Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr [1 ed.] 9783428484805, 9783428084807

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Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr [1 ed.]
 9783428484805, 9783428084807

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft

Band 96

Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr Von

Jörg Kondring

Duncker & Humblot · Berlin

JÖRG KONDRING Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr

Münsterische Beiträge z u r Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp B a n d 96

Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr

Von

Jörg Kondring

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kondring, Jörg: Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr / von Jörg Kondring. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft ; Bd. 96) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08480-2 NE: GT

D 6 Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 3-428-08480-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Für Claudia

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1994/95 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Der Text ist in seiner Ausgangsfassung auf dem Stand von März 1994; nach diesem Zeitpunkt erschienene Literatur und Rechtsprechung konnte zu einem großen Teil noch bis zum 31.12.1994, in wenigen Einzelfällen auch darüber hinaus berücksichtigt werden. Mein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Herbert Roth, Direktor des Instituts für Internationales Wirtschaftsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er führte mich in meiner beinahe vierjährigen Tätigkeit am Institut an das internationale Zivilverfahrensrecht heran und war mir während der Entstehung der Arbeit stets offener und kritischer Ansprechpartner und Förderer zugleich. Durch ihn habe ich jede denkbare Unterstützung erfahren. Herrn Prof. Dr. Helmut Kollhosser danke ich nicht nur für seine Tätigkeit als Zweitgutachter, sondern auch — zusammen mit den beiden anderen Herausgebern, den Herren Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen und Prof. Dr. Jürgen Welp — für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft". Der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster danke ich für die Gewährung eines Promotionsstipendiums. Korschenbroich, im Mai 1995 Jörg Kondring

Inhaltsverzeichnis Einleitung

25

Erster Teil Grundlagen

Erstes Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht § 1

§2

§ 3

§4

§ 5

Der Begriff der Zustellung im innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland

29

29

Die Inlandszustellung nach dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland

31

I.

31

Regelungsgegenstand der §§ 166 ff. ZPO

II.

Amts- und Parteizustellung

32

III.

Das allgemeine Verfahren der Zustellung

33

IV.

Die Zustellungsurkunde

34

V.

Besondere Zustellungsarten

35

VI.

Zustellungsfehler

38

Der Zweck der Zustellungsförmlichkeiten

38

I.

Der Zweck prozessualer Formen im allgemeinen

39

II.

Der Zweck der Zustellungsförmlichkeiten im besonderen

43

Heilung und weite Auslegung

48

I.

Die Heilung

48

II.

Die weite Auslegung der Formvorschriften

52

Heilungsmöglichkeiten nach der ZPO

54

I.

Die Wiederholung des fehlerhaften Zustellungsaktes

54

II.

Die formlose Genehmigung

56

III.

§ 295 ZPO

58

IV.

§ 187 ZPO

61

V.

Heilung nach dem ungeschriebenen Zweckerreichungsgrundsatz

66

10

nsverzeichnis VI.

Heilung durch Zweckvereitelung

71

VII. Verhältnis der Heilungsmöglichkeiten zueinander

72

Zweites Kapitel: Grundlagen der internationalen Rechtshilfe in Zustellungssachen

74

§6

Die Zustellung im System der nationalen und internationalen Rechtshilfe

74

§ 7

Die Verpflichtung der Staaten zur Leistung von Rechtshilfe in Zustellungssachen . . . . 80

§ 8

Die Einleitung der Auslandszustellung

85

I.

Die Auslandszustellung aus deutscher Sicht

85

II.

Fiktive Auslandszustellungen

86

III.

Das französische System der remise au parquet

88

§ 9

Die Zustellung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr

92

I.

Die Zustellungswege

92

II.

1.

Der diplomatische Weg

93

2.

Der konsularische Weg

93

3.

Die Zustellung durch diplomatische und konsularische Vertretungen in eigener Zuständigkeit

93

4.

Der unmittelbare Behördenweg

94

5.

Sonstige Zustellungswege im vertragslosen Zustellungsverkehr

95

Das auf die Durchführung der Zustellung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr anwendbare Recht 97 1.

2.

Das bei eingehenden Ersuchen anwendbare Recht

101

a)

Durchführung der Zustellung durch deutsche Behörden

101

b)

Durchführung der Zustellung durch ausländische Konsuln und Diplomaten in eigener Zuständigkeit 103

c)

Exkurs: Die formlose Zustellung als Form der deutschen lex fori

....

Das bei ausgehenden Ersuchen anwendbare Recht

104 105

a)

Durchführung der Zustellung durch die Behörden des Zustellungsstaates

105

b)

Durchführung der Zustellung durch deutsche Konsuln und Diplomaten in eigener Zuständigkeit

106

§ 10 Die Grundlagen der Zustellung im vertraglichen Rechtshilfeverkehr

107

I.

Die einschlägigen multilateralen völkerrechtlichen Verträge

107

II.

Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach den Haager Übereinkommen

111

1.

Im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 geltende Vereinfachungsvereinbarungen

112

nsverzeichnis 2.

Im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 geltende Vereinfachungsvereinbarungen

112

III.

Die einschlägigen bilateralen völkerrechtlichen Verträge

113

IV.

Der Anwendungsbereich der Abkommen: Zivil- und Handelssachen

116

§ 11 Die Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954

119

I.

Die Zustellungswege

120

II.

Das auf die Durchführung der Zustellung anwendbare Recht

121

§ 12 Das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen von 1965

124

I.

Ablehnungsgründe

125

II.

Die Zustellungswege

126

III.

Das auf die Durchführung der Zustellung anwendbare Recht

133

IV.

Art. 15 und 16 HZÜ

136

1.

Art. 15 I HZÜ

137

2.

Art. 15 II HZÜ

149

3.

Art. 16 HZÜ

157

§ 13 Die bilateralen Rechtshilfeverträge

161

I.

Nach den Vorbildern der Haager Übereinkommen geschlossene bilaterale Rechtshilfe Verträge 161

II.

Das deutsch-britische Abkommen

162

§ 14 Besonderheiten der Zustellung zwischen den Vertragsstaaten des EuGVÜ

167

I.

Art. IV Protokoll zum EuGVÜ

168

II.

Art. 20 II und III EuGVÜ

169

Zweiter

Teil

Die Heilung von Zustellungsmängeln im internationalen Zivilrechtsverkehr

Erstes Kapitel: Einführung

174

§ 15 Fehlerarten bei der internationalen Zustellung und ihre Überwindung

174

I.

II.

Fehlerarten

175

1.

Inlandszustellung statt erforderlicher Auslandszustellung

175

2.

Falscher Übermittlungsweg

176

3.

Durchführungsfehler seitens der ersuchten Behörde

178

4.

Fehlende Übersetzung

179

Die Überwindung der Zustellungsfehler

180

12

nsverzeichnis

Zweites Kapitel: Zustellungsfehler bei ausgehenden Ersuchen — die Heilung im Urteilsverfahren § 16 Die Heilung ausgehender Ersuchen im vertragslosen Zustellungsverkehr I.

II.

IV.

184

1.

Ansicht des BGH

185

2.

Kritik der Entscheidung

187

a)

Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik von § 187 ZPO

b)

Souveränitätserwägungen

....

187 189

Falscher Übermittlungsweg

194

1.

Übertragung der Rechtsprechung des BGH

195

2.

Mögliche völkerrechtliche Bedenken

197

a)

Völkerrechtliche Wiedergutmachungsansprüche

199

b)

Art. 25 GG

201

c)

Warnfunktion

202

d)

Vergleich mit § 9 VwZG

203

Ergebnis und praktische Umsetzung

204

a)

204

Ergebnis

b)

Übertragung des Ergebnisses auf die Ausgangsfälle

205

c)

Weitere Anwendungsfälle

207

aa) Unzulässige konsularische Zustellung

207

bb) Unzulässiger Übermittlungsweg bei aktiver Rechtshilfe durch ausländische Behörden

208

cc) Unzulässige Privatzustellung

208

Durchführungsfehler

209

1.

Heilung nach dem Recht des Zustellungsstaates

211

2.

Heilung nach deutschem Recht

213

Fehlende Übersetzung 1.

Die Notwendigkeit der Übersetzung ausgehender deutscher Ersuchen im vertragslosen Zustellungsverkehr a)

2.

3. V.

183

Inlandszustellung statt erforderlicher Auslandszustellung

3.

III.

183

214 214

Die Notwendigkeit einer Übersetzung nach ungeschriebenen völkerrechtlichen Regeln

214

b)

Die Notwendigkeit einer Übersetzung nach deutschem Recht

215

c)

Die Notwendigkeit einer Übersetzung nach dem Recht des ersuchten Staates

216

Beachtlichkeit und Heilbarkeit des Übersetzungsmangels im deutschen Prozeß

218

Ergebnis

220

Besonderheiten im Verhältnis zu Irland

221

Inhaltsverzeichnis VI.

13

Ergebnis

222

§ 17 Die Heilung ausgehender Ersuchen im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954

223

I.

Inlandszustellung statt erforderlicher Auslandszustellung

224

II.

Falscher Übermittlungsweg

227

1.

Ansicht des Kammergerichts

228

2.

Eigene Würdigung

229

a)

Heilungsausschluß durch den völkerrechtlichen Grundsatz des pacta sunt servanda 230 Die Haager Zivilprozeßübereinkommen als lex specialis gegenüber den internen Heilungstatbeständen 231

b) c) 3. III.

Vergleich mit anderen staatsvertraglichen Zustellungsregeln

232

Ergebnis

236

Durchführungsfehler

238

1.

Heilung nach dem Recht des Zustellungsstaates

239

2.

Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates

240

a)

Durchführung der Zustellung nach dem Recht des Gerichtsstaates

b)

Durchführung nach dem Recht des ersuchten Staates

. . . 241 241

IV.

Fehlende Übersetzung

V.

Besonderheiten im Verhältnis zu den EuGVÜ- und den (ehemaligen) EFTAStaaten

246

VI.

Ergebnis

247

§ 18 Die Heilung ausgehender Ersuchen im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965

243

247

I.

Inlandszustellung statt erforderlicher Auslandszustellung

II.

Falscher Übermittlungsweg

262

III.

Durchführungsfehler

268

1.

2. IV.

Die Heilung von Durchführungsfehlern innerhalb von sechs Monaten seit Absendung des Rechtshilfeersuchens

269

a)

Heilung nach dem Recht des Zustellungsstaates

269

b)

Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates

Heilung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist

Fehlende Übersetzung 1.

2.

250

272 274 277

Das Übersetzungserfordernis im Hinblick auf Vertragsstaaten, die keine Erklärung im Sinne des Art. 5 III HZÜ abgegeben haben

278

a)

Heilung nach dem Recht des ersuchten Staates

279

b)

Heilung nach dem Recht des ersuchenden Staates

281

Das Übersetzungserfordernis im Hinblick auf Vertragsstaaten, die eine Erklärung im Sinne des Art. 5 III HZÜ abgegeben haben

281

14

§ 19

nsverzeichnis a)

Kein Übersetzungsmangel bei formloser Zustellung trotz beantragter förmlicher Zustellung

283

b)

Verlagerung der Übersetzungspflicht bei förmlicher Zustellung

285

c)

Das eigentliche Heilungsproblem

287

V.

Besonderheiten im Verhältnis zu den EuGVÜ- und den (ehemaligen) EFTAStaaten

289

VI.

Ergebnis

289

Die Heilung ausgehender Ersuchen im Rahmen der bilateralen Rechtshilfeübereinkommen

291

I.

Der deutsch-griechische und der deutsch-türkische Rechtshilfe vertrag

291

II.

Der deutsch-tunesische Vertrag

292

III.

Der deutsch-marokkanische Rechtshilfe vertrag

294

IV.

Der deutsch-britische Rechtshilfevertrag

295

V.

Das Verhältnis der bilateralen Rechtshilfeübereinkommen zum Haager Zustellungsübereinkommen im Hinblick auf die Heilung von Zustellungsfehlern . . . .

296

Drittes Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

298

§ 20

Die Heilung im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren

298

§ 21

Die Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen von § 328 I Nr. 2 ZPO

303

I. Die Ansicht des BGH

304

II.

305

Kritik der Entscheidung 1.

Die Übersetzung als Zustellungserfordernis der postalischen Direktzustellung

2.

Heilbarkeit nach dem Recht des Urteilsstaates

307

3.

Heilung nach dem Recht der deutschen lex fori

308

a)

III. § 22

305

Berufung auf Literatur und Rechtsprechung zu § 328 I Nr. 2 ZPOa.F

309

b)

Berufung auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ

311

c) d)

Der ordre public-Gedanke in § 328 I Nr. 2 ZPO n.F 312 Differenzierung zwischen vertraglichem und vertragslosem Zustellungsverkehr 315

e)

Das deutsche Heilungsrecht im Rahmen von § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. . . 316

f)

Exkurs: § 16a Nr. 2 FGG

Ergebnis

Die Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ

322 323 324

I.

Die Entscheidung des EuGH

324

II.

Kritik der Entscheidungen

325

nsverzeichnis 1.

Das Verhältnis von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und § 328 I Nr. 2 ZPO

328

2.

Das Verhältnis von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zu Art. 20 II und III EuGVÜ

3.

Die einheitliche Anwendung des EuGVÜ

335

4.

Die Entwicklung eines ungeschriebenen europarechtlichen Heilungsgrundsatzes

338

a) b)

. . 331

Die Schaffung allgemeiner europarechtlicher Rechtsgrundsätze im Wege einer rechtsfortbildenden Rechtsvergleichung 338 Analyse des Heilungsrechts der EuGVÜ-Vertragsstaaten

340

aa) Belgien

341

bb) Dänemark

343

cc) Frankreich

343

dd) Griechenland

345

ee) Irland

346

Italien

347

gg) Luxemburg

ff)

348

hh) Niederlande

348

ii)

Portugal

349

jj)

Spanien

351

kk) Vereinigtes Königreich

351

(a) England

351

(b) Schottland c)

d)

356

Exkurs: Das Heilungsrecht der (ehemaligen) EFTA-Staaten

356

aa) Finnland

357

bb) Island

357

cc) Norwegen

358

dd) Österreich

358

ee) Schweden

359

ff)

360

Schweiz

Wertung der Ergebnisse und Konstruktion eines europarechtlichen Heilungsgedankens im Wege der rechtsfortbildenden Rechtsvergleichung . 362

5.

Einbindung des europarechtlichen Heilungsgrundsatzes in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ

363

6.

Ergebnis

368

Die Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen der bilateralen und weiterer multilateraler Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen

369

I.

Die praktische Lösung des Heilungsproblems über das Günstigkeitsprinzip . . . .

370

II.

Heilungsgrundsätze im Rahmen der bi- und multilateralen Übereinkommen

. . . 373

16

nsverzeichnis

Viertes Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

375

§ 24

Die Heilung bei Erteilung des Zustellungszeugnisses

375

§ 25

Die Heilung bei der Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke

379

I.

381

Die Heilung im Urteilsstaat 1. 2.

II.

Die Heilung bei der Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke nach § 199 ZPO und nach den völkerrechtlichen Verträgen

382

Die Heilung bei der Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke nach,den §§ 174 II, 175 ZPO

385

a)

Sachlicher Anwendungsbereich des § 175 ZPO

386

b)

Zulässigkeit der Zustellung nach § 175 ZPO im internationalen Rechtshilfeverkehr 388

c)

Heilbarkeit von Zustellungsfehlern bei § 175 ZPO

Die Heilung im Anerkennungsstaat

Zusammenfassung und Ausblick

392 396

399

Literaturverzeichnis

406

Stichwortverzeichnis

422

Abkürzungsverzeichnis a.

auch

a.A.

anderer Ansicht

AB1.EG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

A.C.

Law Reports, Appeal Cases (brit.)

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

a.E.

am Ende

a.F.

alte Fassung

AG

Amtsgericht

AGVE

Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen (schweiz.)

AK-ZPO

Alternativ-Kommentar zur ZPO

AUER

All England Law Reports (brit.)

allg.

allgemein

AmJCompL

American Journal of Comparative Law (US)

anc. CPC

ancien code de procédure civile (franz.)

Anh.

Anhang

Anm.

Anmerkung

arg. e

argumentum e

arg. e cont.

argumentum e contrario

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

AusfG

Ausführungsgesetz

AVAG

Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen

AWD

Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters

Az.

Aktenzeichen

BAnz

Bundesanzeiger

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayObLGZ

Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen

BB

Betriebsberater

Bd.

Band

2 Kondring

18

Abkürzungsverzeichnis

Bearb.

Bearbeiter

begr.

begründet

Bek.

Bekanntmachung

BFH

Bundesfinanzhof

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGE

Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BJM

Bundesjustizministerium

BLÄH

Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann

BRat-Drucks.

Bundesratsdrucksache

Bsp.

Beispiel

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksache

Bull.Civ.

Bulletin des arrêts de la Cour de Cassation, Chambre civile (franz.)

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BW

Baden-Württemberg

BYIL

British Year Book of International Law

bzw.

beziehungsweise

C.A.

Court of Appeals (brit.)

Cah.Dr.Europ.

Cahiers de droit européen (franz.)

Cal.C.Civ.Proc.

California Code of Civil Procedure

Cal.Rptr.

California Reporter

Cir.

Circuit Court of Appeals (federal) (US)

CJ

Code judiciaire (belg.)

Clunet

Journal de droit international, begr. v. Clunet (franz.)

CPC

Code de procédure civile (franz. / lux.) / Codice di procedura civile (ital.)

d.

des

Dalloz

Recueil Dalloz (franz.)

Décr.

Décret

Del.C.Anno

Delaware Code Annotated

ders.

derselbe

Abkürzungsverzeichnis DGVZ

Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitschrift

d.h.

das heißt

d.i.

das ist

dies.

dieselbe

Diss.

Dissertation

DIZPR

Deutsches Internationales Zivilprozeßrecht

lit.

littera

DJ

Deutsche Justiz

DNotZ

Deutsche Notarzeitschrift

DokNr.

Dokumentennummer

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

dt.-belg.

deutsch-belgisch

dt.-brit.

deutsch-britisch

dt.-dän.

deutsch-dänisch

dt.-niederl.

deutsch-niederländisch

dt.-norw.

deutsch-norwegisch

DtStrafR

Deutsches Strafrecht

dZPO

deutsche ZPO

DZWir

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EFG

Entscheidungen der Finanzgerichte

EFTA

European Free Trade Association

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EGGVG

Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EGZPO

Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

19

Enzyclopedia

International Enzyclopedia of Comparative Law

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGVÜ

Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

EuratomV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

f.

folgender

F.2d

Federal Reporter, second series (US)

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

2*

20 Fase.

Abkürzungs Verzeichnis Fascicule

ff.

folgende

FG

Finanzgericht

FGG

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Fn.

Fußnote

fortgef.

fortgeführt

franz.

französisch

F.R.C.P.

Federal Rules of Civil Procedure (US)

F.R.D.

Federal Rules Decisions (US)

FS

Festschrift

F.Supp.

Federal Supplement (US)

Gaz.Pal.

Gazette du Palais (franz.)

GG

Grundgesetz

GmS-OBG

Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichte des Bundes

griech.

griechisch

Gruchot

Gruchot Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts

GS

Gedächtnisschrift

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HB

Handbuch

HFR

Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung

h.M.

herrschene Meinung

hrsg.

herausgegeben

Hrsg.

Herausgeber

HZÜ

Haager Zustellungsübereinkommen

ICJ Reports

International Court of Justice Reports

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly (brit.)

idF

in der Fassung

i.E.

im Ergebnis

IGH

Internationaler Gerichtshof

IGH-Statut

Statut des Internationalen Gerichtshofes

insb.

insbesondere

Int.Leg.Mat

International Legal Materials

IPRax

Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts

IPRspr.

Die Deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des IPR

iSd

im Sinne des

ital.

italienisch

iur.

juristisch

Abkürzungsverzeichnis iVm

in Verbindung mit

IZPR

Internationales Zivilprozeßrecht

IzRspr.

Sammlung der deutschen Entscheidungen zum interzonalen Privatrecht

IZVR

Internationales Zivilverfahrensrecht

J.C1.

Juris Classeur (franz.)

JK

Jura Kartei

JR

Juristische Rundschau

J.T.

Journal des tribunaux (belg.)

JurBiiro

Das juristische Büro

JURIS

Juristisches Informationssystem

JuS

Juristische Schulung

JVB1.

Justizverwaltungsblatt

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

KonsularG

Konsulargesetz

krit.

kritisch

Leg.Per.

Legislaturperiode

LG

Landgericht

li.Sp.

linke Spalte

LJV

Landesjustizverwaltung

Lloyd's Rep.

Lloyd's Law Reports (brit.)

LM

Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, hrsg. von Lindenmaier / Möhring

LS

Leitsatz

lux.

luxemburgisch

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m.E.

meines Erachtens

MüKo-BGB

Münchener Kommentar zum BGB

MüKo-ZPO

Münchener Kommentar zur ZPO

mwN

mit weiteren Nachweisen

NCPC

nouveau code de procédure civile (franz.)

NdsRpfl.

Niedersächsische Rechtspflege

n.F.

neue Fassung

NiemZ

Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht

NILR

Netherlands International Law Review

22

Abkürzungserzeichnis

N.J.

Nederlandse Jurisprudence

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungs-Report

Nr.

Nummer

N.Y.B.C.L.

New York Business Corporation Law

öBGBl.

österreichisches Bundesgesetzblatt

o.g.

oben genannt

OK

Oikeudenkäymiskaari (finn.)

OLG

Oberlandesgericht

OLGZ

Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

österArchiv für KirchenR

Österreichisches Archiv für Kirchenrecht

österr.

österreichisch

öZföR

Österreichische Zeitschrift für Öffentlichens Recht

öZPO

österreichische ZPO

öZustG

österreichisches Zustellungsgesetz

poln.

polnisch

Prot.

Protokoll

Q.B.

Queens Bench Division (auch Law Reports) (brit.)

r.

rule

RabelsZ

Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

RAGE

Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts

RB

Rättegängsbalken (schwed.)

RCADI

Recueil des Cours de l'Académie de droit international

RCDIP

Revue critique de droit international privé (franz.)

RDIPP

Rivista di diritto internazionale privato e processuale (ital.)

Rev.Int.Dr.Comp.

Revue internationale de droit comparé (franz.)

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

ROW

Recht in Ost und West

RPflege-VereinfG

Rechtspflegevereinfachungsgesetz

Rpfleger

Der Deutsche Rechtspfleger

R.S.C.

Rules of the Supreme Court (brit.)

RT-Drucks.

Reichstagsdrucksache

Rv

Wetboek van Burgerlijke Regtsvoordering (niederl.)

Rz.

Randzahl

Abkürzungsverzeichnis s.

siehe

S.

Seite, Satz

sc.

scilicet

SchlHA

Schleswig-Holsteinische Anzeigen

S.Ct.

Supreme Court Reporter (US)

sect.

section

SeuffArch.

Seuffers Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten

Slg.

Sammlung

sog.

sogenannte(r)

StAZ

Das Standesamt

StJ

Stein / Jonas

str.

streitig

StrEG

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen

StudGen

Studium Generale

Subsec.

Subsection

SZIER

Schweizer Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht

u.a.

unter anderem

Unidroit

Institut international pour l'unification du droit privé

U.S.C.A.

United States Code Annotated

v.

versus / von

VereinfVereinb

Vereinfachungsvereinbarung

Verf.

Verfasser

VersR

Versicherungsrecht

vgl.

vergleiche

VMB1.

Ministerialblatt des Bundesministers für Verteidigung

VO

Verordnung

Vol.

Volume

VwZG

Verwaltungszustellungsgesetz

WiRO

Wirtschaft und Recht in Osteuropa

WM

Wertpapier-Mitteilungen

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis

WuB

Wirtschafts- und Bankrecht

WVK

Wiener Vertragsrechtskonvention

ZAkDR

Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

z.B.

zum Beispiel

24 ZBernJV

Abkürzungserzeichnis Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins

ZEuP

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht

ZfJ

Zentralblatt für Jugendrecht

ZfRV

Zeitschrift für Rechtsvergleichung (österr.)

Ziff.

Ziffer

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

zit.

zitiert

ZPG

Zivilprozeßgesetz

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZPR

Zivilprozeßrecht

ZRHO

Rechtshilfeordnung in Zivilsachen

ZusAbk

Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut

zust.

zustimmend

ZustG

Zustellungsgesetz

ZVglRWiss

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaften

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung Bei der Zustellung im internationalen Rechtsverkehr „hat man es mit einer äußerst technischen Rechtsdisziplin zu tun, mit einer Rechtsdisziplin auch, die sich in der Abgeschiedenheit von Amtsstuben vollzieht und die sich vor allem dann bewährt, wenn sie zu wenig Diskussionen Anlaß gibt" 1. Geht man von der Richtigkeit dieser Prämisse aus, so ist es um die Zustellung im internationalen Zivilrechtsverkehr schlecht bestellt. Wie ein Blick in die einschlägigen Urteilssammlungen 2 schnell verrät, herrscht hier trotz der bereits relativ weit fortgeschrittenen staatsvertraglichen Kodifizierung des internationalen Zustellungsrechts3 einige Unsicherheit. Das gilt auch für die Frage der Heilung von Zustellungsfehlern, die in jüngster Zeit schon mehrfach sowohl den EuGH 4 als auch den BGH 5 beschäftigte. Insgesamt ist zu erwarten, daß die Relevanz des hier behandelten Themas durch den im Gemeinsamen Europäischen Markt bevorstehenden weiteren Anstieg der grenzüberschreitenden Zustellungen erneut wachsen wird. 6 Dies gilt insbesondere für die wirtschaftliche Tätigkeit kleinerer und mittlerer Unter-

1

Volken ZBernJV 118 (1982), 441, 450, freilich bezogen auf die Rechtshilfe im allgemeinen.

2

So enthält die vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht herausgegebene und von Jan Kropholler bearbeitete Urteilssammlung „Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts" allein in den Jahren 1988 und 1989 etwa 20 Urteile aus dem Bereich der Zustellung im internationalen Zivilrechtsverkehr. 3

Gemeint ist insbesondere das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15. November 1965, BGBl. 1977 II, S. 1453, dem gegenwärtig (Stand 31. Dezember 1994) außer der Bundesrepublik Deutschland 30 weitere Staaten angehören. 4 EuGH Slg. 1990 1-2725 (Lancray . / . Peters); RIW 1993, 65 = EuZW 1993, 39 (Minalmet . / . Brandeis). 5

BGHZ 120, 305; BGH RIW 1993, 673 = W M 1993, 1352; W M 1991, 1050 (Vorlageentscheidung zu EuGH RIW 1993, 65 [Minalmet . / . Brandeis]); W M 1990, 1936 (ergangen im Anschluß an Vorabentscheidung des EuGH Slg. 1990 1-2725 [Lancray . / . Peters]); W M 1988, 1617 (Vorlageentscheidung zu EuGH Slg. 1990 1-2725 [Lancray . / . Peters]). 6

Zur Zunahme von internationalen Zustellungsproblemen bei ansteigendem grenzüberschreitendem Warenverkehr vgl. Junker IPRax 1986, 197, 198.

26

Einleitung

nehmen, die seltener als Großunternehmen auf das von Zustellungsformalitäten weitestgehend befreite schiedsgerichtliche Verfahren 7 ausweichen werden 8; aber auch für Großunternehmen ist die hier behandelte Frage zum Teil von erheblicher Bedeutung.9 Obwohl es sich bei dem praktisch bedeutsamen Problem der Heilung keineswegs um eine neue Fragestellung handelt10, finden sich dazu in der Literatur nur vereinzelte kürzere Stellungnahmen.11 Eine umfassende systematische Behandlung des Themas in allen seinen Aspekten fehlt bisher. 12 Die vorliegende Arbeit versucht, dem aufgezeigten Bedürfnis gerecht zu werden und eine Antwort auf die Frage zu finden, ob im internationalen Zivilrechtsverkehr eine Heilung von Zustellungsfehlern überhaupt möglich ist und — wenn ja — nach welchem Recht sich diese jeweils beurteilt. So fragt es sich, ob eine Zustellung, die entgegen einer staatsvertraglichen Bestimmung nicht von einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks begleitet war, dann als unwirksam anzusehen ist, wenn der Adressat der fremden Sprache in vollem Umfang mächtig ist (Bsp.: Einem in Deutschland lebenden Wallonen wird eine französische, unübersetzte Klageschrift zugestellt13). Die größte praktische Relevanz erhält das Problem bei sog. verfahrenseinleitenden Schriftstücken, d.h. solchen Urkunden, durch die ein Beklagter erstmals von einem

7 Schütze / Τ schernig / Wais Rz.6; Nagel, Durchsetzung, S. 23 f. Demgegenüber weist Sandrock RIW 1987 Beil. 2 S. 12 zu Recht darauf hin, daß zumindest auch ad hoc-Schiedsverfahren der Zustellungsförmlichkeit unterworfen sind. 8 Zur besonderen Gefährdung kleiner und mittlerer Unternehmen im internationalen Zustellungsverkehr vgl. auch S türner, FS Nagel, S. 447. 9 Ein Beispiel, in dem auch ein deutsches Großunternehmen sich mit Zustellungsformalitäten zu befassen hatte, liefert der Fall des U.S. Supreme Court Volkswagen AG v. Schlunk aus dem Jahre 1988 (108 S.Ct. 2104). 10

Vgl. schon KG JW 1929, 3173.

11

Vgl. Stürner JZ 1992, 325; ders. in FS Nagel, S. 446; Rauscher IPRax 1991, 155; Geimer EuZW 1990, 354; ders. FamRZ 1975, 218; ders. NJW 1973, 2138. Die zwischenzeitlich veröffentlichte Arbeit von Wiehe, „Zustellungen, Zustellungsmängel und Urteilsanerkennung am Beispiel fiktiver Inlandszustellungen in Deutschland, Frankreich und den USA" konnte erst im nachhinein berücksichtigt werden. 12

Das gilt auch für die Arbeit von Wiehe (vgl. vorhergehende Fußnote), die sich nur auf wenige ausgewählte Fragen der hier interessierenden Gesamtproblematik beschränkt und so das Ziel eines einheitlichen, umfassenden Lösungssystems nicht zu erreichen vermag. 13

Zu einem solchen Beispiel Droz RCDIP 1993, 85, 86.

Einleitung

gegen ihn im Ausland anhängigen oder rechtshängigen 14 Verfahren Kenntnis erlangt. 15 Aus diesem Grunde soll hier auch der Schwerpunkt der Untersuchung liegen. Auf die Heilung von Zustellungsfehlern bei sonstigen Schriftstücken wird erst im Anschluß daran in einem abschließenden Kapitel eingegangen werden. 16 In einem ersten Schritt werden am Beispiel des innerstaatlichen Rechts der Bundesrepublik Deutschland zunächst die Begrifflichkeit und Bedeutung der Heilung im System der Zustellung einschließlich der dabei tangierten Interessen erläutert. Erst das Verständnis des innerstaatlichen Zustellungs- und Heilungsrechts erlaubt es, die Eigenheiten der Zustellung im internationalen Rechtsverkehr sowie die sich dabei ergebenden Probleme adäquat zu erfassen. In diesem Zusammenhang soll auch dargestellt werden, welchem Recht die Zustellung im internationalen Zivilrechtsverkehr unterliegt. Die von diesem Recht aufgestellten Förmlichkeiten sind zusammen mit den Besonderheiten des internationalen Rechtsverkehrs die Hauptfehlerquelle internationaler Zustellungen; gleichzeitig präjudizieren diese beiden Gesichtspunkte möglicherweise die Heilbarkeit von Zustellungsfehlern. In einem zweiten Schritt wendet sich die Arbeit ihrer eigentlichen Thematik zu. Unter Einbeziehung der im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse soll versucht werden, die Frage der Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr in den für den deutschen Richter relevanten Konstellationen und Fallgruppen zu beleuchten. Im Wege dieser Fallgruppenbildung soll eine verallgemeinernde Betrachtung vermieden und eine den Besonderheiten aller Situationen gerecht werdende Lösung des Heilungsproblems erreicht werden. Zu untersuchen ist in diesem Zusammenhang zunächst die Heilung von Fehlern bei an das Ausland gerichteten deutschen Zustellungsersuchen im Rahmen eines deutschen Urteilsverfahrens. Sodann gilt es, die Heilbarkeit von in ausländischen Verfahren entstandenen Zustellungsfehlern im Rahmen deutscher Anerkennungsverfahren nach autonomem wie nach staatsvertraglichem Recht zu klären. Schließlich stellt sich die Heilungsfrage möglicherweise auch noch bei

14 Die meisten ausländischen Rechtsordnungen lassen für die Rechtshängigkeit bereits die Einreichung der Klage bei Gericht ausreichen, trennen also nicht wie das deutsche Recht zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit; vgl. Schack IZVR Rz. 756. 15

Vgl. Kropholler

16

Siehe unten 4. Kapitel § 25.

EuZPR Art. 27 Rz. 23.

28

Einleitung

der Ausstellung von Zustellungszeugnissen durch die vom Ausland um eine Zustellung ersuchte deutsche Behörde. In all diesen Situationen wird jeweils ausgehend vom „Normalfall" des vertragslosen, d.h. außerhalb staatsvertraglicher Regelungen stattfindenden Rechtsverkehrs 17 untersucht, ob und inwieweit die verschiedenen staatsvertraglichen Zustellungsregelungen zu einer abweichenden Beurteilung der Heilungsfrage Anlaß geben. Die Verschiedenartigkeit der einzelnen nationalen Verfahrensordnungen zwingt dazu, das Problem der Heilbarkeit von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr im wesentlichen aus Sicht nur einer Verfahrensordnung zu behandeln. Aus diesem Grunde geht die Arbeit die Lösung der Heilungsfrage in erster Linie aus dem Blickwinkel des deutschen Richters an. Nichtsdestotrotz lassen sich aber die dabei gewonnenen Ergebnisse von ihrem Grundsatz her auch auf andere Rechtsordnungen übertragen. Dies gilt insbesondere für die zu den einzelnen staatsvertraglichen Regelungen gemachten Ausführungen. Doch auch insofern wird man sich wegen der schon erwähnten Verschiedenartigkeit der einzelnen nationalen Rechtsordnungen vor einer allzu mechanischen Rezeption hüten müssen. Die vorliegende Arbeit befaßt sich in erster Linie mit der Zustellung an Private; ausgeklammert wurde demgegenüber die Zustellung an Exterritoriale und ausländische Hoheitsträger.

17 Zu den wichtigsten Staaten bestehen heute freilich aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland staatsvertragliche Regelungen über die Zustellung, so daß der „Normalfall" der vertragslosen Zustellung de facto kein solcher mehr ist.

Erster Teil

Grundlagen Erstes Kapitel

Zustellung und Heilung im deutschen Recht § 1 Der Begriff der Zustellung im innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland

Die deutsche ZPO regelt das Procedere der Zustellung in den §§ 166-213a. Jedoch schweigt das Gesetz darüber, was es unter dem Begriff der Zustellung genau versteht. Das heißt jedoch nicht, daß auf eine exakte Begriffsbestimmung verzichtet werden könnte. Die ZPO unterscheidet zwischen formlosen Mitteilungen1 auf der einen und in einer bestimmten Form zu übermittelnden Schriftstücken auf der anderen Seite und ordnet nur für die letzteren eine Zustellung iSd §§166 ff. ZPO an.2 Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung versuchen Literatur und Rechtsprechung, den Zustellungsbegriff zu definieren. 3 Ausgehend von § 170 ZPO verstehen die ältere Rechtsprechung4 und ein Teil der Literatur 5 unter einer Zustellung die in gesetzlicher Form geschehene und beurkundete Übergabe eines Schriftstücks. Diese Definition ist zu eng.6 Zwar erfaßt der Begriff der Übergabe nicht nur die tatsächliche physische Entgegennahme eines Schriftstücks durch den Adressaten, sondern z.B. auch die (Ersatz-)Zustellung durch Niederlegung bei der Post7 8 ; denn dort wird immerhin

1

Z.B. §§ 270 II; 329 II 1; 377 I ZPO; siehe ferner die umfassende Auflistung bei StJ / H.Roth Vor § 166 Rz. 39. 2 Vgl. in diesem Sinne Hohmann S. 9; siehe auch schon Scharnberg S. 15. Zur Differenzierung von Mitteilung und Zustellung auch Schneider DGVZ 1983, 33, 35. 3

Siehe schon die Definitionsvorschläge bei Breit JW 1920, 860, 863 und Scharnberg S. 13 f.

4

So noch BGH NJW 1976, 107, 108.

5

StJ/H.Roth

6

So schon Scharnberg S. 13.

7

§ 182 ZPO, dazu noch im folgenden.

Vor § 166 Rz. 1; Schellhammer Rz. 73; Schack IZVR Rz. 584.

30

1. Teil: Grundlagen

die schriftliche Nachricht, daß das zuzustellende Schriftstück bei der Post abgeholt werden kann, dem Adressaten übergeben.9 Doch lassen sich hierunter nicht diejenigen Fälle subsumieren, in denen die Übergabe im o.g. Sinne unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereitet oder sich gar als unmöglich herausstellt. 10 In diesem Fällen verzichtet die ZPO nämlich auf eine Übergabe und läßt den bloßen Versuch ausreichen, die zu übermittelnden Inhalte dem Adressaten zur Kenntnis zu bringen. 11 Vor diesem Hintergrund vertreten die heute wohl herrschende Meinung in der Literatur 12 und die neuere Rechtsprechung 13 eine weiter gefaßte Definition des Zustellungsbegriffes. Danach ist unter einer Zustellung iSd ZPO der in gesetzlicher Form zu bewirkende und zu beurkundende Vorgang zu verstehen, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft wird. Darauf, daß der Adressat von dem zu übermittelnden Inhalt tatsächliche Kenntnis genommen hat, kommt es nicht in jedem Fall an, vgl. etwa § 182 ZPO. 14 Einer Zustellung in diesem Sinne bedürfen regelmäßig die zentralen Prozeßhandlungen15, worunter auch alle verfahrenseinleitenden Schriftstücke fallen. Die Zustellung selbst ist hingegen keine Prozeßhandlung. Sie stellt vielmehr nur das von der ZPO vorgesehene technische Mittel dar, um Prozeßhandlungen mitzuteilen oder zu vollenden.16 So wird etwa gemäß § 253 I ZPO die in der Klageerhebung liegende Prozeßhandlung 17 erst durch die Zustellung der Klageschrift vollendet. Damit besitzt die Zustellung den Charakter eines Realaktes18, das heißt einer lediglich rein tatsächlichen Handlung, „welche zunächst einen

8 Schellhammer Rz. 72 a.E.; a.A. Rosenberg / Schwab / Gottwald § 73 I 1 (S. 403), der auch in bezug auf diese Form der Ersatzzustellung die vorgenannte Definition für zu eng hält. 9

Schellhammer Rz. 72.

10

Hohmann S. 9; Pfennig S. 55.

11

§§ 175 und 203 ZPO.

12

Etwa Zöller / Stöber Vor § 166 Rz. 1; AK-ZPO / Göring Vor § 166 Rz. 1; Zimmermann Vor § 166 Rz. 1; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 73 I 1 (S. 403); Hohmann S. 9; Pfennig S. 55. 13

BGH NJW 1978, 1858.

14

BLÄH / Hartmann Einf. vor §§ 181-185 Rz. 2.

15

Schack IZVR Rz. 584.

16

Schellhammer Rz. 73.

17

Vgl. Zöller / Greger § 253 Rz. 1.

18

Hohmann S. 10; Baumgärtel, Prozeßhandlungen, S. 171; Bruns ZPR § 18 II; Scharnberg S. 15; erstmals wohl Goldschmidt S. 165 a.E.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

31

tatsächlichen, dem Gebiete des Rechts nicht angehörenden Erfolg ins Leben ruft, aber zugleich nach Rechtsvorschrift Rechtswirkungen nach sich zieht." 19 Ebenso wie andere gerichtliche Handlungen stellt die Zustellung nach kontinentaleuropäischer Auffassung einen Staatshoheitsakt dar. 20 Die hier mit der h.M. und neueren Rechtsprechung vertretene Definition der Zustellung beansprucht gleichermaßen im internen wie im internationalen Rechtsverkehr Geltung.21

§ 2 Die Inlandszustellung nach dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland

Sinn und Zweck der Zustellung lassen sich am besten vor dem Hintergrund des geltenden Zustellungsrechts verstehen. Darüber hinaus wird — wie später noch zu zeigen sein wird — ein Großteil der an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten ausländischen Zustellungsersuchen auf der Grundlage des deutschen Zustellungsrechts ausgeführt. Aus diesem Grunde soll hier ein kurzer Überblick 22 über das von der ZPO vorgesehene Zustellungsverfahren gegeben werden. Erst danach wird nach der Ratio der Zustellung gefragt.

I. Regelungsgegenstand der §§ 166 ff. ZPO Die ZPO sieht in den §§166 ff. ein stark formalisiertes Verfahren der Zustellung vor. Doch regeln die §§ 166 ff. ZPO nicht das Ob der Zustellung, sondern nur die Art und Weise, in der eine andernorts, etwa gemäß § 271 I ZPO angeordnete Zustellung zu erfolgen hat. 23 Ergibt sich mithin aus einer außerhalb des Zustellungsrechts stehenden Norm, daß zuzustellen ist, so sind die §§166 ff. ZPO zu befragen, wie zugestellt werden muß.

19

Definition nach Scharnberg S. 15.

20

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 73 I 2 (S. 403); Schellhammer Rz. 73 a.E.; Pfennig S. 1; krit. Schack IZVR Rz. 589; der hoheitliche Charakter fehlt allein den Zustellungen nach §§ 198, 212a ZPO (vgl. Schellhammer Rz. 73; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 73 I 2 [S. 403]). 21

Vgl. dazu Pfennig S. 56 f.

22

Ausführlich etwa Rosenberg / Schwab / Gottwald § 74 f. (S. 405 ff.); Schellhammer Rz. 72 ff.

23

Schellhammer Rz. 72 und 74.

32

1. Teil: Grundlagen

II. Amts- und Parteizustellung Je nachdem, auf wessen Veranlassung die Zustellung durchgeführt wird, trennt die ZPO zwei unterschiedliche Arten der Zustellung, nämlich die Zustellung von Amts wegen, die sog. Amtszustellung, und die Zustellung auf Betreiben der Partei, die sog. Parteizustellung. Dieser Zweiteilung trägt auch die Struktur des Gesetzes Rechnung, indem es die beiden unterschiedlichen Arten der Zustellungsveranlassung gesondert behandelt.24 Doch anders als es die Gewichtung der ZPO vermuten läßt, stellt heute nicht die Parteizustellung, sondern die Amtszustellung den Normalfall dar. So muß im Erkenntnisverfahren die Partei nur in den Fällen der §§ 699 IV 2, 922 Π und 936 ZPO zustellen; nur im Vollstreckungsverfahren gilt durchgängig das Prinzip der Parteizustellung, da auf andere Weise ein gleich effektives überraschendes Zuschlagen des Gläubigers nicht möglich wäre. 25 Der Unterschied zwischen der (quantitativen) Gewichtung des Gesetzes und der Zustellungswirklichkeit ist historisch begründet. Ausgehend vom liberalen Gedankengut des 19. Jahrhunderts sah die ZPO ursprünglich die Parteizustellung als den Normalfall der Zustellung vor. 26 In einer Reihe von Gesetzesänderungen27, die ihren bisherigen Abschluß in der sog. Vereinfachungsnovelle 1977 1% fand, wurde der Parteibetrieb weitestgehend durch die Zustellung von Amts wegen ersetzt. Gemäß § 208 'ZPO 29 sind jedoch die Vorschriften über die Parteizustellung entsprechend auf die Zustellung von Amts wegen anzuwenden, sofern sich aus den Bestimmungen zur Amtszustellung nichts anderes ergibt. Von einer Änderung der Gewichtung des Gesetzes zwischen Amts- und Parteizustellung und damit von einer erheblichen Änderung der §§166 ff. ZPO wurde im Zusammenhang mit der Stärkung der Amtszustellung allein aufgrund von Praktikabilitätserwägungen abgesehen.30

24

Die §§ 166-207 ZPO behandeln die Parteizustellung, die §§ 208-213 a ZPO die Amtszustel-

lung. 25

Vgl. Schellhammer Rz. 75.

26

AK-ZPO / Göring Vor § 166 Rz. 4.

27

Vgl. die Übersicht bei StJ / H.Roth Vor § 166 Rz. 4 ff.

28

Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren vom 3.12.1976, BGBl. 1976 I 3281. In Kraft seit dem 1.7.1977. 29 § 208 ZPO wurde allerdings nicht erst durch die Vereinfachungsnovelle 1976 in die ZPO eingefügt, sondern bereits durch Gesetz vom 17.5.1898, vgl. RGBl. 1898 S. 256. 30

AK-ZPO / Göring Vor § 166 Rz. 4; kritisch dazu StJ / H.Roth Vor § 166 Rz. 10.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

III. Das allgemeine Verfahren

33

der Zustellung

Die Zustellung wird im Falle der Amtszustellung auf Veranlassung der Geschäftsstelle (§ 209 ZPO), im Falle der Parteizustellung auf Veranlassung der Partei (§§ 166 II, 167 ZPO) durchgeführt. Anders als im Verfahren der Amtszustellung, in dem der Veranlasser der Zustellung, d.i. die Geschäftsstelle bzw. der Urkundsbeamte, gleichzeitig Zustellungsorgan ist 31 , fallen im Verfahren der Parteizustellung Zustellungsveranlasser und Zustellungsorgan auseinander. Hier ist der Gerichtsvollzieher das zuständige Zustellungsorgan. 32 Die Übergabe der Ausfertigung bzw. der beglaubigten Abschrift und damit die Zustellung wird im Verfahren der Amtszustellung durch Vermittlung der Post bzw. (seltener) des Gerichtswachtmeisters (§211 ZPO) ausgeführt. Das gleiche gilt gemäß §§166 und 193 ZPO im Verfahren der Parteizustellung. 33 Die genannten, die Zustellung ausführenden Organe haben grundsätzlich das zu übergebende Schriftstück dem Adressaten auszuhändigen (§ 180 ZPO). Dabei ist prinzipiell gleichgültig, wann 34 und wo der Adressat angetroffen wird. Im Falle der Amtszustellung kann dies gemäß § 212 b ZPO auch an der Amtsstelle geschehen. Sollte eine persönliche Übergabe des Schriftstücks an den Adressaten nicht möglich sein (wie dies in 70 % der Zustellungsversuche der Fall ist 35 ), so kann dieses im Wege einer sog. Ersatzzustellung an eine andere vom Gesetz vorgesehene Person oder Stelle zugestellt werden (§§ 181-186 ZPO). Der Adressat der Zustellung (d.i. derjenige, an den zugestellt werden soll, vgl. § 191 Nr. 3 ZPO) und der Empfänger der Zustellung (d.i. derjenige, an den tatsächlich zugestellt worden ist, vgl. § 191 Nr. 4 ZPO) können mithin anders als im Normalfall des § 180 ZPO bei der Ersatzzustellung auseinanderfallen. 36 Der Reihenfolge nach kann ersatzweise zugestellt werden an erwachsene Familienangehörige oder Hausgehilfen ( § 1 8 1 1 ZPO), an den im Hause wohnenden annahmebereiten Hauswirt oder Vermieter (§ 181 I I ZPO) und schließlich durch Niederlegung bei der Geschäftsstelle oder bei der Post (§ 182 ZPO). Ist Zustellungsadressat ein Gewerbetreibender mit eigenem Geschäftslokal oder ein

31

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 75 III 1 (S. 416).

32

§§ 166 ff. ZPO; vgl. Schellhammer Rz. 92.

33

Schellhammer Rz. 92.

34 Zu den Besonderheiten bei der Zustellung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen siehe § 188 ZPO. 35

Hohmann S. 89; Rosenberg / Schwab / Gottwald

36

Schellhammer Rz. 76.

3 Kondii il g

§ 74 III (S. 407); Waldner

Rz. 39.

34

1. Teil: Grundlagen

Vertreter oder Vorsteher einer juristischen Person, so hat die Ersatzzustellung bei Nichtantreffen des Adressaten in den Geschäftsräumen abweichend vom zuvor Gesagten an eine in den §§ 183, 184 ZPO näher bezeichnete andere in den Geschäftsräumen anwesende Person zu erfolgen. 37 Ob die Voraussetzungen der Ersatzzustellung gegeben sind, prüft das jeweilige Zustellungsorgan zunächst selbständig nach; die endgültige Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen bleibt aber dem Gericht vorbehalten. 38 Verweigert der Empfänger ohne gesetzlichen Grund 39 die Annahme des zu übergebenden Schriftstücks, so ist dieses am Zustellungsort zu hinterlassen, § 186 ZPO. Das Gesagte steht allerdings unter der Beschränkung der §§176 und 185 ZPO. Nach § 176 ZPO darf während eines laufenden Prozesses nur an den Prozeßbevollmächtigten zugestellt werden. Eine Zustellung an die Partei scheidet damit aus. § 185 ZPO schließlich schränkt die Möglichkeit der Ersatzzustellung ein. Danach darf die Ersatzzustellung der §§ 181, 183 und 184 I ZPO nicht an solche Ersatzpersonen erfolgen, die gleichzeitig Partei desjenigen Verfahrens sind, in das auch der Zustellungsadressat involviert ist. Grund für diese Regelung ist die bei der Ersatzzustellung ohnehin gegebene40 und bei der Ersatzzustellung an den Prozeßgegner des Adressaten noch erhöhte Gefahr, daß der Empfänger der Ersatzzustellung das Schriftstück nicht an den Adressaten weiterleitet. 41

IV. Die Zustellungsurkunde Die Zustellung wird durch eine Zustellungsurkunde perfektioniert, die von der die Zustellung durchführenden Person gemäß § 212 I ZPO bei der Amtszustellung und gemäß §§ 190, 191 ZPO bzw. §§ 194 Π, 195 II, 196 S. 2 ZPO bei der

37 Die Ersatzzustellung nach § 184 ZPO verdrängt diejenige nach §§ 181, 182 ZPO unter Maßgabe der Bestimmung des § 184 II ZPO. Dagegen berührt die Ersatzzustellung nach § 183 ZPO nicht die Ersatzzustellungsmöglichkeiten der §§ 181, 182 ZPO (OLG Düsseldorf MDR 1970, 685). Im einzelnen vgl. Rosenberg / Schwab / Gottwald § 74 III 1 c (S. 409); Schellhammer Rz. 80 f. 38

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 74 III 3 (S. 409).

39

Gesetzliche Gründe in diesem Sinne sind etwa die aus § 188 ZPO für den Adressaten und aus §§ 181 II, 185 ZPO für Ersatzempfänger resultierenden Annahmeverweigerungsrechte. Vgl. im übrigen die weitergehenden Ausführungen von Zöller / Stöber § 186 Rz. 2. 40

Waldner

41

SU/H.Roth

Rz. 39. § 185 Rz. 1.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

35

Parteizustellung ausgestellt wird. Die Beurkundung ist neben der Übergabe 42 des zuzustellenden Schriftstücks der zweite wesentliche und konstitutive Bestandteil der Zustellung.43 Form und Inhalt der Zustellungsurkunde sind zwingend vorgeschrieben. 44 Die Zustellungsurkunde ist in den bisher behandelten Fällen eine öffentliche Urkunde iSd § 418 ZPO 45 und belegt neben dem Ort und der Zeit der Zustellung insbesondere, daß die Zustellung in Übereinstimmung mit den Zustellungsvorschriften der ZPO stattfand.

V. Besondere Zustellungsarten Neben dem bisher dargestellten einfachen Zustel lungs verfahren kennt die ZPO noch weitere besondere Zustellungsarten, mit denen den Erfordernissen bestimmter Situationen Rechnung getragen werden soll. Auch hierauf soll in der im Rahmen dieser Arbeit gebotenen Kürze eingegangen werden. Besondere Zustellungsarten sind u.a. die vereinfachte Zustellung an einen Anwalt und die vereinfachte Zustellung von Anwalt zu Anwalt. 46 Die vereinfachte Zustellung an einen Anwalt ist im Verfahren der Amtszustellung möglich. Ist dort an einen Rechtsanwalt zuzustellen47, so kann die Zustellung bei Annahmebereitschaft des Anwaltes abweichend vom zuvor Gesagten gemäß § 212 a ZPO durchgeführt werden. Danach übersendet der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle das zuzustellende Schriftstück an den annahmebereiten Rechtsanwalt in für diesen erkennbarer Zustellungsabsicht. Ein diesem vereinfachten Verfahren entsprechendes vereinfachtes Vorgehen kennt auch die Parteizustellung. Nach § 198 ZPO wird dort entsprechend dem zuvor dargestellten Verfahren vereinfacht zugestellt, wenn beide Parteien durch einen Anwalt vertreten sind. Dies gilt unter den Voraussetzungen des § 198 I 2 ZPO sogar für grundsätzlich im Verfahren der Amtszustellung zu erledigende Zustellungen. Zu-

42

Im folgenden wird noch auf Zustellungsmöglichkeiten einzugehen sein, bei denen eine Übergabe verzichtbar ist. 43

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 75 II 1 c (1) (S. 412).

44

§§ 212, 195 II ZPO für die Amtszustellung, §§ 190, 191, 195 II ZPO für die Parteizustellung.

45

Schellhammer Rz. 91 für die Zustellungsurkunde im Rahmen der Amtszustellung, Rosenberg / Schwab / Gottwald § 75 II 1 c (2) (S. 412) für die Zustellungsurkunde im Rahmen der Parteizustellung. 46 47

Vgl. auch die bereits zuvor erläuterte Bestimmung des § 176 ZPO.

Das gleiche gilt bei Zustellung an einen Notar, einen Gerichtsvollzieher oder eine Behörde oder Körperschaft des öffentlichen Rechts. 3

36

1. Teil: Grundlagen

gestellt wird dann von Anwalt zu Anwalt, ohne daß es der Einschaltung eines Gerichtsvollziehers bedürfte. Eine andere Intention als die vereinfachte Zustellung nach den §§ 198, 212 a ZPO verfolgt die Zustellung durch Aufgabe zur Post gemäß §§ 174, 175 I 2, 210 a Π, 213 ZPO. Diese erfaßt diejenigen Fälle, in denen eine Übergabe aufgrund der räumlichen Entfernung einer Partei vom Prozeßort unverhältnismäßige Schwierigkeiten bereitet oder sich gar als unmöglich herausstellt. Das Procedere dieser Zustellungsart ist im Verfahren der Amts- und Parteizustellung im wesentlichen identisch.48 Hat danach eine Partei gegen die ihr unter den Voraussetzungen des § 174 I ZPO obliegende Pflicht verstoßen, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, so kann durch Aufgabe zur Post zugestellt werden. Die Pflicht zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten setzt jedoch stets voraus, daß das Verfahren bereits rechtshängig ist. 49 Damit scheidet eine Zustellung von verfahrenseinleitenden Schriftstücken, insbesondere von Klagen über den Weg der Aufgabe zur Post aus. Ist eine Zustellung durch Aufgabe zur Post zulässig, so ist die Zustellung bereits mit Aufgabe des zuzustellenden Schreibens bei der Post vollzogen. Ob die Sendung tatsächlich ihren Empfänger erreicht, ist nicht von Bedeutung (vgl. § 175 I 3 ZPO). Besondere Relevanz hat die Zustellung durch Aufgabe zur Post für den im Rahmen dieser Arbeit besonders interessierenden Fall, daß der Zustellungsadressat sich im Ausland aufhält (vgl. § 174 I I ZPO). 50 Auch hier gilt die Zustellung durch die Aufgabe zur inländischen Post als bewirkt; es handelt sich mithin nicht um eine Auslandszustellung, sondern um eine echte — wenn auch fingierte — Inlandszustellung.51 Eine entsprechende Regel enthält § 5 des Gesetzes zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte52, wonach an in Deutschland tätige Rechtsanwälte aus anderen EU-Staaten durch Aufgabe zur Post zugestellt wird, sofern sie keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten bestellt haben.53

48 Rosenberg / Schwab / Gottwald § 75 III 4 (S. 417), die darauf hinweisen, daß der einzige Unterschied in der im Amtszustellungsverfahren durch einen Aktenvermerk zu ersetzenden Zustellungsurkunde des Parteizustellungsverfahrens (§ 192 ZPO) liegt. 49

SU/H.Roth

50

Vgl. etwa H. Roth IPRax 1990, 90 ff.

§ 174 Rz. 5.

51 H.M., z.B. H. Roth IPRax 1990, 90 m.w.N. in Fn. 2; Pfeil-Kammerer S. 120 Fn. 147; Pfennig S. 57; SU/H.Roth § 175 Rz.19; BGHZ 98, 263, 266 f.; OLG München IPRax 1990, 111. 52

BGBl. 1980 I 1453; dazu StJ / H.Roth Vor § 166 Rz. 63 f.; Text BLÄH Schlußanhang VII.

53

Vgl. zu weiteren Fällen der Zustellung durch Aufgabe zur Post StJ / H.Roth § 175 Rz. 24.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

37

Eine weitere besondere Zustellungsform stellt schließlich die im Verfahren der Amts- und Parteizustellung weitgehend identische sog. öffentliche Zustellung dar (§§ 203 ff., 208 ZPO). Bei dieser wird ebenso wie bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post auf die tatsächliche Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks wegen der damit verbundenen tatsächlichen Schwierigkeiten oder gar wegen der Unmöglichkeit einer Übergabe verzichtet. Diese wird vielmehr fingiert. 54 Öffentlich zugestellt wird nach ausdrücklicher Bewilligung des Prozeßgerichts durch Aushängen einer Terminsladung an der Gerichtstafel und Veröffentlichung der Ladung im Bundesanzeiger (§ 204 Π, IE ZPO). Nach Ablauf einer Frist von sechs Wochen seit Veröffentlichung einer Ladung im Bundesanzeiger bzw. für andere Schriftstücke nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist seit Aushängen an der Gerichtstafel gilt die Zustellung unabhängig von der Kenntnisnahme des Adressaten als bewirkt. Die öffentliche Zustellung ist immer dann zulässig, wenn der Aufenthalt des Zustellungsadressaten unbekannt ist bzw. der Zustellungsadressat gerichtsfrei ist. Im Bereich der Auslandszustellungen kommt darüber hinaus eine öffentliche Zustellung immer dann in Betracht, wenn eine Zustellung im Ausland keinen Erfolg verspricht. Ebenso wie die Zustellung durch Aufgabe zur Post wird die Zustellung für diesen Fall jedoch nicht im Ausland bewirkt, sondern im Wege einer Fiktion im Inland. Auf die eigentliche Zustellung im Ausland selbst wird dagegen an späterer Stelle einzugehen sein. Besondere Regeln gelten schließlich für die Zustellung an Bundeswehrsoldaten 55 und für Zustellungen an Mitglieder usw. der in Deutschland stationierten ausländischen NATO-Truppen 56 .

54

Schellhammer Rz. 97.

55

Erlaß über Zustellungen, Ladungen, Vorführungen und Zwangsvollstreckungen in der Bundeswehr, VMB1. 1982, 130, geändert durch Erlaß vom 20.6.1983, VMB1. 1983, 182; abgedruckt bei BLÄH / Hartmann Schlußanh. II. 56 Art. 32 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, BGBl. 1961 II 1218; abgedruckt bei BLÄH / Hartmann Schlußanh. III. Zur bevorstehenden Neufassung des Zusatzabkommens siehe BRat-Drucks. 670 / 93. Zum Ganzen ausführlich unten § 16 II 2 c.

38

1. Teil: Grundlagen

VI. Zustellungsfehler Die Komplexität des deutschen Zustellungsrechts 57 führt fast zwangsläufig zu einer Vielzahl von Verstößen gegen die jeweiligen einzuhaltenden Zustellungsanforderungen. 58 Rechtsprechung und Literatur geben eine dermaßen große Vielzahl der unterschiedlichsten Verstöße gegen Zustellungsvorschriften wieder, daß eine lückenlose Aufzählung unmöglich ist. Exemplarisch 59 seien deshalb nur genannt die falsche Reihenfolge bei der Ersatzzustellung 60 oder gar das Fehlen der Voraussetzungen der Ersatzzustellung 61, die falsche Adressierung der Zustellung 62 sowie der Fall, daß statt im Wege der an sich erforderlichen Amtszustellung auf Betreiben der Parteien zugestellt wird (oder umgekehrt). 63 Im folgenden soll u.a. untersucht werden, inwieweit ein solcher Verstoß stets eine Unwirksamkeit des Zustellungsaktes zur Folge hat.

§ 3 Der Zweck der Zustellungsformlichkeiten

Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß es sich bei der Zustellung um ein stark formalisiertes Verfahren handelt. Wie alle prozessualen Formvorschriften sind auch die Formerfordernisse der Zustellung kein Selbstzweck.64 Sie schützen vielmehr hinter ihnen stehende Interessen, die ihrerseits in einem Wechselverhältnis zur Frage der Heilung von Formverstößen stehen.65

57 Kritisch dazu etwa Schach IZVR Rz. 588: „Die Rechtstechnik wird in 50 Paragraphen auf die Spitze getrieben ..." Weitergehend Sandrock RIW 1987 Beil. 2 S. 9 f.: „verfahrensrechtliche Quisquilien, ja man ist versucht zu sagen: ... [die] Kinkerlitzchen des deutschen Zustellungsrechts"; „Förmlichkeits-Tohuwabohu"; auch schon Fuchs JW 1921, 697, 698: „Zustellungs-Fallstrick-Herrlichkeit". 58

Hohmann S. 15 f.

59

Ausführlich siehe die Untersuchung von Hohmann S. 134 ff.; siehe auch die Übersichten bei Schellhammer Rz. 101, StJ / H.Roth § 187 Rz. 6 ff. und Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 1 (S. 420). 60

Etwa BGH NJW 1976, 149.

61

Dazu AK-ZPO / Göring Vor § 166 Rz. 7.

62

BGHZ 61, 308 ff.; BGH NJW 1984, 926.

63

OLG Stuttgart NJW 1961, 81.

64

Vgl. etwa StJ/H.Roth

65

Zum Zusammenhang von Formzweck und Heilung wohl erstmals Giintzel S. 176 ff.

Vor § 166 Rz. 3.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

39

Die teleologische Untersuchung des Normzwecks und damit die Ermittlung der hinter einer Norm stehenden Interessen stellt ein allgemein anerkanntes methodisches Vorgehen dar 66 , das auch im Prozeßrecht seine Berechtigung hat.67 Die Ansicht, wonach das Prozeßrecht ein rein technisches Recht ist 68 , das sich jeder teleologischen Auslegung verschließt 69, darf heute als überwunden gelten.70

/. Der Zweck prozessualer Formen im allgemeinen Weitgehend unbestritten ist heute, daß ein gewisser Formzwang im Prozeß unausweichlich ist, da kein Verfahren ohne ein Minimum an lenkenden Formen auskommen kann.71 Doch steht hinter dieser Lenkungsfunktion ein Zweck. Insbesondere die Zweckforschung nach dem zweiten Weltkrieg hat ergeben, daß die prozessuale Form in besonderer Weise einen rechtsstaatlichen Eigenwert hat.72 Eb. Schmidt 73 hat insofern den Begriff der »Justizförmigkeit des Verfahrens" geprägt, da der justizförmige Prozeß die rechtsstaatlichen Garantien schützt. So haben die prozessualen Formvorschriften zum einen die Aufgabe, den Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz durch die Ermöglichung eines straffen und zügigen Verfahrens zu gewährleisten. Zugleich hat die Form schützende Funktion zugunsten der berechtigten Interessen des Prozeßgegners. Neben der Sicherung dieser Interessen der jeweiligen Verfahrensbeteiligten schafft die Form ein vorausberechenbares und von richterlicher Willkür freies, kontrollierbares Verfahren. Hierin sahen bereits die Juristen des 19. Jahrhunderts einen der größten Vorzüge der Prozeßform, erlaubte es die Form doch dem Bürgertum, ein von obrigkeitlichem Einfluß freies gerichtliches Verfahren durchzuführen. 74 Ein beinahe schon geflügeltes Wort ist der für diese Zeit

66

Vgl. Larenz Methodenlehre S. 333 ff.

67

StJ 20 / Schumann Einl. Rz. 40 ff.; H. Roth IPRax 1990, 90; H. Hagen JZ 1972, 505; de Boor FS Boehmer S. 99, 107. 68

Stein, Grundriß, Vorwort.

69

Stein aaO: „der Ewigkeitswerte bar"; besonders F.v. Hippel, Wahrheitspflicht, S. 170 ff.; ders. ZZIΡ 65 (1952) 424, 431 ff. 70

Gaul AcP 168 (1968) 27, 44; Rimmelspacher S. 10.

71

Vollkommer

72

F. Weber StudGen 1960, 183, 193.

73

Lehrkommentar Rz. 22.

74

Vollkommer

S. 39; Nikisch § 6 III (S. 28).

S. 40 f. mit umfangreichen Nachweisen.

40

1. Teil: Grundlagen

typische Ausspruch v. Jherings 75 „Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit" 76 . Die Richtigkeit von v. Jherings Aussage bewies sich u.a. in der Zeit des Nationalsozialismus.77 Dort bestanden Pläne und Bestrebungen, die prozessuale Form weitestgehend zu beseitigen.78 Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen gilt es, die Form im Prozeß als Garanten der Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit zu achten. Der rechtsstaatliche Eigenwert der prozessualen Form und der ihr innewohnende eigene Gerechtigkeitsgehalt zwingen demnach zumindest unter isolierter Betrachtung des rechtsstaatlichen Eigenwertes des Prozeßrechts dazu, die Form und damit das Prozeßrecht über das materielle Recht zu stellen.79 Die Prozeßform setzt sich zumindest unter diesem Gesichtspunkt als ius strictum durch. Daneben darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Prozeßform im Hinblick auf das materielle Recht auch eine dienende Funktion zukommt. Sie soll der Durchsetzung des materiellen Rechts dienen. Die prozessuale Form ist damit nicht Selbstzweck. Sie ist Zweckform. 80 Das Reichsgericht formulierte in diesem Sinne bereits 81: „Die Bestimmungen der ZPO wollen nicht die Rechtsverfolgung erschweren und Hindernisse schaffen, an denen die materiellen Rechte der Parteien zum Scheitern gebracht werden, sondern im Gegenteil den Verfahrensweg weisen, auf dem in zweckmäßigster und schnellster Weise ein Rechtsstreit einer sachlichen Entscheidung zugeführt wird." Und weiter: „Das materielle Recht soll und darf unter der Herrschaft der Prozeßvorschriften nicht oder nur möglichst wenig leiden." Dem Schloß sich der BGH an. 82 Wollte man dieses vom Reichsgericht formulierte und vom BGH fortgeführte Postulat in äußerster Konsequenz verwirklichen, so bedeutete dies, daß es allein aufgrund der Form zu keiner der materiellen Rechtslage entgegenstehenden Entscheidung des Gerichts kommen dürfte. Eine Präklusion etwa wegen verspäteten Vor-

75

Geist II / 2 S. 471.

76

Zwar wird diese Textstelle in der Regel falsch zitiert (etwa Troller S. 99; F. Baur, Summum ius, S. 116; Gaul AcP 168 (1968), 27, 39), da sie bei von v. Jhering im Zusammenhang mit der materiellen Form, nicht aber mit der prozessualen Form steht; vgl. Vollkommer S. 41 Fn. 9. Gleichwohl ist sie auf die prozessuale Form übertragbar, H. Hagen JZ 1972, 505. 77

F. Baur, Summum ius, S. 115; vorsichtiger Vollkommer

S. 36 Fn. 11 und S. 42.

78

Etwa Baumbach ZAkDR 5 (1938), 583; Ernst Schäfer DtStrafR 1935, 247; de Boor , Auflockerung, S. 47 ff., insb. S. 55 (zur Zustellung), 80 ff. 79

In diesem Sinne etwa F. Weber StudGen 1960, 183, 190; F. Baur, Summum ius, S. 112 ff.

80

Vollkommer

81

RGZ 105, 422, 427.

82

Etwa BGHZ 34, 53, 64; 25, 66, 76; 19, 185, 191; 18, 98, 106; 10, 350, 359.

S. 25.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

41

bringens wäre unzulässig. Der Prozeß liefe in freien, ungelenkten Bahnen und dürfte der Gestaltung des Prozeßstoffes keine Fesseln anlegen.83 Es gölte danach der Primat des materiellen Rechts. Die prozessuale Form wäre im Sinne der Billigkeit weitestmöglich zurückzudrängen, das formelle Prozeßrecht wäre ein ius aequum. Beide dargestellten Formzwecke stehen sich diametral gegenüber. H. Hagen 84 spricht insofern zu Recht von einer Ambivalenz des Prozeßzwecks. Zwar wurde immer wieder versucht, einen der beiden Aspekte in den Vordergrund zu setzen.85 Doch muß anerkannt werden, daß es den Prozeßzweck nicht gibt. Dementsprechend ist es auch falsch, die prozessuale Form nur unter einem dieser beiden Blickwinkel zu sehen. Eine Überbetonung der rechtsstaatlichen Funktion der Prozeßform führt dazu, daß „eine Fülle von Fußangeln und Selbstschüssen gelegt werden, in welche die Parteien ohne jedwedes Verschulden, ja teilweise ohne ihr Zutun und ohne Abänderungsmöglichkeit geraten und dadurch um ihr gutes Recht gebracht, ich möchte sagen: geprellt werden." 86 Die Rechtsstaatlichkeit wird mithin aufgrund einer Überbetonung der Rechtssicherheit in ihr Gegenteil verkehrt. Keine Partei wollte dies akzeptieren. 87 Der Prozeß verlöre seine Befriedungsfunktion 88, an der die Parteien gleichermaßen wie die gesamte Rechtsgemeinschaft ein Interesse haben. Auf der anderen Seite hätte eine isolierte Betonung der dienenden Funktion der Prozeßform ein Ausufern des Prozesses zur Folge. Die Parteien müßten sich auf ein Prozessieren ohne Ende einlassen. Es käme zur Prozeßverschleppung. Ein freilich schon etwas bizarres Beispiel hierfür bietet ein Fall des Reichskammergerichts, in dem ein Alimentationsprozeß erst zum Abschluß kam, als das zu alimentierende „Kind" 60 (!) Jahre alt war. 89 Die Befriedungsfunktion des Prozesses wäre also auch insofern in Frage gestellt. Darüber hinaus wäre richterlicher Willkür Tür und Tor geöffnet, da die „gleiche Anwendung des

83

Vgl. Troller

84

JZ 1972, 505, 506.

85

Vgl. zu dieser Tendenz die Ausführungen bei Gaul AcP 168 (1968) 27 ff.

S. 16.

86

Oertmann ZZP 48 (1920) 437.

87

So auch Troller

S. 92.

88

Kritisch zu einem solchen selbständigen Befriedungszweck des Prozesses Gaul AcP 168 (1968) 27, 59; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 1 III 3 (S. 3); dagegen spricht sich die h.M. für einen solchen Zweck aus, etwa Sax ZZP 67 (1954) 21 ff.; Schönke, Rechtsschutzbedürfnis, S. 11, 13, 19; M. Wolf.i Verfahrensrecht, S. 16 ff.; StJ 20 / Schumann Einl. Rz. 11. 89

Berichtet bei Franz Klein, Zeit- und Geistesströmungen, S. 24.

42

1. Teil: Grundlagen

materiellen Rechts unter gleichen prozessualen Bedingungen"90 und damit auch die materielle Gerechtigkeit ohne die prozessuale Form gefährdet wäre. Der Primat des materiellen Rechts, der die absolute materielle Gerechtigkeit zu Lasten der Prozeßform intendiert, würde sich also selbst konterkarieren. Damit ist weder die Rechtssicherheit noch die Verwirklichung materieller Gerechtigkeit als alleiniger Zweck der prozessualen Form anzusehen. Beide Zwecke sind nicht nur in ihrer jeweils extremsten Form miteinander unvereinbar. Sie verkehren sich — wie gesehen — in ihrer extremen Ausprägung sogar in ihr Gegenteil. Die Erreichung der rechtsstaatlichen Sicherheit bedarf vielmehr der materiellen Gerechtigkeit, die materielle Gerechtigkeit umgekehrt auch der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit. So schaffen alle modernen Verfahrensordnungen einen Ausgleich zwischen beiden Prinzipien. 91 Dabei fällt die Abwägung der jeweiligen Zwecke teilweise zugunsten des einen, teilweise zugunsten des anderen Zwecks aus. Abhängig ist diese Entscheidung von den von der jeweiligen Formvorschrift tangierten und geschützten Interessen. Ob also ein Verstoß gegen die geforderte Form der Zustellung die Unwirksamkeit der Zustellung und damit die mögliche Verweigerung der Durchsetzung der materiellen Rechtslage zur Folge hat, kann nur anhand einer Analyse der durch die Zustellungsvorschriften geschützten Interessen entschieden werden. 92 Auch wenn nach wohl richtiger Ansicht jede einzelne prozessuale Formvorschrift — also auch die hier interessierenden Zustellungsförmlichkeiten — grundsätzlich als das Maß der Gefahrdung des materiellen Rechts anzusehen ist, das der Gesetzgeber jeweils zur Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit glaubte hinnehmen zu müssen93, so ist doch jede Formvorschrift am rechtsstaatlichen Übermaßverbot zu prüfen. Eine Sanktionierung von Formverstößen verbietet sich danach, wenn dahinter stehende Interessen durch den Formfehler in concreto nicht berührt werden. 94 Die geforderte Form muß mithin „erforderlich" und „verhältnismäßig" sein.95 So formuliert das BVerfG 96 , daß Formerforder-

90

F. Baur, Summum ius, S. 107.

91

F. Baur, Summum ius, S. 103; H Hagen JZ 1972, 505, 506; Güntzel S. 176; Gaul AcP 168 (1968) 27, 46 f. 92

Güntzel S. 176.

93

H. Hagen JZ 1972, 505, 507; insoweit ist wohl von einer widerlegbaren Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers auszugehen. 94

Vollkommer

S. 45 f.; H. Hagen JZ 1972, 505, 508 f.; ähnlich schon Troller

95

Vollkommer

S. 45.

S. 93.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

43

nisse den Rechtsschutz nicht „in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren" dürfen, denn dies führe zu einer unbilligen Erschwerung des Rechtsschutzes. Die Rechtsstaatlichkeit gebietet mithin nicht nur die Form, sie begrenzt sie auch. Eine Verweigerung des materiellen Rechts durch prozessuale Formvorschriften läßt sich nur rechtfertigen, sofern höherrangige, im Wege einer konkreten Abwägung ermittelte Interessen dies fordern. 97 Anderenfalls kommt es zu einer mit der rechtsstaatlichen Rechtsschutzgarantie nicht zu vereinbarenden Rechtsverweigerung. Insofern ist der Billigkeitsstandpunkt des ius aequum nicht als Negation der Formstrenge zu verstehen, sondern als ihre Schranke im Sinne des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes. 98

II. Der Zweck der Zustellungsförmlichkeiten

im besonderen

Wie gesehen verwirklicht die prozessuale Form für gewöhnlich eine Vielzahl verschiedenster Zwecke. Nichts anderes gilt für das Verfahren der Zustellung und die dabei einzuhaltenden Förmlichkeiten. Der Zweck der förmlichen Zustellung ist ein doppelter. 99 Zum einen soll der Empfänger des zuzustellenden Schriftstücks in den Besitz desselben kommen oder aber zumindest von dessen Inhalt Kenntnis nehmen können. Zum anderen soll demjenigen, der die Zustellung veranlaßt, die Möglichkeit gegeben werden, die Zustellung ohne größere Schwierigkeiten nachzuweisen. Soweit die Zustellungsvorschriften die Kenntnisnahmemöglichkeit des Adressaten vom zuzustellenden Schriftstück sicherstellen wollen, verwirklichen sie das Recht des Adressaten auf rechtliches Gehör. Zumindest in den Verfahrensarten, in denen eine mündliche Verhandlung obligatorisch ist, kann rechtliches Gehör nur unmittelbar in der Verhandlung erlangt werden. 100 Will ein Verfahrensbeteiligter also sein Recht auf rechtliches Gehör wahrnehmen, so ist er über denjenigen Zeitpunkt zu informieren, in dem eine solche Möglichkeit besteht. Er ist mithin zum Termin zu laden. Zugleich ist ihm der Streitstoff möglichst vollständig mitzuteilen. Dies alles geschieht im Wege der Zustellung der die

96

BVerfGE 10, 264, 268.

97

H. Hagen JZ 1972, 505, 509.

98

Ähnlich Vollkommer

99

Zu den Zustellungszwecken vgl. insb. Hohmann S. 10 f.

100

Kurth S. 124.

S. 55.

44

1. Teil: Grundlagen

genannten Informationen enthaltenden Schriftstücke. Die Zustellung sichert mithin das rechtliche Gehör insofern, als sie dem Empfänger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Maßnahmen und Handlungen der Gegenpartei und des Gerichts verschafft. 101 Die Zustellung dient danach der Realisierung des verfassungsrechtlich in Art. 103 I GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. 102 Auch wenn die Zustellung selbst damit noch nicht das rechtliche Gehör verwirklicht, sondern dieses erst ermöglicht 103 , kann man hier von einer Vorstufe der Gewährung rechtlichen Gehörs sprechen, von einem Recht auf Orientierung. 104 Gleichwohl verabsolutieren die Zustellungsvorschriften diesen Zustellungszweck nicht. Trotz ordnungsgemäßer Zustellung im Sinne des Zustellungsrechts kann nämlich bei einer Zustellung, die wie die überwiegende Mehrheit der Zustellungen105 im Wege der Ersatzzustellung gem. §§ 181-185 ZPO bewirkt wird, eine tatsächliche Kenntnisnahme und damit die tatsächliche Verwirklichung des Rechts auf Gehör unterbleiben. Grund hierfür kann etwa sein, daß der Ersatzzustellungsempfänger des § 181 ZPO dem Adressaten das Schriftstück nicht aushändigte oder daß bei einer Ersatzzustellung im Sinne des § 182 ZPO der Benachrichtigungszettel verloren ging. 106 Die ZPO nimmt diese Verstöße aus Gründen der Rechtssicherheit hin 1 0 7 und nimmt der Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör so ihre Absolutheit. Damit stellt die ZPO mit dem formalisierten Zustellungsverfahren ein Procedere auf, das bei ordnungsgemäßer Zustellung (lediglich) die Vermutung zuläßt, daß dem Zustellungsadressaten die Wahrnehmung seines Rechts auf rechtliches Gehör möglich war.

101

Schwartz S. 65.

102

Vgl. auch die entsprechende Gewährleistung in Art. 6 I EMRK.

103

Schwartz S. 65.

104

So in Anlehnung an die Terminologie des schweizerischen Rechts Waldner

105

Nach der empirischen Untersuchung von Hohmann S. 89 sind dies 70 % der Fälle.

Rz. 34.

106 Waldner Rz. 39; insbesondere im Hinblick auf die zweitgenannte Möglichkeit kommt es sehr häufig zu Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, vgl. AK-ZPO / Göring vor § 166 Rz. 2. 107 Allerdings soll nach sehr umstrittener Meinung dieser Mißstand regelmäßig durch die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kompensiert werden, vgl. Waldner Rz. 48 f.; Braun NJW 1981, 425 ff.; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 160 I 1 b (S.965); KG NJW-RR 1987, 1215; OLG Hamm MDR 1979, 766 und FamRZ 1981, 205; dagegen Zöller / Schneider § 579 Rz. 7; Henckel ZZP 77 (1964) 321, 370; Zeuner FS Nipperdey S. 1013, 1034.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

45

Noch deutlicher wird dies im Bereich der sog. öffentlichen Zustellung im Sinne des § 203 ZPO. Dort wird die Vermutung der Gewährung rechtlichen Gehörs regelmäßig zur Fiktion, da der Zustellungsadressat von der öffentlichen Zustellung nur recht selten tatsächlich Kenntnis erlangen wird. 108 Das Gesetz hat hier im Bereich der Zustellung abgewogen zwischen dem Recht des Zustellungsadressaten auf rechtliches Gehör und dem Recht insbesondere des Klägers auf effektiven Rechtsschutz.109 Da das Verfahrensrecht in § 253 I ZPO an die Einleitung des Klageverfahrens die Voraussetzung der Zustellung der Klageschrift setzt, wäre dem Beklagten ohne weiteres durch bloßes „Untertauchen" die Möglichkeit gegeben, sich der Durchsetzung des gegen ihn anhängig gewordenen Anspruchs zu entziehen. Dies führte zu einer Rechtsverweigerung zu Lasten des Klägers. Gerechtfertigt wird diese Abwägung zwischen dem Anspruch des Klägers auf Rechtsschutz und dem Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör dadurch, daß deijenige, der sich freiwillig aus seinem bisherigen Lebenskreis entfernt, die Folgen einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör hinzunehmen hat, sofern er keine Möglichkeit geschaffen hat, daß ihn Zustellungen auf andere Weise erreichen. 110 Die ZPO will mit ihren Zustellungsvorschriften mithin das Interesse des Zustellungsadressaten an der Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sichern. Zugleich wägt das Gesetz aber diesen Anspruch mit dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und dem Interesse insbesondere des Klägers an effektivem Rechtsschutz ab. Den beiden letztgenannten Interessen, nämlich der Rechtssicherheit und dem Rechtsschutzanspruch, tragen die Zustellungsformalitäten auch noch in anderer Weise Rechnung. Dies geschieht durch die vom Gesetz geforderte Beurkundung der durchgeführten ordnungsgemäßen Zustellung. Die Zustellungsurkunde erlaubt einen raschen und unkomplizierten Nachweis der Zustellung. 111 Sie ist öffentliche Urkunde iSd § 415 ZPO. Andere Beweise sind nicht erforderlich. Durch diesen einfachen Nachweis wird ein zügiger und geordneter Prozeß gefördert. Grundsätzlich wird so jeder Streit über das Ob und Wie der Zustellung vermieden 112, die Rechtssicherheit also gefördert. Die Parteien erlangen hierdurch gleichzeitig effektiven Rechtsschutz.

108

Kurth S. 63.

109

Schwanz S. 67.

110

Waldner

Rz. 41; Kurth S. 63; SU / H.Roth § 203 Rz. 4.

1,1

Hohmann S. 10.

112

AK-ZPO / Göring vor § 166 Rz. 2; BGHZ 8, 314, 316.

46

1. Teil: Grundlagen

Der hohe Stellenwert der durch den Zustellungsformalismus geschützten Rechtsgüter verlangt grundsätzlich eine strikte Einhaltung der Zustellungsvorschriften. Jeder Formverstoß führt in diesem Bereich zunächst zur Unwirksamkeit des fraglichen Zustellungsaktes.113 Eine Unterscheidung zwischen wesentlichen oder unwesentlichen Formmängeln, wie sie von § 539 ZPO 1 1 4 nahegelegt wird und die insbesondere früher vertreten wurde 115 , erscheint kaum praktikabel 116 und muß zumindest im Zustellungsrecht wegen des besonderen Gewichts derjenigen Interessen, die durch die Zustellungsvorschriften geschützt werden, grundsätzlich abgelehnt werden. 117 Die ZPO unterscheidet mithin insoweit nicht zwischen wesentlichen und unwesentlichen Vorschriften. Jeder Verstoß gegen die Zustellungsförmlichkeiten ist damit ein wesentlicher zur Unwirksamkeit des Aktes führender Mangel. 118 Dies kann jedoch auch im Zustellungsrecht nur solange gelten, wie der Zustellungszweck durch den Formfehler tangiert wird. Ist das nicht der Fall, so erscheint es nach dem zuvor Gesagten angebracht, wegen des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes die Verwirklichung des materiellen Rechts nicht an Zustellungsförmlichkeiten scheitern zu lassen. Dies gilt um so mehr dann, wenn — wie im Bereich der Zustellung — die Fehler regelmäßig ohne Verschulden der Parteien entstehen.119 Gerade das Zustellungsrecht wird so trotz seiner dargestellten großen Bedeutung für das rechtsstaatliche Verfahren der Paradefall für die Verwirklichung der die-

113

Schellhammer Rz. 101; Zöller / Stöber Vor § 166 Rz. 4.

114

„Leidet das Verfahren des ersten Rechtszuges an einem wesentlichen Mangel [eigene Hervorhebung], so kann das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens, soweit das letztere durch den Mangel betroffen wird, die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen." 115 RAGE 20, 213, 216; RGZ 124, 22, 27; Göcker S. 10 f; heute etwa noch BLÄH / Hartmann Übers. § 166 Rz. 12. 116

Rosenberg / Schwab™ § 76 II 2 a.E. (S. 449); nunmehr weggefallen bei Rosenberg / Schwab/ Gottwald § 76 II 2 (S. 421). 1,7

So auch SU /H.Roth Vor § 166 Rz. 25; Wiehe S. 112.

118

Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn einzelne Formvorschriften nicht als Wirksamkeitsvoraussetzungen der Zustellung qualifiziert werden, wie z.B. von StJ / H.Roth Vor § 166 Rz. 26, § 190 Rz. 4 und § 194 Rz. 9 im Hinblick auf die §§ 190, 194 ZPO. Die durch diese Normen intendierte Sicherung des Beweises sei keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung. Freilich muß diesem Ansatz entgegengehalten werden, daß er im Ergebnis zu den gleichen Schwierigkeiten führt wie eine Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Formerfodernissen. Zu Recht dagegen Wiehe S. 112. 119 Giintzel S. 153; mit gleicher Einschätzung, allerdings für den Bereich der internationalen Zustellung Mezger RIW 1988, 477, 478.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

47

nenden Funktion gegenüber der Formstrenge. 120 Der Grund hierfür mag darin liegen, daß das Zustellungsrecht wegen seines hohen Formalisierungsgrades nur allzu leicht über seinen Zweck hinwegschießt.121 Nicht übersehen werden darf m.E. darüber hinaus, daß das heutige Zustellungsrecht von seiner Konzeption her auf die Zustellung auf Betreiben der Partei zurückgeht, die früher den Normalfall der Zustellung darstellte. So verweist § 208 ZPO auf die Normen der Parteizustellung. Gerade dort aber, wo die Parteimacht im Prozeß besonders groß ist (wie dies bei einer Parteizustellung gegeben war und — soweit heute noch die Parteizustellung Anwendung findet — auch noch gegeben ist), neigen die Prozeßgesetze — wie F. Baur 122 zu Recht konstatiert — für gewöhnlich zu einer starken Formalisierung. Diese Einschätzung bestätigt sich bei der Analyse des deutschen Zustellungsrechts, das ursprünglich auf die Parteizustellung zugeschnittenen war und deshalb stark formalisiert ist. Mit der Ersetzung der Parteizustellung durch die Amtszustellung haben sich jedoch diese Vorzeichen geändert, ohne daß die Zustellungsformen der ZPO diese Umstellung mitvollzogen und den auf die Parteizustellung zurückgehenden starken Formalisierungsgrad gelockert hätten. Zusammenfassend bleibt an dieser Stelle festzuhalten, daß die durch die Zustellung geschützten Interessen und Zwecke grundsätzlich zu einem strengen Formalismus im Zustellungsrecht führen. Führte jedoch jeder Formverstoß zu einer Unwirksamkeit des fraglichen Aktes, so gefährdete jeder noch so geringe Verstoß gegen die prozessuale Form die Durchsetzung des materiellen Rechts. Aus Rechtsstaatlichkeitserwägungen ist eine solche Nichtigkeitsfolge nur dann hinzunehmen, wenn die geforderte Zustellungsform erforderlich und verhältnismäßig im Sinne des Übermaßverbotes ist, d.h. wenn die durch die Zustellungsform geschützten Interessen das Interesse der Parteien an der Durchsetzung des materiellen Rechts überwiegen. Das dürfte — insbesondere auch wegen einer diesbezüglichen Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers — regelmäßig der Fall sein. Doch ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dann verletzt, wenn in concreto die durch die Zustellungsform geschützten Interessen trotz einer Formverletzung nicht oder aber nur in einem solch geringen Maße tangiert sind, daß die Vernichtung des Anspruchs auf Durchsetzung des materiellen Rechts

120

Ähnlich Güntzel S. 180.

121

Dies beklagen auch Linke RIW 1991 Beil. 5 S. 1, 10 und Schack IZVR Rz. 588 a.E. für den internationalen Bereich. 122

Summum ius, S. 97, 100.

48

1. Teil: Grundlagen

unverhältnismäßig erschiene. Dem folgt auch die Rechtsprechung. 123 Die Prozeßnormen sind mithin elastisch zu handhaben.124 Im folgenden sind nunmehr diejenigen Möglichkeiten zu analysieren, mit deren Hilfe sich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Prozeßpraxis umsetzen läßt.

§ 4 Heilung und weite Auslegung

Methodisch kommen zur Verwirklichung des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Prozeßrecht zwei Ansätze in Betracht, nämlich die freie Auslegung der Zustellungsvorschriften im Sinne eines ius aequum und die nachträgliche Heilung von Verstößen gegen die Zustellungsform. 125 Auch wenn beide Ansätze auf dieselben dogmatischen Ausgangspunkte zurückzuführen sind 126 , bestehen doch zwischen ihnen wesentliche Unterschiede.

I. Die Heilung Ein sowohl im materiellen Recht wie im Prozeßrecht gleichermaßen bekanntes Institut der Auflockerung von Formen stellt die Heilung dar. Obwohl der Heilungsgedanke insoweit schon seit geraumer Zeit etabliert ist 127 , fehlt bis heute eine geschlossene, die Heilung einschließende Lehre von der prozessualen Form. 128 Symptomatisch hierfür ist, daß es schon an einer einheitlichen Definition des Heilungsbegriffes mangelt. Die ZPO erwähnt den Terminus Heilung

123 Vgl. nur zuletzt BGH MDR 1993, 383, 384: „Ein solches Verlangen [sc. nach Durchsetzung der Zustellungsform (hier: Ausfertigungsvermerk bei Urteilszustellung)] würde über die Anforderungen, die an eine dem Gesetz entsprechende Ausfertigung zu stellen und mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit geboten sind, hinausgehen." 124

Bruns, Enzyklopädie, S. 202; BLÄH / Hartmann Grundz. § 128 Rz. 56.

125

Zur systematischen Unterscheidung beider Ansätze Stürner FS Nagel S. 446, 453.

126

Vollkommer

127

S. 395; a.A. Güntzel S. 25.

Die Bezeichnung „Heilung" wird schon gebraucht bei Skonietzki § 187 Anm. 1.

§ 187 Anm. 1 und Kann

128 Vollkommer S. 65; siehe auch Bruns, Enzyklopädie, S. 202 („Das Problem der Heilung von Prozeßmängeln ist ... neu zu durchdenken."); BLAH I Hartmann Grundz. § 128 Rz. 56 („... ist das Problem der Heilbarkeit ... noch nicht voll durchdacht ...").

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

49

nur in § 1027 I 2. 1 2 9 Aus diesem allgemeinen Schweigen schließen zu wollen, daß es einer exakten Definition der Heilung nicht bedarf, erscheint jedoch verfehlt. Eine genaue, die Wirkungsweise mit einbeziehende Begriffsbestimmung der Heilung ist zumindest im Hinblick auf den Lauf prozessualer Fristen geboten, da durch eine Heilung möglicherweise rückwirkend ein Fristlauf ausgelöst werden kann. 130 Erste Bestimmungsversuche zum Heilungsbegriff finden sich bereits bei Hellwig 1 3 1 und F. Schultz 132 . Anfang der 30er Jahre definierte Scharnberg 133 die Heilung im Bereich der Zustellung als „die Beseitigung des Zustellungsmangels in der Weise, daß es so anzusehen ist, als sei er von vornherein gar nicht vorhanden gewesen ". Die erste umfassende Untersuchung des Heilungsbegriffs stammt wohl von Göcker 134 . Er bezeichnete die Heilung als „das grundsätzlich rückwirkende Wegfallen eines Prozeßmangels. Sie [sc. die Heilung] tritt ein durch ein auf Beseitigung des Mangels gerichtetes Verhalten eines Prozeßbeteiligten (Partei oder Gericht) oder eines Dritten oder dadurch, daß der Mangel unmittelbar kraft Gesetzes ohne Rücksicht auf einen dahin gehenden Willen unbeachtlich ist". In neuerer Zeit formulierte Güntzel 135 in Anlehnung an Göcker: „Heilung ist das — grundsätzlich rückwirkende — Wirksamwerden einer unwirksamen Prozeßhandlung durch das Verhalten eines Prozeßbeteiligten (Partei oder Gericht) oder eines Dritten". Rosenberg / SchWab Gottwald 136 begnügen sich ihrerseits mit einer Kurzdefinition der Heilung als Beseitigung oder Unbeachtlichwerden eines Fehlers, wobei die Heilung sowohl ex tunc als auch ex nunc wirken könne. Demgegenüber leugnet Bruns 137 eine rückwirkende Heilungsmöglichkeit. Nach seiner Ansicht kommt stets nur eine Heilung ex nunc in Betracht. 138

129

Dies übersieht freilich Güntzel S. 7.

130

Güntzel S. 169.

131

LB II § 67 (S. 18 ff.).

132

S. 87.

133

S. 33.

134

S. 9.

135

S. 6 ff. und 169 ff., insb. S. 172.

136

§ 67 III (S. 372).

137

ZPR Rz. 102 g.

138

Ähnlich Thomas/Putzo

4 Kondriny

Vorbem § 166 Rz. 18.

50

1. Teil: Grundlagen

Ausgehend von der oben aufgestellten Prämisse, daß eine Definition der Heilung auch deren Wirkungsweise einzubeziehen habe, scheidet die Begriffsbestimmung von Güntzel von vornherein als tauglicher Definitionsversuch aus. Der Grund hierfür liegt darin, daß das „Wirksamwerden einer unwirksamen Prozeßhandlung" keinen dogmatisch nachvollziehbaren Schluß darauf zuläßt, wie dieses Wirksamwerden abläuft. Demgegenüber sieht Scharnberg in der Heilung eine bloße rückwirkende Fiktion („... so anzusehen ist, als sei ..."). Auch Göcker sieht einen Formfehler im Falle der Heilung als unbeachtlich an, d.h. auch er betrachtet die Heilung insoweit als bloße Wirksamkeits/z/cf/öH. Zugleich erkennt er jedoch in der Heilung die Beseitigung eines Formfehlers. Den hierin liegenden Widerspruch, der darin besteht, daß es sich bei der Unbeachtlichkeit eines Fehlers und der Beseitigung des Fehlers um zwei unterschiedliche methodische Wege handelt, erkennt er nicht. 139 Denn die Beseitigung eines Fehlers führt dazu, daß der Fehler nicht mehr besteht; die Unbeachtlichkeit eines Fehlers berührt demgegenüber das Bestehen des Fehlers nicht, sondern führt lediglich dazu, daß der fortbestehende Fehler nicht mehr wirkt. 140 Diese Unterscheidung von Beseitigung und Unbeachtlichkeit ist von mehr als nur akademischem Wert. So kann etwa ein Prozeßverstoß, der in der Revisionsinstanz nur für unbeachtlich, nicht aber für beseitigt erklärt worden ist, bei der Rück Verweisung in die Berufungsinstanz dort noch geltend gemacht werden (freilich nur, soweit dies nicht durch § 295 ZPO ausgeschlossen ist). 141 Darüber hinaus führt die (rückwirkende) Beseitigung des Fehlers dazu, daß damit auch die davon abhängenden späteren Prozeßhandlungen ebenfalls Wirksamkeit erlangen. Demgegenüber hat die Unbeachtlichkeit eines Fehlers nicht notwendigerweise auch die Aufhebung der abgeleiteten Unwirksamkeit nachfolgender Prozeßhandlungen zur Folge. Es bleibt vielmehr in concreto zu prüfen, ob der Umstand, der die Unbeachtlichkeit des Fehlers der vorangegangenen Prozeßhandlung begründete, auch spätere nichtige Handlungen erfaßt. 142

139

Die Alternativität der beiden Modalitäten klingt allenfalls an bei Göcker S. 77.

140

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 67 III (S. 372); Kamber S. 104 (zur gleichgelagerten Frage im schweizerischen Recht). 141 142

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 67 III (S. 372).

Baumgärtel ÖsterArchiv f. KirchenR 5 (1954) 161, 192. Auch wenn diese Ausführungen das kanonische Prozeßrecht betreffen, lassen diese sich wegen ihrer Grundsätzlichkeit (zur Grundsätzlichkeit des kanonischen Prozeßrechts vgl. Baumgärtel ÖsterArchiv f. KirchenR 5 (1954) 161) gleichwohl auf das Prozeßrecht der deutschen ZPO übertragen (a.A. wohl Güntzel S. 9 Fn. 3, jedoch ohne nähere Begründung).

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

51

Wie die Ausführungen von Rosenberg / Schwab / Gottwald ergeben, zieht sich diese Unterscheidung durch das gesamte Recht der prozessualen Form. 143 Ihr ist deshalb auch im Rahmen einer Definition des Heilungsbegriffes Rechnung zu tragen. Gestützt wird diese Ansicht durch die Entscheidung RGZ 45, 424, 426. Darin erklärte das RG einen Zustellungsfehler zwar ex tunc für geheilt. Doch erstreckte das Gericht die Heilungswirkung nicht auf die sich gleichzeitig stellende materiellrechtliche Frage der Veijährung. Damit wurde trotz nachträglicher Heilung der Klagezustellung die Verjährungsfrist des in Frage stehenden Anspruchs nicht (rückwirkend) unterbrochen, sondern blieb abgelaufen. Dieses vom RG gewonnene Ergebnis läßt sich nur dann nachvollziehen, wenn man den Zustellungsmangel nicht als beseitigt, sondern nur als unbeachtlich betrachtet. Im Falle einer Beseitigung des Fehlers wäre das Gericht wohl kaum daran vorbei gekommen, auch die Verjährungsfrist rückwirkend als unterbrochen zu betrachten. Offen bleibt danach nur noch die Frage nach der zeitlichen Wirkung der Heilung. Allein Bruns 144 will die Heilung stets nur ex nunc eintreten lassen. Alle anderen Definitionen gehen demgegenüber von einer grundsätzlichen Rückwirkung der Heilung aus und machen die ex-nunc-Wirkung zur Ausnahme. Dem ist zuzustimmen.145 Der Begriff der Heilung knüpft schon von seinem Sinngehalt her an einen früheren Tatbestand an. Die Heilung schafft also etwa im Gegensatz zur Wiederholung einer zuvor unwirksam vorgenommenen Prozeßhandlung nicht etwas Neues, sondern lehnt sich an einen bisher schon vorhandenen, jedoch unwirksamen Akt und damit an etwas lediglich unvollkommen Entwickeltes an. 146 Auf diesen Zeitpunkt wirkt auch die Heilung grundsätzlich zurück. Vor diesem Hintergrund ergibt sich folgende Definition der Heilung: Unter der Heilung von Verstößen gegen die prozessuale Form versteht man die Beseitigung oder Unbeachtlichkeit des Formmangels infolge gesetzlicher Anordnung oder aufgrund des Verhaltens des Gerichts oder der Parteien. Die Heilung wirkt je nach Heilungstatbestand ex tunc oder ex nunc und fuhrt entsprechend zur Beseitigung oder bloßen Unbeachtlichkeit des Mangels.

4:

143

Rosenberg / Schwab / Gottwald

144

ZPR Rz. 102 g.

§ 67 III (S. 372).

145

Ablehnend gegenüber Bruns auch ausdrücklich Mes Rpfleger 1969, 40, 42.

146

Scharnberg S. 40; Kamber S. 104 mwN; ähnlich Güntzel S. 172.

52

1. Teil: Grundlagen

II. Die weite Auslegung der Formvorschriften Einen methodisch anderen Weg zur Verwirklichung des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes im Bereich der prozessualen Form geht insbesondere ein Teil der Literatur 147 . Danach soll eine rechtsstaatliche Korrektur des Formalismus nicht erst nachträglich durch eine Heilung des Formfehlers erfolgen, sondern von vornherein durch eine weite Auslegung der Formvorschriften. Auf diese Weise komme es erst gar nicht zu einem Formmangel. Einer Heilung bedürfe es mithin insoweit nicht mehr. Diese Auffassung sieht sich als Fortentwicklung des Heilungsgedankens.148 Beide Ansätze versuchten die Formerfordernisse dann abzumildern, wenn trotz eines Form Verstoßes der Formzweck erreicht sei. Dem entspreche auch eine Mindermeinung im Bereich der materiellrechtlichen Form 149 , die die Formbilligkeit ebenfalls nicht über den nachträglichen Wegfall der Formnichtigkeit realisieren wolle, sondern im Wege einer anfänglichen und fortdauernden Einschränkung von Formgeboten. 150 Die Realisierung des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes und damit der Formbilligkeit über den Weg der weiten Auslegung der Formvorschriften ist abzulehnen.151 Er führt zu einer unnötigen „Zweiteilung" des Rechts der Formbilligkeit, da auch der Ansatz der weiten Auslegung der Formvorschriften nicht gänzlich ohne die Heilung im oben genannten Sinne auskommt. Sofern nämlich der Formzweck nicht schon von Anfang an, sondern erst nachträglich erreicht wird, läßt sich der Formmangel nicht über die weite Auslegung der Formvorschriften überwinden, sondern nur über eine Heilung „im klassischen Sinne". In diesem Fall besteht zunächst der Mangel unzweifelhaft. Es ist entgegen der Theorie von der weiten Auslegung ursprünglich ein Mangel vorhanden. Dieser kann nur nachträglich — wenn auch mit Wirkung ex tunc — überwunden, also geheilt werden. 152 Damit wäre die weite Auslegung als methodischer Ansatz nur in denjenigen Fällen anwendbar, in denen unstreitig von Anfang an der Formzweck erreicht wurde. Im übrigen bliebe es bei einer Heilung im oben

147 Wohl erstmals — wenngleich ohne die Intention der Verwirklichung der Rechtsstaatlichkeit — Hellwig LB II § 67 II 3 (S. 21); nunmehr (jedoch ohne Bezugnahme auf Hellwig) Vollkommer S. 397; für eine weite Auslegung auch Stf° / Schumann Einl. Rz. 78 ff. 148

So ausdrücklich Vollkommer

149

Häsemeyer S. 259 ff., insb. S. 263.

S. 397.

150

Vollkommer

151

Ablehnend auch schon Göcker S. 65.

152

In diesem Sinne auch schon Göcker S. 65.

S. 396 Fn. 24 unter Berufung auf Häsemeyer S. 259 ff.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

53

genannten Sinne. Dieser Methodendualismus führt zu einer Verkomplizierung, die um so bedenklicher ist, als das Gebiet der Überwindung der Prozeßform ohnehin bis heute wenig durchdacht ist. 153 Eine Heilung mit ex tunc- bzw. ex nunc-Wirkung vermag ohne praktischen Verlust, allerdings methodisch einheitlicher zu demselben Ergebnis zu führen. Darüber hinaus ist über den Weg der weiten Auslegung der prozessualen Formvorschriften die das Recht der Prozeßform durchziehende Differenzierung von Fehlerbeseitigung und bloßer Unbeachtlicheit des Fehlers nicht realisierbar. Eine weite Auslegung läßt gar keinen Formfehler entstehen und vermag deshalb nur ein der Fehlerbeseitigung gleichwertiges, nicht aber der Unbeachtlichkeit entsprechendes Ergebnis zu bewirken. Schließlich scheint die weite Auslegung auch mehr als die Heilung dem Grundsatz der Justizförmigkeit des Prozesses abträglich. 154 Nur über die nachträgliche Heilung läßt sich die prozessuale Form in einer von der Justizförmigkeit des Prozesses gebotenen kontrollierten Art und Weise aufweichen. Die Formvorschriften behalten wohl in weit höherem Maße ihre Bindungswirkung, wenn man bei einem Formverstoß stets zunächst die für die Partei nachteiligen Folgen eintreten läßt und erst nachträglich über deren mögliche Heilung befindet. 155 Wegen des Gedankens der Justizförmigkeit des Verfahrens und des daraus resultierenden eigenen Gerechtigkeitsgehalts der Prozeßform läßt sich die weite Auslegung auch nicht unter Berufung auf vergleichbare methodische Ansätze im funktional vom Prozeßrecht verschiedenen materiellen Recht rechtfertigen. 156 Danach ist die Heilung der methodisch richtigere Weg zur Überwindung von Formfehlern im Sinne des rechtsstaatlichen Übermaß Verbotes. Dies gilt wegen der hohen Bedeutung der Zustellung für das rechtsstaatliche Verfahren und wegen der weitreichenden, an die Zustellung anknüpfenden Folgen 157 auch im

153

So Bruns, Enzyklopädie, S. 202; BLÄH / Hartmann Grundz. § 128 Rz. 56; auch Vollkommer

S. 65. 154

Hierzu und zum folgenden siehe Güntzel S. 24 f.

155

Ähnlich auch die Stellungnahme der Bundesregierung in EuGH Slg. 1990 1-2725, 2730 (Lancray . / . Peters); ebenso Rauscher IPRax 1991, 155, 157; auch Stürner JZ 1992, 325, 330: Heilung als Mittelweg zwischen Förmlichkeit und Billigkeit. 156 Ob die Ausführungen Häsemeyers S. 259 ff. zum Recht der materiellen Form darüber hinaus haltbar sind, bedarf an dieser Stelle keiner Erörterung. 157 BLÄH / Hartmann Übers. § 166 Rz. 2; Scharnberg S. 19; zur besonderen Bedeutung der Zustellung im System des Prozesses siehe schon Hahn, Materialien zur ZPO, 1. Bd., S. 222.

54

1. Teil: Grundlagen

Bereich des Zustellungsrechts. Welche Möglichkeiten der Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen des nationalen Zustellungsverfahrens der ZPO in Betracht kommen und wie diese im einzelnen wirken, gilt es im folgenden zu untersuchen. Diese Heilungsmöglichkeiten können grundsätzlich auch für die Heilung im internationalen Zivilrechtsverkehr Bedeutung erlangen, sofern sich diese Frage vor einem deutschen Gericht stellt.

§ 5 Heilungsmöglichkeiten nach der ZPO

Die Literatur bietet nur ein recht uneinheitliches Bild darüber, welche Möglichkeiten zur Heilung von Zustellungsfehlern in Betracht kommen. Einheitlich erscheint nur die Qualifikation der §§ 187 und 295 ZPO als Weg zur Überwindung von Zustellungsmängeln. Daneben werden teilweise zusätzlich die Wiederholung des fehlerhaften Zustellungsaktes158, die formlose Genehmigung des Zustellungsadressaten 159 sowie ein allgemeiner Heilungsgrundsatz kraft Zweckerreichung 160 als weitere Heilungsmodalitäten genannt.

I. Die Wiederholung

des fehlerhaften

Zustellungsaktes

Teile der Literatur sehen auch in der Wiederholung einer bisher nur fehlerhaft vorgenommenen Zustellung eine Heilungsmöglichkeit. 161 Bei der Wiederholung in diesem Sinne handelt es sich um „die nochmalige prozeßgerechte Vornahme einer bereits vorgenommenen, aber mangelhaften Prozeßhandlung ohne jede rückwirkende Kraft" 162 . Zwar handelt es sich bei der Zustellung um keine Prozeßhandlung. Doch hindert dies nicht, auch die Wiederholung der Zustellung mit unter diese Begriffsbestimmung zu fassen. Gleichwohl ergeben sich in bezug auf die Qualifikation der Wiederholung als Heilungsmodalität einige Bedenken. Insbesondere die oben aufgestellte Defini-

158

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 3 (S. 421) iVm § 62 II 3a (S. 340); allg. Zöller/ Greger § 295 Rz. 7; BLÄH / Hartmann § 295 Rz. 3. 159

Thomas / Putzo Vorbem. § 166 Rz. 15; Rosenberg / Schwab / Gottwald Schellhammer Rz. 105. 160

§ 76 II 3a (S. 421);

Güntzel S. 22 ff., insb. S. 25.

161

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 3 (S. 421); Kamber S. 104 f.; allgemein Zöller/ Greger § 295 Rz. 7; BLÄH / Hartmann § 295 Rz. 3 („erneute Vornahme"). 162

Göcker S. 77.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

55

tion der Heilung gibt hierzu Anlaß. Danach ist es ein konstitutives Merkmal der Heilung, daß der Formmangel grundsätzlich ex tunc überwunden werden kann. 163 Gerade dies ist jedoch bei der Wiederholung nie möglich. Ihr fehlt das der Heilung eigene, an vorhergehende Umstände anknüpfende und damit rückwirkende Moment: Denn bei der Wiederholung wird nicht etwas ehemals Fehlerhaftes wirksam, sondern etwas Neues wirkt konstitutiv ab dem Zeitpunkt seiner Vornahme. Diese Differenzierung ist mehr als nur akademischer Natur. Sie gewinnt nämlich immer dann an Bedeutung, wenn eine fristgebundene Handlung fehlerhaft war und die zur (fehlerfreien) Vornahme der Handlung gesetzte Frist abgelaufen ist. Im Hinblick auf die Zustellung kann dies etwa im Bereich der Ladungs- und Einlassungsfrist (§§ 217, 274 I I I ZPO) relevant werden. Erweist sich die Zustellung nach Ablauf einer solchen Frist als unwirksam, so ist der an einer wirksamen Zustellung interessierten Partei nur dann geholfen, wenn der Zustellungsmangel rückwirkend überwunden werden kann. 164 Wiederholbar war die Zustellung jedoch nur innerhalb der zwischenzeitlich abgelaufenen Frist, so daß eine Überwindung des Zustellungsmangels durch fehlerfreie Wiederholung der Zustellung ausscheidet. Demgegenüber vermag die Heilung ex tunc zu wirken. Sie ist nicht wie die Wiederholung an zeitliche Schranken gebunden. Nur so ist die Wahrung der Frist durch die — an sich fehlerhafte — Zustellung möglich. Demnach bestehen derart fundamentale Unterschiede zwischen der Heilung im Sinne der oben aufgestellten Definition und der Wiederholung (Neuvornahme) von zuvor unwirksamen Zustellungsakten, daß eine Qualifikation der Wiederholung als Heilungsmodalität ausscheiden muß. 165 Nichts anderes kann aber auch für die Nachholung 166 und die Ergänzung 167 von Zustellungsakten gelten. Zwar werden beide Figuren zum Teil als von der Wiederholung (Neuvornahme) verschiedene Wege betrachtet. 168 Selbst wenn jedoch schon an einer gegenüber der Wiederholung selbständigen Bedeutung der beiden Institute

163

Nicht notwendigerweise muß, dies ist jeweils eine Entscheidung des Einzelfalls.

164

Vgl. a. Güntzel S. 8 f.

165

Im Ergebnis ebenso Jauernig ZPR § 30 IX 1 (S. 110); Güntzel S. 8 f., 170, 172; Göcker S. 76 ff.; Vollkommer S. 356 f.; Thomas / Ρutzo Vorbem. § 166 Rz. 18. 166

Das ist die nachträgliche (Erst-)Vomahme eines bisher fehlenden Aktes.

167

Das ist die nachträgliche (Erst-)Vornahme eines bisher fehlenden Teils eines zuvor vorgenommenen Aktes. 168 Die Nachholung will etwa Göcker S. 78 ff. von der Wiederholung trennen, der Ergänzung mißt Scharnberg S. 41 ff. selbständige Bedeutung bei.

56

1. Teil: Grundlagen

erhebliche Zweifel bestehen169, so ist doch — unbesehen dieser Bedenken — beiden in jedem Fall die zeitliche Beschränkung ihrer Wirksamkeit und der Mangel an Rückwirkung mit der Wiederholung gemein. Auch sie können mithin nicht als Heilungsinstrumente eingeordnet werden.

II. Die formlose Genehmigung Als weiterer Weg zur Heilung von Zustellungsmängeln wird die nachträgliche formlose Genehmigung des Fehlers durch den Zustellungsadressaten vorgeschlagen.170 Der Begriff der Genehmigung im Sinne der ZPO umschreibt die Beseitigung des Mangels persönlicher Handlungsvoraussetzungen 171, der u.a. in fehlender Vertretungsmacht begründet sein kann. 172 Im Bereich der Zustellung wird der Zustellungsadressat in zwei Fällen vertreten: Nach der h.M. ist die Ersatzperson bei der Ersatzzustellung gemäß §§ 181-185 ZPO gesetzlicher Vertreter des Zustellungsadressaten. 173 Ebenso ist in den Fällen der §§ 171173, 176, 178, 210a ZPO die Zustellung statt an den eigentlichen Adressaten an einen Vertreter desselben gerichtet. 174 Wird nun in diesen Fällen an einen Vertreter ohne Vertretungsmacht oder bei der Ersatzzustellung nach §§ 181-185 ZPO an eine nicht kraft Gesetzes legitimierte Ersatzperson zugestellt, so soll nach Ansicht einiger Autoren der eigentliche Zustellungsadressat die unwirksame Zustellung mit ex tunc Wirkung genehmigen können. 175 Der Zustellungsmangel würde auf diese Weise beseitigt. 176 Die Verfechter der nachträglichen Genehmigung bestimmter Zustellungsmängel gründen ihre Auffassung zum

169

Hierzu siehe die Ausführungen von Vollkommer

S. 356 f., insb. auch Fn. 1.

170

StJ/H.Roth Vor § 166 Rz. 29; Wiehe S. 150 ff.; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 3a (S. 421); Schellhammer Rz. 105; Thomas / Ρutzo Vorbem. § 166 Rz. 15; Hohmann S. 16 f.; Scharnberg S. 32 f.; Kamber S. 105 f. Die von einigen dieser Autoren (etwa Rosenberg / Schwab Gottwald aaO; Schellhammer aaO) zur Unterstützung ihrer Ansicht berufene Entscheidung RG JW 1936, 3312 vermag nicht als Rechtsprechungsbeleg zu überzeugen, da sie die Frage der Zulässigkeit einer Heilung durch Genehmigung ausdrücklich offen läßt. 171

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 68 II 2a (S. 374).

172

Scharnberg S. 25 ff.

173

Etwa Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 3a (S. 421).

174

SU /H.Roth Vor § 166 Rz. 29.

175

Thomas / Ρ utzo Vorbem. § 166 Rz. 15; Schellhammer Rz. 105.

176

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 67 III lb (S. 372); zur praktischen Relevanz des Unterschieds zwischen Beseitigung und Unbeachtlichkeit eines Mangels siehe oben, § 4 I.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

57

einen auf die Parallele zum materiellen Recht (§§ 177, 180 BGB) 1 7 7 und zum anderen auf eine analoge Anwendung der §§ 89, 551 Nr. 5 und 579 Nr. 4 ZPO. 178 Die Berechtigung einer Heilung von Zustellungsmängeln kraft nachträglicher Genehmigung erscheint zweifelhaft. Schon ihr dogmatisches Fundament ist zumindest im Bereich der Zustellung wenig tragfähig. Denn die Theorie von der Genehmigung von Zustellungsmängeln geht davon aus, daß der tatsächliche Empfänger in den Fällen der §§ 181-185 ZPO und der §§ 171-173, 176, 178, 210a ZPO der Vertreter des Zustellungsadressaten ist. Allein aus der Tatsache, daß die Zustellung an den tatsächlichen Empfänger in den genannten Fällen gegen den eigentlichen Zustellungsadressaten wirkt, ist noch nicht notwendig auf eine Vertretereigenschaft des tatsächlichen Empfängers zu schließen. Dies ergibt sich aus dem materiellen Recht, auf das sich die Vertreter der hier kritisierten Ansicht stützen.179 Auch im materiellen Recht ist der Hausgenosse, der ein Schreiben für den Empfänger entgegennimmt und damit den Zugang der in dem Schreiben verkörperten Willenserklärung bewirkt, noch kein Vertreter des Empfängers, sondern lediglich ein bloßer Empfangsbote. 180 Darüber hinaus bezieht sich die Genehmigung von ihrer Definition her wohl nur auf sog. Proz^handlungsvoraussetzungen. 181 Die Zustellung selbst ist aber keine Prozeßhandlung, sondern dient nur der Perfektionierung oder Mitteilung einer solchen. Insoweit ist auch — ihre hier schon bezweifelte Existenzberechtigung vorausgesetzt — die Vertretungsmacht des tatsächlichen Zustellungsempfängers keine Prozeßhandlungsvoraussetzung. Im übrigen dürfte in der bloßen Entgegennahme der Zustellung durch den tatsächlichen Empfänger wohl kein selbständiger Akt der Prozeßführung zu sehen sein. 182 Schließlich scheint es auch unzutreffend zu sein, die Genehmigung auf den (passiven) Annahmeakt des Empfängers zu beziehen, da letztlich nicht die Wirksamkeit dieses Aktes in Frage steht, sondern die Wirksamkeit des (aktiven) Zustellungsaktes, der von dem Gericht oder dem Prozeßgegner ausgegangen

177

Schamberg S. 26.

178

Rosenberg, Stellvertretung, S. 620 ff., 984; Scharnberg S. 26.

179

Scharnberg S. 26.

180

Blomeyer § 32 I 2e Fn. 10 (S. 188).

181

So ausdrücklich Vollkommer

182

SU 20 / Schumann Vor § 166 Rz. 30; a.A. nunmehr StJ / H.Roth Vor § 166 Rz. 29.

S. 360.

58

1. Teil: Grundlagen

ist. 183 Dies gilt um so mehr, als eine Analogie zu § 89 ZPO, wie sie die Vertreter der hier abgelehnten Auffassung annehmen, nur schwerlich möglich ist. Diese Norm, die sich insbesondere auf die Aktivvertretung und nicht auf die hier vorliegende Passivvertretung bezieht 184 , stellt eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift dar 185 und ist damit nicht analogiefähig. Die Konstruktion einer Heilung von Zustellungsmängeln über das Institut der Genehmigung könnte jedoch trotz aller bisher vorgebrachten dogmatischen Bedenken eine Berechtigung haben, wenn sich hierdurch eine durch die übrigen Heilungsmöglichkeiten nicht abgedeckte Lücke schließen ließe. Eine solche Lücke besteht allenfalls im Hinblick auf Notfristen, bei denen — wie noch später zu zeigen sein wird — die übrigen Heilungsfiguren versagen. 186 So will ein Teil der Literatur die Heilung durch nachträgliche Genehmigung in der Tat auch dann zulassen, wenn durch die Heilung Notfristen in Gang gesetzt werden. 187 Dies wirft jedoch insofern Bedenken auf, als die Notfristen nicht zur Disposition der Parteien stehen188 und somit auch nicht Gegenstand einer nachträglichen Genehmigung sein können. 189 Eine Genehmigung von Zustellungsfehlern ist mithin ausgeschlossen, sofern hierdurch Notfristen in Gang gesetzt würden. Damit besteht unbesehen der vorstehend dargestellten dogmatischen Ungereimtheiten auch kein praktisches Bedürfnis für eine Heilung durch nachträgliche Genehmigung.

III. § 295 ZPO Eine heute allgemein anerkannte Heilungsmöglichkeit stellt § 295 ZPO dar. 190 Die früher vertretene abweichende Ansicht von Süss191 und Rei-

183

SU 20 / Schumann Vor § 166 Rz. 30; a.A. nunmehr StJ / H.Roth Vor § 166 Rz. 29 mwN.

184

Scharnberg S. 26.

185

BLÄH / Hartmann § 89 Rz. 11.

186

Vgl. insofern auch Blomeyer § 32 I 2a (S. 188).

187

So ausdrücklich Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 3a (S. 421); Thomas / Putzo Vorbem. § 166 Rz. 16. 188

AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg § 295 Rz. 2.

189

Wiehe S. 152 mwN; RG Gruchot 38 (1894) 1220; a.A. StJ / H.Roth § 187 Rz. 1.

190

Vgl. nur stellvertretend Zöller / Greger § 295 Rz. 7; BLÄH / Hartmann § 295 Rz. 3; Thomas / Putzo § 295 Rz. 7; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 68 III (S. 375). 191

ZZP 54 (1924) 12, 40 f.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

59

ner 192 , die § 295 ZPO die Heilungsqualität mit dem Argument absprachen, daß durch diese Norm lediglich der Verlust des Rügerechts, nicht aber eine Heilung des Fehlers bewirkt werde, darf heute als überwunden gelten. 193 Gemäß § 295 ZPO ist eine fehlerhafte Prozeßhandlung dann (grundsätzlich ex tunc) unbeachtlich194, wenn die rügeberechtigte Partei auf eine entsprechende Rüge des Mangels ausdrücklich 195 oder schlüssig verzichtet oder trotz Kenntnismöglichkeit des Mangels und trotz Erscheinens im nächsten mündlichen Termin 1 9 6 eine Rüge schlicht unterläßt. Im letztgenannten Fall wird der Verzicht fingiert. 197 Rügeberechtigt ist bei Mängeln der Gerichtshandlung jede Partei, bei Mängeln einer Parteihandlung dagegen nur der Gegner. 198 Von der Heilung gemäß § 295 ZPO sind nur Mängel solcher Verfahrensnormen ausgenommen, die gemäß § 295 I I ZPO unverzichtbar sind 199 ; das sind all diejenigen Verfahrensvorschriften, die dem öffentlichen Interesse an einer geordneten Rechtspflege dienen. 200 § 295 ZPO versucht wie alle Heilungsvorschriften einen Ausgleich zwischen der Rechtssicherheit, der Prozeßökonomie und der Gerechtigkeit zu schaffen 201 : Der Zweck der verletzten Verfahrensvorschrift gilt auch dann als erreicht 202 , wenn die durch einen Formverstoß belastete Partei trotz Kenntnisnahmemöglichkeit vom Mangel durch ihr Schweigen in der mündlichen Ver-

192

S. 27.

193

Ausführlich gegen diesen Ansatz Güntzel S. 10 f.

194

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 62 II 3 c; Kamber S. 107 (zur identischen Situation im schweizerischen Recht). Zur Unterscheidung von Unbeachtlichkeit und Beseitigung eines Fehlers siehe oben. 195 Allenfalls insoweit könnte man von einer Genehmigung im oben (§ 5 II) genannten Sinne sprechen. 196

Wegen dieses Erfordernisses vermag § 295 ZPO nur Fehler in Verfahren mit einer obligatorischen oder fakultativen mündlichen Verhandlung zu heilen. Eine Anwendung des § 295 ZPO im Mahnverfahren scheidet damit aus; vgl. BLÄH / Hartmann § 295 Rz. 1. 197 Zöller / Greger § 295 Rz. 1; a.A. BLÄH / Hartmann § 295 Rz. 10. Es ist deshalb wohl gerechtfertigt, in § 295 ZPO einen einheitlichen Heilungsgrund — freilich mit zwei unterschiedlichen Heilungsmodalitäten — zu sehen. 198

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 68 II 1 (S. 374).

199

Nicht hiermit verwechselt werden dürfen „wesentliche Mängel", zu denen nach der hier vertretenen Ansicht auch alle Verstöße gegen Zustellungsformalia zählen. Denn ein „wesentlicher Mangel" kann durchaus verzichtbar im Sinne des § 295 II ZPO sein; vgl. Göcker S. 12. 200

Zöller / Greger § 295 Rz. 4.

201

AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg § 295 Rz. 1.

202

Göcker S. 30 Fn. 4 spricht insoweit von einer Fiktion oder unwiderleglichen Vermutung.

60

1. Teil: Grundlagen

handlung zu erkennen gibt, daß ihr durch den Mangel kein Nachteil entstanden ist. 203 Ist aber der Zweck der Verfahrensvorschrift trotz eines Verstoßes offensichtlich erreicht, so gebietet nach den vorstehenden Ausführungen das rechtsstaatliche Übermaßverbot ein Nachgeben insbesondere der Formerfordernisse. Nach allgemeiner Ansicht kommt § 295 ZPO auch im Bereich der Zustellung eine besondere Bedeutung zu. 204 Insoweit werden von § 295 ZPO sowohl Mängel des Zustellungsaktes als auch solche des zuzustellenden Schriftstücks erfaßt. 205 Doch vermag § 295 ZPO nach seinem eindeutigen Wortlaut nur fehlerhafte Prozeßhandlungen zu heilen. Die Zustellung stellt aber — wie schon mehrfach bemerkt — selbst keine Prozeßhandlung dar, sondern dient nur als Mittel zur Perfektionierung oder Mitteilung einer solchen. Aus diesem Grunde heilt § 295 ZPO nicht die formal unwirksame Zustellung als solche, sondern die Prozeßhandlung, der die Zustellung dienen sollte. 206 Die gegenteilige Ansicht von Hartmann 207 , wonach der Begriff der Prozeßhandlung in § 295 ZPO weit zu fassen ist, so daß hierunter nicht nur Prozeßhandlungen im engeren Sinne, sondern alle „auf die Prozeßentwicklung gerichtete[n] Handlungen des Gerichts oder einer Partei gegenüber einer Partei" 208 (und damit auch wohl die Zustellung) zu verstehen sind, ist abzulehnen. Zwar wäre nach diesem weiten Prozeßhandlungsbegriff eine unmittelbare Heilung der formal fehlerhaften Zustellung selbst gemäß § 295 ZPO möglich. Dies geschähe jedoch um den Preis einer unnötigen Dekonturierung des Begriffs der Prozeßhandlung. Auch auf dem Gebiet der Zustellung kommt jedoch eine Heilung der infolge des Zustellungsfehlers unwirksamen Prozeßhandlung nur dann in Betracht, wenn die Heilung nicht durch § 295 Π ZPO ausgeschlossen ist. Ein solcher Heilungsausschluß wird regelmäßig dann bejaht 209 , wenn Notfristen mit im Spiel sind. 210 Im übrigen findet sich die in ähnlicher Form häufig wiederkeh-

203

Göcker S. 30 und 58.

204

E. Schneider JurBüro 1970, 221, 222.

205

Zöller / Greger § 295 Rz. 6.

206

Hohmann S. 16; Thomas / Putzo Vorbem. § 166 Rz. 17.

207

BLÄH / Hartmann § 295 Rz. 1 iVm Grundz. § 128 Rz. 46.

208

BLÄH / Hartmann Grundz. § 128 Rz. 46.

209

Etwa BGH NJW 1984, 926; 1952, 934; Zöller / Greger § 295 Rz. 6; Thomas / Putzo § 295 Rz. 3; AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg § 295 Rz. 4. 210

Die einstmals von Oertmann TZ? 48 (1920) 437, 456 f. vertretene Ansicht, daß auch bei Notfristen eine Heilung nach § 295 ZPO möglich sei, solange die Heilung nur während der noch laufenden Frist erfolge, fand keine weiteren Anhänger.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

61

rende Aussage, daß eine Heilung nach § 295 ZPO generell bei Verletzung von Zustellungsregeln möglich sei. 211 Diese Formulierung stößt in ihrer Allgemeinheit insofern auf Bedenken, als die Zustellung (noch einmal:) keine eigenständige Prozeßhandlung ist, sondern nur der Perfektionierung oder Mitteilung einer solchen dient. Hieraus folgt, daß für die Beurteilung der Verzichtbarkeit im Sinne des § 295 I I ZPO nur ausschlaggebend sein kann, „welche Eigenschaften die durch die Zustellung zur Existenz gelangende Handlung oder die durch sie in Lauf zu setzende oder zu wahrende Frist oder die durch sie zu wahrende Form hat" 212 . Auch wenn ein Parteiverzicht auf das rechtliche Gehör nach einer älteren Rechtsprechung 213 grundsätzlich nicht möglich ist 214 , wird heute ein Verstoß gegen die das rechtliche Gehör schützenden Zustellungsvorschriften für verzichtbar gehalten. So kommt § 295 ZPO z.B. bei einer fehlerhaften oder fehlenden Klagezustellung215 oder bei der lediglich formlosen Übersendung eines klageerweiternden Schriftsatzes 216 zur Anwendung.

IV. § 187 ZPO Anders als andere Bereiche des Prozeßrechts kennt das Zustellungsrecht mit § 187 ZPO ein spezielles, über die allgemeine Heilungsmöglichkeit nach § 295 ZPO hinausgehendes Heilungsinstitut. Nach § 187 ZPO, der gemäß § 208 ZPO gleichermaßen im Verfahren der Partei- und Amtszustellung gilt, ist der fehlende Nachweis einer formgerechten Zustellung oder der Verstoß gegen eine zwingende Zustellungsvorschrift 217 in dem Augenblick ex nunc unbeachtlich218,

211

Etwa AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg § 295 Rz. 4; Schellhammer Rz. 107; ähnlich SU 20 / Leipold § 295 Rz. 12: „Verletzungen der Vorschriften über die Zustellungen ... sind zum großen Teil verzichtbar." 2,2

StJ/H.Roth

213

Etwa OLG Frankfurt NJW 1962, 450.

214

Gegen diese restriktive Haltung zu Recht Zöller / Greger § 295 Rz. 5.

Vor § 166 Rz. 28.

215

BGHZ 25, 67, 72; 70, 384, 386; BLÄH / Hartmann § 295 Rz. 61; AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg § 295 Rz. 8. Sofern die Zustellung nicht nur fehlerhaft war, sondern ganz fehlte, ist jedoch nur eine Heilung ex nunc möglich, vgl. AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg § 295 Rz. 8. 216 217

BGH VersR 1967, 395; NJW 1960, 820; Zöller / Stephan § 295 Rz. 6.

Nach der hier vertretenen Ansicht ist nicht zwischen wesentlichen und unwesentlichen Zustellungsvorschriften zu trennen — siehe oben —, so daß auch alle Zustellungsnormen grundsätzlich zwingend sind.

62

1. Teil: Grundlagen

in dem das zuzustellende Schriftstück einem vom Gesetz vorgesehenen Adressaten tatsächlich zugegangen ist. Anders als § 295 ZPO, der nicht den Zustellungsfehler selbst, sondern die dahinter stehende Prozeßhandlung heilt, führt § 187 ZPO zu einer Heilung der fehlerhaften Zustellung als solcher. 219 Die Heilung eines Zustellungsfehlers ist danach unter einer doppelten Voraussetzung möglich 220 : Zunächst ist erforderlich, daß das für das Verfahren zuständige Organ überhaupt eine förmliche Zustellung vornehmen wollte, d.h. einen Zustellungswillen besaß. Ein Zustellungswille fehlt etwa, wenn jemand ohne Zuziehung von Zustellungsorganen gleichsam auf eigene Faust die Zustellung vornimmt. 221 Gleiches gilt dann, wenn ein Schriftsatz unbefugt vor Zustellungsanordnung den Prozeßakten entnommen wird. 222 Demgegenüber ist der Zustellungswille gegeben, wenn nach richterlicher Zustellungsanordnung die Geschäftsstelle das Schriftstück irrtümlich formlos übersendet. Auf den Willen der Geschäftsstelle kommt es dort zunächst dann nicht an, wenn diese nicht selbständig, sondern lediglich als Gehilfe des die Zustellung anordnenden Organs handelt. 223 Als zweite Voraussetzung bedarf es zur Heilung eines Zustellungsfehlers gemäß § 187 ZPO des tatsächlichen Zugangs des zuzustellenden Schriftstücks bei einem vom Gesetz vorgesehenen Adressaten. Zugang in diesem Sinne ist immer dann gegeben, wenn das zuzustellende Schriftstück derart in den Besitz des richtigen Adressaten iSd § 191 Nr. 3 ZPO gelangt, daß er Gelegenheit zur Kenntnisnahme erlangt hat. 224 An einem solchen Zugang fehlt es dann, wenn der Adressat lediglich mündlich über den Inhalt des Schreibens informiert wurde oder ihm nur eine Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks übermittelt wurde. 225

218 Rosenberg / Schwab / Gottwald § 67 III 2b (S. 373); StJ / H.Roth § 187 Rz. 17 („Hinwegsehen über den Mangel")· Zur Unterscheidung von Unbeachtlichkeit und Beseitigung eines Fehlers siehe oben. 219

Hohmann S. 16; unzutreffend dagegen Güntzel S. 149 Fn. 5.

220

Zum folgenden siehe allgemein die Kommentierungen zu § 187 ZPO, etwa Zöller / Stöber § 187 Rz. 2 ff.; StJ / H.Roth § 187 Rz. 3 ff. 221 Vgl. etwa MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 2; a.A. LG Marburg DGVZ 1983, 25, 26 und AG Biedenkopf MDR 1983, 588 m. abl. Anm. E. Schneider DGVZ 1983, 33. 222

Zöller / Stöber § 187 Rz. 2.

223

Zöller / Stöber § 187 Rz. 2.

224

MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 4.

225

StJ /H.Roth § 187 Rz. 3 f.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

63

Eine Heilung scheidet jedoch trotz Vorliegens der genannten Voraussetzungen gemäß § 187 S. 2 ZPO aus, soweit durch die Zustellung eine Notfrist 226 in Gang gesetzt (nicht aber nur gewahrt 227 ) werden sollte, da diese wegen ihrer Bedeutung für den Rechtsstreit keine Ungewißheit dulden. 228 Sind an ein und dieselbe Zustellung außer dem Ingangsetzen von Notfristen noch weitere Rechtsfolgen geknüpft, so werden letztere allerdings nicht vom Heilungsausschluß des § 187 S. 2 ZPO erfaßt. 229 Ratio des § 187 ZPO ist der Zweckerreichungsgedanke 230: Es soll auf die Einhaltung der prozessualen Zustellungsform verzichtet werden, wenn sich aus den Umständen des Falles ergibt, daß der Zustellungszweck, der neben anderem vor allem in der Information des Zustellungsadressaten und damit in der Sicherung des rechtlichen Gehörs liegt, auch ohne Einhaltung der Zustellungsform erreicht wurde. Zwar verfolgt die Zustellung — wie weiter oben gesehen — noch weitere, über die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs hinausgehende Zwecke. Mit der Einführung des § 187 ZPO hat der Gesetzgeber jedoch gezeigt, daß nach seiner Vorstellung der Informationszweck der Zustellung weit im Vordergrund steht.231 Aus diesem Grunde ist der Zustellungszweck — unbeschadet der genannten weiteren Zwecke — regelmäßig schon dann als erreicht anzusehen, wenn dem Zustellungsadressaten das zuzustellende Schriftstück auf andere Weise als durch formgerechte Zustellung zugegangen ist. Ein Festhalten auch an der Beweisfunktion des Zustellungszeugnisses, das zugunsten der jeweils anderen Partei den Beweis der Zustellung über § 418 ZPO erleichtert,

226

Zur hier nicht näher interessierenden entsprechenden Anwendung des § 187 S. 2 ZPO auf andere Fristen siehe etwa MiiKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 8. 227 SU/H.Roth § 187 Rz. 24; BLÄH / Hartmann § 187 Rz. 15; BGH MDR 1983, 1002: Wahrung der bereits laufenden Frist des § 13 12 StrEG bei Klagezustellung. Die Klagefrist wurde durch die Zustellung der nunmehr angefochtenen Entscheidung über die Entschädigung in Gang gesetzt. Die Zustellung der Klage hiergegen soll diese bereits laufende Frist lediglich wahren. Ebenso für die durch Zustellung einer Entschädigungsentscheidung in Gang gesetzte Klagefrist des Art. 12 III AusfG zum Nato-Truppenstatut bei fehlerhafter Zustellung der gegen diese Entscheidung eingelegten Klage OLG Zweibrücken OLGZ 1978, 108; für die Wahrung der Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 1534. Demgegenüber Ingangsetzen einer Notfrist durch Zustellung z.B. § 516 ZPO. 228

BLÄH / Hartmann § 187 Rz. 13; AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg S. 219. 229

§ 187 Rz. 6; krit. Hohmann

SU / H.Roth § 187 Rz. 25; Mes Rpfleger 1969, 40, 42; Hohmann S. 219.

230

AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg § 187 Rz. 1; MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 1; Vollkommer S. 361; Güntzel S. 22; Staud DJ 1940, 1182, 1183. 231 Hohmann S. 16; ebenso sieht SU /H.Roth Vor § 166 Rz. 26 z.B. in der Beweisfunktion der Zustellung einen eher nachrangigen Zustellungszweck.

64

1. Teil: Grundlagen

hieße im übrigen dieser Partei „Steine statt Brot zu geben", wenn sich der tatsächliche — wenn auch fehlerhafte — Zugang des zuzustellenden Schriftstücks beim Adressaten auf andere Weise beweisen läßt. 232 In diesem Fall gebietet es — wie oben bereits hervorgehoben — das rechtsstaatliche Übermaßverbot, von einer starren Einhaltung der Zustellungsform abzusehen.233 Ein Weg zur Verwirklichung dieses Grundsatzes ist § 187 ZPO. § 187 ZPO geht in seiner jetzigen Fassung im wesentlichen auf den ZPO-Entwurf-1931 zurück 234 und wurde 1940 in die ZPO eingefügt 235 . Er ersetzte § 187 ZPO a.F. 236 , der die Möglichkeit der Heilung auf die Ersatzzustellung von Ladungen beschränkte. Demgegenüber erfaßt § 187 ZPO n.F. sowohl die Zustellung von Schriftstücken aller Art als auch (zumindest im Bereich der Inlandszustellung 237 ) sämtliche Arten von Zustellungsfehlern. 238 Dies gilt gleichermaßen für Fehler des Zustellungsverfahrens (z.B. Zustellung an den falschen Empfänger oder lediglich gewöhnliche Übersendung statt Zustellung) wie für Fehler des zuzustellenden Schriftstücks (z.B. entgegen § 170 ZPO Zustellung einer unbeglaubigten Abschrift der Klageschrift). 239 Anders als § 187 ZPO a.F., der den Beweis des tatsächlichen, wenn auch formwidrigen Zuganges des zuzustellenden Schriftstücks nur durch ein Parteizugeständnis über den Empfang des Schriftstücks zuließ, ermöglicht § 187 ZPO n.F. den Beweis des

232

Andere Beweismittel sind etwa auch bei Verlust der Zustellungsurkunde zulässig.

233

In ähnlichem Sinne auch MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 1.

234

StJ/H.Roth Vor § 166 Rz. 4; Bökelmann JR 1972, 425; auch wohl Vollkommer S. 361. Nichtsdestotrotz bestehen einige gewichtige Unterschiede. Vgl. insofern § 139 ZPO-Entwurf-1931: „Ergibt sich, daß ein unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugeleitetes Schriftstück in die Hände des Prozeßbeteiligten gelangt ist, an den die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, so kann die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt angesehen werden, in dem der Beteiligte das Schriftstück erhalten hat. Das Gericht prüft, wenn es an einer formgerechten Zustellung fehlt, in freier Würdigung des Sachverhaltes, ob der Zustellungszweck erreicht ist und wann das für einen Beteiligten bestimmte Schriftstück in seinen Besitz gelangte. Die Entscheidung ist unanfechtbar. " 235

VO vom 9.10.1940, RGBl. I S. 1340. Dazu Staud DJ 1940, 1182, 1183.

236

Eingefügt als § 170a ZPO durch Gesetz vom 17.5.1898, RGBl. S. 256, umbenannt in § 187 ZPO durch Neubekanntmachung vom 20.5.1898, RGBl. S. 410 ff. § 187 ZPO a.F. lautete: „Ergibt sich aus den Erklärungen einer Partei, daß eine ihr unter Verletzung der Vorschriften der §§ 181186 zugestellte Ladung in ihre Hände gelangt ist, so ist die Zustellung als mit dem Zeitpunkt bewirkt anzusehen, in welchem die Partei nach ihren Erklärungen die Ladung erhalten hat. " 237

Zur Auslandszustellung siehe weiter unten.

238

SU/H.Roth

239

§ 187 Rz. 1; Rosenberg /Schwab / Gottwald

§ 76 II 3b. (S. 421).

Thomas / Putzo § 187 Rz. 5; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 3b (S.421)mwN; BGH NJW 1987, 2868; StJ / H.Roth § 187 Rz. 9; sehr str.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

65

Zugangs in jeder Weise. 240 Zugleich gewinnt § 187 ZPO n.F. durch den Verzicht auf die Notwendigkeit des Parteivorbringens auch im Versäumnisverfahren an Bedeutung, da der Beweis der Zweckerreichung gemäß § 187 ZPO n.F. nicht mehr der Mitwirkung des Zustellungsadressaten bedarf. Anders als nach § 187 ZPO a.F. und § 295 ZPO, die gleichermaßen von einem Erscheinen des Zustellungsadressaten im Verfahren ausgehen, ist damit gemäß § 187 ZPO n.F. auch eine Heilung im Versäumnisverfahren möglich. Abweichend von § 187 ZPO a.F., der eine Heilung ipso iure anordnete, liegt gemäß § 187 ZPO n.F. die Heilung im Ermessen des Gerichts. Der Grund für diese Änderung ist darin zu suchen, daß durch die dreifache Erweiterung des Heilungstatbestandes des § 187 ZPO n.F. (jedes Schriftstück und jeder Fehler erfaßt, jeder Beweis möglich) die Heilungsfälle so vielgestaltig wurden, daß eine einheitliche zwingende Regelung nicht mehr möglich war. 241 Das Gericht kann nunmehr gemäß § 187 ZPO n.F. die einzelnen tangierten Interessen abwägen. Ob hierdurch jedoch — wie zum Teil behauptet242 — der prozessualen Rechtssicherheit gedient wird, muß bezweifelt werden. Die Sicherheit des prozessualen Rechtsverkehrs wird wohl eher durch eine Heilung ipso iure garantiert. 243 Teile des Schrifttums 244 fordern deshalb eine „verfassungskonforme Interpretation" des „vorkonstitutionellen" § 187 ZPO als Muß-Vorschrift. Zwar erscheint dies mit Hinblick auf das auch für prozessuale Formen geltende rechtsstaatliche Übermaßverbot de lege ferenda gerechtfertigt. Doch dürfte diese Ansicht de lege lata kaum mit dem klaren Wortlaut des § 187 ZPO vereinbar sein, der die Entscheidung über eine Heilung in das Ermessen des Gerichts stellt. 245 Darüber hinaus wurde dem § 187 ZPO der „Makel" seiner vorkonstitutionellen Entstehung durch die sog. Novelle 1950 (BGBl. I 455) genommen, durch die § 187 ZPO n.F. ausdrücklich in den Willen des rechtsstaatlichen Gesetzgebers aufgenommen wurde. Der Richter muß damit § 187 ZPO nur dann zwingend anwenden, wenn die Erreichung des Zustellungszwecks unzwei-

240

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 3b (S. 421); SU / H.Roth § 187 Rz. 4.

241

Vgl. Begründung zu § 139 ZPO-Entwurf-1931 S. 303.

242

Etwa SU 20 / Schumann § 187 Rz. 1.

243 Ebenso Hohmann S. 219; Wieczorek Anm. A.

2

§ 187 Anm. A mit Verweis auf Wieczorek

244

Gelmer NJW 1972, 1624; ders. NJW 1973, 2138, 2142 Fn. 42.

245

Kritisch zur Ansicht Gelmers auch SU / H.Roth § 187 Rz. 19.

5 Kondring

1

§ 187

66

1. Teil: Grundlagen

felhaft feststeht und somit das richterliche Ermessen auf Null reduziert ist. 246 Problematisch hieran bleibt jedoch, daß das „pflichtgemäße" Ermessen des Gerichts kaum überprüfbar ist. 247

V. Heilung nach dem ungeschriebenen Zweckerreièhungsgrundsatz Anders als etwa das italienische Prozeßrecht 248 kennt die deutsche ZPO keinen allgemeinen geschrieben Grundsatz der Heilung durch Zweckerreichung. Gleichwohl wurde in der Vergangenheit mehrfach versucht, diesen — wie geseh e n 2 4 9 — dem § 187 ZPO zugrundeliegenden Zweckerreichungsgrundsatz zu einem allgemeinen, ungeschriebenen Heilungsinstitut auszubauen.250 Danach ist die Verletzung einer Form Vorschrift stets dann unbeachdich 25\ wenn der

246

In diesem Sinne wohl MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 5: „...von der Vorschrift [sc. 187 ZPO] ist immer Gebrauch zu machen [eigene Hervorhebung], ... wenn der Zustellungszweck offensichtlich erreicht ist und keinem Beteiligten unangemessene Nachteile entstehen können." Ebenso BLAH I Hartmann § 187 Rz. 2: „Das Gericht muß [eigene Hervorhebung] die Zustellung immer dann als bewirkt ansehen, wenn die gegenteilige Auffassung auf leere Förmelei hinauslaufen würde und wenn der Zustellungszweck offensichtlich erreicht wird, wenn also für keinen Beteiligten ein Schaden entstehen kann." Eine Ermessensreduzierung auf Null wurde etwa angenommen von BGH L M § 91a ZPO Nr. 59; NJW 1956, 1878, 1879; KG OLGZ 1974, 328, 331. Zur Ermessensreduzierung im Rahmen von § 187 ZPO auch v. Nerée WRP 1978, 524, 526. 247

Vgl. Zöller / Schneider § 550 Rz. 14. Es kommt im wesentlichen nur eine Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 187 ZPO in Betracht, AK-ZPO / Deppe-Hilgenberg § 187 Rz. 5. Zur Überprüfung des Ermessens bei Ermessensreduzierung siehe BGH NJW 1956, 1878, 1879. Neuerdings hält der BGH (NJW 1991, 2280) jedoch auch eine Ermessensreduzierung nach § 187 ZPO durch das Revisionsgericht für möglich, sofern hinsichtlich des Sachverhalts keine Zweifel bestehen. Ebenso BGH NJW 1992, 2235. 248 Art. 156 ff. ital. CPC. Dazu Cappelletti RabelsZ 1966, 254, 289; Stürner ZZP 92 (1979) 109, 113; Vollkommer S. 361 Fn. 7. 249

§ 5 IV.

250

Erstmals wohl ausführlich begründet von Göcker S. 56 ff.; hierauf aufbauend Baumgärtel ZZP 69 (1956) 89, 113 f.; Güntzel S. 22 ff.; Mes Rpfleger 1969, 40, 41. Darüber hinaus vertreten von Hellwig, Syst. § 112 II lc; Süss FS Heilborn S. 125, 132 a.E.; Luxenberg S. 64; Nikisch ZPR § 44 IV 3 (S. 169) u. § 61 II 2 (S. 239); Rosenberg 9 § 8, 2 a.E. u. § 73 II 3c (S. 337); Rosenberg / Schwab / Gottwald § 67 III 2b (S. 373); Mattern BB 1969, 1337, 1338; H. Hagen JZ 1972, 505, 508 f.; ders. SchlHA 1973, 57, 58 f.; Vollkommer S. 361 ff.; sympathisierend teilweise auch Stürner TZ? 92 (1979) 109, 115. In der Rechtsprechung z.B. RGZ 133, 365, 369; 123, 204, 206; 114, 365, 371; 97, 162; OLG Hamm NJW 1976, 2026; OLG Düsseldorf NJW 1951, 998. Ausdrücklich gegen eine Heilung qua ungeschriebenen Zweckerreichungsgrundsatzes nur Schönke ZPR § 31 III 5 (S. 121); Thomas/Putzo § 295 Rz. 8; Wiehe S. 146 f. 251 Göcker S. 57; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 67 III 2b (S. 373); Kamber S. 106 (zur parallelen Situation im schweizerischen Recht).

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

67

Zweck der betreffenden Vorschrift durch den Mangel nicht beeinträchtigt oder (nachträglich) tatsächlich erreicht wird. 2 5 2 Der ungeschriebene Grundsatz einer Heilung kraft tatsächlicher Zweckerreichung wird von seinen Vertretern regelmäßig aus § 187 ZPO abgeleitet.253 Diese Norm enthält eine spezielle und trotz der Neufassung des Tatbestandes im Jahre 1940 254 nach wie vor an bestimmte inhaltliche Voraussetzungen gekoppelte Ausprägung des Zweckerreichungsgedankens. Aus diesem Grunde betrachten andere Stimmen in der Literatur 255 und Rechtsprechung 256 den in § 187 ZPO verkörperten Zweckerreichungsgedanken als nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmebestimmung. Deshalb sei auch eine allgemeine ungeschriebene Heilungsmöglichkeit kraft Zweckerreichung abzulehnen. Wie jedoch Göcker 257 nachgewiesen hat, vermag diese Ansicht nicht zu tragen. Selbst wenn § 187 ZPO eine auf die Zustellung zugeschnittene Spezialvorschrift darstellt, so ist der darin zum Ausdruck kommende Zweckerreichungsgedanke kein auf das Zustellungsrecht beschränkter Ansatz. Vielmehr findet er sich auch in den §§ 282 ΙΠ, 296 I I I ZPO 2 5 8 und insbesondere in § 295 ZPO wieder. Nach der Wertung dieser Vorschriften ist der Zweck einer verletzten prozessualen Norm dann als erreicht anzusehen, wenn derjenige Prozeßbeteiligte, dem aufgrund des Mangels ein Rügerecht zustand, innerhalb der ihm hierzu eingeräumten Frist von seinem Rügerecht keinen Gebrauch macht und so zu erkennen gibt, daß die Prozeßverletzung ihm bis zum Fristablauf keinen Nachteil verursachte. Es kann mithin davon ausgegangen werden, daß der Zweck der verletzten Norm trotz der Verletzung erreicht worden ist. 259 Anders als § 187 ZPO, der von einer tatsächlichen Zweckerreichung ausgeht,fingieren demnach die §§ 282 III, 295, 296 ΙΠ ZPO die Erreichung des Normzwecks. Gleiches gilt für § 36 ZPO. 260 Damit kann der Zweckerreichungsgedanke kaum als eine

252

Vgl. etwa Göcker S. 57; siehe auch OLG Hamm NJW 1976, 2026.

253

Etwa Göcker S. 57; Baumgärtel TZ Ρ 69 (1956) 89, 114; Güntzel S. 23; a.A. aber H. Hagen JZ 1972, 505, 508, der den Zweckerreichungsgrundsatz aus allgemein rechtsstaatlichen Erwägungen statt aus § 187 ZPO ableiten will. 254

VO vom 9.10.1940, RGBl. I 1340.

255

Schänke § 31 III 5 (S. 121) (zu § 187 ZPO n.F.); Scharnberg S. 45 (zu § 187 ZPO a.F.).

256

RGZ 82, 68 (zu § 187 ZPO a.F.).

257

S. 56 ff.

258

Die Ausführungen Göckers (S. 57) beziehen sich freilich insoweit auf § 274 ZPO a.F., der in den §§ 282 III, 296 III ZPO n.F. aufging; vgl. StJ 20 / Leipold § 274 „Gesetzesgeschichte".

ν

259

Göcker S. 57 f.; zustimmend Güntzel S. 23.

260

Göcker S. 30.

68

1. Teil: Grundlagen

nicht verallgemeinerungsfähige Sondererscheinung des § 187 ZPO abgetan werden. 261 Er ist vielmehr ein die ZPO durchziehendes allgemeines Prinzip, das insbesondere wegen des weiten Anwendungsbereiches des § 295 ZPO im gesamten Prozeßrecht Geltung beansprucht. 262 Gleichwohl ist es sachgerecht, die Grundlage des allgemeinen Prinzips der Heilung durch Zweckerreichung vor allem in § 187 ZPO zu sehen. Diese Vorschrift ist im Gegensatz zu den übrigen vorgenannten Regeln die einzige, die die Zweckerreichung nicht fingiert, sondern — wie auch der hier vertretene allgemeine Gedanke der Heilung durch Zweckerreichung — eine tatsächliche Zweckerreichung verlangt. Auch wenn danach die Existenz einer ungeschriebenen Heilungsmöglichkeit durch Zweckerreichung schon de lege lata anzuerkennen ist 263 , besteht doch über die konkrete Ausgestaltung dieses ungeschriebenen Rechtsinstituts Uneinigkeit. Insbesondere die ältere Literatur will die Heilung durch Zweckerreichung in Anlehung an § 187 ZPO a.F. nur zulassen, wenn sich die Zweckerreichung unmittelbar aus dem Verhalten der rügeberechtigten Partei ergibt. 264 Eine Heilung nach dem Zweckerreichungsgrundsatz schiede damit z.B. regelmäßig im Versäumnisverfahren aus, sofern der Zustellungsadressat säumig ist. Wie gerade § 187 ZPO n.F. aber zeigt, impliziert der Zweckerreichungsgedanke im Heilungsrecht nicht notwendigerweise, daß die die Heilung begründenden Tatsachen nicht nur von einer einzigen Partei in den Prozeß eingebracht werden können. Vielmehr geht § 187 ZPO n.F. davon aus, daß auch diejenige Partei, die ein Interesse an der Wirksamkeit der Zustellung hat, die die Heilung begründenden Tatsachen vortragen kann. 265 Ob eine Heilung eingetreten ist, prüft das Gericht dann von Amts wegen. 266 Weshalb bei einer Heilung durch Zweckerreichung nach dem hier untersuchten allgemeinen ungeschriebenen Grundsatz etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Ebenfalls uneinheitlich wird beurteilt, ob eine Heilung nach dem allgemeinen ungeschriebenen Zweckerreichungsgrundsatz wie in § 187 ZPO a.F. ipso iure

261

A.A. Wiehe S. 148, der m.E. die Bedeutung der fiktiven Zweckerreichung zu wenig berücksichtigt. 262

Göcker S. 58.

263

A.A. Bruns ZPR Rz. 164d, der lediglich de lege ferenda Heilungsrecht befürwortet.

den Zweckerreichungsgedanken im

264

Göcker S. 61 f.; im Anschluß daran auch noch Güntzel S. 155.

265

MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 2; Güntzel S. 18 f.

266

SU /H.Roth § 187 Rz. 17.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

69

eintritt 267 oder aber wie bei § 187 ZPO n.F. im Ermessen des Gerichts liegt. 268 Ginge man von der Richtigkeit der letztgenannten Ansicht aus, so bliebe für eine Heilung nach dem allgemeinen ungeschriebenen Zweckerreichungsgrundsatz zumindest im hier allein interessierenden Gebiet der Zustellung neben § 187 ZPO kaum Raum. Beide Heilungsmöglichkeiten wären weitestgehend deckungsgleich, so daß eine etwaige Heilung nach dem ungeschriebenen Zweckerreichungsgrundsatz hinter die geschriebene Regel des § 187 ZPO zurückträte. Andererseits bliebe so das oben im Hinblick auf die Ermessensregel des § 187 ZPO geäußerte Bedenken bestehen. Aus rechtsstaatlicher Sicht erscheint es zumindest dann mit dem Übermaßverbot unvereinbar, die Überwindung von Formerfordernissen durch Heilung in das kaum überprüfbare Ermessen des Gerichts zu stellen, wenn der konkrete Schutzzweck der verletzten Formvorschrift in jeder Hinsicht erreicht ist. 269 Diese im Hinblick auf § 187 ZPO bestehende Unzulänglichkeit läßt sich jedoch im Wege einer ipso iure eintretenden — und damit anders als die Ermessensentscheidung nach § 187 ZPO voll überprüßaren — Heilung kraft eines ungeschriebenen Zweckerreichungsgedankens überwinden. Eine im Ermessen des Gerichts liegende Heilung qua ungeschriebenen Zweckerreichungsgedankens brächte demgegenüber insoweit keinen Gewinn. Zur Überwindung der geäußerten rechtsstaatlichen Bedenken erscheint mithin (auch) im Zustellungsrecht eine ipso iure eintretende Heilung kraft eines ungeschriebenen allgemeinen Zweckerreichungsgedankens geboten. Gleichwohl vermag eine solche ipso iure wirkende Heilungsmöglichkeit zumindest im Zustellungsrecht im wesentlichen nur dort einzugreifen, wo der Zustellungszweck in jeder Hinsicht erreicht wurde, es also keiner Abwägung im engeren Sinne der tangierten Interessen bedarf. Dies dürfte freilich nur in einer begrenzten Anzahl von Fällen gegeben sein. 270 Ein dahin gehendes Beispiel liefert aber § 187 ZPO a.F. Diese Vorschrift läßt darauf schließen, daß regelmäßig der Zustellungszweck in jeder Hinsicht erreicht ist, wenn eine Ladung trotz fehlerhafter Zustellung doch noch ihren Adressaten rechtzeitig erreicht. Hier erscheint nach den vorstehenden Ausführungen eine ipso iure wirkende Heilung nach dem allgemeinen ungeschriebenen Zweckerreichungsgrundsatz

267

So etwa H. Hagen JZ 1972, 505, 508.

268

Baumgärtel ZZP 69 (1956) 89, 114.

269

H. Hagen JZ 1972, 505, 508.

270

A.A. v. Nerée WRP 1978, 524, 526, der in einem Großteil der Fälle eine Ermessensreduzierung auf Null annehmen will.

70

1. Teil: Grundlagen

geboten. Die gesetzgeberische Entscheidung, § 187 ZPO n.F. als Ermessensvorschrift auszugestalten, steht einer solchen Heilung ipso iure nicht entgegen.271 Denn mit der Neufassung des § 187 ZPO sollten die bisherigen Heilungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt, sondern erweitert werden. 272 Die Umwandlung einer bisher gemäß § 187 ZPO a.F. möglichen Heilung ipso iure in eine solche kraft Ermessens führte aber zu einer solchen Einschränkung. Die Einführung der Ermessenregel sollte vielmehr nur ein sachgerechtes Erfassen auch der übrigen — nunmehr hinzugetretenen — Heilungsfälle ermöglichen. 273 Diese erfordern nämlich zum Teil eine Abwägung der unterschiedlichen, von der Zustellung verfolgten Interessen zugunsten einzelner Interessen. Zweck der Ermessenregel des § 187 ZPO n.F. ist mithin, eine Heilung im Zustellungsrecht auch dann zu ermöglichen, wenn die Zustellungszwecke nicht in jeder Hinsicht, sondern nur teilweise — wenn auch wohl im wesentlichen — erreicht sind. 274 Dies wird man etwa dann annehmen können, wenn es durch den Zustellungsmangel zu einer faktischen Verkürzung einer Frist kommt. 275 Ob der verbleibende Zeitlauf lang genug ist, ist stets Ermessensfrage. Die vorstehenden Ausführungen haben dargetan, daß auch das deutsche Zivilprozeßrecht eine allgemeine — wenn auch ungeschriebene — Heilungsmöglichkeit kraft Zweckerreichung kennt. Dies anerkennen faktisch auch diejenigen, die in bestimmten Bereichen des Zustellungsrechts einer (lediglich) analogen Anwendung des § 187 S. 1 ZPO das Wort reden. 276 Zumindest im Bereich der Zustellung kommt es wegen des dort eng umgrenzten Anwendungsbereichs dieses Instituts auch nicht zu einer Überhöhung der Einzelfallgerechtigkeit zu Lasten der Rechtssicherheit. 277 Nach der hier befürworteten Heilungsmöglichkeit kraft eines ungeschriebenen allgemeinen Zweckerreichungsgedankens ist im Bereich der Zustellung ein Zustellungsmangel immer dann ipso iure unbeachtlich, wenn das Vorbringen eines der Prozeßbeteiligten ergibt, daß der Zustellungszweck trotz des Mangels tatsächlich in jeder Hinsicht erreicht ist. So geht

271 A.A. H. Hagen JZ 1972, 505, 508, der die Heilung durch Zweckerreichung gerade wegen des dem Gericht in § 187 ZPO eingeräumten Ermessen nicht aus § 187 ZPO, sondern aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen herleitet. Im Ergebnis besteht zum hier vertretenen Ansatz aber kein Unterschied. 272

Begründung zu § 139 ZPO-Entwurf-1931 S. 302; Staud DJ 1940, 1182, 1183.

27 3

Staud DJ 1940, 1182, 1183; StJ 20 / Schumann § 187 Rz. 1.

274

Vgl. auch die Ausführungen von H. Hagen JZ 1972, 505, 509 Ii. Sp.

275

Beachte in bezug auf Notfristen aber die Einschränkung des § 187 S. 2 ZPO.

27 6

E. Schneider WuB V I I Α. § 212a ZPO 1 / 89; OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 1534.

277

So aber die Kritik von Thomas / Putzo § 295 Rz. 8.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

71

beispielsweise Herget 278 davon aus, daß Ladungsmängel unschädlich sind, wenn die Partei zwar erschienen ist, aber nicht verhandelt und sich damit auch nicht im Sinne des § 295 ZPO auf das Verfahren einläßt. Die Ladung gilt mithin durch das Erscheinen als ordnungsgemäß im Sinne des § 335 I Nr. 2 ZPO. Allein wird zu fordern sein, daß die Ladung den Adressaten trotz des Mangels rechtzeitig erreichte. 279 Die Heilung tritt ipso iure ein. Zu einem weitgehend identischen Ergebnis kommt das OLG Hamm 280 , das in einem Zustellungsfall aus dem in concreto unanwendbaren § 187 ZPO den allgemeinen Heilungsgrundsatz kraft Zweckerreichung folgerte und formulierte: „... führt die Zustellung ... dazu, daß dem Empfänger eine zuverlässige Kenntnis von dem Inhalt des zugestellten Schriftstücks verschafft wird, und würde die Unwirksamkeit der Zustellung zu einer Unwirksamkeit der Entscheidung führen, stehen verhältnismäßig geringfügige Formfehler ... einer Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen."

VI. Heilung durch Zweckvereitelung Neben den genannten Heilungsinstituten befürworten Teile der Literatur 281 auch eine Heilung kraft Zweck Vereitelung. So soll derjenige auch eine fehlerhafte Zustellung gegen sich gelten lassen, der den Zustellungszweck durch eigenes Verhalten, z.B. durch Untertauchen, vereitelt hat. Dieser über den Zweckerreichungsgedanken hinausgehende Ansatz stützt sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. 282 Obwohl dieses Prinzip auch im Prozeßrecht gilt 2 8 3 , kann es doch im vorliegenden Zusammenhang nicht zur Korrektur des Gesetzes dienen. Die ZPO hält insoweit vielmehr einen eigenen Lösungsansatz bereit. Dieser liegt in der öffentlichen Zustellung des § 203 ZPO, wodurch nach der erkennbaren Auffassung des Gesetzgebers Fällen wie der Zweckvereitelung durch Untertauchen ausreichend Rechnung getragen werden kann. Das Gesetz

27 8

Zöller / Herget Vor § 330 Rz. 3.

279

Ähnlich BLÄH / Hartmann § 253 Rz. 17 a.E.

280

NJW 1976, 2026.

281 Etwa Zöller 17 / Stephan Vor § 166 Rz. 4 (außer für Notfristen); Göcker S. 60; Gelmer IZPR Rz. 2104; allgemein H. Hagen JZ 1972, 505, 509. 282 283

Rauscher IPRax 1992, 14, 17.

Etwa R. Weber JuS 1992, 631, 635 mwN; Bittmann ZZP 97 (1984) 32, 39; Stf° / Schumann Einl. Rz. 243.

72

1. Teil: Grundlagen

ist insoweit abschließend und läßt keinen Raum mehr für eine Korrektur durch den Grundsatz von Treu und Glauben. 284 Dies gilt wegen der gegenüber § 203 I ZPO weiteren Fassung des § 203 I I ZPO erst recht im Verfahren der Auslandszustellung. So nennt H. Roth 285 etwa den Fall, daß der ausländische Adressat dadurch den Zustellungszweck vereitelt, daß er die Annahme des Schriftstücks verweigert und eine Ersatzzustellung keinen Erfolg hat. Das Institut der Heilung durch Zweck Vereitelung ist damit zumindest bei Untertauchen des Adressaten abzulehnen.286 Wenn überhaupt, bleibt lediglich Raum hierfür bei anderen Formen der Zustellungsvereitelung.

VII. Verhältnis

der Heilungsmöglichkeiten

zueinander

Alle dem deutschen innerstaatlichen Prozeßrecht nach der hier vertretenen Ansicht bekannten Instrumente zur Heilung von Form- und insbesondere von Zustellungsfehlern folgen — mit Ausnahme einer eventuellen Heilung durch Zweckvereitelung, die auf dem Verwirkungsgedanken beruht — dem gleichen Grundgedanken, nämlich dem Prinzip der Zweckerreichung. Sie schließen einander mithin nicht aus. Die Heilungsmöglichkeiten nach §§ 295, 187 ZPO und nach dem allgemeinen Heilungsgrundsatz stehen deshalb grundsätzlich nebeneinander. 287 § 295 ZPO verliert im Zustellungsrecht als selbständige Heilungsmodalität jedoch immer dann an Bedeutung, wenn der Mangel bereits über § 187 ZPO oder über den ungeschriebenen allgemeinen Zweckerreichungsgrundsatz geheilt worden ist. Ebenfalls unanwendbar ist § 295 ZPO, sofern im Versäumnisverfahren die rügeberechtigte Partei säumig ist. Demgegenüber findet die Heilung nach § 187 ZPO und nach dem allgemeinen Zweckerreichungsgrundsatz wegen ihrer Unabhängigkeit von dem Vorbringen einer bestimmten Partei grundsätzlich auch im Versäumnisverfahren Anwendung.

284

Ebenso wie hier Rauscher IPRax 1992, 14, 17; ähnlich AK-ZPO / Göring § 187 Rz. 6 a.E. (für Notfristen). Eine öffentliche Zustellung bei bewußtem Untertauchen bejahen BGH RIW 1992, 56; LG Kiel IPRspr. 1983 Nr. 162; Stf° / P. Schlosser § 1044 Rz. 48; Staudinger / Spellenberg §§ 606 ff. ZPO Rz. 249 (Frankreich). 285

SU /H.Roth § 203 Rz. 15.

286

Ob daneben in anderen Bereichen des Prozeßrechts das Institut der Heilung durch Zweckvereitelung seine Berechtigung hat (dazu H. Hagen JZ 1972, 505, 509), kann an dieser Stelle offen bleiben. 287

Güntzel S. 27.

1. Kapitel: Zustellung und Heilung im deutschen Recht

73

Gleichfalls könnte an eine Anwendung des allgemeinen Zweckerreichungsgedankens überall dort gedacht werden, wo § 187 ZPO nicht anwendbar ist. 288 Dies wird wegen der sehr engen Anwendungsvoraussetzungen des ungeschriebenen allgemeinen Zweckerreichungsgrundsatzes jedoch nur verhältnismäßig selten der Fall sein. Eine Überwindung z.B. des § 187 S. 2 ZPO durch den allgemeinen Zweckerreichungsgrundsatz verbietet sich wohl wegen der klaren gesetzgeberischen Entscheidung in § 187 ZPO. 289 Unanwendbar ist der allgemeine Zweckerreichungsgrundsatz auch dann, wenn es gar an einer als Zustellungsakt im weiteren Sinne zu verstehenden Handlung fehlt. 290 Auch wenn der ,Adressat" dort z.B. durch Akteneinsicht zufällig von dem zuzustellenden Schriftstück sichere Kenntnis erhält, so fehlt es doch an einem heilbaren Akt. Denn ein Nichtakt und damit ein Nullum ist nicht heilbar. Es fehlt das für die Heilung typische Anknüpfungsmoment in der Vergangenheit. 291 Demgegenüber wird eine Heilung kraft des ungeschriebenen Zweckerreichungsgrundsatzes dann möglich sein, wenn § 187 ZPO mangels Zustellungswillens nicht anwendbar ist. 292 Begrenzt wird diese Heilungsmöglichkeit jedoch dadurch, daß sie bei einem absichtlichen Verstoß gegen die Zustellungsvorschriften nicht in Betracht kommt. 293 Eine Heilung widerspräche in einem solchen Falle Treu und Glauben. An eine Anwendung des ungeschriebenen allgemeinen Zweckerreichungsgedankens könnte man schließlich auch dann denken, wenn eine Heilung gemäß § 187 ZPO — wie zum Teil vertreten 294 — im hier besonders interessierenden Bereich der internationalen Zustellung nicht möglich sein sollte, weil § 187 ZPO keinen „automatischen Heilungstatbestand" enthält.

288

Güntzel S. 28.

289

So auch ausdrücklich OLG Hamm NJW 1976, 2026; ebenso H. Hagen SchlHA 1973, 57, 59. In vergleichbarem Zusammenhang BGH NJW 1978, 426, 427. 290

Güntzel S. 151.

291

Kamber S. 104.

292 So OLG Düsseldorf NJW 1951, 998, freilich mittels einer extensiven Anwendung unmittelbar des § 187 ZPO. Im Ergebnis besteht jedoch kein Unterschied zur hier vertretenen Ansicht. 293

So schon Göcker S. 58.

294 5iy2o ι Schumann § 187 Rz. 42 (nunmehr aufgegeben von StJ / H.Roth § 187 Rz. 27). Zu dieser Ansicht siehe die Ausführungen weiter unten § 16 III 1.

74

1. Teil: Grundlagen

Ist nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen eine Heilung ausgeschlossen, so ist die Zustellung unwirksam. Dies gilt selbst dann, wenn beide Parteien die Zustellung als wirksam gelten lassen wollen, da das deutsche Recht keine Heilung durch Parteiabrede kennt. 295

Zweites Kapitel Grundlagen der internationalen Rechtshilfe in Zustellungssachen § 6 Die Zustellung im System der nationalen und internationalen Rechtshilfe

Im deutschen innerstaatlichen Rechtsverkehr obliegt es gemäß § 160 GVG dem jeweiligen Prozeßgericht, die für das gerichtliche Verfahren erforderlichen Zustellungen selbständig zu veranlassen. Unerheblich ist danach, ob die Zustellung innerhalb oder außerhalb des Bezirks des Prozeßgerichts durchzuführen ist; auch die Grenzen der deutschen Länder bilden insofern kein Hindernis. § 160 GVG begreift vielmehr das Bundesgebiet als ein einheitliches Rechtsgebiet1, in dem einer Zustellung keine räumlichen Grenzen entgegenstehen. Hieraus folgt, daß die Gerichte im Bereich der innerstaatlichen Zustellung nicht nur die Zustellung im gesamten Bundesgebiet selbst veranlassen können, sondern selbst veranlassen müssen. Die Mitwirkung anderer Gerichte oder Behörden, insbesondere solcher am Zustellungsort, ist insoweit unzulässig.2 Rechtshilfe hat zu unterbleiben. 3 Insofern besteht eine Ausnahme von dem Grundsatz, wonach ein Gericht nur innerhalb seiner territorialen Grenzen tätig werden darf. 4 Anders verhält es sich aber, wenn im Rahmen einer Zustellung Staatsgrenzen überwunden werden sollen, wenn also das Prozeßgericht und der Zustellungsadressat sich in unterschiedlichen Staaten befinden. Einer Anwendung des

295

BGH NJW 1952, 934.

1

MüKo-ZPO IM. Wolf § 160 GVG Rz. 1; vgl. auch die durch Art. 2 RPflege-VereinfG vom 17.12.1990 (BGBl. 1990 I 2847) neu gefaßte Vorschrift des § 166 GVG. 2 MüKo-ZPO / M. Wolf§ 160 GVG Rz. 1 und 5; Berg MDR 1962, 787, 789; Kissel § 160 Rz. 8. Dem steht auch § 161 GVG nicht entgegen, vgl. MüKo-ZPO / M. Wolf§ 161 GVG Rz. 1. 3

Aus diesem Grunde bedarf es im vorliegenden Zusammenhang auch keiner exakten Bestimmung des innerstaatlichen Rechtshilfebegriffs. Vgl. zu diesem Streit etwa Nagel, Rechtshilfe, S. 19 ff.; Pfennig S. 7 ff.; Bredthauer S. 1 ff. 4 Zu diesem Grundsatz siehe Nagel Friedens warte 59 (1976), 249; beachte aber nunmehr auch § 166 GVG n.F.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

75

§ 160 GVG steht hier nicht nur dessen klarer Wortlaut („... oder in einem anderen deutschen [eigene Hervorhebung] Land ...") entgegen.5 Vielmehr verbietet es schon das völkerrechtlich allgemein anerkannte Souveränitätsprinzip, eine dem § 160 GVG entsprechende und auf eine Auslandszustellung bezogene Vorschrift aufzustellen. Denn die staatliche Souveränität umfaßt neben der territorialen Souveränität, d.i. das Recht eines Staates, über sein Staatsgebiet zu verfügen, auch die sog. Gebietshoheit. 6 Hiernach hat jeder Staat auf seinem Staatsgebiet die ausschließliche Befugnis, staatliche Hoheitsakte gegenüber jedermann vorzunehmen.7 Es ist damit den Staaten verboten, störend auf das Gebiet eines anderen Staates — insbesondere durch die Vornahme von Hoheitsakten — ohne dessen Einwilligung einzuwirken. Ein Staat darf danach keine sich auf fremdem Staatsgebiet auswirkenden Gesetze erlassen und dort keine hoheitlichen Handlungen vornehmen.8 Umgekehrt bedeutet dies, daß die Befugnis eines Staates zum Erlaß von Hoheitsakten sich auf das eigene Territorium beschränkt.9 So endet nicht nur die Gerichtshoheit eines Staates, sondern allgemein auch der Wirkungsbereich all seiner zivilprozessualen Vorschriften grundsätzlich an den Staatsgrenzen.10 Dies gilt um so mehr dann, wenn diese Vorschriften — wie bei der Zustellung11 — ein hoheitliches Handeln zum Regelungsgegenstand haben.12 Daraus folgt, daß im zwischenstaatlichen Bereich auch die Möglichkeit der Zustellung territorial zunächst auf das Gebiet des Gerichtsstaates beschränkt ist. Denn die Zustellungsbefugnis eines Staates geht grundsätzlich nicht weiter als seine Gebiets- und Gerichtshoheit. 13 Anders als die innerstaatliche Zustellung, bei der wegen § 160 GVG eine Mitwirkung anderer Gerichte oder Behörden im Wege der Rechtshilfe sogar ausgeschlossen ist 14 , bedarf die Zustellung im Ausland mithin notwendigerwei-

5

A.A. zu Unrecht OLG Hamm IzRspr. 1960-1961 Nr. 217; zu Recht dagegen Bredthauer S. 52 f.

6

Zur Unterscheidung von territorialer Souveränität und Gebietshoheit siehe Verdross, S. 266 f.; Seidl-Hohenveldern Rz. 1111 ff.; Leipold, Lex fori, S. 39 Fn. 70. 7

Seidl-Hohenveldern

Völkerrecht,

Rz. 1113; Leipold, Lex fori, S. 39.

8

Pfennig S. 14.

9

Leipold, Lex fori, S. 39 f.

10

Nagel, Rechtshilfe, S. 43; Karen Ilka Mössle S. 26; Schmitz S. 162 mwN.

11

Siehe oben § 1.

12

Allein der Zustellung nach den §§ 198, 202 a ZPO fehlt der hoheitliche Charakter, Schellhammer Rz. 73 a.E. 13

Vgl. Gottwald FS Habscheid S. 119, 123.

14

Siehe oben am Anfang dieses §.

76

1. Teil: Grundlagen

se der Mithilfe des Zustellungsstaates, d.h. der internationalen Rechtshilfe in Zivilsachen. Diese hat ein Staat in Anspruch zu nehmen, sofern er den effektiven Rechtsschutz auf der einen und den Schutz des rechtlichen Gehörs auf der anderen Seite nicht an seiner Staatsgrenze enden lassen will. Gleichwohl sollte aber insbesondere im Bereich der internationalen Zustellungsiiûfe der Souveränitätsgedanke nicht überhöht werden. 15 Selbst wenn die Zustellung als solche einen Hoheitsakt darstellt, wird das zuzustellende Schriftstück, sofern in ihm keine Sanktionen in Form von Verfahrensnachteilen oder Strafen angedroht werden 16, nur selten von einem solchen Inhalt sein, daß hierin ein beachtenswerter Eingriff in fremde Souveränitätsrechte gesehen werden könnte.17 So gibt das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Zustellungsadressaten regelmäßig nur die Möglichkeit, von seinem Verteidigungsrecht Gebrauch zu machen. Gezwungen wird er zu nichts.18 Darüber hinaus ist man auch in anderen Bereichen des Internationalen Zivilverfahrensrechts zum Teil sehr zurückhaltend, wenn es um die Annahme einer Souveränitätsverletzung durch Akte mit extraterritorialer Wirkung geht.19 Niemand stößt sich heute etwa daran, daß die unterlegene Partei in einem Urteil dazu verpflichtet wird, eine Handlung im Ausland vorzunehmen. 20 Weshalb mithin gerade im Bereich der internationalen Zustellung durch die staatliche Souveränität besonders hohe Hürden aufgestellt werden sollen, ist nicht ersichtlich. Dies gilt es stets bei der Beurteilung der internationalen Rechtshilfe in Zustellungsangelegenheiten zu beachten. Die exakte Definition des Begriffs der internationalen Zivilrechtshilfe ist umstritten. 21 Eine Begriffsbestimmung findet sich in § 2 I 1 ZRHO 22 , wonach unter internationaler Zivilrechtshilfe „jede gerichtliche oder behördliche Hilfe in einer bürgerlichen Rechtsangelegenheit, die entweder zur Förderung eines inländischen Verfahrens im Ausland oder zur Förderung eines ausländischen Verfahrens im Inland geleistet wird", zu verstehen ist. Zwar handelt es sich bei

15

Etwa H. Roth ZZP 106 (1993) 123, 126; Schack IZVR Rz. 593.

16

Dazu Pfeil-Kammerer

S. 65 f.

17

So qualifiziert Wolken ZBernJV 118 (1982) 441, 442 richtigerweise die Zustellungshilfe als diejenige Rechtshilfehandlung mit der geringsten Eingriffsintensität für die staatliche Souveränität. 18

Vgl. Schack IZVR Rz. 592.

19

Karen Ilka Mössle S. 44 ff.; Becker-Eberhard

20

Leipold, Lex fori, S. 54.

TZ? 105 (1992) 529 f.

21

Vgl. nur Pfennig S. 16 ff. mit umfangreichen weiteren Nachweisen.

22

Rechtshilfeordnung für Zivilsachen vom 19. Oktober 1956 in der Fassung vom Februar 1976.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

77

der ZRHO lediglich um eine Verwaltungsvorschrift für die mit der internationalen Zivilrechtshilfe befaßten Justizbehörden des Bundes und der Länder 23 , so daß der oben stehenden Definition die Qualität einer Legaldefinition fehlt. Doch kommt ihr nichtsdestotrotz dadurch einige faktische Bedeutung zu 24 , daß die ZRHO gleichermaßen für alle mit dem Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland betrauten deutschen Behörden gilt. Damit entspricht die in § 2 I 1 ZRHO enthaltene Definition der internationalen Zivilrechtshilfe zumindest der tatsächlichen Rechtspraxis. Anders aber als § 156 GVG, der aus den oben erwähnten Gründen ebenso wie etwa § 160 GVG nur im innerstaatlichen Rechtsverkehr gilt und die Rechtshilfe seinem Wortlaut nach auf die Hilfe unter Gerichten beschränkt, erstreckt § 2 I 1 ZRHO für den internationalen Bereich den Begriff der Rechtshilfe auch auf die behördliche Mithilfe. Der Grund für diese Einbeziehung liegt darin, daß nach deutscher Auffassung die internationale Rechtshilfe dem Aufgabenbereich der Justizverwaltung zuzurechnen ist. 25 Der Kontakt deutscher Gerichte mit im Ausland befindlichen Personen fällt nämlich in den Regelungsbereich der Pflege auswärtiger Beziehungen, die gemäß Art. 32 I GG zum Kompetenzbereich der Exekutive zählt. 26 Darüber hinaus stellt die Gewährung deutscher Rechtshilfe eine Ausweitung der Justizhoheit des ersuchenden Staates über sein Territorium hinaus dar 27 ; die durch die völkerrechtlich geschützte Gebietshoheit an sich gesteckten Grenzen werden so zur Förderung eines ausländischen Verfahrens überwunden. Ob aber solche Rechtshilfe geleistet wird, d.h. ob einem ausländischen Staat deutsche Organe zur Durchführung des Ersuchens auf deutschem Staatsgebiet zur Verfügung gestellt werden können, kann nur durch die insoweit die Staatshoheit ausübende Exekutive beurteilt werden. 28 Nur diese kann über die einzelnen Staatsorgane verfügen. 29 Dem steht auch die in Art. 97 GG ga-

23

Vgl. § ι I ZRHO.

24

Pfennig S. 18.

25

Nagel IPRax 1984, 239; ders. IPRax 1982, 138; Gelmer NJW 1991, 1431; ders. NJW 1989, 2204, 2205; Unterreitmayer Rpfleger 1972, 117, 119; Nehlen JR 1958, 121; Pfennig S. 47; auch schon v. Normann S. 9 und 11; a.A. Puttfarken NJW 1988, 2155, 2156 f.; ausdrücklich gegen Puttfarken OLG Frankfurt / M. IPRax 1992, 166, 167 mit dem berechtigten Einwand, die grenzüberschreitende Gewährung von Rechtshilfe tangiere Hoheitsrechte, die nicht zur Disposition der Gerichte stünden. 26

Gelmer NJW 1991, 1431; ders. NJW 1989, 2204, 2205; Pfennig S. 47; Schack IZVR Rz. 171.

27

Unterreitmayer

28

Nehlen JR 1958, 121; Schack IZVR Rz. 171.

29

Unterreitmayer

Rpfleger 1972, 117, 119; Nehlen JR 1958, 121; Pfennig S. 47.

Rpfleger 1972, 117, 119.

78

1. Teil: Grundlagen

rantierte richterliche Unabhängigkeit nicht entgegen. Diese erfaßt allein die Anordnung, daß ins Ausland zuzustellen ist. Hierüber hat unbeschadet der zuvor gemachten Erläuterungen der Richter unabhängig zu entscheiden, vgl. § 202 I ZPO. Demgegenüber fällt die Durchführung dieser Anweisung in den Aufgabenbereich der Justizverwaltung 30; Art. 97 GG wird hierdurch nicht tangiert. Die internationale Zustellung ist damit sowohl bei aus- wie bei eingehenden Ersuchen Sache der Exekutive. 31 Die ihm danach aus Art. 32 I GG zufallende Kompetenz hat der Bund durch seine Zustimmung zur ZRHO auf die Länder und ihre Landesjustizverwaltungen übertragen. 32 Die Länder führen dementsprechend die Zivilrechtshilfe gemäß Art. 84 I GG als eigene Angelegenheit aus.33 Die entgegengesetzte, anhand der Rechtshilfe in Strafsachen entwickelte Ansicht Geimers 34, wonach die Länder nicht in eigenen Angelegenheiten, sondern lediglich im Auftrag des Bundes handeln, ist nicht auf die Zivilrechtshilfe übertragbar. Gleichwohl bedarf es über die soeben gemachten Ausführungen hinaus vorliegend keiner genaueren Untersuchung des Inhalts der internationalen Rechtshilfe. Die hier allein interessierende internationale Zustellung ist nämlich nach heute einhelliger 35 und auch im Ausland ganz vorherrschender Meinung 36 Teil der internationalen Rechtshilfe. Dies bestätigt auch § 5 Nr. 1 ZRHO. § 5 ZRHO geht von einer aktiven Rechtshilfeleistung aus.37 Das bedeutet, daß der um Rechtshilfe ersuchte Staat auf seinem Staatsgebiet selbst und durch eigene Organe diejenigen Handlungen vornimmt, um die ihn der ausländische Gerichtsstaat ersucht hat. Der um Rechtshilfe ersuchte Staat „leiht" also dem ersuchenden Staat gleichsam seine Organe und führt die erforderlichen Handlungen für jenen aus. Diese Konstruktion erlaubt es, den ausländischen Prozeß zu fördern, ohne daß die Gebietshoheit des ersuchten Staates tangiert wird.

30

Geimer NJW 1989, 2204, 2205.

31

Geimer NJW 1991, 1431.

32

P. Schlosser GS Constantinesco S. 653, 660; Karen Ilka Mössle S. 115; Wiehe S. 38.

33

So ausdrücklich die Begründung zum deutsch-marokkanischen Rechtshilfevertrag, in: BTDrucks. 11 / 2026 S. 5. 34

IZPR Rz. 263 ff., 2116 und 2152.

35

Vgl. nur Pfennig S. 16; Nagel IZPR Rz. 476; StJ 20 / Schumann Einl. Rz. 851.

36

Siehe die Untersuchung bei Nagel, Rechtshilfe, S. 49 ff.

37

Zur Differenzierung von aktiver und passiver Rechtshilfe vgl. Pfeil-Kammerer Friedenswarte 59 (1976) 249, 258 f.

S. 1; Nagel,

79

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

Das gleiche Ergebnis läßt sich jedoch auch im Wege der sogenannten passiven Rechtshilfe erreichen. In diesem Fall duldet es der Zustellungsstaat, daß der Gerichtsstaat die erforderlichen Handlungen auf dem Staatsgebiet des ersteren durch eigene Organe ausführt. Zwar stellt grundsätzlich jedes Handeln von Staatsorganen in fremdem Staatsgebiet einen Eingriff in die staatliche Souveränität dar. Doch gilt dies nur so lange, wie derjenige Staat, in dessen Gebiet gehandelt wird, keine diesbezügliche Einwilligung gegeben hat. Duldet ein Staat, daß ausländische Staatsorgane auf seinem Territorium tätig werden, so liegt in dieser Duldung die (konkludente) Einwilligung zur Vornahme solcher Handlungen. Doch könnte zweifelhaft sein, ob in einem solchen bloß passiven Dulden schon eine (aktive) Rechtshilfe zu sehen ist. Hiergegen könnte ein Vergleich mit der nur im deutschen innerstaatlichen Verkehr bisher geltenden Vorschrift des § 166 I GVG a.F.38 sprechen. Danach konnte ein Gericht im innerstaatlichen Rechtsverkehr zwar außerhalb seines Sprengels tätig werden, bedurfte hierzu aber der Zustimmung des fremden örtlich zuständigen Gerichts. 39 Trotz der systematischen Stellung des § 166 GVG a.F. im mit „Rechtshilfe" überschriebenen dreizehnten Titel des GVG wurde allgemein in dieser Zustimmung kein Akt der (innerstaatlichen) Rechtshilfe gesehen, da nicht das um Zustimmung ersuchte, sondern das Prozeßgericht selbst handelte.40 Gleiches könnte im hier interessierenden internationalen Rechtsverkehr für den vergleichbaren Fall der Duldung und der darin liegenden konkludenten Zustimmung des Zustellungsstaates gelten. Mit Recht hat jedoch Nagel 41 ausgeführt, daß auch ein bloßes Dulden im internationalen Rechtsverkehr als Rechtshilfe zu qualifizieren ist. Dies folgt daraus, daß der Staat, in dessen Gebiet die fraglichen Handlungen durch ausländische Organe vorzunehmen sind, sich ohne weiteres und ohne Angabe von Gründen hiergegen sperren kann. Demgegenüber hatten die örtlichen Gerichte im Rahmen von § 166 GVG a.F. grundsätzlich eine Zustimmungs-

38 § 166 GVG a.F.: (1) Ein Gericht darf Amtshandlungen außerhalb seines Bezirkes ohne Zustimmung des Amtsgerichts des Ortes nur vornehmen, wenn Gefahr im Verzug ist. In diesem Fall ist dem Amtsgericht des Ortes Anzeige zu machen. § 166 GVG wurde durch Gesetz vom 17.12.1990 in seine jetzige Form geändert, vgl. BGBl. 1990 I 2847. 39 Dies galt freilich nicht für Zustellungen. Diese wurden nicht von § 166 GVG a.F., sondern von § 160 GVG erfaßt. Zu § 160 GVG siehe schon oben am Anfang dieses §. 40

Siehe nur Pfennig S. 12 Fn. 22; BLÄH 48 / Albers § 166 GVG Rz. 1; Kissel

41

Nagel, Rechtshilfe, S. 46.

1

§ 166 Rz. 5.

80

1. Teil: Grundlagen

Pflicht 42, die im Wege der Dienstaufsichtsbeschwerde durchsetzbar war. 43 Im Gegensatz zum innerstaatlichen Recht besteht also bei der internationalen Rechtshilfe eine echte Verweigerungsmöglichkeit. Diese rechtfertigt es, schon in der bloßen Passivität eines Staates gegenüber der Vornahme von Handlungen ausländischer Organen in seinem Gebiet etwas Positives zu sehen, nämlich eine Form der internationalen Kooperation und damit der internationalen Rechtshilfe. 44

§ 7 Die Verpflichtung der Staaten zur Leistung von Rechtshilfe in Zustellungssachen

Jeder Staat muß im Interesse und zum Schutz seiner eigenen Bürger daran interessiert sein, ausländischen Staaten insbesondere auch in Zustellungsangelegenheiten Rechtshilfe zu leisten. Wird die Mitwirkung verweigert, so besteht die Gefahr, daß im ausländischen Gerichtsstaat gegen den im Inland ansässigen Beklagten ein Prozeß angestrengt wird, von dem dieser nie Kenntnis erhält. Denkbar wäre dies etwa bei einer öffentlichen Zustellung, wie sie die deutsche ZPO für einen solchen Fall in § 203 I I vorsieht. Ein aus dem Prozeß hervorgehendes Versäumnisurteil könnte zumindest im fremden Urteilsstaat vollstreckt werden, sofern der Beklagte dort Vermögen hat. Aus dieser Interessenlage heraus wurde ursprünglich versucht, eine Verpflichtung der Staaten zur gegenseitigen Leistung von Rechtshilfe abzuleiten. So formulierte Meili 4 5 , daß es die Pflicht aller zivilisierten Staaten sei, „zur Wahrung und zum Schutze der privatrechtlichen Belange" ihrer Bürger einander Rechtshilfe zu leisten.46 Basis der Überlegungen Meilis war eine „unter den civilisierten Völkern bestehende Rechtsgemeinschaft" 47. Sollte eine solche Rechtsgemeinschaft jemals bestanden haben, so ist ihr spätestens durch die beiden Weltkriege und die damit einhergehende Blockbildung der Staaten der Bo-

42

Nagel, Rechtshilfe, S. 21; Kissel 1 § 166 Rz. 9; demgegenüber berufen sich Bredthauer S. 5 und Pfennig S. 12 eher auf Praktikabilitätserwägungen. 43

Pfennig S. 12 Fn. 22; BLÄH** / Albers § 166 GVG Rz. 1; a.A. Kissel GVG analog. 44

Nagel, Rechtshilfe, S. 46.

45

Meili S. 45.

46

Ähnlich auch L· v. Bar S. 176 ff.; Delius S. 164.

47

Meili S. 45 im Anschluß an v. Savigny, System VIII, S. 27.

1

§ 166 Rz. 12: § 159

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

81

den entzogen worden. 48 Damit sind die Staaten insoweit nicht völkerrechtlich verpflichtet, einander Rechtshilfe zu leisten.49 Auch besteht im Verhältnis der Staaten zu ihren Bürgern keine Pflicht, zum Schutz der privaten Interessen der letzteren Rechtshilfe zu leisten.50 Ein Anspruch des Bürgers des ersuchten Staates auf Gewährung von Rechtshilfe zur besseren Wahrung seiner Privatrechte im ausländischen Verfahren existiert grundsätzlich nicht. 51 Unbesehen der vorstehend dargestellten Lage versucht eine Mindermeinung gleichwohl in Teilbereichen des internationalen Zustellungsrechts eine partielle völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung der Staaten zur Leistung von Zustellungshilfe zu etablieren. 52 Ausgangspunkt ist insofern die tatsächliche völkerrechtliche Praxis. Danach werden von den Staaten regelmäßig Zustellungen durch ausländische Konsuln an die Staatsangehörigen des Entsendestaates hingenommen. Darüber hinaus dulden auch die meisten Staaten in ihrem Gebiet eine postalische Mitteilung über eine bereits im Ausland bewirkte Zustellung. Hieraus jedoch völkerrechtliche Gewohnheitsregeln entwickeln zu wollen, dürfte selbst dann fehlgehen, wenn diese Grundsätze auf den engen Bereich der Zustellung durch Konsuln und die postalische Mitteilung über eine bereits durchgeführte (Inlands-)Zustellung beschränkt blieben.53 Im Hinblick auf die Zustellung durch Konsuln etwa besteht eine derartig unterschiedliche Praxis der Staaten54, daß kaum von einem einheitlichen Völkerrechtsgrundsatz gesprochen werden kann.55 Algerien, Andorra, Brasilien, Bulgarien, Honduras, Jordanien, Kuba, Somalia und Vietnam verweigern sogar gänzlich die direkte Zustel-

48

Nagel IZPR Rz. 481; ders. Friedenswarte 59 (1976) 249, 256; Pfennig S. 22.

49

Ganz herrschende Ansicht, etwa Riezler IZPR S. 674; von Normann S. 9; Schütze DIZPR S. 244; Unterreitmayer Rpfleger 1972, 117, 118; Pfennig S. 22.; Pfeil-Kammerer S. 57; Bredthauer S. 52. 50

Bredthauer Rz. 2016.

S. 53; Szàszy S. 651; Unterreitmayer

Rpfleger 1972, 117, 118; Geimer IZPR

51

Geimer IZPR Rz. 2016; a.A. Bajons, ZivilVfR, Rz. 31, die eine entsprechende Pflicht aus Art. 6 EMRK herleiten will. Zu Recht krit. dagegen Geimer IZPR Rz. 2074. Hiervon scharf zu trennen ist das aus dem Justizgewährungsanspruch herzuleitende Recht des Klägers auf Ersuchen um Rechtshilfe; dazu H. Roth IPRax 1990, 90, 91 Fn. 26; Unterreitmayer Rpfleger 1972, 117, 118 a.E. 52 Nagel IZPR Rz. 487 ff.; ders. Rechtshilfe S. 71 ff.; ders. Friedenswarte 59 (1976) 249; 258 ff.; Pfennig S. 32 ff. 53

I.E. ebenso Geimer IZPR Rz. 422.

54

Dazu Pfennig S. 32 Fn. 49.

55

Ähnlich Siegrist S. 193; Geimer IZPR Rz. 419; Karen Ilka Mössle S. 83.

6 Kondring

82

1. Teil: Grundlagen

lung durch Konsuln. 56 Diesen Staaten müßte wegen ihrer Haltung bei Bejahung eines entsprechenden gewohnheitsrechtlichen Grundsatzes konsequenterweise ein Bruch des geltenden Völkergewohnheitsrechts vorgeworfen werden. 57 Dies ist bis heute nicht geschehen und dürfte im Hinblick auf die Souveränität eines jeden Staates auch wohl verfehlt sein. Darüber hinaus spricht auch der eindeutige Wortlaut von Art. 5 lit. j des Wiener Übereinkommens über die konsularischen Beziehungen58 gegen die Annahme einer völkergewohnheitsrechtlichen Duldungspflicht der konsularischen Zustellung. Nach dieser Vorschrift dürfen Konsuln im Empfangsstaat gerichtliche Urkunden mangels völkervertraglicher Duldungspflichten nur dann übermitteln, wenn die Gesetze des Empfangsstaates dies zulassen. Der Empfangsstaat darf aber nur solche Handlungen von Konsuln verbieten, zu deren Duldung er nicht völkergewohnheitsrechtlich verpflichtet ist. Erkennt das Wiener Übereinkommen über die konsularischen Beziehungen also ein solches Untersagungsrecht des Empfangsstaates an, so bedeutet dies gleichzeitig, daß eine entsprechende völkergewohnheitsrechtliche Duldungspflicht des Empfangsstaates nicht existiert. 59 Auch die postalische Mitteilung über eine bereits im Inland bewirkte Zustellung, wie sie das deutsche Recht etwa in § 175 ZPO vorsieht 60, eignet sich nicht zur Begründung einer entsprechenden völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtung. Nach der Einschätzung der meisten Staaten stellt eine derartige Mitteilung keinen Hoheitsakt dar. Damit kann durch die postalische Mitteilung einer im Gerichtsstaat bereits durchgeführten (fiktiven) Zustellung nicht in die Gebietshoheit des Zustellungs- bzw. besser: Mitteilungsstaates eingegriffen werden.61 Wo es aber nach der Auffassung der Staaten schon an einem Eingriff

56

Pfennig S. 32 Fn. 48 und 50.

57

A.A. Verdross / Simma S. 352, die eine völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung solcher Staaten verneinen, die sich von Anfang an der Anwendung des entstehenden Völkergewohnheitsrechts widersetzt haben. 58

BGBl. 1969 II 1587.

59

Im Ergebnis wie hier StJ / H.Roth § 199 Rz. 53. Die entgegenstehenden Ausführungen von Pfennig S. 34 f. erscheinen hiernach nicht haltbar. Insbesondere ist nicht einsichtig, weshalb im Wiener Übereinkommen über die konsularischen Beziehungen ein dem Völkergewohnheitsrecht widersprechender Zustand vorausgesetzt werden sollte. 60 61

Zu dieser Qualifikation des § 175 ZPO siehe auch Pfennig S. 31.

Vgl. etwa StJ/H.Roth § 175 Rz. 19; H. Roth IPRax 1990, 90, 93; Geimer FamRZ 1975, 218; ders. NJW 1972, 1624; Bökelmann JR 1972, 425; siehe auch OLG Köln FamRZ 1985, 1278; krit. demgegenüber aber Schmitz S. 163 ff.; Karen Ilka Mössle S. 151; Siegrist S. 171; siehe auch P. Schlosser FS Stiefel S. 683, 685 ff. Für die Staaten der sog. remise au parquet (dazu noch im folgenden) verneinen einen Souveränitätseingriff: Chatin RCDIP 1977, 610, 625; Stellungnahme der

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

83

in ihre Souveränität fehlt, ist denknotwendig auch das Zustandekommen eines auf die Duldung eines solchen „Eingriffs" gerichteten Völkergewohnheitsrechts ausgeschlossen. Auch insofern kann mithin nicht von einer völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtung der Staaten gesprochen werden. 62 Schließlich erscheint es auch bedenklich, gerade im Bereich der Rechtshilfe durch Duldung wenigstens teilweise eine völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung der beschriebenen Art anzunehmen, dagegen im Hinblick auf die aktive Leistung von Rechtshilfe nicht. Die Duldung der Vornahme von Handlungen ausländischer Organe auf dem eigenen Staatsgebiet stellt regelmäßig für die Staaten einen tieferen Eingriff in ihre Hoheitsrechte dar als die aktive Rechtshilfe: Bei der aktiven Rechtshilfe führte der ersuchte Staat mit seinen eigenen Organen für den ersuchenden Staat die erforderlichen Handlungen aus und bleibt so anders als bei der Duldung fremdstaatlichen Handelns „Herr im eigenen Haus". Stellt mithin die passive Rechtshilfe gegenüber der aktiven Rechtshilfe ein Mehr dar 63 , erscheint es wenig logisch, wie die Verfechter der hier kritisierten Ansicht lediglich in bezug auf die passive Rechtshilfe durch Duldung und nicht auch in bezug auf die aktive Rechtshilfe eine völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung der Staaten zu bejahen.64 Das aufgezeigte MehrWeniger-Verhältnis von passiver und aktiver Rechtshilfe müßte an sich vielmehr dazu zwingen, eine solche gewohnheitsrechtliche Verpflichtung erst recht auch im Bereich der aktiven Rechtshilfe zu begründen. Nach der wohl einhelligen, auch von den Verfechtern der hier abgelehnten Aufassung vertretenen Ansicht, existiert aber im Bereich der aktiven Rechtshilfe keine solche völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung der Staaten.65 Damit muß nach dem zuvor Gesagten auch im Hinblick auf die passive Rechtshilfe durch Duldung eine völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtung der oben beschriebenen Art für die Staaten ausscheiden. Daraus folgt, daß außerhalb vertraglicher Bindungen für die Staaten keine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, sich gegenseitig Rechtshilfe zu gewähren. 66 Ob ein Staat außerhalb staatsvertraglicher Verpflichtungen Rechtshilfe

französischen Regierung im Rahmen der 14. Session der Haager Konferenz von 1979, Actes et Documents II (1980), S. 365.

(r

62

Ähnlich Karen Ilka Mössle S. 90; zustimmend Becker-Eberhard

63

So auch Karen Ilka Mössle S. 91.

64

So aber Nagel, Rechtshilfe, S. 65 ff.

65

Siehe schon oben am Anfang dieses §.

66

Ebenso Geimer IZPR Rz. 2016.

ZZP 105 (1992) 529, 530.

84

1. Teil: Grundlagen

leistet oder nicht, steht somit in seinem freien Belieben. Jedoch auch ohne eine vertragliche Verpflichtung leisten die Staaten heute einander bis auf nur wenige Ausnahmen in Zustellungssachen Rechtshilfe. 67 Grundlage für diese internationale Kooperation ist die sogenannte courtoisie internationale, d.h. die gegenseitige internationale Höflichkeit. 68 Diese ist zwar freiwillig. Doch wird sie von den meisten Staaten nur im Gegenseitigkeitsverhältnis gewährt. 69 Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist allerdings regelmäßig davon auszugehen, daß die Gegenseitigkeit gegeben ist; einem um Rechtshilfe ersuchenden Staat ist mithin zu unterstellen, daß er seinerseits zur Gewährung von Rechtshilfe bereit ist. 70 Trotz dieser heute verhältnismäßig zurückhaltenden Anwendung des Gegenseitigkeitserfordernisses wird hierin allgemein ein Druckmittel der Staaten gesehen, andere Staaten zu einer Förderung des internationalen Rechtsverkehrs zu bewegen.71 Verweigert ein Staat ohne ersichtlichen Grund trotz bisher bestehender Gegenseitigkeit die Zustellungshilfe, so kann dies von dem um Rechtshilfe ersuchenden Staat als ein unfreundlicher Akt angesehen werden, der mit einer Retorsion beantwortet werden kann (vgl. § 24 EGZPO). 72 Demgegenüber erscheint es verfehlt, allein schon bei bestehender Gegenseitigkeit von einer völkerrechtlichen Verpflichtung der Staaten zur gegenseitigen Rechtshilfeleistung auszugehen.73 Denn konstitutives Merkmal auch der gegenseitigen Hilfeleistung ist die Freiwilligkeit 74 , die der Annahme einer Rechtspflicht begriffsnotwendig entgegensteht.

67 Dies gilt häufig selbst dann, wenn nicht einmal diplomatische Beziehungen bestehen, vgl. Bülow / Böckstiegel S. 900.8 Fn. 15; Unterreitmayer Rpfleger 1972, 117, 119. 68

Riezler IZPR S. 19 f.; Pfennig S. 25.

69

Vgl. in Deutschland § 3 I Nr. 2 ZRHO. Das Gegenseitigkeitserfordernis findet sich darüber hinaus auch etwa in den §§ 110 II und 328 I Nr. 5 ZPO. 70

StJ 20 / Schumann Einl. Rz. 885; ähnlich auch Bredthauer S. 53. Damit erledigen sich auch weitgehend die von Nagel, Rechtshilfe, S. 67 f. gegen die Gegenseitigkeit vorgebrachten Bedenken, wonach die Gegenseitigkeit den internationalen Rechtsverkehr blockiere, solange kein Staat auf die Gegenseitigkeit verzichte und so eine Vorleistung erbringe. 71 Schütze DIZPR S. 19 f.; Riezler IZPR S. 553; Schack IZVR Rz. 38 mit krit. Anmerkungen; krit. zur Gegenseitigkeit auch Pfennig S. 24 ff; Geimer ZfRV 1992, 401, 407. 72

Pfeil-Kammerer

S. 57; Pfennig S. 30; Bredthauer S. 52.

73

So aber Szäszy S. 649; dagegen zu Recht Nagel, Rechtshilfe, S. 71; siehe auch Pfennig S. 30 Fn. 42. 74

Seidl-Hohenveldern

Rz. 469.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

85

§ 8 Die Einleitung der Auslandszustellung

Ob es einer Auslandszustellung und damit der Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe bedarf, entscheidet regelmäßig das Recht des Gerichtsstaates.75 Dies folgt aus dem im IZPR geltenden lex fori-Grundsatz. Da auch die Zustellung Teil des gerichtlichen Verfahrens im Urteilsstaat ist 76 , unterliegt auch die Frage der Notwendigkeit einer Auslandszustellung dem Forumsrecht. 77

/. Die Auslandszustellung aus deutscher Sicht Die deutsche ZPO geht in § 199 grundsätzlich davon aus, daß gerichtliche Schriftstücke auch dann dem Adressaten persönlich zu übergeben sind, wenn sich dieser im Ausland aufhält. 78 Der für das Inland in § 170 ZPO festgelegte Grundsatz der persönlichen Übergabe wird damit auch bei Auslandszustellungen aufrechterhalten. Dem Adressaten soll kein Nachteil dadurch entstehen, daß er außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist. Eine ähnliche Haltung nehmen zum Beispiel Japan, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden und einige Kantone der Schweiz in ihren Prozeßordnungen ein. 79 Ob eine Auslandszustellung erforderlich ist, entscheidet gemäß § 202 I ZPO grundsätzlich der Vorsitzende des Prozeßgerichts. 80 Er richtet einen Zustellungsantrag an die in § 9 I und I I ZRHO genannten Prüfungsstellen der Justizverwaltungen, die Präsidenten der Amts-, Land- und Oberlandesgerichte. Wegen der nach deutschem Verständnis vorzunehmenden Einordnung der internationalen Rechtshilfe als Justizverwaltungssache kann der Richter sich nicht unmittelbar an die zuständigen Stellen des ausländischen Staates wenden.81 Aus dem gleichen Grunde ist auch ein Rechtshilfeersuchen unmittelbar der Parteien unzulässig, sofern dies nicht vom Gericht angeordnet worden ist oder staatsver-

75

H. Roth IPRax 1990, 90, 92 mwN; Geimer IZPR Rz. 2081 f.; OLG München IPRax 1990, 111.

76

BLÄH / Hartmann § 328 Rz. 23 mwN.

77

Geimer IZPR Rz. 2107 f.

78

Ebenso Wiehe S. 27.

79 Nagel, Rechtshilfe, S. 98; Droz, Memoire, in: Actes et documents III S. 11. In Österreich nun in § 11 I österr. ZustG geregelt. 80 81

Zur Ausnahme des Zustellungsersuchens durch den Rechtspfleger siehe Pfennig S. 71.

Dies gilt auch im sogenannten unmittelbaren Rechtshilfe verkehr. Auch dort bedarf es einer Einschaltung der deutschen Prüfungsstellen.

86

1. Teil: Grundlagen

traglich vereinbart wurde 82 , vgl. § 2 I I 2 ZRHO. Die Behörden der Justizverwaltung prüfen, ob das ausgehende Ersuchen den von § 32-35 ZRHO aufgestellten Anforderungen sowie den Bestimmungen eventueller Staats Verträge genügt, § 28 ZRHO. Erst wenn diese Fragen positiv entschieden sind, wendet sich die Justizverwaltung auf den dazu vorgesehenen Wegen mit einem Zustellungsersuchen an den ausländischen Staat, § 29 ZRHO.

IL Fiktive Auslandszustellungen Neben der Auslandszustellung im Sinne einer effektiven Zustellung gemäß § 199 ZPO kennt die deutsche ZPO weitere Wege, um eine Zustellung bei sich im Ausland aufhaltenden Adressaten zu bewirken. Dies sind die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 174 Π ZPO) und die öffentliche Zustellung (§ 203 ZPO). Bei ihnen handelt es sich nicht um echte Auslandszustellungen, sondern nur um sog. fingierte Auslandszustellungen. Die Zustellung wird dabei im Inland durchgeführt. Aus diesem Grunde wurden diese beiden Zustellungsarten bereits am Anfang dieser Arbeit im Rahmen der vom deutschen Recht vorgesehenen Verfahrens der Inlandszustellung dargestellt. Hierauf sei an dieser Stelle verwiesen. 83 Entgegen zum Teil anders lautender Stimmen 84 stellen diese Zustellungsarten auch keinen Eingriff in die Souveränität des Aufenthaltsstaates des Adressaten dar. Darüber hinaus bestehen — wie weiter oben bereits ausgeführt — ebenfalls keine Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. 85 Gleichwohl stellen sowohl die öffentliche Zustellung als auch die Zustellung durch Aufgabe zur Post lediglich Ausnahmen vom Grundsatz der in § 199 ZPO festgelegten effektiven Auslandszustellung dar. So kommt gemäß § 203 Π ZPO die öffentliche Zustellung im hier interessierenden Zusammenhang der Auslandszustellung nur dann in Frage, wenn eine Zustellung nach § 199 ZPO unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der ausländische Aufenthaltsstaat des Adressaten die Gewährung von Rechtshilfe verweigert oder diese so lange Zeit in Anspruch nimmt, daß dies der anderen

82 Etwa gemäß Art. 7 dt.-brit. Rechtshilfeabkommen (RGBl. 1928 II 623) für britische Parteien, die sich unmittelbar an den deutschen Gerichtsvollzieher wenden können. 83

Siehe § 2 V.

84

Siehe dazu oben.

85

Siehe oben § 3 II.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

87

Partei, in der Regel also dem Kläger, nicht zumutbar ist. 86 Mit anderen Worten versucht die öffentliche Zustellung bei Auslandssachverhalten eine Rechtsverweigerung zu Lasten der anderen Partei zu verhindern, zu der es käme, wenn eine effektive Auslandszustellung nicht möglich ist. Die Regelung der insoweit einschlägigen §§ 203 ff. ZPO beruht mithin auf einer rechtsstaatlichen Abwägung der tangierten Interessen, indem in concreto das von § 199 ZPO auch bei Auslandszustellungen in den Vordergrund gestellte Interesse des Zustellungsadressaten an der Ermöglichung rechtlichen Gehörs hinter den Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz zurücktritt. 87 Auch die Durchbrechung des Grundsatzes der effektiven Auslandszustellung durch die Zustellung durch Aufgabe zur Post gemäß § 174 II, 175 ZPO ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den tangierten Interessen, da eine Zustellung nach diesen Vorschriften nur bei nicht verfahrenseinleitenden Schriftstükken zulässig ist. 88 Nachdem der sich im Ausland aufhaltende Adressat bereits durch eine effektive Auslandszustellung Kenntnis vom verfahrenseinleitenden Schriftstück und damit von dem gegen ihn rechtshängigen Verfahren erhalten hat, ist ihm nach der Wertung des Gesetzes die Möglichkeit rechtlichen Gehörs ausreichend gegeben.89 Im Interesse eines reibungslosen Verfahrens kann in diesem Fall mangels eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten durch Aufgabe zur Post im Inland zugestellt werden. Das zuzustellende Schriftstück wird so zu einer bloßen Mitteilung über die bereits im Inland bewirkte Zustellung. Irrelevant ist, ob diese Mitteilung ihren Adressaten tatsächlich erreicht. Auch hier treten also die Interessen des Adressaten hinter denen der anderen Partei an effektivem Rechtsschutz zurück. Das gleiche gilt im Rahmen der §§ 829 I I 4, 835 I I I 1 ZPO, die ebenso wie §§ 174 II, 175 ZPO bei internationalen Sachverhalten eine Zustellung durch Aufgabe zur Post vorsehen. Noch weiter gehen die §§ 841, 844 I I ZPO, die bei Auslandsbezug sogar vollständig auf eine Zustellung verzichten.

86

Zöller / Stöber § 203 Rz. 3; BIAH / Hartmann § 203 Rz. 10 f.

87

Geimer IZPR Rz. 1929.

88

Insoweit scheidet eine Anwendung der §§ 174, 175 ZPO in diesem Teil der Arbeit („Verfahrenseinleitende Schriftstücke") an sich schon von vornherein aus. Gleichwohl werden auch verfahrenseinleitende Schriftstücke zum Teil fälschlicherweise nach diesen Vorschriften zugestellt (vgl. den Fall BGH IPRspr. 1978 Nr. 152 mit der Folgefrage der Heilbarkeit dieses Fehlers). 89

Geimer IZPR Rz. 2076; Schack IZVR Rz. 599.

88

1. Teil: Grundlagen

III. Das französische System der remise au parquet Das deutsche Zustellungsrecht hält — von einigen Ausnahmen abgesehen — gemäß § 199 ZPO auch bei Auslandszustellungen grundsätzlich an der Regel der persönlichen und tatsächlichen Zustellung fest und stellt damit die Interessen des Zustellungsempfängers in den Vordergrund. Eine gänzlich andere Wertung trifft demgegenüber das französische Recht 90 , dem (mit geringen Modifikationen) u.a. Belgien 91 , die Niederlande 92, Luxemburg 93 , Italien 94 und Griechenland 95 gefolgt sind. Die dem französischen System folgenden Rechtsordnungen verzichten auf eine echte Auslandszustellung im oben genannten Sinne zugunsten einer im Inland vorzunehmenden fiktiven Zustellung bei der Staatsanwaltschaft, der sog. remise au parquet? 6 Bei der remise au parquet übergibt der für die Zustellung zuständige Huissier das zuzustellende Schriftstück an die Staatsanwaltschaft am Ort des Prozeßgerichts. Bereits mit dieser Übergabe ist die Zustellung bewirkt 97 , so daß alle relevanten Fristen zu laufen beginnen.98 Erst im Anschluß an die Zustellung bei der Staatsanwaltschaft hat der Huissier dem Zustellungsadressaten zum bloßen Zweck der Mitteilung eine Kopie des bereits zugestellten Schriftstücks

90

Art. 683 ff. NCPC.

91

Art. 40 CJ.

92

Art. 4 Wetboek van Burgerlijke Regtsvoordering.

93

Art. 69 Nr. 10 lux. CPC.

94

Art. 142, 143 ital. CPC; im Geltungsbereich internationaler Abkommen hat Italien jedoch die remise au parquet abgeschafft, siehe Art. 142 III ital. CPC idF von 1981 (deutsche Übersetzung u.a. bei Geimer IPRax 1992, 5, 11 Fn. 86); dazu Stürner FS Nagel S. 446, 450; ders. JZ 1992, 325, 329 Fn. 34. 95 Art. 134, 136 griech. ZPG; unzutreffend der Hinweis von Wiehe S. 61 Fn. 1, der die zwischenzeitliche Änderung des griechischen ZPG nicht berücksichtigt hat. 96 Dazu und zum folgenden siehe Karen Ilka Mössle S. 197 ff.; Schack IZVR Rz. 597; Nagel, Rechtshilfe, S. 97 ff.; ders. IZPR Rz. 496; Pfennig S. 127 f. 97

Zum Teil wird zusätzlich noch ein Anschlag an die Gerichtstafel oder -tür gefordert, so etwa Art. 142 I ital. CPC und Art. 4 niederl. Wetboek von Burgerlijke Regtsvoordering. 98 Capatina RCADI 1983 I 305, 352; Schack IZVR Rz. 597. Anders Art. 143 III ital. CPC, wonach die Zustellung erst 20 Tage nach Aufgabe der Mitteilung als fingiert gilt; insbesondere im deutsch-belgischen Rechtshilfeverkehr laufen die Fristen nach belgischem Recht erst mit Eingang des zuzustellenden Schriftstücks bei dem im unmittelbaren Verkehr zu ersuchenden deutschen Amtsrichter, vgl. Ledoux J.T. 1979, 385; ders. J.T. 1975, 635, 636 f; belg. Cour de Cassation Pasicrisie beige 1968 I 313, 315 (weitere umfangreiche Nachweise zur belgischen höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Ledoux J.T. 1975, 635, 636 Fn. 10 und 11); Linke RIW 1975, 198, 199 f.; anders noch ders., Anerkennung, S. 56.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

89

per Einschreiben zu übersenden." Zum Teil geschieht dies mit Rückschein. 100 Vom deutschen Schrifttum 101 großenteils scheinbar übersehen wird jedoch ein weiterer Übermittlungsakt 102 : Denn zusätzlich 103 zur postalischen Übermittlung der Kopie des bei der Staatsanwaltschaft zugestellten Schriftstücks beschreiten die Behörden des Gerichtsstaates regelmäßig auch den Weg der internationalen Rechtshilfe zur Übermittlung einer weiteren Kopie des Schriftstücks an den Adressaten: So übersendet etwa gemäß Art. 685 I I NCPC 104 die französische Staatsanwaltschaft dem französischen Justizministerium eine Kopie des zuvor bei ihr zugestellten Schreibens zur Übermittlung in den Aufenthaltsstaat des Adressaten. 105 Dabei werden vom Justizministerium — sofern vorhanden — die von den internationalen Verträgen eröffneten Wege beschritten. 106 Mangels internationaler Verträge leitet das Justizministerium die Kopie an das französische Außenministerium weiter, das sodann den diplomatischen Weg 1 0 7 einschlägt. 108 Sofern ausnahmsweise der direkte Behördenverkehr staatsvertraglich vereinbart ist, übersendet die Staatsanwaltschaft gemäß Art. 685 I I NCPC das zu übermittelnde Schriftstück ohne Einschaltung des französischen Justizministeriums unmittelbar an die Behörden des Aufenthaltsstaates des Adressaten. 109 Die gleiche Zweispurigkeit der Übermittlung

99

Etwa Art. 686 franz. NCPC; Art. 142 ital. CPC.

100

Vgl. bei Schack IZVR Rz. 597.

101

Etwa Schack IZVR Rz. 597; Nagel IZPR Rz. 496; Pfennig S. 128; demgegenüber wohl zutreffend P. Schlosser FS Matscher S. 387, 397; sehr gut die Darstellung bei Karen Ilka Mössle S. 197 ff.; siehe auch Stürner JZ 1992, 325, 329; ders. FS Nagel S. 446, 450; SU / H.Roth § 199 Rz. 25. 102

Dies beklagt auch Stürner FS Nagel S. 446, 450.

103

Monin-Hersant / Nicod Clunet 1989, 969, 970 und 976 sprechen von einem double system de transmission; ebenso Monin-Hersant J.C1. Droit International Fase. 589-B-l S. 4. 1W

Ebenso schon Art. 69 N° 10 anc. CPC, der eine Übersendung an das französische Außenministerium vorsah; dazu Herzog / Smit in: Smit, Co-operation, S. 119, 122 ff.; Stellungnahme Frankreichs in: Actes et Documents III S. 22. 105

Ausführlich Monin-Hersant /Nicod Clunet 1989, 969, 970 ff.; siehe auch Capatina RCADI 1983 I 305, 351 f. 106 Monin-Hersant / Nicod Clunet 1989, 969, 971 f.; Monin-Hersant J.C1. Droit International Fase. 589-B-l S. 3. 107

Zum diplomatischen Weg weiter unten.

108

Monin-Hersant / Nicod Clunet 1989, 969, 972.

109

Dazu Capatina RCADI 1983 I 305, 351 a.E.

90

1. Teil: Grundlagen

gilt gemäß Art. 142 CPC in Italien. 110 Das griechische 111 und das niederländische Recht 112 verzichten demgegenüber gar auf eine postalische Übermittlung und beschreiten nur den letztgenannten Weg. 113 Ob der Adressat diese Mitteilungen erhält, ist für die Wirksamkeit der Zustellung bei der Staatsanwaltschaft unerheblich. Wichtig ist etwa im französischen Recht allein, daß die nach Art. 686 NCPC erforderliche postalische Mitteilung an den Beklagten abgesandt ist, da deren Fehlen gemäß Art. 693 NCPC zur Nichtigkeit der remise au parquet führt. Demgegenüber kann die von Art. 685 I I NCPC im Wege der Rechtshilfe vorgeschriebene Benachrichtigung des Beklagten ohne Auswirkung auf die Wirksamkeit der remise au parquet unterbleiben. Ähnlich wie das deutsche Zustellungsrecht in § 175 ZPO führt das französische Zustellungssystem damit bei der remise au parquet zu einer fiktiven Inlandszustellung. 114 Die Zustellung gilt mit der Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an die Staatsanwaltschaft als im Inland bewirkt, ohne daß es darauf ankommt, ob der Zustellungsadressat tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks erhalten hat. Doch stellt der zugunsten des Klägers wirkende § 175 ZPO im deutschen Recht nur eine Ausnahmevorschrift dar, die zudem nur auf nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke, also für das rechtliche Gehör des Beklagten weniger bedeutsame Dokumente anwendbar ist. 115 Demgegenüber hat das französische Zustellungsrecht die remise au parquet bei sich im Ausland aufhaltenden Zustellungsadressaten zur Regel erhoben, was vor allem bei verfahrenseinleitenden Schriftstücken von besonderer Bedeutung ist. Damit tritt in den der remise au parquet folgenden Rechtsordnungen bei einer Zustellung an einen sich im Ausland aufhaltenden Empfänger regelmäßig das Interesse desselben an der Kenntnis vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks hinter das Interesse des inländischen Klägers auf eine möglichst

110 Dazu Cappelletti / Perillo 305, 353. 111

in: Smit, Co-operation, S. 247, 268 ff.; Capatina RCADI 1983 I

Art. 134 griech. ZPG.

112

In den Niederlanden grundsätzlich Gewohnheitsrecht, vgl. Soek NILR 1982, 72, 74; Schaper/ Smit in: Smit, Co-operation, S. 382, 385; van Hoogstraten in: Actes et Documents III S. 168. Eine gesetzliche Verpflichtung besteht jedoch im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 aufgrund des niederländischen Transformationsgesetzes, Gesetz vom 24.12.1958, Staatsblad 1958 N° 677; dazu Schaper / Smit ebenda S. 385 Fn. 18. 113 Zum belgischen System siehe Rigaux / Miller in: Smit, Co-operation S. 30, 45; jüngst auch Moons RIW 1989, 903. 1,4

Pfennig S. 127 f.

115

Siehe oben § 8 II.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

91

einfache Zustellung zurück. Die Wertung des französischen Zustellungssystems steht somit diametral der in § 199 ZPO zum Ausdruck kommenden deutschen Wertung entgegen. Nicht der Beklagte soll geschützt werden, sondern der Kläger. 116 Eine der französischen remise au parquet vergleichbare und damit ähnlich problematische Form der Zustellung kennt auch das Prozeßrecht einiger USamerikanischer Bundesstaaten.117 Danach kann die Zustellung an ausländische Unternehmen durch Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an den Secretary of State im Inland erfolgen. Der Secretary of State übersendet anschließend die so zugestellten Schriftstücke auf dem Postweg an den Beklagten am ausländischen Sitz der Gesellschaft. 118 Die Gefährdung der Interessen des Beklagten durch die remise au parquet und vergleichbare Zustellungsarten liegt auf der Hand. Der Beklagte läuft Gefahr, daß gegen ihn aufgrund einer Zustellung bei der Staatsanwaltschaft im Ausland ein Verfahren rechtshängig wird, von dem er nichts oder nur zu spät, nämlich nach dem Erlaß eines Versäumnisurteils, erfährt. Zwar sehen auch die Rechtsordnungen der remise au parquet diese Gefahr. Doch sind die Versuche, ihr zu begegnen, nur zaghaft. Zu wichtig erscheint es, den inländischen Prozeß und den inländischen Kläger vor den mit der internationalen Zustellung verbundenen Schwierigkeiten zu bewahren. 119 So schützt man den Beklagten lieber im Nachhinein, das heißt nach Zustellung bei der Staatsanwaltschaft. 120 Konstruktiv geschieht dies in Frankreich über Art. 687 NCPC. Danach kann 121 der Richter das Verfahren aussetzen, sofern Zweifel bestehen, daß der Beklagte effektive Kenntnis von einem bei der Staatsanwaltschaft zugestellten Schriftstück erlangt hat. Darüber hinaus verlängert Art. 643 Nr. 2 NCPC die Einlassungs- und Rechtsmittelfristen bei einem sich im Ausland aufhaltenden Beklagten um zwei Monate. 122 Trotz dieser Bemühungen um den Schutz auch

116

Nagel, Rechtshilfe, S. 99; Geimer IZPR Rz. 2092 f.

117

Z.B. Kalifornien: 14 Cal.C.Civ.Proc. § 1018; Delaware: 10 Del.C.Anno. § 3111 (2) iVm 8 Del.C.Anno.; New York: NYBCL § 307. 1,8

Pfeil-Kammerer

S. 77; Geimer IZPR Rz. 2093.

119

Dazu siehe Battifol RCDIP 1960, 594 ff.: Le systeme juridique français „doit pouvoir fonctionner malgré la mauvaise volonté des débiteurs ou la négligence des autorités étrangères, sur lesquelles l'autorité nationale n'a pas d'action". 120

Monin-Hersant / Nicod Clunet 1989, 969, 970.

121

Kritisch zu dieser lediglich fakultativen Aussetzungsmöglichkeit Karen Ilka Mössle S. 199.

122

Huet J.C1. Droit International Fase. 583-1 S. 15.

92

1. Teil: Grundlagen

der Interessen des sich im Ausland aufhaltenden Beklagten liegt im System der remise au parquet nach wie vor noch eine erhebliche Gefährdung der Beklagteninteressen.

§ 9 Die Zustellung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr

Auch ohne vertragliche Verpflichtung führen faktisch die meisten Staaten auf der Grundlage der courtoisie internationale ausländische Ersuchen um Zustellung aus oder dulden sogar innerhalb ihres Territoriums die Durchführung der Zustellung durch Organe des ersuchenden Staates.

/. Die Zustellungswege Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr lassen sich grundsätzlich mehrere „klassische" Zustellungswege ausmachen. Auf diese nimmt in Deutschland § 199 ZPO Bezug. Danach bedarf eine im Ausland zu bewirkende Zustellung eines Ersuchens der Behörden des ausländischen Staates oder des dort residierenden deutschen Konsuls oder Gesandten. Einen zusätzlichen Zustellungsweg nennt § 6 I Ziff. 3 ZRHO mit dem sog. unmittelbaren Verkehr. 123 Welcher Weg im einzelnen gewählt wird, hängt im vertragslosen Rechtshilfeverkehr grundsätzlich von der zwischen den beteiligten Staaten praktizierten Übung ab. 124 Der Wahl des Zustellungsweges kann darüber hinaus auch ein Notenwechsel der Staaten zugrunde liegen. 125 Sind danach mehrere Zustellungswege möglich, so entscheidet das Recht des ersuchenden Staates über die Wahl des in concreto zu beschreitenden Weges. Entsprechende Regelungen finden sich in Deutschland in den §§ 6 II, ΙΠ und 13 ZRHO.

123 Weitere, hier aber nicht näher interessierende Wege bei Unterreitmayer 117, 124. 124 125

Unterreitmayer

Rpfleger 1972,

Rpfleger 1972, 117, 123; Schack IZVR Rz. 181.

Unterreitmayer Rpfleger 1972, 117, 123. Dies ist aus deutscher Sicht nur im Verhältnis zu Liechtenstein der Fall, vgl. Bülow / Böckstiegel S. 900.12 Fn. 29; Nagel, Rechtshilfe, S. 88.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

93

1. Der diplomatische Weg Die umständlichste und langwierigste Methode bei Zustellungen ins Ausland ist der sog. diplomatische Weg. Hierbei vermittelt die diplomatische Vertretung des ersuchenden Staates die Erledigung des Zustellungsersuchens in der Weise, daß sie an das Außenministerium des ersuchten Staates mit der Bitte herantritt, das Ersuchen an die für die Zustellung zuständige ausländische Behörde weiterzuleiten. 126 Diese führt dann die Zustellung aus. Statt der diplomatischen Vertretung im Ausland obliegt es teilweise auch dem Außenministerium des ersuchenden Staates, das Zustellungsersuchen dem Außenministerium des ersuchten Staates mit der Bitte um Durchführung der Zustellung zu übersenden. 127

2. Der konsularische Weg Beim konsularischen Zustellungsverkehr vermitteln nicht die diplomatischen Vertretungen des ersuchenden Staates, sondern dessen konsularische Vertreter die Erledigung des Zustellungsersuchens. Das Zustellungsersuchen ist in diesem Fall an das örtlich zuständige Konsulat zu übersenden, das dann die zuständige ausländische Stelle um die Erledigung des Ersuchens bittet. 128 Der zeitraubenden und umständlichen Zwischenschaltung des Außenministeriums des ersuchten Staates bedarf es in diesem Fall nicht mehr. 129

3. Die Zustellung durch diplomatische und konsularische Vertretungen in eigener Zuständigkeit Die bisher beschriebene diplomatische und konsularische Zustellung wurde unter Einschaltung der Behörden des ersuchten Staates durchgeführt, d.h. im Wege der sog. aktiven Rechtshilfe. Wie weiter oben bereits ausgeführt, kann Rechtshilfe aber auch passiv geleistet werden. Bei der passiven Rechtshilfe duldet derjenige Staat, in dessen Territorium die Zustellung vorzunehmen ist,

126

SU 20 / Schumann Einl. Rz. 890.

127

Pfennig S. 60 Fn. 22.

128

Unterreitmayer

129

Pfennig S. 61.

Rpfleger 1972, 117, 123.

94

1. Teil: Grundlagen

die Durchführung der Zustellung unmittelbar durch Organe des (ersuchenden) Gerichtsstaates. Diese erledigen die Zustellung in eigener Zuständigkeit. Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr wird kraft allgemeiner Übung — jedoch nicht kraft völkergewohnheitsrechtlicher Pflicht 130 — diese Form der unmittelbaren Zustellung von den meisten Staaten innerhalb ihres Territoriums regelmäßig dann geduldet, wenn die diplomatischen131 oder konsularischen Vertretungen des ausländischen Gerichtsstaates die Zustellung durchführen. Dies gilt auch für in Deutschland von ausländischen Vertretungen vorzunehmende Zustellungen.132 Nicht geduldet wird demgegenüber regelmäßig die Zustellung ausländischer Schriftstücke durch ausländische Justizbeamte, etwa US-amerikanische marshals oder sheriffs 133. Uneinheitlich ist die Staatenpraxis allein in bezug auf die Frage, ob die Konsuln Zustellungen nur an Staatsangehörige ihres Entsendestaates oder auch an Staatsangehörige dritter Staaten oder gar an Staatsangehörige des Zustellungsstaates bewirken dürfen. Duldet ein ausländischer Staat die Zustellung durch deutsche Konsuln 134 , so sind diese innerstaatlich gemäß § 16 KonsularG 135 ermächtigt, die Zustellung in eigener Zuständigkeit unmittelbar vorzunehmen. Trotz dieser dem innerstaatlichen deutschen Recht entstammenden Ermächtigung handelt es sich auch bei der beschriebenen konsularischen Direktzustellung durch deutsche Organe im Ausland um eine Auslandszustellung im engeren Sinne. Die Konsuln bleiben deshalb auf die Duldung des Residenzstaates und damit auf ausländische Rechtshilfe angewiesen.

4. Der unmittelbare Behördenweg Die neben der unmittelbaren Zustellung durch im Ausland residierende Konsuln wohl einfachste Zustellungsmöglichkeit stellt der sog. unmittelbare Behör-

130

Siehe dazu oben § 7.

131

Zumindest dann, wenn diese nach dem Recht des Entsendestaates auch mit konsularischen Aufgaben betraut sind, wie dies grundsätzlich bei den deutschen diplomatischen Auslandsvertretungen der Fall ist, Riezler IZPR S. 675 f.; siehe auch § 12 ZRHO. 132

Vgl. Pfeil-Kammerer

133

Pfeil-Kammerer

S. 83 Fn. 45.

S. 83; Vollkommer

134

ZZP 80 (1967) 248, 258 mit Ländernachweisen.

Allein Algerien, Andorra, Brasilien, Bulgarien, Honduras, Jordanien, Kuba, Somalia und Vietnam sperren sich gegen eine Direktzustellung durch ausländische und damit auch durch deutsche Konsuln; vgl. Länderteil der ZRHO. 135

BGBl. 1974 I 2317.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

95

den weg dar. Hierbei wenden sich die Justizbehörden des Gerichtsstaates 136 ohne Einschaltung diplomatischer oder konsularischer Stellen mit dem Zustellungsersuchen unmittelbar an die zuständigen Stellen des ersuchten Zustellungsstaates. Diese führen anschließend die Zustellung aus. Aus deutscher Sicht stellt der beschriebene unmittelbare Behördenweg im vertragslosen Rechtshilfeverkehr eine Ausnahme dar, da er nur im Verhältnis zu Liechtenstein zur Anwendung kommt. Rechtsgrundlage hierfür ist ein Notenwechsel zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Bundesrepublik Deutschland vom 17.2.1958 und vom 29.5.1958137.

5. Sonstige Zustellungswege im vertragslosen Zustellungsverkehr Zwar stellen die vorstehend aufgeführten Zustellungswege nach deutschem autonomem Recht die im vertragslosen Rechtsverkehr einzig zulässigen Verfahren dar. Doch kennen insbesondere die Rechtsordnungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises neben den genannten Wegen noch weitere Möglichkeiten der Zustellung ins Ausland. 138 Von besonderer Bedeutung sind dabei zum einen die Zustellung durch (eingeschriebenen) Brief sowie die Zustellung durch Private auf dem Gebiet des Empfängerstaates. Beide Zustellungsarten finden sich vor allem in Rechtsordnungen, die wie diejenigen des anglo-amerikanischen Rechtskreises die Zustellung als Privathandlung betrachten. 139 Nach deutscher Auffassung stellen jedoch beide Zustellungsmodalitäten zumindest im vertragslosen Rechtsverkehr einen Eingriff in die deutsche Souveränität dar. 140 So wird etwa der Zustellung durch eingeschriebenen Brief entgegengehalten, daß der die Zustellung erledigende deutsche Postbeamte dem ausländischen Gericht unmittelbare Amtshilfe leistet. 141 Auf diese Weise wird

136

In Deutschland sind dies die in § 9 II ZRHO bezeichneten Prüfungsstellen, Unterreitmayer Rpfleger 1972, 117, 124. 137 BAnz 1959 Nr. 73 vom 17.4.1959 S. 1; vgl. auch bei Nagel, Rechtshilfe, S. 88; Bülow / Böckstiegel S. 900.12 Fn. 29. Text bei SU / H.Roth Anh. zu § 199 Rz. 81. 138 Zu den einzelnen Zustellungsmodaliäten des US-amerikanischen Rechts Pfeil-Kammerer S. 78; Kochinke / Horlick RIW 1982, 79 ff.; zum englischen Recht Harwood ICLQ 1961, 284, 287 f. 139

Geimer IZPR Rz. 414; Nagel IZPR Rz. 498; Pfeil-Kammerer

140

S. 24.

Pfeil-Kammerer S. 123 f.; a.A. Wiehe S. 103 sowie — beschränkt auf die Zustellung durch Private — Geimer IZPR Rz. 420. 141

Stadler S. 285 Fn. 73.

96

1. Teil: Grundlagen

ausländische Hoheitsgewalt unmittelbar auf deutschem Staatsgebiet ausgeübt, ohne daß eine dazu erforderliche Zustimmung vorläge. 142 Denn anders als bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post, bei der die Zustellung und damit der Hoheitsakt bereits im Gerichtsstaat im Zeitpunkt des Absendens des Briefes vollendet ist, entfaltet die Zustellung durch (eingeschriebenen) Brief ihre Wirkung erst mit dem Zugang beim Adressaten und damit auf fremden Territorium.143 Souveränitätsein wände bestehen aus deutscher Sicht auch im Hinblick auf die Zustellung durch Private auf dem Gebiet der Bundesrepublik. Nach deutscher Auffassung stellt eine Zustellung stets einen Hoheitsakt dar 144 , der allein von deutschen offiziellen Stellen, nicht aber durch Private vorgenommen werden kann. 145 An dieser Qualifikation ändert auch die in den anglo-amerikanischen Staaten vorherrschende abweichende Beurteilung der Zustellung als Privatakt nichts. 146 Zwar finden sich insoweit abweichende Stellungnahmen des Bundesjustizministers 147, wonach aus dem angelsächsischen Rechtskreis nach Deutschland eingehende Ersuchen entsprechend dem Recht des ausländischen Gerichtsstaates auch dergestalt zugestellt werden können, daß deutsche Rechtsanwälte oder Notare um die Zustellung an den in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Adressaten ersucht werden. Dieser Ansicht dürfte jedoch durch die im Rahmen des Ratifizierungsverfahrens zum Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachte ablehnende Haltung 148 der Boden entzogen worden sein. 149 Dies bestätigt auch die diesbezügliche Stellungnahme des Bundesjustizministeriums 150.

142 Vgl. dazu Vollkommer S. 80 ff. 143

ZZP 80 (1967) 248, 259; Siegrist

S. 173 ff.; Karen Ilka Mössle

Vgl. Pfennig S. 65 f.; krit. zu dieser Differenzierung Geimer IZPR Rz. 2174 mwN.

144

Eine Ausnahme gilt insoweit allein für den im internationalen Bereich unanwendbaren § 198 ZPO. Zur Unanwendbarkeit des § 198 ZPO im internationalen Rechtsverkehr Leipold, Probleme, S. 9, 14. 145

Biilow, zitiert bei Oesterholt / Smit in: Smit, International Co-operation S. 171, 192 Fn. 160.

146

Pfeil-Kammerer

147

DNotZ 1962, 59 und 343 f.

S. 123; a.A. Geimer IZPR Rz. 420; Wiehe S. 103.

148 BGBl. 1977 II 1453. Zur diesbezüglichen Haltung der Bundesrepublik vgl. die Denkschrift zum Haager Zustellungsübereinkommen BT-Drucks. 7 / 4892 S. 38, 47. 149

Dies verkennt m.E. Pfeil-Kammerer

150

DNotZ 1981, 660 f.; dazu Kochinke / Horlick

S. 84. RIW 1982, 79.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

97

Die Frage der Zulässigkeit der beiden zuletzt genannten Zustellungswege bei im vertragslosen Rechtshilfe verkehr eingehenden Zustellungen151 kann jedoch in den meisten Fällen dahinstehen. Denn mit den wichtigsten der diese Wege zulassenden Staaten besteht heute ein vertraglicher Zustellungsverkehr 152, in dessen Rahmen die nationalen Zustellungsverfahren grundsätzlich verdrängt werden (dazu noch weiter unten).

II. Das auf die Durchführung der Zustellung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr anwendbare Recht Wie im vertragslosen Rechtshilfeverkehr Zustellungshilfe zu beantragen ist, beurteilt sich in Anlehnung an die vorstehenden Ausführungen nach der zwischenstaatlichen Übung sowie nach dem Recht des ersuchenden Staates. Hiervon aber zu trennen ist die Frage, nach welchem Recht die Zustellung im Zustellungsstaat durchgeführt wird. 153 Die nationalen Zustellungsvorschriften der Staaten unterscheiden sich zum Teil erheblich. Selbst wenn viele kontinental-europäische Rechtssysteme auch bei Auslandszustellungen grundsätzlich eine persönliche Übergabe des Schriftstücks an den Adressaten oder Empfänger verlangen 154, so finden sich doch wesentliche Abweichungen etwa im Hinblick auf den Ort, an dem die Übergabe erfolgen darf. Während zum Beispiel das deutsche Recht in § 180 ZPO eine Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an jedem Ort zuläßt, kennen andere Rechtsordnungen einen numerus clausus der zulässigen Übergabeorte. 155 Unterschiede finden sich auch in bezug auf die Verweigerung der Annahme durch den Zustellungsadressaten und -empfänger sowie die sich hieran knüpfenden

151 Bei von Deutschland ausgehenden Ersuchen scheitern die genannten Wege ohnehin schon an den deutschen Vorschriften. 152

Gemeint ist insofern vor allem das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 sowie das dt.brit. Rechtshilfeübereinkommen von 1928 (RGBl. 1928 II 623), das für den Großteil des Commonwealth gilt (s. unten § 10 III). 153

Zu dieser Trennung auch Pfeil-Kammerer

154

Hierzu siehe oben § 8.

155

S. 69.

Etwa § 13 I 1 iVm § 4 österr. ZustG: die Wohnung, die gewerbliche Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz (freilich durchbrochen durch § 13 V und V I östeir. ZustG, wonach bei freiwilliger Annahme der Sendung und mangels eines in Österreich belegenen Ortes der oben genannten Art auch an jedem beliebigen Ort zugestellt werden kann). 7 Kondring

98

1. Teil: Grundlagen

Folgen. 156 Gleiches gilt für den bei einer Ersatzzustellung als Empfänger in Betracht kommenden Personenkreis. 157 Dem englischen Recht ist im Gegensatz zu den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen gar das Institut der Ersatzzustellung bis auf wenige Ausnahmen fremd. 158 Darüber hinaus folgt aus der anglo-amerikanischen Einordnung der Zustellung als private Angelegenheit der Parteien 159, daß die Zustellung in erster Linie durch Private durchgeführt wird und nicht durch staatliche Beamte, wie sich dies aus der kontinentaleuropäischen Qualifikation der Zustellung als Hoheitsakt ergibt. 160 Bereits dieser kurze Überblick verdeutlicht schon, daß die Bestimmung des auf die Durchführung der Auslandszustellung anwendbaren Rechts von mehr als nur akademischer Bedeutung ist. 161 Dies gilt im vorliegenden Zusammenhang um so mehr dann, wenn sich im Verlaufe der Untersuchung herausstellen sollte, daß eine Heilung von Zustellungsfehlern — wie zum Teil vertreten 162 — etwa dem für die Durchführung der Zustellung maßgeblichen Recht unterliegen sollte. Mangels völkergewohnheitsrechtlicher Bestimmungen kann die Durchführung der Zustellung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr von vornherein nur den nationalen Zustellungsregelungen der beteiligten Staaten unterliegen, also dem Recht des ersuchenden oder ersuchten Staates. Ausgehend von den oben angestellten Souveränitätserwägungen 163 werden es die meisten Staaten außerhalb vertraglicher Verpflichtungen grundsätzlich aber nicht zulassen, daß in ihrem Territorium eine Zustellung nach fremden Zustellungsvorschriften durchgeführt wird. Damit schiede eine Anwendung des Zustellungsrechts des ersuchenden Staates auf die Durchführung der Auslandszustellung aus 164 , da die nationalen Zustellungsvorschriften nach kontinentaleuropäischer Auffassung regelmäßig

156

Vgl. dazu die rechtsvergleichende Darstellung bei Nagel, Rechtshilfe, S. 111 f.

157

Nagel IZVR Rz. 499 ff.

158

Nagel, Rechtshilfe, S. 114; ders. IZVR Rz. 507. Anders dagegen aber das US-amerikanische Recht, das auch Ersatzzustellungen kennt, vgl. Pfeil-Kammerer S. 75. Zum englischen Zustellungsprocedere in EuGVÜ-Staaten im Anschluß an den Civil Jurisdiction and Judgement Act 1982 siehe Rauscher IPRax 1992, 71, 72 Fn. 6. 159

Pfeil-Kammerer

160

Nagel IZVR Rz. 498.

S. 24.

161

M.E. daher zu Unrecht bezweifelt von Nagel, Rechtshilfe, S. 115.

162

Mit einem solchen Ansatz etwa Rauscher IPRax 1991, 155, 159.

163

Vgl. insb. § 7.

164

Zur Ausnahme Österreich siehe noch im folgenden.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

99

öffentlich-rechtlichen Charakter haben. Indiz für diesen öffentlich-rechtlichen Charakter des Zustellungsrechts ist neben der regelmäßig fehlenden Abdingbarkeit durch die Parteien die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Zustellung im Wege der Ersatzzustellung. 165 Nach dem Territorialitätsprinzip endet der Geltungsbereich öffentlich-rechtlicher Regeln an den Staatsgrenzen. 166 Dies gilt bei öffentlich-rechtlicher Einordnung auch für das nationale Zustellungsrecht. Ungekehrt formuliert: Ohne abweichende völkerrechtliche Vereinbarungen gelten im Zustellungsstaat regelmäßig ausschließlich die für die konkrete Zustellungsart vorgesehenen Regeln dieses Staates, also die lex fori. Dies gilt gleichermaßen für die Durchführung der Zustellung wie für die Bestimmung der zur Durchführung zuständigen Stellen. 167 Nur so läßt sich das Interesse des ersuchten Staates schützen, selbst innerhalb seines Territoriums darüber zu bestimmen, wie der Beklagte hinreichend geschützt werden kann und wieweit demgegenüber die Interessen des ausländischen Klägers an einer raschen und zuverlässigen Zustellung ins Gewicht zu fallen vermögen. 168 Schließlich gewährleistet auch nur die lex fori-Regel die Gleichbehandlung aller im Gebiet des Zustellungsstaates lebenden Zustellungsempfänger. 169 Der daraus folgenden Anwendung des Rechts des Zustellungsstaates auf die Durchführung der Zustellung könnte jedoch entgegenstehen, daß sich nach herrschender Meinung auch im vertragslosen Rechtshilfeverkehr die Wirksamkeit der Zustellung nach dem Recht des Gerichtsstaates beurteilt. 170 Dies folgt aus dem lex fori-Grundsatz, wonach ein gerichtliches Verfahren stets dem Recht des Forumstaates unterliegt. Dieser umfaßt auch die Zustellung. 171 Doch findet die Reichweite der lex fori an den Grenzen des Gerichtsstaates ihre Schranken. Das Recht des Gerichtsstaates kann mithin unbeschadet eventueller vertraglicher Vereinbarungen nicht darüber bestimmen, wie im Zustellungsstaat zugestellt werden soll. Hierüber befindet im vertragslosen Rechtsverkehr grundsätzlich allein das autonome Recht des Zustellungsstaates. Dem Gerichtsstaat

165

Nagel, Rechtshilfe, S. 119; OLG Stuttgart IPRspr. 1964 / 65 Nr. 207.

166

Kegel IPR S. 714 ff.; siehe schon oben § 7.

167

Nagel, Rechtshilfe, S. 108; s.a. § 15 S. 2 ZRHO.

168

Pfeil-Kammerer

S. 135.

169

Riezler IZVR S. 93 f.; Schütze IZVR S. 15; Leipold, Lex fori, S. 29 und 58 (zum ähnlich gelagerten Problem im Beweisrecht). 170 Siehe nur Krzywon ZPO Rz. 338 mwN. 171

i-

StAZ 1989, 93, 100; Nagel IZPR Rz. 748; Staudinger / Spellenberg § 328

BLÄH / Hartmann § 328 Rz. 23.

100

1. Teil: Grundlagen

fehlt damit ein unmittelbarer Einfluß auf das Procedere der Zustellung; er gibt das Zustellungsverfahren zum Zwecke der Durchführung der Zustellung im Ausland gleichsam zugunsten des Zustellungsstaates aus der Hand. Erst nach vollzogener Zustellung steht es wieder dem Gerichtsstaat zu, darüber zu entscheiden, ob die Zustellung so, wie sie im Zustellungsstaat durchgeführt worden ist, im Gerichtsstaat Wirkung entfalten soll. Der Gerichtsstaat überprüft mithin lediglich, ob die nach ausländischem Recht durchgeführte Zustellung mit dem eigenen Recht vereinbar ist. Die Frage des auf die ZusteWungsdurchfuhrung anwendbaren Rechts ist damit streng von derjenigen über die Wirksamkeit der nach ausländischem Recht durchgeführten Zustellung zu trennen: Denn die Durchführung und damit die Form der Zustellung unterliegt — wie gesehen — grundsätzlich dem Recht des Zustellungsortes. Das Recht des Gerichtsstaates regelt demgegenüber die Form der Ladung (nicht aber die Form der Zustellung derselben !), ihre Wirkung und Gültigkeit. 172 Mithin liegt in der Aussage der herrschenden Meinung kein Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen. Zum Teil wird die Geltung des Zustellungsrechts des ersuchten Staates jedoch statt auf die lex fori-Regel auf den Grundsatz locus regit actum gestützt.173 Dies stößt teilweise auf Kritik. 1 7 4 Zwar mag die Ablehnung dieses dem materiellen Privatrecht entstammenden Prinzips im Hinblick auf die öffentlichrechtliche Einordnung des Zustellungsrechts verständlich sein. 175 Doch übersehen die Kritiker m.E., daß die locus regit actum-Regel zumindest für diejenigen Rechtsordnungen diskutabel sein dürfte, welche die Zustellung als Sache der Parteien ansehen.176 Gleichwohl ist dieser Streit kaum von praktischer Relevanz, da beide Regeln im Ergebnis grundsätzlich zur Anwendung des Rechts des Zustellungsstaates auf die Durchführung der Zustellung führen. 177 Eine Ausnahme von den zuvor dargestellten Grundsätzen hat etwa das am 1.3.1983 in Kraft getretene österreichische Zustellungsgesetz in seinem § 12 I

172

Deutlich insofern Kallmann S. 302; Nehlen JR 1958, 121, 127.

173

Etwa Szàszy S. 660.

174

Nagel, Rechtshilfe, S. 119 Fn. 258.

175

Siehe etwa bei Riezler IZVR S. 93 f.

176

Trotz seiner Bedenken will etwa auch Riezler IZVR S. 94 zumindest im Bereich der Auslandszustellung den Grundsatz des locus regit actum angewandt wissen. 177 Ausführlich zum Verhältnis von lex fori und locus regit actum (am Beispiel der gleichgelagerten Problematik des früheren interlokalen französischen Prozeßrechts) Ponsard RCDIP 1961, 203, 206 ff.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

101

2 etabliert. Danach kann in Österreich auch im vertragslosen Rechtshilfeverkehr 178 eine Zustellung in einer vom ersuchenden Staat gewünschten Art und Weise und damit insbesondere nach dem Recht des um Zustellungshilfe ersuchenden Staates durchgeführt werden, wenn dies mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung vereinbar ist. 179 Doch selbst wenn so ein anderes Recht als das des Zustellungsstaates auf die Durchführung der Zustellung Anwendung findet, so gilt es doch hervorzuheben, daß auch dies nur aufgrund einer Anordnung der lex fori des Zustellungsortes geschieht. Auch hier hat also der Zustellungsstaat die Zügel gleichsam noch in der Hand.

1. Das bei eingehenden Ersuchen anwendbare Recht Nach den vorstehenden Ausführungen richtet sich die Durchführung der Rechtshilfe in Zustellungssachen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach deutschem Recht.

a) Durchführung

der Zustellung durch deutsche Behörden

Sowohl beim einfachen diplomatischen als auch beim einfachen konsularischen Zustellungsweg wie auch beim sogenannten unmittelbaren Behördenweg führen deutsche Behörden auf das Ersuchen ausländischer Organe hin die Zustellung durch. Die Zustellungsersuchen nehmen gemäß § 57 I ZRHO grundsätzlich die in § 9 ZRHO aufgeführten Prüfungsstellen entgegen.180 Diese leiten das Ersuchen nach einer Prüfung der Zulässigkeit an die für die Durchführung der Zustellung kraft Verwaltungsauftrages im vertragslosen Rechtshilfeverkehr zuständigen Amtsgerichte weiter (§ 66 I 3 ZRHO). Dort besorgt der Rechtspfleger oder — bei entsprechender landesrechtlicher Regelung — der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Zustellung (§ 66 I I ZRHO). Die Zustellung wird jedoch nicht auf der Grundlage der Bestimmungen der ZPO und damit auch nicht in der oben in § 2 IV dieser Abhandlung beschrie-

178 179

Zum vertraglichen Rechthilfeverkehr siehe unten § 10.

Ähnlich auch das englische, schweizerische und französische Recht, Vollkommer (1967) 248, 256 ff.

7ZP 80

180 Abweichend sind im vertragslosen Verkehr im Verhältnis zu Liechtenstein unmittelbar die Amtsgerichte zuständig, vgl. § 57 II ZRHO.

102

1. Teil: Grundlagen

benen Art und Weise bewirkt. Grund hierfür ist, daß die Zustellungsvorschriften der ZPO grundsätzlich nur die Inlandszustellung erfassen, nicht jedoch die Zustellung im Rechtshilfeverkehr. Anders als bei der reinen Inlandszustellung handelt es sich bei der Zustellung im Rechtshilfeverkehr nämlich um ein Justizverwaltungsverfahren 181, in dem gemäß § 3 EGZPO 182 die §§ 166 ff. ZPO nicht anwendbar sind. 183 Die insoweit zuständige Justizverwaltung kann folglich die eingehenden ausländischen Rechtshilfeersuchen auch nur mit den Mitteln der Verwaltung und nicht mit denen der Gerichtshoheit erledigen. 184 Insbesondere eine Ersatzzustellung gemäß §§ 181-185 ZPO 1 8 5 und eine zwangsweise Durchsetzung der Zustellung gemäß § 186 ZPO scheiden mithin aufgrund der Unanwendbarkeit der ZPO aus. Andere, den §§181 ff. ZPO entsprechende Ermächtigungsgrundlagen existieren für die Justizverwaltung nicht. 186 Daraus folgt, daß im vertragslosen Rechtshilfeverkehr ausländische Zustellungsersuchen in Deutschland mangels gesetzlicher Grundlage nicht zwangsweise durchgesetzt werden können. Es bedarf der freiwilligen Annahme unmittelbar durch den Zustellungsadressaten. Darauf verweist auch § 68 ZRHO. Wegen der fehlenden Anwendbarkeit der Formen der ZPO spricht man bei dieser bloßen Übergabe insoweit von einer formlosen Zustellung}* 1 Die formlose Zustellung wird gemäß § 69 I I ZRHO durch einfache Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an den Adressaten oder an eine der auch in §§171 und 173 ZPO genannten Personen durchgeführt. Dabei ist der Empfänger nicht verpflichtet, das Schriftstück anzunehmen. Hierauf ist er gemäß § 69 ΠΙ 2 ZRHO hinzuweisen.188 Darüber hinaus kann der Empfänger sich das Schriftstück vor seiner Entscheidung anschauen, § 69 ΙΠ 1 ZRHO. Dieses freie Entscheidungsrecht des Empfängers macht eine Übersetzung des möglicherwei-

181

Siehe dazu oben § 6.

182

Dazu v. Normann S. 10 a.E.; Vollkommer

183

Schack IZVR Rz. 181.

184

V. Normann S. 10.

TZ? 80 (1967), 248, 262 Fn. 22.

185

Zum Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage bei Ersatzzusteilungen Pfennig NJW 1989, 2172, 2173: Die Ersatzzustellung ist wegen ihrer Wirkung, nämlich der Fiktion der Zustellung, einer zwangsweisen Durchführung gleichzusetzen und bedarf demnach wie diese einer Ermächtigungsgrundlage. 186

Pfennig S. 68.

187

Geimer IZPR Rz. 2133 ff.

188

Eine solche Hinweispflicht fehlt demgegenüber zum Beispiel in Frankreich, Delgrange Gaz. Pal. 1988, 73 Fn. 5.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

103

se fremdsprachigen ausländischen Schriftstücks entbehrlich. 189 Nimmt der Empfänger trotz fehlender Kenntnis der fremden Sprache ein solches Schriftstück an, so ist er nicht schutzwürdig; denn er begibt sich freiwillig seines durch die Zustellung zu wahrenden Anspruchs auf rechtliches Gehör. 190

b) Durchführung der Zustellung durch ausländische Konsuln und Diplomaten in eigener Zuständigkeit Wie oben beschrieben 191, können insbesondere ausländische Konsuln in der Bundesrepublik Deutschland Zustellungen in eigener Zuständigkeit vornehmen, sofern der Zustellungsempfänger Staatsangehöriger ihres Entsendestaates ist. 192 Ausländische Organe handeln zwar grundsätzlich nach den Vorschriften ihres Heimatstaates.193 Doch haben bereits die oben gemachten Ausführungen ergeben, daß bis auf wenige Ausnahmen kein Staat die Durchführung einer Zustellung nach ausländischem Recht ohne entsprechende vertragliche Verpflichtung hinnimmt. Dies gilt um so mehr dann, wenn wie bei der unmittelbaren Zustellung durch fremde diplomatische und konsularische Vertretungen ausländische Organe handeln. Kein Staat duldet innerhalb seines Territoriums die Ausübung von Zwang durch fremdstaatliche Institutionen, gleich ob aufgrund fremden oder eigenen Rechts.194 Einer Anwendung der §§166 ff. ZPO durch ausländische Organe steht aus deutscher Sicht darüber hinaus § 3 EGZPO entgegen. Es besteht vor diesem Hintergrund Einigkeit unter den Staaten, daß nur solche unmittelbar durch diplomatische oder konsularische Vertreter vorzunehmenden Zustellungen geduldet werden, die formlos und damit ohne Zwang ausgeführt werden. 195 Die durch Konsuln und Diplomaten in eigener Zuständigkeit in Deutschland durchzuführenden Zustellungen folgen damit den schon oben ausgeführten Grundsätzen der formlosen Zustellung.

189 Biilow / Böckstiegel S. 900.51 Fn. 202. Im übrigen fehlt es im vertragslosen Rechtshilfeverkehr auch an einer völkerrechtlich verbindlichen Norm, die den ersuchenden Staat verpflichten würde, eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks beizufügen; vgl. ebenda. 190

OLG Bamberg W M 1987, 638.

191

§ 9 I 3.

192

Nehlen JR 1958, 121, 124. Erweiterungen auf andere Adressatenkreise sind heute in Deutschland nur staatsvertraglich geregelt. 193

So handeln die deutschen Konsuln im Ausland nach dem deutschen Konsulargesetz.

194

Pfennig NJW 1989, 2172, 2173 Fn. 17.

195

Pfennig S. 69.

104

1. Teil: Grundlagen

c) Exkurs: Die formlose Zustellung als Form der deutschen lex fori Wegen der Unanwendbarkeit der §§ 166 ff. ZPO könnte bezweifelt werden, daß es sich bei der formlosen Zustellung um eine Zustellung nach deutschem Recht handelt. Dies könnte den einleitenden Bemerkungen dieses Abschnittes 196 widersprechen, wonach für in Deutschland durchzuführende Zustellungen im vertragslosen Rechtshilfeverkehr allgemein das deutsche Recht als Recht des Zustellungsstaates maßgeblich ist. Zwar stellen Bülow / Böckstiegel 197 richtigerweise fest, daß es sich bei der formlosen Zustellung um eine solche „außerhalb der ZPO" handelt. Gleichwohl handelt es sich bei der formlosen Zustellung um eine vollwertige Zustellungsart im Sinne der ZPO. 198 Zumindest für ausgehende Ersuchen zeigt sich dies in § 199 ZPO. Nichts anderes kann aber auch für in Deutschland durchzuführende eingehende Zustellungsersuchen gelten. Das ergibt ein Vergleich mit den autonomen Verfahrensrechten der USStaaten, die keine formlose Zustellung kennen, weshalb US-amerikanische Stellen auch keine Ersuchen auf formlose Zustellung ausführen. Dies gilt selbst dort, wo Staatsverträge die formlose Zustellung vorsehen, wie etwa Art. 5 ΠΙ HZÜ. 1 9 9 Hieraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß die formlose Zustellung Teil des Verfahrensrechts des ersuchten Staates ist, wenn dieser entsprechenden ausländischen Zustellungsersuchen nachkommt. Die formlose Zustellung stellt damit eine vom deutschen Recht vorgesehene, wenn auch ungeschriebene Zustellungsart dar. Dem steht nicht entgegen, daß die ZRHO eine bloße Verwaltungsvorschrift ist, der es am Rechtscharakter fehlt 200 , da in den Bestimmungen der ZRHO lediglich die ungeschriebenen Rechtsgrundsätze der formlosen Zustellung zum Ausdruck kommen. Mithin steht die formlose Zustellung zwar formal außerhalb der ZPO, nicht jedoch außerhalb des deutschen Rechts.201 Auch die formlose Zustellung wird damit nach (ungeschriebenem) deutschem Recht als demjenigen des Zustellungsstaates durchgeführt.

196

§ 9 II am Anfang.

197

S. 900.56 Fn. 220.

198

Nagel, Rechtshilfe, S. 117; Pfeil-Kammerer bestätigt auch § 32 IV 2 2.HS. ZRHO.

S. 72 Fn. 10; Geimer IZPR Rz. 2135. Dies

199

Practical Handbook S. 110; a.A. Wiehe S. 91.

200

Zur fehlenden Rechtsqualität der ZRHO Puttfarken

201

Pfennig NJW 1989, 2172, 2173.

NJW 1988, 2155, 2156.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

105

Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, daß im vertragslosen Rechtshilfeverkehr in Deutschland zu erledigende Zustellungsersuchen wegen des Fehlens einer Ermächtigungsgrundlage nach deutschem Recht stets nur formlos ausgeführt werden können. Dies gilt unabhängig vom eingeschlagenen Zustellungsweg.

2. Das bei ausgehenden Ersuchen anwendbare Recht Ebenso wie bei nach Deutschland eingehenden Zustellungsersuchen sich die Durchführung der Zustellung nach deutschem Recht richtet, untersteht bei von Deutschland ausgehenden Ersuchen die Zustellungsdurchführung dem Recht des ausländischen Zustellungsstaates.

a) Durchführung der Zustellung durch die Behörden des Zustellungsstaates § 199 ZPO sieht als ersten Regelfall der Auslandszustellung das Ersuchen der zuständigen Behörden des Zustellungsstaates um Zustellungshilfe vor. Dies geschieht ebenso wie bei eingehenden Ersuchen entweder auf dem diplomatischen oder konsularischen Wege oder aber im unmittelbaren Behördenverkehr. Die ausländischen Behörden führen dabei die Zustellung nach ihrer lex fori durch. Diese ordnet vielfach ebenso wie das deutsche Recht lediglich eine formlose Zustellung an. Anders als das deutsche Recht lassen viele ausländische Rechtsordnungen aber auch bei vertragsloser Rechtshilfe eine Zustellung nach den allgemeinen Formen ihres innerstaatlichen Rechts zu. Damit stehen den Behörden des ersuchten Staates bei der Durchführung der erbetenen Zustellung anders als bei der formlosen Rechtshilfe auch die Zwangsinstrumente ihrer jeweiligen nationalen Rechte zur Verfügung. Dies gilt etwa für Österreich 202, Irland 203 , Italien 204 , Schweden205, England 206 , Polen 207 , die GUS-Staaten208 und die USA 2 0 9 .

202

§ 12 I österr. ZustG.

203

Vgl. Nagel IZVR Rz. 559.

204

Art. 805 ital. CPC.

205

Boström-Bruzelius-Goldie-Ginsburg,

206

Jacob, in: Smit, Co-operation, S. 66, 74.

207

Art. 1132 poln. ZPO.

in: Smit, Co-operation, S. 333, 349.

106

1. Teil: Grundlagen

Im Verhältnis zu diesen Staaten besteht aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland allerdings nur noch mit den GUS-Staaten (mit Ausnahme der Russischen Föderation, von Moldawien und Weißrußland) ein vertragsloser Rechtsverkehr in Zustellungssachen. Einige der genannten Staaten gehen noch einen Schritt weiter, indem sie gar die erbetene Zustellung nach dem Recht des ersuchenden Staates durchführen, sofern dieser es wünscht und dieses Recht nicht mit den Grundsätzen der Rechtsordnung des ersuchten Staates unvereinbar ist. So zum Beispiel in: Österreich 210 , England 211 und den USA 2 1 2 . Aus deutscher Sicht besteht aber zu all diesen Staaten vertraglicher Rechtshilfeverkehr in Zustellungssachen. Auch wenn diese Staaten in fremder Form durchzuführenden Zustellungsersuchen nachkommen, so geschieht dies doch nur durch eine entsprechende Ermächtigung ihrer lex fori. Damit ist auch hier in erster Linie zunächst die lex fori des Zustellungsstaates anzuwenden, die dann ihrerseits gleichsam auf das Recht des ersuchenden Staates „verweist". Auf diese Weise ist sogar im vertragslosen Rechtsverkehr eine Ersatz- oder Zwangszustellung nach dem Recht des ersuchenden Staates möglich.

b) Durchführung der Zustellung durch deutsche Konsuln und Diplomaten in eigener Zuständigkeit Gemäß § 199 ZPO iVm § 16 KonsularG können deutsche Konsuln und Diplomaten im Ausland in eigener Zuständigkeit eine Zustellung vornehmen, sofern der Residenzstaat dies zuläßt. Es besteht unter den Staaten Einigkeit darüber, daß ausländische Konsuln und Diplomaten — wenn überhaupt — nur formlos

208

Zur identischen Rechtslage in der ehemaligen UdSSR siehe Lunz IZPR S. 80 f. Die heutigen GUS-Staaten haben bisher das alte Zivilprozeßrecht der UdSSR übernommen, so daß der alte Rechtszustand insoweit fortwirkt. Gleichwohl bestehen in den meisten GUS-Staaten Reformbestrebungen zur Erneuerung des Zivilprozeßrechts. Dies gilt gesichert zumindest für die Russische Föderation (lt. Prof. Dr. Jakovlev, Moskau), die Ukraine (lt. Prof. Dr. Pobirtschenko, Kiew), Kirgisien (lt. Prof. Dr. Levitin, Bischkek) und Kasachstan (lt. Prof. Dr. Basin, Alma Ata). Den Genannten danke ich für die mir übermittelten Auskünfte. Zu Kasachstan siehe nunmehr den in IPRax 1994, 325 abgedruckten Art. 436 des Gesetzes der Kasachischen SSR über den Zivilprozeß. 209

Pfeil-Kammerer

210

§ 12 österr. ZustG.

S. 74 f.

211

R.S.C. Order 68, Rule 2 (4).

212

28 U.S.C.A. § 1696 (a).

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

107

zustellen dürfen. Insoweit kann für die von deutschen Konsuln und Diplomaten in eigener Zuständigkeit im Ausland vorzunehmenden Zustellungen auf das oben für den umgekehrten Fall Ausgeführte verwiesen werden. 213

§ 10 Die Grundlagen der Zustellung im vertraglichen Rechtshilfeverkehr

Die internationale Zustellung macht heute mit beinahe 90 % aller ein- und ausgehenden Rechtshilfeersuchen den Großteil des internationalen Rechtshilfeverkehrs aus. 214 Der Grund für diesen überaus hohen Anteil der Zustellungen am gesamten Rechtshilfeaufkommen liegt in der besonderen Bedeutung der Zustellung für jedes gerichtliche Verfahren. So stellt die Zustellung — wie etwa ein exemplarischer Blick allein in das Verfahrensrecht der deutschen ZPO zeigt — den wohl am häufigsten wiederkehrenden Akt innerhalb des Prozeßverlaufs dar. 215 Diese große Bedeutung der Zustellung im Rahmen der internationalen Rechtshilfe hat viele Staaten veranlaßt, die internationale Kooperation in diesem Bereich möglichst weit vertraglich zu regeln und sich so einander völkervertraglich zur Gewährung von Zustellungshilfe zu verpflichten. 216 Die vertragliche Regelung des Rechtshilfeverkehrs in Zustellungssachen erscheint um so wichtiger, als der vertragslose Rechtsverkehr trotz seines grundsätzlichen Funktionierens viele Probleme und Unwägbarkeiten mit sich bringt. 217

/. Die einschlägigen multilateralen

völkerrechtlichen

Verträge

Diese Erwägungen führten bereits im Jahre 1896 zum Abschluß des ersten Haager Abkommens über den Zivilprozeß 218 , das jedoch schon wenige Jahre später durch das überarbeitete und verbesserte Haager Abkommen über den

213

§ 9 II l b.

214

Schack IZVR Rz. 173; Pfennig S. 2; Capatina RCADI 1983 I 305, 348.

215

Pfennig S. 2.

216

Beispielsweise bestand 1989 aus französischer Sicht mit 66 (!) von 171 Staaten ein vertraglicher Rechtshilfeverkehr in Zustellungssachen, Monin-Hersant J.C1. Droit International Fase. 589-B1 S. 4. 217 Vgl. etwa Vollkommer TZ Ρ 80 (1967) 248, 249 zum deutsch-amerikanischen Verkehr, als dieser noch in vertragslosen Bahnen lief. 218

RGBl. 1899, 285; dazu Riezler IZPR S. 32.

108

1. Teil: Grundlagen

Zivilprozeß von 1905 219 vollständig ersetzt wurde. Das Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 befaßt sich in seinen Art. 1-7 mit Zustellungsfragen. Aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland gilt es heute jedoch nur noch im Verhältnis zu Island. 220 Im Verhältnis zu den meisten anderen Vertragsstaaten trat demgegenüber an seine Stelle das Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1.3.1954 2 2 1 , in dessen Art. 1-7 sich Bestimmungen zur internationalen Zustellungshilfe finden. Es gilt heute (Stand: 31. Dezember 1994) aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland in Zustellungssachen im Verhältnis zu 18 Staaten222. Im Verhältnis zu den übrigen 17 Vertragsstaaten des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 223 sowie im Verhältnis zu 13 weiteren Staa-

219

RGBl. 1909, 410 ff. Siehe auch das deutsche AusführungsG in RGBl. 1909, 430. Für Deutschland in Kraft seit dem 27.4.1909, vgl. RGBl. 1909, 409. Dazu ausführlich v. Normann S. 61 ff. 220 Nagel IZPR Rz. 491; entgegen Geimer IZPR Rz. 2071 und Schütze NJW 1995, 496, 497 jedoch keine Geltung im Verhältnis zu Lettland, da auch Lettland Vertragspartei des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 ist (vgl. BGBl. 1993 II 1936), siehe dazu im folgenden. 221

BGBl. 1958 II 576. Zum deutschen AusführungsG siehe BGBl. 1958 I 939. Für Deutschland in Kraft seit dem 1.1.1960, vgl. BGBl. 1959 II 1388. Zur Verdrängung des Abkommens von 1905 durch das Abkommen von 1954 siehe Art. 29 des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954. 222 Argentinien (BGBl. 1988 II 939), Bosnien-Herzegowina (BGBl. 1994 II 83), (Rest-Jugoslawien (BGBl. 1963 II 1328, zur Fortgeltung siehe Jayme / Hausmann S. X X I V und am Ende dieser Fußnote), Kroatien (BGBl. 1993 II 1936), Lettland (BGBl. 1993 II 1936), Libanon (BGBl. 1975 II 42), Marokko (BGBl. 1972 II 1472), Moldawien (BGBl. 1994 II 83), Österreich (BGBl. 1959 II 1388), Polen (BGBl. 1963 II 1466), Rumänien (BGBl. 1972 II 78), Russische Föderation (vgl. IPRax 1993, 200), Schweiz (BGBl. 1959 II 1388), Slowenien (BGBl. 1993 II 934), Surinam (BGBl. 1977 II 641), Ungarn (BGBl. 1966 II 84), Vatikanstadt (BGBl. 1967 II 1536), Weißrußland (BGBl. 1994 II 83). Das Abkommen gilt heute ferner noch für die französischen Überseegebiete Französisch-Guayana, Französisch-Polynesien, Guadeloupe, Martinique, Neukaledonien, Réunion, St. Pierre et Miquelon (vgl. BGBl. 1961 II 355), für das portugiesische Überseegebiet Macao (vgl. BGBl. 1968 II 809) sowie für das niederländische Überseegebiet der Niederländischen Antillen (vgl. BGBl. 1968 II 95). Demgegenüber gilt für die jeweiligen europäischen Mutterländer in Zustellungssachen heute das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 (siehe dazu im folgenden). Für eine Geltung des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 für weitere Überseegebiete (MüKoZPO / v.F eidmann Anh. § 202 Rz. 4 nennt noch die Französische Somaliküste [das heutige Dschibuti] und die französischen Sahara-Departements Oasis und Souara [heute beides Teil des algerischen Staatsgebietes]; Bülow / Böckstiegel S. 100.7 führen als portugiesische Überseegebiete weiter die heute nicht mehr zu Portugal gehörenden Territorien Mosambik, Angola, Portugiesisch-Guinea, Sao Tomé und Principé und die Kapverdischen Inseln auf) bestehen keine Anhaltspunkte mehr, da diese Territorien sich alle von ihren Mutterländern getrennt haben. Bei ehemaligen Kolonien kann grundsätzlich nur dann von einer sicheren Fortgeltung der Haager Abkommen ausgegangen werden, wenn die neuen Staaten dies ausdrücklich bekanntgemacht haben, MüKo-ZPO / v. Feldmann Anh. § 202 Rz. 1. Unsicher ist die Situation auch im Hinblick auf die Nachfolgestaaten der früheren UdSSR. Wie dem Document préliminaire N° 24 de mai 1993 à l'intention de la 17ème session de la Conférence de La Haye zu entnehmen ist, praktiziert die Haager Konferenz in Fallen der

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

109

Staatennachfolge folgendes Verfahren: Wünscht ein Nachfolgestaat die Fortgeltung eines Haager Abkommens, so hat er dies unter Berufung auf seine Eigenschaft als Nachfolgestaat dem Dispositar des Abkommens zu notifizieren. Hiergegen können die bisherigen Vertragsstaaten bis zum Ende des übernächsten auf die Notifikation folgenden Monats einen Widerspruch einlegen. Legen die Vertragsstaaten keinen solchen Widerspruch ein, so tritt der Nachfolgestaat mit dem Beginn des hierauf folgenden Monats ex tunc an die Stelle des Vorgängerstaates. Das Abkommen gilt mithin ohne Unterbrechung durch die Staatennachfolge fon. Beruft sich ein Nachfolgestaat dagegen nicht auf seine Eigenschaft als Nachfolgestaat (so wie Moldawien), so muß er nach dem normalen Beitrittsprocedere in den Kreis der Vertragsstaaten aufgenommen werden. Dabei haben die bisherigen Vertragsstaaten eine Widerspruchsfrist von sechs Monaten. Nach Ablauf dieser Frist tritt das Abkommen mangels Widerspruchs ex nunc für den Nachfolgestaat in Kraft. Das von der Haager Konferenz praktizierte Verfahren entspricht damit weitgehend dem Verfahren, wie es in Art. 17 und 18 der noch nicht in Kraft getretenen Wiener Konvention über Staatennachfolge in Verträge vom 23.8.1978 (Text in Int.Leg.Mat. 17 (1978) 1488 f.) vorgesehen ist; dies verkennt scheinbar SU/ Bork § 110 Rz. 35a ff., der auf eine ansonsten uneinheitliche — hier wegen der eindeutigen Regeln der Haager Konferenz jedoch nicht einschlägige — Staatenpraxis verweist. Von den Nachfolgestaaten der früheren UdSSR sind erst die Russische Föderation, Moldawien und Weißrußland nach dem beschriebenen Verfahren dem Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 beigetreten. Für die übrigen GUS-Staaten ist das Abkommen damit nicht formell in Kraft. An diesem Befund vermögen weder die völkerrechtlich unverbindliche Erklärung von Alma Ata (siehe Fundstellennachweis B, Stand: 31.12.1992, S. 118) (ebenso Schutze NJW 1995, 496 mwN; a.A. wohl SU / Bork § 110 Rz. 35c a.E.) noch die grundsätzlich (zur Ausnahme Georgien s. am Ende der Fußnote) lediglich zweiseitige Verträge erfassenden Erklärungen zur Fortgeltung der deutsch-sowjetischen Verträge (etwa BGBl. 1992 II 1015 im Verhältnis zu Kirgiesien) etwas zu ändern; a.A. sowohl für die ehemalige UdSSR als auch für das gesamte ehemalige Jugoslawien wohl Biilow / Böckstiegel S. 100.7 f. Fn. 21c und 21d; BLÄH / Albers Einl. IV Rz. 3; Schütze NJW 1995, 496; zur Ausnahme Makedonien s. am Ende dieser Fußnote. Aus diesem Grunde kann auch Geimer IZPR Rz. 2071 nicht gefolgt werden, der das Haager Zivilprozeßübereinkommen im Verhältnis zu allen GUS-Staaten für anwendbar hält; demgegenüber wie hier für Kasachstan Weishaupt IPRax 1994, 311, 312 Fn. 11. Etwas anderes gilt nur für Restjugoslawien (Serbien und Montenegro), das weiterhin den Kern des ehemals gesamtjugoslawischen Staates darstellt und deshalb weiter an die von Gesamtjugoslawien geschlossenen Verträge gebunden ist, vgl. Jayme / Hausmann S. X X I V ; StJ / Bork § 110 Rz. 35d (unzutreffend dort allein bezüglich Makedonien); mit gleichen Ergebnis aufgrund eines angeblichen ius publicum europaeum OLG Zweibrücken NJW 1995, 537, 538. Eine Sonderstellung nehmen die von der Bundesrepublik mit Georgien (BGBl. 1992 II 1128) und Makedonien (BGBl. 1994 II 326) geschlossenen Übereinkommen ein, da dort ausdrücklich die Fortgeltung auch der multilateralen Verträge vereinbart wird. Eine solche bilaterale Vereinbarung führt jedoch nicht zu einer förmlichen Vertragspartnerstellung des Nachfolgestaates, sondern zu einer lediglich zweiseitig wirkenden, faktischen Fortführung der multilateralen Verträge. Eine solche zweiseitige Vereinbarung kann insbesondere nicht das vorstehend beschriebene Procedere im Rahmen der Haager Konferenz beeinflussen. In diesem Zusammenhang sei schließlich auf Weishaupt IPRax 1994, 311, 312 hingeweisen, der gegenüber Nachfolgestaaten, für die ein vom Vorgängerstaat geschlossenes Abkommen nicht gilt, die analoge Anwendung der Ländervorschriften der ZRHO zum alten Staat empfiehlt. 223 Ägypten (BGBl. 1980 II 907), Belgien (BGBl. 1980 II 907), Dänemark (BGBl. 1980 II 907), Finnland (BGBl. 1980 II 907), Frankreich (BGBl. 1980 II 907), Israel (BGBl. 1980 II 907), Italien (BGBl. 1982 II 522), Japan (BGBl. 1980 II 907), Luxemburg (BGBl. 1980 II 907), Niederlande (BGBl. 1980 II 907), Norwegen (BGBl. 1980 II 907), Portugal (BGBl. 1980 II 907), Schweden (BGBl. 1980 II 907), Slowakische Republik (BGBl. 1993 II 2164), Spanien (BGBl. 1987 II 613), Tschechische Republik (BGBl. 1993 II 2164), Türkei (BGBl. 1980 II 907). Die Niederlande haben die Geltung des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 auch auf ihre überseeische Besitzung

110

1. Teil: Grundlagen

ten 224 gilt aus deutscher Sicht in Zustellungssachen demgegenüber heute (Stand: 31. Dezember 1994) das speziellere und jüngere Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15.11.1965 225, das nach seinem Art. 22 insoweit das ältere Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 verdrängt. Wie bereits die große Zahl der Vertragsstaaten des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 zeigt 226 , kommt diesem Übereinkommen in Zustellungssachen die praktisch größte Bedeutung unter den multilateralen Verträgen zu. Dies gilt um so mehr, als das Übereinkommen heute im Verhältnis zu den aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland wichtigsten Wirtschaftspartnern gilt, nämlich im Verhältnis zu allen EU-Staaten (außer Österreich) und zu den USA. Wie die jüngsten Beitritte zum Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß von 1954 jedoch zeigen 227 , wäre es verfehlt, dieses Übereinkommen in Zustellungssachen neben dem moderneren Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 gänzlich totzusagen.

Aruba ausgedehnt (BGBl. 1987 II 214), wo bis dahin schon das Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 galt (BGBl. 1987 II 255). 224

Antigua und Barbuda (BGBl. 1987 II 614), Barbados (BGBl. 1980 II 907), Botswana (BGBl. 1980 II 907), China (BGBl. 1992 II 146), Griechenland (BGBl. 1983 II 575), Irland (seit dem 4.6.1994, vgl. Wagner RIW 1995, 89, 95 Fn. 95; die Geltung für Irland wurde dem Verfasser vom Ständigen Büro der Haager Konferenz am 27.3.1995 telephonisch bestätigt); Kanada (BGBl. 1989 II 807), Malawi (BGBl. 1980 II 907), Pakistan (BGBl. 1990 II 1650), Seychellen (BGBl. 1981 II 1029), Vereinigtes Königreich (BGBl. 1980 II 907), Vereinigte Staaten von Amerika (BGBl. 1980 II 907), Zypern (BGBl. 1984 II 506). Das Vereinigte Königreich hat die Anwendung des Haager Zustellungsübereinkommens auf folgende überseeische Gebiete ausgedehnt: Anguilla (vgl. BGBl. 1982 II 1055), Bermuda, Britische Jungferninseln, Falklandinseln und Nebengebiete, Gibraltar, Guernsey, Hongkong, Insel Man, Jersey, Kaiman-Inseln, Montserrat, Pitcairn, St. Helena und Nebengebiete, Turks- und Caicos-Inseln (vgl. BGBl. 1980 II 907); darüber hinaus auch Geltung in dem britischen Territorium Südgeorgien und Südliche Sandwich Inseln (Practical Handbook, S. 19). Die USA haben das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 für folgende Gebiete für anwendbar erklärt: alle US-Bundesstaaten, District of Columbia, Guam, Jungferninseln, Puerto Rico (vgl. BGBl. 1980 II 907). 225

BGBl. 1977 II 1453. Zum deutschen AusführungsG siehe BGBl. 1977 I 3105. Für Deutschland in Kraft seit dem 26.6.1979, vgl. BGBl. 1979 II 779. 226 Nur drei der heute in Kraft befindlichen 23 Haager Abkommen haben mehr Vertragsstaaten gefunden. Damit gehört das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 zu den erfolgreichsten Haager Abkommen überhaupt. 227 Argentinien (9.7.1988); Slowenien (1.9.1992); Weißrußland (16.7.1993); Lettland (12.9.1993); Bosnien-Herzegowina (1.10.1993); Moldawien (3.11.1993); Kroatien (rückwirkend zum 8.10.1991), zu den Fundstellen siehe oben Fußnote 222.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

111

Über die genannten Übereinkommen hinaus ergeben sich zum Teil auch aus anderen, nicht speziell mit der Zustellung befaßten multilateralen Verträgen weitere Zustellungsförmlichkeiten. So bestimmt Art. 6 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen von 1973 228 , daß die das Verfahren einleitenden Schriftstücke mit den wesentlichen Klagegründen versehen zuzustellen sind. 229 Diese Erfordernisse sind jedoch nicht Gegenstand der folgenden Untersuchung.

IL Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach den Haager Übereinkommen Die oben dargestellten Haager Übereinkommen wollen lediglich einen Mindeststandard des internationalen Rechtsverkehrs aufstellen und einer weitergehenden Regelung durch die Vertragsstaaten nicht im Wege stehen. Aus diesem Grunde erlauben es die drei heute noch in Kraft befindlichen Haager Übereinkommen von 1905, 1954 und 1965 den Staaten, auf der Grundlage dieser Übereinkommen Annexvereinbarungen zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs zu treffen. Hat ein Staat eine solche Vereinbarung mit einem anderen Staat im Rahmen eines der jeweils älteren Abkommen getroffen, so gelten diese Vereinbarungen auf der Grundlage der jeweils neueren Abkommen fort, sofern beide Staaten an einem solchen neueren Abkommen beteiligt sind. So gilt eine zum Haager Zivilprozeßabkommen von 1905 getroffene Vereinfachungsvereinbarung auch im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 oder des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 fort, sofern beide Staaten auch hieran jeweils als Vertragspartei beteiligt sind und einer Fortgeltung der Vereinbarungen nicht widersprochen haben.230 Die Bestimmungen des jeweils neueren Haager Abkommens treten an die Stelle derjenigen des älteren. 231 Das gleiche gilt im Hinblick auf das Haager Zustellungsübereinkommen

228

BGBl. 1986 II 826.

229

Freilich mit bindender Wirkung nur für das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren.

230 Bek. v. 27.6.1960 (BGBl. 1960 II 1853) und Art. 24 des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965. 231

Siehe etwa zum Haager Zustellungsübereinkommen den Bericht des Ständigen Büros der Haager Konferenz zur Expertenkommission, in: Int.Leg.Mat. 1978, 319, 328. Ebenso Braun S. 94; Pfennig NJW 1989, 2172; Mezger RIW 1988, 477; unzutreffend OLG Schleswig NJW 1988, 3104.

112

1. Teil: Grundlagen

von 1965 für die im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 getroffenen Vereinfachungsvereinbarungen. 232

1. Im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 geltende Vereinfachungsvereinbarungen Im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 gelten danach in Zustellungssachen heute noch folgende VereinfachungsVereinbarungen: die zum Haager Zivilprozeßabkommen von 1905 getroffene und nunmehr unter dem Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 fortgeltende deutsch-schweizerische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 30.4.1910233 sowie die zum Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 getroffene deutsch-österreichische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des rechtlichen Verkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 vom 6.6. 1959 (Art. 1 bis 3f\ Am 14.12.1992 haben die Justizminister Deutschlands und Polens eine Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen zur weiteren Erleichterung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1. März 1954 über den Zivilprozeß 235 geschlossen, die am 1.12.1993 in Kraft getreten ist 236 .

2. Im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 geltende Vereinfachungsvereinbarungen Im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 gelten aus der Zeit des Haager Zivilprozeßabkommens von 1905 fort: die deutsch-luxemburgische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs

232

Zum Ganzen siehe Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1074.

233

RGBl. 1910, 674.

234

BGBl. 1959 II 1523.

235

BGBl. 1994 II 361.

236

Bis dahin galten die Bestimmungen der Zusatzvereinbarung über den unmittelbaren Zustellungsverkehr bereits faktisch kraft Vereinbarung der Justizminister beider Staaten, vgl. Hambura WiRO 1993, 63; Institut für Ostrecht ROW 1993, 89.

vom

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

113

7.&/909 237 , die deutsch-schwedische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 1.2.1910238 sowie die deutsch-dänische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs vom 1.6.1910 239 in der Fassung vom 6.1.1932 . Darüber hinaus gelten heute auch die im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 geschlossene deutsch-belgische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 vom 25.4.1959 (Art. 1 bis 3)240, die deutsch-französische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß vom 6.5.1961 (Art. 1 bis 3)24\ der deutsch-niederländische Vertrag zur weiteren Vereinfachung des Rechtsverkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozeß vom 30.8.1962 (Art. 1 bis 3)242 und die deutsch-norwegische Vereinbarung zur weiteren Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs nach dem Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 17.6.1977 (Art. 1 bis 4)243 unter dem Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 fort.

III. Die einschlägigen bilateralen völkerrechtlichen

Verträge

Neben den aufgeführten mulitlateralen Verträgen, die zum Teil durch bilaterale Annexvereinbarungen ergänzt wurden, bestehen aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland eine Reihe selbständiger bilateraler Rechtshilfeverträge, die neben anderen Bereichen der Rechtshilfe auch die internationale Zustellung zum Gegenstand haben. Dies sind: das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20.3.1928 (Art. 2 bis 7) 2 4 4 2 4 5 , das deutsch-türkische Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 28.5.1929

237

RGBl. 1909, 907.

238

RGBl. 1910, 455.

239

RGBl. 1910, 873 und 1932 II 20.

240

BGBl. 1959 II 1524. Siehe dazu auch Moons RIW 1989, 903; Ledoux J.T. 1979, 385.

241

BGBl. 1961 II 1040.

242

BGBl. 1964 II 468.

243

BGBl. 1979 II 1292.

244

RGBl. 1928 II 623.

245

Zum räumlichen Geltungsbereich des Abkommens siehe im folgenden.

X Kondnny

114

1. Teil: Grundlagen

(Art. 9 bis 11 und Art. 14 bis 17) 246, das deutsch-griechische Abkommen über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und HandelsRechts vom 11.5.1938 (Art. 1 bis 6)2A1 und der deutsch-tunesische Vertrag vom 19.7.1966 über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit (Art. 8 bis 17) 2 4 8 . Am 23.6.1994 in Kraft 249 getreten ist der deutsch-marokkanische Vertrag über die Rechtshilfe und Rechtsauskunft in Zivil- und Handelssachen vom 29.10. 1985 250. Zwar gilt aus deutscher Sicht im Verhältnis zum Vereinigten Königreich, zur Türkei und zu Griechenland darüber hinaus auch das Haager Zustellungsübereinkommen. Doch verdrängt dieses nach seinem Art. 25 nicht die genannten bilateralen Verträge. Letztere gelten vielmehr neben dem Haager Zustellungsübereinkommen, das auch insofern lediglich einen Mindeststandard der internationalen Zustellungshilfe aufstellen wollte. Es liegt somit in der Hand der Vertragsparteien, im beiderseitigen Einvernehmen die internationale Zustellung weiter durch selbständige bilaterale Vereinbarungen zu vereinfachen. Soweit danach wie hier ein echtes Konkurrenzverhältnis 251 besteht, unterliegt die Anwendung der konkurrierenden Abkommen jeweils dem Günstigkeitsprinzip. 252 Damit steht es prinzipiell im Ermessen des Gerichtsstaates, welchen der durch die konkurrierenden Abkommen eröffneten Zustellungswege er beschreiten will. Gleichwohl dürfte aber das deutsch-türkische Abkommen mit dem Beitritt der Türkei zum Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1954 und zum Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 mangels inhaltlicher Abweichung

246

RGBl. 1930 II 6.

247

RGBl. 1939 II 848.

248

BGBl. 1969 II 889.

249

BGBl. 1994 II 1192.

250

BGBl. 1988 II 1055; dazu auch Denkschrift der Bundesregierung in: BT-Drucks. 11 / 2026 S. 10 ff; siehe auch o.Verf. IPRax 1988, 323 f. 251 So ausdrücklich Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1074 für das Verhältnis des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 zu den selbständigen bilateralen Rechtshilfeverträgen. 252 Allgemein StJ /H.Roth § 199 Rz. 15; Majoros RabelsZ 46 (1982) 84, 94; zum deutsch-britischen Abkommen wohl ebenso Rauscher IPRax 1992, 71, 72; Corte di Appello di Milano RDIPP 1972, 556 (zum Günstigkeitsprinzip im Verhältnis des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 zum franz.-ital. Rechtshilfeabkommen von 1955 [französische Zusammenfassung bei Sumampouw I S. 28]); a.A. OLG Frankfurt / M. RIW 1991, 587; schweizerisches Bundesgericht BGE 94 III 35 (Vorrang der multilateralen Übereinkommen); m.E. widersprüchlich Geimer IZPR Rz. 2170 und 2178, der in bezug auf Art. 5 des dt.-brit. Abkommens das Günstigkeitsprinzip gelten lassen will, in bezug auf Art. 6 des Abkommens dagegen nicht.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

115

faktisch seine Bedeutung in Zustellungssachen eingebüßt haben.253 Gleiches gilt wohl für das deutsch-griechische Abkommen. 254 Das deutsch-marokkanische Abkommen ist bei seinem Inkrafttreten nach dem lex posterior-Grundsatz im deutsch-marokkanischen Verhältnis an die Stelle des Haager Zivilprozeßübereinkommens getreten. Es stellt m.E. wegen der in ihm enthaltenen zusätzlichen, über die Vereinbarung des unmittelbaren Behördenverkehrs hinausgehenden Bestimmungen keine bloße unselbständige Annexvereinbarung im Sinne des Art. 1 IV des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 dar. 255 Von den genannten bilateralen Übereinkommen verdient das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr wegen seines weiten räumlichen Geltungsbereichs besondere Bedeutung. Außer im Verhältnis zum britischen Mutterland 256 und zu einigen britischen Überseebesitzungen 257 gilt das deutschbritische Abkommen über den Rechtsverkehr auch im Verhältnis zu einer großen Anzahl solcher Staaten fort, deren internationale Beziehungen ehemals von Großbritannien wahrgenommen wurden, die nunmehr aber selbständig sind 258 . Durch diese Fortgeltung des deutsch-britischen Abkommens über den Rechtsverkehr in einem Großteil der Staaten des ehemaligen britischen Empire

253

Vgl. auch Nagel IZPR Rz. 572, der das Abkommen sogar für erledigt hält. Zur Beendigung und Suspendierung von Verträgen durch spätere Verträge siehe Art. 59 WVK. 254 Zur verbleibenden Bedeutung der beiden Abkommen im Hinblick auf die Heilungsproblematik siehe aber unten § 18 I a.E. 255 Zur Unterscheidung von selbständigen Abkommen und bloßen Annexvereinbarungen siehe SU/H.Roth § 199 Rz. 9. 256

England, Wales, Nordirland, Schottland, Kanalinseln und Insel Man.

257

Bermuda, Britische Jungferninseln, Falkland, Gibraltar, Hong-Kong, Kaiman-Inseln, Montserrat. Insoweit gilt das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr neben dem Haager Zustellungsübereinkommen. Darüber hinaus findet das deutsch-britische Abkommen über den Rechtsverkehr Anwendung im Verhältnis zu den auf Zypern befindlichen britischen Stützpunkten Akrotiri und Dhekelia. Ungeklärt ist dagegen die Anwendung des deutsch-britischen Abkommens im Verhältnis zu den britischen Überseegebieten Anguilla, St. Helena sowie den Turks- und CaicosInseln. In jedem Fall gilt im Verhältnis zu diesen Gebieten aber das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 (siehe oben). Im Verhältnis zu der britischen Überseebesitzung Pitcairn gilt demgegenüber nur das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965. 258 Aufgrund entsprechender Erklärung (Nachweise bei Jayme / Hausmann Nr. 116 Fn. 2): Australien, Bahamas, Barbados (auch HZÜ-Vertragsstaat), Dominica, Fidschi, Gambia, Grenada, Jamaika, Kanada (auch HZÜ-Vertragsstaat), Lesotho, Malawi (auch HZÜ-Vertragsstaat), Malaysia, Malta, Mauritius, Nauru, Neuseeland, Nigeria, Salomonen, Santa Lucia, Seschellen (auch HZÜ-Vertragsstaat), Sierra Leone, Singapur, St. Vincent und Grenadinen, Swasiland, Trinidad und Tobago, Republik Zypern (auch HZÜ-Vertragsstaat). Ohne entsprechende Fortgeltungserklärung findet das deutsch-britische Abkommen heute faktisch auch weiter Anwendung im Verhältnis zu den nunmehr unabhängigen Staaten Guyana, Kenia, Tansania und Sambia (vgl. Jayme / Hausmann ebenda).

χ*

116

1. Teil: Grundlagen

ist der internationale Zustellungsverkehr aus deutscher Sicht mit fast allen Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises auf eine zumindest bilaterale Vertragsgrundlage gestellt. Im übrigen gilt im Verhältnis zu einem Teil dieser Staaten ebenso wie im Verhältnis zu dem Vereinigten Königreich und den USA daneben das Haager Zustellungsübereinkommen. 259

IV. Der Anwendungsbereich der Abkommen: Zivil- und Handelssachen Die in den vorstehenden Abschnitten I bis ΠΙ aufgelisteten Abkommen und Vereinbarungen sind alle ihrem Wortlaut nach in Zivil- und Handelssachen anwendbar. 260 Unstreitig bei der Qualifikation dieses Begriffes ist, daß bei seiner Bestimmung von dem Verfahrensgegenstand auszugehen ist, der anhand des materiellen Rechts, nicht anhand der mit der Sache befaßten Gerichte zu bestimmen ist. 261 Welche Rechtsordnung aber insoweit maßgeblich ist, ist weithin unklar. Die Einordnung einer Sache als Zivil- und Handelssache divergiert in den einzelnen Rechtsordnungen zum Teil in erheblichem Maße. So sind von Zivil- und Handelssachen nach deutscher Auffassung Strafsachen und Sachen des öffentlichen Rechts zu trennen. Demgegenüber trennt die britische und USamerikanische Praxis nur zwischen Strafsachen auf der einen und Zivil- und Handelssachen einschließlich Verwaltungsangelegenheiten auf der anderen Seite. Dem folgt auch die französische und schweizerische Dogmatik, die außer Strafsachen nur noch Steuersachen aus dem Begriff der Zivil- und Handelssache ausklammern will. Schließlich fällt etwa nach ägyptischem Recht das Familienrecht nicht unter die Bezeichnung Zivil- und Handelssache.262 Diese divergierenden Vorstellungen der Staaten über den Inhalt der Zivil- und Handelssache machen eine einheitliche und vorhersehbare Bestimmung des Begriffes erforderlich.

259

Siehe dazu oben § 10 I.

260

Pfennig S. 36; Bülow / Böckstiegel S. 351.2 Fn. 2.

261

Bülow / Böckstiegel S. 351.2 Fn. 2. Siehe auch § 2 I 2 ZRHO.

262 Vgl. zu diesem rechtsvergleichenden Überblick den Bericht der US-Delegation bei der Spezialkonferenz 1977 in: Int.Leg.Mat. 1978, 312, 315 f.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

117

Nach einer Auffassung ist insofern stets das materielle Recht des ersuchenden Staates maßgeblich.263 Dies gewährleiste eine möglichst weitgehende Anwendbarkeit der Abkommen. 264 Hiergegen wird von anderer Seite 265 eingewandt, daß so die Gefahr bestehe, daß das Interesse des ersuchten Staates an rechtlicher Souveränität und der Herrschaft über das innerstaatliche Verfahren beeinträchtigt wird. Bei Maßgeblichkeit des Rechts des ersuchenden Staates müsse der ersuchte Staat möglicherweise Zustellungshilfe in einem ausländischen Verfahren leisten, das nach seiner Auffassung vom Sinn und Zweck des jeweiligen Abkommens gar nicht erfaßt werden sollte. Aus diesem Grunde sei bei der Bestimmung des Begriffs der Zivil- und Handelssache stets nur auf das Recht des ersuchten Staates abzustellen.266 Eine vermittelnde Ansicht 267 will schließlich kumulativ das Recht des ersuchten und des ersuchenden Staates auf die Qualifikation der Zivil- und Handelssachen angewandt wissen. Bei dabei auftretenden Konflikten solle jedoch weniger das im Verfahren anwendbare Recht als die Natur des Gegenstandes ausschlaggebend sein. Insofern sei danach zu fragen, ob es sich um Gleichordnungs- oder ein Über-Unterordnungs-Verhältnis handele. Der letztgenannten Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als sie nicht von vornherein einseitig auf ein Recht abstellt, sondern das Recht des ersuchenden und des ersuchten Staaten kumulativ auf die Qualifikation des Begriffs der Handelssache anwenden will. Falsch ist es jedoch m.E., bei Divergenzen auf die Natur des Gegenstandes im Sinne eines Gleichordnungsverhältnisses auf der einen Seite und eines Über-Unterordnungsverhältnisses auf der anderen Seite abzustellen. Dies führt dazu, daß stillschweigend die deutschen Vorstellungen von Zivil- und Handelssachen durchgesetzt werden, da im wesentlichen nur das deutsche Recht eine solche Differenzierung kennt. Im amerikanischen Recht, das nicht zwischen Privat- und Verwaltungsrecht trennt, ist sie demgegenüber unbekannt. Aus diesem Grunde sollte m.E. bei Divergenzen das Recht des ersuchenden Staates entscheiden.

263

P. Schlosser NJW 1977, 457, 459 Fn. 21; Nagel IZPR Rz. 493; Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1074; Bülow / Böckstiegel S. 351.2 Fn. 2; so auch die Ansicht der Bundesregierung in der Denkschrift zum deutsch-marokkanischen Vertrag, BT-Drucks. 11 / 2026 S. 10 f. 264

Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1074.

265

Hollmann RIW 1982, 784, 785 f.

266

Hollmann RIW 1982, 784, 786; Junker IPRax 1986, 197, 206.

267

Unterreitmayer

Rpfleger 1972, 117, 119; Pfennig S. 36.

118

1. Teil: Grundlagen

Dem vorstehenden Ansatz wird man jedoch nur im Rahmen der bilateralen Abkommen folgen. Im Hinblick auf die multilateralen Abkommen eignet sich besser eine vertragsautonome Qualifikation, die weder ausschließlich auf das Recht des ersuchten oder ersuchenden oder beider Staaten abstellt. 268 Soweit in den „Grauzonen" keine eindeutige Zuordnung möglich ist, sind die multilateralen Konventionen im Hinblick auf die Qualifikation eines Verfahrensgegenstandes als Zivil- und Handelssache möglichst liberal zu handhaben.269 Eine liberale und großzügige Anwendung der Rechtshilfeabkommen kommt nicht nur dem ersuchenden Staate entgegen. Sie schützt vor allem auch die Interessen des ersuchten Staates und des Zustellungsadressaten. Denn sofern ein Rechtshilfeabkommen aufgrund einer engen Auslegung seines Anwendungsbereichs unanwendbar ist, stellen die Staaten wieder nach ihrem autonomen Prozeßrecht zu. Wie aber ein Blick etwa in das US-amerikanische Zustellungsrecht 270 zeigt, gefährdet das autonome Zustellungsrecht vieler Staaten anders als die vertraglichen Zustellungsmethoden häufig die Souveränitätsinteressen des Zustellungsstaates und das rechtliche Gehör des Beklagten. Eine Sanktionierung dieser Gefährdung ist von Seiten des Zustellungs- und Aufenthaltsstaates regelmäßig nur im Anerkennungsverfahren möglich. Soll dagegen das ausländische Urteil im Gerichtsstaat vollstreckt werden, so ist eine nachträgliche Wiederherstellung der verletzten Interessen (insbesondere des Beklagten) nicht mehr möglich. Wird demgegenüber im Wege der vertraglichen Rechtshilfe zugestellt, so sind die Beklagteninteressen ebenso wie die Souveränitätsinteressen des Zustellungsstaates regelmäßig ausreichend geschützt. Aus diesem Grunde sollte z.B. eine auf punitive damages gerichtete Klageschrift trotz des Strafcharakters der punitive damages als Zivil- und Handelssache aufgefaßt und in

268

So die Abschlußerklärung der Sonderkommission der Haager Konferenz 1989 in: RabelsZ 54 (1990), 370; ebenso Practical Handbook S. 31 f.; siehe auch StJ/H.Roth § 199 Rz. 19. 269 Abschlußerklärung der Expertenkommission der Haager Konferenz 1989, bei Welp RabelsZ 54 (1990) 364 ff.; dazu auch Otto S. 95. 270

Siehe bei Pfeil-Kammerer

S. 76 ff.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

119

Deutschland nach dem HZÜ zugestellt werden. 271 Das gleiche gilt im Hinblick auf US-amerikanische class actions. 272

§ 11 Die Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954

Im Hinblick auf das Verfahren der internationalen Zustellung brachten die Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 aus heutiger Sicht gegenüber dem vertragslosen Rechtsverkehr nur wenige Neuerungen. In erster Linie stellten die beiden im wesentlichen regelungsgleichen 273 Abkommen den Zustellungsverkehr auf eine die Staaten völkerrechtlich zur Leistung von Zustellungshilfe verpflichtende Grundlage. Eine Verweigerung der Zustellungshilfe kommt gemäß Art. 4 des Abkommens von 1905 und gemäß Art. 4 des Abkommens von 1954 nur noch dann in Frage, wenn der Staat, in dessen Territorium eine Zustellung bewirkt werden soll, diese für geeignet erachtet, seine Hoheitsrechte und seine Sicherheit zu gefährden. Demgegenüber hat im vertragslosen Zustand jeder Staat das Recht, die Zustellungshilfe ohne jeden weiteren Grund zu verweigern (wobei er freilich Gefahr läuft, daß gegen ihn Retorsionen ausgesprochen werden). Im übrigen enthalten die beiden Haager Abkommen von 1905 und 1954 im Hinblick auf die internationale Zustellung neben Bestimmungen über die Form der Zustellungsersuchen, über die dabei zu verwendende Sprache und über das nach durchgeführter Zustellung auszufertigende Zustellungszeugnis274 vor allem ausführliche Regelungen über die Zustellungswege und das auf die Durchführung der Zustellung anzuwendende Recht.

27 1

StJ / H.Roth § 199 Rz. 20; Geimer IZPR Rz. 2157; Zöller / Geimer § 363 Rz. 88; OLG München NJW 1992, 3113; RIW 1989, 483; OLG Düsseldorf NJW 1992, 3110; OLG Frankfurt RIW 1991, 417; Stürner / Stadler IPRax 1990, 157; Practical Handbook S. 31; ebenso nunmehr BVerfG ZIP 1995, 70; siehe dagegen noch die vorangehende einstweilige Anordnung des BVerfG RIW 1994, 769 mit kritischer Anm. Koch / Diedrich ZIP 1994, 1830 und Juenger / Reimann NJW 1994, 3274. 27 2

Mark EuZW 1994, 238, 239 f.; SU / H.Roth § 199 Rz. 20; OLG Frankfurt RIW 1991, 417.

27 3

Nagel, Rechtshilfe, S. 74.

274

Hierzu ausführlich Pfennig S. 82 f.

120

1. Teil: Grundlagen

I. Die Zustellungswege Die Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 schaffen kein einheitliches Zustellungsrecht im Sinne einer loi uniforme, da das nationale Zustellungsrecht der Vertragsstaaten von den beiden Abkommen nicht berührt wird. Vielmehr beschreiben die Abkommen nur die Wege, auf denen um Zustellungshilfe ersucht werden kann. 275 Ob eine Auslandszustellung erforderlich ist und ob damit die Abkommen zur Anwendung kommen, bestimmt sich nicht nach den Abkommen, sondern nach dem innerstaatlichen Recht des Gerichtsstaates. Danach kann statt einer Zustellung im Ausland auch eine (fiktive) Zustellung im Inland in Betracht kommen, auf die die Abkommen keine Anwendung finden. Ist nach dem Recht des Gerichtsstaates eine Auslandszustellung erforderlich, so eröffnen die Abkommen folgende Wege der Zustellungshilfe: Grundsätzlich ist nach den beiden Abkommen in Zustellungssachen der sog. konsularische Weg zu beschreiten. 276 Abweichend hiervon kann jeder Vertragsstaat verlangen, daß ihm gegenüber der sog. diplomatische Weg zu wählen ist. Das Procedere unterscheidet sich dabei in beiden Fällen nicht von dem im vertragslosen Zustellungsverkehr, so daß insoweit dorthin verwiesen werden kann. Abweichend davon ermöglichen es die beiden Abkommen nach ihrem jeweiligen Art. 1 IV, daß die Vertragsstaaten Annexvereinbarungen zur weiteren Vereinfachung des Zustellungsverkehrs treffen, in denen der sog. unmittelbare Behördenweg zugelassen werden kann. Das Verfahren des unmittelbaren Behördenwegs aufgrund der Annexvereinbarungen zu den Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 entspricht grundsätzlich demjenigen, wie es mit Liechtenstein im vertragslosen Verkehr auf der Grundlage eines einfachen Notenwechsels vereinbart worden ist. Insoweit kann dorthin verwiesen werden. 277 Annexvereinbarungen zu den beiden Haager Abkommen wurden von Deutschland mit Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Polen und der Schweiz getroffen. 278 Allein die mit Schweden getroffene Vereinbarung enthält keine Bestimmung über den unmittelbaren

27 5

Nagel, Rechtshilfe, S. 75 f.; Arnold A W D 1965, 205.

27 6

Nagel, Rechtshilfe, S. 76.

277

Zur Ausgestaltung des unmittelbaren Verkehrs im einzelnen vgl. Nagel, Rechtshilfe, S. 79 f.

278

Siehe die vorstehende Auflistung in § 10.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

121

Verkehr. 279 Die in den Annexvereinbarungen getroffenen Regelungen gelten auch im Rahmen der jeweils neueren Haager Zivilprozeß- und Zustellungsabkommen fort. So gilt heute im Rahmen des Haager Abkommens über den Zivilprozeß von 1905 aus deutscher Sicht in Zustellungssachen keine der Annex Vereinbarungen mehr; im Rahmen des Haager Übereinkommens über den Zivilprozeß von 1954 gelten dagegen noch die Vereinbarungen mit Österreich und der Schweiz sowie die neu hinzugetretene Vereinbarung mit Polen. Die übrigen Vereinbarungen sind nunmehr im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 anwendbar. Auf diese Weise erfolgen heute aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland insgesamt etwa 66 % der Zustellungsersuchen im Wege des unmittelbaren Behördenweges ohne Zwischenschaltung konsularischer oder diplomatischer Stellen. 280 Neben diesen Zustellungswegen lassen die Haager Abkommen von 1905 und 1954 nach ihrem jeweiligen Art. 6 I I 2 auch die unmittelbare Zustellung an Staatsangehörige des Gerichtsstaates durch konsularische oder diplomatische Vertreter dieses Staates zu, sofern ohne Anwendung von Zwang zugestellt wird. Schließlich ermöglichen die beiden Abkommen nach ihrem jeweiligen Art. 6 I bei entsprechender Vereinbarung durch die beteiligten Staaten auch die Zustellung durch die Post (zu trennen von der Zustellung durch Aufgabe zur Post), die Zustellung durch die direkte Beauftragung der zuständigen Organe des Zustellungsstaates unmittelbar durch die Verfahrensbeteiligten und die Zustellung durch diplomatische und konsularische Vertreter des Gerichtsstaates an andere als Angehörige dieses Staates. Diesbezügliche Vereinbarungen hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch ebensowenig wie ihre Rechtsvorgänger getroffen. Damit verbleibt es aus deutscher Sicht bei den vorstehend aufgeführten allgemeinen Zustellungswegen.

II. Das auf die Durchführung

der Zustellung anwendbare Recht

Gemäß Art. 2 der beiden Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 findet die Zustellung durch die zuständigen Behörden des Zustel-

279 280

Dazu Nagel, Rechtshilfe, S. 79; Geimer IZPR Rz. 2137.

Vgl. die Übersicht aus dem Jahre 1986 bei Pfennig S. 146 ff. Danach wurden 1986 ca. 52 % der ausgehenden Zustellungsersuchen und ca. 80 % der eingehenden Zustellungsersuchen im unmittelbaren Behörden verkehr zugestellt. Dies entspricht einem Mittel von 66 %. Die von Nagel IZPR Rz. 572 genannte Zahl von 80 % trifft damit nur auf die eingehenden Zustellungsersuchen zu und läßt den Bereich der ausgehenden Ersuchen außer acht.

122

1. Teil: Grundlagen

lungsstaates regelmäßig in der Form der sog. formlosen Zustellung statt. 281 Das bedeutet, daß das zuzustellende Schriftstück wie im vertragslosen Rechtsverkehr (im einzelnen vgl. deshalb dort) dem Empfanger persönlich übergeben wird, ohne daß die Möglichkeit einer Ersatz- oder zwangsweisen Zustellung besteht, wie sie das deutsche Recht etwa in den §§ 181-184 und 186 ZPO vorsieht (vgl. a. § 68 Π ZRHO). Auf die formlose Zustellung sind auch die diplomatischen und konsularischen Vertreter gemäß Art. 6 Π 2 der beiden Abkommen beschränkt. Eine Ausnahme von der formlosen Zustellung sieht Art. 3 I I der beiden Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 vor. Danach kann auf Verlangen des ersuchenden Staates auch in den Formen und damit nach dem Recht des ersuchten Staates zugestellt werden, sofern dem zuzustellenden Schriftstück eine vom ersuchenden Staat beizubringende Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates beigefügt ist. Die Übersetzung kann nach Art. 2 I I 2 der deutsch-schweizerischen Vereinfachungsvereinbarung auch von den Behörden des ersuchten Staates besorgt werden. Sofern es nicht den Gesetzen des ersuchten Staates widerspricht, ist nach Art. 3 Π der Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 unter den genannten Voraussetzungen darüber hinaus auch eine Zustellung in einer besonderen gewünschten Form, insbesondere derjenigen des ersuchenden Staates möglich. Für von Deutschland ausgehende Zustellungsersuchen ist diese Möglichkeit jedoch in der Regel durch § 20 S. 1 ZRHO ausgeschlossen. Alle Formen der förmlichen Zustellung im Sinne des Art. 3 I I der beiden Abkommen sind mit einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks zu versehen. Grund für das Übersetzungserfordernis ist die besondere Schutzbedürftigkeit des Adressaten bei förmlichen Zustellungen, da es dabei auch zu einer zwangsweisen Durchführung der Zustellung kommen kann. 282 Demgegenüber erscheint es verfehlt, das Übersetzungserfordernis als ausschließlich im Interesse des ersuchten Staates liegend anzusehen.283 Wie der Verzicht auf die Übersetzung bei der Durchführung formloser Zustellungen durch den ersuchten Staat zeigt, existiert kein grundsätzliches Interesse des ersuchten Staates an einer beigefügten Übersetzung.

281

Arnold NJW 1970, 1478, 1481.

282

Pfennig S. 79.

283

So aber noch v. Normann S. 73.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

123

Aus deutscher Sicht ermöglichen es die durch das Transformationsgesetz in innerstaatliches deutsches Recht umgesetzten Bestimmungen des Art. 3 I I der beiden Haager Abkommen von 1905 und 1954 den deutschen Behörden, im Inland sich bei der Erledigung ausländischer Zustellungersuchen auch der Mittel des Zwanges und der Ersatzzustellung zu bedienen, wie sie sich im deutschen Recht in den §§ 181-186 ZPO finden. Das Transformationsgesetz liefert der die Zustellungsersuchen erledigenden Justizverwaltung die — wie gesehen 284 — im vertragslosen Rechtshilfeverkehr fehlende Ermächtigungsgrundlage zur Anwendung der in der ZPO vorgesehenen Zwangs- und Ersatzmittel. 285 Die Normen der ZPO über die Form der Zustellung sind vorliegend für die Justizverwaltung mithin nicht über § 3 EGZPO anwendbar, sondern über die Bestimmungen des Transformations- oder Ausführungsgesetzes. 286 Demgegenüber stellt Art. 3 I I der beiden Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 für diejenigen Staaten, die wie zum Beispiel Österreich auch im vertragslosen Rechtsverkehr nach den Vorschriften des eigenen Rechts oder gar nach denen eines ausländischen Rechts zustellen 287 , keine Neuerung dar. Eine förmliche Zustellung im dargestellten Sinne bedarf jedoch grundsätzlich gemäß Art. 3 I I der beiden Abkommen einer besonderen diesbezüglichen Bitte des ersuchenden Staates. Fehlt es an der Äußerung eines solchen Wunsches, so ist der ersuchte Staat zunächst nur verpflichtet, eine formlose Zustellung durchzuführen. Erst wenn diese fehlschlägt, ist der ersuchte Staat gehalten, die Zustellung in den Formen des eigenen Rechts durchzuführen. 288 Eine solche Bitte ist jedoch entbehrlich, wenn sich die Vertragsstaaten geeinigt haben, daß in jedem Fall förmlich nach dem Recht des ersuchten Staates zuzustellen ist. Dies ist etwa in Art. 2 S. 1 der deutsch-österreichischen Vereinfachungsvereinbarung für Zustellungen nach der lex fori geschehen. Doch sind nach den Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 diejenigen Staaten, die auch im vertragslosen Rechtsverkehr keine formlose Zustellung kennen und mithin stets förmlich — in der Regel nach ihrem

284

Siehe oben § 9 I 1 a.

285

Dazu etwa Pfennig S. 50; Nehlen JR 1958, 121, 123.

286

So auch wohl Nehlen JR 1958, 121, 123; vgl. auch § 4 I 3 AusfG zum HZÜ: „Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Zustellung von Amts wegen gelten entsprechend" (eigene Hervorhebung). 287

Im einzelnen zu diesen Staaten siehe oben § 9 I 2.

288

V. Normann S. 72 zum Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905.

124

1. Teil: Grundlagen

eigenen Recht — zustellen, nicht gehalten, zunächst eine formlose Zustellung zu versuchen, sofern es an einer gegenteiligen Bitte des ersuchenden Staates fehlt. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Bestimmungen der Art. 2 und 3 Π der Haager Zivilprozeßübereinkommen reine Kann-Regeln sind. Für Staaten, welche die formlose Zustellung bisher nicht kannten, führen die Haager Abkommen diese Form der Zustellung mithin nicht zwingend ein. 289 Es steht vielmehr im Ermessen dieser Staaten, ob sie auch im vertraglichen Verkehr wie im vertragslosen Verkehr mangels besonderer Bitte des ersuchenden Staates stets förmlich nach ihrer eigenen lex fori zustellen wollen oder aber — wie etwa Österreich (§ 12 11 öZustG) — das gestufte System der Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 übernehmen wollen. Die Verweigerung der von den Haager Abkommen vorgesehenen formlosen Zustellung führt freilich durch die dann erforderliche förmliche Zustellung zu höheren Zustellungskosten.290

§ 12 Das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen von 1965

Das heute wohl bedeutendste völkerrechtliche Abkommen in Zustellungssachen ist das am 15.11.1965 zur Zeichnung aufgelegte Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (im folgenden: HZÜ). Es stellt eine Teilrevision des Haager Abkommens über den Zivilprozeß von 1954 dar. 291 Die Väter des HZÜ verfolgten mit diesem neuen Abkommen außer der vertraglichen Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Rechtshilfe dreierlei 292 : Im Rahmen der Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 stellte der konsularische Zustellungsweg die Regel dar. Sofern die Vertragsstaaten nicht im Wege von Annexvereinbarungen sich auf den unmittelbaren Behördenverkehr geeinigt hatten, bedeutete mithin der vertragliche Zustellungs-

289 Vgl. zum gleichgelagerten Problem im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens den Bericht des Ständigen Büros der Haager Konferenz zur Sitzung der Expertenkommission, Int. Leg. Mat. 1978, 319, 323. Dazu auch Pfeil-Kammerer S. 144. 290

Ständiges Büro der Haager Konferenz, ebenda.

291

Arnold NJW 1965, 205.

292

Nagel Rechtshilfe, S. 93; Practical Handbook S. 25.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

125

verkehr kaum einen Fortschritt gegenüber dem vertragslosen Rechtsverkehr. Das neue HZÜ wollte nunmehr im Verhältnis aller Vertragsstaaten zueinander einen einfacheren, unmittelbaren und damit kürzeren Übermittlungsweg eröffnen. Weiter sollte ein Abkommen geschaffen werden, das im Hinblick auf seine inhaltliche Ausgestaltung auch den Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises den Beitritt ermöglichte. Zwar hatte man dieses Ziel bereits im Rahmen des Haager Abkommens über den Zivilprozeß von 1954 verfolgt, doch es nicht erreicht. 293 Schließlich versuchte man die mit dem französischen System der remise au parquet für den ausländischen Beklagten verbundenen Nachteile abzumildern. Die bisherigen Haager Abkommen vermochten dies nicht zu leisten. 294

/. Ablehnungsgründe Die Erreichung dieser drei Ziele setzt voraus, daß das HZÜ möglichst uneingeschränkt zwischen den Vertragsstaaten angewandt werden kann. Aus diesem Grunde reduzierte man die Ablehnungsgründe ähnlich wie in den Vorgängerabkommen auf ein Minimum. Den praktisch einzigen formalen Ablehnungsgrund enthält Art. 1 I I HZÜ, wonach das Abkommen unanwendbar ist, sofern die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist. Gleichwohl wird dieser Ablehnungsgrund sehr restriktiv gehandhabt.295 Im Hinblick auf andere formale Mängel verpflichtet Art. 4 HZÜ die ersuchte Behörde, die zuständigen Stellen des um Zustellungshilfe ersuchenden Staates unverzüglich hierüber zu informieren. Damit unterbindet Art. 4 HZÜ eine Ablehnung wegen sonstiger formaler Fehler. Er räumt der ersuchten Behörde kein erweitertes Ablehnungsrecht ein, sondern legt ihr nur eine Benachrichtigungspflicht auf. 296 Dies ergibt sich schon aus der von Art. 13 I I I HZÜ abweichenden Formulierung des Art. 4 HZÜ. Etwas anderes

293

Nagel, Rechtshilfe, S. 74.

294

Nagel, Rechtshilfe, S. 90.

295

Pfennig S. 96.

296

Bredthauer S. 99 f.; Pfennig S. 96 f.; Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1074.

126

1. Teil: Grundlagen

kann — selbstredend — nur dann gelten, wenn wegen der formalen Mängel eine Erledigung des Ersuchens objektiv unmöglich ist. 297 Im übrigen kann ein Staat gemäß Art. 13 HZÜ die Gewährung von Zustellungshilfe nur dann verweigern, wenn er die in Frage stehende Zustellung für geeignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Insoweit entspricht das HZÜ den beiden Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954.298 Nach allgemeiner Auffassung sind die Anforderungen an das Vorliegen einer Gefährdung der Hoheitsrechte oder der Sicherheit eines Staates hoch anzusetzen.299 Sie dürften wohl über denen einer „einfachen" ordre public-Widrigkeit liegen. 300 So kann von deutscher Seite z.B. ein Ersuchen um Zustellung einer auf punitive damages gerichteten Klage nicht unter Berufung auf Art. 13 HZÜ zurückgewiesen werden. 301 Das gleiche gilt im Hinblick auf class actions. 302 Allein Art. 13 I I HZÜ konkretisiert den Vorbehalt des Absatzes 1 dergestalt, daß die Inanspruchnahme der ausschließlichen Gerichtsbarkeit durch die Gerichte des ersuchten Staates keinen Ablehnungsgrund darstellt.

II. Die Zustellungswege Wie einleitend ausgeführt, war es ein vorrangiges Ziel des HZÜ, effektive und schnelle Zustellungswege für alle Vertragsstaaten einzuführen. Der bisherige konsularische Weg hatte sich als viel zu schwerfällig für die Erfordernisse moderner Wirtschaftsgesellschaften mit häufig grenzüberschreitendem Verkehr erwiesen. 303 Aus diesem Grunde gibt Art. 2 HZÜ den Mitgliedsstaaten des Abkommens auf, eine Zentrale Behörde zur Entgegennahme von Zustellungsersuchen einzurichten. Bundesstaaten haben überdies gemäß Art. 18 I I I HZÜ

297

Bredthauer S. 100.

298

Dort jeweils Art. 4.

299

Geimer IZPR Rz. 2159; Karen Ilka Mössle S. 119 ff.; Stürner / Stadler IPRax 1990, 157, 159; Stadler IPRax 1992, 147, 150 Fn. 35. 300

Pfennig S. 97 ff.

301

StJ/H.Roth § 199 Rz. 20; Geimer IZPR Rz. 2159; OLG München NJW 1992, 3113; OLG Frankfurt RIW 1991, 417; OLG München IPRax 1989, 3102; ebenso nunmehr BVerfG ZIP 1995, 70; siehe dagegen noch die vorangehende einstweilige Anordnung des BVerfG RIW 1994, 769 mit kritischer Anm. Koch / Diedrich ZIP 1994, 1830 und Juenger / Reimann NJW 1994, 3274. 302

StJ/H.Roth

303

Ferreira,

§ 199 Rz. 20; Mark EuZW 1994, 238, 239 f. Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 75.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

127

die Möglichkeit, mehrere Zentrale Behörden einzurichten. Dies ist in der Bundesrepublik Deutschland für jedes Bundesland geschehen.304 Die zuständigen Behörden des um Zustellungshilfe ersuchenden Staates richten sich an die vom ersuchten Staat bestimmte Zentrale Behörde. Der Antrag auf Zustellungshilfe ist entsprechend dem in der Anlage des HZÜ wiedergebenen Muster in zweifacher Ausfertigung zu stellen, Art. 3 HZÜ. Die dabei zu verwendenden Antragsvordrucke müssen gemäß Art. 7 I HZÜ entweder in der Sprache des ersuchenden Staates oder in englischer oder französischer Sprache abgefaßt sein. Die Eintragungen in diesen Vordrucken können in der Sprache des ersuchten Staates oder in englischer oder französischer Sprache gemacht werden, Art. 7 I I HZÜ. Dem Antrag ist gemäß Art. 3 I I HZÜ das zuzustellende Schriftstück in zweifacher Ausfertigung beizufügen. Anschließend veranlaßt die Zentrale Behörde die Zustellung. Die Zustellung über die Zentrale Behörde stellt im Hinblick auf die Effektivität einen der Zustellung im unmittelbaren Behördenverkehr gleichwertigen Weg dar. 305 Gleichwohl wird unter der Geltung des HZÜ die Zustellung über die Zentrale Behörde durch die Zustellung im unmittelbaren Behördenverkehr verdrängt, sofern die Vertragsstaaten diesen Weg untereinander in den zu den Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 una 1954 getroffenen Vereinfachungsvereinbarungen eröffnet haben. Denn die Vereinfachungsvereinbarungen gelten gemäß Art. 24 iVm Art. 11 HZÜ auch im Rahmen des HZÜ fort. Dies ist aus deutscher Sicht im Verhältnis zu Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und Norwegen der Fall. 306 Insoweit kann hier entsprechend nach oben verwiesen werden. 307 Neben der Zustellung über die Zentrale Behörde und neben dem unmittelbaren Behördenverkehr erlaubt das HZÜ gemäß Art. 8 auch die unmittelbare Zustellung durch diplomatische und konsularische Vertreter. Durch § 6 des deutschen Ausführungsgesetzes iVm Art. 8 I I HZÜ hat die Bundesrepublik Deutschland diese Möglichkeit jedoch auf die Angehörigen des Entsendestaates der konsularischen und diplomatischen Vertreter begrenzt. Ausnahmen gelten nur insoweit, als die Bundesrepublik im Verhältnis zu einigen Vertragsstaaten etwas anderes bestimmt hat. Dies ist durch Vereinfachungsvereinbarungen nur im

304

BGBl. 1979 II 779; 1993 II 703 (für die neuen Bundesländer).

305

Mit dieser Einschätzung auch Pfeil-Kammerer

306

Nagel IZPR Rz. 572. Zu den Vereinfachungsvereinbarungen siehe oben § 10 II b.

307

Siehe oben § 1 1 1 .

S. 134; Pfennig S. 62.

128

1. Teil: Grundlagen

Verhältnis zu Schweden308 und Norwegen 309 geschehen; aufgrund des in Art. 25 HZÜ zum Ausdruck kommenden Günstigkeitsprinzips ist eine über Art. 8 I I HZÜ hinausgehende unmittelbare diplomatische oder konsularische Zustellung aber auch im deutsch-britischen Verhältnis 310 nach Art. 5 lit. a des deutsch-britischen Abkommens über den Rechtsverkehr 311 möglich. 312 Sofern die Vertragsstaaten dem nicht widersprochen haben, läßt das HZÜ gemäß Art. 10 darüber hinaus drei weitere Zustellungswege zu: die Zustellung durch Übersendung des zuzustellenden Schriftstücks unmittelbar durch die Post (lit. a) 313 , die Zustellung auf unmittelbare Veranlassung von zuständigen Personen des Gerichtsstaates durch zuständige Personen des Zustellungsstaates (lit. b) und die Zustellung durch zuständige Personen des Zustellungsstaates auf unmittelbares Ersuchen von Verfahrensbeteiligten hin (lit. c). Mit diesen Zustellungswegen ist man der Praxis der Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises entgegenkommen314 und hat so diesen Staaten erfolgreich den Weg zum Beitritt zum HZÜ geebnet. Gleichwohl sind die genannten Zustellungswege des HZÜ im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland wegen des deutschen Widerspruchs grundsätzlich unanwendbar. 315 Insbesondere aber im deutsch-amerikanischen Verkehr wurde vor Inkrafttreten des HZÜ von deutscher Seite eine Zustellung durch deutsche Rechtsanwälte

308

Art. 2 der deutsch-schwedischen Vereinfachungsvereinbarung: Unmittelbare diplomatische und konsularische Zustellung an alle Personen mit Ausnahme der Staatsangehörigen des Zustellungsstaates. 309 Art. 4 I der deutsch-norwegischen Vereinfachungsvereinbarung: Unmittelbare diplomatische oder konsularische Zustellung auch an Doppelstaater, sofern die eine Staatsangehörigkeit die des Entsendestaates und die andere die eines Drittstaates ist. 310

Zum räumlichen Anwendungsbereich des Abkommen siehe oben § 10 III.

311

Danach können diplomatische und konsularische Vertreter im Residenzstaat Zustellungen an alle Personen außer an die Staatsangehörigen des Residenzstaates vornehmen. 312

Geimer IZPR Rz. 2170.

313

Amerikanische Gerichte halten neuerdings Art. 10 lit. a bei Zustellungen für unanwendbar, da die englische Fassung nicht von „to serve", sondern von „to send" spricht; Fleming v. Yamaha Motor Co. Ltd. 131 F.R.D. 206 (1990); Bankston v. Toyota Motor Corp. 889 F.2d 172 (1989); Cooper v. Makita Electric Works Ltd. 117 F.R.D. 16 (1987); Pochop v. Toyota Motor Co. Ltd. 111 F.R.D. 464 (1986); Mommsen v. Toro Co., 108 F.R.D. 444 (1985); dagegen zu Recht Practical Handbook S. 44 f. 314

Vgl. etwa zu den Zustellungswegen im US-amerikanischen Recht Pfeil-Kammerer S. 76 ff.; auch Klaus Mössle S. 229 ff.; zur Zustellung im englischen Recht siehe Nagel IZPR Rz. 498; Harwood ICLQ 1961, 284 ff. 315

Siehe § 6 dt. AusfG zum HZÜ.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

129

und Notare auf ein Ersuchen eines amerikanischen Anwalts hin zugelassen.316 Diesem Zustellungsweg ist jedoch durch den Beitritt der USA und Deutschlands zum HZÜ der Boden entzogen worden. 317 Wegen der insofern im Rahmen des HZÜ zum Ausdruck gekommenen ablehnenden Haltung der Bundesrepublik Deutschland dürfte dies heute aber auch im Verhältnis zu solchen Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises gelten, die die Auslandszustellung von Anwalt zu Anwalt kennen318 und nicht Vertragspartei des HZÜ sind. 319 Sind nach dem Recht des Gerichtsstaats Anwälte damit betraut, in ausländischen Staaten um Zustellungshilfe zu ersuchen, so haben sie sich nunmehr an die zur Entgegennahme von Zustellungsersuchen zuständigen deutschen Behörden zu wenden. Im Rahmen des HZÜ sind dies die von den deutschen Bundesländern eingerichteten Zentralen Behörden. 320 Ob daneben im Geltungsbereich des HZÜ auch eine Zustellung auf Ersuchen von Verfahrensbeteiligten hin möglich ist, wie dies § 2 Π 2 ZRHO für den Fall vorsieht, daß die Verfahrensbeteiligten vom Prozeßgericht hierzu beauftragt worden sind, muß bezweifelt werden. 321 Art. 3 I HZÜ läßt nämlich nur Ersuchen von Behörden zu, zu denen zwar auch ausländische Anwälte gehören können 322 , aber nicht private Verfahrensbeteiligte. 323 Die im HZÜ aufgelisteten und vorstehend beschriebenen Zustellungswege sind jedoch nicht abschließend. Vielmehr stellt das HZÜ nur einen Minimumstandard dar. So gelten im Rahmen des HZÜ die zu den Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 getroffenen Vereinfachungsvereinbarungen gemäß Art. 22 HZÜ fort. Das HZÜ schließt es gemäß Art. 19 darüber hinaus auch nicht aus, daß nach dem innerstaatlichen Recht eines Vertragsstaates in dessen Territorium auch in anderer als der vom HZÜ vorgesehenen Weise zugestellt werden kann. Schließlich steht das HZÜ der — insbesondere bilatera-

316

Schreiben des Bundesministers der Justiz in DNotZ 1962, 59 und 343 f.

317

Schreiben des Bundesministers der Justiz in DNotZ 1981, 660 f.; dazu Kochinke / Horlick RIW 1982, 79; siehe schon oben § 9 I 5. 318

§ 198 ZPO gilt nicht für Auslandszustellungen, vgl. Leipold, Probleme, S. 9, 14.

319

Ähnlich wohl Kochinke / Horlick RIW 1982, 79, die hervorheben, daß insofern nun ausschließlich die deutschen Justizbehörden zuständig sind. 320 Bericht des Ständigen Büros der Haager Konferenz zur Expertenkommission, Int.Leg.Mat. 1978, 319, 325. 321

Befürwortend wohl Geimer IZPR Rz. 2154.

322

Ständiges Büro der Haager Konferenz ebenda (vorletzte Fußnote).

323

Ferreira, Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 368; Monin-Hersant International Fase. 589-B-l S. 7.

y Kondnn^

J.C1. Droit

130

1. Teil: Grundlagen

len — Vereinbarung weiterer Zustellungswege gemäß Art. 25 nicht entgegen. Das HZÜ ermöglicht somit eine weitere Vereinfachung des Zustellungsverkehrs und die Einführung weiterer Zustellungswege durch einzelne Vertragsstaaten. Fehlzugehen scheint demgegenüber jedoch die Ansicht Geimers, derzufolge im vertraglichen Zustellungsverkehr bei von der Bundesrepublik Deutschland ausgehenden Ersuchen auch solche Wege beschritten werden dürfen, denen die deutsche Seite in umgekehrter Richtung widersprochen hat. 324 Beispiele hierfür sind etwa die Privatzustellung oder die Zustellung durch die Post. Diese Auffassung ist unvereinbar mit Art. 21 I lit. b der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) 3 2 5 . In Art. 21 I lit. b W V K kommt der schon vor Inkrafttreten der Konvention allgemein anerkannte Grundsatz zum Ausdruck, daß Vorbehalte dem Gegenseitigkeitsprinzip unterworfen sind. 326 Mit anderen Worten: „Wer sich bestimmten Vertragspflichten entzogen hat, kann selbst auch nicht verlangen, im Einklang mit den vom Vorbehalt erfaßten Vertragsbestimmungen behandelt zu werden" 327 . Dieser Ansatz beruht auf dem Gedanken der Gleichheit souveräner Staaten.328 Sofern ein Staat bestimmte Zustellungswege nicht schon im vertragslosen Rechtshilfeverkehr zuläßt, stellen diese mithin in staatsvertraglichen Vereinbarungen festgeschriebenen Wege ein Zugeständnis dar, das grundsätzlich nur unter der Auflage der Gegenseitigkeit gemacht wird. 329 Etwas anderes kann ausnahmsweise und auch nur nach umstrittener Meinung 330 dann gelten, wenn sich aus der Natur eines nur auf einen bestimmten Staat zugeschnittenen Vorbehaltes 331 oder aus der Natur des Vertrages selbst332

324 Geimer IZPR Rz. 421 u. 2085; ders. Zöller / Geimer § 199 Rz. 4; ähnlich OLG Hamm IPRspr. 1981 Nr. 160; Schack IZVR Rz. 608; StJ / H.Roth § 199 Rz. 40; Bülow / Böckstiegel / Karl S. 663.112 Fn. 97 mwN; Karen Ilka Mössle S. 152 Fn. 211; auch schon v. Normann S. 20 (zum Haager Zivilprozeßabkommen von 1905). 325 Diese Bestimmung lautet: „Ein gegenüber einer anderen Vertragspartei ... bestehender Vorbehalt ... b) ändert diese Bestimmung für die andere Vertragspartei im Verhältnis zu dem den Vorbehalt anbringenden Staat in demselben Ausmaß." 326 Majoros Die Friedenswarte 66 (1986) 216, 250; Simma S. 58 ff.; Imbert S. 250 ff; Kühner S. 198 mwN; vgl. auch IGH ICJ Reports 1978, 3, 38; dies leugnet Geimer IZPR Rz. 418 a.E. 327

Simma S. 60.

328

Mosler ZaöRV 19 (1958) 275, 277.; Mendelsohn BYIL 45 (1971) 137, 147.

329

A.A. Geimer IZPR Rz. 421 unter Leugnung des Gegenseitigkeitsprinzips im Völkervertrags-

recht. 330 331

Zum Meinungsstand Kühner S. 200 ff.

Beispiele sind insoweit insbesondere sog. territoriale Vorbehalte: „... nicht anwendbar in ..."; vgl. Imbert S. 258.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

131

etwas anderes ergibt. Solche Ausnahmen sind vorliegend aber nicht ersichtlich. Aus diesem Grunde ist eine ausgehende Zustellung dann als fehlerhaft anzusehen, wenn dabei ein Zustellungsweg beschritten wird, dem die Bundesrepublik Deutschland für eingehende Ersuchen widersprochen hat. Eine Zustellung, die im Widerspruch zu einem vom Gerichtsstaat erklärten Vorbehalt steht, ist mangels eines entsprechenden Anspruchs des Vorbehaltsstaates allenfalls dann möglich, wenn der Zustellungsstaat im kaum vorhersehbaren Einzelfall 333 aus courtoisie darauf verzichtet, sich auf Art. 21 I lit. b W V K zu berufen. Dogmatisch gangbarer Weg im Rahmen des HZÜ wäre insoweit dessen Art. 19. Wie unsicher und — vor dem Hintergrund möglicher Amtshaftungsansprüche 334 — wie riskant es aus Sicht des Gerichtsstaates aber sein kann, hierauf zu vertrauen, zeigt der amerikanische Fall Ackermann v. Levine 335 . Dort hatte die Rechtsmittelinstanz eine entgegen dem deutschen Widerspruch zu Art. 10 lit. a HZÜ durch Einschreiben mit Rückschein in die USA zugestellte deutsche Klage zwar als wirksam zugestellt angesehen. Doch hatte demgegenüber noch die Vorinstanz anders entschieden und mit m.E. durchaus tragfähigen Argumenten einen Verstoß gegen das Völker(-vertrags-)recht angenommen.336 Ebenso gut hätten beide Gerichte im jeweils entgegengesetzten Sinne entscheiden können. Dies zeigt auch ein Urteil des Bezirksgerichts Breda aus dem Jahre 1981 337 . Dort sah das Gericht die postalische Zustellung eines deutschen Schriftstücks als fehlerhaft an, obwohl die Niederlande ihrerseits Art. 10 lit. a HZÜ nicht widersprochen hatten.

332 Reziproke Wirkung fehlt insbesondere den zu Individualschutzabkommen wie der EMRK erklärten Vorbehalten; vgl. Kühner S. 203. 333

Dies gesteht auch Schack IZVR Rz. 608 a.E. ein: „Darauf zu vertrauen erscheint indes riskant." 334

Für den Fall, daß eine wirksame Auslandszustellung durch Fehler des Gerichts oder der deutschen Justizbehörden vereitelt wird, bejaht Pfennig NJW 1989, 2172, 2173 a.E. zu Recht Amtshaftungsansprüche der hierdurch geschädigten Person. 335

788 F.2d 830 (2d Cir 1986); Vorinstanz 610 F.Supp 633 (D.C.N.Y. 1985).

336

Ähnlich auch Appel v. Schüller, zitiert nach Junker IPRax 1986, 197, 204 Fn. 144, wo die amerikanische Seite die Anerkennung eines deutschen Urteils, dessen verfahrenseinleitendes Schriftstück per Post in die USA zugestellt worden war, mit dem Hinweis auf die Unvereinbarkeit der postalischen Zustellung mit dem deutschen Recht verweigerte. 337

9'

Berichtet bei Sumampouw III S. 137.

132

1. Teil: Grundlagen

Aus deutscher Sicht entschärft sich allerdings das vorstehend dargestellte Problem dadurch, daß die ZPO die genannten Übermittlungswege nicht kennt. 338 Wie ein Gegenschluß aus § 37 I I StPO n.F. 339 ergibt, ist eine postalische Direktzustellung trotz möglicher völkerrechtlicher Zulässigkeit innerstaatlich verboten, wenn sich keine dem § 37 I I StPO n.F. entsprechende innerstaatliche Ermächtigungsnorm findet. Denn § 37 I I StPO n.F. ergänzt die gemäß § 37 I StPO auch im Strafverfahren geltenden Zustellungsregeln der ZPO für das strafrechtliche Rechtshilfe verfahren. Ein Beschreiten dieser Zustellungswege beinhaltete mithin nicht nur einen Verstoß gegen die Souveränitätsrechte des ausländischen Zustellungsstaates, sondern auch einen Verstoß gegen die Zustellungsvorschriften der ZPO selbst. Auch einer von Geimer 340 und P. Schlosser 341 vertretenen Eröffnung weiterer Zustellungswege durch Parteidisposition kann nicht beigepflichtet werden. Die (deutschen) Zustellungsvorschriften stehen zumindest im erststaatlichen Verfahren nicht von vornherein zur Disposition der Parteien. 342 Grund hierfür sind die vom Gesetzgeber fein abgewogenen Interessen der Allgemeinheit und des Einzelnen, deren Gefüge auf diese Weise einseitig zerstört würde. 343 Vor allem würde durch die Parteidispostion aber auch das durch § 199 ZPO besonders geschützte rechtliche Gehör des Zustellungsadressaten von vornherein gefährdet. Ein solcher vorweggenommener Verzicht ist aber selbst nach der wohl herrschenden Meinung in der Literatur, die grundsätzlich das rechtli-

338 Siehe aber auch den vorstehend erwähnten Fall Ackermann v. Levine, wo dem deutschen Prozeßgericht (LG Berlin) offensichtlich entgangen war, daß das deutsche Prozeßrecht eine postalische Zustellung nicht zuläßt. Widersprüchlich zur hier diskutierten Problematik Geimer IZPR Rz. 421 u. 2085; auch sofern Geimer IZPR Rz. 2126 in Anlehnung an § 16 II 1 FGG de lege lata (!) eine von § 199 ZPO abweichende Anordnung einfacherer Zustellungswege durch die Landesjustizverwaltung befürwortet, kann dem aus den vorstehend genannten Gründen nicht gefolgt werden. 339 Eingefügt durch Gesetz vom 11.1.1993, BGBl. 1993 I 50: „Eine Zustellung im Ausland kann auch durch Einschreiben mit Rückschein bewirkt werden, soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen." 340

IZPR Rz. 307 und 2101.

341

FS Matscher S. 387, 392.

342

Ebenso Wiehe S. 132. Anders dagegen zum Beispiel das englische Recht, vgl. Kenneth Allison Ltd. v. A.E. Limehouse & Co [1991] 4 AUER 500 (House of Lords); ebenso im US-amerikanischen Recht, dazu Wiehe S. 180 ff. 343

Siehe dazu ausführlich oben § 3 I.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

133

che Gehör für verzichtbar hält, als unzulässig anzusehen.344 In Betracht kommt danach allein ein nachträglicher Verzicht auf das rechtliche Gehör, etwa — mangels Eingriffs in die staatliche Souveränität — gemäß § 295 ZPO. 345 Damit ist eine Parteidisposition über den Zustellungsweg schon wegen des darin liegenden vorweggenommenen Verzichts auf das rechtliche Gehör unvereinbar mit der Konzeption des deutschen Prozeßrechts und vor deutschen Prozeßgerichten nicht zulässig. Hiergegen läßt sich auch § 328 I Nr. 2 ZPO nicht als Argument im Sinne Geimers vorbringen. Zwar ist gemäß § 328 I Nr. 2 ZPO die Geltendmachung von Zustellungsfehlern im Anerkennungsverfahren als Einrede ausgestaltet und somit von der Disposition des Beklagten abhängig.346 Doch handelt es sich bei der fehlenden Geltendmachung von Zustellungsfehlern im Rahmen von § 328 I Nr. 2 ZPO um einen — zulässigen — nachträglichen Verzicht im oben genannten Sinne. Auch die Gewichtung der tangierten Interessen ist im Anerkennungsverfahren eine andere als im erststaatlichen Verfahren. Sind im Verfahren vor dem Prozeßgericht auch Allgemeininteressen durch die nicht disponible Form zu schützen, so hat das Anerkennungsverfahren ausschließlich die Interessen des Beklagten im Auge, nicht jedoch die Interessen des ausländischen Prozeßstaates an einer Durchsetzung seiner Zustellungsvorschriften. 347 Schließlich sind entgegen Geimer auch die zum Teil geäußerten Bedenken, die gegen die Parteidisposition vor allem im zwischenstaatlichen Bereich den hoheitlichen Charakter der Zustellungsnormen anführen 348, nicht von der Hand zu weisen.

III. Das auf die Durchführung

der Zustellung anwendbare Recht

Soweit die Zustellung durch die Behörden des ersuchten Staates durchgeführt wird, bestimmt sich das dabei anwendbare Recht nach Art. 5 HZÜ. Nach dessen Abs. 1 wird die Zustellung von den Behörden des ersuchten Staates entwe-

344 Siehe besonders ausführlich bei Zöller / Greger § 295 Rz. 5 mwN; Wiehe S. 132; demgegenüber auch gegen die nachträgliche Verzichtbarkeit des rechtlichen Gehörs RGZ 93, 152, 155; OLG Frankfurt NJW 1962, 449, 450. 345

Siehe oben § 5 III.

346

Dazu Gottwald IPRax 1984, 57, 60.

347

Vgl. in diesem Sinne Staudinger / Spellenberg § 328 ZPO Rz. 341 f.

348

Hess RIW 1989, 254, 258 Fn. 91.

134

1. Teil: Grundlagen

der in den Formen ihres eigenen Rechts (lit. a) oder — freilich seltener 349 — in einer anderen, von der ersuchenden Stelle gewünschten besonderen Form durchgeführt, die jedoch mit dem Recht des ersuchten Staates vereinbar sein muß (lit. b). Beispiele für solche besonderen Zustellungsformen sind die Zustellung unter Anwesenheit von Zeugen, die Zustellung am Wohnsitz (für die Staaten, die dieses System nicht kennen) oder die persönliche Zustellung an den Adressaten (für die Staaten, die ansonsten eine Zustellung am Wohnsitz ausreichen lassen).350 Bei nach Deutschland eingehenden Zustellungsersuchen kann so in den Formen des deutschen Rechts oder in einer besonderen, von der ersuchenden Stelle gewünschten Form förmlich zugestellt werden. Damit kommen für deutsche Behörden anders als im vertragslosen Verkehr auch zwangsund ersatzweise Zustellungen in Betracht. Das deutsche Transformationsgesetz stellt insoweit für die die aktive Zustellungshilfe ausführende deutsche Justizverwaltung die zur Anwendung von Zwang erforderliche innerstaatliche Rechtsgrundlage dar. 351 Diesbezüglich kann u.a. entsprechend auf die Ausführungen zu den Haager Abkommen von 1905 und 1954 verwiesen werden. 352 Bei Art. 5 I HZÜ handelt es sich m.E. um eine echte prozessuale Kollisionsnorm. 353 Gemäß Art. 5 I lit. a HZÜ wenden die Behörden des ersuchten Staates auf die Durchführung der Zustellung grundsätzlich ihre lex fori an. Art. 5 I lit. a HZÜ folgt damit dem das Zivilverfahrensrecht beherrschenden lex foriGrundsatz. 354 Demgegenüber kann die ersuchte Behörde gemäß Art. 5 I lit. b HZÜ die Zustellung auch in einer anderen Form durchführen, sofern sie von der ersuchenden Behörde hierum besonders gebeten wird. Regelmäßig ist diese besondere Form eine vom Prozeßrecht des Gerichtsstaat vorgesehene Zustellungsart. Auch insoweit folgt Art. 5 I HZÜ wiederum — freilich aus anderer Perspektive — dem lex fori-Prinzip, da die Durchführung der Zustellung im ersuchten Staat gleichzeitig Teil eines im Ausland anhängigen Prozesses ist. Fordert also das Prozeßrecht des Gerichtsstaates zwingend eine bestimmte Zustellungsform, die dem Recht des ersuchten Staates unbekannt ist, so muß sich

349 Bericht des Ständigen Büros der Haager Konferenz zur Expertenkommission, Int.Leg.Mat. 1978, 319, 323; Monin-Hersant J.C1. Droit International Fase. 589-B-l S. 13. 350

Ferreira,

351

Pfennig S. 68.

352

Siehe oben § 11 II.

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 86.

353

Ebenso Wiehe S. 136. Zu prozessualen Kollisionsnormen zuletzt H. Roth FS Stree / Wessels S. 1045, 1056 ff. Für ein internationales Verfahrenskollisionsrecht auch Grunsky ZZP 89 (1976) 241, 249. 354

Dazu H. Roth FS Stree / Wessels S. 1045.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

135

die lex fori des Gerichtsstaates auch außerhalb der eigenen Staatsgrenzen durchsetzen können. Aus Sicht des Gerichtsstaates dehnt Art. 5 I lit. b HZÜ deshalb das lex fori-Prinzip über seinen eigentlichen, durch die Staatsgrenzen beschränkten Anwendungsbereich aus. Soweit gemäß Art. 5 I HZÜ förmlich zugestellt werden soll, ergänzt das HZÜ die jeweils zur Anwendung auf die Durchführung der Zustellung berufenen nationalen Formvorschriften um eine eben solche staatsvertragliche Vorschrift. So ist gemäß Art. 5 I I I HZÜ einem förmlich zuzustellenden Schriftstück stets eine Übersetzung beizufügen, sofern die Zentrale Behörde des ersuchten Staates eine solche verlangt. Von deutscher Seite ist dieses der Zentralen Behörde eingeräumte Ermessen durch § 3 des deutschen Ausführungsgesetzes zum HZÜ auf Null reduziert worden. Die deutschen Zentralen Behörden verlangen mithin stets eine Übersetzung. 355 Für die deutschen Behörden stellt Art. 5 ΙΠ HZÜ durch die Bestimmung des § 3 AusführungsG eine stets bei der Durchführung der Zustellung zu beachtende Vorschrift dar. Auflockerungen von dem Übersetzungserfordernis des Art. 5 ΙΠ HZÜ finden sich allein in einigen von deutscher Seite geschlossenen Vereinfachungsvereinbarungen. So ist zum Teil vereinbart, daß die ersuchte Behörde eine Übersetzung beschafft, sofern dem zuzustellenden Schriftstück seitens der ersuchenden Behörden keine solche beigefügt worden ist. 356 Diese Verpflichtung der Behörden des ersuchten Staates läßt klar auf die Intention des Übersetzungserfordernisses schließen, die im Schutz der bei einer zwangs- oder ersatzweise durchgeführten Zustellung besonders gefährdeten Interessen des Adressaten zu suchen ist. 357 Gemäß Art. 5 I I HZÜ darf die Zustellung von den insoweit zuständigen Behörden des ersuchten Staates aber auch formlos bewirkt werden, wenn der ersuchende Staat nicht um eine Zustellung in besonderer Form gemäß Art. 5 I lit. b HZÜ gebeten hat und der Adressat zur Annahme des zuzustellenden Schriftstücks bereit ist. 358 Zwar kann der ersuchende Staat auch von vornherein nur um eine formlose Zustellung bitten. Doch ist der Zustellungsstaat hieran nicht gebunden. Vielmehr kann er statt dessen auch sogleich in den Formen des eige-

355 Dies verkennt freilich Stade NJW 1993, 184, 185, nach dessen Ansicht das deutsche Ausführungsgesetz dem Art. 5 III H Z Ü nicht die Eigenschaft als Kann-Regel zu nehmen vermag. 356

Art. 3 III dt.-belg. VereinfVereinb.; Art. 3 II dt.-dän. VereinfVereinb.; Art. 3 II dt.-franz. VereinfVereinb.; Art. 3 III dt.-niederl. Vertrag; Art. 3 III dt.-norw. VereinfVereinb. 357 Siehe insofern etwa Denkschrift zum H Z Ü BT-Drucks. 7 / 4892 S. 44; a.A. noch v. Normann S. 73: Schutz der Interessen des ersuchten Staates. 358

Im einzelnen zur formlosen Zustellung siehe oben § 9 I 1 b.

136

1. Teil: Grundlagen

nen Rechts die Zustellung durchführen. 359 Dies führt freilich dazu, daß Ersuchen an solche Staaten stets den besonderen Erfordernissen einer förmlichen Zustellung genügen müssen, insbesondere also regelmäßig von einer Übersetzung begleitet sein müssen.360 Das HZÜ hat jedoch das Verhältnis von förmlicher und formloser Zustellung verkehrt. Stand noch im Rahmen der beiden Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954 die formlose Zustellung im Vordergrund, so wird nunmehr im Rahmen des HZÜ die förmliche Zustellung zum Normalfall. 361 Sofern die Behörden des ersuchten Staates nicht aktiv Zustellungshilfe leisten, sondern die Zustellung unmittelbar durch die diplomatischen und konsularischen Vertreter des ersuchenden Staates bewirkt werden soll, kann auch dies nur in formloser Weise und damit insbesondere ohne Zwang erfolgen, Art. 8 I HZÜ.

IV. Art. 15 und 16 HZÜ Die Gefahren, die die remise au parquet für den sich im Ausland aufhaltenden Beklagten mit sich bringt, wurden oben schon ausführlich dargestellt. 362 Sie bestehen im besonderen darin, daß die maßgeblichen Fristen aufgrund der fiktiven Inlandszustellung bei der Staatsanwaltschaft zu laufen beginnen, bevor der Adressat überhaupt von dem gegen ihn rechtshängigen Prozeß erfahren konnte. Die Folge hiervon ist häufig ein gegen den Beklagten erlassenes Versäumnisurteil. Diese aus internationaler Sicht unbefriedigende Lage könnte leicht dadurch gelöst werden, daß die Staaten sich im vertraglichen Zustellungsverkehr untereinander verpflichten, nur noch im Wege der effektiven Auslandszustellung nach dem deutschen Vorbild des § 199 ZPO zuzustellen. Ein solches Abkommen wäre jedoch für die dem System der remise au parquet anhängenden Staaten gänzlich unannehmbar. Es widerspräche der in diesen Staaten vorherrschenden grundsätzlichen Wertung, daß die Interessen des Klägers besser zu schützen

359 So etwa die US-amerikanische Praxis, vgl. Bericht des Ständigen Büros der Haager Konferenz zur Expertenkommission, Int.Leg.Mat. 1978, 319, 323; Practical Handbook S. 36 f. Auch das portugiesische Recht kennt keine formlose Zustellung, Practical Handbook S. 94. 360

Ständiges Büro der Haager Konferenz ebenda.

361

Hollmann RIW 1982, 784, 790; Denkschrift zum HZÜ BT-Drucks. 7 / 4892 S. 43 f.; a.A. Pfennig NJW 1989, 2171, 2173, der nach wie vor die formlose Zustellung für vorrangig hält. 362

Siehe oben § 8 III.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

137

seien als dies nach dem deutschen System der effektiven Auslandszustellung möglich ist. Viel schwerer würde aber wiegen, daß die remise au parquet in den Rechtsordungen dieser Länder ein fester Bestandteil eines in sich geschlossenen Prozeßrechtssystems ist, das aufgebrochen und zerstört würde. 363 Mithin galt es im Rahmen der das HZÜ vorbereitenden 10. Haager Konferenz einen Weg zu schaffen, der zum einen die nationalen Zustellungssysteme, insbesondere das der remise au parquet, unberührt ließ, zum anderen aber den Beklagten wirksam gegen die Gefahren der remise au parquet schützen konnte. Ein solcher Weg wurde mit den Art. 15 und 16 HZÜ gefunden. Diese beiden Normen stellen neben der Einführung der Zustellung über die Zentrale Behörde wohl das Kernstück des HZÜ dar. 364

1. Art. 15 I HZÜ Gemäß Art. 15 I HZÜ muß der Prozeßrichter das Verfahren aussetzen, wenn das das Verfahren einleitende Schriftstück in das Ausland zu übermitteln war und der Beklagte sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat. 365 Das Verfahren bleibt so lange ausgesetzt, bis festgestellt ist, daß der Beklagte von dem gegen ihn angestrengten Verfahren so rechtzeitig Kenntnis erhalten hat, daß er sich verteidigen konnte. Das zuzustellende Schriftstück muß ihm dabei in Übereinstimmung mit dem Recht seines Aufenthaltsstaates oder in einer anderen vom HZÜ zugelassenen Form zugegangen sein. Letzterenfalls muß das Schriftstück dem Beklagten darüber hinaus selbst oder aber in seiner Wohnung übergeben worden sein. Dies führt freilich dazu, daß kaum mehr Ersatzzustellungen möglich sind, sofern die Zustellung gemäß Art. 5 I lit. b HZÜ nach dem Recht des ersuchenden Staates erfolgen sollte. Unzutreffend ist wohl die von Mezger vertretene Ansicht 366 , wonach es für Art. 15 I lit. b HZÜ ungeachtet der dabei verwendeten Übermittlungs- und Zustellungsformen allein darauf ankommt, daß das zuzustellende Schriftstück dem Beklagten selbst oder in seiner Wohnung tatsächlich übergeben wurde. Das

363 Dies befürchtet der niederländische Delegierte Loeff in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 169; siehe auch Braun S. 106. 364

Ferreira

in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 254.

365

Unbeachtlich ist hingegen die Säumnis in einem späteren als dem ersten Termin. Art. 15 H Z Ü schützt insoweit nicht. 366

IPRax 1982, 30, 32.

138

1. Teil: Grundlagen

hieße in der Praxis, daß der Richter das Verfahren nicht nach Art. 15 I lit. b HZÜ auszusetzen hätte, wenn der Beweis erbracht werden kann, daß das zuzustellende Schriftstück dem Beklagten — gleich auf welchem Übermittlungswege auch immer — tatsächlich und rechtzeitig übergeben worden ist. Diese Ansicht stellt ohne Rücksicht auf den Übermittlungsweg und die Übermittlungsform lediglich auf die tatsächliche und rechtzeitige Kenntnisverschaffung und damit allein auf den reinen Übermittlungszwc/: ab. Sie ist aber mit dem eindeutigen Wortlaut des Art. 15 I lit. b HZÜ nicht vereinbar. Art. 15 I lit. b HZÜ verlangt vielmehr zusätzlich zur tatsächlichen Übergabe an den Beklagten selbst oder in dessen Wohnung eine Übergabe „nach einem anderen [sc. als lit. a] in diesem Übereinkommen vorgesehenen VerfahrenSolche anderen Verfahren sind neben der Zustellung in einer besonderen Form gemäß Art. 5 I lit. b HZÜ etwa die Zustellung über den direkten konsularischen Weg oder die — in Deutschland freilich nicht zugelassene — Zustellung durch die Post. 367 Die von Mezger 368 vertretene Meinung steht zwar in Übereinstimmung mit der von dem französischen Delegierten Bellet 369 geäußerten Ansicht, daß „le contexte de Γ article 13, paragraphe 2 3 7 0 , permet au juge de statuter quand il possède les preuves que le défendeur a été touché, sans qu 'il importe de constater si les formes solennelles ont été suivies Doch dürfte auch diese Äußerung vor dem Hintergrund des klaren Wortlautes des Art. 15 I lit. b HZÜ nicht haltbar sein. Dies ergibt sich m.E. um so mehr zwingend aus dem Scheitern eines entsprechenden, während der Vorbereitung des HZÜ eingebrachten belgischen Vorschlages: Nach diesem Vorschlag sollte es für Art. 13 Nr. 2 Avant-Projet, auf den Art. 15 I lit. b HZÜ zurückgeht, ausreichen, daß der Beklagte durch die Zustellung in die Lage versetzt wird, sich zu verteidigen. 371 Der durch diese Zurückweisung klar zum Ausdruck gebrachte Wille des Konventionsgebers bestätigt die hier vertretene Auslegung des Art. 15 I lit. b HZÜ, nach der es nicht nur auf den Nachweis einer tatsächlichen Übergabe des zuzustellenden Schrift-

367

Ferreira,

368

IPRax 1982, 30, 32.

369

Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 259.

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 95.

370

Art. 13 Nr. 2 Avant-Projet, der Vorgänger des heutigen Art. 15 I lit. b HZÜ. Diese Bestimmung lautete: ... le juge doit surseoir à statuter aussi longtemps qu'il n'est pas établi : ... 2. Que l'acte a été effectivement remis au défendeur ou à sa demeure par un autre procédé qui , bien que n'utilisant pas lesdites formes [sc. diejenigen der Nr.l, d.h. die Formen des Zustellungsstaates], est prévu par la Convention. Das Avant-Projet ist abgedruckt in: Actes et Documents III S. 65 ff. 371

Berichtet von Ferreira,

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 95.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

139

stiicks beim Adressaten ankommt. Vielmehr hat auch die von Art. 15 I lit. b HZÜ erfaßte Zustellung die Wege und Formen des HZÜ zu beachten.372 Mit Art. 15 I HZÜ hat der Konventionsgeber des HZÜ denselben Weg beschritten wie später der französische Gesetzgeber mit Art. 687 NCPC. 373 Art. 687 NCPC orientiert sich dabei stark an Art. 15 1 HZÜ. 3 7 4 Gleichwohl ist Art. 15 I HZÜ anders als der heutige Art. 687 NCPC als Muß Vorschrift ausgestaltet.375 Der große Schwachpunkt sowohl des Art. 15 I HZÜ als auch des gesamten HZÜ ist, daß das Abkommen (entsprechend der nicht authentischen deutschen Übersetzung 376) nur dann zur Anwendung kommt, wenn ein Schriftstück (bei Art. 15 I HZÜ das verfahrenseinleitende oder ein entsprechendes Schriftstück) zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. 377 Die Schwäche des Abkommens liegt also darin, daß das HZÜ nicht selbst bestimmt, wann ein Schriftstück in das Ausland zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. Diese Entscheidung bleibt deshalb weiter der nationalen Gesetzgebung der Vertragsstaaten vorbehalten. 378 Vor diesem Hintergrund ist jedoch fraglich, wie Art. 15 I HZÜ gegen die remise au parquet schützen soll, bei der die Zustellung bereits mit der Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks bei der Staatsanwaltschaft des Gerichtsstaates bewirkt ist. Denn auf diese Weise wird bereits im Inland zugestellt, so daß kein Schriftstück mehr ins Ausland zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. Dieses Problem sahen auch die Mitglieder der 10. Haager Konferenz. Die Konferenz beschloß deshalb, in den französischen Text kumulativ die Worte signifier und notifier aufzunehmen. 379 Dabei erfaßt die signification die

372

Ebenso Droz RCDIP 1982, 565, 567 f.; unklar Cour de Cassation RCDIP 1982, 564.

373

Dazu siehe ausführlich oben § 8 III.

374

Vorläufer des Art. 687 NCPC war im französischen Recht Art. 1033-3 anc. CPC. Ausführlich dazu Karen Ilka Mössle S. 198 f. 375 Auch Art. 1033-3 anc. CPC, der Vorläufer des Art. 687 NCPC, war als Mußvorschrift ausgestaltet. 376

Authentisch sind nur die gleichberechtigten englischen und französischen Fassungen, siehe die Schlußklausel nach Art. 31 HZÜ. 377

Ferreira,

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 95.

378

Ferreira,

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 81.

379 Ferreira, Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 366. Siehe auch die Diskussion im Rahmen des Procès-Verbal N° 3, ebenda S. 165 ff. Demgegenüber spricht die englische Textfassung des HZÜ nur von service.

140

1. Teil: Grundlagen

Zustellung durch den Huissier , wohingegen die notification auch im Ausland vorzunehmende bloße Mitteilungen meint. 380 Erklärtes Ziel dieser doppelten Formulierung war es, die Anwendung des HZÜ nicht an der jeweiligen Qualifikation der Zustellung in den nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten scheitern zu lassen.381 Das HZÜ sollte vielmehr einen weiten Anwendungsbereich haben, der ihm zumindest in den Ländern der remise au parquet durch die ausschließliche Verwendung des Wortes signifier versperrt gewesen wäre. 382 Auch wenn noch bei der Lektüre der französischen Textfassung bei einer strengen Wortlautinterpretation Zweifel bestehen können, ob die remise au parquet nun unter das Abkommen fällt oder nicht 383 , so ergibt doch eine historische Auslegung, daß die Verfasser des HZÜ eindeutig auch die remise au parquet mit der Konvention erfassen wollten. 384 So stellt etwa der niederländische Delegierte Loeff fest, daß nach seiner Ansicht kein Zweifel bestehe, daß die niederländische remise au parquet unter das Abkommen fällt („aucun doute à cet égard" 385 ). Zu diesem Ergebnis führt auch ein Vergleich mit dem Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß von 1954. Dieses Abkommen verwendet in der Überschrift seines ersten Abschnitts statt der Termini signification und notification den neutralen Ausdruck communication. Hierdurch sollten auch die Mitteilungen der remise au parquet erfaßt werden. 386 Vor dem Hintergrund, daß das HZÜ effektiver als das Haager Zivilprozeßübereinkommen gegen die remise au parquet schützen will, erscheint es widersinnig, gerade insoweit die Mitteilungen der remise au parquet aus dem Anwendungsbereich des HZÜ auszunehmen.387 Dem entspricht auch die Interpretation des Ständi-

380

Nagel, Rechtshilfe, S. 93 f.; Geimer IZPR Rz. 2093, 2177; Pfeil-Kammerer S. 102; siehe auch Ferreira, Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 366. 381

S. 39; Braun

Jenard in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 159; v. Reephinghen, ebenda S. 166 f.

382

Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 78; ders., Rapport explicatif, ebenda S. 155. 383

Dies räumt auch Ferreira,

Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 367 ein.

384

Ferreira, Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 367; vgl. im übrigen die eindeutigen Stellungnahmen der Delegierten Bellet (Frankreich), Procès-Verbal, ebenda S. 160 und 254 und Loeff (Niederlande), Procès-Verbal, ebenda S. 167 und 169. 385

Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 167.

386

Bülow / Böckstiegel S. 100.11; ähnlich zur deutsch-französischen Vereinfachungsvereinbarung, die ebenfalls den Ausdruck communication verwendet, F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 162. 387 So aber scheinbar die insofern unverständlichen Ausführungen von Dubois IPRax 1988, 85, 86 (vor Gliederungspunkt 2).

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

141

gen Büros der Haager Konferenz 388 : „Consequently the Convention is to be applied (its methods of transmission are to be applied, as well as the guarantees provided for by the Convention) even where the internal law of a Contracting State permits service of process to be made on a foreign defendant by giving notice of proceedings à parquet [eigene Hervorhebung]." Diese Auslegung wird auch durch eine telelogische Interpretation gestützt. Wenn Art. 15 I HZÜ erklärtermaßen gegen die Folgen der remise au parquet schützen will, so ist dies nur möglich, wenn diese auch in den Anwendungsbereich des HZÜ fällt. Damit müssen auch die im Verfahren der remise au parquet ins Ausland zu übermittelnden Kopien des bei der Staatsanwaltschaft zugestellten Schreibens als acte judiciaire ou extrajudiciaire , [qui] doit être transmis à l'étranger pour y être signifié ou notifié aufgefaßt werden. Nur dann ist gemäß Art. 1 I HZÜ das Abkommen — und damit auch Art. 15 I HZÜ — anwendbar. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Willen der 10. Haager Konferenz, wonach Art. 1 I HZÜ und Art. 15 I HZÜ den gleichen sachlichen Anwendungsbereich haben sollen. 389 Aus diesem Grunde trägt auch die von Schack390 bemühte grammatikalische Auslegung des französischen Konventionstextes nicht. 391 Schack 392 will aus der abweichenden Formulierung des vorstehend in der fraglichen Passage wiedergegebenen Art. 1 I HZÜ (insb.: „transmis à l'étranger pour y (!) être signifié ou notifié") folgern, daß die im Rahmen der remise au parquet zu übermittelnden Benachrichtigungen über die bei der Staatsanwaltschaft bewirkte Zustellung keine solchen im Sinne des Art. 1 I HZÜ sind. Demgegenüber sollen die gleichen Benachrichtigungen unter Art. 15 I HZÜ fallen. Schack folgert dies aus der von Art. 1 I HZÜ abweichenden französischen Formulierung des Art. 15 I („a du être transmis à l'étranger aux fins de signification ou de notification") 393 . Abgesehen davon, daß diese subtile grammatikalische Auslegung an sich schon kaum zwingend ist, kann ihr vor allem vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nicht gefolgt werden. Nach dem historischen Willen der Haager Konferenz haben Art. 1 I und Art. 15 I wie gesehen den gleichen sachlichen Anwendungsbereich. Sofern

388

Practical Handbook S. 26.

389

So ausdrücklich der schwedische Delegierte Essén in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 255. 390

IZVR Rz. 610 f.

391

Ebenso wie Schack nunmehr Braun S. 105.

392

IZVR Rz. 610.

393

IZVR Rz. 611.

142

1. Teil: Grundlagen

mit Schack tatsächlich zwischen beiden Normen nach grammatikalischer Interpretation ein Unterschied festgestellt werden sollte — was nach der hier vertretenen Meinung schon bezweifelt wird —, so ist dieser Unterschied zufälliger Natur. Er wird von dem für die einheitliche Auslegung bedeutsamen394 historischen Willen der Schöpfer des HZÜ widerlegt. 395 Vor allem spricht aber gegen die von Schack vertretene Ansicht ein logisches Argument: Art. 15 I HZÜ kann nicht zur Anwendung kommen, wenn das HZÜ als Ganzes schon gemäß Art. 1 I HZÜ nicht anwendbar ist. Dies wäre der Fall, wenn die nach der durchgeführten remise au parquet zu übermittelnden Benachrichtigungen — mit Schack — keine solchen im Sinne des Art. 1 I HZÜ wären. Art. 15 I HZÜ könnte mithin gar nicht effektiv gegen die Gefahren der remise au parquet schützen.396 Ein solches Ergebnis steht in offenem Widerspruch zum erklärten Willen der 10. Haager Konferenz. 397 Es bleibt deshalb festzuhalten, daß die nach den meisten der remise au parquet folgenden Rechten an den Beklagten zu übermittelnden Benachrichtigungen über die zuvor bei der Staatsanwaltschaft bewirkte Zustellung Schriftstücke im Sinne von Art. 1 I HZÜ und Art. 15 I HZÜ sind. 398 Anders liefe das HZÜ einschließlich seiner Schutzvorschrift des Art. 15 I HZÜ im Hinblick auf die remise au parquet völlig leer. 399 Die vorstehend dargestellten Unklarheiten wären m.E. leicht vermeidbar gewesen, wenn die deutsche Übersetzung dem authentischen französischen Text gefolgt wäre und neben dem Wort Zustellung (signification) das Wort Mitteilung (notification) in den deutschen Text übernommen hätte. Ein Vorbild hätte insoweit die am 30.8.1962 getroffene deutsch-niederländische Vereinfachungsvereinbarung zum Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 400 sein können, die stets von „ Z u s t e l l u n g (Mitteilung)" spricht.

394 Zur besonderen Bedeutung des historischen Willens des Konventionsgebers Kropholler, EinheitsR, S. 252 f. und 275; Malintoppi, Unidroit 1959, 249, 261 ff.; siehe auch Art. 32 WVK. 395

Ebenso Otto S. 114.

396

So aber Dubois IPRax 1988, 85, 86.

397 Vgl. etwa die Äußerung des Generalsekretärs der Haager Konferenz, van Hoogstraten, in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 169. 398

SU/H.Roth

§ 199 Rz. 30; Klaus P. Mössle S. 236 Fn. 216.

399

Ähnlich Ferreira, Rapport Commission Spéciale, Actes et Documents III S. 81: Das HZÜ soll danach anwendbar sein, „...lorsque [la] loi interne prévoit une notification, ou au moins une transmission de l'acte à l'étranger [eigene Hervorhebung]." Ebenso Rauscher IPRax 1991, 155, 158; Stürner FS Nagel S. 446, 450; StJ / H.Roth § 199 Rz. 30. 400

BGBl. 1964 II 468.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

143

Danach gilt für Zustellungen aus solchen Vertragsstaaten des HZÜ, die dem System der remise au parquet folgen, das folgende: Das HZÜ beeinträchtigt nicht die Möglichkeit einer fiktiven Zustellung bei der Staatsanwaltschaft im Gerichtsstaat. 401 Damit beginnen auch im Geltungsbereich des HZÜ die einschlägigen Fristen des nationalen Rechts des Gerichtsstaates mit der remise au parquet zu laufen. 402 Das HZÜ erlangt erst in dem Augenblick Bedeutung, in dem der Beklagte nach dem Recht des Gerichtsstaates von der bereits bewirkten Zustellung zu benachrichtigen ist 403 : So sieht etwa das französische Recht in Art. 685 Π NCPC die Übermittlung einer Kopie des bei der Staatsanwaltschaft zugestellten Schriftstücks auf dem Wege der internationalen Rechtshilfe vor. Im Verhältnis zu Deutschland ist damit insoweit der Weg über das HZÜ einschließlich des deutsch-französischen Vereinfachungsabkommens zum Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 zu beschreiten. Die Benachrichtigung ist danach von der französischen Staatsanwaltschaft an den Präsidenten des Landgerichts oder Amtsgerichts, in dessen Bezirk sich der Empfänger aufhält, zu übermitteln (vgl. Art. 1 I Nr. 1 dt.-franz. VereinfVereinb). Dabei sind die im HZÜ vorgeschriebenen Formen einzuhalten. Insbesondere ist gemäß Art. 5 I I I HZÜ eine Übersetzung beizufügen, sofern die Benachrichtigung in der Bundesrepublik Deutschland förmlich zugestellt werden soll. Mangels beigefügter Übersetzung ist diese gemäß Art. 3 I I der dt.-franz. VereinfVereinb von den deutschen Behörden zu besorgen. Die deutschen Behörden stellen die Benachrichtigung anschließend gemäß Art. 5 I und I I HZÜ zu. 404 Bis zur Abschaffung der remise au parquet für den vertraglichen Rechtsverkehr (durch die Änderung des Art. 142 I I I ital. CPC im Jahre 1981 405 ) galt ähnliches auch für die im Rechtshilfewege zu übermittelnde Benachrichtigung im Verhältnis von Italien zu Deutschland. Unsicherheiten bestehen jedoch bezüglich der z.B. nach französischem Recht 406 als Benachrichtigung zu übermittelnden zweiten Kopie des bei der Staatsanwaltschaft zugestellten Schriftstücks. Nach dem autonomen französi-

401

Otto S.115; anders wohl Hay AmJCompL 16 (1968) 149, 167, 173; Fallon J.T. 1984, 23, 26.

402

Ferreira,

Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 365.

403

Wie hier: P. Schlosser FS Matscher S. 387, 397; Mezger IPRax 1982, 30, 32; Stiirner JZ 1992, 325, 329. 404

Zu diesem Verfahren Monin-Hersant / Nicod Clunet 1989, 969, 971 f.

405

Dazu Stürner FS Nagel 446, 450; ders. JZ 1992, 325, 329 Fn. 34.

406

Art. 686 NCPC.

144

1. Teil: Grundlagen

sehen Prozeßrecht ist diese zweite Benachrichtigung dem Beklagten auf dem Postwege per Einschreiben (nach Art. 686 NCPC mit Rückschein) zu übersenden. Dies bereitet im Hinblick auf das HZÜ dann wenig Probleme, wenn der Aufenthaltsstaat des Beklagten gemäß Art. 10 lit. a HZÜ die postalische Zustellung in seinem Gebiet zugelassen hat. Demgegenüber entstehen dann Schwierigkeiten, wenn der Beklagte sich in einem Vertragsstaat des HZÜ aufhält, der wie die Bundesrepublik Deutschland der postalischen Zustellung nach Art. 10 lit. a HZÜ widersprochen hat. Darüber hinaus ist fraglich, ob diesem zweiten Benachrichtigungsschreiben ebenfalls eine Übersetzung gemäß Art. 5 I I I HZÜ beizufügen ist. 407 M.E. ist insoweit zu differenzieren, ob die postalische Benachrichtigung nach dem Recht des Gerichtsstaates neben einer solchen über den Rechtshilfeweg steht oder die alleinige Benachrichtigungsart darstellt. Steht die postalische Benachrichtigung nach dem Recht des Gerichtsstaates neben einer solchen über den Rechtshilfeweg, so ist m.E. das HZÜ auf diese zusätzliche postalische Benachrichtigung nicht anwendbar. 408 Es wäre also sowohl entgegen dem deutschen Widerspruch zu Art. 10 lit. a HZÜ eine postalische Übermittlung als auch ein Verzicht auf eine Übersetzung gemäß Art. 5 I I I HZÜ iVm § 3 des deutschen Ausführungsgesetzes möglich. Insbesondere hat der Absendestaat seiner aus dem HZÜ entspringenden Pflicht schon durch die gleichzeitig vorgenommene Übermittlung auf dem Rechtshilfeweg entsprochen. Die postalische Mitteilung stellt gleichsam nur einen freiwilligen Zusatz zum Schutz des Beklagten dar. 409 Er liegt allein im Interesse des Beklagten. Forderte der Zustellungsstaat insoweit ebenfalls eine Zustellung über das HZÜ, so läge hierin nicht nur eine sinnlose Verdoppelung des ohnehin schon beschrittenen Rechtshilfeweges, sondern auch ein eklatanter Nachteil für den Beklagten, dem mit einer solchen Forderung des Empfängerstaates gewissermaßen „Steine statt Brot" gegeben würden. Denn die postalische Übermittlung ist regelmäßig schneller als diejenige über den Rechtshilfeweg. Im Hinblick auf das Übersetzungserfordernis ist der Beklagte bei einer zusätzlichen postalischen Mitteilung zudem ausreichend durch die nachfolgende Benachrichtigung über den Rechtshilfeweg geschützt,

407

So Schumacher IPRax 1985, 265, 276; ähnlich, jedoch im Ergebnis offen lassend, OLG Koblenz IPRax 1988, 97, 98; a.A. etwa Nagel IPRax 1992, 150, 151; Schack IZVR Rz. 610; OLG Oldenburg IPRax 1992, 169. 408

Ebenso Stürner JZ 1992, 325, 329 mwN; P. Schlosser FS Matscher S. 387, 397; so auch die französische Praxis, siehe etwa bei Monin-Hersant J.C1. Droit International Fase. 589-B-l S. 3. 409 Monin-Hersant J.C1. Droit International Fase. 589-B-l S. 4 spricht insofern zu Recht von einer „chance supplémentaire d'être touché" für den Beklagten.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

145

da dieser eine Übersetzung beigefügt ist. Dem entspricht auch die Haltung der Expertenkommission auf der 14. Session der Haager Konferenz 410 , wonach eine postalische Mitteilung / Zustellung auch von den Staaten, die einen Vorbehalt gegen Art. 10 lit. a HZÜ erklärt haben, nicht beanstandet werden sollte, wenn daneben eine förmliche Zustellung auf dem Rechtshilfewege stattfindet. Auch begegnet die postalische Benachrichtigung keinen aus der staatlichen Souveränität des Empfängerstaates resultierenden Bedenken.411 Trotz aller hieran im Inland geknüpften Folgen 412 handelt es sich lediglich um eine reine Benachrichtigung über die im Inland bewirkte Zustellung bei der Staatsanwaltschaft. 413 Dieser Inlandsbezug wird dadurch untermauert, daß nach französischem Recht, das sogar zwingend eine Absendung der postalischen Benachrichtigung verlangt, für die Wirksamkeit der remise au parquet unerheblich ist, ob das Schreiben überhaupt Frankreich verläßt oder schon in Frankreich auf dem Postwege verlorengeht. Allerdings wird dem entgegengehalten, daß bei der Entstehung des HZÜ die remise au parquet in Verbindung mit einer zusätzlichen postalischen Mitteilung noch nicht bekannt war, so daß die damit verbundene Problematik nicht vom HZÜ hätte berücksichtigt werden können. 414 Doch trägt auch dieser Einwand nicht. Richtig ist zwar, daß Frankreich erst nach den Verhandlungen zum HZÜ die zusätzliche postalische Mitteilung eingeführt hat. 415 Doch war eine solche doppelte Mitteilungsform schon lange vor den Verhandlungen zum HZÜ in Italien bekannt (Art. 142 CPC). 416 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das autonome Recht eines Vertragsstaates nach durchgeführter remise au parquet lediglich eine postalische Übermittlung vorschreibt. Zwar käme es hierdurch nach der hier vertretenen Auffassung nicht zu einem Eingriff in die staatliche Souveränität des Empfangerstaates. Doch stellt die Benachrichtigung ein Schriftstück im Sinne des Art. 1

4,0

Actes et Documents 1980 II S. 371; dazu auch Karen Ilka Mössle S. 157.

411

A.A. Karen Ilka Mössle S. 199 ff.

412

Karen Ilka Mössle S. 200, weist insofern auf den Fristbeginn sowie auf die Nichtigkeitsfolge bei unterlassener postalischer Mitteilung hin. 413

Siehe die deutsche Denkschrift zum H Z Ü in: BT-Drucks. 7 / 4892 S. 40.

4,4

Karen Ilka Mössle S. 202.

415

Art. 1033-3 anc. CPC, eingefügt durch Dekret N° 65-1006 vom 26.11.1965.

416

Wie sich aus Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 75 a.E. ergibt, hatten die Schöpfer des HZÜ neben der niederländischen und französischen remise au parquet auch deren griechische, belgische und italienische Form vor Augen. 10 Kondrini:

146

1. Teil: Grundlagen

I HZÜ dar 417 , die den Vorschriften des HZÜ unterworfen ist. Dies gilt allein dann nicht, wenn die Benachrichtigung zusätzlich zu einer über den Rechtshilfeweg vorgenommenen Benachrichtigung durchgeführt wurde. Das HZÜ verdrängt damit für den Fall, daß vom autonomen Prozeßrecht des Gerichtsstaates nur eine postalische Benachrichtigung über die bewirkte remise au parquet vorgesehen ist, die inländischen Vorschriften über eine postalische Benachrichtigung zugunsten einer Benachrichtigung über den Rechtshilfeweg. Soweit ersichtlich, wird der Beklagte heute jedoch in fast allen der dem System der remise au parquet folgenden Vertragsstaaten des HZÜ nicht mehr ausschließlich über den Postweg benachrichtigt. 418 Etwas anderes gilt allein für Belgien, das in Art. 40 I CJ grundsätzlich allein eine postalische Benachrichtigung vorsieht, ohne gleichzeitig eine Zustellung / Mitteilung über den Rechtshilfeweg zu verlangen. 419 Existiert allerdings zwischen Belgien und einem ausländischen Staat ein vertraglicher Rechtshilfeverkehr nach dem HZÜ, so wird die Mitteilung von belgischer Seite abweichend von Art. 40 I CJ über den vertraglichen Rechtshilfeweg übersandt 420, so daß insoweit die hier vertretene Auffassung ihre Bestätigung findet. Ergebnis dieses Verständnisses von Art. 15 I HZÜ ist heute ein weitgehender Schutz des Beklagten vor der Zustellung durch die remise au parquet. Insbesondere verhindert Art. 15 I HZÜ in vielen Fällen, daß das Verfahren gegen den Beklagten weiterläuft, wenn dieser noch keine Kenntnis von dem gegen ihn aufgrund der remise au parquet im Ausland bereits rechtshängigen Prozeß hat und aus diesem Grunde nicht in der Verhandlung erschienen ist. Für den Schutz eines deutschen Beklagten vor einer französischen remise au parquet bedeutet das: Die Zustellung ist mit der Niederlegung des Schriftstücks und einer gemäß Art. 686 NCPC vom Huissier abgesandten postalischen Mitteilung über die Zustellung bei der Staatsanwaltschaft als wirksam bewirkt anzusehen. Darauf, daß die postalische Mitteilung ihren Adressaten erreicht, kommt es jedoch grundsätzlich weder nach autonomem französischem Prozeßrecht noch nach dem HZÜ an.

417

Nagel, Rechtshilfe, S. 94.

418

Siehe Art. 685 II, 686 franz. NCPC (dazu Monin-Hersant / Nicod Clunet 1989, 969, 970 ff.); Art. 142 ital. CPC; Art. 134 III griech. ZPG; zum niederländischen Recht siehe Schaper / Smit in: Smit, Co-operation, S. 382, 385. 419

Zutreffend Wiehe S. 61.

420

Vgl. Moons RIW 1989, 903, 904 ff.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

147

Neben dieser postalischen Mitteilung wird jedoch eine weitere Mitteilung gemäß Art. 685 I I NCPC auf dem Rechtshilfewege im Rahmen des HZÜ von der französischen Staatsanwaltschaft übermittelt. Der Staatsanwalt kann zu diesem Zweck die deutschen Behörden gemäß Art. 11, 24 HZÜ iVm Art. 1 I der deutsch-französische Zusatzvereinbarung im unmittelbaren Behördenverkehr um die Weiterleitung der Mitteilung an den Adressaten ersuchen. Derweil ruht der französische Prozeß gemäß Art. 15 1 HZÜ. Die deutschen Behörden führen im Anschluß an das Ersuchen die Mitteilung entweder gemäß Art. 5 I lit. a HZÜ entsprechend den deutschen Zustellungsvorschriften, gemäß Art. 5 I lit. b HZÜ in einer besonders gewünschten Form oder gemäß Art. 5 I I HZÜ formlos durch. Der Prozeß kann bei Säumnis des Beklagten gemäß Art. 15 I HZÜ nur dann weiter fortgeführt werden 421 , wenn die deutschen Behörden gemäß Art. 6 HZÜ bescheinigen, daß sie die Mitteilung rechtzeitig entsprechend den deutschen Vorschriften (Art. 15 I lit. a HZÜ) oder formlos (Art. 15 I lit. b HZÜ) oder in einer besonders gewünschten Form (Art. 15 I lit. b HZÜ) ausgeführt haben. Eine Zustellung nach deutschem Recht gemäß Art. 15 I lit. a HZÜ ist aus deutscher Sicht ausschließlich bei Einschaltung deutscher Stellen möglich. Ist die remise au parquet statt nach deutschem Recht formlos oder in einer besonders gewünschten Form mitgeteilt worden, so muß die Mitteilung gemäß Art. 15 I lit. b HZÜ unmittelbar dem Beklagten selbst 422 oder in dessen Wohnung übergeben worden sein. Statt der beschriebenen aktiven deutschen Rechtshilfe kann sich der französische Staatsanwalt auch der passiven deutschen Hilfe bedienen und die Mitteilung unmittelbar durch einen französischen Konsul vornehmen lassen, wenn der Empfänger französischer Staatsangehöriger ist. 423 Bei der unmittelbaren Zustellung durch den Konsul handelt es sich um eine Zustellung im Sinne des Art. 15 I lit. b HZÜ. 4 2 4 Im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland erschöpfen sich damit die Übersendungswege für die von der Staatsanwaltschaft gemäß Art. 685 Π NCPC im Rechtshilfewege zu übermittelnde Mitteilung. Wegen des deutschen Wider-

421 Zum Erfordernis eines Nachweises durch Zustellungszeugnis: Arg. e cont. Art. 15 II 1. HS: „... wenn ein Zeugnis über die Zustellung oder die Übergabe nicht eingegangen ist ..." A.A. Linke IZPR Rz. 237: Feststellung nicht auf förmlichen Zustellungsnachweis beschränkt. 422

Für die formlose Zustellung selbstverständlich.

423

Monin-Hersant / Nicod Clunet 1989, 969, 972.

424

Ferreira,

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 95.

148

1. Teil: Grundlagen

spruchs ist insbesondere keine ausschließliche Mitteilung gemäß Art. 10 HZÜ möglich. Bleibt eine Bescheinigung der ersuchten deutschen Behörden oder des Konsuls über die auf dem Rechtshilfewege ausgeführte Mitteilung aus, so kann der Prozeß gemäß Art. 15 I HZÜ nicht fortgeführt werden. Das gilt selbst dann, wenn die vom Huissier abgesandte postalische Mitteilung aufgrund des beigefügten und zurückgesandten Rückscheins sicher den Adressaten erreicht hat. Umgekehrt sperrt Art. 15 I HZÜ eine Fortführung des Prozesses dann nicht, wenn zwar ein Zustellungszeugnis der von der Staatsanwaltschaft ersuchten Behörde vorhanden ist, jedoch der Rückschein der vom Huissier gemäß Art. 686 NCPC abgesandten postalischen Mitteilung ausbleibt. Sofern mithin nicht durch Zeugnis 425 nachgewiesen ist, daß der deutsche Beklagte entsprechend den deutschen Vorstellungen von dem gegen ihn in Frankreich rechtshängigen Verfahren Kenntnis erlangt hat, kann der Prozeß gemäß Art. 15 I HZÜ auch dann nicht fortgeführt werden, wenn die remise au parquet entsprechend dem französischen Forumsrecht voll wirksam war. 426 Auch wenn die Aussetzungspflicht die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nach französischem Recht nicht berührt 427 , so ist der deutsche Beklagte doch vor den Folgen der remise au parquet geschützt. Art. 15 I HZÜ bietet jedoch nicht in jedem Fall eine vollständige Sicherheit gegen die remise au parquet. Der Schutz des Art. 15 I HZÜ wirkt nämlich nur so lange, wie nach dem autonomen Prozeßrecht der remise-au-parquet-Staaten der Beklagte von der Zustellung bei der Staatsanwaltschaft zu benachrichtigen ist. Verzichtet eine Rechtsordnung auf eine solche Benachrichtigung, so vermag Art. 15 I HZÜ mangels Anwendbarkeit des HZÜ nicht gegen die bei der Staatsanwaltschaft bewirkte fiktive Zustellung zu schützen. Etwas Vergleichbares gilt im Hinblick auf das deutsche Zustellungsrecht bei der öffentlichen Zustellung

425

Jede Form des Zustellungsnachweises läßt demgegenüber Linke IZPR Rz. 237 genügen.

426

Nach französischem Recht bedarf es zur Wirksamkeit der remise au parquet außer der Niederlegung bei der Staatsanwaltschaft lediglich noch der Absendung einer postalischen Mitteilung durch den Huissier, Art. 683, 684, 686,693 NCPC. Die Übersendung einer weiteren Mitteilung durch den Staatsanwalt auf dem Rechtshilfeweg ist für die Wirksamkeit der Zustellung ohne Belang, arg. e Art. 693 NCPC. Steht aufgrund eines Rückscheins sicher fest, daß der Beklagte die postalische, nicht aber die Rechtshilfemitteilung erhalten hat, so kann der französische Richter nicht nach Art. 687 NCPC aussetzen. 427

Schack IZVR Rz. 611; a.A. F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung S. 162 f.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

149

des Art. 203 I I ZPO. Auch hier bietet das HZÜ keinen Schutz.428 Das HZÜ kann damit leicht von den Vertragsstaaten ausgehebelt und umgangen werden. Dies war jedoch der Haager Konferenz bewußt und wurde im Vertrauen auf die Vertragsparteien hingenommen.429 Schließlich gilt Art. 15 I HZÜ auch dann nicht, wenn nicht nur der Gerichtsstaat, sondern auch der Aufenthaltsstaat des Mitteilungsempfängers die Zustellung durch remise au parquet kennt. Dies folgt daraus, daß Art. 15 I HZÜ nicht stärkeren Schutz gewähren soll, als ihn der Aufenthaltsstaat selbst gewähren will. 4 3 0 Schließlich ist Art. 15 I HZÜ gemäß Art. 15 ΠΙ HZÜ auch dann nicht anwendbar, wenn der Richter in dringenden Fällen vorläufige Maßnahmen einschließlich von Sicherungsmaßnahmen anordnet. 431

2. Art. 15 I I HZÜ Art. 15 I HZÜ bietet schon von seiner Konzeption her nur einen relativen Schutz des Beklagten vor der remise au parquet. Seine Anwendung hängt wesentlich vom Willen der Vertragsstaaten ab. Eine weitere starke Einschränkung erfährt der durch Art. 15 I HZÜ erzielte Beklagtenschutz jedoch durch Art. 15 II HZÜ. Die Vorschrift stellt ein Zugeständnis an die Staaten der remise au

428

Die u.a. von Geimer IZPR Rz. 2087 mwN (daran anschließend etwa OLG Köln FamRZ 1985, 1278; Staudinger / Spellenberg §§ 606 ff. ZPO Rz. 365 a.E.) geforderte zusätzliche Übersendung einer Kopie des gemäß § 203 II ZPO fiktiv zugestellten Schriftstücks findet m.E. de lege lata in der ZPO keine Grundlage. Dies gilt auch in bezug auf Art. 103 I GG; ebenso Stf° / Schumann § 203 Rz. 12 Fn. 22 (a.A. nunmehr StJ / H.Roth § 203 Rz. 16); Schwartz S. 67. Sofern von der öffentlichen Zustellung nur zurückhaltend Gebrauch gemacht wird (zu diesem Gebot StJ 20 / Schumann § 203 Rz. 12 a.E.), kann aufgrund weitestgehender praktischer Konkordanz zwischen dem Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör und dem Recht des Klägers auf effektiven Rechtsschutz auf eine zusätzliche briefliche Benachrichtigung verzichtet werden, vgl. Schmitz S. 201; Schwartz S. 67. Unbesehen der hier vorgebrachten Bedenken stellt die zusätzlich postalische Benachrichtigung außerhalb des HZÜ aber wohl die gängige Praxis dar, sofern der Rechtshilfeverkehr ruht, Passauer FamRZ 1990, 14, 15 (ehemals ruhender Rechtshilfeverkehr mit Polen); OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 682, 683 (Rumänien). Siehe dagegen aber auch die Kritik zum Fall OLG Celle NdsRPfl 1947, 78, 80 unten § 16 II. 429

Vgl. die deutsche Stellungnahme zum Avant-Projet, Actes et Documents III S. 125.

430

Ferreira,

431

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 94.

Angewandt etwa vom Bezirksgericht Breda (Urteil vom 30.11.1984) bei summarischen Verfahren; zitiert bei Rooij S. 102. Übersehen von Maute DZWir 1993, 103, 104; wie hier SU / H.Roth § 199 Rz. 34.

150

1. Teil: Grundlagen

parquet dar 432 , da für diese Staaten das HZÜ mit einem uneingeschränkt geltenden Art. 15 I HZÜ unannehmbar gewesen wäre. 433 Nach Art. 15 I I HZÜ kann nach Ablauf einer von den Vertragsstaaten selbst festzulegenden, mindestens aber sechs Monate betragenden Frist (Art. 15 II lit. b HZÜ) eine Versäumnisentscheidung abweichend von Art. 15 I HZÜ auch dann ergehen, wenn der Zustellungsnachweis, der für den Beweis einer dem Art. 15 I lit. a und b HZÜ entsprechenden Zustellung erforderlich ist, trotz aller zumutbaren Schritte nicht beigebracht werden kann (Art. 15 I I lit. c HZÜ). Zusätzlich zu diesen Voraussetzungen regelt aber Art. 15 I I lit. a HZÜ die wohl wichtigste Bedingung zur Fortsetzung des Verfahrens. Gemäß Art. 15 I I lit. a HZÜ muß das in Frage stehende Schriftstück nach einem vom HZÜ vorgesehenen Verfahren übermittelt worden sein. Vor allem diese Bestimmung gewährleistet, daß das HZÜ einschließlich seines Art. 15 I nicht vollständig unterlaufen werden kann 434 : Das HZÜ hat bei genauer Betrachtung zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände, nämlich die Übermittlung eines Schreibens vom ersuchenden an den ersuchten Staat auf der einen Seite und die Zustellung oder Mitteilung dieses Schreibens an seinen Empfänger im ersuchten Staat auf der anderen Seite. 435 Anders als Art. 15 I HZÜ, der die Art und Weise der Zustellung oder Mitteilung einschließlich der Übermittlungswege sichern will, schützt Art. 15 Π lit. a HZÜ nur die vom HZÜ vorgeschriebenen Übermittlungswege zwischen den Staaten. Es kommt für Art. 15 I I lit. a HZÜ also nicht darauf an, daß der Beklagte eine effektive Kenntnisnahmemöglichkeit hatte, sondern nur darauf, daß die Behörden des Gerichtsstaates sich tatsächlich der vom HZÜ vorgesehenen Übermittlungswege bedienten.436 Die Bedeutung dieser Vorschrift läßt sich leicht am Beispiel des französischen Prozesses aufzeigen: Nach autonomem französischem Prozeßrecht ist neben der Zustellung bei der Staatsanwaltschaft (Art. 683, 684 NCPC) eine Benachrichtigung des Beklagten erforderlich. Diese Benachrichtigung muß nach französischem Recht kumulativ auf zwei verschiedenen Wegen übersandt werden: Zum einen muß der Huissier gemäß Art. 686 NCPC die Benachrichtigung per einge-

432 Vgl. den Beitrag des deutschen Delegierten Arnold in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 260. 433

So der französische Delegierte Bellet in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 262.

434

Ähnlich der irische Delegierte Terry in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 269.

435

Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 78; ders., Rapport explicatif, ebenda S. 366. 436

Bellet in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 260; wohl verkannt von Wiehe S. 136.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

151

schriebenem Brief (mit Rückschein) dem Beklagten direkt übermitteln. Zum anderen muß die Staatsanwaltschaft gemäß Art. 685 Π NCPC für eine Übermittlung der Benachrichtigung im Wege der Rechtshilfe sorgen. Dabei ist — wie oben gesehen — der Weg über das HZÜ zu beschreiten. Zwar ist es wegen des fiktiven Charakters der remise au parquet nach französischem Recht unerheblich, ob die beiden Mitteilungen tatsächlich ihren Adressaten erreichen. 437 Unterbleibt jedoch die postalische Mitteilung des Huissier völlig, so führt dies gemäß Art. 693 NCPC regelmäßig zur Nichtigkeit der remise au parquet 438 ; demgegenüber ist es nach dem NCPC unschädlich, daß die Mitteilung über den Rechtshilfeweg gänzlich fehlt. 439 Hier setzt zunächst die schon erläuterte Vorschrift des Art. 15 I HZÜ an. Nach dieser Norm ist nicht nur erforderlich, daß die Mitteilung über den Rechtshilfeweg tatsächlich abgesandt wird; es wird vielmehr durch das Erfordernis einer den Zustellungsvorschriften des Zustellungsstaates entsprechenden (Art. 15 I lit. a HZÜ) oder sonst HZÜ-konformen (Art. 15 I lit. b HZÜ) Mitteilung dem Beklagten regelmäßig eine effektive Kenntnisnahmemöglichkeit von der remise au parquet verschafft, die nach autonomem französischem Recht nicht zwingend vorhanden sein muß. Das HZÜ geht also in Art. 15 I insoweit über den Beklagtenschutz des französischen Rechts hinaus. Der mit der Aussetzungspflicht des Art. 15 1 HZÜ verbundene tiefe Einschnitt in das autonome Prozeßrecht der Staaten der remise au parquet wird aber durch Art. 15 Π HZÜ abgeschwächt. Nach dieser Vorschrift entfällt nach sechs Monaten die Aussetzungspflicht. Somit kann auch ohne effektive Kenntnisnahme durch den Beklagten ein Versäumnisurteil ergehen, sofern die Zustellung im übrigen nach dem Recht des Gerichtsstaates wirksam war. Die remise au parquet ist nach französischem Recht wirksam, wenn das zuzustellende Schriftstück der Staatsanwaltschaft übergeben worden ist und der Huissier eine postalische Mitteilung abgesandt hat. Auf die Mitteilung auf dem Rechtshilfeweg, die der nach sechs Monaten überwindbare Art. 15 I HZÜ sichern will, kommt es nicht an. Demnach könnte grundsätzlich nach sechs Monaten auch ohne Mitteilung auf dem Rechtshilfeweg ein Versäumnisurteil von dem französischen Prozeßrichter erlassen werden. Das hieße jedoch, daß die durch Art. 15 I HZÜ installierte Pflicht zur Beschreitung des Rechtshilfeweges durch einfaches

437

Monin-Hersant / Nicod Clunet 1989, 969, 970.

438

Dazu auch Karen Ilka Mössle S. 199.

439 Arg. e cont. Art. 693 NCPC; zum alten Recht schon Loussouarn in: Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 168 f.

152

1. Teil: Grundlagen

Zuwarten überwunden werden könnte. Dem schiebt Art. 15 I I lit. a HZÜ einen Riegel vor, indem er verlangt, daß das in Frage stehende Schriftstück und damit auch die Mitteilung über die remise au parquet (auch) auf dem Rechtshilfeweg übersandt werden muß. Damit schützt Art. 15 Π lit. a HZÜ zwar nicht mehr die Zustellung oder Mitteilung als solche und damit auch nicht die effektive Kenntnisnahmemöglichkeit; doch ist der andere vom HZÜ geregelte Bereich, die Übermittlung auf den vom HZÜ vorgesehenen Rechtshilfewegen, weiterhin obligatorisch. 440 Faktisch wird die Mitteilung über den Rechtshilfeweg damit im französischen Recht derjenigen über den Postweg gleichgestellt: Fehlt die postalische Mitteilung vollständig, so hindert das französische Prozeßrecht wegen der damit verbundenen Nichtigkeitsfolge den Fortgang des Prozesses. Ist demgegenüber die Absendung der Mitteilung über den Rechtshilfeweg unterblieben, so hindert dies nach Ablauf von sechs Monaten 441 zwar nicht nach französischem Recht die Fortsetzung des Verfahrens, wohl aber nach Art. 15 Π lit. a HZÜ. Art. 15 Π lit. a HZÜ stellt damit einen Kompromiß der am HZÜ beteiligten Rechtssysteme dar. Die Staaten, die dem deutschen Rechtssystem der effektiven Auslandszustellung folgen, verzichten nach sechs Monaten auf das Erfordernis der effektiven Kenntnisnahme durch den Beklagten, wenn nur der Übermittlungsweg des HZÜ beschritten ist. Demgegenüber verpflichten sich die Staaten der remise au parquet, stets (auch) den Rechtshilfeweg zu beschreiten, ohne daß es dabei allerdings nach sechs Monaten (ebenso wie ohnehin schon nach französischem autonomem Recht) auf die Effektivität der Mitteilung ankommt. Vor allem aber für diejenigen Staaten, die dem deutschen Zustellungssystem der effektiven Auslandszustellung folgen, war es von großer Bedeutung, für ihre Gerichte nicht diesem Kompromiß beitreten zu müssen. Vielmehr ist die Anwendbarkeit des Art. 15 I I HZÜ vor den Prozeßgerichten der Vertragsstaaten von einer entsprechenden Erklärung der jeweiligen Vertragsstaaten abhängig. Eine solche Erklärung hat die Bundesrepublik am 19.11.1992 abgegeben.442 Wegen der besonderen Bedeutung der Bestimmung des Art. 15 Π HZÜ für die Staaten der remise au parquet haben daneben vor allem auch diese Staaten die

440

P. Schlosser FS Matscher 387, 398 will das gleiche Ergebnis m.E. fälschlicherweise über Art. 15 II lit. c HZÜ begründen. 441

Solange sperrt Art. 15 I HZÜ.

442

BGBl. 1993 II 704; übersehen von Wiehe S. 46.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

153

Regel des Art. 15 I I HZÜ für sich für anwendbar erklärt. 443 Allein Italien hat keine solche Erklärung abgegeben. Der Grund hierfür dürfte darin zu suchen sein, daß Italien 1981 die remise au parquet im Geltungsbereich internationaler Verträge abgeschafft hat. 444 Art. 15 I HZÜ kann damit für den italienischen Richter nicht durch Art. 15 I I HZÜ überwunden werden. Nach dem Willen der 10. Haager Konferenz sollte Art. 15 I I HZÜ gegenüber Art. 15 I HZÜ die Ausnahme bilden und aus diesem Grunde restriktiv gehandhabt werden. 445 Besonders dann, wenn der Beklagte sich arglistig der effektiven Zustellung entzieht, kommt es zum Eingreifen des Art. 15 I I HZÜ. 4 4 6 Darüber hinaus kommt der Bestimmung aber auch dann besondere Bedeutung zu, wenn nach sechs Monaten wegen der nur langsam durch den ersuchten Staat geleisteten Rechtshilfe noch kein Zustellungszeugnis eingegangen ist. So nimmt selbst im Rahmen des HZÜ die Rechtshilfe zum Teil im Durchschnitt sechs Monate in Anspruch. Aus deutscher Sicht ist dies etwa im Verhältnis zu Ägypten, Israel, Japan, Malawi, der Türkei und den USA der Fall. 447 Im Zustellungsverkehr mit Spanien ist gar mit 12 bis 14 Monaten Erledigungszeit zu rechnen. 448 Da es sich bei diesem Wert um einen Durchschnittswert handelt, ist zu erwarten, daß ein verhältnismäßig großer Anteil der Ersuchen auch nach sechs Monaten noch nicht erledigt ist. Nach Art. 15 I I HZÜ muß ein Vertragsstaat diese Verzögerung nur bis zum Ablauf von sechs Monaten hinnehmen und kann dann ein Versäumnisurteil erlassen, sofern die Zustellung nach innerstaatlichem Recht ansonsten wirksam ist (was bei der remise au parquet regelmäßig der Fall ist).

443 Einschließlich der Staaten der remise au parquet haben außer der Bundesrepublik Deutschland folgende Staaten eine Erklärung nach Art. 15 II HZÜ abgegeben: Antigua und Barbuda, Belgien, Botsuana, China, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Japan, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Pakistan, Portugal, Spanien, die Türkei, die USA, das Vereinigte Königreich und Zypern; vgl. Jayme / Hausmann Nr. 107 Fn. 9. Auch die Tschechoslowakei hatte eine Erklärung gemäß Art. 15 II HZÜ abgegeben. Diese gilt für die Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei fort, vgl. BGBl. 1993 II 2164. 444

Art. 142 III ital. CPC idF von 1981; dazu Stürner FS Nagel S. 446, 450.

445

Ferreira, Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 377; siehe auch die Diskussion während des Procès-Verbal N°8 in: Actes et Documents III S. 259 f. 446

Ferreira,

Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 377 („cas de mauvaise foi").

447

Siehe hierzu die Übersicht bei Rahm / Kunkel / Breuer V I I I Rz. 17. Im Verhältnis zu Frankreich, Italien und Portugal muß immerhin noch mit durchschnittlichen Zeiten von fünf Monaten gerechnet werden. Wegen der entsprechenden Zahlen aus französischer Sicht siehe Capatina RCADI 1983 I 305, 361. 448

Bülow / Böckstiegel / Karl S. 663.113 Fn. 107 unter Berufung auf das BJM.

154

1. Teil: Grundlagen

Fraglich ist, ob nunmehr auch deutsche Gerichte auf der Grundlage der deutschen Erklärung zu Art. 15 Π HZÜ vom 19.11.1992449 mit dem Ablauf von sechs Monaten ein Versäumnisurteil erlassen dürfen, wenn kein Zustellungszeugnis vorliegt, das eine effektive und ordnungsgemäße Zustellung im Ausland beurkundet. Eine solche Auslegung des Art. 15 I I HZÜ wäre dann denkbar, wenn man mit dem finnischen Delegierten Hakulinen 450 die Regelung des Art. 15 I I HZÜ als fiktive Zustellung ansähe. Zum gleichen Ergebnis kommt wohl Geimer 451 , der dem Kläger trotz § 335 I Nr. 2 ZPO einen Anspruch auf Erlaß eines Versäumnisurteils oder Entscheidung nach Lage der Akten einräumen will. 4 5 2 Auch der BGH hat sich jüngst in einem obiter dictum in diesem Sinne geäußert. 453 Eine solche Annahme widerspräche jedoch m.E. der ratio des Art. 15 I I HZÜ, da diese Vorschrift nur dann die Sperre des Art. 15 I HZÜ überwinden will, wenn die in Frage stehende Zustellung nach dem innerstaatlichen Recht des Gerichtsstaates wirksam war, wie dies regelmäßig bei der remise au parquet der Fall ist. Mit anderen Worten will Art. 15 Π HZÜ den Rechtszustand wiederherstellen, der nach dem innerstaatlichen Recht des Gerichtsstaates bestünde, wenn es Art. 15 I HZÜ nicht gäbe. Die Voraussetzungen des Art. 15 Π HZÜ sind demnach auch nicht als WirksamkeitsVoraussetzungen für die ohnehin schon nach innerstaatlichem Recht wirksame Zustellung anzusehen, sondern als dem Schutz des Art. 15 I HZÜ dienende zusätzliche Hürden. Damit hebt Art. 15 I I HZÜ lediglich die Sperre des Art. 15 I HZÜ auf; er will jedoch nicht den Vertragsstaaten die Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung abnehmen. Diese obliegt vielmehr dem autonomen Recht. Hierfür spricht vor allem die fakultative Ausgestaltung des Art. 15 I I HZÜ, wonach der Richter den Rechtsstreit entscheiden kann (I), auch wenn ein Zeugnis ... nicht eingegan-

449

BGBl. 1993 II 704.

450

Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 260.

451 IZPR Rz. 1929a; vgl. auch Rz. 2097 f. (zu der gleichlautenden Bestimmung des deutschtunesischen Vertrages); ders. in Bülow / Bockstiegel 515.36 Art. 17 Fn. 76 (ebenfalls zum deutschtunesischen Vertrag). Ähnlich auch wohl Kropholler EuZPR Art. 20 Rz. 7 a.E. 452 Ebenso im Ergebnis Denkschrift BT-Drucks. 7 / 4892 S. 40 und im Anschluß daran Böckstiegel/Schlafen NJW 1978, 1073, 1075, wonach der ursprüngliche Verzicht auf eine Erklärung nach Art. 15 II HZÜ darauf zurückzuführen sei, daß das bisherige deutsche System, nach dem bei fehlendem Nachweis einer ordnungsgemäßen Zustellung gemäß § 203 II ZPO öffentlich zugestellt werden soll, unangetastet bleiben soll. Daraus folgt umgekehrt, daß die nunmehr vorliegende deutsche Zustimmung zu Art. 15 II H Z Ü das deutsche Zustellungssystem dergestalt beeinflussen würde, daß bei Anwendbarkeit des Art. 15 II HZU nicht mehr öffentlich zugestellt werden müßte, wenn ein Nachweis der Zustellung noch nach sechs Monaten fehlt. 453

BGH RIW 1993, 673, 675.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

155

gen ist. Ob damit ein Versäumnisurteil ergehen kann, obliegt allein der Beurteilung des innerstaatlichen Rechts. Das deutsche autonome Zustellungsrecht sieht für den Fall, daß ein Rechtshilfeersuchen unangemessen lange Zeit in Anspruch nimmt, die Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung gemäß § 203 I I ZPO vor. Damit ist nach der hier vertretenen Ansicht vor deutschen Gerichten trotz Anwendbarkeit des Art. 15 I I HZÜ eine Fortsetzung des Verfahrens nur möglich, wenn zusätzlich zum erfolglosen Weg über das HZÜ eine öffentliche Zustellung durchgeführt worden ist. Dem entspricht die gefestigte Auslegung zum inhaltlich vergleichbaren Art. 20 I I EuGVÜ 4 5 4 , die um so mehr auf Art. 15 HZÜ übertragbar ist, als letzterer auf jenen zurückgeht. 455 Am Erfordernis der öffentlichen Zustellung hat die deutsche Zustimmung zu Art. 15 I I HZÜ mithin nichts geändert. 456 Dies bestätigen auch die Ausführungen Nagels 457 : Danach betifft die Ermächtigung des Art. 15 I I HZÜ den deutschen Gesetzgeber gar nicht, da nach deutschem Recht selbst bei Vorliegen einer entsprechenden Erklärung kein Versäumnisurteil ohne Nachweis einer ordnungsgemäßen Zustellung erlassen werden kann. Dies hat auch für eine öffentliche Zustellung nach § 203 I I ZPO zu gelten. Dem entspricht auch die Auffassung der Bundesregierung 458, die im Rahmen des Art. 15 I I HZÜ eine öffentliche Zustellung für erforderlich hält. 459 Eine zusätzliche öffentliche Zustellung erscheint zudem auch im Hinblick auf den Beklagtenschutz gerechtfertigt. Aufgrund der öffentlichen Zustellung hat der Beklagte eine zusätzliche — wenn auch in der Regel nur theoretische — Möglichkeit, trotz eines versagenden Rechtshilfeweges von dem gegen ihn anhängig gemachten Verfahren Kenntnis zu erlangen. 460 Fraglich bleibt jedoch noch, wann bei sich verzögernder Zustellung über den Rechtshilfe weg

454 Art. 20 II EuGVÜ: Fortsetzung des Verfahrens trotz fehlenden Zustellungszeugnisses durch Nachweis aller erforderlichen Maßnahmen. Zur Vergleichbarkeit Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.164; Bülow RabelsZ 29 (1965) 473, 501 Fn. 97. 455

Jenard-Bericht bei Bülow / Böckstiegel S. 601.59; Soek NILR 1982, 72, 89; Jenard J.T. 1965, 65, 66. 456

Ebenso Wagner RIW 1995, 89, 95.

457

IZPR Rz. 584 a.E.

458

Mitgeteilt bei Bülow / Böckstiegel / Karl S. 663.113 f.; dies., Anerkennung, S. 171.

459 Die Bundesregierung will jedoch alterniv zur öffentlichen Zustellung eine Zustellung durch die Post zulassen. Dazu noch im folgenden. 460

Auch die öffentliche Zustellung hat trotz ihres fiktiven Charakters noch eine Informationsfunktion, vgl. LG Bielefeld NJW 1960, 1817.

156

1. Teil: Grundlagen

öffentlich zugestellt werden darf. Geimer 461 schlägt mit Blick auf den Justizgewährungsanspruch des Klägers eine öffentliche Zustellung schon nach sechs Monaten vor. 462 Viel zurückhaltender ist insoweit die herrschende Meinung zu § 203 I I ZPO, die eine Unzumutbarkeit ohnehin regelmäßig nur in bestimmten Verfahren — etwa Arrestverfahren 463 oder Wechselprozessen — zulassen will. 4 6 4 So bewilligte das OLG Hamburg in einem Wechselprozeß eine öffentliche Zustellung erst bei einer voraussichtlichen Zustellungsdauer von 18 Monaten. 465 M.E. ist es unzutreffend, bereits nach sechs Monaten grundsätzlich schon den Weg über die öffentliche Zustellung zu beschreiten. Auch die Sechsmonatsfrist des Art. 15 I I HZÜ vermag insoweit keine Vermutung zugunsten einer öffentlichen Zustellung nach Ablauf dieser Frist aufzustellen 466, da die Regel des § 203 II ZPO nur die extremen Fälle der Zustellungsverzögerung erfassen soll. Wie die Übersicht bei Rahm / Künkel / Breuer 467 zeigt, ist eine Zustellungsdauer von sechs bis neun Monaten als normal anzusehen. Vor diesem Hintergrund drohte ein öffentliche Zustellung bereits nach sechs Monaten von der Ausnahme zum Normalfall zu werden. 468 Dies ist mit dem geltenden deutschen Zustellungsrecht nicht vereinbar. Darüber hinaus muß eine mechanische Anordnung der öffentlichen Zustellung nach sechs Monaten als willkürlich erscheinen. Dies belegt ein Blick in Art. 17 II des deutsch-tunesischen Vertrages. Diese Vorschrift entspricht zwar von ihrem Regelungsgehalt her voll dem Art. 15 I I HZÜ, ordnet aber statt einer Sechsmonatsfrist eine Achtmonatsfrist an. Weshalb aber ein längeres Zuwarten als sechs Monate im Rahmen des HZÜ mit dem Justizgewährungsanspruch des Klägers unvereinbar sein soll, während eine andere von deutscher Seite geschlossene Vereinbarung dem Kläger eine — sicherlich auch mit dem Justizgewährungsanspruch zu ver-

461 IZPR Rz. 1929 a.E. und 2090; ders. NJW 1991, 1431, 1432; ders. NJW 1989, 2204, 2205; ähnlich AG Bonn NJW 1991, 1430, 1431. 462

Dies kann jedoch auch nach Geimer wohl nur dann gelten, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung einen ansonsten von Geimer (IZPR Rz. 1929a) befürworteten Anspruch des Klägers auf Erlaß eines Versäumnisurteils nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des Art. 15 II HZÜ ablehnt. 463

Sofern diese ohnehin nicht schon unter Art. 15 III HZÜ fallen.

464

SU /H.Roth § 203 Rz. 15; BLÄH ! Hartmann § 203 Rz. 11; Zöller / Stephan § 203 Rz. 9; AK-ZPO / Göring § 203 Rz. 9; MüKo-ZPO / v.Feldmann § 203 Rz. 10.; a.A. Wieczorek § 203 Anm. A III und Β II b, der in der langsamen Erledigung keinen Fall des § 203 II ZPO sieht. 465

MDR 1970, 426; hieran anschließend OLG Hamm MDR 1988, 589.

466

Linke IZPR Rz. 229 Fn. 28 und Rz. 238; Pfennig S. 122; Fischer ZZP 107 (1994) 163, 171.

467

V I I I Rz. 17.

468

Fischer ZZP 107 (1994) 163, 171, der seinerseits eine Frist von einem Jahr vorschlägt.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

157

einbarende — achtmonatige Frist zumutet, ist nicht ersichtlich. Die Ansicht Geimers, wonach nach sechs Monaten stets öffentlich zugestellt werden muß, ist vor diesem Hintergrund abzulehnen. Die in Art. 15 I I HZÜ geregelte Frist bewirkt allein, daß vor ihrem Ablauf eine öffentliche Zustellung regelmäßig ausgeschlossen ist 469 ; solange nämlich eine Aussetzungspflicht besteht, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis zur Bewilligung einer öffentlichen Zustellung. 470 Demgegenüber findet die Ansicht der Bundesregierung 471, im Falle des Art. 15 I I HZÜ statt durch öffentliche Zustellung alternativ unmittelbar durch Einschreiben mit Rückschein zuzustellen, im deutschen autonomen Prozeßrecht keine — etwa dem § 37 I I StPO n.F. vergleichbare — Stütze. Sie ist abzulehnen. Etwas anderes kann nur gemäß Art. 15 ΙΠ HZÜ insbesondere in Sicherungsverfahren gelten, da nach dieser Bestimmung auch Art. 15 I I HZÜ in dringenden Fällen nicht anwendbar ist. Auf diese Weise stellt sich die Frage der Sechsmonatsfrist mangels Anwendbarkeit des Art. 15 I I von vornherein nicht. 472

3. Art. 16 HZÜ Ein weiteres vom HZÜ neben Art. 15 I HZÜ vorgesehenes zentrales Instrument zur Sicherung der Beklagteninteressen findet sich in Art. 16 HZÜ. Nach dieser Vorschrift kann der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, wenn ein verfahrenseinleitendes oder vergleichbares Schriftstück nach dem Übereinkommen zum Zwecke der Zustellung oder Mitteilung in das Ausland zu übermitteln war und im Anschluß hieran in Abwesenheit des Beklagten eine Entscheidung ergangen ist. Dabei ist Art. 16 HZÜ nicht nur auf echte Versäumnisurteile anwendbar, sondern auf alle Entscheidungen, die wie

469

Ähnlich wohl OLG Hamm NJW 1989, 2203; StJ / H.Roth § 199 Rz. 31.

470

Zöller

17

/ Stephan § 203 Rz. 2 (weggefallen bei Zollet

/ Stöber § 203).

471

So ein unveröffentlichter Brief des BJM an die Landesjustizverwaltungen vom 16.10.1991 zur beabsichtigten Erklärung im Sinne des Art. 15 II HZÜ, berichtet bei Bülow / Böckstiegel / Karl S. 663.113 f. und dies., Anerkennung, S. 171. 472 Dies verkennt m.E. im Ergebnis Maute DZWir 1993, 103, 104, demzufolge die Antragsschrift bei einstweiligen Verfügungen im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ stets ordnungsgemäß (sc. nach dem HZÜ) zugestellt sein muß.

158

1. Teil: Grundlagen

etwa die jugements réputés contradictoires des französischen und ägyptischen Rechts ohne Einlassung des Beklagten ergehen können. 473 Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann jedoch nur dann bewilligt werden, wenn der Beklagte ohne sein eigenes Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück erlangt hat, daß er sich hätte verteidigen können. Darüber hinaus darf er auch nicht so rechtzeitig Kenntnis von dem gegen ihn daraufhin in Abwesenheit erlassenen Urteil gehabt haben, daß er dieses hätte anfechten können (Art. 16 I lit. a HZÜ). Schließlich darf die dem Beklagten im Falle der Wiedereinsetzung eingeräumte Verteidigungsmöglichkeit nicht von vornherein aussichtslos erscheinen (Art. 16 I lit. b HZÜ). Dies ist dann der Fall, wenn im Wiederaufnahmeverfahren keine sachlich andere Entscheidung zugunsten des Beklagten zu erwarten ist. 474 Ist danach eine Wiedereinsetzung möglich, so hat der Beklagte diese gemäß Art. 16 I I HZÜ innerhalb einer angemessenen Frist zu beantragen. Die Bestimmung dieser Frist liegt grundsätzlich im Ermessen des Richters. Doch eröffnet Art. 16 I I I HZÜ den Vertragsstaaten die Möglichkeit, zumindest das Ende dieser Präklusionsfrist festzulegen, sofern diese nicht ein Jahr unterschreitet. Eine dahin gehende Erklärung hat Deutschland am 19.11.1992 abgegeben.475 Danach endet vor deutschen Gerichten die Wiedereinsetzungsmöglichkeit des Art. 16 I HZÜ vom Erlaß der Entscheidung an gerechnet nach einem Jahr. 476 Art. 16 HZÜ stellt nach dem Willen der 10. Haager Konferenz die ultima ratio zum Schutz der Rechte des Beklagten dar. 477 Aus diesem Grunde kann der Weg über Art. 16 HZÜ nur dann beschritten werden, wenn die nationalen Pro-

473 Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 99; Denkschrift BTDrucks. 7 / 4892 S. 49. 474

Denkschrift BT-Drucks. 7 / 4892 S. 49.

475

BGBl. 1993 II 704. Außer der Bundesrepublik Deutschland haben eine Erklärung gemäß Art. 16 III HZÜ abgegeben: Belgien, China, Dänemark, Frankreich, Israel, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Pakistan, Portugal, Spanien, die Türkei, die USA, das Vereinigte Königreich (nur hinsichtlich Schottland) und Zypern; vgl. J ay me / Hausmann Nr. 107 Fn. 10. 476 Die meisten anderen Staaten haben grundsätzlich ebenfalls eine Jahresfrist eingeführt. Abweichend hiervon gilt aber in Norwegen eine Dreijahresfrist, in Spanien eine 16-Monatsfrist; Practical Handbook S. 152 ff. 477 Ferreira, Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 378; Denkschrift BT-Drucks. 7 / 4 8 9 2 S. A9\ Pfennigs. 131.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

159

zeßrechte der Vertragsstaaten keine Anfechtungsmöglichkeiten mehr vorsehen. 478 Bisher wurde im Schrifttum kaum hervorgehoben, daß die Stoßrichtung des Art. 16 HZÜ eine andere ist als die des Art. 15 1 HZÜ. So greift Art. 16 HZÜ anders als Art. 15 HZÜ erst dann ein, wenn bereits ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen worden ist, gegen das der Beklagte aus Unkenntnis hierüber nicht sogleich im Gerichtsstaat Rechtsmittel einlegen konnte. Eine solche Unkenntnis ist insbesondere dann leicht möglich, wenn auch das Urteil im Wege der remise au parquet zugestellt wird 4 7 9 , da die Rechtsmittelfristen bereits mit Zustellung des Urteils bei der Staatsanwaltschaft zu laufen beginnen und Art. 15 I HZÜ hier keinen Schutz bietet. Ähnliches gilt dann, wenn ein deutsches Versäumnisurteil nach § 175 ZPO zugestellt wird. 4 8 0 Andere Rechtsordnungen verzichten gar gänzlich auf die Zustellung oder Mitteilung von Urteilen. 481 Anders als Art. 15 HZÜ will Art. 16 HZÜ aber nicht in erster Linie die Einhaltung der Formen des Übereinkommens sichern 482 , sondern lediglich Ungerechtigkeiten beseitigen, die dem Richter des Prozeßgerichts untragbar erscheinen. 483 Solche Ungerechtigkeiten können selbst bei Einhaltung der Übermittlungswege und -formen des Art. 15 I HZÜ entstehen: So ist eine Wiedereinsetzung nach Art. 16 HZÜ auch dann möglich, wenn der Beklagte vom verfahrenseinleitenden Schriftstück ohne eigenes Verschulden keine rechtzeitige Kenntnis erhielt, obwohl das Schriftstück in Übereinstimmung mit Art. 15 I lit. a HZÜ nach der lex fori des Zustellungsstaates zugestellt oder mitgeteilt oder gemäß Art. 15 I lit. b HZÜ dem Beklagten persönlich übergeben worden

478 Denkschrift BT-Drucks. 7 /4892 S. 49; Pfennig Projet, vgl. Actes et Documents III S. 65.

S. 131. Ausdrücklich so noch das Avant-

479 Dazu Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 98; zur Zustellung von Urteilen nach dem System der remise au parquet in Frankreich Huet J.C1. Droit International Fase. 583-1 S. 5 ff. 480 Zu dieser Möglichkeit OLG München NJW 1987, 3086; H. Roth IPRax 1990, 90, 92; Geimer IZPR Rz. 2078 und 2115; a.A. Nagel IPRax 1986, 116. 481 Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 101; Richardson , Procès-Verbal, ebenda S. 275 (zum Rechtszustand in Großbritannien). 482 Dies verkennen scheinbar Stürner JZ 1992, 325, 332; ders. in F.Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 163; Rauscher IPRax 1992, 71, 73. 483

Ferreira,

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 100.

160

1. Teil: Grundlagen

ist. 484 Die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen richtet sich nach dem autonomen Prozeßrecht der Vertragsstaaten. 485 Eine Wiederaufnahme gemäß Art. 16 I HZÜ ist zum Beispiel in folgendem Fall denkbar: Im Rahmen eines ausländischen Verfahrens wird in Deutschland ein verfahrenseinleitendes Schriftstück zugestellt. Die Zustellung wird durch die zuvor ordnungsgemäß um Rechtshilfe angerufenen deutschen Behörden im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 181 I ZPO und damit in Übereinstimmung mit Art. 15 I lit. a HZÜ durchgeführt. Die Ersatzperson, etwa ein Hausgenosse, übergibt das Schriftstück jedoch nicht dem Beklagten, so daß dieser von dem gegen ihn angestrengten Prozeß keine Kenntnis erhält. 486 Bleibt dem Beklagten aus einem ähnlichen Grunde auch das zugestellte Versäumnisurteil unbekannt oder verzichtet das Recht des Gerichtsstaates ganz auf eine Urteilszustellung, so eröffnet Art. 16 I HZÜ unter den oben genannten Voraussetzungen eine Wiederaufnahmemöglichkeit. Umgekehrt ist eine Wiederaufnahme gemäß Art. 16 HZÜ selbst dann ausgeschlossen, wenn die Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zwar nicht in Übereinstimmung mit den vom HZÜ vorgesehenen Wegen und Formen durchgeführt wurde, der Beklagte hierdurch aber rechtzeitig Kenntnis vom Verfahren erhielt. 487 So stellt zum Beispiel eine Zustellung durch die Post an einen sich in Deutschland aufhaltenden Beklagten zwar einen Verstoß gegen das HZÜ dar. Doch berechtigt diese Tatsache nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens, da der Beklagte rechtzeitig Kenntnis von dem gegen ihn angestrengten Verfahren erhalten hat. Auch hierin zeigt sich, daß Art. 16 HZÜ nicht die Zustellungswege und -formen des HZÜ sichern will, sondern allein Ungerechtigkeiten rein faktischer Art zu beseitigen sucht.

484

Ferreira,

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 101.

485

Ferreira,

Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 378.

486

Zu einem solchen Fall Waldner Rz. 39. Ob hier nach deutschem autonomem Prozeßrecht schon eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit gegeben ist, ist heftig umstritten; vgl. Waldner Rz. 48 mwN; s.a. oben § 3 II. 487

So ausdrücklich Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 101; anders scheinbar Stürner JZ 1992, 325, 332.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

161

§ 13 Die bilateralen Rechtshilfeverträge

Neben den vorstehend dargestellten multilateralen Abkommen haben das Deutsche Reich und später die Bundesrepublik Deutschland mehrere bilaterale Abkommen geschlossen, die wenigstens zum Teil auch die internationale Zustellungshilfe regeln. 488 Dies sind das deutsch-britische Abkommen vom 20.3. 1928 489 , das in seinen Art. 2 bis 7 die internationale Zustellung behandelt; das deutsch-türkische Abkommen vom 28.5.1929 490 , dessen Art. 9 bis 11 und 14 bis 17 die Zustellungshilfe betreffen; das deutsch-griechische Abkommen vom 11.5.1938491, das in den Art. 1 bis 6 die Rechtshilfe in Zustellungssachen regelt, und das deutsch-tunesische Abkommen vom 19.7.1966492 mit seinen Art. 8 bis 17. Der deutsch-marokkanische Vertrag 493 ist am 23.6.1994 in Kraft getreten 494. Obgleich zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich, der Türkei und Griechenland heute das HZÜ in Kraft ist, behalten die aufgeführten bilateralen Abkommen gemäß Art. 25 HZÜ im Verhältnis ihrer Vertragsparteien zueinander Geltung. Es gilt insoweit das Günstigkeitsprinzip. 495

/. Nach den Vorbildern der Haager Übereinkommen geschlossene bilaterale Rechtshilfeverträge Die von deutscher Seite mit der Türkei, Griechenland, Tunesien und Marokko geschlossenen bilateralen Rechtshilfeverträge entsprechen in ihren für die internationale Zustellung spezifischen Abschnitten im wesentlichen den Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß von 1905 bzw. 1954. 496 Aus diesem

488

Hierzu ausführlich oben § 10 III.

489

RGBl. 1928 II 623.

490

RGBl. 1930 II 6.

491

RGBl. 1939 II 848.

492

BGBl. 1969 II 889.

493

BGBl. 1988 II 1055.

494

BGBl. 1994 II 1192.

495

Allgemein SU / H. Roth § 199 Rz. 10; zum deutsch-britischen Abkommen: Rauscher IPRax 1992, 71, 72; widersprüchlich Geimer IZPR Rz. 2170 und 2178; ablehnend OLG Frankfurt RIW 1991, 587. Siehe hierzu schon oben § 10 III. 496

Nagel, Rechtshilfe, S. 81; zum deutsch-tunesischen Vertrag Arnold NJW 1970, 1478, 1481; Bülow / Böckstiegel S. 517.1 Fn. 3; zum deutsch-griechischen Vertrag Bülow / Böckstiegel S. 430.1; zum deutsch-marokkanischen Vertrag Denkschrift BT-Drucks. 11 / 2026 S. 10 ff.

I I Kondrinj!

162

1. Teil: Grundlagen

Grunde kann an dieser Stelle auf die zu diesem multilateralen Übereinkommen weiter oben gemachten Ausführungen entsprechend verwiesen werden. 497 Eine Ausnahme gilt insoweit allein für Art. 17 des deutsch-tunesischen Vertrages und für Art. 9 des deutsch-marokkanischen Vertrages, die den Beklagten ebenso wie Art. 15 HZÜ 4 9 8 gegen die auch in Tunesien und Marokko bekannte remise au parquet schützen wollen. Vorbehaltlich der in Art. 17 Π des deutschtunesischen Vertrages geregelten Achtmonatsfrist (statt sechs Monate in Art. 15 I I HZÜ) kann hinsichtlich dieser Regelungen jedoch auf die zu Art. 15 HZÜ gemachten Erläuterungen verwiesen werden. 499 Wegen ihres nicht über das HZÜ hinausgehenden Inhalts dürften allerdings das deutsch-türkische und das deutsch-griechische Abkommen heute kaum noch praktische Relevanz besitzen.500

II. Das deutsch-britische

Abkommen

Besondere Beachtung verdient aber auch heute noch das deutsch-britische Abkommen. Diese Bedeutung rührt nicht nur aus dem weiten räumlichen Anwendungsbereich des Abkommens 501 , sondern insbesondere auch aus den darin vorgesehenen Zustellungswegen und Formen, die speziell auf das angelsächsische Zustellungssystem Rücksicht nehmen.502 Eine wichtige Besonderheit des englischen Prozeßrechtssystems liegt in der Verknüpfung der Zuständigkeit mit der Zustellung. Bei sogenannten actions in personam besteht eine Zuständigkeit des englischen High Court nur dann, wenn in dessen Jurisdiktionsbereich (England und Wales) zugestellt werden kann. Damit jedoch eine Entscheidung des Gerichts nicht allein durch die Tatsache ausgeschlossen ist, daß sich der Beklagte im Ausland aufhält, kann auf Antrag der anderen Partei eine permission to serve a writ out of jurisdiction erteilt werden (Order 11 der Rules of the Supreme Court). 503 Order 11 r. 1 (2) der

497

Siehe oben § 11.

498

Zur Vergleichbarkeit der beiden Regelungen Arnold NJW 1970, 1478, 1481 Fn. 32.

499

Siehe oben § 12 IV 1 und 2.

500

Nagel IZPR Rz. 572 (zum deutsch-tlirkisehen Abkommen); siehe auch oben § 10 III.

501

Siehe oben § 10 III.

502

Nagel, Rechtshilfe, S. 81.

503

Ausführlich Harwood

S. 11.

ICLQ 1961, 284, 285; s.a. Droz, Memoire, Actes et Documents III

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

163

Rules of the Supreme Court erlaubt nunmehr grundsätzlich eine Zustellung im Rahmen der Zuständigkeit der englischen Gerichte nach dem EuGVÜ. 5 0 4 Besteht danach die Möglichkeit einer Zustellung ins Ausland, so kann gegenüber einem sich in Deutschland aufhaltenden Beklagten zum einen über das HZÜ, zum anderen aber auch über das deutsch-britische Abkommen zugestellt werden. 505 Das deutsch-britische Abkommen regelt die Zustellungshilfe in den Art. 2 bis 7. Zwar folgt das Abkommen in weiten Teilen dem Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954. So sieht es ebenso wie jenes grundsätzlich den konsularischen Zustellungsweg unter Einschaltung der Behörden des Zustellungsstaates vor (Art. 3 lit. a bis c). Letztere stellen entweder formlos (Art. 3 lit. c) oder förmlich nach ihrer lex fori oder in einer besonders gewünschten Form zu (Art. 3 lit. d). Bei förmlicher Zustellung (Art. 3 lit. d) oder auf besonderen Wunsch der Behörden des ersuchten Staates hin (Art. 3 lit. b) ist eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks beizufügen. Die Zustellungshilfe darf nur verweigert werden, wenn sie die Hoheitsrechte oder die Sicherheit des Zustellungsstaates gefährdet (Art. 3 lit. f). Sofern schließlich der Zustellungsadressat nicht Staatsangehöriger seines Aufenthaltsstaates ist, darf im Zustellungsstaat auch ohne Einschaltung der dortigen Behörden durch Konsuln und Diplomaten unmittelbar formlos zugestellt werden (Art. 5 lit. a). Diese Regelung verdrängt Art. 8 I I HZÜ. 5 0 6 Doch finden sich in Art. 5 lit. b, 6 und 7 des deutsch-britischen Abkommens Regeln 507 , die Bezug auf die Besonderheiten des englischen Rechts nehmen 508 und die nur für von Großbritannien nach Deutschland gerichtete Zustellungen anwendbar sind. Da die dort genannten Zustellungsverfahren dem deutschen Recht unbekannt sind, gelten diese nicht im umgekehrten Fall einer Zustellung von Deutschland nach Großbritannien. 509

504

Rauscher IPRax 1992, 71, 72 Fn. 6; Ο' M alley / Lay ton Rz. 4.18.

505

Zu den dabei im Verhältnis zu Schottland zu beachtenden Umständen siehe Nagel IZPR Rz. 558. 506

Geimer IZPR Rz. 2170.

507

Dazu ausführlich Nagel IZPR Rz. 551 ff; ders., Rechtshilfe, S. 82 ff.

508 Zur Neufassung der englischen Zustellungsmöglichkeiten in EuGVÜ-Mitgliedsstaaten im Anschluß an den Civil Jurisdiction and Judgements Act 1982 siehe Rauscher IPRax 1992, 71, 72 Fn. 6. 509 Nagel IZPR Rz. 552 und 553; m.E. unzutreffend SU / H.Roth § 199 Rz. 37, der die Anwendbarkeit des Art. 5 lit. b dt.-brit. Abkommen scheinbar auf den innerbritischen Rechtsverkehr beschränken will und eine Anwendbarkeit für eine Zustellung von Großbritannien nach Deutschland verneint.

164

1. Teil: Grundlagen

So kann gemäß Art. 5 lit. b außer bei der unmittelbaren konsularischen Zustellung auch dann auf die Mitwirkung der Behörden des Zustellungsstaates verzichtet werden, wenn durch einen vom Prozeßgericht oder einer Partei bestellten Vertreter (agent) zugestellt werden soll. Art. 5 lit. b des deutsch-britischen Abkommens nimmt damit auf die in England übliche Zustellung durch Private Bezug. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift wird allerdings dadurch stark eingeschränkt, daß der Zustellungsadressat nicht Staatsangehöriger des Zustellungsstaates sein darf. Von englischer Seite kann mithin in Deutschland nicht an einen Deutschen durch Einschaltung eines agent zugestellt werden. Zudem hindert eine nach Art. 5 lit. b des Abkommens durchgeführte Zustellung regelmäßig die Anerkennung eines daraufhin erlassenen Urteils, da die deutschen Gerichte die Wirksamkeit einer Zustellung durch einen agent in Deutschland im Anerkennungsverfahren nach deutschem Recht beurteilen, vgl. Art. 5 lit. b a.E. Eine solche Zustellung durch einen Vertreter ist dem deutschen Recht aber unbekannt, so daß dies regelmäßig zur Verneinung einer ordnungsgemäßen Zustellung und damit zur Nichtanerkennung des in Frage stehenden Urteils führt. 510 Art. 5 lit. b des deutsch-britischen Abkommens besagt damit also nicht, daß eine Zustellung durch einen Vertreter auch nach deutscher Auffassung wirksam ist, sondern stellt nur eine bloße völkerrechtliche Duldung dieser Zustellungsweise in Deutschland für in England anhängige Verfahren dar. 511 Die Bedeutung des Art. 5 lit. b des deutsch-britischen Abkommens beschränkt sich damit im wesentlichen auf solche Verfahren, die in England geführt werden und deren Urteile anschließend nicht in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden sollen. Nach abgeschlossener Zustellung muß der agent in einem affidavit beschwören, daß er das zuzustellende Schriftstück dem Empfänger übergeben hat. Aus englischer Sicht eröffnet Art. 5 lit. b des deutsch-britischen Abkommens damit einen nicht im HZÜ vorgesehenen weiteren Zustellungsweg. Art. 6 erlaubt die Zustellung durch die Post, sofern diese Möglichkeit nach dem Recht des Gerichtsstaates besteht.512 Das englische Recht kennt im Gegensatz zum deutschen Zustellungsrecht eine solche Zustellung durch die

510

So ausdrücklich die Denkschrift zum deutsch-britischen Rechtshilfeabkommen in: RT-Drucks. IV / 384 (Bd. 431) S. 9; auch Bülow / Böckstiegel S. 520.14 Fn. 69. 511 5,2

Vgl. die ähnliche japanische Haltung zu Art. 10 lit. a HZÜ, Practical Handbook S. 43.

Die von St J / H.Roth § 199 Rz. 37 vertretene Auffassung, wonach Art. 6 dt.-brit. Abkommen heute obsolet ist, ist m.E. zumindest in dieser Absolutheit nicht zutreffend.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

165

Post.513 Damit verdrängt Art. 6 des deutsch-britischen Abkommens aus britischer Sicht faktisch den deutschen Widerspruch gegen Art. 10 lit. a HZÜ. 5 1 4 Eine postalische Zustellung von England nach Deutschland ist mithin auf der Grundlage des deutsch-britischen Abkommens zulässig. Demgegenüber scheidet die postalische Zustellung in umgekehrter Richtung wegen § 199 ZPO aus. Die entgegenstehende Ansicht von Geimer 515 , demzufolge Art. 6 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens eine lex specialis gegenüber § 199 ZPO darstellt, ist mit dem eindeutigen, auf die Zulässigkeit der postalischen Zustellung nach dem autonomen Verfahrensrecht des Gerichtsstaates abstellenden Wortlaut des Art. 6 des deutsch-britischen Abkommens nicht vereinbar und damit abzulehnen. Das gleiche gilt im Hinblick auf die von Jonas516 geäußerte Auffassung, wonach die postalische Zustellung durch den Konsul zulässig sein soll. Art. 6 des deutsch-britischen Abkommens ist vielmehr von der Tätigkeit der deutschen Auslandsvertretungen strikt zu trennen und somit auf diese unanwendbar. 517 Schließlich erlaubt Art. 7 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens eine Zustellung durch die zuständigen Behörden des Zustellungsstaates auf unmittelbares Ersuchen der Prozeßbeteiligten hin. 518 Hierdurch wird im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des deutsch-britischen Abkommens ein zusätzlicher Zustellungsweg geschaffen, den die deutsche Seite im Rahmen des HZÜ durch ihren Widerspruch gegen Art. 10 lit. c HZÜ 5 1 9 ausgeschlossen hat. Gegenüber denjenigen Vertragsstaaten, für die sowohl das deutsch-britische Rechtshilfeabkommen als auch das HZÜ gilt, wird der zu Art. 10 lit. c HZÜ erklärte deutsche Widerspruch mithin durch das Günstigkeitsprinzip überwunden.

513

Nagel, Rechtshilfe, S. 83.

514

Wie hier Rauscher IPRax 1992, 71, 72; Zöller / Geimer § 199 Rz. 69 (zitiert dort Art. 5 des deutsch-britischen Abkommens, dies nach dem Zusammenhang jedoch wohl Druckfehler); Jayme/ Hausmann Nr. 116 Fn. 4; O'Malley / Layton Rz. 4.44. A.A. OLG Frankfurt / M. RIW 1991, 587; Geimer IZPR Rz. 2178. Art. 6 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens scheinbar übersehen von OLG Hamm RIW 1993, 70. 515

Zöller / Geimer § 199 Rz. 4 a.E.

516

JW 1929, 88, 89. Ebenso Denkschrift zum dt.-brit. Rechtshilfeabkommen RT-Drucks. IV / 384 (Bd. 431) S. 9. 517

So Bülow / Böckstiegel S. 520.14 Fn. 68.

518

Dazu Geimer IPRax 1988, 271, 274 Fn. 42a. Zur Ausführung einer Zustellung nach Art. 7 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens durch die deutschen Behörden OLG Karlsruhe OLGZ 1985, 201. 519

§ 6 des deutschen AusführungsG, BGBl. 1977 I 3105.

166

1. Teil: Grundlagen

Unklarheiten bestehen bei der Zustellung nach Art. 5 bis 7 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens aber im Hinblick auf das Erfordernis einer Übersetzung. Das Abkommen schreibt eine solche ausdrücklich nur bei einem Vorgehen nach seinem Art. 3 vor, vgl. Art. 3 lit. d und e deutsch-britisches Übereinkommen. Demgegenüber schweigen die vor allem für eingehende Ersuchen relevanten Art. 5 bis 7 zur Frage einer Übersetzung. M.E. sollte zumindest bei einer Zustellung nach Art. 5 5 2 0 und 6 des deutsch-britischen Abkommens auf eine Übersetzung verzichtet werden 521 , da es sich hierbei anders als bei der Zustellung nach Art. 3 des Abkommens um eine sogenannte direkte Zustellung handelt, d.h. eine solche ohne Einschaltung deutscher Behörden. Diese ist systematisch von der indirekten Zustellung des Art. 3 zu trennen. Ausschließlich für letztere sieht das Abkommen ausdrücklich eine Übersetzung vor. 522 Auch aus dem autonomen deutschen Recht ergibt sich insoweit kein Übersetzungserfordernis. Zwar verlangt § 71 ZRHO bei eingehenden Ersuchen zur förmlichen Durchführung der Zustellung eine deutsche Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks. Doch handelt es sich zumindest bei der Zustellung nach Art. 5 und 6 des deutsch-britischen Übereinkommens um keine förmliche Zustellung 523 im Sinne des § 71 ZRHO, der ersichtlich von einer Zustellung unter Einschaltung deutscher Behörden ausgeht. Darüber hinaus fehlt der ZRHO, da es sich hierbei um eine bloße Verwaltungsvorschrift handelt, jegliche Außenwirkung. 524 Sie kann keine Übersetzungspflicht statuieren, die in den völkerrechtlichen Verträgen nicht vorgesehen ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist demnach im Falle der Art. 5 und 6 völkerrechtlich verpflichtet, auch ohne Übersetzung eine Zustellung nach den genannten Vorschriften zu dulden. Etwas anderes gilt wohl allein hinsichtlich einer Zustellung auf dem von Art. 7 des Abkommens vorgesehenen Wege. Hierbei werden anders als bei der

520

Soweit gemäß Art. 5 lit. a deutsch-britisches Übereinkommen nur formlos zugestellt wird, stellt sich die Frage der Notwendigkeit einer Übersetzung freilich nicht. 521 Zur Parallelproblematik im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 und des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 ebenso wie hier Cour d'appel de Paris J.T. 1980, 156. 522 Vgl. Denkschrift zum dt.-brit. Rechtshilfeabkommen RT-Drucks. IV / 384 (Bd. 431) S. 9, wonach Ait. 3 lediglich die „Zustellung unter Mitwirkung der ausländischen Behörden" regelt. Ebenso für das H Z Ü und das sich dort stellende Parallelproblem der Anwendbarkeit des Art. 5 III auf Art. 10 HZÜ Cour d'appel de Paris J.T. 1980, 156. Ausführlich insoweit zum H Z Ü unten § 21 II 1. 523 A.A. jüngst der BGH in BGHZ 120, 305, 309 f. zur Parallelproblematik im Rahmen des HZÜ (postalische Zustellung). Dagegen ausführlich unten § 21 II 1. 524

F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165; StJ / H.Roth § 199 Rz. 38.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

167

Zustellung nach Art. 5 und 6 deutsch-britisches Rechtshilfeabkommen auch deutsche Stellen bei der Durchführung tätig. Die Situation ist also mit derjenigen des Art. 3 des Abkommens vergleichbar. In beiden Fällen ist eine förmliche Zustellung nach den Vorschriften der ZPO möglich. Selbst wenn das deutsch-britische Abkommen auch in bezug auf Art. 7 kein ausdrückliches Übersetzungserfordernis kennt, sollte man insoweit Art. 3 lit. d und e des Abkommens entsprechend heranziehen. 525 Demgegenüber vermag auch hier § 71 ZRHO nicht konstitutiv eine Übersetzungspflicht zu verankern.

§ 14 Besonderheiten der Zustellung zwischen den Vertragsstaaten des EuGVÜ

Zwischen den Vertragsstaaten des EuGVÜ ergeben sich im Bereich der zwischenstaatlichen Zustellungshilfe einige weitere Besonderheiten aus Art. IV des Protokolls zum EuGVÜ vom 27.9.1968 526 und aus Art. 20 Π und I I I EuGVÜ 527 . Gleichlautende Bestimmungen finden sich in Art. IV des Protokolls zum Lugano-Übereinkommen 528 und in Art. 20 I I und ΙΠ des LuganoÜbereinkommens 529. Das Lugano-Übereinkommen wurde als Parallelübereinkommen zum EuGVÜ zwischen den Vertragsstaaten des letzteren und den EFTA-Staaten geschlossen.530 Wegen ihres im wesentlichen gleichlautenden Inhalts ist grundsätzlich eine identische Auslegung der beiden Übereinkommen geboten531, so daß die folgenden zum EuGVÜ gemachten Ausführungen entsprechend auf die Parallelbestimmungen des Lugano-Übereinkommens übertragen werden können.

525 Ebenso im Ergebnis OLG Koblenz RIW 1986, 62, 63, das das Übersetzungserfordernis des Art. 3 ohne jeglichen Kommentar auf die Zustellung nach Art. 7 des deutsch-britischen Abkommens anwendet. 526

BGBl. 1972 II 808 idF des 2. Beitrittsübereinkommens vom 25.10.1982, BGBl. 1988 II 453; das 3. Beitrittsübereinkommen zum EuGVÜ (sog. Donostia-San Sebastian-Abkommen) ist am 1.12. 1994 für Deutschland in Kraft getreten, AB1.EG 1994 C 299 / 1. 527

IdF des 2. Beitrittsübereinkommens vom 25.10.1982, BGBl. 1988 II 453. Zum 3. Beitrittsübereinkommen siehe vorangehende Fußnote. 528

ABl. EG Nr. L 319 vom 25.11.1988, S. 29.

529

ABl. EG Nr. L 319 vom 25.11.1988, S. 9.

530

Das Lugano-Übereinkommen ist am 1.3.1995 aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden; Norwegen, Portugal, Schweden, der Schweiz und Spanien in Kraft getreten, BGBl. 1995 II 221. 531

Kropholler

EuZPR Einl. Rz. 54.

168

1. Teil: Grundlagen

/. Art. IV Protokoll zum EuGVÜ Gemäß Art. IV Abs. 1 des Protokolls zum EuGVÜ sind gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, die in einem EuGVÜ-Vertragsstaat ausgefertigt sind und im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates zugestellt werden sollen, nach den zwischen den beiden beteiligten Staaten geltenden Übereinkommen oder Vereinbarungen zu übermitteln. Es finden also insbesondere das HZÜ unter Einschluß der insoweit getroffenen VereinfachungsVereinbarungen sowie die neben dem HZÜ fortgeltenden bilateralen Verträge (vor allem das deutsch-britische Rechtshilfeabkommen) im Zustellungsverkehr zwischen den EuGVÜ-Vertragsstaaten Anwendung. Nur im Verhältnis zu Irland wurde bis vor kurzem auf vertragsloser Grundlage Rechtshilfe geleistet.532 Damit beschreibt Art. IV Abs. 1 des Protokolls nur den geltenden Rechtszustand und ist somit rein deklaratorischer Natur. 533 Da Art. IV Abs. 1 des Protokolls in der französischen Fassung ebenso wie das HZÜ von „notifiés ou signifiés " spricht, erfaßt diese Bestimmung auch die Benachrichtung der remise au parquet. Fehlzugehen scheint jedoch die Ansicht, Art. IV Abs. 1 des Protokolls habe auch dann fiktive Inlandszustellungen wie § 175 ZPO abschaffen wollen, wenn die völkervertraglichen Regelungen nicht exklusiv sind und keine effektive Auslandszustellung fordern. 534 Hierfür ist de lege lata bei Art. IV Abs. 1 des Protokolls kein Anhaltspunkt gegeben. Auch wäre eine solche Erweiterung der Exklusivität der staatsvertraglichen Zustellungsregeln mit dem sonst allgemein anerkannten rein deklaratorischen Charakter der Bestimmung kaum vereinbar. Weiter geht demgegenüber Art. IV Abs. 2 des Protokolls zum EuGVÜ, der zwischen den Vertragsstaaten einen weiteren Zustellungsweg eröffnet. Danach können gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke von einem Gerichtsvollzieher eines Vertragsstaates unmittelbar an einen Gerichtsvollzieher eines anderen Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Adressat aufhält, übersandt werden. Die Zustellung wird vom Gerichtsvollzieher des Bestimmungslandes in den vom Recht dieses Staates vorgesehenen Formen durchgeführt. Dieser Zustellungsweg entspricht im wesentlichen demjenigen des

532 Seit dem 4.6.1994 gilt im Verhältnis zu Irland das HZÜ, vgl. Wagner RIW 1995, 89, 95 Fn. 95. 533

Linke RIW 1986, 409, 410; Rauscher IPRax 1991, 155, 157; MüKo-ZPO / Gottwald Art. 27 EuGVÜ Rz. 15; a.A. Daniele RDIPP 1983, 484, 499 ff., der in Art. IV Abs. 1 Prot, die Geltungsgmndlage für die Zustellungsverträge sieht und so eine konstitutive Wirkung annimmt. 534 So aber Stürner JZ 1992, 325, 329; ähnlich wohl Rauscher IPRax 1991, 155, 158. Wie hier SU/H.Roth § 175 Rz. 17 und § 199 Rz. 23, 36; Wiehe S. 31.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

169

Art. 10 lit. b HZÜ. 5 3 5 Ebenso wie gegen Art. 10 lit. b HZÜ hat die Bundesrepublik Deutschland jedoch auch gegen Art. IV Abs. 2 des Protokolls einen Widerspruch eingelegt 536 , so daß eine Übermittlung des zuzustellenden Schreibens zwischen den Gerichtsvollziehern des Gerichts- und Zustellungsstaates im Verhältnis zu Deutschland auch insoweit nicht zulässig ist. 537 Die anderen Vertragsstaaten des EuGVÜ verzichteten zwar im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland auf einen solchen Widerspruch. Doch stellt Art. IV Abs. 2 des Protokolls wegen des weitgehend regelungsgleichen Art. 10 lit. b HZÜ auch insoweit nur für diejenigen Staaten eine Neuerung dar, die wie Dänemark und das Vereinigte Königreich gegen Art. 10 lit. b HZÜ einen Widerspruch erklärt haben oder die — wie bis vor kurzem Irland — nicht Vertragspartei des HZÜ sind.

IL Art. 20 II und III EuGVÜ Folgt man dem Bericht zum EuGVÜ 5 3 8 , so stellt Art. 20 EuGVÜ eine der wichtigsten Bestimmungen des Übereinkommens dar. Die hier interessierenden Art. 20 Π und ΠΙ EuGVÜ enthalten Parallelbestimmungen zu Art. 15 HZÜ. Sie dienen ebenso wie dieser dem Schutz des Beklagten vor den Gefahren fiktiver Inlandszustellungen, insbesondere denjenigen der remise au parquet. 539 Der gesamte Art. 20 EuGVÜ gilt jedoch nur dann, wenn der Beklagte in einem Vertragsstaat wohnt oder sich in einem Vertragsstaat aufhält, der nicht mit dem Gerichtsstaat identisch ist. 540 Läßt sich der Beklagte nicht auf das Verfahren ein, so hat das Gericht gemäß Art. 20 I I EuGVÜ eine Entscheidung so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, daß der Beklagte die Möglichkeit hatte, das den Rechtstreit einleitende oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, daß er sich.verteidigen

535

Braun S. 153; Born / Fallon J.T. 1983, 181, 187.

536

BGBl. 1973 II 60.

537

Zu den Gründen des deutschen Widerspruchs siehe BT-Drucks. V I / 1973 S. 45 f.

538

Abgedruckt etwa bei Biilow / Böckstiegel S. 401.1, 58.

539

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.163.

540

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.161; a.A. Geimer IPRax 1988, 271, 273 Fn. 25: Art. 20 II EuGVÜ auch auf außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des EuGVÜ wohnende Beklagte anwendbar.

170

1. Teil: Grundlagen

konnte. Auf welche Weise der rechtzeitige Zugang des Schriftstücks nachzuweisen ist, bestimmt das autonome Verfahrensrecht des Gerichtsstaates. 541 Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, so kann das Verfahren gleichwohl fortgesetzt werden, wenn der Kläger 542 dartut, daß alle zur rechtzeitigen Information des Beklagten erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind. Doch ändert Art. 20 I I EuGVÜ bei Vorliegen eines solchen Nachweises aller erforderlichen Maßnahmen nicht die Erfordernisse des deutschen Rechts ab. Deutsche Gerichte können damit nicht allein auf der Grundlage des Art. 20 Π EuGVÜ ein Versäumnisurteil erlassen, sondern müssen zusätzlich § 203 Π ZPO berücksichtigen. Ein Versäumnisurteil kann folglich in Deutschland bei Fehlen eines Zustellungszeugnisses trotz Art. 20 I I EuGVÜ und des darin geforderten Nachweises aller erforderlichen Maßnahmen nur dann erlassen werden, wenn zusätzlich im Anschluß hieran öffentlich zugestellt worden ist. 543 Alle zur rechtzeitigen Information des Beklagten erforderlichen Schritte im Sinne des Art. 20 I I EuGVÜ sind dann getan, wenn kein Zustellungsnachweis zu erlangen ist, obwohl die Behörden des Gerichtsstaates ordnungsgemäß den nach ihrem innerstaatlichen Recht unter Einschluß völkerrechtlicher Verträge vorgesehenen Zustellungsweg beschritten haben. Darüber hinaus müssen auch die Behörden des Wohnsitzstaates des Beklagten auf das Ersuchen des Gerichtsstaates hin alle ihnen möglichen Schritte unternommen haben.544 Für den deutschen Richter ergibt sich dies bereits aus dem autonomen deutschen Prozeßrecht. Demgegenüber hat Art. 20 I I EuGVÜ für die dem System der remise au parquet folgenden Staaten konstitutive Wirkung. Wurde zum Beispiel bisher in einem französischen Prozeß einem irischen Beklagten die Mitteilung über eine durchgeführte remise au parquet nur über den postalischen Weg, nicht jedoch über den gemäß Art. 685 I I NCPC zusätzlich vorgesehenen Rechtshilfeweg übersandt, und liegt kein Rückschein über den Zugang der postalischen Mitteilung vor, so ist das Verfahren nach Art. 20 I I EuGVÜ auszusetzen. Die von Art. 687 NCPC vorgesehene Aussetzungspflicht ist demgegenüber wegen ihres fakultativen Charakters schwächer. Das Verfahren kann auch nicht gemäß Art. 20 Π 2. HS EuGVÜ wieder aufgenommen werden. Obwohl das Fehlen der

541

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.163 f.

542

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.164.

543

Ebenso Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.164; Bülow RabelsZ 29 (1965) 473, 501 Fn. 97; a.A. Geimer IZPR Rz. 1929a (zum vergleichbaren Art. 15 II HZÜ) und Rz. 2097 (zum vergleichbaren Art. 17 II des deutsch-tunesischen Vertrages). 544

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.164.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

171

zusätzlichen Mitteilung über den Rechtshilfeweg nach französischem Recht nicht die Wirksamkeit der remise au parquet beeinflußt 545 , ist die Fortsetzung des Verfahrens dadurch blockiert, daß nicht alle erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind; es fehlte an der Mitteilung über den Rechtshilfeweg. 546 Für diejenigen EuGVÜ-Staaten, die Vertragsstaaten des HZÜ sind, tritt gemäß Art. 20 I I I EuGVÜ an die Stelle des Art. 20 I I EuGVÜ der Art. 15 HZÜ 5 4 7 , sofern das den Rechtstreit einleitende Schriftstück nach dem HZÜ zu übermitteln war. Derzeit (Stand: 31.12.1994) sind alle EuGVÜ-Staaten gleichzeitig Vertragsstaaten des HZÜ. Damit verdrängt Ait. 15 HZÜ regelmäßig den Art. 20 I I EuGVÜ. Art. 20 I I I EuGVÜ schaltet insoweit jede Kollision zwischen den beiden Normen aus. 548 Doch behält Art. 20 Π EuGVÜ weiterhin selbständige Bedeutung, sofern das HZÜ im Einzelfall nicht anwendbar ist. 549 So gilt gemäß Art. 1 I I HZÜ das Abkommen dann nicht, wenn die Anschrift des Empfängers des zuzustellenden Schriftstücks unbekannt ist. Art. 20 I I EuGVÜ wird somit nicht durch Art. 20 I I I EuGVÜ iVm Art. 15 HZÜ verdrängt. 550 Darüber hinaus ist Art. 20ΙΠ EuGVÜ dann nicht anwendbar, wenn nicht über das HZÜ, sondern über einen der vom HZÜ unberührt gelassenen bilateralen Verträge zugestellt wird. Von besonderer Relevanz ist auch hier das deutsch-britische Rechtshilfeabkommen von 1928. Insoweit ist Art. 20 Π EuGVU mehr als nur eine Übergangsregelung. 551 Die Kollisionsregel des Art. 20 ΠΙ EuGVÜ wurde durch den unterschiedlichen Regelungsgehalt der Art. 20 I I EuGVÜ und 15 HZÜ erforderlich. Beide Vorschriften unterscheiden sich nämlich in einigen wesentlichen Punkten. 552 So stellt Art. 20 I I EuGVÜ anders als Art. 15 HZÜ nicht darauf ab, daß in einer bestimmten Form rechtzeitig zugestellt worden ist, sondern begnügt sich allein mit dem Erfordernis der Rechtzeitigkeit. 553 Das gleiche gilt im Hinblick auf Art. 20 Π 2. HS EuGVÜ für die Voraussetzungen zur Fortführung des Verfah-

545

Arg. e contrario Art. 693 NCPC.

546

Ähnlich, jedoch zu Art. 15 HZÜ und Art. 687 NCPC P. Schlosser FS Matscher S. 387, 398.

547

Siehe zu Art. 15 HZÜ die dazu gemachten Ausführungen (oben § 12 IV 1 und 2).

548

Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1076.

549

Soek NILR 1982, 72, 90; dies übersieht m.E. Kropholler

550

Anton Rz. 7.36.

551

So aber Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.166.

552

EuZPR Art. 20 Rz. 3.

M.E. insofern fehlgehend die Feststellung von Bülow / Böckstiegel / Müller 606.167, daß Art. 15 HZÜ in seinem wesentlichen Inhalt mit Art. 20 II EuGVÜ übereinstimme. 553

Linke, Probleme, S. 157, 167.

172

1. Teil: Grundlagen

rens trotz fehlenden Zustellungsnachweises. Diese dem Art. 15 I I HZÜ entsprechende Bestimmung 554 nimmt im Ergebnis nur eine Voraussetzung des Art. 15 I I HZÜ auf (Art. 15 I I lit. c HZÜ), verzichtet aber anders als Art. 15 Π lit. a HZÜ auf das Erfordernis der Einhaltung bestimmter Übermittlungswege. Das bedeutet, daß sich der Beklagte im Rahmen von Art. 20 I I EuGVÜ anders als bei Art. 15 HZÜ nicht darauf berufen kann, daß bei der Zustellung bestimmte Formen oder Zustellungswege nicht eingehalten worden sind, sofern er nur rechtzeitig Kenntnis von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück erhalten hat. 555 Jede andere Äußerung, auch die bloße Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit der Zustellung ohne Verspätungsfolge stellt bereits eine Einlassung dar und führt zur Unanwendbarkeit des Art. 20 I I EuGVÜ. 5 5 6 Schließlich unterscheidet sich Art. 20 I I EuGVÜ von Art. 15 Π lit. b HZÜ durch das Fehlen einer Mindestaussetzungsfrist. 557 Außer in den schon oben dargestellten Fällen der Fortgeltung des Art. 20 I I EuGVÜ erscheint es denkbar, zumindest Art. 20 Π 2. HS EuGVÜ neben Art. 20 ΠΙ EuGVÜ iVm Art. 15 HZÜ für solche Vertragsstaaten weiter für anwendbar zu erklären, die wie Italien keine Erklärung im Sinne des mit Art. 20 Π 2. HS funktionsgleichen Art. 15 I I HZÜ abgegeben haben.558 Abgesehen vom insofern schon eindeutigen Wortlaut des Art. 20 I I I EuGVÜ erscheint das jedoch mit der Ratio des Art. 20 ΙΠ EuGVÜ nicht vereinbar, da sich ansonsten die europäischen Vertragsstaaten des HZÜ leicht den höheren Anforderungen des Art. 15 Π HZÜ entziehen könnten. Die Frage der Auslegung des Art. 20 I I EuGVÜ und sein Verhältnis zu Art. 20 ΠΙ EuGVÜ wird künftig in entsprechender Art und Weise über die oben erwähnten Fälle hinaus vor allem auch im Rahmen der Parallelbestimmungen des Lugano-Übereinkommens an Bedeutung gewinnen 559 , da vier der sieben

554

Diese Vergleichbarkeit übersehen m.E. Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1076; richtig demgegenüber Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.168. 555

Unklar bei Geimer IPRax 1988, 271, 272.

556

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606. 166; Linke, Anerkennung, S. 108 (zu § 328 I Nr. ZPO a.F.); strenger Geimer in Geimer / Schütze I / 1 S. 1075 f., der bereits jede Verteidigungshandlung ausreichen lassen will. 557

Zu Recht kritisch Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.168.

558

Die Bundesrepublik Deutschland hat als letzter am HZÜ beteiligter EuGVÜ-Staat (mit Ausnahme von Italien) erst jüngst eine solche Erklärung abgegeben, BGBl. 1993 II 704. 559

Linke, Probleme, S. 157, 167.

2. Kapitel: Internationale Rechtshilfe in Zustellungssachen

173

EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein560, Österreich und die Schweiz) bisher noch nicht dem HZÜ beigetreten sind. 561

560

Liechtenstein hat das Lugano-Übereinkommen nicht gezeichnet.

561

Die Schweiz hat das H Z Ü am 21.5.1985 gezeichnet, Practical Handbook S. 22.

Zweiter Teil

Die Heilung von Zustellungsmängeln im internationalen Zivilrechtsverkehr Erstes Kapitel

Einführung § 15 Fehlerarten bei der internationalen Zustellung und ihre Überwindung

Die Länge der vorstehenden Ausführungen spiegelt die Komplexität der Regeln über die internationale Zustellung wider. Zum ohnehin schon sehr komplizierten und fehleranfälligen 1 deutschen Zustellungsrecht kommen dort — wie gesehen — aus deutscher Sicht eine Vielzahl von bi- und multilateralen Verträgen sowie mehrere Zusatz Vereinbarungen hinzu. Diese verweisen zum Teil auf das autonome Zustellungsrecht der ausländischen Zustellungsstaaten. Zu Recht spricht Stürner 2 insoweit von einer wahren Gemengelage, da ein einziger Zustellungsvorgang zum Teil gleichzeitig durch drei oder vier verschiedene ineinander greifende Rechtsmassen geregelt wird. Zwar ist vor diesem Grund de lege ferenda ein vereinfachtes (europäisches) Zustellungsrecht wünschenswert.3 Doch sind Anstrengungen in dieser Hinsicht bisher leider noch nicht erkennbar. 4

1

Siehe oben § 2 VI.

2

JZ 1993, 358; zustimmend Thode WuB V I I Β 1. Art. 27 EuGVÜ 1.93.

3 Stürner JZ 1993, 358; ders. JZ 1992, 325, 334; Kropholler V I I Β 1. Art. 27 EuGVÜ 1.93. 4

Linke, Probleme, S. 157, 166.

EuZPR Art. 20 Rz. 3; Thode WuB

1. Kapitel: Einführung

175

I. Fehlerarten Mangels entsprechender Bemühungen der Staaten zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Zustellungsrechts sind auch weiterhin Fehler bei der internationalen Zustellung vorprogrammiert. Insgesamt lassen sich insoweit vier große Fehlergruppen ausmachen:

1. Inlandszustellung statt erforderlicher Auslandszustellung Aus § 199 iVm § 170 ZPO läßt sich die Regel ableiten, daß immer dann, wenn der Beklagte sich im Ausland aufhält, tatsächlich im Ausland zuzustellen ist, sofern nicht das deutsche Recht ausnahmsweise eine Inlandszustellung vorsieht. § 199 ZPO regelt mithin die Notwendigkeit einer Auslandszustellung. Bereits diese Notwendigkeit wird immer wieder von deutschen Gerichten verkannt. So ist in dem Sachverhalt, der einer älteren Entscheidung des Kammergerichts 5 zugrunde lag, dem Beklagten die Klage in seiner alten, inzwischen aufgegeben Wohnung durch Ersatzzustellung zugestellt worden, obwohl sich der Beklagte inzwischen im Ausland aufhielt. Hierin lag ein Verstoß gegen § 199 ZPO. Ähnlich lag auch ein Sachverhalt, den der BGH zu beurteilen hatte.6 Dort ging es um die Zustellung einer gegen eine sowjetische Firma gerichteten Klage. Statt den Weg über § 199 ZPO zu beschreiten, ordnete das seinerzeit zuständige Landgericht Hamburg zunächst an, die Klage an die „hiesige Vertretung" der Beklagten, die Handelsvertretung der Sowjetunion in der Bundesrepublik Deutschland, zuzustellen. Die Handelsvertretung besaß jedoch keine Zustellungsvollmacht. Anders als etwa das US-amerikanische Prozeßrecht kennt die deutsche ZPO 7 aber keine Inlandszustellung an eine rechtlich selbständige, im Forumstaat ansässige Gesellschaft, die (z.B. als 100%ige Tochter) mit der zu verklagenden ausländischen Gesellschaft verbunden ist (sogenannter unvoluntary agent)} Auch hierin lag also ein Verstoß gegen § 199 ZPO.

5

JW 1929, 3173.

6

BGHZ 58, 177.

7

Zu den Ausnahmen Otto S. 167 ff.

8

Geimer IZPR Rz. 2111; Böhmer NJW 1990, 3049, 3052; a.A. Klaus P. Mössle S. 252; ausführlich zum Zustellungsdurchgriff im US-amerikanischen Recht siehe Otto S. 83 ff.; im übrigen siehe U.S. Supreme Court 108 S.Ct. 2104 (Schlunk v. Volkswagen AG); dazu Heidenberger RIW 1988, 90, 91. Einen Schlunk v. Volkswagen AG vergleichbaren Fall berichtet Schlosser FS Stiefel S. 683, 688: Ersatzzustellung an US-Tochter der Allianz Versicherungs AG in einem Produkthaftungsfall,

176

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Darüber hinaus werden immer wieder die von der ZPO vorgesehenen fiktiven Zustellungswege unter Verletzung des § 199 ZPO falsch angewandt. So werden verfahrenseinleitende Schriftstücke häufig durch Aufgabe zur Post gemäß §§ 174 Π, 175 ZPO fiktiv in Deutschland zugestellt, obwohl diese Bestimmungen nur für m c/zrverfahren seinleitende Schriftstücke Platz greifen. 9 Schließlich finden sich auch öffentliche Zustellungen, obwohl die Voraussetzungen des § 203 II ZPO nicht vorliegen. 10

2. Falscher Übermittlungsweg Selbst wenn die Gerichte ansonsten grundsätzlich die aus § 199 ZPO hervorgehende Notwendigkeit einer Auslandszustellung erkennen, werden doch häufig die falschen Übermittlungswege beschritten. Die ZPO kennt gemäß § 199 ZPO grundsätzlich nur zwei Zustellungswege. § 199 ZPO nennt an erster Stelle die Zustellung mittels Ersuchens der ausländischen Behörden um aktive Zustellungshilfe. In welcher Weise ein solches Ersuchen zu übermitteln ist, geht demgegenüber nicht aus der ZPO, sondern aus der zwischenstaatlichen Praxis oder aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen hervor. Genannt seien hier der diplomatische und der konsularische Weg sowie der unmittelbare Behördenverkehr. Daneben erwähnt § 199 ZPO auch die Zustellung unmittelbar durch im Zustellungsstaat residierende deutsche Konsuln 11 , soweit diese Zustellungsart vom Residenzstaat des Konsuls zugelassen wird. Andere Zustellungswege kennt das deutsche Recht nicht. Zwar können Staatsverträge zusätzliche Zustellungswege eröffnen (etwa Art. 10 HZÜ). Diese sind jedoch durch die dagegen erklärten deutschen Widersprüche sowohl für ausgehende12 wie für eingehende Ersuchen versperrt. Damit bleibt es für die deutschen Behörden bei den genannten Wegen.

obwohl die deutsche Allianz Versicherungs AG selbst Beklagte war. 9

BGH IPRax 1988, 159; IPRspr. 1978 Nr. 152.

10

OLG Hamm NJW 1989, 2203: Anordnung einer öffentlichen Zustellung nach vier Monaten, obwohl nicht einmal die von Art. 15 H Z Ü vorgeschriebene sechsmonatige Wartefrist abgelaufen war. Ähnlich das belgische Prozeßgericht im Anerkennungsfall von BGH IPRax 1993, 324, das — wie Linke IPRax 1993, 295 richtigerweise anmerkt — bei einer fiktiven Zustellung unter Verstoß gegen Art. 15 II H Z Ü ein Versäumnisurteil erließ. 11 Deutsche Ermächtigungsgrundlage für die Konsuln zur Durchführung der Zustellung ist § 16 KonsularG, BGBl. 1974 I 2317. 12

Zur entgegenstehenden Ansicht von Geimer siehe oben § 12 II.

1. Kapitel: Einführung

177

Ungeachtet dieser Lage wird auch von deutscher Seite immer wieder durch die Post (nicht durch die Aufgabe zur Post, dazu siehe vorstehend Punkt 1) zugestellt. So lag dem US-amerikanischen Anerkennungsfall Ackermann v. Levine 13 ein deutsches Urteil zugrunde, dessen verfahrenseinleitendes Schriftstück dem sich in den USA aufhaltenden Beklagten durch die Post zugestellt worden war. Hierin lag nicht nur eine Verletzung des HZÜ, das wegen des deutschen Widerspruchs gegen Art. 10 lit. a HZÜ für deutsche Schriftstücke keine Zustellung durch die Post vorsieht, sondern auch ein Verstoß gegen § 199 ZPO. Zum gleichen Ergebnis kommt man in einem Fall des Kammergerichts 14 , in dem sich der deutsche Verfahrensbeteiligte unmittelbar an den französischen Gerichtsvollzieher mit der Bitte um Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gewandt hatte. Zwar sah das damals für die Zustellung zwischen Deutschland und Frankreich maßgebliche Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 in Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 eine solche Zustellung vor. Auch wenn Frankreich aber einer solchen Übermittlung nicht widersprochen hatte, sperrt doch der insoweit erklärte deutsche Widerspruch diesen Weg auch für ausgehende deutsche Ersuchen. Zudem steht einem solchen Verfahren § 199 ZPO entgegen. Auch das direkt an den ausländischen Gerichtsvollzieher gerichtete Zustellungsersuchen stellte mithin einen unzulässigen Übermittlungsweg und damit unbesehen seiner Unvereinbarkeit mit dem Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 auch einen Verstoß gegen § 199 ZPO dar. Umgekehrt beschreiten auch ausländische Staaten bei Zustellungen in die Bundesrepublik Deutschland unzulässige Zustellungswege. So hatte der BGH jüngst über die Anerkennung eines amerikanischen Urteils zu entscheiden15, dessen verfahrenseinleitendes Schriftstück der sich in Deutschland aufhaltenden Beklagten im Postwege per Einschreiben zugestellt worden war. Zwar kennt das autonome US-amerikanische Recht eine Zustellung durch die Post (Rule 4 (i) Subsec. (D) F.R.C.P.).16 Doch ist diese Zustellungsmöglichkeit auch aus amerikanischer Sicht im Verhältnis zu Deutschland durch den deutschen Widerspruch zu Art. 10 lit. a HZÜ ausgeschlossen.17

13

788 F.2d 830.

14

OLGZ 1974, 328 (vollstreckbare Ausfertigung der Kostenrechnung eines deutschen Notars).

15

BGHZ 120, 305.

16

Dazu Kochinke / Horlick

17

RIW 1982, 79, 80.

Das HZÜ ist, sofern nach dem autonomen US-amerikanischen Recht eine Auslandszustellung erforderlich ist, gegenüber dem autonomen amerikanischen Zustellungsrecht supreme law of the land , Art. V I (2) der US-Verfassung; dazu Heidenberger / Barde RIW 1988, 683, 685. Siehe auch 12 Kondriny

178

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

3. Durchführungsfehler seitens der ersuchten Behörde Über die Art und Weise der Durchführung der Zustellung im Zustellungsstaat befindet grundsätzlich die lex fori dieses Staates. Das gilt grundsätzlich sowohl für die Bestimmung der insoweit zuständigen Organe wie für das bei der Zustellung zu beachtende Verfahren. Die deutschen Behörden stellen grundsätzlich formlos zu. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sie durch Staatsverträge ermächtigt und verpflichtet sind, die Zustellung förmlich in den Formen der ZPO oder — ausnahmsweise — in einer anderen besonderen Form durchzuführen. Führen die deutschen Behörden die Zustellung in den Formen der deutschen ZPO durch, so gleichen die hierbei auftretenden Fehler denen der reinen Inlandszustellung.18 Ein Paradebeispiel (im negativen Sinne) stellt insoweit der einem Urteil des OLG Karlsruhe 19 zugrundeliegende Sachverhalt dar. Dort hatten die deutschen Behörden die Zustellung einer kanadischen Klage im Rahmen des auch für Kanada geltenden deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens von 192820 durchzuführen. Dabei unterliefen gleich drei (!) Fehler: Der kanadische Kläger hatte sich korrekterweise gemäß Art. 7 des deutschbritischen Abkommens direkt an den deutschen Gerichtsvollzieher gewandt. Statt die Zustellung jedoch richtigerweise eigenhändig auszuführen, wandte sich der Gerichtsvollzieher an das örtliche Amtsgericht 21, das die Zustellung nunmehr selbst durch den Rechtspfleger veranlaßte. Da jedoch der Weg über Art. 7 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens einen Fall der Parteizustellung darstellt, ist nicht das Amtsgericht, sondern unmittelbar der Gerichtsvollzieher zuständig.22 Die Zustellung war mithin unter Verstoß gegen die deutschen Zuständigkeitsbestimmungen durchgeführt worden. Darüber hinaus stellte das Amtsgericht an die Firma einer Aktiengesellschaft zu. Da aber eine Aktiengesellschaft als juristische Person nicht prozeßfähig ist, muß an den Vorstand oder

U.S. Supreme Court 108 S.Ct. 2104 (Schlunk v. Volkswagen AG). 18

Siehe dazu oben § 2 VI.

19

OLGZ 1985, 201.

20 Zur Geltung für Kanada siehe BGBl. 1954 II 15. Das H Z Ü war im Zeitpunkt der Zustellung noch nicht für Kanada in Kraft getreten. 21

Beachte aber die Vorlagepflicht aus § 81 I ZRHO. Diese Vorlage soll eine Überprüfung der Zustellung auf ihre Vereinbarkeit mit der deutschen Souveränität hin ermöglichen, nicht jedoch zur Ausführung durch das Amtsgericht führen. 22 StJ / H.Roth § 199 Rz. 37; allgemein zur Zustellung durch Gerichtsvollzieher bei der Privatzustellung siehe SU / H.Roth Vor § 166 Rz. 20.

1. Kapitel: Einführung

179

die Mitglieder des Vorstandes zugestellt werden, was jedoch vorliegend unterblieb. Damit verstieß die Durchführung der Zustellung auch gegen § 171 ZPO. Schließlich lag noch ein Verstoß gegen § 184 ZPO vor, da ohne nähere Prüfung der Anwesenheit oder der Verhinderung eines gesetzlichen Vertreters der AG sofort an einen Bediensteten derselben zugestellt worden war. Ähnliche Fehler finden sich — wenngleich nicht so gehäuft — auch andernorts. Im Minalmet-Fall des EuGH 23 hatten die deutschen Behörden bei der Durchführung einer Ersatzzustellung an eine GmbH gegen § 182 ZPO verstoßen, da das zuzustellende Schriftstück wegen Vorhandenseins eines besonderen Geschäftslokals (in diesem Fall ist § 182 ZPO gemäß § 184 Π ZPO unanwendbar) nicht — wie tatsächlich geschehen — durch Niederlegung bei der Post, sondern in der Wohnung des Geschäftsführers der verklagten GmbH hätte zugestellt werden müssen. Ein Fall des OLG Frankfurt / M . 2 4 zeigt schließlich, daß Durchführungsfehler nicht nur im besonders stark formalisierten und damit besonders fehleranfälligen Verfahren der förmlichen Zustellung entstehen können, sondern zuweilen auch bei der formlosen Zustellung unterlaufen. Dort sollte eine belgische Klage durch die deutsche Behörden formlos zugestellt werden. Zur Durchführung der formlosen Zustellung durch persönliche Übergabe des Schriftstücks ist gemäß § 69 I ZRHO der Rechtspfleger, der Gerichtswachtmeister oder der Gerichtsvollzieher zuständig. In concreto hatte jedoch ein Postbediensteter auf Veranlassung des Rechtspflegers das zuzustellende Schriftstück übergeben. Die Durchführung der Zustellung verstieß mithin gegen die deutschen Zuständigkeitsvorschriften (wenngleich auch der ZRHO keine Gesetzeskraft zukommt 25 ).

4. Fehlende Übersetzung Relativ häufig finden sich förmliche Zustellungen, die ohne die gemäß Art. 5 ΙΠ HZÜ oder gemäß Art. 3 I I des Haager Zivilprozeßübereinkommens von

23

RIW 1993, 65 (Minalmet . / . Brandeis).

24

RIW 1987, 627.

25

F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165 und StJ / H.Roth § 199 Rz. 38 halten aus diesem Grunde zu Recht auch Verstöße gegen die ZRHO im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung für irrelevant; a.A. wohl OLG Frankfurt ebenda, das die Heilung dieses Fehlers unter dem Gesichtspunkt der Zweckerreichung prüfte. 12

180

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

1954 erforderliche Übersetzung förmlich zugestellt werden. 26 Grund hierfür mag sein, daß vielfach übersehen wird, daß nur formlose Zustellungen ohne Übersetzung erfolgen dürfen. 27 Darüber hinaus werden Zustellungsfehler dieser Art wohl auch dadurch „provoziert", daß das HZÜ in Art. 5 ΠΙ mangels eines entgegenstehenden Wunsches des ersuchten Staates und seiner Behörden vom Erfordernis einer Übersetzung absieht. Deutschland verlangt — für ausländische Stellen möglicherweise etwas versteckt 28 — aufgrund von § 3 des deutschen Ausführungsgesetzes zum HZÜ bei eingehenden, auf eine förmliche Zustellung gerichteten Ersuchen stets eine Übersetzung. 29 Der fehlenden Übersetzung ist die fehlerhafte Übersetzung gleichzusetzen.30 Aus Gründen der Einfachheit wird im folgenden jedoch nur von der fehlenden Übersetzung die Rede sein. Diese Ausführungen sind entsprechend auf die fehlerhafte Übersetzung übertragbar.

II. Die Überwindung der Zustellungsfehler Die Zustellung hat im innerstaatlichen wie im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr grundsätzlich die gleichen Funktionen: Es soll in erster Linie der Beklagte über das gegen ihn anhängig gewordene Verfahren informiert und so sein Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt werden. Darüber hinaus soll durch einen eventuellen Zustellungsnachweis die durchgeführte Zustellung leicht im Prozeß nachweisbar sein.31 Insoweit kann hier entsprechend auf die weiter oben32 zur innerstaatlichen Zustellung aufgestellten Überlegungen verwiesen werden.

26 Etwa EuGH Slg. 1990 1-2725 (Lancray . / . Peters); BGH W M 1988, 1298; OLG Düsseldorf IPRax 1985, 289; IPRspr. 1978 Nr. 159; OLG Hamm IPRspr. 1981 Nr. 160; IPRspr. 1977 Nr. 145. 27

Ebenso Braun S. 58.

28

Gleichwohl ist die deutsche Haltung zu Art. 5 III H Z Ü (abgesehen von einer entsprechenden deutschen Notifikation, vgl. Bekanntmachung des Auswärtigen Amtes vom 21.6.1979, BGBl. 1979 II 779) auch für ausländische Stellen leicht zugänglich wiedergegeben in: Practical Handbook S. 77. 29 A.A. Stade NJW 1993, 184 (gegen eine völkerrechtlich bindende Wirkung von § 3 AusfG). Dagegen siehe schon oben § 12 III. 30 So auch Braun S. 147. Zu einem solchen Fall siehe jüngst OLG Hamm 11 U 92 / 92 vom 25.11.1992, OLG Report Hamm 1993, 161 (nur LS, ansonsten bisher unveröffentlicht): „...die der Klägerin zugestellte Übersetzung der in italienischer Sprache abgefaßten Klageschrift [ist] von schlechter Qualität und nur mühsam verständlich..." (Punkt 3 der Entscheidungsgründe). 31

Zöller / Geimer § 199 Rz. 1.

32

Oben § 3 II.

181

1. Kapitel: Einführung

Sind diese Zwecke erreicht, so verbietet es das rechtsstaatliche Übermaßverbot auch im IZPR, an einen Formverstoß bei der Zustellung die Nichtigkeitsfolge zu knüpfen. Ein Abrücken von diesen ursprünglich am innerstaatlichen Zustellungsrecht entwickelten Grundsätzen im internationalen Bereich erscheint weder möglich noch sinnvoll. Sowohl Kläger als auch Beklagter sollen vor den Gerichten des Forumstaates grundsätzlich unabhängig von ihrem Wohnsitz oder ihrer Staatsangehörigkeit die gleichen Rechte genießen. Ihre Interessen sind unter Wahrung des fremdenrechtlichen Mindeststandards 33 nicht weniger (aber regelmäßig auch nicht mehr !) zu schützen als diejenigen der Verfahrensbeteiligten eines rein inländischen Prozesses.34 Dies gilt im internationalen Zustellungsrecht um so mehr, als dort wegen der Unübersichtlichkeit der einschlägigen und zu beachtenden Zustellungsvorschriften eine besonders hohe Anfälligkeit für Zustellungsfehler besteht. Würde jeder Zustellungsfehler dort zur Nichtigkeit der Zustellung führen, so hätte das wegen der Kompliziertheit der Materie häufig eine faktische Rechtsverweigerung zu Lasten des Klägers zur Folge. Mehr noch als im innerstaatlichen Zustellungsrecht ist hier also ein sorgfältiger Ausgleich zwischen den Interessen des Klägers auf effektiven Rechtsschutz und denen des Beklagten auf Wahrung rechtlichen Gehörs geboten.35 Konstruktiv stehen auch bei der internationalen Zustellung ebenso wie im innerstaatlichen Bereich grundsätzlich zwei methodische Ansätze zur Verwirklichung des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes im Zustellungsrecht zur Verfügung: die weite Auslegung der Formvorschriften auf der einen und die Heilung von Formverstößen auf der anderen Seite.36 Der Ansatz der weiten Auslegung vermeidet von vornherein Formverstöße, indem die Formvorschriften von Anfang an so weit ausgelegt werden, daß dem Übermaßverbot Rechnung getragen ist. 37 Demgegenüber verwirklicht die Heilung das rechtsstaatliche Übermaßverbot erst im nachhinein, indem ursprünglich bestehende Formfehler nachträglich mit ex tunc- oder ex nunc-Wirkung als behoben oder unbeachtlich angesehen werden.

33

Dazu Geimer IZPR Rz. 1911 ff.

34

H. Roth FS Stree / Wessels S. 1045, 1050; Böhm FS Fasching S. 107, 117; Geimer ZfRV 1992, 321, 326. 35

Schütze ZZP 106 (1993) 396, 398.

36

Zur systematischen Unterscheidung der beiden Ansätze Stürner FS Nagel S. 446, 453.

37 So im Ergebnis wohl z.B. Geimer in Geimer / Schütze 1/ Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ; ebenso Linke RIW 1986, 409, 412 f.

1, S. 1065 ff. im Rahmen von

182

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Auch im Bereich der internationalen Zustellung verdient die Verwirklichung des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes über den methodischen Weg der Heilung den Vorzug gegenüber demjenigen der weiten Auslegung. In bezug auf die im einzelnen gegen die weite Auslegung vorgebrachten Bedenken kann deshalb hier nach oben verwiesen werden. 38 Vor allem stellt die Heilung gegenüber der weiten Auslegung das wesentlich sensiblere Instrument dar. 39 Mit ihr läßt sich kontrolliert die prozessuale Form aufweichen, ohne die Justizförmigkeit des Verfahrens zu gefährden. Die von der Justizförmigkeit des Verfahrens grundsätzlich gebotene Bindungswirkung der Formvorschriften bleibt dann in weit größerem Umfang gewahrt, wenn man die nachteiligen Folgen eines Formverstoßes zunächst eintreten läßt und erst im nachhinein darüber befindet, ob der Formverstoß als geheilt angesehen werden kann. 40 Im Bereich der internationalen Zustellung kommt hinzu, daß anders als bei der innerstaatlichen Zustellung außer den Belangen der Prozeßparteien häufig auch hoheitliche Interessen der beteiligten Staaten in den Problemkomplex der Zustellung involviert sind. Die sensible Frage der fremdstaatlichen Souveränität erfordert aber — wie die folgenden Ausführungen zeigen werden — eine sorgsame Einzelfallbetrachtung, die in ausreichendem Maße nur nachträglich im Wege der Heilung und nicht von vornherein und global im Wege einer weiten Auslegung der Formvorschriften möglich ist. Damit stellt auch auf dem Gebiet der internationalen Zustellung die Heilung den konstruktiv einzig zulässigen Weg zur Überwindung von Zustellungsfehlern dar. Ob und inwieweit jedoch aus deutscher Sicht eine Heilung von Zustellungsfehlern möglich ist, wird nach wie vor äußerst kontrovers diskutiert 41 . Problematisch sind dabei vor allem zwei Punkte: Insbesondere wird bis heute der Anwendungsbereich der Heilungsinstitute des autonomen deutschen Rechts (insbesondere des § 187 ZPO) in internationalen Zustellungsfällen uneinheitlich bestimmt. Darüber hinaus bereitet es Schwierigkeiten, daß nach vorherrschender

38

Oben § 3 II.

39

So ausdrücklich zur Heilung im internationalen Zustellungsverkehr: Stellungnahme der Bundesregierung in EuGH Slg. 1990-1 2725, 2730 (Lancray . / . Peters); Stürner JZ 1992, 325, 330; Rauscher IPRax 1991, 155, 157. 40 41

Güntzel S. 24 f.

P. Schlosser FS Matscher S. 387, 393 spricht insoweit von „diametral gegenläufigen]" Ansichten.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

183

Meinung 42 die häufig für die internationale Zustellung maßgeblichen völkerrechtlichen Abkommen keine eigenen Heilungsvorschriften enthalten. Im folgenden soll aus der Sicht des deutschen Richters untersucht werden, ob und — wenn ja — wie eine Heilung von Mängeln der internationalen Zustellung vor deutschen Gerichten erfolgen kann. Dabei wird die Heilungsproblematik der Reihe nach in allen relevanten Fallgruppen erörtert. Insoweit hervorzuheben sind insbesondere die Heilung im deutschen Erkenntnisverfahren auf der einen und die Heilung im deutschen Anerkennungsverfahren auf der anderen Seite. Wegen einer möglicherweise abweichenden Beurteilung der Heilungsfrage im Rahmen der einzelnen staatsvertraglichen Zustellungsregeln muß darüber hinaus jeweils zwischen dem vertragslosen und vertraglichen Zustellungsverkehr unterschieden werden.

Zweites Kapitel

Zustellungsfehler bei ausgehenden Ersuchen — die Heilung im Urteilsverfahren § 16 Die Heilung ausgehender Ersuchen im vertragslosen Zustellungsverkehr

Mit der Zunahme der internationalen wirtschaftlichen Verflechtung nimmt auch die Zahl der vor deutschen Gerichten anhängigen Verfahren mit internationalen Berührungspunkten zu. Dabei kommt es nicht selten vor, daß der Beklagte im Ausland domiziliert ist. Soll ein solcher Prozeß in Gang kommen und der Streit rechtshängig werden, so ist gemäß §§ 253 I, 199 ZPO regelmäßig die tatsächliche Zustellung der Klageschrift an den ausländischen Beklagten erforderlich. Das insoweit im vertragslosen Zustellungsverkehr einzuhaltende Verfahren wurde einschließlich der dabei auftretenden Fehler oben ausführlich dargestellt. 1 Unbeantwortet blieb bisher jedoch die Frage, ob der deutsche Richter im Urteilsverfahren trotz eines Zustellungsfehlers den Prozeß fortsetzen und vor allem — bei Säumnis des Beklagten — ein Versäumnisurteil erlassen darf, wenn feststeht, daß der Beklagte trotz des Zustellungsfehlers eine zuver-

42

So etwa zum HZÜ Stürner JZ 1992, 325, 332; Otte BGH EWiR § 328 ZPO 1 / 93, 202; Coester-Waltjen JK 93, ZPO § 328 / 2; zum Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 OLG Hamm IPRspr. 1977 Nr. 156; IPRspr. 1979 Nr. 203. 1

Oben § 9.

184

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

lässige Kenntnis von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück erhalten hat. Dies ist nur dann möglich, wenn der Fehler durch die Kenntnis des Beklagten geheilt wäre. Ob eine solche Heilung im deutschen Urteilsverfahren in Frage kommt, soll für die einzelnen oben herausgearbeiteten Fehlertypen zunächst im Hinblick auf die Zustellung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr untersucht werden. Hierbei handelt es sich um die wohl einfachste — weil von den „Nebenfragen" der staatsvertraglichen Zustellung und der Anerkennung befreite — Fallgruppe.

/. Inlandszustellung statt erforderlicher

Auslandszustellung

Als Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen soll ein Fall dienen, den der BGH im Jahre 1972 zu entscheiden hatte2: (Fall leicht vereinfacht) Die deutsche Klägerin D. wollte im Jahre 1966 ihren Geschäftspartner, die sowjetische Gesellschaft S. mit Sitz in der (früheren) UdSSR, auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Aus diesem Grunde verklagte D. die S. vor dem insoweit international zuständigen Landgericht Hamburg. Statt gemäß § 199 ZPO im Rahmen des seinerzeit noch vertragslosen deutsch-sowjetischen Rechtshilfeverkehrs 3 ein Zustellungsersuchen an die UdSSR zu richten, stellte das Landgericht die Klageschrift mit der Ladung an die von der Klägerin als „hiesige Vertretung" der Beklagten bezeichnete Handelsvertretung der UdSSR in der Bundesrepublik Deutschland in Köln zu. Doch war die sowjetische Handelsvertretung weder eine „hiesige Vertretung" der beklagten S. noch besaß sie Zustellungsvollmacht von S. Gleichwohl leitete die sowjetische Handelsvertretung die Klageschrift mit der Ladung an die S. in die UdSSR weiter, so daß die beklagte S. noch rechtzeitig von dem gegen sie in Deutschland anhängigen Verfahren erfuhr. Nichtsdestotrotz blieb die S. dem deutschen Verfahren fern.

Für den deutschen Prozeßrichter stellte sich die Frage, ob er ein Versäumnisurteil erlassen durfte. Dies ist u.a. nur dann der Fall, wenn der S. das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Zwar stellte die Zustellung an die sowjetische Handelsvertretung in der Bundesrepublik Deutschland in Köln mangels Zustellungsvollmacht derselben einen Verstoß gegen das Gebot der Auslandszustellung und damit gegen § 199 ZPO dar. Denn dem deutschen Prozeßrecht ist anders als etwa dem amerikanischen Recht ein

2 3

BGHZ 58, 177.

Die UdSSR trat erst am 26.7.1967 dem Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 bei (BGBl. 1967 II 2046), das bereits seit dem 1.1.1960 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft war (BGBl. 1959 II 1388). Zur Fortgeltung des Abkommens für die Nachfolgestaaten der UdSSR siehe oben § 10 I Fn. 222.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

185

sogenannter Zustellungsdurchgriff unbekannt.4 Doch könnte diese fehlerhafte Zustellung gemäß § 187 ZPO dadurch geheilt worden sein, daß die S. trotz des Fehlers rechtzeitig Kenntnis von dem deutschen Prozeß erhalten hat. Das erstinstanzliche Landgericht Hamburg entschied sich seinerzeit im Ergebnis für diesen Weg und erließ so ein Versäumnisurteil gegen die S.

1. Ansicht des BGH Der BGH folgte dem nicht.5 Er führte in dem Zusammenhang aus, daß § 187 ZPO zumindest im vorliegenden Fall keine Anwendung finden könne. Die formelle Zustellung einer Klage sei ein Staatshoheitsakt, der für die betreffende Partei Rechte und Pflichten begründe und deshalb mangels anderslautender staatsvertraglicher Vereinbarungen außerhalb des eigenen Territoriums nicht wirksam vollzogen werden könne. Hierauf nähme § 199 ZPO Rücksicht. Nur über eine dieser Vorschrift entsprechende Zustellung könne demnach ein wirksames ProzeßrechtsVerhältnis zur Beklagten entstehen. Habe dagegen eine im Ausland ansässige Prozeßpartei das verfahrenseinleitende Schriftstück von einem inländischen vollmachtslosen Vertreter erhalten, dem seinerseits das Schriftstück nach den inländischen Zustellungsregeln zugestellt worden sei, so genüge der bloße Zugang der Klageschrift zur Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses [sc. über § 187 S.l ZPO] nicht. Denn auf diese Weise würde die ausländische Partei nach deutschem Prozeßrecht in einen deutschen Prozeß hineingezogen, obwohl das nur nach dem in ihrem Aufenthaltsort geltenden Recht oder den dort anerkannten internationalen Verträgen geschehen könne. Die dortige Rechtsordnung bliebe also unbeachtet, wenn der bloße tatsächliche Zugang der Klageschrift an eine dort ansässige Partei zur Begründung eines dem deutschen Zivilprozeßrecht unterliegenden Prozeßrechtsverhältnisse genügen würde. Der BGH bestätigte dieses Ergebnis mehrfach in späteren Entscheidungen.6 So hatte der BGH im Jahre 1978 eine andere Variante der irrtümlichen Inlandszustellung zu beurteilen 7: Dort war eine Klage an einen im Ausland lebenden Beklagten statt über § 199 ZPO durch Aufgabe zur Post gemäß §§174 II, 175

4

Geimer IZPR Rz. 2111 mwN; siehe dazu schon ausführlich oben § 15 I 1.

5

BGHZ 58, 177.

6

BGHZ 98, 263, 270 (obiter dictum); BGH IPRspr. 1978 Nr. 152.

7

IPRspr. 1978 Nr. 152.

186

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

I ZPO zugestellt worden. Auch die Zustellung gemäß §§ 174 II, 175 I ZPO stellt nach ganz überwiegender Meinung eine reine Inlandszustellung dar. 8 Aus diesem Grunde wiederholte der BGH die in BGHZ 58, 177, 180 gegebene Begründung fast wörtlich und lehnte auch hier die Anwendung des § 187 ZPO ab. Da sich im konkreten Fall jedoch anders als in BGHZ 58, 177 der Beklagte auf das Verfahren eingelassen hatte, sah der BGH den Zustellungsfehler über § 295 ZPO als geheilt an. Eine Konkretisierung und in gewisser Weise eine Lockerung erfuhr die Rechtsprechung des BGH erst in der soweit ersichtlich jüngsten Entscheidung zur Heilung bei ausgehenden deutschen Zustellungsersuchen im vertragslosen Rechtshilfeverkehr. 9 Der BGH stellte dort klar, daß es für die Anwendung des § 187 ZPO nicht darauf ankomme, ob der Adressat sich im Ausland aufhalte. Nach Ansicht des BGH ist insoweit allein entscheidend, wo sich der für die Heilung maßgebliche Umstand (zum Beispiel die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Adressaten) verwirklicht. Liegt dieser Ort bei einer fehlerhaften Inlandszustellung im Inland, so stehe der Anwendung des § 187 ZPO nichts im Wege. Demgegenüber sei an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, wenn sich der für die Heilung maßgebliche Umstand im Ausland verwirklicht. Im Fall des BGH 1 0 war die Klage gegen einen sich dauerhaft in Saudi-Arabien aufhaltenden Deutschen statt im Wege der vertragslosen Rechtshilfe in SaudiArabien gemäß § 212a ZPO an einen inländischen Rechtsanwalt in Deutschland zugestellt worden. Doch besaß der deutsche Anwalt im Zeitpunkt der Zustellung keine Zustellungsvollmacht durch den Beklagten, so daß die Zustellung mangelhaft war. Der Rechtsanwalt erhielt erst gut fünf Wochen nach der irrtümlichen Inlandszustellung durch den Beklagten eine Zustellungsvollmacht, ohne daß der Beklagte bis dahin tatsächliche Kenntnis vom Inhalt der Klage erhalten hatte. Der BGH sah die fehlerhafte Inlandszustellung gemäß § 187 ZPO als im Zeitpunkt der Bevollmächtigung geheilt an, da der Anwalt zu diesem Zeitpunkt noch im tatsächlichen Besitz des Schriftstücks war. 11 Entspre-

8

Siehe nur//. Roth IPRax 1990, 90 mit umfangreichen weiteren Nachweisen in Fn. 2; im übrigen siehe schon oben § 2 V I und § 8 II. 9 10 11

BGH W M 1989, 238, 240. Ebenda.

Keine Heilung demgegenüber, wenn Rechtsanwalt nicht mehr im Besitz der zugestellten Schriftstücke ist; vgl. OLG Hamm Az 11 U 92 / 92 vom 25.11.1992, OLG Report Hamm 1993, 161 (nur LS, ansonsten bisher unveröffentlicht): Unwirksame Inlandszustellung einer Klage an inländischen Rechtsanwalt, der früher bereits Prozeßbevollmächtigter der ausländischen Partei war und auch für das aktuelle Verfahren wieder bevollmächtigt wird, jedoch vor dieser Bevollmächti-

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

1

chend den oben dargelegten (neuen) Grundsätzen des BGH hatte sich auch hier der für die Heilung maßgebliche Umstand — die Kenntnisnahme der Klageschrift durch eine hierzu bevollmächtigte Person — im Inland ereignet. Ähnlich hatte zuvor schon das OLG Hamm 12 für den Fall entschieden, daß der Beklagte selbst im Inland von der fehlerhaft im Inland zugestellten Klage tatsächliche Kenntnis erhält. Der Ansicht des BGH schließt sich die Literatur zum Teil ausdrücklich für die hier diskutierte Fallgruppe der fälschlicherweise statt einer Auslandszustellung vorgenommenen Inlandszustellung an. 13

2. Kritik der Entscheidung Der BGH stützt seine ablehnende Haltung gegenüber einer Anwendung von § 187 ZPO in BGHZ 58, 177 ebenso wie in seinen späteren Entscheidungen in erster Linie auf völkerrechtliche Erwägungen. Doch bedürfte es solcher Erwägungen erst gar nicht, wenn § 187 ZPO von vornherein nicht auf Verstöße gegen § 199 ZPO angewandt werden kann.

a) Wortlaut,

Entstehungsgeschichte und Systematik von §187 ZPO

Der Wortlaut des § 187 ZPO läßt keine Beschränkung auf reine Inlandszustellungen erkennen. Vielmehr ist der Gesetzeswortlaut so allgemein gehalten, daß alle Zustellungsfehler einschließlich eines Verstoßes gegen § 199 ZPO hierunter subsumiert werden können.14 Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte von § 187 ZPO bestätigt. Die Vorschrift geht zurück auf § 187 ZPO a.F. 15 , der die Möglichkeit der Heilung von Zustellungsfehlern ausdrücklich auf Fehler bei der Ersatzzustellung von Ladungen gemäß §§ 181-186 ZPO beschränkte. Ziel der Neufassung des

gung die Klageschrift bereits wieder an das deutsche Gericht zurückgesandt hat. 12

FamRZ 1988, 1292, 1293.

13

Thomas/Putzo

14

Bökelmann JR 1972, 425; Riezler IZPR S. 689.

15

Zu dessen Wortlaut siehe § 5 IV.

§ 187 Rz. 1 a.E; BLÄH / Hartmann § 187 Rz. 4.

188

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

§ 187 ZPO im Jahre 194016 war es, die Heilung unabhängig von der Art des zuzustellenden Schriftstücks und unabhängig von der Art des Zustellungsfehlers in all denjenigen Fällen zu ermöglichen, in denen der Zweck der Zustellung durch tatsächliche und rechtzeitige Kenntnisnahme von dem zuzustellenden Schriftstück auf andere Weise erreicht worden ist. 17 Auch die ausführliche Begründung des ZPO-Entwurfes-1931 18, auf dessen § 139 der heutige § 187 ZPO n.F. zurückgeht 19, läßt keinen anderen Schluß zu. Somit besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß § 199 ZPO von der Regel des § 187 ZPO ausgeschlossen sein sollte. 20 Für eine solche Auslegung spricht darüber hinaus, daß die ZPO von ihren Vätern von Anfang an in Zustellungssachen als heilungsfreundliches Gesetz konzipiert war. 21 Damit steht die ZPO in einer langen deutschrechtlichen Tradition, die bis in das 16. Jahrhundert zurückreicht und seinerzeit schon als communis opinio doctorum anerkannt war. 22 Schließlich läßt sich gegen eine Anwendung des § 187 ZPO auf § 199 ZPO auch nicht die systematische Stellung des § 187 ZPO vor § 199 ZPO anführen. Die Stellung des heutigen § 187 ZPO erklärt sich allein aus dem Regelungsgehalt der früheren Norm des § 187 ZPO a.F., der sich ausschließlich auf die vorstehenden §§ 181-186 ZPO bezog. Diese bei Einfügung des § 187 ZPO a.F. in die ZPO wohl bewußt gewählte systematische Stellung23 wurde jedoch mit der Novellierung des § 187 ZPO im Jahre 1940 und der damit einhergehenden Erweiterung seines Regelungsgehaltes obsolet. Die systematische Stellung des § 187 ZPO vermag damit zur Beantwortung der hier aufgeworfenen Fragen nichts beizusteuern. Danach kann die Anwendung des § 187 ZPO auf Verstöße gegen § 199 ZPO nicht mehr allein mit dem Argument abgelehnt werden, daß die Vorschrift Fehler der hier besprochenen Art bei der Auslandszustellung von vornherein nicht

16

VO vom 9.10.1940, RGBl. 1940 I 1340.

17

Staud DJ 1940, 1182, 1183.

18

Reichsjustizministerium: Entwurf einer ZPO, S. 302 f.

19

SU 20 / Schumann Einl. Rz. 140 f.; Bökelmann JR 1972, 425.

20

So auch Geimer NJW 1972, 1624.

21

Petersen TZ? 1 (1879) 70, 72 f.

22 Petersen ZZP 1 (1879) 70, 73 Fn. 1 mit umfangreichen Nachweisen zur Geschichte des Heilungsgrundsatzes im Zustellungsrecht. 23

Ausdrücklich in diesem Sinne Geiershöf er JW 1929, 3173, 3174; vgl. auch die Ausführungen in Stenograph. Berichte über die Verhandlungen des Reichstages 9. Leg.Per., V. Session 1897 / 98 (Band 162) S. 568.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

19

erfassen wolle. Dem steht auch nicht die frühere Entscheidung des Kammergerichts24 aus dem Jahre 1929 entgegen, das in einem mit BGHZ 58, 177 durchaus vergleichbaren Fall (Inlandszustellung in der inzwischen aufgegebenen Wohnung eines ins Ausland verzogenen Beklagten) richtigerweise die Anwendung des § 187 ZPO auf einen Verstoß gegen § 199 ZPO ablehnte. Der seinerzeit geltende § 187 ZPO a.F. war — wie bereits ausgeführt — anders als die heutige Fassung nach seinem eindeutigen Wortlaut auf die Fälle der §§ 181-186 ZPO beschränkt. Insoweit wäre es fehlerhaft, heute neben BGHZ 58, 177 noch diese Kammergerichtsentscheidung heranzuziehen.25

b) Souveränitätserwägungen Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß § 187 ZPO sowohl von seinem Wortlaut als auch von seiner Entstehungsgeschichte her auf § 199 ZPO anwendbar ist. Der BGH geht hierauf in seinen vorstehend genannten Entscheidungen jedoch nicht ein. Vielmehr hat nach Ansicht des BGH — nur so ist die Entscheidung zu verstehen — eine Heilung unabhängig vom möglichen Anwendungsbereich des § 187 ZPO jedenfalls dann auszuscheiden, wenn durch den zu heilenden Akt in die Souveränität des Aufenthaltsstaates des Beklagten eingegriffen worden ist. In diesem Fall würde auch der Heilungsakt die fremde Souveränität tangieren und verstieße so gegen die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts, die gemäß Art. 25 GG eine dem einfachen Bundesrecht und damit auch der ZPO vorgehende Rechtsquelle darstellen. Der BGH hätte damit in BGHZ 58, 177 zu Recht die Heilung des Verstoßes gegen § 199 ZPO abgelehnt, wenn bereits die Zustellung der Klage an die vollmachtslose sowjetische Handelsvertretung in Köln einen Eingriff in die Souveränität der UdSSR dargestellt hätte. Dem war jedoch nicht so: Wird fälschlicherweise im Inland statt über § 199 ZPO im Ausland zugestellt, so handelt es sich hierbei um einen reinen Inlandsakt.26 Geht es aber um die Heilung eines rein inländischen Hoheitsaktes, so haben völkerrechtliche Bedenken

24

JW 1929, 3173 mit zustimmender Anm. Geiershöf er, ebenda.

25

So aber MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 6 Fn. 40 a.E. Vor der Gefahr der Heranziehung von Rechtsprechung zu § 187 ZPO a.F. warnt zu Recht Zöller / Stöber § 187 Rz. 1 a.E. 26 Stß° / Schumann § 187 Rz. 43 Fn. 21 \ Hausmann IPRax 1988, 140, 142 Fn. 15 (fiktive Zustellung nach §§ 174 II, 175 I ZPO); Bökelmann JR 1972, 425; Geimer NJW 1972, 1624; Braun S. 160 Fn. 137; a.A. wohl Karen Ilka Mössle S. 142 f.

1

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

per se auszuscheiden, da Völkerrecht die Frage der Heilbarkeit eines Inlandsaktes nicht ausschließen kann.27 Darüber hinaus hat kein Staat einen durch das allgemeine Völkerrecht abgesicherten Anspruch auf die Anwendung seines Zustellungsrechtes durch die Prozeßgerichte eines anderen Staates.28 Dies resultiert aus dem weltweit anerkannten lex fori-Prinzip, wonach allein das Verfahrensrecht des Gerichtsstaates darüber bestimmt, wann ausländisches Prozeßrecht zu berücksichtigen ist und wann nicht. Zwar hat sich der deutsche Gesetzgeber in § 199 ZPO grundsätzlich für die Beachtung ausländischen Zustellungsrechts im Rahmen der Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe ausgesprochen. Zu Recht weisen jedoch Geimer 29 und Bökelmann 30 darauf hin, daß die Entscheidung hierüber allein eine solche des souveränen deutschen Gesetzgebers ist. Dieser hätte sich — wie etwa in den Rechtsordnungen der remise au parquet geschehen — statt für die Regel der Auslandszustellung auch für eine regelmäßige Inlandszustellung entscheiden können. Mangels einer Verpflichtung zur Auslandszustellung31 steht es damit dem deutschen Gesetzgeber ebenfalls zu, seinen Entschluß, gemäß § 199 ZPO grundsätzlich eine Auslandszustellung zu verlangen, durch die Anwendung von § 187 ZPO wieder zu modifizieren. Die deutsche lex fori kann damit trotz ihrer in § 199 ZPO getroffenen Grundsatzentscheidung für diejenigen Fälle, in denen trotz irrtümlicher Inlandszustellung der ausländische Beklagte auf anderem Wege noch rechtzeitig tatsächliche Kenntnis vom verfahrenseinleitenden Schriftstück erhalten hat, auf eine Auslandszustellung verzichten, ohne daß hierin ein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht gesehen werden könnte.32 Denn auch andere von der ZPO vorgesehene Formen der Inlandszustellung (§ 203 I I ZPO und §§ 174 Π, 175 I ZPO) begegnen bei Beteiligung ausländischer Parteien keinen völkerrechtlichen Bedenken.33 Dies gilt nicht nur dann, wenn — wie inzwischen auch wohl vom BGH anerkannt 34 — sich der für die Heilung maßgebliche Umstand

27

Stß° / Schumann § 187 Rz. 43 Fn. 21; Hausmann IPRax 1988, 140, 142 Fn. 15.

28

Geimer NJW 1972, 1624; Bökelmann JR 1972, 425.

29

NJW 1972, 1624.

30

JR 1972, 425.

31

So OLG Düsseldorf RIW 1985, 493 zum vertraglichen Zustand, was e fortiori auch im Hinblick auf den vertragslosen Zustand gilt. 32

Geimer NJW 1972, 1624; MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 6 a.E.

33

Bökelmann JR 1972, 425; ähnlich auch Schack IZVR Rz. 590.

34

BGH W M 1989, 238, 240.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

191

im Inland verwirklicht hat, sondern auch dann, wenn dies im Ausland geschah.35 Es steht dem deutschen Gesetzgeber nämlich frei, innerstaatliche Folgen an tatsächliche Umstände zu küpfen, die sich im Ausland ereignet haben.36 Entgegen Otto 37 liegt hierin kein — wenngleich durch Völkergewohnheitsrecht geduldeter — verschleierter Souveränitätseingriff, da fremde Souveränität nicht berührt wird. Schließlich hat auch die ausländische Partei keinen Anspruch auf eine bestimmte Zustellungsart. 38 Sofern eine Partei in einem ausländischen Staat gerichtspflichtig ist, hat sie sich dessen lex fori zu fügen. Aus fremdenrechtlicher Sicht kann sie nur die Wahrung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör verlangen. 39 Wie der Gerichtsstaat diesen Anspruch verwirklicht, steht in seinem Ermessen. Ein möglicher Weg ist derjenige über § 187 ZPO, der — wie der Fall BGHZ 58, 177 m.E. zeigt — durchaus zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des ausländischen Beklagten geeignet ist. 40 Hier zeigt sich der in anderem Zusammenhang von Geimer 41 schon mehrfach hervorgehobene Zusammenhang von Gerichtspflichtigkeit einer Partei im Ausland und Zustellung. Der gesamte Problemkomplex wird damit von der Zustellung weg verlagert hin zur Frage der Völkerrechtskonformität der Jurisdiktionsregeln des Gerichtsstaates. Insbesondere gründet sich die Gewalt des Gerichtsstaates über den Zustellungsadressaten nicht auf die Zustellung als solche, sondern auf die ohnehin schon bestehenden und die internationale Zuständigkeit begründenden Kontakte des Adressaten zum Gerichtsstaat. 42 Dies gilt gleichermaßen im kontinentaleuropäischen Rechtskreis wie — neuerdings auch — im Common Law. 43

35

Anders in einem obiter dictum ausdrücklich BGH W M 1989, 238, 240.

36

Vollkommer

ZZP 80 (1967) 248, 261; Linke IZPR Rz. 239.

37

S. 117.

38

Zu diesem Problem aus Sicht des Klägers Hausmann IPRax 1988, 140, 143.

39

Geimer IZPR Rz. 131; ebenso Meessen, Kartellrecht, S. 250 zur Farbstoffe-Entscheidung der EG-Kommission (ABl. EG 1969 L 195 S. 11), wo der schweizerischen Firma Geigy eine Bußgeldentscheidung über ihre deutsche Tochtergesellschaft zugestellt worden war. 40

Ähnlich Zöller

41

Etwa EuZW 1990, 354, 355; auch schon FamRZ 1975, 218.

42

11

/ Stephan § 187 Rz. 1 a.E.; nunmehr weggefallen bei Zöller 1* / Stöber § 187.

Klaus P. Mössle S. 256; ähnlich wohl Gottwald Bajons ZfRV 1993, 45, 55 Fn. 70. 43

FS Habscheid S. 119, 124.; unzutreffend

Dazu Junker IPRax 1986, 197, 202 mwN Fn. 101; Otto S. 83 ff.

1

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Auch wenn der BGH bis heute im wesentlichen an seiner in BGHZ 58, 177 entwickelten Rechtsprechung festhält 44, so zeigen sich doch immer wieder Widersprüche. In seiner bereits erwähnten Entscheidung aus dem Jahre 197845 wiederholte der BGH zwar seine völkerrechtlichen Bedenken gegen eine Anwendung von § 187 ZPO, sofern an Stelle einer Auslandszustellung irrtümlich im Inland zugestellt worden ist. Statt dessen läßt der BGH in dem genannten Urteil aber eine Heilung des Zustellungsfehlers gemäß § 295 ZPO zu. Dem schließt sich ein Teil der Literatur an. 46 Ginge man jedoch von der — hier freilich bestrittenen — Richtigkeit der BGH-These aus, daß die Heilung gemäß § 187 ZPO durch tatsächliche Kenntniserlangung im Ausland in den Fällen der irrtümlichen Inlandszustellung an fremdstaatlichen Souveränitätsinteressen scheitert, so dürfte m.E. konsequenterweise auch keine Heilung über § 295 ZPO in Betracht kommen. Beide Heilungsmöglichkeiten entstammen nicht nur der (deutschen) lex fori, sondern beruhen auch auf dem gleichen Grundgedanken, nämlich der Zweckerreichung. 47 Wenn eine auf dem Zweckerreichungsgedanken beruhende Heilung nach der deutschen lex fori in den hier diskutierten Fällen aber einen Eingriff in die fremdstaatliche Souveränität darstellen soll, so dürfte zwangsläufig nichts anderes für § 295 ZPO gelten. Insbesondere ließe der freiwillige Verzicht des ausländischen Beklagten keine andere Beurteilung zu, da die Souveränität seines Aufenthaltsstaates, in die nach Ansicht des BGH im Falle einer Heilung des Zustellungsfehlers eingegriffen würde, nicht zur Disposition des Beklagten steht.48 Der in der BGH-Ansicht liegende Widerspruch löst sich erst dann auf, wenn man mit der hier vertretenen Ansicht in den Fällen der irrtümlichen Inlandszustellung sowohl eine Heilung des Zustellungsfehlers nach § 187 ZPO als auch nach § 295 ZPO zuläßt. Gegen eine Heilung über § 187 ZPO bestehen nach der oben vorgetragenen Ansicht in den genannten Fällen weder im Hinblick auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Norm noch aus völkerrechtlicher Sicht Bedenken. Verstößt aber die Heilung im Falle der irrtümlichen Inlands-

44 BGHZ 98, 263, 270 (obiter); IPRspr. 1978 Nr. 152; eine leichte Aufweichung findet sich wie gesehen allein in BGH W M 1989, 238, 240. 45

BGH IPRspr. 1978 Nr. 152.

46

Etwa Pardey ZIP 1985, 462 f.

47

Siehe oben § 5 VI.

48

Zur fehlenden Dispostionsbefugnis Privater über die staatliche Souveränität Geimer IZPR Rz. 121 mwN; Schack JZ 1993, 621, 622.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

193

Zustellung nach § 187 ZPO nicht gegen völkerrechtliche Grundsätze, so existieren auch in bezug auf eine Anwendung des § 295 ZPO keine Einwände. Gegen die hier vertretene Ansicht könnte vorgebracht werden, daß sie dem sogenannten Zustellungsdurchgriff 9 in Deutschland Tür und Tor öffne, indem absichtlich etwa bei der rechtlich selbständigen inländischen Tochter eines beklagten ausländischen Unternehmens im Inland zugestellt wird in der Erwartung, daß die Tochter die Klage schon an die ausländische Mutter weiterleiten werde. Wo jedoch absichtlich falsch zugestellt und eine ordnungsgemäße Zustellung erst gar nicht versucht wird, ist aus rechtsstaatlichen Gründen kein Raum für eine Heilung nach § 187 ZPO. 50 Die Gefahr einer Gesetzesumgehung besteht somit nach der hier vertretenen Ansicht nicht. 51 Damit kann der deutsche Richter im deutschen Urteilsverfahren neben § 295 ZPO auch auf die Regel des § 187 ZPO im vertragslosen Zustellungsverkehr zurückgreifen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück statt gemäß § 199 ZPO im Ausland irrtümlich im Inland zugestellt worden ist. 52 Auch gegen die Anwendung des in dieser Arbeit befürworteten ungeschriebenen allgemeinen Prinzips der Heilung kraft Zweckerreichung 53 bestehen keine Bedenken; die vorstehend zu § 187 ZPO gemachten Ausführungen lassen sich insoweit entsprechend heranziehen. Entgegen der Ansicht des BGH ist der dem Ausgangsfall anhaftende Zustellungsfehler damit nach der deutschen lex fori heilbar. Die vorstehenden Ausführungen gelten jedoch nicht für die Zustellung von Mahnbescheiden, sofern diese gemäß § 688 ΠΙ ZPO iVm §§ 34 I, 35, 41 Π AVAG ausgeschlossen ist. Ist ein solcher Mahnbescheid irrtümlich im Inland zugestellt worden, so scheidet eine Heilung im Ergebnis aus. Denn gemäß § 688 ΙΠ ZPO ist für den Fall, daß ein Mahnbescheid im Ausland zuzustellen ist, obwohl das A V A G eine solche Möglichkeit nicht vorsieht, das gesamte Mahnverfahren als solches schon als unzulässig anzusehen. Es kommt mithin nicht darauf an, daß tatsächlich — wenn auch fälschlich — im Inland zugestellt worden ist, da § 688 ΠΙ ZPO an den vom Gesetz vorgesehenen ordnungsmäßi-

49

Zum Zustellungsdurchgriff siehe schon oben § 15 I 1.

50

BGHZ 7, 268, 270; Klaus P. Mössle S. 232 Fn. 198; Karen Ilka Mössle S. 140 ff.; a.A. Schack IZVR Rz. 983 und Rpfleger 1980, 175, 176 für die Zustellung eines Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner; ähnlich OLG Celle NdsRPfl 1947, 78, 80. 51

Karen Ilka Mössle S. 145.

52

So für die Fallkonstellation von BGHZ 58, 177 im Hinblick auf § 187 ZPO nun auch MüKoZPO / Gottwald § 328 Rz. 77. 53

Dazu ausführlich oben § 5 V.

13 Kondring

1

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

gen Zustellungsweg anknüpft. Eine danach unzulässige Verfahrensart ist aber nicht heilbar. 5 4

IL Falscher

Übermittlungsweg

Anders als in den Fällen der irrtümlichen Inlandszustellung könnte möglicherweise dann zu entscheiden sein, wenn der Zustellungsfehler nicht darin lag, daß die Zustellung irrtümlicherweise i m Inland stattfand, sondern darin, daß der falsche Übermittlungsweg gewählt worden ist. Beispielhaft sei hierfür in leicht abgewandelter Form der Sachverhalt geschildert, der der schon mehrfach erwähnten amerikanischen Entscheidung Ackermann v. Levine 5 5 zugrunde lag. Im Jahre 197856 kam es zwischen dem Berliner Rechtsanwalt Peter Ackermann und seinem amerikanischen Mandanten Ira Levine zu einem Streit über ein von Levine an Ackermann zu zahlendes Rechtsanwaltshonorar. Ackermann reichte daraufhin Klage beim Landgericht Berlin ein. Das Landgericht sandte die Klage einschließlich einer englischen Übersetzung unmittelbar auf dem Postwege per Einschreiben und mit einem Rückschein versehen an den Beklagten Levine in die USA, ohne dabei amerikanische Stellen einzuschalten.57 Wie aus dem Rückschein hervorging, hatte der amerikanische Beklagte Levine die Klage erhalten. Doch blieb er im deutschen Verfahren säumig, so daß das Landgericht Berlin — scheinbar ohne den Zustellungsfehler bemerkt zu haben — ein Versäumnisurteil erließ. Ä h n l i c h lag auch der Fall in einer Entscheidung des O L G Celle aus dem Jahre 1947 5 8 , der zwar durch die besonderen Umstände der Zeit mitverursacht war, dessen Rechtsproblematik aber auch heute noch von Bedeutung ist. Der Deutsche D hatte sich unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg Ende 1945 freiwillig zur französischen Fremdenlegion gemeldet und war nach Indochina versetzt worden. Seine in Deutschland verbliebene Ehefrau reichte daraufhin Scheidungsklage ein. Da eine Zustellung der Scheidungsklage im Wege der Rechtshilfe bedingt durch die damaligen Umstände nicht möglich war und eine öffentliche Zustellung sowohl nach Ansicht des Landgerichts als auch des OLG Celle nicht in Betracht kam, regte das OLG das Landgericht an, die Klage in einem neutralen Um-

54

Ebenso Wagner RIW 1995, 89, 91.

55

U.S. Court of Appeals 788 F.2d 830 (2nd Cir 1986).

56

Der Originalfall spielt in seinen entscheidenden Abschnitten im Jahre 1980, also zu einem Zeitpunkt, als im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den USA bereits (seit 26.6.1979. BGBl. 1979 II 779) das H Z Ü in Kraft war. 57 Im Originalfall nahmen die Schriftstücke den Umweg über das deutsche Konsulat in New York, das die Klage auf dem Postweg an den Beklagten weitersandte. Auch hierin liegt m.E. ein Zustellungsfehler; a.A. Jonas JW 1929, 88, 89; Hoffmann § 16 KonsularG Anm. 3.1 und 3.4. 58

NdsRPfl 1947, 78.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

195

schlag durch einfache Post dem in Indochina weilenden Beklagten zuzusenden. Nach Ansicht des OLG Celle schade es dabei nicht, daß dieser Zustellungsweg gegen § 199 ZPO verstoße. Dieser Fehler sei vielmehr über § 187 ZPO heilbar, wenn sich später — etwa aus Privatbriefen des Beklagten — ergebe, daß er die Klage erhalten habe.59

Anders als in BGHZ 58, 177 erkannten die deutschen Prozeßgerichte in den beiden vorstehend geschilderten Fällen die Notwendigkeit einer Auslandszustellung. Für Auslandszustellungen sieht § 199 ZPO mangels anderweitiger staatsvertraglicher Vereinbarungen abschließend zwei Zustellungsformen vor, nämlich die Zustellung mittels Rechtshilfeersuchens der zuständigen Behörde des Zustellungsstaates auf der einen und die konsularische Zustellung auf der anderen Seite. Abweichend hiervon wurde sowohl im Fall Ackermann v. Levine als auch im Fall des OLG Celle die erforderliche Auslandszustellung auf dem Postwege bewirkt, so daß die Zustellung in beiden Fällen gegen § 199 ZPO verstieß. Auch in BGHZ 58, 177 war die Zustellung nicht mit § 199 ZPO vereinbar. 60 Doch anders als dort lag hier der Verstoß nicht darin, daß fälschlicherweise im Inland zugestellt worden war, sondern darin, daß ein falscher, von der deutschen lex fori nicht zugelassener Übermittlungsweg gewählt worden war. Fraglich ist, ob dieser Zustellungsfehler — insbesondere über § 187 ZPO — heilbar ist.

1. Übertragung der Rechtsprechung des BGH In BGHZ 58, 177 lehnte der BGH die Heilung eines Verstoßes gegen § 199 ZPO über § 187 ZPO ab. In Anlehnung an dieses Urteil könnte eine Heilung auch dann ausgeschlossen sein, wenn — wie hier — der Verstoß gegen § 199 ZPO darin begründet ist, daß zwar im Ausland zugestellt worden ist, hier jedoch der falsche Übermittlungsweg gewählt wurde. Doch steht einer unmittelbaren Übertragung der Entscheidung des BGH auf die hier vorliegenden Fälle entgegen, daß der BGH dort die Unanwendbarkeit des § 187 ZPO ausdrücklich auf die statt einer Auslandszustellung vorgenommene Inlandszustellung beschränkte.61 Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die daran

59

OLG Celle NdsRPfl 1947, 78, 80.

60

Ebenso später in BGH IPRspr. 1978 Nr. 152.

61

BGHZ 58, 177, 179.

ιy

1

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

anschließende Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1978, in der der BGH die in BGHZ 58, 177 zu § 187 ZPO entwickelten Grundsätze auch auf die Zustellung durch Aufgabe zur Post erstreckte. 62 Auch bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post handelt es sich anders als bei der hier vorliegenden Zustellung durch die Post um eine echte Inlandszustellung. Zwar wird diese im hier interessierenden Bereich nicht immer leichte Unterscheidung wiederholt in der Literatur kritisiert. 63 Doch dürfte sie — wie beispielhaft die deutsche64 und die französische 65 Haltung in der Praxis zeigen — international bis heute Geltung beanspruchen.66 Erst in neuerer Zeit ließ der BGH in zwei obiter dicta 67 durchblicken, daß er die Unanwendbarkeit von § 187 ZPO bei ausgehenden Zustellungen nicht mehr auf die in BGHZ 58, 177 allein einschlägige Fallgruppe der irrtümlichen Inlandszustellung beschränken, sondern bei von Deutschland ausgehenden fehlerhaften Auslandszustellungen nunmehr allgemein ausschließen will. 6 8 Unter konsequenter Anwendung dieser Rechtsprechung dürfte damit nach Ansicht des BGH auch im vorliegenden Fall eine Heilung über § 187 ZPO ausscheiden.69 Der in der Wahl des falschen Übermittlungsweges liegende Verstoß gegen § 199 ZPO wäre danach nicht gemäß § 187 ZPO heilbar. Allenfalls käme mit dem BGH 7 0 eine Heilung über § 295 ZPO in Betracht.

62

IPRspr. 1978 Nr. 152.

63

Etwa Schmitz S. 165 ff.; Klaus P. Mössle S. 253 ff. („spitzfindige Unterscheidung"); Siegrist S. 170 ff.; kritisch auch wohl Geimer IZPR Rz. 2174 mwN. 64 Akzeptanz der Zustellung durch Aufgabe zur Post in § 175 ZPO, demgegenüber Ablehnung der Zustellung durch die Post, dazu Vollkommer 7ZP 80 (1967) 248, 259; Schack, Einführung, S. 34; Denkschrift zum HZÜ BT-Drucks. 7 / 4892 S. 46. 65

Frankreich kennt mit der remise aù parquet eine mit § 175 ZPO vergleichbare Form der Inlandszustellung, bei der der Beklagte auf dem Postweg über die im Inland durchgeführte Zustellung informiert wird (zur Vergleichbarkeit von § 175 ZPO und remise au parquet siehe OLG Oldenburg RIW 1991, 950; Zöller / Geimer § 328 Rz. 138; ders. EWiR § 203 ZPO 1 / 86 S. 206); dagegen wird von französischer Seite die Zustellung durch die Post abgelehnt, siehe dazu etwa die französische Haltung in der US-amerikanischen Entscheidung Federal Trade Commission v. St. GobainPont à Mousson, 636 F.2d 1300 (1980). 66

Etwa StJ 20 / Schumann § 175 Rz. 9; H. Roth IPRax 1990, 90, 93. Siehe auch schon oben § 7.

67

BGHZ 98, 263, 270; BGH W M 1989, 238, 240.

68

Ebenso die Einschätzung von Schack ZZP 100 (1987) 442, 447.

69

So für postalische Direktzustellungen wohl auch schon das OLG Stuttgart IPRspr. 1983 Nr. 173. 70

IPRspr. 1978 Nr. 152.

. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

19

2. Mögliche völkerrechtliche Bedenken § 187 ZPO findet nach den oben gemachten Ausführungen 71 sowohl von seinem Wortlaut als auch von seiner Entstehungsgeschichte her grundsätzlich auf alle Zustellungsfehler Anwendung, also auch auf Verstöße gegen § 199 ZPO. 72 Worin der Verstoß gegen § 199 ZPO liegt, ist dabei zunächst unbeachtlich. Auch die fehlerhafte Auslandszustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks auf einem § 199 ZPO widersprechenden Übermittlungsweg wäre soweit gemäß § 187 ZPO heilbar. 73 Anders als in BGHZ 58, 177, wo statt im Ausland irrtümlich im Inland zugestellt worden war, wird die Zustellung als solche bei der Beschreitung eines unzulässigen Übermittlungsweges aber tatsächlich im Ausland bewirkt. Damit steht nicht wie dort ein reiner Inlandsakt zur Heilung über § 187 ZPO an, sondern ein echter Auslandsakt. Da Zustellungen nach kontinentaleuropäischer Auffassung Hoheitsakte darstellen, berühren im Ausland vorgenommene Zustellungen im Gegensatz zu inländischen Zustellungen grundsätzlich auch die Souveränitätsinteressen des betroffenen ausländischen Staates. Die fehlerhafte Zustellung erhält damit völkerrechtliche Relevanz. Vor diesem Hintergrund ist außerhalb staatsvertraglicher Vereinbarungen der in einer solchen Zustellung liegende Hoheitsakt auf fremdem Staatsgebiet lediglich dann völkerrechtlich unbedenklich, wenn der Aufenthaltsstaat des Zustellungsadressaten entweder die Vornahme der Zustellung durch Stellen des Gerichtsstaates (regelmäßig ausschließlich Konsuln oder diplomatische Vertreter) im eigenen Staatsgebiet duldet oder die Zustellung für den Gerichtsstaat auf ein Ersuchen desselben selbst durchführt. Hierauf stellt § 199 ZPO ab, wenn er allein die Auslandszustellung auf dem konsularischen Wege oder auf dem aktiven Rechtshilfewege erlaubt. Werden demgegenüber andere als die beiden in § 199 ZPO genannten Zustellungs- und Übermittlungswege beschritten, so sieht ein Großteil der Staaten hierin einen Eingriff in seine Souveränität. Dies gilt insbesondere für solche Übermittlungswege, durch die die Behörden des Zustellungsstaates — wie bei der unmittelbaren Zustellung durch die Post — faktisch umgangen werden. 74

71

Siehe oben § 16 I 2 a.

72

Etwa Bökelmann JR 1972, 425; Schütze DIZPR S. 193.

73

So ausdrücklich zum Beispiel Linke IZPR Rz. 239.

74

Zur Eingriffsqualität der Zustellung durch die Post etwa Siegrist S. 173 ff.

18

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Damit gewinnt wieder das in BGHZ 58, 177 — wegen des dort fehlenden Auslandsbezuges der Zustellung m.E. zu Unrecht — diskutierte Verhältnis von fremdstaatlicher Souveränität und Heilung an Bedeutung. Ebenso wie der BGH 7 5 nimmt auch ein Teil der Literatur 76 an, daß eine Heilung von Fehlern der Auslandszustellung im erststaatlichen Verfahren dann auszuscheiden hat, wenn durch die fehlerhafte Zustellung in die Souveränität des Zustellungsstaates eingegriffen worden ist. Den Vertretern dieser Auffassung ist insoweit beizupflichten, als diejenigen Argumente, die oben im Rahmen irrtümlicher Inlandszustellungen zur Rechtfertigung der Heilbarkeit eines Verstoßes gegen § 199 ZPO vorgetragen wurden 77 , nun nicht mehr tragen. Insbesondere läßt sich die Heilung nicht mehr damit begründen, daß es sich bei dem zu heilenden Zustellungsakt um einen reinen Inlandsakt handele, der völkerrechtlichen Einwänden entzogen sei.78 Die hier interessierenden fehlerhaften Zustellungen sind vielmehr im Ausland bewirkt worden und stellen somit völkerrechtlich bedeutsame Auslandsakte dar. Auch die Tatsache, daß die vom deutschen Recht gewählte Lösung, mit § 199 ZPO die tatsächliche Auslandszustellung als Regelfall einzuführen, keine völkerrechtlich gebotene, sondern eine gleichsam freiwillige Entscheidung des deutschen Gesetzgebers darstellt 79, vermag den tatsächlichen Eingriff in die fremdstaatliche Souveränität nicht zu relativieren. Selbst wenn aber die oben gegen BGHZ 58, 177 vorgebrachten Argumente bei einer Zustellung auf einem falschen Übermittlungsweg nicht mehr tragen, so ist damit noch nichts darüber gesagt, inwieweit die Völkerrechtswidrigkeit des Zustellungsaktes dessen Heilbarkeit präjudiziell.

75 BGHZ 58, 177, 179; BGH IPRspr. 1978 Nr. 152, wenngleich die Problematik in diesen Entscheidungen nach der hier vertretenen Auffassung in unzutreffendem Zusammenhang diskutiert wurde. 76

So wohl Hollmann RIW 1982, 784, 798; Schumacher IPRax 1985, 265, 268; P. Schlosser FS Stiefel S. 683, 694; Schütze DIZPR S. 193. 77

Siehe oben § 16 I 2.

78

So für irrtümliche Inlandszustellungen StJ 20 / Schumann § 187 Rz. 43 Fn. 21; Hausmann IPRax 1988, 140, 142 Fn. 15; Bökelmann JR 1972, 425; Geimer NJW 1972, 1624; Braun S. 160 Fn. 137. 79

So im Hinblick auf BGHZ 58, 177; Geimer NJW 1972, 1614; Bökelmann JR 1972, 425.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

a) Völkerrechtliche

19

Wiedergutmachungsansprüche

Aus völkerrechtlicher Sicht stellt die Verletzung fremdstaatlicher Souveränität durch staatliche Hoheitsakte — wie etwa die Zustellung — ein völkerrechtliches Delikt dar. 80 Hierdurch wird grundsätzlich ein völkerrechtlicher Anspruch des verletzten Staates auf Wiedergutmachung ausgelöst, der primär auf Naturalrestitution gerichtet ist. 81 Damit kann der in seiner Souveränität verletzte Staat, nicht aber der betroffene Zustellungsadressat, verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Verletzung stünde.82 Zu seiner Verwirklichung bedarf der Wiedergutmachungsanspruch stets der Geltendmachung durch den anspruchsberechtigten Staat.83 Bereits hieraus ergibt sich zwingend, daß insoweit allein das Souveränitätsverständnis des Zustellungsstaates von praktischer Bedeutung ist. So wird ein Staat, der sich nicht in seinen Souveränitätsrechten verletzt sieht, kaum die Verletzung seiner Souveränität geltend machen. Er wird, sofern er zum Beispiel die Zustellung nicht als Hoheitsakt betrachtet, kaum Anstoß an einer Zustellung durch die Post nehmen.84 Fühlt sich dagegen der Zustellungsstaat in seinen Souveränitätsrechten verletzt, so hat er verschiedene Möglichkeiten, seinen Wiedergutmachungsanspruch gegenüber dem deliktisch handelnden Staat geltend zu machen. So kann die Regierung des verletzten Staates einen diplomatischen Protest an die Regierung des verletzenden Staates richten. 85 Daneben geben einige Verfahrensordnungen 86 dem verletzten Staat die Möglichkeit, in das im Gerichtsstaat rechtshängige Verfahren im Wege eines sogenannten amicus curiae-Schriftsatzes unmittelbar zu intervenieren und den eigenen Standpunkt geltend zu machen. Die Bundesrepublik machte — wenngleich wenig erfolgreich, da unbegründet — von dieser Möglichkeit zum Beispiel im Verfahren Schlunk v. Volkswagen

80

Schmitz S. 173.

81

Seidl-Hohenveldern

Rz. 1685; Schmitz S. 173 mwN.

82

Seidl-Hohenveldern

Rz. 1685; Schmitz S. 174.

83

Seidl-Hohenveldern Rz. 1691 ff.; OLG Düsseldorf NJW 1984, 2050, 2051 zur identischen Problematik im internationalen Strafprozeßrecht. 84 So etwa die US-amerikanische Haltung im vertragslosen Zustellungsverkehr, dazu PfeilKammerer S. 75. 85 Dazu Klaus P. Mössle S. 297; ausführlich zu den Aussichten eines solchen Verfahrens in den USA Lange/Black Rz. 31 a.E. und 47 ff. 86

Zum US-amerikanischen Recht etwa Klaus P. Mössle S. 298.

200

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

AG 8 7 Gebrauch. Doch sind häufig weder der diplomatische Protest noch der amicus curiae-Schriftsatz in der Praxis wirksame Mittel zur Durchsetzung eines möglichen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruches. 88 Aus diesem Grunde bleibt den Staaten als letzter Weg die Anrufung eines internationalen (Schieds-)Gerichts. 89 Dies setzt freilich voraus, daß der deliktisch handelnde Staat der Anrufung eines solchen Gerichts zugestimmt hat. 90 Mangels einer solchen Zustimmung dürfte damit auch insofern der mögliche Anspruch des verletzten Staates häufig kaum durchsetzbar sein. Unabhängig von den Schwierigkeiten der praktischen Durchsetzbarkeit völkerrechtlicher Wiedergutmachungsansprüche bestehen im vorliegenden Zusammenhang jedoch bereits Zweifel an ihrer Berechtigung. Wiedergutmachungsansprüche dürften m.E., da es sich um eine Form der Naturalrestitution handelt, regelmäßig nur dann bestehen, wenn die Souveränitätsverletzung fortwirkt. Ist die fehlerhafte Auslandszustellung aber — wie im deutschen Recht nach § 199 ZPO — zunächst unwirksam, so wirkt die Verletzung nicht fort 91 ; das zugestellte Schriftstück gilt als nicht zugestellt. Eine hiervon zu trennende Frage ist, welche Folgen der Gerichtsstaat innerstaatlich hieran knüpft. So ist wohl trotz Völkerrechtswidrigkeit der Zustellung eine in ihrer Wirkung auf den innerstaatlichen Bereich des Gerichtsstaats beschränkte nachträgliche Heilung derselben möglich. Denn die Heilung stellt — anders als die Zustellung selbst — keinen auf das fremde Staatsgebiet einwirkenden tatsächlichen Akt dar. 92 Dem Gesetzgeber des Gerichtsstaates ist es also unbenommen, nachträglich im Inland Rechtsfolgen an solche Tatbestände zu knüpfen, die sich im Ausland verwirklicht haben.93 Damit schlägt die Völkerrechtswidrigkeit eines Auslandsaktes nicht per se unmittelbar auf dessen innerstaatliche, durch eine nachträgliche Heilung begründete Wirksamkeit durch. Die entgegenstehende Ansicht liefe auf einen mit der völkerrechtlichen Praxis nicht zu vereinbarenden extremen Monismus hinaus.94

87 108 S.Ct. 2104 (1988); zum deutschen amicus curiae-Schriftsatz in diesem Fall ausführlich Heidenberger RIW 1988, 90, 91. 88

Klaus P. Mössle S. 298 f.

89

Dazu Geimer IZPR Rz. 205 ff.

90

Seidl-Hohenveldern

91

So auch SU /H.Roth § 187 Rz. 29.

92

So auch Karen Ilka Mössle S. 147 Fn. 194 a.E.; MüKo-ZPO / v. Feldmann § 187 Rz. 6 a.E.

Rz. 1694.

93

Vollkommer

94

Meessen A W D 1973, 177, 179; Mann NJW 1961, 705, 708.

TZ? 80 (1967) 248, 261; ähnlich Linke IZPR Rz. 239.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

1

Dieses Ergebnis findet auf der Ebene des EG / EU-Rechts seine Bestätigung in der Rechtsprechung des EuGH 95 . Dort hatte die EG-Kommission der schweizerischen Firma Geigy in einem Kartellrechtsverfahren die gegen Geigy vorgebrachten Beschwerdepunkte per Einschreiben direkt in die Schweiz zugesandt. Zwar erkannte der EuGH die hierin liegende Verletzung der schweizerischen Hoheitsrechte. Dies hinderte den Gerichtshof jedoch nicht daran, unter Bezugnahme auf den auch dem deutschen Heilungsrecht zugrunde liegenden Zweckerreichungsgedanken (!) die Zustellung im Gemeinschaftsgebiet als wirksam zu betrachten. Ebenso verfahren zum Teil die Gerichte anderer EU-Mitgliedsstaaten96.

b) Art. 25 GG Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland danach allein aus völkerrechtlicher Sicht nicht verpflichtet ist, auf eine Heilung von völkerrechtswidrigen Auslandszustellungen zu verzichten, könnte sich ein Heilungsverbot aus der rein innerstaatlichen Vorschrift des Art. 25 GG ergeben. Zwar gehört die Achtung fremder Gebietshoheit in den Kreis der „allgemeinen Regeln des Völkerrechts" im Sinne des Art. 25 GG. 97 Doch führt ihre Verletzung durch deutsche Zustellungsakte entgegen anderslautender Stellungnahmen in der Literatur 98 nicht schon zur Unwirksamkeit der Zustellung oder gar zum Heilungsausschluß.99 Insbesondere läßt Art. 25 GG nicht zwingend darauf schließen, daß Maßnahmen, die die Souveränität ausländischer Staaten verletzen, innerstaatlich als nichtig zu behandeln sind. 100 Vielmehr ist sogar davon auszugehen, daß völkerrechtswidrige Zustellungen nicht gegen deutsches Verfassungsrecht verstoßen.101

95 EuGHE 1972, 787, 825 f. (Geigy . / . Kommission); zustimmend Schack IZVR Rz. 593 a.E.; wohl auch Karen Ilka Mössle S. 147 Fn. 194; kritisch dagegen Mann FS Mosler S. 529, 531 Fn. 5; Meessen, KartellR, S. 250; Schmitz S. 175 Fn. 71. 96

So z.B. die italienische Corte di Cassazione RDIPP 16 (1980) 454 (dort freilich im vertraglichen Zustellungsverkehr); zustimmend Majoros RabelsZ 46 (1982) 84, 110 f. 97

Maunz / Dürig / Herzog Art. 25 Rz. 20; Schmitz S. 175.

98

Schmitz S. 175 f.

99

Geimer IZPR Rz. 2102.

100 101

Meessen A W D 1973, 177, 179.

Vogler / Wilkitzki-Wilkitzki nationalen Strafprozeßrecht.

Vor § 68 IRG Rz. 6 zur insoweit identischen Problemtik im inter-

202

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Auch stellt die staatliche Souveränität keinen Schutzschild 102 zugunsten des Beklagten dar. 103 Der Beklagte kann mithin nicht unter Berufung auf Art. 25 GG geltend machen, daß die Souveränität seines Heimatstaates verletzt sei. 104 Aus Art. 25 GG erwachsen dem Beklagten keine subjektiven Rechte von Verfassungsrang. 105 Auch im übrigen begründet die Beschreitung eines unzulässigen Übermittlungsweges nach den im deutschen Prozeß zu beachtenden Wertungen des Grundgesetzes keine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte des Beklagten. 106 Dies gilt zumindest solange, wie das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör gewahrt ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist dann nicht tangiert, wenn feststeht, daß der Beklagte das verfahrenseinleitende Schriftstück trotz eines Zustellungsfehlers rechtzeitig erhalten hat. 107 Nichts anderes geschieht im Rahmen von § 187 ZPO.

c) Warnfunktion Einer danach an sich möglichen Heilung könnte aber die von manchen Autoren 108 besonders hervorgehobene sogenannte Warnfunktion der Auslandszustellung entgegenstehen. Zustellungsfehler, vor allem solche, die zum Ausschluß der Mitwirkung der Behörden des Zustellungsstaates führen, hätten häufig zur Folge, daß der Adressat die Zustellung nicht ernst nähme und leichtfertig reagiere. Demgegenüber warne ihn eine formell einwandfreie, durch die Behörden des Zustellungsstaates durchgeführte Zustellung vor Fehlreaktionen.

102

Für einen solchen — freilich vor allem im Anerkennungsverfahren diskutierten — Schutzschild Stürner FS Nagel S. 446, 455; ders. JZ 1992, 325, 331; Stadler S. 288 f.; Braun S. 153. 103 Gegen die Schutzschildtheorie Geimer IZPR Rz. 2159 und 2184; ders. ZfRV 1992, 401, 403 f.; ders. TZ\ Ρ 103 (1990) 477, 489 f.; ders. IPRax 1988, 271, 275 Fn. 57 a.E.; Zöller / Geimer § 199 Rz. 71; Schack IZVR Rz. 590; Fahl S. 66; Egli RIW 1991, 977, 983; für untauglich hält den Schutzschild auch Karen Ilka Mössle S. 86. 104 OLG Düsseldorf NJW 1984, 2050, 2051 zur identischen Problematik im internationalen Strafprozeßrecht. Im Ergebnis nunmehr auch BVerfG NJW 1995, 651 f. 105

BVerfGE 63, 343, 373 f.

106

BVerfGE 63, 343, 373.

107

Geimer IZPR Rz. 2184.

108

Stürner JZ 1992, 325, 330; Braun S. 153 mwN; aus der Rspr. etwa OLG Hamm IPRspr. 1979 Nr. 195 a.E. und Nr. 203.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

M.E. zu Recht hat sich Schumacher 109 deutlich gegen eine solche Überbetonung der sogenannten Warnfunktion ausgesprochen. Wie dieser Autor klargestellt hat, wird auch durch eine mangelfreie Zustellung die notwendige Klarheit nicht ohne weiteres bewirkt. Bei fehlerhaften Zustellungen läßt die Ermessensregel des § 187 ZPO genug Freiraum, um im Einzelfall die Warnfunktion hinreichend zu würdigen. Sollte sich der Adressat einmal tatsächlich völlig im Unklaren darüber gewesen sein, was ihm zugestellt worden ist, so kann die Heilung ohne Schwierigkeiten versagt werden. 110 Umgekehrt besteht kein Bedürfnis, den Adressaten gleichsam mechanisch zu schützen, wenn ihm trotz des Zustellungsfehlers die Bedeutung des zugestellten Schriftstücks bewußt war. Auch die sogenannte Warnfunktion der Zustellung steht damit einer Heilung nach § 187 ZPO nicht ohne weiteres im Wege.

d) Vergleich

mit § 9 VwZG

Für eine Heilbarkeit einer deutschen Auslandszustellung trotz Eingriffs in die Souveränität des Zustellungsstaates spricht auch ein Vergleich mit der deutschen Praxis im Verwaltungsverfahren. Dort schreibt § 14 I VwZG ebenso wie § 199 ZPO im Zivilverfahren mangels abweichender staatsvertraglicher Vereinbarungen zwingend vor, daß im Ausland entweder mittels Ersuchens der zuständigen ausländischen Behörde oder durch dort residierende deutsche Konsuln oder Diplomaten zuzustellen ist. Dabei gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie im Zivilverfahren, so daß hier auf die dort — insbesondere zu § 199 ZPO — gemachten Ausführungen entsprechend verwiesen werden kann. 111 Auch die bei der Auslandszustellung im Verwaltungsverfahren auftretenden Fehler gleichen denen im Zivilverfahren. 112 Hier wie dort sind die Zustellungsvorschriften nicht bloßer Selbstzweck, sondern Mittel zur Bekanntgabe.113 Aus diesem Grunde wurde auch in das VwZG mit § 9 VwZG eine dem Zustel-

109

IPRax 1985, 265, 268.

110

Schumacher IPRax 1985, 265, 268; ähnlich Geimer IPRax 1988, 271, 275 Fn. 54a.

111

Oben § 9.

112

Beispiele bei Bock DStZ 1986, 329, 331; siehe auch FG Köln EFG 1981, 210 (Auslandszustellung mittels einfachen Briefes). 113

FG Köln EFG 1981, 210.

204

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

lungsformalismus entgegenwirkende Vorschrift aufgenommen. Diese ist im vorliegenden Zusammenhang deshalb von besonderem Interesse, weil sie dem § 187 ZPO nachgebildet ist. 114 Anders als im Zivilverfahren besteht im Verwaltungsverfahren weitestgehend Einigkeit darüber, daß § 9 VwZG auch auf Auslandszustellungen gemäß § 14 VwZG Anwendung findet. 115 Dies ergibt sich vor allem aus der systematischen Stellung des § 9 VwZG im Abschnitt ΠΙ des VwZG, der die gemeinsamen Vorschriften für alle Zustellungsarten umfaßt. 116 Auch hindert im Verwaltungsverfahren eine eventuelle Völkerrechtswidrigkeit der Auslandszustellung nicht deren innerstaatliche Heilbarkeit. 117 Damit entspricht die herrschende Meinung im Verwaltungsverfahren der hier zu § 187 ZPO vertretenen Ansicht. Weshalb mit der hier abgelehnten Gegenmeinung im Zivilverfahren angesichts der beinahe identischen Gesetzeslage etwas anderes gelten sollte als im Verwaltungsverfahren, ist nicht einsichtigu8

3. Ergebnis und praktische Umsetzung Im Hinblick auf die Heilbarkeit von Zustellungsfehlern, die im vertragslosen Rechtsverkehr durch die Wahl eines falschen Übermittlungsweges verursacht wurden, bleibt damit für das deutsche Urteilsverfahren folgendes festzuhalten:

a) Ergebnis Wie bereits weiter oben 119 herausgestellt, will § 187 ZPO alle Fälle von Zustellungsfehlern erfassen. Damit ist im vertragslosen Rechtshilfe verkehr eine

114

Engelhardt / App § 9 VwZG Anm. 1.

115

Bock DStZ 1986, 329, 331; Schlemmer S. 41; Tipke / Kruse AO § 14 VwZG Rz. 3 a.E.; Kohlrust / Einert VwZG § 14 Anm. 5 a.E.; Huken / Bösche § 14 VwZG Rz. 10; Handb.f.d. VwZwVf S. 31.8; BFH HFR 1965, 238; FG Nürnberg EFG 1981, 425; a.A. aber FG Köln EFG 1981, 210. 116

Huken /Bösche § 14 VwZG; FG Nürnberg EFG 1981, 425.

117

Bock DStZ 1986, 329, 331 Fn. 18 mwN.

118

Für eine gleiche Auslegung von § 9 VwZG und § 187 ZPO auch Engelhardt / App § 9 VwZG Anm. 1; GmS-OBG in BVerwGE 51, 378, 380; BGHZ 14, 11, 14; BGH ZIP 1987, 875, 876. 119

§ 16 I.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

Heilung nach § 187 ZPO grundsätzlich auch im Falle einer von Deutschland ausgehenden Auslandszustellung und eines damit einhergehenden Verstoßes gegen § 199 ZPO möglich. Der Vergleich mit der Praxis des Verwaltungsverfahrens sowie die dem vorangehenden völkerrechtlichen Überlegungen sprechen dafür, dies auch dann gelten zu lassen, wenn durch die Auslandszustellung aufgrund der Wahl eines unzulässigen Zustellungsweges in die Souveränität des fremden Zustellungsstaates eingegriffen wird. 1 2 0 Gleiches gilt für eine Heilung nach dem ungeschriebenen allgemeinen Heilungsgedanken des deutschen Prozeßrechts. Daneben dürften — wie selbst von der heilungsfeindlichen Rechtsprechung des BGH zugestanden121 — auch gegen eine Heilung nach § 295 ZPO keine Bedenken bestehen. Wie schon die insoweit übertragbaren Ausführungen zu § 187 ZPO ergeben haben, beeinflußt die Verletzung der fremdstaatlichen Souveränität durch den deutschen Zustellungsakt nicht die innerstaatliche Heilbarkeit desselben. Aus diesem Grunde beinhaltet der Verzicht des Beklagten auf die Rüge des Zustellungsfehlers auch keinen — wegen mangelnder Dispostionsbefugnis 122 unzulässigen — Verzicht auf die durch die deutsche Zustellung verletzten Souveränitätsansprüche seines Aufenthaltsstaates. Vielmehr verzichtet der Beklagte allein auf seinen zu seiner nachträglichen Disposition stehenden Anspruch auf rechtliches Gehör. 123

b) Übertragung des Ergebnisses auf die Ausgangsfälle Auf die Ausgangsfälle übertragen bedeutet dies: Auch wenn im (oben leicht abgewandelten) Fall Ackermann v. Levine von deutscher Seite unzulässigerweise unmittelbar durch die Post zugestellt worden ist, so ist der darin liegende Verstoß gegen § 199 ZPO gemäß § 187 ZPO heilbar. Gleiches gilt für eine Heilung gemäß § 295 ZPO und nach dem allgemeinen ungeschriebenen Heilungsgedanken. Hiergegen möglicherweise vorgebrachte völkerrechtliche Bedenken

120 Ebenso Geimer IZPR Rz. 2102; Schack IZVR Rz. 616 ff.; Linke IZPR Rz. 239; Schlemmer S. 41; SîJ /H.Roth § 187 Rz. 29; auch wohl Thomas / Ρutzo § 187 Rz. 1 a.E.; Riezler IZPR Rz. 689; Wieczorek § 187 Anm. A I b. 121

BGH IPRspr. 1978 Nr. 152; ebenso Pardey ZIP 1985, 462 f.

122

Geimer IZPR Rz. 121 a.E.

123

Zur Zulässigkeit des nachträglichen Verzichts auf das rechtliche Gehör Zöller / Greger § 295

Rz. 5.

206

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

tragen nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob die amerikanische Seite überhaupt ihre Souveränität durch die direkte Postzustellung verletzt sieht, da im angloamerikanischen Rechtskreis die Zustellung als nichthoheitliche Privathandlung qualifiziert wird. 1 2 4 Sollte dennoch von Seiten der USA eine Verletzung ihrer Souveränität geltend gemacht werden, so hindert auch dieses nach den vorstehenden Ausführungen eine Heilung nach der deutschen lex fori nicht. Nichts anderes gilt im vertragslosen Rechtsverkehr dann, wenn die Zustellung wie im Originalfall von Ackermann v. Levine 125 nicht direkt von Deutschland aus, sondern unter Einschaltung des deutschen Konsulats in New York von diesem per Post zugesandt worden wäre. Zwar liegt auch hierin ein Eingriff in fremdstaatliche Souveränität, da es gleichgültig ist, welche deutsche Stelle (Gericht oder Konsul) die postalische Zustellung vornimmt. 126 Doch steht auch dies einer Heilung nicht entgegen. Zu beachten ist allerdings, daß der Rückschein nur belegt, daß ein Schriftstück zugestellt worden ist, nicht dagegen, um welches Schriftstück es sich hierbei handelte.127 Zusätzlich zum Rückschein sollte deshalb unter Umständen ein zusätzliches Beweismittel gefordert werden, z.B. ein Brief, aus dem die Kenntnis von dem zugestellten Schriftstück hervorgeht. Auch im Fall des OLG Celle war unter Umgehung der Behörden des Zustellungsstaates unmittelbar durch die Post zugestellt worden. Bedenken im Hinblick auf eine Heilung ergeben sich dort allerdings insoweit, als anders als bei Ackermann v. Levine unter bewußter Umgehung von § 199 ZPO unmittelbar durch die Post zugestellt werden sollte. Bei bewußter Umgehung der Formvorschriften scheidet jedoch nach der hier vertretenen Ansicht zumindest eine Heilung gemäß § 187 ZPO 128 oder nach dem ungeschriebenen allgemeinen Heilungsgedanken129 aus. Ebenso aber erscheint eine Heilbarkeit dieses Zustellungsfehlers über § 295 ZPO kaum mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes vereinbar. Auch durch eine Heilung nach § 295 ZPO darf eine absichtliche Umgehung der Formvorschriften nicht sanktioniert werden. Entgegen der

124 Schack IZVR Rz. 589; zur Duldung der direkten Postzustellung durch die USA im vertragslosen Rechtsverkehr Pfeil-Kammerer S. 75. 123 Im Originalfall von Ackermann v. Levine handelte es sich freilich um eine Zustellung im vertraglichen Rechtsverkehr; dazu ausführlich später. 126

A.A. Hoffmann

§ 16 KonsularG Anm. 3.1. und 3.4.

127

Zu diesem Problem OLG Hamm, Urteil vom 30.3.1993, Az 20 W 48 / 92, JURIS DokNr 486599 (insoweit nicht abgedruckt in NJW-RR 1993, 895 f.). 125

BGHZ 7, 268, 270; Thomas / Putzo § 187 Rz. 7.

129

Göcker S. 58.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

Ansicht des OLG Celle ist damit der absichtliche Verstoß gegen die Zustellungsform nach deutschem Recht nicht heilbar.

c) Weitere Anwendungsfälle In beiden Ausgangsfällen lag der Zustellungsmangel darin, daß im vertragslosen Rechtsverkehr von deutscher Seite unzulässigerweise die unmittelbare Postzustellung als Übermittlungsweg gewählt worden war. Doch ist die hier erarbeitete Lösung nicht allein auf die postalische Direktzustellung beschränkt.

aa) Unzulässige konsularische Zustellung Eine Heilung nach den oben entwickelten Grundsätzen ist zum Beispiel auch dann möglich, wenn im Einzelfall die unmittelbare konsularische Zustellung einen die fremdstaatliche Souveränität verletzenden, unzulässigen Übermittlungsweg darstellt. 130 Dies ist etwa dann der Fall, wenn der deutsche Konsul in einem Staat, der die konsularische Zustellung gar nicht oder nur an deutsche Staatsangehörige gestattet, eine deutsche Klageschrift unmittelbar zustellt, ohne dabei seitens des Zustellungsstaates gemachte Beschränkungen zu beachten. Gleiches gilt dann, wenn der Konsul sich bei einer Auslandszustellung einer unzulässigen Ersatzzustellung bedient (etwa in Form einer Übergabe an den Hausmeister, der das Schriftstück anschließend an den Adressaten weiterreicht), anstatt formlos unmittelbar an den Adressaten zuzustellen.131 Zwar berühren diese Zustellungsfehler ebenso wie eine unzulässige Zustellung durch die Post die Souveränität des Zustellungsstaates. Doch ist hier wie dort die Verletzung der fremdstaatlichen Souveränität für die Heilbarkeit des Zustellungsaktes im innerstaatlichen Bereich unbeachtlich.132

130 M.E. nicht ersichtlich ist, weshalb es in diesen Fällen an einem Zustellungsmangel fehlen sollte; so aber SU / H.Roth § 199 Rz. 50. 131 132

Zur Unzulässigkeit der Ersatzzustellung durch Konsulen zutreffend Wiehe S. 43 mwN.

So ausdrücklich zur konsularischen Zustellung StJ/H.Roth § 199 Rz. 50. Entgegen SU/ H.Roth ebenda findet sich hierfür m.E. auch kein Anhaltspunkt in den §§2, 16 KonsularG.

8

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

bb) Unzulässiger Übermittlungsweg bei aktiver Rechtshilfe durch ausländische Behörden Werden anders als in den bisher vorgebrachten Fallkonstallationen die ausländischen Behörden trotz eines unzulässigen Übermittlungsweges nicht umgangen, so muß im deutschen Prozeß erst recht eine Heilung möglich sein. Dies ergibt sich bereits aus dem Mehr-Weniger-Verhältnis von passiver und aktiver Rechtshilfe 133 ; denn sofern die Behörden des Zustellungsstaates die Rechtshilfe selbst aktiv ausführen, bleiben sie anders als in den zuvor geschilderten Konstellationen gleichsam „Herr im eigenen Haus". 134 Ein Beispiel hierfür mag der Fall liefern, daß sich die deutschen Stellen im vertragslosen Rechtshilfeverkehr 135 unter Verstoß gegen § 199 ZPO unmittelbar an die ausländischen Zustellungsbehörden wenden, die dem Zustellungsersuchen ohne Einwände nachkommen. Einer Heilung nach deutschem Recht stehen hier keine völkerrechtlichen Bedenken entgegen. Selbst wenn aber die eingeschalteten ausländischen Behörden im Einzelfall nicht auf die Souveränität ihres Staates verzichten können 136 , so hindert der dann fortbestehende Souveränitätseingriff nicht die Heilbarkeit des Zustellungsfehlers im deutschen Prozeß.

cc) Unzulässige Privatzustellung Demgegenüber erscheint eine Heilung zumindest über § 187 ZPO dann ausgeschlossen, wenn das zuzustellende Schriftstück im Ausland im unzulässigen Übermittlungswege der Privatzustellung übergeben wird. Zwar stünden einer solchen Heilung auch hier keine völkerrechtlichen Bedenken entgegen. Doch scheitert die Heilung nach § 187 ZPO an der Unanwendbarkeit der Vorschrift auf Privatzustellungen 137, da es bei der Privatzustellung bereits am für § 187 ZPO erforderlichen Zustellungswillen der deutschen Behörden fehlt. Die Heil-

133

Dazu Karen Ilka Mössle S. 91.

134

Siehe schon oben § 7 nach Fn. 62.

135

Zum Sonderfall Liechtenstein oben § 9 I 4. Auch dort bedarf es bei ausgehenden Ersuchen jedoch noch der Einschaltung der deutschen Prüfungsbehörden. 136 In Deutschland fehlt etwa den „einfachen" deutschen Behörden die Fähigkeit zur Einwilligung in Verletzungen der deutschen Souveränität; so ausdrücklich BVerfGE 63, 371, 372 f. unter Berufung auf Art. 59 I GG; siehe auch Pfeil-Kammerer S. 126 (Postbote) und S. 130 (Gerichtsvollzieher). 137

E. Schneider DGVZ 1983, 33, 35.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

9

barkeit der im Ausland vorgenommenen Privatzustellung über § 295 ZPO und den allgemeinen ungeschriebenen Zweckerreichungsgedanken 138 wird hiervon aber m.E. nicht berührt.

III. Durchführungsfehler Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr entscheidet allein das autonome Recht des ersuchten Staates darüber, in welcher Art und Weise die gewünschte Zustellung durchzuführen ist. 139 Dies gilt gleichermaßen für die Bestimmung der insoweit zuständigen Zustellungsorgane wie für das einzuhaltende Zustellungsverfahren. Soweit die Staaten auch im vertragslosen Rechtshilfeverkehr nach ihrem innerstaatlichen Recht förmlich zustellen, gleichen die dabei auftretenden Durchführungsfehler im wesentlichen denjenigen im rein innerstaatlichen Zustellungsverfahren. Wegen des geringeren Formalisierungsgrades weniger fehleranfällig ist die Durchführung der Zustellung demgegenüber dort, wo im vertragslosen Zustellungsverkehr lediglich formlos zugestellt wird. Doch selbst im formlosen Zustellungsverfahren sind Durchführungsfehler nicht gänzlich ohne praktische Relevanz. Dies zeigt für nach Deutschland eingehende Ersuchen eine Entscheidung des OLG Frankfurt/M. 1 4 0 aus dem Jahre 1986.141 Dort war das zuzustellende Schriftstück im Rahmen einer in Deutschland durchzuführenden formlosen Zustellung entgegen § 69 I ZRHO dem Empfänger nicht durch einen Rechtspfleger, einen Gerichtswachtmeister oder einen Gerichtsvollzieher übergeben worden, sondern auf Veranlassung des Rechtspflegers hin durch einen Zustellungsbediensteten der Post. Zwar beeinträchtigt ein solcher Verstoß gegen die Zuständigkeitsregeln der deutschen ZRHO nicht die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung, da es sich bei der ZRHO lediglich um eine Verwaltungsvorschrift handelt.142 Doch können ähnliche Durchführungsfehler im umgekehrten, hier

138

Dazu siehe schon oben § 5 V I a.E.; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf NJW 1951, 998.

139

V. Normann S. 26; Nagel, Rechtshilfe, S. 108; ausführlich oben § 9 II.

140

RIW 1987, 627, 628 f. (dort wurde freilich im Rahmen des HZÜ formlos zugestellt).

141

Fast identischer Sachverhalt bei vertragsloser Rechtshilfe schon BayObLG SeuffArch 41 (1886) 466. 142 SU /H.Roth § 199 Rz. 38; F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165; ebenso wohl KG OLGZ 1988, 172, 177; a.A. offensichtlich OLG Frankfurt RIW 1987, 627, 629, das den Verstoß gegen § 69 I ZRHO wegen Erreichung des mit dieser Zustellungsvorschrift verbundenen Zwecks (!) für unbeachtlich erklärte; für Beachtlichkeit eines ZRHO-Verstoßes auch wohl BLÄH ! Hartmann § 328 Rz. 23; siehe auch schon BayObLG SeuffArch 41 (1886) 466: Zuständigkeitsvorschriften der ZPO bei eingehenden Ersuchen im vertragslosen Rechtshilfe verkehr nicht anwendbar.

14 Kondrin

1

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

besonders interessierenden Fall einer (formlosen) Zustellung eines deutschen Schriftstücks im Ausland der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung sehr wohl dann entgegenstehen, wenn dort das Verfahren der formlosen Zustellung nicht wie in Deutschland in einer nach außen unverbindlichen Verwaltungsvorschrift, sondern in einer zwingenden gesetzlichen Regelung normiert ist. 143 Dies sei an folgendem Fall verdeutlicht, der sich inhaltlich an die vorstehend genannte Entscheidung des OLG Frankfurt 144 anlehnt: Im Rahmen eines deutschen Prozesses ersuchen die deutschen Stellen im vertragslosen Rechtshilfeverkehr die Behörden eines fremden Staates um Zustellung der Klageschrift. Der ersuchte Staat führt ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland im vertragslosen Verkehr ausländische Zustellungsersuchen lediglich formlos durch. Die hierfür zuständigen Behörden sind in einem Parlamentsgesetz zwingend festgelegt. Die Zustellung wird unter Verletzung dieser Zuständigkeitsregeln durchgeführt, ohne daß dies — ebenso wie seinerzeit im Fall des OLG Frankfurt — im Zustellungsstaat sofort bemerkt worden wäre. Dabei wird dem annahmebereiten Beklagten die zuzustellende Klage persönlich übergeben. Das Zustellungszeugnis wird dem deutschen Richter zugesandt.

Für den deutschen Richter stellt sich die Frage, ob dieser Fehler bei der Durchführung der Zustellung die innerstaatliche Wirksamkeit derselben beeinträchtigt. Das innerstaatliche Verfahrensrecht des Zustellungsstaates hat zumindest im vertragslosen Rechtshilfeverkehr für den Richter des ersuchenden Staates keine unmittelbare Bindungswirkung. Letzterer ist vielmehr mangels entgegenstehender Bestimmungen des eigenen Rechts nur an seine lex fori gebunden. Ausländisches Verfahrensrecht ist dagegen nicht unmittelbar zu berücksichtigen. Danach läge die Vermutung nahe, daß der deutsche Richter einen Verstoß gegen das auf die Durchführung der Zustellung anwendbare innerstaatliche Recht des ersuchten Staates außer acht lassen kann. Dies widerspräche jedoch m.E. dem verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör, der im deutschen Prozeß unabhängig vom Zustellungsort und dem bei der Zustellung maßgeblichen Recht zu beachten ist. Zu Recht führt deshalb Rauscher 145 aus, daß die Einhaltung der Durchführungsvorschriften des Zustellungsstaates die Gewährung rechtlichen Gehörs zugunsten des Adressaten zumindest indiziert. Dies gilt gleichermaßen für den vertraglichen wie für den vertragslosen Zustellungsverkehr.

143 Auf diese Möglichkeit beziehen sich wohl Bülow / Böckstiegel S. 100.12 in Abgrenzung zur deutschen Rechtslage. 144 145

RIW 1987, 627.

IPRax 1991, 155, 157; ebenso Stellungnahme der Bundesregierung in EuGH Slg. 1990 1-2725, 2730 (Lancray . / . Peters).

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

2

1. Heilung nach dem Recht des Zustellungsstaates Zu den Durchführungsvorschriften des Zustellungsstaates, deren Beachtung die Wahrung des rechtlichen Gehörs indiziert, gehören jedoch nicht nur diejenigen Normen, die ein bestimmtes Verfahren als zwingend bezeichnen, sondern auch diejenigen Regeln, die hiervon im Einzelfall absehen. Dogmatisch wird dies häufig über Heilungsvorschriften geschehen. Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken, daß der deutsche Richter auch diese ,Ausnahmevorschriften" bei der Beurteilung der Indizwirkung berücksichtigt. Dies sei am einleitend dargestellten Fall verdeutlicht. Zwar indiziert dort der Verstoß gegen die für die Durchführung der Zustellung maßgeblichen innerstaatlichen Vorschriften des ersuchten Staates, zu denen auch die Kompetenzregeln gehören 146, eine Verletzung des dem Adressaten zustehenden Anspruchs auf rechtliches Gehör. Diese Indizwirkung besteht jedoch nur so lange, wie auch die verletzte Rechtsordnung einen solchen Verstoß für beachtlich erklärt. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn nach diesem Recht von der Heilung des Fehlers auszugehen ist. Sieht das innerstaatliche Zustellungsrecht des ersuchten Staates eine Heilungsmöglichkeit vor, so besteht von deutscher Seite zunächst kein Anlaß, von der Verletzung des rechtlichen Gehörs auszugehen. Vielmehr ist die Wahrung dieses Anspruchs ebenso indiziert wie bei einer von vornherein fehlerlosen Durchführung der Zustellung. Entgegen Schumann147 sind insoweit nicht nur automatische Heilungstatbestände des ausländischen Rechts zu berücksichtigen, sondern auch solche Normen, die eine Heilung in das Ermessen des Richters stellen. Dies ist zumindest im vorliegenden Zusammenhang unbedenklich, da die ausländische Rechtsordnung für den deutschen Richter im vertragslosen Zustellungsverkehr nur Indizwirkung hat und ihn weder bindet noch ihm unmittelbar Beurteilungsspielräume einräumt. Aus der bloßen Indizwirkung des ausländischen Rechts folgt aber zugleich, daß der deutsche Richter nicht zwingend die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten annehmen muß. Das Indiz ist vielmehr in positiver wie in negativer Hinsicht widerlegbar, da die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts

146 Nagel, Rechtshilfe, S. 108. So auch OLG Frankfurt RIW 1987, 627, 629 im Hinblick auf die deutschen Kompetenzvorschriften der ZRHO. Nach der hier vertretenen Ansicht führt ein Verstoß gegen die Vorschriften der ZRHO aber nicht zur Fehlerhaftigkeit des Zustellungsaktes; a.A. OLG Frankfurt ebenda, das jedoch eine Heilung des Fehlers annimmt. 147

14*

SU 20 / Schumann § 187 Rz. 43; wie hier nunmehr SU / H.Roth § 187 Rz. 27.

2

. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

unter dem Vorbehalt steht, daß hierdurch kein gegen die Grundwertungen des inländischen Verfahrensrechts verstoßender Erfolg herbeigeführt wird. 148 Es darf durch fehlende ausländische Heilungsvorschriften weder der verfassungsrechtlich gesicherte Anspruch des inländischen Klägers auf effektiven Rechtsschutz ausgehöhlt noch durch zu liberales ausländisches Heilungsrecht der gleichwiegende Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör unterminiert werden. 149 Im deutschen Prozeß von besonderer praktischer Relevanz ist die fehlende Indizkraft im Hinblick auf die vom deutschen Recht vorgenommene Unterscheidung von „Fristen" und „Notfristen" (§ 223 ΠΙ ZPO). Soweit durch die Zustellung nach deutschem Recht eine Notfrist in Gang gesetzt wird, ist nach der Wertung der ZPO eine Heilung von Zustellungsfehlern stets ausgeschlossen. 150 Dies gilt nicht nur im Rahmen von § 187 ZPO gemäß dessen Satz 2, sondern auch im Hinblick auf § 295 ZPO 1 5 1 und nach dem allgemeinen ungeschriebenen Heilungsgedanken kraft Zweckerreichung. 152 Denn im Falle von Notfristen ist der Anspruch des Adressaten auf rechtliches Gehör wegen der Folge des Fristablaufs in besonderer Weise durch Zustellungsfehler gefährdet. 153 Da es sich aber bei dem Institut der Notfrist um eine Rechtsfigur handelt, die anderen Rechtsordnungen nur allzu häufig unbekannt sein dürfte, nehmen auch deren Heilungsvorschriften regelmäßig keinen Bezug auf diesen Unterschied. Damit werden auch solche Zustellungen nach dem Recht des Zustellungsstaates als geheilt angesehen, die im deutschen Verfahren Notfristen in Gang setzen. Die durch eine solche Heilung zugunsten der Wahrung des rechtlichen Gehörs geschaffene Indizwirkung vermag einer Prüfung durch den deutschen Richter aber nicht'standzuhalten. Das Indiz wird vielmehr im Hinblick auf die Notfristen durch die in § 187 S. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Wertung des deutschen Rechts widerlegt. Es ist Sache der deutschen lex fori, darüber zu bestimmen, welche Fristen durch welche Zustellung im deutschen Verfahren in Gang gesetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine allein dem deutschen Recht unterliegenden Frage. Diesen Grundsatz erkennen selbst die

148

Fasching öZPR Rz. 2400.

149

Zur Gefährdung des rechtlichen Gehörs durch die Anwendung ausländischen Zustellungsrechts etwa OLG Hamburg IPRax 1992, 38, 40 a.E. 150

AK-ZPO / Göring § 187 Rz. 6.

151

BGH NJW 1952, 934; Zöller / Greger § 295 Rz. 4.

152

H. Hagen SchlHA 1973, 57, 59; siehe auch schon oben § 5 VI.

133

Zöller / Stöber § 187 Rz. 9.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

1

einschlägigen staatsvertraglichen Regelungen an. 154 Erst recht sollte dies im vertragslosen Rechtshilfeverkehr gelten.

2. Heilung nach deutschem Recht Kennt das Recht des Zustellungsstaates für den Fall eines Durchführungsfehlers keine Heilungsregel, so indiziert dies zunächst die Verletzung des rechtlichen Gehörs des ausländischen Beklagten. Doch auch diese Indizwirkung ist widerlegbar. 155 Der Weg hierhin führt über die HeilungsVorschriften der deutschen lex fori, insbesondere über § 187 ZPO. Anders als das Verfahrensrecht des ausländischen Zustellungsstaates bindet die ZPO den deutschen Richter, da ein deutsches Verfahren deutschem Verfahrensrecht einschließlich der darin vorgesehenen Heilungsmöglichkeiten unterliegt. Entgegen P. Schlosser 156 steht einer Anwendung des § 187 ZPO nicht die Territorialität des für die Durchführung der Zustellung maßgeblichen ausländischen Rechts entgegen. Es wird vielmehr die Wertung des Rechts des Zustellungsstaates, wonach sein Zustellungsakt unwirksam ist, gerade respektiert, indem die Unwirksamkeit zur Grundlage der Anwendung des § 187 ZPO gemacht wird. 157 Welche Bedeutung der deutsche Richter aber diesem als unwirksam erkannten und — wie die Anwendung des § 187 ZPO gerade zeigt — auch als unwirksam respektierten ausländischen Zustellungakt im deutschen Prozeß beimessen darf, bleibt gänzlich dem deutschen Verfahrensrecht überlassen.158 Auch insoweit ist § 187 ZPO auf Auslandszustellungen anwendbar. Kennt das Verfahrensrecht des ersuchten Staates im Ausgangsfall demnach keine Heilungsmöglichkeit, so indiziert dies zunächst die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten. Diese Indizwirkung ist aber dann widerlegt, wenn die Zustellung nach den Wertungen des deutschen autonomen Heilungsrechts, insbesondere gemäß § 187 ZPO, als geheilt anzusehen ist. Daneben stehen gleichberechtigt die Heilung nach dem ungeschriebenen allgemeinen Heilungsgedanken kraft Zweckerreichung und die Heilung gemäß § 295 ZPO.

154

Zum HZÜ etwa Ferreira,

155

Siehe schon oben § 16 III a a.E.

156

FS Stiefel S. 684, 694.

157

SU /H.Roth § 187 Rz. 29.

158

Linke IZPR Rz. 239.

Rapport Explicatif, in: Actes et Documents III S. 365.

1

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

IV. Fehlende Übersetzung Schließlich führt auch das Fehlen einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks im internationalen Zustellungsverkehr häufig zu Zustellungsfehlern. 159 Dies gilt vor allem für die vertragliche Rechtshilfe, wo das Übersetzungserfordernis zum Teil staatsvertraglich geregelt ist. Demgegenüber kann sich im hier zunächst nur untersuchten vertragslosen Rechtszustand die Notwendigkeit einer Übersetzung — wenn überhaupt — allein aus dem autonomen Recht des Urteils- und / oder Zustellungsstaates oder aus ungeschriebenen völkerrechtlichen Regeln ergeben.

1. Die Notwendigkeit der Übersetzung ausgehender deutscher Ersuchen im vertragslosen Zustellungsverkehr Die Heilungsfrage stellt sich im vertragslosen Rechtshilfeverkehr im Hinblick auf eine fehlende Übersetzung ausgehender deutscher Zustellungsersuchen also nur dann, wenn eine solche Übersetzung zwingend erforderlich ist.

a) Die Notwendigkeit

einer Übersetzung

nach ungeschriebenen völkerrechtlichen

Regeln

Mangels staatsvertraglicher Regelungen kann sich die Notwendigkeit einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks aus ungeschriebenen völkerrechtlichen Regeln ergeben. Doch fehlt es — soweit ersichtlich — bis heute im vertragslosen Rechtshilfeverkehr an ungeschriebenen, völkerrechtlich verbindlichen Normen, die den um Zustellungshilfe ersuchenden Staat verpflichten würden, eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks beizufügen. 160 Mangels einer entsprechenden Verpflichtung hat das Fehlen einer Übersetzung im vertragslosen Zustellungsverkehr zumindest aus Sicht des Völkerrechts damit keinen Zustellungsmangel zur Folge. Die Frage der Heilung von Übersetzungsmängeln stellt sich also insoweit erst gar nicht.

159

Pfennig S. 87; Stürner FS Nagel S. 446, 448.

160

Bülow / Böckstiegel S. 900.51 Fn. 202.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

b) Die Notwendigkeit

1

einer Übersetzung nach deutschem Recht

Unabhängig von einer völkerrechtlichen Verpflichtung zur Beifügung einer Übersetzung kann sich eine solche Pflicht bei ausgehenden deutschen Ersuchen im vertragslosen Zustellungsverkehr aber aus dem autonomen deutschen Recht ergeben. Die diesbezüglich einzigen einschlägigen Regelungen finden sich in der ZRHO. § 25 I 1 ZRHO schreibt vor, daß dem Zustellungsersuchen und den Anlagen beglaubigte Übersetzungen beizufügen sind, wenn im vertragslosen Zustellungsverkehr ein deutsches Schriftstück mittels Ersuchens der zuständigen ausländischen Behörde und damit unter Inanspruchnahme aktiver Rechtshilfe im Ausland zugestellt werden soll. Auf eine Übersetzung kann danach nur dann verzichtet werden, sofern sich aus dem Länderteil der ZRHO etwas anderes ergibt. Wird demgegenüber ein deutsches Schriftstück im vertragslosen Zustellungsverkehr nicht durch Ersuchen an eine ausländische Behörde, sondern unmittelbar durch im Zustellungsstaat residierende deutsche Konsuln oder Diplomaten zugestellt, so kann gemäß § 26 S. 1 ZRHO auf die Beifügung einer Übersetzung grundsätzlich verzichtet werden. Etwas anderes empfiehlt sich nach § 26 S. 2 ZRHO lediglich dann, wenn der Zustellungsadressat der deutschen Sprache vermutlich nicht mächtig ist und Grund zu der Annahme besteht, daß durch eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks seine Annahmebereitschaft herbeigeführt werden kann. Auf Grund der Formulierung des § 26 S. 2 ZRHO („empfiehlt") ist aber davon auszugehen, daß auch in diesem Fall eine Übersetzung nicht zwingend, sondern allenfalls zweckmäßig ist. Da es sich bei § 26 S. 2 ZRHO um eine Fakultativregel handelt, ist von deutscher Seite eine Übersetzung des Zustellungsersuchens und seiner Anlagen damit grundsätzlich nur dann zwingend erforderlich, wenn der Zustellungsstaat um aktive Zustellungshilfe ersucht werden soll, § 25 I ZRHO. Sollten es die deutschen Behörden entgegen dieser Bestimmung dennoch versäumen, dem Zustellungsersuchen und seinen Anlagen eine beglaubigte Übersetzung beizufügen, so hat dies jedoch noch nicht die Fehlerhaftigkeit der Zustellung zur Folge, da die Bestimmungen der ZRHO als bloße Verwaltungsvorschriften lediglich innerdienstliche Wirkung haben. Ein Verstoß hiergegen berührt nicht die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung. 161 Auch stellt § 25 I 1 ZRHO entgegen Wiehe 162

161

SU /H.Roth § 199 Rz. 38; F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165.

1

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

kein zwingendes „konkretisiertes Verfassungsrecht" dar. Mangels anderweitiger zwingender Vorschriften im deutschen autonomen Recht stellt damit eine entgegen § 25 I 1 ZRHO fehlende Übersetzung bei ausgehenden deutschen Ersuchen im vertragslosen Rechtshilfe verkehr keinen zur Ordnungswidrigkeit der Zustellung führenden Verstoß gegen das deutsche Zustellungsrecht dar. Bei fehlender Übersetzung kann sich eine Fehlerhaftigkeit ausgehender deutscher Zustellungen im vertragslosen Rechtsverkehr mithin auch nicht aus den Vorschriften des deutschen autonomen Rechts ergeben.

c) Die Notwendigkeit einer Übersetzung nach dem Recht des ersuchten Staates Sofern ein ausländischer Staat im vertragslosen Rechtshilfe verkehr um aktive Zustellungshilfe ersucht wird, überläßt es die Bundesrepublik Deutschland diesem Staat, wie er in seinem Hoheitsgebiet die Zustellung durchführt. Die ausländischen Behörden werden gemäß § 32 ΠΙ 2 ZRHO lediglich um „Zustellung" ohne nähere Bezeichnung der Zustellungsart ersucht. Ein Teil der Staaten stellt ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland (§§ 68 II, 70 I ZRHO) im vertragslosen aktiven Rechtshilfeverkehr lediglich formlos zu und verzichtet dabei auf das Erfordernis einer Übersetzung. 163 Der Verzicht auf eine Übersetzung begegnet in diesem Fall keinen rechtsstaatlichen Bedenken, da es dem Beklagten frei steht, die Annahme des in fremder Sprache abgefaßten Schriftstücks zu verweigern. 164 Unzutreffend ist insoweit die Ansicht des OLG Hamm 165 , wonach der Empfanger sich auch bei der formlosen Zustellung nur dann wirklich frei entscheiden könne, wenn er (aufgrund einer beigefügten Übersetzung) verstehe, was der Inhalt der Sendung sei. Der Empfänger ist in einem solchen Fall nicht schutzwürdig, wenn er trotz fehlender Sprachkenntnisse ein Schriftstück annimmt. 166 Etwas anderes mag allenfalls dort gelten,

162

s. 119 f.

163

Zur diesbezüglichen Haltung der Bundesrepublik Deutschland im vertragslosen Rechtshilfeverkehr Pfeil-Kammerer S. 101. 164

Rauscher IPRax 1991, 155, 159.

165

IPRspr. 1979 Nr. 195.

166

Siehe schon oben § 9 II la a.E.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

1

wo der Zustellungsempfänger nicht auf sein Annahmeverweigerungsrecht aufmerksam gemacht wird. 167 Unbedenklich ist ein Verzicht auf eine Übersetzung auch in denjenigen Staaten, die anders als die Bundesrepublik Deutschland im vertragslosen aktiven Rechtshilfeverkehr nebeneinander die formlose und die förmliche Zustellung kennen. Dort wird regelmäßig lediglich formlos und damit ohne Übersetzung 168 zugestellt, wenn der ersuchende Staat nicht ausdrücklich eine förmliche Zustellung gewünscht hat. Die Bundesrepublik Deutschland verzichtet gemäß § 32 I I I 2 ZRHO regelmäßig auf einen solchen ausdrücklichen Wunsch. Grund hierfür dürften Gegenseitigkeitserwägungen sein. Da die Bundesrepublik Deutschland im vertragslosen Rechtshilfeverkehr bei eingehenden Ersuchen ihrerseits nur formlos zustellt, kann sie von fremden Staaten im umgekehrten Fall keine förmliche Zustellung verlangen. Das Problem der Übersetzung stellt sich mithin auch hier nicht. Demgegenüber kennt eine dritte Gruppe von Staaten selbst im vertragslosen aktiven Rechtshilfeverkehr ausschließlich die förmliche Zustellung. 169 Wegen der mit der förmlichen Zustellung verbundenen Zwangswirkung verlangen diese Staaten regelmäßig eine Übersetzung. 170 Wird dort die förmliche Zustellung eines deutschen Schriftstücks von den ersuchten Stellen dennoch ohne die an sich erforderliche Übersetzung durchgefühlt, so liegt hierin ein Verstoß gegen das für die Durchführung der Zustellung maßgebliche innerstaatliche Recht des Zustellungsstaates, jedoch keine Verletzung deutschen Rechts. Das gleiche gilt dann, wenn die Behörden des ersuchten Staates, dessen Recht mangels eines entsprechenden Wunsches des ersuchenden Staates nur die formlose Zustellung erlaubt, unter Verstoß gegen diese innerstaatliche Regel ohne die insoweit erforderliche Übersetzung förmlich zustellt.

167

So regelmäßig etwa in Frankreich; siehe dazu Delgrange Gaz.Pal. 1988, 73 Fn. 5.

168

Siehe zum Beispiel Österreich, § 12 II öZustG. Aus deutscher Sicht besteht allerdings gegenüber Österreich ein vertraglicher Rechtshilfe verkehr. 169 Etwa die USA (dazu Pfeil-Kammerer S. 101; Practical Handbook S. 110); Portugal (dazu Practical Handbook S. 94); Kanada (dazu BGBl. 1989 II 807, 810). Freilich steht der Zustellungsverkehr aus deutscher Sicht im Verhältnis zu all diesen Staaten heute auf vertraglicher Grundlage. 170 Zur Praxis der USA und den dort geltenden Grenzen des Übersetzungserfordernisses PfeilKammerer S. 101 Fn. 95.

18

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

2. Beachtlichkeit und Heilbarkeit des Übersetzungsmangels im deutschen Prozeß Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr begründet eine fehlende Übersetzung bei ausgehenden deutschen Ersuchen mithin allenfalls einen Verstoß gegen das innerstaatliche, für die Durchführung der Zustellung maßgebliche Recht des ersuchten Staates. Damit sind grundsätzlich die vorstehend zur Heilung von Durchführungsfehlern bereits entwickelten Grundsätze anwendbar. 171 Ebenso wie dort indiziert die Beachtung der Durchführungsvorschriften einschließlich der autonomen Übersetzungserfordernisse des Durchführungsrechts widerlegbar die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Zustellungsadressaten. Eine solche Indizwirkung besteht auch dann, wenn der aus einer Verletzung der Durchführungsvorschriften resultierende Übersetzungmangel nach dem verletzten autonomen Recht des Zustellungsstaates als geheilt anzusehen ist. Dies sei an folgendem Fall verdeutlicht: Im bis 1979 bestehenden vertragslosen deutsch-amerikanischen Zustellungsverkehr ersuchte die deutsche Seite das amerikanische Außenministerium um Zustellung einer in deutsch abgefaßten Klageschrift, die an einen erst kürzlich in die USA ausgewanderten Österreicher gerichtet war. Der Klage lag keine Übersetzung bei. Da die USA jedoch auch im vertragslosen Zustellungsverkehr nur die förmliche Zustellung kennen, sieht das amerikanische Recht vor, daß amerikanische Behörden einem Zustellungsersuchen nur dann nachkommen dürfen, wenn dem Schriftstück eine Übersetzung beigefügt wurde. 172 Dennoch wurde die Zustellung in den USA, da der österreichische Empfänger die Annahme verweigerte, im Wege einer Ersatzzustellung durchgeführt.

Auch wenn die Zustellung in concreto unter Verstoß gegen die amerikanischen Durchführungsvorschriften, zu denen auch das Erfordernis einer Übersetzung gehört, bewirkt wurde, so steht dies einer Fortsetzung des deutschen Prozesses nicht im Wege. Zwar indiziert ein Fehler bei der Durchführung der Zustellung zunächst die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies gilt jedoch nur so lange, wie der Verstoß nicht von der verletzten Rechtsordnung selbst für unbeachtlich erklärt wird. So sieht etwa das amerikanische Recht unter Bezugnahme auf den due process-GmndszXz das Fehlen einer vom amerikanischen Recht selbst grundsätzlich geforderten Übersetzung dann als geheilt an, wenn der Empfänger die Sprache, in der das ausländische Schriftstück abgefaßt ist,

171

Siehe oben § 16 III.

172

Pfeil-Kammerer

S. 101.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

19

genügend versteht. 173 Nichts anderes kann in dem oben gebildeten Beispielsfall gelten. Die Heilung nach dem amerikanischen due process-Grundsatz 174 indiziert auch im deutschen Prozeß die Wahrung des rechtlichen Gehörs und ist damit vom deutschen Richter zu berücksichtigen. 175 Ebenso wie bei „einfachen" Durchführungsfehlern ist aber auch diese Indizwirkung im Einzelfall widerlegbar. Kennt das für die Durchführung der Zustellung maßgebliche Recht des Zustellungsstaates für den Fall einer von diesem Recht gebotenen, aber fehlenden Übersetzung keine Heilungsregel, so indiziert dies zunächst die Verletzung des rechtlichen Gehörs des ausländischen Beklagten. Doch auch diese Vermutung ist nicht unumstößlich, sondern nach den Wertungen des deutschen Rechts widerlegbar. Der insoweit dogmatisch korrekte Weg ist mit einem Großteil des Schrifttums 176 und der Rechtsprechung 177 im deutschen Prozeß in § 187 ZPO zu sehen. Die der Übersetzung im förmlichen Zustellungsverfahren (und nur dort stellt sich die Frage 178 ) zukommende Aufklärungsfunktion 179 verliert immer dort ihren Sinn, wo der Aufklärungszweck genauso gut oder gar besser durch eine unübersetzte Klage erreicht wird. Insbesondere im Hinblick auf Übersetzungsmängel vermag die Ermessensregel des § 187 ZPO eine die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigende, gerechte Lösung zu liefern. Damit steht

173

Shoei Kako Co. Ltd. v. Supreme Court, 109 Cal. Rptr. 402 (1st Dist. 1973): Die Zustellung einer englischsprachigen Klage an ein japanisches Unternehmen, das seine Auslandskorrespondenz regelmäßig in englischer Sprache führt, bedarf keiner Übersetzung; Kochinke / Horlick RIW 1982, 79, 81. 174 Eine Heilungsfunktion des due process-Grundsatzes verneint Wiehe S. 185 f.; m.E. dagegen zutreffend wie hier Hollmann RIW 1982, 784, 794 und Pfeil-Kammerer S. 127, die beide zu Recht die funktionale Bedeutung des due process im Zusammenhang mit der Zweckerreichung und damit der Heilung hervorheben. 175

Vgl. StJ/H.Roth

§ 187 Rz. 29.

176

Linke IZPR Rz. 239 Fn. 53 (ausdrücklich zu ausgehenden deutschen Ersuchen); zur Parallelfrage im Anerkennungsverfahren ebenso: Schack IZVR Rz. 847; Richardi S. 130; MüKo-ZPO / Gottwald § 328 Rz. 75; StJ 20 / Schumann § 328 Rz. 186; Zöller / Geimer § 328 Rz. 138. 177

OLG Hamm IPRspr. 1981 Nr. 160 (ausdrücklich zu ausgehenden deutschen Zustellungsersuchen); zur ähnlich gelagerten Problematik im Anerkennungsverfahren ebenso: BayObLGZ 1975, 374, 377; 1974, 471, 477; OLG Hamm RIW 1988, 131, 133 (obiter); OLG Düsseldorf RIW 1985, 493, 494; RIW 1980, 664 (obiter); IPRspr. 1978 Nr. 159; OLG Stuttgart IPRspr. 1983 Nr. 173 (obiter). 178

Zur formlosen Zustellung siehe oben § 16 III 1 b.

179

Stürner JZ 1992, 325, 330.

220

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

auch einer Heilung von Übersetzungsmängeln nach § 187 ZPO im vertragslosen Rechtshilfeverkehr nicht das Prinzip der Territorialität des Prozeßrechts entge-

3. Ergebnis Die Heilung eines Übersetzungsmangels stellt im vertragslosen Rechtshilfeverkehr im Gegensatz zu anderen Fehlern ein wesentlich seltener auftauchendes Problem dar. Der Grund hierfür liegt darin, daß im vertragslosen Rechtshilfeverkehr in aller Regel auf eine Übersetzung verzichtet werden kann. Weder das deutsche autonome Recht noch das Völkerrecht schreiben im vertragslosen Rechtshilfeverkehr bei ausgehenden Zustellungsersuchen zwingend die Beifügung einer Übersetzung vor. Auch verzichten die meisten Zustellungsstaaten — ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland im umgekehrten Fall — auf eine Übersetzung, sofern die Zustellung formlos durchgeführt wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese Staaten auch im vertragslosen Rechtshilfeverkehr (ausschließlich) förmlich zustellen. In diesem Fall verlangt das nationale Recht der Zustellungsstaaten in der Regel zwingend die Beifügung einer Übersetzung. Wird die Zustellung dennoch ohne eine Übersetzung förmlich durchgeführt, so handelt es sich hierbei um einen Verstoß gegen das für die Durchführung der Zustellung allein maßgebliche nationale Recht des ersuchten Zustellungsstaates. Dieser Verstoß gegen das für die Durchführung der Zustellung maßgebliche Recht ist primär, jedoch ohne Bindungswirkung für den deutschen Richter, nach den auf das Übersetzungserfordernis anwendbaren Heilungsvorschriften des verletzten ausländischen Rechts heilbar. Sieht dieses Recht keine Heilungsmöglichkeit vor, so kann der deutsche Richter sekundär auf den auch auf Übersetzungsmängel anwendbaren § 187 ZPO zurückgreifen. Entgegen Rauscher 181 ist damit faktisch eine Kumulation von Heilungsvorschriften möglich.

180

Linke IZPR Rz. 239; ausführlich siehe oben § 16 III.

181

IPRax 1991, 155, 159 (freilich dort zum HZÜ).

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

V. Besonderheiten im Verhältnis

1

zu Irland

Irland war bis zum 4.6.1994 der einzige EuGVÜ-Staat, im Verhältnis zu dem mangels staatsvertraglicher Regelungen bis dahin lediglich auf der Grundlage der Gegenseitigkeit Rechtshilfe geleistet wurde. Auch wenn seit dem 4.6.1994 aus deutscher Sicht im Verhältnis zu Irland das HZÜ in Kraft ist 182 , gilt zumindest für derzeit noch im Anerkennungsverfahren praktisch relevante Altfälle (Durchführung der Zustellung bis zum 4.6.1994) das zuvor Gesagte grundsätzlich auch im Verhältnis zu Irland, sofern sich nicht aus der Stellung Irlands als EuGVÜ-Staat etwas anderes ergibt. Das EuGVÜ nimmt in Art. 20 Π auf den vertragslosen Rechtshilfeverkehr in Zustellungssachen Bezug. Diese Vorschrift läßt jedoch die Heilung von Zustellungsfehlern unberührt. Zum einen stellt Art. 20 I I EuGVÜ selbst keine (zusätzliche), die Heilbarkeit von Zustellungsmängeln weiter ausdehnende Heilungsvorschrift dar. 183 Zum anderen steht Art. 20 Π EuGVÜ aber auch einer Heilung nach dem Zweckerreichungsgedanken nicht entgegen. Dies folgt daraus, daß nach dieser Vorschrift der Erstrichter das Verfahren stets dann fortsetzen kann, wenn festgestellt ist, daß der Beklagte die Möglichkeit hatte, das verfahrenseinleitende Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, daß er sich verteidigen konnte. Auf welche Weise aber der rechtzeitige Zugang des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nachgewiesen werden muß, überläßt das EuGVÜ den nationalen Rechten der Mitgliedsstaaten.184 Ebenso präjudiziell Art. 20 Π EuGVÜ nicht die Art und Weise der Zustellung. Es steht den EuGVÜ-Staaten im Rahmen von Art. 20 I I EuGVÜ damit frei, ob sie ein Zustellungszeugnis verlangen wollen oder sich mit einem auf andere Weise beigebrachten Nachweis der Zustellung begnügen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 202 Π ZPO grundsätzlich dafür entschieden, auch bei Auslandszustellungen stets ein Zeugnis über die ordnungsgemäße Zustellung zu verlangen. 185 Dies hindert ihn jedoch nicht, im Einzelfall auch einen auf andere Weise beigebrachten Nachweis des rechtzeitigen Zugangs des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ausreichen zu lassen. Damit steht Art. 20 I I EuGVÜ insbesondere einer Heilung durch Zweckerreichung, wie sie in § 187 ZPO zu finden ist, nicht entgegen.

182

Vgl. Wagner RIW 1995, 89, 95 Fn. 95.

183

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.164; Bülow RabelsZ 29 (1965) 473, 501 Fn. 97; siehe auch schon oben § 14 II. 184

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.163 f.

185

Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.164.

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Denn auch danach ist ein tatsächlicher und rechtzeitiger Zugang erforderlich, den das Gericht feststellen muß. Auf welche Weise das Schriftstück zuging, ist sowohl bei § 187 ZPO als auch bei Art. 20 I I EuGVÜ ohne Bedeutung. Stellt der deutsche Richter mithin auf der Grundlage des § 187 ZPO fest, daß eine Auslandszustellung kraft Heilung nach der deutschen lex fori als wirksam anzusehen ist, so hindert ihn Art. 20 I I EuGVÜ nicht an der Fortsetzung des Verfahrens. Auch Art. IV Abs. 1 EuGVÜ-Protokoll hindert eine Heilung von Zustellungsfehlern im Verhältnis zu Irland nicht. Sofern man dieser Norm entgegen der hier vertretenen Auffassung 186 überhaupt mehr als nur deklaratorischen Charakter beimessen will, so gilt dies nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm allenfalls im Rahmen vertraglicher Zustellungshilfe, nicht aber im Rahmen des im Verhältnis zu Irland bestehenden vertragslosen Zustellungsverkehrs. Andere Normen des EuGVÜ, die aus Sicht des deutschen Erstrichters die Heilbarkeit von Mängeln deutscher Auslandszustellungen im Verhältnis zu Irland modifizieren könnten, sind nicht ersichtlich. An Irland gerichtete deutsche Zustellungsersuchen unterlagen damit vor dem Beitritt Irlands zum HZÜ in vollem Umfang den vorstehend zum vertragslosen Rechtshilfeverkehr entwickelten Heilungsgrundsätzen.

VI. Ergebnis Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, daß im vertragslosen Zustellungsverkehr Fehler ausgehender deutscher Zustellungsersuchen im deutschen Prozeß umfassend nach der deutschen lex fori heilbar sind. 187 Eine Heilung ist danach grundsätzlich ebenso über § 187 ZPO wie über den allgemeinen ungeschriebenen Zweckerreichungsgedanken und § 295 ZPO möglich. Dies gilt unabhängig von der Art des Zustellungsfehlers. Leidet die Zustellung an einem Mangel in der dem Recht des Zustellungsstaates unterliegenden Durchführung, so bestimmt sich die Heilbarkeit dieses Fehlers primär nach der verletzten ausländischen Rechtsordnung. Sieht diese keine Heilungsmöglichkeit vor, so hat der deutsche Urteilsrichter subsidiär eine Heilbarkeit des Durchführungsfehlers nach deutschem Recht zu prüfen. Dies gilt auch für Übersetzungsmängel, die

186

Siehe oben § 14 I.

187

Ebenso StJ / H.Roth § 187 Rz. 29.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

im vertragslosen Zustellungsverkehr bei ausgehenden deutschen Ersuchen wie Durchführungsfehler zu behandeln sind. Weder das deutsche Recht (trotz § 25 I 1 ZRHO) noch das Völkerrecht schreiben nämlich im vertragslosen Zustellungsverkehr zwingend die Beifügung einer Übersetzung vor. Damit kann sich das Erfordernis einer Übersetzung ausschließlich aus dem für die Durchführung der Zustellung maßgeblichen Recht des Zustellungsstaates ergeben. Übersetzungsfehler sind damit im vertragslosen Rechtshilfeverkehr stets als Durchführungsfehler anzusehen und wie diese zu behandeln.

§ 17 Die Heilung ausgehender Ersuchen im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954

Von wesentlich größerer praktischer Relevanz als der vertragslose Rechtshilfeverkehr in Zustellungssachen ist heute aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland der vertragliche Zustellungsverkehr. Staatsvertragliche Regelungen der Zustellung bestehen nicht nur mit allen deutschen Nachbarn, sondern auch mit allen wichtigen Wirtschaftspartnern. Insoweit existiert ein Geflecht bi- und multilateraler Vereinbarungen. In Zustellungssachen weitgehend inhaltsgleich 188 sind die beiden Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954, die in ihren jeweiligen Art. 1 bis 7 die internationale Zustellungshilfe regeln. 189 Anders als das Abkommen von 1905, das heute nur noch im Verhältnis zu Island Anwendung findet und damit von eher geringer praktischer Bedeutung ist 1 9 0 , gilt das Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 in Zustellungssachen heute (noch) im Verhältnis zu 18 Staaten, darunter die Nachbarstaaten Österreich, Polen und die Schweiz. Allein der deutsch-österreichische und der deutsch-schweizerische Zustellungsverkehr machen bei von Deutschland ausgehenden Ersuchen etwa 20 % und bei eingehenden Ersuchen sogar 60 % des gesamten deutschen Rechtshilfeaufkommens in Zustellungssachen aus. 191 Die beiden Haager Abkommen über den Zivilprozeß regeln in ihren die Zustellung betreffenden Vorschriften vor allem die bei der internationalen Zustel-

188

Nagel, Rechtshilfe, S. 74.

189

Ausführlich zum Zustellungsverfahren nach diesen Abkommen oben §11.

190

Nagel IZPR Rz. 491.

191

Errechnet auf Grundlage der von Pfennig S. 146 ff. mitgeteilten Zahlen (Stand 1986).

224

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

lung einzuhaltenden Übermittlungswege. Daneben bezeichnen sie das auf die Zustellungsdurchführung anwendbare Recht. Schließlich legen die Abkommen die Fälle fest, in denen dem zuzustellenden Schriftstück eine Übersetzung beizufügen ist. 192 Demgegenüber schweigen die Abkommen zur Frage der Heilbarkeit von Zustellungsfehlern.

/. Inlandszustellung statt erforderlicher

Auslandszustellung

Auch im vertraglichen Zustellungsverkehr kann es vorkommen, daß irrtümlich im Inland zugestellt wird, obwohl nach den Vorschriften der ZPO eine Auslandszustellung notwendig gewesen wäre, bei der die deutschen Behörden sich der Haager Zivilprozeßübereinkommen hätten bedienen müssen. Dies sei am folgenden, frei nach einer älteren Entscheidung des Kammergerichts 193 gebildeten Ausgangsfall verdeutlicht: Der Österreicher O. hatte einige Jahre in Garmisch gelebt und gearbeitet. Während dieser Zeit hatte er bei der Hauswirtin H. zur Untermiete gewohnt. Nachdem O. seine Arbeit verloren hatte, zog er in seine alte Heimatstadt Innsbruck zurück. Kurze Zeit später wurde O. wegen eines Autounfalls, der sich erst kurz vor seinem Wegzug zugetragen hatte, vor einem deutschen Gericht aus unerlaubter Handlung verklagt. Das Gericht ordnete die Zustellung der Klage unter der alten Garmischer Adresse des Ο an, die die Klägerin als dessen immer noch aktuelle Anschrift bezeichnet hatte. Da der mit der Zustellung beauftragte Postbedienstete den O. dort nicht vorfand, stellte er gemäß § 181 I I ZPO an die Hauswirtin zu. Diese nahm das Schriftstück an, ohne den Postbediensteten darauf hinzuweisen, daß O. zwischenzeitlich ausgezogen war. Vielmehr entschloß sich die H., ihrem früheren Zimmerherrn die — nicht als solche erkannte — Klageschrift bei ihrem in den nächsten Tagen geplanten Besuch im nahen Innsbruck selbst zu übergeben. So geschah es. O. blieb im Termin säumig.

Der deutsche Richter sieht sich nunmehr daran gehindert, gegen O. ein von der Klägerin beantragtes Versäumnisurteil zu erlassen. Zwar lehnt auch er mit der hier vertretenen Ansicht 194 die zur gleichen Fallgruppe im vertragslosen Rechtshilfeverkehr ergangene Entscheidung des BGH 1 9 5 ab. Doch scheitert nach Ansicht des Richters eine Heilung des Zustellungsfehlers durch die Erreichung des Zustellungszwecks an dem Schweigen des zwischen Österreich und

192

Im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung sind die Einschränkung des Rechts zur Verweigerung von Zustellungshilfe und die Regelung der Kostentragungspflicht. 193

JW 1929, 3173.

194

Oben § 16 I.

195

BGHZ 58, 177.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

der Bundesrepublik Deutschland für die internationale Zustellung maßgeblichen Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 zur Heilungsfrage. Ebenso wie im Fall BGHZ 58, 177 196 handelt es sich vorliegend um eine reine Inlandszustellung. Die Zustellung wird — wenn auch unter Verletzung des deutschen autonomen Zustellungsrechts — im Inland bewirkt. Es handelt sich mithin um einen reinen Inlandsakt. 197 Sofern aber die Heilung eines reinen Inlandsaktes in Frage steht, vermögen völkerrechtliche Bedenken nach der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich auch dann nicht zu tragen, wenn sich der für die Heilung maßgebliche Umstand im Ausland vollzogen hat. 198 Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn der Aufenthaltsstaat des Adressaten einen Anspruch auf die Beschreitung des Rechtshilfeweges hat. Auch wenn ein solcher Anspruch nach allgemeinem Völkerrecht nicht besteht199, so könnte sich doch im Rahmen der vertraglichen Rechtshilfe ein solcher Anspruch aus den einschlägigen Rechtshilfeabkommen ergeben. Im Hinblick auf die Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 ist allerdings weitestgehend unbestritten, daß sich hieraus ein solcher Anspruch nicht herleiten läßt. Sie regeln nicht, wann in das Ausland zuzustellen ist, sondern nur wie die Staaten einander Rechtshilfe zu gewähren haben. 200 Wann aber um Rechtshilfe zu ersuchen ist und wann damit eine Zustellung im Ausland durchzuführen ist, bleibt dem autonomen Recht der Vertragsstaaten überlassen. Den Staaten steht es dabei frei, statt einer Auslandszustellung eine (fiktive) Inlandszustellung anzuordnen. 201 Mit anderen Worten verpflichten die Haager Zivilprozeßübereinkommen den Gerichtsstaat nicht, den Rechtshilfeweg zu beschreiten. 202 Dies gilt gleichsam gegenüber dem Zustellungsadressaten wie gegenüber dessen Aufenthaltsstaat. Die Haager Zivilprozeßübereinkommen verpflichten lediglich den Zustellungsstaat, Zustellungshilfe zu leisten, sofern er vom Gerichtsstaat hierum ersucht wird. 203 Dies ergibt sich aus Art. I I I des

196

Dazu oben § 16 II.

197

Etwa Stß° / Schumann § 187 Rz. 43 Fn. 21; Bökelmann JR 1972, 425.

198

Vgl. etwa Hausmann IPRax 1988, 140, 142 Fn. 15; a.A. BGH W M 1989, 238, 240.

199

Geimer NJW 1972, 1624; Bökelmann JR 1972, 425; siehe oben § 16 II.

200

V. Normann S. 18; allgemein Geimer IZPR Rz. 2081.

201

Bülow / Böckstiegel S. 100.10 Fn. 29 mit Ausführungen zur Vertragsgeschichte.

202

Arnold A W D 1965, 205; v. Normann S. 18.

203

Nagel, Rechtshilfe, S. 75.

15 Kondring

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954. 204 Auch die zu den Haager Prozeßabkommen geschlossenen bilateralen Zusatzvereinbarungen lassen keinen anderen Schluß zu. Wird im Rahmen eines in einem Vertragsstaat der Haager Zivilprozeßübereinkommen anhängigen Verfahrens entgegen den Vorschriften dieses Staates nicht im Ausland, sondern irrtümlicherweise im Inland zugestellt, so liegt in Ermangelung einer sich aus den beiden Haager Abkommen von 1905 und 1954 ergebenden Pflicht zur Auslandszustellung damit kein Vertragsverstoß vor. Vielmehr verstößt die Zustellung allein gegen das autonome Verfahrensrecht des Gerichtsstaates, im Ausgangsfall also gegen § 199 ZPO. Damit ist die Situation im Rahmen der Haager Abkommen über den Zivilprozeß identisch mit derjenigen im vertragslosen Zustellungsverkehr, so daß die zur Heilung irrtümlicher Inlandszustellungen im vertragslosen Zustand entwikkelten Grundsätze hier entsprechend anwendbar sind. 205 Hat danach ein Staat keine Pflicht zur Zustellung ins Ausland, so steht es in seinem freien Belieben, sich (vorbehaltlich des dem Schutz des rechtlichen Gehörs dienenden fremdenrechtlichen Mindeststandards) mit einer reinen Inlandszustellung zu begnügen. So stoßen auch die verschiedenen international verbreiteten Formen der (fiktiven) Inlandszustellung grundsätzlich auf keine völkerrechtlichen Bedenken. Hätte der deutsche Gesetzgeber aber das Recht gehabt, ganz auf Auslandszustellungen zu verzichten, so muß es auch in seinem freien Ermessen stehen, seine in § 199 ZPO zugunsten der Auslandszustellung getroffene Grundsatzentscheidung im Einzelfall wieder zurückzunehmen und sich mit einer Inlandszustellung zu begnügen. Der Weg hierhin führt über die autonomen Heilungstatbestände des deutschen Rechts, insbesondere über die auch auf Verstöße gegen § 199 ZPO anwendbaren §§ 187, 295 ZPO. Im einen wie im anderen Fall gewähren diese Normen trotz der bloßen Inlandszustellung einen hinreichenden Schutz des Zustellungsempfängers. Unerheblich ist insoweit, ob der für die Heilung maßgebliche Umstand sich im Inland oder aber im Ausland verwirklicht hat. 206 Im Ausgangsfall war die Klage unter Verstoß gegen § 199 ZPO im Inland zugestellt worden. Da jedoch der österreichische Beklagte schon kurz nach dieser fehlerhaften Zustellung Kenntnis von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück

204

Karen Ilka Mössle S. 79.

205

Im einzelnen siehe deshalb die Ausführungen dort, oben § 16 II.

206

Entgegen BGH W M 1989, 238, 240, der die Heilung auf den erstgenannten Fall beschränken

will.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

227

erhalten hatte, ist der Fehler gemäß § 187 ZPO bzw. (daneben) nach dem ungeschriebenen allgemeinen Zweckerreichungsgedanken des deutschen Prozeßrechts als geheilt anzusehen. Die Zustellung war somit ordnungsgemäß. Der Richter ist damit am Erlaß eines Versäumnisurteils nicht gehindert.

//.

Falscher Übermittlungsweg

Etwas anderes könnte jedoch dann gelten, wenn anders als im vorhergehenden Fall zwar tatsächlich im Ausland zugestellt wird, hierbei aber ein nicht von den Haager Zivilprozeßübereinkommen vorgesehener Übermittlungsweg gewählt wird. Ein Beispiel hierfür liefert ein Sachverhalt, der einer Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahre 1973 207 nachgebildet wurde: Im Jahre 1969, also zu einer Zeit, in der im deutsch-französischen Zustellungsverkehr noch das Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 Anwendung fand, verklagte der deutsche Kläger Κ die französische Gesellschaft F mit Sitz in Paris vor dem Landgericht Berlin. Das Landgericht übersandte die Klageschrift zum Zweck der Zustellung an die deutsche Prüfungsstelle. Art. 1 I des Haager Zivilprozeßübereinkommens iVm Art. 1 I der deutsch-französischen Zusatzvereinbarung sieht vor, daß sich die deutschen Behörden mit ihren Zustellungsersuchen an die französische Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht erster Instanz zu wenden haben. Diese beauftragt anschließend nach autonomem französischem Recht den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Duchführung der Zustellung. Abweichend von diesem Procedere wandte sich die deutsche Prüfungsstelle aber unmittelbar an einen französischen Gerichtsvollzieher mit der Bitte um Durchführung der Zustellung. Wie sich aus dem Zustellungsvermerk des Gerichtsvollziehers ergibt, bewirkte dieser entsprechend den französischen Durchfuhrungsvorschriften die Zustellung durch unmittelbare Übergabe des Schriftstücks an den Adressaten.

Auch wenn die Klage den Beklagten auf diese Weise rechtzeitig und in Übereinstimmung mit den französischen Durchführungsvorschriften erreichte, so verstieß doch der dabei gewählte Übermittlungsweg gegen die seinerzeit zwischen Deutschland und Frankreich geltende staatsvertragliche Regelung des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 iVm der deutsch-französischen Zusatzvereinbarung. Diese schreibt für von Deutschland nach Frankreich ausgehende Ersuchen zwingend die Übersendung des zuzustellenden Schriftstücks durch die zuständigen deutschen Justizbehörden 208 an den Staatsanwalt bei

207 OLGZ 1974, 328 (im Originalfall Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Kostenrechnung auf Veranlassung des Notars). 208

15*

Dies sind gemäß § 9 ZRHO die Prüfungsstellen.

8

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

dem Gericht erster Instanz vor, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der Empfänger aufhält, Art. 1 I Haager Prozeßübereinkommen iVm Art. 1 I Nr. 2 deutsch-französische Zusatzvereinbarung. Zwar sieht Art. 6 I Nr. 2 des Haager Übereinkommens von 1954 alternativ die unmittelbare Beauftragung des französischen Gerichtsvollziehers vor. Auch wenn Frankreich diesem Weg nicht widersprochen hat, so wirkt sich jedoch der insoweit erklärte deutsche Widerspruch allseitig aus und steht damit einer Zustellung ausgehender deutscher Ersuchen über Art. 6 I Nr. 2 des Übereinkommens entgegen.209 Darüber hinaus ist die in Art. 6 I Nr. 2 des Haager Zivilprozeßübereinkommens vorgesehene Zustellungsmöglichkeit den am Verfahren beteiligten Parteien vorbehalten und kommt nicht für Gerichte oder Behörden in Betracht. 210 Anders als im vorhergehenden Fall 2 1 1 liegt der Zustellungsfehler mithin nicht im bloßen Unterlassen einer vom innerstaatlichen Recht grundsätzlich geforderten Auslandszustellung. Die Zustellung wird vielmehr dadurch fehlerhaft, daß das zuzustellende Schriftstück dem Zustellungsstaat nicht in vertragskonformer Weise übermittelt wird. Auch wenn die Behörden des ersuchten Staates im Ergebnis die Zustellung entsprechend ihren innerstaatlichen Durchführungsvorschriften bewirken, so liegt doch in der direkten Beauftragung des Gerichtsvollziehers ein Verstoß gegen die vertraglich vorgesehene Übermittlungsform und damit ein Vertragsverstoß.

1. Ansicht des Kammergerichts Das Kammergericht sali in seiner dem vorstehenden Fall als Vorlage dienenden Entscheidung212 den Verstoß gegen die im Haager Prozeßrechtsübereinkommen von 1954 staatsvertraglich vereinbarte Übermittlungsform gemäß § 187 ZPO als geheilt an. Insoweit führt das Kammergericht aus, daß im Rahmen des auch im internationalen Bereich anwendbaren § 187 ZPO eine Verletzung zwingender Vorschriften des deutschen Rechts oder staatsvertraglicher Vereinbarungen zumindest dann ohne Bedeutung sei, wenn die Zustellung im ersuchten Staat unter Beachtung der dort einzuhaltenden Formen und Vor-

209

Zur allseitigen Wirkung von Widersprüchen im Völkervertragsrecht ausführlich oben § 12 II.

210

V. Normann S. 19 zur gleichlautenden Bestimmung des Haager Zivilprozeßabkommens von 1905; Bülow / Böckstiegel S. 100.7 f. Fn. 34. 2,1

§ 17 II.

212

OLGZ 1974, 328.

. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

9

Schriften durchgeführt worden sei. Nach Ansicht des Kammergerichts besitzt der Adressat keinen schutzwürdigen Anspruch darauf, die Zustellung als unwirksam zu betrachten, da seine Belange ausreichend gewahrt worden seien. Er habe vielmehr nach den gegebenen Umständen auf eine voll wirksame Zustellung vertrauen müssen.213 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch das OLG Hamm im Rahmen eines obiter dictum für eine — wenn auch ein eingehendes Zustellungsersuchen betreffende — vergleichbare Fallkonstellation. 214 Dort war in einer Zivil- und Handelssache das verfahrenseinleitende Schriftstück irrtümlicherweise nicht nach dem seinerzeit zwischen Belgien und Deutschland geltenden Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954, sondern nach dem deutsch-belgischen Rechtshilfeabkommen in Strafsachen (!) übermittelt worden. Ohne größere Ausführungen glaubte das OLG in seinem obiter dictum, sich über diesen Mangel des Zustellungsverfahrens (im Wege des § 187 ZPO ?) „hinwegsetzen" zu können 215 , ohne diese Frage jedoch letztendlich abschließend beantworten zu müssen.

2. Eigene Würdigung Das Kammergericht geht richtigerweise von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 187 ZPO im internationalen Zustellungsverkehr aus. Auch verdient die in concreto im Rahmen des § 187 ZPO vorgenommene Interessenabwägung Beifall. Doch geht das Gericht ebenso wie später auch das OLG Hamm nicht auf mögliche völkerrechtliche Bedenken ein, die einer Heilung von Verstößen gegen Völkervertragsrecht entgegenstehen könnten. Wie die Ausführungen zum vertragslosen Rechtsverkehr gezeigt haben 216 , ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts, insbesondere aus dem Gebot der Achtung fremdstaatlicher Souveränität, weder unmittelbar noch mittelbar (über Art. 25 GG) eine Pflicht des Gerichtsstaates, im internationalen Bereich bei Übermittlungsfehlern auf eine Heilung zu verzichten. Etwas anderes könnte jedoch im Hinblick auf Verstöße gegen die Haager Zivilprozeßüberein-

213

KG OLGZ 1974, 328, 331; ebenso Braun S. 156.

214

OLG Hamm IPRspr. 1979 Nr. 195 (obiter); dort scheiterte eine Heilung allerdings an einem anderen Zustellungsfehler. 215

Zustimmend Braun S. 156.

216

Oben § 16 II 2.

230

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

kommen gelten, da es sich hierbei um völkervertragliche Vereinbarungen handelt, an die die Vertragsstaaten durch den völkerrechtlichen Grundsatz des pacta sunt servanda 217 gebunden sind.

a) Heilungsausschluß durch den völkerrechtlichen des pacta sunt servanda

Grundsatz

Gerade aus dem Prinzip des pacta sunt servanda könnte sich ein Verbot der Heilung von Verstößen gegen die Haager Zivilprozeßübereinkommen ergeben. Dieser Satz unterfällt als grundlegende Bestimmung des allgemeinen Völkerrechts dem Art. 25 GG. 2 1 8 Denkbar wäre, daß der daraus resultierende Vorrang des pacta sunt servanda-Satzes gegenüber dem allgemeinen Bundes- und Landesrecht (und damit auch gegenüber der ZPO) einen die internen Heilungstatbestände verdrängenden Vorrang des staatsvertraglichen Zustellungsrechts zur Folge hat. Wie jedoch das BVerfG 219 ausgeführt hat, widerspräche es der Intention des GG, wenn auch das Völkervertragsrechl über den völkergewohnheitsrechtlichen pacta sunt servanda-Grundsatz in Art. 25 GG hineinprojiziert würde. 220 Aus dem pacta sunt servanda-Grundsatz läßt sich damit m.E. kein Vorrang der Haager Zivilprozeßübereinkommen gegenüber dem nationalen Zivilprozeßrecht herleiten, der für sich schon zu einem Heilungsausschluß führen würde. Die Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß stehen damit insoweit neben den gleichberechtigt fortgeltenden Bestimmungen des autonomen Prozeßrechts (einschließlich § 187 ZPO). Sie vermögen die letzteren nur zu verdrängen, wenn sie als das speziellere Recht vorgehen.

217

Siehe auch Art. 26 WVK.

218

Seidl-Hohenveldern

219

BVerfGE 6, 309, 363.

220

Rz. 583.

Zustimmend Seidl-Hohenveldern insb. Fn. 1.

Rz. 583; ebenso Maunz / Dürig / Herzog Art. 25 Rz. 20,

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

1

b) Die Haager Zivilprozeßübereinkommen als lex specialis gegenüber den internen Heilungstatbeständen Nach dem lex specialis Grundsatz gehen staatsvertragliche Regelungen auch im Prozeßrecht dem autonomen Recht grundsätzlich vor. 221 Einer ausdrücklichen Bestimmung nach dem Vorbild des ohnehin nur deklaratorischen 222 Art. 3 I EGBGB bedarf es damit insoweit nicht. 223 Aus dem lex specialis-Grundsatz und dem Schweigen der Haager Zivilprozeßübereinkommen zur Frage der Heilung von Zustellungsmängeln folgert ein Teil der Rechtsprechung, daß eine Heilung im Rahmen der beiden Abkommen ausgeschlossen ist. 224 Der Verzicht der beiden Übereinkommen auf Heilungsvorschriften wird also gleichsam als ein „beredtes Schweigen" im Sinne eines bewußten Heilungsausschlusses aufgefaßt, der — die Richtigkeit dieser Auffassung unterstellt — aufgrund der lex specialis-Regel den Wertungen des autonomen Rechts vorginge. Zu Recht macht jedoch Geimer 225 darauf aufmerksam, daß die staatsvertraglichen Zustellungsübereinkommen regelmäßig keinen kodifikatorischen Charakter haben. Sie verdrängen also das Recht des Gerichtsstaates auch nach dem lex specialis-Grundsatz nur insoweit, wie sie selbst ausdrücklich entgegenstehende Regelungen enthalten. 226 Vor diesem Hintergrund von einem „beredten Schweigen" auszugehen, erscheint m.E. sehr problematisch. Das Fehlen von Sanktionsvorschriften in den beiden Abkommen deutet folglich darauf hin, daß es nach dem Willen der Väter des Abkommens selbst im Hinblick auf die obligatorischen Bestimmungen der Verträge den nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten überlassen bleiben sollte, gegebenenfalls Verstöße gegen die vertraglichen Zustellungsformen zu sanktionieren. 227

221 Schack IZVR Rz. 62 mit den Durchbrechungen dieses Grundsatzes im Anerkennungsrecht. Dazu unten § 22 II 1. 222

MüKo-BGB / Sonnenberger Art. 3 EGBGB Rz. 9.

223

Dies verkennt das DIV-Gutachten Zfl 1991, 178, 179.

224

OLG Hamm IPRspr. 1977 Nr. 156; IPRspr. 1979 Nr. 203.

225

L M § 328 ZPO Nr. 42.

226

So wohl auch Schack IZVR Rz. 619.

227

So auch Bülow / Böckstiegel S. 100.14 für einzelne Bestimmungen der Haager Zivilprozeßübereinkommen (Art. 5 II und 3 I). Ähnlich BGHZ 65, 291, 295: Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 5 Haager Prozeßübereinkommen von 1954. Weshalb dieser Ansatz auf bestimmte Normen der Abkommen beschränkt und nicht auf das gesamte Abkommen ausgedehnt werden sollte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich insoweit entgegen Wiehe S. 117 nicht um

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Damit stellen die Förmlichkeiten der beiden Haager Übereinkommen von 1905 und 1954 nicht exklusive, sondern de facto bloße unverbindliche, die nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten ergänzende Formen dar. 228 Ihre Nichtbeachtung oder fehlerhafte Ausführung zieht nicht eo ipso die Nichtigkeit der Zustellung nach sich. 229 Die beiden Abkommen bestimmen mithin nicht darüber, ob und wann eine Zustellung als wirksam anzusehen ist. 230 Vielmehr liegt es auch im Rahmen der Haager Prozeßrechtsübereinkommen von 1905 und 1954 weiterhin bei den Vertragsstaaten und ihren nationalen Rechten, Zustellungsfehler zu sanktionieren und die Anforderungen für eine wirksame Zustellung festzulegen. Zu den Normen, die diese Funktion im innerstaatlichen Recht übernehmen, gehören auch die Heilungstatbestände.231

c) Vergleich

mit anderen staatsvertraglichen

Zustellungsregeln

Daß eine nach den vorstehenden Ausführungen mögliche Heilung von Zustellungsmängeln nach autonomem Recht im Rahmen staatsvertraglicher Vereinbarungen keine Ausnahme darstellt, zeigt auch ein Vergleich mit den völkervertraglichen Zustellungsregeln des Nato-Truppenstatuts 232 und des dazu von der Bundesrepublik Deutschland mit einigen Staaten233 abgeschlossenen Zusatzabkommens a.F. (im folgenden ZusAbk) 234 . Die beiden Abkommen regeln die

bloße Ordnungsvorschriften ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der Zustellung; denn im internationalen Bereich ist ebenso wie im nationalen Recht (s.o. § 3 II) eine Trennung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Zustellungsvorschriften nicht möglich. 228 Ferreira, in: Rapport Commission Spéciale, Actes et Documents III S. 75; Arnold AWD 1965, 205; Vander Eist J.T. 1967, 266: „...la transmission par ces voies [sc. der Haager Übereinkommen von 1905 und 1954] n'est pas obligatoire...". 229

So ausdrücklich Loussouarn Clunet 1965, 5, 12 a.E.

230

Rigaux RCDIP 1963, 447, 465.

231

Im Ergebnis wohl ebenso Schack IZVR Rz. 619, dereinen Heilungsausschluß im vertraglichen Rechtshilfeverkehr nur in bezug auf das H Z Ü annehmen will, nicht aber bezüglich der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954. 232

BGBl. 1961 II 1190.

233

Das Zusatzabkommen gilt aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Belgien, Frankreich, Kanada, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und den USA; vgl. BLÄH / Hartmann ZAbkNTrSt Einl Rz. 2 a.E. 234 BGBl. 1961 II 1218. Die hier relevanten Textpassagen des Zusatzabkommens sind abgedruckt bei BLÄH / Hartmann Schlußanhang III. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die bisher geltende Fassung des Zusatzabkommens. Die Neufassung des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut findet sich in BGBl. 1994 II 2594; s.a. das Zustimmungsgesetz BGBl. 1994 II 3710.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland auf der einen und den in Deutschland stationierten ausländischen Nato-Truppen und ihren Mitgliedern 235 auf der anderen Seite. Anders als die Truppen selbst, die als Organ ihres Entsendestaates exemt sind, unterstehen ihre Mitglieder gemäß Art. 8 IX Nato-Truppenstatut 236 in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten der deutschen Gerichtsbarkeit. 237 Trotz dieser Gerichtspflichtigkeit können die Mitglieder der Truppe jedoch nicht ohne Mitwirkung ihres Entsendestaates in einen deutschen Prozeß hineingezogen werden. 238 Gemäß Art. 32 ZusAbk bedarf die Zustellung eines verfahrenseinleitenden deutschen Schriftstücks an ein Mitglied der Truppe vielmehr stets der Zustellungshilfe des Entsendestaates. Danach sind Schriftstücke, die ein nichtstrafrechtliches Verfahren vor einem deutschen Gericht oder einer deutschen Behörde gegen ein in Deutschland stationiertes Mitglied der ausländischen Truppe einleiten, diesem stets über eine von dem Entsendestaat des Adressaten in der Bundesrepublik Deutschland eingerichtete sogenannte Verbindungsstelle zuzustellen. Die Verbindungsstelle führt anschließend auf das Ersuchen der deutschen Seite hin die Zustellung im Wege der einfachen Übergabe des Schriftstücks an das Mitglied der Truppe aus. 239 Art. 32 ZusAbk verdrängt damit als Sonderrecht 240 die autonomen Zustellungsvorschriften der ZPO. 241 Die Vorschrift will nicht nur praktische Zustel-

235 Daneben sind auch das zivile Gefolge der Truppe und ihre Angehörige erfaßt. Aus Vereinfachungsgründen sei im folgenden nur von „Mitgliedern der Truppe" gesprochen. Zur genauen Bestimmung dieser Personengruppen siehe Art. 1 I Nato-Truppenstatut. 236 Art. 8 IX: „Hinsichtlich der Zivilgerichtsbarkeit des Aufnahmestaates darf der Entsendestaat für Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges keine Befreiung von der Gerichtsbarkeit des Aufnahmestaates über Absatz (5) Buchstabe (g) [keine Unterwerfung der genannten Personen unter die Zwangsvollstreckung aus einem im Aufnahmestaat ergangenen Urteil, das eine aus der Ausübung des Dienstes herrührende Angelegenheit betrifft; Anm. d. Verf.] hinaus beanspruchen." 237 Sennekamp NJW 1983, 2731, 2733. Zur konstitutiven Wirkung von Art. 8 IX Nato-Truppenstatut siehe Becksche Textausgabe zum Nato-Truppenstatut Erl. zu Art. 8 IX (o.Verf.): „eine der grundlegenden Bestimmungen des Nato-Truppenstatuts". 238

Auerbach NJW 1969, 729.

239

Scheid JVB1. 1965, 25, 29.

240

Vgl. Stellungnahme des amerikanischen Verbindungsoffiziers in DIV-Gutachten ZfJ 1991, 178.

241

Schwenk NJW 1964, 1000, 1001. Zur Ausnahme des § 176 ZPO siehe LG Aachen NJW-RR 1990, 1344; AG Bad Vilbel DGVZ 1985, 122. Nach der Neufassung des ZusAbk tritt nunmehr die Direktzustellung durch deutsche Behörden (nach der ZPO) neben diejenige unter Einschaltung der Verbindungsstelle. Die Verbindungsstelle ist fur den Fall einer Direktzustellung lediglich über die durchgeführte Zustellung zu informieren, siehe Art. 32 II ZusAbk n.F., BGBl. 1994 II 2606 f. Dazu BRat-Drucks. 670 / 93 S. 58, 63.

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

lungsprobleme lösen (Beispiel: Einsatz des Adressaten in einer geheimen gesperrten Anlage). 242 Vielmehr ist es vor allem auch Ratio des Art. 32 ZusAbk sicherzustellen, daß die Mitglieder der Truppe als Angehörige eines exemten Organs eines ausländischen Staates nicht ohne dessen Kontrolle in ein vor einem Gericht des Aufenthaltsstaates anhängiges (möglicherweise gar strafrechtliches oder mit Art. 8 V lit. g Nato-Truppenstatut 243 unvereinbares) Verfahren hingezogen werden können. 244 Insoweit hat der Entsendestaat ein sicherheitspolitisches, dienst- und disziplinarrechtliches Interesse an der Einschaltung der Verbindungsstelle. 245 Im Ergebnis führt die Regel des Art. 32 I ZusAbk zu einer Zustellungshilfe 2 4 6 des Entsendestaates, d.h. im Inland wird die im Rahmen eines deutschen Verfahrens erforderliche Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks durch Einschaltung ausländischer Behörden bewirkt. 247 Zwar handelt es sich hierbei um keine echte Rechtshilfe im Sinne von § 2 I ZRHO, da die Zustellung weder der Förderung eines deutschen Verfahrens im Ausland noch der Förderung eines ausländischen Verfahrens im Inland dient, sondern — wenngleich unter Einbeziehung ausländischer Behörden — im Rahmen eines inländischen Verfahrens im Inland bewirkt wird. 248 Doch ist das Zustellungsprocedere wegen der staatsvertraglichen Regelung und der zwingenden Einschaltung ausländischer Behörden zum Zwecke der Zustellungshilfe in vollem Umfang mit der hier interessierenden Zustellung im internationalen vertraglichen Rechtshilfeverkehr vergleichbar. 249 Hier wie dort kommt es jedoch wegen der zum Teil schwierigen Erschließbarkeit der völkerrechtlichen Quellen nicht selten zu Zustellungsfehlern. 250 So werden zum Beispiel häufig verfahrenseinleitende Schriftstücke von deutscher

242

Scheid JVB1. 1965, 25, 28.

243

Beschränkung der Ausübung der Zivilgerichtsbarkeit gegen ein Mitglied der Truppe bei Zwangsvollstreckung aus einem Urteil, das im Aufnahmestaat in einer aus der Ausübung des Dienstes herrührenden Angelegenheit gegen das Mitglied der Truppe ergangen ist. 244 Sennekamp NJW 1983, 2731, 2733 spricht insoweit von einem Kompromiß zwischen dem Territorial- und Personalprinzip. 245

So die Denkschrift zur Änderung des ZusAbk, BRat-Drucks. 670 / 93 S. 58, 63.

246

Scheid JVB1. 1965, 25, 29.

247

Scheid JVB1. 1965, 25, 28.

248

Scheid JVB1. 1965, 25, 28; SU 20 / Schumann Einl Rz. 851.

249

Scheid JVB1. 1965, 25, 27 und 29.

250

Für das ZusAbk Scheid JVB1. 1965, 25.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

Seite unter Mißachtung des Art. 32 I ZusAbk statt über die Verbindungsstellen der ausländischen Truppe unmittelbar an das Mitglied der Truppe selbst zugestellt. 251 Zwar schweigen das Nato-Truppenstatut und das Zusatzabkommen ebenso wie die hier interessierenden Haager Prozeßübereinkommen von 1905 und 1954 zur Frage der Heilbarkeit solcher Zustellungsfehler. Anders aber als im Rahmen etwa der Haager Zivilprozeßübereinkommen hält die wohl überwiegende Meinung zum Zusatzabkommen des Nato-Truppenstatuts einen Verstoß gegen den zwingend vorgeschriebenen Übermittlungsweg des Art. 32 I ZusAbk 252 ebenso wie andere mit der Zustellung nach dem ZusAbk zusammenhängende Fehler 253 im deutschen Erkenntnisverfahren gemäß §§ 187, 295 ZPO für heilbar. 254 Einer Heilung steht damit weder das mit Art. 32 ZusAbk verbundene Kontrollrecht des ausländischen Entsendestaates noch die Tatsache entgegen, daß das Zusatzabkommen keine Heilungsmöglichkeit vorsieht. Auch wird darin, daß die anderen Vertragsparteien eine solche Heilung nach der deutschen lex fori bei der folgenden Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils nicht akzeptieren 255, für die Anwendung der §§ 187, 295 ZPO kein Hindernis gesehen. Insoweit werden von deutscher Seite gar hinkende Rechtsverhältnisse in Kauf genommen.256 Begründet wird diese Ansicht m.E. zu Recht damit, daß Gesichtspunkte, die einer Anwendung des deutschen autonomen Heilungsrechts auf die staatsvertraglichen Regeln des ZusAbk entgegenstünden, nicht ersichtlich sind. 257 Insbesondere habe sich eine in Deutschland gerichtspflichtige Partei den allgemeinen prozessualen Regeln des deutschen Rechts zu unterwerfen, zu denen auch das Heilungsrecht gehöre. 258 Dem steht auch hier weder der völkerrechtliche Grundsatz des pacta sunt

251

Auerbach NJW 1969, 729, 730. Dieses Problem stellt sich nach der Neufassung des ZusAbk nicht mehr, da nunmehr die Direktzustellung durch deutsche Behörden zulässig ist, vgl. Art. 32 II ZusAbk n.F. (BGBl. 1994 II 2606 f.). Es bedarf allein noch der Benachrichtigung der Verbindungsstelle über die durchgeführte Zustellung. 252 SU/H.Roth § 187 Rz. 4 und § 199 Rz. 12; Mümmler JurBüro 1987, 1301, 1311 f.; BLÄH / Hartmann Art. 32 ZAbkNTrSt Rz. 2; Schwenk NJW 1964, 1000, 1001; LG Aachen NJW-RR 1990, 1344; DIV-Gutachten ZD 1991, 178, 179. 253

Ausdrücklich so Scheid JVB1. 1965, 25, 27, wenngleich Scheid Verstöße gegen Art. 32 I ZusAbk hiervon ausnehmen will. 254

Auch für das Vollstreckungsverfahren bejaht von LG Aachen NJW-RR 1990, 1344.

255

So etwa die starre Haltung der amerikanischen Seite, dazu Schwenk NJW 1964, 1000, 1001.

256

So ausdrücklich DIV-Gutachten Zfl 1991, 178, 179.

257

Mümmler JurBüro 1987, 1301, 1311 f.; LG Aachen NJW-RR 1990, 1344.

258

LG Aachen NJW-RR 1990, 1344.

236

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

servanda (das Zusatzabkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag !) noch das lex specialis-Prinzip entgegen.

3. Ergebnis Dieser Haltung der deutschen Seite zu den Zustellungsregeln des Nato-Truppenstatuts und seines Zusatzabkommens ist m.E. zuzustimmen. Weshalb trotz der herausgestellten Vergleichbarkeit dieser Zustellungsregeln mit den Haager Zivilprozeßübereinkommen für letztere im Hinblick auf die Heilbarkeit von Zustellungsfehlern etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr sollten die zum Zusatzabkommen des Nato-Truppenstatuts entwickelten Grundsätze auf die Haager Prozeßübereinkommen von 1905 und 1954 übertragen werden. Im Hinblick auf die Wahl des falschen Übermittlungsweges bedeutet dies im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen, daß ein solcher Fehler trotz des Schweigens der Abkommen gemäß § 187 ZPO heilbar ist. Ohne Belang sollte dabei sein, ob — wie im vorstehend dargestellten Fall des Kammergerichts259 — trotz des falschen Übermittlungsweges eine Behörde des ersuchten Staates eingeschaltet war oder ob — wie bei der postalischen Direktzustellung — die ausländischen Behörden gänzlich umgangen wurden (vom Briefträger abgesehen, der aber in der Regel nicht weiß, was er austrägt). Freilich stellt insbesondere der letztgenannte Fall einen Eingriff in die Souveränität des Zustellungsstaates und damit eine Verletzung des vertraglichen und allgemeinen Völkerrechts dar 260 ; denn auch die Einschaltung ausländischer Behörden hindert bei falschem Übermittlungsweg zumindest dann keine Verletzung der ausländischen Souveränität, wenn das in concreto eingeschaltete Organ nicht zum Verzicht auf die Hoheitsrechte seines Staates befugt war. 261 Dies wird man wohl zum Beispiel im Hinblick auf einen unmittelbar angerufenen deutschen Gerichtsvollzieher annehmen müssen.262 Bejaht man aber mit der hier vertretenen Ansicht trotz eines Völkerrechts Verstoßes und trotz eines Eingriffs in die fremde Souveränität für den letztgenann-

259

KG OLGZ 1974, 328.

260

So richtigerweise Arnold A W D 1965, 205 Fn. 5.

261

BVerfGE 63, 371, 372.

262

Pfeil-Kammerer S. 130 (Gerichtsvollzieher) und S. 126 (Postbote); siehe auch Denkschrift zum H Z Ü BT-Drucks. 7 / 4892 S. 41; Denkschrift EuGVÜ BT-Drucks. V I Nr. 1973, S. 46.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

ten Fall eine Heilung 263 , so kann m.E. nichts anderes gelten, wenn an den ausländischen Behörden und den Haager Zivilprozeßübereinkommen vorbei zugestellt wurde. Hier wie dort gilt, daß ein Souveränitätsverstoß keinen Heilungsausschluß zur Folge hat. 264 Denn auch im vertraglichen Zustellungsverkehr berührt die Verletzung von ausschließlich die Souveränität des Zustellungsstaates schützenden Formalitäten nicht die Heilbarkeit des hiergegen verstoßenden Zustellungsaktes.265 Den im Einzelfall tangierten Interessen des Adressaten kann hinreichend im Rahmen der Ermessensregel des § 187 ZPO Rechnung getragen werden. Gleiches gilt für eine Heilung gemäß § 295 ZPO und aufgrund des allgemeinen ungeschriebenen Heilungsgedankens. Dafür, daß die staatsvertraglichen Zustellungsregeln inkompatibel mit dem nationalen Heilungsrecht sind 266 , besteht kein Anhaltspunkt. Dies gilt um so mehr, als die prozessuale Form in allen Rechtsordnungen grundsätzlich die gleiche Funktion hat, nämlich die Sicherung der Justizförmigkeit des Verfahrens und der Interessen der beteiligten Parteien. 267 Verwerfungen sind dabei nicht zu erwarten. Der Entscheidung des KG ist mithin im Ergebnis zuzustimmen. Der französische Beklagte hatte tatsächlich und rechtzeitig von dem an ihn gerichteten Schriftstück Kenntnis erhalten. Daß hierbei der im Haager Zivilprozeßübereinkommen vorgesehene Übermittlungsweg verletzt worden ist, steht der Erreichung des Zustellungszwecks nicht entgegen. Trotz des in der Wahl des falschen Übermittlungsweges liegenden Zustellungsfehlers ist die Zustellung mithin gemäß § 187 ZPO als wirksam anzusehen. Daneben ist auch der ungeschriebene allgemeine Grundsatz der Heilung kraft Zweckerreichung anwendbar. Eine Heilung gemäß § 295 ZPO ist daneben zwar möglich, jedoch wegen des Eingreifens der anderen Heilungsinstitute ohne praktische Bedeutung.

263

So auch Braun S. 164; KG OLGZ 1974, 328; Arnold A W D 1965, 205.

264

Siehe schon oben § 16 II.

265

Majoros RabelsZ 46 (1982) 84, 110.

266

So Stürner JZ 1992, 325, 331.

267

So rechtsvergleichend Cappelletti / Garth, in: Encyclopedia Vol. X V I Chap. 1 S. 110 ff.; einen einheitlichen Formzweck leugnet Stürner JZ 1992, 325, 326 f.

8

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

III. Durchführungsfehler Ebenso wie im innerstaatlichen Zustellungsverkehr kommt es auch im Bereich der internationalen vertraglichen Zustellungshilfe zu Fehlern bei der Durchführung der Zustellung. Dies gilt insbesondere dann, wenn gemäß Art. 3 I I der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 entweder nach den Vorschriften des ersuchten Staates oder in einer anderen, besonders gewünschten Form förmlich zugestellt wird. Das sei am folgenden Beispiel verdeutlicht: Gegen den in Salzburg wohnhaften Österreicher Ο ist vor dem LG Münster eine Klage anhängig geworden. Entsprechend Art. 1 I des Haager Übereinkommens über den Zivilprozeß von 1954 iVm Art. 1 der deutsch-österreichischen Zusatzvereinbarung von 1959 übersendet der Präsident des LG als zuständige deutsche Prüfungsstelle ein Ersuchen um förmliche Zustellung der Klage unmittelbar an das Bezirksgericht Salzburg. 268 Mangels eines anderweitigen Wunsches läßt das Bezirksgericht die Zustellung sogleich gemäß Art. 2 der deutsch-österreichischen Zusatzvereinbarung förmlich nach den Zustellungsvorschriften des österreichischen Rechts durchführen. Das österreichische Recht sieht in § 106 öZPO vor, daß Klagen und andere verfahrenseinleitende Schriftstücke dem Adressaten nur selbst zugestellt werden dürfen. 269 Der mit der Zustellung gemäß § 88 öZPO betraute Postbedienstete trifft jedoch den O. nicht in seiner Wohnung an. Aus diesem Grunde übergibt er die Klage der ebenfalls dort wohnenden Lebensgefährtin des O. Diese händigt dem O. das Schriftstück nach dessen Rückkehr noch am Abend desselben Tages aus. Ein Anwalt rät dem O., wegen des Zustellungsfehlers im deutschen Prozeß säumig zu bleiben, da das LG Münster wegen des Mangels kein Versäumnisurteil gegen O. erlassen könne.

In der Praxis erhalten Beklagte, denen eine vor einem ausländischen Gericht anhängige Klage im Wege der internationalen Rechtshilfe zugestellt wurde, nur allzu häufig den Rat, bei Zustellungsfehlern im ausländischen Verfahren säumig zu bleiben. 270 Diese Prozeßtaktik geht aber zumindest bei im Gerichtsstaat belegenem Vermögen des Beklagten nur dann auf, wenn das Gericht wegen des Zustellungsfehlers daran gehindert ist, das Verfahren fortzusetzen und ein Versäumnisurteil zu erlassen. Ebenso liegt es in dem vorstehenden Beispielsfall, der zum Haftungsfall für den Anwalt wird, wenn das Landgericht Münster nicht — wie vom Anwalt angenommen — an dem Erlaß eines Versäumnisurteils gehindert ist.

268

Zum Übermittlungsverfahren im deutsch-österreichischen Verhältnis Nagel, Rechtshilfe, S. 79.

269

Dazu ausführlich Fasching öZPR Rz. 535.

270

Kritisch hiergegen für den deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr Lange / Black Rz. 33; Junker IPRax 1986, 197, 207. Zu sonstigen „Verteidigungsmöglichkeiten" insbesondere bei postalischer Direktzustellung Hollmann RIW 1982, 784, 794; Pfeil-Kammerer S. 126 ff.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

9

1. Heilung nach dem Recht des Zustellungsstaates Anders als im vertragslosen Rechtsverkehr ist die Maßgeblichkeit der lex fori des ersuchten Staates für die Durchführung der Zustellung bei der Zustellung nach den Haager Abkommen über den Zivilprozeß nicht allgemeinen ungeschriebenen Grundsätzen zu entnehmen, sondern in Art. 3 I I der Abkommen kodifiziert. Nach dieser Vorschrift ist förmlich nach dem Recht des Zustellungsstaates oder in einer anderen besonderen Form zuzustellen, sofern die Behörden des Gerichtsstaates dies ausdrücklich wünschen. Hieran knüpft Art. 2 der deutsch-österreichischen Zusatzvereinbarung an, wenn er abweichend von Art. 3 I I des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 bei Fehlen eines anderweitigen Wunsches sogleich die förmliche Zustellung nach dem Recht des ersuchten Staates anordnet. Danach untersteht die Art und Weise der Durchführung der Zustellung grundsätzlich der lex fori des ersuchten Staates. Diese bestimmt darüber, in welchen Formen im ersuchten Staat die Zustellung durch die Behörden dieses Staates zu erfolgen hat. Welche Formen der ersuchte Staat insoweit vorsieht, liegt grundsätzlich in seinem freien Ermessen. 271 Wie eine wohl inzwischen als herrschend anzusehende Meinung 272 zu Recht annimmt, fallen nicht nur die primär von den Zustellungsorganen bei der Durchführung der Zustellung zu beachtenden Formvorschriften unter die „Verweisung" der in Art. 3 I I des Haager Prozeßübereinkommens von 1954 konkretisierten lex fori-Regel. Für Klagezustellungen in Österreich verweist das Abkommen danach zum Beispiel nicht allein auf § 106 öZPO. Vielmehr sind auch die gleichsam erst sekundär zu berücksichtigenden Heilungsvorschriften erfaßt, da die auf dem Zweckerreichungsgedanken basierenden Heilungsvorschriften faktisch eine liberale Zustellungsform schaffen und so gleichsam zu Formvorschriften im eigentlichen Sinne des Wortes werden. Unerheblich ist dabei aus deutscher Sicht, ob es sich bei den ausländischen Heilungsregeln um automatische oder in das richterliche Ermessen gestellte Heilungstatbestände handelt.273

271

V. Normann S. 26.

27 2

StJ/H.Roth § 187 Rz. 27 und 32; Rauscher JR 1993, 413, 414; ders. IPRax 1991, 155, 158 f.; Stürner JZ 1992, 325, 331; Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 30 (alle freilich nur zu der vergleichbaren Bestimmung des Art. 5 I HZÜ) 273 Für eine solche Differenzierung aber StJ 20 / Schumann § 187 Rz. 43; dagegen schon oben § 16 III; wie hier SU / H.Roth § 187 Rz. 27 ff.

240

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Für eine Berücksichtigung auch des Heilungsrechts der auf die Durchführung der Zustellung anwendbaren lex fori spricht darüber hinaus der dem lex foriPrinzip innewohnende Gleichbehandlungsgedanke. Danach ist der Adressat im Zustellungsstaat nicht besser zu stellen als die anderen um ihn herumwohnenden Menschen.274 Ein Verzicht auf eine Heilung nach dem Recht des Zustellungsstaates führte aber gerade zu einer solchen Besserstellung des Beklagten. Das bedeutet, daß im vorstehend wiedergegebenen Beispielsfall Art. 3 I I des Haager Prozeßübereinkommens von 1954 iVm Art. 2 der deutsch-österreichischen Zusatzvereinbarung auch auf österreichische Heilungsvorschriften verweisen, also insbesondere auf § 7 öZustG. Danach gilt eine Zustellung, bei der Mängel unterlaufen sind, in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Diese Heilungsvorschrift findet auch Anwendung auf den Fall der entgegen § 106 öZPO vorgenommenen Ersatzzustellung einer Klageschrift. 275 Danach wäre auch der im Ausgangsfall in der Ersatzzustellung liegende Mangel dadurch geheilt, daß O. die Klage tatsächlich und rechtzeitig erhalten hat. Ebenso wie im vertragslosen Rechtshilfeverkehr 276 erfassen die ausländischen Heilungsvorschriften aber nicht die deutschen Notfristen. Ebenso wie dort bestimmt auch im vertraglichen Rechtshilfeverkehr allein die lex fori darüber, welche Fristen durch welchen Umstand in Gang gesetzt werden. Hier wie dort unterliegen die Fristen ausschließlich der lex fori. 277

2. Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates Es fragt sich, wie im vertragslosen Rechtshilfeverkehr daneben eine Heilung von Durchführungsfehlern nach dem Recht des ersuchenden Staates in Betracht kommt.

27 4

Verbeek NiemZ 45 (1931 / 32) 1, 104 f.

27 5

Fasching öZPR Rz. 521.

276

Oben § 16 III.

27 7 Ferreira, Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 365 zur insoweit identischen Haltung des HZÜ.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

a) Durchführung

241

der Zustellung nach dem Recht des Gerichtsstaates

Eine Heilung dürfte dann unproblematisch sein, wenn die Zustellung aufgrund eines entsprechenden deutschen Wunsches in den Formen des deutschen Rechts durchgeführt worden ist, vgl. Art. 3 Π der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954. Hätte die deutsche Seite also im oben geschilderten Ausgangsfall um eine Zustellung in den Formen des deutschen Rechts ersucht, damit auch eine Ersatzzustellung der Klage möglich ist, und hat der österreichische Zustellungsbeamte gemäß § 181 I I dZPO an den Hauswirt statt vorrangig gemäß § 181 I dZPO an die Lebensgefährtin 278 des O. zugestellt, so dürfte dieser Zustellungsfehler unproblematisch gemäß § 187 dZPO heilbar sein. Denn § 187 dZPO gehört dem verletzten Normenkomplex an, auf den Art. 3 I I des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 als Ganzen verweist. Gleichwohl wird diese Fallgruppe jedoch aus deutscher Sicht nur selten praktische Relevanz erlangen. Dies folgt aus § 20 ZRHO, wonach bei ausgehenden Ersuchen grundsätzlich darauf verzichtet werden soll, die Anwendung deutscher Form Vorschriften zu verlangen.

b) Durchführung

nach dem Recht des ersuchten Staates

Im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 weit problematischer und von größerer praktischer Bedeutung ist dagegen der Fall, daß das für die Durchführung der Zustellung maßgebliche Recht des ersuchten Staates, das bei Fehlen eines entgegenstehenden deutschen Wunsches zur Anwendung kommt, keine dem § 7 öZustG vergleichbare Heilungsvorschrift enthält. Dies ist etwa im Rahmen des Haager Zivilprozeßabkommens von 1905 im Hinblick auf das isländische Recht der Fall. 279 Für diesen Fall bejahte Schumann280 ohne Einschränkung eine subsidiäre Anwendung des § 187 ZPO. Dem halten andere 281 entgegen, daß die auf das deutsche Zustellungsrecht zugeschnittene Heilungsvorschrift des § 187 ZPO nicht so recht zu einer Zustellung passen mag, deren Durchführung einem

278

Zur Anwendbarkeit des § 181 I dZPO auch auf Lebensgefährten H. Roth JZ 1990, 761, 762.

279

Für diese Auskunft danke ich Herrn Prof. Dr. Markus Sigurbjörnsson, Universität von Island (Reykjavik); ausführlich dazu weiter unten § 22 II 4 c bb. 280

StJ 20 / Schumann § 187 Rz. 43; anders nunmehr SU / H.Roth § 187 Rz. 29.

281

Stürner JZ 1992, 325, 331.

16 Κοηώϊημ

242

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

anderen Recht unterlag. § 187 ZPO sei insoweit „unstimmig". Nur die verletzte Rechtsordnung könne demnach darüber bestimmen, ob der Verstoß unbeachtlich sei. Eine Kumulation von Heilungstatbeständen scheide mithin aus. 282 Die Ausführungen zum vertragslosen Zustel lungs verkehr haben bereits weiter oben 283 ergeben, daß eine Anwendung des § 187 ZPO auf die einem ausländischen Recht unterliegende Durchführung der Zustellung keineswegs „unstimmig" ist. § 187 ZPO enthält vielmehr mit dem Zweckerreichungsgedanken eine Regel, die — wie später noch ausführlicher zu zeigen sein wird 2 8 4 — dem Großteil der Rechtsordnungen bekannt ist. Der Zweckerreichungsgedanke paßt auf alle Verfahrensrechte, die wie die deutsche ZPO neben einem eigenen rechtsstaatlichen Wert vor allem einen dienenden, zweckgerichteten Charakter haben. Dies dürfte auf beinahe alle Rechtsordnungen zutreffen. Sieht das für die Zustellung gemäß Art. 3 I I der Haager Zivilprozeßübereinkommen maßgebliche Recht des ersuchten Staates keine Heilungsmöglichkeit für Durchführungsfehler vor, so steht einer (subsidiären) Anwendung des § 187 ZPO schließlich auch nicht entgegen, daß die Haager Zivilprozeßübereinkommen für die Durchführung der Zustellung mangels eines entgegenstehenden Wunsches allein auf das Recht des ersuchten Staates verweisen. Denn diese „Verweisung" ist im Hinblick auf die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Zustellungsdurchführung nicht ausschließlich. Dies ergibt sich aus einem Gegenschluß zum HZÜ. Dessen Art. 15 I HZÜ bewirkt vorbehaltlich der Regelung des Absatz 2, daß die Durchführungsvorschriften des Zustellungsstaates vom Urteilsrichter als insoweit rechtlich verbindlich und ausschließlich anzuerkennen sind. 285 Der Richter darf danach das Verfahren grundsätzlich nur dann fortsetzen, wenn die Zustellung in Übereinstimmung mit dem Recht des ersuchten Staates durchgeführt worden ist. Das Fehlen einer vergleichbaren Vorschrift in den Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 hat zur Folge, daß dort dem auf die Zustellungsdurchführung anwendbaren Recht des Zustellungsortes ebenso wie im vertragslosen Zustellungsverkehr lediglich eine Indizwirkung zukommt. Der Prozeßrichter ist hieran letztlich ebensowenig durch Art. 3 Π der Haager Zivilprozeßübereinkommen gebunden wie im Rahmen des HZÜ allein durch die Parallelvorschrift des Art. 5 I HZÜ, die — um

282

Rauscher IPRax 1991, 155, 159 (freilich auf den engen Anwendungsfall der Heilung eines Verstoßes gegen das H Z Ü im Rahmen von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ beschränkt). 283

§ 16 III.

284

Siehe unten § 22 II 4.

285

Nagel, Rechtshilfe, S. 118.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

2

für den Prozeßrichter de facto obligatorisch zu wirken — erst der Ergänzung und Sanktionierung durch Art. 15 I HZÜ bedurfte. Zumindest im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 bleibt es damit auch im Völkervertragsrecht bei der bloßen Indizwirkung des auf die Durchführung anwendbaren ausländischen Rechts. Art. 3 Π der Haager Prozeßübereinkommen kodifiziert damit lediglich den insoweit auch schon im vertragslosen Zustellungsverkehr bestehenden Rechtszustand, ohne dabei in der Sache eine Änderung herbeizuführen. Wegen der fehlenden Bindung des Prozeßrichters an die ausländischen Durchführungsvorschriften kann der deutsche Richter bei Fehlen einer Heilungsmöglichkeit im Durchführungsrecht subsidiär eine Heilung auch nach deutschem Recht, insbesondere nach dem auch insoweit international anwendbaren § 187 ZPO annehmen und so trotz eines Verstoßes gegen das für die Durchführung der Zustellung maßgebliche Recht des Zustellungsstaates die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung bejahen. Einer solchen Heilung stehen weder aus Sicht des allgemeinen Völkerrechts 286 noch aus Sicht des Völkervertragsrechts Bedenken entgegen. Letztlich ist auch insoweit das autonome Recht des Urteilsstaates für die Beurteilung der Ordnungmäßigkeit der Zustellung maßgeblich.

IV. Fehlende Übersetzung Im vertragslosen Zustellungsverkehr bestand aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland keine Pflicht, das zuzustellende Schreiben zu übersetzen oder diesem eine Übersetzung beizufügen. Demgegenüber ergibt sich im vertraglichen Rechtshilfe verkehr der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 eine solche Verpflichtung aus deren Art. 3 II. Danach hat der ersuchende Staat das zuzustellende Schriftstück zu übersetzen oder diesem eine Übersetzung beizufügen, sofern er um förmliche Zustellung ersucht. Zumindest das ältere der beiden Haager Prozeßübereinkommen statuierte diese Pflicht allein im Interesse des ersuchten Staates.287 Man wollte der zustellenden ausländischen Behörde Kenntnis vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks verschaffen. 288 Es be-

286

Dazu insbesondere StJ / H.Roth § 187 Rz. 29 und oben § 16 III.

287

V. Normann S. 27 und 73 unter Berufung auf den Bericht der Haager Konferenz von 1904.

288

V. Normann S. 27.

16*

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

stand nach dem Willen der Haager Konferenz von 1904 nicht einmal die Pflicht, die Übersetzung auch dem Adressaten auszuhändigen.289 Fehlte es demnach an einer solchen Pflicht, so würde eine fehlende Übersetzung zumindest dann nicht zu einem Zustellungsfehler führen, wenn der ersuchte Staat oder die hierzu befugten Behörden desselben im Einzelfall auf eine Übersetzung verzichten und widerspruchslos 290 die Zustellung durchführen würden. Ob der Adressat aber der fremden Sprache mächtig ist, spielte keine Rolle. Diese Auffassung ist m.E. heute nicht mehr aufrechtzuerhalten. Aus Sicht des Rechtsstaates dient die Übersetzung neben der Information der Behörden 291 vor allem auch der Verwirklichung des dem Adressaten zustehenden Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dies gilt für das Haager Übereinkommen von 1954, aber auch für das alte Abkommen von 1905, soweit es heute noch Anwendung findet. Die auf der Haager Konferenz von 1904 vertretene entgegenstehende Ansicht 292 erlaubt keine gegenteilige Beurteilung. An ihr festzuhalten hieße überalterte Rechtsauffassungen zu versteinern. 293 Selbst wenn also der ersuchte Staat im Einzelfall das Fehlen einer Übersetzung nicht rügt und die Zustellung ohne Einwände ausführt, sollte im Interesse der Verteidigungsrechte des Beklagten das Übersetzungserfordernis als Muß-Vorschrift weiterwirken. Trotz dieser Einschränkung überlassen die Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 aber auch im Hinblick auf die Übersetzung die Sanktionierung von Fehlern den autonomen Rechten der Vertragsstaaten. Ob das Fehlen einer Übersetzung damit zur Nichtigkeit der Zustellung führt, liegt damit auch hier allein in der Entscheidung des Gerichtsstaates. 294 Ein solches Verfahren

289 V. Normann S. 73: „Zu bemerken ist übrigens, daß die Beifügung der Übersetzung zwar im Interesse des ersuchten Staates erfolgt, daß aber kein Bedenken besteht [!], die Übersetzung dem Zustellungsadressaten gleichfalls aushändigen zu lassen." 290 Zur Widerspruchsmöglichkeit des ersuchten Staates im vertraglichen Rechtshilfsverkehr bei fehlenden Übersetzungen Koch IPRax 1985, 245, 247. 291

Diese Funktion hebt der irische Delegierte Terry noch auf der Haager Konferenz von 1964 hervor, Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 206. 292

Dazu v. Normann S. 27 und 73.

293

Vor einer „Zementierung historischer Fakten" durch ungerechtferigte Überhöhung sehr alter Vertragsmaterialien warnt zu Recht Kropholler, Einheitsrecht, S. 274 a.E. 294 Siehe etwa das schweizerische Bundesgericht BGE 103 III 69: Das Fehlen einer Übersetzung führt im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954 nicht notwendigerweise zur Nichtigkeit der Zustellung, da das Haager Zivilprozeßübereinkommen eine Nichtigkeitsfolge nicht zwingend vorschreibt. Ähnlich die französische Cour de cassation Clunet 1975, 545 mit zust. Anm.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

stößt im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen auf keinerlei völkerrechtliche Bedenken.295 Die einzige Vorgabe, die die Haager Zivilprozeßübereinkommen in dieser Hinsicht machen, dürfte die aus Art. 3 I I der Abkommen zu entnehmende Wertung sein, daß auch ohne Übersetzung die Rechte des Beklagten ausreichend gewahrt werden müssen. Dies ist dann der Fall, wenn er derjenigen Sprache, in der die zuzustellende Klageschrift abgefaßt ist, in ausreichendem Maße mächtig ist oder bei verständiger Würdigung erkennen konnte, daß es sich um ein amtliches Schriftstück handelte296, und genügend Zeit besaß, selbst für eine Übersetzung zu sorgen. Die dabei entstehenden Kosten sind nach der Wertung der Haager Zivilprozeßübereinkommen grundsätzlich vom Kläger zu tragen 297 und können im Verfahren geltend gemacht werden. Sollte es jedoch zu Übersetzungsfehlern kommen, so trägt das daraus resultierende Risiko der Kläger und nicht der Beklagte. 298 Die einzige Voraussetzung, die es insoweit aufzustellen gilt, ist, daß sich der Adressat bei der Auswahl des Übersetzers nicht schuldhaft grob fahrlässig verhalten hat. In einem deutschen Verfahren befindet damit das deutsche autonome Recht, ob das Fehlen einer von den Haager Zivilprozeßübereinkommen zwingend verlangten Übersetzung zur Nichtigkeit der Zustellung führt. Ein Formverstoß hat nach deutschem Recht dann die Unwirksamkeit des Zustellungsaktes zur Folge, wenn der Zustellungsmangel nicht ausnahmsweise als geheilt anzusehen ist. Dies ist anhand der Heilungsinstitute des autonomen deutschen Verfahrensrechts zu prüfen, insbesondere nach § 187 ZPO. 299 Dieser eröffnet einen ausreichenden Spielraum, das Vorliegen der genannten Voraussetzungen zu prüfen. Zudem verbietet der § 187 ZPO zugrundeliegende Zweckerreichungsgedanke schon von

Kahn und Cour d'appel de Lyon Clunet 1979, 383 (dazu auch Sumampouw II S. 6). 295

Siehe entsprechend die oben § 17 II gemachten Ausführungen.

296

Zu diesem Erfordernis zu Recht auch Geimer IPRax 1988, 271, 275 Fn. 54a; ders. FamRZ 1975, 218. 297

V. Normann S. 27.

298

Unter anderem das Übersetzungsrisiko veranlaßte das OLG Hamm RIW 1988, 131, 133 von einer Heilung abzusehen (dort freilich zum HZÜ). 299 Die französische Cour de cassation Clunet 1975, 545 konstatierte in einem französischen Zustellungsfall zum Haager Zivilprozeßübereinkommen, daß das Fehlen einer Übersetzung im zu entscheidenden Fall „aucune atteinte aux droits de la défense" darstelle. Das Gericht wandte damit im Ergebnis — ohne dies freilich beim Namen zu nennen — den autonomen französischen Heilungsgrundsatz „pas de nullité sans grief an; dazu ausführlich unten § 22 II 4 b cc. Zustimmend Kahn Clunet 1975, 547 f.

246

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

sich aus dann eine Heilung, wenn der Zweck der verletzten Übersetzungsvorschrift, nämlich der Schutz der Beklagtenrechte, nicht erreicht ist. Ist demgegenüber insoweit der Zustellungszweck erreicht, so ist der Übersetzungsmangel als geheilt anzusehen. Neben § 187 ZPO kann sich die Heilung auch aus dem allgemeinen Zweckerreichungsgrundsatz und aus § 295 ZPO ergeben. 300

V. Besonderheiten im Verhältnis zu den EuGVÜ- und den (ehemaligen) EFTA-Staaten m Im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des EuGVÜ ergeben sich im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen keine Besonderheiten. Soweit die EuGVÜStaaten Partei der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 waren, ist heute an deren Stelle das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 getreten; dies gilt auch für die neuen EU-Staaten Finnland und Schweden (ab 1.1.1995). Demgegenüber gelten die Haager Zivilprozeßübereinkommen aus deutscher Sicht heute noch im Verhältnis zu drei EFTA-Staaten, nämlich Österreich (ab 1.1.1995 EU-Mitglied), der Schweiz und Island. Zwar wäre denkbar, daß sich insoweit einige Besonderheiten aus den Bestimmungen des Art. 20 Π Lugano Übereinkommen und Art. IV des dazugehörigen Protokolls ergeben, sobald diese Staaten das Lugano Übereinkommen ratifiziert haben302. Wie jedoch die Ausführungen zu den Parallelbestimmungen des EuGVÜ ergeben haben303, greifen die genannten Vorschriften weder in das staatsvertragliche noch in das autonome Zustellungsrecht der Vertragsstaaten ein. Gleiches gilt für das Lugano-Übereinkommen. Insbesondere besitzt auch Art. IV Abs. 1 des Protokolls zum Lugano-Übereinkommen lediglich deklaratorische Wirkung. Damit unter-

300

Demgegenüber verneint Güntzel S. 146 eine Heilbarkeit unübersetzter Klagen. Anders als hier hat Güntzel dabei jedoch den Fall vor Augen, daß eine fremdsprachige Klage vor einem deutschen Gericht anhängig wird, zusätzlich also noch § 184 GVG verletzt ist (zur Heilbarkeit eines Verstoßes gegen § 184 GVG bei ausreichender Sprachkenntnis des Richters aber LG Berlin JR 1961, 384). 301

Österreich bleibt nach Auskunft der österreichischen Botschaft wegen der einjährigen Kündigungsfrist des EFTA-Vertrages über den 1.1.1995 hinaus bis zum 30.6.1995 EFTA-Mitglied; die EFTA-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens dürfte wegen der erst Ende 1994 stattfindenden Referenden frühestens zum 31.12.1995 enden. 302 Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Abkommen am 1.3.1995 in Kraft getreten (BGBl. 1995 II 221). 303

Oben § 16 V.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

liegt auch im Rahmen des Lugano-Übereinkommens die Heilung von Fehlern der internationalen Zustellung den vorstehend ausgeführten Grundsätzen.

VI. Ergebnis Auch im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 unterliegt die Heilung für alle Fehlertypen umfassend der lex fori des Gerichtsstaates, da die beiden Übereinkommen die Sanktionierung von staatsvertraglichen Zustellungsmängeln dem autonomen Recht der Vertragsstaaten überlassen. Somit ergeben sich insoweit auch keine völkerrechtlichen Bedenken. Neben den Heilungstatbeständen der lex fori kann sich bei Verstößen gegen das für die Durchführung der förmlichen Zustellung maßgebliche Recht des ersuchten Staates eine Heilung auch aus den Heilungstatbeständen dieser Rechtsordnung ergeben.

§ 18 Die Heilung ausgehender Ersuchen im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965

Von heute überaus großer Bedeutung für den internationalen Zustellungsverkehr ist aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 (HZÜ). Das Abkommen gilt für Deutschland unter anderem im Verhältnis zu allen EU-Mitgliedsstaaten (ab dem 1.1.1995 mit Ausnahme von Österreich) und zu den USA. Insgesamt richten sich derzeit bereits über 70 % der ausgehenden deutschen Zustellungsersuchen an HZÜ-Vertragsstaaten; die von diesen Staaten umgekehrt an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Gesuche machen rund 35 % aller in Deutschland eingehenden Zustellungsersuchen aus. 304 Es ist zu erwarten, daß diese überragende praktische Bedeutung durch den Beitritt weiterer Staaten in Zukunft noch weiter wachsen wird. Zu denken ist insoweit etwa an die Schweiz, die am 21.5.1985 das Abkommen

304

Werte für die derzeitigen Vertragsstaaten des HZÜ (Stand: 31.12.1994) errechnet auf der Grundlage der von Pfennig S. 146 ff. für das Jahr 1986 angegebenen Zahlen. Die verhältnismäßig kleine Zahl der in Deutschland eingehenden Ersuchen erklärt sich möglicherweise daraus, daß — anders als bei ausgehenden deutschen Ersuchen — durch ausländische Konsuln in Deutschland durchgeführte Zustellungen wohl meist unbemerkt bleiben und damit statistisch nicht erfaßt werden können.

8

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

gezeichnet hat. 305 Gemessen an der Zahl der Ersuchen erreicht der deutschschweizerische Rechtshilfeverkehr in Zustellungssachen im Vergleich mit dem zwischen Deutschland und anderen Staaten bestehenden Zustellungsverkehr bei ausgehenden deutschen Zustellungsersuchen den fünften und bei eingehenden Ersuchen gar den vierten Platz. 306 Entsprechend der Zustellungshäufigkeit kommt es im Rahmen des HZÜ verhältnismäßig oft zu Zustellungsmängeln. Auch das HZÜ vermag Nachlässigkeiten bei der Zustellung nicht aus dem Wege zu räumen. 307 Damit stellt sich auch im Rahmen des HZÜ die Frage, ob und wie bei der Zustellung nach dem HZÜ unterlaufene Mängel zu sanktionieren und gegebenfalls zu überwinden sind. Anders als in den Haager Abkommen über den Zivilprozeß von 1905 und 1954, die selbst keine SanktionsVorschriften enthielten und die Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung gänzlich den nationalen Rechten überließen 308, findet sich im HZÜ mit Art. 15 eine — wenn auch nur indirekte — Sanktion. Diese Vorschrift will verhindern, daß unter Umgehung des HZÜ ausschließlich nach dem autonomen Recht des Gerichtsstaates zugestellt wird. 309 Im Blick hatten die Schöpfer des HZÜ dabei vor allem die unterschiedlichen Formen der fiktiven Inlandszustellung, insbesondere die französische remise au parquet. 310 Gemäß Art. 15 I HZÜ hat der erststaatliche Richter das Verfahren ungeachtet der Wirksamkeit der Zustellung nach innerstaatlichem autonomem Recht so lange auszusetzen, wie nicht durch ein Zustellungszeugnis belegt ist, daß der Adressat das verfahrenseinleitende Schriftstück entsprechend den in Art. 15 I HZÜ wiedergegebenen Modalitäten des HZÜ erhalten hat. Im Falle einer remise au parquet muß danach die Benachrichtigung — auch wenn dies nach dem innerstaatlichen Recht des Gerichtsstaates für die Wirksamkeit der Zustellung nicht mehr erforderlich ist — nach den Vorschriften des HZÜ dem Adressaten im Rechtshilfewege zugestellt worden sein. 311 Trotz Wirksamkeit der Zustellung nach der lex fori des Gerichtsstaates steht also Art. 15 I HZÜ einer Fortsetzung des Verfahrens entgegen.

305

Practical Handbook S. 22.

306

Zahlen auf der Basis von 1986 nach Pfennig S. 149.

307

Dies sahen schon die Delegierten der 10. Haager Konferenz, so etwa der Franzose Bellet, Procès-Verbal, in: Actes et Documents III S. 268. 308

Loussouarn Clunet 1965, 5, 12; siehe ausführlich oben § 17 II 2 b.

309

Ferreira,

310

Arnold JZ 1965, 708,712.

311

Siehe zum Verhältnis von Art. 15 I H Z Ü zur remise au parquet ausführlich oben § 12 IV 1.

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 93.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

9

Hieraus erklärt sich auch die lediglich indirekte Wirkung der Vorschrift: Das HZÜ setzt diejenigen nationalen Vorschriften, denen zufolge eine Zustellung als wirksam anzusehen ist, nicht formell außer Kraft. 312 Vielmehr hemmt Art. 15 I HZÜ nur die auf die Fortsetzung des Verfahrens zielende Wirkung dieser internen Regeln. Damit greift Art. 15 I HZÜ im Ergebnis nicht in das Zustellungsrecht des Gerichtsstaates ein, sondern in dessen SäumnisrzchX. 313 Eine Durchbrechung erfährt dieser Grundsatz durch Art. 15 I I HZÜ. 3 1 4 Danach darf der Richter bei Vorliegen einer entsprechenden Erklärung des Gerichtsstaates das Verfahren ungeachtet der Regel des Art. 15 I HZÜ nach sechs Monaten fortsetzen, wenn die dort festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Insbesondere muß das Schriftstück nach einem vom HZÜ vorgesehenen Verfahren übermittelt worden sein. Insoweit setzen sich im von Art. 15 Π HZÜ gesetzten Rahmen wieder die innerstaatlichen Vorschriften des Gerichtsstaates durch. Neben Art. 15 HZÜ, der die Einhaltung der Vorschriften des HZÜ sichern will und somit eine echte Sanktionsvorschrift darstellt, wird auch Art. 16 HZÜ häufig als Sanktionierungsregel genannt.315 Diese Einschätzung ist m.E. zumindest im hier interessierenden Zusammenhang unzutreffend. Art. 16 HZÜ will nicht Verstöße gegen das HZÜ sanktionieren, sondern allein Ungerechtigkeiten beseitigen, die dem Richter des Prozeßgerichts untragbar erscheinen. 316 Selbst wenn unter Verstoß gegen das HZÜ zugestellt wurde, ermöglicht Art. 16 HZÜ dann nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn der Adressat trotz des Zustellungsfehlers Kenntnis von dem Schriftstück erhalten hat. Umgekehrt steht der Weg über Art. 16 HZÜ sogar dann offen, wenn in Übereinstimmung mit dem HZÜ zugestellt worden ist, sofern der Adressat beweist, daß ihm das Schriftstück ohne sein Verschulden unbekannt blieb und er sich nicht verteidigen konnte. 317 Dies ist etwa dann denkbar, wenn in Übereinstimmung mit Art. 5 I lit. a und 15 I lit. a HZÜ an eine Ersatzperson zugestellt wurde, die das Schriftstück nicht an den Adressaten weitergereicht hat. 318

312

Denkschrift BT-Drucks. 7 / 4892 S. 48.

313

Soek NILR 1982, 72, 86.

314

Ausführlich dazu oben § 12 IV 2.

315

Etwa F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 163.

316

Ferreira,

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 100.

317

Ferreira,

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 101.

318

Siehe schon ausführlich oben § 12 IV 3.

250

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Das HZÜ sanktioniert Verstöße gegen das Abkommen damit allein in Art. 15 HZÜ. Hieraus wird zum Teil 3 1 9 gefolgert, daß das HZÜ anders als die Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 die Sanktionierung von Vertragsverstößen nicht den nationalen Rechten der Vertragsstaaten überläßt. Damit läge es anders als dort auch nicht mehr in der Hand der Vertragsstaaten, darüber zu urteilen, wann ein Verstoß gegen das HZÜ zur Unwirksamkeit der Zustellung führt und wann eine solche Unwirksamkeit durch eine Heilung des Fehlers überwunden werden kann. Dem wäre zuzustimmen, wenn das HZÜ tatsächlich insoweit kodifikatorischen Charakter besäße, d.h. weder selbst Heilungsmöglichkeiten vorsähe noch Platz für die autonomen Heilungstatbestände der Vertragsstaaten ließe. 320 Richtigerweise stellt insoweit Stürner 321 fest, daß das HZÜ selbst keine Heilungsregel enthält. Die diesbezüglich im Hinblick auf Art. 15 Π HZÜ jüngst vom BGH in einem obiter dictum geäußerte entgegengesetzte Ansicht 322 wurde bereits weiter oben kritisiert 323 . Das Fehlen völkervertraglicher Heilungsregeln im HZÜ läßt jedoch nur dann auf einen gänzlichen Heilungsausschluß schließen, wenn hierdurch bewußt auch einer Heilung nach autonomem Recht der Weg versperrt werden sollte. 324 Schack 325 ist darin zuzustimmen, daß ein solcher Heilungsausschluß allein aus Art. 15 HZÜ resultieren kann. Im folgenden gilt es damit zu untersuchen, inwieweit diese Vorschrift im Hinblick auf die einzelnen Fehlertypen einer Heilung nach autonomem Recht der Vertragsstaaten tatsächlich entgegensteht.

/. Inlandszustellung statt erforderlicher

Auslandszustellung

Ebenso wie im Rahmen des vertragslosen Zustellungsverkehrs und der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 kann es auch im Geltungsbe-

319

Etwa Schack IZVR Rz. 619; StJ / H.Roth § 199 Rz. 24.

320

Einen solchen ausschließlichen Charakter des HZÜ leugnet von vornherein Geimer L M § 328 ZPO Nr. 42; ähnlich Wiehe S. 135. 321

JZ 1992, 325, 332.

322

BGH RIW 1993, 673, 675. 323 § i2 IV 2. Dagegen auch Rauscher IPRax 1993, 376, 379. 324

Dies nimmt etwa der BGH MDR 1993, 146 = NJW 1993, 598 an; ebenso Coester-Waltjen, JK 93, ZPO § 328 / 2; Schack JZ 1993, 621, 622; Baumann S. 51 f.; für die französische Doktrin etwa Delgrange Gaz.Pal. 1988, 73, 74. 325

IZVR Rz. 619.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

251

reich des HZÜ dazu kommen, daß entgegen der hinter § 199 ZPO stehenden Regel statt im Ausland die Zustellung im Inland ausgeführt wird. Der Deutsche D ist durch einen Autounfall in einem Peugeot zu Schaden gekommen. Die hierbei erlittenen schweren Verletzungen führt er auf den Einbau mangelhafter Gurtsysteme in seinen Peugeot durch den französischen Produzenten zurück. Aus diesem Grunde verklagt er die Peugeot S A . mit Sitz in Sochaux bei Paris aus Produkthaftung vor dem Landgericht Essen. Das insoweit gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ international zuständige Landgericht 326 ordnet die Zustellung der Klageschrift an die von D als deutsche Vertretung der Beklagten bezeichnete Peugeot Deutschland GmbH mit Sitz in Saarbrücken an. Bei der Peugeot Deutschland GmbH handelt es sich um eine hundertprozentige Tochter der französischen Peugeot S.A. Doch besitzt diese im Zeitpunkt der Zustellung keine Zustellungsvollmacht. Vielmehr wird im Zuge einer Neuorganisation der ausländischen Tochtergesellschaften der Peugeot Deutschland GmbH erst zwei Wochen nach Zustellung der Klage eine solche Vollmacht erteilt. 1. Abwandlung: Der Peugeot Deutschland GmbH wird zwar keine Zustellungsvollmacht erteilt. Doch wird die Klageschrift wenige Tage nach der Zustellung dem Vorstandsvorsitzenden der Peugeot S.A., der anläßlich einer Geschäftsreise in Deutschland weilt, von dem deutschen Geschäftsführer der Peugeot Deutschland GmbH in Saarbrücken übergeben.

Die Klage des D richtete sich in den vorstehend dargestellten Beispielsfällen gegen die französische Gesellschaft Peugeot S.A. mit Sitz bei Paris. Das deutsche Recht sieht auch für den Fall, daß der Beklagte seinen Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat, eine effektive Zustellung der Klage an den Adressaten vor. Dem Beklagten soll grundsätzlich kein Nachteil dadurch erwachsen, daß er sich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Aus diesem Grunde kennt das deutsche Recht auch keinen „Zustellungsdurchgriff 4 im Sinne einer Zustellung an Tochtergesellschaften. 327 Damit ist eine Klagezustellung an eine ausländische Gesellschaft im Inland nur dann möglich, wenn die Tochtergesellschaft Zustellungsvollmacht im Sinne des § 173 ZPO besitzt 328 oder die ausländische Gesellschaft in Deutschland einen Sitz gemäß §§ 183, 184 ZPO hat. 329 Vorliegend besaß die Peugeot Deutschland GmbH im Zeitpunkt der Zustellung keine ZustellungsVollmacht. Auch hatte die Peugeot S.A. in Deutschland

326

Zur Zuständigkeit nach EuGVÜ bei Produkthaftungsfällen siehe Schack IZVR Rz. 263 und 301: deliktische Qualifikation der Produkthaftung des Herstellers gegenüber dem Endabnehmer, sofern keine unmittelbare vertragliche Beziehung. 327

Ähnlich Böhmer NJW 1990, 3049, 3052.

328

Blenk RIW 1980, 233, 235.

329

Stürner JZ 1992, 325, 330 f.

252

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

keinen Sitz. Obwohl die Peugeot Deutschland GmbH eine hundertprozentige Tochter der Peugeot S.A. darstellt, handelt es sich hierbei doch um eine juristisch selbständige Rechtspersönlichkeit, die für ihre Mutter keinen deutschen Sitz im Sinne der §§ 183, 184 ZPO begründet. 330 Andernfalls käme es zu einem vom deutschen Recht nicht akzeptierten Zustellungsdurchgriff. 331 Mangels inländischer Zustellungsmöglichkeit hätte damit gemäß § 199 ZPO am Sitz der Peugeot S.A. in Frankreich zugestellt werden müssen. Die dennoch in Deutschland durchgeführte Zustellung stellte einen Verstoß gegen § 199 ZPO dar. Sowohl im vertragslosen Zustellungsverkehr 332 als auch im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 333 sind Verstöße dieser Art jedoch gemäß § 187 ZPO heilbar, wenn der Adressat nachträglich tatsächliche Kenntnis von dem mangelhaft zugestellten Schreiben erhalten hat. Weder das allgemeine Völkerrecht noch die genannten Rechtshilfeübereinkommen gewähren dem Aufenthaltsstaat des Adressaten insoweit einen Anspruch auf Beschreitung des Rechtshilfeweges. Etwas anderes könnte jedoch im Rahmen des HZÜ gelten. Eine Heilung von Zustellungsfehlern bei irrtümlicher Inlandszustellung schiede aus, wenn das HZÜ den Gerichtsstaat verpflichten würde, bei Adressaten, die sich in einem HZÜ-Vertragsstaat aufhalten oder dort ihren Sitz haben, den vom HZÜ vorgegebenen Rechtshilfeweg zu beschreiten. Eine solche Haltung nahm die Bundesrepublik Deutschland in einem amicus curiae-Schreiben 334 im US-amerikanischen Verfahren Schlunk v. Volkswagen A G 3 3 5 ein. Hiermit setzte sich die Bundesregierung jedoch in einen diametralen Widerspruch zu ihrer zuvor in der deutschen Denkschrift zum HZÜ 3 3 6 geäußerten Auffassung. 337 Dort hatte sie

330

A.A. wohl Otto s. 173.

331

Geimer IZPR Rz. 2111; Böhmer NJW 1990, 3049, 3052; Blenk RIW 1980, 233, 234 mwN; a.A. wohl Klaus P. Mössle S. 252. 332

Oben § 16 I.

333

Oben § 17 I.

334

Dazu ausfuhrlich Heidenberger

335

108 S.Ct. 2104.

336

BT-Drucks. 7 / 4892 S. 40 f.

337

So auch Junker JZ 1989, 121, 123.

RIW 1988, 90, 91.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

253

in Übereinstimmung mit der wohl ganz herrschenden Meinung 338 festgestellt, daß das HZÜ nicht festlegt, in welchen Fällen zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens eine Zustellung in das Ausland erforderlich ist. Dies bestimmt sich vielmehr ausschließlich nach der lex fori des Gerichtsstaates. Erst wenn danach im Ausland zuzustellen ist, legt das HZÜ verpflichtend die dabei einzuhaltenden Übermittlungswege fest. Das HZÜ regelt damit nicht, das Ob, sondern nur das Wie der Auslandszustellung. Diese Ansicht kann sich auf die Materialien der 10. Haager Konferenz stützen.339 Damit verpflichtet das HZÜ die Vertragsstaaten dann nicht zur Beschreitung des dort vorgesehenen Rechtshilfeweges, wenn sich die gesamte Zustellung ausschließlich im Inland vollzieht, ohne daß ein Schriftstück — und sei es auch nur eine Mitteilung über die im Inland durchgeführte Zustellung — in das Ausland zu übermitteln ist. 340 Ebenso wie im vertragslosen Rechtsverkehr und im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 ist die Bundesrepublik Deutschland mithin auch im Geltungsbereich des HZÜ grundsätzlich nicht zu einer Auslandszustellung verpflichtet. Es liegt folglich auch im Bereich des HZÜ allein in der Hand der Bundesrepublik Deutschland, ihre in § 199 ZPO getroffene grundsätzliche Entscheidung zugunsten einer Auslandszustellung wieder zurückzunehmen.341 Dies geschieht im deutschen Recht konstruktiv über § 187 ZPO. Mangels einer Beschränkung durch das allgemeine Völkerrecht können sich insoweit Grenzen nur aus dem HZÜ selbst ergeben. Diese sind zumindest dann nicht überschritten, wenn die Zustellung nach deutschem Recht im Inland erfolgen darf, ohne daß hierbei ein deutsches Schriftstück in das Ausland zu übermitteln ist. 342 Auch stellt der Weg über § 187 ZPO keine Umgehung des HZÜ dar, denn nach deutschem Recht hat eine Heilung immer dann schon per se auszuscheiden, wenn die maßgeblichen Zustellungsregeln — auch solche

338

H. Roth IPRax 1990, 90, 92 mwN; Junker JZ 1989, 121, 122; ders. IPRax 1986, 197, 202; Hausmann IPRax 1988, 140, 143; Schack 7ZP 100 (1987) 442, 444; OLG München IPRax 1988, 163. 339 Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 81; ders., Rapport Explicatif, in: Actes et Documents III S. 366; van Hoogstraten, Procès-Verbal, in: Actes et Documents III S. 169. 340

Pfeil-Kammerer

S. 154.

341

Bökelmann JR 1972, 425; Geimer NJW 1972, 1624 (beide insoweit zum vertragslosen Rechtszustand). 342

BGH W M 1989, 238, 240 (zum vertragslosen Rechtszustand).

254

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

staatsvertraglichen Charakters — in Umgehungsabsicht verletzt worden sind. 343 Im Ausgangsfall war die Klage nach der deutschen lex fori grundsätzlich gemäß § 199 ZPO in das Ausland zu übermitteln. Dabei hätte der vom HZÜ vorgegebene Rechtshilfeweg eingehalten werden müssen. Die Zustellung im Inland war demnach fehlerhaft. Doch ist dieser Fehler nachträglich über § 187 ZPO als geheilt anzusehen: Die nachträgliche Erteilung der Zustellungsvollmacht führt zu einer wirksamen Inlandszustellung gemäß § 173 ZPO, sofern das fälschlich zugestellte Schriftstück sich im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch in den Händen des ursprünglich vollmachtslosen Vertreters befand. 344 Einer Übermittlung der Klage in das Ausland zum Zweck der Kenntnisnahme durch das ausländische Unternehmen bedurfte es mithin nach deutschem Recht nicht mehr. Mangels eines in das Ausland zu übermittelnden Schriftstücks sperrte das somit unanwendbare HZÜ demnach nicht die Heilung gemäß § 187 ZPO. Ebenso lag es in der ersten Abwandlung. Dort hatte der Vorstandsvorsitzende der Peugeot S.A. in Deutschland Kenntnis von dem falsch zugestellten Schriftstück erhalten. Trotz einer ursprünglich fehlerhaften Inlandszustellung wurde der Zustellungsfehler nachträglich durch die Kenntnisnahme im Inland gemäß § 187 ZPO geheilt. 345 Für das deutsche Recht genügt es insoweit, daß an einen sich nur vorübergehend im Inland aufhaltenden Adressaten zugestellt wird. 3 4 6 Dies gilt gleichermaßen für Deutsche347 wie für Ausländer. Erlaubt das deutsche Recht die unmittelbare Zustellung an einen sich nur vorübergehend im Inland aufhaltenden Adressaten, so ist kein Grund ersichtlich, der gegen die Heilung einer mangelhaften Inlandszustellung gemäß § 187 ZPO spricht, sofern dieser Adressat zufällig im Inland tatsächliche Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück erlangt. 348 Wegen § 184 GVG ist dabei sogar

343

Siehe schon oben § 5 V I und § 16 I a.E.

344

Ähnlich BGH W M 1989, 238, 240 (Zustellung an Rechtsanwalt gemäß § 212 a ZPO). Anders dagegen, wenn der Rechtsanwalt das Schriftstück bereits wieder an das Gericht zurückgegeben hat, dazu OLG Hamm 11 U 92 / 92 vom 25.11.1992, OLG Report Hamm 1993, 161 (dort nur LS, ansonsten bisher unveröffentlicht). 345

So auch OLG Hamm FamRZ 1988, 1292, 1293 (dort allerdings zum vertragslosen Zustellungsverkehr). 346

Geimer IZPR Rz. 2109; Koch,, Probleme, S. 171, 203.

347

Dafür OLG Hamm FamRZ 1988, 1292, 1293.

348

Ähnlich OLG Hamm FamRZ 1988, 1292.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

255

unerheblich, ob der Adressat der deutschen Sprache mächtig ist oder nicht. 349 Eine Privilegierung des durchreisenden Adressaten wäre m.E. verfehlt. Das deutsche Recht stellt auch ansonsten bei inländischen Zustellungsakten nicht darauf ab, ob der Adressat der deutschen Sprache mächtig ist oder nicht. Auch aus dem zwischen Frankreich und Deutschland im Zustellungsverkehr geltenden HZÜ ergibt sich kein Heilungsausschluß, da das HZÜ mangels einer Übersendung des zuzustellenden Schriftstücks in das Ausland nicht anwendbar ist. Zweifel bestehen jedoch insoweit bei einer anderen Variante der irrtümlichen Inlandszustellung. Dies sei an der folgenden Fallabwandlung verdeutlicht: 2. Abwandlung: Die Peugeot Deutschland GmbH übermittelt die bei ihr fälschlicherweise zugestellte Klage sogleich per Fax an die französische Muttergesellschaft. Zusätzlich übersendet sie der Mutter das Original der Klageschrift per Post. Wegen eines Bummelstreiks der französischen Post erreicht diese Postsendung die Peugeot S.A. jedoch erst nach 14 Tagen. Termin vor dem Landgericht Essen war nur 11 Tage später.

Ebenso wie im Ausgangsfall wurde vorliegend irrtümlicherweise im Inland zugestellt. Anders als dort trat der für eine Heilung maßgebliche Umstand, nämlich die Kenntnisnahme durch die Muttergesellschaft oder einen insoweit bevollmächtigten Vertreter, nicht im Inland, sondern im Ausland ein. Entgegen der Ansicht des BGH 3 5 0 begründet diese Tatsache für sich genommen jedoch noch keinen Heilungsausschluß nach allgemeinem Völkerrecht. Unbesehen möglicher Einschränkungen durch das HZÜ wäre somit nach der hier vertretenen Auffassung allein auf der Grundlage des allgemeinen Völkerrechts eine Heilung des Zustellungsfehlers gemäß § 187 ZPO möglich. Es ist ohne Relevanz, ob der für die Heilung maßgebliche tatsächliche Umstand sich im Inland oder im Ausland ereignete. Denn es ist grundsätzlich allein Sache des deutschen Rechts, für ein inländisches Verfahren Rechtsfolgen auch an solche Tatsachen zu knüpfen, die sich im Ausland ereignet haben.351 Danach wäre die fehlerhafte Inlandszustellung zwar noch nicht durch die Telefaxübermittlung gemäß § 187 ZPO geheilt worden 352 , da § 187 ZPO die tatsächliche körperliche Erlangung des zuzustellenden Schriftstücks durch den Adressaten voraus-

349

Geimer IZPR Rz. 2109; a.A. Koch, Probleme, S. 171, 203.

350

W M 1989, 238, 240 im Anschluß an BGHZ 58, 177.

351

Vollkommer

352

ZZP 80 (1967) 248, 261; Linke IZPR Rz. 239.

Statt dessen wäre m.E. aber eine Heilung nach dem ungeschriebenen Zweckerreichungsgrundsatz des deutschen Verfahrensrechts erwägenswert.

256

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

setzt. Eine bloße (Fax-)Kopie genügt nach herrschender Meinung insoweit nicht. 353 Spätestens aber mit Eingang des postalisch übersandten Originals der Klageschrift müßte man eine Heilung gemäß § 187 ZPO annehmen, wenn die Peugeot S.A. trotz der streikbedingten Verspätung noch so rechtzeitig Kenntnis von dem Schriftstück erlangt hat, daß sie sich ordnungsgemäß verteidigen konnte. 354 Nur dann wäre der Zustellungszweck iSd § 187 ZPO erreicht. 355 Dieser nach allgemeinem Völkerrecht zulässigen Heilung gemäß § 187 ZPO 3 5 6 könnte im Rahmen einer Zustellung nach dem HZÜ aber Art. 15 des Abkommens entgegenstehen.357 Insoweit würden die Grundsätze des allgemeinen Völkerrechts durch die speziellere völkervertragliche Regelung verdrängt. Auch wenn es sich bei der hier vorliegenden Zustellung nach deutscher Auffassung um eine reine Inlandszustellung handelt, findet doch das HZÜ Anwendung. Denn trotz des im Inland vollzogenen (fehlerhaften) Zustellungsaktes wurde die Zustellung nur dadurch gemäß § 187 ZPO wirksam, daß das mangelhaft zugestellte Schriftstück von der Peugeot Deutschland GmbH in das Ausland übermittelt und dort dem Adressaten zur Kenntnis gebracht wurde. Entgegen dem nicht verbindlichen deutschen Wortlaut des Art. 1 I HZÜ ist das Abkommen auch dann anzuwenden, wenn ein Schriftstück im Zusammenhang mit einer inländischen Zustellung in das Ausland zu übermitteln ist. Dabei ist unerheblich, ob im Ausland im technischen Sinne des Wortes zugestellt wird oder aber nur eine Mitteilung über die inländische Zustellung übersandt wird. 358 Dem steht es gleich, wenn wie im Falle einer über § 187 ZPO zu heilenden irrtümlichen Inlandszustellung zwar im Inland zugestellt worden ist, die Kenntnisnahme von diesem anschließend — gleichgültig von wem und auf welchem Wege — in das Ausland übersandten Schriftstücks aber konstitutive Wirkung für die inländische Wirksamkeit der Zustellung hat. Damit sind bei der Übermittlung die Wege des HZÜ einzuhalten, wenn im Rahmen eines deutschen Verfahrens entgegen § 199 ZPO irrtümlich im Inland zugestellt worden

353

So ausdrücklich OLG Nürnberg MDR 1982, 238 für eine Photokopie; ebenso StJ / H.Roth § 187 Rz. 4. 354 OLG Düsseldorf IPRax 1985, 289: 11 Tage ausreichend; OLG Hamm MDR 1979, 680: 13 Tage zu wenig. 355 Gleichzeitig zeigt sich hierin m.E. aber auch die Gefahr, die sich aus der von der h.M. hinsichüich der Kopie des zugestellten Schriftstücks eingenommenen restriktiven Haltung ergibt. 356

Siehe oben § 16 I.

357

So Schack IZVR Rz. 619.

358

Siehe oben § 12 IV 1.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

257

ist und dieser Zustellungsfehler nicht durch eine Kenntnisnahme im Inland geheilt werden kann, sondern allein durch eine Übersendung des zugestellten Schriftstücks in das Ausland zur Kenntnisnahme durch den dort befindlichen Adressaten. Etwaige Verstöße gegen die insoweit zwingend vorgeschriebenen Übermittlungswege des HZÜ werden grundsätzlich durch Art. 15 HZÜ sanktioniert. Da es sich hierbei — wie gesehen — lediglich um eine indirekte Sanktion handelt, hindert diese Norm zwar nicht unmittelbar die Heilung des Übermittlungsfehlers durch § 187 ZPO. Doch steht Art. 15 I HZÜ dem Erlaß eines Versäumnisurteils trotz dieser Heilung und der daraus resultierenden innerstaatlichen Wirksamkeit der Zustellung entgegen. Auch wenn Art. 15 I HZÜ nicht ausdrücklich die Einhaltung des richtigen Übermittlungsweges erwähnt, ergibt sich doch im Gegenschluß aus Art. 15 Π lit. a HZÜ, daß auch Art. 15 I HZÜ die Beschreitung eines vom HZÜ vorgegebenen Übermittlungsweges als Voraussetzung für die Fortsetzung des Verfahrens verlangt. Zugleich zeigt Art. 15 I I lit. a HZÜ, daß selbst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist bei einem fehlerhaften Übermittlungsweg eine Fortsetzung des Verfahrens ausgeschlossen sein soll. 359 Nach dieser Vorschrift kann ein Verfahren auch nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nur dann fortgesetzt werden, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück „nach einem in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren [sc. in den Aufenthaltsstaat des Adressaten] übermittelt worden ist". Auch wenn damit vorliegend formell eine Heilung gemäß § 187 ZPO mangels eines Eingriffs des HZÜ in die nationalen Zustellungsrechte der Vertragsstaaten möglich wäre, stünde doch Art. 15 HZÜ nach seinem Wortlaut dem Erlaß eines Versäumnisurteils entgegen. Zweifel an diesem Ergebnis könnten sich jedoch daraus ergeben, daß Art. 15 HZÜ nach dem Willen der 10. Haager Konferenz die unterschiedlichen Formen fiktiver Inlandszustellungen360 überwinden wollte. Damit erfaßt Art. 15 HZÜ vor allem die remise au parquet, darüber hinaus aber auch alle weiteren von den autonomen Rechten der Vertragsstaaten vorgesehenen Formen der fiktiven Inlandszustellung, sofern der Beklagte dabei von der im Inland durchgeführten Zustellung zu benachrichtigen ist. So fiele unter Art. 15 HZÜ auch eine nach § 175 ZPO vorgenommene Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks durch Aufgabe zur Post, wenn § 175 ZPO nicht schon von sich aus diese Form der fiktiven Inlandszustellung auf nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke

359

Stürner JZ 1992, 325, 332 (wenn auch allgemeiner).

360

Unberührt bleiben Fiktionen bei der Durchführung der Zustellungen im ersuchten Staat, Soek

NILR 1982, 72, 87 mwN; SU / H.Roth § 199 Rz. 34. 17 Kondriny

2 5 8 2 .

Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

beschränkte. 361 Gleiches würde für eine öffentliche Zustellung gelten, sofern man mit einigen Autoren 362 bei einer öffentlichen Zustellung über den Text des § 203 I I ZPO hinaus eine zusätzliche postalische Benachrichtigung verlangte. 363 A l l diesen Zustellungsformen ist jedoch gemein, daß sie auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Adressaten verzichten, sofern die Benachrichtigung über die inländische Zustellung nur in seine Richtung auf den Weg gebracht ist. Gerade dieser Verzicht macht auch den fiktiven Charakter der genannten Formen der Inlandszustellung aus. Die hieraus für den Adressaten resultierende Gefahr liegt auf der Hand. Der Schutz durch Art. 15 HZÜ erscheint gerechtfertigt. Anders liegt es in den an dieser Stelle interessierenden Fällen der Heilung einer irrtümlichen Inlandszustellung durch Kenntnisnahme des Adressaten im Ausland. Hier resultiert die Wirksamkeit der inländischen Zustellung aus der tatsächlichen Erreichung des Zustellungszwecks durch Kenntnisnahme. Die Zweckerreichung wird insoweit im Rahmen des § 187 ZPO nicht lediglich fingiert. 364 Damit führt die Heilung einer irrtümlichen Inlandszustellung im Wege des § 187 ZPO nicht zu einer fiktiven Inlandszustellung im engen Sinne des Wortes. Obwohl die hier interessierenden Fälle damit dem Wortlaut nach von Art. 15 HZÜ erfaßt werden, decken sie sich nicht mit dem eigentlichen Ziel des Art. 15 HZÜ, der Eindämmung der ausfiktiven Inlandszustellungen resultierenden Gefahren. Ähnliche Erwägungen führten auch den U.S. Supreme Court im Verfahren Schlunk v. Volkswagen A G 3 6 5 dazu, die zwingende Anwendung des HZÜ bei einer Zustellung an eine inländische Tochter einer ausländischen Muttergesellschaft zu verneinen. Insbesondere gebietet nach Ansicht des Gerichts in dem genannten Fall Art. 15 HZÜ keine Beschreitung des vom HZÜ vorgegebenen Zustellungsweges. Art. 15 HZÜ richte sich nach dem Willen der 10. Haager Konferenz allein gegen die französische remise au parquet. Demgegenüber sei in den Materialen der Konferenz von der inländischen Zustellung an einen unvoluntary agent im Zusammenhang mit Art. 15 HZÜ keine Rede. 366

361

H. Roth IPRax 1990, 90, 92; OLG München NJW 1987, 3086.

362

Etwa Geimer IZPR Rz. 2087 mwN.

363

Pfeil-Kammerer

364

Siehe oben § 5 V.

365

108 S.Ct. 2104.

366

S. 154.

108 S.Ct. 2104, 2110. Siehe auch bei Heidenberger / Barde RIW 1988, 683, 686; Koch IPRax 1989, 313, 314. Zu Recht kritisiert Otto S. 113 die Ansicht des Supreme Court als formalistisch.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

259

Dogmatische Grundlage der Ausführungen des U.S. Supreme Court dürfte die sogenannte mischief rule des anglo-amerikanischen Rechts gewesen sein. 367 Nach dieser Auslegungsregel sind Gesetze dann eng auszulegen, wenn der Gesetzgeber hierdurch allein einen bestimmten historischen Mißstand beseitigen wollte. 368 Dabei ist diese Regel nicht nur auf inländisches Recht beschränkt, sondern erfaßt auch internationale Abkommen wie das HZÜ. 3 6 9 Da Art. 15 HZÜ nach Ansicht des Supreme Court nur im Hinblick auf die remise au parquet eine zwingende Anwendung des Abkommens sicherstellen wollte, vermag die Norm nach der mischief rule über diesen historischen Zweck hinaus andere Formen der Inlandszustellung wie die Zustellung an einen unvoluntary agent nicht zu unterbinden. Ohne Bedeutung sei insoweit auch, daß nach den Erfahrungen der Praxis der unvoluntary agent der Muttergesellschaft regelmäßig Kenntnis von dem zugestellten Schriftstück verschaffe. Hierauf komme es nicht an, da das Abkommen nur solche Übermittlungen in das Ausland erfasse, die notwendiger Bestandteil der Zustellung seien.370 Übertragt man die Erwägungen des U.S. Supreme Court auf den hier interessierenden Fall der Heilung einer irrtümlichen Inlandszustellung durch tatsächliche Kenntniserlangung im Ausland, so stünde m.E. Art. 15 HZÜ einer Anwendung von § 187 ZPO auf den genannten Fall nicht im Wege. Zwar verlangt diese Fallvariante anders als das US-amerikanische Recht in Schlunk v. Volkswagen AG 3 7 1 eine tatsächliche Kenntnisnahme des Adressaten im Ausland und damit auch eine Übermittlung in das Ausland. 372 Auch ist für die Anwendung des HZÜ insoweit nicht von Belang, daß das fälschlich im Inland zugestellte Schriftstück auf dem internen Kommunikationswege zwischen Tochterund Muttergesellschaft und nicht auf Veranlassung der Organe des Zustel-

367

Koch IPRax 1989, 313, 314 Fn. 13.

368

Zweigert / Kötz I S. 310.

369

Für eine Anwendung der mischief rule im Rahmen des H Z Ü schon Graveson ICLQ 1965, 528, 530. 370

108 S.Ct. 2104, 2112; siehe auch bei Heidenberger / Barde RIW 1988, 683, 688.

371

Dort lag sowohl die „signification" als auch die „notification" im Inland, dazu Otto S. 116; a.A. Koch IPRax 1989, 313, 314. 372 Hieran scheitert m.E. im Fall des U.S. Supreme Court die Anwendung des HZÜ; a.A. Koch IPRax 1989, 313, 314. Unberechtigt deshalb auch wohl die Zweifel der Expertenkommission, dazu bei Welp RabelsZ 54 (1990) 364, 366. Auch im deutschen Recht ist die Weiterleitung des gemäß § 183 ZPO wirksam zugestellten Schriftstücks durch den inländischen Gehilfen an den sich im Ausland aufhaltenden „Chef 4 nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Ersatzzustellung, Geimer IZPR Rz. 3253.

1

2 6 0 2 .

Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

lungsstaates übermittelt wurde. 373 Da es jedoch anders als in den von Art. 15 HZÜ typischerweise erfaßten Fällen bei § 187 ZPO auf eine tatsächliche Kenntnisnahme ankommt, führte die mischief rule auch insoweit wohl zur Nichtanwendbarkeit des Art. 15 HZÜ. Unbesehen der Bedenken, die ohnehin gegen eine allein auf der Grundlage nationaler Methoden vorgenommene Auslegung internationaler Abkommen bestehen, erscheint ein solches Ergebnis m.E. jedoch nicht vom historischen Willen der 10. Haager Konferenz gedeckt. Zwar ist unbestritten, daß Art. 15 HZÜ in erster Linie den Gefahren der fiktiven Inlandszustellungen, insbesondere der remise au parquet begegnen sollte. 374 Doch erkannten die Delegierten, daß daneben auch Übermittlungsfehler („erreurs de transmission") durch Art. 15 HZÜ sanktioniert werden. 375 Bereits hiernach wäre es verfehlt, den Anwendungsbereich des Art. 15 HZÜ auf fiktive Inlandszustellungen zu verkürzen. Darüber hinaus zeigen auch die Arbeiten der die 10. Haager Konferenz vorbereitenden Commission Spéciale , daß durch Art. 15 HZÜ auch Zustellungsmängel sanktioniert werden: Denn die Commission Spéciale lehnte einen belgischen Vorschlag ab, demzufolge es für die Fortsetzung des Verfahrens gemäß Art. 15 HZÜ allein erforderlich sein sollte, daß der Beklagte eine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit hatte. 376 Nach dem belgischen Vorschlag kam demnach der Einhaltung der Zustellungsförmlichkeiten im Rahmen des Art. 15 HZU dann keine besondere Bedeutung zu, wenn trotzdem der Zustellungszweck erreicht worden war. Die Zurückweisung des belgischen Formulierungswunsches zeigt dagegen deutlich, daß es im Hinblick auf Art. 15 HZÜ auch auf die Beachtung der vom HZÜ vorgeschriebenen Zustellungsformen ankommt. Diese Entscheidung der Commission Spéciale gegen einen allgemeinen Zweckerreichungsgedanken im Rahmen von Art. 15 HZÜ darf nicht durch die Anwendung

373 A.A. insoweit wohl U.S. Supreme Court 108 S.Ct. 2104, 2112; siehe auch bei Heidenberger / Barde RIW 1988, 683, 688. 374

Es werden nur fiktive Zustellungen im Gerichtsstaat, nicht aber im ersuchten Staat erfaßt. Die Durchführung der Zustellung im ersuchten Staat kann trotz Art. 15 H Z Ü weiter auch in den fiktiven Zustellungsformen des ersuchten Staates vollzogen werden, StJ / H. Roth § 199 Rz. 32; Soek NILR 1982, 72, 86; Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1075; Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 94. 375 So die Stellungnahme des Franzosen Bellet, Procès-Verbal, in: Actes et Documents III S. 268, der vor dem Hintergrund des Art. 15 H Z Ü vor einer Lähmung des Verfahrens durch unbedeutende Übermittlungsfehler warnt. Auch Loussouarn, der als französischer Delegierter an der Konferenz teilnahm, spricht andernorts (Clunet 1965, 5, 14) im Zusammenhang mit Art. 15 HZÜ allgemein von „non-accomplissement des formalités préscrites ou leur exécution défectueuse". 376

Berichtet von Ferreira , Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 95.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

261

der ebenfalls auf dem Zweckerreichungsgedanken beruhenden nationalen Heilungsvorschriften unterlaufen werden. Neben dem Wortlaut des Art. 15 HZÜ spricht damit auch eine historische Betrachtung für die Einbeziehung von Zustellungsmängeln in den Anwendungsbereich dieser Sanktionsvorschrift. Unerheblich ist damit insoweit, ob es sich dabei um fiktive Zustellungsformen handelt. Hiermit deckt sich auch das Anliegen des HZÜ, im Rahmen seines von Art. 1 I HZÜ vorgegebenen Anwendungsbereichs bindend zu sein. Eine Beschränkung des Art. 15 HZÜ auf fiktive Inlandszustellungen würde dieses Ansinnen unterlaufen. Auch insoweit deckt sich also der Anwendungsbereich von Art. 1 und Art. 15 HZÜ. 3 7 7 Damit schließt Art. 15 HZÜ grundsätzlich eine Heilung von Zustellungsfehlern wenn auch nicht formell, so doch faktisch aus. 378 Dies kann jedoch nur insoweit gelten, wie Art. 15 HZÜ selbst ersichtlich keine Durchbrechung dieses Grundsatzes zuläßt. Wie bereits weiter oben herausgestellt, ist die Sanktion des Art. 15 HZÜ im Hinblick auf vom HZÜ nicht vorgesehene Übermittlungsformen abschließend. Selbst im Rahmen des Art. 15 I I HZÜ kann nach dessen lit. a das Verfahren nur dann fortgesetzt werden, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nach einem vom HZÜ vorgesehenen Verfahren in das Ausland übermittelt worden ist. Dies war im Rahmen der 2. Abwandlung des Ausgangsfalls — wie vorstehend bereits festgestellt — nicht gegeben. Trotz Heilbarkeit des Zustellungsfehlers nach § 187 ZPO und daraus resultierender innerstaatlicher Wirksamkeit des Zustellungsaktes hindert Art. 15 HZÜ damit durch Eingriff in das deutsche Säumnisrecht den Erlaß eines Versäumnisurteils. Danach ergibt sich für die Heilung einer irrtümlichen Inlandszustellung im Rahmen des HZÜ folgendes Gesamtbild: Wird entgegen § 199 ZPO eine Zustellung nicht über den vom HZÜ vorgeschriebenen Weg im Ausland, sondern fälschlicherweise im Inland zugestellt, so ist dieser Fehler gemäß § 187 ZPO heilbar, wenn sich der für die Heilung maßgebliche Umstand im Inland vollzieht. Es muß also z.B. der ausländische Adressat im Inland Kenntnis von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück erlangen. Auch reicht es aus, daß der inländische Empfänger, der im Zeitpunkt der Zustellung keine Zustellungsvollmacht besaß, nachträglich von dem ausländischen Adressaten eine solche

377 Zum gleichen Anwendungsbereich beider Vorschriften schon die Feststellung des schwedischen Delegierten Essén im Rahmen der 10. Haager Konferenz, Procès-Verbal, in: Actes et Documents III S. 255. 378

Insoweit zutreffend Schack IZVR Rz. 619.

262

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Vollmacht erhält, sofern der inländische Empfänger das ursprünglich mangelhaft zugestellte Schriftstück noch in Besitz hat. Demgegenüber kann der deutsche Richter trotz einer Heilung nach § 187 ZPO wegen Art. 15 HZÜ dann kein Versäumnisurteil erlassen, wenn sich der für die Heilung maßgebliche Umstand im Ausland verwirklicht und der Adressat nur dort Kenntnis von dem ihm übermittelten verfahrenseinleitenden Schriftstück erhalten hat. Damit entspricht die hier zum HZÜ vertretene Auffassung der neuerdings ebenfalls vom BGH 3 7 9 im Rahmen des vertragslosen Rechtshilfeverkehrs vertretenen Zweiteilung. Auch der BGH will eine Heilung nur dann zulassen, wenn der für die Heilung maßgebliche Umstand sich im Inland verwirklicht hat. Anders aber als der BGH, der seine Entscheidung auf in dieser Arbeit nicht geteilte 380 Erwägungen des allgemeinen Völkerrechts stützt, ergibt sich die hier im Rahmen des HZÜ vertretene differenzierte Behandlung der irrtümlichen Inlandszustellung allein aus der insoweit maßgeblichen völkervertraglichen Regel des Art. 15 HZÜ. Die vom BGH vertretene Auffassung betrifft damit nicht nur eine andere Fallgruppe als die hier behandelte Zustellung nach dem HZÜ, sondern unterscheidet sich auch grundlegend in ihrer Begründung von dem hier zum HZÜ vertretenen Ansatz. Die Ähnlichkeit der beiden Ergebnisse ist eher zufalliger Natur.

IL Falscher Übermittlungsweg Auch im Rahmen des HZÜ werden häufig unzulässige Übermittlungswege zur Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks gewählt. Dies sei an dem folgenden Fall 3 8 1 beispielhaft dargelegt: Beim Landgericht Kiel ist eine Klage gegen einen in Norwegen wohnhaften Norweger Ν anhängig geworden. Die deutschen Stellen wenden sich mit ihrem Antrag auf Zustellung unmittelbar an den Gerichtsvollzieher am Wohnort des N. Dieser führt die Zustellung der mit einer norwegischen Übersetzung versehenen Klageschrift entsprechend den Vorschriften des norwegischen Rechts aus. 382 Da die

379

BGH W M 1989, 238, 240.

380

Siehe oben § 16 I und II.

381 Ähnlich der Sachverhalt bei KG OLGZ 1974, 328 (dort allerdings im Verhältnis Deutschland / Frankreich und im Rahmen des Haager Zivilprozeßübereinkommens von 1954). 382

Zur Zustellung nach norwegischem Recht siehe Ringdal / Vefling operation, S. 281, 292 f.

/ Ginsburg in: Smit, Co-

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

263

Klage entgegen dem norwegischen Widerspruch 383 gemäß Art. 10 lit. b HZÜ zugestellt worden war, bleibt Ν im Termin säumig.

Die Zustellung verstieß vorliegend gegen Art. 10 lit. b HZÜ. Auch wenn nach autonomem norwegischem Recht grundsätzlich ein unmittelbar an den Zustellungsbeamten gerichtetes Zustellungsersuchen zulässig ist 384 , so hat Norwegen doch im Rahmen des HZÜ einen Vorbehalt gegen diese Art der Übermittlung erklärt. Darüber hinaus besitzt bereits der deutsche Widerspruch zu Art. 10 HZÜ 3 8 5 allseitige Wirkung 386 , so daß aus deutscher Sicht nicht nur das HZÜ, sondern auch § 199 ZPO verletzt wurde. Sowohl im Rahmen des vertragslosen Zustellungsverkehrs 387 als auch im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 388 sind Fehler der hier vorliegenden Art im deutschen Prozeß gemäß § 187 ZPO heilbar. Eine solche Heilung nach der lex fori des Gerichtsstaates verletzt nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts weder die fremdstaatliche Souveränität noch steht ihr der Grundsatz pacta sunt servanda entgegen. Wie die Untersuchungen zu den Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 ergaben, ist eine Heilung nach § 187 ZPO im vertraglichen Bereich nur dann ausgeschlossen, wenn die einschlägigen Abkommen bewußt einen Heilungsausschluß vorsehen und insoweit als lex specialis dem autonomen Heilungsrecht vorgehen. Wie vorstehend ausgeführt, greift das HZÜ nicht unmittelbar in das autonome Zustellungsrecht der Vertragsstaaten ein. Es steht damit auch einer Heilung nach § 187 ZPO formell nicht entgegen. Trotz der aus dieser Heilung resultierenden innerstaatlichen Wirksamkeit der Zustellung kann die indirekte Sanktion des Art. 15 HZÜ dem Erlaß eines Versäumnisurteils entgegenstehen. Insoweit stellt das HZÜ zwar keine lex specialis gegenüber dem deutschen Zustellungsrecht dar, wohl aber gegenüber dem deutschen Säumnisrecht.

383

BGBl. 1980 II 907; siehe auch Jayme / Hausmann Nr. 107 Fn. 7 und Practical Handbook S. 139. 384

Ringdal / Veßing / Ginsburg in: Smit, Co-operation, S. 281, 292.

385

Vgl. § 6 des deutschen AusführungsG zum HZÜ, BGBl. 1977 I 3105.

386

Siehe dazu oben § 12 II.

387

Siehe oben § 16 II.

388

Siehe oben § 17 II.

264

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Vorliegend war der Zustellungsfehler gemäß § 187 ZPO heilbar 389 , da Ν rechtzeitig Kenntnis von dem gegen ihn anhängigen Verfahren erhielt. Selbst wenn durch die Wahl eines falschen Übermittlungsweges in die norwegische Souveränität eingegriffen worden sein sollte, steht dies einer Heilung nach der deutschen lex fori nicht im Wege. 390 Trotz dieser Heilung und der sich daraus nach deutschem Recht ergebenden Wirksamkeit der Zustellung steht hier jedoch dem Erlaß eines Versäumnisurteils ebenso wie bei einem Teil der vorstehend behandelten Fallgruppe 391 Art. 15 HZÜ entgegen. Diese Vorschrift findet wie das gesamte HZÜ gemäß Art. 1 I HZÜ immer dann Anwendung, wenn — wie im Ausgangsfall — ein Schriftstück in das Ausland zu übermitteln ist. Unerheblich ist insoweit, ob das Schriftstück auf Veranlassung der Behörden oder Gerichte des ersuchenden Staates oder — wie im vorstehend behandelten Fall 3 9 2 — auf privaten und internen Kommunikationswegen in das Ausland übermittelt wurde. Ebenso wie dort liegt hier die Verletzung des HZÜ in der Wahl eines nicht vom HZÜ zugelassenen Übermittlungsweges. Hierunter fallen auch solche Wege, denen der ersuchende oder ersuchte Staat widersprochen hat. Für diesen Fall hindert Art. 15 I HZÜ — wie gesehen — nicht nur die Fortsetzung des Verfahrens innerhalb der von Art. 15 I I HZÜ vorgesehenen Sechsmonatsfrist. Vielmehr ist gemäß Art. 15 I I lit. a HZÜ auch nach Ablauf dieser Frist der Erlaß eines Versäumnisurteils ausgeschlossen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht in einem vom HZÜ vorgesehenen Verfahren in den ersuchten Staat übermittelt worden ist. Unerheblich für die Anwendbarkeit des Art. 15 HZÜ ist wie gesehen, daß eine Heilung gemäß § 187 ZPO wegen des Erfordernisses der tatsächlichen Zweckerreichung nicht zu einer fiktiven Inlandszustellung im eigentlichen Sinne des Wortes führt. 393 Damit scheidet bei Verletzung der vom HZÜ vorgesehenen Übermittlungswege eine Heilung gemäß § 187 ZPO wenn auch (wegen der lediglich indirekten Wirkung des Art. 15 HZÜ) nicht formell, so doch faktisch aus. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn gemäß Art. 15 I I I HZÜ im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme zugestellt wird und hierbei ein Zustellungsfehler unterläuft. Art. 15 I I I HZÜ hebt in seinem engen Anwen-

389 Ausführlich zur Anwendung des § 187 ZPO bei Beschreitung des falschen Übermittlungsweges oben §§ 16 II und 17 II. 390

Siehe dazu ausführlich oben § 16 II 2.

391

Oben § 18 I (Abwandlung 2).

392

Oben § 18 I (Abwandlung 2).

393

Siehe dazu vorstehend § 18 I.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

265

dungsrahmen die faktischen Beschränkungen der Absätze 1 und 2 auf 394 , so daß eine Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates insoweit nicht nur formell, sondern auch faktisch unangetastet bleibt. 395 Entgegen der hier vertretenen Ansicht finden sich in der Literatur 396 Stimmen, denen zufolge über Art. 15 I I I HZÜ hinaus eine Heilung zumindest dann zulässig sein soll, wenn — wie im Ausgangsfall — trotz der Benutzung eines falschen Übermittlungsweges die Behörden des ersuchten Staates eingeschaltet worden sind. Zwar mag eine solche Heilung de lege ferenda erstrebenswert sein, zumal der hier betroffene Staat Norwegen außerhalb des HZÜ unmittelbar an den Gerichtsvollzieher gerichtete Zustellungsersuchen offenbar zuläßt. 397 Unabhängig aber von der Zweifelhaftigkeit einer Zweiteilung der an dieser Stelle diskutierten Fallgruppe in Einschaltung und Nichteinschaltung der ausländischen Behörden 398 muß eine solche Heilung im Ergebnis aber de lege lata am insoweit klaren Wortlaut von Art. 15 HZÜ (zwar nicht formell, aber faktisch) scheitern. 399 Auch der von P. Schlosser 400 für den Fall eines unzulässigen Übermittlungsweges gemachte Lösungsvorschlag, wonach auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners von Gerichtsstaats- und Zustellungsstaatsrecht eine Heilung möglich sein soll, trägt mangels ersichtlicher Grundlage nicht. 401 Der Erlaß eines Versäumnisurteils scheitert damit im Rahmen des HZÜ an Art. 15 I und I I HZÜ, sofern der Beklagte säumig ist und das verfahrenseinleitende Schriftstück auf einem nicht vom HZÜ vorgesehenen Wege in den Zustellungsstaat übersandt worden ist. Unerheblich ist insoweit, ob die Behörden des Zustellungsstaates — wie etwa im Ausgangsfall — in die Zustellung einbezogen waren oder ob — zum Beispiel im Falle einer postalischen Direktzustellung — an diesen vorbei zugestellt wurde.

394

Ebenso Schack IZVR Rz. 611.

395

Rauscher IPRax 1992, 71, 72; a.A. Stürner JZ 1992, 325, 332 Fn. 72.

396

Braun S. 156. Zwar beziehen sich dessen Ausführungen nur auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und nicht ausdrücklich auf das HZÜ. Doch waren seinerzeit (Entstehungszeitpunkt der Arbeit von Braun) mit Ausnahme von Irland alle EuGVÜ-Vertragsstaaten gleichzeitig Vertragsstaaten des HZÜ. Somit ist die Ansicht von Braun ebenda nur im Hinblick auf das H Z Ü verständlich. 397

Ringdal / Veßing / Ginsburg in: Smit, Co-operation, S. 281, 292.

398

Siehe oben § 17 II 3.

399

Die de lege lata vorhandene Enge des H Z Ü beklagt auch Schack JZ 1993, 621.

400

FS Matscher S. 387, 399.

401

Kritisch hierzu auch Schack JZ 1993, 621, 622.

266

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Etwas anderes könnte sich jedoch dann ergeben, wenn der Beklagte im Termin zwar erscheint, dort jedoch allein die unzureichende Zustellung rügt: Abwandlung: Dem Norweger Ν wurde die Klage einschließlich Ladung in der im Ausgangsfall beschriebenen Weise unter Verletzung der vom HZÜ vorgesehenen Übermittlungswege zugestellt. Ν erscheint zwar im Termin vor dem Landgericht Kiel, doch beschränkt er sich darauf, die fehlerhafte Zustellung zu rügen.

Nach der Wertung des HZÜ verliert der Beklagte seine Schutzwürdigkeit, wenn er sich auf das Verfahren einläßt („comparaît"). 402 Die Aufgabe des Richters soll in diesem Fall nicht durch die Rechtmäßigkeitskontrolle der Zustellung erschwert werden. Aus diesem Grunde ist der Anwendungsbereich des Art. 15 HZÜ auf die Fälle beschränkt, in denen der Beklagte sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat. Im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Einlassung bestehen zwischen den HZÜ-Vertragsstaaten aber erhebliche Unterschiede. 403 Am weitesten geht wohl die U.S.-Praxis, wo bereits zum Teil die Rüge einer fehlerhaften Zustellung ohne direkte Einlassung zur Sache ausreicht, um eine Fortsetzung des Verfahrens zu begründen. 404 Demgegenüber verlangen andere Rechte ähnlich wie die deutsche ZPO grundsätzlich eine Stellungnahme in der Sache.405 Vor diesem Hintergrund erscheint es wünschenswert, einen übereinkommenseinheitlichen Einlassungsbegriff zu verwenden. Doch fehlen dahin gehende Bemühungen soweit ersichtlich bis heute. Auch dürften dem praktische Probleme entgegenstehen, da, wie § 295 I I ZPO zeigt, der Einlassungsbegriff zu eng mit der lex fori verbunden ist, als daß dieser „internationalisiert" werden könnte. 406

402

Ferreira,

403

Dazu auch Junker JZ 1989, 121, 124 (USA).

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 94.

404 Pfeil-Kammerer S. 82 mwN; Kochinke / Horlick RIW 1982, 79, 80 f. mwN; für überholt halten diesen Rechtszustand dagegen Junker IPRax 1986, 197, 207 Fn. 173; Wölki RIW 1985, 530, 532; Hollmann RIW 1982, 784, 794. Zumindest nach dem Recht von Nevada begründet aber auch heute noch die bloße Zustellungsrüge eine rügelose Einlassung, sofern daneben — ohne jeglichen weiteren Vortrag (!) — die Klageabweisung in der Sache beantragt wird. Genügt die bloße Zustellungsrüge zur Einlassung, so befindet sich der Beklagte gleichermaßen in einer „Zwickmühle", wenn andererseits bei einem tatsächlichen Fembleiben im Prozeß die Fehlerhaftigkeit der Zustellung nicht festgestellt wird, da dies nicht von Amts wegen, sondern nur auf eine besondere Rüge hin geschieht, Junker JZ 1989, 121, 124. 405

BLÄH / Hartmann § 333 Rz. 2; StJ 20 / Schumann § 333 Rz. 7: Abweisungsantrag begründet keine Einlassung, sofern über den bloßen Antrag hinaus keine erläuternden Ausführungen gemacht werden. 406

A.A. zumindest im Rahmen des EuGVÜ Kropholler

EuZPR Art. 27 Rz. 22.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

267

Auch hierdurch wird faktisch die Schutzwirkung des Art. 15 HZÜ geschwächt. Es liegt nämlich — wie am Beispiel des US-amerikanischen Rechts gesehen — grundsätzlich in der Hand des nationalen Gesetzgebers, Art. 15 HZÜ über die Definition des Einlassungsbegriffs zumindest dann leerlaufen zu lassen, wenn der Beklagte zwar erscheint und die fehlerhafte Zustellung rügt, ohne sich jedoch weiter zur Sache einzulassen. Die 10. Haager Konferenz nahm hin, daß die nationalen Gesetzgeber das HZÜ einschließlich der Sanktionsvorschrift des Art. 15 HZÜ dadurch leicht aus den Angeln heben können, daß sie statt einer Auslandszustellung eine reine Inlandszustellung ohne Benachrichtigung des Beklagten anordnen. 407 Auch wenn, soweit ersichtlich, auf der 10. Haager Konferenz das Problem der Definition der Einlassung nicht gesehen wurde 408 , ist in Anlehnung an die genannte Entscheidung der 10. Haager Konferenz davon auszugehen, daß auch insoweit die Anwendbarkeit des HZÜ in die Hände der nationalen Gesetzgeber gelegt werden sollte. Die diesbezüglich einzig vorhandene Schranke dürfte hier wie dort der stets einzuhaltende fremdenrechtliche Mindeststandard darstellen. 409 So entscheidet die deutsche lex fori darüber, welche Voraussetzungen an eine Einlassung vor einem deutschen Prozeßgericht zu knüpfen sind. Hat sich danach der Beklagte auf das Verfahren trotz eines Zustellungsmangels eingelassen, so stünde Art. 15 HZÜ der Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr im Wege. In der Abwandlung, die den Ausgangspunkt der hier diskutierten Problematik bildet, darf der deutsche Richter trotz einer Heilung des Fehlers gemäß § 187 ZPO 4 1 0 wegen Art. 15 HZÜ nur dann ein Urteil erlassen, wenn das Verhalten des Beklagten Ν als Einlassung gewertet werden kann. Nach deutschem Recht führt die bloße Rüge eines Zustellungsfehlers nicht zu einer Einlassung in der Sache, wenn der Beklagte in der Sache selbst nichts weiter vorträgt. 411 Obwohl Ν im Termin erschienen und der Mangel nach der deutschen lex fori ge-

407 Stellungnahme der deutschen Bundesregierung, in: Actes et Documents III S. 125; Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 93; zu dieser Gefahr auch PfeilKammerer S. 155. 408 Soweit ersichtlich, schweigen diesbezüglich sowohl die Materialien zum HZU als auch das Practical Handbook. 409

Dazu Geimer IZPR Rz. 131.

410

Dazu die Ausführungen zum Ausgangsfall; zur Heilung einer mangelhaften Ladung durch Erscheinen siehe Zöller / Stephan Vor § 330 Rz. 3. 4,1

BLÄH / Hartmann § 333 Rz. 2.

268

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

mäß § 187 ZPO als geheilt anzusehen war, steht mangels Einlassung des Ν auch vorliegend Art. 15 HZÜ einer Fortsetzung des Verfahrens entgegen.

III. Durchfuhrungsfehler Sowohl im vertragslosen Zustellungsverkehr als auch bei der Zustellung im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 stellt die formlose Zustellung den Normalfall der Rechtshilfe dar. 412 Demgegenüber hat das HZÜ in Art. 5 I die förmliche Zustellung zum Regelfall erklärt. 413 Gemäß Art. 5 I lit. a HZÜ werden Zustellungsersuchen ohne einen entgegenstehenden Wunsch des ersuchenden Staates grundsätzlich in den von der lex fori des Zustellungsstaates vorgesehenen Formen durchgeführt. 414 Durch den Grundsatz der förmlichen Zustellung erhöht sich im Rahmen des HZÜ die Gefahr von Durchführungsfehlern wegen der mit der förmlichen Zustellung einhergehenden weiteren Verkomplizierung des Zustellungsrechts erheblich. Das zeigt der folgende Fall: Der Franzose F wurde vor dem LG Münster verklagt. Der Präsident des Landgerichts wandte sich als zuständige Prüfungsstelle 415 gemäß Art. 1 I Nr. 2 der deutsch-französischen Vereinfachungsvereinbarung mit der Bitte um förmliche Klagezustellung unmittelbar an die Staatsanwalt bei dem Gericht erster Instanz am Wohnsitz des F. Die Staatsanwaltschaft leitet das von einer Übersetzung begleitete zuzustellende Schriftstück zum Zwecke einer den Formen des französischen Rechts entsprechenden Durchführung der Zustellung (Art. 5 I lit. a HZÜ) an den zuständigen Huissier weiter. 416 Das französische Recht geht in Art. 654 I NCPC vom Grundsatz der Zustellung in personam aus. Erst wenn eine solche nicht möglich ist, ist subsidiär 417 eine Ersatzzustellung in der Wohnung des Adressaten möglich, Art. 655 I NCPC. Empfangsberechtigte Personen sind gemäß Art. 655 II NCPC der Reihe nach alle in der Wohnung angetroffenen Personen, der Hausmeister des Hauses, in dem sich die Wohnung des Adressaten befindet, und zuletzt alle Nachbarn. Verweigern diese die Annahme, so ist das zuzustellende Schriftstück durch den Huissier auf dem Bürgermeisteramt zu hinterlegen und der Empfänger brieflich hier-

412

Hollmann RIW 1982, 784, 790; Arnold NJW 1970, 1478, 1481.

413

Hollmann RIW 1982, 784, 790; Denkschrift zum HZÜ BT-Drucks. 7 / 4892 S. 43 f.; siehe schon oben § 12 III a.E. 414 Zur Ausweichmöglichkeit auf Art. 5 II H Z Ü trotz eines Antrages auf förmliche Zustellung F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165; a.A. BGH W M 1988, 1208, 1210. 415

Siehe § 27 ZRHO, der auch beim unmittelbaren Behördenverkehr die Einschaltung der in § 9 ZRHO bestimmten Prüfungsstellen vorsieht. Dazu Nagel, Rechtshilfe, S. 79. 416

Zu diesem Verfahren Herzog / Smit, in: Smit, Co-operation, S. 119, 154.

417

Couchez Rz. 183.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

269

über zu benachrichtigen. 418 Nachdem der Huissier vergeblich die persönliche Zustellung am Arbeitsplatz des F versucht hat, begibt er sich zu dessen Wohnung. Auch dort trifft er weder den F noch irgend eine andere Person an. Der Hausmeister und die Nachbarn lehnen die ersatzweise Entgegennahme der Klageschrift ab. Daraufhin hinterlegt der Huissier das Schriftstück statt beim Bürgermeisteramt irrtümlich bei der Staatsanwaltschaft. 419 F wird hiervon brieflich benachrichtigt und nimmt noch am folgenden Tag die Klage bei der Staatsanwaltschaft in Empfang. Gleichwohl bleibt F im Termin vor dem LG Münster säumig.

Zwar erreichte die Zustellung im vorstehenden Fall trotz des Durchführungsfehlers ohne Zweifel faktisch voll ihren Zweck. Ungeachtet dieser Tatsache darf der deutsche Richter aber nur dann ein Versäumnisurteil gegen F erlassen, wenn der Fehler (wegen der Zweckerreichung) geheilt ist und dieser Umstand zu einer ordnungsmäßigen Zustellung führt.

1. Die Heilung von Durchführungsfehlern innerhalb von sechs Monaten seit Absendung des Rechtshilfeersuchens Mit ihrer Erklärung zu Art. 15 Π HZÜ hat die Bundesrepublik Deutschland 420 wie zuvor schon eine Reihe anderer Staaten421 die Sanktionswirkung des Art. 15 HZÜ relativiert. Danach kann nunmehr auch der deutsche Richter unter bestimmten Voraussetzungen nach sechs Monaten das Verfahren ungeachtet des Art. 15 I HZÜ fortsetzen. Dies macht im vorliegenden Zusammenhang eine Differenzierung zwischen einer Heilung von Durchführungsfehlern vor und nach Ablauf der Sechsmonatsfrist erforderlich. Im folgenden soll zunächst die Heilung von Durchführungsfehlern vor Ablauf der sechsmonatigen Frist untersucht werden.

a) Heilung nach dem Recht des Zustellungsstaates Das HZÜ verweist in Art. 5 I lit. a HZÜ gleich einer prozessualen Kollisionsnorm 422 auf das Recht des Zustellungsstaates. Mit einer inzwischen als vor-

418

Art. 656 NCPC; dazu Nagel IZPR Rz. 504.

419

So geschehen im Fall LG Hamburg RIW 1991, 767.

420

BGBl. 1993 II 704.

421

Siehe die Übersicht in Practical Handbook S. 151; Jayme / Hausmann Nr. 103 Fn. 9.

422

Dazu oben § 12 III.

270

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

herrschend zu bezeichnenden neueren Ansicht 423 erfaßt diese Verweisung nicht nur die Zustellungsregeln im engeren Sinne. Vielmehr beruft Art. 5 I lit. a HZÜ auch die auf diese Zustellungsregeln anwendbaren autonomen Heilungsvorschriften zur Anwendung. Verstieß die Durchführung der Zustellung gegen das insoweit maßgebliche Recht des ersuchten Staates und ist dieser Fehler nach Maßgabe der Heilungsvorschriften derselben Rechtsordnung heilbar, so ist der (deutsche) Prozeßrichter nicht durch das HZÜ daran gehindert, trotz des Durchführungsmangels ein Versäumnisurteil zu erlassen. Insbesondere Art. 15 I lit. a HZÜ sperrt insoweit nicht. Diese Vorschrift korrespondiert mit der Regel des Art. 5 I lit. a HZÜ. 4 2 4 Hier wie dort sind gleichermaßen sowohl die Zustellungsvorschriften im engeren Sinne als auch die Heilungsvorschriften erfaßt. Durch die Heilung wird eine Zustellung, die an sich den Durchführungsformen des von Art. 5 I lit. a HZÜ berufenen Rechts des Zustellungsstaates widerspricht, zu einer von eben dieser Rechtsordnung als formwirksam anerkannten Zustellung. Die mangelhaft durchgeführte, aber nach dem Recht des ersuchten Staates dennoch geheilte Zustellung stellt damit eine Zustellung in einer Form dar, wie sie das Recht des ersuchten Staates für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt 25 oder zuläßt. Damit kann der Prozeßrichter im ersuchenden Gerichtsstaat trotz eines Durchführungsmangels gemäß Art. 15 I HZÜ das Verfahren fortsetzen, wenn anhand des Zustellungszeugnisses426 festgestellt ist, daß die Zustellung zwar mangelhaft durchgeführt wurde, jedoch dieser Fehler nach dem insoweit maßgeblichen Recht des Zustellungsstaates als geheilt anzusehen ist. 427 Unerheblich ist, ob es sich bei der ausländischen Heilungsvorschrift um eine Muß- oder um eine Ermessensvorschrift handelt. 428

423 SU/H.Roth § 187 Rz. 27 und 32; Wiehe S. 136; Stürner JZ 1992, 325, 331; Rauscher JR 1993, 413, 414; ders. IPRax 1993, 376, 377; ders. IPRax 1991, 156, 158 f.; Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 30; P. Schlosser FS Matscher S. 387, 396 Fn. 32; wohl auch MüKo-ZPO / Gottwald Art. 27 EuGVÜ Rz. 19. Demgegenüber verkannt von BGH RIW 1993, 673, 675. 424

Denkschrift zum H Z Ü BT-Drucksache 7 / 4892 S. 48.

425

So der übereinstimmende Text von Art. 5 I lit. a und 15 I lit. a HZÜ.

426 Diese Notwendigkeit ergibt sich m.E. aus einem Gegenschluß zu Art. 15 II HZÜ, siehe dazu schon oben § 12 IV 1. Zur Bedeutung des Zustellungszeugnisses bei der Ordnungsmäßigkeitsprüfung im Rahmen von Art. 15 1 HZÜ auch Denkschrift zum HZÜ BT-Drucks. 7 / 4892 S. 48. 427 Probleme ergeben sich allerdings dann, wenn die Behörden des ersuchten Staates sich nicht für berechtigt halten, eine Heilung im Zustellungszeugnis zu attestieren, so OLG Karlsruhe OLGZ 1985, 201, 203; a.A. wohl zu Recht OLG Frankfurt IPRax 1992, 166, 168; P. Schlosser FS Stiefel S. 683, 695. Ausführlich dazu unten § 24. 428

Siehe schon oben § 16 III 1; a.A. SU 20 / Schumann § 187 Rz. 43.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

271

Art. 15 I HZÜ führt dazu, daß der Richter des Gerichtsstaates im Hinblick auf die Durchführung der Zustellung die im ersuchten Staat geltenden Zustellungsregeln einschließlich der Heilungstatbestände als insoweit abschließend und rechtlich verbindlich anzusehen hat. 429 Dies gilt zumindest vor Ablauf der von Art. 15 I I HZÜ gesetzten Sechsmonatsfrist. 430 Welche Fristen aber durch die geheilte Zustellung in Gang gesetzt werden, entscheidet trotz der Bindung des Prozeßrichters an die ausländischen Zustellungs- und Heilungsregeln weiterhin das Recht des Gerichtsstaates. 431 Das HZÜ 4 3 2 läßt demgegenüber ebenso wie andere staatsvertragliche Regelungen den Fristlauf unberührt. 433 Damit liegt es ungeachtet der von Art. 15 I HZÜ ausgehenden Bindungswirkung weiter bei der lex fori des Gerichtsstaates zu bestimmen, welche Fristen durch welche Art von Zustellung wann in Gang gesetzt werden. In § 187 S. 2 ZPO spiegelt sich die grundsätzliche Entscheidung des deutschen Gesetzgebers wider, Notfristen nur bei mangelfreien Zustellungen in Gang zu setzen. Zwar werden die im Rahmen von Art. 5 I lit. a, 15 I lit. a HZÜ für die Zustellungsdurchführung maßgeblichen ausländischen Zustellungs- und Heilungsvorschriften hierauf nur selten Rücksicht nehmen, da das Institut der Notfrist in dieser Form nur den wenigsten Rechtsordnungen bekannt sein dürfte. Doch schadet dies nach den vorstehenden Ausführungen im deutschen Verfahren nicht. Vielmehr setzt sich dort insoweit die in § 187 S. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Grundsatzentscheidung der deutschen lex fori durch, die Heilungswirkung nicht auf das Ingangsetzen von Notfristen zu erstrecken. Obwohl ein Durchführungsfehler nach dem insoweit maßgeblichen Recht des Zustellungsstaates geheilt ist, setzt die danach wirksame Zustellung im deutschen Prozeß somit keine Notfrist in Gang. Für den Ausgangsfall gilt damit folgendes: Zwar führt nach französischem Recht ein Verstoß gegen Art. 656 NCPC gemäß Art. 693 NCPC zur Nichtigkeit

429

Nagel, Rechtshilfe, S. 118.

430

Nagel, Rechtshilfe, S. 118.

431

Siehe aber OLG Karlsruhe OLGZ 1985, 201, 203, das aus diesem Grunde eine Anwendung von § 187 ZPO im Zeugniserteilungsverfahren ablehnt: „Dies verbietet sich bei Zustellungen einer ausländischen Klage in Deutschland auch schon deshalb, weil das deutsche Gericht im Regelfalle nicht in der Lage ist zu überprüfen, ob und welche Art von Fristen im ausländischen Rechtsstreit durch die Zustellung in Gang gesetzt werden." 432 433

Ferreira,

Rapport Explicatif, in: Actes et Documents III S. 365.

Aus der Haltung des HZÜ läßt sich ableiten, daß die durchweg regelungsschwächeren anderen Rechtshilfeabkommen insoweit den Gerichtsstaat nicht stärker binden als das HZÜ. Siehe auch schon oben § 17 III 1.

272

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

der Zustellung. Gemäß Art. 694 NCPC gilt dies jedoch nur insoweit, als sich aus den allgemeinen Nichtigkeitsregeln der Art. 112 — 121 NCPC nichts anderes ergibt. Der danach unter anderem berufene Art. 114 I I NCPC sieht vor, daß eine Prozeßhandlung 434 nur dann wegen eines Formmangels für nichtig erklärt werden kann, wenn die andere Partei durch den Mangel beschwert ist („prouver un grief 4 ). 4 3 5 Damit hat der deutsche Richter im Ausgangsfall das Vorliegen eines grief zu prüfen. Ein solcher dürfte wegen der unumschränkten Erreichung des Zustellungszwecks zu verneinen sein. Die Durchführung der Zustellung entsprach mithin trotz des Verstoßes gegen Art. 656 NCPC wegen Art. 114 I I NCPC derjenigen Form, die das Recht des ersuchten Staates für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt. Der deutsche Richter muß mithin nicht das Verfahren gemäß Art. 15 I HZÜ aussetzen. Die Zustellung war ordnungsgemäß.

b) Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates Findet sich in der verletzten Rechtsordnung des ersuchten Staates dagegen keine Heilungsmöglichkeit, so stellt sich die Frage, ob stattdessen nicht — subsidiär — eine Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates möglich ist. Das HZÜ greift weder unmittelbar in das Zustellungs- noch in das Heilungsrecht ein. Damit läßt das HZÜ — wenngleich nur formell — nach der hier vertretenen Auffassung eine Heilung auch von Durchführungsfehlern nach der lex fori des Gerichtsstaates zu 4 3 6 Insbesondere aus den Grundsätzen des Völkergewohnheitsrechts 437 und des allgemeinen Völkervertragsrechts 438 ergeben sich insoweit keine Bedenken. Der Einwand der Territorialität des Zustellungsrechts 439 geht ebenso ins Leere wie derjenige der Inkompatibiltät inländischer Heilungstatbestände mit ausländischem Zustellungsrecht. 440

434 Wegen der Verweisung des Art. 693 NCPC findet diese Regel auch auf Zustellungen Anwendung, bei denen es sich nicht um Prozeßhandlungen handelt. 435

Zur Anwendung dieser Regel auf Mängel der Art. 654 ff. NCPC ausdrücklich Cour de Cassation Bull. Civ. 1982 II S. 79. 436

Unumschränkt so etwa StJ 20 / Schumann § 187 Rz. 43; Linke IZPR Rz. 239.

437

Oben § 16 III

438

Oben § 17 III

439

P. Schlosser FS Stiefel S. 683, 694. Dagegen Linke IZPR Rz. 239 Fn. 55.

440

So aber Stürner JZ 1992, 325, 331. Dagegen schon oben § 17 III 2 b.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

273

Damit sind Fehler bei der dem Recht des ersuchten Staates unterliegenden Zustellungsdurchführung auch im Rahmen des HZÜ zwar formell nach der lex fori des Gerichtsstaates heilbar und damit wirksam. Dennoch darf der Richter des Prozeßgerichts mangels einer Einlassung des Beklagten kein Versäumnisurteil erlassen. Dies ergibt sich aus Art. 15 I lit. a HZÜ, wonach das Verfahren so lange auszusetzen ist, bis eine den Formvorschriften des ersuchten Staates entsprechende Zustellung festgestellt ist. Zwar zählen zu diesen Vorschriften auch die Heilungstatbestände des verletzten ausländischen Durchführungsrechts 441, nicht aber diejenigen des Gerichtsstaates. Denn durch Art. 15 I lit. a HZÜ erhalten die Durchführungsvorschriften des Zustellungsstaates über ihre sonst gegebene bloße Indizwirkung hinaus 442 für den Prozeßrichter im Gerichtsstaat eine abschließende und bindende Wirkung. 443 Eine kumulative Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates verbietet sich damit. 444 Das HZÜ führt mithin insoweit zwar nicht zu einem formellen, wohl aber zu einem faktischen Heilungsausschluß. Eine andere Beurteilung ist allenfalls gemäß Art. 15 Π HZÜ nach Ablauf der Sechsmonatsfrist möglich. 445 Im Rahmen des Art. 15 I HZÜ ist abweichend vom vorstehend Gesagten eine Heilung nach der lex fori des Gerichtsstaates bei Durchführungsfehlern aber dann möglich, wenn auch die Durchführung der Zustellung bereits gemäß Art. 5 I lit. b HZÜ aufgrund eines dahin gehenden Wunsches des ersuchenden Staates diesem Recht unterlag. Auch hier gehört der Heilungstatbestand zur verletzten Normengruppe, auf die das HZÜ als Ganze verweist. Eine Grenze ziehen allein die von Art. 15 I lit. b selbst aufgestellten Einschränkungen (Übergabe an den Beklagten persönlich oder in seiner Wohnung). 446 Wegen der Bestimmung des § 20 ZRHO, wonach nicht um die Einhaltung deutscher Formvorschriften bei der Durchführung von Rechtshilfeanträgen ersucht werden soll, wird dem jedoch kaum praktische Bedeutung zukommen. 447

441

Siehe oben § 18 III 1 a.

442

Dazu oben § 17 I I I 2.

443

Siehe insoweit Nagel, Rechtshilfe, S. 118.

444

Ebenso Rauscher IPRax 1991, 156, 159.

445

Dazu sogleich unten § 18 I I I 2.

446

M.E. demgegenüber unzutreffend Wiehe S. 136, wonach bei Art. 15 I lit.b H Z Ü eine Heilung

per se ausscheiden soll. 447

Siehe auch schon oben § 17 I I I 2 a zur gleichgelagerten Problematik im Rahmen der Haager

Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954. 1Kondrin

274

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

2. Heilung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist Unterliegt die Durchführung der Zustellung gemäß Art. 5 I lit. a HZÜ dem Recht des ersuchten Staates und unterlaufen bei dieser Zustellungsdurchführung Fehler, so scheitert im Rahmen des HZÜ eine (kumulative) Heilung nach der lex fori des Gerichtsstaates stets an der bindenden Wirkung des Art. 15 I lit. a HZÜ. 4 4 8 Art. 15 I lit. a HZÜ verliert jedoch seine im Hinblick auf das Durchführungsrecht bindende Wirkung, sofern der Gerichtsstaat eine Erklärung nach Art. 15 I I HZÜ abgegeben hat und die von Art. 15 I I HZÜ aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind. 449 Diese Möglichkeit besteht für deutsche Verfahren erst seit der entsprechenden Erklärung der Bundesrepublik Deutschland vom 19.11. 1992. 450 Gemäß Art. 15 Π HZÜ darf der Prozeßrichter ungeachtet des Art. 15 I HZÜ das Verfahren fortsetzen, wenn das Schriftstück in einem vom HZÜ vorgesehenen Verfahren in den ersuchten Staat übermittelt worden ist (lit. a) und seitdem mindestens sechs Monate verstrichen sind (lit. b). 451 Damit knüpft Art. 15 I I HZÜ keinerlei Voraussetzungen mehr an die Durchführung der Zustellung. Sanktioniert wird lediglich noch die Übermittlung des Schriftstücks in den Zustellungsstaat. Fehlerhaft wäre es jedoch, hieraus folgern zu wollen, daß gemäß Art. 15 Π HZÜ Fehler in der Durchführung automatisch heilen. 452 Art. 15 Π HZÜ kompensiert und durchbricht vielmehr allein die Wirkung des Art. 15 I HZÜ. Entzog Art. 15 I HZÜ die Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung wenn auch nicht formell, so doch faktisch dem Recht des Gerichtsstaates, so entfällt mit dem Eingreifen von Art. 15 I I HZÜ auch diese faktische Beschränkung. Es ist also wie bereits im Rahmen des vertragslosen Rechtshilfeverkehrs und der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 wieder der lex fori des Gerichtsstaates überlassen, eine Zustellung wegen Fehlern in der Durchführung

448

Siehe dazu soeben § 18 III 1 b.

449

Nagel, Rechtshilfe, S. 118; diese Möglichkeit verkennt m.E. Wiehe S. 136 f.; insbesondere ist eine von Wiehe ebenda bestrittene Kumulation von Heilungstatbeständen in Art. 15 II HZÜ angelegt, vgl. im folgenden. 450 451

BGBl. 1993 II 703, 704.

Art. 15 II lit. c hat demgegenüber kaum bindende Wirkung, so ausdrücklich Ferreira, Explicatif, in: Actes et Documents III S. 378. 452

Rapport

So aber in einem obiter dictum jüngst ausdrücklich der BGH RIW 1993, 673, 675. Anders dagegen Arnold JZ 1965, 205, 206, demzufolge auch bei Art. 15 II HZÜ eine Fortsetzung des Prozesses nur dann möglich ist, wenn das innerstaatliche Recht des Gerichtsstaates dies gestattet.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

275

als nichtig oder aber — kraft Heilung gemäß der lex fori — als wirksam anzusehen.453 Der Mangel in der Durchführung der Zustellung hat damit im Hinblick auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten lediglich noch eine widerlegbare Indizwirkung, die jedoch auf der Grundlage der Wertungen der lex fori korrigiert werden kann. Damit kann ein deutscher Richter auch gemäß Art. 15 I I HZÜ nur dann das Verfahren fortsetzen, wenn die Zustellung nach der deutschen lex fori, insbesondere gemäß § 187 ZPO, als geheilt anzusehen ist. Es lebt gleichsam der nach autonomem Recht ohnehin bestehende, jedoch von Art. 15 I HZÜ faktisch „überlagerte" Rechtszustand wieder auf. 454 Zugleich bedeutet dies, daß eine Heilung nach der lex fori des Gerichtsstaates immer dann auszuscheiden hat, wenn diese Rechtsordnung nur eine § 187 ZPO a.F. entsprechende eingeschränkte Heilungsmöglichkeit vorsieht, deren Voraussetzungen im einzelnen nicht gegeben sind. Ihre Bestätigung findet die hier vertretene Auslegung nicht nur in der Praxis anderer HZÜ-Vertragsstaaten 455, sondern auch in der eigentlichen Intention des Art. 15 HZÜ. Ursprüngliches und primäres Ziel dieser Vorschrift war die Eindämmung der remise au parquet. Die remise au parquet ist grundsätzlich schon mit Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks bei der Staatsanwaltschaft nach autonomem Recht wirksam, ohne daß es noch auf die Zustellung im Ausland ankäme.456 Diese nach innerstaatlichem Recht bestehende Wirksamkeit der Zustellung wird durch Art. 15 I HZÜ zwar nicht formell, wohl aber faktisch gebrochen. 457 Durch Art. 15 I I HZÜ wird diese faktische Derogation der remise au parquet wieder aufgehoben. Demgegenüber hat Art. 15 I I HZÜ

453 A.A. offensichtlich Stürner JZ 1992, 325, 332, der m.E. übersieht, daß das H Z Ü zwischen der Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks in den ersuchten Staat und der Durchführung der Zustellung trennt, vgl. Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 78; ders., Rapport Explicatif, in: Actes et Documents III S. 366. Nur auf erstere nimmt Art. 15 II lit. a HZÜ Bezug. 454 Zur ähnlich gelagerten Problematik des Verhältnisses von Art. 15 II H Z Ü zu § 203 II ZPO siehe schon oben § 12 IV 2. 455

Zur niederländischen Haltung siehe z.B. Soek NILR 1982, 72, 88 f.: Nach der zu Art. 10 des niederländischen Ausführungsgesetzes zum HZÜ ergangenen niederländischen Rechtsprechung kann der Richter im Rahmen von Art. 15 II HZÜ nur dann das Verfahren fortsetzen, wenn der Kläger nachweist, daß der Beklagte auch ohne Einhaltung der in Art. 15 I H Z Ü aufgestellten Voraussetzungen so rechtzeitig von der Klage benachrichtigt wurde, daß er sich verteidigen konnte. Siehe auch die Entscheidung des Höge Raad N.J. 1978, 313 (Zustellung durch Zeitungsinserat vor Fortsetzung des Verfahrens nach Art. 15 II HZÜ); Bezirksgericht Alkmaar bei Sumampouw II S. 171. 456 Im einzelnen zur remise au parquet einschließlich möglicher zusätzlicher Erfordernisse siehe oben § 8 III. 457

1K*

Denkschrift BT-Drucksache 7 / 4892 S. 48.

2 7 6 2 .

Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

keinerlei Einfluß auf die formelle Wirksamkeit der remise au parquet; diese ergibt sich allein aus dem autonomen Recht des Gerichtsstaates. Unter den Voraussetzungen des Art. 15 Π HZÜ lebt auch hier lediglich der nach autonomem Recht bereits bestehende Rechtszustand wieder auf. Art. 15 I I HZÜ schafft also nichts Neues, sondern „befreit" Altes von den Fesseln des Art. 15 I HZÜ und ermöglicht so der bereits nach dem autonomen Recht der lex fori wirksamen remise au parquet, ihre Wirkungen im innerstaatlichen Prozeß nunmehr voll zu entfalten. Auf das Problem der Heilung von Durchführungsfehlern rückübertragen führt dies nach Ablauf von 6 Monaten im Ergebnis zu einer zusätzlichen Heilungsmöglichkeit nach der lex fori des Gerichtsstaates (zusätzlich zur ohnehin schon möglichen Heilung nach dem regelmäßig für die Durchführung der Zustellung maßgeblichen Recht des ersuchten Staates).458 Diese Ansicht ist ohne weiteres mit der von der 10. Haager Konferenz 459 vorgesehenen vorsichtigen und zurückhaltenden Anwendung des Art. 15 Π HZÜ vereinbar. 460 Ist ein Durchführungsfehler damit noch nicht nach dem für die Durchführung selbst maßgeblichen Recht des ersuchten Staates als geheilt anzusehen, so kann der deutsche Richter nunmehr im Rahmen von Art. 15 I I HZÜ eine Heilung nach der deutschen lex fori, insbesondere nach § 187 ZPO prüfen. Dies ist nicht nur dann möglich, wenn ein Zustellungszeugnis ganz ausgeblieben ist (so der Wortlaut von Art. 15 Π HZÜ), sondern auch dann, wenn ein Zustellungszeugnis eingegangen ist, das unrichtigerweise eine fehlerfreie Zustellung bescheinigt. Ist danach von einer nach dem Recht des Gerichtsstaates wirksamen Zustellung auszugehen, so wirkt dies auch im Anerkennungsverfahren fort. 461 Sähe im Ausgangsfall das auf die Durchführung der Zustellung anwendbare französische Recht keine Heilungsmöglichkeit vor, so könnte der deutsche Richter unter Berufung auf § 187 ZPO das Verfahren nach sechs Monaten fortsetzen und ein Versäumnisurteil erlassen. Art. 15 Π HZÜ stünde dem nicht entgegen. Insbesondere war vorliegend die Klage gemäß Art. 15 I I lit. a HZÜ auf einem vom HZÜ vorgesehenen Weg nach Frankreich übermittelt worden.

458

Ausdrücklich dagegen — wenngleich vor Inkrafttreten des Art. 15 II HZÜ durch die deutsche Erklärung — Rauscher IPRax 1991, 156, 159. 459 Siehe die Äußerungen des schwedischen Delegierten Essén, Procès-Verbal, in: Actes Documents III S. 260. 460 Ferreira, Rapport explicatif, in: Actes et Documents III S. 337 nennt als Anwendungsbeispiel für Art. 15 II die treuwidrige Zustellungsvereitelung durch den Adressaten. 461

A.A. OLG Saarbrücken IPRax 1995, 35, 37 f.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

277

IV. Fehlende Übersetzung Vor allem im Rahmen des HZÜ finden sich sehr häufig Fälle 462 , in denen dem zuzustellenden Schriftstück keine Übersetzung beigefügt worden ist. Wann jedoch das Fehlen einer Übersetzung als Zustellungsmangel anzusehen und wann dieser heilbar ist, kann im Geltungsbreich des HZÜ nicht einheitlich beantwortet werden. Vielmehr ist zu differenzieren. Der Grund hierfür liegt darin, daß gemäß Art. 5 I I I HZÜ anders als bei Art. 3 Π der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 eine Übersetzung bei förmlichen Zustellungen nicht automatisch und zwingend erforderlich ist, sondern nur auf besonderen Wunsch der Behörden des ersuchten Staates hin beizufügen ist. 463 Einige Vertragsstaaten haben jedoch erklärt, entgegen Art. 5 ΙΠ HZÜ bei förmlichen Zustellungen stets eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks zu verlangen. Eine solche Erklärung haben außer der Bundesrepublik Deutschland 464 Antigua und Barbuda 465 , Botsuana 466 , Kanada 467 , Luxemburg 468 , Schweden469 und das Vereinigte Königreich 470 abgegeben. Der Grund für die lediglich fakultative Ausgestaltung des Art. 5 I I I HZÜ wurde während der 10. Haager Konferenz in der Regel der Art. 7 und 5 IV HZÜ gesehen.471 Danach ist der ersuchende Staaten verpflichtet, dem Zustellungsersuchen ein in englischer oder französischer Sprache auszufüllendes Formular beizufügen, in dem u.a. der Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks stichwortartig zusammenzufassen ist. Dem Adressaten ist auch diese Zusammenfassung auszuhändigen.

462

Siehe die Aufstellung oben § 15 14.

463

Stade NJW 1993, 184, 185.

464 Vgl. § 3 dt. AusfG zum H Z Ü und die Bekanntmachung des Auswärtigen Amtes vom 21.06. 1979 (BGBl. 1979 II 779). 465

BGBl. 1987 II 613: englische Übersetzung.

466

BGBl. 1980 II 907: englische Übersetzung.

467

BGBl. 1989 II 807: je nach Provinz englische oder französische Übersetzung.

468

BGBl. 1980 II 907: deutsche oder französische Übersetzung bei Zustellung nach Art. 5 I lit. a HZÜ. 469

BGBl. 1980 II 907: schwedische Übersetzung.

470

BGBl. 1980 II 907: englische Übersetzung.

471

Ferreira,

Rapport Explicatif, in: Actes et Documents III S. 370.

278

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Die Bundesrepublik Deutschland hielt dieses Verfahren für nicht geeignet, den Beklagtenschutz des Zustellungsadressaten sicherzustellen 472, da nicht davon ausgegangen werden könne, daß der Empfänger ein in englischer oder französischer Sprache abgefaßtes Schriftstück versteht. 473 Im übrigen seien die Sprachfertigkeiten des Adressaten für die Zentralen Behörden kaum mit hinreichender Sicherheit feststellbar. 474 Selbst wenn aber der Empfänger der englischen oder französischen Sprache ausreichend mächtig sei, so müsse doch damit gerechnet werden, daß der lediglich stichwortartige Inhalt der Zusammenfassung zu einer ordnungsgemäßen Vorbereitung der Verteidigung nicht ausreiche. 475 Folge dieser Überlegungen war die Regelung des § 3 des deutschen Ausführungsgesetzes zum HZÜ, wonach einem in Deutschland förmlich zuzustellenden Schriftstück stets eine deutsche Übersetzung beizufügen ist. 476

1. Das Übersetzungserfordernis im Hinblick auf Vertragsstaaten, die keine Erklärung im Sinne des Art. 5 I I I HZÜ abgegeben haben Der Großteil der HZÜ-Vertragsstaaten teilt die gegen die Regel des Art. 5 ΠΙ HZÜ von der Bundesrepublik Deutschland vorgetragenen Bedenken nicht. Dennoch finden sich auch in den autonomen Rechten vieler dieser Staaten Übersetzungserfordernisse. Eine umfassende Übersicht gibt insoweit das Practical Handbook zum HZÜ. 4 7 7 Es fragt sich, welche Folgen das Fehlen einer Übersetzung hat, wenn der ersuchte Staat zwar keine Erklärung im Sinne des Art. 5 ΠΙ HZÜ abgegeben hat, jedoch nach seinem innerstaatlichen Recht verpflichtet ist, eine Übersetzung zu verlangen. Dies sei am Beispiel von Finnland untersucht.

472

Denkschrift BT-Drucks. 7 / 4892 S. 44.

473

So verlangen die USA im Rahmen des H Z Ü dann eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks, wenn die Zusammenfassung gemäß Art. 5 IV, 7 H Z Ü (nur) in Französisch abgefaßt ist, vgl. Pfeil-Kammerer S. 104 f. mwN. Die USA verzichteten aber auf eine förmliche Notifikation dieser Rechtslage. 474

Demgegenüber „mutet" eine Vielzahl von Vertragsstaaten des H Z Ü diese Prüfung ihren Behörden „zu". Dazu noch im folgenden. 475

Denkschrift BT-Drucks. 7 / 4892 S. 44.

476

Entgegen OLG Hamm IPRspr. 1977 Nr. 145 ergibt sich das Übersetzungserfordernis (bei eingehenden Ersuchen) nicht aus § 184 GVG (dort noch zum Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954). 477

Practical Handbook S. 51 ff.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

279

Die finnische Gesellschaft Suomi Industries mit Sitz in Helsinki vertreibt ihre Produkte in fast allen europäischen Staaten, darunter auch in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gesellschaft wird vor dem LG Hamburg aus Produkthaftpflicht verklagt. Der Präsident des Landgerichts wendet sich als zuständige Prüfungsstelle mit der Bitte um förmliche Zustellung an das finnische Justizministerium, d.i. die finnische Zentrale Behörde iSd HZÜ. Der in deutscher Sprache abgefaßten Klage ist keine Übersetzung beigefügt. Das finnische Recht sieht jedoch grundsätzlich vor, daß dem zuzustellenden Schriftstück immer dann eine Übersetzung beizufügen ist, wenn der Adressat das Schriftstück nicht freiwillig annimmt. 478 Da die Suomi Industries in concreto die Annahme verweigern, stellen die finnischen Behörden die deutsche Klage zwangsweise zu. 479

Bleiben die Suomi Industries im Termin vor dem LG Hamburg säumig, so stellt sich für den deutschen Richter die Frage, ob die Zustellung ordnungsgemäß war und ob er daraufhin ein Versäumnisurteil erlassen darf. Dem Erlaß eines Versäumnisurteils könnte insbesondere Art. 15 HZÜ entgegenstehen.

a) Heilung nach dem Recht des ersuchten Staates Übersetzungserfordernisse des autonomen Rechts des ersuchten Staates binden den Gerichtsstaat im Rahmen des HZÜ zumindest dann nicht, wenn der ersuchte Staat dieses Übersetzungserfordernis nicht notifiziert hat. 480 Mangels einer entsprechenden Erklärung Finnlands war die Bundesrepublik Deutschland demnach aufgrund des HZÜ nicht verpflichtet, das zuzustellende Schriftstück in übersetzter Form an die finnischen Behörden zu übersenden. Auch aus der Nennung nichtnotifizierter autonomer Übersetzungserfordernisse im Länderteil der ZRHO ergibt sich für die deutschen Behörden keine die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung beeinträchtigende Pflicht, dem zuzustellenden Schriftstück eine Übersetzung beizufügen, da die ZRHO keinen Einfluß auf die Ordnungsmäßigkeit einer Zustellung hat. 481 Damit scheidet ein Verstoß gegen das HZÜ insoweit aus. 482

478

Practical Handbook S. 71.

479

Zum finnischen Zustellungsrecht Saario / Ginsburg, in: Smit, Co-operation, S. 105, 110 ff.

480

Ebenso Stade NJW 1993, 184, 185, der noch weiter gehen will und selbst im Falle einer Notifikation eine solche Bindungswirkung ablehnt. Zur Bedeutung der Notifikation BGHZ 120, 305, 312. 481

SU /H.Roth § 199 Rz. 38; F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165.

482

Vgl. Stade NJW 1993, 184, 185.

280

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Doch könnte dem Erlaß eines Versäumnisurteils gleichwohl Art. 15 I lit. a HZÜ entgegenstehen. Ergibt sich ein Übersetzungserfordernis nicht aus einem Staatsvertrag, sondern allein aus dem autonomen Recht des ersuchten Staates, so ist diese Übersetzungsregel wie eine Durchführungsvorschrift zu behandeln. Sie bindet grundsätzlich nur die Behörden des ersuchten Staates.483 Zwar erhalten die Durchführungsvorschriften des ersuchten Staates über Art. 15 I lit. a HZÜ auch für den Richter des Gerichtsstaates grundsätzlich zwingenden Charakter. 484 Er kann das Verfahren nur fortsetzen, wenn die Zustellung in Übereinstimmung mit den Durchführungsvorschriften des ersuchten Staates vorgenommen wurde. Gehören zu diesen Durchführungsvorschriften nach der hier vertretenen Ansicht auch die allein vom autonomen Recht des ersuchten Staates aufgestellten Übersetzungserfordernisse, so hindert ein Verstoß hiergegen gemäß Art. 15 I lit. a HZÜ grundsätzlich auch die Fortsetzung des Verfahrens. Ebenso wie bei „einfachen" Durchführungsmängeln kann dies jedoch auch nur insoweit gelten, wie das Fehlen einer Übersetzung nach dem Recht des ersuchten Staates nicht ausnahmsweise unschädlich ist. Nach finnischem Recht ist eine Übersetzung entgegen der oben genannten Grundregel immer dann nicht erforderlich, wenn der Adressat der fremden Sprache mächtig ist. Bei international tätigen Unternehmen wird regelmäßig vermutet, daß dort Englisch, Französisch und Deutsch (!) verstanden wird. 485 Einer Übersetzung bedarf es insoweit also nicht. Auch diese Ausnahmeregel ist vom deutschen Richter im Rahmen von Art. 15 1 lit. a HZÜ zu berücksichtigen. Es wurde also insoweit in Übereinstimmung mit den in Finnland geltenden Durchführungsvorschriften zugestellt. Nichts anderes kann aber gelten, wenn das Recht des ersuchten Staates zwar keine ausdrückliche Ausnahme\orschùïi im Sinne der Regel des finnischen Rechts kennt, sondern einen solchen Übersetzungsmangel bei ausreichender Sprachkenntnis des Adressaten kraft Heilung nach autonomem Recht für unbeachtlich erklärt. 486

483 Stade NJW 1993, 184, 185. Zur insoweit identischen Situation im vertragslosen Zustellungsverkehr siehe oben § 16 IV 1 c a.E. 484

Nagel, Rechtshilfe, S. 118; ausführlich oben § 18 III

485

Practical Handbook S. 71.

486

Ohne Angabe von Gründen hält Rauscher IPRax 1993, 376, 377 auch einen Verstoß gegen bloße Ausftihrungsvorschriften dagegen für unheilbar. A.A. m.E. zu Recht Linke IZPR Rz. 409 a.E., demzufolge nationale Ausführungsbestimmungen des ersuchten Staates aus Sicht des Erststaates ohne solche Bedeutung sind.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

281

b) Heilung nach dem Recht des ersuchenden Staates Enthält das autonome Recht des ersuchten Staates im Hinblick auf eine autonome Übersetzungsregel weder eine Ausnahme- noch eine Heilungsvorschrift, so stellt sich die Frage, ob der in der fehlenden Übersetzung liegende Zustellungsfehler subsidiär nach dem Recht des Gerichtsstaates heilbar ist. Nach der hier vertretenen Ansicht sind allein vom autonomen Recht des ersuchten Zustellungsstaates aufgestellte Übersetzungserfordernisse wie reine Durchführungsvorschriften zu behandeln. Damit gelten auch die in dieser Arbeit zu Durchführungsmängeln im Rahmen des HZÜ vertretenen Lösungsansätze entsprechend. Das heißt, daß ein deutscher Richter wegen Art. 15 I iVm I I HZÜ zwar nicht vor, wohl aber nach Ablauf der von Art. 15 I I HZÜ aufgestellten Sechsmonatsfrist gemäß § 187 ZPO eine Heilung des Übersetzungsmangels annehmen darf. Denn § 187 ZPO ist auch auf Übersetzungsfehler anwendbar, sofern der Adressat des Schriftstücks der darin verwendeten Sprache ausreichend mächtig ist. Voraussetzung ist allein, daß gemäß Art. 15 I I lit. a HZÜ ein vom HZÜ vorgesehener Übermittlungsweg eingehalten worden ist und gemäß Art. 15 I I lit. c HZÜ trotz aller Bemühungen kein Zustellungszeugnis zu erlangen war. Zwar wäre daran zu denken, eine Fortsetzung des Verfahrens dann an Art. 15 Π lit. c HZÜ scheitern zu lassen, wenn die autonomen Übersetzungsregeln des ersuchten Staates im Gerichtsstaat bekannt waren. 487 Angesichts der von der 10. Haager Konferenz 488 bereits gesehenen schwachen Stellung dieser Vorschrift läge hierin aber m.E. eine Überdehnung ihres Abwendungsbereiches. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn gegen das im Gerichtsstaat bekannte Übersetzungserfordernis des autonomen Rechts des ersuchten Staates bewußt verstoßen wurde. Freilich dürfte dies nur in den seltensten Fällen nachweisbar sein.

2. Das Übersetzungserfordernis im Hinblick auf Vertragsstaaten, die eine Erklärung im Sinne des Art. 5 ΠΙ HZÜ abgegeben haben Anders stellt sich die Situation im Hinblick auf diejenigen Vertragsstaaten des HZÜ dar, die eine Erklärung im Sinne des Art. 5 ΠΙ HZÜ notifiziert haben. Im

487 488

Etwa durch die Nennung im Practical Handbook S. 51 ff.

Ferreira , Rapport Explicatif, in: Actes et Documents III S. 378 („Cette disposition constitue plutôt un voeu...").

282

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Gegensatz zu den vorgenannten Fällen führt hier das Fehlen einer Übersetzung nicht nur zu einem „einfachen" Verstoß gegen das autonome Recht des ersuchten Staates, sondern grundsätzlich zu einem Verstoß gegen das HZÜ selbst.489 Zwar sieht das HZÜ keinen ausdrücklichen Vorbehalt vor, der es den Vertragsstaaten gestatten würde, im Hinblick auf Art. 5 ΠΙ HZÜ einseitig eine vertragsmodifizierende Erklärung abzugeben. Insbesondere Art. 20 lit. b HZÜ stellt insoweit keine tragfähige Grundlage dar, da er sich nur auf (zweiseitige) Vereinbarungen bezieht, nicht jedoch auf einseitige Erklärungen. Hieraus jedoch folgern zu wollen, daß die zu Art. 5 ΠΙ HZÜ notifizierten Erklärungen einiger Vertragsstaaten lediglich „einseitige Mitteilungen ohne vertragsmodifizierenden Charakter" 490 darstellen, erscheint indes verfehlt. Es wäre den übrigen Vertragsstaaten durchaus möglich gewesen, den jeweiligen modifizierenden Notifikationen zu widersprechen und diese damit zu Fall zu bringen. Aus dem Fehlen solcher Widersprüche läßt sich m.E. nur ableiten, daß die übrigen Vertragspartner den Inhalt der Notifikationen akzeptieren und für sich als völkerrechtlich verbindlich betrachten. 491 Gegenüber denjenigen Vertragsstaaten, die im Wege einer förmlichen Notifikation erklärt haben, daß bei Zustellungen in ihrem Staatsgebiet stets eine Übersetzung erforderlich ist, hat Art. 5 I I I HZÜ damit den Charakter einer Mußvorschrift. Deren Verletzung führt zu einem Verstoß gegen das HZÜ. Dem steht auch nicht entgegen, daß im deutschen Prozeß gemäß § 184 GVG Deutsch Gerichtssprache ist. 492 Diese Vorschrift entbindet die deutschen Stellen im Rahmen des HZÜ nicht davon, dem im Ausland zuzustellenden Schriftstück eine Übersetzung beizufügen, sofern der ersuchte Staat dies fordert. 493 Die bindenden völkervertraglichen Bestimmungen verdrängen insoweit § 184 GVG. Ebenso wie ein Verstoß gegen § 184 GVG 4 9 4 sollte aber grundsätzlich auch ein solcher gegen ein völkervertragliches Übersetzungserfordernis heilbar

489

A.A. Stade NJW 1993, 184, 185.

490

So nämlich Stade NJW 1993, 184, 185.

491

Ebenso Braun S. 148; Stürner FS Nagel S. 446, 454. Zur Bedeutung der Widersprüche im Rahmen des H Z Ü siehe auch BGHZ 120, 305, 312. 492 Geimer IPRax 1988, 271, 275. Umgekehrt ergibt sich für ausländische Stellen nicht schon aus § 184 GVG die Notwendigkeit einer deutschen Übersetzung; so aber OLG Hamm IPRspr. 1977 Nr. 145. 493 494

Ebenso Braun S. 148.

Einen Verstoß gegen § 184 GVG sah das LG Berlin JR 1961, 384 aufgrund ausreichender Sprachkenntnisse des Richters als geheilt an.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

283

sein, sofern der davon verfolgte Zweck erreicht ist. Wie das OLG Hamm 495 m.E. zu Recht im Hinblick auf eine nach dem HZÜ vorzunehmende Zustellung (Italien — Deutschland) festgestellt hat, wird ein bestimmter sprachlicher Mindeststandard nicht gefordert, solange sprachliche Mängel — die Übersetzung war „von schlechter Qualität und nur mühsam veständlich" — nicht mit Rechtsnachteilen verbunden sind. Nichts anderes sollte gelten, wenn es gänzlich an einer Übersetzung fehlt. Uneinheitlich wird jedoch die Frage beantwortet, ob eine solche Heilung eines Übersetzungsfehlers im Rahmen des HZÜ überhaupt in Frage kommt.

a) Kein Übersetzungsmangel bei formloser Zustellung trotz beantragter förmlicher Zustellung Auch im Rahmen des HZÜ stellt sich die Heilungsfrage jedoch nur, sofern das Fehlen einer Übersetzung in concreto überhaupt einen Zustellungsfehler begründet. Selbst wenn der ersuchte Staat den übrigen Vertragsstaaten eine Erklärung notifiziert hat, wonach einem Zustellungsersuchen stets eine Übersetzung beizufügen ist, so hat diese gemäß Art. 5 ΠΙ HZÜ nur dann eine verpflichtende Wirkung, wenn im ersuchten Staat tatsächlich förmlich zugestellt wird. Stellen die Behörden des ersuchten Staates ein unübersetztes Schriftstück formlos zu, obwohl der ersuchende Staat einen Antrag auf förmliche Zustellung gestellt hat, so führt dies nicht zu einem Mangel der Zustellung. 496 Ein anderes Resultat ergibt sich auch nicht im Hinblick auf § 67 Π ZRHO, demzufolge die deutschen Behörden dem Wunsch des ersuchenden Staates nach einer bestimmten Zustellungsform möglichst nachkommen sollen. Ein solcher Verstoß gegen die ZRHO berührt nicht die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung, da es sich bei der ZRHO um eine bloße Verwaltungsvorschrift mit reiner Innenwirkung handelt. 497 Die demgegenüber vom BGH 4 9 8 vertretene Ansicht, im Rahmen des HZÜ sei ein Wunsch auf förmliche Zustellung bindend, so daß eine daraufhin form-

495 Az 11 U 92 / 92 vom 25.11.1992, OLG Report Hamm 1993, 161 (nur LS, ansonsten bisher unveröffentlicht), Punkt 3 der Urteilsgründe. 496

SU /H.Roth § 199 Rz. 61; F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165.

497

SU /H.Roth § 199 Rz. 38; F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165; ebenso wohl KG OLGZ 1988, 172, 177. 498

W M 1988, 1208, 1210.

284

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

los durchgeführte Zustellung eines unübersetzten Schriftstücks einen Verstoß gegen das HZÜ darstelle, trägt nicht. 499 Das Abkommen läßt in Art. 5 I I HZÜ dem ersuchten Staat das Recht, zunächst die formlose Zustellung zu versuchen, sofern der ersuchende Staat nicht gemäß Art. 5 I lit. b HZÜ einen Wunsch nach Zustellung in einer besonderen Form ausgesprochen hat. Verlangt der ersuchende Staat wie im Fall des BGH 5 0 0 eine Zustellung nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Zustellungsstaates, so liegt hierin kein Wunsch nach Zustellung in einer besonderen Form im Sinne des Art. 5 I lit. b HZÜ. 5 0 1 Vielmehr ist ein solches Verlangen des ersuchenden Staates regelmäßig auf eine Zustellung im Sinne des Art. 5 I lit. a HZÜ gerichtet, die gerade die formlose Zustellung nach Art. 5 Π HZÜ nicht ausschließt. Zwar fordert das HZÜ anders als noch Art. 3 I I der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 vom ersuchenden Staat nicht, eine Zustellung in den Formen des ersuchten Staates ausdrücklich zu verlangen. Daß dies in der Praxis dennoch häufig geschieht, ist auf die neben dem HZÜ aus der Zeit der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 fortgeltenden Vereinfachungsvereinbarungen zurückzuführen. Diese sehen zum Teil vor, daß ein zuzustellendes Schriftstück umgehend in den ersuchenden Staat zurückzusenden ist, wenn eine formlose Zustellung nicht möglich ist und der ersuchende Staat nicht ausdrücklich die förmliche Zustellung gewünscht hat. 502 Daß diese Vorschriften heute auch im Rahmen des HZÜ noch Anwendung finden, zeigt eine jüngere Entscheidung des OLG Schleswig 503 . Dort war ein deutscher Mahnbescheid nach einem vergeblichen formlosen Zustellungsversuch von den ersuchten niederländischen Behörden unter Berufung auf Art. 3 I I der deutsch-niederländischen Vereinfachungsvereinbarung wieder zurückgesandt worden. 504 Vor diesem Hintergrund 505 erklärt sich in der oben zitierten BGH-Entscheidung auch der aus-

499

Ebenso schon die Vorinstanz OLG Bamberg W M 1987, 638, 639.

500

W M 1988, 1208, 1210.

501

Ebenso F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 165.

502

Art. 3 II dt.-belg. VereinfVereinb; Art. 3 I dt.-franz. VereinfVereinb; Art. 3 II dt.-niederl. Vertrag; Art. 3 II dt.-norw. VereinfVereinb. 503

NJW 1988, 3104.

504

Im Ergebnis scheinbar für die Fortgeltung von Art. 3 II des dt.-niederl. Vertrages im Rahmen des HZÜ auch die ansonsten krit. Anm. von Pfennig NJW 1989, 2171, 2173 (Ii. Sp.). Ebenso Gerth RIW 1987, 543, 544 (zu Art. 3 II dt.-belg. VereinfVereinb). 505 Vgl. insoweit Art. 3 II dt.-belg. VereinfVereinb; zu deren Fortgeltung Gerth RIW 1987, 543, 544.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteil s verfahren

285

drückliche Wunsch der belgischen Behörden nach einer förmlichen Zustellung in den innerstaatlichen Formen des ersuchten Staates (dort Deutschland). Damit soll in den genannten Fällen nach dem Wunsch der ersuchenden Staaten nicht gemäß Art. 5 I lit. b HZÜ, sondern gemäß Art. 5 I lit. a HZÜ zugestellt werden. Für diesen Fall läßt das HZÜ aber dem ersuchten Staat das Recht, zunächst eine formlose Zustellung zu versuchen. Hierbei schadet es gemäß Art. 5 I I I HZÜ nicht, daß trotz einer dahin gehenden notifizierten Erklärung des ersuchten Staates keine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks vom ersuchenden Staat beigefügt wurde. Auch ohne Übersetzung ist die Zustellung damit fehlerfrei durchgeführt worden. Die Frage der Heilung eines Übersetzungsmangels stellt sich mithin erst gar nicht.

b) Verlagerung

der Übersetzungspflicht

bei förmlicher

Zustellung

Das Fehlen einer Übersetzung führt trotz einer dahin gehenden Notifikation des ersuchten Staates auch dann nicht notwendigerweise zu einem Verstoß gegen das HZÜ, wenn die Behörden des ersuchten Staates das zuzustellende Schriftstück wie gewünscht förmlich zustellen. Denn zum Teil haben die Vertragsstaaten die Last der Beibringung einer Übersetzung von dem ersuchenden auf den ersuchten Staat verlagert, sofern der ersuchende Staat es versäumt hat, das zuzustellende Schriftstück zu übersetzen. Dies ist in den von Deutschland mit Belgien 506 , Dänemark 507 , Frankreich 508 , den Niederlanden 509 und Norwegen 510 geschlossenen Vereinfachungsvereinbarungen geschehen.511 Aufgrund dieser Vereinbarung obliegt die Beibringung einer Übersetzung dem ersuchenden Staat allenfalls noch in Form einer Sollvorschrift. Ein Verstoß hiergegen begründet keinen Vertragsverstoß, da für diesen Fall der ersuchte Staat für eine Übersetzung zu sorgen hat. Wurde also Art. 5 ΠΙ HZÜ durch eine Notifikation des ersuchten Staates, wonach dieser stets eine Über-

506

Art. 3 III dt.-belg. VereinfVereinb.

507

Art. 3 II dt.-dän. VereinfVereinb.

508

Art. 3 II dt.-franz. VereinfVereinb.

509

Art. 3 III dt.-niederl. Vertrag.

510

Art. 3 III dt.-norw. VereinfVereinb.

511

Das gleiche gilt im Rahmen des Haager Prozeßübereinkommens von 1954 für die deutschschweizerische Vereinfachungsvereinbarung, nicht aber für die Vereinbarung mit Polen (so aber wohl irrtümlich SU / H.Roth Vor § 166 Rz. 55).

286

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Setzung fordert, zu einer Mußregel, so verliert die Vorschrift jenen Charakter wieder aufgrund der genannten Regelungen der Vereinfachungsvereinbarungen. 512 Insofern gleicht die Situation derjenigen unter Geltung des (im Gegensatz zum HZÜ) stets obligatorischen Übersetzungserfordernisses des Art. 3 I I der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954, auf das sich die Vereinfachungsvereinbarungen ursprünglich bezogen.513 Auch diese Bestimmung verlor durch die Vereinfachungsvereinbarungen ihre zwingende Natur. Hiergegen wird vorgebracht, es sei im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit der Zustellung unerheblich, wer für das Fehlen einer Übersetzung verantwortlich sei, da auf diese Weise der Schuldnerschutz zu einem leeren Versprechen werde. 514 Die Vertreter dieser Auffassung verkennen jedoch m.E., daß das HZÜ in Art. 5 I I I den Adressatenschutz im Hinblick auf das Übersetzungserfordernis zur Disposition der Vertragsstaaten gestellt hat. Auch wenn sich die Bundesrepublik Deutschland durch ihre Erklärung zu Art. 5 I I I HZÜ für ein hohes Niveau des Adressatenschutzes entschieden hat, bleibt es ihr unbenommen, hiervon in einzelvertraglichen Zusatzvereinbarungen abzuweichen. Im Ergebnis führen die genannten Regeln der Vereinfachungsvereinbarungen mithin dazu, daß das Übersetzungserfordernis nicht staatsvertraglich, sondern lediglich vom Recht des ersuchten Staates zwingend geboten ist. Die Situation gleicht mithin dem Fall, daß ein Staat kein Übersetzungserfordernis notifiziert hat und lediglich nach seinem autonomen Durchführungsrecht eine Übersetzung fordert. Ein Verstoß hiergegen stellt einen reinen Durchführungsfehler dar, der entsprechend den vorstehend 515 ausgeführten Ansätzen zu lösen ist. Zwar hat kein Staat, mit dem Deutschland eine Vereinfachungsvereinbarung der genannten Art getroffen hat, eine Erklärung abgegeben, aufgrund der Art. 5 ΠΙ HZÜ für ausgehende deutsche Ersuchen einen durch die Vereinfachungsvereinbarungen zu „neutralisierenden" zwingenden Charakter bekäme. Doch kommt den Vereinfachungsvereinbarungen im umgekehrten Fall wegen der deutschen Erklärung zu Art. 5 ΙΠ HZÜ eine solche konstitutive Wirkung zu. 516 Die deutsche Erklärung verliert mithin wegen der Vereinfachungsvereinbarungen gegenüber denjenigen Vertragsstaaten, mit denen Deutschland besagte Vereinfa-

512 Ebenso Mezger RIW 1988, 477 f.; damit wohl sympathisierend Braun S. 158; a.A. i.E. wohl SU/H.Roth § 187 Rz. 33. 513

Für eine gleiche Auslegung auch Stade NJW 1993, 184, 185.

514

F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 164 Fn. 33.

515

Oben § 18 IV 1.

516

So auch Mezger RIW 1988, All f.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

287

chungsregeln getroffen hat, ihre zwingende Natur. Eine nach Deutschland eingehende Zustellung, die nicht von einer Übersetzung begleitet ist, verstößt mithin nicht gegen Art. 5 I I I HZÜ, sofern die deutschen Behörden in den Zustellungsvorgang eingeschaltet sind 517 und ihrerseits für eine Übersetzung sorgen könnten. Versäumen es die deutschen Behörden, eine solche Übersetzung zu beschaffen, so liegt hierin ein Verstoß allein gegen das autonome deutsche Recht, der m. E. gemäß § 187 ZPO und vor den Gerichten des ersuchenden Staates subsidiär — im Rahmen des Art. 15 Π HZÜ — auch nach dem Recht dieses Staates heilbar ist. 518

c) Das eigentliche Heilungsproblem Damit stellt sich im Rahmen des HZÜ das Heilungsproblem im Hinblick auf Übersetzungsmängel nur noch dort in voller Schärfe, wo der ersuchte Staat die Notwendigkeit einer Übersetzung den anderen Vertragsstaaten notifiziert hat und die Beibringungslast im Hinblick auf eine Übersetzung nicht durch (Vereinfaçhungs-)Vereinbarungen auf den ersuchten Staat verlagert ist. M.E. erscheint es aber auch in diesen Fällen verfehlt, die Heilung eines Übersetzungsmangels pauschal mit dem Argument ausschließen zu wollen, daß es sich hier um einen Verstoß gegen das HZÜ handele, das seinerseits keine Heilungsmöglichkeit vorsehe. 519 Wie bereits die vorstehenden Ausführungen ergeben haben, ist im staatsvertraglichen Bereich eine Heilung auch von Verstößen gegen solche Zustellungsvoraussetzungen denkbar, die staatsvertraglichen Ursprungs sind. 520 Nichts anderes gilt grundsätzlich für das HZÜ, sofern dem im Einzelfall nicht Art. 15 HZÜ entgegensteht. Im Rahmen des HZÜ führt eine fehlende Übersetzung wie gesehen nicht eo ipso zu einem Vertragsverstoß, sondern gerade erst in Verbindung mit einer dahin gehenden formellen Erklärung des ersuchten Staates. Legt das HZÜ da-

517 Wird demgegenüber auf einem nichtzulässigen Übermittlungswege zugestellt, so tritt das Übersetzungsproblem allein schon wegen der Unheilbarkeit dieses Fehlers (oben § 18 II) in den Hintergrund. Darüber hinaus ist zu beachten, daß sich Art. 5 III HZÜ ausschließlich auf die Zustellung unter Einschaltung der Behörden des ersuchten Staates bezieht, nicht dagegen auf andere Übermittlungswege, Cour d'appel de Paris J.T. 1980, 156; dazu ausfuhrlich unten § 21 II 1. 518

Im einzelnen siehe entsprechend die oben § 18 IV 2 gemachten Ausführungen.

519

So aber Stürner JZ 1992, 325, 332.

520

Siehe oben § 17 II.

288

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

nach das Erfordernis einer Übersetzung in die Hände der Vertragsstaaten, so sollten sich diese von ihren Erklärungen im Einzelfall lösen können, wenn der Beklagte der fremden Sprache mächtig ist. Zu Recht kritisiert ein Teil der Literatur 521 die aus einer solchen Erklärung resultierenden Übersetzungserfordernisse als „in der Sache unbrauchbare Formalismen", sofern zum Beispiel der Adressat des zuzustellenden Schriftstücks ein im Zustellungsstaat lebender Angehöriger des ersuchenden Staates ist. 522 Dessen Anspruch auf rechtliches Gehör wird unter Umständen sogar besser durch eine in der Originalsprache, seiner Muttersprache, geschriebene Klageschrift gewahrt als durch ein in der Sprache des ersuchten Staates abgefaßtes Schriftstück, dem gemäß Art. 5 ΙΠ HZÜ nicht einmal eine Abschrift des unübersetzten Originals beizufügen ist. 523 Ähnlich dürfte es liegen, wenn dem nicht sprachkundigen Adressaten genügend Zeit zur Einholung einer Übersetzung bleibt, sofern dem zugestellten Schriftstück unzweifelhaft dessen amtlicher Charakter anzusehen ist. 524 Ob und wie die ersuchten Vertragsstaaten sich von ihrer eigenen Erklärung lösen können, ist m.E. vor allem dem autonomen (Heilungs-)Recht dieser Staaten zu entnehmen.525 Die Entscheidung darüber, ob zum Beispiel die Heilungstatbestände ihrer Prozeßordnung grundsätzlich auf Fehler der genannten Art anwendbar sind, liegt allein bei den ersuchten Staaten. So sollte die deutsche Erklärung durch § 187 ZPO „zurücknehmbar" sein, sofern sich im Einzelfall zeigt, daß der damit angestrebte Zweck auch ohne eine Übersetzung hinreichend erreicht wird. 5 2 6 Art. 15 I HZÜ steht dem de lege lata nicht entgegen. Demgegenüber greift eine Heilung nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner auch hier nicht ein. 527 Ausscheiden sollte dagegen eine allenfalls im Rahmen von Art. 15 Π HZÜ denkbare Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates. Sofern man das zwin-

521

Baumann S. 48.

522

Ebenso Droz RCDIP 1993, 85, 86.

523 Auch nach P. Schlosser FS Matscher S. 387, 398 ist eine Übersetzung nicht generell zur Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich. 524

Ebenso Geimer IPRax 1988, 271, 275 Fn. 54a.

525

Auch Bajons ZfRV 1993, 45, 55 Fn. 70 a.E. (zum Übersetzungsproblem in EuGH Minalmet. / . Brandeis EuZW 1993, 39) sucht die Lösung im nationalen Recht des Zustellungsstaates (freilich dort nur im Hinblick auf eine Rügeobliegenheit des Beklagten, ohne unmittelbar die Heilungstatbestände heranzuziehen). 526 527

A.A. scheinbar Rauscher IPRax 1993, 376, 377; StJ / H.Roth § 187 Rz. 33.

So aber P. Schlosser FS Matscher S. 387, 399 für Übersetzungsmängel im Rahmen des HZÜ; dagegen schon oben § 18 II.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

289

gende Übersetzungserfordernis nicht schon als Teil des vom HZÜ vorgesehenen Übermittlungsverfahrens iSd Art. 15 I I lit. a HZÜ betrachten will, so hindert doch wohl Art. 15 Π lit. c HZÜ eine Fortführung des Verfahrens kraft Heilung. 528 Etwas anderes gilt gemäß Art. 15 ΠΙ HZÜ allein im Rahmen von einstweiligen Verfahren, wo die Beschränkungen des Art. 15 I und I I HZÜ nicht greifen 529 , so daß eine (auch im HZÜ ohnehin) formell mögliche Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates nun nicht mehr durch Art. 15 I und Π HZÜ faktisch blockiert wird. 530

V. Besonderheiten im Verhältnis zu den EuGVÜ- und den (ehemaligen) EFTA-Staaten

531

Auch im Rahmen des HZÜ bestehen im Verhältnis zu den EuGVÜ- und EFTA-Staaten keine Besonderheiten. Dies gilt gleichermaßen im Hinblick auf Art. 20 I I I EuGVÜ / Lugano-Übereinkommen wie im Hinblick auf Art. IV des Protokolls zum EuGVÜ / Lugano Übereinkommen. Insoweit sei auf die schon weiter oben gemachten Ausführungen verwiesen. 532

VI. Ergebnis Formell erlaubt auch das Haager Zivilprozeßübereinkommen eine Heilung von Zustellungsfehlern in dem gleichen Rahmen wie die Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 533 , da das HZÜ die nationalen Zustellungsrechte formell unberührt läßt. Faktisch ergibt sich jedoch ein teilweiser Heilungsausschluß aus Art. 15 HZÜ, der in das Säumnisrecht des Gerichtsstaates eingreift. Damit ist eine Heilung von Zustellungsfehlern im Geltungsbereich des

528 A.A. Wiehe S. 140 f., der m.E. de lege lata zu weitegehend auch eine Heilung nach der lex fori des Gerichtsstaates zulassen will, gegebenenfalls also nach § 187 ZPO; abzustellen sei darauf, wie sehr dem Zustellungsadressaten an einer Übersetzung zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs gelegen sei. 529

Wie hier Schack IZVR Rz. 611; SU / H.Roth § 199 Rz. 34.

530

A.A. Stürner JZ 1992, 325, 332 Fn. 72.

531

Zur EFTA-Mitgliedschaft der neuen EU-Mitglieder über den 1.1.1995 hinaus siehe oben § 17 V am Anfang.

1

532

Oben § 16 V und § 17 V.

533

Dazu oben § 17.

Kondiny

2 9 0 2 .

Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

HZÜ faktisch nur in dem von Art. 15 HZÜ vorgegebenen Rahmen möglich. Das bedeutet im einzelnen: Eine Heilung von Übermittlungsfehlern scheitert im Ergebnis stets an Art. 15 I lit. a und I I lit. a HZÜ. Das gilt auch für irrtümliche Inlandszustellungen, sofern sich der eine Heilung begründende Umstand (z.B. die Kenntnisnahme) im Ausland ereignet. Demgegenüber sind Durchführungsfehler innerhalb der ersten sechs Monate seit Übersendung des zuzustellenden Schriftstücks in den ersuchten Staat nach dem für die Durchführung maßgeblichen Recht (regelmäßig das des ersuchten Staates) heilbar. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des Art. 15 Π lit. b HZÜ kommt zusätzlich eine Heilung nach der lex fori des Gerichtsstaates in Betracht, sofern der Fehler nicht schon nach dem für die Durchführung maßgeblichen Recht als geheilt anzusehen ist. Bei Übersetzungsmängeln ist zu differenzieren: Hat der ersuchte Staat den übrigen Vertragsstaaten nicht notifiziert, daß nach seinem internen Recht stets eine Übersetzung erforderlich ist, so führt eine dennoch von den Behörden des ersuchten Staates ausgeführte Zustellung zu einem Durchführungsfehler, der entsprechend den zu Durchführungsfehlern entwickelten Grundsätzen zu heilen ist. Gleiches gilt dann, wenn der ersuchte Staat zwar eine entsprechende Erklärung den übrigen Vertragsstaaten notifiziert hat, jedoch in Zusatzübereinkommen vereinbart hat, selbst für die Übersetzung zu sorgen. Danach führt eine fehlende Übersetzung im Rahmen des HZÜ nur dann zu einem echten Verstoß gegen das HZÜ, wenn der ersuchte Staat den übrigen Vertragsstaaten notifiziert hat, daß nach seinem internen Recht stets eine Übersetzung beizufügen ist und nicht selbst die Übersetzungslast übernommen hat. In diesem Fall scheitert nach der hier vertretenen Ansicht eine Heilung des Übersetzungsmangels nach dem Recht der lex fori faktisch stets an Art. 15 HZÜ. Es kommt allein eine Heilung nach dem Recht des ersuchten Staates in Betracht, sofern dessen Heilungstatbestände auf das Übersetzungserfordernis angewandt werden wollen. Unabhängig von den aus Art. 15 I und Π HZÜ resultierenden faktischen Heilungsbeschränkungen ist eine Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates jedoch immer dann möglich, wenn gemäß Art. 15 I I I HZÜ im Rahmen eines einstweiligen Verfahrens fehlerhaft zugestellt worden ist. 534

534 Dies übersieht m.E. Maute DZWir 1993, 103, 104; zu Art. 15 III HZÜ SU / H.Roth § 199 Rz. 34.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

291

§ 19 Die Heilung ausgehender Ersuchen im Rahmen der bilateralen Rechtshilfeübereinkommen

Wird eine deutsche Klage im Rahmen eines von Deutschland geschlossenen bilateralen Rechtshilfeübereinkommens zugestellt, so stellt sich für den deutschen Prozeßrichter auch dort die Frage der Heilung, sofern es bei der Zustellung zu Fehlern kommt.

I. Der deutsch-griechische und der deutsch-türkische Rechtshilfevertrag Sowohl das deutsch-griechische Rechtshilfeabkommen von 1938 535 als auch das deutsch-türkische Abkommen über den Rechtsverkehr von 1929 536 lehnen sich in ihren einschlägigen Bestimmungen inhaltlich an das Haager Zivilprozeßabkommen von 1905 und das insoweit identische Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 an. 537 Wegen dieser Entsprechung kann — unbesehen des Verlustes an praktischer Relevanz, den die beiden Abkommen durch den Beitritt Griechenlands und der Türkei zu den Haager Übereinkommen erlitten haben538 — im Hinblick auf die Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen der beiden bilateralen Abkommen in vollem Umfang auf die zu den Haager Zivilprozeßübereinkommen gemachten Ausführungen verwiesen werden. 539 Ebenso wie dort unterliegt damit im Hinblick auf die beiden bilateralen Rechtshilfeabkommen die Heilung von Zustellungsfehlern umfassend der lex fori des Gerichtsstaates, bei ausgehenden deutschen Ersuchen also § 187 ZPO. Im Einzelfall kann sich die Heilung auch hier bereits aus dem für die förmliche Zustellung maßgeblichen Recht des ersuchten Staates ergeben.

535

RGBl. 1939 II 848.

536

RGBl. 1930 II 6.

537

Nagel IZPR Rz. 545 f.

538

Siehe oben § 10 III.

539

Oben § 17. Eine solche umfassende Verweisung hält auch Nagel IZPR Rz. 545 für zulässig.

19'

292

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

II. Der deutsch-tunesische Vertrag Auch der deutsch-tunesische Rechtshilfe- und Vollstreckungsvertrag aus dem Jahre 1966 540 lehnt sich in seinen die Zustellungshilfe betreffenden Bestimmungen (Art. 8 bis 17) an die Haager Zivilprozeßübereinkommen an. 541 Eine Besonderheit findet sich jedoch in Art. 17 des Vertrages, der bestimmt, daß ein Versäumnisurteil gegen einen Beklagten, der sich in dem anderen Vertragsstaat aufhält, erst dann ergehen darf, wenn nachgewiesen ist, daß die Klage dem Beklagten auf einem im Rechtshilfevertrag vorgesehenen Wege zugestellt (Art. 17 I Nr. 1) oder dem Beklagten tatsächlich ausgehändigt worden ist (Art. 17 I Nr. 2 ). Beides muß so rechtzeitig geschehen sein, daß der Beklagte ausreichend Zeit besaß, sich zu verteidigen. Jedoch darf der Prozeßrichter gemäß Art. 17 Π des Vertrages nach Ablauf von acht Monaten seit Übermittlung eines ordnungsgemäßen Zustellungsantrages ein Versäumnisurteil erlassen, auch wenn die vorgenannten Voraussetzungen des Art. 17 I nicht erfüllt sind. Damit entspricht die Regelung des Art. 17 des deutsch-tunesischen Vertrages im wesentlichen derjenigen des Art. 15 HZÜ. 5 4 2 Da im Rahmen des HZÜ die Heilbarkeit von Zustellungsfehlern überwiegend von den durch Art. 15 HZÜ gesetzten Grenzen bestimmt wird 5 4 3 , läge es danach nahe, die zum HZÜ entwickelten Grundsätze voll auf den deutsch-tunesischen Vertrag zu übertragen. Eine solche Übertragung würde jedoch einen kleinen, m.E. aber entscheidenden Unterschied zwischen den beiden genannten Regelungen einebnen: Art. 15 I Nr. 2 HZÜ bestimmt, daß das zuzustellende Schriftstück entweder dem Beklagten selbst oder aber in seiner Wohnung nach einem anderen im HZÜ vorgesehenen Verfahren übergeben worden sein muß, was, wie sich im Gegenschluß aus Art. 15 Π HZÜ ergibt, durch ein Zustellungszeugnis nachzuweisen ist. Demgegenüber verlangt Art. 17 I Nr. 2 des deutsch-tunesischen Vertrages lediglich, daß dem Adressaten das Schriftstück „tatsächlich ausgehändigt worden ist". Anders als das HZÜ verzichtet der deutsch-tunesische Vertrag auf die Bezeichnung des dabei einzuhaltenden Verfahrens. Es kommt insoweit lediglich auf das Ergebnis an, nämlich daß der Beklagte das Schrift-

540

BGBl. 1969 II 889.

541

Arnold NJW 1970, 1478, 1481; Nagel, Rechtshilfe, S. 87.

542

Arnold NJW 1970, 1478, 1481 Fn. 32.

543

Siehe oben § 18.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteils verfahren

293

stück tatsächlich (und rechtzeitig, vgl. Art. 17 I 2) erhalten hat. 544 Auch kann nach dem deutsch-tunesischen Vertrag die Zustellung selbst innerhalb der von Art. 17 I I gesetzten Achtmonatsfrist (theoretisch) auf andere Weise als durch ein Zustellungszeugnis bewiesen werden. 545 Denn Art. 17 Π des Vertrages erwähnt anders als Art. 15 I I HZÜ nicht das Erfordernis des Zustellungsnachweises durch Zeugnis. Freilich dürfte sich für den deutschen Prozeßrichter das Erfordernis eines Zustellungszeugnisses aus dem autonomen deutschen Prozeßrecht ergeben 546, sofern er nicht gemäß § 187 ZPO im Einzelfall auf ein solches Zeugnis verzichten kann. Gegen ein Eingreifen des § 187 ZPO bestehen hier insoweit keine Bedenken, als der deutsch-tunesische Vertrag selbst kein Zustellungszeugnis verlangt und diese Entscheidung im Ergebnis den autonomen Prozeßvorschriften der beiden Vertragsstaaten überläßt. Die von deutscher Seite im autonomen Recht grundsätzlich zugunsten des Zustellungszeugnisses getroffene Entscheidung ist auch durch das autonome deutsche Recht wieder einschränkbar. Insbesondere aus Art. 17 I Nr. 2 des deutsch-tunesischen Vertrages folgt aber schon die Heilbarkeit von Zustellungsmängeln im Rahmen des Abkommens, da diese Regel ausschließlich auf eine tatsächliche und rechtzeitige Benachrichtigung abstellt und damit im Ergebnis nur den Zustellungszwec£, nicht aber die ZustcWungsförmlichkeit sanktioniert. Art. 17 I Nr. 1 des Vertrages besitzt damit lediglich noch im Hinblick auf Ersatzzustellungen praktische Bedeutung, bei denen es nicht auf die tatsächliche Übergabe an den Beklagten ankommt. 547 Wurde mangelhaft im Wege einer Ersatzzustellung zugestellt und erhielt der Adressat die Klageschrift, etwa von einem falschen Ersatzempfänger, (später) tatsächlich ausgehändigt, so verstieß die Zustellung zwar gegen Art. 17 I Nr. 1, nicht aber gegen Art. 17 I Nr. 2 des deutsch-tunesischen Vertrages. Da beide Regeln in einem Alternativverhältnis stehen, war die Zustellung damit nach dem deutsch-tunesischen Übereinkommen wirksam. Auf eine Heilung nach dem

544 Vgl. die entsprechende Diskussion zu Art. 15 I Nr. 2 H Z Ü oben § 12 IV 1 und die mit dem Wortlaut des Art. 15 I Nr. 2 HZÜ nicht zu vereinbarenden, wohl aber auf Art. 17 I Nr. 2 des deutsch-tunesischen Vertrages übertragbaren Äußerungen des Franzosen Bellet auf der 10. Haager Konferenz, Procès-Verbal, Actes et Documents III S. 259. 545

A.A. offensichtlich Arnold NJW 1970, 1478, 1481; Nagel, Rechtshilfe, S. 87.

546

Zöller / Geimer § 199 Rz. 1.

547

Art. 17 des deutsch-tunesischen Vertrages richtet sich (ebenso wie Art. 15 HZÜ) nur gegen Formen der fiktiven Auslandszustellung, nicht aber gegen die Durchführung der Zustellung im ersuchten Staat im Wege fiküver Zustellungsformen, vgl. entsprechend die zum H Z Ü gemachten Ausführungen bei Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1075; Soek NILR 1982, 72, 86.

294

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Recht des Zustellungsstaates, wie sie für Durchführungsfehler auch im Rahmen des Art. 15 I HZÜ vertreten wird 5 4 8 , kommt es danach im Ergebnis nicht mehr an. Die Heilungsvorschriften werden nämlich regelmäßig auf die tatsächliche, auf die Besitzerlangung am zugestellten Schriftstück zurückgehende Kenntniserlangung abstellen. Gerade dies aber ist der von Art. 17 I Nr. 2 des deutschtunesischen Vertrages vorgesehene Fall. Mit Art. 17 I Nr. 2 enthält der deutsch-tunesische Vertrag zwar keine echte Heilungsregel im Sinne des § 187 dZPO, doch kommt diese gänzlich entformalisierte Bestimmung im Ergebnis einer Heilung durch Zweckerreichung gleich. Die dargestellten Grundsätze gelten sowohl für Durchführungsmängel als auch für den Fall der irrtümlichen Inlandszustellung.549 Daneben wird man hierüber auch die Fälle der Beschreitung eines falschen Übermittlungsweges lösen können. Insbesondere Art. 17 Π des deutsch-tunesischen Vertrages steht dem insoweit nicht entgegen, da diese Vorschrift anders als Art. 15 Π HZÜ keine ordnungsgemäße Übermittlung verlangt. 550 Unanwendbar sind die vorstehenden Grundsätze dagegen auf die von Art. 11 I des deutsch-tunesischen Vertrages vorgeschriebene Übersetzung. Insoweit ist vielmehr auf die zum HZÜ entwikkelten Grundsätze zu verweisen. 551

III. Der deutsch-marokkanische

Rechtshilfevertrag

Der deutsch-marokkanische Rechtshilfevertrag lehnt sich ebenso wie der deutsch-tunesische Vertrag in Zustellungssachen an die Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 an. Doch ebenso wie dieser entlieh auch das deutsch-marokkanische Abkommen mit Art. 9 des Abkommens eine dem Art. 15 HZÜ nachgebildete Vorschrift. Anders aber als die entsprechende Be-

548 Etwa Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 30; Stürner JZ 1992, 325, 331; Rauscher IPRax 1993, 376, 377; ders. JR 1993,413, 414; ders. IPRax 1991, 156, 158 f.; P. Schlosser FS Matscher S. 387, 396 Fn. 32. 549 Eine Pflicht zur Beschreitung des Rechtshilfeweges kennt der deutsch-tunesische Vertrag mangels einer dem Art. 1 I H Z Ü entsprechenden Bestimmung anders als das HZÜ nicht. Insoweit erübrigt sich auch eine Trennung von Kenntniserlangung im Inland und im Ausland, vgl. dazu beim HZÜ oben § 18 I. 550 351

Zur diesbezüglichen Bedeutung des Art. 15 II H Z Ü siehe oben § 18 II.

Siehe oben § 18 IV 2; schaden sollte m.E. nicht, daß das deutsch-tunesische Abkommen anders als das H Z Ü die Notwendigkeit einer Übersetzung nicht in das Belieben des ersuchten Staates stellt.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

295

Stimmung des deutsch-tunesischen Vertrages modifiziert Art. 9 des deutschmarokkanischen Vertrages das Vorbild des Art. 15 HZÜ inhaltlich nicht. Da im Rahmen des HZÜ die Heilbarkeit von Zustellungsfehlern überwiegend von den durch Art. 15 HZÜ gesetzten Grenzen bestimmt wird 5 5 2 , kann deshalb hier für den deutsch-marokkanischen Vertrag voll auf die im Rahmen des HZÜ entwickelten Heilungsregeln verwiesen werden.

IV. Der deutsch-britische

Rechtshilfevertrag

Von zweifellos größter praktischer Bedeutung unter den bilateralen Rechtshilfeabkommen ist heute (noch) das deutsch-britische Rechtshilfeabkommen von 1928553. Damit erlangt auch die Heilungsfrage dort ein besonderes praktisches Gewicht. Ebenso wie die Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 enthält das deutsch-britische Abkommen von 1928 keine Vorschrift zur Sanktionierung von Zustellungsfehlern. Auch in seiner übrigen Konzeption lehnt sich das Abkommen an das Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 an. 554 Bereits dies spricht m.E. dafür, ebenso wie bei den Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 555 auch im Rahmen des deutsch-britischen Übereinkommens die Sanktionierung von Zustellungsmängeln ebenfalls grundsätzlich dem autonomen Recht des Gerichtsstaates zu überlassen. Diese Perspektive wird dadurch untermauert, daß das deutsch-britische Rechtshilfeabkommen von 1928 anders als viele andere Rechtshilfeabkommen die Zustellungshilfe nicht aus der Sicht des ersuchten Staates, sondern aus der des um Rechtshilfe ersuchenden Gerichtsstaates betrachtet 556 und damit im Hinblick auf die einzuhaltenden Förmlichkeiten gleichsam auf das Recht dieses Staates verweist. Damit kann auch bezüglich des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens ebenso wie schon bei dem deutsch-griechischen und dem deutsch-türkischen Rechtshilfevertrag

552

Siehe oben § 18.

553

Dazu ausführlich oben § 13 II.

554

Jonas JW 1929, 88. Denkschrift zum dt.-brit. Rechtshilfevertrag RT-Drucks. IV / 384 (Bd. 431) S. 9. 555

Siehe oben § 17 I.

556

Jonas JW 1929, 88.

296

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

entsprechend auf die zu den Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 gemachten Ausführungen verwiesen werden. 557

V. Das Verhältnis der bilateralen Rechtshilfeübereinkommen zum Haager Zustellungsübereinkommen im Hinblick auf die Heilung von Zustellungsfehlern Von den fünf vorstehend aufgeführten bilateralen Rechtshilfeübereinkommen gelten das deutsch-britische, das deutsch-griechische und das deutsch-türkische Abkommen gemäß Art. 25 HZÜ neben dem HZÜ fort. Auch wenn die Weitergeltung der Abkommen zumindest im Hinblick auf das deutsch-griechische und das deutsch-türkische Rechtshilfeübereinkommen grundsätzlich nur von sehr geringer praktischer Relevanz ist 558 , könnte allen drei genannten bilateralen Rechtshilfeverträgen (einschließlich des deutsch-griechischen und deutsch-türkischen Vertrages) dann eine größere Bedeutung zukommen, wenn im Rahmen des HZÜ eine Heilung an Art. 15 HZÜ faktisch scheitert. Denn die genannten bilateralen Verträge sind — wie gesehen — durchweg heilungsfreundlicher als das HZÜ. Verstößt eine Zustellung gegen das HZÜ und ein bilaterales Übereinkommen und ist der Zustellungsfehler nicht im Rahmen des HZÜ, wohl aber nach dem bilateralen Übereinkommen heilbar, so läge es nahe, die Zustellung als solche unter Berücksichtigung des in Art. 25 HZÜ niedergelegten Günstigkeitsprinzips als geheilt und damit als wirksam anzusehen.559 Dies entspräche auch der in der Präambel des HZÜ erklärten Intention des Übereinkommens, wonach der Rechtshilfeverkehr vereinfacht, nicht aber erschwert werden soll. 560 Art. 25 HZÜ wäre entsprechend Art. 59 W V K dahin gehend zu verstehen, daß das HZÜ den bisher schon aufgrund bilateraler Abkommen bestehenden vertraglichen Rechtszustand unangetastet läßt und das danach schon erreichte Maß an Rechtshilfe weiter erleichtern, nicht aber erschweren will.

557

Oben § 17.

558

Siehe oben § 10 III.

559

Hierdurch bekämen auch das deutsch-griechische und das deutsch-türkische Rechtshilfeabkommen wieder einige Bedeutung. 560 Dies hebt Droz RCDIP 1991, 167, 172 hervor. Zur Einbeziehung der Präambel in die Auslegung internaüonaler Verträge siehe Art. 31 II WVK.

2. Kapitel: Zustellungsfehler — Heilung im Urteilsverfahren

297

Ein solcher Ansatz führte nicht zu einer Umgehung der Schutzvorschriften des HZÜ, da es gemäß Art. 54 lit. b W V K auch ohne eine dem Art. 24 2. HS HZÜ entsprechende Bestimmung in der Hand der HZÜ-Vertragsstaaten läge, den Sanktionsvorschriften des HZÜ dadurch unumschränkte Geltung zu verschaffen, daß sie neben dem HZÜ gemäß Art. 25 HZÜ fortgeltende bilaterale Abkommen einvernehmlich beenden. Insbesondere aber im Hinblick auf Großbritannien und damit auf das deutsch-britische Rechtshilfeübereinkommen sind solche Bestrebungen nicht erkennbar. Vielmehr geht die Einfügung des Art. 25 HZÜ gerade auf einen dahin gehenden britischen Wunsch zurück. 561 Auch wenn der soeben entwickelte Ansatz eine Reihe von Argumenten für sich in Anspruch nehmen kann, erscheint es dennoch fraglich, ob man tatsächlich so weit gehen sollte. M. E. sollte die Geltung des Art. 25 HZÜ und des darin faktisch niedergelegten Günstigkeitsprinzips dergestalt restriktiv interpretiert werden, daß die bilateralen Rechtshilfeverträge das HZÜ nur dann überlagern, wenn die Zustellung nach den (zusätzlichen oder liberaleren) Bestimmungen des bilateralen Vertrages anders als nach dem HZÜ (und den von Art. 22 HZÜ verdrängten Haager Zivilprozeßübereinkommen) von vornherein wirksam ist. 562 Dagegen findet keine Überlagerung des HZÜ durch die bilateralen Verträge statt, wenn die Zustellung sowohl gegen den bilateralen Vertrag als auch das HZÜ verstößt, jedoch nach dem bilateralen Vertrag heilbar wäre. Andernfalls käme es zu einer von den Schöpfern des HZÜ wohl nicht gewollten und auch nach dem Günstigkeitsprinzip wohl nicht möglichen Vermischung der vertraglichen Regelungen.563 Eine Ausnahme gilt nur dort, wo eine Zustellung eindeutig in einer ausschließlich vom bilateralen Vertrag vorgesehenen Form durchgeführt werden sollte (etwa durch einen Vertreter nach Art. 5 lit. b des deutsch-britischen Rechtshilfevertrages) und hierbei ein Fehler unterlief.

561

Siehe Sénace plénière, in: Actes et Documents III S. 342 f.

562

I.E. schon oben vor § 13 I; auch SU / H.Roth § 199 Rz. 10 und Majoros RabelsZ 46 (1982) 84, 94; zum deutsch-britischen Rechtshilfeabkommen Rauscher IPRax 1992, 71, 72 und O'Malley/Layton Rz. 4.44. Siehe auch Corte di Appello di Milano RDIPP 1972, 556. Demgegenüber fur einen steten Vorrang der multilateralen Übereinkommen Schweiz. BGE 94 III 35. 563

Für ein solches „Kombinationsverbot" beim Günstigkeitsprinzip (wenngleich im Zusammenhang mit dem Anerkennungsrecht) auch Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 225; Kropholler EuZPR Art. 25 Rz. 8.

298

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr Drittes Kapitel Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter § 20 Die Heilung im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren

Die Gerichte des Urteilsstaates übersehen öfter die Fehlerhaftigkeit einer internationalen Zustellung. Der Grund hierfür liegt zum Teil in einer mangelnden Kenntnis der internationalen Zustellungsregeln. Zum Teil ist der Zustellungsmangel aber für die Gerichte des Erststaates auch gar nicht erkennbar, so wenn die Behörden des ersuchten Staates trotz eines — nicht nach ihrem Recht geheilten — Zustellungsfehlers eine ordnungsgemäße Durchführung der Zustellung attestieren.1 Wie eine umfangreiche Judikatur belegt2, führt dies dazu, daß die Frage der Heilung von Zustellungsfehlern — wenn überhaupt — häufig erst auf der Ebene der Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils an praktischer Bedeutung gewinnt. Nur sofern aber die konkret einschlägigen Anerkennungsvorschriften auch eine „ordnungsgemäße" Zustellung als Voraussetzung der Anerkennung verlangen, wird dort die Heilungsfrage wirklich relevant. Ohne Bedeutung ist die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung deshalb etwa im Rahmen des deutsch-britischen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommens von I960 3 , dessen Art. 3 I lit. b für den Fall, daß der Beklagte säumig blieb und das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht in den Formen des deutschbritischen Rechtshilfeabkommens von 19284 zugestellt worden ist, allein auf die Rechtzeitigkeit der Zustellung abstellt. Ebenso verlangt das Luxemburger

1 So in EuGH RIW 1993, 65 (Minalmet . / . Brandeis), worauf Droz RCDIP 1993, 85, 87 nachdrücklich hinweist. Zu diesem Problem, insbesondere im Hinblick auf die Beweiskraft nach § 418 ZPO, auch Thode WuB V I I Β 1. Art. 27 EuGVÜ 1.93. 2 EuGH Slg. 1990-1 2725 (Lancray . / . Peters) — vorhergehend BGH W M 1988, 1617; OLG Hamm RIW 1988, 131; nachgehend BGH W M 1990, 1936. EuGH RIW 1993, 673 (Minalmet. / . Brandeis) — vorhergehend BGH W M 1991, 1050; nachgehend BGH RIW 1993, 673. BGHZ 120, 305; BGH IPRax 1991, 188; W M 1988, 1208; KG OLGZ 1988, 172; BayObLGZ 1978, 132; 1975, 374; 1974, 471; OLG Bamberg W M 1987, 638; OLG Düsseldorf IPRax 1985, 289; RIW 1985, 493; RIW 1980, 664; IPRspr. 1978 Nr. 159; OLG Frankfurt IPRax 1992, 71; IPRspr. 1978 Nr. 160; OLG Hamm IPRax 1993, 395; IPRspr. 1979 Nr. 195; IPRspr. 1977 Nr. 144; OLG Karlsruhe RIW 1991, 859; OLG Stuttgart IPRspr. 1983 Nr. 173; RIW 1979, 130. 3

BGBl. 1961 II 302.

4

Dazu oben § 13 II.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

299

CIEC-Übereinkommen über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen5 in seinem Art. 1 Nr. 2 lediglich, daß die Parteien [wenn auch nur aufgrund einer unzureichenden Ladung] in der Lage gewesen sind, ihre Rechte im Verfahren geltend zu machen. De lege ferenda wird in der Literatur 6 ein allgemeiner Verzicht auf das Anerkennungskriterium der Ordnungsmäßigkeit in staatsvertraglichen Verträgen gefordert. Demgegenüber fordern bis heute de lege lata die meisten Anerkennungsvorschriften nicht nur eine rechtzeitige, sondern auch eine ordnungsgemäße Zustellung. Dies gilt gleichermaßen für das autonome deutsche Recht wie für den Großteil der bi- und multilateralen Anerkennungsverträge. 7 So bestimmt Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, daß mangels Einlassung des Beklagten das daraufhin ergangene Urteil nur dann anerkannt werden kann, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß der Beklagte sich verteidigen konnte. Hieran anlehnend formulieren § 328 I Nr. 2 ZPO und § 16a Nr. 2 FGG, daß eine ausländische Entscheidung dann nicht anerkannt wird, wenn der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, darauf beruft, daß das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte. In der Sache vergleichbare Formulierungen wählen auch Art. 2 Nr. 2 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern 8 und Art. 6 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen.9 Allein das letztgenannte Übereinkommen präzisiert das Ordnungsmäßigkeitserfordernis und verlangt eine mit den wesentlichen Klagegründen versehene Klageschrift. Anders als die bisher genannten Bestimmungen, die — mit Ausnahme des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen — offen lassen, wann eine Zustellung als ordnungsgemäß anzusehen ist, gestalten die meisten bilateralen Anerkennungsverträge diesen Begriff näher aus. So bestimmen Art. 4 I I I des deutsch-schweizerischen An-

5

Das Übereinkommen wurde von der Bundesrepublik Deutschland zwar gezeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Text bei Jayme / Hausmann Nr. 89. 6

Zuletzt Schack ZEuP 1993, 306, 328.

7

Überblicke bei Beck S. 113 ff. und Jellinek S. 208 ff.

8

BGBl. 1961 II 1006.

9

BGBl. 1986 II 826.

300

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

erkennungs- und Vollstreckungsvertrages 10 und Art. 4 ΙΠ des deutsch-italienischen Anerkennungs- und VollstreckungsVertrages 11, daß die Anerkennung mangels Einlassung des Beklagten dann zu versagen ist, wenn diesem das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht rechtzeitig oder lediglich im Wege der öffentlichen Zustellung oder im Ausland auf einem anderen Wege als dem der Rechtshilfe bewirkt worden ist. Auch der deutsch-belgische Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag 12 definiert die Ordnungsmäßigkeit näher: Gemäß dessen Art. 2 I Nr. 2 ist die Anerkennung mangels Einlassung des Beklagten trotz rechtzeitiger Benachrichtigung dann zu versagen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht nach dem Recht des Urteilsstaates zugestellt worden ist. Identische Bestimmungen finden sich in Art. 2 Nr. 2 des deutsch-österreichischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages 13, Art. 3 Nr. 2 des deutschgriechischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages 14 und Art. 2 lit. c des deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages. 15 Die wohl ausführlichste Regelung sieht eine dritte Gruppe von bilateralen Staats Verträgen vor. Nach Art. 5 I I des deutsch-spanischen16, Art. 5 I I des deutsch-israelischen 17 und Art. 6 I I des deutsch-norwegischen Anerkennungsund Vollstreckungsvertrages 18 ist die Anerkennung mangels Einlassung des Beklagten dann zu versagen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nach den Gesetzen des Urteilsstaates nicht wirksam oder unter Verletzung der geltenden staatsvertraglichen Bestimmungen oder nicht rechtzeitig zugestellt worden ist. Eine in der Sache identische Bestimmung findet sich in Art. 29 I I des deutsch-tunesischen Vertrages. 19 Soweit die vorstehenden bilateralen Anerkennungsregeln neben dem EuGVÜ stehen, bleibt für sie wegen Art. 55 EuGVÜ freilich wenig Raum. Das gleiche gilt im Hinblick auf das Lugano Übereinkommen.

10

RGBl. 1930 II 1066.

u

RGBl. 1937 II 145.

12

BGBl. 1959 II 766.

13

BGBl. 1960 II 1246.

14

BGBl. 1963 II 110.

15

BGBl. 1965 II 27.

16

BGBl. 1987 II 35.

17

BGBl. 1980 II 926.

18

BGBl. 1981 II 342.

19

BGBl. 1969 II 889.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

301

Sofern sich das Ordungsmäßigkeitskriterium wie in den vorgenannten Bestimmungen neben dem Erfordernis der Rechtzeitigkeit findet, vertritt ein Teil der Literatur 20 , daß im Ergebnis die Prüfung der Ordungsmäßigkeit entfallen kann, wenn die Rechtzeitigkeit der Zustellung nachgewiesen ist (teleologische Reduktion). 21 Zwar ist den Verfechtern dieser Ansicht darin Recht zu geben, daß auch im Rahmen des Anerkennungsrechts wie sonst im Prozeßrecht nicht die Form ohne weiteres über den Zweck siegen darf. 22 Als besondere Ausformung des allgemeinen ordre public dürfen die genannten Anerkennungsregeln nicht zu einer starren Sanktionierung von reinen Formfehlern führen. 23 Doch kommt eine teleologische Reduktion der Anerkennungsregeln, die Geimer 24 treffenderweise als „indirekte" Zustellungsregeln bezeichnet, im Ergebnis einer weiten Auslegung der (direkten) Zustellungsregeln gleich. Auf die Gefahren, die eine solche weite Auslegung prozessualer Formvorschriften mit sich bringt, wurde in dieser Arbeit bereits an anderer Stelle hingewiesen.25 Ist der Zustellungszweck trotz eines Verstoßes gegen prozessuale Formen erreicht, so sollte die dann erforderliche Korrektur über das Institut der Heilung statt über eine weite Auslegung versucht werden. Die Heilung stellt das gegenüber der weiten Auslegung sensiblere Instrument dar 26 , ohne dabei im Ergebnis zu einer Überhöhung der prozessualen Form zu führen. 27 Dem sind sowohl der EuGH 28 im Hinblick auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ als auch der BGH 2 9 im Hinblick auf § 328 I Nr. 2 ZPO gefolgt. Streitig ist insoweit allein, welchem Recht die Heilung unterliegt. Einigkeit dürfte darin bestehen, daß eine Zustellung dann als ordnungsmäßig anzusehen

20

Zu § 328 I Nr. 2 ZPO: Linke IZPR Rz. 408; Zöller / Geimer § 328 Rz. 134 f. Zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ: Geimer / Schütze-Geimer I / 1 § 140 V (S. 1064 f.); ders. EuZW 1990, S. 354 f.; Linke RIW 1986,409, 412; ders. Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.207 f.; ders. IZPR Rz. 408; Pfennig S. 87 f. mwN. Bei bilateralen Verträgen etwa zum deutsch-spanischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag Bülow / Böckstiegel / Schütze S. 663.4. 21

Ausführliche Diskussion bei Braun S. 134 ff.

22

Schack IZVR Rz. 849: »Allein die Fairneß, nicht die Zustellungstechnik zählt."

23

Braun S. 145.

24

NJW 1973, 2138, 2140 Fn. 17.

25

Oben § 4 II und § 15 II.

26 Stürner JZ 1992, 325, 330; Rauscher IPRax 1991, 155, 157; Stellungnahme der Bundesregierung in EuGH Slg. 1990-1 2725, 2730 (Lancray . / . Peters). 27

Zur Funktionsgleichheit beider Wege ausdrücklich Stürner FS Nagel S. 446, 453.

28

EuGH Slg. 1990-1 2725, 2747 ff. (Lancray . / . Peters).

29

BGHZ 120, 305.

302

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

ist, wenn der Zustellungsmangel bereits nach dem vom Richter des Urteilsstaates anzuwendenden Recht als geheilt gilt. Insoweit kann auf die oben30 gemachten Ausführungen verwiesen werden. Daß hierbei zum Teil auch das Recht des Zustellungsstaates zur Anwendung kommt, steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH. Dieser formulierte zwar im zweiten Leitsatz seiner Entscheidung Lancray . / . Peters 31, daß (im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ) sich die Heilung von Zustellungsfehlern „nach dem Recht des Gerichts des Urteilsstaates einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge bestimmt". Wie der EuGH jedoch in den Gründen seiner Entscheidung konkretisierte 32, ist hierunter „das vor dem Gericht des Urteilsstaates anwendbare Recht" zu verstehen. Darunter fällt auch das Recht des Zustellungsstaates, sofern dieses im Einzelfall nach den oben dargestellten Grundsätzen zur Anwendung berufen ist. 33 Letztlich ausschlaggebend ist mithin die Formulierung der Urteils gründe, da der Tenor eines Auslegungsurteils im Lichte der Entscheidungsgründe zu verstehen ist. 34 Ist nach diesen Grundsätzen eine Heilung ausgeschlossen, weil das insoweit einschlägige (nationale) Recht keine Heilungsmöglichkeit vorsieht oder weil etwa das HZÜ im Einzelfall faktisch einer Heilung entgegensteht, so stellt sich im Anerkennungsverfahren die Frage, ob dieser Zustellungsfehler subsidiär nach dem Recht des Anerkennungsstaates heilbar ist. 35 M.E. zu Unrecht meint Spellenberg 36, daß bei einem ausländischen Urteil „nichts mehr anerkannt werden" kann, wenn dessen verfahrenseinleitendes Schriftstück mangelhaft zugestellt worden ist, ohne daß dieser Fehler nach dem Recht des Urteilsstaates als geheilt anzusehen ist. Ein Verstoß gegen das Zustellungsrecht führt auch ohne Heilung bei der Auslandszustellung regelmäßig nicht zur Unwirksamkeit des darauf ergehenden Urteils. 37 Dies gilt nicht

30

§§ 16 bis 19.

31

EuGH Slg. 1990-1 2725, 2751 (Lancray . / . Peters).

32

EuGH Slg. 1990-1 2725, 2750 Rz. 29 (Lancray . / . Peters).

33

Hierauf weist zu Recht Tagaras Cah.Dr.Europ. 1990, 658, 712 f. hin; ähnlich Jay me / Kohler IPRax 1990, 353, 355. 34

EuGH Slg. 1978, 855, 859 (Bosch . / . Hauptzollamt Hildesheim).

35

So auch die Vorlagefrage in BGH W M 1988, 1617, 1620.

36

Staudinger / Spellenberg § 328 ZPO Rz. 342.

37

So zu Recht Geimer IZPR Rz. 2079; s.a. Jauernig, Zivilurteil, S. 152; Sauer, Grundlagen, S. 460; a.A. Hausmann IPRax 1988, 140, 142; LG Hamburg RIW 1991, 767: Fehlende Rechtshängigkeit. Unbesehen dieses Streites ergibt sich zumindest dann kein Problem, sofern es nach der lex

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

303

nur für das deutsche Recht, sondern auch für ausländische Rechtsordnungen. So kann etwa aus der Bestimmung des griechischen Rechts, wonach eine Kassation zulässig ist, wenn gegen die Partei unter Verletzung der für die Zustellung geltenden Vorschriften ein Versäumnisverfahren stattgefunden hat (Art. 559 Ziff. 6 griech. ZPG), nur geschlossen werden, daß mangels Kassation oder vorhergehender ausdrücklicher Nichtigkeitserklärung im Ausgangsverfahren das fragliche Urteil wirksam ist 38 , obwohl der Zustellungsfehler nicht nach griechischem Recht geheilt ist, vgl. Art. 159 Ziff. 2 griech. ZPG 39 . Auch die Verletzung völkerrechtlicher Regeln hat nicht die Nichtigkeit des Urteils zur Folge.40 In diesem Zusammenhang ist schließlich auf ein Urteil des OLG Hamm 41 hinzuweisen, demzufolge es der Anerkennung eines ausländischen Versäumnisurteils nicht entgegensteht, daß das Urteil nach dem Prozeßrecht des Urteilsstaates nichtig (wie sich aus den Gründen ergibt im Sinne von „vernichtbar") ist.

§ 21 Die Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen von § 328 I Nr. 2 ZPO

Gleichwohl ist bis heute die Anwendung des § 187 ZPO im Rahmen von § 328 I Nr. 2 ZPO umstritten. Der insofern aktuelle Meinungsstand soll im folgenden am Beispiel eines erst jüngst ergangenen Urteils des BGH 4 2 kritisch untersucht werden.

fori des ausländischen Gerichtsstaates mangels Unterscheidung von An- und Rechtshängigkeit nicht auf die Zustellung ankommt. Dies dürfte bei den meisten ausländischen Verfahrensrechten der Fall sein, Schack IZVR Rz. 756. 38 Siehe auch Art. 565 griech. ZPG (wortgleich mit Art. 583 griech. ZPG a.F.): „Die Kassationsfrist und die Einlegung der Kassation hemmen die Vollstreckung des angefochtenen Urteils nicht." (Übersetzung nach Baumgärtel / Rammos zu Art. 583 griech. ZPG a.F.). 39 „Die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozeßhandlung betreffenden Vorschrift bewirkt die Nichtigkeit, die vom Gericht ausgesprochen wird, ... wenn wegen dieser Verletzung die Kassation ... eingelegt werden kann ..." (Übersetzung nach Baumgärtel / Rammos zum identischen Art. 161 griech. ZPG a.F.). 40

Urbanek öZföR 11 (1961) 70, 75 ff. und v. Münch S. 210 f. verneinen sogar einen Aufhebungsanspruch. Weitere Nachweise bei P. Schlosser ZZP 79 (1966) 164, 182 Fn. 60, der zwar auch ein völkerrechtswidriges Urteil für innerstaatlich wirksam hält (S. 181), dem verletzten Staat aber einen Aufhebungsanspruch gewähren will (S. 182 ff.). 41

NJW-RR 1993, 895 (1. Leitsatz).

42

BGHZ 120, 305.

304

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr Die beiden Deutschen M und F hatten im Jahre 1971 in Deutschland die Ehe geschlossen und waren anschließend in die USA ausgewandert. Dort trennten sich die beiden im Jahre 1985, weshalb die F noch im selben Jahr nach Deutschland zurückkehrte. M betrieb in den USA (South Carolina) im Jahre 1987 die Ehescheidung. Die Klageschrift samt Ladung wurde der F Ende Juni 1987 per Einschreiben mit Rückschein unmittelbar auf dem Postwege zugesandt. Eine Übersetzung lag den übermittelten Schriftstücken nicht bei. Die F ließ sich auf das US-amerikanische Verfahren nicht ein, sondern klagte ihrerseits vor einem deutschen Gericht auf Scheidung. Hierdurch erhoffte sich die F die Anwendung des aus ihrer Sicht gegenüber dem amerikanischen Recht günstigeren deutschen Scheidungsrechts. Das USamerikanische Gericht erließ aufgrund der Säumnis der F im November 1987 ein Versäumnisurteil, dessen Anerkennung M in Deutschland beantragte. F machte im Anerkennungsverfahren geltend, daß ihr die Klage unter Verletzung des Haager Zustellungsübereinkommens zugestellt worden sei. M berief sich dagegen darauf, daß der Zustellungsfehler durch den tatsächlichen Zugang gemäß § 187 ZPO geheilt wäre.

/. Die Ansicht des BGH Die Zustellung verstieß im vorliegenden Fall gegen das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA seit 1979 in Kraft befindliche Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ). Zwar sieht dieses die Zustellung auf dem unmittelbaren Postwege vor, Art. 10 lit. a HZÜ. Doch hat die Bundesrepublik Deutschland diesem Zustellungswege gemäß Art. 10 l.HS HZÜ widersprochen und ihren Widerspruch den übrigen Vertragsstaaten notifiziert. 43 Die postalische Zustellung stellte damit aus deutscher Sicht keinen vom HZÜ zugelassenen Zustellungsweg dar. Darüber hinaus führte nach Ansicht des BGH auch das Fehlen einer Übersetzung des zugestellten Schriftstücks zu einem Zustellungsmangel. Auch die postalische Zustellung stelle ein förmliche Zustellung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 HZÜ dar, die entsprechend der dazu abgegebenen deutschen Erklärung stets eine Übersetzung erfordere. Trotz tatsächlichen Zugangs der Klageschrift verneinte der BGH die Anwendbarkeit des § 187 ZPO im vorliegenden Fall. Die Zustellungsfehler seien nicht aufgrund der deutschen lex fori heilbar. Die Wirksamkeit der Zustellung beurteile sich nicht nach dem deutschen Verfahrensrecht als der lex fori (und damit auch nicht nach § 187 Satz 1 ZPO). Die Zustellung der Klage sei vielmehr Teil eines ausländischen Verfahrens, so daß die Frage ihrer Ordnungsmäßigkeit nach dem Recht des ausländischen Staates einschließlich der von diesem geschlosse-

43

Siehe Bekanntmachung des Auswärtigen Amtes vom 21.06.1979, BGBl. 1979 II 779.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

305

nen einschlägigen Verträge zu beurteilen sei. Diese Ansicht vertrete auch der EuGH zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, auf den § 328 I Nr. 2 ZPO zurückgehe. Der Heilungsausschluß nach der lex fori des Anerkennungsstaates gelte jedenfalls dann, wenn im zwischenstaatlichen Verkehr völkerrechtlich wirksame Erklärungen existierten. In einem solchen Falle stünden Belange des geordneten zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs in Frage, die über die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten hinausgingen. Diese Belange seien nicht weniger gewichtig einzuschätzen als diejenigen Fälle, in denen auch sonst innerstaatlich eine Heilung durch tatsächlichen Zugang ausscheide, so bei Notfristen (§ 187 S. 2 ZPO) und bei diesen gleichgesetzten Präklusionsfristen.

IL Kritik

der Entscheidung

Die Entscheidung des BGH gibt in einer Reihe von Punkten Anlaß zur Kritik.

1. Die Übersetzung als Zustellungserfordernis der postalischen Direktzustellung Der BGH geht in der vorliegenden Entscheidung von einem doppelten Zustellungsmangel aus.44 Neben der Wahl des von Deutschland kraft Widerspruchs ausgeschlossenen Art. 10 lit. a HZÜ führte nach Ansicht des Gerichts auch das Fehlen einer Übersetzung zu einem Zustellungsfehler. Auch wenn dem BGH im Hinblick auf die Unzulässigkeit der postalischen Zustellung Recht zu geben ist, so unterliegen doch seine Ausführungen zum Fehlen einer Übersetzung einigen Zweifeln. Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland durch ihre Erklärung zu Art. 5 ΙΠ HZÜ das Übersetzungserfordernis völkerrechtlich wirksam für zwingend erklärt. 45 Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erstreckt sich die Übersetzungsregel des Art. 5 ΙΠ HZÜ aber nur auf die Fälle, in denen „das Schriftstück nach Absatz 1 zuzustellen" ist. Art. 5 I HZÜ erfaßt seinerseits aber nur eine solche Zustellung, die durch die Zentrale Behörde des ersuchten Staates bewirkt oder veranlaßt wird. Werden die Behörden des Zustellungsstaates eingeschaltet — und nur diesen Fall regelt Art. 5 I HZÜ —, so spricht man von

44

BGHZ 120, 305, 309.

45

Siehe oben § 18 IV 2.

20 Kondring

306

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

einer „indirekten Zustellung" 46 . Hiervon ist jedoch der direkte Weg 47 des Art. 10 lit. a HZÜ zu unterscheiden. Dort wird gerade nicht in den Formen des Art. 5 I HZÜ zugestellt. Verwegen erscheint deshalb die ohne weitere Ausführungen getroffene Feststellung des BGH, daß es sich bei der postalischen Zustellung „um eine förmliche Zustellung i.S. von Art. 5 ΙΠ des Übereinkommens" [sc. des HZÜ] handele48, die deshalb dem Übersetzungserfordernis des Art. 5 ΙΠ HZÜ unterliege. Gegen eine solche Annahme spricht m.E. auch, daß das HZÜ hinsichtlich Art. 10 HZÜ auf eine Reglementierung der einzuhaltenden Förmlichkeiten verzichtet hat 49 . Wie sich aus den Verhandlungen zum HZÜ ergibt 30 , dürfte dies auch im Hinblick auf die Frage der Übersetzung gelten. Zum gleichen Ergebnis kommt die Cour d'appel de Paris 51, die ebenfalls die Anwendung des Übersetzungserfordernisses des Art. 5 I I I HZÜ auf die Zustellung nach Art. 5 I HZÜ beschränkte und bei postalischer Zustellung von der Anwendung der Vorschrift absah. Etwas anderes kann allenfalls im Hinblick auf die Zustellung nach Art. 10 lit. b und c HZÜ gelten, da es sich hierbei ebenso wie bei Art. 5 HZÜ um eine Form der indirekten Zustellung handelt. So erklärt sich etwa auch die luxemburgische Haltung, wonach bei einer Zustellung nach Art. 5 I lit. a und Art. 10 lit. b und c HZÜ eine französische oder deutsche52 Übersetzung erforderlich ist, dagegen bei einer Zustellung nach Art. 10 lit. a HZÜ auf eine Übersetzung verzichtet werden kann.53 Dem entspricht die in dieser Arbeit zum deutsch-britischen Rechtshilfeabkommen von 1928 vertretene Ansicht. 54 Dem Interesse des sprachunkundigen Beklagten trägt das HZÜ aber auch im Hinblick auf die postalische Direktzustellung bei Fehlen einer Übersetzung durch Art. 151 HZÜ Rechnung. Zwar stellt bei der postalischen Zustellung eine Übersetzung kein Ordnungsmäßigkeitserfordernis im Sinne des Art. 15 I lit. a

46

Siehe etwa Ferreira,

47

Zur Terminologie Ferreira,

48

BGHZ 120, 305, 309.

49

Ferreira,

Rapport Explicatif, in: Actes et Documents III S. 373. Rapport Explicatif, in: Actes et Documents III S. 373.

Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 90.

50

Actes et Documents III S. 237 f.

51

J.T. 1980, 156; dazu auch Sumampouw III S. 5.

52

Insoweit besteht aus deutscher Sicht keine praktische Relevanz.

53

Siehe die luxemburgische Erklärung in BGBl. 1980 II 907. Dogmatisch dürfte es sich bei dem luxemburgischen Übersetzungsverlangen um einen zulässigen Teilwiderspruch gegen Art. 10 lit. b und c H Z Ü handeln und nicht um ein auf Art. 5 III HZÜ gestütztes Erfordernis. 54

Siehe oben § 13 II a.E.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

307

oder lit. b dar. Doch hat der Richter den Prozeß auszusetzen, wenn dem Beklagten nicht ausreichend Zeit blieb, selbst für eine Übersetzung zu sorgen, da in diesem Fall die Zustellung nicht so rechtzeitig ist, wie Art. 15 I 2.HS HZÜ es zur Fortsetzung des Prozesses verlangt. Ebenso läßt sich im Anerkennungsverfahren das Fehlen einer Übersetzung im Falle einer postalischen Direktzustellung über das Rechtzeitigkeitserfordernis sanktionieren. Damit litt die Zustellung nach der hier vertretenen Ansicht im vorliegenden Fall nicht — wie vom BGH angenommen — an einem Doppelmangel, sondern verstieß „lediglich" gegen den völkerrechtlich bindenden deutschen Widerspruch zu Art. 10 lit. a HZÜ.

2. Heilbarkeit nach dem Recht des Urteilsstaates Der Anerkennungsrichter hat im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO zunächst zu prüfen, ob sich eine Heilung des Zustellungsmangels nicht bereits aufgrund der vom erststaatlichen Urteilsrichter anzuwendenden Grundsätze ergibt. War im Rahmen eines ausländischen Verfahrens z.B. eine Zustellung in Deutschland durchzuführen und unterlief den deutschen Stellen ein Durchführungsfehler, so ist bereits aus Sicht des Urteilsstaates dieser Mangel gemäß § 187 ZPO als geheilt anzusehen. Daß es sich bei § 187 ZPO um eine Ermessensregel handelt, schadet insoweit nicht. 55 Auch ist ohne Belang, ob es sich bei der Zustellung aus Sicht des Urteilsstaates lediglich um eine Benachrichtigung handelt (wie etwa bei der remise au parquet). Zwar ist § 187 ZPO unanwendbar auf bloße Mitteilungen. 56 Doch betrachten wir eine ausländische Mitteilung, die auf dem Rechtshilfeweg zu übermitteln ist, innerstaatlich regelmäßig als echte Zustellung 57 ; deshalb konnte bei der deutschen Fassung des HZÜ auf ein Äquivalent zum französischen Terminus „notification" verzichtet werden. Die aus Sicht des Urteilsrichters gegebene Heilung hat auch der deutsche Anerkennungsrichter zu berücksichtigen. 58 Lag dagegen der Zustellungsmangel in der Wahl eines

55

A.A. Stf° / Schumann § 187 Rz. 42.

56

E. Schneider DGVZ 1983, 33, 35.

57

Pfeil-Kammerer

58

S. 39 f.; dies akzeptiert auch die französische Seite, vgl. Wiehe S. 54.

Dies verkennt der BGH in RIW 1993, 673, 675; richtig dagegen insoweit Rauscher IPRax 1993, 376, 379. 20*

308

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

falschen Übermittlungsweges, so scheidet nach der hier vertretenen Ansicht zumindest im Rahmen des HZÜ eine Heilung im Urteil s verfahren aus.59

3. Heilung nach dem Recht der deutschen lex fori Ist danach eine Heilung nicht möglich oder kennt das vom Urteilsrichter anzuwendende (autonome) Recht ausnahmsweise keine dem § 187 ZPO entsprechende Heilungsvorschrift, so stellt sich im Rahmen des Art. 328 I Nr. 2 ZPO die Frage einer kumulativen Heilung nach dem Recht des Anerkennungsstaates, d.i. in Deutschland § 187 ZPO. Allein aus der Tatsache, daß im Rahmen des HZÜ in concreto eine Heilung im Urteilsverfahren ausgeschlossen war, läßt sich kein Heilungsausschluß auf der Anerkennungsebene folgern, da Art. 15 HZÜ — anders als zum Teil auf der Ebene des Erstverfahrens — dort nicht sperrt. Selbst wenn der Anerkennungsstaat auch Vertragspartei des HZÜ ist — was bei der Anerkennung von Urteilen aus Drittstaaten nicht unbedingt der Fall sein muß 60 —, bindet das HZÜ insoweit nicht. Zumindest dann, wenn der Anerkennungsstaat auch der Zustellungsstaat war, eröffnet nämlich Art. 19 HZÜ einen Ausweg. Danach schließt es das HZÜ nicht aus, daß das innerstaatliche Recht des Zustellungsstaates andere als vom HZÜ vorgesehene Zustellungsverfahren zuläßt. Bindet das HZÜ die Vertragsstaaten danach schon nicht im Zustellungsverfahren, so kann dies erst recht nicht im Anerkennungsverfahren der Fall sein, da durch die Rechtshilfe(-Verträge) nicht die spätere Anerkennung präjudiziell wird. 61 Dies muß nicht nur für den Fall der Einhaltung der Zustellungsförmlichkeiten gelten 62 , sondern erst recht für den umgekehrten Fall der Verletzung des HZÜ. Wichtigstes Indiz für die fehlende Sperrwirkung von Art. 15 HZÜ ist schließlich, daß ein Verstoß gegen die die Einhaltung der Zustellungsförmlichkeiten sichernde Aussetzungspflicht des Urteilsrichters nicht

59

Oben § 18 II.

60

Vgl. zum Beispiel Deutschland vor 1979 (Beitritt Deutschlands zum HZÜ) im Hinblick auf ein amerikanisches Urteil, das in Deutschland anerkannt werden sollte und dessen verfahrenseinleitendes Schriftstück von den USA z.B. nach Schweden zugestellt wurde. 61 DroZy Memoire, in: Actes et Documents III S. 16 f.; Practical Handbook S. 29 Fn. 7; Geimer ZZP 103 (1990) 477, 488; ders. in Zöller / Geimer § 328 Rz. 17a und 176a; Nagel, Rechtshilfe, S. 62; Pfeil-Kammerer S. 64 und 68; Stiller S. 224; Monin-Hersant Jur.Cl. Int. Fase. 589-B-l S. 4. 62

Siehe etwa das Beispiel Japan und Dänemark, die zwar beide die postalische Zustellung nach Art. 10 lit. a H Z Ü zulassen, diese Form der Zustellung aber als unwirksam betrachten und so die Anerkennung von daraufhin ergangenen Urteilen verweigern (vgl. Practical Handbook S. 122 und 134); ebenso die Rechtslage bei Art. 5 lit. b dt.-brit. Rechtshilfeabkommen von 1928.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

309

die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung im Sinne der Anerkennungsvorschriften beeinflußt. 63 Das HZÜ sperrt mithin nicht eine Heilung auf der Anerkennungsebene; der ersuchte Staat kann vielmehr über die Folgen eines Zustellungsfehlers selbständig entscheiden, ohne an die Meinung des ersuchenden Staates gebunden zu sein.64 Gleichwohl lehnte der BGH, wie dargelegt, auch eine Heilung nach dem Recht des Anerkennungsstaates ab.

a) Berufung auf Literatur und Rechtsprechung zu § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. Der BGH stützt seine Haltung unter anderem auf umfangreiche Nachweise aus der Literatur. 65 Dabei übersieht er offensichtlich, daß die Hälfte dieser Textstellen66 sich auf 328 I Nr. 2 ZPO a.F. bezieht, der bis zum 31.08.1986 in Kraft war. Zwischen § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. und n.F. bestehen aber erhebliche Unterschiede. § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. lautete: „Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen: ... 2. wenn der unterlegene Beklagte Deutscher ist und sich auf den Prozeß nicht eingelassen hat, sofern die den Prozeß einleitende Ladung oder Verfugung ihm weder in dem Staate des Prozeßgerichts in Person noch durch Gewährung deutscher Rechtshilfe zugestellt ist... Die wohl herrschende Meinung zu § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. sah in dieser Regel eine den § 187 ZPO verdrängende Sonderbestimmung. 67 Diese wollte über die bloße Gewährleistung des Zugangs hinaus durch die zwingende Einschaltung deutscher Behörden den deutschen Beklagten in besonderer Weise schützen. Eine solche Zielsetzung wäre durch § 187 ZPO unterlaufen worden.68

63

Linke IPRax 1993, 295; ders. RIW 1986, 409, 412; Schack IZVR Rz. 611 und 846; Wiehe S. 200; Mezger IPRax 1982, 30, 32; Martiny HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 125: Nichteinhaltung der Aussetzungspflicht nicht bei Ordnungsmäßigkeit der Zustellung zu prüfen, sondern allenfalls bei Rechtzeitigkeit derselben; a.A. StJ / H.Roth § 199 Rz. 30. 64

Wiehe S. 116.

65

BGHZ 120, 305, 310.

66

KG FamRZ 1988, 641 = OLGZ 1988, 172; Jansen FGG 2 Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 25; Staudinger 10 ' 11 / Gamillsche g Anh. Art. 17 EGBGB § 328 ZPO Rz. 258. 67

KG OLGZ 1988, 172, 177; OLG Celle IPRspr. 1960 / 61 Nr. 195; Staudinger 10 ' 1 1 / Gamillscheg Anh. Art. 17 EGBGB § 328 ZPO Rz. 258; StJ 19 / Leipold § 328 Anm. V; Wieczorek? § 328 Anm. Ε II a 2; Bernstein FS Ferid S. 75, 82; Linke, Anerkennung, S. 108. 68

Bernstein FS Ferid S. 75, 82; KG OLGZ 1988, 172, 177.

310

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Unbesehen dieser Erwägungen wollte auch schon unter Geltung des § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. eine seinerzeit zunehmend erstarkende Mindermeinung mit beachtlichen Argumenten eine Heilung gemäß § 187 ZPO im Anerkennungsverfahren zulassen.69 Der insoweit zu § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. bestehende Streit kann hier jedoch offen bleiben. Es dürften heute kaum mehr Entscheidungen zur Anerkennung kommen, die aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. stammen. Sollte im Einzelfall dennoch eine ältere Entscheidung zur Anerkennung gelangen70, so ist regelmäßig § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. anzuwenden, da dieser — wie noch zu zeigen sein wird — gegenüber § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. die liberaleren Anerkennungsvoraussetzungen enthält.71 Dem entspricht auch die allgemeine intertemporale Regel des Verfahrensrechts 72, wonach stets dasjenige Verfahrensrecht anzuwenden ist, das im Zeitpunkt der Entscheidung gilt. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten auf eine Nichtanerkennung nach altem Recht besteht grundsätzlich nicht. 73 Soweit sich der BGH in seiner Entscheidung auf die dargestellte, eine Heilung gemäß § 187 ZPO im Rahmen von § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. ablehnende Auffassung stützt, vermag diese die Ansicht des BGH nicht zu stützen. Denn § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. stellt gegenüber § 187 ZPO keine lex specialis dar. 74 Die insoweit auch heute noch entgegenstehende Ansicht 75 , auf die sich auch der BGH beruft 76 , verkennt, daß § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. im Gegensatz zur alten Fassung

69

BayObLGZ 1978, 132; 1975, 374; 1974, 471; Martiny HB IZVR III / 1 Rz. 849 mwN; Basedow, Anerkennung, S. 63; Geimer FamRZ 1975, 218; ders. NJW 1973, 2138; BLÄH u / Hartmann § 328 Anm. 3C; Thomas / Putzo u § 328 ZPO Anm. 2; Zöller 14 / Geimer § 328 Rz. 163; Rosenberg/Schwab 13 § 158 I 3 c a.E. (S. 955). 70 Im Fall KG OLGZ 1988, 172 war die anzuerkennende Entscheidung im Zeitpunkt des Urteils des Kammergerichtes bereits 13 Jahre alt. 71 BayObLG NJW 1988, 2178, 2179 mwN (freilich mit einer Beschränkung der Rückwirkung der Anerkennung nicht über den 1.9.1986 hinaus); Martiny HB IZVR III / 1 Rz. 775; a.A. KG OLGZ 1988, 172, 175; SU 20 / Schumann § 328 Rz. 22. 72

Dazu H. Roth, Änderungen, S. 175, 186 f.; SÛ 20 / Schumann § 328 Rz. 25.

73

So aber KG OLGZ 1988, 172, 175; StJ 20 / Schumann § 328 Rz. 22. Zur Korrektur von Extremfällen über den allgemeinen ordre public BayObLG NJW 1988, 2178, 2179 f. 74 KG OLGZ 1988, 172, 177. Bezeichnenderweise änderte sich auch die Kommentierung des Stein / Jonas von der 19. Aufl. (§ 328 a.F. Anm. 5 [Schumann / Leipold]) zur 20. Aufl. (§ 328 n.F. Rz. 186 [Schumann]). 75 Krzywon Rz. 33. 76

StAZ 1989, 93, 100; U V BW FamRZ 1990, 1015, 1018; AK-ZPO / Koch § 328

BGHZ 120, 305, 310.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

311

selbst kein bestimmtes Zustellungsverfahren mehr vorschreibt und keine über die Gewährleistung des Zugangs hinausgehenden Ziele mehr verfolgt. Wurde im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. der (theoretisch anwendbare) § 187 ZPO nach den insoweit vom BGH zitierten Autoren (nur) über den lex specialis-Grundsatz aus dem Anerkennungsverfahren verdrängt, so müßte er nach Wegfall der zur Spezialität führenden Gesichtspunkte im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. gleichsam „wieder aufleben". Der dogmatische Ansatz, der bei § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. zu einem Heilungsausschluß gemäß § 187 ZPO führte, vermag demnach nicht die vom BGH zu § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. vertretene Ansicht zu stützen; er führt vielmehr ins genaue Gegenteil.

b) Berufung auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ Darüber hinaus stützt der BGH 7 7 sein Urteil auf die Spruchpraxis des EuGH zum EuGVÜ 78 sowie die diese Praxis unterstützende Literatur 79 . Dort hatte der EuGH eine Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nach dem Recht des Anerkennungsstaates abgelehnt.80 Auch wenn sich § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. an Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ anlehnt81, vermag die Entscheidung des EuGH die Auslegung des § 328 I Nr. 2 ZPO nicht zu präjudizieren. Der deutsche Gesetzgeber hat den autonomen § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. absichtlich liberaler als Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ausgestaltet.82 So ist § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. anders als Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, wo die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung von Amts wegen zu prüfen ist, bewußt als Einrede konzipiert worden. 83 Allein diese Unterscheidung rechtfertigt m.E. bereits eine divergierende Auslegung von § 328 I Nr. 2 ZPO und Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. 84 Darüber hinaus unterscheidet sich die ratio von § 328 I Nr. 2 ZPO

77

BGHZ 120, 305, 311.

78

EuGH Slg. 1990 1-2725 (Lancray . / . Peters).

79

Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 30; Rauscher IPRax 1991, 155, 159; Stürner JZ 1992, 325, 331.

80

Eine gleiche Auslegung von § 328 I Nr. 2 ZPO und Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ begrüßt Schack JZ 1993, 621, 622 ausdrücklich. 81

Pirrung S. 209.

82

So ausdrücklich auch Linke, Probleme, S. 165; ähnlich auch Geimer EuZW 1990, 354, 355.

83

Pirrung S. 209.

84

Vgl. auch Geimer EuZW 1990, 354, 355: „§ 328 I Nr. 2 ZPO orientiert sich zwar am Wortlaut des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, kann aber (theoretisch) anders interpretiert werden."

312

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

n.F. und Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Aufgabe des letzteren ist es, zwischen den Vertragsstaaten des EuGVÜ einen einheitlichen Anerkennungsstandard zu schaffen. 85 Es soll mithin ohne Bedeutung sein, ob zum Beispiel ein niederländisches Urteil in Deutschland oder Frankreich anerkannt werden soll. Dieser einheitliche Anerkennungsstandard würde durch eine Heilung nach autonomem Anerkennungsrecht möglicherweise zerstört. Einer solchen Vorgabe unterliegt § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. dagegen nicht. Wir entscheiden im autonomen Recht allein, was anzuerkennen ist, ohne hierbei Rücksicht nehmen zu müssen. Damit dürfte auch die vom BGH gezogene Parallele zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ einschließlich der Rechtsprechung des EuGH nur äußerst bedingt die Ansicht des BGH zu stützen in der Lage sein.

c) Der ordre public-Gedanke in § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. Zu wenig würdigt der BGH m.E. auch den ordre public-Gehalt des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F., der jedoch dort durch die Ausgestaltung der Norm als Einrede in besonderer Weise modifiziert ist. Ursprünglich umstritten war vor allem die Berechtigung des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. neben der allgemeinen ordre publicKlausel des § 328 I Nr. 4 ZPO n.F. 86 Obwohl sachlich zwischen beiden Lösungsansätzen — Beibehaltung einer besonderen selbständigen Beklagtenschutzvorschrift auf der einen Seite, Beschränkung auf den allgemeinen ordre public auf der anderen Seite — faktisch kaum Unterschiede bestehen87, entschied man sich am Ende für eine selbständige Ausgestaltung des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. Ausschlaggebend hierfür waren letztlich folgende Erwägungen: Zunächst sah man in der Gewährung rechtlichen Gehörs im Stadium der Verfahrenseinleitung ein klar abgrenzbares Sonderproblem 88, das vor allem aus Gründen der Klarheit aus dem allgemeinen ordre public ausgeklammert werden sollte.89

85 Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 30; Stürner JZ 1992, 325, 331 Fn. 60; Stellungnahme der Kommission in EuGH Slg. 1990 I—2725, 2734 (Lancray . / . Peters). Demgegenüber schweigt der EuGH selbst trotz einer dahin gehenden Vorlagefrage des BGH zur Anwendbarkeit des Rechtes des Anerkennungsstaates. Gleichwohl ist das Urteil nur vor diesem Hintergrund verständlich, so auch Thode WuB V I I Β 1. Art. 27 EuGVÜ 1.91. 86 Dafür Basedow StAZ 1983, 233, 239; Gottwald IPRax 1984, 57, 60; ders. ZZP 95 (1982) 3, 12; Max-Planck-Inst., Reform, S. 100 f. Dagegen Firsching ZZP 95 (1982) 121, 132; Kühne S. 178; Deutscher Rat fìir IPR (zitiert bei Basedow StAZ 1983, 233, 239 Fn. 56). 87

So ausdrücklich Gottwald ZZP 95 (1982) 3, 12.

88

Basedow StAZ 1983, 233, 239.

89

Gottwald ZZP 95 (1982) 3, 12.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

313

Durch einen speziellen, auf die Gewährung des rechtlichen Gehörs im Stadium der Prozeßeinleitung gerichteten Anerkennungssatz erhoffte man sich gegenüber dem häufig ungenau umrissenen allgemeinen ordre public den Vorteil der Rechtsanwendungssicherheit.90 Darüber hinaus würde der allgemeine ordre public den Kläger und den Beklagten im Hinblick auf ihre jeweiligen Rechte im Erstverfahren in gleichem Umfang schützen. Zwar sind die Interessen beider Parteien grundsätzlich gleich zu gewichten, so daß sich insoweit eine besondere Privilegierung der Beklagtenrechte über eine Sonderregel im Anerkennungsrecht verböte. Denn auch der Kläger ist auf den allgemeinen ordre public angewiesen, wenn der Beklagte die Anerkennung eines Urteils beantragt, das unter Verletzung der Klägerrechte zustandegekommen ist. Gerade aber das Versäumnisverfahren stellt für den Beklagten eine — gemessen an der möglichen Beeinträchtigung der Klägerrechte im Erstverfahren — unverhältnismäßig große Gefahr dar, die es rechtfertigt, den Beklagten auch durch eine selbständige Beklagtenschutzvorschrift zu schützen.91 Schließlich findet § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. als selbständige Regelung seine Rechtfertigung darin, daß er anders als der allgemeine ordre public nicht von Amts wegen, sondern nur auf eine Einrede des Beklagten hin zu beachten ist. 92 Die bei Pirrung 93 wiedergegebene Begründung des Regierungsentwurfes weist zusätzlich darauf hin, daß im Einzelfall, insbesondere bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten, der Beklagte auch ein Interesse an der Anerkennung eines solchen Urteils haben kann, das nach nicht ordnungsgemäßer Zustellung ergangen ist. Ein solches Interesse läßt sich nur über eine Einrede schützen, nicht aber bei einem von Amts wegen zu beachtenden Umstand.94 Mithin verdankt § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. seine Existenz vor allem rechtspolitischen Erwägungen, die ihm jedoch nicht den Charakter als ordre public-Vorschrift genommen haben. Denn auch die Gewährung rechtlichen Gehörs ist Teil des ordre public. 95

90

Linke, Anerkennung, S. 180; Max-Planck-Inst., Reform, S. 100.

91

Linke, Anerkennung, S. 180 f.

92

Gottwald IPRax 1984, 57, 60.

93

Pirrung S. 209.

94

Beachte aber auch BGH IPRax 1991, 188, 189, wonach zumindest im Rahmen von § 328 I Nr. 2 ZPO a.F., demzufolge eine fehlerhafte Zustellung von Amts wegen zu berücksichtigen war, die Anerkennung dann nicht versagt werden darf, wenn der Beklagte deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß er das Urteil trotz des Zustellungsmangels gegen sich gelten lassen will. Zustimmend Nagel IPRax 1991, 172. 95

Kühne S. 178.

314

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Aus diesem ordre public-Charakter des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. folgt: Werden Formvorschriften verletzt, ohne daß hierin eine effektive Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs des Beklagten liegt, so bedeutet dies keinen Verstoß gegen den deutschen ordre public. 96 Denn an das Prozeßrecht des Erststaates sind keine höheren Anforderungen zu stellen als an das eigene Prozeßrecht 97, da im autonomen deutschen Anerkennungsverfahren nur die Wahrung unseres eigenen Mindeststandards interessiert, nicht jedoch die minutiöse Einhaltung fremden Zustellungsrechts. 98 Auch sind Erwägungen des geordneten zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs und staatliche Souveränitätsinteressen im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. fehl am Platze.99 Die Ausgestaltung des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. als Einrede läßt nur den Schluß zu, daß die Sicherung des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs und der staatlichen Souveränität nicht in den Schutzbereich des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. fallen. Der danach mögliche private Verzicht des Beklagten auf die Geltendmachung von Zustellungsmängeln wäre mit dem behaupteten Schutz des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs und der Souveränität unvereinbar. 100 Es gibt insoweit keinen Souveränitätsschutzschild, auf den sich der Beklagte berufen könnte. 101 Selbst wenn also tatsächlich in concreto der zwischenstaatliche Rechtsverkehr oder die staatliche Souveränität durch eine fehlerhafte Zustellung tangiert sein sollte, so läßt sich zumindest hierauf im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. kein Heilungsausschluß stützen. Extremfälle, an denen es jedoch regelmäßig fehlen dürfte 102 , lassen sich allenfalls über den allgemeinen ordre public des § 328 I Nr. 4 ZPO n.F. sanktionieren. Auch vor diesem Hintergrund erscheinen die Ausführungen des BGH m.E. wenig tragfähig.

96

Linke, Anerkennung, S. 177.

97

So schon BayObLGZ 1974, 471, 478 und Geimer NJW 1973, 2138, 2140 zu § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. 98

Staudinger / Spellenberg § 328 Rz. 342; Geimer L M § 328 ZPO Nr. 42; ähnlich auch Pfeiffer NJW 1994, 1634. 99

So auch Geimer L M § 328 ZPO Nr. 42. Daß der BGH in BGHZ 120, 305, 312 auch diesen Gedanken heranzieht, übersieht m.E. Schack JZ 1993, 621, 622. 100

P. Schlosser FS Matscher S. 387, 390 a.E.; Schack JZ 1993, 621, 622.

101

Geimer IZPR Rz. 2159 und 2184; ders. ZfRV 1992, 401, 403 f.; ders. ZZP 103 (1990) 477; 489 f.; ders. L M § 328 ZPO Nr. 42; Schack IZPR Rz. 590; ders. JZ 1993, 621, 622; a.A. Stürner JZ 1992, 325, 331; ders. FS Nagel S. 446, 455; Stadler S. 288 f.; Braun S. 153. Siehe schon ausführlich oben § 16 II 2 b. 102 Nach Wolken ZBernJV 118 (1982) 441,442 kommt der Zustellung regelmäßig nur eine geringe Eingriffsqualität zu.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

d) Differenzierung zwischen vertraglichem vertragslosem Zustellungsverkehr

315

und

Teile der Ausführungen des BGH 1 0 3 geben Anlaß zu der Vermutung, daß der BGH möglicherweise zwischen der Heilung im vertraglichen und vertragslosen Zustellungs verkehr differenzieren will 1 0 4 . Dort führt der BGH aus, daß eine Heilung nach § 187 ZPO „jedenfalls dann nicht" im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. in Frage komme, „wenn im zwischenstaatlichen Verkehr — wie hier — völkerrechtlich wirksame Erklärungen entgegenstehen". Auch trägt nach Ansicht des BGH 1 0 5 die Entscheidung BayObLGZ 1974, 471 vorliegend deshalb nicht mehr, weil diese „vor dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Haager Zustellungsübereinkommen ergangen" ist (darauf, daß sich diese Entscheidung auf § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. bezieht, geht der BGH demgegenüber nicht ein). Zweifellos will sich der BGH hier den Weg zu einer abweichenden Entscheidung im vertragslosen Rechtshilfeverkehr offenhalten. 106 Seine möglicherweise ins Auge gefaßte Differenzierung gründet der BGH darauf, daß die nationalen Heilungsgrundsätze zurückzutreten hätten, wenn — wie im Fall des HZÜ — ,3elange des geordneten zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs in Frage" stünden. Wie die Ausführungen im vorangehenden Abschnitt (c.) aber ergeben haben, sind solche Belange im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. nicht zu berücksichtigen. Auch das Argument des BGH 1 0 7 , daß eine Heilung nach dem Recht des Anerkennungsstaates die einheitliche Anwendung der staatsvertraglichen Zustellungsregeln gefährde, vermag m.E. nicht zu tragen, da auch staatsvertragliche Zustellungsregeln kein Selbstzweck sind. Dies gilt gleichermaßen im Hinblick auf ihre einheitliche Anwendung. Sie sind ebenso wie das innerstaatliche Zustellungsrecht 108 vor dem Hintergrund des auch insoweit vorrangigen verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes zu sehen. Grenzen bestehen nur

103

BGHZ 120, 305, 311 f.

104

Dies übersehen m.E. Schack JZ 1993, 621, 623 und Otte zu BGH EWiR § 328 ZPO 1 / 93, 201, 202. die fragen, wie der BGH wohl im vertragslosen Zustellungsverkehr entscheiden würde (beide allerdings wohl nur auf die These des BGH bezogen, daß das Recht des Urteilsstaates auch für die Heilung allein maßgeblich sei). 105

BGHZ 120, 305, 311.

106

Ähnlich vorsichtig formulierte der BGH auch schon in BGHZ 58, 177, 179 („§ 187 Satz 1 ZPO ist jedenfalls in einem Fall, wie er hier vorliegt [eigene Hervorhebung], gegenüber einer im Ausland wohnenden Partei nicht anwendbar.") 107

BGHZ 120, 305, 312.

108

Siehe dazu oben § 3, insb. II.

316

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

dort, wo absichtlich gegen das (staatsvertragliche) Zustellungsrecht verstoßen wurde. Eine Differenzierung zwischen vertraglichem und vertragslosem Zustellungsverkehr ist somit bei § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. im Hinblick auf eine Heilung nach dem Recht des Anerkennungsstaates nicht angezeigt.

e) Das deutsche Heilungsrecht im Rahmen von § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß es durchaus gerechtfertigt erscheint, im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. auch die deutschen Heilungsgrundsätze zu berücksichtigen. Grund hierfür ist der Charakter des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. als ordre public-Vorschrift. Doch erfaßt § 328 I Nr. 2 ZPO nur einen bestimmten Aspekt des ordre public, den Beklagtenschutz in Form des rechtlichen Gehörs. Dies ergibt sich aus der Konzeption des § 328 I Nr. 2 ZPO als prozessuale Einrede. Nur das rechtliche Gehör, nicht aber Interessen der Allgemeinheit (etwa der „geordnete zwischensstaatliche Rechtsverkehr") stehen zur (nachträglichen) Disposition des Beklagten. Somit ergibt sich auch kein Unterschied zwischen vertraglichem und vertragslosem Zustellungsverkehr. Die möglicherweise über die bloße Gewährung rechtlichen Gehörs hinausgehenden Ziele staatsvertraglicher Zustellungsregeln werden durch § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. jedenfalls nicht sanktioniert. Die staatliche Souveränität wird lediglich durch § 328 I Nr. 4 ZPO (allgemeiner ordre public) geschützt. Allerdings wird der Grad der Souveränitätsverletzung durch eine ausländische Zustellung regelmäßig so gering sein, daß sich hierauf allein keine Verweigerung der Anerkennung stützen läßt. 109 Schützt § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. danach aber ausschließlich den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör, so liegt es nahe, diesen Anspruch nur soweit zu schützen, wie dies auch im Rahmen des innerstaatlichen Zustellungsverkehrs geschieht. Unser ordre public ist insoweit dann nicht verletzt, wenn über eine bloße Verletzung der Form hinaus die Beklagteninteressen nicht tangiert sind. 110 Allerdings bestehen konstruktive Schwierigkeiten, das deutsche Heilungsrecht in § 328 I Nr. 2 ZPO einzubinden.111 Zwar sanktionierte § 328 I Nr. 2 ZPO

109

Ebenso P. Schlosser FS Matscher S. 387, 395; zur geringen Eingriffsintensität der Zustellung in ausländische Souveränität Volken ZBernJV 118 (1982) 441, 442. 110

Linke, Anerkennung, S. 177.

111

Linke IZPR Rz. 410.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

317

a.F. Zustellungsfehler aus der Sicht des deutschen Anerkennungsrechts. 112 Bei einer Beibehaltung dieser Sanktionsperspektive in § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. hätte das zur Folge, daß nach dem Wegfall des Spezialitätsverhältnisses von § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. und § 187 ZPO im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. der § 187 ZPO gleichsam wieder auflebt 113 und unmittelbar als Teil der lex fori des Anerkennungsstaates anwendbar wäre. 114 M.E. zu Recht wendet sich der BGH 1 1 5 aber gegen einen solchen Ansatz. § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. stellt nach heute wohl einhelliger Ansicht im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung allein auf das Recht des Urteilsstaates ab. 116 Dies gestehen auch die Vertreter deijenigen Ansicht ein, denen zufolge eine Heilung nach dem Recht des Anerkennungsstaates möglich seien soll. 117 Eine direkte Anwendung des § 187 ZPO und damit eine Heilung nach einem anderen Recht als dem des Urteilsstaates scheint damit kaum vereinbar. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, daß § 187 ZPO einen Zustellungsmangel nicht beseitigt, sondern diesen lediglich für unbeachtlich erklärt 118 , den nach fremdem Recht konstatierten Formverstoß also formell akzeptiert. Aus diesem Grunde will ein Großteil der Autoren § 187 ZPO nicht unmittelbar im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO anwenden, sondern nur analog im Sinne eines allgemeinen Rechtsgedankens heranziehen. 119 Wie die einführenden Untersuchungen in dieser Arbeit ergeben haben 120 , kennt das deutsche Verfahrensrecht in der Tat einen solchen allgemeinen Zweckerreichungsgedanken. Will man diesen aber als „klassische" Heilungsregel verstehen, so stößt er auf ähnliche Bedenken wie die unmittelbare Anwendung des § 187 ZPO. Allenfalls ließe sich über den Grundsatz der

112

Linke, Anerkennung, S. 108 Fn. 559.

113

Siehe oben § 21 II 3 a.

114

So wohl BayObLGZ 1974, 471, 478 zu § 328 I Nr. 2 ZPO a.F.

115

BGHZ 120, 305, 311.

116 Zutreffend BGHZ 120, 305, 311; H. Roth FS Stree / Wessels S. 1045, 1053 sieht hierin eine Durchbrechung des lex fori-Prinzips. 117

Etwa Geimer L M § 328 ZPO Nr. 42; Thomas / Putzo § 328 Rz. 12; MüKo-ZPO / Gottwald § 328 Rz. 69. 118

Rosenberg / Schwab / Gottwald § 76 II 3 (S. 421). Siehe auch ebenda § 67 III (S. 400 f.). Zur dogmatischen Unterscheidung von Beseitigung eines Mangels und Unbeachtlichkeit desselben siehe oben § 4 I. 119

Vgl. nur Thomas / Putzo § 328 Rz. 12; MüKo-ZPO / Gottwald § 328 Rz. 71 ; Zöller / Geimer § 328 Rz. 135; StJ 20 / Schumann § 328 Rz. 186; Staudinger / Spellenberg § 328 ZPO Rz. 341; Linke IZPR Rz. 410; Geimer IZPR Rz. 2916. 120

Oben § 5 V.

318

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Zweckerreichung eine teleologische Reduktion des § 328 I Nr. 2 ZPO konstruieren. Doch bietet § 328 I Nr. 2 ZPO einen m.E. einfacheren und dogmatisch klareren Weg zur Umsetzung des Zweckerreichungsprinzips. Ausgangspunkte dieses Ansatzes sind die Ausgestaltung des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. als Einrede auf der einen und der ordre public-Charakter der Norm auf der anderen Seite. Das von § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. geschützte Interesse des Beklagten ist den Maßstäben und Gewichtungen des deutschen (Prozeß-)Rechts zu entnehmen. Das bedeutet, daß eine (nach dem Recht des Urteilsstaates) ordnungswidrige Zustellung dem Beklagten nur dann das Recht zur Einrede gibt, wenn hierdurch nach den Gewichtungen des deutschen Rechts der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Dies ist nach der in § 187 ZPO zum Ausdruck kommenden allgemeinen Wertung dann nicht der Fall, wenn trotz des Formfehlers der Zustellungszweck erreicht ist. Macht der Beklagte im deutschen Anerkennungsverfahren trotz Erreichung des Zustellungszwecks den Formfehler einredeweise geltend, so liegt hierin ein Mißbrauch des Einrederechts. Eine Formrüge ist nämlich nicht nur im materiellen Recht 121 , sondern auch im Prozeßrecht heute anerkanntermaßen 122 dem Grundsatz von Treu und Glauben unterstellt. 123 Dieser hat sowohl im materiellen Recht als auch im Prozeßrecht mit § 242 BGB den gleichen Ausgangspunkt.124 Danach ist die Einrede rechtsmißbräuchlich und somit von Amts wegen nicht zu beachten125, sofern durch einen Formfehler schützenswerte Belange der rügenden Prozeßpartei nicht tangiert werden. Denn das Rügerecht wird den Prozeßparteien zur Sicherung ihrer durch die Formen geschützten Interessen eingeräumt, nicht aber „zu dem alleinigen Ziel, die Durchsetzung der gegnerischen Rechte zu vereiteln" 126 . Dies gilt auch im Verfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG.

121

Dazu ausführlich H. Roth, Einrede, S. 251.

122

R. Weber JuS 1992, 631, 635 mwN; Bittmann ZZP 97 (1984) 32, 39; SU 20 / Schumann Einl. Rz. 243. 123 Dazu Vollkommer S. 33. Zur treuwidrigen Geltendmachung von Zustellungsmängeln im Anerkennungsverfahren (in concreto freilich verneinend) auch BGH RIW 1993, 673, 675. 124

Zum materiellen Recht H. Roth, Einrede, S. 253 f.; zum Prozeßrecht BGH RIW 1993, 673, 675. 125 Vollkommer S. 33; Göcker S. 56; Dölle FS Riese S. 279, 287 ff.; Pfizer Gruchot 31 (1887) 10, 29 f.; Heilbut AcP 69 (1886) 331, 382, 385, 389. Zur rechtsmißbräuchlichen Geltendmachung von Zustellungsfehlern auch Geimer IZPR Rz. 2125. 126

Vollkommer

S. 33; ebenso Henckel, Gerechtigkeitswert, S. 10.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

319

Trotz Erreichung des Zustellungszwecks ist die Ausübung des Rügerechts im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO nur dann nicht rechtsmißbräuchlich, wenn durch die Zustellung im Urteilsstaat solche Fristen in Gang gesetzt worden sind, die nach deutscher Vorstellung — dem Recht des Urteilsstaates mögen diese unbekannt sein (!) — Notfristen oder damit gleichgesetzte Fristen 127 darstellen. Dieser in § 187 S. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke gilt im gesamten Verfahrensrecht. 128 Er dient dem Schutz des Zustellungsadressaten 129 und stellt damit auch ein von § 328 I Nr. 2 ZPO geschütztes Interesse dar. Demgegenüber erscheint es in mehrfacher Hinsicht verfehlt, den in § 187 S. 2 ZPO niedergelegten Rechtsgedanken mit dem BGH 1 3 0 auf den „geordneten zwischenstaatlichen Rechtsverkehr" auszudehnen. Nach Ansicht des BGH ist die Sicherung des geordneten zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs „nicht weniger gewichtig als die Fälle, in denen auch innerstaatlich eine Heilung durch tatsächlichen Zugang ausscheidet, nämlich bei der Ingangsetzung einer Notfrist oder einer Präklusionsfrist" 131. Angesichts der vom BGH verfolgten Systematik, derzufolge das deutsche (Heilungs—)Recht bei der Anerkennung eines ausländischen Urteils in Deutschland ganz außer Betracht zu bleiben hat, verwundert es schon einigermaßen, daß der BGH nunmehr einen Heilungsausschluß132 auf einen Rechtsgedanken des innerstaatlichen deutschen (Heilungs-)Rechts stützen will, nämlich auf § 187 S. 2 ZPO. Darüber hinaus ist der „geordnete zwischenstaatliche Rechtsverkehr", der nach der hier vertretenen Ansicht ohnehin nicht durch § 328 I Nr. 2 ZPO geschützt ist, kaum mit § 187 S. 2 ZPO und den damit gleichgesetzten Fällen vergleichbar. Dienen diese dem Schutz des Zustellungsadressaten und somit einem auch von § 328 I Nr. 2 ZPO verfolgten Ziel, so stellt der geordnete zwischenstaatliche Rechtsverkehr 133 ein Interesse der Allgemeinheit, nicht aber ein solches des einzelnen Verfahrensbeteiligten dar. Er verfolgt mithin ein anderes Ziel als § 187 S. 2 ZPO und die

127

Vgl. etwa die Aufstellung bei Zöller / Stöber § 187 Rz. 10.

128

Zur Anwendung im Rahmen von § 295 ZPO siehe Zöller / Greger § 295 Rz. 6; zum allgemeinen ungeschriebenen Heilungsgrundsatz siehe bei H. Hagen SchlHA 1973, 57, 59; OLG Hamm NJW 1976, 2026. 129

GmS BGHZ 67, 355, 358; Zöller / Stöber § 187 Rz. 9.

130

BGHZ 120, 305, 312.

131

BGHZ 120, 305, 312.

132 Der BGH beachtet nicht den hier vertretenen Ausschluß des Rügerechts kraft Treu und Glauben. 133

Vom BGH offensichtlich gleichgesetzt mit der staatlichen Souveränität, BGHZ 120, 305, 312.

320

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

damit gleichgesetzten Fälle. Eine Parallele ist entgegen dem BGH nicht möglich. Gleichsam ein Paradebeispiel für einen Rechtsmißbrauch stellt aber der hier diskutierte Fall des BGH dar. Dort brachte die im Urteilsverfahren säumige Ehefrau vor, sie habe bewußt (!) nach der fehlerhaften Zustellung jede Reaktion gegenüber dem amerikanischen Gericht vermieden. Ziel dieses Verhaltens sei es gewesen, vor einem deutschen Gericht eine Scheidung nach deutschem Recht zu erreichen, da sie dieses für günstiger halte. 134 Schon aber § 328 I Nr. 3 ZPO a.F. 135 deutete darauf hin, daß außer in den dort aufgeführten Fällen die Aussicht auf Anwendung eines möglicherweise günstigeren deutschen materiellen Rechts durch ein deutsches Gericht nicht die Anerkennung eines ausländischen Urteils rechtfertigt. 136 Mit dem gänzlichen Verzicht auf eine dem § 328 I Nr. 3 ZPO a.F. entsprechende Bestimmung in der Neufassung des Paragraphen hat der Gesetzgeber endlich zum Ausdruck gebracht, daß nunmehr auch in den von § 328 I Nr. 3 ZPO a.F. genannten Fällen ein materielles Besserstellungsinteresse kein Anerkennungshindernis mehr darstellen soll. 137 Andernfalls würden die Anerkennungsregeln zum Vehikel für ein forum shopping. 138 Sofern die Rüge der Form Verletzung nicht auf die Sicherung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern allein auf eine materielle Besserstellung gerichtet ist, liegt hierin ohne Zweifel ein Rechtsmißbrauch 139 , durch den die Rüge unbeachtlich wird. Dies gilt auch dann, wenn

134

Siehe bei BGHZ 120, 305, 308 f.

135

„Die Anerkennung eines Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen: ... 3. wenn in dem Urteil zum Nachteil einer deutschen Partei von den Vorschriften des Artikel 13 Abs. 1, 3 oder der Artikel 17, 18, 22 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch oder von der Vorschrift des auf den Artikel 13 Abs. 1 bezüglichen Teiles des Artikel 27 desselben Gesetzes oder im Falle des § 12 Abs. 3 des Gesetzes über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung der Todeszeit vom 4.Juli 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 1186) zum Nachteil der Ehefrau eines für tot erklärten Ausländers von der Vorschrift des Artikel 13 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch abgewichen ist;..." 136 So auch Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 48 zur mit § 328 I Nr. 3 ZPO a.F. vergleichbaren Bestimmung des Art. 27 Nr. 4 EuGVÜ. Zur Vergleichbarkeit der beiden Vorschriften Schack IZVR Rz. 808. 137

Schack JZ 1993, 621, 622.

138

Geimer L M § 328 ZPO Nr. 42.

139

So auch Schack JZ 1993, 621, 622, der zusätzlich noch auf den internationalen Entscheidungseinklang und auf die Vermeidung unnötiger doppelter Inanspruchnahme der Gerichte hinweist (zum letztgenannten Punkt auch Geimer L M § 328 ZPO Nr. 42). Weshalb Schack ebenda S. 621 die Entscheidung des BGH trotz seiner berechtigten Kritik dennoch als „de lege lata zutreffend" bezeichnet, ist nicht verständlich.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

321

der Beklagte seiner Gerichtspflichtigkeit im ausländischen Staat, die der deutsche Richter spiegelbildlich im Rahmen von § 328 I Nr. 1 ZPO n.F. zu prüfen hat, durch bloße Rüge des Zustellungsfehlers zu entkommen sucht, obwohl der Zustellungszweck erreicht ist. Dies folgt daraus, daß die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten vor einem ausländischen Gericht nicht auf der Zustellung beruht, sondern auf den ohnehin schon bestehenden Kontakten des Beklagten zum Urteilsstaat.140 Hieran knüpfen regelmäßig die Zuständigkeitsregeln des ausländischen Staates an. 141 Vor exorbitanten Zuständigkeitsregeln ist der Beklagte ausreichend durch § 328 I Nr. 1 ZPO geschützt.142 Die Existenz dieser Bestimmung zeigt, daß § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. insoweit kein „Schlupfloch 44 darstellen soll. 143 Im Fall des BGH hatte die Ehefrau bewußt auf eine Reaktion im ausländischen Urteils verfahren verzichtet. Daß sie dies „bewußt44 tat, zeigt, daß sie wußte, worum es sich bei dem ihr zugegangenen Schriftstück handelte. Auch dürfte es nicht geschadet haben, daß die Klageschrift einschließlich der Ladung in englischer Sprache verfaßt war, da davon auszugehen ist, daß die Ehefrau, die meherere Jahre mit ihrem Mann in den USA gelebt hatte, ausreichend der englischen Sprache mächtig war. 144 Da demnach das rechtliche Gehör durch die konkrete Zustellung gewahrt war und die Mängelrüge allein davon abweichenden Interessen diente 145 , muß die Geltendmachung der Einrede als rechtsmißbräuchlich angesehen werden. Damit führt der Zweckerreichungsgedanke im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. zwar nicht dazu, daß der aus Sicht des Urteilsstaates bestehende Zustellungsmangel formell geheilt ist; die Zustellung ist und bleibt formell fehlerhaft. Doch berechtigt die fehlende Ordnungsmäßigkeit der Zustellung dann nicht zur Geltendmachung der Einrede des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F., sofern trotz des Mangels der Zustellungszweck in

140

Siehe dazu schon oben § 16 I 2 b.

141

Zum Verhältnis von Gerichtsgewalt und Zuständigkeit ausführlich H. Roth ZVglRWiss 90 (1991) 298 ff. 142

Zur Beklagtenschutzfunktion des § 328 I Nr. 1 ZPO siehe Geimer IZPR Rz. 2901.

143

Ähnlich schon Obergericht Danzig JW 1926, 1998, 1999 zur Anerkennung eines deutschen Urteils in der Freien Stadt Danzig gemäß § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. (das Deutsche Reich war aus Sicht Danzigs wegen des besonderen völkerrechtlichen Status der Stadt Ausland !): § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. will den Beklagten (sc. dessen Anspruch auf rechtliches Gehör) schützen, diesen „aber keineswegs der ausländischen Gerichtsbarkeit entziehen oder seine Belangung vor dem ausländischen Gericht besonders erschweren". Anm: Die ZPO galt auch in der dem Völkerbund unterstellten Freien Stadt Danzig fort; dazu Mersmann-Soest JW 1926, 1998. 144

Ebenso Schack JZ 1993, 621. Im einzelnen aber Fallfrage.

145

Wahrscheinlich hatte die Ehefrau den deutschen Versorgungsausgleich im Auge, wie Schack JZ 1993, 621 wohl zutreffend anmerkt. 2

Kondin

322

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

vollem Umfang erreicht worden ist. Es wird im Ergebnis also das Einrederecht durch den Grundsatz von Treu und Glauben, in dem sich der Zweckerreichungsgedanke niederschlägt, beschnitten. Die hier vertretene Ansicht reiht sich nahtlos in das System des deutschen Heilungsrechts ein. So kann auch im Rahmen des § 187 S. 2 ZPO eine Berufung auf diese Vorschrift und den daraus resultierenden Heilungsausschluß gemäß § 242 BGB rechtsmißbräuchlich sein. 146

f) Exkurs: § 16a Nr. 2 EGG Das FGG-Verfahren kennt mit § 16a FGG eine eigene Anerkennungsregel. Wann ein ausländischer Akt als ein solcher der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzusehen ist und wann damit § 16a FGG statt § 328 ZPO zur Anwendung kommt, beurteilt sich nach den Vorstellungen des deutschen Rechts.147 § 16a FGG nimmt zwar auf die Besonderheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Rücksicht. So ist der Anwendungsbereich der Bestimmung nicht auf einen Beklagten beschränkt, da die freiwillige Gerichtsbarkeit in vielen Bereichen weder einen Beklagten im zivilprozessualen Sinne noch eine kontradiktorische Zweiparteienbeziehung kennt. 148 Weiter verlangt § 16a Nr. 2 FGG statt einer Einlassung im Sinne des § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. eine Äußerung zur Hauptsache. Schließlich spiegelt sich auch im Hinblick auf das hier interessierende Kriterium der Ordnungsmäßigkeit die Sonderstellung des FGG-Verfahrens wieder, da § 16a Nr. 2 FGG nicht wie § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. eine ordnungsmäßige Zustellung, sondern eine ordnungsmäßige Mitteilung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks voraussetzt. Der Grund für diese Unterscheidung liegt darin, daß vor allem im „klassischen" Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Zustellung eine vergleichsweise untergeordnete Position innehat, da bis auf wenige Ausnahmen regelmäßig weniger förmliche Mitteilungen — z.B. in der Form eines Einschreibebriefes — ausreichen. Da das Erfordernis der Mitteilung damit grundsätzlich nur äußerst geringen Formerfordernissen unterliegt, kommt es nur recht selten zu technischen Mitteilungsfehlern. Die Frage einer Heilung stellt sich damit in aller Regel im Rahmen des § 16a Nr. 2 FGG nicht. 149 Sofern es

146

SU/H.Roth

147

Geimer IZPR Rz. 2882 mwN.

§ 187 Rz. 23 mwN.

148

Richardi

S. 128.

149

Richardi

S. 132.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

323

im Einzelfall dennoch zu Mitteilungs- oder (im Einzelfall) Zustellungsmängeln kommt, sind die vorstehend zu § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. entwickelten Grundsätze entsprechend heranzuziehen. 150 Denn abgesehen von den aufgezeigten Unterschieden zwischen § 16a Nr. 2 FGG und § 328 I Nr. 2 ZPO n.F., die nicht struktureller Art sind, sondern allein auf der Verschiedenheit von freiwilliger und streitiger Gerichtsbarkeit beruhen, stellen die beiden Normen Parallelvorschriften dar. 151 Diese Parallelität ist es, die eine Gleichbehandlung rechtfertigt. Insbesondere steht einer Übertragung der zu § 328 I Nr. 2 ZPO entwickelten Grundsätze nicht entgegen, daß § 187 ZPO auf Mitteilungen — auf diese nimmt § 16a Nr. 2 FGG Bezug — nicht anwendbar ist. 152 Denn § 187 ZPO kommt wie gesehen nicht unmittelbar zur Anwendung. Vielmehr bewirkt der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, d.i. die Zweckerreichung, im Zusammenspiel mit dem Grundsatz von Treu und Glauben, daß die Geltendmachung der Einrede des § 16a Nr. 2 FGG als rechtsmißbräuchlich anzusehen ist.

III. Ergebnis Damit gilt im Rahmen des § 328 I Nr. 2 ZPO und des § 16a Nr. 2 FGG: Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung beurteilt sich ausschließlich nach dem vom Urteilsrichter anwendbaren Recht. Ist danach ein Zustellungsmangel nicht geheilt, so führt dies nicht automatisch zur Nichtanerkennung des ausländischen Urteils. Vielmehr ist im deutschen Anerkennungsverfahren nach § 328 I Nr. 2 ZPO und § 16a Nr. 2 FGG danach zu fragen, inwieweit der Zustellungszweck — auch ohne eine formelle Heilung nach dem vom ausländischen Richter anzuwendenden Recht — erreicht ist. Ist dies der Fall, so ist die Geltendmachung der Einrede des § 328 I Nr. 2 und des § 16a Nr. 2 FGG durch den Beklagten als rechtsmißbräuchlich anzusehen. Den Maßstab hierfür liefert die in § 187 ZPO zum Ausdruck kommende Wertung des autonomen deutschen Rechts. Dies gilt auch dann, wenn die Zustellung nach staatsvertraglichen Regeln, etwa dem HZÜ zu erfolgen hatte.

150 151

Für eine Gleichbehandlung auch Richardi S. 131 f.

Keidel / Kuntze / Winkler 1984, 57, 60. 152

2

§ 16a Rz. 1; Bumi lie r / Winkler

Dazu E. Schneider DGVZ 1983, 33, 35.

§ 16a Anm. 1; Gottwald

IPRax

324

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr § 22 Die Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ

Ebenso wie i m autonomen deutschen Anerkennungsrecht ist auch i m Rahmen des Art. 27 Nr. 2 E u G V Ü die Heilbarkeit von Zustellungsfehlern nach dem Recht des Anerkennungsstaates umstritten. Besondere praktische Relevanz erlangt dieser Streit dadurch, daß Art. 27 Nr. 2 E u G V Ü — zumindest solange der E u G H seine i m folgenden noch darzustellende, i m ganzen eher heilungsfeindliche Haltung beibehält — den wichtigsten Anerkennungsverweigerungsgrund des E u G V Ü darstellt. 1 5 3 Leitentscheidung des E u G H ist insoweit der Fall Lancray . / . Peters und Sickert 1 5 4 (leicht vereinfacht): Im Jahre 1986 verklagte die französische Gesellschaft Isabelle Lancray S A . vor dem Tribunal de commerce Nanterre die in Essen ansässige Peters und Sickert KG. Ziel der Klage war es, der Peters und Sickert KG zu untersagen, in ihren Lagerbeständen befindliche Waren der Isabelle Lancray S.A. in Deutschland weiterhin zu verkaufen. Die in französischer Sprache abgefaßte Klageschrift mit Ladung zu dem auf den 18.11.1986 bestimmten Termin vor dem Tribunal de commerce de Nanterre übersandte die Staatsanwaltschaft Nanterre am 30.7.1986 dem Präsidenten des Landgerichts Essen mit der Bitte um Zustellung. Die Klageschrift war von einem in englischer und französischer Sprache abgefaßten und in französischer Sprache ausgefüllten Formular begleitet, wie dies Art. 5 IV iVm Art. 7 HZÜ vorsieht. Wie aus dem Zustellungszeugnis des Amtsgerichts Essen vom 19.8.1986 hervorgeht, wurden die Schriftstücke gemäß § 183 I ZPO im Wege der förmlichen Zustellung der in den Geschäftsräumen der Peters und Sickert KG anwesenden Sekretärin übergeben. Der Prozeßbeauftragte der Peters und Sickert KG rügte am 11.11.1986, daß die Zustellung fehlerhaft gewesen sei, da ihr eine beglaubigte deutsche Übersetzung gefehlt habe. Die Peters und Sickert KG blieb im Termin vor dem Tribunal de commerce Nanterre säumig. Daraufhin erließ das Gericht ein Versäumnisurteil, dessen Anerkennung die Lancray S.A. vor dem Landgericht Essen beantragte.

I. Die Entscheidung

des EuGH

Das Landgericht Essen hatte das Versäumnisurteil des Tribunal de commerce Nanterre anerkannt und für vollstreckbar erklärt. 1 5 5 Die hiergegen bei dem O L G H a m m eingelegte Beschwerde hatte E r f o l g . 1 5 6 Das O L G sah die Zustellung zwar als rechtzeitig, nicht jedoch als ordnungsgemäß an. W i e sich aus § 3 des deutschen Ausführungsgesetzes zum H Z Ü ergebe, sei einer förmlichen Zu-

153

Droz RCDIP 1993, 85.

154

EuGH Slg. 1990 1-2725, 2743 ff. (Lancray . / . Peters).

155

Siehe bei BGH W M 1988, 1617, 1618.

156

OLG Hamm RIW 1988, 131.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

325

Stellung eines ausländischen Schriftstücks in Deutschland stets eine Übersetzung beizufügen. An einer solchen fehlte es vorliegend. Zwar zog das OLG Hamm eine Heilung dieses Fehlers analog § 187 ZPO in Erwägung, lehnte ein solche aber ab, da der Zustellungsempfänger nicht der französischen Sprache mächtig war. Auf die gegen dieses Urteil des OLG Hamm eingelegte Rechtsbeschwerde hin legte der BGH 1 5 7 dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vor, ob ein Zustellungsfehler im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nach dem Recht des Anerkennungsstaates heilbar sei. 158 Der EuGH 1 5 9 nahm auf die Vorlagefrage keinerlei Bezug, sondern entschied, daß sich die Frage der Heilung von Zustellungsmängeln im Rahmen von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nach dem Recht des Gerichts des Urteilsstaates einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge bestimme. Der Gerichtshof begründete diese Ansicht damit, daß einerseits das EuGVÜ nicht selbst zur Frage der Heilung Stellung nimmt, andererseits die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung sich allein nach dem autonomen und staatsvertraglichen Recht des Urteilsstaates beurteile, dem folglich auch die Heilung von Zustellungsfehlern zu unterstellen sei. Vor dem Hintergrund dieser Vorabentscheidung meinte der BGH 1 6 0 in seinem abschließenden Beschluß, eine Heilung habe bereits deshalb auszuscheiden, weil sich die Zustellung vorliegend nach dem HZÜ (ergänzt um die deutsch-französische Vereinfachungsvereinbarung) richte, das seinerseits keine Heilungsmöglichkeit vorsehe.

IL Kritik

der Entscheidungen

Die Entscheidungen des EuGH und der darauf folgende Beschluß des BGH fanden in der Literatur ein unterschiedliches Echo. 161 Selbst wenn man von der Prämisse des EuGH ausgeht, daß die Heilung von Zustellungsfehlern dem

157

BGH W M 1988, 1617.

158

Die weitere Vorlagefrage des BGH, ob die Rechtzeitigkeit und die Ordnungsmäßigkeit in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ kumulative Anerkennungserfordernisse seien, bejahte der EuGH und entschied so im Sinne der hier vertretenen Ansicht, siehe schon oben § 20. 159

EuGH Slg. 1990 1-2725, 2749 f. (Lancray . / . Peters).

160

BGH W M 1990, 1936, 1938.

161

Befürwortend etwa Rauscher IPRax 1991, 155, 158 f.; Stürner JZ 1992, 325, 330 ff.; Huet Clunet 1991, 503 ff.; Schultsz N.J. 1993 Nr. 75 (S. 203 ff.); Wolken SZDER 1993, 382, 383. Ablehnend z.B. Geimer EuZW 1990, 354 f.; ders. EWiR Art. 27 EuGVÜ 1 / 90, 991, 992; Linke RIW 1991 Beil. 5 S. 1, 10; Wlas NILR 1992, 409 ff.; Droz RCDIP 1993, 85 ff.; ders. RCDIP 1991, 167 ff.

3 2 6 2 .

Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Recht des Urteilsstaates einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge unterliegt, so kann doch dem abschließenden Beschluß des BGH nicht gefolgt werden. 162 Der eng gefaßte Leitsatz des EuGH ist vielmehr dahin auszulegen, daß hierunter nicht nur das Recht des Urteilsstaates einschließlich der anwendbaren völkerrechtlichen Verträge, sondern das gesamte vor dem Gericht des Urteilsstaates anwendbare Recht 163 zu verstehen ist. 164 Darunter fällt auch das autonome Zustellungs- und Heilungsrecht des Zustellungsstaates, sofern dieses im Einzelfall vom Richter des Urteilsstaates zu berücksichtigen ist. Entgegen der Ansicht des BGH, daß eine Heilung des vorliegenden Übersetzungsfehlers allein schon deshalb ausscheide, weil das auch für den Urteilsrichter maßgebliche HZÜ keine Heilungsmöglichkeit vorsieht, kommt nach der hier vertretenen Auffassung 165 bereits eine Heilung nach dem vom Urteilsrichter anzuwenden Recht in Frage. Zwar stellt das Übersetzungserfordernis des § 3 des deutschen Ausführungsgesetzes zum HZÜ wegen der deutschen Notifikation desselben eine auch die französische Seite völkerrechtlich bindende Regel dar. 166 Doch greift vorliegend Art. 3 I I der deutsch-französischen Vereinfachungsvereinbarung ein, wonach der ersuchte Staat selbständig für eine Übersetzung zu sorgen hat, sofern es der ersuchende Staat versäumt hat, eine solche dem zuzustellenden Schriftstück beizufügen. 167 Hierdurch wird die Übersetzungspflicht zu einer bloßen Durchführungsregel des ersuchten Staates, auf die die Heilungsgrundsätze dieser Rechtsordnung Anwendung finden. 168 Vorliegend wäre damit § 187 ZPO bereits als vom Richter des Urteilsstaates anzuwendendes (Durchführungs-)Recht berufen. Eine andere Frage ist, ob hier im Hinblick auf den Übersetzungsmangel die Voraussetzungen für eine Heilung gemäß § 187 ZPO gegeben sind. Hieran könnten deshalb Zweifel bestehen, weil der Zustellungsadressat im Fall Lancray . / . Peters und Sickert nicht der französischen Sprache mächtig war. 169 Das

162

Ähnlich Linke RIW 1991 Beil. 5 S. 1, 10.

163

EuGH Slg. 1990 1-2725, 2750 Rz. 29 (Lancray . / . Peters).

164

Tagaras Cah.Dr.Europ. 1990, 658, 712 f.; zur Berücksichtigung der Urteilsgründe bei der Auslegung des Tenors von EuGH-Vorabentscheidungen siehe EuGH Slg. 1978, 855, 859 (Bosch . / . Hauptzollamt Hildesheim). Im übrigen siehe schon ausführlich oben § 20. 165

Ausführlich zur Heilung von Übersetzungsfehlern im Rahmen des HZÜ auf der Ebene des erststaatlichen Urteilsverfahrens siehe oben § 18 IV. 166

Siehe oben § 18 IV 2; a.A. Stade NJW 1993, 184, 185.

167

So auch Mezger RIW 1988, 477 f.

168

Siehe oben § 18 IV 2 b.

169

So die Tatsachenfeststellung bei OLG Hamm RIW 1988, 131, 133.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

327

OLG Hamm 170 verneint aus diesem Grunde eine Heilung nach § 187 ZPO. Dem ist soweit zuzustimmen. Eine Heilung nach § 187 ZPO kommt aber trotz fehlender Sprachkenntnisse dann in Betracht, sofern man mit der hier vertretenen Ansicht 171 bei ausreichend langer Einlassungsfrist dem Beklagten die Pflicht auferlegt, seinerseits für eine Übersetzung zu sorgen, sofern dem zugestellten Schriftstück auch ohne Sprachkenntnis sein offizieller Charakter anzusehen ist. 172 Da vorliegend zwischen der Zustellung der Klage und dem Termin vor dem Tribunal de commerce in Nanterre drei Monate lagen und die französische Sprache eine in Deutschland eher „gängige" Fremdsprache darstellt 173 , dürfte die Frist so lang bemessen gewesen sein, daß es der Peters und Sickert KG zumutbar war, selbst für eine Übersetzung zu sorgen. Damit kann bereits nach dem vom Urteilsrichter schon zu berücksichtigenden § 187 ZPO eine Heilung des Übersetzungsmangels angenommen werden. Die fast stereotyp anmutende Begründung des BGH 1 7 4 , daß eine Heilung deshalb nicht in Betracht komme, weil das HZÜ selbst keine Heilungsmöglichkeit vorsieht, trägt mithin nicht. 175 So kommt es nach der hier vertretenen Ansicht nicht mehr auf die Heilbarkeit des Zustellungsmangels nach dem Recht des Anerkennungsstaates an. Zwar unterliegt die Heilung in concreto dem deutschen Recht und damit der lex fori des später angerufenenen deutschen Anerkennungsrichters. Doch ist dieses Zusammenfallen eher zufälliger Natur. § 187 ZPO kommt insoweit nicht als Recht des Anerkennungsstaates zur Anwendung, sondern als solches des Zustellungsstaates, dem die Durchführung der Zustellung — und damit wegen der Verlagerung der Übersetzungspflicht durch die deutsch-französische Vereinfachungsvereinbarung auch die Übersetzung — unterliegt. Anders als das Recht des Anerkennungsstaates ist das Recht des Zustellungsstaates insoweit auch schon vom Urteilsrichter zu beachten.

170

Ebenda.

171

Oben § 17 IV. Ebenso wie hier Geimer IPRax 1988, 271, 275 Fn. 54a.

172

Gegen eine solche Pflicht in concreto OLG Hamm RIW 1988, 131, 133.

173

Vgl. auch die Wertung von Art. 7 II HZÜ, wonach dem Zustellungsadressaten vorbehaltlich einer entgegenstehenden Erklärung des Zustellungsstaates eine in französischer Sprache abgefaßte Zusammenfassung der Klageschrift zumutbar ist. Für eine Berücksichtigung der „Gängigkeit" einer Fremdsprache auch wohl Schack ZEuP 1993, 306, 328. 174

BGH W M 1990, 1936, 1938; ebenso nunmehr BGHZ 120, 305, 314. Dem folgen Rauscher IPRax 1993, 376, 379; ders. JR 1993, 413, 414; ders. IPRax 1992, 71, 72; ders. IPRax 1991, 155, 159; Coester-Waltjen JK 93 ZPO § 328 / 2; Stürner JZ 1992, 325, 332. 175

Kritisch dazu auch Linke, Probleme, S. 157, 166.

328

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Die Frage nach dem Recht des Anerkennungsstaates stellt sich mithin nur dann, wenn nach den vorstehenden Grundsätzen im Einzelfall eine Heilung nach dem vom Urteilsrichter anzuwendenden Recht ausscheidet, insbesondere wenn das HZÜ eine Heilung sperrt oder aber die im Urteilsverfahren maßgeblichen autonomen Rechtsordnungen ihrerseits keine Heilung des fraglichen Zustellungsmangels zulassen. Insoweit erscheint es fehlerhaft, die Vorlagefrage des BGH 1 7 6 , die auf eine Heilung nach dem Recht des Anerkennungsstaates gerichtet war, gleichsam als eine „Panne" abzutun, die eigentlich auf das Recht des Zustellungsstaates gerichtet war. 177 Bei dem Zustellungs- und Anerkennungsstaate wird es sich häufig, jedoch — angesichts eines einheitlichen europäischen Wirtschaftsraumes, in dem das Vermögen insbesondere von Unternehmen zunehmend auf mehrere Staaten verteilt ist — nicht zwingend um denselben Staat handeln. Da aber die Anerkennungsvoraussetzung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ebenso wie § 328 I Nr. 2 ZPO eine Spezialausprägung des allgemeinen ordre public darstellt, der gemäß Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ auch im Rahmen des EuGVÜ dem Recht des Anerkennungsstaates unterliegt, erscheint es durchaus naheliegend, ebenfalls den speziellen ordre public des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ den Wertungen des Anerkennungsrechts zu unterstellen.

1. Das Verhältnis von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und § 328 I Nr. 2 ZPO Gleichwohl könnte zumindest für den deutschen Anerkennungsrichter die Frage der Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ im Ergebnis offen bleiben. Ausgangspunkt solcher Überlegungen ist das im internationalen Anerkennungsrecht grundsätzlich geltende Günstigkeitsprinzip. 178 Danach kommt von mehreren mitander konkurrierenden Anerkennungsregeln regelmäßig die anerkennungsfreundlichere Norm zur Anwendung. Das gilt gleichermaßen im Konflikt mehrerer staatsvertraglicher Regeln 179 wie im Verhältnis des autonomen Anerkennungsrechts zum staatsvertraglichen Recht.

176

BGH W M 1988, 1617, 1620.

177

So aber wohl Stürner JZ 1992, 325, 331 Fn. 60.

178

Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 223 ff. mwN; Schack IZVR Rz. 62.

179

Dazu Majoros RabelsZ 46 (1982) 84, 94 f.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

329

Es gilt der favor recognitionis. m Mit dieser Regel sollen die internationale Rechtssicherheit sowie der internationale Entscheidungseinklang gefördert und die Gefahr hinkender Rechtsverhältnisse gebannt werden. 181 Im Geltungsbereich des Günstigkeitsprinzips kommt es mithin zu einer Verdrängung des ansonsten im Hinblick auf staatsvertragliche Regelungen geltenden lex specialisGrundsatzes. 182 Nach der hier vertretenen Ansicht 183 können schon bei einer Anerkennung nach § 328 I Nr. 2 ZPO n.F. auch die deutschen Heilungstatbestände berücksichtigt werden, indem sie den Maßstab für eine eventuelle Rechtsmißbräuchlichkeit der Einrede des § 328 I Nr. 2 ZPO liefern. In Verbindung mit dem Günstigkeitsprinzip bedeutet das, daß die Anerkennung eines eigentlich dem EuGVÜ unterliegenden Urteils nach § 328 I Nr. 2 ZPO unter Einbeziehung der deutschen Heilungsgrundsätze möglich ist, auch wenn eine Anerkennung im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ mangels Einbeziehbarkeit der Heilungsgrundsätze des Anerkennungsstaates ausscheiden sollte. Im Ergebnis käme es danach nicht mehr auf eine Anerkennung nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ an, wenn feststeht, daß das fragliche ausländische Urteil bereitsgemäß § 328 I Nr. 2 ZPO anerkannt werden kann. 184 Ob jedoch das Günstigkeitsprinzip auch im Verhältnis des autonomen Anerkennungsrechts der EuGVÜ-Vertragsstaaten zum staatsvertraglichen Anerkennungsrechts des EuGVÜ gilt, ist heftig umstritten. Ein Großteil des Schrifttums will den Günstigkeitsgrundsatz auch im Rahmen des EuGVÜ angewandt wissen.185 Das EuGVÜ schließe in Art. 55 ff. EuGVÜ ausdrücklich nur die Anerkennung nach konkurrierenden bilateralen Staatsverträgen aus, nicht aber diejenige nach den autonomen Anerkennungsregeln der Vertragsstaaten. Dies ergebe sich auch aus Art. 220 4. Spiegelstrich EGV, wonach das EuGVÜ der Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige

180

Ausführlich dazu Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 104 f.

181

Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 104.

182

Schack IZVR Rz. 62.

183

Oben § 21 I.

184

So für den hier vorliegenden Fall ausdrücklich Geimer EuZW 1990, 354, 355.

185

So etwa Geimer / Schütze-Geimer I / 1 S. 1005 f.; ders. EuZW 1990, 354, 355; Gottwald ZZP 103 (1990) 257, 258; Schack IZVR Rz. 808; Kropholler EuZPR Art. 25 Rz. 8 (beschränkt auf die Anwendung des gesamten autonomen Anerkennungsrechts der Vertragsstaaten, nicht jedoch für

einzelne Anerkennungs Voraussetzungen; es gilt ein Kombinationsverbot, allg. dazu Martiny IZVR III / 1 Kap. I Rz. 225).

HB

330

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Anerkennung und Vollstreckung diene, nicht jedoch der Erschwerung derselben. 186 Doch verkennen die genannten Autoren m.E., daß auch im Anerkennungsrecht nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern der Spezialitätsgrundsatz gilt, wenn die staatsvertragliche Anerkennungsregel außer dem favor recognitionis weitere Ziele verfolgt oder sich aus der Struktur des Abkommens die Fortgeltung der lex specialis-Regel ergibt. 187 Dies ist bei dem EuGVÜ der Fall. 188 Das EuGVÜ hat neben der von der Gegenansicht hervorgehobenen Vereinfachungsfunktion auch den Zweck, das Anerkennungsrecht der EuGVÜ-Staaten zu vereinheitlichen. 189 Dem trägt das EuGVÜ in Art. 55 ausdrücklich Rechnung, wonach die mit dem EuGVÜ konkurrierenden bilateralen Anerkennungsverträge nicht mehr anwendbar sind. Diese Intention des EuGVÜ würde vollständig unterlaufen, sofern neben Art. 27 EuGVÜ das autonome Anerkennungsrecht der EuGVÜ-Vertragsstaaten zur Anwendung käme. 190 Darüber hinaus ist nicht einsichtig, weshalb der Spezialitätsgrundsatz im Hinblick auf den 2. Titel des EuGVÜ gelten soll, nicht aber auf den damit eng verwobenen 191 3. Titel des Abkommens. 192 Dies gilt um so mehr, als sich der zwingende Charakter des gesamten EuGVÜ bereits aus der Abkommensgeschichte ergibt. 193 Wie Fahl 194 jüngst nachgewiesen hat, sprechen darüber hinaus auch dogmatische Gründe gegen eine Anwendung des § 328 I Nr. 2 ZPO im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens des EuGVÜ und damit gegen das Günstigkeitsprinzips Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und § 328 I Nr. 2 ZPO stehen in miteinander jeweils nicht kompatiblen Vollstreckungssystemen. Da § 328 I Nr. 2 ZPO einredeweise geltend gemacht werden muß, ist der Beklagte auf ein kontradiktorisches

186

Geimer IPRax 1992, 5, 10.

187

Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 229.

188

Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.186; ders. IZPR Rz. 419; Bülow / Böckstiegel / Müller S. 606.234; Rauscher IPRax 1993, 376, 379 a.E.; Martiny HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 198; Fahl S. 53 ff. 189

Martiny HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 198; Rauscher IPRax 1993, 376, 379. Ebenso BGH RIW 1993, 673, 676 (freilich nur beschränkt auf mit dem EuGVÜ konkurrierende bilaterale Abkommen). 190

Rauscher IPRax 1993, 376, 379.

191

Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.186.

192 Martiny HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 198. Zur Unterscheidung von Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln im Hinblick auf den Günstigkeitsgrundsatz aber Schack IZVR Rz. 62. 193

Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.186.

194

Fahl S. 53 ff.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

331

Vollstreckungsverfahren angewiesen, um nicht — unter Verlust einer Instanz und dem damit verbundenen Risiko einer zwischenzeitlichen Sicherheitsvollstreckung — mit seinem Einwand der mangelhaften Zustellung auf das Rechtsmittelverfahren verwiesen zu sein. Dem tragen zwar die §§ 722, 723 ZPO Rechnung, nicht aber das EuGVÜ, das in Art. 34 I eine Entscheidung über die Anerkennung anordnet, „ohne daß der Schuldner in diesem Abschnitt des Verfahrens Gelegenheit erhält, eine Erklärung abzugeben"195. Diese Regel ist allein dann unbedenklich, wenn wie in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ die Zustellungsfehler von Amts wegen und nicht wie in § 328 I Nr. 2 ZPO nur auf Einrede hin berücksichtigt werden. Danach setzt sich das möglicherweise anerkennungsfreundlichere autonome Anerkennungsrecht der EuGVÜ-Vertragsstaaten nicht im Wege des Günstigkeitsprinzips gegenüber den staatsvertraglichen Anerkennungsregeln des EuGVÜ durch. Ein deutscher Richter hat mithin auch dann Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zu prüfen, wenn trotz eines Zustellungsfehlers eine Anerkennung gemäß § 328 I Nr. 2 ZPO unter Einbeziehung der autonomen deutschen Heilungstatbestände möglich wäre. Die hier zu § 328 I Nr. 2 ZPO vertretene anerkennungsfreundliche Haltung befreit somit nicht davon, die Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zu untersuchen.

2. Das Verhältnis von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zu Art. 20 U und ΠΙ EuGVÜ Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ verlangt nach der hier vertretenen Ansicht 196 kumulativ eine rechtzeitige und ordnungsmäßige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Damit setzt sich Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ jedoch in Widerspruch insbesondere zu Art. 20 Π EuGVÜ, der nach seinem klaren Wortlaut vom erststaatlichen Richter lediglich die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Zustellung fordert. 197 Wenig logisch erscheint es aber, daß die vom EuGVÜ gleichsam als Auffangbecken gedachte zweitstaatliche Kontrolle mit der zusätzlichen Ordnungsmäßigkeitsprüfung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ strengere Maßstäbe anlegt,

195

Fahl S. 54.

196

Siehe oben § 20.

197

Zu diesem Gedanken auch Stellungnahme der Kommission in EuGH Slg. 1990 1-2725, 2732 f. (Lancray . / . Peters).

332

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

als dies das EuGVÜ in Art. 20 I I vom erststaatlichen Richter verlangt. 198 Resultat einer solchen Divergenz wäre, daß zum Beispiel bisher ein irischer Richter zwar in Übereinstimmung mit dem EuGVÜ gegen einen französischen Beklagten, dem das verfahrenseinleitende Schriftstück fehlerhaft, jedoch rechtzeitig zugestellt worden ist, ein Versäumnisurteil erlassen kann, sich aber anschließend vom deutschen Anerkennungsrichter bescheinigen lassen müßte, das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt zu haben.199 Die danach im Rahmen des EuGVÜ vorhandenen Unstimmigkeiten lassen sich auch nicht mit dem Argument beiseitekehren, daß es sich bei Art. 20 I I EuGVÜ lediglich um eine Übergangsvorschrift handele, an deren Stelle gemäß Art. 20 ΠΙ EuGVÜ der Art. 15 HZÜ trete, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nach dem HZÜ zuzustellen war. 200 Zwar ist zutreffend, daß Art. 15 HZÜ ebenso wie Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nebeneinander die Rechtzeitigkeit und die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung verlangt und somit scheinbar wieder die Parallelität von erststaatlicher und zweitstaatlicher Kontrolle herstellt. Doch erscheint es problematisch, unter Berufung auf den Übergangscharakter des Art. 20 I I EuGVÜ die darin zum Ausdruck kommende Wertung zu ignorieren, da Art. 20 I I EuGVÜ mehr als eine bloße Übergangsregelung ist. Die Bestimmung hatte bis vor kurzem nicht nur Bedeutung im Verhältnis zu Irland, das bis zum 4.6.1994 als einziger EuGVÜ-Staat noch nicht Vertragsstaat des HZÜ war. Vielmehr greift sie nach der Ratifikation des Lugano Übereinkommens in Form der regelungsgleichen Vorschrift des Art. 20 I I Lugano Übereinkommen auch im Verhältnis zu Österreich, der Schweiz und Island. 201 Darüber hinaus greift Art. 20 I I EuGVÜ weiterhin überall dort ein, wo das HZÜ — etwa gemäß Art. 1 I I HZÜ — nicht zur Anwendung kommt. 202 Schließlich sollte beachtet werden, daß Art. 20 I I EuGVÜ eine vom EuGVÜ selbst getroffene Wertung enthält, wohingegen Art. 20 I I I EuGVÜ eine bloße Kollisionsregel darstellt 203 , die mit

198 Ähnlich Linke RIW 1986, 409, 413; Holleaux Clunet 1979, 386, 389; s.a. Droz RCDIP 1991, 167, 169. 199

Zu den europafeindlichen Auswirkungen einer solchen Situation zu Recht Geimer EuZW 1990,

354 f. 200 So aber die Stellungnahme der Kommission in EuGH Slg. 1990 1-2725, 2733 (Lancray . / . Peters); ebenso Wolken SZIER 1991, 137, 140. 201

Siehe auch Linke., Probleme, S. 157, 167 und oben § 14 II.

202

Hierauf weist Soek NILR 1982, 72, 90 hin.

203

Böckstiegel / Schlafen NJW 1978, 1073, 1076 und oben § 14 II. Denn auch ohne die Bestimmung des Art. 20 III EuGVÜ wäre Art. 15 H Z Ü anwendbar, wie die rein deklaratorische Bestimmung des Art. IV Abs. 1 des Protokolls zum EuGVÜ zeigt.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

333

Art. 15 HZÜ auf eine weltweit geltende, jedoch nicht die besonderen Bedürfnisse der EU(-Staaten) berücksichtigende 204 Bestimmung verweist. Vor diesem Hintergrund muß die Gewichtung des Art. 20 I I EuGVÜ als die bestimmende, auf das übrige EuGVÜ und insbesondere auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ausstrahlende Wertung angesehen werden. Dies spricht dafür, auch im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ dem Kriterium der Rechtzeitigkeit die entscheidende Bedeutung beizumessen. Dieser Befund vermag allerdings das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht zu eleminieren. Dies ist auch nicht wünschenswert, da das Ordnungsmäßigkeitserfordernis ein wichtiges Indiz im Hinblick auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten im Erstverfahren liefert. 205 Andererseits kann dieses Indiz nicht unwiderlegbar sein, da die Einhaltung der Zustellungsform weder eine hinreichende noch eine notwendige Voraussetzung für die Wahrung des rechtlichen Gehörs ist. 206 Dies zeigt sich auch in Art. ΠΙ Abs. 1 lit. b des deutsch-britischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages. Dort wird zwar bei Einhaltung der Förmlichkeiten des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens von 1928 die Kenntnisnahme durch den Beklagten vermutet. Sind die Förmlichkeiten des Rechtshilfeabkommens aber nicht eingehalten, so wird auf eine weitere Prüfung der Zustellungsform verzichtet. Ausschlaggebend ist dann allein die Rechtzeitigkeit. Auch wenn das EuGVÜ keine so differenzierte Regel getroffen hat, so verlangt doch der vorstehend herausgearbeitete, in Art. 20 Π EuGVÜ zum Ausdruck kommende Gedanke, von einer Anerkennungsverweigerung wegen einer fehlerhaften Zustellung dann abzusehen, wenn der durch Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ intendierte Zweck auch ohne eine ordnungsgemäße Zustellung erreicht ist. Zweck des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ist allein die Sicherung des rechtlichen Gehörs des Beklagten. 207 Demgegenüber soll Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ weder dazu dienen, einen mißliebigen ausländischen Gerichtsstand nachträglich zu unterlaufen — insoweit bietet Art. 28 EuGVÜ

204

Stürner JZ 1992, 325.

205

Rauscher IPRax 1991, 155, 157; Stellungnahme der BReg. in EuGH Slg. 1990 1-2725, 2730 (Lancray . / . Peters). 206

Schack ZEuP 1993, 306, 328.

207

Kropholler

EuZPR Art. 27 Rz. 18.

334

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

ausreichenden Schutz 208 —, noch dazu, die Durchsetzung eines dem Beklagten günstigeren Sachrechts zu ermöglichen. 209 Verzichtet man auf eine teleologische Reduktion, so kann die Wertung des Art. 20 I I EuGVÜ nur im Wege einer heilungsfreundlichen Auslegung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ verwirklicht werden. 210 In erster Linie kann Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ durch eine Heilung nach dem Recht des Urteilsstaates seine ansonsten vorhandene überschießende Wirkung genommen werden. Eine solche Heilung stellt gegenüber einer teleologischen Reduktion des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ das sensiblere Instrument dar. 211 Der Weg über die Heilung nach dem Recht des Urteilsstaates vermag dem Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ jedoch dann seine überschießende Wirkung nicht zu nehmen, wenn nach dem vom Urteilsrichter anzuwendenden Recht eine Heilung ausgeschlossen ist. Eine Lösung kann sich in diesem Fall jedoch aus dem ordre public-Charakter des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ergeben. Die Norm will nicht ausländische Formerfordernisse schützen, sondern allein den Anspruch des Beklagten auf Wahrung seines rechtlichen Gehörs. Ist dieser Anspruch gewahrt, auch ohne daß ein möglicher Zustellungsfehler nach vom Urteilsrichter anzuwendenden Recht als geheilt anzusehen ist, so stellt sich die Frage, inwieweit sich die Vorstellungen des Anerkennungsstaates durchsetzen. Für eine Berücksichtigung der Wertungen des Anerkennungsstaates, wie sie in den Heilungstatbeständen dieses Staates zum Ausdruck kommen, spricht insbesondere der schon mehrfach erwähnte ordre public-Charakter des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ unterliegt auch der allgemeine ordre public den Wertungen des Anerkennungsstaates. Dies spräche dafür, im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ subsidiär die Wertungen der Heilungsregeln des Anerkennungsstaates zu berücksichtigen und so der Norm ihre überschießende Wirkung zu nehmen.

208

Ein Pendant zur indirekten Zuständigkeitsprüfung des § 328 I Nr. 1 ZPO ist wegen der im EuGVÜ auch enthaltenen direkten Regelung der Zuständigkeit überflüssig. 209 Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 48 unter Verweis auf den Jenard-Bericht. Dies ist ausschließlich im engen Rahmen des Art. 27 Nr. 4 EuGVÜ möglich. 210 Ausführlich zur systematischen Trennung beider Wege oben § 4 und Stürner S. 446, 453. 211

Rauscher IPRax 1991, 155, 157.

FS Nagel

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

335

3. Die einheitliche Anwendung des EuGVÜ Allerdings wirft ein solches Vorgehen Probleme auf. Auch wenn der in Art. 20 I I EuGVÜ niedergelegte Gedanke eine heilungsfreundliche Auslegung des EuGVÜ gebietet, widerspricht doch eine Berücksichtigung der autonomen Heilungstatbestände des Anerkennungsstaates der ebenfalls vom EuGVÜ intendierten einheitlichen Anwendung des Abkommens. 212 Zwar nimmt der EuGH in seiner Entscheidung Lancray . / . Peters und Sickert hierauf nicht ausdrücklich Bezug. Doch hat auch der Gerichtshof mit seinem Urteil im Ergebnis der einheitlichen Anwendung des EuGVÜ deutlich den Vorrang vor dem Interesse des Gläubigers an einer kontrollierten und zweckorientierten Handhabung des Ordnungsmäßigkeitskriteriums eingeräumt. 213 Jedoch kann der Wunsch nach einer einheitlichen Anwendung des Art. 27 EuGVÜ de facto nur als eine Illusion betrachtet werden, da Art. 27 EuGVÜ von seiner Kozeption her schon keine einheitliche Anerkennung eines Urteils in verschiedenen Vertragsstaaten zuläßt. Die Ursache hierfür liegt in den Versagungsgründen der Art. 27 Nr. 1 und Nr. 3 bis 5 EuGVÜ, die allesamt auf das Recht des Anerkennungsstaates oder in diesem Staat verwirklichte tatsächliche Umstände Bezug nehmen. Hierdurch ist eine unterschiedliche Anerkennungspraxis gleichsam vorprogrammiert. Doch selbst im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ trägt der Wunsch nach einer einheitlichen Anwendung der Vorschrift in der Praxis nicht. Dies hat seinen Grund in dem Erfordernis der Rechtzeitigkeit. Zwar ist dieses nicht unmittelbar nach dem Recht des Anerkennungsstaates auszufüllen 214, sondern anhand von Wertungen tatsächlicher Art. 2 1 5 Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. 216 Auch wenn es sich hierbei um eine — theoretisch einheitlich vorzunehmende — Tatsachenwertung handelt, werden in der Praxis doch immer die vom autonomen Verfahrensrecht des Anerkennungs-

212 So auch die Stellungnahme der Kommission in EuGH Slg. 1990 1-2725, 2734 (Lancray . / . Peters) sowie der Schlußantrag des Generalanwalts F.G. Jacobs ebenda S. 2740. Zum Gedanken der einheitlichen Anwendung des EuGVÜ siehe schon in anderem Zusammenhang oben § 22 II 1. 213 Nur so ist die Entscheidung verständlich. Ausdrücklich insoweit Thode WuB V I I Β 1. Art. 27 EuGVÜ 1.91. 214

So aber fälschlicherweise MüKo-ZPO / Gottwald Art. 27 EuGVÜ Rz. 22.

2,5

Kropholler

216

EuZPR Art. 27 Rz. 32.

Eine Aufzählung möglicher Umstände findet sich bei Martiny HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 124.

336

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

staates vorgesehenen Fristen als Anhaltspunkt für die Rechtzeitigkeit der Zustellung dienen. 217 Dies bestätigt auch die Spruchpraxis des BGH, der insoweit regelmäßig die Zweiwochenfrist des § 274 ΙΠ ZPO zugrundelegt. 218 Auch wenn das französische Recht mit Art. 837 NCPC ebenso wie das deutsche Recht eine Frist von zwei Wochen kennt, weichen die Verfahrensordnungen der anderen EuGVÜ-Vertragsstaaten hiervon zum Teil doch erheblich ab. 219 So variiert die Einlassungsfrist des Art. 163 bis des italienischen CPC zwischen wenigstens 30 und wenigstens 100 Tagen. Nach belgischem Recht beträgt die Frist je nach Entfernung des Zustellungsstaates zwischen mindestens acht Tagen (Art. 707 CJ) und 88 Tagen (Art. 709 iVm 55 CJ). Orientieren sich die Anerkennungsrichter bei der Bemessung der für Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ einzuhaltenden Frist an ihrer eigenen Prozeßordnung, so müssen die dabei gewonnenen Ergebnisse zwangsläufig divergieren. Ein eindrucksvolles Bild gibt insoweit die von Martiny 220 zusammengetragene Aufstellung. Selbst die deutschen Gerichte kommen im Hinblick auf die Rechtzeitigkeit der Zustellung zu gänzlich unvereinbarenden Ergebnissen. 221 So hielt das OLG Düsseldorf 222 bei einer in Deutschland zugestellten französischen Klage eine Einlassungsfrist von 11 Tagen für ausreichend, während das OLG Hamm 223 bei annähernd gleichem Sachverhalt eine 13-tägige Frist für zu kurz befand. Angesichts dieser Entscheidungsvielfalt erscheint eine einheitliche Anwendung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ durch die Gerichte der verschiedenen Vertragsstaaten in der Praxis kaum möglich. 2 2 4 Damit verliert auch die vom EuGH im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung aufgestellte Zielvorgabe der einheitlichen Anwendung des EuGVÜ an Schlagkraft. Auch wenn eine einheitliche Anwendung des EuGVÜ ein durchaus erstrebenswertes — und vom EuGVÜ grundsätzlich auch erstrebtes — Ziel ist, sollte diese vor dem dargestellten Hintergrund im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht zum Selbstzweck erhoben werden. Ein solcher Selbstzweck wäre es aber, sofern man im Hinblick auf das Ordnungsmäßig-

2,7

Schumacher IPRax 1985, 265, 266.

218

Etwa BGH NJW 1986, 2197.

219

Dazu Braun S. 130, insbesondere Fn. 74.

220

HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 126.

221

Linke IZPR Rz. 407.

222

IPRax 1985, 289, 290.

223

MDR 1979, 680.

224

So auch Braun S. 132.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

337

keitserfordernis des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ die — wie dargestellt — grundsätzlich heilungsfreundliche Haltung des EuGVÜ auf dem Altar der einheitlichen Anwendung des Abkommens opfern würde, obwohl alle übrigen Anerkennungsvoraussetzungen des Art. 27 EuGVÜ wegen ihres Bezuges zum Recht der Anerkennungsstaaten keine einheitliche Anerkennung zulassen. Dies spricht dafür, die einheitliche Anwendung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht ohne weiteres zu einem das Interesse des Gläubigers an einer reibungslosen Anerkennung verdrängenden Prinzip zu erheben, sofern der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör im erststaatlichen Verfahren gewahrt und somit die eigentliche Intention des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ erreicht ist. Wegen des grundsätzlich heilungsfreundlichen Charakters des EuGVÜ sollte das grundsätzlich auch dann gelten, wenn der konkrete Fehler nach dem vom Urteilsrichter anzuwendenden Recht nicht heilbar war. Da es sich bei Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ um eine Unterform des allgemeinen ordre public des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ handelt, der seinerseits nach dem Recht des Anerkennungsstaates zu beurteilen ist, spricht vieles dafür, in einem solchen Fall auch im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ die Wertungen der lex fori des Anerkennungsrichters zu berücksichtigen. Hierdurch wäre sowohl dem Interesse des Gläubigers an einer liberalen Anerkennung des von ihm erstrittenen Urteils als auch dem Interesse des Beklagten an einem hinreichenden Schutz seiner Rechte Rechnung getragen. Lediglich die einheitliche Anwendung des EuGVÜ wäre nicht mehr gewährleistet. Dies erscheint zwar hinnehmbar. Doch wäre es m.E. angesichts der nicht zu leugnenden, in Art. 27 EuGVÜ leider weitgehend mißglückten Vereinheitlichungstendenz des EuGVÜ sinnvoller, wenn sich ein von dem autonomen Recht des Anerkennungsstaates gelöster, ungeschriebener europarechtlicher Heilungsgedanke finden ließe. Dieser erlaubte ebenso wie die Heilung nach dem autonomen Recht des Anerkennungsstaates eine Berücksichtigung sowohl der Gläubiger- als auch der Beklagteninteressen, ohne daß dabei der Grundsatz der einheitlichen Anwendung des EuGVÜ ganz aufgegeben werden müßte. 225 Ein solcher europarechtlicher Heilungsgedanke vereinigte damit die Vorteile einer Berücksichtigung der Heilungsgrundsätze des Anerkennungsstaates mit denen einer einheitlichen Anwendung des EuGVÜ. Er ist damit auch der von P. Schlosser 226 vorgeschlagenen Lösung einer Heilung nach dem kleinsten

2

225

So auch Geimer EWiR Art. 27 EuGVÜ 1 / 90, 991, 992.

226

FS Matscher S. 387, 399.

Kondin

338

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

gemeinsamen Nenner des Urteils- und des Anerkennungsrechts überlegen. Der Schlossersche Ansatz vermag die Einheitlichkeit der Anerkennung insbesondere dann nicht zu gewährleisten, wenn ein und dasselbe Urteil gleichzeitig in zwei verschiedenen EuGVÜ-Vertragsstaaten anzuerkennen ist. 227

4. Die Entwicklung eines ungeschriebenen europarechtlichen Heilungsgrundsatzes Schon länger streitet die Literatur über einen ungeschriebenen europarechtlichen Heilungsgedanken. Das Bestehen eines solchen Grundsatzes wird zum Teil befürwortet 228 , zum Teil abgelehnt229, ohne daß aber auch nur eines der beiden Lager einen Nachweis für dessen Existenz oder Nichtexistenz erbringt. 230

a) Die Schaffung allgemeiner europarechtlicher Rechtsgrundsätze im Wege einer rechtsfortbildenden Rechtsvergleichung Grundlage eines solchen Heilungsgedanken kann allein ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Europarechts sein. Zwar existiert insoweit keine dem Art. 38 I lit. c IGH-Statut 231 entsprechende Regel, die es dem EuGH allgemein erlauben würde, solche Rechtsgrundsätze herauszuarbeiten. Beschränkt auf den Fall der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft für Organe und Bedienstete findet sich allein in Art. 215 I I EGV und Art. 188 Π EuratomV eine ausdrückliche Ermächtigung zur Schaffung „allgemeiner Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind". Heute ist jedoch allgemein anerkannt, daß die beiden genannten europarechtlichen Bestimmungen die Bildung allgemeiner Rechtsgrundsätze nicht auf den

227

Kritisch auch Schack JZ 1993, 621, 622.

228

Geimen η Geimer / Schütze I / 1 S. 1065 f.; ders. IPRax 1985, 5, 7.

229

StJ/H.Roth § 187 Rz. 33; Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 30; Stürner JZ 1992, 325, 332; Rauscher IPRax 1991, 155, 159; Stellungnahme der BReg. in EuGH Slg. 1990 1-2725, 2733 (Lancray . / . Peters). 230 231

Dies kritisiert auch P. Schlosser FS Matscher S. 387, 396 Fn. 28.

„Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an ... c) die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze;..."

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

339

Fall der Amtshaftung beschränken wollten. 232 So hat sich der EuGH schon von Anfang an der allgemeinen Rechtsgrundsätze bedient. 233 Dies gilt nicht nur für das primäre und sekundäre Europarecht, sondern auch für das EuGVÜ 2 3 4 , das seiner Rechtsnatur nach zwar weder primäres noch sekundäres Gemeinschaftsrecht darstellt, sondern einen völkerrechtlichen Vertrag, das aber wegen seines besonderen Gemeinschaftsbezuges integrationsfreundlich anzuwenden und auszulegen ist. 235 Das zur Bildung allgemeiner Rechtsgrundsätze heranzuziehende Verfahren wird in Art. 215 Π EGV und Art. 188 Π EuratomV umschrieben. Danach sind allgemeine europarechtliche Rechtsgrundsätze solche Regeln, „die den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten gemeinsam sind". Unzutreffend wäre es jedoch, aus der Wendung „gemeinsam" den Schluß ziehen zu wollen, daß unter einem allgemeinen Rechtsgrundsatz das im Wege einer Subtraktion zu ermittelnde Minimum an Übereinstimmung der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten zu verstehen ist. 236 Ein solches methodisches Vorgehen würde das internationale Recht mit den Worten Heldrichs 237 zu einer Versteinerung der Nachteile der nationalen Rechtsordnungen und damit „zu einer Art juristischen Altersheims" führen. Ein solcher Minimumstandard wäre allenfalls dann akzeptabel, sofern im Einzelfall der ergänzende Rückgriff auf das autonome Recht der Vertragsstaaten weiter möglich ist. 238 Gerade diese Möglichkeit besteht aber — wie gesehen 239 — im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht. Deshalb ist mit der heute vorherrschenden Ansicht eine wertende Rechtsvergleichung durchzuführen. Dabei wird nicht auf den kleinsten gemeinsamen

232

Zweigert FS Dölle II S. 401, 417; ders. RabelsZ 28 (1964) 601, 609; Kropholler, S. 156; Giardina ICLQ 27 (1978) 263, 273 f. 233

Einheitsrecht,

Einen Überblick gibt Pescatore Rev.Int.Dr.Comp 1980, 337 ff.

234

Siehe die Übersicht bei Pescatore Rev.Int.Dr.Comp. 1980, 337, 343 f. Etwa EuGH Slg. 1976, 1541 (LTU . / . Eurocontrol); 1976, 1747 (Bier . / . Mines de Potasse d'Alsace); 1978, 1431, 1449 (Bertrand . / . Ott). 235

Kropholler

EuZPR Einl. Rz. 10 mwN; jedoch sehr str.

236

Zweigert FS Dölle II S. 401, 417; ders. RabelsZ 28 (1964) 601, 611; Martiny (1981) 427, 443; Kropholler, Einheitsrecht, S. 160.

RabelsZ 45

237 JZ 1960, 681, 685; ders., Rechtsgrundsätze, S. 161 f. Ebenso Zweigert FS Dölle II S. 401, 417 und RabelsZ 28 (1964) 601, 610: „Asyl der verschiedenen Mängel der einzelnen Rechtsordnungen".

2

238

Zweigert

239

Siehe oben § 22 II 1.

RabelsZ 28 (1964) 601, 610.

340

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Nenner abgestellt, sondern aus der Gruppe der verglichenen Rechtsordnungen die am besten geeignete Lösung herausfiltriert. 240 Das vom EuGH insoweit angewandte Verfahren läßt sich wie folgt zusammenfassen 241: Soweit die in den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten gefundenen Lösungen im Hinblick auf die zu beantwortende Rechtsfrage einander entsprechen, spricht dies dafür, diese Lösung auch im Rahmen des EuGVÜ zu übernehmen. Divergieren die vorgefundenen Lösungsansätze dagegen, so gilt es im Wege „einer ordnenden Zusammenfassung von in den meisten beteiligten Staaten bereits im Grundsatz anerkannten Lösungen" 242 einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu formulieren. Es geht damit also um die Suche nach einem möglichst gemeinsamen Grundgedanken, einem allgemeinen oder verallgemeinerungsfahigen Prinzip. 243 Die auf diese Weise entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze dienen zum einen der Auslegung des EuGVÜ, zum anderen aber auch der Rechtsfortbildung im Rahmen des Übereinkommens. 244 Die wertende Rechtsvergleichung wird somit zur rechtsfortbildenden Rechtsvergleichung. Gerade staatsvertragliche Regelungen wie das EuGVÜ sind auf eine solche Fortbildung angewiesen, sofern sie nicht erstarren sollen. 245

b) Analyse des Heilungsrechts der EuGVÜ-Vertragsstaaten Wie weiter oben 246 gesehen, stellt der Zweckerreichungsgedanke ein das gesamte deutsche Verfahrensrecht durchziehendes Prinzip dar. So ist § 187 ZPO ebenso wie der hier vertretene ungeschriebene allgemeine Zweckerreichungsgedanke ein Ausfluß der tatsächlichen Zweckerreichung. In den §§ 36, 282 ΠΙ, 295 und 296 ΙΠ ZPO findet sich der Grundsatz in der Form derfiktiven oder subjektiven Zweckerreichung. 247

240 Kropholler, Einheitsrecht, S. 160; ders. EuZPR Einl. Rz. 40 a.E.; Martiny RabelsZ 45 (1981) 427, 442 f.; Zweigert FS Dölle II S. 401, 417; ders. RabelsZ 28 (1964) 601, 611. 241

Dazu Martiny RabelsZ 45 (1981) 427, 442; Kropholler

EuZPR Einl. Rz. 40.

242

EuGH Slg. 1976, 1735, 1747 (Bier . / . Mines de Potasse d'Alsace).

243

Martiny RabelsZ 45 (1981) 427, 443.

244 Martiny RabelsZ 45 (1981) 427, 443; die Rechtsfortbildungsfunktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze im Hinblick auf internationale Abkommen wie das EuGVÜ hebt Kropholler, Einheitsrecht, S. 151 ff. hervor. 245

Kropholler,

246

Siehe oben § 4.

247

Göcker S. 30 und oben § 4 V.

Einheitsrecht, S. 153.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

341

Im folgenden soll versucht werden, diesen dem deutschen Recht innewohnenden Zweckerreichungsgrundsatz im Wege einer rechtfortbildenden Rechtsvergleichung zu einem allgemeinen europarechtlichen Heilungsgrundsatz fortzuentwickeln. Hierzu sollen zunächst die Rechtsordnungen der übrigen EuGVÜStaaten auf einen solchen Ansatz hin untersucht werden. 248

aa) Belgien 249 Mit Art. 173 belg. Code de procédure cicile wurde in den 30er Jahren erstmals das Prinzip der Zweckerreichung als geschriebener Rechtssatz in das belgische Recht aufgenommen. 250 Er wurde mit Art. 861 Code Judiciaire (CJ) im Jahre 1967 auch in das neue belgische Zivilprozeßrecht übernommen. 251 Diese Regel geht vom Grundsatz der „pas de nullité sans grief 4 (keine Nichtigkeit ohne Beschwer) aus. 252 Danach kann der Richter eine Prozeßhandlung nur dann für nichtig erklären, wenn der Fehler die Interessen derjenigen Partei beeinträchtigt hat, die den Fehler rügt. 253 Mangels eines grief führt ein Formmangel mithin grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des entsprechenden Aktes. 254 Ebenso bleibt ein Fehler ohne Folge, wenn er — trotz einer Beschwer (!) — nicht gerügt wird; denn nach belgischem Recht ist ein Formfehler grundsätzlich nur auf die Einrede der hierdurch beschwerten Partei zu beachten. 255

248

Nach Stürner JZ 1993, 358 existiert in allen EU-Staaten die Möglichkeit einer Heilung von Zustellungsfehlern. Allerdings fehlen insoweit mit Ausnahme der in JZ 1992, 325, 331 genannten Rechtsordnungen entsprechende Belege. Ebenso bei P. Schlosser FS Matscher S. 387, 396. 249

Eine kurze Zusammenfassung des belgischen Zustellungsrechts findet sich bei O'Malley / Layton Rz. 48.38. 250

Rouard Rz. 1200.

251

Dazu auch schon P. Schlosser FS Matscher S. 387, 396. Ausführlich zum belgischen Nichtigkeitsrecht Rouard Rz. 1192 ff., insb. Rz. 1201 ff. 252

Rouard Rz. 1203 ff.

253

„Art. 861: Le juge ne peut déclarer nul un acte de procédure que si Kommission ou l'irrégularité dénoncée nuit aux intérêts de la partie qui invoque l'exception." 254

Zur Ausnahme des Art. 863 CJ noch später.

255

Zur Ausnahme des Art. 862 CJ noch im folgenden.

342

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Die Regel „pas de nullité sans g r i e f gilt auch für Zustellungen.256 So verneinte die Cour de Cassation257 einen grief und damit die Nichtigkeit bei der fehlerhaften Zustellung einer Klage an eine frühere Adresse des Beklagten, da dieser die Klage dennoch erhalten hatte. Selbst wenn jedoch eine Beschwer vorliegt, führt diese bei Zustellungsmängeln nicht automatisch zur Nichtigkeit der Zustellung. Dem Grundsatz des Art. 861 CJ ist vielmehr die Regel der „pas de nullité sans texte" gleichsam vorgeschaltet. 258 Nach Art. 860 I CJ 259 kann deshalb die Nichtigkeit unbesehen einer Beschwer nur dann ausgesprochen werden, wenn die verletzte Formvorschrift ausdrücklich mit der Nichtigkeitsfolge sanktioniert ist. Hieran fehlt es aber bei einer Vielzahl von Zustellungsregeln, etwa denen der Ersatzzustellung, Art. 35 CJ. Gleichwohl hat die belgische höchstrichterliche Rechtsprechung 260 auch in diesen Fällen betont, daß ein Zustellungsmangel dann unbeachtlich ist, wenn er die Interessen der rügenden Partei nicht verletzt hat. Die vorgenannten Grundsätze finden auch für das Zustellungsrecht teilweise eine Einschränkung in den Art. 862 ff. CJ. Nach Art. 862 CJ ist die Nichtigkeit ohne Einrede und ohne Beschwer in den dort aufgeführten Fällen von Amts wegen auszusprechen. Im Zusammenhang mit Zustellungen ist insoweit insbesondere Art. 862 I Ziff. 9 CJ von Relevanz.261 Gemäß Art. 864 CJ wird in den Fällen des Art. 862 CJ eine solche Nichtigkeit jedoch grundsätzlich durch den Erlaß eines kontradiktorischen Urteils geheilt. 262 Ebenso wie Art. 862 CJ verzichtet Art. 863 CJ auf den Nachweis eines grief dieser wird in den dort aufgeführten Fällen vielmehr vermutet. 263 Gleichwohl bedarf es dort anders als. bei Art. 862 CJ der einredeweisen Geltendmachung des Formfehlers. In Zustellungssachen ist dies gemäß Art. 863 Ziff. 2 CJ im

256

Rouard Rz. 1204.

257

Pasicrisie beige 1982 I 1255.

258

Rouard Rz. 1202.

259

Art. 860 I: „Quelle que soit la formalité omise ou irrégulièrement accomlpie, aucun acte de procédure ne peut être déclaré nul si la nullité n'est pas formellement prononcée par la loi." 260

Cour de Cassation, Pasicrisie belge 1981 I 199 m.Anm. E.L.

261

Art. 862 I: ,JLa règle énoncée à l'article 861 n'est pas applicable à l'ommission ou à l'irrégularité concernant: ... 9° la mention de la signification des exploits et des actes d'exécution à personne ou au lieu fixé par la loi." Dazu etwa Cour de Cassation, Pasicrisie belge 1978 I 993; Friedensgericht Wavre J.T. 1991, 394. 262 Dies gilt gemäß Art. 865, 862 I Ziff.l, 860 II CJ jedoch nicht für Rechtsmittelfristen. Siehe auch §§ 516, 552, 187 S. 2 ZPO! 263

Faculté de Droit de l'Université de Liège, Etude, S. 84.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

343

(Zeugen-)Beweisverfahren im Hinblick auf die Ladung der Parteien und die Mitteilung an die Zeugen von Bedeutung. Die vorstehende Darstellung hat m.E. dargetan, daß das belgische Verfahrensrecht den Grundsatz der Zweckerreichung (in Form der Regel „Pas de nullité sans grief 4 ) trotz einiger Durchbrechungen auch im Zustellungsrecht kennt.

bb) Dänemark 264 Auch das dänische Prozeßrecht kennt den Zweckerreichungsgedanken. 265 So sieht § 163 II des dänischen Zivilprozeßgesetzes vor, daß eine Zustellung auch dann als wirksam betrachtet wird, wenn das zuzustellende Schriftstück trotz einer Verletzung der in den §§ 155-157 festgesetzten Regeln dem richtigen Adressaten zugegangen ist.

cc) Frankreich Das französische Prozeßrecht enthält seit 1965 266 eine geschriebene Zweckerreichungsregel. Nach dem nur für das Zustellungsrecht geltenden Art. 70 I I anc. CPC führten Zustellungsmängel trotz einer grundsätzlichen Nichtigkeitsandrohung 267 allein dann zur Nichtigkeit des Zustellungsaktes, wenn der Fehler die Verteidigungsrechte des Adressaten beeinträchtigt hatte. 268 Der NCPC führte zu einer Ausweitung dieses Grundsatzes über die Zustellung hinaus auf alle Arten von Formverstößen. Zwar hat ein Verstoß gegen die Zustellungsform gemäß Art. 693 NCPC grundsätzlich die Nichtigkeit der Zustel-

264 Eine kurze Darstellung des dänischen Zustellungsrechts findet sich bei O'Malley / Layton Rz. 49.38. 265 Für die Hinweise zum dänischen Recht sowie für eine englische Übersetzung der einschlägigen Vorschrift danke ich Herrn Associate Professor Allan Walbom, Universität Aarhus. 266

Décr. n° 65-1006 vom 26.11.1965.

267

Art. 70 I anc. CPC.

268

,Art. 70. Ce qui est prescrit par les articles 58, 58-1, 58-2, 58-3, 61, 64, 69 qui précèdent et par l'article 457 (alinéa premier) ci-après, sera observé à peine de nullité. Toutefois, cette nullité ne pourra être prononcée que s'il a été porté atteinte aux intérêts de la défense."

344

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

lung zur Folge. 269 Im Hinblick auf das insoweit zu berücksichtigende Verfahren verweist Art. 694 NCPC aber entsprechend auf die Bestimmungen des NCPC, die die Nichtigkeit von Prozeßhandlungen regeln, die Art. 112 ff. NCPC. Maßgebliche Bestimmung ist insoweit Art. 114 NCPC. Gemäß Art. 114 I NCPC kann ein fehlerhafter Akt nur dann für nichtig erklärt werden, wenn sich die Nichtigkeitsfolge ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt (auch hier: „pas de nullité sans texte"). Dies ist im Hinblick auf die wichtigsten Zustellungsförmlichkeiten wegen Art. 693 NCPC zwar der Fall. Doch darf der Richter nach Art. 114 I I NCPC 270 auch bei Zustellungsfehlern 271 trotz der andernorts ausgesprochenen Nichtigkeitssanktion die Nichtigkeit nur dann aussprechen, wenn diejenige Partei, die die Nichtigkeit geltend macht, nachweist, daß ihr aus dem Fehler ein Nachteil entstanden ist. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um eine wesentliche Förmlichkeit oder den ordre public handelt.272 Eine Ausnahme gilt gemäß Art. 119 NCPC allein dann, wenn es sich ausnahmsweise nicht — wie regelmäßig im Zustellungsrecht 273 — um einen sog. vice de form (Formmangel) handelt, sondern um einen vice de fond (Mangel des Grundes), der stets unheilbar zur Nichtigkeit des Zustellungsaktes führt. Ein solcher Fall wird im Zustellungsrecht nur äußerst selten vorkommen. 274 Mit der Regel des Art. 114 I I NCPC hat sich das französische Recht für eine extrem weit gefaßte Form des Zweckerreichungsgedanken entschieden.275 Sie erfährt nicht — wie etwa im belgischen Recht — Einschränkungen und ist auch auf die remise au parquet anwendbar. 276 Ob die Regel pas de nullité sans grief auch bei Konventionsverstößen greift, ist freilich umstritten. 277 Gleich-

269 Art. 693 NCPC führt abschließend diejenigen Bestimmungen des Zustellungsrechts auf, deren Nichtbeachtung zur Nichtigkeit der Zustellung führt. 270

Dazu auch P. Schlosser FS Matscher S. 387, 396; Stürner JZ 1992, 325, 331.

271

Zur Geltung des allgemeinen Grundsatzes des Art. 114 II NCPC im Hinblick auf Zustellungsmängel ausdrücklich Cour de Cassation Dalloz 1983, 139. 272

„Art. 114. Aucun acte de procédure ne peut être déclaré nul pour vice de forme si la nullité n'est pas expressément prévue par la loi, sauf en cas d'inobservation d'une formalité substantielle ou d'ordre public. La nullité ne peut être prononcée qu'à charge pour l'adversaire qui l'invoque de prouver le grief que lui cause l'irrégularité, même lorsqu'il s'agit d'une formalité substantielle ou d'ordre public." 273

Vgl. Wiehe S. 163.

274

Ebenso Wiehe S. 163.

275

So auch P. Schlosser FS Matscher S. 387, 396.

27 6

Huet J.C1. Int Fase. 583-1 S. 10; Delgrange Gaz.Pal. 1988, 73.

277

Dagegen Delgrange Gaz.Pal. 1988, 73, 74; dafür Droz RCDIP 1991, 167, 172.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

345

wohl wird dieser Streit regelmäßig ohne weitere Bedeutung sein, da — vorbehaltlich des Art. 15 I HZÜ — für die Wirksamkeit einer remise au parquet grundsätzlich nicht die Beachtung des Konventionsrechts oder ausländischen autonomen Zustellungsrechts erforderlich ist. 278

dd) Griechenland Auch dem griechischen Prozeßrecht ist der Zweckerreichungsgedanke bekannt. Gemäß Art. 159 Nr. 3 des griechischen Zivilprozeßgesetzes (griech. ZPG) kann die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozeßhandlung betreffenden Vorschrift die vom Gericht auszusprechende Nichtigkeit bewirken, wenn nach dem Ermessen des Richters durch die Verletzung demjenigen, der sie geltend macht, ein Schaden entstanden ist, der nicht anders als durch die Erklärung der Nichtigkeit wiedergutgemacht werden kann. 279 Wurde dagegen der Formzweck trotz eines Fehlers vollständig erreicht, so liegt kein Schaden vor, so daß die Nichtigkeit nicht gemäß Art. 159 Nr. 3 griech. ZÇG ausgesprochen werden kann. Allerdings findet der in Art. 159 Nr. 3 griech. ZPG zum Ausdruck kommende Zweckerreichungsgedanke nur subsidiäre Anwendung. Unabhängig von der Erreichung des Zwecks hat der Richter gemäß Art. 159 Nr. 1 und 2 griech. ZPG die Nichtigkeit nämlich bereits immer dann auszusprechen, wenn sich die Nichtigkeitsfolge schon ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt (Nr. 1) oder wenn wegen der fraglichen Verletzung die Kassation oder die Wiederaufnahme des Verfahrens eingelegt werden kann (Nr. 2). Eine insoweit bedeutsame Bestimmung findet sich im Hinblick auf den hier besonders interessierenden Fall der Zustellung in Art. 559 Nr. 6 griech. ZPG 280 . Danach ist eine Kassation zulässig, wenn gegen die Partei unter Verletzung des Gesetzes, insbesondere der für die Zustellung geltenden Vorschriften, das Versäumnisverfahren stattgefunden hat. Diese Kassationsmöglichkeit hat zur Folge, daß der Richter in dem in Art. 559 Nr. 6 griech. ZPG genannten Fall bereits gemäß Art. 159 Nr. 2 griech. ZPG die Nichtigkeit auszusprechen hat, ohne daß es darauf ankäme, ob der Zustellungszweck trotz des Zustellungs-

27 8

Wiehe S. 164.

279

Vormals Art. 161 Nr. 3 greich. ZPG. Der Inhalt der Bestimmung ist gleich geblieben. Zur Übersetzung siehe deshalb Baumgärtel / Rammos S. 58. Ansonsten ist wegen des Alters jener Übersetzung regelmäßig Vorsicht geboten, vgl. Bülow / Böckstiegel / Karameus S. 1043.1 Fn. 1. 280 Vormals Art. 577 Nr. 6 greich. ZPG. Der Inhalt der Bestimmung ist gleich geblieben. Zur Übersetzung siehe deshalb Baumgärtel / Rammos S. 175.

346

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

mangels erreicht worden ist. Damit unterliegt der auch dem griechischen Zivilprozeßrecht bekannte allgemeine Zweckerreichungsgedanke im Zustellungsrecht einer wichtigen Einschränkung. Diese läßt sich auch nicht über die Vorschrift des Art. 160 griech. ZPG überwinden. 281 Danach kann die Nichtigkeit nur auf eine Rüge einer Partei hin ausgesprochen werden, sofern sich im Gesetz keine ausdrückliche Amtsprüfungsbefugnis findet, Art. 160 Abs. 1 griech. ZPG. Zwar ist eine Partei mit ihrer Nichtigkeitsrüge präkludiert, sofern die Rüge nicht unverzüglich nach der als nichtig angefochtenen Handlung erhoben wird. Damit kennt das griechische Recht neben der tatsächlichen Zweckerreichung des Art. 159 Nr. 3 griech. ZPG eine dem § 295 ZPO vergleichbare Form derfiktiven oder subjektiven Zweckerreichung. Doch auch diese subjektive Zweckerreichung greift dann nicht ein, wenn — wie im Fall eines nach fehlerhafter Zustellung durchgeführten Versäumnisverfahrens (Art. 559 Nr. 6 griech. ZPG) — wegen des Mangels die Kassation eingelegt werden kann, Art. 160 Abs. 3 griech. ZPG.

ee) Irland Nach irischem Prozeßrecht ist wie in den meisten anderen Rechtsordnungen auch die Zustellung an bestimmte Förmlichkeiten gebunden.282 Entspricht eine Zustellung nicht diesen Förmlichkeiten, so steht dennoch dem Gericht aufgrund Order 9 Rule 15 der Rules of the Superior Courts 1986 283 in jedem Fall das Recht zu, aufgrund billiger Erwägungen die Zustellung als ordnungsgemäß anzusehen.284 Eine identische Bestimmung findet sich in den Circuit Court Rules 1950. Im Ergebnis erlaubt diese Regel die Loslösung von Zustellungsförmlichkeiten, sofern der Zustellungszweck auf andere Weise tatsächlich erreicht wird. Das Zweckerreichungsprinzip ist damit auch dem irischen Prozeßrecht zu eigen.

281

Vormals Art. 162 greich. ZPG. Der Inhalt der Bestimmung ist gleich geblieben. Zur Über-

setzung siehe deshalb Baumgärtel /Rammos S. 58. 252

Zum irischen Zustellungsverfahren Böttger, Irland, S. 27 ff.; O'Malley / Layton Rz. 52.38.

283

0.9, r.15: „In any case the Court may, upon just grounds, declare the service actually effected sufficient." 284

Für die Hinweise zum irischen Recht danke ich Frau Sollicitor Cathrine Brennan, The Law Society of Ireland, und dem Justizministerium der Republik Irland.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

347

ff) Italien 285 Ebenso wie die bisher untersuchten Prozeßordnungen kennt auch der im Jahre 1940 in Kraft getretene italienische Codice di Procedura Civile (CPC) den allgemeinen Zweckerreichungsgedanken. 286 Gemäß Art. 156 I I I CPC ist eine fehlerhafte Prozeßhandlung immer dann als geheilt anzusehen, wenn sie ihren Zweck erfüllt hat. 287 Anders als aber das griechische Recht, das insoweit beachtliche Ausnahmen machte, erstreckt das italienische Zivilprozeßrecht diesen Zweckerreichungsgedanken gemäß Art. 160 CPC ausdrücklich auch auf das Zustellungsrecht. Diese Vorschrift verweist im Hinblick auf die Zustellung ausdrücklich auch auf Art. 156 CPC und damit auf den in dessen Absatz 3 zu findenden allgemeinen Zweckerreichungsgedanken. 288 Damit ist eine fehlerhafte Zustellung wirksam, sofern sie den Beklagten von der Einleitung eines Verfahrens hinreichend unterrichtet und somit ihren Zweck erfüllt hat. 289 Neben diesem Grundsatz der tatsächlichen Zweckerreichung kennt das italienische Prozeßrecht auch diefiktive oder subjektive Zweckerreichung. So heilt gemäß Art. 164 I I 1. HS CPC die Einlassung des Beklagten jeden Mangel der Klage. Darüber hinaus kann ein Zustellungsfehler gemäß Art. 157 CPC 290 nur auf eine Rüge des Adressaten hin berücksichtigt werden. Unterbleibt eine solche Rüge, so ist der Fehler geheilt. 291 Damit ist auch dem italienischen Codice di Procedura Civile der allgemeine Zweckerreichungsgrundsatz bekannt. Er ist im italienischen Zivilprozeßrecht auf alle Formfehler einschließlich Zustellungsmängeln anwendbar. Zu Recht spricht

283

Zum italienischen Zustellungsrecht siehe zusammenfassend Ο' Malley / Lay ton Rz. 53.38.

286

Dazu Cappelletti

RabelsZ 30 (1966) 254, 289.

287

Art. 156 Abs. 3: „La nullità non può mai esse pronunciata, se l'atto ha raggiunto lo scopo a cui è destinato" („Eine Prozeßhandlung kann niemals für nichtig erklärt werden, wenn sie den ihr zugedachten Zweck erreicht hat." Übersetzung nach Bauer / Eccher / König u.a. S. 109). 288 Art. 160: „La notificazione è nulla se non sono osservate le disposizioni circa la persone alla quale deve essere consegnata la copia (138 ss.), ο se vi è incertezza sulla persona a cui è fatto sulla data (148), salva applicazione degli articoli 156 e 157." („Die Zustellung ist unbeschadet der Anwendung der Artikel 156 und 157 nichtig, wenn die Bestimmungen über die Person, der die Abschrift zu übergeben ist [138 ff.], nicht eingehalten werden, oder wenn gänzliche Ungewißheit über die Person, an die sie erfolgt ist, oder über den Zeitpunkt besteht." Übersetzung nach Bauer / Eccher /König u.a.). 289

Cappelletti

290

Auf diesen verweist auch Art. 160 CPC.

291

Cappelletti

RabelsZ 30 (1966) 254, 289.

RabelsZ 30 (1966) 254, 289.

348

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Cappelletti 292 insoweit vom „antiformalistischen Zug" des italienischen Prozeßrechts.

gg) Luxemburg 293 Auch das luxemburgische Prozeßrecht kennt das Zweckerreichungsprinzip. So entschied schon im Jahre 1913 die luxemburgische Cour supérieur 294, daß eine fälschlicherweise bei einem Mitglied des Gemeinderates statt beim Bürgermeister vorgenommene Ersatzzustellung dann wirksam ist, wenn die Übergabe des Schriftstücks an den Bürgermeister nicht effektiver gewesen wäre und darüber hinaus die Rechte des Zustellungsadressaten nicht beeinträchtigt worden sind. Erst im Jahre 1974 fand der Zweckerreichungsgrundsatz mit Art. 173 II auch als geschriebene Regel Eingang in den luxemburgischen Code de Procédure Civile. Danach kann die Nichtigkeit einer Gerichts Vollzieherhandlung (und damit auch einer Zustellung) oder einer Prozeßhandlung nur dann ausgesprochen werden, wenn nachgewiesen ist, daß der Verstoß gegen die Form — auch eine wesentliche Form — die Rechte der Gegenpartei verletzt hat. 295 Damit reiht sich der luxemburgische Code de Procédure Civile im Hinblick auf die Existenz eines allgemeinen Zweckerreichungsgrundsatzes nahtlos in die Reihe der bisher untersuchten Prozeßrechte ein.

hh) Niederlande Das niederländische Recht befaßt sich in den Art. 90 bis 94 des Wetboek van Burgerlijke Regtsvoordering (Rv) mit Fehlern der Zustellung und ihrer Heilung. 296 Von besondere Bedeutung sind insoweit im vorliegenden Zusammenhang die Art. 93 und 94 Rv, wonach im Hinblick auf die Heilung zwischen dem erschienen und dem säumigen Beklagten zu unterscheiden ist.

292

RabelsZ 30 (1966) 254, 289.

293

Zum luxemburgischen Zustellungsrecht siehe zusammenfassend O'Malley / Lay ton Rz. 54.38.

294

Pasicrisie luxembourgeoise 9, 135.

295

Art. 173 Abs. 2: ,Aucune nullité pour vice de forme des exploits ou des actes de procédure ne pourra être prononcée que si'il est justifié que l'inoberservation de la formalité, même substantielle, aura pour effet de porter atteinte aux intérêts de la partie adverse." 296 Dazu P.A. Stein S. 95 f.; eine Zusammenfassung des niederländischen Zustellungsrechts findet sich bei O'Malley / Layton Rz. 55.38.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

349

Ist der Beklagte im Termin erschienen und beruft er sich auf einen Zustellungsmangel, der gemäß Art. 91 Rv mit der Nichtigkeit sanktioniert ist 297 , so findet diese Einrede nur dann Beachtung, wenn der Beklagte durch den Fehler in seinen Verteidigungsrechten benachteiligt ist, Art. 94 I Rv. Das niederländische Recht entspricht damit faktisch der Situation im Rahmen des deutschen § 295 ZPO, der einer Partei nur dann ein Einrederecht gibt, wenn die Zustellung nicht nach § 187 ZPO oder dem allgemeinen Zweckerreichungsgedanken kraft Erreichung des Zustellungszwecks geheilt ist. Blieb dagegen der Beklagte säumig, so erklärt der Richter die Nichtigkeit der dagvaarding (Klagladung), wenn anzunehmen ist, daß das Nichterscheinen durch den Zustellungsmangel bedingt ist, Art. 93 I I Rv. Beruht das Nichterscheinen dagegen nach Auffassung des Richters auf einem anderen Grund als dem Zustellungsfehler, so ist dieser Mangel heilbar, Art. 93 I I I Rv. Dies geschieht durch die Festsetzung eines neuen Termins, wovon der Kläger den Beklagten zu benachrichtigen hat. Diese Regel, die ebenfalls auf das Prinzip der Zweckerreichung zurückgeht, stellt gegenüber Art. 93 II Rv den Regelfall dar. 298

ii) Portugal Das portugiesische Recht unterscheidet zwischen einer einer fehlenden Zustellung (falta da ciîaçao) und einer fehlerhaften Zustellung {nulidade da citaçao).299 Eine fehlende Zustellung (falta da citaçao) liegt gemäß Art. 195 I Código de Processo Civil dann vor, wenn eine Zustellung vollständig unterblieben ist, wenn ein Irrtum in der Identität des Zustellungsadressaten vorlag, wenn öffentlich zugestellt worden ist, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren, wenn die Zustellung nach dem Tod des Beklagten durchgeführt wurde oder schließlich wenn gegen wesentliche Formen verstoßen worden ist. Was unter wesentlichen Formen zu verstehen ist, definiert Art. 195 II Código de Processo Civil. So bestimmt beispielsweise Art. 195 Π lit. d Código de Processo Civil als wesentliche Förmlichkeiten einer Zustellung per Einschreiben die

297 Art. 91 I Rv führt abschließend die Normen auf, deren Nichtbeachtung die Nichtigkeit der dagvaarding zur Folge hat. 298

W.H. Heemskerk N.J. 1990 Nr. 107.

299

Hierzu und zum folgenden Ferreira

/ Guggenheim in: Smit, Co-operation, S. 299, 303.

350

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

tatsächliche Zustellung einer Abschrift der Klage und die Rücksendung eines unterschriebenen Rückscheines. Liegt eine der genannten Voraussetzungen vor und ist danach die Zustellung als falta da citaçao anzusehen, so ist die Zustellung einschließlich aller folgenden Prozeßhandlungen nichtig, sofern der Beklagte im Prozeß säumig bleibt. Läßt sich der Beklagte statt dessen auf das Verfahren ein, ohne die Zustellungsmängel zu rügen, so gilt die Zustellung gemäß Art. 196 Código de Processo Civil trotz der falta da citaçao als ordnungsgemäß. Verstieß die Zustellung nicht gegen eine wesentliche Form im Sinne des Art. 195 II Código de Processo Civil, sondern lediglich gegen eine nicht wesentliche Form, so liegt gemäß Art. 198 I Código de Processo Civil eine nulidade da citaçao vor. Zwar führt auch diese grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Ladung. 300 Dies gilt jedoch nur, soweit der Fehler einredeweise geltend gemacht wird. Dabei kann der Beklagte eine neue ordnungsgemäße Zustellung verlangen. 301 Dieses Einrederecht ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Zustellungsfehler in keiner Weise die Verteidigungsrechte des Beklagten beeinträchtigt hat, Art. 198 I I 2 Código de Processo Civil 3 0 2 . Ähnlich wie im Rahmen des deutschen § 295 ZPO steht damit auch im portugiesischen Recht die Geltendmachung eines Zustellungsmangels unter dem Vorbehalt der objektiven Zweckerreichung. Doch selbst bei Säumnis des Beklagten führt die nulidade da citaçao nicht zwingend zur Nichtigkeit des Verfahrens. 303 Dies ergibt sich zum einen aus dem Einredeerfordernis des Art. 198 II 2 Código de Processo Civil, zum anderen aber auch daraus, daß das portugiesische Prozeßrecht im Prinzip davon ausgeht, daß eine Zustellung, die ihren Adressaten erreicht, wirksam ist. 304 Darüber hinaus bestimmt Art. 201 I Código de Processo Civil allgemein für Prozeßhandlungen, daß eine Nichtigkeit nur dann anzunehmen ist, wenn der Fehler Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens hatte. Auch hierin spiegelt sich das Prinzip der Zweckerreichung wider.

300 Art. 198 I: „Eine gerichtliche Ladung ist ungültig, wenn diese zwar die wesentlichen Formen erfüllt, jedoch andere vom Gesetz vorgeschriebene Formen übergeht." 301

Ferreira

/ Guggenheim, in: Smit, Co-operation, S. 299, 303.

302

Art. 198 II 2: „Dieser Anfechtung wird nur dann stattgegeben, wenn der unterlaufene Fehler die Verteidigung des Geladenen beeinträchtigen könnte." 303 304

Ferreira

/ Guggenheim, in: Smit, Co-operation, S. 299, 303.

Für diesen Hinweis danke ich Herrn Costa Neves Ribeiro, Abteilungsleiter im portugiesischen Justizministerium.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

351

jj) Spanien Sehr restriktiv ist die Haltung des spanischen Ley de Enjuiciamiento Civil. Dessen Art. 279 sieht vor, daß eine Zustellung, die nicht den gesetzlichen Formvorschriften entspricht, nichtig ist. Der Formfehler kann nur dadurch geheilt werden, daß der Beklagte im Prozeß erscheint und die fehlerhafte Zustellung als ausreichend anerkennt. 305 Auch wenn damit das spanische Recht die wohl heilungsfeindlichste Haltung unter den bisher untersuchten Rechtsordnungen einnimmt, so steht auch hinter diesem vom spanischen Recht zugelassenen Heilungsfall das Prinzip der (subjektiven) Zweckerreichung: Der Zweck ist erreicht, sofern der Beklagte sich im Hinblick auf den Zustellungsmangel für nicht in seinen Rechten beeinträchtigt erklärt, die fehlerhafte Zustellung also als ordnungsgemäß akzeptiert.

kk) Vereinigtes Königreich I,m Vereinigten Königreich bestehen im Hinblick auf die hier interessierende Frage einer Heilbarkeit von Zustellungsfehlern nach dem Zweckerreichungsgedanken einige Unterschiede zwischen dem englischen und dem schottischen306 Prozeßrecht.

(a) England 307 Mit England findet sich im Geltungsbereich des EuGVÜ eine Common LawRechtsordnung. Auch wenn der Unterschied zwischen Common und Civil LawStaaten wegen der Verschiedenheit der Systeme im Rahmen des EuGVÜ häufig

305

Cremades / Cabiedes S. 152; Washburn / Ortiz- Cariavate / Guggenheim in: Smit, Cooperation, S. 316, 319. Art. 279: „Diejenigen gerichtlichen Zustellungen, Ladungen oder Vorladungen, die nicht nach den Vorschriften dieses Abschnittes ausgeführt werden, sind ungültig. Wenn jedoch die geladene Person im Prozeß zeigt, daß sie unterrichtet ist, entfalten die gerichtlichen Benachrichtigungen ab diesem Zeitpunkt alle Wirkungen, als ob sie den gesetzlichen Vorschriften gemäß ausgeführt worden wären." 306

Zu Schottland weiter unten in diesem Abschnitt.

307

Zum englischen Zustellungsrecht ausführlich Ο' Malley / Lay ton Rz. 4.01 ff.

352

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

eine Bildung allgemeiner Rechtsgrundsätze erschwert 308, so gilt dies doch nicht im hier untersuchten Bereich der Heilung von Zustellungsfehlern. Denn auch das englische Recht ist insoweit im Ergebnis auf den Zweckerreichungsgedanken zurückzuführen. Ausgangspunkt hierfür ist Order 2 Rule 1 der Rules of the Supreme Court 1965 (RSC 1965) 309 31 °. Diese Regel gilt über Section 103 des County Courts Act 1959 auch vor den County Courts. 311 Auch wenn es sich bei den RSC 1965 nicht um ein formelles Gesetz im Sinne etwa der deutschen ZPO handelt — die Rules of the Supreme Court werden von den Richtern erlassen (!) 3 1 2 —, so stellen diese Regeln doch die wohl maßgebliche geschriebene Verfahrensordnung dar und haben wenigstens de facto Gesetzeskraft. 313 Das englische Recht trennte früher zwischen Fehlern, die eo ipso zur Nichtigkeit führen und bloßen irregularities. Diese Trennung gab RSC 1965 auf. 314 Order 2 Rule 1 RSC 1965 kennt nur noch irregularities. Hierbei ist es in das

308

Martiny RabelsZ 45 (1981) 427, 441.

309

0.2, r.l.: „(1) Where in beginning or purporting to begin any proceedings or at any stage in the course of or in connection with any proceedings, there has, by reason of any thing done or left undone, been a failure to comply with requirements of these rules, whether in respect of time, place, manner, form or content or in any other respect, the faillure shall be treated as an irregularity and shall not nullify the proceedings, any step taken in the proceedings, or any document, judgement or order therein. (2) Subject to paragraph (3), the Court may, on the ground that there has been such a failure as is mentioned in paragraph (1), and on such terms as costs or otherwise as it thinks just, set aside either wholly or in part the proceedings in which the failure occured, any step taken in those proceedings or any document, judgement or order therein or exercise its powers under these rules to allow such amendments (if any) to be made and to make such order (if any) dealing with the proceedings generally as it thinks fit. (3) The Court shall not wholly set aside any proceedings or the writ or other originating process by which they where begun on the ground that the proceedings were required by any of these rules to be begun by an originating process other than one employed." 3,0

Dazu auch Stürner JZ 1992, 325, 331 Fn. 57; BGH RIW 1993, 673, 675; Bunge S. 81.

311

Westminster City Council v. Chapman and others [1975] 2 AUER 1103 (C.A.). Grundätzlich gilt vor den County Courts und den Magistrates Courts ein anderes Verfahrensrecht als vor dem High Court, vgl. Bunge S. 105. 312 Henrich, Einführung, S. 10. Rechtsgrundlage ist sect. 99 des Judgement Act 1925, erweitert durch eine Vielzahl späterer Acts. 313 SS. Houtestroom v. SS. Sagaporak [1927] A.C. 47; Donald Campbell & Co. v. Pollak [1928] A.C. 804. 314

Langan / Henderson S. 15. Gleichwohl finden sich auch heute Entscheidungen, die auf diese Trennung Bezug nehmen, etwa Golden Ocean Assurance Ltd v. Martin, The Golden Mariner [1990] 2 Lloyd's Rep. 215 (C.A.) (= Halsbury's Abridgment 1991 para 1939).

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

353

Ermessen des Gerichts gestellt, die fehlerhafte Handlung für unwirksam zu erklären („may [!] ... set aside"). Das Gericht sieht bei einer Zustellung regelmäßig dann von der Ausübung dieser Befugnis ab, wenn der Zustellungszweck erreicht ist. So kann etwa der tatsächliche Zugang einen Fehler in der persönlichen Zustellung heilen. 315 Doch ist über Order 2 Rule 1 RSC 1965 auch eine Heilung von Fehlern in der Ersatzzustellung möglich. Diese Regeln sind „in general to be applied liberally in order to prevent procedural errors affecting the substance of a dispute to the detriment of one party" 316 . So fand Order 2 Rule 1 RSC 1965 zum Beispiel auch im Fall Westminster City Council v. Chapman and others 317 Anwendung. 318 Dort sollte eine Räumungsklage an mehrere Hausbesetzer zugestellt werden, deren Namen mit einer Ausnahme (Mr. Chapmann) im Zeitpunkt der Zustellung unbekannt waren. Für einen solchen Fall sieht Order 26 Rule 3 (2) der County Court Rules (CCR) vor, daß das zuzustellende Schriftstück von außen gut sichtbar an der Eingangstür oder an einem anderen deutlich sichtbaren Teil des Hauses befestigt wird. Der mit der Zustellungsdurchführung beauftragte Gerichtsvollzieher (court bailiff) steckte jedoch abweichend von dieser Vorschrift das zuzustellende Schriftstück in einen Umschlag, den er mit „Peter Chapman and other persons unknown" adressiert in den Hausbriefkasten einwarf. Zwei Tage später — bis zum Termin waren es noch zwei Wochen — schauten die Hausbesetzer in den Briefkasten und fanden die Räumungsklage vor. Die Richter erblickten in der Zustellung eine irregularity im Sinne der Rule 2 Order 1 RSC 1965, sahen aber davon ab, die Zustellung für unwirksam zu erklären. So führte Lord Denning 319 im Zusammenhang mit Order 2 Rule 1 RSC aus: „The object of the rules [Order 26 Rule 3 CCR, Anm. d. Verf.] is to see that, as far as possible, people get to know of the application and are able to appear at the county court. That was what happened here. ... Seeing it was only an irregularity and no harm was done, it seems to me the proceedings are made perfectly good. ... I put it simply on the ground that it was an irregularity

315

Williams v. Piggot [1836] 1 M. & W. 574; dazu Bunge S. 81.

316

Camera Care Ltd v. Aktiebolag (C.A.)(1985) Halsbury's Abridgment 1985 para 2042 = Financial Times v. 14.1.1986. Ebenso schon Harness v. Bell's Asbestos & Engineering Ltd. [1967] 2 Q.B. 729, 735. 317

[1975] 2 AUER 1103 (C.A.).

318

Langan / Henderson S. 16 bezeichnen diesen Fall als „a good example" für die Anwendung von Order 2 Rule 1 RSC. 319

2

Westminster City Council v. Chapman and others [1975] 2 All ER 1103, 1105 (C.A.).

Kondin

354

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

only which made no difference and does not affect the validity of the proceedings." Dem Schloß sich Lord Justice Brown 320 mit der Bemerkung an, daß es sich vorliegend um eine irregularity handle, „[that] was cured [!] on the facts of this particular case" (eigene Hervorhebung). Damit ist das Zweckerreichungsprinzip über Order 2 Rule 1 RSC 1965 auch Teil des englischen Prozeßrechts. Entsprechend der örtlichen Zuständigkeit des Supreme Court und dem daraus resultierenden räumlichen Anwendungsbereich der RSC 1965 gilt dies gleichermaßen für Wales. 321 Wegen der Parallelität des nordirischen und englischen Zustellungsrechts 322 dürften die vorstehend dargestellten Grundsätze darüber hinaus auch in bezug auf Nordirland zum Tragen kommen. Neben der Heilung findet der Zweckerreichungsgrundsatz in England auch im Rahmen der Auslegung von Zustellungsregeln seinen Niederschlag. 323 Ein Beispiel hierfür ist die Zustellung durch Fax. 324 Das englische Recht sieht in Order 65 Rule 5 (l)(a) vor, daß die Zustellung durchgeführt werden kann „...[by] leaving the document at the proper address of the person to be served...". Die Wendung „leaving the document" erfaßt von ihrer ursprünglichen Intention her die tatsächliche Übergabe, nicht aber die Zustellung per Fax, denn dieses Verfahren war im Entstehungsjahr der RSC 1965 noch unbekannt. Dazu führte der Court of Appeal 325 jedoch aus: „The purpose (!) [eigene Hervorhebung, d. Verf.] of serving a document is to ensure that its contents are available to the recipient and whether the document was served in the conventional way or by fax the result is exactly the same." Einzige Voraussetzung sei, daß die übermittelte Faxkopie lesbar sei, was nicht immer leicht zu beweisen ist. 326 Ähnlich einzuordnen ist eine Entscheidung des Court of Appeal aus dem Jahre 1989 327 , in der nach englischem Recht eine Widerklage bis 16.00 Uhr zugestellt werden mußte, jedoch tatsächlich erst um 16.20 Uhr

320

Westminster City Council v. Chapman and others [1975] 2 All ER 1103, 1106 (C.A.).

321

Zur Rechtsprechungskompetenz des Supreme Court für Wales Bunge S. 22.

322

O'Malley / Layton Rz. 57.38.

323

Anders die in dieser Arbeit zum deutschen Recht vertretene Ansicht, siehe oben § 4 II.

324 Hastie and Jenckerson v. McMahon [1991] 1 All ER 255 (C.A.) (= Halsbury's Abridgment 1990 para 1889-91). Noch offengelassen in Ralux NV / SA v. Spencer Mason (C.A.) (1989) Times vom 18.5.1989. Inzwischen wurden die Rules of the Supreme Court insoweit geändert, siehe bei Halsbury's Abridgment 1990 para 1888. 325

Hastie and Jenkerson v. McMahon [1991] All ER 255, 259 (C.A.).

326

Hastie and Jenkerson v. McMahon [1991] All ER 255 (C.A.).

327 RaJaux NV / SA v. Spencer Mason (C.A.)(1989), Times v. 18.5.1989 = Halsbury's Abridgment 1989 para 1842.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

355

zugestellt worden war. Der Court of Appeal hielt trotz dieses Fristversäumnisses die Zustellung für wirksam, da „no prejudice could have arisen by an extension of 20 minutes beyond 4 p.m. on April 18." 328 Neben dieser tatsächlichen Zweckerreichung kennt das englische Prozeßrecht auch das Prinzip der fiktiven oder subjektiven Zweckerreichung. So heilt die Einlassung des Beklagten auf eine fehlerhaft zugestellte Klage grundsätzlich den Zustellungsmangel.329 Ähnlich wie bei § 295 ZPO gilt der Zustellungszweck auch hier als erreicht. Angesichts der restriktiven Haltung der deutschen Literatur und Rechtsprechung im Hinblick auf eine Anwendung des § 187 ZPO auf Auslandszustellungen sei an dieser Stelle noch die diesbezügliche Heilungspraxis englischer Gerichte dargestellt: Nach herrschender englischer Gerichtspraxis ist grundsätzlich Order 2 Rule 1 RSC 1965 auch auf Fälle der Auslandszustellung anwendbar. 330 Im Fall Golden Ocean Assurance Ltd. ν. Martin 331 hatte der amerikanische process server die an mehrere gemeinschaftlich verklagte Amerikaner gerichteten, aber inhaltsgleichen englischen Klageschriften vertauscht. Diesen vom amerikanischen process server verursachten Durchführungsfehler betrachtete das englische Gericht als irregularity im Sinne der Rule 2 Order 1 RSC 1965 und diskutierte in diesem Rahmen dessen Heilbarkeit. Im Hinblick auf die Heilung des amerikanischen Durchführungsfehlers nach englischem Forumsrecht schien es offensichtlich dem Gericht nicht einmal der Erwähung wert, daß (wohl) im Rahmen des HZÜ zugestellt worden war. Auch die Beschreitung unzulässiger Zustellungswege ist nach englischer Ansicht nach Order 2 Rule 1 RSC 1965 heilbar. Wegen der dabei möglicherweise tangierten Souveränitätsinteressen des Zustellungsstaates wird jedoch im allgemeinen nur eine sehr vorsichtige Heilung zugelassen.332

328

Halsbury's Abridgment 1989 para 1942,

329

Re Chittenden, deed. [1970] 3 All ER 562; Sheldon v. Brown, etc Ltd. [1953] 2 Q.B., C.A.; Western National Bank v. Perez [1891] 1 Q.B. 304, C.A. 330 Golden Ocean Assurance Ltd. v. Martin [1990] 2 Lloyd's Rep. 215 (C.A.) (= Halsbury's Abridgment 1991 para 1939); Ferrarmi SpA v. Magnol Shipping Co Inc. [1988] 1 Lloyd's Rep. 238 (Q.B.) (= Halsbury's Abridgment 1988 para 1914); anders wohl Camera Care Ltd. v. Aktiebolag (C.A.) (1985) Financial Times vom 14.1.1986. 331 332

[1990] 2 Lloyd's Rep. 215 (C.A.).

Ferrarmi SpA v. Magnol Shipping Co Inc. [1988] 1 Lloyd's Rep. 238 (Q.B.) (= Halsbury's Abridgment 1988 para 1914). 2

356

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

(b) Schottland

333

Anders als das englische Recht, das mit Order 2 Rule 1 RSC 1965 auch dem Grundsatz der tatsächlichen Zweckerreichung zur Durchsetzung verhilft, kennt das schottische Prozeßrecht einen solchen Grundsatz nicht. Allein das auch im englischen Recht verwirklichte Prinzip derfiktiven oder subjektiven Zweckerreichung hat im schottischen Recht seinen Niederschlag gefunden. So bestimmt Rule 82 der Rules of the Court of Session, des höchsten schottischen Gerichts: „No party appearing in any action or proceeding in the Court of Session shall be entitled to state any objection to the regularity of the execution or service as against himself of the summons or other pleading or writ whereby he is convened." Ähnliche Vorschriften finden sich in den Prozeßregeln der Untergerichte, den sheriff courts.

c) Exkurs: Das Heilungsrecht der (ehemaligen) EFTA-Staaten

334

Von nur wenig geringerem Interesse als das Recht der EuGVÜ-Vertragsstaaten ist im vorliegenden Zusammenhang das Heilungsrecht der (ehemaligen) EFTA-Staaten. 335 Im Verhältnis zu diesen Staaten stellt sich das hier untersuchte Problem im Rahmen der Parallelvorschrift des Art. 27 Nr. 2 Lugano Übereinkommen. Darüber hinaus sind Finnland, Österreich und Schweden am 1.1.1995 der EU beigetreten, so daß mittelfristig ein Beitritt dieser Länder auch zum EuGVÜ zu erwarten ist 336 .

333 Für die Hinweise zum schottischen Recht dankt der Verfasser Herrn Professor Robert Black QC LLB LLM FRSA FRSE, University of Edinburgh. 334 Zur Mitgliedschaft der neuen EU-Beitrittsstaaten in der EFTA über den 1.1.1995 hinaus siehe oben § 17 V am Anfang. 335 Nicht näher untersucht wurde das Recht Liechtensteins, das seinseits bisher auch das Lugano Übereinkommen noch nicht gezeichnet hat. 336

Vgl. hierzu Art. 4 II der Akte über die Bedingungen des Beitritts dieser Staaten und die Anpassung der die Europäische Union begründenden Verträge, wonach sich die drei Neu-EU-Staaten auch zu einem EuGVÜ-Beitritt verpflichtet haben. Text abgedruckt in BR-Drucks. 446 / 94 S. 13 und bei Wagner RIW 1995, 89, 90 Fn. 19.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

aa) Finnland

357

337

Die Vorschriften des finnischen Zustellungsrechts wurden durch eine Teilnovelle des 11. Kapitels des aus dem Jahre 1734 (!) stammenden finnischen Prozeßgesetzbuchs, des Oikeudenkäymiskaari (OK), neu gefaßt. 338 Die Novelle trat am 1.12.1993 in Kraft und ersetzt die bisherigen Zustellungs Vorschriften. 339 Zwar ist der OK auch nach seiner Neufassung im Hinblick auf die Heilung von Zustellungsfehlern nicht so liberal wie die deutsche ZPO oder andere schon zuvor untersuchte Rechte. Doch findet sich eine hier interessierende Regel in OK 11:18 (= § 18 des 11. Kapitels des OK). Danach hat zwar grundsätzlich eine neue Zustellung zu erfolgen, sofern die Zustellung nicht binnen vorgeschriebener Zeit oder formfehlerhaft durchgeführt worden ist und die Partei im mündlichen Termin nicht erscheint oder eine schriftliche Klagebeantwortung oder ein anderes von der Partei verlangtes Schriftstück nicht eingeht. Doch kann von einer erneuten Zustellung abgesehen werden, wenn eine solche wegen Geringfügigkeit des Mangels als unnötig betrachtet werden kann. Auch hierin verbirgt sich m.E. — wenngleich nur auf geringfügige Fehler beschränkt — nichts anderes als der Grundsatz der tatsächlichen Zweckerreichung.

bb) Island

340

Das isländische Recht kennt keine dem § 187 ZPO vergleichbare Bestimmung der tatsächlichen Zweckerreichung. Doch sieht Art. 83 des isländischen Zivilprozeßgesetzes vom 31.12.1991 vor, daß eine Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke trotz eines Zustellungsmangels immer dann als wirksam anzusehen ist, wenn der Zustellungsadressat vor Gericht erscheint. Damit ist wenigstens die fiktive oder subjektive Zweckerreichung Teil des isländischen Prozeßrechts.

337 Für Hinweise zum finnischen Recht danke ich herzlich Herrn Prof. Dr. Erkki Havansi, Universität Helsinki. 338 339

Gesetz vom 22.7.1991.

Zum alten Rechtszustand Tirkkonen S. 105, 107.

S. 37; Saario / Ginsburg in: Smit: Co-operation,

340 Für die Hinweise zum isländischen Recht danke ich Herrn Prof. Markus Sigurbjörnsson, University of Iceland, sowie dem isländischen Justizministerium.

358

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

cc) Norwegen Das norwegische Recht kennt den Grundsatz der Heilung von Zustellungsfehlern sowohl durch fiktive als auch tatsächliche Zweckerreichung. So sind Zustellungsfehler immer dann unbeachtlich, wenn der Beklagte trotz des Mangels vor dem Gericht erscheint. 341 Doch auch bei Fernbleiben des Beklagten im Prozeß ist der Zustellungsmangel geheilt, wenn nachgewiesen ist, daß der Adressat das Schriftstück trotz des Fehlers so rechtzeitig erhalten, daß er ausreichend Zeit hatte, sich zu verteidigen (§ 183 des norwegischen Court of Justice Act). 3 4 2

dd) Österreich Bereits § 108 öZPO kannte das Prinzip der Heilung von Zustellungsmängeln durch Zweckerreichung. 343 Hieran hat das am 1.3.1983 in Kraft getretene Zustellungsgesetz (öZustG) 344 angeknüpft. 345 Dessen § 7 sieht als allgemeine Regel vor: „Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist, tatsächlich zugekommen ist." Dieses Prinzip der tatsächlichen Zweckerreichung findet daneben weiteren Niederschlag in einigen Spezialregeln. So sieht § 9 1 2 öZustG für den Fall, daß trotz Bestehens eines Bevollmächtigungsverhältnisses an die Partei selbst zugestellt worden ist, vor, daß „...die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen [gilt], in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist." § 16 V öZustG enthält eine spezielle Heilungsregel für den Fall der Ersatzzustellung: „Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 3 4 6 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle347 nicht

341

Ringdal / Vefling

/ Ginsburg in: Smit, Cooperation, S. 281, 286.

342

Ringdal / Vefling / Ginsburg in: Smit, Co-operation, S. 281, 286 f. Nach Auskunft des norwegischen Justizministeriums gilt diese Regel bis heute fort. 343

Dazu etwa OLG Hamburg MDR 1965, 393, 394.

344

Gesetz vom 1.4.1982, öBGBl. 1982, 200.

345

Dazu und zum folgenden Fasching öZPR Rz. 521.

346

§ 13 III ÖZustG: „Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist die Sendung einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen."

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

359

rechtzeitig vom Zustellungsvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam." Schließlich findet sich in § 17 I I I 4 öZustG eine Sonderheilungsregel für die Zustellung durch Hinterlegung, die ebenfalls das Zweckerreichungsprinzip verwirklicht. Danach gelten hinterlegte Sendungen „nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellungsvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte." Damit hat das öZustG in einem denkbar weiten Umfang das Prinzip der tatsächlichen Zweckerreichung umgesetzt und ausgeformt. Die dargestellten Heilungsregeln gelten nicht nur für vom ÖZustG selbst angeordnete Zustellungsförmlichkeiten, sondern auch für aus anderen Gesetzen resultierende Formerfordernisse der Zustellung. So gilt etwa eine Klage, die entgegen § 106 öZPO nicht zu eigenen Händen des Beklagten 348 , sondern zum Beispiel an einen Untermieter zugestellt worden ist, dann als wirksam zugestellt, wenn der Adressat die Klageschrift vom Untermieter tatsächlich erhalten hat (§ 7 ÖZustG).349

ee) Schweden Bis 1970 waren in Schweden die Zustellungsregeln im schwedischen Zivilprozeßgesetz (Rättegängsbalken, RB) geregelt. Dessen RB 33:14 sah vor, daß ein Schriftstück nach schwedischem Recht trotz eines Verstoßes gegen die Zustellungsförmlichkeiten dann als zugestellt galt, wenn das Schriftstück den richtigen Adressaten so rechtzeitig erreicht hatte, daß er ausreichend Zeit besaß,

347 Vgl. § 4 öZustG: „Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort." 348

Dazu Fasching öZPR Rz. 535.

349

Fasching öZPR Rz. 521.

360

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

sich zu verteidigen. 350 Zwar wurden die Zustellungs- und Heilungsvorschriften des RB durch das Gesetz 1970:429 aufgehoben. Doch trat gleichzeitig ein selbständiges Zustellungsgesetz (Delgivningslag) in Kraft. In dessen § 21 findet sich eine dem alten Rechtszustand weitgehend entsprechende Bestimmung, wonach es im Ermessen des Gerichts steht, eine neue Zustellung zu veranlassen oder die fehlerhafte Zustellung ausreichen zu lassen.

ff) Schweiz Wegen der kantonalen Verschiedenheiten der Rechtsvergleichung besonders schwer zugänglich ist das schweizerische Prozeßrecht. Denn in der Schweiz existieren — ähnlich wie in den USA — nebeneinander kantonales Prozeßrecht 351 und Bundesprozeßrecht. Das kantonale Recht schweigt im wesentlichen zur Frage der Heilung von Zustellungsmängeln.352 Vielmehr finden sich etwa mit § 66 ZPO Basel-Landschaft (nur bezüglich Vorladung), Art. 124 V I I Codice di procedura civile ai Ticino und Art. 24 Loi de procédure civile de Genève Vorschriften, denen zufolge ein Verstoß gegen die Zustellungsformen zwingend zur Nichtigkeit der Zustellung führen. Nur das Prozeßrecht des Wallis (Art. 97 ZPO Wallis) und dasjenige von Neuchâtel (Art. 90 Code de procédure civile de Neuchâtel) sehen eine besondere Zustellungsform vor, die einer Heilung von Zustellungsmängeln nahekommt: Nach beiden Vorschriften ist eine Zustellung dann als wirksam anzusehen, wenn der Adressat bescheinigt, daß er die Zustellung trotz des Mangels als rechtsgültig gelten lassen will. Auch hierin ist aber allenfalls eine fiktive oder subjektive Zweckerreichung zu sehen. Der Grundsatz der tatsächlichen Zweckerreichung findet sich hingegen allenfalls in einer aargauischen Entscheidung353. Dort war eine nicht in der vorgesehenen Form durchgeführte Zustellung eines weiterziehbaren Entscheides trotz des Formverstoßes als

350

Dazu Boström / Bruzelius / Goldie / Ginsburg in: Smit, Cooperation, S. 333, 335; Ginsburg / Bruzelius S. 230. Zur deutschen Übersetzung Simson S. 126: „Ist ein Schriftstück, das jemandem zuzustellen ist, in dessen Hände gelangt, so gilt die Zustellung als erfolgt, auch wenn er das Schriftstück auf andere als die oben bestimmte Weise erhalten hat." 351

Eine Zusammenstellung der kantonalen Zustellungs Vorschriften findet sich bei O. Vogel § 41 Rz. 10. 352 Für die Hinweise zum kantonalen Recht danke ich recht herzlich Herrn Prof. Dr. Gerhard Walter, Universität Bern. 353

AG VE 71, 331.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

361

wirksam angesehen worden, da feststand, daß und wann die Zustellung durchgeführt worden ist. 354 Ebenso wie der Großteil des kantonalen Rechts schweigt auch das schweizerische Bundesrecht zur Frage der Heilung von Zustellungsmängeln durch Zweckerreichung. Weder im Bundesgesetz über den Zivilprozeß noch im Konkordat über die Gewährung gegenseitiger Rechtshilfe in Zivilsachen 355 finden sich diesbezüglich ausdrückliche Bestimmungen. Doch hat sich zumindest in Teilbereichen des schweizerischen Bundesrechts in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Heilung von Zustellungsmängeln durch Zweckerreichung etabliert. 356 Die insoweit ergangenen Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts beschäftigen sich — soweit ersichtlich — alle mit einem Verstoß gegen die besonderen Zustellungsvorschriften der Art. 64 f. des Schuldbeitreibungs- und Konkursgesetzes, die die Zustellung von Beitreibungsurkunden und Zahlungsbefehlen regeln. Ist danach eine Zustellung (insbesondere infolge einer Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an einen falschen Empfänger) mangelhaft, so ist die Zustellung „zunächst wirkungslos ..., wenn nicht dargetan wird, daß der Schuldner die Urkunde tatsächlich erhalten und somit von der Zustèllung Kenntnis bekommen hat. Trifft dies aber zu und hat die Übergabe an ihn so rechtzeitig stattgefunden, daß er ... in der Wahrung seiner Rechte nicht behindert war, so kann ihm kein rechtlich beachtliches Interesse an der Anfechtung der Zustellung zugestanden werden." 357 Und: „Eine erneute und ordentliche Zustellung ... würde diesem [sc. dem Rekurrenten] somit keine zusätzlichen Erkenntnisse über die angestrengte Beitreibung vermitteln und liefe daher auf einen überspitzten Formalismus hinaus." 358 Dem hat sich die schweizerische Literatur zum Teil angeschlossen.359 Damit läßt sich zumindest in Teilbereichen des schweizerischen Bundesrechts der Grundsatz der Heilung von Zustellungsmängeln durch tatsächlichen Zugang feststellen.

354

Dazu und zu den bei der Zustellung im einzelnen einzuhaltenen Voraussetzungen Eichenberger § 92 Rz. 2. 355

Geltung nur für die interkantonale Rechtshilfe.

356

BGE 112 (1986) III 81, 84 f.; 88 (1962) III 12, 15; 61 (1935) III 157, 158 f.

357

So die Leitentscheindung BGE 61 (1935) III 157, 158 f. Fast wortgleich die späteren Entscheidungen BGE 88 (1962) III 12, 15; 112 (1986) III 81, 85. 358

BGE 112 (1986) III 81. 84 f.

359

Etwa Guldener S. 281; Kamber S. 106 f.

362

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

d) Wertung der Ergebnisse und Konstruktion eines europarechtlichen Heilungsgedankens im Wege der rechtsfortbildenden Rechtsvergleichung Die vorstehende Analyse hat ergeben, daß der weit überwiegende Teil der EuGVÜ-Vertragsstaaten den auch im deutschen Recht enthaltenen Grundsatz der Heilung von Zustellungsfehlern durch tatsächliche Zweckerreichung kennt. Dies gilt neben einer Reihe von später beigetretenen Staaten vor allem auch im Hinblick auf die Altvertragsstaaten des EuGVÜ, deren Rechtsordnungen allesamt ihre Wurzeln im römischen Recht haben. Selbst der EuGVÜ-Beitritt des Vereinigten Königsreichs als Staat des Common Law und der Beitritt Dänemarks, das dem nordischen Rechtskreis angehört, führt vorliegend — anders als sonst — nicht zu Problemen bei der Bildung allgemeiner europarechtlicher Rechtsgrundsätze. Sogar im Hinblick auf diese von den übrigen Rechten zum Teil sehr verschiedenen Rechtsordnungen kann von der Geltung des Zweckerreichungsprinzips im Heilungsrecht ausgegangen werden. Schließlich wird auch der Beitritt verschiedener EFTA-Staaten zur EU und damit zum EuGVÜ nichts am gegenwärtigen Zustand ändern, da die Rechte aller in näherer Zeit voraussichtlich beitretenden Staaten den Gedanken einer Heilung durch tatsächliche Zweckerreichung kennen. Damit ist der Gedanke der Heilung von Zustellungsmängeln durch tatsächliche Zweckerreichung nicht nur beinahe allen Rechts Ordnungen der EuGVÜ-Staaten bekannt, sondern auch allen im Rahmen des EuGVÜ zusammengefaßten Rechtssystemen: Sowohl die romanischen Rechte als auch die germanischen und nordischen Rechtsordnungen kennen ebenso wie das Common Law das Prinzip der tatsächlichen Zweckerreichung in ihren Zivilprozeßrechten. Soweit einzelne EuGVÜ-Rechte — im wesentlichen nur Spanien und Schottland — die tatsächliche Zweckerreichung nicht anerkennen, ist ihnen doch wenigstens der Gedanke der fiktiven oder subjektiven Zweckerreichung durch Einlassung bekannt. 360 Legen die meisten EuGVÜ-Vertragsstaaten aber in ihrem internen Rechtsverkehr im wesentlichen den gleichen Maßstab an 361 , so ist nicht einsichtig, weshalb im zwischenstaatlichen Bereich insoweit etwas anderes gelten sollte. Eine

360

Zur Qualifikation der rügelosen Einlassung als Form der fiktiven Zweckerreichung im deutschen Recht Göcker S. 30. 361 Dies konstatieren bereits Stürner JZ 1993, 358 und P. Schlosser FS Matscher S. 387, 396, die jedoch beide letztlich hieraus keine Konsequenzen zu ziehen scheinen.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

363

Europäisierung des internen Zweckerreichungsgedankens förderte einen einheitlichen europäischen Rechtsraum, in dem innerstaatlich die gleichen Grundsätze gelten würden wie im zwischenstaatlichen Bereich. 362 Allein dies spräche m.E. bereits für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Heilungsgedankens kraft Zweckerreichung im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Darüber hinaus fügt sich ein solcher Gedanke nahtlos in die Systematik des EuGVÜ ein. Auch Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ kennt zum einen mit seiner Beschränkung auf Versäumnisurteile die Variante einer Heilung durch Einlassung363 und damit eine fiktive oder subjektive Zweckerreichung. Das Zweckerreichungsprinzip als solches ist mithin dem EuGVÜ nicht schon eo ipso fremd. 364 Zum anderen erlaubt erst ein europarechtlicher Heilungsgedanke kraft tatsächlicher Zweckerreichung, die eigentliche Intention des EuGVÜ, nämlich die Verkehrsfähigkeit von Urteilen innerhalb der EU, zu erreichen, ohne daß dies — entsprechend der Rechtsprechung des EuGH 365 — auf Kosten der Beklagtenrechte geschehen würde. Wie die Untersuchung zu § 187 ZPO beispielhaft gezeigt hat, erlaubt es gerade der Zweckerreichungsgedanke, auf der einen Seite das Recht des Klägers auf effektiven Rechtsschutz und die insoweit vom rechtsstaatlichen Übermaßverbot an die Formerfordernisse gesteckten Grenzen zu verwirklichen, ohne dabei auf der anderen Seite den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in irgendeiner Weise tatsächlich zu gefährden. Dies alles spricht dafür, im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ einen auf dem Zweckerreichungsgrundsatz beruhenden europarechtlichen Heilungsgedanken zur Anwendung zu bringen.

5. Einbindung des europarechtlichen Heilungsgrundsatzes in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ Ähnlich wie in § 328 I Nr. 2 ZPO stellt sich im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ das Problem, daß die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nach dem

362

Die Bedeutung allgemeiner Rechtsgrundsätze für die Entstehung eines gemein-europäischen Rechts hebt auch Zweigert FS Dölle II S. 401, 418 hervor. 363

Martiny HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 120.

364

Zur besonderen Bedeutung der bereits vorhandenen Regelungen eines durch allgemeine Rechtsgrundsätze fortzubildenen Staatsvertrages im Hinblick auf die Bildung solcher Grundsätze Kropholler, Einheitsrecht, S. 161. 365

EuGH Slg. 1985 1-1779 (Debaeker . / . Bouwman); 1990 1-2725, 2748 (Lancray . / . Peters).

364

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

vom Richter des Erststaates anzuwendenden Recht zu beurteilen ist. 366 Denn die Zustellung war Teil eines fremdstaatlichen Verfahrens und somit dem Recht dieses Staates unterstellt. Zu diesem Recht gehört nicht das Recht des Anerkennungsstaates, sofern dieses nicht schon als Recht des Zustellungsstaates vom erststaatlichen Richter zu berücksichtigen war. Bei § 328 I Nr. 2 ZPO löste sich das Problem, das hiervon verschiedene Recht des Anerkennungsstaates zu berücksichtigen, relativ einfach über den Einredecharakter der Norm. Die Geltendmachung der Einrede war nach der hier vertretenen Ansicht dann rechtsmißbräuchlich, wenn nach den Wertungen des deutschen Heilungsrechts der Zweck der Zustellung trotz des Mangels erreicht war. Ebenso wie bei § 328 I Nr. 2 ZPO das deutsche Heilungsrecht gehört im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ der hier vertretene europarechtliche Heilungsgrundsatz kraft Zweckerreichung zum Recht der Anerkennungsebene. Bei seiner Einbeziehung in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ergeben sich die gleichen konstruktiven Schwierigkeiten wie ursprünglich bei § 328 I Nr. 2 ZPO im Hinblick auf den autonomen Zweckerreichungsgedanken des deutschen Rechts. Anders als § 328 I Nr. 2 ZPO ist Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ aber nicht als Einrede ausgestaltet, so daß die dogmatische Einbindung des deutschen Heilungsrechts in § 328 I Nr. 2 ZPO nicht ohne weiteres auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und den europarechtlichen Heilungsgedanken übertragbar ist. Wie Fahl 367 herausgestellt hat, beruht die Ausgestaltung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ als von Amts wegen zu prüfende Vorschrift im wesentlichen auf dem auf Art. 34 I EuGVÜ beruhenden Ausschluß des Beklagten im Verfahren der Vollstreckbarerklärung. Fraglich muß erscheinen, ob allein dieser auf der besonderen Struktur des EuGVÜ beruhende Umstand eine unterschiedliche Würdigung des Zweckerreichungsgedanken rechtfertigt. Sofern Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ebenso wie § 328 I Nr. 2 ZPO als Einrede ausgestaltet wäre, bestünden keine Bedenken, den hier entwickelten europarechtlichen Heilungsgrundsatz — ebenso wie dort das autonome deutsche Zweckerreichungsprinzip — im Wege des Rechtsmißbrauchsgedankens zur Geltung zu bringen. Das auf bloße strukturelle Gegebenheiten zurückgehende Fehlen dieses Einredecharakters kann aber m.E. im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ den Rechtsmißbrauchsgedanken nicht verdrängen. Die Ausgestaltung einer Norm als von Amts wegen zu berücksichtigende Vorschrift darf insbesondere kein Verhalten sanktionieren, das im

366

Etwa Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.210.

367

Fahl S. 54. Hierauf weisen auch Linke RIW 1986, 409, 410 Fn. 10 und Braun S. 182 hin.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

365

Rahmen einer prozessualen Einrede als rechtsmißbräuchlich abgewiesen würde. 368 Dies gilt um so mehr dann, wenn — wie hier Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und § 328 I Nr. 2 ZPO — die beiden in Frage stehenden Vorschriften einen identischen Gesetzeszweck verfolgen, vorliegend die Sicherung des rechtlichen Gehörs des Beklagten. 369 Vor dem Hintergrund dieses Zwecks hat vor allem Geimer deshalb m.E. zu Recht die Berechtigung des Amtsprüfungsgrundsatzes in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ kritisiert. 370 De lege lata ist dieser Zustand jedoch mit der h.M. 3 7 1 angesichts des klaren Wortlautes hinzunehmen. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn der Beklagte zum Ausdruck gebracht hat, daß er mit der Anerkennung des ausländischen Urteils einverstanden ist. Dies hat nicht nur im Hinblick auf die ebenfalls von Amts wegen zu prüfende Vorschrift des § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. zu gelten 372 , sondern auch bezüglich Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Da jedoch ein ausdrücklicher Verzicht des Beklagten auf den Schutz des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ angesichts von Art. 34 I EuGVÜ nicht möglich ist, hat der Anerkennungsrichter von Amts wegen auch solche außerprozessualen tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, aus denen sich ein Verzichtswille ergibt. 373 Verzichtet aber der Beklagte auf den Schutz des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und damit mittelbar auch auf denjenigen der Zustellungsformen, so wird vermutet, daß der Zustellungszweck auch ohne Einhaltung der entsprechenden Förmlichkeiten erreicht worden ist. Insoweit wird man über den von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ bereits selbst vorgesehenen Fall der Heilung durch Einlassung hinaus auch eine Heilung durch Verzicht 374 annehmen müs-

368

Ähnlich Dölle FS Riese S. 279, 287 f. Dazu auch Vollkommer

369

So zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ Kropholler

S. 34.

EuZPR Art. 27 Rz. 18.

370

Geimer / Schütze-Geimer I / 1 § 140 VI; ders. IPRax 1988, 271, 275; ders. IPRax 1985, 6, 8; ders. NJW 1973, 2138, 2143. Ebenso Mezger IPrax 1985, 300, 302 sowie zum Teil die Rechtsprechung anderer EuGVÜ-Staaten, etwa belg. Cour de Cassation J.T. 1989, 277; franz. Cour de Cassation Bull.civ. 1983 I Nr. 264 S. 236 f.; Corte d'appello di Ancona, Nachschlagewerk I-27.2-B 9. M.E. fehlgehend insoweit die Kritik von Braun S. 183 f., wonach der ordre public-Charakter eine Prüfung von Amts wegen fordert. Dieses Argument läßt sich vor dem Hintergrund des § 328 I Nr. 2 ZPO, der unstreitig auch eine Spezialausprägung des ordre public darstellt, nicht halten. 371 Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.211 f.; ders. RIW 1986, 409, 410; Martiny HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 218; BLÄH / Albers AnerkVollstrAbk Art. 27 EuGVÜ Rz. 2; Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 36; Stürner FS Nagel S. 446, 452; Braun S. 177 mwN. Auch OLG Köln NJW-RR 1990, 127, 128. 372

So BGH IPRax 1991, 188, 189.

373

So ausdrücklich BGH IPRax 1991, 188, 189 im Hinblick auf die insoweit mit Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vergleichbare Vorschrift des § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. 374

Auch der BGH IPRax 1991, 188, 189 spricht insoweit ausdrücklich von einer Heilung.

366

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zi vil rechts verkehr

sen.375 In beiden Fällen handelt es sich um eine Form der fiktiven oder subjektiven Zweckerreichung. Eine Heilung durch Verzicht ist jedoch nicht schon dann anzunehmen, wenn der Beklagte im Erststaat ihm gegen die fehlerhafte Zustellung und ein daraufhin ergangenes Versäumnisurteil offenstehende Rechtsmittel nicht genutzt hat. 376 Beriefe sich der Beklagte nach einem wirksamen, durch vorprozessuales Verhalten bewirkten Verzicht (im Rechtsmittelverfahren) darauf, daß er entgegen seiner zuvor klar zum Ausdruck gebrachten Haltung nicht auf den Schutz des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ verzichte, so wird man diesen Einwand mit dem auch im Prozeßrecht geltenden und von Amts wegen zu prüfenden Grundsatz des venire contra factum proprium 377 abweisen müssen.378 Der Rechtsmißbrauchsgedanke findet zumindest insoweit auch im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ Anwendung. Von dem Fall der Heilung durch Verzicht des Beklagten aber nur graduell getrennt ist die Heilung aufgrund objektiver Zweckerreichung. Insbesondere ist es für die Frage der Anerkennung unerheblich, ob der Beklagte durch eigenes (vorprozessuales) Verhalten die Erreichung des Zustellungszwecks angezeigt hat oder ob sich diese bereits aus objektiven, vom Verhalten des Beklagten unabhängigen Umständen ergibt. Letztlich ist nämlich auch das vorprozessuale Verhalten des Beklagten ein vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigender objektiver Umstand. Eine unterschiedliche Behandlung der beiden Varianten erscheint im Hinblick auf die tatsächliche Zweckerreichung nicht gerechtfertigt. Methodischer Weg zur Berücksichtigung der tatsächlichen Zweckerreichung ist auch insoweit der Rechtsmißbrauchsgedanke. Trägt eine Partei im Wissen um die tatsächliche Erreichung des Zustellungszwecks einen Zustellungsmangel oder diesen begründende Umstände vor, so muß dieser Vortrag vom Richter als

375 Für eine solche Möglichkeit Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.212. Auch wohl Rauscher IPRax 1993, 376, 378. 376

EuGH RIW 1993, 65 (Minalmet GmbH . / . Brandeis Ltd); daran anschließend BGH RIW 1993, 673; auch schon OLG Stuttgart RIW 1979, 130. In der Literatur etwa Stürner JZ 1993, 358; Rauscher IPRax 1993, 376, 378; Huet Clunet 1993, 468 f.; Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 38 mwN. A.A. Geimer /Schütze-Geimer I / 1 § 140 V 2; ders. EuZW 1990, 354, 355; ders. IPRax 1985, 6, 7 f. 377

Dazu StJ 20 / Schumann Einl. Rz. 251 ff., insb. Rz. 253.

378 Ähnlich BLÄH / Hartmann Einl. III Rz. 60 für den deutschen Zivilprozeß, wobei nicht einsichtig ist, weshalb insoweit im internationalen Bereich etwas anderes gelten sollte. Siehe auch OLG Bamberg VersR 1973, 548: Bestreiten im Prozeß wegen entgegenstehenden vorprozessualen Verhaltens unbeachtlich.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

367

rechtsmißbräuchlich eingestuft und damit auch in der Prüfung von Amts wegen unbeachtet bleiben. 379 Doch selbst wenn sich der Zustellungsmangel schon aus anderen Umständen, etwa dem Zustellungszeugnis ergibt, so hat der Richter diesen außer acht zu lassen, wenn die Geltendmachung desselben im Rahmen einer Einredevorschrift rechtsmißbräuchlich gewesen wäre und bei redlichem prozessualem Verhalten des Beklagten ein Verzicht auf den Schutz der Anerkennungsvorschrift des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zu erwarten war. 380 Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Zustellungszweck nach der Wertung des hier vertretenen europarechtlichen Heilungsgedanken als erreicht anzusehen ist. Gestützt wird die hier vertretene Ansicht im Ergebnis durch entsprechende Stellungnahmen der Rechtsprechung und Literatur zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Ausdrücklich in dieser Hinsicht äußert sich Droz 381 , der die Verteidigungsrechte im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ ähnlich wie hier dem Verbot des Rechtsmißbrauchs unterstellen will: „Même les droits de la défense peuvent à notre avis tomber sous la sanction de Tabus du droit." Auch der BGH prüfte jüngst 382 ein treuwidriges Verhalten des Beklagten im Hinblick auf die Geltendmachung von Zustellungsfehlern im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Daß der BGH im konkreten Fall die Voraussetzungen eines solchen Rechtsmißbrauchs als nicht gegeben ansah, steht der generell möglichen Annahme eines rechtsmißbräuchlichen Verhaltens des Beklagten im Hinblick auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht entgegen. Schließlich diskutiert auch Stürner 383 die theoretisch gegebene Möglichkeit der Verwirkung einer Berufung auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Die Verwirkung aber stellt nur einen besonderen Aspekt des allgemeinen Treu-und-Glauben-Prinzips dar 384 , auf das auch der hier vertretene Rechtsmißbrauchsgedanke zurückgeht.

379 Ebenso Dölle FS Riese S. 279, 293 im Hinblick auf die nachträgliche Geltendmachung einer unzureichenden Vertretung einer Partei im Prozeß. 380

Siehe zu einem entsprechenden Fall Dölle FS Riese S. 279, 288.

381

Droz RCDIP 1993, 85 Fn. 1 a.E.

382

BGH RIW 1993, 673, 675.

383

Stürner JZ 1993, 358.

384

StJ 20 / Schumann Einl. Rz. 258.

368

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

6. Ergebnis Damit gilt im Rahmen von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ folgendes: Eine Zustellung ist als ordnungsgemäß anzusehen, wenn ein eventueller Fehler bereits nach dem vom Urteilsrichter anzuwendenden Recht als geheilt zu betrachten ist. Ist dies nicht der Fall, so stellt sich die Frage, ob der Zustellungsfehler auf der Ebene des Anerkennungsrechts überwunden werden kann. Nach der hier vertretenen Ansicht ist insoweit auf einen europarechtlichen Heilungsgrundsatz zurückzugreifen. Dieser führt — ebenso wie das Zweckerreichungsprinzip des autonomen deutschen Rechts bei § 328 I Nr. 2 ZPO — zwar nicht zur formellen Heilung des Zustellungsmangels (dies ist nur nach dem vom Urteilsrichter anzuwendenden Recht möglich). Vielmehr sperrt die in dem Heilungsgrundsatz zum Ausdruck kommende Wertung (nur) eine Anwendung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Dogmatische Grundlage für diese Operation ist der Rechtsmißbrauchsgedanke, der nach der hier vertretenen Ansicht auch im Rahmen einer Prüfung von Amts wegen zu beachten ist. Eines europarechtlichen Treu- und Glaubenprinzips im engeren Sinne bedarf es zumindest im vorliegenden Zusammenhang nicht. 385 Der Maßstab für den Rechtsmißbrauchseinwand hat vielmehr selbst schon europarechtliche Wurzeln, da er auf einen durch rechtsfortbildende Rechtsvergleichung gewonnenen europarechtlichen Heilungsgedanken zurückgeht. Somit führt der europarechtliche Heilungsgedanke nicht zu einer formellen Heilung, wohl aber zu einer faktischen Heilung des Zustellungsmangels. Die Tatsache, daß eine Heilung nach dem vom Urteilsrichter anzuwendenden staatsvertraglichen Recht im Einzelfall ausgeschlossen sein soll, steht dem selbst dann nicht entgegen, wenn auch der Anerkennungsstaat selbst Vertragspartei besagter staatsvertraglicher Regelung ist. Denn die Rechtshilfeverträge präjudizieren in keiner Richtung die spätere Anerkennung. Ein solches Vorgehen provoziert auch keine bewußte Umgehung der Zustellungsvorschriften, da der Rechtsmißbrauchsgedanke dann nicht mehr trägt, wenn der Zustellungsmangel auf eine bewußte Verletzung der Zustellungsförmlichkeiten zurückgeht. In einem solchen Fall entfällt der Einwand des Rechtsmißbrauches. Auch hindert die hier vertretene Lösung nicht, diejenigen Fälle gesondert zu berücksichtigen, durch die nach deutscher Auffassung Notfristen in Gang gesetzt werden, vgl. § 187 S. 2 ZPO. Zwar greift auch in diesem Fall Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht, da dem europarechtlichen Heilungsgedanken eine dem § 187 S. 2 ZPO ver-

385

Ein solches wird in Erwägung gezogen von Thode WuB V I I Β 1. Art. 27 EuGVÜ 1.93.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

369

gleichbare Einschränkung fremd ist. Doch wird man in einem solchen Fall die Anerkennung über Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ zu versagen haben. Das Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 27 Nr. 2 und Nr. 1 EuGVÜ 3 8 6 steht dem nicht entgegen. Denn die Frage der Fristen ist stets von derjenigen der Zustellung getrennt und gesondert zu behandeln. Selbst wenn jedoch im Einzelfall eine Heilung nach dem europarechtlichen Heilungsgedanken mangels objektiver Zweckerreichung ausscheiden sollte, so ist ein Zustellungsmangel im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ immer dann unerheblich und nicht zu berücksichtigen, wenn es um die Anerkennung einer dem Beklagten günstigen Entscheidung geht 387 oder der Beklagte in irgendeiner Weise sein Einverständnis mit dem gegen ihn angestrengten Verfahren deutlich gemacht hat. 388

§ 23 Die Heilung von Zustellungsfehlern im Rahmen der bilateralen und weiterer multilateraler Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen

Die praktische Bedeutung insbesondere der von deutscher Seite geschlossenen bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen hat seit Inkrafttreten des EuGVÜ erheblich abgenommen. Wie Art. 55 EuGVÜ bestimmt, werden die zwischen den EuGVÜ-Vertragsstaaten bestehenden bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen durch das EuGVÜ verdrängt („ersetzt"), soweit das EuGVÜ gemäß dessen Art. 1 anwendbar ist. Das gleiche gilt im Hinblick auf das Lugano Übereinkommen, dessen Art. 55 aus deutscher Sicht die mit einigen der derzeitigen EFTA-Länder bestehenden bilateralen Anerkennungs- und VollstreckungsVerträge im Anwendungsbereich des Lugano Übereinkommens für unanwendbar erklärt. 389 Mit Ausnahme des deutschisraelischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages 390 sind damit sämtliche von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen bilateralen Anerken-

386

Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.205 f.

387

Bülow / Böckstiegel / Schlafen S. 606.277.

388

Hof Amsterdam, bei Sumampouw III S. 141; siehe auch BGH IPRax 1991, 188, 189 zu dem ebenfalls wie Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ von Amts wegen zu prüfenden § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. 389

Das Lugano Übereinkommen gilt für Deutschland seit dem 1.3.1995, BGBl. 1995 II 221.

390

BGBl. 1980 II 926.

24 Kondiïnt!

370

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

nungs- und Vollstreckungsabkommen nur noch im engen, aus dem EuGVÜ und dem Lugano Übereinkommen ausgeklammerten Bereich 391 anwendbar. 392 Demgegenüber kennen die multilateralen 393 Anerkennungs- und Vollstrekkungsverträge, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, keine den bilateralen Abkommen vergleichbaren Beschränkungen aus dem EuGVÜ oder dem Lugano Übereinkommen. 394 Sie sind auch dann anwendbar, wenn sie in den sachlichen Geltungsbereich des EuGVÜ oder des Lugano Übereinkommens fallen. 395 Gleichwohl dürften die multilateralen Anerkennungs- und Vollstrekkungsverträge in der Praxis der Gerichte eine weit weniger gewichtige Rolle als etwa das EuGVÜ spielen, da diese Abkommen sich anders als das EuGVÜ oder das Lugano Übereinkommen in der Regel lediglich auf Spezialmaterien beschränken.

/. Die praktische Lösung des Heilungsproblems über das Günstigkeitsprinzip Die meisten bi- und multilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge verlangen ebenso wie etwa § 328 I Nr. 2 ZPO und Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ neben einer rechtzeitigen auch eine ordnungsgemäße Zustellung 396 , so daß sich insoweit auch hier grundsätzlich die Frage der Heilbarkeit von möglichen Zustellungsfehlern im Anerkennungsverfahren stellt. Gleichwohl kommt diesem Problem dort wegen des aufgezeigten, verhältnismäßig eng umgrenzten sachlichen Anwendungsbereiches der bi- und multilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge ein weit geringeres praktisches Gewicht zu als bei § 328 I Nr. 2 ZPO oder bei Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Selbst aber im verbleibenden Anwendungsbereich der bi- und multilateralen Anerkennungsabkommen kann diese Frage in der Praxis regelmäßig aufgrund des Günstigkeitsprinzips unbeachtet bleiben. Dieses Prinzip gilt mit Ausnahme

391

Vgl. Art. 1 II EuGVÜ und Art. 1 II Lugano Übereinkommen.

392

Art. 56 I EuGVÜ und Art. 56 I Lugano Übereinkommen.

393

Soweit im folgenden von „multilateralen Anerkennungsverträgen" die Rede ist, ist hierunter nicht auch das EuGVÜ zu verstehen. Dazu vielmehr oben § 22. 394

Art. 57 EuGVÜ und Art. 57 Lugano Übereinkommen.

395

Eine Auflistung dieser Übereinkommen findet sich bei Bülow / Böckstiegel / Schlafen S. 606.354 ff. 396

Im einzelnen siehe schon oben § 20.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

371

des EuGVÜ 3 9 7 bei allen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen 398 und wird sogar von Art. 11 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens von 1958 399 , Art. 23 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens von 1973 400 , Art. 17 des Haager Ehescheidungsanerkennungsübereinkommens von 1970 401 sowie von Art. I I 3 des deutsch-britischen 402 , Art. 22 des deutsch-griechischen 403 und Art. 23 I I des deutsch-spanischen Anerkennungsund Vollstreckungsvertrages 404 ausdrücklich genannt. Danach sind die staatsvertraglich geregelten Anerkennungsvoraussetzungen nicht anwendbar, wenn insbesondere das autonome (aber auch das sonstige staatsvertragliche) Anerkennungsrecht eines Vertragsstaates im Einzelfall liberaler und damit anerkennungsfreundlicher ist als der fragliche Staatsvertrag. Wegen der im Hinblick auf die Unbeachtlichkeit von Zustellungsmängeln im Ergebnis sehr anerkennungsfreundlichen Haltung des § 328 I Nr. 2 ZPO kommt es danach regelmäßig in der Praxis kaum mehr auf die Stellung der bi- und multilateralen Anerkennungsübereinkommen zu diesem Problem an. Anders als bei Art. 27 EuGVÜ kann § 328 ZPO unproblematisch an die Stelle der bi- und multilateralen Abkommen treten. Die im Hinblick auf Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ gegen das Günstigkeitsprinzip vorgebrachten Gründe 405 tragen insoweit nicht. Mangels einer dem EuGVÜ vergleichbaren Vereinheitlichungsfunktion 406 schadet es bei den bilateralen und sonstigen multilateralen Staatsverträgen nicht, daß die Anerkennung eines Urteils wegen der Anwendung des jeweiligen autonomen Rechts der Anerkennungsstaaten nicht einheitlich ist. Darüber hinaus ergeben sich bei den hier in Frage stehenden Verträgen anders als bei dem EuGVÜ im Hinblick auf das Günstigkeitsprinzip keine systematischen Verwerfungen. Die hier untersuchten Abkommen gehen vielmehr im Gegensatz zum

397

Dazu oben § 22 II 1.

398

Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 223 ff. mwN, insb. Rz. 226; Schack IZVR Rz. 807; Majoros RabelsZ 46 (1982) 84, 95. Auch schon Jellinek S. 160. 399

BGBl. 1961 II 1006.

400

BGBl. 1986 II 826.

401

Von der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht gezeichnet. Text bei Jayme / Hausmann Nr. 90. 402

BGBl. 1961 II 302.

403

BGBl. 1963 II 110.

404

BGBl. 1987 II 35.

405

Dazu ausführlich oben § 22 II 1.

406 Dazu etwa Rauscher IPRax 1993, 376, 379; Martiny HB IZVR III / 2 Kap. II Rz. 198; BGH RIW 1993, 673, 676.

24'

372

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

EuGVÜ 4 0 7 von einem kontradiktorischen Exequaturverfahren aus 408 und decken sich insoweit mit der Struktur des § 328 ZPO. Die Ausgestaltung des § 328 I Nr. 2 ZPO als Einrede steht damit anders als bei dem EuGVÜ 4 0 9 hier nicht der Anwendung des Günstigkeitsprinzips entgegen. Auch wird hier durch das Günstigkeitsprinzip in den Fällen der vorliegenden Art nicht der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör und angemessene Verteidigung unterlaufen. 410 Denn § 328 I Nr. 2 ZPO sichert wie gesehen411 umfassend die Beklagtenrechte, indem der Maßstab des § 187 ZPO angelegt wird, der nur eingreift, wenn die Beklagtenrechte durch die fehlerhafte Zustellung nicht tangiert werden. Eine solche Handhabung des Günstigkeitsprinzips im Hinblick auf die bilateralen und sonstigen multilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen entspricht auch der Intention dieser Verträge, die darin liegt, die Anerkennung zu erleichtern. Die Berufung auf das autonome Anerkennungsrecht dient insoweit der Durchsetzung des favor recognitionis. 412 Gleichwohl rechtfertigt es dieser Gedanke nicht, die Anerkennungsvoraussetzungen und -hindernisse des staatsvertraglichen und autonomen Anerkennungsrechts zu kombinieren (sog. Kombinations- oder Vermischungsverbot) 413. Die Anerkennungsvorschriften sind aufeinander abgestimmte und in sich abgeschlossene Regelungssysteme, die nicht Versatzstücken gleich untereinander vermischt werden dürfen. Vielmehr ist auch im Geltungsbereich des Günstigkeitsprinzips die Anerkennung auf nur ein Recht — entweder das staatsvertragliche oder das liberalere autonome Recht des Anerkennungsstaates — zu stützen.414 Danach kann sich auch im Rahmen der bi- und sonstigen multilateralen Übereinkommen die Frage der Heilung ausnahmsweise dann stellen, wenn § 328 ZPO trotz der Unbeachtlichkeit eines Zustellungsfehlers einmal aus einem anderen Grunde anerkennungsfeindlicher als diese sein sollte.

407

Vgl. Art. 34 I EuGVÜ.

408

Dies zeigt sich in der Ausgestaltung vieler staatsvertraglicher Anerkennungsversagungsgründe als Einrede. 409

Dazu vor allem Fahl S. 53 ff.

410

Zu diesem Erfordernis Majoras RabelsZ 46 (1982) 84, 95.

411

Oben § 21.

412

Dazu Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 104 f.

413

Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 225.

414

Martiny

HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 225.

3. Kapitel: Zustellungsmängel vor dem zweitstaatlichen Richter

373

II. Heilungsgrundsätze im Rahmen der bi- und multilateralen Übereinkommen Das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Zustellung ist bei der wohl überwiegenden Zahl der bi- und multilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge ähnlich wie bei Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ und § 328 I Nr. 2 ZPO a.F. von Amts wegen zu prüfen. Ebenso wie bei Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ beurteilt sich die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung dabei in der Regel zunächst nach dem auf die Zustellung anwendbaren Recht des Urteilsstaates. Diese Parallelität legt es grundsätzlich nahe, vor allem die zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden, sofern ein Zustellungsmangel noch nicht nach dem Recht des Urteilsstaates als geheilt anzusehen ist: Nach der hier vertretenen Ansicht ist im Rahmen des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ das Verbot des Rechtsmißbrauchs zu beachten. Der Charakter der Norm als von Amts wegen zu prüfende Vorschrift steht dem nicht entgegen. Wann die Berücksichtigung eines Fehlers als rechtsmißbräuchlich anzusehen ist, beurteilt sich grundsätzlich nach der lex fori des Anerkennungsstaates. Im Sinne einer möglichst einheitlichen Anwendung des EuGVÜ wurde dort jedoch zu diesem Zweck ein einheitlicher europäischer Heilungsgedanke entwickelt. Stellt sich danach die Berücksichtigung eines Zustellungsfehlers als treuwidrig dar, so ist der Fehler zwar nicht formell geheilt. Doch darf er im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nicht berücksichtigt werden, so daß es im Ergebnis wenn auch zu keiner förmlichen, so doch aber zu einer faktischen Heilung kommt. Wegen des praktisch unbeschränkten räumlichen Anwendungsbereiches der multilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen erscheint dort aber eine Bildung allgemeiner Rechtsgrundsätze anders als bei dem EuGVÜ und seinem engen räumlichen Geltungsbereich kaum praktikabel. Eines solchen allgemeinen Rechtsgrundssatzes bedarf es praktisch auch nicht, da den multilateralen Anerkennungsverträgen regelmäßig weniger an einer Rechtsvereinheitlichung im eigentlichen Sinne als an der Vereinfachung der jeweiligen nationalen Anerkennungspraxis gelegen ist. Eine rechtsvereinheitlichende Tendenz kommt den Abkommen nur insofern zu, als sie einen gemeinsamen M/Aufertanerkennungsstandard schaffen wollen, wobei es den nationalen Rechten unbenommen ist, das vertraglich garantierte Maß der Urteilsanerkennung weiter zu liberalisieren. Anders als beim EuGVÜ bestehen damit insoweit keine Bedenken, die Wertungen der lex fori des Anerkennungsstaates in die Beurteilung einer treuwidrigen oder rechtsmißbräuchlichen Ausübung der von Amts wegen zu prüfenden staatsvertraglichen Anerkennungsversagungsgründe einfließen zu

374

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

lassen. Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung soll das rechtliche Gehör des Beklagten sichern und stellt damit eine Spezialausprägung des allgemeinen ordre public dar, der seinerseits auch nach der lex fori des Anerkennungsstaates zu bestimmen ist. Von deutscher Seite ist mithin auf die Wertungen des deutschen Rechts abzustellen, im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung also auf den in § 187 ZPO zum Ausdruck kommenden Zweckerreichungsgedanken. Danach ist im Rahmen aller sonstigen multilateralen Anerkennungsund Vollstreckungsabkommen eine Anerkennungsverweigerung aufgrund fehlerhafter Zustellung immer dann als treuwidrig und mißbräuchlich anzusehen, wenn nach den Wertungen des deutschen Rechts der Zustellungszweck als erreicht anzusehen ist. Dies wird jedoch regelmäßig dann nicht der Fall sein, soweit im ausländischen Urteilsverfahren durch die Zustellung einer Notfrist vergleichbare Fristen in Gang gesetzt worden sind. Zu einem ähnlichen Ergebnis wird man im Hinblick auf die bilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge kommen. 415 Dort bietet sich aber im Gegensatz zu den multilateralen Übereinkommen die Möglichkeit, bei der Suche nach einem Maßstab für die Beurteilung der Rechtsmißbräuchlichkeit auf den gemeinsamen Nenner der beiden beteiligten autonomen Rechte abzustellen 416 und so gegebenenfalls eine einheitliche Anerkennungspraxis herzustellen. Zweifelhaft dürfte die Anwendung der vorstehenden Grundsätze jedoch dort sein, wo bestimmte Formen der Zustellung von der Anerkennungsvorschrift entweder expressis verbis ausgeschlossen oder vorgeschrieben werden. So bestimmt Art. 4 ΙΠ des deutsch-schweizerischen Anerkennungs- und Vollstrekkungsvertrages, daß die Anerkennung zu versagen ist, wenn im Fall der Nichteinlassung das verfahrenseinleitende Schriftstück öffentlich oder — im Falle der Auslandszustellung — auf einem anderen Wege als dem der Rechtshilfe zugestellt worden ist. 417 Eine identische Bestimmung findet sich in Art. 4 I I I des deutsch-italienischen Anerkennungs- und VollstreckungsVertrages. In diesen Fällen ist eine faktische Heilung nach dem Rechtsmißbrauchsgedanken kraft der

415

A.A. zum deutsch-spanischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag Bülow / Böckstiegel / Karl S. 663.109 f.; dies., Anerkennung, S. 167; dagegen im Ergebnis wie hier (freilich über den in dieser Arbeit abgelehnten Weg der teleologischen Reduktion) Bülow / Böckstiegel / Schütze S. 663.4. 416 Für einen solchen Weg auch im Rahmen des EuGVÜ P. Schlosser FS Matscher 387, 399 (dort m.E. jedoch abzulehnen, siehe oben § 22 II 3 a.E.) 417

Beachte auch § 328 I Nr. 2 ZPO a.F.: Zustellung an Deutsche zwingend durch Rechtshilfe.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

375

ausdrücklich entgegenstehenden staatsvertraglichen Bestimmung ausgeschlossen, sofern ein anderer Zustellungsweg beschritten wird. 418 Hier scheidet eine Anerkennung aus, wenn nicht ohnehin schon § 328 ZPO im Wege des Günstigkeitsprinzips eingreift und eine Anerkennung aufgrund faktischer Heilung ermöglicht. Ist jedoch im Wege der Rechtshilfe zugestellt worden, kommt es auf die Einbehaltung der bei der Zustellungsdurchführung zu beachtenden Förmlichkeiten nicht an. Die beiden genannten Abkommen begnügen sich insoweit vielmehr mit der Rechtzeitigkeit der Zustellung.

Viertes Kapitel

Sonstige Heilungsfragen § 24 Die Heilung bei Erteilung des Zustellungszeugnisses

Eine kaum behandelte, jedoch bis heute umstrittene Frage ist die nach der Heilbarkeit von Zustellungsfehlern im Verfahren der Erteilung des Zustellungszeugnisses. Ein Beispiel hierfür bietet ein Fall des OLG Karlsruhe aus dem Jahre 19841. Eine kanadische Gesellschaft verklagte eine deutsche Aktiengesellschaft mit Sitz in Heidelberg vor einem kanadischen Gericht. Entsprechend Art. 7 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens, das auch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada in Kraft ist 2 und das im Zeitpunkt der Zustellung die einzige vertragliche Rechtshilfegrundlage zwischen beiden Staaten darstellte, wandte sich die kanadische Klägerin an den zuständigen Gerichtsvollzieher beim AG Heidelberg. Statt die Zustellung selbst auszuführen, richtete sich der Gerichtsvollzieher an das AG Heidelberg mit der Bitte um Weisung.3 Das Amtsgericht veranlaßte daraufhin die Zustellung durch den Rechtspfleger selbst. Dieses Verhalten war fehlerhaft, da das Amtsgericht für Zustellungen im Parteibetrieb — um eine solche handelt es sich bei Art. 7 des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens — nicht zuständig ist. Vielmehr hätte das Amtsgericht den Gerichtsvollzieher anweisen müssen, die Zustellung

418

Vgl. insoweit auch die frühere hM zu § 328 I Nr. 2 ZPO a.F., die hierin eine den § 187 ZPO im Wege des lex specialis-Grundsatzes verdrängende Sonderbestimmung sah, etwa KG OLGZ 1988, 172, 177; OLG Celle IPRspr. 1960 / 61 Nr. 195; Bernstein FS Ferid S. 75, 82; StJ 19 / Leipold / Schumann § 328 Anm. V; im übrigen siehe oben § 21 II 3a. 1

OLGZ 1985, 201.

2

BGBl. 1954 II 15.

3 Beachte aber die hiervon zu unterscheidende, aus § 81 I ZRHO erwachsende Pflicht zur Vorlage bei der Prüfstelle. Letztere soll die Vereinbarkeit der beantragten Zustellung mit der deutschen Souveränität überwachen.

376

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr (gegebenenfalls durch die Post, § 193 ZPO) selbst auszuführen. 4 Das Amtsgericht Heidelberg fragte sich, ob es ein Zustellungszeugnis ausstellen darf, wenn der Zustellungsfehler nach dem deutschen Recht, insbesondere also § 187 ZPO, als geheilt anzusehen ist. Die gleiche Frage stellte sich im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 23 EGGVG vor dem OLG Karlsruhe, in dem die Beklagte dem AG Heidelberg die Ausstellung des Zustellungszeugnisses untersagen lassen wollte.

Das OLG Karlsruhe 5 führte dazu aus, daß die Heilung von Zustellungsmängeln gemäß § 187 ZPO im Verfahren des § 23 EGGVG nicht festgestellt werden könne.6 Dies verbiete sich bei Zustellung einer ausländischen Klage in Deutschland schon deshalb, weil das deutsche Gericht im Regelfalle nicht in der Lage sei zu überprüfen, ob und welche Art von Fristen im ausländischen Rechtsstreit durch die Zustellung in Gang gesetzt würden. Im Blick hatte das OLG dabei ganz offensichtlich die Einschränkung des § 187 S. 2 ZPO. Die Ausführungen des OLG Karlsruhe beziehen sich dabei sowohl auf die Anwendung des § 187 ZPO durch die das Zustellungszeugnis ausstellende deutsche Stelle als auch auf die Prüfung dieser Vorschrift durch das OLG im Verfahren des § 23 EGGVG. 7 Das OLG Frankfurt / M. hat in jüngerer Zeit Bedenken gegen diese Entscheidung vorgebracht 8, ohne diese allerdings näher zu begründen oder letztlich in der Sache abschließend Stellung nehmen zu müssen. Diese Zweifel sind m.E. wohl begründet. Zwar hat — wie Geimer 9 zutreffend ausgeführt hat — der in Deutschland ansässige Beklagte einen Anspruch auf Einhaltung der Förmlichkeiten des einschlägigen Rechtshilfevertrages durch die deutschen Behörden nach Maßgabe des jeweiligen deutschen Zustimmungs- oder Ausführungsgesetzes. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die Durchführung ausländischer Rechtshilfeersuchen einen Justizverwaltungsakt darstellt, der dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unterliegt. Doch kann der Anspruch des Zustellungsadressaten auf Einhaltung der in den Ausführungsgesetzen vorgesehenen Zustellungsförmlichkeiten nur so weit gehen, wie ihn das deutsche Recht nicht selbst einschränkt. Eine solche Einschränkung findet sich in § 187 ZPO, wonach ein Zustellungsmangel dann nicht schadet, wenn der Zustellungszweck

4 Auf die Darstellung der übrigen Zustellungsmängel, die im Originalsachverhalt hinzukamen, sei hier aus Vereinfachungsgründen verzichtet; siehe dazu oben § 15 13. 5

OLGZ 1985, 201, 203.

6

Ebenso Geimer IZPR Rz. 3645.

7

So auch wohl P. Schlosser FS Stiefel S. 683, 695.

8

IPRax 1992, 166, 168.

9

IZPR Rz. 3641.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

377

trotz des Mangels erreicht worden ist. Trotz eines Formverstoßes ist damit der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung durch § 187 ZPO gewahrt. Weshalb der Zweckerreichungsgedanke des § 187 ZPO nicht auch im Hinblick auf die Ausführungsvorschriften staatsvertraglicher Rechtshilfeabkommen gelten sollte, ist nicht ersichtlich 10, da der in § 187 ZPO zum Ausdruck kommende Grundsatz im gesamten deutschen Prozeßrecht gilt, zu dem auch die deutschen Ausführungsgesetze zu den staatsvertraglichen Zustellungsregeln gehören. Auch das vom OLG Karlsruhe vorgebrachte Argument, eine Heilung nach § 187 ZPO scheide deshalb aus, weil die deutschen Gerichte nicht wüßten, welche Art von Fristen durch die Zustellung im ausländischen Prozeß in Gang gesetzt würden, trägt nicht. Hierdurch mißt das OLG dem Zustellungszeugnis eine Bedeutung zu, die diesem nicht zukommt. Wie die deutsche Rechtsprechung11 mehrfach ausgeführt hat, kommt dem Zustellungszeugnis per se keine konstitutive Wirkung zu. 12 Dies gilt sogar im Rahmen staats vertraglicher Zustellungsvereinbarungen. So belegt das Fehlen eines Zustellungszeugnisses ebensowenig die Ordnungswidrigkeit der Zustellung13 wie das Vorhandensein eines solchen die Ordnungsmäßigkeit derselben. 14 Letzteres gilt nicht nur dahn, wenn der Zustellungsfehler aus dem Zeugnis selbst ersichtlich ist 15 , sondern auch dann, wenn das Zeugnis keinen Mangel erkennen läßt und dieser aufgrund anderer Anhaltspunkte bewiesen wird. Die Beweiskraft des Zustellungszeugnisses als ausländische öffentliche Urkunde 16 steht dem im deutschen Prozeß trotz § 418 I ZPO nicht entgegen und führt nicht zu einer „Heilung durch Zeugnisvorlage". 17 Dies ergibt sich m.E. aus § 418 I I ZPO. 18 Aus dem fehlenden konstitutiven Charakter des Zustellungszeugnisses ergibt sich, daß das Zeugnis keinerlei Einfluß darauf hat, welche Fristen im ausländischen Prozeß in Gang gesetzt werden. Darüber hinaus überlassen selbst die

10

A.A. ohne nähere Begründung Rauscher IPRax 1993, 376, 377.

11

BGHZ 65, 291, 295; BGH RIW 1993, 673, 674; OLG Frankfurt IPRax 1992, 166, 167; krit. Stadler IPRax 1992, 147, 148 f. 12

Ebenso StJ / H.Roth § 202 Rz. 6.

13

BGHZ 65, 291, 295.

14

BGH RIW 1993, 673, 674.

15

So in BGH RIW 1993, 673, 674.

16

Die Vorschriften der ZPO zum Beweis gelten gemäß § 438 I ZPO mit Ausnahme der Echtheitsvermutung des § 437 ZPO auch für ausländische Urkunden, BVerwG NJW 1987, 1159. 17

Zweifelnd Thode WuB V I I Β 1. Art. 27 EuGVÜ 1.93.

18

Ähnlich StJ /H.Roth § 202 Rz. 6.

378

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

staatsvertraglichen Zustellungsübereinkommen es der lex fori darüber zu bestimmen, welche Frist durch welche Zustellung wann in Gang gesetzt wird. Fehlgehend ist es deshalb, wie scheinbar auch das OLG Karlsruhe davon auszugehen, daß die Feststellung der heilungsbedingten Ordnungsmäßigkeit der Zustellung im Zustellungszeugnis den Lauf von Fristen in ausländischen Urteilsverfahren zwingend präjudiziell. Dem Zustellungszeugnis kommt damit auch in bezug auf die Fristen im ausländischen Verfahren lediglich faktische Wirkung zu. Das Zeugnis ist Nachweisurkunde ohne irgendeinen konstitutiven Charakter. Unterliegt die Zustellungsdurchführung deutschem Recht und kommt es dabei zu einem Zustellungsfehler, so sollte die für die Ausstellung des Zeugnisses zuständige deutsche Stelle die Voraussetzungen des § 187 ZPO prüfen und auf die Heilung hinweisen. Dies gilt auch im Hinblick auf § 187 S. 2 ZPO. 19 Nur wenn die deutsche Stelle eine Heilung prüfen kann, ist ihr die Ausstellung eines Zeugnisses über eine ordnungsgemäße Zustellung möglich; letztere ist aber Voraussetzung für die Ausstellung des Zustellungszeugnisses. Darüber hinaus führte die vom OLG Karlsruhe vertretene Ansicht faktisch zu einem weitgehenden Heilungsausschluß im internationalen Zustellungsverkehr, und zwar auch im Hinblick auf die Beurteilung der Heilung durch das ausländische Prozeßgericht. Denn das Zustellungszeugnis stellt für den ausländischen Prozeßrichter in der Praxis die wichtigste tatsächliche Grundlage bei der Beurteilung der Zustellungsdurchführung dar. Diese Grundlage wird ihm genommen, sofern die Behörden des Zustellungsstaates sich wegen eines an sich nach dem Recht dieses Staates geheilten Fehlers nicht in der Lage sehen, ein Zustellungszeugnis auszustellen. Hierdurch wird im Ergebnis jegliche Heilung — auch eine solche nach dem Recht des Urteilsstaates — ausgeschlossen, sofern sich der Prozeßrichter nicht auf regelmäßig schwer beizubringende andere Zustellungsbeweise einläßt.20 Wegen des fehlenden konstitutiven Charakters des Zustellungszeugnisses liegt es andererseits im Ermessen des ausländischen Prozeßgerichts, Folgen an die von deutscher Seite konstatierte Heilung zu knüpfen oder nicht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Beginn von Fristen. Entgegen der Ansicht des OLG Karlsruhe hat damit die für die Ausstellung des Zustellungszeugnisses zuständige deutsche Stelle die Befugnis, die Heilung

19 20

So auch P. Schlosser FS Stiefel S. 683, 695.

Dies übersieht m.E. Geimer IZPR Rz. 3645, der ausdrücklich darauf hinweist, daß über die Frage der Heilung allein das ausländische Prozeßgericht zu befinden habe.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

379

eines Zustellungsmangels nach § 187 ZPO zu bescheinigen.21 Die Kontrolle dieser Entscheidung — und damit auch die Feststellung der Heilung selbst — ist auch im Verfahren nach § 23 EGGVG möglich. 22 Damit hätte im Ausgangsfall das AG Heidelberg die ohne Zweifel gegebene Heilung nach § 187 ZPO und die daraus resultierende Ordnungsmäßigkeit der Zustellung bescheinigen können, was in vollem Umfang — also einschließlich der Feststellung der Heilung — im Rahmen von § 23 EGGVG nachprüfbar gewesen wäre.

§ 25 Die Heilung bei der Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke

Die bisherigen Ausführungen bezogen sich in erster Linie auf sogenannte verfahrenseinleitende Schriftstücke, d.h. insbesondere auf Klagezustellungen und die Zustellung von Mahnbescheiden.23 Noch nicht behandelt wurde dagegen die Gruppe der mc/zrverfahrenseinleitenden Schriftstücke. Hierbei handelt es sich um all diejenigen Schriftstücke, die im Laufe eines bereits in Gang befindlichen Prozesses zuzustellen sind. 24 Dies sind unter anderem die Zustellungspflichtigen Schriftsätze 25 und Erklärungen der Parteien einschließlich der Klageerweiterung. 26 Nicht hierunter fällt dagegen die erst während des Strafprozesses im Adhäsionsverfahren nach den §§ 403 ff. StPO erhobene Zivilklage. Sie stellt, auch wenn zuvor bereits die Strafklage wirksam zugestellt worden ist,

21

Ebenso P. Schlosser FS Stiefel S. 683, 695; StJ / H.Roth § 187 Rz. 27.

22

SU / Roth § 187 Rz. 27. Ebenso wie hier auch wohl Thomas / Putzo 17 § 187 Anm. 1 a a.E. unter fehlerhafter Berufung auf OLG Karlsruhe OLGZ 1985, 201 (weggefallen in der 18. Auflage); OLG Frankfurt/M. IPRax 1992, 166, 168. Hiervon gehen auch wohl Bülow / Böckstiegel / Schlafen S. 606.288 aus. 23

Dies gilt jedoch nur, sofern das Mahnverfahren als solches nach § 688 III ZPO zulässig ist. Zur Einordnung des Mahnbescheides als verfahrenseinleitendes Schriftstück etwa H. Roth IPRax 1990, 90, 91. 24

Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 24. Zu dem im folgenden nicht behandelten Problemen der Auslandszustellung einer Drittschuldneranzeige im Vollstreckungsverfahren siehe ausführlich Karen Ilka Mössle S. 108 ff; Schack Rpfleger 1980. 175 ff. 25 26

Dazu StJ /H.Roth Vor § 166 Rz. 12; Rosenberg / Schwab / Gottwald § 73 II 2 (S. 404).

BGH EuZW 1991, 571, 573 (obiter); NJW 1990, 2201, 2202; NJW-RR 1987, 377, 378; Geimer IZPR Rz. 2077; Schack IZVR Rz. 852; Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 24; a.A. Stürner JZ 1992, 325, 333; Grunsky IPRax 1987, 219, 219 f.

380

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

wohl ein verfahienseinleitendes Schriftstück dar. 27 Das gleiche gilt für (selbständige) Annexverfahren, etwa den Antrag auf Festsetzung des Regelunterhaltes im Sinne des § 642 a ZPO. 28 Im Ergebnis dürften sich Streitfragen der vorliegenden Art über den Begriff des Streitgegenstandes lösen lassen.29 Problematisch ist darüber hinaus die Frage der Einordnung einer Streitverkündung. Ihr kommt m.E. nicht die Qualität eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks zu. 30 Dieses Ergebnis wird durch die Wertung des deutschen Zivilprozeßrechts bestätigt, nach dessen § 270 I I ZPO eine Streitverkündung lediglich formlos mitzuteilen ist und nicht der förmlichen Zustellung bedarf. 31 Im internationalen Rechtsverkehr ist aus deutscher Sicht darüber hinaus eine Übersendung nach § 175 ZPO möglich. 32 Inwieweit auch bei einer Streitverkündung nach ausländischem Recht auf eine förmliche Zustellung insbesondere nach den völkerrechtlichen Verträgen verzichtet werden kann, hängt m.E. von der Frage ab, ob die Streitverkündung nach ausländischem Recht über die bloße Information des Adressaten hinaus unmittelbar Rechte, Pflichten oder prozessuale Wirkungen für den Streitverkündeten begründet und damit verfahrenseinleitenden Charakter hat 33 ; dies hat das OLG Köln 3 4 für das deutsche Recht bis zum Beitritt des Streitverkündeten zu Recht verneint. Bedeutung hat die hier behandelte Fallgruppe der nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücke auch in bezug auf Urteile 35 , da diese nach deutschem Prozeßrecht gemäß § 317 I 1 ZPO den Parteien (bei Versäumnisurteilen nur der un-

27 Zöller / Geimer § 199 Rz. 21; ders. IZPR Rz. 2077 und 2927; Stürner JZ 1992, 325, 333; a.A. Gerechtshof s-Hertogenbosch NJ 1983 Nr. 308 = Nachschlagewerk Serie D 1-27.2 — Β 17 (bei Anerkennung einer belgischen Adhäsionsklage) mit zust. Anm. Schultsz NJ 1983 Nr. 308; Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 23 a.E.; auch wohl BGH EuZW 1991, 571, 573 (Vorlage zu EuGH NJW 1993, 2091 [Sonntag . / . Waidmann]), sofern der Beklagte ohne nähere Bezeichnung des Streitgegenstandes zusammen mit der Strafklage lediglich darüber informiert worden ist, daß ein Adhäsionsverfahren geplant ist. Offengelassen von EuGH NJW 1993, 2091, 2093 Rz. 43 (Sonntag . / . Waidmann) sowie im Anschluß daran von BGH NJW 1993, 3269, 3270. 28

Dazu Geimer IZPR Rz. 2117; LG Aachen IPRspr. 1982 Nr. 165.

29

So zu Recht Stürner JZ 1992, 325, 333.

30

So auch wohl OLG Köln NJW 1981, 2263, 2264.

31

OLG Köln NJW 1981, 2263, 2264; BLÄH / Hartmann § 73 Rz. 1.

32 So ausdrücklich OLG Köln NJW 1981, 2263 für die Streitverkündung von Deutschland in die USA. 33

Zu diesen Maßstäben Zöller / Stöber Vor § 166 Rz. 2.

34

NJW 1981, 2263, 2264.

35

Zur Einordnung von (Versäumnis-)Urteilen als nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke Kropholler EuZPR Art. 27 Rz. 25; Geimer IZPR Rz. 2078.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

381

terlegenen Partei) von Amts wegen zuzuzustellen sind. 36 Mit Ausnahme der in § 310 I I I ZPO genannten Sonderfälle 37 kommt der Urteilszustellung zwar keine Perfektionswirkung im Hinblick auf die Wirksamkeit des Urteils zu (vgl. § 312 I I ZPO). 38 Doch ist die Zustellung insoweit Voraussetzung insbesondere für den Beginn des Laufs der Notfristen für Einspruch (§ 339 ZPO) und Rechtsmittel (§§ 516, 552, 577 I I 1 ZPO) sowie für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung (§ 750 I ZPO). 39 Die Probleme im Zusammenhang mit der Auslandszustellung von nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücken ähneln denen der Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke. Gleichwohl erscheint eine getrennte Untersuchung beider Gruppen geboten, da der Zustellungsempfänger im Hinblick auf die einzuhaltenden Zustellungsförmlichkeiten regelmäßig dann weniger schutzbedürftig ist, wenn er von dem gegen ihn rechtshängigen Verfahren durch die ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks rechtzeitig Kenntnis hat und mit weiteren Zustellungen rechnen muß. 40 So beziehen sich die meisten zugunsten des Zustellungsadressaten aufgestellten Schutzvorschriften — wie Art. 15 HZÜ oder Art. 20 Π, 27 Nr. 2 EuGVÜ und § 328 I Nr. 2 ZPO — ausschließlich auf wertahrenseinleitende Schriftstücke. Die Lösung des Heilungsproblems wird sich auch in bezug auf die nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücke an der bisherigen Systematik orientieren. Es ist danach auch hier zwischen einer Heilung im Urteilsstaat und einer solchen im Anerkennungsstaat zu unterscheiden.

/. Die Heilung im Urteils Staat Das deutsche Recht kennt im Hinblick auf nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke mit § 199 ZPO (gegebenfalls iVm internationalen Zustellungsregeln) auf der einen Seite und den §§174 II, 175 ZPO auf der anderen Seite zwei unterschiedliche Zustellungswege. Diese gilt es im folgenden — soweit noch nicht

36

StJ 20 / Leipold § 317 Rz. 1.

37

Dazu StJ 2Q / Leipold § 310 Rz. 21.

38

Rosenberg / Schwab / Gottwald

39

Dazu und zu den übrigen Zustellungswirkungen des Urteils SU 20 / Leipold § 312 Rz. 5 ff.

40

Ähnlich Denkschrift zum HZÜ BT-Drucks. 7 / 4892 S. 48.

§ 60 I 4 (S. 324).

382

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

geschehen — darzustellen und auf die Zulässigkeit einer Heilung von Zustellungsfehlern hin zu untersuchen.

1. Die Heilung bei der Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke nach § 199 ZPO und nach den völkerrechtlichen Verträgen Sind nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke in das Ausland zuzustellen, so können insoweit zunächst die allgemeinen Zustellungswege beschritten werden. Danach kann der Zustellungsstaat mangels völkerrechtlicher Vereinbarungen gemäß § 199 ZPO um Rechtshilfe ersucht werden. Bestehen staatsvertragliche Zustellungsregeln, so stehen die darin kodifizierten Zustellungswege offen. Dies gilt auch für das HZÜ. 4 1 Insoweit kann auf die zu den verfahrenseinleitenden Zustellungen gemachten Ausführungen entsprechend verwiesen werden. 42 Das gleiche gilt im Hinblick auf die bei der Auslandszustellung unterlaufenden Zustellungsmängel. Gegen die in London ansässige englische Gesellschaft British Steel Ltd. ist vor dem Landgericht Münster ein Versäumnisurteil ergangen. Geschäftsführer der Gesellschaft ist der gebürtige Deutsche D. Der Richter ordnet eine Zustellung des Urteils nach dem HZÜ an. Der Präsident des Landgerichts wendet sich als zuständige Prüfungsstelle (§ 9 ZRHO) an die englische Zentrale Behörde (The Senior Master of the Supreme Court of Judicature), die ihrerseits die Zustellungsdurchführung veranlaßt. 43 Als aus dem Urteil in das (auch) in Deutschland belegene Vermögen der British Steel Ltd. vollstreckt werden soll, macht diese im Wege einer Erinnerung gemäß § 766 ZPO geltend, daß die Voraussetzungen des § 750 ZPO nicht gegeben seien.44 Das Urteil sei — was den Tatsachen entspricht — ohne eine englische Übersetzung zugestellt worden, obwohl das Vereinigte Königreich eine Erklärung zu Art. 5 III HZÜ abgegeben habe, wonach dem zuzustellenden Schriftstück stets eine solche Übersetzung beizufügen ist.

Die Vollstreckung eines deutschen Urteils in Deutschland richtet sich auch dann nach dem autonomen deutschen Recht, wenn der Schuldner sich in einem EuGVÜ-Staat aufhält. Wie sich aus Art. 31 I EuGVÜ ergibt, finden die staatsvertraglichen Vollstreckungsregeln des Übereinkommens nur dann Anwendung,

41 Unzutreffend Wölki RIW 1985, 530, 533, der unter das HZÜ ausschließlich verfahrensem/e/tende Schriftstücke fassen will. 42

Oben § 9 und §§ 11-13.

43

Zur Zustellung an englische Gesellschaften (freilich in erster Linie bezogen auf verfahrenseinleitende Schriftstücke) O'Malley / Lay ton Rz. 4.09 ff. 44

Dazu etwa Thomas / Putzo § 750 Rz. 1.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

383

wenn im Inland ein in einem anderen EuGVÜ-Vertragsstaat erlassenes Urteil vollstreckt werden soll. Auch die bilateralen Regeln des deutsch-britischen Anerkennungs· und Vollstreckungsübereinkommens sind nicht anwendbar. Voraussetzung einer Vollstreckung nach deutschem autonomem Recht ist gemäß § 750 I ZPO eine wirksame Zustellung des Urteils. 45 Zwar sind eventuelle Zustellungsfehler auch im Rahmen von § 750 I ZPO grundsätzlich gemäß § 187 ZPO heilbar. 46 Hierfür ist auch unerheblich, daß gleichzeitig durch die Zustellung Notfristen in Gang gesetzt werden, in bezug auf die eine Heilung gemäß § 187 S. 2 ZPO ausgeschlossen ist (§§ 516, 552, 577 I I 1 ZPO, eventuell auch § 339 ZPO, sofern es sich um ein Versäumnisurteil handelt). Sofern sich wie bei einer Urteilszustellung an die Zustellung unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen, schließt nämlich § 187 S. 2 ZPO eine Heilung nur soweit aus, wie hiervon Notfristen betroffen sind. Im Hinblick auf die übrigen Rechtsfolgen der Zustellung bleibt eine Heilung möglich. 47 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 187 S. 2 ZPO („soweit"). Fraglich ist aber, ob eine solche Heilungsmöglichkeit auch im internationalen Zustellungs verkehr existiert. Sowohl für den vertragslosen Zustellungsverkehr als auch für Zustellungen nach den Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 besteht nach der hier vertretenen Ansicht 48 sogar bei verfahrenseinleitenden Schriftstücken eine umfassende Heilungsmöglichkeit nach dem Recht des Urteilsstaates. Aufgrund des Verhältnisses von verfahrenseinleitenden und mc/zfverfahrenseinleitenden Schriftstücken 49 muß dieses im Wege eines Erst-Recht-Schlusses auch für letztere gelten. Insbesondere gefährdet ein Zustellungsfehler bei nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücken das rechtliche Gehör des Beklagten regelmäßig in geringerem Maße als bei verfahrenseinleitenden Schriftstücken. Problematisch erscheint jedoch, ob sich dieses argumentum e fortiori auch auf das HZÜ übertragen läßt. Dort unterlag die Heilung von Fehlern zumindest bei der Zustellung verìdhrenseinleitender Schriftstücke einigen Beschränkungen.

45

Zum Wirksamkeitserfordernis ausdrücklich BLÄH / Hartmann § 750 Rz. 10.

46

Zöller / Stöber § 750 Rz. 16; LG Düsseldorf DGVZ 1987, 75.

47

StJ /H.Roth § 187 Rz. 25; ebenso speziell für § 750 ZPO Zöller / Stöber § 750 Rz. 16; LG Düsseldorf DGVZ 1987, 75. 48

Oben §§ 16 und 17. Dazu oben § 25 vor I.

384

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Diese resultierten aus Axt. 15 HZÜ. 5 0 Doch entfallen die genannten Schranken im Hinblick auf wc&iverfahrenseinleitende Schriftstücke, da sich Art. 15 HZÜ nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf Verfahrens einleitende Schriftstücke bezieht. Auch aus Art. 16 HZÜ ergeben sich — beschränkt auf Versäumisurteile — keine solchen Einschränkungen. Zwar gibt jene Bestimmung dem Beklagten ein Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn dieser weder rechtzeitig Kenntnis von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück noch von der daraufhin ergangenen Entscheidung erhalten hat. Doch kommt Art. 16 HZÜ anders als Art. 15 HZÜ keine Sanktionsfunktion zu. Die Norm will keine bestimmte Form schützen, sondern allein einen tatsächlichen Erfolg, nämlich die tatsächliche und rechtzeitige Kenntniserlangung. 51 Sie hat damit keinen Einfluß auf die Heilbarkeit von Zustellungsmängeln. Zudem werden die Heilungsvorschriften des Urteilsstaates regelmäßig an eben dieselben Kriterien wie Art. 16 HZÜ anknüpfen (tatsächliche und rechtzeitige Kenntniserlangung trotz Zustellungsmangels) und somit kaum in Konflikt mit Art. 16 HZÜ kommen. Danach ist kein Grund ersichtlich, der im Rahmen des HZÜ einer Heilung von Mängeln bei der Zustellung von nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücken nach der lex fori des Urteilsstaates entgegenstünde. Kumulativ dürfte eine Heilung nach dem Recht des Zustellungsstaates möglich sein, sofern der Zustellungsmangel aus einem Verstoß gegen das Recht dieses Staates resultiert. 52 Im Eingangsfall kann danach trotz eines Zustellungsmangels vollstreckt werden, wenn der Mangel in concreto als geheilt anzusehen ist. Die Zustellung verletzte dort Art. 5 ΙΠ HZÜ. Doch ist dieser Zustellungsmangel gemäß § 187 ZPO als geheilt anzusehen, da der Zustellungszweck dadurch erreicht wurde, daß der Geschäftsführer der British Steel Ltd. als gebürtiger Deutscher der deutschen Sprache mächtig war. Nach den vorstehenden Ausführungen steht einer solchen Heilung das HZÜ nicht entgegen. Freilich ist der Zustellungsmangel gemäß § 187 S. 2 ZPO nur soweit als geheilt anzusehen, als durch die Zustellung nicht Notfristen in Gang gesetzt werden sollten. Dies sind etwa die

50 Zu dieser Kausalität Schack IZVR Rz. 619, wenngleich Schack nach der hier vertretenen Ansicht aus Art. 15 H Z Ü im Ergebnis wohl zu weitreichende Beschränkungen folgert. 51

Ferreira, Rapport Commission Spéciale, in: Actes et Documents III S. 100. Dies verkennen offenbar Stürner JZ 1992, 325, 332; ders. in F. Baur / Stürner, Zwangsvollstreckung, S. 163; Rauscher IPRax 1992, 71, 73. 52

Vgl. entsprechend oben § 18 III.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

385

Einspruchsfrist des § 339 ZPO und die Rechtsmittelfristen der §§ 516, 552 und 577 I I 1 ZPO.

2. Die Heilung bei der Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke nach den §§174 II, 175 ZPO Im Hinblick auf die Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke kennt das autonome deutsche Recht neben § 199 ZPO mit den §§174 II, 175 ZPO einen weiteren Zustellungsweg.53 Gemäß § 174 I I ZPO ist eine ausländische Partei nach ordnungsgemäßer Einleitung des inländischen Verfahrens ohne besondere Anordnung des Gerichtes verpflichtet, für die folgenden Zustellungen einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach, so können gemäß § 175 I 2 ZPO alle folgenden Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt werden. Wie sich aus § 175 I 3 ZPO ergibt, handelt es sich hierbei um eine fiktive Inlandszustellung. § 175 ZPO erlaubt damit bei nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücken, vom Grundsatz der effektiven Auslandszustellung des § 199 ZPO abzuweichen.54 Mit der Regel des § 175 ZPO hat der Gesetzgeber eine Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und denen des Beklagten getroffen. Ist der Beklagte rechtzeitig und wirksam von dem gegen ihn anhängigen Verfahren informiert worden, so ist er gehalten, im nun insoweit überwiegenden Interesse des Justizgewährungsanspruchs des Klägers und im Interesse eines reibungslosen Verfahrens 55 eine effektive Inlandszustellung zu ermöglichen. Kommt der Beklagte dieser ihm aus seiner inländischen Gerichtspflichtigkeit resultierenden Prozeßförderungsobliegenheit nicht nach, so hat er die aus derfiktiven Inlandszustellung resultierenden Nachteile zu tragen. 56

53

Siehe dazu schon oben §§ 2 V I und 8 II. Eine identische Regelung findet sich für den Beklagten und den Kläger in den Verfahrensordnungen des EuGH (Art. 38 § 2, Art. 40 § 1) und des Gerichts erster Instanz (Art. 44 § 2, Art. 46 § 1). 54

Zur Wahl zwischen den grundsätzlich nebeneinander stehenden Möglichkeiten der §§175 und 199 ZPO siehe Geimer IZPR Rz. 2122. 55

Zu diesen Gesichtspunkten Geimer IZPR Rz. 2076.

56

Zu den Nachteilen der Zustellung gemäß § 175 ZPO H. Roth IPRax 1990, 90, 91.

25 Kondring

386

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

a) Sachlicher Anwendungsbereich des §175 ZPO Hat der ausländische Zustellungsadressat entgegen § 174 I I ZPO nach ordnungsgemäßer Einleitung des Verfahrens keinen Zustellungsbevollmächtigten ernannt, so kann grundsätzlich gemäß § 175 ZPO durch Aufgabe zur Post zugestellt werden. Doch steht dieser Zustellungsweg nicht ohne weiteres in bezug auf alle nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücke offen. Denn neben einer ordnungsgemäßen Adressierung 57 verlangt § 175 I 1 ZPO, daß vor der Zustellung durch Aufgabe zur Post eine mündliche Verhandlung stattgefunden haben muß („bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung"). Eine Beweisaufnahme genügt nicht. 58 Maßgeblich ist allein die erste mündliche Verhandlung, in der der im Ausland wohnende Zustellungsadressat aufzutreten hatte.59 Etwas anderes gilt nur dann, wenn die ausländische, zur Benennung verpflichtete Partei der Gegenpartei bereits vor der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz hat zustellen lassen. In diesem Fall hat die Benennung bereits in dem genannten Schriftsatz zu erfolgen. 60 Hieraus ergibt sich, daß nach dem Wortlaut des § 175 ZPO eine Zustellung durch Aufgabe zur Post im Hinblick auf Vollstreckungsbescheide und Versäumnisurteile im Sinne des § 331 I I I ZPO auszuscheiden hat. Zwar handelt es sich in beiden Fällen um nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke. 61 Doch fehlt es in beiden Verfahren — sofern die ausländische Partei dem Prozeßgegner keinen Schriftsatz übersandt hat — am Erfordernis der mündlichen Verhandlung. 62 Diesem Umstand hat der Gesetzgeber in jüngerer Zeit durch zwei Neuerungen Rechnung getragen. So bestimmt § 34 I I I 1 und 2 AVAG 6 3 , daß der ausländische Schuldner im Mahnbescheid aufzufordern ist, innerhalb einer abweichend von § 692 I Nr. 3 ZPO auf einen Monat verlängerten Widerspruchsfrist einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bezeichnen. Kommt der Schuldner dieser Aufforde-

57

Dazu etwa Thomas / Putzo § 175 Rz. 8; Zöller / Stöber § 175 Rz. 4.

58

StJ / H.Roth § 175 Rz. 3.

59

SU/H.Roth

60

SU /H.Roth § 175 Rz. 6.

§ 175 Rz. 4.

61 Zum Vollstreckungsbescheid EuGH Slg. 1981, 1593 Rz. 9 (Klomps . / . Michel); Schack IZVR Rz. 852; Geimer IZPR Rz. 2927. Dagegen stellt der Mahnbescheid selbst ein verfahrenseinleitendes Schriftstück dar, H. Roth IPRax 1990, 90, 91. 62

Vgl. Schack Rz. 599.

63

BGBl. 1988 I 662.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

387

rung nicht nach, so kann gemäß § 34 I I I 3 A V A G der Vollstreckungsbescheid unbesehen der Voraussetzungen des § 175 I 1 ZPO durch Aufgabe zur Post gemäß § 175 ZPO zugestellt werden. 64 Entsprechend dem in den §§ 34, 35, 41 I I AVAG festgelegten sachlichen Anwendungsbereich gilt dies im Verhältnis zu allen EuGVÜ-Vertragsstaaten sowie zu Israel, Norwegen und Spanien.65 Trotz Anwendbarkeit des A V A G auch auf das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen von 197366 (vgl. § 35 I Nr. 2 AVAG) gilt dies gemäß § 41 I I A V A G jedoch nicht im Bereich des genannten Haager Übereinkommens. 67 Neben § 34 I I I A V A G hat der Gesetzgeber das sich aus § 175 I 1 ZPO ergebende Erfordernis einer vorangegangenen mündlichen Verhandlung auch im Falle eines nach § 331 I I I ZPO ergangenen Versäumnisurteils beseitigt.68 Nach der Neufassung des § 276 I 3 ZPO durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz69 ist mit Wirkung zum 1.4.1991 eine Zustellung durch Aufgabe zur Post im Falle des § 331 I I I ZPO auch dann möglich, wenn sich der ausländische Beklagte nach ordnungsgemäßer Klagezustellung noch nicht schriftlich auf die Klage eingelassen hat. 70 Ähnliche, ebenfalls durch das Rechtshilfevereinfachungsgesetz eingefügte Bestimmungen finden sich in den §§ 307 II, 641 η S. 4 und 642a II 2 ZPO.

64 Dazu H. Roth IPRax 1990, 90, 91 \ Linke IZPR Rz. 224; Geimer IZPR Rz. 2115; offensichtlich übersehen von Thomas / Putzo § 175 Rz. 7. 65

Dazu Linke IZPR Rz. 224 a.E. Da die Bundesrepublik Deutschland bisher noch nicht das 3. Beitrittsabkommen von Donostia-San Sebastian (ABl. EG 1989 Nr. L 285 S. 1) ratifiziert hatte (Geltung des 3. Beitrittsabkommens für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 1.12.1994, ABl.EG 1994 C 229/ 1), waren im deutsch-spanischen Verhältnis noch die bilateralen Bestimmungen des deutsch-spanischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages (BGBl. 1987 II 35) maßgebend. Mit dem Inkrafttreten des Beitrittsabkommens von Donostia-San Sebastian für Deutschland tritt gemäß Art. 55 EuGVÜ das EuGVÜ in seinem Anwendungsbereich an die Stelle des deutsch-spanischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages. Gleichzeitig wird über das Donostia-San Sebastian-Abkommen auch Portugal in den Anwendungsbereich des AVAG einbezogen. 66

BGBl. 1986 II 826.

67

Dies übersieht Geimer IZPR Rz. 2103.

68

Zum alten Rechtszustand BGH NJW 1979, 218; H. Roth IPRax 1990, 90, 91.

69

BGBl. 1990 I 2847.

70

Zöller / Stöber § 175 Rz. 2; Zöller / Greger § 276 Rz. 5; Geimer IZPR Rz. 2078; übersehen von Thomas/Putzo § 175 Rz. 7 und BLÄH / Hartmann § 175 Rz. 1 a.E. 25

388

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

b) Zulässigkeit der Zustellung nach §175 ZPO im internationalen Rechtshilfeverkehr Umstritten ist die Vereinbarkeit des § 175 ZPO mit den Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts, insbesondere der Souveränität des Aufenthaltsstaates des Adressaten. Mit der wohl herrschenden Meinung 71 ist eine solche Eingriffsqualität der Zustellung durch die Post aber abzulehnen, da die Zustellung als im Inland bewirkt gilt. Der in der Bewirkung der Zustellung liegende deutsche Hoheitsakt berührt damit nicht die ausländische Souveränität. Aus diesem Grunde ergeben sich zumindest im vertragslosen Rechtsverkehr keine Bedenken gegen die Anwendung des § 175 ZPO. Doch sagt die Vereinbarkeit des § 175 ZPO mit dem allgemeinen Völkerrecht noch nichts über seine Anwendbarkeit im vertraglichen Rechtsverkehr aus. Unbesehen der allgemeinen Völkerrechtskonformität ist durchaus ein völkervertraglicher Ausschluß der Zustellung durch Aufgabe zur Post denkbar. Wie jedoch Karen Ilka Mössle zu Recht betont 72 , finden zumindest die Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954 keine Anwendung auf die Zustellung durch Aufgabe zur Post. Zwar läßt sich aus Art. 1 der beiden Abkommen die Verpflichtung des ersuchten Staates ableiten, Rechtshilfe zu leisten. Doch sagt die genannte Bestimmung nichts über die Pflicht des Gerichtsstaates aus, nach den Formen der beiden Übereinkommen zuzustellen.73 Es steht ihnen offen, fiktiv im Inland zuzustellen und die Benachrichtigung hierüber auf einem anderen als dem von den beiden genannten Abkommen bestimmten Wege zu übersenden.74 Das gleiche gilt in bezug auf die bilateralen Rechtshilfeübereinkommen. Etwas anderes könnte sich jedoch im Hinblick auf das HZÜ ergeben. Dessen Art. 1 I schreibt im Ergebnis vor, daß das HZÜ in allen Fällen anwendbar ist, in denen ein Schriftstück in das Ausland zu übermitteln ist. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem lediglich von „Zustellung" sprechenden, jedoch nicht authentischen deutschen Wortlaut der Vorschrift, wohl aber aus der unter ande-

71 Etwa SU/H.Roth § 175 Rz. 19; H. Roth IPRax 1990, 90, 93; Geimer FamRZ 1975, 218; a.A. Schmitz S. 163 ff. Siehe im übrigen-schon oben § 7. 72

S. 156.

73

Karen Ilka Mössle S. 79. Siehe schon ausführlich oben § 17 I.

74

Eine Kollision des § 175 ZPO mit den Haager Zivilprozeßübereinkommen lehnt auch StJ / H.Roth § 175 Rz. 16 ab.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

389

rem maßgeblichen französischen Fassung des Übereinkommens. 75 Zudem wäre es wenig konsequent, die remise au parquet dem von Art. 1 I HZÜ bestimmten Anwendungsbereich des HZÜ zu unterwerfen, dagegen die damit vergleichbare Zustellung nach § 175 ZPO hiervon auszunehmen. Danach ist das HZÜ auch auf die Mitteilung einer im Inland vollzogenen (fiktiven) Zustellung anwendbar. 76 Wird diese Mitteilung wie bei § 175 ZPO ausschließlich durch die Post übersandt, so verstößt dieses Verfahren wegen des deutschen, allseitig 77 wirkenden Widerspruchs gegen Art. 10 lit. a HZÜ. Diese Bestimmung richtet sich nicht nur gegen die Zustellung durch die Post, sondern auch gegen die postalische Übersendung von Mitteilungen über im Inland bewirkte fiktive Zustellungen und damit auch gegen die Zustellung durch Aufgabe zur Post.78 Dafür, daß Art. 10 lit. a HZÜ insoweit restriktiv auszulegen wäre, bestehen keine Anhaltspunkte.79 Von deutscher Seite ließe sich ein solcher Verstoß durch eine doppelte Zustellung nach § 175 ZPO und zusätzlich nach § 199 ZPO iVm dem HZÜ überwinden.80 Der Fristlauf bestimmte sich in diesem Fall ausschließlich nach dem Zustellungszeitpunkt des § 175 ZPO, wobei eine Verlängerung der Frist nach richterlichem Ermessen aus rechtsstaatlichen Gründen anzuraten wäre. 81 Mangels eines Eingreifens des Art. 15 HZÜ im Hinblick auf nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke stünde das HZÜ dem nicht entgegen. Im Ergebnis wäre damit ein System der „transmission double" geschaffen, das mit demjenigen der französischen remise au parquet identisch ist. Letztere findet auch auf die Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke Anwendung. 82 Unschädlich wäre insoweit, wenn es bei der parallelen Zustellung nach dem HZÜ zu einem Zustellungsmangel kommt, sofern dieser gemäß § 187 ZPO heilbar wäre. Art. 15 HZÜ stünde auch dem mangels Anwendbarkeit nicht entgegen.83

75

So zutreffenderweise auch Karen Ilka Mössle S. 156 f.

76

Siehe schon oben § 12 IV 1.

77

Dazu oben § 12 II.

78

So — für die mit § 175 ZPO vergleichbare Mitteilung der remise au parquet — Schumacher IPRax 1985, 265, 267. 79

So aber Karen Ilka Mössle S. 157 ff.

80

Zu einer solchen Möglichkeit Geimer IZPR Rz. 2121; ders. in Zöller / Geimer § 199 Rz. 28; Linke IZPR Rz. 227. Ausdrücklich dagegen Wiehe S. 32. 81

H. Roth IPRax 1990, 90, 92; Zöller / Geimer § 199 Rz. 28: analog §§ 274 III 3, 339 III ZPO.

82

Dazu Huet J.C1. Int. Fase. 583-1 S. 5.

83

Siehe schon entsprechend oben § 25 I 1.

390

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Die vorstehend dargestellte Lösung hat nicht nur die Vereinbarkeit mit dem HZÜ für sich. Auch erhöht sich insbesondere bei der Zustellung von Urteilen — anders als bei einer ausschließlich gemäß § 175 ZPO vorgenommenen Zustellung — die Wahrscheinlichkeit der späteren Anerkennung derselben im Zustellungsstaat.84 Wegen der Maßgeblichkeit des § 175 ZPO für den Beginn der Fristen ist auch wohl den von Geimer 85 gegen eine doppelte Zustellung vorgetragenen Bedenken (Gefährdung des Justizgewährungsanspruchs des Klägers durch die zeitraubende Zustellung nach § 199 ZPO) der Grund entzogen. Unbesehen der vorstehenden Ausführungen ist jedoch — freilich um den Preis der Gefährdung einer späteren Anerkennung — auch der Weg allein über § 175 ZPO gangbar. Zwar liegt hierin — wie gesehen — ein Verstoß gegen das HZÜ. Doch beansprucht das HZÜ nur im Hinblick auf vtrtdhrenseinleitende Schriftstücke Exklusivität. 86 Damit stehen die autonomen Zustellungstatbestände gleichberechtigt neben dem HZÜ. 8 7 § 175 ZPO gilt damit für nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke neben dem HZÜ, ohne von diesem verdrängt zu werden. Verstößt die Zustellung durch Aufgabe zur Post gegen das HZÜ, so ist sie dennoch als wirksam anzusehen, wenn die Voraussetzungen des § 175 ZPO vollständig erfüllt sind. Grund hierfür ist das Günstigkeitsprinzip, das wegen der im Bereich nichtverfahrenseinleitender Schriftstsücke fehlenden Exklusivität des HZÜ zur Anwendung kommt. Diesem Befund stehen entgegen Nagel 88 auch die von deutscher Seite zu den Haager Zivilprozeßübereinkommen geschlossenen und im Rahmen des HZÜ weitergeltenden bilateralen Vereinfachungsvereinbarungen nicht entgegen. Wegen ihres bloßen Annexcharakters vermögen die Vereinfachungsvereinbarungen dem HZÜ im Hinblick auf nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke insbesondere die insoweit fehlende Exklusivität nicht zurückzugeben. Dies dürfte auch nicht mit der Ratio dieser Annexverträge vereinbar sein, die das durch den „Hauptvertrag" erreichte Niveau weiter vereinfachen, nicht aber

84 Zöller / Geimer § 199 Rz. 28; Linke IZPR Rz. 227; P. Schlosser FS Stiefel S. 683, 692; Schack IZVR Rz. 614; Hausmann IPRax 1988, 140, 144. 85

IZPR Rz. 2122 ff.

86

Stürner JZ 1992, 325, 328.

87 Ähnlich schon Rigaux RCDIP 1963, 447, 465 zu den Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954. 88

IPRax 1986, 116.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

391

zusätzliche Zustellungshürden aufstellen wollen. 89 Daß eine bestimmte Zustellungsform in der Zusatzvereinbarung nicht genannt ist, schließt diesen Zustellungsweg nicht im Verhältnis der beiden durch die Vereinfachungsvereinbarung gebundenen Staaten zueinander aus. So ist etwa die direkte konsularische Zustellung nach Art. 8 I HZÜ nicht deshalb im deutsch-belgischen Verhältnis ausgeschlossen, weil die deutsch-belgische Vereinfachungsvereinbarung insoweit schweigt.90 Ebenso führt eine Vereinfachungsvereinbarung nicht zur Unwirksamkeit einer darin nicht erwähnten Zustellung nach § 175 ZPO 91 , wenn der „Hauptvertrag" diese für nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke mangels Exklusivität zuläßt. Zu Recht betont das LG Berlin 92 in diesem Zusammenhang, daß die bilateralen Vereinfachungsvereinbarungen die Ordnungsmäßigkeit einer Urteilszustellung nach § 175 ZPO nicht beeinträchtigen. Eine davon zu trennende Frage ist jedoch, ob eine solche Zustellung die spätere Anerkennung des so zugestellten Urteils gefährdet. 93 Auch eine mit völkervertraglichen Vereinbarungen übereinstimmende oder — mangels Exklusivität derselben — von diesen gleichsam geduldete Zustellung sichert nämlich nicht zwangsläufig die Anerkennung im Aufenthaltsstaat des Adressaten. 94 Ist abzusehen, daß eine an sich zulässige (Urteils-)Zustellung nach § 175 ZPO die spätere Anerkennung des Urteils im Zustellungsstaat gefährden wird, so ist unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Justizgewährungsanspruchs des Klägers eine Zustellung des Urteils entsprechend den Staatsverträgen zu wählen.95 Freilich steht dieser Zustellungsweg mangels diesbezüglicher Exklusivität der Abkommen nur gleichberechtigt neben dem des § 175 ZPO.

89 So aber Nagel IPRax 1986, 116, der im Hinblick auf § 175 ZPO freilich den deutschen Widerspruch zu Art. 10 lit. a HZÜ übersieht. Zu dessen Bedeutung im Hinblick auf nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke siehe vorstehend in diesem Abschnitt. 90 Vgl. insoweit ZRHO-Länderteil „Belgien" II 1 a. Bestätigt wird dies durch § 13 II 2 ZRHO. Ein Verstoß gegen § 13 II 1 ZRHO führt nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung, da es sich bei der ZRHO lediglich um eine VerwaltungsVorschrift handelt. 91

So aber Nagel IPRax 1986, 116; auch wohl StJ / H.Roth § 175 Rz. 16.

92

NJW 1989, 1434, 1435.

93

So auch wohl das LG Berlin aaO.

94

Vgl. das Beispiel Japan, das keinen Widerspruch gegen Art. 10 lit. a H Z Ü erklärt hat, jedoch die Anerkennung daraufhin ergangener Urteile verweigert; dazu Practical Handbook S. 43 und 134; ebenso Dänemark, siehe Practical Handbook S. 122. Ähnlich die Regelung in Art. 5 lit. b des deutsch-britischen Rechtshilfe Vertrages von 1928. Siehe auch schon oben § 21 II 3 d: Keine Präjudizwirkung einer abkommenskonformen Zustellung im Hinblick auf die spätere Anerkennung im Zustellungsstaat. 95

So auch H. Roth IPRax 1990, 90, 91 Fn. 26; LG Berlin NJW 1989, 1434, 1435.

392

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Nichts anderes gilt auch im Rahmen des EuGVÜ (und des Lugano Übereinkommens). Der Ansicht Stürners 96, wonach aus Art. IV Abs. 1 EuGVÜ-Protokoll zu folgern sei, daß die Exklusivität des HZÜ auch für Urteile oder Vollstreckungsbescheide gelte, so daß im Geltungsbereich des EuGVÜ insoweit eine Zustellung nach § 175 ZPO ausscheide, ist nicht zu folgen. 97 Weder der Wortlaut der Vorschrift noch deren Entstehungsgeschichte lassen m.E. einen solchen Schluß zu. Er ist selbst de lege ferenda kaum erstrebenswert.

c) Heilbarkeit

von Zustellungsfehlern

bei §175 ZPO

Nach allgemeiner Ansicht 98 führt ein Verstoß gegen § 175 ZPO einschließlich seiner Voraussetzungen zur Unwirksamkeit der Zustellung. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Verstoß gemäß § 187 ZPO als geheilt anzusehen ist. 99 Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Zustellungsadressat tatsächlich Kenntnis von dem zuzustellenden nichtverfahrenseinleitenden Schriftstück erhalten hat. Aus einer fiktiven Zustellung wird so de facto eine effektive Zustellung. Freilich dürfte im Hinblick auf die fehlerhafte Zustellung von Urteilen häufig § 187 S. 2 ZPO einer Heilung entgegenstehen, soweit durch die Zustellung Notfristen in Gang gesetzt werden sollten. 100 Fraglich ist, ob dies auch im Rahmen einer Auslandszustellung gilt: Der US-Amerikaner A lebte für einige Jahre in Heidelberg. Dort wurde ihm ein deutscher Mahnbescheid zugestellt. A legte hiergegen keinen Widerspruch ein. Noch bevor jedoch ein Vollstreckungsbescheid erlassen werden konnte, kehrte A in die USA zurück. 101 Der anschließend erlassene Vollstreckungebescheid wird dem A mit einer Übersetzung versehen durch Aufgabe zur Post gemäß § 175 ZPO zugestellt. 102 A erhält hiervon vier Tage später durch Zugang des zur Post aufgegebenen Vollstreckungsbescheides Kenntnis. Als acht Wochen später aus dem Vollstrekkungsbescheid in das noch in Deutschland belegene Vermögen des A vollstreckt werden soll, legt A Erinnerung ein.

96

JZ 1992, 325, 329.

97

Siehe schon oben § 14 I.

98

Etwa Zöller / Stöber § 175 Rz. 9; SU / H.Roth § 175 Rz. 25; BLÄH / Hartmann § 175 Rz. 4 a.E.; LG Aachen Rpfleger 1983, 75. 99 BLÄH / Hartmann § 175 Rz. 4 a.E.; auch wohl StJ / H.Roth § 175 Rz. 25 iVm Vor § 166 Rz. 25 ff. 100

Zum Ganzen Hausmann IPRax 1988, 140, 142. Zu den einzelnen Fristen siehe oben § 25 I 1.

101

Zu einem ähnlichen Fall siehe Zöller / Stöber § 175 Rz. 2.

102

Im Rahmen von § 175 ZPO fehlt es in der Praxis häufig an einer Übersetzung; kritisch dazu H. Roth IPRax 1990, 90, 91.

393

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

Das Mahnverfahren ist im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr grundsätzlich ausgeschlossen. Sofern der Mahnbescheid in das Ausland zuzustellen ist, bestimmt § 688 ΠΙ ZPO, daß ein Mahnverfahren nur dann stattfindet, soweit das A V A G ein solches vorsieht. Dies ist gemäß § 34 I, 35, 41 I I A V A G nur im Verhältnis zu den EuGVÜ-Vertragsstaaten sowie gegenüber Israel, Norwegen und Spanien der Fall 103 , nicht jedoch im Verhältnis zu den USA. Das gilt auch dann, wenn der Antragsgegner zwar im Inland keinen allgemeinen, wohl aber einen besonderen Gerichtsstand besitzt. Die insoweit einschlägige Vorschrift des § 703 d ZPO will nicht die sich ausschließlich aus § 688 ZPO ergebenden Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Mahnverfahren modifizieren. 104 Vielmehr enthält § 703 d ZPO lediglich eine von § 689 I I ZPO abweichende Zuständigkeitsregel. 105 Obsolet ist § 703 d ZPO dagegen im Hinblick auf die sich aus dem Fehlen eines allgemeinen Gerichtsstandes gemäß den §§ 696 I 1 und 700 I I I 1 ZPO (jeweils iVm §§ 692 I Nr.l, 690 I Nr. 5 ZPO a.F.) ergebenden praktischen Probleme. 106 Grund hierfür ist die sich aus dem Rechtshilfevereinfachungsgesetz 107 mit Wirkung zum 1.1.1992 ergebende Änderung des § 690 I Nr. 5 ZPO, wonach nicht mehr notwendig das Gericht arp allgemeinen (inländischen) Gerichtsstand des Antragsgegners als allein örtlich zuständig anzugeben ist. Auch besondere oder ausschließliche Gerichtsstände sind nunmehr wählbar bzw. zwingend zu beachten.108 Dagegen ist das Mahnverfahren unbesehen der aus § 688 I I I ZPO resultierenden Einschränkungen trotz Auslandsberührung dann zulässig, wenn der Mahnbescheid im Inland zugestellt werden kann. 109 Im Ausgangsfall erlaubte der Aufenthalt des A in Deutschland eine solche Inlandszustellung. Die spätere Heimkehr des A in die USA steht dem nicht entgegen.110 Selbst wenn die Rückkehr des A in die USA damit keine Probleme im Hinblick auf die Zulässigkeit des Mahnverfahrens aufwirft, so bestehen jedoch

103

Zöller / Vollkommer

§ 688 Rz. 10.

104

Ausdrücklich wie hier AK-ZPO / Menne § 703 d Rz. 2; Zöller / Vollkommer a.E.; a.A. wohl BLÄH / Hartmann § 688 Rz. 9 und § 703 d Rz. 1 a.E. 105

Zöller / Vollkommer

106

Zum alten Rechtszustand AK-ZPO / Menne § 703 d Rz. 1.

107

BGBl. 1990 I 2847.

§ 703 d Rz. 1 ; Rosenberg / Schwab / Gottwald

108

Dazu Thomas / Putzo § 690 Rz. 15. Siehe auch Zöller / Vollkommer

109

Zöller / Vollkommer

§ 703 d Rz. 1

§ 164 III 1 (S. 994).

§ 690 Rz. 16.

§ 688 Rz. 10.

110 Sogar bei nur vorübergehendem Aufenthalt in Deutschland ist eine Inlandszustellung zulässig, Geimer IZPR Rz. 2109; in anderem Zusamenhang auch oben § 18 I.

394

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

weiterhin Schwierigkeiten in bezug auf die Zustellung des anschließend erlassenen Vollstreckungsbescheides. Dieser war im vorliegenden Fall gemäß § 175 ZPO zugestellt worden. Die Wahl dieses Zustellungsweges war fehlerhaft. Zwar besteht auch für eine Partei, die nach Verfahrensbeginn in das Ausland verzogen ist, die sich aus § 174 Π ZPO ergebende Obliegenheit, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.111 Selbst wenn A aber dieser Obliegenheit vorliegend nicht nachgekommen war, so scheitert eine wirksame Zustellung durch Aufgabe zur Post an dem sich aus § 175 I 1 ZPO ergebenden weiteren Erfordernis einer vorangehenden mündlichen Verhandlung oder eines an den Antragssteller zugestellten Schriftsatzes des Antraggegners. Zwar besteht diese Voraussetzung gemäß § 34 I I I A V A G nicht in bezug auf die Zustellung von Vollstreckungsbescheiden im Ausland. Doch galt dies bisher nur im Verhältnis zu den EuGVÜ-Vertragsstaaten, Israel, Norwegen und Spanien (vgl. §§ 34 ΙΠ, 35, 41 Π AVAG). 1 1 2 Damit konnte der Vollstreckungsbescheid vorliegend nicht gemäß § 175 ZPO durch Aufgabe zur Post, sondern lediglich im Wege des § 199 ZPO iVm dem HZÜ an A zugestellt werden. Die Zustellung verstieß mithin nicht nur gegen das autonome deutsche Recht, sondern auch gegen das HZÜ, das nach seinem Art. 1 I immer dann anzuwenden ist, wenn nach dem autonomen Recht der Vertragsstaaten ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung oder Mitteilung 113 in das Ausland zu übermitteln ist. Für deutsche Verfahren untersagt das HZÜ wegen des allseitig wirkenden deutschen Widerspruchs gegen Art. 10 lit. a HZÜ sowohl eine Zustellung durch die Post als auch eine solche durch Aufgabe zur Post. 114 Anders aber als bei verfahrenseinleitenden Schriftstücken 115 überläßt das HZÜ die Sanktion eines solchen Verstoßes vollständig dem autonomen Recht des Urteilsstaates. Dem HZÜ fehlt im Hinblick auf nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke die Exklusivität gegenüber den autonomen Zustellungsregeln. Nach der damit eingreifenden Wertung des deutschen Rechts ist gemäß § 187 ZPO eine fehlerhafte Zustellung auch dann als wirksam anzusehen, wenn das zuzustellende Schriftstück dem Beteiligten tatsächlich zugegangen ist. Unerheb-

111

Zöller / Stöber § 174 Rz. 5; siehe auch den Beispielsfall ebenda § 175 Rz. 2.

112

Zur Situation nach dem Inkrafttreten des Donostia-San Sebastian-Abkommens siehe oben § 25 I 2 a. 113

Siehe oben § 12 IV 1.

114

Siehe oben § 25 I 2 b.

115

Zu den sich insoweit aus dem HZÜ ergebenden Beschränkungen siehe oben § 18.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

395

lieh ist, ob es hierdurch zu einer Heilung des Verstoßes gegen das HZÜ kommt. Da der Weg über § 175 ZPO und derjenige über das HZÜ mangels Exklusivität des letzteren formal unabhängig und damit alternativ nebeneinander stehen, genügt es, wenn der Verstoß gegen § 175 ZPO geheilt ist. Dies ist hier der Fall. Durch den tatsächlichen Zugang des Vollstreckungsbescheides bei A in den USA war das Schriftstück mithin nach den Wertungen des deutschen Rechts als wirksam zugestellt anzusehen. Eine Erinnerung des A hat damit keine Aussicht auf Erfolg. Etwas anderes gilt nur dort, wo der Weg über § 175 ZPO in Kenntnis seiner Unanwendbarkeit gewählt worden ist. Hier greift § 187 ZPO nicht ein. Freilich dürfte dies in der Praxis regelmäßig nur schwer nachweisbar sein. Allerdings steht A unbesehen der vorstehenden Ausführungen weiterhin das Recht zum Einspruch gemäß § 700 I I ZPO zu. Auf den Einspruch finden gemäß § 700 I ZPO die Bestimmungen über ein vorläufig vollstreckbar erklärtes Versäumnisurteil Anwendung, also die §§ 338 ff. ZPO. Zwar beträgt die Einspruchsfrist gemäß § 339 I ZPO nur zwei Wochen. 116 Doch ist diese auch acht Wochen nach dem tatsächlichen Zugang des Vollstreckungsbescheides noch nicht abgelaufen, da es sich bei der Einspruchsfrist des § 339 ZPO um eine Notfrist handelt, die von den Wirkungen der Heilung gemäß § 187 S. 2 ZPO ausgenommen ist. Zwar hindert der Einspruch die Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht. Gleichwohl kann der Schuldner im Einzelfall gemäß §§ 719 I, 707 ZPO eine Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen. 117 Die zum HZÜ dargestellten Heilungsgrundsätze gelten entsprechend im Hinblick auf die Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954, im Rahmen der bilateralen Rechtshilfeverträge und im vertragslosen Rechtshilfeverkehr. Auch hier findet § 187 ZPO vor den Gerichten des Urteilsstaates umfassende Anwendung. Den genannten Übereinkommen fehlt nicht nur wie dem HZÜ die Exklusivität in bezug auf nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke, sondern in bezug auf alle Arten von Schriftstücken.

116 Da ursprünglich eine Zustellung gemäß § 175 ZPO und damit eine Inlandszustellung gewollt war, ist nicht davon auszugehen, daß eine von Absatz 1 abweichende Frist gemäß § 339 II ZPO bestimmt ist. Für eine entsprechende Anwendung des § 339 II ZPO auch auf die Fälle des § 175 ZPO dagegen H. Roth IPRax 1990, 90, 92; Zöller / Geimer § 199 Rz. 28. 117

BLÄH / Hartmann § 700 Rz. 2; Zöller / Vollkommer

§ 700 Rz. 1.

396

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

II. Die Heilung im Anerkennungsstaat Angesichts der umfassenden Heilbarkeit aufgrund der lex fori des Urteilsstaates bleibt bei der Zustellung nichtverfahrenseinleitender Schriftstücke kaum noch praktischer Raum für eine Heilung im Anerkennungs verfahren. Die folgenden Ausführungen haben damit nur noch dann praktische Bedeutung, wenn im Einzelfall die fehlerhafte Zustellung noch nicht nach dem Recht des Urteilsstaates geheilt ist. Soweit die autonomen Anerkennungsregeln Sonderbestimmungen im Hinblick auf die Zustellungen im erststaatlichen Verfahren enthalten, sind hiervon lediglich \erfahrenseinleitende Schriftstücke erfaßt. Nicht hierunter fallen die nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücke. 118 Deren Zustellung wird allein durch den allgemeinen ordre public sanktioniert 119 , also etwa im Rahmen des § 328 I Nr. 4 ZPO oder des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ. Wann die (fehlerhafte) Zustellung eines nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücks gegen den ordre public verstößt, bestimmt sich allein nach den Wertungen des Anerkennungsstaates. 120 Das gilt auch im Rahmen des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ. Damit kann die Anerkennung eines Urteils wegen Verstoßes der Zustellung gegen den ordre public des Anerkennungsstaates verweigert werden, obwohl die Zustellung des nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücks nach dem Recht des Urteilsstaates als nachträglich geheilt oder gar als von vornherein wirksam anzusehen war. 121 Umgekehrt muß die fehlerhafte, im Einzelfall noch nicht nach dem Recht des Urteilsstaates geheilte Zustellung eines nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht zur Anerkennungsverweigerung führen, da auch insoweit die Wertungen des Anerkennungsstaates maßgeblich sind. Diese finden sich im deutschen Recht in dem in § 187 ZPO niedergelegten Zweckerreichungsgrundsatz. Ein noch nicht nach der lex fori des Urteilsstaates geheilter Zustellungsfehler hindert danach bei nichtverfahrenseinleitenden Schriftstücken die Anerkennung dann nicht, wenn der Zustellungszweck erreicht ist. In diesem Fall ist der Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör regelmäßig gewahrt, der (deutsche) ordre public mithin nicht verletzt. Ebenso wie bei verfahrenseinleitenden Schriftstücken kommt es insoweit nicht zu einer förmlichen Heilung gemäß § 187

118

Vgl. Schack IZVR Rz. 852.

119

Etwa H. Roth IPRax 1990, 90, 92 a.E.; Zöller / Geimer § 199 Rz. 27; ders. IZPR Rz. 2120.

120

Zum Gebot der zurückhaltenden Anwendung des ordre public etwa Bülow / Böckstiegel / Linke S. 606.207; Zöller / Geimer § 328 Rz. 155; BGHZ 53, 327, 331. 121

So etwa das LG des Bezirks Antwerpen im Fall des LG Berlin NJW 1989, 1434.

4. Kapitel: Sonstige Heilungsfragen

397

ZPO, sondern lediglich zu einer Einbeziehung der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Wertung in die Anerkennungsentscheidung. Es kann mithin von einer faktischen Heilung gesprochen werden. Eine fehlerhafte Urteilszustellung führt mithin nicht zwingend zur Anerkennungsverweigerung aufgrund des deutschen ordre public. 122 Dies gilt selbst dort, wo Staats Verträge im Hinblick auf die mit der Anerkennung regelmäßig verbundene Vollstreckung eine Zustellung des Urteils vorschreiben, wie etwa Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ. 1 2 3 Eine Anerkennung ist allenfalls dann zu versagen, wenn der Zustellungszweck verfehlt wurde, wenn dem Zustellungsempfänger also die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen, gänzlich abgeschnitten worden ist. 124 Dies kann etwa bei einem Versäumnisurteil der Fall sein, da dort der Beklagte durch die Urteilszustellung unter Umständen zum ersten Mal erfährt, daß er verurteilt worden ist. 125 Gleiches gilt dort, wo die Zustellung des Urteils in bezug auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln nach der lex fori des Urteilsstaates notwendig ist. 126 Im Hinblick auf Urteilszustellungen dürften im Anerkennungsverfahren wohl diejenigen Verfahrensordnungen einen anderen Maßstab einnehmen, die anders als das deutsche Recht selbst auf eine Urteilszustellung vollständig verzichten. 127 Es ist kaum davon auszugehen, daß in diesen Staaten die Anerkennung eines Urteils deshalb aus ordre public-Erwägungen verweigert wird, weil die nach dem Recht des Urteilsstaates erforderliche Urteilszustellung mangelhaft war und der Fehler auch nicht durch die Erreichung des Zustellungszwecks geheilt worden ist. Etwas anderes wird allenfalls dort gelten, wo staatsvertragliche Regelungen auch für derartige autonome Verfahrensrechte zwingend eine Urteilszustellung als Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzung vorschreiben, etwa Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ. 1 2 8

122 Zöller / Geimer § 328 Rz. 159e; ders. IZPR Rz. 2944 u. 2960; Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 1117; BGH NJW 1980, 529, 531. 123

So auch wohl OLG Koblenz RIW 1991, 667, 669.

124

Martiny HB IZVR III / 1 Kap. I Rz. 1117.

125

OLG Koblenz RIW 1991, 667, 669.

126

OLG Koblenz RIW 1991, 667, 669.

127

Vgl. etwa Richardson , Procès-Verbal, in: Actes et Documents III S. 275 (zum Rechtszustand in Großbritannien). 128 Zu den Schwierigkeiten der englischen Rechtspraxis mit dieser Vorschrift siehe O'Malley / Layton Rz. 29.14 ff. Siehe dagegen aber OLG Koblenz RIW 1991, 667, 669.

398

2. Teil: Zustellungsmängel im internationalen Zivilrechtsverkehr

Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die Frage einer Zustellung / Mitteilung einer Streitverkündung und die sich hieran anschließende Problematik der Anerkennung der Wirkung der Streitverkündung. Ob Maßstab für die Anerkennung der Streitverkündungswirkung in Deutschland § 328 I Nr. 2 ZPO (analog) 129 oder § 328 I Nr. 4 ZPO (analog) ist, hängt m.E. von der Einordnung der Streitverkündung im ausländischen Verfahrensrecht ab. 130 Fehlt der Streitverkündung danach — wie auch im deutschen Recht 131 — die Eigenschaft eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks, so dürfte § 328 I Nr. 4 ZPO (analog) für die Anerkennung der Wirkung der Streitverkündung ausschlaggebend sein. 132 Der deutsche ordre public dürfte immer dann verletzt sein, sofern das ausländische Verfahrensrecht — wie das Recht von New York 1 3 3 — eine mündliche Streitverkündung ausreichen läßt, also auf eine schriftliche Mitteilung verzichtet. 134

129

So Mansel JZ 1994, 618, 621.

130

Zu den hierfür maßgeblichen Qualifikationskriterien siehe am Anfang dieses §.

131

Vgl. OLG Köln NJW 1981, 2263, 2264.

132

A.A. wohl Mansel JZ 1994, 618, 621, der stets auf § 328 I Nr. 2 ZPO analog abstellen will.

133

Dazu Mansel ebenda.

134

I.E. ebenso Mansel ebenda.

Zusammenfassung und Ausblick Das Zustellungsrecht besteht aus einem komplizierten Gefüge von Formerfordernissen. Dieses gilt sowohl für die Inlands- wie die Auslandszustellung. Im Rahmen der internationalen Zustellung wirft vor allem das Ineinandergreifen mehrerer autonomer und staatsvertraglicher Zustellungsregeln besondere Probleme auf. Unbesehen des rechtsstaatlichen Eigenwertes auch der Zustellungsform gebietet es aber das rechtsstaatliche Übermaßverbot, prozessuale Formen nur insoweit zu beachten, als dies zur Erreichung des Formzwecks erforderlich ist.1 Zweck der Zustellung ist an erster Stelle die Information des Zustellungsadressaten und damit die Sicherung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. 2 »

Zur Umsetzung des Übermaßverbotes im Prozeßrecht bieten sich mit der weiten Auslegung von Formvorschriften auf der einen Seite und der Heilung von Mängeln auf der anderen Seite zwei systematisch verschiedene Wege an. Wegen ihrer höheren Sensibilität ist dabei die Heilung von Formmängeln das vorzugswürdige Verfahren. 3 Das deutsche Recht kennt insoweit mit den §§ 187, 295 ZPO zwei geschriebene Heilungsinstitute. Diese gehen beide auf den Gedanken der Zweckerreichung zurück. Ergänzt werden sie durch das ungeschriebene allgemeine Prinzip der Heilung durch Zweckerreichung. 4 Die Geltung dieser Heilungsgrundsätze im innerstaatlichen Bereich ist weitgehend unumstritten. Demgegenüber ist ihre Berechtigung im internationalen Zustellungsverkehr vor allem in jüngster Zeit wieder Gegenstand einer lebhaften Diskussion in Literatur und Rechtsprechung. Probleme wirft zum einen die Frage der Vereinbarkeit der Heilung einer fehlerhaften internationalen Zustellung mit der Souveränität des ausländischen Zustellungsstaates auf. Darüber hinaus wird im staatsvertraglichen Bereich immer wieder das Schweigen der

1

§ 3 I.

2

§ 3 II.

3

§4.

4

§5.

400

Zusammenfassung und Ausblick

Staats Verträge zur Heilung von Zustellungsmängeln als Heilungsausschluß gewertet. Einschlägige staatsvertragliche Grundlagen sind insoweit die Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 19545, einige bilaterale Rechtshilfeverträge 6 sowie in ganz besonderem Maße das Haager Zustellungsübereinkommen von 1965.7 Im internationalen Zustellungsverkehr lassen sich vier Hauptfehlerarten ausmachen8: Dies sind die irrtümliche Durchführung einer Zustellung im Inland statt im Ausland, die Beschreitung eines falschen Übermittlungsweges zur Übersendung des zuzustellenden Schriftstücks, die fehlerhafte Durchführung der Zustellung durch die Behörden des ersuchten ausländischen Staates und schließlich das Fehlen einer an sich erforderlichen Übersetzung. Entgegen der Rechtsprechung des BGH sind diese Fehler im vertragslosen Zustellungsverkehr umfassend nach den Grundsätzen des deutschen Heilungsrechts, insbesondere nach § 187 ZPO heilbar. 9 Hierfür sprechen Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik der Vorschrift. Auch aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Souveränität des ausländischen Staates heraus ergeben sich ebenso keinerlei Beschränkungen wie aus sonstigen Gesichtspunkten des allgemeinen Völkerrechts. Einer solchen umfassenden Anwendung des § 187 ZPO entspricht auch die liberale Anwendung der Parallelvorschrift des § 9 VwZG im Verwaltungsverfahren. 10 Nichts anderes gilt im Rahmen der Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 und 1954.11 Weder der Grundsatz des pacta sunt servanda noch der lex specialis-Gedanke vermögen hier eine Heilung von Zustellungsmängeln zu hindern. 12 Vielmehr hat der Konventionsgeber die Sanktionierung von Zustellungsmängeln bewußt den autonomen Rechten der Vertragsstaaten überlassen. Aus diesem Grunde läßt sich aus dem Schweigen der Übereinkommen zur Frage der Heilung gerade nicht auf einen Heilungsausschluß schließen.13 Die-

5

§ il.

6

§ 13.

7

§ 12.

8

§ 15.

9

§ 16.

10

§ 16 II 2 d.

11

§ 17.

12

§ 17 II.

13

§ 17 II 2 b.

Zusammenfassung und Ausblick

401

ses Ergebnis wird bestätigt durch einen Vergleich mit anderen staatsvertraglichen Zustellungsregeln, insbesondere denen des Zusatzabkommens zum NatoTruppenstatut. 14 Demgegenüber ist im Rahmen des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 eine differenziertere Betrachtung als etwa bei den Haager Zivilprozeßübereinkommen geboten.15 Der Grund hierfür liegt in der Vorschrift des Art. 15 HZÜ. Hierbei handelt es sich um eine auf den Fall der Säumnis des Beklagten beschränkte indirekte Sanktionsvorschrift. Zwar wird einer Zustellung im Falle eines Verstoßes gegen das staatsvertraglich vorgeschriebene Zustellungsverfahren des HZÜ zwar nicht formell die innerstaatliche Wirksamkeit nach den innerstaatlichen Vorschriften genommen; d.h. das HZÜ greift nicht formell in das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten ein. Doch hat die Sanktion faktische Wirkung, da sie die Fortsetzung des innerstaatlichen Verfahrens trotz Wirksamkeit der Zustellung nach den innerstaatlichen Vorschriften hindert. Damit steht die Vorschrift nicht nur der Fortsetzung des Verfahrens nach einer innerstaatlich wirksamen, aber völkervertragswidrigen Zustellung durch remise au parquet entgegen (zumindest vor Ablauf der Sechsmonatsfrist des Art. 15 I I HZÜ), sondern auch einer ursprünglich fehlerhaften, aber kraft Heilung innerstaatlich wirksamen Auslandszustellung. Art. 15 HZÜ führt damit nicht zum formellen, wohl aber grundsätzlich zum faktischen Heilungsausschluß. Das heißt, daß ein deutscher Richter im Rahmen des HZÜ eine fehlerhafte Auslandszustellung zwar formell als nach § 187 ZPO geheilt ansehen darf, jedoch durch Art. 15 HZÜ gleichwohl an der Fortsetzung des Verfahrens gehindert ist. 16 Diese Vorschrift greift mithin nicht in das Zustellungsrecht der Vertragsstaaten ein, sondern in deren Säumnisrecht. Eine Lockerung kann sich grundsätzlich nur im Rahmen des Art. 15 I I HZÜ ergeben, den die Bundesrepublik Deutschland erst jüngst für deutsche Verfahren für anwendbar erklärt hat.17 Danach gilt im Rahmen des HZÜ folgendes: Wird ein falscher Übermittlungsweg beschritten, so ist die Heilung gemäß Art. 15 I lit. a HZÜ faktisch ausgeschlossen. Dies gilt wegen Art. 15 I I lit. a HZÜ auch nach Ablauf von

14

§ 17 II 2 c.

15

§ 18.

16

§ 18 III 1 b.

17

§ 12 IV 2; § 18 III 2.

26 Kondring

402

Zusammenfassung und Ausblick

sechs Monaten.18 Das gleiche gilt bei einer irrtümlichen Inlandszustellung, sofern sich der für die Heilung maßgebliche Umstand — regelmäßig die tatsächliche Kenntnisnahme — im Ausland ereignet hat. 19 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Heilungstatbestand sich voll im Inland verwirklicht hat. Lag der Fehler der Zustellung in einer mangelhaften Durchführung durch die Behörden des ersuchten Staates, so ist der Mangel grundsätzlich nach dem Heilungsrecht dieses Staates heilbar. Art. 15 I lit. a HZÜ beruft insoweit nicht nur das Zustellungsrecht (im engeren Sinne) des ersuchten Staates, sondern auch das Heilungsrecht dieses Staates.20 Ist danach eine Heilung des Durchführungsmangels nicht möglich, so kann erst nach Ablauf von sechs Monaten im Rahmen des Art. 15 I I HZÜ das Heilungsrecht des Gerichtsstaates zur Anwendung kommen, im deutschen Verfahren also § 187 ZPO. 21 Auch im Hinblick auf das Erfordernis der Übersetzung ergeben sich beim HZÜ einige Besonderheiten. 22 Dies gilt jedoch nur dann, wenn der ersuchte Staat eine Erklärung im Sinne des Art. 5 I I I HZÜ abgegeben hat. Nicht alle Staaten, deren innerstaatliches Recht an sich eine Übersetzung fordert, haben eine den Gerichtsstaat völkerrechtlich bindende Erklärung im Sinne des Art. 5 I I I HZÜ abgegeben. Fehlt in einem solchen Fall eine Übersetzung, so liegt lediglich ein Verstoß gegen das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates vor, ein Verstoß, der wie ein Durchführungsfehler zu behandeln ist. 23 Das gleiche gilt dann, wenn der ersuchte Staat zwar eine Erklärung im Sinne des Art. 5 IE HZÜ abgegeben hat, die Beibringungslast für die Übersetzung im Falle des Fehlens einer solchen aber in einem bilateralen Zusatzabkommen auf den ersuchten Staat abgewälzt worden ist. 24 Damit tritt das eigentliche Heilungsproblem nur noch dann auf, wenn eine Erklärung im Sinne des Art. 5 I I I HZÜ vorliegt und die Beibringungslast für die Übersetzung nicht auf den ersuchten Staat abgewälzt worden ist. Hier sollte sich der Vorbehaltsstaat von seinem Vorbehalt nach seinem innerstaatlichen (Heilungs-)Recht lösen können, sofern der Adressat der fremden Sprache in ausreichendem Maße mächtig ist oder aus-

18

§ 18 II.

19

§ 18 I.

20

§ 18 III 1.

21

§ 18 III 2.

22

§ 18 IV.

23

§ 18 IV 1.

24

§ 18 IV 2 b.

Zusammenfassung und Ausblick

403

reichend Zeit besitzt, sich eine Übersetzung zu besorgen. Demgegenüber scheidet eine Heilung nach dem Recht des Gerichtsstaates aus.25 Die gemäß dem in Art. 25 HZÜ zum Ausdruck kommenden Günstigkeitsprinzip neben dem HZÜ fortgeltenden bilateralen Rechtshilfeverträge sind heilungsfreundlicher als das HZÜ. Soweit sie den Haager Zivilprozeßübereinkommen nachgebildet sind, gelten die dort entwickelten Heilungsgrundsätze entsprechend.26 Gleichwohl kann hierüber eine möglicherweise vom HZÜ errichtete Heilungssperre nicht im Wege des Günstigkeitsprinzips überwunden werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Zustellung eindeutig nicht nach dem HZÜ, sondern nach dem bilateralen Abkommen bewirkt werden sollte. 27 Im Anerkennungsverfahren ist sowohl im autonomen Recht als auch im staatsvertraglichen Recht eine umfassende Heilungsmöglichkeit gegeben. Die Einwendung des § 328 I Nr. 2 ZPO ist dann als rechtsmißbräuchlich anzusehen, wenn der Zustellungszweck erreicht ist. 28 Den Maßstab hierfür liefert § 187 ZPO. Staatsvertragliche Regelungen, etwa das HZÜ, stehen dem nicht entgegen.29 Auch § 16 a FGG unterliegt diesen Grundsätzen. 30 Ähnliches gilt für Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. 31 Auch hier wird die Versagung der Anerkennung negativ durch den auch für die Prüfung von Amts wegen geltenden Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt. 32 Anders als im autonomen deutschen Recht ist Maßstab insoweit jedoch nicht § 187 ZPO, sondern ein europarechtlicher Heilungsgedanke kraft Zweckerreichung. Dieser ergibt sich im Wege einer rechtsfortbildenden Rechtsvergleichung. 33 Im Rahmen der sonstigen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge stellt sich das Problem der Heilung selten in vollem Umfang, da aufgrund der weitgehenden Heilbarkeit von Zustellungsmängeln im Rahmen des § 328 ZPO die sonstigen staatsvertraglichen Regelungen — anders als das EuGVÜ — im We-

25

Zum Ganzen § 18 IV 2 c.

26

§ 19 I-IV.

27

§ 19 V.

28

§ 21 II 3 e.

29

§ 21 II 3 vora.

30

§ 21 II 3 f.

31

§ 22.

32

§ 22 II 5.

33

§ 22 II 4.

26*

404

Zusammenfassung und Ausblick

ge des Günstigkeitsprinzips hinter § 328 ZPO zurücktreten. 34 Sollte es dennoch in einem solchen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen auf die Frage der Heilung ankommen, so sollte — wiederum über den auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhenden Rechtsmißbrauchsgedanken — bei multilateralen Verträgen die Wertung des § 187 ZPO zur Anwendung kommen; dagegen ist bei bilateralen Verträgen der kleinste gemeinsame Nenner der beiden beteiligten autonomen Rechtsordnungen zu bilden. Für einzelne bilaterale Abkommen können sich jedoch abweichend von der konkreten Ausgestaltung im Einzelfall Abweichungen hiervon ergeben. 35 Weit weniger problematisch als bei verfahrenseinleitenden Schriftstücken ist die Beurteilung der Heilung bei sonstigen Schriftstücken. 36 Dort steht insbesondere das HZÜ mangels Exklusivität schon im Urteilsstaat einer Heilung nach dem autonomen Recht nicht entgegen. Auch verlangen regelmäßig weder die autonomen noch die staats vertraglichen Anerkennungsbestimmungen eine Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung. Allenfalls der allgemeine ordre public vermag hier in Einzelfällen einzugreifen. Entscheidender Maßstab für das Vorliegen eines ordre public-Verstoßes ist in diesem Fall die Wertung des autonomen Rechts des Anerkennungsstaates einschließlich seiner Heilungstatbestände. Die Heilung eines Zustellungsmangels nach dem Recht des Zustellungsstaates kann bereits im Zustellungszeugnis vermerkt werden. Stellt also die ersuchte Behörde fest, daß die von ihr veranlaßte Zustellung mangelhaft durchgeführt worden ist, so kann sie dennoch ein Zustellungszeugnis über eine ordnungsgemäße Zustellung ausstellen, sofern der Zustellungsmangel nach dem Recht des ersuchten Staates als geheilt anzusehen ist. Der Umstand der Heilung sollte im Zustellungszeugnis — auch soweit dessen Vordruck hierfür keinen eigenen Platz vorgesehen hat (so etwa das Zustellungszeugnis nach Art. 6 I HZÜ) — vermerkt werden. 37 Ob und welche Fristen durch eine geheilte Zustellung in Gang gesetzt werden, unterliegt in allen vorgenannten Fällen ausschließlich der lex fori des entscheidenden Gerichts. Dies gilt auch dann, wenn der im fraglichen Fall eingreifende Heilungstatbestand der Rechtsordnung des Zustellungsstaates entstammt. So

34

§ 23 I.

35

§ 23 II.

36

§ 25.

37

§ 24.

Zusammenfassung und Ausblick

entscheidet allein das deutsche Recht darüber, ob durch eine nach ausländischem Recht geheilte Zustellung eine Notfrist in Gang gesetzt wird. Allein maßgeblich ist hier die Wertung des § 187 S. 2 ZPO. 38 Demgegenüber entscheidet das jeweils angewandte Heilungsinstitut über die zeitliche Wirkung der Heilung. Im Falle einer Heilung nach einem ausländischen Recht bestimmt dieses, ob die Heilung ex tunc oder ex nunc wirkt. Dieser Zeitpunkt ist u.a. maßgeblich für den Eintritt der deutschen Rechtshängigkeit. Tritt danach die Rechtshängigkeit erst ex nunc ein, so läßt sich auch über § 270 I I I ZPO keine Rückwirkung erreichen, da diese Vorschrift unanwendbar auf den Eintritt der Rechtshängigkeit ist. 39 Die vorstehenden Ausführungen führen zu einer weitestgehenden Heilungsmöglichkeit im internationalen Zustellungsverkehr. Doch vermag das in dieser Arbeit entwickelte Heilungssystem nur den dringendsten Anforderungen eines reibungslosen und komplikationsfreien internationalen Zustellungsverkehrs gerecht zu werden. Die herausgearbeitete Systematik des internationalen Heilungsrechts entspricht in ihrer Komplexität und Verzweigtheit dabei weitgehend der Unübersichtlichkeit des internationalen Zustellungsrechts selbst. De lege ferenda kann deshalb auf eine Vereinfachung und vor allem auf eine Vereinheitlichung des internationalen Zustellungsrechts nicht verzichtet werden. Die bisherigen staatsvertraglichen Zustellungsregeln haben insoweit noch keinen entscheidenden Fortschritt gebracht; dies gilt auch für das HZÜ. Trotz der unbestreitbaren Notwendigkeit für ein vereinheitlichtes internationales Zustellungsrecht wird ein solches auch noch wohl weiter auf sich warten lassen. Der Grund hierfür liegt nicht nur in der unterschiedlichen Wertung der Kläger- und Beklagteninteressen in den einander gegenüberstehenden Systemen der remise au parquet und der effektiven Auslandszustellung. Vielmehr ist die Ursache für das Fehlen eines vereinheitlichten internationalen Zustellungsrechts vor allem auch in der engen Verzahnung der nationalen Zustellungssysteme mit dem sonstigen autonomen Prozeßrecht, insbesondere den Fristen und sonstigen Zustellungswirkungen zu sehen.40 Diese enge Verknüpfung wird auf absehbare Zeit kaum aufzubrechen sein. Die Schwierigkeiten der internationalen Zustellung werden damit auch zukünftig eine unschöne Realität des internationalen Rechtsverkehrs bleiben.

38

§§ 16 III 1; 17 III 1; 18 III la; 22 II 5; 24.

39

BayObLG MDR 1990, 632; Thomas / Ρutzo § 270 Rz. 6.

40

Loeff,;

Procès-Verbal, in: Actes et Documents III S. 169; Braun S. 106 mwN.

Literaturverzeichnis Sofern ein Werk wegen einer darin vertretenen Ansicht nicht in der aktuellen, sondern in einer Altauflage verwendet wurde, ist dies im Text gesondert vermerkt (Bsp: Zöller 17-Geimer). Nachweise ohne nähere Kennzeichnung beziehen sich stets auf die jeweils aktuelle Auflage.

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trtverzeichnis action in personam 162 Ägypten - Haager Übereinkommen 109 - jugement réputé contradictoire 158 amicus curiae 199 f. Amtszustellung 32 Anerkennungsübereinkommen - Anerkennung trotz fehlender Heilung im Urteilsstaat 302 f. - bilaterale - und Heilung 369 ff. - Erfordernis ordnungsgemäßer Zustellung 298 ff. - Heilung im Rahmen des § 16a FGG 322 f. - Heilung im Rahmen des § 328 ZPO 303 ff. - Heilung im Rahmen des Art. 27 EuGVÜ 324 ff. - Mißbrauch des Einrederechts 318 ff. Antigua und Barbuda - Haager Übereinkommen 110 Argentinien - Haager Übereinkommen 108 Auslandszustellung - effektive 85 ff. - fiktive 86 ff., 90 - und lex fori 99 - vertragsloser Rechtshilfeverkehr s. dort - Warnfunktion 202 f. Australien - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Bahamas - deutsch-brit. Rechtshilfe vertrag s. dort Barbados - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort - Haager Übereinkommen 110 Belarußland s. Weißrußland Belgien - Haager Übereinkommen 109 - - deutsch-belgische Vereinfachungsvereinbarung 113 - Heilungsrecht 341 ff. - remise au parquet 88, 146 Bosnien-Herzegowina - Haager Übereinkommen 108 Botswana

- Haager Übereinkommen 110 China - Haager Übereinkommen 110 courtoisie internationale 84 Dänemark - Haager Übereinkommen 109 - - deutsch-dänische Vereinfachungsverein barung 113 - Heilungsrecht 343 Deutsch-britischer Rechtshilfevertrag 162 ff. - Übersetzung 163, 166 f. - unmittelbares Zustellungsersuchen 165 f. - Vertragsstaaten 115 - Zustellung durch agent 164 - Zustellung durch die Post 164 f. - Zustellungswege 163 ff. - Zustellungsfehler und Heilung 295 f. Dominica - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort England - Heilungsrecht 351 ff. - vertragslose Rechtshilfe 105, 106 Europäischer Heilungsgrundsatz 338 ff., 362 f. - und EuGVÜ 363 ff. Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen - allgemeine Rechtsgrundsätze 338 ff. - einheitliche Anwendung 335 ff. - rechtsfortbildende Rechtsvergleichung 338 ff. - und europäischer Heilungsgrundsatz 363 ff. - Zustellungsbesonderheiten 167 ff. - Zustellungsmängel im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren 331 ff. Fidschi - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Finnland - Haager Übereinkommen 109 - Heilungsrecht 357 Form im Prozeß - Übermaßverbot 42 f. - Zweck, allgemein 39 ff. - Zweck der Zustellungsform 43 ff. Formmangel

Stichwortverzeichnis - wesentlicher und unwesentlicher 46 Frankreich - Haager Übereinkommen 109 - - und Überseegebiete 108 - - deutsch-französische Vereinfachungsvereinbarung 113, 227 f. - Heilungsrecht 343 ff. - jugement réputé contradictoire 158 - remise au parquet 88 ff. Freiwillige Gerichtsbarkeit 322 f. Gambia - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Genehmigung 56 ff. Georgien 109 Grenada - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Griechenland - deutsch-griechischer Rechtshilfevertrag 114, 161 f. - - Zustellungsfehler und Heilung 291 - Haager Übereinkommen 110 - Heilungsrecht 345 - remise au parquet 88 Günstigkeitsprinzip und Heilung 296, 328 ff., 370 ff. GUS-Staaten - Rechtsnachfolge in Verträge 109 - vertragslose Rechtshilfe 105 Guyana - deutsch-brit. Rechtshilfe vertrag s. dort Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1905 119 ff. - als lex specialis 231 f. - auf Zustellung anwendbares Recht 121 ff. - Durchführungsfehler und Heilung 238 ff. - falscher Übermittlungsweg und Heilung 227 ff. - fehlende Übersetzung und Heilung 243 ff. - irrtümliche Inlandszustellung und Heilung 224 ff. - Vertragsstaaten 108 - Zustellungswege 120 f. Haager Zivilprozeßübereinkommen von 1954 119 ff. - als lex specialis 231 f. - auf Zustellung anwendbares Recht 121 ff. - Durchführungsfehler und Heilung 238 ff. - falscher Übermittlungsweg und Heilung 227 ff. - fehlende Übersetzung und Heilung 243 ff. - irrtümliche Inlandszustellung und Heilung 224 ff. - Vertragsstaaten 108 - Zustellungswege 116 f. Haager Zustellungsübereinkommen von 1965 124 ff. - Ablehnungsgründe 125

-

423

anwendbares Recht 133 ff. Aussetzung des Verfahrens 137 ff. Beklagtenschutz 136 ff. diplomatische und konsularische Zustellung 127 f. - Durchführungsfehler und Heilung 268 ff. - - und die deutsche Erklärung zu Art. 15 II 274 ff. - falscher Übermittlungsweg und Heilung 262 ff. - fehlende Übersetzung und Heilung 277 ff. - Fortsetzung des Verfahrens ohne Zustellungsnachweis 149 ff. - - und öffentliche Zustellung 153 ff. - irrtümliche Inlandszustellung und Heilung 250 ff. - - maßgeblicher Ort der Heilung 253 ff. - postalische Zustellung 130 ff. - Sanktionierung von Zustellungsfehlern 257 ff. - Sanktionsnormen 248 f. - und Heilung 247 ff. - und nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke 383 f., 388 ff., 394 f. - und remise au parquet 139 ff. - und rügelose Einlassung 266 ff. - und Säumnisrecht 249 - unmittelbarer Behördenverkehr 127 - Verhältnis zu bilateralen Rechtshilfeverträgen 114 f. - Verlagerung der Übersetzungspflicht 285 ff. - Vertragsstaaten 109 f. - Wiedereinsetzung 157 ff. - Zentrale Behörde 126 f. - Zustellung durch Rechtsanwalt 128 f. - Zustellungswege 126 ff. Heilung - Abgrenzung zur weiten Auslegung 52, 180 ff. - Begriff 48 ff. - bewußte Verletzung von Zustellungsvorschriften 206 - durch Zweckvereitelung 71 f. - im Rahmen der Haager Prozeßübereinkommen von 1905 und 1954 s. dort - im Verfahren der Verwaltungszustellung 203 f. - im vertragslosen Rechtshilfeverkehr s. dort - nach der ZPO 54 ff. - nach ungeschriebenem Zweckerreichungsgrundsatz 66 ff. - Systematik 187 ff. - und fremdstaatliche Souveränität 189 ff. - Verhältnis der Heilungsinstitute 72 ff.

424

Stichwortverzeichnis

huissier 88 ff. Irland - Haager Übereinkommen 110 - Heilungsrecht 346 - vertragslose Rechtshilfe 105 - - Heilung von Zustellungsfehlern 221 Island - Haager Übereinkommen 108 - Heilungsrecht 357 f. Israel - Haager Übereinkommen 109 Italien - Haager Übereinkommen 109 - Heilungsrecht 347 - remise au parquet 88, 143 - vertragslose Rechtshilfe 105 Jamaika - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Japan - effektive Auslandszustellung 85 - Haager Übereinkommen 109 Jugoslawien - Haager Übereinkommen 108 - Rechtsnachfolge 109 Justizförmigkeit des Verfahrens 39 Kanada - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort - Haager Übereinkommen 110 Kasachstan 109 Kenia - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Kroatien - Haager Übereinkommen 108 Lesotho - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Lettland - Haager Übereinkommen 108 lex fori 99 Libanon - Haager Übereinkommen 108 locus regit actum 100 Lugano-Übereinkommen - Zustellungsbesonderheiten 167 ff. Luxemburg - Haager Übereinkommen 109 - - deutsch-luxemburgische Vereinfachungsvereinbarung 112 - Heilungsrecht 348 - remise au parquet 88 Mahnbescheid - Zulässigkeit bei Auslandsfall 393 - Zustellung 193, 386 f. Makedonien 109 Malawi - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort - Haager Übereinkommen 110 Malaysia

- deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Malta - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Marokko - deutsch-marokkanischer Rechtshilfevertrag 114, 161 - - Zustellungsfehler und Heilung 294 f. - Haager Übereinkommen 108 Mauritius - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort mischief rule 259 Moldawien - Haager Übereinkommen 108 Nato-Truppenstatut - als Sonderrecht 233 - und Rechtshilfe 234 - Zustellungsfehler und Heilung 235 f. - Zustellungsformen 232 f. Nauru - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Neuseeland - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort nichtverfahrenseinleitende Schriftstücke 379 ff. - keine Exklusivität des H Z Ü 383 f., 388 ff., 394 f. - und fiktive Inlandszustellung ff. - und Heilung von Zustellungsfehlern 381 ff. Niederlande - Haager Übereinkommen 109 - - und Überseegebiete 108, 109 f. - - deutsch-niederländischer Vertrag 113, 142 - Heilungsrecht 348 f. - remise au parquet 88 Nigeria - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Norwegen - effektive Auslandszustellung 85 - Haager Übereinkommen 109 - - deutsch-norwegische Vereinfachungsvereinbarung 113 - Heilungsrecht 358 - unmittelbare Anrufung des Gerichtsvollziehers 262 f. ordre public im Anerkennungsrecht 312 ff. Österreich - effektive Auslandszustellung 85 - Haager Prozeßübereinkommen 108 - - deutsch-österreichische Vereinfachungsvereinbarung 112 - Heilungsrecht 358 f. - Klagezustellung 238 - vertragslose Rechtshilfe 105, 106 - Zustellungsgesetz 100, 358 f. pacta sunt servanda 230 f.

Stichwortverzeichnis Pakistan - Haager Übereinkommen 110 Parteizustellung 32 pas de nullité sans grief 341, 344 Polen - effektive Auslandszustellung 85 - Haager Übereinkommen 108 - - deutsch-polnische Vereinfachungsvereinbarung 112 - vertragslose Rechtshilfe 105 Portugal - Haager Übereinkommen 109 - - und Überseegebiete 108 - Heilungsrecht 349 f. Prüfungsstelle 85 Rechtshilfe - aktive 78 - als Justizverwaltungssache 77, 85 - innerstaatliche 74 f. - internationale 75 ff. - Kompetenz zur Durchführung 77 ff. - passive 79 - völkerrechtliche Verpflichtung 80 ff. - vertragslose 92 ff. - - anwendbares Recht 97 ff. - - Durchführung 97 ff. - - Durchführungsfehler 209 ff. - - falscher Übermittlungsweg 194 ff., 208 - - Heilung von Übersetzungsmängeln 218 ff. - - Heilung von Zustellungsfehlern 183 ff. - - irrtümliche Inlandszustellung 184 ff. - - Notwendigkeit einer Übersetzung 214 ff. - - unzulässige konsularische Zustellung 207 - - unzuläsige Privatzustellung 208 - - Zustellungswege 92 ff. remise au parquet 88 ff. - Gefahren 91 - und Haager Zustellungsübereinkommen 139 ff. - und Übersetzung 144 ff. - Zweispurigkeit 89 rügelose Einlassung 266 ff. Rumänien - Haager Übereinkommen 108 Russische Föderation - Haager Übereinkommen 108 Salomonen - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Sambia - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Saint. Vincent und Grenadinen - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Santa Lucia - deutsch-brit. Rechtshilfe vertrag s. dort

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Schottland - Heilungsrecht 356 Schweden - effektive Auslandszustellung 85 - Haager Übereinkommen 109 - - deutsch-schwedische Vereinfachungsvereinbarung 113 - Heilungsrecht 359 f. - vertragslose Rechtshilfe 105 Schweiz - effektive Auslandszustellung 85 - Haager Übereinkommen 108 - - deutsch-schweizerische Vereinfachungsvereinbarung 112 - Heilungsrecht 360 ff. - - kantonales 360 f. - - des Bundes 361 service out of jurisdiction 162 f. Seychellen - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort - Haager Übereinkommen 110 Sierra Leone - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Singapur - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Slowakische Republik - Haager Übereinkommen 109 Slowenien - Haager Übereinkommen 108 Souveränitätsverletzung 189 ff. - allgemeine Regeln des Völkerrechts 201 f. - Wiedergutmachungsansprüche 199 ff. Spanien - Haager Übereinkommen 109 - Heilungsrecht 351 Staatennachfolge in Rechtshilfe Verträge 109 Streitverkündung - Zustellung 398 Surinam - Haager Übereinkommen 108 Swasiland - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Tansania - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Trinidad und Tobago - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort Tschechische Republik - Haager Übereinkommen 109 Tunesien - deutsch-tunesischer Vertrag 114, 161 - - Zustellungsfehler und Heilung 292 ff. Türkei - deutsch-türkischer Rechtshilfevertrag 113, 161 - - Zustellungsfehler und Heilung 291 - Haager Übereinkommen 109

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Stichwortverzeichnis

Übersetzung - im Rahmen des HZÜ - Differenzierungen 278 ff. - im vertragslosen Rechtshilfeverkehr 214 ff. - Ratio 244 Ungarn - Haager Übereinkommen 108 unvoluntary agent 175 Urteilszustellung 381 USA - Haager Übereinkommen 110 - Marshai 94 - Secretary of State 91 - Sheriff 94 - vertragslose Rechtshilfe 106 Vatikanstadt - Haager Übereinkommen 108 Vereinigtes Königreich - s. auch England u. Schottland - Civil Jurisdiction and Judgements Act 163 - deutsch-britscher Rechtshilfevertrag s. dort - - und Überseegebiete 115 - Haager Übereinkommen 110 - - und Überseegebiete 110 verfahrenseinleitendes Schriftstück - Abgrenzung zum nichtverfahrenseinleitenden 379 f. Verwaltungszustellung ins Ausland 203 Vollstreckungsbescheid - Zustellung 387 Weißrußland - Haager Übereinkommen 108 Widerspruch - Wirkung 130 ff. Zivil- und Handelssache 116 ff. Zustellung - an Bundeswehrsoldaten 37

-

an EU-Rechtsanwälte 36 an Lebensgefährten 241 an NATO-Truppen 37, 232 ff. Begriff 29 ff. diplomatische 92 f., 103 ff. durch Aufgabe zur Post 36, 86 ff., 386 ff. durch (eingeschriebenen) Brief 95 durch Marshal 94 durch Private 95 durch Sheriff 94 Ergänzung 55 formlose 102 - als Teil der deutschen lex fori 104 f. - statt beantragter förmlicher Zustellung 283 ff. - im unmittelbaren Behördenweg 94 ff. - konsularische 93 ff., 103 ff. - Nachholung 55 - öffentliche 37, 86 ff. - und fremdstaatliche Souveränität 96 - und Parteidisposition 132 f. - Verfahren 33 f. - von Anwalt zu Anwalt 35 - Wiederholung 54 Zustellungsdurchgriff 193 Zustellungsfehler 174 ff. Zustellungszeugnis 34 f. - als öffentliche Urkunde 45 - und Heilung 375 ff. Zweckerreichung 63 f., 66 ff. - fingierte 67 - im europäischen Recht 340 ff. - tatsächliche 67 Zweckvereitelung 71 f. Zypern - deutsch-brit. Rechtshilfevertrag s. dort - Haager Übereinkommen 110