Die Erfindung der Ziemia Lubuska: Konstruktion und Aneignung einer polnischen Region 1945–1975 [1 ed.] 9783737006545, 9783847106548

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Die Erfindung der Ziemia Lubuska: Konstruktion und Aneignung einer polnischen Region 1945–1975 [1 ed.]
 9783737006545, 9783847106548

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Kultur- und Sozialgeschichte Osteuropas / Cultural and Social History of Eastern Europe

Band 5

Herausgegeben von Dittmar Dahlmann, Anke Hilbrenner, Claudia Kraft, Julia Obertreis, Stefan Rohdewald und Frithjof Benjamin Schenk

Kerstin Hinrichsen

Die Erfindung der Ziemia Lubuska Konstruktion und Aneignung einer polnischen Region 1945–1975

Mit 12 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2365-8061 ISBN 978-3-7370-0654-5 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Camilla Dirlmeier Stiftung. Von der Philosophischen FakultÐt der UniversitÐt Siegen als Dissertation angenommen im Jahr 2015.  2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Briefmarke der Polnischen Post, 1960 (https://de.fotolia.com/id/84334819).

Inhalt

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1. Die Ziemia Lubuska – Konstruktion einer Region . . . . . . . . . 1.1 Von der Festung zur Woiwodschaft . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Das Land Lebus – Von den Piasten zu den Hohenzollern 1.1.2 Territorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Die Ziemia Lubuska in der Volksrepublik Polen . . . . . 1.2 Aus Ostbrandenburg wird die Ziemia Lubuska – Bevölkerungsaustausch und »Repolonisierung« . . . . . . . . . 1.2.1 Flucht, Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Die Verifizierung der Nationalität . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Ansiedlung der polnischen Bevölkerung . . . . . . . . . 1.2.4 Mythos der »Wiedergewonnenen Gebiete« und »Repolonisierung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.5 Folgen für das Nachkriegsleben in der Ziemia Lubuska . 1.2.6 Was ist die Ziemia Lubuska? . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . Fragestellung und Forschungsstand Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendung von Ortsnamen . . . .

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2. Das Geschichtsbild und seine Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Ziemia Lubuska als »Garant der Unabhängigkeit des polnischen Staates« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Das »Polentum« der Ziemia Lubuska . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Der Aufbau-Mythos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Verbreitung des Geschichtsbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Das Wissenschaftliche Ferienstudium und Schulbücher zur Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

2.4.2 Reiseführer und Tourismus . . . 2.4.3 Märchenbücher . . . . . . . . . . 2.4.4 Filme und Polnische Filmchronik 2.5 Die Erfindung neuer Traditionen . . . 2.5.1 Zielona Gjra und der Wein . . . 2.5.2 Hymne und Stadtwappen . . . . . 2.6 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . .

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3. »Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska . . . . . . . . . . 3.1 Das kulturelle Leben bis 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Das kulturelle Leben nach 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Regionalismus in der Volksrepublik Polen . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Gründung der Lebuser Kulturgesellschaft . . . . . . . . 3.2.3 Die Entstehung der Zeitschrift Nadodrze . . . . . . . . . . . 3.3 Das »Lebuser Kulturexperiment« und seine Bewertung . . . . . . 3.4 Gorzjws späte »Belebung« und die Konkurrenz mit Zielona Gjra . 3.5 Aktivierung durch Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Erforschung der Region – Forschung in der Region: Die Herausbildung eines akademischen Umfeldes in der Ziemia Lubuska . 4.1 Historische Wissenschaft in der Ziemia Lubuska . . . . . . . . . . 4.2 Posen als Zentrum regionaler Forschung . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Der »Lebuser Weg zur Universität« – Die Regionalforschung vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Anfänge der Institutionalisierung der Regionalforschung in Zielona Gjra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Die Entstehung der Lebuser Wissenschaftsgesellschaft . . . . 4.3.3 Eine Hochschule für die Ziemia Lubuska . . . . . . . . . . . 4.4 Der Gorzjwer Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Tourismus in der Ziemia Lubuska . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Die Bedeutung des Tourismus für die polnischen Westgebiete . 5.2 Touristische Anfänge in der Ziemia Lubuska . . . . . . . . . . 5.3 Warten auf Kolumbus – Das Bild von der Ziemia Lubuska in Reiseführern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Reiseführer zur Ziemia Lubuska bzw. zur Woiwodschaft Zielona Gjra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Reiseführer zu Zielona Gjra und Gorzjw . . . . . . . . . 5.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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6. Ausblick: Die Ziemia Lubuska seit 1975 . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Die Verwaltungsreform von 1975 – Teilung der Ziemia Lubuska . . 6.2 Die Verwaltungsreform von 1998 – Entstehung der Woiwodschaft Lebus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Lubuskie – »Gut, dass es uns gibt«? . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen . . . . . . Periodika . . . . . . . . . . . . Gedruckte Quellen . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . Internetseiten . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung

Als der Zweite Weltkrieg in Europa am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endete, gab es kaum einen Ort, an dem die demographischen, materiellen, sozialen und politischen Folgen der fast sechsjährigen Auseinandersetzung nicht zu spüren waren. Zwischen 1939 und 1945 hatten über 50 Millionen Zivilisten und Soldaten ihr Leben verloren, Tausende Städte und Dörfer lagen in Trümmern, massive Bevölkerungsverschiebungen waren im Gange. Durch den Völkermord an den europäischen Juden und die Auslöschung gesellschaftlicher und ökonomischer Eliten in vielen besetzten Gebieten hatte sich die soziale Struktur mehrerer Länder fundamental verändert. Die Interessensgegensätze der Siegermächte führten zur Teilung Deutschlands und schließlich zum Kalten Krieg. Nicht zuletzt resultierte der Zweite Weltkrieg in Grenzverschiebungen in ganz Europa. Diese auf den Pariser Friedenskonferenzen im Jahr 1946 beschlossenen Verschiebungen betrafen insbesondere die rumänischungarische, die bulgarisch-rumänische und die italienisch-jugoslawische Grenze sowie all diejenigen Regionen, die sich die Sowjetunion einverleibte – Teile des finnischen Westkareliens, die in Rumänien gelegene Region Bessarabien, die nördliche Bukowina und die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen. Insgesamt, resümierte der Historiker Tony Judt, blieben die Grenzen nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch – im Gegensatz zur Situation nach dem Ersten Weltkrieg – »weitgehend intakt«.1 Eine »wesentliche[] Ausnahme« war, »wie so oft, Polen«. Die Potsdamer Beschlüsse vom August 1945 sahen vor, das gesamte Land um 200 bis 300 km in den Westen zu verschieben. Ehemals polnische Städte wie Wilna (Vilnius), Lemberg (Lviv) und Grodno (Hrodna) fielen an Litauen, die Ukraine und Belarus und gehörten damit fortan zur Sowjetunion, die Freie Stadt Danzig (Gdan´sk) sowie die ostdeutschen Städte Breslau (Wrocław) und Stettin (Szczecin) wurden polnisch und mit ihnen alle ehemals deutschen Gebiete östlich von Oder und Lausitzer Neiße. Polen verlor 179.740 km2 im Osten und gewann dafür 102.936 km2 im Westen und Norden 1 Judt, Tony : Die Geschichte Europas seit dem Zweiten Weltkrieg. Bonn 2006, S. 43f.

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Einleitung

hinzu. Mit dieser Grenzverschiebung einher gingen gewaltige Bevölkerungsverschiebungen, Millionen Deutsche, Polen, Ukrainer flüchteten, wurden vertrieben und umgesiedelt. Von den massiven Umwälzungen betroffen waren auch die östlich der Oder gelegenen Teile der preußischen Provinz Brandenburg, die Neumark. Nach der Übernahme durch Polen im Jahr 1945 wurde sie mit Teilen Schlesiens und Großpolens zur Ziemia Lubuska (Lebuser Land) zusammengefasst. Das historische Brandenburg wurde folglich geteilt, während auf der polnischen Seite eine neue Region entworfen wurde. Bezug genommen wurde dabei zwar auf das im Mittelalter existierende Land Lebus, dessen ursprüngliche Fläche machte jedoch auf dem Territorium der Ziemia Lubuska der Nachkriegszeit nur einen sehr kleinen Teil aus, zumal eine Hälfte auf der westlichen Seite der Oder lag. Die Bevölkerung der Region wurde durch Flucht, Vertreibung und Aussiedlung der Deutschen und Ansiedlung von Polen fast völlig ausgetauscht, 1950 waren mindestens 96,2 Prozent der Bewohner der Ziemia Lubuska aus anderen Woiwodschaften, den polnischen Ostgebieten oder dem Ausland zugewandert.2 Nun war die Neubildung von Regionen, die über keinerlei historischen Bezugspunkt verfügten, nach dem Zweiten Weltkrieg nicht unbedingt ein Einzelfall – viele der westdeutschen Bundesländer etwa hatte es in dieser Form nie zuvor gegeben.3 So handelt es sich bei dem »Bindestrich-Land« Nordrhein-Westfalen um »eine britische Erfindung«,4 das den nördlichen Teil des Rheinlandes, Westfalen und das Land Lippe umfasst. Auch die Nationalstaatsgrenzen überschreitende Lage historischer Regionen war keine Seltenheit, galt dies doch ebenso – und mitunter schon lange vor 1945 – für Istrien, Schlesien oder Karelien. Ferner teilte die Ziemia Lubuska das Schicksal des Bevölkerungsaustauschs mit Regionen wie Pommern und in weniger starkem Ausmaße Ostpreußen, Oberschlesien oder dem sogenannten Sudetenland. Wenngleich aber auch Nordrhein-Westfalen mit seinem Namen und seiner Landesidentität zu kämpfen hatte5 und Pommern (das nach der Westverschiebung Polens in den Woiwodschaften Stettin und Köslin [Koszalin] aufging) und Niederschlesien (Woiwodschaft Breslau) ebenfalls einen fast vollständigen Bevölkerungsaus2 Eine ausführliche Geschichte der Genese des Begriffs »Ziemia Lubuska« behandelt das Kapitel 1. 3 Schmiechen-Ackermann sieht auch in anderen diktatorischen Regimen Versuche, neue Regionen zu definieren, die politisch gewollten territorialen Strukturen entsprechen, so etwa im Nationalsozialismus und in der DDR. Schmiechen-Ackermann, Detlef: Regionen als Bezugsgrößen in Diktaturen und Demokratien, in: ders. u. a. (Hg.): Regionalismus und Regionalisierungen in Diktaturen und Demokratien des 20. Jahrhunderts (Comparativ, 13. Jg., Heft 1). Leipzig 2003, S. 13. 4 Alemann, Ulrich von / Brandenburg, Patrick: Nordrhein-Westfalen. Ein Land entdeckt sich neu. Köln 2000, S. 26. 5 Ebd., S. 30, S. 64–72.

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tausch verarbeiten mussten, so sah sich die Ziemia Lubuska nach dem Zweiten Weltkrieg doch in der besonderen Situation, all diese Merkmale zu vereinen: weder verfügte sie über historisch gewachsene Grenzen, noch über eine einheimische Bevölkerung geschweige denn über regionale Institutionen oder ein Regionalbewusstsein. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es das Ziel der kommunistischen Machthaber, hier eine neue territoriale Einheit entstehen zu lassen – sowohl institutionell als auch im Bewusstsein der Menschen. Die neu angesiedelte Bevölkerung sollte an die Ziemia Lubuska gebunden6 und das Gebiet wirtschaftlich und gesellschaftlich in den polnischen Staat integriert werden. Es ging damit um eine Herausforderung, die Eric Hobsbawm am Beispiel des Einwanderungslandes USA mit der Wendung »Americans had to be made« bezeichnet hat.7 In diesem Sinne mussten auch die Lebuser erst noch geschaffen werden. Aber die Aufgaben gingen darüber noch hinaus: die Menschen auf dem Gebiet der Ziemia Lubuska sollten in etwas integriert werden, das selbst noch gar nicht wirklich existierte. Dies macht die Region im Vergleich zu in der Forschung bereits untersuchten Orten wie Breslau, Danzig und Stettin zu einem Sonderfall. Die polnische Minderheit in den Gebieten, die nun zur Ziemia Lubuska zählten, war sehr klein gewesen, und das ehemalige Ostbrandenburg war zu keinem Zeitpunkt von Polen beansprucht worden, sodass eine polnische Verbindung mit der Region quasi nicht vorhanden war und mühsam aufgebaut werden musste. Anders als die genannten Städte konnte sie darüber hinaus auf keine gewachsene Tradition zurückgreifen, an die die Bevölkerung nun hätte anknüpfen können. Erschwerend hinzu kam die Grenzlage, die die Ansiedlung nicht besonders attraktiv machte. Weiterhin verfügten die nun polnischen Städte über einen definierten territorialen Raum, wohingegen die Ziemia Lubuska in dieser Form jedoch bis 1945 überhaupt nie existiert hatte. Es mussten also nicht nur neue polnische Traditionen geschaffen und die polnische Geschichte des Gebiets erfunden werden. Die gesamte Region als solche musste erst erfunden, diese Erfindung plausibel gemacht und mit Leben gefüllt werden. Denn das Ziel der Machthaber war es, einen »nationalen Traditionsbezug«8 herzustellen, ohne den der Bevölkerung der Ziemia Lubuska ein wichtiger Identitätsanker gefehlt 6 Ose˛kowski, Czesław : Społeczen´stwo Polski zachodniej i pjłnocnej w latach 1945–1956. Procesy integracji i dezintegracji [Die Gesellschaft West- und Nordpolens in den Jahren 1945–1956. Integrations- und Desintegrationsprozesse]. Zielona Gjra 1994, S. 5. 7 Hobsbawm bezieht sich dabei auf das Problem, dass ein Großteil der Bewohner der Vereinigten Staaten von Amerika im 19. Jahrhundert keine gebürtigen Amerikaner waren, dass es also notwendig war, sie zu Amerikanern zu machen. Hobsbawm, Eric: Mass-Producing Traditions: Europe, 1870–1914, in: ders. / Ranger, Terence (Hg.): The Invention of Tradition. Cambridge 2012, S. 279. 8 Zaremba, Marcin: Im nationalen Gewande. Strategien kommunistischer Herrschaftslegitimation in Polen 1944–1980. Osnabrück 2011, S. 175.

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hätte. Hinzu kam die Aufgabe, die äußerst heterogene Gesellschaft zu integrieren und an die Region heranzuführen. Diese Politik richtete sich nicht nur an die Bevölkerung der Ziemia Lubuska, sondern auch an alle übrigen Polen: sie sollten das neue Land an der Oder als integralen Bestandteil Polens akzeptieren und seine Zugehörigkeit als selbstverständlich erachten.

Fragestellung und Forschungsstand Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einer besonderen Form des regionbuilding: sie untersucht die Konstruktion der Ziemia Lubuska, ihre Etablierung als Teil Polens und ihre Aneignung durch die Lebuser sowie die übrigen Polen. Diese Konstruktion fand auf verschiedenen Ebenen statt: auf praktischer Ebene umfasste sie die Markierung des Territoriums, die Genese des Begriffs und die Schaffung regionaler Institutionen.9 Sie setzte sich fort in dem Entwurf eines Geschichtsbildes und einer Gegenwart sowie in regionalen Diskursen zum kulturellen und akademischen Leben der Ziemia Lubuska.10 Bei dem Gebiet handelte es sich um eine »tabula rasa«, die komplett neu beschrieben werden musste. Das eröffnete den Raum für die Schaffung neuer mental maps. Daher kommt der Frage nach der Popularisierung der Ziemia Lubuska und ihrer Darstellung als polnische Region eine besonders wichtige Rolle zu. »Denn letztlich«, so das Urteil Gregor Thums, »hing der Erfolg bei der Integration der Westgebiete davon ab, ob Polens Bevölkerung Schlesien, Pommern und Masuren [und die Ziemia Lubuska, K.H.] als Teil des eigenen Landes betrachtete und eine ausreichende Zahl von Menschen bereit war, sich in den neuen Wojewodschaften für den Wiederaufbau und die Etablierung polnischen Lebens zu engagieren.«11 Es galt also, die Fremdheit gegenüber den neuen Gebieten zu überwinden, um eine möglichst rasche wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Region sowie ihre vollständige Integration in den polnischen Staat zu ermöglichen. Neben der Konstruktion wird nach der Aneignung der Ziemia Lubuska gefragt. Aneignung wird dabei mit Jan Musekamp verstanden als Prozess, »innerhalb dessen die Adaption der heterogenen Bevölkerung an ihren neuen

9 Zum Konstruktionscharakter von »historischen Regionen«: Topolski, Jerzy : Przestrzen´ i historia [Raum und Geschichte], in: Rzeki. Kultura, cywilizacja, historia 1995/4, S. 15–31. 10 Zur Herstellung von Regionen durch Diskurse: Ewert, Stefan: Region building im Ostseeraum. Zur Rolle der Hochschulen im Prozess der Regionalisierung im Nordosten der Europäischen Union. Wiesbaden 2012, S. 31. 11 Thum, Gregor: Die fremde Stadt. Breslau 1945. Berlin 2003, S. 271.

Fragestellung und Forschungsstand

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Wohnort erfolgt«.12 Dies bezieht sich in der vorliegenden Arbeit aber nicht allein auf die Bewohner der Ziemia Lubuska, sondern auch auf die Bewohner des übrigen Polens, die sich die neue Region ebenfalls zu Eigen machen sollten. Untersucht werden verschiedene Aneignungsmechanismen, so einerseits die Aneignung durch Wissen über die Region, andererseits die Aneignung durch eigenes Entdecken und durch die Auseinandersetzung mit der Region vor Ort. Dementsprechend lauten die zentralen Fragen der Arbeit: Welche Ziele wurden mit der Konstruktion der Ziemia Lubuska verfolgt und mit welchen Mitteln erfolgte sie? Wer waren die Akteure dieses Konstruktionsprozesses und von welchen Motiven waren sie geleitet? Wie war das Verhältnis von regionalen und anderen Akteuren? Wie wurde Wissen über die Ziemia Lubuska produziert und verbreitet? Welche Identifikationsangebote wurden den Lebusern und den Polen zur Verfügung gestellt? Welche Versuche wurden unternommen, die Ziemia Lubuska in Polen bekannter zu machen? Wie gestaltete sich das Verhältnis von Nationalisierung und Regionalisierung, denen in »Zwischenräumen«, wie sie die Ziemia Lubuska darstellt, eine konkurrierende Stellung nachgesagt wird?13 Welchen Einfluss hatte die sich wandelnde Einstellung der kommunistischen Machthaber zum Regionalismus? Welche Rolle kam den deutschen Hinterlassenschaften und den mitgebrachten Erfahrungen der Neusiedler aus Ost- und Zentralpolen zu? Und zuletzt: inwieweit wirkten die Bemühungen, eine neue Region zu schaffen, über die Jahre 1975 und 1989 hinaus? Damit fügt sich die Untersuchung erstens in die mittlerweile recht umfangreiche Forschung zu Städten ein, die nach 1945 ihre nationale Zugehörigkeit gewechselt haben. Zu den Wandlungen, denen ostmitteleuropäische Städte nach den Umwälzungen durch Krieg, Zugehörigkeitswechsel und Bevölkerungsaustausch ausgesetzt waren, liegt eine Reihe von Studien vor. Dazu gehören die Monographien zu Bratislava, Lemberg, Grodno, Wilna und Königsberg (Kaliningrad).14 Zahlreich vertreten sind in diesem Forschungsfeld auch Städte der polnischen 12 Musekamp, Jan: Zwischen Stettin und Szczecin. Metamorphosen einer Stadt von 1945 bis 2005. Wiesbaden 2010, S. 18. 13 Loew, Peter Oliver u. a.: Zwischen Enteignung und Aneignung: Geschichte und Geschichten in den »Zwischenräumen Mitteleuropas«, in: ders. u. a. (Hg.): Wiedergewonnene Geschichte. Zur Aneignung von Vergangenheit in den Zwischenräumen Mitteleuropas. Wiesbaden 2006, S. 10f. 14 Engemann, Iris: Die Slowakisierung Bratislavas. Universität, Theater und Kultusgemeinden 1918–1948. Wiesbaden 2012; Risch, William Jay : The Ukrainian West. Boston 2011; Ackermann, Felix: Palimpsest Grodno. Nationalisierung, Nivellierung und Sowjetisierung einer mitteleuropäischen Stadt. Wiesbaden 2010; Briedis, Laimonas: Vilnius: City of Strangers. Vilnius 2009; Brodersen, Per: Die Stadt im Westen. Wie Königsberg Kaliningrad wurde. Göttingen 2006; Hoppe, Bert: Auf den Trümmern von Königsberg. Kaliningrad 1946– 1970. München 2000. Zu Aussig (5st& nad Labem) entsteht derzeit eine Studie: Wetzel, Frauke: Heimisch werden durch Geschichte. 5st& nad Labem 1945–2014 [Unveröffentlichtes Manuskript].

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Einleitung

Westgebiete, namentlich Posen (Poznan´), Stettin, Görlitz/Zgorzelec, Danzig und Breslau.15 Gemeinsam ist letzteren Arbeiten neben ihrem stadthistorischen Ansatz ihr starker Fokus auf den ersten Jahren des Übergangs, d. h. auf Migrationsbewegungen, der Übernahme der Verwaltung durch polnische Behörden, frühen symbolische Handlungen wie Straßenumbenennungen, Denkmalstürzen und dem städtischen Wiederaufbau nach geschichtspolitischen Gesichtspunkten. Dadurch thematisieren die Autoren auch stets den Umgang mit dem deutschen Kulturerbe, häufig auch den damit verbundenen Paradigmenwandel nach 1989. Die vorliegende Arbeit hebt sich von diesen Studien ab, indem sie sich nicht auf die unmittelbaren Umbruchphasen, die Akte der Umcodierung und die Aneignung durch symbolpolitische Maßnahmen konzentriert. Stattdessen beschreibt sie einen längerfristigen Prozess der Aneignung, in dessen Verlauf die anfänglich leere Hülle der künstlich geschaffenen Ziemia Lubuska von lokalen und auswärtigen Akteuren mit Leben gefüllt wurde, indem sie sich mit der Region beschäftigten, Wissen über sie produzierten und es verbreiteten. Dies geschah im Rahmen dessen, was in der Volksrepublik Polen die kulturelle, wissenschaftliche und touristische Bewirtschaftung (zagospodarowanie) des Gebiets genannt wurde. Dieser Begriff zeugt vom konkreten Projekt, die Region, für die der Begriff der tabula rasa Mitte der 1940er Jahre durchaus zutreffend war, Schritt für Schritt und Bereich für Bereich zu polonisieren, zu integrieren und zu beleben. Neben geschichts- und symbolpolitischen Maßnahmen ging es dabei vor allem auch um den Aufbau von gesellschaftlicher Infrastruktur. Im Fokus stehen dabei nicht nur die Bewohner der Ziemia Lubuska, sondern auch auswärtige Akteure, die an der Entdeckung, Beschreibung, Erforschung und Popularisierung der Region aktiv teilhatten. Fand dieses Engagement auch stets im Rahmen der politischen Möglichkeiten und offiziellen Narrative statt, so handelte es sich doch um eigenständige Akteure, die die Schaffung und Weiterentwicklung der Ziemia Lubuska zu ihrem Projekt machten und mit ihm eigene Erwartungen verbanden. Aufgrund dieser Schwerpunktlegung erscheinen die in vielen Studien zu den polnischen Westgebieten im Zentrum stehenden Phänomene »Entdeutschung« und »Polonisierung« der späten 1940er Jahre sowie die symbolpolitischen Maßnahmen der Übergangszeit in der vorliegenden Arbeit nur am Rande. Die Frage nach dem Umgang mit den deutschen Hinterlassenschaften wird punktuell aufgegriffen, wenn es um den Neuanfang der Archive und Museen, aber auch des Tourismus-Betriebes geht. Hierbei kann hinsichtlich der Ziemia Lubuska auf eine aufschlussreiche Studie von Dorota Bazun´ zur Aneignung von 15 Moskal, Anna: Die Polonisierung der Stadt Posen nach 1918 und 1945. Im Spannungsfeld von Region und Nation. Wiesbaden 2013; Musekamp, Zwischen Stettin, 2010; Opiłowska, Elz˙bieta: Kontinuitäten und Brüche deutsch-polnischer Erinnerungskulturen. Görlitz/ Zgorzelec 1945–2006. Dresden 2009; Loew, Peter Oliver : Danzig und seine Vergangenheit 1793–1997. Osnabrück 2003; Thum, Die fremde Stadt, 2003.

Fragestellung und Forschungsstand

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Alltagsgegenständen in der Region zurückgegriffen werden.16 Herle Forbrich thematisiert in ihrer Arbeit den Umgang mit den architektonischen Hinterlassenschaften auch in den Odergebieten,17 in den Sammelbänden von Zbigniew Mazur von 1997 und 2000 finden sich Beiträge zum Denkmalschutz in der Region.18 Der Lokalhistoriker Robert Piotrowski erforschte, wie das heutige Gorzjw Wielkopolski (Landsberg an der Warthe) sich auch vor 1989 mit seiner deutschen Vergangenheit auseinandersetzte.19 Zuletzt erschienen zwei Sammelbände, deren knappe Beiträge sich u. a. auf einzelne Aspekte des Umgangs mit dem Kulturerbe in der Ziemia Lubuska etwa durch das Museum in Zielona Gjra (Grünberg in Schlesien) oder die Lebuser Kulturgesellschaft (Lubuskie Towarzystwo Kultury, LTK) konzentrieren.20 Standen abgesehen von vereinzelten Regionalstudien21 bislang Städte im 16 Bazun´, Dorota: Veränderungen in der Beziehung zum Kulturerbe, insbesondere zu Gebrauchsgegenständen, als Ausdruck der »Aneignung« von Geschichte durch die Bewohner der westlichen Grenzgebiete Polens, in: Loew, Peter Oliver u. a. (Hg.): Wiedergewonnene Geschichte. Zur Aneignung von Vergangenheit in den Zwischenräumen Mitteleuropas. Wiesbaden 2006, S. 145–163. 17 Forbrich, Herle: Herrenhäuser ohne Herren. Ostelbische Geschichtsorte im 20. Jahrhundert. München 2008. 18 Insbes.: Brencz, Andrzej: Das deutsche Erbe im Prozess der Gestaltung einer neuen dörflichen Kulturlandschaft im mittleren Odergebiet, in: Mazur, Zbigniew (Hg.): Das deutsche Kulturerbe in den polnischen West- und Nordgebieten. Wiesbaden 2003, S. 72–89; Myszkiewicz, Wiesław : Die Straßen in Grünberg, in: Mazur, Zbigniew (Hg.): Das deutsche Kulturerbe in den polnischen West- und Nordgebieten. Wiesbaden 2003, S. 243–245; Kowalski, Stanisław : Baugeschichtliche Untersuchungen im Gebiet der mittleren Oder, in: Mazur, Zbigniew (Hg.): Das deutsche Kulturerbe in den polnischen West- und Nordgebieten. Wiesbaden 2003, S. 90–102; Czarnuch, Zbigniew : W cieniu zamku… Siedlisko, dawnej Carolath [Im Schatten des Schlosses… Siedlisko, das ehemalige Carolath], in: Mazur, Zbigniew (Hg.): Wspjlne dziedzictwo? Ze studijw nad stosunkiem do spus´cizny kulturowej na Ziemiach Zachodnich i Pjłnocnych [Gemeinsames Erbe? Aus den Studien zum Verhältnis zum Kulturerbe in den West- und Nordgebieten]. Poznan´ 2000, S. 389–416; Brencz, Andrzej: Niemieckie wiejskie cmentarze jako element krajobrazu kulturowego s´rodkowego Nadodrza [Deutsche Dorffriedhöfe als Element der Kulturlandschaft im mittleren Odergebiet], in: Mazur, Zbigniew (Hg.): Wspjlne dziedzictwo? Ze studijw nad stosunkiem do spus´cizny kulturowej na Ziemiach Zachodnich i Pjłnocnych [Gemeinsames Erbe? Aus den Studien zum Verhältnis zum Kulturerbe in den West- und Nordgebieten]. Poznan´ 2000, S. 287–308. 19 Piotrowski, Robert: Landsbergs geschichtliches Erbe in Gorzjw, in: Serrier, Thomas (Hg.): Die Aneignung fremder Vergangenheiten in Nordosteuropa am Beispiel plurikultureller Städte (20. Jahrhundert). Lüneburg 2007, 60–88. 20 Nodzyn´ski, Tomasz / Tureczek, Marceli (Hg.): Ziemia Lubuska. Dziedzictwo kulturowe i toz˙samos´c´ regionu w perspektywie powojennego siedemdziesie˛ciolecia [Ziemia Lubuska. Kulturerbe und Identität der Region aus der Perspektive 70 Jahre nach dem Krieg]. Gorzjw Wielkopolski u. a. 2015; Tureczek, Marceli / Mykietjw, Bogusław (Hg.): Władza i społeczen´stwo wobec niemieckiej spus´cizny kulturowej na Ziemi Lubuskiej po II wojnie s´wiatowej [Staat und Gesellschaft gegenüber dem deutschen Kulturerbe in der Ziemia Lubuska nach dem Zweiten Weltkrieg]. Zielona Gjra 2011. 21 Sakson, Andrzej: Von Memel bis Allenstein. Die heutigen Bewohner des ehemaligen Ost-

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Mittelpunkt der Untersuchungen, ist es in dieser Arbeit eine ganze Region. Diese unterlag anderen Bedingungen als die Städte, so vor allem der sich wandelnden Politik gegenüber Regionen nach 1945. Daher leistet die Arbeit zweitens auch einen Beitrag zur Erforschung des (volks)polnischen Regionalismus nach 1945. Zur Tradition der regionalen Bewegung in Polen existieren einige allgemeine Darstellungen,22 das Konzept des »offenen Regionalismus« nach 1989 wurde ausführlich besprochen.23 Explizit dem Regionalismus der 1950er bis 1970er Jahre gewidmete Studien liegen jedoch nicht vor. In Überblicksdarstellungen zum Regionalismus wird der Zeitraum nur ansatzweise besprochen, am ehesten thematisiert dieses Phänomen Danuta Konieczka-S´liwin´ska, die sich mit der Behandlung von Regionalismus und Regionalgeschichte in der Schule in den verschiedenen Phasen der Volksrepublik beschäftigt.24 Danuta Nowak lieferte jüngst einen knappen Einblick in das Thema im Hinblick auf die Ziemia Lubuska.25 Regionalismus als Phänomen in den Westgebieten in den Nachkriegs-

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preußens: Memelland, Kaliningrader Gebiet, Ermland und Masuren. Frankfurt am Main 2016; Nowosielska-Sobel, Joanna u. a. (Hg.): Permanent change. The New Region(s) of Silesia (1945–2015). Wrocław 2015; Giedrojc´, Marzenna: Kształtowanie toz˙samos´ci kulturowej mieszkan´cjw Pomorza Zachodniego w drugiej połowie XX wieku [Die Herausbildung der kulturellen Identität der Bewohner von Westpommern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts]. Szczecin 2005; Risch, Ukrainian West, 2011, S. 253; Hartwich, Mateusz J.: Das schlesische Riesengebirge. Die Polonisierung einer Landschaft nach 1945. Köln 2012. Gorzelak, Grzegorz / Jałowiecki, Bohdan (Hg.): Czy Polska be˛dzie pan´stwem regionalnym? [Wird Polen ein regionaler Staat sein?] Warszawa 1993; Zare˛bski, Maciej Andrzej (Hg.): Regionalizm, patriotyzm, europejskos´c´ [Regionalismus, Patriotismus, Europäertum]. Zagnan´sk 2007. Kraft, Claudia: Erinnerung im Zentrum und an der Peripherie, in: Haslinger, Peter (Hg.): Diskurse über Zwangsmigration in Zentraleuropa. München 2008, S. 59–75; Kraft, Claudia: Lokal erinnern, europäisch denken. Regionalgeschichte in Polen, in: Osteuropa 2006/11–12, S. 235–244; Traba, Robert: Regionalismus in Polen: Die Quelle des Phänomens und sein neues Gesicht nach 1989, in: Ther, Philipp / Sundhaussen, Holm (Hg.): Regionale Bewegungen und Regionalismen in europäischen Zwischenräumen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Marburg 2003, S. 275–284; Traba, Robert: »Offener Regionalismus« – Bürgerinitiativen für die Entwicklung der polnischen Kultur, in: InterFinitimos 2010/8, S. 61–72; Traba, Robert: Regionalkontexte: Essentialistischer Mainstream oder sozial-konstruktivistische Nische?, in: Historie 2011–2012, S. 7–12; Traba, Robert: »Otwarty regionalizm« – praktyczna filozofia obywatelska [»Offener Regionalismus« – praktische bürgerliche Philosophie], in: Borussia 49 (2011), S. 9–16; Z˙ylin´ski, Leszek: Der neu entdeckte Regionalismus. Zum Problem der Regionalität in Polen nach 1989 am Beispiel der Kulturgemeinschaft BORUSSIA, in: Altenburg, Detlef u. a. (Hg.): Im Herzen Europas. Nationale Identitäten und Erinnerungskulturen. Köln 2008, S. 295–305. Konieczka-S´liwin´ska, Danuta: Edukacyjny nurt regionalizmu historycznego w Polsce po 1918 roku: konteksty, koncepcje programowe, realia [Der pädagogische Aspekt des historischen Regionalismus in Polen nach 1918: Kontexte, Konzepte, Realitäten]. Poznan´ 2011. Nowak, Danuta: Regionalizm w edukacji historycznej na Ziemi Lubuskiej po 1945 roku [Regionalismus in der historischen Erziehung in der Ziemia Lubuska nach 1945], in: Nodzyn´ski, Tomasz / Tureczek, Marceli (Hg.): Ziemia Lubuska. Dziedzictwo kulturowe i toz˙samos´c´ regionu w perspektywie powojennego siedemdziesie˛ciolecia [Ziemia Lubuska.

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jahrzehnten thematisiert auch Grzegorz Strauchold.26 Markus Krzoska konstatierte zuletzt, dass der »Begriff der Region […] in den Zeiten der Volksrepublik höchstens im Kontext des Tourismus oder der Folklore auftauchte«.27 Dies greift aber zu kurz. Roland Borchers geht darüber hinausgehend davon aus, dass sich »regionale Kulturarbeit« im Realsozialismus auf Beiträge zum Beweis der (historischen) Zugehörigkeit der Region zu Polen oder auf Folklore beschränken musste.28 Die vorliegende Arbeit wird allerdings zeigen, dass auch damit die ganze Bandbreite der Beschäftigung mit der Region nicht erfasst wird. An die bisherige Forschung knüpft die vorliegende Studie mit der Frage an, in welcher Weise die Prozesse in der Ziemia Lubuska von der sich wandelnden Einstellung zum Regionalismus beeinflusst wurden und wie ihr Beispiel in die verschiedenen Phasen des polnischen Nachkriegs-Regionalismus eingeordnet werden kann. Sie eröffnet aber eine neue Perspektive, indem sie Prozesse der Regionalisierung mit Detlef Schmiechen-Ackermann als »Entwicklung eines räumlichen Zugehörigkeitsgefühls, einer raumbezogenen Selbstdeutung und Artikulation regionaler Interessen«29 versteht. Die Region ist danach als Konstrukt zu verstehen, das immer wieder neu generiert werden muss, wenn es wirkmächtig bleiben soll.30 Nur ein langer Untersuchungszeitraum vermag diese Prozesse angemessen offenzulegen. Die Akte der symbolischen Umcodierung in der frühen Nachkriegszeit schufen nur die formale Hülle eines regionalen Raumes. Ihn mit Leben zu füllen, war eine Daueraufgabe in den Händen konkreter Akteure. Drittens leistet die Arbeit einen Beitrag zur neuesten Geschichte der Ziemia Lubuska nach 1945. Deutschsprachige Publikationen existieren hierzu kaum, wenngleich in den letzten Jahren ein steigendes Interesse zu verzeichnen ist. Eine Ausnahme bilden die Publikationen von Beata Halicka, die sich insbesondere mit den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und den Ansiedlungspro-

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Kulturerbe und Identität der Region aus der Perspektive 70 Jahre nach dem Krieg]. Gorzjw Wielkopolski u. a. 2015, S. 243–252. Strauchold, Grzegorz: Regionalistyka Ziem Zachodnich i Pjłnocnych w pogla˛dach władzy pan´stwowej i organizacji mys´li zachodniej – Polskiego Zwia˛zku Zachodniego (1944–1950) i Towarzystwa Rozwoju Ziem Zachodnich (1957–1971) [Die Regionalistik der West- und Nordgebieten in den Ansichten der staatlichen Behörden und der Organisationen des Westgedankens – Polnischer Westverband (1944–1950) und Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete (1957–1972)], in: Studia Zachodnie 2004/7, S. 249–269. Krzoska, Markus: Ein Land unterwegs. Kulturgeschichte Polens seit 1945. Paderborn 2015, S. 242f. Borchers, Roland: Die Kaschubei im Realsozialismus, in: Olschowsky, Burkhard u. a. (Hg.): Region, Staat, Europa. Regionale Identitäten unter den Bedingungen von Diktatur und Demokratie in Mittel- und Osteuropa. München 2004, S. 147–161, hier S. 157. Schmiechen-Ackermann, Regionen, 2003, S. 13. Ebd., S. 10.

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zessen beschäftigte.31 Zuletzt erschien ihre Studie zur kulturellen Aneignung des Oderraums zwischen 1945 und 1948, die in erheblichem Maße auch die Ziemia Lubuska betrifft. Auf der Basis von Erinnerungen der Neusiedler konzentriert sie sich auf die Anfänge der Herausbildung einer »neuen Gesellschaft«.32 Somit bildet das Buch eine gute Grundlage für eine Untersuchung der darauf folgenden Jahre, wie diese Arbeit sie beabsichtigt. Weiterhin entstand 2008 im Rahmen eines Seminars an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) der populärwissenschaftliche Reiseführer »Terra Transoderana: Zwischen Neumark und Ziemia Lubuska«, der neben touristischen Hinweisen auch die Nachkriegsgeschichte einiger Orte aufgreift.33 In Studien zu Flucht, Vertreibung und Umsiedlung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten finden sich vereinzelte Abschnitte, die sich mit diesen Prozessen in den Odergebieten befassen.34 Zuletzt erschien ein Sammelband, dessen Beiträge sich mit der Ziemia Lubuska als Kulturlandschaft befassen.35 Die polnische Historiographie hat der Ziemia Lubuska deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt. In der Nachkriegszeit entstanden zunächst Publikationen, die die Rechtfertigung der Grenzverschiebung sowie die positive Entwicklung der Region seit Kriegsende in den Mittelpunkt stellten, dazu gehören u. a. die erste polnischsprachige Monographie »Ziemia Lubuska«36 aus der Reihe Ziemie Staropolski (Die Länder Altpolens) sowie zahlreiche Artikel im Przegla˛d Zachodni (Westrundschau), dem Organ des Posener West-Instituts (Instyut Zachodni, IZ). Ab Mitte der 1950er Jahre erschienen weitere Studien zur Vorkriegsgeschichte der Ziemia Lubuska und den Anfängen der polnischen Verwaltung sowie der darauf folgenden kulturellen, akademischen, wirtschaftlichen 31 Halicka, Beata: Das Zäsurjahr an der Mittleren Oder in den Erinnerungen von Deutschen und von Polen, in: Michalka, Wolfgang / Schmook, Reinhard (Hg): Schwierige Nachbarn? 300 Jahre deutsch-polnische Nachbarschaft. Berlin 2007, S. 59–73; Halicka, Beata: Der »polnische Wilde Westen«. Die Bevölkerung der Ziemia Lubuska nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Vogenbeck, Bernd u. a. (Hg.): Terra Transoderana. Zwischen Neumark und Lebuser Land. Berlin u. a. 2008, S. 38–58. 32 Halicka, Beata: Polens Wilder Westen. Erzwungene Migration und die kulturelle Aneignung des Oderraums 1945–1948. Paderborn 2013, S. 186. Einige ins Deutsche übersetzte Erinnerungen, darunter auch von Bewohnern der Ziemia Lubuska, wurden in deutscher Sprache veröffentlicht: Halicka, Beata (Hg.): »Mein Haus an der Oder«. Erinnerungen polnischer Neusiedler in Westpolen nach 1945. Paderborn 2014. 33 Vogenbeck, Bernd u. a. (Hg.): TerraTransoderana. Zwischen Neumark und Ziemia Lubuska. Berlin u. a. 2008. 34 Insbes. Jankowiak, Stanisław : Wojewodschaft Posen, in: Borodziej, Włodzimierz / Lemberg, Hans (Hg.): »Unsere Heimat ist uns ein fremdes Land geworden…« Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945–1950. Dokumente aus polnischen Archiven, Band 3. Marburg 2004, S. 1–265; Curp, T. David: A Clean Sweep. Rochester 2006. 35 Ba˛kiewicz, Marta Jadwiga (Hg.): An der mittleren Oder. Eine Kulturlandschaft im deutschpolnischen Grenzraum. Paderborn 2016. 36 Sczaniecki, Michał / Zajchowska, Stanisława: Ziemia Lubuska. Poznan´ 1950.

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und gesellschaftlichen Entwicklung,37 außerdem entstanden zahlreiche Artikel, die vor allem in den regionalen, populärwissenschaftlichen Zeitschriften Rocznik Lubuski (Lebuser Jahrbuch) und Przegla˛d Lubuski (Lebuser Rundschau) publiziert wurden. Der Soziologe Zygmunt Dulczewski veröffentlichte die Ergebnisse seiner in der Ziemia Lubuska durchgeführten Untersuchungen.38 Die zwischen 1945 und 1989 erschienene Literatur ist häufig stark von den politischen Bedingungen geprägt und dient dieser Arbeit eher als Quellenmaterial denn als Forschungsbeitrag. Seit den 1990er Jahren und insbesondere seit der Gründung der Universität in Zielona Gjra im Jahr 2001 entstanden zunehmend Beiträge in Sammelbänden, die das Nachkriegsleben (Ansiedlung, Kultur und Kulturpolitik, Bildung, studentisches Leben, Wirtschaft) insbesondere in Zielona Gjra und Gorzjw Wielkopolski (im Folgenden: Gorzjw) zum Thema haben.39 Sieht man von den in den 2000er Jahren entstandenen faktenlastigen Werken zu Zielona Gjra und Gorzjw ab,40 sind Monographien zu ausgewählten Aspekten der Geschichte der Ziemia Lubuska jedoch nach wie vor rar, wenngleich in jüngster Zeit zunehmend mehr Publikationen erschienen. In den meisten Fällen handelt es sich stattdessen um eben jene Sammelbandbeiträge sowie um Artikel aus den regionalen wissen37 Szczegjła, Hieronim: Z´rjdła do pocza˛tkjw władzy ludowej na Ziemi Lubuskiej [Quellen zu den Anfängen der Volksrepublik in der Ziemia Lubuska]. Poznan´ 1971; Szczegjła, Hieronim: Przeobraz˙enia ustrojowo-społeczne na Ziemi Lubuskiej [Wandel im System und der Gesellschaft in der Ziemia Lubuska]. Poznan´ 1971; Udział Wojska Polskiego w zasiedleniu i zagospodarowaniu, 1945–1948 [Wir sind in die Ziemia Lubuska zurückgekehrt. Die Beteiligung der Polnischen Armee an der Ansiedlung und Bewirtschaftung]. Warszawa 1974; Wielgosz, Zbigniew : Nowa Marchia w historiografii niemieckiej i polskiej [Die Neumark in der deutschen und polnischen Historiographie]. Poznan´ 1980; Sczaniecki, Michał / Korcz, Władysław : Dzieje Ziemi Lubuskiej [Die Geschichte der Ziemia Lubuska]. Warszawa 1960. 38 Dulczewski, Zygmunt: Społeczen´stwo Ziem Zachodnich [Die Gesellschaft der Westgebiete]. Poznan´ 1971; Dulczewski, Zygmunt: Tworzenie sie˛ nowego społeczen´stwa na Ziemiach Zachodnich [Der Aufbau einer neuen Gesellschaft in den Westgebieten]. Poznan´ 1961. 39 Siehe die Sammelbände: Ose˛kowski, Czesław (Hg.): Z dziejjw Ziemi Lubuskiej po drugiej wojnie ´swiatowej [Aus der Geschichte der Ziemia Lubuska nach dem Zweiten Weltkrieg]. Zielona Gjra 2005; Kotlarek, Dawid / Bartkowiak, Przemysław (Hg.): Zielona Gjra na przestrzeni dziejjw. Przemiany społeczno-kulturowe [Zielona Gjra im Lauf der Zeit. Gesellschaftlich-kultureller Wandel]. Zielona Gjra 2007, S. 226–234; Bartkowiak, Przemysław / Kotlarek, Dawid (Hg.): W słuz´bie władzy czy społeczen´stwa? Wybrane problemy kultury i nauki na S´rodkowym Nadodrzu w latach 1945–1989 [Im Dienst des Staates oder der Gesellschaft? Ausgewählte Probleme der Kultur und der Wissenschaft im Mittleren Odergebiet in den Jahren 1945–1989]. Zielona Gjra 2010; Strzyz˙ewski, Wojciech (Hg.): Historia Zielonej Gjry. Dzieje miasta w XIX i XX wieku, tom II [Geschichte Zielona Gjras. Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert. Band 2]. Zielona Gjra 2012. 40 Zaradny, Ryszard: Władza i społecznos´c´ Zielonej Gjry w latach 1945–1973 [Verwaltung und Gesellschaft Zielona Gjras in den Jahren 1945–1973]. Zielona Gjra 2009; Rymar, Dariusz: Gorzjw Wielkopolski w latach 1945–1998. Przemiany społeczno-polityczne [Gorzjw Wielkopolski in den Jahren 1945–1998. Gesellschaftlich-politischer Wandel]. Szczecin u. a. 2005.

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schaftlichen Zeitschriften Rocznik Lubuski, Studia Zielonogjrskie (Zielona Gjraer Studium), Nadwarcian´ski Rocznik Archiwalno-Historyczny (ArchivalischHistorisches Warthe-Jahrbuch) und ProLibris. Eine Nachkriegsgeschichte der gesamten Region liegt bisher nicht vor. Für diese Arbeit relevant sind insbesondere die Sammelbände sowie die Artikel von Izabela Korniluk, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum in Zielona Gjra, und der Diplom-Bibliothekarin Janina Wallis zum Kulturleben41 sowie des Historikers Hieronim Szczegjła zur Entwicklung der Region nach 1945 und zur Herausbildung des akademischen Umfelds.42 Weiterhin bieten die 41 Korniluk, Izabela: »Nadodrze« – organ prasowy Lubuskiego Towarzystwa Kultury [»Nadodrze« – das Presseorgan der Lebuser Kulturgesellschaft], in: Buck, Andrzej u. a. (Hg.): Oblicza prasy Ziem Zachodnich w latach 1945–2012 [Die Presse der Westgebiete in den Jahren 1945–2012]. Zielona Gjra 2013, S. 187–208; Korniluk, Izabela: »Rocznik Lubuski« – wydawnictwo naukowe Lubuskiego Towarzystwa Kultury [»Rocznik Lubuski« – die wissenschaftliche Publikation der Lebuser Kulturgesellschaft], in: Studia Zielonogjrskie 2013, S. 127–138; Korniluk, Izabela: Ogolnjpolski Zjazd Naukowcjw w Zielonej Gjrze – 22 marca 1958 roku [Die Gesamtpolnische Wissenschaftler-Versammlung in Zielona Gjra – 22. März 1958], in: Studia Zielonogjrskie 2012, S. 171–184; Korniluk, Izabela: III Sejmik Lubuskiego Towarzystwa Kultury – 11 stycznia 1964 roku [Die dritte Versammlung der Lebuser Kulturgesellschaft – 11. Januar 1964], in: Studia Zielonogjrskie 2012, S. 185–200; Korniluk, Izabela: I Sejmik Kultury [Die erste Kulturversammlung], in: Studia Zielonogjrskie 2010, S. 171–198; Korniluk, Izabela: Lubuskie Towarzystwo Kultury – w słuz˙bie społeczen´stwu pod nadzorem władzy [Die Lebuser Kulturgesellschaft – im Dienste der Gesellschaft unter der Aufsicht der staatlichen Behörden], in: Bartkowiak, Przemysław / Kotlarek, Dawid: W słuz˙bie władzy czy społeczen´stwa? Wybrane problemy kultury i nauki na S´rodkowym Nadodrzu w latach 1945–1989 [Im Dienst des Staates oder der Gesellschaft? Ausgewählte Probleme der Kultur und der Wissenschaft im Mittleren Odergebiet in den Jahren 1945–1989]. Zielona Gjra 2010, S. 37–43; Korniluk, Izabela: Rola Lubuskiego Towarzystwa Kultury w kształtowaniu toz˙samos´ci i ochrony dziedzictwa kulturowego [Die Rolle der Lebuser Kulturgesellschaft für die Herausbildung der Identität und den Schutz des Kulturerbes], in: Mykietjw, Bogusław / Tureczek, Marceli (Hg.): Władza i społeczen´stwo wobec niemieckiej spus´cizny kulturowej na Ziemi Lubuskiej po II wojnie ´swiatowej [Staat und Gesellschaft gegenüber dem deutschen Kulturerbe in der Ziemia Lubuska nach dem Zweiten Weltkrieg]. Zielona Gjra 2010, S. 79–83; Wallis, Janina: Amatorski ruch kulturowy w latach 1945–1956 czynnikiem integruja˛cym społeczen´stwo [Die Amateur-Kulturbewegung in den Jahren 1945–1956 als die Gesellschaft integrierender Faktor], in: Rocznik Lubuski 2005/2, S. 61–93; Wallis Janina: Z˙ycie kulturalne na Ziemi Lubuskiej w latach 1945–1950 w s´wietle czasopism »Ziemia Gorzowska« i »Ziemia Lubuska« [Das kulturelle Leben in der Ziemia Lubuska in den Jahren 1945–1950 im Licht der Zeitschriften »Ziemia Gorzowska« und »Ziemia Lubuska«], in: Studia Zachodnie 2002/6, S. 193–203. 42 Szczegjła, Hieronim: Pierwsze lata polskiej Zielonej Gjry 1945–1950 [Die ersten Jahre des polnischen Zielona Gjra 1945–1950], in: Strzyz˙ewski, Wojciech (Hg.): Historia Zielonej Gjry, tom III: Dzieje miasta w XIX i XX wieku [Die Geschichte Zielona Gjras, Band 3: Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert]. Zielona Gjra 2012, S. 387–440; Szczegjła, Hieronim: Zielonogjrska droga do uniwersytetu (cz.I) [Der Weg Zielona Gjras zur Universität (Teil 1)], in: Studia Zielonogjrskie 2007, S. 127–147; Szczegjła, Hieronim: Ziemie Zachodnie i Pjłnocne w polityce PZPR w latach 1949–1956 [Die West- und Nordgebiete Polens in der Politik der PVAP in den Jahren 1949–1956], in: Ose˛kowski, Czesław (Hg.):

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Arbeiten von Andrzej Toczewski sowie Maria Rutowska und Maria Tomczak zur Entwicklung eines Regionalbewusstseins in der Ziemia Lubuska interessante Anregungen.43 Da es im Rahmen dieser Dissertation nicht möglich ist, Aneignungsprozesse in sämtlichen Bereichen darzustellen, müssen aufgrund des dieser Arbeit zugrunde liegenden Quellenkorpus einige Themen außen vor bleiben. Nicht behandelt werden können hier daher die integrative Funktion von Kirche und Schule sowie etwa die Rolle der Pfadfinder in der Ziemia Lubuska.44 Auch die künstlerische und literarische Aneignung der Region45 und die Rolle örtlicher Ziemie Zachodnie i Pjłnocne Polski w okresie stalinowskim [Die West- und Nordgebiet in der stalinistischen Zeit]. Zielona Gjra 1999, S. 19–24; Szczegjła, Hieronim: Polnische Ansiedlung in Ostbrandenburg, in: Schultz, Helga (Hg.): Bevölkerungstransfer und Systemwandel. Ostmitteleuropäische Grenzen nach dem Zweiten Weltkrieg. Berlin 1998, S. 31–38; Szczegjła, Hieronim: Zielona Gjra. Rozwjj miasta w Polsce Ludowej [Zielona Gjra. Entwicklung einer Stadt in der Volksrepublik Polen]. Poznan´ 1984; Szczegjła, Hieronim: Rozwjj szkolnictwa wyz˙szego i nauki w Zielonej Gjrze [Die Entwicklung des Hochschulwesens und der Wissenschaft in Zielona Gjra], in: Przegla˛d Lubuski 1980/1–2, S. 55–67. 43 Rutowska, Maria / Tomczak, Maria: Ziemia Lubuska jako region kulturowy [Die Ziemia Lubuska als Kulturregion]. Poznan´ 2003; Toczewski, Andrzej (Hg.): Ziemia Lubuska. Studia nad toz˙samos´cia˛ regionu [Die Ziemia Lubuska. Studien zur Identität der Region]. Zielona Gjra 2004. 44 Abschnitte zum religiösen Leben zwischen 1945 und 1980: Szczegjła, Pierwsze lata, 2012; Zaradny, Ryszard: Z˙ycie społeczno-polityczne w Zielonej Gjrze w latach 1950–1980 [Das gesellschaftlich-politische Leben in Zielona Gjra in den Jahren 1950–1980], in: Strzyz˙ewski, Wojciech (Hg.): Historia Zielonej Gjry, tom III: Dzieje miasta w XIX i XX wieku [Die Geschichte Zielona Gjras, Band 3: Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert]. Zielona Gjra 2012, S. 441–636; Socha, Paweł: Rola kos´cijła katolickiego na Ziemi Lubuskiej w kształtowaniu polskiej kultury narodowej [Die Rolle der katholischen Kirche in der Ziemia Lubuska für die Entwicklung einer polnischen Nationalkultur], in: Studia Zielonogjrskie 2007, S. 19–36; zur Rolle der Schule: Ose˛kowski, Społeczen´stwo Polski, 1994, S. 195–234; Walak, Bogumiła: Społeczno-integracyjna rola szkoły podstawowej na Ziemi Gorzowskiej w latach 1945–1960 [Die gesellschaftlich-integrative Rolle der Grundschule in der Region Gorzjw in den Jahren 1945–1960]. Gorzjw Wielkopolski 2011; Bartkowiak, Przemysław : Dzieje harcerstwa na Ziemi Lubuskiej w latach 1945–1989 [Die Geschichte des Pfadfinderwesen in der Ziemia Lubuska in den Jahren 1945–1989]. Zielona Gjra 2012. 45 Muszyn´s´ki, Jan: Smutny i pie˛kny obraz plastykjw pionierjw na Ziemi Lubuskiej [Ein trauriges und schönes Bild der Künstler-Pioniere in der Ziemia Lubuska], in: Trakt. Pismo społecznokulturalne 2000/21, S. 21; Felchnerowski, Armand: Plastyka lubuska 1945–1952. Materiały do monografii [Lebuser Kunst 1945–1952. Materialien für eine Monographie]. Zielona Gjra 1989; Dziez˙yc´, Longin: Przeobraz˙enia w procesie kształtowania ´srodowiska kulturowego S´rodkowego Nadodrza na przykładzie wybranych inicjatyw zielonogjrskiego muzeum [Wandel im Prozess der Entwicklung eines Kulturmilieus im Mittleren Odergebiet am Beispiel ausgewählter Initiativen des Museums von Zielona Gjra], in: Bartkowiak, Przemysław / Kotlarek, Dawid (Hg.): W słuz˙bie władzy czy społeczen´stwa? Wybrany problemy kultury i nauki na S´rodkowym Nadodrzu w latach 1945–1989 [Im Dienst des Staates oder der Gesellschaft? Ausgewählte Probleme der Kultur und Wissenschaft auf dem Mittleren Odergebiet in den Jahren 1945– 1989]. Zielona Gjra 2010, hier: S. 56–59; Zaradny, Władza, 2009, S. 667–676; Koniusz, Janusz: O społecznym ruchu kulturalnym w wojewjdztwie zielonogjrskim [Über die gesellschaftliche Kulturbewegung in der Woiwodschaft Zielona Gjra], in: Rocznik Lubuski 1968/5, hier: S. 75–

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Einleitung

Betriebe für Gorzjw und Zielona Gjra können nur am Rande berücksichtigt werden.

Aufbau der Arbeit Im Fokus der Studie stehen die beiden größten Städte der Ziemia Lubuska, Zielona Gjra und Gorzjw, da es sich bei ihnen um die regionalen Zentren handelt, von denen der Prozess der regionalen Konstruktion ausging. Die Arbeit untersucht den Zeitraum 1945 bis 1975. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass sich nur in dieser Zeit das gesamte »Ziemia Lubuska« genannte Gebiet innerhalb einer Woiwodschaft befand. Zwar hatten zwischen 1945 und 1950 einige Teile zu den Woiwodschaften Breslau und Stettin gehört, doch kann man bereits in dieser Zeit von einer Verwaltungseinheit Ziemia Lubuska sprechen. 1975 hingegen wurde die Woiwodschaft in zwei Teile geteilt und firmierte fortan unter den Namen Zielona Gjra und Gorzjw. In einem einleitenden Kapitel wird die Geschichte der heute als Ziemia Lubuska bezeichneten Region von ihren namensgebenden Anfängen im Mittelalter bis zur Westverschiebung Polens im Jahr 1945 dargestellt. Es gilt, sowohl die historischen Bezugspunkte zur Namensgebung im Jahr 1945 als auch die wechselhafte Geschichte als deutsch-polnischer Grenzraum darzustellen. Anschließend werden die Anfänge innerhalb des polnischen Staates thematisiert. Im Fokus steht hierbei der Prozess der territorialen und begrifflichen Konstruktion der Ziemia Lubuska nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Weiteren untersucht Kapitel 2 das für die Ziemia Lubuska entworfene Geschichtsbild nach 1945 mit seinen historischen Bezugspunkten. In einem weiteren Schritt wird die Verbreitung dieses Bildes mittels populärwissenschaftlicher Bücher und Märchen, des Schulunterrichts, des Tourismus und der 80; Mikołajczak, Małgorzata: »Biała plama«? Twjrczos´c´ lubuska w perspektywie nowego regionalizmu [»Weißer Fleck«? Das Lebuser Schaffen aus der Perspektive des neuen Regionalismus], in: ProLibris 2010/31, S. 63–71. Seit 2010 wirkt an der Universität Zielona Gjra das Labor zur Erforschung der regionalen Literatur (Pracownia Badan´ nad Literatura˛ Regionalna˛), deren Mitarbeiter in der Zeitschrift ProLibris zahlreiche Artikel veröffentlichen. In der Reihe »Historia Literatury Pogranicza« (Geschichte der Grenzliteratur) der Forschungsstelle erschienen u.a. Mikołajczak, Małgorzata: Zbliz˙enia. Studia i szkice pos´wie˛cone literaturze lubuskiej [Annäherungen. Der Lebuser Literatur gewidmete Studien und Skizzen]. Zielona Gjra . 2011; Mikołajczak, Małgorzata: Miejsce i tozsamos´c´. Literatura lubuska w perspektywie poetyki przestrzeni i antropologii [Ort und Identität. Die Lebuser Literatur aus der Perspektive der Raumpoetik und der Anthropologie]. Zielona Gjra 2013; Was´kiewicz, Andrzej: Lubuskie s´rodowisko literackie. Szkice z lat 1963–2012 [Das Lebuser Literaturmilieu. Skizzen aus den Jahren 1963–2012]. Zielona Gjra 2014; Rudiak, Robert: Z˙ycie literackie na Ziemi Lubuskiej w latach 1945–2000 [Das literarische Leben in der Ziemia Lubuska in den Jahren 1945–2000]. Zielona Gjra 2015.

Quellen

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»Erfindung« neuer Traditionen am Beispiel des Weinfestes in Zielona Gjra sowie der Wappen von Zielona Gjra und Gorzjw dargestellt. Das dritte Kapitel stellt die kulturelle Belebung der Ziemia Lubuska in den Mittelpunkt und zeigt damit den realen und alltäglichen Umgang mit der Tatsache, dass es sich um eine neu erfundene Region handelte. Die im Zusammenhang mit dem polnischen Regionalismus der späten 1950er Jahren stehende kulturelle Bewegung, das sogenannte »Lebuser Kulturexperiment«, spielte eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Region, weil sich regionale Institutionen herausbildeten und eine rege Diskussion um die Region in der Presse begann. Es fand erstmals eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Region durch lokale Akteure statt, was von einer beginnenden Aneignung zeugt. Auch wird hier deutlich, welche Vorteile Zielona Gjra durch die Position als Woiwodschaftshauptstadt Gorzjw gegenüber hatte und welche Auswirkungen diese Unterschiede auf die Herausbildung eines Regionalbewusstseins und einer regionalen Zugehörigkeit haben können. Daran anschließend untersucht Kapitel 4 die Weiterentwicklung dieser kulturellen Bewegung zur Herausbildung eines akademischen Umfeldes in der Ziemia Lubuska. Diese Entwicklungen sind für die Region insofern von großer Relevanz, als sie damit erstmals auf der wissenschaftlichen Landkarte Polens erscheint, ihre Attraktivität für ausgebildete Eliten deutlich steigt und vor allem eine Regionalforschung vor Ort ermöglicht wird. Auch lassen sich hier wesentliche Modi von Wissensproduktion und -verbreitung beobachten. Das fünfte Kapitel gilt der Popularisierung der Ziemia Lubuska in Polen und fokussiert dabei den Tourismus als Vehikel zur Verbreitung von Wissen über die Westgebiete. Adressaten waren hierbei sowohl die Lebuser als auch die übrigen Polen. Es galt also, etwa über die Herausstellung der für die Region typischen Landschaft, die Ziemia Lubuska bekannter zu machen und ein Bild ihrer Gegenwart zu entwerfen. Ein Ausblick behandelt die weitere Entwicklung der Ziemia Lubuska seit 1975 bis heute. Hier stehen Fragen nach der begrifflichen und territorialen Kontinuität ebenso im Mittelpunkt wie die Auseinandersetzung mit der Region und die Diskussion um die Schaffung einer Woiwodschaft Lebus (Wojewjdztwo Lubuskie) nach 1989. Abschließend wird ein Blick auf die laufenden Debatten zur regionalen Identität der Ziemia Lubuska geworfen.

Quellen Die vorliegende Studie basiert auf Primärquellen aus polnischen Archiven sowie zeitgenössischen Publikationen und Presseerzeugnissen aus der Region. Bei den gedruckten Quellen handelt es sich zumeist um polnische Mono-

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Einleitung

graphien und Sammelbände aus den Jahren 1945 bis 1975, die die Geschichte und Gegenwart der Ziemia Lubuska thematisieren. Verlegt wurden sie sowohl in Zielona Gjra und Gorzjw als auch außerhalb der Woiwodschaft, am häufigsten in Posen und Warschau. Als Quelle sind sie in mehreren Kapiteln zentral, wobei sowohl einzelne Publikationen wegen der Verwendung von Begriffen, ihrer Schwerpunktlegung und ihres Geschichtsbildes relevant sind als auch die Veröffentlichungen in ihrer Gesamtheit, um wesentliche Autoren, Themen und Entwicklungen über einen längeren Zeitraum aufzuspüren. Weiterhin zählen zu den gedruckten Quellen die regionalen Zeitschriften Rocznik Lubuski, Zeszyty Lubuskie (Lebuser Hefte) und Przegla˛d Lubuski, die in Zielona Gjra verlegt wurden und einen populärwissenschaftlichen Anspruch hatten. Darüber hinaus fungiert das Organ der Polnischen Touristisch-Landeskundlichen Gesellschaft (Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze, PTTK), die Zeitschrift Ziemia (Erde), als Quelle für die Analyse des Tourismus. Nicht zuletzt handelt es sich um polnische Reiseführer aus dem Zeitraum 1945 und 1975, welche sowohl für die Untersuchung des Geschichtsbildes als auch für den Tourismus herangezogen werden. Der Analyse des Geschichtsbildes dienten darüber hinaus Schulbücher und Lehrpläne, Märchen und Lexikoneinträge. Zur Nachzeichnung in der Region relevanter Diskussionen war die Durchsicht der regionalen Tagespresse vonnöten. Dies betraf einerseits die Gazeta Zielonogjrska (Zielona Gjraer Zeitung) (bzw. deren Ableger, die Gazeta Gorzowska [Gorzjwer Zeitung], ab 1975 unter dem gemeinsamen Titel Gazeta Lubuska [Lebuser Zeitung]), das Organ der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR), andererseits die Kulturzeitschriften Nadodrze (etwa: an der Oder gelegen bzw. Odergebiete) und Ziemia Gorzowska (etwa: Region Gorzjw). Die aufgeführten Monographien und Sammelbände, regionalen Zeitungen und Zeitschriften, Reiseführer und belletristischen Werke sind Teil der Bestände der Bibliothek des Herder-Instituts Marburg, der Staatsbibliothek zu Berlin, der Bibliothek der Adam-Mickiewicz-Universität Posen (Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu, UAM) sowie den Woiwodschafts- und Stadtbibliotheken in Gorzjw und Zielona Gjra (Wojewjdzka i Miejska Biblioteka Publiczna w Gorzowie Wielkopolskim/Wojewjdzka i Miejska Biblioteka Publiczna w Zielonej Gjrze) und der polnischen Nationalbibliothek in Warschau (Biblioteka Narodowa). Schulbücher, Lehrpläne und Atlanten konnten am Georg-EckertInstitut in Braunschweig eingesehen werden. Darüber hinaus greift die Studie auf zahlreiche Primärquellen aus den Staatsarchiven in Zielona Gjra (Archiwum Pan´stwowe w Zielonej Gjrze, APZG), Gorzjw (Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie Wielkopolskim, APG) und Posen (Archiwum Pan´stwowe w Poznaniu, APP), dem Archiv Neuer Akten in Warschau (Archiwum Akt Nowych w Warszawie, AAN) und dem Archiv der Polnischen

Verwendung von Ortsnamen

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Akademie der Wissenschaften in Warschau (Archiwum Polskiej Akademii Nauk w Warszawie, APAN) zurück. Die unmittelbare Nachkriegszeit ließ sich mithilfe der Bestände des Polnischen Westverbandes (Polski Zwia˛zek Zachodnik, PZZ) in Gorzjw aus dem APG, der Expositur in Gorzjw aus dem APZG, des Woiwodschaftsamts in Posen aus dem APP und des Ministeriums der Wiedergewonnen Gebiete aus dem AAN erschließen. Über die neuen Traditionen gaben Akten des Städtischen Nationalrats (Miejska Rada Narodowa, MRN), des Präsidiums des Woiwodschaftsnationalrats (Prezydium Wojewwjdzkiej Rady Narodowej, PWRN), der Stadtverwaltungen (Zarza˛d Miejski/Urza˛d Miejski) von Gorzjw und Zielona Gjra Aufschluss. Einblick in das Kultur- und Wissenschaftsleben in der Ziemia Lubuska gewährten inbesondere die in den Staatsarchiven Zielona Gjra und Gorzjw lagernden Akten der Museen, der regionalen Abteilungen der Polnischen Historischen Gesellschaft (Polskie Towarzystwo Historyczne, PTH), der Lebuser Kulturgesellschaft und der Lebuser Wissenschaftsgesellschaft (Lubuskie Towarzystwo Naukowe, LTN), der Gorzjwer Sozial-Kulturellen Gesellschaft (Gorzowskie Towarzystwo Społeczno-Kulturalne, GTSK), der Redaktion von Nadodrze, des Lebuser Filmklubs (Lubuski Klub Filmowy, LKF), der Archive und der Bibliotheken sowie der Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete (Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, TRZZ). Weitere relevante Akten zur TRZZ stammen aus dem AAN. Kleinere Bestände zum Kulturleben Gorzjws stammen aus dem Archiv und der Bibliothek des Lebuser Museums in Gorzjw (Archiwum Muzeum Lubuskiego im. Jana Dekerta, Biblioteka Muzeum Lubuskiego im. Jana Dekerta). Unterstützend wurden an einigen Stellen die Erinnerungen (pamie˛tniki) von Neusiedlern in der Ziemia Lubuska aus den Beständen des West-Instituts in Posen herangezogen. Für die Untersuchung der Rolle des Tourismus waren neben Reiseführern und Zeitschriften insbesondere die Personenakte von Mieczysław Orłowicz aus dem APAN und die Akten der PTTK Posen von Relevanz. Das Büro der PTTK Zielona Gjra stellte darüber hinaus die wenigen überlieferten Dokumente, wie etwa Chroniken und Veranstaltungsberichte, zur Verfügung.

Verwendung von Ortsnamen Schon im Titel des vorliegenden Bandes taucht der Name Ziemia Lubuska auf. Diesen Begriff verwende ich im Laufe der Untersuchung synonym mit der ersten Woiwodschaft Zielona Gjra (1950–1975), wie es zu dieser Zeit üblich war. Für die Phase zwischen 1945 und 1950 gebrauche ich den Namen in seiner zeitge-

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Einleitung

nössischen Verwendung. Der Begriff Ziemia Lubuska ist nicht zu verwechseln mit dem in der deutschen Literatur gebräuchlichen Namen »Land Lebus«, der in der Regel ausschließlich das Territorium des mittelalterlichen Bistums bezeichnet. »Lebuser Land« wiederum wird in der deutschsprachigen Literatur gewöhnlich für das in dieser Arbeit behandelte Territorium verwendet und ist wohl eine Rückübersetzung des polnischen Nachkriegsbegriffs Ziemia Lubuska. Mittlerweile werden sowohl Ziemia Lubuska als auch Lebuser Land gelegentlich als Synonym für die heutige Woiwodschaft Lebus gebraucht. Die einzelnen Bezeichnungen sind also nicht immer trennscharf und bedürfen im Zweifelsfall einer Erläuterung. Den Begriff der Lebuser (Lubuszanie) verwende ich mitunter der Einfachheit halber für die Bewohner der Region, ohne zu wissen, ob sie sich zu diesem Zeitpunkt selber als solche bezeichnet hätten. Die Arbeit behandelt die Konstruktion der polnischen Ziemia Lubuska, dazu gehörte auch die Umbenennung von Ortschaften und deren Verwendung. Daher möchte ich darauf verzichten, für diese Region die deutschen Ortsbezeichnungen zu verwenden. Die übrigen polnischen Landschafts- und Ortsnamen verwende ich, soweit vorhanden, in ihrer deutschen Entsprechung. Bei der Erstnennung folgt die deutsche bzw. polnische Entsprechung in Klammern. Im Sinne der Lesbarkeit verwende ich das deutsche Adjektiv »Lebuser« als Übersetzung der polnischen Zuschreibung »lubuski« und die Bezeichnung »Woiwodschaft Lebus« als offizielle deutsche Entsprechung von »Wojewjdztwo Lubuskie«.

1.

Die Ziemia Lubuska – Konstruktion einer Region

1.1

Von der Festung zur Woiwodschaft

Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Ziemia Lubuska. Doch was beschreibt der Begriff »Ziemia Lubuska« und welche geographische Einheit steht dahinter? In ihrer heutigen Form, als Woiwodschaft Lebus, besteht sie erst seit der polnischen Verwaltungsreform aus dem Jahr 1998. Anders etwa als bei den Woiwodschaften Oberschlesien (Wojewjdztwo Gjrnos´la˛skie) oder Pommern (Wojewjdztwo Pomorskie) handelt es sich jedoch nicht um eine historisch gewachsene Region, sondern vielmehr um eine künstlich geschaffene Einheit, in der die Geschichten von Brandenburg, Großpolen, Schlesien, der Lausitz und Pommern, dem Deutschen Orden, dem Templerorden und den Johannitern ihre Spuren hinterlassen haben. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich zwar schwerpunktmäßig mit der Ziemia Lubuska, wie sie in den Jahren 1945 bis 1975 bestand, aufgrund der Häufigkeit, mit der in der Nachkriegszeit auf die mittelalterliche Geschichte der Region Bezug genommen wurde, scheint es aber angemessen, mit einem kurzen Exkurs in die früheste Vergangenheit der Ziemia Lubuska zu beginnen. So kann auch gezeigt werden, wie es im Jahr 1945 zur Wahl des Namens Ziemia Lubuska kam.

1.1.1 Das Land Lebus – Von den Piasten zu den Hohenzollern Letztlich geht der Name der Woiwodschaft Lebus zurück auf die im Jahr 1109 erstmals schriftlich erwähnte Festung Lebus/Lubus (pln. Lubusz). Schon früher bestand die im 7. bis 8. Jahrhundert auf einer 50 bis 100 m breiten, von steilen Abhängen umgebenen Anhöhe auf der linken Oderseite errichtete slawische »Burg von Lebus« sowie eine im 9. Jahrhundert erbaute und wahrscheinlich in der Mitte des 10. Jahrhunderts durch ein Feuer zerstörte Burg.1 Die Siedlung aus der zweiten 1 Breitenbach, Oskar : Das Land Lebus unter den Piasten. Beilage zum Programm des Gym-

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Die Ziemia Lubuska – Konstruktion einer Region

Hälfte des 10. Jahrhunderts kann bereits als »Keimzelle des modernen Lebus« bezeichnet werden.2 Gründer waren Angehörige eines slawischen Stammes, die möglicherweise »Leubuzzi« (pln. Lubuszanie) genannt wurden, woher eventuell auch der Name »Lebus« rührt.3 Bis zur Gründung von Frankfurt (Oder) im Jahr 1253 bildete Lebus den Mittelpunkt des sich auf beiden Seiten der Oder erstreckenden Landes Lebus (pln. Ziemia Lubuska), handelte es sich doch um den einzigen bedeutenden Ort der Region.4 Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts gehörten Lebus und das darum liegende Land Lebus zum Einflussbereich Mieszkos I., dem ersten Herzog von Polen aus der Familie der Piasten. Dieser regionale Herrschaftsschwerpunkt5 sollte noch bis ins frühe 13. Jahrhundert »ein ›Brückenkopf‹ der piastischen Herrschaft westlich der Oder bleiben«.6 Um 1125 schuf Boleslaw III. Schiefmund (Bolesław Krzywousty) aus der Dynastie der Piasten rund um die Ortschaft Lebus das Bistum Lebus, das der polnischen Erzdiözese Gnesen (Gniezno) unterstellt war. Erstmals schriftlich belegt wird die Lebuser Diözese in der Urkunde »Bulle Sacrosancta Innocenz II« aus dem Jahr 1133.7 Das Bistum umfasste einen Bereich von etwa 40 km im Umkreis von Lebus, erstreckte sich also gleichermaßen links und rechts der mittleren Oder. Es bestand bis zum Jahr 1555, in dem der letzte, nicht dem Hause Hohenzollern entstammende Bischof starb und die Reformation des Bistums erfolgte.8 Bis etwa 1249 gehörte das hart umkämpfte Land Lebus zum Einflussbereich schlesischer und großpolnischer Piasten, unterbrochen nur von der Eroberung des Landes durch die Niederlausitzer Wettiner in den Jahren 1209 bis 1211/12. Um sich im Konflikt mit seinem Bruder Heinrich III. militärische Hilfe zu sichern, trat Boleslaw II. der Kahle (Bolesław II. Rogatka) aus dem Hause der schlesischen Piasten das Land Lebus im Jahr 1249 an den Magdeburger Erzbischof ab. Nach Meinung des Biographen der Heiligen Hedwig habe Boleslaw II. damit »den Schlüssel zu den polnischen Ländern« aus der Hand gegeben.9 Der Verlust des Landes Lebus, dieses »neuralgischen Punktes in der Gesamtstruktur

2 3 4 5 6 7 8 9

nasiums in Fürstenwalde. Fürstenwalde 1890, S. 7; Rymar, Edward: Klucz do ziem polskich/ Der Schlüssel zu den polnischen Ländern. Gorzjw Wlkp. 2007, S. 133. Schopper, Franz: Lebus: Burgberg, Stadt und Kirche, in: Aufleger, Michaela u. a. (Hg.): Frankfurt (Oder) und das Land Lebus. Stuttgart 2005, S. 166. Breitenbach, Land Lebus, 1890, S. 6; Rymar, Klucz, 2007, S. 139f. Breitenbach, Land Lebus, 1890, S. 6. Schopper, Lebus, 2005, S. 167. Lübke, Christian: Das östliche Europa. München 2004, S. 189. Kuhn, Lambrecht: Das Bistum Lebus. Das kirchliche Leben im Bistum Lebus in den letzten zwei Jahrhunderten (1385–1555) seines Bestehens unter besonderer Berücksichtigung des Johanniterordens. Leipzig 2005, S. 24. Ebd., S. 11f. Rymar, Klucz, 2007, S. 198; Breitenbach, Land Lebus, 1890, S. 3.

Von der Festung zur Woiwodschaft

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Abbildung 1: Das Bistum Lebus im 13. Jahrhundert

des deutsch-polnischen Grenzgebiets«,10 wurde in der polnischen Historiographie stets als eine der Hauptursachen für den Erfolg der deutschen Expansion nach Osten zuungunsten Polens gesehen. Unter unbekannten Umständen kamen die Markgrafen Johann I. und Otto III. aus dem Hause der brandenburgischen Askanier noch 1249 in den Besitz eines Teils des Landes Lebus und herrschten schließlich seit 1253 über die östliche Hälfte, wo sie im gleichen Jahr die Stadt Frankfurt (Oder) gründeten.11 Die Bischöfe von Lebus waren jedoch weiterhin dem Erzbistum in Gnesen unterstellt. 1287 verpfändete Erzbischof Erich von Magdeburg den erzbischöflichen Teil des Landes Lebus an seinen Bruder, den brandenburgischen Markgraf Otto IV. Von nun an herrschten die Askanier allein über das Land. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stießen die askanischen Markgrafen entlang der Warthe bis an die Netze in die terra transoderana bzw. marchia trans oderam, die spätere Neumark, vor. Ende des Jahrhunderts hatten 10 Kaczmarczyk, Zdzisław u. a.: Ziemia Lubuska organiczna˛ cze˛s´cia˛ Wielkopolski [Die Ziemia Lubuska als organischer Teil Großpolens], in: Przegla˛d Zachodni 1948/5, S. 515. 11 Siehe dazu: Rymar, Klucz, 2007, S. 223–241.

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Die Ziemia Lubuska – Konstruktion einer Region

sie ihren Einflussbereich auch auf Gebiete südlich der Warthe, die später als Land Sternberg bekannt werden sollten, ausgeweitet. 1320 waren die brandenburgischen Askanier ausgestorben, und die Herzoge von Sachsen-Wittenberg, von Mecklenburg und von Pommern-Wolgast erhoben Ansprüche auf die junge Mark Brandenburg. 1323 belehnte Ludwig der Bayer, 1328 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs gekrönt, seinen Sohn mit der Mark, die die Wittelsbacher nun zurückerobern mussten. Die Mark blieb bei den Wittelsbachern, bis der Markgraf von Brandenburg, Otto V., sie im Jahr 1373 an die Luxemburger verkaufte. 1411 beklagte sich eine märkische Gesandtschaft über die Zustände in der Mark. Noch im gleichen Jahr setzte Kaiser Sigismund Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg aus dem Hause Hohenzollern als Verweser für die Mark ein,12 1415 verlieh er ihm die Würde des Markgrafen und wandelte schließlich 1417 das Pfand in Besitz um. Nachdem sie 1454 die 1402 an den Deutschen Orden verkaufte Neumark zurückerworben hatten, waren die Hohenzollern nun in Besitz der gesamten Mark Brandenburg. Abgesehen von einer kurzen Phase der Unabhängigkeit der Neumark zwischen 1535 und 1571 sollten (in wechselnden Außengrenzen) Brandenburg und mit ihm das Land Lebus bis 1918/19 in den Händen der Hohenzollern bleiben.

1.1.2 Territorium Das Landbuch von Kaiser Karl IV. aus dem Jahr 1373 teilte die Mark Brandenburg in fünf Provinzen auf. Die Zuordnung des Landes Lebus geht daraus jedoch nicht klar hervor, obgleich davon auszugehen ist, dass es administrativ zur Mittelmark (nova marchia Brandenburgensis) und/oder der Neumark (marchia trans oderam) gehörte.13 Seit dem 17. Jahrhundert wurden in Brandenburg aus den historischen Landschaften Hauptkreise gebildet, die sich in Unterkreise gliederten. Dabei war der Lebusische Kreis, der die westlich der Oder gelegene Hälfte des Landes Lebus umfasste, ein Unterkreis des Hauptkreises Mittelmark, während die östliche Hälfte des ehemaligen Landes Lebus im Sternbergischen Kreis in der Neumark lag.14 1618 erbte Kurfürst Johann Sigismund die Herzogswürde Preußens, seitdem wurde Brandenburg als Brandenburg-Preußen in Personalunion regiert. Als sich 12 Zu den Umständen: Winkelmann, Jan: Die Mark Brandenburg des 14. Jahrhunderts. Markgräfliche Herrschaft zwischen räumlicher »Ferne« und politischer »Krise«. Berlin 2011, S. 100f. 13 Ebd., S. 108. 14 Baudisch, Rosemarie: Geographische Grundlagen und historisch-politische Gliederung Brandenburgs, in: Materna, Ingo / Ribbe, Wolfgang (Hg.): Brandenburgische Geschichte. Berlin 1995, S. 36f.

Von der Festung zur Woiwodschaft

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im Jahr 1701 Kurfürst Friedrich III. zum König in Preußen krönte, wurde die Mark Brandenburg zu einer Provinz in Preußen. Im Zuge der administrativen Neugliederung Preußens nach dem Wiener Kongress von 1815 wurden sowohl das Land Lebus als auch das Land Sternberg Bestandteil des Regierungsbezirks Frankfurt (Oder) innerhalb der preußischen Provinz Brandenburg. Das Territorium des ehemaligen Bistums Lebus teilte sich zu dieser Zeit auf den Landkreis Lebus westlich der Oder und den Landkreis Weststernberg östlich der Oder auf. Nach dem Ersten Weltkrieg gingen 0,05 km2 von Brandenburg aufgrund der im Versailler Vertrag festgelegten Grenzverschiebungen an Polen, der Regierungsbezirk Frankfurt (Oder) war nun ein Grenzbezirk. 1922 wurde die Grenzmark Posen-Westpreußen gebildet, an die weitere 760 km2 brandenburgischen Landes abgetreten wurden. Im Zuge der nationalsozialistischen »Gleichschaltung« wurde am 15. Dezember 1933 der brandenburgische Provinziallandtag aufgelöst. Innerhalb der Verwaltungsstruktur der NSDAP gehörte die Provinz Brandenburg zum Gau Kurmark (später Gau Mark Brandenburg) mit Verwaltungssitz in Frankfurt (Oder). Im Oktober 1938 wurden zwei historische Kreise der Neumark, Friedeberg und Arnswalde, Pommern zugeschlagen; gleichzeitig kamen die seit 1922 zur Grenzmark Posen-Westpreußen gehörenden Kreise Schwerin, Meseritz und Teile des Kreises Bomst zurück zu Brandenburg. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im März 1933 war Brandenburg durch seine Nähe zu Berlin »unmittelbarer als andere Provinzen und Länder Preußens bzw. des Reiches in die Politik der NS-Diktatur eingebunden«,15 bereits im März 1933 wurden erste Folterstätten und Konzentrationslager errichtet.16 Unmittelbar nach den Reichstagswahlen begannen in Brandenburg Terror-Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung und politische Gegner,17 später wurden auch die brandenburgischen Sorben zu Zielen des nationalsozialistischen Terrors.18 Im Oktober 1941 begannen die Deportationen aller sich noch in Brandenburg befindlichen Juden in die Vernichtungslager im Osten. Sie hielten an, bis im April 1943 öffentlich verlautbart wurde, dass der Regierungsbezirk Frankfurt (Oder) »judenfrei« sei.19 Gleichzeitig waren in Brandenburg zwischen 1939 und 1945 Tausende ausländischer Zwangsarbeiter beschäftigt.20 Am 26. Januar 1945 überschritten Truppen der Roten Armee (2. Gardepan15 Demps, Laurenz: Die Provinz Brandenburg in der NS-Zeit (1933–1945), in: Materna, Ingo / Ribbe, Wolfgang (Hg.): Brandenburgische Geschichte. Berlin 1995, S. 619. 16 Ebd., S. 630. 17 Weiß, Edda: Die nationalsozialistische Judenverfolgung in der Provinz Brandenburg, 1933– 1945. Berlin 2003 S. 75. 18 Demps, Provinz Brandenburg, 1995, S. 657. 19 Weiß, Judenverfolgung, 2003, S. 341–348. 20 Demps, Provinz Brandenburg, 1995, S. 659.

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Die Ziemia Lubuska – Konstruktion einer Region

zerarmee der 1. Belorussischen Front) die deutsch-polnische Grenze von 1939. In den folgenden Monaten wurde Brandenburg zum Schauplatz der Schlacht um Berlin und im Zuge dessen stark zerstört.

1.1.3 Die Ziemia Lubuska in der Volksrepublik Polen Aufgrund der von den Alliierten beschlossenen Westverschiebung Polens fielen alle Gebiete Brandenburgs östlich von Oder und Neiße im Jahr 1945 an Polen. Als Ende Februar 1945 das gesamte Gebiet des östlichen Brandenburg in den Händen der Roten Armee war, organisierten die russischen Militärs die Verwaltungsstrukturen zunächst selbst, in der Regel unter Rückgriff auf die deutsche Bevölkerung. Nach dem Dekret des Staatskomitees für Verteidigung der Sowjetunion vom 20. Februar 1945 konnte eine polnische Verwaltung in den Westgebieten errichtet werden. Der Beschluss der Warschauer Regierung vom 14. März 1945 sah vor, das östliche Brandenburg auf die Verwaltungskreise Westpommern (Pomorze Zachodnie) und Niederschlesien (Dolny S´la˛sk) aufzuteilen. Zuvor war es zu Kompetenzgerangel zwischen den Woiwoden von Posen, Stettin und Schlesien bezüglich der Zughörigkeit der Region gekommen. Zudem gründeten einige Neusiedler spontan Verwaltungen, sodass in Orten wie Krosno Odrzan´skie (Crossen a. d. Oder) und Sule˛cin (Zielenzig) für einen gewissen Zeitraum zwei polnische Verwaltungen nebeneinander existierten.21 Bis zur Potsdamer Konferenz befand sich die Ziemia Lubuska formal gesehen unter sowjetischer Besatzung. Daher hatten de facto die Militärkommandanturen die Macht inne, während die polnische Verwaltung erst danach das Gebiet gänzlich übernahm. Bereits am 20. März 1945 nahm jedoch eine polnische Verwaltung im Kreis Mie˛dzyrzecz (Meseritz) ihre Arbeit auf, als letzte, am 12. Juni 1945, entstand die polnische Verwaltung in Zielona Gjra.22 Da in dieser Phase oftmals sowjetische und polnische Verwaltungsstrukturen parallel existierten, wird diese Zeit auch als Doppelherrschaft (dwuwładza) bezeichnet. Am 7. Juli 1945 wurde durch einen Beschluss des Ministerrates formal die Ziemia Lubuska als Teil der bereits seit dem 6. Februar wieder administrativ funktionierenden Woiwodschaft Posen (Wojewjdzwto Poznan´skie) gegründet. Im Zuge dessen waren insgesamt 14 Kreise der Woiwodschaft Pommern und der Woiwodschaft Niederschlesien auf die Woiwodschaft Posen übertragen worden. Letztere hatte zunächst eine Bezirksbevollmächtigung für die Ziemia Lubuska 21 Rymar, Dariusz: Ukształtowanie sie˛ Ziemi Lubuskiej jako jednostki administracyjnej w s´wietle sprawozdan´ pełnomocnikjw rza˛du (luty-lipiec 1945) [Die Entstehung der Ziemia Lubuska als Verwaltungseinheit im Licht der Berichte des Regierungsbevollmächtigten (Februar-Juli 1945)], in: Rocznik Lubuski 2005/2, S. 11. 22 Dominiczak, Wrjcilis´my, 1974, S. 50–52.

Von der Festung zur Woiwodschaft

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Abbildung 2: Polens Verwaltungsgrenzen vom Juni 1946

inne, bis im November 1946 eine Expositur des Posener Woiwodschaftsamts (Ekspozytura Urze˛du Poznan´skiego w Gorzowie) mit Sitz in Gorzjw ihre Arbeit aufnahm. Sie war die einzige der geplanten Exposituren in den Westgebieten, die tatsächlich entstand, und wirkte bis zu ihrer Auflösung im Juni 1950. Zahlreiche, die Region betreffende Entscheidungen konnten nun vor Ort getroffen werden, was die Verwaltung des Gebietes erleichterte.23 Die Anordnung des Ministerrates vom 29. Mai 1946 hatte vorgesehen, die Kreise der – namentlich nicht erwähnten – Ziemia Lubuska in die Woiwodschaft Posen zu integrieren. Innerhalb der Woiwodschaft hatte die Ziemia Lubuska fortan eine Sonderstellung inne, da sie im Gegensatz zu deren anderen Regionen den Status der »Wiedergewonnenen Gebiete«24 besaß.25 23 Rymar, Gorzjw Wielkopolski, 2005, S. 172. 24 Die Bezeichnung »Wiedergewonnene Gebiete« (Ziemie Odzyskane) für die neuen Westgebiete hatte sich mit der Gründung des Ministeriums für die Wiedergewonnenen Gebiete im November 1945 offiziell etabliert. Nach der Liquidierung des Ministeriums im Januar 1949, die den Abschluss des Integrationsprozesses manifestieren sollte, wurden die Gebiete offiziell West- und Nordgebiete (Ziemie Zachodnie i Pjłnocne) genannt. 25 Halicka: Der »polnische Wilde Westen«, 2008, S. 49; Halicka, Beata: »Junkernland in Po-

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1.2

Die Ziemia Lubuska – Konstruktion einer Region

Aus Ostbrandenburg wird die Ziemia Lubuska – Bevölkerungsaustausch und »Repolonisierung«

Die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Potsdam von den Alliierten beschlossene Westverschiebung Polens brachte für das ehemalige Ostbrandenburg, welches nun als Ziemia Lubuska zu Polen gehörte, einen fast vollständigen Bevölkerungsaustausch mit sich. Die ersten Nachkriegsjahre waren von der Aussiedlung der Deutschen, der Ansiedlung von Polen und dem Neubeginn der polnischen Siedler gekennzeichnet. Diese Ausführungen führen die Ausgangsposition der Ziemia Lubuska und die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sie sich etablieren musste, vor Augen. So wird die politische Relevanz der Region deutlich, ebenso die Schwierigkeiten, vor denen die heterogene Bevölkerung stand und der Umbruch, den das Jahr 1956 für die Region bedeutete. All diese Aspekte spielen eine wichtige Rolle für das Verständnis der Ereignisse der Jahre 1945 bis 1975.

1.2.1 Flucht, Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung Im Hinblick auf die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus der Ziemia Lubuska kann man von den Phasen der Flucht, der »wilden Vertreibungen« und der vertraglich festgelegten Umsiedlungen sprechen. Bis zum Kriegsende war bereits etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung Ostbrandenburgs vor der herannahenden Front über die Oder geflüchtet.26 Viele dieser Flüchtlinge versuchten im Frühjahr und Sommer 1945, in ihre Wohnorte zurückzukehren, allerdings hatten polnische Einheiten die Übergänge an Oder und Neiße im Mai und Juni 1945 gesperrt, um eben diesen Rückstrom zu verhindern.27 Am 16. Mai 1945 beschloss das Zentralkomitee der Polnischen Arbeiterpartei die Aussiedlung aller Deutschen bis Jahresende. Auf der Grundlage der »Anordnung Nr. 0236 des Oberbefehlshabers der Polnischen Armee vom 10. Juni 1945 über die Aussiedlung der in ihre Wohnorte zurückkehrenden Deutschen« begannen schließlich Soldaten der 2. Armee des Polnischen Heeres am 20. Juni mit der Aussiedlung der Deutschen. In der Ziemia Lubuska wurden am 20. Juni zunächst die Bewohner der unmittelbar an Oder und Neiße grenlenhand« – Bodenreform und ländliche Besiedlung des Lebuser Landes (Ziemia Lubuska) 1945–1947, in: Jajes´niak-Quast, Dagmara u. a. (Hg.): Soziale Konflikte und nationale Grenzen in Ostmitteleuropa. Berlin 2006, S. 42; Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 28–34. 26 Halicka, Zäsurjahr, 2007, S. 64. 27 Ther, Philipp: Deutsche und polnische Vertriebene. Gesellschaft und Vertriebenenpolitik in der SBZ/DDR und in Polen 1945–1956. Göttingen 1998, S. 55.

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zenden Gebiete vertrieben, dies betraf die Kreise Sule˛cin (Oststernberg), Słubice (Weststernberg), Krosno Odrzan´skie und den östlichen Teil Gubins (Guben).28 Zwischen dem 22. und dem 28. Juni 1945 setzte das polnische Militär die Aussiedlungen Ort für Ort fort. Den Betroffenen blieb kaum Zeit, ihre Habseligkeiten zusammen zu packen, da sie von den Soldaten überrascht wurden. Auf dem Weg zur Grenze, den die Vertriebenen zu Fuß und ohne ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser zurücklegen mussten, waren sie oftmals Überfällen ausgesetzt, Tötungen und Vergewaltigungen waren keine Seltenheit.29 Hinter der Grenze wurden die Menschen ihrem Schicksal überlassen. Für diese nicht von internationalem Recht gedeckten Vertreibungen, die sogenannten »wilden Vertreibungen«, werden in der Regel insbesondere zwei Erklärungen herangezogen. So sollten die Deutschen Ostbrandenburg so schnell wie möglich verlassen, um Raum für die Ansiedlung polnischer Bevölkerung zu schaffen. Darüber hinaus erhoffte man sich, auf diese Weise Tatsachen zu schaffen, die sich auf der Potsdamer Konferenz günstig für die Festlegung der Westgrenze Polens auswirken würden.30 Die »wilden Vertreibungen« waren aber auch »Ausdruck von Hass, den sich Deutsche während des Krieges zugezogen hatten«.31 Mitte Juli wurden die vom Militär durchgeführten Aussiedlungsaktionen gestoppt und Anfang August fast überall eingestellt. Zum einen hatten sich polnische Behörden über den aus den Vertreibungen resultierenden Arbeitskräftemangel beschwert, der zum Stillstand einiger Fabriken und Bergwerke geführt hatte und die bevorstehende Ernte zu erschweren drohte, zum anderen mehrten sich internationale Beschwerden gegen die Vorgehensweise gegenüber den Vertriebenen.32 Auf der Konferenz von Potsdam wurde im August 1945 schließlich festgelegt, »vorerst weitere Abschiebungen aufzuschieben«.33 Dennoch begannen im September 1945 die von polnischen Behörden organisierten, sogenannten »freiwilligen Ausreisen«. Die Freiwilligkeit war dabei relativ, denn wer sich nicht 28 Halicka, Zäsurjahr, 2007, S. 65. 29 Sienkiewicz, Witold / Hryciuk, Grzegorz (Hg.): Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung 1939–1959. Atlas zur Geschichte Ostmitteleuropas. Bonn 2009, S. 184. 30 Dazu Halicka, Zäsurjahr, 2007, S. 64; Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 35; Borodziej, Włodzimierz / Lemberg, Hans: Einleitung, in: dies. (Hg.): »Unsere Heimat ist uns ein fremdes Land geworden…« Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945–1950. Dokumente aus polnischen Archiven. Band 1: Zentrale Behörden, Wojewodschaft Allenstein. Marburg 2000, S. 63f; Sienkiewicz / Hryciuk, Zwangsumsiedlung, 2010, S. 184. 31 Ther, Deutsche und polnische, 1998, S. 55. 32 Nitschke, Bernadetta: Das Schicksal der deutschen Bevölkerung in der Oderregion in den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in: Halicka, Beata / Schlögel, Karl (Hg.): Oder-Odra. Blicke auf einen europäischen Strom. Frankfurt am Main 2007, S. 249f. 33 Borodziej / Lemberg, Einleitung, 2000, S. 99.

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unaufgefordert zur Ausreise bereit erklärte, dem drohte der Ausschluss vom staatlichen Versorgungssystem oder gar die Einweisung in ein Arbeitslager.34 Insbesondere Deutsche, die nicht als Arbeitskräfte gebraucht wurden – vor allem alte und kranke Menschen sowie Kinder und Schwangere – waren von diesen Vertreibungen betroffen.35 Bis Dezember 1945 wurden auf diese Weise etwa 40.000 Deutsche aus der Ziemia Lubuska ausgesiedelt.36 Erst als der Alliierte Kontrollrat am 20. November 1945 die Zielgebiete der Umsiedlungen festlegte, besserten sich die Verhältnisse.37 Bis zu ihrer Vertreibung wurden die Deutschen in der Regel als Arbeitskräfte eingesetzt. Fachkräfte und in der Landwirtschaft Beschäftigte hielten die Behörden sogar gezielt zurück. Als im November 1945 deutlich wurde, dass in den Westgebieten qualifizierte Arbeitskräfte fehlten, wurde beschlossen, dass etwa 300.000 deutsche Fachkräfte in Polen bleiben sollten. Sobald sich jedoch ein Pole für die Stelle fand, wurde der betroffene Deutsche möglichst schnell ausgesiedelt.38 Die Situation der zurückgehaltenen Deutschen war oftmals sehr schlecht, da ihre Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung unzureichend war.39 Anfang des Jahres 1946 begann die dritte Phase der Vertreibung, die vertraglich festgelegte Zwangsumsiedlung. Die Woiwodschaft Posen war zunächst davon ausgeschlossen, da man davon ausging, dass nur noch relativ wenige Deutsche auf dem Gebiet lebten – Anfang 1946 waren es 65.725, davon 58.938 in der Ziemia Lubuska.40 Unter der Aufsicht einer Aussiedlungskommission (Komisja Ewakuacyjna) begannen dennoch auch in der Ziemia Lubuska am 13. Oktober 1946 erneute Aussiedlungsaktionen. Dieses Mal wurden die Deutschen im Voraus über ihre Aussiedlung informiert und mit Zügen über die Grenze in die verschiedenen Besatzungszonen gebracht. Nach wie vor waren jedoch die Versorgungslage der Vertriebenen sowie die Situation in den Sammellagern katastrophal, auch die Überfälle auf die Vertriebenen ließen nicht nach. Vor ihrer Zwangsaussiedlung mussten die Deutschen für minimale Löhne unverhältnismäßig viele Wochenstunden arbeiten.41 Von den Aussiedlungen betroffen waren vor allem Staatsbürger des Deutschen Reiches deutscher Nationalität sowie Staatsbürger der Polnischen Republik, die in der 1. Gruppe der Deutschen Volksliste eingetragen gewesen waren. 34 Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 48. 35 Nitschke, Schicksal, 2007, S. 253. 36 Nitschke, Bernadetta: Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949. München 2003, S. 198f. 37 Beer, Mathias: Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen. München 2011, S. 77. 38 Nitschke, Schicksal, 2007, S. 254f. 39 Ebd., S. 256–258. 40 Nitschke, Vertreibung, 2003, S. 232. 41 Ther, Deutsche und polnische, 1998, S. 58–66.

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In der Ziemia Lubuska lebten die verbliebenen Deutschen mittlerweile sehr verstreut, sodass Sammelpunkte eingerichtet wurden, von denen die Aussiedlungszüge starteten. Im Juli 1947 gingen die Woiwodschaftsbehörden davon aus, dass die Aussiedlungsaktionen abgeschlossen seien. Einzelne Transporte gingen jedoch noch bis August 1949 über die Oder-Neiße-Grenze. Nach offiziellen Angaben wurden vom Beginn der vertraglich festgelegten Zwangsaussiedlungen im Jahr 1946 bis zum 31. Dezember 1949 41.401 Deutsche aus der Woiwodschaft Posen ausgesiedelt.42 Nach 1950 fanden Aussiedlungen von Deutschen vor allem im Rahmen der Familienzusammenführung statt. Zwischen 1956 und 1959 siedelten auf diese Weise 1.774 Personen deutscher Abstammung von der Woiwodschaft Zielona Gjra in die BRD und die DDR um.43

1.2.2 Die Verifizierung der Nationalität Im Zuge der Vertreibung der deutschen Bevölkerung stellte sich die Frage des Umgangs mit den Mitgliedern der polnischen Minderheit in den ehemals deutschen Ostgebieten, die die Staatsbürgerschaft des Deutschen Reiches besaßen. Das Problem sollte mittels der sogenannten Verifizierung der Nationalität (weryfikacja narodowos´ciowa) gelöst werden, deren Ziel es nach dem oberschlesischen Woiwoden Aleksander Zawadzki war, »nicht einen einzigen Deutschen« im Land zu halten und gleichzeitig »keine einzige polnische Seele«44 herzugeben. Die Einheimischen, auch Autochthone genannt, konnten sich als Polen verifizieren lassen und anschließend die Anerkennung der polnischen Staatsbürgerschaft beantragen. Durch diese Prozedur entgingen sie der Vertreibung nach Deutschland. In der Ziemia Lubuska betraf dies eine vergleichsweise geringe Anzahl von Personen, da es nur in wenigen, östlich gelegenen Gebieten eine polnische Minderheit gegeben hatte, insbesondere in den Kreisen Babimost (Bomst) und Mie˛dzyrzecz. Im Jahr 1945 lebten rund 8.000 bis 10.000 einheimische Polen in der Ziemia Lubuska.45 Während etwa in Ermland und Masuren sowie im Oppelner Schlesien bereits 42 Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 54–64. Nitschke spricht von 39.550 Personen im Jahr 1946 und 16.000 Personen im Jahr 1947. Nitschke, Vertreibung, 2003, S. 232, 247. 43 Sienkiewicz / Hryciuk, Zwangsumsiedlung, 2010, S. 203. 44 »Nie chcemy ani jednego Niemca, ale nie oddamy ani jednej duszy polskiej«, zit. n. Ther, Deutsche und polnische, 1998, S. 304f. 45 Dazu Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 40; Misztal, Jan: Weryfikacja narodowos´ciowa na Ziemiach Odzyskanych [Die Verifizierung der Nationalität in den Wiedergewonnenen Gebieten]. Warszawa 1990, S. 281.

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im Frühling 1945 mit den Verifizierungen begonnen wurde, liefen die Verfahren in der Ziemia Lubuska aufgrund der geringen Zahl von Autochthonen erst im Juli 1945 an.46 Zunächst war der Vorgang durch uneinheitliche Kriterien gekennzeichnet.47 Da im Laufe des Sommers und Herbstes 1945 immer wieder auch Menschen vertrieben wurden, die als Polen betrachtet werden konnten, bestimmte der Posener Woiwode am 31. Dezember 1945, dass auch Autochthone, »deren patriotische Betätigung in der Vergangenheit Zweifel erregt und deren nur geringe Bindung zur polnischen Kultur Anlass zu Bedenken gegeben hat«,48 detailliert auf eine polnische Nationalität bzw. Herkunft überprüft und nicht voreilig ausgesiedelt werden sollten. Die Ausarbeitung objektiver Kriterien für die Verifizierung zog sich in die Länge und führte dazu, dass die Betroffenen angesichts ihres unbestätigten Status’ von den zuziehenden Bevölkerungsgruppen als Deutsche angesehen und auch als solche behandelt wurden. Erst im Mai 1946 nahmen die Verifizierungskommissionen ihre Arbeit auf, sodass man erst seit diesem Zeitpunkt von einer geordneten Verifizierung sprechen kann.49 Zuvor hatten spontan gegründete Kommissionen in einzelnen Kreisen bereits mit Verifizierungen begonnen. Diese Kommissionen schützten die polnischen Einheimischen davor, gemeinsam mit den Deutschen ausgesiedelt zu werden.50 In der Ziemia Lubuska waren die Verifizierungen im Jahr 1946 weitgehend abgeschlossen, 1947 gab es nur noch ein paar Einzelfälle. Die meisten Personen waren in den Kreisen Babimost (3.547) und Mie˛dzyrzecz (2.294) verifiziert worden, insgesamt waren in der Ziemia Lubuska bis 1947 etwa 8.500 bis 11.000 Personen betroffen.51

1.2.3 Ansiedlung der polnischen Bevölkerung Um die neuen Westgebiete so bald wie möglich mit polnischen Bürgern besiedeln zu können, fanden die Ansiedlungsaktionen parallel zur Vertreibung der 46 Ose˛kowski, Społeczen´stwo Polski, 1994, S. 91f. 47 Strauchold, Grzegorz: Autochtoni polscy, niemieccy czy… Od nacjonalizmu do komunizmu 1945–1949 [Polnische, deutsche oder andere Autochthone. Vom Nationalismus zum Kommunismus 1945–1949]. Torun´ 2001, S. 51f. 48 Schreiben des Posener Woiwoden an das Woiwodschaftsamt für Öffentliche Sicherheit in Poznan´/Posen betreffend Fälle von Aussiedlung von Autochthonen, 31. Dezember 1945; Dokument 41 in: Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 117. 49 Ebd., 41f. 50 Misztal, Weryfikacja, 1990, S. 281. 51 In der Forschungsliteratur finden sich unterschiedliche Zahlen. Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 40: 8.500 Personen; Misztal, Weryfikacja, 1990, S. 281: ca. 8.500 Personen; Nitschke, Vertreibung, 2003, S. 136: 9.400 Personen bis 1949; Szczegjła, Przeobraz˙enia, 1971, S. 104: ca. 11.000 Personen bis 1947.

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deutschen Bevölkerung statt. Es sollten möglichst schnell Tatsachen geschaffen werden, die auf einer Friedenskonferenz als Argumente für die neue Westgrenze Polens verwendet werden konnten. Aufgrund dieses ambitionierten Ziels waren die Ansiedlungsaktionen zunächst unkoordiniert und überstürzt, was zu chaotischen Verhältnissen in den ersten Monaten führte.52 Bereits ab dem 16. Mai 1945 begann die Ansiedlung von Soldaten an der Oder.53 Am 3. Juni 1945 wurde mittels eines Siedlungsbefehls des Oberkommandos der Polnischen Armee angeordnet, in den grenznahen Kreisen Soldaten mit ihren Familien anzusiedeln. Sie sollten die Sicherheit der polnischen Westgrenze gewährleisten. Dafür wurden zwölf Kreise ausgewählt, von denen sich sechs – Sule˛cin, Rzepin (Reppen), Krosno Odrzan´skie, Gubin, Z˙ary (Sorau) und Z˙agan´ (Sagan) – auf dem Gebiet der Ziemia Lubuska befanden. Insgesamt war fast die Hälfte der Ziemia Lubuska von der militärischen Ansiedlung betroffen. Anfang Juli 1945 trafen die ersten operativen Gruppen, der militärische Vortrupp der polnischen Verwaltung, ein, zunächst allerdings nur in kleiner Anzahl. Bis Ende August hatten sich 5.505 Soldatenfamilien, die ca. 22.000 Personen umfassten, in der Ziemia Lubuska angesiedelt.54 Aufgrund der rechtlich unsicheren Grenzsituation verlief der Ansiedlungsprozess in den Grenzkreisen sehr zögerlich. Um eine schnellere Besiedlung zu gewährleisten, wurde ab dem 7. September 1945 die Besiedlung der Grenzkreise durch die Zivilbevölkerung ebenfalls zugelassen.55 Damit gehörten die Grenzkreise zu den letzten Gebieten, die besiedelt wurden, worunter sie sehr litten. Die von den Deutschen zurückgelassenen Häuser verwahrlosten und wurden geplündert, für die anstehende Ernte standen keine Arbeitskräfte zur Verfügung.56 Für die zivile Besiedlung der Ziemia Lubuska mit polnischer Bevölkerung zeichnete gemäß dem Dekret des Ministerrates vom 7. Mai 1945 das Repatriierungsamt (Pan´stwowy Urza˛d Repatriacyjny, PUR) verantwortlich. Seine Aufgaben waren nicht nur die Planung und Durchführung der Um- und Ansiedlung der polnischen Bevölkerung, sondern nach der Potsdamer Konferenz auch die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung. Erst für die Zeit nach seiner Gründung kann man von einer koordinierten Ansiedlung sprechen. Doch bereits zuvor, im Frühjahr 1945, erreichten erste polnische Siedler die Ziemia Lubuska. Es handelte sich dabei um Bewohner der deutsch-polnischen Vorkriegs-Grenzregion, um demobilisierte Soldaten sowie um Rückkehrer aus deutscher Kriegsgefangenschaft und Arbeitslagern. Vereinzelt erreichten auch schon Zwangsausgesiedelte aus den an die Sowjetunion verlorenen Gebieten 52 53 54 55 56

Halicka, Der »polnische Wilde Westen«, 2008, S. 48f. Dominiczak, Wrjcilis´my, 1974, S. 56. Ebd., S. 83, 93. Szczegjła, Przeobraz˙enia, 1971, S. 108. Halicka, »Junkernland in Polenhand«, 2006, S. 44.

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Ostpolens auf der Grundlage der Verträge zum Austausch der Bevölkerung vom September 1944 die Ziemia Lubuska. Ab Herbst 1945 kamen in großer Zahl Umsiedler aus Ostpolen und aus Zentralpolen an; dieser Massenandrang hielt bis Ende 1946 an. Im Rahmen der Aktion Weichsel (Akcja Wisła), bei der zwischen April und Juli 1947 150.000 polnische Staatsbürger ukrainischer Nationalität aus Ostpolen in die neuen Westgebiete zwangsumsiedelten, wurden auch auf dem Gebiet der Ziemia Lubuska mehrere Tausend Menschen angesiedelt, insbesondere in Strzelce Krajen´skie (Friedberg/Neumark), Mie˛dzyrzecz, Skwierzyna (Schwerin an der Warthe), Gorzjw und Sulechjw (Züllichau).57 Insgesamt erreichten in dieser Zeit etwa 290.000 Menschen aus Zentralpolen und 230.000 aus Ostpolen die Ziemia Lubuska. Aufgrund des vollständigen Bevölkerungsaustausches war der demographische Wandel in der Ziemia Lubuska enorm. Im Jahr 1950 setzte sich die insgesamt rund 560.00058 Menschen zählende Bevölkerung der Woiwodschaft Zielona Gjra aus Umsiedlern aus Zentral- und Großpolen (52,3 Prozent) – davon ein Großteil aus Posen und Umgebung59 –, Umsiedlern aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten (41,1 Prozent), Remigranten (2,8 Prozent) und Autochthonen (2,6 Prozent) zusammen.60 Obwohl die Ansiedlung zu diesem Zeitpunkt offiziell bereits abgeschlossen war, war die Woiwodschaft Zielona Gjra im Jahr 1950 im Vergleich zu 1939 auf dem Land nur zu 70 Prozent und in den Städten nur zu 50 Prozent besiedelt.61 Diese lang anhaltende Unterbevölkerung der Region sollte noch lange hemmende Auswirkungen auf ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung haben.62 Die Neuansiedler fanden sich in einer durch Kriegshandlungen, Brandstiftungen und Plünderungen stark verwüsteten Region wieder. Die Dörfer der Ziemia Lubuska waren zu 30 Prozent, Städte wie Kostrzyn (Küstrin), Gubin und Skwierzyna zu 70 bis 90 Prozent, Gorzjw zu über 40 Prozent zerstört. Nur wenige Orte waren so glimpflich davon gekommen wie Zielona Gjra, das mit zwei Prozent zu den am geringsten zerstörten Städten zählte. Auch Landwirtschaft, 57 Szczegjła, Polnische Ansiedlung, 1998, S. 37. 58 Die hierzu veröffentlichten Zahlen weichen leicht voneinander ab: Dulczewski, Zygmunt: Tworzenie sie˛ nowych społecznos´ci regionalnych na Ziemiach Zachodnich (1967) [Der Aufbau neuer regionaler Gesellschaften in den Westgebieten], in: ders. (Hg.): Mjj dom nad Odra˛. Problem autochtonizacji [Mein Haus an der Oder. Das Problem der Autochthonisierung]. Poznan´ 2001, S. 127: 560.613; Rocznik Demograficzny 1945–1966 [Demographisches Jahrbuch 1945–1966]. Warszawa 1968, S. 13: 561.000; Rocznik Gospodarczo-Statystyczny wojewjdztwa zielonogjrskiego 1959 [Wirtschaftlich-Statistisches Jahrbuch der Woiwodschaft Zielona Gjra 1959]. Zielona Gjra 1958, S. 53: 572.000. 59 Dulczewski, Tworzenie sie˛, 2001, S. 128f. 60 Restliche 1,2 Prozent: unbekannt. Halicka, Der »polnische Wilde Westen«, 2008, S. 52. 61 Szczegjła, Polnische Ansiedlung, 1998, S. 38. 62 Ose˛kowski, Społeczen´stwo Polski, 1994, S. 64.

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Verkehrswesen und Industrieanlangen hatten unter Kampfhandlungen und Plünderungen gelitten, die Demolierung letzterer schätzte man auf 70 Prozent.63 Hinzu kam die Tatsache, dass die Sowjetunion das östliche Brandenburg in Anbetracht der unklaren Grenzziehung nach ihrem Einmarsch zunächst wie Feindesland behandelt und systematisch ausgeraubt hatte – große Teile der Industrie waren auf diese Weise in die Sowjetunion geschafft worden.64 Plünderer taten ihr Übriges, sodass die Neuansiedler sich in der Regel in leeren Häusern und Wohnungen einrichten mussten. Insbesondere die Vertriebenen aus den Ostgebieten, die mit nur wenig Gepäck gekommen waren, traf dies hart. Überdies hatten sie mit der für sie ungewohnten Bodenqualität zu kämpfen. Die staatliche Hilfe war unzureichend und der erste Winter von Hunger und Kälte geprägt.65 In den Städten musste darüber hinaus die zerstörte Infrastruktur erst wieder in Gang gebracht werden. Neben dem Verwaltungsaufbau hatten die Behörden zunächst mit Krankheiten und Plünderern sowie mit der unzureichenden Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu kämpfen.66 Die Verschiebung der polnischen Westgrenze an die Oder und die Lausitzer Neiße führte zudem zur Teilung von zuvor verwaltungstechnisch zusammengehörigen Gebieten und Städten. So war etwa Gorzjw abhängig vom Elektrizitätswerk in Frankfurt (Oder) gewesen und musste nun das gesamte Stromaufkommen für die Stadt mit einer eigenen Dampfturbine selbst produzieren.67 Da die administrativen Grenzen der Ziemia Lubuska sich in den ersten Monaten häufig verschoben, gestaltete sich der Aufbau einer Verwaltung schwierig, denn oftmals blieben Fragen nach der Zuständigkeit für lange Zeit offen.68 Am 13. November 1945 wurde schließlich das Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete (Ministerstwo Ziem Odzyskanych, MZO) geschaffen, das fortan – bis zu seiner Auflösung im Januar 1949 – die Kompetenzen bezüglich aller polnischen Nord- und Westgebiete innehatte. Neben der bereits genannten Unterbevölkerung und den starken Kriegszerstörungen behinderten weitere Faktoren eine rasche gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Ziemia Lubuska. Zum einen litt die Wirtschaft 63 Dominiczak, Wrjcilis´my, 1974, S. 31. Nach Sczaniecki / Zajchowska waren 79,7 Prozent der Industrie zerstört, Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 436. 64 Rymar : Ukształtowanie, 2005, S. 26f. 65 Halicka, Der »polnische Wilde Westen«, 2008, S. 54f. 66 Rymar, Ukształtowanie, 2005, S. 20f. 67 1945 kwiecien´ 4, Gorzjw Wlkp. – Sprawozdanie burmistrza miasta Gorzowa Wlkp. Piotra Wysockiego z działalnos´cii administracyjnej [4. April 1945, Gorzjw Wlkp. – Bericht des Bürgermeisters der Stadt Gorzjw Wlkp. Piotr Wysocki zur administrativen Tätigkeit], in: Szczegjła, Hieronim (Hg.): Z´rjdła do pocza˛tkjw władzy ludowej na Ziemi Lubuskiej, 1945– 1947 [Quellen zu den Anfängen der Volksrepublik in der Ziemia Lubuska]. Poznan´ u. a. 1971, S. 9. 68 Dominiczak, Wrjcilis´my, 1974, S. 47.

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der Region unter den Reparationszahlungen an die Sowjetunion69 und unter einem fehlenden staatlichen Konzept zur Investitionspolitik. Der daraus folgende Mangel an aktiven Betrieben und Arbeitsplätzen führte mitunter zur Abwanderung gerade erst zugezogener Siedler.70 Zum anderen machte sich bemerkbar, dass ein Großteil der Bevölkerung sich nicht freiwillig angesiedelt hatte und lange auf eine Rückkehr in die Heimat hoffte.71 Auch die Überfälle, Diebstähle und Vergewaltigungen durch Mitglieder der Roten Armee, denen viele Neusiedler in den ersten Monaten besonders in den unmittelbaren Grenzgebieten ausgesetzt waren, stellten ein ernstes Problem dar.72 Nicht zuletzt wirkten sich die fehlende Regelung der Eigentumsfragen sowie die Sorge um die Beständigkeit der Westgrenze negativ auf die Region aus. So verzeichnete etwa das Posener Woiwodschaftsamt für Information und Propaganda (Wojewjdzki Urza˛d Informacji i Propagandy) in Gorzjw einen »Mangel an Arbeitseifer«73 infolge der Rede von US-Außenminister James F. Byrnes am 6. September 1946 in Stuttgart, in der er die Oder-Neiße-Grenze in Frage gestellt hatte. Innerhalb der neuen polnischen Nord- und Westgebiete nahm die Ziemia Lubuska außerdem eine durch ihre Grenzlage begründete Sonderstellung ein. Zunächst fiel fast das gesamte Gebiet der späteren Ziemia Lubuska vom Eintreffen der Roten Armee im Januar 1945 bis zur deutschen Kapitulation im Mai 1945 in die Frontzone, die auf 100 km festgelegt worden war.74 Und auch nach Kriegsende hatten viele Dörfer und Kleinstädte in den Grenzkreisen einen ausgeprägten militärischen Charakter, da noch im Jahr 1948 die Soldaten ca. 30 bis 40 Prozent der Siedler ausmachten.75 Darüber hinaus waren die Grenzbezirke von administrativen Restriktionen betroffen, es herrschten Ausgangssperren, verbotene Zonen wurden eingerichtet,76 was in einigen Fällen zur Abwanderung von Neusiedlern führte.77

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Hoensch, Jörg K.: Geschichte Polens. Stuttgart 1998 (3. Auflage), S. 304f. Rocznik Gospodarczo-Statystyczny, S. 28f. Szczegjła, Polnische Ansiedlung, 1998, S. 38. Curp, Clean Sweep, 2006, S. 51–52. Dok. 34, in: Szczegjła, Hieronim (Hg.): Z´rjdła do pocza˛tkjw władzy ludowej na Ziemi Lubuskiej, 1945–1947 [Quellen zu den Anfängen der Volksrepublik in der Ziemia Lubuska]. Poznan´ u. a. 1971, 1971, S. 167. Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 30. Szczegjła, Polnische Ansiedlung, 1998, S. 33. Brencz, Andrzej: Die Herausbildung einer neuen Kulturlandschaft in den Westgebieten – eine neue Sichtweise, in: Schultz, Helga / Nothnagle, Alan (Hg.): Grenze der Hoffnung. Geschichte und Perspektiven der Grenzregion an der Oder. Berlin 1996, S. 55. Rocznik Gospodarczo-Statystyczny, S. 29.

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1.2.4 Mythos der »Wiedergewonnenen Gebiete« und »Repolonisierung« Die polnischen Behörden sahen sich in den ersten Nachkriegsjahren vor der schweren Aufgabe, die Ziemia Lubuska und die anderen ehemals deutschen Gebiete im Norden und im Westen in den polnischen Staat zu integrieren. Daher zählte es zu den wichtigsten Zielen der polnischen Nachkriegspropaganda, den »urpolnischen« Charakter der Ziemia Lubuska hervorzuheben und auf ihre polnischen Ursprünge hinzuweisen. Zum einen sollte dies durch die Betonung und Mythisierung der polnischen Geschichte der Westgebiete, zum anderen durch die Verwischung deutscher Spuren gelingen. Eine tragende Rolle spielte die These der »Wiedergewonnenen Gebiete« (Ziemie Odzyskane), der zufolge die 1945 von Deutschland übernommenen Gebiete »urpolnisch« und nun in einem Akt »historischer Gerechtigkeit« wieder zu Polen zurückgekehrt seien. Man bezog sich auf das Gebiet des Piastenstaates im 10. und 11. Jahrhundert, das bis an die Oder herangereicht hatte. Nach »zehn Jahrhunderten des Kampfes«78 zwischen Polen und dem Deutschen Reich (bzw. Brandenburg und Preußen) schienen die polnischen Bestrebungen mit der Westverschiebung Polens an die Oder-Neiße-Grenze erreicht worden zu sein. Zur Untermauerung der These der »Wiedergewonnenen Gebiete« wurden die neuen polnischen Westgebiete in den ersten Jahren nach dem Krieg »repolonisiert«. Das wichtigste Mittel dabei war die Vertreibung der Deutschen und die Ansiedlung von Polen. Darüber hinaus gehörte dazu aber auch die »Repolonisierung« der für diese These so wichtigen Autochthonen, die in vom Polnischen Westverband organisierten, kostenlosen Kursen die polnische Sprache und Geschichte79 erlernten.80 Die allgemeine Schulpflicht war dabei ein bedeutsames Instrument, um Einfluss auf die Kinder der Autochthonen ausüben zu können, jedoch hielten viele Eltern ihre Kinder von der Schule fern.81 Auch die Verifizierung der Nationalität spielte eine wichtige Rolle, da die Anwesenheit von polnischen Einheimischen in den Westgebieten die These der Rückkehr dieser Gebiete zu Polen zu rechtfertigen schien. Ein weiterer Teil des Prozesses der »Repolonisierung« war die »Entdeutschung« (odniemczanie) der Westgebiete. Bernard Linek versteht darunter »Handlungen jeder Art, vor allem von Staats- und Parteiführung sowie anderer gesellschaftlich-politischer Organisationen, die darauf abzielen, die deutsche Bevölke78 Wojciechowski, Zygmunt: Polska-Niemcy. Dziesie˛c´ wiekjw zmagania [Polen-Deutschland. Zehn Jahrhunderte des Ringens]. Poznan´ 1945. 79 Der sogenannte »Kurs Naukowo-Informacyjny o Ziemiach Zachodnich« des Polnischen Westverbands. 80 Zur »Repolonisierung« der Autochthonen mittels polnischer Schulen auch Ose˛kowski, Społeczen´stwo Polski, 1994, S. 195ff. 81 Nitschke, Vertreibung, 2003, S. 157.

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rung auszusiedeln sowie jegliche Elemente, die von der Anwesenheit des deutschen Staates, seiner Vertreter oder Personen, die sich der deutschen Sprache bedient haben, in Oberschlesien in der Vergangenheit zeugen, vor allem auf mechanische Weise zu entfernen.«82

Konkret bedeutete dies, dass deutsche Denkmäler entfernt, deutschsprachige Inschriften getilgt und die deutsche Vergangenheit der Regionen tabuisiert wurden.83 Bereits am 30. Juli 1945 ließ der Woiwode von Posen in seiner Funktion als Regierungsbevollmächtigter für die Ziemia Lubuska per Rundschreiben verlautbaren: »Man muss unverzüglich damit beginnen, den wiedergewonnenen Gebieten einen polnischen Charakter zu verleihen und zuallererst Schilder und jegliche Schriftzüge übermalen. Bei der Namensgebung der Straßen soll aus der polnischen Geschichte geschöpft werden, insbesondere aus der Zeit der Befreiung, aber auch der Regionalismus Großpolens soll berücksichtigt werden. Die amtliche Verwendung der deutschen Sprache verbiete ich kategorisch. Ein deutscher Antragsteller, der kein Polnisch spricht, muss einen Übersetzer mit sich führen. Polnische Behörden dürfen sich in ihrer amtlichen Korrespondenz unter keinen Umständen der deutschen Sprache bedienen.«84

Am 24. November 1945 ordnete das Posener Woiwodschaftsamt »nunmehr definitiv an, alle deutschen Aufschriften auf Plakaten, Schildern von Geschäften, Häusern, Straßennamen unter den Hausnummern, an abgebrannten Häusern, Wegweisern usw. zu entfernen und für Straßen und Plätze in den Ortschaften der Ziemia Lubuska unverzüglich polnische Namen zu vergeben.«85

Dass 1947 immer noch deutsche Beschriftungen und Gegenstände in Gorzjw vorzufinden waren, stieß auf das Missfallen der Behörden und führte zu der 82 Linek, Bernard: »Odniemczanie« wojewjdztwa s´la˛skiego w latach 1945–1950 [Die »Entdeutschung« der Woiwodschaft Schlesien in den Jahren 1945–1950]. Opole 1997, S. 11. 83 Im Hinblick auf andere Regionen und Städte beschrieben diese Prozesse: Friedrich, Jacek: Neue Stadt in altem Gewand. Der Wiederaufbau Danzigs 1945–1960. Köln 2010, insbes. S. 34–36; Musekamp, insbes. S. 133–145; Thum, Die fremde Stadt, 2003; Linek, »Odniemczanie«, 1997; S´wider, Małgorzata: Die sogenannte Entgermanisierung im Oppelner Schlesien in den Jahren 1945–1950. Lauf a. d. Pegnitz 2002. 84 1945, lipiec 30, Poznan´ – okjlnik wojewody poznan´skiego jako pełnnomocnika rza˛du dla Ziemi Lubuskiej do pełnomocnikjw obwodowych [30. Juli 1945, Posen – Rundbrief des Posener Woiwoden als Regierungsbevollmächtigter für die Ziemia Lubuska an die Bevollmächtigten der Kreise], in: Bartkiewicz, Kazimierz (Hg.): Z´rjdła i materiały do dziejjw S´rodkowego Nadodrza. Wybjr [Quellen und Materialien zur Geschichte des Mittleren Odergebietes. Auswahl]. Zielona Gjra 1996, S. 215. 85 Schreiben des Posener Woiwoden an die Starosten, Regierungsbevollmächtigten der Distrikte und Präsidenten der kreisfreien Städte betreffend die Beseitigung aller Aufschriften in deutscher Sprache auf dem Gebiet des Lebuser Landes, 24. November 1945, in: Jankowiak, Wojewodschaft, 2004, S. 113f.

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endgültigen Aufforderung, bis 1. Oktober 1947 alle Spuren zu beseitigen.86 Auch der Westverband hatte darüber geklagt, dass innerhalb der Bevölkerung der Ziemia Lubuska Gleichgültigkeit hinsichtlich der deutschen Hinterlassenschaften herrsche.87 Ende April 1948 schrieb das Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete folgende Schritte vor: »1. Verdrängung der deutschen Sprache; 2. Eliminierung der deutschen Beschriftungen; 3. Polonisierung der deutschen Vor- und Nachnamen; 4. Bekämpfung der noch vorhandenen Hitlerideologie und der Spuren der Germanisierung.«88

So bald wie möglich sollten alle Orte in der Ziemia Lubuska polnische Namen tragen. Die Dringlichkeit ergab sich zum einen aus der Notwendigkeit, für einen reibungslosen und eindeutigen Ablauf der Behörden verbindliche polnische Namen einzuführen. Zum anderen sollten die Orte für die Neuansiedler vertraut klingen. Nicht zuletzt galt es auch, die deutschen Spuren der Region zu verwischen und mithilfe der geographischen Bezeichnung den Eindruck entstehen zu lassen, es handle sich um »urpolnisches« bzw. -slawisches Gebiet.89 Zunächst waren die Umbenennungsaktionen unkoordiniert, viele verschiedene Akteure beteiligten sich daran, und es fehlte an Direktiven zur Durchführung.90 Insbesondere im ersten Halbjahr 1945 kam es daher zum Einsatz verschiedener Namen, auch die deutschen Namen wurden teilweise weiter verwendet, insbesondere bei Orten, bei denen eine polnische Entsprechung nicht auf der Hand lag.91 So tauchen in den Quellen etwa Nowy Zba˛szyn´ für das spätere Zba˛szynek (Neu Bentschen),92 Celichowy für das spätere Sulechjw,93 Landsberg für das

86 Napisy niemieckie [Deutsche Aufschriften], in: Głos Wielkopolski, Nr. 221, 13. 8. 1947; Usuwania s´ladjw niemczyzny [Beseitigung der Spuren des Deutschtums], in: Głos Wielkopolski, Nr. 227, 19. 8. 1947. 87 Rola i zadania P.Z.Z. na Ziemi Lubuskiej (ca. 1945–1948) [Rolle und Aufgaben des PZZ in der Ziemia Lubuska], Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie Wielkopolskim (APG) [Staatsarchiv in Gorzjw Wielkopolski], Polski Zwia˛zek Zachodni Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie 1945–1948 [Polnischer Westverband Expositur in der Ziemia Lubuska in Gorzjw 1945–1948], Sign. 2, Bl. 4. 88 S´wider, Entgermanisierung, 2002, S. 251. 89 Wagin´ska-Marzec, Maria: Die Festlegung der Ortsnamen in den polnischen West- und Nordgebieten, in: Mazur, Zbigniew (Hg.): Das deutsche Kulturerbe in den polnischen Westund Nordgebieten. Wiesbaden 2003, S. 185. 90 Ebd., S. 186–187. 91 Dok. 9, in: Szczegjła, Hieronim (Hg.): Z´rjdła do pocza˛tkjw władzy ludowej na Ziemi Lubuskiej, 1945–1947 [Quellen zu den Anfängen der Volksrepublik Polen in der Ziemia Lubuska, 1945–1947]. Poznan´ u. a. 1971, S. 9. 92 Dok. 3, in: Ebd., S. 3. 93 Dok. 11, in: Ebd., S. 12.

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spätere Gorzjw94 oder auch Alt-Kesel für das spätere Stary Kisielin (Altkessel)95 auf. Bereits im April 1945 legte die Bezirksdirektion der Polnischen Staatsbahn in Posen polnische Namen für einige Stationen in der Ziemia Lubuska fest – so etwa Gorzjw, Z˙agan´, Skwierzyna, Czerwien´sk (Rothenburg an der Oder) und Kostrzyn. Auf Initiative der Staatsbahn fand unter Beteiligung wissenschaftlicher Institute sowie der Stadt- und Woiwodschaftsverwaltungen im September 1945 schließlich der erste Onomastische Kongress statt, dessen Ziel es war, alte polnische Namen wieder einzuführen und aktuell existierende Doppelbezeichnungen zu liquidieren. Hier wurden unter anderem bereits Zweifel an der historischen Richtigkeit des Begriffs Ziemia Lubuska für die mittlere Oderregion besprochen. Wann immer möglich, sollte Bezug auf in Quellen erwähnte polnische topographische Bezeichnungen genommen werden. Für Ortschaften, die keinen historischen polnischen bzw. slawischen Namen besaßen, sollte die Onomastische Abteilung (Sekcja Onomastyczna) des West-Instituts in Posen unter der Koordination der Ende des Jahres 1945 gegründeten zentralen Kommission zur Festlegung von Ortsnamen (Komisja Ustalania Nazw Miejscowos´ci) Alternativen erarbeiten. Sprachwissenschaftler, Historiker und Geographen nahmen an den Beratungen teil. Sie bezogen sich vor allem auf den »Atlas nazw geograficznych Slowian´szczyzny Zachodniej« (Atlas geographischer Namen des westlichen Slawentums), den der Pfarrer Stanisław Kozierowski in den 1930er Jahren anhand mittelalterlicher Quellen erarbeitet und 1945 veröffentlicht hatte. Auch erkundigte man sich mittels Umfragen bei den Autochthonen, welcher Namen sie sich noch bedienten. Die erarbeiteten Namen aller Gemeinden der Ziemia Lubuska wurden erstmals am 8. November 1945 im Poznan´ski Dziennik Wojewjdzki (Posener Woiwodschaftstageszeitung) veröffentlicht. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass sie von nun an ausschließlich zu verwenden seien. Endgültige Klarheit über die Namen herrschte aber erst durch die Arbeit der im März 1946 formal gegründeten Posener Regionalkommission – einer direkten Nachfolgerin der Onomastischen Abteilung am West-Institut –, deren Aufgabe es war, die Namen von Ortschaften in der Ziemia Lubuska festzulegen.96 94 Dok. 9, in: Ebd., S. 8. Im April 1945 ging ein Rundbrief an die polnischen Bürgermeister, Behördenleiter und den Kommandanten der Miliz in Landsberg, der festlegte, dass in amtlichen Schreiben bis auf Weiteres der Name Landsberg nad Warta˛ zu verwenden sei, weil bisher keine Erlaubnis zur Polonisierung vorliege. Rundbrief (27. 4. 1945), APG, Zarza˛d Miejski i Miejska Rada Narodowa w Gorzowie Wlkp. 1945–1950 [Stadtverwaltung und Städtischer Nationalrat in Gorzjw Wlkp. 1945–1950], Sign. 40, Bl. 1. 95 Dok.16, in: Szczegjła, Hieronim (Hg.): Z´rjdła do pocza˛tkjw władzy ludowej na Ziemi Lubuskiej, 1945–1947 [Quellen zu den Anfängen der Volksrepublik Polen in der Ziemia Lubuska, 1945–1947]. Poznan´ u. a. Gjra 1971, S. 24. 96 Wagin´ska-Marzec, Festlegung, 2003, S. 190–206.

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Im Juni 1947 veröffentlichte die Kommission schließlich das »Verzeichnis der Ortsnamen für Westpommern und die Ziemia Lubuska« (Skorowidz nazw miejscowos´ci Pomorza Zachodniego i Ziemi Lubuskiej). Es bestand aus einem »polnisch-deutschen Hauptteil und einem deutsch-polnischen Hilfsteil«.97 Viele dieser Namen wurden etwa in den Publikationen der PTTK dennoch lange falsch geschrieben, was in der lokalen Presse noch 1960 kritisch angemerkt wurde.98 Auf lokaler Ebene galt es darüber hinaus, neue Namen für die Straßen festzulegen. In Zielona Gjras Stadtbild blieben die deutschen Straßennamen noch eine ganze Weile erhalten, die Neuansiedler bedienten sich jedoch bereits direkter polnischer Übersetzungen der Straßennamen (etwa Rynek Zboz˙owe für Getreidemarkt). Im Laufe des Jahres 1945 erhielten 167 Straßen offiziell neue Namen; bei 37 Prozent handelte es sich um Übersetzungen der deutschen Bezeichnungen, 29 Prozent erhielten Namen historischer oder legendärer Personen. Weitere Straßenbezeichnungen spiegelten slawische Elemente wider, einige wenige auch politische. Im Jahr 1946 wurden weitere Straßen umbenannt, Ende des Jahres war dieser Vorgang zunächst abgeschlossen.99 Erneute Umbenennungen erfolgten 1948, als unter anderem aus der ulica 3 Maja die ulica Jednos´ci Narodowej, aus der ulica Pocztowa die ulica Karola Marksa und aus der ulica Pionierska die ulica Generala S´wierczewskiego wurde.100 In Gorzjw waren ähnliche Tendenzen der Straßenumbenennung zu verzeichnen. So gab es jene Straßen, deren deutscher Name mehr oder weniger genau ins Polnische übersetzt wurde: aus der Theaterstraße wurde die ulica Teatralna, aus der Baderstraße die ulica Łazienki und aus dem Schießgraben die ulica Strzelecka.101 Straßen, die nach Ortschaften benannt waren, erhielten oftmals den polnischen Namen der Ortschaft, so wurde aus der Bromberger Straße die ulica Bydgoska. Darüber hinaus wurden viele politische und historische Namen vergeben – die Friedrichstraße wurde zur ulica Pionierjw, die zentral gelegene Hindenburgstraße zur ulica Bolesława Chrobrego. Auch die postulierte Verbindung zum Slawentum spiegelte sich in der Umbenennung wider – die 97 Skorowidz nazw miejscowos´ci Pomorza Zachodniego i Ziemi Lubuskiej [Verzeichnis der Orstnamen von Westpommern und der Ziemia Lubuska]. Poznan´ 1947, S. 9. 98 Szczegjła, Hieronim: Nazwa nie jest pustym dz´wie˛kiem [Der Name ist kein leerer Klang], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 294, 10./11. 12. 1960, S. 3, 5. 99 Myszkiewicz, Straßen, 2003, S. 243–245. 100 Bekanntmachung der Stadtverwaltung in Zielona Gjra vom 20. August 1949 zur Änderung der Straßennamen, Archiwum Pan´stwowe w Zielonej Gjrze (APZG) [Staatsarchiv in Zielona Gjra], Zarza˛d Miejski w Zielonej Gjrze [Stadtverwaltung Zielona Gjra], Sign. 36, Bl. 8. 101 Schreiben von M. Kobusiewicz (Leiter der Anstalt für Großpolnische Arhäologie Posen) an die Stadtverwaltung Gorzjw (9. 11. 1983), APG, Urza˛d Miejski i Miejska Rada Narodowa w Gorzowie Wlkp. [Stadtverwaltung und Städtischer Nationalrat in Gorzjw Wlkp.], Sign. 511, Blatt 10–11.

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Luisenstraße hieß fortan ulica Łuz˙ycka. Im Hinblick auf Gorzjw, dem keinerlei slawische Wurzeln nachzuweisen waren, galt es auch einen polnischen Namen für die Stadt selber zu finden. Nach der administrativen Übernahme durch die Polen im März 1945 wurde die Stadt zunächst in Landsberg nad Warta˛ (Landsberg an der Warthe) umbenannt. Aufgrund der Beratungen der Namenskommission sollte die Stadt eigentlich nach einem früheren slawischen Dorf Kobyla Gjra (Stutenberg) benannt werden, während die Bahnstation bereits den Namen Gorzjw nad Warta˛ trug – wahrscheinlich analog zu einem schlesischen Landsberg, das Gorzjw genannt wurde. Eindeutig kann die Herkunft der Bezeichnung Gorzjw nicht mehr rekonstruiert werden.102 Kobyla Gjra weckte jedoch den Widerstand der Bewohner, weshalb man sich letztlich auf Gorzjw nad Warta˛ einigte.103 Obgleich die Stadt zu keinem Zeitpunkt zu Großpolen gehörte hatte, erhielt sie im Frühjahr 1946 von der Namenskommission den Zusatz »Wielkopolski« (großpolnisch), der sich jedoch erst in den 1950er Jahren durchsetzte.104 Nicht zuletzt die zum Teil deutsch klingenden Vor- und Nachnamen der autochthonen Bevölkerung waren Gegenstand der »Repolonisierung«. Auf der Basis des Dekrets vom 10. November 1945 konnten Anträge auf Änderung des Vor- bzw. Nachnamens gestellt werden. Wer dies nicht tat, dem drohten der Verlust der Arbeit, die Zuteilung einer schlechteren Wohnung oder hohe Geldstrafen. Der Widerstand in der Bevölkerung gegen diese Maßnahmen war jedoch recht hoch, nicht viele Personen beantragten eine Namensänderung. Eine Ausnahme stellten Kinder dar, deren Namen öfter geändert wurden, da die Eltern ihre zukünftige Diskriminierung fürchteten. Ende 1947 wurden die Richtlinien entschärft.105 Eine Lösung musste auch für die zurückgelassenen deutschen Museums- und Archivbestände sowie die Sammlungen in Bibliotheken gefunden werden. Die nicht durch Kriegshandlungen vernichteten Archivbestände wurden erhalten. 1959 bestanden 92 Prozent des Bestandes des Woiwodschaftsarchivs von Zielona Gjra aus Akten aus der Zeit vor 1945, im Kreisarchiv von Gorzjw stammten die »wertvollsten Bestände« aus der Zeit zwischen dem 16. Jahr-

102 Rymar, Edward: Dlaczego i od kiedy Gorzjw? [Warum und seit wann Gorzjw?], in: Nadwarcian´ski Rocznik Historyczno-Archiwalny 1995/2, S. 161f. 103 Rossolin´ski, Grzegorz: Umbenennungen in der Ziemia Lubuska nach 1945, in: Vogenbeck, Bernd u. a. (Hg.): Terra Transoderana. Zwischen Neumark und Ziemia Lubuska. Berlin 2008, S. 63. 104 Rymar, Dariusz (w imieniu Zarza˛du Towarzystwa Przyjacijł Archiwum i Pamia˛tek Przeszłos´ci): List do Prezydenta Miasta Gorzowa (Gorzjw 13. 11. 1995r.) [Brief an den Präsidenten der Stadt Gorzjw (Gorzjw 13. 11. 1995)], in: Gorzowskie Wiadomos´ci Samorza˛dne 2007/11, S. 6–7. 105 Nitschke, Vertreibung, 2003, S. 154–156.

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hundert und 1945.106 Auch die Museen bewahrten die übrig gebliebenen deutschen Bestände. Einige der archäologischen Exponate des Landsberger Heimatmuseums wurden im 1945 gegründeten Muzeum Ziemi Lubuskiej w Gorzowie n/W. (später Muzeum w Gorzowie) verwendet.107 Insgesamt hatte man 516 Exponate des alten Museums übernommen.108 Deutsche Belletristik und Propagandaschriften wurden vernichtet, wissenschaftliche Literatur in Bibliotheken der Region oder nach Warschau und Posen umgelagert. In Zweifelsfällen lag die Entscheidung bei der Woiwodschafts- bzw. Kreiskommission zur Klassifizierung Deutscher Bücher (Wojewjdzka/Powiatowa Komisja Klasyfikacji Ksia˛z˙ek Niemieckich). Einige Werke blieben jedoch in den Bibliotheken kleinerer Orte zurück, 1952 verfügten Szprotawa (Sprottau), S´wiebodzin, Wschowa (Fraustadt), Strzelce und Gorzjw zum Teil noch über beträchtliche Bestände an deutscher Literatur.109 Deutschsprachige Schulbücher wurden in den naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern unmittelbar nach dem Krieg teilweise im Unterricht verwendet.110 Trotz größter Bemühungen war es nicht möglich, alle deutschen Spuren zu beseitigen. Die Rückseiten alter deutscher Formulare, Vordrucke und Briefköpfe wurden aufgrund des Papiermangels von der polnischen Verwaltung in den 1940er Jahren für amtliche und interne Schreiben verwendet und machten es schwer, die deutsche Vergangenheit zu ignorieren. Insbesondere aber in der privaten Sphäre, in den von den deutschen zurückgelassenen Wohnungen und Häusern, trafen die neuen Ansiedler auf diverse »ehemals deutsche« (poniemiecki) Gegenstände.111 Thum weist im Hinblick auf Breslau darauf hin, dass diese Diskrepanz zu einem »schizophrenen Verhältnis von öffentlichem und privatem Bereich«112 führen konnte. 106 Kurzer Tätigkeitsbericht des staatlichen Archivdiensten auf dem Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra 1953–1958, 21. 1. 1959, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze [Präsidium des Woiwodschaftsnationalrats in Zielona Gjra], Sign. 4012, Blatt 48, 53. 107 Bericht der Kuratorin Walentyna Pokornowa (9. Januar 1946), APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp. [Lebuser Jan-Dekert-Museum in Gorzjw Wlkp.], Sign. 3, Bl. 19. 108 Kurzer historischer Abriss der Tätigkeit des Museums in Gorzjw, 1969, APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 26, Blatt 111. 109 Koordination der Tätigkeiten der kulturellen und künstlerischen Institutionen. Buchbestand – Liquidierung der deutschen und höfischen Buchbestände, Selektion der Buchbestände, ukrainischer Buchbestand (1952), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4016, [o.S.]. 110 Erinnerungen von Wiesław Sauter, Instytut Zachodni (IZ) [West-Institut], P 177, cz. I, S. 38; cz. II, S. 21. 111 Gregor Thum beschreibt die aus dem Widerspruch zwischen offiziellen Parolen und tatsächlich vorgefundener Tatsachen entstehende Problematik für Breslau. Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 498–502. 112 Ebd., S. 500.

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1.2.5 Folgen für das Nachkriegsleben in der Ziemia Lubuska Es ist deutlich geworden, dass es sich bei der Bevölkerung der Ziemia Lubuska nach dem Zweiten Weltkrieg um eine komplett neue Gesellschaft handelte, die in vielerlei Hinsicht vor große Herausforderungen gestellt wurde. Das gesamte administrative, wirtschaftliche und kulturelle Leben sowie die Infrastruktur der Ziemia Lubuska mussten nach 1945 neu aufgebaut werden. Insbesondere die wirtschaftliche Lage verbesserte sich nur langsam, da die überall zu spürenden Kriegszerstörungen aufgrund der anfangs schleppend laufenden Besiedlung und eines fehlenden staatlichen Investitionskonzepts nur langsam abgemildert werden konnten. Lange Zeit fehlte der Region eine gesellschaftliche Elite, denn die Grenzregion galt als zerstört und vernachlässigt, unter den Bewohnern herrschte eine hohe Zukunftsunsicherheit. Das führte dazu, dass viele Mitglieder der Intelligenz die Region nur als Übergangswohnort wahrnahmen und keine schöpferischen Milieus entstanden, die in der Lage gewesen wären, das kulturelle Leben aus dem Nichts wieder aufzubauen.113 Zwischen den verschiedenen Ansiedlergruppen, den ostpolnischen Vertriebenen und den Zentralpolen, entstanden in den ersten Nachkriegsjahren zahlreiche Konflikte. Die Ansiedler hatten die verschiedensten sozialen, konfessionellen und sprachlichen Hintergründe. Die oftmals besseren beruflichen Positionen der Zentralpolen führten zu Spannungen, auch die Verteilung von Wohnraum, Gewerbe und Einrichtung barg Konfliktpotential.114 Die Vertriebenen aus dem Osten galten als rückständig, Siedler aus der Posener Region wurden »Deutsche« genannt.115 Erste Kontakte zwischen den unterschiedlichen Siedlergruppen fanden in der Regel erst in der Schule statt. Eine dementsprechend wichtige Rolle nahm die Schule daher für die Integration der neuen Bevölkerung ein, da hier Stereotype abgebaut und Unterschiede etwa in der Sprache nivelliert werden konnten.116 Eine wichtige Rolle für die Stabilisierung und die Integration der heterogenen Gesellschaft spielte auch die katholische Kirche, die sich recht schnell in den Westgebieten etabliert hatte.117 Hinzu kamen Schwierigkeiten der regionalen Bindung der Ansiedler, denn »lokale Traditionen und Symbole, Orte der Verehrung und traditionelle kulturelle Zeichen, die Identitäten definiert und ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit gegeben hatten, gehörten der Vergangenheit an.«118

113 114 115 116 117 118

Wallis, Amatorski ruch, 2005, S. 61f. Ther, Deutsche und polnische, 1998, S. 293–297. Halicka, Der »polnische Wilde Westen«, 2008, S. 56. Ose˛kowski, Społeczen´stwo Polski, 1994, S. 196, 203f. Ebd., S. 210–234; Nitschke, Vertreibung, 2003, S. 157; Socha, Rola, 2007. Kersten, Krystyna: Forced Migration and the Transformation of Polish Society in the

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Da Traditionen aus der alten Heimat nicht öffentlich gelebt werden konnten, verschwanden viele regionale Bräuche und der Gesellschaft fehlte es an regionaler Verwurzelung.119 Von einer Identifikation mit der Region kann man frühestens ab der zweiten oder dritten Generation der »Lebuser« sprechen,120 während viele der Neusiedler selber sich trotz steigenden Lebensstandards nicht integriert fühlten.121 Oftmals überwog ein Gefühl der Fremdheit gegenüber den neuen Wohnorten, das auf der fremden Architektur, den noch allerorts anzutreffenden deutschen Beschriftungen und im Hinblick auf die Siedler aus den Ostgebieten auf dem zivilisatorischen Unterschied beruhte. Hinzu kamen Gefühle von Unsicherheit und Vorläufigkeit – lange befürchteten die Neuansiedler, dass die Oder-NeißeGrenze keinen Bestand haben würde und sie in naher Zukunft wieder würden umziehen müssen bzw. im besten Falle wieder in die Heimat zurückgehen könnten.122 Insbesondere nach der abgebrochenen Konferenz der Außenminister in London im Jahr 1947 machten Behörden »eine neue Welle der Psychose der Unsicherheit« bei den Bewohnern der Ziemia Lubuska aus.123 Das führte dazu, dass die Neuansiedler ein »Leben auf gepackten Koffern«124 führten, sich an ihren neuen Wohnorten nur provisorisch einrichteten und keine Bindung zu ihnen aufbauten. Erst nach 1956 war eine spürbare Verbesserung der Situation zu verzeichnen. Hatten unter den Vertriebenen unmittelbar nach dem Krieg »Verzweiflung und Apathie« geherrscht, wichen diese »innerhalb einer halben Dekade gerade wegen des materiellen Nachholbedarfs einem ausgeprägtem Karrierestreben und einer hohen Mobilität«.125 Die materielle Situation vieler Ansiedler hatte

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Postwar Period, in: Ther, Philipp / Siljak, Ana (Hg.): Redrawing Nations. Ethnic Cleansing in East-Central Europe, 1944–1948. Lanham 2001, S. 83. Halicka, Beata: »Mein Haus an der Oder« – Erinnerungen von Neusiedlern der Oderregion im Zwiespalt zwischen Wirklichkeit und Propaganda, in: dies. / Schlögel, Karl (Hg.): OderOdra. Blicke auf einen europäischen Strom. Frankfurt am Main 2007, S. 282f. Ebd., S. 283. Sakson, Andrzej: Procesy integracji i dezintegracji społecznej na Ziemiach Zachodniach i Pjłnocnych Polski po 1945 roku [Gesellschaftliche Integrations- und Desintegrationsprozess in den polnischen West- und Nordgebieten nach 1945], in: ders. (Hg.): Pomorze – trudna ojczyzna? Kształtowanie sie˛ nowej toz˙samos´ci 1945–1995 [Pommern – eine schwierige Heimat? Die Herausbildung einer neuen Identität 1945–1995]. Poznan´ 1996, S. 153. Ther, Deutsche und polnische, 1998, S. 272–275; Zaremba: Marcin: Die große Angst. Polen 1944–1947: Leben im Ausnahmezustand. Paderborn 2016, S. 345–348. Tätigkeitsbericht der Expositur, 1947, APZG, Urza˛d Wojewjdzki Poznan´ski Ekspozytura w Gorzowie [Posener Woiwodschaftsverwaltung Expositur in Gorzjw], Sign. 56, Bl. 279. Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 266. Ther, Deutsche und polnische, 1998, S. 279.

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sich verbessert und führte zu privaten Investitionen.126 Unter der Leitung des West-Instituts durchgeführte soziologische Untersuchungen aus den Jahren 1958–1960 und 1968–1970 ließen auf die zunehmend positive Entwicklung der Ziemia Lubuska schließen. Ende der 1950er war eine Normalisierung der Migrationsbewegungen zu verzeichnen, außerdem gingen die Befragten mittlerweile davon aus, dauerhaft an ihren Wohnorten bleiben zu können. Die Konflikte zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen hatten nachgelassen, und eine junge Generation von in der Ziemia Lubuska Geborenen wuchs heran. Insbesondere die zunehmenden staatlichen Investitionen hinterließen bei den Bewohnern das Gefühl einer sicheren Grenze – wenn der Staat investierte, konnte das nur heißen, dass er die Grenze für stabil hielt. So trugen sie zur Stabilisierung der Region bei und führten zu einer sichtbaren Belebung etwa in der Frage der Instandhaltung und Renovierung von öffentlichen und privaten Gebäuden der Region.127 Zu der wirtschaftlichen Belebung trug sicherlich auch die Gründung des Regierungsausschusses für die Entwicklung der Westgebiete (Komisja Rza˛dowa do Spraw Rozwoju Ziem Zachodnich) bei, die im Dezember 1956 zur Behebung begangener Fehler in der Bewirtschaftung der neuen Gebiete und als Reaktion auf die massenweise Ausreise der Autochthonen geschaffen worden war. Nicht zuletzt nahm sie sich ungeklärter Eigentumsfragen an. Im Mai 1957 nahm die Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete (Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, TRZZ) ihre Arbeit auf.128 Sie entstand aus einer Gruppe Aktiver aus dem ehemaligen MZO und Journalisten, die zum Teil bereits in der PZZ aktiv gewesen waren, und konnte auf die Unterstützung der PZPR setzen.129 Ihr Hauptziel war die Beschleunigung der Integration der Westgebiete. Laut Satzung bestanden die Aufgaben der TRZZ in der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Belebung der Westgebiete. Ausschlaggebend für die Gründung waren nach Zdzisław Jordanek insbesondere die schwache bisherige wirtschaftliche Entwicklung und die mangelnde Integration der Westgebiete sowie die revisionistische Politik der BRD, die es dringend erforderlich zu machen schien, die Westgebiete so schnell wie möglich wieder aufzubauen.130 126 Erinnerungen von Zygmunt Bieniasz, IZ, P 936–699; Erinnerungen von Zofia Rosołek, IZ, P 769–509. 127 Burszta, Jjzef: Wies´ lubuska. Na podstawie badan´ wsi Gluchowo i Łe˛gowo [Das Lebuser Dorf. Auf der Grundlage der Erforschung der Dörfer Gluchowo und Łe˛gowo], in: Dulczewski, Zygmunt (Hg.): Społeczen´stwo Ziem Zachodnich. Poznan´ 1971, S. 115. 128 Ose˛kowski, Społeczen´stwo Polski, 1994, S. 248–250. 129 Jordanek, Zdzisław : Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich w procesie integracji społeczno-gospodarczej Ziem Zachodnich i Pjłnocnych w latach 1957–1970 [Die Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebieten im gesellschaftlich-ökonomischen Integrationsprozess der West- und Nordgebiete in den Jahren 1957–1970]. Koszalin 2002, S. 13, 152. 130 Ebd., S. 155f.

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Die TRZZ war eine Gesellschaft, die in allen Woiwodschaften der Westgebiete aktiv war und somit auch eine eigene Abteilung in der Woiwodschaft Zielona Gjra hatte. Im Juli 1957 wurde in Zielona Gjra das Organisationkomitee der TRZZ (Komitet Organizacyjny TRZZ) gegründet. In der Gründungssitzung wurde »all das stark kritisiert, was die Aktivierung unserer Woiwodschaft mehrfach bremste«.131 Ein Vertreter Gorzjws bemängelte, dass der »ständig fortschreitende Grad der Zerstörung der Wiedergewonnenen Gebiete« Polen auf der internationalen Bühne »kompromittieren« würde. Um diese Zerstörungen zu beseitigen, müsse einiges getan werden, »aber eine solche Aktion ist schwierig, denn die Menschen sagen: das ist ja nicht meine Wohnung, nicht mein Haus, soll es doch verfallen, wofür soll ich da Geld und Mühe reinstecken, wenn sie mir am nächsten Tag die Wohnung schon wieder wegnehmen können«.132

So sei eine Organisation wie die TRZZ in der Woiwodschaft nötig, um in Kooperation mit staatlichen Organen die Gesellschaft zu mobilisieren, das Zugehörigkeitsgefühl zu Polen zu verstärken und dem westdeutschen Revisionismus die Stirn zu bieten.133 In der ersten Versammlung der TRZZ in Zielona Gjra im Oktober 1957 wurde festgehalten, dass sich die TRZZ zwar vor allem um die kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Belebung (aktywizacja) kümmern sollte, jedoch auch Fragen der Schaffung eines lokalen und regionalen Patriotismus als Grundlage für einen polnischen Patriotismus Platz finden sollten.134 Neben zahlreichen Aktivitäten im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich beabsichtigte die TRZZ ebenfalls, Werbebroschüren zu drucken, um Bauern aus anderen Woiwodschaften zur Ansiedlung in der Ziemia Lubuska zu bewegen.135 Nicht zuletzt war es auch das Ziel, die Region bekannter zu machen. Zdzisław Giz˙ejewski, Publizist aus Zielona Gjra, schlug 1960 vor, in die zentralpolnischen Woiwodschaften »Werbeteams« aus Journalisten, Autoren und Künstlern der Ziemia Lubuska zu schicken, um mithilfe von Filmen und Vor131 Referat des WKO der TRZZ in Zielona Gjra auf der Woiwodschaftsversammlung am 3. 10. 1957, Archiwum Akt Nowych w Warszawie (AAN) [Archiv Neuer Akten in Warschau], Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna [Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete. Oberster Rat], Sign. 59, Bl. 1. 132 Protokoll der 1. Versammlung der Woiwodschafts-TRZZ in Zielona Gjra am 3. 10. 1957, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 59, Bl. 53. 133 Referat des WKO der TRZZ in Zielona Gjra auf der Woiwodschaftsversammlung am 3. 10. 1957, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 59, Bl. 1f. 134 Protokoll der 1. Versammlung der Woiwodschafts-TRZZ in Zielona Gjra am 3. 10. 1957, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 59, Bl. 32. 135 Tätigkeitsbericht der TRZZ-Woiwodschaftsverwaltung in Zielona Gjra für das Jahr 1960, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzka w Zielonej Gjrze 1957–1971 r [Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete Woiwodschaftsverwaltung in Zielona Gjra 1957–1971], Sign. 15, Bl. 85.

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trägen über die Region einen »Frontalangriff auf das Bewusstsein der Menschen in den zentralen Woiwodschaften«136 zu starten.

1.2.6 Was ist die Ziemia Lubuska? Durch die Festlegung der geographischen Grenzen der Ziemia Lubuska hatten die volkspolnischen Behörden Tatsachen geschaffen. Der für das Territorium gewählte Begriff war jedoch über Jahrzehnte immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen. Der Name der Region war neu geschaffen worden, um eine direkte Übersetzung der Begriffe Neumark oder Ostbrandenburg zu vermeiden.137 Zwar war in Polen bereits zuvor das Territorium des mittelalterlichen Bistums als Ziemia Lubuska bezeichnet worden, doch erhielt der Begriff erst nach dem Krieg eine neue Bedeutung. Erstmals in diesem Sinne – als Bezeichnung für die Gebiete unmittelbar östlich der mittleren Oder – gebrauchten den Namen Ziemia Lubuska Maria Kiełczewska und Andrzej Grodek in ihrem 1945 erschienenen (und bereits während des Krieges erarbeiteten) Buch »Odra-Nisa. Najlepsza granica Polski« (Oder-Neiße. Die beste Grenze Polens): »Zwischen Pommern und Schlesien liegt ein kleines Land an der Oder, das die Funktion einer Verbindung zwischen diesen beiden Regionen übernahm. Es geht um die Ziemia Lubuska, von Deutschland einst an den Regierungsbezirk Frankfurt angeschlossen. Die Ziemia Lubuska zieht sich auf beiden Ufern der Oder entlang, von der NeißeMündung bis zur Warthe-Mündung. Das ehemalige Zentrum der Region ist die polnische Stadt Lebus, woher auch der Name stammt […].«138

1946 erschien in einer Reihe des im Februar 1945 gegründeten West-Instituts der Band »Ziemia Lubuska. Opis geograficzny i gospodarczy« (Ziemia Lubuska. Geographische und wirtschaftliche Beschreibung) von Bogumił Krygowski und Stanisława Zajchowska, in dem die Autoren erläutern, dass unter dem Namen 136 Zusammenfassung der Diskussion, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 59, Bl. 107. 137 Gleichzeitig wurde aber bei der Benennung von Unterregionen durchaus Wert auf den Bezug auf die ursprünglichen Namen der historischen Landschaft gelegt. Siehe Sczaniecki, Michał: O ustalenie nazw dla dwjch regionjw Ziemi Lubuskiej [Zur Festlegung von Namen für zwei Regionen der Ziemia Lubuska], in: Przegla˛d Zachodni 1948/5, S. 623–624. Zur Ausblendung historischer Kriterien bei der Benennung von Verwaltungseinheiten nach 1945 in Polen zugunsten administrativ-funktionaler Kriterien: Ziemer, Klaus: Ordnungspolitik und Region im Realsozialismus, in: Olschowsky, Burkhard u. a. (Hg.): Region, Staat, Europa. Regionale Identitäten unter den Bedingungen von Diktatur und Demokratie in Mittel- und Osteuropa. Oldenburg 2014, S. 80. 138 Kiełczewska, Maria / Grodek, Andrzej: Odra-Nisa. Najlepsza granica Polski [Oder-Neiße. Die beste Grenze Polens]. Poznan´ 1945, S. 26.

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Ziemia Lubuska »heute […] weit mehr als die richtige Ziemia Lubuska« verstanden wird. Darüber hinaus stellte das Buch die genaue territoriale Abgrenzung der Region dar. Nunmehr bestand die Ziemia Lubuska aus folgenden 14 Kreisen: 1) nördliche Kreise: Gorzjw, Strzelce, Trzcianka (Schönlanke), Piła (Schneidemühl); 2) mittlere Kreise: Sule˛cin (Zielenzig), Słubice (Frankfurt(Oder)-Dammvorstadt), Skwierzyna, Mie˛dzyrzecz, S´wiebodzin (Schwiebus), Sulechjw, Babimost; 3) südliche Kreise: Gubin, Krosno Odrzan´skie, Zielona Gjra, Wschowa.139 Die Ziemia Lubuska umfasste fortan Gebiete sechs verschiedener historischer Regionen – das Sternberger Land, die Neumark, Brandenburg, Schlesien, die Lausitz und Großpolen –, die im Laufe der Jahrhunderte innerhalb der Einflussgebiete Brandenburgs, Pommerns, Böhmens, des Habsburger Reiches, Preußens und Polens gelegen hatten. Freilich hatten große Teile des nun zu Polen gehörenden Gebietes zu keinem Zeitpunkt zum Bistum Lebus oder zum Kreis Lebus gehört. Die offizielle polnische Geschichtsschreibung legte durch die Namensgebung also eine Kontinuität nahe, die so nicht gegeben war. Damit handelte es sich bei der Ziemia Lubuska der Nachkriegszeit um einen klassischen Fall von »erfundener Tradition«, die bemüht ist, aufgrund der Namensgebung eine »Kontinuität mit einer passenden historischen Vergangenheit«140 herzustellen. Ihre »Erfinder« waren die Angestellten des West-Instituts in Posen. Im Nachkriegspolen figurierte fortan eine Region unter dem Namen Ziemia Lubuska, die im deutschen Sprachraum schon seit vielen Jahren nur noch als Neumark bzw. Sternberger Land bekannt gewesen war, während der brandenburgisch-preußische Kreis Lebus sich auf der westlichen Oderseite befunden hatte. Dass die Ortschaft Lebus, ebenso wie ein Großteil des mittelalterlichen Landes Lebus, auf der deutschen Seite der Oder lagen, stellte in der Argumentation der Befürworter der Namensgebung kein Hindernis dar. 1950 erklärten Stanisława Zajchowska und Michał Sczaniecki: »Der Name ›Ziemia Lubuska‹ war lange Zeit in Vergessenheit geraten. Ihren melodischen Klang erhielt sie vom mittelalterlichen Lebus, einer wichtigen Burg an der Oder. Die späteren, unglückseligen Wege des Schicksals vernichteten ihr polnisches Leben und ihren polnischen Namen. Das Blatt der Geschichte hat sich jedoch gewendet – nach vielen Jahrhunderten kehren wir heute in das Gebiet zurück, aus der uns die Geschichte 139 Krygowski, Bogumił / Zajchowska, Stanisława: Ziemia Lubuska. Opis geograficzny i gospodarczy [Die Ziemia Lubuska. Eine geographische und ökonomische Beschreibung]. Poznan´ 1946, S. 11. 140 Hobsbawm, Eric: Introduction: Inventing Traditions, in: ders. / Ranger, Terence (Hg.): The Invention of Tradition. Cambridge 1983, S. 1.

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Abbildung 3: Die Ziemia Lubuska 1950

zurückgestoßen hat, und es kehrt auch der alte, vergessen Name ›Ziemia Lubuska‹ zurück. Im Rahmen der neuen administrativen Aufteilung wurde die alte Ziemia Lubuska gemeinsam mit den benachbarten Kreisen Schlesiens im Süden, der Neumark im Norden und Teilen von Großpolen (der früheren sog. Grenzmark) im Osten in die Woiwodschaft Posen integriert. Es war unerlässlich, all diese Kreise mit einem gemeinsamen Namen zu erfassen. Den Historikern ist dann der Name ›Ziemia Lubuska‹ in den Sinn gekommen. Und obwohl die Stadt, der sie ihre Anfänge zu verdanken hat, auf der linken Seite der Oder liegt, so ist ihre Tradition und ihre Bedeutung in der Vergangenheit für Polen so wichtig, dass nicht gezögert wurde, mit diesem Namen auch die benachbarten Kreise zu erfassen.«141

Auch Krygowski und Zajchowska argumentierten, dass trotz möglicher Zweifel an der Namenswahl »die Überreste des Landes unserer Urväter mit Ehrfurcht

141 Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 5.

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erhalten und geachtet werden« müssen, da all jenes, was »der Zerstörung entgangen ist, für uns kostbar und heilig ist«.142 Im Jahr 1948 widmeten sich mehrere Artikel im Przegla˛d Zachodni, der Zeitschrift des West-Instituts, der Diskussion um den Status der Ziemia Lubuska. So beschäftigte sich etwa Florian Barcin´ski mit der Frage, ob die Ziemia Lubuska zu einer eigenständigen Woiwodschaft werden könne, wobei er zu dem Schluss kam, dass aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Region zunächst keine ökonomische Grundlage dafür gegeben sei. Gleichzeitig wies Barcin´ski darauf hin, dass ein Verbleib der Ziemia Lubuska in den Grenzen der Woiwodschaft Posen »ihre Industrialisierung nicht beschleunigt«.143 In Posen stieß diese Meinung auf Ablehnung weshalb im März 1948 Vertreter der Verwaltung und politischer Parteien sowie wissenschaftliche Mitarbeiter des West-Instituts ein Memorandum an das Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete sandten, in dem sie sich für den Verbleib der Ziemia Lubuska in der Woiwodschaft Posen aussprachen.144 Auf die Überlegungen zu einer eigenständigen Woiwodschaft Ziemia Lubuska reagierten die Mitarbeiter des West-Instituts mit der Argumentation, dass es sich bei der Ziemia Lubuska um eine eigene Region handele, deren einzelne Teile historisch und geologisch gesehen zu Großpolen bzw. Schlesien und der Lausitz gehört hatten. Einzig die Kreise Słubice und Sule˛cin seien Teil des historischen Landes Lebus. Darüber hinaus würde eine eigene Woiwodschaft zu klein und zu dünn besiedelt sein, zu hohe administrative Kosten verursachen und einen angemessenen Woiwodschaftssitz vermissen lassen. Stattdessen bevorzugten die Autoren einen Anschluss der Ziemia Lubuska an Großpolen und stellten die Wichtigkeit einer von Posen ausgehenden zivilisatorisch-kulturellen Mission für die Region in den Vordergrund.145 In der an das Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete gerichteten Denkschrift hoben die Mitarbeiter darüber hinaus hervor, dass die Grenzen von 1939 auf keinen Fall konserviert werden dürften. Die notwendige Stärke als Grenzland zu Deutschland könne die Region nur innerhalb einer Woiwodschaft Posen aufbringen.146 Auch Maria Kiełczew-

142 Krygowski / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1946, S. 10. 143 Barcin´ski, Florian: Czy Ziemia Lubuska moz˙e stanowic´ odre˛bne wojewjdztwo? [Kann die Ziemia Lubuska eine eigene Woiwodschaft sein?], in: Przegla˛d Zachodni 1948/4, S. 413; Sitzungsprotokoll der Wirtschaflichen Schlichtungskommission am 10. 3. 1948, Archiwum Pan´stwowe w Poznaniu (APP) [Staatsarchiv in Posen], Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Poznaniu [Präsidium des Woiwodschaftsnationalrats in Posen], Bl. 19–21. 144 Memorandum zum Verbleib der Ziemia Lubuska in den Grenzen der Woiwodschaft Posen, APP, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Poznaniu, Bl. 65–68. 145 Kaczmarczyk u. a., Ziemia Lubuska, 1948, S. 513–518. 146 Memorandum zum Verbleib der Ziemia Lubuska in den Grenzen der Woiwodschaft Posen, APP, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Poznaniu, Bl. 65–68.

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ska, Geographin und Vize-Direktorin des West-Instituts, hatte bereits 1946 in ihrem Buch zu den »geographischen Grundlagen Polens« erklärt, dass es sich bei der Ziemia Lubuska um eine zu Großpolen »zurückkehrende« Region handele.147 Diese Aussagen bekräftigten den noch während des Zweiten Weltkriegs vom West-Institut ausgearbeiteten Entwurf zur administrativen Aufteilung der Westgebiete. Zygmunt Wojciechowski, Direktor des Instituts, hatte im Mai 1945 während eines Treffens mit dem zuständigen Referenten in der Organisationsabteilung des Ministeriums für öffentliche Verwaltung (Departament Organizacyjny Ministerstwa Administracji Publicznej) erfahren, dass von Seiten der Woiwodschaft Schlesien Zweifel am Anschluss der Ziemia Lubuska an die Woiwodschaft Posen bestanden. Er versuchte daraufhin, den Referenten sowie den Woiwoden von Posen von den Plänen des West-Instituts zu überzeugen: »Die Ziemia Lubuska nimmt im westpolnischen Programm eine Schlüsselbedeutung ein, ihre Polonisierung ist die Voraussetzung für das Gelingen dieses Programms und diese Polonisierung kann nur die Woiwodschaft Posen übernehmen.«148

Diese Bemühungen blieben erfolglos, denn den Entscheidern erschien die Woiwodschaft Posen mit der Ziemia Lubuska zu groß. So ging im Juni 1950 die Verwaltungseinheit Ziemia Lubuska in der neu gegründeten Woiwodschaft Zielona Gjra (Wojewjdztwo Zielonogjrskie) auf, wobei die Kreise Piła und Trzcianka bei der Woiwodschaft Posen verblieben, während die Kreise Głogjw (Glogau), Koz˙uchjw (Freystadt i. Schlesien), Szprotawa, Z˙agan´ und Z˙ary, die zur Woiwodschaft Breslau (bis Mai 1946 Niederschlesien) gehört hatten, der neuen Woiwodschaft hinzugefügt wurden.149 Obgleich die Expositur ihren Sitz in Gorzjw gehabt hatte, wurde nun Zielona Gjra zur Hauptstadt der neuen Woiwodschaft.150 Im Verlauf der Diskussionen um ihre Eigenständigkeit wurde die potentielle neue Woiwodschaft mehrmals als Lebuser Woiwodschaft (Wojewjdztwo Lubuskie) bezeichnet, im Zuge der Verwaltungsreform 1950 erhiel-

147 148 149 150

Begründung des Entwurfs einer neuen Woiwodschaft Lebus mit Sitz in Zielona Gjra, 1948, APP, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Poznaniu, Bl. 52–58. Kiełczewska, Maria: O podstawy geograficzne Polski [Zu den geographischen Grundlagen Polens]. Poznan´ 1946. Zygmunt Wojciechowski in einem Brief an Feliks Widy-Wirski, 14. Mai 1945, in: Choniawko, Andrzej / Mazur, Zbigniew (Hg.): Instytut Zachodni w dokumentach. Poznan´ 2006, S. 50. Dubowski, Adam / Jas´kowiak, Franciszek: Ziemia Lubuska. Przewodnik Turystyczny [Ziemia Lubuska. Reiseführer]. Warszawa 1953, S. 5. Siehe dazu auch: Rymar, Dariusz A.: U z´rjdeł kształtowania sie˛ wojewjdztwa lubuskiego – Gorzjw na mapie administracyjnej kraju w latach 1945–1950 [An den Quellen der Herausbildung einer Lebuser Woiwodschaft – Gorzjw auf der administraiven Landkarte in den Jahren 1945–1950], in: Toczewski, Andrzej (Hg.): Ziemia Lubuska. Studia nad toz˙samos´cia˛ regionu [Die Ziemia Lubuska. Untersuchung zur Identität der Region]. Zielona Gjra 2004, S. 208f.

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ten aber alle Woiwodschaften den Namen ihrer jeweiligen Hauptstadt, um regionale Bindungen der Bevölkerung zu kappen. Die Bezeichnung »Ziemia Lubuska« funktionierte fortan als Synonym für das gesamte Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra.151 Die Uneindeutigkeit des Begriffs führte jedoch dazu, dass noch Jahrzehnte nach der Schaffung der Ziemia Lubuska in Publikationen ihre Lage und ihre Geschichte erklärt wurden und werden. Vor allem aber wiesen immer wieder insbesondere Historiker darauf hin, dass der Begriff für das bezeichnete Territorium historisch gesehen nicht korrekt sei und man ihn streng genommen nicht für die gesamte Woiwodschaft verwenden dürfe.152 Zahlreiche Wissenschaftler erläuterten daraufhin in ihren Artikeln, dass sich die Ziemia Lubuska aus vielen Territorien mit unterschiedlicher Geschichte zusammensetze.153 Die Ausweitung eines für eine historische Region vorgesehenen Begriffs auf die darum liegende Gegend hielten viele aber für einen normalen Vorgang.154 In der Regel verwendeten die Autoren nach einer solchen Einführung den Begriff aber synonym mit der Woiwdoschaft Zielona Gjra,155 weil dies allgemein so gehandhabt wurde und der Name »ein Teil der Realität« geworden sei, »in dem alle historischen Wendungen enthalten sind«.156 Andere, etwa die Geographin Zajchowska, merkten an, dass sie aufgrund dieser Inkohärenz den Begriff für die Beschreibung der 151 Szczegjła, Z´rjdła, 1971, S. V. 152 Protokoll der Sitzung im Museum in Zielona Gjra am 2. April 1954 zur Eröffnung am 22. Juli 1954, APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975 [Woiwodschaftkomizee der PZPR in Zielona Gjra [1948] 1950–1975], Sign. 1149, Bl. 84. 153 Sczaniecki, Michał: Słowo wste˛pne [Geleitwort], in: Szczepaniak, Roman: Pocza˛tki miast lubuskich [Die Anfänge Lebuser Städte]. Zielona Gjra u. a. 1958, S. 4–7; Szczepaniak, Roman: Pocza˛tki miast lubuskich [Die Anfänge der Lebuser Städte]. Zielona Gjra u. a. 1958, S. 8f; Korcz, Władysław : Dzieje politycznej przynalez˙nos´ci ziem nad s´rodkowa˛ Odra˛ i dolna˛ Warta˛ [Die Geschichte der politischen Zugehörigkeit der Gebiete an der mittleren Oder und niederen Warthe], in: ders. (Hg.): Studia z dziejjw Ziemi Lubuskiej [Studien zur Geschichte der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 1971, S. 11; Muszyn´ski, Jan: O historycznej architekturze i sztuce [Über die historische Architektur und Kunst], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Z dziejjw polskos´ci na Ziemi Lubuskiej (Zeszyt Lubuski Nr 1) [Aus der Geschichte des Polentums der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 1966. 154 Bardach, Juliusz: Słowo wste˛pne [Geleitwort], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Z dziejjw polskos´ci na Ziemi Lubuskiej (Zeszyt Lubuski Nr 1) [Aus der Geschichte des Polentums der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 1966, S. 3; Sczaniecki, Michał: Dzieje Ziemi Lubuskiej [Die Geschichte der Ziemia Lubuska], in: Paukszta, Eugeniusz (Hg.): Odzyskane Gniazda. Proza i poezja o Ziemi Lubuskiej [Wiedergewonnene Nester. Prosa und Poesie über die Ziemia Lubuska]. Poznan´ 1963, S. 21f. 155 Korcz, Władysław : Lubuski informator turystyczno-krajoznawczy [Lebuser touristischlandeskundliche Broschüre]. Zielona Gjra 1959, S. 5; Brzostowski, Stanisław / Orysiak, Stanisław : Muzea w Polsce. Przewodnik-Informator [Museen in Polen. Ein Führer]. Warszawa 1968, S. 309. 156 Korcz, Władysław : Od autora [Vom Autoren], in: ders. (Hg.): Studia z dziejjw Ziemi Lubuskiej [Die Geschichte der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 1971, S. 8.

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Region nicht verwenden würden. Zajchowska griff stattdessen auf die geographische Bezeichnung »mittlere Oder und untere Warthe« zurück, die später gebräuchlicher werden sollte.157 Im Jahr 1957 publizierte der Posener Historiker Michał Sczaniecki einen wegweisenden Artikel in der Gazeta Zielonogjrska, in dem er den Begriff der Ziemia Lubuska in all seinen Dimensionen erläuterte.158 Noch Jahre später bezogen sich Autoren und Wissenschaftler auf diesen Beitrag, wenn es um die Begriffsproblematik ging. Sczaniecki erklärte die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs, der »heute immer allgemeiner für die Beschreibung des gesamten Gebiets der Woiwodschaft Zielona Gjra verwendet wird.« Mittlerweile existierten nach Sczaniecki drei Ebenen des Begriffs: erstens der mittelalterliche für das Land Lebus, zweitens der aus den Jahren 1945–1950 (welcher die Kreise Rezpin, Sule˛cin, Gorzjw, Strzelce, Piła, Mie˛dzyrzecz, Skwierzyna, Babimost, Wschowa, Zielona Gjra, Sulechjw, S´wiebodzin, Krosno und Gubin umfasste) und drittens der gegenwärtige. Der Artikel richtete sich vor allem an jene, die aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive gegen den Begriff argumentierten. So machte Sczaniecki deutlich, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg »das politische Bedürfnis« gegeben habe, »diesem Teil der Westgebiete einen Namen zu geben«, und dass die heutige Woiwodschaft vor allem ein »administratives Werk« darstelle. Zweiflern in der Frage, ob die Region überhaupt einen historischen Namen tragen müsse, begegnete er mit der Begründung, dass es im Geiste der polnischen Tradition und vieler anderer Länder sei, Regionen einen solchen Namen zu geben. Dieser würde von den Bewohnern zur Beschreibung ihrer Herkunft genutzt, was mit der Benennung Zielona Gjra nicht funktionieren könne, weil die Bevölkerung von Gorzjw sich niemals als Bewohner der Region Zielona Gjra bezeichnen würde. Diese Argumentation für eine Art »Kompromissbegriff«, der offenbar den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den konkurrierenden Städten darstellte, sollte in den 1990er Jahren wieder relevant werden. Sczaniecki führte weiter aus: »Die nächste Frage: ist der Name Ziemia Lubuska im Grunde genommen ein gut gewählter? Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach. Wenn sich ein besserer Name finden würde, könnte man auf den Namen ›Ziemia Lubuska‹ im heutigen Gebrauch tatsächlich verzichten. Soweit ich weiß, hat sich jedoch bisher niemand einen besseren Namen ausgedacht. Schließlich kennen genau die Historiker, die hin und wieder gegen den ahistorischen Charakter dieses Namens protestieren, das häufige Phänomen in der Geschichte, dass sich historische Namen über ihre ursprüngliche Reichweite hinaus ausdehnen. Mit genau so einem Phänomen haben wir es hier zu tun. Erinnern wir uns 157 Zajchowska, Stanisława: Nad s´rodkowa˛ Odra˛ i dolna˛ Warta˛ [An der mittleren Oder und der niederen Warthe]. Warszawa 1959, S. 5f. 158 Sczaniecki, Michał: Trzy poje˛cia Ziemi Lubuskiej [Drei Begriffe der Ziemia Lubuska], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 83, 6./7. 4. 1957, S. 6.

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doch, dass der Name Polen ursprünglich nur den an der Warthe gelegenen Teil Großpolens bezeichnete und dann auf den gesamten polnischen Staat ausgeweitet wurde […]. […] Möglicherweise hat meine historische Argumentation nicht alle Leser überzeugt. In dem Fall ziehe ich ein weiteres Argument heran, dass schon heute auch charakteristische Züge eines historischen Arguments trägt. Die Akzeptanz des Namens Ziemia Lubuska im weitesten Sinne durch die polnische Gesellschaft ist aktuell eine neue historische Tatsache, die durch die bereits bestehende Tradition der Jahre der Herrschaft der Volksrepublik auf der rechten Seite der Oder gefestigt wird. Würde das Stemmen gegen diese Tatsache, verstärkt durch die Einführung eines neuen Namens etc., nicht zu neuem Durcheinander und zu Desorientierung führen, zu einem Versuch, den Verlauf der Geschichte zu bremsen?«159

Schon Mitte der 1950er Jahre war der Begriff laut Sczaniecki längst keine leere Hülle mehr, sondern vielmehr die funktionierende Bezeichnung für eine existierende Region mit einer – wenn auch kurzen – eigenen Geschichte. Dieser Pragmatismus im Umgang mit dem Namen Ziemia Lubuska zieht sich bis heute durch die regionalen Debatten. Auf Sczanieckis Artikel verwies etwa der Soziologe Andrzej Kwilecki im Zusammenhang mit seinen in den 1960er Jahren durchgeführten soziologischen Forschungsprojekten in der Ziemia Lubuska. Obgleich auch Kwilecki betonte, dass die Ziemia Lubuska eigentlich viele verschiedene historische Regionen umfasste, vertrat er die Meinung, dass es sich bei Ziemia Lubuska mittlerweile, im Jahr 1962, um einen Begriff mit soziologischen Eigenschaften handeln würde. Zunächst von Wissenschaftlern verwendet, »hat er nun seinen Platz im Bewusstsein der Bewohner : Mit der Beschreibung ›Lebuser‹ verbinden die Bewohner dieser Gebiete eigene Bedeutungen und Gefühle. Der Name Ziemia Lubuska hat eine verbindende Funktion für die Bevölkerung.«160

Die Bezeichnung würde für viele das »regionale Vaterland« definieren. Er hob jedoch auch hervor, dass es wichtig sei, die Menschen nicht darüber im Dunkeln zu lassen, dass die Ziemia Lubuska keine historische Region sei, sondern auf der Basis vieler verschiedener Gebiete entstanden war. Es müsse ein Bewusstsein geben, dass die aktuellen Verwaltungsgrenzen nicht mit den historischen Grenzen übereinstimmten.161 Zu einem ähnlichen Schluss kam einige Jahre später der Soziologe Zygmunt Dulczewski, der im Rahmen seiner Forschungen festgestellt hatte, dass Mitte der 1960er Jahre der Begriff der Ziemia Lubuska verbreitet verwendet wurde, sowohl vor Ort als auch in Reden und Publikationen. Die Bezeichnung erleichtere die Selbstbeschreibung der Menschen und 159 Ebd. 160 Kwilecki, Andrzej: Organizacja i problematyka badan´ socjologicznych Ziemi Lubuskiej (1945–1960) [Die Organisation und die Problematik der soziologischen Erforschung der Ziemia Lubuska (1945–1960)], in: Rocznik Lubuski 1962/3, S. 32f. 161 Kwilecki, Organizacja, 1962, S. 32f.

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könne ein Faktor für die Aktivierung eines kollektiven Regionalbewusstseins sein.162 So bürgerte sich der Begriff »Ziemia Lubuska« im Laufe der Zeit zunehmend ein und fand sich in zahlreichen Vereins-, Kulturinstitutions- und Unternehmensnamen wieder. Bis in die 1970er Jahre hinein funktionierte er für die Beschreibung der Woiwodschaft Zielona Gjra, obgleich schon damals auch der Begriff Mittleres Odergebiet (S´rodkowe Nadodrze) verwendet wurde.163 Während in der Region und in Posen über Sinn und Zweck des Namens debattiert wurde, kam es polenweit häufig vor, dass die Ziemia Lubuska gar nicht auf der Agenda war. So erschien etwa das erste polnische Lexikon der Nachkriegszeit im Jahr 1959 ohne den Eintrag »Ziemia Lubuska«. Dies blieb auch der lokalen Presse nicht verborgen: »Welchen Platz haben in der Kleinen Allgemeinen Enzyklopädie die Wiedergewonnenen Gebiete und speziell die Ziemia Lubuska gefunden? Bedauerlicherweise muss ich all diejenigen warnen, die darüber etwas herausfinden wollen, dass sie nicht viel finden werden.«164

Es sei wichtig, dass diese Schlagwörter aufgenommen würden, immerhin würde für viele im Ausland lebende Menschen das Lexikon die einzige Quelle für Informationen über Polen und die Westgebiete sein. Zuvor war bereits im Jahr 1954 ein Allgemeines Handlexikon (Podre˛czna Encyklopedia Powszechna) in Paris erschienen, die allerdings ebenfalls keinen Eintrag zur Ziemia Lubuska führte.165 Obgleich in so vielen Publikationen der Zeit also der Begriff Ziemia Lubuska entweder ausschließlich oder abwechselnd (und synonym) mit dem Begriff Woiwodschaft Zielona Gjra verwendet wurde, spiegelte sich dies in den Lexika nicht wider. Dort war die Region ausschließlich unter ihrem offiziellen Namen zu finden. Darauf reagierte die TRZZ, die sich einerseits dafür einsetzte, dass Begriffe mit Bezug zu den Westgebieten in die allgemeinen Enzyklopädien aufgenommen würden und andererseits gemeinsam mit der Westlichen Presseagentur (Zachodnia Agencja Prasowa) ein allein den Westgebieten gewidmetes Lexikon herausgab.166 Die folgenden Jahre zeigten in dieser Hinsicht jedoch keine Besserung. Die 162 Dulczewski: Tworzenie sie˛, 2001, S. 132f. 163 Toczewski, Andrzej: Paradygmaty toz˙samos´ci lubuskiej [Paradigmen der Lebuser Identität], in: ders. (Hg.): Ziemia Lubuska. Studia nad toz˙samos´cia˛ regionu [Ziemia Lubuska. Studien zur Identität der Region]. Zielona Gjra 2004, S. 28f. 164 Orlicz, Stefan: Lubusiana w Małej Encyklopedii Powszechnej [Lubusiana in der Kleinen Allgemeinen Enzyklopädie], in: Nadodrze, September 1959, S. 3. 165 Podre˛czna Encyklopedia Powszechna [Allgemeines Handlexikon]. Paris 1954. 166 Schreiben an das Finanzministerium (28. 10. 1959), AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 481, [o.S.]; Die Problematik der Westgebiete in der Großen Allgemeinen Enzyklopädie des PWN, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 469, [o.S.].

Aus Ostbrandenburg wird die Ziemia Lubuska

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Populäre Enzyklopädie des PWN (Encyklopedia Popularna PWN) aus dem Jahr 1962 erschien erneut ohne das Schlagwort Ziemia Lubuska.167 Erst in den späten 1960er und den 1970er Jahren erhielt die Ziemia Lubuska einen Eintrag – in der Regel beschrieben als »historische Region« (dzielnica historyczna), die sich auf beiden Seiten der Oder erstreckt hatte und deren östlicher Teil 1945 nach Polen »zurückkehrte«.168 1974 wurde betont, dass der Begriff »Ziemia Lubuska« derzeit den polnischen Teil der »historischen Ziemia Lubuska« bezeichnen würde, wobei es sich um den nördlichen Teil der Woiwodschaft Zielona Gjra handle.169 So zielte die Definition in den Enzyklopädien auf das historische Land Lebus ab, erst spät wurde auch die Woiwodschaft Zielona Gjra damit in Verbindung gebracht. Ein Hinweis darauf, dass die beiden Begriffe im Alltag in der Regel synonym gebraucht wurden, fand sich erst in der Ausgabe der 1970er Jahre,170 obgleich diese Verwendung schon seit 1950 üblich war. Die kontroverse Diskussion um den Begriff der Ziemia Lubuska zog sich durch den gesamten Zeitraum der Existenz der Woiwodschaft Zielona Gjra und darüber hinaus. Die Einführung und Etablierung des Begriffs verlief somit keinesfalls unproblematisch. Dennoch setzte er sich für lange Zeit im allgemeinen Sprachgebrauch durch. Dabei muss jedoch zwischen seiner populären Verwendung und der streng wissenschaftlichen Definition unterschieden werden, auf die die Regionalforscher in der Regel großen Wert legten. Schon in dieser Zeit zeichnete sich im Hinblick auf regionale Belange ein Gefälle zwischen dem Warschauer Zentrum und der Lebuser Peripherie ab. Wie sich noch zeigen wird, gab es viele Bereiche, in denen vor Ort getroffene Sprachregelungen oder Symbole sich etwa in Publikationen aus Warschau nicht niederschlugen, obgleich die dem zu Grunde liegenden geschichtspolitischen Ansprüche dort formuliert wurden.

167 Encyklopedia Popularna PWN a-z [Populäre Enzyklopädie des PWN a-z]. Warszawa 1962, S. 575. 168 Mała Encyklopedia Powszechna PWN [Kleine Allgemeine Enzyklopädie des PWN]. Warszawa 1969, S. 589; Mała Encyklopedia Powszechna PWN [Kleine Allgemeine Enzyklopädie desPWN]. Warszawa 1970, S. 589; Mała Encyklopedia Powszechna PWN [Kleine Allgemeine Enzyklopädie des PWN]. Warszawa 1974, S. 439. 169 Mała Encyklopedia Powszechna PWN [Kleine Allgemeine Enzyklopädie des PWN]. Warszawa 1974, S. 439. 170 Encyklopedia Powszechna PWN [Allgemeine Enzyklopädie des PWN], Bd. 2: GHIJKLŁM. Warszawa 1974, S. 765.

2.

Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

Nach der territorialen und begrifflichen Konstruktion der Ziemia Lubuska nach 1945 galt es, der Region eine Vergangenheit zu geben und sie historisch mit dem Rest Polens zu verbinden. Es war an den regionalen und nationalen Eliten, ein offizielles Geschichtsbild zu schaffen und zu verbreiten. Das nach 1945 entworfene Geschichtsbild in den polnischen Westgebieten wurde anhand verschiedener Städte bereits mehrfach diskutiert,1 im Hinblick auf die Ziemia Lubuska liegt eine solche Studie jedoch nicht vor. So ist es zunächst das Ziel dieses Abschnitts, das regionale Geschichtsbild einerseits in den Kontext des polenweit herrschenden Bildes einzuordnen, andererseits die regionalen Spezifika herauszuarbeiten. Das Kapitel konzentriert sich dabei nicht allein auf das Kontinuität suggerierende Geschichtsbild an sich, sondern untersucht stattdessen auch seine Implementierung sowie die Weiterentwicklung durch die Erfindung gänzlich neuer Aspekte, die die Betonung ebendieser Kontinuität zum Ziel hatten. Vor dem Hintergrund der territorialen Neuschaffung der Region ist insbesondere zu fragen, wie eine kohärente Geschichte für die zusammengefügten Teile geschaffen wurde. Denn von einer gemeinsamen Geschichte zu sprechen, scheint schwer, bedenkt man, dass der südliche Teil die Geschichte Schlesiens teilt, die Mitte und der Norden diejenige Brandenburgs und die Babimojszczyzna (der östlichste Teil der Ziemia Lubuska rund um die Stadt Babimost) bis 1793 zu Polen gehörte.

1 Zur polnischen Westforschung allgemein: Krzoska, Markus: Für ein Polen an Oder und Ostsee. Zygmunt Wojciechowski (1900–1955) als Historiker und Publizist. Osnabrück 2003; Hackmann, Jörg: Strukturen und Institutionen der polnischen Westforschung (1918–1960), in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 2001/2; Strauchold, Grzegorz: Mys´l zachodnia i jej realizacji w Polsce Ludowej w latach 1945–1957 [Der Westgedanke und seine Umsetzung in der Volksrepublik Polen in den Jahren 1945–1957]. Torun´ 2001; Brier, Robert 2002; Städtebeispiele: Thum, Die fremde Stadt, 2003; Loew, Danzig, 2003; Musekamp, Zwischen Stettin, 2010; Hartwich, Das schlesische Riesengebirge, 2012.

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2.1

Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

Die Ziemia Lubuska als »Garant der Unabhängigkeit des polnischen Staates«2

Die Konstruktion eines Kontinuität suggerierenden Geschichtsbildes war nach 1945 in allen polnischen Westgebieten eine der wichtigsten Aufgaben regionaler und nationaler Historiker. Die grundsätzliche Argumentation lautete in allen betroffenen Regionen ähnlich: Aufgrund der Zugehörigkeit der Territorien zum piastischen Einflussgebiet im Mittelalter galten die Gebiete als »urpolnisch« und kehrten nun, so die offizielle Rhetorik, nach Jahrhunderten deutscher Fremdherrschaft zu den Mutterländern zurück.3 Letztlich galt es, eine Kontinuität polnischer Geschichte in den Gebieten darzustellen, um die Westverschiebung Polens historisch gerechtfertigt und konsequent erscheinen zu lassen. In der Regel hatte man es nicht mit der Erfindung historischer Gegebenheiten zu tun, sondern vielmehr mit der Interpretation bestimmter Ereignisse und einer Schwerpunktlegung in der Narration. Marcin Zaremba spricht in diesem Zusammenhang von einer »Verkürzung historischer Zeit«,4 da es primär galt, eine Verbindung zwischen dem Mittelalter und der Gegenwart herzustellen und die Bedeutung der bis zu 700-jährigen brandenburgischen/preußischen/deutschen Geschichte der Region zu schmälern. Anders als etwa in der Tschechoslowakei nach 1945 setzte die Geschichtsschreibung der Region und ihrer Städte keinesfalls erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein.5 Ganz im Gegenteil stellten gerade die frühmittelalterliche Geschichte vor der Gründung der Städte ebenso wie die Existenz polnischen Lebens in der Region zu Zeiten der deutschen bzw. preußischen Herrschaft wichtige Bezugspunkte für das Geschichtsbild dar. Für Zbigniew Mazur führte diese Interpretation zu einer »Verarmung des Bildes der Vergangenheit«.6 Dabei griffen die Autoren mitunter auf deutschsprachige Abhandlungen über die Geschichte Grünbergs oder Landsbergs aus der Vorkriegszeit zurück, machten aber oftmals deutlich, dass ein Großteil davon unbrauchbar sei, weil die

2 Vgl. dazu etwa: Jakimowicz, Stanisław u. a.: Wielkopolskie i lubuskie szlaki wodne [Großpolnische und Lebuser Wasserwege]. Warszawa 1956, S. 11; Dubowski / Jas´kowiak, Ziemia Lubuska, 1953, S. 19; Zdankiewicz, Małgorzata / Pasik, Janusz (Hg.): Ziemia Lubuska. Biuletyn Informacyjny [Ziemia Lubuska. Informationsbulletin]. Lubniewice 1972, S. 24f. 3 Ausführlich dazu: siehe Kapitel 4. 4 Zaremba, Im nationalen Gewande, 2011, S. 176. 5 Wetzel, Heimisch werden. 6 Mazur, Zbigniew : O legitymizowaniu przynalez˙nos´ci Ziem Zachodnich i Pjłnocnych do Polski [Über die Legitimierung der Zugehörigkeit der West- und Nordgebiete zu Polen], in: Sakson, Andrzej (Hg.): Ziemie Odzyskane/Ziemie Zachodnie i Pjłnocne 1945–2005 [Die Wiedergewonnenen Gebiete/Die West- und Nordgebiete 1945–2005]. Poznan´ 2006, S. 30.

Die Ziemia Lubuska als »Garant der Unabhängigkeit des polnischen Staates«

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»chauvinistischen deutschen Gelehrten, in deren Händen sich die historischen Dokumente und Quellen befanden, sich bemühten, all das zu verwischen und auszublenden, was von den viele Jahrhunderte währenden Kämpfen der polnischen Bevölkerung mit den deutschen Feudalherren, mit der germanisierenden protestantischen Kirche und zuletzt der systematischen preußischen und hitleristischen Vernichtungsaktion gezeugt hätte.«7

Dass zur Begründung häufig nationalistische Elemente herangezogen wurden, stand nicht im Widerspruch zum kommunistischen Deutungsmonopol. Die Instrumentalisierung von Nationalismus zur Legitimierung der kommunistischen Herrschaft hatte in der frühen Volksrepublik ihren festen Platz.8 Sie zielte darauf ab, die Unterstützung der skeptischen Bevölkerung zu erhalten. Besonders in den Westgebieten dominierte der Nationalismus in den ersten Jahren nach dem Krieg, bis 1948 hatte die »Polonisierung« hier eine höhere Priorität als der Aufbau des Kommunismus.9 Ideologie und politischer Pragmatismus klafften in dieser Zeit daher häufig weit auseinander, und die nationale Tradition fand Eingang in Rhetorik und Praxis.10 Als die Regierung 1948 konstatierte, dass die Integration der Westgebiete abgeschlossen sei und in diesem Zusammenhang unter anderem das Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete abwickelte, war diese Phase zwar zunächst beendet. Doch nach 1956 war eine Rückkehr nationaler Elemente in die kommunistische Politik zu verzeichnen.11 Im Hinblick auf die Gründe, die der Schaffung dieses Geschichtsbildes zugrunde lagen, gibt es verschiedene Meinungen. So argumentiert etwa Thum, dass das Geschichtsbild vor allem der neu angesiedelten lokalen Bevölkerung die Bindung an den Ort erleichtern sollte.12 Zaremba sieht die Gründe einerseits in der Ablenkung vom Verlust der Ostgebiete und der Hinwendung zur piastischen Tradition, die das enge Verhältnis zur Sowjetunion rechtfertigte,13 vor allem aber in der kommunistischen Herrschaftslegitimation. Beide stimmen überein, dass das neue Geschichtsbild einem tatsächlich existierenden Bedürfnis in der Gesellschaft gerecht wurde.14 Anna Wolff-Powe˛ska gibt zu bedenken, dass es so unmittelbar nach dem Krieg nicht möglich gewesen wäre, offen davon zu 7 Zajchowska, Nad s´rodkowa˛ Odra˛, 1959, S. 7. 8 Zaremba, Im nationalen Gewande, 2011. 9 Ther, Philipp: Nationalismus in der politischen Kultur Polens 1945–1956, in: Bramke, Werner / Adam, Thomas (Hg.): Politische Kultur in Ostmittel- und Südosteuropa. Leipzig 1999, S. 168f. 10 Zaremba, Im nationalen Gewande, 2011, S. 220. 11 Ther, Nationalismus, 1999, S. 174. 12 Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 304–306. 13 Zaremba, Im nationalen Gewande, 2011, S. 173. 14 Ebd., S. 175; Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 304f; Strzelczyk, Jerzy : Die Piasten – Tradition und Mythos in Polen, in: von Saldern, Adelheid (Hg.): Mythen in Geschichte und Geschichtsschreibug aus polnischer und deutscher Sicht. Münster 1996, S. 113–131.

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

sprechen, dass sich die Siedler auf deutschem Gebiet befinden. »Die Grenzverschiebung erforderte eben eine geistige Begründung«, erklärt sie die Durchdringung von Wissenschaft, Literatur Film, Kunst und Erziehungssystem mit den piastischen Mythen.15 Darüber hinaus war die Vorstellung vom »Polen der Piasten« keine völlig neue. Bereits während der Teilung Polens im 19. Jahrhundert spielte die Idee der Abstammung von den Piasten eine wichtige Rolle für das polnische Geschichtsverständnis.16 Doch wurde dieser Mythos nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt bemüht, um die Grenzverschiebung zu rechtfertigen.17 So sollte einerseits die Westverschiebung Polens legitimiert, andererseits das Fremdheitsgefühl der Neusiedler verringert werden. Beide Aspekte zielten letztlich darauf ab, die Integration der Gebiete in den polnischen Staat zu erleichtern. Dafür kam der Geschichtswissenschaft eine besondere Rolle zu. Schon im Jahr 1946 hatte der Historiker Władysław Czaplin´ski in einem programmatischen Referat auf einer Konferenz darauf hingewiesen, dass es die Aufgabe des Historikers sei, dem Fremdheitsgefühl der Siedler entgegenzuwirken.18 Die Schaffung eines offiziellen regionalgeschichtlichen Narrativs für die Ziemia Lubuska fügte sich in die Behandlung der gesamten Westgebiete nach 1945 ein, wies jedoch einige regionale Besonderheiten auf. Grundsätzlich gleich ist die Idee, dass es sich bei der Ziemia Lubuska um »urpolnisches« Territorium handelte, und dass die Verbindungen zu Polen und das »Polentum« der Regionen für die Zeiten unter »fremder Herrschaft« hervorgehoben wurden. Dies wurde damit begründet, dass das Gebiet vom 10. bis 13. Jahrhundert zum Einflussgebiet der Piasten und somit zum Kerngebiet des damaligen Polens gehört hatte. Zuvor sei es von slawischen bzw. urslawischen Stämmen bewohnt gewesen, u. a. den Lausitzern. Andere Völker seien nur »kurze Episoden«19 in der Geschichte der Region gewesen. Während einige Gebiete – etwa Schlesien oder Ostpreußen – schon lange vor der sich anbahnenden Westverschiebung Polens in den 1940er Jahren im Fokus polnischer Historiker lagen, war das Interesse am östlichen Brandenburg relativ neu. Dem sogenannten »Przyodrze« (etwa: an der Oder gelegen) war erstmals in den während des Krieges entstandenen Bänden »Ziemie Powracaja˛ce«20 (Zu15 Wolff-Powe˛ska, Anna: Die doppelte Identität in den West- und Nordgebieten Polens, in: Weber, Matthias (Hg.): Deutschlands Osten – Polens Westen. Frankfurt am Main 2001, S. 24f. 16 Mühle, Eduard: Die Piasten. Polen im Mittelalter. München 2011, S. 7. 17 Tumolska, Halina: Mitologia Kresjw Zachodnich w pamie˛tnikarstwie i beletrystyce polskiej (1945–2000) [Die Mythologie der polnischen Westgebiete in Memoiren und in der polnischen Belletristik (1945–2000)]. Torun´ 2007, S. 21, 35. 18 Strauchold, Mys´l, 2003, S. 210. 19 Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 70. 20 Dylik, Jan: Ziemie Powracaja˛ce. Obraz geograficzno-gospodarczy. Pomorze Wschodnie (Prusy Wschodnie), Gdan´sk [Die zurückkehrenden Gebiete. Ein geographisch-wirtschaftliches Bild. Westpommern (Ostpreußen). Danzig] (Band 1). Warszawa 1942; Czekan´ska,

Die Ziemia Lubuska als »Garant der Unabhängigkeit des polnischen Staates«

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rückkehrende Gebiete) ein eigenes Kapitel gewidmet worden. Das Gebiet der späteren Ziemia Lubuska war hier auf zwei Bände verteilt – zum einen »S´la˛sk« (Schlesien), zum anderen »Pomorze/Przyodrze/Pogranicze« (Pommern/Odergebiete/Grenzgebiet). Mehrmals fiel der Begriff der »Ziemia Lubuska«, gemeint war damit jedoch das historische Land Lebus. Dieser ersten Publikation folgten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Bände, die die Geschichte der Ziemia Lubuska und ihrer Städte zum Thema hatten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen wissenschaftlichen Monographien, wie etwa denen zur Stadtgeschichte Zielona Gjras und Gorzjws, und populärwissenschaftlichen bis rein propagandistischen Veröffentlichungen. Richtungsweisend war zunächst der Band »Ziemia Lubuska« aus dem Jahre 1950, die erste polnische Publikation, die sich ausführlich mit der Geschichte der Region beschäftigte.21 Schon die Aufteilung der Kapitel suggerierte Kontinuität, so wurden die Jahre 900 bis 1945 in einem Abschnitt behandelt. Es handelte sich bei dem Werk um eines der wenigen, das tatsächlich die Geschichte der einzelnen Subregionen besprach – der allgemeine Geschichtsteil war relativ kurz gehalten, erst die Unterkapitel lieferten Details.22 Ein weiterer Band sprach insbesondere, aber nicht ausschließlich, Jugendliche an, »denen wir wärmstens wünschen, dass sie lernen, dieses Land zu lieben«.23 Vom polnischen Schulbuchverlag herausgegeben, ist davon auszugehen, dass die Publikation als regionalspezifische Ergänzung zu den zentral verlegten Schulbüchern fungieren sollte, die sich in der Regel nicht mit Regionalgeschichte befassten. Knappen einleitenden Kapiteln der Autoren folgten Originalquellen – der Anspruch war es, nach Möglichkeit zeitgenössische Texte zu verwenden, nicht selten wurde aber auf polnische Sekundärliteratur aus den 1950er Jahren zurückgegriffen, so vor allem bei strittigen Themen (etwa bei den polnischen Ortsnamen24). Auch deutsche Stimmen kamen zu Wort, denn »auch sie legen Zeugnis ab von den polnischen Traditionen der Ziemia Lubuska«.25 Der einlei-

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Maria: Ziemie Powracaja˛ce. Obraz geograficzno-gospodarczy. Pomorze Zachodnie, Przyodrze, Pogranicze. [Die zurückkehrenden Gebiete. Ein geographisch-wirtschaftliches Bild. Westpommern, die an der Oder gelegenen Gebiete, Grenzgebiete] (Band 2). Warszawa 1942; Wrzosek, Antoni: Ziemie Powracaja˛ce. Obraz geograficzno-gospodarczy. S´la˛sk [Die zurückkehrenden Gebiete. Ein geographisch-wirtschaftliches Bild. Schlesien] (Band 3). Warszawa 1943. Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950. Ebd. Die Titel der Reihe Ziemie Staropolski wurden jedoch 1952 aus den Buchläden entfernt, weil sie nicht mehr dem Geschichtsbild entsprachen. Eine Rezension kam zu dem Schluss, dass die Bände der Arbeiterklasse zu wenig Beachtung schenkten. Erst 1959 konnte wieder ein Band erscheinen. Vgl. Guth, Stefan: Geschichte als Politik. Der deutsch-polnische Historikerdialog im 20. Jahrhundert. Berlin 2015, 168f. Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 3. Ebd., S. 47f. Ebd., S. 3.

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

tende Satz, »Die Ziemia Lubuska ist ein uraltes polnisches Gebiet«,26 war programmatisch, Ziel der Autoren des Bandes war es, das »Polentum« der Ziemia Lubuska zu belegen und die Verbindung zu Polens Geschichte deutlich zu machen, denn »es gab kein wichtigeres Ereignis in der Geschichte Polens, das sich in der Ziemia Lubuska nicht niederschlug«.27 Der Begriff der Ziemia Lubuska wurde hier zwar sehr genau und historisch korrekt erklärt,28 trotzdem blieb häufig offen, von welchen Gebieten jeweils die Rede war. Darüber hinaus erschien in den folgenden Jahren einige Literatur, deren Titelgebung schon die Aufgabe, den Beweis des »Polentums« der Ziemia Lubuska, abzulesen war.29 Mit den Monographien zu Zielona Gjra und Gorzjw in den 1960er Jahren und einer Übersicht über die Geschichte der Woiwodschaft von 1970 entstanden aber auch deutlicher wissenschaftlich orientierte Studien.30 Besonderes Augenmerk gilt bei all diesen Publikationen der Ausarbeitung eines regionalen Geschichtsbildes. Was für Schlesien die Oberschlesischen Aufstände31 und für Stettin der Greifen-Mythos war,32 war für die Ziemia Lubuska die sogenannte Schlüsselfunktion für den polnischen Staat. Die Ziemia Lubuska galt als »Schlüssel zu den polnischen Landen«, ihr Verlust als »Katastrophe«, die, so die Argumentation der Historiker, einerseits den Abstieg Polens und andererseits den Aufstieg Brandenburgs begründete und damit »tragische Konsequenzen«33 gehabt hatte. Eine solche geopolitische Argumentation war auch im Hinblick auf die Gebiete des ehemaligen Ostpreußens üblich, wo die Existenz

26 27 28 29

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31 32 33

Ebd. Ebd. Ebd., S. 5–8. Sczaniecki, Michał: Z dziejjw polskos´ci na Ziemi Lubuskiej [Von der Geschichte des Polentums in der Ziemia Lubuska]. Poznan´ 1948; Rutkowski, Zygmunt: Z˙ycie ludnos´ci polskiej w Zielonej Gjrze w latach 1890–1939 [Das Leben der polnischen Bevölkerung in Zielona Gjra in den Jahren 1890–1939], in: Przegla˛d Zachodni 1960/3, S. 138–149; Grabski, Władysław Jan: 200 miast wraca do Polski. Informator Historyczny [200 Städte kehren zu Polen zurück. Historische Broschüre]. Poznan´ 1947; Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Z dziejjw polskos´ci na Ziemi Lubuskiej (Zeszyt Lubuski Nr 1) [Von der Geschichte des Polentums in der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 1966; Szczepaniak, Pocza˛tki, 1958. Sczaniecki, Michał / Wa˛´sicki, Jan (Hg.): Zielona Gjra. Przeszłos´c´ i teraz˙niejszos´c´ [Zielona Gjra. Vergangenheit und Gegenwart]. Poznan´ 1962; Wa˛sicki, Jan (Hg.): Gorzjw Wielkopolski. Przeszłos´c´ i teraz˙niejszos´c´ [Gorzjw Wielkopolski. Vergangenheit und Gegenwart]. Poznan´ 1964; Wa˛sicki, Jan (Hg.): Zielonogjrskie. Rozwjj wojewjdztwa w Polsce Ludowej [Die Woiwodschaft Zielona Gjra. Entwicklung einer Woiwodschaft in der Volksrepublik Polen]. Warszawa 1970. Haubold-Stolle, Juliane: Mythos Oberschlesien. Der Kampf um die Erinnerung in Deutschland und in Polen 1919–1956. Osnabrück 2008, S. 331. Musekamp, Zwischen Stettin, 2008, S. 146. Korcz, Władysław : Studia z dziejjw Ziemi Lubuskiej [Untersuchungen zur Geschichte der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 1971, S. 16.

Die Ziemia Lubuska als »Garant der Unabhängigkeit des polnischen Staates«

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Ostpreußens und der damit verbundene schmale Meerzugang als zentraler Grund für die Septemberniederlage galten.34 Damit fügte sich das Geschichtsbild in das »Mutterländer«-Konzept von Wojciechowski ein, wonach der Verlust der Gebiete die Voraussetzung für die brandenburgische Expansion gewesen war.35 Bereits in den »Ziemie Powracaja˛ce« war diese Funktion der Region hervorgehoben worden: »So wie der Besitz der Ziemia Lubuska für Polen die Basis für die Herrschaft über die umliegenden Gebiete war, so wurde sie in den Händen der Deutschen zum Ausgangspunkt für den Zuwachs ihrer Macht auf Kosten unserer Gebiete.«36

Erschwerend käme hinzu, dass auf diesem Gebiet Frankfurt (Oder), das »wissenschaftlich-organisatorische Zentrum der Germanisierungsaktivitäten«, gegründet worden sei.37 Auch im Band »Ziemia Lubuska« wurde die Ziemia Lubuska als »strategischer Besitz«38 dargestellt, nicht zuletzt weil es sich um den zentralen, verbindenden Punkt zwischen Pommern, Schlesien und Großpolen handle, was optisch auf dem Kartenmaterial hervorgehoben wurde.39 Analog dazu argumentierten die Autoren auch hier, dass die Ziemia Lubuska in fremdem Besitz nur Unheil anrichten konnte, so etwa im Hinblick auf die Vorbereitungen der Teilungen im 19. Jahrhundert.40 Am dramatischsten beschrieb es sicherlich die Schrift »Tradycje polskos´ci Ziemi Lubuskiej« (Traditionen des Polentums der Ziemia Lubuska), die von einer schrittweisen Aneignung (zabjr) des Gebietes durch die »Deutschen« ausging, beginnend im 13. Jahrhundert und vollendet im 18. Jahrhundert.41 Im Mittelpunkt stand also zum einen das konkrete Ereignis des Verlusts der Region mit all seinen angenommenen Konsequenzen, zum anderen wurde durch die Betonung der »Schlüsselfunktion« eine generelle Notwendigkeit des Gebietes für Polen konstruiert, die sich hervorragend in die Argumentation der unzweifelhaften Zugehörigkeit zu Polen einfügte. Eine konkrete Region mit klaren und über die Jahrhunderte konsistenten Grenzen war für diese Art der Beweisführung nicht zwingend notwendig; dass genau genommen die Geschichte eines sehr kleinen Gebiets auf einen deutlich größeren Raum ausgedehnt wurde, wurde – mit wenigen Ausnahmen – schlicht 34 Briesewitz, Gernot: Raum und Nation in der polnischen Westforschung. Wissenschaftsdiskurse, Raumdeutungen und geopolitische Visionen im Kontext der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte. Osnabrück 2014, S. 354. 35 Hackmann, Strukturen, 2001, S. 242. 36 Czekan´ska, Ziemie, 1942, S. 6f. 37 Ebd., S. 6f. 38 Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 74. 39 Ebd., S. 82. 40 Ebd., S. 128. 41 Korcz, Władysław : Tradycje polskos´ci Ziemi Lubuskiej [Traditionen des Polentums der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 1954, S. 16–19.

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nicht problematisiert. Neben diesem zentralen Punkt machten weitere Aspekte das Geschichtsbild der Ziemia Lubuska aus. So war etwa die Betonung der Verbindung zur polnischen Geschichte bzw. zumindest zu Polen ein stets wiederkehrendes Motiv. Diese Verbindung wurde mitunter durch die unverhältnismäßig ausführliche Darstellung einzelner Ereignisse hergestellt wie etwa dem Durchzug von Czarnieckis Truppen und der Hussiten durch die Ziemia Lubuska oder auch dem kurzen Aufenthalt Friedrich Chopins in Züllichau (Sulechjw) im Jahr 1828.42 Darüber hinaus beruhte die vermeintliche Verbindung mit der polnischen Geschichte oftmals darauf, dass für den polnischen Staat bedeutsame Kämpfe auf dem Gebiet der Ziemia Lubuska stattgefunden hatten.43 Um den Bezug der Ziemia Lubuska zur polnischen Geschichte während der brandenburgischen bzw. preußischen Herrschaft deutlich zu machen, wurde die Geschichte der Ziemia Lubuska immer wieder in diejenige Polens eingebettet. So stellte etwa das Buch »Dzieje Ziemi Lubuskiej w wypisach« (Die Geschichte der Ziemia Lubuska in Auszügen)44 die Bedeutung historischer Ereignisse auf polnischem Gebiet für die Ziemia Lubuska in den Mittelpunkt. Das machte es möglich, eine Verbindung zwischen der Region und wichtigen Momenten der polnischen Geschichte herzustellen – etwa den Teilungen, und dem Großpolnischen Aufstand.45 Auf diese Geschehnisse wurde immer wieder Bezug genommen, u. a. auch als ein Reiseführer über Zielona Gjra aus dem Jahr 1957 touristische Routen auf den Spuren der Hussiten und Czarnieckis vorschlug.46 Auch die (Handels-)Beziehungen zu Polen wurden häufig hervorgehoben.47 Zygmunt Rutkowski ging sogar so weit zu behaupten, dass »Zielona Gjra [Grünberg vor 1945, K.H.] ohne die polnischen Märkte zum Bankrott verurteilt gewesen wäre«.48 Nicht zuletzt, weil ein Stück des Gebietes, das nach 1945 Ziemia Lubuska genannt wurde, zu Großpolen gehörte und damit lange vor 1945 polnisch war, war es zumindest für einen kleinen Teil der Region immer möglich, polnische Bezüge herzustellen. Ein weiteres charakteristisches Motiv war die Argumentation, dass die Ziemia 42 Przybylski, Henryk: Chopin na Ziemi Lubuskiej [Chopin in der Ziemia Lubuska], in: Nadodrze, Juli 1958, S. 4; Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 57, Kapitel 24. 43 Ebd., S. 57. 44 Sczaniecki, Michał / Korcz, Władysław : Dzieje Ziemi Lubuskiej w wypisach [Die Geschichte der Ziemia Lubuska in Auszügen]. Warszawa 1958. 45 Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 145. 46 Zielonogjrski Informator Gospodarczo-Turystyczny [Wirtschaftlich-touristische Informationsbroschüre Zielona Gjras]. Zielona Gjra 1957, S. 51f. 47 Sczaniecki, Z dziejjw polskos´ci, 1948. 48 Zygmunt Rutkowski: Polskie tradycje rzemiosła zielonogjrskiego na tle z˙ycia polskiego w Zielonej Gjrze, 1959 [Die polnischen Traditionen des Handwerks in Zielona Gjra vor dem Hintergrund polnischen Lebens in Zielona Gjra, 1959], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe [Lebuser Wissenschaftsgesellschaft], Sign. 1083, Bl. 185.

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Lubuska natürlicherweise zu Polen und nicht zu Deutschland gehöre. Dies vermittelten die Geschichtsbücher durch die Betonung des Niedergangs der Gebiete innerhalb des deutschen Staates und die Fremdheit in dessen Wirtschaftssystem. Daran knüpfte die Problematik der sogenannten »Ostflucht« an, also die massenhafte Abwanderung deutschsprachiger Bevölkerung aus den Ostgebieten des Reiches. Dass viele Deutsche seit dem Ende des 19. Jahrhunderts das östliche Brandenburg in Richtung Westen verließen, deuteten die polnischen Historiker – korrekterweise – als Beleg für die Wirtschaftsschwäche der Region, die wiederum darauf zurückzuführen sei, dass die Region im deutschen System »fremd« gewesen sei. Ihr wirtschaftlicher Aufstieg innerhalb des polnischen Staates sei das Gegenstück dazu.49 Diese Argumentation erklärt auch die nach 1945 häufig herangezogenen Vergleiche zwischen Vor- und Nachkriegszeit etwa im Hinblick auf Bevölkerungszahl oder Ernteertrag. Durch die Zugehörigkeit der Odergebiete zu Deutschland seien darüber hinaus Oder und Warthe in ihrer Funktion als wirtschaftliche Adern geschwächt worden.50 Auch die von Wojciechowski vertretene These des jahrhundertelangen deutsch-polnischen Ringens fand in den historischen Darstellungen zur Ziemia Lubuska ihre regionale Entsprechung. Im ersten deutsch-polnischen Krieg der Geschichte sei es um die Ziemia Lubuska gegangen.51 So sei also die Geschichte der Ziemia Lubuska die Geschichte des Kampfes mit Brandenburg und des Kampfes um das »Polentum«.52 Damit wurde eine Kontinuität deutscher Polenpolitik suggeriert, die vom 13. Jahrhundert bis 1945 die gleichen Ziele verfolgte.53 Die Stadtgeschichten der beiden großen Zentren der Ziemia Lubuska, Zielona Gjra und Gorzjw, basierten ebenfalls auf wiederkehrenden Motiven. So sei Gorzjw von den Deutschen als Gegengewicht zu Santok (Zantoch) – einer der wichtigsten Burgorte der Region, der zu Zeiten der Piasten entstanden war – gegründet worden.54 Darüber hinaus sei es schon vor seiner Gründung im Jahr 1257 ein »Handelszentrum« gewesen.55 Im Hinblick auf Zielona Gjra konzentrierten sich die Historiker insbesondere auf den Unterschied zwischen der 49 Gorzowskie Towarzystwo Przyjacijł Kultury : Gorzjw Wielkopolski. Przewodnik. Informator. Plan miasta [Gorzjw Wielkopolski. Stadtführer. Stadtplan]. Gorzjw 1960, S. 34; Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 87, 134, 151; Rutkowski, Z˙ycie, 1960, S. 139, 143; Wa˛sicki: Zielonogjrskie, 1970, S. 44; Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 113. 50 Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 87, Wa˛sicki, Gorzjw, 1964, S. 34. Siehe dazu auch Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 320; Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 104. 51 Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 78. 52 Wa˛sicki, Zielonogjrskie, 1970, S. 40. 53 In der Geschichtsschreibung Breslaus nach 1945 erkennt Thum dieselbe Tendenz. Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 329f. 54 Etwa bei Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 36; Grabski, 200 miast, 1947, S. 100. 55 Wa˛sicki, Gorzjw, 1964, S. 22.

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ersten Ansiedlung und der Stadtgründung. So sei die Stadt zwar um 1300 nach deutschem Recht gegründet worden, die sich dort befindliche Ansiedlung sei jedoch auf polnische/slawische Siedler zurückzuführen.56 Das deutsche Stadtrecht sei aber für die positive Entwicklung von Städten nicht nötig gewesen, was der Vergleich mit polnischen Städten zeigen würde.57 In einer Studie über die Anfänge der Lebuser Städte, argumentierte Szczepaniak, dass zur Zeit der formellen Stadtgründung in der Regel bereits eine Form »städtischen Lebens« vorzufinden war.58

2.2

Das »Polentum« der Ziemia Lubuska

Das soeben dargestellte Geschichtsbild implizierte stets, dass es sich bei der Ziemia Lubuska um »urpolnisches« Gebiet handelte. Als stützende Säulen dieses Geschichtsbildes waren einige Aspekte jedoch speziell darauf ausgelegt, nicht nur theoretisch zu beweisen, dass das Land zu Polen gehören müsse, sondern zu zeigen, dass es auch zu Zeiten der »deutschen Besetzung« dort aktives polnisches Leben gegeben hatte. Zwar wurde stets betont, dass aufgrund der »rücksichtslosen Germanisierung« nur relativ wenige polnische Spuren zu finden seien,59 doch existierte ein Repertoire an »Belegen polnischen Lebens«, auf das immer wieder zurückgegriffen wurde. Häufig waren beispielsweise Hinweise auf die slawischen Wurzeln von Orts- und Nachnamen sowie die polnischen Namen in alten Adressbüchern der Region und polnischsprachige Druckerzeugnisse.60 Vor allem standen immer wieder der Maler Tadeusz Kuntze und der polnische Handwerksverein in Grünberg im Fokus.61 Tadeusz Kuntze bzw. Tadeusz Konicz (1727–1793) war ein in Grünberg geborener Maler. Er verbrachte den größten Teil seines Lebens in Rom, wo er als Hofmaler von Bischof Andrzej Stanisław Załuski wirkte. In Italien figurierte er unter dem Namen Taddeo Polacco, was zu der Deutung veranlasste, dass es sich eindeutig um einen Polen handelte.62 Die Geschichtsbücher führten ihn als 56 57 58 59 60 61

Etwa bei Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 43; Grabski, 200 miast, 1947, S. 428f. Sczaniecki / Wa˛sicki, Zielona Gjra, 1962, S. 8. Szczepaniak, Pocza˛tki, 1958. Dazu insbes. Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 119ff. Lubuskie Towarzystwo Kultury, Z dziejjw, 1966. Zygmunt Rutkowski: Polskie tradycje rzemiosła zielonogjrskiego na tle z˙ycia polskiego w Zielonej Gjrze, 1959 [Polnische Handswerkstraditionen in vor dem Hintergrund polnischen Lebens in Zielona Gjra], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 1084; Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 122; siehe dazu auch Sczaniecki / Wa˛sicki, Zielona Gjra, 1962, S. 36ff. 62 Dazu Koniusz, Janusz: Taddeo Polacco z Zielonej Gjry [Taddeo Polacco aus Zielona Gjra]. Zielona Gjra 1960.

Das »Polentum« der Ziemia Lubuska

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»bekanntesten polnischen Maler des 18. Jahrhunderts«63. Nach Konicz wurde am 30. Januar 1961 eine Straße in Zielona Gjra benannt,64 die damit eine von nur sehr wenigen mit regionalem Bezug war. Die Gesellschaft der Polnischen Handwerker in Grünberg (Towarzystwo Polskich Rzemies´lnikjw w Zielonej Gjrze) existierte von 1898 bis 1935.65 Es handelte sich dabei um eine Gruppe von Polen, die auf der Suche nach Arbeit nach Grünberg gekommen war.66 Der Verein hatte insgesamt wohl 93 Mitglieder. Im Oktober 1960 wurde ein Buch mit Protokollen der Gesellschaft öffentlich gemacht, die in Ausschnitten in der Dezember-Ausgabe von Nadodrze abgedruckt wurden. In seinem Kommentar stellte Tadeusz Kajan klar, dass dies ein unzweifelhafter Beleg dafür sei, dass es in der »Hauptstadt der Ziemia Lubuska« eine »national bewusste polnische Bewegung« gegeben hatte. Anders als die »westdeutschen Revisionisten« es gern darstellen würden, habe es sich nicht um »Spieler und Trinker« gehandelt, sondern vielmehr um »sich ihren nationalen Pflichten bewusste Aktivisten«.67 Władysław Korcz versicherte, dass die Aktivität der Gesellschaft »zweifellos eine Etappe war, die uns den Gebieten an der Oder näher gebracht hat«.68 Auch der Przegla˛d Zachodni druckte Ende desselben Jahres einen Beitrag zu den polnischen Handwerkern und ihrer Gesellschaft ab.69 Die Innung verschiedener Handwerke (Cech Rzemiosł Rjz˙nych) hatte 1959 beantragt, eine Straße nach Kazimierz Lisowski zu benennen, der für die Gründung des Vereins verantwortlich zeichnete und lange Zeit als ihr Vorsitzender fungierte.70 Die vorgelegte Begründung konzentrierte sich auf Lisowskis Engagement für den Erhalt des »Polentums« in Zielona Gjra.71 Zwar wurde im Antrag 63 Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 105. 64 Beschluss Nr. I/2/61 das Städtischen Nationalrats in Zielona Gjra vom 30. Januar 1961 über die Vergabe von Straßennamen in der Stadt Zielona Gjra, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze [Präsidium des Städtischen Nationalrates in Zielona Gjra], Sign. 82, Bl. 2. 65 Die Akten dazu können im Muzeum Ziemi Lubuskiej in Zielona Gjra eingesehen werden. Dazu Korniluk, Izabela: Protokoły z posiedzen´ Towarzystwa Rzemies´lnikjw Polskich w Zielonej Gjrze 1898–1935 [Protokolle der Sitzungen der Gesellschaft der Polnischen Handwerker in Zielona Gjra 1898–1935]. Zielona Gjra 2011. Dazu auch in: Sczaniecki / Wa˛sicki, Zielona Gjra, 1964, S. 124–126. 66 Korniluk, Protokoły, 2011, S. 5. 67 Kajan, Tadeusz: Dokumenty patriotyzmu [Dokumente des Patriotismus], in: Nadodrze, Dezember 1960, S. 4. 68 Władysław Korcz: Towarzystwo Polskich Rzemies´lnikjw w Zielonej Gjrze /w 75-lecie powstania/ 1898–1973 [Die Gesellschaft der Polnischen Handwerker in Zielona Gjra (zum 75. Jubiläum der Gründung) 1898–1973], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 628, Bl. 101. 69 Rutkowski, Z´ycie, 1960, S. 138–149. 70 Antrag zur Umbenennung der ulica Szkolna in Zielona Gjra in ulica Kaziemierza Lisowskiego, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 57, Bl. 636. 71 Begründung zum Antrag der Handwerkskammer auf Umbenennung der ulica Szkolna in

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

nebenbei auch sein Einsatz für die Aufrechterhaltung der Tradition des Handwerks erwähnt, doch scheint dieser Punkt nicht entscheidend gewesen zu sein.72 Vor dem Hintergrund, dass bis 1956 Handwerker in der Volksrepublik starken staatlichen Restriktionen ausgesetzt gewesen waren, sollte dieser Aspekt wohl nicht in den Vordergrund gerückt werden. Der Nationalrat gab dem Antrag statt und veranlasste am 14. September 1959 die Umbenennung der Straße, in der die Innung ihren Sitz hatte.73 Darüber hinaus wurde eine Gedenktafel am Wohnhaus Lisowskis angebracht, und der Vorsitzende des Präsidiums des Städtischen Nationalrates ernannte ihn zum Ehrenbürger der Stadt.74 Einen weiteren Beleg für die Präsenz polnischer Bürger in Zielona Gjra sollte die Geschichte der Hexenverfolgung in Grünberg im 17. Jahrhundert liefern.75 Es wurde argumentiert, dass die verfolgten Hexen häufig polnische Namen getragen hätten. Nicht nur war damit die polnische Anwesenheit belegt, sondern auch der Kampf der Deutschen gegen das »Polentum«. Eine ebenso wichtige Rolle spielte die Architektur der Gotik, da sie als die polnische Architektur schlechthin angesehen wurde, als »Symbol für die piastisch-polnischen Ursprünge«.76 Einerseits wurde argumentiert, dass gotische Bauten – ebenso wie Holzbauten – genauso auch in Polen vorzufinden waren und daher »dem Polen nicht fremd waren«,77 andererseits konnte man die Gotik weit gefasst noch mit einer Zeit verbinden, in der die Odergebiete zu Polen gehört hatten – wenngleich viele dortige Gebäude aus der Spätgotik stammten und schon brandenburgisch waren. Im Zweifelsfall argumentiert man, dass die Gebäude zwar nicht zu Zeiten polnischer Herrschaft, jedoch mit den Händen »polnischer Arbeiter und Maurer« gebaut worden waren.78 Ein Beispiel dafür war die Marienkirche in Gorzjw, die »sicherlich von slawischen Händen gemauert«79 worden sei. Die Gotik fand sogar Eingang in die Lehrpläne der Volksrepublik Polen für das Fach Geschichte.80 In weniger starkem Ausmaß

72 73 74 75 76 77 78 79 80

ulica Kazimierza Lisowskiego, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 57, Bl. 634. Das gilt auch für den ausführlichen Artikel im Przegla˛d Zachodni. Antrag zur Umbenennung der ulica Szkolna in Zielona Gjra in ulica Kaziemierza Lisowskiego, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 57, Bl. 636. Beschluss Nr. V/17/59 das Städtischen Nationalrats in Zielona Gjra vom 14. 9. 1959 zur Umbenennung der ulica Szkolna, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 57, Bl. 632. Rutkowski, Z´ycie, 1960, S. 149. Korcz, Studia z dziejjw, 1971, S. 255. Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 441. Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 66. Ebd., S. 65. Grabski, Władysław Jan: 300 miast wrjciło do Polski. Informator Historyczny 960–1960 [300 Städte kehrten zu Polen zurück. Historischer Führer 960–1960]. Poznan´ 1960, S. 145, 147. Ministerstwo Os´wiaty i Szkolnictwo Wyz˙szego: Program nauczania Liceum Ogjlnokształca˛cego, Historia, Klasy I–IV [Lehrplan für das Allgemeinbildende Lyceum. Geschichte,

Das »Polentum« der Ziemia Lubuska

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hielten auch Spuren des Barock als Beweis für die polnische Vergangenheit her.81 Ähnliches galt für mittelalterliche Festungen, von denen in der Regel nur Ruinen übriggeblieben waren.82 Weitere »Belege« waren eine polnische Partei in Gorzjw, die im Jahr 1930 zu den Wahlen angetreten war,83 eine Kirche in Zielona Gjra, die vor Ort unter dem Namen »polnische Kirche« firmiert habe,84 und die Existenz polnischsprachiger Schulen auf dem Gebiet der heutigen Ziemia Lubuska.85 Schließlich wurde eine Lebuser Folklore entworfen. Da Folklore mit dem bäuerlich-ländlichen Leben in Verbindung gebracht wurde, und die Gleichung Bauer gleich Proletarier galt, war dies eine den volkspolnischen Machthabern unverdächtige und sogar geförderte Form regionaler Aktivität.86 Dafür wurde auf Trachten und Musik aus der ›Babimojszczyzna‹ zurückgegriffen, dem östlichsten Teil der Ziemia Lubuska, die nach dem Ersten Weltkrieg zu großen Teilen Polen zugeteilt worden war und der einzige Teil der Nachkriegs-Ziemia Lubuska war, der vor 1945 zu Polen gehört hatte. Schon immer hatte es hier einen großen Anteil polnischer Bewohner gegeben. Im Jahr 1946 trat Boz˙ena Stelchmanowska im Przegla˛d Zachodni dafür ein, die Bräuche der angrenzenden Gebiete – etwa Mie˛dzyrzecz und Skwierzyna – in die Ziemia Lubuska zu »verpflanzen« und mithilfe von Ethnographen eine regionale Typisierung zu erstellen.87 So wurde »die Lebuser Kleidung durch Trachten aus Da˛brjwka, Kreis Mie˛dzyrzecz, repräsentiert. Diese Trachten trägt die örtliche wie die zugezogene Bevölkerung auf dem ganzen Gebiet der Ziemia Lubuska anlässlich verschiedener Veranstaltungen.«88

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88

Klassen 1–8]. Warszawa 1971; Ministerstwo Os´wiaty i Szkolnictwo Wyz˙szego: Program nauczania Technikum i Liceum Zawodowego, Historia, Klasy I–III [Lehrplan für das Technikum und die Berufsschule. Geschichte, Klassen 1–3]. Warszawa 1971. Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 100, Korcz, Nauczania. Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 71, 106. Wa˛sicki, Gorzjw, 1964, S. 84f. Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 119; Grabski, 200 miast, 1947, S. 431. Baczewski, Jan: O polska˛ szkole˛ [Über die polnische Schule], in: Nadodrze Mai 1958, S. 4; Sczaniecki / Korcz, Dzieje, 1960, S. 141. Polak-Springer, Peter : Recovered territory. A German-Polish Conflict over Land and Culture, 1919–89. New York u. a. 2015, S. 203. Stelchmanowska, Boz˙ena: Polska kultura ludowa czynnikiem zespalaja˛cym Ziemie Odzyskane [Die polnische Bauernkultur als die Wiedergewonnenen Gebiete verbindender Faktor], in: Przegla˛d Zachodni 1946/2, S. 979–990; Stelchmanowska, Boz˙ena: O styl i obyczaj rodzimy na Ziemiach Odzyskanych [Über den einheimischen Stil und Brauch in den Wiedergewonnenen Gebieten], in: Przegla˛d Zachodni 1946/1, S. 9–21. Glapa, Adam: Strjj mie˛dzyrzecko-babimojski (lubuski) [Die Tracht von Mie˛dzyrzecz und Babimost (Lebuser Tracht)]. Wrocław 1956, S. 5.

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

Diese folkloristische Bekleidung wurde sowohl mittels des Buches »Ziemia Lubuska«89 als auch im Band »Strjj mie˛dzyrzecko-babimojski (lubuski)« (Die Tracht von Mie˛dzyrzecz und Babimost [Lebuser Tracht]) aus der Reihe »Atlas Polskich Strojjw Ludowych« (Atlas polnischer Volkstrachten)90 popularisiert. Für den Band »Ziemia Lubuska« wurde sogar eine in Tracht gekleidete Frau vor einer Seen- und Wälderlandschaft als Titelbild gewählt, während die anderen Bände die jeweilige typische Landschaft abbildeten. Bedenkt man, dass es sich um die erste Monographie zu der Region handelte, die das Bild der Ziemia Lubuska prägen sollte, war das eine interessante Wahl. Am öffentlichkeitswirksamsten wurden die Trachten wohl im Rahmen des Winzerfestes zur Schau gestellt, das nicht nur Bewohner der Woiwodschaft Zielona Gjra, sondern auch Gäste aus anderen Regionen Polens besuchten.91 Polenweite Bekanntheit erlangte die Kleidung durch zwei Briefmarken der Polnischen Post von 1960, auf denen jeweils die männliche und die weibliche Tracht abgebildet waren.92 Sehr präsent waren sie darüber hinaus dank des 1953 gegründeten Lebuser Gesangsund Tanzensembles (Lubuski Zespjł Pies´ni i Tan´ca). Diese Gruppe von Amateuren trat auf zahlreichen Veranstaltungen und Wettbewerben in den regionalen Trachten mit folkloristischem Tanz und Gesang auf. Eines ihrer Standardstücke war die »Suita Lubuska«, welche auf einem Volkslied aus der Babimojszczyzna basierte. Das Ensemble hatte es sich zum Ziel gesetzt, die polnische Folklore mit besonderer Berücksichtigung der Traditionen der Ziemia Lubuska zu verbreiten.93 Die »Lebuser Folklore« fungierte nicht nur als Beleg der polnischen Vergangenheit, sondern bot zugleich eine Identifikationsmöglichkeit mit der Region. Wie es sich auch der Westverband in den 1940er Jahren zu Nutzen machte, wurde hier der Regionalismus in nationaler Absicht bemüht und sollte die Bindung zu Polen stärken. Die Belege des »Polentums« der Ziemia Lubuska und des dortigen polnischen Lebens waren mitunter wenig differenziert. Genau das war aber auch die – oftmals offen verkündete – Absicht der polnischen Geschichtswissenschaft nach 1945. So ließ etwa Wojciechowski im Vorwort des ersten Bandes der Reihe Ziemie Staropolski keinen Zweifel daran, dass die Publikation »einseitig, fügen wir hinzu: bewusst einseitig« sei, um die Bevölkerung mit den neuen Gebieten vereinen zu können, indem die Überzeugung geschaffen wurde, dass »wir in unsere alten Mutterlande zurück gekehrt sind«.94 Auch in der ersten polnischen 89 90 91 92 93 94

Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 147–181. Glapa, Strjj, 1956. Zdankiewicz / Pasik, Ziemia Lubuska, 1972, S. 30. Diese Briefmarke mit der weiblichen Tracht ist auf dem Cover dieses Bandes abgebildet. Dulczewski, Tworzenie sie˛, 2001, S. 135. Wojciechowski, Zygmunt: Słowo wste˛pne [Geleitwort], in: Sosnowski, Kirył / Suchocki, Mieczysław : Dolny S´la˛sk [Niederschlesien]. Poznan´ 1950, S. 10.

Das »Polentum« der Ziemia Lubuska

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Stadtgeschichte Zielona Gjras aus dem Jahr 1962 machten die Herausgeber keinen Hehl daraus, dass sie sich aufgrund zum Teil erschöpfender Erforschung einzelner Aspekte der Geschichte auf diejenigen Punkte konzentrieren wollen, »die die polnische Wissenschaft auf eine neue Weise beleuchtet hat und die, die sich durch einen Unterschied in den Ansichten zwischen deutschen und polnischen Gelehrten auszeichneten. Zu ihnen zählen solche Aspekte wie die Frage nach der Genese der Stadt, das Problem der Erhaltung des Polentums und der polnischen Bevölkerung in Zielona Gjra.«95

Der im Band dargestellte »Aufschwung« Zielona Gjras seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges sei ein Beleg dafür, dass die Westgebiete innerhalb der polnischen Wirtschaft »bisher unerreichbare Entwicklungsmöglichkeiten«96 vorgefunden hätten. Der Posener Historiker Jan Wa˛sicki hob in seiner Monographie zur Geschichte Gorzjws ebenfalls hervor, dass es sich bei dem Band um ein »Argument« gegen die Aussage handle, Polen könne die Westgebiete nicht bewirtschaften.97 Hier wird die politische Bedeutung der Publikationen sehr deutlich. Dabei ging es nicht nur um die polnischen Leser, die von der positiven Entwicklung des polnischen Staats unter den Kommunisten überzeugt werden sollten, sondern auch um das westdeutsche Publikum, dessen Ansicht von der Verwahrlosung der Westgebiete unter polnischer Herrschaft widerlegt werden sollte. Die ideologisch eingefärbten Vorworte und Einführungen sagten dabei nicht immer etwas über den Grad der Politisierung des eigentlichen Textes aus. Insbesondere die Stadtgeschichten von Gorzjw und in größerem Ausmaße von Zielona Gjra behandelten das »Polentum« der Region nur, wenn es wirklich nötig erschien. So beklagte dann auch Zygmunt Rutkowski in einer Rezension, dass das »Polentum« Zielona Gjras in dem Band nicht deutlich genug hervorgehoben worden sei und bezeichnete die Publikation als »nicht gelungen«.98 Andere Publikationen hingegen – vor allem sehr frühe und jene von Rutkowski – waren gänzlich auf den Beleg des »Polentums« ausgerichtet und bedienten sich teils aus der Luft gegriffener Argumente. Die starke Konzentration auf den deutsch-polnischen Antagonismus in einer von Rutkowski verfassten Geschichte Zielona Gjras wurde sogar in einer internen Rezension bemängelt. Das sei zwar ein wichtiger Punkt für die Geschichte der Region gewesen, aber sicher nicht der einzige. So hätte er etwa die Elemente des Klassenkampfes stärker

95 96 97 98

Sczaniecki / Wa˛sicki, Zielona Gjra, 1962, S. 7f. Ebd., S. 10. Wa˛sicki, Gorzjw, 1964, S. 8. Rutkowski, Zygmunt: Zielona Gjra czeka nadal [Zielona Gjra wartet weiter], in: Kierunki. Pismo społeczno-kulturalne Katolikjw 1962/39, S. 8.

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

hervorheben sollen.99 Doch galt diese Schwerpunktlegung im Prinzip für die gesamte historische Literatur zur Ziemia Lubuska. Oftmals wurde diese sozialistische Rhetorik in den historischen Werken zu den Westgebieten zugunsten des nationalen Narrativs zurück gestellt. Insbesondere in den 1940er Jahren war diese Vorgehensweise auf den neuen Gebieten geduldet, um die lokale und regionale Bindung zu fördern.100 In diesem Zusammenhang wurde häufig auch der deutsch-polnische Konflikt hervorgehoben. Als Ende der 1940er Jahre vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen den Supermächten und der Formierung der gegnerischen Lager im Kalten Krieg in Polen das Feindbild Deutschland durch das des kapitalistischen Imperialismus abgelöst wurde, wurde diese Schwerpunktlegung von der Partei zwar noch geduldet, aber nicht mehr unumwunden gutgeheißen. Den Vorwurf des mangelnden Klassenbewusstseins musste sich auch Zygmunt Wojciechowski im Jahr 1949 in Hinblick auf seinen Band »Zehn Jahrzehnte des Ringens«, einst einer der wichtigsten Vertreter der These des Jahrhunderte währenden deutsch-polnischen Konflikts, gefallen lassen.101 Immer wieder klang auch ein genuines Interesse an der deutschen Geschichte der Region bei den Autoren der historischen Werke durch. Darauf lassen die gründlichen Recherchen dazu schließen sowie die Vewendung deutscher Ortsund Straßennamen in Klammern102 oder Firmennamen etc. im Original.103

2.3

Der Aufbau-Mythos

Im Hinblick auf die neueste Zeitgeschichte wurde im Laufe der Jahre ein sehr einheitliches Bild der Nachkriegsentwicklung der Ziemia Lubuska gezeichnet. Dieses Narrativ ist keinesfalls eine regionale Besonderheit, sondern vielmehr eine Sicht auf die Nachkriegszeit, die in den gesamten Westgebieten ähnlichen Mustern folgte. Der Schwerpunkt lag hierbei klar auf dem Wiederaufbau symbolisiert durch die Begriffe »dorobek« (Werk, Schaffen) und »osia˛gnie˛cia« (Leistungen, Errungenschaften, Erfolge). Diese Rhetorik nahm nicht nur Bezug auf die sogenannte Pionierzeit, die nach allgemeinem Verständnis spätestens Ende 1945 endete,104 sondern auf den gesamten Zeitraum seit der Übernahme der Gebiete durch Polen. Einerseits beschrieb sie den wortwörtlichen Wieder99 Rezension des Manuskripts von Zygmunt Rutkowski (Tadeusz Ładogjrski, 2. 9. 1960), APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 1083, Bl. 213f. 100 Strauchold, Mys´l, 2003, S. 282. 101 Guth, Geschichte, 2015, S. 183. 102 Sczaniecki / Wa˛sicki, Zielona Gjra, 1962, S. 54f. 103 Ebd., S. 54f, 128–147. 104 Musekamp, Zwischen Stettin, 2008, S. 170.

Der Aufbau-Mythos

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aufbau von – in der Tat in erheblichem Maße zerstörten – Gebäuden und Verkehrsinfrastruktur, andererseits aber auch die Etablierung eines Gesundheits-, Bildungs-, Kultur- und Wissenschaftswesens, die in der Ziemia Lubuska tatsächlich von Null auf erfolgen musste. Ausgangspunkt war stets die Betonung der starken Zerstörung des Gebietes, welches dann im Laufe der Zeit von den polnischen Siedlern »bewirtschaftet« (zagospodarowac´) und zum Erfolg geführt wurde. In dem Band »Ziemia Lubuska« war dementsprechend die Rede von der Übernahme »menschenleerer Ruinen von Städten und Dörfern, zerstörten oder demontierten Industriebetrieben«.105 Die Zahlen zu den Zerstörungen einzelner Bereiche waren sehr genau. So wurde insgesamt auf dem Gebiet der Ziemia Lubuska von 79,7 Prozent Zerstörung gesprochen.106 Der »Wiederaufbau des wirtschaftlichen Lebens in all seinen Bereichen musste von Neuem begonnen werden«,107 denn die Ziemia Lubuska stellte in der Industrie »nach dem Krieg das Bild einer völligen Wüste«108 dar. Naturgemäß gingen vor allem die später erschienenen Publikationen auf diesen Aspekt ein. Allerdings war der Wiederaufbauleistung bereits 1950 in »Ziemia Lubuska« ein eigenes Kapitel gewidmet worden.109 Dank »großer Anstrengung«110 sei es möglich gewesen, die Region wieder aufzubauen. In »schnellem Tempo« habe das »polnische Leben hier die günstigen Bedingungen gefunden, innerhalb derer das Verwaltungssystem schnell, beinahe spontan aufgebaut wurde«.111 Sicherlich war der Zustand der Region zu diesem Zeitpunkt besser als im Jahr 1945, doch mögen viele es für vermessen gehalten haben, das hervorzuheben, wenn man bedenkt, wie stark vernachlässigt die Gebiete in dieser Zeit waren – was die Partei schließlich 1956 auch zugab. Im Fazit klangen durchaus leise Zweifel an, wie schnell mit einer positiven Entwicklung zu rechnen sei, da hier die schlechten Bedingungen sehr stark betont wurden.112 Die Stadtgeschichten legten einen deutlichen Schwerpunkt auf die Zeit nach 1945. Die Kapitel zur Nachkriegsgeschichte Zielona Gjras zeigten vor allem, so die Autoren, die »hohen Leistungen der polnischen Wirtschaft und Verwaltung«.113 Der Abschnitt zur Entwicklung der Stadt in der Volksrepublik zeichnete dann auch in Einzelheiten die Entwicklung der Bevölkerungszahl, der Industrie 105 106 107 108 109 110 111 112 113

Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 436. Ebd., S. 436–440. Ebd., S. 458. Ebd., S. 474. Ebd., S. 434–499. Ebd., S. 502. Ebd., S. 527. Ebd., S. 490–499. Sczaniecki / Wa˛sicki, Zielona Gjra, 1962, S. 9.

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

(konkret: der einzelnen Betriebe), des Wohnungsbaus, des Handels, des Verkehrs- und Gesundheitswesens, des Sports sowie der Kultur auf immerhin fast einem Drittel der Seiten nach.114 Der unmittelbare Wiederaubau an sich spielte hier rhetorisch keine allzu große Rolle, was daran liegen mag, dass Zielona Gjra fast nicht zerstört worden war und entsprechende Vergleiche wenig sinnvoll gewesen wären. In der Gorzjw-Monographie nahm die Nachkriegsgeschichte deutlich über die Hälfte des Buches ein.115 Der Tenor war auch hier, dass die »vom Krieg empfindlich zerstörten und von den Bewohnern verlassenen« Gebiete schnell wiederbesiedelt und aufgebaut wurden. Industrie, Bildungswesen und Kultur – »all das, von der Übernahme der zerstörten Stadt bis zu ihrem vollständigen Wiederaufbau und Ausbau, wurde zu Zeiten der Polnischen Volksrepublik vollbracht.«116

Dies sei neben den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen vor allem der »großen Aufopferung« und dem »Fleiß«117 der Bewohner zu verdanken. Auch hier erfolgte wieder eine detaillierte Auflistung aller Kriegsschäden.118 Von den großen Anlaufschwierigkeiten und den Versäumnissen bei Integration und Wiederaufbau der Westgebiete bis zum Jahr 1956 war auch nach 1956 nichts zu lesen, obwohl es nun eigentlich möglich war, diese Probleme zu artikulieren.119 Zwar wiesen die Autoren im Hinblick auf die unmittelbare Nachkriegszeit in Gorzjw auf Versorgungsprobleme und Fehler in der Wohnraumzuteilung hin, doch kann man keinesfalls davon sprechen, dass die Anfangsjahre kritisch beleuchtet wurden; es herrschte im Gegenteil eher ein recht positiver Tenor vor.120 Das galt im gleichen Maße für die Stadtgeschichte Zielona Gjras, in der Probleme im Prinzip keine Erwähnung fanden. Dabei ist zu bedenken, dass insbesondere Publikationen zur Zeitgeschichte auch nach 1956 strengen Vorgaben durch die Zensurbehörden unterlagen. So war die Nachkriegsgeschichte nach Meinung der Parteibehörden als eine Reihe von Erfolgen beim Aufbau des Landes und des Sozialismus darzustellen.121 Beispielhaft sei hier auf eine Auseinandersetzung der Historikerin Krystyna Kersten mit den Zensoren über eine im Jahr 1961 verfasste Arbeit zur Nachkriegszeit hingewiesen. Ihr Rezensent, der parteinahe Historiker Władysław 114 115 116 117 118 119 120 121

Ebd., S. 206–288. Wa˛sicki, Gorzjw, 1964, S. 119–290. Ebd., S. 7. Ebd. Ebd., S. 127–138. Strauchold, Mys´l, 2003, S. 401. Wa˛sicki, Gorzjw, 1964, S. 146f, 150f. Topolski, Jerzy : Historiographische Mythen. Eine methodologische Einführung, in: Saldern, Adelheid von (Hg.): Mythen in Geschichte und Geschichtsschreibug aus polnischer und deutscher Sicht. Münster 1996, S. 32.

Der Aufbau-Mythos

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Gjra, warf ihr vor, die Übernahme und Besiedlung der Westgebiete als »chaotische Improvisation« bezeichnet zu haben. Das »Wesentliche des damaligen Wandels«, so Gjra, »waren nicht Trunksucht, Plünderungen und ungestüme Improvisation, sondern ›der heldenhafte, aufopfernde Kraftakt der Mehrheit auf den Gebieten der Ankommenden, die aufopferungsvolle und harte Arbeit Zehntausender Menschen‹«.122

Kersten hingegen war es wichtig, die Situation so realitätsnah wie möglich zu beschreiben, und sie kam zu der Feststellung, dies würde die Leistung nicht schmälern, ganz im Gegenteil.123 Offensichtlich war eine unzweideutige Erfolgsgeschichte der »Bewirtschaftung« der Westgebiete jedoch vorzuziehen. Neben der Literatur mit wissenschaftlichem Anspruch erschien eine Reihe von Publikationen zu den Westgebieten, die eher auf die Aussagekraft von Bildern und Zahlen als die Ausführlichkeit historischer Texte setzte. Ins Auge stechen hier die Veröffentlichungen »Twoje miasto« (Deine Stadt) aus dem Jahr 1958 und »Zielona Gjra. Wczoraj, dzis´, jutro« (Zielona Gjra. Gestern, heute, morgen) von 1961.124 Herausgegeben von der Front Nationaler Einheit (Front Jednos´ci Narodu) anlässlich der Wahlen zu den Nationalräten illustrierten die beiden Hefte den gelungenen Wiederaufbau und die positive Entwicklung der Stadt nach 1945 anhand von Abbildungen von Neubauten, Betrieben, Institutionen sowie Zahlen zum Wohnungsbau und Schulen. Neben einem knappen Blick in die Vergangenheit und der Darstellung der Gegenwart beschrieben sie auch eine konkrete Zukunft und die Perspektiven Zielona Gjras. In der erweiterten Auflage eines ursprünglich 1947 erschienenen, enzyklopädisch aufgebauten Buchs über die Städte der Westgebiete aus dem Jahr 1960 war ein relativ ausführlicher Teil – fast die Hälfte des Eintrags – der Nachkriegsgeschichte Gorzjws und Zielona Gjras gewidmet. Die Städte hätten nun mehr Einwohner als zu deutschen Zeiten, verfügten über eine gute Infrastruktur und neue Fabriken: Das Tempo des Wiederaubaus von Gorzjw sei »beeindruckend«.125 Immerhin sei der »Anfang der Polen hier schlimmer als auf einem leeren Feld«126 gewesen. Der Wiederaufbau sei daher »ein präzedenzloses Werk in der Geschichte der Nation«.127 Auch die von der TRZZ 1958 herausgegebene Schrift »Były i be˛da˛ nasze« (Es waren unsere und es werden unsere sein) aus dem 122 Romek, Zbigniew : Cenzura i nauka historyczna w Polsce 1945–1970 [Zensur und historische Wissenschaft in Polen 1945–1970]. Warszawa 2010, S. 322. 123 Ebd. 124 Kulisz, Edmund: Twoje miasto. Zielona Gjra [Deine Stadt. Zielona Gjra]. Zielona Gjra 1958; Zielona Gjra. Wczoraj, dzis´, jutro [Zielona Gjra. Gestern, heute, morgen]. Zielona Gjra 1961. 125 Grabski, 300 miast, 1960, S. 146. 126 Ebd., S. 146. 127 Ebd., S. 578.

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Jahr 1958 widmete einen großen Teil der Darstellungen den Leistungen auf den neuen Gebieten.128 1957 erschien die Publikation »Odbudowa Ziem Odzyskanych« (Der Wiederaufbau der Wiedergewonnenen Gebiete), die sich ausführlich mit dem Wiederaufbau der verschiedenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zweige in den Westgebieten befasste. Die Ausgangssituation des Jahres 1945 wurde so beschrieben: »Im Jahr 1945 haben wir menschenleere Ruinen von Städten und Dörfern, zerstörte oder verwüstete Industriebetriebe, verlassene Werkstätten und Handelsplätze übernommen. Es gab keine Form der wirtschaftlichen Organisation.«129 Die Schlussfolgerung der positiven Bilanz war es, dass sich die Ziemia Lubuska innerhalb des polnischen Organismus ideal entwickle.130 Diese Erfolgspropaganda, die detailgetreue Darstellung aller vollbrachten Leistungen, verfolgte mehrere Ziele. Einerseits zielte sie auf die positive Darstellung der Gebiete und die Würdigung der schwierigen Situation und der harten Arbeit ab, der sich die Ansiedler gegenüber gestellt sahen. Die Betonung ihres Anteils am Wiederaufbau der Westgebiete sollte auch ihre Bindung an die Wohnorte stärken. Andererseits war sie eine Reaktion auf den westdeutschen Revisionismus. Durch die Hervorhebung der Nachkriegsgeschichte wurde eine Linearität suggeriert, die es erlaubte, eine Verbindung zwischen dem, was man täglich sah, und dem abstrakten Geschichtsbild herzustellen. Auf eine gewisse Weise stand jedoch die starke Betonung der Ziemia Lubuska als tabula rasa im Widerspruch zum Narrativ der Kontinuität: die Anknüpfung an alte polnische Traditionen war dadurch rein theoretisch, praktisch hatte es einen Bruch gegeben, nach dem alles von Neuem geschaffen werden musste. Nicht zuletzt sollten auch die Verdienste des sozialistischen Systems hervorgehoben werden und so nicht nur die Übernahme der Westgebiete, sondern auch die Übernahme der Macht durch die Kommunisten legitimiert und deren Popularität in der Bevölkerung gesteigert werden.

2.4

Verbreitung des Geschichtsbildes

Schon für die 1930er Jahre bezeichnet Krzoska die Popularisierung der Forschungsergebnisse als »zweite Säule der Westforschung«.131 Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war den Vertretern des Westgedankens bewusst, dass die 128 Kraszewski, Tadeusz: Były i be˛da˛ nasze [Es waren unsere und es werden unsere sein]. Poznan´ u. a. 1958, S. 35–50. 129 Piwarski, Kazimierz / Zajchowska, Stanisława (Hg.): Odbudowa Ziem Odzyskanych (1945– 1955) [Der Wiederaufbau der Wiedergewonnenen Gebiete (1945–1955)]. Poznan´ 1957, S. 142. 130 Ebd., S. 192. 131 Krzoska, Für ein Polen, 2003, S. 191.

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Popularisierung der Geschichte elementar war (dazu auch Kapitel 4).132 Bei den oben zitierten Publikationen handelt es sich bereits um wichtige Medien für die Verbreitung des offiziellen Geschichtsbildes, vor allem wenn man bedenkt, dass viele von ihnen in den populären Reihen der LTK und der LTN erschienen. So machte etwa Sczaniecki deutlich, dass ebenso wie die Erlangung historischen Wissens seine Verbreitung eine große Rolle spiele, und dass es sich dabei um einen Akt »regionalen Patriotismus« handle. Seiner Meinung nach musste »die außergewöhnliche Rolle, die die Geschichte der Westgebiete im Bereich der Gestaltung eines polnischen gesellschaftlichen Bewusstseins spielte«, stärker betont werden: »Dank der Kenntnis der Geschichte lernte die gesamte polnische Gesellschaft, die Westgebiete als einen autochthonen Teil des eigenen Vaterlandes zu sehen. Das Kennenlernen der Geschichte stellte unter den in den Westgebieten angesiedelten Polen eine emotionale Bindung her, die sie mit diesen Gebieten verband.«

Die Geschichte sei daher ein wichtiger Faktor für »die Beschleunigung der sich in den Westgebieten vollziehenden Integrationsprozesse.« Dies sei jedoch »vielleicht nicht so sehr das Verdienst derjenigen Historiker, die ihre Forschung beruflich mit eher lebensfernen wissenschaftlichen Methoden durchführen, als vielmehr der Historiker, die das Wissen über die Vergangenheit der Westgebiete mit großer Anstrengung zu verbreiten verstehen, es in Wort und Schrift in populärwissenschaftlichen Arbeiten popularisieren.«133

Bereits im Jahr 1946 hatte der Breslauer Historiker Władysław Czaplin´ski dafür plädiert, die Geschichte der neuen Regionen den Massen zugänglich zu machen, allerdings ohne den wissenschaftlichen Anspruch aufzugeben.134 Daran anknüpfend konzentriert sich dieses Kapitel insbesondere auf die Vorbereitung der Lehrer auf den Geschichtsunterricht, das Geschichtsbild der Ziemia Lubuska in den volkspolnischen Schulbüchern und die Verbreitung des Bildes durch das populäre Medium der Märchenbücher.

2.4.1 Das Wissenschaftliche Ferienstudium und Schulbücher zur Geschichte Vom 6. bis 18. August 1959 fand das »Wissenschaftliche Ferienstudium über die Ziemia Lubuska« (Wakacyjne Studium Naukowe o Ziemi Lubuskiej) statt. Die Mitorganisatoren aus Gorzjw hatten als Austragungsort ihre Stadt ins Spiel 132 Strauchold, Mys´l, 2003, S. 208. 133 Sczaniecki, Michał: Przedmowa [Vorwort], in: Korcz, Władysław : Studia z dziejjw Ziemi Lubuskiej [Studien zur Geschichte der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 1971, S. 5, 7. 134 Strauchold, Mys´l, 2003, S. 210.

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gebracht, doch entschieden sich die Veranstalter schließlich für Sława S´la˛ska (Schlawa), weil es sich um einen solch »attraktiven« Ort handele.135 Denn neben der Vermittlung inhaltlichen Wissens über die Ziemia Lubuska bot das Seminar die Möglichkeit, die Region von ihrer besten Seite zu zeigen und auf diese Weise auch die Landschaft und die touristischen Möglichkeiten vorzustellen. Immerhin war Sława S´la˛ska – welches trotz des irreführenden Namens in der Ziemia Lubuska liegt – eines der beliebtesten touristischen Ziele der Region. Maßgeblich wurde das Seminar von der TRZZ organisiert in Kooperation mit dem Museum in Gorzjw, der LTK in Zielona Gjra und der Universität in Posen. An der Planung beteiligt waren insbesondere der lokale Vertreter der TRZZ, Henryk Jarosz, der Posener Historiker Sczaniecki, der Gorzjwer Museumsdirektor Henryk Przybylski, der frühere Geschichtslehrer und damalige Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Zentrums der PTH in Zielona Gjra Władysław Korcz sowie der Polnisch-Lehrer Wiesław Sauter aus Mie˛dzychjd (Birnbaum). Die drei Letztgenannten gehörten zu den ersten, die sich vor Ort für die Belange der Region einsetzten und dieser Tätigkeit über viele Jahre treu blieben. Der Polnisch-Lehrer Wiesław Sauter (1905–1996) hatte sein Studium in den 1920er Jahren in Posen absolviert. Nach dem Krieg war er am Aufbau des Schulsystems in der Ziemia Lubuska beteiligt und schließlich ein aktiver Beiträger der regionalen Geschichtsforschung, wobei er zum besten Kenner der Babimojszczyzna avancierte. Als einziger regionaler Autor war er an dem Sammelwerk »Ziemia Lubuska« beteiligt. Den Aufbau des kulturellen Lebens in der Ziemia Lubuska begleitete er von Anfang an, so trug er etwa zur Gründung der LTK bei, deren regionale Abteilung er später leitete und der er ab 1972 als Vorsitzender vorsaß. Auch war er Gründungsmitglied der LTN und Mitglied des West-Instituts. Władysław Korcz (1913–1997) war 1948 aus einem russischen Arbeitslager nach Zielona Gjra gekommen. Zunächst studierte er Geschichte in Thorn (Torun´), Posen und Breslau, später promovierte er beim Posener Professor Jan Wa˛sicki. In Zielona Gjra hatte er u. a. Positionen in der Kulturabteilung des Woiwodschaftsnationalrates, im Museum und an der Hochschule inne. Er engagierte sich in der Abteilung der PTH in Zielona Gjra und ist Autor mehrerer Reiseführer über die Region. Henryk Przybylski (1911–1980), Historiker aus dem großpolnischen Samter (Szamotuły), war seit 1948 als Lehrer in der Ziemia Lubuska tätig. In den Jahren 1953 bis 1955 war er Mitarbeiter in der Kulturabteilung des PWRN Zielona Gjra, ab 1955 leitete er 13 Jahre lang das Museum in Gorzjw. Alle drei lebten schon seit Mitte der bzw. den späten 1940er Jahren in der Ziemia Lubuska und hatten ihre Ausbildung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Obwohl sie zur ersten Generation der Neusiedler ge135 Schreiben von Henryk Jarosz an Henryk Przybylski (13. 4. 1959), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 60, Bl. 14.

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hörten, war ihr Interesse an der Region und der Wille, sich für sie einzusetzen, relativ stark ausgeprägt. Alle inhaltlichen Beiträge, die nicht vom Kreis der Wissenschaftler in Zielona Gjra abgedeckt werden konnten, sollte die UAM übernehmen.136 Die Dozenten kamen vor allem aus Posen (darunter die renommierten Historiker Sczaniecki und Topolski, der Soziologe Dulczewski und der Archäologe Kostrzewski) und der Ziemia Lubuska (Korcz, Muszyn´ski, Sauter, Engel), aber auch aus Krakau (Krakjw) und Breslau. Erklärtes Ziel des Seminars war die Vermittlung von Wissen über die Geschichte und Gegenwart der Ziemia Lubuska an Multiplikatoren, die die gewonnenen Erkenntnisse anschließend innerhalb der Bevölkerung verbreiten sollten. Dementsprechend galt bei der Auswahl der Teilnehmer als Kriterium vor allem »der Grad der Brauchbarkeit des Kandidaten, der nach dem Abschluss des Studiums effektiv für die Sache der Verbreitung von Wissen über die Geschichte und die Perspektiven der Ziemia Lubuska innerhalb der Bevölkerung arbeitet«.137 Nach Einführungen in den Begriff und die historischen Regionen der Ziemia Lubuska von Sczaniecki sowie Referaten über Geographie, Natur, Ethnographie, Linguistik und Soziologie der Region folgten fünf historischen Themen gewidmete Seminartage. Gegenstand des Unterrichts waren die Urgeschichte, die Verbindungen der Ziemia Lubuska mit Großpolen und Schlesien sowie die Geschichte der Neumark, Großpolens und Schlesiens, der Kampf um das »Polentum« und Kunstgeschichte. Auch die Nachkriegsentwicklung in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Bildung war Teil des Studiums, ebenso wie Einheiten über die Wirtschaft und Remilitarisierung der Bundesrepublik Deutschland. Eine gemeinsame Exkursion mit dem Autobus sollte ein visuelles Bild von der Ziemia Lubuska vermitteln und die in den vorhergegangenen Tagen erworbenen Kenntnisse anschaulicher werden lassen.138 Dem Abschlussbericht ist zu entnehmen, dass die Organisatoren sich zufrieden mit dem Ergebnis zeigten. Bis auf kleinere organisatorische Schwierigkeiten und anfänglich wenige Anmeldungen sei die Veranstaltung planmäßig verlaufen. Das Ziel, Wissen über die Ziemia Lubuska an regionale Aktivisten und andere Woiwodschaften weiterzureichen, sei erreicht worden. Generell war jedoch das Interesse der

136 Schreiben von Michał Sczaniecki an den Vorstand des Kreisrats der TRZZ in Zielona Gjra (8. 4. 1959), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 60, Bl. 10. 137 Schreiben von Henryk Jarosz an den Kreisvorstand der TRZZ (1. 6. 1959), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 60, Bl. 28. 138 Programm des Wissenschaftlichen Ferienstudiums über die Ziemia Lubuska in Sława S´la˛ska vom 6.–18. 8. 1959, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 60, Bl. 152–154.

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Teilnehmer an der Gegenwart größer als an der Geschichte.139 Auch die Evaluationen fielen grundsätzlich positiv aus. Ein Teilnehmer merkte jedoch an, dass das Niveau für Studierte eigentlich zu niedrig und es »eher ein populärwissenschaftlicher Kurs« gewesen sei.140 Die Veranstaltung ermöglichte es, die Lehrer der Ziemia Lubuska in Regionalgeschichte zu unterrichten, welche nicht Teil der allgemeinen pädagogischen Ausbildung war. Denn gerade den Lehrern in den Westgebieten wurde eine entscheidende Rolle für die Integration der Neusiedler zugeschrieben. Ihre Aufgabe war es, den Neuankömmlingen das »unbekannte Land« nahezubringen.141 Immerhin waren die Lehrer für die Erziehung und Ausbildung der Jugend zuständig und konnten »den Prozess der Annäherung der autochthonen Jugend an das polnische Kulturerbe und der neu Angekommenen an die Westgebiete beschleunigen.«142 Die Einstellung der Jugend würde sich dann auf die älteren Generationen übertragen, so die Annahme. Für viele sei außerdem der Lehrer eine der wenigen, wenn nicht der einzige offizielle Vertreter Polens, dem sie je gegenüber stehen würden.143 Insofern war es von essentieller Bedeutung, gerade diese Berufsgruppe in regionalen Belangen fortzubilden. In der Vorkriegszeit ausgebildete Lehrer konnten darüber hinaus keinerlei Wissen über die Ziemia Lubuska nachweisen, was durch Veranstaltungen wie diese kompensiert werden sollte. Die Durchführung des Ferienstudiums macht einmal mehr deutlich, dass das Wissen über die Ziemia Lubuska zunächst von außen in die Region gebracht werden musste. Zwar befanden sich unter den Dozenten auch vier Wissenschaftler aus der Region, doch wurde ein Großteil der Seminareinheiten von externen Lehrenden bestritten. Es war kein Zufall, dass das Studium in eben jene Zeit fiel, in der in der Volksrepublik Polen eine Form des Regionalismus wiederbelebt wurde. Die Anfänge des regionalen Engagements spiegelten sich in der Beteiligung lokaler Akteure nicht nur bei der Durchführung, sondern auch bei der Planung des Unterrichts wider. Neben der Ausbildung der Lehrer stellten die im Unterricht verwendeten Schulbücher ein wichtiges Medium zur Verbreitung des Geschichtsbildes dar. Die Schulen der Volksrepublik Polen machten im gesamten Land von denselben 139 Bericht über das Wissenschaftliche Ferienstudium, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign 60, Bl. 224–226. 140 Umfrage, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 60, Bl. 185. 141 Strauchold, Regionalistyka, 2004, S. 254. 142 Kwilecki, Andrzej: Rola społeczna nauczyciela na Ziemiach Zachodnich w s´wietle pamie˛tnikjw nauczycieli osadnikjw [Die gesellschaftliche Rolle des Lehrers in den Westgebieten im Lichte der Erinnerungen von Siedler-Lehrern]. Poznan´ 1960, S. 94. 143 Ebd., S. 95.

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Lehrwerken Gebrauch, sodass für regionale Belange wenig Raum blieb. Zwar erschienen in einigen Regionen regionalhistorische Beilagen zu den Schulbüchern, so etwa 1971 im Riesengebirge.144 Doch in der Regel fanden regionale Ereignisse nur Eingang, wenn sie von überregionaler Bedeutung waren. Im Hinblick auf die Ziemia Lubuska war das ihr »Verlust« in der Mitte des 13. Jahrhunderts und die damit verbundene »Schüsselfunktion« für Polen, die mal mehr und mal weniger stark hervorgehoben wurde. Die Lehrpläne sahen vor, die territorialen Verluste Polens im 11. bis 13. Jahrhundert zu behandeln, erwähnten aber die Ziemia Lubuska – anders als etwa den Verlust Westpommerns oder Schlesiens – nicht namentlich. Auch bei den Jahreszahlen, die ein polnischer Schüler am Ende des Schuljahres verinnerlicht haben sollte, spielte das Jahr 1250 – welches in der Regel den Verlust der Ziemia Lubuska markierte – keine Rolle.145 Der Relevanz der Ziemia Lubuska für Polen wurde in Warschau offenbar weniger Bedeutung beigemessen, als es das regionalhistorische Narrativ implizierte. In den Schulbüchern selber fand dieses Ereignis Erwähnung, wurde allerdings mit einem Satz abgehandelt: »Als nach dem Tod von Henryk Poboz˙ny sein Staat auseinander fiel, besetzten die Brandenburger Markgrafen hinterlistig die Ziemia Lubuska.«146 Die Schlüsselbedeutung für die Weiterentwicklung Polens und Brandenburgs wurde folgendermaßen verdeutlicht: »Von da an drängten sie [die Brandenburger, K.H.] sich mit immer stärkerem Keil zwischen Großpolen und Pommern, bestrebt, Westpommern gänzlich von Polen ab-

144 Hartwich, Das schlesische Riesengebirge, 2012, S. 165. 145 Ministerstwo Os´wiaty : Program nauki w 11-letniej szkole ogjlnokształca˛cej (Projekt), Historia [Lehrplan für die Allgemeinbildende 11-Jahres-Schule (Entwurf), Geschichte]. Warszawa 1950; Ministerstwo Os´wiaty : Program nauczania w szkole podstawowej [Lehrplan für die Grundschule]. Warszawa 1959, S. 267–290; Ministerstwo Os´wiaty : Program nauczania os´mioklasowej szkoły podstawowej, Historia, Klasy V–VIII [Lehrplan für die achtklassige Grundschule, Geschichte, Klassen 5–8]. Warszawa 1963, S. 3–6; Ministerstwo Os´wiaty : Program nauczania Liceum Ogjlnokształca˛cego, Klasy I–IV [Lehrplan für das Allgemeinbildende Lyceum, Klassen 1–4]. Warszawa 1966, S. 8–13; Ministerstwo Os´wiaty i Szkolnictwo Wyz˙szego: Program nauczania Liceum Ogjlnokształca˛cego, Klasy I–IV [Lehrplan für das Allgemeinbildende Lyceum, Klassen 1–4]. Warszawa 1970, S. 7–11; Ministerstwo Os´wiaty i Szkolnictwo Wyz˙szego: Program nauczania os´mioklasowej szkoły podstawowej (tymczasowy), Historia, Klasy V–VIII [Lehrplan für die achtklassige Grundschule (vorläufig), Geschichte, Klassen 5–8]. Warszawa 1970; Ministerstwo Os´wiaty i Szkolnictwo Wyz˙szego: Program nauczania Liceum Ogjlnokształca˛cego, 1971; Ministerstwo Os´wiaty i Szkolnictwo Wyz˙szego: Program nauczania Technikum i Liceum Zawodowego, 1971; Ministerstwo Os´wiaty i Szkolnictwo Wyz˙szego: Program nauczania os´mioklasowej szkoły podstawowej (tymczasowy), Historia Klasy V–VIII [Lehrplan für die achtklassige Grundschule (vorläufig), Geschichte, Klassen 5–8]. Warszawa 1974. 146 Michnik, Helena / Moser, Ludwika: Historia Polski do roku 1795 [Geschichte Polens bis 1795]. Warszawa 1957, S. 47.

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zuschneiden und ihm seine Oberherrschaft aufzudrängen sowie sich Pommerellen anzueignen.«147

Nicht immer wurde die »Ausnutzung« der Schwäche Polens durch die Brandenburger betont, mitunter wurden auch die Umstände des Verlusts erwähnt, nämlich sein Abtritt gegen Geld.148 Abgesehen davon enthielten die Schulbücher in der Regel einen Hinweis auf die Lubuszanie/Leubuzzen, die das Territorium besiedelt hatten. Im Hinblick auf die Nachkriegszeit waren Besiedlung und Bewirtschaftung der gesamten Westgebiete zwar fester Bestandteil der Lehrbücher, doch wurde die Ziemia Lubuska dabei nicht namentlich erwähnt.149 Abgesehen von der Behandlung ihres Verlusts fand die Ziemia Lubuska einzig noch in Form der illustrierenden Karten der Schulbücher Erwähnung. Dabei sind zwei Aspekte besonders auffällig. Zum einen tauchte der Begriff der Ziemia Lubuska unabhängig davon auf, welches Jahr die Karte abbildete. Das galt sowohl für die häufig verwendete Karte »Polska w okresie rozbicia dzielnicowego« (Polen zur Zeit des Partikularismus) und für Karten zum Jahr 1138, aber auch für Karten für den Zeitraum der Regierung von Henryk Probus, als die Region schon nicht mehr zum polnischen Staatsgebiet gehörte. Da in der Regel auch auf diesen Karten die Grenzen des Jahres 1138 eingezeichnet waren, wurde auch die Ziemia Lubuska namentlich erwähnt.150 Darüber hinaus bezeichnete fast jede Karte den Ort Lebus mit seiner polnischen Entsprechung Lubusz. Zum anderen zeigt die Darstellung der Ziemia Lubuska in den Karten, dass die Bezeichnung Ziemia Lubuska sich in den Schulbüchern ganz klar auf das historische Land Lebus bezog. So war auf den Karten das Gebiet östlich und westlich der Oder markiert, und ein Buch erwähnte sogar im Text, dass sich die Region beiderseits der Oder befand.151 Dass nach 1945 und insbesondere nach 147 Michnik / Moser, Historia, 1957; Michnik, Helena / Moser, Ludwika: Historia Polski do roku 1795 [Geschichte Polens bis 1795]. Warszawa 1966. 148 Pietrzykowski, Ryszard: Krjtki zarys Polski do roku 1505 [Kurzer Abriss Polens bis 1505]. Warszawa 1968, S. 60f; Missalowa, Gryzelda / Schoenbrenner, Janina: Historia Polski [Geschichte Polens]. Warszawa 1951, S. 23. 149 Missalowa / Schoenbrenner, Historia, 1951, S. 292f; Se˛dziwy, Henryk: Historia dla klasy VIII [Geschichte für die 8. Klasse]. Warszawa 1966, S. 234f; Se˛dziwy, Henryk: Historia dla klasy VIII [Geschichte für die 8. Klasse]. Warszawa 1968, S. 234f; Pietrzykowski, Ryszard / Se˛dziwy, Henryk: Krjtki zarys do dziejjw, 1870–1964 [Kurzer Abriss der Geschichte, 1870– 1964]. Warszawa 1969, S. 238f; Wojciechowski, Marian: Historia dla klasy VIII [Geschichte für die 8. Klasse]. Warszawa 1974, S. 174f. 150 Markowski, Gustaw : Historia dla klasy V [Geschichte für die 5. Klasse]. Warszawa 1966, S. 147; Michnik / Moser, Historia, 1957, S. 64f; Nanke, Czesław u. a.: Mały Atlas Historyczny [Kleiner historischer Atlas]. Warszawa 1959, Karte 7; Dowiat, Jerzy : Historia dla klasy I liceum ogjlnokształca˛cego [Geschichte für die 1. Klasse des allgemeinbildenden Lyzeums]. Warszawa 1968, S 288, 291, 323; Markowski, Gustaw : Historia dla klasy V [Geschichte für die 5. Klasse]. Warszawa 1960, S. 47. 151 Pietrzykowski, Krjtki, 1968, S. 61.

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1950 eine andere Region mit dem (im Polnischen identischen) Begriff bezeichnet wurde, verdeutlichte man an keiner Stelle. Die Verbindung zwischen der historischen Ziemia Lubuska und der Woiwodschaft Zielona Gjra der Jahre 1950 bis 1975 wurde in den polnischen Schulbüchern nicht hergestellt. In geographische Atlanten für den Schulunterricht fand die Region erst 1970 Eingang. Wenngleich die Ziemia Lubuska hier nur für die polnische Seite verzeichnet war, wich sie mit ihrer dargestellten Lage zwischen Oder und Warthe doch stark von der zu diesem Zeitpunkt aktuellen geographischen Definition ab.152 So fanden die Bemühungen um die Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska polenweit nur in begrenztem Maße Widerhall, die genaue Beschreibung der Region drang nicht bis auf die nationale Ebene vor. Schulkinder in ganz Polen hatten also von der Ziemia Lubuska zumindest gehört, wenn auch ohne den Bezug zur aktuellen Region herzustellen. Wie im Fall des Wissenschaftlichen Ferienstudiums war es kein Zufall, dass im Jahr 1959 zwei für den Schulunterricht vorgesehene Publikationen erschienen, die sich mit der Regionalgeschichte auseinandersetzten. Nachdem die Betonung regionaler Eigenheiten insbesondere im Hinblick auf die Westgebiete bis 1948 bedingt möglich gewesen war, folgten darauf Jahre der Vernachlässigung regionaler Belange.153 Erst seit 1956 war es in der Volksrepublik Polen wieder in einem begrenzten Rahmen gestattet, sich mit der Regionalgeschichte auseinanderzusetzen. Eine erste Empfehlung, die Regionalgeschichte in den Geschichtsunterricht der Grundschule mit einzubeziehen, wurde 1963 in den Lehrplan aufgenommen.154 Zwar wurden die zentral verlegten, allgemeinen Geschichtsschulbücher daraufhin nicht geändert, doch konnten komplementierende Publikationen entstehen. So erschien in einer Reihe von Ergänzungen zum Geschichtsunterricht ein Band mit Quellentexten zur Ziemia Lubuska.155 Die Beilage umfasste insgesamt fünf Texte, die sich mit dem Verlust des Ortes Lebus sowie der Ziemia Lubuska, aber auch mit den polnischen Orts- und Personennamen der Region und der Tatsache, dass Peter von Oppeln, Bischof von Lebus, dem polnischen König dienen wollte, auseinandersetzten. Die Zugehörigkeit zu Polen und die Belege dafür, dass die Region auch nach 1250 eigentlich noch polnisch war, standen hier im Mittelpunkt. Darüber hinaus veröffentlichte Władysław Korcz im Jahr 1959 eine Materi152 153 154 155

Atlas Geograficzny dla klasy IV [Geographischer Atlas für 4. Klasse]. Warszawa 1970, S. 22f. Strauchold, Mys´l, 2003, S. 280ff. Nowak, Regionalizm, 2015, S. 244. Turon´, Bronisław (Hg.): S´la˛sk, Ziemia Lubuska, Pomorze Zachodnie, Pomorze Gdan´skie oraz stosunki polsko-krzyz˙ackie do schyłku w. XV (Teksty z˙rjdłowe do nauki historii w szkole, Nr 12) [Schlesien, Ziemia Lubuska, Westpommern, Hinterpommern und die polnisch-ordensstaatlichen Beziehungen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts (Quellentexte für den Geschichtsunterricht)]. Warszawa 1959. Darin zur Ziemia Lubuska: S. 18–20.

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alsammlung für Geschichtslehrer. Da für die Regionalgeschichte im Unterricht keine eigenen Stunden vorgesehen waren, konnte sie nur im Rahmen des ohnehin behandelten Stoffes angesprochen werden.156 Er knüpfte an die staatlichen Lehrpläne an und gab Anregungen, an welchen Stellen des vorgeschriebenen Unterrichtes regionale Aspekte Eingang finden könnten. Das würde sich leicht ergeben, so Korcz, da viele Themen zur Ziemia Lubuska ohnehin eng mit der Geschichte Polens verbunden seien. Er behandelte im Folgenden die piastischen Jahre und verwies auf die »Rolle der Schlüsselposition« und auf die Ziemia Lubuska als »entscheidenden Faktor« für die »Realisierung der weitreichenden politischen Pläne Mieszkos«157 sowie auf das »tragische Jahr 1249«,158 in dem die Ziemia Lubuska abgetreten wurde. Er hob die Bedeutung für Polen deutlich hervor : »Die Tatsache, dass die rechte Oderseite auf dem Gebiet der Ziemia Lubuska von den Brandenburgern beherrscht wurde, lastete fatal auf der Geschichte ganz Polens. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die Ziemia Lubuska zur Vorstoßbasis für weitere Aneignungen in Richtung Osten. Das bisherige feste Gefüge der Odergebiete wird auseinander gerissen, und die Ziemia Lubuska als Verbindungselement von Pommern und Schlesien beginnt die Rolle des Keils zu spielen, der die ganze Struktur unserer Westgrenze sprengt. Das hatte nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Bedeutung.«159

Auch festigte Korcz das Bild der Ziemia Lubuska als Grenzland (kraina kresowa) und Verteidigungsposten Polens160 und folgerte: »Die Bedeutung der Ziemia Lubuska als strategische und politische Stellung übertraf sogar die von Schlesien und Westpommern, und ihr Verlust wirkte sich nachteilig auf das historische Schicksal nicht nur dieser beiden Regionen, sondern ganz Polens aus.«161

Den Schülern wurde so die »Abhängigkeit« Polens von der Ziemia Lubuska deutlich vor Augen geführt, ihre Lage innerhalb der polnischen Grenzen war damit legitimiert.

156 Korcz, Władysław : Ziemia Lubuska (Materiały do nauczania historii regionu) [Ziemia Lubuska (Unterrichtsmaterial zur Regionalgeschichte)]. Zielona Gjra 1959, S. 3. 157 Ebd., S. 9f. 158 Ebd., S. 13. 159 Ebd., S. 14. 160 Ebd., S. 46–53. 161 Ebd., S. 45.

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2.4.2 Reiseführer und Tourismus Der Tourismus und insbesondere Reiseführer waren ebenfalls wichtige Kommunikationsträger des offiziellen Geschichtsbildes. Die ersten Stadtführer der Polnischen Landeskundlichen Gesellschaft (Polskie Towarzystwo Krajoznawcze, PTK) hatten die Aufgabe, Gäste und interessierte Einheimische durch Zielona Gjra zu führen, aber auch die piastische Vergangenheit der Ziemia Lubuska zu verdeutlichen. Durch das bereits seit 1945 bzw. 1946 veranstaltete Weinfest erreichten früh Besucher die Stadt, für die Führungen ausgearbeitet wurden.162 Die doppelte Funktion von Eugenia Łychowska als Direktorin des Museums in Zielona Gjra und einer der ersten Tourismus-Aktivistinnen der Ziemia Lubuska – sowie zeitweiser Vorsitzender der PTTK Zielona Gjra – ist bezeichnend. Łychowska (1889–1958), geboren im russischen Irkutsk, lebte seit 1945 in Zielona Gjra. Dort war sie zunächst in der Stadtverwaltung tätig. Von 1946 bis 1948 leitete sie das Museum und arbeitete anschließend als Lehrerin. Sie sah es als Aufgabe der PTK an, zur Verbreitung der Stadtgeschichte beizutragen. In der Chronik der PTK Zielona Gjra ist für den 1. September 1946 vermerkt: »Im Zusammenhang mit der Unerlässlichkeit, das eigene Gebiet zu kennen, entstand die Notwendigkeit, eine erste Geschichte der Stadt und unserer Region zu erarbeiten.«163 Dieser Aufgabe nahm sich Łychowska an und verfasste vermutlich eine der ersten – wenn auch mit fünf Seiten sehr kurzen – polnischsprachigen Stadtgeschichten für Zielona Gjra. Sie konzentrierte sich darin insbesondere auf die slawischen Wurzeln der Stadt und schrieb von der Entstehung einer »deutschen Stadt in einem slawischen Land«. Des Weiteren sei es nicht nur »wahrscheinlich, sondern fast sicher, dass der Name Grünberg nur eine Übersetzung des polnischen Namens Zielona Gjra war«.164 Sie berief sich damit auf eine Theorie, der zufolge der Name Zielona Gjra von einer polnischen Siedlung namens Zielona Gjra, die sich auf einem »grünen Berg« befand, stammte. Dieser auf Deutsch Ziegelberg genannte Ort sei daher die Keimzelle, aus der Zielona Gjra hervorgegangen sei. Dass die Stadt polnisch sei, würde außerdem dadurch bewiesen, dass man, um einer Zunft beitreten zu können, eine bestimmte Zahl 162 Wijas, Stanisław : Zarys historii kjł przewodnikjw PTTKw Zielonej Gjrze i na S´rodkowym Nadodrzu w latach 1960–2011 [Abriss der Geschichte des Reiseführerkreises der PTTK in Zielona Gjra und im mittleren Odergebiet in den Jahren 1960–2011]. Zielona Gjra 2012, S. 86. 163 Kronika Lubuskiego Okre˛gu Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego w Zielonej Gjrze 1946–1966 [Chronik des Lebuser Kreises der Polnischen Touristisch-Landeskundlichen Gesellschaft in Zielona Gjra 1946–1966], Archiwum PTTK Zielona Gjra (APTTK ZG) [Archiv der PTTK Zielona Gjra]. 164 Abschrift eines Aufsatzes zur Geschichte Zielona Gjras von Eugenia Łychowska, Kronika Lubuskiego Okre˛gu Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego w Zielonej Gjrze 1946–1966, APTTK ZG.

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Dukaten oder das Äquivalent in polnischen Silbergroschen zahlen musste. Dies waren Argumente, die in keiner anderen historischen Abhandlung zur Stadt formuliert wurden. Da sie keine Quellen oder Belege anführt, lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, wie Łychowska zu dieser Argumentation gelangt war. Abgesehen davon, dass die von der PTTK ausgebildeten Stadtführer auch in Geschichte ausgebildet wurden,165 war es vor allem das landesweit vertriebene Organ der PTTK, die Zeitschrift Ziemia, das sich die »mentale Hinführung der polnischen Gesellschaft an die neuen Landesgrenzen«166 zur Aufgabe gemacht hatte. Das ging so weit, dass das Bildungsministerium die Zeitschrift 1947 für den Schulunterricht zuließ.167 Schon vor der Westverschiebung Polens waren in der Ziemia vereinzelte Artikel zu den Westgebieten und oftmals zu den dortigen polnischen Spuren erschienen, wobei die Ziemia Lubuska hier nicht thematisiert wurde.168 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mithilfe von Ziemia nun auch das offizielle Geschichtsbild verbreitet. Deutlich wurde dies bei der Darstellung der regionalen und lokalen Geschichte vorgestellter Ortschaften, aber auch durch die generelle Einordnung in das Narrativ der »Rückkehr zu den Mutterländern« in zahlreichen allgemeinen Artikeln, die zum Besuch der Westgebiete aufforderten oder anregen sollten. Im historischen Teil der Vorstellung der Ziemia Lubuska im Jahr 1949 verwies der Autor Mieczysław Orłowicz auf die in vielen Städten und Orten vorhandenen »Kunstdenkmäler, vor allem aus der Zeit der Gotik«169 und erwähnte dabei die Kirchen in Os´no (Drossen), S´wiebodzin und Gorzjw. Auch die »großpolnischen Trachten« fanden Erwähnung, sie seien jedoch nur an Feiertagen und in Da˛brjwka Wielkopolska präsent. Die Rolle der Zeitschrift für die Legitimierung der Westgrenze verdeutlichte eine 1958 erschienene Sonderausgabe, die eine Reaktion auf die Veröffentlichung des Reiseberichts des Journalisten Charles Wassermann war.170 In der 165 Abschrift von Kursplänen aus dem Jahr 1947 und 1951, Kronika Lubuskiego Okre˛gu Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego w Zielonej Gjrze 1946–1966; APTTK ZG. 166 Skowron, Wanda [o. J.], S. 24. 167 Ebd., S. 24. 168 Ziemie Odzyskane na łamach »Ziemi« przed ich odzyskaniem [Die Wiedergewonnenen Gebiete auf den Seiten der »Ziemia« vor ihrer Wiedergewinnung], in: Ziemia Mai 1948, S. 118f. 169 Orłowicz, Mieczysław : Ziemia Lubuska (Cze˛s´c´ I-a) [Ziemia Lubuska (Teil I-a)], in: Ziemia 1949/4–5, S. 74. 170 Wassermann, Charles: Unter polnischer Verwaltung. Tagebuch 1957. Hamburg 1958. Ebenfalls als Reaktion auf diesen Bericht ist der 1962 in der DDR erschienene Band »Jenseits von Oder und Neiße. Reisebilder aus den polnischen West- und Nordgebieten« (Bautzen 1962) von Ben Budar aus dem Jahr 1962 zu lesen, das den Lesern Polen näherbringen und den westdeutschen Revisionismus offenlegen sollte. Vgl. Z˙ytyniec, Rafał: Polnische Wirtschaft z modernizacja˛ w tle. Ziemie Zachodnie i Pjłnocne w reportaz˙ach Charles’a Wassermann i Bena Budara [Polnische Wirtschaft mit der Modernisierung im Hintergrund. Die

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Reportage in der Ziemia wurde der Grad der Zerstörung der einzelnen Teile der Westgebiete genau dargelegt. Auch wurden hier Gorzjws Einwohnerzahlen mit den deutlich niedrigeren vor 1939 verglichen.171 Galt es vorrangig, die positive Entwicklung der Westgebiete zu belegen, fanden sich hier auch einige Beweise für das »Polentum« der Ziemia Lubuska wieder, so etwa Fotos von tanzenden Frauen in Tracht (vermutlich Mitglieder des Lebuser Gesangs- und Tanzensembles), die die »Tradition der lokalen Folklore« fortführten und eine Abbildung mittelalterlicher Polychromie in Lubsko.172 An diesem Beispiel wird deutlich, warum die Hervorhebung des Erreichten eine so wichtige Rolle spielte – sie diente als Argument gegen in der BRD erscheinende Publikationen, die den Verfall der Gebiete seit 1945 konstatierten.173 Noch stärker traf dies auf die Reiseführer der Region zu. Jeder Reiseführer verfügte über einen historischen Abschnitt, der teilweise einen recht großen Teil einnahm. Nach Piotr Kuroczyn´ski steckt »die Zauberformel der mentalen Aneignung des fremden Raumes in der Reduktion eines Jahrtausends mit komplexer mitteleuropäischer Beziehungsgeschichte auf einfachste Bilder«.174

Diese für Breslau möglicherweise zutreffende Schlussfolgerung kann im Hinblick auf die Ziemia Lubuska nicht bestätigt werden. Im Gegenteil ist es eher auffällig, wie ausführlich und wissenschaftlich der historische Teil der Reiseführer sich oft gestaltete, wenn man bedenkt, dass es sich bestenfalls um populärwissenschaftliche Publikationen handelt. Es ist hingegen Qualls zuzustimmen, der konstatiert, dass Reiseführer in Sevastopol »showed an eternal past and future, which provided the comfort of continuity and a sense of belonging during turbulent times«.175 Zweifellos war die Darstellung der »Kontinuität« polnischer Geschichte des Gebietes auch in den Reiseführern der Ziemia Lubuska ein wichtiges Element. Es ist bezeichnend, dass das Mittelalter in der Regel recht ausführlich besprochen wurde, während andere Epochen eher knapp ausfielen.176 Die slawi-

171 172 173 174 175 176

West- und Nordgebiete in den Reportagen von Charles Wassermann und Ben Budar], in: Borussia 2008/43, S. 59–68. »Unter polnischer Verwaltung«? [Deutsch im Original, K.H.], in: Ziemia 1958/10–11, S. 47. Ebd. Seraphim, Peter-Heinz: Die Wirtschaft Ostdeutschlands vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Stuttgart 1952; Gleitze, Bruno: Ostdeutsche Wirtschaft. Industrielle Standorte und volkswirtschaftliche Kapazitäten des ungeteilten Deutschland. Berlin 1956. Kuroczyn´ski, Piotr : Die Medialisierung der Stadt. Analoge und digitale Stadtführer zur Stadt Breslau nach 1945. Bielefeld 2011, S. 83. Qualls, Karl D.: »Where Each Stone Is History«. Travel Guides in Sevastopol after World War II, in: Gorsuch, Anne E. / Koenker, Diane P. (Hg.): Turizm. The Russian and the East European Tourist Under Capitalism and Socialism. Ithaca u. a. 2006, S. 169. Gorzowskie Towarzystwo Przyjacijł Kultury, Gorzjw, 1960.

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sche Besiedlung der Region war in der Regel der Ausgangspunkt der Erzählungen.177 Darüber hinaus erschienen stets dieselben Motive, die sich mit dem Geschichtsbild in den historischen Publikationen decken: die Schlüsselfunktion der Ziemia Lubuska,178 die Feststellung, dass angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung und der Ostflucht die Ziemia Lubuska nicht organisch zu Deutschland gehören könne,179 der Kontakt und Handel mit Polen180 bzw. die Verbindung zu seiner Geschichte.181 Auch als Belege für das »Polentum« wurden dieselben Personen und Ereignisse herangezogen wie für die populärwissenschaftlichen Geschichtsdarstellungen. Dass die Ziemia Lubuska eigentlich ein Flickenteppich verschiedener Regionen war, wurde nur selten angesprochen. Einzig die Geographin Zajchowska machte in ihrem auf einer vom West-Institut initiierten Forschungsreise durch die Ziemia Lubuska im Jahr 1947 basierenden Bericht deutlich, dass »die Schwierigkeit des Kennenlernens der Geschichte des gesamten Landes darauf beruht, dass dieses Gebiet nur zu Beginn der polnischen Staatlichkeit Teil Polens war«.182 Anschließend habe das Gebiet zu ganz verschiedenen Regionen gehört. Auch war sie die einzige, die konsequent die verschiedenen Regionen besprach und ein Kapitel der »historischen Ziemia Lubuska« widmete. Es machte also einen großen Unterschied, von wem die Reiseführer verfasst wurden. Bei dem PTTK-Aktivisten Orłowicz stand stets der touristische Aspekt im Vordergrund, die Geographin Zajchowska konzentrierte sich eher auf die Wissensvermittlung. Letztere erklärte den Begriff der Ziemia 177 Ebd., S. 10; Dubowski / Jas´kowiak, Ziemia Lubuska, 1953, S. 17; Zajchowska, Nad s´rodkowa˛ Odra˛, 1959, S. 9; Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1948, S. 2. 178 Sicin´ski, Jerzy : Ziemia Lubuska. Przewodnik-Informator [Ziemia Lubuska. Reiseführer]. Zielona Gjra 1975, S. 8f; Korcz, Władysław : Wojewjdztwo Zielonogjrskie. Przewodnik [Woiwodschaft Zielona Gjra. Reiseführer]. Warszawa 1971, S. 34–36; Dubowski, Adam: Ziemia Lubuska [Ziemia Lubuska]. Warszawa 1955, S. 4; Zajchowska, Nad ´srodkowa˛ Odra˛, 1959, S. 9f, 16; Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1948, S. 2f; Gadomska-Czekalska, Anna u. a.: Przewodnik wycieczek zjazdu P.T.G. w Poznaniu i Zielonej Gjrze, 16.–19. maja 1948 [Ausflugsführer der Versammlung der PTK in Posen und Zielona Gjra, 16.–19. Mai 1948]. Poznan´ 1948, S. 14. 179 Korcz, Władysław : Zielona Gjra i okolice. Przewodnik [Zielona Gjra und Umgebung. Reiseführer]. Poznan´ 1970, S. 17; Pasikowski, Tadeusz: Zielona Gjra i okolice. Przewodnik turystyczny [Zielona Gjra und Umgebung. Reiseführer]. Warszawa 1953, S. 7; Jakimowicz u. a., Wielkopolskie, 1956, S. 13; Dubowski, Ziemia Lubuska, 1955, S. 11, 24f; Korcz, Wojewjdztwo, 1971, S. 43; Zajchowska: Nad s´rodkowa˛ Odra˛, 1959, S. 23; Bubien´, Albert / Ziołek, Ludwig: Gorzjw Wlkp. Powiat i miasto. Przewodnik krajoznawczo-turystyczny [Gorzjw Wlkp. Kreis und Stadt. Landeskundlich-touristischer Führer]. Zielona Gjra 1966, S. 70. 180 Korcz, Zielona Gjra i okolice, 1970, S. 12; Korcz, Władysław : Zielona Gjra. Przewodnik Informator [Zielona Gjra. Reiseführer]. Zielona Gjra 1965, S. 12; Jakimowicz u. a., Wielkopolskie, 1956, S. 12. 181 Korcz: Zielona Gjra. Przewodnik, 1965, S. 7; Gorzowskie Towarzystwo Przyjacijł Kultury, Gorzjw, 1960, S. 7; Zdankiewicz / Pasik, Ziemia Lubuska, 1972, S. 26. 182 Zajchowska, Nad ´srodkowa˛ Odra˛, 1959, S. 7f.

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Lubuska immer höchst korrekt und wies darauf hin, dass es sich um unterschiedliche Regionen mit unterschiedlicher Vergangenheit handelte. Die politischen Zäsuren in der Geschichte der Volksrepublik spiegeln sich in den Reiseführern kaum wider. Selbst die mitten im Stalinismus erschienenen Stadt- bzw. Regionsführer thematisierten insbesondere das »Polentum« der Ziemia Lubuska. Die Rhetorik des Klassenkampfes zeigte sich allein in der Erwähnung der »polnischen Arbeiterklasse« in den Fabriken Gorzjws, die der Unterdrückung durch die imperialen bzw. hitleristischen Deutschen ausgesetzt waren.183 An anderer Stelle wurde betont, dass dem Germanisierungsdruck in der Ziemia Lubuska im 19. Jahrhundert als erste die »Feudalherren und Städte, dann die Städtchen und reicheren Dörfer« zum Opfer fielen; »am längsten widersetzten sich den Germanisierungsattacken kleine und arme Dörfchen«.184 Im Hinblick auf das Jahr 1970, in dem die BRD die Oder-Neiße-Grenze anerkannte, lässt sich ebenfalls keine Veränderung in der Darstellung der Geschichte erkennen. Der darauf folgende Wandel in den westdeutsch-polnischen Beziehungen zeigte sich im Bereich der Reiseführer vor allem darin, dass einige von ihnen nun auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurden. Den historischen Kapiteln hingegen waren keine Veränderungen anzumerken, was sicherlich mit der Resistenz der Westgebiets-Historiographie gegenüber der positiven Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen zusammenhing. Jedoch ist davon auszugehen, dass durch zunehmende private Kontakte zwischen Polen und Ost- bzw. Westdeutschen die gedruckte Geschichte keine Monopolstellung mehr innehatte. Die Darstellung der Nachkriegszeit erweckte stets den Eindruck, die Ziemia Lubuska sei seit der Übernahme durch Polen frei von Sorgen und Nöten gewesen. Der Region und den Städten ginge es besser als je zuvor : »Heute wie vor Jahrhunderten hat die Ziemia Lubuska die angemessenen Bedingungen für ihre Entwicklung gefunden«,185 hieß es in einem Reiseführer von 1956. »Nach der Rückkehr Zielona Gjras zu Polen blühte die Stadt auf,«186 hob ein anderer schon 1953 hervor. Korcz sprach 1965 gar von einer »bisher nicht gekannten Entwicklung« Zielona Gjras.187 »Eine wirkliche wirtschaftliche Belebung und einen Aufschwung erlebte Gorzjw erst nach dem Zweiten Weltkrieg«,188 stellte Popławski fest. Auch den Menschen gehe es gut: 183 184 185 186 187

Rzemieniecki, Karol: Gorzjw i okolice [Gorzjw und Umgebung]. Warszawa 1953, S. 14. Dubowski, Ziemia Lubuska, 1955, S. 8. Jakimowicz u. a., Wielkopolskie, 1956, S. 14. Pasikowski, Zielona Gjra, 1953, S. 7. Korcz, Zielona Gjra. Przewodnik, 1965, S. 54. Ebenso: Dubowski, Ziemia Lubuska, 1955, S. 12; Pasikowski, Zielona Gjra, 1953, S. 21. 188 Popławski, Janusz: Gorzjw Wielkopolski i okolice [Gorzjw Wielkopolski und Umgebung]. Wrocław 1973, S. 7.

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»Aus dem Bevölkerungsmosaik, das in der Ziemia Lubuska in den Jahren 1945 bis 1950 eingetroffen ist, formte sich eine einheitliche Gesellschaft, die tief im Boden des Oderlandes verwurzelt ist.«189

Der Kontrast zur deutschen Zeit war hier ebenfalls ein fester Bestandteil der Argumentation: »Eine in der entlegenen Provinz des deutschen Staates gelegene Provinzstadt hat unter den neuen historischen Bedingungen einen neuen Rang erreicht,«190 hieß es über Zielona Gora. Analog zur geschichtswissenschaftlichen Literatur wurde in den Reiseführern deutlich gemacht, dass es die Ziemia Lubuska 1945 in fast allen Bereichen mit einem »Start von Null an«191 konfrontiert war. Die Errungenschaften seien insbesondere vor dem Hintergrund der starken Zerstörung der Region imponierend.192 Der historische Teil für die Zeit nach 1945 nahm im Vergleich zur Geschichte bis 1945 viel Raum ein,193 die Berichte über konkrete Wiederaufbauprojekte waren mitunter sehr detailliert.194 Die Industrie sei vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden.195 Sehr ausführlich wurde die Übernahme durch die polnische Verwaltung und die (Wieder-)Inbetriebnahme von Verkehr, Ämtern, Bildung geschildert.196 Im deutschsprachigen Reiseführer hieß es: »Der imponierende Aufschwung des gesellschaftlichen und industriellen Aufbaus, die erreichten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Erfolge wecken den Stolz der Bevölkerung«.197

An anderer Stelle war dort zu finden: »Trotz der Kriegszerstörungen, die zum Beispiel 80 % der industriellen Betriebe betrafen, erfolgte nach der Befreiung eine schnelle Entwicklung der Woiwodschaft«.198 Zajchowska bezog sich in ihrem Reisebericht auf Gespräche, die sie im Jahr 1947 mit Ansiedlern geführt hatte, und konstatierte, dass 189 Korcz, Wojewjdztwo, 1971, S. 46. 190 Informator Dni Zielonej Gjry [Broschüre zu den Tagen Zielona Gjras]. Zielona Gjra 1959, S. 12. 191 Dubowski / Jas´kowiak, Ziemia Lubuska, 1953, S. 37, auch: Zdankiewicz / Pasik, Ziemia Lubuska, 1972, S. 26. 192 Ziemia Lubuska zaprasza [Die Ziemia Lubuska lädt ein], Zielona Gjra 1963, S. 5. 193 Etwa: Dubowski / Jas´kowiak, Ziemia Lubuska, 1953, S. 27–37; Sicin´ski, Andrzej: Społeczen´stwo polskie w badanich ankietowych Os´rodka Badania Opinii Publicznej przy »Polskim Radio i TV« (lata 1958–1964) [Die polnische Gesellschaft in der Umfrageforschung des Zentrums für die Erforschung der Öffentlichen Meinung des »Polskie Radio i TV« (1958–1964)]. Warszawa 1966, S. 17–24; Rzemieniecki, Gorzjw, 1953, S. 9–13; Korcz, 1971, S. 55–70. 194 Dubowski / Jas´kowiak, Ziemia Lubuska, 1953, S. 27–37. 195 Zdankiewicz / Pasik, Ziemia Lubuska, 1972, S. 21. 196 Rzemieniecki, Gorzjw, 1953, S. 9f. 197 Worobiec, Antoni: Zielona Gjra. Stadt und Wojewodschaft. Reiseführer. Zielona Gjra 1972, S. 7. 198 Ziemia Lubuska zaprasza, 1963, S. 5.

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»all unsere Gesprächspartner eine ungemeine Begeisterung, der Stolz der ersten Organisatoren des wirtschaftlichen Lebens auf diesen Gebieten und eine eigene Art des Lokalpatriotismus auszeichnete, die dem Gefühl der Anstrengung und der in die vom Krieg verwüsteten und zerstörten Gebiete gesteckte Arbeit entsprang.«199

Im Vorwort zum 1956 erschienenen Bildband »Ziemia Lubuska« beschrieb Sauter ausführlich die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Region und machte deutlich, dass das Fortkommen der Ziemia Lubuska ein Beleg für »eine ungewöhnliche Vitalität der polnischen Nation, seines Patriotismus und der nationalen Ambitionen«200 sei. Vier Bilder fast gänzlich zerstörter Orte – Kostrzyn, Głogjw und Z˙agan´ – repräsentierten hier die unmittelbare Nachkriegszeit. Die Bildunterschriften machten deutlich, welch Beharrlichkeit und Fleiß nötig gewesen waren, um diese Schäden zu beseitigen. Unmittelbar darauf folgten Bilder vom 20. Jahrestag der »Wiedergewinnung«.201 Ähnliches lässt sich für den etwa ein Jahrzehnt später erschienenen Ausstellungskatalog »Ziemia Lubuska w XXX-lecie PRL« (Die Ziemia Lubuska beim 30-jährigen Jubiläum der Volksrepublik Polen) sagen. Wieder folgen Illustrationen des Wiederaufbaus auf Bilder der zerstörten Städte Głogjw und Kostrzyn.202 Diese Schwertpunktlegung ist ebenfalls in vielen Bildbänden zu beobachten, in denen oftmals das Zerstörte mit dem Wiederaufgebauten kontrastiert wurde.203 Auch wurden hier die »dynamische Entwicklung« und die Tatsache, dass Zielona Gjra mehr Einwohner als vor 1939 hatte, hervorgehoben.204 Betont wurde immer wieder der Fleiß der Bewohner der Region; das Wort »Pionier« fiel zwar sehr selten, die »Stadtväter« oder eben die fleißigen Bewohner wurden aber oft gewürdigt. Sie hätten »die gigantische Aufgabe des Wiederaufbaus« gemeistert.205 Durch die Betonung der Leistung der Bewohner sollte eine Bindung an die Region hergestellt und an den Stolz auf das Erreichte appelliert werden. Diese Art der Erfolgspropaganda sollte nicht nur die Verbesserung der Lage im Vergleich zur deutschen Zeit zeigen, sondern auch die durch die Einführung des sozialistischen Systems entstandenen Vorteile für Polen herausstellen.206 Die Liberalisierung des Jahres 1956, die es unter anderem ermöglichte, die 199 200 201 202 203 204 205 206

Zajchowska, Nad ´srodkowa˛ Odra˛, 1959, S. 133. Sauter, Wiesław, in: Olejnik, Adam (Hg.): Ziemia Lubuska. Poznan´ 1965, S. 17. Olejnik, Adam (Hg.): Ziemia Lubuska [Ziemia Lubuska]. Poznan´ 1965. Ziemia Lubuska w XXX-lecie PRL [Die Ziemia Lubuska beim 30. Jubiläum der Volksrepublik Polen]. Zielona Gjra [o.J]. Dies stellt Kuroczyn´ski auch für die Bildbände in Breslau fest. Kuroczyn´ski, Medialisierung, 2011, S. 102–107. Koniusz, Janusz: Zielona Gjra [Zielona Gjra]. Warszawa 1972, S. 4f. Sauter, 1965, S. 17. Auch Reiseführer zu Regionen, die nicht erst nach 1945 an Polen gelangt waren, konzentrierten sich stark auf die Errungenschaften auf den Gebieten von Industrie, Kultur, Erziehungs- und Gesundheitswesen. Vgl. Sobolewska, Karolina 2012.

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Probleme, vor denen die Westgebieten in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren gestanden hatten, und die diesbezüglichen Versäumnisse zu thematisieren, spiegelte sich in den Reiseführern nicht wider. Unabhängig vom Erscheinungsdatum lobten die Texte zur Nachkriegszeit die Errungenschaften in den Bereichen der Wirtschaft und Kultur in Zielona Gjra und Gorzjw, allenfalls wurden einmal die Jahre 1956/1957 als Beginn einer noch dynamischeren Entwicklung erwähnt. Insgesamt lässt sich mitunter schlecht unterscheiden, ob es sich tatsächlich um Reiseführer mit touristischem Anspruch oder doch eher um Informationsbroschüren mit politischer Botschaft handelte, da dem Abschnitt, der die Aufbauleistung bzw. die Beschreibung von Industrie, Infrastruktur und Landwirtschaft beschreibt, stets ein sehr prominenter Platz zukam.

2.4.3 Märchenbücher Ein sehr alltagstaugliches Vehikel zur Verbreitung des Geschichtsbildes waren Märchen und Legenden über die Ziemia Lubuska. Das Geschichtsbild wurde hier mit fiktionalen Elementen unterfüttert. Als populärkulturelle Produkte waren sie leicht zu verbreiten und nicht nur einem historisch interessierten Publikum zugänglich. Ihre Auflagenzahl war mit bis zu 10.000 Exemplaren erheblich. Wie in allen Fällen, in denen von der Ziemia Lubuska vor 1945 die Rede ist, handelt es sich streng genommen um Geschichten aus den verschiedenen historischen Regionen, aus denen sie sich zusammensetzte, und denen der Zusatz »Lebuser« nachträglich aufgepfropft worden war. Bezeichnenderweise tauchte diese Bezeichnung in der Regel einzig in den Titeln der Bände auf, während die Zuschreibung »Lebuser« in den Erzählungen keine Verwendung fand. Die Verwendung von Märchen zur Identifikationsstiftung war auch in anderen Teilen der Westgebiete üblich. So war eines der ersten polnischen Bücher in den Westgebieten der 1945 erschienene Band »Liczyrzepa, zły duch Karkonoszy i Jeleniej Gjry« (Rübezahl, der böse Geist des Riesengebirges und Hirschbergs),207 in dem Jjzef Sykulski die Geschichte von Rübezahl, dem Berggeist des Riesengebirges, aus dem Deutschen ins Polnische übersetzt hatte.208 Nowosielska-Sobel meint dazu: 207 Sykulski, Jjzef: Liczyrzepa, zły duch Karkonoszy i Jeleniej Gjry [Rübezahl, der böse Geist des Riesengebirges und Hirschbergs]. Jelenia Gjra 1945. 208 Dazu auch: Hartwich, Mateusz: Rübezahl zwischen Tourismus und Nationalismus. Vom umkämpften Symbol zum einigenden Patron des deutsch-polnisch-tschechischen Grenzlandes?, in: Lozoviuk, Petr (Hg.): Grenzgebiet als Forschungsfeld. Aspekte der ethnografischen und kulturhistorischen Erforschung des Grenzlandes. Leipzig 2009, S. 193–218.

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»Diese Art von Literatur [Legenden aus dem Riesengebirge, K.H.], die sich von ihrem Wesen her recht großer Popularität erfreute, konnte eine wichtige Rolle spielen im Prozess der Aneignung der Kulturlandschaft. Sie war auch ein wichtiges Propagandainstrument bei der Festigung des Polentums in den Wiedergewonnenen Gebieten. Sagen und Legenden, die in Reiseführern oder Abhandlungen zur Regionalgeschichte erschienen, vermittelten zusätzlich historische Inhalte und halfen dabei, Vergangenheit zu begreifen.«209

In der Ziemia Lubuska erschien ab den späten 1950er Jahren eine ganze Reihe von Erzählbänden mit sogenannten »Lebuser Geschichten«. Sie wurden sowohl von der LTK als auch von Warschauer oder Posener Verlagen herausgegeben. Insbesondere Eugeniusz Paukszta, Janusz Koniusz, Izabela Koniusz und Irena Solin´ska hatten sich das Verfassen, Sammeln und Publizieren der Märchen zur Aufgabe gemacht. Während Janusz Koniusz auch in anderen Bereichen des Kulturlebens von Zielona Gjra aktiv war und Irena Solin´ska sich ebenfalls als Journalistin für die Gazeta Zielonogjrska betätigte, war Izabela Koniusz (geb. 1935) Lehrerin und Autorin von Gedichten und Erzählungen. Alle drei lebten und wirkten in der Ziemia Lubuska. Eugeniusz Paukszta (1919–1979) hingegen, der vor dem Krieg in Wilna gewohnt hatte, war nun Posener. Er verfasste zahlreiche Prosawerke über die Westgebiete mit einem Schwerpunkt auf der Ziemia Lubuska. Diese Autoren veröffentlichten die Publikationen »O krasnoludkach, Jagusi i siedmiu zakle˛tych rycerzach« (Von Zwergen, Jagus´ und sieben verwunschenen Rittern) (Kazimierz Malicki, Zygmunt Rutkowski; 1957), »Czarownica z Zielonej Gjry« (Die Hexe von Zielona Gjra) (Eugeniusz Paukszta; 1959), »Złota dzida Bolesława oraz inne podania i legendy lubuskie« (Die goldene Lanze von Bolesław und andere Lebuser Sagen und Legenden) (Janusz Koniusz; 1970), »Krjlestwo dziadka Sławomira: bas´n´ lubuska dla teatrjw lalkowych« (Das Königreich des Bettlers Sławomir : ein Lebuser Märchen für das Puppentheater) (Irena Solin´ska; 1960), »Krjlewsta piecze˛c´ : z bas´ni i podan´ Nadodrza« (Das Königreich der Siegel: aus Märchen und Sagen an der Oder) (Izabella Koniusz/Helena Rutkowska; 1962) und »Legendy znad Odry« (Legenden von der Oder) (Eugeniusz Paukszta; 1968). Sieht man sich die Vorworte und den Aufbau der Erzählbände an, wird deutlich, dass sie insbesondere zwei Ziele verfolgten. Einerseits galt es, eine Bindung des Lesers an die Ziemia Lubuska zu schaffen.

209 Nowosielska-Sobel, Joanna: Trudne dziedzictwo. Tradycje dawnych i obecnych mieszkan´cjw Dolnego S´la˛ska [Schwieriges Erbe. Die Traditionen ehemaliger und aktueller Bewohner Niederschlesiens]. Wrocław 2006, zit. n. Hartwich, Rübezahl, 2009, S. 205.

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»Lasst die Lebuser Erzählungen in der Welt fließen, lasst sie in den Menschen Gefühle wecken, die so schön sind, wie die Ziemia Lubuska, beständig und stark, so stark wie das Polentum dieses Landes ist und war«,210

schrieb Paukszta 1970 im Band »Złota dzida Bolesława«. Auch sollten die Lebuser ein Bild vom Leben ihrer »Vorfahren« erhalten: »Floskeln und richtige Losungen über die Rückkehr in das Gebiet der Vorfahren reichten nicht aus. Man musste wenigstens etwas über diese Vorfahren über ihr Leben und vor allem über ihren Kampf wissen. Es interessierten nicht nur die wichtigsten historischen Daten, sondern auch der ehemalige polnische Alltag, vor Jahrhunderten hier, vor Dutzenden Jahren.«211

Noch deutlicher aber wird die Intention, ein konkretes Geschichtsbild zu vermitteln und plausibel zu machen. So waren die Märchen und Legenden voller Anspielungen auf die vermeintlich slawischen Wurzeln der Region und Bezüge aus der slawischen Mythologie. Einige Erzählungen leiteten die Ortsnamen durch Bezüge zur polnischen Geschichte her, so etwa die Geschichte »Da˛brjwka«, der zufolge der Ort Da˛browka Wielkopolska seinen Namen von der Gattin Mieszkos I. erhalten hatte, nachdem diese in dem noch namenlosen Ort einen Zwischenhalt gemacht hatte. In dieser Geschichte wird dargestellt, dass am Ort der Handlung Polnisch gesprochen und Mieszko als legitimer Herrscher angesehen wurde.212 Auch zur Weintradition Zielona Gjras fand sich eine Legende: so soll der Bürgermeister von Zielona Gjra (mit dem polnischen Namen Koziołek) von einer schweren Krankheit nur geheilt worden sein, weil ein wandernder Mönch ihm eine Medizin verabreichte. Als Erinnerung an diese Zeit ließ der Bürgermeister eine Pflanze am Fenster wachsen, die jener Mönch mit sich getragen hatte. Durch einen Zufall entdeckte die Magd Kasia lange Zeit später, dass aus dem Gewächs ein gut schmeckendes Getränk hergestellt werden kann. »Seitdem fing der Bürgermeister an, die empfindlichen Sträucher vor seinem Fenster zu pflegen. […] Nach ein paar Jahren hatte er so viele davon, dass er einen Berg bei der Stadt mit ihnen bepflanzte. […] Die Weinsträucher stehen bis heute auf den Hügeln der Stadt und wurden zu ihrem Symbol und ihrer Zierde.«213 210 Paukszta, Eugeniusz: Przedmowa [Vorwort], in: Koniusz, Janusz (Hg.): Złota dzida Bolesława. Podania, legendy i bas´nie Ziemi Lubuskiej [Die goldene Lanze von Bolesław und andere Lebuser Sagen und Legenden]. Poznan´ 1970, S. 7. 211 Paukszta, Eugeniusz (Hg.): Legendy znad Odry [Legenden von der Oder]. Zielona Gjra 1968. 212 Koniusz, Izabella: Da˛brjwka [Da˛brjwka], in: Koniusz, Janusz (Hg.): Złota dzida Bolesława. Podania, legendy i bas´nie Ziemi Lubuskiej [Die goldene Lanze von Bolesław und andere Lebuser Sagen und Legenden]. Poznan´ 1970, S. 33–37. 213 Rutkowska, Helena: Ska˛d sie˛ wzie˛ło wino w Zielonej Gjrze [Woher der Wein in Zielona Gjra kam], in: Koniusz, Janusz (Hg.): Złota dzida Bolesława. Podania, legendy i bas´nie

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Als Quelle ist für diese Geschichte eine deutsche Abhandlung zur Geschichte von Grünberg angegeben, die tatsächlich jedoch keinerlei Sagen enthält.214 Die Bände sollten so authentisch »urpolnisch« wie möglich wirken. So war dem Band von Koniusz ein Wörterbuch »altpolnischer, mundartlicher und fremder Ausdrücke«215 angehängt. Eine ganze Reihe der Geschichten wurde, so die Herausgeber, aus dem Deutschen übersetzt, andere wiederum erdachten die Autorinnen und Autoren selber. Laut Vorwort stammten einige der Erzählungen aus mündlichen Überlieferungen, was ein Blick in das Quellenverzeichnis jedoch nicht bestätigen kann. Auch an die genannten deutschen Quellen sind die Geschichten höchstens angelehnt, in dieser Form gab es sie auf Deutsch nicht. Neben dem Beleg des »Polentums« stand die Darstellung des deutsch-polnischen Gegensatzes stets stark im Mittelpunkt. Unverblümt stellten die vorkommenden Deutschen die »Bösen« – Raubritter und Burggrafen – dar und die Polen die »Guten« – Künstler und Handwerker. Solin´ska verfasste ein Puppentheaterstück namens »Krjlestwa dziadka Bolesława« (Das Königreich des Greises Bolesław), das sich, so die Autorin, »auf eine alte Erzählung aus der Umgebung von Mie˛dzyrzecz stützt«.216 Die deutschen Raubritter stellen hier regelrechte Witzfiguren dar. Paukszta betonte, dass die deutsche und die polnische Mythologie nichts gemeinsam hätten, sie würden sich in moralischer Botschaft und gesellschaftlichem Widerhall unterscheiden und einerseits den polnischen Humanismus, andererseits die deutsche Rücksichtslosigkeit widerspiegeln.217 Die Vermittlung des Geschichtsbildes fand auf sehr undifferenzierte Weise statt. So waren den Gedichten und Erzählungen im Band »Odzyskane Gniazda« (Wiedergewonnene Nester)218 etwa zwei historische Abhandlungen vorangestellt: zum einen ein Artikel des Historikers Sczaniecki zur Geschichte der Ziemia Lubuska seit den Anfängen, der sich vor allem auf den Beweis konzentrierte, dass die Region polnisch war. Zum anderen ein Beitrag des Archäologen Kostrzewski zum »Urpolentum« der Region. Auf diese Weise wurde nicht nur im Vorwort deutlich gemacht, dass »in der Ziemia Lubuska die offizielle, ge-

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Ziemi Lubuskiej [Die goldene Lanze von Bolesław und andere Lebuser Sagen und Legenden]. Poznan´ 1970, S. 447. Pilz: Chronica oder kurze Beschreibung der Entstehung und den Schicksalen der Stadt Grünberg von 1222–1814 [ohne Ort und Datum]. Koniusz, Janusz (Hg.): Złota dzida Bolesława. Podania, legendy i bas´nie Ziemi Lubuskiej [Die goldene Lanze von Bolesław und andere Lebuser Sagen und Legenden]. Poznan´ 1970. Solin´ska, Irena: Krjlestwo dziadka Bolesława. Bas´n lubuska dla teatrjw lalkowych [Das Königreich des Bettlers Sławomir : ein Lebuser Märchen für das Puppentheater]. Zielona Gjra 1960. Paukszta, Przedmowa, 1970, S. 6. Paukszta, Eugeniusz (Hg.): Odzyskane Gniazda. Proza i poezja o Ziemi Lubuskiej [Wiedergewonnene Nester. Prosa und Poesie über die Ziemia Lubuska]. Poznan´ 1963.

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schriebene Geschichte Polens begann«,219 sondern dies mittels geschichstwissenschaftlicher Texte untermauert. Es schloss sich eine Sammlung von Geschichten und Gedichten an, die sich mit dem »Polentum« befassten. In dem Erzählband »Czarownica Zielonej Gjry« waren den Geschichten kurze historische Einführungen vorangestellt, die etwa die Hexenverfolgung in der Ziemia Lubuska oder die Rolle von Tadeusz Konicz erklärten. In der titelgebenden Geschichte »Czarownica z Zielonej Gjry«, die bis hin zu den Namen der Protagonisten mit den wissenschaftlichen Abhandlungen Korcz’ über die Hexenverfolgung in Zielona Gjra korrespondiert, beschuldigt ein Deutscher seine polnische Nachbarin, Anna Stachowa, der Zusammenarbeit mit dem Teufel. Schnell wird deutlich, dass es ihm allein darum geht, die unliebsame Nachbarin loszuwerden, um ihren Obstgarten übernehmen zu können. Unter Folter wird die Angeklagte gezwungen, die Namen anderer Hexen zu bestätigen. Alle Genannten tragen polnische Namen. Zwar kann Anna Stachowa der Verurteilung nicht entgehen, doch gelingt es ihr, den Pöbel aufzurütteln: »Es brach ein lang unterdrückter Hass gegen die Stadträte aus, gegen die reichen Patriziergeschlechter, die die Armen von Zielona Gjra unterdrückten.«220 Hier wird deutlich, dass die Autoren nicht nur den deutsch-polnischen Gegensatz betonen wollten, sondern auch den von Arm und Reich. Auf diese Weise stützten die Geschichten auch das Narrativ vom ewigen Klassenkampf und verbanden auf kreative Weise ein nationales mit dem kommunistischen Weltbild. Dass dabei mitunter polnische Prinzessinnen auftauchten, sei, so Paukszta, kein Widerspruch, denn »polnische Prinzessinnen unterscheiden sich nicht großartig von Dorfmädchen, die gesellschaftlichen Unterschiede verlieren vor dem Hintergrund des Gefühls der nationalen Verbindung an Schärfe.«221

In der Geschichte »Złota dzida Bolesława« verhilft die goldene Lanze einerseits Bolesław von Bytom zur Flucht vor den Deutschen, andererseits verhindert sie die Ermordung von Ziemowit durch seinen »heuchlerischen« Sohn, der aus seiner Ehe mit einer »aus Germanien« stammenden Frau hervorgegangen ist.222 Diese Geschichte sei, so lässt das Quellenverzeichnis schließen, dem »Heimatbuch des Kreises Freystadt« entnommen worden. Der deutsch-polnische Gegensatz stand zwar nicht immer im Mittelpunkt, das Thema klang jedoch häufig 219 Paukszta, Odzyskane, 1963. 220 Czarownica z Zielonej Gjry [Die Hexe von Zielona Gjra], in: Paukszta, Eugeniusz (Hg.): Czarownica z Zielonej Gjry [Die Hexe von Zielona Gjra]. Warszawa 1959, S. 240. 221 Paukszta, Przedmowa, 1970, S. 7. 222 Koniusz, Izabella: Złota dzida Bolesława [Die goldene Lanze von Bolesław], in: Koniusz, Janusz (Hg.): Złota dzida Bolesława. Podania, legendy i bas´nie Ziemi Lubuskiej [Die goldene Lanze von Bolesław und andere Lebuser Sagen und Legenden]. Poznan´ 1970, S. 84–90.

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in irgendeiner Form an. Um die lokale Verankerung der Märchen deutlich zu machen, tauchten oftmals Ortsnamen, Flüsse und wichtige Elemente der polnischen Geschichte aus dem Mittelalter auf. Ihrer Entstehungszeit und ihrer integrationsfördernden Aufgabe Rechnung tragend, nahmen viele Geschichten die zentralen Belege des »Polentums« der Ziemia Lubuska auf: die Erzählung von Taddeo Polacco,223 die Hexenverfolgung und die Verwendung der polnischen Sprache in den Gebieten.

2.4.4 Filme und Polnische Filmchronik Filme und Dokumentationen für die Kinoleinwand als Kommunikationsträger für das Geschichtsbild hatten den Vorteil, dass sie gleichzeitig auch ein visuelles Bild der Ziemia Lubuska vermitteln und damit eine engere Bindung herstellen konnten. Während das Fernsehen erst im Jahr 1952 seinen Siegeszug antrat und zunächst nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung erreichte, waren Kinos relativ schnell nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs allerorts wieder in Betrieb genommen worden. In Zielona Gjra öffnete das Kino »Nisa« (später »Nysa«, beides polnisch für Neiße) bereits im Juni 1945 seine Türen, in Gorzjw im Mai 1948 das Kino »Słon´ce« (Sonne). Hier lief etwa der bereits 1947 uraufgeführte Film »Ziemia Lubuska« der Regisseurin Natalia Brzozowska.224 Es handelte sich dabei um einen gut zehn-minütigen Schwarz-Weiß-Film, der die Region vorstellte und deutlich das offizielle Geschichtsbild transportierte. Er war für den Staatsbetrieb »Polnischer Film« (Przedsie˛biorstwo Pan´stwowe »Film Polski«) des Ministeriums für Kunst und Kultur hergestellt worden, der mehrere Filme über die Westgebiete und den Wiederaufbau verantwortete. In Szenen mit Frauen in lokalen Trachten sprach eine Stimme aus dem Off über das Bild einer sandigen Landschaft: »Zwischen Oder und Posen liegt das Land der sandigen Hügel – die Ziemia Lubuska«. Anschließend folgten Einstellungen der Landschaft – Wälder, Seen und Sandhügel. Andererseits lag ein starker Fokus auf der Geschichte der Region, wobei die Erzählung innerhalb des offiziellen Narrativs verharrte. Es wurde betont, dass hier »unsere Vorväter« lebten, deren »sterbliche Überreste und Kultur« das Land bewahrt habe. Bilder von piastischen Burgen und Kirchen, Dokumente, des »Urpolentums« und Aufnahmen polnischer Nachnamen auf Grabsteinen sollten die polnische Vergangenheit belegen. Die aktuelle Bedeu-

223 Taddeo Polacco [Taddeo Polacco], in: Paukszta, Eugeniusz: Czarownica z Zielonej Gjry [Die Hexe von Zielona Gjra]. Warszawa 1959, S. 243–255. 224 Brzozowska, Natalia: Ziemia Lubuska, 12 min., Przedsie˛biorstwo Pan´stwoww Film Polski (Polen 1947).

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tung der Ziemia Lubuska für Polen zeigten Szenen zur Ernte, mit deren Ertrag Polen versorgt wurde. In den nächsten Jahren entstanden zahlreiche Filme, die sich der Popularisierung der Ziemia Lubuska, ihrer Landschaft und ihrer Geschichte verschrieben hatten. Insbesondere der seit 1957 agierende Lebuser Filmklub (Lubuski Klub Filmowy, LKF) war in diesem Bereich aktiv. Er zeichnete etwa verantwortlich für »Była i jest nasza« (Sie war und ist unser) (Drehbuch: Tadeusz Kajan), der die schönsten Orte der Region sowie polnische Spuren zeigte. Dieser Film wurde in allen Kinos der Woiwodschaft Zielona Gjra gezeigt und vom Fernsehen gekauft. Ein weiterer Film war »Wierna ziemia« (Treue Erde) (1962, Drehbuch: Wiesław Sauter) über die Babimojszczyzna. Der Film wurde zur »Visitenkarte der LTK« und auch im regionalen Fernsehen häufig gezeigt.225 »Budujemy« (Wir bauen) hatte ebenfalls die Entwicklung des Woiwodschaft Zielona Gjra zum Thema.226 Es entstanden auch Dokumentationen über die Betriebe der Woiwodschaft, so die Gorzjwer Chemiefabrik Stilon (1961) und die Zielona Gjraer Elektrofirma Lumel (1961).227 Darüber hinaus produzierte der LKF kurze Filme und Reportagen zu Ereignissen in der Woiwodschaft, wie dem Weinanbau, dem Wiederaufbau und der generellen Entwicklung der Region. Die Drehbuchautoren waren in der Regel Lebuser Literaten und Journalisten, so etwa Kajan, Sauter, Solin´ska und Koniusz.228 Die TRZZ produzierte den Film, »Mie˛dzy Bałtykiem a Sudetami« (Zwischen Ostsee und den Sudeten), der als Zielgruppe insbesondere die amerikanische Polonia im Auge hatte. Ihr sollte der Film ein Bild der heutigen Westgebiete vermitteln und die »vollständige Integration der westlichen und nördlichen Woiwodschaften in den übrigen polnischen nationalen Raum« zeigen. Präsentiert wurden Bilder einer Reise durch den Westen. Für die Ziemia Lubuska ging es nach Santok und nach Zielona Gjra, wo die Stadt und die Weinfabrik gezeigt wurden.229 Nicht zuletzt die Polnische Filmchronik (Polska Kronika Filmowa), eine zwischen 1944 und 1994 erschienene Wochenschau, die vor jedem Film im Kino lief, transportierte Bilder und Wissen über die Ziemia Lubuska und seine Geschichte, nicht nur in die Region selber, sondern nach ganz Polen.230 Zu ihren 225 Korniluk, Izabela: Działalnos´c´ Lubuskiego Klubu Filmowego w ´swietle protokołjw posiedzen´ prezydium Lubuskiego Towarzystwa Kultury w latach 1957–1992 [Die Tätigkeit des Lebuser Filmklubs im Licht der Sitzungsprotokolle des Präsidiums der Lebuser Kulturgesellschaft in den Jahren 1957–1992], in: Studia Zielonogjrskie 2010, S. 123. 226 Ziemska, Małgorzata: Lubuski Klub Filmowy [Der Lebuser Filmklub], in: ProLibris 2010/ 30, S. 112f; Korniluk, Działalnos´c´, 2010, S. 118f. 227 Lebuser Filmklub, APZG, Lubuski Klub Filmowy [Lebuser Filmklub], Sign. 1. 228 Ziemska, Lubuski, 2010, S. 108–115. 229 Drehbuch, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 361, [o.S.]. 230 Die Chroniken können unter www.youtube.com unter dem Stichwort »Polska Kronika Filmowa« fast lückenlos eingesehen werden. Da die Analyse aller Ausgaben den Rahmen

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Hochzeiten in den Jahren 1945 bis 1948 hatte sie fünf Millionen Zuschauer in der Woche und war damit bis Mitte der 1950er Jahre ein »publizistisches Führungsmedium«.231 Sie erreichte breite Bevölkerungsschichten in den Städten und auf dem Land.232 Damit war zumindest bis in die frühen 1950er Jahre hinein mithilfe der Filmchronik die Vermittlung von konkreten Bildern der Geschichte und Gegenwart der Westgebiete an einen Großteil der Polen möglich. Die Serie wurde von der Dokumentationsfilmproduktion (Wytwjrnia Filmjw Dokumentalnych) produziert und war ein wichtiges Propagandainstrument der Partei. Sie war bei der Bevölkerung sehr beliebt.233 Immer wieder waren einzelne Berichte der Ziemia Lubuska gewidmet, aber auch die Eröffnung der Ingenieurshochschule im Jahr 1965 gab Anlass, mit vielen Bildern über die schöne und moderne Stadt zu berichten (40/1965). Im Herbst wurde Gorzjw bei der Ernte für die zentralpolnischen Woiwodschaften gezeigt (48/1947, 31/1948). Daneben spielte die Industrie eine Rolle, so der Waggonbau und der Betrieb Zastal in Zielona Gjra (28/1947, 2/1973) sowie die Pfadfinderlager im Sommer, bei denen die Region von Ruinen befreit wurde (33/1948). Während in den 1940er Jahren ein Schwerpunkt darauf lag, was die Region für Polen leistete – der Bau von Waggons, die Ernte für Zentralpolen, veterinäre Forschung –, wurde später vor allem das gesellschaftliche Leben thematisiert, so die Eröffnung der Universität oder ein Nachmittag im Kulturhaus.234 Ab 1959 wurde zusätzlich die vom LKF produzierte Lebuser Filmchronik (Lubuska Kronika Filmowa) in der Woiwodschaft ausgestrahlt, die sich regionalen Themen widmete: so Sportereignissen, den Aktivitäten der LTK und der TRZZ, der Arbeit der NadodrzeRedaktion, Aufräumarbeiten in Gorzjw oder auch regionalen Parteikonferenzen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Reichweite allerdings schon marginal gewesen sein. Dennoch gelang es den Filmchroniken, Bilder der den Polen völlig unbekannten Ziemia Lubuska zu vermitteln.

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dieser Arbeit sprengen würde, habe ich mich für diese Arbeit auf einige wenige Beispiele beschränkt. Für Breslau liegt eine Analyse der Chroniken vor: Malicka, Wiktora: Wrocław w Kronice Filmowej. Nowe miasto i nowi mieszkan´cy w propagandzie pan´stwowej, 1945–1970 [Wrocław in der Filmchronik. Die neue Stadt und die neuen Bewohner in der staatlichen Propaganda, 1945–1970]. Krakjw 2012. Seit dem Ende der 1940er Jahre sanken die Zuschauerzahlen stark, Mitte der 1950er waren es nur noch zwei Millionen. Etmanski, Johannes: Das Deutschlandbild in der polnischen Wochenschau und die deutsch-polnischen Beziehungen 1945–1956. Berlin 2007, S. 3, 88. Ebd., S. 56. Malicka, Wrocław, 2012, S. 20. Dies deckt sich mit der Analyse Malickas, die die Chroniken für Breslau untersuchte. Sie kam zu dem Schluss, dass es verschiedene Phasen in der Präsentation der Stadt gab: In den 1940er Jahren dominierte die Darstellung Breslaus als polnische Stadt, ab 1949 das Motiv als dynamische Industriestadt. Nach 1956 wurde Breslau als Kulturzentrum präsentiert. Ebd., S. 136, 168f, 196f.

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Die Erfindung neuer Traditionen

Der Region »ohne Gedächtnis«235 wurde mittels des offiziellen Geschichtsbildes eine Vergangenheit gegeben. Während dieses Bild gemeinhin abstrakt blieb, gab es einige Aspekte, die im Alltag sichtbar waren. Dazu gehören u. a. die neuen Straßennamen, aber auch Symbole wie die Regionalhymne und das Stadtwappen. Auch diese dienten der Herstellung von historischer Kontinuität. Bemerkenswert ist darüber hinaus die Geschichte des Weinfestes in Zielona Gjra, einer im deutschen Grünberg entstandenen Tradition, die in der Nachkriegszeit polnisch codiert wurde und bis in die Gegenwart hinein zelebriert wird. Die Umstände ihrer Übernahme in den Traditionshaushalt Zielona Gjras stellen ein anschauliches Beispiel für die Zufälligkeit dar, der die kulturelle Aneignung und die Traditionsbildung der Westgebiete mitunter unterlagen.

2.5.1 Zielona Góra und der Wein »Die Weinberge und der Wein sind heute Elemente der lokalen Identität,«236 konstatierte Arkadiusz Cincio im Jahr 2006. Damit liegt er sicherlich richtig, begeht doch Zielona Gjra nach wie vor alljährlich das Winzerfest, sind allerorts Wein-Ornamente sichtbar und betreibt das städtische Museum die einzige Weinausstellung Polens. Welche Umstände führten dazu, dass nach dem Krieg die Tradition Grünbergs als Weinstadt als Tradition Zielona Gjras fortgeführt wurde? Noch im Jahr 1945 wurde Grünbergs wichtigste Weinproduktionsfirma Grempler & Co. von der polnischen Verwaltung übernommen und verstaatlicht. Seit 1946 hieß die Firma Pan´stwowa Wytwjrnia Win Musuja˛cych »Grempler« w Zielonej Gjrze (Staatlicher Produktionsbetrieb von Schaumwein »Grempler« in Zielona Gjra), 1950 wurde dieser Name geändert in Pan´stwowa Lubuska Wytwjrnia Win w Zielonej Gjrze (Staatlicher Lebuser Weinproduktionsbetrieb in Zielona Gjra). In den ersten Jahren stand die Betriebsleitung vor der Herausforderung, dass keine Facharbeiter zur Verfügung standen, da ein Großteil der Deutschen die Stadt bereits verlassen hatte. Offenbar wurden jedoch einige der deutschen Arbeiter in Zielona Gjra zurückgehalten, um die neue Belegschaft 235 Thum bezeichnete Breslau im Jahr 1945 als »Stadt ohne Gedächtnis«: Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 468. 236 Cincio, Arkadiusz: Tradycje winiarskie Zielonej Gjry jako atrakcja turystyczna Muzeum Ziemi Lubuskiej w Zielonej Gjrze [Die Weintradition Zielona Gjras als touristische Attraktion des Museums der Ziemia Lubuska in Zielona Gjra], in: Toczewski, Andrzej (Hg.): Rola muzejw w turystyce i krajoznawstwie [Die Rolle der Museen für den Tourismus und die Landeskunde]. Zielona Gjra 2006, S. 209.

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von ihrer Erfahrung in der Weinherstellung profitieren zu lassen.237 So konnte recht schnell wieder in der Firma produziert werden. Zunächst wurde polnischer Sekt unter dem Namen »Polnischer Schaumwein« (Polskie Wino Musuja˛ce) hergestellt und verkauft. »Den Sekt auf den Markt zu bringen war eine bedeutende Leistung, wenn man bedenkt, dass die neue Belegschaft des Produktionsbetriebs eine zuvor in Polen nicht bekannte Technologie der Produktion dieser Art von Wein beherrschen musste«,238

resümierte Florian Milej rückblickend in seiner Studie über den Betrieb. Bis zum Jahr 1947 konnte der Wein aus zurückgebliebenen deutschen und importierten französischen Trauben hergestellt werden. Als diese aufgebraucht bzw. nicht mehr zugänglich waren, konzentrierte man sich auf die Produktion von Obstweinen. Die Trauben aus der Region hatten nur einen sehr geringen bis keinen Anteil an dem, was in der Fabrik produziert wurde. So war der in der Lebuser Weinfabrik hergestellte Wein das Ergebnis aus Ungarn und Bulgarien importierter Trauben.239 Dass der Firmenbetrieb wieder aufgenommen wurde, erklärt jedoch nicht, wie sich die Tradition des Weinfestes über den Krieg hinweg retten konnte. Die Anfänge der Weintradition im polnischen Zielona Gjra sind nicht einfach zu rekonstruieren. Dass sie nach dem Krieg fortgeführt wurde, verdankt die Stadt offenbar einem Zufall. Im Jahr 1945 zog Grzegorz Zarugiewicz (1888–1956) aus dem damaligen Zaleszczyki (heute Salischtschyky), einer Kleinstadt in Podolien, nach Zielona Gjra. In Zaleszczyki hatte er einen Weinberg bewirtschaftet und als Lehrer für Weinanbau in der Schule für Obst- und Weinanbau (Szkoła Sadowniczo-Winiarska) gewirkt. Zu jener Zeit veröffentlichte er seinen ersten Band über den Weinanbau.240 In Zielona Gjra – offenbar zufällig – angekommen, wurde ihm vom PUR ein Weinberg zugeteilt, der vor dem Krieg zur Firma Grempler & Co. gehört hatte. Dieser Berg wurde später gegen einen anderen ausgetauscht, doch kümmerte er sich bis 1954 um alle Weinberge der Weinfabrik.241 In dieser Zeit hatte er außerdem eine Position als Lehrer an der Fach237 Kres, Bogdan: Zarys dziejjw winiarstwa zielonogjrskiego [Abriss der Geschichte der Weinproduktion in Zielona Gjra]. Poznan´ u. a. 1966, S. 79. 238 Florian Milej: Lubuska Wytwjrnia Win w Zielonej Gjrze (1964) [Die Lebuser Weinfabrik in Zielona Gjra], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 220, Bl. 9. 239 Kres, Zarys dziejjw, 1966, S. 81, 84. 240 Głaz˙ewski, Gustaw / Zarugiewicz, Grzegorz: Krjtki podre˛cznik uprawy winoros´li w Polsce [Kurzes Handbuch zum Weinanbau in Polen]. Lwjw 1932. 241 Kaworski, Przemysław : Grzegorz Zarugiewicz (1884–1956). Pionier zielonogjrskiego winiarstwa [Grzegorz Zarugiewicz (1884–1956). Pionier der Weinproduktion in Zielona Gjra], in: Bartkowiak, Przemysław u. a. (Hg.): Zapisali sie˛ w dziejach S´rodkowego Nadodrza. Szkice biograficzne [Sie gingen in die Geschichte des Mitteleren Odergebiets ein. Biographische Skizzen]. Zielona Gjra 2009, S. 100–102.

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schule für Obst- und Weinanbau (Technikum Sadowniczo-Winiarskie) inne und publizierte einen weiteren Band zu diesem Thema.242 Damit war ein Experte in der Stadt, der zunächst zumindest den Weinanbau weiterführen konnte. Wie es von diesem Zufall zum Weinfest (Dni Winobrania243) und der darauf aufbauenden Weintradition in Zielona Gjra kam, kann nicht abschließend geklärt werden. Es ist nicht einmal sicher, in welchem Jahr das erste Weinfest der Nachkriegszeit stattgefunden hat. Denn ob bereits im Jahr 1945 die Weinlese feierlich begangen wurde, ist strittig. So berichtete etwa Piotr Kłuczin´ski im Jahr 1986 von seinen Erinnerungen an das Fest im Jahr 1945, das er als das »schönste« bewertete, da es das »Werk von Amateuren, Pionieren und Aktivisten von Jugendorganisationen war.«244 Offenbar handelte es sich damals trotz des Namens aber nicht so sehr um ein Weinfest, sondern vielmehr um ein allgemeines Erntedankfest. Der in Kłuczin´skis Erinnerungen zitierte Aufruf deckt sich mit einem im Jahr 2005 in Zielona Gjra entdeckten Werbeplakat des Bürgermeisters zum Weinfest im Jahr 1945.245 Die Chronik des PTTK-Kreises legt allerdings nahe, dass erst 1946 das erste Fest stattfand, das »dem Beispiel Zaleszczykis in den Vorkriegsjahren« folgen sollte.246 Auch der Zeitzeuge Jjzef Piszczek nennt 1946 als das erste Jahr der Feierlichkeiten.247 In seiner Studie über die Produktionsfirma bestätigte Milej dieses Datum.248 In welchem Jahr auch immer das erste Weinfest stattgefunden hat, es wurde aufgrund mangelnder Erfahrung auf diesem Gebiet offenbar improvisiert. Piszczek, einer der Teilnehmer der ersten Feierlichkeiten, erinnerte sich: »Bei der Organisation der ›Tage‹ [der Weinlese, K.H.] halfen uns vor allem die Lektüre, die Erzählungen von Polen, die zu deutschen Zeiten in Zielona Gjra gelebt hatten, und die eigene Fantasie.«249

Er berichtete aber auch, dass das Fest so ausgerichtet wurde, »wie es die Tradition gebietet«, und fuhr fort: »All das war neu, originell und weckte die ehrliche Begeisterung der Öffentlichkeit.«250 242 Zarugiewicz, Grzegorz: Uprawa krzewu winnego [Der Weinanbau]. Poznan´ 1948. 243 Die wörtliche Übersetzung lautet: Tage der Weinlese. 244 Kłuczin´ski, Piotr : Wspomnienia uczestnika pierwszego Winobrania [Erinnerungen eines Teilnehmers des ersten Weinfestes], in: Gazeta Lubuska, Nr. 209, 8. 9. 1986, S. 7. 245 Czyz˙niewski, Tomasz 2012. 246 4. 5. 1946, Kronika Lubuskiego Okre˛gu Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego w Zielonej Gjrze 1946–1966, APTTK ZG. 247 Piszczek, Jjzef: Przy lampce wina… [Bei einem Gläschen Wein…], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Mjj dom nad Odra˛ [Mein Haus an der Oder]. Zielona Gjra 1961, S. 87. 248 Florian Milej: Lubuska Wytwjrnia Win w Zielonej Gjrze (1964) [Der Lebuser Weinproduktionsbetrieb (1964)], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 220, Bl 21. 249 Piszczek, Przy lampce, 1961, S. 88. 250 Ebd., S. 88.

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Entscheidend für die Traditionsbildung war seine Beschreibung der Feierlichkeiten als eine »Manifestation des Polentums der Stadt«. In seiner Funktion als PTK-Aktivist beschrieb Jjzef Piszczek, welche Rolle das Fest für die Propagierung der Woiwodschaft und des »Polentums« der Region einnehmen sollte. Es würden Touristen aus ganz Großpolen kommen, die sich mit eigenen Augen von der »Repolonisierung« der Ziemia Lubuska, aber auch von der Entwicklung der Stadt und ihrem Kulturangebot überzeugen könnten.251 Man könnte annehmen, dass es einzig darum ging, die Feierlichkeiten – wie so viele andere Feiertage und öffentliche Veranstaltungen – dafür zu nutzen, das »Polentum« der Stadt zu propagieren. Doch wurde in dieser Zeit der Weinanbau selber zu einer alten polnischen Tradition umcodiert. Piszczek schrieb im Nachhinein über die Feierlichkeiten als hätten sie von jeher so stattgefunden: »Gemäß den alten Bräuchen stellten die Kaufleute aus Zielona Gjra ihre Stände voller Weintrauben, Früchte und Wein aus. […] Die Parade fiel großartig aus. Sie zeigte uns den Ertrag des polnischen Weinanbaus, der Landwirtschaft und des Gartenbaus auf den uralten piastischen Gebieten. Sie war der beste Beleg dafür, dass die polnische Nation die Ziemia Lubuska mit rechtschaffener Anstrengung bewirtschaftet und erfreuliche Ergebnisse erzielt hat. […] Das Weinlese-Fest endete, aber die Erinnerungen daran bleiben im Gedächtnis aller Gäste sowie der Bevölkerung Zielona Gjras als große Manifestation des Polentums auf diesen Gebieten und als Antwort auf jegliche Zweifel bezüglich der Westgrenzen.«252

Auch die Lehrerin Kazimierza Konewska betonte in ihren Erinnerungen an die Feierlichkeiten: »In unserem ganzen Land finden wir keine zweite Stadt, die über solch reiche Weinreben verfügt wie Zielona Gjra. Die Weinlese-Tage […] haben etwas von einem Festival und etwas von der Schönheit volkstümlicher Veranstaltungen. Es ist daher nicht überraschend, dass sie viele Gäste und Touristen aus dem ganzen Land und sogar aus dem Ausland anziehen. […] In dieser Zeit ist Zielona Gjra die festlichste Stadt und dieses Fest entstammt den Bräuchen uralter Slawen. […] Die Weinlese ist das Fest von Bacchus, der lächelnd auf einem großen Pferd reitet, mit einem Kelch in der Hand, hinter ihm der karnevalistische Teil des Zuges – Masken. Dann übergeben schöne Lebuserinnen in regionalen Trachten dem Bürgermeister Früchte, andere tragen Körbe voller Weintrauben, und die Folgenden werfen große Reben mit Weintrauben in Richtung der Zuschauer.«253

251 Die Stadt der Weinberge und Gärten – Zielonagjra, Kronika Lubuskiego Okre˛gu Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego w Zielonej Gjrze 1946–1966, APTTK ZG. 252 Große Manifestation des Polentums der Ziemia Lubuska, Kronika Lubuskiego Okre˛gu Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego w Zielonej Gjrze 1946–1966, APTTK ZG. 253 Erinnerungen von Kazimiera Konewska, IZ, P 913–676, S. 32–33.

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Um das Polnische zu betonen, trugen die Teilnehmer des Umzuges Trachten, stellten in Theaterszenen frühere Weinfestivitäten nach volkstümlichen Geschichten dar254 und sangen polnische Weinlese-Lieder.255 Eine polnische Tradition war geboren. Die Konstruktion des lokalen Weinanbaus als eine polnische Tradition wurde dadurch untermauert, dass dieser in den zum Thema erscheinenden Studien stets in die Geschichte des polnischen Weinanbaus eingebettet wurde. In diesem Zusammenhang wurde etwa auf die Türen von Gnesen verwiesen. Deren Verzierungen enthalten auch Wein-Ornamente, was zu belegen schien, dass der Weinanbau mit der Christianisierung in Polen Einzug erhalten hatte, also nicht von deutschen Siedlern mitgebracht wurde.256 Dass sich auch schon vor 1945 Polen für das Weinfest interessiert hatten, sollte ein 1979 erneut veröffentlichter Zeitungsartikel aus dem Jahr 1887 belegen.257 Korcz stellte in einem Artikel in der Tagespresse fest: »Die Weinfestivitäten sind das sichtbare Bindeglied zwischen der alten piastischen Vergangenheit unserer Stadt und dem Heute.«258 Offenbar wurde die Einführung des Winzerfestes jedoch nicht von allen befürwortet, weil die Tradition »fremd« und nur noch so wenig Wein vorhanden war. Der Weinzug sei, so Piszczek, den Besuchern im ersten Jahr wie ein »merkwürdiges Geschöpf« erschienen.259 So wurden dann auch in den 1950er und 1960er Jahren Diskussionen darüber laut, dass man – um dem Mythos als Weinstadt gerecht zu werden – sich besser um die Weinberge kümmern müsse. 1958 schrieb Kaszuba: »Wenn es nicht das Weinfest gäbe, gäbe es schon

254 Burtowski, Anatol: Pie˛kne widowiska i tradycyjny korowjd us´wietniły Gody Winobrania [Ein schönes Spektakel und der traditionelle Festzug verliehen dem Weinfest Glanz], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 231, 29. 9. 1969, S. 1, 4. 255 Über deren Herkunft ist nichts bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie in den Nachkriegsjahren im Rahmen der Tanz- und Gesangsgruppen entstanden oder wie auch das Turmlied (hejnal) Auftragsarbeiten waren. 256 Cincio, Arkadiusz: Gromadzenie i prezentacja niemieckiego dziedzictwa kulturowego przez Muzeum Ziemi Lubuskiej w Zielonej Gjrze [Die Sammlung und Präsentation des deutschen Kulturerbes durch das Museum der Ziemia Lubuska], in: Nodzyn´ski, Tomasz / Tureczek, Marceli (Hg.): Ziemia Lubuska. Dziedzictwo kulturowe i toz˙samos´c´ regionu w perspektywie powojennego siedemdziesie˛ciolecia [Ziemia Lubuska. Kulturerbe und Identität der Region aus der Perspektive 70 Jahre nach dem Krieg]. Gorzjw Wielkopolski u. a. 2015, S. 350; Kres, Bogdan: Z badan´ nad geneza˛ i rozwojem uprawy winnej latoros´li na terenach wojewjdztwa zielonogjrskiego [Aus der Forschung zur Genese und Entwicklung des Weinanbaus auf dem Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra], in: Zielonogjrskie Zeszyty Muzealne 1971/2, S. 181. 257 Chmielewski, Grzegorz (Hg.): Winobrania w Zielonogjrze na Szla˛zku [Der Weinanbau in Zielonagjra in Schlesien]. Zielona Gjra 1979. 258 Korcz, Władysław : Ska˛d ta tradycja [Woher kommt diese Tradition], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 232, 30.9./1. 10. 1961, S. 3. 259 Piszczek, Przy lampce, 1961, S. 87f.

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lange keine Weinberge mehr in Zielona Gjra.« Die Weinberge würde es nur noch aus »propagandistischen Gründen« geben.260 Letztlich waren die Weinlese-Feste wohl nichts anderes als die regionale Version typischer sozialistischer Großveranstaltungen. Durch den Namen und die mit der Weinlese verbundenen Traditionen verfügten sie zwar über eine regionale Note. Doch auch diese wurde geschmälert, als Ende der 1950er Jahre die »Weinlese-Feier« in »Tage Zielona Gjras« umbenannt wurde und nur noch der Höhepunkt dieser Festivitäten war. Immer mehr Ereignisse wurden zusammengelegt, im Jahr 1970 gehörten auch das Internationale Festival der Gesangs- und Tanzensembles, der Tag der Presse und die Verleihung der Kulturpreise der Stadt Zielona Gjra dazu.261 Das Präsidium des Städtischen Nationalrates zählte das Weinfest dementsprechend auch zu den üblichen regionalen Stadtfesten. Bei den Feierlichkeiten sollte es darum gehen, die Errungenschaften der Region, die historischen Traditionen sowie die kulturellen Leistungen zu präsentieren. Unmittelbar nach dem Krieg dienten sie sicherlich auch als ideeller Anknüpfungspunkt für die Bewohner. Das Programm beinhaltete politische, populärwissenschaftliche und kulturelle Elemente. Das Pendant in Gorzjw waren die Konfrontacje (Konfrontationen), die vor allem ein Theatertreffen waren. Die regionalen Feiern sollen die patriotische Einstellung durch die Hervorherbung historischer Traditionen gestalten und die Bewohner enger an die Region binden.262 Die politische Bedeutung der Feierlichkeiten kann anhand von Fotos, Berichten und der Pläne des PRMN nachvollzogen werden. Im Festzug wurden Banner mit Aufschriften wie »Frieden«,263 »Die polnische Kultur überdauerte auf diesen Gebieten trotz der Versuche der Germanisierung«264 oder mit Slogans zur Oder-Neiße-Grenze getragen.265 Begleitet wurde das Ganze von Sportveran-

260 Kaszuba, Mieczysław : Winogrady [Weinstadt], in: Nadodrze, Juli 1958, S. 6. Vgl. dazu auch die Diskussion in der Gazeta Zielonogjrska Nr. 142/1959; Nr. 275/1958, Nr. 76/1959, Nr. 242/1959. 261 Informationen über das Programm der »Tage Zielona Gjras – die Weinlese 1970« sowie das 4. Internationale Festival der Gesangs- und Tanzensembles, APZG, KW PZPR Zielona Gjra, Sign. 1145, Bl. 137–142. 262 Zu den vom Komitee des FJN organisierten regionalen Veranstaltungen, APG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Gorzowie Wlkp. [Präsidium des Städtischen Nationalrats in Gorzjw Wlkp.], Sign. 874, Bl. 1–8. 263 Erinnerungen von Kazimiera Konewska, IZ, P 913–676 Zielona Gjra, S. 32–33; Sitzungsprotokoll vom 11. 9. 1959, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 348, Bl. 5. 264 Plan und Reihenfolge des Zuges für Sonntag, 4.9.53 r., APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 350, Bl. 4. 265 Ebd., Bl. 4f.

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staltungen, außerdem wurden im Kino zeitgleich sowjetische Filme gezeigt.266 Das Fest wurde auch instrumentalisiert, um etwa die 25-jährige »Rückkehr zum Mutterland« zu feiern. Obwohl auch in anderen Orten der Nachkriegs-Ziemia Lubuska einst Wein angebaut wurde – etwa in Gubin und Krosno Odrzan´skie –, hat sich der Mythos vor allem in Zielona Gjra erhalten und kann dort durchaus als identitätsstiftend bezeichnet werden. Denn nicht die gesamte südliche Woiwodschaft wurde in der Volksrepublik mit dem Wein in Verbindung gebracht, sondern nur Zielona Gjra, was sicherlich eng mit der Niederlassung von Zarugiewicz zusammen hing. Es war wohl keine Übertreibung, als ein Journalist von Nadodrze im Jahr 1969 die Weinrebe als ein »zweites, inoffizielles Wappen« von Zielona Gjra bezeichnete.267 Zu dieser Zeit hatte sich die Weintradition längst als wichtigstes Merkmal der Stadt etabliert. Sie wurde »sorgsam gepflegt und ständig erweitert.«268 In Reiseführern und anderen Formen der touristischen Bewerbung Zielona Gjras wurde stets die Wein-Tradition hervorgehoben, der Briefkopf des städtischen Museums enthielt in den 1960er Jahren eine Weinrebe,269 und eine Spalte mit Vermischtem aus der Region der Gazeta Zielonogjrska nannte sich seit Oktober 1958 »Weinträubchen« (Winogronka). Fast jährlich berichtete die Polnische Filmchronik im Herbst von den Feierlichkeiten der Weinernte,270 und in die erste ausführliche Stadtgeschichte schaffte es ein ganzes Kapitel über den Wein.271 Dabei war vielen durchaus bewusst, dass die Tradition nicht genuin polnisch und vor allem eine Grünberger Tradition war. Bogdan Kres machte 1966 darauf aufmerksam, dass die Tradition des Winzerfestes auf die Vorkriegszeit zurückzuführen war, als der Lebensunterhalt eines Teils der Bevölkerung vom Weinanbau abhing.272 Kres (1932–2003), der in Posen und Warschau studiert hatte, hatte seinen Magister mit einer Arbeit über den mittelalterlichen Weinanbau erlangt. Ab 1959 leitete er die Wein-Abteilung des Museums in Zielona Gjra und wurde später Direktor desselben. Sein Kapitel zur Weintradition beschäftigte sich bezeichnenderweise in relativ geringem Ausmaß mit den polnischen Aspekten. Jedoch verbinde man mittlerweile in Polen Zielona Gjra mit 266 Protokoll der Plenarsitzung des Weinlesefest-Komitees in Zielona Gjra am 23. 9. 1950, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 348, Bl. 13. 267 Plakat winobraniowy [Plakat des Weinfestes], in: Nadodrze, 1.–14. März 1969, S. 4. 268 Florian Milej: Lubuska Wytwjrnia Win w Zielonej Gjrze (1964), APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 220, Bl. 21. 269 Schreiben des Museumsdirektors Bogdan Kres an das Präsidium des Woiwodschaftsnationalrates in Zielona Gjra (20. 6. 1967), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4061, Bl. 7. 270 So etwa die folgenden Ausgaben der Filmchronik: 42/1947, 41/1948, 43/1956, 40a/1972. 271 Sczaniecki / Wa˛sicki, S. 109–119. Interessanterweise endet der Abschnitt bereits vor dem Zweiten Weltkrieg. 272 Kres, Zarys dziejjw, 1966, S. 163.

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dem Wein, und diese Tradition lasse sich nicht »zurückweisen«,273 so Kres. Auch seien seit 1945 einige neue, eigene Traditionen in dem Bereich entstanden.274 Trotz des Wissens um die Unnatürlichkeit der Tradition wurde sie also fortgeführt und spielte eine wichtige Rolle für die Stadt. 1974 schrieb Tadeusz Linkiewicz in der Gazeta Zielonogjrska: »Die Traditionen der Weinlese-Feierlichkeiten spielten in Zielona Gjra eine wichtige kulturschaffende und gesellschaftlich-politische Rolle. Im Laufe der Jahre wurde das Weinfest um zahlreiche begleitende Feiern erweitert und erhielt den Namen Tage Zielona Gjras. Die bunten Feierlichkeiten wurden jedoch beibehalten und stellen den Schlussakkord der Tage dar.«275

Das hatte seine Ursache sicherlich auch darin, dass die Polen die Stadt mittlerweile mit der Weintradition verbanden, was nicht zuletzt auf ihre landesweite Verbreitung durch die Filmchronik zurückzuführen war. Seit 1958 erschienen mehrere wissenschaftliche Publikationen zum Weinanbau auf dem Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra.276 Wie viele Bücher zielten sie auf ein größeres Publikum ab. Die Studien konzentrierten sich stark auf die Zeit vor 1945, betteten sie jedoch in die Geschichte des polnischen Weinanbaus ein. Korcz rekapitulierte in seinem Band von 1958 die gesamte Geschichte des lokalen Weinanbaus seit der ersten schriftlichen Erwähnung im Jahr 1314. Obgleich er durchaus auch die polnischen Weintraditionen hervorhob, endete sein Werk im 19. Jahrhundert, und er sprach den Bewohnern dieser Gebiete, »egal welcher Nationalität«, Bewunderung für ihre »Hartnäckigkeit und Ausdauer« beim Weinanbau in dieser klimatisch ungünstigen Gegend aus.277 Bogdan Kres’ Studie aus dem Jahr 1966 widmet ein Kapitel der Weintradition Zielona Gjras, wobei interessanterweise das 19. Jahrhundert im Zentrum seiner Ausführungen steht, da es, so Kres, keine allzu starke polnische Tradition gebe.278 Das ergänzende Werk desselben Autors von 1972279 war in weiten Zügen identisch, ausgebaut wurde vor allem der Nachkriegsteil. Das Museum in Zielona Gjra spielte eine wichtige Rolle für die Verbreitung des Weinmythos, aber auch für die Erforschung der Geschichte des Weinanbaus 273 Ebd., S. 174. 274 Ebd., S. 89–91. 275 Linkiewicz, Tadeusz: Pijmy wino bez osadu… [Trinken wir Wein ohne Weinstein…], in: Magazyn Lubuski (Beilage zur Gazeta Zielonogjrska, Nr. 256, 1./2./.3.11.1974), S. 4. 276 Korcz, Władysław : Dzieje uprawy zielonogjrskiej winoros´li [Die Geschichte des Weinanbaus von Zielona Gjra]. Zielona Gjra u. a. 1958; Kres, Zarys dziejjw, 1966; Kres, Z badan´, 1971, S. 181–206; Kres, Bogdan: Winiarstwo na Ziemi Lubuskiej [Die Weinproduktion in der Ziemia Lubuska]. Poznan´ 1972. 277 Korcz, Dzieje uprawy, 1958, S. 52. 278 Kres, Zarys dziejjw, 1966, S. 89–91. 279 Kres, Winiarstwo, 1972.

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in der Region. Bereits bei der ersten offiziellen Nachkriegs-Eröffnung im Juli 1954 präsentierte es sich mit einer Ausstellung zum Wein, die vor allem die Darstellung des Weinproduktionsprozesses in den Mittelpunkt rückte.280 Da es zuvor Diskussionen darum gegeben hatte, wurde nun betont, dass es sich um die einzige Weinanbaukultur in Polen handele und sie »spezifisch für die Region«281 sei. Die Exponate für die Ausstellung stellte die Lebuser Weinproduktionsfirma zur Verfügung. Ab 1960 verfügte das Museum dann sogar über eine eigene Weinabteilung. Insbesondere während der Amtszeit Bogdan Kres’ als Direktor, dessen Forschungsgebiet der Weinanbau war, wurde dieses Themengebiet im Museum vertieft. Nicht zuletzt dank dieser Popularisierungsbemühungen wird Zielona Gjra trotz des »verkümmerten Zustandes«282 der Weinberge nach wie vor mit dem polnischen Weinanbau assoziiert. So war der Wein als Motiv überall in Zielona Gjra präsent, und die Stadt nutzte die Festivitäten zur eigenen Werbung. Durch die polenweiten Wettbewerbe für die Plakate zu den Weinfesten etwa, an denen sich Künstler und Schriftsteller aus der Region und dem Rest Polens mit Beiträgen beteiligten, wurden sowohl Zielona Gjra als auch die Grafiker der Stadt bekannter.283 Auch die Tourismusbranche der Stadt nahm an den Weinfestivitäten der Stadt aktiv teil. Für das Weinfest 1947/1948 gab die PTTK eine Informationsbroschüre heraus, ab 1951 wurde ein Infostand diskutiert, der 1953 eingerichtet wurde.284 Ab 1954 schulte die PTTK Reiseführer für das Weinfest. In den Straßennamen der Stadt hingegen spiegelte sich die Weintradition erstaunlicherweise kaum wider. Zwar existierten im Jahr 1946 der Park Winny (Weinpark) und die ulica Winogronowa (Weintraubenstraße), darüber hinaus sind abgesehen von der ulica Winna (Weinstraße, seit dem 30. März 1962) allerdings keine Bezüge zu finden. Nach Zarugiewicz wurde erst im Jahr 1993 eine Straße benannt. Auch verfügte die Stadt über viele Jahre nicht über einen Weinkeller.285 Das mag damit zu tun gehabt haben, dass der Mythos nicht so sehr darauf beruhte, tatsächlich Wein zu trinken, und eigentlich auch kein Wein mehr angebaut wurde. An vielen Gebäuden der Stadt waren jedoch Überreste von Weinornamenten zu sehen, die auf die alte Tradition hinwiesen.

280 Ankiewicz, Henryk: Zielonogjrskie przechadzki muzealne [Museumsbummel in Zielona Gjra]. Zielona Gjra 1988, S. 49. 281 Sitzungsprotokoll im Museum in Zielona Gjra am 2. 4. 1954 zur Eröffnung am 22. 7. 1954, APZG, KW PZPR Zielona Gjra, Sign. 1149, Bl. 83. 282 Cincio, Tradycje, 2006, S. 209. 283 Szczegjła, Zielona Gjra, 1984, S. 216. 284 Informationspunkte der PTTK während des Weinfests am 3.–4. 10. 1953, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 250, Bl. 18f. 285 Winiarnia – moz˙e jeszcze w biez˙. roku? [Ein Weinkeller – vielleicht noch in diesem Jahr?] in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 32, 7. 2. 1962.

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2.5.2 Hymne und Stadtwappen Nicht ganz ohne Diskussionen entstand in den 1940er Jahren die Hymne der Ziemia Lubuska (Hymn Ziemi Lubuskiej), deren Melodie im Übrigen bis heute jeden Mittag vom Rathausturm in Zielona Gjra ertönt. Den Text dichtete im Jahr 1946 der 1945 von Warschau nach Zielona Gjra umgesiedelte Arbeiter Piotr Kuczyn´ski, die Melodie komponierte Roman Mazurkiewicz anlässlich des Weinerntefestes 1946. In der Literatur finden sich jedoch verschiedene Texte und es ließ sich nicht klären, wann und ob der Text geändert wurde. Bis heute verbreitet ist folgende Version: Wo die stolze Oder ihre blauen Wellen zu den fernen Wassern der Ostsee trägt, Auf dem Kranz der Wiesen und Wälder leuchtet herrlich Das blumige Wunder der Weinberge und Gärten. Ziemia Lubuska, Land unserer Mythen, Mit deiner Schönheit verzauberst du uns, Wir geben dir Leben und Kraft, Sei auf ewige Zeit der Stolz Polens! Polnisch ist deine herrliche alte Geschichte Das polnische Element lebte hier seit Jahrhunderten. Allerlei Anstürme von Feinden des Vaterlandes Hielt das polnische Volk auf, besiegte und schlug sie Dieses Land verbirgt der Väter Gräber Und polnisch rauscht über ihnen der Wald, Wir geben dir Leben und Kraft Sei auf ewig der Stolz Polens.286

286 Gdzie dumna Odra błe˛kitne swe fale Prze do dalekich Bałtyku wjd, W wien´cu ła˛k, lasjw jas´nieje wspaniale winnic i sadjw kwiecisty cud. Ziemia Lubuska, kraju nasz mity, Urokiem swoim czarujesz nas, Oddajem tobie z˙ycie i siły, Ba˛dz´ chluba˛ Polski po wieczny czas! Polskie sa˛, dawne twe dzieje wspaniale, Polski tu z˙ywioł od wiekjw z˙ył. Wrogjw Ojczyzny niejedna˛ nawałe˛ Polski lud wstrzymał, gromił i bil Kryje ta ziemia ojcjw mogiły I polski szumi nad nimi las, Oddajem tobie z˙ycie i siły, Ba˛dz´ chluba˛ Polski po wieczny czas!

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An anderer Stelle wird darauf verwiesen, dass – zumindest in den 1940er Jahren – folgende Zeilen die Lebuser Hymne waren: Du Land der Urväter, wir sind doch deine Kinder, Der slawischen Piasten uralter Stamm. Mit dem Schwur der »Rota«287 soll unser Lied erschallen, Dir geben wir unser Leben, unser Blut, Arbeit und Mühe.288

Beide Texte spiegelten durch die Erwähnung der polnischen Vergangenheit der Region nicht nur das Geschichtsbild wider, sondern verbreiteten darüber hinaus das Bild der schönen Lebuser Landschaft. Vor allem stellten sie die Verbindung zwischen der Region und der Oder her, welcher als »urpolnischem« und inzwischen Grenzfluss eine besondere Rolle zukam. Die Hymne wurde von der Bevölkerung sehr gut aufgenommen, viele Laienchöre nahmen sie in ihr Repertoire auf. Auch Fachleute bewerteten das A cappella-Stück für einen gemischten Chor positiv. Dennoch wurde das Lied mehrere Jahre lang verboten, weil es, so der Inspektor der Kunstschulen, Prystupa, »nichts mit der Lebuser Region oder überhaupt mit polnischer Musik«289 zu tun habe, stattdessen nach dem Muster deutscher Musik komponiert sei. Diese Bewertung durch die Partei hing damit zusammen, dass Mazurkiewicz, der aufgrund seiner hervorragenden Deutschkenntnisse an den Verifizierungs-Aktionen teilgenommen hatte, vorgeworfen wurde, zu deutschenfreundlich entschieden zu haben, wofür er einige Monate ins Gefängnis gewandert war. Nach seiner Freilassung war er zahlreichen Schikanen ausgesetzt, wozu das Verbot der von ihm komponierten Hymne zählte.290 Erst 1956 wurde das Verbot aufgehoben und die Hymne wieder gespielt. Es zeigte sich, dass die Toleranz der Partei hinsichtlich der Hintanstellung marxistisch-leninistischer Grundsätze zugunsten regionaler bzw. nationaler Aktivitäten in den Westgebieten keinesfalls unbegrenzt war. Auch die von Warschau abgesegnete, in den frühen 1950er Jahren geschaffene Lebuser Folklore geriet so zeitweilig ins Kreuzfeuer der politischen Machtkämpfe. 287 Bei der »Rota« (pln. für Eidesformel) handelt es sich um ein Gedicht der polnischen Schriftstellerin Maria Konopnicka aus dem Jahr 1908, das wenige Jahre später von dem polnischen Komponisten Feliks Nowowiejski vertont wurde. Es galt als Protest gegen die Unterdrückung der polnischen Kultur im preußischen bzw. deutschen Teilungsgebiet Polens. 288 Ziemio praojcjw wszak Twoje my dzieci, Piastjw słowian´skich prastary rjd. Rota˛ przysie˛gi, niech pies´n ta uleci, z˙ycie Ci damy, krew, znjj i trud. So in: Szczegjła, Hieronim: Znani zielonogjrzani XIX i XX wieku [Bekannte Bewohner Zielona Gjras des 19. und 20. Jahrhunderts]. Zielona Gjra 1996, S. 135. 289 Zit. n. Kuleba, Mirosław : Wirtuoz cichy [Virtuose der Stille], in: ProLibris 2005/12, S. 17. 290 Ebd., S. 15–19.

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Um den Städten offiziell ein polnisches Antlitz zu verleihen, mussten nach dem Zweiten Weltkrieg auch die Stadtwappen angepasst werden. Im November 1945 forderte das Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete per Rundschreiben dazu auf, die Wappen zu ändern.291 Insbesondere im Falle Zielona Gjras führte dies zu jahrelang anhaltenden Diskussionen. Zunächst war zwei Jahre lang das deutsche Wappen verwendet worden, so etwa in einer Broschüre zu Zielona Gjra aus dem Jahr 1945.292 Auch in dem 1950 erschienenen Band »Ziemia Lubuska« hieß es, dass Zielona Gjra sein Stadtwappen behalten habe, da es zu denjenigen Städten gehörte, »deren alte Wappen keine Elemente aus der Zeit der Zugehörigkeit zu Preußen enthielten und die sich daher zur Erhaltung eignen«.293

Abbildung 4: Wappen von Grünberg und von Zielona Gjra (bis 1947)

Dabei hatte es schon einige Jahre zuvor, im Jahr 1947 einen Antrag der Stadtverwaltung gegeben, das Wappen an das offizielle Geschichtsbild anzupassen. Im September beschloss der Städtische Nationalrat, die Museumsdirektorin Eugenia Łychowska mit der Erarbeitung eines Wappens zu beauftragen.294 Am 28. November desselben Jahres verfügte der MRN »nach lebendiger Diskussion«, den »Halbmond und den Helm des bisherigen Wappens zu tilgen und dafür den piastischen Adler einzusetzen«.295 In den folgenden Jahren wurde diese Version des Wappens, durchaus aber auch noch das deutsche Wappen von

291 Rundbrief Nr. 120 (4. 11. 1946), AAN, Ministerstwo Ziem Odzyskanych [Ministerium der Wiedergewonnenen Gebiete], Sign. 372, Bl. 3. 292 Informator m. Zielonejgjry [Informationsbroschüre der Stadt Zielonagjra]. Zielonagjra 1945. 293 Dworzaczek, Włodzimierz: Herby Miejskie Ziemi Lubuskiej [Stadtwappen der Ziemia Lubuska], in: Sczaniecki, Michał / Zajchowska, Stanisława: Ziemia Lubuska. Poznan´ 1950, S. 546. 294 Sitzungsprotokoll Nr. 10 des Städtischen Nationalrats in Zielona Gjra vom 17. 9. 1947, APZG, Miejska Rada Narodowa w Zielonej Gjrze [Städtischer Nationalrat in Zielona Gjra], Sign. 25, Bl. 53. 295 Sitzungsrotokoll Nr. 14 des Städtischen Nationalrats in Zielona Gjra vom 28. 11. 1947 r., APZG, Miejska Rada Narodowa w Zielonej Gjrze, Sign. 25, Bl. 80.

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Zielona Gjra verwendet – so etwa in einem Lexikon-Eintrag im Jahr 1959 oder in einem Reiseführer von 1957.296 1960 kam es schließlich zu einer erneuten Änderung des Wappens, die durch Korcz angeregt wurde. Er hatte im Juni 1960 eine Studie verfasst, in der er beklagte, dass »wir nach 15 Jahren der Existenz Volkspolens ein Wappen verwenden, das im Jahr 1786, wahrscheinlich durch Friedrich II. kurz vor seinem Tod, bestätigt wurde. Dieses Wappen, Schöpfung des Deutschen, eingemauert in die Wand des Rathauses von Zielona Gjra, hat die polnische Verwaltung mit beunruhigender Sorglosigkeit übernommen und verbreitet.«297

Korcz warf den Entscheidungsträgern vor, die Befürwortung der einstweiligen Beibehaltung des deutschen Wappens nach 1945 zeuge »nicht von Kenntnis über die Vergangenheit der Stadt«.298 Das später eingeführte Wappen, das die »Mauern in preußischer Version« beibehielt und nur den Adler einsetzte, »kann nicht als das richtige angesehen werden und das preußische nicht ersetzen«. Denn, so fuhr Korcz fort, »die Schaffung eines Wappens, das nicht aus der Geschichte der Stadt erwächst und keine Verbindungen zu ihren historischen Traditionen aufweist, wird nur das Ergebnis administrativer Interventionen sein. Immerhin ist das Wappen das Symbol des historischen Entwicklungsweges einer Stadt.«299

Er hatte sich mit der einschlägigen Forschung auseinandergesetzt und schlug vor, das Wappen nach dem ältesten bekannten Stadtsiegel zu gestalten. Er schlug als Motive den »schlesischen Ritterhelm mit Federbusch und Helmdecke« und den schlesischen Adler als Symbol für die schlesischen Piasten vor. »Die Rückkehr zum richtigen Wappen erscheint uns nach 15 Jahren des unkritischen Gebrauchs eines Produktes fremden Geistes, dringende Notwendigkeit. […] Das, was die Ambitionen und Bestrebung der Stadt Grünberg [deutsch im Original, K.H.] zufriedenstellen konnte, kann keinesfalls dem polnischen Zielona Gjra genügen.«300

Nach einer Begutachtung – und einigen Korrekturen von Details – durch den Breslauer Heraldiker Marian Haisig301 folgte der Städtische Nationalrat Korcz 296 Mała Encyklopedia Powszechna PWN [Kleine Allgemeine Enzyklopädie des PWN]. Warszawa 1959, S. 510; Zielonogjrski Informator, 1957, S. 6. 297 Władysław Korcz: Herb Zielonej Gjry (2. 6. 1960) [Das Wappen von Zielona Gjra (2. 6. 1960)], APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 58, Bl. 328. 298 Ebd., Bl. 336. 299 Ebd. 300 Ebd., Bl. 337. 301 Marian Haisig: Recenzja artykułu »Herb Zielonej Gjry« [Rezension des Artikels »Das Wappen von Zielona Gjra«], APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 58, Bl. 343–346.

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und verfügte zum 15. September 1960 die Änderung des Wappens.302 Die Entscheidung wurde in der Gazeta Zielonogjrska verkündet und ein Abbild des Wappens abgedruckt, allerdings nicht ohne kleine Ungenauigkeiten in der Darstellung des eigentlich geöffneten Tores.303

Abbildung 5: Wappen von Zielona Gjra seit 1960

Offenbar hatte das 1947 beschlossene Wappen wenig Anwendung gefunden, denn es schreiben immer wieder Autoren, dass von 1945 bis 1960 das deutsche Wappen von 1786 verwendet wurde. So tauchte etwa auch im 1960 erschienenen, aber bereits 1959 in den Druck gegebenen Band »Herby miast polskich« (Die Wappen der polnischen Städte) von Marian Gumowski das deutsche Wappen mit Ritterhelm und Halbmond auf.304 Im Reiseführer von 1965 stellte Korcz das neue Stadtwappen vor und machte deutlich, dass es sich auf das älteste bekannte Siegel Zielona Gjras beziehe, als Zielona Gjra zum Königreich der Piasten der Glogauer Linie gehörte.305 Die Erinnerung war offenbar erforderlich, denn die Verbreitung gestaltete sich nicht einfach. Bei einer in Warschau organisierten Ausstellung über die Westgebiete anlässlich des 1. Mai 1966 gebrauchten die Autoren fälschlicherweise – zudem nicht gänzlich korrekt – das deutsche Wappen Zielona Gjras.306 Auch nach der Entscheidung für ein neues Wappen fanden die Diskussionen kein Ende. Aleksander Fudalej, Direktor des Museums in Nowa Sjl, beschwerte sich, dass einige Wappen der Woiwodschaft Spuren der nicht-polnischen 302 Beschluss Nr. IV/14/60 des Städischen Nationalrats in Zielona Gjra vom 15. Oktober 1960, APZG, Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 58, Bl. 358. 303 Historia herbowa [Wappengeschichte], in: Gazeta Zielonogjrska Nr. 221, 16. 9. 1960, S. 6. 304 Gumowski, Marian: Herby miast polskich [Die Wappen der polnischen Städte]. Warszawa 1960, S. 354. 305 Korcz, Zielona Gjra. Przewodnik, 1965, S. 21. 306 Wrjciły do macierzy… [Sie kehrten zum Mutterland zurück…], AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 685, [o.S.].

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

Herrschaft enthielten. Dies sei etwa am Wappen von Gorzjw zu sehen, er kritisierte aber insbesondere das 1960 vom Städtischen Nationalrat angenommene Wappen von Zielona Gjra, wo er, so Korcz, »den angeblich brandenburgischen Federbusch und die Helmdecke« bemängelte. Korcz verteidigte das Wappen in einer Stellungnahme: »Das Beibehalten einiger Spuren früherer Herrschaft in den Wappen einiger Städte (Gorzjw, Os´no, Sule˛cin, Strzelce Kraj) ist nicht gleichzusetzen mit der Akzeptanz der auf diesen Gebieten durchgeführten Teilungen, sondern ist einzig und allein eine Unterstreichung der historischen Verbindungen, die ihre Einflüsse nicht nicht [sic!] hinterlassen konnten. Die Tatsache lässt sich nicht ungeschehen machen, dass die Gebiete, die in der Frühgeschichte zu Polen gehört haben und 1945 erneut polnisch werden konnten, unter Fremdherrschaft standen.«307

Mit dieser Argumentation fand Korcz einen Weg, die deutschen Spuren zu legitimieren, ohne das Narrativ des »Urpolentums« der Ziemia Lubuska zu hinterfragen. Ein solcher relativ differenzierter Blickwinkel war in den offiziellen Publikationen nicht häufig zu finden. Dass Korcz die Durchsetzung des neuen Wappens ein wichtiges Anliegen war, zeigten auch die Kapitel über das Wappen in zwei von ihm verfassten Reiseführern.308 Abweichend von der Praxis vieler Städte der Westgebiete, die nach 1989 zu den alten Herrschaftssysmbolen zurückkehrten, wurde das 1960 festgelegte Wappen Zielona Gjras im Jahr 2004 vom Stadtrat bestätigt.309 In Gorzjw schien die Umgestaltung des Wappens weniger Kontroversen hervorzurufen. Zwar gehörte es zu den Städten, deren Wappen »zumindest teilweise geändert werden müssen«,310 doch waren diese Anpassungen nur geringfügig und offenbar nicht umstritten. Im März 1946 bat der Stadtpräsident das Ministerium in Warschau um die Bestätigung des vom Staatsarchiv Posen überprüften neuen Wappens.311 Das Archiv in Posen hatte vorgeschlagen, den roten Brandenburger Adler durch einen weißen Adler auf rotem Grund auszutauschen. Die Kleeblätter in den Krallen des Adlers sollten jedoch als »eigenes Merkmal der Stadt Gorzjw«312 erhalten bleiben. Dieser Entwurf wurde zunächst abgelehnt, weil der Adler aus 307 Antwort auf den Brief von A. Fudalej »Stadtwappen der Woiwodschaft Zielona Gjra«, KW PZPR Zielona Gjra, Sign. 1146, Bl. 23–26. 308 Korcz, Zielona Gjra. Przewodnik, 1965, S. 21; Korcz, Zielona Gjra i okolice, 1970, S. 32f. 309 Zum Wappen in Zielona Gjra auch: Strzyz˙ewski, Wojciech: Piecze˛cie i herby Zielonej Gjry [Siegel und Wappen von Zielona Gjra], in: Studia Zielonogjrskie 1995, S. 51–57. 310 Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 381, 277. 311 Schreiben von Leon Kruszona an das Ministerium für Öffentliche Verwaltung in Warschau (6. 3. 1946), AAN, Ministerstwo Ziem Odzyskanych, Sign. 372, Bl. 36. 312 Schreiben von Kaczmarczyk an den Bevollmächtigen der Regierung der Republik Polen für Gorzjw (15. 11. 1945), AAN, Ministerstwo Ziem Odzyskanych, Sign. 372, Bl. 33.

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Abbildung 6: Wappen von Landsberg an der Warthe und von Gorzjw bis 1946 und seit 1996

dem polnischen Wappen Verwendung fand, der für das Staatswappen reserviert war.313 So erarbeitete das West-Institut auf Basis der von der Gorzjwer Stadtverwaltung recherchierten ehemals verwendeten Wappen der Stadt einen neuen Entwurf. Das zog sich zunächst hin, und noch 1948 verwendete Gorzjw kein Wappen.314 Schließlich fiel die Wahl auf einen weißen Adler vor rotem Hintergrund, spiegelverkehrt zum Landsberger Wappen. Auch diese Verbreitung gelang nicht immer unfallfrei. Auf einer Postkarte aus den 1950er Jahren, die das Wappen der Stadt abbildete, wurde das Wappentier als »Brandenburger Adler« bezeichnet. Diesen sollte es aber gerade nicht mehr darstellen. Auch in dem Band von Gumowski wurde der rote Adler abgebildet.315 Mittlerweile verwendet die Stadt wieder das Vorkriegswappen, der rote Adler auf weißem Grund wurde 1996 von der Stadtverwaltung bestätigt.

2.6

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Das offizielle Geschichtsbild der Ziemia Lubuska ordnete sich in das polnische Geschichtsbild nach 1945 ein, wodurch die Region historiographisch in die nationale Tradition integriert wurde. Das Bild zeigte aber regionale Schwerpunkte. Seine Verbreitung wurde in erster Linie durch populärwissenschaftliche Bücher, den Schulunterricht, Reiseführer, die Museen und einzelne lokale Traditionen getragen. Sie alle vermittelten ein erstaunlich einheitliches Bild von der Vergangenheit der Ziemia Lubuska. Neben den hier besprochenen Trägern des Geschichtsbildes beteiligten sich auch Museen und lokale Presse, in der regel313 Schreiben von E. Quirini an den Woiwoden von Posen (20. 5. 1946), AAN, Ministerstwo Ziem Odzyskanych, Sign. 372, Bl. 32. 314 Schreiben an das West-Institut (4. 8. 1948), APG, Zarza˛d Miejski i Miejska Rada Narodowa w Gorzowie, Sign. 301, Bl. 11. 315 Gumowski, Herby, 1960, S. 176.

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

mäßig Artikel über die Geschichte der Region und ihrer Ortschaften erschienen, rege an seiner Verbreitung. Darüber hinaus waren Feiertage, Straßennamen und Denkmäler wichtige Kommunikationsträger. Diese konnten hier nicht oder nur in Einzelfällen berücksichtigt werden, doch ergibt schon die Analyse der ausgewählten Punkte ein aufschlussreiches Bild. Das Geschichtsbild hatte einerseits die Funktion, die Westverschiebung Polens zu rechtfertigen und plausibel erscheinen zu lassen. Andererseits galt es auch, die Bevölkerung der Ziemia Lubuska und das übrige Polen davon zu überzeugen, dass es sich um einen integralen Teil Polens handelte – die »strategische Bedeutung« der Region machte die Ziemia Lubuska zu einem unabkömmlichen Teil Polens und unterstrich die Wichtigkeit der Zugehörigkeit. Aus dem (einmaligen) Verlust wurde eine dauernde Notwendigkeit für Polen abgeleitet. Das sollte sowohl auf Seiten der Lebuser als auch der übrigen Polen dazu führen, die Ziemia Lubuska wert zu schätzen und als polnisch zu erachten. Lange Zeit später, im Jahr 1998, stellte Zbigniew Mazur in einer Umfrage unter der Lehrerschaft der Ziemia Lubuska fest, dass der »Verlust der Ziemia Lubuska« mit 16,3 Prozent nach der Rückkehr zu Polen (52,6 Prozent) das am zweithäufigsten genannte »wichtige Ereignis in der Geschichte der Region«316 war. Die Verbreitung dieses Geschichtsbildes kann also als gelungen bezeichnet werden. Im Hinblick auf Breslau spricht Thum von der »parallelen Existenz einer wissenschaftlichen und einer mythischen Version der Stadtgeschichte«.317 Diese Trennung ist für die Ziemia Lubuska zumindest für den Zeitraum bis 1975 nicht zu beobachten. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass die Region viele Jahre weitestgehend ohne lokale Historiker auskommen musste. Zunächst hatten solche Publikationen Priorität, die das offizielle Geschichtsbild möglichst einfach und unzweideutig darstellten. Zwar sind Unterschiede zu verzeichnen, wie deutlich das »Polentum« betont wurde. Insbesondere die Publikationen von Paukszta und Rutkowski zeichneten sich durch offen propagandistische Elemente aus, während etwa die Stadtgeschichten und auch die Wein-Studien deutlich zurückhaltender erscheinen. Das Interesse an unvoreingenommener und vor allem gründlicher Geschichtserzählung war durchaus vorhanden. Doch lässt sich keine Abweichung vom offiziellen Geschichtsbild verzeichnen. Eine echte Verfälschung der Geschichte lag den Verfassern aber in der Regel fern. Dies wurde deutlich bei den Diskussionen um die Stadtwappen von Zielona Gjra und Gorzjw oder auch bei den Abhandlungen über die »polnische« Weintradition, in denen es ihnen um historische Korrektheit ging. Oftmals wurde die Einseitigkeit 316 Mazur, Zbigniew / Wawruch, Krzysztof: Nauczyciele wobec przeszłos´ci Ziem Zachodnich i Pjłnocnych [Die Einstellung der Lehrer zur Vergangenheit der West- und Nordgebiete] (Zeszyty Instytutu Zachodniego 1998/9), S. 36. 317 Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 310.

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der Darstellung bewusst in Kauf genommen und sogar offen thematisiert. Dies mag damit zusammenhängen, dass sich viele der Autoren der Rolle der Geschichte für die neuen Bewohner bewusst waren. Auffällig ist, wie wenig die Publikationen (und das gesamte Geschichtsbild) von einem marxistischen Weltbild beeinflusst sind. Zwar tauchen vereinzelte Hinweise auf den Klassenkampf auf – so in den Märchen, wo die unterdrückte Arbeiterklasse ihrem Ärger Luft macht oder im Hinweis, dass die »kleinen Leute« dem Germanisierungsdruck in der Ziemia Lubuska am längsten standgehalten hätten. Auch das Weinfest fand schließlich im Rahmen einer typischen sozialistischen Großveranstaltung statt. Doch insgesamt dominiert über den gesamten Zeitraum klar das Narrativ der »urpolnischen« Ziemia Lubuska, und die meisten Publikationen, Filme, Veranstaltungen und Symbole zielten darauf ab, dieses Narrativ zu unterfüttern. Die Darstellung der Gegenwart fügte sich dagegen in die allgemeine sozialistische Erfolgspropaganda ein, wenn auch hier immer wieder die deutsche Vergangenheit als Vergleichsfolie herhalten musste. Man kann kaum davon sprechen, dass sich das Geschichtsbild stark verändert hätte oder dass die Zäsuren der Jahre 1956 und 1970 deutlich würden. In der 1984 erschienenen Nachkriegsgeschichte der Stadt Zielona Gjra war der historische Teil nach wie vor stark auf den Beleg des »Polentums« fokussiert, und die Entwicklung der Stadt in der Volksrepublik wurde als Erfolgsgeschichte dargestellt, die der Rückkehr zu Polen zu verdanken sei.318 In seinen »Szkice z dziejjw miast S´rodkowego Nadodrza« (Skizzen der Geschichte der Städte des Mittleren Odergebiets)319 aus dem Jahr 1985 verwendete Korcz quasi wortgleich einen nur um Unterkapitel zum Weinanbau und zu den Hexenprozessen ergänzten Artikel über Zielona Gjra aus dem Jahr 1971.320 Allenfalls zeigte sich in den 1980er Jahren das Geschichtsbild etwas differenzierter, wie Artikel des Gorzjwer Journalisten Jerzy Zysnarski (geb. 1951) zeigen, in denen immerhin die deutschen Straßennamen auftauchen und die Stadtgründung in den historischen Kontext eingeordnet wird.321 Ein Reiseführer zu Gorzjw aus dem Jahr 1989 erwähnte die slawische Besiedlung der Gegend, vor der Gründung von »Landisberch Nova« durch die Brandenburgischen Markgrafen nicht mehr und nannte als Ursprung des Stadtwappens die »Märkische Zeit«.322 Ein im Mai 1989 318 Szczegjła, Zielona Gjra, 1984, S. 13–28, S. 224. 319 Korcz, Władysław : Szkice z dziejjw miast S´rodkowego Nadodrza [Skizzen von der Geschichte der Städte des Mittleren Odergebietes]. Zielona Gjra 1985, S. 100–139. 320 Abgesehen nur von einem neuen Absatz über den 30-jährigen Krieg und die Katholisierung. Korcz, Studia z dziejjw, 1971, S. 257–285. 321 Zysnarski, Jerzy : 725 lat Gorzowa [725 Jahre Gorzjw], in: Ziemia Gorzowska, Nr. 23, 2. 7. 1982, S. 6f. 322 Kucharski, Bogdan: Gorzjw Wielkopolski i okolice [Gorzjw Wielkopolski und Umgebung]. Warszawa 1989, S. 13f.

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

in Druck gegebenes Buch über die Nachkriegsgeschichte Gorzjws enthielt immerhin die Bezeichnung Landsberg. Aber noch heute ist trotz der engen Zusammenarbeit in deutsch-polnischen Projekten und der zunehmenden Entdeckung des deutschen Kulturerbes in der Ziemia Lubuska die Auffassung zu finden, dass es sich um »urpolnisches« Gebiet handelte, das 1945 zu Polen zurückkehrte.323 Einen Wandel zu erkennen, gestaltet sich auch deshalb schwierig, weil über lange Zeit keine neuen Monographien zur Geschichte der Region und der Städte entstanden. Noch im Jahr 1985 beklagte Zofia Nowakowska, Leiterin des Stadtmuseums von 1968 bis 1975 und Mitglied der PTH, das Fehlen einer zufriedenstellenden Stadtgeschichte für Gorzjw.324 Immerhin erschienen zahlreiche Artikel zur Regional- und Stadtgeschichte in der Ziemia Gorzowska, aber auch in Nadodrze und der Gazeta Lubuska. Dies war zumindest teilweise auf die Spezifik der Westgebietsgeschichtsschreibung zurückzuführen. Zwar stand ab 1950 vielmehr der Klassenkampf als der Volkstumskampf im Vordergrund der polnischen Historiographie. Auch wurde seit den späten 1960er Jahren und insbesondere ab 1970 die Behandlung der deutsch-polnischen Beziehungen sachlicher und stärker quellengestützt. Doch im Hinblick auf die Westgebiete war nach wie vor keine Interpretation außerhalb der gängigen Narrative möglich, sodass diese beiden Bereiche »ungeachtet ihrer inhaltlichen Vebundenheit zunehmend divergierenden Diskursregeln«325 gehorchten. Dass es sich bei der Ziemia Lubuska keineswegs um eine historische Region mit einer einheitlichen Geschichte handelte, schien die meisten Autoren wenig zu stören. Die Verwendung des Begriffs wurde zwar mitunter erläutert, war aber häufig inkonsistent, und nicht immer ging deutlich hervor, welche Region gerade im Zentrum der Ausführungen stand. Oftmals lag der Fokus auf der brandenburgischen Geschichte. Die Geschichte der betreffenden Region wurde ex post zur Geschichte der Ziemia Lubuska gemacht, ihre Existenz rückprojiziert. Die etablierte Tradition des Weinfestes übernahm zweierlei Aufgaben. Zum einen wirkte sie identitätsstiftend, weil sie einzigartig und typisch für Zielona Gjra war, zum anderen popularisierend, weil die Stadt deswegen im ganzen Land bekannt wurde. Musste in anderen Zusammenhängen rhetorisch ein 323 Halicka, Beata: Toz˙samos´c´ regionalna a podwjjna historia miast nadodrzan´skich [Regionale Identität und die doppelte Geschichte der Städte im Oderland], in: Bartkowiak, Przemysław / Kotlarek, Dawid (Hg.): Kultura i społeczen´stwo na S´rodkowym Nadodrzu w XIX i XX wieku [Kultur und Gesellschaft im Mittleren Odergebiet im 19. und 20. Jahrhundert]. Zielona Gjra 2008, S. 13. 324 Kamin´ska, Krystyna: Nie uciekne˛ od historii [Ich fliehe nicht vor der Geschichte], in: Ziemia Gorzowska, Nr. 41, 1985. 325 Guth, Geschichte, 2015, S. 224f.

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Zeitraum von 600 Jahren überbrückt werden, wurde hinsichtlich des Weinfestes unmittelbar an eine lokale Tradition der Vorkriegszeit angeknüpft, die polonisiert und umcodiert wurde. Dass es sich dabei eigentlich um eine fremde Tradition handelte, schien kein Problem darzustellen. Die Weintradition wurde stattdessen mit dem Ort Zielona Gjra und nicht mit den Deutschen in Verbindung gebracht, wodurch sie unverdächtig wurde. Die Aneignung dieser Tradition war derart erfolgreich, dass sie über das Jahr 1989 hinaus weiter funktionierte.326 Dabei ist die Nachkriegstradition des Weinanbaus ein plastisches Beispiel für die Herausbildung neuer hybrider Traditionen: aus dem Osten mitgebrachte Kenntnisse mischten sich mit den Hinterlassenschaften der Deutschen sowie den vor Ort vorgefundenen Trachten der polnischen Bevölkerung, und alles zusammen wurde so zu einer Tradition Zielona Gjras. Es mag sich hier um einen außergewöhnlich anschaulichen Fall handeln, der aber doch ein Beispiel für Traditionsstiftung in den Westgebieten bleibt, die sich aus verschiedenen Quellen speiste. Interessant stellt sich das Verhältnis von nationalen und regionalen Aspekten dar. So ging es zunächst primär darum, die Ziemia Lubuska und ihre Vergangenheit in die polnische Geschichte einzuordnen und ihre Zugehörigkeit zu Polen zu betonen. Paradoxerweise geschah dies auch durch die Propagierung einer regionalen Folklore, die vor allem den Beleg des »Polentums« zum Ziel hatte. Ebenso galt es im Rahmen des wichtigsten lokalen Bezugspunktes, des Weinfestes in Zielona Gjra, eine »polnische« Feier zu entwerfen. So war das Regionale oft Mittel zum Zweck, um das Nationale näherzubringen. Auch die Umbenennung von Straßen nach regionalen Persönlichkeiten folgte diesem Muster, die wenigen betroffenen Straßennamen erinnerten an Personen, die auch für die Rechtfertigung der Zugehörigekeit der Gebiete zu Polen herangezogen wurden. Zumindest aber lässt sich hier das Engagement lokaler Akteure erkennen, denen offenbar daran gelegen war, dass den regionalen Persönlichkeiten ein Denkmal gesetzt wurde. Obwohl die Entwicklungen in der Ziemia Lubuska der von Warschau diktierten Geschichtspolitik folgten, ist doch immer wieder auffällig, wie wenig die zuständigen Stellen in Warschau um die historische und raumbezogene Genauigkeit bei der Darstellung der Ziemia Lubuska bemüht waren. Dies wollten 326 Zur Weintradition in Zielona Gjra über 1989 hinaus siehe: Dziez˙yc, Longin: Tradycje winiarskie i ich znaczenie w kształtowaniu toz˙samos´ci kulturowej Zielonej Gjry i regionu w latach 1945–2015 [Die Weintradition und ihre Bedeutung für die Herausbildung einer kulturellen Identität Zielona Gjras und der Region in den Jahren 1945–2015], in: Nodzyn´ski, Tomasz / Tureczek, Marceli (Hg.): Ziemia Lubuska. Dziedzictwo kulturowe i toz˙samos´c´ regionu w perspektywie powojennego siedemdziesie˛ciolecia [Ziemia Lubuska. Kulturerbe und Identität der Region aus der Perspektive 70 Jahre nach dem Krieg]. Gorzjw Wielkopolski u. a. 2015, S. 227–241.

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Das Geschichtsbild und seine Verbreitung

die regionalen Aktivisten nicht hinnehmen und setzten sich vehement dafür ein, dass korrekt über die Region berichtet wurde. Die deutsche Vergangenheit der Region, die nicht thematisiert werden sollte, spiegelte sich dennoch immer wieder in der Verwendung deutscher Quellen und Literatur oder eben der Anlehnung an das Weinerntefest wider. Auch durch die ständige Kontrastierung mit der deutschen Zeit insbesondere im Bereich der regionalen Entwicklung, war jene sehr präsent. Viele der symbolischen Elemente überdauerten die Wende von 1989. So wird nach wie vor jährlich das Winzerfest begangen, auch das Stadtwappen von Zielona Gjra ist identisch geblieben. Die Hymne der Ziemia Lubuska ist ebenfalls noch dieselbe und wird täglich um 12.00 Uhr in Zielona Gjra gespielt, 2014 wurde in Zielona Gjra eine Straße nach Mazurkiewicz benannt.

3.

»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

Der Entwurf eines Geschichtsbildes und seine Verbreitung waren wichtige Schritte, um das Konstrukt Ziemia Lubuska historisch zu unterfüttern und ihren Bewohnern den Eindruck zu vermitteln, dass sie auf »urpolnischem« Boden lebten. Damit war eine erste Möglichkeit zur Identifikation mit der Ziemia Lubuska als »immer schon polnischem Gebiet« geschaffen. Nun war es wichtig, auch eine Verbindung mit der Gegenwart der Region herzustellen. Eine Bindung an die Region war nicht zuletzt dadurch erschwert, dass die Ziemia Lubuska von einer äußerst heterogenen Bevölkerung bewohnt wurde, zunächst keine regionalen Zentren vorweisen konnte und über keinerlei regionale Institutionen verfügte. Eine besondere Bedeutung kam daher dem kulturellen Leben zu. Es sollte die »Aktivierung« und »Belebung« (aktywizacja) der Region und ihrer Bevölkerung fördern, um die kulturelle Unterentwicklung der Woiwodschaft zu überwinden und die emotionale Bindung an die Ziemia Lubuska zu stärken.1 Einerseits stand also die »kulturelle Bewirtschaftung« (zagospodarowanie kulturalne) der Ziemia Lubuska im Mittelpunkt, andererseits kann man aber auch von einem beginnenden regionsbezogenen Identifikationsprozess sprechen. Untersucht werden hier der Aufbau eines regionalen Kulturlebens auf dem Territorium der Ziemia Lubuska und seine prozesshafte Entwicklung von einem unspezifischen zu einem für die Region typischen Phänomen. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Prozesse in die volkspolnische Vorstellung von Regionalismus, die Wandlungen unterlag, einordnen lassen. Ausprägung und Funktion der kulturellen Aktivitäten waren in den verschiedenen Phasen der polnischen Nachkriegsgeschichte sehr unterschiedlich. Während das kulturelle Leben zwischen 1945 und 1948 durch Spontaneität, Amateurarbeit und relativen Pluralismus gekennzeichnet war, kann man vom Zeitraum zwischen 1949 und 1956 – mit einigen kleinen Einschränkungen – vor allem als einer Phase des

1 Zum allgemeinen Kulturleben etwa: Rutowska / Tomczak, Ziemia Lubuska, 2003, S. 75–87; Zaradny, Władza, 2009; Wallis, Amatorski ruch, 2005; Wallis, Z˙ycie, 2002; Rudiak, Z˙ycie, 2015.

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»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

Stillstandes sprechen. Seine große Blüte erlebte die kulturelle Bewegung2 nach 1956, dem Jahr der Gründung der Lebuser Kulturgesellschaft. Da dieses Jahr auch für die Ziemia Lubuska große Veränderungen mit sich brachte, behandelt das folgende Kapitel die Zeit vor und die Zeit nach 1956 getrennt. Der anschließende Vergleich der Prozesse in Gorzjw und Zielona Gjra zeigt die Abhängigkeit des Kulturlebens von den zentralen politischen Weichenstellungen und die Bedeutung des politischen Zentralismus für die regionale Entwicklung, zeugt aber auch vom bereits vorhandenen Regionalbewusstsein. Zuletzt zeigt der Blick auf einen woiwodschaftsweiten Wettbewerb zur Verschönerung der Ziemia Lubuska einen weiteren Versuch der Aktivierung der Region.

3.1

Das kulturelle Leben bis 1956

Das kulturelle Leben in der Ziemia Lubuska entwickelte sich nach dem Krieg »spontan, [es] integrierte und assimilierte die Gesellschaft«.3 Mangels Personal und Institutionen aus der Zwischenkriegszeit musste sich das kulturelle Leben in der Ziemia Lubuska von Grund auf entwickeln. In Zielona Gjra ließ sich bereits in den ersten Monaten nach dem Krieg eine »enorme kulturelle Belebung« feststellen, die, so Szczegjła, »nach Jahren der Besatzung zweifellos ein Ausdruck der Sehnsucht der Polen nach dem polnischen Wort, polnischen Büchern, polnischer Musik und Liedern war«.4 Grundvoraussetzung war die Entstehung des Schulwesens gewesen, da sich andernfalls keine Neusiedler zur Niederlassung bereit erklärt hätten. Die an diesen Schulen tätigen Lehrer, ebenso wie die Mitarbeiter der rasch eröffneten Bibliotheken, spielten eine bedeutende Rolle bei der Herausbildung des in den ersten Jahren regen und wichtigen Amateur-Kulturlebens.5 Zielona Gjra war in der günstigen Situation, von den Kriegshandlungen weitgehend verschont geblieben zu sein. Daher befand sich die Stadt in einem relativ guten Zustand, was wiederum dazu beitrug, dass sich einige Mitglieder der Intelligenz hier ansiedelten. Ihre Anwesenheit sollte das Leben in Zielona 2 In den zeitgenössischen Quellen wird stets vom »ruch kulturalny« gesprochen, was wörtlich »kulturelle Bewegung« bedeutet und die Gesamtheit der kulturellen Aktivitäten, die von den Bewohnern der Ziemia Lubuska u. a. im Rahmen der LTK ausgingen, bezeichnet, insbesondere in den ersten, sehr lebendigen Jahren. 3 Wallis, Z˙ycie, 2002, S. 202. 4 Szczegjła, Zielona Gjra, 1984, S. 181. 5 Wallis, Z˙ycie, 2002, S. 202. Zur Amateur-Kulturbewegung insbesondere Wallis, Amatorski ruch, 2005, S. 61–93. Zu den Anfängen des kulturellen Lebens unmittelbar 1945: Ratus´, Bronisław : Kształcenie i rozwjj kadr os´wiatowo-kulturalnych na Ziemi Lubuskiej w latach 1945–1965 [Die Ausbildung und Entwicklung von Lehr- und Kulturpersonal in der Ziemia Lubuska in den Jahren 1945–1965]. Poznan´ 1971, S. 34–47.

Das kulturelle Leben bis 1956

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Gjra in den nächsten Jahren prägen.6 Neben den Amateurgruppen waren auch mehrere organisierte Gruppen aktiv, darunter Gewerkschaftsbünde, Pfadfinder, der Bund der Bauernselbsthilfe und die Gesellschaft für Landeskunde. Außerdem wurden in vielen Betrieben Klubräume (s´wietlicy) betrieben und ein Kino hatte seinen Betrieb aufgenommen.7 Das Theater, das 1945 für kurze Zeit geöffnet war, um noch im selben Jahr wieder zu schließen, wurde Ende der 1940er Jahre von Amateurgruppen bespielt. Im Jahr 1951 eröffnete es erneut unter dem Namen Stadttheater von Zielona Gjra (Miejski Teatr Zielonej Gjry) im Jahr 1951 mit einer Vorstellung von »Zemsta« (Rache) des bekanntesten polnischen Komödienautoren Aleksander Fredro. Die Eröffnung mit diesem zum nationalen Kanon gehörenden Stück sollte den Neuansiedlern über das Gefühl der Fremdheit des Ortes hinweghelfen. 1954 wurde das Haus in Staatliches Theater der Ziemia Lubuska (Pan´stwowy Teatr Ziemi Lubuskiej) umbenannt.8 Es war damit neben dem Museum in Gorzjw eine der ersten Institutionen der Region, die auch deren Namen trug. Abgesehen von einem Kino und einem Theater gab es Anfang 1956 in der Stadt keine weiteren kulturellen Einrichtungen und kein Kulturhaus.9 Eine Ausnahme bildete das Museum in Zielona Gjra, das ein wichtiger Akteur des städtischen Kulturprogramms und bei der Herausbildung der Region Ziemia Lubuska werden sollte. Es musste sich den Anforderungen, die nach dem Krieg an die Museen in den Westgebieten gestellt wurden, unterordnen. Auf der 27. Tagung des Bundes der Museen in Polen im September 1946 in Nieborjw waren die Museen in den Westgebieten Gegenstand der Diskussion. Stanisław Lorentz, Direktor des Warschauer Nationalmuseums, machte deutlich, dass »nicht die alten deutschen Museen berücksichtigt«, sondern »neue, den polnischen Konzepten von Kultur und Museen entsprechende« geschaffen werden sollten. Dementsprechend hatte zunächst die Ausstellung polnischer Kunst sowie die Darstellung der Urgeschichte der Region Priorität.10 Ähnlich wie mithilfe des Theaterrepertoires sollte es den Bewohnern auf diese Weise leichter gemacht werden, sich in den neuen Gebieten heimisch zu fühlen. Auch ist die klare Absicht zu erkennen, die ehemals deutschen Gebiete als polnisch darzustellen und die deutsche Vergangenheit zu überdecken. Die Museen galten als 6 Szczegjła, Zielona Gjra, 1984, S. 181. 7 Bericht für das 2. Quartal 1948 (19. 6. 1948), APZG, Zarza˛d Miesjki w Zielonej Gjrze, Sign. 24, Bl. 29. 8 Ab 1964 trug es den Namen Teatr Lubuski im. Leona Kruszkowskiego (Lebuser Leon Kruszkowski-Theater). 9 Anmerkungen zum Entwurf des Beschlusses des ZK zur kulturell-didaktischen Arbeit in der Woiwodschaft Zielona Gjra (31. 3. 1956), APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1139, Bl. 54. 10 Sawicka, Stanisława M.: O program muzealny dla Ziem Odzyskanych [Über das Museumsprogramm für die Wiedergewonnenen Gebiete], in: Przegla˛d Zachodni 1946/2, S. 854f.

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»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

»ein gewichtiger Faktor in der Pflege des kulturellen Niveaus« der Gebiete. Um die Bestände vor Zerstörung und Plünderung zu schützen, sollten die Häuser so schnell wie möglich in Betrieb genommen werden.11 Das Museum in Zielona Gjra eröffnete am 1. Juni 1946 als Stadtmuseum (Muzeum Miejskie) und unterstand bis 1949 der Stadt. Zuvor war es bereits für ausgewählte Personen und Gruppen zu besichtigen gewesen. Zwar war die Museumsarbeit in den ersten Jahren vor allem durch »Mangel« gekennzeichnet – Mangel an Personal, Mangel an Räumlichkeiten, Mangel an Exponaten –, doch konnte es ab 1946 dank Ausstellungsstücken aus Posen seine Aufgaben allmählich wahrnehmen. In den ersten Jahren zeichnete sich das Museum durch »intensive kulturell-didaktische sowie propagandistische Arbeit aus«.12 Es ging auf das 1922 gegründete Heimatmuseum der Stadt Grünberg zurück. Dessen Gründer und Leiter, der Deutsche Martin Klose, hatte noch bis 1948 eine Stelle dort inne, was jedoch Beschwerden hevorrief. So äußerte etwa Henryk Greb, Journalist der Głos Wielkopolski (Großpolnische Stimme), 1947 die Sorge, dass »in dem Moment, in dem ich in den Resten des deutschen Altpapiers, zwischen den deutschen ›gelehrten‹ Zeilen, nach den Spuren des Polentums dieser Gegend suche, Dr. Klose, gewarnt durch meine ihm offenbarten Interessen, im Stadtarchiv die möglichen Reste authentischer Dokumente der polnischen Stadt verstecken wird, die Überreste dieser ›unnützen‹ Akten, deren Vernichtung seinen Vorgängern bisher nicht gelungen ist […]«.13

Zunächst blieb Klose jedoch am Museum beschäftigt und half bei seiner Wiedereröffnung. Auch in anderen Bereichen überwog offenbar der Pragmatismus. Viele der Exponate, die im deutschen Museum ausgestellt worden waren, wurden übernommen und mit polnischen Beschriftungen versehen, die nach und nach ausgetauscht wurden.14 Die Texte dafür verfasste Klose, die neue Leiterin des Museums, Eugenia Łychowska, übertrug sie ins Polnische. Auch die Ausstellungsreihenfolge wurde weitestgehend gewahrt, die Abteilungstitel fast wörtlich übersetzt.15 Schließlich überprüfte und ergänzte jedoch Bogdan Kostrzewski von der Universität Posen alle Beschriftungen der Abteilung für Früh11 Ebd., S. 849. 12 Programm der Entwicklung des Museumswesens in der Woiwodschaft Zielona Gjra bis zum Jahr 1990, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej, Sign. 4057, Bl. 102. 13 Niemiecki kierownik polskiego muzeum [Ein deutscher Leiter eines polnischen Museums], in: Głos Wielkopolski, 1. 9. 1947, S. 3. 14 3. Bericht über meine Tätigkeit am Städtischen Heimatmuseum in Grünberg i. Schles. im Jahre 1945 [deutsch im Original, K.H.], APZG, Zarza˛d Miejski w Zielonej Gjrze, Sign. 225, Bl. 18. 15 Ciosk, Anna: Sytuacja muzeum w Zielonej Gjrze po II wojnie ´swiatowej (1945–1948) [Die Situation des Museums in Zielona Gjra nach dem Zweiten Weltkrieg], in: Studia Zielonogjrskie 2002/8, S. 57.

Das kulturelle Leben bis 1956

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geschichte,16 handelte es sich doch gerade bei dieser Epoche um einen besonders sensiblen Bereich, weil sie dem Beleg des »Polentums« diente. Im Mai 1946 wurden diese Arbeiten beschleunigt,17 was damit zusammenhing, dass die deutschen Exponate ungern in den Museen gesehen waren.18 Im April 1946 waren schließlich »die Reste der Spuren des Deutschen aus den Beständen endgültig entfernt«.19 Das traf freilich nur insoweit zu, als keine deutschen Beschriftungen mehr vorhanden waren, denn bei den Exponaten handelte es sich zum Teil um dieselben wie im deutschen Vorkriegsmuseum. Łychowska hatte sich zwar darum bemüht, dem Museum einen polnischen Charakter zu verleihen, allerdings gelangen ihr nur temporäre Ausstellungen polnischer Kunst.20 Die deutschen Exponate wurden für das Museum existenzgefährdend, als das Woiwodschaftsamt Posen 1946 in einem Schreiben an die Stadtverwaltung von Zielona Gjra mit der Unterbrechung der Subventionierung drohte, »bis das Museum nicht in der Form geführt wird, die sicherstellt, dass es polnischen Zielen dient und nicht dem deutschen Regionalismus«.21 Zu Beginn der 1950er Jahre beklagte die lokale Presse den Verfall des Museums und seiner Exponate und machte dafür das Nationalmuseum in Posen verantwortlich, dem das Stadtmuseum seit seiner Verstaatlichung im Jahr 1950, nun als Regionalmuseum (Muzeum Regionalne), unterstand. Seither würden zwar einzelne Renovierungsarbeiten stattfinden, doch der Wiedereröffnungstermin werde immer wieder verschoben.22 In einem Bericht aus den späten 1950er Jahren stellte der Direktor Michał Kubaszewski fest: »Da das Museum keine feste Belegschaft hatte, erfüllte es bis zum Jahr 1953 die Rolle einer Sammelstelle. Die knappen Bestände und die Tatsache, dass keine Auswahl stattgefunden hatte, führten dazu, dass es seine angedachte Rolle nicht erfüllte.«23

Kurz vor der Wiedereröffnung wies der Museumsvorsteher 1954 darauf hin, dass »die Entstehung eines Museums in Zielona Gjra nicht nur eine kulturelle Di-

16 8. Bericht über meine Tätigkeit am Stadtmuseum in Zielona Gjra (Mai 1946), APZG, Zarza˛d Miejski w Zielonej Gjrze, Sign. 225, Bl. 27. 17 Ebd. 18 Sawicka, O program, 1946, S. 852. 19 8. Bericht über meine Tätigkeit am Stadtmuseum in Zielona Gjra (Mai 1946), APZG, Zarza˛d Miejski w Zielonej Gjrze, Sign. 225, Bl. 25. 20 Cincio, Arkadiusz: Historia Muzeum w Zielonej Gjrze [Die Geschichte des Museums in Zielona Gjra], in: Rocznik Lubuski 2005/1, S. 35. 21 Zit.n. Ciosk, Sytuacja, 2002, S. 62. 22 Bernat, Antoni: Cos´ niecos´ o muzeum i o trzech terminach [Etwas über das Museum und über drei Termine], in: Gazeta Zielonogjrska, 20./21. 2. 1954. 23 Diskussionsmaterial zur Tätigkeit des Kreismuseums, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4054, Bl. 25.

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mension, sondern auch eine hochpolitische Aussage«24 habe. Seiner Meinung nach müsse die Stadt als Woiwodschaftshauptstadt über ein Museum verfügen, das in ein Kreismuseum umgewandelt werden könne, also regionale Bedeutung übernehme. Symbolischerweise war die Eröffnung für den 22. Juli 1954 geplant – seit 1945 der wichtigste kommunistische Feiertag Polens zur Erinnerung an die Unterzeichnung des Manifests des Polnischen Komitees der Nationalen Befreiung (Lubliner Komitee) am 22. Juli 1944. Das Museum sollte über drei Abteilungen verfügen: eine Abteilung für Wein, einen Bereich für Naturkunde und Museumspädagogik und eine Abteilung der Geschichte der Menschheit von der Urgeschichte bis zur neuesten Zeit. Die Exponate für die Weinausstellung wurden von der Lebuser Weinproduktion bereitgestellt, alle übrigen stammten aus dem Posener Nationalmuseum oder anderen Museen aus der Woiwodschaft Zielona Gjra. Mit der sehr spezifischen Weinausstellung sprengte das Museum den Rahmen der sonst üblichen Abteilungen, wurde aber u. a. auf diese Weise der Vorgabe gerecht, Wissen über die Region zu vermitteln, die von nun an mit dem Weinanbau assoziiert werden sollte. Anders als etwa das Museum in Breslau, in dem 1954 eine Ausstellung zur gesamten Geschichte Schlesiens (»Zehn Jahrhunderte Schlesien«) eröffnete,25 präsentierte die Weinausstellung hier zwar einen regionalen Bezug, jedoch keine Gesamterzählung der Regionalgeschichte. Die Eröffnung am wichtigsten nationalen Feiertag wiederum betonte eher die Verbindung zu Polen. Erst 1957 stieg das Museum zum Kreismuseum auf, das für das gesamte Territorium der Woiwodschaft Zielona Gjra zuständig war und dem damit das Gorzjwer Museum fortan unterstand.26 Insgesamt war die Arbeit am Museum jedoch von Schwierigkeiten geprägt, so schloss es zwischen 1946 und 1973 seine Ausstellungen immer wieder für mehrere Jahre. Die Gründung der Woiwodschaft Zielona Gjra im Jahr 1950 und der damit verbundene Aufstieg Zielona Gjras zur Woiwodschaftshauptstadt führten zu einer spürbaren Belebung, denn in der Folge entstanden zahlreiche Verwaltungsinstitutionen, die Beschäftigungsmöglichkeiten für gut ausgebildete Personen boten. Darüber hinaus gelangte die Stadt durch ihre Rolle zu neuem Selbstbewusstsein. Nicht zuletzt war dies auch der seit 1952 eigenständigen Gazeta Zielonogjrska zu verdanken, die fortan kulturelle Ereignisse der Region besprach und initiierte. Sollte das Organ der PZPR vor allem über die Politik der 24 Sitzungsprotokoll im Museum in Zielona Gjra am 2. 4. 1954 zur Eröffnung am 22. 7. 1954, APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1149, Bl. 83f. 25 Kretschmann, Vasco: Stadtgeschichte museal. Breslaus deutsche und polnische Geschichtsausstellungen, 1900–2010 (Dissertation an der Freien Universität Berlin, 2016) [erscheint voraussichtlich 2017], S. 349. 26 Die Direktion des Kreismuseums erarbeitete die folgenden Anträge für die Kulturversammlung der Ziemia Lubuska am 5.–6. 7. 1957, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4051, Bl. 6.

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Partei informieren, übernahm es aber auch eine integrierende Funktion und eine wichtige Rolle als Forum für regionale Diskussionen.27 Da die Zeitung nun über eine Redaktion in Zielona Gjra verfügte, zogen Journalisten wie Tadeusz Jasin´ski, Janusz Koniusz, Stanisław Masłowski und Adam Kurczyna in die Stadt, die sich später aktiv für die Region einsetzten.28 Bislang hatte nur ein Journalist dauerhaft in Zielona Gjra gelebt – Mieczysław Turski, der für die Zeitungen anderer Städte aus der Ziemia Lubuska berichtete.29 Von einem stabilen journalistischen Umfeld in der Ziemia Lubuska kann man jedoch erst nach 1956 sprechen.30 Der aus dem schlesischen Sosnowitz (Sosnowiec) stammende Koniusz (geb. 1934) etwa zog nach seinem Studium der Polonistik in Kattowitz (Katowice) und Posen in 1950er Jahren nach Zielona Gjra. Hier wurde er zu einem der wichtigsten Akteure im Bereich des Kulturlebens der Ziemia Lubuska. Er ist Mitbegründer der LTK und von Nadodrze und veröffentlichte zahlreiche Artikel in der regionalen Presse. Trotz dieser positiven Entwicklung fielen die Gründung der Woiwodschaft und der damit verbundene Aufstieg Zielona Gjras zur Woiwodschaftshauptstadt in die Zeit der strengen Zentralisierung der Kultur, so dass sich das regionale kulturelle Leben nicht ungebremst entfalten konnte. Gorzjw, obgleich ungleich stärker zerstört als Zielona Gjra, war in den Jahren unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ebenfalls Schauplatz eines regen kulturellen Lebens. Die Stadt, die schon bald Sitz der Expositur wurde, zeigte von den dreißig Städten der Ziemia Lubuska die größte Dynamik.31 Bereits im September 1945 fand das erste Erntefest (Doz˙ynki) statt, in dessen Rahmen das Stadtmuseum eröffnet wurde, womit Gorzjw, die »Hauptstadt der Ziemia Lubuska«, über das erste polnische Museum in der Ziemia Lubuska verfügte. Außerdem war das Museum in Gorzjw eines von nur 22 Museen in Polen, die bis 27 Wasilewski, Krzysztof: Rola prasy lokalnej w procesie budowania toz˙samos´ci »małych ojczyzn« na przykładzie Ziemi Lubuskiej 1945–1999 [Die Rolle der lokalen Presse für den Prozess des Aufbaus einer Identität der kleinen Heimaten am Beispiel der Ziemia Lubuska 1945–1999], in: Kulczycki, Emanuel / Wendland, Michał (Hg.): Komunikologia. Teoria i praktyka komunikacji [Komunikologia. Theorie und Praxis der Kommunikation]. Poznan´ 2012, S. 229f. 28 Staron´, Edyta: Polityka kulturalna w wojewjdztwie zielonogjrskim w okresie gomułkowskim (1956–1970) [Kulturpolitik in der Woiwodschaft Zielona Gjra in der Gomułka-Zeit (1956–1970], in: Ose˛kowski, Czesław (Hg.): Z dziejjw Ziemi Lubuskiej po II wojnie ´swiatowej [Aus der Geschichte der Ziemia Lubuska nach dem Zweiten Weltkrieg]. Zielona Gjra 2005, S. 184. 29 Wallis, Z˙ycie, 2002, S. 201. 30 Ratus´, Kształcenie, 1971, S. 75. 31 Nowakowska, Zofia: Ruch społeczno-kulturalny w Gorzowie Wlkp. w latach powojennych [Die gesellchaftlich-kulturelle Bewegung in Gorzjw Wlkp. in den Nachkriegsjahren], in: Nadwarcian´ski Rocznik Historyczno-Archiwalny 1994/1, S. 60. Damit überein stimmen Rutowska / Tomczak, Ziemia Lubuska, 2003, S. 63.

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zum Jahresende 1945 seine Arbeit wieder aufgenommen hatten.32 Es trug zunächst den Namen Museum der Ziemia Lubuska (Muzeum Ziemi Lubuskiej) und war damit die erste regionale Institution, die dieses Attribut nutzte. Diese sehr frühe Verwendung des Begriffs für eine Institution zeugt von dem Willen, ihn zu konkretisieren und Gorzjw mit der Region zu identifizieren. Das Museum konnte ebenfalls an ein deutsches Heimatmuseum anknüpfen, obgleich ein Großteil des Gebäudes und des Inventars zerstört worden war. Zwar zog das Museum erst Anfang 1948 in die gut erhaltene und repräsentative JugendstilVilla in der ulica Warszawska um – in der es sich noch heute befindet –, doch konnte es bereits in den alten Räumlichkeiten mit einer Ausstellung zu polnischer Kunst eröffnen. Es handelte sich dabei um eine Schau von Künstlern aus der Ziemia Lubuska. Insgesamt beteiligten sich 17 Personen, die 170 Exponate ausstellten, darunter Zeichnungen, Grafiken, Malerei und Skulpturen. Bei den Teilnehmern handelte es sich sowohl um Mitglieder des Bundes Polnischer Bildender Künstler (Zwia˛zek Polskich Artystjw Plastykjw, Z.P.A.P), also eingetragene Künstler, als auch um Amateurkünstler aus der Region.33 Die Möglichkeit, schon zu diesem Zeitpunkt eine regionale Kunstausstellung zu präsentieren, verdankte Gorzjw der Tatsache, dass sich hier unmittelbar nach dem Krieg einige Künstler angesiedelt hatten, die sich in ihren Werken mit der Region auseinandersetzten. Dazu zählte unter anderem Ziemowit Szuman (1901–1976), der nach dem Krieg von Posen nach Gorzjw gekommen und bis 1948 Referent für Kultur und Kunst der Kreisverwaltung war. Von 1948 bis 1952 leitete er das Museum. Seine Bilder zeigten Gorzjw im Jahr 1946, außerdem malte er Stillleben und Arbeiterbilder. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehörte Włodzimierz Korsak (1886–1973). Er lebte seit 1945 in Gorzjw, wo er bei der örtlichen Direktion für Staatliche Wälder eine Stelle als Jägermeister innehatte. Er fertigte Jagd- und Naturzeichnungen an. So gelang es dem Museum in Gorzjw, der vorgegebenen polnischen Ausstellung auch einen lokalen Charakter zu verleihen. Die Kunstszene in Gorzjw bot von Anfang an die Möglichkeit zur Identifikation mit dem Ort und ist bis heute einer von wenigen Anknüpfungspunkten, den die Gorzjwer mit ihrer Stadt assoziieren. Neben polnischen Bildern aus dem Großpolnischen Museum (Muzeum Wielkopolskie) in Posen wartete das Museum zur Eröffnung mit einer archäologischen Sammlung aus der Ziemia Lubuska auf, die auf in Gorzjw ausgehobenen Exponaten basierte. Außerdem stellte es Kirchenskulpturen und alte Möbel aus der Umgebung von Gorzjw aus.34 Von Anfang an war es dem Museum 32 Brzostowski / Orysiak, Muzea, 1968, S. 9. 33 Bericht der Museums der Ziemia Lubuska in Gorzjw Wlkp. (23. 12. 1949), APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 13, Bl. 40. 34 Bericht (9. 1. 1946), Archiwum Muzeum Lubuskiego im. Jana Dekerta (AML) [Archiv des Lebuser Jan-Dekert-Museums], Muzeum [Museum], Mappe 14.

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möglich, regionale Geschichte mit eigenen Exponaten zu präsentieren. Der Schwerpunkt auf der Region war politisch durchaus vorgesehen. Denn die Museen der Volksrepublik wurden als »Institute des Wissens über die Region« (instytuty wiedzy o regionie) angesehen und ihrer Bildungsarbeit wurde große Bedeutung beigemessen. Seitdem im Jahr 1950 in den Museen pädagogische und Forschungsabteilungen eingerichtet worden waren, sollten die Museen die Funktion der »Universitäten der Kultur« (muzea uniwersytetami kultury) erfüllen und dadurch die polnische Kultur und Kunst popularisieren. In diesem Rahmen hatten sie sowohl einen Bildungs- als auch einen Forschungsauftrag zu erfüllen, sollten also nicht nur Wissen popularisieren, sondern es auch generieren.35 Im Museum der Ziemia Lubuska wurde sowohl durch die Auswahl bereits im deutschen Museum verwendeter Exponate – die archäologischen Fundstücke etwa – als auch durch den Fokus auf aktuelle Kunst aus Gorzjw und Umgebung deutlich gemacht, dass Gorzjw zum einen polnische Wurzeln hatte und zum anderen wieder eine polnische Stadt mit polnischer Kultur geworden war. Um die Zahl der zur Verfügung stehenden Exponate zu erhöhen, wandte sich das Museum im Oktober 1948 mit der Bitte um Leihgaben an die Bevölkerung der Ziemia Lubuska. In erste Linie ginge es um »prähistorische Exponate, wie Stein- und Bronzewerkzeug etc., Münzen, Bilder von der Ziemia Lubuska mit einem Schwerpunkt auf historischen Gebäuden und Holzbauten sowie volkstümlichen Textilien«.36

Der Direktor der Museums, Szuman, schrieb 1949 nach Warschau: »Das hiesige Museum erfüllt durch die Verbreitung von Kultur und Kunst zweifellos wichtige kulturelle Aufgaben – die Besucherzahlen steigen stetig, es festigt sich der Kontakt mit verschiedenen Instituten und vor allem Schulbehörden, die ihre Aufgaben in diesem Bereich ohne die Hilfe des Museums nicht erfüllen könnten.«37

In den nächsten Jahren folgten zahlreiche weitere Ausstellungen, die die Kunst in der Ziemia Lubuska, aber auch die Geschichte und die Landschaft der Region zum Thema und auch im Titel hatten, so etwa Wiederholungen der »Wystawa Plastykjw Ziemi Lubuskiej« (Ausstellung der Künstler der Ziemia Lubuska; 1948, 1949) »Pradzieje Ziemi Lubuskiej« (Die Urgeschichte der Ziemia Lubuska; 1955), »Pie˛kno Ziemi Lubuskiej« (Die Schönheit der Ziemia Lubuska; 1955) oder »Wielkopolska i Lubuska Wystawa Sztuki i Re˛kodziela Ludowego« (Großpol35 Brzostowski / Orysiak, Muzea, 1968, S. 13. 36 Der Vorstand des Museums der Ziemia Lubuska in Gorzjw wendet sich an die Bewohner der Ziemia Lubuska (5. 10. 1948), APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 76, Bl. 10. 37 Schreiben von Ziemowit Szuman an das Stadtmuseum Warschau vom 11. April 1949, APG, Muzeum Lubuskie im. Dekerta, Sign. 8, Bl. 25.

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nische und Lebuser Ausstellung von Kunst und volkstümlichen Kunsthandwerks; 1955).38 Auf diese Weise übernahm das Museum schon sehr früh eine regionsbildende Rolle – es verband die polnische Geschichte mit der Ziemia Lubuska und trug aktiv zur Verbreitung von Bildern und Wissen über die Region sowie des offiziellen (regionalen) Geschichtsbildes bei. 1949 erhielt das Museum einen neuen Namen, zum Jahreswechsel 1950 wurde es in Museum in Gorzjw (Muzeum w Gorzowie) umbenannt. Bald darauf folgte die Verstaatlichung. Für das Museum in Gorzjw war fortan eine besondere Rolle vorgesehen. So erklärte der Direktor Henryk Przybylski: »Nach der Verstaatlichung der Museen im Dezember 1951 wurde in den neuen Räumlichkeiten in Gorzjw das erste Grundlagenmuseum eröffnet, das in seiner Verwirklichung eine wichtige, revolutionäre Leistung des polnischen sozialistischen Gedankens im Bereich des Museumswesens ist. Das Museum verfügt über drei Abteilungen: eine naturkundliche, eine historische und eine regionale. Die naturkundliche und die historische Abteilung stellten knapp das Werk des menschlichen Denkens im Bereich der Ansicht vom Aufbau der Materie und des Universums, die Entstehung des Lebens und des Menschen sowie die Entwicklung der Gesellschaft dar. Die regionale Abteilung illustriert die geographische, natürliche und historische Besonderheit der Region.«39

Damit war das Museum in Gorzjw das erste »Grundlagenmuseum« (muzeum podstawowe) in Polen. Das Profil hatte eine Gruppe Posener Museumswissenschaftler entworfen.40 Es sollte, so der Konservator Janusz Lehmann, »elementare didaktische Aufgaben im Bereich der Weltanschauung für breite gesellschaftliche Massen erfüllen«. Damit würde »dieser Museumstyp […] zu einem grundlegenden Instrument bei der Ausbildung des materialistischen Weltbildes«.41 Im Rahmen der Dauerausstellung unter dem Titel »Historia ´swiata i człowieka« (Die Geschichte der Welt und des Menschen) erschien ein Begleitband vom Museum zur Regionalabteilung, verfasst von H. Zijłkowski. Auch die Posener Wissenschaftler Zajchowska und Sczaniecki waren als Autoren beteiligt.42 Die regionale Ausstellung widmete sich der Region Gorzjw, seiner Landschaft, seiner Geschichte und seiner Geologie. Die Region um Gorzjw 38 Jahresbericht1955, APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 19, Bl. 6, 83. 39 Umfrage (26. 7. 1957), APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 20, Bl. 35. 40 Nowakowska, Zofia: 30 lat działalnos´ci Muzeum w Gorzowie Wlkp. [30 Jahre Museuzm in Gorzjw Wlkp.], in: Szczegjła, Hieronim (Hg.): Gorzjw wlkp. w latach 1945–1975 [Gorzjw Wlkp. in den Jahren 1945–1975]. Gorzjw Wlkp. 1976, S. 91. 41 Lehmann, Janusz: Muzeum podstawowe w Gorzowie [Das Grundlagenmuseum in Gorzjw], in: Muzealnictwo 1953/3, S. 59. 42 Historia s´wiata i człowieka. Przewodnik III. Region Gorzowski [Die Geschichte der Welt und des Menschen. Führer III. Region Gorzjw]. Poznan´ 1953.

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wurde als eine eigene Region dargestellt, der Begriff »Ziemia Lubuska« fiel kaum. Wie jedoch die Bezeichnung Ziemia Lubuska musste auch die »Region Gorzjw« erst erklärt werden: »Dennoch ist unsere Region [region gorzowski] kein künstliches Gebilde. Sie verfügt über eine starke historische Berechtigung, die a) das gesamte rechte Ufer, also den gesamten von Polen kraft der Potsdamer Beschlüsse übernommenen Teil der historischen Ziemia Lubuska (Kreise Sule˛cin und Rzepin), b) das Gebiet der historischen Neumark, das die Frucht der Expansion der Brandenburger Markgrafen auf den Grenzgebieten großpolnischer und pommerscher Siedlungen darstellte (Kreise Gorzjw, Strzelce Krajen´skie, Chojna, Choszchno Mys´libjrz) – also das Territorium das zusammen die sog. an der Oder gelegene Mark (Marchia Transoderana) umfasst.«43

Die Beschreibung von Geologie und Landschaft, die Vorstellung von Flora und Fauna und die Darstellung der regionalen Geschichte nach dem für die Zeit üblichen Muster der Kontinuitätserzählung schlossen sich an. Die Gegenwart wurde über die Beschreibung des »sozialistischen Plans des Aufbaus Gorzjws« und den Sechs-Jahres-Plan in der Region behandelt. Durch die Darstellung der Leistungen der Region im Bereich des Wiederaufbaus und im Aufbau des Sozialismus sollten dem Bewohner der Region Gorzjw Erfolge deutlich gemacht werden, mit denen er etwas verbinden konnte und an denen er selber beteiligt war. Der Bewohner sollte auf diese Weise zum aktiven Engagement für den weiteren Aufbau des Sozialismus in Polen ermuntert werden.44 So diente das Museum im ersten Nachkriegsjahrzehnt vor allem der Verbreitung der These des »Urpolentums« der Region und der Sichtbarmachung der polnischen Präsenz vor Ort, fokussierte aber auch die positive Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg und fügte sich damit in die »Erfolgspropaganda« ein. Daneben beteiligte es sich durch seine Ausstellungen an der Konstruktion der »Region Gorzjw«. Dass mitten im Hochstalinismus eine Ausstellung einen relativ klaren Schwerpunkt auf die Regionalgeschichte legen konnte, ist damit zu erklären, dass diese Vorgehensweise im Hinblick auf die Westgebiete oftmals gebilligt wurde, um die Herstellung einer Bindung der neuen Bevölkerung an den Ort zu erleichtern.45 Anders als in Breslau, wo seit 1954 die Geschichte ganz Schlesiens vom »feudalen Schlesien« bis hin zu »Schlesien in der Volksrepublik« ausgestellt wurde,46 war diese Form der historischen Überblicksschau hier auf die Region Gorzjw beschränkt. Das Zentrum der Ziemia Lubuska war schließlich Zielona Gjra, wo eine solche Ausstellung jedoch nie entstand. Neben dem Museum spielte in Gorzjw auch das städtische Theater eine 43 44 45 46

Ebd., S. 3. Lehmann, Muzeum, 1953, S. 66. Strauchold, Mys´l, 2003, S. 281f. Kretschmann, Stadtgeschichte, 2016, S. 350.

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wichtige Rolle. Es wurde kurz nach dem Krieg gegründet, schloss jedoch bald wieder und wurde nach einer halbjährigen Pause 1947 als Juliusz-OsterwaTheater abermals eröffnet, benannt nach dem polnischen Schauspieler, Theaterregisseur und Gründer des experimentellen Theaters Reduta. In Betrieb genommen wurde das Theater mit dem Stück »Damy i huzary« (Damen und Husaren) von Fredro, also, wie in Zielona Gjra, mit einem sehr bekannten Werk des polnischen Dramatikers. Aufgrund finanzieller Probleme siedelte die dafür beschäftigte Gruppe professioneller Schauspieler jedoch noch im selben Jahr nach Breslau um.47 Ähnlich wie in Zielona Gjra waren auch in Gorzjw die Laiengruppen sehr engagiert, so engagiert sogar, dass noch nach 1950 eine Philharmonie und ein Amateurtheater gegründet wurden.48 Ein besonderer Fall war die im Februar 1948 von Leon Kruszona ins Leben gerufene Gesellschaft der Liebhaber Gorzjws (Towarzystwo Miłos´nikjw Gorzowa, TMG), die kein Ableger einer polenweiten Organisation, sondern als lokale Initiative entstanden war. Kruszona (1909–1990) hatte vor dem Zweiten Weltkrieg als Sekretär des Westverbandes im Kreis Holstein fungiert, zwischen 1945 und 1949 war er Vizepräsident der Stadt Gorzjw.49 Die TMG hatte es sich zum Ziel gesetzt, »die geistige, künstlerische und physische Kultur der Bewohner der Stadt Gorzjw zu entwickeln und zu verbreiten sowie die Liebe und Verbindung des Bürgers zu seiner Stadt auf verschiedensten Wegen und Weisen zu wecken.«50

Um dies zu erreichen, waren Lesungen, Vorträge, Kurse, Ausstellungen, Publikationen und die Eröffnung von Bibliotheken vorgesehen. Ende 1948 wurde Kruszona wegen rechts-nationalistischer Attacken angeklagt und verließ kurz darauf die Stadt in Richtung Warschau,51 woraufhin die Aktivitäten der TMG erstarben.52 Mitglied der TMG war auch Natalia Bukowiecka-Kruszona, die seit 1945 in Gorzjw lebte. Sie verfasste eine kontrovers diskutierte Erzählung über die ersten Jahre in Gorzjw, die in mehreren Teilen unter dem Titel »Rubiez˙« (Grenzland) ab Februar 1948 in der Głos Wielkopolski erschien und bei der es sich um das erste fiktive Werk über die Westgebiete handelte.53 Man kann im 47 Wallis, Amatorski ruch, 2005, S. 70. 48 Szczegjła, Zielona Gjra, 1984, S. 182. 49 Gorzjw przez wieki [Gorzjw durch die Jahrhunderte], verfügbar unter : www.gorzowlandsberg.pl/wladcy.html [13. 10. 2016]. 50 Satzung der Gesellschaft der Liebhaber Gorzjws, APG, Polski Zwia˛zek Zachodni Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie 1945–1948, Sign. 2, Bl. 80. 51 Multimedialna encyklopedia Gorzowa Wielkopolskiego [Multimediale Enzyklopädie von Gorzjw Wielkopolski], verfügbar unter : http://encyklopedia.wimbp.gorzow.pl [13. 10. 2016]. 52 Nowakowska, Ruch społeczno-kulturalny, 1993, S. 67. 53 Die Erzählung spielte in den Jahren 1945 bis 1946 in der fiktiven Stadt Rubiez˙, die aber

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Hinblick auf die TMG von einem ersten Versuch sprechen, eine institutionalisierte Beschäftigung mit der Stadt zu fördern. Erstickt wurde sie durch die politischen Entwicklungen in Polen. Insbesondere in Gorzjw kann man also schon für die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg regionsbildende und identifikationsstiftende Aktivitäten ausmachen sowie eine Bereitschaft, sich mit dem Ort und der Region auseinanderzusetzen. Zu dieser Zeit war Gorzjw die Hauptstadt der Ziemia Lubuska, was offensichtlich die Identifikation mit der Region erleichterte. Durch die im Theater aufgeführten polnischen Stücke und die Museumsausstellungen zur polnischen Geschichte wurden für die Bewohner von Gorzjw auch nationale Identifikationsmöglichkeiten geschaffen. Ein wichtiger Akteur im gesellschaftlichen Leben der gesamten Ziemia Lubuska war der Polnische Westverband (PZZ). Er setzte sich für die Oder-NeißeGrenze ein und beteiligte sich an den Ansiedlungs- und Verifizierungsprozessen in den 1940er Jahren. Zwar handelte es sich dabei keinesfalls um eine lokale Initiative, doch waren die Aktivitäten des PZZ vielerorts sichtbar. Nach der Gründung der Expositur in Gorzjw war der regionale Zweig des Westverbands in der Ziemia Lubuska (PZZ Okre˛g Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie Wlkp.) enstanden. Seine Ziele waren klar politisch motiviert und lagen insbesondere in »der Verbindung der Westgebiete mit dem Mutterland« und der »Weckung und dem Erhalt der Wachsamkeit der polnischen Nation vor der ewig drohenden deutschen Gefahr«.54 So gehörten die Mobilisierung zu Demonstrationen etwa gegen die Reden von Churchill und Byrnes ebenso zum Programm des Westverbandes wie die Vermittlung des offiziellen Geschichtsbildes. Auch im Hinblick auf die Ziemia Lubuska galt es als wichtigste Aufgabe, sie »für immer mit dem Mutterland« zu verbinden. Dafür setzte der Westverband die Verifizierungen und die Ansiedlungen fort, engagierte sich für den Wiederaufbau und bemühte sich, aus der heterogenen Ansiedlerbevölkerung in der Ziemia Lubuska »eine große polnische Familie« zu schaffen. Außerdem appellierte der Westverband an die regionale Verbundenheit bzw. wollte diese fördern. So hatte er es sich zum Ziel gesetzt, einen »Lebuser« (Lubuszanin) bzw. einen Oderlandgrenzbewohner (Kresowiec Nadodrzan´ski) zu schaffen, »der sich an den besten Traditionen der Geschichte der polnischen Literatur orientiert, an den polnischen Bewohnern der Westgebiete: an Jurand von Spychjw [einer Figur aus Henryk Sienkiewicz’ berühmten Werk ›Krzyz˙acy‹, die sich gegen die Ordensritter

eindeutig als Gorzjw identifiziert wurde. Rymar, Dariusz: Natalia Bukowiecka i jej Rubiez˙ [Natalia Bukowiecka und ihr Rubiez˙], in: Bukowiecka-Kruszona, Natalia: Rubiez˙ [Rubiez˙]. Gorzjw Wlkp. 1998, S. 20f. 54 Die Rolle und die Aufgaben des PZZ in der Ziemia Lubuska (Edmund Grudzinski, Vorsitzender des PZZ in Gorzjw Wlkp.), APG, Polski Zwia˛zek Zachodni Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie 1945–1948, Sign. 2, Bl. 1.

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auflehnt, K.H.] oder den S´limaks aus dem Stück Placjwka von Prus [polnische Bauern, die sich weigern, ihr Land an die Deutschen zu verkaufen, K.H.].«55

Gleichzeitig sollten die Deutschen und Volksdeutschen ausgesiedelt und ihre Spuren beseitigt sowie der Bevölkerung deutlich gemacht werden, dass von den Deutschen trotz des Sieges über Hitler immer noch Gefahr ausgehe. Der Westverband versuchte also, über die Schaffung eines Regionalbewusstseins das Nationalbewusstsein zu stärken. Ebenso galt es, »der gesamten örtlichen Gesellschaft die Geschichte der Ziemia Lubuska und die Bande, die sie seit Jahrhunderten mit dem Mutterland (Macierz) verbinden, bewusst und verfügbar zu machen«.56

In der Aufforderung zur Teilnahme am polenweiten Referendum von 1946 wurde die regionale Bevölkerung jedoch als »Polen der Ziemia Lubuska« (Polacy Ziemi Lubuskiej) bezeichnet, nicht als »Lebuser« (Lubuszanie).57 Dies macht noch einmal deutlich, dass der Westverband insbesondere an der Propagierung des »Polentums« der Region interessiert war, obschon er dafür regionale Anknüpfungspunkte bemühte. Wenngleich eine klare politische Motivation hinter den kulturellen Aktivitäten des PZZ steckte, so war dieser unmittelbar nach dem Krieg doch ein signifikanter Akteur im Kulturleben der Ziemia Lubuska. Die kulturelle Arbeit war eines der Vehikel, um seine Vorhaben zu verwirklichen. So veranstaltete der PZZ Lesungen, Sport- und Musikfeste, plante Ausflüge58 und organisierte Bücher für die Bibliotheken.59 Bildung und Kultur in der Ziemia Lubuska sollten auf diese Weise gestärkt werden und etwa Gesellschaftshäuser (Domy Społeczne) an all jenen Orten entstehen, an denen kein Kreis der PZZ aktiv war. Das erste von zahlreichen Gesellschaftshäusern in der Ziemia Lubuska öffnete im November 1945 in Gorzjw und beherbergte die erste Bibliothek der Stadt. Auf Initiative des PZZ und des Kuratoriums des Schulkreises in Posen entstanden in den nächsten Jahren weitere Häuser dieser Art.60 Die Räumlich55 Ebd., Bl. 2. 56 Ebd., Bl. 3. 57 Flugblatt des Polnischen Westverbandes von 1946, APG, Polski Zwia˛zek Zachodni Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie 1945–1948, Sign. 6. 58 Tätigkeitsbericht des Polnischen Westverbands in Gorzjw für den Zeitraum 25. 9. 1945 bis 10. 2. 1946 (10. 2. 1946); Bericht des Kreises des PZZ in Gorzjw für den Zeitraum 10. 2. 1946 bis 25. 1. 1947 (22. 2. 1947), APG, Polski Zwia˛zek Zachodni Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie 1945–1948, Sign. 2, Bl. 36–39, 40–42. 59 Anmerkungen zur Verwendung des 2. Punktes der Anordnung des Woiwodschaftsamts 4395/45 in den Kreisen der Ziemia Lubuska, APG, Starostwo Powiatowe w Gorzowie [Bezirksamt in Gorzjw], Sign. 1054, Bl. 34. 60 Ratus´, Bronisław / Dzieran, Stanisław : Os´wiata, nauka, kultura [Bildung, Wissenschaft, Kultur], in: Wa˛sicki, Jan (Hg.): Zielonogjrskie. Rozwjj wojewjdztwa w Polsce Ludowej [Die Woiwodschaft Zielona Gjra. Die Entwicklung einer Woiwodschaft in der Volksrepublik Polen]. Warszawa 1970, S. 207.

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keiten waren vornehmlich Veranstaltungen, die zur »Polonisierung« der Region beitrugen, vorbehalten,61 wurden aber auch Amateurgruppen wie Chören oder Orchestern zur Verfügung gestellt.62 Sie sollten als »Ort der Begegnung« den verschiedenen in der Ziemia Lubuska lebenden Bevölkerungsgruppen dienen, damit diese Kontakte untereinander knüpfen und sich kennenlernen konnten.63 Auf diese Weise förderten sie auch die Integration der heterogenen Bevölkerung der Ziemia Lubuska. Ähnlich agierte der Westverband in Oberschlesien.64 Darüber hinaus veröffentlichte der Westverband Material zur Ziemia Lubuska, nicht zuletzt um die Geschichte der Region an jeden Bewohner zu vermitteln.65 Anlässlich des Erntefests im Jahr 1945 gab er eine der ersten Publikationen zur Ziemia Lubuska überhaupt heraus und beteiligte sich damit aktiv an der Verbreitung von Wissen über die Region. Es lässt sich beobachten, dass bis 1948 auf der einen Seite ein reges AmateurKulturleben in der Ziemia Lubuska entstanden war und auf der anderen Seite die kulturellen Bedürfnisse der Westgebiete von offizieller Seite durchaus gesehen wurden. Die Museen, der Westverband, die Betriebe, verschiedene Gesellschaften und Initiativen des Kulturministeriums führten Veranstaltungen und Lesungen durch, die neben rein unterhaltenden Inhalten auch Themen betrafen, die die Bewohner an die Region und ihre Geschichte heran führen sollten.66 Doch auch in dieser Zeit siedelten sich wenige Mitglieder der Intelligenz an, da diese sich vorzugsweise in Großstädten niederließen, welche es in der Ziemia Lubuska nicht gab. Das trotz aller Aktivitäten verhältnismäßig schwach ausgeprägte Kulturleben und der fehlende Kontakt zu wissenschaftlichen Milieus stellten zusätzliche Hindernisse dar.67 In dieser Zeit sind im Bereich der Kultur erste regionsbildende Bemühungen zu verzeichnen. Bereits in den 1940er Jahren lässt sich eine gewisse Fokussierung auf die Region feststellen – manifestiert in der Vorgehensweise des Westverbandes, den Ausstellungen in den Museen und der TMG. Neben der Förderung des Kulturlebens an sich und damit der Weiterentwicklung der Region zielte die 61 Vorhaben und Umsetzung der PTH in Gorzjw im Zeitraum ihrer 10-jährigen Aktivität (1970–1980), APG, Polskie Towarzystwo Historyczne [Polnische Historische Gesellschaft], Sign. 15, Bl. 93–96. 62 Arbeitsbericht des Referats für Kultur, Kunst und Bildung des Bezirksamts in Gorzjw für November 1945, APG, Starostwo Powiatowe w Gorzowie, Sign. 1051, Bl. 36f. 63 Rutowska / Tomczak, Ziemia Lubuska, 2003, S. 61. 64 Polak-Springer, Recovered, 2015, S. 191–197. 65 Die Rolle und die Aufgaben des PZZ in der Ziemia Lubuska (Edmund Grudzinski, Vorsitzender des PZZ in Gorzjw Wlkp.), APG, Polski Zwia˛zek Zachodni Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie 1945–1948, Sign. 2, Bl. 2–5. 66 Tekst Z´rjdłowy 84 (21. 5. 1946) [Quellentext 84 (21. 5. 1946)], in: Instytut Kultury : Ministerstwo Kultury i Sztuki w dokumentach 1918–1998 [Das Ministerium für Kunst und Kultur in Dokumenten 1918–1998]. Warszawa 1998, S. 231. 67 Ratus´, Kształcenie, 1971, S. 43.

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»Aktivierung« darauf ab, die Bindung der Bevölkerung an die Ziemia Lubuska zu fördern und damit die Integration in den polnischen Staat zu erleichtern. Nach 1948 wurde die Dynamik, durch die sich das Kulturleben in der Ziemia Lubuska auszeichnete, jäh unterbrochen. Im Zuge der zentralistischen Kulturpolitik der Volksrepublik Polen, die die Vereinheitlichung und Ideologisierung des gesellschaftlichen Lebens mit sich brachte, sollten alle gesellschaftlichen Aktivitäten zentralisiert werden, um sie leichter kontrollieren zu können. Das bedeutete für viele regionale Einrichtungen nach 1949 die Liquidation.68 Insbesondere in den Westgebieten war die Zeit zwischen 1949 und 1956 eine Phase der Ausbremsung, zum Teil sogar des Rückgangs bereits fortgeschrittener Entwicklungen.69 Denn die 1948 ausgerufene Parole der Partei, dass die Integration der Westgebiete in den polnischen Staat nun abgeschlossen sei, führte dazu, dass die Bemühungen um die Integration abgebrochen, das zuständige Ministerium geschlossen und der Westverband liquidiert wurden. So entstanden auch in der Ziemia Lubuska zu Beginn der 1950er Jahre kaum neue Initiativen. Überdies fehlten hier in dieser Zeit regionale Institutionen und Identifikationsangebote. So wurde zwischen 1948 und 1956 zwar das Schulsystem weiter ausgebaut, der Analphabetismus sehr erfolgreich bekämpft und viele Bücher und Zeitschriften herausgegeben, doch war es eine Tatsache, dass »die gesamte damalige Kultur- und Bildungsrevolution in den Streitwagen der totalitären Ideologie eingespannt war«.70 In der Woiwodschaft Zielona Gjra war die Zeit trotz der starken Einschränkungen auch eine Phase der Popularisierung von Presse, Theater und Literatur.71 Die Museen waren in diesen Jahren zwar nicht durchgängig geöffnet, und in ihren Ausstellungen schlug sich der Stalinismus deutlich nieder, dennoch legten sie bereits starke regionale Schwerpunkte. Auch aus dieser Zeit stammte das 1953 entstandene Lebuser Gesangs- und Tanzensemble, das seit 1954 die gesamte Woiwodschaft repräsentierte. Dieser Verein hat von den vor 1956 gegründeten am längsten überdauert – er ist bis heute aktiv.72 So waren die Aktivitäten der ersten Nachkriegsjahre nicht spurlos an der Ziemia Lubuska vorbeigezogen. Vor allem die rege Amateurbewegung trug dazu bei, dass sich ein Personenkreis herausbildete, der später im kulturellen Bereich arbeiten konnte.73 68 Friszke, Andrzej: Polska. Losy pan´stwa i narodu 1939–1989 [Polen. Das Schicksal des Staates und der Nation 1939–1989]. Warszawa 2003, S. 179f. 69 Szczegjła, Ziemie Zachodnie, 1984, S. 24. 70 Dudek, Antoni / Zblewski, Zdzisław : Utopia nad Wisła˛. Historia Peerelu [Die Utopie an der Weichsel. Eine Geschichte der Volksrepublik Polen]. Warszawa 2012, S. 89, 118. 71 Koniusz, O społecznym ruchu, 1968, S. 66. 72 Dies hatte seine Ursache insbesondere in der Unterstützung durch die Woiwodschaftsregierung, die das Ensemble als repräsentativ für die gesamte Woiwodschaft ansah. Ratus´, Kształcenie, 1971, S. 73. 73 Ebd., S. 72–74.

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3.2

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Ein wichtiger Wendepunkt in der volkspolnischen Kulturpolitik und damit auch für das kulturelle Leben und die regionale Identifikationsstiftung der Woiwodschaft Zielona Gjra war das Jahr 1956. Die Liberalisierungen in der Kulturpolitik führten dazu, dass die Aktivisten »den Atem wieder erlangten«.74 Weiterhin galt jedoch, dass das kulturelle Leben eng in die sozialistische Politik mit all ihren Einschränkungen eingebunden war.75 Dennoch konnte sich das kulturelle Leben nun freier entwickeln, denn die Partei strebte zwar nach der Kontrolle über die Kultur im Land, forderte aber vor allem ihre Verbreitung. So wurden etwa als relevant angesehene Publikationen mit großen Auflagen gefördert. Auf diese Weise erreichten einige populärwissenschaftliche Titel sogar kleine Ortschaften.76 Ziele und Aufgaben der volkspolnischen Kulturpolitik nach 1956 waren vor allem die Entwicklung und Stärkung des nationalen Kulturguts sowie die Verbreitung der kommunistischen Kultur, die Befriedigung der kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft, die Verstetigung der Teilnahme der Künstler am Aufbau des sozialistischen Systems und die Aktivierung der kulturellen Institutionen.77 Das bedeutete zwar nicht, dass nicht auch im kulturellen Bereich weiterhin der »Aufbau des Sozialismus« im Mittelpunkt stand, doch ermöglichten die Veränderungen des organisatorischen Rahmens und der Aufbruch des starren Zentralismus die Belebung des Kulturlebens.78 Die »führende Rolle der Partei im Bereich der Kultur« sollte sich nunmehr in der massenhaften, aktiven Teilnahme von Parteimitgliedern am kulturellen Leben widerspiegeln. Die Leitung dieser Aktivitäten wurde den Nationalräten übertragen.79 Das Jahr 1956 brachte auch eine Kehrtwende in der Politik gegenüber den Westgebieten. Hatte die Partei 1948 die Integration für abgeschlossen erklärt, räumte sie nun ein, dass sowohl im Hinblick auf das Sicherheits- und Stabilitätsgefühl der Bevölkerung als auch in der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung der Westgebiete beträchtliche Mängel zu verzeichnen waren. Diese sollten nun aktiv angegangen werden, um die wirtschaftliche Entwicklung zu 74 Friszke, Andrzej: Kultura czy ideologia? Polityka kulturalna kierwonictwa PZPR w latach 1957–1963 [Kultur oder Ideologie? Die Kulturpolitik der Führung der VPAP in den Jahren 1957–1963], in: ders. (Hg.): Władza a społeczen´stwo w PRL [Staat und Gesellschaft in der Volksrepublik Polen]. Warszawa 2003, S. 143. 75 Friszke, Polska, 2003, S. 280. 76 Ebd., S. 284. 77 Kossak, Jerzy : Rozwjj kultury w Polsce Ludowej [Die Entwicklung der Kultur in der Volksrepublik Polen]. Warszawa 1974, S. 12, 17. 78 Reczek, Rafał: Z˙ycie społeczno-polityczne w Wielkopolsce w latach 1956–1970 [Das gesellschaftlich-kulturelle Leben in Großpolen in den Jahren 1956–1970]. Poznan´ 2008, S. 266. 79 Skrzypiec, Jjzef: Polityka kulturalna Polski Ludowej [Die Kulturpolitik der Volksrepublik Polen]. Warszawa 1985, S. 97.

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fördern und die Bindung der Neusiedler an die Westgebiete zu stärken. In diesem Zusammenhang entstand die Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete, die die wirtschaftliche und kulturelle Aktivierung der Westgebiete zur Aufgabe hatte. Vor diesem Hintergrund fand im Juni 1956 in der Ziemia Lubuska eine Sitzung des Woiwodschaftsnationalrats zur Kultur statt, in der festgehalten wurde, dass das Kulturnetz in der Woiwodschaft noch nicht zufriedenstellend entwickelt und die Mitarbeiter nicht hinlänglich ausgebildet seien.80 So veränderte sich die Ausgestaltung des kulturellen Lebens auch in der Ziemia Lubuska. Es war nach wie vor ein Vehikel zur Verbreitung der sozialistischen Werte, doch waren in einem gewissen Ausmaß regionale Ausprägungen möglich. Weiterhin war es nun integraler Bestandteil und explizite Funktion des kulturellen Lebens, Wissen über die Ziemia Lubuska zu produzieren und vor allem zu verbreiten. Die Region sollte als solche etabliert und stabilisiert werden. Im Hinblick auf die Westgebiete wird darüber hinaus immer wieder betont, welch wichtige Rolle die kulturelle Bewegung der 1950er Jahre für die Integration der Bevölkerung und die Stabilisierung der Region spielte.81 Ausgehend von dieser Annahme, nimmt das folgende Kapitel diese beiden Punkte in den Blick, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, wie sie sich in der Ziemia Lubuska konkret gestalteten. Dabei geht es aber um mehr als nur das staatlich verordnete Kulturprogramm zur Verbreitung der Geschichte der Odergebiete. Darüber hinaus stehen auch die Entstehung der regionalen Kultur sowie die Anfänge der aktiven Beschäftigung mit der Region und ihrer Kultur ab 1956 im Blickpunkt. Denn, so wie Jan Trzynadlowski, langjähriger Generalsekretär der Breslauer Wissenschaftsgesellschaft (Wrocławskie Towarzystwo Naukowe), einst über die gesellschaftliche und wissenschaftliche Bewegung in Breslau urteilte, sie habe »das zeitgenössische polnische Breslau geschaffen«,82 kann man sagen, dass die kulturelle und wissen-

80 Die Entwicklung der Kultur in der Woiwodschaft Zielona Gjra seit 1956, APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1139, Bl. 210–230. 81 Domke, Radosław : Kultura i os´wiata w Gorzowie Wielkopolskim w czasach stalinowskich (1948–1956) [Kultur und Bildung in Gorzjw Wielkopolski zu Zeiten des Stalinismus (1948– 1956)], in: Bartkowiak, Przemysław / Kotlarek, Dawid (Hg.): W słuz˙bie władzy czy społeczen´stwa? Wybrany problemy kultury i nauki na S´rodkowym Nadodrzu w latach 1945–1989 [Im Dienst des Staates oder der Gesellschaft? Ausgewählte Probleme der Kultur und Wissenschaft im Mittleren Odergebiet in den Jahren 1945–1989]. Zielona Gjra 2010, S.8; Dziez˙yc´, Przeobraz˙enia, 2010, S.55, Wallis, Amatorski ruch, 2005; Konieczka-S´liwin´ska, Edukacyjny nurt, 2011, S. 84f. 82 Trzynadłowski, Jan: Rola dolnos´la˛skich towarzystw regionalnych w rozwoju kultury regionu [Die Rolle der niederschlesichen regionalen Gesellschaften für die Entwicklung der Kultur der Region], in: Os´rodek Badan´ Naukowych im. Wojciecha Ke˛trzyn´skiego w Olszytnie / Instytut Kultury w Warszawie (Hg.): Rola społecznego ruchu kultury w integracji Ziem Odzyskanych [Die Rolle der gesellschaftlichen Kulturbewegung für die Integration der Wiedergewonnenen Gebiete]. Ciechanjw 1986, S. 24.

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schaftliche Bewegung der Ziemia Lubuska auf ähnliche Weise die Ziemia Lubuska schuf.

3.2.1 Regionalismus in der Volksrepublik Polen Der Regionalismus hat in Polen eine lange Tradition, wobei seine Ursprünge umstritten sind. Danuta Konieczka-S´liwin´ska weist darauf hin, dass die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Datierung der Anfänge des polnischen Regionalismus dem uneinheitlichen Verständnis des Begriffs »Regionalismus« geschuldet seien. Verbinde man mit ihm eine organisierte gesellschaftliche Bewegung, so gehe er auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Definiere man »Regionalismus« hingegen als Interesse an einer Region, so seien die Anfänge deutlich früher zu suchen. Der Beginn der Regionalforschung in Polen falle allerdings zweifelsfrei in die Mitte des 19. Jahrhunderts.83 Mit Blick auf das 19. Jahrhundert handelt es sich bei dem Begriff Regionalismus jedoch um eine retrospektive Bezeichnung, denn erst im Jahr 1923 wurde der Begriff in Polen üblich, da der Terminus ›Region‹ für eine territoriale Einheit zuvor nicht geläufig war.84 Stattdessen wurde eher von der »Heimatbewegung« (ruch małych ojczyzn) gesprochen.85 Als Quellen für diese Bewegung wird in der Forschung einerseits die Romantik mit ihrem neuen Blick auf die »Heimat« genannt, andererseits die Tradition gesellschaftlicher Aktivität, die nun »zur inneren Stärkung des Landes« übernommen wurde.86 Im 19. Jahrhundert waren regionale Aktivitäten jedoch häufig privater Natur oder fanden sogar heimlich statt, da es keinen polnischen Staat und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts keine institutionellen Strukturen gab.87 Gleichzeitig standen vor dem Hintergrund der Teilungen Polens in dieser Zeit jedoch die Orientierung an und die Identifizierung mit der Nation im Vordergrund.88 Die Verbindung von Nationalismus und Regionalismus funktionierte, indem man die Region, in der man lebte, als Re83 Konieczka-S´liwin´ska, Edukacyjny nurt, 2011, S. 62f. 84 Kulak, Teresa: Regionen ohne Regionalismus. Das polnische Konzept eines »offenen Regionalismus« nach 1989, in: Troebst, Stefan / Ruchniewicz, Krzysztof (Hg.): Diktaturbewältigung und nationale Selbstvergewisserung. Geschichtskulturen in Spanien und Polen im Vergleich. Wrocław 2004, S. 245. 85 Traba, Robert: S´wiadomos´c´ historyczna i postawy narodowe w Polsce po roku 1989 [Historisches Bewusstsein und die nationalen Einstellungen in Polen nach 1989], in: Linek, Bernard u. a. (Hg.): Fenomen nowoczesnego nacjonalizmu w Europie S´rodkowej [Das Phänomen des modernen Nationalismus in Mitteleuropa]. Opole 1997, S. 161. 86 Sługocki, Janusz: Zagadnienia regionalizmu i toz˙samos´ci regionalnej [Fragen des Regionalismus und der regionalen Identität]. Bydgoszcz 1990, S. 19; außerdem: Traba, Regionalismus in Polen, 2003, S. 276; Kulak, Regionen, 2004, S. 245. 87 Kulak, Regionen, 2004, S. 246f. 88 Z˙ylin´ski, Regionalismus, 2008, S. 293.

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präsentantin des Vaterlandes liebte, also »eine Sakralisierung der ideologischen Heimat durch die private Heimat«89 stattfand. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Wiedererstehung des polnischen Staates entstand eine gesamtpolnische Regionalbewegung, die zunächst das Kennenlernen aller Gebiete des neuen Staates zum Ziel hatte.90 Aleksander Patkowski, der als Vater des polnischen Regionalismus in der Zwischenkriegszeit gilt, verstand darunter das Interesse an der nächsten Umgebung, wobei er den Regionalismus vor allem mit dem literarischen Milieu verband.91 In diese Zeit fällt auch die Herausbildung einer wissenschaftlichen Landeskunde in Polen, die eng mit dem Regionalismus verknüpft war.92 In der Zwischenkriegszeit stützte sich die Regionalismusbewegung vor allem auf die Polnische Landeskundliche Gesellschaft und den Bund der polnischen Lehrerschaft der allgemeinen Schulen (Zwia˛zek Polskiego Nauczycielstwa Szkjł Powszechnych). In diesen Organisationen sowie lokalen und regionalen Vereinen fanden sich die meisten Akteure zusammen.93 1926 erschien das »Programm des polnischen Regionalismus« (Program regionalizmu polskiego), welches ein Versuch war, der erstarkenden Bewegung eine polenweite Dimension hinzuzufügen.94 Das Programm verwarf zunächst jegliche separatistischen Gedanken und unterstrich stattdessen die Notwendigkeit, die staatliche Einheit zu stärken. Weiterhin widmete es sich Fragen des kulturellen Lebens in Polen und hob die Wichtigkeit der Verbindung von gesellschaftlicher Arbeit und wissenschaftlicher Regionalforschung hervor.95 Nach dem Maiputsch im Jahr 1926 geriet die Bewegung in Gefahr, da die neue Regierung den Regionalismus einzuschränken suchte, um die Aktivitäten der Vereine nationaler Minderheiten zu unterbinden.96 Die Regionalismusbewegung in Polen zwischen 1945 und 1990 lässt sich in verschiedene Phasen einteilen, wobei die Forschungsliteratur in der Aufteilung uneins ist. Unumstritten ist jedoch die Wende von 1956.97 Unmittelbar nach dem

89 90 91 92 93 94 95 96 97

Traba, S´wiadomos´c´, 1997, S. 161. Kulak, Regionen, 2004, S. 247. Konieczka-S´liwin´ska, Edujacyjny nurt, 2011, S. 42, 60. Wieczorek, Edward [o. J.]. Sługocki, Zagadnienia, 1990, S. 21. Ebd., S. 22. Ebd., S. 22f. Kulak, Regionen, 2004, S. 248. Sługocki, Zagadnienia, 1990; Konieczka-S´liwin´ska: Regionalizm w polskich szkołach (1945– 1989). Mie˛dzy teoria˛ a praktyka˛ [Regionalismus in den polnischen Schulen (1945–1989). Zwischen Theorie und Praxis], in: Jankowiak, Stanisław u. a. (Hg.): Społeczen´stwo PRL. Tom I: Historia [Die Gesellschaft der Volksrepublik Polen. Band 1: Geschichte]. Poznan´ 2011, S. 247; Ste˛pkowski, Lech / Jadach, Jan: Z dziejjw regionalizmu polskiego: materiały IV Krajowego Forum Regionalistyczngeo, Staszjw-Sandomierz, 25–27 wrzes´nia 1997 [Von der Geschichte des polnischen Regionalismus. Materialien des 4. Landesforums Regionalismus],

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Zweiten Weltkrieg war das Klima ungünstig für regionale Strömungen. Nicht viele Organisationen der Zwischenkriegszeit nahmen ihre Tätigkeit wieder auf. Die wenigen Organisationen, die es gab, wurden Ende der 1940er Jahre liquidiert, denn der Regionalismus schien mit der sozialistischen Kulturpolitik nicht vereinbar.98 Auch passte der Regionalismus nicht in die zentralistischen und bürokratischen Vorstellungen vom gesellschaftlichen Leben. Demgemäß spielte Regionalgeschichte in den 1940er und frühen 1950er Jahren auch im polnischen Schulunterricht keine Rolle.99 Dennoch erwachte das Interesse an der Regionalgeschichte in dieser Zeit erneut. Das galt insbesondere im Hinblick auf die Westgebiete. Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg gab es Bestrebungen, mithilfe des Regionalismus der Bevölkerung die neuen Gebiete näherzubringen und damit zu ihrer Integration in den polnischen Staat beizutragen.100 So etwa durch den Westverband, dessen regionsbezogene Rhetorik aus diesem Grund von der Partei toleriert wurde, solange das Ziel der Schaffung einer homogenen polnischen Gesellschaft nicht unterwandert wurde.101 Aus Sicht des Westverbandes war es wichtig, die Westgebiete nicht als eine Region zu behandeln, sondern den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer einzelnen Teile Rechnung zu tragen.102 Dass ausgerechnet durch Regionalismus die nationale Einheit gestärkt werden sollte, mag zunächst paradox klingen. Doch gerade die autchothone Bevölkerung, die bislang nicht innerhalb der polnischen Staatsgrenzen gelebt hatte, sollte über die Region an einen Patriotismus herangeführt werden.103 So war im Hinblick auf die Westgebiete zu einem gewissen Grad eine Form von Regionalismus im Sinne der Darstellung der Eigenarten der neuen Gebiete möglich, obwohl er nicht in das sozialistische Weltbild passte. Der Regionalismus wurde hier aus »politischem Pragmatismus« toleriert, auch weil man sich die Entstehung von Bindungen an die neu besiedelten Regionen erhoffte.104 In der Ziemia Lubuska drückte sich dies vor 1956 nicht nur durch die Aktivitäten des Westverbands aus, sondern auch durch regionale Ausstellungen in den Museen, die Entstehung eines landeskundlich-touristischen Regionalismus (siehe dazu Kapitel 5) und die staatlich geförderte Entstehung einer Folklore. Die auf den Oktober 1956 folgende Liberalisierung ermöglichte schließlich die

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in: Zare˛bski, Maciej Andrzej (Hg.): Regionalizm a historia [Regionalismus und Geschichte]. Staszjw 1998, S. 18. Sługocki, Zagadnienia, 1990, S. 27. Konieczka-S´liwin´ska, Regionalizm, 2011, S. 250. ˇ ezn&k, Milosˇ u. a.: Regional History and the Regional Agenda in Romania, the Czech R Republic, Poland and Slovakia, in: Ellis, Steven G. / Michailidis, Iakovos (Hg.): Regional and Transnational History in Europe. Pisa 2011, S. 111. Polak-Springer, Recovered, 2015, S. 197. Strauchold, Regionalistyka, 2004, S. 254. Ebd., S. 253. Strauchold, Mys´l, 2003, S. 280–282.

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weitere Ausgestaltung des Regionalismus. Es nahmen nicht nur bereits bestehende Organisationen ihre Arbeit wieder auf, sondern es entstanden zahlreiche neue Vereine, die der Regionalismusbewegung zugeordnet werden können. Diese wurde jetzt von den staatlichen Behörden unterstützt und finanziert, wobei stets darauf geachtet wurde, dass sie sich in die sozialistische Kulturpolitik einfügten und den zentralistischen Interessen nicht zuwider liefen.105 So ließ die Politik eine Selbstverwaltung der regionalen Milieus nie zu, was aber ein zentraler Bestandteil des Regionalismus ist.106 Da das Regime einen Regionalismus, der eine Gefährdung des Zentralismus darstellte, fürchtete,107 hatte der zulässige Regionalismus seine Grenzen, und die Regionen wurden von administrativen Kräften definiert, statt sich an historischen Territorien zu orientieren. So galt es insbesondere in den Grenzgebieten, ihre Heterogenität zu mindern, da die Thematisierug von nationalen oder kulturellen Minderheiten die »moralischpolitische Einheit der polnischen Nation« zu unterlaufen drohte.108 Es wird deutlich, dass der Begriff des Regionalismus nach 1956 eine gänzlich andere Bedeutung als in der Zwischenkriegszeit hatte. Jerzy Kossak, Autor mehrerer Monographien zur Kulturpolitik der Volksrepublik, beschrieb 1974 einen Wandel der gesellschaftlichen Funktion des Nachkriegsregionalismus im Vergleich zur Zwischenkriegszeit. Die Tradition des Regionalismus werde zwar fortgesetzt, doch seien die gesellschaftlichen Bedingungen andere, mittlerweile sei der Regionalismus Teil der gesamtgesellschaftlichen kulturellen Aktivität und einer der wichtigsten Faktoren für die kulturelle Aktivierung und Mobilisierung der Gesellschaft.109 1968 grenzte Janusz Koniusz, Mitbegründer und Chefredakteur der Lebuser Kulturzeitschrift Nadodrze, diese beiden Formen des Regionalismus voneinander ab. Der Regionalismus der 1950er Jahre habe danach nichts mit dem historischen Regionalismus gemein, weil sich ersterer ausschließlich im kulturellen Bereich abspielte und dort konkrete Aufgaben zu erfüllen hatte.110 Gestützt wurde er auch von einer staatlichen Organisation, der nach 1956 entstandenen Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete (TRZZ). Die TRZZ legte großen Wert auf die »Entwicklung eines […] sozialis105 Bednarek, Stefan: Regionalizm dolnos´la˛ski – teraz´niejszos´c´ i przyszłos´c´ [Der niederschlesische Regionalismus – Gegenwart und Zukunft], in: Omelaniuk, Anatol Jan (Hg.): Regionalizm polski u progu XXI wieku [Polnischer Regionalismus an der Schwelle zum 21. Jahrhundert]. Wrocław 1994, S. 63. 106 Kulak, Regionen, 2004, S. 248. 107 Ciechocin´ska, Maria: Regionalizm na obszarach pogranicznych [Regionalismus in den Grenzgebieten], in: Omelaniuk, Anatol Jan (Hg.): Regionalizm polski u progu XXI wieku [Der polnische Regionalismus an der Schwelle zum 21. Jahrhundert]. Wrocław 1994, S. 46. 108 Ebd., S. 45. 109 Kossak, Rozwjj, 1974, S. 171f. 110 Koniusz, Janusz: Czy zmiana warty? [Lohnt sich eine Veränderung?], in: Nadodrze, 1.– 15. 4. 1968, S. 1.

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tischen lokalen Patriotismus in den West- und Nordgebieten und die auf dieser Basis wachsende regionale Bewegung«.111 Sie erachtete den regionalen Patriotismus als »Motor des weiteren, unaufhaltsamen Fortschritts«.112 Betrachtet man die Aktivitäten der regionalen Gesellschaften nach 1956, kann man davon ausgehen, dass sich der Begriff nach 1956 auf die neu entstehende Form gesellschaftlich-kultureller Aktivität bezog, die insbesondere von regionalen Vereinen getragen wurde. In deren Rahmen entstanden zahlreiche Publikationen zu den jeweiligen Regionen, und ihre Aktivitäten dienten der Popularisierung der Region und dem Appell an die Bürger zur Beschäftigung mit der Region. Nach 1956 zielte der Regionalismus insbesondere auf die Weiterentwicklung der Kultur auch in peripher gelegenen Teilen des Landes ab,113 was ohne Frage eine Folge der Abhängigkeit des Kultursektors vom Staat war. Regionale historische Eigenarten hingegen beschränkten sich auf die vorgeschriebene Folklore und deren Pflege in den staatlich finanzierten Kulturvereinen.114 Stand vor dem Krieg die »Erhaltung bzw. Stärkung der kulturellen Identität einer bestimmten Region« im Vordergrund, war es nun die »Nivellierung von Missverhältnissen in der kulturellen Entwicklung des Landes und der Zugang der Gesellschaft zu Kulturgütern«.115 Konieczka-S´liwin´ska bezeichnet diesen Regionalismus, dessen Wiederauferstehung nur im Bereich der gesellschaftlich-kulturellen Arbeit und innerhalb der Rahmenbedingungen der staatlichen Kulturvereine möglich war, als »kulturellen Regionalismus« (regionalizm kulturalny).116 Die regional verankerten kulturellen Gesellschaften verfolgten insbesondere zwei Ziele: die Verbreitung und Entwicklung von Kultur mittels der Belebung der intellektuellen und künstlerischen Schichten und die Kultivierung von kulturellen und historischen Traditionen der Region.117 Dass der »klassische Regionalismus«, der an eine historisch gewachsene Region gebunden war, tatsächlich keinen besonders großen Stellenwert im sozialistischen System hatte, zeigte sich, als im Zuge der Verwaltungsreform von 1975 historisch gewachsene Regionen auf mehrere Woiwodschaften aufgeteilt wurden, ohne auf Kultur und Geographie Rücksicht zu nehmen.118 Im Zusammenhang mit der Regionalismusbewegung nach 1956 wurde auch die Regionalforschung und Lokalgeschichte, die bislang ein »Stiefkind« der

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Zit. n. Strauchold, Regionalistyka, 2004, S. 262. Zit. n. ebd., S. 263. Sługocki, Zagadnienia, 1990, S. 28. Z˙ylin´ski, Regionalismus, 2008, S. 297. Sługocki, Zagadnienia, 1990, S. 28. Konieczka-S´liwin´ska, Regionalizm, 2011, S. 247. Sługocki, Zagadnienia, 2008, S. 30. Bednarek, Regionalizm 1994, S. 63.

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volkspolnischen Wissenschaft119 gewesen war, wieder möglich und auf Initiative der zahlreichen regionalen Kultur- und Wissenschaftsgesellschaften entstanden Dutzende Publikationen zu den jeweiligen Regionen. Robert Traba bezeichnet die Jahre nach 1956 als »Blütezeit der Regionalistik«.120 Auch tauchte im Schulprogramm des Jahres 1957 erstmals die Regionalgeschichte auf.121 Der Regionalismus nach 1956 beschränkte sich also nicht allein auf den kulturellen Sektor, sondern umschloss durchaus auch die Regionalforschung und Regionalgeschichte. In den Westgebieten Polens spielte die regionale Bewegung eine besondere Rolle, insbesondere als Vehikel zur Integration der Bevölkerung und der Bindung an ihren neuen Wohnort.122 Ihre Hauptziele bestanden in der Verbreitung von Wissen über die Region und der Aktivierung zur kulturellen Arbeit.123 Sługocki geht daher davon aus, dass es sich im Nachkriegspolen eher um einen »integrativen« Regionalismus handelte, der zur gesellschaftlichen Integration genutzt wurde und nicht so sehr auf Traditionen beruhte, sondern vielmehr auf neuen Elementen der Kultur und zeitgenössischen Werten der Region (»Neoregionalismus«). Dieser habe es ermöglicht, eine Identität zu schaffen, ohne die Herkunft der Bewohner zu berücksichtigen.124 So lautete denn auch eine Stimme in der Diskussion um den neuen Regionalismus in der Polityka (Politik) im Jahr 1961: »Der neue Regionalismus entsteht gleichzeitig in alten und neuen Regionen, aber in seiner reinsten Form findet er sich in den neuen Regionen. Die neue Region ist eine Folge der Stabilisierung der neuen Gesellschaft von Städten, Siedlungen und Städtchen. […] Die neue Region konzentriert sich um ein anderes Zentrum als ein traditionelles.«125

Im Hinblick auf die Ziemia Lubuska kam dem Regionalismus laut Janusz Koniusz die Aufgabe zu, »die Inhalte der kulturellen Arbeit« an die »Lebuser Problematik« anzupassen.126 Wie in ganz Polen lagen die Hauptziele der Bewegung auch hier in der Schaffung und Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska sowie in der kulturellen Aktivierung der Region. Der Regionalhistoriker Korcz verstand unter Regionalismus vor allem die Beschäftigung mit der

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Halicka, Polens Wilder Westen, 2013, S. 295. Traba, Regionalismus in Polen, 2003, S. 277. Konieczka-S´liwin´ska, Regionalizm, 2011, S. 252. Konieczka-S´liwin´ska, Edukacyjny nurt, 2011, S. 84. Halicka, Polens Wilder Westen, 2013, S. 296. Sługocki, Zagadnienia, 1990, S. 33. W strone˛ neoregionalizmu [In Richtung Neoregionalismus], in: Polityka 1961/32, S. 5, zit.n. Konieczka-S´liwin´ska, Regionalizm, 2011, S. 249. 126 Koniusz, O społecznym ruchu, 1968, S. 71.

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Region, die er insbesondere von Lehrern einforderte.127 Dadurch sollte die Integration in den polnischen Staat fortgesetzt und die Aneignung der Region durch die Bewohner begünstigt werden.

3.2.2 Die Gründung der Lebuser Kulturgesellschaft Ein in seiner Bedeutung für die Ziemia Lubuska kaum zu überschätzender Schritt war die Gründung der Lebuser Kulturgesellschaft (Lubuskie Towarzystwo Kultury, LTK), der ersten regionalen Institution, die einen Großteil des Kulturlebens der Woiwodschaft unter ihrem Dach vereinte. Sie ermöglichte die Schaffung und Verbreitung von Wissen über die Region und förderte den Austausch der aktiven »Regionalisten« (regionalis´ci) – ein Begriff, der für jene Personen verwendet wurden, die sich für die (kulturellen) Belange der Region einsetzten. Noch im Januar 1957 schrieb Janusz Koniusz in der Gazeta Zielonogjrska: »Nur eines ist sicher : es gibt in Polen keine zweite Woiwodschaft, die kulturell derart vernachlässigt ist wie unsere. Wir sind dumpfe, tiefe Provinz, sind nur Konsumenten kultureller Güter, bestenfalls ihre passiven Rezipienten. Unser Beitrag zur gegenwärtigen Wissenschaft, Kunst und Kultur ist minimal. Das Interesse an kulturellen Angelegenheiten ist bei uns sehr schwach. Es reicht, an die niedrigen Besuchszahlen bei Symphoniekonzerten, in den Ausstellungssälen und die Reaktionen auf einige Theateraufführungen zu erinnern. Das Wissen über die Vergangenheit der Ziemia Lubuska ist innerhalb unserer Jugend beunruhigend gering.«128

Koniusz wünschte sich, dass eine regionale Kulturgesellschaft nicht nur das kulturelle Leben und die Erforschung der Ziemia Lubuska vorantreiben, sondern auch die Verbreitung von Lebuser Legenden und Märchen und die Erinnerungen an das »Polentum« der Region angehen möge. Mit diesem Artikel begann eine rege Diskussion in der lokalen Presse. Viele Leser reagierten mit zustimmenden Leserbriefen, eine Leserin bezeichnete den von Koniusz beschriebenen Zustand als »Zielona Gjra’sche Krankheit« (choroba zielonogjrska).129 Wenige Monate später klagte der Museumsdirektor Michał Kubaszewski über die »Abwanderung wertvollen wissenschaftlichen Personals in andere Woiwodschaften« und forderte von den örtlichen Nationalräten, Bedingungen 127 Korcz, Władysław : Regionalizm i nauczyciele [Regionalismus und die Lehrer], in: Odra 1961/5, S. 85–87. 128 Koniusz, Janusz: O potrzebie awansu [Zur Notwendigkeit des Aufstiegs], in: Gazeta Zielonogjrska, 26./27. 1. 1957. 129 Bieniek, Ingeborga: Awansowac´, ale jak? [Aufsteigen, aber wie?], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 41, 16./17. 2. 1957.

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zu schaffen, die zur Ansiedlung und Aufnahme einer Arbeit in der Ziemia Lubuska ermutigten.130 In der Hoffnung, diesen Missständen entgegenzuwirken, begannen als direkte Folge der Liberalisierung im polnischen Kultursektor in der Ziemia Lubuska in der zweiten Hälfte des Jahres 1956 die Vorbereitungen für eine Erste Kulturversammlung (I Sejmik Kultury).131 Die Initiative dafür entsprang unter anderem den vielen Intelligenzklubs und Kulturgesellschaften, die nach dem Oktober 1956 auch in der Ziemia Lubuska »wie Pilze aus dem Boden«132 schossen. Die Kulturversammlung sollte »eine neue Dekade der Lebuser Kultur eröffnen«.133 Die ersten Tage der Lebuser Kultur (Dni Kultury Lubuskiej) im Juni 1957 bildeten den Auftakt für die lang erwartete Zusammenkunft. Regionale und überregionale Vertreter aus Wissenschaft und Kultur trafen sich, um die genannten Probleme zu besprechen. Der Sitzungspräsident Władysław Dra˛z˙owski, Direktor der Woiwodschaftsbibliothek in Zielona Gjra, hob in seinem Referat die bisherigen kulturpolitischen Fehler in der Woiwodschaft hervor. Im Verlauf der Sitzung wurde deutlich herausgearbeitet, an welchen Initiativen und Institutionen es der jungen Woiwodschaft mangelte.134 Die Atmosphäre auf der Versammlung war äußerst enthusiastisch, es herrschte geradezu eine Aufbruchsstimmung. So erinnerte sich Sauter : »Es kamen einige hundert Leute, darunter viele von denen, die für ein paar Jahre überhaupt keine Möglichkeit gehabt hatten, zu agieren, es herrschte Begeisterung, die Diskussion zeugte von großem Engagement. Einer der Redner trommelte im Eifer des Gefechts so stark mit den Fäusten auf das Rednerpult, dass das Glas zerbrach.«135

Die Gründung der Lebuser Kulturgesellschaft im Rahmen dieser Kulturversammlung in Zielona Gjra am 5. und 6. Juli 1957 war schließlich eine direkte Antwort auf die festgestellten Defizite der Woiwodschaft im Bereich der Kultur. Die Unterstützung Posener Wissenschaftler war für die Gründung einer solchen Gesellschaft unerlässlich, da vor Ort keine ausreichende Expertise vorhanden 130 Die Direktion des Kreismuseums erarbeitete die folgenden Anträge für die Kulturversammlung der Ziemia Lubuska am 5.–6. 7. 1957, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4051, Bl. 8. 131 Staron´, Polityka, 2005, S. 184. 132 Sauter, Wiesław : Wsze˛dzie wre z˙ycie, jakiego tu nigdy nie było… [Überall tobt das Leben, was es hier noch nie gab…], in: Dulczewski, Zygmunt (Hg.): Mjj dom nad Odra˛. Problem autochtonizacji [Mein Haus an der Oder. Das Problem der Autchothonisierung]. Zielona Gjra 1976, S. 198. 133 Horowicz, Michał: Kierunek: Sejmik Kultury [Richtung: Kulturversammlung], in: Gazeta Zielonogjrska, 11./12. 5. 1957. 134 Tomaszewski, Janusz: Lubuskie Towarzystwo Kultury w Zielonej Gjrze [Die Lebuser Kulturgesellschaft in Zielona Gjra], in: Przegla˛d Zachodni 1957/4, S. 471f. 135 Sauter, Wsze˛dzie, 1976, S. 198.

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war. Mitbegründer waren u. a. Sczaniecki und der Historiker Jan Wa˛sicki, letzterer saß der LTK sogar einige Jahre als Vorstand vor. Auf der Versammlung wurden die Absichten der LTK wie folgt formuliert: »Während wir in unseren westlichen Grenzgebieten die wichtige und verantwortungsvolle historische Mission der Bekämpfung der großen feindlichen Gelüste des westdeutschen Revisionismus erfüllen, fördern und festigen wir die Wurzeln des Polentums dieser Gebiete und legen Zeugnis ab von ihrer Einheit und Unzertrennlichkeit mit Polen.«136

Es wird deutlich, dass für die LTK auch die politische Aufgabe vorgesehen war, den westdeutschen Thesen von der Verwahrlosung der Westgebiete etwas entgegensetzen zu können. Gleichzeitig lassen aber die Erwartungen und Hoffnungen lokaler Akteure eher darauf schließen, dass ihnen vor allem das Fortkommen der Woiwodschaft als Selbstzweck wichtig war. Beide Positionen spiegeln sich im Aufgabenkatalog der LTK wider : erstens der Aufbau des kulturellen Lebens in Kleinstädten und Dörfern, zweitens die Pflege der regionalen Traditionen der Ziemia Lubuska. Letzteres sollte gelingen durch die Popularisierung volkstümlicher Werke, die Verstärkung der wissenschaftlichen Erforschung der Region und die Veröffentlichung der Ergebnisse, die Erhaltung von Belegen des »Polentums« sowie die Einführung von Regionalgeschichte in den Schulen. Drittens nahm sich die LTK vor, gute Arbeitsbedingungen für Künstler und Wissenschaftler zu schaffen und viertens möglichst viele Veröffentlichungen über Kultur und Wissenschaft in der Ziemia Lubuska zu produzieren. Außerdem stellte die Versammlung fest, »dass die Kultur der Ziemia Lubuska durch ihre Traditionen, Geschichte und Denkmäler der geistlichen und materiellen Kultur ein integraler Teil der [polnischen, K.H.] Volkskultur ist. Im Zusammenhang damit wendet sie sich mit einem Antrag an das Ministerium für Kultur und Kunst mit dem Ziel, die durch das Fehlen von wissenschaftlichen Zentren, Hochschulen, Instituten, hervorragende Literaten, Wissenschaftlern, Publizisten auf unserem Gebiet entstandenen Mängel zu kompensieren.«137

Die Versammlung forderte darüber hinaus ein größeres allgemeines Interesse an der Region sowie den Ausbau des Tourismus, um die Region bekannter zu machen. Wie anderswo in Polen übernahm in der Woiwodschaft Zielona Gjra fortan die LTK die Koordinationsrolle für kulturelle Aktivitäten. Da unter ihrer Schirmherrschaft eine Reihe lokaler Kulturgesellschaften in kleineren Ortschaften der Region entstanden bzw. weitergeführt wurden, kann man sagen, 136 Beschlussentwurf der Antragskommission 1957, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 904, Bl. 56. 137 Ebd.

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dass sie auch für die Verbreitung und Stärkung der kulturellen Bewegung »von unten« verantwortlich war, beziehungsweise die Aktiven in der gesamten Woiwodschaft »unter einen Hut brachte«. Dies war durchaus im Interesse der Parteipolitik, die keine Einzelgänger im Kulturbereich vorsah. Kulturgesellschaften wie die LTK ersetzten an vielen Orten Polens zunächst auch die nicht existierenden kulturellen Institutionen.138 Interessant ist dabei, dass die LTK nicht, wie anderswo üblich, den Namen der Woiwodschaft trug, sondern dass man auf den Begriff der Ziemia Lubuska zurückgriff. Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass sich in Gorzjw niemand mit einer Kulturgesellschaft des Namens Zielona Gjra identifiziert hätte, während die Ziemia Lubuska trotz aller Diskussionen das die beiden konkurrierenden Woiwodschaftsteile verbindende Element war. Mit der Gründung der LTKwaren viele und sehr unterschiedliche Hoffnungen verbunden. Neben der kulturellen Belebung erhoffte sich das Woiwodschaftkomitee der PZPR (Komitet Wojewjdzki PZPR, KW PZPR) auch eine Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung der Woiwodschaft, während die Wissenschaftler aus Posen und Breslau zur selbständigen Erforschung der Region aufriefen. Einige forderten sogar die Errichtung eines Wissenschaftlichen Zentrums der Polnischen Akademie der Wissenschaften (Stacja Naukowa PAN), denn um »den Historikern etwas abzufordern, muss man für sie Arbeitsbedingungen schaffen«. Auch wurden Klagen laut, dass Archiv und Museum in Zielona Gjra nach wie vor nicht über angemessene Räumlichkeiten verfügten und viele lokale Arbeitnehmer – etwa die Mitarbeiter des Museums – keine Unterkünfte vor Ort finden könnten. Bialecki aus Gorzjw betonte, dass man, »um seine Heimat [ziemie] zu lieben, […] ihre Geschichte kennen« müsse und verband damit die Hoffnung, dass die LTK sich für den Erhalt von Denkmälern und die Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska einsetzen möge. Wieder andere, wie etwa Domczyk vom Städtischen Kulturkomitee, wünschten sich einen regionalen Verlag, damit die Werke der Schriftsteller vor Ort gedruckt werden könnten. Ähnliches forderte Morawski für die Literaten aus Gorzjw.139 Korcz wiederum war es wichtig, dass die Woiwodschaft an Bekanntheit gewann: »In Warschau weiß man nicht viel über unser Dasein, vielleicht dass es ein Jelenia, Kamienna, Srebna und Zielona Gjra gibt, aber wo das ist, da müssen sie nachdenken.« Außerdem beschäftige sich »niemand« mit der »historischen Erforschung in der Ziemia Lubuska«, was sich ändern müsse.140 Sauter machte

138 Mossakowska-Mazany, Henryka: Regionalne Towarzystwa Kultury [Die regionalen Kulturgesellschaften]. Warszawa 1977, S. 4. 139 Protokoll der Kulturversammlung 5.–6. 7. 1957 in Zielona Gjra, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 3768, Bl. 3–7. 140 Ebd., Bl. 3–12.

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auch auf die politische Dimension aufmerksam, die die Gründung der LTK in dieser Region hatte: »Auf diesem Gebiet ist schon eine neue Generation geboren – die Lebuser, denen man beibringen muss, diese Gegend zu lieben. Die deutschen Revisionisten geben weiterhin die vor dem Krieg auf diesen Gebieten erschienenen Zeitungen heraus – Grunberger [sic!] Zeitung, Bomster Zeitung [deutsch im Original, K.H.]… und begehen das Jubiläum der Gründung Gorzjws. Und was machen wir währenddessen? Nicht viel. Wir können uns keine historischen Auseinandersetzungen über den Namen der Ziemia Lubuska leisten, sondern wir müssen solide arbeiten.«141

Die LTK sollte also sowohl die institutionelle Situation vor Ort verbessern als auch dem Gefühl der Bedeutungslosigkeit entgegenwirken. Es scheint auch wieder der Pragmatismus in der Verwendung des Begriffs durch, der bereits die Debatte um die historische Richtigkeit der Bezeichnung geprägt hatte. Erneut plädierten die Akteure dafür, zugunsten gesellschaftlicher Entwicklungen in der Region, von grundsätzlichen Diskussionen um ihren Namen abzusehen. Die Schaffung der LTK eröffnete völlig neue Möglichkeiten des regionalen Engagements. Es gab nun eine zentrale Institution, in der alle an der Region und ihrer Erforschung Interessierten zusammen kommen konnten. Inhaltlich beschäftigte sich die LTK gemäß den anfangs formulierten Absichten zunächst vor allem mit der polnischen Vergangenheit bzw. den polnischen Traditionen der Ziemia Lubuska. Ein wichtiger Punkt war außerdem die Verbreitung von Wissen über die Region. Unter anderem produzierte die LTK einen Film über die Ziemia Lubuska, der in Warschau und in Posen gezeigt wurde, um die Region bekannt zu machen. Außerdem sollten Bewohner der Region für Vorträge in Kulturhäuser anderer Woiwodschaften fahren.142 Popularisiert wurde die Region darüber hinaus durch polenweite Wettbewerbe für die Plakate des Weinfestes und des Lebuser Filmsommer (Lubuskie Lato Filmowe), bei dem die Goldene Traube (Złote Grono) verliehen wurde. Im Rahmen der 30-Jahr-Feier tourte eine Ausstellung über die Ziemia Lubuska durch Polen.143 Für besondere Leistungen im Bereich der Kultur wurden in den folgenden Jahren Auszeichnungen vergeben. So wurde der »Lebuser des Jahres« (Lubuszanin roku) und anlässlich der 25jährigen »Rückkehr« der Westgebiete der Lubuszanin 25-lecia gewählt. Diese Wettbewerbe, die unter anderem für die Verbreitung des Begriffs der Ziemia Lubuska sorgten, aber auch die Bindung an die Region förderten, fügten sich in die sozialistische Sinnwelt ein, in der Wettbewerbe und Auszeichnungen in jedem Lebensbereich gang und gäbe waren. 141 Ebd., Bl. 17. 142 O Ziemi Lubuskiej poza jej granicami [Über die Ziemia Lubuska außerhalb ihrer Grenzen], in: Gazeta Zielonogjrska, Juni 1959. 143 Gazeta Zielonogjrska 1974, 1975.

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Eine ausgesprochen wichtige Rolle für die Regionsbildung übernahm die Regionale Abteilung der LTK (sekcja regionalna). Ihre Aufgabe bestand in der Verbreitung von Wissen sowie der Sammlung und Veröffentlichung von Material über die Einheimischen der Ziemia Lubuska und ihren »Kampf um das Polentum«.144 Sie sammelte Bräuche und Lieder der Autochthonen und verbreitete Wissen über die Gegend und das regionale Geschichtsbild in Polen und vor Ort. Darüber hinaus war die Abteilung aktiv daran beteiligt, die Folklore aus der Babimojszczyzna als Lebuser Folklore zu etablieren. In diesem Zusammenhang war insbesondere Sauter aktiv, der zwischen 1945 und 1955 Material zum Leben der Autochthonen sammelte und ihre Lieder aufnahm.145 Auf der Basis dieser Sammlungen veröffentlichte er in Kooperation mit der LTK im Jahr 1960 das Buch »Z walk o polskos´ci Babimojszczyzny«146 (Vom Kampf um das Polentum der Babimojszczyzna). Dulczewski zufolge sei der gesellschaftliche Erfolg der regionalen Kultur der Babimojszczyzna der LTK zu verdanken.147 Zudem zeichnete die LTK verantwortlich für regionale Jahres- und Feiertage, die die Bindung an die Ziemia Lubuska weiter stärken sollten.148 Dulczewski kam im Rahmen seiner soziologischen Studien in der Ziemia Lubuska zu dem Schluss, dass der Rückgriff auf Elemente der einheimischen Kultur sich positiv auf das Regionalbewusstsein ausgewirkt habe.149 Auch verfügte die LTK über eine Verlagsabteilung (sekcja wydawnicza), deren größtes Anliegen es war, »das schriftstellerische und wissenschaftliche Interesse und das Interesse der Gesellschaft im Land an unserer Region zu wecken sowie einen steten und fruchtbaren Kontakt mit dem Posener Verlag [Wydawnictwo Poznan´skie] herzustellen.«150

Dieser Sektion kam eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Region zu. Erstmals gab es die Möglichkeit, vor Ort zu publizieren. So schaffte und verbreitete sie mit ihren Publikationen ein Bild sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart der Ziemia Lubuska. Als Verleger war die LTK für das Erscheinen zahlreicher Märchen- und Sagenbücher zuständig, die maßgeblich zur Verbreitung des offiziellen Geschichtsbildes in breiten Bevölkerungsschichten beitrugen. Das erste jemals von der LTK herausgegebene Werk war die 1957 144 Tätigkeitsbericht der Lebuser Kulturgesellschaft (6. 7. 1957–11. 3. 1960), APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 904, Bl. 3. 145 Sauter, Wsze˛dzie, 1976, S. 202. 146 Sauter, Wiesław : Z walk o polskos´ci Babimojszczyzny [Über den Kampf um das Polentum der Babimojszczyzna]. Poznan´ 1960. 147 Zit. n. Sauter, Wsze˛dzie, 1976, S. 217. 148 Korniluk, Rola, 2010, S. 79–82. 149 Dulczewski, Tworzenie sie˛, 2001, S. 134. 150 Tätigkeitsbericht der Lebuser Kulturgesellschaft (6. 7. 1957–11. 3. 1960), APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 904, Bl. 5.

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erschienene Märchensammlung »O krasnoludkach, Jagusi i o siedmiu zakle˛tych rycerzach« (Von Zwergen, Jagusia und sieben verwunschenen Ritter).151 Auch die Erinnerungen (pamie˛tniki) der Ansiedler an ihre ersten Jahre in der Ziemia Lubuska und die Beschreibung ihrer dortigen Lebenssituation, die das WestInstitut im Rahmen von Wettbewerben seit Ende der 1950er Jahre sammelte, erschienen unter dem Titel »Mjj dom nad Odra˛« (Mein Haus an der Oder) ab 1961 in mehreren Bänden im Verlagsprogramm der LTK. Sie waren in der Bevölkerung sehr beliebt, und gerade weil sie mitunter starker Zensur (und oftmals Selbstzensur) unterlagen, waren sie wichtig für die Verbreitung des offiziell genehmen Bildes der Ziemia Lubuska.152 Neben zahlreichen populärwissenschaftlichen Publikationen gab die LTK nicht zuletzt Kataloge zu Ausstellungen sowie Prosa und Poesie regionaler Schriftsteller heraus und förderte damit die Herausbildung einer »Lebuser Literatur«.153 Solange das Rocznik Lubuski, erstmals 1959 erschienen, noch von der LTK herausgegeben wurde (bis Ausgabe 4), erschienen dort neben populärwissenschaftlichen Artikeln zur Geschichte der Ziemia Lubuska auch Erinnerungen und Chroniken zur Region. So trug die LTK maßgeblich dazu bei, dass einerseits die kulturellen Aktivitäten der Woiwodschaft gebündelt wurden und eine ständige Anlaufstelle für Interessierte entstand. Durch ihre starke Präsenz konnten Menschen zur Mitarbeit aktiviert werden. Insgesamt war seit 1956 eine starke Belebung der kulturellen Aktivitäten in der Ziemia Lubuska zu verzeichnen, die gegen das Gefühl des Stillstands der vorausgegangen Jahre wirkte. Vor allem aber begann sich mithilfe der LTK ein Art Lebuser Regionalismus herauszubilden, übernahm diese doch selbst – durch die Koordination der Aktivitäten, durch die Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska und durch die Anregung von wissenschaftlicher Forschung zur Region – eine identitätsstiftende Funktion. Dulczewski konnte in seinen soziologischen Studien belegen, dass die LTK einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hatte, dass die Bewohner der Woiwodschaft eine Bindung zur Region entwickelten und sich immer häufiger als »Lebuser« (Lubuszanin) bezeichneten.154 Mithilfe der LTK war es also gelungen, ein Bewusstsein für die Region zu wecken und die Integration der Bevölkerung in eine regionale Gesellschaft zu fördern. Im Jahr 1964, auf der Dritten Kulturversammlung in der Ziemia Lubuska,

151 Malicki, Kazimierz / Rutkowski, Zygmunt: O krasnoludkach, Jagusi i o siedmiu zakle˛tych rycerzach [Von Zwergen, Jagus´ und sieben verwunschenen Rittern]. Zielona Gjra 1957. 152 Siehe dazu Halicka, Polens Wilder Westen, 2013, S. 26f. 153 Vgl. dazu Mikołajczak, Tropy, 2011; Rudiak, Z´ycie, 2015. 154 Dulczewski, Zygmunt: LTK jako zjawisko socjologiczne (1968) [Die LTK als soziologisches Phänomen (1968)], in ders. (Hg.): Mjj dom nad Odra˛. Problem autochtonizacji [Mein Haus an der Oder. Das Problem der Autchothonisierung]. Poznan´ 2001, S. 147.

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erklang viel Lob für das erste Jahrzehnt der Aktivität der LTK.155 Insbesondere auch die Tatsache, dass die LTK den Anstoß gegeben hatte, dass sich in der Region Abteilungen wichtiger nationaler Künstlervereine gründeten – so der Polnischen Literaten oder der Laienkünstler – wurde positiv bewertet. Sauter hob hervor, dass neue engagierte Personen herangewachsen seien und erklärte: »Wir sind eine Region, die angefangen hat, etwas zu gelten.«156 Kritisch bewertet wurde die ungleiche Verteilung der Aktivitäten auf die Ortschaften der Region und die Tatsache, dass sich nicht ausreichend junge Menschen beteiligten. Diese Prozesse verliefen parallel zu den Entwicklungen in anderen Woiwodschaften. So machte sich etwa in Kujawien der Wandel im Jahr 1956 stark bemerkbar und führte zu einer Belebung der kulturellen Bewegung. Auch hier hatten sich die regionalen Gesellschaften die Popularisierung ihrer Region und die Verbreitung von Wissen zum Ziel gesetzt.157 Ein anderes Beispiel ist die Region Ermland und Masuren, wo ebenfalls Ende der 1940er Jahre viele Vereine liquidiert worden waren und das Jahr 1956 mit der Gründung des Vereins »Pojezierze« (Seenplatte) einen Umschwung mit sich brachte.158 Ende der 1950er Jahre gehörte die LTK laut Jjzef Skrzypiec, Autor mehrerer Bände über Kultur in der Volksrepublik, jedoch zu den »dynamischsten« Gesellschaften Polens.159 Ohne die Unterstützung des Nationalrates hätte die LTK nicht funktionieren können. Von der Finanzierung ganz abgesehen, konnte zu dieser Zeit keine solche Initiative ohne die Zustimmung der Machthaber wirken, die LTK wurde zentral überwacht und kontrolliert. So kam es zur einer »Koexistenz« der Partei und des Präsidiums der LTK. Die Zusammenarbeit wurde später als positives Beispiel konstruktiver Beteiligung der Partei an der Herausbildung des kulturellen Milieus bezeichnet.160 Zwar habe man sich mit finanziellen, ideologischen und inhaltlichen Fragen herumgeschlagen, doch hinderte das die LTK nicht an der Erfüllung ihrer wichtigsten Ziele. Oftmals wurde betont, dass es sich bei der kulturellen Bewegung um eine Bewegung von unten handelte. Dabei ist aber wichtig zu bedenken, dass die LTK selbstverständlich innerhalb des zentralistischen Systems entstand und der politisch präferierten Form des Regionalismus entsprach. Sicherlich wurde die LTK getragen von lokalen Akteuren, die sie in 155 156 157 158

Korniluk, III Sejmik, 2012, S. 185–200. Zit. n. ebd., S. 188. Sługocki, Zagadnienia, 1990, S. 80–90. Bierkowski, Tadeusz: Rozwjj ruchu społeczno-kulturalnego na Warmii i Mazurach po 1945 roku [Die Entwicklung der gesellschaftlich-kulturellen Bewegung in Ermland un Masuren nach 1945], in: Os´rodek Badan´ Naukowych im. Wojciecha Ke˛trzyn´skiego w Olszytnie / Instytut Kultury w Warszawie (Hg.): Rola społecznego ruchu kultury w integracji Ziem Odzyskanych [Die gesellschaftliche Rolle der Kulturbewegung für die Integration der Wiedergewonnenen Gebiete]. Ciechanjw 1986, S. 34–53. 159 Skrzypiec, Polityka, 1985, S. 126. 160 Korniluk, Lubuskie Towarzystwo Kultury, 2010, S. 39–42.

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ihre institutionellen Strukturen eingebunden hatte.161 Den staatlichen Akteuren war die Verbreitung von Kultur sehr wichtig, ging es dabei doch auch um die Verbreitung eines ideologischen Kulturbildes. Daher sollte den regionalen Akteuren auch Hilfe zukommen, ideell wie finanziell.162 In den Westgebieten galt das umso mehr, als, so Koniusz, »jedes Lied, das in S´wiebodzin gesungen wird, jedes Stück, das auf der Bühne in Zielona Gjra gespielt wird, jedes Konzert in Słubice«163 für die Rechte Polens an den Westgebieten sprach. Die Aktivitäten der LTK fügten sich also ein in die Politik hinsichtlich der Westgebiete, die darauf abzielte, zum einen das »Polentum« zu belegen und zu betonen und zum anderen deren wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung voranzutreiben. So kooperierte die LTK in vielen Bereichen mit der landesweit agierenden TRZZ, Programm und Ziele der beiden Gesellschaften waren sich in vielen Punkten sehr ähnlich.164 Die LTK war nicht die einzige aktive Institution in der Ziemia Lubuska nach 1956. Neben zahlreichen weiteren lokalen und landesweiten Gesellschaften, Betriebsorganisationen, Pfadfindergruppen usw. waren insbesondere die Bibliotheken und Museen sehr geschäftig. Die Bibliotheken organisierten Ausstellungen und Lesungen wie etwa die Lebuser Donnerstage (czwartki lubuskie) der Woiwodschaftsbibliothek in Zielona Gjra, an denen zu Veranstaltungen mit Titeln wie »Bajki Lubuskie« (Lebuser Märchen), »Jak powstaja˛ dzieła literatury« (Wie literarische Werke entstehen), »Rola literatury i prasy na Ziemiach Zachodnich« (Die Rolle der Literatur und der Presse in den Westgebieten) oder zu Autorenabenden eingeladen wurde.165 Wie hoch die tatsächliche Besucherzahl war, darüber gibt es verschiedene Angaben – laut der Kulturkommission war die Frequenz im Jahr 1957 hoch,166 laut Gazeta Zielonogjrska und Nadodrze hielten sich die Besucherzahlen in Grenzen.167 Für die Veranstaltungsreihe wurde ein

161 Die Entwicklung der Kultur in der Woiwodschaft Zielona Gjra seit 1956, APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1139, Bl. 210–230. 162 Siehe dazu etwa: Sauter, Wiesław : Kilka uwag o pracy i zamierzeniach Lubuskiego Towarzystwa Kultury [Einige Anmerkungen zur Arbeit und den Absichten der Lebuser Kulturgesellschaft], in: Kultura Lubuska, Januar/Februar 1959, S. 26f. 163 Koniusz, O społecznym ruchu, 1968, S. 65. 164 Schreiben des Präsidiums der TRZZ in Zielona Gjra an den Rada Naczelna TRZZ in Warschau (19. 4. 1966), AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 352, [o.S.]. 165 Siehe etwa: Vortragsplan für März 1959, APZG, Wojewjdzka i Miejska Biblioteka Publiczna im. C. Norwida [Woiwodschafts- und Stadtbibliothek C. Norwid], Sign. 327, Bl. 5; Vortragsplan für Juni 1959, APZG, Wojewjdzka i Miejska Biblioteka Publiczna im. C. Norwida, Sign. 327, Bl. 13. 166 Sitzungsprotokoll der Kulturkommission des WRN in Zielona Gjra (27. 2. 1957), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 408, Bl. 97. 167 Malej, Łucja: Czwartki Lubuskie [Lebuser Donnerstage], in: Nadodrze, Juli 1958, S. 14.

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polenweiter Plakatwettbewerb ausgeschrieben, an dem sich 45 Künstler aus dem ganzen Land beteiligten.168 Die Museen in Zielona Gjra und Gorzjw übernahmen auch nach 1956 eine regionsbildende Funktion. Sie entwickelten ihre Wechsel- und Dauerausstellungen weiter und veranstalteten öffentliche Vorträge, die jedoch in der Regel in eine (populär)wissenschaftliche Richtung gingen. Das Museum in Zielona Gjra, das in dieser Phase seinen bis heute gültigen Namen Museum der Ziemia Lubuska (Muzeum Ziemi Lubuskiej) erhielt, wurde 1968 schließlich zum Kreismuseum erhoben, was bedeutete, dass es von nun an die Aufsicht über die anderen Museen der Woiwodschaft übernahm.169 »In der Woiwodschaft Zielona Gjra erfüllt diese Rolle [des Bezirksmuseums, K.H.] faktisch seit vielen Jahren das Museum in Zielona Gjra. […] Es hat sich allgemein eingebürgert, das Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra mit dem Namen Ziemia Lubuska zu bezeichnen, was sich u. a. in den Namen der auf dem Territorium der Woiwodschaft aktiven Gesellschaften widerspiegelt, so der Lebuser Kulturgesellschaft, der Lebuser Wissenschaftsgesellschaft und der Lebuser Musikgesellschaft [Lubuskie Towarzystwo Muzyczne]. Dem Museum in Zielona Gjra den Namen ›Museum der Ziemia Lubuska‹ zu geben, wird seine auf Woiwodschaftsebene übergeordnete Bedeutung unterstreichen. Namen, die an historische Bezeichnungen von Regionen anknüpfen, haben auch Museen in anderen Woiwodschaften, z. B. das Masurische Museum in Allenstein [Olsztyn], oder das Museum Westpommerns in Stettin.«170

Die Umbenennung war ein weiterer Schritt in der Manifestation der Region und ihres Zentrums. In den 1960er Jahren wurde das polenweite Programm »Museen als Universitäten der Kultur« fortgesetzt, in dessen Rahmen etwa sogenannte Museumsabende (wieczory muzealne) abgehalten wurden. Auch zahlreiche andere Gesellschaften und Initiativen waren in dieser Zeit aktiv. Die meisten Diskussionen hatten jedoch die LTK zum Thema – immerhin war sie der Initiator für das kulturelle Leben der Ziemia Lubuska nach 1956 gewesen und stand den meisten anderen Organisationen als eine Art Dachverband vor. Die aktivierende Bedeutung für die Ziemia Lubuska im Besonderen zeigte sich auch in der hohen Anzahl seit 1956 neu entstandener regionaler Vereine. So waren von den im Jahr

168 N.N.: X-lecie Czwartkjw Lubuskich [10 Jahre Lebuser Donnerstage], in: Gazeta Zielonogjrska, 24. 11. 1966. 169 Beschluss Nr 152/561/68 des Präsidiums des Woiwodschaftsnationalrats in Zielona Gjra vom17. 5. 1968, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4062, Bl. 1. 170 Begründung, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4062, Bl. 4.

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1965 bestehenden Vereinen in der Ziemia Lubuska über 90 Prozent nach 1956 entstanden, während es polenweit nur etwa 73 Prozent waren.171

3.2.3 Die Entstehung der Zeitschrift Nadodrze Als eine der wichtigsten Errungenschaften der LTK galt die Gründung der ersten Kulturzeitschrift der Region, Nadodrze im Herbst 1957. Sie sollte eine wichtige Rolle beim Einsatz für die Belange der Region spielen und publizierte regelmäßig Artikel über die Geschichte und Gegenwart der Ziemia Lubuska. Damit war Nadodrze ein wichtiges Vehikel zur Verbreitung des langsam entstehenden Wissens über die Ziemia Lubuska und trug unmittelbar zur Etablierung der Region bei. Es hatte bereits zuvor einige Versuche gegeben, eine Kulturzeitschrift in der Ziemia Lubuska zu begründen, etwa zu Beginn der 1950er Jahre die Ziemia Lubuska, doch blieb es dabei bei einer einmaligen Ausgabe. Alle Autoren, die im Laufe der Zeit in der Gazeta Zielonogjrska über die Notwendigkeit des Aufstiegs geschrieben hatten, sprachen sich für eine eigene Kultur-Zeitschrift aus.172 Ihrer Meinung nach waren die bestehenden Zeitungen nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Region zu stillen, vor allem vor dem Hintergrund ihrer besonderen Situation, »[dem] Fehlen einer Hochschule sowie [der] Tatsache, dass die Bevölkerung eine Mischung aus Autochthonen, Großpolen, Pommern, Buganrainern und nationalen Minderheiten ist.«173 Es würde daher »verschiedene kulturelle Einflüsse« geben und eine »Stimmung der Vorläufigkeit« vorherrschen, »die so folgenschwer für die allgemeine Arbeit an der angemessenen Bewirtschaftung dieser Gegend«174 sei. Zeitschriften der Art, wie sie den Aktivisten vorschwebte, existierten bereits in anderen Regionen, so etwa in Olsztyn (Warmia i Mazury), Lublin (Camena), Kielce (Ziemia Kielecka), Tschenstochau (Wiraz˙e) oder Kalisz (Ziemia Kalicka). Autoren aus der Region gebe es ausreichend, sie schrieben schon seit mehreren Jahren »für die Schublade«.175 Einige davon, die meisten wohnhaft in Gorzjw und Zielona Gjra, hatten sich bereits zusammen gefunden und sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt. Zunächst war für November 1957 die Herausgabe eines Blattes namens Zarzewie (Glut, Fackel) geplant, doch standen keine Materialien zur Verfügung. 171 Ratus´, Kształcenie, 1971, S. 115. 172 Schreiben von Tadeusz Jasin´ski und Janusz Koniusz an das Präsidium des Woiwodschaftsnationalrats in Zielona Gjra (4. 3. 1957), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4038, Bl. 2–4. 173 Ebd., Bl. 2. 174 Ebd. 175 Ebd., Bl. 3.

164

»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

Kurz darauf entstand in Warschau eine Zeitschrift mit eben diesem Namen, weshalb für die Lebuser Ausgabe eine Alternative gefunden werden musste. Auch über die Titel Granice (Grenzen) und Odra (Oder) wurde nachgedacht. Sauter begründete die Entscheidung für Nadodrze folgendermaßen: »Wir haben daran gedacht, mit dem Titel Leser aus benachbarten Woiwodschaften, vor allem Breslau und Stettin, anzulocken. Der Name erschien uns auch aus dem Grund geeignet, weil er nicht zu eng war, nicht hinterwäldlerisch und er ein Publikum auf breiterem Raum anspricht. Gleichzeitig unterstrich er die Absicht, die Verbindung mit der neuen Westgrenze hervorzuheben.«176

Ziel des im Entstehen begriffenen Periodikums sollte es sein, »breit über die Aktivitäten der Laienbewegung [zu] informieren, ihre Errungenschaften und Unvollkommenheiten [zu] zeigen und das volkstümliche Schaffen [zu] entfalten.« Darüber hinaus hatten die Gründer sich weitere Ziele gesetzt: 1. die Vermittlung der Parteipolitik an die Intelligenz und die Jugend; 2. die Belebung der Kulturbewegung und ihre Anhebung auf den Rang von mindestens Oppeln und Allenstein; 3. die Propagierung der Vergangenheit der Ziemia Lubuska; 4. die Propagierung der Leistungen der vorhergegangenen 20 Jahre; 5. die Popularisierung der Woiwodschaft Zielona Gjra in den übrigen Teilen Polens durch die Verteilung der Zeitschrift in anderen Woiwodschaften; 6. die Erweiterung des ideologischen Einflusses; 7. die Anregung von Diskussionen in der Bevölkerung; 8. die Positionierung gegen den Revisionismus, 9. die Darstellung der Schönheit der Ziemia Lubuska; 10. Berichte über die Amateurbewegung; 11. die Inspiration zu Veranstaltungen.177 Es sollte eine »r e g i o n a l e [Hervorhebung im Original, K.H.] Zeitschrift [sein], die auch über die Grenzen der Woiwodschaft und des Landes reicht«.178 Nicht zuletzt sollte die Zeitschrift die Aufgabe eines Sprachrohrs für die Region übernehmen: »Alles, was die Gesellschaft der Odergebiete quält, soll seinen Ausdruck in der Zeitschrift finden, mutig und ehrlich mit einer klugen Einstellung gemäß der Aufgaben: Wahrheit, Gerechtigkeit, politische Übereinstimmung.«179

Die Kulturkommission sagte den Aktivisten »moralische und materielle Unterstützung«180 zu. Schließlich informiere Nadodrze die Woiwodschaft und ganz Polen über das, was im kulturellen Bereich passiert und trage durch den Ab176 Wiesław Sauter über Nadodrze, zit.n. Korniluk: »Nadodrze«, 2013, S. 188. 177 Schreiben von Tadeusz Jasin´ski und Janusz Koniusz an das Präsidium des Woiwodschaftsnationalrats in Zielona Gjra (4. 3. 1957), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4038, Bl. 7. 178 Ebd., Bl. 3. 179 Ebd., Bl. 10. 180 Ebd., Bl. 23.

Das »Lebuser Kulturexperiment« und seine Bewertung

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druck von Beiträgen lokaler Autoren zum kulturellen Aufstieg bei.181 Darüber hinaus spielte auch hier die politische Dimension eine Rolle: In der BRD wurden zu dieser Zeit etwa zehn Zeitschriften herausgegeben, die bis 1945 auf dem Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra erschienen waren, u. a. das »Grünbergertageblatt, Bomstzeitung, Landsbergzeitung [deutsch im Original, K.H.]. […] Im Zusammenhang damit erachtet die Kommission die Entstehung von Nadodrze als Erscheinung von großer politischer Bedeutung, denn sie kann als Äquivalent und Gegengewicht zu den erwähnten revisionistischen Zeitungen fungieren.«182

Dass dieser Punkt durchaus relevant war, zeigte sich auch darin, dass er im Vorwort der ersten Ausgabe von Nadodrze explizit als einer der Gründe für die Notwendigkeit der Zeitschrift angesprochen wird. Nadodrze übernahm fortan eine tragende Rolle für die Woiwodschaft. Alle Mitglieder des Polnischen Schriftstellerverbandes (Zwia˛zek Literatjw Polskich) in der Ziemia Lubuska veröffentlichten dort ihre Werke.183 Nadodrze konnte also einen Teil der Aufgaben übernehmen, die sich die LTK zum Ziel gesetzt hatte. Dass es nun ein regionales Organ gab, das Schriftstellern und Historikern die Möglichkeit gab, Artikel zu veröffentlichen, Diskussionen um die Kultur einen Platz bot, aber auch ein Umfeld für journalistische Tätigkeit entstand, bedeutete einen entscheidenden Aufschwung für das Kulturleben der Ziemia Lubuska und die Anfänge eines akademischen Kreises. Darüber hinaus wurde das regionale Bewusstsein geschärft durch Rubriken wie das »Lebuser Biographische Lexikon« und die Lebuser Kulturchronik, die nicht nur die Anteilnahme am kulturellen Leben ermöglichten, sondern auch Lücken im Wissen über Geschichte und Gegenwart der Ziemia Lubuska füllen konnten.

3.3

Das »Lebuser Kulturexperiment« und seine Bewertung

Die Dynamik in Form der kulturellen Bewegung der späten 1950er Jahre bezeichnete Janusz Koniusz als »eine Form der Reaktion der Gesellschaft auf die negativen Erscheinungen im gesellschaftlich-kulturellen Leben der ersten Hälfte der 1950er Jahre: der degenerierte Zentralismus und Schematismus in der Steuerung der kulturellen Aktivität, fern von der kulturellen Aktivität vieler um die kulturelle Entwicklung verdienter Aktivisten 181 Schreiben der Kommission für Kultur des Woiwodschaftsnationalrats an das Präsidium des Woiwodschaftsnationalrats in Zielona Gjra (8. 4. 1957), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4083, Bl. 23. 182 Brief der Kulturkommission des WRN an das PWRN in Zielona Gjra (8. 4. 1957), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4083, Bl. 23. 183 Ratus´, Kształcenie, 1971, S. 118.

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»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

[…]. Es war auch eine Reaktion der Provinz auf die übertriebene Konzentration des künstlerisch-kulturellen Lebens auf die Hauptstadt auf Kosten der Woiwodschafts- und Kreisstädte. Aber diese Bewegung war nicht nur ›dagegen‹, sie war vor allem ›dafür‹.«184

Er betonte, dass die regionalen Gesellschaften zuallererst in den polnischen West- und Nordgebieten entstanden seien, wo man sich am wenigsten um die Kultur gekümmert habe und wo es keine Tradition polnischer Kultur gebe. Krzysztof Kos´ciesza (Synonym für Andrzej K. Was´kiewicz), Dichter und Literaturkritiker aus der Ziemia Lubuska, bezeichnete diese Zeit sogar als die »Sturm und Drang-Phase«.185 Und auch Jan Muszyn´ski, Woiwodschaftskonservator und ab 1976 Direktor des Museums in Zielona Gjra, war der Meinung, dass »der Weg, den Kultur und Kunst in der Ziemia Lubuska in den ersten Nachkriegsjahren gegangen sind, etwas gänzlich Ungewöhnliches [war] und keine Präzedenz in der Geschichte der polnischen Kultur [fand].«186

Die Veränderungen, die die Gründung der LTK mit sich gebracht hatte, waren offensichtlich vor Ort spürbar. Die äußerst dynamische Periode der kulturellen Belebung in der Ziemia Lubuska blieb auch dem übrigen Polen nicht verborgen, und so wurde die Phase landesweit als »Lebuser Kulturexperiment« (lubuski eksperyment kulturalny) bekannt. Zielona Gjra gelangte zu »Ruhm […] als Zentrum mit ungewöhnlicher Dynamik im Bereich der Kultur«.187 Als Experiment wurden die Geschehnisse in der Ziemia Lubuska deshalb bezeichnet, weil die Entwicklung der Region durch eine kulturelle Bewegung vorangebracht werden sollte.188 Auch die Bezeichnung des »Lebuser Kulturwunders«189 tauchte in diesem Zusammenhang auf, wobei dies insbesondere die ersten zehn Jahre nach 1956 bezeichnete. Bewundernswert erschien die Organisation des kulturellen Lebens als einer gesellschaftlich-kulturellen Bewegung und die daraus resultierende spürbare Belebung der Woiwodschaft. Die LTK wurde »modellhaft« für die Organisation des Kulturlebens

184 Koniusz, Janusz: O perspektywach regionalnego ruchu kulturalnego [Zu den Perspektiven der regionalen Kulturbewegung], in: Szczegjła, Hieronim (Hg.): Kultura, historia, region [Kultur, Geschichte, Region]. Zielona Gjra 1975, S. 124f. 185 Kos´ciesza, Krzysztof: Start w kulture˛ [Start in die Kultur], in: Nadodrze, 15.–31. 3. 1968, S. 1. 186 Jan Muszyn´ski, zit. n. Wallis, Z˙ycie, 2002, S. 202. 187 Morawski, Zdzisław : Jacy jestes´my [Wie wir sind], in: Ziemia Gorzowska, August 1977, S. 17. 188 Szczegjła, Hieronim: Zielonogjrskie – Awans regionu w Polsce Ludowej [Die Woiwodschaft Zielona Gjra – Der Aufstieg einer Region in der Volksrepublik Polen], in: Nadodrze, 6. 7. 1980. 189 Dulczewski, LTK, 2001, S. 143.

Das »Lebuser Kulturexperiment« und seine Bewertung

167

im gesamten Land.190 Der seit den 1950er Jahren in der Ziemia Lubuska aktive Historiker Hieronim Szczegjła nannte es 1984 das »Lebuser Modell der regionalen Bewegung«191. Dieses Modell wurde u. a. durch den Lokaltermin der Abteilung der Kulturell-Pädagogischen Bewegung des des Kultur- und Kunstrates (Sekcja Ruchu Kulturalno-Os´wiatowego Rady Kultury i Sztuki) im April 1959 popularisiert. Im Anschluss daran veröffentlichte das Ministerium Materialien, die »alle regionalen Gesellschaften im Land mit der Problematik und den Errungenschaften der LTK vertraut machten«.192 Koniusz betonte, dass das »Lebuser Kulturmodell« (lubuski model kultury) auf der »Einführung der regionalen Problematik in das kulturelle Leben, der Popularisierung der Ziemia Lubuska über die Grenzen der Woiwodschaft hinaus, letztendlich auf der Schaffung hier bekannter Kulturzentren«

beruhte. Die Lebuser Journalistin Henryka Doboszowa ergänzte, dass »von unseren Ideen mehrere Woiwodschaften Gebrauch« machten, »denn in der Regel waren das Ideen, die die Leute aktivierten«.193 Der Krakauer Lyriker Julian Przybos´ nannte Zielona Gjra im Jahr 1962 aufgrund seiner »kulturellen Ambitionen und ihrer glücklichen Verwirklichung« sogar »kleines Krakau«.194 Der Redakteur der Gazeta Zielonogjrska, Zbigniew Ryndak, folgerte: »Somit wurde der letzte weiße Fleck auf der kulturellen Landkarte Polens mit etwas gefüllt, was im Land den Namen Lebuser Experiment erhielt.«195 Henryk Ankiewicz, Kolumnist der Gazeta Zielonogjrska, schrieb in seinem Stadtführer viele Jahre später, dass Zielona Gjra in den Jahren 1957 bis 1960 »in Polen durch das hier geborene Kulturexperiment [berühmt wurde]. Niemals vor oder nach dieser Zeit, nach 1960, wurden in den Zeitungen und Wochenblättern so viele Artikel voller Begeisterung über Zielona Gjra geschrieben wie damals.«196

Viele folgten dem Beispiel der Woiwodschaft Zielona Gjra. So kann man als weitere Leistung der LTK die Popularisierung der Woiwodschaft im ganzen Land benennen.197 Nach dem fulminanten Anfang drosselte sich das Tempo der kulturellen Entwicklung in den 1960er Jahren allerdings deutlich. Schon 1961 bemerkte Ratus´, Kształcenie, 1971, S. 117. Szczegjła, Zielona Gjra, 1984, S. 183. Ebd., S. 219. Dwugłos o kulturze [Duett über die Kultur], in: Nadodrze, 1.–15. 6. 1966, S. 1, 7. Julian Przybos´, zit. n. Koniusz, O społecznym ruchu, 1968, S. 68. Zbigniew Ryndak, zit. n. Koniusz, O społecznym ruchu, 1968, S. 68. Ankiewicz, Henryk: Przechadzki zielonogjrski [Spaziergänge in Zielona Gjra]. Zielona Gjra 1977, S. 185f. 197 Zbigniew Ryndak: Nowe horyzonty ruchu społeczno-kulturalnego [Neue Horizonte der gesellschaftlich-kulturellen Bewegung], in: Magazyn Lubuski (Beilage zur Gazeta Zielonogjrska), Nr. XXIII, 19./20. Januar 1974, S. 1.

190 191 192 193 194 195 196

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»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

Koniusz, dass sich die Bewegung in einer »Sackgasse« befinde, dass die »regionalen Gesellschaften, die einst die Motoren vieler Aktivitäten waren, […] zu Bridge- und Kaffeevereinen« würden. Dennoch resümierte er später, dass es sich wohl eher um eine Stabilisierung handle, forderte jedoch auch die Rückkehr zur »Atmosphäre jener Jahre«, damit »Stabilisierung in diesem Gebiet nicht gleich Stagnation bedeutet«.198 Insgesamt schien in den 1960er Jahren das Verhältnis zur Bewegung »emotionslos« geworden zu sein, »das Jahr 1963 ist nicht das Jahr 1957, als ein Ruck durch die Region ging«, bemerkte Morawski.199 Zu einem Massenphänomen sei die Bewegung ohnehin nie geworden. Jan Muszyn´ski, damaliger Mitarbeiter am Forschungszentrum, hielt 1964 fest, dass man nicht mehr eine »solche Vielfalt, Betriebsamkeit und kulturelle Aktivität« wie vor einigen Jahren beobachten könne, dass man aber auch nicht sagen könne, dass »die Quellen versiegen«. Daher müsse man das Erreichte verteidigen, weshalb er an der Forschungsstelle auch eine Sektion zur kulturell-soziologischen Arbeit eingerichtet habe.200 In jenen Jahren verließ aufgrund mangelnder Perspektiven auch eine Reihe junger Literaten die Woiwodschaft.201 1968 bemerkte Solin´ski in einer Diskussion um die Lage der LTK, dass es ihm scheine, »dass wir über eine gewisse bereits geschlossene Etappe der LTK sprechen können.«202 In dieser Zeit sei jedoch eine Menge erreicht worden. Die Leistung der LTK bestünde vor allem in der Teilnahme an Integrations- und Adaptionsprozessen inner- und außerhalb der Woiwodschaft. Auch Koniusz betonte, dass die kulturelle Bewegung in der Ziemia Lubuska über die Entwicklung der Kultur hinausging: »[Die kulturelle Aktivität] bezweckt die Festigung des Prozesses der gesellschaftlichen Integration. […] Sie ebnet Missverhältnisse zwischen der Ziemia Lubuska und weiter fortgeschrittenen Woiwodschaften ein.«203

Die Bewegung habe darüber hinaus die Vergangenheit der Ziemia Lubuska in ganz Polen popularisiert, die Geschichte der Region tauchte in anderen Gegenden Polens auf. Außerdem seien dank der LTK Zentren und Institutionen entstanden. Die Ziemia Lubuska profitierte also von den Aktivitäten der LTK in vielerlei Hinsicht. Nicht zuletzt bildete sich ein Kreis von Personen heraus, der sich in der LTK, in den Museen und Bibliotheken und im Kulturreferat aktiv mit der Region beschäftigte. 198 Koniusz, Janusz: Powrjt do z˙rjdeł [Zurück zu den Wurzeln], in: Nadodrze, 15.-31. 8. 1965, S. 1, 4. 199 Morawski, Zdzisław : Spjr o profil [Streit um das Profil], in: Nadodrze, Juli 1963, S. 11. 200 Protokoll der 4. Versammlung der Lebuser Kulturgesellschaft am 11. 1. 1964, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 904, B. 43. 201 Rudiak, Z´ycie, 2015, S. 154. 202 Kultura. S´ciez˙ki czy drogi? [Die Kultur. Pfade oder Straßen?], in: Nadodrze, 1.–15. 1. 1968, S. 6. 203 Koniusz, Zmiana warty, 1968, S. 1.

Gorzóws späte »Belebung« und die Konkurrenz mit Zielona Góra

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Man kann davon ausgehen, dass allein die Tatsache, dass die Woiwodschaft sich mit dem »Kulturexperiment« polenweit einen Namen gemacht hatte, die Identifikation der Bewohner verstärkte. Auch regten die Veränderungen der späten 1950er Jahre dazu an, sich mit der Region (kritisch) auseinanderzusetzen. Innerhalb kürzester Zeit war eine beachtliche Aktivität im kulturellen Bereich zu verzeichnen, auch wenn die intensive Phase des großen Aufbruchs und des ungebrochenen Enthusiasmus nicht allzu lange andauerte. Sie hielt jedoch lang genug an, dass sich Nadodrze, das die nächsten dreißig Jahre erschien, etablierte, die Publikationstätigkeit sich verstetigte und eine erste Voraussetzung zur Herausbildung akademischer Strukturen in der Region geschaffen wurde.

3.4

Gorzóws späte »Belebung« und die Konkurrenz mit Zielona Góra

Obgleich die Aktivitäten rund um die LTK den Anspruch hatten, die gesamte Woiwodschaft zu erreichen und mitzureißen, lässt sich beobachten, dass die Vitalisierung des kulturellen Lebens ausgerechnet in der zweiten großen Stadt der Ziemia Lubuska, in Gorzjw, nur sehr schwerfällig voran schritt. Hatte sich das gesellschaftliche Leben hier bis 1948 ausgesprochen dynamisch entwickelt, so konnte die Stadt nach 1956 trotz ähnlich hoher Einwohnerzahlen nicht mehr mit der Dynamik des kulturellen Milieus in Zielona Gjra mithalten. Ein Bewohner erinnerte sich, dass Gorzjw »nach der Befreiung […] im Jahr 1945 mit Aktivität und kulturellem Schwung überraschte.«204 Es habe ein Theater und ein Museum sowie Zirkel von Künstlern und Malern gegeben. Die Fähigsten seien jedoch im Laufe der Zeit in größere Städte ausgewandert, vor allem nach Zielona Gjra. Als 1964 eine Bilanz des kulturellen Aufschwungs der Woiwodschaft gezogen wurde, wurde deutlich, dass von diesem insbesondere in Gorzjw kaum etwas zu spüren war.205 Der wichtigste Grund dafür lag darin, dass Zielona Gjra im Zuge der Verwaltungsreform 1950 die Rolle als Woiwodschaftshauptstadt zugefallen war, während Gorzjw nur Kreisstadt wurde. Dies war für Gorzjw besonders schwer zu verkraften, hatte es doch nach dem Krieg zunächst als Zentrum der Ziemia Lubuska fungiert. Hier befand sich in den 1940er Jahren nicht nur der Sitz der Expositur, der Diözese und anderer Institutionen regionalen Ranges, sondern hier wurde auch die Wochenzeitschrift Ziemia Lubuska herausgegeben. Als im Zuge der Verwaltungsreform 1950 die südlichen Kreise Głogjw, Koz˙uchjw, Szprotawa, Z˙agan´ und Z˙ary zur Woiwodschaft hinzukamen, lag jedoch nicht mehr Gorzjw, sondern Zielona Gjra im geographischen Zen204 Korniluk, III Sejmik, 2012, S. 188. 205 Ebd., S. 188.

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»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

trum und wurde zur Hauptstadt der neuen Woiwodschaft. Maria Rutowska und Maria Tomczak gehen davon, aus, dass die Entscheidung für Zielona Gjra »rein pragmatisch« war, da Gorzjw im Krieg so stark zerstört worden war und es in Zielona Gjra einfacher schien, Woiwodschaftsstrukturen aufzubauen. Für die Gorzjwer bedeutete die Entscheidung jedoch eine »Herabsetzung des Ansehens ihrer Stadt«,206 denn nach den Regeln des zentralistischen Staates konnte es neben der Hauptstadt Zielona Gjra kein weiteres Zentrum in der Woiwodschaft geben. Diese administrative Entscheidung führte nicht nur dazu, dass die Verwaltung und mit ihr das qualifizierte Personal aus Gorzjw verschwanden, sondern hatte zur Folge, dass Institutionen wie etwa das lokale Archiv und das Museum fortan den jeweiligen Einrichtungen in Zielona Gjra unterstanden. Dabei hatte sogar kurz zur Debatte gestanden, den Hauptsitz des Archivs in Gorzjw zu belassen, doch dies wurde zugunsten eines anderen Ortes verworfen.207 Die woiwodschaftsweiten Gesellschaften, allen voran die LTK, hatten ihren Sitz in Zielona Gjra, was die Stadt für Hochqualifizierte deutlich attraktiver machte. Nicht zuletzt resultierte die unbefriedigende Situation daraus, dass es für Gorzjw deutlich schwieriger war, finanzielle Mittel für den Wiederaufbau zu akquirieren.208 Der Bekanntheitsgrad Zielona Gjras war dem Gorzjws deutlich voraus, 1964 kannte eine deutlich höhere Zahl von Studierenden die Hauptstadt, nur wenige waren mit Gorzjw vertraut.209 Im direkten Vergleich zwischen den etwa gleich großen Städten wird also deutlich, wie stark die Degradierung zur Kreisstadt (powiatowos´c´210) auf der Kulturentwicklung Gorzjws lastete.211 Noch in der ersten Ausgabe der lokalen Zeitschrift Ziemia Gorzowska im Jahr 1969 bemerkte Wojciech Trzmiel: »Die Gorzjwer können das bis heute nicht verschmerzen und erinnern mit Nachdruck bei jeder Gelegenheit daran, dass sie Stadt früher der Sitz des Vizewoiwoden war und an die besondere Position, die Gorzjw in den alten Grenzen der Woiwodschaft Posen eingenommen hat.«212

206 Rutowska / Tomczak, Ziemia Lubuska, 2003, S. 29. 207 Rymar, Dariusz: Oddział Archiwum Pan´stwowego w Gorzowie Wlkp. w latach 1950–1993 [Die Abteilung des Staatsarchivs in Gorzjw Wlkp. in den Jahren 1950–1993], in: Nadwarcian´ski Rocznik Historyczno-Archiwalny 1994/1, S. 10f. 208 Rutowska / Tomczak, Ziemia Lubuska, 2003, S. 29. 209 Wallis, Aleksander (Hg.): Statystyczne opis warunkjw rozwoju kultury w PRL w latach 1946–1970 [Statistische Beschreibung der Bedingungen der Entwicklung der Kultur in der Volksrepublik Polen in den Jahren 1946–1970]. Warszawa 1972, S. 99. 210 Von pln. powiat = (Land)Kreis. Die wörtliche Übersetzung wäre etwa »Kreislichkeit«. 211 Rutowska / Tomczak, Ziemia Lubuska, 2003, S. 63. 212 Trzmiel, Wojciech: Reportaz˙ troche˛ przekorny [Eine etwas trotzige Reportage], in: Ziemia Gorzowska, Mai 1969, S. 10.

Gorzóws späte »Belebung« und die Konkurrenz mit Zielona Góra

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Die Gorzjwer waren sich der schlechteren Ausgangslage ihrer Stadt für die Herausbildung eines kulturellen Milieus durchaus bewusst. So lassen sich immer wieder Beschreibungen der Diskrepanz zwischen der Atmosphäre in Gorzjw in den 1940ern und den späten 1950er bzw. 1960er Jahren finden. Zdzisław Morawski, einer der wenigen Aktiven in der LTK und Nadodrze mit Wohnsitz in Gorzjw, betonte, dass die Stadt in den Jahren 1947/48 ihre Blütezeit erlebt hatte, weil die Expositur vor Ort ansässig war und daher auch Vertreter von Kunst und Kultur sowie die Korrespondenten fast aller wichtigen Zeitungen der Westgebiete. Als jedoch die Expositur geschlossen wurde, zogen die Leute nach Breslau, Stettin, Posen oder auch Zielona Gjra, wo sie sich größere Chancen erhofften. Zwar habe sich die wirtschaftliche Lage der Stadt nach und nach verbessert, und Ingenieure und junge Menschen seien nach Gorzjw gezogen, doch »gleichzeitig mit der Entwicklung der Stadt wurde das Missverhältnis zwischen der industriellen und der kulturellen Entwicklung deutlich. Die heranwachsenden jungen Jahrgänge, die importierte Intelligenz, die, die zurückkamen, fühlten den kulturellen Hunger.«213

Morawski musste oft erklären, warum er in Gorzjw lebte, worauf er »ausweichend« antwortete. Sicherlich sei vieles nicht einfach in Gorzjw, aber die Stadt habe »einen gewissen eigenen Charakter«.214 Diese Entwicklung hatte zur Folge, dass Gorzjw sich zunehmend weniger mit der Ziemia Lubuska identifizierte. Als es während der 1940er Jahre die Hauptstadt der Region gewesen war, kann man von einem beginnenden Regionsbildungsprozess sprechen, angefangen mit dem »Lebuser Museum«, das damals noch diesen Namen trug, und dem Malermilieu, das sich der Ziemia Lubuska zugehörig fühlte. Mit der Verlegung des Zentrums nach Zielona Gjra schienen diese Ambitionen zu schwinden, stattdessen wuchs das Gefühl des Ausschlusses. Zunehmend wurden in Gorzjw die Ziemia Gorzowska und die lokale Identität propagiert, was sicherlich als Abgrenzung zu Zielona Gjra gemeint war, zu dem Gorzjw sich in Konkurrenz fühlte. Diese Bestrebungen manifestierten sich insbesondere auch in der Gründung einer eigenen Kulturzeitschrift. Zwar war Nadodrze für die gesamte Woiwodschaft zuständig und ihr Redaktionsleiter Wiesław Nodzyn´ski betonte: »Obwohl wir uns ›Nadodrze‹ nennen, so sind uns die Warthe-Gebiete [Nadwarcie] auch nicht fremd«.215 Mit Zdzisław Morawski sei darüber hinaus auch ein Gorzjw-Kenner und -Bewohner Mitglied der Re213 Morawski, Zdzisław : Renesans Gorzowa [Die Renaissance Gorzjws], in: Nadodrze, Januar 1961, S. 13. 214 Morawski, Zdzisław : Dlaczego Gorzjw [Warum Gorzjw], in: Nadodrze, 15.–31. 3. 1966, S. 7. 215 Mjwi sekr. Redakcji »Nadodrza« Wiesław Nodzyn´ski [Es spricht der Sekretär der Redaktion von »Nadodrze«], in: Ziemia Gorzowska, Mai 1969, S. 40.

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»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

daktion. Doch das Redaktionsteam der zunächst einmalig erscheinenden Ziemia Gorzowska war durch diese Bemerkungen nicht zufrieden zu stellen und forderte vielmehr : »Das Leben eines großen industriellen und kulturellen Zentrums, reich an Ereignissen, Problemen und Konflikten, muss sich in der Presse und im Radio widerspiegeln. Leider lässt das bei uns viel zu wünschen übrig. Den Ausweg sehen wir in der Entstehung einer eigenen Zeitschrift. Hoffentlich so schnell wie möglich.«216

Das Ergebnis dieser Bestrebungen war schließlich die Ziemia Gorzowska, die ab 1971 unregelmäßig, aber mehrmals jährlich erschien und sich allein Gorzjw und der Region um Gorzjw herum widmete. Diese Zeitschrift ist nur ein Beispiel dafür, dass Gorzjw in dieser Zeit danach strebte, eigene Identifikationsmöglichkeiten zu schaffen. »Irgendeine« Stadt in der Ziemia Lubuska wollte man nicht sein, also wurden Gorzjw und seine unmittelbare Umgebung selber der Bezugsrahmen. Das spiegelte sich auch in der Namensgebung von Publikationen und Gesellschaften wider. Zwar war es keineswegs ungewöhnlich, eine eigene, lokale Kulturgesellschaft zu gründen – in fast jedem größeren Ort der Ziemia Lubuska existierte eine solche. Doch entstand der Eindruck, dass Gorzjw sich damit klar von der Stadt Zielona Gjra und »deren« Ziemia Lubuska abzugrenzen suchte. Gerade aus der Konkurrenz zu Zielona Gjra und der Unzufriedenheit und Enttäuschung über die Situation entstanden in Gorzjw schließlich eigene Initiativen. Der Mangel an qualifiziertem Personal und das nicht vorhandene Zugehörigkeitsgefühl zur Ziemia Lubuska hatten jedoch zur Folge, dass vom »Lebuser Kulturexperiment« in Gorzjw nicht viel zu spüren war. Im Verlauf der Zeit hatte es mehrere Anläufe gegeben, das kulturelle Leben anzustoßen. Im Jahr 1958 nahm die Gorzjwer Gesellschaft der Freunde der Kultur (Gorzowskie Towarzystwo Przyjacijł Kultury, GTPK) ihre Arbeit auf.217 Unter ihrer Herausgeberschaft entstand etwa der erste Stadtführer zu Gorzjw, publiziert im Jahr 1960.218 Doch war nur ein gutes Jahr lang Aktivität zu verzeichnen, schon 1959 fanden kaum noch Sitzungen statt, und 1966 wurde die Gesellschaft offiziell liquidiert.219 Deutlich aktiver zeigte sich hingegen die im Frühjahr 1956 gegründete Gesellschaft der Freunde des Museums von Gorzjw (Towarzystwo Przyjacijł Muzeum 216 Naszym zdaniem [Unsere Meinung], in: Ziemia Gorzowska, Mai 1969, S. 40. 217 Satzung der Gesellschaft der Freunde der Kultur in Gorzjw, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 8102, Bl. 8. 218 Ankiewicz, Henryk u. a. (Hg.): Gorzjw Wielkopolski. Przewodnik Informator [Gorzjw Wielkopolski. Reiseführer]. Gorzjw 1960. 219 Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der Kulturkommission des MRN in Gorzjw Wlkp. Am 28. 9. 1966, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 8102, Bl. 44.

Gorzóws späte »Belebung« und die Konkurrenz mit Zielona Góra

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Gorzowa, TPM),220 die verschiedene Lesungen und Veranstaltungen organisierte. Wahrscheinlich ging sie aus den seit 1953 (bzw. seit 1954 für Erwachsene) bestehenden Kreisen der Freunde des Museums (Koła Przyjacijł Muzeum) hervor.221 So arbeitete sie bei den Vorbereitungen auf die Feierlichkeiten anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Volksrepublik eng mit dem Museum zusammen.222 Wie in allen polnischen Städten fanden auch in Gorzjw regionale Kulturtage statt, welche hier unter dem Namen Konfrontacje Gorzowskie liefen. Dabei handelte es sich um ein jährlich abgehaltenes Theatertreffen von Gruppen aus der Woiwodschaft und den Nachbarwoiwodschaften. Von Seiten der Machthaber wurden diese Veranstaltungen als wichtiger Faktor begriffen, die Gesellschaft mit ihrer Region zu verbinden; sie sollten einen »einzigartigen Charakter« haben und dienten insbesondere auch der Verbreitung von propagandistischen Materialien.223 Dass in Gorzjw jedoch keine besonders dynamische Atmosphäre herrschte, zeigt sich an einer 1967 in Nadodrze abgedruckten Diskussion zwischen Aktivisten der kulturellen Szene der Ziemia Lubuska, die »das Spiegelbild der in Gorzjw herrschenden Atmosphäre ist. […] Die Unruhe, die in allen Stimmen vernehmlich war, zeugt am besten davon, wie sehr Gorzjw unter der Blutleere der kulturellen Erscheinungen und Initiativen leidet, die einsame Enthusiasten von Zeit zu Zeit in Angriff nehmen, die jedoch kein einheitliches Bild schaffen.«224

In diesem Zusammenhang war oft die Rede vom »Gorzjwer Komplex« (kompleks Gorzowa).225 Ein Kern von Aktivisten traf sich schon seit Beginn der 1960er Jahre und diskutierte die Probleme Gorzjws, um Ansätze für die Bereicherung des kulturellen Lebens zu finden. Mitglieder dieses Kreises namens Stolik Numer Jeden (Tisch Nummer Eins), benannt nach dem Tisch im Gorzjwer Caf8 Letnia, an dem die Gruppe sich regelmäßig zusammenfand, waren später maßgeblich an der 1971 vollzogenenen Gründung der Gorzowskie Towarzystwo SpołecznoKulturalne (Gorzjwer Gesellschaftlich-Kulturelle Gesellschaft GTSK) und der Ziemia Gorzowska sowie der Herausgabe des Leksykon Gorzowski und der Durchführung der Gorzowskie Konfrontacje beteiligt. 220 Sitzungsprotokoll der Gesellschaft der Freunde des Museums in Gorzjw (9. 10. 1956), Biblioteka Muzeum Lubuskiego im. Jana Dekerta (BML) [Bibliothek des Lebuser Jan-DekertMuseums], Muzeum Lubuskie [Lebuser Museum], Sign. 22/2, Bl. 100. 221 Balcerzak, Gabriela: Historia Muzeum w Gorzowie Wielkopolskim [Die Geschichte des Museums in Gorzjw Wielkopolski], in: Rocznik Lubuski 2005/1, S. 50. 222 Arbeitsplan des Museums und der Gesellschaft der Freunde des Museums in Gorzjw Wlkp. für das 10-jährige Jubiläum der Volksrepublik Polen (1964), AML, Muzeum, Mappe 14. 223 Zur Organisation regionaler Veranstaltungen durch die Komitees der Front Jednos´ci Narodowej (1969), APG, Prezydium MRN w Gorzowie Wlkp., Sign. 874, Bl. 1–9. 224 Szanse czy brak moz˙liwos´ci? Rozmawiamy o Gorzowie [Chancen oder Mangel an Möglichkeiten? Wir sprechen über Gorzjw], in: Nadodrze, 15.–31. 3. 1967, S. 6f. 225 Ebd.

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»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

»Das wichtigste Ziel der Gesellschaft ist die Zusammenführung der verstreuten gesellschaftlichen Aktivitäten, der gesellschaftlichen Bereitschaft zur Aktivität im kulturellen Bereich. Neben dem Anschieben der gesellschaftlichen Aktivität will die GTSK den Sinn für Ästhetik der Stadt- und Kreisbewohner wecken, Koordination und Inspirationen im kulturellen Bereich der Betriebe, der Verwaltung schaffen und die Popularisierung der Errungenschaften und Werke der Stadt sowie die Stabilisierung dieser Leistungen erreichen.«226

Adam Natanek, Direktor der Lehrerhochschule in Gorzjw, war der Meinung, dass »viele Menschen in Gorzjw den Mangel an kulturellen Kontakten [spüren]. Die GTSK sollte ein solches Forum werden.«227 Franciszek Pastwa, Vertreter der PZPR, sagte bei der Gründungssitzung: »Die Gründung der G.T.S.K. stößt auf einen gesellschaftlichen Bedarf. Man fühlt nämlich die Abwesenheit einer solchen Gesellschaft. […] Von meiner Seite und im Namen des Parteikomitees sichere ich Unterstützung zu […]«.228

Dementsprechend beteiligte die GTSK sich an den Konfrontacje Gorzowskie, stellte ab April 1973 ein eigenes Orchester und verstärkte die Zusammenarbeit mit dem Betrieb Stilon im kulturellen Bereich.229 Nicht zuletzt plante sie, einen Gorzjw-Führer, eine Monographie über die Stadt in der Nachkriegszeit sowie einen Stadtplan herauszugeben, womit sie eine wichtige Rolle für die Produktion und Verbreitung von Wissen über Gorzjw erfüllte. Im Mai 1975 diskutierten Mitglieder des Stolik Numer Jeden erneut den Zustand des kulturellen Lebens in Gorzjw und bemängelten, dass die Aktivität höher war, als die GTSK noch um ihre Existenz kämpfen musste. Danach habe die Tatkraft nachgelassen.230 Auch zeigten sich einige Aktivisten besorgt, dass das kulturelle Leben in Gorzjw von Amateuren abhänge.231 Das »bedeutendste Unterfangen«232 der GTSK, das sehr nachhaltig betrieben wurde, war die Herausgabe der Ziemia Gorzowska. Dabei handelte es sich um eine Kulturzeitschrift, die sich ausschließlich auf die Region Gorzjw beschränken sollte. Sie war erstmalig 1969 als Sonderausgabe erschienen und wurde ab 1971 regelmäßig herausgegeben. Thematisch widmete sie sich dem 226 Programmrichtlinien der GTSK, APG, Gorzowskie Towarzystwo Społeczno-Kulturalne [Gorzjwer Sozial-Kulturelle Gesellschaft], Sign. 5, Bl. 18. 227 Protokoll der Gründungssitzung der GTSK am 25. 9. 1970, APG, Gorzowskie Towarzystwo Społeczno-Kulturalne, Sign. 5, Bl. 23. 228 Ebd., Bl. 22. 229 Tätigkeitsbericht der GTSK: Das dritte Jahr der GTSK, APG, Gorzowskie Towarzystwo Społeczno-Kulturalne, Sign. 1, Bl. 71–72. 230 Rozmowy przy stoliku: dzis´ o kulturze [Gespräch am Tisch: Heute über die Kultur], in: Ziemia Gorzowska, Mai 1975, S. 23. 231 Ebd., S. 26. 232 Tätigkeitsbericht der GTSK: Das dritte Jahr der GTSK, APG, Gorzowskie Towarzystwo Społeczno-Kulturalne, Sign. 1, Bl. 70.

Gorzóws späte »Belebung« und die Konkurrenz mit Zielona Góra

175

Kulturleben der Stadt sowie anderen wichtigen Entwicklungen der Region und sollte dem »gesellschaftlich-kulturellen Fortschritt der Region«233 dienen. Die Zeitschrift erfüllte damit die Rolle einer »Broschüre über das Leben der Stadt und die Tätigkeit der Gesellschaft«.234 In der Ziemia Gorzowska erschien ab 1975 das Gorzjwer Lexikon (Leksykon Gorzowski). Bezeichnenderweise gehörte zu den ersten Einträgen das Schlagwort »Ekspozytura Urze˛du Wojewjdzkiego«, die Gorzjw zur »Hauptstadt der Ziemia Lubuska und seinem administrativen Zentrum« gemacht hatte und zur »Aktivierung der Lebuser Region beitrug«.235 Die Zeit als Hauptstadt schien für die Gorzjwer auch Jahrzehnte später noch ein relevanter Identifikationsfaktor zu sein. Letztlich konnte erst das Erscheinen der Ziemia Gorzowska seit Beginn der 1970er Jahre dem Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit für die eigenen Belange gerecht werden. Eine große Veränderung und Belebung brachte schließlich das Jahr 1975, als im Zuge einer Verwaltungsreform eine Woiwodschaft Gorzjw ins Leben gerufen und Gorzjw zu ihrem Zentrum erhoben wurde, so dass es alle Vorzüge einer Woiwodschaftshauptstadt genoss. Dementsprechend positiv waren auch die Reaktionen aus Gorzjw hinsichtlich der Reform, man versprach sich eine engere Kooperation mit der neuen Woiwodschaftsverwaltung.236 Es zeigt sich, dass das Konzept der Ziemia Lubuska in Gorzjw nicht richtig fruchtete. Auch Gorzjw sollte eine Metropole der Ziemia Lubuska sein, fühlte sich aber nicht als solche und sah sich in steter Konkurrenz zu Zielona Gjra. Offenbar war die sich langsam herausbildende Beschäftigung mit der Region doch schon so ausgeprägt und vor allem exklusiv auf das Milieu in Zielona Gjra ausgerichtet, dass sich andere ausgeschlossen fühlten. Stattdessen konzentrierte man sich in Gorzjw aufs Lokale, während die Ziemia Lubuska als Bezugsrahmen immer weiter in den Hintergrund trat. Die Aktivierung hing offensichtlich stark von den staatlichen Rahmenbedingungen ab. Auf der anderen Seite führte gerade das Gefühl des Ausschlusses offenbar zu einer eigenen Form von regionalem Aktivismus. In dieser Zeit wurden Streitigkeiten zwischen Zielona Gjra und Gorzjw begründet, die bis heute zu Problemen bei der Integration der Region und der Herausbildung einer regionalen Identität führen. 233 Ebd. 234 Macin´ka, Urszula: Owocna dyskusja [Fruchtbare Diskussion], in: Ziemia Gorzowska, Februar 1974, S. 22. 235 Ekspozytura Urze˛du Wojewjdzkiego [Die Expositur des Woiwodschaftsamtes], in: Ziemia Gorzowska, Mai 1975, S. 4. 236 Bartkowiak, Przemysław : Reakcje społeczne mieszkan´cjw Zielonej Gjry i wojewjdztwa zielonogjrskiego na reforme˛ administracyjna˛ w 1975 roku [Gesellschaftliche Reaktionen der Bewohner von Zielona Gjra und der Woiwodschaft Zielona Gjra auf die Verwaltungsreform von 1975], in: Kotlarek, Dawid / Bartkowiak, Przemysław (Hg.): Zielona Gjra na przestrzeni dziejjw. Przemiany społeczno-kulturowe [Zielona Gjra im Lauf der Zeit. Gesellschaftlich-kultureller Wandel]. Zielona Gjra 2007, S. 232.

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3.5

»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

Aktivierung durch Engagement

Nicht unmittelbarer Teil des kulturellen Lebens, aber doch wichtiger Bestandteil der Aktivierung der Gesellschaft war der über viele Jahre durchgeführte Wettbewerb Ziemia Lubuska – gospodarna, pie˛kna, kulturalna (Ziemia Lubuska – wirtschaftlich, schön, kulturell). Der Untertitel des Wettbewerbs – »gesellschaftliche Aktivitäten und die Ästhetik von Städten und Dörfern« (czyny społeczne i estetyka miast i wsi) – verdeutlicht die grundsätzlichen Absichten der Aktion. Sie zielte auf den Einsatz der Bevölkerung für ihre Region sowie auf die Verschönerung der Woiwodschaft ab. Die Initiative zum von der TRZZ mit der Unterstützung vieler Institutionen wie u. a. dem ZMS, den Pfadfindern und der Liga der Frauen237 ausgerichteten Wettbewerb wurde kurz nach der Entstehung der Gesellschaft in der Woiwodschaft Zielona Gjra ins Leben gerufen. Rückblickend beschrieb die TRZZ die Entstehung folgendermaßen: »In zahlreichen Diskussionen zur Entwicklung eines Tätigkeitsprofils der Gesellschaft entstand der Gedanke, die Woiwodschaft zu einem ästhetischen Aussehen zu führen. Viele Ortschaften wurden fast völlig zerstört. Auch deswegen wurde angeregt, die Entfernung von Trümmerhaufen, das Aufräumen von Höfen, und öffentlichen Räumen zu einem Tätigkeitsfeld der TRZZ zu machen.«238

Der erste Aufruf zum Wettbewerb an die Bevölkerung der Ziemia Lubuska im Jahr 1958 griff genau diese Problematik auf: »Es mehren sich in letzter Zeit Stimmen und Taten, die darauf abzielen, Städte und Dörfer, Wohnhäuser und Wirtschaftshöfe aufzuräumen; die Sorge um die musterhafte Pflege von Parks, Blumenbeeten und Grünanlagen wird größer. […] Das Bewusstsein steigt, dass gesellschaftliche Taten und die Sorge um Ordnung von unserer Verbundenheit mit dem Land, das unser eigenes ist, der Ziemia Lubuska, zeugen.«239

Diese Bemühungen sollten sich verstetigen, möglichst viele Bewohner sollten daran teilnehmen. Ziel des Wettbewerbs war neben der Verschönerung und Instandsetzung der Städte und Dörfer der Woiwodschaft vor allem auch die »Initiierung gesellschaftlicher Aktivität« der Bewohner der Westgebiete. 237 Aufforderung an die Bewohner der Städte und Dörfer der Woiwodschaft Zielona Gjra (1958), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 61, Bl. 19. 238 Tätigkeitsbericht der TRZZ-Woiwodschaftsverwaltung in Zielona Gjra für das Jahr 1960, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzka w Zielonej Gjrze 1957–1971 r, Sign. 15, Bl. 75f. 239 Aufforderung an die Bewohner der Städte und Dörfer der Woiwodschaft Zielona Gjra (1958), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 61, Bl. 19.

Aktivierung durch Engagement

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»Gleichzeitig soll auf diese Weise das gemeinsame Handeln die Vertiefung der gesellschaftlichen Bindung innerhalb der Bevölkerung dieser Dörfer und Städtchen begünstigen und den regionalen Patriotismus der Bewohner der Westgebiete stärken.«240

Über die Vergabe der von den Nationalräten gestifteten Preise entschieden der »gesellschaftliche Nutzen« der Arbeit, der »Wert der Arbeit pro Bewohner« für den Ort und die Ausgangsposition des Ortes.241 Die im Rahmen des Wettbewerbs durchgeführten Arbeiten umfassten alle Bereiche des öffentlichen Lebens: Industrie, Landwirtschaft, Bildung, Kultur, kommunale Wirtschaft, Kommunikation und Handel. Unter dem Schirm der Aktion wurden Häuser angestrichen, Brunnen desinfiziert, Bäder erneuert, Bäume gepflanzt, Parks gepflegt, Schwimmbäder instandgesetzt, Ruinen beseitigt, Straßen und Bürgersteige repariert und verschönert. Der Wettbewerb wurde über Radiosendungen, Presse, Flugblätter und Plakate beworben. Teilnahmeberechtigt waren alle Bewohner der Woiwodschaft, sowohl als Einzelpersonen als auch als Gruppe, so etwa als Betrieb, als Schule etc. Im ersten Jahr (1958) trafen 100 Einsendungen ein, im zweiten Jahr 400, später nahmen fast alle Schulen, Betriebe, Städte und Dörfer am Wettbewerb teil. Der Wettbewerb nahm derart solche Ausmaße an, dass im Jahresbericht der TRZZ 1960 festgehalten wurde, »dass der Wettbewerb zu einer der Hauptaktivitäten der Gesellschaft im Kreis Zielona Gjra geworden ist.«242 Der Wettbewerb war in der Ziemia Lubuska sehr erfolgreich. Nicht nur die Zahl der Teilnehmenden war sehr hoch, sondern die Ergebnisse der einzelnen Aktionen waren sichtbar und von hohem materiellem Wert. Die TRZZ zeigte sich von dem großen Erfolg überrascht: »Der Effekt ist unerwartet groß. Die Städte wurden von Ruinen befreit, in den Dörfern Gärten und Wege repariert. Die Bewohner der Städte und Dörfer bessern Putz aus, streichen Fenster, errichten Grünanlangen, pflanzen Bäume und Sträucher, renovieren Gemeinschaftsräume und Kulturhäuser«.243

Die positive Bilanz erklärte die TRZZ sich u. a. damit, dass konkrete Missstände angegangen wurden.244 Darüber hinaus sei einer der Erfolgsfaktoren, dass die

240 Richtlinien des Wettbewerbs »Gesellschaftliche Taten« (1958), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 61, Bl. 10. 241 Tätigkeitsbericht der TRZZ-Woiwodschaftsverwaltung in Zielona Gjra für das Jahr 1960, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzka w Zielonej Gjrze 1957–1971 r, Sign. 15, Bl. 77. 242 Ebd., Bl. 78. 243 Ebd., Bl. 76. 244 Tätigkeitsbericht des Kreisrats der TRZZ in Zielona Gjra für den Zeitraum 3. 10. 1957–31. 3. 1958, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzka w Zielonej Gjrze 1957–1971 r., Sign.14, Bl. 53.

178

»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

unternommenen Anstrengungen einen unmittelbaren Nutzen für die Bewohner der Gegend hatten.245 Zunächst war es die Absicht des Wettbewerbs gewesen, die Ästhetik der Woiwodschaft zu verbessern, allerdings profitierte auch die Wirtschaft.246 Darüber hinaus weckte der Wettbewerb die Verbundenheit der Gesellschaft mit ihrem Wohnort und stärkte die gesellschaftliche Integration der Bevölkerung: »Bei der gemeinsamen Arbeit schwinden die Unterschiede zwischen der einheimischen Bevölkerung und denen, die vom Bug, aus den zentralen und östlichen Regionen Polens oder aus dem Westen kamen. Die gemeinsame Arbeit führt dazu, dass in der Woiwodschaft Zielona Gjra der Prozess des Heranreifens eines neuen Typen von Mensch begann und andauert, der nicht nur physisch, mit Wohnung und Arbeit, sondern auch gefühlsmäßig und emotional mit diesem Land verbunden ist.«247

Die große Beteiligung wurde von den Organisatoren als Zeichen dafür gesehen, dass »die Bewohner unserer Ziemia Lubuska immer besser verstehen, dass wir ein untrennbares Recht auf dieses Land haben«. Diese Veränderung in der Einstellung zum Wohnort sei »die Hauptursache für die gesellschaftliche Aktivierung«.248 Der große und sichtbare Erfolg der Aktion führte zu neuem Selbstbewusstsein: »Wir sind stolz, dass wir ein nachahmenswertes Beispiel gegeben haben.«249 Der Wettbewerb fand nicht nur in der Ziemia Lubuska Widerhall. Es wurde auch in der polenweit erscheinenden Trybuna Ludu darüber berichtet.250 Aufgrund des großen lokalen Erfolges kam der Vorschlag auf, den Wettbewerb auf alle Woiwodschaften zu übertragen,251 was letztlich auch geschah. Sogar das 245 Tätigkeitsbericht der TRZZ-Woiwodschaftsverwaltung in Zielona Gjra für das Jahr 1960, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzka w Zielonej Gjrze 1957–1971 r., Sign. 15, Bl. 83. 246 Wirtschafts- und Kulturwettbewerb in der Woiwodschaft Zielona Gjra (1960), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 63, Bl. 18. 247 Tätigkeitsbericht des TRZZ-Woiwodschaftsverwaltung in Zielona Gjra für das Jahr 1960, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzka w Zielonej Gjrze 1957–1971 r., Sign. 15, Bl. 82. 248 Bewertung der Ergebnisse der gesellschaftlichen Taten (1.1. bis 30. 5. 1960), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 64, Bl. 33. 249 Czesław Walczak: »Ziemia Lubuska gospodarna, pie˛kna i kulturalna« [»Ziemia Lubuska – wirtschaftlich, schön, kulturell«] (1960), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 63, Bl. 24. 250 Czyny społeczne – tematem konkursu lubuskiego TRZZ i Prezydium WRN [Gesellschaftliche Taten – Thema eines Wettbewerbs der Lebuser TRZZ und des Präsidium des WRN], in: Trybuna Ludu, Nr. 159, 9. 6. 1958. 251 Informationen zu den ergriffenen Initiativen und realisierten Taten durch den RO TRZZ, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzka w Zielonej Gjrze 1957–1971 r, Sign. 14, Bl. 33.

Zwischenfazit

179

Motto wurde landesweit übernommen. Doch beklagte sich etwa Jjzef Kasior, Vorsitzender des ZP TRZZ aus Gorzjw, im Jahr 1965: »Wenn wir – zu Recht – davon sprechen, dass die Ziemia Lubuska wirtschaftlich, schön und kulturell ist, stellt sich nur die Frage, warum so wenig über uns im Radio gesprochen, in der Presse geschrieben und im Fernsehen gezeigt wird? Wir verstehen es, Gutes für die Region zu tun, aber irgendwie schaffen wir es nicht, das zu verkaufen. Das ist schade, denn gute Propaganda ist für unsere Arbeit auch notwendig.«252

Der regionale Erfolg des Wettbewerbs änderte nämlich wenig daran, dass die Ziemia Lubuska im übrigen Polen – wenn überhaupt – als terra incognita wahrgenommen wurde. In der Region selber hatte die Aktion in dieser Hinsicht vielversprechendere Resultate. Denn der Wettbewerb zielte trotz der klar wirtschaftlichen und ästhetischen Ausrichtung auch auf die Aneignung der Region durch die Bevölkerung ab – nach dem Prinzip: wer sich für sie einsetzt, dem ist die Region auch wichtig. Die Aneignung der Ziemia Lubuska durch die Bevölkerung wurde durch den Wettbewerb erleichtert und begünstigt. Viele Menschen beteiligten sich daran, ihre unmittelbare Nachbarschaft zu verschönern, so dass durch die Teilhabe ein Gefühl der Identifikation entstand. Der Wettbewerb hatte darüber hinaus auch etwas Verbindendes, er war überall bekannt. Das Motto »bleibt ein für alle Mal das Gut eines jeden Bewohners in der Ziemia Lubuska. Es hat weite Verbreitung in der Stadt wie auch auf dem Dorf gefunden.«253 Zuletzt führte der Wettbewerb tatsächlich zu einer ästhetischen Aufwertung der Woiwodschaft, durch die es den Bewohnern erleichtert wurde, eine positive Bindung zu ihr aufzubauen.

3.6

Zwischenfazit

Es ist deutlich geworden, welche Akteure im Bereich der Kultur aktiv an der Schaffung der Region sowie an der Produktion und Verbreitung von Wissen über die Region beteiligt waren. Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielten die Museen von Zielona Gjra und Gorzjw eine wichtige Rolle. Sie formten durch ihre Ausstellungen nicht nur ein Bewusstsein der Region, sondern waren durch ihre Namensgebung selber Ausdruck der sich wandelnden Verhältnisse. Der Polnische Westverband, ein überregionaler Akteur, hatte eine klare politische Agenda, sodass seine Aktivitäten als Fortsetzung 252 3. Woiwodschaftsversammlung der Delegierten der TRZZ in Zielona Gjra, 1965, Referat, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 59, Bl. 183. 253 Czesław Walczak: »Ziemia Lubuska gospodarna, pie˛kna i kulturalna« [»Ziemia Lubuska – wirtschaftlich, schön, kulturell«] (1960), APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 63, Bl. 24.

180

»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

der im vorherigen Kapitel betrachteten Schaffung und Verbreitung des Geschichtsbildes gesehen werden können. Dennoch wurde auch hier das Bild eines »Lebusers« geschaffen, wenn auch als Mittel zum Zweck. Die Gründung der Woiwodschaft 1950 war für die Ziemia Lubuska weniger ein Wendepunkt, als es das Jahr 1956 mit seinen Dezentralisierungs- und Liberalisierungstendenzen im Bereich der Kultur war. Für die Woiwodschaft Zielona Gjra als Teil der Westgebiete war die Anerkennung der Tatsache wichtig, dass die Region noch nicht völlig integriert war und es einiger Mühe bedurfte, um dies zu erreichen. Die Lebuser Kulturgesellschaft nahm in dieser Zeit die wichtige Rolle als Motor der kulturellen Bewegung ein, welche nicht nur die Bedingungen für die Herausbildung regionaler Institutionen schuf, sondern vor allem die Beschäftigung mit der Ziemia Lubuska ermöglichte, ja sogar forderte und förderte. Ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit war die Veröffentlichung von identifikationsstiftender Literatur. Nach 1956 entstanden nicht nur Institutionen wie die LTK oder die Zeitschrift Nadodrze, die zur Ziemia Lubuska gehörten und sich mit ihr befassten. Auch war die Region zunehmend als Thema in der regionalen Presse präsent. Durch die außergewöhnliche Dynamik der kulturellen Bewegung machte sich die Region auch polenweit einen Namen. Nicht zuletzt wurden die Bedingungen für die Herausbildung eines akademischen Milieus geschaffen. In diese Phase fällt auch die Benennung von Institutionen und Gesellschaften nach der Ziemia Lubuska. Somit füllte die kulturelle Bewegung der 1950er Jahre das Konstrukt »Ziemia Lubuska« mit Leben, stabilisierte damit die Region und erleichterte die Identifikation mit ihr. Das Beispiel der Literaten der Ziemia Lubuska kann den Wandel im regionalen Selbstverständnis zeigen. Werke von Autoren aus der Ziemia Lubuska entstanden etwa ab dem Beginn der 1950er Jahre. Ein eigenes literarisches Umfeld entwickelte sich aber erst um die Wende von den 1950er zu den 1960er Jahren.254 Aus den »Autoren aus der Ziemia Lubuska« waren nun »Autoren der Ziemia Lubuska« (pisarzy lubuscy) geworden. Die Phasen des volkspolnischen Regionalismus lassen sich am Beispiel der Ziemia Lubuska gut herausarbeiten. Auch wird erkennbar, dass Regionalismus oft als ein Mittel zur Schaffung nationaler Bindung angesehen wurde. Schon vor 1956 spielten regionale Bezüge in den kulturellen Aktivitäten eine Rolle, doch jetzt begann eine ganze Reihe von Personen, angeregt durch die Belebung des Kulturlebens, sich mit der Region auseinanderzusetzen. Diese Beschäftigung mit der Region stabilisierte sie als identifikationsstiftenden Raum. Zudem entstanden lokale Institutionen und Publikationen, die die Diskussion regionaler Belange ermöglichten. Der starke Schwerpunkt auf der Bildung von Identifikation durch Kulturpolitik in den 254 Rudiak, Z˙ycie, 2015, S. 55, 76.

Zwischenfazit

181

Westgebieten ab 1956 zeigte sich auch in Breslau, welches in dieser Zeit in den Filmchroniken als »Stadt der Kultur« dargestellt wurde.255 Durch die Beschäftigung mit der Region im Rahmen der LTK oder in der Zeitschrift Nadodrze sowie – dies betraf einen deutlich größeren Teil der Bevölkerung – im Rahmen des Wettbewerbs zur Verschönerung der Woiwodschaft eigneten sich die Neusiedler die Ziemia Lubuska zunehmend an, was soziologische Studien belegen konnten.256 Da ein starker Schwerpunkt sowohl der LTK als auch der TRZZ auf der Bekräftigung des »Polentums« und der Reaktion auf den »westdeutschen Revisionismus« lag, kann man sagen, dass die Aktivierungspolitik der 1950er Jahre auch eine Art Fortsetzung der Verbreitung des Geschichtsbildes war. Es konnte jedoch mit der Gegenwart und sogar der Zukunft der Woiwodschaft verknüpft werden. Anders als im Bereich der »neuen Traditionen« kann man nicht davon sprechen, dass im kulturellen Leben an das deutsche Kulturerbe angeknüpft wurde. Abgesehen von häufigen Vergleichen mit dem Vorkriegskulturleben entstand das Kulturleben völlig unabhängig von ehemaligen deutschen Einrichtungen. Eine Ausnahme bildeten die Museen, die auf deutschen Heimatmuseen basierten und insbesondere in den 1940er Jahren auf deren Ausstellungen aufbauten. Die Einbettung in den volkspolnischen Sozialismus ist im Kulturbereich deutlicher zu erkennen als bei der Konstruktion des Geschichtsbildes. So entsprach das Regionalismuskonzept der Vorstellung der Partei, die Wettbewerbe waren ein klassisches Element sozialistischer Mobilisierungspolitk und die Auswirkungen des starken Zentralismus wurden im Vergleich der Entwicklung von Zielona Gjra und Gorzjw deutlich. Denn es zeigte sich, dass der Aufschwung im Rahmen des »kulturellen Regionalismus« nach 1956 vor allem für die kulturellen Kreise in Zielona Gjra galt, während Gorzjw nach 1950 zunehmend von diesen Entwicklungen abgeschnitten war. So bemerkte etwa Kwilecki, dass »die neue Region, die in der Ziemia Lubuska entsteht, sich deutlich vom traditionellen Begriff der Kulturregion unterscheidet. Sie zeichnet sich nicht durch traditionelle volkstümliche Elemente der Kultur aus, sondern ist das Ergebnis der Ausstrahlung Zielona Gjras als Zentrum des gesellschaftlich-politischen und kulturellen Lebens, der bewussten Politik und des wissenschaftlich-kulturellen Aktivs.«257

Das spiegelte sich nicht zuletzt darin wider, dass in Gorzjw selten die Rede davon war, Teil der Ziemia Lubuska zu sein, vielmehr verstand man sich als Zentrum der Region Gorzjw. Sämtliche dort entstehende Institutionen und 255 Malicka, Wrocław, 2012, S. 196f. 256 Dulczewski, LTK, 2001. 257 Kwilecki, Organizacja, 1962, S. 28.

182

»Kultureller Regionalismus« in der Ziemia Lubuska

Gesellschaften vermieden das Attribut »Lebuser« und gebrauchten stattdessen »Gorzjwer«. So fühlte sich Gorzjw offenbar überhaupt nicht als Teil der Ziemia Lubuska. Zwar wurde zwischen 1945 und 1950, als Gorzjw noch als Hauptstadt der Ziemia Lubuska fungierte, die Region durchaus propagiert, ab 1950 lässt sich aber eine stärkere Hinwendung zur lokalen Identifikation erkennen. Mit der Ziemia Lubuska und Zielona Gjra als deren Zentrum war eine Region entstanden, mit der man sich in Gorzjw offenbar nicht identifizieren wollte. Dies zeigt nicht zuletzt die Schwierigkeiten bei dem Versuch auf, regionale Identifikationen in einem zentralistischen Staat zu schaffen.

4.

Erforschung der Region – Forschung in der Region: Die Herausbildung eines akademischen Umfeldes in der Ziemia Lubuska

Standen die 1950er Jahre insbesondere im Zeichen der kulturellen »Aktivierung« der Ziemia Lubuska, folgte in den 1960er und 1970er Jahren die sogenannte »wissenschaftliche Bewirtschaftung« (zagospodarowanie naukowe)1 der Woiwodschaft. Der in diesem Zusammenhang entstehenden Regionalforschung schrieb der Soziologe Kwilecki »eine wichtige Rolle in der Gestaltung des Prozesses [der Bildung der neuen Region]«2 zu. Denn die wissenschaftliche Entwicklung wirkte sich insgesamt positiv auf die Ziemia Lubuska aus, führte sie doch zum Zuzug qualifizierten Personals, zur Entstehung von Ausbildungsplätzen und zur weiteren Belebung des Kulturlebens durch Studierende. Die wissenschaftlichen Institutionen spielten schnell eine wichtige Rolle für das Selbstverständnis der Region. Nicht zuletzt gewann die Region an Selbstbewusstsein und Bekanntheit und wurde durch die Stärkung Zielona Gjras als Zentrum stabilisiert. Dabei war es ein langer Weg von der Erforschung der Region durch die Posener Zirkel zur Herausbildung eines regionalen akademischen Milieus.3 Diese Emanzipation lokaler Akteure soll im Folgenden nachgezeichnet werden. Das Kapitel macht die Ziele der Bewegung deutlich, zu denen es neben der Herausbildung eines wissenschaftlichen Milieus auch gehörte, die Woiwodschaft bzw. die beiden größten Städte bekannter zu machen – sowohl innerhalb 1 Michał Sczaniecki: Rola nauki w zagospodarowaniu Pomorza Zachodniego i jego integracji z reszta˛ kraju [Die Rolle der Wissenschaft für die Bewirtschaftung Westpommerns und seine Integration in den Rest des Landes], Archiwum Polskiej Akademii Nauk (APAN) [Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften], Materiały Michała Sczanieckiego [Materialien von Michał Sczaniecki (1910–1977)], Sign. 2, Bl. 135–148. 2 Kwilecki, Organizacja, 1962, S. 28. 3 Der Begriff »Milieu« bezeichnet hier nicht den soziologischen Begriff des Milieus. Vielmehr ist es der Versuch der Übersetzung des im Polnischen gebrauchten »s´rodowisko«, das als Milieu, Kreis, Umwelt, Umgebung oder auch Umfeld übertragen werden kann. Akademisches Milieu, das ich hier daher synonym mit Umfeld oder Kreis verwende, bezeichnet also insbesondere das Vorhandensein akademischer Strukturen, im akademischen Bereich Beschäftigte und ein Klima, das akademische Diskussionen ermöglicht.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

der lokalen und regionalen Bevölkerung als auch im übrigen Polen. Im Fokus steht daher nicht nur die Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska, sondern auch dessen Produktion vor Ort und die Aneignung der Region durch die Beschäftigung mit ihrer Geschichte. Dabei werden entscheidende Unterschiede zwischen Zielona Gjra und Gorzjw erkennbar, die nicht zuletzt auf die Entwicklungen der Städte in den 1950er Jahren zurückzuführen sind. Zu beobachten ist hier die Konstruktion der Ziemia Lubuska einerseits durch die in diesem Zusammenhang entstehenden regionalen Institutionen, die den Namen der Region trugen sowie Einheimische vor Ort beschäftigten und ausbildeten, andererseits aber auch durch die Publikationen, deren Themen sich am offiziellen Geschichtsbild orientierten.

4.1

Historische Wissenschaft in der Ziemia Lubuska

Viele der wichtigen wissenschaftlichen Akteure in der Ziemia Lubuska waren studierte Historiker. Zwar war die personelle Kontinuität an den polnischen Universitäten nach 1948, anders als etwa in der DDR oder der Tschechoslowakei, relativ hoch,4 doch unterlagen auch die Geisteswissenschaften Ende der 1940er Jahre der Zentralisierung.5 Wie in allen Lebensbereichen brachte das Jahr 1956 eine Liberalisierung mit sich. Die Hochschulen erhielten 1958 wieder den Status wissenschaftlicher Einrichtungen und waren damit autonom.6 Auch wurde der Zugang zu Bibliotheken und Archiven infolge der Oktober-Ereignisse erleichtert.7 Hauptziel der PZPR nach 1956 war es nun, die Kontrolle über die Historiker und die Unterstützung von parteitreuen Historikern sicherzustellen. Der Einfluss der Partei war in kleineren Orten mit wenigen wissenschaftlichen Einrichtungen am größten.8 Die PZPR legte einen Schwerpunkt auf die neueste Geschichte, die ideologisch als besonders wichtig erschien, was bedeutete, dass ihre wissenschaftlich fundierte Erforschung nur begrenzt möglich war. Für die älteren Epochen galt das in weniger starkem Ausmaß. In der Ziemia Lubuska, wie in den gesamten Westgebieten, war das offizielle Geschichtsbild vom »Urpolentum« der Region aber 4 Connelly, John: Captive University. The Sovietization of East German, Czech and Polish Higher Education, 1945–1956. Chapel Hill 2000, S. 4. 5 Gjrny, Maciej: »Die Wahrheit ist auf unserer Seite«. Nation, Marxismus und Geschichte im Ostblock. Köln 2011, S. 46. 6 Rutkowski, Tadeusz Paweł: Nauki historyczne w Polsce 1944–1970. Zagadnienia polityczne i organizacyjne [Historische Wissenschaften in Polen 1944–1970. Politische und organisatorische Fragen]. Warszawa 2007, S. 367. 7 Friszke, Polska, 2003, S. 283. 8 Rutkowski, Nauki, 2007, S. 588.

Historische Wissenschaft in der Ziemia Lubuska

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als Grundannahme stets gesetzt. Nach 1956 konnten Historiker wieder in größerem Umfang an Fakten angelehnt arbeiten, der Zensur unterlag nun insbesondere noch die neueste Geschichte ab 1918.9 Im Kontext der Regionalforschung in der Ziemia Lubuska ist die Unterscheidung von populärwissenschaftlich und wissenschaftlich von Bedeutung. Nissen differenziert zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung,10 was sich aber auf die Ziemia Lubuska aufgrund des Fehlens einer Universität nicht anwenden lässt. Auch Daums Unterscheidung von professionellen und Amateurhistorikern greift hier zu kurz. Er sieht die amateurhafte Beschäftigung als »nichtprofessionelle Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragen, die sich zumindest an Teilaspekten wissenschaftlicher Methodik oder Thematik orientiert, diese aber nicht primär für den akademischen Erkenntnisfortschritt, sondern zum privaten Interesse nutzt«.11

Zwar waren die Akteure in der Ziemia Lubuska nur selten an wissenschaftlichen Institutionen angestellt, das war aber eher dem Mangel an solcherlei Stellen geschuldet als dem Desinteresse, die Historie als Beruf auszuüben. Auch professionelle Historiker, die sich ausschließlich der Forschung widmen konnten, waren sie jedoch nicht, denn die meisten, die im Laufe der Zeit in den Museen, Gesellschaften und Hochschulen angestellt waren, hatten vor allem auch organisatorische und koordniatorische Aufgaben zu bewältigen. So bewegten sich die Wissenschaftler in der Ziemia Lubuska vielmehr in einem Zwischenraum: sie waren zwar studierte Historiker, die mithilfe wissenschaftlicher Methoden Forschungsprojekte bearbeiteten, konnten diese Tätigkeit bis in die späten 1960er Jahre jedoch aufgrund der strukturellen Bedingungen in der Region nicht hauptberuflich ausüben. Außerdem arbeiteten sie zwar wissenschaftlich, mussten aber einen starken Schwerpunkt auf die populärwissenschaftliche Vermittlung der Ergebnisse legen. Die gewonnenen und vermittelten Erkenntnisse wurden unter dem Begriff wiedza o regionie summiert, was als »Kenntnis« oder »Wissen über die Region« übersetzt werden kann. In diesem Sinne wird im Folgenden das Wort Wissen verwendet. Warum aber die Fokussierung auf die populärwissenschaftliche Darstellung der Forschungsergebnisse? Unmittelbar nach dem Krieg hatte die Erforschung der Geschichte der Westgebiete einen hohen Stellenwert, noch 1958 betonte 9 Romek, Cenzura, 2010, S. 244. 10 Nissen, Martin: Populäre Geschichtsschreibung. Historiker, Verleger und die deutsche Öffentlichkeit (1848–1900). Köln 2009, S. 65. 11 Daum, Andreas W.: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. München 1998, S. 104.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

Labuda vor dem Wissenschaftlichen Beirat der TRZZ die Aufgabe der historischen Wissenschaft, zur kulturellen Aneignung der Westgebiete beizutragen.12 Vor allem galt das aber für ihre Verbreitung innerhalb der Bevölkerung. Dabei ging es, so Sczaniecki, weniger um die »historische Wahrheit« als vielmehr darum, »das polnische gesellschaftliche Bewusstsein zu durchdringen, die polnische Gesellschaft vom Polentum der Westgebiete zu überzeugen«.13 Der Bevölkerung sollte vermittelt werden, dass sie nicht auf fremdem Boden lebte. Sczaniecki ging davon aus, dass Kenntnisse über die polnische Geschichte der Westgebiete in hohem Maße dazu beitragen konnten, die neue Bevölkerung an ihre »neue Heimat« zu binden und einen »regionalen Patriotismus« zu schaffen. Er sah es daher als eine der wichtigsten Aufgaben der gegenwärtigen Wissenschaft an, Geschichte zu popularisieren und eine »richtige Übertragung der Forschungsergebnisse auf die Gesellschaft« zu sichern.14 Um breite Schichten zu erreichen, setzte man daher in der Regel auf populärwissenschaftliche Publikationen. Auf einer Sitzung der TRZZ im selben Jahr unterstrich auch Korcz, der dort eine Gruppe von Historikern vertrat, die Notwendigkeit, mithilfe populärwissenschaftlicher Publikationen »Lokalpatriotismus« zu verbreiten.15 Auf der anderen Seite kritisierte Sczaniecki etwa die von Władysław Jan Grabski, Mitarbeiter des Ministeriums für die Wiedergewonnenen Gebiete, herausgegebenen enzyklopädischen Bände zur Geschichte der Städte in den Westgebieten als »weit entfernt vom aktuellen Wissenschaftsanspruch«, viele Publikationen zu den Westgebieten würden gar durch ihr niedriges Niveau »schockieren«.16 Der Historiker Marian Eckert bemängelte, dass neben der erfolgreichen Popularisierung der Geschichte die wissenschaftliche und methodologische Diskussion mitunter etwas kurz kämen.17 Die in der Ziemia Lubuska entstandenen (populär)wissenschaftlichen Publikationen müssen daher in ihrem Entstehungskontext gesehen werden, nämlich im dreifachen Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Autoren, wissenschaftlich zu arbeiten, den an sie gestellten Anforderungen, die Ergebnisse 12 Guth, Geschichte, 2015, S. 224. 13 Michał Sczaniecki: Rola nauki w zagospodarowaniu Pomorza Zachodniego i jego integracji z reszta˛ kraju [Die Rolle der Wissenschaft für die Bewirtschaftung Westpommerns und seine Integration in den Rest des Landes], APAN, Materiały Michała Sczanieckiego, Sign. 2, Bl. 145–147. 14 Ebd. 145–147. 15 Protokoll der 1. Woiwodschaftsversammlung der TRZZ in Zielona Gjra am 3. 10. 1957, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 59, Bl. 41f. 16 Michał Sczaniecki: Uwagi o rozwoju badan´ nad dziejami Ziem Zachodnich [Anmerkungen zur Entwicklung der Forschung zur Geschichte der Westgebiete], APAN, Materiały Michała Sczanieckiego (1910–1977), Sign. 2, Bl. 153. 17 Eckert, Marian: O lubuskim s´rodowisku historycznym [Über das Lebuser historische Milieu], in: Przegla˛d Lubuski, Juni 1971, S. 24–26.

Posen als Zentrum regionaler Forschung

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populärwissenschaftlich zu formulieren, um das Wissen verbreiten zu können, und der Gebundenheit an die offiziell erlaubten Aussagen.

4.2

Posen als Zentrum regionaler Forschung

In den ersten Nachkriegsjahren ging die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Ziemia Lubuska fast ausschließlich von Posen und insbesondere dem dort im Januar 1945 gegründeten West-Institut aus. Dabei beschäftigten sich die Mitarbeiter des Instituts zunächst vor allem mit der Beschreibung und Definition der neu geschaffenen Region sowie mit der Rechtfertigung ihrer Angliederung an Polen im Jahr 1945. Sie zeichneten auch für die Namensgebung der Region verantwortlich. Diese »Externalisierung« war zum einen der Tatsache geschuldet, dass die Ziemia Lubuska Ende der 1940er Jahre – wie viele andere Regionen Polens – weder über akademisches Personal noch über universitäre Strukturen verfügte, die die Herausbildung eines wissenschaftlichen Milieus vor Ort ermöglicht hätten. In der Ziemia Lubuska wurde die Situation dadurch verschärft, dass der Ansiedlungsprozess lange nicht abgeschlossen war und sich die gesamte Infrastruktur noch im Aufbau befand. Deutsche Hochschulstrukturen, auf die man hätte zurückgreifen können, hatte es in Grünberg und Landsberg nicht gegeben. Profitierten die Universitäten Breslau und Thorn von dem Zuzug vieler Angehöriger der ehemals polnischen Universitäten in Lemberg und Wilna,18 zog es kaum wissenschaftliches Personal nach Zielona Gjra und Gorzjw. Auch eine Weiterführung außeruniversitärer Strukturen aus Ostpolen, wie sie etwa die Breslauer Wissenschaftsgesellschaft, die »personelle und strukturelle Fortführung«19 der Wissenschaftsgesellschaft in Lemberg (Towarzystwo Naukowe we Lwowie) darstellte, gab es nicht. Noch Ende 1968 lag die Woiwodschaft Zielona Gjra mit 13 wissenschaftlichen Beschäftigten an Forschungsinstituten deutlich auf dem vorletzten Platz in Polen.20 Generell konzentrierten sich Akademiker in Polen in den großen Städten, 1971 waren 92,9 Prozent der Wissenschaftler an Forschungsinstituten in den Woiwodschaften Warschau, Krakau, Lodz (Łjdz´), 18 Gjrny, Die Wahrheit, 2011, S. 23. 19 Trzynadłowski, Rola, 1986, S. 25. 20 Nur in der Woiwodschaft Köslin waren es mit 11 Beschäftigten noch weniger, die nächst höheren Zahlen wiesen die Woiwodschaften Białystok (22) und Rzeszjw (29) auf, während alle anderen Woiwodschaften deutlich mehr Wissenschaftler beschäftigten. Pracownicy naukowo-badawczy w placjwkach naukowo-badawczych w 1968 r. [Wissenschaftliche Mitarbeiter in wissenschaftlicen Einrichtungen im Jahr 1968], in: Głjwny Urza˛d Statystyczny : Rocznik Statystyczny Nauki 1971 [Statistisches Jahrbuch der Wissenschaft 1971]. Warszawa 1971, S. 189.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

Kattowitz, Posen und Breslau angestellt und nur 7,1 Prozent in den übrigen zehn.21 Von Zielona Gjra aus gesehen war Posen die nächste Universitätsstadt, mit der die Ziemia Lubuska in der Nachkriegszeit ohnehin eng verbunden war, hatte sie doch bis zur Gründung der Woiwodschaft Zielona Gjra viele Verwaltungsaufgaben für die Ziemia Lubuska übernommen. Auch nach 1950 unterstanden wichtige Institutionen der Ziemia Lubuska der Administration in Posen, so etwa das Woiwodschaftsarchiv (bis 1953) und die Museen (bis September 1957). Ein gewichtiger Grund für die besondere Rolle Posens lag aber vor allem in der dortigen Westforschungstradition. Bereits in der Zwischenkriegszeit hatte sich Posen als Zentrum der Erforschung des Grenzgebietes etabliert. Die dort betriebene »Westforschung« basierte auf dem sogenannten »Polnischen Westgedanken« (polska mys´l zachodnia). Dabei handelte es sich um eine im 19. Jahrhundert entwickelte Vision, die deutschen Gebiete westlich der polnischen Grenze von 1772, die im Mittelalter zum Einflussbereich der Piasten gehört hatten, für Polen zu gewinnen. Hintergrund war die Ende des 19. Jahrhunderts von Jan Ludwig Popławski entwickelte und später vom Mitbegründer und ChefIdeologen der Nationaldemokraten Roman Dmowski aufgenommene These, dass Polens Untergang der Aufgabe dieser westlichen Gebiete geschuldet gewesen sei.22 Nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese Vorstellung mit der Grenzverschiebung gemäß dem Vertrag von Versailles hochaktuell. Der Begriff »Westgedanke« bezog sich nun auf die Verteidigung der neu gewonnenen Westgebiete.23 Insbesondere in Auseinandersetzung mit der zu diesem Zeitpunkt mit immer größerem politischen Anspruch auftretenden deutschen Ostforschung entstand so das polnische Forschungsfeld der »Westforschung«.24 Zentrum der Westforschung war Posen mit seiner 1919 als »piastische Hochschule« (wszechnica piastowska) gegründeten Universität.25 Zwar gab es zu 21 Wallis, Statystyczne, 1972, S. 145. 22 Brier, Westgedanke, 2002, S. 10. Zur polnischen Westforschung insbesondere Hackmann, Strukturen, 2001, S. 230–255; Krzoska, Für ein Polen, 2003; Piskorski, Jan M. u. a. (Hg.): Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Disziplinen im Vergleich. Osnabrück 2003. 23 Krzoska, Für ein Polen, 2003, S. 177. 24 Brier, Westgedanke, 2002, S. 12. Der Begriff der »polnischen Westforschung« ist eine Analogie zum deutschen Begriff der »Ostforschung«, eine polnische Übersetzung dafür existiert nicht. Jaworski, Rudolf: Die polnische Westforschung zwischen Politik und Wissenschaften, in: Oberländer, Erwin (Hg.): Polen nach dem Kommunismus. Stuttgart 1993, S. 95. 25 Zur Rolle der Universität siehe: Kwilecki, Andrzej / Tomaszewski, Władysław : Poznan´ jako os´rodek polskiej mys´li zachodniej w dwudziestoleciu mie˛dzywojennym [Posen als Zentrum des polnischen Westgedankens in der Zwischenkriegszeit], in: Kwilecki, Andrzej (Hg.): Polska mys´l zachodnia w Poznaniu i Wielkopolsce. Jej rozwjj i realizacja w wiekach XIX i XX [Der polnische Westgedanke in Posen und Großpolen. Seine Entwicklung und Umsetzung im 19. und 20. Jahrhundert]. Warszawa u. a. 1980, S. 135–142.

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diesem Zeitpunkt noch keine institutionellen Strukturen, doch liefen hier viele Netzwerke zusammen. Fortan beschäftigten sich insbesondere Linguisten, Archäologen, Geographen, Soziologen und Historiker mit dem wissenschaftlichen Nachweis der historischen Zugehörigkeit der Westgebiete zu Polen. Zygmunt Wojciechowski entwickelte in diesem Zusammenhang in den 1920er Jahren das Konzept der »Mutterländer« (ziemie macierzyste): zu den »Mutterländern« Polens zählten laut Wojciechowski die Ziemia Lubuska, Schlesien, Pommern, Westpreußen und Großpolen, also jene Gebiete, die unter Bolesław Chrobry zum polnischen Staat gehört hatten. Der Verlust dieser »Mutterländer« im Mittelalter habe den Abstieg Polens verursacht.26 Während des Zweiten Weltkriegs wichen die Forscher in den Untergrund aus, setzten ihre Arbeit aber in der Organisation Ojczyzna (Vaterland) und mit dem Weststudium (Studium Zachodnie) fort. Seit Ende 1944 wurde die Gründung einer Einrichtung, die der Westforschung einen institutionellen Rahmen geben sollte, diskutiert. Im Februar 1945 wurde schließlich das West-Institut gegründet. Sein Ziel war die »Erforschung der Gesamtheit der Beziehungen der Slawen, insbesondere Polens zu Deutschland, deren Entwicklung, der ihr Territorium darstellenden Gebiete sowie der Völker, die diese Gebiete bewohnen«.27

In diesen Zusammenhang ist die Beschäftigung vieler Posener Wissenschaftler mit der Ziemia Lubuska ab Mitte der 1940er Jahre einzuordnen.28 Unmittelbar nach dem Krieg entstanden so im Umfeld des West-Instituts zahlreiche Publikationen zur Geschichte der Ziemia Lubuska,29 zu ihrer Definition und Beschreibung30 und zum »Polentum« der Region,31 außerdem zahlreiche Artikel im 26 Hackmann, Jörg: Ostpreußen und Westpreußen in deutscher und polnischer Sicht. Landeshistorie als beziehungsgeschichtliches Problem. Wiesbaden 1996, S. 224–225. Zum Konzept der Mutterländer siehe auch: Piotrowski, Bernard: O Polske˛ nad Odra˛ i Bałtykiem. Mys´l zachodnia i badania niemcoznawcze Uniwersytetu Poznan´skiego (1919–1939) [Über Polen an der Oder und an der Ostsee. Der Westgedanke und die Deutschlandforschung der Universität Posen]. Poznan´ 1987, S. 191–198; Krzoska, Für ein Polen, 2003, S. 203–216. 27 Z z˙ycia Instytutu Zachodniego [Aus dem Leben des West-Instituts], in: Przegla˛d Zachodni 1947/3, S. 372. 28 Zur Rolle Posens für die Verwaltung und Erforschung der Westgebiete in der Nachkriegszeit siehe: Wa˛sicki, Jan: Poznan´ a odzyskane ziemie zachodnie w Polsce Ludowej [Posen und die wiedergewonnenen Westgebiete in der Volksrepublik Polen], in: Kwilecki, Andrzej (Hg.): Polska mys´l zachodnia w Poznaniu i Wielkopolsce. Jej rozwjj i realizacja w wiekach XIX i XX [Der polnische Westgedanke in Posen und Großpolen. Seine Entwicklung und Umsetzung im 19. und 20. Jahrhundert]. Warszawa u. a. 1980, S. 225–278. 29 Kiełczewska, O podstawy, 1946; Kiełczewska / Grodek, Odra-Nisa, 1946. 30 Miłobe˛dzki, Zbigniew : Ziemia Lubuska. Zarys gospodarczy 14 powiatjw Ziem Odzyskanych wła˛czonych do wojewjdztwa poznan´skiego [Wirtschaftlicher Abriss der 14 Kreise der Wiedergewonnenen Gebiete, die an die Woiwodschaft Posen angeschlossen sind]. Poznan´ 1945; Krygowski / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1946. 31 Kolan´czyk, Kazimierz / Rusin´ski, Władysław : Polacy na Ziemi Lubuskiej i na Łuz˙ycach przed

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

wichtigsten Organ des West-Instituts, dem Przegla˛d Zachodni.32 Die Beiträge in dieser Zeitschrift beschäftigten sich in den 1940er Jahren insbesondere mit der Definition und der topographischen Zuordnung der Region sowie ihrer geographischen und wirtschaftlichen Beschreibung. Sie leisteten grundlegende Pionierarbeit im Bereich der Erforschung der Ziemia Lubuska. Im Jahr 1948 bezeichnete der Posener Historiker und Pionier der Erforschung der Ziemia Lubuska Sczaniecki die Ziemia Lubuska als »absolute bibliographische tabula rasa« und betonte, dass »die Geschichte dieses Gebietes noch komplett zu schreiben«33 sei. Anfang der 1950er Jahre entstanden insbesondere Artikel zur Geschichte einzelner Städte der jungen Woiwodschaft (Lubia˛z˙ [Leubus], S´wiebodzin, Sule˛cin, Sulechjw, Wschowa). Auch hierbei handelete es sich jeweils um die ersten polnischsprachigen Abhandlungen zu den Ortschaften. Das wohl wichtigste Werk war der Band »Ziemia Lubuska« aus der Reihe Ziemie Staropolski. Es handelt sich dabei um eine absolute Pionierarbeit, denn vor dem Hintergrund der Konstruktion der Region nach dem Zweiten Weltkrieg existierte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Jahr 1950 diesbezüglich kaum Literatur, von Überblicksdarstellungen ganz zu schweigen. Die Herausgeber waren sich dieser Leistung bewusst, weshalb sie »in vielen Punkten von der Publikationstradition der Serie ›Die Länder Altpolens‹« abwichen. »Als wir die Arbeit zur Ziemia Lubuska aufgenommen haben, waren wir uns der spezifischen Probleme bewusst, die dies nach sich ziehen würde. Wir sahen uns völlig neuen Aufgaben gegenüber gestellt, da wir auf keinerlei Tradition zurückgreifen konnten. Die Ziemia Lubuska ist ein unbekanntes Gebiet. Es weckte kein Interesse bei rokiem 1939. Tajny memoriał niemiecki [Polen in der Ziemia Lubuska und der Lausitz vor dem Jahr 1939. Geheimes deutsches Memorandum]. Poznan´ 1946; Sczaniecki, Z dziejjw polskos´ci, 1948. 32 Wojciechowski, Zygmunt: Poznan´ i Ziemia Lubuska [Posen und die Ziemia Lubuska], in: Przegla˛d Zachodni 1945/1, S. 58–59; Rusin´ski, Władysław : Ziemia Lubuska tworzy nowa˛ historia˛ [Die Ziemia Lubuska schafft eine neue Geschichte], in: Przegla˛d Zachodni 1946/3, S. 278–280; Tuchołka, Zbyszko: Bilans osadnictwa na Ziemi Lubuskiej [Bilanz der Ansiedlung in der Ziemia Lubuska], in: Przegla˛d Zachodni 1947/2, S. 142–146; Tuchołka, Zbyszko: Odbudowa rolnictwa na Ziemi Lubuskiej [Der Wiederaufbau der Landwirtschaft in der Ziemia Lubuska], in: Przegla˛d Zachodni 1947/4, S. 319–323; Barcin´ski, Czy Ziemia, 1948; Wilin´ski, Stanisław : Polski portret trumienny na Ziemi Lubuskiej [Polnisches Sargbildnis in der Ziemia Lubuska], in: Przegla˛d Zachodni 1948/4, S. 402–406; Kaczmarczyk u. a., Ziemia Lubuska, 1948; Sczaniecki, O ustalenie nazw, 1948, S. 623–624; Sczaniecki, Michał: Dzieje ludnos´ci polskiej na Ziemi Lubuskiej [Die Geschichte der polnischen Bevölkerung in der Ziemia Lubuska], in: Przegla˛d Zachodni 1948/5, S. 479–494; Sczaniecki, Michał: Kwestia narodowos´ciowa i wyzaniowa w przeszłos´ci Ziemi Lubuskiej [Die Frage der Nationalität und der Konfession in der Vergangenheit der Ziemia Lubuska], in: Przegla˛d Zachodni 1948/6, S. 586–600; Sczaniecki, Michał: Stosunki sa˛siedzkie na pograniczu wielkopolsko-lubuskim w przeszłos´ci [Die Nachbarschaftsbeziehungen an der großpolnisch-lebuser Grenze in der Vergangenheit], in: Przegla˛d Zachodni 1948/7–8, S. 72–88; Chyczewska, Alina: Łagowskie wakacje malarzy [Łagjwer Maler-Ferien], in: Przegla˛d Zachodni 1949/3–4, S. 271–275. 33 Sczaniecki, Z dziejjw polskos´ci, 1948, S. 5.

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den deutschen Gelehrten, und die polnischen Wissenschaftler haben sich bislang nicht damit beschäftigt.«34

Der bestehenden Literatur könne man nur wenig entnehmen, weshalb die Arbeit »von den Grundlagen aus durchgeführt werden musste, unter Rückgriff auf Quellen und gewissenhafte Forschung«.35 Daher habe der Band einen wissenschaftlichen Charakter und verfüge über eine ausführliche Bibliographie. Gleichzeitig waren die Autoren jedoch bemüht, die Ergebnisse einer möglichst breiten Leserschaft zugänglich zu machen. Denn das Buch war die erste Begegnung mit der Ziemia Lubuska und sollte ein »Kennenlernen, ein Vertrautwerden mit der Ziemia Lubuska, ihrer Schönheit, ihrer Geschichte«36 ermöglichen. Lange Zeit blieb der Band das einzige Standardwerk zur Ziemia Lubuska.37 Er stellte auf über 400 Seiten die Geschichte, die Geographie, die Kunst und die Bevölkerung der Ziemia Lubuska vor, widmete aber auch den Ereignissen nach 1945 ein ausführliches Kapitel. Der Publikation vorausgegangen war eine wissenschaftliche Erkundungsreise durch die Ziemia Lubuska. Vom 19. August bis 22. September 1947 machte sich auf Initiative von Wojciechowski eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Posen auf, die Ziemia Lubuska zu »vermessen«, eine »Autopsie des Geländes«38 durchzuführen. Es war die erste von mehreren Exkursionen dieser Art in die neuen polnischen West- und Nordgebiete. Im Rahmen dieser Reise besuchten die Forscher alle Städte und einen Großteil der Dörfer der Region, sie durchkämmten Archive, Museen und Kirchen, erstellten eine Beschreibung der Landschaft und katalogisierten die architektonischen Denkmäler. Insgesamt legte die aus Geographen, Historikern, Ethnographen, Linguisten und Kunsthistorikern bestehende Forschungsgruppe 4.000 km Wegstrecke zurück, während derer die Teilnehmer sich in ständigem interdisziplinärem Austausch befanden. Fast jede Nacht verbrachte die Gruppe in einer anderen der 24 besuchten Ortschaften. Der Teilnehmer Michał Sczaniecki erinnerte sich an die Expedition: »Natürlich waren die Reisebedingungen 1947 weit entfernt vom modernen Begriff des Komforts. Das unbequeme Fortbewegungsmittel, bei dem es sich um einen kleinen Lastkraftwagen handelte, wurde durch das Wetter gerettet. Die Mehrzahl der städti34 35 36 37

Sczaniecki / Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1950, S. 7. Ebd., S. 7. Ebd., S. 8. Dolan´ski, Dariusz: Michał Sczaniecki (1910–1977) [Michał Sczaniecki (1910–1977)], in: 50 lat Polskiego Towarzystwa Historycznego w Zielonej Gjrze [50 Jahre Polnische Historische Gesellschaft in Zielona Gjra]. Zielona Gjra 2005, S. 64. 38 Michał Sczaniecki: Z ekspedycja˛ naukowa˛ Instytutu Zachodniego na Ziemi Lubuskiej w 1947 r. [Mit einer wissenschaftlichen Exkursion des West-Instituts in die Ziemia Lubuska im Jahr 1947], APAN, Materiały Michała Sczanieckiego, Sign. 15, Bl. 1.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

schen Wohngebiete lag in Trümmern, viele Dörfer waren überhaupt nicht bewohnt. Zahlreiche Kunstdenkmäler, Überbleibsel von Archivalien oder Bibliotheken, die häufig verwahrlost waren, mussten registriert und gesichert werden, indem wir sie dem Schutz der neuen Ansiedler überließen und sie auf ihren Wert hinwiesen. Oftmals war es schwierig, zwischen den Ruinen und Zerstörungen irgendwelche schriftlichen Dokumente zu finden. In vielen Orten waren die einzigen schriftlichen Spuren menschlicher Aktivität die Grabbeschriftungen, weshalb die Friedhöfe, die wir besichtigten und scherzhaft ›Archive‹ nannten, manchmal die einzigen historischen Quellen waren.«39

Im Rahmen der Expedition entstanden Tausende Fotos von Landschaften, Städten, Kunstwerken, Kirchen und Menschen, aufgenommen vom Kunsthistoriker Gwido Chmarzyn´ski und dem Pressefotografen Eugeniusz Kitzmann, von denen viele zur Illustration der Publikation verwendet wurden.40 Bei einigen Teilnehmern entstand aufgrund der Exkursion eine besondere Bindung zur Ziemia Lubuska.41 1964 erinnerte sich Sczaniecki: »Die Erinnerung an diesen ersten Kontakt mit der Ziemia Lubuska, mit ihrem Reiz und ihrer wissenschaftlichen Problematik blieb für die Teilnehmer der Expedition unvergesslich. Kein Wunder, dass die Lebuser Problematik zu ihrer Passion und zu einer Konstante in ihrem wissenschaftlichen Schaffen wurde […]. Wir alle kehren gern zu dieser Problematik zurück und verbinden mit ihr die Erinnerungen an die wissenschaftliche Expedition des West-Instituts, die uns so eng mit der Ziemia Lubuska verbunden hat.«42

Auch erinnerte er sich an die bleibenden Eindrücke, die der erste Tag der Exkursion bei ihm hinterlassen hatte: »Bis heute sind mir drei Erlebnisse dieses Tages in Erinnerung geblieben – das Erlebnis des Bildes der Zerstörung (Kostrzyn), das Erleben der Schönheit der Landschaft und der Natur der Ziemia Lubuska und das Erlebnis der stark auf Phantasie beruhenden historischen und künstlerischen Tradition.«43

39 Ebd. 40 Die auf dieser Exkursion entstandenen Fotografien wurden 1997 in einem Bildband veröffentlicht: Chmarzyn´ski, Gwido / Kitzmann, Eugeniusz: Przed pjłwieczem… Ziemia Lubuska w obiektywie [Vor einem halben Jahrhundert… Die Ziemia Lubuska im Objektiv]. Poznan´ 1997. 41 Dazu die Aussage von Michał Sczaniecki in: Szczegjła, Hieronim: Problematyka lubuska w działalnos´ci naukowej historykjw UAM w Poznan´iu [Die Lebuser Problematik in der wissenschaftlichen Tätigkeit der Historiker der UAM in Posen], in: Rocznik Lubuski 1973/8, S. 248. 42 Michał Sczaniecki: Z ekspedycja˛ naukowa˛ Instytutu Zachodniego na Ziemi Lubuskiej w 1947 r. [Mit einer wissenschaftlichen Exkursion des West-Institut in die Ziemia Lubuska im Jahr 1947], APAN, Materiały Michała Sczanieckiego, Sign. 15, Bl. 5. 43 Ebd.

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Sczaniecki war dank dieser Reise an Forschungsmaterialien gelangt, die er andernfalls nicht erhalten hätte und die eine Grundlage für seine ersten Artikel zur Ziemia Lubuska darstellten.44 Eine weitere Teilnehmerin, die Geographin Stanisława Zajchowska, beschrieb ihre Eindrücke der Reise Jahre später in einem reiseführerähnlichen Buch über die Ziemia Lubuska und versuchte den Lesern »unsere Begeisterung und unseren Enthusiasmus bei diesen Arbeiten und das tiefe Erstaunen und die Nachdenklichkeit […], die in uns das Gefühl der historischen Gerechtigkeit geweckt hat,«45

nahezubringen. Sie berichtete, wie die Gruppe sich zunächst theoretisch auf die Reise vorbereitete, Karten studierte und einem Vortrag von Gerard Labuda zur Ziemia Lubuska beiwohnte.46 Daraufhin, so Zajchowska, »[begannen] diese ganzen Probleme uns zunehmend zu packen und vergrößerten die Lust, so schnell wie möglich ins Gebiet aufzubrechen«.47 Im Anschluss an die einmonatige Reise entstand das Buch »Ziemia Lubuska«, das die Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit präsentieren sollte. Nur einer der insgesamt zwanzig Autoren – Wiesław Sauter – war ein Ortsansässiger. Sauter hatte in den 1920er Jahren in Posen studiert und war seit dem Frühling 1945 als Schulinspektor in der Ziemia Lubuska tätig.48 Er war im Kulturhaus in Nowe Kramsko auf die Gruppe gestoßen.49 Bei den übrigen Autoren handelte es sich größtenteils um Angehörige der Universität in Posen, darunter ein Botaniker, ein Jurist, eine Ethnographin, ein Polonist, eine Geographin, ein Angehöriger der Streitkräfte und mehrere Historiker. Viele von ihnen waren keine ausgewiesenen Experten für die Ziemia Lubuska, sondern beteiligten sich ebenso an den übrigen Bänden der Reihe. Der Erforschung der Region treu blieben neben dem ortsansässigen Sauter insbesondere die Geographin Stanisława Zajchowska und die Historiker Michał Sczaniecki und Zdzisław Kaczmarczyk. Neben den Autorinnen und Autoren der wichtigen Bände der ersten Jahre – Zajchowska, Maria Kiełczewska, Andrzej Grodek, Bogumił Krygowski u. a. –, die wissenschaftliche Mitarbeiterstellen am West-Institut inne hatten und sich insbesondere auf die Definition und Beschreibung der Ziemia Lubuska sowie die Sczaniecki, Z dziejjw polskos´ci, 1948, S. 5. Zajchowska, Nad s´rodkowa˛ Odra˛, 1959, S. 8. Ebd., S. 9. Ebd., S. 10. Szczegjła, Hieronim: Wiesław Sauter (1905–1996) [Wiesław Sauter (1905–1996)], in: 50 Lat Polskiego Towarzystwa Historycznego – Oddział w Zielonej Gjrze [50 Jahre Polnische Historische Gesellschaft Abteilung Zielona Gjra]. Zielona Gjra 2005, S. 83. 49 Michał Sczaniecki: Z ekspedycja˛ naukowa˛ Instytutu Zachodniego na Ziemi Lubuskiej w 1947 r. [Mit einer wissenschaftlichen Exkursion des West-Institut in die Ziemia Lubuska im Jahr 1947], APAN, Materiały Michała Sczanieckiego, Sign. 15, Bl. 2.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

Angliederung der Region an Polen im Jahr 1945 konzentrierten, gab es eine Reihe von Personen im Posener Umkreis, die sich auch darüber hinaus mit der Lebuser Thematik auseinandersetzte. In den Jahren 1945 bis 1950 wurden in Posen so viele Publikationen zur Ziemia Lubuska herausgegeben wie in keinem anderen Fünf-Jahres-Zeitraum.50 Hervorzuheben sind insbesondere zwei Personen, auch wenn ein deutlich größerer Kreis von Wissenschaftlern über viele Jahre eng mit der Lebuser Wissenschaft verbunden war. Zum einen handelt es sich um den Rechtshistoriker Michał Sczaniecki (1910–1977), Mitautor der Monographie »Ziemia Lubuska« und später Herausgeber der ersten polnischsprachigen Stadtgeschichte von Zielona Gjra. Er hatte sich 1946 dem WestInstitut angeschlossen und war engster Mitarbeiter des Direktors Zygmunt Wojciechowski geworden.51 1954 wurde er Professor an der UAM, von 1961 bis 1964 leitete er das West-Institut. Neben zahlreichen Publikationen reiste Sczaniecki regelmäßig für Vorträge und Seminare in die Ziemia Lubuska. Seiner Feder entsprang die Artikelsammlung »Z dziejjw polskos´ci Ziemi Lubuskiej«52 (Von der Geschichte des Polentums der Ziemia Lubuska), die laut dem Historiker Hieronim Szczegjła die erste tiefgehende Beschäftigung mit der Geschichte der Ziemia Lubuska darstellte.53 Weiterhin war er Herausgeber der ersten Monographie über Zielona Gjra, dem 1962 erschienen Band »Zielona Gjra. Przeszłos´c´ i teraz´niejszos´c´«54 (Zielona Gjra. Vergangenheit und Gegenwart). Vor allem aber trug er Sorge, dass die Geschichtsinteressierten der Region zusammenfanden.55 Im Jahr 1983 stellte der damalige Vorsitzende der Polnischen Historischen Gesellschaft in Zielona Gjra, Marian Eckert, den Antrag, eine Straße nach Sczaniecki zu benennen, um sein vielfältiges Engagement im Hinblick auf die Herausbildung eines wissenschaftlichen Milieus in der Ziemia Lubuska zu würdigen.56 Eine wichtige Funktion übernahm darüber hinaus Jan Wa˛sicki (1921–1995). Er hatte in den 1940er Jahren Jura an der Universität in Posen studiert und dort anschließend eine Stelle angenommen. Seine Betreuer waren Zygmunt Wojciechowski und Zdzisław Kaczmarczyk, durch die sein Interesse für die Ziemia Lubuska geweckt wurde, das sich schließlich während der Exkursion im Jahr

50 Ratus´, Kształcenie, 1971, S. 46. 51 Olszewski, Henryk: Instytut Zachodni, 1944–1994 [Das West-Institut, 1944–1994], in: Instytut Zachodni, 50 lat [Das West-Institut, 50 Jahre]. Poznan´ 1994, S. 42. 52 Sczaniecki, Z dziejjw polskos´ci, 1948. 53 Szczegjła, Problematyka, 1973, S. 246. 54 Sczaniecki / Wa˛sicki, Zielona Gjra, 1962. 55 Dolan´ski, Sczaniecki, 2011, S. 64. 56 Schreiben vom 31. 8. 1983 von Marian Eckert an den Vorsitzenden des Städtischen Nationalrats in Zielona Gjra, APZG, Polskie Towarzystwo Historyczne Oddział w Zielonej Gjrze [Polnische Historische Gesellschaft Abteilung in Zielona Gjra], Sign. 11, [o.S.].

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1947 vertiefte.57 Wa˛sicki hatte im Laufe der Jahre zahlreiche Ämter in den Gesellschaften und auch an der Pädagogischen Hochschule der Ziemia Lubuska inne und war Redakteur des Rocznik Lubuski. Auch nahm er eine wichtige Verbindungsrolle zwischen dem etablierten wissenschaftlichen Zirkel in Posen und dem jungen Historikerkreis in Zielona Gjra ein. So vermittelte er etwa Autoren aus der Region an ein Publikationsprojekt aus Posen unter der Leitung der Posener Professoren Kaczmarczyk und Andrzej We˛dzki, das in die Publikation des Bandes »Studia nad pocza˛tkami i rozplanowaniem miast nad ´srodkowa˛ Odra˛ i dolna˛ Warta˛«58 (Studien zu den Anfängen und der Aufteilung der Städte an der mittleren Oder und niederen Warthe) mündete.59 Das 1967 erschienene Buch wurde gemeinsam von Historikern aus Posen und Zielona Gjra verfasst und »sollte die Sichtbarkeit der tausendjährigen Geschichte des polnischen Staates in der Ziemia Lubuska herausstellen«.60 Dass es sich bei Sczaniecki und Wa˛sicki um studierte Juristen handelte, war keinesfalls ungewöhnlich, spielten doch Rechtswissenschaftler und Rechtshistoriker in der Nachkriegszeit in ganz Polen eine wichtige Rolle in der Geschichtswissenschaft.61 Darüber hinaus waren zahlreiche weitere Personen mitunter über mehrere Jahrzehnte im Bereich der Erforschung der Ziemia Lubuska engagiert. Stanisława Zajchowska (1908–1995) war Mitarbeiterin am West-Institut und ab 1962 Professorin der Geographie an der Universität in Posen. In den 1940er und 1950er Jahren verfasste sie zahlreiche wissenschaftliche und einige populärwissenschaftliche Monographien und Artikel zur Ziemia Lubuska. Auch Jjzef Kostrzewski, der schon in den 1940er Jahren erste archäologische Grabungen an mehreren Orten in der Ziemia Lubuska geleitet hatte, gehörte zu den Pionieren der regionalgeschichtlichen Forschung.62 Hinzu kamen Posener Soziologen, die die Region schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit erforschten.63 Bereits in den Jahren 1945 bis 1951 führte die Fakultät für Soziologie der Universität Posen

57 Benyskiewicz, Joachim: Jan Wa˛sicki (1921–1995) [Jan Wa˛sicki (1921–1995)], in: Dolan´ski, Dariusz (Hg.): 50 lat Polskiego Towarzystwa Historycznego w Zielonej Gjrze [50 Jahre Polnische Historische Gesellschaft in Zielona Gjra]. Zielona Gjra 2005, S. 76. 58 Kaczmarczyk, Zdzisław / We˛dzki, Andrzej: Studia nad pocza˛tkami i rozplanowaniem miast nad S´rodkowa˛ Odra˛ i Dolna˛ Warta˛ [Studien zu den Anfängen und der Gestaltung der Städte an der Mittleren Oder und der Niederen Warthe]. Zielona Gjra 1967. 59 Schreiben vom 28. 9. 1962 von Andrzej We˛dzki an Wiktor Lemiesz, APZG, Polskie Towarzystwo Historyczne Oddział w Zielonej Gjrze, Sign. 2, [o.S.]. 60 Schreiben vom 25. 10. 1966 von Jan Muszyn´ski (LTN) und Jan Wa˛sicki (LTN) an Jan Lembas, PWRN Zielona Gjra, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4136, Bl. 114. 61 Rutkowski, Nauki, 2007, S. 13. 62 Szczegjła, Problematyka, 1973, S. 248. 63 Chronik der Gruppe Soziologie der LTN (4. 12. 1965–31. 3. 1969), APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 545, Bl. 2.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

Forschungen durch, die überwiegend von Studierenden übernommen wurden. Die Ergebnisse wurden jedoch nicht veröffentlicht.64 Zu Beginn der 1950er Jahre schien das Interesse an der Ziemia Lubuska in Posen abzuflauen. Das lag an der Gründung der neuen Woiwodschaft, die einerseits von vielen Posenern abgelehnt worden war und andererseits zu neuen Verwaltungsstrukturen führte, in deren Folge die Ziemia Lubuska schlicht nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich Posens fiel. Die Einschränkungen in der Geschichtswissenschaft in der Hochzeit des Stalinismus dürften ebenfalls zum sinkenden Engagement in dieser Zeit beigetragen haben. Das Interesse der Posener Wissenschaftler an der Region entzündete sich erneut ab Mitte der 1950er Jahre, als die Institutionalisierung des regionalen Kulturlebens ihren Anfang nahm.65 Auch die städtischen Institutionen übernahmen weiterhin eine wichtige Rolle für das sich entwickelnde akademische Milieu in der Ziemia Lubuska. Zum einen wurden an der Universität Posen (seit 1955 Adam-Mickiewicz-Universität) viele Personen aus der Region ausgebildet, die sich später vor Ort engagierten. Zum anderen entstanden zwischen 1945 und 1969 an der Posener Universität zahlreiche Magisterarbeiten und insgesamt 29 Doktorarbeiten zur Ziemia Lubuska.66 In den späten 1950er und 1960er Jahren wurden auf Initiative des WestInstituts und unter der Leitung der Posener Soziologie-Professoren Zygmunt Dulczewski und Andrzej Kwilecki soziologische Studien zur Integration der Gesellschaft unternommen.67 Sie stellten die erste systematische Untersuchung der Region dar. Dass ausgerechnet die Ziemia Lubuska als Untersuchungsgegenstand ausgesucht wurde, hatte verschiedene Gründe. Nicht nur handelte es sich um die soziologisch gesehen am wenigsten bekannte Region. Die Ziemia Lubuska war außerdem im Hinblick auf die »Repräsentativität« die, so die Forscher, »durchschnittlichste«68 Region, da es hier eine nur kleine autochthone Bevölkerung gab. Nicht zuletzt spielte aber auch der Bedarf und die Bereitschaft der Behörden eine Rolle, ebenso die Nähe zu Posen.69 Neben wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse hatten auch politische Bestrebungen die Forschung angeregt. Es war erklärtes Ziel, dem westdeutschen Revisionismus und der »falschen, tendenziösen These von der kulturellen Nichtbewirtschaftung der Westgebiete 64 Kwilecki, Organizacja, 1962, S. 9. 65 Szczegjła, Problematyka, 1973, S. 249. 66 Ratus´, Bronisław : Tematyka lubuska w pracach UAM [Die Lebuser Problematik in den Arbeiten der UAM], in: Rocznik Lubuski 1973/8, S. 264–266. 67 Ausführlich zu den soziologischen Studien in der Ziemia Lubuska zwischen 1945 und 1960 und deren Ergebnissen: Kwilecki, Organizacja, 1962, S. 8–33. 68 Dulczewski, Zygmunt: Socjologiczne studium porjwnawcze o Ziemi Lubuskiej [Vergleichende soziologische Untersuchng über die Ziemia Lubuska], in: ders. (Hg.): Społeczen´stwo Ziem Zachodnich [Die Gesellschaft der Westgebiete]. Poznan´ 1971, S. 7. 69 Ebd., S. 7f.

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und der Abwesenheit einer homogenen Bevölkerung in dieser Gegend« konkrete Argumente entgegen zu setzen.70 Während die Untersuchung von 1958 in Zusammenarbeit mit der soziologischen Abteilung der Polnischen Akademie der Wissenschaften sowie dem Präsidium des Woiwodschaftsnationalrats (Prezydium Wojewodzkiej Rady Narodowej, PWRN) in Zielona Gjra durchgeführt wurde, hatten für die zweite Studie im Jahr 1968 Mitglieder der Soziologischen Sektion der LTN Interviews durchgeführt. Ziel der Studien war zunächst eine Bestandsaufnahme, die folgenden Leitfragen nachging: »Wie war die Ansiedlung der Bevölkerung in den erforschten Orten vonstattengegangen, in welchen Wellen waren die Siedler angekommen und wie gestaltete sich ihre ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Situation am neuen Ort?«71

Weiterführende Untersuchungen beschäftigten sich dann mit der Entstehung neuer sozialer Bindungen, der Organisation des Lebens in den zerstörten Städten und der Integration der Ansiedler aus dem Osten. Die zweite Studie wurde mit zehn Jahren Abstand durchgeführt und sollte Aufschluss über Veränderungen und Entwicklungen geben. Dulczewski hätte die Studien gern über die 1970er Jahre hinaus weitergeführt, doch nachdem die Partei die Integration der Westgebiete nach dem Jahr 1970 für abgeschlossen erklärt hatte, förderte sie keine weiteren diesbezüglichen Forschungsprojekte mehr.72 Nicht zuletzt ermutigten die Posener einige Ortsansässige, selbst wissenschaftliche Forschung aufzunehmen. So beschrieb Marian Eckert, wie er erst durch die Kontakte mit der Universität Posen und den dortigen Professoren auf die Idee kam, eine Doktorarbeit zu verfassen. Die Hindernisse waren groß: »Die Sache schien hoffnungslos. Die Archive waren weit, die Bibliotheken auch, es fehlte ein Kreis von kritischen Kollegen, mit denen man diskutieren kann.«73 Vor diesem Hintergrund ist die im Folgenden nachgezeichnete Entwicklung mehr als beachtlich. Am 17. Februar 1970 wurde anlässlich des Gründungsjubiläums der UAM in Zielona Gjra ein Symposium zur Rolle der Universität für die Entwicklung der Ziemia Lubuska abgehalten. 70 Kwilecki, Organizacja, 1962, S. 13. 71 Dulczewski, Zygmunt: Wste˛p [Einleitung], in: ders. (Hg.): Tworzenie sie˛ nowego społeczen´stwa na Ziemiach Zachodnich [Der Aufbau einer neuen Gesellschaft in den Westgebieten]. Poznan´ 1961, S. 8. 72 Dulczewski, Zygmunt: O badaniach socjologicznych na Ziemiach Zachodnich i Pjłnocnych [Über die soziologischen Forschungen in den West- und Nordgebieten], in: Przegla˛d Zachodni 1996/4, S. 114. 73 Eckert, Marian: Droga do wiedzy [Der Weg zum Wissen], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Mjj dom nad Odra˛ [Mein Haus an der Oder]. Zielona Gjra 1971, S. 242.

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»Das Symposium sollte ein Ausdruck der Wertschätzung der Posener Wissenschaft und ihrer Vertreter sein, die sich der Ziemia Lubuska verbunden fühlten und damit einer Region, die nicht nur im Laufe der Jahrhunderte, sondern auch in der Nachkriegsgeschichte eine Agglomeration peripherer Gebiete war und nie über einen eigenen Zirkel [von Interessierten, K.H.] verfügte, der sich mit der Bevölkerung dort beschäftigte«,74

so Jan Muszyn´ski, der damalige wissenschaftliche Sekretär der LTN in Zielona Gjra. Nach 1950 sei zwar ein solches Umfeld entstanden, aber ohne die Hilfe von außen wäre das nicht möglich gewesen. Wissenschaftler aus Posen hätten zu einer akademischen Atmosphäre beigetragen, »die man Ende der 1950er Jahre deutlich in der Woiwodschaft spüren konnte«.75 Die Kooperation mit den Posenern ging nicht immer konfliktfrei vonstatten. 1960 beschwerten sich Mitarbeiter der regionalen Museen und Archive, dass die Woiwodschaft aufgrund der Tatsache, dass »sie keine eigene Forschungseinrichtung besitze, von Posen als Kolonie behandelt« werde. In Posen befänden sich wertvolle Materialien zur Ziemia Lubuska, so etwa die Dokumente, auf deren Basis das Buch »Ziemia Lubuska« entstanden war, welche man zurück fordern müsse, sobald die Museen und Archive »professionelle Einrichtungen« geworden seien.76 Auch forderte Klem Felchnerowski, der Woiwodschaftskonservator, im Jahr 1954, dass die 1.500-bändige Bibliothek, die zum Museum in Zielona Gjra gehört hatte und mittlerweile in Posen lagerte, wieder zurück geholt werde.77 Äußerungen dieser Art – die immerhin vom offensichtlich schon in jenen frühen Jahren vorhandenen regionalen Selbstbewusstsein zeugen – waren jedoch selten, insgesamt überwog die positive Kooperation, obgleich sich viele Ortsansässige eine eigene Regionalforschung wünschten. Bis diese sich entwickelt hatte, blieb Posen jedoch unersetzlich für die Erforschung der Ziemia Lubuska.

74 Jan Muszyn´ski: Niektjre problemy ´srodowiska naukowego w wojewjdztwie zielonogjrskim [Einige Probleme des wissenschaftlichen Milieus in der Woiwodschaft Zielona Gjra], (1973), APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 641, Bl. 1. 75 Ebd., Bl. 2. 76 Zum Zustand der Archive und Museen (ca. 1955–1958), APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1139, Bl. 131f. 77 Sitzungsprotokoll des Museusm in Zielona Gjra am 2. 4. 1945 zur Eröffnung am 22. 7. 1954, APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1149, Bl. 84.

Der »Lebuser Weg zur Universität« – Die Regionalforschung vor Ort

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Der »Lebuser Weg zur Universität« – Die Regionalforschung vor Ort

Nach und nach entwickelte sich in der Ziemia Lubuska, vor allem in Zielona Gjra, ein eigenständiges akademisches Milieu, in dem Regionalforschung betrieben wurde. Seine Herausbildung war eng mit der Entwicklung des kulturellen Lebens in der Ziemia Lubuska verknüpft. Die LTK stellte nicht nur die nötigen Strukturen zur Verfügung. Das schwach ausgeprägte Kulturleben hatte auch verhindert, dass sich insbesondere nach 1948 Akademiker in der Ziemia Lubuska ansiedelten.78 Insofern war die kulturelle Aktivierung eine wichtige Voraussetzung dafür gewesen, dass überhaupt professionelle Regionalforscher in der Ziemia Lubuska lebten. Schließlich handelte es sich bei den wichtigsten Akteuren oftmals um dieselben Personen, die seit den 1950er Jahren in der kulturellen Bewegung aktiv waren. Zwar hatten sich bereits unmittelbar nach dem Krieg in der Ziemia Lubuska diverse Klubs, Kulturhäuser, Bibliotheken und Theater gegründet, deren Aktivitäten zum Kulturleben beitrugen und die sich thematisch mit der Region auseinandersetzten, doch existierte lange Zeit keine Einrichtung, die die Erforschung der Ziemia Lubuska vor Ort ermöglichte. Schon seit 1945/46 waren in Gorzjw auch einige wissenschaftliche Institute (etwa das Staatliche Veterinärinstitut [Pan´stwowy Instytut Weterenarii] oder das Staatliche Institut für Agrarwissenschaft [Pan´stwowy Instytut Naukowego Gospodarstwa Wiejskiego]) beheimatet, jedoch beschäftigten sie sich nicht mit der Region.79 Allein die Museen und Archive der Ziemia Lubuska betätigten sich schon vor 1956 auf diesem Bereich.80 Das Museum bot fast von Beginn an Vorträge, Exkursionen und auch Schulungen für historische Stadtführungen für die Polnische Touristisch-Landeskundliche Gesellschaft an. Um das Tätigkeitsfeld nicht auf Zielona Gjra beschränken zu müssen, unterhielten die Mitarbeiter einen Museumsbus, mit dem sie auch die Bevölkerung in kleineren Ortschaften der Woiwodschaft erreichten. Auch in Gorzjw existierte bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein Museum, das sich den Belangen der Region von (populär)wissenschaftlicher Seite näherte. Der Direktor des Museums bemühte sich ab Mitte der 1950er Jahre aktiv, in der Stadt Bedingungen für ein historisches Forschungszentrum zu

78 Rutowska / Tomczak, Ziemia Lubuska, 2003, S. 60. 79 Jan Muszyn´ski: Niektjre problemy ´srodowiska naukowego w wojewjdztwie zielonogjrskim [Einige Probleme des wissenschaftlichen Milieus in der Woiwodschaft Zielona Gjra], 1973, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 641, Bl. 5. 80 Sitzungsprotokoll des Museusm in Zielona Gjra am 2. 4. 1945 zur Eröffnung am 22. 7. 1954, APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1149, Bl. 84.

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schaffen.81 Dies führte in einem ersten Schritt dazu, dass die Archivalien zur Stadtgeschichte Gorzjws dem Stadtarchiv übergeben wurden.82 Darüber hinaus präsentierte das Museum in seinen Ausstellungen die Stadt- und Regionalgeschichte83 und führte Schulungen für die Stadtführer der PTTK zur Geschichte der Stadt Gorzjw durch. Auch entstand 1953 unter dem Dach des Museums eine der ersten wissenschaftlichen Bibliotheken der Stadt, die in den folgenden Jahren ihren Bestand stetig erweitern konnte.84 So resümierte Szczegjła im Jahr 1974, dass es »sicherlich nicht übertrieben« sei, »zu behaupten, dass das Museum in Gorzjw Wlkp. für die Anfänge des dortigen geisteswissenschaftlichen Milieus verantwortlich war und die Aktivitäten des dortigen historischen Milieus bis heute unter seinem Patronat stehen.«85

Ebenfalls noch vor der regionalen Bewegung der späten 1950er Jahre eröffnete das Woiwodschaftsarchiv. Aufgrund des Raummangels in Zielona Gjra wurde es am 1. August 1950 zunächst als Kreisabteilung des Posener Staatsarchivs in Gorzjw gegründet.86 Es war das erste Archiv in den polnischen Westgebieten, das seine Arbeit aufnahm.87 Seine Mitarbeiter boten populärwissenschaftliche Veranstaltungen (pogadanki) und Vorträge für Gymnasialklassen zur Geschichte der Stadt und der Ziemia Lubuska an, außerdem entstand nach und nach eine Sammlung aller zur Region erschienenen Publikationen.88 Das Archiv machte sich auch um die Stadtgeschichte verdient, indem es die deutschen Akten inventarisierte und bewahrte89 und dafür sorgte, dass keinerlei Dokumente – auch keine deutschen – vernichtet wurden.90 Im September 1953 eröffnete schließlich das Woiwodschaftsarchiv in Zielona Gjra (Archiwum Pan´stwowe w Zielonej Gjrze). Das Archiv in Gorzjw wurde 81 Die wichtigsten Errungenschaften der Jahre 1945–1957, APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie, Sign. 20, Bl. 38. 82 Ebd. 83 Jahresbericht (1955), APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie, Sign. 19., Bl. 5f. 84 Nowakowska, Zofia: 30 lat działalnos´ci Muzeum w Gorzowie Wielkopolskim [30 Jahre Museum in Gorzjw Wielkopolski], in: Rocznik Lubuski 2005/1, S. 95. 85 Hieronim Szczegjła, Juni 1974, BML, Muzeum Lubuskie, Sign. 22/7, Bl. 82f. 86 Kazimierz Bielecki: Z dziejjw Archiwum Pan´stwowego na Ziemi Lubuskiej 1950–1953 r. [Aus der Geschichte des Staatsarchivs in der Ziemia Lubuska 1950–1953], APG, Oddział Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie Wlkp, Sign. 198, Bl. 67. 87 Ebd., Bl. 68. 88 Erläuterungen 5. 1. 1963, APG, Oddział Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie Wlkp., Sign. 16, Bl. 11; Tätigkeitsbericht des Staatsarchivs in Gorzjw von der Entstehung bis zur Gegenwart (1. 9. 1955), APG, Oddział Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie Wlkp., Sign. 196, Bl.179–188. 89 5-Jahres-Plan der Archivarbeiten für die Jahre 1966–1970 des Woiwodschaftsarchivs in Gorzjw Wlkp. (16. 2. 1965), APG, Oddział Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie, Sign. 9, Bl. 8f. 90 Schreiben von Kazimierz Bielski an die Landwirtschaftliche Genossenschaft »Samopomjc Chlopska« vom 10. 12. 1951, APG, Oddział Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie, Sign. 47, Bl. 74.

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nun zum Kreisarchiv. Da jedoch in Zielona Gjra aufgrund des Gebäudemangels keine passenden Räumlichkeiten gefunden werden konnten, musste das Archiv zunächst nach Sulechjw, etwa 40 km nördlich von Zielona Gjra, ausweichen. Die Mitarbeiter organisierten Ausstellungen zur Regionalgeschichte und widmeten sich – außerhalb ihrer Arbeitszeit – der Forschung. Die Aufgaben des Archivs bestanden neben der Sammlung, Ordnung, Erhaltung und Bereitstellung von Dokumenten in ihrer wissenschaftliche Aufarbeitung sowie der Durchführung eigener Forschungsprojekte. Sein Bestand wurde auf zwei Abteilungen aufgeteilt: Dokumente aus der Zeit vor 1945 und Dokumente aus der Zeit nach 1945. Erstere wurde umgangssprachlich die »deutsche Abteilung« genannt.91 Für lange Zeit waren die Räumlichkeiten des Archivs der einzige Ort in der Woiwodschaft, an dem wissenschaftliches Arbeiten möglich war. Am Beispiel des Archivs zeigen sich aber auch zwei Probleme, die die Herausbildung eines akademischen Milieus in der Ziemia Lubuska erheblich erschwerten. Zum einen war in den 1950er Jahren das Interesse an den Akten zu Zielona Gjra vor Ort verhältnismäßig gering. Die Archivnutzer reisten zu dieser Zeit vorrangig aus Breslau und Posen an, mitunter auch aus Warschau, nicht aber aus der Region selber. Zum anderen werden die negativen Auswirkungen der Wohnungsnot deutlich. Es stellte sich nämlich als schwierig heraus, den Archiv-Direktor zur Beibehaltung seiner Position zu bewegen, da er noch 1958 keine angemessene Wohnung hatte beziehen können und aufgrund dessen seinen Weggang aus der Woiwodschaft in Erwägung zog.92 Kurz nach der Eröffnung des Woiwodschaftsarchivs im April 1954 wurde in Zielona Gjra eine regionale Zweigstelle der Polnischen Historischen Gesellschaft (Oddział Polskiego Towarzystwa Historycznego, OPTH) gegründet. Zwar handelte es sich um eine polenweite Organisation, doch hatte die Niederlassung eine wichtige Bedeutung als institutioneller Rahmen für die Erforschung der Region. Initiiert wurde die OPTH vom Posener Professor Sczaniecki und dem am Institut für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften angestellten Historiker Stanisław Herbst sowie dem Leiter des Archivs in Sulechjw, Tadeusz Mencel. Sie sollte einen Schwerpunkt auf die Regionalforschung legen und damit nach und nach die Aufgaben der Posener Zweigstelle übernehmen, die sich seit 1946 mit der Erforschung der Ziemia Lubuska befasst hatte.93 Ihre 91 Dzwonkowski, Tadeusz: Organizacja pan´stwowej słuz˙by archiwalnej na Ziemi Lubuskiej w latach 1945–1990 [Die Organisation des staatlichen Archivdienstes in der Ziemia Lubuska in den Jahren 1945–1990], in: Studia Zachodnie 2002/6, S. 184. 92 Kurzer Tätigkeitsbericht des staatlichen Archivdienstes auf dem Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra (1953–1958), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4012, Bl. 46–50. 93 Kuczer, Jarosław : Polskie Towarzystwo Historyczne Oddział w Zielonej Gjrze [Polnische Historische Gesellschaft, Abteilung Zielona Gjra], in: Dolan´ski, Dariusz: 50 lat Polskiego

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Gründung war ein erster Schritt, die Lücke der fehlenden Hochschulen zu füllen. Vor allem bot sie ortsansässigen Historikern die Möglichkeit, sich im Rahmen der Jahresversammlungen mit anderen Historikern in Polen auszutauschen. Die Mitglieder der OPTH beteiligten sich aktiv an vielen Veranstaltungen zur Geschichte der Region, so etwa am Wissenschaftlichen Ferienstudium. Es galt das »ungeschriebene Gesetz«, dass in jede populärwissenschaftliche Veranstaltung ein Vortrag zur Vergangenheit der Stadt und der Region eingebunden werden sollte.94 Der inhaltliche Schwerpunkt aller Forschungsaktivitäten lag in der Ziemia Lubuska eindeutig auf der Regionalgeschichte, die Erforschung von Grundlagen oder polenweiten Themen war nur in sehr begrenztem Umfang vorgesehen. Die Gründung der regionalen Zweigstelle war Teil der Erweiterung der Aktivitäten der PTH in den Westgebieten, wo ein Großteil der Abteilungen nach 1953 ins Leben gerufen wurde.95 Die Ziele der PTH in den Westgebieten waren prinzipiell die gleichen wie im übrigen Polen – die Entwicklung des akademischen Lebens in den Regionen und die Verankerung einer historischen Kultur in der Gesellschaft. Doch hatten diese Aufgaben in den Westgebieten eine stärkere politische Dimension und zielten darauf ab, die Ansiedler durch die Geschichte »emotional und rational« mit dem unbekannten Wohnort und die Autochthonen mit dem polnischen Staat zu verbinden.96 Darüber hinaus hatte die Polnische Historische Gesellschaft ein Interesse daran, in jeder größeren Stadt Polens Präsenz zu zeigen sowie die geschichtswissenschaftliche Arbeit zu fördern. Die ersten Schritte auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Ziemia Lubuska vor Ort gingen von regionalen Akteuren, so den Museen und dem Archiv, aus. Doch auch bei der Etablierung eines eigenständigen akademischen Milieus konnte die Region auf Unterstützung aus Posen zählen, wie die Darstellung der Institutionalisierung der Regionalforschung zeigen wird.

4.3.1 Anfänge der Institutionalisierung der Regionalforschung in Zielona Góra Das Jahr 1956 stellte auch im Bereich der Wissenschaft einen entscheidenden Einschnitt für die Ziemia Lubuska dar. Der Mangel an Forschungsinstituten und gut ausgebildetem Personen wurde nach 1956 zunehmend als Bremse für die Towarzystwa Historycznego w Zielonej Gjrze [50 Jahre Polnische Historische Gesellschaft in Zielona Gjra]. Zielona Gjra 2005, S. 9–19. 94 Ebd., S. 14. 95 Kaczmarczyk, Zdzisław : Działalnos´c´ Polskiego Towarzystwa Historycznego na Ziemiach Zachodnich [Die Tätigkeit der Polnischen Historischen Gesellschaft in den Westgebieten], in: Przegla˛d Zachodni 1958/2, S. 337. 96 Ebd., S. 338.

Der »Lebuser Weg zur Universität« – Die Regionalforschung vor Ort

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Entwicklung der Woiwodschaft und die Verbreitung des Wissens über die Region gesehen.97 Die Gründung der LTK im Juli 1957 war eine direkte Antwort auf dieses Problem gewesen. Eines ihrer Ziele war es, die örtliche Intelligenz zur Beschäftigung mit der Region zu animieren.98 Insofern stellte die kulturelle Aktivierung eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Regionalforschung dar. Nicht nur wurden erste Strukturen geschaffen, auch hatten Interessierte nun die Möglichkeit, sich unter dem Dach einer regionalen Institution auszutauschen und ihre Aktivitäten und Ziele zu koordinieren. So konnten sich nach und nach eigene regionale Forschungsstätten etablieren, die ihre gesamte Aufmerksamkeit der Beschäftigung mit der Regionalgeschichte widmeten. Infolge der Beschlüsse der Lebuser Kulturversammlung 1957 fand am 22. März 1958 in Zielona Gjra die Gesamtpolnische Versammlung der Wissenschaftler (Ogjlnopolski Zjazd Naukowcjw) statt. Prominente Historiker aus Warschau, darunter Witold Hensel, Tadeusz Manteuffel und Stanisław Herbst, waren ebenso geladen wie Posener Wissenschaftler. Ziel war es, die bisherigen unkoordinierten Aktivitäten in der Woiwodschaft auf dem Gebiet der Wissenschaft zu bündeln und zu strukturieren. Auch wurde nach Wegen gesucht, die örtliche Bevölkerung zur Erforschung der Ziemia Lubuska anzuregen, weil sich bereits abzeichnete, dass die Posener und Breslauer in diesem Bereich nicht mehr sonderlich aktiv waren. Deren Unterstützung beim Aufbau einer eigenen Regionalforschung galt jedoch weiterhin als selbstverständlich und unverzichtbar. Am Ende der Versammlung waren sich die Teilnehmer einig, dass die Entstehung einer wissenschaftlichen Zeitschrift sowie einer Bibliothek, die Aufstellung von Forschungsplänen und die Umlagerung des Archivs die wichtigsten Schritte waren, um den Prozess in Gang zu bringen.99 Zunächst setzten die Akteure der frühen 1950er Jahre ihre Tätigkeit fort. War die Aktivität der PTH in den Westgebieten jedoch bis 1956 recht schwach gewesen, brachte ihre Jubiläumsversammlung in Warschau im Oktober 1956 eine Wende. Im Rahmen des Treffens wurde zum einen die Ausweitung der Regionalforschung gefordert. Herbst betonte, dass »heute keiner an der Notwendigkeit der Entwicklung [der Regionalforschung zweifelt], sowohl um den Bedarf einer gesamtpolnischen Synthese zu decken als auch um praktische wirtschaftliche, kulturelle und politische Aufgaben zu bewältigen.«100

97 Korniluk, Izabela: Powstanie i działalnos´c´ Os´rodka Badawczo-Naukowego przy Lubuskim Towarzystwie Kultury (8. 04. 1962–22. 02. 1964) [Die Entstehung und die Tätigkeit des Wissenschaftlichen Forschungszentrums der LTK (8. 04. 1962–22. 02. 1964)], in: Studia Zielonogjrskie 2009 S. 90. 98 Ebd., S. 89. 99 Korniluk, Ogjlnopolski, 2012, S. 183. 100 Herbst, Stanisław : Regionalne badania historyczne (streszczenie) [Regionale historische

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

Der Impuls zur Beschäftigung mit der Region kam also nicht nur aus der Ziemia Lubuska, sondern entsprach auch den Vorstellungen der Historischen Gesellschaft nach 1956. Zum anderen sollte zur geschichtswissenschaftlichen Beschäftigung mit und in den Westgebieten angeregt werden. In diesem Zusammenhang beschäftigten sich die Teilnehmer auch mit dem außeruniversitären wissenschaftlichen Leben,101 denn in vielen Woiwodschaften in den Westgebieten gab es in den 1950er Jahren noch keine Hochschulen. Im Rahmen der Diskussionen wiesen Rutkowski und Sczaniecki auf die besonders schwierige Situation der Ziemia Lubuska hin, wo es an qualifizierten pädagogischen Kräften und grundlegender wissenschaftlicher Unterstützung fehle.102 Ähnlich wie in anderen Gegenden Polens nahmen die Aktivitäten der Niederlassung der PTH in Zielona Gjra nach 1956 deutlich zu. Dass es sich aber keinesfalls um ein Massenphänomen, sondern vielmehr um einen kleinen Kreis von Aktiven handelte, zeigen die geringen Mitgliederzahlen, die zwischen 1954 und 1970 zwischen maximal 30 (im Jahr 1962) und nur 19 im Jahr 1970 schwankten.103 Die Mitglieder kamen aus verschiedenen Zentren des »mittleren Oderlandes« und bis zur Gründung einer Niederlassung der PTH in Gorzjw auch aus der Region Gorzjw.104 Für die Arbeit der PTH spielten öffentliche Vorträge eine wichtige Rolle. Sie behandelten Themen wie »Die Rolle und Bedeutung der Ziemia Lubuska im Staat der ersten Piasten«, »Das Jahr 1249 und seine Bedeutung für die Geschichte Polens« oder »Die Genese des polnischen Staates«.105 Die Aktivitäten der PTH umfassten also insbesondere regionale Themen, die mitunter in die gesamtpolnische Geschichte eingeflochten wurden. Vorträge über die Ziemia Lubuska hielten die Mitarbeiter auch außerhalb der Region, so etwa in Lodz oder in Piotrkjw. Diese Veranstaltungen entsprangen der Kooperation mit der TRZZ, die insbesondere die Vernetzung mit zentralpolnischen Woiwodschaften vorantreiben wollte. Der Kontakt mit dem historischen Milieu in Gorzjw war

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Forschung (Zusammenfassung)], in: Polskie Towarzystwo Historyczne 1886–1956 [Die Polnische Historische Gesellschaft 1886–1956]. Warszawa 1956, S. 96. Kaczmarczyk, Działalnos´c´, 1958, S. 337. Herbst, Polskie, 1956, S. 101. Iwan, Jjzef: Trzydzies´ci lat działalnos´ci Zielonogjrskiego Oddziału Polskiego Towarzystwa Historycznego (1953–1984) [30 Jahre Abteilung der Polnischen Historischen Gesellschaft in Zielona Gjra (1953–1984)], in: Przegla˛d Lubuski 1984/1–2, S. 95. In Gesamtpolen: 1961: 2.580, 1965: 2.815, 1966: 2.729, 1967: 2.564, 1968: 2.000, 1969: 1.500. Członkowie niektjrych towarzystw naukowych [Mitglieder einiger wissenschaftlicher Gesellschaften], in: Głjwny Urza˛d Statystyczny : Rocznik Statystyczny Nauki 1971 [Statistisches Jahrbuch der Wissenschaft 1971]. Warszawa 1971, S. 204. Iwan, Trzydzies´ci, 1984, S. 91. Tätigkeitsbericht der Abteilung der PTH in Zielona Gjra für das Jahr 1959, APZG, Polskie Towarzystwo Historyczne Oddział w Zielonej Gjrze, Sign. 1, [o.S.].

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hingegen nur »lose«,106 innerhalb des Jahres 1959 fand dort nur ein Vortrag der PTH Zielona Gjra statt. Ebenso wie im Bereich der Kultur setzten die Verantwortlichen auch auf dem Gebiet der Regionalforschung auf zahlreiche Publikationen zur Verbreitung der Ergebnisse. Etwa zeitgleich mit anderen von der PTH publizierten regionalen Reihen wie der »Biblioteka Słupska« (1953), den »Małopolskie Studia Historyczne« (1958) oder dem Rocznik Lubelski (1958) gab die OPTH auf Initiative Sczanieckis die Reihe »Biblioteka Lubuska« (Lebuser Bibliothek) heraus, in der zwischen 1958 und 1968 in unregelmäßigen Abständen insgesamt zehn Monographien zur Geschichte der Ziemia Lubuska publiziert wurden. Nachdem die regionale Forschung so lange vernachlässigt worden war, war es nun klares Ziel, vorrangig Forschungsergebnisse, die vor Ort und von Bewohnern der Region erzielt worden waren, zu veröffentlichen.107 Gerade in den Westgebieten sei diese bisherige Vernachlässigung »ein besonders schmerzliches Übel«, da die »Belebung der Forschung genau in diesem Gebiet doch einen der wichtigsten Momente für ihre kulturelle Bewirtschaftung«108 darstellte. Die Reihe hatte keinen streng wissenschaftlichen, sondern vielmehr einen populärwissenschaftlichen Anspruch,109 dennoch sollte sie innovative Ergebnisse präsentieren. Andrzej Kwilecki, Soziologe aus Posen, bewertete die Entstehung der »Biblioteka Lubuska« »als ein wichtiges Ereignis im wissenschaftlichen und kulturellen Leben Zielona Gjras. Dafür spricht auch die Thematik der Arbeiten, die mit der Geschichte der heutigen Ziemia Lubuska verbunden ist, sowie die Autoren, die das lokale historische Milieu repräsentieren.«110

Ihre Aufgabe bestand zum einen darin, die Bevölkerung der Region mit der Ziemia Lubuska und ihrer Geschichte bekannt zu machen, zum anderen sollte sie den regionalen Historikern die Möglichkeit zur Publikation geben und sie dadurch zur eigenständigen Forschung ermuntern. Viele Professoren aus Posen, Breslau, Warschau und Krakau erklärten sich bereit, den regionalen Autoren beratend zur Seite zu stehen.111 Der 1958 erschienene erste Band war den »Anfängen der Lebuser Städte« (Pocza˛tki miast lubuskich)112 gewidmet, es folgten 106 Ebd. 107 Sczaniecki, Michał: Na powitanie »Biblioteki Lubuskiej« [Zur Begrüßung der »Biblioteka Lubuska«], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 284, 1957, S. 4. 108 Sczaniecki, Słowo Wste˛pne, 1958, S. 5. 109 Ebd., S. 6. 110 Kwilecki, Andrzej: Pierwsze tomiki »Biblioteki Lubuskiej« [Die ersten Bände der »Biblioteka Lubuska«], in: Nadodrze, Mai 1956, S. 13. 111 Tätigkeitsbericht der LTK für den Zeitraum 6. 7. 1957–11. 3. 1960, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 904, Bl. 5f. 112 Szczepaniak, Pocza˛tki, 1958.

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Stadtgeschichten der für die Argumentation des »Polentums« der Ziemia Lubuska ausgesprochen wichtigen Ortschaften Santok und Mie˛dzyrzecz113 sowie Themenhefte zu slawischen Holzbauten,114 den Kontakten der Region mit Polen115 und die Veröffentlichung eines geheimen deutschen Berichts aus den 1930er Jahren zur Ansiedlung von Polen in Glogau.116 Von zwei Monographien zum Weinanbau117 abgesehen, lag der Schwerpunkt der Reihe eindeutig auf der Darstellung der polnischen Vergangenheit der Ziemia Lubuska bzw. deren Verbindungen zu Polen. Breitenwirksamer waren wahrscheinlich die zahlreichen Artikel zur Regionalgeschichte der Mitglieder der PTH in den Presseorganen Gazeta Zielonogjrska, Nadodrze, Odra, Tygodnik Zachodni (Westliches Wochenblatt), Kierunki (Richtungen) und Przegla˛d Zachodni. Auch auf diese Weise trugen sie zur Verbreitung des Wissens über die Region bei.118 Eine Hilfe waren ihnen dabei die Mitarbeiter des Archivs, obgleich die Entfernung zwischen Zielona Gjra und Sulechjw, dem Standort des Archivs, als Problem angesehen wurde, da sie systematische Recherchen erschwerte.119 Die Archive und Museen setzten ihre Tätigkeit über den »polnischen Oktober« hinaus fort. Im Archiv bedeutete das vor allem, dass die Mitarbeiter eigene Forschungsprojekte bearbeiteten und historisch-archivalische Ausstellungen vorbereiteten.120 Gleichzeitig war der Bestand des Archivs jedoch Ende der 1950er Jahre in Gefahr, weil sich immer noch keine angemessenen Räumlichkeiten gefunden hatten. Auf einer Sitzung der TRZZ im Herbst 1957 wurde vorgeschlagen, die Bestände nach Breslau und

113 Dymaczewska, Urszula / Hołowin´ska, Zofia: Z dziejjw Santoka i kasztelanii santockiej [Aus der Geschichte Santoks und der Santoker Kastellanei]. Poznan´ 1961; Kurnatowski, Stanisław / Nalepa, Jerzy : Z przeszłos´ci Mie˛dzyrzecza [Aus der Vergangenheit von Mie˛dzyrzecz]. Poznan´ 1961. 114 S´miałowski, Rudolf / Da˛mbska, Elz˙bieta: Budownictwo drewniane i młyny wietrzne na Ziemi Lubuskiej [Holzbauwesen und Windmühlen in der Ziemia Lubuska]. Poznan´ u. a. 1968. 115 Fenrych, Wiktor : Nowa Marchia w dziejach politycznych Polski w XIII i w XIV wieku [Die Neumark in der politischen Geschichte Polens im 13. und 14. Jahrhundert]. Zielona Gjra u. a. 1959. 116 Ste˛pczak, Jjzef: Poufny memoriał niemiecki z roku 1937 o połoz˙eniu powiatu głogowskiego [Geheimes deutsches Memorandum aus dem Jahr 1937 zur Lage des Kreises Głogjw]. Poznan´ 1959. 117 Korcz, Dzieje uprawy, 1958; Kres, Zarys dziejjw, 1966. 118 Tätigkeitsbericht der Abteilung der PTH in Zielona Gjra für das Jahr 1959, APZG, Polskie Towarzystwo Historyczne Oddział w Zielonej Gjrze, Sign. 1, [o.S.]. 119 Kaczmarczyk, Działalnos´c´, 1958, S. 338. 120 Kurzer Tätigkeitsbericht des staatlichen Archivdienstes auf dem Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra (1953–1958), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4012, Bl. 50.

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Posen zu verlagern, was jedoch als »großer Verlust« für die Ziemia Lubuska gesehen wurde.121 Seit der Dezentralisierung der Museen in Polen im Jahr 1957 waren die Museen der Woiwodschaft Zielona Gjra nun nicht mehr dem Nationalmuseum in Posen unterstellt, sondern bildeten einen eigenen Museumsbezirk. Im Zuge dessen wurde das Museum in Zielona Gjra zum 1. Januar 1958 zum Kreismuseum erhoben. »Die Entstehung eines neuen Museumskreises und die zunehmende Eigenständigkeit der Woiwodschaft Zielona Gjra in wissenschaftlicher Hinsicht ist ein wichtiges Ereignis im wissenschaftlichen und künstlerischen Leben in der Ziemia Lubuska«,122

resümierte die Direktion. Gemeinsam mit den existierenden Kultur- und Wissenschafts-Gesellschaften »werden sie [die Museen, K.H.] ein starker Akteur im Bereich der Forschung sein und sich hauptsächlich auf Fragen der polnischen Wissenschaft und Kultur in der Ziemia Lubuska konzentrieren«.123 Am 1. Januar 1958 »fiel das Museum in den Kompetenzbereich des Präsidium des Woiwodschaftsnationalrates. In dem Moment begann seine stetige Entwicklung«,124 so der Direktor Michał Kubaszewski. Die Dezentralisierung war für das Museum in Zielona Gjra von wesentlicher Bedeutung und führte in der gesamten Woiwodschaft zu einem stärkeren Selbstbewusstsein. Die neue Satzung von 1961 hielt fest, dass nun auch die Forschung und die Bildungsarbeit zu den Kernaufgaben des Museums zählten.125 Darunter fielen Ausgrabungen, ethnographische Feldstudien in Mie˛dzyrezcz, S´wiebodzin und Sulechjw sowie die Erforschung der Geschichte der Ziemia Lubuska und – weil es das einzige Museum Polens mit einer solchen Abteilung war – des Weinanbaus. Dass die Museen in die Regionalforschung einbezogen wurden, lag vor allem an dem nur wenige Titel umfassenden Forschungsstand zur Ziemia Lubuska. Dieser sollte vergrößert werden, um im Rahmen der Millenniums-Feierlichkeiten 1966 über so viele Informationen wie möglich zu verfügen. Auch wurde immer wieder betont, dass dem »westdeutschen Revisionismus« etwas entgegengesetzt werden müsse, weshalb insbesondere die Belege des »Polentums« der Region in den Mittelpunkt gerückt wurden. Nicht zuletzt sollten die 121 Protokoll der 1. Woiwodschaftsversammlung der TRZZ in Zielona Gjra am 3. 10. 1957, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 59, Bl. 52. 122 Die Direktion des Kreismuseums erarbeitete die folgenden Anträge für die Kulturversammlung der Ziemia Lubuska am 5.–6. 7. 1957, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4051, Bl. 6. 123 Ebd. 124 Diskussionsmaterial zur Tätigkeit des Kreismuseums, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4054, Bl. 25f. 125 Satzung des Kreismuseums in Zielona Gjra, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4060, Bl. 81.

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Museen dazu beitragen, »der Bevölkerung die Entwicklung der materiellen Kultur der slawischen und polnischen Bevölkerung« zu präsentieren und damit deren Gefühl der Zugehörigkeit zu Polen zu stärken.126 Für die Verbreitung der Forschungsergebnisse war eine Pädagogische Abteilung zuständig, die auf eine Bibliothek, einen Museumsbus und den Kinosaal zurückgreifen konnte, in dem Filme gezeigt und Vorträge gehalten wurden.127 Diese Vorträge ordneten sich inhaltlich in die Zielsetzung dieser Abteilung ein, darunter befanden sich die Themen »Aus der Geschichte des Polentums der Ziemia Lubuska«, »Allgemeine Probleme der Anpassung der Repatrianten in den Westgebieten« oder auch »Archäologische Forschungen zum frühen Mittelalter auf dem Gebiet der Mittleren Oder«. Das Museum war darüber hinaus für die seit 1964 erscheinende populärwissenschaftliche Publikationreihe »Z badan´ nad przeszłos´cia˛ Ziemi Lubuskiej« (Aus den Forschungen zur Vergangenheit der Ziemia Lubuska)128 verantwortlich, in der eigene Forschungsergebnisse publiziert wurden. Zudem veröffentlichte es die Zeszyty Muzeum, in denen Artikel zur Geschichte und zum Museumswesen der Ziemia Lubuska abgedruckt wurden.129 So fanden die zwei Hauptaufgaben des Museums »auf der im engeren Sinne wissenschaftlichen Ebene und auf der popularisierenden Ebene«130 statt. Ein klares Profil sowie ein wissenschaftlicher Schwerpunkt fehlten dem Museum jedoch, was zur Folge hatte, dass in seiner Entwicklung gehemmt wurde.131 Die Schwierigkeiten des Museums wurden auch mit dem Mangel an Erfahrungen und Traditionen in der Ziemia Lubuska erklärt. Da die Museen in Posen und Breslau über umfangreiche Museumssammlungen sowie eine langjährige Tradition und ihr Personal über einige Erfahrung verfügte, bestand dort ein »deutlich größeres Entwicklungspotenzial«132 der Einrichtungen. Trotz 126 Diskussionsmaterial zur Tätigkeit des Kreismuseums, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4054, Bl. 32f. 127 Das Kreismuseum in Zielona Gjra. Gegenwärtiger Stand und Entwicklungsplan. Allgemeine Nachrichten, APZG Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4056, Bl. 89. 128 Perspektivischer Tätigkeitsplan des Kreismuseums in Zielona Gjra während der Renovierung, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4061, Bl. 36. 129 Programm der wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Tätigkeit des Museums der Ziemia Lubuska für das Jahr 1973, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4058, Bl. 70–74. 130 Ebd. 131 Aufstellung der Ergebnisse der Kontrolle des PWRN im Kreismuseum in Zielona Gjra, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej, Sign. 4054, Bl. 65. 132 Perspektivischer Tätigkeitsplan des Kreismuseums in Zielona Gjra während der Renovierung, APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 4061, Bl. 32.

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dieser Probleme war das Museum doch eine wichtige Institution für die frühe Erforschung der Regionalgeschichte. Zwar waren die Möglichkeiten durch Personal- und Erfahrungsmangel begrenzt, doch konnten erste Ergebnisse verzeichnet werden. Ein großer Teil der Arbeit war allerdings der Popularisierung der Geschichte gewidmet. Dem Ziel einer wissenschaftlichen Institution vor Ort kamen die Lebuser näher, als 1958 an die Niederlassung der Historischen Gesellschaft ein Wissenschaftliches Zentrum angegliedert wurde. Nur in vier anderen Städten Polens, in Kattowitz, Allenstein, Stolp (Słupsk) und in Przemys´l, existierten solche Zentren.133 Keiner dieser Orte verfügte zum Zeitpunkt der Gründung des Zentrums über eine (geisteswissenschaftliche) Hochschule. Das Zentrum basierte auf einer im März 1958 von Korcz geäußerten Idee, der einen Anlaufpunkt und einen Arbeitsraum für junge Wissenschaftler der Region schaffen wollte.134 Noch im Oktober desselben Jahres nahm »die erste wissenschaftliche Einrichtung mit geisteswissenschaftlichem Profil, die sich mit der Problematik der Ziemia Lubuska und ihrer Popularisierung auseinandersetzte«,135 ihre Arbeit auf. Ihre Hauptaufgaben lagen in der Animierung zur Erforschung der Regionalgeschichte und der Verbreitung und Popularisierung der Ergebnisse. Ein besonderes Augenmerk kam dabei der Verbreitung von Wissen um das »Polentum« der Ziemia Lubuska unter den Autochthonen der Region zu. Vor allem aber sollte das Wissenschaftliche Zentrum der Tatsache entgegenwirken, dass die Ziemia Lubuska nach wie vor einen »weißen Fleck« auf der Karte der polnischen Wissenschaft darstellte. Die Erforschung der Region müsse daher professionalisiert und institutionalisiert werden, sie stelle »ein brennendes Bedürfnis und eine gesellschaftliche Notwendigkeit«136 dar. Dieses Vorhaben wurde insbesondere mittels Vorträgen für Lehrer, Schüler, PTTK-Mitarbeiter und Mitglieder der Nationalräte, aber auch durch die Lancierung von Artikeln in der regionalen Presse realisiert. Der erste Mitarbeiter der Einrichtung war Korcz, ab 1962 besetzte Joachim Benyskiewicz eine zweite Stelle, beide verfassten im Rahmen ihrer Anstellung ihre Doktorarbeiten. Korcz schloss das Promotionsverfahren mit der Abhandlung »Pocza˛tki władzy ludowej na ziemiach pogranicza lubuskowielkopolskiego w latach 1945–1950« (Die Anfänge der volkspolnischen Verwaltung im Grenzgebiet Lebus-Großpolen in den Jahren 1945–1950) ab, Benyskiewicz mit der Monographie »Połoz´enie polako´w w Marchii Granicznej w 133 Rutkowski, Nauki, 2007, S. 578. 134 Stanisław Andrzej Mazur : Biblioteka Stacji Naukowej PTH w Zielonej Gjrze (1966) [Die Bibliothek des Wissenschaftlichen Zentrums der PTH in Zielona Gjra], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 130, Bl. 2–9. 135 Ebd., Bl. 2. 136 Informationen zur Tätigkeit des Wissenschaftlichen Zentrums der PTH in Zielona Gjra für die Jahre 1961–1970, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 860, Bl. 148–152.

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latach 1919–1943« (Die Situation der Polen in der Grenzmark in den Jahren 1919–1943). Der in Nowe Kramsko (Neu Kramzig) geborene Benyskiewicz (1936–2011) hatte nach einem Studium an der UAM zunächst als Lehrer gearbeitet und sich in dieser Zeit mit seiner Doktorarbeit befasst. Damit entstanden erstmals Arbeiten zur neuesten Zeitgeschichte der Ziemia Lubuska. Am Beispiel des Zentrums zeigte sich auch das weiterführende Engagement insbesondere der Posener Wissenschaftler, von denen zwei – Sczaniecki und Wa˛sicki – dem neunköpfigen Beirat angehörten. Bald entstand zudem eine wissenschaftliche Bibliothek, die insbesondere auf Schenkungen und Dubletten des West-Instituts, der Posener Universitätsbibliothek und der Kjrnik-Bibliothek basierte und bis 1966 auf 4.000 Bände angewachsen war. Sie sollte die Grundlage für die regionale Forschung bilden.

4.3.2 Die Entstehung der Lebuser Wissenschaftsgesellschaft Zu Beginn der 1960er Jahre wurde auf Initiative der LTK gemeinsam mit der von ihr initiierten regionalen Kulturzeitschrift Nadodrze und der Gazeta Zielonogjrska die Idee der Gründung eines Lebuser Wissenschaftsinstituts (Lubuski Instytut Naukowy) aufgeworfen und verbreitet. In diesem Zusammenhang entstand das Schlagwort des »Lebuser Weges zur Universität« (lubuska droga do uniwersytetu),137 das in den 1960er Jahren in der lokalen Presse rege diskutiert wurde. Es gab schon zu diesem Zeitpunkt eine klare Vorstellung in der Region, worauf die schrittweise Entwicklung des akademischen Umfeldes hinauslaufen sollte. Hintergrund der Diskussion war die Annahme, dass für die akademischen Zentren Posen und Breslau, in deren Zuständigkeit die Erforschung der Ziemia Lubuska gefallen war, »das Mittlere Odergebiet den äußeren Rand ihres Interesses darstellte und darstellen wird«.138 Die Forschung vor Ort werde insbesondere auch dadurch gehemmt, dass die Interessierten ihre wissenschaftliche Beschäftigung auf die Freizeit verlagern müssten, da sie in der Regel anderen beruflichen Tätigkeiten nachgingen. »Vor fünf Jahren konnte man die Zahl der Magistranden, die sowohl die Veranlagung als auch die Ambitionen zur Forschung haben, buchstäblich an einer Hand abzählen. Heute braucht es viele Hände. Am wichtigsten ist es, dass diese Leute weiter an sich arbeiten: sie sammeln Material, forschen, verfassen Artikel, promovieren. Sie wachsen heran zu erstklassigen Spezialisten für Lebuser Fragestellungen. Ihre Entwicklung 137 So das Motto einer Artikelreihe von Irena Solin´ska in der Gazeta Zielonogjrska ab 1961. 138 Koniusz, Janusz: Ambicje – nie! [Ambitionen – nein!], in: Nadodrze, Dezember 1959, S. 3. Dazu auch die Kommentare von Hieronim Szczegjła und Wiesław Myszkiewicz in Nadodrze, Oktober 1961, S. 7.

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würde deutlich schneller voranschreiten, wenn sie sich von ihren beruflichen Aufgaben befreien könnten, die mit wissenschaftlichen Dingen meist nicht viel gemein haben«,139

erklärte Koniusz 1961. Ein Kommentator gab zu bedenken: »Warum sollen wir weiterhin abhängig sein von anderen Zentren und immer auf deren Wohlwollen zählen? […] Nur eine eigene wissenschaftliche Einrichtung kann die Aufgaben der Region meistern und bei der Koordinierung der Arbeiten helfen.«140

Darüber hinaus, so Koniusz, könne »von einem weiteren Aufstieg der Ziemia Lubuska ohne die Entstehung eines wissenschaftlichen Instituts keine Rede«141 sein, was deutlich machte, dass das Ziel der Bemühungen neben der Herausbildung eines akademischen Milieus vor allem auch die generelle Weiterentwicklung der Region war. Auch würde ein solches Institut »innerhalb der polnischen und vor allem der Lebuser und der ausländischen Bevölkerung Wissen über das mittlere Odergebiet popularisieren.«142 Nicht zuletzt die TRZZ erachtete schon in dieser Zeit die Gründung einer Hochschule als unerlässlich für die Region, sah jedoch keinen finanziellen Spielraum dafür.143 Gegen die überstürzte Gründung eines wissenschaftlichen Instituts argumentierte insbesondere Wa˛sicki, seiner Ansicht nach fehlten »nämlich zwei grundsätzliche Bedingungen, die für die Gründung einer jeden – nicht nur wissenschaftlichen – Einrichtung gegeben sein müssen: Personal und die Gewissheit, was dort gemacht werden soll«.144

Vor allem aber hob er hervor, dass eine wissenschaftliche Einrichtung zuvorderst aus einem gesellschaftlichen Bedürfnis heraus entstehen müsse und nicht allein, weil Begeisterung für die Sache vorhanden sei. Sie müsse also an die Anliegen der Region und nicht einzelner Interessierter angepasst werden.145 Wa˛sicki warnte davor, dass ein wissenschaftliches Institut Engagierte von der LTK abziehen würde. Es bestehe die Gefahr, dass »in Zielona Gjra zwei schwache

139 Koniusz, Janusz: O Lubuski Instytut Naukowy [Über das Lebuser Wissenschaftliche Institut], in: Nadodrze, Oktober 1961, S. 7. 140 Kommentar von Bronisław Maryniuk zur Diskussion »O Lubuski Instytut Naukowy« in: Nadodrze, Januar 1962, S. 9. 141 Koniusz, Janusz: O naste˛pne kroki [Über die nächsten Schritte], in: Nadodrze, Mai 1960, S. 11. 142 Koniusz, O Lubuski, 1961, S. 1. 143 Anhang zum Protokoll der 2. Kreisversammlung der Delegierten des TRZZ in Zielona Gjra am 7. 1. 1960, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna, Sign. 59, Bl. 110. 144 Wa˛sicki, Jan: Lubuskie perspektywe [Lebuser Perspektiven], in: Nadodrze, Februar 1963, S. 5. 145 Ebd.; Muszyn´ski, Jan: Pierwszy krok, in: Nadodrze, März 1963, S. 5.

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statt einer starken Einrichtung existieren«,146 daher solle das neue Zentrum zunächst an die LTK angebunden sein. Als das Vorhaben im Januar 1962 in Sitzungen mit dem Woiwodschafts-Nationalrat, der Schulbehörde und der Propaganda-Abteilung des Woiwodschaftskomitees der PZPR besprochen wurde, kam man zu dem Schluss, dass es aufgrund des Personalmangels vor Ort noch zu früh für ein eigenes Forschungsinstitut sei.147 Dennoch schritt der Prozess weiter voran. Dank der Bemühungen der Aktivisten der LTK entstand schließlich am 8. April 1962 das Wissenschaftliche Forschungszentrum (Os´rodek Badawczo-Naukowy przy LTK). Diese Institution, die ihren Sitz in den Räumen der Historischen Gesellschaft im Museum in Zielona Gjra hatte, sollte neben der weitergehenden Erforschung der Region erstmals die wissenschaftliche Ausbildung von Personal vor Ort ermöglichen. Dies geschah mit dem Hintergedanken, dass die Region sich am besten durch ein eigenes wissenschaftliches Milieu weiterentwickeln werde und dass Forschungseinrichtungen vor Ort die Menschen zur Auseinandersetzung mit der Region ermuntern würden.148 Bis auf den Direktor des Staatsarchivs, Alfred Kucner, trug zu diesem Zeitpunkt keiner der ortsansässigen Aktiven einen Doktortitel.149 Ziel war nicht nur die Erforschung der Region, sondern auch die Ermutigung der Bevölkerung, sich mit der von ihnen bewohnten Region auseinanderzusetzen. Nicht zuletzt sollte das Wissen über die Region popularisiert werden, was mittels Vorträgen und Seminaren ermöglicht wurde. Am Zentrum entstanden verschiedene Abteilungen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Geschichte und Gegenwart der Ziemia Lubuska auseinandersetzten, so etwa dem Schulwesen und der Kultur, Wirtschaftsgeschichte, der Psychologie, der Archäologie, der Architektur und Urbanistik oder der Geschichte Volkspolens.150 Die Abteilungen wurden von Professoren geleitet, die vor allem aus Posen, aber auch aus Warschau, Breslau und Krakau kamen.151 Das Zentrum stand daher in engem Kontakt mit den wissenschaftlichen Zirkeln in Posen, Breslau und Warschau, viele der dortigen 146 Zit.n. Korcz, Władysław : Czy mamy szans na awans? [Haben wir eine Chance zum Aufstieg?], in: Nadodrze, Juni 1963, S. 3. 147 Instyut Lubuski? Tak, ale za kilka lat [Ein Lebuser Institut? Ja, aber in ein paar Jahren], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr 27, 1. 2. 1962; Instytut Lubuski – w dalszej perspektywie [Das Lebuser Institut – perspektivisch], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 32, 7. 2. 1962. 148 Korniluk, Powstanie, 2009, S. 90, 91. 149 Benyskiewicz, Joachim: Stacja Naukowa Polskiego Towarzystwa Historycznego w Zielonej Gjrze [Das Wissenschaftliche Zentrum der Polnischen Historischen Gesellschaft in Zielona Gjra], in: Dolan´ski, Dariusz (Hg.): 50 lat Polskiego Towarzystwa Historycznego w Zielonej Gjrze [50 Jahre Polnische Historische Gesellschaft in Zielona Gjra]. Zielona Gjra 2005, S. 50. 150 Chronik der LTN 1958–1966, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 164, Bl. 1–8. 151 Protokoll der 3. Versammlung der LTK am 11. 1.1964, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 904, Bl. 39–42.

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Wissenschaftler reisten für Vorträge nach Zielona Gjra. Die historische Kommission beabsichtigte, sich unter der Leitung Wa˛sickis mit dem Zeitraum 1939 bis 1960 und der Region Ziemia Lubuska zu beschäftigen.152 Anfang der 1960er Jahre entstanden aufgrund positiver Rückmeldungen nach Artikeln in der lokalen Presse Konsultationsstellen (punkty konsultacyjne) verschiedener Fächer von Hochschulen und Universitäten aus Posen und Breslau in der Ziemia Lubuska, sodass ein Fernstudium der Fächer Wirtschaft, Jura, Mathematik, Polnische Philologie, Physik und Chemie aufgenommen werden konnte.153 Gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Forschungszentrum boten diese Konsultationsstellen angehenden Akademikern erstmals die Möglichkeit, ihre Ausbildung in der Ziemia Lubuska zu absolvieren. Dies steigerte auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach dem Abschluss ihres Studiums in der Region blieben und dieser damit mehr Hochqualifizierte zur Verfügung standen. Ein äußerst symbolischer Akt war die feierliche Eröffnung des ersten akademischen Jahres in der Ziemia Lubuska am 13. Oktober 1962, die von der Gazeta Zielonogjrska initiiert wurde.154 Damit war Zielona Gjra nun endlich Teil der polnischen Wissenschaftslandschaft. In den Feierlichkeiten drückte sich der Stolz auf das bisher Erreichte, aber auch die Hoffnung auf eine Weiterentwicklung des akademischen Lebens aus. Aufgrund seiner regen Aktivität wurde 1964 aus dem Forschungszentrum eine von der LTK inhaltlich und finanziell unabhängige Institution, die Lebuser Wissenschaftsgesellschaft (LTN). Sie war die erste Gesellschaft im Bereich der Wissenschaft, die kein Ableger einer nationalen Organisation war und die den Beinamen »Lebuser« trug und damit den Anspruch vertrat, die gesamte Region zu repräsentieren. Ihre Hauptaufgaben lagen in der Förderung regionaler Wissenschaftler sowie in der Erforschung und Popularisierung der Ziemia Lubuska. In der Chronik heißt es: »Die Lebuser Wissenschaftsgesellschaft entstand zu Beginn des Jahres 1964 in Folge der Umsetzung einer von vielen gesellschaftlichen Initiativen und Bestrebungen der Machthaber bezüglich der Schaffung eines eigenen wissenschaftlichen Milieus in der Ziemia Lubuska. Dieses Bedürfnis entsprang der Tatsache, dass das Interesse der Wissenschaftler der akademischen Zentren an der Lebuser Problematik verhältnismäßig schwach und kurzlebig war ; es entsprang der sozio-ökonomischen Tatsache, dass die Wissenschaft immer mehr in Problematiken der Gegenwart eingreift […]. Da die Woiwodschaft Zielona Gjra auf ihrem Territorium nicht über eine eigene Hochschule oder ein wissenschaftliches Institut verfügte, unterlag sie keiner systematischen 152 Ebd., Bl. 41–42. 153 Dzieran, Stanisław : Powstanie i rozwjj punktjw konsultacyjnych UAM w Zielonej Gjrze, in: Rocznik Lubuski 1973/8, S. 277–289, S. 277–289. Ausführlich zu den Konsultationsstellen: Zaradny, Władza, 2009, S. 649–666. 154 Inauguracja roku akademickiego [Die Inauguration des akademischen Jahres], in: Nadodrze, November 1962, S. 2.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

wissenschaftlichen Erforschung. Die Arbeiten der Wissenschaftler, hauptsächlich Historiker und Archäologen aus Posen oder Krakau, befassten sich vor allem mit den Problemen der Vergangenheit der Gebiete, die zur heutigen Woiwodschaft Zielona Gjra gehören.«155

Überdies sollte es eine eigene Publikationssektion geben, um »weiße Flecken« in der Geschichte der Region zu tilgen.156 In seiner Rede auf dem Gründungstreffen der LTN resümierte Jan Lembas, Vorsitzender des Präsidiums des Woiwodschaftsnationalrats: »Initiiert von Wissenschaftlern der Region und in Absprache mit den Wissenschaftlern aus Posen, Breslau, Krakau und Warschau wird heute die LTN gegründet«. Er zollte all denjenigen Respekt, die auf dem Weg dorthin Unterstützung geleistet hatten, namentlich »unseren Freunden aus Posen, Krakau, Warschau und Breslau, der LTK und der PTH, den Museen, den Konsultationsstellen. […] Die von der LTN durchgeführte Forschung und die wissenschaftliche Arbeiten tragen ohne Zweifel zur Erhöhung des Niveaus vieler Bereiche des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens bei.«157

Sczaniecki war überzeugt, »dass die Ziemia Lubuska seit der Gründung der LTN nicht mehr Konsument wissenschaftlicher Leistungen anderer Zentren ist, sondern ihren eigenen Beitrag zur Entwicklung der Wissenschaft leistet«.158

Sauter, Vorsitzender der LTK, hob die Aktivitäten der Gesellschaft im Bereich der Forschung und der Popularisierung von Wissenschaft hervor und wies auf die Hilfe hin, die Wissenschaftler aus Posen und Breslau geleistet hatten.159 Laut Andrzej Czarkowski markierte die Gründung der LTN »in Wirklichkeit nicht so sehr den Anfang, als vielmehr den Abschluss einer bestimmten Etappe der gesellschaftlichen Entwicklung der wissenschaftlichen Bewegung«160 in der Ziemia Lubuska. Zu einem gewissen Grad ist dem zuzustimmen, wobei die Herausbildung eines akademischen Umfeldes in der Woiwodschaft zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht abgeschlossen war. Unmittelbar nach der Gründung der LTN bildeten sich fachliche Abteilungen 155 Chronik der Lebuser Wissenschaftsgesellschaft, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 225, Bl. 2. 156 Eine vollständige Bibliographie der Publikationen der LTN im Zeitraum 1965–1994 findet sich in: Rocznik Lubuski 1994/20, S. 65–123. 157 1. Vollversammlung der LTN am 22. 2. 1964 – Bericht (1965), APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 118, Bl. 5. 158 Ebd., Bl. 48. 159 Ebd., Bl. 49. 160 Czarkowski, Andrzej (Hg.): Lubuskie Towarzystwo Naukowe (1964–1978) [Die Lebuser Wissenschaftliche Gesellschaft (1964–1978)]. Zielona Gjra 1980, S. 5.

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in den Bereichen Gesellschaftswissenschaften, Naturwissenschaften, Technische Wissenschaften und Mathematik/Physik/Chemie heraus,161 die sich wiederum in Kommissionen untergliederten. Die gesellschaftswissenschaftliche Abteilung war die personalstärkste, ihr gehörten 60 Prozent der Mitglieder der LTN an. Von den 180 Mitgliedern waren 58 in der Historischen Kommission.162 Jeder Kommission saß ein Wissenschaftler vor, mitunter kamen sie – wie etwa Hieronim Szczegjła, der die Historische Kommission leitete oder Adam Kołodziejski, der der Archäologie vorsaß – aus der Region. Die übrigen Vorsitzenden stammten aus Posen und Breslau.163 Die Historische Kommission wollte sich zunächst mit dem Zeitraum 1939 bis 1960 auseinandersetzen, da die Probleme der Gegenwart erforscht werden sollten. Doch schon bald wurden diese Zäsuren auch überschritten. Die geographische Begrenzung war die Ziemia Lubuska, obgleich mitunter auch benachbarte Regionen in die Forschung einbezogen wurden.164 Letztlich umfassten die Themen der bis 1976 verfassten Arbeiten sowohl die Vorkriegs- als auch die Nachkriegsgeschichte der Region.165 Innerhalb der Kommission wurden vier Doktorandenseminare von den Professoren Jerzy Topolski, Jan Wa˛sicki, Hieronim Szczegjła und Marian Eckert angeboten. Außerdem organisierte die Kommission viele wissenschaftliche sowie populärwissenschaftliche Veranstaltungen. Nicht alle hatten einen unmittelbaren Bezug zur Ziemia Lubuska, so gehörten auch sozialistische Jahrestage wie der 100. Geburtstag Wilhelm Piecks oder 30 Jahre Sieg über den Faschismus zum Programm.166 Mitte der 1970er Jahre stammte ein Großteil der Mitglieder der LTN aus der Woiwodschaft, die meisten aus Zielona Gjra, nur wenige aus der Region Gorzjw, wo zu diesem Zeitpunkt bereits die Gorzjwer Wissenschaftsgesellschaft (Gorzowskie Towarzystwo Naukowe, GTN) tätig war. 1968 blickte Wa˛sicki im Rahmen der 2. Generalversammlung der LTN auf die ersten Jahre zurück. Dass die zweite Vollversammlung erst vier Jahre nach der Gründung stattfand, erklärte er damit, dass »es keine leichte Arbeit war, vor allem, weil wir uns bemüht haben, die Spezifik der Region und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen«.167 Er stellte fest, dass sich die LTN von anderen Gesellschaften dieser Art im Lande unterschied, da sie eine Form der Arbeit finden 161 Chronik der LTN 1958–1966, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 164, Bl. 1–8. 162 Tätigkeitsbericht der LTN in den Jahren 1973–1976, 1977, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 888, [o.S.]. 163 Ebd. 164 Chronik der LTN 1958–1966, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 164, Bl. 2. 165 Tätigkeitsbericht der LTN der Jahre 1973–1976, 1977, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 888, [o.S.]. 166 Ebd. 167 Jan Wa˛sicki: Referat wygłoszony na II Walnym Zjez´dzie LTN [Referat auf der zweiten Vollversammlung der LTN], 1968, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 375, Bl. 2.

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musste, die »die Durchführung von Forschung erlaubt und gleichzeitig die Ausbildung von wissenschaftlichem Personal ermöglicht«.168 Die Aktivitäten der LTN entsprachen der Tatsache, dass es in Zielona Gjra zum Zeitpunkt ihrer Gründung keine Hochschule gab. Deswegen seien bereits viele Doktorarbeiten innerhalb der LTN entstanden.169 »Grundsätzliche Probleme bereitete die Frage der Publikationen der Gesellschaft«,170 so Wa˛sicki, da es in Zielona Gjra weiterhin keinen Verlag gab. Die Veröffentlichung wissenschaftlicher Literatur geschah nach wie vor in Zusammenarbeit mit dem Posener Verlag (Wydawnictwo Poznan´skie). Ein eigenes Publikationshaus sei jedoch bald nötig, denn es »würde die Arbeit der Gesellschaft erleichtern und den Veröffentlichungen der LTN einen gewissen Rang verleihen«. Bislang konnten die Publikationen noch nicht an alle polnischen Institute verteilt werden, da die Auflagen zu gering waren. Ein Publikationsaustausch fand mit dem In- und Ausland statt, letzteres hatte dazu geführt, dass fremdsprachige Zusammenfassungen in die Publikationen aufgenommen wurden. Der wachsende Austausch sei auch ein Beleg dafür, dass »die Arbeiten der LTN langsam etwas in der wissenschaftlichen Welt zählen«.171 Viele Publikationen wurden durch Mittel des Woiwodschaftskomitees der PZPR und des Präsidiums des Woiwodschaftsnationalrates finanziert, denn sie dienten der Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska und zeigten den Fortschritt der Region im gesamten Polen. Nicht zuletzt sei es nämlich auch Aufgabe der LTN, »breiten gesellschaftlich interessierten Schichten ein solides und breites Wissen über die Region«172 zu vermitteln. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Region konzentrierte sich schon seit den 1950er Jahren nicht mehr auf die Rechtfertigung der polnischen Westgrenze, sondern nahm andere regionsspezifische Themen in den Fokus. So entstanden ab Mitte der 1950er Jahre zahlreiche Publikationen zur Tradition des Weinanbaus in Grünberg und zur Nachkriegsgeschichte der Region. Seit 1959 erschien das zunächst von der LTK und ab der fünften Ausgabe im Jahr 1964 von der LTN herausgegebene Rocznik Lubuski, das »für eine ganze Generation Lebuser Historiker und Regionalisten zur Debüt-Plattform wurde«.173 Wenngleich das Jahrbuch anfänglich explizit »keine wissenschaftliche Publikation« war, so sollte es dennoch dazu dienen, dass

168 169 170 171 172 173

Ebd., Bl. 3. Ebd., Bl. 7. Ebd. Ebd., Bl. 9. Ebd., Bl. 15. Szczegjła, Wiesław Sauter, 2005, S. 86.

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»die Ergebnisse junger Lebuser Forscher und Publizisten möglichst breite Gesellschaftsschichten, insbesondere Lehrer, Kultur-Aktivisten und Freunde des Mittleren Odergebiets erreichen«.174

Zunächst sollte das Jahrbuch ausschließlich »unsere Gebiete betreffendes Material«175 beinhalten. Schon in der dritten Ausgabe (1961) wurde darüber hinaus angekündigt, dass die Zeitschrift langfristig im engeren Sinne wissenschaftlich ausgerichtet sein solle. Dieses veränderte Selbstverständnis spiegelte den Fortschritt in der Ziemia Lubuska wider, wo die wissenschaftliche Aktivierung auf die kulturelle folgte. Mit der Übergabe der Herausgeberschaft an die LTN im Jahr 1964 vollzog die Redaktion diesen Schritt tatsächlich, von nun an erschienen im Jahrbuch wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Artikel. Die Bände widmeten sich der Geschichte aller Epochen der Ziemia Lubuska sowie einzelner Städte. Hin und wieder erschienen Spezialausgaben etwa zur wirtschaftlichen Entwicklung oder zur Rolle der UAM für die Ziemia Lubuska. Im Laufe der Zeit veröffentlichte das Jahrbuch auch Artikel, die die Anfänge des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens der Region reflektierten. Zu Beginn hatten sich die Organisatoren gesorgt, »dass es auf unserem Gebiet zu wenig Willige und Fähige für solche Arbeiten geben könnte. Die Realität hat diese Zweifel weggewischt.«176 Seit 1966 erschienen ein bis zwei Mal jährlich die populärwissenschaftlichen Zeszyty Lubuskie (Lebuser Hefte), die sich, verfasst von Autoren aus der Region, mit verschiedenen Aspekten der Regionalgeschichte auseinandersetzten. Oftmals war die Geschichte einer einzelnen Stadt das Leitthema der Hefte, in der Regel stellten sie so die ersten polnischsprachigen wissenschaftlichen Publikationen zu den Orten dar. Die Hefte sollten »zumindest teilweise den vorhandenen Hunger nach Publikationen […] stillen«,177 da größere Werke zunächst nicht in Aussicht standen. So wurde etwa das Heft über Gubin aus dem Jahr 1971 noch im Jahr 1987 als »grundlegende Publikation über die Stadt«178 bezeichnet. Ein Großteil der Bände entstand auf Initiative lokaler Kulturgesellschaften, deren Aktivisten sich mit der Geschichte ihrer Kleinstädte beschäftigten. Oftmals kamen aber auch die regionalen Größen zu Wort, so verfassten etwa Szczegjła, Muszyn´ski, Sauter und Korcz eine Reihe von Artikeln. Darüber 174 Od redakcji [Von der Redaktion], in: Rocznik Lubuski 1959/1, S. 5. 175 Protokolle der Lebuser Kulturgesellschaft, 1957–1958, zit.n. Korniluk, »Rocznik Lubuski«, 2013, S. 128. 176 Informationen zur Entstehung und Aktivität der Lebuser Kulturgesellschaft, zit. n. ebd., S. 133. 177 Sauter, Wiesław : Wste˛p [Einführung], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Głogjw (Zeszyt Lubuski Nr 6). Zielona Gjra 1969, S. 6. 178 Ose˛kowski, Czesław : Wste˛p [Einführung], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Gubin. Zarys historii miasta [Gubin. Abriss der Geschichte der Stadt] (Zeszyt Lubuski Nr 22). Zielona Gjra 1987, S. 4.

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hinaus erschienen Hefte, die sich mit dem »Polentum der Region« befassten,179 und Ausgaben zu aktuellen Entwicklungen in der Region, etwa dem kulturellen und literarischen Leben.180 Von der Redaktion wurde das Erscheinen der Hefte als Zeichen gesehen, »dass es in Zielona Gjra […] ein geschichtswissenschaftliches Zentrum gibt, dass es funktioniert, dass es Resultate erzielt«.181 Sie warb dafür, Vertrauen in das »junge Milieu in Zielona Gjra«182 zu haben. Mit der Herausgabe der Hefte war auch die Hoffnung verbunden, dass Lehrer, regionale Aktivisten und Schüler auf diese Weise der Region näher kommen und ihre Vergangenheit kennen lernten.183 Das Wissen über die Region sollte insbesondere bei Lehrern, Studierenden und kulturellen Aktivisten vertieft werden, aber auch Touristen und Einwohner sollten die Städte kennenlernen.184 Zu Beginn der 1960er Jahre hatte die Entwicklung des akademischen Lebens in der Ziemia Lubuska mit der Entstehung eines Forschungszentrums und schließlich der Lebuser Wissenschaftsgesellschaft einen großen Sprung gemacht. Nicht nur war endlich eine Ausbildung vor Ort möglich, auch hatten nun Einheimische Positionen an den Forschungseinrichtungen inne. Thematisch konzentrierte sich die Regionalforschung nach wie vor stark auf das »Polentum« der Ziemia Lubuska, wenngleich mittlerweile auch Studien zur Zeitgeschichte entstanden. Vor allem aber blieb die Verbreitung der Forschungsergebnisse in breiten Bevölkerungsschichten ein Hauptziel der wissenschaftlichen Aktivitäten. Die Möglichkeiten zur Forschung und Publikation blieben jedoch bescheiden. Im Rahmen der Zeitschriften- und Buchreihen erschienen zwar 179 Lubuskie Towarzystwo Kultury, Z dziejjw, 1966; Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Ludnos´c´ rodzima na Ziemi Lubuskiej: folklor [Die einheimische Bevölkerung in der Ziemia Lubuska: Folklore] (Zeszyt Lubuski Nr 9). Zielona Gjra 1970; Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Ludnos´c´ rodzima na Ziemi Lubuskiej: dzieje i wspjłczesnos´c´ [Die einheimische Bevölkerung in der Ziemia Lubuska: Geschichte und Gegenwart] (Zeszyt Lubuski Nr 10). Zielona Gjra 1971. 180 Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Literatura na Ziemi Lubuskiej [Literatur in der Ziemia Lubuska] (Zeszyt Lubuski Nr 4). Zielona Gjra 1968; Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Z zagadnien´ kulturalnych wojewjdztwa zielonogjrskiego [Von den kulturellen Fragen der Woiwodschaft Zielona Gjra] (Zeszyt Lubuski Nr 5). Zielona Gjra 1968. 181 Bardach, Słowo wste˛pne, 1966 S. 3. 182 Ebd., S. 6. 183 Sauter, Wiesław : Wste˛p [Einführung], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Mie˛dzyrzecz (Zeszyt Lubuski Nr 8). Zielona Gjra 1970, S. 6. 184 Sauter, Wiesław : Wste˛p [Einführung], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Ludnos´´c rodzima na Ziemi Lubuskiej. Dzieje i wspjłczesnos´c´ [Die einheimische Bevölkerung in der Ziemia Lubuska. Geschichte und Gegenwart] (Zeszyt Lubuski Nr 9). Zielona Gjra 1971, S. 10; Szczegjła, Hieronim: Słowo wste˛pne [Geleitwort], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Ziemia S´wiebodzin´ska [Die Region S´wiebodzin] (Zeszyt Lubuski Nr 14). Zielona Gjra 1975, S. 6; Korcz, Władysław : Słowo wste˛pne [Geleitwort], in: Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Bytom Odrzan´ski. Z dziejjw i wspjłczesnos´ci [Bytom Odrzan´ski. Aus Geschichte und Gegenwart] (Zeszyt Lubuski Nr 17). Zielona Gjra 1980, S. 6.

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zahlreiche lokalhistorische Beiträge, ausführliche Monographien waren aber immer noch rar. Wenn dann doch einmal eine erschien, so war es häufig ein Ergebnis der Posener Forschung – die Stadtgeschichte Zielona Gjras aus dem Jahr 1962 etwa verfassten die beiden Posener Professoren Sczaniecki und Wa˛sicki ohne Mitwirkung des regionalen Milieus.

4.3.3 Eine Hochschule für die Ziemia Lubuska Obgleich die Gründung der Lebuser Wissenschaftsgesellschaft für viele den Abschluss der Bestrebungen nach einem akademischen Umfeld darstellte, zeigte sich, dass die Entwicklung des akademischen Lebens in der Ziemia Lubuska noch lange nicht abgeschlossen war. Die erste eigenständige Hochschule der Woiwodschaft war schließlich die 1965 in Zielona Gjra gegründete Hochschule für Ingenieurwissenschaften (Wyz˙sza Szkoła Inz˙ynierska, WSI). Ihre Eröffnung beendete damit vorerst den »Lebuser Weg zur Universität« und war für die Ziemia Lubuska das »wichtigste Ereignis im Jahr 1965«.185 Zwar war bereits seit 1958 die Aufnahme des Lehrer-Studiums (Studium Nauczycielskie) möglich gewesen und ab den frühen 1960er Jahren ein Fernstudium, doch entwickelte sich erst jetzt mit dem Bau neuer Gebäude und Wohnheime für die Hochschule und dem Zuzug angehender Akademiker studentisches Leben in der Stadt, was zu einer spürbaren Belebung führte.186 Die WSI wurde auch von Studierenden anderer Woiwodschaften besucht und als »Brücke zwischen der Ziemia Lubuska und anderen Woiwodschaften« wahrgenommen. Es bestand die Hoffnung, dass die Ziemia Lubuska durch die Studierenden bekannter würde und man »vielleicht endlich [aufhört], uns mit Jelenia Gjra zu verwechseln«.187 Das Bedürfnis, keine unbekannte und unbeliebte periphere Region zu sein, spielte offenbar eine wichtige Rolle im Prozess der Herausbildung eines wissenschaftlichen Milieus. Auch der Abgrenzung zum »deutschen Grünberg«, in dem es kein akademisches Leben und auch keine diesbezüglichen Ambitionen gegeben hatte, wurde eine gewisse Bedeutung zugeschrieben. »Man muss wissen, dass ein solches 185 Pierwsza wyz˙sza uczelnia na Ziemi Lubuskiej [Die erste Hochschule in der Ziemia Lubuska], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 214, 1965. Zur Gründungsgeschichte: Zaradny, Władza, 2009, S. 649–666. 186 Zur studentischen Präsenz in Zielona Gjra in den 1970er Jahren: Zaradny, Ryszard: Kultura studencka w latach 70. XX wieku w Zielonej Gjrze [Die studentische Kultur in den 1970er Jahren in Zielona Gjra], in: Bartkowiak, Przemysław / Kotlarek, Dawid (Hg.): W słuz˙bie władzy czy społeczen´stwa? Wybrane problemy kultury i nauki na S´rodkowym Nadodrzu w latach 1945–1989 [Im Dienst des Staates oder der Gesellschaft? Ausgewählte Probleme der Kultur und Wissenschaft im Mittleren Odergebiet in den Jahren 1945–1989]. Zielona Gjra 2010, S. 122–130. 187 Doboszowa, Henryka: Dzien´ Narodzin [Geburtstag], in: Nadodrze, 1.–15. 9. 1965, S. 2.

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[schöpferisches, K.H.] Milieu im deutschen Zielona Gjra nicht existierte, da die Stadt in der Vergangenheit weder über die Ambitionen noch die Voraussetzungen dafür verfügte«,188 erläuterte Koniusz. Auch Henryka Doboszowa meinte: »Die Tatsache, dass [die neue Hochschule] auf dem kulturell und wirtschaftlich einst am stärksten vernachlässigten Stück der deutschen Ostgrenze entstand, hat besondere politische Bedeutung, da es ein nicht unbedeutendes Argument in der Polemik der immer noch nicht von der ökonomischen Dynamik überzeugten revisionistischen Propaganda Bonns ist.«189

Weiter voran schritt diese Entwicklung mit der Gründung der Lehrerhochschule (Wyz˙sza Szkoła Nauczycielska, WSN, später Pädagogische Hochschule, Wyz˙sza Szkoła Pedagogiczna, WSP) in Zielona Gjra im Jahr 1971, an der eine geisteswissenschaftliche (zunächst mit einem Lehrstuhl für polnische und russische Philologie und einem für politisch-gesellschaftliches Geschehen, besetzt von Hieronim Szczegjła), eine pädagogische und eine mathemathisch-naturwissenschaftliche Fakultät entstanden. Von den anfangs 32 Mitarbeitern waren 8 Habilitanden und 15 Doktoranden.190 Ihre Artikel sollten von der LTN publiziert werden.191 Die von den bereits bestehenden wissenschaftlichen Gesellschaften geleistete Vorarbeit trug nun Früchte, so konnte etwa bei der Lehrstuhlbesetzung der WSN auf drei habilitierte Doktoren und drei Promovierte zurück gegriffen werden, die sich in der regionalen Niederlassung der PTH qualifiziert hatten. Neben den positiven Auswirkungen, die bereits die Gründung der WSI für Zielona Gjra und die Ziemia Lubuska hatte, spielte insbesondere die WSN eine wichtige Rolle in der Herausbildung eines regionalen wissenschaftlichen Milieus, hatten hier doch einige der aktivsten Regionalhistoriker Lehrstühle inne. Die Hochschulen vor Ort erleichterten den Lebuser Schulabgängern den Zugang zu einer sekundären Ausbildung und führten zu einem studentischen Umfeld, das wiederum eine neue Dynamik in viele Bereiche des Stadtlebens brachte.192 Zudem bot die Hochschule erstmals die Möglichkeit, in Zielona Gjra und bei ortsansässigen Professoren zu promovieren. In den 1970er Jahren wurden nun auch regionsspezifische Doktorandenseminare durchgeführt. In Zielona Gjra veranstalteten Hieronim Szczegjła (Geschichte der Volksrepublik Polen und deutsch-polnische Beziehungen) und Marian Eckert (Wirtschaftsgeschichte des 188 189 190 191

J. K.: Kariera regionu [Die Karierre einer Region], in: Nadodrze, Februar 1965, S. 7. Doboszowa, Dzien´, 1965, S. 2. Zur Gründungsgeschichte: Zaradny, Władza, 2009, S. 649–666. Hieronim Szczegjła: Program rozwoju WSN w Zielonej Gjrze w latach 1971–1975 [Programm der Entwicklung der WSN in Zielona Gjra in den Jahren 1971–1975], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 907, Bl. 49. 192 Szczegjła, Awans regionu, 1980, S. 4.

Der Gorzówer Weg

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19. und 20. Jahrhunderts) Kolloquien für die regionalen Doktoranden.193 Beide waren in Posen ausgebildet worden und seit langer Zeit im historischen Milieu in der Ziemia Lubuska aktiv. Eckert (1932–2005) stammte aus Bromberg (Bydgoszcz). Er war als Student in Posen wegen seiner »kritischen Haltung zur Gegenwart und zur UdSSR«194 der Uni verwiesen worden und arbeitete zunächst als Lehrer in Rzepin. Nach 1956 nahm er sein Studium wieder auf, wurde promoviert und habilitierte sich und unterrichtete seit 1967 an der WSI. Szczegjła (geb. 1931), geboren in Großpolen, studierte Geschichte in Krakau und unterrichtete ab Ende der 1950er Jahre in Schulen in der Ziemia Lubuska. 1964 wurde er an der UAM promoviert. 1971 zog er nach Zielona Gjra, wo er die Position des Rektors der WSN übernahm. Zu Beginn der 1970er Jahre begründete Eckert die positive Entwicklung des wissenschaftlichen Milieus vor allem damit, dass ein breiteres Interesse an der historischen Forschung innerhalb der Bevölkerung der Ziemia Lubuska zu verzeichnen sei und mittlerweile Publikationsmöglichkeiten bestünden.195 1980 bemerkte Szczegjła, dass die Distanz zwischen dem akademischen Milieu in Zielona Gjra und dem in anderen Zentren durch die Entstehung von Hochschulen, Wissenschaftsgesellschaften und anderen Forschungseinrichtungen spürbar verringert worden sei. Außerdem sei eine Möglichkeit geschaffen worden, begabte Abiturienten in der Region zu halten bzw. nach ihrem Studium zur Rückkehr zu bewegen.196 Zweifellos waren die Entstehung des Wissenschaftlichen Zentrums, des Forschungszentrums und der Wissenschaftsgesellschaft wichtige Schritte gewesen, die akademische Entwicklung der Woiwodschaft voranzutreiben. Ohne diese Organisationen hätte es weder das Personal noch die Strukturen oder die Atmosphäre gegeben, um eine Hochschule zu gründen. Doch das studentische Leben und die damit einhergehende Aufwertung Zielona Gjras waren vor allem das Verdienst der Hochschulen, die überdies die Ausbildung viel breiterer Schichten ermöglichten.

4.4

Der Gorzówer Weg

Etwas später und zunächst in erheblich kleinerem Umfang begann die Herausbildung eines akademischen Milieus in Gorzjw. Gorzjw hatte nach der Gründung der Woiwodschaft Zielona Gjra und dem Verlust des Status als 193 194 195 196

Eckert, O lubuskim, 1971, S. 28. Dolan´ski, Dariusz 2012. Ebd., S. 23f. Szczegjła, Rozwjj szkolnictwa, 1980, S. 55.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

Zentrum der Region einiges an Aktivität und Attraktivität einzubüßen. Insofern konzentrierten sich die Aktivitäten im Bereich der Wissenschaft zunächst auf Zielona Gjra, wo die Lebuser Kulturgesellschaft, die PTH und die Presseorgane Nadodrze und Gazeta Zielonogjrska ihren Sitz hatten. Das bedeutete aber nicht, dass der Prozess in Gorzjw gar keine Fortschritte machte. Wie in Zielona Gjra setzte auch in Gorzjw das Museum seine Aktivitäten im Bereich der Regionalforschung fort. Ende der 1950er Jahre hob man als Ziel die »Popularisierung des Wissens über die Region und über die Stadt Gorzjw«197 hervor, in einem Beschluss aus dem Jahr 1961 erhielt das Museum schließlich den Status einer »Forschungs- und Bildungsinstitution«198, das »Feld- und weitere Forschung betreiben sollte«.199 In diesem Jahr veranstaltete es auch eine eintägige Konferenz für Lehrer aus dem Norden der Woiwodschaft zum Thema »Methodologie regionaler Forschung zu Vergangenheit, Stand und Perspektiven der Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens sowie Kultur und Bildung in Städten und Dörfern«.200 Öffentliche, populärwissenschaftliche Vorträge der Mitarbeiter über die Ziemia Lubuska zu Themen wie »Die Genese der Stadt Gorzjw« oder »Abriss der Geschichte der Ziemia Lubuska« fanden ebenso regelmäßig statt wie Exkursionen in die Region. Auch die Millenniumsfeiern wurden vom Museum durch Konferenzen, Vorträge und Publikationen zur Geschichte Gorzjws begleitet.201 Ab dem Jahr 1973 führte das Team des Museums sogar eigene Ausgrabungsarbeiten zur Geschichte der Region Gorzjw durch, die sich auf die Lausitzer Kultur konzentrierten.202 Im Jahr 1956 gründete sich schließlich auch in Gorzjw eine Gesellschaft mit dem Anspruch, Regionalforschung zu betreiben und die Region zu popularisieren. Es handelte sich dabei um die Gesellschaft der Freunde des Museums in Gorzjw (Towarzystwo Przyjacijł Muzeum w Gorzowie, TPM), die ihre Satzung am 9. Oktober 1956 verabschiedete. Im März desselben Jahres hatte der Sekretär der PTH in Zielona Gjra, Zygmunt Rutkowski, dem Museumsdirektor in Gorzjw, Henryk Przybylski, seine Idee mitgeteilt, auch in Gorzjw eine Abteilung

197 Protokoll zur Tätigkeit des Museums in Gorzjw in den Jahren 1958–1960, APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 24, Bl. 4. 198 Beschluss Nr. XXXVIII/127/61 (18. 11. 1961), APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 2, Bl. 2. 199 Anhang 1 zum Beschluss XXXVIII/137/G-I (18. 11. 1961), APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 2, Bl. 7. 200 Plan für das Jahr 1962 (9. 1. 1962), APG, Muzeum Ziemi Lubuskiej w Gorzowie Wlkp., Sign. 25, Bl. 1. 201 Arbeitsplan für das Jahr 1963 (23. 1. 1963), AML, Muzeum, Mappe 14. 202 Tätigkeit des Museums in Gorzjw Wlkp. in den Jahren 1968–1970, APG Muzeum w Gorzowie Wlkp., Sign. 27, Bl. 137.

Der Gorzówer Weg

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der PTH zu gründen.203 Im Juli wandte sich schließlich Przybylski an die Zentrale der PTH in Warschau und erklärte die Absicht, die TPM – als regionale Niederlassung der PTH – zu gründen: »Wir stimmen uns darauf ein, dass die vorgesehene Gesellschaft der Freunde des Museums einen wissenschaftlichen Charakter haben wird, die Mitglieder aller Sektionen sind darauf eingestellt, nicht nur Vorträgen zuzuhören, sondern vor allem eigenständige Forschung zu betreiben.«204

Es sollte »wissenschaftliche und popularisierende Arbeit zur Region Gorzjw« durchgeführt werden mit dem Ziel, »die lokale Bevölkerung mit der Gegend und den kulturellen Traditionen – vor allem den polnischen – der Region zu verbinden«. Weiterhin galt es, »innerhalb der Gesellschaft das Interesse an der Erforschung der Region Gorzjw«205 zu entwickeln. Deutlich wird, dass der Fokus hier, ähnlich wie im Bereich der Kultur, auf einer anderen Region als in Zielona Gjra lag: nicht so sehr die Ziemia Lubuska als Ganze, sondern vielmehr die Umgebung um Gorzjw beziehungsweise der nördliche Teil der Woiwodschaft Zielona Gjra sollten Gegenstand der akademischen Beschäftigung in Gorzjw werden. Nachdem vor allem das Museum in den ersten Jahren nach dem Krieg einen Schwerpunkt auf die Geschichte der Ziemia Lubuska gelegt hatte, verschob sich dieser nun. Inwieweit das gewollt war, um sich von Zielona Gjra abzugrenzen, oder erzwungen, weil die Erforschung der gesamten Ziemia Lubuska durch das akademische Milieu in Zielona Gjra bereits abgedeckt wurde, bleibt offen. Parallel dazu eröffnete sich mit dem Pädagogischen Seminar im Jahr 1958 die erste Studienmöglichkeit in der Stadt. Konnten zunächst nur Geschichte und Musik angeboten werden, wurde im Laufe der folgenden Jahre das Angebot um die Fächer Geographie und Sport (1959), Biologie (1960) sowie Landwirtschaft/ Pädagogik (1961) erweitert.206 Ab Mitte der 1960er Jahre existieren auch hier Konsultationsstellen der Technischen Hochschule in Stettin (Politechnika Szczecin´ska).207 Doch noch 1964 war Gorzjw für Hochschulabsolventen recht unattraktiv. Obwohl die Stadt mittlerweile eine Einwohnerzahl von rund 66.400 203 Schreiben von Zygmunt Rutkowski an Henryk Przybylski, 8. 3. 1956, BML, Muzeum Lubuskie, Sign. 22/5, Bl. 89. 204 Schreiben von Henryk Przybylski an die PTH Warszawa, 19. 7. 1956, BML, Muzeum Lubuskie, Sign. 22/5, Bl. 138f. 205 Satzung (9. 10. 1956), BML, Towarzystwo Przyjacijł Muzeum [Gesellschaft der Freunde des Museums], Sign. 22/11, Bl. 2. 206 Entwicklung und Tätigkeit der Abteilung für Musikerziehung des Pädagogischen Seminars in Gorzjw Wlkp. 1958–1963, APG, Studium Nauczycielskie w Gorzowie 1958–1971 [Pädagogisches Seminar in Gorzjw 1958–1971], Sign. 3, Bl. 1. 207 Kunicki, Bogdan J.: Dorobek naukowy gorzowskiego s´rodowisko naukowego (1971–1986) [Die wissenschaftlichen Leistungen des Gorzjwer wissenschaftlichen Milieus (1971– 1986)], in: Przegla˛d Lubuski 1985/3–4, S. 96.

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Erforschung der Region – Forschung in der Region

erreicht hatte, konnten sich nur neun Prozent der polnischen Studierenden vorstellen, in Gorzjw zu wohnen und eine Arbeit aufzunehmen. Für 54,9 Prozent kam dies nicht in Frage, weitere 34,3 Prozent kannten die Stadt zu wenig, um sich dazu zu äußern.208 Im Vergleich dazu zogen 41 Prozent der Studierenden in Erwägung, in Zielona Gjra zu leben und zu arbeiten, für 37,9 Prozent war dies nicht vorstellbar. Auch hier gaben immerhin 20 Prozent an, die Stadt zu wenig zu kennen.209 Am 8. Februar 1970 gründete sich die regionale Niederlassung der PTH in Gorzjw. Viele der Mitglieder waren, wenn auch sporadisch, zuvor bereits in der TPM aktiv gewesen.210 Insgesamt handelte es sich wie in Zielona Gjra um eine recht kleine PTH-Gruppe, 1975 hatte sie 26 Mitglieder.211 Sie alle lebten in Gorzjw und verteilten sich auf die Abteilungen Mittelalterliche Geschichte, Neuere Geschichte, Neueste Geschichte, Geschichte der Volksrepublik Polen und Historische Hilfswissenschaften.212 Die Ziele der PTH Gorzjw bestanden in der »Vertiefung historischen Wissens über die Region«, der »Pflege des Wissens um die Einheit von Ziemia Lubuska und Mutterland« und der »Erweckung patriotischer Gefühle – vor allem der jungen Generation der Polen, die in der Ziemia Gorzowska lebt«, aber auch die »Entwicklung internationalistischer Gefühle und der Wertschätzung für Arbeiter [ludzie pracy]«.213 Wie auch in Zielona Gjra so war es das erklärte Ziel der PTH Gorzjw, »Wissen über das Polentum und die slawische Vergangenheit der Region«214 zu popularisieren. So waren im Rahmen der PTH-Arbeit etwa Referate zur polnischen Grenze oder zur mittelalterlichen Geschichte der »Ziemia Gorzowska«, aber auch zeithistorische Veranstaltungen zur politischen und kulturellen Entwicklung Gorzjws seit dem Zweiten Weltkrieg vorgesehen.215 Diese Referate wurden sowohl von lokalen Wissenschaftlern als auch von auswärtigen Gästen gehalten. Einen Teil der Beiträge veröffentlichte die LTN im Jahr 1975 mit dem Ziel, »den Lesern, vor allem den Jugendlichen, einige Probleme Gorzjw Wielkopolskis und der Region Gorzjw in den ersten Jahren der Volksrepublik zu präsentieren«.216 208 Wallis, Statystyczne, 1972, S. 99. Fehlende 1,8 Prozent: keine Antwort. 209 Ebd., S. 99. Fehlende 1,0 Prozent: keine Antwort. 210 Vorhaben und Umsetzung der PTH in Gorzjw im Zeitraum ihrer 10-jährigen Aktivität (1970–1980), APG, Polskie Towarzystwo Historyczne, Sign. 15, Bl. 96. 211 Bericht für den Zeitraum 1. 1. 1975–31. 12. 1975, APG, Polskie Towarzystwo Historyczne, Sign. 13, Bl. 9. 212 Bericht für das Jahr 1972, APG, Polskie Towarzystwo Historyczne, Sign. 13, Bl. 54. 213 Arbeitsplan für die Gorzjwer Abteilung der PTH für den Zeitraum 1. 4. 1970–1.4.1971, APG, Polskie Towarzystwo Historyczne, Sign. 13, Bl. 89. 214 Tätigkeit des Museums in Gorzjw Wlkp. in den Jahren 1968–1970, APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 27, Bl. 123. 215 Plan für das Jahr 1976, APG, Polskie Towarzystwo Historyczne, Sign. 13, Bl. 7. 216 Szczegjła, Hieronim: Wste˛p [Einführung], in: ders. (Hg.): Gorzjw Wielkopolski w latach 1945–1950 [Gorzjw Wielkopolski in den Jahren 1945–1950]. Zielona Gjra 1975, S. 1.

Der Gorzówer Weg

225

Im Rahmen der PTH entstanden darüber hinaus Arbeiten wie die von Stefan Paternowski, »Polacy w Gorzowie Wlkp. w latach 1864–1900« (Polen in Gorzjw in den Jahren 1846–1900).217 Die Schwerpunkte im ersten Jahr lagen auf »Forschungsarbeiten zum Polentum dieser Gegend in der Vergangenheit und den Errungenschaften in der Ziemia Gorzowska während des 25-jährigen Bestehens der Volksrepublik Polen«.218 Der starke Fokus auf der Geschichte und Gegenwart Gorzjws unterschied das akademische Milieu hier stark von dem in Zielona Gjra, wo abgesehen von der Erforschung des Weinanbaus viel stärker die Ziemia Lubuska im Mittelpunkt stand als die Stadt selber. Kurz darauf, im September 1970, riefen die Aktiven in Gorzjw die Gorzjwer Sozial-kulturelle Gesellschaft (Gorzowskie Towarzystwo Społeczno-Kulturalne, GTSK) ins Leben. Zwar war die Gesellschaft zunächst vor allem mit dem Ziel der kulturellen Belebung der Region gegründet worden, doch sprach Adam Natanek, Direktor des Pädagogischen Seminars in Gorzjw, bereits in der Gründungssitzung im Jahr 1970 an, dass die GTSK die Gründung einer Hochschule in der Stadt inspirieren solle. Auch schlug er vor, mithilfe der GTSK die Erinnerungen von Pionieren zu sammeln, um diese eventuell zu veröffentlichen. Nicht zuletzt fasste er auch die Erarbeitung einer Stadtgeschichte ins Auge,219 die bisher einzige ausführliche Publikation dazu war 1964 in Posen entstanden. Diese Absicht wurde besonders deutlich, als 1972 im Rahmen der GTSK eine Forschungsgruppe (Zespjł Naukowo-Badawczy) gegründet wurde. Sie sollte »nicht die Polnische Akademie der Wissenschaften oder ihre Abteilungen ersetzen«, doch auf regionaler Ebene sollte sie ihr im Hinblick auf »die Einbeziehung der Menschen, die sich mit wissenschaftlicher Arbeit beschäftigen, die Schaffung einer Plattform und eines Formats zum Austausch über Erfahrungen und den Effekt für Gorzjw und die Region«220

nacheifern. Wie in Zielona Gjra ging man auch hier davon aus, dass die bisherige wissenschaftliche Arbeit »verstreut« war und sich nur »Menschen in Einsamkeit, ohne größeres Interesse oder Wirkung nach außen« mit der Forschungsarbeit befassten. Viele junge Leute in Gorzjw hätten ihre Ambitionen aufgegeben, weil ihnen »Inspiration, Kontakte, Unterstützung«221 fehlten. Nicht nur sollten diese Personen eingebunden werden, vielmehr sollte die Forschungsgruppe auch Studierende dazu bewegen, ihre Abschlussarbeiten zu Themen der »Ziemia Gorzowska« zu schreiben. Die Gruppe beabsichtigte, alle 217 218 219 220 221

Bericht für das Jahr 1972, APG, Polskie Towarzystwo Historyczne, Sign. 13, Bl. 71. Bericht für das Jahr 1970, APG, Polskie Towarzystwo Historyczne, Sign. 13, Bl. 86. Protokoll der Gründungssitzung der GTSK am 25. 9. 1970, APG, GTSK, Sign. 5, Bl. 23. W zasie˛gu Gorzowa [In Reichweite von Gorzjw], in: Ziemia Gorzowska, Januar 1973, S. 1. Zespjł naukowo-badawczy GTSK [Die Forschungsgruppe der GTSK], in: Ziemia Gorzowska, Januar 1973, S. 59.

226

Erforschung der Region – Forschung in der Region

im Raum Gorzjw akademisch tätigen Personen zusammen zu bringen, sämtliche publizierten und nicht-publizierten Abhandlungen zu sammeln und die laufenden Arbeiten zu inventarisieren. Auch sollte eine Bibliographie entstehen, die alle Werke zur Region enthielt, mit der das Interesse anderer wissenschaftlicher Zentren geweckt werden sollte. Die Initiatoren waren überzeugt, dass niemand diese Aufgabe angehen würde, »wenn wir nicht selber Anstrengungen in diese Richtung unternehmen«.222 So übernahm die Forschungsgruppe verschiedene Funktionen. Zum einen hatte sie eine koordinatorische und inspirierende Rolle. Zum anderen plante sie, eigene Forschungsprojekte anzustrengen und die bisherigen Ergebnisse zu popularisieren. Nicht zuletzt strebte sie den wissenschaftlichen Austausch mit anderen Organisationen an.223 Darüber hinaus war die GTSK Herausgeberin einer ab 1969 erschienen Kulturzeitschrift, der Ziemia Gorzowska, die sich der Stadt, aber auch der Region widmete. Es handelte sich dabei nicht um eine wissenschaftliche Zeitschrift, sondern um ein lokales Pendant zur woiwodschaftsweiten Kulturzeitschrift Nadodrze. Immer wieder wurde jedoch diskutiert, auch hier einige populärwissenschaftliche Artikel unterzubringen, denn Publikationen zur Geschichte Gorzjws waren trotz der erstarkenden wissenschaftlichen Bewegung nach wie vor rar. Zwar waren im Band »Ziemia Lubuska« von 1950 auch der Geschichte Gorzjws einige Seiten gewidmet worden224 und 1964 mit dem Band »Gorzjw Wielkopolski. Przeszłos´c´ i teraz´niejszos´c´«225 (Gorzjw Wielkopolski. Vergangenheit und Gegenwart), herausgegeben von Wa˛sicki, die erste polnische Monographie zu Gorzjw erschienen, doch war diese im Posener Umfeld entstanden. Im Rocznik Lubuski erschienen auch Artikel zur Gorzjw und Umgebung sowie der Geschichte der Neumark, ebenso wie in den anderen Lebuser Reihen, der Biblioteka Lubuska226 und den Zeszyty Lubuskie.227 Doch noch 1971 bemängelte der später an der Hochschule in Gorzjw angestellte Soziologie-Professor Bogdan Kunicki, dass im Prinzip keine »einschlägige Literatur« zu Gorzjw existiere.228 Um diesem Mangel 222 Ebd., S. 60. 223 Programmlinien der Forschungsgruppe der GTSK, APG, GTSK, Sign. 1, Bl. 86f. 224 Der gesamten Region Gorzjw ist jeweils ein Kapitel zu Geographie, Geschichte und Kunst gewidmet. Für Gorzjw im Speziellen: Zajchowska, Stanisława: Geografia [Geographie], in: Sczaniecki, Michał / Zajchowska, Stanisława (Hg.): Ziemia Lubuska. Poznan´ 1950, S. 274; Mitkowski, Jjzef: Historia [Geschichte], in: Ebd., S. 292–295; Chmarzyn´ski, Gwido: Sztuka [Kunst], in: Ebd., S. 300–302. 225 Wa˛sicki, Gorzjw, 1964. 226 Dymaczewska / Hołowin´ska, Z dziejjw, 1961; Kurnatowski / Nalepa, z przeszłos´ci, 1961. 227 Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Drezdenko (Zeszyt Lubuski Nr 7). Zielona Gjra 1970; Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Mie˛dzyrzecz (Zeszyt Lubuski Nr 8). Zielona Gjra 1970; Lubuskie Towarzystwo Kultury (Hg.): Ziemia Strzelecko-Krajen´ska [Die Region um Strzelce Krajen´skie] (Zeszyt Lubuski Nr 12). Zielona Gjra 1972. 228 Kunicki, Bogdan: Kulturowe oblicze miasta [Das kulturelle Antlitz der Stadt], in: Ziemia Gorzowska, September 1971, S. 14.

Der Gorzówer Weg

227

entgegenzutreten, wurden sogar Übersetzungen deutscher Literatur, die von Bedeutung für die Stadtgeschichte war, angefertigt.229 Im Jahr 1972 veröffentlichte die TPM mit dem Zeszyt Muzeum230 eine der ersten regionalen Publikationen, in denen einzelne Aspekte der Geschichte Gorzjws und Umgebung Platz fanden. Das Vorwort stammte vom Posener Professor Jjzef Burszta. Die Veröffentlichung galt als Ausdruck des Interesses an der Erforschung der Region. Eine zweite Ausgabe erschien 1975. Zwar verfasste das Vorwort nun der in Zielona Gjra ansässige Szczegjła, der zu dieser Zeit Rektor der WSP war, auch redigierte er die Artikel der Zeitschrift, doch lebten die Autoren sämtlicher Kapitel in Gorzjw und auch die Themen des Heftes ließen einen klaren Bezug zu Gorzjw erkennen.231 Wie das Zeszyt Muzeum zeigt, war die zunehmende Eigenständigkeit des Gorzjwer wissenschaftlichen Milieus schon vor der Woiwodschaftsgründung 1975 sichtbar. Der Anfang des Jahres 1975 geäußerte Wunsch der Publikation eines Lexikons mit Gorzjw-spezifischen Einträgen232 wurde im Mai 1975 Wirklichkeit. Zunächst beabsichtigen die Aktivisten, eine Monographie über die Stadt zu verfassen, die Idee wurde aufgrund fehlender Ressourcen aber wieder verworfen. Bei dem schließlich entstandenen Lexikon handelte es sich zwar nicht um eine selbständige Publikation, doch begann mit der Mai-Ausgabe der Ziemia Gorzowska die Veröffentlichung Dutzender Stichworte des »Leksykon Gorzowski« (Gorzjwer Lexikon). Die populärwissenschaftlichen Einträge hatten Institutionen, Persönlichkeiten, Vereine und Ereignisse zum Thema, die für die Region eine Relevanz besaßen. Gorzjws Bewohner wurden aufgefordert, das Lexikon aktiv mitzugestalten, indem sie Vorschläge für Stichworte einsendeten. So konnte trotz des Fehlens einer Monographie Wissen über Gorzjw und seine Umgebung verbreitet werden. Die in der GTSK geleistete Vorarbeit wurde als wichtige Voraussetzung für die Entstehung des Lexikons gesehen, da viele Regionalforscher im Rahmen der Gesellschaft Erfahrungen im Publikationswesen gesammelt hatten.233 Einige Zeit zuvor, im Jahr 1971, hatte auch in Gorzjw eine erste Hochschule ihren Betrieb aufgenommen. Dabei handelte es sich um eine Niederlassung der Posener Sporthochschule, an der unter anderem Tourismus als Studienfach angeboten wurde. Die Bedürfnisse Gorzjws sollten bei der Forschung berück-

229 Tätigkeitsbericht des Museums in Gorzjw für das Jahr 1973, APG, Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp., Sign. 28, Bl. 43, 52. 230 Zeszyt Muzeum [Museumsheft], Gorzjw Wlkp. 1972. 231 Gorzowski Zeszyt Muzeum [Gorzjwer Museumsheft], Gorzjw Wlkp. 1975. 232 Sitzungsprotokoll des Vorstandes der GTSK am 17. 1. 1975, APG, GTSK, Sign. 1, Bl. 159. 233 Morawski, Zdzisław : Leksykon Gorzowski [Das Gorzjwer Lexikon], in: Ziemia Gorzowska, Mai 1975, S. 2.

228

Erforschung der Region – Forschung in der Region

sichtigt werden.234 Mit 40 Prozent stammten die meisten Studierenden aus der Woiwodschaft Zielona Gjra, die übrigen 60 Prozent rekrutierten sich zu gleichen Teilen aus den Woiwodschaften Stettin und Köslin. So bildete sich zwar in kleinem Umfang studentisches Leben in der Stadt heraus, zur Regionalforschung konnte die Hochschule aber nur in sehr geringem Maße beitragen, weil sie nicht über die dafür notwendigen Fakultäten verfügte. Insgesamt schritt die »wissenschaftliche Bewirtschaftung« Gorzjws deutlich langsamer und schwerfälliger voran als die Zielona Gjras, was vor allem den fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen geschuldet war. Da die Erforschung der Ziemia Lubuska bereits von den Wissenschaftlern in Zielona Gjra besetzt war, konzentrierte man sich hier auf die Geschichte der Stadt und ihrer unmittelbaren Umgebung. Ein gänzlich eigenständiges Milieu, das zuverlässig und kontinuierlich arbeitete, entwickelte sich erst mit der Entstehung der Woiwodschaft Gorzjw im Jahr 1975.

4.5

Zwischenfazit

Die Geschichte der Herausbildung des akademischen Milieus in der Ziemia Lubuska ist auch eine Geschichte ihrer Emanzipation von Posen. Zeichneten insbesondere in der unmittelbaren Nachkriegszeit Wissenschaftler aus Posen für die Erforschung der Geschichte der Ziemia Lubuska verantwortlich, übernahmen im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Ortsansässige diese Aufgabe, wenngleich es insgesamt bei einer überschaubaren Anzahl von Personen blieb. An der Etablierung wissenschaftlicher Strukturen in der Ziemia Lubuska war das Posener Milieu aber noch viele Jahre aktiv beteiligt, indem die dortigen Wissenschaftler Gremien beiwohnten, Publikationen verantworteten und Doktoranden betreuten. Wie im Bereich der Kultur bereitete die Tatsache, dass man in der Ziemia Lubuska auf keinerlei wissenschaftliche Strukturen aus der Vorkriegszeit zurückgreifen konnte, große Schwierigkeiten. Auch gab es im Prinzip keine polnischen Veröffentlichungen zur Geschichte der Region. Notgedrungen griff man auf deutsche Literatur und Quellen zurück. Insbesondere die Mitarbeiter der Archive hatten sich um deren Erhalt bemüht. Deutlich ist vor allem geworden, dass die Liberalisierung nach dem Oktober 1956 und die Gründung der LTK grundlegende Voraussetzungen für die Herausbildung eines eigenständigen Wissenschaftsmilieus gewesen sind. 234 Lech Erdmann: Perspektywy rozwoju Filii WSWF-Poznan´ w Gorzowie Wlkp.[Entwicklungsperspektiven der Niederlassung der WSWF-Posen in Gorzjw Wlkp.], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 907, Bl. 80–97.

Zwischenfazit

229

Lag der Fokus der wissenschaftlichen Aktivitäten auf Zielona Gjra, so ließen sich aber auch in Gorzjw Bestrebungen erkennen, eine Regionalforschung zu etablieren. In beiden Städten war der Wunsch, ein akademisches Umfeld entstehen zu lassen, stark an das Bedürfnis geknüpft, die Region bekannter zu machen. Im Hinblick auf die Definition der zu popularisierenden Region lassen sich allerdings klare Unterschiede erkennen. Schon bevor 1975 die eigenständige Woiwodschaft Gorzjw – und mit ihr u. a. die GTK und die GTN – entstand, wiesen die im Gorzjwer Umfeld verwendeten Begrifflichkeiten auf eine andere Schwerpunktsetzung bei der Popularisierung hin. Keinesfalls schien es die Absicht zu sein, die Ziemia Lubuska bekannter zu machen, stattdessen galt es, Wissen über Gorzjw oder die sogenannte Ziemia Gorzowska zu verbreiten bzw. als Gegenstand in der Welt der Wissenschaft überhaupt erst zu etablieren. Auch entsteht der Eindruck, dass in Gorzjw die Ambitionen vor 1975 eher auf die lokale und unmittelbare regionale Bevölkerung abzielten – die Bevölkerung der Ziemia Gorzowska sollte sich mit der Stadt und der Region auseinandersetzen, sie kennenlernen und erforschen. Das mag mit dem oben erläuterten Bedürfnis zusammenhängen, sich von Zielona Gjra zu emanzipieren und das Zentrum einer eigenen Region zu werden. Währenddessen fühlte sich das akademische Milieu in Zielona Gjra für die gesamte Woiwodschaft zuständig, obgleich in den Forschungsschwerpunkten eine Konzentration auf den Süden zu erkennen war, was sich in der Auswahl der etwa in der Biblioteka Lubuska und den Zeszyty Lubuskie behandelten Städte widerspiegelte – nur wenige Orte liegen im Kreis Gorzjw, nicht einmal Gorzjw selber ist eine der Publikationen gewidmet. Ob dies an mangelndem Interesse aus Zielona Gjra oder eher an fehlender Initiative aus Gorzjw lag, sei dahin gestellt, immerhin basierten die meisten Hefte auf dem Anstoß einer lokalen Gruppe von Aktiven. Doch auch Jan Lembas, Vorsitzender des PWRN, dankte in seiner Ansprache zu den Errungenschaften der regionalen Forschungslandschaft im Jahr 1964 abgesehen vom Gorzjwer Museum ausschließlich Personen und Institutionen in Zielona Gjra für den von ihnen geleisteten Beitrag zur wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Ziemia Lubuska.235 Auffällig ist darüber hinaus, dass die Entwicklungen in Zielona Gjra in der lokalen Presse viel mehr Aufmerksamkeit fanden als die Bemühungen in Gorzjw. In beiden Fällen ist es schwierig, die Bestrebungen um die Herausbildung eines akademischen Milieus von der Vermittlung des Mythos der »urpolnischen« Ziemia Lubuska zu trennen. Denn gerade in den 1950er und 1960er 235 Badania naukowe słuz˙yc´ be˛da˛ gospodarcze i kulturze Ziemi Lubuskiej. Wysta˛pienie przewodnicza˛cego PWRN J. Lembasa [Die wissenschaftliche Forschung wird der Wirtschaft und Kultur der Ziemia Lubuska gut tun. Ansprache des Vorsitzenden des PWRN J. Lembas], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 46, 23. 2. 1964, S. 3.

230

Erforschung der Region – Forschung in der Region

Jahren beschäftigen sich durchaus viele der regionalen Publikation mit eben dieser Problematik. Häufig genannt wurde auch das Ziel, die Bevölkerung der Woiwodschaft mit ihrer Region bekannt und vertraut zu machen, um sie dazu zu bringen, sich mit der Ziemia Lubuska zu identifizieren und sie als integralen und legitimen Bestandteil Polens anzusehen. Die politische Komponente dieser Prozesse ist also nicht zu unterschätzen und sicherlich ein Grund für die ideelle und finanzielle Unterstützung durch die Partei. Ohnehin ist es undenkbar, dass die Etablierung eines akademischen Milieus ohne die Zustimmung der PZPR überhaupt zustande gekommen wäre. Zwar lebten in der Ziemia Lubuska Akteure, die sich die Herausbildung der Wissenschaftslandschaft zum Ziel gesetzt hatten und sich aus eigener Initiative dafür einsetzten, doch wäre etwa der Fokus auf die Regionalforschung nicht möglich gewesen, wenn Mitte der 1950er Jahre nicht die Polnische Historische Gesellschaft beschlossen hätte, die Beschäftigung mit der regionalen Geschichte nun weiter in den Vordergrund zu rücken. Die zahlreichen Veröffentlichungen zur Regionalgeschichte nach 1956 waren keinesfalls eine typische Erscheinung der Ziemia Lubuska, im Rahmen regionaler PTH-Gruppen und lokaler Kultur- und Wissenschaftsgesellschaften geschah dies zu dieser Zeit in ganz Polen. Darüber hinaus ließen sich in Zielona Gjra eindeutige Ambitionen erkennen, die Ziemia Lubuska über die Woiwodschaft hinaus bekannt zu machen und den Wissenschaftsstandort Zielona Gjra polenweit zu etablieren. Dass es dabei um mehr als nur die wissenschaftliche Anerkennung ging, zeigte die Debatte in der lokalen Presse, die sich durch die Diskussionen um die Wissenschaft die Verbreitung von Wissen über die Region erhoffte. Akteure der Entwicklungen waren neben den Posener Wissenschaftlern insbesondere Historiker, die nach dem Krieg in die Ziemia Lubuska gekommen waren. Sie hatten sich Mitte der 1950er Jahre für die kulturelle Aktivierung der Woiwodschaft eingesetzt, mitunter bereits mit dem Ziel vor Augen, langfristig auch eine akademische Aktivierung zu erreichen. Auch die Autoren der Gazeta Zielonogjrska und von Nadodrze trugen nicht unbedeutend dazu bei, dass die Regionalforschung Aufmerksamkeit erhielt und unterstützten das entstehende akademische Milieu aktiv, etwa durch die Bewerbung angebotener Kurse und Termine.

5.

Tourismus in der Ziemia Lubuska

Während die Herausbildung eines Kulturlebens sowie eines akademischen Umfeldes, die damit verbundenen Debatten und das in diesem Zusammenhang produzierte Wissen über die Ziemia Lubuska insbesondere auf deren Bewohner abzielten, war es ein ebenso wichtiges Ziel, das übrige Polen von der Zugehörigkeit der Ziemia Lubuska zu überzeugen. Das offizielle Geschichtsbild bildete dafür eine Grundlage, es galt aber auch, den Menschen die Gebiete selber nahe zu bringen und ein Bild der Gegenwart zu entwerfen. Diese Absicht wurde auf verschiedenen Wegen verfolgt. Mazur wies darauf hin, dass man »sich vergegenwärtigen muss, dass es in der schwierigsten Phase der Bewirtschaftung und der Integration der Westgebiete mit dem Rest des Landes das Fernsehen noch nicht gab und es auch später einen unvergleichlich kleineren Empfängerkreis hatte als heute«.

Daher »konnte das wortwörtliche Bild dieser Gebiete die Gesellschaft damals durch den Massentourismus, mittels der Filmchroniken, Bildungsfilmen oder illustrierten Publikationen erreichen«.1 Dass Tourismus das »Teilen einer gemeinsamen nationalen Identität«2 bedeutet und zu einem »Gefühl der nationalen Zugehörigkeit«3 beitragen kann, ist mittlerweile unbestritten. Auch ermöglichen es insbesondere die Reiseführer, das »Fremde« kennenzulernen und sich damit neue Regionen anzueignen.4 Entsprechend dem Motto des polnischen Tourismus-Verbandes, »Durch das Kennenlernen des Landes zur Liebe zum Land«, sollte genau dies auch in Polen 1 Mazur, Zbigniew : Albumy o Ziemiach Zachodnich i Pjłnocnych [Alben über die West- und Nordgebiete], in: ders. (Hg.): Wokjł niemieckiego dziedzictwa kulturowego na Ziemiach Zachodnich [Über das deutsche Kulturerbe in den Westgebieten]. Poznan´ 1997, S. 4f. 2 Frew, Elspeth / White, Leanne: Tourism and National Identities. Connections and Conceptualizations, in: dies. (Hg.): Tourism and National Identities. An International Perspective. London 2011, S. 6. 3 Koshar, Rudy : »What ought to be seen«: Tourist Guidebooks and National Identities in Modern Germany and Europe, in: Journal of Contemporary History 1998/3, S. 339. 4 Kuroczyn´ski, Medialisierung, 2011, S. 16.

232

Tourismus in der Ziemia Lubuska

geschehen. Es wäre aber zu kurz gegriffen, den Tourismus in der Ziemia Lubuska einzig als Vehikel zur kulturellen Aneignung der Region zu sehen. Auch die wirtschaftliche Funktion sollte nicht unterschätzt werden. Wie für fast alle Bereiche des Lebens in der Ziemia Lubuska galt auch für den Tourismus, dass er nach dem Krieg von Null an aufgebaut werden musste, zeitgenössisch sprach man daher von der touristischen Bewirtschaftung (zagospodarowanie turystyczne). Im Mittelpunkt des Kapitels steht die Aneignung und Popularisierung der Region durch Wissen und Bilder mithilfe des Tourismus. Ziel waren die nationale Integration und die Aneignung der Ziemia Lubuska. Zunächst wird der Tourismus in die volkspolnische Politik und die damit verbundenen Rolle der Landeskunde (krajoznawsto) eingeordnet. Anschließend wird die Bedeutung des Tourismus und der Landeskunde für die Westgebiete und die Ziemia Lubuska im Speziellen untersucht. Schließlich folgt eine Analyse der Reiseführer zwischen 1945 und 1975 in Hinsicht auf das darin entworfene Bild von der Ziemia Lubuska.

5.1

Die Bedeutung des Tourismus für die polnischen Westgebiete

In der Volksrepublik Polen wurde dem Tourismus eine besondere Bedeutung für den »Aufbau des Sozialismus« beigemessen. Nicht nur ermögliche er es, »die Schönheit des Heimatlandes [ojczysty kraj], seine reiche Geschichte und Kultur« kennenzulernen, sondern auch »die Leistungen im sozialistischen Aufbau« zu würdigen. Der Tourismus könne dabei als »Anschauungsunterricht in Geschichte und Patriotismus des polnischen Volkes sowie seiner fortschrittlichen Traditionen«5 fungieren. Außerdem, so der Tourismus-Experte Aleksander Kornak, komme dem Tourismus eine wichtige Rolle bei der Integration der Bevölkerung aus verschiedenen Regionen Polens und der Bekämpfung des Partikularismus zu.6 Auf diese Weise trage der Tourismus »zur Schaffung der moralisch-politischen Einheit der Gesellschaft bei«.7 Dem Tourismus wurde daher neben einer Gesundheits-, Erholungs- und einer wirtschaftlichen Funktion auch eine gesellschaftlich-politische und eine ideell-pädagogische Funktion zugeschrieben.8 Dass diese Herangehensweise nicht spezifisch für Polen war, 5 25 lat turystyki w Polsce Ludowej [25 Jahre Tourismus in der Volksrepublik Polen], in: Ziemia 1969–1970, S. 12. 6 Kornak, Aleksander : Społeczno-ekonomiczne funkcje usług turystycznych [Gesellschaftlichökonomische Funktionen der touristischen Dienstleistungen]. Warszawa 1972, S. 18. 7 25 lat turystyki, 1969–1970, S. 14. 8 Izydorczyk, Adam: Organizacja turystyki w Polsce [Die Organisation des Tourismus in Polen]. Warszawa 1975, S. 30; siehe zur pädagogischen und »charakterbildenden« Funktion

Die Bedeutung des Tourismus für die polnischen Westgebiete

233

belegt etwa die Studie von Anne Gorsuch, die auf die Funktionen des inländischen Tourismus für die »patriotische Erziehung« der Bevölkerung in der Sowjetunion hinweist.9 In dieser Arbeit ist insbesondere der Zusammenhang des volkspolnischen Tourismus mit dem Konzept der krajoznawstwo von großer Bedeutung. Krajoznawsto, was als Landes- oder Heimatkunde ins Deutsche übersetzt werden kann (jedoch nicht analog zu verwenden ist), bezeichnet heute im Polnischen »die Gesamtheit des Wissens über das Heimatland [kraj ojczysty] oder eine geographische, historische, ethnographische, natürliche Region; [der Begriff] umfasst eine gesellschaftliche Bewegung, die danach strebt, durch verschiedene Formen des Tourismus (vor allem Reisen) das eigene Land kennenzulernen, jegliche Informationen darüber zu sammeln und zu popularisieren und gleichzeitig daran zu arbeiten, die natürlichen und kulturellen Bestände zu erhalten und zu vermehren […]«.10

Der Mathematik-Lehrer und PTTK-Aktivist Ryszard Harajda merkte 1980 in einer Studie über Tourismus und Landeskunde in der Woiwodschaft Zielona Gjra an, dass der »Tourismus eng mit der Landeskunde verbunden ist. Der Kern der Landeskunde liegt darin, Kenntnisse [znajomos´´c] über ein Land oder eine Region in einem ausgewählten thematischen Bereich mittels verschiedener Reisen, ergänzender Literatur und anderer didaktischer Mittel zu erlangen.«11 Die Landeskunde war für ihn »Inhalt des Tourismus, eine Form der aktiven Erholung, ein Instrument zur gesellschaftlichen Erziehung von Jugendlichen und Erwachsenen, eine gesellschaftliche Bewegung«.12 Mieczysław Orłowicz, einer der wichtigsten Akteure des polnischen Tourismus seit den 1900er Jahren bis zu seinem Tod 1959, unterschied objektive von subjektiver Landeskunde. Objektiv sei Landeskunde – hier verwies Orłowicz unmittelbar auf den deutschen Terminus der Landeskunde, welche in der Schule unterrichtet wurde (und heute noch im Rahmen der Sachkunde bzw. des -unterrichts in den Lehrplänen deutscher Grundschulen verankert ist), sich jedoch nicht auf ganz Deutschland, sondern nur die jeweilige Region bezogen habe – die Gesamtheit der Informationen aus verschiedenen Bereichen über ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Region, die exakt, aber gemeinverständlich übermittelt wird. Subjektiv

9 10 11 12

des Tourismus auch: Militz, Wojciech: Niektjre ideowo-wychowawcze aspekty wspjczesnej turystyki [Einige ideologisch-pädagogische Aspekte des gegenwärtigen Tourismus], in: Ziemia 1970, S. 76–91. Gorsuch, Anne: All This Is Your World. Soviet Tourism at Home and Abroad After Stalinism. Oxford 2012, S. 34. Wielka Encyklopedia PWN (klasztor-Kreta) [Große Enzyklopädie des PWN]. Warszawa 2003, S. 524. Ryszard Harajda: Badania nad turystyka˛ i krajoznawstwem w wojewjdztwie zielonogjrskim [Forschung zu Tourismus und Landeskunde in der Woiwodschaft Zielona Gjra], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 969, Bl. 64. Ebd., Bl. 65.

234

Tourismus in der Ziemia Lubuska

handele es sich bei Landeskunde um das Wissen über das Heimatland, das nicht allein über das Bücherstudium, sondern durch eigene Reisen durch ein Land erlangt werde. Seiner Meinung nach sei die Landeskunde keine eigenständige Wissenschaft, vielmehr würde sie andere Wissenschaften popularisieren.13 Wenngleich sich die polnische Landeskunde nicht zwangsläufig auf eine Region, sondern vielmehr auf das gesamte Land konzentrierte, so kam sie doch dem Vorkriegsverständnis von Regionalismus – das Interesse an der Region im weitesten Sinne, nicht zuletzt mit dem Ziel, eine Bindung zum Wohnort herzustellen – recht nahe. Während der Regionalismus in der Nachkriegszeit jedoch primär eine Erscheinung des kulturellen Bereichs und später der Regionalforschung war, schien die Landeskunde in der Volksrepublik untrennbar mit dem Tourismus verbunden zu sein. Wie der Regionalismus im Bereich der Kultur und Geschichte wurde auf dem Gebiet des Tourismus die Landeskunde zur Stärkung der nationalen Bindung eingesetzt. Orłowicz beschrieb den Typus des »landeskundlichen Touristen« (turysta krajoznawcza), bei dem es sich um einen Touristen handele, der Reisen unternehme, um das Heimatland kennen zu lernen. Ohne Tourismus könne es seiner Meinung nach keine Landeskunde geben.14 Landeskunde im volkspolnischen Sinne galt also als eine Form des Tourismus, was sich im Namen des polnischen Tourismus-Verbandes PTTK unmissverständlich widerspiegelte. Der Begriff der Landeskunde wird im Folgenden im Sinne Orłowicz’ als die Popularisierung von interdisziplinärem Wissen über einen Raum, der touristisch bereist wird, verstanden. Sie ist dann von der wissenschaftlichen Regionalforschung abzugrenzen, wobei die Trennung von wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Sphäre mitunter Schwierigkeiten bereitet. Es ist davon auszugehen, dass im Sprachgebrauch der Originalquellen mit dem Etikett »Landeskundler« in der Regel Aktivisten der PTTK bedacht wurden. Offiziell waren die Landeskunde bzw. ihre Aufgaben zu Zeiten der Volksrepublik stark politisiert. Bereits auf der Versammlung zum Zusammenschluss von PTK und der Polnischen Tatra-Gesellschaft (Polskie Towarzystwo Tatrzan´skie, PTT) zur PTTK im Jahr 1950 wurde festgehalten, dass »die Landeskunde ein Weg ist, um die Leistungen im sozialistischen Aufbau in der UdSSR und den volksdemokratischen Ländern kennenzulernen«.15 Weiterhin definierte die PTTK Landeskunde offiziell als

13 Orłowicz, Mieczysław : Co to jest krajoznawstwo? [Was ist Landeskunde?], in: Biuletyn Informacyjny Zarza˛du Głjwnego PTTK, 15. 2. 1960 (Beilage zu Turysta 1960/6), S. 1f. 14 Ebd. 15 Mazurski, Krzysztof R.: Krajoznawstwo PTTK 1950–2005. Zarys historyczny [Die Landeskunde der PTTK 1950–2005. Historischer Abriss]. Wrocław 2007, S. 6.

Die Bedeutung des Tourismus für die polnischen Westgebiete

235

»umfassendes Wissen über das Heimatland [kraj ojczysty], über seine Geschichte und Gegenwart. Wir konsultieren entfernte Fakten und Ereignisse, entdecken und besuchen Orte, die mit historischen Ereignissen verbunden sind, in der Überzeugung, dass die historische Entwicklung der Nation ein wichtiger Faktor für die Gestaltung aktueller patriotischer Einstellungen ist.«16

Auch die politische Konnotation der PTTK-Aktivitäten wurde deutlich, denn sie popularisiere vor allem »historische Ereignisse und Figuren, die mit der fortschrittlichen Tradition unserer Nation verbunden sind, mit den Kämpfen um die gesellschaftliche und nationale Befreiung, mit den revolutionären Kämpfen der Bauern und Arbeiter.«17

Weiter hieß es: »Gemäß dem Gedanken der programmatischen Grundsätze der zeitgenössischen Landeskunde lernen Touristen beim Wandern auf den Routen Volkspolens die Bauten des Sozialismus kennen.«18

Wie oben bereits beschrieben, war der Tourismus in den Westgebieten auch ein wichtiges Instrument, um das offizielle Geschichtsbild zu formen und die Leistungen der Volksrepublik zu propagieren. So fanden etwa in den Westgebieten gezielte Führungen zu historischen Objekten statt, die das »Polentum« der jeweiligen Region unterstrichen.19 Auch war der Verband an den Jubiläen der 1960er Jahre intensiv beteiligt,20 unter anderem in Zielona Gjra, wo eine Arbeitsgruppe der PTTK ins Leben gerufen wurde, um Rallyes (rajd) im Rahmen der 1.000-Jahr-Feier vor Ort vorzubereiten.21 So kamen zeitgenössische Autoren zu dem Schluss, dass »[d]ie Landeskunde zurzeit vor allem ein Bestandteil des gesamten Prozesses der sozialistischen Erziehung [ist]«.22 In der Praxis gestaltete sie sich wohl etwas differenzierter. Die politische Aufladung des Tourismus im Sozialismus spiegelte sich in der enzyklopädischen Definition von krajoznawsto in den 1960er Jahren nicht wider.23 16 17 18 19 20 21 22 23

Militz, Aspekty, 1970, S. 79. Ebd. Ebd., S. 79f. Sowin´ski, Paweł: Wakacje w Polsce Ludowej. Polityka władz i ruch turystyczny [Ferien in der Volksrepublik Polen. Die Politik des Staates und die touristische Bewegung]. Warszawa 2005, S. 140f. Mazurski, Krajoznawstwo, 2007, S. 11. Rajdy turystyczne na szlakach historycznych [Touristische Rallyes auf historischen Wegen], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 129, 1. 6. 1960. Mikołajczak, Zbigniew : Krajoznawztwo s´rodkiem kształtowania patriotycznej postawy społecznej [Der Tourismus als Mittel der Ausbildung einer patriotischen gesellschaftlichen Haltung], in: Ziemia 1970, S. 88. Wielka Encyklopedia PWN (Kont-Mam) [Große Enzyklopädie des PWN]. Warszawa 1964, S. 140.

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Tourismus in der Ziemia Lubuska

Auch war die polnische Landeskunde keinesfalls eine Erscheinung der Nachkriegszeit. Vielmehr knüpften die Landeskundler 1945 an eine große Tradition an – bereits im 19. Jahrhundert war ihr eine wichtige Bedeutung für die Stärkung des »Polentums« und die Verbreitung von Wissen über Polen zugekommen. In der Zwischenkriegszeit hatte die Bewegung dann einen apolitischen Charakter gehabt. Viele der nach dem Zweiten Weltkrieg Aktiven waren zu jener Zeit schon eng mit den Tourismus- und Landeskundekreisen verbunden. So kann man etwa Orłowicz ein genuines Interesse an der Landeskunde nicht absprechen. Über die Systemwechsel hinweg war er seit dem frühen 20. Jahrhundert einer der aktivsten polnischen Landeskundler, Orłowicz »kannte Polen wie kaum ein anderer.«24 Orłowicz (1881–1959), geboren in Komarno, südwestlich von Lemberg, hatte Kunstgeschichte und Jura in Lemberg studiert. Dort gründete er die Hochschulgruppe für Tourismus und verfasste zahlreiche Reiseführer zu verschiedenen polnischen Regionen, darunter auch zu Ermland und Masuren (1923) und Danzig (1928). Die landeskundliche Erschließung der Westgebiete nach 1945 war für Orłowicz selbstverständlich, da diese nun zu Polen gehörten. Dass der Tourismus so schnell wieder aufgenommen wurde, mag überraschen. Doch mit dem Ausbau des Tourismus in den Westgebieten wurden nicht nur wirtschaftliche Ziele verfolgt. Die oben beschriebene Verbreitung des offiziellen Geschichtsbildes war erklärte Absicht von Tourismus und Landeskunde. Eine besondere Aufgabe kam dabei den »landeskundlichen Pionieren« zu, die durch das Verfassen erster Reiseführer und die Erarbeitung von Stadtplänen und Landkarten »die slawische und polnische Tradition« propagierten und damit zur Popularisierung des offiziellen Geschichtsbildes und von Wissen über die Westgebiete beitrugen.25 Darüber hinaus galt es auch, weitere Kenntnisse über die Region zu verbreiten, die Menschen mit ihr vertraut zu machen und eine emotionale Bindung herzustellen. Da die dortige Bevölkerung bestenfalls geringe Kenntnisse über die von ihr bewohnte Region besaß und große Lücken im Wissen um ihre Traditionen und Vorzüge aufwies,26 sollte der Tourismus dazu beitragen, die Bevölkerung mit ihrem unmittelbaren und weiteren Lebensumfeld vertraut zu machen. Ziel der Landeskunde und des Tourismus sollte es aber auch sein, der gesamten polnischen Bevölkerung »Informationen über diese Gebiete zu liefern«27 und damit zu ihrer Integration in den polnischen Staat beizutragen. So hatte Orłowicz in seinen Artikeln zum Besuch der Westgebiete bereits 1946 gefordert: »Das Kennenlernen [der Westgebiete] ist momentan die 24 Mileska, Maria Irena: Postawa krajoznawcza Mieczysława Orłowicza [Die landeskundliche Haltung von Mieczysław Orłowicz], in: Ziemia 1970, S. 191. 25 Ogjlnopolski Sejmik Krajoznawczy w Gdan´sku 25–26 X 1969 r. [Gesamtpolnische Landeskundliche Versammlung in Danzig 25.–26. 10. 1969], in: Ziemia 1970, S. 324. 26 Kornak, Funkcje, 1972, S. 18. 27 Ogjlnopolski Sejmik, 1970, S. 324.

Die Bedeutung des Tourismus für die polnischen Westgebiete

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populärste und wichtigste Devise für den polnischen Touristen und Landeskundler.«28 Kurze Zeit später betonte der Geograph Stanisław Leszczycki die wichtige Aufgabe, die den Landeskundlern im Prozess der Integration der Westgebiete zukomme: »Gute Kenntnisse des neuen Polen« werde man vor allem durch das »Kennenlernen der Wiedergewonnenen Gebiete erreichen«.29 Daher müsse die PTK »ihre Kräfte darauf konzentrieren«, dass die Bevölkerung die Wiedergewonnenen Gebiete kennenlerne und dass diese – etwa mittels Zeitschriften, Fotografien und Reiseführern – popularisiert würden.30 Durch das Kennenlernen der Umgebung und ihrer Vergangenheit erhoffte man sich die schrittweise Durchbrechung des Gefühls der Vorläufigkeit31 und die Entstehung einer emotionalen Bindung an die Westgebiete.32 Brodersen hat bereits im Hinblick auf Königsberg gezeigt, wie die Unsicherheit der eigenen Lebenssituation mithilfe des Tourismus überwunden werden konnte, denn »wer aus Sibirien oder Zentralasien nach Kaliningrad reiste, schien an Kaliningrad zu glauben.«33 Er betont auch, wie wichtig die Anerkennung durch andere für das eigene Selbstverständnis war : »Wenn Kaliningrad zum begehrten Urlaubsziel aufgestiegen war, musste es sich erst recht als Heimatort eignen.«34 Nicht zuletzt trug der inländische Tourismus in Kaliningrad dazu bei, die Stadt »als sowjetisch zu kodieren«.35 In der Ziemia Lubuska sollte der Tourismus ebenso die Zugehörigkeit zu Polen verdeutlichen und Sicherheit hinsichtlich der Westgrenze suggerieren. Durch die Integration in den gesamtpolnischen Tourismus wurde die Region zweifelsfrei polnisch, was sich in der Reiseliteratur manifestierte. Für auswärtige Touristen wiederum konnte eine Reise in die Westgebiete die Region mit ihrer Landschaft und ihren Eigenarten, die sie bisher nur aus Schulbüchern kannten, in eine »persönliche Erfahrung«36 transformieren. Diese »persönliche Erfahrung« war ebenfalls wichtig für die Akzeptanz der Westgebiete. All dies war aber auch nötig, um die Gebiete in den polnischen Staat zu integrieren – wirt28 Orłowicz, Mieczysław : Zwiedzajmy Ziemie Odzyskane! [Besuchen wir die Wiedergewonnenen Gebiete!], in: Ziemia, Mai 1946, S. 5. 29 Leszczycki, Stanisław : Rola Polskiego Towarzystwa Krajoznawczego na Ziemiach Odzyskanych [Die Rolle der Polnischen Landeskundlichen Gesellschaft in den Wiedergewonnenen Gebieten], in: Ziemia 1947/6–8, S. 127. 30 Ebd. 31 Trybus´, Lech: Rozwjj turystyki na Ziemi Lubuskiej w latach 1945–1975 [Die Entwicklung des Tourismus in der Ziemia Lubuska in den Jahren 1945–1975]. Zielona Gjra 1990, S. 9. 32 Mazur, Albumy, 1997, S. 4. 33 Brodersen, Stadt, 2006, S. 212. 34 Ebd., S. 213. 35 Ebd. 36 Löfgren, Orvar: Know Your Country : A Comparative Perspective on Tourism and Nation Building in Sweden, in: Baranowski, Shelley / Furlough, Ellen (Hg.): Being Elsewhere. Tourism, Consumer Culture, and Identity in Modern Europe and North America. Ann Arbor 2001, S. 145.

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Tourismus in der Ziemia Lubuska

schaftlich, touristisch und vor allem mental. Nicht zuletzt war der Tourismus ein Wirtschaftsfaktor, der zum langsamen Aufschwung der Westgebiete beitragen konnte. Dass der Tourismus eine wichtige Rolle für die Ziemia Lubuska spielte, zeigt sich auch an den Bemerkungen in Einträgen von Lexika und Enzyklopädien, wo unter dem Schlagwort »Woiwodschaft Zielona Gjra« stets die »guten Bedingungen für die Entwicklung des Tourismus« Eingang fanden.37 Auch der erste Atlas der Woiwodschaft aus dem Jahr 1972 widmete eine von wenigen Karten der »touristischen Bewirtschaftung« und den »Elementen der Landeskunde«.38 Mittelbar führte auch der Besuch ausländischer und insbesondere deutscher Touristen zu einer Verbesserung der Situation in der Ziemia Lubuska. Dieser stellte nämlich einen Anreiz dar, die Region so schnell wie möglich von Kriegszerstörungen zu befreien und die Infrastruktur wieder aufzubauen, denn Polen sorgte sich um sein Image. Paweł Duda, TRZZ-Mitglied aus Gorzjw, beschwerte sich 1957 über den »zunehmenden Grad der Zerstörung der Wiedergewonnenen Gebiete«,39 der Polen kompromittiere. Insbesondere die Aktivitäten der deutschen Touristen in der Woiwodschaft Zielona Gjra, die häufig Wohnhäuser und Kirchen fotografierten, wurde genauestens beobachtet, und noch in den 1960er Jahren wurde angeordnet, die Ortschaften von Trümmern zu befreien und die »Ästhetik« der Dörfer zu verbessern.40 Umgekehrt profitierte der gesamtpolnische Tourismus von den Westgebieten. Zum einen stellten sie aufgrund ihrer natürlichen Gegebenheiten einen großen Teil der touristisch relevanten Ziele des Landes, darunter vor allem die Ostseeküste, die masurische und die Lebuser Seenplatte sowie Breslau.41 Zum anderen war die Infrastruktur – etwa ein dichtes Schienen- und Straßennetz – für Touristengruppen besonders gut geeignet. »In den West- und Nordgebieten verfügt fast jede Woiwodschaft über Bedingungen, die dem Modell einer Tourismusregion

37 »Zielonogjrskie Wojewjdzwto« [»Woiwodschaft Zielona Gjra«], in: Wielka Encyklopedia Powszechna PWN, [Große Allgemeine Enzyklopädie des PWN]. Warszawa 1969, S. 710. Vgl. auch: »Zielonogjrskie, Wojewjdzwto« [Zielona Gjra, Woiwodschaft], in: Encyklopedia Powszeczna PWN [Große Enzyklopädie des PWN], Warszawa 1987, S. 857; »zielonogjrskie wojewjdztwo« [Woiwodschaft Zielona Gjra], in: Leksykon PWN [Lexikon des PWN]. Warszawa 1972, S. 1333. 38 Zajchowska, Stanisława (Hg.): Atlas wojewjdztwa zielonogjrskiego [Atlas der Woiwodschaft Zielona Gjra]. Warszawa 1972, S. 36. 39 Protokoll der 1. Woiwodschaftsversammlung der TRZZ in Zielona Gjra am 3. 10. 1957, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, Sign. 59, Bl. 53. 40 Schreiben des Prezydium PRN w Zielonej Gjrze an das Prezydium WRN w Zielonej Gjrze (5. 5. 1967), APZG, Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej w Zielonej Gjrze, Sign. 8025, Bl. 73f. 41 Mileska, Maria Irena: Regiony turystyczny Polski [Touristische Regionen Polens]. Warszawa 1963, S. 20.

Die Bedeutung des Tourismus für die polnischen Westgebiete

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entsprechen«,42 urteilte der Tourismus-Experte Zygmunt Filipowicz im Jahr 1963. Insgesamt verfüge Polen über viele attraktive Regionen, allerdings hapere es noch mit der touristischen Bewirtschaftung des Landes, was »zur Folge hat, dass die Attraktivität und der touristischen Rang unserer Regionen geschmälert wird«.43 Wie fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens musste aber auch der polnische Tourismus in den Westgebieten völlig neu aufgebaut werden.44 Zwar waren die Grundbedingungen vielerorts recht gut, so war etwa die touristische Infrastruktur in den Sudeten kaum zerstört worden.45 Dies galt jedoch nicht für die Ziemia Lubuska, da es hier einerseits gar keine richtige Infrastruktur gegeben hatte und andererseits insbesondere der Norden sehr stark zerstört worden war. Es galt zunächst, die bestehenden touristischen Einrichtungen vor dem Verfall zu bewahren, wobei es sich dabei in der Regel um spontane Aktionen von Einzelnen handelte. Die Inventarisierung der vorhandenen Einrichtungen des Fremdenverkehrs war Aufgabe der Tourismus-Abteilung.46 Anschließend mussten die neuen Gebiete ökonomisch und organisatorisch in die Strukturen des polnischen Tourismus eingebunden werden. Oftmals spielten die Kulturgesellschaften eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Landeskunde in den Westgebieten.47 Doch wie so vieles in diesen Gebieten wurde der Tourismus lange vernachlässigt, bis in die 1950er Jahre hinein verfielen viele touristische Einrichtungen. Dies änderte sich 1956, als der Entwicklung des Tourismus in den Westgebieten besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Dennoch waren die alten Woiwodschaften lange Zeit die beliebtere Destination, erst im Zuge der 1.000-Jahr-Feiern Mitte der 1960er Jahre stieg die Zahl der Touristen im Westen deutlich an.48 Zur Entwicklung des Tourismus in den Westgebieten und ihrer Popularisierung trug insbesondere die PTTK bei. Die Gesellschaft gründete sich im Jahr 1950 als ein Zusammenschluss aus den beiden landeskundlich-touristischen Gesellschaften, der PTT und der PTK. Die PTK, 1873 als Galizische Tatra-Gesellschaft (Galicyjskie Towarzystwo Tatrzan´skie) gegründet und 1919 umbe42 Filipowicz, Zygmunt: Potencjał turystyki zachodu [Potential des West-Tourismus], in: Rocznik Ziem Zachodnich i Pjłnocnych 1963, S. 279. 43 Mieczysław Wasiak: Walory turystyczne Ziemi Lubuskiej jako warunki limituja˛ce moz˙liwos´ci rozwoju turystyki [Der touristische Wert der Ziemia Lubuska als einschränkende Möglichkeit der Entwicklung des Tourismus], 1966, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 170, k.P. 44 Mileska, Regiony, 1963; Kulczycki, Zbigniew : Turystyka na Dolnym S´la˛sku, Pomorzu i Mazurach [Tourismus in Niederschlesien, Pommern und den Masuren], in: Ziemia 1971. 45 Sowin´ski, Wakacje, 2005, S. 23. 46 Trybus´, Rozwjj, 1990, S. 13. 47 Kulczycki, Turystyka, 1971, S. 19–32. 48 Szyman´ski, Leonard: Kultura fizyczna i turystyka w polityce Polski Ludowej 1944–1989 [Körperkultur und Tourismus in der Politik der Volksrepublik Polen 1944–1989]. Wrocław 2004, S. 118.

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Tourismus in der Ziemia Lubuska

nannt, hatte die Erforschung und die Erschließung des Tatra-Gebirges zum Ziel und kümmerte sich in diesem Rahmen insbesondere um den Ausbau des Tourismus. Die 1906 gegründete PTK sammelte und verbreitete landeskundliche Informationen und trug wissenschaftliche Bestände zusammen, sie organisierte Reisen und Ausstellungen und hatte die Aufsicht über Natur- und Geschichtsdenkmäler inne. Ihr Motto lautete: »Durch das Kennenlernen des Landes zur Liebe zum Land, durch die Liebe zu selbstlosen Taten« (Przez poznanie kraju do jego umiłowanie, przez umiłowanie do czynjw ofiarnych). Während PTK und PTT in der unmittelbaren Nachkriegszeit im Großen und Ganzen wie vor dem Krieg arbeiteten, wurden sie schon ab 1947 gezwungen, ihre Organisationsstrukturen zu verändern, um mit der Vergangenheit zu brechen.49 Über eine Vereinigung der beiden Organisationen war bereits öfter diskutiert worden, ausschlaggebend für den Zusammenschluss im Jahr 1950 waren letztlich wohl die politischen Umstände und die Uniformierung der Gesellschaft. Damit wurde dem »relativen Pluralismus« in Bereich des Tourismus ein Ende gesetzt, da die PTTK de facto der Regierung untergeordnet war.50 Gleichzeitig war es auch der Beginn einer Massenorganisation. Die PTK hatte bereits auf ihrer ersten Nachkriegsversammlung die Verbreitung von Wissen über die Westgebiete als eines ihrer Ziele bestimmt.51 Einige Kommissionen der PTTK engagierten sich besonders stark für die Westgebiete, darunter die Kommission des Wandertourismus (Komisja Turystyki Pieszej).52 Sie war u. a. für die Ausarbeitung des »Touristischen Abzeichens der Westgebiete« (Odznaka Turystyczna Ziem Zachodnich) verantwortlich, das das Ziel hatte, den Tourismus in den Westgebieten zu fördern und zu popularisieren.53 Um das Abzeichen zu erhalten, musste man innerhalb des Zeitraumes zwischen 1959 und 1966 eine bestimmte Anzahl von Reisen und Ausflügen in die Westgebiete unternehmen.54 Bis Ende der 1960er Jahre hatten über 8.000 Menschen das Abzeichen erlangt.55 Insbesondere im Rahmen der Feierlichkeiten zum 1.000-jährigen Bestehen Polens plante die PTTK eine massive Bewerbung der touristischen und landeskundlichen Vorzüge der Westgebiete, die zum WestTourismus ermuntern sollte. Neben der PTTKwirkte vor allem auch die TRZZ beim Aufbau des Tourismus 49 50 51 52 53

Piotrowski, Jan Paweł [o. J.]. Sowin´ski, Wakacje, 2005, S. 33. Skowron, S. 9f. Mazurski, Krajoznawstwo, 2007, S. 27. Regulamin Odznaki Turystycznej Ziem Zachodnich [Regularium des Touristischen Abzeichens der Westgebiete] [o. J.]. 54 Odznaka Turystyczna Ziem Zachodnich [Das touristische Abzeichen der Westgebiete], in: Biuletyn Informacyjny Zarza˛du Głjwnego PTTK, 1. 7. 1957 (Beilage zu Turysta 1959/13), S. 2. 55 Mazurski, Krajoznawsto, 2007, S. 27.

Touristische Anfänge in der Ziemia Lubuska

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in den Westgebieten mit. Nicht nur fungierte sie als Schirmherrin diverser Veranstaltungen und Reisen – so etwa der Versammlung Junger Touristen (Złot Młodych Turystjw) in Zielona Gjra 1958 und einzelner Veranstaltungen im Rahmen der Woche der Westgebiete (Tydzien´ Ziem Zachodnich) –, sondern zeichnete auch für zahlreiche Veröffentlichungen, die die touristischen Vorzüge der Region priesen, verantwortlich. Nicht zuletzt setzte sie sich für »landeskundliche Reisen« zwischen zwei Woiwodschaften – einer in den Westgebieten liegenden und einer aus Zentralpolen – ein und sorgte somit aktiv dafür, dass zentralpolnische Bewohner die Westgebiete persönlich kennenlernten.56

5.2

Touristische Anfänge in der Ziemia Lubuska

Auch in der Ziemia Lubuska wurde die Bedeutung des Tourismus für die Integration in den polnischen Staat und die wirtschaftliche Entwicklung erkannt. So machte der Historiker und Regionalist Korcz 1961 deutlich, dass neben den ökonomischen Faktoren unbedingt auch die enge Verbindung des Tourismus mit dem Regionalismus bedacht werden müsse, die eine wichtige Rolle für die Verbindung der Region mit Polen und deren Weiterentwicklung spiele.57 Um dieses Ziel zu erreichen, musste die Tourismus-Branche in der Ziemia Lubuska jedoch von Grund auf aufgebaut werden. Vielerorts wurden in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg die Aktivitäten im Bereich des Tourismus rasch wieder aufgenommen, insbesondere durch die PTK und die PTT. Wie in so vielen Bereichen gestaltete sich die Situation in der Ziemia Lubuska besonders schwierig. Aufgrund der anhaltenden Wanderungsbewegungen, des Mangels an touristischen Traditionen und der langsamen Bewirtschaftung der Region gab es nur ein geringes Interesse am Tourismus.58 Auch auf diesem Gebiet verfügte die Region über keinerlei Ressourcen aus der Vorkriegszeit, auf die man hätte zurückgreifen können. Einerseits existierten, anders als etwa für Ostpreußen oder Danzig, für die Ziemia Lubuska bzw. für Ostbrandenburg keine polnischen Reiseführer aus der Zeit vor 1945. Andererseits war die Gegend schon im Deutschen Reich nicht für ihre touristische Anziehungskraft bekannt gewesen, sodass auch deutsche Literatur oder Traditionen nur begrenzt zur Verfügung standen. Regionale Organisationen wie die 56 Dazu auch: Jordanek, Towarzystwo, 2002, S. 217–219. 57 Diskussionsbeitrag von Władysław Korcz, in: Guranowski, J.: Sprawozdanie z VI sesji Rady Naukowej TRZZ w Zielonej Gjrze w dn. 16 i 17 czerwca 1961 r. (Zeszyty Rady Naukowej TRZZ) [Bericht der 6. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats der TRZZ in Zielona Gjra am 16. und 17. Juni 1961 (Hefte des Wissenschaftlichen Beirats der TRZZ)]. Warszawa u. a. 1961, S. 73. 58 Trybus´, Rozwjj, 1990, S. 21.

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Tourismus in der Ziemia Lubuska

bereits im September 1945 gegründete Niederschlesische Gesellschaft für Touristik und Landeskunde (Dolnos´la˛skie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze DTTK)59 oder den Allensteiner Ermländisch-Masurischen Bund zur Unterstützung des Tourismus (Warmin´sko-Mazurski Zwia˛zek Popierania Turystyki)60 gab es in der Ziemia Lubuska nicht. Diese Gründungen zeugten von einer regionalen Initiative, aber auch von personellen Kapazitäten, die in der Ziemia Lubuska nicht im selben Ausmaße vorhanden waren. Von einem nicht bestehenden Interesse zu sprechen, wäre aber falsch. Immerhin setzten sich die Pfadfinder in Zielona Gjra schon 1945 mit der Landeskunde auseinander. Auch der Westverband regte bereits 1946 an, den Tourismus in der Ziemia Lubuska zu fördern und Jugendliche aus Zentralpolen in Ferienlager in die Region zu holen, um die Verbindung mit dem übrigen Polen zu stärken.61 Am 20. Mai 1946 gründete sich schließlich ein regionaler Kreis der PTK in Zielona Gjra, dessen Mitglieder als »Enthusiasten«62 bezeichnet wurden und nicht beruflich mit dem Tourismus verbunden waren. Eine der ersten PTK-Aktivisten Zielona Gjras war Eugenia Łychowska, die zu diesem Zeitpunkt die Funktion als Direktorin des Stadtmuseums innehatte. Zunächst bestand offenbar die Idee, eine Gesellschaft der Liebhaber der Stadt Zielona Gjra (Towarzystwo Miłos´nikjw miasta Zielonej Gjry) zu gründen, stattdessen entschied man sich aber für einen Kreis der »verdienten und in ganz Polen aktiven«63 PTK. Im Verlauf des Gründungstreffens machte der Bürgermeister als Ziele die Entwicklung und Sicherung des Kulturguts in der Ziemia Lubuska, die Pflege der Schönheit der Städte und die Organisation von Reisen aus.64 Während der Festivitäten anlässlich der Weinernte, die bereits seit 1945 bzw. 194665 jährlich stattfanden und zu denen zunehmend mehr Menschen kamen, war deutlich geworden, dass es Stadtführern bedurfte, die den Gästen die »piastische Vergangenheit« der Ziemia Lubuska vor Augen führen konnten.66 Im Jahr 1947 bewertete die Posener PTK-Gruppe ihr 59 Zwar wurde die DTTK bereits im August 1946 der PTT angeschlossen, doch setzte die dazu gehörige, im Februar 1946 entstandene Dolnos´la˛ska Spjłdzielnia Turystyczna, die etwa Reiseführer veröffentlichte, ihre Tätigkeit fort. Hartwich, Das schlesische Riesengebirge, 2012, S. 60f. 60 Filipowicz: Zygmunt: Zarys historii turystyki [Abriss der Geschichte des Tourismus]. Wrocław 1963, S. 10. 61 Edmund Grudzin´ski: Rola i zadania P.Z.Z. na Ziemi Lubuskiej [Die Rolle und die Aufgaben des PZZ in der Ziemia Lubuska], APG, Polski Zwia˛zek Zachodni Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie 1945–1948, Sign. 2, Bl. 2. 62 Trzeciak, Przemysław : Pod znakiem jubileuszu i troski o zabytki [Im Zeichen des Jubiläums und der Sorge um Denkmäler], in: Turysta 1956/8, S. 22. 63 Pierwszy Oddział P.T.K. na Ziemi Lubuskiej (Zielona Gjra) [Die erste Abteilung der PTK in der Ziemia Lubuska (Zielona Gjra)], in: Biuletyn PTTK 1946/4, S. 3. 64 Ebd. 65 Siehe zur Frage, in welchem Jahr das erste Weinfest stattfand, Kapitel 2. 66 Wijas, Zarys, 2012, S. 86.

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Pendant in Zielona Gjra als sehr »lebhaft« und berichtete, dass neben einer touristischen Informationsbroschüre zu Zielona Gjra auch Schulungen für Reiseführer in Planung seien.67 Im Rahmen dieser Schulungen wurde neben allgemeinen Informationen zur Landeskunde und zur Durchführung von Führungen vor allem auch Wissen über die Geschichte und die Landschaft Zielona Gjras vermittelt. Auch Historiker aus der Region fungierten als Dozenten. Im September 1947 führten die hier ausgebildeten Stadtführer im Rahmen des Weinfestes erstmals Gruppen durch die Stadt.68 Die von der PTTK geschulten Reiseführer stellten in den 1950er Jahren fast das gesamte touristische Personal in Zielona Gjra.69 Offenbar hatte der PTTK-Kreis Ende der 1950er Jahre aber mit geringen Mitgliederzahlen und daraus resultierender schwächer werdender Aktivität zu kämpfen.70 Bereits einige Zeit zuvor, im September 1946 führte ein Ausflug unter dem Motto »Lerne dein Land kennen!« (Poznaj swjj kraj!) nach Zielona Gjra mit Zwischenstopps in zwei großpolnischen Ortschaften sowie den Lebuser Kleinstädten Kargowa (Unruhstadt) und Sulechjw, in denen jeweils Denkmale des »Polentums« besichtigt wurden.71 Eine Führung unter dem Namen »Lerne Zielonagjra kennen!« (Poznaj Zielona˛gjre˛ !) hatte es sich zum Ziel gesetzt, die »hiesige Gesellschaft mit Zielonagjra [sic!] und Umgebung bekannt zu machen«, und führte an den »wichtigsten Denkmälern Zielonagjras« [sic!] vorbei. Sie wurde anlässlich der Woche der Wiedergewonnenen Gebiete (Tydzien´ Ziem Odzyskanych) im April 1947 organisiert.72 Zielgruppe dieser und ähnlicher Veranstaltungen waren wahrscheinlich nicht nur aus der Ferne angereiste Touristen, sondern auch die Bewohner von Zielona Gjra und Umgebung selber, die ihren neuen Wohnort kennenlernen sollten. Denn viele der Neusiedler verfügten über keinerlei Kenntnisse über die Westgebiete, die meisten Städtenamen waren ihnen nicht bekannt.73 Insgesamt war das Interesse am Thema Tourismus in der Ziemia Lubuska dennoch recht gering. Noch 1950 gab es nur zwei offizielle PTK-Kreise, in Zie-

67 Protokoll der Vorstandssitzung der Abteilung der PTK in Posen am 22. 4. 1947, APP, Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze. Zarza˛d Okre˛gu Poznan´ [Polnische TouristischLandeskundliche Gesellschaft. Kreisverwaltung Posen], Sign. 6, Bl. 7. 68 Wijas, Zarys, 2012, S. 21. 69 Trybus´, Rozwjj, 1990, S. 47. 70 Tätigkeitsbericht der Kreisverwaltung der PTTK in Zielona Gjra für den Zeitraum 20. 5. 1956–1.10.1958, APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1156, Bl. 7. 71 Kronika Lubuskiego Okre˛gu Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego w Zielonej Gjrze 1946–1966, APTTK ZG. 72 Ebd. 73 Halicka, Polens Wilder Westen, 2013, S. 153.

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lona Gjra und in Mie˛dzyrzecz, so wenige wie in keiner anderen Woiwodschaft.74 Vor dem Hintergrund der Probleme, mit denen die Menschen dort zu kämpfen hatten, ist das vielleicht wenig verwunderlich. Das bedeutete jedoch nicht, dass etwa in Gorzjw keine Aktivitäten zu verzeichnen waren. Bereits in den 1940er Jahren hatten sich in der Stadt insbesondere Lehrer mit Landeskunde auseinandergesetzt.75 Die bereits erwähnte Gesellschaft der Liebhaber Gorzjws, die nur im Jahr 1948 bestand, beabsichtigte die Einrichtung einer landeskundlichen Sektion (sekcja krajoznawcza), um den Zielen der Gesellschaft – »der Erweckung der Liebe und der Verbindung des Bürgers zu seiner Stadt« – gerecht zu werden.76 Im Februar 1952 entstand schließlich unter der Leitung des Lehrers Witold Karpyza (1913–2009) auch der erste offizielle PTTK-Kreis in Gorzjw.77 Karpyza hatte in Grodno studiert und war nach dem Krieg zufällig in Gorzjw gelandet, wo er Mathematik unterrichtete. Hier gründete er die Gorzjwer Pfadfindergruppe und profitierte davon, dass er dies vor dem Krieg in Russland bereits einmal gemacht hatte. Besonders die ersten Monate gestalteten sich sehr schwierig, es fehlte an »Mitteln und Traditionen«.78 Gerade aufgrund der fehlenden Tradition waren Menschen wie Karpyza wichtig, weil sie Erfahrungen mitbrachten, die sie vor Ort in den Aufbau des neuen polnischen Lebens einbringen konnten. Lange Zeit arbeitete die Abteilung mit wenig Personal und ohne eigenes Büro. Erst die kommenden Jahre brachten eine zunehmende Professionalisierung. Einige Interessierte hatten an den Schulungen der PTTK in Zielona Gjra teilgenommen und wandten ihr Wissen ab den 1960er Jahren auch in Gorzjw an. Die Verflechtung des landeskundlich-touristischen Bereichs mit dem historischen zeigte sich in Gorzjw – ebenso wie in Zielona Gjra – nicht zuletzt daran, dass ab 1956 der Museumsdirektor Henryk Przybylski aktives PTTK-Mitglied war. Wie in den gesamten Westgebieten waren auch in der Ziemia Lubuska die ersten Jahre nach dem Krieg eine Phase der Entdeckung der touristischen Qualitäten, »Tourismus und Landeskunde erfüllten eine Inventarisierungs-

74 Skowron, S. 16. 75 Broszurka wydana z okazji XX-lecia Przewodnikjw PTTK w Gorzowie Wlkp. 1967–1987 [Broschüre anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der PTTK-Führer in Gorzjw Wlkp. 1967– 1987], in: Wijas, Zarys, 2012, S. 89. 76 Satzung der Gesellschaft der Liebhaber der Stadt Gorzjw in Gorzjw an der Warthe, APG, Polski Zwia˛zek Zachodni, Sign. 2, Bl. 80. 77 Kronika Lubuskiego Okre˛gu Polskiego Towarzystwa Turystyczno-Krajoznawczego w Zielonej Gjrze 1946–1966, APTTK ZG. 78 Geschichte der Abteilung Polnischen Touristisch-Landeskundlichen Gesellschaft in Gorzjw Wlkp. (26. 4. 1971), APG, Oddział Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie Wlkp., Sign. 294, Bl. 2– 5.

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funktion«.79 Neben den lokalen Initiativen kamen dabei wichtige Impulse und Unterstützung vor allem aus Posen, das zu dieser Zeit administrativ für die Gegend zuständig war. Im April 1946 fand in Posen eine Konferenz speziell zur Entwicklung des Tourismus in der Ziemia Lubuska statt. Von hier aus wurde auch die PTK in der Region gegründet. Auf staatlicher Ebene war das TourismusReferat in Posen, aktiv seit November 1954, verantwortlich für den Tourismus in der Ziemia Lubuska. Die Popularisierung der Ziemia Lubuska und ihrer touristischen Werte via Radio und Presse nahm in den Aktivitäten des Referats eine große Rolle ein. Bis 1957 zeichnete vor allem dieses Referat und die PTK bzw. später die PTTK für die Tourismuswerbung verantwortlich, danach übernahm diese Rolle zunehmend die Presse, insbesondere die Gazeta Zielonogjrska.80 Auch die Nationalräte waren nach 1956 am Tourismus interessiert, ab 1960 waren sie unmittelbar am Ausbau der touristischen Basis der Region beteiligt. Vor allem bestand ihre Aufgabe aber in der touristischen Zusammenarbeit mit der DDR.81 Der Tourismus aus der DDR nach Polen fand nur in sehr geringem Ausmaß statt, waren doch unmittelbar nach dem Krieg die Grenzen für fast alle Personen hermetisch geschlossen.82 Dulczewski stellte in der ersten Phase seiner soziologischen Untersuchungen fest, dass der internationale Tourismus in der Ziemia Lubuska noch 1959 im Prinzip nicht existierte. Zehn Jahre später hingegen wurden allein im untersuchten Pszczew (Betsche) 241 ausländische Touristen, darunter 210 aus der DDR und 23 aus der BRD, gezählt.83 Seit 1961 wirkten in der Ziemia Lubuska auch mehrere dem Woiwodschaftskomitee für Körperkultur und Tourismus (Wojewjdzki Komitet Kultury Fizycznej i Turystyki, WKKFIT) unterstellte lokale Institutionen, die sich mit Tourismus auseinandersetzten. Dazu gehörten der Woiwodschaftsfond für Tourismus und Erholung (Wojewjdzki Fundusz Turystyki i Wypoczynku), das Woiwodschaftszentrum für Sport, Tourismus und Erholung (Wojewjdzki Os´rodek Sportu, Turystyki i Wypoczynku), der Woiwodschaftsfond für die Entwicklung der Körperkultur und des Tourismus (Wojewjdzki Fundusz Rozwoju Kultury Fizycznej i Turystyki), die Anstalt für den Bau und die Modernisierung von Sport- und Tourismusobjekten (Zakład Budownictwa i Modernizacji Obiektjw Sportowych i Turystychnych »Inwest-Tourist«) und das Woiwodschaftszentrum der touristischen Information (Wojewjdzki Os´rodek Informacji Turystycznej, WOIT). Insbesondere Letzteres hatte die Aufgabe, die Bevölkerung über die touristischen Werte der Ziemia Lubuska zu informieren und touristiTrybus´, Rozwjj, 1990, S. 9. Ebd., S. 49. Ebd., S. 20f. Wie˛ckowski, Marek: Turystyka na obszarach przygranicznych Polski [Tourismus in den Grenzgebieten Polens]. Warszawa 2010, S. 94. 83 Dulczewski, O badaniach, 1996, S. 117. 79 80 81 82

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sches Material über die Region zu sammeln. Gegründet 1963 und aktiv seit 1964, wurde es 1974 Teil von »Lubtour«.84 Der Lebuser Betrieb der Tourismuswirtschaft »Lubtour« nahm 1974 in Zielona Gjra seine Arbeit mit dem Ziel auf, die Tourismusindustrie in der Ziemia Lubuska weiterzuentwickeln. Der Schwerpunkt lag mittlerweile klar auf dem Tourismus als Selbstzweck, von der Bewerbung der Ziemia Lubuska war in den Aktivitäten des Unternehmens weniger die Rede.85 Zwar hob Jan Lembas, Vorsitzender des PWRN, in seinem Vorwort zu einem 1970 erschienenen Band über die Entwicklung der Woiwodschaft explizit auch die Errungenschaften im Bereich des Tourismus hervor, so etwa die »Herausbildung von im ganzen Land bekannten touristischen Zentren wie Sława […], Łagjw [Lagow].«86 Doch hatte es der Tourismus in der Ziemia Lubuska nicht leicht. Zunächst herrschten die aus der mangelnden touristischen Bewirtschaftung resultierenden Probleme vor. So beklagte sich 1955 ein Leser von Turysta, dass er bei seiner Reise in die Ziemia Lubuska nur eine einzige Unterkunft vorgefunden habe, über die zudem kaum Informationen zu erhalten war.87 Auch nachdem diese Mängel nach und nach behoben worden waren, wollte der Tourismus in der Ziemia Lubuska nicht florieren. Das Problem lag vor allem in dem nach wie vor sehr niedrigen Bekanntheitsgrad der Region in Zentralpolen. So kämpfte die Ziemia Lubuska in einem weiteren Bereich mit ihrer Unbekanntheit, die wirtschaftliche Notwendigkeit des Tourismus wurde ebenso deutlich wie das emotionale Bedürfnis nach Anerkennung. Auch in der polenweiten touristischen Presse, vor allem der Zeitschrift Turysta, wurde dieses Problem Ende der 1950er Jahre erkannt. Zu wenige Touristen besuchten die Ziemia Lubuska und würden dadurch etwas »verpassen«.88 In einem Artikel, der die Schönheit der Wasserlandschaft der Region betonte und empfahl, statt Masuren einmal die Ziemia Lubuska zu besuchen, folgerte der Autor : »Der Ziemia Lubuska fehlt es nur an einem – Ansehen und Popularität.«89 Um die Region für Wassersportler bekannt und attraktiv zu machen, hatte sich im Jahr 1958 eine Gruppe von Journalisten der Gazeta Zielonogjrska mit dem Kajak auf den Weg gemacht, die Region zu erkunden und darüber in der Reihe

84 Trybus´, Rozwjj, 1990, S. 18f. 85 Dokumente zu Lubtour, APZG, Lubuskie Przedsie˛biorstwo Gospodarki Turyzycznej »Lubtour« w Zielonej Gjrze [1953] 1974–2009, Sign. 39, 166. 86 Lembas, Jan: Przedmowa [Vorwort], in: Wa˛sicki, Jan: Zielonogjrskie. Rozwjj wojewjdztwa w Polsce Ludowej [Die Woiwodschaft Zielona Gjra. Die Entwicklung einer Woiwodschaft in der Volksrepublik Polen]. Warszawa 1970, S. 9f. 87 Zieniuk, Jerzy : Zwiedzajmy Ziemie˛ Lubuska˛ [Besuchen wir die Ziemia Lubuska], in: Turysta 1955/6, S. 18. 88 Z. T.: Wodny szlak lubuski [Der Lebuser Wasserweg], in: Turysta 1959/12, S. 14. 89 Rams, Stanisław : Na lubuskich szlakach [Auf Lebuser Wegen], in: Turysta 1958/7, S. 8f.

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»Mit dem Kajak durch die Ziemia Lubuska« (Kajakiem dookoła Ziemi Lubuskiej) berichtet.90 In der lokalen Presse wurde bemängelt, dass nicht nur Polen aus anderen Landesteilen keinerlei touristische und landeskundliche Kenntnisse über die Ziemia Lubuska hätten, sondern auch die eigene Bevölkerung die Region im Prinzip nicht kannte. Daran müsse sich zuallererst etwas ändern, denn, so die Argumentation, wie solle man jemandem etwas nahebringen, das man selber nicht schätze und kenne. Korcz stellte fest: »Es herrscht selbst unter den Bewohnern dieser Gegend die weit verbreitete, aber durch nichts begründete Überzeugung, dass die Ziemia Lubuska eine uninteressante, wenig attraktive Region ist. […] Es fällt mir schwer zu glauben, dass es uns (uns – das heißt den Enthusiasten der Schönheit der Ziemia Lubuska) gelingt, Touristen aus der Gegend um Białystok oder der Woiwodschaft Rzeszjw für die Reize der Ziemia Lubuska zu interessieren, wenn unsere einheimischen Touristen und Landeskundler die ihnen nächste Umgebung nicht nur nicht kennen, sondern viel wichtiger, nichts dafür tun, um diese Umgebung kennen zu lernen und zu popularisieren.«

Weiterhin beklagte er, dass die Jugend zu wenig über die Geschichte der Region lerne und ihr die Schönheit der Ziemia Lubuska nicht bewusst sei. Er fuhr fort: »Die Ziemia Lubuska wartet auf Touristen. Es wartet eine interessante, wilde Landschaft, ein wahres Königreich der Natur. Wälder, Schwärme von Wasservögeln, Seen voller Fische. Reichtum und Schönheit. Leider und nochmals leider werden wir für die Touristen und Landeskundler so lange das Aschenputtel sein, wie unsere von der Natur so reichlich bedachte Region nicht angemessen bewirtschaftet wird.«91

An anderer Stelle bemängelte Jjzef Jarecki die mangelnde Selbstsicherheit im Hinblick auf die eigenen Vorzüge: »Sie kennen uns am häufigsten aus Erzählungen, manchmal aus den Filmchroniken oder durch den relativ großen Ruhm des Weinerntefests. Es fällt schwer, sich darüber zu wundern. Wir können schließlich für uns nicht die Popularität im Maße von Kattowitz, Lodz oder Breslau, nicht einmal der Küste oder von Podhale beanspruchen. Vielleicht werden wir noch lange keinen ähnlichen Grad der Industrialisierung erreichen, und aus den winzigen Lebuser Erhebungen machen wir kein Bergmassiv. […] Aber gibt es denn nichts, was man sich auf die Fahnen schreiben könnte? […] Wundern wir uns nicht darüber, wenn uns ›Fremde‹ schlecht kennen, wenn wir uns selber nicht bemühen, unsere eigene Schönheit kennen zu lernen.«92

90 Gazeta Zielonogjrska 1958. 91 Korcz, Władysław : Wartos´ci Turystyczno-Krajoznawcze Ziemi Lubuskiej [TouristischLandeskundliche Vorzüge der Ziemia Lubuska], in: Nadodrze, Februar 1958, S. 10. 92 Jarecki, Jjzef: Niech inni Ganges chwala˛… [Sollen doch andere den Ganges rühmen…], in: Nadodrze, August 1960, S. 8.

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Bisher sei der Tourismus »wild«, man müsse dafür sorgen, dass dieser stark zunehme, weil man über den Tourismus die Region hervorragend kennen lernen könne. Außerdem würde die Ziemia Lubuska aber auch schlecht vermarktet, denn während in Zügen und Bahnhöfen viele Fotografien anderer Regionen zu finden seien, sei nie ein Bild der Ziemia Lubuska darunter. »Wir verstehen es nicht, für uns Werbung zu machen. Die Mehrheit von uns weiß nicht einmal, wie unsere Woiwodschaft aussieht«, klagte die Leserin Pawłowska. Die Betriebe etwa böten Ausflüge nach Krakau, Danzig oder Zakopane an, Reisen innerhalb der Ziemia Lubuska würden außer von Schulgruppen kaum unternommen. »Wäre es nicht besser (und sicherlich günstiger) mit dem Kennenlernen der Gegend zu beginnen, in der wir leben?«93 Dass die Woiwodschaft sich schwer mit der eigenen Vermarktung tat, spiegelte sich auch darin wider, dass in Zielona Gjra keine regionsspezifischen Souvenirs verfügbar waren, sondern nur solche, die aus jedem beliebigen Teil des Landes stammen konnten.94 Noch 1985 schienen die Bewohner Zielona Gjras davon überzeugt werden zu müssen, dass sie in einer attraktiven Stadt lebten. Diesen Eindruck zumindest erweckt ein Artikel von Alfred Chwastyk, in dem er die Vorzüge der Stadt »aus Sicht der Touristen« hervorhob, darunter neben der malerischen Lage und der hübschen Innenstadt mit den belebten Straßen Institutionen wie das Theater oder die Hochschulen.95 Zuallererst mussten die Lebuser selber von der landschaftlichen Schönheit und der Eignung der Ziemia Lubuska als touristische Destination überzeugt werden. Das Problem lag sicherlich vor allem darin, dass auch Ende der 1950er Jahre viele Bewohner ihre Region kaum kannten, geschweige denn als Touristen bereist hatten. Diese Situation zu ändern, hatten sich verschiedene Organisationen vorgenommen. Analog zu ihrem Engagement für die gesamten Westgebiete, bemühte sich etwa die PTTK um die Bewerbung der Ziemia Lubuska. Anlässlich der 25-jährigen »Rückkehr der Ziemia Lubuska« zu den »Mutterländern« entwickelte die Abteilung in Zielona Gjra zur Popularisierung des Tourismus und der Landeskunde in der Ziemia Lubuska ein landeskundliches Abzeichen, das Turystyczna Odznaka Regionalna »Przyjaciel Ziemi Lubuskiej« (Touristisches Regionales Abzeichen »Freund der Ziemia Lubuska«). Um das Abzeichen zu erhalten, musste man eine bestimmte Anzahl von Tagen an Ausflügen teilnehmen und eine bestimmte Anzahl von »mit den Spuren des Po93 Pawłowska, E.: Szlakiem historii. Trzy dni po Ziemi Lubuskiej [Entlang dem Weg der Geschichte. Drei Tage durch die Ziemia Lubuska], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 160, 6./7. 7. 1957. 94 Milewska, M.: Jest ich za mało i za brzydkie [Es gibt zu wenige und zu schlechte], in: Gazeta Lubuska, Nr. 155, 10. 7. 1978. 95 Chwastyk, Alfred: Zielona Gjra w oczach turystjw [Zielona Gjra in den Augen der Touristen], in: Gazeta Lubuska, Nr. 38, 14. 2. 1985.

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lentums verbundenen Orten« besuchen.96 Das Abzeichen bestand aus dem Symbol »Rodło«97 und der Aufschrift Odznaka PTTK Przyjaciel Ziemi Lubuskiej. Darüber hinaus organisierte die PTTK in den 1960er Jahren regelmäßig die Gesamtpolnische Rallye zur Weinernte (Ogjlnopolski Rajd na Winobranie), die der Bewerbung der Ziemia Lubuska als touristische Destination dienen sollte.98 Eine ähnliche Veranstaltung fand im Jahr 1957 statt. Auf verschiedenen Wegen sollten alle Teilnehmenden zur gleichen Zeit das Ziel, Łagjw – den zwischen zwei Seen gelegenen, touristisch attraktivsten Ort der Woiwodschaft –, erreichen. In diesem Zusammenhang erschienen viele Bilder und auch eine kleine Karte der Rallye in der Zeitschrift Turysta.99 Auch über Lesungen, Ausflüge und nicht zuletzt Wettbewerbe, die die PTTK und die Redaktion von Nadodrze gemeinsam veranstalteten, sollte die Ziemia Lubuska popularisiert werden. Einer dieser Wettbewerbe fand im Mai 1959 unter dem Motto »Lerne die Denkmäler der Ziemia Lubuska kennen« (Poznaj zabytki Ziemi Lubuskiej) statt. Die Teilnehmenden mussten Bilder von Bauten den entsprechenden Ortschaften in der Woiwodschaft zuordnen.100 Neben der PTTK hatte sich insbesondere die TRZZ in Zielona Gjra die Entwicklung des Tourismus zum Ziel gesetzt.101 Zur Bewerbung der touristischen Routen (szlaki) der Ziemia Lubuska organisierte etwa die TRZZ Posen eine gesamtpolnische studentische Rallye nach Nowe Kramsko.102 1959 fand darüber hinaus im Rahmen des Weinfestes das Treffen Junger Dorftouristen (Zlot Młodych Turystjw Wiejskich) in Zielona Gjra statt, das »die dörfliche Jugend zum Tourismus, zum Kennenlernen der Schönheit, der Geschichte und der Kultur der Ziemia Lubuska als eines der ältesten Sitze des Polentums« ermuntern sollte. Organisiert wurde es von der Woiwodschaftsverwaltung des 96 Regulamin Turystycznej Odznaki Regionalnej »Przyjaciel Ziemi Lubuskiej« [Regularium des Regionalen Touristischen Abzeichens »Freund der Ziemia Lubuska«] [o. J.]. 97 Das »Rodło« stellt in stilisierter Form den Verlauf der Weichsel dar. 98 Regulamin VII Ogjlnopolskigeo Rajdu na Winobranie 21–23 IX 1967 r. z zakon´czeniem w Zielonej Gjrze [Regularium der 7. Gesamtpolnischen Rallye zur Weinlese am 21.–23. 9. 1967 mit Abschluss in Zielona Gjra] [o. J.]; Regulamin VIII Rajdu na Winobranie: Zielona Gjra 26–28 IX 1968 r [Regularium der 8. Gesamtpolnischen Rallye zur Weinlese: Zielona Gjra 26.–28. 9. 1968] [o. J.]. 99 Przez Ziemie˛ Lubuska˛ z V Ogjlnopolskim Rajdem Pieszym PTTK [Mit der 5. Gesamtpolnischen Fußgängerrallye durch die Ziemia Lubuska], in: Turysta 1957/13, S. 3; Karte dazu in Turysta 1957/15, S. 2. 100 Poznaj zabytki Ziemi Lubuskiej [Lerne die Denkmäler der Ziemia Lubuska kennen], in: Nadodrze, Mai 1959, S. 13; Notizen zur Arbeit der PTTK in den Westgebieten im Bereich der Landeskunde, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, Sign. 993, Bl. 20f. 101 Arbeitsplan des Kreisrats der TRZZ in Zielona Gjr für das Jahr 1959, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, Sign. 350, [o.S.]. 102 Referat auf der 2. Kreisversammlung der TRZZ in Zielona Gjra am 7. 1. 1960, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, Sign. 59, Bl. 77.

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Verbandes der Dorfjugend (Zarza˛d Wojewjdzki Zwia˛zku Młodziez˙y Wiejskiej).103 Nicht zuletzt im Rahmen des von der TRZZ organisierten Wissenschaftlichen Ferienstudiums im Sommer 1959, für das Korcz einen Vortrag über die »touristisch-landeskundlichen Vorzüge der Ziemia Lubuska« hielt, sollten Kenntnisse in diesem Bereich vermittelt werden.104 In den offiziellen Protokollen der TRZZ in Zielona Gjra des Jahres 1960 wurde dann auch vermerkt, dass die Bemühungen um die Popularisierung der Ziemia Lubuska in den zentralpolnischen Woiwodschaften Erfolge gezeigt hatten und insbesondere seit der Mitte des Jahres 1959 ein starker Anstieg des Tourismus zu verzeichnen sei.105 Zwei Jahre später wurde jedoch die Notwendigkeit der weiteren »touristischen Bewirtschaftung« der Woiwodschaft bekräftigt.106 Für die Bewerbung der Ziemia Lubuska als touristisch attraktive Region gab es eigentlich eine gute Grundlage, denn im Ranking der volkspolnischen Tourismus-Regionen schnitt die Gegend keinesfalls schlecht ab.107 Besonders herausgestellt wurden in der Regel die Seen um Łagjw, die »Denkmäler des Polentums« und einige Städte, darunter insbesondere Zielona Gjra.108 Das Potential der Region spiegelte sich aber ganz und gar nicht in der touristischen Nutzung wider. Insgesamt wurde die Woiwodschaft Zielona Gjra immer wieder als diejenige mit dem größten ungenutzten Potential hervorgehoben.109

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Warten auf Kolumbus – Das Bild von der Ziemia Lubuska in Reiseführern

Um die Ziemia Lubuska sowohl den Besuchern als auch ihren Bewohnern näher zu bringen und diese von der Attraktivität der Region zu überzeugen, entstanden zahlreiche Reiseführer. Diese sollten darüber informieren, dass die Ziemia Lu103 Regularium des Treffens junger Dorftouristen in Zielona Gjra im Jahr 1959, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, Sign. 1051, [o.S.]. 104 Liste der Vortragsthemen im Wissenschaftlichen Studium in Sława S´la˛ska im August 1959, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 21, Bl. 60. 105 Tätigkeitsbericht der Woiwodschaftsverwaltung der TRZZ für das Jahr 1960, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 15, Bl. 63. 106 Lembas, Jan: Przemjwienie powitalne [Grußwort], in: Guranowski, J.: Sprawozdanie z VI sesji Rady Naukowej TRZZ w Zielonej Gjrze w dn. 16 i 17 czerwca 1961 r. [Bericht von der 6. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats der TRZZ in Zielona Gjra am 16. und 17. Juni 1961] (Zeszyty Rady Naukowej TRZZ). Warszawa u. a. 1961, S. 2. 107 Mileska, Regiony, 1963, S. 18. 108 Ostrowski, Stanisław : Ruch turystyczny w Polsce [Die touristische Bewegung in Polen]. Warszawa 1968, S. 84–99; Trybus´, Rozwjj, 1990, S. 37; Szczegjła, Zielona Gjra, 1984, S. 152–155. 109 Filipowicz, Potencjał, 1963, S. 278–286.

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buska »eine der attraktivsten landeskundlichen Regionen Polens«110 ist. Aber den Reiseführern kam noch eine weit wichtigere Rolle zu. Denn sie haben einerseits einen praktischen Nutzen, indem sie mit Tipps zu Übernachtung, Verpflegung und Routenführung die Erkundung eines unbekannten Raumes ermöglichen und das Fremde erklären. Sie können andererseits Wissen über eine bestimmte Gegend in knapper Weise vermitteln. Reiseführer transportieren aber auch bestimmte Bilder etwa der Geschichte einer Stadt und der Eigenschaften, die eine Region ausmachen und lenken den Blick auf ausgewählte Aspekte. Der Blick der Touristen wird durch Reiseführer »genormt«.111 Kuroczyn´ski hält im Hinblick auf Reiseführer zu Breslau nach 1945 fest, dass »[i]hre Publikation dem Festhalten und Verbreiten von raumbezogenen Inhalten [dient], die zur Aneignung eines fremden, unbekannten Raumes führen sollen«.112 Ähnlicher Meinung ist Karl D. Qualls, der in seiner Analyse von Reiseführern zu Sewastopol darauf hinweist, dass Reiseführer ein Vehikel gewesen seien, um Lesern in der gesamten Sowjetunion das »offizielle Bild« der Stadt zu vermitteln.113 Der Vorteil von Reiseführern gegenüber wissenschaftlicher oder auch populärwissenschaftlicher Literatur hinsichtlich der Vermittlung von Wissen liegt darüber hinaus im breiteren Rezipientenkreis. Einerseits erreichen sie nichtakademisch interessierte Menschen, andererseits ein Publikum außerhalb der Region. In der Ziemia Lubuska war es das erklärte Ziel von Reiseführern, Wissen über die Region zu verbreiten, um sie bekannter machen zu können: »Trotz der in den Jahren 1956 bis 1958 herausgegebenen Publikationen – der Aufstellung der Orte, der Broschüre zur Weinernte und die Lebuser Wasserroute – spürt man doch noch ihre Abwesenheit. Es ist schwer eine Region zu propagieren, wenn man deren Geschichte nicht kennt.«114 110 Protokoll der 1. Woiwodschaftsversammlung der TRZZ in Zielona Gjra am 3. 10. 1957, AAN, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich, Sign. 59, Bl. 42. 111 Zu den Reiseführern etwa: Jaworski, Rudolf u. a. (Hg:): Der genormte Blick aufs Fremde. Reiseführer in und über Ostmitteleuropa. Wiesbaden 2011; Backes, Ingrid: Wegweiser in die Fremde. Reiseführer, Reiseratgeber, Reisezeitschriften. Bensberg 1990. Eine Analyse ostmitteleuropäischer Reiseführer nach 1945 findet sich etwa bei Engemann, Iris: Danzig vs. Gdan´sk, in: Jaworski, Rudolf u. a. (Hg:): Der genormte Blick aufs Fremde. Reiseführer in und über Ostmitteleuropa. Wiesbaden 2011, S. 137–148 (Danzig); Thum, Die fremde Stadt, 2003 (Breslau); Hartwich, Das schlesische Riesengebirge, 2012 (Riesengebirge); Wetzel, Heimisch werden (Aussig); Kuroczyn´ski, Medialisierung, 2011 (Breslau); Preiwuß, Kerstin: Ortsnamen in Zeit, Raum und Kultur. Die Städte Allenstein/Olsztyn und Breslau/Wrocław. Berlin 2012 (Breslau und Allenstein); Brodersen, Stadt, 2006, (Königsberg). 112 Kuroczyn´ski, Medialisierung, 2011, S. 55f. 113 Qualls, Each Stone, 2006, S. 165, 169. 114 Bericht der Vorstandstätigkeit des Kreises der PTTK in Zielona Gjra für den Zeitraum 20. 5. 1956–1.10.1958, APZG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Zielonej Gjrze [1948] 1950–1975, Sign. 1146, Bl. 6.

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Die seit 1945 erschienenen Reiseführer zur Ziemia Lubuska, zu Zielona Gjra und zu Gorzjw sollten mehr leisten, als Touristen durch die Region zu navigieren. Vielmehr waren sie ein Vehikel, um das offizielle Geschichtsbild zu transportieren und die Leistungen der Nachkriegszeit zu würdigen. Ein wichtiger Fokus lag aber auch auf der Gegenwart der Ziemia Lubuska. Durch die ausführliche Beschreibung von Institutionen und Betrieben wurde das Bild einer gut entwickelten Region vermittelt, die den anderen Gegenden Polens um nichts nachstand und ein integraler Teil Polens war. Darüber hinaus prägten sie die landschaftliche Vorstellung der Ziemia Lubuska und etablierten sie als eine touristische Destination. Beide Aspekte sind bis heute wichtiger Bestandteil des Selbstverständnisses der Region. Die analysierten Publikationen haben mitunter einen sehr unterschiedlichen Charakter. Auch wenn alle in die weitere Kategorie des »Reiseführers« gehören, unterscheiden sie sich stark in der Schwerpunktlegung und der Ausführlichkeit der Darstellung. Einige ähneln eher klassischen Reiseführern mit praktischen Informationen zu Unterkunft und Anreise sowie Routenvorschlägen, andere hatten offensichtlich vor allem die Verbreitung von Wissen über die Region bzw. des Geschichtsbildes im Sinn. Obgleich der Schwerpunkt oftmals auf der Gegenwart und dem seit dem Zweiten Weltkrieg Erreichten in Form einer ausführlichen Aufstellung aller Betriebe und Institutionen lag, wurde in der Regel auch der Vorkriegs- und insbesondere der mittelalterlichen Geschichte verhältnismäßig viel Platz eingeräumt.

5.3.1 Reiseführer zur Ziemia Lubuska bzw. zur Woiwodschaft Zielona Góra115 In den allgemeinen Polen-Reiseführern war weniger die Ziemia Lubuska als Ganzes von Interesse als vielmehr die Städte Zielona Gjra und Gorzjw. Zielona Gjra als Woiwodschaftshauptstadt kam dabei in der Regel auch ein Platz auf den Landkarten zu, mitunter sogar mit eigenem Stadtplan. Betont wurde insbesondere die »malerische« Lage der Stadt. Gorzjw hingegen fungiert auf den vorgeschlagenen Reiserouten eher als Durchgangsstation. Beide Städte wurden als Industriezentren dargestellt. Interessanterweise spielt das in den lokalen und 115 Entsprechend einer Liste, die die TRZZ für eine Ausstellung zusammen getragen hat, sind die hier analysierten Reiseführer zur Ziemia Lubuska, zu Zielona Gjra und zu Gorzjw abgesehen von einer Broschüre zu Zielona Gjra (Korcz, Władysław ; 1955) und dem Band »Pomorze Zachodnie i Ziemia Lubuska. Nasze Ziemie Odzyskane« [Westpommern und die Ziemia Lubuska. Unsere Wiedergewonnenen Gebiete] (Komisja Wczasjw Młodziez˙y ; 1947) aus dem Zeitraum 1945 bis 1960 vollständig. Weitere touristisch-landeskundliche Veröffentlichungen der Lebuser Region, APZG, Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich Zarza˛d Wojewjdzki w Zielonej Gjrze, Sign. 21, Bl. 157f.

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regionalen Reiseführern so deutlich als attraktivste touristische Destination hervorgehobene Łagjw in diesen Büchern keine Rolle.116 Auf der Basis deutscher Reiseliteratur erstellte der Posener Tourismus-Spezialist Franciszek Jas´kowiak (1903–1983) Ende der 1940er Jahre eine touristischlandeskundliche Bibliographie über die Ziemia Lubuska. Sie wurde verteilt und sollte dazu dienen, diese Literatur zu sammeln und in polnischer Sprache herauszugeben.117 Den ersten Reiseführer zur Ziemia Lubuska verfasste im Jahr 1948 die Posener Geographin Zajchowska.118 Sie war Teilnehmerin der vom West-Institut initiierten Expedition in die Ziemia Lubuska im Jahr 1947 gewesen, hatte sich also selber bereits einen Eindruck von der Gegend machen können und in Vorbereitung auf die Reise und in deren Verlauf in engem Austausch mit Experten anderer Disziplinen gestanden, die sich wissenschaftlich mit der Ziemia Lubuska auseinandersetzten.119 Es handelt sich wohl um den einzigen die ganze Region umfassenden Reiseführer, der das Panorama Gorzjws auf dem Titel trägt, was der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass Gorzjw zu diesem Zeitpunkt als Hauptstadt der Region fungierte. Zajchowska ging darauf ein, dass die Ziemia Lubuska »jemandem, der [sie] nicht kennt, auf den ersten Blick weniger attraktiv und weniger besuchenswert erscheinen [mag] als das Meer mit seiner 500 km langen, abwechslungsreichen Küste oder die niederschlesischen Berge. Dabei gibt es in der Ziemia Lubuska einen solch großen Reichtum mannigfaltiger Phänomene, dass jeder Mensch hier etwas Interessantes für sich findet: der Prähistoriker die am besten erhaltenen und unter ihnen eine der größten Burgen in Polen, der Historiker eine Reihe von Städten, die voller Erinnerungen an die Vergangenheit sind […]. Der Sprachwissenschaftler interessiert sich für den Dialekt der Autochthonen, der Ethnograf für die bis heute in einigen Dörfern erhaltenen reichen Trachten und Holzbauten, der Geograph findet eine Vielzahl interessanter postglazialer Gestalten, der Industrielle große, zum Teil schon wieder funktionierende Fabriken, zu guter Letzt finden der Sommerfrischler und der Tourist eine wunderschöne Umgebung mit weiten Ausblicken, bewaldete Hügel, zahlreiche klare Seen, gesundes, waldiges Klima, bequeme Hotels.«120

Der Einführung ist anzumerken, dass Zajchowska selber eher an der wissenschaftlichen als der touristischen Entdeckung der Region interessiert zu sein schien. Dennoch führte sie anschließend Kreis für Kreis durch die Ziemia Lubuska, ihre Geschichte und ihre Sehenswürdigkeiten. Dabei betonte sie vor allem 116 Rutkowska, Janina: Mały przewodnik po Polsce [Kleiner Reiseführer Polen]. Warszawa 1975; Przewodnik po Polsce [Reiseführer Polen]. Warszawa 1963; Przewodnik po Polsce [Reiseführer Polen]. Warszawa 1965. 117 Trybus´, Rozwjj, 1990, S. 14. 118 Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1948. 119 Zajchowska, Nad ´srodkowa˛ Odra˛, 1959, S. 8–10. 120 Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1948, S. 6.

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die malerische Landschaft und brachte Zielona Gjra schon hier mit dem Weinanbau und dem Weinfest in Verbindung. Im selben Jahr erschien ein Reiseführer, der im Rahmen von Ausflügen entstanden war, die die Versammlung der Polnischen Geographischen Gesellschaft in die Ziemia Lubuska unternommenen hatte.121 Ebenso wie bei Zajchowska wurde der Begriff der Ziemia Lubuska präzise erläutert – wie es üblich war, wenn die Autoren einen wissenschaftlichen Hintergrund hatten. Hier nahmen der geologische und der historische Teil im Vergleich zum touristischen jedoch relativ viel Platz ein. Beim folgenden Reiseführer über die Ziemia Lubuska handelte es sich um einen zweiteiligen Artikel in der polenweit veröffentlichten PTK-Zeitschrift Ziemia aus dem Jahr 1949. Verfasst hatte ihn der Landeskundler und PTTKAktivist Orłowicz, der für mehrere Reiseführer der Westgebiete verantwortlich zeichnete. In einem Brief erwähnte er Jahre später, dass er sich dafür auf deutsche Publikationen zu den Regionen gestützt hatte.122 Im Hinblick auf die Ziemia Lubuska bediente er sich der Baedeker-Führer Brandenburg und Schlesien sowie eines von ihm in Jahr 1919 verfassten Reiseführers zu Großpolen123 und notierte sich sowohl die Geschichte der einzelnen Ortschaften als auch touristische Sehenswürdigkeiten.124 Er verwendete jedoch nicht nur alte deutsche Reiseführer, sondern begab sich auch selber auf Reisen durch die neuen Westgebiete, um diese touristisch zu erkunden. Er wählte Fotos der Region für das Verkehrsministerium aus, das für den Tourismus zuständig war, und besuchte die erste Konferenz zum Tourismus in der Ziemia Lubuska in Posen am 23. März 1947. Im Laufe des Jahres 1948 bereitete er sich auf eine Reise durch die Region vor: vom 7. bis 23. September 1948 führte er als Leiter eine Gruppe von Tourismus-Referenten auf insgesamt 1.160 km durch die Ziemia Lubuska.125 Ziel war es, »die Besonderheit der Ziemia Lubuska mit eigenen Augen kennenzulernen« sowie Fotografien für touristische Publikationen zu erstellen.126 Für die Planung und Durchführung seiner Reise griff er auf den Reiseführer von Zajchowska zurück. Dieser Ziemia-Artikel aus der Reihe »Die Schönheit Polens« (Pie˛kno Polski) schien die erste Gelegenheit zu sein, die Ziemia Lubuska einem breiten Publi121 Gadomska-Czekalska u. a., Przewodnik, 1948. 122 Orłowicz, Mieczysław : Co to jest krajoznawstwo [Was ist Landeskunde], in: Biuletyn Informacyjny 15. 2. 1960, (Beilage zu Turysta 1960/6), S. 1. 123 Mieczysław Orłowicz: Ziemia Lubuska, kwiecien´ 1949 [Ziemia Lubuska, April 1949], APAN, Mieczysław Orłowicz, Sign. 68, Bl. 54. 124 Mieczysław Orłowicz: Ziemia Lubuska. Z Baedekeru »Brandenburg« [Ziemia Lubuska. Aus dem Baedeker »Brandenburg«], APAN, Mieczysław Orłowicz, Sign. 138, Bl. 82–85. 125 1947, APAN, Mieczysław Orłowicz, Sign. 489, Bl. 7, 42; 1948/1949, APAN, Mieczysław Orłowicz, Sign. 489, Bl. 11, 23–25, 76, 79. 126 Mieczysław Orłowicz: Ziemia Lubuska, kwiecien´ 1949 [Ziemia Lubuska. April 1949], APAN, Mieczysław Orłowicz, Sign. 138, Bl. 53.

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kum als touristisches Ziel vorzustellen – und als integralen Bestandteil Polens, wie der Titel der Reihe unmissverständlich ausdrückt. Zwar war bereits im Mai 1946 ein – ebenfalls von Orłowicz verfasster – Artikel in der Ziemia erschienen, der den Reichtum der Ziemia Lubuska an Seen und Wäldern betonte, auf die zahlreichen Baudenkmäler hinwies und die Chancen der Region zur Entwicklung insbesondere eines Wasser-Tourismus hervorhob. Doch handelte es sich dabei um einen allgemeinen Artikel zu den Westgebieten, der der Ziemia Lubuska nur einige Zeilen widmete.127 1949 erhielt die Ziemia Lubuska nun eine eigene mehrseitige Abhandlung, die sich aufgrund der Beschreibungen von Sehenswürdigkeiten zahlreicher Ortschaften durchaus als Reiseführer einstufen lässt. So war in dieser Ausgabe auch das Titelbild – der See bei Łagjw – der Region gewidmet. Orłowicz hob die landschaftliche Attraktivität der Ziemia Lubuska und ihre Eignung für den Wassertourismus hervor, bezeichnete Łagjw als den »am schönsten gelegenen Ort« der Ziemia Lubuska. Er erwähnte aber auch die Volkstrachten und Kunstdenkmäler als sehenswert. Nicht unerwähnt blieb, dass die Ziemia Lubuska über wichtige Industriezentren verfügte. Einen großen Teil nahmen historische Elemente ein: sowohl die Tatsache, dass es sich um eine »Schlüsselregion« für die polnische Geschichte handelte, als auch der Hinweis auf die ältesten Orte Santok, Drezdenko (Driesen) und Krosno Odrzan´skie fanden Erwähnung. Orłowicz teilte die Region in verschiedene touristische Subregionen ein. Dabei empfahl er besonders den Süden wegen des Weines und Obstes, des angenehmen Klimas und des pittoresken Stadtentrums von Zielona Gjra, das durch ein typisches Bild – die Stadt fotografiert vom Weinberg aus – illustriert wurde. Im Hinblick auf Gorzjw, zu diesem Zeitpunkt noch administratives Zentrum der Ziemia Lubuska, fanden die »gotische Kirche« und das Museum Erwähnung. Dargestellt war die Stadt durch das Panorama vom südlichen Wartheufer aus gesehen mit der Marienkirche, den Altbauten und der Eisenbahnbrücke. Dieses Bild sollte im Laufe der Jahre noch viele Male beispielhaft für Gorzjw verwendet werden. Illustriert wurde der Artikel mit Fotos von Kirchen, Burgen, alten Straßenzügen und Seen.128 Im selben Jahr erschien dieser Artikel unverändert als eigenständiger Reiseführer, als zehnter Band in der Reihe »Biblioteczka Krajoznawcza« (Landeskundliche Bibliothek) der PTK.129 Der Landeskundler Orłowicz hatte die Ziemia Lubuska so schneller in den polnischen Tourismus eingebunden, als die regionale touristische Infrastruktur entstehen konnte. Ebenfalls aus dem Jahr 1949 stammte die Broschüre »Ziemia Lubuska kraina 127 Orłowicz, Ziemie Odzyskane, 1946, S. 8. 128 Orłowicz, Ziemia Lubuska (cze˛´sc´ I-a), 1949, S. 74–80; Orłowicz, Mieczysław : Ziemia Lubuska (cze˛s´c´ II-a), in: Ziemia 1949/6, S. 103–108. 129 Orłowicz, Mieczysław : Ziemia Lubuska – mały przewodnik [Ziemia Lubuska – Kleiner Reiseführer]. Warszawa 1949.

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słon´ca i owocjw« (Die Ziemia Lubuska – Land der Sonne und der Früchte). Herausgegeben von der Tourismusabteilung des Verkehrsministeriums und redigiert von Orłowicz, fokussierte das Faltblatt insbesondere das angenehme Klima der Region. Zwar erschien dieses Motiv in fast allen späteren Reiseführern, doch wurde die Ziemia Lubuska wohl nie wieder so offensiv als sonnige, warme und fruchtbare Region dargestellt, von der man meinen konnte, sie befände sich in mediterranen Gefilden: Das Deckblatt bildete einen sonnigen Weinberg ab, Losungen wie »Ich bin in der Ziemia Lubuska – das bedeutet einen um einige Wochen verlängerten Sommer« (»Jestem na Ziemi Lubuskiej – to lato przedłuz˙one o kilka tygodni«) und »In den Bergen Schneeschmelze, am Meer Kälte – in der Ziemia Lubuska Sonne, Meer, großartige Spaziergänge« (»W gjrach roztopy, nad morzem chłjd – na Ziemi Lubuskiej słonce, morze, wspaniałe spacery«) nahmen einen zentralen Platz ein. Diese Mini-Broschüre fügt sich stärker als jede andere touristische Publikation ein in das von der Nachkriegspublizistik geschaffene Bild der Westgebiete als »Eldorado«.130 Dennoch fanden auch hier die Geschichte und die »mittelalterliche Schönheit der Städte« Eingang. Der übertrieben wirkende Euphemismus der Broschüre gipfelte in dem Satz »Die Ziemia Lubuska ist eine der interessantesten und schönsten Ecken und touristischen Gegenden Polens« (»Ziemia Lubuska jest jednym z najciekawszych i najpie˛kniejszych zaka˛tkjw i terenjw turystycznych Polski«).131 Interessant ist in diesen frühen Darstellungen bis 1950, dass der Ziemia Lubuska überhaupt eigene Artikel und Publikationen gewidmet wurden, immerhin gehörte die Region zu diesem Zeitpunkt noch zur Woiwodschaft Posen. Auch wird deutlich, dass es sich um die Leistung weniger Personen handelte. Zajchowska und Orłowicz waren für alle Veröffentlichungen im Bereich des Tourismus der 1940er Jahre verantwortlich. Obgleich die Reiseführer ab den 1950er Jahren von anderen Autoren verfasst wurden, blieb Zajchowska weiter aktiv, etwa durch die Durchsicht und Rezension späterer touristischer Veröffentlichungen.132 Sie waren also die ersten, die die Region, die für die meisten Polen eine terra incognita darstellte, beschrieben und trugen damit maßgeblich zum Bild der Ziemia Lubuska bei. Der 1953 erschienene Reiseführer von Adam Dubowski und dem oben erwähnten Jas´kowiak nahm für sich in Anspruch, der »erste polnische Führer durch die Ziemia Lubuska« zu sein. Vor dem Hintergrund der soeben vorgestellten Bände war dies streng genommen eine Fehleinschätzung, obwohl es sich 130 Tumolska, Mitologia, 2007, S. 79. 131 Ziemia Lubuska kraina słon´ca i owocjw [Die Ziemia Lubuska, Land der Sonne und der Früchte]. 1949. 132 Stanisława Zajchowska: O pracach wchodza˛cych w skład Zeszytu 2-go Komisji Turystyki LTN (recenzja) [Zu den Arbeiten für das Heft der 2. Tourismuskommission der LTN (Rezension)], 2. 12. 1967, APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 275, Bl. 1–6.

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in der Tat um den ersten Reiseführer handelte, der auch »praktische Informationen« bereitstellte. Dubowski und Jas´kowiak beabsichtigten, »ein möglichst vollständiges Bild abzugeben, indem wir Dörfer und Städte, Vergangenheit und Gegenwart in gleichem Maße berücksichtigt haben«.133 Dass der Reiseführer trotz der administrativen Reform im Jahr 1950 immer noch Ziemia Lubuska und nicht Zielonogjrskie heißt, zeigt, wie sehr sich der Begriff schon damals durchgesetzt hatte. Dubowski und Jas´kowiak hatten der Gegenwart, also der Darstellung von Wiederaufbau, Industrie, Bildungs- und Gesundheitswesen sowie Kultur, allerdings sehr viel mehr Platz eingeräumt als den historischen Ereignissen. Schon im Vorwort zum ersten Reiseführer wiesen Dubowski und Jas´kowiak auf die laufenden Vorbereitungen für einen zweiten »ausführlicheren« Reiseführer hin und riefen die Leserschaft auf, über offenkundige Mängel zu informieren.134 Allerdings war die neue Ausgabe zwei Jahre später deutlich weniger umfangreich, was sich sowohl in einem stark gekürzten historischen Teil als auch in deutlich kürzeren Reisehinweisen niederschlug. Das Titelbild zierte nun ein Wappen – allerdings handelte es sich dabei um das deutsche Wappen Grünbergs, nicht um das polnische Wappen Zielona Gjras, das stellvertretend auf die gesamte Woiwodschaft bezogen wurde. Wie im Fall des falsch verwendeten Wappens im Lexikon-Eintrag,135 zeugt auch dieser Fauxpas von den geringen Kenntnissen, die über die Region vorherrschten. Der Unbekanntheit der Region begegneten die Autoren mitunter recht offensiv, sie fand in vielen Reiseführern Erwähnung und wurde fast schon zu einem Markenzeichen. In einer im Rahmen des Weinfestes 1957 erschienenen Broschüre machte Korcz darauf aufmerksam, dass die Ziemia Lubuska noch auf ihre »einheimischen Kolumbusse«136 warte. »Die völlige touristisch-landeskundliche Vernachlässigung [der Ziemia Lubuska, K.H.] […] ist zweifellos eine der unangenehmen Folgen der generellen Vernachlässigung der Wiedergewonnenen Gebiete in der Zeit vor dem Oktober [1956, K.H.]. Und trotz dieser Vernachlässigung und der sträflichen Mängel ist die Ziemia Lubuska nicht irgendeine touristisch-landeskundliche Attraktion.«137

Für den Touristen, »der in unserem Land wilde Exotik« suche, sei die Ziemia Lubuska »konkurrenzlos«.138 Diese Rhetorik der Exotik und der Entdeckung findet sich in den ersten Jahrzehnten häufig und trägt der Unbekanntheit und Unbeschriebenheit der Region Rechnung. Mag der Begriff der »Exotik« auch 133 134 135 136 137 138

Dubowski / Jas´kowiak, Ziemia Lubuska, 1953. Ebd., S. 3. Mała Encyklopedia, 1959, S. 510. Zielonogjrski Informator, 1957, S. 43. Ebd. Ebd.

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etwas übertrieben sein, war dies doch eine Möglichkeit, mit der Fremdheit und der Leere umzugehen und die schwierige Ausgangslage positiv umzudeuten. Auch die weite Entfernung vom Zentrum, die – wie die vorliegende Arbeit zeigt – in einem zentralistischen System sicherlich ohnehin einen strukturellen Nachteil darstellte, kam hier zur Sprache. Auch noch im Jahr 1957 galt die Ziemia Lubuska als »unbekanntes Land«.139 Dass der Wassersport schon früh im Zentrum der touristischen Bewerbung der Region stand, belegen spezielle Reiseführer wie »Wielkopolskie i lubuskie szlaki wodne« (Großpolnische und Lebuser Wasserrouten) aus dem Jahr 1956.140 Ebenfalls interessant schien die Region für Pfadfinderlager zu sein, wie das Heftchen »Ziemia Lubuska zaprasza« (Die Ziemia Lubuska lädt ein) aus dem Jahr 1963 nahelegt. Bemerkenswerterweise wurde noch zu diesem Zeitpunkt in der Einleitung erklärt, wo auf der Karte Polens die Ziemia Lubuska zu suchen sei. Trotz der thematischen Spezifik der Publikation standen auch hier als Merkmale der Region das Klima, die Natur und das vielerorts erfahrbare »Polentum« im Vordergrund. Der Reiseführer machte sehr deutlich, wie wenige Besucher die Region nach wie vor zählte: »Wir brauchen viele Kolumbusse, die in der Lage sind, die Schönheit [der Ziemia Lubuska, K.H.] zu entdecken und sie allen zu zeigen und sie von den ausgetretenen masurischen Pfaden und den überfüllten Meeresstränden wegzuziehen.«141

Bis zum Jahr 1971 trugen alle Reiseführer für die Region den Namen »Ziemia Lubuska«. Oftmals wurde die Lage der Region erklärt, manchmal auch die Herkunft des Namens. In der Regel wurde darauf hingewiesen, dass der Begriff synonym mit der Woiwodschaft Zielona Gjra verwendet werde. Irgendeine Form der Begriffsklärung schien aber unumgänglich zu sein, was sehr für einen geringen Bekanntheitsgrad sogar grundsätzlicher Fakten über die Ziemia Lubuska spricht. Das gesamte Territorium der Woiwodschaft war de facto aber erst im Reiseführer von 1971 Thema der Publikation, in den Ausgaben vor 1950 spielten die Kreise Głogjw, Nowa Sjl (Neusalz), Szprotawa, Z˙agan´ und Z˙ary naturgemäß noch keine Rolle, da sie nicht als Teil der Ziemia Lubuska galten. Aber auch in den beiden Reiseführern von Dubowski aus den Jahren 1953 und 1955 zählen diese fünf Kreise explizit nicht dazu. Ihre Zugehörigkeit wurde im Vorwort erwähnt, ihre Auslassung im weiteren Text allerdings nicht weiter erklärt. Auffallend ist, dass die empfohlenen Ausflüge sich auf den nördlichen Teil der Region beschränkten, abgesehen von Zielona Gjra findet kein Ort südlich von Zba˛szyn (Bentschen) Aufmerksamkeit. Vermutlich liefen die Vorbereitun139 Od redakcji [Von der Redaktion], in: Lubuski Biuletyn Krajoznawczy, 1957, APAN, Mieczysław Orłowicz, Sign. 619. 140 Jakimowicz u. a., Wielkopolskie, 1956. 141 Ziemia Lubuska zaprasza, 1963, S. 6.

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gen für die Publikation schon zu einer Zeit, als diese Kreise sich noch nicht im Verbund der Woiwodschaft befanden. So erschien 1971 erneut ein Reiseführer mit dem Anspruch, der erste für die gesamte Region zu sein: »Der Führer ›Wojewjdztwo zielonogjrskie‹ ist die erste Publikation in der touristischlandeskundlichen Literatur, die sich auf das gesamte Gebiet der Woiwodschaft Zielona Gjra bezieht.«142

Bezeichnend für diesen Führer ist, dass er von Władysław Korcz und damit erstmals von einem Bewohner der Region verfasst wurde. Erneut ging er hier auf den Begriff der Ziemia Lubuska ein, auch im Jahr 1971 bedurfte es offenbar noch dieser Vergewisserung. Der 1975 in Zielona Gjra herausgegebene Reiseführer »Ziemia Lubuska. Przewodnik-Informator« erschien zwar nach der administrativen Teilung der Woiwodschaft, behandelte aber noch beide Teile und trägt nicht zuletzt deswegen wahrscheinlich den Titel Ziemia Lubuska. Bemerkenswert ist hier der recht hohe Anteil von Autoren aus der Region, darunter Korcz, Zysnarski, Szczegjła und Ankiewicz.143 Darüber hinaus erschienen einzelne Beiträge zur Ziemia Lubuska in der Zeitschrift Turysta, so eine Vorstellung der Ortschaften Bytom Odrzan´ski144 und Strzelce Krajenskie145 sowie ein Artikel über das Museum in Zielona Gjra.146 Gemein ist diesen kurzen Beiträgen, dass sie stark die slawischen Wurzeln der Region betonen. Bilder vom Weinfest und von Lebuser Seen schafften es hin und wieder auf den Titel, doch insgesamt erschienen im Vergleich zu anderen Regionen verhältnismäßig wenige Beiträge zur Ziemia Lubuska. In der Ziemia fanden sich ebenfalls einzelne Artikel, zu Kostrzyn,147 zu Cedynia (Zehden)148 oder zur volkstümlichen Architektur.149 Weiterhin erhielt die Ziemia Lubuska Aufmerksamkeit in Zusammenhang mit der Oder, dabei wurde interessanter-

142 Korcz, Wojewjdztwo, 1971, S. 5. 143 Sicin´ski, Ziemia Lubuska, 1975. 144 Co warto zobaczyc´ w Bytomiu Odrz. [Was man in Bytom Odrz. ansehen sollte], in: Turysta 1955/3, S. 9. 145 Co warto zobaczyc´ w Strzelcach [Was man in Strzelce ansehen sollte], in: Turysta 1956/3, S. 9. 146 Z przeszłos´ci Ziemi Lubuskiej [Aus der Vergangenheit der Ziemia Lubuska], in: Turysta 1957/15, S. 11. 147 Kanclerz, Feliks: Tysia˛c lat Kostrzyna nad Odra˛ [1000 Jahre Kostrzyn an der Oder], in: Ziemia 1967, S. 115–118. 148 Piskorski, Czesław : Przełom Odry koło Cedyni [Das Oderbruch nahe Cedynia], in: Ziemia 1965, S. 196–199. 149 Kornecki, Marian: Ludowe budownictwo Ziemi Lubuskiej [Volkstümliches Bauwesen der Ziemia Lubuska], in: Ziemia 1967, S. 177–183.

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weise auch der auf deutsche Seite befindliche Ort Lebus als alte Hauptstadt der Region erwähnt.150 In all diesen Reiseführern lassen sich wiederkehrende Motive in der Darstellung der Ziemia Lubuska ausmachen: einerseits das angenehme Klima, die schöne Seenlandschaft, die historische Schlüsselrolle der Region für Polen, andererseits das florierende und junge Kultur- und Industrieleben als Ausdruck der positiven Entwicklung der Region. Das in den Reiseführern entworfenen Bild der Ziemia Lubuska und ihrer Städte wurde von Bildbänden und Postkarten unterstützt. Üblicherweise wurden den Fotografien Texte (regionaler) Historiker und Regionalisten vorangestellt, die die Geschichte, die Gegenwart und auch die touristischen Möglichkeiten der Region beschrieben. Mit Abbildungen von Seen und Wäldern, Stadtmauern und Burgen, Betrieben und Kultureinrichtungen sowie der Kontrastierung zerstörter Nachkriegsstädte mit den Neubauvierteln der 1960er Jahre wurden dieselben Motive bedient wie in den Reiseführern: landschaftliche Schönheit, »Urpolentum« und eine dynamische Nachkriegsentwicklung. Darüber hinaus fand die Weintradition der Region Eingang. Insbesondere im Band zu Zielona Gjra machten entsprechende Bilder einen großen Teil aus.151 Die Motive variierten also kaum. Postkarten hatten gegenüber Alben den Vorteil, dass sie günstiger waren und gewöhnlich ein breiteres Publikum erreichen. Sie spielten damit ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Vermittlung des Bildes von der Ziemia Lubuska.152 Das Bildmaterial für die ersten Postkarten stammte aus deutschen Publikationen. Abbildungen aus der Region waren etwa in einer 1947 erschienen Reihe von Postkarten zur »Schönheit der Wiedergewonnenen Gebiete« oder dem 1950 von der PTK veröffentlichten Zyklus »Die Schönheit Polens« zu finden. In einer Kartenserie des West-Instituts war die Ziemia Lubuska mit dem Burgwall in Santok und Słubice vertreten. Letztere Karte bildete allerdings die Marienkirche ab, die sich westlich der Oder, also in Frankfurt (Oder), befindet.153 Die PTK und spätere PTTK ließ viele Fotos für Postkarten herstellen, wofür es klare Vorgaben gab. Später wurden diese Bilder auch wis-

150 Odra – rzeka turystyczna [Die Oder – ein touristischer Fluss], in: Ziemia 1972, S. 150–152. 151 Skarbek, Marian (Hg.): Ziemia Lubuska [Ziemia Lubuska]. Krakjw 1973; Olejnik, Adam (Hg.): Ziemia Lubuska. Poznan´ 1965; Koniusz, Janusz: Zielona Gjra. Warszawa 1972; Skrzypek, Eugeniusz / Ordyn´ski, Włodzimierz: Polska w krajobrazach [Polen in Landschaften]. Warszawa 1961, S. 46–49, 51. 152 Zu Postkarten in Niederschlesien zwischen 1945 und Mitte der 1950er Jahre: Banas´, Paweł: Oswajanie Ziem Odzyskanych. Dolny S´la˛sk na pocztjwkach pierwszej powojennej dekady [Die Aneignung der Wiedergewonnenen Gebiete. Niederschlesien auf Postkarten des ersten Nachkriegsjahrzehnts]. Warszawa 2009. 153 Banas´, Paweł: Instytutu Zachodniego »pocztjwki artystyczne« [Die »künstlerischen Postkarten« des West-Instituts], in: Siedlisko 2008/5, S. 13.

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senschaftlich genutzt.154 Die PTK verfügte so schnell über eine große Sammlung von Fotografien bzw. Postkarten zu den Westgebieten.

5.3.2 Reiseführer zu Zielona Góra und Gorzów Die Reiseführer zu den Städten fügten sich in die Rhetorik der gut entwickelten und kulturell relevanten Zentren ein. Ähnlich wie im Hinblick auf das Geschichtsbild lassen sich kaum Veränderungen der Schwerpunktsetzung oder der Darstellung des Gebietes beobachten. Allerdings spiegelt sich die wechselnde Bedeutung der Städte in den Publikationen wider : so kam Gorzjw in den 1940er Jahren die Rolle der wichtigsten Stadt der Ziemia Lubuska zu, während Zielona Gjra diese Funktion ab 1950 übernahm. Auch die Autorenschaft unterlag einem Wandel – handelte es sich zunächst um Auswärtige, waren im Laufe der Zeit zunehmend Ortsansässige für die Reiseführer verantwortlich. Hier lassen sich Parallelen zur akademischen Entwicklung ziehen, die zunächst von externen Forschern getragen wurde, bis regionale Wissenschaftler nach und nach immer mehr Aufgaben übernahmen. 1948 tauchte Zielona Gjra erstmals im Reiseführer von Zajchowska als »Perle der Ziemia Lubuska« auf.155 In diesem und folgenden Reiseführern wurden seine malerische Lage und die Weintradition hervorgehoben. Neben dem Rathaus und der spätgotischen Kirche aus dem 14. Jahrhundert fand auch die Rolle als industrielles Zentrum der Ziemia Lubuska Erwähnung. Die Bevölkerungszahl übertreffe bereits jetzt mit über 30.000 Einwohnern die Vorkriegszahlen.156 1953 erschien der erste Reiseführer zu Zielona Gjra, einem »der größten und schönsten Orte der Region«.157 Dieser betonte ebenfalls die malerische Lage der Stadt und die Verbindung zum Wein, während andererseits auch darauf hingewiesen wurde, dass es eher wenige historische Denkmäler gebe. Illustriert wurde der Band mit Fotografien von Städten, Seen und Wäldern. 1957 kam anlässlich des Weinfestes ein weiterer Reiseführer heraus. Über die wegweisende Funktion eines Stadtführers hinaus bewarb er Zielona Gjra und stellte die Nachkriegsentwicklung, aber vor allem auch das zukünftige Potential sehr stark in den Mittelpunkt: 154 Eine Reihe von Postkarten kann in der Digitalen Bibliothek der Universität Zielona Gjra unter dem Stichwort »pocztjwka« eingesehen werden: Zielonogjrska Biblioteka Cyfrowa, verfügbar unter : http://zbc.uz.zgora.pl/dlibra/publication?id=799& from=& dirids=1& tab=1& lp=7& QI [13. 10. 2016]. 155 Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1948, S. 32. 156 Orłowicz, Ziemia Lubuska (Cze˛´sc´ II-a), 1949, S. 75f; wortgleich in: Orłowicz, Mały przewodnik, 1949, S. 9–11. 157 Pasikowski, Zielona Gjra, 1953.

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»Ich wollte nur illustrieren, dass die Stadt, die wir lieben, gute Zukunftsaussichten hat, es wohnen dort nämlich starke und auf ihre eigenen Kräfte vertrauende Menschen, die in der Lage sind, leidenschaftlich für das Wohl aller zu arbeiten.«158

Die Publikation zeichnete sich durch ausgearbeitete Ausflugsrouten aus: Die Weinroute führte durch die mit dem Weinanbau verbundenen Städte Zielona Gjra, Krosno Odrzan´skie, Gubin und Lubsko (Sommerfeld). Zwar gab es auf dieser Route den einen oder anderen Weinberg zu sehen, insgesamt handelte es sich aber eher um eine Weinanbau-Erinnerungsstrecke, da etwa in Krosno Odrzan´skie »heute nicht mal mehr eine Spur davon zu sehen ist«.159 Die Stefan Czarniecki-Route sollte an den Durchmasch Czarnieckis im Jahr 1658 erinnern und führte von Mie˛dzyrzecz nach Kostrzyn, die Hussiten-Route den »gemeinsamen polnisch-tschechischen Kampf gegen den Kreuzritterorden« vergegenwärtigen. Bemerkenswert ist die Schlesien-Route, da hier die fünf schlesischen Kreise der Ziemia Lubuska bereist werden sollten und auch als solche benannt wurden. In den meisten anderen Reiseführern wurde dieser Teil der Region ausgelassen. Auch zwei Jahre später noch war der Tenor eines anlässlich des Weinfestes herausgegebenen Stadtführers, dass Zielona Gora viel Arbeit vor sich habe, jedoch jeden Tag schöner werde und eine Stadt der Industrie, der Kinder und der Jugend sei.160 Unter den Sehenswürdigkeiten fanden sich auch solch profane Bauten wie das Kino oder das Krankenhaus. Der Aufbau der folgenden Reiseführer ähnelte denen zur Ziemia Lubuska stark. Auf die Erklärung der geographischen Lage und einen recht ausführlichen Geschichtsteil folgten Kapitel zum Nachkriegsgeschehen, zur derzeitigen Lage und zu den Perspektiven, in denen auch Texte, die man vielleicht nicht unbedingt in Reiseführern erwarten würde, wie zur Entwicklung von Kultur und Industrie, eine zentrale Rolle spielten. Auch das vergleichsweise milde Klima war ein wiederkehrendes Motiv, ebenso wie die schöne Landschaft der Umgebung und die »urpolnische« Geschichte. Im Falle Zielona Gjras wurde die Erzählung um den Weinanbau ergänzt, darüber hinaus waren regelmäßig erwähnte Sehenswürdigkeiten das Rathaus, die Kirche und der Palmgarten. Die positive Entwicklung der Stadt wurde mit dem deutschen Vorkriegs-Grünberg kontrastiert:

158 Zielonogjrski Informator, 1957, S. 5. 159 Korcz, Władysław : Ziemia Lubuska atrakcyjnym regionem dla turystjw [Die Ziemia Lubuska ist eine attraktive Region für Touristen], in: Zielonogjrski Informator GospodarczoTurystyczny, 1957, S. 45. 160 Informator Dni Zielonej Gjry, 1959.

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»Zu Zeiten der deutschen Herrschaft war Zielona Gjra eine kleine, provinzielle Stadt ohne Aussicht auf größere Entwicklungen. Erst seit es unter volkspolnische Herrschaft geriet, zeichnet sich die Zukunft dieser Stadt immer vielversprechender ab.«161

Korcz betonte, dass Zielona Gjra zu deutschen Zeiten am Rande des Reiches gelegen habe, nun aber ein wichtiger Teil des wirtschaftlichen Organismus Polens sei. Dass die Stadt sowohl geographisch als auch im allgemeinen Bewusstsein immer noch eine periphere Stellung einnahm, erwähnte er nicht. Das Bedürfnis, Zielona Gjra über die Weintradition hinaus bekannt zu machen, spürte man auch noch im Klappentext eines Stadtführers von 1972: »Die Stadt ist in Polen bekannt für die Produktion von Wein und Schnäpsen sowie für das jährliche Weinerntefest. […] Aber Zielona Gjra ist vor allem eine Stadt der sich entwickelnden Industrie sowie ein aktives Zentrum der Kultur, Wissenschaft und Bildung. Aus der einst kleinen Kreisstadt wuchs in Volkspolen eine Woiwodschaftsstadt mit großen Zukunftsaussichten heran.«162

Visuell knüpfte man jedoch an das Image der Weinstadt an, so waren neben dem Rathausturm und/oder Neubauten vor allem Weinsymbole auf dem Titel der Reiseführer abgebildet. Die Stadtführer für Zielona Gjra wurden ab Mitte der 1960er Jahre von Personen aus der Region, namentlich von dem Historiker Korcz und dem Publizisten Koniusz, verfasst, die sich bereits in die Entwicklung von Wissenschaft und Kultur eingebracht hatten. Darüber hinaus erschienen Informationen zur Stadt ab den 1970er Jahren auch in anderen Sprachen, etwa als Zusammenfassung im Anhang eines polnischen Führers, aber auch in Form eines ausschließlich deutschsprachigen Stadtführers.163 Dieser zeigte Bilder vom belebten Stadtzentrum, was wohl dem westdeutschen Narrativ von den ausgestorbenen Städten in den polnischen Westgebieten entgegen gesetzt werden sollte. Der Besonderheit eines deutschsprachigen Reiseführers waren sich die Behörden bewusst: »Es ist bekannt, mit welcher Einstellung die Deutschen die Westgebiete besuchen. Man kann und sollte auf geschickte Weise das herausstellen, wofür wir uns wirklich rühmen können.«164 Hier war auch eine generelle Kritik an den Reiseführern der Ziemia Lubuska vernehmbar, die mitunter sehr offensiv mit der Unbekanntheit der Region und dem Mangel an Sehenswürdigkeiten umgingen. So sei es kontraproduktiv, einen uninteressanten Reiseführer heraus161 Korcz, Zielona Gjra. Przewodnik, 1965, S. 6. 162 Koniusz, Janusz: Zielona Gjra. Warszawa 1972. 163 Worobiec, Zielona Gjra, 1972. Diese Entwicklung deckte sich zeitlich mit denen in anderen Woiwodschaften, für Breslau erschien der erste deutschsprachige Reiseführer 1970: Kuroczyn´ski, Medialisierung, 2011, S. 108. 164 Bewertung der Zweckmäßigkeit der Veröffentlichung von Reiseführern durch die Woiwodschaft Zielona Gjra in deutscher Sprache (1972), APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe, Sign. 591, Bl. 2.

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zugeben. Wenn es nichts Interessantes in der Region gebe, solle man lieber gar keinen Reiseführer publizieren: »Anstatt das herauszustellen, was es nicht gibt, kann man das zeigen, was es gibt.«165 Dass ab 1972 deutschsprachige Reiseführer zur Ziemia Lubuska und ihren Städten erschienen, ist sicherlich auf die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die BRD und die Öffnung der Grenze zwischen Polen und der DDR am 1. Januar 1972 zurückzuführen. Der sich daraufhin entwickelnde Tourismus zwischen Polen und der DDR war aufgrund seiner Größenordnung der wichtigste Faktor zwischenmenschlicher Kontakte zwischen den beiden Gesellschaften in den 1970er Jahren.166 Unter den DDR-Besuchern der Ziemia Lubuska waren – schon vor 1972 – auch Vertriebene zu finden, die ihre ehemaligen Wohnorte besuchten. Diese persönlichen Begegnungen mögen das private Geschichtsbild einiger Bewohner der Ziemia Lubuska verändert haben, offiziell schlug sich die Grenzöffnung jedoch in den historischen Kapiteln der touristischen Publikationen der Region nicht nieder. Wie oben erwähnt, blieb das Geschichtsbild in den Westgebieten trotz der sich wandelnden deutsch-deutschpolnischen Beziehungen statisch. Auch Gorzjw erhielt im Jahr 1953 den ersten eigenen Stadtführer. Schon vorher kam der Stadt ein Platz in den Reiseführern zur Ziemia Lubuska zu, so etwa 1948 und 1949, als Gorzjw noch als Verwaltungssitz der Ziemia Lubuska und als wichtiges kulturelles und geistiges Zentrum sowie als Sitz des Apostolischen Administrators der Ziemia Lubuska und des Stettiner Pommern vorgestellt wurde. Erwähnung fanden darüber hinaus die gotische Kirche aus dem 14. Jahrhundert, die mittelalterlichen Stadtmauern und das Museum. Einmalig wurde hier auf das so oft bildlich zitierte Stadtpanorama vom südlichen Wartheufer eingegangen. Dieser Blick sei von den Deutschen durch die Bahnbögen verschandelt worden: »Einst verlief entlang der Warthe ein hübscher Boulevard. Die Deutschen haben diesen Boulevard kaputt gemacht, als sie im 19. Jahrhundert die Eisenbahn gebaut haben und die Gleise auf einem Viadukt entlang des Flussufers so gebaut haben, dass sie die Altbauten am Ufer verdecken.«167

Der Titel des 1953 erschienenen Stadtführers bildete das erwähnte Stadtpanorama ab.168 In seiner Aufteilung – zunächst ein Abschnitt über die Geschichte, anschließend Routenvorschläge – ähnelte er den übrigen Reiseführern. Unter 165 Ebd. 166 Logemann, Daniel: Das polnische Fenster. Deutsch-polnische Kontakte im staatssozialistischen Alltag Leipzigs 1972–1989. München 2012, S. 202. 167 Orłowicz, Ziemia Lubuska (Cze˛´sc´ II-a), 1949, S. 105; wortgleich in: Orłowicz, Mały przewodnik, 1949, S. 36; Zajchowska, Ziemia Lubuska, 1948, S. 17. 168 Rzeminiecki, Gorzjw, 1953.

Warten auf Kolumbus – Das Bild von der Ziemia Lubuska in Reiseführern

265

den empfohlenen Sehenswürdigkeiten befanden sich neben der Marienkirche und dem Museum auch das Stadtarchiv und andere wissenschaftliche Institutionen. Lokale Autoren waren erstmals an einem Stadtführer aus dem Jahr 1960 beteiligt, unter ihnen etwa der Publizist Henryk Ankiewicz und der Historiker Henryk Przybylski. Das Vorwort dieses Bandes stammte von Sczaniecki, der als Teilnehmer der Expedition in den 1940er in der Lage war, einen Vergleich herzustellen: Damals, so meinte er, sei ungewiss gewesen, was aus Gorzjw werden würde, aber »heute, nachdem einige Jahre vergangen sind, stellen wir mit Freude fest, dass in Gorzjw vor unseren Augen wirklich große Dinge vollbracht wurden. Davon zeugten die ausgebaute Industrie oder die Einwohnerzahl der Stadt […]. Dieses Buch gibt uns Details und ein aussagekräftiges Bild dieser Errungenschaften.«169

Der Aufbau der Publikation lässt darauf schließen, dass sie über die Funktion eines reinen Reiseführers hinausging. Auf der einen Seite diente sie als Ersatz für eine zu dieser Zeit immer noch nicht vorliegende Stadtgeschichte, auf der anderen Seite aber auch als Nachschlagewerk für die Bewohner, die ihre Stadt selber noch gar nicht kannten. So enthielt der Band ein Vademecum der Stadt und einen Straßenindex, aber auch Gedichte und Lieder über Gorzjw. Auch das lokale Dauerthema, das Hadern mit dem Status als Kreisstadt, schlug sich nieder. So stellte Popławski fest: »Es ist jedoch eine untypische Kreisstadt, denn hinsichtlich der Einwohnerzahl, der Industrialisierung und der Dynamik des Kulturlebens ist es einer Woiwodschaftshauptstadt ebenbürtig«.170

Dieser Reiseführer erschien auch in englischer Sprache.171 Auch für diese Reiseführer galt die Zusammenstellung von Geschichte, Gegenwart und einem Ausblick in die Zukunft. Wie im Falle Zielona Gjras fanden sich eher untouristische Institutionen wie das Stadtarchiv und wissenschaftliche Institute in den Routenbeschreibungen wieder. Die Reiseführer transportierten zwar durch die historischen Abschnitte auch das offizielle Geschichtsbild, vor allem schienen sie aber auf die Vermittlung eines konkreten Bildes der Gegenwart von der Ziemia Lubuska als einer in kultureller und industrieller Hinsicht modernen Region abzuzielen. Am Beispiel der Gorzjwer Reiseführer lässt sich zeigen, dass die Trennung zwischen Tourismus und Landeskunde, zwischen populärer, populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Literatur manchmal nicht eindeutig und 169 Gorzowskie Towarzystwo Przyjacijł Kultury, Gorzjw, 1960, S. 8. 170 Popławski, Gorzjw Wielkopolski, 1973, S. 3. 171 Popławski, Janusz: Gorzjw Wielkopolski and its environs. Wrocław 1973.

266

Tourismus in der Ziemia Lubuska

dass es letztlich das primäre Ziel war,172 über möglichst viele Kanäle breite Rezipientenschichten zu erreichen. »Man spürt die Abwesenheit von Publikationen, die dem Leser in verständlicher Weise die grundsätzlichen Informationen über kleinere geographische Einheiten zeigten. (…) Diese Publikation soll zumindest teilweise die Neugierde all dieser Leser stillen.«173

Die Reiseführer stellten so ein geeignetes Medium dar, um breiten Bevölkerungsschichten auf populäre Weise ein Bild der Ziemia Lubuska und ihrer Städte zu vermitteln und ihnen fast schon beiläufig zu Wissen über die Region zu verhelfen.

5.4

Zwischenfazit

Der Tourismus in der Ziemia Lubuska sollte ihre Integration in den polnischen Staat befördern. Es galt, sowohl die regionale Bevölkerung als auch die übrigen Bewohner Polens davon zu überzeugen, dass die Ziemia Lubuska selbstverständlich zu Polen gehörte. Reisen in das den meisten Polen unbekannte Gebiet sollten dazu beitragen, die Region kennenzulernen und somit eine Bindung zu ihr herzustellen. Die Landeskunde sollte diesen Prozess unterstützen und übernahm damit eine ähnliche Aufgabe wie der Regionalismus im Bereich der Kultur. Dahinter stand die Idee, dass Menschen sich besser mit etwas identifizieren können, wenn sie damit vertraut sind. Dass dies keine einfache Aufgabe darstellte, zeigen die Diskussionen in der lokalen Presse, in denen deutlich wurde, dass nicht einmal die Lebuser selber ihre Region kannten und schätzten. Die periphere Lage und die weite Entfernung von Warschau – zu dieser Zeit immerhin eine neunstündige Zugfahrt – machten es nicht einfacher, die Polen für die Ziemia Lubuska zu interessieren.174 Somit übernahmen der Tourismus und mit ihm die Reiseführer in der Ziemia Lubuska mehrere Aufgaben beim Prozess des region-building. Sie fungierten einerseits als Vehikel zur Verbreitung des Geschichtsbildes ebenso wie eines konkreten Bildes der Gegenwart. Andererseits galt es aber auch, die Region als touristische Destination zu etablieren, um mit dem Tourismus den wirtschaftlichen Aufschwung anzukurbeln. Nicht zuletzt erhoffte man sich von der Darstellung der landschaftlichen Schönheit und der Verbindungen zur polnischen Vergangenheit die Herausbildung einer emotionalen Bindung an die Region. Adressaten dieser Bemühungen waren sowohl die Lebuser selber, die ihre Region 172 Kuroczyn´ski, Medialisierung, 2011, S. 108. 173 Bubien´ / Ziołek, Gorzjw, 1966, S. 3. 174 Wojtowicz, Krzystof: 450 km od Warszawy [450 km von Warschau], in: Zielonogjrski Informator-Turystyczny, 1957, S. 61.

Zwischenfazit

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schätzen lernen sollten, als auch die restlichen Polen, auf deren mental map die Ziemia Lubuska einen dauerhaften Platz einnehmen sollte. Vor dem Hintergrund der positiven Zeichnung der Nachkriegszeit scheinen viele Reiseführer darüber hinaus auch mit deutschen Lesern im Hinterkopf geschrieben worden zu sein. Die Reiseführer waren dabei ein Mittel, diese Aspekte zu kommunizieren. Den meisten von ihnen gemein war die recht ausführliche historische Darstellung der Region, die klar auf den Beweis des »Urpolentums« abzielte. Daher fing die Erzählung der Stadt- bzw. Regionalgeschichte nicht erst im Jahr 1945 mit der Übernahme durch Polen an, sondern fand ihren Ausgangspunkt üblicherweise im Mittelalter. Ein weiterer wichtiger Abschnitt war gewöhnlich eine Beschreibung der aktuellen Lage der Stadt bzw. der Region mit einer Hervorhebung der positiven und dynamischen Entwicklung seit dem Jahr 1945 und der Kontrastierung der belebten und wachsenden Region mit den »provinziellen« Vorkriegsorten. Die Vorstellung der Betriebe spielte dabei eine wichtige Rolle, damit sollte die Wichtigkeit der Region für Polen, aber auch ihre industrielle Fortschrittlichkeit belegt werden. Darüber hinaus ist deutlich der Schwerpunkt auf der Ziemia Lubuska als Region des Wassertourismus zu erkennen. Bilder der Seen standen oftmals stellvertretend für die Gegend, das Tourismus-Unternehmen Lubtour wählte als Logo ein Segelboot. Wie schon bei der Analyse des Geschichtsbildes in den Reiseführern lässt sich über die Jahre bei der Darstellung der Ziemia Lubuska kaum eine Veränderung verzeichnen. Die historischen Kapitel unterlagen der bereits erwähnten Dogmatik der Westgebiets-Historiographie. Sowohl die Betonung des »Polentums« im historischen Teil der Reiseführer als auch die Darstellung der Leistungen nach 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Industrie und des kulturellen Sektors zogen sich seit 1953 durch alle Publikationen. Einzig die Reiseführer der 1940er Jahre legten naturgemäß einen geringeren Schwerpunkt auf die Entwicklung der Nachkriegszeit. Das mag den noch nicht so strengen politischen Vorgaben, aber vor allem dem erst kurzen Zeitraum seit der Übernahme durch Polen geschuldet sein. Dass für klassische Reiseführer eher ungewöhnliche Orte wie Archive, PresseRedaktionen, Krankenhäuser oder auch Kulturvereine in den Beschreibungen der Region und ihrer Städte stets einen prominenten Platz einnahmen, hatte zweierlei Gründe. Einerseits belegten diese Institutionen die Herausbildung »normaler« Städte mit kulturellen und gesellschaftlichen Einrichtungen. Andererseits mangelte es Zielona Gjra und insbesondere Gorzjw schlicht an »klassischen« Sehenswürdigkeiten. Diese Fokusverschiebung von der historischen Altstadt zu Neubauten und öffentlichen Institutionen fällt auch Preiwuß in ihrer Analyse von Reiseführern zu Breslau und Allenstein nach 1945 auf. Hier waren die in den Reiseführern vermittelten Kennzeichen der Stadt nun ebenfalls

268

Tourismus in der Ziemia Lubuska

Bildung, Kultur, Wissenschaft und das Gesundheitswesen.175 Dass die Reiseführer in den Westgebieten damit eine generelle Entwicklung widerspiegeln, belegt der Vergleich mit den Ergebnissen von Malicka, die zeigt, dass in der Polnischen Filmchronik Breslau ab 1956 als Stadt der Kultur und Kunst dargestellt wurde.176 Bis in die Mitte der 1950er Jahre handelte es sich bei allen Reise- und Stadtführern um »externe« Publikationen, d. h. sie erschienen in Warschauer Verlagen und waren von auswärtigen Autoren verfasst worden. Andernorts waren schon früher Reiseführer in lokalen Verlagen erschienen.177 In der Ziemia Lubuska waren es zunächst die Posenerin Zajchowska und der Warschauer Orłowicz, die touristische Publikationen verfassten. Ihre Reisen in die Region in den frühen Nachkriegsjahren hatte sie nachhaltig geprägt und, vor allem in Zajchowskas Fall, zu einem dauerhaften Engagement geführt. Diese Autoren, die sich die Region selber durch ihre Reise, durch die Vermessung und Beschreibung angeeignet hatten, konnten dieses Wissen, aber auch die emotionale Bindung, die entstanden war, in den folgenden Jahren an ein breites Publikum weitergeben. Man kann in ihrem Fall von »landeskundlicher Pionierarbeit« sprechen. Die Dominanz auswärtiger Autoren im Bereich der Reiseführer verringerte sich erst nach dem Tauwetter. Eine Regionalisierung war also auch in diesem Bereich zu verzeichnen. Zeitgleich mit der Entstehung regionaler Institutionen und Gesellschaften wurden die Reiseführer oftmals von lokalen Verlagen herausgegeben (etwa von der LTK und der GTSK, aber auch dem Organisationskomitee des Weinfestes in Zielona Gjra) und lokale Autoren waren beteiligt, insbesondere Korcz, aber auch Ankiewicz und Przybylski und der Lehrer Antoni Worobiec.178 Viele dieser Männer waren gleichzeitig in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Journalismus in Zielona Gjra und Gorzjw engagiert. Die Verschränkung der Wissenschaft und der Landeskunde war nach Meinung der Lebuser Landeskundler auch der Grund dafür, dass wissenschaftliche Publikationen mitunter schwer von landeskundlichen zu unterscheiden waren.179 Neben den Reiseführern waren auch die lokale Presse, vor allem aber die PTTK und die TRZZ – sowohl die Zentralen als auch die lokalen Abteilungen – an der Verbreitung von Wissen über die (touristischen) Vorzüge der Ziemia LuPreiwuß, Ortsnamen, 2012, S. 253. Malicka, Wrocław, 2012, S. 196f. Hartwich, Das schlesische Riesengebirge, 2012, S. 72. In den 1960er und 1970er Jahren wurden Reiseführer polenweit auch von Verlagen außerhalb Warschaus herausgegeben. Merski, Janusz / Piotrowski Jan Paweł: Drogi ewolucji drukowanych przewodnikjw turystycznych po Polsce [Die Evolution der gedruckten Reiseführer zu Polen]. Warszawa 2010. 179 Ryszard Harajda: Badanie nad turystyka˛ i krajoznawstwem w wojewjdztwie zielonogjrskim [Forschung zu Tourismus und Landeskunde in der Woiwodschaft Zielona Gjra], APZG, Lubuskie Towarzystwo Naukowe w Zielonej Gjrze, Sign. 969, Bl. 68. 175 176 177 178

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buska beteiligt. Neben der LTK und der LTN gab es also auch das touristische Milieu, das sich um die Produktion und Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska sorgte. Zu Beginn musste hier ebensolche Pionierarbeit geleistet werden wie in anderen Bereichen, musste die Ziemia Lubuska touristisch vermessen und beschrieben, anschließend »bewirtschaftet« werden. Ähnlich wie bei der kulturellen und akademischen »Bewirtschaftung« der Ziemia Lubuska tauchten auch im Bereich des Tourismus hin und wieder Vergleiche zur Vorkriegszeit auf mit dem Hinweis, dass »[d]ie westlichen und nördlichen Gebiete im Dritten Reich keine zu große Rolle«180 gespielt hatten. Dadurch konnte einerseits die sehr positive Entwicklung der Region hervorgehoben, andererseits der polnische Anspruch auf die Gebiete bekräftigt werden. Auch der Hinweis auf die höhere Bevölkerungszahl nach 1945 im Vergleich zur Vorkriegszeit wurde mehr oder weniger nebenbei erwähnt.181 Durch den ständigen Vergleich, die Kontrastierung und Abgrenzung schien das Deutsche sehr präsent. Das »Alte im Neuen« war auch sichtbar, weil die »landeskundlichen Pioniere« sich deutscher Quellen bedienten, um erste Reiseführer und -routen zu verfassen. Darüber hinaus wurde die deutsche Infrastruktur genutzt, wenn auch in der Ziemia Lubuska nicht so stark wie anderswo. Es wurde also nicht nur neues Wissen produziert, sondern altes Wissen reproduziert und umcodiert. Hinzu kamen die Erfahrungen, die die Neusiedler aus ihren jeweiligen Heimatorten mitgebracht hatten, so etwa Zarugiewicz’ Kenntnisse im Bereich der Weinproduktion.

180 Kulczycki, Turystyka, 1971, S. 19. 181 Worobiec, Zielona Gjra, 1972, S. 16.

6.

Ausblick: Die Ziemia Lubuska seit 1975

6.1

Die Verwaltungsreform von 1975 – Teilung der Ziemia Lubuska

Das Jahr 1975 bedeutete für die Woiwodschaft Zielona Gjra in ihren Grenzen von 1950 das Ende. Dies resultierte aus einer Verwaltungsreform, die die PZPR seit dem Beginn der 1970er Jahre entwickelt hatte. Sie ist im Zusammenhang mit Edward Giereks Plänen zur Modernisierung der volkspolnischen Wirtschaft in den 1970er Jahren zu sehen.1 In einem ersten Schritt wurden im Jahr 1973 die Gemeinden (gminy) geschaffen, in einem zweiten Schritt mit Gültigkeit ab dem 1. Juni 1975 die Kreise (powiaty) abgeschafft und die Anzahl der Woiwodschaften von bisher 17 auf nun 49 erhöht. Nach offizieller Begründung sollte diese Neuaufteilung zu einer Stärkung der Landesverwaltungen und der Gesamtwirtschaft Polens führen.2 Tatsächlich jedoch beabsichtigte die Partei, die zunehmenden Tendenzen der Selbständigkeit einiger Woiwodschaften einzudämmen3 und damit den Einfluss der Zentralregierung sowie die Woiwodschaftsorganisationen des Parteiapparates zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Meinung vieler Experten ignoriert, die einstimmig für die Beibehaltung der dreistufigen Verwaltung und gegen die Erhöhung der Anzahl der Woiwodschaften gewesen waren.4 Dass die Reform historische Woiwodschaften zerriss, stieß auf deren 1 Pradetto, August: Techno-Bürokratischer Sozialismus. Polen in der Ära Gierek (1970–1980). Frankfurt am Main 1991, S. 105. 2 Słuz˙ewski, Jerzy : Podział adminstracyjny Pan´stwa – podstawa˛ terytorialna˛ organizacji i funkcjonowania rad narodowych i terenowych organjw administracji [Die administrative Aufteilung des Staates als territoriale Grundlage der Organisation und Funktion der Nationalräte und der territorialen Verwaltungsorgane], in: ders. (Hg.): Terenowe organy administracji i rady narodowe po reformie [Die territorialen Verwaltungsorgane und die Nationalräte nach der Reform]. Warszawa 1977, S. 116, 125–128. 3 Davies, Norman: God’s Playground. A History of Poland. Band II: 1795 to the Present. Oxford u. a. 2005, S. 359; Borodziej, Włodzimierz: Geschichte Polens im 20. Jahrhundert. München 2010, S. 351. 4 Gorzelak, Grzegorz / Jałowiecki, Bohdan: Reforma terytorialnej organizacji kraju [Die Re-

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Ausblick: Die Ziemia Lubuska seit 1975

Kritik.5 Letztlich führte die Reform zu einer stärkeren Zentralisierung und einer »Entregionalisierung«. Spätestens jetzt wurde deutlich, dass das Konzept des Regionalismus sich in der Volksrepublik tatsächlich auf den kulturellen Bereich beschränken sollte und eingeschränkt wurde, sobald die Partei eine Gefährdung ihres Machtmonopols befürchtete. Die administrative Neugliederung Polens betraf auch die Ziemia Lubuska. War sie – nach damaliger Definition – bislang durch die synonyme Verwendung des Begriffs in der Woiwodschaft Zielona Gjra aufgegangen, so wurde sie nun in eine stark verkleinerte Woiwodschaft Zielona Gjra und eine neu geschaffene Woiwodschaft Gorzjw geteilt. Nach gerade einmal 25 Jahren fand sich die Bevölkerung erneut in veränderten Verwaltungsstrukturen wieder, und die aufwändig konstruierte Region zerfiel administrativ in zwei Teile. Dabei mussten neben der Teilung der alten Woiwodschaft auch der Verlust des Kreises Głogjw sowie die Angliederung der Kreise Mys´libjrz (Soldin) und Choszczno (Arnswalde) und der Gemeinde Mie˛dzychjd verkraftet werden. Erneut galt es, die hinzugewonnenen Gebiete und deren Bevölkerung zu integrieren. Für die offizielle Bedeutung des Begriffs Ziemia Lubuska zog die Reform keine Veränderung nach sich. Der Terminus bezeichnete im Großen und Ganzen weiterhin dasselbe Territorium, nun umschloss er allerdings zwei Woiwodschaften. Auch wurde das Eigenschaftswort »lubuskie« weiterhin für regionale Organisationen und Betriebe verwendet, obgleich dies eher für bereits bestehende Institutionen und weniger für neu entstehende galt. Eine wichtige Ausnahme bildete das regionale Presseorgan der PZPR, das ab dem 1. Juli 1975 unter dem Namen Gazeta Lubuska (Lebuser Zeitung) firmierte. Hatte es sich zuvor um die Gazeta Zielonogjrska und in den Jahren 1958 bis 1973 auch um deren Ableger, die Gazeta Gorzowska, gehandelt, entstand just in dem Moment, als diese zwei Teile zu eigenständigen Woiwodschaften wurden, nominell eine gemeinsame Zeitung. Die Umbenennung, so die Redaktion, sei eine Rückkehr zu den Wurzeln der Zeitung, die, als sie in den Jahren vor der Woiwodschaftsgründung noch ein Ableger der Gazeta Poznan´ska war, zwischen Dezember 1948 und August 1950 den Namen Gazeta Lubuska getragen hatte.6 Tatsächlich war der neue Name wohl der weiter schwelenden Konkurrenz zwischen Gorzjw und Zielona Gjra geschuldet: die Gorzjwer sollten besänftigt werden, weil der

form der territorialen Organisation des Landes], in: Kolarska-Bobin´ska, Lena (Hg.): Druga fala polskich reform [Die zweite Welle polnischer Reformen]. Warszawa 1999, S. 11. 5 Ebd., S. 12; Kaczmarek, Ryszard: Historia Polski 1914–1989 [Die Geschichte Polens 1914– 1989]. Warszawa 2010, S. 706. 6 Drodzy Czytelnicy! [Liebe Leser!], in: Gazeta Lubuska, Nr. 146, 1. 7. 1975, S. 1. Damals erhielten alle regionalen Ausgaben der Partei-Zeitung den Namen der Woiwodschaftshauptstadt.

Die Verwaltungsreform von 1975 – Teilung der Ziemia Lubuska

273

Abbildung 7: Polen nach der Verwaltungsreform 1975

Zeitungsverlag in Zielona Gjra ansässig war.7 Dennoch führte die gemeinsame Zeitung zu Missmut in Gorzjw, wo man die niedrigere Zahl der Artikel über Gorzjw im Vergleich zu den Artikeln über Zielona Gjra kritisierte und den Journalisten der Gazeta Lubuska ein nur »sporadisches Interesse« an der Woiwodschaft Gorzjw vorwarf.8 Faktisch hatte die Verwendung des Begriffs »Lubuska« im Titel der Zeitung also weniger sentimentale als vielmehr pragmatische Gründe. Auf diese Weise blieb der Begriff der Ziemia Lubuska in beiden Woiwodschaften präsent, wenn er auch darüber hinaus nur noch wenig Verwendung fand. Ohnehin hatte sich das Gebiet um Zielona Gjra stets stärker mit dem Begriff der Ziemia Lubuska identifiziert. Hier waren die Organisationen LTK und LTN gegründet worden, hier wurden die Publikationen Rocznik Lubuski 7 Piasecki, Andrzej K.: Lubuska czwarta władza [Die vierte Lebuser Gewalt]. Zielona Gjra 2000, S. 30. 8 Informationen über Presse und Fernsehen in der Woiwodschaft Gorzjw, APG, Komitet Wojewjdzki PZPR w Gorzowie Wlkp. [Woiwodschaftskomitee der VPAP in Gorzjw Wlkp.], Sign. 201, Bl. 14–18.

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Ausblick: Die Ziemia Lubuska seit 1975

und Zeszyty Lubuskie verlegt, hier trug das Museum den Namen »Muzeum Lubuskie«, hier hatte das Lebuser Gesangs- und Tanzensemble seinen Sitz. All diese Institutionen behielten ihren Beinamen auch über das Jahr 1975 hinaus. Mitunter erhielten sogar neu entstandene Einrichtungen die Bezeichnung, so das 1978 eröffnete Lebuser Militärmuseum (Lubuskie Muzeum Wojskowe) in Drzonjw (Schlesisch Drehnow), bei dem man sich offensichtlich für den traditionelleren Namen entschieden hatte. Diese Praxis war umso widersinniger, als die neue Aufteilung Polens dazu führte, dass sich in der neuen, geschrumpften Woiwodschaft Zielona Gjra kein Stück des historischen Landes Lebus befand. Dieses war in den Kreisen Rzepin und Sule˛cin zu finden, die in der neu entstandenen Woiwodschaft Gorzjw lagen. Dennoch schien weiterhin der südliche Teil der Region stärker mit dem Konzept der Ziemia Lubuska verbunden. Derweil emanzipierte Gorzjw sich weiter von Zielona Gjra und dem Konzept der Ziemia Lubuska, indem es seine eigene Regionsbildung vorantrieb. Für Gorzjw bedeutete die Verwaltungsreform den Aufstieg zur Woiwodschaftshauptstadt, der die Gründung von Institutionen und einen kulturellen Aufschwung nach sich zog. Der »Komplex der Provinzstadt«,9 der Gorzjw laut lokaler Aktiver bislang an der Entwicklung gehindert habe, schien zunächst überwunden. Die 1970er Jahre galten im Nachhinein als die beste Zeit für die Stadt, doch schon in den 1980er Jahren stagnierte das städtische Leben erneut.10 Der Begriff der Ziemia Lubuska verlor in der Woiwodschaft Gorzjw daher weiter an Bedeutung. Schon vor 1975 hatte man in Gorzjw häufig vom Terminus der Ziemia Gorzowska Gebrauch gemacht, um sich von Zielona Gjra abzugrenzen. Diese Praxis wurde beibehalten und ausgeweitet. Nach 1975 ins Leben gerufene Vereine trugen in der Regel – wie es auch in anderen Woiwodschaften üblich war – den Beinamen »Gorzowski«, so die 1978 gegründeten GTN und GTK, ebenso galt das für die erstmals 1971 erschienene Kulturzeitschrift Ziemia Gorzowska und die populärwissenschaftlichen Periodika Zeszyty Gorzowskie (Gorzjwer Hefte, seit 1977) und Rocznik Gorzowski (Gorzjwer Jahrbuch, einmalig 1988). Die Behandlung der beiden Woiwodschaften als Einheit fand somit durch die Verwaltungsreform ein Ende. Dennoch verlor das Konzept der Ziemia Lubuska nicht völlig an Bedeutung. Ein vor der Reform entstandener, aber erst im zweiten Halbjahr 1975 publizierter Reiseführer umfasste noch die gesamte Ziemia Lubuska und betonte, dass das Gebiet sich mittlerweile auf verschiedene Woiwodschaften erstreckte.11 9 Zintegrowac´ region [Die Region integrieren], in: Ziemia Gorzowska 1981/26, S. 2. 10 Tworzyłem wojewjdztwo. Wywiad ze Stanisławem Nowakiem – pierwszym wojewoda˛ wojewjdztwa gorzowskiego [Ich schuf eine Woiwodschaft. Interview mit Stanisław Nowak, dem ersten Woiwoden der Woiwodschaft Gorzjw], in: Trakt, Nr. 19, Dezember 1998, S. 6. 11 Sicin´ski, Ziemia Lubuska, 1975.

Die Verwaltungsreform von 1975 – Teilung der Ziemia Lubuska

275

Unter dem Titel »S´rodkowe Nadodrze« (Mittleres Odergebiet) erschien im Jahr 1981 ein Reiseführer, der zwar die Woiwodschaft Zielona Gjra zum Thema hatte, geographisch aber darüber hinausging. Immer wieder verwendete der Verfasser das Eigenschaftswort »lubuski« zur Bezeichnung regionaler Entwicklungen.12 Historiographische Literatur, die die (gemeinsame) Geschichte beider Woiwodschaften umfasst, existiert bis heute nicht.13 Allerdings erschienen bis 1990 auch keine weiteren geschichtswissenschaftlichen Publikationen, die nur eine der beiden betrafen, stattdessen lag der Schwerpunkt der Forschung in dieser Zeit auf den Städten. So bildeten die beiden Woiwodschaften nach 1975 zwar offiziell noch gemeinsam die Ziemia Lubuska, diese Gemeinschaft spiegelte sich aber abgesehen vom Titel der Tageszeitung und in begrenztem Ausmaß im Tourismus in keinem Bereich wider. Dass der Begriff Ziemia Lubuska dennoch weiter verwendet wurde, lag wohl zum großen Teil an der »Kraft der Gewohnheit«,14 so der Historiker Kazimierz Bartkiewicz. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff der Ziemia Lubuska zunehmend von der Bezeichnung »Mittleres Odergebiet« (S´rodkowe Nadodrze) abgelöst. Bereits vor 1975 war diese mitunter verwendet worden, 1970 führte der Posener Geographie-Professor Tadeusz Bartkowski sie in einer Publikation wirkmächtig als Synonym für die Ziemia Lubuska ein.15 Zuvor war der Begriff mehrmals in ähnlicher Form, etwa als »mittlere Oder« (s´rodkowa Odra) von Szczegjła und Zajchowska, verwendet, jedoch noch nicht zu einem feststehenden Begriff geworden.16 Dass der Begriff bereits 1975 auch offiziell Verwendung fand, zeigt der Artikel in der parteieigenen Gazeta Zielonogjrska, der die administrative Neugliederung des »Mittleren Odergebietes«17 thematisierte. In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Institutionen, die sich der neuen Bezeichnung bedienten. Dazu zählte das 1977 eröffnete Museum der Bücher des Mittleren Odergebietes (Muzeum Ksia˛z˙ki S´rodkowego Nadodrza) in der Stadtbibliothek in Zielona Gjra, das Werke aus der gesamten ersten Woiwodschaft Zielona Gjra (d. h. in den Grenzen von 1950 bis 1975) sammelte. 1982 12 Worobiec, Antoni: S´rodkowe Nadodrze. Panorama Turystyczna [Mittleres Odergebiet. Ein touristisches Panorama]. Warszawa 1981. 13 Eine Ausnahme stellt eine 1996 herausgegebene Quellensammlung dar : Bartkiewicz, Z´rjdła Gjra, 1996. 14 Bartkiewicz, Kazimierz: Wste˛p, [Einleitung] in: ders. (Hg.): Z´rjdła i materiały do dziejjw S´rodkowego Nadodrza. Wybjr [Quellen und Materialien zur Geschichte des Mittleren Odergebiets. Auswahl]. Zielona Gjra 1996, S. 4. 15 Bartkowski, Tadeusz: Wielkopolska i S´rodkowe Nadodrze [Großpolen und das Mittlere Odergebiet]. Warszawa 1970; Szczegjła, Hieronim: Koniec panowania piastowskiego nad S´rodkowa˛ Odra˛ [Das Ende der piastischen Herrschaft an der Mittleren Oder]. Poznan´ 1968. 16 Szczegjła, Koniec, 1968. 17 S´rodkowe Nadodrze w nowym podziale administracyjnym [Das Mittlere Odergebiet in neuer administrativer Aufteilung], in: Gazeta Zielonogjrska, Nr. 128, 5. 6. 1975, S. 3.

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Ausblick: Die Ziemia Lubuska seit 1975

nahm das Archäologische Museum des Mittleren Odergebietes (Muzeum Archeologiczne S´rodkowego Nadodrza) in S´widnica (Schweinitz) bei Zielona Gjra seine Arbeit auf, dessen Mutterinstitut das Muzeum Lubuskie in Zielona Gjra war. In den Titeln wissenschaftlicher Publikationen zur Region spiegelte sich diese Entwicklung ebenfalls wider, hier wurde seit den 1970er Jahren vermehrt das »Mittlere Odergebiet« verwendet.18 Dasselbe galt für die im Rocznik Lubuski erscheinenden Artikel, in denen bis 1975 die Bezeichnungen »Ziemia Lubuska« und »Woiwodschaft Zielona Gjra« dominiert hatten, während nach 1975 der Begriff des »Mittleren Odergebiets« hinzukam. »Ziemia Lubuska« wurde fast nur noch für den Zeitraum vor 1975 verwendet, verschwand aber keinesfalls. Die Inhaltsverzeichnisse des Rocznik Lubuski seit 1975 lassen in dieser Hinsicht keine klare Linie erkennen. So hatte die Verwaltungsreform einerseits einen massiven Einfluss auf die Ziemia Lubuska. Der von den Soziologen Kwilecki und Dulczewski in den 1960er Jahren beschriebene beginnende Prozess der Regionsbildung wurde durch die Teilung unterbrochen. Seit den 1940er Jahren gehegte Zweifel an der Bezeichnung fanden ihren Ausdruck nun in der Etablierung neuer Begriffe. Gleichzeitig drifteten der nördliche und der südliche Teil der alten Woiwodschaft noch weiter auseinander, obwohl sie offiziell immer noch gemeinsam als Region Ziemia Lubuska galten. Da Zielona Gjra sich trotz allem weiterhin mit der Ziemia Lubuska identifizierte, während Gorzjw sich deutlich davon abgrenzte, wurde die Ziemia Lubuska durch die Reform von 1975 gewissermaßen auf den südlichen Teil, die neue Woiwodschaft Zielona Gjra, reduziert. In Gorzjw führte die ohnehin geringe Loyalität mit der Ziemia Lubuska in der Umbruchssituation der territorialen Reform dazu, dass die Bindung zu dieser Region fast verloren ging.19

6.2

Die Verwaltungsreform von 1998 – Entstehung der Woiwodschaft Lebus

Nachdem aus der Polnischen Volksrepublik infolge der politischen Wende 1989 die Republik Polen als demokratischer Rechtsstaat hervorgegangen war, stand das Land vor großen Umwälzungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens. Zu diesem Zeitpunkt begann eine lang andauernde Regionalisierungsdebatte im Land, die sich vor allem um die zukünftige Anzahl und 18 Etwa: Korcz, Studia z dziejjw, 1971; Korcz, Tradycje polskos´ci, 1987. 19 Fach, Wolfgang u. a.: Regionenbezogene Identifikationsprozesse. Das Beispiel »Sachsen« – Konturen eines Forschungsprogramms, in: Wollersheim, Heinz-Werner u. a. (Hg.): Region und Identifikation. Leipzig 1998, S. 2.

Die Verwaltungsreform von 1998 – Entstehung der Woiwodschaft Lebus

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die Grenzziehung der polnischen Woiwodschaften sowie deren Zuständigkeiten drehte.20 Die 49 im Jahr 1975 geschaffenen, relativ kleinen Woiwodschaften wurden als »dysfunktional und reformbedürftig« eingeschätzt.21 Die anvisierte territoriale Reform zielte einerseits darauf ab, die Wirtschaft Polens zu stärken und den Woiwodschaften größere Eigenständigkeit zuzugestehen. Andererseits suchte sie die Erwartungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bzw. Europäischen Union (EU) zu erfüllen, die im Vorfeld ihrer Osterweiterung eine »Regionalisierung« der Kandidatenländer forderte, um die Strukturmittel der EU einsetzen zu können und um Zivilgesellschaft und lokale Demokratie zu stärken.22 Die territoriale Aufteilung der Ziemia Lubuska blieb davon zunächst unberührt. Zwar schlug sich auch hier die 1990 eingeführte territoriale Selbstverwaltung nieder, doch existierten die Woiwodschaften Gorzjw und Zielona Gjra nach 1989 weiterhin als voneinander unabhängige Regionen. Der Systemwechsel brachte auch einen Wandel der Geschichtskultur in Polen mit sich, der sich vor allem in der Demokratisierung und Privatisierung der Erinnerung niederschlug. Dass Geschichte und Erinnerung in Polen seit 1989 einen besonders hohen Stellenwert hatten und haben, führt Anna Wolff-Powe˛ska darauf zurück, dass durch die häufige Unterbrechung der kulturellen Kontinuität ein starkes Bedürfnis nach einer »eigenen historischen Identität« herrscht. Viele Polen wollten mit der kommunistischen Vergangenheit abrechnen und mit bis 1989 geltenden Tabus brechen. Dies konnte bedeuten, sich nun verstärkt dem Lokalen zuzuwenden, wo sich das Nationale in einer Vielheit von Verflechtungen brach.23 In der Ziemia Lubuska wurde in diesem Zuge auch die deutsche Vergangenheit der Region wieder entdeckt. Nach Jahrzehnten, in denen die nichtpolnische Geschichte ausgeblendet oder heruntergespielt worden war, setzte nach 1989 vielerorts in Polen eine rege Beschäftigung damit ein. Diese Entwicklung lässt sich in den erneuten Wandel des polnischen Regionalismus einordnen, der nach 1989 »geradezu [eine] Karriere«24 erlebte, so der Historiker 20 Kowalczyk, Andrzej: Die polnische Staatsstrukturreform – ein nicht abgeschlossener Prozess, in: Bullmann, Udo (Hg.): Die Politik der dritten Ebene. Regionen im Europa der Union. Baden-Baden 1994, S. 332–336. 21 Stöver, Philip: Demokratisierung und Dezentralisierung. Staatsorganisationsreform im Kontext von Regime- und Regierungswechseln in Spanien, Polen und Großbritannien. Dordrecht 2012, S. 247. 22 Garszetcki, Stefan: Regionale Identität in Ostmitteleuropa – Europäische Integration von unten?, in: ders. u. a. (Hg.): Regionale Identität und transnationale Räume in Ostmitteleuropa. Dresden 2012, S. 45. 23 Wolff-Powe˛ska, Anna: Strategien der Erinnerung in Polen – die zivilgesellschaftliche Alternative, in: FranÅois, Etienne u. a. (Hg.): Geschichtspolitik in Europa seit 1989. Deutschland, Frankreich und Polen im internationalen Vergleich. Göttingen 2013, S. 68–70. 24 Traba, Regionalismus in Polen, 2003, S. 275.

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und Kulturwissenschaftler Robert Traba. Er entwarf in diesem Zusammenhang in den 1990er Jahren die Vision des »offenen Regionalismus«.25 Dessen Ziele wollte Traba durch den »Aufbau eines Netzes von Kontakten und Verbindungen erreichen, dessen Teilnehmer – aus reichen persönlichen Erfahrungen, den Spezifika von Regionen und Nationen schöpfend – eine Zivilgesellschaft und andauernde Fundamente des zeitgenössischen Europa schaffen.«26

Er wies dabei darauf hin, dass es sich um eine neue Form von Regionalismus handle, die nicht antimodern sei oder separatistische Ziele verfolge.27 Stattdessen sollte im Rahmen des offenen Regionalismus das größte »Manko« des gesellschaftlichen Lebens vor 1989 – die Geschlossenheit der Gesellschaft und der Mangel an Kontakten mit den Nachbarn – überwunden werden.28 Traba betonte, dass die Westgebiete für ihn erst »wiedergewonnen« seien, wenn »wir frei von Ideologie über sie sprechen können«.29 In diesem Sinne setzte in vielen Teilen der Westgebiete die Beschäftigung mit den nicht-polnischen Aspekten der Regionalgeschichte ein, aus Interesse an der gesamten Geschichte der Region und in dem Glauben, eine tatsächliche Aneignung könne nur durch die offene Beschäftigung mit der Vergangenheit erfolgen. Auch in der Ziemia Lubuska begann die Auseinandersetzung mit den »weißen Flecken« der Geschichte.30 Häufig fand die Beschäftigung mit der regionalen Geschichte in grenzüberschreitenden Projekten statt, um die bisherige Geschlossenheit der Gesellschaft auszugleichen. In diese Zeit fällt etwa die Gründung des Parks der Wegweiser und der Meilensteine der Zivilisation (Park Drogowskazjw i Słupjw Milowych Cywilizacji) durch Zbigniew Czarnuch. Czarnuch (geb. 1930), der 1945 nach Witnica (Vietz an der Ostbahn) bei Gorzjw kam, in Warschau und Posen Geschichte studierte und seit 1982 als Lehrer und Heimatforscher in Witnica aktiv war, hatte sich schon vor 1989 für die Geschichte der Region interessiert. Nach der politischen Wende ergriff er die Möglichkeit, auch die nicht-polnische Geschichte zu thematisieren, und stellte in dem 1995 eröffneten Park Andenken der Technikgeschichte aus der Ziemia Lubuska und aus Brandenburg aus. Schon vor 1989 hatten sich der Historiker Jerzy Zysnarksi und ab den 1990er Jahren auch 25 Traba, »Offener Regionalismus«, 2010, S. 61–72; Traba, Regionalkontexte, 2011–2012, S. 7– 12. 26 Fundacja Borussia Olsztyn, verfügbar unter : www.borussia.pl [17. 10. 2016]. 27 Aktualnos´c´ i poz˙ytecznos´c´ otwartego regionalizmu. Marek Adamkowicz rozmawia z Robertem Traba˛ [Die Aktualität und der Nutzen des offenen Regionalismus. Marek Adamkowicz spricht mit Robert Traba], in: Borussia 2012/52, S. 53. 28 Traba, »Otwarty regionalizm«, 2010, S. 11. 29 Gespräch zwischen Robert Traba und Wojciech Chmielewski 2004, verfügbar unter : www.borussia.pl [17. 10. 2013]. 30 Mikołajczak, »Biała plama«, 2010, S. 69.

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der Kulturwissenschaftler Robert Piotrowski mit dem deutschen Kulturerbe der Region beschäftigt. Ab den 1990er Jahren erschienen Publikationen, die das Vorkriegs-Landsberg thematisierten,31 2003 wurde das deutsch-polnische Projekt »Neumark – die vergessene Provinz« (Nowa marchia – prowincja zapomniana) ins Leben gerufen, das sich im Rahmen von Konferenzen und Publikationen mit der Geschichte der Region auseinandersetzt. 2010 organisierten das Staatsarchiv Gorzjw und das Brandenburger Landeshauptarchiv Potsdam gemeinsam die Ausstellung »Zwei Namen, eine Geschichte«. Im Museum in Zielona Gjra waren ab Anfang der 1990er Jahre Ausstellungen zu sehen, die sowohl die deutsche Vergangenheit der Stadt in den Blick nahmen als auch die ostpolnische Herkunft vieler Siedler thematisierten.32 Es entstanden mehrere Bände über bekannte Einwohner Grünbergs und Zielona Gjras,33 und in den Jahren 1999 und 2000 erschienen im lokalen Teil der Gazeta Wyborcza (Wahlgazette) wöchentlich Artikel, die jeweils zwei Jahre der Geschichte von Grünberg und Zielona Gjra zwischen 1901 und 2000 erzählten.34 Anfang der 1990er Jahre begann in der Ziemia Lubuska auch eine Auseinandersetzung mit der Vertreibung der Deutschen.35 Durch die Lage an der deutsch-polnischen Grenze hat die wirtschaftliche, infrastrukturelle, kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland mittlerweile einen hohen Stellenwert für die Entwicklung der Region, etwa im Rahmen der beiden 1993 gegründeten Euroregionen, die auf dem Gebiet der Ziemia Lubuska liegen, oder auch der sogenannten Oderpartnerschaft. 31 Paszylka-Paterczyk, Iwona: Gorzjw Wielkopolski na starych pocztjwkach [Gorzjw Wielkopolski auf alten Postkarten]. Gorzjw Wlkp. 1996; Rymar, Dariusz / Rymar, Edward: Landsberg an der Warthe – Gorzjw Wielkopolski. 1257–1998. Gorzjw Wlkp. 1997; Finster, Jjzef T. / Piotrowski, Robert: Gorzjw wczoraj i dzis´ [Gorzjw gestern und heute]. Gorzjw Wlkp. 1998; Baran´ski, Dariusz u. a. (Hg): Kronika wieku. Landsberg 1900–2000 Gorzjw [Chronik des Jahrhunderts. Landsberg 1900–2000 Gorzjw]. Gorzjw Wlkp. 2002. 32 Cincio, Gromadzenie, 2015, S. 352–356. 33 Szczegjła, Znani zielonogjrzanie, 1996; Krutulski, Leszek: Zielona Gjra XIX i XX wieku w starej i nowej fotografii [Das Zielona Gjra des 19. und 20. Jahrhunderts auf alten und neuen Fotografien]. Zielona Gjra 2000; Bartkowiak, Przemysław u. a. (Hg.): Zapisali sie˛ w dziejach S´rodkowego Nadodrza. Szkice biograficzne [Sie gingen in die Geschichte des Mittleren Odergebiets ein. Biographische Skizzen]. Zielona Gjra 2009. 34 Zur Beschäftigung mit dem deutschen Kulturerbe in der Ziemia Lubuska siehe etwa: Mykietjw / Tureczek, Władza, 2010; Piotrowski, Landsbergs, 2007, S. 60–88; Brencz: Das deutsche Erbe, 2003; Muszyn´ski, Jan: Aus den Erfahrungen eines Denkmalpflegers, in: Mazur, Zbigniew (Hg.): Das deutsche Kulturerbe in den polnischen West- und Nordgebieten. Wiesbaden 2003, S. 103–121; Rymar, Dariusz: Das Zantocher Grenzland an der Wende zweier Epochen, in: Mazur, Zbigniew (Hg.): Das deutsche Kulturerbe in den polnischen Westund Nordgebieten. Wiesbaden 2003, S. 57–71. 35 Dolan´ski, Dariusz: Ewolucja regionalnej historiografii na S´rodkowym Nadodrzu po 1945 roku [Die Evolution der regionalen Historiographie im Mittleren Odergebiet nach 1945], in: Rocznik Lubuski 2006/1, S. 61.

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Neben der Entdeckung der deutschen Geschichte rückte in der Ziemia Lubuska auch die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Vergangenheiten der einzelnen Teile, aus denen die Region zusammengesetzt war, ins Blickfeld. So begann etwa die Stadt Z˙ary ihre Lausitzer Wurzeln zu erkunden,36 während in Zielona Gjra zunehmend die Zugehörigkeit zu Schlesien betont und in Gorzjw die Geschichte der Neumark erforscht wurde. Die unterschiedliche Geschichte der verschiedenen Teile der Ziemia Lubuska war zwar auch vor 1989 angesprochen worden, doch hielt sich die tatsächliche Beschäftigung damit in engen Grenzen. Für die Ziemia Lubuska bedeutete der Paradigmenwandel zu Beginn der 1990er Jahre nicht nur die Möglichkeit der Beschäftigung mit der Vorkriegsvergangenheit, sondern auch eine erneute Auseinandersetzung mit der Sinnhaftigkeit des Konzeptes »Ziemia Lubuska«. Das lag nicht zuletzt daran, dass nun offen die Strategie der Partei hinsichtlich der Westgebiete thematisiert wurde,37 die Motive der Schaffung der Ziemia Lubuska also offen lagen. Die Inkohärenz des Begriffs war fast von Beginn an in wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Publikationen thematisiert, das Konzept der Konstruktion der Ziemia Lubuska an sich aber nie in Frage gestellt worden. Dies änderte sich in den 1990er Jahren spürbar, was sich in den die geplante Verwaltungsreform begleitenden Diskussionen vor Ort ausdrückte. Seit Beginn der 1990er Jahre wurde in Polen bereits über die Revision der regionalen Zersplitterung und die Rückkehr zu selbständigen Woiwodschaften diskutiert. Bis 1998 gelang es jedoch keiner polnischen Regierung, dieses Problem konstruktiv anzugehen.38 Im Rahmen der stark vom Machtkalkül der größeren Parteien geprägten Debatte39 entstanden wiederholt neue Konzepte der territorialen Gliederung des Landes. Die Ziemia Lubuska fand sich je nach Vorschlag in unterschiedlichen Woiwodschaften wieder und war gewöhnlich nicht als Einheit vorgesehen.40 Im Jahr 1998 schließlich nahm sich die Regierung von Ministerpräsident Jerzy Buzek der konkreten Reform an. Nach wie vor standen Konzepte mit stark differierenden Anzahlen an Woiwodschaften – zwischen 12 und 25 – zur Debatte. Der lange favorisierte, auf zwölf Woiwodschaften abzielende Entwurf sah vor, die Ziemia Lubuska auf die drei neu entstehenden Woiwodschaften Niederschlesien, Großpolen und Westpommern aufzuteilen. Für die Region hätte diese Lösung die Degradierung der beiden 36 Rostkowska, Katja: Lebuser oder Lausitzer? Z˙ary (Sorau) auf der Suche nach seiner regionalen Identität, in: Vogenbeck, Bernd u. a. (Hg.): Terra Transoderana. Zwischen Neumark und Ziemia Lubuska. Berlin u. a. 2008, S. 211. 37 Wolff-Powe˛ska, Die doppelte Identität, 2001, S. 27. 38 Gorzelak / Jałowiecki, Reforma, 1999, S. 17. 39 Stöver, Demokratisierung, 2012, S. 279. 40 Gorzelak / Jałowiecki, Polska, 1993, S. 121.

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bisherigen Hauptstädte sowie eine weitere Peripherisierung bedeutet. Die Funktion als Woiwodschaftssitz sicherte in Gorzjw und Zielona Gjra Arbeitsplätze, den Zuzug von Fachkräften und den Fortbestand wichtiger Institutionen. Vor dem Hintergrund, dass Zielona Gjra in den 1990er Jahren ohnehin als »kulturelle Wüste«,41 so Korcz, wahrgenommen wurde, bestand die Gefahr einer Abwärtsspirale. So ist es nicht verwunderlich, dass die geplante Reform vor Ort von regen Debatten begleitet wurde, die sich insbesondere in zahlreichen Artikeln in der Gazeta Lubuska, der Ziemia Gorzowska und den damals von der LTN herausgegebenen, populärwissenschaftlichen Studia Zielonogjrskie widerspiegelte. Die Diskussionen drehten sich einerseits – vor allem in der Tages- und Wochenpresse – um die Möglichkeit, eine eigene Woiwodschaft zu stellen bzw. um die Konsequenzen einer Angliederung an eine andere Woiwodschaft und andererseits – insbesondere innerhalb der intellektuellen Eliten – um Fragen des Status und des Begriffs der Ziemia Lubuska. Während in Zielona Gjra recht schnell das Konzept einer gemeinsamen Woiwodschaft mit Gorzjw klar favorisiert und breit propagiert wurde, begann in Gorzjw zunächst offenbar die Auslotung des »kleinsten Übels«. Abgesehen von dem – gänzlich unrealistischen – Erhalt der jetzigen Woiwodschaft schien der Bevölkerung keine Lösung optimal. Denn in Gorzjw befürwortete die öffentliche Meinung keinesfalls so eindeutig wie in Zielona Gjra die Lösung einer »Woiwodschaft Lebus«. Die geplante Angliederung an die Woiwodschaft Westpommern stieß zwar auf großen Widerstand, viele hofften jedoch auf die Möglichkeit, die Region an Großpolen anschließen zu können, nicht zuletzt weil Gorzjw Wielkopolski sich endlich innerhalb der Grenzen von Wielkopolska (Großpolen) befunden hätte. Sicherlich nährte sich dieses Zögern aus den Erfahrungen der Dominanz Zielona Gjras in den Jahren 1950 bis 1975. Vor diesem Hintergrund stellte Gorzjw als Bedingung für eine potentielle gemeinsame Woiwodschaft die Aufteilung des Woiwodschaftssitzes auf zwei Städte.42 Die Voraussetzungen für die gemeinsame Woiwodschaft schienen nicht ideal. Zahlreiche polnische Politiker hatten sich gegen eine eigenständige Woiwodschaft Lebus ausgesprochen, weil diese wirtschaftlich schwach sein würde, so etwa der Wirtschaftswissenschaftler Jerzy Regulski.43 Empörung in der Region lösten in diesem Zusammenhang gefallene Bemerkungen aus, Zielona Gjra sei 41 Wspomnienia prof. Władysława Korcza (1995 r. w 50-lecie Zielonej Gjry) [Erinnerungen von Prof. Władysław Korcz (1995 zum 50-jährigen Jubiläum Zielona Gjras)], in: Wijas, Zarys, 2012, S. 54. 42 Borek, Zbigniew : Wojewjdztwo z symetria˛ i rjwnowaga˛ [Eine Woiwodschaft mit Symmetrie und Gleichgewicht], in: Gazeta Lubuska, Nr. 76, 31. 3. 1998, S. 4. 43 Sobiecki, Marek: Lubuskie skansenem ubjstwa?! [Die Woiwodschaft Lubuskie als Freiluftmuseum für Armut?], in: Gazeta Lubuska, Nr. 71, 25. 3. 1998, S. 2.

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»unterentwickelt« und eine mögliche Woiwodschaft Lebus zu labil (im Gegenteil zu stabilen Regionen mit einer lokalen Identität).44 Insbesondere die Gazeta Lubuska hatte sich dem Projekt verschrieben, die gemeinsame Woiwodschaft zu propagieren. Im Januar und Februar 1998 druckte sie zahlreiche Artikel, Meinungen und Leserbriefe unter dem Stichwort »Unser Haus an Oder und Warthe« ab. Dies war eine Anspielung an die Erinnerungen der Neusiedler, die unter dem Titel »Mein Haus an der Oder« in den 1960er bis 1980er Jahren erschienen waren und zielte eindeutig darauf ab, Erinnerungen an die Zeit der gemeinsamen Woiwodschaft zu wecken. Die Warthe in den Titel aufzunehmen war sicherlich an die Gorzjwer gerichtet, die sich aufgrund der Lage der Stadt stets enger mit der Warthe als der Oder verbunden gefühlt hatten. Eine nicht-repräsentative Umfrage, die das Blatt im Februar unter der Leserschaft durchgeführt hatte, zeigte, dass sich zwar die Bewohner Zielona Gjras zu 84 Prozent für eine gemeinsame Woiwodschaft aussprachen, die Bevölkerung Gorzjws jedoch zu 69 Prozent dagegen. Auch zeigte die Befragung, dass die Gorzjwer das Konzept der 25 Woiwodschaften favorisierten, in dessen Rahmen es eine Chance auf den Erhalt der Woiwodschaft Gorzjw gegeben hätte. In Zielona Gjra hingegen bevorzugte die Mehrheit das Konzept der 17 Woiwodschaften, welches auf eine gemeinsame hinausgelaufen wäre. Einig waren sich die beiden Lager einzig darin, dass das Konzept der zwölf Woiwodschaften für sie nicht in Frage kam.45 Wenngleich die Zahlen nicht repräsentativ waren und eine deutlich höhere Teilnahme aus Zielona Gjra zu verzeichnen war, ist daraus doch die Skepsis in Gorzjw gegenüber dem Projekt abzulesen. Zeitgleich fand die Diskussion auch auf den Seiten der Gorzjwer Kulturzeitschrift Ziemia Gorzowska statt, wenn auch nicht in derselben Intensität. Zunächst drehte sich die Debatte hier um die Frage, welcher Woiwodschaft Gorzjw in einem Polen der zwölf Woiwodschaften zugeschlagen werden würde. Während die Bewohner der Stadt eine Vereinigung mit Großpolen bevorzugten, sah die Politik aus ökonomischen Gründen den Anschluss an Westpommern vor.46 Dies sei die »schwärzeste Möglichkeit«,47 weshalb die Ziemia Gorzowska dazu aufrief, gegen diese Entscheidung zu protestieren.48 Dass zeitgleich Gespräche zwischen Abgeordneten aus Gorzjw und aus Zielona Gjra hinsichtlich 44 Zwolin´ska, Graz˙yna: Labilny Lubuszanin [Der labile Lebuser], in: Gazeta Lubuska, Nr. 52, 3. 3. 1998, S. 4; Sobiecki, Marek: »Niedorozwinie˛ta« Zielona Gjra? [Unterentwickeltes Zielona Gjra?], in: Gazeta Lubuska, Nr. 27, 2. 2. 1998, S. 1f. 45 Gołdyka, Leszek u. a.: Nasz dom nad Odra˛ i Warta˛ [Unser Haus an der Oder und an der Warthe], in: Gazeta Lubuska, Nr. 38, 14./15. 2. 1998, S. 5. 46 Zysnarski, Jerzy : Dwie mapy [Zwei Karten], in: Ziemia Gorzowska, Nr. 13, 26. 3. 1998, S. 1, 3. 47 Czy rza˛d wie gdzie lez˙y Gorzjw? [Weiß die Regierung, wo Gorzjw liegt?], in: Ziemia Gorzowska, Nr. 20, 14. 5. 1998, S. 1, 5. 48 Rosiak, Artur : Gorzowie, odbudz´ sie˛ ! [Gorzjw, wach auf!], in: Ziemia Gorzowska, Nr. 12, 19. 3. 1998, S. 1, 10.

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einer gemeinsamen Woiwodschaft stattfanden und eine Übereinkunft unterschrieben wurde, wurde eher am Rande behandelt. Das lag wohl zum einen daran, dass hier die Meinung zur Zusammenarbeit mit Zielona Gjra nicht so eindeutig war. Zum anderen »kämpfte« man in Gorzjw an zwei Fronten, da lange Zeit nicht absehbar war, aus wie vielen Woiwodschaften sich das zukünftige Polen letztlich tatsächlich zusammensetzen würde. Einerseits setzten sich die Gorzjwer für eine Woiwodschaft Lebus ein, gleichzeitig protestierten sie gegen den Zusammenschluss mit Pommern.49 Auch in Gorzjw fanden aber Demonstrationen für die Woiwodschaft Lebus statt.50 Nachdem die Entscheidung für die gemeinsame Woiwodschaft gefallen war, betonte Stanisław Nowak, erster Woiwode der Woiwodschaft Gorzjw : »Ich denke, dass die Entstehung der Woiwodschaft Lebus die beste Lösung für Gorzjw ist – von den möglichen.«51 Damit fasste er wohl in Worte, was viele Gorzjwer dachten – dass die gemeinsame Woiwodschaft eine Notlösung darstellte, weil der eigentliche Wunsch unerfüllbar war. Beistand für das Projekt der gemeinsamen Woiwodschaft kam von vielen Seiten. Anfang 1998 verfassten Parlamentarier aus Gorzjw und Zielona Gjra einen Brief mit der Bitte um Unterstützung und sendeten ihn im März an Abgeordnete und Senatoren. Der SLD-nahe52 Verein der Generation der Lebuser (Stowarzyszenie Pokolenia Lubuszan) erinnerte öffentlich daran, dass mit »großer Kraft« die regionale Gesellschaft aufgebaut worden war und diese durch die Neuaufteilung zerstört werden würde.53 Auch die Wissenschaft unterstützte die Kooperation. Im März 1998 fand eine Konferenz unter dem Titel »Ziemia Lubuska – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft«, statt, auf der unter anderem Szczegjła, Eckert und Toczewski Vorträge über Geschichte und Gegenwart der Ziemia Lubuska hielten und ihre Zustimmung zum Projekt der gemeinsamen Woiwodschaft bekundeten. Toczewski, der zu diesem Zeitpunkt bereits im Museum in Zielona Gjra arbeitete, nutzte die Einrichtung zur Werbung für das Projekt. Das Museum bereitete eine Ausstellung zur Pionierzeit in Zielona Gjra unter dem Titel »Unser Lebuser Haus« vor. Toczewski machte deutlich, dass man vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussionen an die Anfänge und die

49 Zysnarski, Dwie mapy, 1998, S. 1, 3, Rosiak, Artur : Posłowie kontraktuja˛ [Die Abgeordneten verhandeln], in: Ziemia Gorzowska, Nr. 13, 26. 3. 1998, S. 5. 50 Arent, Marek: Trzymajmy sie˛ ZIEMI [Halten wir an der ZIEMIA fest], in: Ziemia Gorzowska, Nr. 14, 2. 4. 1998, S. 1, 14. 51 Tworzyłem wojewjdztwo, 1998, S. 7. 52 SLD ist das Kürzel der polnischen sozialdemokratischen Partei Bündnis der Demokratischen Linken (Sojusz Lewicy Demokratycznej), die 1991 als Wahlbündnis zahlreicher Gruppierungen entstand. 53 Redakcja otrzymała [Was die Redaktion erhielt], in: Gazeta Lubuska, Nr. 64, 17. 3. 1998, S. 1, 4.

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Schaffung der neuen Gesellschaft mit eigenständiger Region und Identität denke.54 Am 13. März 1998 wurde die letzte (regionale) Hürde auf dem Weg zur gemeinsamen Woiwodschaft genommen. Abgesandte aus Gorzjw und Zielona Gjra trafen sich auf halber Strecke, in Mie˛dzyrzecz, um die Bedingungen für die Kooperation auszuhandeln. Das Ergebnis war die sogenannte Paradyz˙er Übereinkunft (Ugoda Paradyska55), die erstens die Schaffung einer Woiwodschaft Lebus forderte und zweitens festlegte, dass der Woiwode in Gorzjw, der Woiwodschaftstag aber in Zielona Gjra ansässig sein solle. Der Anfang des Jahres gegründete Verein zur Bewerbung und Gründung der Woiwodschaft Zielona Gjra (Stowarzyszenie na rzecz Promocji i Powołania Wojewjdztwa Zielonogjrskiego) nannte sich infolgedessen um in Verein zur Bewerbung und Gründung der Woiwodschaft Lebus und bereitete nun ein Volksbegehren zur Schaffung der Woiwodschaft vor, das in Artikel 1 festlegte: »Es entsteht die Woiwodschaft Ziemia Lubuska [sic!].« Artikel 2 bestimmte das Territorium, welches die Woiwodschaften Gorzjw, Zielona Gjra sowie die Kreise Głogjw und Wschowa umfassen sollte. Anschließend wurden Unterschriften gesammelt, die benötigten 100.000 kamen innerhalb weniger Wochen zusammen. Vor dem Hintergrund, dass die beiden Woiwodschaften zusammen gerade eine Million Einwohner zählten und sich also etwa zehn Prozent der Bevölkerung beteiligt hatte, war das ein beachtlicher Erfolg. Während der Diskussionen im Sejm fuhr eine Gruppe nach Warschau, um für das Projekt zu demonstrieren. Auch wurde die Fernstraße S´wiecko-Posen blockiert, um dem Anliegen Gehör zu verschaffen. Die Beharrlichkeit der Befürworter, ihr Protest und ihre Interventionen hatten Erfolg. Schließlich wurde die Gründung der Woiwodschaft Lebus beschlossen. Am 27. Juli 1998 unterschrieb der Präsident Polens das Gesetz über die dreistufige Verwaltung und die 16 Woiwodschaftstage, am 20. November 1998 wurde die Gründungsurkunde für die Woiwodschaft Lebus übergeben.56 Neben der Woiwodschaft Lebus entstanden auch die Woiwodschaften Heiligkreuz (Wojewjdztwo S´wie˛tokrzyskie), Oppeln (Wojewjdztwo Opolskie) und Kujawien-Pommern (Wojewjdztwo Kujawsko-Pomorskie), obwohl sie ursprünglich ebenfalls nicht geplant gewesen waren. Auch hier hatten die Bewohner aus Sorge, innerhalb größerer Woiwodschaften kein Gehör für ihre Belange zu finden, lautstark protestiert. Am 1. Januar 1999 wurde aus den bisherigen Woiwodschaften Gorzjw und 54 Toczewski, Andrzej: Nasz lubuski dom [Unser Lebuser Haus], in: Gazeta Lubuska Nr. 60, 12. 3. 1998, S. 6. 55 Benannt nach dem Ort der Zusammenkunft, Paradyz˙ (Paradies). 56 Toczek, Marzena 2013.

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Abbildung 8: Polen seit dem 1. Januar 1999

Zielona Gjra die Woiwodschaft Lebus. Erneut wurden einzelne Gemeinden umgeordnet, so gingen elf Gemeinden der Woiwodschaft Gorzjw an die neue Woiwodschaft Westpommern und zwei an die Woiwodschaft Großpolen, auch die ehemalige Woiwodschaft Zielona Gjra musste einen Teil an die Woiwodschaft Großpolen abtreten. Wie bereits in der Übereinkunft von Paradyz˙ festgelegt, erhielt die Woiwodschaft zwei Zentren – Gorzjw als Sitz des Woiwoden und Zielona Gjra als Sitz des Sejmik-Marschalls.57 Der Name der neuen Woiwodschaft fügte sich in die polenweite Namensgebungspolitik ein, welche den Regionscharakter der Woiwodschaften unterstreichen sollte.58 Auch pragmatische Gründe sollen zu der Entscheidung beigetragen haben, da »Woiwodschaft Lebus« besser klinge als »Woiwodschaft Mittleres Odergebiet« (Wojewjdztwo S´rodkowonadodrzan´skie).59 In der Ziemia Lubuska führte der Name der Woiwodschaft sogleich wieder zu einer Auseinandersetzung mit der Problematik des Begriffs. In der ersten Ausgabe des Jahres 1999 der Gorzjwer Kulturzeitschrift Trakt widmete der Gorzj57 Diese Lösung wurde auch für die Woiwodschaft Kujawsko-Pomorskie gefunden, wo der Regierungssitz auf die Städte Bydgoszcz und Torun´ aufgeteilt wurde. Ein Sejmik (etwa: kleines Parlament) ist eine polnische Institution regionaler Selbstverwaltung auf Woiwodschaftsebene. 58 Chwalba, Andrzej: Kurze Geschichte der Dritten Republik Polen 1989 bis 2005. Wiesbaden 2010, S. 59. 59 Toczewski, Paradygmaty, 2004, S. 33.

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Abbildung 9: Die Woiwodschaft Lebus nach der Verwaltungsreform 1998

wer Historiker Zdzisław Linkowski der Bezeichnung »Ziemia Lubuska« einen zweiseitigen Artikel. Dabei war er sich der historischen Inkohärenz bewusst, betonte aber, dass für Politiker das Integrationspotential eines solchen Begriffs wichtiger sei. Ähnlich wie Jahrzehnte zuvor Sczaniecki plädierte Linkowski dafür, das Adjektiv »Lebuser« zu nutzen, um die Identität der Woiwodschaft zu stützen. Die Bezeichnung Ziemia Lubuska hingegen solle der historischen Ge-

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gend vorbehalten bleiben.60 Der ebenfalls in diesem Artikel von Marschall Andrzej Bochen´ski vorgeschlagene Begriff der »Lubuszczyzna« hat sich offensichtlich nicht durchgesetzt. Der Name der Region sowie ihr Status erregten die Gemüter, noch bevor die Entscheidung zu gemeinsamen Woiwodschaft gefallen war. In den Diskussionen der Jahre 1997 und 1998 waren viele darin einig, dass man die Gegend bereits als Region bezeichnen könne, da sie »alle Kriterien«61 erfülle und es sich um ein Territorium handle, das sich durch historische, geographische und ökonomische Homogenität auszeichne und den Bewohnern ein Gemeinschaftgefühl gebe.62 Chmielewski hingegen betonte, dass der Regionsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen sei und es sich bei der Ziemia Lubuska vielmehr um eine Region »in statu nascendi« handle.63 Vor allem aber, so Bartkiewicz, existiere die Region im Bewusstsein ihrer Bewohner.64 Recht verbreitet war die Meinung, dass die bisherige gemeinsame Geschichte, wenngleich kurz, die Region begründet habe65 und es sich bei der Ziemia Lubuska um eine »Erfahrungsgemeinschaft«66 handele. Zur »Historisierung« der Region habe insbesondere die Entstehung der regionalen Wissenschaft beigetragen.67 Toczewski hingegen bezweifelte, dass sich tatsächlich eine eigenständige Region entwickelt habe, immerhin gäbe es in keiner anderen Gegend derart viele verschiedene geographische Attribute für die Ortschaften (Pommersch [Pomorski], Lebuser [Lubuski], Großpolnisch [Wielkopolski], Schlesisch [S´la˛ski], Lausitzer [Łuz˙ycki], Niederschlesisch [Dolnos´la˛ski]). Dennoch ging er davon aus, dass die Ziemia Lubuska eine Kulturregion darstelle, die in den vergangenen 50 Jahren entstanden sei.68 Viele andere Regionalisten und Wissenschaftler beantworteten die Frage pragma-

60 Linkowski, Zdzisław : Lubuszczyzna – czas i przestrzen´ [Lubuszczyzna – Zeit und Raum], in: Trakt. Pismo społeczno-kulturalne 1999–2000/20, S. 5f. 61 Baran, Janusz Stefan: Potencjał finansowy wojewjdztwa zielonogjrskiego [Das finanzielle Potential der Woiwodschaft Zielona Gjra], in: Studia Zielonogjrskie 1998, S. 16. 62 Siatecki, Alfred: Nasz dom nad Odra˛ i Warta˛ [Unser Haus an der Oder und der Warthe], in: Gazeta Lubuska, Nr. 20, 24./25. 1. 1998, S. 12–14. 63 Chmielewski, Grzegorz: Region in statu nascendi [Eine Region in statu nascendi], in: Studia Zielonogjrskie 1998, S. 18–23. 64 Bartkiewicz, Kazimierz: Trudny wybjr, ale chyba jednak S´rodkowe Nadodrze [Eine schwere Wahl, aber vielleicht doch Mittleres Odergebiet], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 11f. 65 Topolski, Jerzy : Jestem za Ziemia˛ Lubuska˛ [Ich bin für Ziemia Lubuska], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 44. Dies entsprach Topolskis Meinung, dass eine historische Region von Historikern geschaffen würde/werden könne: Topolski, Przestrzen´, 1995. 66 Czarnuch, Zbigniew : Niech sie˛ stanie Region Lubuski [Dann soll doch die Region Lebus entstehen], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 16. 67 Bartkiewicz, Trudny wybjr, 1997, S. 11f. 68 Toczewski, Andrzej: Rozwaz˙ania nad toz˙samos´cia˛ terytorialna˛ ´srodkowozachodniej Polski [Überlegungen zur territorialen Identität des mittleren Westpolens], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 9f.

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Ausblick: Die Ziemia Lubuska seit 1975

tisch, sie sahen in der Woiwodschaft eine »klassische Verwaltungseinheit«69 und in Zielona Gjra zwar noch keine richtige Hauptstadt, aber doch ein administratives Zentrum.70 Im Hinblick auf die Frage, ob Ziemia Lubuska oder S´rodkowe Nadodrze als Name besser geeignet seien, gingen die Meinungen stark auseinander. Während etwa die Historiker Eckert und Korcz sowie der Politiker Fiedorowicz eindeutig letzteren Begriff verteidigten,71 favorisierte der Stettiner Soziologe Leszek Gołdyka Ziemia Lubuska.72 Auch Siatecki hielt Ziemia Lubuska für den geeigneteren Begriff, für ihn verband er die Bewohner der beiden Woiwodschaften.73 Szczegjła hingegen betonte, dass im Laufe der Zeit S´rodkowe Nadodrze immer populärer geworden sei.74 Viel pragmatischer betrachtete Koniusz die Angelegenheit: letztlich spiele der Name keine Rolle, der Region fehlten zur Entwicklung vielmehr eine Universität und eine Zeitschrift.75 Fiedorowicz sorgte sich ebenfalls um das Gedeihen der Region: da sich Breslau und Posen nicht für die Ziemia Lubuska interessierten, müsse Zielona Gjra das Zentrum dieses Grenzgebietes sein, um eine ernsthafte Beschäftigung mit der Region zu gewährleisten.76 Wieder andere plädierten für die Verwendung beider Begriffe abhängig vom jeweiligen Kontext. Grzegorz Chmielewski und Dariusz Dolan´ski, beide Wissenschaftler aus Zielona Gjra, schlugen vor, Ziemia Lubuska als Bezeichnung für die historische Region, S´rodkowe Nadodrze dagegen in der Wissenschaft zu verwenden.77 Insgesamt wurde deutlich, dass zwar S´rodkowe Nadodrze aufgrund seiner Kohärenz präferiert, Ziemia Lubuska aber als der emotionalere Begriff wahrgenommen wurde. Er sei bereits im Bewusstsein der Menschen vorhanden und wecke Emotionen.78 Chmielewski betonte darüber 69 Gołdyka, Leszek: Uwagi socjologa [Anmerkungen eines Soziologen], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 25. 70 Eckert, Marian: Dlaczego powinno powstac´ Wojewjdztwo Ziemia Lubuska? [Warum sollte eine Woiwodschaft Ziemia Lubuska entstehen?], in: Studia Zielonogjrskie 1999, S. 18f. 71 Ebd., S. 18f; Fiedorowicz, Czesław : Czy Zielona Gjra jest os´rodkiem regionalnym, a S´rodkowe Nadodrze region? [Ist Zielona Gjra ein regionales Zentrum und das Mittlere Odergebiet eine Region?], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 23; Korcz, Władysław : Ziemia Lubuska czy S´rodkowe Nadodrze [Ziemia Lubuska oder Mittleres Odergebiet], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 44. 72 Gołdyka, Uwagi, 1997, S. 25f. 73 Siatecki, Alfred: Polesie albo Las Odrzan´ski? [Polesien oder der Oderwald?], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 40. 74 Szczegjła, Hieronim: Zielona Gjra jako os´rodek regionalny i ponadregionalny [Zielona Gjra als regionales und überregionales Zentrum], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 36. 75 Koniusz, Janusz: Wspjłczesne problemy z nazwami [Gegenwärtige Probleme mit den Namen], in: Studia Zielonogjrskie 1997, S. 27. 76 Fiedorowicz, Zielona Gjra, 1997, S. 23. 77 Chmielewski, Region, 1998, S. 18–22; Dolan´ski, Dariusz: Tu sie˛ urodziłem [Hier wurde ich geboren], in: Studia Zielonogjrskie 1998, S. 24f. 78 Bartkiewicz, Trudny wybjr, 1997, S. 11f.

Lubuskie – »Gut, dass es uns gibt«?

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hinaus den sympathischen Klang der Bezeichnung. Auch der Posener Historiker Topolski mischte sich in die Diskussion ein. Seiner Meinung nach sei der Name zweitranging, aber es sei eine Tatsache, dass sich eine Region um Zielona Gjra herum herausbilde. Für ihn habe die Bezeichnung Ziemia Lubuska gegenüber dem rein geographischen Begriff S´rodkowe Nadodrze den Vorteil, dass er eine integrierende Funktion übernehme.79 Czarnuch verkündete: »Ich fühle mich als Bewohner des Odergebietes, der mangels eines anderen sinnvollen Namens bereit ist, sich Lebuser [Lubuszanin] zu nennen […]«.80 Damit machte er erneut deutlich, dass die Bezeichnung für viele eher ein Kompromiss oder eine Notlösung war als ein Begriff, mit dem man sich wahrlich identifizierte. Es ist wichtig zu bedenken, dass dies eine Diskussion unter Regionalisten und Wissenschaftlern war, die sich mitunter seit Jahrzehnten mit dem Begriff auseinandersetzten und der Region besonders zugewandt waren. Eine im Jahr 1998 durchgeführte Umfrage des Posener Soziologen Zbigniew Mazur, der Lehrende in den Westgebiete zu ihrem Verhältnis zur Vergangenheit der Region befragte, zeigte hingegen, dass nur 36,6 Prozent in Zielona Gjra und 30 Prozent in Gorzjw »ihre« Region als Ziemia Lubuska bezeichneten. Die alternativen Begriffe, S´rodkowe Nadodrze und Ziemia Gorzowska wurden jedoch noch seltener genannt.81 Inwieweit der Einsatz für die gemeinsame Woiwodschaft und die heftige Diskussion um Namen und Status der Region ein Zeichen von regionaler Identität und eines Zusammengehörigkeitsgefühl von Gorzjw und Zielona Gjra waren, ist schwer zu sagen. Die Kooperation war eher aus der Not geboren, der Wunsch nach dem (administrativen) Bestand der unmittelbaren Heimat ist womöglich gar ein Zeichen für eine lokale Verbundenheit. Die Diskussionen zeigen allerdings auch, dass der Begriff der Ziemia Lubuska für diesen Prozess nicht unbedingt nötig war, sondern im Gegenteil eher weitere Zweifel hervorrief.

6.3

Lubuskie82 – »Gut, dass es uns gibt«?

2014 feierte die Woiwodschaft Lebus ihr 15-jähriges Jubiläum. Der Streit um die Frage ihrer Daseinsberechtigung ist leiser geworden, wenn auch längst nicht verklungen. Laut dem Marschallamt bewerteten 2008 zwei Drittel der Einwohner 79 Topolski, Jestem za, 1997, S. 44. 80 Czarnuch, Niech sie˛ stanie, 1997, S. 17. 81 In Zielona Gjra identifizierten sich 12,2 Prozent mit S´rodkowe Nadodrze, in Gorzjw 8,9 Prozent mit der Ziemia Gorzowska. Vgl. Mazur / Wawruch, Nauczyciele, 1998, S. 30f. 82 Lubuskie ist kurz für Wojewjdztwo Lubuskie, also die aktuelle Bezeichnung der Woiwodschaft.

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Ausblick: Die Ziemia Lubuska seit 1975

die Existenz der Region als positiv,83 und von offizieller Seite scheint es keine (offen geäußerten) Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Woiwodschaft Lebus zu geben. So verkündete das Woiwodschaftsamt anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Woiwodschaft: »Gut, dass es uns gibt«84 und feierte das Jubiläum mit einer Konferenz und Grußworten polnischer Politiker. Doch fällt es nach wie vor schwer, von einer stabilen Woiwodschaft zu sprechen. Czarnuch etwa deutete noch 2004 auf die »ungewisse Zukunft« der Woiwodschaft hin, weil sie nicht auf einer historischen Region basiere und der Konflikt zwischen Zielona Gjra und Gorzjw anhalte.85 Gerade dieser Antagonismus stellt nach wie vor ein erhebliches Problem dar. Jarosław Macała, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Zielona Gjra (Uniwersytet Zielonogjrski, UZ), bezeichnete die Woiwodschaft unlängst als »zerrissene Region«,86 in der die Unterschiede und Konflikte zwischen Nord und Süd weiterhin bestünden. Auch in offiziellen Publikationen der Woiwodschaftsverwaltung kommen die Autoren nicht umhin, die nach wie vor schwelende Konkurrenz zwischen Zielona Gjra und Gorzjw, den beiden »Unterregionen« (podregiony),87 zu thematisieren, wenngleich so positiv wie möglich formuliert: »In der Lebuser Region wirken zwei starke regionale Zentren, die nach der Maximierung der Entwicklungsmittel streben, was die Chancen auf eine harmonische, ganzheitliche Entwicklung der Woiwodschaft Lebus nicht durchkreuzt.«88

Diese Bewertung ist zumindest kritisch zu sehen, betrachten doch viele den Zwist der beiden Städte als eines der größten Hindernisse für die Integration der Region. Zusätzlich wird eine Identifikation mit der Woiwodschaft sicherlich dadurch erschwert, dass sie noch heute zu den wirtschaftlich schwächsten und am wenigsten dicht besiedelten Woiwodschaften Polens gehört. Bei ihrer Gründung Ende der 1990er Jahre nahm sie Platz 16 im Hinblick auf die Bevölkerungszahl, Platz 13 bei der Größe und Platz 11 hinsichtlich des Einkommens pro Einwohner ein. Auch wenn sich diese Zahlen ein wenig verbessert haben (Bevölkerung: 83 10 lat Wojewjdztwa Lubuskiego [10 Jahre Woiwodschaft Lubuskie]. Zielona Gjra 2010, S. 4. 84 »Dobrze, z˙e jestes´my – wojewjdztwo lubuskie ma 15 lat«, 2013, verfügbar unter : http://www. lubuskie.uw.gov.pl/aktualnosci/wydarzenia/Dobrze_ze_jestesmy_-_wojewodztwo_lubuskie_ ma_15_lat_wideo/idn:10405.html [17. 10. 2016]. 85 Czarnuch, Zbigniew : Na tropie toz˙samos´ci Ziemi Torzymskiej [Auf den Spuren der Idenität der Ziemia Torzymska], in: Toczewski, Andrzej (Hg.): Ziemia Lubuska. Studia nad toz˙samos´cia˛ regionu [Die Ziemia Lubuska. Studien zur Identität der Region]. Zielona Gjra 2004, S. 80. 86 Zit. n. Wste˛p [Einleitung], in: Nitschke, Bernadetta / Flakowski, Jarosław (Hg.): Lubuskie jako region w wspjłczesnym ´swiecie [Lubuskie als Region in der gegenwärtigen Welt]. Zielona Gjra 2009, S. 9. 87 10 lat, 2010, S. 7. 88 Ebd., S. 4.

Lubuskie – »Gut, dass es uns gibt«?

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Platz 15, BIP/EW: Platz 9), so ist die Woiwodschaft immer noch eines der Schlusslichter und liegt etwa hinsichtlich der Arbeitslosigkeit im landesweiten Vergleich im unteren Drittel.89 Im Jahr 2004 veröffentlichte Krzysztof Dzien´dziura ein soziokulturelles Profil der »Lebuser Region« und machte viele Schwachpunkte aus, so etwa den verhältnismäßig niedrigen Bildungsgrad der Bevölkerung.90 Vor dem Hintergrund dieser Probleme, die die ohnehin schwache Verankerung der Bevölkerung in der Region weiter erschweren, erscheinen Bestrebungen, die Woiwodschaft wieder zu liquidieren, nicht überraschend.91 Bezeichnend dafür ist etwa der Blog des Users »croolick«, der die Abschaffung der Woiwodschaft fordert, da es sich bei ihr um einen von den kommunistischen Machthabern geschaffenen, sinnlosen Mythos und eine der strukturschwächsten Gegenden des Landes handle. In seinem Blog stellt »croolick« die Region mit ihren historischen Grenzen und ihrer Geschichte vor und sammelt »Lügen der Lebuser Propaganda«. Der erste Eintrag aus dem August 2007 ist ein »Vorschlag einer Petition zur Liquidation der Woiwodschaft«. In der nur elf Einträge umfassenden Diskussion stimmten zwar einige Leser zu, andere waren aber der Meinung, diese Diskussion müsse ein Ende haben und man brauche die Woiwodschaft; ihr Name sei zwar nicht historisch korrekt, aber dafür würden weder Zielona Gjra noch Gorzjw bevorzugt.92 Um Kritik an der regionalen Zusammensetzung und historischen Kohärenz zu üben, muss nicht gleich die Daseinsberechtigung der Woiwodschaft in Frage gestellt werden. So vertritt der Direktor des Museums in Zielona Gjra, Andrzej Toczewski, seit langer Zeit die These, dass es ein »Lebuser Schlesien« (S´la˛sk Lubuski) geben sollte.93 Eine solche Region würde den nördlichen Teil des historischen Niederschlesiens umfassen und hätte Zielona Gjra als Zentrum. Er fordert dabei keine administrative Abspaltung, sondern schlicht eine begriffliche Neudefinition. Seiner Meinung nach sei das keine »revolutionäre Idee«, da immerhin schon lange die Umschreibung »niederschlesische Kreise der Woi-

89 Im März 2014 lag die Arbeitslosenquote bei 15,7 Prozent (polenweit 13,5 Prozent), was für die Woiwodschaft im landesweiten Vergleich Platz 11 bedeutete. Vgl. Bezrobotni oraz stopa bezrobocia wg wojewjdztw, podregionjw i powiatjw – stan na koniec marca 2014 r., 2015. 90 Dzien´dziura, Krzysztof: Profil socjokulturowy regionu lubuskigeo [Das soziokulturelle Profil der Region Lebus], in: Toczewski, Andrzej (Hg.): Ziemia Lubuska. Studia nad toz˙samos´cia˛ regionu [Die Ziemia Lubuska. Studien zur Identität der Region]. Zielona Gjra 2004, S. 221–243. 91 Czarnuch, Na tropie, 2004, S. 80. 92 ZlikwidujMY Lubuskie! [Liquidieren WIR Lubuskie!], verfügbar unter : http://lubuskie. blogspot.de/ [13. 10. 2016]. 93 Toczewski, Andrzej: Refleksja o stolicy S´la˛ska Lubuskiego [Reflexionen über die Hauptstadt des Lebuser Schlesiens], in: Studia Zielonogjrskie 2001, S. 17–24.

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wodschaft Lebus« verwendet werde.94 Zahlreiche regionale Akteure unterstützen ihn in dem Versuch, das Konzept des »Lebuser Schlesiens« zu etablieren, oftmals mit der Begründung, dass ihnen die Rolle Zielona Gjras als Hauptstadt der Ziemia Lubuska noch nie schlüssig erschienen sei.95 In einem Stadtführer von 2008 wird deutlich darauf hingewiesen, dass Zielona Gjra zu keinem Zeitpunkt zur historischen Ziemia Lubuska gehörte. Allerdings, so räumt der Autor ein, werde die Stadt zweifellos mit der Region in der Verbindung gebracht.96 Auch Begriffe wie Lebuser Neumark (Nowa Marchia Lubuska), Lebuser Großpolen (Wielkopolska Lubuska) oder Lebuser Lausitz (Łuz˙yce Lubuskie) wurden von verschiedenen Regionalisten aufgeworfen und zeugen bis heute von der andauernden Debatte um die Bezeichnung der Region und dem Bedürfnis nach historischen Bezügen.97 Parallel zu diesen Vorstößen wird der Begriff in der heutigen Woiwodschaft verständlicherweise weiter verwendet. Man findet ihn insbesondere in den Namen von Sportklubs, Vereinen und staatlichen Einrichtungen wie etwa der Bahn. Hierbei handelt es sich jedoch jeweils um das Adjektiv »lubuski«, das seit jeher unproblematischer war. Vor allem im Bereich des Tourismus und im Rahmen der Woiwodschafts-PR ist jedoch auch die Bezeichnung »Ziemia Lubuska« nach wie vor geläufig. So werden etwa auf der Homepage der Woiwodschaft Zielona Gjra und Gorzjw als Hauptstädte der Ziemia Lubuska bezeichnet.98 Die Homepage www.ziemialubuska.pl ist dem Tourismus der Woiwod94 Toczewski, Andrzej: Toz˙samos´c´ S´la˛ska Lubuskiego [Die Identität des Lebuser Schlesiens], in: Dolny S´la˛sk 2007/12, S. 123. 95 Bauer, Markus: Uwagi do dyskusji o nowej nazwie dla pjłnocnej cze˛´sci Dolnego S´la˛ska [Anmerkungen zur Diskussion um den neuen Namen für den nördlichen Teil Niederschlesiens], in: Dolny S´la˛sk 2007/12, S. 134–135; Czarnuch, Zbigniew : S´la˛sk Lubuski jako pocza˛tek intelektualnej przygody [Das Lebuser Schlesien als Beginn eines intellektuellen Abenteuers], in: Ebd., S. 129–130; Fechner, Wolfgang: S´la˛sk Lubuski ojczyzna˛ mojego dziecin´stwa [Das Lebuser Schlesien ist die Heimat meiner Kindheit], in: Ebd., S. 135; Kowalski, Stanisław : My, S´la˛sk Lubuski [Wir, Lebuser Schlesien], in: Ebd., S. 131–132; Masłowska, Małgorzata: S´la˛sk Lubuski. Wokjł poje˛cia [Lebuser Schlesien. Zum Begriff], in: Ebd., S. 139–143; Muszyn´ski, Jan: S´la˛sk Lubuski – nasz wspjlny dom [Lebuser Schlesien – Unser gemeinsames Haus], in: Ebd., S. 126–128; Myszkiewicz, Wiesław : Kilka uwag do problemu S´la˛ska Lubuskiego [Einige Anmerkungen zum Problem des Lebuser Schlesiens], in: Ebd., S. 133; Przyłe˛cki, Mirosław : Idea S´la˛ska Lubuskiego [Die Idee des Lebuser Schlesiens], in: Ebd., S. 136–139; Sachs, Rainer : Identyfikacja S´la˛ska Lubuskiego [Die Identifikation des Lebuser Schlesiens], in: Ebd., S. 130–131; Toczewski, Toz˙samos´c´, 2007, S. 123– 126. 96 Jerzynek, Marcin 2008. 97 O toz˙samos´ci lubuskiej z dyrektorem Andrzejem Toczewskim rozmawia Anitta Maksymowicz [Über die Lebuser Idenität spricht Anitta Maksymowicz mit dem Direktor Andrzej Toczewski], in: Muse&on. Informator Muzeum Ziemi Lubuskiej w Zielonej Gjrze, April 2013, S. 7. 98 Panorama stolic Ziemi Lubuskiej [Panorama der Hauptstädte der Ziemia Lubuska] [o. J.].

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schaft gewidmet, und viele Reiseführer tragen die Ziemia Lubuska im Titel.99 Dass der Tourismus besonders hartnäckig an dem Begriff der Ziemia Lubuska festhält, belegt auch der Reiseführer aus dem Jahr 1996 unter eben jenem Titel, der in einer Zeit erschien, in der die zwei Woiwodschaften voneinander unabhängig waren.100 Derweil beteiligte sich die katholische Kirche zu keinem Zeitpunkt an der begrifflichen Konstruktion der Region, wenngleich ihr eine integrative Funktion insbesondere bis 1989 nicht abzusprechen ist.101 Weder namentlich noch territorial bezog sich die zuständige Diözese jedoch auf das Bistum Lebus. 1945 entstand stattdessen die Apostolische Administration Gorzjw, 1972 das Bistum Gorzjw, das jedoch nur einen Teil der Ziemia Lubuska umfasste. Im März 1992 entstand schließlich das Bistum Zielona Gjra-Gorzjw, welches beide Woiwodschaften sowie einige Teile anderer Woiwodschaften umfasst. Bischofssitz ist Zielona Gjra, die Bischofskirche ist jedoch St. Marien in Gorzjw.102 Erstaunlicherweise wurde auch die 2001 gegründete Universität Zielona Gjra nicht für die Zwecke der Regionsbildung eingespannt. Der Verein »Lebuser Universität«, der in den 1990er Jahren die Zusammenlegung der WSP Zielona Gjra und der AWF Gorzjw zu einer Lebuser Hochschule forderte, löste sich nach der Gründung der bis heute namenlosen Universität auf. Mehrmals gab es seitdem Vorstöße, die Universität umzubenennen und Gorzjw einzubinden, die bisher allerdings erfolglos geblieben sind. Polenweit ist die Region zu Zeiten der Volksrepublik unter dem Begriff Ziemia Lubuska bekannt gemacht worden. Hier eine Veränderung zu bewirken, ist offenbar keine einfache Aufgabe. So weist etwa der Katalog der Warschauer Nationalbibliothek bei Eingabe des Stichwortes »S´rodkowe Nadodrze« darauf hin, dass er dieses Schlagwort nicht führe und man stattdessen unter »Ziemia Lubuska« suchen müsse. Neben dem Namen sorgte der schwache Wiederkennungswert der Woiwodschaft für Diskussionsbedarf. Viele der heutigen regionalen Traditionen und Identifikationsangebote haben ihre Wurzeln in der Volksrepublik. Das Weinfest ist nach wie vor die Hauptattraktion in Zielona Gjra und gilt als »kulturelle Tradition«,103 ebenso wie die in den 1940er und 1950er Jahren entwickelte regionale Version der Folklore: das Lebuser Gesangs- und Tanzensemble feierte im Jahr 2013 sein 60-jähriges Bestehen und ist ausgesprochen aktiv. Die 1947 99 Etwa die Broschüre »Perły Ziemi Lubuskiej« [Perlen der Ziemia Lubuska] aus dem Jahr 2013. 100 Kucharski, Bogdan / Malus´kiewicz, Piotr : Ziemia Lubuska. Przewodnik [Ziemia Lubuska. Reiseführer]. Warszawa 1996. S. 16. 101 Socha, Rola, 2007. 102 Put, Adrian 2013. 103 Kucharski / Malus´kiewicz, Ziemia Lubuska, 1996, S. 46.

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komponierte Hymne ist weiterhin der Festgesang der Woiwodschaft, täglich um 12 Uhr mittags erklingen in Zielona Gjra ihre ersten Takte vom Rathausturm. Taddeo Polacco und Kazimierz Lisowski, erstmals in den 1950er Jahren ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt, sollen auch heute Identifikationsfiguren darstellen. Während Gorzjw mittlerweile zum Vorkriegswappen zurückgekehrt ist, behielt Zielona Gjras über 1989 hinaus das 1960 von Korcz erkämpfte. Eine Monographie zur Geschichte der Woiwodschaft existiert bis heute nicht, die 2008 erschienene Publikation »Historia Ziemi Lubuskiej« konzentriert sich auf die Geschichte des Landes Lebus und erwähnt nur im Ausblick die Entstehung der Woiwodschaft im Jahr 1998.104 1999 entwarf Bogumiła Burda einen Lehrplan für Regionalgeschichte im Rahmen des allgemeinen Geschichtsunterrichts für die gesamte Region des »Mittleren Odergebiets«. Wie bereits im Geschichtsbuch aus den 1950er Jahren schlägt sie vor, den Widerhall polnischer Ereignisse in der Region zu behandeln, und legt einen Schwerpunkt auf die Verbindung der Region mit Polen.105 Eine »eigene« Regionalgeschichte ist hier nicht erkennbar. Insgesamt herrscht innerhalb der Lehrerschaft wenig Wissen über die Vergangenheit und über wichtige Ereignisse für die Region, wie Mazur und Wawruch 1998 herausfanden. In ihrer Umfrage konnten sie – abgesehen von Lisowski – keine berühmte Persönlichkeit ausmachen, die eine positive Identifikation mit der Region bewirkt hätte.106 Ähnliches galt für Literatur oder Filme, die mit den Städten verbunden waren. In Zielona Gjra wurde einzig der in Łagjw gedrehte Film »Godziny nadziei« (Stunden der Hoffnung, 1955) genannt, in Gorzjw Christa Wolfs Roman »Kindheitsmuster« (1976) und das künstlerische Werk von Jan Korcz (1901–1984).107 Traba nannte das ehemals ostpreußische Allenstein einmal eine »Stadt ohne Eigenschaften«, die immer noch in der Entstehung begriffen sei und der ein »robuster, kulturschaffender Identitätsbezugspunkt« fehle.108 Ähnlich ist das Problem offenbar im Fall der Ziemia Lubuska gelagert: Ein erstaunlich hoher Anteil von über 40 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage der Bewohner konnte im Jahr 1998 keine charakteristische Eigenschaft ihrer Region benennen, und weitere 13,3 Prozent in Gorzjw und 19 Prozent in Zielona Gjra waren der Meinung, es gebe keine solchen Eigenschaften.109 104 Toczewski, Andrzej: Historia Ziemi Lubuskiej [Die Geschichte der Ziemia Lubuska]. Zielona Gjra 2008. 105 Burda, Bogumiła: Przeszłos´c´ Ziemi Lubuskiej w gimnazjalnym programie nauczania historii [Die Vergangenheit der Ziemia Lubuska im Geschichtslehrplan für das Gymnasium]. Zielona Gjra 1999, S. 7–9. 106 Mazur / Wawruch, Nauczyciele, 1998, S. 34f, 38. 107 Ebd., S. 38. 108 Co zostało z rebelii prowincji? O wspjłczesnych wyzwaniach dla kultury [Was wurde aus der Rebellion der Provinz? Über die gegenwärtigen Herausforderungen für die Kultur], in: Borussia 2012/51, S. 28. 109 Mazur / Wawruch, Nauczyciele, 1998, S. 31.

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Bezeichnend für diese Eigenschaftslosigkeit sind die nach 1998 eingeführten Herrschaftssymbole der neuen Woiwodschaft, lassen sie doch jeden Bezug zur Vergangenheit der Region vermissen. Das Stadtwappen bildet zwei gelbe Sterne ab, die für die zwei Zentren stehen. Diese befinden sich vor einem die Lebuser Wälder repräsentierenden grünen Hintergrund. Das zweite Element des Wappens ist ein weißer Adler mit Krone auf rotem Feld – das polnische Wappentier.110 Schon zu Zeiten der Volksrepublik waren es stets nur zwei Attribute gewesen, die gemeinhin mit der Ziemia Lubuska assoziiert wurden: ihre Landschaft und ihre »urpolnische« Geschichte. Nachdem die Betonung der polnischen Geschichte nach der politischen Wende ihre Wichtigkeit verloren hatte, blieb der Ziemia Lubuska schließlich nur noch die Landschaft als Wiedererkennungsmerkmal.

Abbildung 10: Wappen der Woiwodschaft Lebus

Es handelt sich also um ein gänzlich künstliches Wappen, welches keine Verbindung zur Geschichte der Region herstellt, sondern einzig die Gegenwart widerspiegelt. Nur die große Bedeutung der Landschaft für die Region sowie die Besonderheit der zwei Zentren finden darin Ausdruck. Für die ebenfalls neu entworfene Flagge der Woiwodschaft wurden die Farben des Wappens schlichtweg kombiniert. Auch wenn man bedenkt, dass die regionale Identität der Bewohner in den Westgebieten generell schwächer ausgebildet ist als im übrigen Polen, sticht die Ziemia Lubuska durch eine besonders geringe territoriale Bindung ihrer Bevölkerung heraus, wie der Vergleich mit Ermland und Masuren zeigte.111 Diese Beurteilung ist mittlerweile über 15 Jahre alt, und sicherlich sind seit 1989 und 1998 Prozesse in Gang gekommen, die die Identifikation mit der Region befördern. So betont die Polonistin Małgorzata Mikołajczak, wie wichtig die 110 10 lat, 2010, S. 5. 111 Mazur / Wawruch, Nauczyciele, 1998.

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Ausblick: Die Ziemia Lubuska seit 1975

Abbildung 11: Flagge der Woiwodschaft Lebus

Wende des Jahres 1989 etwa für die Literatur der Ziemia Lubuska war, der sie eine identitätsstiftende Rolle zuschreibt.112 Doch noch 2009 konstatierten Nitschke und Flakowski, dass die Woiwodschaft »nach wie vor einen schwachen Wiedererkennungswert hat«.113 Dabei stehen die Zentren der Ziemia Lubuska vor ähnlichen Problemen wie die Region selber, so diagnostizierten Wissenschaftler Gorzjw Schwierigkeiten bei der Suche nach seiner Identität.114 Handelt es sich bei der Ziemia Lubuska also nur um einen »Mythos der Volksrepublik«,115 der heute nicht mehr anschlussfähig ist? Dieser Ansicht entgegenzuwirken, hat sich eine ganze Reihe von Institutionen und Personen vorgenommen, darunter Vertreter von Woiwodschaftsregierung, Presse, Tourismus, Kultur und Wissenschaft. Ein zentraler Punkt der PR-Strategie der Woiwodschaftsregierung ist das 2010 bekannt gegebene Motto der Woiwodschaft »Warte zachodu« (dt. »der Mühe wert«116). Das dazu gehörige Logo soll die »natürliche 112 Mikołajczak, Małgorzata: Tropy Topografii. Zwia˛zki mie˛dzy literatura˛ i miejscem w twjrczos´ci lubuskiej. Rzut oka wstecz i zarys perspektyw badawczych [Spuren der Topographie. Verbindungen zwischen Literatur und Ort im Lebuser Schaffen. Ein Blick zurück und ein Forschungsausblick], in: dies. (Hg.): Studia i szkice pos´wie˛cone literaturze lubuskiej [Studien und Skizzen zur Lebuser Literatur]. Zielona Gjra 2011, S. 20, 24f; Mikołajczak, »Biała plama«, 2010, S. 63–71. 113 Wste˛p [Einführung], in: Nitschke, Bernadetta / Flakowski, Jarosław (Hg.): Lubuskie jako region w wspjłczesnym ´swiecie [Lubuskie als Region in der gegenwärtigen Welt]. Zielona Gjra 2009, S. 7. 114 Lewandowski, Paweł: Toz˙samos´c´ lokalna Gorzowa. Mie˛dzy niemieckim dziedzictwem a polska˛ codziennos´cia˛ [Die lokale Identität Gorzjws. Zwischen deutschem Erbe und polnischem Alltag], in: Przegla˛d Zachodni 2012/1, S. 175f; Leszczyn´ski, Paweł: O kształtowaniu toz˙samos´ci Gorzowa – wybrane zagadnienia [Zur Herausbildung einer Identität Gorzjws – ausgewählte Fragen], in: Rymar, Dariusz / Sikorski, Juliusz (Hg.): Gorzjw Wielkopolski w 60-leciu, 1945–2005 [Gorzjw Wielkopolski zum 60-Jährigen, 1945–2005]. Gorzjw Wlkp. 2005, S. 155, 157. 115 Ziemia Lubuska czyli mit PRLu [Die Ziemia Lubuska bzw. ein Mythos der Volksrepublik Polen], 2009. 116 Es handelt sich dabei um ein Wortspiel, das nur auf Polnisch funktioniert. Zum einen kann

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Landschaft« der Woiwodschaft präsentieren. Die Farben sollen die Eigenschaften Vitalität und Dynamik (grün) sowie Offenheit und gute Atmosphäre (blau) transportieren.117 Dieses Logo ist seither auf Webseiten, Veranstaltungsankündigungen und Plakaten zu finden und soll so zu einem Corporate Design der Woiwodschaft beitragen. Das Marketing der Woiwodschaft zielt dabei vor allem auch nach innen, gilt doch der Standortfaktor Regionalbewusstsein als ein wesentlicher Faktor zur Mobilisierung der Potentiale von Wirtschaft und Gesellschaft.118

Abbildung 12: Offizielles Logo der Woiwodschaft Lebus

Die Woiwodschaftsverwaltung ist darüber hinaus an zahlreichen, meist touristischen, Publikationen zur Region beteiligt. Für den vom Fotografen Bogusław S´witała herausgegebenen Fotoband »Lubuskie. Tu jest najpie˛kniej« (Woiwodschaft Lebus. Hier ist es am schönsten) verfasste die Marschallin Elz˙bieta Polak (seit 2010) das Geleitwort, in dem sie die Attraktivität der Region hervorhebt und zum Besuch einlädt.119 An Publikationen wie dieser wird deutlich, welche Aspekte auch heute noch positiv mit der Ziemia Lubuska assoziiert werden: die Landschaft, die Altstadt von Zielona Gjra und dessen Weintradition.120 Die Gazeta Lubuska trägt allein schon durch ihren Namen zur Propagierung der Region bei. Darüber hinaus zeichnet ihre Redaktion verantwortlich für einen eher ungewöhnlichen Reiseführer aus dem Jahr 2013, für den 19 Journalisten des Blattes sich auf den Weg machten, die Woiwodschaft zu entdecken und zu beschreiben.121 Ihr Ziel war es, Reichtum und Schönheit der Region am Beispiel ausgewählter Thementouren – etwa zum Wein, zu den Spuren des Zweiten Weltkrieges oder zu Festungen – zu zeigen. Die daraus entstandenen Reportagen

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man es als das geflügelte Wort »der Mühe wert« übersetzten, zum anderen ist es eine Anspielung auf die Lage der Ziemia Lubuska im Westen Polens (zachjd). Markowe Lubuskie, verfügbar unter : http://lubuskie.pl/nowe-menu/menu-strony/zespolds-marki-lubuskie/markowe-lubuskie/ [13. 10. 2016]. Brunn, Gerhard: Einleitung, in: ders. (Hg.): Region und Regionsbildung in Europa. Konzeptionen der Forschung und empirische Befunde. Baden-Baden 1995, S. 10. S´witała, Bogusław : Lubuskie. Tu jest najpie˛kniej [Lubuskie. Hier ist es am Schönsten]. Bydgoszcz 2013. Ebd.; S´witała, Bogusław : Lubuskie [Lubuskie]. Bydgoszcz 2003. Niezwykłe i tajemnicze miejsca Ziemi Lubuskiej. Dziewie˛c´ szlakjw, dzie˛ki ktjrym moz˙na poznac´ nasz region [Ungewöhnliche und geheimnisvolle Orte der Ziemia Lubuska. Neun Routen, mit denen wir unsere Region kennenlernen können]. Zielona Gjra 2013.

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waren ursprünglich nur für den Abdruck in der Zeitung gedacht, wurden dann jedoch aufgrund der großen Resonanz auch als Buch veröffentlicht – wie im Bereich des Tourismus üblich mit der Regionsbezeichnung Ziemia Lubuska. Der Führer ist eindeutig an die Bewohner der Region gerichtet, die anhand der Touren »unsere Region kennenlernen« können. Dass das Titelbild eine Burg und einen Ritter abbildet, zeugt von dem anhaltenden Bedürfnis, die Region mit dem polnischen Mittelalter in Verbindung zu bringen. Ähnliche Ausflüge hatten in den 1950er Jahren schon einmal Journalisten der Gazeta Zielonogjrska unternommen, als sie mit dem Kajak die Woiwodschaft erkundeten, um den Lebusern und Polen deren touristische Vorzüge vor Augen zu führen. Auch von wissenschaftlicher Seite besteht Interesse am Aufbau bzw. der Stärkung einer regionalen Identität. Ein wichtiger Akteur ist die Universität Zielona Gjra, die über eine Historische Fakultät verfügt, deren Mitarbeiter im letzten Jahrzehnt zahlreiche Publikationen zur Region herausgaben. An der im Dezember 2013 von der Universität veranstalteten und vom Marschallamt finanzierten Konferenz »Ziemia Lubuska – pamie˛c´, toz˙samos´c´, krajobraz kulturowy regionu tworza˛cego sie˛« (Ziemia Lubuska – Erinnerung, Identität und Kulturlandschaft einer sich erschaffenden Region) nahmen zahlreiche Wissenschaftler teil, die sich in ihren verschiedenen Fachbereichen mit der Frage nach der Identität der Region auseinandersetzten. Die Teilnehmer waren hauptsächlich Mitarbeiter der UZ, des West-Instituts und der Museen aus der Ziemia Lubuska. Besonders aktiv zeigt sich das Muzeum Lubuskie in Zielona Gjra, dessen Direktor Toczewski die »Identität der Ziemia Lubuska« zu einem Hauptthema der Einrichtung gemacht hat. Er selber veröffentlichte 2004 den Sammelband »Ziemia Lubuska. Studia nad toz˙samos´cia˛ regionu« (Ziemia Lubuska. Studien zur Identität der Region),122 darüber hinaus gibt das Museum jährlich die Studia Zielonogjrskie heraus, die sich seit vielen Jahren immer wieder mit der »Lebuser Identität« befassen. Auch andere Mitarbeiter des Museums sind an diesem Prozess beteiligt, indem sie zur Vergangenheit der Region forschen und ihre Ergebnisse in populärer Form veröffentlichen. Die heutigen Versuche, die Ziemia Lubuska bekannter und anschlussfähiger zu machen, ähneln denen der 1950er und 1960er Jahre. Zunächst erschwert durch die Tabuisierung der Vergangenheit, fehlende Identifikationsmöglichkeiten und eine enge staatssozialistische Definition von Regionalismus, schließlich unterbrochen von der Verwaltungsreform im Jahr 1975, ist der Regionsbildungs- und Identitätsfindungsprozess, der die konkurrierenden Teile der Woiwodschaft Lebus zu integrieren sucht, erst seit 1998 wieder richtig im Gange. Die vergangenen und aktuellen Diskussionen um Namen, Daseinsbe122 Toczewski, Ziemia Lubuska, 2004.

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rechtigung und historische Kohärenz zeigen einerseits, dass die Ziemia Lubuska noch heute über keine ausgeprägte oder eindeutige Identität verfügt. Andererseits wird aber auch deutlich, dass ein Interesse an der Region besteht, das sich insbesondere im Engagement einiger Aktiver zeigt. Es scheint, als befände sich die Woiwodschaft aktuell in einem ähnlichen Identitätsfindungsprozess, wie ihn Breslau in den 1990er und frühen 2000er Jahren durchlebte.123 Wie in Breslau sind in der Ziemia Lubuska insbesondere die lokalen Eliten an diesem Prozess beteiligt. Dass sich dieser Prozess in der Ziemia Lubuska deutlich schwerfälliger gestaltet, liegt wohl an der komplizierten älteren und neueren Geschichte der Region. Auch die Tatsache, dass die Traditionsbildung der Ziemia Lubuska erst zu Zeiten der Volksrepublik begann, stellt ein Hindernis dar, ist das kommunistische Erbe Polens doch bis heute Gegenstand vieler gesellschaftlicher Kontroversen.

123 Thum, Die fremde Stadt, 2003, S. 519–526.

Schlussbetrachtungen

Das Territorium und die administrative Einteilung des Gebietes der Ziemia Lubuska waren zwischen 1945 und 1998 einem mehrmaligen Wandel unterworfen. Zunächst handelte es sich um eine Verwaltungseinheit innerhalb der Woiwodschaft Posen, dessen Zentrum Gorzjw als Sitz der Expositur einnahm. Ab 1950 wurde die Ziemia Lubuska – in leicht veränderten Grenzen – zu einer eigenständigen Woiwodschaft. Diese trug offiziell den Namen Woiwodschaft Zielona Gjra, doch wurde der Begriff Ziemia Lubuska weitgehend synonym verwendet, obgleich diese Praxis insbesondere von Wissenschaftlern schon früh kritisiert und oftmals vermieden wurde. Die Hauptstadtfunktion hatte nun Zielona Gjra übernommen. Im Zuge der Verwaltungsreform von 1975 entstanden auf dem Gebiet der Ziemia Lubuska zwei voneinander unabhängige Woiwodschaften, deren Territorium jedoch weiterhin unter der Bezeichnung Ziemia Lubuska zusammengefasst wurde. Schließlich führte die administrative Reform des Jahres 1998 zum erneuten Zusammenschluss der beiden Teile zu der gemeinsamen Woiwodschaft Lebus. Ob diese Grenzziehung von Dauer ist, wird die Zukunft zeigen. Die vorliegende Untersuchung hat unterschiedliche Mechanismen des regionbuilding herausgearbeitet. Die Konstruktion der Ziemia Lubuska und ihre Etablierung als »urpolnisches« Gebiet fanden auf verschiedenen Ebenen statt. Die territoriale Konstituierung der Ziemia Lubuska begann 1945 mit der Festlegung der Kreise, die unter diesem Begriff zusammenzufassen seien. Aufgrund administrativer Erwägungen erweiterten die Behörden die Grenzen der Ziemia Lubuska 1950 um zahlreiche Kreise, sodass ab jetzt ein deutlich größeres Gebiet diesen Namen trug. Zeitgleich begann der Prozess der Etablierung des Begriffs der Ziemia Lubuska für die Gebiete des ehemaligen Ostbrandenburgs, dem später einzelne Kreise aus dem ehemaligen Schlesien und Pommern sowie aus Großpolen hinzugefügt wurden. Erstmals 1945 öffentlich für diese Gebiete verwendet, wurde die Bezeichnung Ziemia Lubuska insbesondere in den 1940er Jahren durch wissenschaftliche Publikationen des Posener West-Instituts definiert,

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begründet und verbreitet. Der frühen Popularisierung des Begriffs dienten auch die regionale Presse, Reiseführer und erste Einrichtungen wie das bereits 1945 eröffnete Lebuser Museum in Gorzjw. Im Zuge der kulturellen Belebung der Ziemia Lubuska nach 1956 erhielten immer mehr regionale Institutionen den Zusatz »Lebuser«, was maßgeblich zur Verbreitung und Stabilisierung des Begriffs beitrug. Polenweite Aufmerksamkeit erhielt die Region und mit ihr der Begriff durch die außergewöhnlich aktive Lebuser Kulturgesellschaft. Auch der sich seit den späten 1950er Jahren herausbildende regionale Wissenschaftsbetrieb und die Tourismusbranche setzten sich die Verbreitung der Bezeichnung zum Ziel. Ein weiterer Schritt war die Konstruktion einer polnischen Vergangenheit der Ziemia Lubuska. Durch den Verweis auf die piastische Herrschaft über die Gebiete im frühen Mittelalter wurden sie als »urpolnisch« präsentiert. Ihr Verlust an die Brandenburger im 13. Jahrhundert und dessen Folgen, die in der langfristigen Schwächung und Gefährdung Polens gesehen wurden, wurde von der volkspolnischen Geschichtswissenschaft zur ganz Polen betreffenden Katastrophe stilisiert. Daraus wurde die Wichtigkeit der Zugehörigkeit der Ziemia Lubuska zu Polen abgeleitet. Der Zeitraum zwischen dem Mittelalter und der Gegenwart wurde entkonkretisiert und stillschweigend übersprungen. Die deutsche Geschichte der Ziemia Lubuska erfuhr eine Schmälerung, die Anwesenheit einer polnischen Minderheit bzw. die Kontakte zu Polen eine unverhältnismäßig starke Hervorhebung. Um dem Bild der »urpolnischen« Ziemia Lubuska gerecht zu werden, wurden die Stadtwappen der Region auf Geheiß der Regierung geändert und eine Hymne erfunden. Die Tradition des Weinanbaus wurde in Zielona Gjra weiter geführt und als polnische Tradition umcodiert. So schien die polnische Vergangenheit auch in der Gegenwart spürbar. Darüber hinaus gewann die Ziemia Lubuska durch regionale Diskurse an Substanz. Vor allem im Zuge der Diskussionen um die kulturelle, wissenschaftliche und touristische Rückständigkeit und die beklagenswerte Unbekanntheit der Ziemia Lubuska in der regionalen Presse in den 1950er und 1960er Jahren wurde die Region diskursiv geschaffen. Nicht zuletzt entwarfen Geschichtsbücher und Reiseführer ein Bild der Gegenwart der Ziemia Lubuska, das insbesondere auf der Betonung der Errungenschaften seit 1945 und auf dem Kontrast zum Entwicklungsstand der Städte zu deutscher Zeit basierte. Um die dauerhafte Besiedlung und Bewirtschaftung der Ziemia Lubuska und ihre vollständige Integration in den polnischen Staat sicherzustellen, sollte sich die Bevölkerung die neue Region aneignen. Um diese Aneignung zu ermöglichen, wurde die Herausbildung eines Gefühls der emotionalen Verbindung zur Ziemia Lubuska gefördert, insbesondere mithilfe des offiziellen Geschichtsbildes, aber auch durch die positive Darstellung der Gegenwart. Darüber hinaus sollte das Wissen über die Region die Identifikation mit ihr stärken, weshalb der

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Generierung und Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska hohe Priorität eingeräumt wurde. Dies galt in besonderem Maße für das Geschichtsbild, aber auch für aktuelle Entwicklungen und die Landschaft. Im Bereich der regionalen Geschichte stellten Schulbücher und der Schulunterricht, Märchen, Filme und Museumsausstellungen die wichtigsten Vehikel zu ihrer Vermittlung dar. Der Verbreitung von Wissen über die Gegenwart und die Landschaft der Ziemia Lubuska diente neben der lokalen Presse vor allem der Tourismus. Eine besonders wichtige Zielgruppe waren stets die Lehrer, die als Multiplikatoren von Kenntnissen über die Region verstanden wurden. Insbesondere die Lehrer der ersten Generation mussten sich allerdings selber erst Grundkenntnisse über die Ziemia Lubuska erarbeiten. Das zu verbreitende Wissen schufen Wissenschaftler und andere an der Ziemia Lubuska Interessierte, die sowohl aus der Region als auch von außerhalb stammten. Es wurden vorhandene Quellen (darunter deutsche) zusammen getragen, aber schon früh auch eigene Forschungsprojekte in den Bereichen Archäologie, Geschichte und Soziologie durchgeführt. Da keine polnische Literatur – weder wissenschaftliche noch touristische – zur Ziemia Lubuska vorlag, erkundeten Wissenschaftler aus Posen und auch der Landeskundler Orłowicz die Region in den 1940er Jahren persönlich, um sich ein Bild von der Ziemia Lubuska zu machen und es anschließend zu verbreiten. Eine aktive Form der Aneignung war die Beschäftigung mit der Ziemia Lubuska etwa durch das Engagement im Kulturleben, die Mitwirkung am Aufbau der Regionalforschung oder auch die eigene Entdeckung der Region durch landeskundliche und wissenschaftliche Exkursionen. Eine wichtige Rolle bei der Aneignung übernahm darüber hinaus die Lebuser Kulturgesellschaft. Sie integrierte die heterogene Bevölkerung, machte die Ziemia Lubuska bekannter, sorgte für die Belebung der Region und schuf Möglichkeiten der Partizipation an regionalen Entwicklungen. Außerhalb der Region hörte man von der Ziemia Lubuska in Schulbüchern, Reiseführern und immer wieder in der Polnischen Filmchronik. Auch die Austauschprogramme der TRZZ zwischen der Ziemia Lubuska und den zentralpolnischen Woiwodschaften hatten genau dies zum Ziel. Inwieweit die Bemühungen, der Bevölkerung die Aneignung zu erleichtern und Wissen über die Ziemia Lubuska zu verbreiten, erfolgreich waren, ist schwer zu sagen. Zwar belegen die soziologischen Studien der 1950er und 1960er Jahre, dass sich bei der Mehrheit der Befragten eine Bindung an die Region und ein »Lokalpatriotismus« herausgebildet hatten,1 was sich unter anderem in der zunehmenden Selbstbezeichnung als »Lebuser« widerspiegelte.2 Allerdings hat 1 Dulczewski, Socjologiczne, 1971, S. 120. 2 Dulczewski, LTK, 2001, S. 147.

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die vorliegende Arbeit gezeigt, dass die Identifikation mit der Ziemia Lubuska in der Gegend um Zielona Gjra viel stärker war als in der Region Gorzjw. Die Tatsache, dass alle regionalen Gesellschaften und Institutionen, ebenso wie die meisten Presseerzeugnisse, ihren Sitz in Zielona Gjra hatten, hatte die Bindung dort erleichtert. Dass mitunter zwar ein Verbundenheitsgefühl zum Wohnort, nicht jedoch zum Konzept der Ziemia Lubuska entstanden war, zeigte spätestens das Jahr 1975. Als die Ziemia Lubuska auf zwei Woiwodschaften aufgeteilt wurde, geriet der Begriff der Ziemia Lubuska im nördlichen Teil stark in den Hintergrund. In Gorzjw konzentrierte man sich stattdessen auf die Stadt selber und die sie unmittelbar umgebende Gegend. Auch im südlichen Teil der Ziemia Lubuska verschwand die Bezeichnung Ziemia Lubuska zunehmend zugunsten von S´rodkowe Nadodrze. Mitunter ist daher schwer auseinanderzuhalten, wann tatsächlich eine schwache Bindung an den Wohnort bestand und wann zwar ein lokales oder sogar regionales Verbundenheitsgefühl der Bevölkerung existierte, die Verwendung des Begriffs der Ziemia Lubuska hingegen abgelehnt bzw. kritisch gesehen wurde. Denn die häufigen Grenzänderungen und die andauernde Diskussion um die Regionsbezeichnung trugen sicherlich nicht dazu bei, ein Gefühl der Kontinuität und regionalen Zugehörigkeit entstehen zu lassen. Im Jahr 2000 durchgeführte Umfragen führten zu der Erkenntnis, dass die Bevölkerung der Woiwodschaft Lebus zwar eine starke Bindung zu Polen fühlte und immerhin noch 76 Prozent dem im Hinblick auf ihre Wohnorte zustimmten. Die eigene Bindung an die Region bewerteten jedoch nur 64 Prozent mit stark bis sehr stark, was der zweitniedrigste Wert im ganzen Land war.3 Doch finden seit 1989 auch neue Versuche der Aneignung der Region statt, etwa durch die Beschäftigung mit ihrer nicht-polnischen Vergangenheit oder erneut entflammte Diskussionen um die geographische und historische Richtigkeit des Begriffs Ziemia Lubuska. Spätestens seit das Gebiet der Ziemia Lubuska im Jahr 1999 wieder in einer Woiwodschaft zusammengefasst wurde, ist auch eine Renaissance der Begriffsverwendung zu verzeichnen, insbesondere im Tourismus und in der Selbstvermarktung der Woiwodschaft. Obgleich stets die Rede davon war, dass das gesellschaftliche und akademische Leben der Ziemia Lubuska in allen Bereichen von Null an aufgebaut werden musste, ist das nicht die ganze Wahrheit. Zwar ist es zutreffend, dass die Ziemia Lubuska in vielerlei Hinsicht eine tabula rasa darstellte, die von der zentralen Politik und den regionalen Akteuren erst noch beschrieben werden musste. 3 Sakson, Andrzej: Przemiany toz˙samos´ci lokalnej i regionalnej mieszkan´cjw Ziem Zachodnich i Pjłnocnych [Veränderungen in der lokalen und regionalen Identität der Bewohner der West- und Nordgebiete], in: Michalak, Andrzej u. a. (Hg.): Polskie Ziemie Zachodnie. Studia socjologiczne [Die polnischen Westgebiete. Soziologische Studien]. Poznan´ 2011, S. 89f.

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Auch stimmt es, dass oftmals auf keinerlei Traditionen rekurriert werden konnte – weder deutsche, wie Universitäten oder Kultureinrichtungen, noch polnische, wie Publikationen zur Region. Das lag nicht zuletzt daran, dass es die Ziemia Lubuska in dieser Form bis 1945 überhaupt nicht gegeben hatte. Doch existierten durchaus deutsche Archivquellen, Ausstellungsexponate, Reiseführer und Traditionen, auf die man zurückgreifen konnte und tatsächlich auch zurückgriff. Hinzu kamen die Erfahrungen und Traditionen, die die Neusiedler mitbrachten – wie Witold Karpyza, der schon einmal Pfadfindergruppen aufgebaut hatte oder Grzegorz Zarugiewicz, der Weinbaukenntnisse aus seiner alten Heimat importierte. Nicht zuletzt konnte man auf die Erfahrung auswärtiger Experten zählen, wie etwa die der Posener Wissenschaftler oder des Tourismusexperten Mieczysław Orłowicz. Die materiellen und immateriellen Hinterlassenschaften der Deutschen, die mitgebrachten Erfahrungen der Neusiedler, die Traditionen der Autochthonen und die Gepflogenheiten der Volksrepublik verschmolzen zu hybriden Traditionen. Dies zeigte sich besonders stark am Weinfest in Zielona Gjra, welches deutsche, ostpolnische, großpolnische und volkspolnische Elemente miteinander verband. Aber auch in den Museen, Reiseführern und der wissenschaftlichen Literatur kann man Spuren des Deutschen finden. Die Prozesse, die zur Belebung des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens in der Ziemia Lubuska und auch zur Verbreitung von Wissen geführt haben, wurden von verschiedenen Menschen und Institutionen vorangetrieben – in je unterschiedlicher Intensität vor bzw. nach 1956. Eine wichtige Funktion übernahmen von Anfang an die Mitarbeiter jener regionalen Institutionen, die relativ unmittelbar nach Kriegsende ihre Tätigkeit aufnahmen – Museen, Archive und Bibliotheken. Hier wurden – in sehr kleinem Rahmen – erste Studien zur Regionalgeschichte durchgeführt und die Verbreitung von Wissen über die Ziemia Lubuska von 1945 an betrieben. Auch Lehrer spielten von Anfang an eine entscheidende Rolle für die Beschäftigung mit der Region – sie waren nicht nur überdurchschnittlich häufig in den aktiven Kreisen vertreten, sondern fungierten in den Schulen als Multiplikatoren für das Wissen über die Region. Nach 1956 gesellten sich zu ihnen Funktionäre und Aktive der Gesellschaften, die im Zuge des »kulturellen Regionalismus« ins Leben gerufen wurden. Auffällig ist, dass sich in allen Bereichen – Kultur, Wissenschaft und Tourismus – über einen langen Zeitraum dieselben Personen engagierten, die im Verlauf der Zeit dort verschiedene Posten innehatten. So kann man sagen, dass es sich bei dem Einsatz für die Weiterentwicklung der Ziemia Lubuska keinesfalls um ein Massenphänomen handelte. Zwar nahmen viele Menschen an Veranstaltungen teil und wohnten etwa Vorträgen bei, doch handelte es sich bei den Aktiven um eine relativ geringe Zahl von Menschen, die sich dafür in vielen verschiedenen Bereichen und Gesellschaften gleichzeitig engagierte.

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Die Motive für die Beschäftigung mit der Ziemia Lubuska und das Engagement für den Aufbau eines akademischen Milieus waren verschieden gelagert. Viele Wissenschaftler waren schlicht an ihrem eigenen beruflichen Fortkommen interessiert,4 bei anderen überwog das Bedürfnis, die von ihnen bewohnte Region attraktiver zu gestalten und bekannter zu machen. Das Jahr 1956 ist als Mobilisierungsfaktor als besonders wichtig einzustufen, weil mit ihm Hoffnungen auf Liberalisierung verbunden waren, die dazu führten, dass viele bisher ausgeschlossene Menschen begannen, sich gesellschaftlich zu engagieren.5 Sicherlich spielte eine Rolle, dass in der Ziemia Lubuska in jedem Bereich Pionierarbeit geleistet werden musste und konnte. Nicht zu unterschätzen ist der institutionelle Rahmen, den die Lebuser Kulturgesellschaft und später auch die Lebuser Wissenschaftsgesellschaft boten. Deren Strukturen und Mobilisierungspotential haben einen wichtigen Beitrag zur kulturellen und wissenschaftlichen Belebung der Ziemia Lubuska geleistet. Viele der Aktiven hatten an der Universität in Posen studiert (etwa Jan Muszyn´ski, Wiesław Sauter, Bogdan Kres) und später bei einem der sich mit der Region befassenden Professoren promoviert (Władysław Korcz, Joachim Benyskiewicz). Auffällig ist auch der hohe Anteil von studierten Historikern, von denen viele zumindest zeitweise als Lehrer arbeiteten. Es wird deutlich, dass insbesondere Vertreter zweier Generationen am Aufbau des kulturellen und akademischen Lebens beteiligt waren. Zum einen handelte es sich um zwischen 1905 und 1915 Geborene (Sauter, Henryk Przybylski, Korcz), die unmittelbar nach Kriegsende in der Ziemia Lubuska aktiv waren. Zum anderen gehörten sie der 1930er-Generation an (Hieronim Szczegjła, Marian Eckert, Kres, Janusz Koniusz, Benyskiewicz), deren Engagement in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren begann, und die bereits von den Ausbildungsangeboten in der Ziemia Lubuska profitierten. Mit Ausnahme von Benyskiewicz, der in Nowe Kramsko geboren worden war, stammte keiner der Aktiven aus den Westgebieten, sondern sie waren – teilweise viele Jahre – nach Kriegsende aus Zentralpolen und den ehemals polnischen Ostgebieten in die Region gekommen. Das Beispiel von Leon Kruszona, auf dessen Initiative die TMG entstanden war und mangels Personals wieder erstarb, als er die Stadt verließ, macht deutlich, dass die Entwicklungen in der Ziemia Lubuska mitunter von einzelnen Personen abhingen. Das galt beispielsweise auch für Zarugiewicz – hätte der Weinkenner sich nicht zufällig in Zielona Gjra niedergelassen, wäre die Weintradition der Stadt womöglich nicht fortgesetzt worden. Sowohl im kulturellen wie auch im wissenschaftlichen Bereich spielte die lokale Presse eine Schlüsselrolle. Insbesondere die Gazeta Zielonogjrska, aber 4 Szczegjła, Zielonogjrska droga, 2007, S. 135f. 5 Hartwich, Das schlesische Riesengebirge, 2012, S. 156.

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auch Nadodrze trugen einen wesentlichen Teil dazu bei, die Diskussion um die Entwicklung der Ziemia Lubuska nicht nur publik zu machen, sondern sie überhaupt erst zu initiieren. Davon abgesehen waren fast alle für die Medien der Ziemia Lubuska arbeitenden Journalisten aktiv am kulturellen Leben und, noch vor der Herausbildung eines akademischen Milieus, an der Verbreitung von Wissen über die Region beteiligt.6 Schlüsselfiguren waren dabei insbesondere Irena Solin´ska, Redakteurin der Gazeta Zielonogjrska, und Janusz Koniusz, Publizist und Mitbegründer der LTK. Beide verfassten zahlreiche Leitartikel zum kulturellen Aufstieg der Region, waren aber auch Akteure dieses Prozesses. So stieß Solin´ska die Diskussion um die Gründung einer Hochschule in der Ziemia Lubuska an, über die beide immer wieder berichteten. Koniusz war neben seiner journalistischen Tätigkeit gleichzeitig auch in vielen Gesellschaften aktiv, so etwa in der Lebuser Kulturgesellschaft. Die regionalen Ableger der polenweiten Organisationen PZZ und TRZZ sollten explizit für die Integration und Entwicklung der Westgebiete sorgen und waren auch in der Ziemia Lubuska verantwortlich für die Unterstützung bzw. Initiierung regionaler Projekte. Neben regionalen Akteuren spielten insbesondere im ersten Nachkriegsjahrzehnt externe Akteure eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Ziemia Lubuska. Vor allem ein Kreis Posener Wissenschaftler beschäftigte sich in den 1940er und 1950er Jahren intensiv mit der Region. Dazu gehörten die Historiker Michał Sczaniecki, Jan Wa˛sicki, Zdzisław Kaczmarczyk und Jjzef Kostrzewski, die Geographin Stanisława Zajchowska sowie die Soziologen Andrzej Kwilecki und Zygmunt Dulczewski. Einige von ihnen waren Mitglieder der ersten Erkundung der Ziemia Lubuska im Jahr 1947 gewesen und pflegten seither enge Kontakte mit der Region. Mitunter hatte die frühe und intensive Beschäftigung mit der Ziemia Lubuska zu einer emotionalen Bindung geführt, so bei Sczaniecki und Zajchowska. Auch Dulczewski erklärte, dass ihn mit seinem Forschungsobjekt Pszczew eine »tiefe Sympathie«7 verbinde und noch 1996 gab er zu verstehen, dass ihn »bis heute alles interessiert, was dort passiert«.8 Nach der Etablierung regionaler Strukturen standen zahlreiche Posener Wissenschaftler weiterhin mit der Region in Verbindung. Viele beschäftigten sich nicht nur rein fachlich mit ihr, sondern nahmen aktiv an ihrer Belebung teil. So waren sie zum Teil Mitbegründer der LTK (Sczaniecki und Wa˛sicki) und hatten verschiedene Posten innerhalb der kulturellen und akademischen Strukturen der Zimia Lubuska inne. Im Bereich des Tourismus fanden sich ebenfalls von Anfang an einige Aktive 6 Ratus´, Kształcenie, 1971, S. 120f. 7 Dulczewski, O badaniach, 1996, S. 112. 8 Ebd., S. 113.

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Schlussbetrachtungen

vor Ort zusammen, doch stammten die ersten Reiseführer von der Posenerin Zajchowska und vor allem von Orłowicz, der sich mit allen Regionen der Westgebiete befasste. Erst ab den 1960er Jahren wurden die Reiseführer zunehmend von lokalen Autoren verfasst. Es wird also deutlich, dass die Ziemia Lubuska insbesondere in den 1940er und frühen 1950er Jahren in allen Bereichen auf Unterstützung von außen angewiesen war. Erst mit dem »kulturellen Regionalismus« Ende der 1950er Jahre begann ein Prozess, der dazu führte, dass zunehmend mehr regionale Akteure an der Entwicklung der Ziemia Lubuska beteiligt waren. Es wäre allerdings nicht richtig, von einer genuinen »regionalen Bewegung von unten« zu sprechen, immerhin fand die regionale Aktivierung im Rahmen des polenweit von der Partei propagierten »kulturellen Regionalismus« statt. Zwar kamen viele Impulse von den regionalen Akteuren, und eine Reihe von Bewohnern der Ziemia Lubuska setzte sich für die Weiterentwicklung der Region ein, doch wäre etwa die LTK nicht gegründet worden, hätte das Konzept der Gesellschaft nicht in die politische Agenda der PZPR gepasst. Zaremba spricht daher von »quasi-gesellschaftliche[n] Nichtregierungsorganisationen«.9 Vertreter von PZPR und PMRN waren oftmals bei den Sitzungen der Gesellschaft anwesend und hatten mitunter Führungspositionen inne. Auch handelte es sich bei den beiden wichtigen Pressepublikationen, die so maßgeblich an den Entwicklungen in der Ziemia Lubuska beteiligt gewesen waren, Gazeta Zielonogjrska und Nadodrze, um Parteiorgane.10 Motiviert war deren Beteiligung durch den Willen, die Region weiter zu entwickeln, denn die Notwendigkeit, eine kulturelle und wissenschaftliche Entwicklung anzustoßen, um die Region voranzubringen, wurde auch von der Partei gesehen. Auf der anderen Seite galt es, die Bewegung zu überwachen, »indem sie in ihrer Nähe war, [konnte sie] subtiler und weniger auffallend eingreifen«.11 Zumindest offiziell stellte auch das Bestreben, den Thesen westdeutscher Revisionisten vom Verfall der Ziemia Lubuska die Stirn zu bieten, einen Antrieb dar, die Bereiche Kultur, Wissenschaft und Tourismus auszubauen. Gerade im Hinblick auf die Erforschung der Region drängt sich in Anbetracht der politischen Rahmenbedingen die Frage auf, inwieweit das Engagement der regionalen Wissenschaftler von Eigeninteresse geleitet war oder ob die Aktivitäten vorrangig den politischen Vorgaben der PZPR dienten. Es ist nicht einfach, die Sphären eindeutig voneinander zu trennen, denn obgleich es sich bei den Studien zur Ziemia Lubuska im Mittelalter zwar nicht um »Auftragsarbeiten« handelte, so nutzten die Machthaber die Arbeiten doch für ihre Zwecke. Den9 Zaremba, Im nationalen Gewande, 2011, S. 93. 10 Dazu auch Zaradny, Władza, 2009, S. 623–631. 11 Ebd., S. 358.

Schlussbetrachtungen

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noch ist davon auszugehen, dass es ein tatsächliches Interesse von Autoren und der Gesellschaft an der Erforschung der Region gab.12 Zwar war die Aufnahme der Forschung oftmals politisch motiviert, doch zeigte sich, dass in dieser Zeit viele Regionalstudien entstanden und dass »das politische Klima in beeindruckendem Maße genutzt wurde, um das historische Wissen zu vertiefen«.13 Oftmals begannen die Historiker mit der Popularisierung der Geschichte der Region und setzten sich später im Rahmen eigener Forschungsprojekte eingehender mit der Ziemia Lubuska auseinander, so dass man hier von einem Prozess sprechen kann, der sich von »der Verbreitung fremder Ergebnisse« zur »gemeinsamen Schaffung von Wissenschaft«14 weiterentwickelte. Die Wissenschaftler der Region machten zwar Gebrauch von der offiziellen Sprache und verwendeten die gewollten Phrasen und Formulierungen, diskutierten aber die Begriffe, so wie es am Beispiel der »Ziemia Lubuska« nur zu deutlich wurde. Schon immer wurde offen thematisiert, dass der Begriff nicht zutreffend sei, aus pragmatischen Gründen aber dennoch verwendet wurde. Die sichtbaren Reibungen, etwa bei der Diskussion um die falschen Stadtwappen, die Künstlichkeit der Weintradition und vor allem auch den Begriff der Ziemia Lubuska, zeugen von einer mitunter lebendigen, kreativen und produktiven Beschäftigung mit der Region. Menschen wie die Posener Exkursionsteilnehmer oder auch Orłowicz, die die Region selber entdeckten, zeigten mehr als nur das nötige minimale Interesse. So wurde das politische Projekt der Schaffung und der Popularisierung der Ziemia Lubuska durch persönliches Engagement und Interesse regionaler Aktiver – im Rahmen der Möglichkeiten – mit Leben gefüllt. Als reiner Top-Down-Prozess hätte die Konstruktion der Region nicht funktioniert. Die besondere Dynamik im Bereich des Kulturlebens ließ bereits in den 1960er Jahren wieder nach und auch in der Erforschung der Region kann man ab einem gewissen Zeitpunkt wenig (inhaltliche) Weiterentwicklung erkennen. Zwar beschäftigten sich zahlreiche regionale Wissenschaftler über viele Jahrzehnte mit der Ziemia Lubuska, doch hielten sich der Zuwachs an Erkenntnis oder sichtbare Veränderungen in der Bewertung historischer Ereignisse stark in Grenzen. So ist von den politischen Zäsuren in den Forschungsarbeiten wenig bis gar nichts zu spüren und die einmal gesetzten Themen beschäftigten die Regionalforscher bis in die 1990er Jahre hinein. 12 Zaremba, Im nationalen Gewande, 2011, S. 175. 13 Dolan´ski, Dariusz / Ose˛kowski, Czesław : Dorobek i głjwne kierunki badan´ historycznych w Zielonej Gjrze (1945–2005) [Leistungen und wesentliche Richtungen der historischen Forschung in Zielona Gjra], in: Dolan´ski, Dariusz (Hg.): 50 lat Polskiego Towarzystwa Historycznego w Zielonej Gjrze [50 Jahre Polnische Historische Gesellschaft in Zielona Gjra]. Zielona Gjra 2005, S. 21. 14 Eckert, O lubuskim s´rodowisku, 1971, S. 23.

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Schlussbetrachtungen

Das Interesse an der Ziemia Lubuska zeichnete sich durch ein Gefälle zwischen dem Warschauer Zentrum und der Lebuser Peripherie aus. Grundsätzlich kamen die hier besprochenen geschichts- und kulturpolitischen Vorgaben freilich aus Warschau. Vor Ort entfalteten sie aber eine nicht zentral gelenkte Eigendynamik, deren Resultate nicht immer ihren Weg zurück ins Zentrum fanden. Die regionalen Akteure blieben auch dann noch der Beschäftigung mit der Ziemia Lubuska treu, als die Integration der Westgebiete zu Beginn der 1970er Jahre offiziell als abgeschlossen galt. Welche Schlüsse lässt schließlich der Fall der Ziemia Lubuska über den Regionalismus in der Volksrepublik zu? Definiert man Regionalismus als Streben nach regionaler Selbstverwaltung, so gab es diesen in der Ziemia Lubuska sicherlich zu keinem Zeitpunkt. Geht man stattdessen, wie die Zeitgenossen, von Regionalismus als Beschäftigung mit der Region und der Verbreitung von Wissen über sie aus, so kann man von einem sich durch die Jahrzehnte hinweg durchziehenden Phänomen sprechen. Mag es sich zu Beginn vor allem um eine von außen forcierte – und häufig auch von außen betriebene – Beschäftigung mit der Ziemia Lubuska gehandelt haben, so ist doch festzuhalten, dass sich im Laufe der Jahre ein eigenes regionales Milieu herausbildete, dass sich mit den Fragen nach der Geschichte und Gegenwart der Region auseinandersetzte. Obgleich es sich insgesamt um einen recht kleinen Kreis von Aktiven handelte, so schufen diese immerhin populäre Medien und Institutionen, die den Regionalismus verbreiten konnten. Zunächst ist in den 1940er Jahren ein »nationaler« Regionalismus zu verzeichnen. Auf Geheiß der staatlichen Behörden entstand eine »Regionalistik«, um Wissen über die unbekannten Regionen zu verbreiten. Darüber hinaus wurde in dieser Zeit durchaus an das Regionalbewusstsein appelliert, etwa wenn der Polnische Westverband sich die Schaffung eines »Lebusers« – eines Menschen, der sich mit der Region identifiziert – zum Ziel setzte. Es war erklärtes Ziel, durch das Kennenlernen und die Beschäftigung mit der Region die Bindung an die Ziemia Lubuska zu fördern; um der Bevölkerung die Adaption an die von ihnen neu besiedelten Westgebiete zu erleichtern, wurde die Beschäftigung mit der Region hier geduldet.15 So gesehen war ein Regionalismus im Sinne des 19. Jahrhunderts und der Zwischenkriegszeit in dieser Zeit in der Ziemia Lubuska möglich und verbreitet. Eine besondere Rolle kam dabei in den 1940er Jahren der Landeskunde zu, die das Kennenlernen der neu gewonnenen Gebiete zur Aufgabe des gesamten Volkes erklärte. Für den Zeitraum der 1940er Jahre kann man sagen, dass der Regionalismus in der Ziemia Lubuska als Mittel zur Herausbildung eines nationalen Patriotismus wirkte. Der Westverband erhoffte sich mithilfe seiner Aktivitäten die Herausbildung einer Bindung an Polen, die 15 Strauchold, Mys´l, 2003, S. 282.

Schlussbetrachtungen

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– explizit von der Partei geförderte – regionale Folklore sollte das »Polentum« belegen und auch auf dem Gebiet der Landeskunde sollte über die »Liebe zur Region« eine »Liebe zu Polen« entstehen. Die regionale Rhetorik und ein regionalhistorisches Narrativ waren in dieser Zeit Mittel zur nationalen Integration der Westgebiete. Ab 1956 förderte der Staat den in der Forschungsliteratur häufig betrachteten sogenannten »kulturellen Regionalismus«, der sich auf die Beschäftigung mit der Region im kulturellen Bereich beschränkte. Er sollte vor allem die Verbreitung der Kultur vorantreiben, war aber auch ein Appell an die Bevölkerung, sich mit der Ziemia Lubuska zu beschäftigen. Da der Regionalismus der späten 1950er Jahre auch die gesellschaftliche Integration der heterogenen Bevölkerung der Ziemia Lubuska zum Ziel hatte, bezeichnete Sługocki ihn als »integrativen Regionalismus«.16 Auf dem Gebiet der Wissenschaft war von nun an ausdrücklich die Erforschung der Regionalgeschichte erwünscht, was zu zahlreichen regionalen Publikationen und der Entstehung einer regionalen scientific community führte. Der kulturelle Regionalismus in der Ziemia Lubuska weitete sich schnell zu einem wissenschaftlichen Regionalismus aus. Wenngleich dem Regionalismus in dieser Zeit enge Grenzen gesetzt waren, führte er zu einer Stabilisierung und auch Regionalisierung der Ziemia Lubuska. Nicht nur entstanden in dieser Phase zahlreiche regionale Institutionen, auch setzte eine (kritische) Beschäftigung mit der Region ein. Im Laufe der Zeit wurde diese Bewegung jedoch schwächer. So lag zwar, wie Borchers auch für die Kaschubei nachwies,17 der Schwerpunkt auf der Folklore und den Belegen des Polentums, dennoch lässt sich nicht leugnen, dass in dieser Zeit ein Diskurs um die Region entstand, der über die Rechtfertigung polnischer Anwesenheit in diesem Gebiet hinausging. Die Teilung der Ziemia Lubuska in zwei Woiwodschaften im Jahr 1975 war ein recht deutliches Zeichen der kommunistischen Eliten in Warschau, dass eine weitere Regionalisierung nicht erwünscht war. In Form der Regionalforschung fand jedoch auch in dieser Zeit weiterhin eine Beschäftigung mit (dem Gebiet) der Ziemia Lubuska statt – wenn auch unter Verwendung alternativer Regionsbezeichnungen. Da der Westgedanke zweifellos eine wichtige Triebkraft war, wurden der Regionalismus und die Region als solche nach 1989 auf die Probe gestellt. Gerade in den frühen 1990er Jahren aber gewann der Regionalismus auch in der Ziemia Lubuska wieder an Schwung. Die veränderten politischen Rahmenbedingungen brachten frische Impulse und neue Möglichkeiten für die Auseinandersetzung mit der Region im Rahmen des »offenen Regionalismus« mit sich. So setzte eine Beschäftigung mit bislang tabuisierten Aspekten der 16 Sługocki, Zagadnienia, 1990, S. 33. 17 Borchers, Kaschubei, 2004.

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Schlussbetrachtungen

Regionalgeschichte ein, Kooperationen mit deutschen Wissenschaftlern wurden eingegangen und die Diskussion um den Begriff der Ziemia Lubuska entflammte erneut. Viele sahen es als Zeichen eines existierenden Regionalismus, als die beiden Woiwodschaften Gorzjw und Zielona Gjra sich 1998 zusammen dafür einsetzten, als gemeinsame Woiwodschaft Lebus erhalten zu bleiben. Freilich war die gemeinsame Woiwodschaft nur das kleinere Übel, da sich abzeichnete, dass der Erhalt der beiden von einander unabhängigen Woiwodschaften ausgeschlossen war. Dennoch: Eine Auseinandersetzung mit der Region ist für den gesamten Zeitraum seit Mitte der 1950er Jahre zu verzeichnen. Folgt man Schmiechen-Ackermann, der betont, dass eine Region ein »Konstrukt [ist], das immer wieder neu generiert werden muss, wenn sie wirkmächtig bleiben soll,«18 lässt sich sagen, dass die Ziemia Lubuska in diesem Sinne durchgängig als Region existierte. Eine neue Generation von »Regionalisten«, die sich mit der Region beschäftigt, ist mittlerweile darum bemüht, dass die Ziemia Lubuska nicht nur mit der Politik der Volksrepublik assoziiert wird. So ist die Konstruktion der Ziemia Lubuska noch lange nicht abgeschlossen, sie ist vielmehr ein Prozess mit offenem Ende. Die nächsten Jahrzehnte werden zeigen, ob sich ein Verbundenheitsgefühl und »typische« Eigenschaften entwickeln werden, ob der Norden und der Süden einen gemeinsamen Weg finden können, ob die Bevölkerung und die regionalen Eliten sich auf einen Namen für ihre Region einigen können – und ob das Konzept Ziemia Lubuska eine Zukunft hat.

18 Schmiechen-Ackermann, Regionen, 2003, S. 10.

Dank

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner im Januar 2015 an der Universität Siegen angenommenen Dissertation. In den fünf Jahren, die ich an der Dissertation gearbeitet habe, haben zahlreiche Menschen und Institutionen zu ihrer Fertigstellung beigetragen, von denen ich hier nur einigen danken kann. Großer Dank gilt meiner Erstgutachterin, Prof. Dr. Claudia Kraft, für die hervorragende Betreuung von der Themenfindung bis zur Publikation. Auch meinem Zweitgutachter, Prof. Dr. Robert Traba, danke ich herzlich für seine vielfältige Unterstützung. Den Herausgeberinnen und Herausgebern der Reihe »Sozial- und Kulturgeschichte Osteuropas« möchte ich für die Aufnahme in die Reihe meinen Dank aussprechen. Prof. Dr. Dittmar Dahlmann danke ich für seine hilfreichen Kommentare zur Druckfassung. Die Heinrich Böll Stiftung hat mir mit einem Promotionsstipendium drei Jahre sorgenfreies Forschen und Schreiben sowie zahlreiche Polen-Aufenthalte ermöglicht. Weiterhin haben mir das Deutsche Historische Institut Warschau und der Nachwuchsförderfond der Universität Siegen Mittel für die Forschung gewährt. Die Camilla Dirlmeier Stiftung hat mir den Camilla Dirlmeier Preis verliehen und mir einen Druckkostenzuschuss bewilligt. Kerstin Eppert danke ich für die angenehme Bürogemeinschaft. Für rege Diskussionen und konstruktive Kritik danke ich den Teilnehmerinnen des Promotionskolloquiums von Claudia Kraft, insbesondere Clara Frysztacka und Frauke Wetzel. Für die umsichtige Korrektur des Manuskripts in seinen verschiedenen Stadien danke ich Kristina Hinrichsen und Dorothea Traupe. Meinen Eltern danke ich für ihre uneingeschränkte Unterstützung all meiner Vorhaben. Besonderer Dank gilt Benno Nietzel, der mich durch die Höhen und Tiefen der Arbeit an der Dissertation begleitet und durch seinen festen Glauben an mich maßgeblich dazu beigetragen hat, dass dieses Buch fertig geworden ist.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Ungedruckte Quellen Archiwum Akt Nowych w Warszawie (AAN) [Archiv Neuer Akten in Warschau] Ministerstwo Ziem Odzyskanych [Ministerium der Wiedergewonnenen Gebiete]. Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich. Rada Naczelna [Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete. Oberster Rat]. Archiwum Muzeum Lubuskiego im. Jana Dekerta (AML) [Archiv des Lebuser Jan-DekertMuseums] Muzeum [Museum]. Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie Wielkopolskim (APG) [Staatsarchiv in Gorzjw Wielkopolski] Gorzowskie Towarzystwo Społeczno-Kulturalne [Gorzjwer Sozial-Kulturelle Gesellschaft]. Komitet Wojewjdzki PZPR w Gorzowie Wlkp. [Woiwodschaftskomitee der VPAP in Gorzjw Wlkp.]. Muzeum Lubuskie im. Jana Dekerta w Gorzowie Wlkp. [Lebuser Jan-Dekert-Museum in Gorzjw Wlkp.]. Polski Zwia˛zek Zachodni Ekspozytura na Ziemie˛ Lubuska˛ w Gorzowie 1945–1948 [Polnischer Westverband Expositur in der Ziemia Lubuska in Gorzjw 1945–1948]. Polskie Towarzystwo Historyczne [Polnische Historische Gesellschaft]. Prezydium Miejskiej Rady Narodowej w Gorzowie Wlkp. [Präsidium des Städtischen Nationalrats in Gorzjw Wlkp.]. Starostwo Powiatowe w Gorzowie [Bezirksamt in Gorzjw]. Studium Nauczycielskie w Gorzowie 1958–1971 [Pädagogisches Seminar in Gorzjw 1958–1971]. Urza˛d Miejski i Miejska Rada Narodowa w Gorzowie Wlkp. [Stadtverwaltung und Städtischer Nationalrat in Gorzjw Wlkp.]. Zarza˛d Miejski i Miejska Rada Narodowa w Gorzowie Wlkp. 1945–1950 [Stadtverwaltung und Städtischer Nationalrat in Gorzjw Wlkp. 1945–1950].

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis

AAN AML APAN APG APP APTTK ZG APZG BML EU GTN GTSK GTPK IZ KW PZPR LKF LTK LTN MRN MZO OPTH PMRN PTH PTK PTT

Archiwum Akt Nowych w Warszawie/Archiv Neuer Akten in Warschau Archiwum Muzeum Lubuskiego im. Jana Dekerta/Archiv des Lebuser JanDekert-Museums Archiwum Polskiej Akademii Nauk/Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften Archiwum Pan´stwowe w Gorzowie Wlkp./Staatsarchiv in Gorzjw Wlkp. Archiwum Pan´stwowe w Poznaniu/Staatsarchiv in posen Archiwum PTTK w Zielonej Gjrze/Archiv der PTTK in Zielona Gjra Archiwum Pan´stwowe w Zielonej Gjrze/Staatsarchiv in Zielona Gjra Biblioteka Muzeum Lubuskiego im. Jana Dekerta/Bibliothek des Lebuser Jan-Dekert-Museums Europäische Union Gorzowskie Towarzystwo Naukowe/Gorzjwer Wissenschaftsgesellschaft Gorzowskie Towarzystwo Społeczno-Kulturalne/Gorzjwer Sozial-Kulturelle Gesellschaft Gorzowskie Towarzystwo Przyjacijł Kultury/Gorzjwer Gesellschaft der Freunde der Kultur Instytut Zachodni w Poznaniu/West-Institut in Posen Komitet Wojewjdzki Polskiej Zjednoczonej Partii Robotniczej/Woiwodschaftskomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Lubuski Klub Filmowy/Lebuser Filmklub Lubuskie Towarzystwo Kultury/Lebuser Kulturgesellschaft Lubuskie Towarzystwo Naukowe/Lebuser Wissenschaftsgesellschaft Miejska Rada Narodowa/Städtischer Nationalrat Ministerium Ziem Odzyskanych/Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete Oddział Polskiego Towarzystwa Historycznego/Abteilung der Polnischen Historischen Gesellschaft Prezydium Miejskiej Rady Narodowej/Präsidium der Städtischen Nationalrates Polskie Towarzystwo Historyczne/Polnische Historische Gesellschaft Polskie Towarzystwo Krajoznawcze/Polnische Landeskundliche Gesellschaft Polskie Towarzystwo Tatrzan´skie/Polnische Tatra-Gesellschaft

352 PTTK PUR PVAP PWRN PZPR PZZ SLD TMG TRZZ UAM UZ WSI WSN WSP

Abkürzungsverzeichnis

Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze/Polnische TouristischLandeskundliche Gesellschaft Pan´stwowy Urza˛d Repatriacyjny/Staatliches Repatriierungsamt Polnische Vereinigte Arbeiterpartei Prezydium Wojewjdzkiej Rady Narodowej/Präsidium des Woiwodschaftsnationalrates Polska Zjednoczona Partia Robotnicza/Polnische Vereinigte Arbeiterpartei Polski Zwia˛zek Zachodni/Polnischer Westverband Sojusz Lewicy Demokratycznej/Bund der Demokratischen Linken Towarzystwo Miłos´nikjw Gorzowa/Gesellschaft der Liebhaber Gorzjws Towarzystwo Rozwoju Ziem Zachodnich/Gesellschaft für die Entwicklung der Westgebiete Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu/Adam-Mickiewicz-Universität in Posen Uniwersytet Zielonogjrski/Universität Zielona Gjra Wyz˙sza Szkoła Inz˙ynierska/Hochschule für Ingenieurwissenschaften Wyz˙sza Szkoła Nauczycielska/Lehrerhochschule Wyz˙sza Szkoła Pedagogiczna/Pädagogische Hochschule

Abbildungsnachweis

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Das Bistum Lebus im 13. Jahrhundert. We˛dzki, Andrzej: Podziały terytorialne [Territoriale Aufteilung], in: Kaczmarczyk, Zdzisław / We˛dzki, Andrzej (Hg.): Studia nad pocza˛tkami i rozplanowaniem miast nad S´rodkowa˛ Odra˛ i Dolna˛ Warta˛ [Studien zu den Anfängen und der Gestaltung der Städte an der Mittleren Oder und der Niederen Warthe]. Zielona Gjra 1967, S. 12. Polens Verwaltungsgrenzen vom Juni 1946. Quelle: Hajkiewicz, Izabela u. a.: Atlas Historyczny. Od staroz˙ytnos´ci do wspjłczesnos´ci: gimnazjum [Historischer Atlas. Von der Antike zur Gegenwart: Gymnasium]. Warszawa u. a. 2000, S. 68. Die Ziemia Lubuska 1950. Quelle: Sczaniecki, Michał / Zajchowska, Stanisława: Ziemia Lubuska. Poznan´ 1950, S. 6. Wappen von Grünberg und von Zielona Gjra (bis 1947). Autor : Semper fidelis (Own work), verfügbar unter : https://commons.wikimedia.org/ wiki/File:Zgora_stary_herb.svg [31. 10. 2016]. Wappen von Zielona Gjra seit 1960. Poznaniak (Own work), verfügbar unter : https://commons.wikimedia.org/wiki/Zielona_G%C3%B3ra#/me dia/File: POL_Zielona_G%C3%B3ra_COA.svg [31. 10. 2016]. Wappen von Landsberg an der Warthe und von Gorzjw bis 1946 und seit 1996. Autor : Poznaniak (Own work), verfügbar unter : https://commons. wikimedia.org/wiki/Gorz%C3%B3w_Wielkopolski#/media/File:POL_ Gorz%C3%B3w_Wielkopolski_COA_1.svg [31. 10. 2016]. Polen nach der Verwaltungsreform 1975. Quelle: Hajkiewicz, Izabela u. a.: Atlas Historyczny. Od staroz˙ytnos´ci do wspjłczesnos´ci: gimnazjum [Historischer Atlas. Von der Antike zur Gegenwart: Gymnasium]. Warszawa u. a. 2000, S. 68. Polen seit dem 1. Januar 1999. Autor : Aotearoa, verfügbar unter : https:// commons.wikimedia.org/wiki/Polska#/media/File:POLSKA_mapa_woj _z_powiatami.png [31. 10. 2016]. Die Woiwodschaft Lebus nach der Verwaltungsreform 1998. Copyright: GOLDsquirrel.

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Abbildungsnachweis

Wappen der Woiwodschaft Lubuskie. Quelle: Herb wojewjdztwa lubuskiego, verfügbar unter : http://lubuskie.pl/nowe-menu/menu-strony/ zespol-ds-marki-lubuskie/markowe-lubuskie/ [31. 10. 2016]. Flagge der Woiwodschaft Lubuskie. Quelle: Flaga wojewjdztwa lubuskiego, verfügbar unter : http://lubuskie.pl/nowe-menu/menu-strony/ze spol-ds-marki-lubuskie/markowe-lubuskie/ [31. 10. 2016]. Offizielles Logo der Woiwodschaft Lebus. Quelle: Markowe Lubuskie, verfügbar unter : http://lubuskie.pl/nowe-menu/menu-strony/zespolds-marki-lubuskie/markowe-lubuskie/ [31. 10. 2016].

Kultur- und Sozialgeschichte Osteuropas/ Cultural and Social History of Eastern Europe Band 6: Carola Lau

Band 3: Moritz Florin

Erinnerungsverwaltung, Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur nach 1989

Kirgistan und die sowjetische Moderne

Institute für nationales Gedenken im östlichen Europa im Vergleich

2015. 309 Seiten, mit 21 Abbildungen, gebunden € 45,- D / € 46,30 A / € 37,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0313-4

2017. 825 Seiten, gebunden € 95,- D / € 97,70 A / € 79,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0661-6

Band 5: Kerstin Hinrichsen

Die Erfindung der Ziemia Lubuska Konstruktion und Aneignung einer polnischen Region 1945–1975 2017. 354 Seiten, mit 12 Abbildungen, gebunden € 50,- D / € 51,50 A / € 39,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0654-8

1941–1991

Band 2: Tanja Zimmermann (Hg.)

Brüderlichkeit und Bruderzwist Mediale Inszenierungen des Aufbaus und des Niedergangs politischer Gemeinschaften in Ost- und Südosteuropa 2014. 551 Seiten, gebunden € 65,- D / € 66,90 A / € 54,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0136-9

Band 1: Aglaia Wespe Band 4: Diana Ordubadi Die Billings-Saryčev-

Alltagsbeobachtung als Subversion

Expedition 1785–1795

Leningrader Dokumentarfilm im Spätsozialismus

Eine Forschungsreise im Kontext der wissenschaftlichen Erschließung Sibiriens und des Fernen Ostens 2016. 312 Seiten, mit einer Übersichtskarte, gebunden € 50,- D / € 51,50 A / € 39,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0509-1

2014. 279 Seiten, mit 26 Abbildungen, gebunden € 45,- D / € 46,30 A / € 37,99 E-Book ISBN 978-3-8471-0299-1

www.v-r.de