Die Deutsche Geschichte. Band 3. 1756 - 1944
 3828904130, 9783828904132

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DIE DEUTSCHE GESCHICHTE

DIE DEUTSCHE GESCHICHTE

DIE DEUTSCHE GESCHICHTE Band 3

I756- I944

WELTBILD

Impressum Die vorliegende Buchausgabe basiert auf dem Begleitmaterial zu einer Fernsehreihe zur deutschen Geschichte des W issenschaftsjournalisten Rüdiger Proske, die im Jahre 1989 bundesweit ausgestrahlt wurde. Das offizielle Begleitmaterial zur Sendereihe wurde unter der Leitung Rüdiger Proskes sorgfältig zusammengestellt und mit zahlreichen interes­ santenAbbildungen und Zusatzinformationen attraktiv gestaltet. Die nunmehr vorliegende Ausgabe wurde um die neuesten Kapitel der deutschen Geschichte erweitert. Mitarbeiter: Wilhelma von Albert, Dr. Jochen Gaile, Mathias Forster, Anke Meyer, Josef Nyary, Dr. Joachim Rehork, Volker Schütte, Michael Schulte, Ingrid Schulze-Bidlingmaier, Dr. Gerhard Steinborn, Guido Thiemeyer, Bettina von Wedel, Dr. Christian Zentner Gestaltung: Lutz Kober, St. Goarshausen Organisation der Neuauflage: Michael Schmidt, Braunschweig Einbandgestaltung: Studio Höpfner-Thoma, München Einbandmotive: AKG, Berlin Gesamtherstellung: Druckerei Appl, Wemding Printed in Germany ISBN 3-8289-0413-0 Bildquellen: Archiv für Kunst und Geschichte 1; 330 o.; 332 o.; 334; 337 o., 339; 340; 343; 344; 348 o., u.; 354 o.; 357 u.; 362 1.; 367; 382 1.; 396 u.; 398; 400; 402; 411 o.; 414 o., u.; 413 o.; 416; 419; 420; 422 u.; 426 o.; 435; 439 u.; 445; 448; 449; 450 o.; 456; 457 u.; 459 u.; 462; 464 o., u.; 466 o.; 467 o., u.; 469; 471; 472; 473; 474; 475; o.; 476 o.; 479 *Archiv Verlag 330 u.; 371 o., u.; 391; 418; 433 * Bildarchiv Preußischer Kultur­ besitz 329; 331; 332 u.; 338; 342; 349; 350

r.,

I.; 352 o.; 356; 357 o.; 359; 360; 361; 362 r.; 363; 364; 365 o., u.; 366; 368; 369; 373; 374; 376 o.,

u.; 378; 379; 380; 381; 382r.; 383; 384; 385; 386 o., u.; 389; 390 o., u.; 392; 393 u.; 394; 396 o.; 399 o., u.; 401; 403; 404; 405 o.; 406; 408; 41 O; 411 u.; 413 u.; 414; 422 o.; 424; 425; 426 u.; 427; 429 o., u.; 431; 432; 437; 439 o.; 441 o., u.; 442; 446 o., u.; 450 u.; 451; 452; 453; 454; 457 o.; 458; 459 o.; 460 o., u.; 465; 466 u.; 475 u.; 476 u.; 477; 480 o., u. * Körner Museum Dresden 352 u. * Rüdiger Proske, Hamburg 328; 335; 346; 354 u.; 358; 372; 375; 388; 393 o.; 405 u.; 407; 415; 430; 438; 443; 461. Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild, Augsburg Copyright der aktualisierten Ausgabe© 2001 by Archiv Verlag GmbH, Braunschweig

2004 2003 2002 Die letzte Jahreszahl gibt die aktuelle Lizenzausgabe an.

Inhalt Zeittafel

326

Das Profil des Reiches unter Wilhehn II.

401

Voiwort

327

Die Entwicklung der jüdischen Welt

406

Der Siebenjährige Krieg und seine

Kunst und Wissenschaft

410

Der Aufbruch der Jugend

414

335

Der Traum von den Kolonien

417

339

Der Weg in den Ersten Weltkrieg

420

Auswirkungen

328

Die kulturelle Blüte Deutschlands Die Französische Revolution Napoleon und das Ende des alten Reiches

343

Die Freiheitskriege und die

Das Kriegsende und der Frieden von Versailles

428

Die Anfangsjahre der Weimarer Republik 433

Neuordnung Europas

347

Deutschland nach dem Wiener Kongreß

356

Weimarer Republik

440

Zwischen Restauration und Vormärz

363

Die goldenen Zwanziger Jahre

445

Die Revolution von 1848/49

368

Der Anfang vom Ende

448

Preußen wird Deutschlands Vormacht

374

Die Machtergreifung

452

Die Artikulation der sozialen Frage

379

Nach der Machtergreifung

455

Die Konsolidierung der

Das Deutsche Reich entsteht

384

Die Ausbreitung der Diktatur im funem

462

Die Gründerjahre

389

Der Weg zum Krieg

469

Die Ära Bismarcks

394

Der Zweite Weltkrieg

477

Zeittafel 1756-1763

Siebenjähriger Krieg

1814

(30. Mai)

1871

Erster Pariser Frieden

1765-1790 1772 1778-1779

Kaiser Joseph II. Erste Teilung Polens

Wiener Kongreß

1883-1889

Sozialgesetzgebung

1815

(18. Juni)

1884-1885

Gründung deutscher

Friedrich Wilhelm II.

der Südsee »Heilige Allianz«

1815 1789

(20. November) Zweiter Pariser Frieden

Beginn der Französischen

Tod Kaiser Wilhelms 1.

1888

Tod Kaiser Friedrichs III.

1888-1918

Kaiser Wilhelm II.

1890

Sturz Bismarcks durch

1933

1817

(18. Oktober)

1934

Erster Koalitionskrieg gegen Frankreich

1832

Hambacher Fest

1797-1840

Friedrich Wilhelm III. von Preußen

1799-1801

Zweiter Koalitionskrieg gegen Frankreich

1803

Reichsdeputationshauptschluß

1804

Franz II. nimmt als Franz 1. den Titel eines Kaisers von

1840-1861

1806

1806

Ende des Heiligen

Bevölkerung

in Schlesien

Thronfolger Erzherzog

Märzrevolution in den

Frau in Sarajewo

1936

1848

1914-1918

Erster Weltkrieg

1918

tritt in der Paulskirche

(9. November) Abdankung Kaiser Wilhelms II. und

zusammen

Ausrufung der Republik

(18. Mai) die deutsche Nationalversammlung

1936

Franz Joseph 1.

1919

Olympische Sommerspiele

1938

Österreichs

1919

von Preußen

Ebert wird zum ersten

1919

Schlacht bei Jena und

1866

des Friedensvertrages von

Auerstedt

1807

Tilsiter Frieden

(3. Juli) Schlacht bei Königgrätz

1866-1867

Gründung des Nord-

1939

Im Rahmen der Steinsehen Reformen

1870-1871

Aufhebung der der Bauern

1813-1815

Freiheitskriege

1871

326

(13. August) Gustav

(23. August) Deutsch-Sowjetischer Nichtangriffspakt (»Hitler-Stalin-Pakt«)

1939

(1. September) Beginn des deutschen Angriffs

Reichskanzler

auf Polen und damit des Zweiten Weltkrieges

1923

(18. Januar)

(8./9. November) Hitlerputsch in München

Kaiserproklamation in Versailles; König

1939

Stresemann wird

Deutsch-Französischer

Wilhelm L von Preußen

1813

1923

Krieg

Gutsuntertänigkeit

(11. August) die Weimarer Reichsverfassung tritt

(22. Mai) Militärbündnis mit Italien (»Stahlpakt«)

in Kraft

deutschen Bundes unter Führung Preußens

1807

1919

�SR

(28. Juni) Unterzeichnung Versailles

1806

(15. März) Besetzung der

Dänemark

Deutscher Nation

1939

Krieg Österreichs und Preußens gegen

Römischen Reiches

(9./10. November) »Reichskristallnacht«

(11. Februar) Friedrich Reichspräsidenten gewählt

1864

(29. September) Münchner Abkommen

(19. Januar) Wahlen zur 1938

Wilhelm L, König

(12. März) »Anschluß«

Nationalversammlung

Kaiser von Österreich

1861-1888

(2. - 16. August) in Berlin

1938 1848-1916

(7. März) Rheinlandbesetzung

deutschen Staaten

Franz II. legt die deutsche Kaiserkrone nieder.

österreichisch-ungarischen Franz Ferdinand und seine

1848

Gründung des Rheinbundes

(28. Juni) Attentat auf den

Weberaufstand

»Nürnberger Gesetze«; Entrechtung der jüdischen

Programm der SPD

Friedrich Wilhelm IV.

1914 1844

Dritter Koalitionskrieg gegen Frankreich

(21. Oktober) Erfurter

von Preußen

Österreich an

1805

Reichskanzler«

1935 1891

(2. August) Tod wird »Führer und

den Kaiser

(Mai)

(30. Juni) »Röhrn-Putsch«

Hindenburgs; Hitler

Wartburgfest

1792-1797

(24. März) »Ermächtigungsgesetz«

1934

Revolution am 14. Juli (Sturm auf die Bastille)

1888

(30. Januar) Hitler wird Reichskanzler

Kolonien in Afrika und

(26. September)

von Preußen

(9. Juli) Konferenz von Lausanne - Ende der

1933 Schlacht bei Waterloo

Bayerischer Erbfolgekrieg

1932

Reparationen

1814-1815

1815 1786-1797

Bismarck wird zum Reichskanzler ernannt

1929

(25. Oktober) New Yorker

(16. -19. Oktober)

wird zum Deutschen

Börsenkrach; Beginn

Völkerschlacht bei Leipzig

Kaiser ausgerufen

der Weltwirtschaftskrise

1942

(20. Januar) Berliner »Wannseekonferenz« beschließt die Organisation des Völkermords an den europäischen Juden (»Endlösung der Judenfrage«)

Vorwort

1

m Siebenjährigen Krieg kämpfte Preußen

Metternich die Großmacht Österreich und ih­

mit Unterstützung Englands gegen das mit

ren Vorrang in Mitteleuropa sichern. Dieses

nicht mehr begnügen. Im Jahre 1914 erklärte

Rußland, Polen-Sachsen und Frankreich

Ziel wurde mit demDeutschenBund von 1815

Österreich-Ungarn, von Deutschland unter­ stützt, Serbien den Krieg. Die Mobilmachung

nen« Rolle, dieBismarck ihm zugedacht hatte,

verbündete Österreich, das Preußen wieder auf

verwirklicht. Unter Österreichs Führung schlos­

den Stand einer mittleren deutschen Macht

sen sich in ihm 38 Fürsten und Freie Städte zu

Rußlands, das sich zuvor der französischen

zurückdrängen wollte. Nach wechselvollen

einer lockeren völkerrechtlichen Vereinigung

Unterstützung versichert hatte, führte zum Er­

Kämpfen - großen Siegen bei Roßbach, Leut­

zusammen.

sten Weltkrieg. Vier Jahre später war Deutsch­

hen und Zomdorf und schweren Niederlagen

land gezwungen, die harten Waffenstillstands­

bei Kolin, Hochkirch und Kunersdorf - war

Auch

brachte

bedingungen der Alliierten zu unterzeichnen.

Friedrich nahezu am Ende seiner Kraft. Da

Deutschland der Einheit nicht näher. Als sich

In Berlin wurde die deutsche Republik ausge­

wurde mit dem Tod der russischen Zarin Elisa­

die gewählten Abgeordneten aus allen Teilen

rufen, der Kaiser floh nach Holland ins Exil.

beth das feindliche Bündnis zersprengt. Im

des Reiches in der Frankfurter Paulskirche

die

Revolution

von

1848

Friedensschluß konnte Preußen seinen Besitz­

schließlich auf eine deutsche Verfassung geei­

stand bewahren.

nigt hatten, lehnte Preußens König Friedrich

war das Ziel aller Parteien der Weimarer Repu­

Wilhelm IV. die ihm angebotene Kaiserkrone

blik. Doch die von den demokratischen Kräften

Den Versailler Vertrag von 1919 zu mildem,

Unter Friedrich Wilhelm III. (1797 - 1840)

ab. Er fühlte sich als Herrscher »von Gottes

erreichten Änderungen gingen nicht weit ge­

wurde Preußen in die Napoleonischen Kriege

Gnaden« und wollte nicht Kaiser »von Volkes

nug. Während der Weltwirtschaftskrise 1933

verwickelt und unterlag 1806 in den Schlachten

Gnaden« werden.

von Jena und Auerstedt. Im Friedensschluß trat

gab es in Deutschland mehr als sechs Millionen Arbeitslose. Das alles ermöglichte den Auf­

Preußen alle Gebiete links der Elbe sowie den

Im Jahre 1858 übernahm Wilhelm 1. die Re­

stieg Hitlers und der NSDAP (Nationalsoziali­

größten Teil des Gewinns aus den polnischen

gentschaft in Preußen. 1862 berief er Otto von

stische Deutsche Arbeiterpartei).

Teilungen ab. Es wurde, wenn auch nominell

Bismarck zum Ministerpräsidenten. Mit seiner

noch selbständig, dem politischen und wirt­

zielstrebigen Politik gelang es Bismarck im

schaftlichen System des Siegers eingefügt.

folgenden Jahrzehnt, die staatliche Einheit

gelang es Hitler dank seiner fanatischen Per­

Deutschlands herbeizuführen - eine Einheit

sönlichkeit, seiner Versprechungen und politi­

Die preußischen Reformer Karl Freiherr vom

unter preußischer Führung und ohne Öster­

schen Erfolge, die Mehrheit des deutschen

Stein, Hardenberg, Scharnhorst und Gneisenau

reich, das 1866 in der Schlacht von Königgrätz

Volkes für sich und seinen Staat einzunehmen.

zogen die Konsequenzen aus der Niederlage.

geschlagen worden war. Vom Machtzuwachs

Als »Friedenskanzler«von 1933bis 1939 schritt

Sie mußten die Überlegenheit des französi­

Preußens entsetzt und auf deutsche Uneinigkeit

Hitler von Erfolg zu Erfolg. Seine Popularität

schen Volksheeres über das friderizianische

hoffend, erklärte Frankreich im Juli 1870 den

nahm ungeahnte Ausmaße an. Eine geschickte Propaganda ließ ihn zum »Führer« werden,

Nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933

Söldnerheer anerkennen. Eine größere Anteil­

Krieg. Doch vom ersten Tag an bewährten sich

nahme des Volkes am Staatsleben schien ihnen

die Bündnisse mit den süddeutschen Staaten.

dem man alles zu verdanken hatte: Arbeit,Brot

für die Stärkung der Staatsgewalt unerläßlich:

Thre Soldaten kämpften Seite an Seite mit den

und Frieden. Geheime Staatspolizei, Konzen­

»Wir müssen dasselbe von oben her machen,

Truppen des Norddeutschen Bundes unter der

trationslager und Terror wurden von der großen

was die Franzosen von unten her gemacht ha­

Führung des preußischen Generalstabschefs

Mehrheit des Volkes nicht als Willkür empfun­

ben.« Neben die Reformen in Heer und Ver­

Helmuth von Moltke. Mit dem Erfolg von

den, sondern als notwendig, um den Bestand

waltung trat der durch Napoleons Fremdherr­

Sedan war die entscheidende Schlacht geschla­

des Dritten Reiches nicht zu gefährden. Auch

schaft hervorgerufene Nationalismus. Philoso­

gen. Am 18. Januar 1871 wurde der preußische

der von Hitler am 1. September 1939 begonne­

phen und Dichter beschworen die Hingabe an

König Wilhelm auf französischemBoden - im

ne Krieg gegen Polen, der sich zum Zweiten

Volk und Vaterland.

Spiegelsaal von Versailles - zum deutschen

Weltkrieg ausweiten sollte und nur als erster

Kaiser proklamiert. Unter Preußens Führung

Schritteines großangelegten, die Weltherrschaft

Doch die Hoffnung der deutschen Patrioten,

schlossen sich 25 deutsche Einzelstaaten zum

anstrebenden Eroberungskrieges geplant war,

nach dem Zusammenbruch der napoleonischen

zweiten deutschen Kaiserreich zusammen.

wurde der deutschen Bevölkerung als ein

Herrschaft die nationale Einheit verwirklicht

Kampf zur Verteidigung berechtigter deutscher

zu sehen, erfüllte sich nicht. Auf dem Wiener

In den letzten Jahrzehnten des neunzehnten

Kongreß 1814/15 zur Neuordnung Europas

Jahrhunderts machte das geeinte Deutschland

triumphierten die alten Gewalten. Österreichs

große Fortschritte in Industrie, Handel und

Hitlers systematische Judenvernichtung wurde

Außenminister Fürst von Metternich, der füh­

Wissenschaft und nahm bald einen Platz unter

streng geheimgehalten und vor der Öffentlich­

Interessen dargestellt.

rende Staatsmann des Wiener Kongresses,

den Weltmächten ein. In Afrika und dem Fer­

keit verborgen. Dennoch wird diese Ausrot­

wollte durch ein Gleichgewichtssystem der fünf

nen Osten erwarb das Deutsche Reich Koloni­

tung großer Teile des deutschen und europäi­

großen Mächte Österreich, Preußen, England,

en. 1888 bestieg Kaiser Wilhelm II. den Thron.

schen Judentums für immer mit dem Namen

Rußland und Frankreich den Frieden in Europa

Stärker als seine Vorgänger wollte er das poli­

Deutschlands verbunden bleiben. Mit dem

sichern. In diesem Rahmen löste er auch die

tische Geschehen im Deutschen Reich selbst

»Holocaust« und dem Inferno des von Hitler

»deutsche Frage«. Thm ging es nicht darum,

beeinflussen. 1890 entließ er seinen Kanzler

angezettelten

eine festgefügte deutsche Einheit zu schaffen,

Bismarck. Das wirtschaftlich mächtig aufge­

Deutschland auf den Tiefpunkt seiner tausend­

wiees dieDeutschenersehnten. Vielmehrwollte

blühte Reich wollte sich mit der »bescheide-

jährigen Geschichte.

Zweiten

Weltkriegs

kam

327

Der Siebenjährige Krieg (1756 - 1763) war einer der sinnlosesten, die je in der Geschichte geführt wurden. Er stärkte die auswärtigen Mächte und bestätigte für die europäische Mitte lediglich die Macht- und Besitzverhältnisse, wie sie vorher schon bestanden.

Der Siebenjährige Krieg und seine Auswirkungen

D

ie Geschichte weiß viel von der inneren

einheitliches Direktorium, die Besteuerung

begründet.

Aufbauarbeit zu berichten, die FRIEo­

wurde vereinheitlicht und ein einheitliches

Kaiserin,

von Preußen nach den beiden

Zollgebiet geschaffen. Gewerbe und Handel

RJCH u.

Der holländische Leibarzt der GERHARD VAN

Sw1ETEN (17001772), entwarf die Pläne zur Reformierung

Schlesischen Kriegen (1740 - 42, 1744 - 45)

wurden gefördert und eine Reform in der

des Bildungswesens. Die Universität Wien

geleistet hat. Aber auch Österreichs Kaiserin

Landwirtschaft eingeleitet. Die fromme Katho­

wurde verstaatlicht und Naturrechtler und

MARIA THERESIA war nicht untätig und formte

likin MARIA TttERESIA schränkte sogar den

Aufklärer an ihre Fakultäten berufen.

mit Hilfe fähiger Berater in den folgenden

Einfluß der Kirche auf den Staat ein und

zehn Jahren aus dem noch in alten ständischen

verringerte die Zahl der Feiertage und Wall­

Die Niederlage gegen Preußen hatte deutlich

Formen verbliebenen Österreich einen absolu­

fahrten aus wirtschaftlichen Gründen. Auch die

gemacht, wie notwendig die Unterhaltung

tistisch-zentralistisch regierten Staat. Den GRA­

kirchliche Gerichtsbarkeit wurde verringert.

eines schlagkräftigen Heeres für Österreich war. General DAUN (1705-1766) wurde mit

FEN HAuawrrz (1702-1765) beauftragte sie mit

einer grundlegenden Verwaltungsreform. An

Zum ersten Mal in der österreichischen Ge­

Stelle der ständisch zusammengesetzten Hof­

schichte wurde das Volksschulwesen als staat­

österreichischen Armee betraut. Für den Adel

kanzleien für Österreich und Böhmen trat ein

liche Pflicht gesehen und somit überhaupt erst

brachten MARIA TttERESIAS Reformen emp­

der Neuorganisation und Verstärkung der

findliche Nachteile: Nach der Grundsteuerre­

Wenzel Anton Fürst von Kaunitz Maria T heresia konnte den Verlust Schlesiens nicht ver­ gessen. Es war Graf Kaunitz (1711 -1794 ), der für sie in dem sich nun anbahnenden Wechsel der Koalitionen die entscheidende Rolle spielte: Am 16. Januar 1756 kam es in der »Westminster Konven­ tion" zu einem Bündnis zwi­ schen Preußen und England ..,..__ (das seit 1714 in Personal­ union mit Hannover verbun­ den war). Am ersten Mai des gleichen Jahres schlossen sich im Vertrag von Versail­ les Frankreich und Rußland den Österreichern an. Die Bündnisse zeigen, daß der Konflikt weit über die Mitte Europas hinausreichte. Tat­ sächlich stellt der nun ent­ brennende Krieg kaum mehr dar als einen Nebenkriegs-

schauplatz im weltgeschicht­ lichen Ringen zwischen Frankreich und England. Graf Kaunitz war seit dem Jahre 1750 österreichischer Gesandter in Paris. Er ver­ suchte, dieses »Aenverse­ ment des alliances" einzufä­ deln. Im Jahre 1753 wurde er zum Hof- und Staatskanzler berufen und konnte die öster­ reichische Diplomatie so ein­ setzen, daß die bündnismä­ ßigen Voraussetzungen für die kommende Auseinander­ setzung mit Preußen ge­ schaffen waren. Graf Kaunitz war mehr als ein geschickter Diplomat: Er blieb in der inne­ ren Politik ein überzeugter Anhänger des aufgeklärten Absolutismus und seiner Wohlfahrtsidee. Durch Straf­ fung des österreichischen Staatsapparates gelang es ihm, die habsburgischen lande an die moderne Zeit heranzuführen.

form war nun auch der Adel zu Abgaben verpflichtet; außerdem wurde seine Macht durch die wachsende Zentralisierung einge­ schränkt. Doch dem geschickten Taktieren der Kaiserin und ihrer gewinnenden Persön­ lichkeit gelang es, die Widerspenstigen unter den Aristokraten zu versöhnen, nicht zuletzt durch einträgliche Posten in Bürokratie und Heer. Immer mehr Träger großer Namen siedelten sich in Wien an. Das glänzende Hofleben mit rauschenden Festen, Bällen, Prozessionen in Anwesenheit der kaiserlichen Familie bot eine glänzende Kulisse zu farben­ prächtiger Selbstdarstellung. Die Leitung der Staatskanzlei und damit der Außenpolitik übertrug MARIA TttERESIA ab

1753 dem GRAFEN KAUNITZ (1711-1794 ), einem fähigen Diplomaten. Sie war über­ zeugt, daß eine Rückgewinnung Schlesiens nur bei einer grundlegenden Änderung der europäischen Bündniskonstellation - also im Bereich der Außenpolitik - möglich sein würde. So entstand in den Regierungsjahren der

328

Kaiserin

ein

festgefügter

moderner

Zeitzeugnis: aufgeklärter Absolutismus „In eigener Person Recht zu sprechen, ist eine Aufgabe, die kein Herrscher überneh­ men kann, ein König von Preußen noch weniger als ein anderer. Die unendlichen Einzelheiten eines einzigen Rechtshandels würden die Zeit verschlingen, die er vor­ zugsweise anderen Zweigen der Regierung widmen muß. Spricht der Fürst aber auch nicht selber Recht, so folgt daraus nicht, daß er die Rechtspflege vernachlässi­ gen darf ... Ich habe mich entschlossen, niemals in den Lauf des ge­ richtlichen Verfahrens einzu­ greifen; denn in den Ge­ richtshöfen sollen die Geset­ ze sprechen und der Herr­ scher soll schweigen. Aber dies Stillschweigen hat mich doch nicht daran gehindert, die Augen offenzuhalten und über die Aufführung der Richter zu wachen. So ist die Einrichtung getroffen, daß zwei Räte des höchsten Ge­ richtshofes alle drei Jahre die Provinzen bereisen, die Auf­ führung der Richter prüfen und jeden, der sich etwas zuschulden kommen läßt, zur Anzeige bringen. Man darf mit den Pflichtvergesse­ nen kein Erbarmen haben: Die Stimme der Witwen und Waisen fordert Vergeltung, und Sache des Fürsten ist es, die Beamten zu ihrer Pflicht anzuhalten und streng gegen die vorzugehen, die seine Autorität mißbrauchen und das öffentliche Vertrauen un­ ter dem Vorwand von Recht und Gerechtigkeit täu­ schen... In einem Staate wie Preußen ist es durchaus notwendig, daß der Herrscher seine Ge­ schäfte selber führt. Denn ist er klug, wird er nur dem

Staatsinteresse folgen, das auch das seine ist. Ein Mini­ ster dagegen hat, sobald sei­ ne eigenen Interessen in Fra­ ge kommen, stets Nebenab­ sichten... Ist es aber schon notwendig, daß der Herrscher die inne­ ren Angelegenheiten seines Staates selber lenkt, um wie­ viel mehr muß er dann seine äußere Politik selbst leiten, die Allianzen schließen, die ihm zum Vorteil gereichen, seine Pläne selber entwerfen und in bedenklichen und schwierigen Zeitläufen seine Entschlüsse fassen.„ Eine gut geleitete Staatsre­ gierung muß ein ebenso fest gefügtes System haben wie ein philosophisches Lehrge­ bäude. Alle Maßnahmen müssen gut durchdacht sein, Finanzen, Politik und Heer­ wesen auf ein gemeinsames Ziel steuern: nämlich die Stärkung des Staates und das Wachstum seiner Macht. Ein System kann aber nur aus einem Kopfe entsprin­ gen; also muß es aus dem des Herrschers hervorge­ hen. Trägheit, Vergnügungs-

sucht und Dummheit: diese drei Ursachen hindern die Fürsten an ihrem edlen Beru­ fe, für das Glück ihrer Völker zu wirken. Solche Herrscher machen sich verächtlich, werden zum Spott und Ge­ lächter ihrer Zeitgenossen, und ihre Namen geben in der Geschichte höchstens An­ haltspunkte für die Chronolo­ gie ab. Sie vegetieren auf dem T hrone, dessen sie un­ würdig sind, und denken nur an das liebe Ich„. Der Herr­ scher ist nicht zu seinem ho­ hen Rang erhoben, man hat ihm nicht die höchste Macht anvertraut, damit er in Ver­ weichlichung dahinlebe, sich vom Mark des Volkes mäste und glücklich sei, während alles darbt. Der Herrscher ist der erste Diener des Staates. Er wird gut besoldet, damit er die Würde seiner Stellung aufrechterhalte. Man fordert aber von ihm, daß er werktä­ tig für das Wohl des Staates arbeite und wenigstens die Hauptgeschäfte mit Sorgfalt leite." (Aus dem Politischen Testa­ ment Friedrichs II„ 1752)

Staat. Der Überfall Preußens hatte dem alten Habsburg nicht den Todesstoß versetzt - es ging aus dieser Bedrohung gestärkt und ver­ jüngt hervor . Die Kaiserin selbst aber wuchs

an

diesen

Aufgaben in Krieg und Frieden zur großen Herrscherpersönlichkeit heran. Selbst glück­ lich verheiratet und Mutter von 16 Kindern, fühlte sie sich als Mutter ihrer Landeskinder entschlossen, ihre Arbeitskraft und ihren praktischen Verstand, ihr Mitgefühl und ihre Fähigkeiten für das Reich einzusetzen i n dem unerschütterlichen Glauben, die Rechte des Hauses Habsburg und die von Gott verliehene Macht wahren und verteidigen zu müssen. Sogar ihre poli t ischen Gegner nötigte sie zu Bewunderung und Sympathie. Es waren außerdeutsche Vorgänge, die den Anstoß gaben, daß sich Preußen und Öster­ reich noch einmal:-- und das sieben Jahre lang - im Krieg gegenüberstanden: In den Kolo­ nien verschärfte sich der alte Gegensatz zwi­ schen England und Frankreich. In Indien drängte die englische Ostindienkompanie die Franzosen zurück, in Nordamerika lagen eng­ lische und französische Siedler in ständigem Kampf.

Eine kriegerische Auseinanderset­

zung schien unvermeidlich.

England und

Frankreich suchten Bundesgenossen in Euro­ pa, vor allem bangte England um seinen hannoverschen Besitz. FRIEDRICH fürchtete ei­ ne Annäherung Englands an Rußland, dessen Zarin E u sA BETH 1. (1741-1762) seine erbitter­ te Gegnerin war. Im Januar des Jahres 1756 kam es zur Westminsterkonvention: England und Preußen verpflichteten sich, gemeinsam den Einmarsch fremder Truppen in Nord­ deutschland

zu

verhindern.

Österreichs

Außenminister GRAF KAUNITZ nutzte die Em­ pörung der französischen Regierung über diesen Vertrag zu einer völligen U mgruppie­ rung des europäischen Mächtesystems. Er erreichte

das

Abkommen

von

Versailles

( 1756), in dem sich die traditionellen europä­ ischen Rivalen Frankreich und Österreich Neutralität und im Angriffsfall bewaffnete Hilfe zusicherten. Das war eine diplomati­

"Ich habe mich entschlossen, nie­ mals in den lauf des gerichtlichen Verfahrens einzu­ greifen ... "

sche Revolution! Die 300jährige Feindschaft der Dynastien Bourbon und Habsburg Frankreichs und Österreichs - war begraben. Damit hatte FRIEDRICH nicht gerechnet

.

Rußland, mit dem bereits seit 1746 ein gegen

Preußen gerichtetes Bündnis bestand, erklärte Friedrich der Große

sich mit der österreichisch-französischen Ab­ machung einverstanden.

Eine große anti­

preußische Allianz formierte sich. Als Nach329

österreichische Armee unter Marschall DAUN und wurde am Schlacht bei Roßbach. Am 29. August 1756 begann der Preußenkönig mit der Besetzung Sachsens. Zu Jahresbeginn 1757 beschloß der Regensburger Reichstag daraufhin die »Reichsexekution« gegen Preußen. Die mit einem französischen Korps heranrückende Reichsarmee wurde bei Roßbach südwestlich von Merseburg (Bezirk Halle) geschlagen. - Das Bild zeigt den preußischen Reitergeneral von Seydlitz, der zum Zeichen des Angriffs seine Tabakspfeife in die Luft wirft; Chromotypie nach einer Zeichnung von Richard Knötel (um 1895).

"Wenn ich getötet werde, dann gehen die Regierungsgeschäfte ohne die geringste Änderung weiter und niemand darf merken, daß der preußische König gefallen ist „. "

18.

Juni erstmals geschlagen.

Der Ruf der Unbesiegbarkeit war verloren. Dazu kamen andere Niederlagen: Die Fran­ zosen besiegten die hannoverschen Truppen, in Ostpreußen schlugen die Russen die preußi­ schen Regimenter bei Großjägersdorf, die Schweden landeten in Pommern. Verzweifelt bemühte sich FRIEDRICH um einen Frieden mit Frankreich, er dachte an Selbstmord. Im Herbst stießen die Kroaten bis Berlin vor, die Franzosen marschierten in Sachsen ein - mit

21 000 Mann FRIEDRICH am 5. November 1757 einem

einem ausgepumpten Heer von stand

doppelt so starken Heer von Franzosen und einer Reichsarmee bei Roßbach, nahe Leip­ zig, gegenüber. Nach nur eineinhalb Stunden hatte Preußen gesiegt,

550

Mann hatte der

schloß sich bis auf wenige Reichsfürsten an.

König verloren, die Verluste der Gegner

Preußens einziger Bundesgenosse war Eng­ land und mit ihm Hannover, das aber fast nur

waren zehnmal so hoch.

mit finanzieller Unterstützung, später mit eini­

Der triumphale Sieg ermutigte

gen Truppen aus deutschen Kontingenten,

trotz des Wintereinbruches die weit überlege­

FRIEDRICH,

half. Englands Hauptinteresse galt dem Krieg

nen Österreicher in Schlesien zu stellen. ,,Ich

in Übersee gegen Frankreich. Deutschland

werde gegen alle Regeln der Kunst die beinahe

war nur Nebenkriegsschauplatz.

dreimal stärkere Armee des Prinzen Karl

Preußen stand nun einer erdrückenden Über­

Feind schlagen oder uns alle von seinen

macht gegenüber, etwa 200 000 Mann gegen 500 000 feindliche Soldaten. FRIEDRICHS einzi­

Batterien begraben lassen. So denke ich, so

ge Chance war, seinen Hauptgegner Öster­

seine Offiziere am Vorabend der Schlacht.

angreifen, wo ich sie finde... Wir müssen den

werde ich handeln", informierte

FRIEDRICH

reich so schnell wie möglich in vernichtenden

Am 5. Dezember

Schlägen niederzuwerfen: „Das ganze System

Leuthen in der Nähe von Breslau das Heer der

1757 griffen die Preußen bei

richten über russische Kriegsvorbereitungen

der Taktik, die ich bei meinen Truppen einge­

Österreicher an. Am Abend war das öster­

und verstärkte österreichische Rüstung in

führt

reichische Heer zerschlagen, mehr als zwei

Berlin eintrafen, entschloß sich

FRIEDRICH zur 1756 fiel er

Flucht nach vorn: Am 29. August

habe, beruht auf der Schnelligkeit der

20 000

Bewegung und der unbedingten Anwendung

Drittel geflohen,

des Angriffs. " Das eroberte Sachsen sollte

preußische Hand. NAPOLEON sagte später, daß allein diese Schlacht genügt hätte,

mit seiner Armee in das neutrale Sachsen ein.

Operationsbasis gegen Österreich werden. In

Wieder hatte er in einem Angriffskrieg den

einer ersten großen Schlacht am

Frieden gebrochen. Nun trat auch Schweden

siegte

dem antipreußischen Bündnis bei; das Reich

waren hoch. Bei Kolin stieß er dann auf die

6.

Gefangene fielen in

FRIEDRICHS

1757

Namen unsterblich zu machen. Doch die mit

FRIEDRICH vor Prag, aber seine Verluste

großem strategischen Geschick errungenen

Mai

Siege kosteten Preußen auch schwere Verlu­ ste, und im Jahre

1758

wendete sich das

Kriegsglück: Bei Hochkirchin der Nähe von Schlacht bei Hochkirch. Bei Bautzen (Sachsen) siegten am 14. Oktober des Jahres 1758 die Österreicher über die Preußen. Friedrich II. schrieb danach an den englischen LordMarschall Keith: ,Das, mein lieber Lord, sind die Großtaten, die die Menschheit erschauern lassen, die traurigen Wirkungen der Verworfenheit und des Ehrgeizes gewisser mächtiger Männer, die alles ihren unbeherrschten Leidenschaften aufopfern." Der Preußenkönig behalf sich in der Krise mit Zynismus. 330

Bautzen (Sachsen) errangen die Österreicher einen glänzenden Sieg.

FRIEDRICH

mußte sich

zum Rückzug entschließen. Ein Jahr später schien der Untergang Preu­

FRIEDRICH erlitt bei Kunersdorf 1759) die schrecklichste Nieder­

ßens besiegelt:

(12.

August

lage seines Lebens. Resigniert schrieb er an

F 1NCKENSTE1N: „Mein Rock ist Pferde wur­ getötet, mein Unglück ist, daß ich

seinen Minister

von Schüssen durchlöchert, zwei den mir

noch lebe„. In dem Augenblick, in dem ich schreibe,

flieht

alles, und ich bin nicht mehr

Herr über meine Leute„. Das ist ein grausa­ mer Umschlag und ich werde es nicht überle­ ben„. Ich habe keine Hilfsmittel mehr, und,

um nicht zu lügen, ich glaube, daß alles verloren ist, ich werde den Untergang meines Vaterlandes nicht überleben." Doch entgegen

Friedrich ß. und Joseph ß. in Neiße

allen Erwartungen verfolgten die siegreichen Russen und Österreicher das zerschlagene preußische Heer nicht bis zur endgültigen Ver­ nichtung: Eines der „Miracles des Hauses Brandenburg", dem FRIEDRICH so oft eine uner­

wartet günstige Wendung einer aussichtslosen Situation zu danken hatte, war eingetreten. Doch Wunder waren keine Vertragsgrundlage. Preußens Lage wurde immer hoffnungsloser. England drängte auf Rückgabe von Teilen Schlesiens und strich die finanzielle Unterstüt­ zung. Preußens Truppen waren zu Tode er­ schöpft, der Übermacht der Gegner konnten sie nicht mehr lange standhalten. Da brachte der Tod der Zarin ELISABETH von Rußland, FRIED­ RICHS

erbitterter Feindin, die überraschende

Rettung: Ihr Nachfolger, Zar PETER

m.

(1762),

war ein Bewunderer des Preußenkönigs. Er schloß Frieden, und zwar ohne jeden Gewinn. Ferner ging er ein Bündnis mit FRIEDRICH ein. Damit war die Koalition gegen Preußen gebro­ chen. Der Frieden von Hubertusburg beendete am

15. Februar

1763 den Siebenjährigen

Krieg. Schlesien blieb preußisch,

Preußen

Verständigung

stimmte der Wahl des ältesten Sohnes MARIA THERESIAS zum Römischen König zu, und die Existenz zweier gleichberechtigter Großmächte innerhalb des Reiches war bestätigt. Österreich und Preußen hatten sich in diesen Kriegsjahren gegenseitig zutiefst erschöpft. F RIEDRICH hatte Preußens Rang als neue Macht in Europa gesichert. Seine dramati­ schen Siege und sein persönlicher Einsatz auf den Kriegsschauplätzen hatten ihn zu einem der populärsten Fürsten seiner Zeit gemacht.

Adolph Menzels Gemälde hält den dramatischen histori­ schen Augenblick fest, als Friedrich dem Sohn und Mit­ regenten seiner unversöhnli­ chen Gegnerin Maria T here­ sia gegenübertritt. Joseph war, sehr zum Leidwesen sei­ ner Mutter, ein Verehrer des Preußenkönigs. Es kommt bei diesem Treffen am 25. August 1769 zu langen, an­ geregten Gesprächen; Jo-

seph hofft, Preußen und Österreich in einem Bündnis gegen Rußland vereinen zu können, aber Friedrich denkt nicht daran, es mit Rußland zu verderben. Statt dessen setz1 die Begegnung in Neiße eine andere politische Aktion in Gang: die Teilung Polens. Vom Künstler ist ein selbst gezeichnetes Erklärungsblatt erhalten geblieben. Daraus ergibt sich folgende Bildbe-

schreibung: Auf der Treppe des bischöflichen Palastes geht Friedrich II. dem rasch heraufsteigenden jugendli­ chen Kaiser Joseph II. entge­ gen. Er legt den Arm um seine Schulter, und tief und herzlich blicken die beiden ehemali­ gen Gegner einander in die Augen. An der Spitze des kaiserlichen Gefolges er­ kennt man Laudon, den »Sie­ ger von Kunersdorf«.

Aber die furchtbaren Erfahrungen auf den Schlachtfeldern hatten ihn persönlich für im­ mer verändert. Der schöngeistige sprühende Gastgeber von Sanssouci war zum verbitter­ ten alten Mann geworden. „Der schönste Tag im Leben ist der, an dem man es verläßt", soll er nach Unterzeichnung des Friedens von Hubertusburg gesagt haben. Er war, 51 Jahre

" Der König sagte zum Kaiser, er betrachtete diesen Tag als den schönsten seines Lebens ... "

empfing er die Landstände der Mark Branden­ burg, um ihnen Anweisungen für die Frie­ densarbeit zu geben. Das „Retablissement"

-

der Wiederaufbau - hatte begonnen.

alt, vorzeitig zum Greis geworden: „Ich bin

F RIEDRICH half schnell und großzügig, die

grau wie ein Esel. Alle Tage verliere ich einen

größte Not der Bevölkerung zu lindem. Aus der Kriegskasse wurden große Geldsummen

Auch

das Schlachtfeld von Kunersdorf, die grauen­

innerlich war er zutiefst verwandelt: „Ich bin

haften Bilder dieser Niederlage konnte er nicht

zum Wiederaufbau der Provinzen zur Verfü­

an Rückschläge und Widerwärtigkeiten so

vergessen. Dann fuhr er am 30. März 1763 auf

gung gestellt, aus den Heeresmagazinen Ge­

Zahn und bin halb lahm vor Gicht.

"

gewöhnt, und werde den Ereignissen gegen­

Nebenstraßen, alle Glückwünsche umgehend,

treide und Mehl verteilt. 30 000 Männer

über so gleichgültig, daß die Dinge, die mir

in Berlin ein. „ Wenn es mir gelingt, die

durften die Armee verlassen, in ihre Heimat­

früher einen Eindruck gemacht haben, jetzt

Wunden, die uns der Krieg geschlagen hat,

dörfer zurückkehren und die Arbeit in der

von meinem Geist abgleiten." Vor seiner

wieder zu heilen, so werde ich zu etwas gut

Landwirtschaft wiederaufnehmen. Die innere

Rückkehr nach Berlin, das er sechs Jahre

gewesen sein. "Er nahm diese Aufgabe unver­

Kolonisation

nicht gesehen hatte, besuchte er noch einmal

züglich in Angriff. Schon am ersten April

Morgen Heide und Moor wurden urbar ge-

ging

weiter,

hunderttausend

331

genaueste Angaben über Form und Bema­

Die Lage des Königreichs Polen im Jahre 1772 - so der Titel dieser zeitgenössischen Darstellung - ist keineswegs so erfreulich, wie der Kupferstich glauben machen will. Die vier europäischen Monarchen, Katharina von Rußland, Stanislaus II. von Polen, Joseph II. von Österreich und Friedrich II. von Preußen, die sich so anmutig um die polnische Landkarte versammelt haben, sind dabei, das Königreich Polen zu zerstückeln und aufzuteilen - ein Akt skrupelloser Re alpolitik, gegen den sich Maria Theresia verzweifelt, aber erfolglos zur Wehr gesetzt hatte. Für sie blieb die Teilung Polens ein Unrecht, das „meine Regierung besudelt und meine traurigen Tage vergiftet".

lung machte. Im Neuen Palais in Potsdam, im

Schloß Charlottenburg und im Breslauer Stadtschloß sollten sie nicht nur der Prachtent­ faltung der Hofhaltung dienen. Der geschäfts­ tüchtige König erhoffte sich von ihnen auch einen Anreiz für die Gäste der königlichen Tafel, Kunden der Manufaktur zu werden. Eine besonders wichtige Aufgabe war die Ordnung der Finanzen, die durch minderwer­ tige Münzprägungen während des Krieges durcheinandergeraten

waren,

ferner

auch

Steuermaßnahmen. Die hohen Verbrauchs­ steuern für Wein, Bier, Fleisch und Gewürze und das staatliche Monopol für Tabak und Kaffee führten allerdings zu erheblichem Un­ frieden. Der Kaffee, der in Hamburg für fünf Groschen pro Pfund verkauft wurde, kostete in Preußen 24 Groschen. Der Schmuggel blühte, und der König beauftragte 4 000 Kriegsveteranen, als „Kaffeeriecher" nach il­ legal eingeführtem Kaffee zu fahnden. Der Zorn der Bevölkerung war groß, er richtete

macht und besiedelt. Die Landwirtschaft wur­

Porzellanfabrik

des

JOHANN

ERNST

GoTZ­

sich gegen Zoll- und Steuerbeamte sowie gegen den König selbst. So erblickte er eines

de ausgebaut und der Anbau von Kartoffeln,

KOWSKY und verlieh der nun „Königlichen

Klee und Futterrüben gefördert. Preußens

Porzellanmanufaktur" das Zepter als Mar­

Tages bei einem Ritt durch Berlin eine johlen­

Wirtschaft

langsam.

kenzeichen. Die „KPM" erhielt das Monopol

de Menge vor einer Karikatur: FRIEDRICH,

FRIEDRICH blieb bei seiner merkantilistischen

für die Porzellanherstellung in Preußen, und

kläglich auf einem Schemel sitzend, mit einer

Wirtschaftspolitik

Förderung des Exports,

der König kümmerte sich persönlich um alle

Kaffeemühle zwischen den Knien. Mit der

erholte

-

sich

nur

Drosselung des Imports. Neben anderen Indu­

wirtschaftlichen und künstlerischen Belange

rechten Hand mahlte er Kaffee, mit der linken

striezweigen unterstützte der König besonders

des Unternehmens. Vierundzwanzig große

ergriff er gierig die herabfallenden Bohnen.

die Seidenindustrie und die Porzellanmanu­

Tafelservices wurden für FRIEDRICH in der

Der König betrachtete das Bild, dann rief er:

fakturen. Gleich nach dem Krieg kaufte er die

Manufaktur angefertigt, zu denen der König

„Hängt es doch niedriger, daß die Leute sich nicht den Hals ausrecken müssen. " Zahllose Legenden und Anekdoten entstan­ den um den rastlos arbeitenden, überall ge­ genwärtigen König. Der „Alte Fritz" in seiner immer schäbiger werdenden Uniform erlangte eine Popularität wie nie zuvor. Er blieb Soldat, auch im Frieden, und regierte mit Befehlsaus­

Kaiser Joseph II. führt den Pflug. Ein Holzmodell aus der Regierungszeit des österreichischen Kaisers zeigt Joseph II. bei einer ungewöhnlichen Beschäftigung: Der „Revolutionär auf dem Kaiserthron" wird hier als pflügender Bauer dargestellt - die Peitsche in der Hand, eine Anspielung auf die umwälzenden Veränderungen, mit denen der Kaiser in Osterreich „das Unterste zuoberst kehren" wollte. 332

gaben, Inspektionen, Lob und Tadel. Um jedes Detail des Staatsgefüges kümmerte sich FRIEDRICH. Er wurde zum Experten in Finanz­ wesen und Wirtschaft, Justiz und Verwaltung. Alles entschied er selbst, noch strenger und eigenwilliger als vor dem Krieg. Je älter er wurde, um so klarer waren seinen kritischen Zeitgenossen die Mängel dieses Regierungs­ stils: Die kunstvoll konzipierte Staatsmaschi­ nerie würde nur so lange fehlerfrei arbeiten wie die Hand, die sie konstruiert hatte. Als FRIEDRICH am 17. August 1786 starb, hatte er sich selbst überlebt. Die Stimmung in Berlin, die ein Beobachter schildert, gibt davon Zeugnis: „Es herrscht Totenstille, aber

keine Trauer, man zeigt sich benommen ohne

Kummer. Man sieht kein Gesicht, das nicht den Ausdruck von Erleichterung, von Hoff­

Der Deutsche Fürstenbund von 1785

nung trüge. Kein Bedauern wird laut, man hat keinen Seufzer, kein lobendes Wort! Ist das das Resultat so vieler gewonnener Schlachten, so vielen Ruhms? Ist das das Ende einer beinah ein halbes Jahrhundert währenden Regierung, die so reich war an Großtaten?" FRIEDRICH hatte seine große Gegnerin MARIA THERESIA um sechs Jahre überlebt. Auch MARIA THERESIAS vordringliche Aufgabe nach

dem Siebenjährigen Krieg war es gewesen, die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, zu heilen. Bei der Weiterführung des großen Reformwerkes, das schon vor dem Krieg begonnen worden war, stand ihr ab 1765 ihr ältester Sohn JosEPH als Mitregent zur Seite. Es gelang ihr, den drohenden Staatsbankrott abzuwenden und bis zur Mitte der 70er Jahre das Gleichgewicht im Staatshaushalt wieder­ herzustellen. Sie bahnte auch den Weg für

Bauernbefreiung, die JosEPH 11. ( 1 765 1790) dann vollendete. Zum Kummer der

die

Mutter war JosEPH ein leidenschaftlicher Be­ wunderer FRIEDRICHS DES GROSSEN' der für ihn den aufgeklärten Absolutismus vorbildlich verkörperte. JosEPH wollte die gleichen Refor­

-Preußen c:::::::J unter Fr. II. hinzugew c:::::::J Kurfürstentum Baiern c:::::::J Kurpfalz und Pfalz - Österreich

men wie seine Mutter in Österreich durchfüh­ ren, aber über die Frage, wie schnell, wie radikal sie durchzuführen seien, kam es immer wieder zu heftigen Differenzen. Der Sohn wollte keine Zeit verlieren. Er hielt nichts von „natürlichem

Wachstum". Auch über die

Erste Teilung Polens (1772) kam es zu Diffe­ renzen zwischen Mutter und Sohn. Polen war im 18. Jahrhundert ein machtloser Staat, wenige

einflußreiche

Adelsfamilien

be­

herrschten den polnischen Reichstag durch ihr freies Veto, denn Beschlüsse mußten einstim­ mig gefaßt werden. Als der (durch Zusagen FRIEDRICHS

11.

im Hubertusburger Frieden)

zum polnischen König bestimmte STANISLAW 11. PoNIATOWSKY ( 1764-1795) eine Verfassungs­

reform anstrebte, sah das Ausland seine Ein­ flußmöglichkeiten

auf

Polen

schwinden.

Preußen und Rußland schlossen einen Ge­ heimvertrag, Österreich verzichtete auf Ge­ bietsgewinne auf dem Balkan und wurde durch polnisches Gebiet entschädigt. Die drei Großmächte zerstückelten Polen in der Ersten Teilung vom 5. August 1772 und verteilten ein Viertel des polnischen Staates unter sich. MARIA THERESIA kämpfte gegen eine Teilnah­

me Österreichs an diesem Komplott, welches ihr Rechtsgefühl zutiefst verletzte, gab aber letztlich JosEPH gegenüber nach. „Sie weinte, doch sie nahm", spottete FRIEDRICH 11. In einer

Auf Veranlassung Fried­ richs II. von Preußen schlos­ sen sich der Kurfürst von Brandenburg sowie die Kur­ fürsten von Sachsen und Hannover am 23. Juli 1785 zu einem Dreierbündnis zu­ sammen. Anlaß war die Reichspolitik Kaiser Josephs II„ seine Ambitionen nämlich, territorialen Zugewinn im süddeutschen Raum zu er­ zielen. Der Kaiser trachtete nach dem Erwerb Bayerns gegen die Abtretung der österreichischen Niederlan­ dean den bayerischen T hron­ erben. Diesem »Tauschplan" nun trat das »Reich" unter Führung Preußens entge­ gen. Obzwar gegenüber den europäischen Großmächten inzwischen isoliert, genoß der alte Preußenkönig im Reich, insbesondere nach Abschluß des Siebenjähri­ gen Krieges, hohes Anse­ hen. Der öffentlichen Mei­ nung schien er als „aufge­ klärter" Monarch die fort­ schrittlichen Tendenzen des Zeitalters auszudrücken, und er war der „Hüter der Reichs­ verfassung".

Aus dem Dreier-Bündnis wurde schnell der »Deutsche Fürstenbund«, als nämlich eine Reihe kleinerer und mitt­ lerer Reichsstände sich an­ schlossen. Es waren dies un­ ter anderem der Mainzer Kurerzkanzler, die Herzöge von Hessen-Kassel und Zweibrücken sowie Braun­ schweig, Gotha, Weimar, Mecklenburg, Baden und Ansbach. Kaiser Joseph fand in Katharina II. zwar Un­ terstützung für seine Pläne (bei gleichzeitiger Duldung der russischen Annexions­ politik gegenüber der T ür­ kei); Frankreich indes blieb reserviert, so daß das Reich durch diese bündische Al­ lianz ein letztes Mal vor sei­ nem Untergang im Jahre 1806 wirkungsvoll Politik ma­ chen konnte. Fürsten aller Konfessionen arbeiteten zu­ sammen. Unter ihnen tat sich besonders Karl August von Sachsen-Weimar hervor. Neu an diesem Fürstenbund war, daß sich Reichsstände nicht zur Reform des Reichs­ körpers, sondern zu dessen Verteidigung zusammenta-

ten. Politisch bedeutsam war, daß der Mainzer Kurerzkanz­ ler diesem Bündnis beitrat. Auf der Ebene des Reiches hatte dies symbolische Wir­ kung. Die Reichspolitik Kai­ ser Josephs war gescheitert. Dieser Deutsche Fürsten­ bund ist zu Unrecht als Vor­ stufe zur nationalen Staats­ bildung unter Führung Preu­ ßens im 19. Jahrhundert ver­ standen worden. Das fride­ rizianische Preußen mag, als es in dieser Angelegenheit aktiv wurde, alles mögliche im Sinn gehabt haben, jedoch keine nationalen oder Reichs­ interessen. Das hinderte nicht, daß man im »dritten Deutschland" , also im Reich, soweit es nicht preußisch oder kaiserlich war, an den »Deutschen Fürstenbund" Hoffnungen auf eine zeitge­ mäße Reform des Reichskör­ pers knüpfte. Zu dieser Re­ form sollte es jedoch nicht mehr kommen. Denn wenig später (1789) brach die Fran­ zösische Revolution aus. Sie gab Anlaß, neue Allianzen zu knüpfen. Ein neues Zeitalter war angebrochen.

Zweiten Teilung sollten sich Rußland und

333

Der Siebenjährige Krieg O begann als dritter Waffengang um Schle­ sien und wurde mit einem Präventivschlag Friedrichs II. auf das neutrale Sachsen eingeleitet, nachdem sich das europä­ ische Bündnissystem zu seinen Ungun­ sten verändert hatte

O hatte als Kriegs- und Bündnispartner Eng­ land und Preußen auf der einen Seite sowie Österreich, Frankreich, Schweden, Rußland und das Reich auf der anderen; Rußland und Schweden schieden im Ver­ lauf des Krieges aus

O war mit dem britisch-französischen Kolo­ nial-Krieg um Kanada und Indien verbun­ den, in dem es letztlich um die beherr-

sehende Stellung auf den Weltmeeren und somit um die Vorteile im gesamten Welthandel ging

selten das Unglück, einen so stürmischen, ungeduldigen und rücksichtslos alle Einwän­ de beiseitefegenden Regenten zu besitzen", urteilten Historiker über den „Revolutionär auf dem Kaiserthron".

O fand sein Ende im »Frieden von Hubertus­ burg« (15.2.1763), in dem Preußen seine schlesischen Eroberungen bestätigt er­ hielt, und im »Pariser Frieden" (10. 2. 1763). in dem England seine kolonialen Ansprüche weitgehend sicherte

O vermochte den deutschen Dualismus trotz versöhnender Gesten der Begegnung zwischen Friedrich II. und dem Kaiser letztlich nicht zu beenden, da Österreich und Preußen ihre politische Bedeutung als europäische Großmächte behielten.

Die

Wirtschaftspolitik

wurde

konsequent

merkantilistisch geleitet - das Ergebnis waren Rückschläge, Revolten und Unruhen in den Städten Österreichs, Böhmens und Ungarns. JosEPH führte die allgemeine und gleiche Besteuerung

ein.

Deutsch

wurde

einzige

Amts- und Verwaltungssprache. Die nicht­ deutschen Völker des Habsburgerreiches haß­ ten diese Verfügung, aber für JOSEPH war sie nicht nur ein Mittel zur Vereinheitlichung seines Reiches, er empfand sich auch beson­

Preußen 1793 weitere Teile Polens aneignen,

Duldung. Er hob die Leibeigenschaft ganz

die Dritte Polnische Teilung zerstörte 1795

auf. Er war ein Fanatiker der Verwaltungsre­

1765 gekrönt worden war·- und seine Staaten

den letzten Rest des polnischen Staates.

form und erließ während der 10 Jahre seiner

als Provinzen des deutschen Reiches. Sein

ders als Deutscher Kaiser - als der er im Jahre

Regierung 6 500 Edikte. Seine Reformen, die

volkstümlicher Titel „Joseph der Deutsche"

11.

sich über alle gewachsenen Ordnungen hin­

drückt dies aus.

daran, die Entwicklung Österreichs zum zen­

wegsetzten, umfaßten die Bildungs- und Kul­

Nach dem Tod seiner Mutter ging JosEPH

tral gelenkten Einheitsstaat nach seinen Vor­

turpolitik, das Presse- und Zensurwesen, das

JosEPHS Maßnahmen auf kulturellem Gebiet,

stellungen zu vollenden. Im großen Toleranz­

kirchliche und wirtschaftliche Leben, die Ju­

die Organisation sozialer Hilfe durch Grün­

patent von 1781 gewährte er allen Religionen

stiz, Polizei und Armee. „Habsburg hatte nur

dung von Waisenhäusern, Spitälern und die Einführung der siebenjährigen Schulpflicht zur planmäßigen Ausbreitung der Elementar­ bildung in der breiten Bevölkerung erregten Aufsehen. Die Durchsetzung seiner aufkläre­ rischen Forderungen auf kirchlichem Gebiet brachte gläubige Katholiken sowie den Klerus gegen ihn auf - hob er doch 400 Klöster und Ordenshäuser auf, die sich nicht der Kranken­ pflege und der Erziehung widmeten! Das Vermögen der aufgelösten Klöster wurde für die Unterhaltung von Lehrerseminaren zur Erziehung einer besser unterrichteten, der Regierung unterstellten Geistlichkeit verwen­ det. Es hagelte kirchenpolizeiliche Vorschrif­ ten zur Abschaffung von Wallfahrten und Prozessionen, die seiner Meinung nach der Vernunft widersprachen. Gegen Ende seiner Regierungszeit wurde der Widerstand gegen diese „Revolution von oben" immer stärker. In

Schloß Sanssouci Der Einfall, auf einem Berg bei Potsdam ein Schloß ganz nach eigenem Geschmack zu bauen, kam Friedrich II. nach einem „Frühstück im Freien" im Havelland. Dies war im Hochsommer des Jahres 1743, ein Jahr nach dem Er­ sten und ein Jahr vor Aus­ bruch des Zweiten Schlesi­ schen Krieges. Sanssouci, wie der König sein Schloß nannte, verrät viel über seinen Erbauer. Schon im Herbst

1743

bestellte der König Weinstöcke und Feigenbäu­ me aus Frankreich und ent­ warf eigenhändig das heitere, zierliche „Lusthaus auf dem Weinberg''. Architektur und Natur verschmelzen hier zur Einheit. Sanssouci wird Fried­ richs Lieblingswohnsitz wäh­ rend seiner 46 Regierungs­ jahre; und hier stirbt er als alter vereinsamter Sonderling. Noch heute steht sein Schloß auf dem Terrassenhügel aus

Ungarn und in den habsburgischen Niederlan­ gläsernen Treibhäusern mit den kostbaren, in zarten Far­ ben, Gold- und Silberverzie­ rungen gehaltenen Innende­ korationen, die den König an Rheinsberg und die unbe­ schwerten Kronprinzenjahre erinnern sollten, und noch heute erinnert es an die Nei­ gungen, denen der junge Kö­ nig so gern nachging: Wir se­ hen die erlesene Bibliothek, die Bildergalerie sowie das Konzertzimmer.

den kam es zu Aufständen. Einige Provinzen erklärten den Kaiser für abgesetzt. Wenige Wochen vor seinem Tode, inzwischen war die Französische Revolution ausgebrochen, an­ nullierte JosEPH

11.

sämtliche Reformen, die er

seit dem Tode seiner Mutter erlassen hatte, ausgenommen sein Edikt über die Abschaf­ fung der Leibeigenschaft und das

ganze Kraft seiner dynamischen Persönlich­ keit hatte am Ende nicht gereicht, um sein ,,Josephinismus" genanntes Reformwerk ge­ gen die Zeitläufte zu sichern.

334

Toleranz­

edikt. Der Todkranke war gescheitert. Die

Nie zuvor hatte sich

1

das Reich in einer so desolaten Lage befunden, und doch sind gerade jetzt die Deutschen auf dem Weg zu ihrer kulturstaatlichen Identität. In ganz Deutschland entwickelt sich das Bildungs­ bürgertum, deren Sprecher I über die Grenzen hinweg Kontakt haben und in deren Köpfen die Nation entsteht.

m 18. Jahrhundert erlebte Deutschland eine kulturelle Blüte wie nie zuvor. Nie wieder dichteten, philosophierten und

komponierten gleichzeitig so viele geniale Geister in einem so kurzen Zeitraum neben­

D 1e kulturelle Blüte Deutschlands

und nacheinander. In wenigen Jahrzehnten entstanden Werke der Musik und Dichtung, die Deutschland in den ersten Rang unter den Kulturnationen erhob. Die

Aufklärung mit

ihrem unbedingten Ver­

trauen in die Kraft der Vernunft gab diesem Jahrhundert das entscheidende Gepräge. Die Aufklärer meinten, nur wenn der einzelne Mensch sich seines eigenen Verstandes bedie­ ne, nur dann gäbe es Fortschritt und Glück. Um diesen neuen Einsichten, so meinten die Aufklärer, auch Geltung zu verschaffen, müsse das Wissen der Zeit verfügbar gemacht wer­ den. Erziehung und Bildung des einzelnen galten der Zeit als wichtigstes Mittel zum Aufstieg der Menschheit. Die französischen Aufklärer machten sich darum daran, dieses »Wissen« in einer groß angelegten Enzyklopä­ die zusammenzufassen. In den Jahren zwi­ schen 1751 und 1772 entstand die berühmte »Encyclopedie ou dictionnaire raisonne des sciences, des arts et des metiers«. In diesem Nachschlagewerk für den Alltagsgebrauch war die Summierung des Wissens der Zeit kein

Selbstzweck.

Es sollte

die

Gattung

»Mensch« befähigen, in eigener Verant­ wortung

zu

handeln.

In

der

»Encyclo­

pedie« schrieben so berühmte Autoren wie DENIS DIDEROT (1713-1784), JEAN-BAPTISTE o' ALEMBERT

(1717 -1783) und JEAN JACQUES

RoussEAU (1712- 1778). Sie verfaßten die

philosophisch und politisch anspruchsvollen Artikel, aus denen wir heute noch herauslesen können, daß es diesen »Enzyklopädisten« um eine Veränderung der politischen Verhältnisse auf reformerischem Wege ging. Diesem Bildungs- und Entwicklungsgedan­ ken war auch das literarische Deutschland sowie die »aufgeklärte« administrative Intelli­ genz verbunden. So bildeten Gymnasien, Akademien und Universitäten mehr fähige Lehrer, Juristen, Ärzte usw. aus als jemals zuvor. Das absolutistische Staatswesen erzog sich tüchtige Beamte und kompetente Fach­ leute auf allen Gebieten von Wirtschaft und Finanzen. Ein gebildetes Bürgertum entstand,

Goethe - Schiller - Denkmal (Modell). Gipsabdruck nach Vorlage des berühmten Goethe-Schiller-Denkmals in Weimar. Skulpturengalerie im Schloß Charlottenburg, Berlin. 335

das im wachsenden Gefühl geistiger Selbstän­ digkeit die Führung im deutschen geistigen

Aufklärung ist der Ausgang des

Leben übernahm, oft im bewußten Gegensatz

Menschen aus seiner selbst­

zur fürstlich-absolutistischen, französisch ge­ prägten Hofkultur. In dieser Sicht, die aller­ dings nur eine winzige Minderheit des deut­

1775

schen Volkes ausmachte (um

etwa

20 000 Personen von einer deutschsprachigen Gesamtbevölkerung von 20 Millionen),

Unmündigkeit ist das

veröffentlichten IMMANUEL KANT (17241804), CHRISTIAN FRIEDRICH DANIEL S CHUBART (1739-1791) und der jüdische Philosoph und Gelehrte M osES M ENDELSSOHN (1729-1786). G orrHOLD EPHRAIM LESSING (1729-1781), der

Unvermögen, sich seines

führende schöpferische und kritische Geist der

verschuldeten Unmündigkeit.

Verstandes ohne Lenkung eines

wuchs das dichte Netz der bürgerlichen Kul­

andern zu bedienen. Selbst­

tur: Eine bürgerliche Publizistik entstand,

verschuldet ist diese Unmündig­

Zeitschriften, ,,Intelligenzblätter", literarische Wochenschriften, Kalender mit unterhalten­

keit, wenn die Ursache

den, nützlichen und belehrenden Beiträgen.

derselben nicht am Mangel des

Man traf in Lesekreisen zusammen, eine

Verstandes, sondern der

weitverzweigte

Korrespondenz

vermittelte

Nachrichten und Gedankenaustausch;

nie

Entschließung und des Mutes

wieder war die Begeisterung für das Briefe­

liegt, sich seiner ohne Leitung

schreiben so groß wie damals. Der Enthusias­

eines andern zu bedienen.

mus für das T heater erfaßte die literarisch Interessierten, und was früher nur der Belusti­

Sapere aude! Habe Mut, dich

gung der Hofgesellschaft diente, wurde nun

deines Verstandes zu bedienen!

Bildungsinstitut und gesellschaftlicher Treff­

ist also der Wahlspruch der

punkt auch des Bürgertums.

Aufklärung. Zu tl-tu r11 bllr� llllfff 'lJt1fimb(�llll\ �om 7.-..)Ujf!i ....lor Ull'f b11'1\ll.llll� Uf I« lll!·' hon aurn �rieUc 1111 btt t!bre lltutkbl.in� be.uid!ntt 1u1 rb. l'.:irin 111\iftl l 1>1 n1cfJt nur bit :.'llbl11!111 unb 00!' '!lrrtr.:rnr11 flll� molkf. bir 'l'r11rl}un11rn DOn i!olr11,1rnol!.tn .1u !!JGlr�11enoflrn, bomit itrbl urW 111\lt ubrrli.lulll b1r \'\'m1br am 'rokh 'hl1t �bct woOtt 9:'rutkfilanb unb oOe 9'/nffi. bonbillhr rnb1R or iltn fijn11tn. tuenn uni ltbrt 111N lnitl l.!tbtnimfit ta!liid!lld! nhfJI b A i�:'ß��t !u�il��;n.2i!Jilir �Ü�� �ir�id���

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brücken zu stoppen, aber Großbritannien und Frankreich begnügten sich mit formalen Pro­

dem Frühjahr 1936 nach einem knappen

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vielleicht ein paar französische Divisionen genügt, HITLERS Marsch über die Rhein­

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Wehrpflicht. Zeitgenössischer Pressebericht über die Einführung der Wehrpflicht am 16. März 1935, mit der sich Hitler über den Versailler Vertrag hinwegsetzte. Hitler begann nun, seinen verhängnisvollen Weg als „erfolgreicher" Revisionspolitiker zu gehen. - Faksimile der Titelseite der „Neumärkischen Nationalpost" vom 1 B. März 1935.

Im Juli 1936 kam es in Spanien unter Führung des Generals FRANCISCO FRANCO (1892-197 5) zu einem Militäraufstand gegen die republikanische Regierung. Im Sog der ideologischen Gegensätze von Faschismus und Antifaschismus entbrannte ein Bürger­ krieg, auf der einen Seite von Frankreich und der Sowjetunion, auf der anderen von Italien und Deutschland unterstützt. Aufgrund eines Hilfeersuchens entschloß sich HITLER in der Nacht vom 25./26. Juli spontan, auf der Seite FRANCOS

einzugreifen,

anfänglich

mit

86

Soldaten und 100 Tonnen Kriegsmaterial, später mit einem ganzen Expeditionskorps, der 5 000 bis 6 000 Mann starken Legion

Condor. Das war ein Beitrag, der nicht aus­ schlaggebend ins Gewicht fiel, Italiens Dikta­ tor BENITO MussouNI (1883-1945) hatte ein Mehrfaches an „Freiwilligen" entsandt, son­ dern ideologisch-politisch gemeint war. Zu­ dem war es ein erster Test seiner Luftwaffe auf ihre Kriegstauglichkeit. Spanische Städte wie

Guernica und Almeria wurden 1937 bombar­ diert; und während der Maler PABLO PicAsso (1881-197 3) die Schrecken und Leiden des Krieges in einem Gemälde abbildete, hatte JosEPH GoEBBELS' Propagandaministerium der deutschen Presse die Sprachregelung verord­ net, „nicht zu betonen, daß auch Frauen und

Kinder unter den Toten sind". Die deutsch­ britischen Beziehungen kühlten durch HITLERS

von den Bestimmungen des Versailler Vertra­

spanisches Eingreifen, aber auch durch seine

ges. HITLER sprach vom »glücklichsten Tag

Bündnispolitik, merklich ab. 47 1

Unverändert stand HITLERS ideologisch be­

zept vor.

dem

rische Leistungsfähigkeit Deutschlands zu

gründetes Konzept fest, im Osten einen Krieg

Reichsaußenminister KONSTANTIN FREIHERR

ausgreifenden militärischen Unternehmungen

um Lebensraum zu führen. Das Bündnis mit

voN NEURATH (1873-1956) und dem Reichs­

dieser Art. Ein Jahr später waren diejenigen

der „germanischen Seemacht" Großbritan­

kriegsminister WERNER VON BLOMBERG (1878-

aus Diplomatie und Wehrmacht, die HITLERS

nien wäre ihm am liebsten gewesen, aber

1946) die Befehlshaber von Heer, Marine und

Konzeption vom 5. November nicht mittru­

London reagierte hartnäckig mit kühler Di­

Luftwaffe, WERNER FREIHERR voN FRITSCH

gen, durch willfährige Nachfolger ersetzt. Die

stanz. So blieb nur die zweitbeste Lösung, das

(1880-1939), ERICH RAEDER (1876-1960)

beiden Militärs fielen einer schmutzigen, von

Bündnis mit dem faschistischen Italien BENITO

und HERMANN GöRING (1893-1946). Sein

GöRING ins Werk gesetzten Intrige zum Opfer.

MussouNIS, welches er nun abschloß. Nicht

Wehrmachtsadjutant HosSBACH notierte

Am 4. Februar 1938 übernahm HITLER den

Teilnehmer

waren

neben

ganz ohne Schwierigkeiten kam am 25. Okto­

HITLERS Darlegung über den Aufbau eines

Oberbefehl über die Wehrmacht und setzte an

ber 1936 der deutsch-italienische Vertrag mit

großen »Weltreiches«, das von einem festen

die Stelle des Kriegsministeriums das Ober­

ausdrücklich antibolschewistischer Ausrich­

„Rassekern" beherrscht und verteidigt wer­

kommando der Wehrmacht (OKW) unter

tung, die „Achse Berlin-Rom", zustande. Daß

den sollte, - Gedankengänge, d ie man in

General WILHELM KEITEL (1882-1946).

der italienische Vertragspartner andere Vor­

„Mein Kampf" hätte lesen können. Neu wa­

stellungen vom künftigen Schicksal Öster­

ren nun aber Überlegungen, daß es auch mit

reichs hatte, war nicht zu übersehen. In der

Großbritannien und Frankreich zum Krieg

Deutschlands und Österreichs, die auf beiden

pompös-pathetischen Manier des neuen Staa­

kommen könne. Mit seinen weitreichenden

Seiten schon nach dem Weltkrieg ihre Anhän­

Der Versailler Vertrag hatte einer Vereinigung

tes wurde die Einigkeit beider Diktaturen

Expansionsabsichten löste er bei den meisten

ger gehabt hatte, im Wege gestanden. HITLERS

beim Staatsbesuch MussouNIS dennoch auf

seiner Zuhörer Bestürzung aus, die sich in

Anschlußforderungen hatte die österreichi­

dem Berliner Maifeld effektvoll in Szene

einer zweistündigen, erregten Diskussion zu

sche Regierung Schuschnigg sich aber immer

gesetzt. Auch der Antikomintern-Pakt, zwi­

scharfem Widerspruch steigerte. Vor allem

wieder entzogen. Am 10. März 1938 erklärte

schen Deutschland und Japan am 25. No­

NEURATH sowie BLOMBERG und FRITSCH be­

HITLER, er beabsichtige, „wenn andere Mittel

vember 1936 abgeschlossen, wandte sich ge­

zweifelten die wirtschaftliche und militä-

nicht zum Ziele führen, mit bewaffneten Kräf­ ten in Österreich einzurücken". Gleichzeitig

gen die Sowjetunion, bedrohte aber gleichzei­ tig britische Fernost-Interessen. Das hinderte

forderte er KuRT ScHuscHNIGG (1897-1977)

HITLER jedoch nicht, weiter auf englische

ultimativ zum Rücktritt auf, die Regierungs­

Sympathien für seinen Staat zu hoffen. Seit dem Jahre 1936 waren die Vorbereitun­ gen für den bevorstehenden Krieg endgültig

" Hitlers erster Coup als außenpolitischer Hasardeur... "

angelaufen. Der Vierjahresplan wurde in ei­ ner Denkschrift HITLERS damit begründet, die deutsche Wirtschaft müsse in vier Jahren kriegsfähig sein. Künftig sollte die wirtschaft­ liche Planung und Produktion auf die Kriegs­ vorbereitung

hin

konzentriert

werden.

„Deutschland lebt heute im Zeichen eines schweren Kampfes um Lebensmittel und Roh­ stoffe", hatte HITLER am 30. Januar 1937 in seiner Rede vor dem Reichstag beklagt, und tatsächlich war die deutsche Wirtschaft durch die schnell und umfassend vorangetriebene Aufrüstung bereits an die Grenzen ihrer Geld­ und Rohstoffreserven gestoßen und lief Gefahr, sich damit zugrundezurichten. Wollte HITLER die drohende Verschlechterung des Lebens­ standards vermeiden, blieb ihm nur, entweder die Aufrüstung zu drosseln und auf den Krieg zu verzichten oder die eigene Volkswirtschaft durch Gebietsgewinne nach einem Erobe­ rungskrieg zu entlasten. Mit dem Konzept des „Blitzkrieges", des kurzen, begrenzten Beute­ krieges als Voraussetzung für einen nächsten militärischen Akt, versuchte er, der wirtschaft­ lichen Zwangslage zu entgehen. Bei einer Geheimkonferenz am 5. November 1937 trug HITLER in einer vierstündigen, nicht unterbrochenen Rede sein politisches Kon472

Remilitarisierung des Rheinlandes. Das Rheinland war nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages entmilitarisiert. Am 7. März 1936 ließ Hitler, zugleich gegen den Locarno-Vertrag von 1925 verstoßend, deutsche Truppen im Rheinland einmarschieren. Nach den Aufzeichnungen des deutschen Botschafters in Rom, Ulrich von Hassell, begründete Hitler den Schritt wie folgt: ,Jetzt aber sei Rußland nur darauf erpicht, im Westen Ruhe zu haben, England sei militärisch in schlechtem Zustand und durch andere Probleme stark gefesselt, Frankreich sei innenpolitsch zerfahren„. Er glaube nicht, daß man einen solchen deutschen Schritt mit militärischem Vorgehen beantworten werde„.'

gewalt sei an den nationalsozialistischen Ver­ trauensmann in der Regierung, den öster-

Guernica. Am 26. April des Jahres 1937 machten deutsche Sturzkampfflugzeuge der »Legion Condor" die baskische Stadt Guernica dem Erdboden gleich. Dieses Bombardement forderte 1645 Menschenleben. Hitler hatte mit der etwa 6 000 Mann starken »Legion Condor" auch zum Sieg des Diktators Francisco Franco im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) beigetragen. Pablo Picasso verbildlichte das Grauen der Zerstörung in seinem berühmten Bild „Guernica" aus _„