusbekämpfung im Rahmen der Vorfeldaufklärung eine wichtige Aufgabe zu.“ 881 H. A. Wolff, DÖV 2009, 597, 603; ders., DVBl. 2015, 1076, 1080; M. A. Zöller, JZ 2007, 763, 767; M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 154. Auf die fehlende ausdrückliche gesetzliche Zuweisung der Terrorismusbekämpfung hinweisend N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 7. Die Verhinderung von Anschlägen mittlerweile als „wesentliche Aufgabe“ der Nachrichtendienste des Bundes bezeichnend M. Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. 2018, „Sicherheitsbehörden“ S. 2046; ebenso H. A. Wolff, DÖV 2009, 597, 603: „Abwehr des internationalen Terrorismus […] zurzeit einen wesentlichen Teil der nachrichtendienstlichen Tätigkeit ausmacht“. Diese Hinwendung der Verfassungsschutzämter zu vormals allein polizeilichen Aufgabenfeldern wie politisch motivierter Kriminalität und Terrorismus als Reaktion auf zunehmende Kritik am „Kerngeschäft“ Extremismusbeobachtung deutend C. Leggewie/H. Meier, Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2012, 63, 70. Zur über die tatsächlichen Opfer hinausgehende, den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat beeinträchtigende Wirkung von terroristischen Anschlägen C. Schmitt-Leonardy, in: Hascher/ Jung/Paris/Schulze (Hrsg.), Sicherheit und Freiheit, 2018, S. 55, 56; M. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, 2015, S. 41 f.; M. Cancio Meliá, GA 2012, 1, 10 f. 882 H. A. Wolff, in: FS Schünemann, 2014, S. 848. Ebenso C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 12: „Bei [Aufklärungsbeiträgen zur Verhinderung von Organisierter Kriminalität, Korruption und Terrorismus] stellen sich zunehmende Aufgabenüberschneidungen mit der Polizei heraus. Eine Gefahr wird aber nicht allein deshalb besser abgewehrt, weil für sie mehrere Behörden zuständig sind. Wo also bleibt der Mehrwert der Aufgabenausweitung für den Verfassungsschutz? Auch wird das Nebeneinander bisweilen zum Gegeneinander, wie die meisten Nachrichtendienstskandale zeigten.“ Zunehmende Konvergenz der funktionalen Differenzierung von Strafverfolgung, Polizei und Nachrichtendiensten erkennt auch S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 364. A. A. noch M. Albers, Determination, 2001, S. 226: „Die Aufgaben des Verfassungsschutzes sind in besonderer, unter anderem gegen polizeiliche Aufgaben abgrenzbarer Weise charakterisiert: Sie bringen Tätigkeiten in den freiheitsrechtlich sensiblen und politisch anfälligen Bereich des Staatsschutzes sowie oppositioneller politischer Aktivitäten mit sich und sind mit Berichtspflichten gegenüber der Regierung verbunden.“

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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heitsbehörden“883.884 Durch die weitreichende Mitwirkungs- und Übermittlungskompetenzen rückt die eigentlich primäre Berichtspflicht gegenüber der Regierung und der Öffentlichkeit zunehmend in den Hintergrund.885 Diese Tendenz ist auch daran zu erkennen, dass die neueren Auskunftsrechte886 durch eine engere Bindung an eine tatsächlich vorliegende Gefahr nicht mehr so weit im Gefahrenvorfeld angesiedelt sind wie die ursprünglichen, allgemeinen nachrichtendienstlichen Mittel.887 Aus der Befugnis, anderen Behörden Informationen zu übermitteln, scheint zunehmend eine entsprechende Aufgabe abgeleitet zu werden, die dann neben die explizit in § 3 Abs. 1 i. V. m. § 16 BVerfSchG geregelte Aufgabe zur Information von Regierung und Öffentlichkeit tritt. Diese Entwicklung wird durch die ausdrückliche Zuweisung der Beobachtung der Organisierten Kriminalität, welche eigentlich selbstverständlich der Zuständigkeit der Polizei unterfällt, an vereinzelte Landesämter für Verfassungsschutz auf die Spitze getrieben.888 Insbesondere im Vergleich mit der Polizei sind die Verfassungsschutzämter in den Bereichen der Bekämpfung des Terrorismus und der Organisierten Kriminalität unvollständige Behörden, die zur Erfüllung dieser Aufgaben letztendlich doch auf die Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsbehörden angewiesen sind.889 Die eigentliche Gefahrenabwehr im terroristischen Bereich wird erst mit Hilfe des Strafrechts geleistet,890 indem terroristische Gewalttäter durch Haft und Resozialisierungsmaßnahmen dauerhaft von ihrem gefährlichen Weg abgebracht werden sollen. Die Verfassungsschutzämter haben sich daher von unabhängigen

883 M. Albers, in Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 35. Ed. Stand: 1. 5. 2020, Grundlagen und bereichsspezifischer Datenschutz Syst. L Rn. 7. Vgl. auch dies., in: dies./ Weinzierl (Hrsg.), Menschenrechtliche Standards in der Sicherheitspolitik, 2010, S. 25, 27. 884 So allgemein über Nachrichtendienste A. Sommerfeld, GTAZ, 2015, S. 179. Bereits früh zur Informationsvorsorge der Verfassungsschutzämter für „andere Verfassungsschutzbehörden und -organe, inkl. Polizei und Strafverfolgung, damit die ihren Aufgaben wirksam nachkommen können“ R. Herzog, in: BMI (Hrsg.), Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 8. 885 T. Schwabenbauer, Grundrechtseingriffe, 2013, S. 18. 886 Etwa § 8a Abs. 2 S. 1 BVerfSchG: „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass schwerwiegende Gefahren für die in § 3 Absatz 1 genannten Schutzgüter vorliegen“. 887 M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 154, welche ferner auf die Unterstützung der stärkeren Antiterrorausrichtung der Verfassungsschutzämter durch „einen existenten, in seinem genauen Umfang aber unbekannten Zuwachs an personellen und sachlichen Ressourcen und einer der Stärkung der Kommunikation mit anderen Sicherheitsbehörden“ hinweisen. 888 Eine solche Zuweisung dementsprechend zu Recht entschieden zurückweisend schon M. Albers, Determination, 2001, S. 227 f. 889 Siehe dazu nur B. Rusteberg, Zustand der föderalen Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 38 f. 890 B. Rusteberg, Zustand der föderalen Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19. WP, S. 27.

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Informationsdienstleistern zur „Demokratieförderung“891 partiell zu unselbstständigen Unterstützungsbehörden für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gewandelt.892 Von der ursprünglich übersichtlichen Struktur mit klarer Trennung in den Verfassungsschutzämtern vorbehaltener Gefahrenprophylaxe, allein außenpolitisch aufklärendem BND und auf offene, größtenteils aktionelle Gefahrenabwehr beschränkter Polizei sind zunehmend verschwimmende Grenzen und Überschneidungs- oder zumindest Reibungsflächen geblieben. Auf die Verfassungsschutzämter bezogen, sind aus dieser Entwicklung zwei Feststellungen zu ziehen: Erstens eine parallele Beobachtung krimineller oder gefährlicher Bestrebungen durch Polizei und Verfassungsschutzämter (I.) und zweitens ein großer Kooperationsbedarf sowie erhebliches Reibungspotenzial bei der Spionageabwehr durch BND und Verfassungsschutzämter (II.).893

I. Parallele Beobachtung strafbewehrter oder gefährlicher Bestrebungen durch Polizei und Verfassungsschutzämter als Herausforderung für die Verfassungsschutzarchitektur Die Entwicklung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter auf der einen Seite und der Vorverlagerung des Strafrechts auch in den politischen Bereich hinein bewirken eine parallele Aufklärung durch Verfassungsschutzämter und Polizei.894 891

So bezeichnet der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages gesellschaftliches Engagement gegen Extremismus, allerdings begrenzt auf Rechtsextremismus, BT-Drs. 17/ 14600, S. 865 ff. 892 Ebenso die partielle Entfernung der Verfassungsschutzämter von ihrem Gründungskonzept und ihren Legitimationsgrundlagen bemerkte schon C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 12. Zu den Verfehlungen der Verfassungsschutzämter im Rahmen dieser Unterstützungsfunktion H. P. Bull, RuP 2015, 2 ff.; M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25 ff. Den Mehrwert eigener Aufklärungsbeiträgen der Verfassungsschutzämter zur Verhinderung von Organisierter Kriminalität, Korruption und Terrorismus und damit einhergehenden Aufgabenüberschneidungen mit der Polizei bezweifelnd C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 12. 893 Diese beiden Referenzgebiete lassen sich auch als Ausdruck eines Wandels von einer traditionellen, reagierenden Gefahrenabwehr, hin zu einer proaktiven, thematisch weitgehend entgrenzten Sicherheitsgewährleistung verstehen. „Ordnungsrecht, Strafrecht, Polizeirecht und Nachrichtendienstrecht bilden ein engmaschiges, miteinander verwobenes und funktional aufeinander abgestimmtes System personaler Risikovorsorge, in dem der einzelne Mensch das zu beherrschende Risiko darstellt.“ (B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 129). 894 So auch jüngst Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie einzelner Abgeordneter v. 25. 3. 2019, BT-Drs. 19/8700, S. 2. Von „Gebiete[n], in denen sich die Aufgaben von Polizei und Nachrichtendiensten seit jeher überlagern“ schreibt hingegen J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 55 für das Referenzgebiet des internationalen Terrorismus unter Verweis auf C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 346 ff. A. A. – besondere, abgrenzbare Aufgaben des Verfassungsschutzes – noch 2001, M. Albers, Determination, 2001, S. 226, m. w. N. zu divergierenden Befugnissen aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben.

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Angesichts der Aufgabenerweiterungstendenzen bei den Verfassungsschutzämtern – etwa durch deren Einbindung in vormals rein polizeiliche Aufgabenfelder, wie Organisierte Kriminalität895 oder Terrorismus – wird gemutmaßt, diese seien eine Reaktion auf zunehmende Kritik am „Kerngeschäft“ Extremismusbeobachtung.896 Auch im Polizeirecht sind Entwicklungstendenzen in Richtung des nachrichtendienstlichen Bereichs erkennbar.897 Etwa, wenn sich bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität nicht am Ziel der unmittelbaren Gefahrenabwehr, sondern am „operativen“ Ziel, eine „kriminelle Organisation oder Bande umfassend in ihrer Aktivität zum Erlöschen“ zu bringen,898 orientiert wird. Ebenso, wenn für diese Ziele Informationsermittlung auf Eigeninitiative der Polizei betrieben wird.899 Das Delikt Geldwäsche ist der zentrale Tatbestand zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und diesbezügliche Ermittlungen sind regelmäßig Anlass für verdeckte Ermittlungsbefugnisse.900 Der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität hat das Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsrecht nachhaltig verändert. Insbesondere im Strafprozessrecht, dem Recht des Ermittlungsverfahrens gab es weitreichende und so tiefgreifende Veränderungen, dass mittlerweile von einer zweiten Strafverfahrensordnung die Rede ist, welche parallel zum „klassischen“ Ermittlungsverfahren eingriffsintensive und vor allem heimliche Ermittlungsmaßnahmen bei terroristischen, anderen schweren Verbrechen und eben gegen die Organisierte Kriminalität

895

Kritisch H.-J. Lange, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 64, 66 f., der den Verlust der einstmals klaren Aufgabentrennung von Polizei und Nachrichtendienst durch die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch letztere erkennt. 896 So C. Leggewie/H. Meier, Blätter für deutsche und internationale Politik 10/2012, 63, 70. 897 Siehe etwa Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie einzelner Abgeordneter v. 25. 3. 2019, BT-Drs. 19/8700, S. 8: „Unter anderem aufgrund der Vorverlagerung von AntiTerrorismus-Straftatbeständen auf Vorbereitungs- und Gefährdungshandlungen und damit des Ausgreifens auf die Gefahrenabwehr („Verpolizeilichung des Strafrechts“) sowie der Kompetenzausweitung bei der polizeilichen Gefahrenabwehr kommt es zu einer immer weitreichenderen Überschneidung von Zuständigkeiten und Kompetenzen der Polizei und Nachrichtendienste.“ Ferner A. Kretschmann/A. Legnaro, APuZ 21 – 23/2019, 11, 11: „Damit geraten Handlungen ins polizeiliche Raster, die nicht mehr im Vorfeld von Kriminalität liegen, sondern als abstrakte Gefahr bereits im Vor-Vorfeld.“ Für eine präventive Ausrichtung einer demokratischen Polizei S. Salzborn, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 415, 422. 898 A. Stümper, Kriminalistik 1975, 49, 50. Kritisch gegenüber solchen operativen Konzeptionen M. Albers, Determination, 2001, S. 216. 899 Aus der Praxis W. Sielaff, in: Kube/Störzer/Timm (Hrsg.), Kriminalistik. Handbuch für Praxis und Wissenschaft, Bd. 2, 1994, Abschnitt 41 Organisierte Kriminalität Rn. 20 f.; H.-L. Zachert, in: Kuratorium der Polizei-Führungsakademie (Hrsg.), Schriftenreihe der PolizeiFührungsakademie, Thema heute: Organisierte Kriminalität, 1990, S. 21, 30 f.; U. Kersten, ZFIS 1998, 131, 135; I. Jahnes, Initiativermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität, 2010, S. 82 f., 157 f. 900 M. Kilchling, APuZ 38 – 39/2013, 9, 12.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

ermöglicht.901 In diesen Fällen weisen die Arbeitsweisen der Polizeien und der Nachrichtendienste starke Parallelen auf.902 Daher ist die Informationsvorsorge nicht mehr den Nachrichtendiensten überlassen, vielmehr „dringt die Polizei […] letztlich in vormals rein nachrichtendienstliche Aufgabenfelder vor.“903 Die eigentlich auf einem klaren materiellen Polizeibegriff basierende Unterscheidung von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Aufgabenwahrnehmung904 verschwimmt zusehends, da zum einen die Verfassungsschutzämter pauschal zur „Gewährleistung von Sicherheit“ herangezogen werden905 und zum anderen die Polizei zur Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge ebenfalls im Vorfeld konkreter Gefahren eingesetzt wird906. Das Vorfeldmonopol der Verfassungsschutzbehörden existiert nicht mehr.907 Vielmehr ist die Annäherung von Polizei und Verfassungsschutzbehörden eine zwangsläufige Konsequenz der polizeilichen Vorfeldtätigkeit.908 Diese Überschneidungsbereiche werfen verfassungsrechtliche, zuvorderst staats- und verwaltungsorganisatorische, Fragen auf: Zunächst lässt sich fragen, ob die funktionale Ausprägung des Trennungsgebots zwischen Nachrichtendiensten und Polizei nicht nur eine eigenständige Aufgabe für die Verfassungsschutzämter fordert,909 sondern darüber hinaus parallele Aufgabenzuweisungen verbietet. Der Einsatz unterschiedlicher Aufklärungsbefugnisse durch verschiedene Behörden führt gemeinsam gegen einzelne Beobachtungsobjekte gerichtet zu „additiven Grundrechtseingriffen“910. Wird eine solche Addition nicht abgestimmt oder

901

M. Kilchling, APuZ 38 – 39/2013, 9, 15. M. Albers, Determination, 2001, S. 115, ebenso bei Loslösung von konkreten Gefahrensituationen im Rahmen der Straftatenverhütung, S. 126 f. So schon früher und kritisch H. Lisken, DRiZ 1992, 250, 251. Vgl. zu nachrichtendienstähnlichen Arbeitsweisen (u. a. Lagebilder und Strategische Kriminalitätsanalysen) der Polizei bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität aus der Perspektive der Praxis U. Kersten, ZFIS 1998, 131, 135 ff. I. Jahnes, Initiativermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität, 2010, S. 170 f. erkennt als Ergebnis einer Expertenbefragung eine „Hinwendung [der Polizei] zu Strukturermittlungen“. 903 J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 43 mit Verweis auf C. Gusy, DV 1991, 467, 474. Ebenso M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 326. 904 F. Schoch, Polizei- und Ordnungsrecht, in: ders. (Hrsg.), Besonders Verwaltungsrecht, 2018, Kap. 1 Rn. 9. 905 D. Kugelmann, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus, Band II, 2012, § 52 Rn. 9. 906 BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. 12. 2018 – 1 BvR 142/15, Rn. 70; D. Kugelmann, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus, Band II, 2012, § 52 Rn. 21 f. 907 M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 30; F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 157. 908 M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 30; N.-F. Weisser, NVwZ 2011, 142, 144; F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 166, 190; M. König, Trennung und Zusammenarbeit, 2004, S. 232 f.; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 309, 313. 909 So überzeugend R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 62 ff. 910 Vgl. zum Begriff auch G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 732 f. 902

Kap. 3: Beitrag der ÄfV zur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur

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sogar nicht erkannt, kann dies zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmen führen.911 Ferner ist, insbesondere bei verdeckten, gleichwirkenden Ermittlungsmethoden für den Betroffenen nicht ohne Weiteres ersichtlich, welche staatliche Stelle gerade in seine Rechte eingreift. Unter dem Stichwort der Verantwortungsklarheit ein bedenkenswerter Aspekt.912 Zu guter Letzt ist an das verfassungsrechtliche Gebot der Effektivität der Gefahrenabwehr zu erinnern. In Anbetracht der der Polizei mittlerweile zur Verfügung stehenden Informationserhebungsbefugnisse913 erscheint die Aufklärung des gewalttätigen Extremismus durch die Verfassungsschutzämter größtenteils obsolet.914 Der für derartige Phänomene ebenfalls zuständigen Polizei stehen neben den Ermittlungsbefugnissen auch Eingriffsbefugnisse zu, mit deren Hilfe Gefahrenabwehr auch tatsächlich betrieben wird oder Beweise für die Strafverfolgung gesichert werden. Die Vorfeldtätigkeit der Verfassungsschutzämter steht spätestens seit den Geschehnissen um den NSU-Terrorismus915 ferner unter dem Verdacht, die Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung eher zu behindern als zu unterstützen.916 Unterschiedliche Ermittlungsziele erschweren den Austausch zwischen Verfassungsschutzämtern und den Gefahrenabwehr- bzw. Strafverfolgungsbehörden. Während erstere geneigt sein können, Anzeigen zu unterlassen, um Strukturen vollständig auszuleuchten, tendieren letztere schon traditionell zum früheren, unmittelbaren Zugriff.917 Die Notwendigkeit paralleler Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern ist daher insoweit zweifelhaft, als die Polizei bereits durch ihren allgemeinen Auftrag zur Gefahrenabwehr und ihre Beteiligung an der Strafverfolgung mit der Verhinderung oder Verfolgung politischer sowie insbesondere auch terroristischer

911

Siehe 3. Teil Kap. 1 B. I. (S. 233 ff.). Dazu 3. Teil Kap. 1 C. (S. 239 ff.). 913 C. Gusy, DV 1991, 467, 482 f.; H. Hund, ZRP 1991, 463, 467; M. Köhler, ZStW 1995, 10, 14; M. Albers, Determination, 2001, S. 211: „Zudem erstreckten sich die Befugnisse der Polizei mittlerweile auf vormals typisch nachrichtendienstliche Mittel“. 914 R. Steinke, Aus der Zeit gefallen, Süddeutsche.de, 6. 11. 2018, https://www.sueddeut sche.de/politik/verfassungsschutz-aus-der-zeit-gefallen-1.4198706 (abgerufen: 30. 11. 2020). Vgl. auch M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25 f. 915 Die rechtsterroristische Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) war zwischen 1998 und 2011 für zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle verantwortlich, Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT- Drs. 17/14600, S. 71. 916 G. Schäfer/V. Wache/G. Meiborg, Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des „Zwickauer Trios“, 2012, Rn. 446 ff., S. 451 ff.; M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25 f.; auf weiteres Fehlverhalten hinweisend H. P. Bull, RuP 2015, 2 f. 917 So bereits C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 250. Im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Komplexes wurde von den Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörden ein umfassender Mentalitätswechsel gefordert, Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BTDrs. 17/14600, S. 894. 912

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Straftaten befasst ist.918 Obgleich es für das Vorliegen einer nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG beobachtungswürdigen Bestrebung nach ganz überwiegender Ansicht zwar, mit Ausnahme des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4 BVerfSchG („ungesetzliche Beeinträchtigung“), nicht auf die Legalität des Handelns ankommt,919 wird doch ein aktives Vorgehen verlangt,920 welches ab einer gewissen Intensität auch die polizeilichen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gefährden dürfte. Nachdem zusätzlich die Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter nach Überschreiten der Schwelle zur Illegalität nicht abbricht,921 ist eine Parallelität mit der polizeilichen Gefahrenabwehr systembedingt. Eben dieser Überschneidungsbereich ist ein Gegenstand der weiteren Untersuchung.922

II. Zuständigkeitsschwierigkeiten zwischen BND und Verfassungsschutzämtern bei der Spionageabwehr Aber nicht nur im Umgang mit gewaltbereitem Extremismus, sondern auch bei der Spionageabwehr gibt es Berührungspunkte der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter mit anderen Institutionen. Gemeinhin wird angenommen, die Spionageabwehr im Sinne einer Aufklärung nachrichtendienstlicher Aktivitäten sei strikt nach Lokalität getrennt923; die Verfassungsschutzämter sollen für das Inland und der BND soll für das Ausland zuständig sein. Diese auf den ersten Blick klare Abgrenzung verliert deutlich an Kontur, bedenkt man den der Spionage immanenten Auslandsbezug.924 Spionage ist – abgesehen von der rein privaten Konkurrenten918 Zunehmende polizeiliche Vorfeldtätigkeit belegen insbesondere die BKA-Befugnisse nach §§ 38 ff. BKAG, siehe auch N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 32. Zur zentralen Rolle des BKA in der Ermittlung in Sachen des politischen Strafrechts S. Cobler, Die Gefahr geht von den Menschen aus, 1976, S. 39. 919 BVerfGE 120, 274, 330; BVerwGE 137, 275 Rn. 59; N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 17; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 168; M. A. Zöller, JZ 2007, 763, 770; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 9; M. Rose-Stahl, Recht der Nachrichtendienste, 2. Aufl. 2006, S. 47 („Kennzeichen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit ist es gerade, dass sie bereits im Vorfeld strafbarer Handlungen ansetzen kann“); W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 18. 920 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 14 ff. Vgl. auch D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 35 ff. 921 N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 17. 922 Dazu im 3. Teil. 923 Dazu F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 853 ff. 924 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG: „für eine fremde Macht“; § 87 StGB: „Auftrag einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes“. Vgl. auch G. Warg, NVwZ 2019, 127, 128.

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spionage, deren Abwehr mangels Schutzgutsbezug keine Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden darstellt925 – stets von einer fremden Macht gesteuert und verspricht damit zwingend auch „Erkenntniss[e] über das Ausland, […] von außenund sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland“ i. S. d. § 1 Abs. 2 BNDG. Erinnert man nun daran, dass Gegenspionage im Sinne einer offensiven Beeinflussung fremder Geheimdienste926 vom Aufklärungsauftrag der Verfassungsschutzämter nicht mehr gedeckt, sondern vielmehr alleinige Zuständigkeit des BND sein soll, entstehen erhebliche Zweifel an der Inland-/Ausland-Abgrenzung zwischen den Spionageabwehrbehörden. Beispielsweise birgt die Überführung eines von den Verfassungsschutzämtern enttarnten Agenten an den BND zur Gegenspionage erhebliche praktische Risiken927 und bewegt sich darüber hinaus auf bisher positivrechtlich noch nicht erfasstem Gebiet. Allein diese Bedenken rechtfertigen es, die nach aktueller Rechtslage vorherrschende Aufteilung im Umgang mit Spionage zu überdenken. Wie schon im Verhältnis der Verfassungsschutzämter zur Polizei steht hier die Effektivität der Gefahrenabwehr in Zweifel. Aus kompetenzrechtlicher Sicht ist ferner zu fragen, ob die ausschließliche Kompetenz des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten eine Befassung des föderalen Verbundes der Verfassungsschutzämter mit der Spionageabwehr angesichts des starken Auslandsbezugs verbietet. Für den Status quo spricht hingegen das Verbot der Aufklärung durch den BND auf innenpolitischem Terrain. Denn die Politik Deutschlands ist ebengerade das Hauptaufklärungsziel der Spionage. Die geltende Rechtslage wird im Rahmen dieser Untersuchung, unter Berücksichtigung der angesprochenen verfassungsrechtlichen Implikationen, auf Reformnotwendigkeiten hin untersucht. Die Zuständigkeit des BND für Gegenspionage und der für Spionagetätigkeiten charakteristische Auslandsbezug drängen die Frage nach einer Zusammenführung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr unter dem Dach des BND auf. Hiervor stünde allerdings eine Auseinandersetzung mit dem überkommenen und mehrfach bestätigten928 Credo, wonach das innerstaatliche politische Geschehen von der nachrichtendienstlichen Aufklärung durch den BND ausgeschlossen sei.929 925 Vgl. B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 129. Wohl auch N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 28; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 72. 926 Diese Definition von Gegenspionage prägten H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 65; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 250; T. Rieger, Der Bundesnachrichtendienst im demokratischen Rechtsstaat, 1986, S. 44 ff. 927 So auch unter Hinweis auf das Absehen der eigentlich notwendigen Anzeige des enttarnten Agenten aus Opportunitätserwägungen C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 250. 928 Insbesondere nach der „Aufdeckung mancher Übergriffe des BND in innenpolitische Vorgänge aus den [19]50er und [19]60er Jahren“, C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, Vorb. BNDG, Rn. 2. 929 BT-Drs. 11/4306, S. 70.

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2. Teil: Aufgabenentwicklung und Stellung der ÄfV

Die an den Aufgabenerweiterungen der Verfassungsschutzämter geäußerte Kritik ist sicherlich auch den stets als höchst gefährlich eingeschätzten Bedrohungslagen (etwa durch „Ostblock-Spionage“, RAF und islamistischen Terrorismus) geschuldet,930 nie entscheidend durchgedrungen. Das behördliche Versagen im Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen NSU wurde nun zum Anlass, das konkrete Vorgehen der Ämter ebenso zu kritisieren wie den, dem behördlichen Handeln zugrundeliegenden, Aufgabenzuschnitt.931 Auch weil diese teils fundamentale Kritik vom Gesetzgeber bisher nicht in der geäußerten Absolutheit beachtet wurde,932 sollen im dritten und vierten Teil dieser Untersuchung die eben angerissenen Friktionen in den Verhältnissen der Verfassungsschutzämter zur Polizei und zum BND als Herausforderungen für die Verfassungsordnung untersucht und im fünften Teil gegebenenfalls notwendige Änderungen aufgezeigt sowie eine mögliche Reformalternative vorgestellt werden.

930

C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 10: „Vielleicht waren es das Gefühl der Instabilität und die besondere Schutzbedürftigkeit der Demokratie in Neugründungsprozessen kurz nach dem Ende des NS-Regimes beziehungsweise der Überwindung der SED-Diktatur durch die demokratische Revolution in Ostdeutschland, welche die Frage nach einer Republik ohne nachrichtendienstlichen Schutz damals gar nicht erst aufkommen ließen. Wer den Gegner eben erst mühsam überwunden hat, möchte vielleicht selbst nicht schutzlos dastehen.“ 931 G. Schäfer/V. Wache/G. Meiborg, Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des „Zwickauer Trios“, 2012, Rn. 386: „Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass das TLfV [=Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz] durch sein Verhalten die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bei der Suche nach dem TRIO [selbstbetitelter ,Nationalsozialistischer Untergrund‘ bestehend aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe] massiv beeinträchtigt hat“; siehe auch C. Gusy, ZRP 2012, 230, 231; H. P. Bull, RuP 2015, 2 ff.; M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25 ff. 932 So auch C. Leggewie/H. Meier, in: Lange/Lanfer (Hrsg.), Verfassungsschutz, 2016, S. 7, 8. Ähnlich C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9.

3. Teil

Herausforderungen für die Verfassungsordnung durch die Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern Im zweiten Teil dieser Untersuchung wurden die Entwicklung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter und die damit einhergehende Veränderung ihrer Stellung in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur von einem politischen Analyseorgan zu einem umfassenden Informationsdienstleister in Staatsschutzangelegenheiten nachgezeichnet. In dem nun folgenden Abschnitt wird untersucht, ob die festgestellte Aufgabenparallelität933 von Polizei und Verfassungsschutzämtern bei der Aufklärung gefährlicher oder krimineller Strukturen934 – beide Institutionen arbeiten unter Umständen mit unterschiedlichen Zielrichtungen an identischen Sachverhalten – grundgesetzwidrig ist und deshalb eine Reform der Aufgabenordnung zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern angezeigt wäre. Allerdings darf hierbei der Rahmencharakter der Verfassung nicht dergestalt überdehnt werden, dass aus ihr heraus Vorgaben formuliert werden, die die Eigenständigkeit und Flexibilität des Verwaltungsrechts über Gebühr einschränken.935 Die Bedeutung des Verwaltungsorganisationsrechts, das über die interne Struktur von Behörden hinausgehend auch deren Verhältnis untereinander betrifft, wird in diesem Zusammenhang evident.936 933 2. Teil Kap. 3 B. I. (S. 188 ff.). Zur „paralleler Aufgabenverantwortung“ allgemein A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 15, 261: „Parallele Aufgaben sind Aufgaben verschiedener staatlicher Rechtssubjekte, die sich auf einen (teil-)identischen Sachverhalt beziehen.“; zu Mehrfachzuständigkeiten in dem Sinne, dass „für dieselbe Aufgabe zu derselben Zeit in demselben Raum mehrere Verwaltungsträger zuständig sind“, M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 35; J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1126 oder auch 1120: „Bei Mehrfachzuständigkeiten oder konkurrierenden Zuständigkeiten geht es darum, daß verschiedene Zuständigkeitsträger sich in zeitlicher, örtlicher und sachlicher Hinsicht mit derselben Aufgabe befassen“. 934 Von „systematische[r] Einbeziehung der Nachrichtendienste in Strafverfolgung und Gefahrenabwehr“ spricht K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 21 m. v. w. N. in Fn. 120. Jüngst auch BT-Drs. 19/8700, S. 2. 935 E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, 1. Kap. Rn. 18. Indes eingehend zur Relativierung dieser Eigenständigkeit des Verwaltungsrechts durch die „Unverbrüchlichkeit des allbezüglichen Verwaltungsverfassungsrechts“ F. Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), 187, 247 ff. 936 J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 184 f. Das Organisationsrecht aufgrund seiner engen Bindung an die politische Legitimation als besonders „verfassungsnah“ bezeichnend C. Möllers, in: Trute/Gross/Röhl/ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, 2008, S. 489, 499.

196

3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Die Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern entsteht dadurch, dass gewisse Sachverhalte sowohl für die polizeiliche Gefahrenabwehr und Strafverfolgung als auch für die Gefahrenprophylaxe der Verfassungsschutzämter von Bedeutung sind und keine normative Zuordnung in solchen Konfliktfällen stattfindet. Daraus resultieren für die Organisation der Verfassungsschutzarchitektur zwei Problemkreise, die in diesem Teil der Untersuchung am Maßstab des Grundgesetzes überprüft werden. Zum einen die Fälle in denen identische Sachverhalte, Personen und Personenzusammenschlüsse sowohl von Polizei und Verfassungsschutzämtern aufgeklärt werden. Zum anderen die Verwendung von Informationen, die die Verfassungsschutzämter erhoben haben, als Entscheidungsgrundlage für Eingriffsbefugnisse der Polizei. Letzteres ist durch die Übermittlungsvorschriften §§ 19 ff. BVerfSchG möglich und findet weitgehend ohne Wissen und Einflussmöglichkeiten der betroffenen Bürgerinnen und Bürger statt. Die Parallelzuständigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern wird in diesem Teil der Untersuchung an spezifischen Geboten der Verfassung gemessen. Der Maßstabsbildung folgt jeweils eine Untersuchung möglicher Beeinträchtigungen durch Regelungen auf einfachgesetzlicher Ebene (Kap. 1). Durch die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern entstehende Friktionen werden mit Effektivitätsüberlegungen gerechtfertigt. Zugleich steht die Vernetzung der beiden Institutionen nach den Ermittlungsfehlern im Zusammenhang mit der Terrorzelle NSU gerade unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr stark in der Kritik (Kap. 2). Die durchgeführte eingehende Analyse ergibt, dass die Parallelzuständigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern spezifische verfassungsrechtliche Gebote beeinträchtigt, ohne dass hierfür eine hinreichende Rechtfertigung ersichtlich wäre. (Kap. 3). Notwendige Konsequenz ist die Rückkehr zur strikten Trennung der Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutzämtern (Kap. 4).

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

197

Kapitel 1

Parallele Zuständigkeiten von Polizei und Verfassungsschutzämtern als verfassungsrechtliche Herausforderung Das Verwaltungs- und das Verfassungsrecht weisen aller überkommener, teils überzeichneter937 Abgrenzungen zum Trotz weitrechende, wechselseitige938 Verflechtungen auf.939 Diese Verflechtungen zeigen sich am deutlichsten an den als Verwaltungsverfassungsrecht bezeichneten, verwaltungsbezogenen Vorgaben des Grundgesetzes.940 Angesichts bislang nur geringer Europäisierung des Polizei- und Nachrichtendienstrechts bilden die einzelnen, einschlägigen Verfassungsgebote den Maßstab für die vorliegende Untersuchung der sich überschneidenden Zuständigkeiten von Polizei und Verfassungsschutzämtern.941 Seit der Gründung der Verfassungsschutzämter ist das Trennungsgebot942 der prägende Begriff für das Verhältnis dieser Behörden zur Polizei. Keine Untersuchung der Polizei-Nachrichtendienst-Beziehung kommt ohne diesen schillernden, nicht gänzlich konturierten Begriff aus. So stellt sich die Frage, ob das Trennungsgebot durch die sich überschneidende Aufklärung von Polizei und Verfassungsschutz937

Plakativ dazu der vielzitierte Satz Otto Mayers: „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“, s. O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1924, Vorwort zur dritten Auflage, welcher auch nicht als absolute Trennung der beiden Bereiche verstanden werden kann [O. Bachof, VVDStRL 30 (1972), 193, 204 f.: „Wer ihm … etwas anders unterstellt, muß sich den Verdacht gefallen lassen, von seinem ganzen Werk nichts als diesen einen Satz zu kennen“ (S. 204)]. Für die Kritik hieran sei nur auf die ausführlichen Nachweise bei F. Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), 187, 190 Fn. 14, verwiesen. 938 Zu den Rückwirkungen des Verwaltungsrechts auf das Verfassungsrecht F. Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), 187, 210 ff. Kritisch demgegenüber S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 365: „verhindern, dass das Verfassungsrecht einfachrechtliche Entscheidungen in sich aufnimmt und dadurch an Steuerungskraft eben gegenüber dem einfachen Recht verliert.“ 939 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 38: „Wie alle Bereiche des Verwaltungsrechts, so wird auch das Verwaltungsorganisationsrecht durch das Verfassungsrecht bestimmt.“ 940 Zu diesen eingehend F. Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), 187, 195 ff. Zu den „verfassungsrechtlichen Rückbindungen des Verwaltungsorganisationsrechts“ E. SchmidtAßmann, Verwaltungsrechtliche Dogmatik, 2013, S. 149 ff. 941 Dazu bereits Einleitung B. I. (S. 30 ff.). Siehe etwa zur weitgehenden Beschränkung der EU Institutionen auf Informationsauswertung J.-M. Palacios, in: Dietrich/Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 201, 207 f. Rn. 15. 942 Dieses ist nicht im Sinne einer umfassenden und absoluten Trennung zu verstehen, so auch J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 5. Deshalb für den Begriff „Trennungsprinzip“ plädierend und auf die Unterscheidung zwischen Gebot und Prinzip hinweisend ders., ebd., S. 5 Fn. 3. Wohl A. A. M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 46.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

ämtern beeinträchtigt wird (A.). Daneben birgt die parallele und unzureichend koordinierte Beobachtung eines Milieus oder einer Person durch zwei unterschiedliche Behörden die Gefahr, dass sich Grundrechtseingriffe durch Addition in einem nicht mehr gerechtfertigten Ausmaß vertiefen. (B.). Ferner ist unter dem Stichwort der Verantwortungsklarheit bedenklich, dass es dem Bürger bei gleichzeitigem Handeln unterschiedlicher Behörden schwerfallen könnte, den für die einzelne staatliche Maßnahme Verantwortlichen zu erkennen (C.). Dies hat Folgen auch für den Rechtsschutz, da der Bürger unter Umständen nicht feststellen kann, gegen wen er seinen Rechtsbehelf richten kann. Eng damit verbunden stellt der Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung Vorgaben an das Verwaltungshandeln. Des Weiteren verdient das Gebot der Zweckbindung bei Informationserhebungsmaßnahmen (D.) im vorliegenden Kontext Erwähnung. Die Maßstäbe, die die angesprochenen Prinzipien für die Parallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern bilden, werden in der Folge dadurch entwickelt, dass jeweils zunächst der Inhalt des Prinzips bestimmt wird und sodann auf eine etwaige verfassungsrechtliche Verankerung eingegangen wird. Darauf aufbauend wird untersucht ob und gegebenenfalls wie das jeweilige Prinzip durch die parallele Beobachtung von Polizei und Verfassungsschutz beeinträchtigt ist.

A. Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten Das Verhältnis von Polizei und Nachrichtendiensten war von Beginn an ein Thema innerhalb der sicherheitspolitischen Debatte in der Bundesrepublik Deutschland.943 Noch heute prägen die Überlegungen aus der Anfangszeit, welche deutlich von größtmöglicher Abgrenzung zum NS-Regime geprägt waren, die Verfassungsschutzarchitektur der Bundesrepublik Deutschland. So war es ein Ansinnen, nicht wieder eine zentrale und unkontrollierte, sowohl mit geheimen Ermittlungs- als auch offenen Exekutivbefugnissen ausgestattete Behörde – eine neue Geheime Staatspolizei (Gestapo) – entstehen zu lassen.944 Das Trennungsprinzip von Polizei und Nachrichtendiensten folgt diesem Leitgedanken. Das grundsätzliche

943

W. Buschfort, Geheime Hüter der Verfassung, 2004, S. 47 ff. M. Möstl, in: ders./ Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 15. Ed. Stand: 1. 11. 2020, Systematische Vorbemerkungen Rn. 58: „Das Verhältnis von Polizei und Nachrichtendiensten wird – seit dem Polizeibrief der Westalliierten v. 14. 9. 1949 und seither einfachgesetzlich verwirklicht – vom sog. Trennungsgebot beherrscht“. Vgl. weiter M. Feldkamp, Der Parlamentarische Rat, Bd. 11, 1997, S. 271 f.; C. Goschler/M. Walla, „Keine neue Gestapo“, 2015, S. 33 ff. 944 Siehe nur A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 188 ff.; M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 43; R. Klee, Neue Instrumente, 2010, S. 42. Dazu auch und zu weiteren möglichen Gründen für ein Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten K. Nehm, NJW 2004, 3289, 3290. C. Goschler/M. Walla, „Keine neue Gestapo“, 2015, S. 31 f.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

199

Prinzip der Trennung wird in einzelne konkrete Trennungsgebote945 aufgefächert, welche wiederum verbindliche Vorgaben für die parallele Aufgabenerfüllung von Polizei und Nachrichtendiensten enthalten. Insbesondere für die Frage nach dem Adressatenkreis dieser Gebote – lediglich Verwaltung oder auch der einfache Gesetzgeber – ist entscheidend, ob es sich dabei um Vorgaben aus der Verfassung handelt (I.). Anschließend gilt es zu erörtern, inwieweit diesen Vorgaben entsprochen wird (II.).

I. Verfassungsrechtliche Verankerung und Reichweite der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten Eine Auseinandersetzung mit rechtlichen Geboten setzt häufig an deren normhierarchischen Rang an. So verwundert es nicht, dass die Diskussion um ein Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten über Jahre um die Frage kreiste, ob einem solchen Gebot Verfassungsrang zukomme.946 Oftmals wurde diese Frage der Behandlung des Inhalts des Trennungsgebots vorgezogen947 und verdrängte letztere jahrelang in den Hintergrund.948 Dies wiegt umso schwerer, da ein pauschales, wenig konturiertes Trennungsgebot für die konkrete Beurteilung der aktuellen Aufgabenparallelität unergiebig erscheint. Dementsprechend wird die folgende Darstellung den Inhalt des Trennungsgebots mit der Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung der Gebote verbinden. Hierfür wird zunächst der verfassungsgeschichtliche Ursprung des Trennungsgebots beleuchtet (1.). Danach wird dargelegt, dass ein pauschales Trennungsgebot keine Verankerung in der Verfassung findet (2.) und demnach dem Verfassungsrang und der inhaltlichen Reichweite einzelner Trennungsaspekte gesondert nachzugehen ist (3.).

945

Knapp zur Unterscheidung von Geboten und Prinzipien J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 5 Fn. 3. 946 Dafür: C. Gusy, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2008/ 2009, 2009, S. 177, 182; ders., ZRP 1987, 45 ff.; M. Kutscha, NVwZ 2005, 1234, 1234; ders., NVwZ 2013, 324, 325; H. Lisken, ZRP 1994, 264, 267. Zum Trennungsgebot zwischen Polizei und Streitkräften K. Braun/T. Plate, DÖV 2010, 203, 208. Dagegen: K. Baumann, DVBl. 2005, 798, 803; M. Brenner, Bundesnachrichtendienst, 1990, 48 ff.; A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 193 f.; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 444; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 8 ff. 947 Deutlich M. Brenner, Bundesnachrichtendienst, 1990, S. 48; M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 374 ff. 948 C. Gusy, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 120, 127; ders., in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2008/2009, 2009, S. 177, 182; K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 416 Fn. 11.

200

3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

1. Der Ursprung des Trennungsgebots Der ursprüngliche Gedanke einer eigenständigen, auf Nachrichtensammlung begrenzten Stelle entstammt den Vorgaben der alliierten Militärgouverneure.949 In ihrem an den Parlamentarischen Rat gerichteten Memorandum zur Regelung der Polizeigewalt vom 14. April 1949 gestatteten sie der Bundesregierung die Errichtung einer „Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten […]. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse haben.“950 Diese Vorgabe des sogenannten Polizeibriefs überraschte die deutsche Delegation damals insofern, als in den bisherigen Beratungen des Parlamentarischen Rates angedacht war, im Bundeskriminalamt sowohl nachrichtendienstliche als auch polizeiliche Aufgaben anzusiedeln; Verfassungsschutz wurde als Aufgabe der politischen Polizei angesehen.951 Die Trennung von nachrichtendienstlich-beobachtenden und polizeilich-eingreifenden Aufgaben und Befugnissen war in der bundesdeutschen Diskussion bis dato kein Thema.952 Unmittelbare Bindungswirkung kommt dem Polizeibrief aber spätestens mit Erlöschen der letzten alliierten Vorbehaltsrechte durch Erlass der Notstandsverfassung953 und des Art. 10 GG-Gesetzes954 nicht mehr zu.955 Ohnehin waren die Vorgaben dieses Briefs von den Militärgouverneuren wohl lediglich als Maßstab für das einfache Gesetzesrecht, nicht aber als Vorgabe für das Grundgesetz gedacht; eine Geltung über die Zeit der Besatzung hinaus war dementsprechend nicht vorgesehen.956 Heute kann nicht mehr

949

M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 43. Memorandum der Militärgouverneure zur Regelung der Polizeigewalt vom 14. 4. 1949, abgedruckt in deutscher und englischer Fassung in M. Feldkamp, Der Parlamentarische Rat, Bd. 8, 1995, S. 230 f. Ebenfalls in Deutsch abgedruckt bei A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 195. Zum Einfluss des Polizeibriefs auf die Beratungen des Parlamentarischen Rates a. a. O., S. 171 ff. 951 A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 123 ff., 170 f., 175. Vgl. auch H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 18, 22, 23. A. A. – identischer Wille der Mütter und Väter des Grundgesetzes und der Alliierten hinsichtlich der Trennung – E. Schwan, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Nachrichtendienste, Polizei und Verbrechensbekämpfung im demokratischen Rechtsstaat, 1994, S. 113, 114. 952 Allerdings ohne Nachweise behauptet H. v. Mangoldt/F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 2. Aufl. 1966, Art. 73, Anm. XVIII 2b, dass bei den Beratungen zu Art. 73 Nr. 10 und 87 Abs. 1 S. 2 GG Einigkeit dahingehend bestand, dass der „politischen Polizei“ Exekutivbefugnisse zu verwehren seien. Darauf Bezug nehmend K. Nehm, NJW 2004, 3289, 3290. 953 17. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 24. 6. 1968, BGBl. I 1968, S. 709. 954 BGBl. I 1968, S. 949. 955 H. Roewer, DVBl. 1986, 205, 207; M. Albers, Determination, 2001; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 411; M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 45. 956 Dahingehend deutet A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 124 f., 174 den Hinweis des amerikanischen Generals Clay, wonach erst spezifische Gesetzgebung vorliegen müsse, welche die „Aktionsfähigkeit“ eines deutschen Inlandsnachrichtendienstes regelt. Dieses Gesetz würde in der Folge von der Hohen Kommission auf Vereinbarkeit mit den Grundprinzipien des Polizeibriefs überprüft, s. W. Werner, Der Parlamentarische Rat, Bd. 4, 1989, S. 129. Zur Unei950

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

201

zweifelsfrei rekonstruiert werden, ob der Polizeibrief die Entstehung der Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 und 87 Abs. 1 S. 2 GG dahingehend beeinflusst hat, dass von einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Trennungsprinzips in diesen Normen ausgegangen werden kann.957 Die Genese ist hinsichtlich des Verfassungsrangs eines allgemeinen Trennungsgebots mithin nicht eindeutig. 2. Verfassungsrang eines pauschalen Trennungsgebots? Das Bundesverfassungsgericht hat es bisher vermieden, dem Trennungsprinzip im Gesamten, zumindest ausdrücklich, Verfassungsrang zuzuerkennen.958 Es hat sich stets nur mit einzeln abgeleiteten Geboten beschäftigt959 oder in einem obiter dictum die bloße Möglichkeit eines Trennungsgebots angesprochen.960 Schon der verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt eines allgemeinen – organisatorische, funktionelle, kompetenzielle und informationelle Elemente vereinenden – Trennungsgebotes bleibt vage. Das Bundesverfassungsgericht nennt, ohne weiter darauf einzugehen, das Rechtsstaatsprinzip (a), das Bundesstaatsprinzip (b) und die Grundrechte (c) als potenzielle Grundlagen eines Verbots, „bestimmte Behörden miteinander zu verschmelzen oder sie mit Aufgaben zu befassen, die mit ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung nicht vereinbar sind.“961 a) Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip trägt keine pauschale Trennung der Polizei und der Nachrichtendienste hinsichtlich ihrer Organisation, Aufgaben und Befugnisse. Zwar kann Behördendiversifikation durchaus rechtsstaatlich machtbegrenzende Wirkung entfalten,962 doch sind entsprechende Schutzmechanismen ebenso in einer monobehördlichen Struktur denkbar. Denn auch innerhalb einer Behörde können differenzierte Rechtsgrundlagen und Kontrollmechanismen sowie die grundsätzliche

nigkeit bezüglich des Adressaten des Polizeibriefs, ob Verfassungs- oder einfacher Gesetzgeber, M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 44. 957 Dafür C. Gusy, ZRP 1987, 45, 47; K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 381 f.; K. Nehm, NJW 2004, 3289, 3290; VG Köln, GewArch 1985, 330, 331; M. Ostheimer, Verfassungsschutz nach der Wiedervereinigung, 1994, S. 70. Dagegen ausführlich A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 175 ff.; auch M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 49. 958 Ausdrücklich offen gelassen in BVerfGE 100, 313, 369 f. So auch J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 6 f.; M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 374 f. 959 Beispielsweise für das informationelle Trennungsgebot BVerfGE 133, 277, 324 ff. 960 BVerfGE, 97, 198, 217; V. Götz/M.-E. Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl. 2017, § 16 Rn. 39. 961 BVerfGE, 97, 198, 217. 962 K. F. Gärditz, EuGRZ 2018, 6, 12.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Trennung von Datenerhebung und -verwertung verwirklicht werden.963 Als Paradebeispiel kann die Doppelfunktion der Polizei als Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörde gelten.964 Innerhalb dieser Institution werden Informationen sowohl zum Zwecke der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung erhoben und verarbeitet, ohne dass in dieser Verbindung an sich bereits eine Beeinträchtigung rechtsstaatlicher Gebote gesehen wird. Mithin kann aus dem Rechtsstaatsprinzip kein allgemeines, umfassendes Trennungsgebot abgeleitet werden.965 b) Bundesstaatsprinzip Maßgeblicher Ausfluss des Bundesstaatsprinzips ist die bundesstaatliche Kompetenzverteilung. Es wird vertreten, dass sich die Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten auch aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 und 87 Abs. 1 S. 2 GG ergebe.966 Denn in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG sei im Plural von „Zentralstellen“ die Rede, was auf eine Trennung der Materien des polizeilichen Auskunfts- und Nachrichtenwesens, der Kriminalpolizei und der Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes hindeute.967 Ferner schließe die „Sammlung von Unterlagen“ exekutive Zwangsmaßnahmen aus.968 Diese Argumentationslinien bleiben auf den Wortlaut begrenzt und können mithin nicht überzeugen. Allein aus dem Plural „Zentralstellen“ ergibt sich keine Verpflichtung des Gesetzgebers, mehrere Zentralstellen zu schaffen, denn auch die Aufgaben des polizeilichen Auskunfts- und Nachrichtenwesens sowie der Kriminalpolizei wurden im Bundeskriminalamt zusammengefasst, ohne dass dies bisher als verfassungswidrig kritisiert wurde.969 963 R. Poscher, JZ 2009, 269, 276; T. Würtenberger, in: FS Schröder, 2012, S. 285, 291 f. Allerdings auch auf Herausforderungen für die praktische Umsetzung hinweisend J. Hecker, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, III § 2 Rn. 11. Ebenso M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 47: „Zudem muss beachtet werden, dass den Vorgaben des Gerichts hinsichtlich einer strikten Datentrennung kaum entsprochen werden kann, ohne der Trennung auch der Behörden in organisatorischer und kompetenzrechtlicher Sicht zu entsprechen“. 964 M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 51 f., mit Hinweis in Fn. 98 auf die vertiefende Behandlung der das Rechtsstaatsprinzip betreffenden Argumenten bei C. Streiß, Trennungsgebot, 2011, S. 160 ff. 965 Bezogen auf den aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Grundsatz der „Gewaltentrennung“ ein organisatorisches Trennungsgebot offenlassend, eine Aufgaben- und Befugnistrennung jedoch ablehnend, M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 382 f. Allerdings aufgrund anderer rechtsstaatlicher Anbindungen, etwa an die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG, das Prinzip der funktionsgerechten Aufgaben- und Befugniszuweisung und die Vergleichbarkeit mit der Trennung von Polizeibehörden und Streitkräften, dem Trennungsgebot „insgesamt“ doch Verfassungsrang zubilligend, a. a. O., S. 383 ff. 966 M. Ostheimer, Verfassungsschutz nach der Wiedervereinigung, 1994, S. 70. 967 W. Schmidt, ZRP 1979, 185, 190 („verfassungsrechtliche Organisationssperren“); C. Gusy, ZRP 1987, 45, 46 f. Zurückhaltender M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 315 f. und K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 382, 418. 968 B. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 7; W. Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz und Grundrechte, 1979, S. 74 f. 969 So auch M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 49 f.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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Vielmehr vermittelt Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber lediglich die Möglichkeit, verschiedene Behörden zu etablieren.970 Ebenso wenig überzeugt, aus dem Begriff des „Sammelns“ eine Begrenzung der Verfassungsschutzämter auf passive Ermittlungsmethoden ohne Zwang ableiten zu wollen. Weder der Wortsinn noch der normative Zusammenhang geben eine solch restriktive Interpretation zwingend vor.971 Daneben kann auch Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG insbesondere deshalb nicht als verfassungsrechtliche Verankerung eines allgemeinen Trennungsgebots dienen, da die Norm lediglich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes regelt und dabei dem einfachen Gesetzgeber einen erheblichen Ermessensspielraum belässt.972 c) Grundrechte Aus den Grundrechten lässt sich ebenso wenig ein pauschales Trennungsgebot ableiten. Zwar können einzelne Trennungsaspekte aus einzelnen Grundrechten abgeleitet werden. So leitet etwa das Bundesverfassungsgericht aus dem „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ ein informationelles Trennungsgebot zwischen „grundsätzlich offen arbeitende[r] Polizei“ und „grundsätzlich verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten“ ab.973 Gleichwohl ist nicht zu erkennen, dass der Schutz der Grundrechte insgesamt oder im Einzelnen ein generelles Trennungsgebot in all seinen Facetten erforderlich macht. Das Beispiel des informationellen Trennungsgebots zeigt, dass dem Schutz einzelner Grundrechte durch spezielle Trennungsgebote besser gedient werden kann als mit einem unflexiblen, generellen Trennungsgebot, das die grundrechtsschützenden Aspekte der Zusammenarbeit vernachlässigt. Ein pauschales Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten findet mithin keine Verankerung in der Verfassung.974

970

K. Nehm, NJW 2004, 3289, 3291. Ebenso E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 234; M. Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 64. Lfg. Januar 2012, Art. 87, Rn. 141; H. BorgsMaciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Nachrichtendienste, 1986, § 3 BVerfSchG, Rn. 136; K. Nehm, NJW 2004, 3289, 3291. 972 R. Klee, Neue Instrumente, 2010, S. 56; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 16; C. Gusy, ZRP 1987, 45, 46. Implizit auch K. Baumann, DVBl. 2005, S. 801 ff., indem er Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG in seiner sonst umfangreichen Abhandlung unbehandelt lässt. 973 BVerfGE 133, 277, 328 f. Rn. 122 f. Dazu unter 3. Teil Kap. 1 A. I. 3. e) (S. 216 ff.). 974 So auch m. w. N. F. Schoch, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kap. 1 Rn. 32; S. Middle, Innere Sicherheit, 2007, S. 74. Undifferenziert jüngst BT-Drs. 19/8700, S. 2. Siehe auch T. Kumpf, Kontrolle, 2014, S. 79 f. 971

204

3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

3. Verfassungsrang und inhaltliche Reichweite spezifischer Trennungsgebote zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern Mangels ausreichender Konturierung ist mit dem pauschalen Begriff Trennungsgebot ohnehin nicht viel Ordnung zu schaffen.975 Im Grundgesetz ist bisher keine explizite Normierung der Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern erfolgt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass nicht einzelne trennende Aspekte aus der Verfassung abgeleitet werden können. In Abschichtung einer generellen Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern können im Wesentlichen vier konkrete Trennungsgebote formuliert werden.976 Für das organisatorische (a), das funktionelle (b), das kompetenzielle (c) und das informationelle (e) Trennungsgebot lässt sich einzeln nach einer verfassungsrechtliche Verankerung und der Reichweite des Gebots fragen. Diese vier Trennungsgebote sind bisher aufgestellt worden. An ihnen kann die einfachgesetzlich ausgeformte Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern insoweit gemessen werden, als diese Gebote Verfassungsrang genießen. Hinsichtlich der organisatorischen, funktionalen und kompetenziellen Trennung zeigt sich, dass sich für die Gebote einzeln betrachtet zwar keine verfassungsrechtliche Verankerung finden lässt, jedoch eine stringente Ausgestaltung der Trennung bei der Verbindung organisatorischer, funktionaler und kompetenzieller Aspekte, mithin eine Differenzierung zwischen Informationsverarbeitung mit dem Zweck der politischen Information und Informationsverarbeitung mit dem Zweck der Gefahrenabwehr, verfassungsrechtlich geboten ist (d). a) Gebot der organisatorischen Trennung Das Verbot, ein Verfassungsschutzamt einer polizeilichen Dienststelle anzugliedern, ist sowohl im Bundesverfassungsschutzgesetz977 als auch in allen Landesverfassungsschutzgesetzen978 fixiert. Diese Entscheidung für eine organisatori-

975

So auch K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 418 f.; J. F. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 19. Gleichwohl kann die ausdrückliche Erwähnung des Trennungsgebots in den Landesverfassungen Sachsens, Thüringens und Brandenburgs als positive Ausformung eines Grundrechtsschutzes durch Zuständigkeitsverteilung gesehen werden, s. K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 419. Art. 83 Abs. 3 S. 1 VerfSachsen; Art. 97 S. 2 VerfThüringen; Art. 11 Abs. 3 S. 2, 3 VerfBrandenburg. Zur sächsischen Regelung eingehend SächsVerfGH, NVwZ 2005, 1310, 1311. 976 Ein personelles Trennungsgebot wird vorliegend als Bestandteil der organisatorischen Trennung verstanden. Ähnlich C. Gusy, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 120, 127 f.; T. Kumpf, Kontrolle, 2014, S. 82; im Ergebnis ebenso M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 386 ff. 977 § 2 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG. 978 Art. 1, 5 Abs. 2 BayVSG; § 2 Abs. 3 LVSG BW; § 2 Abs. 1 S. 2 VSG Bln; § 2 Abs. 1 S. 3 BbgVerfSchG; § 2 Abs. 1 S. 3 BremVerfSchG; § 2 Abs. 2 S. 1 HmbVerfSchG; § 1 Abs. 1 S. 2 VSG HE; § 2 Abs. 2 LVerfSchG M-V; § 2 Abs. 1 S. 2 NVerfSchG; § 2 Abs. 1 S. 2 VSG

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

205

sche Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten kann mithin als konsentierte Entscheidung des einfachen Gesetzgebers bezeichnet werden.979 Der organisatorischen Trennung folgt offenkundig eine personelle Trennung.980 Eine Person kann nicht zugleich Mitarbeiter eines Verfassungsschutzamtes und einer Polizei sein,981 ohne dass dabei die institutionelle Trennung unterlaufen würde.982 Bisweilen wird angenommen, dass diese Vorgaben auch in der Verfassung eine Verankerung finden, mithin nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers stehen.983 Die Ansicht, der zufolge in der Kompetenznorm Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG eine Unterscheidung in einzelne sicherheitsbezogene Funktionen festgeschrieben sei, überzeugt nicht.984 Der eindeutige Wortlaut („können eingerichtet werden“) und das Gegenbeispiel BKA, das Zentralstelle für die Kriminalpolizei und das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen ist, stehen der Trennungsverpflichtung entgegen. Dem Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG kann folglich kein Gebot der organisatorischen Trennung entnommen werden.985 Es ist schlüssiger, hier lediglich die Möglichkeit der Trennung aus der Verfassung abzuleiten.986 b) Gebot der funktionalen Trennung Mit der organisatorischen Separierung ist die Frage nach der Trennung der Aufgaben eng verbunden und dennoch zu unterscheiden. Es ist ein stetes Narrativ, dass Verfassungsschutzämter und Polizei grundsätzlich unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen haben.987 Die Verfassungsschutzämter sind beauftragt, „zugleich verNRW; § 2 Abs. 2 LVerfSchG R-P; § 2 Abs. 1 S. 2 SVerfSchG; § 1 Abs. 4 SächsVSG; § 2 Abs. 2 VerfSchG-LSA; § 2 Abs. 2 LVerfSchG S-H; § 2 ThürVerfSchG. 979 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 8. 980 C. Gusy, DV 1991, 467, 484; A. Wahl, SächsVBl. 1996, 77, 83; M. Bäcker, Lisken/ Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 253. 981 C. Gusy, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 120, 127; M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 386. 982 M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 385 f. 983 Etwa M. Kutscha, NVwZ 2013, 324, 325. 984 J. Hecker, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, III § 2 Rn. 11. 985 M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 382; K. Schmalenbach, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 415, 433. Die sich in der Ausgestaltung einer organisatorischen Trennung stellenden staatsorganisationsrechtlichen Fragen sind primär über die bundesstaatliche Kompetenzordnung zu lösen, s. K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 418 f., welcher dort auch Fragen nach der funktionalen Trennung verorten will. 986 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BVerfSchG, Rn. 8: „rechtspolitische Entscheidung des einfachen Gesetzgebers, für die gute Gründe sprechen, jedoch kein verfassungsrechtliches Gebot“ (Hervorhebung bereits im Original); B. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 7. 987 BVerfGE, 97, 198, 217; BVerfG, NJW 2013, 1499, 1504: „Von diesem Aufgaben- und Befugnisprofil [der Nachrichtendienste] unterscheidet sich das der Polizei- und Sicherheitsbehörden grundlegend“; BVerfGE 97, 198, 217; J. F. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

schiedenartig[e] und weit gefasst[e]“ Ziele bereits im Vorfeld von Gefährdungslagen aufzuklären.988 Dabei sind sie „im Wesentlichen darauf [beschränkt], fundamentale Gefährdungen, die das Gemeinwesen als Ganzes destabilisieren können, zu beobachten und hierüber zu berichten, um eine politische Einschätzung der Sicherheitslage zu ermöglichen.“989 Gleichwohl soll, sofern ein Bezug zu dieser spezifischen Verfassungsschutz-Aufgabe hergestellt werden kann, „das Trennungsgebot dem Einbezug der Nachrichtendienste in die allgemeine Verbrechensbekämpfung in funktioneller Hinsicht nicht entgegensteh[en]“990. In der Frage nach einer verfassungsrechtlichen Verankerung eines Gebots der funktionalen Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern herrscht Uneinigkeit. Während eine Ansicht die Trennung der Aufgaben als Vorgabe der Verfassung in Art. 73 Nr. 10, 87 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 GG zumindest angedeutet, sich aber allein aus mit dem Rechtsstaatsprinzip ergebend, sieht,991 lehnt die Gegenmeinung ein funktionales Trennungsgebot mit Verfassungsrang unter Verweis darauf gänzlich ab, dass es in der Praxis unter Umständen nicht möglich sei, die Aufgaben der Extremismusbeobachtung und der Verbrechensbekämpfung zu unterscheiden.992 Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings bereits anklingen lassen, dass das „Rechtsstaatsprinzip, das Bundesstaatsprinzip und der Schutz der Grundrechte […] es verbieten [können], bestimmte Behörden […] mit Aufgaben zu befassen, die mit ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung nicht vereinbar sind.“993

Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 19; M. Löffelmann, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag am 21. 3. 2018, 90. Kl., 86. VF, Anlage 3, S. 7: „Nach dieser Differenzierung [des BVerfG in E 133, 277 Rn. 122 in grundsätzlich offen arbeitende Polizei und grundsätzlich verdeckt arbeitende Nachrichtendienste] stehen die Tätigkeiten der Nachrichtendienste, der Polizeien und der Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich in einem komplementären Verhältnis“. Aus Sicht der Praxis A. Grün, Stellungnahme der GdP Hessen Stellungnahme zur Anhörung am 21. 3. 2018, HessLT 90. Kl., 86. VF, Anlage 4, S. 2: „Die GdP stellt klar, dass die Aufgabe des Verfassungsschutzes, mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu arbeiten, nicht an die Polizei übertragen werden darf. Das Trennungsgebot steht nicht zur Disposition“. 988 BVerfGE 133, 277, Rn. 116. 989 BVerfGE 133, 277, Rn. 118. 990 J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 40. 991 S. Sule, Spionage, 2006, S. 126 f.; E. Denninger, KritV 1994, 232, 241: Trennungsgrundsatz ergibt sich „unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip (Grundsatz der durchgängigen Verwaltungskontrolle und des individuellen Rechtsschutzes durch Gerichte). Ebenso dafür, dass sich kein Trennungsprinzip aus Art. 73 und 87 GG ableiten lässt M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 48 ff., aber auch kritisch demgegenüber, eine organisatorische Trennung aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten zu wollen, a. a. O., 51. 992 J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 16 f. Wohl auch, da „Überschneidungsbereiche im Sicherheitsbereich“ als „ein bekanntes Phänomen“ qualifizierend H. A. Wolff, Die Entwicklung der Sicherheitsarchitektur in Deutschland und Baden-Württemberg, Sachverständigengutachten, 2015, S. 48. 993 BVerfGE, 97, 198, 217.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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Das Bundesstaatsprinzip verbietet jedoch lediglich, Bundesbehörden mit Aufgaben aus der Ausführungskompetenz der Länder zu betrauen. Es steht jedoch nicht dafür, nachrichtendienstliche oder polizeiliche Aufgaben per se zu trennen. Die föderale Ordnung würde weder durch die Verschmelzung von BKA und BfV noch von einem LKA mit einem LfV beeinträchtigt.994 So greift auch das Bundesverfassungsgericht das Bundesstaatsprinzip zur Begründung von Trennungsgeboten in seiner weiteren Rechtsprechung nicht mehr auf.995 Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht sich aus kompetenzrechtlicher Sicht zur Einbindung des BND in die Kriminalitätsbekämpfung geäußert. Eine solche sei gestützt auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG nur möglich, wenn die betreffenden Normen „in einen Regelungs- und Verwendungszusammenhang eingebettet [sind], der auf die Auslandsaufklärung bezogen ist.“996 Dem BND dürfen demnach keine Befugnisse eingeräumt werden, „die auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet sind. Das schließt Parallelen und Überschneidungen in den verschiedenen Beobachtungs- und Informationsbereichen nicht aus, solange sich die durch die Kompetenzverteilung abgegrenzten Aufgaben- und Tätigkeitsfelder der verschiedenen Stellen nicht vermischen.“997 Rein informationelle Befugnisse sind nicht auf „die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet“.998 „Zur Wahrung der kompetentiellen Grenzen muß der Gesetzgeber, soweit seine Regelungen auf Art. 73 Nr. 1 GG gründen, allerdings durch eine hinreichende Bestimmung des Verwendungszwecks, angemessene Zweckbindungen, eine darauf abgestimmte Ausgestaltung der Befugnisse und sachgerechte Schutzvorkehrungen dafür Sorge tragen, daß die Ermächtigungen und die auf ihnen beruhenden Maßnahmen auf die Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes bezogen bleiben und anderweitige Verwendungsmöglichkeiten die Primärfunktion nicht überlagern.“999

Einer Übertragung dieser Vorgaben auf das Verhältnis von Polizei und Verfassungsschutzämtern steht allerdings die Ausgestaltung der bundesstaatlichen Kompetenzordnung entgegen. Während die Betreuung der auswärtigen Belange – und damit auch des BND – allein Sache des Bundes ist, haben die Länder in Sachen des Verfassungsschutzes weitreichende eigene Kompetenzen – der Bund ist hier nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG allein auf die Regelung der Zusammenarbeit beschränkt. Folglich kann in der Kompetenzordnung kein funktionales Trennungsgebot für die

994 M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 52; R. Klee, Neue Instrumente, 2010, S. 61 f.; C. Streiß, Trennungsgebot, 2011, S. 162 f. 995 BVerfGE 100, 313, 369 f.; BVerfGK, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. 11. 2010, – 2 BvR 2101/09, Rn. 59, NStZ 2011, 103, 105 f.; für funktionale Unterschiede vielmehr reichlich allgemein auf die „Rechtsordnung“ verweisend BVerfGE 133, 277, 328 f. Rn. 122. 996 BVerfGE 100, 313, 370. 997 BVerfGE 100, 313, 370 (Hervorhebung nicht im Original). 998 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 410. 999 BVerfGE 100, 313, 372 (Hervorhebung nicht im Original).

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Aufgaben des Verfassungsschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung ausgemacht werden. Ebenso wenig trägt der Schutz der Grundrechte ein funktionales Trennungsgebot. Denn die Grundrechte schützen im konkreten Einzelfall vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates.1000 Zwar kann „Macht-Disaggregation“ den Schutz der Grundrechte unterstützen,1001 doch reicht das nicht aus, um eine strikte Aufgabentrennung zu begründen.1002 Für den Grundrechtsschutz des Einzelnen ist eine adäquate Ausgestaltung der Befugnisse und hinreichende Steuerung der Befugnisausübung bedeutender als die Frage, welche Behörde für eine Aufgabe tätig wird. Eine Übertragung der Aufgaben der Polizei auf die Verfassungsschutzämter oder umgekehrt hat daher nur insoweit potenziell negative Auswirkungen auf den Grundrechtsschutz, als damit Veränderungen in der Befugnisausübung verbunden sind. Das Bundesverfassungsgericht hat, bezogen auf verdeckte Informationserhebungen zur Gefahrenabwehr, allerdings bereits deutlich gemacht, dass es die Maßstäbe der Grundrechte bei identischer Eingriffsintensität ohne Unterschied auf beide Institutionen anwendet.1003 Fraglich ist weiterhin, ob mit dem Rechtsstaatsprinzip die Forderung nach einer funktionalen Trennung begründet werden kann; mithin, ob in der Verbindung von den polizeilichen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung mit der Aufgabe der politischen Vorfeldbeobachtung rechtsstaatliche Mängel erblickt werden können. Der rechtsstaatliche Teilaspekt der Gewaltenteilung adressiert als notwendiges Korrelat des vom Staat beanspruchten Gewaltmonopols1004 zum einen primär die Trennung von Judikative, Legislative und Exekutive und zum anderen, möchte man innerexekutive Gewaltentrennung anerkennen, lediglich eine partielle Trennung der Befugnisse – insbesondere den Ausschluss der Nachrichtendienste von polizeilichen Befugnissen –, weshalb er zur Begründung einer funktionalen Trennung untauglich ist.1005 Mögen innerbehördliche Aufgabendifferenzierung, Zweckbindung, Datenkennzeichnung oder Zweckänderungshürden in der praktischen Umsetzung auch herausfordernd sein, ist eine rechtsstaatliche Gestaltung innerhalb einer einzigen Behördenstruktur theoretisch möglich. Als Beispiele hierfür dienen die doppelfunktional tätige Polizei und der Blick in das Ausland. So findet weder in Österreich noch Frankreich noch den Vereinigten Staaten eine entspre1000 K. Schmalenbach, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 415, 434; M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 382. 1001 K. F. Gärditz, EuGRZ 2018, 6, 12. 1002 M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 52; R. Klee, Neue Instrumente, 2010, S. 62 ff. 1003 BVerfGE 125, 260, 331 f. Vgl. auch jüngst BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 141 und BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 –, Rn. 151. 1004 M. w. N. E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 47. 1005 M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 382 f.

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chende Aufgabentrennung statt, ohne dass dies Zweifel an der jeweiligen Rechtsstaatlichkeit hervorrufen würde.1006 Es muss also konstatiert werden, dass sich ein funktionales Trennungsgebot – die Separierung von einerseits Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sowie andererseits politischer Vorfeldbeobachtung in verschiedenen Behörden – nicht überzeugend in der Verfassung verankern lässt.1007 c) Gebot der kompetenziellen Trennung Unterschiedliche Aufgaben bedürfen differenzierter Befugnisse.1008 Die grundsätzlich offen arbeitende Polizei soll den Bürgerinnen und Bürgern auf andere Weise gegenübertreten als ein mit verdeckten Mitteln im Verborgenen agierender Nachrichtendienst. Diese Unterscheidung bildet in ihrer pauschalen Einfachheit die aktuelle Rechtslage jedoch nur unzureichend ab. Fraglos stehen der Polizei schon seit jeher auch verdeckte Ermittlungsbefugnisse und den Nachrichtendiensten auch offene Quellen zur Verfügung.1009 Zur Unterscheidung sind die grundsätzlichen Ausrichtungen der Tätigkeiten (aa), der Ausschluss der Nachrichtendienste vom Einsatz von Zwangsbefugnissen (bb), die divergierenden Eingriffsschwellen (cc) und der Zweck (dd) der Befugnisausübung ergiebiger. Allerdings lässt sich für diese Unterscheidung keine Verankerung in der Verfassung finden (ee). aa) Grundsätzliche Ausrichtung Auch wenn immer wieder behauptet wird, die Nachrichtendienste würden sich überwiegend offener Quellen bedienen1010, ist die grundsätzliche Ausrichtung der Tätigkeit doch eine vor den Betroffenen verborgene. Selbst bei der Aufklärung frei zugänglicher Informationen treten die Nachrichtendienste betroffenen Personen in der Regel nicht vis-à-vis gegenüber. Die Analyse von Websites, sozialen Medien und Presseveröffentlichungen geschieht ebenso ohne Kenntnis des Beobachteten wie die Zusammenführung der Informationen in Dossiers. Andere offene Ermittlungsmethoden sind in der Regel mit Zwang verbunden – etwa Befragungen oder Beschlagnahmungen zur Analyse –, welchen die Nachrichtendienste gerade nicht

1006

M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 51 f. So auch J. F. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 19 f.; S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 333; differenziert J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddatei, 2009, S. 40. A. A. S. Sule, Spionage, 2006, S. 125; C. Gusy, ZRP 1987, 45, 47 f. 1008 BVerfGE 97, 198, 217. 1009 M. Baldus, DV 2014, 1, 3 f. 1010 M. w. N. W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 8 BVerfSchG, Rn. 9 und deshalb kritisch ob der „Charakterisierung, Nachrichtendienste sammelten Daten grundsätzlich geheim“. 1007

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

ausüben dürfen.1011 Die Polizei tritt den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich offen gegenüber, befragt sie unter Offenbarung ihrer polizeilichen Funktion oder beschlagnahmt mittels hoheitlichem Zwang aufklärungsrelevante Gegenstände. bb) Keine polizeilichen Befugnisse Die „Andersartigkeit“ der nachrichtendienstlichen Tätigkeit ergebe sich daraus, dass den Nachrichtendiensten polizeiliche Zwangsbefugnisse immer noch vorenthalten seien.1012 Mit dieser überkommenen Prämisse soll verhindert werden, dass „eine im Schwerpunkt heimlich operierende mit umfangreichem Wissen ausgestattete Behörde selbst die Konsequenzen aus ihrem Wissen ziehen und unmittelbar zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung“ schreiten kann.1013 Gleichwohl sollen der Polizei spezifisch nachrichtendienstliche Mittel, insbesondere solche der verdeckten Informationserhebung, nicht verwehrt sein.1014 cc) Eingriffsschwellen Während den Verfassungsschutzämtern etwa nach § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG bereits das „Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte“ als Auslöser ihrer Tätigkeit genügt, benötigen Strafverfolgungsbehörden einen Anfangsverdacht und Gefahrabwehrbehörden eine irgendwie geartete Gefahr.1015 Ferner ermögliche das vom 1011

H. Roewer, DVBl. 1986, 205, 207; M. Möstl, Garantie, 2002, S. 407; BVerfGK, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. 11. 2010, – 2 BvR 2101/09, Rn. 59, NStZ 2011, 103, 106: „Dieses Gebot besagt, dass Geheimdienste keine polizeilichen Zwangsbefugnisse besitzen dürfen, also etwa keine Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen durchführen oder anderen Zwang ausüben dürfen“. 1012 Einfachgesetzlich: § 8 Abs. 3 HS. 1 BVerfSchG; § 5 Abs. 3 HS. 1 LVSG BW; § 8 Abs. 7 VSG Bln; § 6 Abs. 4 S. 1 BbgVerfSchG; § 6 Abs. 4 HS. 1 BremVerfSchG; § 2 Abs. 2 S. 2 HS. 1 HmbVerfSchG; § 5 S. 3 VSG HE; § 8 HS. 1 VerfSchG M-V; § 5 S. 1 NVerfSchG; § 5 Abs. 9 S. 2 VSG NRW; § 8 Abs. 3 HS. 1 LVerfSchG R-P; § 2 Abs. 2 S. 1 SVerfSchG; § 4 Abs. 3 S. 1 SächsVSG; § 7 Abs. 5 HS. 5 VerfSchG-LSA; § 9 HS. 1 LVerfSchG S-H; § 7 Abs. 2 S. 1 ThürVerfSchG; lediglich implizierend Art. 5 Abs. 2 BayVSG. Landesverfassungsrechtlich: Art. 11 Abs. 3 S. 2, 3 VerfBrandenburg; Art. 83 Abs. 3 S. 1 VerfSachsen; Art. 97 S. 2 VerfThüringen. M. Möstl, Garantie, 2002, S. 406; J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 45 f. m. w. N. 1013 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 406. 1014 Besonders plastisch sprechen deshalb H.-U. Paeffgen/K. F. Gärditz, KritV 2000, 65, 66 von einer „Semipermeabilität der Trennwand zwischen Polizei und Nachrichtendiensten“. 1015 Hierin sieht J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 47 die entscheidende Abgrenzung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, wenn sie anmerkt, dass „[a]uch dort, wo sich die Tätigkeiten von Polizei und Nachrichtendiensten […] überschneiden, […] das Trennungsgebot gewahrt bleiben [kann], solange man die der Polizei eingeräumten herkömmlich nachrichtendienstlichen Befugnisse insbesondere der heimlichen Informationsbeschaffung an das Vorliegen bestimmter gefahr- bzw. verdachtsbegründender Tatsachen knüpft.“ Vgl. auch Deutlich jüngst BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. November 2020 – 1 BvR 3214/15 –, LS 3, Rn. 118 – 120.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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unmittelbaren Personenbezug weitgehend entkoppelte strategische Ermitteln eine weitere Vorverlagerung nachrichtendienstlicher Tätigkeit, welche mangels unmittelbarer Zwangsbefugnisse auch leichter zu tolerieren sei.1016 Damit werden die Verfassungsschutzämter prinzipiell früher tätig als die Polizei.1017 dd) Aufklärungszweck Daneben unterscheiden sich die Zwecke der Befugnisausübung von Polizei und Verfassungsschutzämtern im Grundsatz. Die Polizei auf der einen Seite ermittelt, um einen Straftatverdacht zu erhärten oder eine konkrete Gefahr im Einzelfall abwehren zu können. Die Verfassungsschutzämter auf der anderen Seite klären diffuse Bestrebungen auf, um weitläufige politische und gesellschaftliche Gegenmaßnahmen zu unterstützen. Nur in Ausnahmefällen führt nachrichtendienstliche Aufklärung zu konkreten (etwa Parteiverbots-)Verfahren oder zur Übermittlung an Strafverfolgungs- und Gefahrabwehrbehörden.1018 ee) Keine verfassungsrechtliche Verankerung einer strikten Trennung der Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutzämtern Das kompetenzielle Trennungsgebot im Sinne einer Befugnistrennung dahingehend, dass den Nachrichtendiensten polizeiliche Zwangsbefugnisse verwehrt sind, gilt als „kennzeichnend“1019 für die Unterscheidung von Polizei und Nachrichtendiensten. Getreu dem vielzitierten Ausspruch „Wer viel weiß, soll nicht alles dürfen, und wer viel darf, soll nicht alles wissen“.1020

1016

M. Möstl, Garantie, 2002, S. 407. Gleichwohl muss der strategischen, anlasslosen Datenerhebung ein besonders schweres Eingriffsgewicht attestiert werden, so das Bundesverfassungsgericht jüngst am Beispiel der strategischen Telekommunikationsüberwachung des BND, BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 146 ff., auch zu den einen Eingriff abschwächenden Aspekten formaler Suchbegriffe und lückenhafter sowie weniger zielgenauer Kommunikationserfassung, Rn. 148. Eine anlasslose, strategische Überwachung der Inlandskommunikation ist daher auch für einen Nachrichtendienst grundsätzlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 155 f., 166, 170 f. 1017 Feststellend, dass polizeiliche Befugnisse zu verdeckten Eingriffen höhere Eingriffsschwellen zu erfüllen haben als nachrichtendienstliche, H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1083. Zur Einordnung der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter in der zeitlichen Dimension, siehe 2. Teil Kap. 2 E. V. (S. 149 ff.). „Relativ geringe Eingriffsschwellen“ erkennt auch BVerfGE 133, 277, Rn. 117; nun BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. November 2020 – 1 BvR 3214/15 –, LS 3, Rn. 118 – 120. 1018 Dazu bereits 2. Teil Kap. 3 A. IV. 2. und V. 2. (S. 177 f. und 179 ff.). 1019 M. Möstl, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 4, S. 9 f. 1020 C. Gusy, GA 1999, 319, 325; H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1078; M. Möstl, in: ders./ Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 15. Ed. Stand: 1. 11. 2020, Systematische Vorbemerkungen Rn. 58; S. Sule, Spionage, 2006, S. 129.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Die Argumentation für eine strikten Befugnistrennung zum Schutz der Grundrechte ist aus denselben Gründen abzulehnen wie bei der Aufgabentrennung.1021 Einzig unter dem Gesichtspunkt einer innerexekutiven Gewaltenteilung kann über das Gebot, bestimmten Behörden bestimmte Befugnisse pauschal zu verwehren, nachgedacht werden. Die Lösung über eine mit rechtsstaatlichen Sicherungen versehene Ausgestaltung erscheint jedoch auch in diesem Fall eine überzeugende und umsetzbare Alternative. Ein pauschales kompetenzielles Trennungsgebot mit Verfassungsrang ist mithin nicht zwingend.1022 d) Verfassungsrechtlich gebotene Stringenz der Trennung statt Vorgabe einzelner Gebote Zwar ist – bei isolierter Betrachtung – weder hinsichtlich eines organisatorischen noch eines funktionellen noch eines kompetenziellen Trennungsgebots von einem Verfassungsrang auszugehen, doch ist ein enger Zusammenhang untereinander bereits erkennbar. Die institutionelle wie auch die funktionelle Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten stellt somit einen möglichen, aber verfassungsrechtlich keinesfalls zwingenden Weg dar, den behördlichen Verfassungsschutz zu organisieren. Ferner dürfte außer Zweifel stehen, dass eine Differenzierung von zwei staatlichen Stellen, welche identische Aufgaben mit identischen Mitteln erfüllen, keinen Wert hat.1023 Was allerdings nicht bedeuten muss, dass die Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern absolut und ohne Berührungspunkte auszugestalten ist.1024 Die Trennung darf jedoch – mit Blick auf den Schutz der bei der Aufklärung beeinträchtigten Grundrechte – nicht zu einem Unterlaufen verfassungsrechtlicher Standards führen. Daher muss die Trennung zum einen unter institutionellen, personellen, funktionalen und kompetenziellen Gesichtspunkten konsequent ausgestaltet werden und zum anderen dürfen die, aufgrund größerer Eingriffsintensität eingezogenen, höheren Einsatzvoraussetzungen der einen Behörde (Polizei) nicht durch eine voraussetzungsarme Informationsübermittlung einer privilegierten Behörde (Verfassungsschutzämter) unterlaufen oder diese Informationsverarbeitungsebenen unreguliert vermischt werden. Fragen nach der Ausgestaltung von Aufgaben und Befugnissen stellen sich weitgehend unabhängig von der flexiblen Organisation und betreffen in größerem Umfang individualrechtliche Anknüpfungspunkte. Deshalb leitet das BVerfG das 1021

M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 382. Vgl. auch ders., GSZ 2019, 1, 9: „Es gibt kein nachrichtendienstliches Monopol für verdeckte Informationsgewinnungseingriffe.“ 1022 M. w. N. eine Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten nach ihren Aufgabenfeldern und Befugnissen ablehnend M. Baldus, DV 2014, 1, 15. A. A. J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 43 f., die den Zweck des Trennungsgebots im Verhindern eines „Einsickern polizeilicher Zwangsbefugnisse in das den Nachrichtendiensten zugewiesene Gefahren- und Verdachtsvorfeld“ sieht. 1023 C. Gusy, DV 1991, 467, 471. 1024 So auch C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 2 Rn. Rn. 46.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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Trennungsprinzip primär aus den Grundrechten ab und stellt im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf „ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ab, das mit einer Vermengung von Polizei und Verfassungsschutz einhergehen kann. Salopp formuliert: Eine Behörde, die alles weiß und alles darf, weist ein höheres Gefährdungspotenzial auf als eine Behörde, die zwar umfassende nachrichtendienstliche Befugnisse hat, jedoch keine polizeirechtlichen Eingriffs- und Zwangsbefugnisse.“1025 Es stellt sich daher die organisatorische, kompetenzielle und funktionale Aspekte umfassende Frage, ob die Verfassungsschutzämter aufgrund ihrer von der Polizei divergierenden, hinsichtlich der Einsatzvoraussetzungen privilegierten Befugnisse zwingend auch eine andere Funktion erfüllen müssen. Seit den frühen Debatten um die Ausgestaltung der Verfassungsschutzämter stehen sich die Extrempositionen einer möglichst klaren Abgrenzung von Polizei und Verfassungsschutzämtern1026 und einer partiellen Funktionsidentität der Institutionen gegenüber1027.1028 Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage wiederholt und ausdrücklich geurteilt, dass Polizei und Verfassungsschutzämter „deutlich voneinander unterschiedene Aufgaben“ haben und insbesondere das Ziel der Ermittlungen eines Nachrichtendienstes „nicht die operative Gefahrenabwehr, sondern die politische Information“ ist.1029 Nur durch diese „beschränkten Aufgaben“1030 kann die erhöhte Eingriffsintensität, die von den Überwachungsmaßnahmen der Verfassungsschutzämter ausgeht, 1025 J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 7; allerdings sogleich wieder relativierend a. a. O., S. 9: „Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es gerade Sinn und Zweck des Verfassungsschutzes und der Nachrichtendienste ist, Informationen zu sammeln, die sodann anderen Behörden zur Realisierung ihrer Aufgaben, insb. der Aufgabe der Verhinderung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dienen.“ Ebenso M. Möstl, Garantie, 2002, S. 414. 1026 Hierfür nachdrücklich die alliierten Sicherheitsdirektoren, siehe C. Goschler/M. Walla, „Keine neue Gestapo“, 2015, S. 31 f.: „Wichtig war den Sicherheitsdirektoren […], dass die neue Behörde auch nach außen hin unter allen Umständen de[n] Eindruck vermeide, es handle sich bei ihr um eine Dienststelle der Polizei oder gar ein[e] neu[e] politisch[e] Polizei.“ 1027 H.-U. Evers, Privatsphäre, 1960, S. 72: „Die [Ämter für Verfassungsschutz] haben die Aufgabe, Nachrichten, Auskünfte und sonstige Unterlagen über verfassungsfeindliche Bestrebungen zu sammeln und auszuwerten. Dies ist im Prinzip nichts Neues. […] Diese Aufgabe wird entweder der Polizei oder aber besonderen Behörden übertragen, die wiederum mit der Polizei zusammenarbeiten. […] Immer aber handelt es sich um eine polizeiliche Tätigkeit im Sinne der Gefahrenabwehr, die gerichtet ist auf den Schutz des Staates.“ Von „derselben Grundaufgabe“, „Funktionsidentität ihres Sicherheitsauftrags“ und gegen „unterschiedliche Funktionen in der Sache“ schreiben R. Scholz/R. Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung, 1984, S. 185. 1028 Beide Positionen kontrastierend und im Ergebnis für eine Einbindung der Verfassungsschutzämter in die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1, 3 ff. 1029 BVerfGE 133, 277, 324 f. Rn. 115, 326 Rn. 118, 328 f. Rn. 122; 130, 151, 206. 1030 BVerfGE 130, 151, 206.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

gerechtfertigt werden.1031 Die „weitreichende[n] Befugnisse zur Datensammlung“ der Verfassungsschutzämter, „die weder hinsichtlich der konkreten Tätigkeitsfelder spezifisch ausdefiniert noch hinsichtlich der jeweils einzusetzenden Mittel detailscharf ausgestaltet sind“1032, bergen ein erhebliches Eingriffspotenzial.1033 Zusätzlich dazu „sammeln die Nachrichtendienste Daten grundsätzlich geheim. Der Grundsatz der Offenheit der Datenerhebung gilt für sie nicht, und sie sind von Transparenz- und Berichtspflichten gegenüber den Betroffenen weithin freigestellt. Entsprechend gering sind die Möglichkeiten individuellen Rechtsschutzes. Zum Teil werden diese sogar ganz durch eine politische Kontrolle ersetzt (vgl. Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG).“1034 „Im Gegenzug und zum Ausgleich zu der Weite dieser Datenerhebungsbefugnisse [der Nachrichtendienste] ist die Zielrichtung der Aufklärung begrenzt. Unbeschadet näherer Differenzierungen zwischen den verschiedenen Diensten [BND, MAD und Verfassungsschutzämter] beschränkt sie sich im Wesentlichen darauf, fundamentale Gefährdungen, die das Gemeinwesen als Ganzes destabilisieren können, zu beobachten und hierüber zu berichten, um eine politische Einschätzung der Sicherheitslage zu ermöglichen. […] Entsprechend zielt auch die Aufklärung der Verfassungsschutzbehörden [= Verfassungsschutzämter] nicht unmittelbar auf die Verhütung und Verhinderung von konkreten Straftaten oder die Vorbereitung entsprechender operativer Maßnahmen. Auch hier beschränkt sich die Aufgabe der Dienste auf eine Berichtspflicht gegenüber den politisch verantwortlichen Staatsorganen beziehungsweise der Öffentlichkeit […].“1035

Die hohe Eingriffsintensität nachrichtendienstlicher Informationserhebung wird mithin durch eine strenge Begrenzung der Weiterverwendung abgemildert. Die Eingriffsintensität der Informationserhebungsmaßnahme wird allerdings nur dann erheblich verringert, wenn der Erhebungszweck nicht auf eine einzelfall- und -personenbezogene Exekutivmaßnahme gerichtet ist – selbst wenn dieser Exekutivmaßnahme noch eine Übermittlung an eine schlussendlich handelnde Stelle vorgeschaltet ist –, sondern nur, wenn die Datenerhebung der Erstellung von La1031

BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118. BVerfGE 133, 277, 325 Rn. 117. 1033 Vgl. BVerfGE 122, 120, 146 f.: „Das Risiko, ohne selbst Anlass gesetzt zu haben, in den Fokus der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu geraten, wäre hierbei erheblich. Einem rechtswidrigen Datenzugriff würden durch eine vorläufige Anwendung der Vorschrift auch diejenigen unterliegen, denen wegen randständiger Äußerungen, bestimmter Mitgliedschaften oder Kontakte extreme Positionen zugeschrieben werden. Hierzu könnte es unter Umständen ausreichen, an Veranstaltungen einer nicht verbotenen, aber als extremistisch eingestuften Partei oder Gruppierung teilzunehmen oder einen ,falschen Ort‘ aufzusuchen. Eine vorübergehende und sich letztlich als verfassungswidrig erweisende Anwendung der Vorschriften würde insoweit das für einen Rechtsstaat elementare Vertrauen, sanktionslos von den Freiheiten des Grundgesetzes Gebrauch machen zu können, enttäuschen und hätte damit einen rechtsstaatlich hohen Preis. Umso mehr als die entsprechenden Maßnahmen ohne richterliche Kontrolle geheim durchgeführt würden, wäre damit eine erhebliche Verunsicherung einer unbefangenen Kommunikation verbunden.“ 1034 BVerfGE 133, 277, 325 Rn. 117. 1035 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118. 1032

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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geberichten zur Information von Regierung und Gesellschaft dient.1036 Nur in diesen Fällen wird die weit streuende, früh einsetzende Informationserhebung verfassungskonform eingehegt, da die eingriffsintensiv erhobenen Daten lediglich als weitgehend anonyme Zahlen in Statistiken, Analysen und Lageberichten zur politischen Information einfließen und damit deutlich grundrechtsschonender als zur einzelfallbezogenen Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung weiterverwendet werden. Nur in einer derart begrenzten Ausgestaltung können die Verfassungsschutzämter tatsächlich „als das im Vergleich zur Polizei grundrechtsschonendere Instrument der Gefahrerforschung“ angesehen werden.1037 Die Weiterverwendung der von den Verfassungsschutzämtern erhobenen Daten kann daher nicht auf die Information der aktionell handelnden Sicherheitsbehörden gerichtet sein. Die Eingriffsintensität wird auch nicht dadurch entscheidend verringert, dass die Datenauswertung von der einen und die folgende Exekutivmaßnahme von einer anderen, getrennten Behörde ausgeführt wird.1038 Die Datenanalyse und -filterung muss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ohnehin auch von der Exekutivbehörde durchgeführt werden, die schlussendlich auf der Informationsbasis aktionell tätig wird.1039 Daher folgen aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zum Schutz der durch Überwachung bedrohten Grundrechte (etwa Art. 10 Abs. 1 oder Art. 13 Abs. 1 GG) zwar keine isolierten Trennungsvorgaben zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern in organisatorischer, kompetenzieller oder funktionaler Hinsicht, sehr wohl allerdings für die Kombination von organisatorischer und kompetenzieller Trennung auf der einen und funktionaler Unterscheidung auf der anderen Seite. Nachdem Polizei und Verfassungsschutzämter getrennt organisiert und zumindest hinsichtlich der Eingriffsvoraussetzungen zum Teil mit unterschiedlich eingriffsintensiven Datenerhebungsbefugnissen ausgestattet sind, ist eine Unterscheidung in funktionaler Hinsicht zwingend, um ein Unterlaufen grundrechtsschützender Sicherungen zu verhindern.1040 Daher dient die Polizei der „Verhütung, Verhinderung und Verfolgung von Straftaten sowie [der] Abwehr von sonstigen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.“1041 Demgegenüber kommt den Verfassungsschutzämtern „die Aufgabe zu, Aufklärung bereits im Vorfeld von Gefährdungslagen 1036 M. Bäcker, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B Rn. 250. A. A. J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 291 f. Fn. 292. 1037 A. A. – auch in der Funktion als Informationsdienstleister für andere Sicherheitsbehörden – J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1, 5. 1038 So allerdings J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1, 5. 1039 Vgl. BVerfGE 133, 277, 327 Rn. 120: Datenerhebungs- und -verarbeitungsbefugnisse, die „letztlich Zwangsmaßnahmen bis hin zu Eingriffen in die persönliche Freiheit vorbereiten und begründen können, [sind] gesetzlich wesentlich enger und präziser gefasst als diejenigen der Nachrichtendienste“ (Hervorhebung nicht im Original). 1040 Wie hier M. Bäcker, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B Rn. 246 ff. 1041 BVerfGE 133, 277, 327 Rn. 120.

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zu betreiben“1042, sie beschränken „sich im Wesentlichen darauf, fundamentale Gefährdungen, die das Gemeinwesen als Ganzes destabilisieren können, zu beobachten und hierüber zu berichten, um eine politische Einschätzung der Sicherheitslage zu ermöglichen.“1043 Diese Trennung verlöre an Bedeutung, wenn sie durch Übermittlung unterlaufen würde.1044 e) Gebot der informationellen Trennung Die individualrechtlichen Friktionen der Beziehung von Polizei und Verfassungsschutzämtern konzentrieren sich auch in der Frage nach einem informationellen Trennungsgebot.1045 Ein solches folgt laut Bundesverfassungsgericht angesichts der Unterschiede einer „grundsätzlich offen arbeitenden Polizei“ und den „grundsätzlich verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten“ aus „dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.“1046 Demnach „dürfen Daten zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden grundsätzlich nicht ausgetauscht werden. Einschränkungen der Datentrennung sind nur ausnahmsweise zulässig.“1047 Dies schließt Übermittlungen zwischen Polizei und Nachrichtendiensten im Einzelfall explizit nicht aus.1048 Gleichwohl wird deutlich, dass sich Datenerhebungen zur Aufklärung von Strukturen grundsätzlich von solchen, die mit dem Zweck unmittelbarer Gefahrenabwehr ausgeführt werden, unterscheiden.1049 Das Bundesverfassungsgericht leitet die gravierenden Unterschiede zwischen Polizei und Nachrichtendiensten allein aus einfachem Gesetzesrecht ab1050 und verankert sodann einzig das Gebot zur Datentrennung im verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf informationelle Selbstbestimmung.1051 Die aus den Verhält1042

BVerfGE 133, 277, 325 Rn. 116. BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118. 1044 Deshalb bereits kritisch angesichts weitreichender Übermittlungsbefugnisse M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 388 f. Wohl a. A. J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 289 insbesondere Replik auf M. Bäcker in Fn. 292. Wie J. Unterreitmeier, allerdings ohne eingehende Begründung, R. Käß, BayVBl. 2013, 709, 712. 1045 Eingehend dazu J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234. 1046 BVerfGE 133, 277, 328 f. Rn. 122 f. 1047 BVerfGE 133, 277, 329 Rn. 123 (Hervorhebung nicht im Original). Dazu K. F. Gärditz, JZ 2013, 633; R. Käß, BayVBl. 2013, 709; S. Tanneberger, VBlBW. 2014, 41; U. Volkmann, Jura 2014, 820. A. A. – informationelle Zusammenarbeit als Kehrseite eines organisatorischen Trennungsgebots grundsätzlich erlaubt – J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 49, 57 f.; M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 324 f.; K. Nehm, NJW 2004, 3289, 3294. 1048 S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 334. 1049 BVerfGE 133, 277 324 ff.; R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/ Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 150 ff. 1050 BVerfGE 133, 277, 324 ff. Rn. 115 ff. 1051 Dazu ausführlich F. Wollenschläger, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 55 f., 59 f. 1043

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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nismäßigkeitsüberlegungen des Gerichts folgende Öffnung der informationellen Trennung für Ausnahmen kann der Begriff des Trennungsgebots nicht tragen. Präziser kann hier lediglich von einem Trennungsprinzip die Rede sein.1052 Die eigentlichen Fragen sind mithin individualrechtliche.1053 Nämlich, ob die Verwendung von heimlich und im Vorfeld von Gefahr und Anfangsverdacht zur Erstellung weitgehend personenbezugsentkleideter Strukturanalysen erhobenen Informationen auch für den Zweck offener, einzelfallorientierter Verfahren gerechtfertigt ist.1054 In einer solchen Informationsumnutzung liegt eine Durchbrechung der grundsätzlichen Zweckbindung.1055 Für die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer solchen Zweckänderung kommt es entscheidend auf die „Gleichwertigkeit von Erhebungs- und Verwendungszweck (Rechtsgutsäquivalenz)“ an.1056 Diese Rechtsgutsäquivalenz dürfte in den Fällen regelmäßig vorliegen, in denen die Schutzgüter des Verfassungsschutzes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG bedroht sind; wenn also Verfassungsschutzämter und Polizei in ihrer Funktion als Verfassungsschutzbehörden1057 tätig werden.1058 Zweckänderung und ihre Rechtfertigung sind allerdings keine Themen, die sich nur im interbehördlichen Informationsaustausch stellen. Sie sind genauso intrabehördlich denkbar und deshalb auch rechtsstaatlich einzuhegen. Oder anders gewendet: Ein grundrechtsschonender, rechtsstaatlicher Umgang mit verdeckt erhobenen Informationen ist nicht auf die Separierung von Behörden angewiesen.1059 Das verfassungsrechtlich fundierte, informationelle Trennungsprinzip besteht mithin nicht zwischen der Polizei und den Nachrichtendiensten, sondern zwischen ur-

1052

So auch F. Schoch, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kap. 1 Rn. 34; T. Petri, ZD 2013, 3, 4 f.; C. Arzt, NVwZ 2013, 1328, 1329. M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 42 f., will demgegenüber keinen Unterschied zwischen „Gebot“ und „Prinzip“ anerkennen. Von einem durch das Bundesverfassungsgericht beschrittenen Mittelweg schreibt B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 127, welcher die „Datenübermittlung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten als gesondert zu rechtfertigenden Faktor in den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingestellt“ sieht. 1053 Zur Abkehr von einem organisationsverfassungsrechtlichen Trennungsgebot hin zu einem grundrechtlich radizierten Trennungsprinzip in der Entscheidung des BVerfG zur Antiterrordatei (BVerfGE 133, 277, 329 Rn. 123) S. Tanneberger, VBlBW. 2014, 41, 43. 1054 K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 418 f.; J. Salzwedel, in: Gedächtnisschrift Peters, 1967, S. 756, 793 f. 1055 A. A. J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293. 1056 J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 287; G. Buchholtz, NVwZ 2016, 906, 907 f. in Besprechung von BVerfGE 141, 220, 286 ff. 1057 Zur Polizei als Verfassungsschutzbehörde siehe 2. Teil Kap. 3 A. IV. 1. und V. 1. (S. 175 f. und 178 f.). 1058 BVerfGE 141, 220 Rn. 320. So auch J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 286 f. m. w. N. in Fn. 273. 1059 M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 51 f. A. A. M. Bäcker, Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 253.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

sprünglichem Informationserhebungszweck und davon abweichendem späteren Verwendungszweck. In diesem Fall ist das „Trennungsgebot nicht nur ein moralischer Imperativ, abgeleitet aus der deutschen Geschichte, sondern eine Spezialisierung höchst unterschiedlicher Tätigkeiten, die aus guten Gründen der demokratischen Kontrolle solch sensibler Kompetenzen getrennt gehalten wurden.“1060 Man kann sogar konstatieren, dass die eigentlich individualrechtsschützende Funktion1061 des organisatorischen, des funktionellen und des kompetenziellen Trennungsgebots nun mehr vom „verfassungsrechtliche[n] Datenschutz“1062 übernommen wird.1063 Die dadurch in der Behördenorganisation entstehenden Freiräume nutzt der Gesetzgeber bereits, um die Grenzen zwischen Polizei und Nachrichtendiensten zu verwässern1064 und die Überschneidungsbereiche zu vergrößern1065.

4. Konsolidierungen des verfassungsrechtlichen Trennungsprinzips zwischen Polizei und Nachrichtendiensten Die Rechtsprechung des BVerfG zum Trennungsgebot erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, da einerseits die funktionale Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten betont und andererseits, bei der Durchführung schwerer Informationseingriffe, eine Differenzierung der beiden Institutionen abgelehnt wird.1066 Explizit hat das Gericht bisher lediglich die Möglichkeit einer funktionalen Differenzierung „zwischen den Ermächtigungen der verschiedenen Behörden mit 1060 Allerdings zu einem allgemeinen Trennungsgebot, H.-J. Lange, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 64, 67. 1061 S. Sule, Spionage, 2006, S. 147. 1062 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1081. 1063 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1081; ähnlich M. Bäcker, Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 245: „Als objektiv-rechtliches Prinzip der Organisationsverfassung lässt sich das Trennungsgebot […] kaum begründen.“ (Hervorhebung bereits im Original). 1064 Ausführlich S. Söllner, Die Verpolizeilichung, 2011, S. 52 ff.; vgl. auch Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. 2016, § 1 Rn. 31 f.; M. A. Zöller, JZ 2007, 763, 767 ff.; H. A. Wolff, DÖV 2009, 597, 598 ff. Zur polizeilichen Datenverarbeitung allgemein T. Mann/S. Fontana, JA 2013, 734, 736 ff. Zu verdachtslosen Polizeikontrollen C. Möllers, NVwZ 2000, 382 ff. 1065 Siehe dazu nur M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 150 ff.; H. A. Wolff, in: FS Schünemann, 2014, 843, 851 f.; ders., DÖV 2009, 597, 599 f.; zum Strafrecht siehe R. Deckers/J. Heusel, ZRP 2008, 169 ff. Zur Entindividualisierung der Gefahrenabwehr, die einer Annäherung an die strukturelle Vorfeldaufklärung der Nachrichtendienste gleichkommt C. Möllers, NVwZ 2000, 382, 387. Zu nachrichtendiensttypischen, nunmehr auch polizeilichen Datenverarbeitungsbefugnissen T. Mann/ S. Fontana, JA 2013, 734, 736 ff. 1066 S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 365; J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 164.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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präventiven Aufgaben“ eröffnet1067. Nachdem die funktionalen Spezifika der Nachrichtendienste immerhin in der Verfassung – in Art. 73 Nr. 10 lit. b und Art. 87 Abs. 1, 2 GG – erwähnt werden,1068 verwundert es zunächst, dass das Gericht ihre Berücksichtigung von der Intensität des jeweiligen Grundrechtseingriffes abhängig macht. Dass der Senat zur Begründung auf die Verhältnismäßigkeitsbindung des Gesetzgebers verweist1069, wird zu Recht mit dem Einwand eines Zirkelschlusses kritisiert. Das Ziel der Begründung – gleiche Verhältnismäßigkeitsmaßstäbe für Polizei und Nachrichtendienste – ist zugleich deren Grundlage.1070 Gleichwohl kann auch die Ausgangsprämisse einer verfassungsrechtlichen Verankerung funktionaler Spezifika der Nachrichtendienste, hinterfragt werden. Es erscheint bereits fragwürdig, deren Grundlage in lediglich gesetzgeberische Möglichkeiten eröffnenden Kompetenznormen zu suchen. Ferner führt die Kritik nicht aus, warum die funktionalen Unterschiede bei der Anwendung der gleichen Befugnisse mit derselben Eingriffsintensität, mithin derselben Belastung für den Betroffenen, die Anwendung unterschiedlicher Verhältnismäßigkeitsmaßstäbe rechtfertigen sollten. Dem BVerfG ist daher insoweit zuzustimmen, als es bei eingriffsintensiven Überwachungsmaßnahmen keinen Unterschied macht, ob diese von einem Nachrichtendienst oder der Polizei durchgeführt werden. Dem Grundgesetz lässt sich keine Verpflichtung zur organisatorischen, funktionalen oder kompetenziellen Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern entnehmen. Einer Verschmelzung beider Institutionen stünde es mithin nicht entgegen.1071 Gleichwohl ist die Trennung, sofern vorgenommen, stringent auszugestalten: Grundrechtsschützende Eingriffsschwellen dürfen nicht durch überinterpretierte Zusammenarbeit unterlaufen werden.

1067

BVerfGE 125, 260, 331 unter Verweis auf E 100, 313, 383; 120, 274, 329 f. R. Poscher, DV 2008, 345, 359, welcher Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c und 87 Abs. 1 S. 2 GG dafür heranzieht, den „verfassungsrechtlichen Handlungsauftrag der Geheimdienste […] bereits auf weit im Vorfeld von Gefahren liegende bloße Bestrebungen und die Sammlung von Unterlagen zu allgemeinen Gefahrenlagen“ zu beziehen. 1069 BVerfGE 120, 274, 330 f.; 125, 260, 331. 1070 S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 369. 1071 Ernüchtert hinsichtlich des Differenzierungswerts auch I. Spiecker gen. Döhmann, Bundesverfassungsgericht kippt BKA-Gesetz: Ein Pyrrhus-Sieg der Freiheitsrechte?, VerfBlog, 2016/4/21, https://verfassungsblog.de/bundesverfassungsgericht-kippt-bka-gesetz-ein-pyr rhus-sieg-der-freiheitsrechte/ (abgerufen: 30. 11. 2020): „Hatte man allerdings gehofft, die Ausgestaltung des Trennungsgebots würde präzisiert, insbesondere, inwieweit Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und nachrichtendienstliche Aufgaben abzugrenzen sind, wird man enttäuscht; dazu gibt es keine belastbare Aussage. Allenfalls lässt sich entnehmen, dass man offenbar die Verschränkung von Aufgaben und Befugnissen für durchaus vereinbar halten mag.“ Andersherum gewendet wäre vielmehr eine organisatorische Trennung bei identischen Aufgaben unter dem Gesichtspunkt einer sachwidrigen Doppelzuständigkeit organisationsverfassungsrechtlich bedenklich, s. V. Mehde, JZ 2005, 815, 819. 1068

220

3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Die grundsätzliche informationelle Trennung folgt angesichts der einfachgesetzlich vorgenommenen funktionalen Trennung und der verfassungsrechtlichen Privilegien der Überwachung der Verfassungsschutzämter zum Schutz der Grundrechte zwingend aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.1072 Das informationelle Trennungsprinzip ist damit eine Konsequenz der aktuellen Ausgestaltung der Verfassungsschutzämter und der Polizei. Denn die eigentliche, grundrechtsrelevante Trennung findet zwischen der Informationserhebung und der im Zweck divergierenden Weiterverwendung statt, unabhängig von der institutionellen Arbeitsteilung. Hierin zeigt sich auch die wechselseitige Beziehung bzw. der Einfluss des Verwaltungsorganisationsrechts auf den verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutz, mithin die Wechselbezüglichkeit von Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Das Grundgesetz macht zur Organisation von Polizei und Verfassungsschutzämter keine dahingehenden Vorgaben, dass beide zu trennen oder zu verschmelzen seien. Es stellt vielmehr lediglich Anforderungen an die Aufgabe-Befugnis-Konstellation. Eine im losen Gefahrenvorfeld mit weitreichenden Überwachungsbefugnissen ermittelnde Behörde muss zum einen ohne aktionelle sowie tief in die Privatsphäre Einzelner eingreifende Befugnisse auskommen und ist zum anderen zum Ausgleich der erheblichen Eingriffsintensität auf die Aufgabe der politischen Information beschränkt.1073 Sollen den Verfassungsschutzämtern neue Befugnisse zuwachsen oder sie in Aufgaben der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung eingebunden werden, sind sie in diesen Fällen nach denselben verfassungsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen wie die Polizei.1074 Die Vorgaben ergeben sich nicht aus einem spezifischen Trennungsgebot, vielmehr setzen „allgemeine Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips, […] die […] Gesetzgebungszuständigkeiten [(Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG), die Verwaltungskompetenz (Art. 87 Abs. 1 GG)] sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung [(Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)]“1075 den Rahmen für das Verhältnis von heimlicher Informationsvorsorge und unmittelbarer Gefahrenabwehr. Wird die heimliche Informationsvorsorge nicht mit dem Zweck durchgeführt, die unmittelbare Gefahrenabwehr vorzubereiten, sind bei der Datenübermittlung entsprechend strengere Vorgaben zu erfüllen.

II. Beeinträchtigung … Anschließend gilt es zu klären, ob die aktuelle Behördenorganisation von Polizei und Verfassungsschutzämtern, insbesondere im Hinblick auf die gewachsenen 1072

Kritisch allerdings J. F. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 29. 1073 Ansatzweise wie hier K. F. Gärditz, JZ 2013, 633, 634; C. Gusy, GA 1999, 319, 325. 1074 M. Bäcker, Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 250. 1075 C. Streiß, Trennungsgebot, 2011, S. 228.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

221

Überschneidungsbereiche, den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Trennungsprinzips entspricht. Zunächst kann die organisatorische, funktionale und kompetenzielle Verflechtung von Polizei und Verfassungsschutzämtern hinsichtlich der verfassungsrechtlich gebotenen Stringenz reflektiert werden (1.). Im Anschluss ist zu fragen, ob die aktuelle Organisation der Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern dem verfassungsrechtlichen Gebot der grundsätzlichen informationellen Trennung entgegensteht (2.). 1. … der verfassungsrechtlich gebotenen Stringenz der Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern Zum Schutz der bei der Aufklärungstätigkeit beeinträchtigen Grundrechte muss die einfachgesetzlich normierte organisatorische, funktionale und kompetenzielle Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern konsequent ausgestaltet werden. Polizei und Verfassungsschutzämter sind organisatorisch zwar klar getrennt (a), demgegenüber wird die Unterscheidung in funktionaler und kompetenzieller Hinsicht jedoch zunehmend verwischt (b, c). Dies führt zu verfassungswidrigen Inkonsequenzen. a) Klare organisatorische Trennung Die institutionelle Trennung ist einfachgesetzlich in allen Verfassungsschutzgesetzen festgeschrieben. Damit wurde von der verfassungsrechtlichen Möglichkeit der institutionellen Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten bundesweit einheitlich Gebrauch gemacht. Dieser Entscheidung folgt zwingend auch eine personelle Trennung.1076 Ein solches personelles Trennungsgebot ist zwar einfachgesetzlich nicht explizit geregelt, kann aber implizit aus den Normen für die institutionelle Trennung abgeleitet werden. Diese Trennung wird durch parallele Aufklärungstätigkeiten von Verfassungsschutzämtern und Polizei nicht unmittelbar beeinträchtigt, da diese Aufklärung in getrennten Organisationen nebeneinander ausgeführt wird. Aufgrund der Unsinnigkeit der Aufspaltung von Behörden mit identischen Aufgaben und identischen Mitteln muss der organisatorischen Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern allerdings auch die Trennung hinsichtlich Funktion (b) und Befugnissen (c) folgen. b) Relativierung der funktionalen Trennung durch Betonung der Überschneidungsbereiche Zur funktionalen Trennung kann zunächst konstatiert werden, dass der, etwa in Art. 1 Abs. 1 BayPAG oder § 161 StPO, § 152 GVG einfach-gesetzlich ausgeformte, „Sicherheitsauftra[g] der Polizei – Gefahrenabwehr einerseits, Strafverfolgung an1076

Dazu bereits 3. Teil Kap. 1 A. I. 3. a) (S. 204 f.); M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 385 f.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

dererseits“ – mittlerweile um die weiteren präventiven Aufgaben der „Vorsorge für die Straftatenverfolgung und die Verhütung von Straftaten“ ergänzt worden ist.1077 Dabei soll die Abgrenzung zum Aufgabenkomplex der Nachrichtendienste dennoch gelingen können, da Ziel der Dienste „nicht die operative Gefahrenabwehr, sondern die politische Information [sei]. So [sei] Aufgabe der Tätigkeit [der Nachrichtendienste] nicht die Bekämpfung von Straftaten als solchen, sondern übergreifend die Gewinnung von Erkenntnissen“.1078 Diese Abgrenzung sieht sich allerdings durch partielle Überschneidungen in den Aufgaben weitgehend relativiert.1079 Durch diese Aufweichung verliert die funktionale Trennung weitgehend an Kontur.1080 Wie bereits im zweiten Teil dieser Untersuchung dargestellt, weisen die Aufgabenbeschreibungen aufgrund ihrer Weite Überschneidungsbereiche auf. Die pauschale Unterscheidung des Bundesverfassungsgerichts1081 in eine „grundsätzlich offen“ handelnde Polizei und „grundsätzlich verdeckt arbeitende“ Nachrichtendienste liefert hier keine Trennschärfe.1082 Somit ist die funktionale Trennung durch die parallele Beauftragung von Polizei und Verfassungsschutz mit der Abwehr von Gefahren der Spionage und der immer stärkeren Einbindung der Verfassungsschutzämter in die Terrorismusbekämpfung bereits partiell aufgehoben.1083 Zwar trennen beide Institutionen immer noch unterschiedliche primäre Verwendungszwecke für die ermittelten Informationen – Information von Politik und Gesellschaft auf der einen, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung auf der anderen Seite –, doch handelt es sich dabei angesichts

1077

E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 1 (Hervorhebungen im Original). Seinen positivierten Ursprung nimmt die Verhütung von Straftaten als polizeiliche Aufgabe in Art. 102 AGStPO aus dem Jahre 1879, s. F. Wollenschläger, in: Huber/ders. (Hrsg.), Landesrecht Bayern, 2019, § 4 Polizei- und Sicherheitsrecht Rn. 3. 1078 BVerfGE 133, 277, Rn. 118. Ebenso für eine Abgrenzung anhand der unterschiedlichen Ziele der Beobachtung M. Bäcker, Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 257. 1079 C. Gusy, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 120, 127; M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 386. 1080 Einem aufgabenbezogenen Trennungsgebot sogar gänzlich die Existenz de lege lata absprechend J. F. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 20. 1081 BVerfGE 133, 277, 328 f. Rn. 121 f. 1082 Ebenso kritisch ob der Pauschalität F. Schoch, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kap. 1 Rn. 34 („Grundannahmen des BVerfG teilweise unzutreffend“); U. Volkmann, Jura 2014, 820, 828 f. („leitbildartige Abschichtung der wechselseitigen Aufgabenbereiche […] stark idealisiert“); S. Tanneberger, VBlBW. 2014, 41, 43 („idyllische[…] Typisierung der Aufgabenbereiche von Nachrichtendiensten und Polizei[…]“); M. Baldus, DV 2014, 1, 15 („Dass dieser Versuch einer Grenzziehung untauglich ist, erschließt sich schnell.“). 1083 Unkritisch gegenüber solchen Überlappungsbereichen im Hinblick auf das organisatorische Trennungsgebot nach Art. 97 S. 2 VerfThüringen M. Baldus, ThürVBl 2013, 25, 30.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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verstetigter Zusammenarbeit (GTAZ, GETZ) und voraussetzungsarmen Übermittlungsbefugnisse um eine recht schwache Trennung.1084 Selbst diese durchlässige Grenze sieht sich bisweilen vollständig aufgehoben, wenn die Verfassungsschutzbehörden von ihrer ursprünglichen Funktion abweichend zu einem allgemeinen Informationsdienstleister für andere Sicherheitsinstitutionen erhoben werden.1085 Die Aufgabentrennung findet dann nicht mehr in einer Differenzierung der Verwendungszwecke, sondern nur noch nach den Eingriffsschwellen statt. Diese Interpretation wird bisweilen mit einem steigenden Wissensbedürfnis der Gefahrabwehrbehörden, mithin mit Effektivitätssteigerungen begründet.1086 Allerdings widerspricht die Deutung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit als Informationsdienstleister für andere Sicherheitsbehörden eklatant der überkommenen Vorstellung, wonach das „verfassungsrechtliche Privileg für Überwachungen des Verfassungsschutzes […] nur dann gerechtfertigt [ist], wenn gewährleistet ist, dass diese Überwachungen tatsächlich auf das Ziel der politischen Vorfeldaufklärung bezogen bleiben“1087 und ist damit mit einer stringenten Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern nicht vereinbar. Die Organisation von Polizei und Verfassungsschutzämtern de lege lata steht mit dem verfassungsrechtlichen Rahmen daher nur insoweit in Einklang, als die Verfassungsschutzämter Informationen mit dem Zweck der Information von Regierung 1084 R. Steinke, Die Polizeiarbeit wandert ins Dunkle ab, Süddeutsche.de, 5. 4. 2019, https:// www.sueddeutsche.de/politik/polizei-geheimdienst-sicherheit-1.4396276 (abgerufen: 30. 11. 2020); M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 386; dabei auf eine Bündelung der Fachaufsicht von Polizei und Verfassungsschutzbundesamt in einem Referat des BMI hinweisend A. Sommerfeld, GTAZ, 2015, S. 268 ff.; kritisch auch T. Singelnstein, in: Brunhöber (Hrsg.), Strafrecht im Präventionsstaat, 2014, S. 41, 46 f., insbesondere angesichts der Lockerung rechtlicher Bindungen bei Vorverlagerung der Datensammlung zu Prognosezwecken (a. a. O., S. 48). 1085 So J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168 f., welche Politik und Gesellschaft als Empfänger nachrichtendienstlicher Informationen vollständig unterschlagen. In diese Richtung auch schon J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 49: „Wäre es den Nachrichtendiensten von Verfassungs wegen verwehrt, ihre Informationen an die Polizei weiterzugeben, wäre ihre Rolle beim Schutze der Verfassung und des Staates kaum nennenswert.“ 1086 So allerdings ohne weitere Belege S. Hansen, Sicherheitsarchitektur, 2009, S. 125: „Dazu (als Schnellere die Langsameren zu fressen) haben die Nachrichtendienste das jeweilige Wissensbedürfnis aller Elemente der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge vor dem Hintergrund ständiger Zeitkritikalität von Entscheidungen nach dem Modell der vernetzten Operationsführung zu befriedigen. Damit wird insbesondere der schwindenden Trennung von innerer und äußerer Sicherheit Rechnung getragen.“ Inkonsequent a. a. O., S. 135: Am „Trennungsgebot sollte grundsätzlich festgehalten werden.“ 1087 M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19 WP, S. 17. Zur Privilegierung der Überwachung durch die Nachrichtendienste, BVerfGE 130, 151, 206; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 –, Rn. 151 oder auch Rn. 240 (Die „Aufgabenbereiche der Nachrichtendienste […] sind von vornherein dadurch gekennzeichnet, dass sie dem Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter oder vergleichbar gewichtiger öffentlicher Interessen dienen […], sodass sie an das Vorliegen einer nur konkretisierten Gefahrenlage geknüpft werden können.“).

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

und Öffentlichkeit erheben und die Polizei ihre Ermittlungen mit den Zielen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung durchführt. Diese Unterscheidung schließt eine Informationsübermittlung verbunden mit einer Zweckänderung der Informationen nicht aus. Allerdings darf diese Vernetzung nicht zu einer primären Funktion erwachsen. Daher sind entsprechende Konkretisierungen der Aufklärungszwecke der Verfassungsschutzämter angezeigt. c) Weitgehende Angleichung der Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutzämtern Obgleich der Ausschluss der Verfassungsschutzämter von „polizeilichen Befugnissen“ einfachgesetzlich und, in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, auch landesverfassungsrechtlich vorgeschrieben ist,1088 kann die Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten längst auch nicht mehr auf Befugnisebene konsequent gezogen werden.1089 Zwar sind die Eingriffsschwellen einzelner Befugnisse der Verfassungsschutzämter noch niedriger (vgl. Art. 18, 19 BayVSG und Art. 37, 38 BayPAG1090) und manche Rechtsgrundlagen sind weniger ausdifferenziert (vgl. Art. 9 BayVSG und Art. 41 BayPAG). Dennoch stehen der Polizei hinsichtlich der Informationserhebung an sich die gleichen Befugnisse zu,1091 während gleichzeitig neuere Befugnisse der Nachrichtendienste bisweilen nur eingesetzt werden dürfen, „wenn es im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann“ (§ 9 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG).1092 Selbst die Überlegung, „nachrichtendienstliche“ Mittel würden erst durch die Verbindung mit den „nachrichtendienstlichen“ Aufgaben – aufgrund der Politiknähe und der Gefahr des politischen Missbrauchs – zu solchen,1093 wonach verdeckte Ermittlungsmethoden der Polizei folglich keine Inkonsequenz der Trennung darstellten, greift angesichts der weitgehenden Aufga-

1088

Siehe für die entsprechenden Normen 3. Teil Kap. 1 A. I. 3. c) bb), Fn. 1012 (S. 210). A. A. M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 386. J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 46 f. bezeichnet das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nach einem funktionalistischen Verständnis als „Gefahrabwehrbehörde“, womit nicht zwingend polizei- oder sicherheitsrechtliche Eingriffsbefugnisse einhergehen müssten. 1090 Die bayerische Polizei darf Verdeckte Ermittler nach Art. 37 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 2 BayPAG nur zur Abwehr einer Gefahr oder einer drohenden Gefahr, Vertrauenspersonen nach Art. 38 Abs. 1 S. 1, 36 Abs. 2 BayPAG nur sofern der Einsatz im Einzelfall zur Gefahrenabwehr erforderlich ist, einsetzen. Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz ist nach Art. 18, 19 BayVSG sowohl beim Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern wie Vertrauenspersonen nicht an eine explizite, speziell ausgestaltete Eingriffsschwelle gebunden. 1091 M. Baldus, DV 2014, 1, 15. 1092 Vgl. auch Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayPAG: „tatsächliche Anhaltspunkte für eine dringende Gefahr“. 1093 So noch M. Albers, Determination, 2001, S. 229. 1089

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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benparallelität und Entfernung der Nachrichtendienste von ihrer ursprünglichen Aufgabe, längst nicht mehr durch. In Parallelität zur Aufgabenkritik muss, sofern man sich für eine organisatorische Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern entscheidet, auch die Trennung der Befugnisse konsequent bleiben. „Die Verfassungsschutzbehörden dürfen einerseits nicht zu ständigen Informationshelfern der Polizei werden. Andererseits dürfen sie sich der Polizei nicht bedienen, um ihren Befugniskreis um imperative Eingriffe zu erweitern.“1094 Eine indirekte Vorverlagerung der polizeilichen Eingriffsschwellen durch Indienstnahme der Verfassungsschutzämter, die angesichts niedrigerer Eingriffsschwellen und weniger ausdifferenzierter Rechtgrundlagen privilegiert sind, wäre nicht gerechtfertigt. Eine solche Indienstnahme wäre allerdings die Folge einer extensiven Auslegung der Übermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzämter, insbesondere soweit die Übermittlung nicht als Zweckänderung anerkannt wird. Das Bundesverfassungsgericht setzt daher für „Befugnisse, die tief in das Privatleben hineinreichen“, einen einheitlichen Verhältnismäßigkeitsmaßstab unabhängig davon an, welche Behörde handelt.1095 Solche Befugnisse „müssen auf den Schutz oder die Bewehrung hinreichend gewichtiger Rechtsgüter begrenzt sein [und] setzen voraus, dass eine Gefährdung dieser Rechtsgüter hinreichend konkret absehbar ist“.1096 Diese Ermittlungsbefugnisse sind zur Gefahrenprophylaxe, die in Abgrenzung von der Gefahrenabwehr gerade vom Einzelfall losgelöst ist, nicht anwendbar. Insbesondere die Verfassungsschutzämter können mangels kausalverlaufsverändernder Eingriffsbefugnisse keine Gefahrenabwehr leisten. Soweit den Verfassungsschutzämtern de lege lata „Befugnisse, die tief in das Privatleben hineinreichen“ und die damit lediglich zur Gefahrenabwehr anwendbar sind, übertragen wurden1097, verstößt dies nicht nur gegen das verfassungsrechtliche Gebot einer stringent ausgestalteten Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern, sondern darüber hinaus sind diese Ermittlungsmaßnahmen wegen mangelnder Geeignetheit auch nicht verhältnismäßig. Nachdem die Gebote der organisatorischen, funktionellen und kompetenziellen Trennung für sich genommen keine verfassungsrechtliche Verankerung aufweisen, stehen sie den weitreichenden, einfach gesetzlich verwirklichten Überschneidungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern insoweit nicht entgegen, soweit diese 1094

M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19 WP, S. 17. 1095 BVerfGE 141, 220, LS 1 b). Vgl. auch jüngst BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 141 und BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 –, Rn. 151. 1096 BVerfGE 141, 220, LS 1 b) (Hervorhebung nicht im Original). 1097 Vgl. Wohnraumüberwachung nach § 9 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG: „im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist“.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

konsequent ausgestaltet sind. Eine solche konsequente Ausgestaltung ist allerdings bei der Übertragung eingriffsintensiver Überwachungsmaßnahmen ohne gleichzeitige Verfügbarkeit aktioneller Eingriffsmaßnahmen ebenso wenig gegeben, wie bei privilegierter Informationserhebung der Verfassungsschutzämter mit dem Zweck der Gefahrenabwehr. 2. … des verfassungsrechtlichen Prinzips der grundsätzlichen informationellen Trennung von nachrichtendienstlichen und polizeilichen Datenbeständen Die Unterschiede zwischen Polizei und Nachrichtendiensten werden nicht mehr über ein objektiv-institutionelles Trennungsgebot entwickelt, sondern in der grundrechtlichen Verhältnismäßigkeit von Informationsübermittlungen verankert.1098 Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Urteil zum BKA-Gesetz1099 seine Rechtsprechung zur Erhebung und insbesondere Übermittlung von Daten durch den Staat konsolidiert.1100 Dabei führt der 1. Senat des Gerichts Rechtsprechung zusammen, die zu Informationshandeln der Nachrichtendienste1101, der Polizeibehörden1102 und der Strafverfolgungsbehörden1103 ergangen ist.1104 Folglich geht es dem Gericht erkennbar um allgemeine Maßstabsbildung für staatlichen Datenumgang zur Sicherheitsgewährleistung, unabhängig davon, ob die datenverarbeitende Behörde präventiv oder repressiv tätig wird.1105 Dementsprechend formuliert das Gericht in den Leitsätzen auch allgemein (etwa „Befugnisse, die tief in das Privatleben hineinreichen“1106 oder „Anforderungen an die Nutzung und Übermittlung staatlich erhobener Daten“1107). Für den Bereich der Übermittlung personenbezogener Daten ist damit keine Abkehr von der bereits seit 2010 verwendeten Figur der hypotheti-

1098 BVerfGE 133, 277, 324 ff. Rn. 115 ff.; K. F. Gärditz, Strafprozeß und Prävention, 2003, S. 418 f.; diesen Schwerpunkt möchte auch S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 334 gesetzt sehen. 1099 BVerfGE 141, 220. 1100 T. Petri, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 5, S. 2 f.; K. Graulich, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 1, S. 22; ders., KriPoZ 2017, 43, 52. A. A. J. F. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 18. 1101 Etwa BVerfGE 100, 313; 120, 274. 1102 Etwa BVerfGE 130, 1. 1103 Etwa BVerfGE 109, 279; 129, 208. 1104 T. Petri, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 5, S. 3. 1105 K. Graulich, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 1, S. 22. Explizit nun in BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/ 17, Rn. 141. 1106 BVerfGE 141, 220, LS 1 b). 1107 BVerfGE 141, 220, LS 2.

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schen Datenneuerhebung1108 verbunden.1109 Demgegenüber war das Gericht noch 2013 der Ansicht, die divergierenden Aufgabenstellungen von Polizei und Nachrichtendiensten würden dazu führen, dass beide Institutionen „bezüglich der Datenerhebung grundlegend verschiedenen Anforderungen“1110 unterlägen. Diese Unterscheidung scheint das Gericht nun in dieser Form nicht mehr vorzunehmen. Vielmehr wurden mit dem Urteil zum BKAG die verfassungsrechtlichen Anforderungen für sicherheitsbehördliche Datenverarbeitung konsolidiert; diese gelten mithin auch für die Verfassungsschutzämter.1111 Während das Bundesverfassungsgericht für die Datenübermittlung seine Rechtsprechungslinie mit dem Urteil zum BKAG lediglich konsequent fortsetzt, setzt es hinsichtlich der Voraussetzungen für die Datenerhebung mittels tiefgreifender, heimlicher Ermittlungsmethoden neue Akzente. Für die informationelle Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern bedeutet dies, dass aus Gründen des Grundrechtsschutzes die Voraussetzungen für den Einsatz von eingriffsintensiven, heimlichen Ermittlungsmethoden angeglichen werden. Dadurch verringert sich die Unterscheidbarkeit der beiden Institutionen weiter und eine Abgrenzung ist nunmehr lediglich anhand der Erhebungszwecke und bei Überwachungsbefugnissen möglich, die weniger tief in die Privatsphäre Einzelner eingreifen. Ein informationelles Trennungsgebot im Sinne grundsätzlich getrennter Datensätze1112 und einer konsequenten Anwendung des Kriteriums der hypothetischen Datenneuerhebung hat mithin auch organisationsrechtliche Bedeutung. Es sichert die Unterscheidbarkeit zweier Institutionen mit ansonsten weitreichenden Überschneidungen. Nachdem die Kritik der Literatur an einer grundsätzlichen informationellen Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern nicht überzeugt (a), ist die Vernetzung der beiden Institutionen an diesem informationellen Trennungsprinzip zu messen. Das informationelle Trennungsprinzip verbietet es, mit Blick auf die Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutzämtern, letztere als Informationsdienstleister für erstere aufzufassen (b). Parallelen Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern bezüglich eines identischen Sachverhalts steht es demgegenüber nicht grundsätzlich entgegen (c).

1108

BVerfGE 125, 260, 333. BVerfGE 141, 220, 327 f. Rn. 287. 1110 BVerfGE 133, 277, 325 (Hervorhebung nicht im Original). 1111 BVerfGE 125, 260, 331; 141, 220, 268 ff. Rn. 103 ff. Bestätigt für geheime Überwachungsmaßnahmen in BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 141 und „für alle Eingriffsermächtigungen mit präventiver Zielrichtung“ in BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 –, Rn. 151. Siehe auch M. Bäcker, Stellungnahme zu BTDrs. 19/23706, 2020, S. 5. 1112 So bereits als Vorgabe zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung BVerfGE 133, 277, 329 Rn. 123. 1109

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a) Kritik der Literatur am Grundsatz der Datentrennung Teile der Literatur lehnen bereits den Grundsatz der Datentrennung ab. Durch die eindeutige einfachgesetzliche Ausformung läge es vielmehr nahe, den Kern des Trennungsprinzips vor allem in dem Verbot organisatorischer Zusammenlegung und im Ausschluss der Nachrichtendienste von polizeilichen Befugnissen zu sehen.1113 So definiert würde der Kern des Trennungsprinzips durch eine Datenübermittlung von Verfassungsschutzämtern an die Polizei schon gar nicht berührt.1114 Viel eher sei diese Informationsweitergabe die „Kehrseite“ dessen, dass die Verfassungsschutzämter ihre Erkenntnisse nicht selbst verwerten dürften.1115 Ihre Aufklärung solle nicht vergebens sein.1116 Vielmehr müsse anderen Behörden die Möglichkeit eröffnet werden, den Analysen der Verfassungsschutzämter aktionelle Maßnahmen folgen zu lassen.1117 Diese Ansicht kann nicht überzeugen. Zum einen sieht sie den Kern der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten in lediglich einfachgesetzlichen und nicht verfassungsrechtlich gebotenen Vorgaben. Zum anderen ist die Ansicht zu undifferenziert in der Informationsweitergabe und unterschlägt die Eigenleistung, welche die Verfassungsschutzämter durch den „Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit“ (etwa § 16 Abs. 1 BVerfSchG) bieten können. Es wird nicht deutlich, in welchem Umfang Erkenntnisse mit den Gefahrabwehr- und Strafverfolgungsbehörden geteilt werden sollen – bloße Spurenansätze oder vollständige Personenund Gefahranalysen. Außerdem finden die Politik und die Gesellschaft als eigentlich primäre Empfänger nachrichtendienstlicher Information1118 keine Erwähnung.1119 b) Das informationelle Trennungsprinzip und die Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutzämtern Der Bundesgesetzgeber ermöglicht es dem Bundesamt für Verfassungsschutz, personenbezogene Daten an andere Stellen zu übermitteln (§ 19 BVerfSchG). Das 1113

M. Möstl, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 4, S. 10; J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 49 f., 57 f. A. A. – „die Ratio des Trennungsgebots [ist es,] eine Umgehung sicherheitsrechtlicher Eingriffsschwellen zu verhindern.“ – S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 334. 1114 Sehr kritisch ggü. dem informationellen Trennungsgebot, M. Möstl, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 4, S. 10. 1115 M. Möstl, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 4, S. 10. Allerdings noch vor dem Urteil des BVerfG zum BKAG J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 49, 57 f. 1116 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 404 ff., 412. 1117 J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 169 f. 1118 Dazu bereits 2. Teil Kap. 2 A. III. (S. 118 ff.). 1119 Ebenso bei J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168 f.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

229

Bundesverfassungsgericht hat allerdings speziell die Übermittlung von Informationen zwischen Nachrichtendiensten und Polizei an hohe verfassungsrechtliche Hürden geknüpft und eine grundsätzliche und strikte Datentrennung vorgesehen.1120 Diese strikte Datentrennung erscheint ohne organisatorische Trennung kaum zu bewerkstelligen.1121 Während die funktionale Trennung wegen der mit ihr verbundenen Differenzierung der Erhebungszwecke der Grund für das informationelle Trennungsprinzip ist, scheint die organisatorische Trennung eine Folge desselben Prinzips zu sein.1122 Es stellt sich also die grundsätzliche Frage, ob die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter noch etwas Anderes oder schon das Gleiche wie die Gefahrenvorsorge und die vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei ist.1123 Eine funktionelle Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern ist zwar von der Verfassung nicht vorgegeben1124, wird aber wiederholt betont.1125 Auch in dieser Untersuchung wurde bereits die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter in expliziter Abgrenzung zur Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung der Gefahrenprophylaxe zugeordnet.1126 Diese Einordnung schließt es nicht aus, die Verfassungsschutzämter durch Übermittlungsbefugnisse in die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung einzubinden. Diese Übermittlungen sind allerdings nicht die Hauptaufgabe der Verfassungsschutzämter, da die Zwecke, zu denen die Verfassungsschutzämter Informationen sammeln und auswerten, in der Unterrichtung von Regierung und Öffentlichkeit liegen.1127 Dementsprechend stellen Informationsübermittlung zwischen Verfassungsschutzämtern und Polizei grundsätzlich Zweckänderungen dar.1128 Diese sind stets als hypothetische Datenneuerhebung zu 1120

BVerfGE 133, 277, 329 Rn. 123. M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 47; mit Fokus auf die kompetenzielle Trennung noch J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 47. 1122 M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 47 spricht deshalb von einem Paradoxon. 1123 Dazu und zu den Unterschieden zu der schon immer bestehenden Informationstätigkeit der Polizei T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10 Aufl. 2018, § 1 Rn. 31 f. 1124 Dazu bereits 3. Teil Kap. 1 A. I. 3. b) (S. 205 ff.). 1125 Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 219; C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, 2. UA 17 WP, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 10. 1126 2. Teil Kap. 2 E. V. (S. 149 ff.). 1127 2. Teil Kap. 2 A. III. (S. 118 ff.). 1128 F. Wollenschläger, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 59. Vgl. BVerfGE 141, 220, 324 f. Rn. 279. Angesichts der Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit von Verfassungsschutzämtern und Polizei ähnelt diese Beziehung nicht der von Staatsanwaltschaft und Polizei, so allerdings J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293. Ein solcher Vergleich misst den Geheimschutzerwägungen der Verfassungsschutzämter und den daraus folgenden Verifikationsschwierigkeiten für die Polizei zu wenig Gewicht zu. Ebenfalls von einer Zweckänderung ausgehend M. A. Zöller, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 79, 88 ff. 1121

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

werten.1129 Im Ergebnis bedeutet das, dass die polizeilichen Eingriffsschwellen nicht durch Übermittlungen der Verfassungsschutzämter unterlaufen werden dürfen; mithin solche Übermittlungen erst ab einem Anfangsverdacht i. S. d. § 160 Abs. 1 StPO oder bei Gefahrverdacht1130 möglich sind. Für die Bewertung der Eingriffsintensität einer Informationserhebung ist auch der Erhebungszweck maßgeblich. Weiterverwendung zu konkreten Gefahrenabwehroder Strafverfolgungsmaßnahmen wiegt schwerer als für weitgehend anonymisierte Analysen zur Information, um politische Einschätzungen zu ermöglichen.1131 Die Begrenzung des Erhebungszwecks der Verfassungsschutzämter auf Strukturermittlung gleicht die weniger detaillierten Rechtsgrundlagen aus.1132 Insbesondere der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verlangt daher unterschiedliche Erhebungszwecke von Polizei und Verfassungsschutzämtern bei deren Informationssammlung. Sollen die Verfassungsschutzämter also Informationen für konkrete Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsmaßnahmen sammeln, müssen konsequenterweise für die Ämter die gleichen Anforderungen Anwendung finden wie auf die Informationstätigkeit der Polizei. Eine solche Angleichung ist aus den Rechtsgrundlagen der Verfassungsschutzämter lediglich für die verdeckte Wohnraumüberwachung in Ton und Bild nach § 9 Abs. 2 S. 1, 2 BVerfSchG vorgenommen worden. Diese Befugnisse sind für die Verfassungsschutzämter allerdings de lege lata nicht einsetzbar, da sie nur im Einzelfall und nur sofern sie zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich sind, angewendet werden dürfen. Den Ämtern fehlen allerdings die kausalverlaufsverändernden Befugnisse zur Gefahrenabwehr. Die verdeckte Wohnraumüberwachung durch die Verfassungsschutzämter führt mithin niemals zur Bannung einer gegenwärtigen Gefahr und kann daher nicht unerlässlich für die Gefahrenabwehr sein. Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass ganz allgemein „Befugnisse, die tief in das Privatleben hineinreichen“, von den Verfassungsschutzämtern nicht mehr eingesetzt werden können, nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass der Einsatz voraussetzt, dass eine Gefährdung für ein solches Rechtsgut hinreichend konkret absehbar ist und solche Maßnahmen nur zum Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter eingesetzt werden dürfen.1133 Die Verfassungsschutzämter können mangels kausalverlaufsverändernder Befugnisse den geforderten Schutz aber gerade nicht leisten. 1129 M. Bäcker, Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 260 (Hervorhebung bereits im Original). A. A. J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1 ff.; J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 173 f. 1130 M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 205 f. 1131 BVerfGE 133, 277, 326 f. Rn. 118 u. 120. 1132 BVerfGE 133, 277, 328 f. Rn. 122. 1133 BVerfGE 141, 220, LS 1 b).

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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Verfassungswidrig wird die Organisationsstruktur und Vernetzung jedenfalls dann, wenn mit der Interpretation der Verfassungsschutzämter als Informationsdienstleister für die Sicherheitsbehörden auch der Zweck ihrer Informationserhebung dahingehend geändert wird.1134 In diesem Fall würde das informationelle Trennungsprinzip umgangen1135 und der Grundrechtsschutz angesichts der weniger ausdifferenzierten Rechtsgrundlagen der Verfassungsschutzämter unterlaufen. c) Das informationelle Trennungsprinzip und überschneidende Ermittlungsbereiche Die Vorgaben des informationellen Trennungsprinzips werden durch die Parallelzuständigkeiten von Polizei und Verfassungsschutzämtern nicht von vornherein beeinträchtigt. Ermittlungen sowohl von Verfassungsschutzämtern als auch von der Polizei zu einem identischen Sachverhalt führen nicht zwingend zu gemeinsamen Datensätzen. Zunächst erhebt jede Behörde für ihren jeweiligen Erhebungszweck Daten und speichert diese in ihrem eigenen Datenpool ab. Das Prinzip der informationellen Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern wird erst durch Datenübermittlungen betroffen. Gleichwohl bergen die weitreichenden Aufgabenparallelen auch stete Gefahren der Verletzung des informationellen Trennungsprinzips. Die konsequente Achtung des Kriteriums der hypothetischen Datenneuerhebung steht insbesondere im Gefahrenabwehrbereich, der bisweilen auch zügige Entscheidungen verlangt, und in den eng verwobenen Arbeitsumfeldern gemeinsamer Zentren von Polizei und Verfassungsschutzämter in Frage. Beide – Zuständigkeitsüberlappungen und informationelles Trennungsprinzip – stehen zweifelsohne in einem Spannungsfeld. Da das Trennungsprinzip den identifizierten Überschneidungsbereichen von Polizei und Nachrichtendiensten nicht grundsätzlich entgegensteht, bleibt die Frage der Verfassungskonformität derselben bislang noch ungeklärt. Deshalb wird in einem nächsten Abschnitt die Vereinbarkeit der Zuständigkeitsüberschneidungen mit dem verfassungsrechtlichen Verbot ungerechtfertigter additiver Grundrechtseingriffe überprüft.

1134 M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 388 f. So aber J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293; J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 173. 1135 So auch M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19 WP, S. 18: „Zumindest schief ist deshalb die Charakterisierung der Nachrichtendienste als informationelle Dienstleister für andere Sicherheitsbehörden, die insbesondere von Autoren aus dem Umfeld der Dienste vertreten wird. Verfassungsschutzbehörden dürfen zwar ihre Erkenntnisse an operativ tätige Behörden wie die Polizei übermitteln, wenn ein hinreichender Übermittlungsanlass vorliegt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Teil ihrer Aufgabe, sondern um eine Änderung des Verarbeitungszwecks der übermittelten Daten.“

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

B. Verbot ungerechtfertigter additiver Grundrechtseingriffe Erheben Polizei und Verfassungsschutzämter hinsichtlich identischer Gruppen oder Einzelpersonen Informationen, liegt es nah, dass unter Umständen verschiedene Behörden mit mehreren Überwachungsmaßnahmen ein Beobachtungsobjekt aufklären. Fallen in solchen Szenarien mehrere grundrechtsbeeinträchtigende Maßnahmen zusammen, spricht man von additiven Grundrechtseingriffen. Bei einer parallelen Beobachtung durch Verfassungsschutzämter und Polizei stellt sich somit auch die Frage nach dem Umgang mit einer Kumulation verschiedener Beobachtungsmaßnahmen.1136 Eine Datenerhebung mit verschiedenen Methoden und durch verschiedene Behörden ermöglicht die Sammlung großer Datenmengen über die Betroffenen. Es besteht die Gefahr, dass die Datensätze über einzelne Bürgerinnen und Bürgern ein umfassendes Ausmaß annehmen und damit Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zwar dürfte die Schwelle des verfassungsrechtlichen Verbots der Rundumüberwachung beim Zusammenwirken von Polizei und Verfassungsschutzämtern in der Regel nicht erreicht werden, da die Hürden für eine unzulässige Rundumüberwachung, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil erstellt werden kann, sehr hoch angesetzt werden. So wurde beispielsweise die Kombination aus Wohnraumüberwachung, Telefonüberwachung eines Mobilfunkanschlusses, längerfristiger Observation und Beschlagnahme der an die Betroffenen gerichteten Postsendungen vom BGH als rechtmäßig bewertet.1137 Jedoch birgt die Kombination von Überwachungsmaßnahmen schon unterhalb der Schwelle der Rundumüberwachung die Gefahr, dass die Eingriffsintensität ein nicht mehr zu rechtfertigendes Ausmaß annimmt. Bei der Ermittlung der Eingriffsintensität von verdeckten Ermittlungen ist daher jedenfalls hinreichend zu gewichten, dass damit gegebenenfalls mehrere, in die Grundrechte des Betroffenen eingreifende Maßnahmen durchgeführt werden.1138 Das Bundesverfassungsgericht hat bereits zu dem Rahmen für additive Überwachungsmaßnahmen eingehend ausgeführt (I.) Die Ausgestaltung der Abstimmung zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern hinsichtlich von ihnen durchgeführter Überwachungsmaßnahmen, wird diesen Anforderungen nicht gerecht (II.).

1136

Umfassend zum additiven Grundrechtseingriff und seiner dogmatischen Einordnung H. Ruschemeier, Der additive Grundrechtseingriff, 2019 und A. Brade, Additive Grundrechtseingriffe, 2020. 1137 BGHSt 54, 69, 105 f. Rn. 102. 1138 BGHSt 54, 69, 106 Rn. 103; m. w. N. BGHSt 46, 266, 278 f.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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I. Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Verfahren bei additiven Grundrechtseingriffen Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass beim „Einsatz moderner, insbesondere dem Betroffenen verborgener Ermittlungsmethoden […] die Sicherheitsbehörden mit Rücksicht auf das dem ,additiven‘ Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotenzial koordinierend darauf Bedacht nehmen [müssen], dass das Ausmaß der Überwachung insgesamt beschränkt bleibt“1139. Zwar kann die Verbindung von Überwachungsmaßnahmen auch grundrechtsschonend eingesetzt werden (1.), doch ist hierfür eine besondere Abstimmung nötig. Das Bundesverfassungsgericht stellt dementsprechend bei kumulativen Ermittlungsmaßnahmen besondere Anforderungen an das Verfahren (2.).1140 1. Grundrechtsschonende Aspekte kombinierter Überwachungsmaßnahmen Die Kombination einzelner Überwachungsmaßnahmen birgt auch das Potenzial Grundrechte zu schonen. So erkannte etwa der BGH in einer zusätzlichen Videoüberwachung eines Hauseingangs die Möglichkeit, kernbereichsrelevante Situationen einer kombinierten Wohnraumüberwachung zu antizipieren. Je nach eintretender Person könne über ein gelegentliches „Hereinhören“ in das in der Wohnung gesprochene Wort entschieden und gegebenenfalls auch davon abgesehen werden.1141 So könnte „im Ergebnis die Intensität der – wesentlich grundrechtsrelevanteren – Abhörmaßnahme verringert werden.“1142 2. Die umfassende Abstimmung als zentrale Verfahrensvorgabe Unabhängig von möglichen grundrechtsschonenden Aspekten von additiven Überwachungsmaßnahmen, hat das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung hinsichtlich solcher Maßnahmenkumulationen gewandelt. Ursprünglich ging das Gericht – aus einer singulären, formalistischen Perspektive die einzelne Observationsmaßnahme und deren Wirkungen hinsichtlich des betroffenen Individuums fokussierte – noch davon aus, dass durch die verfassungsrechtlichen Verfah1139

BVerfGE 141, 220, 280 f. Rn. 130. R. Griesbaum/F. Wallenta, NStZ 2013, 369, 376. 1141 BGHSt 54, 69, 104 f. Rn. 100. Siehe auch BVerfGE 109, 279, 323: „Gegebenenfalls ist durch geeignete Vorermittlungen, die den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung unberührt lassen, zu sichern, dass die akustische Wohnraumüberwachung auf verfahrensrelevante Vorgänge in der Wohnung begrenzt bleibt.“ Eingehend zu den Voraussetzungen für die Annahme eines additiven Grundrechtseingriffs A. Brade, Additive Grundrechtseingriffe, 2020, S. 160 ff., mit dem Ergebnis, dass die kumulierenden Maßnahmen „grundsätzlich denselben Adressaten treffen, zeitgleich wirken, in das gleiche Grundrecht eingreifen und – etwa wegen ihres gemeinsamen Gegenstands – auch eine innere Verknüpfung aufweisen.“ 1142 BGHSt 54, 69, 105 Rn. 100. 1140

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

rensvorgaben, die bei jeder einzelnen Maßnahme zu beachten sind, die Gefahr nicht zu rechtfertigender Eingriffsadditionen gebannt würde. Von dieser Ansicht ist das Gericht in seinen Entscheidungen zur Vorratsdatenspeicherung1143 und zur GPSOrtung im Ermittlungsverfahren1144 abgerückt. Es nimmt nun nämlich sowohl eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme an sich als auch eine Überwachungsgesamtrechnung vor.1145 Dabei „ist sicherzustellen, dass die eine Ermittlungsmaßnahme beantragende oder anordnende Staatsanwaltschaft als primär verantwortlicher Entscheidungsträger über alle Ermittlungseingriffe informiert ist, die den Grundrechtsträger im Zeitpunkt der Antragstellung und im Zeitpunkt einer zeitlich versetzten Ausführung der Maßnahme jeweils treffen; sonst wäre eine verantwortliche Prüfung und Feststellung übermäßiger Belastung nicht möglich.“1146 Selbiges muss für das anordnende Gericht bei Ermittlungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr (etwa des BKA gem. § 45 Abs. 3 S. 1 BKAG) oder für die Überwachungstätigkeit der Verfassungsschutzämter (vgl. § 9 Abs. 2 S. 3 – 5 BVerfSchG) gelten. Ist die für die Anordnung einer Überwachungsmaßnahme zuständige Stelle nicht in der Lage, alle den Grundrechtsträger betreffenden Ermittlungseingriffe zu überblicken, ist den verfassungsrechtlich geforderten Verfahrensvorgaben nicht genügt.1147 Ferner hat das Bundesverfassungsgericht bereits den Blick auf die Zukunft gerichtet. Dem Gesetzgeber wurde aufgetragen zu beobachten, „ob die bestehenden verfahrensrechtlichen Vorkehrungen auch angesichts zukünftiger Entwicklungen geeignet sind, den Grundrechtsschutz effektiv zu sichern. Es dürfte zu erwägen sein, ob durch ergänzende Regelung der praktischen Ermittlungstätigkeit – etwa in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren – unkoordinierte Ermittlungsmaßnahmen verschiedener Behörden verlässlich verhindert werden können.“1148

II. Herausforderungen durch die parallele Aufklärungstätigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern Die Polizei und die Verfassungsschutzämter haben partiell dieselben Beobachtungsziele. Im Aufklärungsstadium ist es also durchaus möglich, dass beide Institutionen zur Aufgabenerfüllung gegen dieselbe Person ermitteln. Hierbei können 1143 BVerfGE 125, 260. Dazu A. Brade, Additive Grundrechtseingriffe, 2020, S. 58 ff. Vgl. auch A. Knierim, ZD 2011, 17, 19. 1144 BVerfGE 112, 304. Dazu eingehend A. Brade, Additive Grundrechtseingriffe, 2020, S. 46 ff. 1145 BVerfGE 125, 260, 323 f. Siehe auch T. Petri, Stellungnahme zum Gesetz zur Neuordnung des Bayerischen Polizeigesetz vom 21. 12. 2017, S. 2 f. 1146 BVerfGE 112, 304, 320. 1147 BGHSt 54, 69, 106 Rn. 103. Zu diesem Aspekt auch m. w. N. A. Brade, Additive Grundrechtseingriffe, 2020, S. 53 ff. 1148 BVerfGE 112, 304, 320 f.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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unterschiedliche Ermittlungsmethoden zum Einsatz kommen. Fraglich ist, ob die Beeinträchtigungsszenarien durch additive Grundrechtseingriffe von Polizei und Verfassungsschutzämtern (1.) durch prozedurale Sicherheitsmechanismen gebannt werden können (2.) oder ob de lege lata eine strukturelle Beeinträchtigung verbleibt (3.). 1. Beeinträchtigungsszenarien durch parallele Beobachtung von Polizei und Verfassungsschutzämtern Die Möglichkeit additiver Grundrechtseingriffe durch parallele Aufklärung von Polizei und Nachrichtendiensten liegt auf der Hand. Zwar setzt die Ermittlungstätigkeit der Verfassungsschutzämter in der Regel zeitlich früher als die der Polizei an, gleichwohl scheiden die Ämter mit Überschreiten der Eingriffsschwellen der Polizei nicht automatisch aus der Informationserhebung aus. Einzelne Überwachungsinstrumente der Verfassungsschutzämter, insbesondere der Einsatz von V-Personen nach § 9b BVerfSchG, sind auf einen längerfristigen Einsatz ausgelegt. Sie können nicht ohne Weiteres von einem Einsatz abgezogen oder der Polizei übergeben werden. Ferner wirken die grundrechtsschonenden Effekte kombinierter Überwachungsmaßnahmen am besten, wenn diese von einer Institution durchgeführt werden.1149 In diesen Fällen kann etwa die Überwachung des Hauseingangs direkt zur Feinsteuerung der eingriffsintensiveren Wohnraumüberwachung eingesetzt werden. Würden Hauseingangs- und Wohnraumüberwachung von unterschiedlichen Institutionen durchgeführt, wäre zur grundrechtsschonenden Steuerung der Wohnraumüberwachung eine erhebliche Abstimmung zwischen den Institutionen notwendig. Daher entfällt bei der Kumulation von Überwachungsmaßnahmen der Polizei und der Verfassungsschutzämter regelmäßig der eingriffsmindernde Effekt. Zwar sind Maßnahmen, die den höchstpersönlichen Kernbereich betreffen, schon für jede einzelne Behörde unzulässig, die Eingriffstiefe vergrößert sich allerdings, wenn die sensiblen Daten von mehreren Behörden und damit breiter wahrgenommen werden. Zusätzlich erhöht sich sowohl die Wahrscheinlichkeit von grundrechtsrelevanten Folgemaßnahmen als auch die Missbrauchsgefahr.1150 Auch deshalb ist die Abstimmung zwischen den Behörden von entscheidender Bedeutung. Nur auf diese Weise können bei sich überschneidenden Beobachtungsfeldern additive Grundrechtseingriffe adäquat beurteilt werden. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass unkoordinierte Ermittlungsmaßnahmen verschiedener Behörden ver1149 Zur grundrechtsschonenden Wirkung paralleler Überwachungsmaßnahmen BGHSt 54, 69, 104 f. Rn. 100. Vgl. auch BVerfGE 109, 279, 323 f.: „Gegebenenfalls ist durch geeignete Vorermittlungen, die den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung unberührt lassen, zu sichern, dass die akustische Wohnraumüberwachung auf verfahrensrelevante Vorgänge in der Wohnung begrenzt bleibt. […] Die gebotene größtmögliche Zurückhaltung ist aber durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen“. 1150 G. Hornung, in: Albers/Weinzierl (Hrsg.), Menschenrechtliche Standards in der Sicherheitspolitik, 2010, S. 65, 71.

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hindert werden müssen.1151 Andernfalls drohen systematisch additive Grundrechtseingriffe, die unter Umständen nicht gerechtfertigt werden können. 2. Prozedurale Sicherungsmechanismen zur Verhinderung unkoordinierter, additiver Überwachungsmaßnahmen Aufgrund der sich überschneidenden Beobachtungsfelder ist eine Abstimmung von Verfassungsschutzämtern und Polizei zwingend geboten.1152 Das Bundesverfassungsgericht hat dafür bereits auf die Strafprozessordnung verwiesen: „Für den Fall, dass neben den Strafverfolgungsinstanzen auch Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendienste ermittelnde Maßnahmen anordnen und vollziehen, hat der Gesetzgeber in § 492 Abs. 4 StPO die Möglichkeit geschaffen, dass grundlegende, den Staatsanwaltschaften zugängliche Verfahrensdaten auch den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst und dem Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellt werden, sofern diesen Behörden ein Auskunftsrecht gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zusteht. Diese Regelung, die in erster Linie der Verfahrensvereinfachung dienen sollte (BT-Drs. 12/6853, S. 37), hat zugleich eine Voraussetzung für die grundrechtssichernde Abstimmung der Ermittlungstätigkeit geschaffen.“1153 Es erscheint jedoch mehr als fraglich, ob die Regelung in § 492 Abs. 4 StPO in Verbindung mit den Verfassungsschutzgesetzen zu einer allseitigen Kenntnis von Ermittlungsmaßnahmen der betreffenden Behörden führt. Diese umfassende Kenntnis wäre allerdings notwendig, da nur das Wissen aller Beteiligten um die Maßnahmen der jeweils anderen eine valide Gesamtabwägung des additiven Grundrechtseingriffs ermöglicht.1154 Insbesondere sticht die Einseitigkeit der Regelung („auf Ersuchen auch an die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, den Militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst übermittelt werden“ – § 492 Abs. 4 S. 1 StPO) ins Auge. Denn die Regelung erlaubt zwar, die Nachrichtendienste über Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden in Kenntnis

1151

BVerfGE 112, 304, Ls. 3. Allgemeiner zur notwendigen Abstimmung von Nachrichtendiensten mit Polizei- und Strafverfolgungsbehörden BVerfGE 112, 304, 320; 141, 220, 280 f. Rn. 130; dazu G. Hornung, in: Albers/Weinzierl (Hrsg.), Menschenrechtliche Standards in der Sicherheitspolitik, 2010, S. 65, 68 f. 1153 BVerfGE 112, 304, 320. 1154 N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 140; G. Hornung, in: Albers/Weinzierl (Hrsg.), Menschenrechtliche Standards in der Sicherheitspolitik, 2010, S. 65, 74. Zu Möglichkeiten der Datenübermittlung zwischen Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten im Allgemeinen und ausführlich M. A. Zöller, in: Roggan/Kutscha (Hrsg.), Handbuch zum Recht der Inneren Sicherheit, 2. Aufl. 2006, S. 447 ff. 1152

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zu setzen, allerdings ist ein entsprechender Informationsfluss in die andere Richtung nicht vorgesehen.1155 Darüber hinaus findet die Datenübermittlung nur auf Ersuchen der Verfassungsschutzämter statt, womit sowohl Anfrage als auch Auskunft im jeweiligen Ermessen der Behörde stehen. Nachdem eine „verantwortliche Prüfung und Feststellung übermäßiger Belastung“ die entscheidende Bedingung ist, um additive Überwachungsmaßnahmen zu rechtfertigen, bleiben an dieser Stelle einige Fragen offen: Sollte, statt beiderseitigem Ermessen, nicht viel eher eine Pflicht zu Regelanfrage vor der Anordnung einer Ermittlungsmaßnahme stehen? In welchem Rangverhältnis stehen die Maßnahmen der jeweiligen Behörden; welche haben im Kollisionsfall Vorrang?1156 Diese Fragen hat der Gesetzgeber zu beantworten, denn ihm hat das Bundesverfassungsgericht aufgetragen, stets die Gesamtheit aller Aufklärungsmaßnahmen kritisch zu beobachten.1157 Diesem Auftrag wird der Gesetzgeber aktuell nicht gerecht.1158 3. Verbleibende Beeinträchtigungen und mögliche Schlussfolgerungen Durch die unzulängliche Regelung der essenziellen Abstimmung bei parallelen Ermittlungen können die potenziellen Beeinträchtigungen nicht überzeugend verhindert werden. Wie die „grundrechtssichernde Abstimmung der Ermittlungstätigkeit“1159 auszugestalten ist, ist bislang noch ungeklärt. Sie sieht sich für den vorliegenden Fall der Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen fundamentaler Kritik ausgesetzt. So wird unter den Stichworten Grundsatz informationeller Gewaltenteilung und (informationelles) Trennungsprinzip angebracht, dass eine umfangreiche Abstimmung der Sicherheitsbehörden – etwa in einem bundesweiten Maßnahmenregister – die Grundrechte der Betroffenen unter Umständen stärker beeinträchtigt denn schont.1160 Dieser Kritik könnte entgegnet werden, dass ein entsprechendes Register auch bei starker Beschränkung hinsichtlich der registrierten Daten seinen Zweck – die Einschätzung, über die Verhältnismäßigkeit einer weiteren Überwachungsmaßnahme zu ermöglichen – erfüllen würde. Neben Daten zur eindeutigen Zuordnung der Person (Name, Geburtsdatum, etc.) müsste das Register 1155 G. Hornung, in: Albers/Weinzierl (Hrsg.), Menschenrechtliche Standards in der Sicherheitspolitik, 2010, S. 65, 74 f. 1156 N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 140; T. Würtenberger, in: FS Schröder, 2012, S. 285, 301. 1157 N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 140a; BVerfGE 125, 260, 324 im Hinblick auf die Befugnis zu anlasslosen Datensammlungen. 1158 Ebenso zweifelnd N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 140a. 1159 BVerfGE 112, 304, 320. 1160 G. Hornung, in: Albers/Weinzierl (Hrsg.), Menschenrechtliche Standards in der Sicherheitspolitik, 2010, S. 65, 80.

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lediglich noch Informationen über die bereits bestehenden Maßnahmen an sich enthalten, nicht aber deren Anlass. Keinesfalls müssten mittels dieser Maßnahmen erhobene Informationen in dem Register geteilt werden. Jedenfalls wären aber umfangreiche Regelungen angezeigt.1161 Bedenkt man allerdings die Stigmatisierung durch die Nennung in einem solchen Register1162 und die gewaltige Missbrauchsgefahr umfassender Datenmengen1163, bleibt die Abstimmung eine nicht vollends überzeugende Lösung. Doch auch ein alternativer Weg scheint möglich. Die sich überschneidenden Beobachtungsfelder sind keinesfalls verfassungsrechtlich vorgegeben und, wie noch zu zeigen sein wird, ebenso wenig zur Erfüllung des staatlichen Sicherheitsauftrags zwingend notwendig. Viel eher lässt sich in der Differenzierung des Bundesverfassungsgerichts in grundsätzlich offen arbeitende Polizei und grundsätzlich verdeckt arbeitende Nachrichtendienste1164 ein prinzipiell komplementäres Verhältnis der Tätigkeiten der Nachrichtendienste, der Polizeien und der Strafverfolgungsbehörden erblicken. Mit der Folge, dass zum einen Kompetenzüberschneidungen zu vermeiden sind und zum anderen der Datenaustausch geregelt werden muss. Auf diese Weise könnte auch die „Überwachungsgesamtbilanz“ grundrechtsschonender ausgestaltet werden.1165 Beispielsweise kann die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus Online-Durchsuchungen davon abhängen, dass zeitgleich weitere heimliche Ermittlungsmaßnahmen gegen den Betroffenen durchgeführt wurden – beispielsweise bedarf es für die Verwertbarkeit von Gesprächen, die zwar vom onlinedurchsuchten Gerät aufgezeichnet, nicht aber auf diesem gespeichert werden, zusätzlich einer angeordneten Wohnraumüberwachung.1166 Hängen nun an der OnlineDurchsuchung zwingend weitere Ermittlungsmaßnahmen, ist eine zulässige Überwachung nur aus einer Hand sinnvoll. Es erscheint kaum vorstellbar, dass zwei gegen eine Person gerichtete Online-Durchsuchungen inklusive anhängender weiterer Ermittlungsmaßnahmen mit Blick auf die Addition schwerster Grundrechtseingriffe noch gerechtfertigt werden könnten.

1161 Ebenso schon G. Kirchhof, NJW 2006, 732, 733: Der „grundrechtliche Schutz fordert eine weit reichende Kommunikation zwischen den zuständigen staatlichen Stellen“. 1162 Zur diesem und weiteren Risiken bezogen auf polizeiliche Datenbanken S. Golla, Der virtuelle Mr. Hyde: Der Fall Amad A. und die Risiken der polizeilichen Informationsordnung, VerfBlog, 2019/9/17, https://verfassungsblog.de/der-virtuelle-mr-hyde/ (abgerufen 30. 11. 2020). 1163 Exemplarisch OLG Bamberg, Beschl. v. 28. 8. 2018 – 2 Ss OWi 949/18, ZD 2019, 465. 1164 BVerfGE 133, 277 Rn. 122. 1165 M. Löffelmann, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag am 21. 3. 2018, 90. Kl., 86. VF, Anlage 3, S. 7. 1166 M. Soiné, NStZ 2018, 497, 504; zur Notwendigkeit weiterer heimlicher Maßnahmen für die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer strafprozessualen Online-Durchsuchung a. a. O., S. 503 f.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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Auch deshalb erscheint ein 2019 getätigter politischer Vorstoß der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen1167 sinnvoll, die Schnittstellen von polizeilicher und nachrichtendienstlicher Gefahrerkennung dahingehend zu effektiveren, dass möglichst klar abgegrenzte Aufgabenbereiche geschaffen werden. Unvermeidbar parallel laufende Eingriffsbefugnisse sind – insbesondere zur Vermeidung additiver Grundrechtseingriffe und der übergreifenden Wahrung der Verhältnismäßigkeit („Überwachungs-Gesamtrechnung“) – mittels Abstimmungsregelungen rechtsstaatlich einzuhegen.1168 In der momentanen Ausgestaltung der Ermittlungsparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern besteht mangels effektiver Koordinierungsmöglichkeiten regelmäßig die Gefahr nicht gerechtfertigter additiver Grundrechtseingriffe.

C. Gebot der Verantwortungsklarheit Die Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern könnte ferner gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verantwortungsklarheit1169 (I. 2.) verstoßen (II.). Das Gebot der Verantwortungsklarheit ist ein maßgeblicher Aspekt des Grundsatzes der ausschließlichen Aufgabenzuordnung (I. 1.), nach dem exklusiv vergebene Aufgaben zu eindeutigen Verantwortungen führen: eine Aufgabe für ein Verwaltungsorgan.

I. Maßstabsbildung Das Gebot der Verantwortungsklarheit ist der für die vorliegende Untersuchung relevante Aspekt des dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Grundsatzes der ausschließlichen Aufgabenzuweisung: Mit unterschiedlichen Aufgaben betraute Verwaltungsentitäten bilden Verantwortungsparzellen, welche allerdings nicht den Blick auf die Verantwortlichkeit des jeweiligen Verantwortungsträgers – der Bund oder das jeweilige Land – verstellen dürfen. Zunächst wird daher das verfassungsrechtliche Fundament des Grundsatzes der ausschließlichen Aufgabenzuweisung bereitet (1.), um in der Folge den konkreten Maßstab, den das Gebot der Verantwortungsklarheit für die Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern bildet, zu fokussieren (2.).

1167 1168 1169

BT-Drs. 19/8700. BT-Drs. 19/8700, S. 8. BVerfGE 119, 331, 378 ff.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

1. Der Grundsatz der ausschließlichen Aufgabenzuweisung: Ein grundlegendes Ordnungsprinzip des Grundgesetzes Die folgenden Absätze behandeln die Frage, wie die Aspekte des Verwaltungsverfassungsrechts1170 – nämlich die grundgesetzliche Kompetenzordnung (a), das Demokratie- (b) und das Rechtsstaatsprinzip (c) – Regelungen für die Verwaltungsorganisation im Allgemeinen und für die Aufgabenzuweisung im Speziellen treffen. a) Grundgesetzliche Kompetenzordnung Die Gewaltenteilung nach dem Grundgesetz äußert sich insbesondere in der Kompetenzverteilung, welche damit sowohl für die Verwaltungsorganisation im Allgemeinen (aa) als auch für den Grundsatz der ausschließlichen Aufgabenzuweisung (bb) von Bedeutung ist. aa) Verwaltungsorganisatorische Bedeutung Die Aufgabenverteilung und die damit eng verbundene Zuständigkeitsaufteilung sind für die Verwaltungsorganisation von herausragender Bedeutung;1171 „die verfassungsrechtliche Zuteilung staatlicher Aufgaben […] [ist] der notwendige Ausgangspunkt der Verwaltungsorganisation“1172. Dies gilt insbesondere, da Behörden oder andere Träger der „vollziehenden Gewalt“ durch ihre Aufgabe bestimmt werden. Denn freiheitsschonendes Staatshandeln setzt stets einen Zweck voraus.1173 Der durch Aufgabennormen vermittelte Handlungszweck leitet die „vollziehende Gewalt“. Die Verwaltungsorganisation prägen daher grundgesetzlich vermittelte Aufträge und Ziele des Staates sowie die Transformationskompetenz, mittels derer aus weiten Aufträgen des Staates engere Verwaltungsaufgaben destilliert werden. Aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung1174 (Art. 20 Abs. 3 GG) handelt es 1170 Eingehend zu diesem Begriff sowie mit umfangreichen weiteren Nachweisen, insbesondere in Fn. 33, F. Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), 187, 195 ff. 1171 Zur Steuerung von Verwaltungsaufgaben durch Organisation S. Baer, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 11 Rn. 38 ff. Zur „Kompetenzverteilung als Determinante der Gestalt einer föderalen Ordnung“ F. Wollenschläger, in: BK GG, 192. Lfg. Aug. 2018, Art. 72, Rn. 142 f. 1172 H. Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 15 Rn. 9. 1173 S. Baer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 11 Rn. 1: „der arbeitende Staat legitimiert sich durch Aufgabenerfüllung und ist kein Selbstzweck.“ 1174 BVerfGE 98, 218, 251: „Dieser Grundsatz verlangt, daß staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen.“, beachte allerdings auch die Warnung vor einem „Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts“ (a. a. O., 251 f.).

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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sich bei der Transformationskompetenz primär um die Gesetzgebungskompetenz. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist daneben die äußerste Grenze für seine Eigenverwaltungskompetenzen.1175 Dies ist eine Verknüpfung dieser beiden Bereiche staatsorganisationsrechtlicher Vorgaben innerhalb des Verwaltungsverfassungsrechts. Somit hält die grundgesetzliche Kompetenzordnung erste Vorgaben für die Verwaltungsorganisation bereit, welche sich am Beispiel der für die vorliegende Untersuchung maßgeblichen Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a und 10 GG sowie Art. 87 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 GG konkretisieren lassen. Das Verhältnis dieser beiden Normen ist bisher noch nicht zweifelsfrei geklärt.1176 Textlicher Inkongruenzen1177 und divergierender systematischer Verortung1178 zum Trotz überzeugt die Ansicht, die aufgrund der inhaltlichen Verflechtung der beiden Bestimmungen in diesen Artikeln einen verschränkten Regelungsbereich sehen möchte1179. Der verschränkte Regelungsinhalt lässt eine strikte Trennung in einen materielle und einen organisatorische Regelungsbefugnis vermittelnden Artikel1180 nicht zu. Vielmehr ergeben sich die Vorgaben des Grundgesetzes in diesem Fall nur in einer Gesamtschau beider Bestimmungen.1181 Dieses – aus dogmatischer Sicht mit Blick auf die systematische Stellung der Normen unbefriedigende – Ergebnis1182 belässt dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum.1183 Es steht dem Gesetzgeber etwa frei, seine Behörde Bundeskriminalpolizeiamt, Bundeskriminalamt oder Bundeskriminalpolizei zu nennen und sie als Zentralstelle für die Kriminalpolizei oder das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen zu errichten. Im Rahmen der Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a, 10 und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG ist der Bundesgesetzgeber flexibel. Entscheidend sind die Grenzen, über die der Bund zum Schutz des föderalen Gefüges nicht hinausgehen darf. 1175 BVerfGE 12, 205, 229; 15, 1, 16; 78, 374, 386; 102, 167, 174. S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 323; K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 92 m. w. N. in Fn. 45. 1176 Siehe nur M. Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 64. Lfg. Januar 2012, Art. 87, Rn. 40, allerdings mit Fokus auf Unklarheiten bezüglich des BKA. 1177 Etwa „Bundeskriminalpolizeiamt“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG), „Kriminalpolizei“ (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. a, Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG) und „Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen“ (Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG). 1178 Art. 73 GG steht im Abschnitt VII. über die Gesetzgebung des Bundes und Art. 87 GG steht im Abschnitt VIII. über die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung. 1179 So auch überzeugend A. Abbühl, Der Aufgabenwandel des Bundeskriminalamtes, 2010, S. 78 ff. 1180 So allerdings M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 844. 1181 B. Becker, DÖV 1978, 551, 553 f.; A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 230 f.; m. w. N. auf diese Ansicht verweisend A. Abbühl, Der Aufgabenwandel des Bundeskriminalamtes, 2010, S. 77; ferner M. Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 64. Lfg. Januar 2012, Art. 87, Rn. 78 f. Kritisch demgegenüber M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 843, angesichts der Gefahr, „dass der Bund die Aufgabe des Verfassungsschutzes in erheblichem Umfang an sich zieht“. 1182 A. Abbühl, Der Aufgabenwandel des Bundeskriminalamtes, 2010, S. 88. 1183 Vgl. S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 325 f.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Für alle in Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a, 10 GG angesprochenen Sachbereiche lässt sich in Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG eine Entsprechung finden und umgekehrt. Einzig für die „Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen“, die keine textliche Entsprechung in Art. 73 GG aufweist, gestaltet sich die Einordnung schwierig, da das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen nicht auf die kriminalpolizeiliche Strafverfolgungstätigkeit beschränkt werden kann, sondern auch den Bereich der Gefahrenabwehr behandelt.1184 Nachdem nun seit 2006 mit Einführung des Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG1185 auch dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz für einen Ausschnitt der Gefahrenabwehr – nämlich die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt – eingeräumt wird, kann eine Kongruenz von Art. 73 und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG leichter begründet werden. Es kann von einer wechselseitigen Begrenzung dahingehend ausgegangen werden, dass die Zentralstelle des Bundes für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen im Rahmen der Gefahrenabwehr auf die Sammlung, Auswertung und Weitergabe von Informationen zu internationalem Terrorismus begrenzt ist. Für eine Konstruktion, wonach sich eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes direkt aus Art. 87 Abs. 1 S. 2 („durch Bundesgesetz können […] Zentralstellen […] eingerichtet werden“) ergibt, besteht keine Notwendigkeit mehr.1186 Unabhängig davon bietet das Verhältnis der Art. 87 Abs. 1 S. 2 und Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG nach recht effektivitätsorientierter Lesart des BVerfG1187 dem Gesetzgeber weiteren Entscheidungsfreiraum. Während Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG für ausgewählte Sachbereiche zur Organisationsform Zentralstelle zwingt, ermöglicht Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG für „Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht“, die Errichtung einer, in Abgrenzung zu den Zentralstellen, nicht auf bloße Koordination beschränkten, selbstständigen Bundesoberbehörde. Angesichts der spezielleren Vorgaben des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG drängt sich eine Vorrangstellung dieses Artikels nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali auf.1188 Dennoch geht das BVerfG von einer parallelen Anwendung aus1189 und erkennt damit die vorliegend relevanten eigenständigen Ermittlungsbefugnisse der Zentralstellen BKA und BfV, mithin deren Tätigwerden als Bundesoberbehörde, an.1190 1184

J. Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 46. Ed. Stand: 15. 2. 2021, Art. 87, Rn. 25; M. Sachs, in: ders., GG, 8. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 41. 1185 Durch Art. 1 Nr. 6 lit. a, cc Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. 8. 2006, BGBl. I, S. 2034. 1186 So allerdings noch A. Abbühl, Der Aufgabenwandel des Bundeskriminalamtes, 2010, S. 87 mit dem gleichwohl richtigen Hinweis auf die besondere Funktion des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes. 1187 BVerfGE 110, 33, 50 f. 1188 S. Tanneberger, Die Sicherheitsverfassung, 2014, S. 325. 1189 BVerfGE 110, 33, 50 ff. 1190 Dafür K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 107 ff. Dagegen B. Pieroth, in: Jarass/ders., GG, 15. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 7, 5; M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 844.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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bb) Bedeutung für die Aufgabenzuweisung Die Frage nach den Aufgaben der Verfassungsschutzämter im föderalen Zusammenspiel, aber auch in Beziehung zur Polizei, hängt wesentlich von der Zuständigkeitsordnung ab.1191 Die Organisation der Verwaltung, verstanden als Wirkeinheit zur Ausrichtung auf ein bestimmtes Ziel, „wird durch ein System von Rechtsregeln konstituiert, mit denen die Rechtsträger und Organe sowie ihre Kompetenzen festgelegt werden.“1192 Damit bestimmt der nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung Gesetzgebungsbefugte maßgeblich die Organisation der Verwaltung, nämlich der Gesetzgeber mittels organisationsbezogenen Parlamentsgesetzen.1193 Die Zuständigkeit stellt daher das „Junktim zwischen Aufgabe und Organisation“ her.1194 Durch Parlamentsgesetze vermittelt der Gesetzgeber seine Zuständigkeit auf die Verwaltung hin weiter. Die ihm zur Regelung überlassenen Aufgaben müssen einem bestimmten staatlichen Herrschaftsträger zur Erfüllung überantwortet werden.1195 Allerdings kann den Gesetzgebungskompetenzen noch keine Aussage entnommen werden, ob die zu regelnden Aufgaben exakt einem Verwaltungssubjekt zur Ausführung übertragen werden müssen. Die Verwaltungskompetenzen des Grundgesetzes beschränken den jeweiligen Kompetenzträger nicht darauf, bestimmte Aufgaben allein einer Behörde zuzuweisen. In Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG werden beispielsweise mehrere Verwaltungsbereiche alternativ nebeneinandergestellt. Eine Hierarchie wird nicht vorgegeben. Diese offenen Regelungen zeugen davon, dass „dem Träger der Organisationsgewalt ei[n] beachtliche[r] Gestaltungsrahmen“ verbleibt.1196 Gleichwohl zeichnen verfassungsrechtliche Vorgaben die Grenzen vor, indem „bestimmte organisationsrechtliche Gestaltungen schlechthin“ verboten oder geboten sind.1197 Die Bewertung, 1191

M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 844. T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 5. 1193 T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 5: „Die Grundzüge der Struktur der Bundesrepublik wie die föderale Ordnung und die Gewaltengliederung sind bereits durch die Verfassungen von Bund und Ländern vorgegeben. Die nähere Ausformung erfolgt durch Gesetze sowie bei der detaillierten Ausdifferenzierung der Teileinheiten auch durch verwaltungsinterne Normen“; F. Wollenschläger, in: BK GG, 192. Lfg. Aug. 2018, Art. 72, Rn. 142 f. 1194 E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, 5. Kap. Rn. 17; M. Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 42. Vgl. ferner zur Ordnungsfunktion der Zuständigkeit, J. Isensee, ZBR 2004, 3, 3. 1195 A. Berger, VerwArch 2009, 342, 349: „Zuständigkeitsrechtssätze verpflichten ein bestimmtes staatliches Rechtssubjekt dazu, bestimmte Aufgaben zu erfüllen“; W. Kluth, in: Wolff/ Bachof/Stober/ders. (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 83 Rn. 1. 1196 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 46 f. 1197 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 46. 1192

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ob der Organisationsträger innerhalb der ihm gesteckten Grenzen gehandelt hat, bedarf einer „Gesamtbewertung aller Gestaltungselemente“.1198 Mithin kann der grundgesetzlichen Kompetenzordnung noch keine abschließende Aussage hinsichtlich eines Grundsatzes ausschließlicher Aufgabenzuweisung entnommen werden.1199 Dafür bestimmt die Kompetenzordnung den Adressat des besagten Grundsatzes, nämlich den Träger der Organisationgewalt. b) Demokratieprinzip Daneben hält namentlich das Demokratieprinzip im Hinblick auf die Legitimation exekutiven Handelns insofern Vorgaben zur Verwaltungsorganisation im Allgemeinen bereit,1200 als durch die Organisation ein hinreichendes Maß an demokratischer Legitimation vermittelt werden muss.1201 Ein weiterer Aspekt des Demokratieprinzips ist die Frage nach der Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen. Eine solche Akzeptanz wird bei den Betroffenen bestenfalls durch deren Beteiligung, die Transparenz von Entscheidungs- und Organisationsstrukturen sowie die Öffentlichkeit der Verwaltung hergestellt.1202 Der Gesetzgeber als Organisationsgeber hat dabei einen beträchtlichen, aber keinen grenzenlosen Gestaltungsspielraum. Er hat einen Rahmen zu formen, innerhalb dessen ein hinreichendes Legitimationsniveau entstehen kann.1203 Das Demokratieprinzip ist mit seiner Rückbindung an die Menschenwürde1204 ein, zur steten Optimierung anhaltendes, Verfassungsprinzip von höchstem Gewicht. Es ist eine Staatszielbestimmung1205, die unablässig auf ein möglichst hohes Maß an staatsbürgerlichen Mitwirkungsrechten drängt.1206 Das Demokratieprinzip wirkt 1198 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 46 f. 1199 Gegen „die Annahme, der Begriff der Zuständigkeit schließe die Vorstellung ein, daß lediglich ein Träger tätig werde“, J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1123; siehe aber auch M. Morlok, DVBl. 1989, 1147, 1147 f. und auf diesen Bezug nehmend F. Erlenkämper, NVwZ 1991, 325, 328. 1200 Insbesondere geprägt durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. H. Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 15 Rn. 6a, 59 ff. 1201 Eingehend dazu im Kontext des europäischen Verbunds der Datenschutzkontrollstellen C. Kibler, Datenschutzaufsichtsverbund, 2021, S. 375 ff. 1202 Dazu eingehend bereits T. Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, 1996, insbesondere S. 80 ff., S. 98 ff. 1203 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 40. 1204 P. M. Huber, Jura 1998, 505, 507; P. Kirchhof, in: FS Badura, 2004, S. 237, 238. 1205 BVerfG, NVwZ 2003, 974, 976. 1206 BVerfGE 5, 85, 204 f.; P. M. Huber, Volksgesetzgebung und Ewigkeitsgarantie, 2003, S. 28 ff.; ders., Deutschland in der Föderalismusfalle?, 2003, S. 17 f. A. A. C. Hillgruber, AöR 2002, 460, 469; J. Isensee, Verfassungsreferendum mit einfacher Mehrheit, 1999, S. 53.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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ubiquitär1207 und enthält deshalb Maßstäbe für die gesamte Breite des Bürger-StaatVerhältnisses, insbesondere für den vorliegend interessierenden Umgang mit Verflechtungen über föderale Grenzen hinweg.1208 Das Verwaltungsorganisationsrecht seinerseits wirkt nach Interpretation der Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft1209 auf Kommunikations- und Handlungsvorgänge innerhalb von Behörden ein1210 und formt in der Folge Verfahren und Inhalt behördlicher Entscheidungen.1211 Durch diese Verbindung werden die Möglichkeiten des Organisationsrechts, auf ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau hinzuwirken, offenkundig.1212 Ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau ist auch eine bedeutende Vorgabe für die Aufgabengestaltung. Weil die Staatsgewalt, nach Art. 20 Abs. 2 GG vom Volk ausgehend, – neben anderen – durch besondere Organe der Gesetzgebung ausgeübt wird, wirken die die Verwaltung gesetzlich bindenden Aufgabennormen legitimationsstiftend.1213 Demzufolge verlangt das Demokratieprinzip auch, jede hoheitliche Entscheidung auf einen konkreten Aufgabentatbestand zurückzuführen.1214 Die Verwaltungsverantwortung bezieht sich mithin stets nur auf den kompetenziell zugeschnittenen einzelnen Zuständigkeitsbereich.1215 Damit ist Verantwortung auch als „Kehrseite der Kompetenz“ zu begreifen.1216 Darüber hinaus verlangt der materielle Gehalt des Wahlrechts (Art. 38 Abs. 1 GG) als wesentlicher Bestandteil des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG), dass dem Souverän „mit der Wahl des Bundestages [und der Landtage die Möglichkeit gewährt wird,] die Grundlinien der Politik in Deutschland […] entscheidend [zu]

1207

P. M. Huber, Deutschland in der Föderalismusfalle?, 2003, S. 18. P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 38 f. 1209 Dazu eingehend A. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ders. (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 1. 1210 H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 249, 256. 1211 E.-H. Ritter, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 207, 207 f.; H.-H. Trute, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 249, 260. 1212 J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 188 f. 1213 Siehe für normative Vorprägung der Entscheidung als Kompensation für geschwächte Legitimation bei langen „Kette[n] vermittelnder Wahl- und Ernennungsakte zwischen dem Volk und einem Amtsträger“ M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 17 f. 1214 A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 101 unter Verweis auf U. Di Fabio, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 27 Rn. 41. 1215 J. Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S. 47. 1216 M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 16; ferner H. C. Röhl, DV Beiheft 2, 1999, S. 33, 40 f.; M. Wehr, Inzidente Normverwerfung, 1998, S. 157 m. w. N. 1208

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beeinfluss[en]“.1217 Dieser Gestaltungskraft des Souveräns folgt in der repräsentativen Demokratie zwingend auch eine Verantwortlichkeit des Parlaments dem Souverän gegenüber, um eine Nachkontrolle zu ermöglichen.1218 Jegliches Staatshandeln muss in erkennbarer Art und Weise an den Souverän rückgebunden sein. Dem Bürger muss die Verantwortlichkeit ihn betreffender Maßnahmen offengelegt werden, sodass er seine souveräne Gestaltungsmacht, gegebenenfalls „durch Vergabe oder Entzug der Wählerstimme“ ausüben kann.1219 Das Demokratieprinzip fordert demnach eine Zurechenbarkeit politischer Verantwortung.1220 Legitimationsvermittlung durch den Souverän und Verantwortung ihm gegenüber fließen in entgegengesetzten Richtungen in parallel verlaufenden Kanälen.1221 Der überkommene, klassische Pfad führt entlang linearer Legitimations- und Verantwortungsketten innerhalb einer hierarchischen Struktur.1222 Allerdings sind zunehmend auch weitere Verbindungsmodi von Souverän und staatlicher Gewaltausübung anerkannt. Aus „verfassungsrechtlicher Sicht ist […] nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns entscheidend, sondern deren Effektivität; notwendig ist ein bestimmtes Legitimationsniveau“1223. Die Bedeutung der grundsätzlichen Ausschließlichkeit der Aufgabenzuweisung für das Demokratieprinzip ergibt sich aus den Herausforderungen, die verflochtene Verfahrensstrukturen für die Verantwortlichkeitszuweisung darstellen. Verflochtene Verfahrensstrukturen – nämlich die Beteiligung von Behörden des einen Verwaltungsträgers an Verwaltungsentscheidungen des anderen Verwaltungsträgers – sind eine Folge paralleler Aufgabenzuweisungen. Wo dieselbe Aufgabe zu 1217 P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 35. Vgl. auch BVerfGE 89, 155, 186. Jüngere Überlegungen stellen der demokratischen Legitimation den auf den für die gelebte Demokratie wesentlichen Grundrechten (insb. Art. 5 Abs. 1, Art. 8, Art. 9 Abs. 1 GG) abgestützten Gedanken der Partizipation zur Seite, dazu eingehend J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 194 ff. 1218 Der Begriff der Verantwortung wird in der vorliegenden Untersuchung lediglich in seiner Verteilung auf verschiedene staatliche Organe virulent. Aus der reichhaltigen Literatur zur Verantwortungsverteilung zwischen Staat und Privaten vgl. nur J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 397 ff.; Beiträge in G. F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, 1999. 1219 BVerfGE 119, 331, 366. 1220 R. Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 30 f.; P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 36; W. Brohm, DÖV 1983, 525. Zur Verantwortung der Abgeordneten für die Gesetzgebung P. Kirchhof, in: FS Badura, 2004, S. 237, 250. 1221 So jedenfalls in einem parlamentsmonistischen Legitimationsmodell; dazu und zur demokratischen Verantwortung im pluralistischen Legitimationsmodell J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 207 ff. 1222 BVerfGE 119, 331, 366; 47, 253, 275; 52, 95, 130; 77, 1, 40; 83, 60, 72 f.; 93, 37, 66 ff. Zur Notwendigkeit transparenter, klarer Verantwortungszuweisung, allerdings im europäischen Kontext K.-P. Sommermann, in: Bauer/Huber/ders. (Hrsg.), Demokratie in Europa, 2005, S. 191, 220 f.; G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2004, S. 241 f.; vgl. auch E. Schmidt-Aßmann, in: Liber Amicorum Peter Häberle, 2004, S. 395, 403 f. 1223 BVerfGE 119, 331, 366; 83, 60, 72; 93, 37, 67. Zu verschiedenen Legitimationsmodellen J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 197 ff.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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erfüllen ist, liegt eine enge Kooperation nahe. Nachdem solche Verfahrensbeteiligungen, insbesondere wenn sie den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern verborgen bleiben, die demokratische Verantwortungszurechnung erschweren (aa), bieten ausschließliche Aufgabenzuweisungen mit Blick auf das Demokratieprinzip einen Gewinn (bb). aa) Verflochtene Verfahrensbeteiligungen als legitimatorische Herausforderung auch auf behördlicher Ebene Die Verflechtung von Entscheidungszuständigkeiten über die Grenzen verschiedener Rechtsregime – etwa Bundes und Länderebene – erschweren die Zurechenbarkeit politischer Verantwortung.1224 Ebendiese politische Verantwortlichkeit ist jedoch ein Grundprinzip des Parlamentarismus, das in seiner konkreten Ausformung und Anwendung „in unterschiedlichen Bezügen in unterschiedlicher Weise wirksam werden“ kann.1225 Dementsprechend verlangt das Demokratieprinzip nach einer klaren Verantwortungsteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie einer Entflechtung der Verwaltungszuständigkeiten.1226 Dieser Befund wirkt, nachdem das Demokratieprinzip eine durchgehende Legitimation bis zum letztlich handelnden Verwaltungsorgan verlangt, bis hinunter auf die Ebene der Behörden. Es stellen sich mithin auf der kleinteiligen Ebene der einzelnen, mit staatlichen Aufgaben betrauten Organe dieselben Fragen wie auf den darüber gelagerten Hierarchieebenen.1227 Es muss auch hier einen durchgehenden Fluss aus Legitimation und Verantwortlichkeit geben. Verschachtelte Handlungsbeiträge – wie nachrichtendienstliche Informationsvorsorge für polizeiliche Gefahrenabwehr – verkomplizieren die Zurechnung von Verantwortlichkeiten. Dies gilt umso stärker, wenn – wie bei nachrichtendienstlichen Beiträgen ohne Weiteres denkbar – Vorfeldbeiträge im Verborgenen bleiben. Die Zurechnung der politischen Verantwortlichkeit ist nicht möglich, wenn die Beteiligungsbeiträge – etwa bei einer durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Informationen angestoßenen landespolizeilichen unmittelbaren Gefahrenabwehrmaßnahme – dem Betroffenen nicht offengelegt werden. Aus dem Demokratieprinzip kann daher für parallele Aufgabenzuweisungen die Vorgabe abgeleitet werden, die Beteiligungsbeiträge der einzelnen Verwaltungsorgane hinreichend und transparent zu dokumentieren. Die Identifikation des jeweils Handelnden als Endpunkt der Legitimationskette muss möglich sein. Beharrt man jedoch auf dem als unumgänglich pro-

1224

R. Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 30 f.; P. Kirchhof, in: FS Badura, 2004, S. 237, 250 f.; P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 36. 1225 R. Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 31. 1226 P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 36 f. 1227 Vgl. M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 20; P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 36 f.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

klamierten1228, partiellen Arkanbereich der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter, stellt die Notwendigkeit hinreichender demokratischer Legitimation sowie damit einhergehender notwendiger Verantwortungsklarheit und -transparenz hohe Hürden an deren Einbindung in polizeiliche Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung: Die Beteiligung der Verfassungsschutzämter muss dokumentiert und dem Betroffenen mitgeteilt werden. bb) Die ausschließliche Aufgabenzuweisung als Gewinn für demokratische Verantwortungszusammenhänge Angesichts der eben erörterten Vorgaben stärken eine Entflechtung der Zuständigkeiten, Verfahren und Verantwortungen sowie mehr Transparenz in den Entscheidungsverfahren die demokratische Legitimation. Solche Vorhaben sind „nicht nur ein rechtspolitisches Anliegen, sondern verfassungsrechtlich legitimiert, wenn nicht indiziert.“1229 Ausschließliche Aufgabenverteilung erleichtert es, bei Verwaltungshandeln eindeutige Legitimationsketten zu bilden, da eine verborgene Beteiligung anderer Behörden unwahrscheinlicher wird. Die Verbindung von der dem Bürger gegenübertretenden Behörde und dem dahinterstehenden Verwaltungsträger, der in Wahlen zur Verantwortung gezogen werden kann, wird ohne Weiteres transparent. Werden Behörden unterschiedlicher Verwaltungsträger mit derselben Aufgabe befasst, sind Kooperationen mit Blick auf die rechtsstaatlich geforderte Verwaltungseffizienz naheliegend. Finden solche Kooperationen nun im Verborgenen statt – wird etwa eine Bundesbehörde in der Phase der Entscheidungsfindung beteiligt und tritt dem Bürger mit dem Entscheidungsergebnis jedoch nur die letztlich handelnde Landesbehörde gegenüber – kann der Betroffene ohne Kenntnis der Beteiligung keinen hinreichenden Verantwortungszusammenhang bilden. Parallele Aufgabenzuweisung und verwobene Beteiligungen mehrerer Verwaltungsorgane sollten daher den Ausnahmefall bilden, der mit erhöhten Dokumentations- und Transparenzpflichten einhergehen muss.

1228

Siehe nur BVerfGE 107, 339, 391 f. – Sondervotum Sommer, Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff. 1229 So, wenn auch allgemeiner für föderale Verbundstrukturen P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 40. A. A. – kein aus dem Demokratieprinzip abgeleitetes Gebot ausschließlicher Zuständigkeiten – J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1126 f.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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c) Rechtsstaatsprinzip Das Rechtsstaatsprinzip ist partiell in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG verankert1230, ferner in Art. 28 Abs. 1 S. 1 und Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG ausdrücklich erwähnt und ergibt sich ansonsten aus Art. 1 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 sowie der „Gesamtkonzeption des Grundgesetzes“1231.1232 Dieses grundlegende Staatsprinzip bedarf zwar der Konkretisierung im Kontext der jeweiligen sachlichen Gegebenheiten, verlangt aber jedenfalls, dass „fundamentale Elemente des Rechtsstaates und die Rechtsstaatlichkeit [in ihrer Gesamtheit] gewahrt bleiben“.1233 Für die Organisation der Verwaltung gewinnt das Rechtsstaatsprinzip über die darauf gestützten Grundsätze des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes1234 entscheidende Bedeutung.1235 Hierin liegt auch die engmaschige Verflechtung von Rechtsstaatsprinzip und der bereits erwähnten Kompetenzordnung. Dieser grundgesetzliche Auftrag, die maßgeblichen Entscheidungen für die Verwaltung, insbesondere auch deren Organisation, dem demokratisch direkt legitimierten Gesetzgeber vorzubehalten,1236 verbindet somit die drei Stränge des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips sowie der Kompetenzordnung. Darüber hinaus sind die Effektivität von Organisationen in den Organisationswissenschaften von herausgehobener Bedeutung.1237 Unter Effektivität wird vorliegend der Grad, in dem eine Organisationseinheit die ihr vorgegebenen Ziele durch 1230

S. Huster/J. Rux, Epping/Hillgruber BeckOK Grundgesetz, 46. Ed. Stand: 15. 2. 2021, Art. 20, Rn. 140. 1231 BVerfGE 45, 187, 246. 1232 S. Huster/J. Rux, Epping/Hillgruber BeckOK Grundgesetz, 46. Ed. Stand: 15. 2. 2021, Art. 20, Rn. 142.1; J. Kersten, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 73. Lfg. Dezember 2014, Art. 102, Rn. 28. 1233 BVerfGE 65, 283, 290; mit variierendem Wortlaut ständige Rechtsprechung: E 7, 89, 92 f.; 25, 269, 290; 57, 250, 276; 74, 129, 152; 90, 60, 86. 1234 Hinsichtlich des Vorbehalts des Gesetzes BVerfGE 40, 237, 248. Neben Art. 20 Abs. 3 GG wird der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes mit weiteren Referenzen im Grundgesetz, etwa in Art. 5 Abs. 2 oder Art. 8 Abs. 2 GG, begründet oder von Teilen der Literatur (D. Ehlers, in: ders./Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2016, § 2 Rn. 42 m. w. N.; H. Maurer/C. Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. 2020, § 6 Rn. 4, 6) aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet. 1235 F. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 9 Rn. 23 ff., 73 ff. 1236 Zur sog. „Wesentlichkeitstheorie“ des Bundesverfassungsgerichts und der Kritik daran F. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 9 Rn. 47 ff. 1237 R. Poscher, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 8 Rn. 28; W. Hoffmann-Riem, in: ders./SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 10 Rn. 32. Kritisch mit Blick auf die Steuerbarkeit der Verwaltung K. F. Gärditz, in: Burgi (Hrsg.), Zur Lage der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 105, 127 ff. Vgl. ferner C. Scholz, ,Effektivität und Effizienz, organisatorische‘, in: Frese (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl. 1992, Sp. 533 ff.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

ihre Leistung erreicht bzw. erreichen kann, verstanden.1238 Die „Grundlage [des Effektivitätsgebots] ist das Rechtsstaatsprinzip, das Rationalität staatlichen Entscheidens verlangt. Rationalität setzt [wiederum] eine leistungsfähige staatliche Organisation voraus.“1239 Das Effektivitätsgebot gewinnt Klarheit und Handhabbarkeit durch seinen Bezug auf andere Verfassungsziele.1240 Als aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitetes Gebot genießt es Verfassungsrang und kann damit bei organisationsrelevanten Abwägungsentscheidungen gegenüber anderen verfassungsrechtlichen Positionen in Ansatz gebracht werden.1241 Das Rechtsstaatsprinzip bildet, allgemein formuliert, die materielle Anleitung zu rationalem Staatshandeln.1242 Eine zeitnahe und sachangemessene, mithin effektive Erledigung1243 erfordert neben aufgabengerechter Organisation klare Zuständigkeiten, da andernfalls ineffiziente, im schlechtesten Fall hinderliche, Aufgabendoppelungen drohen. Die Staatsstrukturprinzipien des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips treten, – mit Überlappungen – sowohl „als unmittelbar geltender rechtlicher Maßstab für Organisationsentscheidungen[, als auch] als Anleitung für den einfachen Gesetzgeber“1244, neben die Einzelbestimmungen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung. Darüber hinaus enthält das Rechtsstaatsprinzip – insbesondere das daraus gewonnene Gebot der größtmöglichen Effektivität der Verwaltung – Vorgaben für die Aufgabenverteilung, spezifischer für die Rechtmäßigkeit paralleler Behördenzuständigkeiten. Das Rechtsstaatsprinzip fordert eine rational agierende, auf effektive Aufgabenerledigung ausgerichtete und entsprechend organisierte Verwaltung.1245 Eine sinnvolle Verwaltungsorganisation ordnet entsprechende Aufgaben den dazu am 1238 So auch das Effektivitätsverständnis nach E. Schmidt-Aßmann, in: ders./HoffmannRiem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 40. Dazu auch 3. Teil Kap. 2 A. (S. 276). 1239 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 40. 1240 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 41. 1241 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 41. 1242 H. Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 15 Rn. 6a, 54 ff. 1243 Zu dahingehender Notwendigkeit E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 79; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 824; referierend K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, 1997, S. 143 ff. Zum Zeitfaktor eingehend E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, 2. Kap. Rn. 30 f. 1244 H. Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 15 Rn. 53. 1245 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 40.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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besten passenden Organisationsformen zu.1246 Das „Wie“ der Organisation richtet sich konsequenterweise auch primär nach Effektivitätsgesichtspunkten. Im Verhältnis von Polizei und Verfassungsschutzämtern ist die nachrichtendienstliche Informationserhebung dem polizeilichen Gefahrenabwehreingriff oder der staatsanwaltschaftlichen Verfahrenseröffnung in der Regel zeitlich vorgelagert.1247 Diese Abfolge legt ein Übergewicht nachrichtendienstlicher Informationsübermittlung in Richtung der Polizei und Strafverfolgungsbehörden nahe. Ein Einfluss dieses Ungleichgewichts auf die grundsätzliche Informationsbeziehung dieser Behörden ist damit jedoch nicht zwangsläufig verbunden. Nachdem den Sicherheitsbehörden im Umgang mit dem NSU „Organisationsmängel bis hin zum Organisationsversagen bei Behörden von Bund und Ländern“ attestiert wurden1248, konzentrierte sich der Versuch, diese Mängel zu kurieren, reflexartig darauf, „die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden weiter zu verbessern“.1249 Als ein zentraler Baustein wurde am 15. 11. 2012 das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) eröffnet, das über 30 Behörden eine gemeinsame Kommunikationsplattform bietet.1250 Jedenfalls in diesem Themenkomplex hat der Gesetzgeber die Frage nach der Gewichtung etwaiger Kooperationsgewinne1251 gegenüber den Gefahren von Effektivitätsverlusten, die durch Multiplikation von Entscheidungsstrukturen, Unterteilung von Kompetenzen und Verwischung von Amtsverantwortung drohen1252,1253 zugunsten ersterer entschieden. In dieser Bewertung folgt der Gesetzgeber der in Deutschland tief verwurzelten Verwaltungstradition der kleinteiligen Parzellierung staatlicher Macht.1254 Denn anstatt zu versuchen, die Organisationsmängel durch Entschlackung der Zuständigkeitsverteilung zu beheben, hält der Gesetzgeber an der vorhanden Behördendifferenzierung fest. 1246 Zur entsprechenden Typisierung vgl. R. Wahl, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schuppert (Hrsg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 177 ff. 1247 Dazu bereits 2. Teil Kap. 2 E. V. (S. 149 ff.). 1248 Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 832. 1249 BT-Drs. 18/4654. 1250 Zum GETZ siehe https://www.verfassungsschutz.de/de/das-bfv/getz (abgerufen: 30. 11. 2019): Das GETZ wurde dem Vorbild des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) nachgebildet und befasst sich mit den Phänomenbereichen des Rechts-, Links- und Ausländerextremismus/-terrorismus sowie der Spionageabwehr einschließlich proliferationsrelevanter Aspekte. Zum GTAZ siehe Wissenschaftliche Dienste des deutschen Bundestages, Sachstand Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ), WD 3 – 3000 – 406/18, S. 5: Das 2004 eingerichtete GTAZ befasst sich mit der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. 1251 P. Kichhof, in: Isensee/ders.(Hrsg.), HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 99, Rn. 159, zur Kooperation des Staates mit Privaten. 1252 P. Kichhof, in: Isensee/ders.(Hrsg.), HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 99, Rn. 77 f. 1253 J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 184. 1254 J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 185, welcher außerdem die Bedeutung kultureller Aspekte für die Verwaltungsorganisation gegenüber rein ökonomischen Einflüssen hervorhebt.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Aus den im NSU-Komplex offenbarten Mängeln könnte allerdings auch eine andere Lektion gezogen werden: Nämlich, dass paralleles Ermitteln von Sicherheitsbehörden mit unterschiedlichen kurzfristigen Ermittlungszwecken der effektiven Zielerreichung eines gemeinsamen Langfristziels hinderlich ist. Die erhöhten Kooperationsbedarf hervorrufende Parallelität von Aufgaben ist daher zumindest nicht in jedem Fall im Sinne einer möglichst effektiven Verwaltung.1255 d) Konsolidierung eines verfassungsrechtlichen Grundsatzes ausschließlicher Aufgabenzuordnung Zusammenfassend bilden also die grundgesetzliche Kompetenzordnung, die demokratische Verpflichtung zu hinreichender Legitimation und, aus der rechtsstaatlichen Rationalität folgende, Effektivitätsgebote die prägenden Koordinaten des Verwaltungsverfassungsrechts für die Organisation der Verwaltung. Der Zusammenschau der organisationsbezogenen Vorgaben des Verwaltungsverfassungsrechts lässt sich hinsichtlich der Aufgabenverteilung, insbesondere bezogen auf die Zuständigkeitszuordnung auf behördlicher Ebene, ein Grundsatz ausschließlicher Aufgabenzuordnung entnehmen.1256 Bereits ein kurzer Blick in die Geschichte1257 zeigt die Bedeutung klarer Verantwortungsstrukturen einerseits und aufgabenbezogener Effektivität andererseits als Zielkoordinaten verwaltungsorganisationsrechtlicher Reformen.1258 Aufgrund dieser Ziele gilt die monokratische Hierarchiestruktur „[s]eit den Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts […] als Normaltyp des Verwaltungsapparates.“1259 Diese Struktur führt in der Konsequenz dazu, dass jedem Amtsträger genau eine

1255 Ein Gebot ausschließlicher Zuständigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip allerdings ablehnend J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1127 ff. 1256 So A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 111; W. Brohm, DÖV 1983, 525; J. H. Klement, Verantwortung, 2006, S. 279; W. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/ders. (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 83 Rn. 5; F. E. Schnapp, VVDStRL 43 (1985), 172, 186 f.; C. Ohler, BayVBl. 2002, 326, 326 f.; R. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 293 f. A. A. – insbesondere bei der Verwaltung ließe das Grundgesetz „andere Lösungen zu als die ausschließliche Zuständigkeit“ – J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1134. Ein Verbot von Mehrfachzuständigkeiten ablehnend H. A. Wolff, in: FS Schünemann, 2014, 843, 850 f., womit allerdings keine Aussage hinsichtlich des Grundsatzes ausschließlicher Aufgabenzuordnung getroffen wird. 1257 Vgl. für die effizienz- und hierarchieorientierte Neuordnung der Verwaltungsorganisation in Preußen K. v. Altenstein, in: Winter (Hrsg.), Die Reorganisation des Preußischen Staates unter Stein und Hadenberg, Erster Teil, Bd. 1, 1931, S. 364, 520 f. 1258 T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 15. 1259 T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 49.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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Aufgabe obliegt.1260 Behörden können als Organisation mehrerer Ämter, mehrere Aufgaben erfüllen1261; parallele Zuständigkeiten mehrerer Amtsträger für eine Aufgabe sind demgegenüber in dieser Struktur die Ausnahme. Sowohl die Polizei1262 als auch die Verfassungsschutzämter1263 sind in die derart hierarchisch-monokratisch organisierte Verwaltung eingebaut. Doch stößt das Modell der monokratischen Struktur angesichts stetig wachsender zu bearbeitender Datenmengen an seine faktischen Grenzen. Soll die jeweils übergeordnete Stelle Sach- und Fachkenntnis in allen Themen haben, die von den ihr untergeordneten Amtswaltern bearbeitet werden, werden die Unzulänglichkeiten des Systems offenkundig.1264 Eine Überlastung der übergeordneten Stellen droht. Eine inhaltlich fundierte Aufsicht wird umso schwerer, umso breiter die Inhalte sind, auf die sich die Aufsicht beziehen soll. Aufgabennormen – in einem rechtsformenübergreifenden Verständnis als Zuordnung eines Erledigungsauftrags sowie einer Zielvorgabe zu einem Träger hoheitlicher Gewalt – sind die zentralen Ordnungsvorgaben der Staatsverwaltung.1265 Ein Aspekt des Prinzips der ausschließlichen Aufgabenordnung ist der der Subjektsdefinition. Staatliche Verwaltungssubjekte werden einzig durch ihre Aufgabe definiert. Nur eine ausschließliche Aufgabengestaltung ermöglicht es, unterscheidbare rechtliche Identitäten zu schaffen. Sowohl eine hinreichende demokratische Legitimation als auch eine klare, rationale und effektive Verwaltung lassen sich über die Eigenständigkeit staatlicher Verwaltungsbehörden einfacher erreichen. Deshalb folgt insbesondere aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip die Notwendigkeit klar erkennbarer und definierter Verwaltungsbehörden.1266 Der Grundsatz der ausschließlichen Aufgabenzuordnung verfolgt daher das Ziel, „die eine sachangemessene Aufgabenwahrnehmung gerade durch das jeweils bestimmte 1260 T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 50. 1261 T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 86: „Oberbehörden sind den Ministerien hierarchisch nachgeordnet, aber für das gesamte Gebiet eines Verwaltungsträgers zuständig, d. h. sie haben selbst keinen Unterbau. Sie erfüllen einzelne fachliche Aufgaben, wie etwa das Bundeskartellamt, sie können aber auch für eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgabe zuständig sein, wie das Bundesverwaltungsamt.“ 1262 Z. B. Art. 1 Abs. 3 S. 2 BayPOG; § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 Nr. 2 BKAG. 1263 Z. B. § 2 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG. 1264 T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 51; H.-H. Trute, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 40. 1265 T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 81: „Die Binnenstruktur der Staatsverwaltung wird durch Organisationsregelungen gebildet, die nur zum Teil in Gesetzesform, im Übrigen durch Exekutivakte ergehen.“ 1266 Vgl. A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 110 f.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Zuständigkeitssubjekt“ sicherzustellen.1267 Die Unterscheidbarkeit von Hoheitsträgern soll gewährleistet sein. Zwar ermöglicht die Verfassung auch behördenübergreifende Zusammenarbeit, wie etwa Art. 35 Abs. 1 GG zeigt. Dennoch kann ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen ausschließlicher und geteilter Aufgabenzuordnung ausgemacht werden; gerade im Fall der Amtshilfe bleiben die Aufgabenbereiche getrennt1268. Folglich müssen Aufgabennormen in der Regel strikt, in Abgrenzung zu den Aufgabenbereichen anderer Behörden ausgelegt werden und Abweichungen von der grundsätzlichen Aufgabentrennung bedürfen einer besonderen Begründung. Der Grundsatz ausschließlicher Aufgabenverantwortung staatlicher Verwaltung verpflichtet den Gesetzgeber, die Aufgabenordnung dahingehend auszugestalten, dass Aufgaben grundsätzlich ausschließlich einem staatlichen Aufgabenträger zugeordnet sind.1269 Die organisationsverfassungsrechtliche Grenze sachwidriger Doppelzuständigkeit wäre erreicht, würde eine identische Aufgabe zwar durch zwei organisatorisch getrennte Behörden, jedoch mit identischen Mitteln ausgeführt.1270 2. Verfassungsrechtliche Verankerung und Reichweite des Gebots der Verantwortungsklarheit Der Verfassungsrang des Gebots der Verantwortungsklarheit wurde vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung bestätigt.1271 Das Gebot lässt sich als Ausfluss des Grundsatzes der ausschließlichen Aufgabenzuweisung ebenfalls sowohl auf rechtsstaatliche (a) und demokratische (b) Grundsätze als auch auf die bundesstaatliche Kompetenzverteilung (c) stützen. Im Folgenden werden daher lediglich die für die Verantwortungsklarheit maßgeblichen Aspekte hervorgehoben. a) Verantwortungsklarheit im Rechtsstaat Eine erste Quelle des Gebots der Verantwortungsklarheit ist das Rechtsstaatsprinzip.1272 Aus diesem fundamentalen Staatsprinzip wird – neben der Effektivi-

1267

M. w. N. A. Berger, VerwArch 2009, 342, 358 f. Vgl. H. Bauer, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 35 GG, Rn. 19; T. Hebeler, JA 2019, 881, 882. 1269 A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 4 f. 1270 M. Bäcker, Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 250 Fn. 475 unter Verweis auf V. Mehde, JZ 2005, 815, 819. 1271 BVerfGE 108, 169, 181 f.; 119, 331, 366; 139, 194, 226 f. Rn. 110. 1272 U. Schliesky, DÖV 2004, 809, 817. Ebenso der BayVerfGH, Entsch. v. 25. 9. 2015 – Vf. 9-VII-13, LS 3 („das rechtsstaatliche Erfordernis der Zuständigkeits- und Verantwortungsklarheit“), juris, Rn. 215. 1268

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

255

tät1273 – auch die Verantwortlichkeit von Regierung und Verwaltung abgeleitet.1274 Der Begriff der Verantwortlichkeit der Verwaltung geht über die Beziehung, die die Gesetzesbindung des Art. 20 Abs. 3 GG zwischen dem Parlament und der Verwaltung aufspannt, hinaus.1275 Die Verantwortlichkeit besteht nicht allein gegenüber dem Parlament – insbesondere ist durch die Gesetzesbindung der Verwaltung an Parlamentsgesetze noch nichts über die Kontrolle der Umsetzung gesagt1276 –, sondern auch dem einzelnen Bürger gegenüber. Rechtsstaatliches Verwaltungshandeln muss rational und für die Bürgerinnen und Bürger berechenbar sein. Dies setzt Klarheit der Kompetenzordnung wie auch funktionale Unterscheidbarkeit voraus.1277 Zuständigkeitsverflechtungen sind dieser Klarheit hingegen in erheblichem Maße abträglich.1278 Die Vorgabe der Verantwortungsklarheit hat auch Auswirkungen auf den Rechtsschutz. Werden Verwaltungsverfahren unter Beteiligung mehrerer Behörden durchgeführt, erfährt der betroffene Bürger zunächst nur von der finalen Entscheidung, vorgeschaltete Verfahrensbeiträge bleiben unter Umständen verborgen.1279 Solche Verfahrensbeiträge sind regelmäßig als unselbstständige Verfahrenshandlungen nach § 44a S. 1 VwGO nicht isoliert anfechtbar, allerdings nur sofern sie keinen eigenständigen, rechtserheblichen Eingriff darstellen.1280 In der vorliegend relevanten Konstellation der Datenübermittlung durch die Verfassungsschutzämter liegt aufgrund ihres speziellen Auftrags grundsätzlich ein eigenständiger Eingriff vor. Die Verfassungsschutzämter sammeln und bewerten Daten zur Information der Regierung und der Öffentlichkeit. Werden diese erhobenen Daten an eine andere Stelle für einen anderen Zweck übermittelt, liegt hierin ein eigenständiger Eingriff.1281 Können deshalb nicht alle Handlungsbeiträge zugeordnet werden, sind betroffene Bürgerinnen und Bürger gezwungen, gegen das Verfahrensergebnis an 1273 Dazu und deren Vorgaben zu Aufgabenverflechtungen von Polizei und Verfassungsschutzämter später unter, 3. Teil Kap. 2 B., C. (S. 277 ff.). 1274 Eingehend zum Rechtsstaatsprinzip als Grundlage von Kontrolle, die ihrerseits die Ausprägung einer Verantwortlichkeit ist, K.-U. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982, S. 314 ff. 1275 A. A. – für den Terminus Verantwortlichkeit als weiteres Rechtsstaatsmerkmal neben der Gesetzesbindung kein Raum – P. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, 1986, S. 172 f. 1276 K.-U. Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982, S. 341 f. 1277 BVerfGE 33, 125, 158; 119, 331, 366; 137, 108, 144; K.-P. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 300. 1278 Unkritisch angesichts der Vorteile T. v. Danwitz, Der Staat 1996, 329, 344. 1279 Zu ähnlichen Zusammenhängen im Kontext des europäischen Datenschutzverbundes eingehend und m. v. w. N. zur supranationalen Dimension C. Kibler, Datenschutzaufsichtsverbund, 2021, S. 321 ff., 335 ff., 371 f. 1280 VGH Bayern, Urt. v. 29. 10. 1986 – 5 B 85 A. 1702, NVwZ 1987, 613, 614; F. Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2019, § 7 VwVfG Rn. 19. 1281 BVerfGE 125, 260, 333. Eingehend zum Gebot der Zweckbindung sogleich unter 3. Teil Kap. 1 D. (S. 272 ff.).

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

sich vorzugehen, mithin das Verfahren in seiner Gesamtheit überprüfen zu lassen.1282 Der Aufwand ist erheblich größer und birgt damit sowohl ein ungleich größeres Kostenrisiko als auch eine deutlich verlängerte Verfahrensdauer. Mit einer eindeutigen Kompetenzverteilung legt der Gesetzgeber daher schon den Grundstein für einen adäquaten Rechtsschutz.1283 Mit dem Grundsatz der Verantwortungsklarheit ist es daher nicht vereinbar, wenn für die Bürgerinnen und Bürger nicht erkennbar ist, welche staatliche Institution von ihnen für etwaige Verfehlungen haftbar gemacht werden kann bzw. welcher Verwaltungsträger sich ihnen gegenüber zu verantworten hat. Für Außenstehende müssen die Zuständigkeiten klar erkennbar sein.1284 Die Begründung des Grundsatzes der Verantwortungsklarheit aus der Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes gewinnt durch den Schutz der Grundrechte zusätzlich an Gewicht. Es ist eine aus den Grundrechten fließende Pflicht des Gesetzgebers, die Aufgabenverteilung innerhalb der staatlichen Verwaltung derart zu organisieren, dass im Einzelfall eindeutige Zuordnungen von handelndem Verwaltungssubjekt und grundrechtsrealisierender Entscheidung möglich ist.1285 Unklare und mehrdeutige Zuständigkeitsordnungen erschweren die Suche nach dem passenden Rechtsschutz. Genaue Definitionen der handelnden staatlichen Subjekte durch konkrete Aufgabenordnungen haben damit eine rechtsstaatliche, grundrechtsschützende Dimension.1286 Für welche Tätigkeiten eine staatliche Institution verantwortlich ist, ergibt sich aus ihrer Aufgabe und ihrem Zuständigkeitsbereich.1287 Staatliche, künstlich geschaffene Gebilde entscheiden über ihre Aufgaben nicht selbst. Sie werden durch die übertragenen Aufgaben konstituiert.1288 Ein eigenständiger Aufgabenbereich begründet mithin die Existenz einer staatlichen Institution; zwei Behörden, die mit denselben Befugnissen dieselbe Aufgabe bearbeiten, widersprächen dieser Vor-

1282

Dies ist jedenfalls möglich, da die Behörde, die den betreffenden Verwaltungsakt erlassen hat, die Rechtswidrig vor Gericht selbst dann zu verantworten hat, wenn allein eine fehlerhafte Amtshilfehandlung der Grund der Rechtswidrigkeit ist, s. F. Shirvani, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2019, § 7 VwVfG, Rn. 17. 1283 C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 29 f., auch mit Verweis auf die Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes und der Rechtssicherheit durch klare Kompetenzstrukturen. 1284 Vgl. H. P. Bull, in: FS Maurer, 2001, S. 545, 561. 1285 A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 107 f. 1286 A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 107 f., formuliert deshalb in Anlehnung an den Grundrechtsschutz durch Verwaltungsorganisation einen Grundrechtsschutz durch „punktgenaue Subjektsdefinition“. 1287 Etwa deutlich A. Berger, DÖV 2014, 662, 665: „Zuständigkeiten verpflichten staatliche Rechtssubjekte dazu, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen.“ 1288 A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 12 („In der Verwaltungseinheit verkörpert sich allein die jeweilige staatliche Aufgabenparzelle.“), 93. Ebenso J. Isensee, ZBR 2004, 3, 3; G. Picht, Wahrheit, Vernunft, Verantwortung, 1969, S. 337.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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stellung.1289 Der Grundsatz der Verantwortungsklarheit erfordert auch deshalb, dass Aufgaben derart ausgestaltet sein müssen, dass eine eindeutige Verantwortungszuordnung möglich ist.1290 b) Verantwortungsklarheit in der Demokratie Der Grundsatz der ausschließlichen Aufgabenzuweisung stützt sich dergestalt auf dem Demokratieprinzip ab, dass ausschließliche Zuständigkeiten einzelner Behörden in der Regel auch den Bedarf an Kooperation verringern. Die vom Demokratieprinzip geforderte Verantwortungszurechnung wird damit erleichtert. Das Gebot der Verantwortungsklarheit sichert diesen Zusammenhang ab. Dem Begriff der Verantwortung1291 lassen sich zwei unterschiedliche Dimensionen zuschreiben. Zum einen kann man für etwas verantwortlich sein. Zum anderen trägt man Verantwortung gegenüber jemandem; man hat vor einer Instanz Rechenschaft abzulegen.1292 Verantwortung bedeutet im Kontext der staatlichen Verwaltung primär die Verpflichtung dem Legitimationsgeber gegenüber Rechenschaft abzulegen. Nachdem in der Demokratie des Grundgesetzes alle Macht vom Volk ausgeht (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), muss dementsprechend jedes staatliche Handeln durch Rückbindung an das Volk gerechtfertigt werden; das Volk ist die einzige Legitimationsquelle in der Demokratie.1293 Vor diesem Legitimationsgeber muss staatliches Handeln letzten Endes gerechtfertigt werden.1294

1289 Explizit für das Verhältnis von Polizei und Verfassungsschutzämtern C. Gusy, DV 1991, 467, 471: „Wenn zwei Behörden dasselbe tun, so ist es nicht sinnvoll, daß sie getrennt sind.“ 1290 H.-H. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 83, Rn. 32. Es bedarf „der hinreichend klaren Zuordnungsmöglichkeit von Verwaltungszuständigkeiten aus Sicht des Bürgers“, um der Verantwortungsklarheit Rechnung zu tragen, so A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 57 unter Verweis auf BVerfGE 119, 331, 366. Allgemein zur Notwendigkeit hinreichend klarer Verantwortlichkeiten E. Schmidt-Aßmann, EuR 1996, 317, 376 f.; G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2004, S. 241 f. 1291 Zu „Verwaltungsverantwortung als kompetenzrechtlicher Begriff“ s. auch M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 12 ff. 1292 G. Picht, Wahrheit, Vernunft, Verantwortung, 1969, S. 320. Im Ergebnis ähnlich trennt D. Wilke, DÖV 1975, 509, 511 in kompetenzrechtliche und sanktionsrechtliche Verantwortung. 1293 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 39. Das letzte Glied der Legitimationskette muss in einer Demokratie mithin das Volk als ursprünglicher Legitimationsgeber sein, so T. Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, 1999, S. 166. Zur Verantwortlichkeit der Verwaltung gegenüber dem Volk; mithin der „Herrschaft für das Volk“ auch schon K. Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11, 19 f.; M. Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46, 60. 1294 Zum Legitimationserfordernis der Verwaltung E. Pache, VVDStRL 66 (2007), 106, 137 f., insbesondere Fn. 137. Zur „ununterbrochenen Legitimationskette“ und Alternativen zu einem Verantwortungszusammenhang vor der Gesamtheit aller Bürgerinnen und Bürger eingehend und mit vielen Nachweisen G. Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246, 280 ff.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Für den Zweck dieser Untersuchung ist dieser freilich sehr grobe Abriss der „Verantwortung vor einer Instanz“ ausreichend, da die Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern eher in der Dimension der „Verantwortung für etwas“ zu schwerwiegenden Friktionen führt. Insbesondere sind für die Zwecke dieser Untersuchung die Besonderheiten im föderalen Staat mit den verschiedenen Legitimationsgebern „Bundesvolk“ und jeweiliges „Landesvolk“ nicht ausschlaggebend. Die Schwierigkeiten hinsichtlich der Verantwortung für staatliches Handeln ergeben sich bei den Aufgabenparallelitäten von Verfassungsschutzämtern und Polizei daraus, dass die gegenüber dem Legitimationsgeber auftretende Behörde unter Umständen nicht bestimmt werden kann. Das führt zu Problemen; unabhängig davon, wem gegenüber sich die Institution verantworten muss. Die Verantwortungsklarheit ist eine demokratische Vorgabe.1295 In der Parlamentsverantwortung der Verwaltung setzt sich die durch die Wahl vermittelte Verantwortung des Parlaments gegenüber dem Bürger in Richtung der Verwaltung fort. Den Bürgerinnen und Bürgern muss die Möglichkeit eröffnet werden, staatliches Handeln derart zuordnen zu können, dass sie jemand gegebenenfalls durch Vergabe oder Entzug der Wählerstimme dafür verantwortlich machen können.1296 Weitgreifende Verflechtungen von Entscheidungszuständigkeiten, etwa durch Auftrennung der Verfahrensbeiträge auf mehrere Behörden, erschweren gerade diese Zurechenbarkeit politischer Verantwortung1297 und ermöglichen unter Umständen, die politische Verantwortung zwischen mehreren Verantwortungsträgern hin und herzuschieben1298. Daher verlangt das Demokratieprinzip grundsätzlich, Verwaltungszuständigkeiten zu entflechten, um die politische Verantwortung leichter zurechnen zu können.1299 Demokratie ist mehr als bloße formale Legitimationsvermittlung. Demokratie ist das freie Spiel von Ideen, Argumenten und Diskursen, die sich zu einem politischen Willen formen. Das setzt allerdings auch voraus, dass „die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt ausübenden Organe und die jeweils verfolgten politischen Zielvorstellungen allgemein sichtbar und verstehbar sind“.1300 Das Gebot der Verantwortungsklarheit fordert daher, dass die Bürgerinnen und Bürger das Ausmaß der Verantwortlichkeit einzelner Verwaltungsträger an der sie betreffenden Entscheidung bemessen können müssen.

1295 W. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober/ders. (Hrsg.), Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. 2010, § 80 Rn. 230; U. Schliesky, DÖV 2004, 809, 817 f. 1296 BVerfGE 119, 331, 366. 1297 P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 36. R. Dolzer, VVDStRL 58 (1999), 7, 30 f.; P. Kirchhof, in: FS Badura, S. 237, 250. 1298 M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 35 f. 1299 P. M. Huber, Gutachten für den 65. Deutschen Juristentag, 2004, Bd. 1, D 36 f. 1300 BVerfGE 89, 155, 185.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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c) Verantwortungsklarheit im föderalen Staat Die Analyse der Aspekte der Gewaltenteilung im Rahmen des Grundsatzes der ausschließlichen Aufgabenzuweisung hat ergeben, dass dem Träger der Organisationsgewalt ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum zukommt. In dem föderalen Staat der Bundesrepublik Deutschland ist diese Macht zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Aus dieser Aufteilung resultieren ein grundsätzliches Verbot der Mischverwaltung (aa) sowie der Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung (bb). Die Machtdiversifikation zwischen Bund und Ländern – mithin die föderale Gewaltenteilung – bildet nach dem Bundesverfassungsgericht eine Grundlage für das Gebot der Verantwortungsklarheit. „Die Kompetenzaufteilung nach Art. 30 und Art. 83 ff. GG ist eine wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips im Grundgesetz und zugleich ein Element zusätzlicher funktionaler Gewaltenteilung. Sie verteilt politische Macht und setzt ihrer Ausübung einen verfassungsrechtlichen Rahmen, der diese Machtverteilung aufrechterhalten und ein Zusammenwirken der verschiedenen Kräfte sowie einen Ausgleich widerstreitender Belange ermöglichen soll […]. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber auch bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit […] zu beachten, um die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen und eine Aushöhlung des Grundsatzes des Art. 30 GG zu verhindern.“1301

„Die grundgesetzliche Kompetenzordnung gebietet […], dass „eine verfassungsrechtlich unzulässige ,Doppelzuständigkeit‘ von vornherein vermieden wird […].“1302 Echte Mehrfachkompetenzen widersprechen dem Prinzip der grundsätzlich überschneidungsfreien Kompetenzordnung, die dadurch gerade der Verantwortungsklarheit dient.1303 aa) Grundsätzliches Verbot der Mischverwaltung Aus dem Bundesstaatsprinzip und der föderalen Kompetenzordnung folgt dementsprechend, dass die Verantwortlichkeiten für staatliches Handeln zweifelsfrei entweder dem Bund oder den Ländern zuordenbar sein müssen. Am Beispiel bun1301

BVerfGE 108, 169, 181 f. BVerfGE 104, 249 266 f. 1303 M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 35 unter Verweis auf U. Kischel, VerwArch 1999, 391, 395; F. Schoch, Jura 1994, 241, 243; V. Mehde; JZ 2005, 815, 817. A. A. – Mehrfachzuständigkeiten stehen weder die Erfahrungen mit undurchschaubaren Kompetenzkumulationen in totalitären Herrschaftssystemen entgegen, noch führen sie zu unwirtschaftlicher Doppelarbeit in einem nennenswerten Umfang – J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1124 f., allerdings mit der auf die parallele Aufklärung durch Verfassungsschutzämter und Polizei nicht zutreffenden Annahme der Effizienzsteigerung durch Arbeitsteilung. Die Ermittlungsmehrfachzuständigkeit von Polizei und Nachrichtendiensten führt mangels klarer Kollisionsregeln und herausfordernder Abstimmung gerade zu unwirtschaftlichen, additiven Überwachungsmaßnahmen. 1302

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

despolizeilicher Unterstützungseinsätze bestätigt das Bundesverfassungsgericht dies – auch mit Blick auf die rechtsstaatlich geforderte Bestimmtheit der Zuständigkeitsordnung: „Zudem hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit zu beachten, um die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen und eine Aushöhlung des Grundsatzes des Art. 30 GG zu verhindern […]. Die einfachrechtlichen Regelungen über die Zuständigkeiten bei Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei für die Länder sind daher so auszugestalten, dass sie eine klare und widerspruchsfreie Zuordnung der Kompetenzen und der Verantwortung des Bundes und des jeweiligen Landes ermöglichen.“1304

Dieser Teilaspekt der Verantwortungsklarheit im föderalen Geflecht kumuliert im grundsätzlichen Verbot der Mischverwaltung: Das Zusammenwirken von Bundesund Landesinstitutionen bei Entscheidungen ist grundsätzlich untersagt. Das Grundgesetz erlaubt lediglich in begrenzten Ausnahmefällen eine solche sogenannte Mischverwaltung von Bund und Ländern.1305 Das Verbot der Mischverwaltung bezieht sich damit lediglich auf eine potenzielle Folge paralleler Aufgabenzuweisung – die Zusammenarbeit von Bundes- und Landesinstitutionen, die sich überschneidende Aufgabenbereiche teilen –, nicht jedoch auf die Aufgabenparallelität an sich.1306 Nachdem jedoch überschneidende Aufgabenbereiche wegen des Effizienzgebots in der Regel zu Abstimmungen in den Entscheidungsprozessen führen dürften, muss das Verbot der Mischverwaltung auch in der vorliegenden Untersuchung Beachtung finden. Das Verbot der Mischverwaltung entfaltet jedoch lediglich hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern Wirkung.1307 Ein allgemeines Ordnungsprinzip mit Wirkung auch innerhalb der Behördenordnung des Bundes oder eines Landes ist damit nicht verbunden.1308 Für die vorliegende Frage hinsichtlich der parallelen Aufklärungszuständigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern spielt das Gebot der Mischverwaltung lediglich in Mehrebenenkonstellationen eine Rolle – etwa bei parallelen Ermittlungen von BKA und einem LfV oder der Informationsübermittlung des BfV an eine Landespolizeistelle. 1304

BVerfGE 139, 194, 226 f. Rn. 110. BVerfGE 139, 194, 226 Rn. 109; 119, 331, 365; 108, 169, 182; 63, 1, 38 ff.; 32, 145, 156; 39, 96, 120. Eingehend zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung B. Küchenhoff, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mischverwaltung, 2010, S. 63 ff. Dazu auch in Besprechung von BVerfGE 119, 331 P. M. Huber, DÖV 2008, 844. 1306 Lediglich „mischverwaltungsähnliche“ Verbundverwaltung, s. T. Wischmeyer, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 35, 54 f. Fn. 107. 1307 A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 68. 1308 So allerdings H.-U. Erichsen/M. Büdenbender, NWVBl. 2001, 161, 164 f.; K. Quaas, Einheitlicher Ansprechpartner und effet utile im deutschen Bundesstaat, 2014, S. 269; S. E. Schulz, DÖV 2008, 1028, 1033 f. 1305

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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bb) Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung Das Bundesverfassungsgericht geht mit Blick auf Art. 83 ff. GG von zwar grundsätzlich getrennten, jedoch „nicht starr voneinander geschiedenen“ Verwaltungsbereichen von Bund und Ländern aus.1309 Dieser grundsätzlichen Unterscheidung folgt, dass „[z]ugewiesene Zuständigkeiten mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen [sind und] Ausnahmen hiervon […] nur in seltenen Fällen und unter engen Voraussetzungen zulässig [sind].“1310 Aus dem Grundgesetz folgt daher, wie eben gesehen, kein striktes Verbot der Mischverwaltung1311, sondern vielmehr der Grundsatz, nach dem Verantwortungen für die Bürgerinnen und Bürger klar erkennbar zu verteilen sind1312 und verflochtene Verwaltungsverfahren, die die Beteiligungen unterschiedlicher Hoheitsträger verwischen, jedenfalls dann vermieden werden müssen, wenn dadurch die eigenverantwortliche Aufgabenerfüllung der einzelnen Behörden gefährdet wird. Dieser Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung fordert, übertragene Aufgaben in Eigenregie zu erledigen; mithin die gestellten Aufgaben mit eigenem Personal, Sachmitteln und Organisation, jedenfalls aber unter der Erhaltung eines hinreichenden Einflusses auf die Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen.1313 Damit sind den Möglichkeiten gegenseitiger Einflussnahme und verflochtener Entscheidungsstrukturen Grenzen gesetzt.1314 Organisationseinheiten sollen ihre Verfahren in der Regel autark durchführen können, ohne dabei auf die Abstimmung mit anderen angewiesen zu sein. Dies verdeutlicht auf einfachgesetzlicher Ebene auch § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG, wonach die Sachverhaltsermittlung der Behörde obliegt, in deren Aufgabenbereich die zu bearbeitende Sachmaterie fällt.1315 Zur Sachverhaltsermittlung können Externe – Sachverständige oder andere Behörden – hinzugezogen werden. Die Verpflichtung der beauftragten Behörde, eigene Ermittlungen durchzuführen, bleibt dennoch bestehen. Sie muss auf selbst ermittelter

1309

BVerfGE 119, 331, 365. BVerfGE 119, 331, 364. Vgl. für die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung auf kommunaler Ebene als Ausfluss der kommunalen Selbstbestimmung nach Art. 28 Abs. 2 GG, BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Juli 2020 – 2 BvR 696/12 –, Rn. 51 ff. 1311 Ein solches striktes Gebot als Mythos bezeichnend M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 10, mit umfangreichen Nachweisen zur überkommenen Gegenansicht in Fn. 34. 1312 M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 11. 1313 BVerfGE 119, 331, 367. Zu diesem Grundsatz schon E 63, 1, 41; lediglich knapp auch bereits R. Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 195; H.-H. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 83, Rn. 31. Vgl. ferner T. Hebeler, JA 2019, 881, 882. 1314 H.-H. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 83, Rn. 31. 1315 R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 155 f. 1310

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Grundlage in freier Beweiswürdigung zu einer eigenständigen Entscheidung gelangen.1316 Für die Tätigkeit der Polizei drängt sich das Übergewicht eigener Ermittlungen aufgrund der kausalverlaufsverändernden Robustheit ihrer Maßnahmen in besonderem Maße auf. Zwar sind Informationsbeziehungen der Polizei, etwa auch zu privaten Sicherheitsunternehmen, sowohl gang und gäbe als auch oftmals notwendiger Ausgangspunkt polizeilicher Verfahren. Gleichwohl benötigt die Polizei, um flexibel reagieren zu können, umgehenden und umfassenden Zugriff auf alle verfügbaren Informationen und kann sich deshalb nicht durch Abstimmung über eventuell von den Kooperationspartnern zurückgehaltene Informationen aufhalten lassen. Auch aus diesem Grund sind der Informationszusammenarbeit von Polizei und privaten Sicherheitsunternehmen enge Grenzen gesetzt.1317 Derlei, unmittelbare Zugriffsmöglichkeiten der Polizei einschränkende, Abstimmungsprobleme ergeben sich allerdings nicht nur im Verhältnis der Polizei zu Privaten, sondern, freilich in abgeschwächter Form, auch bei der Kooperation mit anderen Sicherheitsbehörden. Nur von der Polizei mit eigenem Personal und eigenen Sachmitteln erhobene Informationen stehen ihr umfassend und umgehend zur Verfügung und ermöglichen damit gegebenenfalls einen flexiblen und sofortigen Eingriff. Insbesondere bei der polizeilichen Gefahrenabwehr, die regelmäßig von starkem Handlungsdruck geprägt ist, muss daher die eigenständig ermittelte Informationsgrundlage die Regel sein. Der Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung wurde vom Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Konstellationen entwickelt und ist daher für die vorliegende Untersuchung nur insofern von Relevanz, als ebenenübergreifende Verflechtungen von Bundes- und Landesbehörden betrachtet werden. Parallele Aufgabenzuweisungen an Bundes- und Landesbehörden erhöhen die Wahrscheinlichkeit solcher verflochtenen Entscheidungsstrukturen.

II. Beeinträchtigung … Für die Frage nach der Verantwortungsklarheit ist entscheidend, ob die von einer staatlichen Maßnahme betroffene Person diese zweifelsfrei einem Hoheitsträger zuordnen kann, um den Hoheitsträger gegebenenfalls demokratisch, durch Entzug der Wählerstimme, oder im Rechtsschutzverfahren zur Rechenschaft zu ziehen. Für die Bundesbehörden ist der Bund der verantwortliche Hoheitsträger, für Landespolizeien und Landesämter für Verfassungsschutz das entsprechende Land. Zwischen diesen muss eine klare Verantwortungszuordnung möglich sein. 1316

R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 156 mit Verweis auf M. Heßhaus, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 50. Ed. Stand: 1. 1. 2021, § 24 VwVfG, Rn. 5 ff.; D. Kallerhoff/ F. Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 24, Rn. 23 ff.; B. Spilker, Behördliche Amtsermittlung, 2015, S. 94 ff. 1317 H. P. Bull, in: FS Maurer, 2001, S. 545, 559.

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Während parallele Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern an sich das Gebot der Verantwortungsklarheit nicht berühren (1.), verschleiert die Einbindung der Verfassungsschutzämter in Verfahren der Polizei die Verantwortungszuordnung (2.). 1. … durch parallele Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämter Sowohl Verfassungsschutzämter als auch die Polizei klären Handlungsweisen von Einzeltätern oder Personenzusammenschlüssen auf, die sich gegen die Schutzgüter des Verfassungsschutzes i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG richten. Nachdem keine Kollisionsregelung besteht, insbesondere die Ermittlungszuständigkeit der Verfassungsschutzämter mit Überschreiten der Einstiegsschwelle der Polizei („Verdacht einer Gefahr“, „strafprozessualer Anfangsverdacht“) nicht abbricht,1318 finden diese Aufklärungstätigkeiten parallel statt. Mit Blick auf die Verantwortungszuordnung entstehen allerdings keine Komplikationen, wenn etwa das BKA und ein Landesamt für Verfassungsschutz dieselbe extremistische, terroristische Gruppierung observieren. Jede Behörde und damit jeder Verwaltungsträger hat seine Überwachungsmaßnahmen zu verantworten.1319 Durch die Parallelität der Überwachung entstehen für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger keine Schwierigkeiten der Verantwortungszuordnung. Die bloße Möglichkeit, dass verschiedene Behörden verschiedener Hoheitsträger dieselben Befugnisse in denselben Sachverhalten einsetzen, ändert an der klaren Verantwortlichkeit für die Einzelmaßnahme nichts. Die Schwierigkeit der Verantwortungszuordnung liegt bei Ermittlungen in Verfassungsschutzangelegenheiten nicht in den parallelen Zuständigkeiten verschiedener Behörden, sondern in den weitreichenden Möglichkeiten, verdeckte Ermittlungsmethoden einzusetzen. Sowohl die Verfassungsschutzämter (vgl. nur § 8 Abs. 2 BVerfSchG) als auch die Polizei (etwa § 45 BKAG oder Art. 41 Abs. 1 BayPAG) dürfen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, der Sicherheit und des Bestandes des Bundes und der Länder verdeckte, „besondere Mittel der Datenerhebung“1320 einsetzen. Essentieller Bestandteil dieser Befugnisse ist, dass die Betroffenen von dem Einsatz zunächst keine Kenntnis erlangen. Ohne entsprechende Kenntnis kann allerdings auch keine Verantwortungszuordnung stattfinden. Das Gebot der Verantwortungsklarheit wird hierbei allerdings durch das Wie des staatlichen Handelns und nicht durch das Ob oder etwaige Mehrfachbelastung durch 1318 H. A. Wolff, DÖV 2009, 597, 603; K. Brandt, Ermittlungsverfahren, 2015, S. 43. Grundsätzlich sind echte Mehrfachzuständigkeiten bei Informationsverarbeitung oder Notzuständigkeiten, etwa im Gefahrenabwehrrecht, anzutreffen, vgl. J. Oebbecke, in: FS Stree und Wessels, 1993, S. 1119, 1121 ff. 1319 F. Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2019, § 7 VwVfG, Rn. 16. 1320 So die Formulierung des § 45 BKAG.

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unterschiedliche Behörden beeinträchtigt. Fragen der rechtsstaatlichen Einhegung verdeckter Ermittlungsmethoden können für die Fragen der vorliegenden Untersuchung daher insoweit offenbleiben. Die parallele Ermittlungszuständigkeiten von Polizei und Verfassungsschutzämtern als solche berührend das Gebot der Verantwortungsklarheit somit nicht. 2. … durch Einbindung der Verfassungsschutzämter in fremde Verwaltungsentscheidungen Die Verfassungsschutzämter dürfen die von ihnen mit dem Zweck der Information von Regierung und Öffentlichkeit erhobenen Daten anderen Stellen für deren Zwecke übermitteln (für das BfV nach §§ 19 ff. BVerfSchG). Durch solche Datenübermittlungen leisten die Verfassungsschutzämter einen Beitrag zur Aufgabenerfüllung anderer Stellen; bei öffentlichen Verwaltungsstellen haben sie damit einen Anteil am entsprechenden Verwaltungsverfahren. Nachdem die Verfassungsschutzämter ihre Informationen nicht nur an die Polizei, sondern auch andere öffentliche und, in besonderen Fallkonstellationen (vgl. Art. 25 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BayVSG), private Stellen übermitteln dürfen, können die nachfolgenden Überlegungen entsprechend verallgemeinert werden. Die Beispiele des Vereinsverbotsverfahrens (a) sowie der Sicherheitsüberprüfung von Journalisten im Vorfeld des G20-Gipfels (b) zeigen besonders instruktiv, dass die Einbindung der Verfassungsschutzämter in Verwaltungsentscheidungen anderer öffentlicher Stellen das Gebot der Verantwortungsklarheit beeinträchtigt und in Mehrebenenkonstellationen den föderalen Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung berührt. Dieser Befund kann für die Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutzämtern entsprechend abstrahiert werden (c). a) Beteiligung der Verfassungsschutzämter am ministeriellen Verfassungsschutz Der ministerielle Verfassungsschutz leistet mit den Entscheidungen über Vereinsverbote i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG einen bedeutenden Beitrag zum grundgesetzlichen Verfassungsschutzauftrag. In diese Vereinsverbotsverfahren werden die Verfassungsschutzämter regelmäßig eingebunden, um die notwendige Informationsgrundlage zu bereiten.1321 Nach § 4 Abs. 1 S. 1 VereinsG dürfen die Verbotsbehörden für ihre Ermittlungen von den „für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden und Dienststellen“ Unterstützung anfordern. Verbreitet wird vertreten, die Verfassungsschutzämter seien solche „Sicherheitsbehörden“ i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1

1321 Die Vereinsverbotsbehörden als „Zielrichtung nachrichtendienstlicher Tätigkeit“ aufführend J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168.

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VereinsG1322 und dürften über diese Norm an Vereinsverbotsverfahren beteiligt werden. Diese Auslegung kann allerdings auch kritisiert sowie angenommen werden, dass Nachrichtendienste eben keine Sicherheitsbehörden i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 VereinsG sind und damit von der Verbotsbehörde für Ermittlungen jedenfalls nicht auf diesem Weg in Anspruch genommen werden dürfen.1323 Aufgabe der Verfassungsschutzämter ist gerade nicht „die unmittelbare Gefahrenabwehr“.1324 Zugleich ist das Vereinsverbotsverfahren, ausweislich der Gesetzesbegründung1325, als „rein sicherheitsbehördliches Verfahren“ konzipiert.1326 Gleichwohl hatte der Bundesgesetzgeber später bei der Erweiterung der Beobachtungsaufträge der Verfassungsschutzämter sehr wohl eine Beteiligung dieser Behörden an Vereinsverbotsverfahren im Blick: Sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu richten, ist nach Art. 9 Abs. 2 GG ein Vereinsverbotsgrund und in Parallelität dazu sollen die Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG Bestrebungen beobachten, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind.1327 Daher muss wohl von dem grundsätzlichen Willen des Gesetzgebers, die Verfassungsschutzämter in Vereinsverbotsverfahren einzubinden, ausgegangen werden, allerdings ist damit noch nichts darüber ausgesagt, ob diese Beteiligung in § 4 Abs. 1 S. 1 VereinsG bereits eine normative Grundlage erfahren hat. Neben der Möglichkeit der Ermittlungshilfe folgt aus § 4 Abs. 1 S. 1 VereinsG außerdem, dass sich die Verbotsbehörde nicht allein auf die Ermittlung von Hilfsbehörden stützen darf; sie muss vielmehr auch eigenständige Ermittlungen anstrengen und somit Herrin des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens bleiben.1328 Mit der Stellung der Verbotsbehörde als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ gerät jede Beteiligung der Verfassungsschutzämter insofern in Konflikt, als die Verbotsbehörde geheimhaltungsbedürftige Informationen der Verfassungsschutzämter re-

1322 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, VereinsG, § 4, Rn. 6; V. Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 201. EL Januar 2015, VereinsG, § 4, Rn. 4; F. C. Albrecht, in: ders./Roggenkamp, VereinsG, 2014, § 4, Rn. 7; K. Groh, Vereinsgesetz, 2012, § 4, Rn. 2; G. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 4, Rn. 5; LfV OVG Sachsen Urt. v. 12. 11. 2015 – 3 C 12/13, juris, Rn. 33. 1323 So überzeugend F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 109 f. 1324 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118. 1325 BT-Drs. 4/430, S. 16. 1326 F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 110. 1327 Vgl. BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 36. So auch W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 84. Zum Tatbestandsmerkmal des „sich gegen etwas richten“ i. S. d. Art. 9 Abs. 2 GG eingehend BVerfGE 149, 160, 197 ff. Rn. 108 f. 1328 OVG Sachsen Urt. v. 12. 11. 2015 – 3 C 12/13, juris, Rn. 33; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 14. 5. 2002 – 1 S 10/02, juris, Rn. 20; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29. 8. 1994 – 5 E 859.93, DVBl. 1995, 378. F. C. Albrecht, in: ders./Roggenkamp, § 4, Rn. 17 ff.

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gelmäßig nicht verifizieren kann und damit die Informationsherrschaft über das Verbotsverfahren partiell verliert.1329 Ein weiteres Problem bei der Weiterleitung unter Geheimhaltungserfordernissen stellt sich, wenn bei der empfangenden Behörde niemand mit entsprechender Umgangserlaubnis tätig ist, nämlich die Berechtigung zum Umgang mit Verschlusssachen hat. In diesem Fall müsste eine Zwischenbehörde mit berechtigten Beschäftigten eingeschaltet werden – in der Regel das Bundes- oder ein Landeskriminalamt.1330 Verantwortlichkeiten werden in diesen Fällen noch verworrener und sind schon aufgrund dessen schwerer nachzuvollziehen. Auch über das Instrument der Amtshilfe können die Verfassungsschutzämter nur sehr eingeschränkt in das Vereinsverbotsverfahren eingebunden werden. Es ist entscheidend, welchen spezifischen Beitrag die Verfassungsschutzämter zu den Vereinsverbotsverfahren leisten: Unterstützung bei der Analyse von Daten, die die Verbotsbehörde oder Dritte ermittelt haben, oder bloße Information aus den Datenbeständen der Verfassungsschutzämter. Denn die Amtshilfe ist eine rein fremdnützige Tätigkeit.1331 Die Möglichkeit1332 der Verfassungsschutzämter, Daten, die sie bei hilfsweiser Auswertung polizeilich oder sonstig erlangter Asservate erheben, für die eigene Aufgabe zu verwenden, zeigt, dass die Tätigkeit der Ämter dann auch eigennützige Aspekte ausweist.1333 Die Verfassungsschutzämter können den Vereinsverbotsbehörden daher allenfalls durch Übermittlung von Informationen Amtshilfe leisten, die sie selbstständig erhoben haben oder erheben werden. Die Verfassungsschutzämter dürfen insbesondere mit Blick auf das Gebot der Verantwortungsklarheit nur sehr eingeschränkt an Vereinsverbotsentscheidungen beteiligt werden. In den beschränkten Ausnahmefällen müssen die Beiträge der Verfassungsschutzämter hinreichend deutlich und nachvollziehbar dokumentiert werden, um für die Betroffenen erkennbar und nachprüfbar zu sein.

1329 In diese Richtung bereits im Zusammenhang mit dem Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia.org A. Furmaniak, Gastbeitrag auf netzpolitik.org, https://netzpolitik. org/2019/das-verbot-von-linksunten-indymedia-und-die-zweifelhafte-rolle-des-verfassungs schutzes/ (abgerufen: 30. 11. 2020). Siehe auch R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/ Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 158 f. 1330 Dazu B. Rusteberg, SächsVBl. 2015, 261, 264. Ähnlich R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 158 f.; B. Rusteberg, in: Kulick/Goldhammer (Hrsg.), Der Terrorist als Feind?, 2020, S. 215, 222 f. 1331 H. Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 4, Rn. 35; T. Hebeler, JA 2019, 881, 882. 1332 Antwort auf Frage 4, BT-Drs. 19/352, S. 2 f. 1333 F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 112 f.

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b) Verfahrensherrschaft über die Sicherheitsüberprüfung von Journalisten Die Informationen der Verfassungsschutzämter können von der empfangenden Stelle oftmals aufgrund Geheimhaltung nicht überprüft werden. Die Aussagekraft der nachrichtendienstlichen Informationen steht daher in Frage.1334 Gerade dieser Konfliktfall verdeutlicht die gegenläufigen Funktionslogiken – zu erinnern sei etwa an die plakative Unterscheidung des BVerfG in grundsätzlich offen arbeitende Polizei und grundsätzlich verdeckt arbeitende Verfassungsschutzämter1335 – der Informationen übermittelnden Verfassungsschutzämter und der ausführenden Empfangsbehörde. Quellenschutz ist eine der Arbeitsmaximen der Verfassungsschutzämter.1336 Es ist zumindest fraglich, ob die Empfangsbehörde von den Verfassungsschutzämtern erhaltene Informationen ohne Nachkontrolle als wahr zugrunde legen darf. Dagegen spricht, dass das rechtliche Gehör der von der Übermittlung Betroffenen stark eingeschränkt ist.1337 Des Weiteren birgt die Beteiligung der Verfassungsschutzämter an Verwaltungsentscheidungen die Gefahr einer verborgenen Verschiebung im Zuständigkeitsgefüge. Entgegen der eigentlichen Zuweisung erlangen die Verfassungsschutzämter als Lieferanten nicht uneingeschränkt nachprüfbarer Informationen derart Kontrolle über das Verfahren, dass die Stellung der ausführenden Behörde als Herrin des Verfahrens in Zweifel steht.1338 Die Informationsherrschaft der Verfassungsschutzämter prägt die Ausführungshandlungen der Empfangsbehörde vor.1339 Diese faktischen Zwänge illustriert der Fall der entzogenen Journalisten-Akkreditierungen im Vorfeld des G20-Gipfels in Hamburg.1340 Das BKA hatte auf Grundlage nachrichtendienstlicher Informationen, die sich später teilweise als unzureichend präzise erwiesen, dem dafür zuständigen Bundespresseamt (BPA) den Entzug einzelner Journalisten-Akkreditierungen empfohlen. Das BPA ist diesen Empfehlungen ohne eigene Überprüfung gefolgt und sieht es in dem „bewährten“ zweistufigen Verfahren – Überprüfung der Journalisteneigenschaft durch das BPA 1334

Kritisch zur „,Zuverlässigkeit‘ von geheimdienstlichen Informationsbeständen“, F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 113 f. 1335 BVerfGE 133, 277, 328 f. Rn. 122. 1336 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 554. 1337 Vgl. auch VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 516.17, S. 15, 20; VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 519.17, S. 15, 20 f. Zu den durch die unterschiedlichen Funktionslogiken entstehenden Problemen R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 152 ff. 1338 Zu solchen Zuständigkeitsverschiebungen im Verborgenen am Beispiel der Polizei und der Ordnungsbehörden im Versammlungsrecht B. Rusteberg, SächsVBl. 2015, 261, 264 f.; R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 157 ff. Vgl. auch F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 112 f. 1339 Vgl. B. Rusteberg, in: Kulick/Goldhammer (Hrsg.), Der Terrorist als Feind?, 2020, S. 215, 222. 1340 Vgl. VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 516.17, S. 6 f.; VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 519.17, S. 6 f. Zu diesem Fall auch R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/ Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 157 f.

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und Sicherheitsüberprüfung durch das BKA – schon nicht mehr als seine „Aufgabe an, Sicherheitserkenntnisse und Sicherheitsfragen selbst zu bewerten“.1341 Diese mangelhafte Ermessensausübung führte im vorliegenden Fall als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidung des BPA.1342 Aus der Informationsherrschaft des Nachrichtendienstes wurde eine tatsächliche Herrschaft über das Verfahren. Aus dem eben geschilderten Fall lässt sich zum einen folgern, dass den Verfassungsschutzämtern „die Pflicht [auferlegt werden sollte], bei der Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen die für die Entscheidung maßgeblichen Erkenntnisse prüffähig zu dokumentieren.“1343 Zum anderen kann aber bereits auf einer früheren Stufe angesetzt werden, sodass in weitreichenden Beteiligungen der Verfassungsschutzämter an Sicherheitsüberprüfungen eine Beeinträchtigung des Gebots der Verantwortungsklarheit – in Mehrebenenkonstellationen insbesondere des Grundsatzes der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung – gesehen werden kann.1344 c) Übertragbarkeit auf polizeiliche Verwaltungsentscheidungen Die ebengenannten Probleme, die sich bei der Beteiligung der Verfassungsschutzämter an Verwaltungsentscheidungen anderer Stellen auftun, zeigen sich auch, wenn die Verfassungsschutzämter Informationen nach §§ 19 ff. BVerfSchG1345 mit der Polizei teilen.

1341 So der damalige Regierungssprecher und damit Leiter des Bundespresseamts S. Seibert auf der Bundespressekonferenz v. 12. 7. 2017, Vollständiges Transskript der BPK unter http:// www.jungundnaiv.de/2017/07/12/bundesregierung-fuer-desinteressierte-bemerkenswerte-bpkvom-12-juli-2017/ (abgerufen: 30. 11. 2020). Bemerkenswert weiter: „Es wäre nach meiner Überzeugung auch verantwortungslos gewesen für mich [S. Seibert], diesen dringenden Hinweisen [der Sicherheitsbehörden] nicht nachzugehen oder sie zu ignorieren. Ich will auch noch einmal sagen: Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, Sicherheitserkenntnisse und Sicherheitsfragen selbst zu bewerten; dazu fehlt mir die Zuständigkeit und dazu fehlt mir auch die Kompetenz.“ 1342 VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 516.17, S. 12, 15, 22 ff.; VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 519.17, S. 11 f., 15, 22 ff. 1343 So LfDI BW, G 20-Bericht des LfDI Baden-Württemberg: Es besteht Handlungsbedarf, Pressemitteilung v. 19. 9. 2018, S. 3, abrufbar unter https://www.baden-wuerttemberg.daten schutz.de/wp-content/uploads/2018/09/G-20-Bericht-des-LfDI-Baden-W%C3%BCrttemberg. pdf (abgerufen: 30. 11. 2020). 1344 Ähnlich BVerwGE 74, 315, 325 f.: „Die gebotene Bestimmtheit der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung schließt es aus, daß verschiedene Behörden zur verbindlichen Regelung einer Frage nebeneinander zuständig sind.“ 1345 Spezifischer: § 19 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG für den Grundfall der Übermittlung von personenbezogenen Daten; § 19 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG für den Grundfall der Übermittlung sonstiger Daten; § 20 BVerfSchG für Übermittlungen zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten; § 21 BVerfSchG für Übermittlungen durch die Landesämter für Verfassungsschutz.

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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Im parallelen Aufgabenbereich von Polizei und Verfassungsschutzämtern, nämlich bei der Aufklärung gefährlicher, ggf. bereits strafrechtsrelevanter Gruppierungen, findet durch die Übermittlungsvorschriften der §§ 19 ff. BVerfSchG eine Vernetzung statt. Diese Datenübermittlung berührt in zweierlei Hinsicht das Gebot der Verantwortungsklarheit. Zum einen durch für Außenstehende nicht erkennbare Beiträge der Verfassungsschutzämter zu polizeilichen Verwaltungsentscheidungen (aa). Zum anderen drohen die Verfassungsschutzämter auch in polizeilichen Verwaltungsverfahren die faktische Kontrolle über das Verfahren zu übernehmen, indem Quellenschutzerwägungen den Verifizierungsinteressen der Polizei entgegengehalten werden (bb). Mangels hinreichender Dokumentationspflichten genügen die Regelungen de lege lata dem Gebot der Verantwortungsklarheit nicht (cc). aa) Verdeckte Beiträge der Verfassungsschutzämter Bei der Beteiligung der Verfassungsschutzämter an der Informationsbeschaffung der Polizei – etwa nach § 20 Abs. 2 BVerfSchG zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten – besteht die Gefahr, dass einzelne Beiträge der Verfassungsschutzämter im Vorfeld einer polizeilichen, aktionellen Gefahrabwehrmaßnahme von Außenstehenden nicht zugeordnet werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Verfassungsschutzämter ihre Datenübermittlung, gestützt auf Quellenschutzerwägungen, beschränken und eine Veröffentlichung ihrer Beteiligung verhindern. Die letztlich belastende Gefahrabwehr- oder Strafverfolgungsmaßnahme ist für die Bürgerinnen und Bürger in der Regel leicht zu erkennen. Im Gegensatz dazu bleiben interadministrative Vorfeldverbindungen und -beiträge oftmals unbekannt.1346 Es muss im Strafprozess oder in der Nachbearbeitung der Gefahrenabwehr allerdings erkennbar sein, welchen Anteil Informationen hatten, die von den Verfassungsschutzämtern für deren speziellen Zweck erhoben wurden; inwieweit also ein Eingriff durch die Zweckänderung von Gefahrenprophylaxe auf Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung stattgefunden hat. Einzelne Handlungsbeiträge, wie Informationsübermittlungen der Verfassungsschutzämter an Strafverfolgungs- und Gefahrabwehrbehörden, müssen ebenso klar verantwortet werden wie die letztendlich tatsächlich eingreifende Maßnahmen, ansonsten droht eine Erosion der Verantwortung.1347 Gleichwohl besteht nach §§ 19 ff. BVerfSchG keine Dokumentationspflicht hinsichtlich der Datenübermittlung. Darüber hinaus ist der Rechtsschutz dadurch verkürzt, dass die oberste Aufsichtsbehörde eines involvierten Verfassungsschutzamtes nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO bzw. § 96 S. 1 StPO die Veröffentlichung von Akten unter Quellenschutzerwägungen verhindern kann.

1346

Im Kontext der europäischen Datenschutzkontrollstellen C. Kibler, Datenschutzaufsichtsverbund, 2021, S. 322 mit Verweis in Fn. 152 auf J. Hofmann, in: Schmidt-Aßmann/ Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 353, 373. 1347 Vgl. C. Kibler, Datenschutzaufsichtsverbund, 2021, S. 321 f.

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bb) Faktische Verfahrensherrschaft der Verfassungsschutzämter durch überlegenes Wissen Das Gebot der Verantwortungsklarheit ist bei der Kooperation von Verfassungsschutzämtern und Polizei ferner dann beeinträchtigt, wenn die gegenüber den Betroffenen tatsächlich handelnde Stelle (Polizei) und die Stelle, die durch überlegenes Wissen die tatsächliche Herrin des Verfahrens ist (Verfassungsschutzämter), auseinanderfallen1348 und diese Verschiebung den Betroffenen verborgen bleibt. Findet diese Verschiebung zwischen Bundes- und Landesbehörden statt, ist auch der spezifische Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung berührt. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich angehalten, die Aufgaben im Staat derart zu verteilen, dass jede Verwaltungseinheit die ihr übertragenen Aufgaben grundsätzlich mit eigenständig erhobenen Informationen erledigen kann.1349 Die sich überschneidenden Aufklärungsfelder von Verfassungsschutzämtern und Polizei provozieren Situationen, in denen zur finalen Gefahrenabwehr Informationen, die von den Verfassungsschutzämtern erhoben wurden, insbesondere nach §§ 20 f. BVerfSchG an die Polizei transferiert werden; mithin haben die Verfassungsschutzämter einen Anteil an der kausalverlaufsverändernden Verwaltungsentscheidung der Polizei. Dem Selbstverständnis der Ämter und auch der Interpretation von Teilen der Literatur nach beschränkt sich die Datenübermittlung an Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden auch nicht auf bloße Rohdaten zum Anstoß von Ermittlungen, sondern auf eigene Auswertungserkenntnisse und Analysen.1350 Bisweilen wird auf den grundrechtsschonenden Aspekt mehrfacher „Filterung“ der Informationen von der Erhebung bis zur aktionellen Verwertung für die Gefahrabwehr oder Strafverfolgung verwiesen,1351 doch hat dies auch zur Folge, dass die eigentlich zuständige Behörde als Empfänger die Auswertungen und Analysen noch schwerer nachkontrollieren kann, als dies bei Rohdaten der Fall wäre. Auswertungen verändern die Rohdaten durch eine subjektive Filterung. 1348 So auch B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 128, allerdings zur Informationsbeziehung des BKA mit den Ländern im Bereich der Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus. Eine derartige Kompetenzverlagerung kann nicht nur im Verhältnis Bund zu Ländern, sondern auch im Verhältnis des Polizeivollzugsdiensts zu den allgemeinen Ordnungsbehörden stattfinden, vgl. ders., SächsVBl. 2015, 261 ff. 1349 A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 161. 1350 So T. Siems, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, VI § 7 Rn. 61 unter Verweis auf BT-Drs. 18/4654, S. 33. Kritisch gegenüber der Einschätzung von Siems und unter ausdrücklicher Bezugnahme R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 157 f. Ferner dazu J. F. Lindner/ J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168; J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 295; 4 f.; ders., GSZ 2018, S. 1, 1351 Vgl. J. F. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 20.

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Die Polizei weicht bei der Zusammenarbeit über Bund-Länder-Grenzen hinweg vom Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenerledigung ab, wenn sie sich bei Verwaltungsentscheidungen ohne weitere eigene Ermittlungen und ohne Nachprüfung auf Informationen der Verfassungsschutzämter verlässt. Zunächst führt sie damit entscheidende Verfahrensschritte nicht mit eigenen Sachmitteln oder innerhalb der eigenen Organisation aus. Des Weiteren steht in Frage, ob die Polizei in diesen Fällen noch hinreichenden Einfluss auf das Ergebnis des Verfahrens hat. Fraglos steht der Polizei sowohl das Entscheidungs- als auch ein erhebliches Auswahlermessen in der Frage zu, Informationen von den Verfassungsschutzämtern zu beziehen und zu verwerten. Gleichwohl ist dieses Ermessen unter Umständen faktisch erheblich reduziert. Der Gefahrabwehrauftrag der Polizei erfordert bei potenziell erheblichen Schäden schnelles und robustes Eingreifen. Da im Aufklärungsfeld der Verfassungsschutzämter stets Schutzgüter von höchstem Wert potenziell bedroht sind1352, lastet ein starker Handlungsdruck auf den Polizeibehörden.1353 Der erhebliche Aufwand, der nötig ist, um nachrichtendienstliche Meldungen zu verifizieren1354, drängt die Polizei in die prekäre Situation, aufwändige eigene Nachforschungen unter dem drohenden Szenario potenziell erheblicher Schäden durchzuführen.1355 Es erscheint unter diesen Umständen nachvollziehbar, sollte sich die Polizei in solchen Fällen regelmäßig für den Zugriff ohne vertiefte eigene Nachforschung zur Verifizierung nachrichtendienstlicher Informationen entscheiden.1356 Dies mag als Ausnahme vom Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung unter Umständen gerechtfertigt sein. Gleichwohl sind in diesen Ausnahmefällen die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Verfahrensbeiträge hinreichend für eine potenzielle Nachkontrolle zu dokumentieren. cc) Ungenügende Dokumentationspflichten de lege lata Sowohl Polizei als auch Verfassungsschutzämter sind zur Ermittlung der Informationsbasis für polizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahmen tätig. Die daraus folgende „Multiplikation von potentiell Verantwortlichen führt schließlich dazu, dass die damit einhergehende Division der Gesamtverantwortlichkeit im Ergebnis zu einer 1352

So das stete Narrativ des Gesetzgebers BT-Drs. 18/4654, S. 33 („herausragende[…] Schutzgüter“), 40 („herausragend wichtige Schutzgüter der Allgemeinheit“). 1353 Vgl. auch VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 516.17, S. 6 f.; VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 519.17, S. 6. 1354 Zu Überprüfbarkeitshindernissen mangels Dokumentation am Beispiel des Akkreditierungsentzugs im Vorfeld des G20-Treffens in Hamburg LfDI BW, G 20-Bericht des LfDI Baden-Württemberg: Es besteht Handlungsbedarf, Pressemitteilung v. 19. 9. 2018, S. 3. 1355 Deshalb auf die taktische Notwendigkeit direkter, schneller und informeller Informationskanäle hinweisend K. F. Gärditz, Terrorbekämpfung im EU-Recht, Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht – Vorträge und Berichte, 2016, S. 12. 1356 Beispielsweise VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 516.17, S. 17, 20, 23; VG Berlin, Urt. v. 20. 11. 2019, VG 27 K 519.17, S. 5 ff., 20 f., 23.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Verwässerung der Verantwortung führt.“1357 Mit Blick auf das Gebot der Verantwortungsklarheit ein bedenklicher Umstand. Eine entscheidende Frage bleibt in diesem Zusammenhang, welchen Anteil die Verfassungsschutzämter als „Frühwarnsystem“ an der Aufgabenerfüllung anderer Behörden haben sollen. Sollen sie einen „nahezu ausermittelten“ Sachverhalt liefern, aufgrund dessen nur noch „gehandelt“ werden muss1358, oder sollen sie lediglich vor Gefahrenlagen warnen und eigene konkrete Ermittlungen der zuständigen Stellen anstoßen?1359 Letzteres wäre selbst mit dem spezifischeren Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung ohne Weiteres vereinbar; jedenfalls aber, bei hinreichender Dokumentation der Datenübermittlung, mit dem Gebot der Verantwortungsklarheit in Einklang. Ersteres wäre in Situationen, in denen die ausführenden Stellen keine eigenen Ermittlungsmöglichkeiten haben (ggf. bei Vereins- und Parteiverboten), die praktikablere Lösung, die allerdings eine besonders rechtfertigungsbedürftige Ausnahme vom Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung bleiben müsste und zugleich nicht vom Gebot der Verantwortungsklarheit entbinden würde; mithin bliebe trotz allem die Verpflichtung zu hinreichender Dokumentation sämtlicher Datenübermittlungen. Die jedenfalls notwendigen Dokumentationspflichten1360 fehlen bisher in den Übermittlungsvorschriften der Verfassungsschutzämter nach §§ 19 ff. BVerfSchG.

D. Gebot der Zweckbindung Nachdem für die Unterscheidbarkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern häufig auf deren unterschiedliche Informationserhebungszwecke abgestellt wird, bedarf das informationelle Gebot der Zweckbindung einer eigenständigen Betrachtung. Dieses Gebot ist dergestalt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuleiten, dass Informationserhebungen umso eingriffsintensiver sind, desto unbestimmter und weitreichender die Zwecke der Weiterverwendung definiert sind.1361 1357

C. Kibler, Datenschutzaufsichtsverbund, 2021, S. 381 f. mit Verweis in Fn. 54 auf die Auseinandersetzung mit diesem „paradox of shared responsibility“ bei Y. Papadopoulos, European Law Journal 13 (2007), 469, 473 f. 1358 So wohl J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, S. 168 1359 Kritisch dazu angesichts des „spezifischen Aufgabenprofil[s] des Verfassungsschutzes“ J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293. 1360 Vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung bereits 1999 gefordert (BVerfGE 100, 313, 395 f. und 2010 wiederholt in E 125, 260, 333) und für diesen Bereich in § 4 Abs. 5 S. 2 G 10 auch vorgesehen. 1361 Vgl. BVerfGE 118, 168, 187 f. Siehe in diesem Zusammenhang auch für die Notwendigkeit, die „erforderlichen Verwendungszwecke und Eingriffsschwellen sowie die für die Gewährleistung der Zweckbindung gegebenenfalls erforderlichen Folgeregelungen [durch den

Kap. 1: Parallele Zuständigkeiten als verfassungsrechtliche Herausforderung

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Deshalb hat der Gesetzgeber die Zwecke der Informationserhebung bereichsspezifisch zu definieren.1362 Divergieren Verarbeitungs- und Erhebungszweck in der weiteren Datenbehandlung, liegt darin ein eigenständiger Eingriff in das durch die Datenerhebung bereits beeinträchtigte Grundrecht.1363 Dieser erneute Eingriff ist an dem Maßstab der hypothetischen Datenneuerhebung zu messen.1364 Nachdem die Erhebungszwecke der Verfassungsschutzämter – im Gegensatz zu den potenziellen Beobachtungsfeldern – einzigartig sind,1365 setzt das BVerfG dem Informationsaustausch zwischen Nachrichtendiensten und anderen Sicherheitsbehörden prinzipielle und dabei wiederum relative Grenzen.1366 Eine Informationsübermittlung zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern ist aufgrund des informationellen Trennungsprinzips lediglich ausnahmsweise zulässig1367 und stellt stets eine Zweckänderung dar.1368 Die Anerkennung dieser Zweckänderung ist umso bedeutender, da das BVerfG Garantien für die möglichst umfängliche nachträgliche Benachrichtigung der Betroffenen einfordert.1369 Eine solche nachträgliche Benachrichtigung findet bei polizeilichen Überwachungsmaßnahmen regelmäßig statt, da diese grundsätzlich auf außenwirksame, mithin dem Betroffenen bekannt werdende Maßnahmen hinauslaufen. In der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung dieser offenen Maßnahmen oder im Rahmen eines Strafverfahrens sind die polizeilichen Ermittlungsmethoden Gesetzgeber] verbindlich festzulegen“, BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 –, Rn. 130. 1362 BVerfGE 118, 168, 187 f.; 120, 274, 335 (zur Online-Durchsuchung); E 109, 279, 314 (zur Wohnraumüberwachung). 1363 BVerfGE 141, 220, 327 Rn. 285; 100, 313, 360; 109, 279, 375; 110, 33, 68 f.; 125, 260, 333. 1364 Die bisherige Rechtsprechung konsolidierend BVerfGE 141, 220, 327 f. Rn. 287. 1365 M. Bäcker, Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 257. Vgl. auch H.-J. Papier, NJW 2017, 3025, 3028. A. A. J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168 f., 173 f. 1366 BVerfGE 133, 277, 329 Rn. 123; 130, 151, 194 f. 1367 Dazu bereits 3. Teil Kap. 1 A. I. 3. e) (S. 216 ff.). 1368 V. Mehde, JZ 2005, 815, 819. Bezogen auf den speziellen Fall der Übermittlung zur Verwendung im Strafverfahren, jedoch auf Erkenntnisse der Nachrichtendienste im Allgemeinen, vgl. m. w. N. T. Engelstätter, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 97, 98. A. A. J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293; J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 173 f. Ohnehin betrachtet das Bundesverfassungsgericht jede Datenübermittlung an eine andere Behörde als eigenständigen Grundrechtseingriff BVerfGE 141, 220, 324 f. Rn. 279; BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 119. 1369 BVerfGE 125, 260, 334 ff.; 129, 208, 251; 100, 313, 361, 397; 109, 279, 363 ff.; M. Koch, Datenerhebung und -verarbeitung in den Polizeigesetzen der Länder, 1999, S. 196 ff.; T. Würtenberger, in: FS Schröder, 2012, S. 285, 293. Zu den verfassungsrechtlichen Defiziten der einschlägigen gesetzlichen Regelungen im Bereich der strategischen Telekommunikationsüberwachung B. Huber, NJW 2013, 2572, 2574 ff. Auf die Ausnahme nach Art. 19 Abs. 4 S. 3 i. V. m. Art 10 Abs. 2 S. 2 GG hinweisend M. Kutscha, NVwZ 2003, 1296, 1296 f.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

regelmäßig kenntlich zu machen.1370 Die Maßgabe der möglichst umfänglichen nachträglichen Benachrichtigung gilt unilateral sowohl für Beeinträchtigungen des Fernmeldegeheimnisses1371 als auch für das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung oder das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit sowie der Integrität informationstechnischer Systeme.1372 Umso deutlicher wirkt daher die Privilegierung der Verfassungsschutzämter durch deren weitreichende Möglichkeiten des Quellenschutzes – insbesondere nach § 15 Abs. 2 – 4 BVerfSchG – und umso gewichtiger ist die hypothetische Neuerhebung bei Informationsübermittlung zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern für den Grundrechtsschutz.

1370

Zu Herausforderungen dieser nachträglichen, gerichtlichen Überprüfung T. Würtenberger, in: FS Schröder, 2012, S. 285, 293. 1371 BVerfGE 100, 313, 361 f. 1372 Zu diesem grundlegend BVerfGE 120, 274, LS 1, 302 ff. F. Becker, NVwZ 2015, 1335, 1337.

Kap. 2: Potentielle Rechtfertigung

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Kapitel 2

Potentielle Rechtfertigung: Die Effektivität der Verfassungsschutz-Verwaltung Der NSU konnte zwischen 1998 und 2011 „zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle“1373 verüben, ohne gefasst zu werden, und belegt damit, dass insbesondere die Polizei in diesem Fall ihr Ziel der Gefahrenabwehr ebenso wenig erreicht hat wie die Strafverfolgungsbehörden ihres, die jeweiligen Delikte im Nachhinein aufzuklären.1374 Als Antwort auf diese Ineffektivität hat der Untersuchungsausschuss des Bundes als Minimalkonsens eine konsequente Anwendung der „Vorschriften für die Übermittlung von Informationen der Nachrichtendienste von Bund und Ländern an die Strafverfolgungsbehörden“1375 sowie einen verstärkten „Mitarbeitertausch mit anderen Behörden“1376 gefordert. Ferner werden die „Einrichtung des Gemeinsamen Abwehrzentrums Rechtsextremismus“1377, das Rechtsextremismus-Datei-Gesetz1378 sowie die stärkere Konzentration der Arbeit des BfV „auf gewaltorientierte Personen und Bestrebungen“ als legislative und administrative Reaktionen genannt, um die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern zu verstärken.1379 Diese Maßnahmen verdeutlichen den Versuch, die Effektivität der Gefahrenabwehr durch Polizei und Verfassungsschutzämter mittels verstärkter Zusammenarbeit der beiden Institutionen zu erhöhen. Daher stellt sich für den folgenden Abschnitt die grundlegende Frage, ob eine Steigerung der Effektivität der Gefahrenabwehr die bereits ermittelten Beeinträchtigungen verschiedener Verfassungsprinzipien durch die Aufgabenparallelität von Polizei und Verfassungsschutzämtern rechtfertigen kann.

1373

Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT- Drs. 17/14600, S. 71. Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT- Drs. 17/14600, S. 829 („beschämende Niederlage der deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden“), 832 ff. 1375 Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT- Drs. 17/14600, S. 864 Nr. 33. 1376 Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT- Drs. 17/14600, S. 865 Nr. 39. 1377 Nunmehr Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ), https://www.verfassungsschutz.de/de/das-bfv/getz (abgerufen: 30. 11. 2020). 1378 Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus vom 20. 8. 2012 (BGBl. I, S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 14. 8. 2017 (BGBl. I, S. 3202). 1379 Ergänzende Stellungnahme der CDU/CSU-Fraktion, Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT- Drs. 17/14600, S. 869. Andere Schwerpunkte werden hingegen in der ergänzenden Stellungnahme der SPD-Fraktion, Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT- Drs. 17/14600, S. 894 gesetzt, in der „ein Problem unzureichender Informationsgewinnung und -bewertung“ neben dem „Problem defizitärer Informationsübermittlung“ zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern Beachtung findet (Hervorhebungen bereits im Original). 1374

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Hierfür wird, nach einer kurzen Begriffsklärung von Effektivität und Effizienz (A.), die verfassungsrechtliche Verankerung des Prinzips einer möglichst effektiven Verwaltung – vorliegend insbesondere der Gefahrenabwehrverwaltung im Rahmen des Verfassungsschutzes – behandelt (B.). Nachdem parallele Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern mehr Nach- denn Vorteile hinsichtlich der Effektivität des Gefahrenabwehr bergen (C.), kann eine weitere Verflechtung der beiden Institutionen die Beeinträchtigungen durch die bestehende Aufgabenparallelität nicht rechtfertigen (D.).

A. Effektivitäts- und Effizienzbegriff dieser Untersuchung Effektivität wird in dieser Untersuchung als Maßgröße für Zielerreichung verstanden.1380 Angesichts der potenziell schwerwiegenden Folgen des Scheiterns, insbesondere in verfassungsschutzrelevanten Sachverhalten, hat die Effektivität der Gefahrenabwehr einen hohen Stellenwert.1381 Folglich „darf die Frage nach der Effektivität einer Organisationseinheit [im Verwaltungsorganisationsrecht jedenfalls] nicht ausgeklammert bleiben.“1382 Die Effizienz ist als Messgröße für die Wirtschaftlichkeit ein bloßes, für die Frage des Aufgabenzuschnitts nicht gesondert zu behandelndes Unterziel der Effektivität.1383

1380 So m. w. N. aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum übernommen C. Scholz, ,Effektivität und Effizienz, organisatorische‘, in: Frese (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl. 1992, Sp. 533. Ebenso W. Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, S. 11, 17; E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 40. 1381 T. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 13 Rn. 80: „Die Frage, wem eine bestimmte Aufgabe innerhalb des Behördenapparates zugeordnet wird, kann auch durchaus Auswirkungen auf die Art der Erledigung haben“. Als Reaktion auf die Aufklärungsfehler im NSU-Komplex „effizienter arbeiten[de]“ Verfassungsschutzbehörden fordernd K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/ H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 173, Rn. 397. 1382 E. Schmidt-Aßmann, in: ders./Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungsorganisationsrecht als Steuerungsressource, 1997, S. 9, 40. 1383 C. Scholz, ,Effektivität und Effizienz, organisatorische‘, in: Frese (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl. 1992, Sp. 533; W. Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, S. 11, 18 f.

Kap. 2: Potentielle Rechtfertigung

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B. Verfassungsrechtliche Verankerung des Prinzips möglichst effektiver Verwaltung Um dem Doppelauftrag des Verwaltungsrechts – das Verwaltungshandeln sowohl zu effektuieren als auch zu disziplinieren – gerecht zu werden, muss die Verfassung auch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung sichern.1384 Die abstrakte Prämisse, die Verwaltung möge mit möglichst effizientem Mitteleinsatz zu möglichst „guten“ Ergebnissen kommen1385, kann aus verschiedenen verfassungsrechtlichen Vorgaben abgeleitet werden. Zunächst ist die Effektivität der Handlungsweisen der Verwaltung insofern ein Ziel des Gewaltenteilungsgrundsatzes, als dass die „Verteilung von politischer Macht und Verantwortung sowie [die] Kontrolle der Machtträger [auch darauf abzielt], daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen“1386. Effektivitätsüberlegungen haben im weiten Bereich des Sicherheitsrechts verschiedentliche Konkretisierungen erfahren.1387 Die staatliche Verpflichtung zur Förderung von Sicherheit wird im Allgemeinen aus den grundrechtlichen Schutzpflichten abgeleitet.1388 Hinsichtlich der verwaltungsförmigen Umsetzung wird diese Pflicht durch den Auftrag zur effektiven Verfolgung und Verhinderung von Straftaten, der im Rechtsstaatsprinzip1389 und Grundrechtsschutz1390 seinen Ursprung nimmt, sowie den 1384 M. w. N. E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, 1. Kap. Rn. 32: „Das Verwaltungsrecht erfüllt also einen Doppelauftrag: Disziplinierung und Effektuierung des Verwaltungshandelns“ (Hervorhebung bereits im Original); ders., in: Hoffmann-Riem/ders./Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 5 Rn. 6. Eine Ebene tiefer zur Doppelfunktion des Verwaltungsorganisationsrechts, zu Konstruieren und zu Steuern, überblicksartig und m. w. N. S. Unger, in: Krüper/ Pilniok (Hrsg.), Organisationsverfassungsrecht, 2019, S. 56. 1385 Zur Effizienz als Element der „Richtigkeit“ des Verwaltungshandelns W. HoffmannRiem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, 1998, S. 11, 38 ff. 1386 BVerfGE 68, 1, 86 für eine dementsprechende Auslegung des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG im Lichte des Art. 20 Abs. 2 GG. 1387 BVerfGE 49, 89, 139: „Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge“; OLG München, NZM 2019, 69, 72: „effektive Mittel zur Abwehr der gegenwärtigen Gefahr“. 1388 K.-A. Schwarz, in: Blaschke/Förster/Lumpp/Schmidt (Hrsg.), Sicherheit statt Freiheit?, 2005, S. 29 ff.; F. Wollenschläger, in: Huber/ders. (Hrsg.), Landesrecht Bayern, 2019, § 4 Polizei- und Sicherheitsrecht Rn. 7 und m. w. N. zur Ableitung aus dem Rechtsstaatsprinzip Rn. 8: „Aufgabe des Rechtsstaats ist es freilich auch, Verstößen gegen die Rechtsordnung entgegenzuwirken.“ 1389 BVerfGE 77, 65, 76; 100, 313, 388 f. W. Krebs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. V, 3. Aufl. 2007, § 108 Rn. 90: „Effektivität der Aufgabenerfüllung ist nicht nur politisches Postulat, sondern gleichermaßen rechtsstaatlich gefordert.“ 1390 So für eine Verpflichtung auf eine effektive Strafverfolgung A. v. d. Behrens, KJ 2017, 38, 39 mit Verweisen in Fn. 7 und 8 auf die einhellige Rechtsprechung des BVerfG (etwa BVerfGK v. 26. 6. 2014 – 2 BvR 2699/10, Rn. 13.) und des EGMR (u. a. Finucane v. United

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr, der auch in den grundrechtlichen Schutzpflichten verankert wird,1391 qualifiziert. Es reicht mithin nicht aus, das Ziel der Förderung der Sicherheit zu verfolgen, sondern dies muss möglichst effektiv geschehen. Auf die Verwaltungsorganisation angewendet bedeutet dies, dass die Verwaltung dergestalt strukturiert sein muss, dass „sie ihre Leistungs- und Schutzaufträge zeitgerecht […] und effektiv erfüllen kann.“1392 Gleichwohl ist daran zu erinnern, dass effektive Aufgabenerfüllung lediglich eine von mehreren Prämissen des Verwaltungshandelns sein kann.1393 Mangels Konsenses über Effektivitätskriterien „rückt bei der Verbesserung des Organisationserfolges reine Pragmatik in den Vordergrund.“1394 Ob eine Organisation als effektiv zu gelten hat, wird als Fragestellung angesichts bekannter Probleme der Messbarkeit von Effektivität zunehmend von pragmatischen Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung abgelöst.1395 Die folgenden Überlegungen bleiben daher weitgehend abstrakt und können dennoch wichtige Hinweise zur Bewertung des Verhältnisses von Polizei und Verfassungsschutzämtern liefern.

C. Auswirkungen paralleler Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern auf die Effektivität der Gefahrenabwehr Die Institution Polizei steht aufgrund ihrer sachlichen, personellen wie rechtlichen Ausstattung – angesprochen sind hier etwa weite Generalklauseln wie Art. 11 Abs. 1 BayPAG – im Zentrum staatlicher Sicherheitsgewährleistung durch Gefahrenabwehr. Die Verfassungsschutzämter beobachten Bestrebungen i. S. d. § 3 Abs. 1 BVerfSchG und stellen ihre Ermittlungen auch nach Überschreiten der Schwelle des Kingdom, no. 29178/95, 1. 10. 2003, Rn. 67; Dink v. Turkey, no. 2668/07, 6102/08, 30079/08, 7072/09, 7124/09, 14. 12. 2010, Rn. 141 ff.; Yas¸a v. Turkey, no. 63/1997/847/1054, 2. 9. 1998, Rn. 115) sowie auf den Beweisantrag der Nebenklage im NSU-Prozess, gestellt in der Hauptverhandlung vom 3. 8. 2015 in dem OLG München – 6 St 3/12, abrufbar unter www.nsu-nebenkla ge.de/wp-content/uploads/2015/08/2015.08.03.-Beweisantrag.pdf (abgerufen: 30. 11. 2020), S. 15 f. und M. Pichl, HRRS 3/2016, 142, 142. 1391 F. Wollenschläger, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 20. 1392 E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 79. 1393 Mit vielen Nachweisen auf „grundrechtlich-rechtsstaatlich-demokratisches Konfliktpotential“ einer an effektiver Aufgabenerfüllung ausgerichteten Verwaltung hinweisend F. Wollenschläger, VVDStRL 75 (2016), 187, 253. 1394 C. Scholz, ,Effektivität und Effizienz, organisatorische‘, in: Frese (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl. 1992, Sp. 534. 1395 C. Scholz, ,Effektivität und Effizienz, organisatorische‘, in: Frese (Hrsg.), Handwörterbuch der Organisation, 3. Aufl. 1992, Sp. 534.

Kap. 2: Potentielle Rechtfertigung

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Gefahren- oder Anfangsverdachts nicht ein. Damit eröffnet sich in weiten Teilen eine parallele Ermittlungszuständigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern.1396 Es bleibt zu fragen, ob die Effektivität der staatlichen Sicherheitsgewährleistung im Rahmen des Verfassungsschutzes durch die besagte Parallelzuständigkeit gefördert oder geschmälert wird. Bei paralleler Aufklärungstätigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern stehen potentiellen Effektivitätsgewinnen durch Vernetzung und Vergrößerung der Datenbestände (I.) erhebliche Reibungsverluste (II.) entgegen.

I. Gesteigerte Effektivität durch parallele Ermittlungen Die Sicherheitsarchitektur sieht sich immer komplexeren Herausforderungen gegenüber. Es wird angenommen, dass diesen Herausforderungen in der Praxis ein Bedürfnis nach verstärkt verflochtenen Aufgabenbereichen folgt; streng getrennte Aufgabenbereiche würden der modernen Verwaltungsrealität nicht mehr ausreichend Rechnung tragen.1397 Eine solche nach strikten Zuständigkeiten gegliederte Verwaltungsorganisation sei zu starr und unflexibel.1398 Daher seien in überschneidenden Beobachtungsfeldern ermittelnde Behörden gefragt, die die gesammelten Informationen im Verbund austauschen. Eine Folge dieser Überlegungen ist die parallele Zuständigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern bei der Aufklärung terroristischer Gruppen.1399 Dieses Vorgehen kann effizienzsteigernde Vorteile bringen, die im Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland 2013 kursorisch aufgelistet sind1400 : Unterschiedliche Behörden können über unterschiedliche Wege versuchen, Informationen aus im Verborgenen arbeitenden Bestrebungen zu erhalten.1401 Das erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit. Sind beide Behörden erfolgreich, können die ermittelten Informationen abgeglichen und damit 1396

Siehe dazu bereits 2. Teil Kap. 3 B. I. (S. 188 ff.). Dies wird laut A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 72, Fn. 104 verbreitet behauptet. Vgl. auch H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 1991, 302 f., zur Verflechtung staatlicher Verwaltung mit Sachverstand aus der Gesellschaft. 1398 Angedeutet bei C. Möllers, in: Trute/Gross/Röhl/ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, 2008, S. 489, 500 f.; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 1991, 302 ff. 1399 A. Sommerfeld, GTAZ, 2015, S. 132. 1400 M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 155. Ebenfalls wiedergegeben bei A. Sommerfeld, GTAZ, 2015, S. 132. 1401 Dazu auch T. Siems, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, VI § 7 Rn. 24: „Diese Überlagerung sind durchaus gewollt, da der Opportunitätsgrundsatz es den Nachrichtendiensten ermöglicht, an Informationen zu gelangen, die ihre Quellen aus Scheu vor eigener Strafverfolgung und/oder Öffentlichkeitswirksamkeit nicht den Strafverfolgungsbehörden offenbaren würden.“ 1397

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

validiert werden. Der Bericht hebt ferner das ergänzende Potenzial der unterschiedlichen Verwendungszwecke von polizeilich oder nachrichtendienstlich erhobenen Informationen hervor. Aus der Tätigkeit der auf unmittelbare Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung ausgelegten Polizei und der strukturbezogenen Gefahrenprophylaxe der Verfassungsschutzämter ergebe sich erst in der Zusammenschau ein wertvolles Gesamtbild. Diese unterschiedlichen Ziele würden außerdem „unterschiedliches Tätigwerden [rechtfertigen], obwohl es zu einer Parallelität kommt.“1402 Das Beispiel des 2018 in Köln verhinderten, islamistisch motivierten Anschlags mit einer Rizin-versetzten Bombe veranschaulicht, dass die Kooperation von Verfassungsschutzämtern und Polizei zu effektiver Gefahrenabwehr führen kann. Der mutmaßliche Attentäter wurde sowohl von Verfassungsschutzämtern als auch Polizeibehörden beobachtet; die Abstimmung fand im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) statt.1403 Das GTAZ ist eines der fünf sogenannten Gemeinsamen Zentren des Bundes in denen Polizei und Verfassungsschutzämter ihre Informationen teilen1404, die sie für ihre jeweiligen Aufgaben erheben. Die Gemeinsamen Zentren verfolgen als „behördenübergreifende Kooperationsplattformen, […] das Ziel […], eine vertrauensvollere, engere und verstetigte Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden auf der Grundlage eines optimierten Informationsflusses zu gewährleisten.“1405 Als erste Kooperationsstelle dieser Art wurde 2004 das GTAZ in Reaktion auf die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 errichtet.1406 Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend handelt es sich bei den Gemeinsamen Zentren des Bundes „nicht um neu eingerichtete Behörden, sondern um Plattformen, die dem Informationsaustausch dienen. Dieser wird gestützt auf die Übermittlungsvorschriften, die für die einzelnen Behörden jeweils in den diesbezüglichen Gesetzen geregelt sind“.1407 Durch die räumliche Nähe und den strukturierten Informationsaustausch liegt der entscheidende Mehrwert der Gemeinsamen Zentren allerdings nicht allein 1402 M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 155. 1403 R. Burger, Das Rizin für die Bombe war schon hergestellt, F.A.Z.net, 7. 6. 2019, https:// www.faz.net/aktuell/politik/inland/terrorprozess-in-duesseldorf-das-rizin-fuer-die-bombe-warschon-hergestellt-16224824.html (abgerufen: 30. 11. 2020). Als weiteres Beispiel kann die Aufklärung der jihadistisch-motivierten „Sauerland-Gruppe“ dienen, dazu eingehend die Mitglieder Harms und Kaller in M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/ H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 186 ff. 1404 Eine Auflistung der an den Gemeinsamen Zentren beteiligten Behörden findet sich in BT-Drs. 17/14830, S. 5 f. 1405 BT-Drs. 17/14830, S. 2. 1406 BT-Drs. 16/9833, S. 1; A. Sommerfeld, GTAZ, 2015, S. 156, eingehend allgemein zu den historischen Einflüssen auf die Bildung Gemeinsamer Zentren aus Polizei und Verfassungsschutzämtern, S. 154 ff. 1407 BT-Drs. 17/14830, S. 5.

Kap. 2: Potentielle Rechtfertigung

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in dem erleichterten Informationsaustausch, sondern in einer Zusammenarbeit und gemeinsamen Analyse,1408 die über das Maß der bloßen Datenübermittlung hinausgeht.1409 Die Konzeption des GTAZ wird allerdings auch aufgrund unübersichtlicher und sich in ihren Aufgabenbereichen überschneidenden Aufsichtsstrukturen kritisiert.1410 Ohnehin entbinden die Kooperationsvorteile nicht von der Vorgabe, Behördenkooperationen organisationsrechtlich zu begründen und zu steuern. Der Kompetenzordnung liegt die grundsätzliche Logik zugrunde, dass ein Auftrag einer ausreichend ausgestatteten Stelle zur Erledigung gegeben wird. Will eine Kompetenzordnung nicht von vornherein den Eindruck der Irrationalität erwecken, muss die Kooperation die Ausnahme und das Selbsthandeln der einen zuständigen Behörde der Regelfall sein.1411 Dauerhafte Kooperationen deuten auf eine unzureichende Ausstattung oder einen unsachgerechten Aufgabenzuschnitt hin. Ferner sprechen erhebliche Reibungsverluste gegen die pauschale Annahme, Behördenkooperationen würden per se die Effektivität der Gefahrenabwehr steigern.

II. Effektivitätshindernisse durch parallele Ermittlungen Mit Zuständigkeitsparallelitäten und damit verbundener Behördenkooperation gehen im Allgemeinen und im speziellen Fall der parallelen Ermittlungstätigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern effektivitätsmindernde Reibungsverluste einher.1412 Eine Reihe an Nachteilen listet der Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland 2013 auf1413 : Eine drohende Verteilung von Informationsbruchstücken auf unterschiedliche Behörden schadet der Effektivität der Gefahrenabwehr und führt im schlechtesten Fall dazu, dass eine tatsächlich gefährliche Situation unerkannt bleibt und damit der eigentliche Auftrag gefährdet wird. 1408 M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 174; A. Sommerfeld, GTAZ, 2015, S. 215 f. 1409 M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 174 f.; A. Sommerfeld, GTAZ, 2015, S. 279. 1410 A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 161. 1411 F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 853 sieht das letztlich als „Konsequenz daraus, dass Art. 65 S. 2 GG die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben auf Bundesebene grundsätzlich nur in monokratisch verantwortlicher Form erlaubt“. Ebenso für dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis, C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 2 Rn. 10, 21. 1412 So auch C. Gusy, ZRP 2012, 230, 231. 1413 M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 155 ff.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Unter Effizienzgesichtspunkten ist die doppelte Kostenlast1414 ebenso rechtfertigungsbedürftig wie potenziell mögliche gegenseitige Beobachtung von V-Personen unterschiedlicher Behörden. Ob die Rechtfertigung gelingen kann, erscheint fraglich. Vereinzelt wird bezweifelt, ob die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen positive Effekte auf die Straftatenaufklärung sowie das allgemeine Sicherheitsgefühl hat.1415 Die föderale Gliederung sowohl von Polizei als auch Verfassungsschutzämtern hat zu Folge, dass unter Umständen zwei Behörden unterschiedlicher Verwaltungsträger die gleiche Bestrebung aufklären. Dabei können unterschiedliche, gegebenenfalls sogar widerstreitende, politische Vorgaben aufeinandertreffen.1416 Im vorliegenden Fall der parallelen Aufklärung von Polizei und Verfassungsschutzämtern benötigt es für eine solche effektivitätsmindernde Situation nicht einmal unterschiedliche Verwaltungsträger. Die unterschiedlichen Zielvorgaben von Polizei und Verfassungsschutzamt bedingen es, dass widerstreitende Maßnahmen gleichermaßen zweckmäßig sein können.1417 Während der Polizei an einer unverzüglichen Gefahrenabwehr gelegen ist, sorgt sich das zuständige Amt für Verfassungsschutz um eine potentiell wertvolle Quelle zur weiteren strukturellen Aufklärung.1418 Dass solche Konflikte aufgrund behördlicher Eigenrationalitäten leider kein bloß abstraktes Problem sind, hat der Fall des NSU-Trios aufgezeigt. So musste das bemerkenswerte Fazit gezogen werden, „dass das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ,die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bei der Suche nach dem Trio massiv beeinträchtigt hat‘.“1419 Der Vorwurf, der Vertrauensleute-Einsatz der Verfassungsschutzämter habe zur Stärkung rechtsradikaler Strukturen und zur Behinderung der Strafverfolgung geführt, wurde plausibel vorgetragen.1420 Dem 1414 Ebenfalls auf mögliche Doppelarbeit hinweisend Antrag der Fraktion der FDP und einzelner Abgeordneter v. 29. 1. 2019, BT-Drs. 19/7424, S. 2. 1415 Substantiiert zur Wirksamkeit hinsichtlich der Straftatenaufklärung J. Puschke, Informationsbeschaffungsmaßnahmen, 2006, S. 179 ff. und begründet zweifelnd hinsichtlich des allgemeinen Sicherheitsgefühls der Bevölkerung, a. a. O. S. 184. 1416 Sog. positiver Kompetenzkonflikt, C. Ohler, BayVBl. 2002, 326, 326 f. 1417 Eingehend zu Kooperationsschwierigkeiten oder sogar -hindernissen zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern aufgrund von Eigenrationalitäten R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 152 ff. Siehe auch W. Ridder, Verfassung ohne Schutz, 2013, S. 157. 1418 M. w. N. M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 132. Vgl. auch M. Kilchling, GSZ 2020, 57, 60. Plakativ den worst-case schildernd M. Pichl, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2018, 103, 109: „Der Verfassungsschutz ging von der Annahme aus, die rechte Szene kontrollieren zu können, und sorgte damit für deren – möglicherweise nicht-intendierte – nachhaltige Stärkung.“ Zu den Friktionen zwischen dem geheimdienstrechtlichen Erlaubnissatz nach § 9a BVerfSchG und dem polizeilichen Auftrag zur Gefahrenabwehr R. Alleweldt/F. Roggan, NJW 2020, 3424, 3426 ff. 1419 M. Kutscha, NVwZ 2013, 324, 234 unter Bezug auf G. Schäfer/V. Wache/G. Meiborg, Gutachten zum Verhalten der Thüringer Behörden und Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung des „Zwickauer Trios“, 2012, S. 220 Rn. 386. 1420 A. v. d. Behrens, KJ 2017, 38, 45.

Kap. 2: Potentielle Rechtfertigung

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Quellenschutz wurde von Seiten der Verfassungsschutzämter im Rahmen des NSUKomplexes ein höheres Gewicht als der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr eingeräumt.1421 Die Verfehlungen sind derart gewichtig, dass bereits der Schluss auf systemische Mängel gezogen wurde.1422 Im Grunde geht es hierbei um den Zielkonflikt zwischen weiterer struktureller Aufklärung und unmittelbar eingreifender Gefahrenabwehr. Unmittelbare, notwendigerweise offene Maßnahmen – etwa Ingewahrsamnahmen oder Vereinsverbote – behindern oder beenden sogar die verdeckte Aufklärung einer gegebenenfalls bereits weitgehend infiltrierten Gruppierung. Ein solcher Zielkonflikt ist allerdings nicht auf das Verhältnis von Polizei und Verfassungsschutzämtern begrenzt, sondern lässt sich auch etwa auf das Zusammenspiel von Polizei und Vereinsverbotsbehörden erweitern. Exemplarisch kann hierzu auf das Verbot und die Auflösung des Internetportals linksunten.indymedia.org verwiesen werden.1423 Auf dieser Internetseite wurden unter anderem anonyme Bekennerschreiben zu linksextrem politisch motivierten Straftaten veröffentlicht. Das Verbot des Bundesinnenministers wurde vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisiert, da das Portal „polizeitaktisch“ wichtig gewesen sei, um die kriminell-linksextremistischen Szene zu beobachten.1424

1421 Von aktiver Einflussnahme auf Strafverfahren schreibt A. v. d. Behrens, KJ 2017, 38, 49; Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 884. Vgl. auch R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 154, 155: Verdeckten Ermittlern und V-Leuten sind von Straftaten freigestellt, die Individualrechtsgüter nicht beeinträchtigen „– so etwa §§ 8a; 8b BVerfSchG. Zu diesen Straftaten zählen grundsätzlich auch Urkundenunterdrückungs- und Aussagedelikte, wodurch der Interessenkonflikt zwischen dem Verfassungsschutz und den Strafverfolgungsbehörden auch über die durch die verdeckten Ermittler und V-Leute begangenen Straftaten hinausreichen kann, da die Straffreiheit auch zur Vertuschung weiterer eigener und der Straftaten Dritter genutzt werden kann. Hier kann es sogar dazu kommen, dass Strafverfolgungs- und Verfassungsschutzbehörden nicht nur nicht kooperieren können, sondern gegeneinander arbeiten“ (S. 155). Von „absoluter Priorität“ des Quellenschutzes schreibt B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 554. 1422 M. Pichl, KJ 2015, 275, 282: „Fraglich ist aber, ob es sich hierbei tatsächlich um ein „Versagen“ des Verfassungsschutzes handelt oder um sein Programm.“ 1423 Vgl. dazu BMI, Pressemitteilung v. 25. 8. 2017, abrufbar unter https://www.bmi.bund. de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2017/08/vereinsverbot.html (abgerufen: 30. 11. 2020). 1424 S. Krempl, linksunten.indymedia: Kriminalpolizei kritisiert Verbot und fürchtet Vergeltung, https://www.heise.de/newsticker/meldung/linksunten-indymedia-Kriminalpolizei-kriti siert-Verbot-und-fuerchtet-Vergeltung-3814319.html (abgerufen: 30. 11. 2020). A. A. – Starkes Signal gegen extremistische Hetze und Menschenverachtung – Gewerkschaft der Polizei, Radek: Starkes Signal gegen extremistische Hetze und Menschenverachtung, https://www.gdp. de/gdp/gdp.nsf/id/DE_Radek-Starkes-Signal-gegen-extremistische-Hetze-und-Menschenverach tung?open&ccm=000 (abgerufen: 30. 11. 2020). Das Verbot liegt mittlerweile dem BVerfG zur Überprüfung vor, M. Sehl, Verfassungsbeschwerde gegen BMI-Verbot: „linksunten.indymedia“ wird Fall fürs BVerfG, lto.de, 8. 6. 2020, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/indymedialinksunten-bverfg-bverwg-verein-verbot-bmi-linksextremismus-medium-internet-plattform/ (abgerufen: 30. 11. 2020).

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Das eigentliche Effektivitätshindernis liegt nicht in den grundsätzlichen Ausrichtungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern, sondern darin, dass deren Eigenlogiken unkoordiniert gegenübergestellt werden. Es fehlen klare Kollisionsregelungen.1425 So statuiert zwar § 20 BVerfSchG eine Übermittlungspflicht des BfV an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, allerdings nur sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Diese Verpflichtung sieht sich indes – neben der engen Begrenzung auf Staatsschutzdelikte – in zweierlei Hinsicht weiter relativiert. Zum einen wird von Teilen der Literatur den Verfassungsschutzämtern entgegen des klaren Wortlauts des § 20 BVerfSchG ein Ermessensspielraum zugestanden, da „anderenfalls […] eine nachrichtendienstliche Informationssammlung in Staatschutzdelikten regelmäßig von Übermittlungen an Strafverfolgungsbehörden und deren Ermittlungen überlagert“ wäre.1426 Zum anderen würden die Übermittlungsverbote nach § 23 BVerfSchG auch für § 20 BVerfSchG gelten und die Anwendung dieser Verbotsnorm richtet sich, mangels externer Kontrolle, allein nach der Beurteilung der Verfassungsschutzämter.1427 Damit erscheint auch die Grenzziehung des Strafrechts mittels § 138 StGB1428 in Zweifel gezogen. Zwar machen sich auch Nachrichtendienstmitarbeiter unter Umständen der Nichtanzeige geplanter Straftaten schuldig. Der Einfluss dieser, quasi von außerhalb des Dienstes wirkenden, Verpflichtung1429 ist allerdings mangels externer Kontrolle nur sehr schwach. § 20 BVerfSchG kann deshalb nicht als belastbare Kollisionsnorm herangezogen werden. Das Problem gegensätzlichen Handels zeigt sich auch bei staatlichen Warnungen, etwa im Rahmen der Verfassungsschutzberichte. Der Ansicht, dass staatliche Informationstätigkeit aus kompetenzieller Sicht schon deshalb unproblematisch sei, weil sie ohne imperative Eingriffe auskomme1430, kann widersprochen werden. Denn widersprüchliche Angaben schwächen das Vertrauen des Empfängers in die warnenden Institutionen. Widersprechen sich Polizei und Verfassungsschutzämter – etwa in der Gefährlichkeitseinschätzung bestimmter Gruppierungen – schadet dies der Überzeugungskraft beider Organisationen gleichermaßen.1431 Bisweilen wird ferner behauptet, das Signal, welches mit der Möglichkeit der Straffreiheit von 1425

C. Gusy, ZRP 2012, 230, 232. So T. Siems, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, VI § 7 Rn. 24. 1427 R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 154 f.; M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 324. 1428 „[U]neingeschränkte Übermittlungspflicht“, vgl. m. w. N. N. Bergemann, in: Lisken/ Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 117c. 1429 „[N]icht geheimdienstrecht-genuin, sondern strafrechtlich aufoktroyiert“, lediglich „Normapell an wissende Individuen“, F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 114. A. A. – Verpflichtung für die Behörde – A. Dostmann/A. Müller, KriPoZ 1996, 185, 188; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 544. 1430 BVerfGE 105, 252, 271 f. 1431 M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 36. 1426

Kap. 2: Potentielle Rechtfertigung

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Vertrauensleuten der Verfassungsschutzämter (etwa nach § 9a Abs. 2 BVerfSchG) ausgesandt wird, „setzt sich […] in einen unmittelbaren Widerspruch zu gefahrenabwehrender und strafverfolgender Aufgabenwahrnehmung und führt damit gleichsam zu einer Relativierung des strafrechtlichen Normappells[, mithin drohen] Autoritäts- bzw. Respektsverlust des Staates“.1432 Die effektivitätsbeeinträchtigende Konkurrenz zwischen Polizei, im Speziellen der Kriminalpolizei, und den Verfassungsschutzämtern, hat eine dokumentierte Historie.1433 Ein 2012 veröffentlichtes Positionspapier des BKA spricht von Operationen der Verfassungsschutzämter, die im „Widerspruch zum Agieren der Polizei“ stehen.1434 Weiter zurückgehend weist ein weiteres Positionspapier des BKA vom 3. Februar 1997 auf diverse Probleme zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern hin. Die Ämter behinderten beim V-Personeneinsatz oftmals polizeiliche Ermittlungen.1435 Konsequenzen wurden aus dem Papier nicht gezogen. Die damalige Behördenleitung verteidigte das Vorgehen der Ämter: „Nach Eingang dieses Positionspapiers im BfV im Februar 1997 hat der damalige Präsident des BfV […] verfügt, dass in dem vereinbarten Gespräch auf Arbeitsebene mit dem BKA zuerst klargestellt werden müsse, dass [das] BfV keine Strafverfolgungs- oder -verhinderungsbehörde sei. Danach seien die weitgehend naiven oder zum Teil diskriminierenden Vorstellungen zurückzuweisen.“1436 Weniger konfrontativ, aber mit potenziell ebenso schwerwiegenden Nachteilen für die Effektivität der Gefahrenabwehr ist es, wenn unkoordinierte Zuständigkeitsüberschneidungen in der Konsequenz dazu führen, dass die Aufgabe unerledigt bleibt.1437 So war das BfV im Fall des Breitscheidplatz-Anschlags mit dem späteren Attentäter nur am Rande befasst, da von einer Zuständigkeit der Polizei ausgegangen

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F. Roggan, ZRP 2017, 208, 211. Bereits 1968, BT-Drs. 5/4208, S. 6: „wobei allerdings mitzuberücksichtigen ist, daß die Zusammenarbeit zwischen den dem Legalitätsprinzip verpflichteten Strafverfolgungsbehörden und den nach dem Opportunitätsprinzip vorgehenden Nachrichtendiensten trotz bester Vorschriften nur dann gedeihen kann, wenn zwischen diesen Stellen ein echtes Vertrauensverhältnis geschaffen und aufrechterhalten wird, und daß eine Instanz benannt wird, die im Streitfall entscheidet, ob und wie zusammenzuarbeiten ist.“ Siehe auch H. P. Bull, in: FS Götz, 2005, S. 341, 342. Weiter zum schwierigen Verhältnis von Kriminalpolizei und Verfassungsschutzämtern D. Schenk, Der Chef, 1998, S. 240 ff. Latente positive wie negative Kompetenzkonflikte als Folge unkoordinierter Mehrfachzuständigkeiten, allerdings im Kontext der polizeilichen Eilzuständigkeit, benennend C. Ohler, BayVBl. 2002, 326, 326 f. 1434 Zitiert nach J. Dirac, in: Ramelow (Hrsg.), Schreddern, Spitzeln, Staatsversagen, 2013, S. 135, 136. 1435 Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 218 f. 1436 Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 219. 1437 Sog. negativer Kompetenzkonflikt, s. C. Ohler, BayVBl. 2002, 326, 326 f. Dazu am Beispiel der mangelhaften Zusammenarbeit der LfV Thüringen, Bayern und Sachsen bei der Beobachtung des NSU C. Gusy, ZRP 2012, 230, 232. 1433

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

wurde.1438 Die Polizei stellte im weiteren Verlauf allerdings ihrerseits die Beobachtung ein, ohne dass das BfV seinerseits die Beobachtung aufnahm.1439 Effektivitätshindernd wirken sich ferner die Herausforderungen für den Rechtsschutz aus, die eine Beteiligung der Verfassungsschutzämter an Verwaltungsverfahren der Polizei bedeutet. In sogenannten „In-camera-Verfahren“ nach § 99 Abs. 2 VwGO wird lediglich die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Offenlegung von Informationen überprüft, nicht allerdings deren Validität.1440 Die gegebenenfalls folgende Nichterweislichkeit von Tatsachen geht nach ständiger Rechtsprechung zu Lasten desjenigen, der aus den Tatsachen für ihn günstige materielle Rechtsfolgen ableiten will.1441 Für eine Polizeibehörde bedeutet das, will sie ihr Verwaltungshandeln maßgeblich auf Informationen der Verfassungsämter stützen, dass diese Maßnahmen vor Gericht gegebenenfalls keinen Bestand haben. Der systematische Erlass von aufhebbaren Verwaltungsmaßnahmen gestützt auf nicht gerichtsfest beweisbare Tatsachen1442 widerspricht einer ordnungsgemäßen, rechtsstaatlichen Verwaltung.1443 In Bezug auf die Kontrolle insbesondere der verdeckten Ermittlungstätigkeiten zeigen sich darüber hinaus zwei weitere Probleme. Zum einen erschwert die Zersplitterung der Kontrollinstanzen die nachträgliche Aufarbeitung, da sich keine Instanz ein umfängliches Bild machen kann. Zum anderen besteht durch die Multiplikation der Eingeweihten ein erhöhtes Risiko der Enttarnung und damit der Gefährdung verdeckter Mitarbeiter oder Vertrauenspersonen.

1438 Berichte aus dem Untersuchungsausschuss des Bundestages vom 27. 9. 2018 und 18. 10. 2018, 1. UA 19 WP. Vgl. auch Bericht aus dem Untersuchungsausschuss des Bundestages vom 1. 10. 2020, 1. UA 19 WP. 1439 „Im Kern geht es darum, warum der Attentäter Amri, der geradezu umstellt war von VLeuten unterschiedlicher Sicherheitsbehörden, nicht rechtzeitig gestoppt werden konnte“, so A. Hahn, BT-Plenarprotokoll v. 1. 2. 2019, S. 9137. 1440 R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 159; B. Rusteberg, in: Kulick/Goldhammer (Hrsg.), Der Terrorist als Feind?, 2020, S. 215, 224 f. Eingehend zum In-camera-Verfahren A. Trossbach, Öffentlichkeit und Geheimhaltung, 2019, S. 103 ff., mit Kritik an der aktuellen Ausgestaltung des Verfahrens (S. 135 ff.) und mit dem Ergebnis der Reformbedürftigkeit (S. 279 f.). 1441 G. Breunig, in: BeckOK VwGO, 56. Ed. Stand: 1. 1. 2021, § 86, Rn. 35; W. Neumann, DVBl. 2016, 473, 482 f. Zu den Folgen geheim gehaltener Informationen in Verfahren der Sicherheitsüberprüfung, vgl. BVerwG, Urt. v. 20. 10. 2016 – 2 A 2/16, NVwZ 2017, 232, 233 f. Rn. 19 ff.; W. Däubler, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, 2019, § 15 SÜG Rn. 44. 1442 W. Neumann, DVBl. 2016, 473, 483. 1443 So auch R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 159. Eingehend zur Informationsherrschaft der Nachrichtendienste im Verwaltungsprozess B. Rusteberg, in: Kulick/Goldhammer (Hrsg.), Der Terrorist als Feind?, 2020, S. 215, 224 ff.

Kap. 2: Potentielle Rechtfertigung

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D. Keine Rechtfertigung der Aufgabenparallelität mangels Effektivitätssteigerung Die aufgezeigten Nachteile relativieren die Vorteile. Das Gebot der Effektivität der (Verfassungsschutz-)Verwaltung kann damit nicht zur Rechtfertigung des verwaltungsorganisationsrechtlichen Ausnahmefalls, den die parallele Ermittlungszuständigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämter darstellt, herangezogen werden.1444 Eher scheint eine Trennung der Aufklärungsbereiche im Sinne der Effektivität der Gefahrenabwehr zu sein.1445 Dieser Befund lässt sich auch nicht dadurch entscheidend schwächen, dass einige der Nachteile theoretisch behebbare Kommunikationsdefizite sind.1446 Bis zur Unkenntlichkeit verkürzte Kommunikationswege innerhalb gemeinsamer Zentren von Polizei und Nachrichtendiensten als Allheilmittel zu preisen, verkennt schon deren bedenkliche grundrechtsrelevante Implikationen.1447 Zwar bannt eine enge Absprache etwa die Gefahr widersprüchlicher Informationstätigkeit weitgehend, doch jedenfalls auf Kosten eines zeitintensiven und nicht zwingend im Konsens endenden Abstimmungsprozesses. Getrennte Aufgabenbereiche bieten dagegen die klarere Lösung. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass, solange Polizei und Verfassungs-

1444 So auch die Mitglieder Bäcker, Giesler, Hirsch und Wolff in M. Bäcker/V. Giesler/ M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 157. Generell kritisch zu Verbundmodellen für die nationale Verwaltung A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 88 f. Die Effektivität der Vernetzung von Polizei und Nachrichtendiensten im Speziellen bezweifelnd M. Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Aufl. 2018, „Landesamt für Verfassungsschutz“, S. 1343; ders., in: Böckenförde/Gareis (Hrsg.), Deutsche Sicherheitspolitik, 2. Aufl. 2014, S. 149, 182 ff. 1445 Ebenso kritisch, ob der bisher getroffenen Maßnahmen zur Effektivitätssteigerung, Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie einzelner Abgeordneter v. 25. 3. 2019, BTDrs. 19/8700, S. 2. Für Effektivitätssteigerung durch Konzentration der Gefahrenabwehr in Händen der Polizei F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 199. 1446 So aber die Mitglieder Harms und Kaller in M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/ S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 157 f. 1447 So hebt etwa BVerfG, NJW 2013, 1499, Rn. 115 ff. die eingriffsintensivierende Bedeutung des transfunktionalen Informationsaustauschs heraus. Dazu S. Tanneberger, VBlBW. 2014, 41, 43. Ebenfalls kritisch Antrag der Fraktion der FDP und einzelner Abgeordneter v. 29. 1. 2019, BT-Drs. 19/7424, S. 2: „Die Plattformen zum Informationsaustausch sind vielmehr ein klarer Hinweis dafür, dass die vorhandenen föderalen Organisationsformen für die Bewältigung der neuen Aufgaben nicht konzipiert sind und man versucht, diesen Mangel mit gemeinsamen Zentren zu kompensieren.“ Siehe auch H. Groß, APuZ 21 – 23/2019, 4, 7: „Institutionell ist das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin das mittlerweile bedeutendste Koordinationsorgan für Polizeien, Nachrichtendienste und Justiz. Zentral ist dabei der Informationsaustausch über Behördengrenzen hinweg.“

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

schutzämter noch unter Umständen parallel aufklären, eine effektive Abstimmung gewährleistet sein muss1448, um die genannten Defizite zumindest abzumildern.

1448 Die „Notwendigkeit einer effektiven informatorischen Vernetzung der Sicherheitsbehörden“ scheint auch das BVerfG bei seiner Entscheidung über das ATDG im Blick gehabt zu haben, vgl. S. Tanneberger, VBlBW. 2014, 41, 43.

Kap. 3: Verfassungswidrige Parallelzuständigkeit de lege lata

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Kapitel 3

Verfassungswidrige Parallelzuständigkeit de lege lata Die partiell parallele und vernetzte Tätigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern, also dass sie Informationen über identische Sachverhalte sammeln und diese untereinander austauschen, steht mit dem Trennungsprinzip in einem Spannungsfeld (A. I., II.), birgt die Gefahr nicht rechtfertigbarer additiver Grundrechtseingriffe (A. III.) und beeinträchtigt das Gebot der Verantwortungsklarheit (A. IV.). Durch Effektivitätserwägungen kann die momentane Organisation von Polizei und Verfassungsschutzämtern nicht gerechtfertigt werden (B.). Daher besteht Reformbedarf.

A. Die Organisation von Polizei und Verfassungsschutzämtern: Ein verfassungsrechtlicher Problemfall Sowohl rechtsstaatliche als auch demokratische Verfassungsgrundsätze – etwa hinreichende demokratische Legitimation oder die Kompetenzordnung – fordern prinzipiell eine klare und eindeutige Aufgabenzuweisung.1449 Demgegenüber sind sowohl die Polizei (vgl. etwa § 5 BKAG) als auch die Verfassungsschutzämter (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG) für die Aufklärung von Bestrebungen zuständig, die hinreichend konkret die Schutzgüter des Verfassungsschutzes bedrohen.1450 Eine Kollisionsregelung in dem Sinne, dass eine der Institutionen die Aufklärung einstellen und die Angelegenheit an die andere abgeben müsste, besteht nicht.1451 Diese parallelen Ermittlungstätigkeiten1452 – mit partiell identischen Befugnissen 1449 Dazu bereits eingehend 3. Teil Kap. 1 C. I. 1. (S. 240 ff.). Insbesondere für eine strikte Unterscheidung der Aufgabenzuschnitte von Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, § 2 Rn. 15 ff.; R. Poscher/ B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 62 ff. A. A. etwa W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl. 2018, Rn. 444; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 8; ders., Die Polizei 2013, 200, 201. Die gegliederte Verwaltung bildet den Normalfall (E. Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, S. 258 unter Verweis auf T. Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, 1999, S. 165 f., 173; W. Kahl, Staatsaufsicht, 2000, S. 470 f., 476 ff.), der mit nachvollziehbaren Strukturen größtmögliche Verlässlichkeit bietet (A. Berger, Die Ordnung der Aufgaben im Staat, 2016, S. 79). 1450 Kritisch angesichts des Ausmaßes an Organisationsdifferenzierung bei der Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus BVerfGE 133, 277, 332 f. Rn. 131, allerdings bei grundsätzlicher Anerkennung von Beiträgen weiterer Behörden neben der Polizei. 1451 Kritisch gegenüber institutionalisierte Mehrfachzuständigkeiten, die behördliche Konkurrenz und Doppelarbeit fördern, H. P. Bull, RuP 2015, 1, 4. 1452 Dazu bereits 2. Teil Kap. 3 B. (S. 185 ff.). Siehe auch B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 125: „in der

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

(etwa verdeckte akustische Wohnraumüberwachung nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG und § 46 BKAG) identische Sachverhalte aufklären1453 – geschieht mit unterschiedlichen Zwecken.1454 Während die Verfassungsschutzämter die Information von Regierung und Öffentlichkeit zum Ziel haben (vgl. § 16 BVerfSchG, Art. 26 BayVSG), dient die Informationserhebung der Polizei der Vorbereitung von Gefahrenabwehr (vgl. Art. 2 Abs. 1 BayPAG) und Strafverfolgung (Art. 2 Abs. 3 BayPAG i. V. m. §§ 161 Abs. 1, 163 StPO).1455 Diese Zuständigkeitsverteilung führt dazu, dass Polizei und Verfassungsschutzämter mitunter Informationen über identische Sachverhalte sammeln und auswerten. Diese Informationen können sowohl für die Gefahrenprophylaxe der Verfassungsschutzämter als auch für die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung durch die Polizei relevant sein.1456 Daher sind die beiden Institutionen vernetzt und tauschen ihre Erkenntnisse soweit zur Aufgabenerfüllung nötig aus – etwa in projektbezogenen gemeinsamen Dateien (§ 17 Abs. 1 BKAG, § 22a Abs. 1 BVerfSchG) oder auf Grundlage allgemeiner Übermittlungsvorschriften (§ 25 BKAG, §§ 19 ff. BVerfSchG). Regel bestehen Parallelzuständigkeiten der einzelnen Behörden.“ Zu Überschneidungen bereits im Vorfeld bei der Suche nach sog. „Schläfern“, also sich in Vergangenheit und Gegenwart legal verhaltenden Personen, die aber potentiell in wenig absehbarer Zukunft schwer straffällig werden C. Gusy, in: Koch (Hrsg.), Terrorismus, 2002, S. 93, 96 f. Die benannten Überschneidungen wurden allerdings an der Befugnis zur Rasterfahndung exerziert, die in der betrachteten Ausgestaltung später vom BVerfG beanstandet wurde (BVerfGE 115, 320). Nachdem eine solche Rasterfahndung für das „Vorfeld der Gefahrenabwehr“ ausscheidet (BVerfGE 115, 320; LS 1), kann weiterhin konstatiert werden, dass bei der Aufklärung noch legaler Tätigkeiten keine parallele Ermittlungszuständigkeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern besteht. 1453 M. w. N. eine Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten nach ihren Aufgabenfeldern und Befugnissen ablehnend M. Baldus, DV 2014, 1, 15. 1454 So und deshalb keine generellen Bedenken hinsichtlich der parallelen Aufklärung erkennend M. Bäcker, Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B. Rn. 257. Vgl. auch R. Klee, Neue Instrumente, 2010, S. 55, welcher allerdings die unterschiedlichen Ermittlungsansätze von Polizei und Verfassungsschutzämtern unter der Verpflichtung auf die „gemeinsame, herausragende und unteilbare Staatsaufgabe das demokratische Gemeinwesen zu schützen und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten“ wieder zusammenführt. Für die Bedeutung des Zwecks zur Prüfung, ob staatliches Handeln noch innerhalb der jeweiligen Kompetenzen stattfindet BVerfGE 150, 244, 276 Rn. 74. 1455 Zur Doppelfunktion funktionaler Zersplitterung sowohl unangemessene Machtkonzentrationen zu verhindern als auch Verwaltungshandeln dadurch zu effektivieren, die Aufgaben jeweils der Stelle zuzuweisen, die zur Erledigung am besten geeignet ist M. Winkler, Verwaltungsträger im Kompetenzverbund, 2009, S. 7; S. Müller-Franken, VSSR 2000, 155, 168; E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. 2006, 5. Kap. Rn. 38. 1456 Die Unterschiede gänzlich relativierend wird den Verfassungsschutzämtern bereits, ohne Umschweife und meist auch ohne normative Begründung, der Auftrag zur Informationsvorsorge zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zugeschrieben BVerwG Beschl. v. 5. 2. 2009 – 20 F 24.08, juris, Rn. 5 unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 BbgVerfSchG; J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1, 3 f.; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 7 f.; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 6. A. A. F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 114.

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Angesichts enger Zusammenarbeit – etwa im GTAZ – ist es fraglich, ob die momentane Organisation noch dem informationellen Trennungsprinzip genügt (I.). In Teilen verstoßen die Informationserhebungsbefugnisse der Verfassungsschutzämter gegen die verfassungsrechtlich gebotene Stringenz der funktionalen und kompetenziellen Trennung (II.). Jedenfalls verstößt die momentane Regelung, mangels ausreichender formaler Sicherungen, sowohl gegen das Verbot ungerechtfertigter additiver Grundrechtseingriffe (III.) als auch gegen das Gebot der Verantwortungsklarheit (IV.).

I. Enge Zusammenarbeit im Spannungsfeld mit dem informationellen Trennungsprinzip Das informationelle Trennungsprinzip, demzufolge Polizei und Verfassungsschutzämter grundsätzlich getrennte Datensätze bearbeiten, steht einer parallelen Ermittlungstätigkeit der beiden Institutionen nicht grundsätzlich entgegen. Jedoch provozieren sich überschneidende Ermittlungstätigkeiten einen weitreichenden Datenaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern. Nachdem die jeweiligen Informationserhebungen mit unterschiedlichen Zwecken erfolgen, ist jeder Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern am Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung zu messen. Wird jede Informationsübermittlung, selbst bei engster Zusammenarbeit, nur vorgenommen, „soweit sie zur Wahrnehmung von Aufgaben erfolgt, deretwegen ein Zugriff auf diese Daten auch unmittelbar zulässig wäre“1457, genügt die Übermittlung den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern fußt auf den Übermittlungsvorschriften der an der spezifischen Übermittlung beteiligten Behörden. So soll der Informationsfluss im GTAZ im Wesentlichen auf § 19 Abs. 1 BVerfSchG beruhen.1458 Diese Vorschrift genügt dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung und damit dem informationellen Trennungsprinzip allerdings nicht vollumfänglich. Zum einen ist die Norm hinsichtlich der Übermittlungsvoraussetzungen zu weit gefasst, da die Übermittlung von Daten, die mit besonderer Eingriffsintensität erhoben wurden, auch zur Verfolgung lediglich mittlerer Kriminalität ermöglicht wird.1459 Zum anderen ist die Übermittlungsbefugnis hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs zu eng gefasst und unterwirft Datenübermittlungen der Verfassungschutzämter an andere Behörden nicht dem Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung.1460 Inwiefern aber dieser Vorschrift in der Praxis, insbesondere bei enger Zusammenarbeit in gemeinsamen Zentren, stets genügt wird, kann vor1457

BVerfGE 125, 260, 333. M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 173. 1459 M. Bäcker, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 15. 1460 M. Bäcker, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 14. 1458

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liegend nicht beantwortet werden.1461 Das informationelle Trennungsprinzip steht der Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutzämtern in der momentanen Ausgestaltung zwar nicht grundsätzlich entgegen, fordert allerdings eine Reform der Übermittlungsbefugnisse.

II. Inkonsequente Informationserhebungsbefugnisse Es verstößt gegen die verfassungsrechtlich gebotene Stringenz der funktionalen und kompetenziellen Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern, wenn letzteren Informationserhebungsbefugnisse eröffnet werden, die tief in das Privatleben der Betroffenen eingreifen (etwa § 9 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG). Das Bundesverfassungsgericht hat für den Einsatz solcher Befugnisse gefordert, dass eine unmittelbare Gefährdung höchster Rechtsgüter gegeben sein muss.1462 In einer solchen Gefahrenlage können die Verfassungsschutzämter mangels kausalverlaufsverändernder Befugnisse keinen geeigneten Schutz bieten. Eine solch inkonsequente Gestaltung der Befugnisse ist verfassungswidrig. Es ist daher verfassungsrechtlich indiziert, die Aufklärungszwecke der Verfassungsschutzämter explizit zu normieren und die Befugnisse konsequent daran auszurichten.

III. Gefahr nicht rechtfertigbarer additiver Grundrechtseingriffe aufgrund mangelnder Abstimmung Bislang führen Polizei und Verfassungsschutzämter ihre Ermittlungen aus, ohne dass eine Abstimmung der Maßnahmen verpflichten vorgesehen wäre. Nach § 492 Abs. 1 StPO ist zwar ein zentrales staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister beim Bundesamt für Justiz eingerichtet, aus welchem auch den Verfassungsschutzämtern nach § 492 Abs. 4 StPO i. V. m. § 18 Abs. 3 BVerfSchG Informationen übermittelt werden dürfen. Allerdings beinhaltet dieses Register zum einen kein Verzeichnis der laufenden Ermittlungsmaßnahmen (§ 492 Abs. 2 StPO) und zum anderen statuiert § 492 Abs. 4 StPO lediglich die Möglichkeit, den Verfassungsschutzämtern auf Anfrage hin Auskunft zu erteilen. Eine gegenseitige Abstimmungspflicht ist damit nicht vorgesehen. Nach eigenen Angaben von Bund und Ländern auf Anfrage der „Bund-LänderKommission Rechtsterrorismus“ richtet sich die Abstimmung von operativen Er1461 Kritisch die Mitglieder Bäcker, Giesler, Hirsch und Wolff in M. Bäcker/V. Giesler/ M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 174 f. A. A. die Mitglieder Harms und Kaller in M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 181 ff. 1462 BVerfGE 141, 220, LS 1 b).

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mittlungseinsätzen von Polizei und Verfassungsschutzämtern nach dem Leitfaden „Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz“.1463 Dieser Leitfaden sieht allerdings lediglich eine der operativen Maßnahme vorgelagerte Prüfung vor, ob das Beobachtungsobjekt nicht bereits anderweitig aufgeklärt wird.1464 Ein Verfahren für diese Abstimmung ist soweit ersichtlich nicht geregelt. Zwar sei „es bereits Praxis, dass Observationseinsätze von Polizei und Verfassungsschutz grundsätzlich bei den so genannten ,Koordinierungsstellen Spezialeinheiten‘ (KOST-SE) in den Landeskriminalämtern angemeldet werden“,1465 zwingend vorgeschrieben ist dies allerdings nicht. Eine verpflichtende und formalisierte Abstimmung aller Behörden, welche identische Sachverhalte aufklären, wäre jedoch notwendig, um additive Grundrechtseingriffe durch Ermittlungsmaßnahmen wirkungsvoll auf ein grundrechtlich vertretbares Maß zu begrenzen.1466 Eine zwingend notwendige Überwachungsgesamtrechnung ist de lege lata nicht möglich. Die Regelung der überschneidenden Ermittlungstätigkeiten von Polizei und Verfassungsschutzämtern ist daher diesbezüglich defizitär, mithin verfassungswidrig.

IV. Verstoß gegen das Gebot der Verantwortungsklarheit aufgrund von Intransparenz Jeder staatliche Hoheitsträger muss sich aus Rechtsstaatlichkeits- und Demokratieerwägungen heraus für jede von ihm zu verantwortende Maßnahme gegenüber jeder betroffenen Person rechtfertigen. Die Betroffenen müssen hierfür jede sie betreffende Maßnahme, zumindest im Nachhinein, einem Hoheitsträger zuordnen können. Eine solche Zuordnung ist bei verdeckten Maßnahmen und bei Verfahrensbeiträgen im Vorfeld einer Verwaltungsentscheidung nicht unmittelbar möglich. Werden von den Verfassungsschutzämtern erhobene Informationen nach §§ 19 ff. BVerfSchG in polizeiliche Verwaltungsverfahren eingeführt, erfahren die Betroffenen das unter Umständen gar nicht oder regelmäßig erst im Nachhinein. Um die Verantwortlichkeit nicht allein dem Verwaltungsträger der letztendlich ausführenden

1463 K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 253 f. Rn. 573. 1464 K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 253 Rn. 573. 1465 K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 254 Rn. 574. 1466 So auch K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 253 Rn. 573 und mit der behördenzentrierten Befürchtung ohne Abstimmung könnten „die Maßnahmen der jeweils anderen Behörde gefährdet werden oder ins Leere laufen“ (a. a. O., S. 253 Rn. 572).

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Behörde aufzubürden, müssen die einzelnen Verfahrensbeiträge der beteiligten Behörden nachvollziehbar dokumentiert werden.1467 Entsprechende Dokumentationspflichten sind in den Übermittlungsvorschriften der Verfassungsschutzämtern de lege lata nicht vorgesehen. Damit verstößt die Beteiligung der Verfassungsschutzämter an polizeilichen Verwaltungsverfahren gegen das Gebot der Verantwortungsklarheit. Ein weiteres Problem birgt die Quellenschutzprämisse der Verfassungsschutzämter und die darauf basierenden weitreichenden Freiheiten in ihrer Übermittlungstätigkeit. De lege lata ist es den Verfassungsschutzämtern unter Berufung auf die Übermittlungsverbote nach § 23 BVerfSchG möglich, sogar beim Bestehen einer Übermittlungspflicht nach § 20 (für das Bundesamt) oder § 21 (für die Landesämter) BVerfSchG von der Informationsübermittlung abzusehen.1468 Die Informationsquellen können so vor den empfangenden Stellen verborgen werden. Das wiederum erschwert bis verunmöglicht die Verifikation der erhaltenen Informationen. Über die Kontrolle des Datenflusses beeinflussen die Verfassungsschutzämter in polizeilichen Verwaltungsverfahren, insbesondere angesichts des regelmäßig hohen Handlungsdrucks, maßgeblich die letztendliche Entscheidung. Es droht ein faktischer Wechsel der Verfahrensherrschaft, regelmäßig ohne Kenntnis der von der Verwaltungsentscheidung letztlich Betroffenen. Regelungen zur Verhinderung einer solchen Verschiebung fehlen ebenso wie wirksame Kontrollmechanismen. In Konstellation der Verschiebung über Bund-Länder-Grenzen hinweg, verstößt dies gegen den Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung. Dieser Grundsatz ist jedenfalls dann nicht mehr gewahrt, wenn die eigentlich zuständige Institution die Herrschaft über das Verfahren an eine Behörde eines anderen Verwaltungsträgers verliert. Es sind Veränderungen in den Kooperationsbeziehungen von Bundes- und Landesbehörden der Polizei und der Verfassungsschutzämter notwendig, um den momentanen, verfassungswidrigen Zustand zu korrigieren.

1467 Ebenfalls für eine solche Pflicht zur Protokollierung BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/ 17, Rn. 319; N. Gazeas, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 13. 1468 Ebenfalls kritisch dazu M. Bäcker, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 16 f.

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B. Keine Rechtfertigung mit Blick auf die Effektivität der Verfassungsschutzverwaltung Den festgestellten normativen Defiziten1469 können potenzielle Effektivitätsgewinne in der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gegenübergestellt werden. Denn bei der Bewertung der Organisation von Polizei und Verfassungsschutzämtern gilt es, berechtigte Sicherheitsinteressen des Staates zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu bedenken.1470 Eine Effektivitätssteigerung träte ein, wenn durch die Zusammenarbeit Synergieeffekte erzeugt würden oder die zur Verfügung stehenden Ressourcen besser genutzt werden könnten. Der Zielvorgabe des Grundgesetzes einer möglichst effektiven Verwaltung könnte durch die Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutzämtern gedient werden, indem Informationen, die sowohl für Gefahrenprophylaxe als auch Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung relevant sind, geteilt werden. Die Vernetzung von Polizei und Verfassungsschutzämtern hat für den Gesetzgeber nach den Kooperationsdefiziten bei der Aufklärung des NSU einen herausgehobenen Stellenwert. Als Reaktion sollte der Informationsaustausch von Polizei und Verfassungsschutzämtern verbessert und intensiviert werden.1471 Grundlegend hinterfragt wurde die Kooperationsbeziehung indes nicht. Gleichwohl deuten die Erkenntnisse der Untersuchungsausschüsse nach dem NSU darauf hin, dass die parallele Ermittlungstätigkeit von Verfassungsschutzämtern und Polizei gerade nicht effektivitätssteigernd, sondern eher hinderlich ist.1472 Unterschiedliche Handlungsmaximen stehen einer reibungslosen Kooperation im Weg und paralleler Aufklärung hängt die stete Gefahr an, Redundanzen zu schaffen:

1469 Bereits 2013 kamen die Mitglieder Bäcker, Giesler, Hirsch und Wolff in M. Bäcker/ V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 157 zu dem klaren Votum, dass bereits die Überschneidung der Tätigkeitsbereiche von Polizei und Verfassungsschutzämtern in der von ausschließlicher Aufgabenzuordnung ausgehenden Normalität des Grundgesetzes ein grundsätzlich rechtfertigungsbedürftiger Ausnahmefall sei. 1470 Eine Überbetonung individueller Freiheiten prangert T. Würtenberger, in: FS Schröder, 2012, S. 285, 303 f. an und S. Tanneberger, VBlBW. 2014, 41 möchte dementsprechend im Urteil des BVerfG zum BKAG eine Abkehr von dessen ATDG-Urteil erkennen. 1471 Daher Übertragung des Kooperationsmodells GTAZ mit dem Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechtsextremismus (GAR) im Dezember 2011 zunächst auf den Phänomenbereich Rechtsextremismus/-terrorismus. Im November 2012 Erweiterung des GAR um die Phänomenbereiche Linksextremismus/-terrorismus, Ausländerextremismus/-terrorismus und Spionage/Proliferation und Umbenennung in Gemeinsames Extremismus- und Terrorismuszentrum (GETZ), M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 171. 1472 Dazu 3. Teil Kap. 2 C. II. (S. 281 ff.).

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

„Eine Gefahr wird [eben] nicht allein deshalb besser abgewehrt, weil für sie mehrere Behörden zuständig sind.“1473 Die Gefahr von ineffektiver Doppelarbeit ist mangels zwingender Abstimmungsvorgaben hinsichtlich operativer Informationssammlung nicht gebannt. Freiwillige Abstimmung und Orientierung an einem unverbindlichen Leitfaden wird der Komplexität einer flächendeckenden Koordinierung von Aufklärungsmaßnahmen von 16 Landespolizeien, 16 Landesämtern für Verfassungsschutz sowie den Bundesbehörden Bundespolizei, BKA und BfV nicht gerecht. Ferner würde eine derart umfangreiche Abstimmung Kapazitäten binden, mithin zu Lasten der Effizienz gehen und damit die potenziellen Effektivitätsgewinne schmälern. Ohnehin kann eine verstärkte Abstimmung die, den unterschiedlichen Ermittlungszwecken (Strukturaufklärung und Gefahrenabwehr) folgenden, divergierenden Eigenlogiken von Polizei und Verfassungsschutzämtern allenfalls abschwächen,1474 jedoch nicht vollständig in Einklang bringen. Den effektivitätssteigernden Effekten der institutionenübergreifenden Kooperation von Polizei und Verfassungsschutzämtern stehen erhebliche Reibungsverluste gegenüber. Die momentane Organisation bietet daher keine ausreichende Steigerung der Effektivität der Gefahrenabwehr, um die festgestellten Beeinträchtigungen zu rechtfertigen.

1473

C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 12. So mit Verweis auf verstärktes Verständnis für einander, welches durch die enge Zusammenarbeit in Gemeinsamen Zentren geschaffen würde die Mitglieder Harms und Kaller in M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 158. 1474

Kap. 4: Verfassungsmäßige Funktionentrennung de lege ferenda

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Kapitel 4

Verfassungsmäßige, durch Kollisionsnormen abgesicherte Funktionentrennung de lege ferenda Die steten Relativierungen der Unterschiede zwischen den Aufgaben der Polizei und der Verfassungsschutzämter durch Ausreizen der Übermittlungsbefugnisse (§§ 19 ff. BVerfSchG) lassen den Schluss zu, dass die notwendige Unterscheidbarkeit der Funktionen de lege lata nicht erreicht wird. Um die notwendige Unterscheidbarkeit der Funktionen – Strukturaufklärung zur Gefahrenprophylaxe (§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 16 BVerfSchG) einerseits und auf Einzelpersonen konzentrierte Aufklärung zur Gefahrenabwehr andererseits – abzusichern, müssen de lege ferenda die Unklarheit stiftenden Überschneidungsbereiche abgebaut werden und Kollisionsnormen dort geschaffen werden, wo die Strukturanalysen der Verfassungsschutzämter an die Grenze der Gefahr im polizeilichen Sinne oder des strafprozessualen Anfangsverdachts nach § 152 Abs. 2 StPO heranreichen. Ab dem Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für eine Gefahr oder eine Straftat nehmen die Gefahrabwehr- und Strafverfolgungsbehörden, insbesondere die Polizei, ihre Ermittlungen auf, während de lege lata parallel die Verfassungsschutzämter ihre Ermittlungen weiterführen. Die Auflösung dieser Parallelaufklärung von Verfassungsschutzämtern und Polizei ist, um Schutzlücken zu vermeiden, nach beiden Seiten hin denkbar.1475 Jedenfalls ist es verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, den Verfassungsschutzämtern auch die Beobachtung gewisser Kriminalitätsformen zuzuweisen, sofern ein Zusammenhang mit der Verfassungsschutzaufgabe besteht, wofür allerdings bereits der Bezug der Beobachtung zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung genügen soll.1476 Mit dem Auftrag des Staates zum Verfassungsschutz, der in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG vorausgesetzt wird1477, wäre es hingegen nicht vereinbar, die Aufklärung zur Abwehr von Bedrohungen für die Verfassungsschutz-Schutzgüter keiner der beiden Institutionen zu überlassen. Aus diesem Auftrag folgt jedoch zumindest explizit noch keine Spezifizierung, welcher Behördenstruktur diese Aufklärung überantwortet werden soll. 1475 Ebenso und das Für und Wider abwägend M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/B. Hirsch/ S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 159. 1476 J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 16. So auch M. Möstl, Garantie, 2002, S. 411 f. Aus der Verfassung selbst kann man keine absolute aufgabenbezogene, also funktionale Trennung von Verfassungsschutz und Polizei ableiten. Zu den vielfältigen Überschneidungsbereichen der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern H. A. Wolff, Die Entwicklung der Sicherheitsarchitektur in Deutschland und Baden-Württemberg, Sachverständigengutachten, 2015, S. 51 ff. 1477 Zum allgemeinen Staatsauftrag, terroristischen Bestrebungen mit den erforderlichen rechtsstaatlichen Mitteln wirksam entgegenzutreten BVerfGE 49, 23, 56 f.; 115, 320, 346, 357; 133, 277, 333.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

Ermittlungen zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung sind gemein, dass beide einzelfallorientiert sind und in der Regel darauf abzielen, Einzelpersonen (Störer oder Straftäter) ein Verhalten zuzuordnen. Die Verfassungsschutzämter sind hingegen angesichts der partiellen Suspendierung des Legalitätsprinzips1478 und insbesondere aufgrund ihres weitreichenden Ermessensspielraums bei Informationsübermittlungen an Strafverfolgungsbehörden durch die Übermittlungsverbote nach § 23 BVerfSchG bei ihrer Tätigkeit keinesfalls als Strafverfolgungsbehörden zu kategorisieren.1479 Eine Einbindung der Ämter in einzelfallbezogene Verfahren erscheint angesichts des strukturorientierten Fokus der Aufklärung der Verfassungsschutzämter grundsätzlich problematisch. Daher wird vorgeschlagen, die Verfassungsschutzämter aus der Aufklärung kriminalisierter Bestrebungen abzuziehen.1480 Tatsächliche Gefahrenabwehr kann nur von der Polizei mit kausalverlaufsverändernden, aktionellen Befugnissen geleistet werden. Das Pfand der Verfassungsschutzämter – die weitergehenden Geheimhaltungsmöglichkeiten – lässt sich auch zu einem gewissen Grad auf die Polizei übertragen (Kronzeugenregelungen1481 etc.). Zwar wiegt einerseits die Macht-Kumulation bei der Polizei aufgrund ihrer aktionellen Befugnisse signifikant schwerer.1482 Diese Grundrechtsgefährdung durch potentielle Folgeeingriffe könnte durch parallele Aufklärung auch in den Fällen graduell gemindert werden, in denen die Verfassungsschutzämter aufklären und nur ausgewählte Sachverhalte zur finalen Kriminalitätsbekämpfung an die Polizei weiterleiten. Andererseits gilt es die gesteigerte Eingriffsintensität durch zusätzliche Aufklärung der Ämter zu bedenken. Die Streubreite von Ermittlungsmaßnahmen der Verfassungsschutzämter ist, insbesondere angesichts weitgehender Entkoppelung von Erhebungs- und Weiterverwendungszweck, deutlich erhöht.1483 Die Aufklärungsdoppelung von Polizei und Verfassungsschutzämtern kann daher nicht per se als grundrechtsschonender angesehen werden. 1478 W. Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 20 BVerfSchG, Rn. 1 und W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 131 ff. 1479 J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 57 ff. 1480 Im Ergebnis ebenso W. Ridder, Verfassung ohne Schutz, 2013, S. 158, mit weiterer teils fundamentaler Kritik auf S. 155 ff.: traditionelle V-Personen sind ineffizient und stellen ein Risiko dar (S. 159); Sammlung und Auswertung verfassungsfeindlicher Bestrebungen seit Gründung der Schwerpunkt der Aufklärung der Verfassungsschutzämter, darauf sei deren Tätigkeit in Zukunft zu beschränken, jedoch ohne V-Leute und lediglich mit technischen Quellen und Aussteigerprogrammen (S. 159 f.). A. A. K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 182 ff. Rn. 415 ff. 1481 Dazu eingehend J. Kaspar/L. Wengenroth, GA 2010, 453; J. Kaspar, ZRP 2011, 159; J. Kaspar/S. Christoph, StV 2016, 318. 1482 K. F. Gärditz, EuGRZ 2018, 6, 12. 1483 B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 127.

Kap. 4: Verfassungsmäßige Funktionentrennung de lege ferenda

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Tatsächlich war bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat, bis zum Polizeibrief der Alliierten, keine Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern vorgesehen. Nachrichtendienstliche Aufklärungen wurde viel eher als klassische Aufgabe der politischen Polizei angesehen,1484 weswegen auch stets davon ausgegangen wurde, dass „ein künftiges Bundeskriminalamt neben seinen polizeilichen auch nachrichtendienstliche Aufgaben wahrnehmen würde.“1485 Eine separate Stelle für die Aufgaben eines Inlandsgeheimdienstes wurde von deutscher Seite während den Beratungen nicht öffentlich diskutiert.1486 Die Alleinzuständigkeit der Kriminalpolizei für die Aufklärung staatsgefährdender politischer oder terroristischer Bestrebungen war mithin der ursprüngliche Gedanke des Parlamentarischen Rats. In konsequenter Ausgestaltung der von den Alliierten vorgeschlagenen Trennung von Polizei und Inlandsnachrichtendienst waren die Verfassungsschutzämter nicht zur Kriminalitätsbekämpfung vorgesehen.1487 Mit einer Alleinzuständigkeit der Polizei für die Gefahrenabwehr im Verfassungsschutz ist auch das Konzept der Wissensgenerierung im Gefahrenabwehrverfahren stimmig. Demnach kommt dem Gefahrenabwehrverfahren „– mit Blick auf Wissensgenerierung – ausschließlich die Funktion zu, den Sachverhalt zu ermitteln, d. h. tatsächliche Feststellungen über in der Gegenwart liegende Vorgänge zu treffen.“1488 Diese Funktion kann auch von einer allein zuständigen Behörde erfüllt werden. Zusammenarbeit ist in diesem Fall nicht zwingend. Mit dem Abzug der Verfassungsschutzämter aus der Aufklärung nach Erreichen der polizeilichen Eingriffsschwellen ist Zusammenarbeit gleichwohl nicht gänzlich ausgeschlossen; man muss die Funktion einzelner Behörden weiter verstehen und ihren Zusammenhang im System mitbedenken. Die Aufgaben der staatlichen Stellen erschöpfen sich nämlich nicht im jeweiligen Behördenzweck, sondern sind vielmehr in Zusammenarbeit dazu bestimmt, den – rechtmäßig begründeten und ausgeübten – Staatszwecken zu dienen.1489 Um dem Staatsauftrag, Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder (Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG), zu dienen, kann für die Strukturermittlung durch die Verfassungsschutzämter auch eine Anschlussmöglichkeit an die Gefah1484

A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 178. A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 123 f.; 178. 1486 A. Dorn, Trennungsgebot, 2004, S. 124. 1487 Deshalb wollte auch schon E. Denninger, KritV 1994, 232, 239, in der geäußerten Befürchtung diese würden doch eines Tages nach „polizeilichen Befugnissen“ verlangen, lieber der Polizei heimliche Ermittlungsbefugnisse eröffnen als den Verfassungsschutzämtern Kriminalitätsbekämpfungsaufgaben. Angesichts der Ausgestaltung der Besonderen Auskunftsverlangen, die den Verfassungsschutzämtern nun etwa nach § 8a BVerfSchG zu Verfügung stehen, eine bemerkenswert weitblickende Warnung. 1488 Bu. Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, 2009, S. 12. 1489 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, 2. UA 17 WP, MAT A S-1 zu A-Drs. 38, S. 11. 1485

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

renabwehr und Strafverfolgung durch die Polizei gefunden werden. Anschluss und Zusammenarbeit setzen allerdings Trennung und Abgrenzung voraus. Rechtstechnisch könnte diese strikte Funktionentrennung durch klare Kollisionsregelungen realisiert werden. Diese Regelungen wären eine notwendige Lektion aus der Unklarheit de lege lata. Klar definierte Übermittlungsvorschriften1490, die eine vollständige Übergabe eines Sachverhalts von den Verfassungsschutzämtern an die Polizei bei Erreichen der Schwelle des Gefahrenverdachts oder des strafprozessualen Anfangsverdachts zwingend festschreiben, sorgen für eine unzweifelhafte Verantwortungsverteilung und strukturieren die Zusammenarbeit. Auch ohne die Erlaubnis, Bestrebungen über die Gefahrenverdachts- oder Anfangsverdachtsschwelle hinaus zu beobachten, können die Verfassungsschutzämter auf Informationen stoßen, die einen Gefahren- oder strafprozessualen Anfangsverdacht begründen und die dann von der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt werden.1491 Die Aufklärung der Verfassungsschutzämter fände dann nur noch „im engen Bereich zwischen nachrichtendienstlicher Schwelle (,tatsächlichen Anhaltspunkten‘) und polizeilichem Anfangsverdacht (,zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten‘) statt.“1492 Gegenüber einer in Deutschland überkommenen Tradition, wegen eines „statischen Kompetenzverständnisses“ Regelungsbereiche zu „parzellieren“,1493 bietet die alleinige Zuständigkeit der Polizei bei der Aufklärung staatsfeindlicher Bestrebungen1494 einen Flexibilitätsgewinn bei stärkerer rechtsstaatlicher Einhegung durch justizielle Kontrolle im Strafverfahren oder über den Verwaltungsrechtsweg gegen Gefahrabwehrmaßnahmen. Zwar stellt sich der Zielkonflikt zwischen weiterer Strukturaufklärung und unmittelbarer, die Aufklärung in der Regel beendender Gefahrenabwehr auch innerhalb einer Institution, wie das Beispiel des Verbots der Internetseite linksunten.indymedia.org und der Kritik des Bunds deutscher Kriminalbeamter (BDK) daran zeigt.1495 Dennoch wird dieser Zielkonflikt innerhalb der Institution Polizei ten1490

Bereits 2013 eine kritische Revision der Übermittlungsvorschriften zwischen Polizei und Nachrichtendiensten anmahnend E. Töpfer, Deutsches Institut für Menschenrechte, Policy Paper Nr. 21, 2013, S. 19. 1491 R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 152 f. 1492 A. A. – dass dies de lege lata gerade nicht so sei – T. Siems, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, VI § 7 Rn. 24 unter Verweis auf B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 299 f., 484; C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 16; J. Lampe, NStZ 2015, 361, 364. 1493 R. Breuer, VVDStRL 66 (2007), Wortbeitrag zur Aussprache, 89, 89. 1494 Dafür bereits M. König, Trennung und Zusammenarbeit, 2004, S. 223 ff., 305 f. 1495 S. Krempl, linksunten.indymedia: Kriminalpolizei kritisiert Verbot und fürchtet Vergeltung, https://www.heise.de/newsticker/meldung/linksunten-indymedia-Kriminalpolizei-kriti siert-Verbot-und-fuerchtet-Vergeltung-3814319.html (abgerufen: 30. 11. 2020). Demgegenüber das Verbot als „großen Erfolg“ bewertend T. Haldenwang, Interview mit F.A.Z., F.A.Z. v. 28. 1. 2020, S. 2.

Kap. 4: Verfassungsmäßige Funktionentrennung de lege ferenda

301

denziell früher zugunsten des Eingriffs und damit zur Unterbrechung potentiell gefährlicher Kausalverläufe aufgelöst werden, da die Polizei im Gegensatz zu den Verfassungsschutzämtern ausschließlich der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung verpflichtet ist.1496 Derartige Überlegungen wurden in einzelnen Bundesländern bereits angestellt. Das LfV Thüringen sollte – so ein Vorschlag aus der Literatur1497 – das operative Geschäft an die Polizei übergeben und auf offene Quellen beschränkt Lagebilder über extremistische Gruppierungen erstellen. Die Analyse öffentlich zugänglicher Verlautbarungen und Publikationen sei dafür gänzlich ausreichend, da politische Bewegungen zur Wirkung stets irgendwann auf die Öffentlichkeit angewiesen seien. Wer hingegen im Verborgenen Umstürze oder Anschläge plane, sei nach vorgeschlagener Aufgabenteilung von der Polizei zu beobachten und an der Verwirklichung zu hindern. Heimliche Ermittlungsbefugnisse, wie etwa die akustische Wohnraumüberwachung nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG wären dann für die Verfassungsschutzämter erst recht nicht mehr einsetzbar, da daraus dann tatsächlich lediglich politische Konsequenzen gezogen würden.1498 Diese Interpretation der Aufgabe der Verfassungsschutzämter lässt sich auch leichter mit der Rechtsprechung des BVerfG zu Informationserhebungsmaßnahmen in Einklang bringen. Denn das Gericht sieht heimlich ausgeführte Maßnahmen grundsätzlich als schwerwiegend an und verlangt ausreichend konkretisierte Eingriffsschwellen1499, dabei wohl erkennend, dass einige dieser Maßnahmen für die Verfassungsschutzämter damit nicht mehr einsetzbar sind.1500 Ferner wirken die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes für heimliche Maßnahmen umso stärker, da diese „von den Betroffenen weitgehend nicht wahrgenommen und angegriffen werden [können und deshalb] ihr Gehalt – anders als etwa durch Verwaltungsakt zu vollziehende auslegungsbedürftige Begriffe des Verwaltungsrechts sonst – nur sehr eingeschränkt im Wechselspiel von Anwen1496 R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 153: „In einer Abwägung zwischen Rechtsgüterschutz bzw. Strafverfolgung auf der einen Seite und der Gewinnung weiterer Informationen auf der anderen Seite müssen Polizei und Strafverfolgungsbehörden erstere Ziele stärker gewichten, während die Verfassungsschutzbehörden grundsätzlich den Zweiteren den Vorzug geben werden.“ 1497 M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25 ff. 1498 K. F. Gärditz, EuGRZ 2018, 6, 9 Fn. 29. Mangels eigener kausalverlaufsverändernder Befugnisse ist die Wohnraumüberwachung, die nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG nur im Einzelfall zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren eingesetzt werden darf, schon de lege lata für die Verfassungsschutzämter nicht einsetzbar, dazu sogleich im Text. 1499 BVerfGE 141, 220, 269 Rn. 104. 1500 B. Rusteberg, KritV 2017, 24, 30 unter Verweis auf Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes im Land Niedersachsen, NiedersächsLT-Drs. 17/ 2161, S. 26 f. Mit gleichem Ergebnis zur Verwendung vorsorglich gespeicherter Telekommunikationsverkehrsdaten durch Nachrichtendienste BVerfGE 125, 260, 332.

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3. Teil: Herausforderung durch Aufgabenparallelität von Polizei und ÄfV

dungspraxis und gerichtlicher Kontrolle konkretisiert werden“1501 kann.1502 Dieser Umstand kommt bei der Arbeit der Verfassungsschutzämter umso stärker zum Tragen, da deren Verfahrensbeiträge aufgrund Geheimhaltungsbedürfnissen oftmals selbst im Strafverfahren oder in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Gefahrabwehrmaßnahmen unerkannt bleiben. Insbesondere die Datenerhebung mittels Wohnraumüberwachung oder eines Zugriffs auf informationstechnische Systeme kann von den Verfassungsschutzämtern praktisch nicht genutzt werden. Der im BVerfSchG geregelte Fall, dass eine dieser Datenerhebungsmaßnahmen „im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerläßlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann“ (§ 9 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG), kann praktisch niemals eintreten, da dem Bundesamt weiterführende, kausalverlaufsverändernde Maßnahmen fehlen, um die bestehende gegenwärtige Gefahr in der Konsequenz auch abzuwehren. Da diese beiden sehr eingriffsintensiven Befugnissen außerdem „nicht von einer Zweckänderung erfasst sein können, die lediglich dem Spurenansatz folgt“1503, können sie von den Ämtern auch nicht dazu eingesetzt werden, eigene Ermittlungen der zuständigen Gefahrabwehr- oder Strafverfolgungsbehörde anzustoßen.1504 Angesichts der dargestellten Kooperationshindernisse und Reibungsverluste ist eine parallele Aufklärung krimineller oder gefährlicher Gruppierungen durch Polizei und Verfassungsschutzämter – unabhängig von ihren divergierenden Ermittlungszwecken – zu vermeiden. Um diese Trennung abzusichern, bedarf es einer Kollisionsregelung, insbesondere einer Ausschluss- und Übergaberegelung nach Überschreiten der Anfangs- bzw. Gefahrenverdachtsschwelle.

1501

BVerfGE 141, 220, 265 Rn. 94. B. Rusteberg, KritV 2017, 24, 33. 1503 I. Spiecker gen. Döhmann, Bundesverfassungsgericht kippt BKA-Gesetz: Ein PyrrhusSieg der Freiheitsrechte?, VerfBlog, 2016/4/21, https://verfassungsblog.de/bundesverfassungs gericht-kippt-bka-gesetz-ein-pyrrhus-sieg-der-freiheitsrechte/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1504 BVerfG, NJW 2016, 1781, 1801 Rn. 283: „Eine Nutzung der Erkenntnisse als bloßer Spuren- oder Ermittlungsansatz unabhängig von einer dringenden oder im Einzelfall drohenden Gefahr kommt hier nicht in Betracht.“ 1502

4. Teil

Herausforderungen für die Verfassungsordnung durch die Organisation der Spionageabwehr In erstmaliger Erweiterung ihrer ursprünglichen Aufgabe zur Beobachtung politischer, umstürzlerischer Bestrebungen wurden die Verfassungsschutzämter 19721505 explizit in die Spionageabwehr eingebunden.1506 Neben der Beobachtung gewalttätiger Bestrebungen ist die Aufklärung der Spionageabwehr das zweite Aufgabenfeld, in welchem die Verfassungsschutzämter nicht exklusiv tätig sind. Auch diese Aufgabe wirft daher organisationsrechtliche Fragen, nämlich im Verhältnis der Verfassungsschutzämter mit dem BND, auf. Für eine umfassende Bewertung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter ist somit auch die Zuständigkeitsverteilung der Spionageabwehr zu behandeln. Die Zuweisung der Aufklärung der Spionage an die Verfassungsschutzämter war zu Beginn keinesfalls unumstritten.1507 Bedenkt man gleichwohl die Bedeutung politischer Erkenntnisse in der Spionage, ist diese noch im politikbezogenen Bereich verbleibende Erweiterung naheliegend. Die Ziele moderner Spionagetätigkeiten sind allerdings breit gefächert und reichen von der Erlangung militärischer und politischer Informationen über die Ausspähung im Zielstaat lebender Dissidenten bis hin zu Wirtschafts- und Technologiespionage.1508 Angesichts der engen Verflechtung dieser multipolaren Zielsetzungen der Spionage zieht das Verfassungsschutzrecht die Grenze der Beobachtung der Verfassungsschutzämter auch nicht mittels inhaltlicher Kriterien, sondern anhand der spionierenden Person oder Institution. Lediglich Spionage für eine fremde Macht ist Aufklärungsziel der Verfassungsschutzämter1509; 1505 Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 7. 8. 1972, BGBl. I 1972, S. 1382. A. A. – Spionageabwehr eine ursprüngliche Aufgabe der Verfassungsschutzämter – m. w. N. in Fn. 369, B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 127. 1506 J. Foschepoth, Überwachtes Deutschland, 2012, S. 134. Zur deutlichen Trennung von der Aufgabe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG H. P. Bull, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 21, 23. 1507 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 5; H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 87; G. Nollau, Die ersten 25 Jahre, in: Das Parlament v. 17. 1. 1976, S. 3; W. Schatzschneider, Die Ermittlungstätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz und Grundrechte, 1979, S. 32 ff. 1508 K. Ellbogen, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 49. Ed. Stand: 1. 2. 2021, § 99, Rn. 2. 1509 Etwa für das BfV nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG.

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

die Abwehr von Konkurrentenspionage unter Privaten ist hingegen keine Aufgabe der Verfassungsschutzämter.1510 Gleichwohl spielt Wirtschaftsspionage für eine fremde Macht, wie § 16 Abs. 1 BVerfSchG („informiert […] über den präventiven Wirtschaftsschutz“) nahelegt, eine bedeutende Rolle für die Spionageabwehr der Verfassungsschutzämter. Diese Fokussierung auf den „Störer“ erhebt das Merkmal „für eine fremde Macht“ zu dem für die Aufgabenerhebung und -organisation maßgeblichen Kriterium. Trotz des notwendigen Auslandsbezugs des Handelnden sind für die Spionageabwehr – neben den aus praktischen Gründen eine randständige Rolle einnehmenden Gefahrabwehr- und Strafverfolgungsbehörden1511 – sowohl die Verfassungsschutzämter als Inlandsnachrichtendienst als auch der BND als Auslandsnachrichtendienst zuständig. Die Zuständigkeit des BND ergibt sich aus dem Auftrag „zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind“ (§ 1 Abs. 2 BNDG) und dem Umstand, dass Spionage stets einen Auslandsbezug aufweist1512, mithin Spionageabwehr zwingend Erkenntnisse über das Ausland ermöglicht. Zur Abgrenzung von BND und Verfassungsschutzämtern innerhalb der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr muss daher der Auslandsbezug der Spionage ausdifferenziert werden. Zum einen kann territorial danach abgegrenzt werden, ob die abzuwehrende geheimdienstliche Aktion im Inland oder im Ausland stattfindet (Kap. 1 B. II.). Zum anderen wird materiell danach unterschieden, ob aus der Spionageabwehr Erkenntnisse über das Ausland oder das Inland erwartet werden (zum Verbot der Tätigkeit des BND „auf innenpolitischem Gebiet“, Kap. 1 C. IV.). Allerdings stößt die territoriale Abgrenzung bei mehraktigen oder multilokalen (etwa bei der Steuerung eines inländischen Agenten durch eine Stelle im Ausland) Spionagetatbeständen an ihre Grenzen. Die materielle Abgrenzung scheitert regelmäßig daran, dass aufgrund des steten Auslandsbezugs auch die Abwehr der Spionage, die allein auf das „innenpolitische Gebiet“ bezogen ist, Erkenntnisse über das Ausland ermöglicht. Angesichts dieser Abgrenzungsschwierigkeiten und des Umstands, dass das Grundgesetz kaum Vorgaben hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilung der Spionageabwehr enthält (Kap. 1 C.), gilt es, die Zuständigkeitszuweisung innerhalb der Spionageabwehr de lege lata zu hinterfragen. Die Zentralisierung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr unter dem Dach des Auslandsnachrichtendienstes BND zeigt sich als stimmigere Lösung in der grundgesetzlichen Ordnung (Kap. 2).

1510 Vgl. auch zu Abgrenzungsschwierigkeiten G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 31 ff., 34 ff. 1511 Dazu sogleich unter 4. Teil Kap. 1 A. (S. 305 ff.). 1512 Dazu unter 4. Teil Kap. 1 B. I. (S. 308 f.).

Kap. 1: Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland

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Kapitel 1

Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland Als Ausgangspunkt für die Frage, ob eine Umorganisation der Spionageabwehr durch die Nachrichtendienste verfassungsrechtlich geboten ist, gilt es zunächst, die Organisation der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr de lege lata zu beschreiben. Hierfür ist zunächst auf die faktischen Besonderheiten dieser Aufgabe und der damit verbundenen Notwendigkeit nachrichtendienstlicher Ermittlungen der Spionage einzugehen (A.). Anschließend wird der Auslandsbezug der Spionage behandelt, da dieser sowohl ein die Spionage grundlegend prägendes Merkmal als auch ein für die Trennung innerhalb der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr maßgebliches Kriterium ist (B.). Abschließend sind die grundgesetzlichen Vorgaben an die Spionageabwehr auf Organisationsvorgaben hin zu analysieren (C.).

A. Das faktische Übergewicht der nachrichtendienstlichen gegenüber der polizeilichen Spionageabwehr Spionagetätigkeiten sind sehr facettenreich und umfassen von klassischer politischer und militärischer Spionage, wie dem verdeckten Vorgehen gegen Oppositionelle im Exil, bis Wirtschafts- und Technologiespionage oder Proliferation, ein weites Spektrum.1513 In dieser Bandbreite ist Spionage in Deutschland weit überwiegend kriminalisiert.1514 Diese umfassende Strafbarkeit führt zu einer prinzipiellen Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Spionage.1515 Im Gegensatz dazu steht die Praxis, wonach der Generalbundesanwalt beispielsweise im Jahr 2013 fünfzehn und 2014 zwölf Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit nach § 99 StGB geführt hat.1516 Dies lässt sich zum einen damit erklären, dass die Verdächtigen häufig diplomatische Immunität nach §§ 18 ff. GVG genießen,1517 mithin der deutschen Strafgerichtsbarkeit regelmäßig nicht unterliegen. Zum anderen liegt dies in den praktischen Umständen 1513

G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 1; K. Ellbogen, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 49. Ed. Stand: 1. 2. 2021, § 99, Rn. 2. Siehe auch S. Sule, Spionage, 2006, S. 32 ff. 1514 In §§ 98 ff., 202a ff. StGB und der Unterfall der Proliferation in §§ 17, 18 AWG i. V. m. Ausfüllungsvorschriften. 1515 C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 67. 1516 K. Ellbogen, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 49. Ed. Stand: 1. 2. 2021, § 99, Rn. 3a. 1517 K. Ellbogen, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 49. Ed. Stand: 1. 2. 2021, § 99, Rn. 3a.

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

der Spionagetätigkeit begründet. Hier sind „Agenten unter sich“ und die besondere kriminelle Bedeutung ihrer Tätigkeit liegt in der professionellen Verschleierung ihrer Tätigkeit.1518 Daher wird die grundsätzlich offen1519, auf den Einzelfall fokussiert agierende Polizei auf Spionagetätigkeiten tendenziell spät und allenfalls zufällig aufmerksam.1520 Zum einen stellt die Polizei – als unmittelbar handelnde Strafverfolgungsbehörde – weit überwiegend keine langfristig angelegten, strukturellen Ermittlungen an und kommt so mangels Quellen kaum mit Spionage in Berührung. Zum anderen ist die Gefahr durch Spionage mit Enttarnung, mithin bei Erreichen der Schwelle eines Anfangsverdachts bzw. „tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahr“ bereits gebannt, da das schädigende Ereignis der Infiltration nicht mehr zur Vollendung gelangen kann. Spionageabwehr spielt sich damit tatsächlich weitgehend vor der polizeilichen Tätigkeit, mithin im nachrichtendienstlichen Bereich ab. Die Aufklärung der Nachrichtendienste ist für die Spionageabwehr daher notwendig und erschöpft sich keinesfalls in der Vorbereitung polizeilicher Maßnahmen durch Informationsübermittlung nach §§ 19 ff. BVerfSchG1521, sondern hat vielmehr selbst einen gefahrenabwehrenden Aspekt. In der besonderen Konstellation der Spionage sind die Nachrichtendienste damit tatsächlich auch funktionale Gefahrenabwehrbehörde.1522 Dadurch wird freilich die Gefahrenabwehr durch Polizei, Justiz und, im besonderen Fall der Spionage, auch der Diplomatie1523 nicht obsolet. Erst die Diplomatie bietet, zumindest theoretisch, dauerhafte Abwehrmöglichkeiten der Spionage mittels sogenannter No-Spy-Abkommen. Angesichts der Heimlichkeit als wesentlichem Charakteristikum der Spionage gilt die Tarnung der nachrichtendienstlichen Aufklärung sowohl als unverzichtbar als auch als die größte Herausforderung für die Spionageabwehr. Die eigenen Ermittlungen seien nicht nur während der laufenden Aufklärung, sondern auch im Nach1518

C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 67. BVerfGE 133, 277, 328 f. Rn. 121 f.; J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 291 f. 1520 C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 67. 1521 So aber wohl C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 68. 1522 Im Gegensatz dazu sind die Verfassungsschutzämter bei ihrem Einsatz in der Terrorismusabwehr (vgl. 2. Teil Kap. 3 A. IV. 2. u. V. 2. [S. 177 f. u. 179 ff.]) oder auch bei der unselbstständigen Tätigkeit im Rahmen der Sicherheitsüberprüfungen (dazu 2. Teil Kap. 2 B. [S. 124 ff.]) lediglich Vorbereitungsbehörden. Vgl. auch – enttarnte Agenten werden in der Regel außer Landes geschafft – J. Foschepoth, Überwachtes Deutschland, 2012, S. 139. A. A. noch H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 63; – auch hier nur „Gefahrenabwehr ohne Handlungskomponente“ – H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 90, der allerdings auch die „Aufgabe, Agenten zu enttarnen“ als weniger bedeutende Aufgabe ansieht. Demgegenüber ist mittlerweile „das Aufspüren von Agenten oder Aktivitäten fremder Nachrichtendienste“ als wesentlicher Bestandteil der repressiven nachrichtendienstlichen Spionageabwehr anerkannt (etwa W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 68; B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 130 ff.). 1523 S. Sule, Spionage, 2006, S. 165 f. 1519

Kap. 1: Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland

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gang zu verschleiern, um eine Anpassung des „Gegners“ zu verhindern.1524 In der Abschirmung im Nachgang verdeutlicht sich auch die Notwendigkeit der Trennung der nachrichtendienstlichen von der polizeilichen Spionageabwehr. Die Aufgabe der Nachrichtendienste endet, wenn die praktisch herausfordernde Anfangsverdachtsbegründung abgeschlossen ist. In der Folge kann – sofern überhaupt noch nötig, etwa, weil der enttarnte Agent nicht auf diplomatischem Weg ausgewiesen oder für die Gegenspionage gewonnen werden konnte – die Polizei weiter ermitteln. Sie muss allerdings ihre Methoden in einem späteren Strafverfahren offenlegen und darüber hinaus auch eingestehen, dass der Anfangsverdacht von einem Nachrichtendienst stammt. Die Verurteilung kann, um Quellen und Methoden der Nachrichtendienste zu schützen, nur auf Erkenntnissen aus der Beweiserhebung der Polizei basieren. Die Methoden des Nachrichtendienstes, mittels derer der Anfangsverdacht ermittelt wurde, bleiben hingegen auch im Nachhinein verborgen. Deshalb ist eine Trennung von Verdachtserlangung und letztendlicher Ermittlung in diesem Bereich essentiell. Ein Großteil der Spionageabwehrarbeit liegt folglich im Bereich vor der Schwelle des Anfangsverdachts bzw. Gefahrenverdachts. Darin liegt das faktische Übergewicht der Nachrichtendienste bei der Spionageabwehr begründet.

B. Der Auslandsbezug als definierendes Element der Spionageabwehr Die nachrichtendienstliche Spionageabwehr wird in der Bundesrepublik Deutschland de lege lata grundsätzlich von allen Nachrichtendiensten (BND, MAD und Verfassungsschutzämter) ausgeführt. Der MAD wird – ebenso wie auch bei seinen übrigen Aufgaben – bei der Spionageabwehr innerhalb seines klar abgrenzbaren Zuständigkeitsbereichs tätig und schließt als Bundeswehr-Spezialbehörde andere Nachrichtendienste von Ermittlung in dieser Zuständigkeit grundsätzlich aus.1525 Die Abgrenzung der Spionageabwehr der Verfassungsschutzämter untereinander und zur Tätigkeit des BND auf diesem Gebiet ist demgegenüber weit weniger klar konturiert. Im BVerfSchG wurde keine spezielle Regelung zur Verteilung der Spionageabwehr im Verfassungsschutzverbund getroffen. Daher bleibt es innerhalb des Verbundes der Verfassungsschutzämter bei der üblichen Zuständigkeitsverteilung nach §§ 5 f. BVerfSchG1526 und auch die Verteilung der Zuständigkeit zwischen 1524

C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 69. Dazu bereits 2. Teil Kap. 3 A. II. 1. (S. 163 ff.). 1526 Ebenso G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 4. Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über eine Vorrangstellung des Bundesamts für Verfassungsschutz in der Spionageabwehr fanden bereits 1968 statt, vgl. BT-Drs. 5/4208, S. 6. Für die Möglichkeit die Aufgaben der Spionageabwehr überwiegend vom BfV ausführen zu lassen K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 112, 121. 1525

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

den Verfassungsschutzämtern und dem BND ist nicht explizit geregelt. Die Zuständigkeit der Verfassungsschutzämter für die Spionageabwehr wird von der des BND gemeinhin anhand der Lokalität des „Tatorts“ unterschieden. Findet die Spionagehandlung in Deutschland statt, sollen die Verfassungsschutzämter zuständig sein; der BND sei hingegen für Spionage im Ausland sowie für Gegenspionage im In- und Ausland zuständig.1527 Der Auslandsbezug ist damit das zentrale Merkmal sowohl zur Definition der Spionage schlechthin (I.) als auch für die Zuständigkeitsverteilung der Spionageabwehr zwischen Verfassungsschutzämtern und BND (II.).

I. Der Auslandsbezug als stetes Merkmal einer ansonsten weitreichenden Spionagedefinition Spionage im Sinne der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr geschieht per definitionem „für eine fremde Macht“. So ist es in § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG für die Verfassungsschutzämter explizit normiert1528 und so ergibt es sich für den BND aus dem allgemeinen Auftrag nach § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG zur „Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland“ sind1529. Reine Konkurrenzspionage unter Privaten ist kein Fall für die nachrichtendienstliche Spionageabwehr, solange der spionierende Wirtschaftsteilnehmer keine fremde politische Macht repräsentiert,1530 mithin von einer fremden Macht gesteuert wird.1531 Diese Begrenzung auf eine ausländische staatliche Macht führt auch zu einem anderen Anforderungsprofil für die Abwehrmaßnahmen. Der Gesetzgeber möchte, dass sich der Einsatz menschlicher Quellen zur Spionageabwehr nach den allgemeinen Befugnissen, insbesondere § 8 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 BVerfSchG, richtet, „weil der staatliche Gegner andere Anforderungen an das Einsatzmittel stellt“.1532 Die restriktiveren und spezielleren §§ 9a, 9b BVerfSchG seien insoweit nicht anwendbar.1533 Diese hohe Gewichtung der Gefahren durch Spionage rühren daher, dass dem staatlich unterstützten Spion mutmaßlich größere Ressourcen zur Verfügung stehen als dem Extremisten oder Terroristen. Des Weiteren bleibt die Spionage durch den gesamten Prozess der Vorbereitung und Ausführung im Verborgenen, 1527

G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3. W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 65 f. Gleichlautend für den MAD § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MADG. 1529 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3. 1530 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 138; G. Warg, in: Dietrich/ Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 27. 1531 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 228; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 65. 1532 BT-Drs. 18/4654, S. 26. 1533 BT-Drs. 18/4654, S. 26. 1528

Kap. 1: Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland

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während extremistische oder terroristische Bestrebungen zumindest zur Tatausführung zwingend in die Öffentlichkeit treten müssen. Die Aufklärung der Spionage ist daher erheblich erschwert. Die Betonung des „staatlichen“ Gegners, dessen Abwehr aufgrund der Ermittlungsschwierigkeiten besonders unbestimmter Regelungen bedürfe, zeigt, dass die Definition der Spionage schwerpunktmäßig vom Gegner ausgeht. Dieser Gegner agiert zumindest eng verwoben mit einer fremden Regierung und weist zwingend enge Verbindungen ins Ausland auf.1534

II. Die Lokalität als Zurechnungs- und Abgrenzungskriterium zwischen der Spionageabwehr des BND und der Verfassungsschutzämter Der Aufklärungsauftrag der Verfassungsschutzämter zur Spionageabwehr ist thematisch sehr weit. Aufklärungswürdige geheimdienstliche Tätigkeiten i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BVerfSchG sind alle verborgenen Handlungen für eine fremde Macht, die dieser nicht ausdrücklich zugestanden wurden.1535 Ohne ausdrückliches Einverständnis der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt jede Form der Spionage die verfassungsmäßige Ordnung.1536 Der auf Erkenntnisse über das Ausland von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung bezogene Auftrag des BND ist ebenso nahezu ohne inhaltliche Beschränkung ausgestaltet. Eine eindeutige Zuordnung, mithin Abgrenzung zwischen Spionageabwehr durch die Verfassungsschutzämter und durch den BND kann daher anhand inhaltlicher Kriterien nicht konturenscharf gelingen.1537 Deshalb wird zur Abgrenzung überwiegend auf den Ort abgestellt, an dem die abzuwehrende geheimdienstliche Aktion stattfindet.1538 Dieses Abgrenzungskriterium trägt allerdings aus zweierlei Gründen nicht. Zum Ersten kann der BND nach eigener Aufgabennorm auch für Spionagehandlungen innerhalb der Bundesrepublik zuständig sein. Durch das Merkmal der „maßgeblich steuernden Verbindungen ins 1534

G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3. BT-Drs. 6/1179, S. 4; m. w. N. W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 70. 1536 BT-Drs. 6/1179, S. 4; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 6. 1537 Vgl. H. P. Bull, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/ 2015, 2015, S. 21, 32: „Bei der Spionageabwehr ist die Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst unverzichtbar, weil die meisten Taten aus dem Ausland geplant werden“. A. A. wohl C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 64, der den Auftrag der Verfassungsschutzämter auf „Informationen über das Inland“ bezogen sieht, dabei aber zum einen den steten Auslandsbezug der Spionageabwehr unterschlägt und zum anderen selbst die „Frage nach der ex ante-Unterscheidbarkeit oder Trennbarkeit beider Informationsmengen […] und dadurch möglicherweise begründete Kompetenzüberschneidungen“ (Rn. 64 Fn. 144) aufwirft. 1538 So etwa G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3 und früher schon C. Gusy, DV 1984, 273, 279. 1535

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

Ausland“ sind in Spionagetätigkeiten zwingend ausländische Regierungen oder staatlich dominierte Organisationen involviert; eine Aufklärung solcher Tätigkeiten führt mithin zwingend zu Erkenntnissen über das Ausland von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung.1539 Die Aufklärungsaufgabe des BND nach § 1 Abs. 2 S. 1 BNDG ist daher zur Spionageabwehr stets eröffnet, selbst wenn sich die eigentliche Spionagehandlung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland entfaltet.1540 Zum Zweiten wird dem BND weitgehend unbestritten die Zuständigkeit zur Gegenspionage – also dem Abwerben eines Agenten und in der Folge sein Einsatz gegen seinen früheren Dienst – sowohl im Ausland wie auch im Inland zugestanden.1541 Daher beschäftigen sich Verfassungsschutzämter und BND bereits jetzt parallel im Inland mit Spionage. In der Folge bedarf es ressourcenintensiver Abstimmungen, da ansonsten effizienzmindernde, ggf. sogar effektivitätsbeeinträchtigende Doppelarbeit droht.

C. Die grundgesetzlichen Vorgaben an die Organisation der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr Bevor den Zuständigkeitsunsicherheiten in der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr konkrete Reformvorschläge gegenübergestellt werden können, gilt es, die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu entfalten. Auch in diesem Fall kommt der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz ausschließlicher Aufgabenzuordnung zum Tragen (I.). Ferner sind die spezielleren Vorgaben der grundgesetzlichen Kompetenzordnung (II.), das rechtsstaatliche Prinzip möglichst effektiver Gefahrenabwehr (III.) und das überkommene Verbot der Tätigkeit des BND auf innenpolitischem Gebiet (IV.) für die Organisation der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr von besonderer Relevanz.

I. Der Grundsatz ausschließlicher Aufgabenzuordnung als grundlegende Organisationsvorgabe auch für die nachrichtendienstliche Spionageabwehr Der bereits erarbeitete verfassungsrechtliche Grundsatz ausschließlicher Aufgabenzuordnung1542 verpflichtet dazu, Zuständigkeitsparallelitäten als rechtfertigungsbedürftige Ausnahme zu behandeln und in Zweifelsfällen von getrennten Aufgaben auszugehen. 1539

G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3. A. A. G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3. 1541 C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 251 ff.; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3. 1542 3. Teil Kap. 1 C. I. 1. (S. 240 ff.). 1540

Kap. 1: Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland

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Wie bereits erörtert, kann die Aufgabe der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr nicht überzeugend nach der Lokalität der Spionagehandlung getrennt werden.1543 Eine Interpretation getrennter Spionageabwehrsphären von Verfassungsschutzämtern und BND muss an der thematischen Weite und dem zwingenden Auslandsbezug auch im Inland stattfindender Spionage scheitern. Die praktischen Umstände bedingen partiell überschneidende Tätigkeitsfelder. Inländische Spionageabwehr der Verfassungsschutzämter hat beispielsweise, sofern möglich und erfolgversprechend, umgehend in die – allerdings dem BND zugeordnete – Gegenspionage überzugehen.1544 Der Grundsatz der ausschließlichen Aufgabenzuordnung ist für begründete Ausnahmen offen. Demnach sind Aufgabenüberschneidung von Verfassungsschutzämtern und BND nach diesem Grundsatz nicht per se ausgeschlossen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese partielle Aufgabenparallelität gerechtfertigt werden kann. Hierfür sind im Folgenden speziellere Verfassungsgebote für die Organisation der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr zu untersuchen.

II. Die grundgesetzliche Kompetenzordnung als Rahmenordnung der Organisationsstruktur Die grundgesetzliche Kompetenzordnung ist ein Teil des Fundaments des Grundsatzes der ausschließlichen Aufgabenzuordnung.1545 Die Organisationskompetenz folgt der Gesetzgebungskompetenz1546, die damit auch vorprägend für die Institutionen-Organisation selbst ist. Zur Regelung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr hat sich der Bundesgesetzgeber bisher für die Tätigkeit des BND auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG1547 und für die Verfassungsschutzämter auf die inhaltlich auf Zusammenarbeit beschränkte Kompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG1548 gestützt. Dabei muss Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG weitgehend außer Betracht bleiben, da diese Norm lediglich eine Regelungskompetenz zum Schutz gegen gewaltanwendende oder gewaltvorbereitende Bestrebungen vermittelt. Die Spionage erreicht allerdings diese Schwelle, von den Ausnahmefällen der Sabotage abgesehen, nicht, sondern ist auf informationelle Tätigkeiten gerichtet. Die beiden verwendeten Kompetenzgrundlagen ermöglichen Regelungen zu nachrichtendienstlicher Spionageabwehr im Sinne einer defensiven Aufklärung, da eine solche sowohl das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland als Völkerrechtssubjekt zu anderen Staaten und sonstigen Völkerrechtssubjekten betrifft und 1543 1544 1545 1546 1547 1548

Dazu soeben 4. Teil Kap. 1 B. II. (S. 309 f.). C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 250 f. 3. Teil Kap. 1 C. I. 1. a) (S. 240 ff.). 3. Teil Kap. 1 C. I. 1. a) aa) (S. 240 ff.). BT-Drs. 11/4306, S. 70. BT-Drs. 6/1179, S. 4.

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

damit auswärtige Angelegenheit i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG ist1549 als auch dem Verfassungsschutz i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG dient, nachdem Spionage „wesentliche Belange des Staates“ beeinträchtigt1550. Während dem Gesetzgeber nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, da Spionage und deren Abwehr stets das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten betrifft, ist die Regelungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Zum einen ist der Bund auf den Schutz der bundesdeutschen Staatsgrundlagen beschränkt. Deren Beeinträchtigung, etwa durch die Ausspähung einer in Deutschland ansässigen Exilopposition, bedarf zumindest eines erheblichen Begründungsaufwands.1551 Allerdings wird vertreten, dass jede nachrichtendienstliche Tätigkeit, die der fremden Macht nicht ausdrücklich zugestanden wurde, in die „ureigenen Souveränitätsrechte des betroffenen Staates“ eingreift1552 und damit dem Staatsschutzkonnex des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG in der Regel genügt wird. Zum anderen ist der Bund nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG auf die Regelung der Zusammenarbeit mit den Ländern beschränkt. Spionageabwehr auf Grundlage des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG muss daher zwingend föderal aufgegliedert sein. Daher bleibt festzuhalten, dass aus der grundgesetzlichen Kompetenzordnung zwar keine zwingenden Vorgaben der Verteilung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr zwischen BND und Verfassungsschutzämtern abgeleitet werden können; die Kompetenzordnung einer Konzentration – zur Auflösung der Unsicherheiten in der Aufgabenverteilung – aber auch nicht entgegenstehen würde.

III. Die Effektivität der Gefahrenabwehr als maßgebliches Kriterium für die Funktionalität der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr Die Effektivität der Zielerreichung muss bei der Organisation der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr eine ebenso maßgebliche Rolle spielen wie im Verhältnis von Polizei und Verfassungsschutzämtern1553. Das Gebot, möglichst „ressourcenschonend“ zu möglichst „guten“ Verwaltungsentscheidungen zu gelangen1554, lässt sich, wie bereits gezeigt, als rechtsstaatliche Vorgabe im Grundgesetz verankern und hat dementsprechend erhebliches verfassungsrechtliches Gewicht.1555 1549

A. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. April 2010, Art. 73, Rn. 40. BT-Drs. 6/1179, S. 4. 1551 Grundsätzlich zweifelnd, „ob die deutsche Spionageabwehr […] tatsächlich noch ,Verfassungsschutz‘ im Sinne des Schutzes der Existenzgrundlagen eines demokratischen Rechtsstaats betreibt“ G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 6. 1552 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 7. 1553 Dazu 3. Teil Kap. 2 (S. 275 ff.). 1554 Zum organisationsrechtlichen Aspekt bereits früh BVerfGE 68, 1, 86. 1555 Dazu bereits 3. Teil Kap. 2 B. (S. 277 f.). 1550

Kap. 1: Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland

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Die im Verhältnis von Polizei und Verfassungsschutzämtern erarbeiteten Vor- und Nachteile1556 paralleler Aufklärung lassen sich teilweise entsprechend übertragen. Verfassungsschutzämter und BND betreiben ihre Strukturaufklärung in nahezu gänzlich1557 verschiedenen Räumen und Milieus. Daher sind unterschiedliche Erkenntnisse, etwa von Spionagetätigkeiten im Inland, aufgedeckt durch die Verfassungsschutzämter und der Steuerungszusammenhänge dieser Tätigkeit im Ausland, aufgeklärt durch den BND, zu erwarten. Diese unterschiedlichen Erkenntnisse können, zu einem Gesamtbild zusammengeführt, die Effektivität der nachrichtendienstlichen Gefahrenabwehr steigern. Diesem Vorteil stehen allerdings auch einige Effektivitätshindernisse durch die aktuelle Organisation der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr gegenüber. Während über reine Informationsgewinnung hinausgehende Gegenspionage den Verfassungsschutzämtern richtigerweise grundsätzlich untersagt ist1558, soll diese dem BND sowohl im Aus- als auch im Inland möglich sein1559. Die Zuständigkeit des BND lässt sich aus einer Zusammenschau der §§ 1 Abs. 2 S. 1 und 2 Abs. 1 Nr. 4 BNDG ableiten. Erkenntnisse aus der Gegenspionage sind auf andere Weise als dem Enttarnen und Umdrehen einer Quelle eines fremden Nachrichtendienstes nicht zu erlangen. Darüber hinaus sind auch keine anderen Behörden, insbesondere nicht die Verfassungsschutzämter, für Gegenspionage zuständig. Damit ist der doppelten Subsidiarität des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BNDG genüge getan, wonach die zu erhebenden Erkenntnisse nur durch Ermittlungen des BND zu erlangen sind und für ihre Erhebung keine andere Behörde zuständig ist. Gleichwohl ist der Auftrag zur Gegenspionage auch für den BND nach § 2 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 4 BNDG auf Informationsverarbeitung beschränkt, womit „offensive“ Aktionen – etwa Sabotage, Einflussnahme oder dergleichen – für den Auslandsnachrichtendienst ebenfalls ausscheiden dürften.1560 Es ergibt sich daher im Zusammenspiel von Spionageab1556

Siehe 3. Teil Kap. 2 C. (S. 278 ff.). Einzige Ausnahme bilden die Aufklärung des BND im Inland und die des BfV im Ausland, die allerdings eher Randerscheinungen darstellen sollten. Zur Ermittlungstätigkeit des BfV im Ausland im Diskurs G. Warg, NVwZ 2019, 127 und F. Meinel, NVwZ 2018, 852. 1558 H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 1 BVerfSchG, Rn. 65 f.; mehrdeutig H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 91; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 251: „zumindest gewagt, die Gegenspionage in § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG als Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden hineinzulesen.“ Widersprüchlich adaptiert bei S. Sule, Spionage, 2006, S. 134. Aktuell deutlich G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3. 1559 Siehe schon BT-Drs. 7/3246, S. 47 f.; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 3; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 251. 1560 Im Ergebnis wohl ebenso, da lediglich auf Informationserhebung abstellend S. Sule, Spionage, 2006, S. 132; C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BNDG, Rn. 20 ff., § 1 BNDG, Rn. 23, 41; C. Gusy, DV 1984, 273, 279. Partiell A. A. – über reinen Informationsgewinn soll auch „Steuerung“ des gegnerischen Dienstes möglich sein – H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 1 PKKG, Rn. 17 f., § 1 BVerfSchG, Rn. 65; T. Schimpff, Die rechtliche Stellung der Nachrichtendienste, 1990. S. 60; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 249; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 1557

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

wehr und Gegenspionage dann Abstimmungsbedarf zwischen Verfassungsschutzämtern und BND, wenn erstere einen für die Gegenspionage tauglichen Agenten enttarnen sollten. Dieser von der inländischen Spionageabwehr enttarnte Agent müsste in der Folge an die Gegenspionageabteilung des BND überstellt werden.1561 Diese praktisch sehr herausfordernde Situation kann nur in engster Abstimmung zwischen den beteiligten Institutionen bewältigt werden.1562 Ein weiteres Effektivitätshindernis mit potentiell schwerwiegenden Folgen droht, wenn mangelhafte Abstimmung parallel zuständiger Behörden dazu führt, dass die Aufgabe in der Konsequenz gänzlich unbearbeitet bleibt.1563 Diese Gefahr droht auch bei der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr. Aufgrund des steten Auslandsbezugs kann es durchaus vorkommen, dass ein mehraktiges Spionagehandeln seinen Ausgang im Ausland nimmt und damit nach jeder vertretenen Aufgabenabgrenzung1564 in die Zuständigkeit des BND fällt. Entwickelt sich ein solcher Komplex und führt zu einem „Tatort“ innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, würde es – je nach Abgrenzungsinterpretation – zu einem Zuständigkeitswechsel auf die Verfassungsschutzämter1565 oder aber zu einer parallelen Zuständigkeit von BND und Verfassungsschutzämtern kommen. In einem solchen Fall sind die gleichen Friktionen möglich, die zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern zur entscheidenden Nichtbeobachtung des Breitscheidplatz-Attentäters geführt haben. Nämlich, dass eine zuständige Behörde ihre Aufklärung in der irrigen Annahme einstellt, dass eine andere (vermeintlich oder tatsächlich) zuständige Behörde den Fall aufnehmen oder weiterbearbeiten wird. Insbesondere bei mehrteiligen, grenzüberschreitenden Spionageakten ist eine enge Abstimmung innerhalb der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr daher unerlässlich. Allein angesichts der 18 beteiligten Behörden ist damit allerdings ein nicht unerheblicher Aufwand verbunden, der allein zur Kommunikation wertvolle personelle wie sachliche Kapazitäten bindet.

2017, V § 4 Rn. 2 f.; T. Rieger, Der Bundesnachrichtendienst im demokratischen Rechtsstaat, 1986, S. 44 ff. 1561 Dieses Umwerben im Inland enttarnter Agenten wird als „selbstverständliche Arbeitsmethode jedes geheimen Nachrichtendienstes“ bezeichnet, s. BT-Drs. 7/3246, S. 48; M. Brenner, Bundesnachrichtendienst, 1990, S. 100; N. Gazeas, Übermittlung, 2014, S. 149. 1562 Ebenso schon zu diesen Herausforderungen im Zusammenspiel von Spionageabwehr und Gegenspionage H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 1 BVerfSchG, Rn. 66, § 1 PKKG, Rn. 18; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 251 ff.; T. Schimpff, Die rechtliche Stellung der Nachrichtendienste, 1990, S. 60; BT-Drs. 7/3246, S. 48 ff. 1563 Zu dieser Gefahr bereits in der Beziehung der Verfassungsschutzämter zur Polizei 3. Teil Kap. 2 C. II. (S. 285 f.). 1564 Dazu soeben 4. Teil Kap. 1 B. II. (S. 309 f.). 1565 So wohl K. F. Gärditz, Strategische Fernmeldebeschränkung und Netzknotenüberwachung für den Verfassungsschutz, in: FG Graulich, 2019, S. 153, 160 f.

Kap. 1: Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland

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Der rechtsstaatlichen Prämisse der Effektivität der Gefahrenabwehr könnte mit schlanken Organisationsstrukturen und klaren Zuständigkeiten am ehesten genügt werden.

IV. Das Verbot der Tätigkeit des BND auf „innenpolitischem Gebiet“: Die bisher zentrale Vorgabe für die nachrichtendienstliche Spionageabwehr Grundsätzlich wird von einem Verbot der Inlandsaufklärung durch den BND (1.) ausgegangen.1566 Dieses Verbot wird aus einfachgesetzlichen Normen abgeleitet (2.). Eine verfassungsrechtliche Verankerung lässt sich hingegen nicht finden (3.). Dennoch prägt diese Vorgabe den Diskurs über die nachrichtendienstliche Spionageabwehr und verhindert so einen unverstellten Blick auf das Wesen der Spionage und die Organisation der Spionageabwehr (4.). 1. Die Begrenzung der Spionageabwehr durch den BND auf die Eigensicherung Die Aufklärung des BND soll sich nach § 1 Abs. 2 BNDG auf Erkenntnisse über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, beziehen. Innenpolitisches Geschehen – Personen, Sachverhalte und Vorgänge – sollen selbst dann nicht durch den BND aufgeklärt werden, wenn diese von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind.1567 Diese Vorgänge seien gegebenenfalls von den Verfassungsschutzämtern zu bearbeiten.1568 Daher ist der BND bei der Spionageabwehr nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BNDG auf den Schutz seiner Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen – sprich die Eigensicherung – beschränkt. Nachrichtendienstrechtlich relevante Spionage für eine fremde Macht weist zwar stets einen Bezug zum Ausland auf, hat jedoch in erheblichem Maße auch das innenpolitische Geschehen zum Ziel. Detaillierte Abgrenzungsvorgaben oder Kollisionsregelungen lassen sich der Begrenzung des BND auf die Eigensicherung nicht entnehmen. 1566 So unlängst S. Hölscheidt, Jura 2017, 148, 149. Früher schon H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 1 PKKG, Rn. 18 f.; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 227; Differenziert T. Schimpff, Die rechtliche Stellung der Nachrichtendienste, 1990, S. 57 ff. 1567 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 24. Relativierend, dabei allerdings auf Gusy verweisend schreibt F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 855 lediglich von einem Vorrang der Inlandsaufklärung durch die Verfassungsschutzämter; für den BND sei eine solche „Aufklärung von Inlandssachverhalten ohne Auslandsbezug […] ausnahmslos unzulässig“ (Hervorhebung nicht im Original). Zur praktischen Bedeutung dieses Verbots in der Anfangszeit des BND, etwa angesichts der Relativierung durch Begrenzung auf „gezielte“ Beschaffung und Missbrauch bei der Informationsverwertung, T. Rieger, Der Bundesnachrichtendienst im demokratischen Rechtsstaat, 1986, S. 42. 1568 S. Hölscheidt, Jura 2017, 148, 149.

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

2. Die einfachgesetzliche Grundlage des Verbots Das Verbot der Tätigkeit des BND auf innenpolitischem Gebiet soll sich zwingend mittels eines Umkehrschlusses aus der Aufgabenbeschreibung des BND ergeben, welche die Informationssammlung auf „Erkenntnisse über das Ausland“ begrenzt.1569 Die Dominanz der Verfassungsschutzämter bei der Inlandsaufklärung bilde das Gegenstück zur Vorrangstellung des BND bei der Auslandsaufklärung.1570 Für den Bereich der Spionageabwehr wird die Subsidiarität des BND zu den Verfassungsschutzämtern flankierend aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 BNDG abgeleitet, da dieser die Informationstätigkeit des BND auf die Eigensicherung begrenzt.1571 Wie weit der Auftrag zur Eigensicherung allerdings reicht, ist seit Erstausfertigung des BNDG 19901572 und damit auch heute noch nicht gänzlich geklärt.1573 So kann bereits bezweifelt werden, dass der doppelte Subsidiaritätsvorbehalt des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BNDG auch auf Nr. 1 Anwendung findet. Selbst wenn man das annehmen möchte, dürfte keine andere Behörde zum Schutz der Mitarbeiter, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen des BND gegen sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten zuständig, geschweige denn fähig sein. Die spionageabwehrende Eigensicherung eines Nachrichtendienstes kann daher nur von diesem selbst geleistet werden. Über den Umfang der Aufklärung gegnerischer Spionage, der zur Eigensicherung nötig ist, ist damit allerdings noch keine Aussage getroffen.

3. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung des Verbots Ein verfassungsrechtliches Fundament des Verbots könnte sich daraus ergeben, dass die den BND betreffenden Regelungen bisher stets und ausschließlich auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG für auswärtige Angelegenheiten gestützt wurden1574 und innenpolitische Zusammenhänge eben gerade keine solchen auswärtigen Angelegenheiten sind. Allerdings kann hiergegen eingewandt werden, dass nachrichtendienstliche Spionageabwehr – angesichts des 1569 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 24 unter Verweis auf BR-Drs. 618/88, S. 183; S. Sule, Spionage, 2006, S. 133 unter Verweis auf C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 227 f. und K.-L. Haedge, Nachrichtendienstrecht, 1998, S. 216. Ausdrücklich noch vor Inkrafttreten des BNDG § 1 Nr. 2 Dienstanweisung für den Bundesnachrichtendienst v. 4. 12. 1968: „Auf innenpolitischem Gebiet wird der BND nicht tätig.“, zitiert nach BT-Drs. 7/3246, S. 47. 1570 F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 855 unter Verweis auf C. Gusy, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 BNDG, Rn. 24 f. 1571 F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 855; N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts 6. Aufl. 2018, H. Rn. 29. 1572 Kritisch schon früh H. Bäumler, NVwZ 1991, 643, 645. 1573 N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts 6. Aufl. 2018, H. Rn. 29. 1574 Siehe BT-Drs. 11/4306, S. 70; BT- Drs. 14/7386 (neu), S. 37; BT-Drs. 16/2921, S. 12; BT-Drs. 17/6925.

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zwingenden Auslandsbezugs1575 – vollumfänglich als auswärtige Angelegenheit i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG interpretiert werden kann. Sei die Zielrichtung der abzuwehrenden Spionageabwehr auch auf Zusammenhänge gerichtet, die als solche keine auswärtigen Angelegenheiten berühren, wird der Gesamtkomplex durch die Verbindung der Spionagetätigkeit zu einer fremden Macht eine auswärtige Angelegenheit. Das Fernziel der Spionage – der Erkenntnisgewinn einer fremden Macht – weist zwingend ins Ausland und betrifft damit die Beziehung der Bundesrepublik Deutschland zu der betreffenden fremden Macht – die nicht zwingend ein Völkerrechtssubjekt sein muss1576, es in der Regel aber sein wird1577. Entscheidend ist, dass die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland und mithin ihre Stellung als Völkerrechtssubjekt betroffen ist.1578 Gegen die Einordnung der Spionageabwehr als auswärtige Angelegenheit kann ferner nicht eingewendet werden, dass der BND dafür im Inland tätig werden müsste. Jedenfalls bei der Eigensicherung wird der BND bereits de lege lata im Inland tätig. Der Dienst ist folglich in seiner Tätigkeit nicht gänzlich auf das Ausland verwiesen. Ihm werden auf Grundlage des Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG auch Informationserhebung und -verarbeitung im Inland gestattet, sofern sie sich auf Erkenntnisse über das Ausland beziehen.1579 Der Zweck dieses Auslandsbezuges ist es, den BND als Auslandsnachrichtendienst zu definieren und Ermittlungsexzesse im innenpolitischen Bereich, wie die der „Organisation Gehlen“ in der Anfangszeit der Bundesrepublik1580 zu verhindern. Eine Qualifikation von Spionageabwehr als inländische Angelegenheit ist damit nicht verbunden. Die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG kann nicht außer Zusammenhang mit der restlichen Kompetenzordnung interpretiert werden.1581 In einer zunehmend globalisierten Welt eröffnet jedenfalls nicht jeder Auslandsbezug eine auswärtige Angelegenheit i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dies würde zu einer Marginalisierung einer Reihe anderer Kompetenztitel führen.1582 Insbesondere muss bei der Interpretation der Kompetenznorm die föderale Machtverteilung beachtet 1575

Dazu bereits eingehend 4. Teil Kap. 1 B. I. (S. 308 f.). Wie hier wohl F. Wittreck, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 73, Rn. 11. A. A. M. Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 8. 1577 Vgl. BMI, Verfassungsschutzbericht 2018, S. 281. 1578 BVerfGE 33, 52, 60; 100, 313, 368 f. 1579 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 28 f.; F. Schoch, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kap. 1 Rn. 41; C. Gusy, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 24, 43 ff.; N. Gazeas, Übermittlung, 2014, S. 151; C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 227; partiell anders noch J. Kretschmer, Jura 2006, 336, 340. 1580 Dazu eingehend K.-D. Henke, APuZ 18 – 19/2014, S. 32 ff.; T. Schimpff, Die rechtliche Stellung der Nachrichtendienste, 1990. S. 57 ff. 1581 BVerfGE 100, 313, 368. 1582 M. Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 73, Rn. 8. 1576

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

werden.1583 Daher ist zu fragen, ob ein Verbot der Tätigkeit des BND auf „innenpolitischem Gebiet“ zwingend nötig ist, um eine Zuständigkeit der Länder für die Spionageabwehr gegen Marginalisierung abzusichern (a). Dies kann, insbesondere mit einem Hinweis auf die Vorteile zentraler Organisation in grenzüberschreitenden Angelegenheiten verneint werden (b). a) Spionageabwehr als zwingende Ländersache? Die Gesetzgebungskompetenz zur Spionageabwehr wird weder in den ausschließlichen noch den konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten nach Art. 73 f. GG explizit genannt. Wie eben vertreten, ließe sie sich allerdings aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG ableiten. Für eine Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG ist demnach kein Raum. Jedoch wird – dabei weitgehend unbegründet – vertreten, Spionage gefährde die Sicherheit des Bundes i. S. d. Verfassungsschutzdefinition des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG und der Bund sei daher auf die Regelung der Zusammenarbeit mit den Ländern beschränkt.1584 Die Spionageabwehr als solche wäre dann Ländersache. Dies wäre angesichts der grenzüberschreitenden Wirkung der Spionage allerdings ein schiefes Ergebnis. Zwingend erscheint diese Auslegung der Kompetenzverteilung daher nicht. Insbesondere da die Spionageabwehr in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG nicht ausdrücklich genannt ist, verbleibt Interpretationsspielraum hinsichtlich des Inhalts der Kompetenzzuweisung. Jedenfalls ist die Spionageabwehr im Inland nicht derart explizit als Kompetenz der Länder normiert, als dass der Bund davon vollständig ausgeschlossen wäre. b) Effektive Spionageabwehr auch in zentralistischer Struktur möglich Unter dem Eindruck des verfassungsrechtlichen Gebots zu effektiver Gefahrenabwehr1585 gilt es vielmehr zu fragen, ob die Spionage für eine fremde Macht effektiver ausschließlich vom Bund oder in föderaler Zusammenarbeit mit den Ländern abgewehrt wird. Eine föderale Aufgliederung der Spionageabwehr hätte mehr Nachteile als Vorteile bzw. wiegen einzelne Vorteile, wie etwa die Milieunähe der Landesinstitutionen, im Zusammenhang mit Spionage schwächer als die Nachteile, die bei der Befassung einer föderalen Struktur mit einer regelmäßig grenzüberschreitenden Materie auftreten. Das Verbot der Tätigkeit des BND auf innenpolitischem Gebiet kann daher nicht auf der grundgesetzlichen Kompetenzordnung abgestützt werden. Weitere poten1583

BVerfGE 100, 313, 368. F. Wittreck, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 73, Rn. 73; E. Werthebach/B. Droste, in: BK GG, 87. Lfg. Dez. 1998, Art. 73 Nr. 10, Rn. 192; BT-Drs. 6/3533zu, S. 4. 1585 Dazu bereits 3. Teil Kap. 2 B. (S. 277 f.) und soeben 4. Teil Kap. 1 C. III. (S. 312 ff.). 1584

Kap. 1: Die Ordnung der Spionageabwehr in der Bundesrepublik Deutschland

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zielle verfassungsrechtliche Verankerungen sind nicht ersichtlich. Insbesondere das rechtsstaatliche Gebot der Effektivität der Gefahrenabwehr streitet eher für eine Zentralisierung der Spionageabwehr; mithin für eine auf das Ausland bezogene Spionageaufklärung auch im Inland. 4. Fazit: Beeinträchtigung einer effektiven Spionageabwehr durch das überkommene Verbot der Tätigkeit des BND auf innenpolitischem Gebiet Bedenkt man nun den steten Auslandsbezug der Spionage, bieten weder die Zuständigkeitsverteilung nach Informationsinhalt noch nach Lokalität der abzuwehrenden Spionagetätigkeit eine deutliche Unterscheidbarkeit. Keine der Abgrenzungen ist verlässlich, da beide insbesondere ex-ante kaum durchführbar sind.1586 Die Modi der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr setzen allein an dem überkommenen Verbot der innenpolitischen Aufklärung des BND an. Dieses Verbot verstellt allerdings den Blick auf die weitreichenden Vorteile einer Zentralisierung der Spionageabwehr und ist darüber hinaus verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben. Zwar kann aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 BNDG eine Zuständigkeit der Verfassungsschutzämter über Spionageabwehrvorgänge auch im Ausland abgeleitet werden – zumindest eröffnet das BNDG die Möglichkeit, die Aufgabe der Verfassungsschutzämter dahingehend auszulegen. Allerdings ist damit weder das Problem des Übergangs zur Gegenspionage noch der Zuständigkeitswechsel bei Spionagevorgängen, die im Ausland ihren Ursprung nehmen – und damit zunächst nicht in die Zuständigkeit der Verfassungsschutzämter fallen – gelöst. Ferner bedingen die Ermittlungen zur Eigensicherung unter Umständen die Durchleuchtung innenpolitischer Zusammenhänge. Der BND steht in diesen Situationen vor einem Dilemma: Entweder klärt er auch innenpolitische Zusammenhänge auf oder er kann möglicherweise lediglich unvollständigen Eigenschutz leisten. Dieses Spannungsfeld hängt zwingend mit der Aufteilung der Spionageabwehr auf BND und Verfassungsschutzämter zusammen. Der Aufhebung dieser Auftrennung der Spionageabwehr steht mit dem Verbot der Tätigkeit des BND auf innenpolitischem Gebiet eine lediglich aus einfachem Gesetzesrecht ableitbare Vorgabe entgegen.

1586

Ähnliche Befürchtungen schon 1990, allerdings noch auf Grundlage des BNDG-Entwurfs, welcher allerdings in den vorliegend entscheidenden Passagen unverändert in Kraft getreten ist, T. Schimpff, Die rechtliche Stellung der Nachrichtendienste, 1990, S. 62: „Falls der BNDG-Entwurf in seiner jetzigen Form in Kraft tritt, muß deswegen eine möglicherweise nicht angestrebte, aber wegen der oberflächlichen Beschreibung statthafte Aufgabenverschiebung zugunsten des BND konstatiert werden. […] Der Bundesnachrichtendienst dürfte, allein durch den Hinweis auf die ihm untersagte innenpolitische Betätigung in § 1/II BNDGE [bereits in der Beschlussempfehlung des Innenausschusses BT-Drs. 11/7235, S. 78 gestrichen, allerdings unter Aufnahme des Merkmals ,Erkenntnisse über das Ausland‘ in die Aufgabenbeschreibung] gebremst, einen recht ungezügelten Blick auf das Bundesgebiet werfen.“

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

Kapitel 2

Die Zentralisierung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr unter dem Dach des BND Defizite durch die vage Zuständigkeitsverteilung dringen im meist verborgenen Bereich der Spionageabwehr vermutlich weniger an die Öffentlichkeit und damit in die wissenschaftliche Diskussion, als dies etwa in der Beziehung von Verfassungsschutzämtern und Polizei durch die Verfehlungen im NSU-Komplex der Fall war und ist. Eine komplette Auflösung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr erscheint angesichts ihrer zentralen Rolle im Umgang mit Spionage1587 und den beschworenen Gefahren destabilisierender, geheimdienstlicher Bestrebungen aus Staaten ohne oder mit lediglich schwach ausgeprägten freiheitlich-demokratischen Systemen1588 mit dem staatlichen Schutzauftrag, insbesondere für die Grundrechte von Spionage betroffener Bürgerinnen und Bürger,1589 nicht vereinbar. Wo Verzicht auf die Aufgabe nicht möglich ist, zugleich die intransparente und unklare Abstimmung von überschneidend zuständigen Behörden die Effektivität der Aufgabenerfüllung zu beeinträchtigen droht, bietet sich die Zuweisung der gesamten Aufgabe an eine Institution an. Die Internationalität und den dadurch indizierten Zentralisierungsbedarf hat die Praxis bereits erkannt1590, weshalb auch im Verfassungsschutzverbund die Spionageabwehr primär vom BfV geleistet wird.1591 Jedenfalls in der Anfangszeit wurde die Spionageabwehrtätigkeit der Landesämter vom Bund kontrolliert und gesteuert.1592 Im Jahr 2019 angestoßene Reformbemühungen des BMI streben eine Reduktion der doppelten Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BNDG an. Mit dem Verweis auf „inzwischen vielfältig[e] Schnittmengen v. a. mit der Arbeit des BfV“ sei der eine organisatorische Subsidiarität statuierende Zusatz „für ihre Erhebung keine andere Behörde zuständig“ sowohl „sachlich überholt [als auch] angesichts der anderwei1587 4. Teil Kap. 1 A. (S. 305 ff.). Vgl. auch bereits E. Träger, Der Generalbundesanwalt, in: Das Parlament v. 17. 1. 1976, S. 3. 1588 N. Bergemann, Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, H. Rn. 4b. 1589 Vgl. BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 249. 1590 B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 74. Vgl., allerdings überwiegend auf die Terrorabwehr bezogen, bereits 2004 die Forderung des Bundesministers des Innern O. Schily, die Aufgaben des Verfassungsschutzes gänzlich dem Bund zu überantworten, K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 175 Rn. 400. 1591 T. Wischmeyer, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 35, 64; C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 77. 1592 J. Foschepoth, Überwachtes Deutschland, 2012, S. 137.

Kap. 2: Die Zentralisierung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr

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tigen Zuständigkeitsregeln auch nicht mehr erforderlich.“1593 Angesichts der zweifelhaften Tragfähigkeit der „anderweitigen Zuständigkeitsregeln“ greift dieser Reformvorschlag allerdings zu kurz. Zuzustimmen ist der Intention des BMI, die Zuständigkeitsregelungen zu vereinfachen und zu verdeutlichen. Allerdings erscheint eine Ex-ante-Zuordnung der bei der Spionageabwehr gewonnen Erkenntnisse in „über das Inland“ oder „über das Ausland“ ebenso wenig praxistauglich1594 wie die Klassifikation der nachrichtendienstlichen Tätigkeit in „Richtung“ des Inlands oder des Auslands.1595 Anstelle dieser kleinteiligen Korrekturen sollten vielmehr Aufgabenparallelitäten zwischen BND und Verfassungsschutzämtern abgebaut werden. Eine solche Trennung der Aufgaben durch Zuweisung zu einer Institution würde darüber hinaus die Entflechtung der Regelungssystematik im Nachrichtendienstrecht vereinfachen. De lege lata verweist das BNDG, insbesondere bei den Befugnisregelungen, weitreichend auf das „Stammgesetz“ BVerfSchG. Entsprechende Reformvorschläge zur „Entkoppelung“ des BNDG vom BVerfSchG1596 könnten umso besser umgesetzt werden, je klarer die Aufgaben zwischen BND und Verfassungsschutzämter verteilt sind und die jeweiligen Befugnisse auf die entsprechenden Aufgaben angepasst werden können. Während der Verfassung kein Verbot der Konzentration der Spionageabwehr entnommen werden kann (A.), sprechen die besseren Argumente (B.) dafür, ausschließlich den BND mit der Spionageabwehr außerhalb der Bundeswehr zu befassen (C.).

A. Kein verfassungsrechtliches Konzentrationsverbot hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr Es besteht kein generelles, verfassungsrechtliches Gebot zur Unterscheidung in einen Inlands- und einen Auslandsnachrichtendienst,1597 denn insbesondere die 1593

1. Referentenentwurf BMI zu einem Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts, Begründung B. Besonderer Teil Zu Artikel 3 Zu Nummer 1, veröffentlicht auf netzpolitik.org, https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-den-gesetzentwurf-seehoferwill-staatstrojaner-fuer-den-verfassungsschutz/#Referentenentwurf-Bundesverfassungsschutzge setz (abgerufen: 30. 11. 2020). 1594 Darin das maßgebliche Unterscheidungskriterium sehend, aber ebenso an der Trennbarkeit zweifelnd C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 64 mit Fn. 144. 1595 Diese Abgrenzung noch bei C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 228. 1596 1. Referentenentwurf BMI zu einem Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts, Begründung A. Allgemeiner Teil I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen, veröffentlicht auf netzpolitik.org, https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-dengesetzentwurf-seehofer-will-staatstrojaner-fuer-den-verfassungsschutz/#ReferentenentwurfBundesverfassungsschutzgesetz (abgerufen: 30. 11. 2020). 1597 F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 857 f.

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

Organisationsvorschriften (vorliegend besonders relevant Art. 87 GG) verbieten es nicht, einer Bundesoberbehörde mehrere dem Bund zur Regelung übertragene Aufgaben zuzuweisen.1598 Als Beispiel hierfür können das Bundesverwaltungsamt1599 und das BKA1600 dienen. Gleichwohl muss unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtsschutzes durch Organisation von einer umfassenden Verschmelzung von Auslands- und deutlich grundrechtsintensiverer1601 Inlandsaufklärung abgesehen werden.1602 Für die vorliegende Frage der Zentralisierung der Spionageabwehr bei entweder BND oder den Verfassungsschutzämtern ist damit allerdings noch keine abschließende Aussage getroffen. Innerbehördliche, grundrechtsschützende Verfahrenssicherungen können im Vergleich zur Doppelstruktur des BKA ausgestaltet werden. Daher steht das Grundgesetz einer Zentralisierung – bei hinreichender rechtsstaatlicher Einhegung – jedenfalls nicht grundsätzlich entgegen. Angesichts der zu erwartenden Effektivitätsgewinne wird vorliegend die Konzentration der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr – exklusive des vom MAD bearbeiteten Bundeswehrbereichs1603 – vorgeschlagen.

B. Die Argumente für eine Konzentration der Spionageabwehr unter dem Dach des BND Damit verbleibt die Frage, welcher der beiden Institutionen – Verfassungsschutzämter oder BND – die Aufgabe der Spionageabwehr sinnvoller zur alleinigen Bearbeitung überantwortet werden soll. Für die Verortung beim BND sprechen die Verbesserung des Zusammenspiels von Spionageabwehr und Gegenspionage (I.), die größere Flexibilität in der Befassung mit auslandsbezogenen Informationen (II.) sowie die jahrelange Erfahrung im Umgang mit wirtschaftsbezogenen Angelegenheiten (III.).

1598

F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 857. G. Hermes, in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 2. Aufl. 2015, Art. 87, Rn. 91. Ders., in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 87, Rn. 91 Fn. 376, verweist in der aktuellen Auflage lediglich auf die Ausführungen zum Bundesverwaltungsamt in der Vorauflage. 1600 M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 51 f.; M. Bäcker, Terrorismusabwehr, 2009, S. 21 ff., 52 ff. 1601 Vgl. allerdings T. Schwander, Extraterritoriale Wirkungen, 2019, S. 195 zur Anknüpfung der Grundrechtsbindung an die Ausübung deutscher Staatsgewalt anstatt eines strengen Territorialprinzips. Zu den Konsequenzen für die Fernmeldeaufklärung durch Nachrichtendienste a. a. O., S. 262 ff. 1602 So auch F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 858. 1603 Parallel zur Zuständigkeitsverteilung im Rahmen des Verfassungsschutzes, ist der MAD bei „doppeltem BMVg-Bezug“ die zuständige Spezialbehörde, dazu bereits 2. Teil Kap. 3 A. II. 1. (S. 163 f.). 1599

Kap. 2: Die Zentralisierung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr

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I. Effektivierung des Übergangs von Spionageabwehr in Gegenspionage Offenkundige Effektivitätsvorteile bei der Verknüpfung von Spionageabwehr und Gegenspionage sprechen für eine Zentralisierung unter dem Dach des BND. Enttarnte Agenten müssten nicht in mühsamen und gefährlichen Verfahren zwischen Verfassungsschutzamt und BND ausgetauscht werden. Probleme des Führens eines umgedrehten Agenten auch im Ausland ergeben sich für den BND nicht.1604 Die Friktionen, die eine Befassung der Verfassungsschutzämter mit grenzüberschreitenden Sachverhalten verursacht, stellen sich neben dem Bereich der Spionageabwehr ebenso bei der Extremismusbeobachtung. Daher können die bereits zum Rückzug der Ämter aus der Beobachtung krimineller Bestrebungen vorgebrachten Argumente für die Frage der Spionage fruchtbar gemacht werden.1605 Insbesondere mit der engen, nahezu untrennbaren Verbindung zur aktionellen Gegenspionage passt die Spionageabwehr nicht in das Aufgabenprofil eines rein informationellen Nachrichtendienstes im engeren Sinne, wie den Verfassungsschutzämtern1606. Diese auch offensive Aufgabe könnte durch den BND als einzigen deutschen funktionellen Geheimdienst im klassischen Sinne1607 effektiver erfüllt werden. Dazu passt, dass die Zentralstelle für das Chiffrierwesen (ZfCH) beim BND zentralisiert war. Ihre Aufgabe war es, verschlüsselte Nachrichten, die unterschiedliche Sicherheitsbehörden insbesondere im Rahmen der Spionageabwehr erhalten haben, zu entschlüsseln.1608 Diese spezielle Aufgabe ist, auch nach der Weiterentwicklung der ZfCH im Zuge der fortschreitenden Technisierung hin zum eigenständigen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), beim BND verblieben.1609

1604 Dahingehende Bedenken für das BfV bei H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 BVerfSchG, Rn. 91. Allgemein zu den Schwierigkeiten der Einbindung des BfV in die Auslandsaufklärung F. Meinel, NVwZ 2018, 852. 1605 Die Befassung mit grenzüberschreitenden Bestrebungen fasst F. Meinel, NVwZ 2018, 852, 854 unter Verweis auf BMI, Verfassungsschutzbericht 2016, S. 154 ff. mit Blick auf den islamistischen Terrorismus als recht junges Phänomen auf. In diesem Zusammenhang gilt allerdings auch an frühere grenzüberschreitende Sachverhalte – etwa die Verbindung der RAF nach Palästina – zu erinnern. 1606 Für Verfassungsschutzämter als Nachrichtendienste im engeren Sinne H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 4; T. Schimpff, Die rechtliche Stellung der Nachrichtendienste, 1990. S. 50 insb. Fn. 155. 1607 T. Schimpff, Die rechtliche Stellung der Nachrichtendienste, 1990. S. 50 insb. Fn. 155; A. Janda, DÖD 1979, 175, 175, 177. 1608 E. Buchberger, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BSIG, Rn. 1. 1609 E. Buchberger, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BSIG, Rn. 2.

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4. Teil: Herausforderungen durch die Organisation der Spionageabwehr

II. Größere Flexibilität des BND im Umgang mit auslandsbezogenen Ermittlungen Unabhängig von der Verknüpfung von Spionageabwehr und Gegenspionage bietet der – nach Ansicht mancher Autoren schon in der Entwicklung zu einer geheimen Bundeskriminalpolizei1610 befindliche – BND angesichts flexiblerer Aufgaben- und Befugnisnormen effektivere Möglichkeiten, die Spionageabwehr als besondere Abwehraufgabe ohne Eingriffsbefugnisse zu bearbeiten. Die Aufklärung des BND ist beispielsweise nicht auf bestimmte Organisationsformen beschränkt, sondern befasst sich allgemein mit Erkenntnissen von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung und kann daher die oft schwer zuzuordnenden Spionagebeiträge leichter erfassen.1611 Demgegenüber müssen die Verfassungsschutzämter angesichts des Merkmals der Tätigkeit „für eine fremde Macht“ zur Aufgabeneröffnung stets zunächst auf ein hinreichend ersichtliches Verwobensein des Beobachtungsobjekts mit einer fremden Regierung oder einem Ausüben staatsähnlicher Gewalt abstellen.1612 Innerstaatlichen Ermittlungsexzessen des BND wäre durch Kontrolle und der strikten Vorgabe, die Gegenspionage im Inland ausschließlich aus der defensiven Spionageabwehr heraus zu entwickeln, entgegenzuwirken. Dabei kommt der parlamentarischen Kontrolle ein besonderes Gewicht zu, da angesichts der durchweg verdeckten Tätigkeit der Nachrichtendienste im Rahmen der Spionageabwehr der gerichtliche Rechtsschutz nur eingeschränkt verwirklicht wird.

III. Größere Erfahrung des BND im Umgang mit wirtschaftsbezogenen Informationen Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes wurde im Jahr 20151613 die Aufklärung der Öffentlichkeit über den „präventiven Wirtschaftsschutz“ in § 16 BVerfSchG explizit aufgenommen. Damit sollte der Wirtschaftsschutz durch die Verfassungsschutzämter intensiviert werden, 1610 T. Kingreen/R. Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10 Aufl. 2018, § 2 Rn. 22; M. Köhler, StV 1994, 386, 387. Zur wachsenden Bedeutung des BND angesichts technischer Entwicklungen in der grenzüberschreitenden Kommunikation BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17, Rn. 105 ff. 1611 In diese Richtung auch 1. Referentenentwurf BMI zu einem Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts, Begründung B. Besonderer Teil Zu Artikel 3 Zu Nummer 3 Zu § 5a, veröffentlicht auf netzpolitik.org, https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-den-ge setzentwurf-seehofer-will-staatstrojaner-fuer-den-verfassungsschutz/#Referentenentwurf-Bun desverfassungsschutzgesetz (abgerufen: 30. 11. 2020). 1612 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 65. 1613 BGBl. I 2015, S. 1938 ff.

Kap. 2: Die Zentralisierung der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr

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„um Unternehmen vor Wirtschafts- und Konkurrenzspionage zu schützen“.1614 Der Wirtschaftsschutz bilde einen Schwerpunkt in der präventiven Spionageabwehr des BfV und solle weiter verstärkt werden.1615 Nachdem der BND allerdings bereits seit Anbeginn auch mit der Aufklärung außenwirtschaftlich relevanter Informationen betraut war1616, dürfte dieser über die Jahre beträchtliche Expertise im Bereich des Wirtschaftsschutzes aufgebaut haben. Während die Befassung der Verfassungsschutzämter mit wirtschaftsbezogenen Themen als weitgehende Entfernung von ihrem eigentlichen Auftrag kritisiert wird1617, waren wirtschaftsbezogene Erkenntnisse von Beginn an Teil des Aufklärungsauftrags des BND1618. Konsequenterweise wäre die spionagebezogene Sensibilisierung der Wirtschaft daher ebenfalls innerhalb des BND anzusiedeln.

C. Ergebnis: Sinnvolle Konzentration der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr als Aufgabe des BND Im Anschluss an die bereits dargelegte Sinnhaftigkeit des Abzugs der Verfassungsschutzämter aus der Beobachtung krimineller Bestrebungen bietet sich mit der Zentralisierung der Spionageabwehr beim BND der nächste konsequente Schritt an. Angesichts der erwarteten Effektivitätssteigerung und des Abbaus verfassungsrechtlicher Friktionen ist eine solche Konzentration der nachrichtendienstlichen Spionageabwehr angezeigt. Dabei steht außer Frage, dass für den BND mit dieser Aufgabenerweiterung auch eine entsprechende rechtsstaatliche Einhegung einhergehen muss.

1614

BT-Drs. 18/4654, S. 32. BT-Drs. 18/4654, S. 32. 1616 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BNDG, Rn. 29. 1617 Darstellend G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 5 f. 1618 Vgl. N. Gazeas, Übermittlung, 2014, S. 145 f. 1615

5. Teil

Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes – Die Verfassungsschutzämter als Behörden der primären Prävention Die Verfassungsschutzämter sind mit ihrer Struktur und Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur ein „Kind der Besatzungsmächte.“1619 Insbesondere das BfV hatte in seiner Anfangszeit „Mühe, seinen Platz im Institutionengefüge, seine Aufgabenstellung und die ihm vom Gesetzgeber zugebilligten Instrumente der nachrichtendienstlichen Arbeit zu finden.“1620 Die von den Alliierten oktroyierten Besonderheiten des deutschen Sicherheitsrechts mit seiner betont föderalen und funktionalen Aufgliederung wurden bislang zwar nicht aufgegeben, aber zunehmend verwässert.1621 Das stete Unbehagen ob der Eingliederung der Verfassungsschutzämter in der deutschen Sicherheits- und insbesondere Verfassungsschutzarchitektur gilt es zu einer umfassenden Neuorientierung zu nutzen. Die Eckpunkte einer solchen Neuordnung werden im Folgenden skizziert. Die Verfassungsschutzämter stehen nach ihrer Entwicklung hin zu einem zentralen „Informationsdienstleister“ für die innere Sicherheit im Mittelpunkt des Institutionengeflechts der Verfassungsschutzarchitektur. Man kann die historische Aufgabenerweiterung – welche in der Novellierung 1990 zwar nochmals bestätigt, allerdings von der Opposition auch grundsätzlich hinterfragt1622 wurde – kritisieren. Einer breiten Debatte darüber im Bundestag darf jedenfalls nicht durch weite Gesetzesinterpretation die Grundlage entzogen werden. Schon 1994 wurde mit Weitblick die Gefahr einer Symbiose von Polizei und Verfassungsschutz „bis hin zur Ununterscheidbarkeit“ befürchtet.1623 Insbesondere durch die Aufarbeitung der Ermittlungsfehler im Rahmen des NSU-Komplexes angestoßen, sind bisweilen Forderungen nach einer grundlegenden Reform der Verfassungsschutzämter an den 1619

J. Foschepoth, Überwachtes Deutschland, 2012, S. 131. A. A. E. Schwan, in: FriedrichEbert-Stiftung (Hrsg.), Nachrichtendienste, Polizei und Verbrechensbekämpfung im demokratischen Rechtsstaat, 1994, S. 113, 114. 1620 W. Krieger, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, I § 1 Rn. 103. A. A. M. König, Trennung und Zusammenarbeit, 2004, S. 297: „Trotz fehlender Exekutivbefugnisse konnten anfängliche Zweifel hinsichtlich der Effektivität der Ämter zerstreut werden.“ 1621 R. Poscher, in: Vesting/Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2011, S. 245, 260 f., spricht daher von einer „Normalisierung des Sicherheitsverfassungsrechts“. 1622 A. Emmerlich, BT-Plenarprotokoll 11/214, S. 16787 f. 1623 E. Denninger, KritV 1994, 232, 234 f.

5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

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Gesetzgeber herangetragen worden:1624 Die präventiv-nachrichtendienstliche Sicherheitsgewährleistung befände sich im Wandel.1625 Dabei solle „[d]ie Verfassung […] die Politik aber nicht ersetzen, sondern regulieren. Es schadet der Demokratie, wenn das politische Für und Wider von der Verfassungsfrage verdrängt wird.“1626 Dementsprechend soll im Folgenden für die notwendige politische Debatte ein Anstoß gegeben werden und eine verfassungsrechtlich gangbare Möglichkeit zur Neuausrichtung der Verfassungsschutzämter dargelegt werden. Die Verfassungsschutzämter sind eindeutig Sicherheitsbehörden.1627 Sie stehen in ihrer ursprünglichen Konzeption jedoch mit ihrem gefahrenprophylaktischen Ansatz1628 sozialgestaltenden Präventionsbehörden näher als der überwiegend reaktiven, ausschließlich einzelfallorientierten Polizei. Durch divergierende Funktionalitäten sollten Polizei und Nachrichtendienste ursprünglich voneinander getrennt werden.1629 Gleichwohl instrumentalisiert der Gesetzgeber die Nachrichtendienste zunehmend auch zur Abwehr terroristischer Gefahren.1630 Hierbei prallen die unterschiedlichen Konzeptionen aufeinander, da die Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter eher ein Unterfall der gelegenheitsorientierten, die Entstehung sozialer Konflikte fokussierenden Kriminalprävention ist, als der, unmittelbar zur Bekämpfung komplexer – etwa terroristischer – Strukturen ansetzenden, strategischen Überwachung.1631 Ein Aufgabenwandel, wie er bei den Verfassungsschutzämtern stattgefunden hat, ist grundsätzlich möglich, führt aber bei der Einbindung der Verfassungsschutzämter in einzelfallbezogene Gefahrenabwehr und Strafver1624 Eine „Krise der Nachrichtendienste und des Nachrichtendienstrechts“ will C. Gusy, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, IV § 1 Rn. 93 ff. ausgemacht haben: „Gegenwärtig stellt sich mehr denn je die Frage: Wie kontroll- und wie reformfähig sind die Nachrichtendienste der Bundesrepublik?“ (Hervorhebung bereits im Original). Erneut unlängst die FDPFraktion im Bundestag, Antrag vom 29. 1. 2019, BT-Drs. 19/7424, S. 2. Jüngst M. Bäcker, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 4; N. Gazeas, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/ 23706, 2020, S. 2. Oder auch aus dem Anlass des Urteils des BVerfG zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung des BND (BVerfGE v. 19. 5. 20 – 1 BvR 2835/17) P. Aust, DÖV 2020, 715, 723. 1625 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1083, auch das Verhältnis von Verfassungs- und einfachem Recht sei im Sicherheitsrecht eine momentan im Fluss befindliche Entwicklung. Zu Reformvorschlägen vgl. auch M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25 ff. 1626 D. Grimm, Interview mit der Süddeutschen Zeitung, 4. 5. 2019, S. 68. 1627 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1077, allerdings wenig überzeugend sozialgestaltende Prävention im Nachrichtendienstrecht nur als Sicherheitsrecht ansehend, weil es sich bei dessen Schutzgütern um staatliche Gemeinschaftsgüter handelt. Wolff klammert so das Umweltrecht aus dem Sicherheitsrecht aus. 1628 Zu dieser Einordnung bereits 2. Teil Kap. 2 E. V. (S. 149 ff.). 1629 Vgl. etwa aus dem Jahr 1984: „Angesichts der Aufgabe und der anzuwendenden Mittel der Verfassungsschutzämter erscheint es nicht haltbar, sie als eine Art von Polizei zu begreifen.“, K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 222 unter Verweis auf J. Salzwedel, in: Gedächtnisschrift Peters, 1967, S. 756, 772; E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 37 f. 1630 H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1080. 1631 Zu den Termini M. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, 2015, S. 53 ff.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

folgung zu den beschriebenen, weitreichenden Problemen. Eine kritische Betrachtung ist daher angezeigt. Die Aufgaben der Verfassungsschutzämter mäandern de lege lata zwischen primärer und sekundärer Prävention.1632 Primäre Prävention setzt bereits im Vorfeld von Gefährdungslagen an und versucht die Ursachen der Gefahren zu erkennen und zu beseitigen. Bei der sekundären Prävention wird hingegen versucht, den potentiellen Straftätern „die Begehung eines Deliktes“ zu erschweren. Bedeutend ist dabei, welche Abwägungen vor den Taten vorgenommen werden. Bei einem Bankraub etwa werden andere Kosten-Nutzen-Rechnungen angestellt als bei einem Terroranschlag.1633 Entsprechend unterschiedlich müssen die Maßnahmen zur sekundären Prävention ausgestaltet werden. Die Aufgaben der Verfassungsschutzämter bieten de lege lata eine Vielzahl von problematischen Berührungspunkten und Überlappungsbereichen mit den Aufgaben anderer Behörden. Daher bieten sich die Aufgaben der Verfassungsschutzämter als Ansatzpunkt zur Entflechtung und Verdeutlichung der Strukturen in der Verfassungsschutzarchitektur an. Für die Veränderung der Organisation des Verfassungsschutzes belässt der weite grundgesetzliche Verfassungsschutzauftrag dem Gesetzgeber einen erheblichen Spielraum (Kap. 1). Eine Restrukturierung der Verfassungsschutzarchitektur hat das Ziel, neben klareren Verantwortlichkeiten und effektiverer, da eigenverantwortlicherer, Aufgabenerfüllung, einen neuen Präventionsansatz zu verfolgen. Hierfür wären zunächst die mutierten Aufgaben der Verfassungsschutzämter dort, wo aufgrund paralleler Zuständigkeiten oder Abgabemöglichkeiten keine Schutzlücken entstehen, zurückzunehmen (Kap. 2). In der Folge müssten die Ämter durch eine Rückbesinnung auf ihre ursprüngliche Aufgabe (Kap. 3) als eine Behörde primärer Prävention gefasst werden (Kap. 4).1634 Die Befugnisstruktur de lege lata müsste ferner an diese reduzierte Aufgabenstellung angepasst werden (Kap. 5). Die notwendigen Änderungen fallen sämtlich in die Kompetenz des einfachen Gesetzgebers (Kap. 6).

1632 Zu den Termini G. Kett-Straub, ZStW 2011, 110, 111; N. Pütter, CILIP 1/2007, 3, 3 f.; D. Dienstbühl, Extremismus und Radikalisierung, 2019, S. 222 f. Mit übersichtlicher Darstellung M. Pientka, Kriminalwissenschaften II, 2014, S. 243. 1633 M. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, 2015, S. 62 f.; C. Daase, in: Graulich/Simon (Hrsg.), Terrorismus und Rechtsstaatlichkeit, 2007, S. 91, 95 f.; M. Pawlik, Der Terrorist und sein Recht, 2008, S. 14 weist auf die Abhängigkeit des Terrorismus von größtmöglicher Publizität hin. 1634 Ähnlich bereits H. P. Bull, PinG 2013, 1; ders., in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 21. A. A. – den „alten“ Vorschlag, den Verfassungsschutz „in einen wissenschaftlichen Dienst und einen geheimdienstlichen Arm aufzuspalten“ als „weltfremd“ bezeichnend – Präsident des BfV T. Haldenwang, So arbeitet das Bundesamt für Verfassungsschutz, Interview mit General-Anzeiger vom 27. 4. 2019, https:// www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/interviews/int-20190427-general-anzeiger (abgerufen: 30. 11. 2020).

Kap. 1: Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Aufgabenverteilung

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Kapitel 1

Der weite Verfassungsschutzauftrag: Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Aufgabenverteilung Die in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b, c und Art. 87 Abs. 1 S. 2 Alt. 4 GG verfassungsrechtlich fundierte Aufgabenbeschreibung der Verfassungsschutzämter ist gegenüber der ursprünglichen Aufgabenstellung der Verfassungsschutzämter merklich erweitert.1635 Von dem ursprünglich allein auf die Beobachtung „umstürzlerischer“, politischer Bestrebungen begrenzten Tätigkeitsfeld der Ämter1636 wurde sich mit Blick auf sich wandelnde Herausforderungen partiell abgewandt. Begründet wurde dies zunächst einseitig mit dem Anstieg politischer Ausländerkriminalität1637 und später mit dem, eine neue Bedrohungslage begründenden, internationalen Terrorismus.1638 Die Entwicklung bei ihren Aufgaben hat die Verfassungsschutzämter zu einem umfassenden Informationsdienstleister zur Vorsorge für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung werden lassen. Damit hat sich zum einen die Stellung der Verfassungsschutzämter in der Verfassungsschutzarchitektur1639 gewandelt und zum anderen weist ihre immer weiter auf aktionelle Maßnahmen anderer Behörden ausgerichtete Tätigkeit mittlerweile in weiten Teilen überlappende Zuständigkeiten mit anderen Behörden der Verfassungsschutzarchitektur – insbesondere Polizei1640 und BND1641 – auf, die selbstverständlich auch eigene Informationsvorsorge betreiben. Diese Aufgabenstruktur der Verfassungsschutzämter stellt die Rechtsordnung vor erhebliche Herausforderungen. Der sehr weite, nur schwach konturierte Auftrag zum Verfassungsschutz kann kaum von einer Institution allein geleistet werden.1642 Der Schutzauftrag kann zwar hinsichtlich Gefährdungsursache und Schutzgütern eingegrenzt werden,1643 umfasst jedoch auch danach noch ein sehr breites Tätigkeitsfeld. Deshalb sind in Deutschland mehrere Institutionen mit dem Verfassungsschutz beauftragt. Die Organisations1635 Die erweitere grundgesetzliche Legaldefinition von Verfassungsschutz wurde in das BVerfSchG übernommen sowie das Aufgabenfeld zusätzlich auf die Spionageabwehr und die Beobachtung des Ausländerextremismus erweitert, s. BGBl. I 1972, S. 1382. Dazu auch G. Nollau, Die ersten 25 Jahre, in: Das Parlament v. 17. 1. 1976, S. 3; C. Gusy, GA 1999, 319, 325. Zur zeitgenössischen Kritik an dieser Ausweitung H. J. Schwagerl, DÖV 1974, 109, 110. 1636 E. Denninger, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Nachrichtendienste, Polizei und Verbrechensbekämpfung im demokratischen Rechtsstaat, 1994, S. 101, 103. 1637 Antwort des BMI auf eine Große Anfrage des Abgeordneten Benda und der Fraktion der CDU/CSU, 22. 5. 1970, BT-Drs. 6/872, S. 2 f. 1638 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 1. 1639 Zu dem Begriff siehe 1. Teil Kap. 4 (S. 66 ff.). 1640 Vgl. 3. Teil. 1641 Vgl. 4. Teil. 1642 Dazu bereits 1. Teil Kap. 4 (S. 66 ff.). 1643 1. Teil Kap. 2, 3 (S. 46 ff., 50 ff.).

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

struktur der zum Schutz der Verfassung aufgerufenen Institutionen ist von einer Vielzahl an Berührungspunkten und partiellen Überschneidungen geprägt. In dieser Untersuchung wurden zum einen die parallele Aufklärung krimineller Extremisten durch Polizei und Verfassungsschutzämter sowie Informationsübermittlung zwischen diesen Institutionen1644 und zum anderen die Zuständigkeitsunklarheiten zwischen BND und Verfassungsschutzämtern im Rahmen der Spionageabwehr1645 beleuchtet. Das Grundgesetz stellt an die spezifische Aufgabenverteilung innerhalb eines Themengebiets zwar nur wenige Vorgaben, zieht allerdings auch klare Grenzen (A.). Diese Grenzen zeitigen auch für die Aufgabenstruktur der Verfassungsschutzämter eindeutige Folgen (B.).

A. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Aufgabenverteilung bei thematischer Nähe, vorliegend innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur Der Verfassungsschutzauftrag ist die thematische Klammer um eine Vielzahl spezifischer Schutzaufträge, von der Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch die Verfassungsschutzämter über den Ausspruch von Vereinsverboten durch die zuständigen Verbotsbehörden bis zur Strafverfolgung wegen Staatsschutzdelikten.1646 Daher erfüllt eine Reihe unterschiedlicher Institutionen unterschiedliche, spezifische Schutzaufträge zum Zwecke des Verfassungsschutzes. Die Diversität der Aufgaben ist nach dem Grundgesetz zwingend, da bei der Aufgabenverteilung innerhalb eines staatlichen Auftrags die Grenze des Zulässigen bei identischer Tätigkeit zweier Institutionen überschritten ist (I.). Darüber hinaus wird allerdings ein weiter Spielraum gewährt.1647 Nachdem spezifische Aufgabenerfüllung innerhalb eines überwölbenden Auftrags – vorliegend der Verfassungsschutz i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG – zwangsweise Berührungspunkte oder partielle Überschneidungen auch unterschiedlicher Aufträge nach sich zieht, enthält das Grundgesetz Vorgaben für den zwingend folgenden Kooperationsaufwand (II.).

1644

3. Teil. 4. Teil. 1646 In diese Richtung auch B. W. Wegener, VVDStRL 75 (2016), Wortbeitrag zur Aussprache, 402, 402 f. A. A. – partiell andere Schutzgüter der Nachrichtendienste – H. A. Wolff, VVDStRL 75 (2016), 388, 389. 1647 Dieser wird von den Verfassungsschutzämtern selbst genutzt. So wurde vertreten vertrauliche Einzelgespräche des Präsidenten des BfV mit hochrangigen Politikern diene „in der bisher praktizierten Form […] der Aufgabenerfüllung des BfV“, dagegen allerdings VG Köln, Beschl. v. 3. 12. 2018 – 6 L 1932/18, juris, Rn. 63; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 3. 4. 2019 – 15 B 1850/18, juris, Rn. 41, 48. 1645

Kap. 1: Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Aufgabenverteilung

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I. Das Verbot der Aufgabenidentität als äußerste Grenze der Aufgabengestaltung Das Grundgesetz sieht zwar die ausschließliche Zuweisung einer Aufgabe an eine Institution als Grundsatz an, gleichwohl sind gerechtfertigte Ausnahmen davon möglich. Eine Grenze ist allerdings bei absoluter Identität erreicht.1648 Sowohl das Rechtsstaats- als auch das Demokratieprinzip verbieten es, zwei unterschiedliche Institutionen denselben Zweck mit identischen Mitteln auf demselben Anwendungsgebiet verfolgen zu lassen. Schon aus rechtsstaatlichen Rationalitätserwägungen kann eine derartige Verteilung von Aufgaben nicht verfassungskonform sein. Bei einer Aufgabenparallelität dieser Art wären unentwegt Zuständigkeitskonflikte zu lösen; die Zuständigkeitsordnung wäre ad absurdum geführt. Diesen und weiteren Schwierigkeiten, etwa der Gefahr widerstreitender hoheitlicher Aussagen, stehen keine rechtfertigenden Vorteile gegenüber. Das Grundgesetz sieht zwei Institutionen, die Dasselbe mit denselben Mitteln bearbeiten eben gerade nicht vor.

II. Der Kooperationsaufwand innerhalb eines Oberauftrags Demgegenüber steht das Grundgesetz der Aufteilung einer Sachaufgabe in mehrere spezifische Aufträge und deren Verteilung an unterschiedliche Institutionen grundsätzlich nicht entgegen. Vielmehr ist eine Aufteilung bei weitgefächerten Staatsaufträgen – wie etwa dem Verfassungsschutz – eine organisatorische Notwendigkeit, insbesondere in föderal strukturierten Staaten. Aufgaben können sich in vielen Nuancen unterscheiden. Die Aufklärungsaufträge von Polizei und Verfassungsschutzämtern etwa unterscheiden sich im Rahmen des Verfassungsschutzes lediglich im Zweck ihrer Ermittlungstätigkeit, während andere Merkmale wie Aufklärungsbefugnisse oder -objekte weitgehend identisch sind. Diese Überschneidung der Aufgabenzuschnitte zwingt die benannten Institutionen zur Abstimmung. Unkoordiniertes Tätigwerden in thematischer Nähe birgt die Gefahr vielfältiger Friktionen, wie unverhältnismäßiger additiver Grundrechtseingriffe und widerstrebendes, sich gegenseitig behinderndes Behördenhandeln. Daher ist Abstimmung der beteiligten Institutionen sowohl aus Gründen des Grundrechtsschutzes als auch angesichts rechtstaatlich geforderter Effektivität zwingend nötig. Dem Gesetzgeber und der Exekutive, letzterer freilich im Rahmen der legislativen Grenzen, verbleiben aus verfassungsrechtlicher Sicht ein weiter Gestaltungsspielraum, diese Koordination zu bewerkstelligen; jedenfalls muss sie hinreichend effektiv sein.

1648 C. Gusy, in: Koch (Hrsg.), Terrorismus, 2002, S. 93, 97; ders., DV 1991, 467, 471; H. P. Bull, FS Götz, 2005, S. 341, 346.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

B. Die Konsequenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Aufgabenstruktur der Verfassungsschutzämter Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben haben weitreichende Folgen für die Aufgabenstruktur der Verfassungsschutzämter. Interpretationen, wonach – wenn auch nur partielle – Aufgabenidentität zwischen Polizei und Verfassungsschutzämtern besteht, sind mit der Verfassung nicht vereinbar (I.). Überschneidende Aufklärungstätigkeiten innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur sind nur bei entsprechender Koordination verfassungskonform (II.). Angesichts der praktischen Herausforderung einer weitgehenden Abstimmung innerhalb der zersplitterten Behördenlandschaft und aufgrund der organisatorischen Möglichkeiten, die die Weite des Verfassungsschutzauftrags bietet, ist die Alternative einer umfassenden Aufgabenneuordnung der Verfassungsschutzämter zu bedenken (III.).

I. Das Verbot von Aufgabenidentitäten als Vorgabe an die Aufgabenverteilung innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur Die thematische Einordnung der Aufgabe der Verfassungsschutzämter ist klar. Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder (§ 1 Abs. 1 BVerfSchG). Wie der Beobachtungsauftrag der Ämter allerdings im Detail – insbesondere im Verhältnis zur polizeilichen Informationsvorsorge – ausgestaltet ist, ist hingegen umstritten, mithin nicht abschließend geklärt. Einerseits wird der Fokus auf die Eingliederung der Verfassungsschutzämter in die Sicherheitsarchitektur betont.1649 Aufgrund ihrer „Unvollständigkeit“ – mangels Exekutivbefugnissen – würden sich die Verfassungsschutzämter über die Kooperation mit Exekutivbehörden definieren und komplettieren. Andererseits wird die Eigenständigkeit des in § 16 BVerfSchG manifestierten Erhebungszwecks – die Information von Politik und Gesellschaft – hervorgehoben und auf die Hindernisse, die etwa der Quellenschutz für die Einbindung der Verfassungsschutzämter in Verwaltungskooperationen birgt, hingewiesen.1650 1649

Vgl. die unterschiedslose Verwendung des Begriffs Sicherheitsbehörden für Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden sowie für Nachrichtendienste, besonders deutlich G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 8: „Nachrichtendienste als Gefahrenabwehrbehörden“; J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1, 3 f.; H. A. Wolff, DÖV 2009, 597, 604. Kritisch gegenüber dieser Undifferenziertheit F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 114. 1650 Kritisch hinsichtlich der Behauptung eines „Wirkungsverbundes“ aus Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden sowie der Nachrichtendienste (So etwa in der Einladung zum „3. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste“, https://www.bmi.bund.de/Shared Docs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2019/flyer-3-nd-symposium.pdf?__blob=publication File&v=2 [abgerufen 30. 11. 2020]) und der Erwartung einer umfassenden Mitwirkung der Nachrichtendienste an der Gefahrenabwehr F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 114.

Kap. 1: Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Aufgabenverteilung

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Das Grundgesetz setzt die Grenzen für die Aufgabeninterpretation. Eine vollständige Identität der Aufgaben von zwei Behörden wäre verfassungswidrig.1651 Die Aufklärungs-, Beobachtungs- oder Informationsvorsorgetätigkeit sind drei Begriffe für dieselbe Sache: Die Informationserhebung, auch mittels verdeckter Maßnahmen, mit dem Zweck der Aufgabenerfüllung. Wie gesehen, betreiben sowohl die Verfassungsschutzämter als deren Hauptbetätigung als auch die Polizei, in vorbereitender Nebentätigkeit, Informationsvorsorge. Diese Informationsvorsorge findet auch mit weitgehend identischen Befugnissen statt.1652 Nachdem die Verfassungsschutzämter auch gefährliche oder strafrechtsrelevante Bestrebungen beobachten, entsteht zwischen ihnen und der Polizei eine parallele Zuständigkeit. Diese Parallelität würde zur Identität der Aufträge führen, würden die Informationsvorsorgetätigkeiten nicht für divergierende Zwecke eingesetzt. Eine anderweitige Aufgabeninterpretation dahingehend, dass die Verfassungsschutzämter Informationen zur Vorbereitung der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgung sammeln und auswerten, ist mit den Vorgaben des Grundgesetzes unvereinbar.1653 Über die Frage, worin genau die exklusive Aufgabe der Verfassungsschutzämter besteht, herrscht nach wie vor1654 Uneinigkeit. Die positiv, auf die Tätigkeit im Gefahrenvorfeld konzentrierten Aufgaben haben mit der Mandatierung der Polizei für die vorbeugende Verbrechensbekämpfung an Relevanz eingebüßt.1655 Davon unbeirrt wird an der Informationserhebung der Verfassungsschutzämter zur Gefahrenabwehr festgehalten1656 und versucht, die Exklusivität über den Strukturbezug 1651 Dazu bereits soeben 5. Teil Kap. 1 A. I. (S. 331). Dazu auch C. Gusy, in: Huster/Rudolph, Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 120, 131: „Wenn mehrere dasselbe tun, können sie einander nur behindern, nicht aber helfen.“ 1652 Zur Kritik an der noch vertretenen Differenzierung hinsichtlich der Eingriffsschwellen bereits 2. Teil Kap. 2 A. I. 2. (S. 96 ff.). Lediglich einen „engen [Grenz-]Bereich“ annehmend, dazwischen aber dennoch differenzierend T. Siems, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, VI § 7 Rn. 24. 1653 Vgl. R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 149 ff. Ebenso, da übereinstimmende Aufgabenstellungen eine sachgerechte Kompetenzverteilung verhindern, F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 244. Wohl A. A., da in der Weitergabe von Informationen durch die Verfassungsschutzämter an Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden keine rechtfertigungsbedürftige Zweckänderung erkennend, mithin diese Informationsvorsorge als eigenen Informationserhebungszweck der Verfassungsschutzämter interpretierend J. F. Lindner/ J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 173; J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293. 1654 Zu Gedankenspielen Anfang/Mitte der 1950er das Bundesamt für Verfassungsschutz mit dem BKA zu verschmelzen C. Goschler/M. Walla, „Keine neue Gestapo“, 2015, S. 161 ff. Zu Unklarheit über „Zweck und Nutzen des Bundesamts“ in der Anfangszeit R. Poscher/ B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 148 1655 H. A. Wolff, DÖV 2009, 597, 599 f., 603 ff.; R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/ Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 148. 1656 So etwa W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 1 BVerfSchG, Rn. 6; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 8.

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und damit einhergehende weitere Vorverlagerung zu begründen.1657 Dies kann bereits angesichts der ebenfalls strukturbezogenen Ermittlungstätigkeit der Polizei bei Organisierter Kriminalität nicht überzeugen. Darüber hinaus folgt aus Strukturbezug und Vorverlagerung eine erhebliche Streubreite der Ermittlungen der Verfassungsschutzämter. Dieser ausladenden Streubreite folgt eine hohe Eingriffsintensität der Ermittlungsmaßnahmen.1658 Diese im Vergleich zu polizeilichen einzelfallbezogenen Ermittlungen erhöhte Eingriffsintensität kann nur durch einen eigenständigen Ermittlungszweck gerechtfertigt werden, der für die Betroffenen weniger einschneidende Folgen zeitigt als die aktionelle Gefahrenabwehrmaßnahmen oder die Strafverfolgung.1659 Dieser Ermittlungszweck liegt in der weitgehend anonymisierten Strukturaufklärung zur Unterrichtung von Regierung und Öffentlichkeit.

II. Bedarf an hinreichender Abstimmung bei Kooperationsbeziehungen Erkennt man einen eigenständigen Erhebungszweck der Verfassungsschutzämter an, bestehen dennoch insbesondere deshalb parallele Zuständigkeiten und Berührungspunkte mit anderen Institutionen der Verfassungsschutzarchitektur, da die von den Verfassungsschutzämtern gesammelten Informationen regelmäßig auch für die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung von Bedeutung sind. Die Verfassungschutzämter sind keine abgeschotteten Archive. Vielmehr ist die Information von Politik und Gesellschaft integraler Bestandteil des Beobachtungsauftrags der Verfassungsschutzämter sowie die Übermittlung von nebenbei aufgelaufenen, aber für andere Institutionen interessanten Informationen eine rechtsstaatliche Notwendigkeit1660 (1.). Doch nicht nur die Informationsübermittlung aus 1657 G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 1 Rn. 13; J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 292; vgl. auch B. Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 176 f. 1658 Zur Steigerung der Eingriffsintensität durch größere Streuung von Ermittlungsmaßnahmen B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 127. Die individuelle Intensität der Beeinträchtigung durch eine Telekommunikationsüberwachung „hängt […] davon ab, ob die Gesprächsteilnehmer als Personen anonym bleiben, welche Gespräche und welche Inhalte erfaßt werden können (dazu etwa – auf der Grundlage des Maßstabs des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.1 Abs.1 GG – BVerfGE 34, 238, 247) und welche Nachteile den Grundrechtsträgern aufgrund der Überwachungsmaßnahmen drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden“, BVerfGE 100, 313, 376; 107, 299, 320; 109, 279, 353; 115, 320, 347. 1659 Zur erhöhten Eingriffsintensität durch unbestimmte, weitreichende Weiterverwendung BVerfGE 118, 168, 187 f. 1660 Ähnlich bereits früh H.-U. Evers, Privatsphäre, 1960, S. 245, der allerdings die Informationsübermittlung an Regierung, polizeiliche Stellen und die Staatsanwaltschaften als „stets rechtens“ qualifiziert. Diese Einschätzung trifft an heutigen Datenschutzstandards gemessen nicht mehr zu, verdeutlicht allerdings die seit jeher bestehende Nähe der Aufklärung der Verfassungsschutzämter und der Tätigkeit der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden. Ferner zum Abstimmungsbedürfnis bei „parallelen Eingriffen verschiedener Behörden“,

Kap. 1: Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Aufgabenverteilung

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dem eigenen Tätigkeitsfeld heraus bedarf der Koordinierung. Überschneidungsbereiche in der Informationserhebung sind gleichermaßen, wenn nicht sogar noch stärker grundrechtsrelevant und bedürfen daher einer ausdifferenzierten Abstimmung unter den beteiligten Institutionen (2.). 1. Informationsübermittlung Die Informationstätigkeit der Verfassungsschutzämter benötigt Übermittlungsvorschriften, da die von ihnen erhobenen Informationen regelmäßig für andere Behörden, mit von denen der Verfassungsschutzämter abweichenden Datenverarbeitungszwecken, relevant sind. Schon die Rationalitäts- und Wirtschaftlichkeitsprämissen des Rechtsstaatsprinzips erfordern, in staatlichen Behörden vorhandene Informationen – unter Einhaltung freiheits- und grundrechtssichernder Voraussetzungen – an die Stellen zu vermitteln, die diese Informationen für ihre Aufgabenerfüllung benötigen. Informationserhebung allein um der Sammlung willen ist kein gerechtfertigter Grundrechtseingriff.1661 Die Übermittlung der ausgewerteten Informationen an Politik und Gesellschaft ist daher zwingender Teil der Aufgabe der Verfassungsschutzämter. Diese Übermittlungstätigkeit bildet die notwendige Rechtfertigung für die Informationssammlung und ist daher unter den Voraussetzungen des § 16 BVerfSchG im Vergleich zu den Übermittlungsvorschriften §§ 18 ff. BVerfSchG vereinfacht möglich.1662 Gleichwohl fallen bei den Verfassungsschutzämtern auch Informationen an, die für ihre eigentliche Tätigkeit entweder keine Verwendung finden oder aber zusätzlich auch für andere Institutionen relevant sind. In diesen Fällen muss die Kommunikation zwischen den staatlichen Stellen möglich sein und aufgrund der Grundrechtsrelevanz der Datenübermittlung zugleich rechtsstaatlich ausgestaltet sein. 2. Überlappende Aufklärungstätigkeiten Mindestens ebenso grundrechtsrelevant ist es, wenn verschiedene Institutionen mit unterschiedlichen oder gleichen Mitteln jedoch unterschiedlichen Zwecken auf demselben Gebiet operieren. Eine solche Situation liegt beispielsweise vor, wenn Polizei und Verfassungsschutzämter ein und dieselbe Bestrebung beobachten. ErsN. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts 6. Aufl. 2018, H. Rn. 32, 139 ff. 1661 OVG Berlin, Urt. v. 18. 4. 1978, NJW 1978, 1644, 1645; R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57, 57; H.-U. Evers, Privatsphäre, 1960, S. 233; M. A. Zöller, Informationssysteme, 2002, S. 324 f. 1662 Entsprechende Regelungen in den Ländern, etwa Art. 25 f. BayVSG; § 2 Abs. 4 und § 15 gegenüber §§ 12 f. SächsVSG.

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tere mit dem Zweck der unmittelbaren Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung, letztere zur Gefahrenprophylaxe durch Information von Regierung und Öffentlichkeit. Solchen überlappenden Informationserhebungen aufgrund paralleler Zuständigkeiten folgt ein dringender Abstimmungsbedarf unter den beteiligten Institutionen. Andernfalls drohen vielfältige Nachteile, von ineffizienter Doppelarbeit über grundrechtsbeeinträchtigenden additiven Grundrechtseingriffen zu effektivitätshindernden gegenseitigen Beeinträchtigungen. Ob derartige Koordination de lege lata gewährleistet ist, erscheint zumindest – insbesondere in der Abstimmung von Überwachungsmaßnahmen zur Verhinderung von additiven Grundrechtseingriffen – fraglich.1663 Ein bundesweites Register, das sämtliche Überwachungsmaßnahmen erfasst und einer überwachenden Behörde überhaupt den Überblick und damit die Möglichkeit bietet, die tatsächliche Schwere der Überwachung abzuschätzen, gibt es nicht.1664 Allein daran zeigt sich die Schwierigkeit der Koordination der zersplitterten und hoch diversifizierten Behördenlandschaft in der deutschen Verfassungsschutzarchitektur.1665 Die rechtsstaatlich geforderte und zum Schutz der Grundrechte unerlässliche Abstimmung der Sicherheitsbehörden ist theoretisch zwar denkbar, doch erscheint praktisch sehr herausfordernd, zumindest jedoch mit sehr hohem Aufwand verbunden.

III. Aufgabenneustrukturierung als Alternative Die eben skizzierten praktischen Herausforderungen einer verfassungskonformen Koordination von Sicherheitsbehörden bei überlappenden Tätigkeiten sowie die nicht zuletzt im NSU-Komplex zu Tage getretenen Mängel in der intrabehördlichen Abstimmung zeichnen den Weg hin zu alternativen Lösungsansätzen.1666 Als Reaktion auf die erkannten systemischen Mängeln wurde ein Mentalitätswechsel in1663 T. Würtenberger, in: FS Schröder, 2012, S. 285, 301. Zur Abstimmung von Polizei und Verfassungsschutzämtern eingehend 3. Teil. 1664 Der damalige Präsident des BfV H. G. Maaßen weist in der ersten öffentlichen Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste des Bundes vor dem PKGr am 5. 10. 2017 (abrufbar unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw40-pkgr-526506; abgerufen: 30. 11. 2020) zwar auf eine gemeinsame V-Personen-Datei der Verfassungsschutzämter hin. Diese erfasst allerdings bei weitem nicht sämtliche verdeckten Ermittlungsmaßnahmen innerhalb der Bundesrepublik. Zur insuffizienten Abstimmung operativer Ermittlungsmaßnahmen anhand des Leitfadens zur „Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz“ sowie in sog. „Koordinierungsstellen Spezialeinheiten“ in den Landeskriminalämtern bereits 3. Teil Kap. 3 A. III. (S. 292 f.). 1665 Zur Kritik etwa an der „sehr weit reichende Aufgabe des BfV zur eigenständigen Überwachung“ M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA 19 WP, S. 3. 1666 Deshalb bereits die Forderung die Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutzämter „neu und möglichst überschneidungsfrei festzulegen“ bei H. P. Bull, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 21, 22.

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nerhalb der Sicherheitsbehörden gefordert.1667 Eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen Verfassungsschutzämtern und Polizei sei „sinnvoll und geboten“.1668 Idealtypische Unterscheidung von Polizei und Verfassungsschutz ist keine Frage der Verfassungsästhetik, sondern der Wahrung verfassungsrechtlich verbürgter Rechte1669 – etwa rechtsstaatlicher Grundsätze (Bestimmtheitsgebot, Übermaßverbot, rechtliches Gehör1670, Rechtsschutzgarantie, Unschuldsvermutung) und elementarer Grundrechte1671. Die grundsätzliche Unterscheidung von Polizei und Verfassungsschutzämtern wird auch kaum ausdrücklich und grundlegend in Frage gestellt.1672 Allerdings führt manches Verständnis dieser Trennung im Ergebnis zur Aufhebung der Trennung. Deutlich zu eindimensional ist es daher, den Gehalt des Trennungsgebots hauptsächlich in der Bindung polizeilicher aktioneller Eingriffsbefugnisse an Gefahrenund Anfangsverdacht zu sehen.1673 Die Erweiterung des Anwendungsfelds aktioneller Polizeibefugnisse in das Vorfeld als einzige Gefahr der überschneidenden Aufgabenbereiche von Polizei und Verfassungsschutzämtern zu sehen1674, wird der Vielschichtigkeit des Problems nicht gerecht. Viel eher sind die Unterschiede von Verfassungsschutzämtern und sonstigen Sicherheitsbehörden zu betonen, um relativierenden Interpretationen des Trennungsprinzips entgegenzuwirken.1675 Bedenkt man die Schwierigkeiten der Verwertbarkeit nachrichtendienstlicher Informationen, muss von einer generellen Amtshilfeunfähigkeit der Verfassungsschutzämter ausgegangen werden.1676 Auch sonstiger Einbindung der Verfassungsschutzämter in sicherheitsbehördliche Verfahren anderer Behörden stehen die asymmetrisch – weitgehende Ermessensspielräume der Verfassungsschutzämter gegenüber Übermittlungspflichten anderer Behörden – ausgestalteten Übermittlungsregelungen entgegen.1677

1667

Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 894. C. Gusy, ZRP 2012, 230, 231. 1669 E. Denninger, KritV 1994, 232, 238. 1670 Dazu insb. auch BVerfG, DÖV 2000, 287, 289. 1671 E. Denninger, KritV 1994, 232, 238 f. 1672 J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 43. 1673 So allerdings J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 43 ff.; H. Albert, ZRP 1995, 105, 105 f. 1674 J. Stubenrauch, Gemeinsame Verbunddateien, 2009, S. 56. 1675 So fordert auch m. w. N. M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 30 die Überlappungen der Aufgabenbereiche von behördlichem Verfassungsschutz und Polizei „möglichst gering“ zu halten. 1676 F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 113. Siehe exemplarisch für die Schwierigkeiten, Informationen der Verfassungsschutzämter in Gerichtsprozessen zu verwerten J. Staib, Der Verfassungsschutz schweigt, F.A.Z.net, 11. 6. 2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ mordfall-luebcke-der-verfassungsschutz-schwieg-16810674.html (abgerufen: 30. 11. 2020). 1677 F. Roggan, KriPoZ 2018, 109, 113. 1668

338

5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Im Ergebnis entspricht eine Aufgabenparallelität von Verfassungsschutzämtern und Polizei bei der Aufklärung verfassungsschutzrelevanter Bestrebungen, die die Schwelle des Gefahrenverdachts im Sinne der Gefahrenabwehr bereits überschritten haben, wie sie de lege lata ausgestaltet ist, nicht einer verfassungskonformen Organisation.1678 Dabei genügt der Hinweis auf den weiten Gestaltungsspielraum in der Verwaltungsorganisation und die Möglichkeiten der interbehördlichen Abstimmung nicht, um diesen Befund zu entkräften. Die Vorteile einer funktionalen Trennung der Aufklärung von Polizei und Verfassungsschutzämtern überwiegen die Nachteile.1679 Dass die im Nachgang des NSU-Komplexes geforderten Prioritätenwechsel noch nicht in allen Verfassungsschutzämtern konsequent vollzogen wurde, zeigt ein Brandanschlag auf das Auto eines Lokalpolitikers der Partei DIE LINKE im Februar 2018. Auch in diesem Fall wurden Informationen durch das LfV Berlin zurückgehalten und somit ein Einschreiten der Polizei verhindert, obwohl diese auf den Zugriff drängte.1680 Daher ist die Forderung nach einem Mentalitätswechsel mit einer umfassenden Neuorientierung der Verfassungsschutzämter normativ abzusichern.1681 Unabhängig davon, ob die Verfassungsschutzämter einer verfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantie unterliegen,1682 soll im Folgenden eine Rückbesinnung der 1678 Die Parallelzuständigkeit im Rahmen der Terrorismusabwehr wurde unlängst in Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie einzelner Abgeordneter v. 25. 3. 2019, BT-Drs. 19/ 8700, S. 2 deutlich kritisiert. Die Unterschiedlichkeit der Aufgaben von Polizei und Nachrichtendiensten ist laut M. L. Fremuth, AöR 2014, 32, 51 bisher nur als verfassungsrechtlich geboten unterstellt, nicht begründet worden. 1679 So auch die Mitglieder Bäcker und Hirsch in M. Bäcker/V. Giesler/M. Harms/ B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 157. 1680 F. Flade/G. Mascolo/R. Steinke, Vogelfrei, SZ v. 27. 6. 2019, S. 3. Schon 2015 den Hinweis formulierend, dass strukturelle Konsequenzen aus der NSU-Aufklärung noch nicht gezogen wurden, M. Pichl, KJ 2015, 276, 287. Solche ebenfalls fordernd R. v. Ooyen/ M. Möllers, Editorial, Jahrbuch Öffentliche Sicherheit-Sonderband 15, NSU-Terrorismus, 2. Aufl. 2018, S. 9, 9 f. 1681 Alternativen zur gesetzgeberischen Reaktion (etwa Zentralisierung durch das neu geschaffene „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“) fordernd M. Kutscha, NVwZ 2013, 324, 327. A. A. noch F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 244. Wohl auch, nachdem sich die nach den Terroranschlägen des 11. 9. 2001 modernisierte deutsche Sicherheitsarchitektur im Grundsatz bewährt habe, G. Krings, ZRP 2015, 167, 169. Im Ergebnis ebenso, wenn auch kritisch gegenüber der vermehrten Auslagerung der Terrorismusbekämpfung aus dem strafrechtlichen in den präventivpolizeilichen Bereich, R. Griesbaum/F. Wallenta, NStZ 2013, 369 ff. 1682 Dafür K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-LänderKommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 27 Rn. 12, S. 174 Rn. 399; K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 222 f.; A. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 58. Lfg. April 2010, Art. 73, Rn. 241; J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 167 f.; F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 192 ff.; H. A. Wolff, in: BK GG, 206. Lfg. Aug. 2020, Art. 73 Nr. 10, Rn. 177; drastisch J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 828: „Die Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch den Verfassungsschutz ist Teil des Selbstschutz-

Kap. 1: Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Aufgabenverteilung

339

Verfassungsschutzämter auf ihren ursprünglichen Auftrag der Beobachtung politischer Bestrebungen im Vorfeld von Gefahren- und Anfangsverdacht vorgeschlagen werden. Diese Tätigkeit wäre in der Informationssammlung weitgehend auf offen zugängliche Quellen zu begrenzen und würde in wissenschaftlich erarbeiteten Analysen münden.1683 Eine solche Umgestaltung setzt eine Stufe vor den Überschneidungsbereichen von Polizei und Verfassungsschutzämtern – bei der Aufgabenstruktur – an. Angesichts der schieren praktischen Unmöglichkeit der verfassungskonformen Ausgestaltung überlappender Aufgabenbereiche von mindestens 34 Behörden (Verfassungsschutzämter und Kriminalämter)1684 muss über den Abbau eben dieser parallelen Zuständigkeiten nachgedacht werden.1685 Die Weite des Verfassungsschutzauftrags sowie der breite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Definition und Zuweisung spezifischer Verfassungsschutzaufträge bieten Chancen für eine Aufgabenneustrukturierung im System von Verfassungsschutzämtern, Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden sowie mechanismus des Grundgesetzes und steht nicht zur Disposition der Politik oder der Behörden selbst.“ Ferner betonen Teile der Literatur, dass das BVerfG an „der Legitimität und Notwendigkeit der Nachrichtendienste (Geheimdienste) […] keine Zweifel aufkommen [lässt]; nach der Rechtsprechung sind Nachrichtendienste Ausdruck der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wehrhafte Demokratie, des Selbstbehauptungswillens des Rechtsstaates und damit Bestandteil des Sicherheitssystems der Bundesrepublik Deutschland“, so F. Schoch, in: ders. (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Kap. 1 Rn. 30 (Hervorhebung bereits im Original); BVerfGE 143, 101, 139 Rn. 126. In diese Richtung auch P. M. Huber, ThürVBl 2012, 193, 197; J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1, 2. BMI, Verfassungsschutzbericht 2018, S. 15, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicher heit/vsb-2018-gesamt.html (abgerufen: 30. 11. 2020) nennt ausdrücklich lediglich Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b und Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG als Einrichtungsgrundlage der Verfassungsschutzämter. Relativierend bezeichnet S. Tanneberger, Sicherheitsverfassung, 2014, S. 363 f. die einfachgesetzliche Ausdifferenzierung in Gefahrenabwehr, Strafverfolgung und nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung als verfassungsrechtlich nicht strikt vorgegeben, aber präformiert und in der Rechtsprechung anerkannt. Ferner erkennt er in der neueren Rechtsprechung des BVerfG die Tendenz, die funktionale Differenzierung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zur Konvergenz zu bringen, a. a. O., S. 364 ff. Ebenso K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 116, welcher dem Bund auch die Möglichkeit einräumt, auf die Errichtung einer Verfassungsschutzbehörde zu verzichten. 1683 In die Richtung „wissenschaftlicher Institute“ R. v. Ooyen/M. Möllers, Editorial, Jahrbuch Öffentliche Sicherheit-Sonderband 15, NSU-Terrorismus, 2. Aufl. 2018, S. 10 Fn. 1; H. P. Bull, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 21. Eine Diskussion über eine Neuausrichtung anregend C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9. Dabei ist die Idee keinesfalls neu, sondern wurde bereits in den 1980ern vorgebracht, ablehnend damals H. Borgs-Maciejewski, in: ders./Ebert Das Recht der Geheimdienste, 1986, A. § 3 Rn. 65. 1684 T. Würtenberger, in: FS Schröder, 2012, S. 285, 301. 1685 Ebenso mit Hinweis auf Kooperationsschwierigkeiten durch Geheimhaltungsbedürftigkeit und effektivitätsmindernde Reibungsverluste durch Abstimmungsprozesse F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 206. Vgl. ferner L. Schuster, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Nachrichtendienste, Polizei und Verbrechensbekämpfung im demokratischen Rechtsstaat, 1994, S. 65, 69. Überzeugend für Differenzierung staatlicher Schutzmechanismen, E. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 26 Rn. 27.

340

5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

BND.1686 Eine mögliche Struktur soll im folgenden Teil der Untersuchung aus der Perspektive der Aufgaben der Verfassungsschutzämter präsentiert werden.

1686

In diese Richtung auch J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 15: „Jedoch ist der herkömmliche, einfachgesetzlich festgelegte und festzulegende Aufgabenbereich aus Verfassungssicht nicht abschließend. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, die Sicherheitsarchitektur neuartigen Gefährdungslagen anzupassen und diese entsprechend fortzuentwickeln.“

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

341

Kapitel 2

Rückbau bisheriger Aufgaben Die bisherigen Aufgaben der Verfassungsschutzämter können insoweit keinen auf historische Argumente gestützten Bestandsschutz genießen, als eine aktive „Selbstvergewisserungsdiskussion in der Bundesrepublik über ihren nachrichtendienstlichen Schutz […] in den Gründungsphasen nicht stattgefunden“1687 hat. Die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter muss vielmehr aus den Notwendigkeiten der Gegenwart legitimiert werden.1688 Als Ausgangspunkt dienen die sowohl dem Grundgesetz als auch dem einfachen Gesetzesrecht zugrundeliegenden rechtspolitischen Grundentscheidungen, dass „[d]ie Polizei […] aus der Aufklärung legaler Handlungen herausgehalten werden [soll,] zugleich aber die Aufklärung bestimmter legaler Handlungen für notwendig [gehalten werden]“1689.1690 Eine schwache Verbindung zu diesen ursprünglichen Prämissen zeigt sich darin, dass der Gesetzgeber bei der Weiterentwicklung der Beobachtungsaufgaben eine nach Beobachtungsobjekten abgestufte Behandlung normiert hat. In dieser unterschiedlichen Behandlung spiegelt sich die Gewichtung des Gesetzgebers wider (A.). Die bisherigen Aufgaben der Verfassungsschutzämter sind durch die Entwicklung im Recht der inneren Sicherheit in weiten Teilen mit den Aufgaben anderer Behörden verwoben. Vielerorts bietet sich an – dem Rechtsgedanken1691 des Grundsatzes der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung folgend – diese Verflechtungen zu einer Behörde hin aufzulösen. Die Verfassungsschutzämter können größtenteils aus der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung abgezogen werden, ohne dass dadurch Schutzlücken entstehen (B.). Der Aufgabenkomplex der aktiven, nachrichtendienstlichen Spionageabwehr sollte beim BND konzentriert werden. Der personelle Geheimschutz folgt partiell der aktiven Spionageabwehr und ist ansonsten – in der Komponente der Sicherheitsüberprüfung – an eine transparent arbeitende und eigenständige Stelle auszugliedern. Daneben könnte der technische Geheimschutz de lege ferenda ausschließlich vom BSI ausgeführt werden (C.). Angesichts weitrei1687

C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 10. C. Gusy, APuZ 18 – 19/2014, 9, 10 f. 1689 C. Gusy, Gutachten für den 2. UA 17. WP des Deutschen Bundestages zum Beweisbeschluss S 1 vom 20. 3. 2012, Materialien Deutscher Bundestag, MATA S-1 zu A-Drs. 38, S. 1. 1690 Darin liegt auch die – fraglos unbefriedigende – Antwort auf die Frage nach den divergierenden Eingriffsschwellen von Polizei und Verfassungsschutzämter oder anders formuliert von H. A. Wolff, DVBl. 2015, 1076, 1083: „Warum dürfen drohende Entführungen von Kindern von Großindustriellen nur mit Mitteln des Polizeirechts bekämpft werden, drohende Entführungen von Kindern von Politikern dagegen ergänzend mit nachrichtendienstlichen?“ 1691 Direkte Anwendung findet dieser Grundsatz nur sofern unterschiedliche Hoheitsträger beteiligt sind, vgl. für den Fall von Arbeitsgemeinschaften von Kreisen und Landkreisen sowie der Bundesagentur für Arbeit BVerfGE 119, 331, 364. Vorliegt wird daher lediglich der dahinterstehende Rechtsgedanke entnommen und auch auf das Verhältnis von Behörden ein und desselben Hoheitsträgers – etwa BfV und BKA – angewendet. 1688

342

5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

chender Aufgabenüberschneidungen entstehen bei der vorgeschlagenen Neustrukturierung keine Schutzlücken (D.).

A. Differenzierte Behandlung der Beobachtungsgegenstände als Spiegel der gesetzgeberischen Gewichtung Das BVerfSchG differenziert die Beobachtungsgegenstände der Verfassungsschutzämter nicht nur hinsichtlich der von ihnen bedrohten Schutzgüter, sondern auch in ihrer Behandlung nach der Art und Weise der Bedrohung. Während bei der Beobachtung im Rahmen der Spionageabwehr unter niedrigen Tatbestandshürden einschneidende Reaktionen möglich sind (I.), sind die Beobachtung von Bestrebungen gegen auswärtige Belange oder die Aufklärung von Verhaltensweisen von Einzelpersonen nur bei qualifizierten Handlungsweisen möglich (II.). Verfassungsfeindliche, dabei aber gewaltfreie Bestrebungen werden mit den mildesten Befugnissen des BVerfSchG aufgeklärt (III.). Aus dieser Differenzierung kann eine Gewichtung der einzelnen Beobachtungsaufträge abgeleitet werden (IV.).

I. Der weite Spielraum der Verfassungsschutzämter bei der Spionageabwehr und der Beobachtung völkerverständigungswidriger Bestrebungen Die spionageabwehrrelevanten Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG umfassen in weiter Auslegung und parallel zum strafrechtlichen Begriff der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 StGB unter der Prämisse, dass „geheimdienstliche“ Tätigkeiten stets ziel- und zweckgerichtet sind, jedes menschliche Tun mit Spionagezweck für eine fremde Macht.1692 Ebenso wenig wie für Bestrebungen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG ist für eine Tätigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG ein besonderer Gewaltbezug oder eine strafrechtliche Relevanz von Nöten.1693 Bei der Beobachtungseröffnung steht den Verfassungsschutzämtern ein sehr weiter Spielraum zu, da lediglich ein geheimdienstlicher Bezug zu einer fremden Macht vorliegen muss. Diese tatbestandliche Weite ist Ausdruck der besonderen, da vollständig getarnten, Gegebenheiten, in denen sich Spionage und deren Abwehr bewegen.1694 Dem staatlichen oder zumindest staatlich unterstützten Gegner stehen in der Regel andere Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung als dem privaten. Außerdem 1692 H. Roewer, Nachrichtendienstrecht, 1987, § 3 BVerfSchG, Rn. 43; G. Warg, in: Dietrich/Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, V § 4 Rn. 7. 1693 BT-Drs. 6/1179, S. 4. 1694 Vgl. 4. Teil Kap. 1 A. (S. 305 ff.).

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

343

kann der fremden Macht gegenüber aufgrund ihrer Souveränität nicht hoheitlich gehandelt werden. Dies zeigen etwa die diplomatische Immunität vieler Spionageverdächtigter und die damit einhergehenden beschränkten Möglichkeiten der Strafverfolgung. Aufgrund dieser Besonderheiten des staatlichen Gegenübers erwartet der Gesetzgeber, dass das Instrumentarium seiner Nachrichtendienste entsprechend angepasst angewendet wird. Deshalb soll sich etwa der Einsatz von Personenquellen zur Spionageabwehr nicht nach den speziellen §§ 9a, 9b BVerfSchG richten, sondern nach den allgemeinen Regelungen (insbesondere §§ 8 Abs. 2, 9 Abs. 1 BVerfSchG).1695 Diese Gesetzesinterpretation soll nach einem aktuellen Reformentwurf des BMI auch beibehalten werden.1696 Im Rahmen der Spionageabwehr ist es den Verfassungsschutzämtern daher nach der Beobachtungseröffnung unter niedrigen Hürden möglich, uneingeschränkt sämtliche Befugnisse des BVerfSchG einzusetzen. Die Beobachtung völkerverständigungswidriger Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG ist ähnlich niedrigen Voraussetzung zur Beobachtungseröffnung unterworfen wie die Spionageabwehr – hierfür wird keine Gewaltanwendung1697 oder auch nur eine in der Bundesrepublik spürbare Gefährdung des friedlichen Zusammenlebens der Völker1698 benötigt. Nach Aufgabeneröffnung stehen den Verfassungsschutzämtern auch zur Beobachtung dieser als erhebliche Gefahr eingeschätzten1699 Bedrohung alle Befugnisse des BVerfSchG zu Verfügung, allerdings nicht in der für die Spionageabwehr modifizierten Form. Der Gegner ist in diesem Fall nicht staatlich unterstützt, sondern in der Regel eine private Terrororganisation. Diese Bestrebungen stellen zwar ein erhebliches Bedrohungspotenzial dar, verfügen allerdings nicht über die Mittel staatlich geförderter Spionage. Eine Modifikation der Befugnisse, wie sie für die Spionageabwehr vorgesehen ist, ist in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG jedenfalls nicht angezeigt.

1695

BT-Drs. 18/4654, S. 26. 1. Referentenentwurf BMI zu einem Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts, veröffentlicht auf netzpolitik.org, https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentli chen-den-gesetzentwurf-seehofer-will-staatstrojaner-fuer-den-verfassungsschutz/#Referenten entwurf-Bundesverfassungsschutzgesetz (abgerufen: 30. 11. 2020), Begründung B. Besonderer Teil Zu Nummer 4 (§§ 8a bis 9e) Zu §§ 9: „Absatz 3 verdeutlicht einerseits mit den Nummern 1 und 3 den spezialgesetzlichen Gehalt der §§ 9c ff. Wie die bisherigen Regelungen in §§ 9a und b BVerfSchG a. F. sind spezielle Maßgaben zum Einsatz von Vertrauensleuten und Verdeckten Mitarbeitern dabei jedoch beschränkt auf die Aufklärung von Bestrebungen, da zur Spionageabwehr der staatliche Gegner andere Anforderungen an das Einsatzmittel stellt (BT-Drs. 18/ 4654, S. 26).“ 1697 K. Schmalenbach, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 415, 425 f. 1698 W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 85. 1699 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 38; K. Schmalenbach, in: Thiel (Hrsg.), Wehrhafte Demokratie, 2003, S. 415, 426; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3, 4 BVerfSchG, Rn. 83. 1696

344

5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

II. Die Behandlung von Einzelpersonen und Bestrebungen gegen auswärtige Belange: Tiefgreifende Aufklärung unter hohen Anforderungen Der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG verlangt für Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, auswärtige Belange der Bundesrepublik zu gefährden, dass diese Bestrebungen Gewalt anwenden oder auf Gewalt gerichtete Vorbereitungshandlungen ausführen. Ebenso sind lediglich solche Verhaltensweisen von Einzelpersonen, welche auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut des BVerfSchG erheblich zu beschädigen, den Bestrebungen i. S. d. BVerfSchG gleichgestellt. Die Erweiterung der Beobachtungsgegenstände – ausgehend von verfassungsfeindlichen, aber gewaltfreien Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG – wird mit der einschränkenden Qualifikation des Gewaltbezugs verbunden. Dieses Kriterium der Gewaltanwendung wirkt in den § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG daher beobachtungseröffnend. Bestrebungen, welche die auswärtigen Belange der Bundesrepublik gefährden, ohne dabei Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungsmaßnahmen zu ergreifen, sind insofern keine Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzämter, als sie nicht völkerverständigungswidrig i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG sind. Ähnliches gilt für Einzelpersonen, deren Verhaltensweisen nicht in diesem Sinne qualifiziert sind. Liegt allerdings eine derart qualifizierte Bestrebung vor, eröffnet der Gesetzgeber den Verfassungsschutzämtern weitreichende Befugnisse. Zum einen ermöglicht der Gewaltbezug einer Bestrebung dem Bundesamt für Verfassungsschutz, in den Ländern tätig zu werden. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes1700 wurden Verhaltensweisen, die „darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden, Gewaltanwendung vorzubereiten, zu unterstützen oder zu befürworten“ in den Katalog des § 5 Abs. 1 BVerfSchG aufgenommen. Die Erfüllung der Qualifikation wirkt in diesem Fall für die Datenerhebung durch das BfV räumlich erweiternd. Zum anderen sind einige Befugnisse des BVerfSchG nur gegenüber gewaltbezogenen Bestrebungen eröffnet. Nach § 22a Abs. 1 S. 2 BVerfSchG werden projektbezogene, gemeinsame Dateien der Verfassungsschutzämter, des MAD, des BND, der Polizeibehörden des Bundes und der Länder und des Zollkriminalamtes zum Austausch und der gemeinsamen Auswertung von Erkenntnissen nur über Bestrebungen angelegt, „die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannten Schutzgüter gerichtet sind“. Gemäß § 18 Abs. 4 BVerfSchG darf das Bundesamt für Verfassungsschutz lediglich bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BVerfSchG sowie bei der Beobachtung terroristischer Bestrebungen amtliche Register einsehen. Ferner ist der Einsatz verdeckter Mitarbeiter nach § 9a Abs. 1 S. 2 1700

BGBl. I 2015, S. 1938.

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

345

BVerfSchG gegen Bestrebungen i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BVerfSchG nur unter der Maßgabe möglich, dass es sich um Bestrebungen von erheblicher Bedeutung handelt, insbesondere, wenn sie darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten. Ferner besteht die Übermittlungspflicht von Informationen an die Verfassungsschutzämter nach § 18 Abs. 1 BVerfSchG nur bei gewaltbezogenen Bestrebungen. Bestrebungen, die sich gegen auswärtige Belange richten, und Verhaltensweisen von Einzeltätern sind keine ursprünglichen Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzämter. Erstere sind thematisch weit von dem Auftrag des spezifischen Verfassungsschutzes i. S. d. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG entfernt und letztere fallen nicht in das prinzipiell auf strukturelle Aufklärung ausgerichtete Schema der Ämter. Daher beobachten die Verfassungsschutzämter diese Phänomene nur unter qualifizierten Voraussetzungen. Sind diese Bestrebungen allerdings auf die Anwendung von Gewalt gerichtet, steht den Ämtern die volle Bandbreite der Befugnisse des BVerfSchG zur Verfügung.

III. Die vergleichsweise zurückhaltende Behandlung der verfassungsfeindlichen, aber friedlichen Bestrebungen Die ältesten Beobachtungsgegenstände der Verfassungsschutzämter sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG Bestrebungen, welche gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben. Für eine solche Bestrebung sind nach § 4 Abs. 1 lit. a–c BVerfSchG politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen nötig. Gewaltbereites1701 oder illegales1702 Verhalten wird für die Beobachtungseröffnung in diesem Fall, mit Ausnahme der „ungesetzlichen Beeinträchtigung der Amtsführung“, nicht verlangt. Diesen verhältnismäßig niedrigen Tatbestandshürden folgen vergleichsweise milde, da begrenzte, Befugnisse. So ist etwa in § 8a Abs. 2 S. 2 und § 22a Abs. 1 S. 2 BVerfSchG eine qualitative Erweiterung der Beobachtung nur unter zusätzlichen Voraussetzungen möglich. Besondere Auskunftsverlangen nach § 8a Abs. 2 S. 2 BVerfSchG dürfen zur Aufklärung von Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG nur angestrebt werden, wenn diese bezwecken oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde verbal anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch 1701 1702

BVerwGE 122, 182, 189. BVerfGE 120, 274, 330.

346

5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen. Ebenso ist es den Ämtern nach § 18 Abs. 4 BVerfSchG nicht erlaubt, bei der Wahrnehmung der Aufgabe nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG amtliche Register einzusehen, sofern dies nicht der Beobachtung terroristischer Bestrebungen dient. Eine Reihe weiterer Befugnisse der Verfassungsschutzämter sind nur gegenüber Bestrebungen einsetzbar, die auf die Anwendung von Gewalt gerichtet sind.1703

IV. Unterschiedliche Behandlung der Beobachtungsgegenstände als Ergebnis gesetzgeberischer Gewichtung Durch die Qualifikation einzelner Bestrebungen schafft der Gesetzgeber eine abgestufte Behandlung. Er ermöglicht damit, unterschiedlich gefährlich eingestufte Verhaltensweisen mit verschieden schwer eingreifenden Befugnissen zu beobachten. Hierbei sieht der Gesetzgeber für die Aufgaben der Beobachtung extremistischer Bestrebungen andere Reaktionen vor als etwa bei der Aufklärung zum Schutz auswärtiger Belange oder der Beobachtung von Einzelpersonen. Der älteste und sensibelste Beobachtungsgegenstand ist eine zwar extremistische, jedoch nicht gewalttätige Verhaltensweise, welche als Teil einer freiheitlichen Demokratie grundsätzlich vorläufig zu tolerieren ist. Der Gesetzgeber hat das Spannungsfeld, das sich bei der Beobachtung legaler, politischer Bestrebungen eröffnet, erkannt. Der zurückhaltenden Behandlung der Bestrebungen gegen auswärtige Belange oder von Einzelpersonen liegt zugrunde, dass die auswärtigen Belange primär vom BND zu schützen sind und Einzelpersonen grundsätzlich aus dem auf Aufklärung von Strukturen ausgelegten Beobachtungsfeld der Verfassungsschutzämter herausfallen.1704 Der Gesetzgeber nimmt mit diesen differenzierten Regelungen Gewichtungen vor. Gewaltfreie Bestrebungen werden weitgehend zurückhaltend beobachtet, während gewaltbezogene, terroristische oder staatlich unterstützte Verhaltensweisen mit dem vollständigen Befugniskatalog des BVerfSchG verfolgt werden. Mit zunehmender Annäherung der gesetzlichen Beschreibung der Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzämter an polizeilich relevante Bestrebungen erweitern sich zum einen die Befugnisse der Ämter und zum anderen gleichen sich die Eingriffsvoraussetzungen der Verfassungsschutzämter denen der Polizei an. Die zunehmende Verwischung der Sonderrolle der Verfassungsschutzämter zeigt sich damit auch in den Befugnissen. Dieser Prozess könnte umgekehrt werden, um die ursprüngliche Sonderrolle der Verfassungsschutzämter wiederherzustellen.

1703 1704

Siehe soeben 5. Teil Kap. 2 A. II. (S. 344 f.). J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 292.

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

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B. Begrenzung der Beteiligung an Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Die Beobachtung der Verfassungsschutzämter überschneidet sich de lege lata in weiten Teilen mit der Aufklärung der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden. Sie setzt zwar dank niedrigerer Eingriffsschwellen (§ 4 Abs. 1 S. 3: „Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte“; bei weniger eingriffsintensiven Maßnahmen reicht bereits „ein wenigstens der Art nach konkretisiertes und absehbares Geschehen“ aus1705) und der proaktiven Ermittlungsausrichtung der Verfassungsschutzämter regelmäßig früher an, endet jedoch nicht bei Überschreiten des polizeilichen Gefahrenverdachts oder des strafprozessualen Anfangsverdachts.1706 Gleichwohl kann die Informationsvorsorge der Verfassungsschutzämter aufgrund der Betonung des Quellenschutzes regelmäßig nicht für Verwaltungs- oder Strafverfahren fruchtbar gemacht werden, da der Empfangsbehörde regelmäßig die Möglichkeit einer eigenständigen Nachkontrolle verwehrt bleibt und sie daher auf die Richtigkeit der Informationen vertrauen muss. Das schränkt wiederum die gerichtliche Nachkontrolle ein und hat mithin Auswirkungen auf die Beständigkeit der Verwaltungsentscheidung vor Gericht.1707 Diese Friktionen lassen den Schluss zu, dass die Verfassungsschutzämter konsequenter aus dem Bereich der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgung herausgehalten werden müssten. Hierfür gilt es, zunächst eine Kollisionsnorm zwischen der Beobachtung der Verfassungsschutzämter und der Informationsvorsorge von Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden zu etablieren (I.). Eigenständige Ermittlungen der Verfassungsschutzämter zu Partei- oder Vereinsverboten stehen ebenfalls in einem Spannungsfeld mit dem priorisierten Quellenschutz. Auch in der Vorbereitung dieser Verfahren können die Verfassungsschutzämter in ihrer aktuellen Struktur keine tragende Rolle spielen (II.). Verdichtet sich ein Sachverhalt zu einem Gefahren- oder einem Anfangsverdacht oder einem hinreichenden Anlass, ein Parteioder Vereinsverbotsverfahren in Gang zu setzen, sind die gesammelten Informationen daher der zuständigen Behörde als Spurenansatz zu übergeben (III.).

1705 BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 –, Rn. 151; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. November 2020 – 1 BvR 3214/15 –, LS 3, Rn. 119. 1706 N. Bergemann, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts 6. Aufl. 2018, H. Rn. 17. 1707 Dazu bereits 3. Teil Kap. 1 C. II. 2. (S. 264 ff.) und sogleich unter 5. Teil Kap. 2 B. II. (S. 354 ff.)

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

I. Subsidiarität der Informationserhebung der Verfassungsschutzämter gegenüber der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung Eine ergänzende Rollendefinition, wonach die Verfassungsschutzämter „Aufklärung“ als eine der polizeilichen „Abwehr“ vorgelagerte Stelle betreiben1708, würde die Effektivitätshindernisse durch widerstreitende Informationserhebungsziele im selben Ermittlungsfeld ebenso ausblenden wie die Herausforderungen des Verfahrenswechsels in den Grenzbereichen von noch lediglich aufklärungsrelevanten und bereits abzuwehrenden Tätigkeiten. Unter dem Eindruck ständig drohender Terrorgefahr mit potenziell weitreichendem Schadensausmaß ist eine Tendenz zur Absenkung der Eingriffsschwellen im Gefahrenrecht, etwa durch den Begriff des Gefährders oder der drohenden Gefahr, zu erkennen.1709 Dabei stellt sich im Kern die Frage, inwieweit und in welcher Hinsicht eine Situation konkretisiert sein muss, um staatliche Grundrechtsbeeinträchtigungen rechtfertigen zu können. Zu ermitteln wären etwa Art und Weise der Gefahr ebenso wie Zeitpunkt, Ort und Identität der Gefahrenquelle. Dabei wird weitgehend unbestritten behauptet, dass die Verfassungsschutzämter aufgrund ihrer andersartigen Aufgabe geringere Anforderungen erfüllen müssen.1710 Das ist richtig, soweit es um präventive Spionageabwehr und strukturelle Extremismusbeobachtung unter der Schwelle der Gewaltbereitschaft allein zur politischen Information geht. Das ist hingegen falsch, soweit es um Vorbereitung zur Abwehr konkreter Gewaltaktionen und Verfolgung extremistischer oder spionagebezogener Straftaten geht. In diesen Fällen wäre konsequent das gleiche Level an Konkretisierung bei Maßnahmen von Polizei und Verfassungsschutzämtern zu fordern. Ob den Ämtern diese Aufgabe überhaupt zukommt, ist nicht eindeutig geregelt und deshalb auch in der Literatur umstritten.1711 Je nach Auslegung stellt sich entweder das Problem nicht, da die Ämter in besagtem Bereich nicht zur Informationsvorsoge tätig werden dürfen, sondern vielmehr den Fall an die Polizei zu übergeben haben, oder die Verfassungsschutzämter betreiben zwar Informationsvorsorge zur Gefahrenabwehr, dann gelten allerdings die gleichen Eingriffsschwellen wie für die Polizei1712. 1708 So C. Streiß, Trennungsgebot, 2011, S. 232, 237; wohl auch J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168 f. 1709 C. Enders, DÖV 2019, 205, 207. 1710 Zur Kategorisierung als „Polizei“ einerseits und der Modifizierung polizeibezogener Bindungen andererseits schon m. w. N. E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 37 ff. 1711 Nach J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 168 f. ist die Vorbereitung der Straftatenverhinderung sogar die Hauptaufgabe der Ämter. Ebenso J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 9 f. A. A. R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 149 ff.; R. Poscher/B. Rusteberg, KJ 2014, 57. 1712 M. Bäcker, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, B Rn. 249; BVerfGE 125, 260, 331 ff.; 120, 274, 329 ff. A. A. J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 172 f.

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Sinnvoll erscheint erstere Auslegung. Die Verfassungsschutzämter ermitteln nur zur eingriffsfernen Gefahrenprophylaxe. Sobald die Verwirklichung von Straftatbeständen infrage steht, müssen die Ämter die bei ihnen aufgelaufenen Informationen an die Polizei übermitteln. Dabei wird vom ursprünglichen Erhebungszweck – der Strukturermittlung zur Information von Regierung und Öffentlichkeit (vgl. § 16 BVerfSchG) – abgewichen und somit erneut in Grundrechte eingegriffen. Dieser ist für sich gesehen rechtfertigungsbedürftig, aber auch rechtfertigbar, da die Polizei die drohenden Straftaten verhindern muss und diese – im Gegensatz zu den Verfassungsschutzämtern – durch kausalverlaufsverändernde Eingriffsbefugnisse auch verhindern kann. Vereinfacht gesprochen, befinden sich die Verfassungsschutzämter in der Position des Hinweisgebers, vergleichbar mit einer Privatperson, die bei der Polizei eine Anzeige erstattet.1713 Die Verfassungsschutzämter werden, insbesondere unter Verweis auf exklusive Informationen durch V-Personen, als unerlässlicher, zentraler Informationsdienstleister dargestellt.1714 Jedoch wird nicht nur die Effektivität ihrer Ermittlungen seit den bekanntgewordenen Versäumnissen im Zusammenhang mit dem NSU erheblich kritisiert1715, sondern es zeigen sich auf Grund abgesenkter Eingriffsschwellen für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zudem parallele Informationserhebungszuständigkeiten; von Exklusivität der Verfassungsschutzämter kann daher keine Rede mehr sein. Die Ermittlungsparallelitäten zeitigen mehr Nachteile als Vorteile.1716 Diese Parallelität gilt es daher zu einer Seite hin aufzulösen. Aufgrund des unmittelbaren Rechtsgüterschutzes sind die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung gegenüber einer bloßen Strukturanalyse zur politischen und gesellschaftlichen Information prioritär. Die Beobachtungstätigkeit der Verfassungsschutzämter hat daher hinter der der Polizei subsidiär zurückzutreten.1717 De 1713

A. A. – da dies dem „spezifischen Aufgabenprofil“ der Verfassungsschutzämter nicht gerecht würde – J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 293. 1714 BMI, Verfassungsschutzbericht 2017, S. 3 ff., 16 f., abrufbar unter https://www.verfas sungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/verfassungsschutzberichte (abgerufen: 30. 11. 2020). 1715 Mit dem Verweis auf „mitunter deutlich tiefgründigere“ Analysen von Investigativjournalisten und Antifaschisten M. Pichl, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2018, 111, 117, welcher allerdings den mangelnden staatlichen Steuerungseinfluss auf diese Akteure unterschlägt. Vgl. auch A. v. d. Behrens, KJ 2017, 38, 50: Das Problem beim NSU sei „nicht ein Zuwenig, sondern ein Zuviel an Wissen“ gewesen. 1716 Vgl. 3. Teil; insbesondere hinsichtlich der Effektivität der Gefahrenabwehr 3. Teil Kap. 2 C. II. (S. 281 ff.). 1717 In diese Richtung, da ansonsten die eigentliche Aufgabe der Verfassungsschutzämter in den Hintergrund gedrängt wird, J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 71 f. Ebenso H. P. Bull, RuP 2015, 2, 4; W. Ridder, Verfassung ohne Schutz, 2013, S. 9. A. A., da der „Vorteil der gegenwärtigen Konzeption des Verfassungsschutzes in Deutschland […] gerade darin [bestehe], Radikalisierungsprozesse vollständig beobachten [zu können]“, dabei allerdings die Effektivitätshindernisse für die Gefahrenabwehr durch parallel Aufklärung nicht ausreichend gewichtend K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 173, Rn. 397.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

lege ferenda wäre eine Kollisionsnorm im Recht der Verfassungsschutzämter zu etablieren1718, die es den Behörden verbietet, eigenständige Ermittlungen nach Überschreiten der polizeilichen Eingriffsschwellen des Gefahrenverdachts oder des Anfangsverdachts durchzuführen. Stattdessen wären die gesammelten Informationen als Spurenansatz an die zuständigen Behörden zu übermitteln.1719 Parallele Ermittlungen würden auf diese Weise ausgeschlossen. Zwar dürfe dem Staat nicht verboten werden, „terroristische[n] Bestrebungen […] mit den erforderlichen rechtsstaatlichen Mitteln wirksam entgegenzutreten“,1720 doch scheitert eine ineffektive, parallele Aufklärung terroristischer Bestrebungen durch Polizei und Verfassungsschutzämter bereits am Kriterium der Erforderlichkeit.1721 Die vorgeschlagene Entschlackung könnte zu einer effektiveren Gefahrenabwehr führen.1722 Im Bereich der Organisierten Kriminalität ist die Trennung der strukturellen Informationserhebung und der einzelfallbezogenen Exekutivmittel angesichts der speziellen Kriminalitätsstruktur bereits aufgehoben.1723 Eine Analogie zu den ebenfalls strukturellen Kriminalitätsformen im Rahmen der Terrorismusabwehr bietet sich an. Ähnliche Schwierigkeiten in der Abgrenzung noch legaler und bereits 1718

In diese Richtung auch I. Mihalic/K. Schulze, Mit Sicherheit für den freiheitlichen Rechtsstaat, 27. 2. 2019, https://katharina-schulze.de/mit-sicherheit-fuer-den-freiheitlichenrechtsstaat/ (abgerufen: 30. 11. 2020): „Vor allem aber muss die Koordination der Sicherheitsund Strafverfolgungsbehörden fest vereinbart werden. Es muss geklärt werden, wer bei welchem Fall mit je welchen klar festgelegten Aufgaben ,den Hut aufhat‘.“ Mit einem ähnlichen Vorschlag schon früher für den Bereich der Organisierten Kriminalität R. Rupprecht, Kriminalistik 1993, 131, 135 f. Demgegenüber mangelnde Praxistauglichkeit angesichts „unauflösliche[r] Gemengelage[n]“ einwendend E. Denninger, KritV 1994, 232, 239 f. Für potenzielle Zuständigkeitskonflikte im Bereich der Gefahrenabwehr zwischen Polizei und Sicherheitsbehörden bestünden bereits ausreichende „Konfliktregelungen“, so C. Ohler, BayVBl. 2002, 326, 332. 1719 Für eine Einbindung der Verfassungsschutzämter in ein „sekundenschnell funktionierende[s], vernetzte[s] Meldesystem“, E. Denninger, in: Lisken/ders. (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, D. Rn. 10. 1720 BVerfGE 49, 24, 56. Dahingehende Forderungen als „bemerkenswerte Verdrehung eines grundgesetzlichen Freiheitsverständnisses“ geißelnd K.-A. Schwarz, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 6, S. 4. 1721 Vgl. C. Gusy, ZRP 2012, 230, 231: „Für die Überwachung des gewalttätigen Extremismus (allein) reicht die Polizei aus, hier kann der Verfassungsschutz kaum eigene Beiträge leisten.“ 1722 Vgl. für die Anerkennung der drastisch schwereren Bedrohungslage und damit einhergehender Notwendigkeit der Anpassung des Sicherheitsrechts K.-A. Schwarz, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 6, S. 2 ff. Kritisch gegenüber einer zu starken Fragmentierung der Inneren Sicherheit B. Strasser, Plenarprotokoll 78. Sitzung des 19. BT vom 1. 2. 2019, S. 9130; BT-Drs. 19/7424, S. 1. 1723 H.-H. Trute, in: GS Jeand’Heur, 1999, S. 403, 426 f., welcher allerdings zum Bereich der politisch motivierten Delikte differenzieren und bei diesen an der Trennung von Informationserhebung und polizeilicher Exekutivmittel als rechtsstaatliche Sicherung festhalten will.

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verbotener oder gefährlicher Tätigkeit stellen sich sowohl bei der Organisierten Kriminalität als auch im Grenzbereich von Extremismusbeobachtung und Terrorismusbekämpfung. Bei letzterem ist es daher ebenfalls gerechtfertigt, Informationserhebung und Exekutivmaßnahme innerhalb enger Grenzen in einer Behörde zusammenzuführen. Die genannte Abgrenzung von legalen politischen und illegalen terroristischen Bestrebungen ist zwar eigentliche Aufgabe der Verfassungsschutzämter,1724 jedoch auch eine praktisch besonders herausfordernde.1725 Die Grenzen zwischen beiden Phänomenen sind fließend und eine Bewertung ist daher eher eine notwendige Informationsvorsorge auf Tatbestandsseite als eine eigenständige Aufgabe. Die Polizei muss ähnliche Abwägungen bei jedem Befugniseinsatz treffen. Die Warnung vor einer neuen Gestapo durch auch mit verdeckten Methoden im Gefahrenvorfeld ermittelnde Polizeibehörden ist angesichts der föderalen Organisation und rechtsstaatlichen Einhegung wenig überzeugend. Die größte unrechtsstaatliche Komponente der Gestapo war weniger die Verbindung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen mit unmittelbaren Eingriffsbefugnissen1726 als deren weitgehend unkontrollierte und willkürliche Anwendung ohne Rechtsgrundlage.1727 Diesbezüglich steht einer Wiederholung der Geschichte die Gesetzesbindung und justizielle Kontrolle der Polizei entgegen.1728 Darüber hinaus genießt die Polizei in der Bevölkerung bisher großes Vertrauen und kann daher mit mehr Akzeptanz bei der Aufgabenerfüllung rechnen als andere Sicherheitsbehörden.1729 Einzelne Beobachtungsaufträge sind allerdings noch grundsätzlicher zu kritisieren – nämlich warum sich Verfassungsschutzbehörden überhaupt mit derlei Themen befassen sollen. Die Beobachtungsobjekte des § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BVerfSchG sollten aus dem Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzämter entfallen. Die Beobachtung völkerrechtswidriger Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG dient offenkundig der Umgehung von Beweisschwierigkeiten1730 und

1724

BVerfGE 40, 287, 288. S. Aschaber, Teil II: Problemfeld Rechtsextremismus, in: Robbers/Raab (Hrsg.), Rechtspolitisches Forum 69, 2014, S. 13, 15: „Mitunter ist eine exakte Zuordnung von Verhaltensweisen [zu ,verfassungsgemäß‘, ,radikal‘ bis ,extremistisch‘ oder ,Verfassungsfeindlich‘] schwer, zumal die Übergänge oftmals fließend sind.“ 1726 Dies allerdings zusätzlich verbunden mit dem umfassenden Auftrag sämtliche staatsgefährdenden Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen und zu bekämpfen, m. w. N. M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 28 Fn. 38. 1727 M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 28, 30 f.; H. P. Bull, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 21, 29. 1728 Vgl. auch R. Rupprecht, Kriminalistik 1993, 131, 135. 1729 T. Würtenberger/S. Tanneberger, in: Riescher (Hrsg.), Sicherheit und Freiheit statt Terror und Angst, 2010, S. 97, 101 f. 1730 2. Teil Kap. 2 A. II. 5. (S. 111 ff.). 1725

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steht dabei auf einer höchst unsicheren Kompetenzgrundlage.1731 Die herangezogene Gesetzgebungskompetenz des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG1732 erfasst gerade nur die nationale freiheitliche demokratische Grundordnung und nicht die in den Blick genommene Völkerrechtsordnung. Für solche Zwecke kann allenfalls Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG angewandt werden, der zwar „auswärtige Belange“ erfasst, einschränkend allerdings Gewaltanwendung oder darauf gerichtete Vorbereitung zur potenziellen Gefährdung verlangt. Nachdem dieser Gewaltbezug von § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG gerade eliminiert werden soll, kann der Erlass dieser Norm auch nicht auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG gestützt werden. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG bewegt sich hingegen in direkter Übernahme des Wortlauts der Kompetenzgrundlage jedenfalls im Rahmen des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG. Ob diese Gesetzgebungskompetenz allerdings auf die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter bezogen ist, erscheint fraglich. Zum einen liegt die Beobachtung gewaltbereiter und gegen auswärtige Belange gerichteter Bestrebungen fern des ursprünglichen Auftrags der Sammlung von Unterlagen zum Zweck des Verfassungsschutzes.1733 Zum anderen fallen derartige Bestrebungen angesichts ihres Gewaltbezugs fraglos in die Zuständigkeit der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden. Angesichts zu vermeidender Zuständigkeitsdoppelung und der mangelhaften Fähigkeit der Verfassungsschutzämter, in Kausalverläufe einzugreifen oder sich in Strafverfahren einzubringen, ist diese Beobachtungsaufgabe anderen Behörden zuzuweisen; die Gesetzgebungsgrundlage nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG und die Verwaltungskompetenz nach Art. 87 Abs. 1 S. 2 Alt. 5 GG wären anderweitig zu verwenden. Daher verwundert es nicht, dass bereits 2009 diskutiert wurde, das überspannende Aufgabenfeld der Bekämpfung des internationalen Terrorismus den Nachrichtendiensten zu entziehen.1734 Die diesem Vorschlag entgegengehaltene Spezialisierung des BND bei der Auslandsaufklärung und des MAD für den militärischen Bereich1735 können für die Verfassungsschutzämter nicht geltend gemacht werden.1736 Zwar wird zur Abgrenzung der Aufklärung der Verfassungsschutzämter de lege lata gegenüber der polizeilichen Informationsvorsorge1737 etwa der Einzelfallbezug 1731 Dahingehende Kritik bei E. Denninger, APuZ B 10 – 11/2002, 22, 24 f.; M. Thiel, Entgrenzung, S. 43 f. M. w. N. (insb. Fn. 1165) mangels Kompetenzgrundlage die formelle Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG annehmend S. Middle, Innere Sicherheit, 2007, S. 228 ff. 1732 BT-Drs. 14/7386 (neu), S. 37. 1733 Demgegenüber erkennt A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 232 einen Sachzusammenhang zu den Aufgaben des BfV. 1734 H. A. Wolff, DÖV 2009, 597, 603. 1735 C. Streiß, Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, 2011, S. 229. 1736 Ebenso bereits M. König, Trennung und Zusammenarbeit, 2004, S. 306 f. 1737 Zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung durch die Polizei umfassend M. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, 2015; M. Albers, Determination, 2001.

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der letzteren angeführt. Demgegenüber würden die Verfassungsschutzämter losere, breiter angelegte „Bestrebungen“ auf deren verfassungsgefährdende Strukturen hin beobachten.1738 Ziel sei – anstelle von Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung im Einzelfall – die politische Information, um breitgestreute, frühzeitige und politische Maßnahmen zu unterstützen.1739 Diese idealtypische Unterscheidung lässt sich allerdings schwer durchhalten, wenn die Aufklärung der Verfassungsschutzämter ebenso auf Personen und deren Handlungen bezogen ist wie die der Polizei. Letztere ist im Bereich der Organisierten Kriminalität bereits jetzt in strukturellen Ermittlungen tätig und sieht sich bei der Terrorismusabwehr ebenso fundamentalen Gefahren für das Gemeinwesen gegenüber wie die Verfassungsschutzämter bei ihren Beobachtungsaufträgen.1740 Diesen besonderen Herausforderungen gilt es, dennoch mit den üblichen Mitteln des Rechtsstaats zu begegnen.1741 Außerdem wurde aus dem NSU-Komplex die Forderung nach einer stärkeren Einzelfall- und Personenorientierung abgeleitet1742, welcher die Verfassungsschutzämter ausweislich des Verfassungsschutzberichts des BfV aus dem Jahr 2013 auch umgehend Folge geleistet haben1743. Die angesprochene Unterscheidung zur eigentlich für gefährliche Einzelfälle zuständigen Polizei wird dadurch weiter erschwert. Die Reform hat in diesem Bereich den Weg in die weitere Verflechtung der Aufklärung der Verfassungsschutzämter mit der Informationsvorsorge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden genommen und bewegt sich damit konträr zu dem vorliegenden Reformvorschlag.

1738 R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 150; C. Gusy, in: Lange/Lanfer (Hrsg.), Verfassungsschutz, 2016, S. 77, 83 f. 1739 BVerfGE 133, 277, 326 Rn. 118; R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 150 f. Für den BND im Ergebnis ähnlich M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 845 ff. unter Berufung auf BVerfGE 100, 313, 370 ff., wonach der BND politische Entscheidungen vorbereiten solle, Art. 73 I Nr. 1 GG aber keine Ermittlungsmaßnahmen decke, die mit dem Ziel durchgeführt werden, auf eine Bedrohungslage innerstaatlich durch polizeilichen Zwang oder Strafverfolgung zu reagieren. 1740 Ausführlich auch M. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, 2015. 1741 BVerfGE 133, 277, 333 f. Rn. 133. 1742 Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 869. 1743 BMI, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 20 f. Vgl. außerdem BfV, Ergebnisse des Reformprozesses im Bundesamt für Verfassungsschutz – Zusammenfassung, Stand: Juli 2013, S. 1 („Klare Priorisierung des besonders gefährlichen, insbesondere gewaltorientierten Extremismus“), ausführlicher S. 3. Noch weiter gehen Überlegungen im BfV sog. „Gefährderansprachen“, die bisher nur – gestützt auf polizeiliche Generalklauseln – aus der polizeilichen Gefahrenabwehr bekannt sind, als eigene Befugnis zu fordern, https://www.tagesschau.de/inves tigativ/ndr-wdr/rechtsextremismus-129.html (abgerufen: 30. 11. 2020).

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

II. Keine vertiefte Einbindung in sonstige Verwaltungsverfahren An mehreren Stellen dieser Untersuchung wurde auf die Herausforderungen durch die Einbindung der Verfassungsschutzämter in Verwaltungsverfahren hingewiesen.1744 Die Herausforderungen durch den nachrichtendienstlichen Quellenschutz wirken sich sowohl im vorgelagerten Verwaltungsverfahren als auch in etwaigen Verfahren der gerichtlichen Überprüfung aus. Im Verwaltungsgerichtsverfahren können die Verfassungsschutzämter nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO Akteneinsicht verweigern. Eine solche Verweigerung ist in einem sogenannten „In-camera-Verfahren“ nach § 99 Abs. 2 VwGO überprüfbar.1745 Den Verfassungsschutzämtern dürfte jedoch zum Schutz ihrer verdeckten Quellen regelmäßig ein Verweigerungsrecht zustehen; mit der Folge, dass das Verwaltungsgerichtsverfahren ohne die gesperrten Informationen geführt und letztlich unter Berücksichtigung aller sonstigen Beweismittel nach materieller Beweislast entschieden werden muss.1746 Dies birgt für die entscheidungsbefugte Behörde die stete Unsicherheit, ob die von ihr unter Beteiligung der Verfassungsschutzämter gefällten Verwaltungsentscheidungen vor Gericht tatsächlich Bestand haben.1747 Diesbezügliche Sicherheit ist nur bei eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung, mithin Entscheidung auf eigens ermittelter Informationsbasis, gegeben oder wenn die Informationen der Ämter nicht der Geheimhaltung unterliegen. Daher wäre auch mit der Einbindung der polizeilichen Informationsvorsorge in die Kontrolle der Nachrichtendienste1748 in dieser Hinsicht kein Gewinn verbunden. Ein besonders grundrechtsschonender Aspekt der verdeckten Ermittlungsmethoden der Polizei ist, dass eine Offenlegung der Überwachung zwingend, wenn auch regelmäßig erst verzögert, gegeben ist. Polizeiliche Daten werden entweder im 1744

Etwa auf den Entzug von Akkreditierungen zum G20-Gipfel in Hamburg durch das zuständige BPA, dazu bereits 3. Teil Kap. 1 C. II. 2. b) (S. 267 f.). Zur Begrenzung der Beteiligung der Verfassungsschutzämter bei Beamteneinstellungen E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 42 f.; OVG Berlin, Urt. v. 18. 4. 1978, NJW 1978, 1644, 1645 ff. Ferner T. MüllerHeidelberg, FS Kutscha, 2013, S. 205, 212. Als weiteres Beispiel zweifelhafter Einbindung der Verfassungsschutzämter können sog. „pre-screenings“ durch das BfV im EU-Ausland zur Vorbereitung einer möglichen Übernahme des Asylverfahrens durch die BRD nach Art. 17 Dublin-III-VO genannt werden, dazu L. Kokott, Exekutiver Freestyle im Mittelmeer: Zur Praxis der pre-screenings von Schutzsuchenden durch den Verfassungsschutz, VerfBlog, 2019/12/09, https://verfassungsblog.de/exekutiver-freestyle-im-mittelmeer/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1745 Dazu K. F. Gärditz/J. Orth, JuS 2010, 317. 1746 BVerwG, Urt. v. 27. 9. 2006 – 3 C 34/05, NJW 2007, 789, 790 ff.; ausführlich H. Posser, in: ders./Wolf, VwGO, 49. Ed. 1. 10. 2018, § 99, Rn. 54; K. F. Gärditz/J. Orth, JuS 2010, 317, 320; W. Neumann, DVBl. 2016, 473, 483. 1747 C. Gusy, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 120, 126: „Nicht nur ihr Wahrheitsgehalt [nachrichtendienstlicher Informationen], sondern auch die Art und Weise ihrer Erhebung und deren Rechtmäßigkeit lässt sich von den empfangenden Behörden regelmäßig nicht überprüfen.“ 1748 So C. Streiß, Das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, 2011, S. 232, 240.

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Strafprozess oder bei der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen offengelegt. Demgegenüber stehen den Verfassungsschutzämtern weitreichende Möglichkeiten zur Verfügung, um eine entsprechende Offenlegung zu verhindern. Zwar ist auf eine solche Offenlegungspflicht für Verfassungsschutzämter im Verwaltungsverfahren vereinzelt bereits erkannt worden1749 und eine Übertragung auf den Strafprozess wäre daher nur konsequent.1750 Die dargelegten Probleme können allerdings für die Verfassungsschutzämter auch umgangen werden, wenn sich ihre Beteiligung an Verwaltungsentscheidungen respektive der Strafverfolgung darauf beschränkt, Spurenansätze zu liefern. Diese würden keine Beweismittel darstellen und müssten daher im Prozess nicht offengelegt werden, da die betroffenen Bürgerinnen und Bürger durch sie nicht wesentlich beschwert wären.1751 Die genannten Herausforderungen durch den Quellenschutz der Verfassungsschutzämter sprechen schon generell gegen eine tragende Beteiligung in Verwaltungsverfahren.1752 Dies gilt genauso für die speziellen Fälle der Parteiüberprüfungsverfahren nach Art. 21 Abs. 4 GG (1.) und der Vereinsverbote nach Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG (2.). Gleichwohl wurde den Verfassungsschutzämtern – gerade mit Blick auf den wortgleichen Vereinsverbotsgrund – die Beobachtung von Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG) gerichtet sind, überantwortet. Die Verfassungsschutzämter sollen explizit für solche Verbotsverfahren Informationen sammeln.1753 1. Parteiverbot Mit Blick auf Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist zu bedenken, dass eine zu starke Durchdringung der beobachteten Partei für ein Parteiverbotsverfahren aufgrund fehlender „Staatsferne“ ein Zulässigkeitshindernis

1749

BVerfGE 101, 106, 131. Eine ebensolche anmahnend J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 116 ff. 1751 J. Singer, Beobachtung der Organisierten Kriminalität, 2002, S. 118. 1752 Einen anderen, bedenkenswerten Weg schlägt E. Schwan, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Nachrichtendienste, Polizei und Verbrechensbekämpfung im demokratischen Rechtsstaat, 1994, S. 113, 115 ein, wenn er die Verfassungsschutzämter zum einen auf die Vorbereitung der in der Verfassung genannten Werkzeuge der wehrhaften Demokratie (Parteiverbot, Finanzierungsentziehung, Vereinsverbot und Grundrechtsverwirkung) beschränken will und ihnen zum anderen lediglich offene bzw. veröffentliche Quellen erlauben will. 1753 BVerfGE 107, 339, 391 – Sondervotum Sommer, Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff; W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 4 BVerfSchG, Rn. 84. So auch unter Hinweis darauf, dass das Grundgesetz keine ausdrückliche Behördenzuweisung vornimmt und neutral die Möglichkeit eröffnet Behörden mit der Sammlung von Unterlagen zum Zwecke des Verfassungsschutzes einzurichten, J. F. Lindner/ J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 819. 1750

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

darstellen kann.1754 Ein Verbotsantrag darf nicht „in nicht unerheblichem Umfang auf Äußerungen von Parteimitgliedern gestützt [sein], die nachrichtendienstliche Kontakte mit staatlichen Behörden unterhalten oder unterhalten haben.“1755 Unterhalb der Schwelle der Durchdringung auf Führungsebene billigt das BVerfG gleichwohl die Weiterbeobachtung der Partei auch während des laufenden Verfahrens und auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln, allerdings nur unter den üblichen Voraussetzungen, bei gleichzeitiger Wahrung der rechtsstaatlichen Gebote der Staatsfreiheit und des fairen Verfahrens.1756 Ferner stellt das Bundesverfassungsgericht seine Erwägungen zur Begründetheit eines Verbotsantrags auch auf Grundlage von Informationen an, die in Verfassungsschutzberichten unter Mitwirkung der Verfassungsschutzämter veröffentlicht wurden.1757 Das Gericht stützt sich dabei allerdings auf allgemeine, strukturelle Angaben, die durch offene Beobachtung von Parteiveranstaltungen oder Analyse von Statistiken erzielt werden können. Eine „anonymisierte Statistik des Bundesamts für Verfassungsschutz zur Straffälligkeit der Vorstandsmitglieder der [NPD] und ihrer Teilorganisationen“ sah das Gericht als unverwertbar an.1758 Die Erwägungen des Gerichts zu dem Merkmal des „darauf Ausgehens“ sind im zweiten NPD-Verbotsverfahren gänzlich offenen Quellen entnommen. Etwa muss sich eine Partei Straftaten, Gewaltanwendungen oder niederschwellige und ein Klima der Angst erzeugende Handlungen aktiv und nach außen sichtbar zu Eigen machen oder veranlassen.1759 Ein erzeugtes Klima der Angst müsste außerdem geeignet sein, „die Möglichkeit gleichberechtigter Teilhabe am Prozess der politischen Willensbildung“ einzuschränken; vereinzeltes Unbehagen oder auch „Gefühle der Angst“ sollen dafür nicht ausreichen, vielmehr bedarf es einer „generelle[n] Atmosphäre der Angst“.1760 Insgesamt müssten gewalttätige Einzelfälle zu einer der Partei zurechenbaren „Grundtendenz zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele mit Gewalt oder der Drohung mit Gewalt und einer damit verbundenen Schaffung einer Atmosphäre der Angst“ kumulieren.1761 „Auf Einschüchterung und Bedrohung sowie den Aufbau von Gewaltpotentialen muss mit den Mitteln des präventiven Polizeirechts und des repressiven Strafrechts rechtzeitig und umfassend reagiert werden, um die Freiheit des politischen Prozesses ebenso wie einzelne vom Verhalten der [NPD] Betroffene wirkungsvoll zu schüt1754 BVerfGE 107, 339, 369; 144, 20, 160 ff. Rn. 406 ff. Zum Verfassungsgebot der grundsätzlich staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk in Richtung der Staatsorgane schon E 20, 56, 99 ff. 1755 BVerfGE 107, 339, 370; 144, 20, 162 Rn. 410. 1756 BVerfGE 144, 20, 161 Rn. 409, 163 f. Rn. 418. 1757 BVerfGE 144, 20, 331 f. Rn. 913 ff., 333 f. Rn. 918 f. 1758 BVerfGE 144, 20, 347 Rn. 954 f. 1759 BVerfGE 144, 20, 358 ff. Rn. 979 ff. 1760 BVerfGE 144, 20, 363 Rn. 995. 1761 BVerfGE 144, 20, 365 f. Rn. 1003.

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

357

zen.“1762 Die verdeckte Informationserhebung der Verfassungsschutzämter ist damit gerade nicht angesprochen, wohingegen die Senatsmehrheit 2003 die Aufklärung durch die Ämter noch als zwingend notwendig ansah.1763 2017 stützte das Gericht seine Erwägungen aber sämtlich auf aus offen zugänglichen Quellen erhobenen Informationen. Die notwendigen Belege für eine verfassungsfeindliche Zielsetzung der NPD ließen sich vollständig aus dem offiziellen Parteiprogramm, sonstigen parteiamtlichen Erklärungen, Reden von Funktionären und einfachen Mitgliedern, verwendetem Schulungs- und Informationsmaterial, Schriften der als maßgebend angesehenen Autoren sowie dem Verhalten einzelner Mitglieder der Partei entnehmen. Entsprechendes Belastungsmaterial wurde im Vorfeld der NPD-Verbotsverfahren von sozialdemokratisch geführten Innenministerien aus öffentlichen Quellen beschafft.1764 Für die Durchführung eines Parteiverbotsverfahrens sind nachrichtendienstliche Ermittlungen der Verfassungsschutzämter daher eher hinderlich als förderlich. 2. Vereinsverbot Ein ähnlicher Befund lässt sich auch für die Beteiligung der Verfassungsschutzämter an der Informationssammlung, mit dem Zweck ein Vereinsverbot zu begründen, stellen. Eine Vereinigung, „deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten,“ ist nach Art. 9 Abs. 2 GG verboten. Für die Art und Weise der Informationsvorsorge sind hierbei die Tatbestandsmerkmale des „Zuwiderlaufens“ und des „gegen etwas Richtens“ maßgeblich. Es ist zu fragen, ob es sich dabei zwingend um nach Außen erkennbare Tätigkeiten handelt oder um solche, die aufgrund ihrer Verborgenheit einer verdeckten Aufklärung bedürfen. Bloße passive Ablehnung ist kein „sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten“ im Normsinne. Bei Vereinigungen ist zwar – im Gegensatz zu Parteiverboten – weder maßgeblich, dass ihr Handeln potenziell erfolgreich ist1765, noch ist die räumliche Reichweite der Vereinigungstätigkeit ausschlaggebend1766. Vielmehr hat sich ein „kämpferisch-ag1762

BVerfGE 144, 20, 368 Rn. 1008. BVerfGE 107, 339, 391 f. – Sondervotum Sommer, Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff. Ebenso auch, allerdings zu nachrichtendienstlichen Erkenntnissen im Allgemeinen und in der Verwendung im Strafprozess, T. Engelstätter, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 97, 98. 1764 U. Volkmann, APuZ 18 – 19/2012, 15, 16 unter Verweis auf Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt (Hrsg.), Verfassungsfeind NPD, Magdeburg 2009; allerdings später in demselben Beitrag auf die Notwendigkeit nachrichtendienstlicher Ausforschung hinweisend (S. 16 f.). 1765 BVerfGE 144, 20, 224 f. Rn. 585. 1766 BVerfGE 144, 20, 340 ff. Rn. 934 ff. 1763

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

gressives“ Streben1767 in den der Vereinigung zurechenbaren Äußerungen und Tätigkeiten zu manifestieren, das gegenüber bloßen Meinungsäußerungen oder Gesinnungen abgegrenzt werden kann1768. Diese Haltung wird dabei selten explizit in Satzungen oder Programmen der Vereine zum Ausdruck gebracht. In der Regel wird die „kämpferisch-aggressive“ Haltung erst aus einer Zusammenschau von dem Verein zurechenbaren Äußerungen, sonstigen Publikationen und Taten deutlich.1769 Dabei handelt es sich um nach außen in Erscheinung tretende Indizien, die keiner Ermittlung durch verdeckte Maßnahmen bedürfen. Schwerer fällt es hingegen zu erkennen, wann Zwecke und Tätigkeiten einer Vereinigung Strafgesetzen „zuwiderlaufen“. Hierfür ist keine Vollendung von Delikten nötig, sondern es soll bereits genügen, wenn der Verein „die Gefahr der Begehung von Straftaten bewusst hervorruft oder verstärkt oder diese Gefahr tatsächlich von [ihm] ausgeht“;1770 dabei soll es wiederum ausreichen, dass „Straftaten [auch Dritter] hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert“ werden.1771 Derartige Unterstützung kann sehr wohl auch im Verborgenen stattfinden und damit nach verdeckten Ermittlungsmethoden verlangen. Gleichwohl stellt das Vereinsverbot eine unmittelbar wirkende aktionelle Verwaltungsentscheidung dar, deren eventuelle gerichtliche Überprüfung durch Quellenschutzbelange der Verfassungsschutzämter gestört werden kann. Ferner widerstreben die auf Strukturanalyse und dauerhafte Beobachtung angelegte Tätigkeit der Verfassungsschutzämter der finalen Auflösungsintention des Vereinsverbots. Wie bereits in der Vergangenheit gesehen, drohen widerstrebende Eigenrationalitäten.1772 Insbesondere Vereinsverbote sind allerdings valide und – im Gegensatz zu Parteiverboten – auch rege genutzte Mittel der wehrhaften Demokratie. Das BVerfG sieht einerseits in Partei- und Vereinsverboten weiterhin eine zentrale Entscheidung des GG.1773 Andererseits hält das BVerfG auch die beschränkungsfreie demokratische Meinungsbildung hoch: Selbst die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen oder bestimmter politischer Auffassungen überschreite als solche noch nicht die 1767

BVerfGE 149, 160, 197 ff. Rn. 108 f. Zur kämpferisch-aggressiven Haltung eingehend m. w. N. W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3 VereinsG, Rn. 72 ff. 1768 BVerfGE 149, 160, 213 ff. Rn. 144 ff. 1769 Zur Zurechnung ausführlich W. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3 VereinsG, Rn. 72 ff. 1770 M. Cornils, Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 46. Ed. Stand: 15. 8. 2020, Art. 9 GG, Rn. 25.3. 1771 BVerwG, Urt. v. 19. 12. 2012 – 6 A 6/11, NVwZ 2013, 870, 874 Rn. 1; BVerwGE 154, 22, 40 Rn. 43. 1772 Zu solchen im Zusammenspiel von Polizei und Verfassungsschutzämtern bereits 3. Teil Kap. 2 C. II. (S. 282 ff.). 1773 BVerfGE 149, 160, 194 Rn. 101; 5, 85, 138 f.; 25, 88, 100; 80, 244, 253. Kritisch ob der Wirksamkeit von Parteiverboten, statt vieler hier nur T. Müller-Heidelberg, FS Kutscha, 2013, S. 205, 211 f.

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

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Grenze der freien politischen Auseinandersetzung.1774 Das Grundgesetz garantiert die Meinungsfreiheit „im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung […] grundsätzlich auch den Feinden der Freiheit“1775 und vertraue mit der Vereinigungsfreiheit grundsätzlich auf die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements sowie den freien und offenen politischen Diskurs.1776 Daher ist zur Rechtfertigung eines Vereinigungsverbotes entscheidend, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt.1777 Diese restriktive Handhabe deckt sich auch mit der Entstehungsgeschichte der Norm, da im Parlamentarischen Rat Einigkeit darüber bestand, dass lediglich Vereinigungen erfasst werden sollten, die gegen die Demokratie kämpfen oder Gewalt nicht ablehnen.1778 Alle materiellen Voraussetzungen eines Vereinsverbots (Strafgesetzwidrigkeit, Verfassungswidrigkeit, Völkerrechtswidrigkeit1779) können gestützt auf polizeiliche Ermittlungen1780 oder aus offenen Quellen belegt werden.1781 Schutzlücken entstehen mit einer Reduktion der Rolle der Verfassungsschutzämter für Parteiverbots-, Vereinsverbots- oder sonstige Verwaltungsverfahren mithin nicht. Offene Quellen können auch in einer entsprechend für Ermittlungen zu Vereinsverboten zuständigen Abteilung innerhalb der zuständigen Verbotsbehörde (gem. § 3 Abs. 2 VereinsG) ausgewertet werden.

III. Grundsätzliche Reduktion auf Berührungspunkte zur Vorbereitung aktioneller Maßnahmen Die Abwehr von Gefahren für die Schutzgüter des Verfassungsschutzes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG wird durch unvollständig abgestimmte Kooperation von Verfassungsschutzämtern und Polizei beeinträchtigt, insbesondere durch die divergierenden Eigenrationalitäten und die großen Freiräume bei der Informationsübermittlung. Intensivere Vernetzung ist dabei nur eine Möglichkeit, welche die unterschiedlichen Zwecke von Polizei und Verfassungsschutzämter allerdings auch 1774

BVerfGE 5, 85, 141. BVerfGE 124, 300, 330. 1776 BVerfGE 124, 300, 320 f. 1777 BVerfGE 124, 300, 330. 1778 E. Pikart/W. Werner, Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/I, 1993, S. 25; dies., Der Parlamentarische Rat, Bd. 5/II, 1993, S. 685, 703 f.; BVerfGE 149, 160, 163 f. Rn. 5, 198 Rn. 108. 1779 C. Baudewin, NVwZ 2013, 1049, 1050 f. 1780 Beachte aber BVerfGE 149, 160, 197 Rn. 106: „Als eigenständiges Mittel präventiven Verfassungsschutzes ist ein Vereinigungsverbot aber nicht an strafrechtliche Verurteilungen gebunden (vgl. BVerwGE 80, 299, 305 f. = NJW 1989, 993 = NVwZ 1989, 670 Ls.; BVerwGE 134, 275, 280 f. = NVwZ 2010, 446, Rn. 17 f.).“ 1781 F. Roggan, KriPoZ 2/2018, 109, 109 f. spricht sich sogar, überzeugend gänzlich gegen eine Beteiligung der Verfassungsschutzämter an Vereinsverbotsverfahren aus. 1775

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

nicht harmonisiert. Eine andere Möglichkeit wäre die personenbezogene, auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Aufklärung vollständig der Polizei zu überlassen und die dafür notwendigen Analysekapazitäten dieser Behörden zu stärken.1782 Diese Lösung über eine Aufgabenbeschränkung der Verfassungsschutzämter drängt sich angesichts der dargestellten Friktionen bei der Einbindung der Verfassungsschutzämter in die Informationsvorsorge zu aktionellen Maßnahmen, wie unmittelbaren Gefahrenabwehrmaßnahmen der Polizei oder Vereinsverboten, auf.1783 Statt weitreichender paralleler Ermittlungszuständigkeiten sollten die Verfassungsschutzämter bei hinreichenden Verdachtslagen ihre angesammelten Spurenansätze an die jeweils zuständige Behörde übergeben.1784 Deren eigene Ermittlungen bilden im Einklang mit dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung eine solide Grundlage für spätere aktionelle Maßnahmen. Zuständigkeitswechsel und Informationsübergabe sind klar und weitgehend ohne behördlichen Ermessensspielraum gesetzlich vorzugeben, um widerstrebende Ermittlungsprioritäten einzudämmen. Die den Verfassungsschutzämtern verbleibenden Aufgaben sind ferner derart zu umfassen, dass sie nach Möglichkeit schon keine – gebotenen aktionellen Maßnahmen entgegenstehende – Eigenrationalitäten ausbilden. Fälle, in denen Verfassungsschutzämter Informationen vor Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsbehörden zurückhalten, um weitere Ermittlungen nicht zu gefährden, bilden systemische Fehler ab, die durch klare Zuständigkeits- und Aufgabenregelungen vermieden werden können. Diese Funktionentrennung in strukturbezogene, generelle, an den Ursachen ansetzende Gefahrenprävention und einzelfallbezogene, individuelle Gefahrenabwehr sowie Strafverfolgung muss durch klare Zuständigkeiten abgesichert sein. Zuständigkeitskonflikte sind durch Kollisionsnormen bereits im Vorfeld zu vermeiden. Negative Kompetenzkonflikte i. S. von fehlender Zuständigkeit sind angesichts drohender Schutzlücken ebenso zu vermeiden, wie positive Kompetenzkonflikte, die durch Mehrfachzuständigkeit die Gefahr widersprüchlichen Verhaltens bergen.1785 1782

Zu den für die Gefahrenabwehr notwendigen, personenbezogenen Analysen am Beispiel der „Sauerland-Gruppe“ die Mitglieder Harms und Kaller in M. Bäcker/V. Giesler/ M. Harms/B. Hirsch/S. Kaller/H. A. Wolff, Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland vom 28. 8. 2013, S. 188. 1783 Gleichwohl den Verfassungsschutzämtern die Funktion der Informationsvorsorge für Verwaltungsentscheidungen zuschreibend J.-H. Dietrich, in: ders./Eiffler (Hrsg.), HdbdRdND, 2017, III § 3 Rn. 5. 1784 E. Träger, Der Generalbundesanwalt, in: Das Parlament v. 17. 1. 1976, S. 3 erwähnt Verfassungsschutzämter als „anzeigende“ Behörde. Hirsch, BT-Plenarprotokoll 11/214, S. 16784 stieß bereits 1990 eine Debatte über die Rückführung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter an die Polizei an. Heute leisten die Verfassungsschutzämter im Bereich der Anzeige geplanter Straftaten bereits wertvolle Arbeit, so R. Steinke, Aus der Zeit gefallen, Süddeutsche.de, 6. 11. 2018, https://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsschutz-aus-derzeit-gefallen-1.4198706 (abgerufen: 30. 11. 2020). 1785 Zu positiven und negativen Kompetenzkonflikten im Geflecht aus Polizei und Sicherheitsbehörden in Bayern C. Ohler, BayVBl. 2002, 326.

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

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C. Neuverteilung der Spionageabwehr anhand funktionaler Kriterien Der zweite Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzämter – neben dem weitgefächerten der Extremismusbeobachtung – bewegt sich im Rahmen der Spionageabwehr. Die Spionageabwehr ist ein breites Aufgabenfeld, das zum einen in Ermittlungen, um sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten aufzudecken (I.), und zum anderen in der Vorbereitung zur Vermeidung geheimdienstlicher Infiltrierung besteht. Im 4. Teil dieser Untersuchung wurde bereits dargelegt, dass die Aufklärung im Rahmen der Spionageabwehr außerhalb der Bundeswehr angesichts des immanenten Auslandsbezugs und der Bedeutung der Wirtschaft für die Spionage ausschließlich dem BND überantwortet werden sollte. Beim personellen und technischen Geheim- und Sabotageschutz bietet sich eine breitere Verteilung der Mitwirkungsaufgaben an (II.), die bisher größtenteils beim BfV konzentriert sind (für den personellen Geheim- und Sabotageschutz etwa nach § 3 Abs. 2 SÜG, § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 und 4 BVerfSchG). Die inhaltliche Datenerhebung und -auswertung des BND könnte dabei durch technische Unterstützung von Seiten des BSI flankiert werden (III.).

I. Aufklärung Definierendes Merkmal der Spionage ist ihre verdeckte Vorgehensweise. Um in einem derart undurchsichtigen Bereich Aufklärungsarbeit zu verrichten, sind entsprechende Befugnisse und Expertisen nötig. Dafür bietet es sich an, diese Aufgabe bei einer Institution zu konzentrieren, um entsprechendes Spezialwissen besser aufzubauen und zu vernetzen. Zusätzlich wiegt der Vorteil, dass gegebenenfalls sehr eingriffsintensive Befugnisse weniger Behörden zur Verfügung stünden als in der dezentralisierten Spionageabwehr de lege lata. Ermittlungsbefugnisse im Bereich der Spionageabwehr müssen zwingend in bewusst und aufwendig getarnte Handlungsräume eingreifen. Hiermit sind unter Umständen weit gestreute Datenerhebungen zur Verdachtsgewinnung ebenso verbunden wie millieuinfiltrierende, verborgene und damit vertrauensmissbrauchende Ermittlungsmaßnahmen, etwa mittels umgedrehter Spione oder verdeckten technischen Überwachungen.1786

II. Weitere Macht-Disaggregation durch Ausgliederung des personellen und technischen Geheim- und Sabotageschutzes Weite Teile des personellen und technischen Geheim- und Sabotageschutzes, der den Verfassungsschutzämtern nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG zur Mitwirkung über1786

N. Gazeas, Übermittlung, 2014, S. 148 ff.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

tragen ist, sind eng mit der Spionageabwehr verbunden. Die durch die Geheim- und Sabotageschutzmaßnahmen bewirkte Infiltrationsvermeidung ist die „defensive“ Kehrseite der „offensiven“ Aufklärung. Zur Wahrung eines effektiven und zugleich grundrechtsschonenden Schutzniveaus sind sowohl der personelle (1.) als auch der technische (2.) Geheim- und Sabotageschutz aus dem Aufgabenbereich der Verfassungsschutzämter auszugliedern und anderen Behörden zuzuweisen. 1. Effektiver und transparenter personeller Geheim- und Sabotageschutz Um ineffektive mehrfache Informationsübermittlung teils hochsensibler persönlicher Daten zu verhindern, ist angezeigt, die verborgene Informationserhebung nicht von der Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen zu trennen. Die Unterstützung des personellen Geheim- und Sabotageschutzes vor geheimdienstlicher Infiltration hat mithin der Spionageabwehr zu folgen und wäre nach vorliegend vorgeschlagener Aufgabenstrukturierung beim BND zu konzentrieren. Nachdem gemäß § 5 SÜG nicht nur von ausländischen Nachrichtendiensten, sondern auch von kriminellen Vereinigungen oder extremistischen Organisationen Sicherheitsrisiken ausgehen, geht der Bereich des personellen Geheimschutzes über den Komplex der Spionage hinaus. Die Beurteilung der Sicherheitsrisiken liegt letzten Endes nach § 3 Abs. 1, § 14 Abs. 3 S. 1 SÜG bei der einstellenden Institution. Der Mitwirkung einer anderen Stelle bedarf es lediglich in den Fällen, in denen die Aussagen des Bewerbers nicht aus offen zugänglichen Quellen verifiziert werden können. Diese Verifizierungsschwierigkeiten dürften regelmäßig hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten fremder Nachrichtendienste vorliegen; dem BND müsste nach der hier vorgeschlagenen Spionageabwehrkonzentration damit zwingend eine entsprechende Mitwirkungsaufgabe übertragen werden. Der Gefahr der Unterwanderung durch kriminelle oder extremistische Bestrebungen (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. b und c SÜG) könnte hingegen durch Anfragen an die Innenministerien und Kriminalämter begegnet werden. Hierfür müssten die Kriminalämter eine vernetzte Datei zu laufenden und abgeschlossenen Ermittlungsverfahren hinsichtlich §§ 129 bis 129b StGB und die Innenministerien eine Datei zu laufenden und abgeschlossenen Vereinsverbotsverfahren führen. Mit Hilfe dieser Dateien könnten Bewerber direkt nach Mitgliedschaften gefragt und in den Verzeichnissen aufgeführte Führungspersönlichkeiten abgelehnt werden. Damit könnte der Gefahr durch den Einfluss extremistischer Gruppierungen weitreichend begegnet werden. 2. Technischer Geheim- und Sabotageschutz aus der einen Hand des BSI Angesichts fortschreitender Technisierung und Digitalisierung staatlichen Handelns gewinnt der technische Geheim- und Sabotageschutz an Bedeutung. Der Bund unterhält mit dem BSI bereits eine zentrale Behörde zum Schutz der Informationssicherheit auf nationaler Ebene (§ 1 S. 1 BSIG). Mit der Aufgabenerweiterung

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

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2009 kann das BSI nun eigenständig zur Abwehr von Gefahren für die Informationstechnik des Bundes tätig werden1787 und geht damit sogar über die bloße Mitwirkungsaufgabe der Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 BVerfSchG hinaus. Das BSI fördert nach § 3 Abs. 1 BSIG die Sicherheit in der Informationstechnik umfassend und übernimmt dazu nach Nr. 1 insbesondere die Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit der Informationstechnik des Bundes. Gleichwohl sieht der Gesetzgeber die Verfassungsschutzämter als wesentlichen Bestandteil des nicht weiter spezifizierten „Bereich[s] der Cyberabwehr“1788 an. Eine funktionelle Trennung von technischen Schutzmaßnahmen zum Geheimschutz und technischen Schutzmaßnahmen von Verarbeitung oder Übertragung von Informationen erscheint angesichts weitreichender Verflechtungen und flächendeckendem Einsatz von IT nicht mehr zeitgemäß. Mit dem BSI ist auf Bundesebene bereits eine Behörde geschaffen, die über die nötige Expertise verfügt, um den technischen Geheim- und Sabotageschutz in ausschließlicher Verantwortlichkeit zu tragen. Eine solche Aufgabenkonzentration dient, neben der Effektivitätssteigerung durch Kompetenzbündelung sowie der Verantwortungsklarheit, auch der Entschlackung der Aufgaben der Verfassungsschutzämter und ermöglicht diesen, sich auf materielle Präventionsarbeit zu konzentrieren. Der Mehrwert nachrichtendienstlicher Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter für den technischen Geheim- und Sabotageschutz erscheint ohnehin gering. Für die technische Abwehrkomponente dürfte das BSI über die größere Expertise verfügen.1789 Die über die Technik hinausgehende strukturelle Aufklärung darüber, wer hinter den Cyberangriffen steht, könnte mit größerer Sachnähe je nach vermutetem Ursprung von BND (bei Auslandsbezügen, insbesondere Spionage), von MAD (sofern die Streitkräfte involviert sind) oder durch das BKA (bei kriminellem oder terroristischem Hintergrund) geleistet werden. Durch einen Abzug der Verfassungsschutzämter aus der Cyberabwehr im Allgemeinen und dem technischen Geheim- und Sabotageschutz im Speziellen entstünden mithin keine Schutzlücken. Insbesondere wäre die Stellung des BSI weiter 1787

BT-Drs. 16/11967, S. 10. Umfangreiche Überwachungsbefugnisse des BSI begrüßend R. Poscher, in: Vesting/Korioth (Hrsg.), Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2011, S. 245, 248. 1788 BT-Drs. 18/4654, S. 21. Die Cyberabwehr ist in der Bundesrepublik Deutschland auf viele Behörden verteilt. Diese Vielfalt kumuliert im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ). Hier sind neben BSI und BfV, der MAD, der BND, das BKA, das Zollkriminalamt (ZKA), die Bundespolizei und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK) vertreten, s. D.-K. Kipker, Hackback in Deutschland: Wer, was, wie und warum?, VerfBlog, 2019/6/03, https://verfassungsblog.de/hackback-in-deutschland-wer-was-wie-undwarum/ (abgerufen: 30. 11. 2020). Zu verfassungsrechtlichen Zweifeln am NCAZ T. Linke, DÖV 2018, 128, 135 ff. Zu Reformüberlegungen des BMI bezüglich der Beteiligung des BND und des BfV an der Cyber-Abwehr, vgl. T. Barczak, NJW 2020, 595, 596. Zu den grundgesetzlichen Grenzen nachrichtendienstlicher Cyberoperationen a. a. O., 598 ff. 1789 In diese Richtung auch H. P. Bull, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 21, 37.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

zu stärken, um eine wirksame Abschirmung gegen destabilisierende Cyberangriffe zu garantieren.

III. Der BND als zentrale Spionageabwehrinstitution und das BSI zur technischen Unterstützung Der Bearbeitungskomplex der Spionageabwehr bietet sich daher zur zentralisierten Bearbeitung an. Der BND ist am besten geeignet, als ausschließliche zivile1790 Spionageabwehrbehörde zu fungieren.1791 Informationserhebung und -vermittlung durch die Verfassungsschutzämter, etwa durch die „BfV Cyber-Briefe“1792, könnte unter Effektivitätsgewinnen in der Gegenspionage und ohne Reibungsverluste vom BND übernommen werden. Technische Unterstützung bei der Infiltrationsvermeidung wäre hingegen beim – ohnehin bereits für die Netzsicherheit zuständigen – BSI anzusiedeln. Statt einer Abgrenzung zwischen BND und Verfassungsschutzämtern nach der Lokalität, wäre eine funktionelle Unterscheidung nach Aufgabenanteil zwischen BND und BSI zu treffen. Während das BSI auf die technischen Aspekte begrenzt bliebe, würde sich der BND mit der inhaltlichen Bewertung, etwa ob bei einer erkannten Cyber-Attacke Muster erkennbar sind, die auf einen nachrichtendienstlichen Ursprung hindeuten, befassen. Die Kompetenzverteilung wäre damit klarer konturiert.

D. Keine Schutzlücken ohne die Ermittlungstätigkeit der Verfassungsschutzämter Die bisherigen Ausführungen habe gezeigt, dass auch bei Rückzug der Verfassungsschutzämter aus den gennannten Aufgabenfeldern keine nennenswerten Schutzlücken entstehen, die nicht von anderen Behörden effektiv gefüllt werden könnten. Insbesondere bei der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung würde das Fehlen der Aufklärung der Verfassungsschutzämter nicht weiter ins Gewicht fallen.1793 Für die konkrete Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung sind die Ämter ohnehin nicht zu1790

Immer den Bereich der Abschirmung der Streitkräfte aufgrund seiner Besonderheiten ausgenommen und dem MAD zugewiesen. Die Beteiligung des BND am sog. militärischen Nachrichtenwesen der Bundeswehr, dazu bereits 2. Teil Kap. 3 A. II. 3. (S. 166 f.), ändert nichts an der ausschließlichen Zuständigkeit des MAD für die Abwehr der Spionage innerhalb der Bundeswehr, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 MADG und 2. Teil Kap. 3 A. II. 1. (S. 163 f.). 1791 4. Teil Kap. 2 (S. 320 ff.). 1792 Im Internet veröffentlicht unter https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsar beit/publikationen/pb-cyberabwehr (abgerufen: 30. 11. 2020). 1793 T. Müller-Heidelberg, FS Kutscha, 2013, S. 205, 212.

Kap. 2: Rückbau bisheriger Aufgaben

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ständig1794 und als Ermittlungen auslösende Anzeigebehörde können sie auch in reduzierter Ausgestaltung dienen. Die Aufklärung gewaltorientierter Bestrebungen aller Couleur könnte ohne Weiteres vom polizeilichen Staatsschutz übernommen werden.1795 Die Aufgabenumverteilung im Rahmen der Spionageabwehr und des personellen und technischen Geheim- und Sabotageschutzes ließe Effektivitätsgewinne erwarten. Schutzlücken entstünden durch Übernahme etwa durch den BND oder das BSI nicht. Damit verbliebe, nach dem vorliegend vorgetragen Vorschlag, lediglich der Beobachtungsauftrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG, nämlich die Beobachtung von Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben. Dieser Auftrag zur Informationssammlung und -auswertung wäre ferner strikt an den in § 16 BVerfSchG angelegten Zweck der Unterrichtung von Regierung und Öffentlichkeit zu binden. Die Beobachtungen der Verfassungsschutzämter wären ab dem Zeitpunkt, in dem der Sachverhalt für weitere Ermittlungen durch Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsbehörden hinreichend konkretisiert ist – also ab der Schwelle des Gefahrenoder Anfangsverdachts – abzubrechen und die bereits ermittelten Informationen wären an die jeweils zuständige Polizeibehörde oder Staatsanwaltschaft zu übermitteln. Die Übermittlung von Daten an die Gefahrenabwehr- sowie Strafverfolgungsbehörden wäre daher ab der Schwelle des Gefahren- bzw. strafprozessrechtlichen Anfangsverdacht nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr ausdrücklich vorzusehen, jedoch durch klare Übermittlungs- und Kollisionsnormen auf eine Nebentätigkeit zu begrenzen. An die Stelle einer parallelen Ermittlung würde die Kooperation mittels Übermittlung von Ermittlungsansätzen treten. Dieses reduzierte Aufgabenprofil stellt eine deutliche Veränderung dar, wäre aber keinesfalls mit der Bedeutungslosigkeit der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter verbunden. Tatsächlich würde die ursprüngliche Tätigkeit, die durch eine fortschreitende Einbindung der Verfassungsschutzämter in die Gefahrenabwehr zunehmend in den Hintergrund gedrängt wurde, wieder eine hinreichende Aufmerksamkeit erfahren.

1794 1795

C. Gusy, ZRP 2012, 230, 231. W. Ridder, Verfassung ohne Schutz, 2013, S. 158 f.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Kapitel 3

Bedeutung der verbleibenden Aufgabe – Identitätsversicherung der Verfassungsschutzämter In der Aufarbeitung des NSU-Komplexes wurde aus den weitreichenden Verfehlungen die Forderung nach einem Identitätswechsel der Verfassungsschutzämter weg von einem festgestellten „Schlapphut-Image“ aufgestellt.1796 Die offenkundigen Mängel, etwa bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus1797, konnten durch die vorgenommenen Reformen nicht gänzlich beseitigt werden.1798 Die Beteiligung der Verfassungsschutzämter an unmittelbarer Gefahrenabwehr und Strafverfolgung ist aufgrund immer wieder zu Tage tretender Effektivitätsmängel grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. Die Polizei erfüllt mittlerweile weitgehend parallel zu den Verfassungsschutzämtern die Aufgaben, die früher als nachrichtendienstlicher Verfassungsschutz1799 bezeichnet wurden.1800 Das Vorfeld verfassungsfeindlicher Straftaten wurde flächendeckend kriminalisiert (etwa §§ 89a, 89b oder 129a StGB) und ist ansonsten dem polizeilichen Staatsschutz überantwortet.1801 Auch der Wandel des „Gefährder“Begriffs, von einem Hooligan im Rahmen einer Gefährderansprache zu einem potentiellen Terroristen im politischen Strafrecht, hat dazu beigetragen, dass die Polizei an der – ursprünglich spezifischen – Aufgabe der Verfassungsschutzämter zur Be-

1796

Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 894. Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses (Bund), BT-Drs. 17/14600, S. 894. 1798 Vgl. die Rolle des LfV Berlin bei dem Versuch eine Brandanschlagsserie in BerlinNeukölln aufzuklären, dazu F. Flade/G. Mascolo/R. Steinke, Vogelfrei, SZ v. 27. 6. 2019, S. 3. Vgl. auch A. Fröhlich/K. Füchsel, Koppers greift gegen Oberstaatsanwalt F. durch – was ist da los?, tagesspiegel.de, 6. 8. 2020, https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/der-neuko elln-komplex-koppers-greift-gegen-oberstaatsanwalt-f-durch-was-ist-da-los/26073874.html (abgerufen: 30. 11. 2020). 1799 E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 35 ff. Den Begriff nachrichtendienstlicher Verfassungsschutz einführend C. Gröpl, Nachrichtendienste, 1993, S. 57. 1800 R. Steinke, Aus der Zeit gefallen, Süddeutsche.de, 6. 11. 2018, https://www.sueddeut sche.de/politik/verfassungsschutz-aus-der-zeit-gefallen-1.4198706 (abgerufen: 30. 11. 2020). Dazu bereits 2. Teil Kap. 3 B. I. (S. 188 ff.). Vgl. aber auch zur weitgehenden Überlappung von polizeilichen und strafprozessualen Eingriffsvoraussetzungen bei Vorfeldmaßnahmen eingehend D. Brodowski, Verdeckte technische Überwachungsmaßnahmen, 2016, S. 293 ff. 1801 D. Brodowski, Verdeckte technische Überwachungsmaßnahmen, 2016, S. 589: „die überwiegende Zielrichtung der polizeirechtlichen Eingriffsbefugnisse, namentlich die Ausforschung extremistisch-gewalttätiger bzw. krimineller Milieus. Dieses Vorgehen ist dezidiert auch darauf ausgelegt, Erkenntnisse über (vergangene oder zukünftige) Straftaten zu erlangen, um so die Mitglieder solcher Milieus zu einem geeigneten Zeitpunkt einer Strafverfolgung zuführen zu können; damit dient es auch einer Effektuierung des (repressiv wie präventiv wirkenden) Einsatzes des Strafrechts.“ 1797

Kap. 3: Identitätsversicherung der Verfassungsschutzämter

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obachtung umstürzlerischer Bestrebungen teilnimmt.1802 Dabei handelt es sich bei dem Gefährder um einen polizeilichen, unjuristischen Arbeitsbegriff.1803 Demnach wird „jede Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere [der in § 100a Abs. 2 StPO aufgelisteten], begehen wird“, als Gefährder polizeilich behandelt.1804 Daher bedarf es der Verfassungsschutzämter zur Aufklärung solcher Strukturen zur Unterstützung der Polizei nicht mehr. Die Verfassungsschutzämter sollten sich auf ihren ursprünglichen Auftrag – Strukturermittlung zur Information von Regierung und Gesellschaft – rückbesinnen, um neben der ausgreifenden polizeilichen Gefahrenabwehr ihre Relevanz und Eigenständigkeit zu behaupten.1805 Für gefahrenprophylaktische Prävention, die die Widerstandsfähigkeit der Schutzgutsinhaber gegen organisierte Gefährdungen stärken will,1806 bieten sich die Verfassungsschutzämter mit ihrer strukturbezogenen Aufklärung als besonders geeignete Behörde an. Hierfür müssen die Ämter allerdings einer reduzierten Ausrichtung folgen. Der Anteil, den die Verfassungsschutzämter an der Prävention haben, muss mit der Analyse der Ursachen von Radikalisierungstendenzen beginnen und diese zu einer Basis für Warnungen der Bevölkerung (§ 16 Abs. 1 und 2 BVerfSchG) und Vorschlägen für politische Maßnahmen verdichten. Die Analyseaufgabe der Verfassungsschutzämter ist bereits in der bisherigen Beobachtungsaufgabe nach § 3 Abs. 1, § 4 BVerfSchG angelegt und stellt in gewisser Weise eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Aufgabe der Sammlung von Informationen über umstürzlerische Bestrebungen dar.1807 Die Ermittlungsausrichtung und deren Methoden müssen sich durch die klare Abgrenzung zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung von der Beobachtungstätigkeit de lege lata unterscheiden, da die Aufklärung durch die Verfassungsschutzämter zunehmend auf Informationsvorsorge zu einzelfallorientierter Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung ausgerichtet ist (A.). Die deutliche Trennung zur unmittelbaren Gefahrenabwehr und

1802

Beachtlich in diesem Zusammenhang auch die neueingeführte (mit Gesetz vom 13. 12. 2018 [GV. NRW. S. 684, ber. 2019 S. 23]) Befugnis der Polizei NRW zur strategischen Fahndung zur Verhütung terroristischer Straftaten nach § 12a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 PolG NRW. Dazu F. Toros/P. Förster, Strategische Fahndung in NRW: Ein scharfes Schwert im Kampf gegen die Kriminalität?, JuWissBlog Nr. 63/2019 v. 14. 6. 2019, https://www.juwiss.de/63-201 9/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1803 A. Kretschmann/A. Legnaro, APuZ 21 – 23/2019, 11, 16. 1804 A. Kretschmann, APuZ 32 – 33/2017, 11, 14. 1805 Begrenzung der Verfassungsschutzämter auf deren tradierte Aufgabenfelder als geeignetste Möglichkeit zu Wahrung des Trennungsgebots, schon C. Gusy, KritV 1994, 242, 249; ders., StV 1995, 320, 325. Vgl. ferner W. Ridder, Verfassung ohne Schutz, 2013, S. 159 f. 1806 In eine ähnliche Richtung mit dem Begriff der primären Prävention, mithilfe dessen die „Kriminalität quasi an der Wurzel [zu] packen“ sei, G. Kett-Straub, ZStW 2011, 110, 111. 1807 Ähnlich H. A. Wolff, DÖV 2009, 597, 605, welcher die Spezifika der Nachrichtendienste in der (Terrorismus-)Aufklärung hervorhebt und anhand der polizeilichen (Terrorismus-)Abwehr kontrastiert.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Strafverfolgung wird durch den Zweck der Analysetätigkeit vermittelt. Dieser muss daher explizit gesetzlich geregelt sein (B.).

A. Strukturen-Analyse als Vorgehensweise der Verfassungsschutzämter statt personenbezogener Ermittlungen Durch die weitgehende Entkoppelung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wäre es den Verfassungsschutzämtern möglich, einen vollständig strukturorientierten und abstrakten Ansatz zu verfolgen.1808 Der Beobachtungsauftrag nach § 3 Abs. 1, § 4 BVerfSchG beinhaltet diesen strukturfokusierten Ansatz der Aufklärung bereits und auch die zur Sammlungstätigkeit1809 erarbeitete Dogmatik könnte weitgehend beibehalten werden. Für Gefahrenprophylaxe durch Information von Regierung und Öffentlichkeit (§ 16 BVerfSchG) sind im Gegensatz zur Informationsvorsorge für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung (§§ 19 ff. BVerfSchG) nicht Einzelpersonen oder -taten, sondern deren Ursache und Wirkzusammenhänge maßgeblich. In dieser Hinsicht könnte die Analysetätigkeit der Verfassungsschutzämter unter Umständen sogar zeitlich später als die unmittelbare Gefahrenabwehr durch die Polizei ansetzen, nämlich dann, wenn Terrorabwehrmaßnahmen oder Einsätze gegen Organisierte Kriminalität in die Analysen einbezogen würden. Jedenfalls müssten Ermittlungsfragen und -mentalität verändert werden. Es wäre nicht mehr nach dem Wer, Wo und Wann einer Radikalisierung, sondern vielmehr nach dem Warum und Woher zu fragen.1810 Auf diese Weise könnte auch einer Selbstradikalisierung von Einzeltätern entgegengewirkt werden, die regelmäßig durch das Raster der strukturellen Aufklärung der Polizei – und de lege lata auch der Verfassungsschutzämter – zu fallen drohen. Die Verfassungsschutzämter dürften nicht mehr in dem Verständnis einer Gefahrenabwehrbehörde verhaftet bleiben. Sie wären vielmehr ein interdisziplinäres Sozialforschungsinstitut.1811 Auf Basis dieser neuen Ausrichtung könnten die Verfassungsschutzämter Lagebilder und Radikalisierungsanalysen erstellen, die weitgehend ohne personenbezogene Daten auskämen. Damit würde der früh einsetzenden und deshalb mit erheblicher Streuung versehenen Datenerhebung Rechnung getragen, die unter Umständen auch Personen erfasst, die „weder Verfassungsfeinde 1808

Einer Umwandlung der Verfassungsschutzämter in offen arbeitende, wissenschaftliche Institute vorsichtig positiv gegenüber R. v. Ooyen/M. Möllers, Editorial, Jahrbuch Öffentliche Sicherheit-Sonderband 15, NSU-Terrorismus, 2. Aufl. 2018, S. 10 Fn. 1; ausdrücklich befürwortend H. P. Bull, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 21 ff. 1809 Dazu eingehend 2. Teil Kap. 2 A. I. (S. 92 ff.). 1810 In diese Richtung gehende Literaturmeinungen darstellend M. Thiel, Entgrenzung, 2011, S. 188 ff. 1811 Ebenso schon H. P. Bull, RuP 2015, 1, 4.

Kap. 3: Identitätsversicherung der Verfassungsschutzämter

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sind noch es werden wollen“1812. Ermittlungsbefugnisse, die in der gegenwärtigen Ausgestaltung nur gegen Bestrebungen angewendet werden können, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten (etwa ein dauerhafter Einsatz verdeckter Mitarbeiter nach § 9a Abs. 1 S. 2 BVerfSchG), wären für die reduzierte Aufgabe nicht mehr einsetzbar. In dieser Funktion könnten die Verfassungsschutzämter auch weiter Empfänger nachrichtendienstlicher Informationen ausländischer Geheimdienste (etwa nach §§ 22b, 22c BVerfSchG) sein. Diese Informationen könnten – soweit personenbezogen, wären sie zu anonymisieren oder gegebenenfalls den Gefahrabwehr- und Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten – wertvolle Bausteine der Analysen bilden. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, die Verfassungsschutzämter würden als wissenschaftliches Institut mangels „hoheitlich legitimierte[r] Strukturen und Befugnissen […] als Ansprechpartner für ausländische Nachrichtendienste überhaupt [nicht] in Betracht […] kommen.“1813 Zum einen wären die Ämter als staatliche Instituten sehr wohl mit einer gewissen hoheitlichen Autorität versehen. Zum anderen könnten sie mit ihrer aufzubauenden Expertise in der Radikalisierungs- und Präventionsforschung auch ein wertvoller Partner im internationalen Informationsaustausch sein.1814 Für den klassisch personenbezogenen Informationsaustausch hätten die ausländischen Geheimdienste sich an den BND in Sachen Spionageabwehr und an die Polizei bei gewaltbereiten, kriminellen Strukturen oder Individuen zu wenden. Dem Informationsaustausch von ausländischen Geheimdiensten mit der Polizei kann auch die konsequente Bindung letzterer an das Legalitätsprinzip – mithin die umgehende Informationsweitergabe an die Justiz – nicht entgegengehalten werden. Diesem Vorbehalt kann mit Verweis auf die flexiblen Strukturermittlungsmöglichkeiten der Strafprozessordnung (etwa §§ 96, 110b Abs. 3 StPO) widersprochen werden. Eine „zeitweilig[e] Suspendierung des Legalitätsprinzips“ soll insbesondere bei verdeckten Ermittlungsmaßnahmen der Polizei aus „übergeordneten taktischen Erwägungen“ möglich sein.1815 Ohnehin wären die Informationen ausländischer Geheimdienste wie Spurenansätze, mithin parallel zu Informationen der Verfassungsschutzämter zu behandeln. Sie müssten zur Verwertbarkeit regelmäßig durch eigene Ermittlungen untermauert bzw. ersetzt werden. Ferner könnte den Verfassungsschutzämtern die Betreuung von Aussteigerprogrammen überantwortet werden. Diese könnten wertvolle, wenn auch inkonstante 1812 Auf die Herausforderung der Streubreite hinweisend H. Meyer, VVDStRL 37 (1979), Wortbeitrag zur Aussprache, 153, 154. 1813 So aber K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-LänderKommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 173, Rn. 396. 1814 Siehe zur legitimierenden Wirkung von konzentrierter Expertise C. Kibler, Datenschutzaufsichtsverbund, 2021, S. 425 ff.; U. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004, S. 659 ff. 1815 M. Hempel, Bundestag und Nachrichtendienste, 2014, S. 132.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

und schwer planbare Informationsquellen sein1816 und werden bereits von den Verfassungsschutzämtern angeboten. In einigen Bundesländern sind sie sogar gesetzlich verankert (etwa § 3 Abs. 3 S. 2 NVerfSchG, § 3 Abs. 3 S. 2 VSG NRW).

B. Präzise Zweckbestimmung als weiteres Abgrenzungsund Steuerungsmittel Die Analysen müssen konsequent auf den ursprünglichen und bereits in § 16 BVerfSchG angelegten Verwendungszweck hin erstellt werden. Die Systematik des BVerfSchG verdeutlicht, dass die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter in erster Linie der Information von Gesellschaft und Politik dient.1817 Diese Ausrichtung muss konsequenter verfolgt werden und dabei die Aufklärung der Verfassungsschutzämter außerdem deutlicher von der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung abgegrenzt werden. Die Berichte und Untersuchungen der Verfassungsschutzämter dienen sowohl der Bevölkerung als Warnung (I.) als auch der Politik als Grundlage für primär präventive Maßnahmen (II.). Sonstige Übermittlungen, insbesondere an Gefahrabwehr- und Strafverfolgungsbehörden, führen stets dazu, dass Erhebungs- und Verwendungszweck divergieren. Diesem Umstand muss durch Kollisions- und Übermittlungsregelungen hinreichend Rechnung getragen werden, um diese bedeutende Kooperation rechtsstaatlich einzuhegen und effektiv auszugestalten (III.).

I. Warnung der Bevölkerung als Teil des Verfassungsschutzes durch Aufklärung Der bereits betriebene Verfassungsschutz durch Aufklärung der Öffentlichkeit nach § 16 BVerfSchG könnte von den Verfassungsschutzämtern dadurch weitergeführt werden, dass sie ihre Analysen und Berichte publizieren, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen und damit individuelle Reaktionen der Bürgerinnen und Bürger oder auch gesellschaftlicher Gruppen auf Radikalisierungstendenzen ermöglichen. Die bisherigen Verfassungsschutzberichte enthalten Angaben über als verfassungsfeindlich eingestufte Bewegungen, deren Motive, Ziele sowie – zum Teil geschätztes1818 – personelles und – allerdings nicht beziffertes1819 – finanzielles Potenzial. 1816

W. Ridder, Verfassung ohne Schutz, 2013, S. 160. Dazu bereits 2. Teil Kap. 2 A. III. (S. 118 ff.). 1818 BMI, Verfassungsschutzbericht 2018, S. 19, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/ SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/vsb-2018-gesamt.html (abgerufen: 30. 11. 2020). 1817

Kap. 3: Identitätsversicherung der Verfassungsschutzämter

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Die Ziele der Verfassungsschutzberichte sind zum einen die Information über die beobachteten Bestrebungen und zum anderen, durch Darlegung verfassungsfeindlicher Positionen, die Stärkung von Bewusstsein und Akzeptanz des demokratischen Grundkonsenses.1820 Diesen Zielen dient auch eine auf die vorgeschlagene Radikalisierungsanalyse ausgerichtete, von Einzelfall und -person losgelöste Berichterstattung. Untersuchungen über das Radikalisierungspotenzial einzelner Konzert-, Sportoder Demonstrationsveranstaltungen fördern gleichwohl auch Erkenntnisse über die Veranstalter zutage. Strukturen fließen daher auch in Berichte über besagte Radikalisierungspotenziale ein. Ergänzend können die veröffentlichen Kriminalstatistiken, insbesondere im Bereich der politisch motivierten Straftaten, mit inhaltlichen Erläuterungen aufgewertet werden und damit an Informationsgehalt gewinnen.1821 Besondere Vorsicht ist aufgrund des Eingriffs in die demokratische Willensbildung bei Zusammenhängen mit politischen Parteien geboten.1822 Hier gilt der Grundsatz der Staatsfreiheit der politischen Meinungsbildung.1823 Die Bildung eines politischen Willens ist ein gesellschaftlicher, dem staatlichen Einfluss vorgelagerter, mithin entzogener Akt.1824 Der Staat hat daher seinen Einfluss auf die Gewährleistung der Rahmenordnung der Willensbildung zu beschränken.1825 Die Freiheit des politischen Diskurses – in demokratischen Bahnen – ist auch nach der vorgeschlagenen Aufgabenreduktion ein zentrales Ziel der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter.1826 Die Beobachtung und das öffentliche Anprangern verfassungsfeindlicher Parteien sind stets mit der Gefahr verbunden, das eigentliche Schutzgut des freien

1819 BMI, Verfassungsschutzbericht 2018, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/Sha redDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/vsb-2018-gesamt.html (abgerufen: 30. 11. 2020), enthält keine konkreten Angaben über die finanziellen Ausstattungen der beobachteten Gruppierungen. 1820 D. Murswiek. NVwZ 2004, 769, 771; M. Kühn, Bürgerbeeinflussung, 2018, S. 61. 1821 Bereits aktuell BMI, Verfassungsschutzbericht 2018, S. 22 ff., abrufbar unter https:// www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/sicherheit/vsb-2018-ge samt.html (abgerufen: 30. 11. 2020). 1822 Vgl. zur „Ambivalenz des Verfassungsschutzes“ D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 19 ff. 1823 Dazu eingehend F. Drefs, Öffentlichkeitsarbeit des Staates, 2019, S. 136 ff. 1824 E.-W. Böckenförde, in: ders. (Hrsg.), Recht, Staat, Freiheit, erw. Ausgabe 2006, S. 209, 228. 1825 E.-W. Böckenförde, in: ders. (Hrsg.), Recht, Staat, Freiheit, erw. Ausgabe 2006, S. 209, 228. Dazu auch A. K. Mangold, Das Böckenförde-Diktum, VerfBlog, 2019/5/09, https://verfas sungsblog.de/das-boeckenfoerde-diktum/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1826 Vgl. auch H.-H. Trute, in: GS Jeand’Heur, 1999, S. 403, 413, demzufolge staatlicher Schutz auch im Kontext der Organisierten Kriminalität zur Bewahrung freier Möglichkeiten demokratischer Willensbildung und daraus resultierender Entscheidung und Implementierung dient.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

politischen Diskurses zu beeinträchtigen.1827 Die Chancengleichheit der Parteien ist jedenfalls gefährdet.1828 Über diese Gefahr hinaus steht ferner die tatsächliche Wirksamkeit der Werkzeuge der wehrhaften Demokratie, insbesondere des Parteiverbots, in Frage; ohne Weiteres können sich Nachfolgeorganisationen bilden, die die Anhänger der verbotenen Gruppierung aufnehmen.1829 Die Kriminalisierung der Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei (§ 84 StGB) schafft hier ebenso wenig finale Abhilfe wie die strafbewehrten Verbote des Verbreitens von Propagandamitteln und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 85 f. StGB). Entsprechende Strafverfahren benötigen Zeit, in der die Nachfolgeorganisation ihre Tätigkeit fortsetzen kann. Verfassungsschutz unter dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bedeutet immer auch – wenn nicht insbesondere – den Schutz der diese Verfassung prägenden freiheitlichen Demokratie. Nachdem „[d]er freiheitliche, säkularisierte Staat [allerdings] von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann“1830, sollte man sich auch nicht mit Hilfe der Verfassungsschutzämter der Illusion hingeben, alle Gefahren durch Beobachtung abwehren zu können, und eher präventiv am Erhalt der Voraussetzungen arbeiten.

II. Informationsvorsorge zur primären Prävention als Alleinstellungsmerkmal innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur Der zweite Zweck der verbleibenden Analysetätigkeit ist die Informationsvorsorge für ursachenbegegnende Präventionsmaßnahmen des Staates. In erster Linie können die Untersuchungen der Verfassungsschutzämter im Rahmen des Beobachtungsauftrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG den Anstoß zu gesetzgeberischen Maßnahmen geben und zugleich eine erste Informationsgrundlage bilden. Erkannten Radikalisierungsursachen kann damit in der ganzen Breite gesetzgeberischer 1827 J. von Achenbach, No Case for Legal Interventionism: Defending Democracy Through Protecting Pluralism and Parliamentarism, VerfBlog, 2018/12/12, https://verfassungsblog.de/ no-case-for-legal-interventionism-defending-democracy-through-protecting-pluralism-and-parli amentarism/ (abgerufen: 30. 11. 2020). Grundsätzlich kritisch gegenüber der Öffentlichkeitsarbeit der Verfassungsschutzämter M. Assall, Verfasstheit, nicht Verfassung, in: Schmincke/Siri (Hrsg.), NSU Terror, 2013, S. 107, 111 ff. 1828 Vgl. das mediale Echo auf die öffentliche Erklärung des BfVes prüfe eine Beobachtung der Partei AfD R. Bingener/P. Eppelsheim/A. Nefzger, Wie die AfD zum Prüffall wurde – Noch verfassungskonform?, F.A.Z.net, 25. 1. 2019, https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/der-ver fassungsschutz-hat-die-afd-als-prueffall-eingestuft-16006495.html (abgerufen: 30. 11. 2020). Zur Wirkung des Verfassungsschutzberichts 1973 BVerfGE 40, 287, 292 ff.; 107, 339, 365 f. 1829 J. von Achenbach, No Case for Legal Interventionism: Defending Democracy Through Protecting Pluralism and Parliamentarism, VerfBlog, 2018/12/12, https://verfassungsblog.de/ no-case-for-legal-interventionism-defending-democracy-through-protecting-pluralism-and-parli amentarism/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1830 E.-W. Böckenförde, in: ders. (Hrsg.), Recht, Staat, Freiheit, erw. Ausgabe 2006, S. 92, 112.

Kap. 3: Identitätsversicherung der Verfassungsschutzämter

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Handlungsmöglichkeiten von Bildung1831 über städtebaulichen Maßnahmen bis hin zu Anpassungen des Polizei- und Ordnungsrechts begegnet werden. Ferner könnten Milieuanalysen insbesondere auch im Umfeld von organisierten Vereinen und Parteien in Vereins- und Parteiverbotsverfahren (nach Art. 9 Abs. 2 GG i. V. m. § 3 VereinsG und nach Art. 21 Abs. 2 und 4 Alt. 1 i. V. m. § 13 Nr. 2, §§ 43 ff. BVerfGG) eingebracht und dort als Beweismittel fruchtbar gemacht werden. Durch ausführliche Analysen können die Verfassungsschutzämter das Wissen des Gesetzgebers im Vorfeld einer gesetzlichen Regelung erhöhen. Dadurch würde die Leistungsfähigkeit der legislativen Steuerungskraft gestärkt.1832 Breiteres Ex-anteWissen des Gesetzgebers vermindert die Notwendigkeit der Wissensgenerierung erst in der Anwendung durch die Verwaltung. Insbesondere im Rahmen der staatlichen Sicherheitsgewährleistung herrscht regelmäßig große Unsicherheit hinsichtlich des Sachverhalts. Wissenschaftliche Analysen zu Radikalisierungspotenzialen und -prozessen können hier besonders effektiv zur Verbesserung von Abwehrstrategien und der normativen Anleitung der Praxis beitragen. Freilich dürfen die natürlichen Steuerungsdefizite des notwendigerweise abstrakten Gesetzes nicht unterschätzt werden.1833 Daher könnte eine Berücksichtigung der Analysen der Verfassungsschutzämter in Verwaltungsprozessen einen weiteren, direkteren Effekt auf die staatliche Sicherheitsprävention haben. Eine verstärkte Einbindung der Verfassungsschutzämter in die Vorbereitung gesetzgeberischer Entscheidungen birgt allerdings die Gefahr einer Vorbereitungsherrschaft der Verwaltung über den Gesetzgeber; eine „faktisch[e] Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen aus den Legislativorganen auf die Verwaltungsbehörden“1834. Um dieser Verantwortung1835 gerecht zu werden, sind erhebliche rechtsstaatliche Absicherungen, etwa Begrenzung auf offene Maßnahmen, Rechenschaftsberichte gegenüber dem Parlament und weitreichende Rechtsschutzmöglichkeiten, nötig. 1831 Vgl. für die Bedeutung von Bildung für den Verfassungsschutz D. Grimm, How can a democratic constitution survive an autocratic majority?, VerfBlog, 2018/12/13, https://verfas sungsblog.de/how-can-a-democratic-constitution-survive-an-autocratic-majority/ (abgerufen: 30. 11. 2020). Siehe auch für die schützende Bedeutung des Kommunikationsstrafrechts für eine freiheitliche Demokratie K. F. Gärditz, Die Grenze des Sagbaren, lto.de, 22. 6. 2020, https:// www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverfg-beschluss-1-bvr-2459-19-grundrechte-meinungsfrei heit-beleidigung-grenze/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1832 Zu Zweifeln an der legislativen Steuerungsfähigkeit in Verwaltungsbereiche, in denen das Wissen erst in der Anwendung generiert wird, Bu. Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, 2009, S. 21 unter Verweis auf K.-H. Ladeur, DV Beiheft 4, 2001, S. 59, 62 ff.; H.-H. Trute/W. Denkhaus/D. Kühlers, DV 2004, 451, 464. 1833 Vgl. Bu. Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, 2009, S. 49 f. 1834 J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 396 Fn. 107; H. Dreier, Hierarchische Verwaltung, 1991, S. 196 f., 207 f. 1835 Die Verantwortung für die Vorbereitung gesetzgeberischer Entscheidungen ist eine Dimension des Begriffs der Verwaltungsverantwortung nach W. Hoffmann-Riem, in: SchmidtAßmann/ders. (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 325, 339 f.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Kapitel 4

Konsolidierung: Die Verfassungsschutzämter als strukturbezogene Aufklärungsbehörden der primären Prävention Die Verfassungsschutzämter würden nach der in dieser Untersuchung vorgeschlagenen Reduktion ihrer Aufgaben mittels partieller Rückbesinnung auf ihre Ursprünge eine zentrale Rolle in der Verfassungsschutzarchitektur einnehmen.1836 Von einer „amputierten“ Gefahrenabwehrbehörde1837 würden sie zu der zentralen Institution einer auf Gefahrenursachen bezogenen Prävention im Rahmen des Verfassungsschutzes werden.1838 Diese Aufwertung kann nur durch eine deutlichere Abgrenzung von den übrigen Verfassungsschutzinstitutionen und dem Abbau von Überschneidungsbereichen gelingen. Die einzigartigen Zwecke der Informationserhebung stellen die Verfassungsschutzämter als besondere Verfassungsschutzbehörden heraus. Der Beobachtungsauftrag nach § 3 Abs. 1, § 4 BVerfSchG weist bereits in die Richtung der abstrakten Strukturermittlung, bleibt dabei allerdings durch die unzureichend begrenzten Übermittlungsvorschriften nach §§ 19 ff. BVerfSchG zu sehr auf die Gefahrenabwehr orientiert. Der Blick auf die Ursachenforschung ist in der aktuellen Aufgabenstruktur verstellt. Bisher betreiben die Verfassungsschutzämter ihre Informationserhebung in der gesamten thematischen Breite des Verfassungsschutzes und – im Rahmen des Wirtschaftsschutzes und der Bewahrung auswärtiger Belange – sogar darüber hinaus. Ein derart weiter und durch weitreichende Datenübermittlung stark auf die unmittelbare Gefahrenabwehr ausgerichteter Informationserhebungsauftrag ist für den Anteil der Verfassungsschutzämter am Verfassungsschutz nicht notwendig. Für die 1836 Mit dieser „Rückbesinnung“ würde zu dem „Kerngeschäft“ der Verfassungsschutzämter zurückgekehrt, nach dem in der grundlegenden Kritik nach dem NSU-Komplex bereits – etwa von C. Gusy, ZRP 2012, 230, 233 – gefragt wurde. 1837 Da mangels kausalverlaufsverändernder Maßnahmen zur Sicherheitsgewährleistung letztlich auf die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden angewiesen, s. R. Poscher/B. Rusteberg, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Reform der Nachrichtendienste, 2019, S. 145, 148 f. Unkritisch die Kooperationsnotwendigkeit postulierend BAG, NJW 1981, 71, 72. 1838 Vgl. auch tagesschau.de vom 5. 12. 2019, https://www.tagesschau.de/inland/innenminis ter-vereinsverbote-101.html (abgerufen: 30. 11. 2020): Statt Vereinsverbote als Allheilmittel zu preisen, müsste „[a]n erster Stelle […] die Prävention stehen, also Maßnahmen, die es verhindern, dass Menschen überhaupt erst in die Fänge radikaler Milieus geraten. […] Dafür brauche es demokratische Angebote, die die Bedürfnisse erfüllen, mit denen auch die Rechtsradikalen um Nachwuchs werben. Das könnte eine stabile und langfristige Sozialarbeit sein oder zum Beispiel auch Jugend- und Kulturzentren“ (unter Bezug auf Matthias Quent, Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena). Vgl. die Erwähnung der Verfassungsschutzämter als Akteur in der Präventionsstrategie der Bundesregierung, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung, 2016, S. 13 ff.

Kap. 4: Konsolidierung

375

Ermittlung der Informationsgrundlage aktioneller Maßnahmen sind im Sinne des Grundsatzes der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung1839 die Behörden zuständig, die am Ende im Außenverhältnis tätig werden. Die zusätzlichen Ermittlungen der Verfassungsschutzämter sind für aktionelle Maßnahmen jedenfalls nicht nötig. Wenden sich die Verfassungsschutzämter in ihren Analysen weitgehend von personenbezogenen Ermittlungen ab und der Ursachenforschung zu, entsteht ein eigenständiges Behördenprofil. Damit kann der Fortbestand der Verfassungsschutzämter neben dem ausgreifenden polizeilichen Staatsschutz gerechtfertigt werden. Bereits de lege lata wird den Verfassungsschutzämtern bisweilen ein verfassungsrechtliches Privileg aufgrund ihrer besonderen Aufgaben und Befugnisse zugebilligt,1840 das de lege ferenda noch stärkere Berechtigung hätte. Durch die vorgeschlagene Aufgabenreduktion büßen die Verfassungsschutzämter auf den ersten Blick an Bedeutung in der Verfassungsschutzarchitektur ein. Diese Einbußen werden allerdings durch die Umgestaltung in eine umfassende Präventionsbehörde kompensiert. Im Verfassungsschutz ist die Prävention angesichts der Bedeutung und der Fragilität der Schutzgüter sowie der Unumkehrbarkeit ihrer Verletzung von herausragender Wichtigkeit. Mit dem Einsatz der Verfassungsschutzämter für die ursachenbezogene, sogenannte „primäre“ Prävention ginge daher sogar ein Bedeutungszuwachs innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur einher. Durch die weitreichenden Möglichkeiten zur Einbindung der Verfassungsschutzämter in die Gefahrenabwehr de lege lata wurde der strukturorientierte, ursachenbezogene Aufklärungsauftrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 16 BVerfSchG in den Hintergrund gedrängt. Eine Fokussierung auf diese Aufgabe verleiht der Tätigkeit der Verfassungsschutzämter ausreichende Bedeutung, um ihre Stellung in der Verfassungsschutzarchitektur – ggf. mit reduzierten oder in Polizei respektive BND zu überführenden Mitteln und unter kritischer Evaluation der Befugnisse – zu rechtfertigen.1841

1839

Vgl. 3. Teil Kap. 1 C. I. 2. c) bb) (S. 261 f.). M. Bäcker, Sicherheitsarchitektur und Terrorismusbekämpfung, Schriftliche Stellungnahme am 17. 5. 2018, 1. UA BT 19. WP, S. 17. Ähnlich M. Möstl, Garantie, 2002, S. 407; mit kritischer Stoßrichtung auch B. W. Wegener, VVDStRL 75 (2016), 293, 312 ff. 1841 Zur Bedeutung der Kriminalprävention durch grundrechtsschonende Maßnahmen auch H. Aden/J. Fährmann, ZRP 2019, 175, 176. 1840

376

5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Kapitel 5

Auf die reduzierten Aufgaben abgestimmte Anpassungen der Befugnis- und Organisationsstruktur Dem Umbau der Aufgabenstruktur müssen die Befugnisse, die Organisation und die Kontrolle der Verfassungsschutzämter angepasst werden. Der Befugniskatalog de lege lata ist kritisch hinsichtlich seiner Praktikabilität für die reduzierten Aufgaben zu hinterfragen (A.). Besondere Beachtung bedarf dabei, dass die nachrichtendienstliche Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter bereits weit im Vorfeld einer konkreten Gefahr, schon zum Zeitpunkt des Planens von Straftaten, einsetzt und damit eine hohe Ambivalenz der Bedeutung einzelner Verhaltensumstände aufgrund mangelnder Verwirklichung konkreter Tatbestandselemente einhergeht.1842 Eine weitere Frage rückt die Organisation der Verfassungsschutzämter in den Blick: Soll die Präventionsinstitution des Verfassungsschutzes wie ihr Vorgänger föderal organisiert sein oder bietet sich eine Zentralisierung auf Bundesebene an (B.)? Der ursachenbezogene Aufklärungsfokus der Verfassungsschutzämter könnte durch einen Wechsel in der Ressortzuteilung weiter verdeutlicht werden (C.).

A. Neue Befugnisse für eine alte Aufgabe Bei ihren Analyseaufgaben zur Gefahrenprophylaxe sind weiterhin nur Informationserhebungs- und -verarbeitungsbefugnisse nötig.1843 Die Verfassungsschutzämter verbleiben damit in dem Sinne Nachrichtendienste, als sie für ihre Aufgaben nicht auf direkt kausalverlaufsverändernde, aktionelle Maßnahmen zurückgreifen müssen. Jedoch stellen sich auch im Zusammenhang mit der verbleibenden Informationstätigkeit grundrechtsrelevante Fragen, die im Rahmen einer Neustrukturierung gegebenenfalls gesetzlich geregelt werden müssten. Zum einen ist dies die Frage nach den verdeckten Ermittlungsmethoden und der Notwendigkeit ihres Einsatzes für die gefahrenprophylaktische Strukturaufklärung (I.). Zum anderen kann erörtert werden, ob die Verfassungsschutzämter angesichts einer klareren Trennung von der Informationsvorsorge für Gefahrenabwehr und Strafverfolgung de lege ferenda nicht gänzlich auf personenbezogene Daten verzichten können (II.).

1842

Bemerkenswert unkritisch hingenommen vom K.-A. Schwarz, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 6, S. 8 f. 1843 H. A. Wolff, DÖV 2009, S. 597, 606 hebt bei einer Konzentration der Verfassungsschutzämter auf Aufklärungstätigkeiten den Wert der Verarbeitung großer, vor allem frei zugänglicher Datenmengen hervor.

Kap. 5: Anpassungen in Befugnis- und Organisationsstruktur

377

I. Notwendigkeit verdeckter Ermittlungsmethoden? Staatliche Datenerhebung und Verarbeitung muss den grundrechtlichen Informationsschutz aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 10 und Art. 13 GG beachten. Maßgeblich für die Eingriffsintensität ist „die Gestaltung der Einschreitschwellen [– insbesondere ob die Betroffenen einen Anlass für die Maßnahme gegeben haben –], die Zahl der Betroffenen und die Intensität der individuellen Beeinträchtigung im Übrigen“.1844 „[O]b die Betroffenen als Personen anonym bleiben, welche persönlichkeitsbezogenen Informationen erfasst werden und welche Nachteile den Grundrechtsträgern aufgrund der Maßnahmen drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden“, bestimmt das Gewicht der individuellen Beeinträchtigung im Übrigen.1845 Verdeckte Ermittlungsmethoden, etwa nach § 8 Abs. 2 BVerfSchG, weisen daher eine erhebliche Eingriffsintensität auf. In Frage steht auch deshalb die Begrenzung des Einsatzes „konspirativer Mittel“ insofern, als diese „nur aufgrund eines Gesetzes zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität und nur nach richterlicher Anordnung zulässig [seien]. [Der Einsatz] unterliegt strenger parlamentarischer Kontrolle.“ Eine solche Beschränkung sah bereits im Jahr 1996 Art. 3 Abs. 2 eines Entwurfs der sächsischen Verfassung vor, den die Partei Bündnis 90/Die Grünen eingebracht hatten1846. Die „Grünen“ lehnten schon damals den Schutz der Verfassung mit konspirativen Mitteln ab. Sie forderten daher, in die sächsische Verfassung aufzunehmen, dass „[d]er Schutz dieser Verfassung […] den Bürgerinnen und Bürgern [obliegt].“ Ebenso sei das Land verpflichtet, „gesellschaftliche Bedingungen zu schaffen, unter denen der Schutz dieser Verfassung des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel nicht bedarf.“1847 Die Verfassungsschutzämter hätten nach der Umstrukturierung den Auftrag Radikalisierungsursachen und -entwicklungen zu erkennen und zu untersuchen. Hierfür müssen zunächst Grunddaten erhoben werden. Nachdem die Datenanalyse mit dem Ziel der Veröffentlichung in staatlichen Warnungen als Grundlage eines Gesetzgebungsvorhabens oder eines Verbotsverfahrens erhoben werden, kann der Schutz geheimer Quellen keine Prämisse der neuen Verfassungsschutzämter sein.1848 1844

BVerfGE 115, 320, 347; 100, 313, 376. BVerfGE 115, 320, 347; 100, 313, 376; 109, 279, 353. 1846 SächsLT-Drs. 1/29, S. 6. Dazu A. Wahl, SächsVBl. 1996, 77, 78. 1847 A. Wahl, SächsVBl. 1996, 77, 78. 1848 In diese Richtung auch B. Rusteberg, in: Gusy/Kugelmann/Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit, 2017, S. 113, 127. Vgl. auch für die Beobachtung öffentlicher Versammlungen C. Gusy, Die Corona der Coronaleugner und das Versammlungsrecht, VerfBlog, 2020/8/27, https://verfassungsblog.de/die-corona-der-coronaleugner-und-das-ver sammlungsrecht/ (abgerufen: 30. 11. 2020). Verdeckte Informationserhebungsbefugnisse werden allerdings zur Gewinnung von Vorfeldinformationen zum Verfassungsschutz für zwingend notwendig gehalten, s. BT-Drs. 6/3533zu, S. 5; BVerfGE 146, 1, 49 f. Rn. 110; 109, 13, 34 f.; 109, 38, 60 f.; BVerwG, Beschl. v. 18. 9. 2019 – 20 F 4/18, NVwZ 2020, 78, 79 f. Rn. 21 sowie Anm. v. A. Hofmann, NVwZ 2020, 81, 83; F. P. Schafranek, Kompetenzverteilung, 2000, S. 200; J. F. Lindner, Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung vor dem bayerischen Landtag, 90. Kl., 86. VF 21. 3. 2018, Anlage 2, S. 22 f., 24 f. Demgegenüber wird etwa der traditionelle 1845

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Den Staat trifft die Pflicht, Eingriffe zu rechtfertigen1849, daher stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit verdeckter Ermittlungsmethoden für die eingangs skizzierten „reduzierten“ Aufgaben der Verfassungsschutzämter. Das BVerfG hat festgestellt, dass etwa beim Kernbereichsschutz keine institutionelle Differenzierung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten stattfinden kann.1850 Besonders eingriffsintensive, da verdeckte1851 Informationserhebungsmaßnahmen sind daher nur zur Abwehr von hinreichend konkret absehbaren Gefahren für höchste Schutzgüter möglich1852, mithin für die Gefahrenprophylaxe der Verfassungsschutzämter unbrauchbar.1853 Befugnisnormen ermöglichen den Verfassungsschutzämtern lediglich, Maßnahmen unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anzuwenden. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegenüber solchen Befugnissen, deren Einsatz von vornherein ausgeschlossen ist.1854 Bei eingriffsintensiven, verdeckten Überwachungsmaßnahmen ist dieser A-priori-Ausschluss gerade gegeben. Dies kann an der Befugnis zur Wohnraumüberwachung gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG exemplifiziert werden. Demnach dürfen verdeckte Überwachungsmaßnahmen in einer Wohnung nur eingesetzt werden, wenn dies im Einzelfall zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen unerlässlich ist und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut nicht rechtzeitig erlangt werden kann. Es ist schlechterdings undenkbar, wie eine verdeckte Überwachungsmaßnahme, die von den Betroffenen gerade unbemerkt stattfindet und damit keine kausalverlaufsverändernde Wirkung zeitigt, eine gegenwärtige Gefahr abwehren soll.1855 Die geeignete polizeiliche Hilfe, V-Personen-Einsatz als ineffektiv kritisiert, s. W. Ridder, Verfassung ohne Schutz, 2013, S. 159 f. 1849 M. w. N. C. Enders, DÖV 2019, 205, 207. 1850 BVerfGE 113, 348, 392; S. Tanneberger, Sicherheitsverfassung, S. 145 f. Fn. 196. Zur Notwendigkeit des Kernbereichs als Arkanbereich insbesondere bei verdeckten Informationserhebungen L. Brocker, „Lux in arcana“, 2014, S. 34, außerdem passim zu Arkanbereichen der drei Gewalten und den hohen Anforderungen (S. 35 f.). 1851 Verdeckte Informationseingriffe sind schneidiger als offene Zwangsmittel, da in Rechtspositionen ohne Wissen des Betroffenen eingegriffen wird, s. K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 417. Zur konspirativen Arbeitsweise der Verfassungsschutzämter schon früh eingehend H.-U. Evers, Privatsphäre, 1960, S. 98 ff. 1852 BVerfGE 141, 220, 220 Ls. 1 lit. b. 1853 In diese Richtung bereits für den Einsatz von V-Personen W. Ridder, Verfassung ohne Schutz, 2013, S. 160. 1854 So auch J. F. Lindner, Stellungnahme BayLT – Novellierung BayVSG am 27. 4. 2016, S. 34. 1855 Ebenso bereits E. Denninger, KritV 1994, 232, 238; ders., in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Nachrichtendienste, Polizei und Verbrechensbekämpfung im demokratischen Rechtsstaat, 1994, S. 101, 106. Vgl. auch K. F. Gärditz, Strafprozess und Prävention, 2003, S. 115; J.-H. Dietrich, in: ders./Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 471, 495 Rn. 72. Vor § 9 Abs. 2 BVerfSchG bereits kritisch ob der verdeckten Wohn-

Kap. 5: Anpassungen in Befugnis- und Organisationsstruktur

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deren Unerreichbarkeit eine weitere kumulative Voraussetzung ist, ist de facto und de jure die einzige Möglichkeit, die gegenwärtige Gefahr noch zu bannen. Dieses Beispiel zeigt dreierlei: Erstens, dass die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG für die Verfassungsschutzämter nicht einsetzbar sind; die Befugnisnorm mithin verfassungswidrig ist.1856 Zweitens scheiden besonders eingriffsintensive Überwachungsmaßnahmen für eine Behörde ohne kausalverlaufsverändernde Macht nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich aus, da diese nur zur Abwehr hinreichend konkret absehbarer Gefahren eingesetzt werden dürfen.1857 Drittens muss mit einer konsequenten Abkehr der Aufklärung durch die Verfassungsschutzämter von der Gefahrenabwehr auch eine Abkehr von einzelfall- und personenbezogenen Maßnahmen einhergehen. Damit würden für die Verfassungsschutzämter Situationen vermieden, in denen sie mangels Eingriffsbefugnissen ohnehin keine geeignete Hilfe bieten können. Eingriffsintensive, verdeckte Informationserhebungsbefugnisse sollten lediglich der rechtsstaatlich stärker eingehegten Polizei zu deren Tätigkeit ab der Schwelle der Gefahrenabwehr zur Verfügung stehen. Vielmehr müssen die Ämter sich bei der Informationserhebung auf öffentliche Quellen1858 oder veröffentlichte Daten (z. B. Kriminalitätsstatistiken) anderer Institutionen stützen.1859 Dies spricht angesichts der weitreichenden, auch verdeckten Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei und deren ausschließlicher Zuständigkeit zur Aufklärung gewaltgeneigter, krimineller Strukturen nicht gegen eine effektive raumüberwachung zum Zwecke des Verfassungsschutzes C. Gusy, in: Huster/Rudolph (Hrsg.), Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat, 2008, S. 120, 125. 1856 Dass dies bisher unbeanstandet geblieben ist, kann möglicherweise mit der mangelnden Kenntnisnahme der Betroffenen und der „erstaunlichen Zurückhaltung und Nachsicht“ des BVerfG mit der Informationserhebung durch die Nachrichtendienste erklärt werden. Zu letzterem B. W. Wegener, VVDStRL 75 (2016), 293, 306. Bereits im Gesetzgebungsverfahren kritisch zur Wohnraumüberwachung durch das LfV Hessen N. Faeser, LT Hessen Plenarprotokoll 19/141, S. 10189, 10198: „überhaupt keine Anwendungsbereiche“. Vgl. auch N. Gazeas, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 10 f. A. A. – lediglich auf den Ausnahmecharakter der Norm hinweisend – O. Mallmann, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 9 BVerfSchG, Rn. 22. 1857 BVerfGE 141, 220, 220 Ls. 1 lit. b. 1858 Siehe dazu M. Rehbein, Verwertbarkeit von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, 2011, S. 36 ff. Dafür, dass staatlichen Erfassung öffentlich zugänglicher Informationen im Internet in der Regel keinen Grundrechtseingriff darstellen, BVerfGE 120, 274, 344 ff.; T. Böckenförde, Die Ermittlung im Netz, 2003, S. 169, 186, 196 f., 205; M. A. Zöller, GA 2000, 563, 569. A. A. – für die Grundrechtsrelevanz anlassloser Aufklärung des Internets, also sog. „virtueller Streifenfahrten“ –, F. Eisenmenger, Grundrechtsrelevanz „virtueller Streifenfahrten“, 2017, S. 176 ff. 1859 So auch H. P. Bull, in: Möllers/van Ooyen (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2014/2015, 2015, S. 21, 25 ff. und bereits früher E. Schwan, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Nachrichtendienste, Polizei und Verbrechensbekämpfung im demokratischen Rechtsstaat, 1994, S. 113, 115. Bereits heute erreichen die ÄfV Informationen aus Strafverfahren, vgl. M. A. Zöller, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 79, 83 f.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Aufgabenerfüllung durch auf weniger eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen beschränkte Verfassungsschutzämter.1860 Mit der Beschränkung auf offen zugängliche Quellen entfielen zudem die Durchsetzungsschwierigkeiten, die die Verfassungsschutzämter de lege lata bei Auskunftsverlangen nach § 8b Abs. 6 BVerfSchG beschäftigen: Einerseits Auskunftsverpflichtung Privater, andererseits fehlende Vollstreckungsmöglichkeiten der Verfassungsschutzämter. Ferner haben Informationserhebungen aus offenen Quellen eine deutlich geringere Grundrechtsrelevanz1861, die bei der Erhebung personenbezogener Daten gleichwohl nicht unerheblich ist.1862 Das Anlegen von Akten über Parteien oder Vereinigungen erreicht hingegen noch nicht die Schwelle des Grundrechtseingriffs, sofern die Informationserhebung ohne Missbrauch schutzwürdigen Vertrauens erfolgt ist1863 und nicht das Ausmaß einer „systematische[n] Erfassung, Sammlung und Verarbeitung“ von Informationen über Einzelpersonen erreicht wird, sodass diesen ein zusätzlicher Aussagewert erwächst.1864 Durch einen Verzicht der Verfassungsschutzämter auf verdeckte Überwachungsmaßnahmen würde auch die Frage der Anwendbarkeit der Rechtsprechung des BVerfG zu eingriffsintensiven Überwachungsmaßnahmen des BKA weitgehend vermieden.1865 Ferner würde die Verwertung von Informationen der Verfassungs1860 A. A. dabei allerdings die verdeckten Informationserhebungsmöglichkeiten der Polizei weitgehend unbeachtet lassend K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 173, Rn. 396. 1861 Allerdings bezüglich der Informationstätigkeit des BND C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BNDG, Rn. 1. Zur Informationellen Selbstbestimmung über allgemein zugängliche Informationen eingehend S. Tanneberger, Sicherheitsverfassung, S. 171 ff. Zu Fragen der Grundrechtsrelevanz auch offener Datenerhebung T. Würtenberger/S. Tanneberger, in: Riescher (Hrsg.), Sicherheit und Freiheit statt Terror und Angst, 2010, S. 97, 110 ff. Keine Bedenken hegt das BVerfG gegen die Informationssammlung über Parteien „im allgemeinen öffentlich zugänglichen Rahmen“ oder aus „von der Partei herausgegebenen oder von ihr veranlassten Druckerzeugnisse“, s. BVerfGE 107, 339, 366. Siehe allerdings zur Bewertung anlassloser Aufklärung in sozialen Netzwerken des Internets als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung F. Eisenmenger, Grundrechtsrelevanz „virtueller Streifenfahrten“, 2017, S. 232 ff., insbesondere mit dem Hinweis auf das „potentiell hoh[e] Eingriffsgewicht“, S. 329. 1862 C. Gusy, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 BNDG, Rn. 2. 1863 BVerfGE 120, 274, 344 f.; K. F. Gärditz, AfD – „Prüffall“ ohne Rechtsgrundlage?, VerfBlog, 2019/2/28, https://verfassungsblog.de/afd-prueffall-ohne-rechtsgrundlage/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1864 BVerfGE 120, 351, 362; K. F. Gärditz, AfD – „Prüffall“ ohne Rechtsgrundlage?, VerfBlog, 2019/2/28, https://verfassungsblog.de/afd-prueffall-ohne-rechtsgrundlage/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1865 Mit den weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung für eine Anwendung der Rechtsprechung auch auf die Nachrichtendienste B. W. Wegener, VVDStRL 75 (2016), 293, 314. A. A. etwa K. F. Gärditz, EuGRZ 2018, 6, 8 f.; J. Unterreitmeier, GSZ 2018, 1 ff. Im Diskurs über die Übertragbarkeit der Vorgaben: T. Siems, NWVBl. 2018, S. 1 ff.; Replik von J. Unterreitmeier, NWVBl. 2018, 227 ff.; Erwiderung von T. Siems, NWVBl. 2018, 231 f. Den

Kap. 5: Anpassungen in Befugnis- und Organisationsstruktur

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schutzämter in Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsprozessen insbesondere im Hinblick auf die hinreichende demokratische Legitimation durch eine solche Befugnisreduktion in weiten Teilen erst ermöglicht.1866 Transparente Tätigkeit der Ämter ermöglicht eine konkrete Verantwortungszuordnung für die Betroffenen. Für die reduzierten Aufgaben der Verfassungsschutzämter sind verdeckte Ermittlungsmethoden (etwa verdeckte akustische Wohnraumüberwachung nach § 9 Abs. 2 BVerfSchG oder der Einsatz von Vertrauensleuten nach § 9b BVerfSchG) nicht erforderlich und wären mithin unverhältnismäßig. Auf diese Methoden wäre daher zu verzichten.

II. Verzicht auf Verarbeitung personenbezogener Daten? Die Informationstätigkeit der Verfassungsschutzämter wäre nach dem vorliegenden Vorschlag weitgehend entkoppelt von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Einzelpersonen oder -taten hätten für ihre Analysen keinen maßgeblichen Informationsgehalt.1867 Ob die Verfassungsschutzämter gänzlich auf personenbezogene Daten verzichten können und sich auf die Arbeit mit Sachinformationen und anonymisierten Strukturdaten zurückziehen können, hängt entscheidend davon ab, wie ihr Verhältnis zu den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden ausgestaltet werden soll. Für entpersonalisierte Analysen werden keine personenbezogenen Daten benötigt. Sollen die Verfassungsschutzämter allerdings auch weiterhin zumindest Spurenansätze, auf welche sie während ihrer Haupttätigkeit stoßen, an die Gefahrabwehr- und Strafverfolgungsbehörden weitergeben dürfen, muss diese Erhebung und Übermittlung in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen und bedarf daher einer Rechtsgrundlage. Den Verfassungsschutzämtern auch weiterhin die Verarbeitung personenbezogener Daten zu ermöglichen, erscheint sinnvoll. Sie können die Polizei insoweit unterstützen, als sie sie auf bestehende oder drohende soziale Konflikte aufmerksam

Verlust klarer Maßstäbe beim Thema sicherheitsrechtlicher Informationsbeschaffung beklagt P. Kirchhof, VVDStRL 75 (2016), Wortbeitrag zur Aussprache, 377, 378. A. Leisner-Egensperger, DÖV 2018, 677, 678, m. w. N. in Fn. 17 zur „Entgrenzung des Störerbegriffs“. Zu einem nachrichtendienstlichen Störerbegriff J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DÖV 2019, 165, 173; 1. Referentenentwurf BMI zu einem Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts, veröffentlicht auf netzpolitik.org, https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-den-gesetz entwurf-seehofer-will-staatstrojaner-fuer-den-verfassungsschutz/#Referentenentwurf-Bundes verfassungsschutzgesetz (abgerufen: 30. 11. 2020), Begründung B. Besonderer Teil Zu Nummer 4 (§§ 8a bis 9e) Zu § 9. Ausführlich zu den Begriffen „Verhaltens-“ und „Zustandsstörer“ L. Sokol, Bestimmung der Verantwortlichkeit, 2016, S. 30 ff. 1866 Vgl. 3. Teil Kap. 1 C. II. (S. 262 ff.). 1867 BVerfGE 100, 313, 392: „eine Identifizierung der Kommunikationsteilnehmer [ist] allein zur Deutung der stets bruchstückhaften und daher interpretationsbedürftigen Informationen“ erforderlich.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

machen, auf welche die Polizei mit ihren Befugnissen reagieren kann.1868 Dabei könnte allerdings über eine Beschränkung auf prägende Figuren eines Milieus nachgedacht werden. Lediglich gerichtsverwertbare Informationen von hinreichender Bedeutung haben in der Einzelpersonenbeobachtung einen Wert und deren Verwertung könnte außerdem auf die Weitergabe an die Polizei beschränkt werden. Weder bei der Warnung der Bevölkerung vor Radikalisierungsgefahren noch bei der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben, sind persönliche Daten entscheidend. Der vollständige Verzicht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten hätte allerdings den Vorteil einer klaren Grenzziehung. Denn jedenfalls darf der Auftrag der Verfassungsschutzämter „nicht unmittelbar darin [bestehen], für die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse zur Aufklärung von Straftaten zu gewinnen“1869. Dies ist allerdings richtigerweise bereits de lege lata nicht der Fall. Für die weitere Verwendung und Speicherung personenbezogener Daten durch die Verfassungsschutzämter auch bei reduziertem Auftrag streitet, dass damit ein Datenpool geschaffen wird, der für Gefährlichkeits- und Zuverlässigkeitseinschätzungen von Personen Hilfestellung bieten kann. Solche Einschätzungen über Personen müssen in verschiedenen Präventionskontexten getroffen werden. Ein Beispiel gibt die 2019 eingeführte waffenbehördliche Regelanfrage bei den Verfassungsschutzämtern nach § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG.1870 Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG, besitzt eine Person in der Regel dann nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Mit der Neufassung der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b und c WaffG reicht nunmehr die bloße Mitgliedschaft oder Unterstützung einer „verfassungsfeindlichen“ Vereinigung.1871 Verfassungsfeindliche Vereinigungen nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b und c WaffG können „sowohl Vereine im Sinne des Vereins- als auch Parteien im Sinne des Parteiengesetzes“ sein.1872 Nachdem für die Beurteilung der Verfassungsfeindlichkeit einer Bestrebung weder ein abgeschlossenes Strafverfahren bzw. Partei- oder Vereinsverbotsverfahren maßgeblich ist, verwalten primär die Verfassungsschutzämter die zur Einschätzung notwendigen Informationen. Solange solche Kriterien in präventiven Verwaltungsentscheidungen angewendet werden, muss den Verfassungsschutzämtern die Speicherung personenbezogener Daten im Rahmen ihrer Strukturermittlungen möglich sein. Diese Weiterverwendung stellt allerdings eine Zweckänderung zum strukturbezogenen Erhebungszweck dar und bedarf daher einer eigenen Rechtsgrundlage. 1868 Zum überkommenen reaktiven und einzelfallbezogenen Handlungskonzept der Polizei M. Bäcker, Kriminalpräventionsrecht, 2015, S. 51 ff. 1869 K. P. Bruch/B. Jost/E. Müller/H. Vahldieck, Abschlussbericht der Bund-LänderKommission Rechtsterrorismus, 2013, S. 29 Rn. 16; die unterschiedlichen Aufgabenbereiche betont auch das BVerfG in BVerfGE 133, 277, 327 f. Rn. 120. 1870 BGBl. I 2020, S. 167; BT-Drs. 19/15875, S. 8. Zur Begründung des Gesetzgebers siehe BT-Drs. 19/13839, S. 130 f.; BT-Drs. 19/15875, S. 36 f. 1871 BT-Drs. 19/15875, S. 8. 1872 BT-Drs. 19/15875, S. 36.

Kap. 5: Anpassungen in Befugnis- und Organisationsstruktur

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B. Föderale oder zentralistische Organisationsstruktur? Hinsichtlich der Organisationsstruktur gilt es zu eruieren, ob für die neuen Aufgaben an der überkommenen zwar föderalen, aber von einer dominanten zentralen Bundesbehörde koordinierten Struktur festzuhalten wäre. Ursachenforschung und Milieuanalysen bedürfen genauer Kenntnis der Umstände. Kleingliedrige Landesbehörden sind in lokalen Milieus gegebenenfalls besser vernetzt1873 als eine entfernte Zentralbehörde.1874 Datenerhebung vor Ort dürfte für die Bestellung einer Analysegrundlage unerlässlich sein. Die vorgeschlagene Aufgabenneustrukturierung würde mithin das tatsächliche Gewicht der Landesämter für Verfassungsschutz gegenüber dem Bundesamt stärken. Der Zentralbehörde kämen allerdings das Erkennen und die Bewertung länderübergreifender Komplexe zu. Sämtliche Berichte der Landesbehörden müssten vom BfVauf grenzüberschreitende Bezüge und Muster hin ausgewertet werden. Eigene Aufklärungsbefugnisse im Sinne einer Datenerhebung vor Ort in den Ländern durch das Bundesamt wären dafür nicht nötig.1875 Der neustrukturierte Verbund der Verfassungsschutzämter würde aus gestärkten Landesämtern und einem auf die Aufgaben einer echten Zentralstelle reduzierten Bundesamt bestehen. Diese Struktur würde sich nahtlos in die föderalistisch geprägte Verwaltungskultur Deutschlands einfügen1876 und dabei die kompetenziellen Grenzen des Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG wahren. Für leistungsschwache, allerdings großen Herausforderung gegenüberstehende Landesämter wäre gleichwohl – mit den gleichen kreativen Begründungen, die de lege lata für die eigenständigen Ermittlungsbefugnisse des Bundesamtes angeführt werden1877 – eine subsidiäre Unterstützung durch das Bundesamt denkbar.

C. Die reduzierte Aufgabe durch Veränderungen in der Ressortzuteilung der Verfassungsschutzämter verdeutlichen Die Analysen der Verfassungsschutzämter sind schon de lege lata über die Verwertung in Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hinaus von Bedeutung und reichen 1873

Ähnlich der Bürgernähe der Polizei, vgl. T. Würtenberger/S. Tanneberger, in: Riescher (Hrsg.), Sicherheit und Freiheit statt Terror und Angst, 2010, S. 97, 117. Zu diesem und weiteren, eher praktischen, Argumenten für die Dezentralisierung der Verfassungsschutzämter, s. M. Murck, in: Jäger/Daun (Hrsg.), Geheimdienste in Europa, 2009, S. 182, 190 ff. 1874 Gerade in Sicherheitsfragen sei Zentralisierung kein Allheilmittel, so C. Gusy, ZRP 2012, 230, 231. 1875 So bereits für die Aufgaben de lege lata M. Bäcker, DÖV 2011, 840, 844. 1876 Zur Bedeutung ebendieser J. P. Schaefer, Die Umgestaltung des Verwaltungsrechts, 2016, S. 185 f. Vgl. auch den föderalismusfreundlichen Ausblick bei T. Wischmeyer, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 35, 77. 1877 K. F. Gärditz, AöR 2019, 81, 107 ff.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

damit weiter als die Ressortzuständigkeit des Innenministeriums. Die Verfassungsschutzämter sollten de lege ferenda noch intensiver als Informationsdienstleister für alle staatlichen Funktionen eingesetzt werden und dabei thematisch auf den Verfassungsschutz bezogen bleiben. Nachdem Verfassungsschutz, insbesondere Radikalisierungsprävention, zu einem Großteil außerhalb des Ressorts der Innenministerien stattfindet – zu denken ist etwa an Bildungsprogramme –, wären die Analysen der Verfassungsschutzämter gleichermaßen für andere Ressorts von Belang. Wie bereits beim BND wären die Verfassungsschutzämter dem Kanzleramt oder den entsprechenden Pendants auf Länderebene zuzuweisen. Diese Umgruppierung würde außerdem die Abgrenzung der Erhebungszwecke der Verfassungsschutzämter, von denen der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden verdeutlichen.

Kap. 6: Zur Umsetzung des vorliegenden Vorschlags befugte Staatsorgane

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Kapitel 6

Zur Umsetzung des vorliegenden Vorschlags befugte Staatsorgane Die vorgeschlagenen Veränderungen wären sämtlich auf einfachgesetzlicher Ebene durchführbar. Eine Grundgesetzänderung wäre nicht erforderlich. Dementsprechend liegt die Organisationsgewalt im Sinne einer „Befugnis zur Schaffung, Veränderung, Zusammenordnung, Bestimmung der Aufgaben und (eventuell) der inneren Gliederung und Geschäftsregelung“1878 bei den Bundes- und Landesgesetzgebern.1879 Hierbei macht das Grundgesetz Vorgaben, denn es „ist eine zentrale Aufgabe der Verfassungsordnung, innerhalb einer staatlichen Einheit, also in horizontaler Hinsicht, Klarheit über die Verteilung der Befugnisse zur Organisation der Verwaltung zu schaffen.“1880 Organisationsrechtlich ist der Bund durch Art. 73 Nr. 10 lit. b GG einerseits auf die Regelung der Zusammenarbeit beschränkt, andererseits nicht nur auf den administrativen Verfassungsschutz durch die Verfassungsschutzämter reduziert. Die Weite des grundgesetzlichen Verfassungsschutzbegriffs und der üppige Gestaltungsspielraum, den Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG gewährt, ermöglichen eine umfassende Umgestaltung der Verfassungsschutzämter und deren Verhältnis zu anderen Verfassungsschutzinstitutionen nach den vorgeschlagenen Prämissen. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass das Grundgesetz den vorgeschlagenen Änderungen in der Organisation des Verfassungsschutzes nicht entgegensteht1881; fraglich ist der politische Wille zu weitgreifenden Veränderungen der Verfassungsschutzarchitektur. Ferner sind die Auswirkungen einer solch weitreichenden Veränderung des BVerfSchG auf die Landesverfassungsschutzgesetze sowie auf MADG und BNDG zu beachten. Das BVerfSchG wird vielfach als Stammgesetz behandelt, auf welches die anderen Gesetze weitreichend verweisen.1882 1878

H. Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 15 Rn. 33. 1879 M. w. N. zum Wechsel von der Organisationsgewalt als „Hausgut der Exekutive“ zur „weitgehenden Zuweisung jedenfalls grundlegender Organisationsentscheidungen an den parlamentarischen Gesetzgeber […] unter Anerkennung eines weiten Gestaltungsspielraums“ S. Unger, in: Krüper/Pilniok (Hrsg.), Organisationsverfassungsrecht, 2019, S. 57. 1880 H. Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 15 Rn. 33. 1881 Zu etwaigen Vorgaben aus landesverfassungsrechtlichen Normen am Beispiel der Verfassung Thüringens M. Baldus, ThürVBl. 2013, 25, 27, 29 ff. Der Vorschlag der Partei DIE LINKE in Thüringen das LfV auflösen und eine Beratungsstelle ohne nachrichtendienstliche Befugnisse zu errichten, wäre nach Bundes- und Landesverfassungsrecht möglich, so a. a. O., 25, 31. 1882 Von einem Regelungszusammenhang schreibt daher C. Gusy, in: Schenke/Graulich/ Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, Vorb. BNDG, Rn. 8 f., § 2 BNDG, Rn. 5.

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5. Teil: Rückbesinnung des institutionellen Verfassungsschutzes

Auch die tatsächlichen Folgen für die Organisation dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Mit der Aufgabenreduktion bei den Verfassungsschutzämter geht eine Mehrbelastung von anderen Behörden einher. Diese Umstrukturierung der Aufgaben muss sich ggf. auf Ebene der Sach- und Personalmittel fortsetzen. Derartige Umschichtungen könnten aber größtenteils innerhalb eines Organisationsträgers – etwa von BfV auf BKA – geleistet werden. Durchgreifende Einwände gegen die vorgeschlagene Aufgabenstruktur sind damit jedenfalls nicht verbunden.

Rückblick und Ausblick

Die Neuausrichtung der Verfassungsschutzämter im Zeichen des Wandels der wehrhaften in eine widerstandsfähige Demokratie Fasst man die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zusammen, zeigt sich, dass es bei der Aufgabenzuweisung an die Verfassungsschutzämter einer Rückbesinnung auf ihre Ursprünge bedarf (A.), damit die Ämter einen wertvollen Beitrag zu einer sich wandelnden Demokratie leisten können (B.).

A. Rückblick: Die strukturbezogene Prävention der Verfassungsschutzämter Die neuen Herausforderungen für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie die Sicherheit und den Bestand des Bundes und der Länder durch lose, zugleich globale terroristische Netzwerke und subversive autoritäre Strömungen zwingen zu einer kritischen Reflektion der Organisation des Verfassungsschutzes.1883 Der Verfassungsschutz ist ein Teilbereich der umfassenden staatlichen Sicherheitsgewährleistung1884 in Deutschland. Er befasst sich mit der Abwehr von menschengemachten Gefahren1885 für die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Bestand und die Sicherheit des Staates, um eine menschenwürdige Staatsordnung zu verwirklichen.1886 Durch die Begrenzung der Schutzgüter auf fundamentale Grundlagen des Staates wird der Verfassungsschutzauftrag und damit die Zuständigkeit der Verfassungsschutzinstitutionen entsprechend eingeschränkt. Steter Kern der Schutzgüter des Verfassungsschutzes ist das, „was zur Gewährleistung eines freiheitlichen und demokratischen Zusammenlebens schlechthin unverzichtbar ist und daher außerhalb jedes Streits stehen muss“.1887 Die Menschenwürde ist der Ausgangspunkt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung,1888 das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip sind nur in den Aspekten Teil dieser Grund1883 1884 1885 1886 1887 1888

Einleitung A. (S. 27 ff.). 1. Teil Kap. 1 (S. 39 ff.). 1. Teil Kap. 2 A. (S. 46 f.). 1. Teil Kap. 3 A.–D. (S. 52 – 60). BVerfGE 144, 20, 205 Rn. 535. BVerfGE 144, 20, 206 f. Rn. 538.

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Rückblick und Ausblick

ordnung, die für eine menschenwürdige, freiheitliche und demokratische Staatsordnung unverzichtbar sind.1889 Ebenso verhält es sich mit den Schutzgütern des Bestands und der Sicherheit des Bundes und der Länder, die nicht um ihrer selbst willen und nicht absolut, sondern lediglich in dem Maße vom Verfassungsschutz umfasst sind, als sie für die Gewährleistung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unerlässlich sind.1890 Pyramidenartig aufsteigend bilden Bestand und Sicherheit des Bundes und der Länder das Fundament einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, an deren Spitze die Menschenwürde steht. Der Begriff des Verfassungsschutzes wird mittlerweile mit dem des Staatsschutzes synonym verwendet1891 und beschreibt einen konkreten Schutzauftrag im Rahmen des abstrakten Prinzips der wehrhaften Demokratie.1892 Davon sind die Verfassungsschutzarchitektur als Organisationsstruktur der Institutionen, die mit der Umsetzung des Verfassungsschutzes beauftragt sind, ebenso zu unterscheiden wie die Verfassungsschutzämter, die einen konkreten Beitrag zur Umsetzung des Verfassungsschutzes leisten.1893 Die Verfassungsschutzarchitektur verklammert die Verfassungsschutzämter mit weiteren Verfassungsschutzinstitutionen,1894 wie den Ministerien und obersten Landesbehörden als Vereinsverbotsbehörden nach Art. 9 Abs. 2 GG i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG1895 oder der Bundeswehr im Notstandsfall nach Art. 91 Abs. 2 S. 1, 2 i. V. m. Art. 87a Abs. 4 GG1896. Die Verfassungsschutzarchitektur ist zur Machtdiversifikation föderal strukturiert, dabei ist gleichwohl ein Übergewicht des Bundes bei Angelegenheiten mit Auslandsbezug, im strafrechtlichen und im nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz erkennbar.1897 Die Verfassungsschutzämter – das Bundesamt als Zentralstelle1898 und die 16 Landesämter für Verfassungsschutz – bilden über privilegierte Übermittlungsvorschriften und weitgehende Aufgabenunität1899 einen engen Kooperationsverbund.1900 Die Tätigkeit der Verfassungsschutzämter ist auf Sammlung und Auswertung von Informationen beschränkt.1901 Kausalverlaufsverändernde Befugnisse stehen ihnen nicht zu.1902 Nach dem klaren Wortlaut von § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG steht die 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902

BVerfGE 144, 20, 208 ff. Rn. 542 ff. 1. Teil Kap. 3 D. (S. 59 f.). 1. Teil Kap. 3 E. (S. 60 ff.). 1. Teil Kap. 3 F. (S. 62 ff.). 1. Teil Kap. 4 B. (S. 68). 1. Teil Kap. 4 B. (S. 68 ff.). Sog. „ministerieller Verfassungsschutz“, 2. Teil Kap. 3 A. I. 2 (S. 161 f.). Zum Anteil der Bundeswehr, 2. Teil Kap. 3 A. III. (S. 174 f.). 1. Teil Kap. 4 B. II. (S. 70 ff.). 2. Teil Kap. 1 A. I. (S. 80 ff.). 2. Teil Kap. 1 A. II. (S. 83 ff.). 2. Teil Kap. 1 B. (S. 90). 2. Teil Kap. 2 A. I. 1. (S. 93 ff.). 2. Teil Kap. 2 A. I. 2. (S. 96 ff.).

A. Rückblick

389

Informationstätigkeit der Verfassungsschutzämter unter dem Vorbehalt des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung. Gleichwohl werden den Ämtern proaktive Ermittlungen zur Auffindung solcher Anhaltspunkte zugestanden, sofern diese Ermittlungen auf offen zugängliche Quellen beschränkt sind.1903 De lege ferenda könnte über eine explizite Regelung der Ermittlungen zur Verdachtsgewinnung nachgedacht werden, um die Strukturermittlung der Verfassungsschutzämter transparenter zu gestalten. Vor Beobachtungseröffnung, bevor also hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG vorliegen, dürfen die gesammelten Informationen jedenfalls keinen anderen Behörden übermittelt werden, um auszuschließen, dass aus losen Verdachtsmomenten freiheitsbeschränkende Konsequenzen folgen. Der strukturbezogene1904 Beobachtungsauftrag der Verfassungsschutzämter ist durch neue Beobachtungsobjekte stetig erweitert worden. Die ursprünglichen Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzämter waren nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG 1950 „Bestrebungen, die eine Aufhebung, Änderung oder Störung der verfassungsmäßigen Ordnung im Bund oder in einem Land oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben“. Dieser Auftrag wurde 1972 auf die nahezu zeitgleich in das Grundgesetz integrierte Legaldefinition von Verfassungsschutz1905 hin angepasst und konkretisiert. Seitdem sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben“, von den Verfassungsschutzämtern zu beobachten.1906 Mit Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes und der Länder gerichtet sind, sind nun erstmals Gruppierungen explizit zur Beobachtung aufgenommen, deren Gefährlichkeit in der Gewaltanwendung liegt. Während sowohl die freiheitliche demokratische Grundordnung als auch der Bestand – etwa durch separatistische Bestrebungen – zunächst durch politische, gewaltfreie Tätigkeit gefährdet wird, kann das Mindestmaß an Sicherheit, das als Grundlage für eine menschenwürdige Ordnung nötig ist, nur durch gewaltsame Aktionen bedroht werden. Berührungspunkte zu Gefahrenabwehr und Strafverfolgung werden damit deutlich.

1903 J. F. Lindner/J. Unterreitmeier, DVBl. 2019, 819, 823; K. F. Gärditz, Die Alternative für Deutschland und der Verfassungsschutz, VerfBlog, 2019/1/17, https://verfassungsblog.de/ die-alternative-fuer-deutschland-und-der-verfassungsschutz/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1904 2. Teil Kap. 2 A. II. 1. (S. 99 ff.). Deutlich auch J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 292: „die nachrichtendienstliche Arbeitsweise des Verfassungsschutzes [dient] primär der Aufklärung von Strukturen und nicht von individuellen Verhaltensweisen“. 1905 BGBl. I 1972, S. 1305. 1906 2. Teil Kap. 2 A. II. 2. (S. 101 ff.).

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Rückblick und Ausblick

Ebenfalls 1972 wurde der Beobachtungsauftrag mit der expliziten Aufnahme der „sicherheitsgefährdende[n] oder geheimdienstliche[n] Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG)1907 und der „Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG)1908 über den Bereich des Verfassungsschutzes i. S. d. Legaldefinition des Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG hinaus erweitert. Während die Spionageabwehr unter Umständen dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, dem Bestand und der Sicherheit des Bundes und der Länder dienen kann, steht der Schutz auswärtiger Belange vollständig außerhalb des grundgesetzlichen Verfassungsschutzes. Letztere Aufgabenzuweisung ist daher auf Grundlage der Kompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. c GG erfolgt, die explizit die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen voraussetzt. Mit diesem Beobachtungsobjekt ist die Aufklärungstätigkeit der Verfassungsschutzämter endgültig auf Verhaltensweisen erweitert worden, die auch von den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden aufgeklärt werden. Die dadurch entstehende Diskrepanz zwischen Beobachtungsobjekt und in § 16 BVerfSchG normiertem Beobachtungszweck der Information von Regierung und Öffentlichkeit wurde bisher nicht explizit aufgelöst. Die bislang letzte Erweiterung der Beobachtungsobjekte der Verfassungsschutzämter im Jahr 2002 auf „Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG), lässt keinen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber eine weitreichende Einbindung der Verfassungsschutzämter in Gefahrenabwehrmaßnahmen anderer Sicherheitsbehörden vorgesehen hat.1909 Gleichwohl ist eine ausdrückliche Normierung dieses Erhebungszwecks bislang nicht erfolgt. Diesen Schritt sind einzelne Bundesländer gegangen,1910 insbesondere um die Zuweisung der Beobachtung der Organisierten Kriminalität an die Verfassungsschutzämter durch Bayern, Hessen und das Saarland1911 abzusichern. Die Beobachtungsaufgaben der Verfassungsschutzämter wurden also mit dem Zweck der weiteren Einbindung in die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bis 2002 stetig erweitert. Lediglich der aus der ursprünglichen Aufgabe entwickelte Beobachtungsauftrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG kann noch schlüssig mit dem Erhebungszweck der Information von Regierung und Öf-

1907 1908 1909 1910 1911

Dazu 2. Teil Kap. 2 A. II. 3. (S. 106 ff.). Dazu 2. Teil Kap. 2 A. II. 4. (S. 109 ff.). 2. Teil Kap. 2 A. II. 5. (S. 111 ff.). Mit Nachweisen J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 291 f. 2. Teil Kap. 2 A. II. 6. (S. 113 ff.).

A. Rückblick

391

fentlichkeit ausgeführt werden. Alle anderen Beobachtungsaufträge laufen auf unmittelbare Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung hinaus.1912 Dennoch hat der Bundesgesetzgeber es bisher vermieden, den Ermittlungszweck der „Informationsversorgung anderer Sicherheitsbehörden zu deren Aufgabenerfüllung“ explizit zu normieren. Mit dem systematischen Argument, dass die Information von Regierung und Öffentlichkeit in § 16 BVerfSchG eine ausdrückliche Ausformung erfahren hat, während die Benachrichtigung der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden lediglich auf den Übermittlungsbefugnissen nach §§ 19 ff. BVerfSchG abgestützt werden kann, liegt es nahe, in der Benachrichtigung von Regierung und Öffentlichkeit den einzigen Aufklärungszweck der Verfassungsschutzämter zu sehen.1913 Die Information von Regierung und Öffentlichkeit als Hauptaufgabe der Verfassungsschutzämter zu verstehen, läuft allerdings der Intention des Gesetzgebers entgegen, die durch die Erweiterungen der Beobachtungsaufträge deutlich wird. Aufgrund ihres umfangreichen Wissens, das sie über ihre weitreichenden Beobachtungsaufträge ansammeln, werden die Verfassungsschutzämter nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG als mitwirkende Behörden in den Schutz kritischer Infrastrukturen vor Sabotage und Geheimnisverlust eingebunden. Die Mitwirkung der Ämter soll sowohl vor Spionage als auch vor extremistischer Unterwanderung schützen.1914 Die thematische Trennung in Spionage- und Extremismusabwehr wirkt sich an dieser Stelle daher nicht aus. Grundsätzlich unterscheiden sich die Bedrohungen durch Spionage sowie durch Extremismus jedoch erheblich. Während erstere staatlich unterstützt und von Beginn an in der Illegalität agiert, sind letztere zumeist Bestrebungen von Privatpersonen, die so lange legal sind, bis das Gegenteil von staatlicher Stelle festgestellt wird.1915 Bei all ihren Aufgaben bleiben die Verfassungsschutzämter allerdings auf das Inland bezogen; sie sind in dieser Hinsicht ein klassischer Inlandsnachrichtendienst.1916 Die Verfassungsschutzämter werden als Präventionsbehörden tätig. Aufgrund der Bedeutung des Quellenschutzes für ihre langfristig angelegten Ermittlungen stehen der Einbindung der Ämter in offenen stattfindende Strafverfahren grundsätzliche Hindernisse entgegen.1917 Die Prävention im Rahmen des Verfassungsschutzes kann in einzelfallbezogene Gefahrenabwehr und abstrakt-generelle Gefahrenprophylaxe unterteilt werden.1918 Mit ihren strukturbezogenen Analysen zur Information von Regierung und Öffentlichkeit sind die Verfassungsschutzämter hauptsächlich gefahrenprophylaktisch tätig. Durch die Übermittlungsvorschriften nach §§ 19 ff. 1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918

2. Teil Kap. 2 A. II. 7. (S. 115 ff.). 2. Teil Kap. 2 A. III. (S. 118 ff.). 2. Teil Kap. 2 B. (S. 124 ff.). 2. Teil Kap. 2 C. (S. 126 ff.). 2. Teil Kap. 2 D. (S. 128 ff.). 2. Teil Kap. 2 E. I. (S. 133 ff.). 2. Teil Kap. 2 E. II., III. (S. 137 ff., 142 ff.).

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Rückblick und Ausblick

BVerfSchG besteht allerdings auch die Möglichkeit, die gesammelten Daten zur Informationsvorsorge für die Gefahrenabwehr nutzbar zu machen.1919 Bei Erledigung ihres Beobachtungsauftrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG nehmen die Verfassungsschutzämter in der Verfassungsschutzarchitektur eine Sonderrolle ein. Bis zur Schwelle des Gefahrenverdachts oder eines strafprozessualen Anfangsverdachts ermitteln einzig die Verfassungsschutzämter gegen Bestrebungen, die gegen die Schutzgüter nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG gerichtet sind.1920 Ebenso exklusiv ist die herausgehobene Verpflichtung der Verfassungsschutzämter zur Information von Regierung und Öffentlichkeit. MAD und BND berichten von ihren Erkenntnissen über den Wehrbereich oder das Ausland zunächst der Regierungsebene; ein expliziter Auftrag zur Unterrichtung der Öffentlichkeit, vergleichbar mit § 16 BVerfSchG, fehlt. Ebenso sind die Verfassungsschutzämter, mit einzelnen Bereichsausnahmen für BND und MAD, die einzigen mitwirkenden Behörden im personellen Sabotage- und Geheimnisschutz.1921 Mit der Erweiterung des Beobachtungsauftrags auf kriminalisierte und gefahrabwehrrelevante Bestrebungen in § 3 Abs. 1 Nr. 2 – 4 BVerfSchG sind weitreichende Überschneidungsbereiche mit den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden entstanden.1922 Ferner stellt die Spionageabwehr angesichts eines steten Auslandsbezugs einen Grenzfall zwischen der Aufklärung durch die Verfassungsschutzämter und den BND dar.1923 Die Kooperationsbeziehung von Polizei und Verfassungsschutzämtern wurde in der vorliegenden Untersuchung anhand zweier Problemkreise thematisiert. Zum einen an der parallelen Ermittlungstätigkeit und zum anderen an der Einbindung der Verfassungsschutzämter in die Aufgabenerfüllung der Polizei. Ein pauschales Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten findet ebenso wenig eine Verankerung in der Verfassung wie Gebote der organisatorischen, funktionalen oder kompetenziellen Trennung der beiden Institutionen.1924 Aus den Vorgaben des Grundgesetzes ergibt sich daher zwar kein Gebot der Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern, jedoch sowohl ein Stringenzgebot bei Trennung der Institutionen1925 als auch ein informationelles Trennungsprinzip zwischen genereller Strukturaufklärung und einzelfallorientierter Informationsvorsorge zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.1926 Sofern für die Verfassungsschutzämter lediglich der Erhebungszweck der Information von Regierung und Öffentlichkeit weitgehend losgelöst vom Einzelfall normiert ist – wie de lege lata im BVerfSchG der 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926

2. Teil Kap. 2 E. V. (S. 149 ff.). 2. Teil Kap. 3 A. VI. (S. 182 ff.). 2. Teil Kap. 3 A. II. (S. 162 ff.). 2. Teil Kap. 3 B. I. (S. 188 ff.). 2. Teil Kap. 3 B. II. (S. 192 ff.). 3. Teil Kap. 1 A. I. 2., 3. d) (S. 201 ff., 212 ff.). 3. Teil Kap. 1 A. I. 3. d) (S. 212 ff.). 3. Teil Kap. 1 A. I. 3. e), 4. (S. 216 ff., 218 ff.).

A. Rückblick

393

Fall –, stellt jede Datenübermittlung an die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden eine rechtfertigungsbedürftige Zweckänderung dar. Eine Uminterpretation der Datenerhebungszwecke der Verfassungsschutzämter dahingehend, dass diese Informationsvorsorge für konkrete Gefahrenabwehr oder für Strafverfolgungsmaßnahmen betreiben, wäre nur möglich, wenn die Rechtsgrundlagen des Informationshandelns der Verfassungsschutzämter an die Anforderungen angeglichen würden, die für das polizeiliche Informationshandeln gelten. Jedenfalls kann nicht der Bonus des beschränkten Erhebungszwecks (anonymisierte Strukturermittlung zu politischen Entscheidungen) genutzt werden, mithin auf Grundlage weniger ausdifferenzierter Rechtsgrundlagen Informationen erhoben werden, um dann, ohne die Anforderungen der Zweckänderung zu erfüllen, die Daten zu konkreten Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsmaßnahmen weiterzuleiten. Einer solchen Aufgaben- und Befugnisnorminterpretation stünden grundrechtliche Erwägungen, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen.1927 Parallele Übermittlungen von Polizei und Verfassungsschutzämtern bergen die Gefahr ungerechtfertigter additiver Grundrechtseingriffe. Um solche Verstöße zu verhindern, müsste jeder Behörde, die Überwachungsmaßnahmen durchführt, die Möglichkeit einer Überwachungsgesamtrechnung eröffnet werden. Dies bedeutet einen gewaltigen Abstimmungsaufwand, der de lege lata über einen Leitfaden („Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz“) auf Freiwilligkeit basierend bewältigt wird. Eine verfassungsgemäße Praxis erscheint nach den bestehenden Rechtsgrundlagen zwar möglich, eine hinreichende normative Vorprägung im Rang eines Parlamentsgesetzes wäre allerdings zur Steuerung der Verwaltung angezeigt.1928 Die Kooperation von Polizei und Verfassungsschutzämtern durch die Übermittlungsvorschriften §§ 19 ff. BVerfSchG verstößt gegen das Gebot der Verantwortungsklarheit; in Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden außerdem gegen das speziellere Gebot der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung. Das weitreichende Ermessen hinsichtlich der Datenübermittlung und die Quellenschutzprämisse der Verfassungsschutzämter beeinträchtigen einen transparenten Austausch mit der Polizei. Die Verfassungsschutzbehörden liefern durchanalysierte Informationsprodukte, die für die Empfangsbehörden aufgrund subjektiver Bewertungen noch schwerer zu verifizieren sind als Rohdaten. Dadurch entsteht die Gefahr einer ungewollten Zuständigkeitsverschiebung, wenn sich die Informationsherrschaft der Verfassungsschutzämter zu einer Verfahrensherrschaft auswächst. Für den nur von der letzten, außenwirksamen Verwaltungsentscheidung direkt betroffenen Bürger sind solche Verantwortungsverschiebungen nicht ohne weiteres erkennbar. Um dem Gebot der Verantwortungsklarheit zu genügen, müssten daher hinreichende

1927 1928

3. Teil Kap. 1 A. II. 2. b) (S. 228 ff.). 3. Teil Kap. 1 B. II. 3. (S. 237 ff.); 3. Teil Kap. 3 A. III. (S. 292 f.).

394

Rückblick und Ausblick

Dokumentationspflichten geschaffen werden, die in der bestehenden Rechtslage bisher fehlen.1929 Die Verstöße gegen das Gebot der Verantwortungsklarheit und aufgrund ungerechtfertigter additiver Grundrechtseingriffe können auch nicht mit Blick auf die Effektivität der Gefahrenabwehr gerechtfertigt werden, da die Kooperation in der bestehenden Ausgestaltung die Gefahrenabwehr eher behindert als verbessert. Es wäre eine umfassende, ressourcenintensive Abstimmung nötig, um die Reibungsverluste der Zusammenarbeit zu verhindern.1930 Die Lösungsmöglichkeit über eine umfassend durchnormierte Kooperationsbeziehung von Polizei und Verfassungsschutzämtern ist nicht nur rechtstechnisch und verwaltungspraktisch sehr herausfordernd, sie schmälert durch den erheblichen Aufwand auch den Effektivitätsertrag einer solchen Zusammenarbeit. Ohnehin kann eine enge Vernetzung auch die divergierenden, bisweilen gegenläufigen Erhebungszwecke nicht harmonisieren.1931 Die stimmigere Lösung wäre daher eine klare Trennung der Ermittlungsbereiche von Polizei und Verfassungsschutzämtern sowie verbindliche Übermittlungsvorschriften abgesichert durch Kollisionsregelungen und eine wirksame Kontrolle.1932 Auslandsbezug und Verborgenheit sind die prägenden Eigenschaften der Spionage als abzuwehrende Bedrohung. Das Bedürfnis verdeckten Handelns hat zur Folge, dass die Spionage mit Enttarnung, regelmäßig bereits an der Schwelle des Anfangsverdachts, abgewehrt ist. Die Verfassungsschutzämter agieren im Rahmen der Spionageabwehr daher als „funktionale Gefahrabwehrbehörden“.1933 Dadurch, dass die Spionage stets einen Bezug zum Ausland aufweist, erscheint zum einen eine föderale Abwehrstruktur als hinderlich und zum andern überschneiden sich die Spionageabwehraufträge von BND und Verfassungsschutzämter weitgehend.1934 Einer Zentralisierung der Spionageabwehr beim BND wäre nicht nur verfassungsrechtlich unbedenklich,1935 viel mehr sprechen Effektivitätserwägungen, insbesondere eine bessere Verzahnung von Spionageabwehr und Gegenspionage, für eine solche Konzentration.1936 Das Grundgesetz gibt für die Aufgabenverteilung innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur lediglich das Verbot der Aufgabenidentität als klare Grenze vor. Angesichts der weitgehend identischen Befugnisse und Aufklärungsbereiche von Polizei und Verfassungsschutzämtern darf die Informationstätigkeit der Verfas1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936

3. Teil Kap. 1 C. II. 2. c) cc) (S. 271 f.). 3. Teil Kap. 2 D. (S. 287 f.). 3. Teil Kap. 3 B. (S. 265 f.). 3. Teil Kap. 4 (S. 297 ff.). 4. Teil Kap. 1 A. (S. 305 ff.). 4. Teil Kap. 1 B. (S. 307 ff.). 4. Teil Kap. 1 C., Kap. 2 A. (S. 310 ff., 321 f.). 4. Teil Kap. 2 B., C. (S. 322 ff., 325).

A. Rückblick

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sungsschutzämter nicht mit dem Zweck der Vorbereitung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung erfolgen. Kooperationsverbote sind damit nicht verbunden. Vielmehr verlangt das Grundgesetz dort, wo Berührungspunkte von einzelnen Aufgabenzuschnitten liegen, eine abgestimmte Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen. Die Regelung der Zusammenarbeit ist in der föderal gegliederten und zersplitterten Verfassungsschutzarchitektur besonders herausfordernd.1937 Zum Beobachtungsobjekt der Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes und der Länder gerichtet sind, erheben die Verfassungsschutzämter seit 1972 erstmals Informationen, die weit überwiegend auch für die einzelfall- und -personenbezogenen Aufgaben der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden von Bedeutung sind. Damit kocht die bis heute kontrovers diskutierte1938 Frage hoch, wie damit umzugehen ist, dass die Verfassungsschutzämter zwar keine Gefahrenabwehr betreiben sollen,1939 die von ihnen erhobenen Daten für eben diese Gefahrenabwehr aber von entscheidender Bedeutung sein können. Angesichts der besonderen Herausforderungen, die eine hinreichend detaillierte Abstimmung sich überschneidender Aufgabenbereiche innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur hervorrufen, wurde zum Abschluss der vorliegenden Untersuchung eine weitgehende Aufgabentrennung von Verfassungsschutzämtern und Polizei sowie BND vorgeschlagen. Eine solche Trennung kann durch Reduzierung und Umverteilung der meisten Aufgaben der Verfassungsschutzämter gelingen.1940 Dabei entstünden keine Schutzlücken, da dort, wo de lege lata keine Doppelzuständigkeiten bestanden, andere Institutionen ohnehin geeigneter zur Aufgabenerfüllung sind – etwa der BND bei der Spionageabwehr.1941 Reduziert auf den Beobachtungsauftrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG und strikt auf weitgehend vom Einzelfall gelöste Ursachenforschung begrenzt, wären die Verfassungsschutzämter eine bedeutende, auf Gefahrenprophylaxe konzentrierte Spezialinstitution innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur.1942 Die ursachenorientierte Beobachtung wäre auf gewaltfreie Bestrebungen reduziert. Die Aufklärung gewaltanwendender Gruppen müsste angesichts des offenkundigen Gefahrenverdachts an die Polizei abgegeben werden. Damit würde sich der bestehende Befugniskatalog der Verfassungsschutzämter automatisch um die Befugnisse reduziert, die an das Gewaltkriterium gekoppelt sind.1943 Die angestrebte Trennung von Polizei und Verfassungsschutzämtern könnte somit verdeutlicht werden. Die Verfassungsschutzämter könnten in ihrem reduzierten Aufgabenprofil 1937

5. Teil Kap. 1 (S. 329 ff.). Mit dem Vorschlag eines informationellen Kooperations-, statt Trennungsgebots J. Unterreitmeier, AöR 2019, 234, 281 ff. 1939 M. Möstl, Garantie, 2002, S. 410. 1940 5. Teil Kap. 2 B.–C. (S. 347 ff.). 1941 5. Teil Kap. 2 D. (S. 364 f.). 1942 5. Teil Kap. 3, 4 (S. 366 ff., 374 f.). 1943 5. Teil Kap. 2 A. (S. 342 ff.). 1938

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Rückblick und Ausblick

auf die Bearbeitung offen zugänglicher Quellen beschränkt werden,1944 das Bundesamt könnte sich auf die Zentralstellenfunktion zurückziehen1945 und die neue, thematisch von der Gefahrenabwehr weitgehend gelöste Ausrichtung könnte durch eine Ressortneuzuordnung an das Bundeskanzleramt verdeutlicht werden.1946 Für die entsprechenden Veränderungen wäre sämtlich der einfache Gesetzgeber zuständig; Grundgesetzänderungen wären nicht nötig.1947 Dieser vermeintliche „Schritt zurück“ für die Verfassungsschutzämter durch die Fokussierung auf ihre ursprüngliche Aufgabe würde ihre Bedeutung innerhalb der Verfassungsschutzarchitektur stärken und damit das System zum Schutz der Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland verbessern.

B. Ausblick: Von der wehrhaften zur widerstandfähigen Demokratie „Mut sage ich, denn die Wurzel alles Terrors ist die Angst, die Wurzel der Freiheit aber der Mut.“1948

Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass die Verfassungsschutzarchitektur nach den Entwicklungen der letzten Jahre erheblichen Friktionen ausgesetzt ist. Zuständigkeitsdoppelungen in der Ermittlungsphase bei gleichzeitiger Zersplitterung der Verfahren, etwa bei Ermittlungsverfahren im Staatsschutzstrafrecht oder bei Vereins- sowie Parteiverbotsverfahren, behindern den Umgang mit extremistischen Bestrebungen und den Spionagetätigkeiten fremder Mächte. Darüber hinaus wird den Instrumenten der wehrhaften Demokratie zunehmend die Wirksamkeit abgesprochen.1949 Parteiverbote1950 und Grundrechtsverwirkung1951 dienen letztlich nur 1944

5. Teil Kap. 5 A. (S. 376 ff.). 5. Teil Kap. 5 B. (S. 383). 1946 5. Teil Kap. 5 C. (S. 383 f.). 1947 5. Teil Kap. 6 (S. 385 f.). 1948 M. Güde, Probleme des politischen Strafrechts, Vortrag vor der Gesellschaft Hamburger Juristen am 22. 3. 1957, S. 28. 1949 Etwa unlängst C. Gusy, Grundrechtsentzug gegen Rechtextremisten – Die stumpfe Waffe der streitbaren Demokratie, VerfBlog, 2019/6/23, https://verfassungsblog.de/grundrechts entzug-gegen-rechtextremisten-die-stumpfe-waffe-der-streitbaren-demokratie/ (abgerufen: 30. 11. 2020): „angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum NPDVerbot erscheinen die alten Konzepte der streitbaren Demokratie inzwischen eher wie Fossilien aus längst vergangener Zeit. So kann denn auch die Drohung mit der Grundrechtsverwirkung nicht viel anderes sein als eine symbolische Geste eher der eigenen Verlegenheit als der eigenen Stärke.“ Zur Kritik an den Instrumenten der wehrhaften Demokratie aus aktuellem Anlass auch M. Pichl, Rechtsterrorismus und Staat: Ein Kommentar zum Mordfall Walter Lübcke, VerfBlog, 2019/6/19, https://verfassungsblog.de/rechtsterrorismus-und-staat/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1945

B. Ausblick

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noch als Drohkulisse1952, ohne tatsächlich Anwendung zu finden. Tatsächliche Praxistauglichkeit versprechen demgegenüber das Instrument des Vereinsverbots1953 und das Strafrecht. „Umstürzlerisches“ Handeln ist mittlerweile so umfassend kriminalisiert – angefangen bei Verleumdung (§ 187 StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB) bis hin zur Bildung terroristischer Gruppierungen (§ 129a StGB) –, dass die Verhinderung revolutionärer Umstürze gänzlich im Zuständigkeitsbereich von Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden liegt.1954 Die weitaus größere Gefahr droht der demokratischen Grundordnung durch autoritäre Bestrebungen, die die Mittel der Demokratie zur Schwächung derselben einsetzen. Der Fokus bei der Abwehr solcher Bestrebungen muss vom reaktiven Einsatz des Gewaltmonopols zur präventiven Bestärkung des freiheitlichen demokratischen Gesellschaftskonsenses verschoben werden.1955 Das Verfassungsschutz1950

Das Parteiverbot als prinzipiell legitimes Mittel des Demokratieschutzes ansehend BVerfGE 144, 20, 229 f. Rn. 597; U. Backes, in: ders./Gallus/Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 29. Jahrgang 2017, S. 13, 16 auch mit Nachweisen für die Gegenmeinung in Fn. 18. A. A. – kritisch gegenüber der demokratieschützenden Wirkung von Parteiverboten – etwa J. von Achenbach, No Case for Legal Interventionism: Defending Democracy Through Protecting Pluralism and Parliamentarism, Verfassungsblog, VerfBlog, 2018/12/ 12, https://verfassungsblog.de/no-case-for-legal-interventionism-defending-democracy-thro ugh-protecting-pluralism-and-parliamentarism/ (abgerufen: 30. 11. 2020); M. Ovádek, A Failed Attempt to Dissolve a Political Party in Slovakia, VerfBlog, 2019/4/30, https://verfassungsblog. de/a-failed-attempt-to-dissolve-a-political-party-in-slovakia/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1951 Bisher wurden lediglich vier Anträge nach Art. 18 GG gestellt, die sämtlich bereits im Vorprüfungsverfahren nach § 37 BVerfGG abgelehnt wurden, s. G. Dürig/H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. Lfg. September 2017, Art. 18, Rn. 2 Fn. 3. 1952 Allerdings berechtigterweise auf die Appellfunktion des Art. 18 GG hinweisend G. Dürig/H. H. Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. Lfg. September 2017, Art. 18, Rn. 2 Fn. 3, Rn. 10. Insbesondere wird Art. 18 GG im Gesamtkonzept der Verfassung auch eine grundrechtsstärkende Wirkung dahingehend zugeschrieben, dass der Grundrechtsschutz eben erst mit Verwirkung entfällt und daher etwa Überlegungen, defizitärem Verfassungsschutz durch Vorverlagerung der Eingriffsschwelle zu begegnen, Grenzen gesetzt werden, so M. Schneider, Wie missbraucht man seine Grundrechte?, lto.de, 4. 5. 2019, https://www.lto. de/recht/hintergruende/h/70-jahre-gg-art-18-grundrechte-missbrauch-verwirkung-wehrhafte-de mokratie/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1953 Kritisch allerdings M. Brandstetter, in: Backes/Gallus/Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 2016, S. 188, 191, 195, 205 und U. Backes, in: ders./Gallus/Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 29. Jahrgang 2017, S. 119, 127, da Kleinstparteien wie Die Rechte und Der Dritte Weg als Auffangorganisationen für mit Vereinsverboten belegte „Kameradschaften“ seien. Kritisch gegenüber den Instrumenten der wehrhaften Demokratie im Allgemeinen, insbesondere mangelnde „verfassungspolitische Klugheit“ konstatierend H. Dreier, RW 2010, 11, 28. 1954 Vgl. dazu auch W. Janisch, Gesetze anwenden, SZ v. 27. 6. 2019, S. 4. 1955 In diese Richtung bereits M. Assall, Verfasstheit, nicht Verfassung, in: Schmincke/Siri, NSU Terror, 2013, S. 107, 108: „Politische Macht im modernen kapitalistischen Staat beruht nicht nur bzw. nicht in erster Linie auf der potenziellen oder tatsächlichen Ausübung von Zwang und Gewalt, etwa durch die Polizei, sondern auf der stetig produzierten und reproduzierten Zustimmung der Menschen zu einem System von Werten, Zeichen, Institutionen, Theorien und Praxen, das die Weltanschauung in einer Gesellschaft ausmacht“. Zu diesem Machtverständnis

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Rückblick und Ausblick

recht in der Bundesrepublik Deutschland ist daher reformbedürftig.1956 Eine grundlegende Reform der Verfassungsschutzarchitektur ist freilich ein sehr großes Projekt, dass noch weitergehende, insbesondere empirische, wissenschaftliche Unterstützung voraussetzt1957. Es bedarf eines Wandels von einer wehrhaften zu einer widerstandsfähigen Demokratie. Eine widerstandsfähige oder resistente Ordnung1958 sichert ihre moralischen Grundentscheidungen und formellen Entscheidungsfindungsprozesse gegen unerwünschte Manipulation ab. Schon früh wurde eine dementsprechende Sicherungsfunktion des „Streitbarkeitsprinzips“1959 proklamiert und zugleich die entgegengesetzte allmähliche Entwicklung des Prinzips „zu einer Rundum-Waffe des Staatsschutzes“ bedauert.1960 Stimmen aus der Literatur, die sich dieser Entwicklung schon B. Opratko, Neu- und Umformulierung des Hegemoniebegriffs nach Antonio Gramsci, 2010, S. 8. Vgl. dazu auch mit dem Schlagwort „positiver Verfassungsschutz“ D. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie, 2020, S. 66 f. Ähnlich auch a. a. O., S. 160. 1956 M. Bäcker, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 12 f.; N. Gazeas, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 7; C. Gusy, Grundrechtsentzug gegen Rechtextremisten – Die stumpfe Waffe der streitbaren Demokratie, VerfBlog, 2019/6/23, https://verfassungsblog. de/grundrechtsentzug-gegen-rechtextremisten-die-stumpfe-waffe-der-streitbaren-demokratie/ (abgerufen: 30. 11. 2020): „Wer einen zeitgemäßen Verfassungsschutz will, braucht ein zeitgemäßes Verfassungsschutzrecht.“ (Hervorhebung bereits im Original). C. Streiß, Trennungsgebot, 2011, S. 236, kritisiert, dass der Gesetzgeber beim Umbau der Sicherheitsarchitektur bisher kein „ganzheitliches Konzept“ verfolge. Zur Notwendigkeit die „eher organisch und punktuellem Pragmatismus folgenden“ Entwicklung der neuen Sicherheitsarchitektur in ein umfassenderes und kohärentes Gesamtkonzept einzufügen T. Würtenberger/S. Tanneberger, in: Riescher (Hrsg.), Sicherheit und Freiheit statt Terror und Angst, 2010, S. 97, 99. Bezogen auf das „Recht der Übermittlung personenbezogener Daten zwischen den deutschen Sicherheitsbehörden“ M. A. Zöller, in: Dietrich/Gärditz/Graulich/Gusy/Warg (Hrsg.), Nachrichtendienste in vernetzter Sicherheitsarchitektur, 2020, S. 79, 80, 93. Ferner auch R. Steinke, Polizei und Superpolizei, Süddeutsche Zeitung v. 17. 11. 2018, S. 4: „Bevor dem Verfassungsschutz jetzt wieder mehr Millionen aus dem Bundeshaushalt genehmigt werden, um weiter zu einer Art klandestin arbeitenden Superpolizei heranzuwachsen, wäre es eher an der Zeit für eine grundsätzliche Diskussion: Wie soll es mit dem Nebeneinander dieser beiden Institutionen weitergehen?“ 1957 Eine grundlegende Reform allein der Nachrichtendienstgesetze des Bundes als „Mammutprojekt“ bezeichnend N. Gazeas, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/23706, 2020, S. 8. 1958 T. Würtenberger, in: Kugelmann (Hrsg.), Polizei unter dem Grundgesetz, 2010, S. 73, 73 ff., schlägt Resilienz als gesellschaftliches Leitbild für eine neue Sicherheitsarchitektur vor. Hierbei versteht er Resilienz allerdings, angelehnt ausländische Diskussionen, als Fähigkeit zur Rückkehr in eine Normallage nach einem Großschadensereignis. Siehe auch D. Prange, Krieg der Organisationen, 2018, S. 284: „Im Fall der Bedrohung durch [h]ybride Konflikte ist es notwendig, eine gesamtgesellschaftliche Organisation anzustreben, welche die Resilienz des Gemeinwesens erhöht“. Vgl. zur Bedeutung der „Demokratieverwurzelung“ für den Erhalt einer Demokratie auch V. Volkmann, Meinungsfreiheit, 2019, S. 190 f. 1959 Zur wehrhaften bzw. streitbaren Demokratie bereits 1. Teil Kap. 3 F. (S. 62 ff.). Vgl. auch T. Wihl, KJ 2020, 216. 1960 E. Denninger, VVDStRL 37 (1979), 7, 19. Für eine „restriktive Handhabung“ des Streitbarkeitsprinzips E. M. Schnelle, Freiheitsmissbrauch und Grundrechtsverwirkung, 2014, S. 53.

B. Ausblick

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entgegenstellen und eine „nicht nur sprachliche Abrüstung in der Rechtspolitik“ fordern,1961 dringen zu selten durch. Gerade der 70. Jahrestag des Grundgesetzes bot 2019 Anlass, sich der Möglichkeiten und des Entwicklungspotenzials des Verfassungsschutzes zu vergegenwärtigen. Zwar ist es dem freiheitlichen, säkularen Staat auch in dem Auftrag des Verfassungsschutzes nicht möglich, seine Voraussetzungen etwa durch Zwang zu garantieren1962. Doch können andere Ziele, wie die Bestärkung des gesamtgesellschaftlichen Willens zur Verfassung, verfolgt werden. Es ist deshalb weniger Aufgabe der Institutionen der Verfassungsschutzarchitektur, Verfassungsfeinden die Treue zur Verfassung aufzuzwingen, als den „Willen zur Verfassung“ bei der Mehrheit der Gesellschaft nach Kräften zu fördern.1963 Um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Institutionen zu erhalten, müssen auch die staatlichen Verfassungsschutzmaßnahmen im Rahmen der Verfassung bleiben.1964 Im sensiblen Feld der Verfassungstreue stoßen rechtliche Ge- und Verbote insbesondere auch deshalb an ihre Grenzen, weil sie den freien demokratischen Diskurs1965, den sie schützen sollen, auch beschränken.1966 Andere Investitionen zu seinem Schutz, beispielsweise in Bildung, sind erforderlich und erfolgversprechender.1967 1961 H. Lisken, ZRP 1994, 264, 269; F. Roggan, ZRP 2017, 208, 212. Kritisch etwa auch hinsichtlich einer Überbetonung exekutiver Effektivität gegenüber parlamentarischer Kontrolle im Bereich der Nachrichtendienste J. von Achenbach, No Case for Legal Interventionism: Defending Democracy Through Protecting Pluralism and Parliamentarism, VerfBlog, 2018/12/ 12, https://verfassungsblog.de/no-case-for-legal-interventionism-defending-democracy-throughprotecting-pluralism-and-parliamentarism/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1962 Siehe das sog. Böckenförde-Diktum: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“, E.-W. Böckenförde, in: ders. (Hrsg.), Recht, Staat, Freiheit, erw. Ausgabe 2006, S. 92, 112. Dazu A. K. Mangold, Das BöckenfördeDiktum, VerfBlog, 2019/5/09, https://verfassungsblog.de/das-boeckenfoerde-diktum/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1963 Ähnlich M. Hong, Ein unbequemes Grundrecht, lto.de, 16. 5. 2019, https://www.lto.de/ recht/hintergruende/h/70-jahre-gg-versammlungsfreiheit-artikel-8-unbequemes-grundrecht/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1964 M. Güde, Probleme des politischen Strafrechts, Vortrag vor der Gesellschaft Hamburger Juristen am 22. 3. 1957, S. 27. 1965 T. Wihl, Die Unbestimmtheit der Verfassung: „Verfassungspatriotismus“ mit Jürgen Habermas nach 70 Jahren, VerfBlog, 2019/5/23, https://verfassungsblog.de/die-unbestimmt heit-der-verfassung-verfassungspatriotismus-mit-juergen-habermas-nach-70-jahren/ (abgerufen: 30. 11. 2020), für den schonungslosen, politischen Streit als das vom Grundgesetz Gewollte. 1966 J. von Achenbach, No Case for Legal Interventionism: Defending Democracy Through Protecting Pluralism and Parliamentarism, VerfBlog, 2018/12/12, https://verfassungsblog.de/ no-case-for-legal-interventionism-defending-democracy-through-protecting-pluralism-and-parli amentarism/ (abgerufen: 30. 11. 2020); etwa auch BVerfGE 144, 20, LS 1: „Das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG stellt die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar.“ Zu den „Zweifeln an der politischen Zweckmäßigkeit von Verboten“ bereits in den 1960er Jahren C. Hubo, Verfassungsschutz durch geistig-politische Auseinandersetzung, 1998, S. 36 f., allerdings auch mit dem Hinweis auf die „Revitalisierung des Verbotsinstrumentariums“ ab 1992 (a. a. O., S. 37 ff.).

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Rückblick und Ausblick

Der vorgeschlagene Umbau der Verfassungsschutzämter fügt sich – nicht nur wegen erhöhter Transparenz – in das Gesamtkonzept einer widerstandsfähigen Demokratie ein. Transparente Analysen zu Radikalisierungsursachen befähigen die Bürgerinnen und Bürger zu aktiver Teilnahme am Verfassungsschutz und steigern so die für die Demokratie grundlegenden Partizipationsmöglichkeiten. Bisweilen hinderliche, zumindest aber intransparente Beiträge der Verfassungsschutzämter zu oftmals wirkungslosen, jedenfalls selten nachhaltigen Verbotsverfahren würden durch Aufklärung der Gesellschaft ersetzt und damit ein Beitrag zur politischen Bildung erbracht sowie der Wille zur Verfassung gestärkt. Der Verfassungs- und Staatsschutz in Deutschland wurde nach schwerwiegenden Krisen, wie den Terroranschlägen in den USA im September 2001 und hierzulande dem NSU zwischen 1998 und 2011, stets mit dem Ziel engerer Kooperation der Behörden und immer weitreichenderen Zuständigkeitsverflechtungen reformiert.1968 Die vorliegende Untersuchung wirft einen großflächigen Blick auf die Verfassungsschutzarchitektur und schlägt vor, einen Kurswechsel hin zu verstärkter eigenverantwortlicher Aufgabenerfüllung einzuleiten. Die Aufgaben der Verfassungsschutzämter bieten hierfür einen guten Einstieg.

1967 D. Grimm, How can a democratic constitution survive an autocratic majority?, VerfBlog, 2018/12/13, https://verfassungsblog.de/how-can-a-democratic-constitution-survive-an-au tocratic-majority/ (abgerufen: 30. 11. 2020); J. von Achenbach, No Case for Legal Interventionism: Defending Democracy Through Protecting Pluralism and Parliamentarism, VerfBlog, 2018/12/12, https://verfassungsblog.de/no-case-for-legal-interventionism-defendingdemocracy-through-protecting-pluralism-and-parliamentarism/ (abgerufen: 30. 11. 2020). 1968 Am Beispiel der Reaktion auf den NSU J.-H. Dietrich, in: ders./Sule (Hrsg.), Intelligence Law and Policies in Europe, 2019, S. 471, 479 Rn. 17.

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Sachwortverzeichnis Amtshilfeunfähigkeit 337 Analyseaufgabe 367 – 373 Anfangsverdacht 139, 148, 210, 230 Aufgaben, eigenständige 92 – 124 Aufgabenidentität, Verbot der 331 – 334 Aufgabenparallelität 190 Aufgabenzuweisung, ausschließliche 239, 244, 248 Aufklärung, parallele 188 – 192, 231 f. Auftrag 28, 66 – 68 – Staats- 28, 66 – 68 – Verfassungs- 66 – 68 – zum Verfassungsschutz 28, 66 – 68 Auslandsaufklärung 173 Auslandsbezug 174, 307 – 310 Aussteigerprogramm 369 f. Auswertung von Informationen 95 Befugnisse 96 – 98, 376 – 381 – Befugnisstruktur 376 – 381 – polizeiliche 96 – 98 Befugnisstruktur 376 – 381 Behörde, mitwirkende 125 Belange, auswärtige 110, 344 Beobachtungsgegenstand 98 f., 101 – 117, 342 – 346 Beobachtungsobjekt 127, siehe auch Beobachtungsgegenstand Beobachtungstätigkeit 92 – 98 Beobachtungszweck 118 – 124, 215, 370 Bestand des Bundes und der Länder 55 f., 105 f. Bestrebung 46, 99 – 101 – gewalttätige 109 – 111 – verfassungsschutzrelevante 46 – völkerverständigungswidrige 343 Bundesministerium der VerteidigungBezug 163 f., 169 Breitscheidplatz-Anschlag 285 f. Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik 362 – 364

Bundesnachrichtendienst 164 f., 171 – 174 Bundesoberbehörde 80, 157 f. Bundesstaatsprinzip 202 f., 207 Bundeswehr 174 f. Cyberabwehr

126, 156

Daten, personenbezogene 381 f. Datentrennung siehe Trennungsprinzip, informationelles Demokratie – streitbare 54 – wehrhafte 44, 46 f., 62 – 65, siehe auch Demokratie, streitbare – widerstandsfähige 397 – 400 Demokratieprinzip 244 – 248, 257 f. Dimension 30 – nationale 30 – unionsrechtliche 31 – 34 – völkerrechtliche 34 Dokumentationspflichten 266, 268, 271 f. Effektivität 276 – der Gefahrenabwehr 277 f., 312 – 315 – der Spionageabwehr 312 – 315, 318 f. – Effektivitätshindernisse 281 – 286, 295 f. – Effektivitätssteigerung 279 – 281 – Gebot möglichst effektiver Verwaltung 277 f., 287, 295 Effizienz 276 Eigensicherung 315 Eingriffsschwellen 348 f. Einzelperson 100 f. Ermittlungen – auslandsbezogene 324 – parallele 231 f., 278 – 288 Ermittlungsansätze 137, 149, 178, 181 Ermittlungsbehörde 134 Ermittlungsmethoden, verdeckte 377 – 381 Extremismusbeobachtung 101 – 106, 109 – 113, 126 – 128, 154 f.

Sachwortverzeichnis Frühwarnsystem 160, 185 Funktionentrennung 299 – 302, 360 Gebot möglichst effektiver Verwaltung 277 f., 287, 295 Gefahrenabwehr 132 f., 137 – 142, 150 – 153 Gefahrenprophylaxe 142 – 145, 149 – 153, 367 Gefahrenursache 46 – 49 – vom Menschen ausgehende Gefahren 46 f. – von der Natur ausgehende Gefahren 48 f. Gefahrenverdacht 139, 148, 210, 230 Gegenspionage 109, 193, 313 f., 323 Geheime Staatspolizei (Gestapo) 29, 198, 351 Gemeinsames Zentrum 280 f. – Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) 251 – Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) 280 f. Gemeinschaftsgüterschutz 43 – 45 Gewaltenteilung, föderale 259 Grundordnung, freiheitlich demokratische 52 – 55, 103 f. Grundrechtseingriff 232 – 236, 335 – additive Grundrechtseingriffe 232, 235 – 239, 292 f. – Verbot ungerechtfertigter additiver Grundrechtseingriffe 233 f. Grundsatz der ausschließlichen Aufgabenzuweisung 239 – 254, 310 f. Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung 261 f. In-camera-Verfahren 286 Individualrechtsgüterschutz 42 f. Information der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden 120 f. Information der Gesellschaft 120, 150 f. Information der politischen Entscheidungsträger 119 f., 150 f. Informationen 95 – wirtschafsbezogene 324 f. – Informationsdienstleister 160, 329 – Informationserhebungszweck siehe Beobachtungszweck

447

– Informationsgesellschaft 27 – 29 – Informationsherrschaft 265 f., 267 f. – Informationsvorsorge 133, 140 – 142, 152, 329, 333, 348 f. – Informationszeitalter 27 – 29 Inlandsbezug 128 – 125, 174 Kausalverlaufsveränderung 140 f., 151, 179 Kollisionsnorm 349 f. Kompetenz siehe auch Zuständigkeit – grundgesetzliche Kompetenzordnung 240 – 244, 311 f., 318 f. Konzentrationsverbot 321 f. Legalitätsprinzip 298 Legitimationsniveau, hinreichendes 246 linksunten.indymedia 283

244,

Maßnahmen – aktionelle 140 – 142, 150 – informatorische 140 – 142, 150 Menschenwürde 53 f. Militärischer Abschirmdienst 163 f., 168 – 171 Militärisches Nachrichtenwesen der Bundeswehr 165 – 167 Mischverwaltung 259 Mitwirkungsaufgaben 124, 154 Nachrichtendienst 31, 78, 165 – 167 Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) 28 f., 251, 275, 282 f. NPD-Verbotsverfahren 356 f. Organisation, föderale 78 – 88, 90, siehe auch Struktur, föderale Organisationsgewalt 240 f., 244, siehe auch Transformationskompetenz Organisationsstruktur, föderale 383, siehe auch Organisation, föderale sowie Struktur, föderale Organisierte Kriminalität 86 f., 113 – 115, 187, 189 f. Parallelzuständigkeit 309 f. Parteiverbot 355 – 357

448

Sachwortverzeichnis

Polizei, politische 200, 299 Polizeibrief 200 f. Prävention 132, 137 f. – abstrakt-generelle 142 – 145, siehe auch Gefahrenprophylaxe – einzelfallbezogene 137 – 142, siehe auch Gefahrenabwehr – primäre Prävention 328, 372 f., 375 – sekundäre Prävention 328 Proliferation 109 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 216 Rechtsstaatsprinzip 201 f., 208 f., 249 – 252, 254 – 257 Repression 132, 133 – 137 Ressortzuteilung 383 f. Sabotage- und Geheimschutz 125, 154 – 156, 361 – 364 – personeller 125, 155 f., 362 – technischer 126, 155 f., 362 – 364 Sammlung von Informationen 93 f. Schutzgüter des Verfassungsschutzes 50 – 60 – Bestand des Bundes und der Länder 55 f., 105 f. – freiheitlich demokratische Grundordnung 52 – 55, 117 – Sicherheit des Bundes und der Länder 56 – 59 Schutzlücken 364 f. Sicherheit – äußere 40 f., 165 – des Bundes und der Länder 56 – 59, 106 – innere 42 – 45 Sicherheitsarchitektur 28, 38, 45, 69 f., 145 – 149, 185 Sicherungsmechanismen, prozedurale 236 f., siehe auch Verfahrensvorgaben Sonderaufgaben, länderspezifische 113 – 115 Spionage 106 – 109 Spionageabwehr 106 – 109, 127 f., 155, 174, 177, 192 f., 342 f., 361 – 364 – Lokalität der 309 f. – nachrichtendienstliche 304, 306 f. – polizeiliche 305 – 307

– präventive 125 – repressive 109 Spurenansatz 349 f. Staatsferne 355 f. Staatsschutz 60 – 62 Staatsschutzstrafrecht 47, 175 f. Strafverfolgung 132 Strafverfolgungsbehörden 136 Strafverfolgungsvorsorge 135 Struktur, föderale 70 – 75, 79 – 88, 90 Struktur, zentralistische 318 f. Strukturbezug 100, 154, 333 f. Strukturen-Analyse 368 – 370 Subsidiarität 349 System, föderales siehe Struktur, föderale sowie Organisation, föderale Transformationskompetenz 240 f. Trennungsgebot 147 f., 198 f. – funktionales 205 – 209, 215 – 224, 292 – generelles siehe pauschales – institutionelle siehe organisatorisches – kompetenzielles 209 – 212, 224 – 226, 292 – organisatorisches 204 f., 221 – pauschales 201 – 203 – personelles 205, 221 – spezifische Trennungsgebote 204 – umfassendes siehe pauschales – Ursprung des 200 Trennungsprinzip, informationelles 216 – 218, 220, 226 – 231, 237, 291 f. Überwachungsgesamtrechnung

234, 238 f.

Verantwortungsklarheit 190 f., 293 f. – Gebot der 254 – 262, 293 f. Verbot der Mischverwaltung 259 f. Verbot der Rundumüberwachung 232 Vereinsverbot 264 – 266, 357 – 359 Verfahrensherrschaft 261 f., 265 f., 267 – faktische 268, 270 f. Verfahrensstrukturen, verflochtene 247 Verfahrensvorgaben 236 f. Verfassungskern 52 f. Verfassungsschutz 50, 60 – 62, 64 f. – institutioneller 65, 68, siehe Verfassungsschutzämter

Sachwortverzeichnis – ministerialer siehe Verfassungsschutz, ministerieller – ministerieller 152, 160 – 162, 264 – präventiv-polizeilicher 178 – 182 – strafrechtlicher 175 – 178 – verfassungsgerichtlicher 161 Verfassungsschutzämter 78, siehe auch Verfassungsschutz, institutioneller Verfassungsschutzarchitektur 68 – 75, 159, 185 Verfassungsschutzaufgaben, spezifische 159 Verfassungsschutzauftrag 153, 329 – grundgesetzlicher 66 – 68 Verfassungsschutzbericht 370 f. Verfassungsschutzinstitutionen 69, 159 Verfassungsschutzkonnex 117 Verfassungsschutzverbund 76 – 90, 307, 320 Verwaltungsorganisation 240 – 243

449

Verwaltungsverfassungsrecht 197, 240, 252 Völkerverständigung 111 – 113 Vorfeldaufklärung 181 Vorratsdatenspeicherung 181 Wirtschaftsschutz, präventiver

324 f.

Zentralisierung 88 f., 320 Zentralstelle 80 – 83, 84 f. – Zentralstellenfunktion 82, 84 f., 157 f. Zuständigkeit 240, siehe auch Kompetenz – Reservezuständigkeit 87 f. Zwangsbefugnisse siehe Befugnisse, polizeiliche Zweckänderung 121, 217, 229 f. Zweckbestimmung 370 Zweckbindung 120 f., 217 – Gebot der 272 – 274