Die deutsche Literatur des Mittelalters: Band 2/Lieferung 3 Rhagius, Johannes (Forts.) - Stamler, Johannes 9783110280418, 9783110280227

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Die deutsche Literatur des Mittelalters: Band 2/Lieferung 3 Rhagius, Johannes (Forts.) - Stamler, Johannes
 9783110280418, 9783110280227

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Lfg. 3 Band 2 Verfasserlexikon . Deutscher Humanismus ISBN 978-3-11-028022-7 www.degruyter.com

Herausgegeben von Franz Josef Worstbrock

Band 2 . Lieferung 3

De Gruyter . Berlin . NewYork

Die beiden Ergänzungsbände DEUTSCHER HUMANISMUS 1480–1520. VERFASSER2 LEXIKON knüpfen unmittelbar an das 14-bändige VERFASSERLEXIKON ( VL) zur deutschen Literatur des Mittelalters an. Sie erschließen biobibliographisch und in Werkaufrissen die lateinische Literatur und Wissenschaft im deutschsprachigen Raum zwischen 1480 und 1520, umfassen somit die Glanzzeit des deutschen Humanismus, die im mediävistischen VERFASSERLEXIKON nicht abgebildet ist. Durch Verweise und differenzierte Register wird das weitgespannte humanistische Gelehrtennetzwerk der Epoche sichtbar.

e-ISBN 978-3-11-028041-8 ISBN 978-3-11-028022-7

© 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York

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Satz: META Systems GmbH, Wustermark Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

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stige Konkurrenten wie Andreas J Probst sekundierten. Die Schikanen, denen sich R. ausgesetzt sah, gipfelten im Spätsommer 1511 in der Weigerung des Rektors, R. einen Raum für seine Vorlesungen zuzuweisen. Entschlossen, nun Leipzig zu verlassen, verzichtete R. nicht auf eine Abschiedsrede (s. II.D.), in der er mit der Universität, mit allen ihren Fakultäten, abrechnete. Die Universität beantwortete R.’ Attacke am 2. Okt. mit einer rasch betriebenen Relegierung R.’ für zehn Jahre und kam damit einer Anweisung des Herzogs zuvor, der R. Vorlesungsräume zu festen Zeiten hatte garantieren wollen (Gess, S. 86). Einen literarischen Niederschlag fanden diese Vorgänge in den J ‘Epistolae obscurorum virorum’ (I 17) und in der anonymen ‘Passio Esticampiani secundum Ioannem’ (ed. Brandis, S. 2⫺ 4).

Gegen die Relegation von der Leipziger Universität appellierte R. an den Papst, reiste selber nach Rom und konnte die Zitierung der Universität vor den Wittenberger Theologen Henning Goede als Richter durchsetzen; doch blieb seine Klage gegen die Leipziger anscheinend ergebnislos. In Rom wurde er 1512 zum Dr. theol. promoviert und erlangte das Recht, sechs Poetae laureati zu ernennen. Auf der Rückreise von Rom lehrte er 1512 kurze Zeit in Paris und 1513 in Köln, wo man den kritischen Humanisten jedoch, mochte er nun auch als Theologe auftreten, ähnlich wie in Leipzig nicht duldete. Es folgten unstete Jahre. Um sich eine neue Lebensgrundlage zu schaffen, gründete er 1514 in Cottbus eine ‘höhere’ Lateinschule, die er betont schola latina et christiana nannte und für die er als Lehrer seine Kölner Schüler Kaspar Borner, Petrus J Mosellanus und Jakob Sobius gewann; sie wurde 1515 nach Freiberg i. S. verlegt, 1517 aber, da sie der Rat von Freiberg für entbehrlich hielt, wieder aufgegeben. Wenig später konnte der bereits 60jährige R. endlich wieder an einer Universität tätig werden. Am 20. Okt. 1517 wurde er in Wittenberg durch Vermittlung Georg J Spalatins (Friedensburg, 1924) zum Professor der ‘Plinianischen Wissenschaft’ (Naturphilosophie) ernannt. Als solcher las er öffentlich über Hieronymus und Augustin; Plinius behandelte er privatim. Zusammen mit Melanchthon erklärte er die ‘Ilias’. Seit dem

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12. Sept. 1519 war er als Domherr am Stift St. Georgen zu Altenburg bepfründet. Er starb nach längerer Krankheit am 31. Mai 1520. Sein Epitaph befindet sich in der Wittenberger Stadtpfarrkirche (Abb. bei Lachmann, 1982, S. 18; Abdruck der Verse bei Manlius, 1703, S. 435). R. war im deutschen Humanismus ein anerkannter Gelehrter. Er hat wie nicht wenige andere gewiß stärker als Lehrer und durch seine Person gewirkt denn durch seine Schriften. Melanchthon hatte ihn in Erinnerung als honestissimum ac doctissimum virum (Melanchthon-Br., Bd. 3, Nr. 651, 29. Jan. [1528]). Mutian, mit dem er seit 1513 bekannt war, sprach von ihm mit großem Respekt und kannte die Qualität seiner Schüler (Mutian-Br., Nr. 299 u. 300). Urbanus Rhegius erinnerte sich mit Begeisterung an eine frühere Begegnung mit ihm (s. u. II.F.). Wimpfeling zählte ihn 1510 in ‘Contra turpem libellum Philomusi’ zu jenen Zeitgenossen, die ihre poetischen Fähigkeiten auf verantwortliche Weise einsetzten. Dennoch beschwerte R. sich über Wimpfelings Invektive gegen Locher, da sie den Titel eines Poeta laureatus diskreditieren könne, und zwar zu seinem Schaden, denn er habe für die Summe von 100 fl. das Recht erworben, sechs Poetae laureati zu ernennen (Wimpfeling-Br., S. 669 f.). Eobanus J Hessus verarbeitete eine Begegnung mit ihm in Frankfurt/O. (wohl 1513) in einem Gedicht (‘Operum farragines duae’, Halle 1539, Bl. 250 r⫺v). Unter R.s langjährigen Freunden waren Hieronymus J Balbus und Bohulaus von J Hassenstein (s. II.A.7., Vorrede). I I. We rk . Einen ausgeprägten Schwerpunkt in R.’ Œuvre bilden die im Zusammenhang seiner Lehrtätigkeit seit 1507 erschienenen Ausgaben. Das Spektrum von grammatikalischen Lehrschriften, antiken Autoren wie Cicero, Plinius d. Ä., Tacitus und der ‘Tabula’ des Kebes einerseits, patristischen Schriftstellern andererseits illustriert R.’ Bemühungen, antike und christliche Überlieferung miteinander zu verbinden. Dabei wird jedoch die Zäsur sinnfällig, welche

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die Leipziger Relegation auch in R.s Schaffen hinterließ. Während die Ausgaben der Jahre 1507⫺1509 hauptsächlich den Grammatikern und einigen römischen Autoren gelten, dominiert in der zweiten Phase, 1512⫺1518, Augustin. Philologisch sind die Ausgaben wohl unbedeutend (Walter , 1994, Sp. 117), ein Urteil, das jedoch zumindest für die Ausgabe von Ciceros ‘De oratore’ noch zu prüfen wäre. Unter druckgeschichtlichem Aspekt wird man die Ausgaben des (Pseudo-)Donat und von Ciceros ‘De oratore’ als erste Drucke mit griech. Lettern in Frankfurt/O. bzw. Leipzig notieren. Die Widmungsvorreden sind neben der Leipziger Abschiedsrede die wichtigsten Quellen für R.’ humanistisches Lehrprogramm. Neben R.’ literarischer Hinterlassenschaft, die im Kontext seiner Lehrtätigkeit steht, ist sein poetisches Werk von einigem Gewicht. Es reicht freilich nur sporadisch über die Mainzer Jahre hinaus. A. Herausgeber. 1. Tabula Cebetis philosophi so⫽|cratici/ cum Iohannis Aesticampiani Epistola. Frankfurt/O.: Nik. Lamperter u. Balthasar Murrer, 1507. VD 16, C 1766. ND 1512 (VD 16, C 1768). Erste lat. Ausgabe der ‘Tabula’ nördlich der Alpen. Kennengelernt hatte R. die kleine moralphilosophische Schrift wohl während seiner Studien in Bologna, und zu Ostern 1501 hatte er seine Freunde in Basel mit ihr erstmals bekannt gemacht. Widmung an R.’ Hausschüler Christoph Ziegler (o. D.), dem die ‘Tabula’ als ein Spiegel des menschlichen Leben vorgestellt wird. Der Widmung folgen 28 Hendecasyllabi R.’ an den Hörer (!), die den Inhalt der ‘Tabula’ resümieren, danach in Prosa ein an Ziegler gerichtetes Argumentum und 11 Distichen an ihn; am Ende steht eine ‘Exhortatio de virtute’ (28 Dist.) Ulrichs von Hutten. Der Ausgabe der ‘Tabula’ war von R.’ Veröffentlichungen die größte Wirkung beschieden. Das durch sie angeregte Interesse für diese Schrift führte in rascher Folge zu einer Fülle weiterer Ausgaben und auch volkssprachlicher Übersetzungen (s. S. F. W. Hoffmann, Bibliograph. Lexicon d. Griechen, Leipzig 1838⫺ 1845, ND Amsterdam 1961, Bd. 1, S. 438⫺448). Übersetzung von R.’ Gedicht an den Hörer sowie des Schreibens an Christoph Ziegler: Lachmann, 1985. 2. Grammatica Martiani foelicis Ca⫽|pelle cum Iohannis Rhagij Aesticampiani | Rhetoris & poete prefatione. Frankfurt/O.: Nik. Lamperter u. Balthasar Murrer, 1507. Bauch, Drucke v. Frank-

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furt a. O., S. 251 (12). ND 1509 (VD 16, M 1182). Separatausg. von Martianus Capella, ‘De nuptiis Mercurii cum Philologia’, Buch 3. In der Widmung an seine Neffen Georg und Johannes (o. D.) handelt R. programmatisch über seine Grundsätze zur moralischen und sprachlichen Erziehung. Die Grammatik des Martianus Capella sollte das ‘Doctrinale’ DAlexanders de Villa Dei (NB) ersetzen, das R. schon in Mainz mit Zustimmung Eb. Bertholds von Henneberg aus dem Lehrplan verbannen konnte. Am Schluß wiederum Huttens ‘Elegiaca exhortatio’ und ein Gedicht an den Leser. Bereits i. J. 1500 waren in Erfurt zwei Separatausgaben von Martianus’ ‘Grammatica’ erschienen (s. J Marschalk II.A.2.). 3. Aelius Donatus de figuris | cum Johannis Rhagij Aesti⫽|campiani Epistola [...]. [Frankfurt/ O.: Nik. Lamperter u. Balthasar Murrer, um 1508]. VD 16, A 3706. Titelepigr. an R.’ Neffen. Am Schluß an sie und ihren Lehrer Huttich neun Distichen R.’ sowie ein Distichon an den Leser, welches Kommentare in Aussicht stellt. Gewidmet ist die Separatausgabe von Pseudo-Donats (⫽ Bartholomäus J Arnoldi) ‘Ars maior’, Pars 3,1⫺2, Johannes Huttich, dem die Ausbildung von R.’ Neffen oblag (o.D.); sie sollte als Ergänzung zur ‘Grammatica’ des Martianus Capella (A.2.) dienen. 4. Septem diui Hiero⫽|nymi epistole. ad vitam mortalium instituen|dam accomodatissime. cum Iohannis Aesti⫽|campiani Rhetoris ac poete Laureati et | Epistola & Sapphico carmine. aliorumque | eruditissimorum virorum Epigrammatibus [...]. Leipzig: Melchior Lotter d. Ä., 1508. VD 16, H 3559. Sieben Briefe des Hieronymus: Ep. 8 über Briefwechsel, Ep. 52 zur Lebensführung der Kleriker, Ep. 125 über die mönchische Lebensform, Ep. 107 über Erziehung, Ep. 50 über einen geschwätzigen Mönch, Ep. 40 über Verleumder. Die Widmung der Ausgabe an R.’ Neffen Fabian Judicis enthält R.’ erste Leipziger Positionsbestimmung: Er distanziert sich sowohl von jenen Humanisten, die sich mit der Lektüre fragwürdiger Autoren begnügen, als auch von den in scholastischen Traditionen befangenen Gelehrten und daher weder zu vertieften Studien noch zu sprachlicher Reform geneigt sind. Mit einem Sapphicum carmen R.’ und poetischen Beigaben von Nikolaus Weidemann aus Breslau, Hieronymus J Emser, Ulrich von Hutten, Veit Werler, Valerian Seyfrid und Sebastian Miritius. Gekürzt auf vier Briefe erschien die Ausgabe ohne Angabe eines Hg.s und ohne Beiwerk 1514, 1515 und 1518 bei demselben Drucker in Leipzig. 5. C. Plinij Secundi Veronensis | ad Titum Vespasianum in libros | naturalis hystorie Epistola. Cum | Johannis Aesticampiani Rhetoris et Poetae

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laureati Epistolio [...]. Leipzig: Wolfg. Stöckel, 1508. VD 16, P 3557. Titelepigr. von R. Erster in Dtld. gedr. Plinius-Text. ⫺ Veränderter ND: C. Plinij Praefatio [...]. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1518. VD 16, P 3561. Mit Titelepigr. von Nikolaus Dinckels und Versen Peter Ritters aus Strehla am Schluß. Das Exemplar der Kgl. Bibl. Kopenhagen enthält eine Nachschrift von R.’ Plinius-Vorlesung (Treu, 1989, S. 83, Anm. 119). Die Ausgabe von 1508 ist dem Leipziger Patrizier und Arzt Simon Pistoris als Dank für seine Gastfreundschaft gewidmet. R. erwähnt sein Vorhaben, als Gegenleistung für das Stipendium Hzg. Georgs von Sachsen öffentlich über Plinius’ d. Ä. Vorrede an Titus Vespasianus zu lesen, um den Studenten einen Autor nahezubringen, der in Deutschland zu fast allen Zeiten nahezu unbekannt gewesen sei. Auch dem Adressaten, der hier manches zur Medizin finden könne, wird die Lektüre empfohlen. Die Ausgabe von 1518, abweichend in Orthographie, Interpunktion und Diktion, ist Balthasar Phacchus (Vach), Rektor der Univ. Wittenberg, zugeeignet. R. verweist auf die bedeutende Stellung der Theologie, zumal in Wittenberg. Jeder müsse seinen Beitrag dazu leisten, daß man nicht in den alten Unrat der Sachen und Wörter zurückfalle. Phacchus bemühe sich angelegentlich in seiner Lehre darum, R. selbst in seiner Vorlesung über Hieronymus. Privatim befasse er sich auf Phacchus’ Anregung mit Plinius, der inhaltlich und stilistisch von Bedeutung sei. 6. Cornelij Taciti Jl⫽|lustrissimi hystorici de situ. mori⫽|bus. et populis Germanie. | Aureus libellus [...]. Leipzig: Melchior Lotter d. Ä., 31. Dez. 1509. VD 16, T 26. Titelepigr. von R. ND Leipzig: Wolfgang Stöckel, 1511 (ohne Beiwerk). VD 16, T 27. Nach der Widmungsvorrede an den jungen Hzg. Johann d. J. von Sachsen (Leipzig, o.D.) eine Neujahrsgabe für seine Schüler wie in den Vorjahren die ‘Tabula Cebetis’ (II.A.1.), die ‘Oeconomica’ des Aristoteles (ein von R. besorgter Druck nicht nachweisbar) und die Briefe des Hieronymus (II.A.4.). Die ‘Germania’ soll dem Adressaten gleichermaßen eine geschichtliche wie moralisch anspornende Lehre bieten. Der umfangreichen Widmung geht ein Gedicht des Schülers Christoph Jahns an R. voran, ihr folgen Carmina Jahns, Veit Werlers, Valerian Seyfrids und Johannes Wildenauers. 7. F*elicis+ M[artiani ] C*apellae+ Scientissimi | et clarissimi Authoris. | Rhetorica. cuius forma: ars et vsus/ non multum In Germania est vel cognitus/ vel receptus: | [...] Rhetor Johannes | Aesticampianus edocebit/ [...]. Leipzig: Martin Landsberg, 1509. VD 16, M 1182. Separatausgabe von Martianus Capella, ‘De nuptiis Mercurii cum phi-

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lologia‘, Buch 5. Wie die Widmung an Christoph Ziegler (II.A.1.), so legt hier die an Johann und Wolfgang von Vitzthum (o.D.) Zeugnis vom persönlichen Verhältnis R.’ zu seinen Privatschülern ab. Die vorliegende Ausgabe soll Hilfsmittel für die künftigen Lehrveranstaltungen sein. Ein längerer Abschnitt läßt die Leipziger Widerstände gegen R.’ Lehrmethode und den schwelenden Konflikt mit seinen Gegnern erkennen. Der Widmung gehen 19 Distichen des Ingenuus studiosorum Elequentie Chorus voran. Im Anschluß an die ‘Rhetorica’ ein Hinweis an den Leser, daß ein Kommentar R.’ folgen werde, der jedoch nicht erschien. Am Schluß (nach dem Impressum) ein Sapphicon Christoph Jahns. Übersetzung des Widmungsbriefs, der Verse R.’ und eines der Gedichte von Ch. Jahn: Lachmann, 1985. 8. Quattuor diui Augustini libri. de | Doctrina christiana: omnibus qui sacram scripturam vel recte intel|ligere: vel fructuose predicare volunt: perquam & vtiles & necessarii. | In hoc volumine habentur. [Paris: Bertholt Remboldt, 1512]. GK 8.5947. ND Leipzig: Melchior Lotter d.Ä., 1515 (VD 16, A 4195), ohne R.’ Vorrede. R. verweist in seiner Widmung an Dietrich von Leubus (Paris, 1512) auf seine öffentliche Vorlesung über ‘De doctrina christiana’ in Paris. Er möchte sich in schwierigen Umständen mit dieser Ausgabe bei einem einflußreichen Gönner und dessen Neffen in Erinnerung bringen und beklagt ausgiebig, daß im scholastischen System Werke wie das hier edierte den Studenten selten oder überhaupt nicht vermittelt würden. Der Widmung geht eine Brevis lectoris adhortatio in 18 Hendecasyllabi voran und Bl. a iii r nach dem Prolog des Augustinus ein Sapphicon R.’ an Dietrich von Leubus. 9. Praesens beati Au⫽|gustini libellus. sententijs grauissi⫽|mus. et verbis elegantissimus diui| num oratorem in Cathedra Moysi contionarium concipit facundissime […]. Köln: Heinr. Quentel, 1513. VD 16, A 4202. Separatedition von Augustins ‘De doctrina christiana’, Buch 4, zugeeignet dem Kölner Weihb. Dietrich Caster (Köln, 20. April 1513), einem bekannten Förderer des Humanismus. Titelepigramme von Hermann J Buschius. Am Schluß ein Preisgedicht R.’ auf Köln in 13 Hendecasyllaben. Das Exemplar der Kirchenbibliothek zu Emden enthält hsl. eine gleichzeitige Vorlesungsankündigung R.’ zu Buch 4 der ‘Doctrina christiana’ in Köln (Abdruck: K. u. W. Krafft, S. 137 f., Nr. 6a); als Ort der Vorlesung ist das auditorium juris pontificii Secunda genannt, nicht ein Raum der theol. Fakultät. In Caster, der keinen Einfluß auf die Theologische Fakultät hatte, suchte R. vergebens eine Stütze: Seine Vorlesung wurde inhibiert.

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Die Vorrede und die Beigaben (das Preisgedicht auf Köln nur teilweise) bei K. u. W. Krafft, S. 138⫺140 m. Anm. 1 (Nr. 6b). 10. M*arci+ Tul*lii+ Ciceronis Pul⫽|cherrimi. elegantissimique De oratore | libri tres. non minore studio quam ar⫽|te [...]. Leipzig: Melchior Lotter, April 1515. VD 16, C 3402. Vorrede (o. D.) an Veit Werler. R. will die Ausgabe von ‘De oratore’ als Begleitung zu Augustins ‘De doctrina christiana’ und als der christlichen Predigt dienlich verstanden wissen. Er kritisiert die fehlerhaften italienischen Ausgaben (codices), die auch wenig förderlich glossiert seien, und hebt die maßgebliche Unterstützung durch Werler bei der editorischen Arbeit hervor. Im Anschluß an die Vorrede zwei Carmina des Petrus Mosellanus. Titelepigr. von Veit Werler. Text der Vorrede R.’ bei K. u. W. Krafft, S. 143⫺145 (Nr. 6d). 11. Diui Aurelij Augu⫽|stini libellus de vita Christia⫽|na: ad sororem suam viduam. | Arma Gentilitia Illustrissimorum Principum | ac Ducum Stettin: Pomeriana etc. Leipzig: Melchior Lotter, 1518. VD 16, A 4316. In der Widmung (Wittenberg, 19. Dez. 1518) des Druckes an seinen Schüler Hzg. Barnim (Bernyn) IX. (XI.) von PommernStettin (1501⫺1573) bemerkt R., daß seiner einjährigen Vorlesung über Hieronymus eine Vorlesung über Augustin wegen seiner vorbildlichen Sprache und seiner Lehre christlicher Lebensführung folgen solle. Die vorliegende Schrift ⫺ Augustin allerdings nur zugeschrieben, vermutlich von Fastidius Britannicus verfaßt ⫺ erschien R. besonders geeignet, da sie vorzügliche Ermahnungen und Anweisungen versammelt, die den Menschen schon sehr früh zur Verehrung Christi anleiten. R. möchte sich mit der Ausgabe der langen Reihe der Dozenten anschließen, die sich in Wittenberg seit Gründung der Universität um Unterweisung in Sprache und Ethik bemühten. Der Widmung gehen 11 Distichen auf das auf der Titelseite abgebildetete Wappen des Adressaten voran.

B . Kom me nt at or. Die ‘ Co mm en ta ri i i n g ra mm at ic am Ma rt ia ni Ca pe ll e e t D on at i f ig ur as ’, die rasch der Ausgabe von Martianus Capellas Grammatik (s. II.A.2.) folgten, sollten R.’ Neffen der kurzen Widmung an sie zufolge den Gebrauch des oft dunklen und zu knapp gefaßten Lehrbuchs des Martianus erleichtern. R.’ Hauptanliegen sind Verdeutlichung, auch Korrektur, und Ergänzung. Über Martianus hinaus erscheint am Ende (Bl. [f4]r⫺g iijr) ein aus-

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giebiges Kapitel über Constructio. Neben der Kommentierung des grammatikalischen Stoffes bringt R. mancherlei Erläuterungen von Namen und Sachen, in größeren Exkursen jedoch nur zu Beginn: Bl. a ijr⫺v über die Erfindung der Buchstaben (mit Zitierung des c. 39 des Eugenius von Toledo) und Bl. a iijv über Leben und Werk Catulls. Nach dem Kolophon ist eine leicht bearbeitete Wiedergabe von Donats ‘De barbarismo et soloecismo’ angefügt. Den Abschluß des Druckes bilden 35 Elfsilbler an die Neffen und acht Distichen an den Leser. Druck. Commentarij Johannis Rhagij | Aesticampiani Rhetoris et poetae laureati | in Grammaticam Martiani Capellae et Do|nati figuras. Frankfurt/O.: Nik. Lamperter u. Balthasar Murrer, 1508. VD 16, R 1663. Die Widmung an die Neffen und Auszüge aus den beiden Gedichten bei Kristeller, CTC, Bd. 3, S. 450. Teilübersetzung des Gedichtes an die Neffen: Lachmann, 1985.

C . G ed ic ht e. 1. Die ältesten erhaltenen Gedichte R.’ sind die Carmina in Distichen, die er 1501/ 02 in Straßburg zu der von Thomas J Wolf organisierten zweiten Schmähschrift gegen Thomas J Murner in dessen Germania-Streit mit Wimpfeling beitrug, eines ad Argentinam, ein weiteres in Thomam Murner blateronem monachum, ein drittes ad Jacobum Wimpfelingium. Es sind Verse, die Wimpfeling und den Seinen zu Gefallen Murner wortreich beschimpfen, die verbreitete Behauptung seiner sprachlichen und historischen Ignoranz wiederholen, Wimpfeling zum obsiegenden Herkules erheben. Druck. Jn hoc libello con|tinentur | Versiculi Theodorici Gresmundi Legum Doctoris | Epistole Thome Wolffij iunioris. Decretorum Doctoris | Carmina Esticampiani Poete laureati […]. Straßburg: Joh. Strosack [d. i. Georg Husner], [1502]. VD 16, G 3187. Dt. Übersetzung: Lachmann, 1981, 1985.

2. ‘Epigrammata’. Die ‘Epigrammata’, eine während R.’ Lehrtätigkeit in Mainz entstandene, Ende 1505 abgeschlossene Sammlung von Gelegenheitsgedichten, geben einerseits Auf-

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schluß über R.’ damalige Mainzer Gönner, Freunde und Schüler sowie über das gesellschaftliche Leben, das individuell und lebendig vergegenwärtigt wird. Andererseits verschaffen sie ein Bild von R.’ moralischpädagogischen Idealen. R. verwendet elegische Distichen, Hexameter und lyrische Versmaße. Zugeeignet ist die Sammlung dem Mainzer Eb. Jakob von Liebenstein als Dank für zahllose Wohltaten, darunter die Zahlung des Gehalts für R.’ Lehramt. Der Dedikation folgen Verse R.’ an den Leser, Carmina Dietrich Gresemunds und Konrad Weidmanns auf R. als Dichter, ferner ein Gedicht Huttens an den Leser. Den Aufbau der Sammlung hat R. in der Widmung skizziert und kurz erläutert. Er eröffnet sie mit einer metrischen Vita Martins von Tours (305 Hex.), dem Patron des Bistums und der Mainzer Domkirche (mit Schilderung des Mainzer Martinsfestes). Es folgen in ständisch hierarchischer Ordnung Lobgedichte auf Zeitgenossen, die R. wegen ihrer geistigen Fähigkeiten und ihrer Bildung verewigen möchte; es sind überwiegend Angehörige des Mainzer Klerus: Wilhelm von Honstein (seit 1506 B. von Straßburg), dem die Martinsvita zugeeignet ist, Eb. Berthold von Henneberg (1484⫺1504), Förderer der Wissenschaften, der R. nach seinen Studien in Italien als ersten Professor der Beredsamkeit und Moralphilosophie in Mainz gewonnen hatte, sowie Jakob von Liebenstein selbst; die Söhne Kf. Philipps von der Pfalz, Georg (1486⫺1529), Propst zu St. Martin, Johann (1488⫺1538), Heinrich (1487⫺1552), früher Propst von St. Alban, und Wolfgang (* 1494). Des weiteren sind der Domkanoniker Philipp Graf von Königstein († 1509) und der Domdekan Dr. Uriel von Gemmingen (1468⫺1514) mit Versen bedacht. Beschlossen wird diese Reihe mit dem Hymnus auf die hl. Barbara, R.’ persönliche Patronin; begleitet ist der Hymnus von zwei Gedichten an den Dekan und Scholaster des Domstiftes, Adolf Rau († 1512), der die Dichtung seinen Schülern zur Kenntnis bringen möge. Mit dem Domkanoniker und -kantor Peter Nothafft († 1506), dem Dombaumeister Johann von Hattstein, dem Generalvikar (seit 1506) Dietrich Zobel und Ivo J Wittich folgen weitere nichtadelige Angehörige der Mainzer Kirche und Kurie. Die an Zobel bzw. Wittich gerichteten Gedichte Musam extrudit und Musa Poetam obiurgat zeigen R.’ beengte wirtschaftliche Verhältnisse an (s. Fleischer, S. 83). Die Reihe wird fortgeführt mit Freunden, die zu den Gebildeten gezählt werden können: der nicht sicher identifizierbare Dr. Bernhard Kuhorn (s. Bauch, Mainz,

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S. 56, Anm. 171), der Jurist Johannes Kuhorn, Thomas Wolf d. J., Georg Beheim, Jakob J Merstetter und Johannes J Murmellius (Johannes Monasteriensis). Nach Gedichten auf R.’ Schüler Johannes Bruder und Jakob Link und der poetischen Verarbeitung eines Hostienwunders auf dem St. Albansberg folgt ein längeres Carmen auf Wimpfelings Schrift ‘De integritate’ (s.II.5.f). Besungen werden danach mit dem Juristen Johann Schmuck und dem Mediziner (?) Bernhard Rorbach (s. Bauch, Mainz, S. 57 m. Anm. 173) noch einmal Freunde und wiederum Schüler: Kaspar Wydebach, Wolfgang Bauer, Markus Leimbach und R.’ Famulus Heinrich Brumann, dessen Tagesablauf in 29 Distichen dargelegt wird (u. a. wird seine Beschäftigung mit Lukian, Vergil und Cicero erwähnt). Die nachfolgenden einzigen Liebesgedichte R.’ an Martha und Cattha weisen italienische Einflüsse, insbesondere von Philippus Beroaldus auf (Ellinger I, S. 465). Anschließend werden der Barbier Antonius bedacht und drei ungenannte Vertreter der Gesellschaft verspottet (In lurchonem, In sciolum, In Polyphemum). Es folgt ein längerer, dem Kantor und Kanoniker Konrad Ibgen gewidmeter Dialog zwischen der Muse und ihrem Jünger. Am Schluß ein Carmen an den Leser von Joachim von Bülow. Druck. Epigrammata Jo|hannis Aesticam⫽| piani. Leipzig: Melchior Lotter d. Ä., 1507. VD 16, R 1664. Der Hymnus auf die hl. Barabara erschien 1511 noch einmal als Separatdruck, beschlossen durch einen Einzeiler des Johannes Heß aus Nürnberg. Druck. Hymnus Ioannis Rhagii Aesticampiani Lusacii Rhetoris Poetaeque Laureati et sacrae Theologiae Magistri […] in laudem Diuae Barbarae martyris et | Virginis. [Wittenberg: Joh. RauGrunenberg, um 1511]. VD 16, R 1665. 3. Verloren ist ein von R.’ Landsmann und erstem Biographen Christoph Manlius bezeugtes Gedicht über die Lausitz (‘Poema de Lusatia’), das Melanchthon aus R.’ Nachlaß zum Druck an Froben nach Basel geschickt hatte; da die Drucklegung nicht vorankam, wollte Melanchthon das Manuskript zurückverlangen, um es in Wittenberg drukken zu lassen (Melanchthon-Br., Bd. 5, Nr. 1296, [Wittenberg] 1532; Manlius, S. 435). Christoph Scheurl bezeugt in seinem Brief vom 17. Sept. 1517 nicht näher bezeichnete Verse R.’, die vor zwanzig Jahren verfaßt worden seien (Scheurl-Br., Bd. 2, 1872, S. 49, Nr. 167).

D . ‘ Or at io Ly ps i h ab it a c or am u ni ve rs it at e’ . In seiner Leipziger Universitätsrede (1511) führt R. in drei Teilen aus, was er

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anläßlich seines erzwungenen Abschieds zu sagen hatte. Er gibt zunächst Rechenschaft von seinen Bemühungen um die Lehre, von seinem Zeitaufwand für Vorlesungen, Vorbereitungen, wissenschaftliche Abhandlungen und Gedichte. Danach legt er die Schwerpunkte seiner Tätigkeit dar und nennt alle die Autoren und Texte, über die er in Leipzig gelesen hat: Zwar hat er seine Lehrtätigkeit mit drei Dekaden des Livius begonnen, die er in privatem Kreise nochmals behandelte, doch führt er an erster Stelle Plinius d. Ä. an, dessen Vorrede zur ‘Historia naturalis’ an Ks. Titus Vespasianus, die er unentgeltlich öffentlich erläuterte, die Bücher VII (De homine), XI (De animalibus insectis), XII⫺XIII (De peregrinis arboribus), XIV⫺XV (De patriis arboribus); R. hebt seine Verdienste um die Plinius-Studien, die er als erster in Deutschland betrieben habe, nachdrücklich hervor. Lehrgegenstände waren ferner die Komödien des Plautus und die Carmina des Horaz, dessen Bedeutung sowohl für die humanistische Dichtung als auch für die christliche Hymnik R. betont; die ‘Aeneis’ Vergils, die er, wie er meint, erstmals unter dem philosophischen Blickwinkel ‘Vita activa ⫺ Vita contemplativa’ interpretierte; die ‘Rhetorica’ des Martianus Capella, zwar vorgesehen, wurde, da schlecht gedruckt, zurückgestellt; von Cicero Briefe, ‘De officiis’, ‘De oratore’ und drei nicht näher bezeichnete Reden, die im privaten Kreis erläutert wurden; die ‘Germania’ des Tacitus und die Briefe des Hieronymus; die ‘Noctes Atticae’ des Gellius, das Werk Priscians und Augustins ‘De doctrina christiana’.

Schließlich legt R. in schonungsloser Offenheit die Hintergründe für seine Relegation dar. Er rechnet mit den dem Poeten übel gesonnenen Fakultäten der Theologen, Juristen, Mediziner und Philosophen nacheinander bitter und sarkastisch ab. Druck. Oratio Lypsi habita coram vniversitate per Joannem | Esticampianum Rhetorem et Poetam Lau|reatum [...]. Speyer: [Konrad Hist, 1512]. VD 16, R 1667. Mit einer Vorrede des Johannes Philomusus an B. Dietrich von Leubus. Auf dem Titelblatt unter einer sprichwörtlichen Wendung ein Gedicht unter dem Titel Larua Esticampiani ad seipsum. Am Schluß ein zusammenfassender Hinweis auf die juristische Haltlosigkeit der Relegierung, für die es in den Statuten der Universität keine Begründung gebe; danach zwei Auszüge aus den Statuten und eine Aufforderung an den Leser, sich sein eigenes Urteil zu bilden.

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Ausgaben. Marggraff, 1703, Bl. [C]r⫺[C4]v; Pescheck, 1842, S. 190⫺198. Übersetzungen: Clemen, 1899, S. 237⫺240; Lachmann, 1985. E. Kleine Beiträge. 1. Joannes Garson | de miseria humana | Epistole consolatorie. Epi|grammata & Epitaphia. a doctis di|sertisque Germanie viris e˛dita ad | Thomam Vuolphium Iuniorem | in obitum fratris. Straßburg: Joh. Grüninger, 4. März 1505. VD 16, G 473. Bl. Cr⫺C iii r eröffnet R. mit einem Schreiben an Thomas Wolf d. J. (o. D.) die Reihe der Trostbriefe an denselben anläßlich des Todes seines Bruders Amandus. Lob des früh Verstorbenen, den er selbst in Mainz beherbergt hatte, seiner geistigen Fähigkeiten und seiner Integrität. Es folgen drei Epigramme von R. auf Amandus und eines an Thomas Wolf. 2. Publij. Vigilantij. Bacilarij. Axungie | poete et oratoris. ad Jllustissimum principem Joachimum. Sacri Ro/|mani imperij Archicamerarium et Electorem Marchionem Brandem⫽|burgensem. [...] Franck⫽|phordiane vrbis ad Oderam. et Gymnasij literarij introductionis | Ceremoniarumque obseruatarum descriptio. Frankfurt/O.: Konrad Baumgarten, 13. Febr. 1507. VD 16, S 3100. Der ‘Descriptio’ geht ein Epigramm R.’ voran. 3. In hoc opusculo hec continentur. | Hermanni Buschij Spicilegium .xxxv. illustrium philosophorum | auctoritates vtilesque sententias continens […]. Magdeburg: Jak. Winter, 1507. VD 16, B 9950. Bl. [C6]v⫺Dr 10 Distichen R.’ an Hermann J Buschius. Bl. D iijv ein Brief R.’ an denselben (Mainz, 28. Sept. 1505); erwähnt eine durch Heinrich Schmidburg überbrachte Bitte, R. möge ihn bei Dietrich von Leubus als Lehrkraft für die neue Univ. Frankfurt/O. empfehlen; R. äußert sich zuversichtlich, hofft, einst zusammen mit Buschius zu leben und aus seinen Dichtungen Nutzen zu ziehen. 4. Bonifacii Symonetae divi ordinis cisterciensis | cornv abbatis […] de christiane fidei et Romanorum pontificum […] persecvtionibvs opvs […]. Basel: Nik. Keßler, Dez. 1509. VD 16, S 6542. Bl. 2 v: Nach einem Epigramm des Hg.s Hieronymus J Emser neun Hendcasyllabi von R. 5. Elegidion Gvolfi Cyclopii | Cycnaeii [...] | De immaculata Conceptione diuae Virginis | De Septem gaudiis eiusdem. De tribus humanis | hostibus. De sancta Anna. Wittenberg: Joh. RhauGrunenberg, Sept. 1511. VD 16, C 6502. Titelbl.v ein einführendes Carmen R.’ an den Leser. 6. Jacobi Wimphelingi | De Integritate Libellus [...]. Straßburg: Joh. Knobloch, 1506. VD 16, W 3388. Bl. G iiijr⫺[G5]r das auch in R.’ ‘Epigram-

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Rhagius, Johannes

mata’ gedruckte Gedicht auf ‘De integritate’. Wie bereits bei dem Streit Wimpfelings mit Murner (s. II.C.1.) äußert R. sich nicht zum eigentlichen Kernpunkt, sondern lobt Wimpfelings Vorgehen und dessen Schrift. 7. Konrad Peutinger, Epistola de nomine ‘Augustus’. Mit einem Schlußgedicht R.’ an den Leser. Druck bei E. Kˆnig, Peutingerstudien, 1914, S. 33, nach der Hs. Stuttgart, LB, Cod. Hist. 2 o Nr. 248, Bl. 23.

F. Kor re sp on de nz . Von R.’ Korrespondenz sind nur spärliche Reste erhalten. Konrad Celtis nahm in seinen ‘Liber epistolarum’ zwei Briefe des R. auf: Ein während des ersten Italienaufenthaltes abgefaßter (Bologna, 27. Mai 1500; Celtis-Br., Nr. 241) berichtet von seinen Studien in Bologna und einem Besuch am Grabmal des Pomponius Laetus in Rom; mit dem Leben in Italien außerhalb der Studien unzufrieden, bittet R. Celtis, ihm bei der Suche nach einer geeigneten Stelle behilflich zu sein. Im Brief vom 28. Aug. 1502 (Celtis-Br., Nr. 283) bittet R. ihn, dafür Sorge zu tragen, daß Konrad J Peutinger sich seiner Bücher annimmt, und gibt Nachricht von seiner Zusammenkunft mit Johann von Dalberg. Am 1. Jan. 1514 unterrichtet er Mutianus über die Errichtung der Lateinschule zu Cottbus (Mutian-Br. Bd. 2, Nr. 344). Erhalten sind ferner zwei Briefe J Spalatins an R. aus dem Jahr 1517 (Altenburg, [31. Juli] 1517, u. ebd. [12. Aug.] 1517, ed. Friedensburg [1924], S. 147 f.), ein Ende 1517 ausgestelltes Stück von Luther (Luther-Br., Nr. 56, S. 131) und ein Ostern [4. April] 1518 von Urbanus Rhegius an R. gerichtetes Schreiben (ed. Ch. G. Wilisch, Arcana Bibliotheca Annabergensis, XIX [44], Leipzig 1730, S. 110⫺113). In einem Brief vom 16. Febr. 1519 nimmt R. Pirckheimers Angebot, Bücher aus Italien zu besorgen, an; er wünscht Suidas, Lukian, die Reden des Demosthenes, Homer in einer Florentiner Ausgabe, da er die Aldina bereits besitze, und Gregor von Nazianz; ferner bittet er um Hilfe zur Aussöhnung mit dem ihm seit der Studienzeit in Bologna vertrauten Dr. Scheurl (Pirckheimer-Br., Bd. 4, Nr. 585).

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Literatur. M. L. Marggraff, De Ioanne Rhagio Aesticampiano, [Leipzig 1703]; Ch. Manlius, Lusatiae Liber VII: De viris illustribus, Kap. 1, in: C. G. Hoffmann, Scriptores rerum Lusaticarum, Leipzig 1719, S. 434⫺436; H. A. Erhardt, Gesch. d. Wiederaufblühens d. Wissensch. vornehml. in Teutschland bis z. Anfange d. Reformation, Bd. 3, Magdeburg 1832, ND 1977, S. 287⫺290; H. Pescheck, Erinnerungen an zwei einst sehr berühmte Niederlausitzer, Neues Lausitzisches Magazin 20 (1842) 187⫺210, hier S. 187⫺198; F. Zarncke, Die urkundl. Quellen z. Gesch. d. Univ. Leipzig, Leipzig 1857, S. 692; C. Krafft, Mitt. aus d. niederrhein. Reformationsgesch., Zs. d. Berg. Gesch.ver. 6 (1869) 193⫺340, hier S. 229; Hutten, Opera, Suppl. Bd. 2, 1870, S. 293⫺296; Krafft/ Crecelius, Mitt., S. 276; K. u. W. Krafft, Briefe u. Dokumente aus d. Zeit d. Reformation im 16. Jh. [...], 1875, S. 137⫺147, 199⫺201; C. Krause, Helius Eobanus Hessus. Sein Leben u. seine Werke, Bd. 1, 1879 (ND Nieuwkoop 1963), S. 111⫺113; G. Bauch, J. R. Ae. in Krakau, seine erste Reise nach Italien u. sein Aufenthalt in Mainz, Arch. f. Litt.gesch. 12 (1884) 321⫺370; ders., Die Vertreibung d. J. R. Ae. aus Leipzig, ebd. 13 (1885) 1⫺33; F. Falk, Zu Bauch, Rhagius Aesticampianus (Archiv XII, 321), ebd. 14 (1886) 441 f.; Mutian-Br., Reg.; Knod, Bologna, S. 447 (Nr. 3030); G. Bauch, Biograph. Beitr. z. Schulgesch. d. XVI. Jh.s, Mitt. d. Ges. f. dt. Erziehungs- u. Schulgesch. 5 (1895) 1⫺26, hier S. 8⫺12; F. Gess, Leipzig u. Wittenberg, NA f. Sächs. Gesch. 16 (1895) 43⫺93, hier S. 54, 55, 86 f.; G. Bauch, Zu Luthers Briefwechsel, ZKG 18 (1898) 391⫺412, hier S. 396 f.; ders., Drucke von Frankfurt a.O., ZfB 15 (1898) 241⫺260, hier S. 250⫺252; ders., Leipzig, Reg.; G. Kawerau, Hieronymus Emser. Ein Lebensbild aus d. Reformationszeit, 1898, S. 24 mit Anm. 56; O. Clemen, Ä.s Leipziger Abschiedsrede, Neue Jbb. f. Pädagogik 2 (1899) 236⫺240 (wieder in: ders., Kleine Schr. z. Reformationsgesch., Bd. 1, 1897 [ND 1982], S. 262⫺266); G. Bauch, Die Anfänge d. Univ. Frankfurt a. d. O. u. d. Entwicklung d. wiss. Lebens an d. Hochschule (1506⫺1540), 1900, Reg.; ders., Krakau, S. 26⫺ 28, 41⫺43; C. Morawski, Histoire de l’universite´ de Cracovie [...], Bd. 3, Paris 1905, S. 81 u. 85; Bauch, Erfurt, S. 21 u. 192 f.; ders., Mainz, S. 43⫺ 65; G. Witkowski, Gesch. d. lit. Lebens in Leipzig, 1909, Reg.; C. G. Brandis, Beitr. aus d. UB zu Jena zur Gesch. d. Reformationsjh.s (Zs. f. thüring. Gesch. u. Altertumskunde NF, Beih. 8), 1917, S. 1⫺11; W. Friedensburg, Gesch. d. Univ. Wittenberg, 1917, S. 113 f.; ders., Die Berufung d. J. R. Ae. an d. Univ. Wittenberg, ARG 21 (1924) 146⫺148; O. Wic´ az, Serbski poeta laureatus, Łuzˇica 1926/27 (41) 42 f.; Ellinger, Neulat. Lit., Bd. 1, S. 366, 463⫺466; Luther-Br. 1, S. 407,

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Rhenanus, Beatus

Nr. 181; Bd. 2, S. 74, Nr. 270; Celtis-Br., Reg.; H. Grimm, Ulrichs v. Hutten Univ.jahre u. Jugenddichtungen, 1938, S. 84, 119, 127; ders., in: NDB, Bd. 1, 1953, S. 92 f.; H. Helbig, Die Reformation d. Univ. Leipzig im 16. Jh. (Schr. d. Ver. f. Reformationsgesch. 171), 1953, Reg.; R. Jencˇ , Stawizny serbskeho pismowstwa, Bautzen 1954, S. 17⫺19; G. Zsch‰bitz, Stadt u. Univ. Leipzig z. Zeit d. Reformation, in: Karl-Marx-Univ. Leipzig 1409⫺ 1559 [...], Bd. 1, 1959, S. 34⫺67, hier S. 44, 46; E. Lachmann, R. Ae. (1457⫺1520). Ein Lebensbild, 1961 [vorwissenschaftlich]; L. Petry, Mittel- u. Ostdtl. im Blickfeld d. Mainzer Univ.gesch., in: Miscellanea Moguntina. Vorträge d. Mainzer Univ.woche v. 13. bis 20. Mai 1962 (Beitr. z. Gesch. d. Univ. Mainz 6), 1964, S. 24⫺40, hier S. 27 f.; H. Grimm, Mainzer Studenten ziehen im Frühjahr 1506 an die Univ. Frankfurt a. d. O., Mainzer Almanach 1966, 112⫺124; H.-H. Fleischer, J. R. Ae. Ein humanist. Dichter als Professor in Mainz (1501⫺1506), Mainzer Zs. 63/64 (1968/69) 79⫺85; H. Wilsdorf, Humanismus u. Volkskunde bei J. R. (Rak) Ae., Łtopis. Jahresschr. d. Instituts f. sorb. Volksforsch., Reihe C 11/12 (1968/69) 281⫺305; Rupprich, LG, Bd. 1, Reg.; C. E. Lutz, Ae.’ edition of the ‘Tabula’ attributed to Cebes, Yale University Library Gazette 45 (1971) 110⫺117, wieder in: dies., Essays on Manuscripts and Rare Books, 1975, S. 79⫺86; dies., Ae.’ Commentary on the ‘De Grammatica’ of Martianus Capella, in: Renaissance Quarterly 26 (1973) 157⫺166; dies., Martianus Capella. Addenda et Corrigenda, in: Kristeller, CTC, Bd. 3, S. 449⫺451; H. Barycz, S´la˛sk w polskiej kulturze umysłowej, Katowicze 1979, S. 101 f.; M. Liebmann, Urbanus Rhegius u. d. Anfänge d. Reformation. Beitr. z. seinem Leben, seiner Lehre u. seinem Wirken bis z. Augsburger Reichstag v. 1530 mit einer Bibliographie seiner Schr. (Reformationsgesch. Stud. u. Texte 117), 1980, Reg.; E. Lachmann, J. R. Ae. Eine ergänzende Nachbetrachtung, 1981; ders., Zwischen Hoffnung u. Erfüllung. Stationen eines Lebens, 1982 [vorwissenschaftlich]; Martin Luther, WA, Bd. 59, 1983, S. 110 u. 642 Anm. 138, 644 Anm. 146, 658 f.; D. Mertens, Bebelius ... patriam ... Sueuiam restituit. Der poeta laureatus zwischen Reich u. Territorium, Zs. f. Württ. Landesgesch. 42 (1983) 145⫺ 173, hier S. 155 f.; M. Steinmetz, Die Univ. Leipzig u. d. Humanismus, in: Alma mater Lipsiensis. Gesch. d. Karl-Marx-Univ. Leipzig, hg. v. L. Rathmann, 1984, S. 33⫺54, hier S. 45 f., 51, 53; J. H. Overfield, Humanism and Scholasticism in Late Medieval Germany, Princeton N. J. 1984, Reg.; E. Lachmann, Briefe, Gedichte u. Reden d. Sommerfelder Humanisten Johannes Rak 1457⫺1520, 1985; Pirckheimer-Br., Bd. 3, S. 162, 171, Nr. 464; Bd. 4, S. 17 f., Nr. 585; J. Steiner, Die Artistenfa-

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kultät d. Univ. Mainz 1477⫺1562 (Beitr. z. Gesch. d. Univ. Mainz 14), 1989, S. 404 f., 407 f.; M. Treu, Balthasar Fabritius Phacchus, Wittenberger Humanist u. Freund Ulrichs v. Hutten, ARG 80 (1989) 68⫺87, hier S. 83 f.; Wimpfeling-Br., S. 389 Anm., 669 u. Anm.; H. K¸hne / H. Motel, Berühmte Persönlichkeiten u. ihre Beziehung zu Wittenberg, 21991, S. 67; R. D¸chting, in: Killy, Lit.lex., Bd. 9, 1991, S. 410 f.; P. Walter, in: BBKL 8, 1994, Sp. 116⫺119; L’Europe des humanistes (XIV e⫺XVII e sie`cles). Re´pertoire e´tabli par J.-F. Mailard, J. Kecsslame´ ti et M. Portalier (Documents, E´tudes et Re´pertoires publie´s par l’Institut de Recherche et d’Histoire des textes), Turnhout 1995, S. 364; F. Machilek, Konrad Celtis u. d. Gelehrtensodalitäten, insbes. in Ostmitteleuropa, in: W. Eberhard / A. A. Strnad (Hgg.), Humanismus u. Renaissance in Ostmitteleuropa, 1996, S. 137⫺ 155, hier S. 146; M. Treu, Die Leucorea zwischen Tradition u. Erneuerung. Erwägungen z. frühen Gesch. d. Univ. Wittenberg, in: Martin Luther u. seine Univ., hg. v. H. L¸ck, 1998, S. 31⫺51, hier S. 46; A. Gorzkowski, Paweł z krosna. Humanistyczne peregrynacje krakowskiego profesora. Krakau 2000, Reg.; M. Zwiercan, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 40, 2000⫺2001, S. 470⫺472; H. Kathe, Die Wittenberger Philosoph. Fak. 1502⫺1817 (Mitteldt. Forsch. 117), 2002, S. 45 u. 55 f.; H. Jaumann, Hdb. d. Gelehrtenkultur d. Frühen Neuzeit, Bd. 1, 2004, S. 11; S. El Kholi, Ein Nachtrag z. 500. Todestag d. Mainzer Eb.s Berthold von Henneberg (1484⫺1504). Das Preisgedicht d. J. R. Ae., Archiv f. mittelrhein. Kirchengesch. 58 (2006) 285⫺298; dies., Der Barbarahymnus d. J. R. Ae., ebd. 60 (2008) 293⫺312; dies., J. R., in: K. Pollmann u. a. (Hgg.), The Oxford Guide of the Historical Reception of Augustine, Oxford 2010, (im Druck).

Susann El Kholi

Rhenanus, Beatus Inhalt. I. Leben. ⫺ II. Werk. A. Herausgabe zeitgenössischer Autoren. 1. Jacques Lefe`vre d’E´taples. 2. Deutsche Autoren. 3. Italienische Autoren. 4. Erasmus von Rotterdam. 5. Weitere Autoren. ⫺ B. Herausgabe antiker und mal. Texte. ⫺ C. ‘Res Germanicae’. ⫺ D. Briefwechsel. ⫺ Literatur. Abkürzungen: Br. ⫽ Rhenanus-Br.; Catalogue ⫽ J. Walter, Catalogue ge´ne´ral de la Bibliothe`que Municipale, 1. se´rie: Les livres imprime´s, Bd. 3: Incunables & XVI me sie`cle, Colmar 1929 (die zit. Titelnrr. beziehen sich auf Schriften, die zur Bibliothek des Rh. gehören); AABHS ⫽ Annuaire des Amis de la Bibliothe`que Humaniste de Se´lestat; Anthologie ⫽ R. Walter (Hg.), Un grand humaniste alsacien et son e´poque. B. Rh. […]. An-

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Rhenanus, Beatus

thologie de sa correspondance (Socie´te´ savante d’Alsace et des re´gions de l’Est. Collection ‘Grandes Publications’ 27), Strasbourg 1986; Hirstein (Hg.) ⫽ J. Hirstein (Hg.), B. Rh. (1485⫺1547). Lecteur et e´diteur des textes anciens, Turnhout 2000.

I . L eb en . Rh., am 22. Aug. 1485 geb., stammte aus der elsässischen Reichsstadt Schlettstadt. Sein Großvater Eberhard Bild († ca. 1460) war dorthin aus dem unweit gelegenen Rheinau übergesiedelt; die Familie hatte seitdem den Zunamen Rinower (auch von Rinow oder Rinow) angenommen, den Beatus 1503 latinisierte und später um den literarischen Herkunftsnamen Selestadiensis (nach oder neben anderen Versionen wie Helvetensis, Sletstatinus oder Seletensis) ergänzte; die fortgesetzte Suche nach der korrekten Ableitung spiegelte das philologisch-historische Interesse wider, das ihm zum Lebensinhalt wurde. Seine Eltern waren Anton Rinower († 1520), Metzger und angesehener Bürger der Stadt, und dessen Ehefrau Barbara Kegel († 1487), Schwester des Priesters Reinhard Kegel († 1515); zwei ältere Brüder sind frühzeitig gestorben. Beatus wuchs in materiell gesicherten Verhältnissen auf; er empfing eine exzellente Bildung und konnte ganz seinen intellektuellen Neigungen leben; das vom Vater wie vom Oheim ererbte Vermögen ermöglichte ihm auf Dauer ein völlig ungebundenes Gelehrtendasein. Rh. bezog zunächst die Lateinschule in Schlettstadt, die sich seit der Mitte des 15. Jh.s zu einer Pflanzstätte des elsässisch-südwestdeutschen Humanismus entwickelt hatte. Seine Lehrer waren Kraft Hofmann, der die Schule seit 1477 leitete, und Hieronymus J Gebwiler, der das Rektorat 1501 übernahm. Sie machten ihn, neben christlichen Autoren aus älterer und neuerer Zeit, mit der klassischen lat. Literatur bekannt und weckten auch sein Interesse an deutscher Geschichte. Im Frühjahr 1503 ging Rh., wohl auf Anraten Gebwilers, der selbst dort studiert hatte, nach Paris, wo er am Colle`ge du Cardinal Lemoine den Lehrkurs der philosophi-

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schen Fakultät absolvierte; 1505 wurde er Baccalaureus, im Febr. 1507 Licentiatus und im Spätherbst 1507 Magister artium. Er schloß sich Jacques Lefe`vre d’E´taples an, der sich als Wiederhersteller des von scholastischen Kommentatoren verfälschten Aristoteles und als Erneuerer einer biblisch fundierten Theologie verstand; er hörte auch Vorlesungen von Publio Fausto Andrelini über Rhetorik und Poesie, die ihm die Welt des italienischen Humanismus eröffneten; bei Georgios Hermonymos und Franc¸ois Tissard begann er Griechisch zu lernen. 1505⫺07 zog ihn Lefe`vre zur Mithilfe bei der Drucklegung seiner Schriften heran, die bei Jean Petit und Henri Estienne herauskamen. Als Rh. Ende 1507 nach Schlettstadt zurückgekehrt war, blieb er auf diesem Feld tätig. Er verband sich mit seinem ehemaligen Mitschüler Matthias Schürer, der 1508 in Straßburg eine Offizin einrichtete und sich dabei auf die Veröffentlichung humanistischer Autoren, v. a. aus Italien, spezialisierte; er besorgte Texte, schrieb Vorreden und wirkte als Korrektor. 1509 und 1510 hielt er sich deswegen für längere Zeit in Straßburg auf; er trat dabei auch der literarischen Sozietät um J Wimpfeling, D Geiler und J Brant nahe. Um die gleiche Zeit erkundete er, angeregt durch das Inskriptionenwerk J Peutingers, römische Altertümer am Mittel- und Oberrhein; er kopierte Inschriften, so aus der Sammlung Dietrich J Gresemunds d. J., der ihm die Mainzer Monumente zeigte; das erhaltene Autograph verzeichnet weitere, auch neuere Stücke aus Italien, die Rh. Thomas J Wolf d. J. verdankte (Besanc¸on, Bibl. Mun., ms. 1219; Br., S. 22 f., 25 u. 27; Fuchs, S. 29 f.; Mertens, 2008, S. 156 u. 158). Währenddessen plante er, seine Studien in Italien fortzusetzen; als sich dies wegen der dortigen Kriegswirren zerschlug, dachte er daran, wiederum nach Paris oder nach Orle´ans zu gehen, wo er offenbar Kirchenrecht und Theologie studieren wollte (Br., S. 23 u. 51 f.); aber auch daraus wurde nichts. Die Ungewißheiten hatten ein Ende, als sich Rh. 1511 in Basel niederließ. Er nahm, zusammen mit den Söhnen des Buchdruk-

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kers Johannes Amerbach, die ihm großenteils von der gemeinsamen Schul- und Universitätszeit her bekannt waren, Unterricht bei dem Gräzisten Johannes J Cuno, der bei J Reuchlin und bei Marcus Musurus in Padua studiert hatte. Er vervollkommnete seine Griechischkenntnisse, las heidnische Griechen und griech. Kirchenväter und nahm an der editorischen Tätigkeit Cunos teil, durch die ihm die Grundregeln philologischen Arbeitens vermittelt wurden; binnen kurzem wurde er, bis zu dessen Tod 1513, Cunos engster Vertrauter. Gleichzeitig trat Rh. in die nach Johannes Amerbachs Tod 1514 von Johannes Froben geleitete Offizin ein; das traditionsreiche Haus bot ihm ganz andere Möglichkeiten als Schürer, zu dem Rh. gleichwohl auch weiterhin Kontakt hielt. Er wirkte in der Folgezeit maßgeblich an der Realisierung des Frobenschen Verlagsprogramms mit, das v. a. die Veröffentlichung humanistischer und antiker Autoren vorsah, und trug damit entscheidend dazu bei, daß die Offizin in diesen Jahren zu einem der wichtigsten nordalpinen Druck- und Verlagshäuser aufstieg. Er führte von Basel aus einen weitverzweigten Briefwechsel innerhalb und außerhalb Deutschlands, kannte die literarische Welt, überblickte den europäischen Buchmarkt, beschaffte gedruckte und ungedruckte Texte, bereitete sie auf und überwachte ihre Drucklegung. Seine größte Leistung war, daß es ihm gelang, J Erasmus von Rotterdam, der bisher hauptsächlich in Venedig und Paris publiziert hatte, dauerhaft an Froben zu binden; Erasmus wurde zugleich sein letzter Lehrer, dem er v. a. die endgültige Ausbildung zum Philologen verdankte. Seine eigenen literarischen Hervorbringungen sind ohne alle diese Voraussetzungen nicht zu denken. Rh. blieb bis 1528 in Basel. Er hielt sich allerdings fast in jedem Jahr für einige Wochen oder Monate in Schlettstadt auf; er nahm wiederholt an den Sitzungen der 1517 von Wimpfeling gegründeten literarischen Gesellschaft teil; von Aug. 1519 bis Okt. 1520 hielt ihn die Pest von Basel fern. Im Frühjahr 1520 unternahm er mit Paul Volz eine Bibliotheksreise zu den Klöstern

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am Westrand der Vogesen. Im Sept. 1522 begleitete er Erasmus von Rotterdam zu Johannes Botzheim nach Konstanz, wo er auch seinen Pariser Studiengenossen und langjährigen Briefpartner Michael J Hummelberg traf (Br., S. 311; Peutinger-Br., S. 367). 1528 kehrte er für immer nach Schlettstadt zurück und lebte fortan zurückgezogen als Privatgelehrter. Um ihn waren eine alte Haushälterin und der Famulus Rudolf Bertsch, der ihm, nach Albert Burer, schon in Basel gedient hatte. Bertsch versuchte jahrelang aus nicht ganz uneigennützigen Gründen, Rh. zu einer Eheschließung mit seiner 1541 verwitweten Schwägerin Anna Braun zu bewegen, konnte dem Widerstrebenden Anfang 1547 aber nur ein niemals eingelöstes Heiratsversprechen abringen. Die einzige größere Reise, die Rh. nach 1528 noch unternahm, führte ihn 1530, zur Zeit des Reichstags, nach Augsburg: der Besuch galt Konrad J Peutinger, mit dem er sich, im Vorfeld seiner ‘Res Germanicae’ (s. u. II.C.), über die Quellen der germanisch-deutschen Frühgeschichte besprach; Raymund Fugger zeigte ihm seine Sammlung antiker Kunstwerke und Münzen; ein Abstecher nach Freising förderte statt der dort vermuteten Livius-Hs. das Evangelienbuch des D Otfried von Weißenburg zutage, das gleichfalls den ‘Res Germanicae’ zugute kam. Rh. stand freilich auch sonst in mannigfachen Beziehungen. Die enge Kooperation mit dem Haus Froben ging weiter; eine ähnliche Zusammenarbeit stellte sich mit dem Baseler Verleger Johannes Herwagen ein. Soweit Rh. selbst literarisch tätig wurde, geschah das, wie bisher, in diesem Kontext. Dem entsprach, daß er seinen ausgedehnten Briefwechsel, wie gewohnt, fortsetzte. Daß Rh. 1528 Basel verließ, hatte mit seiner Einstellung zur Reformation zu tun. Er hatte sich in seinen früheren Jahren, im Anschluß an Lefe`vre, Geiler und Erasmus, mit den Ideen einer Kirchenreform erfüllt und die Anfänge Luthers begrüßt; er kannte und unterstützte Zwingli, Bucer, Oekolampad und J Pellikan, schätzte auch Ulrich von J Hutten und Melanchthon. Aber seit den Exzessen des Bauernkriegs

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ging er auf Distanz; schon 1523 lieh er der Schlettstädter Obrigkeit bei der Abwehr eines drohenden Umsturzversuchs seine Stimme, die die Bevölkerung zu Frieden und Eintracht aufrief (Br., S. 572 f.; Anthologie, S. 217⫺231; dazu R. Walter, Un ms. de B. Rh. perdu et retrouve´, AABHS 31 [1981] 29⫺35; B. Brouard, B. Rh. et la concorde. Politique humaniste et rhe´torique antique, in: Hirstein [Hg.], S. 285⫺ 295). Eine Rolle spielte dabei auch seine aus reichspatriotischen Gesinnungen genährte Anhänglichkeit an das Haus Habsburg, dem er sich nach seiner Nobilitierung durch Karl V. im Aug. 1523 persönlich verpflichtet fühlte. Rh. wich aus Basel, als dort der Sieg der Reformation unmittelbar bevorstand. Er ließ sich freilich auch nicht von der Gegenseite vereinnahmen, sondern verharrte in seiner grundsätzlichen Kritik an der alten Kirche. Er gehörte damit wie Erasmus zu den immer seltener werdenden Humanisten, die entgegen der konfessionellen Polarisierung ihre Unabhängigkeit zu wahren suchten. Sein zurückgezogenes Leben in Schlettstadt war auch auf diese Haltung zurückzuführen. Im Frühjahr 1547 begab sich Rh., der seit seiner Rückkehr aus Paris an einem Augenleiden laborierte und in seinen letzten Jahren allem Anschein nach an Krebs erkrankt war, zur Kur nach Wildbad im nördl. Schwarzwald, fand dort aber keine Linderung. Auf der Rückreise starb er am 20. Juli 1547 in Straßburg; drei evangelische Geistliche ⫺ Bucer, Johannes Lenglin und Lucas Bathodius ⫺ waren dabei zugegen. Zwei Tage später wurde er in der kath. Pfarrkirche St. Georg in Schlettstadt beigesetzt. Noch im Tod wurde also seine Stellung zwischen oder über den Konfessionen deutlich. Rh. hinterließ seiner Vaterstadt seine bis heute fast ganz erhalten gebliebene Bibliothek, die er seit seiner Schulzeit planmäßig aufgebaut hatte. Sie umfaßt Manuskripte, Inkunabeln und Drucke des 16. Jh.s; antike und zeitgenössische Autoren sind mit großer Vollständigkeit gesammelt; es handelt sich um einen Querschnitt durch die Literatur des Humanismus und der Reformationszeit. Die Texte stammten aus ver-

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schiedenen Quellen. Ein Teil war gekauft; das gilt v. a. für die ältesten Bestände. Ein anderer Teil war geschenkt oder vermacht: Lefe`vre schickte ihm zwischen 1509 und 1515 Bücher aus Paris, Hummelberg in der gleichen Zeit aus Rom; Cuno vererbte ihm Handschriften und Frühdrucke. Das meiste kam Rh., statt eines Honorars, von den Druckern zu, bei denen er beschäftigt war: von Froben erhielt er nicht nur alle Schriften, die sich ihm selbst zurechnen ließen, sondern auch Vorlagen oder Materialien, die er für seine Veröffentlichungen benötigte; außerdem standen ihm grundsätzlich die anderen Publikationen der Offizin zu. Diese Bibliothek war die Werkstatt, in der Rh. arbeitete, und ist damit die Hauptquelle für seine intellektuelle Entwicklung. Rh. las mit der Feder in der Hand; viele Bücher sind mit hsl. Korrekturen oder Marginalien versehen; manche der annotierten Texte können als Vorstufen für spätere Publikationen des Rh. erwiesen werden. Die Bibliothek suchte schon in der Zeit des Rh. ihresgleichen und ist gegenwärtig, neben der ‘Vadiana’ in St. Gallen, nach Quantität und Qualität die einzige Sammlung dieser Art, die aus jener Epoche überkommen ist. Nachdem sie geraume Zeit ein eher unbeachtetes Dasein gefristet hatte, wurde sie in der Mitte des 18. Jh.s und dann wieder nach 1871 wiederentdeckt; seit 1888 ist sie in der ehemaligen Kornhalle in Schlettstadt aufgestellt. I I. We rk . Rh. war kein Schriftsteller wie D Petrarca oder Aeneas Silvius D Piccolomini. Literarischer Ehrgeiz, gar mit dem Ziel, die eigene Persönlichkeit zu kultivieren und dadurch Ruhm zu erwerben, lag ihm vollkommen fern. Er hat, streng genommen, überhaupt keinen Text von selbständigem literarischen Anspruch verfaßt, sondern sah seine Aufgabe darin, die Texte anderer Autoren zu verbreiten. Sein Werk diente anderen Werken oder ist aus ihrer Bearbeitung hervorgegangen. Die Tätigkeit des Rh. im Druck- und Verlagswesen, wo sich alles um die Herausgabe von Texten drehte, bot dazu den Rahmen. Sein Werk ist wesentlich hier entstanden und wies

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alle dabei möglichen Facetten oder Erscheinungsformen auf: Rh. war Korrektor, schrieb kleine Werbe- oder Begleittexte, lieferte Vorreden und Anhänge von unterschiedlicher Länge, war Editor und Kommentator und verfaßte, daran anschließend, größere Abhandlungen. Die Auswahl der Autoren füllte den ganzen Umkreis humanistischer Bestrebungen aus. Einerseits ging es um die Wegbereiter und Wortführer der neuen Bildung und der neuen Gelehrsamkeit: Rh. kümmerte sich zunächst um Schriften seiner Lehrer Lefe`vre, Andrelini, Cuno und, bald vor allem, Erasmus, bezog aber auch weitere Autoren aus Italien, wie Sabellico und Leto, und aus Deutschland, wie Wimpfeling und Geiler, ein und blickte auch nach England und Ungarn, erstreckte also sein Interesse auf die humanistische Gelehrtenrepublik in ganz Europa. Andererseits ging es, außer vereinzelten mal. Texten, um antike Autoren jeglicher Provenienz. Teils wirkte Rh. dabei an Editionsprojekten anderer Herausgeber mit, wie wiederum v. a. des Erasmus, teils und zunehmend brachte er aber auch eigene Arbeiten heraus, die, im ganzen gesehen, seine wichtigste und beständigste Leistung ausmachten. Nicht zu trennen von diesem philologischen Œuvre sind die ‘Rerum Germanicarum libri tres’, eine Geschichtsdarstellung, die im Grunde nichts anderes als die erweiterte Ausgabe eines Tacitus-Kommentars darstellt (s. u. II.C.). Zum Werk des Rh. im weitesten Sinne gehört auch der Briefwechsel, der alle diese Aktivitäten begleitete. Werkverzeichnisse: G. Knod, Zur Biographie u. Bibliographie d. B. Rh., ZfB 2 (1885) 253⫺276 u. 3 (1886) 265⫺274; K. Hartfelder, in: Br., S. 592⫺618 (hier jeweils, soweit möglich, alle Ausgaben nachgewiesen); J. Hirstein, in: Hirstein (Hg.), S. 491⫺511.

A . H er au sg ab e z ei tg en ös si sc he r A ut or en . Rh. begegnet hier als Vermittler oder Dolmetscher der humanistischen Literatur seiner Zeit. In der Folge sind nicht nur selbständige Schriften, sondern auch Editionen verzeichnet, bei denen er lediglich

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assistiert hat. Gegliedert ist die Übersicht nach verschiedenen Autoren oder Gruppen von Autoren, und zwar in der Reihenfolge, in der sich Rh. jeweils zuerst mit ihnen befaßt hat; die einzelnen Teile sind in sich gleichfalls chronologisch angeordnet. 1. Jacques Lefe`vre d’E´taples. Diese Werke dokumentieren das Interesse des Pariser Magisters an älterer christlicher Literatur und an einem quellenmäßigen Aristoteles-Verständnis. Rh. war, neben anderen, an ihrer recognitio beteiligt und hat sie, sei es auf dem Titelblatt oder am Schluß, mit empfehlenden Distichen versehen (ND: Br., S. 625⫺627). a) Contenta. | Primum volumen Contemplationum | Remundi duos libros continens. [...]. Paris: Jean Petit, 10. Dez. 1505. Panzer, Ann. VII, 514, 121. Erstausg. des ‘Liber contemplationis in Deum’ von Ramo´n Lull. b) Artificialis introductio […] in decem li|bros Ethicorum Aristotelis […]. Paris: Henri Estienne, 23. Febr. 1506. Panzer, Ann. VII, 520, 173. Frühere Ausgaben im gleichen Verlag 1502 u. 1505 (Rh. besaß beide: Knod, 1889, S. 67 u. 71; Catalogue, Nr. 662 u. 663). c) Contenta. | Politicorum libri Octo. | Commentarij. | Economicorum Duo. | Commentarij […]. Paris: Henri Estienne, 5. Aug. 1506. Gesamtkat. d. preuß. Bibliotheken, Bd. 6, 1934, Nr. 7126. Kommentierte Ausg. der aristotelischen ‘Politik’ und der (ps.-)aristotelischen ‘Ökonomik’ in der lat. Übersetzung von Leonardo Bruni. Frühere Ausg. des Bruni-Textes Venedig 1496. d) Contenta. | Theologia Da|masceni […]. Paris: Henri Estienne, 15. April 1507. Panzer, Ann. VII, 525, 210. Weitere Ausgaben bis 1539. Johannes von Damaskus, ‘De orthodoxa fide’; lat. Übers. von Lefe`vre.

2. Deutsche Autoren. Es handelt sich fast durchweg um Autoren aus dem unmittelbaren Umfeld des Rh. Die Schriften erstrecken sich über Hauptthemen der humanistischen Literatur in Deutschland, zumal am Oberrhein: alte Sprachen, Moral, altchristliche Religion und Theologie, Kirchenreform, deutsche Nation und deutsche Geschichte. Die Textbeiträge des Rh. reichen von der kurzen Inschrift bis zur ausführlichen Lebensbeschreibung. a) Jakob Wimpfeling. a) Iacobi Wimpfelingi | De Integritate Libellus cum epistolis | praestantissimorum virorum hunc | libellum approbantium | & confirmantium [...].

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Straßburg: Joh. Knobloch, 22. Okt. 1506. VD 16, ZV 16599. Erstausg. 1505. Einer der an Wimpfeling gerichteten Briefe, die den Verfasser bei seiner Fehde gegen die durch die Erstausg. aufgebrachten Augustiner der Solidarität seiner Freunde versichern sollten, stammt von Rh. (Paris, 24. Sept. 1506; Br., S. 576; Wimpfeling-Br., S. 567 f.; Anthologie, S. 58⫺65). Rh. berichtet darin über die günstige Aufnahme der Erstausg. im Kreise Lefe`vres. b) Henrici Quarti Ro.*manorum+ Imperato|ris bellum contra Saxones Heroico | carmine descriptum. Epistolium Beati Rhenani | cum versibus Bap.*tistae+ Mantua.*ni+ contra erro|rem cuiusdam Fraticelli de Germanis & Gallis […]. Straßburg: Joh. Grüninger, 1508. VD 16, H 2060. Das ‘Epistolium Beati Rhenani’, das der von Gervasius J Sopher besorgten Ausgabe des mal. Gedichts nachfolgt, ist an Wimpfeling gerichtet, der die Ausgabe veranlaßt hat (Schlettstadt, 8. März 1508; Wimpfeling-Br., S. 627 f.). Rh. zitiert aus der 1506 und 1507 erschienenen ‘Vita Dionysii’ des Battista Mantovano, um Wimpfeling ein weiteres Argument in seinem seit 1501 mit Thomas J Murner ausgetragenen Streit über die deutsche Westgrenze zu liefern.

g) Witichindi Saxo|nis rerum ab Henrico et Ottone I. Impp. ge|starum Libri III, una cum alijs quibusdam raris & antehac non | lectis diversorum autorum historijs [...]. Basel: Joh. Herwagen, März 1532. VD 16, ZV 7827. Dieses Sammelwerk, das, angefangen mit der Erstausgabe des D Widukind von Corvey, Quellen und Darstellungen zur mal. Geschichte vereinigt, enthält auch die 2. Ausg. des erstmals 1505 erschienenen Wimpfelingschen Geschichtswerks ‘Epithoma rerum Germanicarum’; der Titel lautet jetzt: Epitome Germanorum, opera Iacobi Wympfelingii Seletstadiensis & suorum contexta, ac nuper per eruditum quendam recognita. Dieser eruditus ist Rh., wie sich aus seinem Exemplar der Erstausgabe (Catalogue, Nr. 2464) ergibt, das der neuen Ausgabe als Druckvorlage gedient hat. Die recognitio bringt, ohne den Text im ganzen anzutasten, einzelne Veränderungen und neue Marginalnoten, die dem Forschungsstand entsprechen, den Rh. inzwischen durch seine eigenen historischen Studien erreicht hat; in der Hauptsache geht es um die Richtigstellung historisch-geographischer Eigennamen, um die Präzisierung von Völkersitzen und Grenzen, um die zeitliche Differenzierung der Quellenzeugnisse.

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b) Nauicula siue speculum fatuorum [...] Ioan/|nis Geyler Keysersbergij [...]. Compendiosa vitae eiusdem descriptio, per | Beatum Rhenanum Selestatinum [...]. Straßburg: Matth. Schürer, 1510. VD 16, R 2059. Weitere Ausgaben bis 1513. Die der posthumen Ausgabe des Geilerschen ‘Narrenschiffs’ angehängte Lebensbeschreibung, die Rh. durch eine Widmung an Jodocus J Gallus (Schlettstadt, 15. Mai 1510) eröffnet, ist in der Form einer Laudatio funebris gehalten, die den Verstorbenen als Muster für die Verbindung von Beredsamkeit und Religion, von Reden und Handeln, von göttlicher und menschlicher Wissenschaft, von höchster Bildung und heiligster Lebensführung hinstellt und damit zugleich einer Abrechnung mit der Hauptmasse des zeitgenössischen Klerus gleichkommt; Rh. erwähnt auch Geilers Freundschaft mit Maximilian, was ihm Gelegenheit gibt, den Kaiser als Schirmherrn der humanistischen Studien und des Reiches zu rühmen. ND d. Lebensbeschreibung: Br., S. 29⫺35. Ausgabe: O. Herding, J. Wimpfeling / B. Rh., Das Leben d. Joh. Geiler v. Kaysersberg, 1970. c) Divini | Gregorij Nyssae Episcopi […] libri octo […]. Straßburg: Matth. Schürer, Mai 1512. VD 16, ZV 7008. Weitere Ausgabe 1513. Hg. des tatsächlich von Nemesios von Emesa verfaßten Werks war Johannes Cuno; es handelte sich um die Erstausg., und zwar in der lat. Übersetzung des Richardus Burgundio Pisanus (1110⫺93), die Cuno nach Fragmenten einer griech. Hs. und Zitaten bei anderen Autoren verbessert hatte. Die Widmung an Rh. (Basel, 7. März 1512; Br., S. 45⫺50, und H. D. Saffrey, BHR 33 [1971] 45⫺52) erläutert dieses Verfahren und verweist auch auf die initiierende und redigierende Mitwirkung des Rh. Dieser hat weiteres beigesteuert: eine Widmungsinschrift an Ks. Maximilian auf der Titelseite (Br., S. 599) und eine Widmung an Lefe`vre (Basel, 1. März 1512; Br., S. 41⫺45; Anthologie, S. 109⫺131), die den Autor in die Nähe des Johannes von Damaskus (s. o. II.A.1.d) rückt und eingangs mit vielen zeitgenössischen Namen den Anteil der Deutschen an der humanistischen Gelehrtenrepublik hervorhebt. Dazu kommt im Anhang eine von Rh. verfertigte lat. Übersetzung zweier Briefe von Gregor von Nazianz an Themistius, die auf einer Abschrift Cunos von einer Hs. in Padua basiert; in seiner Widmung an Josse Clichtove (Basel, 8. Mai 1512; Br., S. 52 f.) nennt er Gregor gleichermaßen heilig-

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mäßig und beredt und Themistius einen wortgewandten Philosophen, der den Christen genützt habe. d) Ottonis Phrisingen|sis Episcopi […] Rerum ab origine mundi ad ipsius usque tempora | gestarum Libri Octo. […]. Straßburg: Matth. Schürer, März 1515. VD 16, O 1434. Erstausg. der historiographischen Schriften D Ottos von Freising durch Cuspinian (J Cuspinianus, II.A.9.). Die Mitwirkung des Rh. ist dadurch bezeugt, daß sich auf dem Titelblatt dieselbe Widmungsinschrift an Maximilian wie in der Ausgabe des falschen Gregor von Nyssa (s. o. II.A.2.c) findet. e) V. Fabri|tii Capitonis […] hebrai|carum institutio|num libri duo. Basel: Joh. Froben, Jan. 1518. VD 16, C 823. Rh. kündigte in einem Brief an Erasmus vom 24. April 1517, in dem er ihn über die nächsten Publikationsvorhaben bei Froben informierte, die baldige Herausgabe dieses Buches an (Br., S. 93). f ) In Aurelii | Prudentij […] De mira|culis Christi Hymnum […] Iacobi Spiegel Sele|stadiensis in|terpretatio. Schlettstadt: Laz. Schürer, Mai 1520. VD 16, P 5149. Jakob J Spiegel, ein ehemaliger Mitschüler des Rh., bietet den Text der Aldina von 1502 mit ausführlichem Kommentar, der Sprachliches und Sachliches erläutert und den christlichen Gehalt des Gedichts herausstellt. Widmung der Mitglieder der literarischen Gesellschaft in Schlettstadt, zu der Rh. wie Spiegel gehören, an Jakob Villinger (Schlettstadt, 1. Mai 1520; Br., S. 221⫺223; Wimpfeling-Br., S. 840⫺844): die Veröffentlichung, ein Gemeinschaftswerk der Gesellschaft, soll, im Sinne Wimpfelings, dem christlichen Dichter die Geltung verschaffen, die bis dahin unverdientermaßen solchen schamlosen Poeten wie Martial und Marullus zuteil geworden sei. g) Epitome Gram|maticae Graecae | Michaele Humelbergio Raven/|spurgensi autore. Basel: Joh. Herwagen, März 1532. VD 16, H 5892. Weitere Ausgaben 1533 u. 1534. Widmung an Herwagen (Schlettstadt, 27. Aug. 1531; Br., S. 405⫺407): Rh. gibt eine Lebensbeschreibung seines alten Pariser Studiengenossen und empfiehlt das Werk als unübertroffenes Mittel für den Anfangsunterricht im Griechischen.

3. Italienische Autoren. Die Fülle der Schriften, die fast allesamt in den früheren Jahren des Rh. erschienen sind, zeigt, wie sehr es ihm, nach seinem Studium bei Andrelini, darauf ankam, beim deutschen Lesepublikum für das Musterland des Humanismus zu werben. Er gab alles heraus, was er bekommen konnte: nahezu durchweg Nachdrucke früherer italienischer oder französischer Ausgaben,

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die er in der Regel jeweils mit Dedikationsepisteln einleitete. Das Spektrum war weit gespannt und umfaßte pädagogisch-didaktische Traktate und Lehrbücher, philosophische und theologische Texte, Gedichte, Reden, Geschichtswerke, auch Berichte über aufsehenerregende Zeitereignisse, schließlich alles, was der deutschen Nation zum Ruhm gereichen konnte. Die folgende Übersicht führt auch griech. Autoren aus Italien an. a) P. Fausti Andrelini | […] | Epistolae proverbiales & morales […]. Straßburg: Matth. Schürer, 5. Sept. 1508. VD 16, A 2775. Weitere Ausgaben 1510⫺1521. ND der Pariser Ausg. 1508. Widmung an Hier. Gebwiler (Schlettstadt, 31. Aug. 1508; Br., S. 17), die die Eleganz der Wörter, die Anmut der Sentenzen und die Trefflichkeit der moralischen Ermahnungen lobt. b) Lodovici Bigi Pictorii | […] Opusculorum Christia⫽|norum, libri tres […]. | Pontii Paulini Carmen | Iambicum Christianam pietatem | commendans. Straßburg: Matth. Schürer, 17. Jan. 1509. VD 16, B 5454. Bigi nach der Ausg. Modena 1498 (Catalogue, Nr. 101) wiederabgedruckt. Widmungen an Beatus Arnoaldus (Schlettstadt, 1. Dez. 1508; Br., S. 18 f.; AABHS 47, S. 34⫺39) und an Iacobus Fullonius (Straßburg, 13. Jan. 1509; Br., S. 15): Bigi erscheint als christlicher Dichter, der zugleich die formale Technik des Vergil und Horaz beherrscht und damit das Muster eines Dichters darstellt; ihm geht Paulinus, der Freund des Ausonius, als Lehrer einer beredten und gelehrten Frömmigkeit voraus; diese Zuordnung eines modernen und eines antiken Autors entspricht humanistischer Aemulatio. c) P. Fausti Andrelini | […] De virtutibus cum | moralibus, tum intel|lectualibus, Car|men […]. Eiusdem Elegiae quaedam | castiores sanctioresque. Straßburg: Matth. Schürer, Febr. 1509. VD 16, A 2772 u. 2798. ND einer Pariser Ausg. (ca. 1500; Catalogue, Nr. 605). Widmung an Iacobus Fullonius (Straßburg, 1. Febr. 1509; Br., S. 19 f.): Rh. empfiehlt das ‘Carmen’, weil es die poetische Fassung von Lefe`vres ‘Artificialis introductio’ (s. o. II.A.1.b) sei, und gibt eine pädagogische Begründung für die Auswahl aus den ‘Elegiae’. d) Marci Antonii Sabel|lici exemplorum libri decem […]. Straßburg: Matth. Schürer, 25. März 1509. VD 16, S 27. Weitere Ausgaben bis 1518. ND der Ausg. Venedig 1507. Widmung an Johannes Franciscus Apezonibus (Schlettstadt, 31. Dez. 1508; Br., S. 12⫺14; Anthologie, S. 66⫺82; AABHS 43, S. 103⫺107): Rh. rühmt an dieser Sammlung moralischer Beispiele aus der Bibel und der alten

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Profangeschichte die Verknüpfung von Weisheit, Frömmigkeit und Beredsamkeit und ordnet das Werk in den Zusammenhang der humanistischen Literatur in Italien (Pico della Mirandola, Battista Mantovano, Zenobio Acciolo) und Frankreich (Lefe`vre, Clichtove, Bovelles, Fortunatus) ein, verweist auch auf Basilius Magnus und Gregor von Nazianz. Dt. Übersetzung v. Leonard Brunner, Straßburg 1535 (Knod, 1886, S. 274). e) Contenta. | Georgii Trapezontij dialec⫽|tica […]. Straßburg: Matth. Schürer, 8. Juli 1509. VD 16, G 1359. Weitere Ausgaben 1513 u. 1516. VD 16, G 1360 u. 1361. ND der Ausg. Lefe`vres Paris 1508 (Catalogue, Nr. 1387). Widmung an Johannes Kierher (Straßburg, 29. Mai 1509; Br., S. 21 f.): Rh. beruft sich für die Wertschätzung des Autors auf das Urteil Polizians. f ) Michaelis Tarchanio|tae Marulli Con|stantino|politani epi|grammata | et | hymni. Straßburg: Matth. Schürer, Juli 1509. VD 16, M 1302 u. 1303. Frühere Ausgaben der ‘Epigrammata’ 1493 und der ‘Hymni’ 1497. Paränese an den Leser (1509; Br., S. 26 f.); zur Einführung in die ‘Hymni’ gesonderte Widmung an Johannes J Sapidus (1509; Br., S. 577); Ausgabe beider Texte: Koch, 1989, S. 51⫺55. Rh. warnt vor dem neuheidnischen Wortgeklingel des Dichters und läßt ihn nur dort gelten, wo er sich im christlichen Sinne verstehen lasse. g) Contenta.| Matthaei Bossi […] | de | Veris & salutaribus animi gaudijs, Dialogus | tribus libris seu Disputationibus distinctus. | […]. Straßburg: Matth. Schürer, Okt. 1509. VD 16, B 6787 u. 6792. Das Buch enthält weitere Schriften desselben Autors zu moralphilosophischen Themen. Die Ausgabe sollte den bei Schürer 1508 erschienenen Druck ersetzen. Widmung an Druinus Blesensis (Straßburg, 10. Okt. 1508; Br., S. 576 f.): die gleichermaßen nützliche und vergnügliche Lektüre dieser inhaltlich und sprachlich eher anspruchslosen Werkchen soll den Theologen und Philosophen zur Erholung dienen. h) Opera Pompo|nii Laeti […]. Straßburg: Matth. Schürer, Jan. 1510. VD 16, P 4146. Frühere Ausg. Venedig 1499 (Catalogue, Nr. 290). Schriften zur römischen Geschichte und Verfassung sowie De Antiquitatibus urbis Romae libellus, qui Pomponio adscribitur. Rh. stellt diesem Text eine Widmung an Dietrich Gresemund d. J. (Straßburg, 12. Jan. 1510; Br., S. 27 f.) voran: er erinnert Gresemund an seinen kürzlichen Besuch in Mainz (s. o. I.) und fordert ihn auf, nach dem Vorbild Peutingers die von ihm gesammelten Inschriften herauszubringen; er erörtert außerdem die Frage nach dem Autor der Schrift und neigt aus formalen und inhaltlichen Gründen dazu, an der Verfasserschaft Letos festzuhalten. Auch Wimpfeling drängte im Herbst 1510 Gresemund dazu, seine Sammlung,

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zusammen mit Letos Schriften zur römischen Verfassungsgeschichte, zu veröffentlichen (Wimpfeling-Br., S. 674); Gresemund ließ diese Schriften Ende 1510 im Rahmen seiner Ausgabe des Valerius Probus nochmals abdrucken; vgl. J Gresemund (II.C.2.), J Huttich (II.A.). i) Ioannis Antonii Modesti | Vmbri carmen ad | invictissimum | Caesarem | Maxi|milianum […]. Straßburg: Matth. Schürer, März 1510. VD 16, M 5727. Frühere Ausg. Wien 1509. Vorrede an den Leser (21. Febr. 1510; Br., S. 578): Rh. veröffentlicht diese Schrift zum Ruhm Maximilians, der Caesar durch seine Kriegskunst, Titus durch seine Freundlichkeit, Antoninus Pius durch seine Bildung und Trajan durch seine Güte übertreffe; der Kaiser möge Italien unter sein mildes Joch bringen und dann gegen die Türken ziehen. k) Opusculum Philippi Bero|aldi de Terraemotu & Pestilen|tia [...]. Straßburg: Matth. Schürer, Mai 1510. VD 16, B 2059 u. 2123. Weitere Ausgaben bis 1515. Erstausg. Bologna 1505. Der Autor beschreibt das Erdbeben in Bologna von 1505 und knüpft daran allgemeine Bemerkungen über Erdbeben und ihre Folgen wie v. a. die Pest. Die Vorrede an den Leser (Schlettstadt, 25. Mai 1510) schreibt Rh. den entscheidenden Anteil an der Ausgabe (inquisitione beati Rhenani) zu; 1515 gibt er selbst sich als Verfasser der Vorrede zu erkennen: Ad lectorem Beatus Rhenanus (AABHS 39 [1989] 56). Er hebt darin den Nutzen der Schrift für Mediziner und alle anderen studiosi hervor; außerdem habe sich Beroaldo um ein besseres Verständnis Galens verdient gemacht. l) [...] | De fortuna Francisci Marchionis Mantuae. | F. Baptistae Mantuani Carmen elegantissimum. | […] Epistola Elegiaca Fausti Andrelini […]. | Antonii Sylvioli Parisiensis Chilias [...]. | Petri de ponte Brugensis Caeci [...] Carmen. [...] | Domini Zachariae abbatis [...] Elegia [...]. Straßburg: Matth. Schürer, 22. Juni 1510. VD 16, S 7282. Vorlagen: Battista Mantovano: Abschrift eines Pariser archetypus (Schlettstadt, Bibl. Hum., Ms. 324); Andrelini: Paris o. J.; Sylviolus: o. O. u. J. (Paris, ca. 1509; Knod, 1889, S. 82; Catalogue, Nr. 2286). Sammlung zeitgeschichtlicher Schriften. Widmung an Thomas J Aucuparius (Schlettstadt, 9. Juni 1510; Br., S. 35 f.): sie empfiehlt v. a. das Gedicht von Battista Mantovano, das eine Episode aus den jüngsten Kämpfen um Italien behandelt, an der Franceso Gonzaga von Mantua, der Sultan, Ks. Maximilian und Kg. Ludwig XII. von Frankreich beteiligt waren: ein elegant geschriebener Text, auch dadurch bemerkenswert, daß er vor Augen führe, was die Fortuna unter den Menschen vermöge. m) P. Gregorii Tipherni [...] | Opuscula [...]. Straßburg: Matth. Schürer, Juli 1510. VD 16, G

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3140. Frühere Ausg. Venedig 1499. Den Gedichten des Tiphernas sind Elegien von Franciscus Octavius und Cornelius Gallus beigegeben. Der Verleger bemerkt in seiner Vorrede an den Leser, daß Rh. von deren Veröffentlichung abgeraten habe, da sie eher der Zügellosigkeit als der Bildung Vorschub leisteten: um so mehr komme es auch hier darauf an, die Rosen von den Dornen zu trennen (Knod, 1886, S. 274); mithin kam das Buch nicht ohne Absprache mit Rh. heraus. n) Curii Lanciloti Pa|sii Ferrarien|sis […] | Non Vulgaris literaturae | Libri. viij. Straßburg: Matth. Schürer, Jan. 1511. VD 16, P 824. Weitere Ausgaben bis 1518. Verbesserte Fassung einer in Reggio nell’Emilia gedruckten Ausgabe von Lancilottis lat. Grammatik. Widmung an Matth. Schürer (Schlettstadt, 16. Jan. 1511; Br., S. 37), in der Rh. die Schwierigkeiten bei der Revision des Textes schildert. o) Pandulphi Collenucii | Pisaurensis | apologi quatuor. [...]. Straßburg: Matth. Schürer, 1511. VD 16, C 4561, 4564 u. 4566. Weitere Ausg. 1526. Abdruck eines nicht mehr vorhandenen Exemplars aus dem Besitz des Rh.; Teildrucke o. O. u. J. (ca. 1500) u. Leipzig 1506. Die Schrift weithin eine Tugendlehre. Widmung an Jakob Spiegel (Schlettstadt, 1. Nov. 1510; Br., S. 579 f.): der Autor sei mit seinem Witz sogar Lukian überlegen. p) Ioannis Francisci Pici Mirandulani [...] hymni | heroici tres [...] Additis sparsim ab ipso autore pauculis, que in | priori impressione deerant. [...]. Straßburg: Matth. Schürer, Aug. 1511. VD 16, P 2644. Frühere Ausg. Mailand 1507 (Rh. erwarb sie 1512: Catalogue, Nr. 1881). Vorrede an die studiosi (Br., S. 40): der Autor vereinige, anders als die heidnische Literatur, ungewöhnliche Bildung und Frömmigkeit; Ambivalenz der Rede, die zum Guten wie zum Schlechten führen könne. q) Pierii Valeriani [...] Epistola. | Panegyris [...] Per Ian. Franc. Vitalem Panor|mium [...]. |Hieronymi Nogaroli Comitis [...] Oratio. Straßburg: Matth. Schürer, 1513. VD 16, V 119. Panegyrische Texte über Matthäus Lang, B. von Gurk (Valeriano, Vitale) und Ks. Maximilian (Nogarola), die Jakob Spiegel zur Verfügung gestellt hatte. Widmung an Matth. Schürer (Basel, 2. Febr. 1513; Br., S. 55): die Texte dienten dem Ansehen Deutschlands. r) Huic libelli haec | insunt. Platini Plati Mediolanensis [...] Libellus | De Carcere | Item | Marcellini Verardi Caesenatis | Fernandus servatus. Straßburg: Matth. Schürer, April 1513. VD 16, P 2558. Frühere Ausgaben des Platinus Platus Florenz (ca. 1486) u. Mailand 1502. Schriften zur Zeitgeschichte. Widmung an Wilhelm Nesen, mit dem Rh. bei Froben zusammenarbeitete (Basel, 5. Sept. 1512; Br., S. 53 f.): Lob des Adressaten, der in allen Disziplinen bewandert sei.

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s) Paulus Cortesius | in sententias. | Qui in hoc opere | eloquentiam cum theologia coniun|xit [...]. Basel: Joh. Froben, Aug. 1513. VD 16, C 5314. ND der Erstausg. Rom 1504. Bearbeitung des Sentenzenwerks von D Petrus Lombardus in klassischem Latein. Die Anregung zur Neuveröffentlichung ging von Peutinger aus. Der Bd. wird eröffnet durch den Brief, in dem er Rh. zur Edition auffordert (Augsburg, 13. Juni 1513; Br., S. 57 f.; Peutinger-Br., S. 207⫺209); er sieht durch Cortesius den rhetorischen Glanz der Theologie zur Zeit der Kirchenväter und Kirchenschriftsteller erneuert. Danach Vorrede des Rh. an die studiosi (Basel, 13. Aug. 1513; Br., S. 59⫺61): der Autor habe die Theologie, die oberste der Wissenschaften, aus scheußlicher Barbarei befreit und damit wiederum zu einem würdigen Gegenstand des Studiums gemacht; Rh. ruft die Gelehrten an den Univ. in Frankreich, Spanien, Deutschland und England auf, sich dieses Werk anzueignen; zugleich nimmt er Gelegenheit, beiläufig, ganz im Sinne Wimpfelings, einzuflechten, daß das Kaisertum seit den Zeiten Karls d. Gr. immer bei den Deutschen gewesen sei und daß die Engländer von den Deutschen abstammten. t) Baptista Guarinus | de modo et ordine | docendi ac di⫽|scendi. Straßburg: Matth. Schürer, März 1514. VD 16, G 3851. ND der Ausg. Heidelberg 1489 (Catalogue, Nr 234). Widmung an Lucas Paliuros (Schlettstadt, 1. März 1514; Br., S. 63): der Autor halte sich an seinen Vater Guarino Guarini und andere hervorragende Schriftsteller aus dessen Zeit und sei daher auch neben den einschlägigen Schriften von Erasmus und Agricola lesenswert. u) Iani Da|miani Senensis [...] de | expeditione in Turcas | Elegia [...]. Epistola Pisonis [...] de conflictu Polo/|norum et Lituanorum cum Moscouitis. | Henricus Penia [...] de ge/|stis Sophi contra Turcas. | Epistola Sigismundi Poloniae Regis [...] de uictoria contra Schismaticos Mo|scouios [...]. Erasmi Roterodami Epistola ad Le|onem X. Pont. Max. [...]. Eiusdem in laudem urbis Selestadii Panegyricum Carmen. Basel: Joh. Froben, 1515. VD 16, D 69. Schriften zur Zeitgeschichte und Briefe des Erasmus; die erasmische Eloge auf Schlettstadt rühmt v. a. die Schlettstädter Humanisten von Wimpfeling über Spiegel, Sapidus und Schürer bis zu Rh.: Doctrinae proceres tot habes, quod proditor ille | Vix belli proceres occuluisset equus (Adam, S. 6). Es spricht alles dafür, daß Rh. diese Ausgabe veranlaßt hat: die ersten vier Texte, die den Aufmacher des Ganzen bilden, gehen auf separate römische Drucke (ca. 1515) zurück, die Rh. von Michael Hummelberg aus Rom erhalten hat (Br., S. 69; Knod, 1889, S. 82 f.; Catalogue, Nr. 1596, 2038, 2008 u. 1150); auch die weiteren

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Texte entsprechen seinem damals mit Froben verfolgten Publikationsprogramm. v) Theodori Gazae [...] Grammaticae | institutionis liber primus sic | translatus per Erasmum Ro|terodamum [...] Colloquiorum fami|liarium incerto autore libellus | Graece & Latine [...]. Basel: Joh. Froben, Nov. 1516. VD 16, T 800 u. 801. Weitere Ausgaben bis 1521. Grundlage der erasmischen Übersetzung des Lehrbuchs der griech. Grammatik von Theodor Gaza ist die Aldina von 1495; der ‘Libellus’, ein Konversationsbüchlein, beruht auf einer Hs. Reuchlins, die Rh. aus dem Erbe Cunos in Basel vorlag (eine Teilkopie dieses Exemplars durch Cuno, die nach dessen Tod in den Besitz von Rh. überging, Schlettstadt, Bibl. Hum., Ms. 343; Sicherl, 1979, S. 65). Widmungen an Joh. Froben (Basel, 27. Okt. 1516; gekürzt: Br., S. 583) und an Lukas Edenberg (Basel, 5. Nov. 1516; Br., S. 89 f.): die erste bietet eine textkritische Durchsicht des griech. Textes der Aldina; die zweite empfiehlt den ‘Libellus’ für den griech. Elementarunterricht, nicht ohne dem Verfasser lediglich Mittelmäßigkeit zu bescheinigen und überhaupt vor einer unkritischen Wertschätzung alles Griechischen zu warnen. w) Pictorii Sacra et Satyrica Epigrammata. | Michaelis Verini Florentini quaedam. | B. Cardani Epigrammata [...]. Benedicti Iovii [...] Disticha. [...] P. Fausti Andrelini Disticha. [...]. P. Fausti Andrelini Aegloga moralissima. [...]. Basel: Joh. Froben, Mai 1518. VD 16, B 5456. Grundlage waren frühere Ausgaben: Bigi u. Giovio: o. O. u. J. (ca. 1515); Andrelini: Paris (ca. 1501) u. Straßburg 1512 (Catalogue, Nr. 612) u. 1513. Laut Frobens Widmung an Maternus Hutten (Basel, 1. Mai 1518) hat Rh. fast alle Texte (quorundam Italorum lusus sed castos) zum Druck vorgelegt. Vgl. zu Luigi Bigi Pittorio o. II.A.3.b u. zu Andrelini II.A.3.a u. c. x) Marcel|li Virgilii | de militiae lau|dibus oratio [...]. Basel: Joh. Froben, Dez. 1518. VD 16, V 778. Die Vorlage ist Rh. von Calvus aus Pavia zugegangen. Widmung an Ioannes Iacobus a Lilio (Basel, 9. Dez. 1518; Br., S. 124 f.): Rh. begründet die Widmung an den Schweizer Adressaten mit dem gegenwärtigen Kriegsruhm der Schweizer, legt aber Wert auf die Feststellung, daß diese inzwischen unter dem Einfluß Zwinglis und anderer dahin gelangt zu sein schienen, den Krieg als verderbenbringend und eines Christen unwürdig zu verdammen. y) Francisci Massarii Veneti | in nonum Plinii | de naturali historia librum | castigationes & annotationes. Basel: J. Froben, 1537. VD 16, M 1337. Vielleicht die Erstausg. einer Schrift, die jedenfalls nach den Plinius-Castigationen des Ermolao Barbaro (1492) entstanden und die Rh. durch Sigismund Gelenius und Nicolaus Episcopius bekannt

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geworden ist (Br., S. 441). Das neunte Buch des Plinius handelt von den Fischen; Massarius gibt dazu textkritische und sachliche Erläuterungen. Widmung an Balthasar Entzesperger (Schlettstadt, Ende Jan. 1537; Br., S. 444 f.): der Verfasser berücksichtige bei seiner Kommentierung den Wandel der appellationes der Fische und stütze sich in der Textkritik, im Gegensatz zu Ermolao Barbaro, der sich an Parallelen bei anderen Autoren halte, auf die ältesten Hss.; Rh. mißt damit den Text an den beiden Hauptgrundsätzen seiner eigenen philologischen Methode, wie er sie seit Jahren, auch in fortgesetzter Bemühung um Plinius, ausgearbeitet hat (s. u. II.B.). Die Schrift erscheint wie ein Anhang zu den bisherigen philologischen Studien des Rh.

4. Erasmus von Rotterdam. Die Herausgabe erasmischer Schriften und Editionen bildete einen Schwerpunkt in der verlegerischen Tätigkeit des Rh. und damit in seinem eigenen Œuvre. Nachdem es ihm gelungen war, Erasmus mit Froben zu verbinden, war er an der Veröffentlichung vieler erasmischer Werke beteiligt; nach dem Tod des Erasmus wurde er zu dessen literarischem Nachlaßverwalter und besorgte die erste Gesamtausgabe. Angegeben sind in der Folge auch Texte zu Erasmus, die Rh. ediert hat. a) Collectanea adagio|rum veterum | Desiderii | Erasmi | Roterodami | Germaniae decoris [...]. Straßburg: Matth. Schürer, Juli 1509. VD 16, E 1910. Weitere Ausgaben bis 1511. ND der Ausg. Paris 1506. Der Verleger bemerkt in seiner Vorrede an den Leser (Straßburg, 18. Juni 1509), daß Rh. den Anstoß zur Drucklegung gegeben habe (Hieronymus, S. 69). b) Erasmi Roteroda|mi Germaniae decoris adagiorum chiliades [...]. Basel: Joh. Froben, Aug. 1513. VD 16, E 1931. Bereinigter Text der Aldina 1508 (Catalogue, Nr. 1159). Rh. war der ‘Initiant’ dieser Ausgabe, die, ohne Wissen des darüber zunächst verärgerten Erasmus herausgekommen, den Auftakt für dessen zukünftige Zusammenarbeit mit Froben bildete (Hieronymus, S. 90⫺92). c) Accipe studiose lector [...] Proverbiorum Erasmi | Roterodami Chiliades [...] ab auto|re nuper auctas [...]. Basel: Joh. Froben, 2. Febr. 1515. VD 16, E 1934. Weitere Ausgaben bis 1523. Mitarbeit des Rh. (Br., S. 66). d) [...] Lucii Annaei | Senecae [...] lu|cubrationes omnes [...] Erasmi Roterodami cura [...]. Basel: Joh. Froben, Juli 1515. VD 16, S 5731. Grundlage: italienische Ausgaben 1475⫺1503; Hss., die Erasmus aus England mitgebracht hat. Rh. kümmerte

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sich im allgemeinen um die Drucklegung (Br., S. 74 ff.) und trug zu der Edition noch besonders eine leicht überarbeitete Fassung seiner Ausgabe der ‘Apocolocyntosis’ samt Scholien vom Febr. 1515 (s. u. II. B.4.) bei. e) D. Erasmi Ro|terodami [...] Lucu|brationes [...]. Straßburg: Matth. Schürer, Sept. 1515. VD 16, E 2745. Den Anfang macht das ‘Enchiridion militis christiani’ (Erstausgabe Antwerpen 1503; Catalogue, Nr. 1158). Mitarbeit des Rh., der zunächst an eine Veröffentlichung bei Froben gedacht hat (Br., S. 76). f) Novum In|strumentum omne diligenter ab Erasmo Roterodamo | recognitum et emendatum [...]. Basel: Joh. Froben, Febr. 1516. VD 16, B 4196. Weitere Ausgaben bis 1535. Erstausgabe des griech. Textes auf der Grundlage der ältesten erreichbaren Hss.; eigene lat. Übersetzung; Anmerkungen. Mitarbeit des Rh. (Br., S. 83). g) Breue [...] Leo|nis X. [...] ad Desyderium Eras|mum Roterodamum. | Eiusdem ad Henricum | Angliae regem alterum Bre|ve commendatitium, | pro Erasmo Rote|roda|mo. Basel: Joh. Froben, 31. Dez. 1516. VD 16, K 262. Das Breve an Erasmus, in dem der Papst die ihm gewidmete Ausgabe des NT als Beitrag zur sacra theologia und zur orthodoxa fides rühmt und allen Christi fideles empfiehlt, wurde künftigen Neuausgaben des NT vorangesetzt. Widmung an Otmar J Luscinius (Basel, 31. Dez. 1516; Br., S. 80 f.): Erasmi studiosis gratificaturi. h) Omnium operum [...] Hieronymi [...] Tomus Pri|mus [...] *⫺ nonus. [...].+ Cum argumentis et Scholiis Des. Erasmi Roterodami [...]. Basel: Joh. Froben, 1516. VD 16, H 3482. Weitere Ausgaben 1524⫺1526. Grundlage: Ausgabe der Briefe Lyon 1508 (Catalogue, Nr. 1498); Hss.; Vorarbeiten von Reuchlin und Cuno. Beiträge des Rh., in denen sich seine Mitarbeit aber sicher nicht erschöpft hat: Korrekturen zum Entwurf von Bruno Amerbach für die Vorbemerkung zu Bd. 7 (Hs. Basel, UB, G II 33 a, 6r); Entwurf zur Appendix zu Bd. 8 von Bruno Amerbach (Hs. Basel, UB, C VIa 54, Bl. 272⫺73); Entwurf zur Vorbemerkung zu Bd. 9 von Bruno Amerbach (Hs. Basel, UB, G II 13 a. 1). i) Sileni Alcibi|adis. Per Des. Erasmum | Roterodamum. [...] Scara|beus | per Des. Eras. | Roteroda|mum. Cum scholiis, in quibus Graeca po| tissimum, quae passim inserta | sunt, exponuntur. Basel: J. Froben, April/Mai 1517. VD 16, E 1986 u. 1990. Weitere Ausg. des ‘Scarabeus’ 1522. NDe früherer Ausgaben (Br., S. 75 f.). Die Scholien zum ‘Scarabeus’ stammen von Rh. und sind seiner Widmung an Joh. Fry (Basel, 28 April 1517; gekürzt: Br., S. 583 f.) eingefügt, die am Beispiel des ‘Scarabeus’ die hohe erasmische Kunst der satirischen Fabel würdigt.

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k) Bellum. | per. Des. Erasm.| Roterodamum. Basel: Joh. Froben, 1517. VD 16, E 1973. Sonderdruck des Artikels ‘Dulce bellum inexpertis’ aus den ‘Adagia’. Mitwirkung des Rh. (Br., S. 93). l) Ex Recognitio|ne Des. Eras|mi Roterodami. C. Suetonius Tranquillus. | Dion Cassius Nicaeus. | Aelius Spartianus. | Iulius Capitolinus. Aelius Lampridius. | Vulcatius Gallicanus V.*ir+ C.*larissimus+ | Trebellius Pollio. | Flavius Vopiscus Syracusius. | Quibus adiuncti sunt. | Sex. Aurelius Victor. | Eutropius. | Paulus Diaconus. | Ammianus Marcellinus. | Pomponius Laetus Ro.*manus+ | Io.*annes+ Bap.*tista+ Egnatius Venetus. Basel: Joh. Froben, Juni 1518. VD 16, E 3644. Sammelwerk antiker ‘Vitae Caesarum’, dem mit Paulus Diaconus ein mal. und mit Leto und Egnazio zwei humanistische Autoren hinzugefügt sind. Es handelt sich großenteils um NDe früherer Ausgaben: Sueton: Florenz 1510 (Catalogue, Nr. 2277), Aldina 1516 u. Basel 1516; Cassius Dio: lat. Übersetzung Giorgio Merulas (1510), Aldina 1516; ‘Historia Augusta’: Aldina 1517; (Ps.-)Aurelius Victor: Ascensiana 1503 (Catalogue, Nr. 2383) u. Aldina 1516; Eutropius: Paris 1512 u. Aldina 1516; Paulus Diaconus: Paris 1512, Augsburg 1515 u. Aldina 1516; Ammianus Marcellinus: Bologna 1517; Leto: s. o. II.A.3.h; Egnazio: Venedig 1517. Nur für die ‘Historia Augusta’ konnte Erasmus zusätzlich eine Hs. (aus Murbach) heranziehen. Rh. war besonders beteiligt an der Herausgabe der ‘Historia Augusta’ und des Ammianus Marcellinus: er beschaffte die Vorlagen, wertete die Murbacher Hs. aus und schrieb, unter dem Namen Frobens, jeweils Vorreden an die Leser, um über die textkritischen Probleme der Edition Auskunft zu geben; an Ammianus Marcellinus hebt er eigens hervor, daß er viel über die Alemannen bringe, und er nimmt das zum Anlaß, sich zum Namen und der Machtstellung der Alemannen zur Zeit des Autors zu äußern: ein Vorspiel zu seinen weiteren Studien zur germanisch-deutschen Geschichte (Hirstein, 1989). m) Quintus | Curtius de rebus | gestis Alexan| dri Magni re|gis Mace|donum. Cum Annotationibus Des. | Erasmi Roterodami. Straßburg: Matth. Schürer, Juni 1518. VD 16, C 6462. Grundlage: Ausg. Venedig 1502 (Catalogue, Nr. 1063). Rh. wurde von Erasmus über die geplante Veröffentlichung in Kenntnis gesetzt (Br., S. 100) und brachte jedenfalls auf dem Titelblatt die gleiche Widmungsinschrift an Ks. Maximilian wie bei (Ps.-) Gregor von Nyssa (s. o. II.A.2.c) und Otto von Freising (s. o. II.A.2.d). n) Enchiri|dion militis Christiani [...] autore Des. Erasmo Rotero|damo [...]. Et Ba|silij in Esaiam commentariolus, | eodem interprete. [...]. Basel: Joh. Froben, Juli 1518. VD 16, E 2751. Die

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Beteiligung des Rh. ist wahrscheinlich (Br., S. 605; s. o. II.A.4.e). o) Aucta|rium selectarum a|liquot epistola| rum Erasmi Rote|rodami ad eru|ditos, | et | horum | ad illum. Basel: Joh. Froben, Aug. 1518. VD 16, E 2936. Weitere Ausgaben 1519. Widmung an Michael Hummelberg (Basel, 22. Aug. 1518; Br., S. 119 f.): Rh. nimmt Erasmus, Guillaume Bude´ und Cuthbert Tunstall stellvertretend für die blühende humanistische Kultur in Deutschland, Frankreich und Italien und spricht von den abgedruckten Briefen als scriptis elegantissimis. p) Familia|rium colloquiorum | formu|lae, et alia quaedam, | per Des. Eras|mum Rote|rodamum. Basel: Joh. Froben, Nov. 1518. VD 16, E 2301. Diese Anfangsausgabe des nachmals berühmten Werkes ging auf Muster für Schülergespräche zurück, die während der Unterrichtstätigkeit des Erasmus in Paris entstanden waren, und fußte auf einer später nach Gutdünken frisierten Mitschrift von Augustinus Caminadus, die über Lambertus Hollonius an Froben gelangt war, der wiederum Rh., ohne von Erasmus autorisiert zu sein, zur Veröffentlichung drängte; der darüber verstimmte Erasmus sah sich genötigt, sich von dieser Ausgabe zu distanzieren und 1519 in Löwen eine verbesserte Fassung herauszubringen. Das gute Verhältnis zwischen Erasmus und Rh. blieb gleichwohl bestehen. Widmung an Nikolaus und Crato Stalberger (Basel, 22. Nov. 1518; Br., S. 122 f.): Rh. erkennt überall die Vorzüge der erasmischen Schreibweise; die ‘Formulae’ seien in klassischem Latein abgefaßt. q) Ratio | seu compendium ve|rae theologiae | per Erasmum | Roteroda|mum. Basel: Joh. Froben, Jan. 1519. VD 16, E 3512. Weitere Ausgaben bis 1555. Erstdruck Löwen 1518. Selbständige und erweiterte Fassung der ‘Methodus’, die Erasmus seiner Ausgabe des NT (s. o. II.A.4.f) beigegeben hat. Lehre der Bibelexegese, in der, anders als in der bisherigen Lehre vom vierfachen Schriftsinn, alles auf den Sensus historicus, d. h. die historischphilologische Sprach- und Sacherklärung ankommt. Widmung an Johannes Fabri (Basel, 10. Jan. 1519; Br., S. 132): Rh. fordert für die liberalia studia wie für die Theologie die rechte Methode beim Umgang mit den überlieferten Texten und stellt den erasmischen Traktat dafür als beispielhaft hin. r) Enchiridion [...] durch Ioannem Adelphum [...] vertütscht. Basel: Adam Petri, Mai 1520. VD 16, E 2787. Vorlage: die Frobensche Ausg. von 1518 (s. o. II.A.4.n). Adelphus J Muling fertigte die Übersetzung von bitt wegen und angebung Beaty Rhenany meines insunders liben Herrn und Schulgesellen an (Knod, 1885, S. 273). s) [...] C. Plinii Secundi [...] historia mundi [...]. Basel: Joh. Froben 1525. VD 16, P 3533. Grund-

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lage: Ausg. Paris 1516; Hs. aus Murbach. Mitarbeit des Rh. (Rh., ‘In C. Plinium’ [s. u. II.B.19.], S. 46; Hirstein, 1989, S. 44 f.). t) Opera | L. Annaei Senecae [...] per Des. Erasmum Roterod. & Matthaeum Fortu|natum, ex fide veterum codicum [...]. Basel: Joh. Froben, März 1529. VD 16, S 5732. Der Hauptbeitrag des Rh. war ein neuer Abdruck der ‘Apocolocyntosis’ samt Scholien (s. o. II.A.4.d); bereinigter Text auf der Grundlage einer Weißenburger Hs. (Spaltenstein/Petitmengin, S. 315⫺327). Außerdem hat er an der Textrevision von ‘De beneficiis’ und ‘De clementia’ mitgewirkt (Reynolds, in: Hirstein [Hg.], S. 101⫺115). u) Origenis Adaman|tii [...] opera, quae quidem extant omnia, per Des. | Erasmum Roterodamum partim versa, partim vigilanter recognita [...], adiectis | epistola Beati Rhenani nuncupatoria, quae pleraque de vita | obituque ipsius Erasmi cognitu digna continet: | & indice copiosissimo. Basel: Joh. Froben, Sept. 1536. VD 16, O 908. Posthume Ausgabe. Frühere Ausgaben: Ascensiana 1512 u. 1522. Die epistola nuncupatoria ist an Eb. Hermann von Köln gerichtet (Schlettstadt, 15. Aug. 1536; Br., S. 423⫺429): Origenes erscheint als inventor der Bibelexegese, der naturgemäß noch nicht in allem vollkommen ist, und, wie die antiquitas überhaupt, wegen der besonderen historischen Situation Nachsicht verdient (vgl. auch u. II. B.15. u. 18.); der Eb. von Köln wird als Hauptsieger über die Täufer von Münster gefeiert; die abschließende Kurzbiographie verfolgt die Hauptstationen von Erasmus’ Leben und nennt vor allem, von Epoche zu Epoche, die Lehrer und Freunde, so daß Erasmus im nachhinein zum Inbegriff des europäischen Humanismus wird. v) Epitaphiorum | ac Tumulorum libellus quibus Des. Erasmi | Roterodami Mors defletur. Basel: Froben, 1536. VD 16, E 1752. Rh. ist an der Herausgabe dieser Sammlung beteiligt (Br., S. 441; Knod, 1885, S.276). w) Catalogi | duo operum Des. Erasmi Rote| rodami ab ipso conscripti & digesti [...]. Basel: Joh. Froben, 1536/37. VD 16, E 2126. Herausgeber ist Bonifacius Amerbach. Rh. ist indirekt beteiligt: er dringt auf Herausgabe, um Fälschungen entgegenzutreten, gibt technische Ratschläge, macht sich Gedanken über die Gestaltung des Titelblatts (Br., S. 431 u. 442).

x) Omnia opera | Des. Erasmi Ro|terodami, [...] novem tomis distin|cta [...]. | Ex quibus hic | Primus | ea continet quae spectant ad Institutionem literarum. | Cum Praefatione Beati Rhenani Selestadiensis, vitam autoris | describente, ad Imp.*eratorem+ Caes.*arem+ Carolum V.

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P.*ium+ F.*elicem+ Aug.*ustum+. Basel: Joh. Froben, 1540. VD 16, E 1859. Diese Gesamtausgabe blieb die bis zum Beginn des 18. Jh.s maßgebliche, wie auch die Praefatio an Ks. Karl V. (1. Juni 1540; Teilausg.: Erasmus, Op. epist., Bd. 1, S. 56⫺ 71) das Bild, das die intellektuelle Welt von Erasmus hatte, für lange Zeit bestimmte. Rh. entfaltet darin alle Motive, die in dem biographischen Abriß in der Dedikationsepistel zur Origenes-Ausgabe des Erasmus (s. o. II.A.4.u) lediglich angelegt sind. Rh. beginnt mit einer Gesamtwürdigung: Erasmus ist für ihn der instaurator ac primarius illustrator der literae, der quum in sacris, tum prophanis in 1000 Jahren seinesgleichen sucht. Darauf folgt die Lebensbeschreibung: sie gibt ein genaues Itinerar, vergegenwärtigt die vielen Personen, mit denen Erasmus im Laufe seines Lebens umging, und bespricht in diesem Zusammenhang seine wichtigsten Werke, unter denen die Ausgaben der Kirchenväter und Kirchenschriftsteller hervorragen; er habe die Kenntnis dieser alten Autoren gefördert emendatis illorum lucubrationibus, et ad exemplaria vetusta collatis. Nach einer Charakteristik der körperlichen Gestalt und der Wesensart des Erasmus kommt Rh. auf die jetzt vorgelegte Gesamtausgabe zu sprechen, die er auch mit der Notwendigkeit begründet, Schriften auszuscheiden, die Erasmus fälschlich zugeschrieben würden. Schließlich wendet sich Rh. dem Kaiser zu, der die Schirmherrschaft über die Ausgabe übernehmen und damit Erasmus vor Verleumdungen bewahren soll; er spielt damit auf zunehmende Anfeindungen von katholischer Seite an. Sein Aufruf schließt, ganz in diesem Sinne, die Hoffnung ein, daß es Karl gelingen möge, den herrschenden Glaubenskonflikt im Reich zu schlichten und so die frühere Eintracht wiederherzustellen. Er gipfelt in der Feststellung, daß die Regierungszeit des Kaisers deswegen nicht in Vergessenheit geraten werde, weil Erasmus in ihr gelebt habe: nam solet eruditissimi cuiusque laus etiam in principem redundare sub quo vixerit. Das ist der Schlußpunkt dieser Biographie, die einer Selbst-

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darstellung der humanistischen ‘res publica litteraria’ gleichkommt. S. auch oben II.A.4.u-v sowie unten II.A.5.a u. II.B.11. u. 22. 5. Weitere Autoren. a) De opti|mo reip.*ublicae+ statu deque | nova insula Utopia libellus ve|re aureus [...] Thomae Mori [...]. Epigrammata [...] Thomae | Mori, pleraque e Graecis versa. | Epigrammata Des. Erasmi Roterodami. Basel: Joh. Froben, März 1518. VD 16, M 6299. Grundlage für den Abdruck der Texte von Thomas More: frühere Ausgaben der ‘Utopia’ Löwen 1516 u. Paris 1517; die Vorlage für die ‘Epigrammata’ stammt von Erasmus. Widmung an Willibald J Pirckheimer (Basel, 23. Febr. 1518; Br., S. 102⫺104): Morus erfülle in seinen ‘Epigrammata’ alle literarischen Ansprüche, sei ganz Latinus, aber ohne, wie Pontanus und Marullus, das Altertum bis ins Nichtige und Anstößige hinein nachzuahmen; die ‘Utopia’ gehe über Platon, Aristoteles und selbst die von Pirckheimer hochgeschätzten Pandekten hinaus: minus forsan philosophice quam illi, sed magis christiane. b) Iani Pan|nonii [...] Syl|va Panegyrica ad Guarinum Ve|ronensem, prae|ceptorem suum. Et | eiusdem Epi|grammata nunquam | antehac typis excusa. Basel: Joh. Froben, Juli 1518. VD 16, J 191. Weitere Ausgabe 1553. Erstausgabe der Werke des Ianus Pannonius Wien 1512, der vor 1518 zwei weitere Auflagen gefolgt sind; daraus druckte Rh. die ‘Sylva Panegyrica’, ein elegisches Gedicht auf Guarino Guarini. Woher Rh. den Text der von ihm mitabgedruckten ‘Epigrammata’ hatte, ist unklar; nicht aufgenommen sind in seine Ausgabe die Epigramme, die ihm damals durch Jakob Sturm in einer Abschrift von Peter J Schott (vor 1490) zugänglich geworden sind, die er vielmehr lediglich selbst kopiert hat (Schlettstadt, Bibl. Hum., Ms. 326): die Edition insgesamt verstand sich geradezu als Gegengeschenk an Jakob Sturm, dem sie gewidmet war. Die Dedikationsepistel (Basel, 15. Juli 1518; Br., S. 116 f.; Anthologie, S. 151⫺161) stellt den ungarischen Dichter auf eine Stufe mit Erasmus, nimmt beide für Deutschland in Anspruch und hält sie für nicht schlechter als Polizian und Ermolao Barbaro, ja selbst als Vergil oder Cicero, v. a. im Hinblick darauf, daß die Kunst der Beredsamkeit nach dem Untergang Roms ganz neu habe erschaffen werden müssen; dem Lob geht eine Kritik an der untalentierten Hauptmasse der neulat. Dichter voraus, und es ist kein Zufall, daß Rh. sich mit dieser Ausgabe von der ganzen Gattung verabschiedete (Munier, 2008, S. 121).

B . H er au sg ab e a nt ik er und mi tt el a lt er li ch er Te xt e. Die Edition zumal antiker Autoren war ein Hauptgeschäft, dem sich Rh. in den

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Pariser, Straßburger und Baseler Druckund Verlagshäusern zu unterziehen hatte, und wurde immer mehr zu seinem eigensten Arbeitsgebiet. Hier sind die Veröffentlichungen aufgeführt, die allein oder vorwiegend ihm angehören. Freilich ist die Grenze zu seiner Mitarbeit an den editorischen Vorhaben anderer, die in II.A. dokumentiert ist, manchmal nur schwer zu ziehen; man denke nur an seine Studien zu Senecas ‘Apocolocyntosis’, die, zunächst eine separate Publikation (s. u. II.B.4.), danach in den Zusammenhang der erasmischen Seneca-Ausgaben getreten sind (s. o. II.A.4.d u. t) und gewiß von vornherein, direkt oder indirekt, von Erasmus stimuliert waren. Ganz allgemein gilt, daß noch die selbständigste Hervorbringung des Rh. nicht eigentlich frei gewählt war, sondern, im großen wie im kleinen, von seiner Gesamtsituation abhing: von den Wünschen des Verlegers, von einem zufälligen Handschriftenfund, von den Kapazitäten der Druckerei, von den Erwartungen des Publikums. Rh. verschmähte grundsätzlich keinen Autor, hatte aber schließlich doch bestimmte Lieblingsautoren. Sie ließen ihn nicht los, weil sie ihm besondere philologische Probleme bereiteten, aber auch deswegen, weil sie ihn aus inhaltlichen Gründen anzogen. Ihn interessierten vor allem zwei Kategorien von Autoren: Kirchenväter und Kirchenschriftsteller sowie Schriftsteller zur germanisch-deutschen Frühgeschichte; die Motive dazu hatten sich bei ihm seit seiner Schlettstädter Schulzeit eingestellt und entsprachen großen Tendenzen im deutschen Humanismus. Zwei Schriftsteller haben ihn dabei besonders beschäftigt: Tacitus, mit seiner ‘Germania’ der noch die Gegenwart verpflichtende Gründungsautor der deutschen Geschichte, und Tertullian als Repräsentant eines unverfälschten Christentums. Die Aufgabe, die ihm dabei zunehmend in den Vordergrund trat und sich schließlich gegenüber seinen normativen Motiven verselbständigte, war überall, einen womöglich authentischen Text zu bieten und sprachlich wie sachlich zu kommentieren. Von vornherein sah er darauf, die Durchführung

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dieser Aufgabe methodisch zu regeln, und es war seine bahnbrechende Leistung, daß ihm das nach und nach gelang: indem er die Textkritik auf die vergleichende Betrachtung der hsl. Überlieferung gründete und von der Kommentierung historisches Verständnis der Wörter, Begriffe und Sachen forderte. Er trug damit, im Anschluß an seine Lehrer Cuno und Erasmus, die wiederum von der weit gediehenen Vorarbeit der humanistischen Gelehrten in Italien geprägt waren, entscheidend zur Konzipierung der modernen historisch-philologischen Methode bei. Die fortgesetzte Ausarbeitung dieses Programms wirkte sich auch in der äußeren Form aus, in die Rh. seine Editionen brachte. Wenn er sich anfangs mit der bloßen Präsentation des Textes und allenfalls wenigen Marginalnoten begnügte, so pflegte er später seine Ausgaben, und zwar in wachsendem Maße, mit Annotationen und Erläuterungen sowie mit Indices und Registern auszustatten, um so seine Verfahrensweise zu illustrieren. Die chronologische Anordnung der Texte soll diese Entwicklungen verdeutlichen. 1. Decretum Gratiani, | cum glossis domini Iohannis theutonici albersta|tensis: & annotationibus Bartholomei brixiensis [...]. Basel: Joh. Amerbach, Joh. Peter u. Joh. Froben, Mai 1512. VD 16, C 5182. Die Ausgabe sollte die 1493 bei Amerbach erschienene ersetzen. Grundlage: die Pariser Ausgaben von 1501, 1505 u. 1507; die Mainzer Ausg. 1472; Quellen des kirchlichen Rechts in der Bibel und bei den Kirchenvätern. Rh. half Amerbach bei der Herstellung des Textes (Munier, 1985, S. 227; Hieronymus, S. 84) und war Hg. Vorrede an den Leser (Basel, 13. April 1512; Br., S. 50⫺52): sie äußert sich zur Ausgabe und zum Inhalt; Rh. empfiehlt eine vorgängige Lektüre der aristotelischen Ethik in der Ausgabe seines Lehrers Lefe`vre (Paris 1505; vgl. auch o. II. A.1.b); überall ist ein Wimpfelingscher Nationalgedanke präsent: Rh. stellt den Glossator Johannes Teutonicus um der Germanorum gloriae willen vor, findet Gelegenheit, von Carolus Magnus, non Gallus, sed Germanus zu reden, und feiert, als er auf die Mainzer Ausgabe des ‘Decretum’ zu sprechen kommt, die daselbst foelicissimis Germanorum auspiciis erfundene Buchdruckerkunst. Auf der Rückseite des zweiten Titelblatts Distichen von Rh.; sie erläutern eine Illustration, die Gratian inmitten von biblischen Autoren und Kirchenvätern zeigt. 2. C. Plinii Secundi Novocomensis | Epistolarum libri Decem, in quibus multae habentur | epi-

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stolae non ante impressae […]. Straßburg: Matth. Schürer, 1514. VD 16, P 3481. Nachdruck der Aldina 1508. Widmung an Johannes Reuser (Schlettstadt, 18. Febr. 1514; Br., S. 61 f.): Rh. beruft sich auf Rudolf D Agricola, der in Heidelberg seinen Kurs der studia humanitatis mit Plinius, dem Führer zur Beredsamkeit, eröffnet habe. 3. C. Plinii Secundi Novocomensis | De viris illustribus in Re militari, et administranda Rep.*ublica+ | Suetonii Tranquilli | De claris Grammaticis, et Rhetoribus.| Iulii Obsequentis | Prodigiorum liber. Straßburg: Matth. Schürer, 1514. VD 16, P 3509 u. 3510. Die Ausgabe sollte die 1510 im gleichen Verlag erschienene Ausgabe ersetzen und war ein ND der Aldina 1508. Man konnte schon damals wissen, daß der dem jüngeren Plinius oder anderswo auch Sueton zugeschriebene Text in Wahrheit mit den ‘Viri illustres’ des Cornelius Nepos identisch ist. Widmung an Kaspar Westerburg (Schlettstadt, 18. Febr. 1514; Br., S. 62): die Lektüre sei eine willkommene Unterbrechung bei der Beschäftigung mit gewichtigeren Autoren.

4. In hoc opere | contenta | Ludus L. Annaei Senecae, | De morte Claudij Caesaris, | nuper in Germania repertus. | cum Scholijs Beati Rhenani.| Synesius Cyrenensis de lau|dibus Calvitij, Ioanne Phrea | Britanno interprete, cum scho|lijs Beati Rhenani.| Erasmi Roterodami Mo| riae Encomium, cum commen|tarijs Gerardi Listrij, trium linguarum periti. Basel: Joh. Froben, März 1515. VD 16, E 3183. Weitere Ausgaben bis 1524 (s. auch o. II. A.4.d u. t). Der Seneca-Text nach der Ausg. Rom 1515, die auf einer aus Deutschland verbrachten Hs. basiert; beim Synesius-Text handelt es sich um die Editio princeps nach einer von Cuno kopierten Hs. aus Italien; das ‘Moriae encomium’ ein wiederholter Abdruck mit Kommentar. Das Ganze ist ein Opus satiricum, in dem die beiden antiken Autoren zu dem modernen in Beziehung gesetzt sind. Rh. tritt als Herausgeber der ‘Apocolocyntosis’ und der ‘Laudes Calvitii’ hervor. Im Vordergrund steht dabei der Seneca-Text, den Rh., soweit möglich, textkritisch bearbeitet und mit ausführlichen sprachlichen wie historischen, mythologischen und geographischen Erläuterungen versehen hat; er bringt dazu fast ausnahmslos Parallelstellen bei anderen Autoren, namentlich bei Sueton und Tacitus. Die Synesius-Ausgabe ist ganz analog eingerichtet. Widmungen an Tho-

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mas Rapp (Basel, 30. März 1515; Br., S. 71) und Martin Ergersheimer (Basel, 31. März 1515; Br., S. 72): Rh. gibt knappe Editionsberichte, würdigt den ‘Ludus’, den er als Erziehungsschrift für spätere Fürsten empfiehlt, als Juwel des Altertums und hebt den Witz des Synesius von den infacetissimae [...] facetiae Poggios ab. Mit dieser Veröffentlichung beginnt im strengen Sinne die Reihe der philologischen Hervorbringungen des Rh. 5. Aeneae Platonici | Christiani de immortalitate | animae, deque corporum re|surrectione dialogus aureus […] Athenagoras Atheniensis de resurrectione […]. Xysti Pythagori|ci sententiae […]. Basel: Joh. Froben, Okt. 1516. VD 16, A 351. Gesonderte Ausgabe des Sextus Pythagoricus Straßburg 1520. Lat. Übersetzungen von Ambrosius Camaldulensis (Aeneas), Marsilio Ficino (Athenagoras) und Rufinus (Sextus). Grundlagen: Aeneas: die Ausgabe Venedig 1513, die Rh. aus Rom zugegangen war (Knod, 1889, S. 83; München, BSB, L. impr. c. n. mss. 8° 196 [freundlicher Hinweis von Franz Fuchs, Würzburg]); Athenagoras: Ausgaben Venedig 1498 (Catalogue, Nr. 341) u. Paris o. J. (Knod, 1889, S. 60; Catalogue, Nr. 683); Sextus: Erstausgabe Lyon 1507 (Catalogue, Nr. 926), nicht mehr existente Hs. in Schlettstadt. Widmung an Paul Volz (Basel, 8. Sept. 1516; Br., S. 87⫺89): Rh. konzentriert sich darin auf Aeneas; er gehöre jenen Jahrhunderten an, in denen sich die Bildung aus der durch Kriegsstürme erschütterten Welt in die Klöster zurückgezogen habe, und sei dem vorzuziehen, was die Scotistae in ihren Schulen daherredeten. Der Sextus-Text wird eingeleitet mit einer eigenen Vorrede an den Leser (Basel, 1. Okt. 1516; Br., S. 582 f.), die sich vor allem mit der Identität des Autors befaßt. Erweiterte Fassung dieser Vorrede in der Ausgabe Straßburg 1520 (Ausgabe: Munier, 2001, S. 61 f.); neu ist darin der Gedanke, daß man die gnvmologi¬an des Sextus an ihren eigenen philosophischen Maßstäben messen müsse: fac memineris eam ab ethnico profectam, nec secus evolvendam, quam divus admonuit Hieronymus. 6. Palaephati | scriptoris Graeci Opusculum | de non credendis fabulo|sis narrationibus, Inter| prete Philippo Pha|sianino Bono|niensi [...]. Straßburg: Matth. Schürer, Jan. 1517. VD 16, P 94. Frühere Ausgabe Bologna 1515. Laut einer Widmungsepistel von Nikolaus J Gerbel an Thomas Truchseß hat Rh. den ihm übersandten libellum lepidissimum des frühhellenistischen Mythographen geprüft und zum Druck gegeben (Knod, 1886, S. 271 f.). 7. Aesopi Phrygis vita | et Fabellae [...]. Homeri | Batracho|myo|machia. [...] Musaeus [...]

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de Ero & Leandro. [...] Agape|tus de offi|cio Regis; Anhang: Hippocratis iusiurandum, Galeomyomachia. Basel: Joh. Froben, Jan. 1518. VD 16, A 415. Die Ausgabe bietet jeweils den griech. Text mit lat. Übersetzung, die lediglich bei der ‘Galeomyomachia’ fehlt. Fast alle Texte sind durch Widmungsbriefe von Froben eingeleitet, die besonders den Nutzen dieser ebenso einfach wie gefällig geschriebenen Stücke beim Erlernen des Griechischen hervorheben; maiora sollen folgen, um die Verbreitung der griech. Sprache und Literatur weiter zu fördern; wiederholt wird auf die Mitwirkung des Rh. angespielt. Daß ihm in der Tat der Hauptanteil an diesem Sammelwerk zukommt, ergibt sich daraus, daß er, fast immer aus der Hinterlassenschaft Cunos, sämtliche Druckvorlagen geliefert hat (Magdelaine, in: Hirstein [Hg.], S. 138 ff.): Aesop: Aldina 1505 (Rh. besaß ein Exemplar, das inzwischen verschollen ist; Meyer u. Petitmengin, S. 127); Homer: Ausgabe Paris 1507 (Catalogue, Nr. 1540), Abschrift von der Hand des Rh. (Schlettstadt, Bibl. Hum., Ms. 4); Musaeus: Aldina (Erstausgabe) 1494, Abschrift der lat. Übersetzung des Aldus Manutius von der Hand des Rh. (Schlettstadt, Bibl. Hum., Ms. 336); Agapetus: Ausg. Venedig 1509 (Catalogue, Nr. 548 u. 549); Hippokrates: Ausg. Paris 1508 (Catalogue, Nr. 2330); Galeomyomachia: Aldina 1495. Zwei ergänzende Veröffentlichungen bei Froben, bei denen eine Mitarbeit des Rh. nicht feststeht, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann (Magdelaine, in: Hirstein (Hg.), S. 144 f.): Alphabetum graecum, oratio dominica, Angelica Salutatio [...]. In usum iuventutis graecarum adyta literarum subingressurae (März 1518; VD 16, A 1945); Scriptores aliquot gnomici, iis, qui Graecarum literarum candidati sunt, utilissimi (Juni 1521; VD 16, S 5137). 8. Maximi Tyrii | philosophi | Platonici ser| mones e Grae|ca in Latinam linguam versi | Cosmo Pac|cio interprete. Basel, Joh. Froben, Jan. 1519. VD 16, M 1681. Grundlage: Erstausgabe Rom 1517; Fragmente des griech. Originals, die Rh. von Cuno hat und dieser nach einer inzwischen verschollenen Hs. im Besitz Reuchlins angefertigt hat (Trapp, in: Hirstein [Hg.], S. 151 ff.). Widmung an Jean Grolier de Servier (Basel, 12. Jan. 1519; Br., S. 133⫺135): der platonische Philosoph sei ein Meister der Deklamationskunst, die von den rixosae disputationes der neueren Zeit verdrängt worden sei; Charakteristik von Leben und Werk; die Epistel mündet in ein Lob der platonischen Philosophie, die in vielem mit dem Christentum übereinstimme: Quid christianius quam illatam iniuriam non retaliare?

9. Tacitus. a) P. Cor|nelii Taciti, De | moribus & popu|lis Germaniae. Cum commentariolo

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vetera | Germaniae populorum vo|cabula paucis explicante. Basel: Joh. Froben, Mai 1519. VD 16, T 30. Weitere Ausgaben: Leipzig ca. 1520 u. Köln ca. 1525. Wiederabdruck des ‘Commentariolus’ in: S. Schardius (Hg.), Historicum opus I, Basel 1574, S. 179⫺192 (danach H. Thoma [Hg.], Schardius redivivus I, Gießen 1673). Dt. Übers., die Text und Kommentar integriert, von Johann Eberlin von Günzburg 1526 (unveröffentlicht); die Ausgabe von A. Masser (J. Eberlin von Günzburg, Ein zamengelesen buochlin etc. [Innsbrucker Beitr. z. Kulturwiss., Germanistische Reihe 30], 1986) bietet auch einen ND der Edition von 1519. Rh. ist der nicht genannte Editor und Kommentator (Br., S. 160; ‘Elenchus’ zur Tacitus-Gesamtausgabe von 1519 [s. u.], Stichwort ‘Germani’); der ‘Commentariolus’, den noch Andreas Althamer im Epilog seines ‘Germania’-Kommentars von 1529 richtig zuordnet, wurde später, so bei Schardius, fälschlich Heinrich Glarean zugeschrieben (vgl. dazu Joachimsen, Gesch.auffassung, S. 256 f.). Der Text beruht auf den Gesamtausgaben Rom 1515 (Beroaldo) und Mailand 1517 (Alciato); wenige Marginalnoten zur Textkritik und zum Inhalt. Am Anfang des Kommentars verkündet Rh. den für seine weitere exegetische Arbeit fundamentalen Grundsatz, daß die Texte der veteres nicht einfach auf die Gegenwart bezogen werden dürften, sondern aus ihrer besonderen historischen Situation zu verstehen seien; er denkt dabei zunächst an die Namen der Völker, die in verschiedenen Zeiten Verschiedenes bedeuteten: Nam dici non potest, quantis mutationibus & regna & populi mutati sint. Igitur amice lector, sive veterum sive recentiorum evolvas monumenta, non statim [...] ad vivum rem exigas, sed etiam atque etiam circumspice, quo tempore scriptum fuerit, quod legis, a quo, & de quibus. deinde confer nova cum veteribus, aut converso, mutationum semper memor (1519, S. 45 f.). Der Kommentar sucht demgemäß an den populorum vocabula bei Tacitus zu zeigen, wie sehr sich das spätere Deutschland nach Umfang und Völkersitzen vom taciteischen Germanien

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unterscheide: quanta sit Germaniae facta accessio (ebd., S. 46); das ist für Rh. ein gleichermaßen patriotisches wie philologisches Faktum. Rh. geht dabei so vor, daß er Tacitus jeweils mit anderen Autoren aus anderen Zeiten vergleicht. In einem eigenen Abschnitt sind Erläuterungen über die bei Tacitus erwähnten res gestae hinzugefügt, so über die Varusschlacht, die Rh. Gelegenheit gibt, mit Florus vom duce Arminio zu sprechen (ebd., S. 76). Von diesem commentariolus führt eine gerade Linie zu den ‘Res Germanicae’ von 1531 (s. u. C.). b) P. Cornelii Ta|citi Eq.*itis+ Ro.*mani+ Historia Augusta […] De Situ, Moribus et Populis Germa|niae libellus […] Dialogus […]. Cn. Iulii Agricolae vita […]. Basel: Joh. Froben, Aug. 1519. VD 16, T 12. Grundlage: die Gesamtausgaben Venedig 1497 (ND der Puteolana Mailand 1475 od. 1487; Catalogue, Nr. 450), Rom 1515 (Beroaldo) u. Mailand 1517 (Alciato); die Vorreden und Annotationen dieser Ausgaben sind mitabgedruckt. Rh. hat besonders die res Germaniae bearbeitet und seine diesbezüglichen Beiträge auch ausdrücklich mit seinem Namen gekennzeichnet. Am Anfang findet sich ein Elenchus in Historiam Augustam Cor. Taciti: qui ea potissimum indicat, quae ad res Germaniae pertinent; die in alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Stichworte nehmen mitunter die Form kleinerer Artikel oder Exkurse an, wie z. B. Germani. Außerdem hat Rh. für den Text der ‘Germania’ noch zusätzlich die Nürnberger Ausgabe von 1473 benutzt, die er von Hieronymus Artolphus entliehen hatte (Hirstein, Tacitus’ Germania, S. 119 f.); Marginalnoten zur Textkritik und zum Inhalt, wobei manches aus der früheren Ausgabe (II.B.9.a) übernommen ist. c) P. Cornelii Taciti | annalium ab excessu Augusti […] libri | sedecim qui supersunt, partim haud oscitanter perlecti, partim nempe po|steriores ad exemplar manuscriptum recogniti […] per Beatum Rhenanum. […] Libellus de Germanorum populis, Dia|logus de oratoribus, denique Vita Iulij Agricolae non solum emaculatius pro|deunt, sed & explicatius adiunctis in hanc rem scholijs […] Basel: Joh. Froben,

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1533. VD 16, T 13. Weitere Ausgabe 1544. Grundlage: die Baseler Ausgabe 1519 (s. o. II.B.9.b); eine Abschrift des Mediceus II (Ann. 11⫺16, Hist. 1⫺5) aus Buda, die Rh. von Jakob Spiegel erhalten hat (Yale, Ms. 145). Rh. bietet den überlieferten Text und faßt seine Verbesserungsvorschläge jeweils in begleitenden Castigationes zusammen; die Castigationes zur ‘Germania’ und zum ‘Agricola’ bringen zugleich inhaltliche Erläuterungen. Weitere Beiträge des Rh.: eine eingangs abgedruckte Annalium inscriptionis reddita ratio, wo Rh. erstmals ‘Annalen’ und ‘Historien’ unterscheidet; ihm folgt ein alphabetisch angeordneter Thesaurus locutionum constructionumque et vocum Taciti solennium, und zwar im Vergleich mit dem jeweiligen Sprachgebrauch bei Livius; die Texte sind mit gliedernden und erläuternden Marginalnoten versehen; den Schluß bildet ein Elenchus, die erweiterte Fassung des ‘Elenchus’ von 1519. Die Widmung an B. Bernhard von Trient (Schlettstadt, 5. Dez. 1532; Br., S. 411⫺415) rekapituliert die Editionsgeschichte und gibt, zur Begründung der Ausgabe, eine Charakteristik des Tacitus, die ihn von Livius abhebt: Tacitus beschreibe die römische Geschichte der Kaiserzeit, Livius die Geschichte des römischen Volks und Senats; die Sprache des Tacitus stehe derjenigen des Livius nach, da dieser in einem saeculum purissimum, jener in den Zeiten des beginnenden Sprachverfalls gelebt habe; Tacitus sei Livius aber vorzuziehen wegen der besonderen Klugheitsregeln, die sein Werk für die Untertanen monarchischer Staaten bereithalte; der Gegenwartsbezug ist evident. Diese Ausgabe blieb die für längere Zeit maßgebliche und lag noch den Editionen von Lipsius seit 1574 zugrunde; sie gehört, auch was das Urteil über Tacitus im Vergleich zu Livius betrifft, zur Vorgeschichte des heute sog. Tacitismus, der im ausgehenden 16. und im beginnenden 17. Jh. den Aufstieg der absoluten Monarchie in Europa begleitete. 10. Aulii Gellii Noctium Atticarum libri XIX. Basel: Andr. Cratander, Sept. 1519. VD 16, G 1036. Grundlage: Aldina 1515. Rh. besaß nicht nur seit 1516 diese Ausg. (Catalogue, Nr. 703), son-

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dern auch, seit 1502, die Ausg. Brixen 1485 (Catalogue, Nr. 65); seine initiierende Rolle liegt nahe. 11. Ioannes Frobenius | studiosis. […] damus nunc vobis Panegyricos quotquot | ex vetustate conservatos nancisci po|tuimus. In quibus excudendis pro magna parte codicem Rhenanicum imi| tati sumus, quem alias vir ille relectum | ac pro more suo adnotatum lubens | nobis communicavit, nihil unquam de|negans, quod usui studiosis esse possit. […]. Basel: Joh. Froben, Dez. 1520. Im Anhang zu den ‘Panegyrici latini’ sind ‘Panegyrici’ von Ermolao Barbaro, Erasmus, Pandolfo Collenuccio und Georgios Sauromanus auf Ks. Friedrich III., Ks. Maximilian und Hzg. Philipp d. Kühnen nachgedruckt. Bei dem ‘Codex Rhenanicus’ (der so hieß, weil er Rh. gehörte) handelte es sich nicht um eine Hs., sondern um einen älteren Druck, wahrscheinlich um die auf Veranlassung Cuspinians entstandene Ausg. Wien 1513 (J Gundel, II.C.2.; Erstausg. Puteolana 1482). Rh. übt konjekturale Textkritik, gibt Wort- und Sacherklärungen und führt jeweils in die einzelnen Texte ein. Die Widmung an Lucas Bathodius (Schlettstadt, 13. Dez. 1520; Br., S. 258 f.) erörtert den besonderen Quellenwert der Autoren, die manches brächten, was bei den Geschichtsschreibern nicht überliefert sei; außerdem rechtfertigt Rh. den Mitabdruck neuerer Autoren: dignissimi […], qui cum veteribus ad posteros transmittantur.

12. P. Vellei | Paterculi Historiae Ro| manae duo volumina […] per Beatum | Rhenanum | Selesta|diensem | ab interitu | utcunque vindicata. Basel: Joh. Froben, 1520/21. VD 16, V 516. Editio princeps nach einer inzwischen verschollenen Hs. aus Murbach. Rh. hatte sie 1515 entdeckt, abschreiben lassen, diese Abschrift, soweit möglich, emendiert, zum Druck gegeben und den gedruckten Text vor der Veröffentlichung durch seinen Famulus Albert Burer mit dem Murbacher Original vergleichen lassen; die Verderbtheit der Hs. war so groß, daß er sich vor der Drucklegung um ein ihm aus Mailand avisiertes weiteres Manuskript bemühte, bis deutlich wurde, daß hier eine Verwechslung mit Velius Longus vorlag. Die Ausgabe bringt die von Burer besorgte Collatio im Anhang zu dem vorher gedruckten Text. Der ‘Historia Romana’ ist eine Lebensbeschreibung des Autors von Rh. vorangestellt, der ein Index nominum folgt; Lücken in dem nur fragmentarisch überlieferten Text sind jeweils in Vor- und Zwi-

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schenbemerkungen kenntlich gemacht, nicht ohne daß Rh. dabei die iniuria temporis beklagt (S. 5); am Rand sind, außer textkritischen Bemerkungen und gelegentlichen Worterklärungen, die im Text vorkommenden Eigennamen verzeichnet. Die Widmung an Kf. Friedrich von Sachsen (Schlettstadt, 8. Dez. 1520; Br., S. 257 f.) rühmt nicht nur den castissimus stilus, sondern auch den Quellenwert des Werkes: man erfahre aus ihm, was bei anderen allenfalls angedeutet sei: Qualis est deletarum cum Varo legionum Arminio duce historia sowie Auskünfte über den Markomannenkg. Marbod; in der Widmung an den Schirmherrn Luthers hat der Hinweis auf Arminius auch eine aktuelle Bedeutung, zumal Rh., der damals noch der evangelischen Sache gewogen ist, über die jüngsten Niederlagen der lucifugae sophistarum phalanges frohlockt. In einem Nachwort an den Leser (Basel, 15. Nov. 1520; Br., S. 254⫺256) schildert Rh. die Schwierigkeiten bei der Wiederherstellung des Textes, will aber an seinem proposito veteribus qua licet succurrendi festhalten; er verweist auf seine Ausgabe der ‘Apocolocyntosis’ (s. o. II.B.4.) und kündigt die bevorstehende Edition Tertullians an in usum videlicet rei theologicae et ad vetustatem illuminandam (s. u. II.B.15.). 13. Vete|rum aliquot de | arte Rhetorica traditiones, de | tropis inprimis & schematis | verborum & sententiarum non | aspernanda me hercle opuscula, | nunc primum in lucem aedita […]. Basel: Joh. Froben, Jan. 1521. VD 16, V 942. Editio princeps der ‘Rhetores Latini minores’ auf der Basis einer inzwischen verlorengegangenen Hs. aus Speyer. Frobens Vorrede an den Leser (Basel, 1. Jan. 1521), die die Rhetorik als eruditionis universae sacra ancora bezeichnet, betont, daß die Entdeckung der Hs. und ihre Vorbereitung für den Druck Rh. zu verdanken seien. 14. Gregorii | Nyseni vetustissimi Theo|logi, | Mystica Mosaicae vitae enarratio […] Georgio Trapezon|tio interpre|te. Basel: Andreas Cratander, Mai 1521. VD 16, G 3121. Aus der Vorrede Cratanders an den Leser (Basel, 13. März 1521) geht hervor, daß es sich um eine von Rh. überarbeitete Fassung der Wiener Ausg. 1517 handelt.

15. Opera | Q. Septimii Florentis Tertul|liani inter latinos ecclesiae scriptores primi […] per Beatum Rhenanum Seletsta-

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diensem e tenebris eruta | atque a situ pro virili vindicata […]. Basel: Joh. Froben, Juli 1521. VD 16, T 559. Weitere von Rh. besorgte Ausgaben 1528 u. 1539; spätere Ausgaben 1545 u. 1550, die auf der von 1539 beruhen. Editio princeps mit reichem Kommentar. Rh. gibt über die Entstehung und Anlage dieser Ausgabe Auskunft in seiner Widmung an Stanislaus Thurzo´ (Basel, 1. Juli 1521; Br., S. 282⫺288), der 1528 eine Vorrede an den Leser (Basel, 29. Febr. 1528; Br., S. 374⫺376) und 1539 eine theologis et piis omnibus gewidmete Vorrede (Ende März 1539) vorgesetzt ist, sowie in einer Admonitio ad lectorem de quibusdam Tertulliani dogmatis. Der Ausgabe lagen Hss. aus Peterlingen (Schlettstadt, Bibl. Hum., Ms. 88) und Hirsau zugrunde; die eine hatte Rh. von Jakob Zimmermann in Colmar, die andere von Thomas Rapp aus Straßburg erhalten. Für die Ausgabe von 1539 kam noch eine Hs. aus Gorze hinzu, von der ihm eine collatio mit der Ausgabe von 1521 vorlag; einer der Collatores war Claude Chansonette. Grundlage des textkritischen Verfahrens war eine Recensio der Hss.; wenn es nicht anders zu gehen schien, versuchte sich Rh. bei der Emendation an Konjekturen, wobei er 1539 mit analogen sprachlich-stilistischen Eigenheiten bei anderen Autoren operierte. Die Kommentierung zielte darauf, Tertullian als einen der vornehmsten Theologen des Altertums für eine Erneuerung der Kirche zu beanspruchen; freilich hat Rh. 1539 die Kritik an der alten Kirche etwas abgemildert. Tertullian sei von der scholastischen Theologie verdächtigt und unterdrückt worden, die ihn an den decreta, ja sogar an den vocabula und loquendi formulae der Schule gemessen habe (1539, S. 754), statt ihn zunächst einmal nach den spezifischen Verhältnissen der in dogmatischen Dingen noch vielfach offenen nachapostolischen Zeit zu beurteilen, der er angehöre. Rh. übertrug damit die Einsicht in die Verschiedenheit der Zeiten, die ihm 1519 bei den populorum vocabula aufgegangen war (s. o. II.B.9.a), auf das Verständnis eines theologischen Schriftstellers.

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Die Edition ist nach diesen Grundsätzen eingerichtet. Rh. setzt seine Konjekturen an den Rand, um sein textkritisches Verfahren transparent und damit nachprüfbar zu machen. Die Kommentierung beginnt auf dem Titelblatt, wo Tertullian als valde vicinus Apostolorum temporibus erscheint, wird mit einer Lebensbeschreibung Tertullians fortgesetzt, die diese Zuordnung präzisiert, und entfaltet sich dann, außer in meist knappen Marginalnoten, in den Argumenta und vor allem in den Annotationes zu den einzelnen Schriften, die eine dichte Fülle sprachlicher und sachlicher Erläuterungen bringen und dabei immer auf das Generalthema zurückkommen. Der Umfang dieser Annotationes ist bis 1539, als im übrigen noch die Auseinandersetzung mit dem Manuskript aus Gorze in sie eingingen, beträchtlich gewachsen. Auch der Index am Schluß der Ausgabe ist 1539 wesentlich erweitert. Die TertullianAusgabe von 1539 war damit überhaupt die bestausgestattete der von Rh. besorgten Editionen. Der Ausgabe sind angehängt die Definitiones ecclesiasticorum dogmatum des Gennadius von Marseille; sie fehlen 1539. Rh. verbesserte die bisher dem Augustinus zugeschriebene Schrift, die ihm in Bd. 10 der gängigen Augustinus-Ausgabe präsent war (Br., S. 290), nach einer Straßburger Handschrift (Bern, Bürgerbibl., Nr. 89), die er in einer Abschrift von Lucas Bathodius (Schlettstadt, Bibl. Hum., Ms. 457) besaß. Vorrede an den Leser (Juli 1521; Br., S. 289⫺291), die den Text zum besseren Verständnis Tertullians empfiehlt, nicht ohne wiederum dessen spezifische historische Situation zu erwähnen. 16. P. Terentii opera omnia. Basel: Joh. Froben, 1521. Rh. hat sich offenbar seit 1516 mit dem Plan einer Terenz-Edition getragen. Sein Exemplar der Ausgabe Straßburg 1516 (Catalogue, Nr. 2302) ist, auf der Grundlage der ebenfalls in seinem Besitz befindlichen Ausg. Straßburg 1496 (ebd., Nr. 454), mit textkritischen und interpretierenden Annotationen versehen, v. a. zu den Komödien ‘Adelphi’ und ‘Heautontimorumenos’ (Freyburger, in: Hirstein [Hg.], S. 117⫺128), und wenn es davon auch in der Ausgabe von 1521 keine direkten Spuren gibt (Hirstein, in: ebd., S. 510), so läßt sich daran doch ein editorisches Interesse ablesen. Jedenfalls

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ist Rh. im Sommer 1519 mit der Korrektur einer Adelphina praefatio befaßt, die sich nur auf die bevorstehende Veröffentlichung bei Froben beziehen kann (Br., S. 172). 17. Opus insigne cui | titulum fecit autor defensorem pacis [...]. Basel: Val. Curio, 1522. VD 16, M 1131. Erstausgabe des ‘Defensor pacis’ von Marsilius von Padua. Der Verfasser der Vorrede nennt sich Licentius Evangelus und zieht, wie das diesem Namen entspricht, aufs schärfste über die Papstkirche her, die er des Abfalls vom Evangelium bezichtigt und daher dem Lager des Antichrist zurechnet; ND: M. Goldast (Hg.), Monarchia S. Romani Imperii, Bd. 1, Hannover 1611 (ND 1960), S. 647⫺653. Michael Hummelberg identifiziert am 30. Sept. 1522 den Verfasser mit Hermann J Buschius, qui Pacis Defensorem prologo adornatum a plerisque omnibus invulgasse fertur (Peutinger-Br., S. 366). Goldast nennt dagegen in seiner Ausgabe Rh. und beruft sich dabei auf eine Auskunft von Ludwig Lavater aus Zürich (am Schluß der einleitenden ‘Dissertatio de auctoribus’). Während die ältere Forschung schließlich eher dem Zeugnis Hummelbergs gefolgt ist (vgl. Joachimsen, Gesch.auffassung, S. 291, u. E. Kˆnig, Peutinger-Br., S. 367), hat neuerdings hauptsächlich Piaia die Verfasserschaft von Rh. zu erhärten gesucht. Gleichwohl bleiben Zweifel; der gravierendste Einwand lautet, daß eine derart ungezügelte Polemik einfach nicht zum Stil des Rh. paßt, der auch dann, wenn er in politisch-religiösen Fragen einmal Stellung bezog, auf Ausgleich und Vermittlung bedacht war. 18. Autores | histo|riae ecclesiasticae. | Eusebij Pamphili Caesariensis Libri IX. Ruffino Interprete. | Ruffini Presbyteri Aquileiensis, Libri duo. | Recogniti ad antiqua exemplaria Latina | per Beat. Rhenanum. Item ex | Theodorito Episcopo Cyrenensi, | Sozomeno, & Socrate | Constantinopolitano Libri XII. versi ab Epiphanio | Scholastico, adbreviati per Cassiodorum Senatorem. unde illis | Tripartitae historiae vocabulum. [...]. Basel: Joh. Froben, Aug. 1523. VD 16, E 4273. Weitere Ausgaben bis 1544. Editio princeps: sie beruhte auf lat. Hss.; lediglich für Theodoritus lag ein griech. Manuskript, aus der Bibliothek des Kardinals Johannes von Ragusa, vor, das in der Ausgabe von 1535 abgedruckt wurde. Marginalnoten, die vor allem der Inhaltsangabe dienen. Am Schluß ein alphabetischer Syllabus rerum memorabilium. Widmung an Stanislaus Thurzo´ (Basel, 25. Aug. 1523; Br., S. 322⫺325): Lob der Geschichtsschreibung cum ob varietatem, [...] tum ob ipsam rerum cognitionem und der von Eusebius begründeten ecclesiastica historia insbesondere, die uns über die ältesten Zeiten der Kirche unterrichte; Rh. weist die Kritik an den Wundergeschichten bei Eusebius zurück und sucht sie aus der besonderen

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Mentalität der alten Christen zu erklären, die alles dem coelesti numini zugerechnet hätten; aus der ‘Historia Tripartita’ sei am Beispiel der Abspaltung der Arianer zu lernen, wie aus kleinen Anfängen eines solchen dissidium eine Weltkatastrophe entstehe, wenn man ihnen nicht rechtzeitig Einhalt gebiete: eine der ersten Äußerungen, die die beginnende Distanz des Rh. zur Reformation bezeugen. Die Vorrede an den Leser, mit der Rh. die Ausgabe von 1528 eröffnet, verweist nochmals darauf, daß die Schriften dieser veteres, bevor man ihnen mangelnde fides vorwerfe, nach ihren eigenen Absichten untersucht werden müßten.

19. Beatus Rhenanus, | Selezestadiensis in C. Plinium. Repurgatur hoc libro non solum Praefatio Pliniana a mul|tis mendis, & ipsi Naturalis Historiae libri infinitis locis castigantur, ac | tanquam scholijs alicubi illustrantur, post omnium aeditiones annota|tionesque, quas ad hoc tempus [...] vide|re contigit, Verumetiam modus ostenditur, quo tum ipse Plinius | tum autores alij praesidio manuscriptorum codicum restitui queant, & | adiuvatur diligentissima Frobenianae Officinae aeditio, quam ubique sequimur [...]. Basel: Joh. Froben, März 1526. VD 16, R 2062. Textkritische Annotationen zur ‘Historia naturalis’ des Plinius, die sich zugleich als allgemeine Methodologie der Textkritik verstehen. Grundlage war die von Rh. mitgestaltete erasmische Plinius-Ausgabe von 1525 (s. o. II.A.4.s), die er nochmals mit der (heute nicht mehr aufzufindenden) Hs. aus Murbach sowie mit der Ausg. Paris 1516 verglich (Boutroue, in: Hirstein [Hg.], S. 353); es ist auch kein Zufall, daß Rh. just im Jahre 1526 die Ausg. Köln 1514 erwarb (Catalogue, Nr. 2049). Außerdem setzte er sich durchgängig mit bisherigen textkritischen Arbeiten zu Plinius auseinander, vor allem mit den ‘Castigationes’ von Ermolao Barbaro (Erstausg. 1492), die er, bei aller Anerkennung, grundsätzlich verwarf. Sein Grundgedanke war, stets von der sorgfältigen Recensio der ältesten Hss. auszugehen, aus dem Studium der Überlieferungsfehler auf die jeweils richtige Version zu schließen, nicht zu klärende Probleme als solche zu kennzeichnen und Konjekturen nur im engsten Anschluß an den überlieferten Text zuzulassen. Selbst die gesonderte Veröffentlichung seiner An-

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notationen sollte den Respekt vor der Überlieferung bezeugen. Die Widmung an Johannes von Lasco (Basel, 13. Febr. 1526; Br., S. 355⫺358) setzt mit der Korruptionsgeschichte der antiken Texte in den Zeiten der Völkerwanderung und des Bildungsverfalls ein, kommt von da zu der Notwendigkeit, sich besonders um das Werk des Plinius zu bemühen, das viele sonst verlorene Autoren aufbewahre, und faßt die Grundsätze und Ergebnisse des Buchs zusammen. 20. Procopii Caesari|ensis de rebus Gothorum, Persarum ac Van|dalorum libri VII, una cum alijs mediorum temporum histo|ricis. [...] Basel: Joh. Herwagen, Sept. 1531. VD 16, P 4983. Inhalt dieses Sammelwerks, das primär Schriften zur Geschichte der Goten vereinigt: Prokop (in der lat. Übersetzung von Christophorus Persona u. Raphael Volaterranus), die Gotengeschichte des Agathias (in der lat. Übersetzung von Christophorus Persona), Leonardo Brunis ‘Bellum Italicum contra Gothos’, Jordanes mit dem ‘Liber de origine rebusque Gothorum’ und dem ‘Liber de regnorum ac temporum successione’, Peutingers ‘De gentium quarundam emigrationibus brevis epitoma’ und der Brief des Sidonius Apollinaris mit der Beschreibung des Westgotenkg.s Theoderich. Die Ausgabe ist aus der damals engen Verbindung des Rh. mit Peutinger entstanden: dieser stellte Hss. für Prokop und für die beiden Schriften des Jordanes zur Verfügung; die Gotengeschichte des Jordanes lag zugleich in seiner Ausg. 1515 vor, der auch seine ‘Epitome’ der Völkerwanderung entstammte; von Agathias gab es, außer der römischen Ausg. von 1516 (Catalogue, Nr. 550), eine Augsburger Edition von 1518. Beschreibung der Ausgabe: Kurzbiographien von Prokop, Agathias und Jordanes; Indices und Herrschertabellen; wenige Marginalnoten zum Inhalt. Rh. überließ die Recognitio der Texte und die Ausgestaltung des Bandes dem Verleger und beschränkte sich auf die Widmung an Bonifaz Amerbach (Schlettstadt, 17. Aug. 1531; wieder abgedr. in: ‘C. Peutingeri Sermones convivales’, Jena 1684, weitere Ausgaben Augsburg 1781 u. 1788; Br., S. 402⫺405). Er setzt, um die Edition zu rechtfertigen, die Goten und die anderen germanischen Völker zu den Deutschen in Beziehung: Nostri enim sunt Gotthorum, Vandalorum Francorumque triumphi; er beklagt andererseits die Zerstörungen, die mit ihnen einhergegangen seien: diese Ambivalenz gegenüber den Kriegszügen der Germanen ist im dt. Humanismus typisch; in der Folge konzentriert sich Rh. ganz auf eine Betrachtung über den Namen der Goten, die sich zu einer gelehrten Abhandlung auswächst; am

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Schluß wünscht er ein ähnliches Sammelwerk zur Geschichte der Langobarden. 21. T. Livii Patavi|ni Latinae historiae principis decades tres | cum dimidia, longe tamen quam nuper emaculatiores, quod nunc demum ad ve|tera contulerimus exemplaria, ubi quantum sit deprehensum mendorum, facile | indicabunt doctissimae in hunc autorem Beati Rhenani & Sigismundi Gelenii | adiunctae Annotationes. [...] Basel: Froben, 1535. VD 16, L 2095. Vier weitere Ausgaben bis 1549; Sonderdruck der ‘Annotationes’ Lyon 1542; die ‘Annotationes’ zu Buch 1⫺6 auch in der Livius-Ausg. Frankfurt a. M. 1568. Die Initiative zu dieser Ausgabe, die die Frobensche von 1531 (Catalogue, Nr. 1717) ersetzen sollte, ging von Rh. aus, der erst später Sigismund Gelenius hinzuzog. Grundlage: zwei inzwischen verlorene Hss. aus Worms und Speyer, die Rh. entdeckt hatte; Erstausg. Rom 1469, Aldina 1521, Ausg. Köln 1525 (Chassignet, in: Hirstein [Hg.], S. 399). Rh. hat die ‘Annotationes’ zu den Büchern 1⫺6 und 26⫺ 30 verfaßt. Die Widmung von Sigismund Gelenius an Franciscus Dilphus referiert die Editionsgeschichte. Am Schluß des Werkes Elenchi über die bei Livius genannten römischen Amtsträger (reges Romani, dictatores, consules, tribuni militum consulari potestate etc.). 22. Missa D. Ioannis | Chrysostomi secundum vete|rem usum ecclesiae Constantino|politanae, [...] a Leone Tusco [...] conversa [...]. Eadem recentius ab Eras|mo Roterodamo tralata, hic au|tem adiecta quod diversum uterque exemplar Graecum | sit secutus [...]. Colmar: Barth. Grüninger, 1540. VD 16, J 478. Rh. besorgte diese Ausgabe gemeinsam mit dem Augustiner Johannes Hoffmeister aus Colmar. Editio princeps der lat. Übersetzung von Leo Tuscus nach einer Hs., die Hoffmeister in der Bibliothek seines Klosters entdeckt hatte; die mitabgedruckte Übersetzung des Erasmus war erstmals Paris 1537 erschienen. Die beiden Texte sind umrahmt von einem Auszug aus der Papst Johannes IX. zugeschriebenen, in Wahrheit von Johannes Diaconus stammenden Lebensbeschreibung Gregors d. Gr. und von einer lat. Anthologie anderer liturgischer Texte von Johannes Chrysostomos. Widmung des Rh. an Hoffmeister (Schlettstadt, 24. Jan. 1540); Wiederabdr. in: Matthias Flacius Illyricus (Hg.), Missa Latina, Straßburg 1557, u. ders., Refutatio invectivae Bruni contra Centurias, Basel 1566; Ausg.: Fraenkel, 1986, S. 387⫺404. Rh. gibt hier, ausgehend von der Erklärung des Begriffs missa, eine Geschichte der Liturgie, die, in Analogie zum Tertullian-Kommentar (s. o. II.B.15) und zu seiner Beurteilung der alten Kirchenhistoriker (s. o. II.B.18), die Wandelbarkeit kirchlicher Verhältnisse vorführen soll: Mutatis rebus, necesse fuit etiam mutare caeremonias. [...] quid attinet propter paucos veterem repetere mo-

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rem? (Fraenkel, 1986, S. 403). An dieser Stelle schlägt das philologische Argument in eine Forderung nach Reform der Liturgie um: Rh. zielt damit auf die um 1540 verstärkten Bemühungen um eine einvernehmliche Beilegung des religiösen Konflikts im Reich, die wesentlich um eine Liturgie-Reform kreisten; die Ausgabe insgesamt ist von diesem Kontext nicht zu trennen. 23. Notitia utraque | cum Orientis tum Occidentis | ultra Arcadii Honorijque Caesarum tempora [...]. Basel: Froben, 1552. VD 16, N 1884. Die von Sigismund Gelenius herausgegebene Editio princeps der um 400 n. Chr. entstandenen Rangliste ziviler und militärischer Würdenträger im römischen Reich kam einer posthumen Ausgabe des Rh. gleich, von dem das zugrundliegende Ms., ein inzwischen verschollener Codex aus Speyer, stammte. Rh. hatte die Hs., wie gelegentliche Marginalnoten zu den ‘Autores historiae ecclesiasticae’ (s. o. II.B.18.) zeigen (ebd., S. 175, 191, 221 u. 404), vor 1523 an sich gebracht und eine Ausgabe vorgesehen (Br., S. 564 f.; dazu Joachimsen, Gesch.auffassung, S. 259); der Text galt ihm neben dem Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus (s. o. II.A.4.l) als wichtigste Quelle für die Grenzen Germaniens in der späten Kaiserzeit (Br., S. 564 f.), und er hat ihn vor allem in den ‘Res Germanicae’ (s. u. II.C.) umfassend in diesem Sinne ausgewertet. Anhangsweise ist in der Ausgabe eine Illyrici provinciarum utrique imperio cum Romano tum Constantinopolitano servientis, descriptio abgedruckt, die Rh. nach der ‘Notitia dignitatum’ verfaßt hat; sie ist mit Teilen eines Briefes des Rh. an Wolfgang Lazius vom Jahre 1545 identisch (Br., S. 564⫺ 568). Die Ausgabe enthält noch eine Reihe weiterer Schriften verwandten Inhalts, darunter an erster Stelle Andreae Alciati libellus, De magistratib.*us+ civilibusque ac militaribus officijs, partim ex hac ipsa Notitia, partim aliunde desumptus; Alciato, der dieses Buch erstmals 1529 in Lyon erscheinen ließ, hatte von Rh. eine Kopie des Speyerer Codex erhalten (Br., S. 411; dazu Petitmengin, 1985, S. 246).

C . ‘ Re s G er ma ni ca e’ . Dieses Geschichtswerk, außer der Schrift ‘In C. Plinium’ (s. o. II.B.19.) die einzige ganz selbständige Veröffentlichung von Rh. überhaupt, hielt sich vollkommen im Rahmen seiner philologischen Arbeiten. Rh. führte darin das Thema aus, das er zuerst im ‘Germania’-Kommentar von 1519 (s. o. II.B.9.a) exponiert hatte: die Mutatio germ.-dt. Völkernamen vom Altertum bis zu den neueren Zeiten, die Wandlung vom alten Germanien zum späteren Deutsch-

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land. Wenn es ihm 1519 um das korrekte Verständnis eines Autors und einer Schrift gegangen war, verfolgte er jetzt, wie er gleich eingangs in der Widmungsepistel erklärt, das Ziel, schlechthin in lectione historiarum förderlich zu sein, den legendis historiis zu Hilfe zu kommen. Er schrieb eine Geschichte, die als universaler Kommentar für die in ihr verarbeiteten Quellenschriftsteller gedacht war. Dieses erweiterte Interesse ergab sich daraus, daß ihm in seinen philologischen Studien seit 1519 fortgesetzt die gleichen Probleme begegneten, die sich ihm bei der Kommentierung der ‘Germania’ gestellt hatten. Die ‘Panegyrici Latini’ (s. o. II.B.11.) setzten ihn über das Germanien der späteren Kaiserzeit ins Bild; die Marginalnoten zu seiner Ausgabe halten dazu alle einschlägigen Stichworte fest. Velleius Paterculus (s. o. II.B.12.) war ihm vor allem wegen seiner Notizen zur germanischen Geschichte wichtig. Aber auch bei Tertullian (s. o. II.B.15.), bei den ‘Autores historiae ecclesiasticae’ (s. o. II.B.18.) und bei Plinius (s. o. II.B.19.) fand sich dazu viel Material, und Rh. wendete daran besondere Aufmerksamkeit, wie seine Randbemerkungen und Annotationen zeigen. Schon frühzeitig begann er alles zu sammeln oder zu sichten, was für seine Fragestellung in Betracht kam: außer den maßgeblichen historiographischen Quellenschriftstellern andere literarische Texte sowie ‘Überreste’ wie die ‘Notitia dignitatum’ (s. o. II.B.23.) und Rechtsquellen, aber auch archäologische Relikte jeder Art. Zugleich suchte er Anschluß an gleichlaufende Bestrebungen. Sehr wichtig wurde dabei seit 1525 seine Korrespondenz mit Johannes J Aventinus, der sich seinerseits um Rh. bemühte; Aventinus vermittelte ihm das bis auf Konrad J Celtis zurückgehende, aber einstweilen unrealisiert gebliebene Projekt der ‘Germania illustrata’, für das der Gedanke der Mutatio vom alten zum neuen Deutschland im Zentrum stand. Von größter Bedeutung war für Rh. schließlich der Besuch bei Peutinger in Augsburg 1530 (s. o. I.), der ihm nicht nur die lange erstrebte Einsicht in die spätrömische Weltkarte (‘Tabula Peutingeriana’), die Celtis entdeckt und Peutinger

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vermacht hatte, gewährte, sondern ihn auch motivierte, das eigene Vorhaben zu realisieren. Jedenfalls will er, wie es im Widmungsbrief heißt, unmittelbar nach seiner Rückkehr den Entschluß zur Niederschrift gefaßt haben. Das eigentliche Thema der ‘Res Germanicae’ wird bis zur Mitte des zweiten Buches abgehandelt. Die Darstellung reicht von der Germania vetus der taciteischen Zeit bis zur Zeit der Ottonen, in der für Rh. das gegenwärtige Deutschland in seinen wesentlichen Zügen ausgebildet erscheint. Hauptgegenstand sind die Wanderungen der germanisch-deutschen Völker, denen Rh. mit minuziöser Präzision nachgeht: die emigrationes der ältesten in Deutschland ansässigen germanischen Stämme nach Italien, Gallien, Britannien, Pannonien und Spanien; die demigrationes der Franken, Alemannen und Sachsen innerhalb der Germania vetus; die immigrationes ins Römische Reich in der Zeit der Völkerwanderung; die seitherige Entwicklung bis zur Herausbildung des regnum Germanicum und seiner Erhöhung durch die Kaiserkrönung Ottos d. Gr. Rh. bestimmt die jeweiligen Wohnsitze der wandernden Stämme, bemerkt die Mischung oder Vereinigung alter zu neuen Völkern, kennt auch die allmähliche Absorbierung eines Volkes durch ein anderes und sucht auf diesem Hintergrund den Bedeutungswandel oder die Veränderung der Völkernamen begreiflich zu machen. Gegliedert ist die Darstellung durch Zustandsschilderungen, die die Hauptepochen dieser Wandlungsprozesse begrenzen. Rh. bleibt dabei nicht bei topographischen und wortgeschichtlichen Daten stehen, sondern fügt auch Hinweise auf die jeweiligen politisch-sozialen und religiös-kulturellen Verhältnisse hinzu, die sich zu einer Gesamtdeutung der deutschen Geschichte summieren. Die erste dieser Schilderungen führt das alte Germanien vor Augen, das Rh. von den römischen Provinzen links des Rheins und rechts der Donau, den späteren Invasionszielen germanischer Völker, abgrenzt; seine Bewohner leben in barbarischer Freiheit. Die zweite und die dritte Zustandsschilderung charakterisieren die

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Situation nach der Entstehung des Frankenreiches, mit der die Konsolidierung germanisch-deutscher Verhältnisse beginnt; seine Bewohner leben in tiefster Knechtschaft, erfahren aber die zivilisierende Wirkung des Christentums. Im letzten status, im ottonischen Deutschland, das den Jahrhunderten der Wanderungen und Reichsteilungen ein definitives Ende setzt, herrscht wiederum Freiheit, aber nunmehr in Verbindung mit einer vorher ungekannten kulturellen Blüte: eine Anweisung für die Zukunft. Es entspricht der philologischen Zielsetzung des Werks, daß Rh. bei alledem keine fortlaufende Geschichtserzählung gibt, sondern kaum mehr als eine nur äußerlich verbunden Reihe von quellenkritischen Erörterungen. Erst recht zerfällt der zweite Teil des Werks, von der Mitte des zweiten Buchs an, in eine Vielzahl gelehrter Untersuchungen: über Sitten und Sprache einzelner germanischer Stämme wie auch anderer Völker, zur Geographie und Topographie Südwestdeutschlands oder auch zur Textkritik; unter den zahlreichen Stadtbeschreibungen sind die von Basel und von Schlettstadt am ausführlichsten geraten. Mit dem Schlußkapitel über Paris erweist Rh. nicht nur seinem alten Studienort die Ehre; er verschafft sich damit v. a. die Möglichkeit, nach einer früheren Erwähnung nochmals aus einem bisher ungedruckten Text, dem ‘Misopogon’ Ks. Julians, zu zitieren, also wiederum sein philologisches Wissen vorzuführen (Mundt, Ausg., S. 581 u. 609). Die anhangsweise abgedruckte textkritische Abhandlung zur ‘Historia naturalis’ des Plinius, die in der Form eines Briefes an Philipp Puchaimer (Schlettstadt, 3. März 1531; Br., S. 387⫺394) gefaßt ist, paßt gut zu diesem Kontext; Rh. antwortete hier auf den französischen Philologen Stephanus Aquaeus, der ihn in seinem PliniusKommentar (Paris 1530) wegen einiger Emendationen in ‘In C. Plinium’ (s. o. II.B.19.) kritisiert hatte. Die ‘Res Germanicae’ waren nach Absicht, Aufbau, Inhalt und auch nach ihrer Sprache, kein Werk, das den rhetorischen Regeln der humanistischen Geschichts-

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schreibung entsprach, und sollten es auch nicht sein; der Titel, der zunächst eine gattungsspezifische Narratio rerum gestarum anzukündigen scheint, darf da nicht mißverstanden werden. Gleichwohl sollte das Werk auch der zeitgenössischen Historiographie zugute kommen. Rh. hatte eine hohe Meinung vom Amt der Geschichtsschreibung als Historia magistra vitae (s. o. II.A.3.d u. B.18.) und wußte sich auch den Autoren verbunden, die sich in diesem Sinne mit deutscher Geschichte befaßten: als Ruhmesgeschichte der deutschen Nation. Aber er vermißte bei ihnen weithin jene Vorstellung von der Verschiedenheit der Zeiten und damit von der Zeitspezifik der Quellen, zu der er 1519 im Zuge seiner philologischen Studien vorgedrungen war; kennzeichnend war sein vernichtendes Urteil über die ‘Germaniae exegesis’ des Franciscus J Irenicus (1518), dem er völligen Mangel an quellenkritischem iudicium vorwarf (Br., S. 340). Mit den ‘Res Germanicae’ wollte er nicht nur den legendis historiis der älteren Zeiten, sondern auch zeitgenössischen Historikern zu Hilfe kommen. Seine Neuausgabe der Wimpfelingschen ‘Epitome’ (s. o. II.A.2.a.g) gehörte in diesen Zusammenhang; Rh. ging es dabei nicht um eine grundsätzliche Revision, sondern darum, das von ihm durchaus anerkannte Werk auf eine gesicherte quellenkritische Basis zu stellen und damit unangreifbar zu machen, auch wenn er, aus Respekt vor dem immer noch großen Namen des Autors, dem er sich von früh an verbunden wußte (s. o. I., II.A.2.a u. 3.s, II.B.1.), manches stehen ließ, worüber er selbst hinaus war, etwa die angebliche trojanische Abstammung der Franken, die er in den ‘Res Germanicae’ vielmehr als einen ursprünglich im Norden der Germania vetus beheimateten Stamm oder Stammesverband erkannte. Eine grundsätzliche Distanz gegenüber Wimpfeling läßt sich gerade aus dieser Ausgabe schwerlich herauslesen (Mundt, Ausg., S. 456 f.). Für die Zukunft erhoffte sich Rh. alles von Aventinus; ihm traute er die Verbindung von stylus und iudicium zu (Br., S. 340): quo nullus mortalium aevo nostro in scrutanda antiquitate diligentius

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versatus est (Br., S. 502). Freilich ist ihm immer mehr bewußt geworden, wieviel ihn von dieser ganzen Historiographie, auch vom Projekt der ‘Germania illustrata’ und selbst von Aventinus trennte (Br., S. 564 f.). Seine Form der philologischantiquarischen Geschichtsschreibung blieb vorerst, jedenfalls in Deutschland, singulär; sie gab eine Wissenschaftsgesinnung zu erkennen, die nicht nur von der allgemeinen Erregtheit des Reformationszeitalters abstach, sondern auch schon jenseits der normativen Ideale des Humanismus lag, von denen sie ausgegangen war. Es ist auch auf diese Vereinzelung zurückzuführen, daß Rh. den lange verfolgten Plan einer Fortsetzung der ‘Res Germanicae’ aufgab und schließlich sogar auf die beabsichtigte Neuausgabe verzichtete (Br., S. 487 u. 502), die erst einige Jahre nach seinem Tod herauskam; auch auf das Angebot Johannes Herolds, eine dt. Übersetzung zu verfertigen (Br., S. 458), ging er nicht ein. Erst im Späthumanismus an der Wende vom 16. zum 17. Jh., der eine Abkehr von der konfessionellen Polarisierung mit einer verstärkten Hinwendung zur philologischantiquarischen Gelehrsamkeit verband, begannen sich Voraussetzungen einzustellen, die der Rezeption der ‘Res Germanicae’ günstig waren. Das in der Folge mehrfach wiederaufgelegte Buch wurde seitdem zu einem Standardwerk der historischen Forschung in Deutschland, das noch den Reichshistorikern des 18. Jh.s als Grundlage diente und selbst bis in die Anfänge der germanistischen Altertumsstudien der deutschen Romantik hineinreichte. Heute gilt das Werk, über seine inzwischen veralteten oder auch längst selbstverständlich gewordenen inhaltlichen Ergebnisse hinaus, als frühes Dokument eines historischen Denkens, das schon auf die moderne Geschichtswissenschaft verweist. Rh. übertrug darin die historischkritische Methode der humanistischen Philologie, die er selbst in vielen Editionen erprobt hatte (s. o. II.B.), auf die Quellenzeugnisse der germanisch-deutschen Frühgeschichte und gewann damit eine auf diesem Felde bis dahin unbekannte Vorstellung von historischer Veränderung und

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Dynamik. Daraus erwuchs nicht nur eine neue Form historischer Quellenforschung, sondern auch, durch alle Beschränkungen seines philologisch-antiquarischen Ansatzes hindurch, die Möglichkeit einer neuen Geschichtsschreibung (Muhlack, 1985, S. 206 f., u. Mundt, Ausg., S. 437 f., 587 u. 611 ff.). Beides sollte sich im Historismus des 19. und 20. Jh.s erfüllen. Drucke. Beati Rhenani | Selestadiensis Rerum Germani|carum libri tres [...]. Basel: Joh. Froben, 1531. VD 16, R 2064. ⫺ 2. Ausg.: ebd. 1551; danach weitere Ausgaben: Straßburg 1610 u. 1670 sowie Ulm 1693. Widmung an Kg. Ferdinand (Schlettstadt, 1. März 1531); Br., S. 384⫺387; Anthologie, S. 247⫺264. Ausgabe. F. Mundt, B. Rh. Rerum Germanicarum libri tres (1531). Ausg., Übers., Studien (Frühe Neuzeit 127), 2008.

D . B ri ef we ch se l. Es sind ca. 500 Briefe von Rh. und mehr noch an Rh. erhalten oder nachgewiesen: ein Bruchteil der ursprünglichen Menge. Sie setzen nach der Rückkehr aus Paris ein und reichen bis zum letzten Lebensjahr. Wie für andere Briefwechsel aus der Zeit des Humanismus gilt auch hier, daß wir es nicht mit einer privaten oder persönlichen Korrespondenz zu tun haben, sondern mit einem Stück Literatur von spezifischer Qualität, das jedenfalls potentiell immer für die Öffentlichkeit bestimmt war. Der Kreis der Adressaten und Absender war beträchtlich und glich einem Ausschnitt aus der zeitgenössischen Res publica litteraria. Rh. schrieb sich mit ehemaligen Schul- und Studiengenossen wie Jakob Spiegel, Michael Hummelberg und Bonifaz Amerbach; er korrespondierte mit Lefe`vre, Cuno und Erasmus; er stand mit Wimpfeling, Reuchlin, Peutinger, J Zasius, Pirckheimer, J Mutianus Rufus, Eobanus J Hessus, Hutten, J Aventinus und Sebastian Münster in Verbindung; auch Zwingli und Bucer gehörten zu seinen Briefpartnern; am Oberrhein, von Straßburg bis Basel, bildete er schließlich den Mittelpunkt eines ganzen Korrespondentennetzes. Auffällige Lükken, insbesondere in der Kommunikation mit Italienern und Franzosen, dürften sich auch daraus erklären, daß manches verlo-

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rengegangen ist; das gilt z. B. für die gut bezeugte Korrespondenz mit Andrea Alciato (Br., S. 370 u. 441). Der Briefwechsel informiert über die Biographie des Rh., über seine Stellung zu den großen Fragen der Zeit, insbesondere über sein Verhältnis zur Reformation: ein Brief an Zwingli vom 6. Dez. 1518 zeigt seine anfängliche Begeisterung (Br., S. 123 f.; Anthologie, S. 163⫺174), ein Brief an Hummelberg vom 1. Sept. 1524 seine endgültige Abkehr (Br., S. 334; Anthologie, S. 233⫺ 245), ein Brief an Bonifacius Amerbach vom 31. März 1543 seine fortdauernde Kritik an den Mißständen der alten Kirche (Br., S. 489⫺493; Anthologie, S. 265⫺286). Hauptveranlassung und Hauptgegenstand des Briefwechsels war aber die Tätigkeit des Rh. für Schürer, Froben und andere Verleger, mit der seine eigenen Hervorbringungen untrennbar zusammenhingen. Er liefert Auskünfte über die Vorgeschichte nahezu aller von Rh. herausgegebenen und verfaßten Schriften. Manche Briefe sind ein Teil dieser Schriften selbst: voran die Dedikationsepisteln, die zugleich am vollkommensten nach den Regeln humanistischer Epistolographie gestaltet sind und damit geradezu eine eigene Abteilung innerhalb des Œuvre von Rh. ausmachen. Andere Briefe hatten ein solches sachliches Gewicht, daß auch sie für eine Publikation in Frage kamen. So hat sich Rh. etwa darum bemüht, die Briefe, die er nach 1525 von Johannes Aventinus erhalten hatte, herauszubringen, und sich deswegen an Johannes Petri in Nürnberg gewandt (Br., S. 565). Nach seinem Tod wurde sein Brief an Wolfgang Lazius vom Jahre 1545, der eine Beschreibung des spätrömischen Illyricum enthielt, in der Ausgabe der ‘Notitia dignitatum’ (s. o. II.B.23.), auf der dieser Text basierte, abgedruckt. Die Beschreibung der Ortenau, die Rh. von Jakob Ottelinus in Lahr erbat und unter dem 15. Febr. 1531 erhielt (Br., S. 381⫺384), hätte gut in Buch 3 der ‘Res Germanicae’ gepaßt. Von dem weiteren Quellenwert des Briefwechsels ⫺ für die Biographien der Korrespondenten des Rh., für die Geschichte des Buchwesens, für den damaligen literarischen Betrieb, für unsere Kennt-

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nis des Humanismus insgesamt, für die Kenntnis der Zeitverhältnisse ⫺ ist hier nicht weiter zu handeln. Ausgabe. Rhenanus-Br., dazu G. Knod, in: ZfB 4 (1887) 305⫺315; Auszüge: Anthologie. ⫺ F. Heim u. J. Hirstein bereiten eine neue Ausgabe vor; Vorarbeiten in: AABHS 39 (1989) 56⫺64; 40 (1990) 112⫺114; 41 (1991) 85⫺91; 42 (1992) 83⫺ 94; 43 (1993) 101⫺109; 47 (1997) 31⫺43; 48 (1998) 73⫺81 u. 49 (1999) 49⫺59. Literatur. Bibliographie: J. Hirstein, in: Hirstein (Hg.), S. 513⫺536; Mundt (s. o. II.C.), S. 627⫺638. Neuerscheinungen sind von Jahr zu Jahr im AABHS verzeichnet. Gesamtdarstellungen: Beati Rhenani vita per Ioannem Sturmium, in: ‘Res Germanicae’ (s. o. II.C.), 2. Ausg. 1551, Bl. A 3 v⫺Bv (Br., S. 1⫺11; Ausg. mit dt. Übers.: Mundt [s. o. II.6.], S. 12⫺ 27); J. M‰hly, B. Rh. v. Schlettstadt, in: A. Stˆber (Hg.), Alsatia 1856/57, S. 201⫺261; A. Horawitz, B. Rh., Ein biograph. Versuch, in: WSB 70, 1872, S. 189⫺244; ders., Des B. Rh. literar. Tätigkeit in d. Jahren 1508⫺1531, in: WSB 71, 1872, S. 643⫺ 690; ders., Des B. Rh. literar. Tätigkeit in d. Jahren 1530⫺1547, WSB 72, 1872, S. 323⫺376; K. Hartfelder, in: ADB, Bd. 28, 1889, S. 383⫺386; R. Newald, in: NDB, Bd. 1, 1953, S. 682 f.; P. Adam, L’humanisme a` Se´lestat. L’e´cole, les humanistes, la bibliothe`que, Se´lestat 1962 (41978), S. 51⫺67; U. Muhlack, B. Rh., in: A. Hentschke / U. Muhlack, Einführung in d. Gesch. d. Klass. Philologie, 1972, S. 14⫺59; AABHS 35 (1985): Spe´cial 500 e anniversaire de la naissance de B. Rh.; N. Holzberg, B. Rh. (1485⫺1547). Eine biographisch-forschungsgeschichtl. Bestandsaufnahme z. 500. Geburtstag d. Humanisten, AABHS 35 (1985) 19⫺ 32; J. F. D’Amico, Theory and Practice in Renaissance Textual Criticism. B. Rh. Between Conjecture and History, Berkeley 1988; U. Muhlack, B. Rh. (1485⫺1547). Vom Humanismus zur Philologie, in: P. G. Schmidt (Hg.), Humanismus im dt. Südwesten. Biographische Profile, 22000, S. 195⫺ 220; J. Hirstein (Hg.). Zu I.: Person, Bildung, Verlagstätigkeit, kirchlich-politische Haltung: G. Knod, Die Lehrjahre d. B. Rh. in Schlettstadt u. Paris (1485⫺1507), in: ders., Aus d. Bibl. d. B. Rh. Ein Beitrag z. Gesch. d. Humanismus, 1889, S. 1⫺46; W. Teichmann, Die kirchl. Haltung d. B. Rh. Eine kirchengeschichtl. Studie, Zs. f. Kirchengesch. 26 (1905) 363⫺381; H. Kaiser, Aus d. letzten Jahren d. B. Rh., ZGO 70 (1916) 30⫺52; J. F. D’Amico, B. Rh. and Italian humanism, The Journal of Medieval and Renaissance Studies 9 (1979) 237⫺260; R. Walter, B. Rh. (1485⫺1547) entre l’E´glise traditionelle et la re´formation, in: M. Lienhard (Hg.),

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Les Dissidents du XVI e sie`cle entre l’Humanisme et le Catholicisme, 1983, S. 96⫺109; A. Koch, Les Lettres de Noblesse et les Armories de B. Rh., AABHS 35 (1985) 73⫺84); M. Kubler, B. Rh. Se` la recherche de l’identite´ de l’humalestadiensis. A niste a` travers archives et e´pitaphes, AABHS 35 (1985) 33⫺48; S. Musial, B. Rh. e´tudiant de philosophie a` Paris (1503⫺1507), AABHS 35 (1985) 271⫺279; C. Vecce, Il giovane Beato Renano e gli umanisti italiani a Parigi all’inizio del XVI secolo, AABHS 35 (1985) 134⫺140; F. Hieronymus, B. Rh. u. d. Buch. Biblio-biograph. Flickstücke, AABHS 36 (1986) 63⫺114; I. Suzeau, Un extrait ine´dit du cahier d’e´colier de B. Rh., ancien e´le`ve de l’e´cole latine de Se´lestat sous Crato Hofman, AABHS 41 (1991) 101⫺118 (vgl. dies., in: Revue d’Alsace 117 [1990⫺1991] 35⫺51 u. in: Hirstein [Hg.], S. 21⫺32); H. Meyer, Il y a 450 ans disparaissait B. Rh., … ses derniers moments, ses he´ritiers et un essai de ge´nealogie, AABHS 47 (1997) 17⫺ 24; H. M¸nkler u. a., Nationenbildung. Die Nationalisierung Europas im Diskurs humanistischer Intellektueller. Italien u. Dtld. (Politische Ideen 8), 1998, S. 218 f., 248 f. u. ö. (Reg.); R. Walter, Les voyages de B. Rh., AABHS 49 (1999) 25⫺32; E. Faye, B. Rh. lecteur de Platon et d’Aristote a` Paris (1503⫺1507), in: Hirstein (Hg.), S. 33⫺48 C. Hirschi, Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer dt. Ehrgemeinschaft an d. Wende vom MA zur Neuzeit, 2005, S. 451⫺458 u. ö. (Reg.); C. C. Baumann, Dictata in quinque predicantes voces. Ein Kommentar zur Isagoge d. Porphyrius in d. Aufzeichnung d. B. Rh. Paris c. 1503/4 (BHS Ms. 58). Editio princeps, Diss. Zürich 2008. Personenbeziehungen (in alphabet. Reihenfolge nach Personen): J.-C. Margolin, B. Rh. et Boniface Amerbach: une amitie´ de trente ans, AABHS 35 (1985) 157⫺175; K. Stenzel, B. Rh. u. J. v. Botzheim, ZGO 28 (1914) 120⫺129; R. Walter, B. Rh. et Se´b. Brant. L’affaire des Pe´nitentes de Sainte Marie-Madeleine, Revue d’Alsace 107 (1981) 61⫺70; J. Rott, B. Rh. et Martin Bucer: l’humaniste chre´tien et le re´formateur, AABHS 35 (1985) 62⫺72; L. Bressan, B. Rh. et le cardinal Bernard Clesio, AABHS 35 (1985) 51⫺61; M. Sicherl, Joh. Cuno. Ein Wegbereiter d. Griechischen in Dtld. Eine biographisch-kodikologische Studie, 1978 (Reg.); R. Walter, Une amitie´ humaniste: Erasme et B. Rh., AABHS 36 (1986) 13⫺ 23; J.-P. van den Branden, B. Rh., un alter ego d’Erasme, in: G. Gadoffre (Hg.), Renaissances europe´ennes et Renaissance franc¸aise, Montpellier 1995, S. 89⫺107; F. Schlienger, B. Rh. et M. Hummelberg: ‘Il primo amore’, AABHS 53 (2003) 75⫺92; Ch. Munier, Les sources liturgiques de la lettre de M. Hummelberg a` B. R. (25 mars 1514), in: Antiquite´ tardive et humanisme. De Tertullien a` B. Rh., Turnhout 2005, S. 495⫺508; [Ulrich v.

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Rhenanus, Beatus

Hutten:] R. Walter, Le reıˆtre et l’humaniste, une curieuse amitie´ de B. Rh., AABHS 42 (1992) 37⫺ 49; H. Meyer, Se´b. Munster (1488⫺1552). Ses relations avec B. Rh. et Se´lestat. Ses œuvres a` la bibl. humaniste de Se´lestat, AABHS 38 (1988) 7⫺16; F. Rapp, Rh. et Pellican, une passion commune, des destine´s divergentes, AABHS 35 (1985) 211⫺220; R. Walter, B. Rh. et Sapidus. Les avatars d’une amitie´ d’enfance, AABHS 50 (2000) 11⫺16; S. de Raguenel, Le poe`me de Jean Sapidus sur la coupe offerte par Erasme a` Paul Volz: un te´moigne d’amitie´ entre humanistes du cercle de B. Rh., in: Antiquite´ tardive et humanisme. De Tertullien a` B. Rh., Turnhout 2005, S. 509⫺525; J. Hirstein, La correspondance de B. Rh. (1485⫺1547), une nouvelle lettre (et un nouveau livre) et les de´buts de l’imprimeur M. Schürer, in: ebd., S. 457⫺493; R. Walter, Un te´moin peu connu de la jeunesse de B. Rh.: Gervais Sopher, AABHS 43 (1993) 110⫺ 119; S. de Raguenel, Paul Volz, B. Rh., Erasme de Rotterdam: histoire d’une amitie´ rhenane, AABHS 59 (2009) 21⫺36. Bibliothek: Kataloge: Gedruckte Texte: Catalogue; Konkordanz mit anderen Katalogen: H. Meyer, AABHS 35 (1985) 97⫺122; Verz. d. verlorengegangenen Bücher: H. Meyer/P. Petitmengin, AABHS 35 (1985) 123⫺133. Hss.: Adam (s. o. Gesamtdarstellungen), S. 95⫺145. Sonstiges: A. Horawitz, Die Bibl. u. Correspondenz d. B. Rh. zu Schlettstadt, in: WSB 78, 1874, S. 313⫺340; G. Knod, Die Bibl. d. B. Rh. in d. Jahren 1500⫺1507 I, in: ders., Aus d. Bibliothek (s. o. zu I.), S. 47⫺ 85; Adam (s. o. Gesamtdarstellungen), S. 75⫺94; M. Sicherl, Die griech. Hss. d. B. Rh., AABHS 29 (1979) 59⫺78; H. Meyer, Propos sur la bibliothe`que de B. Rh., AABHS 35 (1985) 85⫺96; P. Petitmengin, B. Rh. et les mss. latins, AABHS 35 (1985) 235⫺246; M. Sicherl, Neue Hss. J. Cunos u. seiner Schüler, AABHS 35 (1985) 141⫺148; J. Hirstein, La bibliothe`que de B. Rh.: une vue d’ensemble des livres imprime´s, in: R. de Smet (Hg.), Les humanistes et leur bibliothe`que, Löwen 2002, S. 113⫺142; L. Ackermann, La lecture humaniste: Approche des usages de la lecture humaniste au travers des repe`res de lecture porte´es par B. Rh. dans quelques ouvrages de sa bibliothe` que, AABHS 59 (2009) 41⫺55. Zu II.A.: G. Knod, Zur Vita Geileri d. B. Rh., Vjs. f. Kultur u. Litt. d. Renaissance 1 (1886) 397 f.; O. Herding, B. Rh. an J. Wimpfeling (ein bislang nicht edierter Brief), AABHS 35 (1985) 223⫺226; A. Koch, Deux Epıˆtres De´dicatoires de B. Rh. pour la publication des Epigrammes et des Hymnes de Marulle, AABHS 39 (1989) 51⫺55; R. Walter, Epıˆtre de B. Rh. de´diant a` Willibald Pirckheimer les Epigrammes de More, Moreana 24 (1995/ 96) 149⫺158; F. Heim, La sodalite´ de Se´lestat et la lecture de Prudence: Cathemerinon IX explique´

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par Jak. Spiegel (1483/1484 apre`s juin 1547), in: Hirstein (Hg.), S. 173⫺194; E. Faye / J. Hirstein, Un cours de me´taphysique fabriste pris en note par B. Rh., Pre´sentation et e´dition partielle, in: P. Bakker (Hg.), Chemins de la pense´e me´die´vale, Turnhout 2002, S. 161⫺191. Ch. Munier, B. Rh. et Janus Pannonius, AABHS 59 (2009) 7⫺18 u. 60 (2010) 35⫺49. Zu II.B.: P. Joachimsen, Tacitus im dt. Humanismus (1911), in: ders., Gesammelte Aufsätze, hg. v. N. Hammerstein, 1970, S. 275⫺295; G. Piaia, Beato Renano e il ‘Defensor pacis’ agli inizi della riforma, Rivista di scienze religiose 21 (1974) 28⫺ 79; G. v. d. Gˆnna, B. Rh. u. d. Editio princeps d. Velleius Paterculus, Würzburger Jbb. f. d. Altertumswiss. NF 3 (1977) 231⫺242; F. Spaltenstein / P. Petitmengin, B. Rh. e´diteur de l’Apocoloquintose et le codex Wissenburgensis, Revue d’Histoire des Textes 9 (1979) 315⫺327; J. F. D’Amico, B. Rh., Tertullian and the Reformation: A Humanist’s Critique of Scholasticism, ARG 71 (1980) 37⫺63; P. Petitmengin, A propos du ‘Tertullien’ de B. Rh. (1521), AABHS 30 (1980) 93⫺106; P. Fraenkel, Me´lanchthon, B. Rh. et Tertullien, BHR 44 (1982) 357⫺360; P. Fraenkel, B. Rh., historien de la liturgie, in: AABHS 35 (1985) 247⫺252 (zu Joh. Chrysostomos); J.-C. Fredouille, B. Rh., commentateur de Tertullien, AABHS 35 (1985) 287⫺ 295; Ch. Munier, B. Rh. et le De´cret de Gratien, AABHS 35 (1985) 227⫺234; P. Sch‰ffer, B. Rh. als Tacitus-Rezipient, AABHS 35 (1985) 149⫺156; P. Fraenkel, Une lettre oublie´e de B. Rh.: sa pre´face a` la liturgie de S. Jean Chrysostome de´die´e a` Joh. Hoffmeister 24 janvier 1540, BHR 48 (1986) 387⫺404; J. Hirstein, B. Rh. et les ‘Avis au lecteur’ signe´s ‘Jean Froben’ sur l’Histoire d’Ammian Marcellin et sur l’Histoire Auguste dans l’e´dition baˆloise de juin 1518, AABHS 39 (1989) 27⫺50; J. S. Hirstein, Tacitus’ Germania and B. Rh. (1485⫺ 1547). A Study of the Editorial and Exegetical Contribution of a Sixteenth Century Scholar (Stud. z. klass. Philol. 91) 1995 (dazu auch ders., AABHS 45 [1995] 107⫺118); M. D. Reeve, B. Rh. and the Lost Vormaciensis of Livy, Revue d’Histoire des Textes 25 (1995) 217⫺254; J.-M. Andre´ , B. Rh. et l’Apocoloquintose de Se´ne`que (Baˆle, 1515), in: Hirstein (Hg.), S. 83⫺100; M. E. Boutroue, Les Annotationes in Plinium de Rh. et la tradition textuelle de l’Histoire Naturelle a` la Renaissance, ebd., S. 327⫺375; F. Chapot, Dans l’officine d’un philologue. B. Rh. e´diteur de l’Adu. Hermogenem de Tertullien (Baˆle 1521, 1528, 1539), ebd., S. 263⫺283; M. Chassignet, B. Rh., e´diteur de la premie`re de´cade de Tite-Live, ebd., S. 397⫺409; G. Freyburger, B. Rh. annotateur de l’Heautontimorumenos de Te´rence, ebd., S. 117⫺128; J. Hellegouarc’h, B. Rh., e´diteur de Velleius Paterculus, ebd., S. 223⫺234; J. Hirstein, La me´thode philo-

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logique de B. Rh., son ‘Tre´sor du style tacite´en’ (1533) et le premier livre des Annales de Tacite, ebd., S. 377⫺395; [Hippokrates:] C. Magdelaine, B. Rh. et la me´decine grecque, ebd., S. 129⫺150; U. Muhlack, B. Rh. u. d. Tacitismus, ebd., S. 457⫺469; Ch. Munier, Les annotations de B. Rh. aux e´ditions de Tertullien (Baˆle: 1521; 1528; 1539) et leur mise a` l’Index librorum prohibitorum, ebd., S. 235⫺262; L. Pernot, B. Rh. commentateur de Syne´sios (Baˆle, 1515): philologie, rhe´torique et philosophie, ou l’art d’eˆtre chauve, ebd., S. 67⫺81; P. Petitmengin, La terminologie philologique de B. Rh., ebd., S. 195⫺222; V. Pfeifer, B. Rh., e´diteur de la troisie`me de´cade de TiteLive, ebd., S. 411⫺455; S. Ratti, B. Rh. e´diteur de l’Histoire Tripertita de Cassiodore-Epiphane, ebd., S. 299⫺326; L. Reynolds, B. Rh. and Seneca. De Beneficiis and De Clementia, ebd., S. 101⫺115; M. B. Trapp, B. Rh. and Maximus of Tyre (Basel, 1519), ebd., S. 151⫺171; A. Denny, B. Rh., commentateur de l’Agricola de Tacite, AABHS 51 (2001) 73⫺89; Ch. Munier, Une e´pıˆtre de´dicatoire ine´dite de B. Rh., L’enigme des ‘Sentences de Sextus’, AABHS 51 (2001) 59⫺72 (vgl. auch ders., AABHS 53 [2003] 93⫺111 u. 54 [2004] 49⫺58); J.-L. Charlet / J. Hirstein, Un exemplaire des Castigationes Plinianae d’Ermolao Barbaro possede´ et annote´ par B. Rh. (Aix, Me´janes, inc. Q 19), Neulat. Jb. 5 (2003) 59⫺102; P. Petitmengin / J. P. Carley, Malmesbury-Se´lestat-Malines. Les tribulations d’un ms. de Tertullien au milieu du XVI e sie`cle, AABHS 53 (2003) 63⫺74 (vgl. auch dies., in: Anglo-Saxon England 33 [2004] 195⫺223); D. Mertens, Die Instrumentalisierung d. ‘Germania’ d. Tacitus durch d. dt. Humanisten, in: H. Beck u. a. (Hgg.), Zur Gesch. d. Gleichung ‘germanischdt.’. Sprache u. Namen, Gesch. u. Institutionen, 2004, S. 37⫺101, hier S. 92⫺96; Ch. Munier, Les annotations de B. Rh. a` son exemplaire du de´cret de Gratien, Revue de droit canonique 55 (2005) 95⫺132; Ch. Munier, B. Rh. et le poe`te latin Stace, AABHS 58 (2008) 113⫺121. Zu II.C.: Joachimsen, Gesch.auffassung, S. 125⫺154 u. ö.; B. Ristow-Stieghahn, zur Gesch.schreibung des B.Rh., in: D. Schmidtke / H. Sch¸ppert (Hgg.), Fs. f. I. Schröbler z. 65. Geburtstag, 1973, S. 362⫺380; J. Ride´ , L’image du Germain dans la pense´e et la litte´rature allemandes de la rede´couverte de Tacite a` la fin du XVI e sie`cle, 3 Bd.e, Paris 1977; S. v. d. Gˆnna, B. Rh. u. Otfrid v. Weissenburg. Zur Otfrid-Überlieferung im 16. Jh., ZfdA 107 (1978) 248⫺257; A. C. Dionisotti, B. Rh. and Barbaric Latin, AABHS 35 (1985) 183⫺192; U. Muhlack, B. Rh., Jak. Wimpfeling u. d. humanist. Gesch.schreibung in Dtld., AABHS 35 (1985) 193⫺208; B. v. Scarpatetti, B. Rh., historien de la paix, AABHS 35 (1985) 253⫺ 260; F. Staab, Quellenkritik im dt. Humanismus

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am Beispiel d. B. Rh. u. d. W. Eisengrein, in: K. Andermann (Hg.), Historiographie am Oberrhein im späten MA u. in d. frühen Neuzeit (Oberrhein. Stud. 7), 1988, S. 155⫺164; U. Muhlack, Gesch.wiss. im Humanismus u. in d. Aufklärung. Die Vorgesch. d. Historismus, 1991, S. 102 f., 170 f., 226 f., 353⫺356, 360 f., 388⫺390 u. ö. (Reg.); F. Fuchs, B. Rh. als Inschriftensammler, in: R. Stupperich (Hg.), Lebendige Antike. Rezeptionen d. Antike in Politik, Kunst u. Wiss. d. Neuzeit, 1995, S. 27⫺30; D. Mertens, B. Rh. (1485⫺1547). Rerum Germanicarum libri tres, in: V. Reinhardt (Hg.), Hauptwerke d. Gesch.schreibung, 1997, S. 520⫺523; J. Hirstein, Ermolao Barbaro als Vorbild. Der Einfluß seiner Plinius-Kommentare auf d. ‘Gesch.schreibung’ d. B. Rh. im dritten Buch d. Rerum Germanicarum libri III, in: J. Helmrath / U. Muhlack / G. Walther (Hgg.), Diffusion d. Humanismus. Stud. z. nationalen Gesch.schreibung europ. Humanisten, 2002, S. 186⫺203; D. Mertens, Oberrheinische Humanisten um 1500 als Sammler u. Verfasser von Inschriften, in: Chr. Magin u. a. (Hgg.), Traditionen, Za¨suren, Umbrüche. Inschriften d. spa¨ten MAs u. d. frühen Neuzeit im hist. Kontext, 2008, S. 149⫺164, bes. S. 150, 156 u. 160⫺163.

Ulrich Muhlack

Ricci, Paolo J Ricius Ricius (Ritius, Ricci; Israelita), Paulus (Paolo) Inhalt. I. Leben. ⫺ II. Werk. A. Christlichapologetische Schriften und Schriften zur jüdischen Literatur. B. Philosophische Schriften und Streitschriften philosophischer Natur. C. Kontroverstheologie. D. Türkenrede. E. Übersetzungen. F. Gesammelte Schriften: ‘De coelesti agricultura’. G. Herausgeber. ⫺ III. Briefe. ⫺ Literatur.

I . L eb en . Für die ersten beiden Lebensjahrzehnte R.’ liegen nur spärliche Angaben vor. Die Folgezeit läßt sich aus Werkprologen, der Korrespondenz, aber v. a. den öffentlichen Kontroversen rekonstruieren, die mit seiner Person verbunden waren.

R., geb. als Kind jüdischer Eltern in Trient, wuchs in Norditalien auf. Als junger Mann trat er zum Christentum über und wurde am Gymnasium in Pavia unterrichtet. Glaubt man dem Arzt Symphorien Champier (1471⫺1539), handelte es sich bei Augustinus Ritius, dem Astrologen des Grafen von Montferrat, um seinen Bruder.

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Ricius, Paulus

Zum Spiritus rector des jungen Konvertiten wurde der in Pavia Theologie lehrende portugiesische Franziskaner und Scotist Gomes de Lisboa († 1513). In Pavia und Padua studierte R. Philosophie und Medizin, in Pavia begann er Medizin und möglicherweise auch Hebräisch zu unterrichten. Weder über die Studienzeit noch über den Umfang seiner Lehrtätigkeit liegen genauere Informationen vor. Als Arzt stand er zunächst im Sold des Bischofs von Brixen, des späteren Kardinals Matthäus Lang (1468⫺1540), um schließlich aufgrund seiner offenkundigen Erfolge in den Dienst des Hauses Habsburg zu treten. Obwohl er sich in diesen Jahren, seit etwa 1514, vor allem in Augsburg aufhielt, riß der Kontakt nach Italien nicht ab. Nach dem Tod Ks. Maximilians diente er Anna von Ungarn als Leibarzt (protophysicus). 1519 berief ihn Erzhzg. Ferdinand an den Hof. Schon 1518 hatte ihn Kf. Friedrich von Sachsen durch Vermittlung Johannes J Reuchlins gebeten, in Wittenberg als Hebräischlehrer tätig zu werden (ReuchlinBr., hg. v. L. Geiger, Nr. 256), doch R. lehnte ab. Die Treue zum Regenten zahlte sich aus. 1529 ließ ihm Ferdinand zunächst eine Pension von 4000 fl. zukommen und gewährte ihm noch im selben Jahr das freigewordene Lehen Sprinzenstein in der Steiermark. Am 15. Nov. 1530 wurde R. als Baron von Sprinzenstein in den Adelsstand erhoben. 1539 versetzte ihn sein Dienstherr in den Ruhestand. R. starb 1541. Aus seiner ersten Ehe mit einer norditalienischen Adeligen gingen eine Tochter und zwei Söhne, Franciscus und Hieronymus, hervor, die beide Medizin studierten und ebenfalls in den Dienst der Habsburger traten. R.’ intellektuelle Biographie offenbart ihn als vielseitigen Literaten, der in deutschen und italienischen Zirkeln gleichermaßen beheimatet war. Bereits während seiner Studienzeit in Italien begegnete er Thomas de Vio Cajetanus (1468⫺1534) und befreundete sich mit Pietro Pomponazzi (1462⫺ 1525), dem er als Übersetzer hilfreich wurde. Selbst interessiert an naturphilosophischen und erkenntnistheoretischen Fragestellungen, griff er die zeitgenössischen Diskus-

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sionen auf, die das universitäre Milieu Norditaliens dominierten, und leistete zu ihrer Vermittlung nach Deutschland einen wichtigen Beitrag. In den gelehrten Kreisen Pavias kam er in Berührung mit der Philosophie des Giovanni Pico della Mirandola (1463⫺1494), vor allem jedoch mit der Cabala christiana und ihren Vertretern Aegidius von Viterbo (1469⫺1532) und J Agrippa von Nettesheim. Schon 1506 hatte er in Pavia J Erasmus von Rotterdam getroffen, der ihm im Briefwechsel freundschaftlich verbunden blieb und seine Kenntnisse als Philosoph und Mediziner schätzte (s. u. III.). Als Arzt beriet R. Ulrich von J Hutten (s. u. III.). Die Aufarbeitung und Weitergabe der jüdischen Literatur wurde ihm zu einer lebenslangen Aufgabe, die er im Briefwechsel mit Erasmus und Nikolaus J Ellenbog verteidigte. Mit dem Wechsel nach Deutschland intensivierten sich seine Kontakte zum Kreis deutscher Humanisten. 1525 wurde er mitbeauftragt, die Univ. Tübingen zu reorganisieren (‘Ordinatio regis Ferdinandi’, R. Roth, Urkunden z. Gesch. d. Univ. Tübingen aus d. J. 1476 bis 1550, 1877, S. 108 f.). In diesen Jahren trat R. als Apologet seiner philosophischen Überzeugungen hervor. Harsche Kritik von seiten Johannes J Ecks und Hieronymus J Emsers trug R. schon früh sein Bekenntnis zur Abschaffung der Bilderverehrung ein. Im Reuchlinstreit solidarisierte er sich offen mit den Anhängern Reuchlins und verfaßte 1521 die einzige Apologie des Gescholtenen (s. u. A.6.), die sich durch tiefere Kenntnisse des eigentlichen Streitgegenstandes, der Kabbalah, auszeichnet. 1515 disputierte R. öffentlich in Ingolstadt im Beisein des Kardinals Matthäus Lang mit Johannes Eck über die Existenz der anima coelestis. Der Streit wurde in der Folgezeit weiter publizistisch ausgetragen (s. u. B.6.⫺7.). Obwohl R. die Auseinandersetzung 1520 durch ein Eingreifen der österreichischen Landstände auf politische Weise beenden ließ und Eck von weiteren Angriffen Abstand nahm, trug ihm die Konfrontation mit Eck unter den Humanisten erhebliches Renomme´ ein. Willibald J Pirckheimer nahm im ‘Eckius dedolatus’ auf die Episode Bezug, Erasmus

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und Philipp Melanchthon (MelanchthonBr., Nr. 58) schlugen sich auf R.’ Seite. Ein letztes Betätigungsfeld fand R. im interkonfessionellen Dialog. Der Reichstag in Augsburg 1530 veranlaßte ihn zur Abfassung eines auf Ausgleich bedachten Traktates, der neues und altes Bekenntnis wieder zusammenführen wollte (s. u. C.). Das erhoffte Ergebnis blieb aus. Zwei vernichtende Zensurgutachten aus der Feder Ecks und Johannes Fabris waren die Folge und führten, begleitet von Hofintrigen, die auch sein Konvertitentum zum Gegenstand hatten, auf dem Reichstag zu Regensburg 1532 zu einer Verurteilung seines gesamten Werkes und zu einem zumindest vorübergehenden Lehrverbot. Nur die Protektion des Kaisers bewahrte R. vor tiefergreifenden Konsequenzen; die ihm zuvor in Aussicht gestellte Pfründe des Bistums Trient blieb ihm jedoch versagt. I I. We rk . Die thematisch breitgefächerten Schriften R.’ charakterisiert fast durchgehend eine am universitären Milieu Paduas geschulte Form der Beweisführung. Naturphilosophie und esoterische Gegenstände werden ebenso aus der Perspektive einer aristotelisch-averroistischen Philosophie behandelt wie später konfessionelle Fragestellungen. R.’ herausragende Kenntnisse der hebr. Sprache qualifizierten ihn als Interpreten jüdischen Gedankengutes, seine Kontakte nach Norditalien ließen ihn zugleich zum Vermittler des italienischen Averroismus werden. R. begann mit Werken zur Beweistheorie und Schriften zur christlich-jüdischen Apologetik und machte sich gleichzeitig als Übersetzer des Averroes einen Namen. Weitere Übertragungen kabbalistischer und halachischer Literatur schlossen sich an. R.’ philosophischen Ehrgeiz befriedigten kleinere Abhandlungen und vor allem ein umfangreicher Lehrdialog, ein wenig bekanntes Zeugnis transalpiner Renaissancephilosophie. Mehrere Streitschriften begleiteten die öffentlich ausgetragenen Kontroversen um Reuchlin und die anima coelestis. Sollte R. auch medizinische Werke verfaßt haben, sind sie

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bis auf wenige Spuren (s. Telle, 1972) verloren gegangen. Seit R. sich 1514 in Augsburg niedergelassen hatte, erschienen dort auch fast alle Drucke seiner Schriften. A. Christlich-apologetische Schriften und Sc hr if te n z ur jü di sc he n L it er at ur. 1. ‘Sal foederis’. In seinem Erstling, dem R. in seinen späteren Werken den allegorischen Titel ‘Sal foederis’ gab, versucht R. seinen Übertritt zum Christentum im Stil einer Apologie, doch im Ton moderat zu rechtfertigen. Die mit einer Einleitung seines Mentors Gomes de Lisboa versehene Schrift beginnt mit einer allegorischen Beschreibung der Konversion R.’. Christliches Glaubensbekenntnis und die 13 Iqqarim des Maimonides werden einander gegenübergestellt und erweisen sich in den Augen R.’ als weitgehend deckungsgleich. Die christlichen Hinzufügungen belegt R. als im Talmud und der weiteren rabbinischen Tradition angelegt, um sie in einem zweiten Schritt mithilfe der Philosophie des Averroes als zutiefst vernunftkonform zu beweisen. Während sich die exegetische Herleitung in der langen Tradition christlicher Apologetik bewegt und auf die Werke des Raimundus Martini, des Paulus von Burgos und verwandter Autoren zurückgreift, nutzt die philosophische Beweisführung vor allem Averroes und Avicenna, ist in ihrem Kern jedoch originell. Drucke. 1. Teil I eines Sammeldrucks (zusammen mit B.1.): Pauli Ricii israhelitae: nuper a judaizmo ad sacram Christi religionem translati, compendium quo mirifico acumine (judaeorum insipientiae refellendo calumnias) apostolicam veritatem Ratione: Prophetice: Talmudistice: Cabalistice: plane confirmat: atque judeorum Christique fidei tollit repugnantiam. Insuper quarti Tractatus exordio tripliccm[!] sic doctrine ordinem a Galieno obumbrate traditum perpulchre edit in lucem […]. Pavia: Jac. de Burgofrancho, 1507. ⫺ 2. Teil II des unter A.2. zitierten Paveser Sammeldrucks. Ebd., 26. Sept. 1510. ⫺ 3. Einzeldruck. Ebd. 1511. ⫺ 4. In Deutschland erschienen als Teil II des unter A.2. zitierten Sammeldrucks: Pauli Ricii phi|loso-

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phica, | prophetica ac tal|mudistica pro | christiana | verita|te tu|en|da […] disputatio. Augsburg: Joh. Miller, 9. Dez. 1514. VD 16, R 2317.

2. ‘De sexcentum et tredecim Mosaicae sanctionis edictis’. Als Anschlußwerk des ‘Sal foederis’ liefert diese Schrift eine Übersetzung und im Umfang variierende Kommentierung der 613 Gebote und Verbote der Torah, der taryag mitzwot. R. bedient sich in seiner Glossierung, die zumeist der Sacherklärung dient, der Werke des Maimonides, legt in der Gliederung der Gebote jedoch das ‘Sefer mitzwot ha-gedol’ des französischen Halachisten Mose von Coucy (13. Jh.) zugrunde. Eine lange Vorrede preist die veritas hebraica als Grundlage aller Weisheit. Durch ihre Ablehnung der Bilderverehrung erregte R.‘s Auslegung der Gebote Anstoß in katholischen Kreisen. Drucke. 1. Teil I eines Sammeldrucks in vier Teilen: Pauli Ricii de sexcentum et tredecim mosaice sanctionis edictis. Ejusdem philosophica, prophetica ac talmudistica pro christiana veritate tuenda […] disputacio. Ejusdem in Cabalistarum seu allegorizantium eruditionem ysagogae. Ejusdem de novem doctrinarum ordinibus […]. Jeder Teil mit eigener Titelseite, eigenem Kolophon und Erscheinungsdatum. Teil I: Pavia: Jac. de Burgofrancho, Okt. 1510. Teil II: s. A.1; Teil III: s. A.3; Teil IV: s. B.1. ⫺ 2. In Deutschland erschienen als Teil I eines Sammeldrucks in den gleichen vier Teilen: Paulus Ricius | De sexcentum | et tredecim mosaice san|ctionis edictis | Eiusdem philosophica prophe|tica ac Talmudistica […] disputatio | Eiusdem in cabalistarum seu | allegorizantium, eruditio⫽|nem ysagogae | Eiusdem de novem doctrina|rum ordinibus […] compendium. Jeder Teil mit eigener Titelseite, eigener Blattzählung, eigenem Kolophon und Erscheinungsdatum. Teil I: Augsburg: Joh. Miller, 8. Jan. 1515. VD 16, R 2320.

3. ‘In Cabalistarum seu allegorizantium eruditionem ysagogae’. In Form eines 66 Theoreme umfassenden Compendiums gibt R. in seinem erfolgreichsten Werk eine Einleitung in die jüdische Mystik. In seiner christianisierenden Haltung an Pico orientiert, wenn auch stärker aristotelisch ausgerichtet, entwirft R. ein Panorama basaler kabbalistischer Ideen, das für eine lange Zeit neben den Arbeiten Reuchlins und Picos den wesent-

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lichen Zugang zur Kabbalah bildete. Jedes Theorem erhält eine längere sachkundige Kommentierung und philosophische Interpretation. Als Appendix fügt R. eine christlich-kabbalistische Deutung der Schöpfungserzählung hinzu. Kabbalah offenbart sich als der Königsweg zum inneren Schriftsinn. Zu den Leitideen des Werkes werden ein angelischer Makranthropos, eine geschlechtliche Zweiheit alles Geschaffenen und eine in Dekaden strukturierte universale Korrespondenz von Mikro- und Makrokosmos. Als Quellen dienen R. Klassiker der Hekhalot-Mystik wie das Buch 3-Henoch, die ‘Shi’ur Qomah’, postzoharische Literatur wie die ‘Ma’arekhet ha-Elohut’, Menachem Recanati (1290⫺1350), außerdem jedoch spätere jüdische philosophische Aufarbeitungen der Kabbalah. Drucke. 1. Teil III des unter A.2. zitierten Paveser Sammeldrucks: Pauli israelite in cabalista| rum: seu allegorizan/|tium eruditionem | Isagoge. […]. Pavia: Jac. de Burgofrancho, 10. Okt. 1510. ⫺ 2. In Deutschland erschienen als Teil III (vermehrt um die ‘Epistola defensoria’, A.5.) des unter A.2. zitierten Augsburger Sammeldrucks: Pauli Ricii in Ca|balistarum | seu allegorizantium | eruditionem isa|gogae […]. Augsburg: Joh. Miller, 1515. VD 16, R 2313.

4. ‘De modo orandi in nomine tetragrammaton responsio’. Ein kurzer Traktat zur Praxis der Theurgie in der Kabbalah und zu möglichen christlichen Parallelen. Drucke. 1. Responsio ad interrogationem | de nomine Tetragrammaton. In: ‘De anima coeli compendium’ (B.6.). Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 2. März 1519. VD 16, R 2305. ⫺ 2. Teil IV des unter E.2.b zitierten Sammeldrucks: Concisa et arcana de modo orandi | in nomine tetragrammaton re⫽|sponsio, in: Pauli | Ricii | Talmudica […] commentariola. Ebd., 1519. VD 16, R 2319.

5. ‘Epistola defensoria contra obtrectatorem Cabalae’. Eine knappe Rechtfertigung kabbalistischer Studien gegen einen anonymen Kritiker, adressiert an Sebastian Stambler. R. bestimmt in dieser Verteidigungsschrift zugleich sein Verhältnis zu den Arbeiten Picos.

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Druck. Epistola defensoria contra obtrectatorem cabale | ad venerabilem d. doctorem Stambler. Vor Teil III des unter A.2. zitierten Augsburger Sammeldrucks. VD 16, R 2313.

der Jahre 1510 und 1515 eine ‘De triplici ordine doctrinarum oratio’, die das Methodenwissen in einen theologischen Kontext stellt.

6. ‘In allegorizantium dogma oratio’. Nachdem Hoogstraeten Reuchlins ‘De arte cabalistica’, der großen Summe der christlichen Kabbalah, 1519 sein Pamphlet ‘Destructio cabalae’ entgegengestellt hatte, sah sich R. genötigt, für die von ihm mitgetragene Bewegung in einer Verteidigungsschrift zu antworten, die für Reuchlin Partei ergriff. Die in humanistischen Kreisen schon vor dem Druck kursierende und von Erasmus gepriesene Apologie entlarvt die Vorwürfe Hoogstraetens als Fehllektüre und begründet den Wert der Kabbalah als Schlüssel zur inneren Wahrheit der Offenbarung.

Drucke. 1. Teil II des unter A.1. zitierten Paveser Sammeldrucks in zwei Teilen: Pauli Ricii quarti tractatus exordio tripliccm[!] doctrine ordinem a Galieno obumbrante traditum edit in lucem. Pavia: Jac. de Burgofrancho, 1507. ⫺ 2. Teil IV des unter A.1. zitierten Paveser Sammeldrucks in vier Teilen: Pauli Ricii de novem doctrinarum ordinibus, et totius perypatetici dogmatis nexu compendium, conclusiones atque oratio. Ebd., 26. Sept. 1510. ⫺ 3. In Deutschland ebenfalls als Teil IV des unter A.2. zitierten Augsburger Sammeldrucks erschienen: Pauli Ricii de no|vem doctrina|rum dorini| bus[!]: et totius pery⫽|patetici dogmatis | nexu compendi|um, conclu⫽|siones at⫽|que oratio. Augsburg: Joh. Miller, 25. Jan. 1515. VD 16, R 2316.

Drucke. 1. Pauli Ricii sere|nissimi, et inuicti princi⫽|pis Ferdinandi, protho⫽|physici, Apolo⫽| getica, et spi⫽|ritali eruditione ple⫽|na, ad pontificem Maximum | in allegorizantium dogma, | oratio. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1523. VD 16, R 2308. ⫺ 2. Erneut und vermehrt um die Rede der österr. Landstände, die im Streit um die anima coelestis für R. Partei ergriffen hatten, u. d. T. Pauli | Ricii, Apologetica, et spirita|li eruditione plena, in al⫽|legorizantium do⫽|gma, nuper | recognita | oratio. [Augsburg: Simpert Ruf], 1525. VD 16, R 2309.

2. ‘De formali ratione subiecti compendium’. Eine kurze Abhandlung, die den Averroes-Übersetzungen (s. E.1.) als Ergänzung beigegeben wurde. R. definiert die spezifischen Gegenstände der Physik, Mathematik und Metaphysik und ordnet sie einem Schema der Erkenntnisstufen zu, das sich an Averroes anlehnt.

B . P hi lo so ph is ch e S ch ri ft en und S tr ei ts ch ri ft en ph il os op hi sc he r Nat ur.

3. ‘De prooemio et eius partibus questio’. Ebenfalls den Averroes-Übersetzungen (E.1.) beigegebene knappe Ausführungen zum Nutzen des Proömium in der Philosophie.

1. ‘De novem doctrinarum ordinibus’. Das wechselseitige Verhältnis von doctrina resolutiva und compositiva und Definition gehörte in der Form einer Kommentierung der ‘Ars parva’ des Galen zu den meistdiskutierten Fragen der frühneuzeitlichen Methodenlehre. Auch R. leistete zu dieser Diskussion einen Beitrag und interpretiert unter Zuhilfenahme der Erörterungen Taddeo Alderottis, Torrigianos di Torrigiani und Pietros di Abano die Anfangspassagen des galenschen Handbuchs. Die zweite Hälfte der Schrift entwirft anhand der drei Formen der doctrina ein knappes dreiteiliges und in 100 Theoreme gegliedertes Compendium der Metaphysik. Als Appendix enthalten die Neuauflage

4. ‘In Apostolorum symbolum demonstrativus dialogus’. R.’ auch literarisch reizvolles Hauptwerk, ein Lehrdialog, dem Pomponazzi eine wohlwollende Vorrede schrieb, läßt drei Männer, Paulus, Augustinus und Josef, die dem Christentum noch fernstehen, auf den Theologen Gometius treffen. Schritt für Schritt entwickelt R.’ Sprachrohr eine rein philosophische Begründung aller Glaubensartikel und erörtert im lebendigen Gespräch die Schöpfungslehre, die Inkarnation und die Fortexistenz der Einzelseele, um seine Zuhörer zum Ende von der Wahrheit der christlichen Religion zu überzeugen. Viele Antworten R.’ fallen unkonventionell aus und nicht im Sinne der Kir-

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che. Im Zentrum des Dialoges steht eine Christologie, die den Erlöser als transpersonal tätigen Intellekt deutet und das ewige Leben durch die Verbindung mit ihm gesichert sehen will. Das an Allegorien reiche Werk belegt nicht allein R.’ intensive Lektüre der Schriften des Aristoteles und seiner Kommentatoren und der Arbeiten zahlreicher Protagonisten der Schule von Padua, sondern auch seinen Willen, darüber hinaus Autoren des jüdischen Averroismus fruchtbar zu machen.

7. ‘Apologetica ad Eckiana responsa narratio’. Als Eck 1519 in einer ‘Amica responsio’ (VD 16, E 252) in einem neuen Traktat auf R.’ ‘Compendium de anima’ Bezug nahm und seine Thesen zu entkräften suchte, fühlte sich R. zu einer weiteren Abhandlung verpflichtet, die schärfer im Ton auf der eigenen Position beharrt, doch kaum neue Argumente hinzufügt. Eck antwortete mit einer weiteren Schrift, der ‘Defensio adversus invectiones Ritianas’ (VD 16, E 253).

Drucke. In Apostolo|rum simbolum | Pauli Ricii ora|toris/ philo|sophi et theo|logi oculatis| simi/ a priori | demonstrati|vus dialogus |. Augsburg: Joh. Miller, 12, April 1514. VD 16, R 2310. ND Pavia: Bern. de Geraldis, 1517.

Druck. Apologetica Pau⫽|li Ricii ad Eckia| na respon⫽|sa narra|tio |. [Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 1520]. VD 16, R 2307. Bl. a ijr⫺v: Widmung an Maximilian Sevenbergen (o. D.).

5. ‘In Psalmum Beatus vir commentariolum’. Eine kurze Kommentierung des ersten Psalms, die vor allem die Orientierung am ewigen Gesetz als dem Garanten der Unsterblichkeit hervorhebt. Drucke. 1. Pauli | Ricii in Psal|mum Beatus | uir Com⫽|mentariolum. Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 1519. VD 16, R 2314. ⫺ 2. Teil III des unter E.2.b zitierten Sammeldrucks u. d. T. Lepida et litere˛ vndique concinna in | psalmum beatus vir meditatio. Ebd., 15. April 1519. VD 16, R 2315.

6. ‘De anima coeli compendium’. Von Eck im ‘Chrysopassus’ 1514 (VD 16, E 305) wegen seines Glaubens an den beseelten Himmel angegangen, disputierte R. mit Eck 1515 öffentlich, ohne daß eine Einigung oder Entscheidung erzielt worden wäre. Vier Jahre später griff R. das Thema erneut auf und versammelte in einem philosophischen und fast scholastisch gehaltenen Traktat eine Vielzahl exegetischer, theologischer und philosophischer Argumente, um die Existenz der anima coelestis zweifelsfrei zu beweisen. Drucke. 1. Pauli | Ricii de Ani⫽|ma Coeli Com|pendium. Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 2. März 1519. VD 16, R 2305. Zusammen mit ‘De modo orandi’ (A.4.). ⫺ 2. Teil II des unter E.2.b zitierten Sammeldrucks, geringfügig erweitert, mit neuem Titel: Pauli | Ricii | Naturalia et prophetica | de Anima coeli omni | attentione digna ad⫽|uersus Eckium | examina. Ebd., 13. April 1519. VD 16, R 2319.

C . Kon tr ov er st he ol og ie . ‘Statera prudentum’. R.’ Versuch, die beiden Konfessionen wieder miteinander zu versöhnen, mutet naiv an, entspringt jedoch philosophischen Überlegungen, die ihn sein Leben lang begleitet hatten. Zum Fundament der Wiederannäherung der Parteien sollte die lex mosaica werden, ein Gesetz, das sich, wie R. glaubte, vom Juden- zum Christentum verändert hatte und nun erneut den Umständen der Zeit angepaßt werden mußte. Neben einem Rückgriff auf seine eigene philosophische Schulung bediente sich R. zu diesem Zweck der zeitgenössischen Kontroversliteratur. Während von protestantischer Seite eine Antwort auf R.’ Anregungen ausblieb, wandten sich die katholischen Zensurgutachten gegen R.’ Forderung nach einer Reduzierung des katholischen Ritualwesens und wiesen sein Ansinnen als judaisierenden Versuch eines ‘Ebioniten’ ab. Druck. Statera | prudentum. | […] Christo Nazareno | regni coelorum Duci, Tribunis, Ante/| signanis, et Cohortibus crucis | compendarium, et omni at/|tentione dignum hoc | Pauli Ricij opus | desudat. o. O. u. Dr., 1532. VD 16, R 2321, unter dem gleichen Titel: [Augsburg: Phil. Ulhart d. Ä.], 1532. VD 16, R 2322, u. Regensburg: Hans Kohl, 1532. VD 16, R 2323.

D . Tür ke nr ed e. 1529 hielt R. auf dem Reichstag zu Speyer in Gegenwart Kg. Ferdinands und

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der deutschen Fürsten eine Rede, die zum Krieg gegen die Türken aufruft.

pen christianisierenden Kommentaren versehen.

Druck. Ad Princi|pes/ Magistratus/| populosque Germanie, in Spirensi Conuentu | Pauli Ricij Oratio. [Speyer: Jak. Schmidt, 1529]. VD 16, R 2302. Zwei weitere Drucke: [Wien: Hier. Vietor, 1529]. VD 16, R 2303, u. Augsburg: Alex. Weißenhorn, 1530. VD 16, R 2304.

Druck. Portae lucis | Haec est porta Tetragrammaton iusti intrabunt per eam. | […]. Augsburg: Joh. Miller, 9. Juni 1516. VD 16, J 954. Bl. A ijr: Widmung an Ks. Maximilian (o. D.).

E . Ü be rs et zu ng en . 1. Unkommentierte Übersetzungen. 1511 veröffentlichte R. einen Band mit drei Averroes-Übersetzungen aus dem Hebräischen: a) Bl. VI r⫺VII r: Averroes, Proömium zum großen Physikkommentar, Auerois in phisico auditu proœmium emendatum. Vor allem die Bedeutung dieser Schrift für die Methodenlehre der Renaissance wird R. zu ihrer Übersetzung bewogen haben. b) Bl. VII r⫺XLIIII r: Averroes, Mittlerer Kommentar zum Buch ‘De coelo’, Auerois in quattuor de celo et mundo libros paraphrasis fidelis et clara uerborum, serie iam dudum de hebraicis latebris in latinum splendorem conuersa. c) Bl. XLIII v⫺XLV v: Averroes, Proömium zum großen Metaphysikkommentar, Auerois in duodecimo metaphysice˛ proœmium […]. Den Averroes-Übersetzungen stellte R. die eigene De proœmio et eius partibus questio (Bl. [I]r⫺III r) und das De formali ratione subiecti compendium (Bl. III r⫺VI r) voran. Druck. Hoc opera contenta. | De proœmio: et eius partibus questio. ¶ De formali | ratione subiecti compendium. ¶ Auerois in phisico audi|tu proœmium emendatum […]. Mailand: Leon. Vegius, 4. Dez. 1511. IA 109.804.

2. Kommentierte Übersetzungen. a) Joseph Gikatilla, ‘Portae lucis’. Ein glossarhaftes Compendium, die ‘Sha’are orah’, verfaßt von Josef Giqatilya (1248⫺1325) aus Kastilien, einem der bekanntesten Kabbalisten; er wurde in R.’ lat. Fassung in der Cabala christiana bis in das 17. Jh. hinein genutzt. R. übersetzte das erste der zehn Bücher vollständig, die weiteren Bücher sind ohne großen inhaltlichen Verlust paraphrasiert und mit knap-

b) ‘Talmudica commentariola’. Auf Geheiß Kaiser Maximilians übersetzte R. die beiden für die christliche Apologetik bedeutsamen Talmudtraktate Sanhedrin und Berakhot. Um das Verständnis des Talmud zu erleichtern und in das Gesamtwerk einzuführen, fügt R. eine gekürzte Übersetzung der Einleitung hinzu, die Moses Maimonides seinem großen Mischna-Kommentar vorangestellt hatte. Der Übertragung sind kurze christianisierende Kommentare beigegeben, die sich jedoch weiterer Urteile enthalten. Druck. Teil I eines Papst Leo X. gewidmeten Augsburger Sammeldrucks in vier Teilen: Pauli | Ricii | Talmudica nouissime in latinum ver⫽|sa periocunda commentariola. Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 7. April 1519. Alle Teile mit eigener Titelseite und eigenem Kolophon. Teil I: Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 7. April 1519. VD 16, R 2324. Teil II (s. B.6.) Naturalia et prophetica de Anima | coeli […]. Ebd., 13. April 1519. VD 16 R 2306. Teil III (s. B.5.) Lepida […] in | psalmum beatus vir meditatio. Ebd., 15. April 1519. VD 16, R 2315. Teil IV (s. A.4.) Concisa et arcana de modo orandi […] responsio. Ebd., 1519. VD 16, R 2319.

F. G es am me lt e S ch ri ft en : ‘ De co el es ti ag ri cu lt ur a’ . Kurz vor seinem Tod veröffentlichte R. eine Karl V. gewidmete Sammlung seiner wichtigsten literarischen Produktion. Mit einem zusammenführenden Prolog ausgestattet, enthält sie in einer überarbeiteten Form in vier Büchern unter dem Titel ‘De coelesti agricultura’ den ‘In Apostolorum simbolum demonstrativus dialogus’ (B.4.) als Buch I, das ‘Sal foederis’ (A.1.) als Buch II, eine stark revidierte ‘Statera prudentum’ (C.) als drittes Buch und als kabbalistische Schriften in Buch IV zusammengefaßt eine neu strukturierte ‘Isagoge in eruditionem Cabalistarum’ (A.3.), darin die ‘In nomine Tetragrammaton responsio’ (A.4.), die ‘In allegorizantium dogma ora-

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tio’ (A.6.) und die ‘Portae lucis’ (E.2.a). Im Anhang finden sich acht weitere bereits gedruckte Werke, außerdem die bisher noch nicht veröffentlichte Schrift ‘De communi ratione sacramentorum sedula lectione dignus sermo’, eine neuplatonisierende und vor allem auf die Übersetzungen des Marsilius Ficinus zurückgreifende Deutung des Sakramentes. Druck. De coelesti agricultura | […]. Augsburg: Heinr. Steiner, 1541. VD 16, ZV 13263. ND, z. T. in einer mit Blick auf die Erstdrucke gekürzten Form: J. Pistorius, Artis cabalisticae: hoc est, reconditae theologiae et philosophiae scriptorum tomus primus, Basel: Henricpetri, 1587 (ND 1970), S. 1⫺330. G. Herausgeber. Liber theoricae | necnon practicae AlSaharavii in pri⫽|sco Arabum Medicorum conuentu facile principis: qui vulgo | Ac¸ararius dicitur: iam summa diligentia et cura | depromptus in lucem. Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 24. März 1519. VD 16, A 63. Eine Teilübersetzung des großen medizinischen Lehrbuchs des Abu¯ l-Qa¯sim azZahra¯wı¯ († 1013), des ‘Tasrif’. Sie umfaßt die ersten zwei Bücher und ist von R. mit einer emphatischen Vorrede versehen, die das Opus als Errungenschaft und Gewinn für die zeitgenössische Medizin bezeichnet.

I II . B ri ef e. Erhalten sind neben dem erwähnten Briefwechsel mit Erasmus (Erasmus, Op. epist., Nr. 549, 798, 1160, 1558, 1603; vgl. Bietenholz) ein Brief an Ulrich von Hutten (Hutten, Opera, Bd. 1, S. 222 f.), ein kurzer Briefwechsel mit Nikolaus Ellenbog (Ellenbog-Br., Nr. 80, S. 129 f., Nr. 91, S. 135 f.), ein Brief an Willibald Pirckheimer (Pirckheimer-Br., Bd. 5, Nr. 774), ein Widmungsbrief an Blasius Hölzel (neben einem weiteren Konrad J Peutingers) zu der von Petrus J Bonomus 1518 hg. Sammlung von Gedichten für Blasius Hölzel. Literatur. Th. Wiedemann, Dr. J. Eck, 1865, S. 335⫺344 (mit einem ⫺ nicht vollst. ⫺ Überblick über die Drucke); J. Greving, J. Eck als junger Gelehrter, 1906, S. 62⫺64; J. Schlecht, Dr. J. Ecks Anfänge, Hist. Jb. 36 (1915) 1⫺36, hier S. 17⫺20; L. Helbling, Dr. J. Fabri, Generalvikar v. Konstanz u. B. v. Wien 1478⫺1541, 1941, S. 69 f.; J. Blau, The Christian Interpretation of

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the Kabbalah in the Renaissance, 1944, S. 65⫺75; K. Schadelbauer, Hof-Leibärzte Ks. Maximilians I. zu Innsbruck, Wiener Beitr. z. Gesch. d. Medizin 2 (1948) 423 f.; G. Eis, Verschollene Schr. v. P. R.?, Medizin. Monatsschr. 9 (1955) 180⫺182; F. Secret, Pico della Mirandola e gli inizi della Cabala christiana, Convivium 1 (1957) 40⫺42; A. Zˆhrer, Gesch. d. Marktes Sarleinsbach, 1959, S. 256⫺ 259; F. Secret, Notes sur Paolo R. et la Kabbale chre´tienne en Italie, Rinascimento 11 (1960) 169⫺ 172; H. Schnee, Die Nobilitierung d. ersten Hoffaktoren. Zur Gesch. d. Hofjudentums in Dtld., AKuG 43 (1961) 63 f.; F. Secret, Les Kabbalistes chre´tiens, Paris 1964, S. 87⫺97; A. Zˆhrer, Aus d. Gesch. der Familie d. Grafen v. Sprinzenstein, Oberösterr. Heimatbll. 18 (1964) 61⫺63; W. Risse, Averroismo e Alessandrismo nella logica del Rinascimento, Filosofia 15 (1964) 21 f.; B. Nardi, Studi su Pietro Pomponazzi, 1965, S. 143⫺145; O. Kostenzer, Die Leibärzte Ks. Maximilians zu Innsbruck, Veröffentl. d. Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 50 (1970) 73⫺111, hier S. 92⫺95; J. Telle, Textnachweise zu d. spätmal. Fachautoren Jakob v. Stockstall, Georg Tannstetter, P. R. u. Thomas v. Wasserburg, Medizin. Monatsschr. 26 (1972) 564⫺571, hier S. 567⫺569; C. Radey, Dr. J. Fabri, B. v. Wien (1530⫺1541), Diss. Wien 1976, S. 306⫺309; F. Secret, Aristote et les Kabbalistes chre´tiens de la Renaissance, in: Platon et Aristote a` la Renaissance (De Pe´trarque a` Descartes 32), 1976, S. 283⫺288; M. Idel, The Concept of Torah in Heikhalot Literature and Kabbalah [hebr.], Jerusalem Stud. in Jewish Thought 1 (1981) 76 f.; A. Moreira de Sa´ , Humanistas Portugueses em Ita´lia, 1983, S. 17⫺21; Bonorand I, S. 181⫺ 183, M. Idel, The World of Angels in Human Form [hebr.], Jerusalem Stud. in Jewish Thought 3 (1984) 63 f.; P. G. Bietenholz, in: CoE, Bd. 3, S. 158⫺160; W. K¸hlmann, in: Killy, Lit.Lex., Bd. 9, S. 443 f.; F. Secret, Hermetisme et la Kabbale, 1992, S. 45⫺49; H. Peterse, J. Hoogstraeten gegen J. Reuchlin. Ein Beitr. z. Gesch. d. Antijudaismus im 16. Jh., 1995, S. 129 f.; F. Parente, La Chiesa e il ‘Talmud’. L’atteggiamento della Chiesa e del mondo cristiano nei confronti del ‘Talmud’ e degli altri scritti rabbinici, con particolare riguardo all’Italia tra XV e XVI secolo, in: C. Vivanti (Hg.), Storia d’Italia. I. Dall’Alto Medioevo all’eta` dei ghetti, 1996, S. 578⫺580; Pirckheimer-Br., Bd. 4 u. 5 (Reg.); W. Schmidt-Biggemann, Philosophia perennis, 1998, S. 160⫺168, 270⫺286; B. Roling, The Complete Nature of Christ: Sources and Structure of a christological Theurgy in the Works of J. Reuchlin, in: J. Veenstra / J. Bremer (Hgg.), Metamorphosis of Magic from Late Antiquity to Early Modern Age, 2002, S. 257⫺259; A. d’Ors, Gometius Hispanus Ulixbonensis O.F.M.Conv. († 1513), Ana´lise 23 (2002) 119⫺121; B. Roling,

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Ringmann, Matthias

Prinzip, Intellekt u. Allegorese im Werk d. christl. Kabbalisten P. R. (gest. 1541), in: G. Veltri / A. Winkelmann (Hgg.), An d. Schwelle z. Moderne. Juden in d. Renaissance, 2003, S. 155⫺187; ders., Mediatoris fungi munere: Synkretismus im Werk d. Paolo R., in: W. Schmidt-Biggemann (Hg.), Reuchlin u. d. christl. Kabbala (Pforzheimer Reuchlinschr. 8), 2003, S. 77⫺100; S. Tilg, P. R. (ca. 1480⫺1541/42): eine außergewöhnliche Karriere in d. Zeit d. Humanismus, Aschkenas. Zs. f. Gesch. u. Kultur d. Judentums 16 (2006) 561⫺582; C. Black, From Kabbalah to Psychology: The Allegorizing Isagoge of P. R. 1509⫺41, Magic, Ritual and Witchcraft 2 (2007) 137⫺173; B. Roling, Aristotelische Naturphilosophie u. christl. Kabbalah im Werk d. P. R., 2007; Reuchlin-Br., Bd. 3, 2007, S.299⫺302 u. ö. (Reg.).

Bernd Roling

Ringmann (-us), Matthias (Philesius Vogesigena) I . L eb en . R. stammte aus einem Ort der Vogesen, dessen Namen er oder ein Zeitgenosse nicht nennen. Einem Wappen am Ende der ‘Grammatica figurata’ (s. u. II.A.2.) zufolge war es Eichhoffen nördl. Schlettstadt (Heitz). Sein Beiname Philesius weist auf das Weilertal (Val de Ville´) nordwestl. Schlettstadt, das im 6. Buch der ‘Rusticias’ seines jüngeren Zeitgenossen Laurentius Pilladius mehrfach als vallis Philesia erscheint (Collignon). Aus den Andeutungen zweier Verse in R.s Vogesengedicht meinte Vulpinus auf Reichsfeld (westl. Eichhoffen) schließen zu können; seine Annahme ist, in Unkenntnis der Arbeiten Collingnons und Heitz’, meist wie ein gesicherter Nachweis übernommen worden. Den Beinamen Philesius führte R. bereits 1503 in seiner ersten Veröffentlichung, dem Titelepigramm der Straßburger Ausgabe von J Albrechts von Eyb ‘Margarita poetica’. Schmidt, Hist. litt., S. 89, identifizierte Philesius als einen (seltenen) Beinamen Apollos, den R. übernommen habe. Philesius wird von R. und anderen auch selbständig, wie sein eigentlicher Name, verwendet.

Nach der Grabschrift, die ihm die Freunde Beatus J Rhenanus und Johann Ruser widmeten (Rhenanus-Br., S. 620), starb er 1511 im Alter von 29 Jahren; demnach war 1482 sein Geburtsjahr. Die Schule hat er, wie sein Mitschüler Jakob J Spiegel bezeugt (Kommentar zu Reuchlins

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‘Scenica progymnasmata’, Tübingen 1512, Bl. XXXVIII v), im nahe gelegenen Schlettstadt besucht. Zwischen Aug. 1498 und Juli 1501 muß er in Heidelberg unter Jakob J Wimpfeling studiert haben; zwar erscheint er nicht in der Matrikel, doch nannte er später wiederholt und mit größter Verehrung Wimpfeling seinen Lehrer. In die Gruppe der Schüler Wimpfelings, die in dessen ‘Adolescentia’ (abgeschlossen Ende 1499) mit einer Serie von Epigrammen vertreten sind, wurde er erst in der 2. Aufl. (1505) von deren Hg., seinem Freund Johannes J Gallinarius, eingereiht.

Ebenfalls zu seinen Lehrern zählte er den Kartäuser Gregor J Reisch, der im Freiburger Kloster, seit 1502 dort Prior, 1502/03 auch Johannes J Eck u. a. in Mathematik und Geographie unterrichtete; der Zeitpunkt, zu dem R. bei ihm die ersten, für ihn wegweisenden mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse erwarb, ist nicht sicher zu erschließen. Von Heidelberg und jedenfalls nach seinem Unterricht bei Reisch ging er, wohl spätestens 1501, nach Paris, hörte dort “einige Jahre”, wie er später erwähnt, den renommierten italienischen Humanisten und Dichter P. Faustus Andrelinus und vertiefte bei Faber Stapulensis seine philosophischen und naturkundlichen Studien. Bei einem Byzantiner eignete er sich in Paris auch das Griechische an. Einen akademischen Grad jedoch hat er wie in Heidelberg auch in Paris nicht erworben. 1503 wandte er sich nach Straßburg, erneuerte die Beziehung zu Wimpfeling, dem er in seinen Streitigkeiten (Jakob J Locher; Augustiner, vgl. Paul J Lang) und zeitkritischen Positionen loyal anhing. Über ihn gewann er die bald enge Verbindung mit Thomas J Wolf und seinem Kreis hinzu und Zugang auch zur Familie des Jakob Sturm. Seinen Lebensunterhalt suchte er zunächst als Korrektor in der Offizin des Johann Prüß, konnte bald aber in Colmar die Schule bei St. Martin übernehmen, kehrte von dort jedoch, weil anscheinend seine Methoden nicht gefielen, noch 1504 nach Straßburg zurück und eröffnete hier eine eigene Schule. Neben der Lehrtätigkeit ging er seinen geographischen Studien nach und begann mit

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Ringmann, Matthias

der Arbeit an eigenen Schriften und der Herausgabe anderer. Im Okt. 1505 reiste er im Auftrage Thomas Wolfs nach Italien, um von Gianfrancesco Pico della Mirandula Manuskripte zu deren Druck in Straßburg in Empfang zu nehmen. 1506/ 07 war er, teilweise zusammen mit Johann Adelphus J Muling, in beträchtlichem Umfang als Korrektor bei Johann Grüninger und Johann Knobloch und ebenso intensiv als Übersetzer tätig. Ob er gleichzeitig noch seine Schule betrieb, ist zweifelhaft. In den Straßburger Jahren knüpften sich wichtige Beziehungen auch zu Auswärtigen, u. a. zu Konrad J Peutinger in Augsburg (1506) und zu Heinrich J Bebel in Tübingen (1506). Ein neuer Lebensabschnitt begann im Frühjahr 1507 mit seiner Tätigkeit in Saint-Die´ in Lothringen. Der Stiftsherr Walter J Lud (1448⫺1527), der damals auch den Kartographen Martin J Waldseemüller nach Saint-Die´ zog, hatte ihn für die Zusammenarbeit an einem geographischen Projekt gewonnen, dessen Hauptziel eine lat. Neuausgabe der ‘Geographie’ des Ptolemäus auf dem Stande des zeitgenössischen, durch die Entdeckung der Neuen Welt dramatisch erweiterten Wissens sein sollte. Das erste Gemeinschaftswerk: eine neue Weltkarte, ein Globus und eine zugehörige Einführungsschrift, gedruckt am 25. April 1507 in einer von Lud eigens gegründeten Offizin (s. u. II.B.1.), deren wichtigste Kraft der im Druckgewerbe erfahrene R. war. Feste Beziehungen zu Lud müssen bereits in R.s letzter Straßburger Zeit bestanden haben, denn R. ist für ihn in seiner noch vor der ‘Cosmographiae introductio’ gedruckten ‘Speculi orbis declaratio’ (Straßburg, Joh. Grüninger [1507]) bereits Philesius noster. In St. Die´ traf R. auf nicht wenige weitere Gelehrte und Literaten, u. a. den Notar des Stiftkapitels Jean Basin de Sandaucourt (Johannes Basinus), Verfasser eines umfangreichen ‘Novus elegansque conficiendarum epistolarum ac alias de arte dicendi modus’ (Saint-Die´ 1507), und Pierre de Blarru (Petrus de Blaro Rivo), den Dichter der ‘Nanceis’, eines panegyrischen Epos auf den Sieg Hzg. Rene´s II. von Lothringen über Karl d. Kühnen (1477). Irrige Spekulation ist die öfter gedruckte Meinung, R. sei nach St. Die´ an eine Schule berufen worden und habe dort, gar zusammen mit Wald-

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seemüller, unterrichtet. Das gymnasium Vosagense, das in zwei Versionen der ‘Cosmographiae introductio’ von 1507 als deren Hg. und einzig nur hier erscheint, bezeichnet die an der ‘Introductio’ beteiligte Gruppe (Gallois, 1900; Ronsin, 1969), die sich aber weitere Ziele gesteckt hatte, somit auch nicht eine feste größere Sodalität oder Akademie, auf die man glaubte schließen zu können (d’Avezac, Collignon u. a.).

Anfang 1508 hielt R. sich in Basel auf, trug dort an der Universität über die neue Kosmographie vor, privat bei Bischof Christoph von Utenheim. Im gleichen Jahre unternahm er eine zweite Italienreise; in Ferrara erhielt er damals von Lilio Gregorio Giraldi (nicht von Pico, vgl. Klement) eine griech. Hs. der ‘Geographie’ des Ptolemäus. Seit 1509 machte ihm Krankheit (Lungenschwindsucht?) zu schaffen, die ihn nicht mehr losließ. Er arbeitete in St. Die´ gleichwohl unermüdlich an der PtolemäusAusgabe, versah an der Seite Waldseemüllers ein neues geographisches Projekt, besorgte Ausgaben ⫺ diese weiterhin meist bei Straßburger Druckern ⫺ und ließ sich vom lothringischen Hof für andere gewinnen. Die von Hzg. Antoine erwünschte Ausgabe der ‘Nanceis’ des am 23. Nov. 1510 verstorbenen Pierre de Blarru hat er nicht mehr besorgen können. Ein am 1. Aug. 1511 aus Straßburg an Andre´ Reynette gerichteter Brief (s. u. II.E.6.), in dem er noch auf Heilung hofft, ist das letzte von ihm erhaltene Lebenszeichen. I I. We rk . Das hinterlassene Werk des vielseitigen Schriftstellers R., das in kaum mehr als sieben Jahren entstand, umfaßt Schulschriften, geographische Lehrschriften, dt. Übersetzungen, zahlreiche kleinere Gedichte, thematisch breit gestreute Ausgaben. A . S ch ul sc hr if te n. R.s Schulschriften bestehen aus originell entwickelten Unterrichtsmitteln. Das traditionelle Lehrbuch fehlt. 1. ‘Hemistichia poetarum sententiosiora pro pueris’. Ein für Schüler, die den Elementarunterricht absolviert haben, bestimmtes kleines

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Lesebuch aus Sentenzen. Sie sind in Halbverse gefaßt und alphabetisch gereiht; R. entnahm sie meist antiken Autoren. Beigefügt ist eine Anzahl vermischter eigener Carmina R.s, neben einigen religiösen Gedichten vor allem Verse an Freunde, Gönner, Lehrer, Schüler, darunter die amüsante E´loge auf Thomas Wolfs Hund. Gewidmet ist diese erste Schrift R.s Andreas Sprung, seinem Nachfolger in Colmar (Straßburg, 1. Okt. 1505). Drucke. Hemistichia poetarum | sentenciosiora | pro pueris. Straßburg: Joh. Knobloch, [1505]. Schmidt, Re´p. VII, Nr. 13. Erweiterter ND: Bre⫽|ves Poetarum Sententiae | Quibus additae sunt aliae | Morales, secundum | Dodecim Virtutes | Morales per Iaco|bum Fabrum | Compilate˛ […]. Antwerpen: Mich. Hillen, 1522. NK 3728.

2. ‘Grammatica figurata’. Um R. eine erholsame Pause von den Anstrengungen der Ptolemäus-Ausgabe zu gönnen, empfahl ihm Walter Lud im Spätherbst 1508 die Abfassung der neuartigen Bildergrammatik, über deren Idee R. ihn freilich zuvor unterrichtet haben muß. Es handelt sich um die Beschreibung eines Kartenspiels, mit dessen Hilfe die Elementargrammatik des D Donat (‘Donatus minor’, über die acht Wortarten, in der Kommentierung des Remigius) leicht und heiter eingeübt und eingeprägt werden soll. Das Spiel, das sich nach R.s Anleitung vollständig aufbauen läßt, besteht aus 130 Karten, deren mnemotechnische Abbildungen jeweils einer Wortart und einer ihrer Akzidentien zugeordnet sind. Die Kombination der Abbildungen auf einer Karte entspricht jeweils einer Frage, bei deren richtiger Beantwortung ein Spieler die Karte ablegen darf. Beschreibung der Regeln und ihrer Anwendung bei F. StephanK¸hn, in: Br¸ggemann, Hdb., Sp. 344⫺ 361. Für die Idee des Lernspiels im allgemeinen kann R. Anregung von der ‘Rithmimachia’ des Faber Stapulensis, die er kannte (Hinweis von Lud im Brief an Hugues des Hazards, Bl. 2 r⫺v), genommen haben, das weit nähere Vorbild aber werden die mnemotechnischen Kartenspiele Thomas J Murners gewesen sein.

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Druck. Grammatica | figurata | Octo partes orationis/ secun⫽|dum Donati editionem et regulam Remigij | ita imaginibus expressae [...]. SaintDie´: Walter Lud u. Ringmann Philesius, 1. Juni 1509. Ronsin, 1969, S. 413⫺417; Br¸ggemann, Hdb., Sp. 346 u. 1171. Faksimiledruck hg. von Fr. R. von Wieser (Drucke u. Holzschnitte d. 15. u. 16. Jh.s in getr. Nachbildung, 11), 1905.

3. ‘Speculum Donati’. Der Einblattdruck, wiederum eine bildlich-mnemotechnische Unterweisung, gliedert sich in einen kleineren zweispaltigen Textteil und einen das Blatt beherrschenden Holzschnitt. Dieser stellt, ganz entsprechend dem Bild der ersten Karte in der ‘Grammatica figurata’, die lat. Sprache als eine Burg dar, bewohnt von acht verschiedenen Personen, deren jede eine der acht Wortarten des Donat bezeichnet (Priester ⫽ Nomen, König ⫽ Verb etc.). Der Text beschreibt zur Linken mit je einem Distichon die Wortarten und die ihnen vorgeordneten Begriffe, erläutert sie zur Rechten mit einem glossema in Prosa. Nach seinem beschränkten Ausführungsgrad der Bildergrammatik wird das Blatt nicht jünger sein als die ‘Grammatica figurata’ und vielleicht in die Zeit von R.s Straßburger Schulpraxis fallen. Druck. [Straßburg]: Joh. Grüninger, o. J. ⫺ Abdruck des Textteils bei Knepper, 1905, S. 244 f., nach G. Fischer, Beschreibung typograph. Seltenheiten u. seltener Hss. [...], Nürnberg 1804, S. 97⫺ 102.

B . G eo gr ap hi e. 1. ‘Cosmographiae introductio’. Im Jahre 1507 fertigte Martin Waldseemüller in Saint-Die´ eine ca. 3 qm große neue, dem jüngsten Stande des Wissens entsprechende Weltkarte und einen kleineren Globus an. In der von Lud eingerichteten Druckerei erschien dazu eine Einführungsschrift (introductio). Ihr angehängt ist als zweiter Teil des Drucks in lat. Übersetzung der Bericht der vier Entdeckungsreisen Amerigo D Vespuccis [NB], die Hzg. Rene´ II. von Lothringen 1505 in frz. Sprache angeblich von Vespucci selber erhalten hatte, deren Text aber in Wahrheit auf das 1505/06 in Florenz gedruckte ital.

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Original zurückgeht (vgl. Quaritch, S. IX f.). Die im Druck anonyme lat. Fassung des Vespucci-Berichts stammt von Johannes Basinus. Als Verfasser der ebenfalls anonym auftretenden ‘Introductio’ galt lange Zeit Waldseemüller, Laubenberger (1959, erneut 1982) hingegen hat sie nach neuer Würdigung der Quellen mit überzeugenden Gründen R. zugewiesen. Laubenberger macht geltend, daß die Erstausgabe der ‘Introductio’ mit einer Widmung R.s an Kaiser Maximilian (5 Dist.), die sich auf das Gesamtwerk beziehe, versehen ist und mit einer weiteren Waldseemüllers, in der dieser aber allein die Weltkarte und den Globus beanspruche (Bl. A ijr: totius orbis typum tam in solido quam plano). Die Zusammenarbeit zwischen ihm und R. dürfte hier wie in späteren Fällen so ausgesehen haben, daß ⫺ bei gegenseitiger Beratung und Anregung ⫺ die kartographische Zuständigkeit bei Waldseemüller und die für die Formulierung der geographischen Begleittexte bei R. lag. Schon von den in der ‘Introductio’ (Bl. a iiijr) zitierten Versen aus einem sonst nicht bekannten Gedicht des Johannes Gallinarius kann in Saint-Die´ wohl nur dessen enger Freund R. Kenntnis gehabt haben. Eine Mitwirkung Luds an der ‘Introductio’ kann nicht ausgeschlossen werden, jedenfalls sind in Kap. 2 und Kap. 4 zwei kleine Passagen aus Luds ‘Speculi orbis declaratio’ übernommen.

Die ‘Cosmographiae introductio’ führt in acht Kapiteln in die geometrischen, astronomischen und klimatographischen Grundlagen der Erdbeschreibung ein. Ein umfangreiches 9. Kapitel, De quibusdam Cosmographie Rudimenta, gibt eine Flächenbeschreibung der Erde nach den Erdteilen. Hier ist erstmals von einem vierten Erdteil die Rede, und bei der Frage, wie man ihn bezeichnen solle, wird für ihn der Name America, abgeleitet von Amerigo (Vespucci), dem vermeintlichen Entdecker, gefunden (Bl. a iijr). Der Verfasser der ‘Introductio’ muß im April 1507 in Saint-Die´ nicht notwendig auch der Namengeber gewesen sein. Daß es aber R. war, dafür spricht die vorgeführte sprachlich experimentierende Art der Findung, die R. eher eigentümlich war als einem anderen aus seiner Gruppe: Sie spielt zunächst mit einer gräzisierenden Bildung (Amerigen quasi Americi terram ...) und begründet dann das gewählte lat. Femininum mit der

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Analogie zu Europa und Asia (... siue Americam dicendam: cum et Europa et Asia a mulieribus sua sortita sint nomina). Den neuen Namen trug Waldseemüller entsprechend in seine Weltkarte ein; nach Ringmanns Tod hat er ihn auf seinen Karten nicht mehr verwendet. Drucke. Cosmographiae introdu⫽|ctio/ cum quibus|dam geome|triae | ac | astrono|miae principiis ad | eam rem necessariis [...]. Saint-Die´: Walter Lud u. a., 25. April 1507. Textgleicher ND: Cosmographiae | introductio | cum quibus|dam geome|triae | ac astrono| miae principiis [...]. Saint-Die´: Walter Lud u. a., 29. Aug. 1507. Beide Drucke erhielten unter denselben Erscheinungsdaten jeweils eine Redaktion, in der R.s metrische Widmung an Maximilian getilgt und die Waldseemüllers notdürftig zu einer Widmung des gymnasium Vosagense verändert wurde. Unterscheidung und Ordnung der Drucke zuerst bei d’Avezac, S. 50⫺59; vgl. Ronsin, 1969. ⫺ Weiterer ND der Erstausg. mit R.s und Waldseemüllers Widmungen an Maximilian: Cosmographie intro|ductio: cum quibusdam Geome⫽|trie˛ ac Astronomie˛ princi| pijs [...]. Straßburg: Joh. Grüninger, 1509. VD 16, W 1159. Faksimiledruck der Erstausg. hg. von F. R. von Wieser (Drucke u. Holzschnitte d. 15. u. 16. Jh.s in getreuer Nachbildung 12), 1907.

2. ‘Instructio manuductionem praestans in cartam itinerariam’. Erläuterungsschrift zu Waldseemüllers europäischer Reisekarte von 1511, gewidmet Hzg. Antoine v. Lothringen. R. liefert eine kurzgefaßte Beschreibung Europas von West nach Ost. Das einleitende Kapitel sucht eine Vorstellung von der Erstrekkung und Gliederung Europas und seiner Gesamtgestalt zu vermitteln, sie vergleichend mit einer Pyramide (Spitze im Westen, Basis im Osten). Die Skizzierung der einzelnen Länder nimmt regelmäßig Rekurs auf die antiken Geographen, und für jedes größere Land sind Verse aus antiken und den von R. bevorzugten zeitgenössischen Dichtern (Baptista Mantuanus, Franc. Pico della Mirandula, Faustus Andrelinus) zur Hand. Das 9., letzte Kapitel handelt von den europäischen Mächten (Kaiser, Papst, frz. Krone) und ausführlich über die Herrschaftsgliederung in Deutschland.

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Druck. Instructio manuductionem | praestans in cartam itine|rariam Martini Hilaco|mili [...] a Rin|gmanno Philesio conscripta. Straßburg: Joh. Grüninger, April 1511. VD 16, R 2453⫺54.

3. Ptolemäus-Übersetzung. Text und Karten der Neuausgabe von Ptolemäus’ ‘Geographie’, an denen Lud und vor allem Waldseemüller und R. jahrelang gearbeitet hatten, müssen bei R.s Tod im wesentlichen vollendet vorgelegen haben; für die neue lat. Übersetzung des Ptolemäus (Teil I der Ausg.) ist dies sicher. Die Herstellung der Holztafeln für die 27 Karten von Teil I und die 20 von Teil II (Supplementum zu Ptolemäus aufgrund der neueren Erkundungen von Land und Meer bis in die Gegenwart) und die weiteren Kosten des Drucks könnten das Erscheinen des Werks in Schwierigkeiten gebracht haben. Es geriet in die Hände der Straßburger Juristen Jakob Eßler und Georg Übelin, die sich der Drucklegung erfolgreich annahmen, indes nicht zögerten, sich in der Widmung (an Ks. Maximilian) der 1513 erschienenen Ausgabe wie deren ⫺ auch fachliche ⫺ Urheber zu präsentieren. Während die Namen Luds und Waldseemüllers gänzlich verschwiegen wurden, blieb R.s Verdienst um den Text immerhin nicht unerwähnt. Druck. Claudii Ptolemei | viri Alexandrini | Mathematicae disciplinae philosophi | doctissimi | Geographiae opus nouissima traductione e Graeco⫽|rum archetypis castigatissime pressum [...]. Straßburg: Joh. Schott, 12. März 1513. VD 16, P 5207. Eines der Hauptwerke der Straßburger Druckkunst im frühen 16. Jh.

C . D eu ts ch e Ü be rs et zu ng en . Der Umfang von R.s Übersetzungswerk ist bisher nicht untersucht. Neben der Geiler-Übersetzung und dem dt. ‘Caesar’ liegen drei anonyme Übersetzungen vor, als deren Verfasser R. in Frage kommen kann. 1. Von Geilers ‘Passio domini nostri Iesu Christi’, die R. 1506 herausgegeben hatte (s. u. II.E.3.), erschien im gleichen Jahre in der gleichen Offizin die Übersetzung eines Ungenannten. Die Titelseite zieren fünf dt. Reimpaare mit dem Akrostichon ringmannvs, und in der umfänglichen Schluß-

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schrift des Druckes äußert sich ein Selbstverständnis des Übersetzers, das an Standpunkte in der Vorrede des ‘Caesar’ erinnert. Daß R. tatsächlich der Übersetzer ist, entnimmt man seiner Widmung an Wimpfeling in der lat. Ausgabe. R. sparte in der Übersetzung die Widmung und Petrarcas Magdalenengedicht aus. Drucke. Der text des passions. oder lidens christi/ | vß den vier euangelisten zusammen inn | eyn syn bracht mitt schönen figüren. Straßburg: Joh. Knobloch, 1506. Der Druck wiederholt die Stiche des Urs Graf aus der lat. Ausgabe, ersetzt den vorletzten aber durch Wechtlins ‘Auferstehung’. ⫺ Fünf Drucke, s. Consuelo-Oldenbourg (wie II.E.3.), S. 299⫺303, Nr. 2, 4, 8, 10, 12.

2. Der deutsche ‘Caesar’. Gegenstand des dt. ‘Caesar’ ist nicht allein das lit. Werk Caesars oder gar dieses für sich, im Blickpunkt steht vielmehr die historische Gestalt Caesars, die Geschichte des “ersten römischen Kaisers” in seinen Selbstzeugnissen und den Zeugnissen anderer. Daher enthält das Buch sowohl eine Übersetzung des ‘Bellum Gallicum’ und des ‘Bellum civile’ als auch eine geraffte Paraphrase der übrigen ‘Kriege’, die, wie R. weiß, nicht Caesars Autorschaft haben, des ‘Bellum Alexandrinum’, des ‘Bellum Africanum’ und des ‘Bellum Hispaniense’, dazu, damit zu des Keisers Historien von anfang biß zu end nichts gebräste (Bl. II v), die Übersetzungen der Caesar-Vita Plutarchs und, zur abschließenden Apotheose, des 12. Totengesprächs Lukians in der erweiterten Fassung Aurispas, die Caesar den Vorrang noch über Alexander d. Gr. erteilt. Das Geschichtswerk, das R. liefert, empfiehlt er in der Widmung an Maximilian als eines, welches vieles das Keiserthum vnd sunst Tütsch nation berürende (Bl. II r) enthalte. Es gehört in der Tat in den Diskurs von Kaiser, Reich und deutscher Nation, der in der Ära Maximilians im dt. Südwesten am lebhaftesten war. Die 15 Folioseiten umfassende Vorred, die nach ihrem Programm der Vermittlung eines historisch entfernten Stoffes an den volkssprachlichen Leser in der Übersetzungsliteratur der Zeit nicht ihresgleichen hat, konzentriert sich auf verschiedene Themen: 1. Problem der Übersetzung, 2. geo-

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graphische Kommentierung (des ‘Bellum Gallicum’) anhand einer alphabetischen Liste lat. Namen zahlreicher Orte, Länder und Völker mit ihren modernen Entsprechungen (R. benutzte den ‘Index locorum in commentarios Cesaris belli Gallici descriptorum’ des Raimundus Marlianus), 3. historischer Kommentar, bestehend aus einem Abriß der römischen Geschichte bis auf die Begründung der Monarchie durch Caesar mit Ausblick auf die Translationes imperii, danach einer Liste der 118 Kaiser (jeweils mit ihrer Regierungsdauer) von Caesar bis zu Maximilian, 4. Erläuterung des römischen Militärwesens nach antiken Militärschriftstellern, vff das die nachuolgend history vnd geschichten dester baß vnd leichtlicher verstanden werden (Bl. VII v), 5. Über Nutzen und Vergnügen der Beschäftigung mit Geschichte, mit dem besonderen Hinweis, daß keine vnder allen historien Teütscher nation fruchtbarer vnd anmütiger sei als der Ursprung des Kaisertums und was der erst Römisch Keiser Julius gehandelt und wie er sich einen unsterblichen Namen erworben habe. In der Auffassung von Methode und Ziel des Übersetzens bricht R. mit der von J Niklas von Wyle begründeten Tradition. Vertraut mit Grundsätzen Leonardo Brunis, der die Erkenntnis der Verschiedenheit des Sprachbaus von Ausgangs- und Zielsprache und die Kenntnis beider Idiomatik als Bedingung jeder adäquaten Übersetzung verlangt hatte, plädiert er für eine sprachlich strikt eigenständige Übersetzung, die ihre Verständlichkeit aber keineswegs mit dem Verlust von Werktreue und Genauigkeit erkauft. R. versteht sein Verfahren als Übersetzer nicht zuletzt als Dienst am volkssprachlichen Leser. Sein Interesse am gemeinen man aber ist tiefer fundiert. Er verteidigt sein mächtiges Werk des dt. ‘Caesar’ mit einer Widerrede gegen diejenigen, die es grundsätzlich ablehnen, das der Ley und gemein man durch solche vertütschung wissen werd, was heimlicheit in dem latyn verborgen sei (Bl. III r). Übersetzung heißt für R. Niederlegung der soziokulturellen Barriere des Lateins. In diesem Bestreben, dem die breit instruierende

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Vorred als ganze dient, trifft er sich mit Adelphus J Muling und J Murner. Drucke. Julius der erst Römisch | Keiser von seinen kriegen. erst|mals vß dem Latin in Tütsch bracht/ vnd nüw getruckt. Straßburg: Joh. Grüninger, 7. März 1507. VD 16, C 54. Worstbrock, Antikerez., Nr. 43. Schon 1508 kam bei Grüninger eine veränderte Neuauflage heraus; die Vorrede wurde stark gekürzt, die Übersetzung von Lukians XII. Totengespräch getilgt, die Übersetzung der Caesar-Vita des Plutarch gegen die von Adelphus Muling gefertigte des Sueton ausgetauscht. VD 16, C 55. Worstbrock, Nr. 44. ⫺ Die späteren Drucke Mainz 1530 und 1532, die der Erstausgabe folgen, aber mit anderer Ordnung der Texte und fast vollständiger Löschung der Vorrede: VD 16, C 56⫺57. Worstbrock, Nr. 45⫺46. 3. 1507 druckte Grüninger in Straßburg neben Walter Luds ‘Speculi orbis declaratio’ (VD 16, L 3128) bereits auch eine dt. Übersetzung dieser Schrift. In die lat. Ausgabe war R. mit zwei Carmina einbezogen, mit einem Lobgedicht auf Herzog Rene´ II. als Förderer der Wissenschaften und auf Lud als gelehrten Kosmographen (Titelbl.v) sowie mit den schon in seiner Ausgabe ‘De ora antarctica’ (s. u. II.E.1.) veröffentlichten Versen auf die neuen portugiesischen Entdeckungen (Bl. III v). Luds Vereinbarung mit R. zu künftiger Zusammenarbeit stand damals wohl schon fest. So könnte R., der durch den ‘Caesar’ ausgewiesene Übersetzer, in Luds und Grüningers Umgebung auch für die dt. Version von Luds ‘Declaratio’ die nächstliegende Wahl gewesen sein. Druck. Erclarnis und usslegung der Figur und Spiegels der Welt. Straßburg: Joh. Grüninger, 1507. Nachweis bisher nur bei J. Alden, European Americana, Bd. 1, New York 1980, S. 10 f.; das angegebene Exemplar der UB Breslau ist dort gegenwärtig unbekannt. 4. Zu beachten sind zwei weitere Fälle zeitlicher und lokaler Parallelität der Drucke einer lat. Vorlage, die R. selber herausgab oder seiner Arbeitsgruppe in Saint-Die´ entstammt, und ihrer anonymen dt. Übersetzung. Nach den genannten Kriterien ist auch für sie R. als möglicher Übersetzer ins Auge zu fassen. Weitere Klärung könnte erst eine Vergleichung der Übersetzungsstile bringen. a) Vespuccis brieflicher Bericht von seiner 3. Reise, dessen lat. Version R. 1505 bei M. Hüpfuff veröffentlicht hatte (‘De ora antarctica’, s. u. II.E.1.) kam dort im gleichen Jahr in dt. Übersetzung heraus. Ein güter schwatzmann, heißt es im letzten Kapitel, habe den ital. Text ins Lat. und diesen ins Dt. übertragen; damit ist die lat. Über-

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setzung fälschlich, die dt. aber bewußt anonymisiert. Druck. Von den nüwen In⫽|sulen vnd landen so yetz kürtzlichen er|funden synt durch den König von Portugall. | Straßburg: Math. Hüpfuff, 1505. VD 16, V 926. Fünf Nachdrucke bis 1508: Sabin/Eames/Vail, S. 457⫺460; VD 16, V 924, 926⫺28, 931⫺32. b) Desgleichen folgte 1509 bei Grüninger dem lat. Druck von Vespuccis Bericht über seine vier Entdeckungsfahrten (im Anhang der ‘Cosmographie introductio’, s. o. II.B.1) eine dt. Übersetzung. Ein Nachwort geht auf die Frage ein, ob die Menschen der Neuen Welt von Adam abstammten. Druck. Diss büchlin saget wie die zwen | durchlüchtigsten herren her Fernandus K. zü Castilien | vnd herr Emanuel. K. zü Portugal haben das weyte | mör ersüchet vnnd funden vil Insulen [...]. Straßburg: Joh. Grüninger, 18. März 1509. Sabin/ Eames/Vail, S. 464 f.

D . C ar mi na . R. verfaßte Verse, wie Gelegenheit und Zweck es verlangten. Sie können geistreich sein und Witz aufbringen, etwa mit der selbstironischen Anziehung der Horaz-Ode 3,30 (‘Grammatica figurata’, s. II.A.2., Bl. 32 r: Nunc opus exegi ...) oder einer in der Art der ‘Dunkelmännerbriefe’ karikierenden Persiflage Lochers (Wimpfeling, ‘Contra turpem libellum Philomusi’, [1510], Bl. [d4]v), machen sich anderseits gern durch die gewählte Form (seltenere Versmaße, Akro- u. Telesticha) auffällig. Unter den ⫺ vom Anhang der ‘Hemistichia’ abgesehen ⫺ etwa 35 Stücken überwiegen weit die empfehlenden Begleitgedichte zu Drukken. R. wußte, daß diese Species von manchen verächtlich taxiert wurde, und verteidigte sie (Rodericus Zamorensis, ‘Speculum vitae humanae’, Straßburg 1506, Bl. [A3]r: Sunt prefixa aliis epigrammata nostra libellis ...). Das Vogesengedicht ist sein einziges zweckfreies Carmen; es geriet ⫺ ausdrücklich nur als Blattfüllsel ⫺ in den von ihm betreuten Druck von J Köchlins ‘De imperii a Graecis ad Germanos tralatione’ (1506, Bl. B iiijr⫺B vr); Franciscus J Irenicus betrachtete es freilich als eine Art Beitrag zur Germania illustrata und zitierte in der ‘Germaniae exegesis’ mehrfach aus ihm.

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Ausgaben des Vogesengedichts mit dt. Übers.: Rupprich, DLE, S. 78 f., 316 f.; H. C. Schnur,

Lat. Gedichte dt. Humanisten, 1967, S. 334⫺337. E. Ausgaben. Zu R.s Ausgaben werden allein die gezählt, für die er aufgrund eigener Initiative oder einer Beauftragung verantwortlich zeichnete, nicht aber Drucke, für die er nur als Korrektor und Beiträger tätig war. Er stattete seine Ausgaben in der Regel mit Widmungen und weiteren Texten aus. 1. Amerigo D Vespucci [NB], Bericht (‘Mundus novus’-Brief) von seiner 3., 1501/02 im Auftrage König Manuels von Portugal unternommenen Entdeckungsreise in der lat. Übersetzung des Fra Giovanni Giocondi: De ora antarctica | per regem Portugallie | pridem inuenta. Straßburg: Math. Hüpfuff, 1505. VD 16, V 937. Sabin/Eames/Vail, S. 444 f. Widmung an Jakob Brun (Straßburg, ex scholis nostris, 1. Aug. 1505). Nicht, wie regelmäßig angenommen, nach dem Pariser Erstdruck von 1503, sondern nach der römischen Ausgabe des Eucharius Silber von 1504 (so, aufgrund von Textkollation, Sabin/Eames/Vail, S. 445). R.s Ausgabe unterscheidet sich von den zahlreichen übrigen der Zeit durch den fachkundigen Titel, der auf die Entdeckung von Land auf der südlichen Hemisphäre hinweist, ist vermehrt um ein verbreitetes, auch andernorts gedrucktes Gedicht R.s über die neuen Entdeckungen und ihre Bedeutung für die Vorstellung von der Erde (inc. Rura papyriferus qua irrorat pinguia Sirtis, 11 Dist.) und um ein beglaubigendes Zeugnis des Notars Johannes Michaelis, der im öffentlichen Konsistorium beim Papst einen Bericht portugiesischer Gesandter über die Entdekkungen selbst gehört hatte. 2. Jacobi Vimpfelingij | Schletstattensis Theosophi | Oratio de sancto spiritu. Pforzheim: Th. Anshelm, Mai 1507. VD 16, W 3392. Widmung an den Straßburger Dompropst Philipp von Daun u. Oberstein (Straßburg, 1. Sept. 1506). Dank an den Lehrer Wimpfeling, unter dessen Schriften, die er in großer Zahl aufzählt, er das Manuskript der ungedruckten (scharf zeitkritischen) Heidelberger Universitätsrede vom 26. Mai 1482 gefunden hat. 3. Johannes J Geiler von Kaysersberg, Passionis Christi unum | ex quattuor euangeli-|stis textum. | Ringmannus Philesius | ad lec*torem+. (10 jamb. Trimeter mit Akrostichon mors christi und Telestichon vita nostra. Straßburg: Joh. Knobloch, [1506]. Widmung an Wimpfeling, auf dessen Anregung hin R. Petrarcas Carmen an Maria Magdalena beifügte, das Geiler 1482/83 bei einer Wallfahrt zu ihrer Grabstätte, einer Grotte bei Marseille, dort notiert hatte. Mit 25 Holzschnitten (einer doppelt) von Urs Graf; dazu M. ConsueloOldenbourg, Die Holzschnitte d. Urs Graf zur Passion u. die d. Joh. Waechtlin zum Leben Jesu,

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Ringmann, Matthias

in: Fs. J. Benzing z. 60 Geburtstag, 1964, S. 291⫺ 310. Sechs Drucke bei Joh. Knobloch bis 1515, s. Consuelo-Oldenbourg, S. 298⫺303, Nr. 1, 3, 5, 6, 9, 11. 4. Renati secundi Syciliae | regis et Lotharingiae | ducis vita | per Joannem Aluysium | Crassum Calabrum | edita. [St. Die´: W. Lud, 1510]. Ronsin, 1969, S. 418 f. Widmung an Hugues des Hazards, Bischof von Toul (Saint-Die´ 1510). 5. Continentur in hoc libello | quattuor Plauti comoe|diae Amphitryo: Au⫽|lularia duo Captivi: et Menech*mi+ Familiaribus | annotatio|nibus | declaratae:|. Straßburg: Joh. Grüninger, [1511]. VD 16, P 3401. Widmung an Andre´ Reynette (Straßburg, 1. Juli 1511). Der Druck der ‘Aulularia’ wiederholt typengleich und mit allem Beiwerk die von Joh. Prüß um 1510/11 gedruckte Einzelausgabe (VD 16, P 3411), die als Neudruck im April 1511 auch bei Matth. Schürer (VD 16, P 3413) erschien. 6. Lilii Grægorii Ziraldi | Ferrariensis Synta| gma de Musis. Straßburg, Math. Schürer, 12. Aug. 1511. VD 16, G 2111. Freundschaftliche Widmung an seinen Mecœnas Andre´ Reynette in Saint-Die´ (Straßburg, 1. Aug. 1511). R. hatte das Manuskript der Sammlung antiker Mitteilungen und Meinungen über die Musen schon 1508 von Giraldi erhalten, es aber wegen fortwährender Krankheit nicht eher zum Druck bringen können. Er beschließt das Buch mit einem kleinen Essay über die Frage, warum die Tugenden, geistigen Qualitäten und Wissenschaften stets sprachliche Feminina seien. Vgl. K. A. E. Enenkel, Giraldi and Havrech as Mythographers, Hum. Lov. 51 (2002) 9⫺53, hier S. 43⫺47. 7. Apologia mulierum | in viros probrosos Joannis | Motis Neapolitani [...]. Baden: Reinh. Beck, 24. Dez. 1511. VD 16, M 6450. R. besorgte die posthum erschienene Ausgabe der Verssatire gemeinsam mit Joh. Heusing (Hiso) und versah sie mit einem Anhang thematisch ähnlicher Epigramme verschiedener Verfasser. Literatur. Zu I. u. zum Werk allgemein: Ch. Schmidt, M. R. (Phile´sius) humaniste alsacien et lorrain, in: Me´moires de la Socie´te´ d’arche´ologie lorraine et du muse´e historique lorrain, Nancy 1875, S. 165⫺233; Schmidt, Hist. litt., Bd. 2, S. 87⫺132 u. ö. (Reg.); A. Collignon, De Nanceide Petri de Blaro Rivo Parisiensis, Nancy 1892, S. 12⫺14, 16, 18, 78; L. Gallois, Le gymnase vosgien, Bulletin de la Socie´te´ de ge´ographie de l’Est 21 (1900) 88⫺94; Knepper, Wimpfeling, Reg.; Th. Vulpinus, M. R. 1482⫺1511, Jb. f. Gesch., Sprache u. Lit. Elsaß-Lothringens 18 (1902) 127⫺130; K. Klement, Neue Belege f. d. Lebensbild d. Philesius Vogesigena, ebd. 20 (1904) 298⫺301; A. Ohl, M. R. dit ‘Philesius’ graveur en bois, Bulletin de la

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Socie´te´ philomatique Vosgienne 59 (1933) 27⫺42; F. Heitz, Quelques alsatiques anciens repatrie´s en Alsace, Revue d’Alsace 83 (1936) 3⫺25 u. 142⫺ 160, hier S. 9⫺18; R. Newald, M. R., in: ders., Elsäss. Charakterköpfe, [1944], wieder in: ders., Probleme u. Gestalten d. dt. Humanismus, 1963, S. 443⫺457; A. Ronsin, L’imprimerie humaniste a` Saint-Die´ au XVe sie`cle, in: Refugium animae bibliotheca. Fs. Albert Kolb, Wiesbaden 1969, S. 382⫺425; Wimpfeling-Br. Reg. S. 935. Zu II.A.: J. Knepper, Eine altelsäss. Figurengrammatik, Neue Jbb. f. Pädagogik 8 (1905) 236⫺ 245; ders., Das Schul- u. Unterrichtswesen im Elsaß [...], 1905, S. 233 f., 377⫺392, 446 f. u. ö. (Reg.); L. Volkmann, Ars memorativa, Jb. d. Kunsthist. Sammlungen in Wien N.F. 3 (1929) 111⫺200, hier S. 143 f.; F. Stephan-K¸hn, Ludus Latinus. Ein lat. Kartenspiel aus d. J. 1509, Der Altsprachl. Unterricht 29 (1986) 75⫺87; dies., in: Br¸ggemann, Hdb., Sp. 344⫺361 u. 1170⫺1172. Zu II.B.: M. A. P. d’Avezac, Martin Hylacomylus Waltzemuller, ses ouvrages et ses collaborateurs, Paris/Straßburg 1867; L. Gallois, Les ge´ographes allemands de la Renaissance, Paris 1890; ders., Ame´ric Vespuce et les ge´ographes de SaintDie´, Bulletin de la Socie´te´ de ge´ographie de l’Est 21 (1900) 66⫺87; J. Fischer, Die Straßburger Ptolemäus-Ausg. v. J. 1513, Stimmen aus MariaLaach 86 (1914) 359 f.; H. Charles, Der dt. Ursprung d. Namens America, New York 1922; J. Sabin / W. Eames / R. W. G. Vail, Bibliotheca Americana. A Dictionary of Books Relating to America, Bd. 26, New York 1935; F. Laubenberger, R. oder Waldseemüller? Eine krit. Unters. über d. Urheber d. Namens Amerika, Erdkunde, Archiv f. wiss. Geographie 13 (1959) 163⫺179; ders., The Naming of America, Sixteenth Century Journal 13 (1982) 91⫺113; A. Ronsin, De´couverte et bapteˆme de l’Ame´rique, Montre´al 1979, Nancy 21992; B. Quaritch (Hg.), Amerigo Vespucci. Letters of the Four Voyages to the New World, 1992; K. A. Vogel, ‘America’: Begriff, geograph. Konzeption u. frühe Entdeckungsgesch. in d. Perspektive d. dt. Humanisten, in: K. Kohut (Hg.), Von d. Weltkarte zum Kuriositätenkabinett. Amerika im dt. Humanismus u. Barock, 1995, S. 11⫺43, bes. S. 15⫺17; A. Ronsin, Le nom de l’Ame´rique, l’invention des chanoines et savants de Saint-Die´, Strasbourg 2006. Zu II.D.: Ellinger, Neulat. Lit., S. 383 f. u. 428.

F. J. Worstbrock

Ritius, Paulus J Ricius

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Romming, Johannes

Romming (Raming, Rommingius), Johannes I . L eb en . Erstes Lebenszeugnis R.s, der aus Bayreuth stammte, ist seine Immatrikulation im SS 1503 an der Univ. Leipzig (Joannes Römmingk de Beyreuth). Er ist nicht zu verwechseln ⫺ wie in VD 16, Abt. II, Bd. 2, S. 702, geschehen ⫺ mit dem Ingolstädter theol. Bakkalaureus Johannes Bayreuth, der 1501 Textus veteris artis (VD 16, P 4287⫺88) herausgab. R. erwarb nach dem SS 1505 in Leipzig das artistische Bakkalaureat (Matr. Leipzig, Bd. 3, s. v. Romming) und ging danach als Unterlehrer an die Schule von St. Sebald in Nürnberg. Der Nürnberger Rat plante nach Auflösung der Poetenschule, die mit J Grieningers Resignation schon 1506 faktisch vollzogen war, eine Reform der Schulen von St. Lorenz und St. Sebald, deren wichtigster Teil die Einführung humanistischer Lektionen sein sollte. Die Aufsicht über die Schulreform nahm lt. Beschluß vom 7. Mai 1509 Willibald J Pirckheimer in die Hand; mit ihrer Durchführung an St. Lorenz wurde Johannes J Cochlaeus betraut, R. an St. Sebald. Bevor R. das Amt des Sebalder Schulrektors antrat, erhielt er Gelegenheit, in Köln an der Montana den Grad des Magisters zu erwerben. Er wurde dort am 13. März. 1510 zum Magister artium promoviert. Seine Lehrtätigkeit an der Sebalder Schule war unauffällig. Ihre pädagogischen Grundsätze lassen sich seinen Schriften entnehmen, die zwischen 1509 und 1515 entstanden und sämtlich für die Schule bestimmt waren. 1516 hat R. das Nürnberger Lehramt aus unbekannten Gründen aufgegeben. Am 12. Okt. 1516 immatrikulierte er sich an der Univ. Ingolstadt (Magister Joannes Raming de Parreut), vermutlich als Tutor einer gleichzeitig immatrikulierten Gruppe von Nürnbergern Erstsemestern. Wie einem Brief des Ingolstädter Juristen Michael Marsteller vom 25. Okt. 1517 an Pirckheimer zu entnehmen ist, war R. auch in Ingolstadt als Lehrer tätig, vielleicht als “Rektor einer Burse” (Pirckheimer-Br., Bd. 3, S. 202). Marstellers Brief ist R.s letztes Lebenszeugnis.

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I I. We rk . R. hat in seinen Schriften stets der moralischen und christlich-religiösen Erziehung den Vorrang zuerkannt, hat diesem Zweck auch die Poesie untergeordnet. So wird auch verständlich, daß er einen ‘Poenitentiarius’ verfaßte und zum Gegenstand seines Unterrichts machte. A . E ig en e S ch ri ft en . 1. Humanistische Sammelschrift. Die kleine Sammlung von Gedichten und brieflichen Abhandlungen, die R. noch als Bakkalaureus verfaßte, läßt sich als humanistische Programmschrift betrachten, mit der er sich vermutlich als künftiger Rektor der Sebalder Schule vorzustellen gedachte. Zentrale Themen sind ehrbare Dichtung und tugendhafte Lebensführung. In der ‘Epistola de prisca et nova fide’ (Bl. A ijv⫺Bv) unterscheidet R. christliche und vorchristliche geistige Welt. Die vorchristliche läßt er nur insoweit gelten, als sie in der Tradition ägyptischer Weisheit (Hermes Trismegistos) jene theologia vetus besaß, die Elemente der christlichen Wahrheit enthielt, prophetisch auf die Ankunft Christi, seine Passion und das Weltgericht am Ende der Zeiten verwies. Vergil wird gepriesen als Künder christlicher veritas und doch getadelt wegen verwerflicher Vielgötterei in der ‘Aeneis’. Zurückgewiesen wird insbesondere die antike erotische Poesie und gegen sie die fromme Dichtung des Ambrosius, D Sedulius, Baptista Mantuanus u. a. ausgespielt. Als Specimen religiöser Dichtung ⫺ keine andere empfiehlt er; vgl. auch die einleitenden 12 Distichen an den Leser bonarum artium (Bl. A ijr) ⫺ gilt ihm J Celtis’ Sebaldus-Ode, die er dem Adressaten, seinem Freund Johannes Keck, zu intensivem Studium mit seinen Schülern ans Herz legt. Bl. Bv folgen 10 Distichen, die zur Verehrung des hl. Sebaldus rufen, Bl. B ijr⫺v Erläuterungen zur Herkunft der sapph. Strophe und ihrer Metrik, B iijr⫺[B4]v Celtis’ Sebaldus-Ode (28 sapph. Strr.) und [C]r⫺v deren Vertonung im vierstimmigen Satz, der nur hier überliefert ist. Das anschließende Carmen execratorium gegen den mißgünstigen Kritiker (Bl. C ijr⫺v, 20 Dist.) besteht aus einer Beschreibung des

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Romming, Johannes

Zoilus als einer widerwärtigen monströsen Bestie. Das dritte Hauptstück von R.s Sammlung ist der seinem Vorgesetzten und Gönner Johannes Mulner, Subpastor von St. Sebald, gewidmete kleine Brieftraktat ‘De virtute’, ein großenteils aus verschiedenen Quellen (Laktanz, Cicero u. a., vgl. Wuttke, S. 88⫺93) kompilierter Text, der sich auch in einiger Breite des damals sehr geläufigen Motivs der zwei Wege, des Tugend- und des Lasterwegs, bedient. Pangratz J Bernhaubt hat die ‘Tugendvorrede’ seiner ‘Histori Herculis’ fast zur Gänze R.s Brieftraktat entnommen und den Auszug sehr wörtlich ins Deutsche übersetzt (synoptischer Abdruck des dt. Textes und seiner lat. Vorlage bei Wuttke, S. 78−87). Druck. In hoc libello continentur haec. | Carmen ad lectorem | Epistola de prisca et noua fide | Carmen exhortatorium ad sacra sancti Se*baldi+ | Auctor: et structura carminis sapphici | Carmen sapphicum ad diuum Sebaldum | Harmonia carminis sapphici | Carmen execratorium in Zoilum | Epistola de virtutis laude | Decastychon ad libellum. Nürnberg: Hier. Hölzel, 28. Juli 1509. VD 16, R 2983.

2. ‘Poenitentiarius’. R. gliedert seine 58 Kapitel umfassende Schrift nach den seit dem ‘Decretum Gratiani’ üblichen drei Hauptstücken der Buße: Reue (contritio), Sündenbekenntnis (confessio), Genugtuung (satisfactio). Die Unterweisung über die satisfactio (Kap. 53⫺ 54) hat nur geringes Gewicht gegenüber den detailliert ausgearbeiteten Kapiteln über die contritio, vor allem über die confessio mit ihrer Aufzählung aller denkbaren Sünden, die in den Bereich der Zehn Gebote und den der Sieben Todsünden fallen (Kap. 31⫺47). Druck. Penitentiarius Ma|gistri Ioannis Rommingii, | Paratini, in tres parteis, con⫽|tritionem, confessionem, & do|ctorum ecclesiae sententiis vt⫽|cunque desumptis redolens […]. Nürnberg: Friedr. Peypus, [1515]. VD 16, R 2984. Titelbl.v: elegia ad lectorem (7 Dist.). Bl. A ii r⫺v: Widmungsbrief an Melchior Pfintzing, Propst von St. Sebald u. ksl. Rat (Nürnberg, 8. März [1515]).

ad De⫽|metrianum audito|rem suum. […]. VD 16, L 59. Titelepigr. (Dekastichon) R.s. Titelbl.v⫺ [A2]r: Widmungsbrief an Melchior Pfintzing (Nürnberg, 22. Okt. 1514): Preis des Laktanz und seiner Schrift ‘De opificio dei’. Am Ende als Blattfüllsel angehängt der Osterhymnus ‘Salve festa dies’. 2. Paruulus Philo⫽|sophiae moralis/ ad Philoso|phi aemulationem exaratus: | arguto nuper Magistri Io⫽|annis/ Rommingii Parati⫽|ni commentariolo enarratus […]. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1. April 1516. VD 16, P 809. Titelbl.v: R., 10 Distichen auf den ‘Parvulus philosophiae moralis’. Bl. A ii r⫺v: Widmungsbrief an Willibald Pirckheimer (Nürnberg, 17. Okt. 1515): moralische Erziehung der Jugend als erstrangige Aufgabe des Lehrers. Am Schluß Vv. 33⫺106 von Ps.-Prosper, ‘De fide et moribus christianorum et martirum ac de contemptu et brevitate presentis vite’ (Anhang in: Ps-Prosper .’Epigrammata de vitiis et virtutibus ex dictis Augustini’. Mainz: Peter Friedberg, 1484. Hain 13422).

Der ‘Parvulus’, ein knappes Kompendium über die aristotelischen ethischen und dianoetischen Tugenden, war ein in Leipzig eingeführter Schultext und seit 1502 mehrfach mit Gregor J Breitkopfs, eines der Lehrer R.s, anspruchslosem Kommentar erschienen. R.s weit reicherer Kommentar besteht vornehmlich aus antiken und patristischen Autoren entnommenen einschlägigen Definitionen, Apophthegmata, Exempla und anderen Exzerpten, mit denen er den Text des ‘Parvulus’ fortlaufend begleitet; zu seinen Quellen zählen nicht zuletzt die Autoritäten der Via antiqua, die R. an der Kölner Montana hatte studieren können (Thomas von Aquin, Aegidius Romanus). R.s Ausgabe und Kommentar des ‘Parvulus’ waren die letzten, die gedruckt wurden. Er legt Wert auf die Mitteilung, die Vorlage seiner Ausgabe (keine Hs., wie Pirckheimer-Br., Bd. 5, S. 477, angenommen) kritisch revidiert zu haben. Literatur. G. Bauch, Die Nürnberger Poetenschule 1496⫺1509, MVGN 14 (1901) 1⫺61, hier S. 43⫺45 u. 56⫺60; D. Wuttke, Die Histori Herculis d. Nürnberger Humanisten u. Freundes d. Gebrüder Vischer, Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter, 1964, S. 77⫺95, 97⫺101, 211 f.; Caritas Pirckheimer 1467⫺1532 [Katalog der Ausstellung Nürnberg 1982], 1982, S. 138 f.; M¸ller, Gedechtnus, S. 71 u. 327; G.-R. Tewes, Die Bursen d. Kölner Artisten-Fakultät bis zur Mitte d. 16. Jh.s, 1993, S. 649 f., 653 f.; Pirckheimer-Br., Bd. 3, S. 201 f.; Bd. 5, Nachträge, S. 476⫺480.

B. Ausgaben und Kommentare. 1. L. Coelij Lactancij Firmiani libellus lu|culentissimus de opificio dei. vel | formatione hominis.

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F. J. Worstbrock

Roscius J Resch

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Rosinus, Stephanus

Rosinus (Rösel, Rößlein, -lin), Stephanus I . L eb en . 1. R., Sohn einer Augsburger Familie, nach dem Datum seiner ersten Immatrikulation geb. kaum später als 1475, nahm im SS 1490 in Erfurt das Studium der Artes auf (Stephanus Roßleyn de Augusta) und wurde im Frühjahr 1492 zum Baccalaureus graduiert. Er setzte sein Studium an der mathematisch und naturwissenschaftlich renommierten Krakauer Universität fort und erwarb dort im Jan. 1496 das Magisterium. In Krakau war er mit Johannes J Sommerfeld befreundet und hatte in Andreas J Stiborius einen inspirierenden Lehrer der Astronomie. Da er Konrad J Celtis mehrfach als seinen Lehrer bezeichnet, muß er bei ihm 1496/97 noch in Ingolstadt oder zumindest im Winter 1497/98 in Wien studiert haben; an seinen Wiener Aufenthalt erinnerte in einem Brief vom 6. Aug. 1500 (Celtis-Br., S. 411), und am 12. Mai 1499 nannte er die Rückkehr in Celtis’ Freundeskreis als seinen sehnlichsten Wunsch. Spätestens im Frühjahr 1498 war R. nach Augsburg zurückgekehrt (ebd., S. 337). Eine Bewerbung um die Stelle des Domschulmeisters schlug fehl. An Celtis ging seine Bitte, ihn zu unterrichten, sobald in Wien eine kleine Lehrstelle (sublegatura) frei werde. Seine Brüder aber, von deren finanzieller Unterstützung er abhing, drängten ihn, statt der brotlosen honestae litterae die Rechte zu studieren (ebd., S. 341). Daß er in Ingolstadt, wo er sich am 23. Okt. 1498 einschreiben ließ, dann tatsächlich mit dem juristischen Studium begonnen hat, ist wahrscheinlich, aber nicht belegt. Im Mai 1499 hielt er sich in Rom auf (ebd., S. 360 f.), offenbar um über den Erwerb einer Pfründe zu verhandeln und auf diese Weise seiner drückenden Notlage zu begegnen. Am 6. Aug. 1500 teilte er Celtis aus Augsburg mit, daß er sich wegen eines Pfründenstreits erneut nach Rom begeben werde, und bat ihn gleichzeitig, sich für ihn wegen des Wiener Lehramts, das ihm Kg. Maximilian angeboten habe, bei den einflußreichen Räten

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Fuchsmagen und Krachenberger zu verwenden (ebd., S. 411). Der zweifellos mit Celtis’ Hilfe gebahnte Übergang nach Wien gelang. Am 18. Sept. 1501 wurde er von der artistischen Fakultät als Krakauer Magister zur Responsion zugelassen (Stephanus Rösel Augustensis), am 11. Nov. in die Fakultät aufgenommen, nun erstmals unter dem latinisierten Namen Rosinus, den er seither nahezu ausnahmslos führte. Spätestens 1503 hatte er auch eine der beiden schon 1500 von Maximilian neu gestifteten mathematischen Lekturen inne (Bauch, Wien, S. 130). R. ist in den Wiener Acta Facultatis Artium in den Jahren 1503 und 1505 als Examinator und Procurator der Sächs. Nation nachgewiesen; am 1. Sept. 1505 wurde er für das WS 1505/06 mit einer Vorlesung über Ptolemäus beauftragt. Im Lehrprogramm der Fakultät tritt er sonst nicht auf. Nach dem 29. Nov. 1505 erscheint sein Name in den Fakultätsakten nicht mehr. Die schwache Präsenz in der Artistenfakultät seit Aufnahme seiner Tätigkeit in Wien läßt vermuten, daß seine mathematische Lektur auch Celtis’ Collegium poetarum et mathematicorum zur Verfügung gestanden hat, doch belegt ist dies nicht.

R. genoß in Wien als Mathematiker Ansehen. Georg J Tannstetter stellte ihn in seiner Ausgabe von D Peuerbachs ‘Tabulae eclipsium’ (Wien: Joh. Winterburger, 1514) in die Reihe der namhaften Wiener Viri mathematici von Henricus de Hassia an (Bl. [aa6]r), und auch Thomas J Resch zählte ihn dort zum Glanz der Wiener Wissenschaft (Bl. [aa6]v). Aus einem Gespräch mit Johannes J Stabius 1515 auf dem Wiener Fürstentag ging Stabius’ Ausgabe von Peuerbachs ‘Quadratum geometricum’ (Nürnberg: Joh. Stuchs, 1516) hervor, die Stabius ihm unter dem 25. Juli 1515 widmete. Der wichtigste Lebensmittelpunkt in Wien war für R. der Kreis um Celtis, die Sodalitas litteraria Danubiana, deren Mitglieder J Cuspinian um 1506 auf einer Steintafel inschriftlich verzeichnen ließ (Ankwicz , S. 90 u. Abb. nach S. 112), R. als elftes von zwölf. Seine Beziehung zu Celtis blieb ungetrübt freundschaftlich bis zu dessen Tod 1508. Celtis bestellte ihn zu

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Rosinus, Stephanus

einem seiner Testamentsvollstrecker (Celtis-Br., S. 608). R. gehörte zu den Stiftern von Celtis’ Grabmal (ebd., S. 633). Neben seiner Tätigkeit an der Artistenfakultät, vielleicht auch an Celtis’ Collegium, studierte R. in Wien selber die Rechte und Theologie. Zum SS 1502 trug er sich in die juristische Matrikel ein. Nach Tannstetters Notiz von 1514 (s. o.) war er damals Lizentiat des Kirchenrechts. Jakob J Spiegel würdigte ihn im selben Jahr in der Vorrede zur Ausgabe von Aemilius Cimbriacus’ ‘Epicedion in Fridericum III. imperatorem’ ebenso als hervorragenden Kanonisten wie als Astronomen. Der Grabschrift zufolge war er Doctor des Kirchenrechts; wann und wo er promoviert wurde, ist nicht bekannt. R.’ Theologiestudium bezeugt zuerst sein Antrag auf Zulassung zum Cursus biblicus vom 21. Sept. 1507. In Celtis’ Testament vom 24. Jan. 1508 wird er bereits als Baccalaureus der Theologie geführt, so auch bei Tannstetter 1514. 2. Wie lange R. an der Wiener Universität gelehrt hat, ist nicht bekannt; Tannstetters Mitteilung von 1514 (s. o.), R. habe “eine Zeitlang” (aliquamdiu) Astronomie unterrichtet, legt nahe, daß seine Lehrtätigkeit damals bereits Jahre zurücklag. Wann und durch wessen Vermittlung (Johann Stabius, Jakob Spiegel ?) sich seine Beziehungen zum habsburgischen Hof anbahnten, ist ebenfalls nicht bekannt. Sie eröffneten ihm eine gänzlich andere Lebensform und Tätigkeit als die akademische, führten ihn in die diplomatische Welt und zu beträchtlichem materiellen Wohlstand. Daß Maximilian ihn 1508 zweimal für ein Augsburger Kanonikat vorschlug (Santifaller), läßt vermuten, daß er ihn damals bereits in seine Dienste genommen hatte. Von 1513 an war er Maximilians Geschäftsträger und Anwalt (sollicitator vel procurator) bei der päpstlichen Kurie. Er erhielt im selben Jahr die Propsteien von Habach (b. Weilheim, Obb.) und von St. Nikolaus in Straßburg (Kärnten) und wurde Domherr an St. Stephan in Wien. 1514 ist er erstmals als Domherr von Passau, 1515 auch als Domherr von Trient und dazu mit dem Titel eines ksl. Hofka-

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plans bezeugt. Am 16. Mai 1514 trug er sich in Rom in das Verbrüderungsbuch des Hospitium Teutonicum S. Mariae de Anima ein. Während des langwierigen Prozesses Johannes J Reuchlins um seinen ‘Augenspiegel’ war R. an der Kurie, wie vor allem die Korrespondenz mit Michael J Hummelberg zeigt, einer seiner rührigsten Fürsprecher. In Rom wußte R. das Spektrum seiner Tätigkeiten und Beziehungen beträchtlich zu erweitern. In einer Ablaßbulle Leos X. vom 15. Okt. 1519, die er der Pfarre von Krems, einer weiteren seiner Pfründen, verschafft hatte, erscheint er als notarius, cubicularius et familiaris des Papstes sowie als negotiorum gestor des verstorbenen Kaisers (Wodka, S. 257). Später zeichnete er als päpstlicher Protonotar. 3. Mit Maximilians Tod endete R.’ habsburgische Geschäftstätigkeit in Rom. Um 1520 kehrte er nach Deutschland zurück und residierte fortan als Domherr in Passau, immer wieder tätig als Beauftragter des Passauer Bistumsadministrators Hzg. Ernst v. Bayern oder in seinem Gefolge sowohl auf Reichstagen (Worms 1521, Speyer 1529, Augsburg 1530) als auch auf kirchlichen Synoden. Die Übernahme der bayerischen Sollizitatur an der Kurie lehnte er Ende 1523 ab. In Rom verhandelte er 1524/25 ⫺ freilich ohne Erfolg ⫺ für die Kirchenprovinz Salzburg über die Aufhebung bzw. Senkung der bedrückend hohen Türkensteuer, die der Klerus der österreichischen Erblande zu zahlen hatte. Erklärter Gegner aller reformatorischen Regungen, war er maßgeblich an dem bösen Prozeß gegen den Pfarrer Leonhard Käser (Kaiser) beteiligt, der zu Luther übergetreten war und 1527 als Ketzer verbrannt wurde. Nicht minder scharf trat er dem mit absonderlichen theologischen Anschauungen fanatisch umgehenden Passauer Domdekan Ruprecht von Mosham entgegen. Im Interesse einer katholischen Kirchenreform engagierte er sich für die Vorbereitung eines allgemeinen, 1545 in Trient eröffneten Konzils, an dem er aber nicht teilnahm. Er starb am 10. März 1548 in Passau. Sebastian Schilling (Solidus) dichtete ihm ein Epitaph in sieben Disti-

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Rosinus, Stephanus

chen (‘Necrophila’, Wien [1549], Bl. I iijr⫺v. Abdruck bei Gebele, S. 178 f.). R. muß, wie das erhaltene Exlibris nahelegt, eine ansehnliche Bibliothek besessen haben. I I. We rk . Die erhaltenen Schriften des R. beschränken sich auf das populäre Genus der Kalender und Prognostiken. Sie sind sämtlich zwischen 1502 und 1506, in den Jahren seiner bezeugten Wiener Lehrtätigkeit, entstanden. Exemplare dieser Verbrauchsliteratur sind nur noch als Unika, fragmentarisch oder gar nicht mehr erhalten. Tannstetter führte 1514 in den ‘Viri mathematici’ als weitere Schrift des R. tabulam declinationum stellarum fixarum auf, die aber wohl ungedruckt blieb und verschollen ist, und er zeigte sich überzeugt, daß größere Werke noch folgen würden. 1. Aderlaßkalender auf 1503: Da man doch diss gegenwertig iar zelt nach der geburt vnsers hernn Jhesu Christ M diij […]. Am Ende: Durch mayster stepfan Rosinum zu Wienn practicert. Wien: Joh. Winterburger, [1502]. Einblattdruck. Ex.: Wien, ÖNB, 233.751-E.Rara. Faksimile: H. W. Taeuber / R. Hoffmann, St. R., Aderlass-Kalender auf 1503. Ein bisher unbekannter Wiener EinblattDruck von Joh. Winterburger, 1962. 2. Judicium Magistri Stephani Rosini | de Augusta. Collegiati Vienensis | Super anno M.ccccc. quarto. Mercurius dominus anni Jupiter particeps. [o. O., 1503]. VD 16, R 2875. Zinner, Astronom. Lit., Nr. 852. Ex.: Zwickau, Ratsschulbibliothek (nur das erste Bl. erhalten). Titelbl.v: Widmung an Johann Fuchsmagen (Wien, 4. Sept. [1503]). 3. Practika teutsch | Magistri Steffani Roszlen von Augspurg zu wir|den vnd eren der Loblichen hohenschul zu Wien. | Auff das .M.ccccc.vnd.iiij.Jar. […]. [Nürnberg: Friedr. Creussner Nachf., 1503]. VD 16, R 2876. Zuweisung an Joh. Winterburger, Wien, bei E. Langer / W. Dolch, Bibliographie d. österr. Drucke d. XV. u. XVI. Jh.s, hg. v. E. Langer, Bd. 1,1, bearb. v. W. Dolch, Wien 1913, S. 53 f. Nr. 37.

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4.a) Practica teutsch magistri Ro⫽|sini auf das M.CCCCC vnd | vij. jar zu lob der hohen schul zu Wien […]. [o. O., 1506]. VD 16, R 2877. E. Weller, Repertorium typographicum, 1864. Nr. 370. 4.b) Bractica deütsch magistri rosi-|ni auff das M.CCCCC. vnd vij. jare zu˚ Lob vnd ere der hohen schu˚l zu˚ Wienn […]. [München: Hans Schobser, 1506]. VD 16, R 2378. 4.c) Practica dudesch Magistri Stef|fani Rosini Vp dat iaer .M.CCCCC. vnde vij. to la|ue der hoghen schole to Wenen […]. Lübeck: Georg Richolf d. Ä., 1507. VD 16, R 2879. Literatur. L. Geiger, Joh. Reuchlin, sein Leben u. seine Werke, 1871, S. 317 u. 417; Liber confraternitatis B. Mariae de Anima Teutonicorum de Urbe, Rom 1875, S. 125; A. Horawitz, Analecten zur Gesch. d. Reformation u. d. Humanismus in Schwaben, Wien 1878, S. 26 (⫽ SB d. phil.-hist. Kl. d. ksl. Akad. d. Wiss. 89 [1878] 95⫺186, hier S. 118); A. von Eisenhart, Das Bücherzeichen d. Passauer Kanonikus R., Zs. f. Bücherzeichen, Bibliothekenkunde u. Gelehrtengesch. 4 (1894) 3 f.; Vadian-Br., Bd. 2, 1894, S. 256 f.; Bd. 3, 1897, Nachtr. S. 221; Bauch, Erfurt, S. 35 f.; ders., Ingolstadt, S. 113⫺115; ders., Krakau, S. 50; ders., Wien, S. 127⫺130; M. Heuwieser, Ruprecht v. Mosham, Domdekan v. Passau, in: Riezler-Festschrift. Beiträge z. bayer. Gesch., 1913, S. 115⫺ 192, hier S. 131, 147, 194; L. H. Krick, Das ehemal. Domstift Passau u. d. ehemal. Kollegiatstifte d. Bistums Passau, 1922, S. 59, 179, 264 (Grabsteininschrift); F. Leeb, Leonhard Käser (Reformationsgeschichtl. Stud. u. Texte 52), 1928, S. 27; H. Goehler, Das Wiener Kollegiat-, nachmals Domkapitel zum Hl. Stephan in seiner persönlichen Zusammensetzung in den ersten zwei Jh.en seines Bestehens 1365⫺1554, 1932; Celtis-Br., Nr. 202 u. 206; H. Jedin, Gesch. d. Konzils von Trient, Bd. 1, 1949, S. 381 u. 393; L. Santifaller, Die preces primariae Maximilians I., in: Fs. d. Wiener Haus-, Hof u. Staatsarchivs, Bd. 1, 1949, S. 632; E. Gebele, St. R., in: Lebensbilder aus d. bayer. Schwaben, Bd. 2, 1953, S. 162⫺180; H. Ankwicz-Kleehoven, Der Wiener Humanist Joh. Cuspinian, 1959, S. 90; G. Pfeilschifter (Hg.), Acta reformationis catholicae, Bd. 1, 1959, S. 102, 153, 236⫺ 293 u. ö. (Reg.); Bd. 2, 1960, S. 51⫺53, 60 f., 330, 371 f. u. ö. (Reg.); J. Wodka, Die Inhaber d. Pfarre Krems, in: 950 Jahre Pfarre Krems, 1964, S. 237⫺ 289, hier S. 257⫺260; J. Oswald, Zur Gesch. d. Humanismus in Passau u. Niederbayern, Ostbair. Grenzmarken 9 (1967) 288⫺298, hier S. 290⫺292; W. Goldinger, Das Domkapitel zu St. Stephan in

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Rotenhan, Sebastian von

d. Humanistenzeit, Jb. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Wien 34 (1978) 89⫺105, hier S. 96 f.; P. Uiblein, Die Akten d. Theol. Fakultät der Univ. Wien, 1978, Bd. 1, S. 210; Bd. 2, S. 700 f.; Bonorand I, S. 184 f.; H. Grˆssing, Humanistische Naturwissenschaft, 1983, S. 190 f. u. 295; Reuchlin-Br., Bd. 3, 2007, S. 161 f. u. ö. (Reg.).

F. J. Worstbrock

Rotenhan (Rubrigallus, de rubro gallo), Sebastian von I . L eb en . R. entstammt einer fränkischen ritterschaftlichen Familie mit Sitz in Rentweinsdorf (nördl. Bamberg). Dort wurde er als ältester Sohn des Mathes v. R. und der Walburga Förtsch von Thurnau am 13. Jan. 1478 geboren. Im SS 1493 bezog R. die Univ. Erfurt und wurde am 21. Febr. 1495 in Ingolstadt immatrikuliert. Von 1499 an studierte er in Bologna die Rechte und war nach dem Zeugnis des Filippo Beroaldo dessen Hörer (Auli Gellii noctium atticarum commentarii. Bologna: [Benedict Hector], 1503, Bl. A i v). Ende 1499 berichtet er dem in Pavia studierenden Anton Kreß von seiner Syphiliserkrankung. Seit dem 6. Jan. 1501 war R. in Bologna Procurator der Deutschen Nation und hielt im gleichen Jahr eine zu deren Einigkeit aufrufende akademische Rede (dt. Übers. bei Brod, 1970, S. 158−161). Am 31. Okt. 1503 wurde er in Siena zum Doktor beider Rechte promoviert und kehrte 1504 nochmals nach Bologna zurück. 1507⫺1512 war R. Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer. 1512 begab er sich, versehen mit einem kaiserlichen Schutzbrief (24. April 1512) auf eine Reise durch mehrere Länder Europas bis nach Palästina und wurde am 25. Sept. 1514 in Jerusalem zum Ordensritter vom Hl. Grab geschlagen (Urkunde bei Eyring, S. 40 f.). Ab 4. März 1516 wurde er mit einem Gehalt von 150 (ab 1519: 360) Gulden jährlich als Rat des Kf.en Albrecht von Mainz bestallt (Dienerbrief: May, S. 34 f.). In den folgenden Jahren erscheint er als Beauftragter des Fränkischen Kreises, ist seit 1521 Hofmeister des Bischofs von Würzburg und im Mai/

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Juni 1525 maßgeblich an der erfolgreichen Verteidigung der Würzburger Festung gegen die Aufständischen beteiligt. Seit 1524 war er Mitglied des Reichsregiments und 1526⫺1529 weiterhin würzburgischer Rat und Diener. Am 15. Sept. 1530 ernannte ihn Ks. Karl V. in Augsburg mit einem Schutzbrief zum ksl.en Rat (Eyring, S. 59 f.). R. führte zudem (spätestens seit 1521) den Titel eines Eques auratus. R. starb zwischen dem 25. Juni (Testament) und 9. Juli 1532 (Neubelehnung des jüngeren Bruders Hans) unverheiratet und kinderlos in Rentweinsdorf und wurde in der dortigen Kirche beigesetzt (gemeinsames Grabepitaph mit den Brüdern Hans und Martin, nach 1560). In einem ksl. bestätigten Burgfrieden für Rentweinsdorf vom 23. April 1530 trug er neben Erbschaftsangelegenheiten Sorge um seine (gleichwohl verlorene) Bibliothek; seine zu inventarisierenden Bücher sollten den Nachkommen der Familie R. zu Studienzwecken jeweils für ein Jahrzehnt zur Verfügung stehen. Bildnisse: Exlibris, aufwendig gestalteter, mit ROTENHANI MISTICVM bezeichneter Kupferstich um 1518. Abb.: Leiningen-Westerburg, S. 121. ⫺ Medaille mit der Umschrift: SE. V. ROTENHAN. RITTER. V. DOCT. 1518 (von Hans Schwarz; Vorzeichnung erhalten in Berlin, Kupferstichkabinett). ⫺ Holzschnitt-Porträt mit Wappen in R.s Regino-Ausgabe von 1521 (Placuit D. Sebastiano de Rotenhan, qui Reginonem nostrum quasi postliminio reuersum e pulueribus subleuauit, tum eius effigiem, tum familiæ progenitorum suorum insignia subtexere). Erstausgabe, S. 132. ⫺ Bildnismedaille von 1526, Brustbild von rechts: 48 ALT mit der Umschrift SEBAS: V: ROTENHAN: RITER DOCT: M: D: XXVI. Nürnberg, GNM, Medaillensammlung, Nr. 457. Mehrere Gedenktafeln erinner(te)n an Leben und Werk R.s., u. a. eine (verlorene) Bronzetafel in der Kirche St. Gumbert in Ansbach: S*ebastian+ F*reiherr+ V*on+ Rotenhan Ritter V*nd+ Doctor. 1518, daneben: 41. Alt und Hic iunxit Arma togae / Erken dich selbst (Hinweis Markus Frankl/ Würzburg). ⫺ Bronzetafel innen an der Südwand des Langhauses der ‘Ritterkapelle’ in Haßfurt: Sebastian v. Rotenhan, Ritter, baider rechten doc*tor+, kay. maies. rath, der vier sprachen kundig ist Vnd ob xij konigreich durchzoge, hat seiner eltern vnd seiner sele*n+ zugut einen Jartag hie gestifftet Anno 1522 (Die Inschriften d. Lkr. Haßberge, Nr. 105). ⫺ In der Würzburger Marienkapelle innen an der Nordwand (fragmentarisch, nur

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Rotenhan, Sebastian von

das Oberteil ohne Inschrift erhalten): Sebast*ianus+ de Rotenhan. eques auratus et iureconsultus, cesaris augusti a consiliis, xii regnorum perlustrator, quatuor linguarum gnarus, tam pro suo quam parentum salute annuas ad deum rogationes hic instituit anno 1522 (Wendehorst, S. 438; Abb. bei Henner, S. [11]). ⫺ Verloren sind Inschriften in der Kapelle der Burg Rotenberg bei Schnaittach (Lkr. Nürnberger Land) (1522), in der Würzburger Festungskirche (1525: Sebastian*us+ de Rotenhan, Eques auratus et Juris Consultus, episcopalis aulae praefectus, in plebeia hujus arcis obsidione hoc meruit anno 1525) und in der Dominikanerkirche Nürnberg (1529).

I I. We rk . Neben seinen vielfachen beruflichen Aufgaben im Verwaltungsdienst galten R.s Interessen vornehmlich historischen und geographisch-kartographischen Themen. 1. Ausgabe des Regino von Prüm. Wie brieflichen Äußerungen an Sebastian J Brant (14. Juli 1511) und Wolfgang Fabricius Capito (15. Juli 1521) zu entnehmen ist, besaß R. großes Interesse an den Geschichtsschreibern des deutschen MAs. Seine Erstausgabe des D Regino von Prüm steht zudem in der Tradition der Entdeckungen und Ausgaben des Konrad J Celtis (D Hrotsvith von Gandersheim, D Ligurinus). Am 29. Mai 1521 erlangte Sebastianus de Rotenhan, Francus Germanicus, eques auratus, & iure consultus durch Karl V., dem R. das Werk auch zueignete, ein zehnjähriges Druckprivileg für seine historischen und geographischen Werke. Dankbar würdigt R. die Mithilfe des Johannes J Huttich (Ioannis Huttichij de Romano eloquio benemeriti) in philologischen Belangen. In seinem Dedikationsschreiben an Capito vom 15. Juli 1521 rühmt er neben anderen Werken der mal.en Geschichtsschreibung insbesondere Reginos Sammlungen zum Kirchenrecht (deren Kenntnis er den literarhistorischen Arbeiten des Johannes J Trithemius verdankte) sowie ⫺ anders als manche der Religiosen seiner Zeit ⫺ Reginos Bemühen, die Studia humaniora der Alten zu würdigen. Druck. Regino|nis monachi Pru-|miensis anna⫽|les, non tam de | augusto⫽|rum vi|tis, |

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quam aliorum Ger|manorum ge-|stis et do-|cte et com|pendiose | disse-|rentes, ante sexin|gentos fere annos e-|diti. | Cum privilegio Imperiali. Mainz: Joh. Schöffer, Aug. 1521. VD 16, R 599. ⫺ Teilfaksimile mit dt. Übersetzung der Beilagen: Die Erstausgabe.

2. ‘Prisci aliquot Germanie ac vicinorum populi’. Der anspruchslose, lediglich 12 Seiten umfassende Druck hat seinem Titel zufolge die Aufgabe, mit einer Reihe weniger bekannter alter Stämme Germaniens und seiner Nachbarn bekannt zu machen. Zusammengetragen aus Drucken und noch ungedruckten Geschichtswerken sind 212 Völker- und Stammesnamen sowie Namen von Gebirgen, Wäldern, Flüssen und Seen, gefolgt von fremdsprachigen Redewendungen für Reisende sowie R.s Namen und seinen Devisen in zehn Sprachen (s. Brod, Geographiebuch). Druck. Prisci aliquot Germanie ac | vicinorum populi: nostro eui spacio haud prorsus noti / | per me Sebastia.*num+ de Rotenhan Franconicum etc. | Pro illustranda Germania tam ex impres /| sis quam alijs triginta historicis fere / | tipis ereis nondum excussis / | passim comportati: vt ex /| actius perquiri possint / | pro studiosis sub /|nectuntur. [Worms: Hans Werlich, 1521]. VD 16, R 3202. 3. ‘Franz von Sickingen vor der Himmelspforte’. Ungesichert, wenn nicht ganz auszuschließen ist R.s (ihm in einigen Bibliothekskatalogen und neueren Lexikonartikeln zugeschriebene) Autorschaft an dem ca. 1523 in Augsburg anonym erschienenen Text eines fingierten Gesprächs zwischen Franz von Sickingen, (Petrus) und dem hl. Georg an der Himmelspforte. Die in der literarischen Form wohl von des Erasmus ‘Iulius e caelo exclusus’ angeregte Schrift argumentiert gegen den Papst, die großen Landesherrn und Gesellschaften und vertritt die Position des armen gemaynen mans. Druck. Dialogus der | Rede vnnd gesprech / | so Franciscus von Sick|ingen / vor deß himmelß| pforten / mit sant | Peter / vnd dem | Riter / sant Jör|gen gehalten / | Zuuor vnd | ee dann er eingelassen ist | worden. [Augsburg: Melchior Ramminger, um 1523]. VD 16, D 1319. Drei weitere Drucke: [Colmar, um 1523], [Speyer, um 15123], [Altenburg, um 1526]. VD 16, D 1320⫺ 1322.

4. Landkarte Frankens. Sebastian Münster hat R. 1528 neben Georg J Tannstetter, Johannes J Aventi-

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Rotenhan, Sebastian von

nus, Petrus Apianus und Konrad J Peutinger unter jene gerechnet, die als Kartographen (hier: zusammen mit Johannes Schöner für Franken) landtaffeln anzufertigen vermöchten. Am 4. Jan. 1533 erschien in Ingolstadt, von Apianus postum hg. und von vier Holzstöcken gedruckt R.s älteste Karte Frankens: Das Francken Landt Chorographi Franciæ Orientalis (Maßstab: ca. 1 : 380 000; besonders herausgestellt: Steckelberg ⫺ poeta illic Huttenus) mit Apians Beischrift: Quod in Francia orientali non omnino infoeliciter prestitisse videtur foelicis memoriae D. Sebastianus a Rotenhan / vir et nobilitate et eruditione quondam clarus, eam quum mihi illustrandam invulgandamque tradidisset, Expectare hactenus illam dum adornabatur potuit, videre per mortem perprosperam non potuit. Erhaltene Ex.e: Paris, BN, Re´s. Ge. C 4989; Jena, UB, 2. Francon. 8. Weite Verbreitung erlangte R.s Karte durch ihre Übernahme in die ‘Cosmographia’ Sebastian Münsters seit 1544 (VD 16, M 6689) sowie ab 1570 in das ‘Theatrum orbis Terrarum’ des Abraham Ortelius. Einen neuen Abdruck von Apians originalen Druckstöcken brachte um 1620 Peter König in München heraus; einziges bekanntes Ex.: Würzburg, UB, G. f. m. 9, Bl. 136; Faksimile bei Brod, Frankenland-Karte; Hˆhn, S. 46 f. 5. Beitrag zu einem Druck. Compendium Theo|logiæ, excerptum e Quattuor | Libris Sententiarum Magi⫽|stri Petri Lombardi […] æditum A clarissimo viro / Do⫽|ctore Burckhardo Horneck | Ad iuuanda pauperum studia […]. Nürnberg: Friedr. Peypus, 11. Febr. 1515. VD 16, P 1876. Bl. A ii r: Nächst fünf empfehlenden Distichen von Andreas Karlstadt für das von D Burkhard von Horneck geschaffene theologische Kompendium drei von R. Das folgende ebenso Horneck wie den Lombarden preisende Begleitschreiben des Hieronymus Schenck von Siemau deutet auf ein weiteres Mitglied eines Würzburger Humanistenkreises hin.

6. Briefwechsel. R. scheint seine Briefe nicht systematisch gesammelt zu haben. Erhalten sind: aus der Bologneser Studienzeit 1499 bis 1503 sechs Briefe an den Nürnberger Anton Kress in Pavia und einer an den dortigen Universitätslehrer Decius Lancelottus sowie zwei Briefe an Kress vom 15. Juni

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bzw. 3. Juli 1506 (GNM, Kressarchiv Fasz. XXVII/F, Hinweis Franz Fuchs, Würzburg; Brod, Studienjahre, S. 162⫺164; Teilabdruck auch im Pirckheimer-Br., Bd. 1, S. 510 f.). Weitere Briefe: von Abt Johannes (Venndt) von Ebrach in geschäftlichen Dingen, 30. Mai 1508 (Würzburg, StA, Kloster Ebrach D 7 11/II, fol. 195 r); an Sebastian J Brant, 14. Juli 1511 (J. Wenkker, Collecta archivi et cancellariae iura, Straßburg 1715, S. 142); von Ulrich von J Hutten, der R. seinen ‘Vadiscus’ widmete, 13. Febr. und 13. Sept. 1520 (Hutten, Opera, Bd. 1, S. 322 u. 403⫺405); von (sowie [nicht erhalten] an) J Erasmus, 13. Aug. 1520 (Op. epist., Bd. 4, Nr. 1134); an Wolfgang Fabricius Capito, 15. Juli 1521 (Erstausgabe, S. 134⫺137, Correspondence, Bd. 1, S. 147 f.); an Johannes J Aventinus, 1526 u. 29. Okt. 1530 (Aventinus, Werke, Bd. 1, S. 651; Bd. 6, S. 94). Beziehungen R.s bestanden des weiteren zu Burkard von Horneck (s. o. II.5.), Johannes J Huttich (s. o. II.1.) und Helius Eobanus J Hessus, der ihm 1530 eine Elegie widmete (‘Operum farragines duae’, Schwäbisch Hall 1539, Buch 6, Bl. 286 v⫺ 287 v). Zeitgenössische Urteile: Johannes J Eck reihte R. 1515 in seiner Ingolstädter Rede ‘De nobilitate literis exornanda [...]’ unter die Gelehrtesten vom Adel ein: Sebastianus de Rottenhan V. I. doctor in imperiali consistorio inter eruditissimos iudicatus (Druck: Avdi lector / Joannis Eckij [...] orationes accipe tres [...], Augsburg: Joh. Miller, 1515. VD 16, E 387, Bl. [B4]r). ⫺ Erasmus nannte ihn 1520 virum omni doctrinae genere clarum (s. o.). ⫺ Georg Rüxner bezeugt R.s Interesse an einer Reform des Reiches: In einem Brief vom 17. Juni 1523 aus Würzburg erwähnt er xiii artigkel [...] die beschliessen allen eingang des ganntzenn regamentz aller stend im reich (gemeint: ‘Teutscher Nation Nodturft’, Bamberg: [G. Erlinger], 1523). Ich kann euch die nit zu schigken, aber bey hern Sebastionn von Rottenhann findet ir den tegst (Graf, S. 120). ⫺ Helius Eobanus J Hessus widmet ihm ein Gedicht von 31 Distichen (um 1530, Eyring, S. 56−58). ⫺ Der Geschichtsschreiber Lorenz Fries rühmt R. als Verteidiger der Würzburger Festung 1525: ein solcher man, des lob und rume den nachkomen billich geoffenbart werden solle […]. ⫺ Christoph (II.) J Scheurl nahm 1536 R.s Neffen Georg in sein Haus auf diweil herr Sebastian von Rotenhan ritter vnd doctor, ein gelerter namhafter

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Rumpler, Angelus

redlicher Frank vor 37 jarn zu Bononien mein schulgesel und bis in sein absterben mein liber und guter freund gewesen ist (Heerwagen, S. 111; Hinweis Franz Fuchs, Würzburg). Literatur. L. S. Eyring, Vita Sebastiani de Rotenhan, Jena 1739; G. J. Keller, Beschreibung u. Erklärung einiger Denkmünzen [...], Arch. d. Hist. Ver. v. Unterfranken u. Aschaffenburg, 9/2 (1847) 69⫺72, Nr. 37, 38; J. Frh. v. Rotenhan, Gesch. d. Familie R. älterer Linie, Bd. 1, 1865, S. 149⫺188; J. May, Der Kf., Cardinal u. Eb. Albrecht II. v. Mainz u. Magdeburg, 1868, Beilage XIV, S. 34 f.; Magister Lorenz Fries, Die Gesch. d. Bauernkriegs in Ostfranken, hg. v. A. Sch‰ffler / Th. Henner, 1883; E. Friedl‰nder / C. Malagola (Hgg.), Acta nationis Germanicae Universitatis Bononiensis, 1887 (ND Bologna 1988), S. 206, 224, 253⫺258, 340; F. X. v. Wegele in: ADB 29, 1889, S. 299⫺301; Knod, Bologna, S. 253, 462 f.; K. E. Graf zu Leiningen-Westerburg, Dt. u. österr. Bibliothekzeichen Exlibris, 1901, S. 121; Bauch, Erfurt, S. 135 f.; H. Heerwagen, Bilder aus d. Kinderleben [...], Mitt. aus d. GNM 1906, S. 93⫺116; G. Habich, Die dt. Schaumünzen des XVI. Jh.s, 2 Bde., 1929⫺1934; Th. Henner, S. v. R., Altfränk. Bilder 31, 1925, o. S.; A. Treier, Bamberger Bücherzeichen aus 5 Jh.en, Ber. d. Hist. Ver. Bamberg 95 (1957) 310⫺327; P. Grotemeyer, ‘da ich het die gestalt’. Dt. Bildnismedaillen d. 16. Jh.s, 1957, S. 52, Nr. 51; H. R. Abe, Die Univ. Erfurt in ihren berühmtesten Persönlichkeiten I, H. 4, 1958, S. 19ff, 112 f.; W. M. Brod, Frankens älteste Landkarte, ein Werk S.s v. R., Mainfr. Jb. 11 (1959) 121⫺142 (u. Taf. XII⫺ XIV); ders., S.s v. R. Geographiebuch, ebd. 12 (1960) 69⫺78; ders., Opera geographica Sebastiani de Rotenhan, Berichte z. dt. Landeskunde, 28 (1962) 95⫺118; I. Maierhˆfer, Die baul. Hinterlassenschaft d. S. u. d. Anna Rufina v. R., Fränk. Bll. 14 (1962) 18⫺25; W. M. Brod, Die Frankenland-Karte d. Münchner “Kunstführers” Peter König, um 1620, Mainfr. Jb. 15 (1963) 202⫺207; I. Maierhˆfer, S. v. R., in: Fränk. Lebensbilder, Bd. 1, 1967, S. 113⫺140. W. M. Brod, Studiengang u. Promotion d. Ritters S. v. R., Mainfr. Jb. 22 (1970) 155⫺170; ders., Die Rede d. stud. jur. S. v. R. vor d. Dt. Nation an d. Univ. zu Bologna i. J. 1501, Der Convent 23 (1972) 49⫺52; ders., S. v. R., ein Zeitgenosse d. Nikolaus Copernicus, Der Globusfreund 21⫺23 (1972⫺74) 171⫺174 (engl.: S. v. R., the founder of Franconian Cartography; and a Contemporary of Nicholas Copernicus, Imago Mundi 27 (1975) 9⫺12); A. Wendehorst (Hg.), Ukb. d. Marienkapelle am Markt zu Würzburg 1370⫺1530, 1974, Nr. 228, S. 436⫺438; I. Maierhˆfer (Bearb.), Die Inschriften d. Lkr. Haßberge (Die Dt. Inschriften 17), 1979; H. N.

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Reuschling, Die Regierung d. Hochstifts Würzburg 1495⫺1642, 1984, S. 182⫺184; F. X. Hermann, S. v. R. Humanist u. Verteidiger d. Festung

Marienberg, Jb. d. Riemenschneider-Gymnasiums Würzburg 1984/85, S. 5⫺11; G. Frh. v. Rotenhan, Die R. Genealogie einer fränk. Familie von 1229 bis z. 30j. Krieg, 1985, S. 224⫺233; A. Hˆhn, Franken im Bild alter Karten, 1986, S. 45⫺ 47; Ch. Roll, Das. Zweite Reichsregiment 1521⫺ 1530, 1996, S. 395⫺402; Die Erstausgabe d. Chronik Reginos v. Prüm u. ihrer Forts. v. S. v. R. Mainz 1521, hg. v. E. Frh. v. Rotenhan, Eyrichshof 1999; E. Rummel (Hg.), The Correspondence of Wolfgang Capito, Bd. 1: 1502⫺1523, 2005, S. 147 f.; R. Endres, in: NDB, Bd. 22, 2005, S. 102 f.; Große Bayer. Biographische Enzyklopädie, Bd. 3, 2005, S. 1648 f.; R. Kastenholz, Hans Schwarz, ein Augsburger Bildhauer u. Medailleur d. Renaissance, 2006, Kat. Nr. 29, 124, Abb. 50, 155; K. Graf, Herold mit vielen Namen. Neues zu Georg Rüxner [...], in: Ritterwelten im SpätMA, 2009, S. 115⫺125.

Klaus Arnold

Rumpler, Angelus I . L eb en . Die autobiographischen Hinweise vor allem in den historischen Werken (II.B.; Pez, Sp. 429 f., 448 f., 452 u. 462⫺464), die Datumsangaben der Autographa und Einträge in Büchern der Vornbacher Bibliothek (II.C.8.) sowie die Erwähnungen im Werk des Wolfgang J Marius von Aldersbach sind die wichtigsten Zeugnisse für das Leben R.s, neben die das Einleitungsgedicht und der Mondseer Eintrag im Totenrotel (München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, KL. Formbach Nr. 24; Boshof, S. 103) und eine Todesanzeige des Klosters Vornbach (München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Äußeres Archiv 4093, Bl. 21r⫺23 r) zu stellen sind (Oblinger, S. 3⫺16; Dorrer, S. 5⫺15; Oswald, 1969, S. 403⫺409; Hauschild, S. 188 f.).

Geb. um 1460 in Vornbach als Sohn eines im Dienst des dortigen Benediktinerklosters stehenden Bäckers, scheint R. bis zu seinem Lebensende nur selten sein Heimatdorf verlassen zu haben. 1477 trat er in dieses Kloster ein und legte dort am 29. Sept. 1478 die Profeß ab. Unter Abt Leonhard Strasser (1474⫺1501) wirkte er als Cellerar und Archivar. In dieser Funktion war er seit den frühen 90er Jahren auch mit der Pflege der Klosterbibliothek befaßt; ihren Aufbau betrieb er als Abt wei-

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Rumpler, Angelus

ter und schaffte gleichermaßen verbreitete spätmal. wie humanistische Titel an, die er für seine eigene Schriftstellerei nutzte; die erworbenen Bände richtete er gelegentlich her und legte Register an. Über Bildungsweg (prima artis rudimenta vor 1472 in Vornbach: Pez, Sp. 445 u. 449; spekulativ Kraus 1977, S. 54) und geistlichen Werdegang liegen kaum Nachrichten vor, jedoch betont R. wiederholt, keine Universitäten (gymnasia) besucht zu haben. Der Beginn seines Abbatiates in Vornbach, den er vom 1. Dez. 1501 bis zu seinem Tod am 6. März 1513 innehatte, ist überschattet von den Wirren des Landshuter Erbfolgekrieges, die Vornbach mehrfach bedrohten (Oefele, S. 113). Unter dem Eindruck dieser Krise und mit Blick auf die spirituellen und organisatorischen (vgl. auch II.C.9.) Aufgaben des Amtes entsteht in diesen Jahren der größere Teil seines Œuvres. Neben regelmäßigen Aufenthalten in Passau sind eine längere Visitationsreise (1503) zur Vornbacher Propstei Gloggnitz am Semmering mit Aufenthalten in Vorau und Wien (Ende Sept.), wo er mit dem ihm verbundenen Passauer Johann D Staindl zusammentraf, und die Teilnahme am Landshuter Tag (Dez. 1503⫺Jan. 1504) dokumentiert. Gegen Dorrer, S. 8 weisen Bucheinträge auf mindestens einen weiteren Besuch Wiens hin (1506: Passau, Staatl. Bibl., Inc. 215; vielleicht auch 1511: Passau, Staatl. Bibl., Inc. 66/1, Bl. [m6]v, vgl. Dorrer, S. 28). Zu R.s Bemühungen um die Vornbacher Bibliothek (Pez, Sp. 429; Dorrer, S. 22⫺31 mit häufig fehlerhaften Transkriptionen; Ergänzungen bei Oswald, 1969, S. 407 Anm. 22, u. Wagner, 1993, S. 215; Kellner, S. 71⫺73) sind noch die autographen Einträge in Inkunabeln Vornbacher Provenienz wie München, Bayer. SB, 2° Inc.c.a. 2310 d/ 1 (1512, damit jüngster Eintrag R.s), 2° Inc.c.a. 2808 e u. 2° Inc.c.a. 3041a zu beachten, ferner seine Marginalien (vgl. B.1. und C.8.; München, Bayer. SB, 4° Inc.s. a. 1188 o/10⫺13, 2° Inc.c.a. 2384 a u. Passau, Staatl. Bibl., Inc. 66/1, 82/2, 108, 117, 155/2). R. führte gelegentlich Lombarden in Inkunabeln aus (Passau, Staatl. Bibl., Inc. 17/1, 66/1, 68, 153/3, 155/2, 215, u. München, Bayer. SB, 2° Inc.c.a. 2310 d/1 u. 2° Inc.c.a. 3041a mit Einträgen wie Corpora totius libri … sunt facta post ligaturam oder Ornavi etiam corporibus propria manu

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factis); seine Register orientieren sich am Vorbild Staindls (Passau, Staatl. Bibl., Inc. 59/4 u. Inc. 209).

I I. We rk . R.s literarisches Schaffen ist im wesentlichen, freilich nur lückenhaft, durch zwei Autographa (M ⫽ München, Bayer. SB, Clm 1806, und Lb ⫽ München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Landshuter Abgabe 1982, Kloster Vornbach, B 1 b [vgl. Oblinger, S. 17⫺41]) und eine poetische Sammelhandschrift des Wolfgang Marius (Ld ⫽ München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, Landshuter Abgabe 1982, Kloster Vornbach, B 1 d) überliefert; in älteren Drucken liegen allein die historiographischen Werke (B.) und seine Dichtung über den Landshuter Erbfolgekrieg (C.1.) vor. Die Disposition der beiden Autographa, an deren Spitze theologische und erbauliche Werke (A.) vor den historischen (B.) und wenigen poetischen (C.) stehen, spiegelt den Vorrang seiner monastischen Interessen wider: Ihr Tenor ist die Klage über die moralische Zerrüttung der Zeit, der die Ideale des benediktinischen Mönchtums gegenübergestellt werden. Gleichwohl wird R.s schriftstellerisches Wirken zunächst (um 1491) nur in sporadischen Gelegenheitsgedichten greifbar (C.8.); das jüngste datierte Gedicht, das argumentum für eine Werkausgabe des Wolfgang Marius (C.9.), wurde am 13. Okt. 1511 niedergeschrieben. Die produktivste Periode fällt in die ersten Jahre seines Abbatiates (1503⫺1506): Nahezu parallel entstanden seine Prosaschriften, in denen vor allem doxographische Versatzstücke wiederholt verwendet werden. Das bescheidene literarische Netzwerk R.s scheint kaum über die Umgebung seines Klosters hinauszureichen: Zu ihm gehören Johann Staindl (Lehmann, 1961, S. 256), von dem R. Bücher erwarb (2VL, Bd. 9, Sp. 226; vgl. auch München, Bayer. SB, 4° Inc.c.a. 1335 a, Bl. 1v, u. Passau, Staatl. Bibl., Inc. 35 u. 128) und bei dem er eigene Schriften deponierte, und Joachim J Lüntaler in Passau (Worstbrock, 1985; zu D Adam von Fulda Wagner, 1997, S. 48 f.; Ld, S. 63, wo R. sich als

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Lüntalers Pylades bezeichnet), besonders jedoch Wolfgang Marius, der R. als literarisches Vorbild und poetischen Korrespondenten schätzte (C.6. u. C.9.) und in einem bewegenden Brief an R.s Nachfolger für die Bewahrung seines literarischen Nachlasses warb: Habebunt sic posteri efficax ad bonas disciplinas atque virtutes incitamentum (München, Bayer. Hauptstaatsarchiv, KL. Aldersbach Nr. 72a, S. 43). Die Verbindung zu Konrad J Celtis (vgl. B.2., C.7. u. C.8.), deren Genese nicht mehr zu klären ist, empfand R. als besondere Ehre (Oblinger, S. 3⫺6). Charakteristisch für R.s literarischen Habitus ist seine Distanzierung vom universitären Lehrbetrieb in den Prosaschriften und die topische Selbsteinschätzung als lat. Dichter schlichten Formats: Die ostentative Nennung seiner Quellen, die poetischen Selbstzitate und das gelegentliche Räsonnement über eigene Unzulänglichkeiten stehen dazu in auffälligem Kontrast. Seine Korrekturen in den Autographa betreffen in der Regel nur stilistische Details, selten werden längere Passagen umgearbeitet oder gestrichen. Bemerkenswert sind seine wortkundlichen Erörterungen auf der Grundlage aktueller Hilfsmittel wie der ‘Cornucopiae’ Niccolo` Perottis oder des Lexikons Ambrogio Calepinos und Hinweise auf eigene und fremde prosodische Lizenzen (M, Bl. 51r, Clm 1851, Bl. 1r, und Lb, Bl. 46 v⫺47 r u. 139 v). Deutlich wird jedoch auch sein Anspruch, Machwerke anderer durch zeitgemäße lat. Verse überbieten zu können (Lb, Bl. 139 r, über die Ersetzung älterer autoritates durch metrische Tituli über dem renovierten Tor des Klosters und Pez, Sp. 450, über Staindls Epitaphium des Vornbacher Abtes Michael; Korrektur eines metrisch fehlerhaften gedruckten argumentum in Passau, Staatl. Bibl., Inc. 149, Bl. a ijv). In den Marginalien der Vornbacher Inkunabeln betreibt R. Textkritik (Passau, Staatl. Bibl., Inc. 108, Bl. 169 v: quia ego frater Angelus abbas non habui exemplaria ad emendandum, oportuit, ut uterer ingenio). Prägend scheint das Studium des Prudentius gewesen zu sein (A.3.); griech. Autoren werden nur in lat. Übersetzungen kon-

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sultiert, griech. Begriffe und Etymologien sind selten und meist in Majuskeln geschrieben (Oblinger, S. 21 f.; anders Oswald, 1969, S. 405). Gerade die pragmatische Verbindung traditioneller und moderner Züge läßt den Begriff des Klosterhumanisten (M¸ller, S. 316 f.; Lhotsky, S. 436, nennt R. modifizierend einen “Kompromißhumanisten”) für R. als angemessen erscheinen. A. E rb au li ch -b el eh re nd e t he ol og is ch e S ch ri ft en .

u nd

1. ‘Epistola ad ludimagistrum Pataviensem’. Der auf den 18. Sept. 1504 datierte Brieftraktat (inc.: Multa mihi ac pene infinita de statu hominis cogitanti), dessen remittiertes Original (Adresse Bl. 148av) in die Hs. eingebunden wurde, ist im Kern eine Erörterung über den Sündenfall und den freien Willen. R. referiert und verwirft im doxographischen Anfangsteil Aussagen antiker Philosophen, die er aus Diogenes Laertios und Francesco Filelfo († 1481; vgl. R.s annotiertes Exemplar Passau, Staatl. Bibl., Inc. 117; Dorrer, S. 28) kenne, und beantwortet folglich die vom anonymen Adressaten in Passau aufgeworfene que˛stio, quomodo scilicet natura fieri potuisset, quod homo peccasset (Bl. 146 r), mit theologischen Argumenten. Im von epistolographischen Topoi geprägten Schluß charakterisiert R. den Stil seiner frühen Jahre als Latine et perhumaniter (Bl. 148 v), was ihm, damals noch Cellerar in Vornbach, die Kritik eines anderen Passauer Magisters eingetragen habe; in der Subscriptio (Dorrer, S. 12, die fälschlich von einer “launigen Reimzeile” spricht) wird Johann Staindl als Vertrauter in Passau genannt: Si opera mea habere vis, apud Staindel invenies (Bl. 148 v). Handschrift. M, Bl. 146 r⫺148av.

2. ‘Disceptatio rationis et sensualitatis’. Der an den (namentlich nicht genannten) Passauer Bischof Wiguläus Fröschl von Marzoll gerichtete, in der Subscriptio auf Palmsonntag 1506 datierte Streit zwischen Vernunft und Sinnlichkeit (Oblinger, S. 26 f.; inc.: Cum mecum pridem ta-

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citus cogitarem […] quid in re humana potius sequendum foret) mündet erwartungsgemäß in einen Sieg der Ratio. Formal dreigeteilt, tauschen Sensualitas und Ratio vor dem Adressaten zunächst in je einer Prosarede Exempla und Argumente aus, bevor beide in elegischen Distichen (Bl. 253 r⫺254 v) erneut gegeneinander das Wort ergreifen. In der conclusio saphica (10 Strr., Bl. 254 r⫺254av) stimmt die unterlegene Sensualitas das Lob des Bischofs und der Ratio an. Die kühne erste Einlassung der Sensualitas, deren Anfang nicht klar markiert wird, ist mit literarischen wie historischen Beispielen (Dido, Barbara von Cilly, Guiscardo und Sigismunda, vgl. dazu R.s Marginalien in Passau, Staatl. Bibl., Inc. 35 zu Aeneas Silvius D Piccolomini, ep. 427) unterhaltsam bestückt, als Autoritäten werden Macrobius, Vergil und Cicero (‘De senectute’) genannt. Anredeformen und Rubriken (Bl. 254 v: Sensualitas loquatur) weisen auf eine Vortragssituation hin. Handschrift. M, Bl. 246 r⫺254av (vor den metrischen Teilen zwischen Bl. 252/253 u. 254/ 254a jeweils ein vordem beschriebenes Blatt ohne Textverlust entfernt).

3. ‘Dialogus de contemptu mundi’. Gesprächspartner des ‘Dialogus’ (Oblinger, S. 19⫺23; inc.: Duos esse timores pre˛cipuos nemo doctus ignorat) sind R. (magister) und ein junger Mann (discipulus / novicius), der ihn ex gymnasio Viennensi aufsuchte. Gerahmt von einem prologus epistolaris (Bl. 2 r⫺3 r) und einem metrischen argumentum in elegischen Distichen (Bl. 145 v; gedr. Oblinger, S. 22 f.), verhandelt R. in den sechs Büchern seines umfangreichsten Prosawerkes, sechs eintägige Unterhaltungen spiegelnd, zunächst et mortis continuam pre˛sentiam et vite˛ huius instabilitatem (Buch I⫺II), dann jedoch religionis necessitatem ad ce˛lestia regna consequenda et gehennam declinandam (Bl. 2 v, Buch III⫺VI), mit dem Ziel, den Anfänger zu unterweisen und zur Annahme des Klosterlebens, genauer: zur Profeß zu bewegen. Die Entscheidung für die Dialogform begründet R. didaktisch und dürfte dabei an philosophische Gespräche, aber

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auch an die ‘Dialogi’ Gregors des Großen (vgl. C.5.) gedacht haben. In erheblichem Maße zitieren beide Akteure Dichtungen, am häufigsten diejenigen des Prudentius, R.s poetisches Œuvre selbst wird von beiden Seiten herangezogen (Bl. 7 v, 9 v, 12 v, 15 r, 58 r, 61v⫺62 r, 96 v, 97 v, 110 r; die Bl. 26 v eingerückte metrische Paraphrase zu Sir 41, 1 f. variiert sein eigenes carmen, das R. in Passau, Staatl. Bibl., Inc. 134/1, Bl. [p6]v, notierte). Das Spektrum zitierter Quellen ist breit und reicht von Plato, Aristoteles, den lat. Klassikern und Kirchenvätern, der ‘Regula Benedicti’, Bonaventura und Thomas von Aquin bis zu Jakob J Lochers ‘Stultifera navis’ (Bl. 25 r: Iacobus in Narragonia) und Baptista Mantuanus. Handschrift. M, Bl. 2 r⫺145 v (zwischen Bl. 36 u. 37 ein vordem beschriebenes Blatt ohne Textverlust entfernt).

4. ‘Super evangelium in cena’. Das in vier mit eigenen Prologen eingeleitete partes gegliederte fortlaufende commentariolum über das Letzte Abendmahl (Bl. 3 r; inc.: Multa mihi ac pene infinita consyderanti, quae ad bene beateque vivendum conducunt; Zitate eigener Dichtungen Bl. 33 r und 48 r, dort gestrichen; Buchgrenzen Bl. 30 v, 62 r und 87 r) behandelt Io 13⫺16 und bricht im vierten Teil aufgrund eines Lagenverlustes im Codex unicus inmitten der Erklärung zu Io 16, 22 ab. Im Stile eines durch Fragen, direkte Ansprachen vor allem des monachus (Bl. 55 v, 67 r, 75 r) und Ausrufe belebten Lehrvortrages, der durch eine interpretatio Bernhards inspiriert worden sei (Bl. 3 v; gemeint ist wahrscheinlich die Bernhard von Clairvaux zugeschriebene ‘Expositio super evangelium in coena Domini’, eine Predigtreihe des Oglerius von Trino [PL 184, Sp. 879⫺950], mit der R. sachlich wenig gemein hat, deren monastisches Ethos er jedoch teilt; vgl. 2VL, Bd. 1, Sp. 757), zieht R. vor allem Bibelstellen zur Erklärung heran, arbeitet typologische Entsprechungen heraus und spricht in emphatischen Einschüben die benediktinischen Ideale und Mißstände der klösterlichen Praxis an (Bl. 6 v, 8 r, 34 v, 69 r). R. nutzt für seine Er-

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klärungen etablierte Instrumente wie die ‘Sentenzen’ des Petrus Lombardus oder die ‘Postilla’ des Nicolaus von Lyra; in gelehrten Exkursen, die philosophischen und theologischen Begriffen, aber auch einem prosodischen Problem bei Prudentius gelten können, werden hingegen die antiken und modernen Autoritäten herangezogen. Isoliert sind Verweise auf die ‘Elegia’ des Heinrich von Settimello (Ende 12. Jh.) und auf Marsilio Ficinos Übersetzung von ‘De divinis nominibus’ des Ps.-Dionysius Areopagita. Handschrift. Lb, Bl. 3 r⫺98 v.

5 . P re di gt en . Die drei an die (Vornbacher) Brüder gerichteten Predigten in der Hs. M (Nativitas Christi, 25. Dez.; Purificatio Mariae, 2. Febr.; Annuntiatio Mariae, 25. März) sind Teil einer Reihe und gedanklich miteinander verknüpft. Der gelehrte Charakter der ausgearbeiteten Stücke wird durch Verweise auf philosophische Topoi, die Historiker Flavius Iosephus (R.’ annotiertes Exemplar Passau, Staatl. Bibl., Inc. 108) und Petrus Comestor (‘Historia scholastica’) sowie häresiologische und sprachliche Kommentare unterstrichen, neben denen sich die geistlichen Aussagen über Sünden und Gebet schlicht ausnehmen. Das autographe Inhaltsverzeichnis in Lb (Bl. 2 v) nennt (chronologisch anschließend) sechs weitere, inzwischen verlorene Sermones (in XL, de sanctis, in die palmarum, de passione domini, de Ascensione, de Pentecoste; Oblinger, S. 28). Handschrift. M, Bl. 255 ⫺258 u. 259 ⫺ 265 r. r

r

r

B . H is to ri og ra ph is ch e S ch ri ft en . 1. ‘Historia monasterii Formbacensis’. Die in mehreren Etappen aufgezeichnete, 1504 abgeschlossene Geschichte des Klosters Vornbach führt in drei jeweils zweigeteilten Büchern von der Gründung 1094 bis zu R.s ersten Amtsjahren (Oblinger, S. 29⫺31; Dorrer, S. 32⫺61; Glaser, S. 857⫺860; Glassner, S. 349 u. 368). Auf der Grundlage der wenigen biographischen und inschriftlichen sowie der reicheren dokumentarischen Quellen verbindet

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sie die Besitzaufnahme Vornbachs und seiner Propstei Gloggnitz mit der Series der Äbte, deren Schilderungen erst bei den unmittelbaren Vorgängern Michael (1472⫺ 1474) und Leonhard individuelle Züge annehmen, indes durchweg kritisch Reformeifer und Gebaren betrachten (Proksch, S. 235 u. 287). Wohl auch im Sinn einer Eröffnungsbilanz und eines Rechenschaftsberichtes behandelt Buch I Lage und Ausstattung Vornbachs und würdigt die Baumaßnahmen des Vorgängers mit einem Zitat aus Lochers ‘Stultifera navis’ (hier unter dem Namen Sebastian J Brants; Pez, Sp. 431 f.), in der Reihenbiographie des zweiten Buches teilt R. lediglich die Hauptschritte seines eigenen klösterlichen Werdeganges mit. Buch III ist Lage und Geschichte von Gloggnitz gewidmet, einem locus amoenus (curifugium; Pez, Sp. 466), den R. anscheinend erst nach der Niederschrift des Prologes zu diesem Buch kennenlernte. Im Autograph folgt eine Liste der nomina fundatorum (Bl. 138 r⫺v u. Pez, Sp. 482). Auch die ‘Historia’ ist eine Bühne für R.s Gelehrtheit: Enzyklopädisch anmutende Listen von Fisch- und Vogelarten stehen neben sprachlichen Quisquilien, die geschickt in die Beschreibungen der Lokalitäten integriert werden (Pez, Sp. 433, 466 und 470). Zeitgeschichtliche Anspielungen sind mit Blick auf die im Entstehen begriffenen ‘Gesta’ (B.2.) dagegen selten. Handschriften. Lb, Bl. 99 r⫺137 v (unvollst.); Wien, ÖNB, Cod. 7343 vollst. Abschrift des Autographs, 1562; vgl. auch R.s lokalhistorische Marginalien in München, Bayer SB, 2° Inc.c.a. 2384 a, Bl. 185 v, 189 v, 192 v (Iacobus Philippus Bergomensis, ‘Supplementum chronicarum’). Ausgabe. Pez, Sp. 425⫺481 (nach einer Kopie des bereits defekten Autographs: Pez, S. LXXXVI u. Oblinger, S. 27; vgl. auch den Abschnitt De Varnpaco monasterio in der Hs. der Brüder Pez Melk, Stiftsbibl., Cod. 396, Bl. 103 r⫺123 r); Ergänzungen nach dem Wiener Exemplar bei Oblinger, S. 95⫺99; dt. Übersetzung von Teilen des zweiten Buches (1438⫺1504) in: J. B¸hler, Klosterleben im MA nach zeitgenössischen Quellen, hg. von G. A. Narciss (Insel-Taschenbuch 1135), 1989 u. ö., S. 243⫺249, u. (Wahl R.s zum Abt) in: Bayerische

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Bibliothek, Bd. 1: Mittelalter u. Humanismus, ausgewählt u. eingeleitet von H. Pˆrnbacher, 1978, S. 881⫺884.

2. ‘Gestorum in Bavaria libri VI’. Die sechs gleichfalls zweigeteilten und mit eigenen Prologen eingeleiteten, bald an eine doctissima paternitas, bald allgemein an den Leser adressierten Bücher (Dorrer, S. 61⫺106; Glaser, S. 857⫺860, bei diesen und Dicker häufig die falsche Schreibung ‘Gestarum’; Kraus 1977, S. 54⫺57; Dicker, S. 228⫺230, 310 f. u. 321⫺323, der in Wolfgang Marius den Adressaten des Werkes sieht) wurden zwischen 1504 und 1506 parallel zu Verlauf und Bereinigung des Landshuter Erbfolgekrieges aufgezeichnet. Sie sind Gegenstand der Bücher II⫺VI, während Buch I mit einer Beschreibung Bayerns und einer Genealogie seiner Herzöge die chorographischen und historischen Präliminarien abhandelt: programmatisch werden Aeneas Silvius D Piccolomini (‘Europa’) zu Beginn und Celtis’ seit etwa 1500 im Druck zugängliche ‘Germania generalis’ als Quellen zitiert. Hinter den distanziert betrachteten politischen Implikationen des Konfliktes sieht R. in der sittlichen Depravation und der Mißachtung kirchlicher Institutionen, insbesondere der Klöster, seine eigentlichen Ursachen: Zitate aus Sallusts ‘Catilina’ (10, 3 f.; Mohrmann) und Baptista Mantuanus (‘De calamitatibus temporum’) im Prolog des ersten Buches markieren die historischen und zeitkritischen Bezugspunkte. Die bisweilen verwirrende Folge der Kriegshandlungen unterbricht R. mit Charakterskizzen der Hauptakteure (Oefele, S. 116), Appellen an die Fürsten (Oefele, S. 127), detailfreudigen Digressionen über die Laster und sexuelle Exzesse (Oefele, S. 108 u. 112), einer kritischen Musterung der Kirche seiner Zeit (Oefele, S. 116 f.), aber auch einer novellistisch ausgemalten Romanze aus dem Schloß in Burghausen (Oefele, S. 128). Die gedanklichen und strukturellen Parallelen zum ‘Carmen de bello Norico’ des Wolfgang Marius, dessen Erlebnisse in Rotthalmünster R. anscheinend anonym aufgriff (Oefele, S. 113)

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und dem er eine commendatio des Werkes zukommen ließ (C.9.), sind manifest. Handschrift. M, Bl. 149 r⫺231v. Ausgabe. Oefele, S. 99⫺139.

C . L at ei ni sc he Di ch tu ng en . Das poetische Werk (Oblinger, S. 31⫺ 36) wird vor allem durch die Abschrift des Wolfgang Marius (Ld; beschrieben von Worstbrock, 2005) tradiert, deren Rubriken nur ein Gedicht eindeutig vor dem Abbatiat R.s ansetzen; weitere Stücke sind in den beiden Autographa und verstreut überliefert. Dem Index in Lb (Bl. 2 v; vgl. Pez, S. LXXXVI f.; Oefele, S. 94⫺96; Oblinger, S. 28) zufolge müssen eine Reihe von Dichtungen als verloren gelten ⫺ sieben Hecatosticha (ein Exzerpt im ‘Dialogus’ [A.3.], Bl. 96 v), zwei iambische, ein hexametrisches und ein sapphisches Carmen auf Maria, die Patronin Vornbachs; ‘De brevitate vite˛ hecatostichon’; ‘De proprietate monachorum’ ⫺ oder sind nur indirekt durch metrische Argumenta (‘De miseria pre˛latorum’, vgl. Worstbrock, 2005, S. 101) oder als Selbstzitate in den Prosawerken R.s (vgl. A.3. und A.4.) bezeugt wie das ‘Alphabetum Gersonis’, bei dem es sich um eine Versifikation des Johannes Gerson zugeschriebenen, handschriftlich und im Druck verbreiteten Andachtsbuches ‘Alphabetum divini amoris’ (GW 1554⫺1559 u. 1563 f.; zu einer Hs. Staindls Lehmann, 1961, S. 239) handeln dürfte (‘Dialogus’ [A.3.], Bl. 61r⫺62 r: memini te alphabetum Gersonis transtulisse in carmen: elegische Distichen, zwei Auszüge mit 48 Versen), und ein ‘Tractatus de cognitione sui ipsius’ (elegische Distichen; daraus eine Paradiesbeschreibung von 22 Versen im ‘Dialogus’ [A.3.], Bl. 7 v; vielleicht auch Bl. 12 v). Ebenfalls im ‘Dialogus’ spricht R. von einer Ausgabe seiner Gedichte (Bl. 97 v: ex nostris carminibus, que˛ nuper e˛didi), deren Zuschnitt zwar nicht rekonstruiert werden kann; der moralisierende und christliche Tenor des poetischen Werkes und die Häufung der für seine Zeit nicht untypischen (Collins, 2006, S. 532 f. und 556⫺561) Versifikationen biblischer und

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etablierter hagiographischer Stoffe, vielleicht nach dem Vorbild des Prudentius, sind indes unverkennbar. Es verbindet traditionelle Themen mit humanistischen Stilidealen. Die bevorzugten Metren sind Hexameter, elegisches Distichon und die sapphische Strophe, neben denen für spezifische Kontexte gelegentlich weitere Zeilen- und Strophenformen (Hendecasyllaben, Zweite Asklepiadeische Strophe, Ambrosianische Hymnenstrophe) verwendet werden. 1. ‘De calamitatibus Bavariae’. Das hexametrische Pendant zu den ‘Gesta in Bavaria’ (B.2.) über den nach dem Tod Hzg. Georgs d. Reichen von BayernLandshut (1. Dez. 1503) ausgebrochenen Landshuter Erbfolgekrieg kam nicht über das Auftaktbuch hinaus (732 vv., inc.: Cogimur oblatas Bavare˛ describere clades; Bl. 245 v: Multis occupationibus irre˛titus finire non potui. Sed si tempus se obtulerit, ad aliam partem ligabo). Nach einer invocatio (27 vv., Bl. 233 r) um Gottes Beistand handelt seine casta chelys (v. 18) den Inhalt der Bücher I und II 1 der ‘Gesta’ ab: R. setzt ein mit der Depravation des vordem glücklichen Bayern, in dem die Benediktiner geachtet gewesen seien, bevor die dominandi foeda libido (v. 54) ihren Einfluß geltend machte. Sie ist Ausgangspunkt für einen geographischen und historischen Vorspann (vv. 83⫺176), in dem der Konflikt zwischen Karl d. Gr. und Tassilo (Lob Karls, vv. 109⫺132, sicherlich mit Blick auf Maximilian) und die Etablierung einer Klosterlandschaft zentral sind. Er verstärkt auch im Vergleich zu den ‘Gesta’ die Kritik an Hzg. Georgs zügellosen Liebschaften und der Habgier seiner Tochter Elisabeth (vv. 320⫺353: Ekphonesis gegen den amor habendi). In der Mitte des Buches steht Georgs Tod; es schließt nach einem Vermittlungsaufruf an Maximilian und kunstgerechten Descriptiones der Hauptorte München, Landshut und Ingolstadt mit einem eindringlichen Friedensappell (vv. 662⫺762) des Landshuter Tages an den Pfälzer Ruprecht, den dieser mit seinen Rüstungen ignoriert. R. bedient sich zwar mitunter intensiv des epischen Formenrepertoires aus my-

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thologischen Anspielungen und Beispielen, das jedoch nicht konzeptionell verdichtet wird; manche Junkturen finden sich im jüngeren ‘Carmen de bello Norico’ des Wolfgang Marius wieder. Handschrift. M, Bl. 233 r⫺245 r. Ausgabe. Oefele, S. 139⫺147.

2. ‘De miseria pre˛sentis vite˛’. Die in 251 eleg. Distichen gefaßte Dichtung (inc. Iam sol extremum celi penetraverat axem) ist in drei distinctiones gegliedert, I (S. 143): Klage über die Vergänglichkeit, II (S. 147): Mißstände und Wechselfälle der Fortuna; III (S.153): Gegenentwurf des klösterlichen Lebens. Vorgeschaltet ist ihr ein Traumgesicht R.s, dem die Fides erscheint (S. 140⫺143); an ihr Ende stellt R. eine das himmlische Jerusalem evozierende Schilderung der Wohnstatt der Fides und die Aufforderung zum Klostereintritt (S. 158). Reich an antiken Exempla und mythologischem Kolorit, fallen die knappen Andeutungen über Korruption an der päpstlichen Kurie, Verfehlungen der Salzburger Bischöfe, Mißstände in Passau und Bedrückungen Vornbachs (S. 149) konventionell und unbestimmt aus. Das Carmen steht den moralisierenden Passagen des ‘Dialogus de contemptu mundi’ (A.3.) und der ‘Gesta’ (B.2.) sowie R.’ Gedicht ‘De corruptione’ (inc.: Omnia degenerant finem monstrantia mundi; M, Bl. 270 r⫺271r; gedruckt Oblinger, S. 35 f.) nahe, in dem R. auf die verwandte Dichtung eines Bernardus doctor et abbas (v. 3) verweist, mit der sicherlich Bernhards von Morlas ‘De contemptu mundi’ (Walther, Initia 8411; vgl. 2VL, Bd. 1, Sp. 757) oder Walther, Initia 2521, gemeint ist. Handschrift. Ld, S. 140⫺159.

3. ‘Carmen de passione Christi heroicum’. Thematisch dem vor Okt. 1511 entstandenen ‘Christi fasciculus’ des Wolfgang Marius verwandt, entfaltet das hexametrische ‘Carmen’ (inc.: Postquam prima parens tempsit mandata tonantis) Christi Leiden in zwei partes mit je eigenem Vorspann (I, S. 127 endet mit dem Todesurteil des Synedrion; 678 vv.), deren zweite durch den Ausfall mindestens einer Lage

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am Ende unvollständig ist (Worstbrock, 2005, S. 102) und mit der Paraphrase von Mt 27, 19 f. (Traum und vergebliche Intervention der Gattin des Pilatus) abbricht. In epischer Manier setzt R. die Ereignisse mit Hilfe eines Unterweltconcilium samt Redeauftritt des Teufels in Gang (S. 112 f.), das Kaiphas, Judas und die Römer in seinen Dienst nehmen wird. Vorgeschaltet ist wie in den ‘Calamitates’ eine hexametrische invocatio Gottes (S. 110 f.), Marginalien (ab S. 114) verweisen auf die zugrundeliegenden Evangelien. In der Hs. folgen im heutigen Zustand zwei kleinere Dichtungen über Christi Geburt (S. 134⫺139). Handschrift. Ld, S. 110⫺133.

4. ‘Legenda sancte Barbare’. Im Mittelpunkt der in zwei partes (I: bis zur Festnahme Barbaras, II, S. 91: Martyrium; 712 vv.) aufgeteilten Versbearbeitung in elegischen Distichen (inc.: Salve virginei purissima gemma pudoris), deren Vorlage nicht ermittelt werden konnte, stehen kunstgerechte Beschreibungen (der Schönheit Barbaras, ihrer Heimatstadt Nicomedia, eines vom Vater gestifteten Tempels), vor allem jedoch die Redeagone, in denen sich Barbara gegen ihre heidnischen Widersacher behauptet. Handschrift. Ld, S. 77⫺108.

5. ‘Secundus dyalogorum beati Gregorii liber in carmen heroicum translatus’. Die hexametrische Versifikation (inc.: Arma virumque cano Ausoniis qui primus in oris) des zweiten Buches der ‘Dialogi’ Gregors des Großen über Benedikt von Nursia liegt in zwei Büchern (415 vv.; Buchwechsel S. 177) vor, deren zweites, erheblich kürzeres lediglich das achte Kapitel behandelt und mithin wahrscheinlich unvollständig ist (Worstbrock, 2005, S. 102 f.), auch wenn es just mit einem Blick auf Montecassino endet (‘Dialogi’ II 8, ed. U. Moricca, Rom 1924, S. 95, 2). Unabhängig von mal. metrischen Paraphrasen des zweiten Buches oder der gesamten ‘Dialogi’, folgt sie ihrer Vorlage sachlich präzise und versucht, wie der programmatisch dem ersten Vers der ‘Aeneis’ Vergils nachgebildete Auftakt anzeigen soll, sie in die

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Diktion der antiken lat. Epik und Lehrdichtung zu heben. Handschrift. Ld, S. 165⫺180.

6. ‘Lucubrationes’. Der vermutlich zwischen 1503 und 1505 anzusetzende poetische Briefwechsel zwischen R. und Wolfgang Marius umfaßt elf Stücke, von denen 5 (Nr. 2, 4, 6, 8, 10) mit einer Ausnahme in elegischen Distichen verfaßte auf R. entfallen. Er preist Marius’ poetische Begabung und seine Freundschaft, verwahrt sich jedoch gegen die Apostrophierung als magister und pater. Handschrift. München, Bayer. SB, Clm 1851, Bl. 121r⫺146 r.

7. Briefgedichte. Die Reihe der vier Briefgedichte am Ende der Münchener Hs. wird eröffnet von der sapphischen Epistel an Konrad Celtis, die mit einem Lob des Adressaten, das Celtis’ Selbstverständnis reflektiert, schließt. Die drei folgenden in elegischen Distichen, die als Geschenke an Ulrich (Udalricus) von Vorau (Erwähnung des Celtis, allerdings nicht des bereits gestorbenen, so Oblinger, S. 19, u. Dorrer, S. 13; vgl. Vers 10: sed nimis, o, vates tantus amore perit), Abt Wolfgang Haberl von Mondsee, der 1501 R.s Wahl zum Abt unterstützte, und den Mönch Oswald (Osvaldus) in Klosterneuberg gerichtet sind (Oblinger, S. 14 u. Dorrer, S. 13 f.), variieren das Thema virtus, deren geistliche und monastische Ausprägungen hervorgehoben werden, ohne daß vor der Aufnahme in das Autograph Reprisen getilgt wurden. Handschriften. M, Bl. 267 r⫺268 v, 269 r⫺ 270 r, 271r⫺276 v; Wien, ÖNB, Cod. 4011, Bl. 292 r⫺295 v (an Abt Wolfgang von Mondsee). Ausgaben. Oefele, S. 97 (an Celtis); CeltisBr. S. 599⫺603 (an Celtis, mit fehlerhafter Angabe “Clm 180”).

8. Metrische Bucheinträge. Neben den buchgeschichtlich wertvollen Kaufnotizen in Prosa (fehlerhafte Übersicht Dorrer, S. 27⫺29; wesentliche Ergänzungen Wagner, 1993, S. 215) nennen die Bucheinträge in elegischen Distichen, die R. bisweilen in seine Autographa auf-

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Rumpler, Angelus

nahm, Autor, Werk sowie charakteristische inhaltliche und formale Merkmale wie die Figurengedichte des D Hrabanus Maurus (‘De laudibus sanctae crucis’, VD 16, H 5271: Inc. 121/1), bisweilen auch Stifter und Erwerber, die R. in die abschließende Gebetsbitte einbezieht. Den Eintrag in seinem durchgängig annotierten Exemplar der Editio princeps des ‘Ligurinus’ D Gunthers von 1507, das R. Celtis verdankte (Inc. 333/2), gestaltete er zugleich als Nachruf auf den 1508 verstorbenen, das Gedicht in Inc. 79/2 (Bl. [p8]r) als national getönte Würdigung des Johannes D Regiomontanus (v. 7 Lucidior Ptoleme˛us adest umschreibt seine Ausgabe des Ptolemaeus und ist kein Epitheton des Regiomontanus, wie Dorrer, S. 27 meint). Wolfgang Marius teilte im übrigen diese Passion R.s nicht: Bislang sind zwei metrische Kaufeinträge dokumentiert (1500⫺ 1514): München, Bayer. SB, Clm 27492, Bl. 4 r (Fragment aus einer mehrbändigen Inkunabel des Antoninus Florentinus) und 2° Inc.c.a. 2962 c, Bd. 2 (jeweils ein Distichon auf dem vorderen und hinteren Schmutzbl.), ferner ein Chronodistichon zum Todestag Hzg. Georgs d. Reichen (1. Dez. 1503; München, Bayer. SB, 8° Inc.c.a. 246 a, Rückendeckel). Handschriften und handschriftliche Einträge in Drucken. M, Bl. 258 r⫺v u. 265 r⫺v; München, Bayer. SB, Clm 27492, Bl. 3 r (Titelbl. aus GW 12431, Teil 1) u. 2° Inc.c.a. 2808 e, Bl. 328 v (tit.: In epistulas divi Augustini; 1503, heute verlorene Kopie in Lb); Passau, Staatl. Bibl., Inc. 8/2 (drei Einträge), Inc. 54/4 (1507), Inc. 68, Inc. 79/2, Inc. 121/1 u. 121/2, Inc. 125, Inc. 134/1, Inc. 149, Inc. 153/3, Inc. 215, Inc. 333/2. Ausgaben. Oswald, 1969, S. 407 Anm. 22 (Inc. 54/4); Gunther d. Dichter, Ligurinus, hg. von E. Assmann, 1987, S. 28 f. Anm. 100 (Inc. 333/2).

9. Kleinere Dichtungen. Die wichtigste Gruppe bilden metrische Gebete an Maria, Maria Magdalena, Georg und Hieronymus (dort auch der Prügeltraum seiner ep. 22), die vor allem in Marius’ poetische Sammelhs. aufgenommen wurden; nur am Schluß der Passauer Hs. findet sich ein Dankgedicht Ad e˛ternum bonum et ad ipsum misericordie fontem (inc.: Inclyta vita hominum pacis iusti-

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que repertor; 27 eleg. Dist.). Aus dem klösterlichen Umfeld stammen die Epitaphien für R.s Vorgänger Michael und Leonhard (in B.1.), Tituli und eine Bauinschrift für Gloggnitz; singulär ist ein Gedicht, das R. zu einem gedruckten Ablaßbrief im Auftrag Abt Leonhards beisteuerte (vgl. Wagner, 1999, S. 677), ferner ein Rätselgedicht über die castanea, das die verbreitete etymologische Assoziation mit casta pointiert aufgreift (inc.: Nascitur in densis arbor mollissima sylvis). Abgesehen von C.6. und C.7. sind poetische Freundschaftsgaben selten: Ihnen können noch ein Gedicht für Lüntaler (inc.: Salve pertenui totiens veneratus avena) und die beiden Beiträge R.s zugeschlagen werden, die Wolfgang Marius an den Anfang seines eigenen Gedichtbuches im Clm 1851 stellte, das autographe argumentum (72 Hendekasyllaben) für eine mögliche Werkausgabe und eine commendatio zu seinem ‘Carmen de bello Norico’. Handschriften. Ld, S. 25⫺46, 59⫺76, 134⫺ 139, 160⫺164; Lb, Bl. 116 r, 124 r, 139 r⫺140 r; M, Bl. 232 r, 258 v, 265 v⫺266 v, 269 r, 270 r⫺271r; München, Bayer. SB, Clm 1851, Bl. 1r⫺3 v; Passau, Staatl. Bibl., Mst. 10, Bl. 334 v. Ausgaben. G. Bruschius, Supplementum Bruschianum, Wien 1692, S. 106⫺108 (fehlerhafter Abdruck der Epitaphien der Äbte Michael und Leonhard); Oefele, S. 97 f. (Rätselgedicht über die castanea, fehlerhafter Abdruck des Epitaphiums für Lüntaler); Oblinger, S. 34⫺36 (castanea und ‘De corruptione’); Worstbrock, 1985, S. 98 (Epitaphium für Lüntaler). Literatur. B. Pez, Thesaurus anecdotorum novissimus, Bd. 1/3, Augsburg 1721, Sp. 425⫺482; A. F. Oefele, Rerum Boicarum Scriptores, Bd. 1, Augsburg 1763, S. 88⫺147; O. Schmid, in: ADB 29, 1889, S. 671 f.; L. Oblinger, A. R., Abt von Formbach, u. die ihm zugeschriebenen hist. Kollektaneen, Archival. Zs. NF 11 (1904) 1⫺99; P. Lehmann, Staindel-Funde, Hist. Zs. 111 (1913) 15⫺ 40 (wieder in: ders., Erforschung d. MAs, Bd. 4, 1961, S. 237⫺256); A. Lhotsky, Quellenkunde zur mal. Gesch. Österreichs, 1963, S. 436 f.; E. S. Dorrer, A. R., Abt von Formbach (1501⫺1513) als Gesch.schreiber. Ein Beitrag z. klösterlichen Gesch.schreibung in Bayern am Ausgang d. MAs (Münchener Hist. Stud., Abt. Bayer. Gesch. 1), 1965; J. Oswald, Bayer. Humanistenfreundschaft. Die Äbte A. R. von Formbach u. Wolfgang Marius von Aldersbach, in: D. Albrecht / A. Kraus /

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Rustinimicus, Marcus

K. Reindel (Hgg.), Fs. für M. Spindler zum 75. Geburtstag, 1969, S. 401⫺420; W.-D. Mohrmann, A. R. als Humanist. Einige Bemerkungen zu R.s Darstellung d. Landshuter Erbfolgekrieges, Ostbair. Grenzmarken 14 (1972) 155⫺174; A. Kraus, Die geistige Welt d. Joh. Aventinus ⫺ Bayern u. d. europäische Humanismus, in: G.-H. Sitzmann (Hg.), Aventinus u. seine Zeit 1477⫺1534, 1977, S. 39⫺62; F. J. Worstbrock, Aus Gedichtsammlungen d. Wolfgang Marius, Zs. f. bayer. Landesgesch. 44 (1981) 491⫺504 (wieder in: ders., Ausgew. Schriften, hg. von S. Kˆbele / A. Krass, Bd. 2: Schriften z. Lit. d. Humanismus, 2005, S. 96⫺108); ders., Joachim Lüntaler, ein Passauer humanistischer Dichter d. späten 15. Jh.s, Wolfenb. Ren. Mitt. 9 (1985) 97⫺111; F¸ssel, Bartholinus, S. 167; H. Glaser, Gesch.schreibung, in: A. Kraus (Hg.), Hdb. d. bayer. Gesch., Bd. 2, 21988, S. 841⫺860; H. Wagner, Bücher d. Staatl. Bibl. Passau aus d. ehem. Prälatenklöstern im niederbayer. Teil d. heutigen Bistums Passau, Ostbair. Grenzmarken 35 (1993) 212⫺233; C. Proksch, Klosterreform u. Gesch.schreibung im SpätMA (Kollektive Einstellungen u. sozialer Wandel im MA. NF 2), 1994; St. Kellner, “So vil als einem Closter anständig verhanden” ⫺ die Bibliothek von Vornbach, in: J. Eckl / J. Duschl (Hgg.), Das Kloster Vornbach. 900 Jahre Benediktinische Kultur im Untern Inntal, 1994, S. 71⫺92; H. Wagner, Adam von Fulda in Vornbach, Ostbair. Grenzmarken 39 (1997) 45⫺51; H. Wagner, Musikgesch. d. ehem. Benediktinerabtei Vornbach am Inn, in: H.W. Schmitz (Hg.), Passauer Musikgesch. Die Kirchenmusik z. Zt. d. Fürstbischöfe u. in d. Klöstern St. Nikola, Vornbach u. Fürstenzell, 1999, S. 624⫺ 686; C. Schwaab, in: 3LThK 8 (1999) Sp. 1361; Chr. Glassner, Der ‘Thesaurus anecdotorum novissimus’ d. Melker Benediktiners Bernhard Pez, Stud.Mitt.OSB 113 (2002) 341⫺370; E. Boshof / M. Brunner / E. Vavra (Hgg.), Grenzenlos. Gesch. d. Menschen am Inn. Katalog z. ersten Bayerisch-Oberösterr. Landesausstellung 2004. Asbach ⫺ Passau ⫺ Reichersberg ⫺ Schärding, 2004; K. Rumpler, in: BBKL 24 (2005) Sp. 1250⫺1264; M. K. Hauschild, Abt Wolfgang Marius von Aldersbach (1514⫺44) u. sein Regelkommentar, Analecta Cisterciensia 55 (2005) 179⫺267; A. Schmid, Bayern u. d. europäische Humanismus, in: K. Amann u. a. (Hgg.), Bayern u. Europa. Fs. f. Peter Claus Hartmann z. 65. Geburtstag, 2005, S. 37⫺55; H. M¸ller, Habit u. Habitus. Mönche u. Humanisten im Dialog (SpätMA u. Reformation N.R. 32), 2006; D. J. Collins, Latin Hagiography in Germania (1450⫺1550), in: Hagiographies. Histoire internationale de la litte´rature hagiographique latine et vernaculaire en Occident des origines a` 1550, sous la direction de G. Philippart, vol. 4 (Corpus Christianorum. Hagiogra-

phies 4), Turnhout 2006, S. 523⫺583; St. Dicker, Landesbewusstsein u. Zeitgeschehen. Stud. z. bayer. Chronistik d. 15. Jh.s (Norm u. Struktur 30), 2009.

Peter Orth

Rustinimicus (Bauernfeind), Marcus I . L eb en . R. aus Mondsee (Oberösterr.) immatrikulierte sich im SS 1496 an der Univ. Wien (Marcus Pawrenfeindt de Mansee) und wurde am 3. Mai 1498 Baccalaureus. Er studierte dann ⫺ vielleicht auch bereits vorher ⫺ in Krakau, ist aber im WS 1499 wieder in Wien bezeugt, nun als Magister. In Wien gewann er freundschaftliche Beziehungen zu Konrad J Celtis, den er einmal seinen praeceptor nennt. In Briefen vom 1. und 6. Sept. 1500 berichtete er ihm von einer längeren Reise durch Deutschland, die ihn erneut auch nach Krakau geführt hatte (Celtis-Br., Nr. 247 u. 249). Die durch seine Vorlesungsankündigungen bezeugte Wiener Lehrtätigkeit könnte zu einem Teil bereits in diese Jahre fallen; dafür spricht ihre gemeinsame Überlieferung mit den Ankündigungen Vinzenz J Langs und Paul Hugs (in den Wiener Acta facultatis artium 1500⫺1505 mehrfach als lehrendes und prüfendes Mitglied der Fakultät bezeugt) in der Eichstätter Hs. (s. u. II.2.a). Nach den erhaltenen Ankündigungen lud er zu Veranstaltungen über antike Autoren sowie über Metrik und Dichtkunst und einmal zu einer Einführung ins Griechische ein. Vor Mai 1502 verließ er Wien und übernahm das Amt eines Lehrers an der Schule von St. Mauritius in Olmütz. Dort gehörte er mit Gregor Nitsch, Martinus Sinapinus, Johannes von Swola u. a. der in diesen Jahren gegründeten Sodalitas Maiorhoviana (Marcomannica) an (vgl. Wotke). Seit 1505 lebte und lehrte er wieder in Wien, wieder im Verkehr mit Celtis; in dessen Testament ist er als sein Schuldner (Geld und Hausrat) genannt (Celtis-Br., S. 607 u. 608). 1510 wurde er in das Consilium der Fakultät aufgenommen und amtierte als Assessor der rhein. Nation. An-

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Rustinimicus, Marcus

fang 1512 kehrte er nach Olmütz zurück und übernahm nun das Amt des Rektors der Domschule. Mit den Wiener Freunden, voran Georg J Tannstetter und Joachim J Vadian, hielt er briefliche Verbindung, erbat und erhielt von Vadian auch des öfteren Bücher (u. a. Vadians ‘Gallus pugnans’, Plautus’ ‘Aulularia’ und die Versepisteln des Horaz). 1517 hatte er Besuch von Rudolf J Agricola Iunior. Seit 1523 war er erneut in der Wiener Artistenfakultät tätig. Im SS 1524 versah er das Amt des Dekans. 1526 war er Assessor der sächs. Nation. In den Jahren bis 1528 waren Gegenstände seiner Lehre die Grammatiken des Diomedes und Bernhard D Pergers und mehrfach Vergils ‘Aeneis’. Seine Beauftragung mit einer Vergilvorlesung am 1. Sept. 1528 für das kommende WS ist das letzte bekannte Lebenszeugnis. I I. Sc hr if te n. 1. Lateinische Grammatik. 1504 veröffentlichte R. unter dem Titel pedagogus grammatices eine den Schülern in Mähren zugedachte lat. Elementargrammatik, welche die traditionellen deklinablen und indeklinablen Partes orationis zum Gegenstand hat, in der Hauptsache aber gründlich die Flexion von Nomen und Verb traktiert; gänzlich verzichtet sie auf die Syntax. In der Vorrede an den Rat und Magistrat von Olmütz (1. Aug. 1504) macht R. gegen die mal. Lehrbücher Front, die nach seinem Urteil fruchtlos die Zeit der Lernenden aufzehren, will sie ablösen durch eine aus den antiken römischen Grammatikern erstellte ebenso verläßliche und solide wie kurzgefaßte Lehre, die eine rasche Beherrschung der Anfangsgründe des Lateins verspricht. Neben den antiken hat er auch neuere Grammatiker, etwa Perotti, konsultiert. Belege aus antiken Autoren finden sich hingegen nur sporadisch. In der Darstellung folgte R. fortlaufend dem didaktischen Frage-Antwort-Modell Donats bzw. Perottis. R. hat dem 64 Bll. zählenden Lehrbuch zwei Carmina inseriert (Bl. [b4]v: Ad lectorem Sycophantam, 7 Dist.; Bl. [f3]r: Ad doctos et scientificos scolarium preceptores, 5 Dist.), hat es v. a. mit einer Anzahl

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lat. Gedichte gerahmt. Auf dem Titelbl.v richten sich acht Distichen Ad beniuolos et sapientes scolarium Rectores; der Vorrede an den Olmützer Rat und Magistrat (Bl. a ijr⫺a iijr) folgen a iijr⫺v drei Epigramme an den Olmützer Kanoniker Marcus Longk, an den Kanoniker Martinus Sinapus und an den Ratsherrn Kilian. Am Ende, Bl. p i r⫺[p2]v, stehen neun Distichen an die Schuljugend, drei Epigramme an namentlich genannte Schüler und eine Ode in 14 sapph. Strr. an den hl. Mauritius und seine Gefährten, ut claros suos Alumnos in via Justitiae conservet. Druck. Marci Rustinimici ad morauo|rum Pueritiam pedagogus | Grammatices. Olmütz: Liborius Fürstenhain, [1504]. Ex.: Wien, ÖNB, 77.Q.29.

2. Gedichte. Neben den elf dem Druck der Grammatik beigegebenen Gedichten hat R. verstreute Gelegenheitsdichtung hinterlassen, von der sicherlich nur ein Bruchteil erhalten ist. a) Der Cod. st 519 (vor 1514) der UB Eichstätt überliefert im Kreise zahlreicher metrischer Vorlesungsankündigungen Bl. 3 r, 51v, 56 r⫺v, 57 v, 80 v⫺81r auch sechs von R. (Themen: Boethius, ‘De consolatione philosophiae’; Vergil, 4. Ekloge; Alexander de Villa Dei, ‘Doctrinale’, Teil 3 [Metrik und Prosodie]; de artificio carminis; Terenz; Einführung ins Griechische), dazu ein Epigramm Ad lectorem: De greca lingua carmen commendaticium und ein Epigramma … in eglogas Virgily. b) Strub-Gedenkschrift: 20 Elfsilbler zum Tode Arbogast J Strubs, inc.: Naturam fragilem deus creavit, in: Arbogasti Strvb Glaronesii orationes duae […], Wien: Hier. Vietor, 1511, Bl. [D4]v. Ausgabe: Tr¸mpy, S. 136 f., Nr. 33. c) Epitaph auf Celtis, 4 Dist. Abdruck: Celtis-Br. S. 415, Anm. d) An Tannstetter, Clm 24521, 11v. 20 Elfsilbler, die den Astronomen Tannstetter rühmen und ihn gegen gewisse Kritiker bestärken: Magister marcus Rustinimicus ad | magistrum Georgium Tannstet|ter. vt leuuium hominum obloqu|uciones spernat.

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Rustinimicus, Marcus

Literatur. K. Wotke, Der Olmützer Bischof Stanislaus Thurzo´ von Be´thlenfalva (14 97⫺1540) u. dessen Humanistenkreis, Zs. d. Ver. f. d. Gesch. Mährens u. Schlesiens 3 (1899) 337⫺388, hier S. 365⫺371; G. Bauch, Zu Augustinus Olomucensis, Zs. d. dt. Ver. für d. Gesch. Schlesiens u. Mährens 8 (1904) 119⫺136, hier S. 130⫺134; VadianBr. I, Nr. 14, 18, 37, 44, 101; Celtis-Br., Nr. 247, 249, 281, S. 607 f.; Arbogast Strub. Biographie u. lit. Würdigung von E. Brandst‰tter. Gedächtnis-

büchlein, hg. übers. u. komm. von H. Tr¸mpy (Vadian-Studien 5), 1955, S. 136 f., 198 f.; Bonorand I, S. 189 f.; P. Wˆrster, Humanismus in Olmütz, 1994, S. 50 f., 67 u. ö. (Reg.).

F. J. Worstbrock

Rutger Sycamber J Sycamber Rysicheus J Reisach

S Sapidus (Witz), Johannes Inhalt. I. Leben. ⫺ II. Werk. A. Gedichte. 1. Gedichte an oder über Erasmus. 2. ‘Epigrammata’. 3. ‘Sylva epistularis seu Barba’. 4. ‘Romulus’. 5. ‘Epitaphia’. 6. Verstreute Epigramme und Epitaphien. ⫺ B. Kleinere poetische Beiträge zu Schriften und Drucken anderer. ⫺ C. ‘Anabion seu Lazarus redivivus’. ⫺ D. Prosa. ⫺ E. Briefwechsel. ⫺ Literatur.

I . L eb en . S. zeichnete in einem Brief an Bruno Amerbach vom 28. Nov. 1508 noch mit seinem Familiennamen als Ioannes Wicz. In der Korrespondenz mit Beatus Rhenanus nannte er sich bereits 1509 Ioannes Sapidus. Den Brief an Bonifacius Amerbach vom 21. Juni 1511 unterzeichnete er mit Jo. Wicz Alias Sapidus.

Über die Familie des 1490 in Schlettstadt geb. S. ist nichts Sicheres bekannt. Ein Neffe Jakob J Wimpfelings, als der bisweilen noch geführt wird (zuletzt: D. Dr¸ll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1386⫺1651, 2002, S. 253), war er nicht. Er besuchte die berühmte Schule seiner Heimatstadt unter ihren Rektoren Kraft Hofmann und Hieronymus J Gebwiler. Einer seiner Mitschüler war der fünf Jahre ältere Beatus J Rhenanus, der bereits als Hilfslehrer in den unteren Klassen eingesetzt war. Rhenanus hatte im Frühjahr 1503 in Paris das Studium der Artes aufgenommen. S. folgte ihm 1506 nach, erwarb bald das Bakkalaureat und 1508 den Grad des Magisters. Dem großen Rhenanus, der wohl schon seit der Schlettstädter Schulzeit seine Bewunderung und Zuneigung hatte, blieb er bis in die Jahre der frühen Reformation freundschaftlich verbunden. In Paris gewann er die ebenfalls dauerhafte Freundschaft Michael J Hummelbergs hinzu. Daß er nach Abschluß des Pariser Studiums zunächst, bevor er nach Schlett-

stadt zurückkehrte, in einer Straßburger Offizin als Korrektor gearbeitet hat, wie verschiedentlich vermutet wird, ist nicht exakt belegt. Anfang 1511 und mit fester Anstellung am 12. Febr. 1512 wurde ihm die Leitung der Schule in Schlettstadt anvertraut, die Gebwiler aufgrund seiner Berufung nach Straßburg niedergelegt hatte. Unter seinem Rektorat erreichte die Schlettstädter Schule den Gipfel ihrer Anziehungskraft; die von Thomas Platter (Lebensbeschreibung, hg. von A. Hartmann, 2 1999, S. 56) mitgeteilte unerhörte Zahl von 900 Schülern läßt sich freilich nicht bestätigen. Sein Unterricht orientierte sich an Jakob J Wimpfelings Erziehungsprogramm, verfolgte aber, sicherlich unter J Erasmus’ Einfluß, ein schärferes humanistisches Profil. S. ersetzte D Alexanders de Villa Dei (NB) ‘Doctrinale’ durch die Grammatik des Pylades aus Brescia, später durch die Jakob J Heinrichmanns und führte das Griechische, dessen Elemente er sich in Paris angeeignet haben muß, als Schulfach ein. Der Schlettstädter Schulrektor beklagte die Überlast, die ihm der Lehrerberuf täglich bereitete, und er hätte bisweilen gern das bequemere und einträglichere Amt des Stadtschreibers übernommen. Anderseits erfreute er sich gerade als Lehrer wachsenden Ansehens in der humanistischen Welt und konnte feste Beziehungen zu prominenten Köpfen seiner Zeit knüpfen. Seit Erasmus’ Reise im Spätsommer 1514 an den Oberrhein, bei der er auch Schlettstadt besucht hatte, war S. einer seiner begeisterten Anhänger. Erasmus, mit dem er seit Aug. 1514 Gedichte und Briefe austauschte, erteilte ihm in seinem ‘Encomium Selestadii’ (1515) das Kompliment, “des gelehrten Athen würdig” zu sein;

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Sapidus, Johannes

1520 widmete er ihm die Erstausgabe der ‘Antibarbari’. Auch mit Konrad J Peutinger und seinem Sohn Claudius Pius unterhielt S. einen persönlichen Briefwechsel (s. u. II.E.). Engere Beziehungen suchte und fand er zur Familie Amerbach in Basel (s. Dill). Die Schlettstädter humanistische Sodalitas, die Wimpfeling 1517 gegründet hatte, bot ihm einen erlesenen freundschaftlichen Gesprächskreis; hier begegnete er regelmäßig u. a. Paul Volz, dem Abt von Hugshofen, dem Stadtpfarrer Dr. Paul Phrygio, Beatus Rhenanus, dem ksl. Geheimsekretär Jakob J Spiegel, der ihn noch 1531 ungeachtet konfessioneller Differenzen als den weitaus liebsten und treuesten seiner Freunde bezeichnete (s. u. II.A.7.a). An Wimpfeling hing er “wie an einem Vater” (Erasmus, Opus epist., Bd. 2, S. 21). Spätestens um 1514/15 war S. erstmals verheiratet. Seine Frau Melitissa starb, wie man einem Brief Peutingers an S. (s. u. II.E.) entnimmt, bereits Ende 1522. Eine Tochter aus dieser Ehe heiratete 1537 den namhaften Straßburger Schulrektor Johannes Sturm. Das Auftreten Martin Luthers, dessen Schriften ihn schon früh faszinierten (s. u. II.A.2. ‘Epigrammata’) und dem er bald wie der Pfarrer Phrygio mit unverhohlenem Eifer anhing (vgl. Ge´ ny, S. 64, 66⫺ 70; Rhenanus-Br., S. 198), leitete auch für S. schmerzliche Brüche in seiner Lebenswelt, insgesamt eine Lebenswende ein. Den entschieden reformatorisch Gesonnenen verurteilte Wimpfeling, einst sein Förderer, heftigst (Wimpfeling-Br., Nr. 357, S. 883); Beatus Rhenanus bezog Distanz; der Briefwechsel mit Bonifacius Amerbach brach ab, auch der mit Erasmus versiegte; doch legte Erasmus noch im Nov. 1524 bei Wimpfeling ein gutes Wort für ihn ein (Op. epist., Nr. 1517). Als Schulleiter konnte S. sich im altgläubigen Schlettstadt nicht halten. Er wurde am 8. Aug. 1525 entlassen (zu den näheren Umständen vgl. Rhenanus-Br., S. 337), gab am 30. Okt. 1526 sein Bürgerrecht auf und ging nach Straßburg, wo die Reformation festen Fuß gefaßt hatte und er neben alten Freunden (u. a. Bucer, Capito, Volz, Brunfels) auch

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manchen neuen fand. Am 7. Nov. 1526 konnte er, nachdem er am 5. Nov. Straßburger Bürger geworden war, die Leitung einer der drei städtischen Lateinschulen übernehmen. Als 1537 diese zu einem Gymnasium zusammengefaßt wurden, zu deren Rektor man Johannes Sturm, S.’ Schwiegersohn, wählte, erhielt S. die III. Klasse zugewiesen. Zur Einweihung des neuen Schulgebäudes i. J. 1539 wurde sein Lazarusdrama ‘Anabion’ (s. II.C.) aufgeführt. 1540 wechselte er, befreit von den sonstigen Schulpflichten, in das Lehramt für Poesie. S. wird in seiner Straßburger Zeit nicht mehr Lutheraner, sondern entsprechend seiner Freundschaft mit Bucer und Capito und zuvor schon mit Oecolampadius Anhänger des Straßburger Glaubensbekenntnisses (Confessio Tetrapolitana) gewesen sein. Seine späten Jahre verflossen für ihn ereignislos. 1548 erhielt er am Straßburger Thomasstift, das in eine weltliche Institution umgewandelt war, ein Kanonikat. Er starb in Straßburg am 8. Juni 1561. Die Gedenkrede hielt ihm Johann Marbach, Präses des Straßburger Konsistoriums. I I. We rk . S. hat groß entworfene gelehrte oder poetische Werke nicht hinterlassen und, soweit man weiß, auch nie solche geplant. Er verzichtete im Unterschied zu vielen anderen Zeitgenossen, die Lehrer waren, sogar darauf, Lehrbücher zu verfassen, die seiner Konzeption eines humanistischen Unterrichts entsprochen hätten. Auch Editionen antiker oder neuerer humanistischer Autoren, die in der Schlettstädter und der Straßburger Schule doch gebraucht wurden, hat er nicht herausgebracht, auch keine Kommentare und Übersetzungen. Seinen Freunden war bekannt, daß er wenig Ehrgeiz hatte, sich veröffentlicht zu sehen. Doch kommt mit seinen größeren Carmina, den zahlreichen Epigrammen und Epitaphien, den Beiträgen zu Druckwerken anderer, mit denen er über Jahrzehnte zu Diensten war, dem späten überraschenden Lazarus-Drama ein ansehnliches poetisches Œuvre zusammen. S., scharfsinnig und scharfzüngig, war ein

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Sapidus, Johannes

geborener Epigrammatiker; Beatus Rhenanus (Br., S. 232, 14. Juni 1520) charakterisierte ihn als geistreich-witzigen Kopf (festivus). Für seine Gedichte bediente er sich vorwiegend des Hexameters und des elegischen Distichons, verfügte aber über das ganze Spektrum der antiken lyrischen Maße. Die große Zahl der Epitaphe und Nachrufe spiegelt den weiten Kreis seiner Freundschaften. In den späteren Jahren, mindestens seit dem ‘Anabion’, rückte das Thema des Todes in den Mittelpunkt seines literarischen Interesses. Ihm galt auch sein letztes größeres Werk, die ‘Paraclesis’, seine vielleicht einzige Schrift in Prosa. A . G ed ic ht e. 1. Gedichte an oder über Erasmus. a) Den Austausch von Gedichten und Briefen mit S. hatte Erasmus im Aug. 1514 nach seinem Besuch Schlettstadts mit seinem Vierzeiler ad Ioannem Sapidum suum in discessu (ASD I 7, 1995, S. 97 f.) angestoßen. Es folgte 1514/15, jedenfalls vor Aug. 1515, sein ‘Encomium Selestadii’ (ebd., S. 208 f.). S. antwortete darauf mit einem unverkennbaren Gegenstück, dem Gedicht Ad sodales Erasmo Roterodamo consuetudine iunctissimos, einer (freundlich ironischen) Schilderung von Erasmus’ Basler Jüngerkreis, der ganz in glücklicher Gefolgschaft des Meisters lebt (34 daktylisch-jambische Epodenstrr., inc. O Listri, Bruno, Basili, Rhenane, Frobeni). Erasmus dankte für das Gedicht, das es an Verehrung für ihn nicht fehlen ließ, im Okt. 1515 (Op. epist., Nr. 364). Drucke. Aliquot epistolae sane quam elegantes Erasmi Roterodami. Basel: Joh. Froben, Jan. 1518. VD 16, E 2935. S. 167⫺170. Wiederholt in verschiedenen Ausgaben von Erasmus-Briefen, auch in S.’ ‘Epigrammata’ (s. A.2., Bl. a iijr⫺[a4]v), in D. Erasmi | Roterodami opus de con|scribendis epistolis recognitum | denuo ab autore et lo|cupletatum. | […]. Straßburg: Joh Albert, März 1534. Bl. [7]r⫺[8]r, u. a. Ausgabe. Dill, 2000, S. 43⫺47 (mit dt. Übers.).

b) ‘Certamen de origine Roterodami’. In 13 Distichen läßt Sapidus Gallia und Germania über die Frage streiten, welcher von den beiden der Ruhm zustehe, Eras-

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mus hervorgebracht zu haben. Als es zur Verhandlung vor dem genius des Erasmus kommt, zieht sich die verschlagene Gallia jedoch ängstlich geworden, ohne den Spruch des Richters abzuwarten, zurück. Die redliche Germania verleugnet ihren Anspruch nicht, überläßt ihren Erasmus aber großmütig und versöhnlich der Gegnerin und zugleich dem ganzen Erdkreis. Das Gedicht war S.’ Brief an Bonifacius Amerbach vom 11. Nov. 1515 (AmerbachKorr., Nr. 541) zufolge damals bereits formuliert, doch Erasmus erhielt es anscheinend erst im April 1516; vgl. Erasmus, Op. epist., Nr. 399. Zum Text und seinen Umständen vgl. Dill, 2000, S. 30⫺32. Handschriften. Basel, UB, Erasmuslade C 5 (Autograph des S.); Deventer, Stads- of Athenaeumbibliotheek, Hs. I, 91, Bl. 175 r⫺v (Abschrift der an Erasmus gegangenen leicht überarbeiteten Fassung). Ausgaben. Erasmus, LB, Bd. 3, Sp. 1556 (nach der Hs. Deventer); Dill, 2000, S. 33 f. (kritisch) mit dt. Übers.

c) Die ‘Epigrammata’ (s. A.2.) enthalten neben den 34 Epodenstrr. an die Basler Sodalen (A.1.a), eine kleine Invektive gegen einen Kritiker des Erasmus (Bl. cr, 5 Dist.), 8 Distichen De Carolo Rege Romanorum et Hispaniarum […] et Erasmo Roterodamo, die Karl V. und Erasmus als die Größten unter der Sonne feiern (Bl. er), 37 Distichen über den Beifall, den Erasmus’ Eintreten für die drei Sprachen (gegen Latomus) bei den Schlettstädter Sodalen fand (Bl. e iijr⫺[e4]v: de Apologia Erasmica pro tribus linguis), das freudige Epigramm über das Lob, das S. in Erasmus’ ‘Encomium Selestadii’ erhalten hatte (Bl. f v: De se celebrato ab Erasmi Roterodamo). d) Paul Volz teilte Erasmus im Brief vom 4. Nov. 1535 (Op. epist., Nr. 3069) mit: Sapidus noster concinnavit carmen quoddam in hunc tuum hostem (d. i. Etienne Dolet). Das Gedicht, das auch im Druck (bei Froben) erscheinen sollte, ist jedoch verschollen.

e) ’De poculo Pauli Volsii, quod ab Erasmo Roterodamo dono accepit’. 18 Distichen auf den aus Silber und Gold gearbeiteten Trinkbecher, den Erasmus am 8. Febr. 1536 seinem Freund Paul Volz schenkte. Eine sinnreiche Auslegung

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Sapidus, Johannes

des Bechers als einer Gabe der Freundschaft, die den Spender seinem Freund über die Erdentage hinaus gegenwärtig hält. Drucke. 1. Catalogi | duo operum Des. Erasmi Rote/|rodami ab ipso conscripti et digesti […] Accessit in fine | Epitaphiorum ac tumulorvm Li|bellus quibus Erasmi mors defletur […]. Basel: Hier. Froben u. Nik. Episcopius, 1536. VD 16, E 2126. S. 108 f. ⫺ 2. Catalo⫽|gi duo operum D. | Erasmi Roterodami […]. Antwerpen: Mart. de Keyser, ca. 1. Mai 1537. NK 787. Bl. L.2.v⫺ L.3.r. ⫺ 3. wie 2., ca. 1. Aug. 1537. NK 2858. Ausgabe. Erasmus, LB, Bd. 1, unter den ‘Epitaphia in laudem Erasmi’.

f) ‘Erasmus sive apotheosis Erasmi’. Unter den zahlreichen Gedichten zu Erasmus’ Tod ist das des S. das umfangreichste (388 Hex.) und literarisch anspruchvollste. Im Mittelpunkt steht ein Traum, den S. in der vierten nach drei vor Schmerz schlaflosen Nächten gehabt haben will: Erasmus stand in strahlendem Glanz zwischen Paulus und Hieronymus an seinem Lager; Paulus eröffnete ihm, daß Erasmus sich im Himmel ebenfalls in ihrer Mitte befinde, und Hieronymus erklärte, er habe früher allein an Paulus’ Seite seinen Platz gehabt, ihn aber einem Würdigeren wegen dessen unermüdlicher Arbeit am NT und an den Kirchenvätern überlassen. Das Traumgesicht schließt mit der Mahnung des Erasmus ab, von der Trauer um ihn zu lassen, da er, aller Erdensorgen enthoben, nun ein seliges Dasein führe.

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lung kann nicht als eine Veröffentlichung S.’ im eigentlichen Sinne gelten, denn er hat sie weder im ganzen geplant noch im einzelnen vorbereitet, vielmehr haben Jakob Spiegel und vornehmlich der Drucker Lazarus Schürer, wie man aus ihren beigedruckten Mitteilungen erfährt, die Gedichte zusammengetragen, und ihre Veröffentlichung erfolgte auf Drängen Spiegels und der humanistischen Schlettstädter Sodalitas. So zeichnet auch für die Widmung des Drucks an Konrad Peutinger nicht etwa der bescheidene S., sondern Jakob Spiegel, der die Rolle des Hg.s beansprucht. Der Titel ‘Epigrammata’ ist nicht streng gattungsmäßig zu nehmen. Es sammeln sich unter ihm Freundschaftsgedichte, 13 Epitaphien, Tierfabeln, Rätsel, Lokalanekdoten, neben pikanten Billetts nicht wenige satirische Attacken auf Mißstände in Kirche und Klöstern, aber auch eine sapphische Ode auf Weihnachten und Inschriften für eine Bilderfolge über Leben und Wunder des hl. Nikolaus (für das Kloster in Trutenhausen), auch ein Epigramm, das für Martin Luthers Kommentar zum Galaterbrief (s. u. B.4.) Partei nimmt. Die datierten (Epitaphien) oder datierbaren Stücke stammen aus den Jahren 1514⫺ 1520; einiges war zuvor schon als Beigabe zu Drucken anderer erschienen. Eine chronologische, thematische oder anderweit sachliche Ordnung besitzt die schmale Sammlung nicht. Sie ist hauptsächlich eine Schlettstädter Sammlung; dies ist ihr zentrales identifizierendes Merkmal.

Drucke. 1. Catalogi | duo […] (wie Ziff. e), S. 96⫺108. ⫺ 2. Catalo⫽|gi duo […] (wie Ziff. e), Bl. K.4.r⫺L.2.r. Das Gedicht ist nur dadurch zum Druck gelangt, daß Paul Volz es ⫺ ohne S.’ Zutun, der es, ut est gloriae propriae negligens, hätte verkommen lassen ⫺ Beatus Rhenanus schickte, mit der Bitte, es Froben in Basel zur Veröffentlichung zuzuleiten; vgl. Rhenanus-Br., Nr. 307 (1. Dez. 1536) u. Nr. 313 (13. Febr. 1537). Dies dürfte auch für das an gleicher Stelle gedruckte Gedicht ‘De poculo Pauli Volsii …’ (Ziff. e) gelten. Ausgabe. Erasmus, LB, Bd. 1, unter den ‘Epitaphia in laudem Erasmi’.

Druck. Epigramma|ta Ioannis Sapidi. | Selestadij bonas literas ac | linguam utramque | docentis. Schlettstadt: Lazarus Schürer, 1520. VD 16, S 1658. Titelbl.v: Spiegels Widmung an Peutinger (1. April 1520). Am Ende Nachwort Lazarus Schürers (1. März [1520]). Zwei Stücke aus den ‘Epigrammata’ seines “alten und beständigen Freundes” nahm Otmar J Luscinius 1524 in seine ‘Ioci ac sales mire festivi’ (dort Nr. CLXIX u. CLXX) auf. 11 Stücke aus den ‘Epigrammata’ finden sich in der Slg. kirchenkritischer Gedichte, die Caelius Secundus Curio 1544 seinem ‘Pasquilli extatici seu nuper e coelo reversi cum Marphorio colloquium’ (s. II.A.7.d) anhängte (dort verstreut zwischen S. 135 u. 198).

2 . ‘ Ep ig ra mm at a’ . Die 77 Carmina und zwei Reihen mit 51 bzw. 20 Monodisticha umfassende Samm-

3. Epicedion auf Thomas Sporer. Auf Bitten Hans Rudolfingers, Vikars am Straßburger Münster, verfaßte S. im

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Sapidus, Johannes

Sommer 1534 auf den jüngst verstorbenen Straßburger Musiker Thomas Sporer (*um 1490) in 37 jambischen Trimetern ein als Dialog zwischen dem Musiker Sixt Dietrich und der Muse Clio inszeniertes Epicedion, in dem diese ihm eröffnet, daß Apoll, vielbeschäftigt für die Medizin und die Dichtkunst, sein Amt als Vorsteher der Musen nun Sporer überlassen habe. Das Epicedion ⫺ Binnentitel: Apotheosis seu chorus musarum Thomae Sporero Musicorum Principi sacer Colloquio Dietterichi, Sporeri, Clius et Chori Ioanne Sapido autore ⫺ wurde in einem fünfstimmigen Satz von Sixt Dietrich (um 1494⫺1548) vertont. Die Vorrede Rudolfingers an die Freunde Lukas Edenberger und den Maler Hans Baldung (Grien), die aber ebenfalls S. verfaßte (s. Amerbach-Korr., Bd. 4, 1953, S. 294) unterrichtet über die Entstehungsgeschichte. Druck. Epicedion | Thomae Sporeri musicorum | Principis, Modulis musicis a` | Sixto Dittricho | illustratum. | Tenor. M D XXXIIII. Straßburg: Peter Schöffer u. Mathias Apiarius, 1534. Ex.: Augsburg, SStB, Rar 89. Unvollst., nur drei Stimmbücher (im ersten Stimmbuch fehlen aber die Blätter für den Tenor), jeweils nachgebunden dem Wittenber⫽|gisch Gsangbüchli des Johann Walther (ebenfalls Straßburg: Schöffer u. Apiarius, 1534).

4. ‘Sylva epistularis seu Barba’. Das humoreske Epyllion (628 Hex.), das S.’ Freund Maternus Hattenus 1534 als Anhang zu einem Druck der ‘Apologia pro sacerdotum barbis’ des Johannes Pierius Valerianus veröffentlichte, war nach S.’ Vorrede schon acht Jahre zuvor, als er Schlettstadt noch nicht verlassen hatte, entstanden, veranlaßt durch eine Begebenheit bei einem Trinkgelage: ein trunkener Schuster, verbissener Anhänger des alten Glaubens, habe damals Paul Volz, den ehemaligen Abt, wegen seines mächtigen Bartes beschimpft. In einem fiktiven Streitgespräch mit jenem Schuster verteidigt S. die männliche Bartzier mit allen denkbaren Argumenten und zahlreichen Beispielen aus Natur, Mythologie und Geschichte. Im Anhang zur ‘Barba’ stehen zwei kleinere Gedichte, ein Gespräch eines Reichen mit seinem Reichtum, der ihn an der

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Schwelle des Todes im Stich läßt, und eine Bitte an Jakob J Ziegler um eine verläßliche Deutung des 1532 erschienenen Kometen, der allerorten Schrecken verbreitet. Druck.Apologia Ioan. Pierii Valeriani Belunen. Medicum familiae Rhetorici Pro Sacerdotum Barbis. Sylva Epistolaris sev Barba Ioannis Sapidi propter argumenti cognationem adiecta. Straßburg: Joh. Albrecht, Febr. 1534. Panzer, Ann., Bd. 6, S. 124, Nr. 857.

5. ‘Romulus’. S.’ ’Romulus’ und Johannes Sturms ‘Thyrsis’, allegorische bukolische Gedichte, erschienen 1540 beide pseudonym in einem gemeinsamen Druck. Nachdem J. Rott (1986, Bd. 2, S. 492, Nr. 39) für den ‘Romulus’ bereits auf die Bezeugung von S.’ Autorschaft durch Nikolaus Gerbel hingewiesen hatte, konnte Sch‰ffer (1992, S. 27) das Pseudonym Eucharius Synesius klar als ‘Johannes Sapidus’ (und das Pseudonym Baptista Persius als ‘Johannes Sturm’) entschlüsseln. In S.’ Hirtengedicht (171 Hex.) betrauert an den Ufern des Tiber der Hirt Romulus (der Papst) den Schwund seines Ansehens und seiner Macht bei seinen Herden. Schuld daran sei ein deutscher Hirte, der verruchte Catharus (Luther), dessen umstürzende Lehren sich europaweit ausbreiteten und bereits die Alpen überschritten; die vielfältigen Abgaben und reichen Einkünfte aus Deutschland blieben nun aus. Verzweifelt beklagt Romulus die Vergeblichkeit aller Versuche, dem Unheil Einhalt zu gebieten, erwägt am Ende gar, seinem Leben ein Ende zu machen, fällt darüber aber in tiefen Schlaf. Die fiktive Klagerede und Selbstdarstellung des ob des Erfolgs der Reformation ratlosen Papstes ist mimische Satire, die den Spielraum der antiken Bukolik überschreitet; diese aber bleibt durch die bukolische Kulisse und auch durch zahlreiche Reminiszenzen zumal der vergilischen Hirtendichtung als Gattungsmuster präsent. Drucke. Bucolicae | querelae. | Eucharii Synesii | Romulus. | Baptistae Persii | Thyrsis. Straßburg: Jak. Frölich, 1540. VD 16, S 1661. ND in der Anthologie Bucolicorum | autores XXXVIII. quotquot | uidelicet a` Vergilii aetate ad nostra us-

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Sapidus, Johannes

que | tempora […]. Basel: Joh. Oporinus, März 1546. VD 16, O 792. S. 765⫺771. Dt. Übers. von P. Sch‰ffer, 1992.

6. ‘Epitaphia’. Unter dem Eindruck der Straßburger Pest von 1541, die weit über 3000 Opfer forderte, darunter viele Freunde, Bekannte, Schüler (Wolfgang Capito, die Frau und mehrere Kinder Martin Bucers, Kinder Kaspar Hedios und Nikolaus Gerbels u. a.), brachte S. 1542 eine kleine Sammlung von 37 Epitaphien heraus, die er vornehmlich auf Opfer der Pest, Opfer meist aus seinem persönlichen Umfeld, verfaßt hatte. Eröffnet wird sie von einer umfangreichen bukolisch drapierten Elegie (200 Hex.) auf den Tod des gelehrten Juristen und Straßburger Syndikus Franz Frosch und des Eobanus J Hessus, die beide schon 1540 gestorben waren; gegen Ende liest man eine breite Eloge auf den als umfassenden Gelehrten gefeierten Simon Grynaeus. Druck. Ioann. Stur|mii, et gymnasii | Argentoratensis lu|ctus ad Ioachimum | Camerarium. | Ioannis Sapidi Epitaphia. | […]. Binnentitel: Ioan. Sa⫽|pidi epitaphia: | sive gymnasii Argentoratensis luctus. Straßburg: Wend. Rihel, Juni 1542. VD 16, S 1659.

7. Verstreute Epigramme und Epitaphien. a) Jakob Spiegel zitiert im Widmungsbrief an Georg von Österreich, B. von Brixen, zu seiner kommentierten Ausgabe von Bartholinus’ ‘Austrias’ (Guntheri | Poetae clarissimi | Ligurinus, […]. Richardi | Bartholini, Perusini, | Austriados | Lib. XII. [...]. Straßburg: Joh. Schott, 26. Aug. 1531. VD 16, B 563. Bl. Gg 4 v) S.’ Hexastichon auf Maximilians Tod: […] Epigramma Ioannis Sapidi popularis mei, et amicorum quos unquam charissimos et iuratissimos habui, multo omnium charioris, et, ut sic dicam, iuratioris, quod in Epitaphij loco, in patris tui tum uita functi honorem potius effudit quam scripsit. b) Ode tricolos tetrastrophos de lege et euangelio I. Sapidi. Strasbourg, Archives de la Ville, St. Thomas 212, Nr. 59. Autograph. Darlegung der reformatorischen Rechtfertigungslehre vs. Werkgerechtigkeit. Entstanden wahrscheinlich in den frühen 1520er Jahren. Vgl. Michael / Parker, S. 217 f. c) Epitaph auf Graf Michael von Wertheim († 1531). Be´sanc¸on, Bibl. mun., ms 1219, 81v. d) ‘De missa […] per Evangelium iam e medio sublata’, vehementes, teils unflätiges Pamphlet ge-

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gen die Messe. 11 Dist., inc. Missa, malum, peius quo secula nulla tulerunt. In der Slg. mal. und humanistischer rom- und kirchenkritischer Gedichte, die Caelius Secundus Curio seinem ‘Pasquilli extatici seu nuper e coelo reversi cum Marphorio colloquium’ ([Basel ?, um 1544]. VD 16, C 6430), anhängte, S. 198 f.; wiederholt in: Coenae sa|cro sanctae Domini | nostri Iesu Christi, et Missae Papisti|cae, Comparatio […] autore Thoma Beco-| no Anglo. […]. Basel: Joh. Oporinus, Juni 1559, VD 16, B 1413. S. 252 f. e) Gegen Martin Bucer und seinen Mitarbeiter Christoph Söll wurden während ihrer Reformationstätigkeit 1543 im Erzstift Köln anonyme Schmähgedichte verfaßt, auf die ebenfalls ein Anonymus, der Überlieferung zufolge S., mit polemischer Replik und einer Verteidigung Bucers und Sölls antwortete. Dem auf die Melodie der Ostersequenz ‘Victimae paschali laudes’ gedichteten ‘Encomium in scelestem Bucerum haeresiarcham’ antwortete im selben Ton S.’ ‘Depulsio convitiorum quae irreligiosus quidem irreligiose euomuit in Martinum Bucerum’, dem ‘In Christophorum quendam Buceriastrum falsissimas Bucero laudes affligentem Epigramma’ (Mainz 1543) S.’ ‘Epigrammatis Palinodia’ in 57 Distichen. Handschrift. Strasbourg, Archives de la Ville, Archives du Chapitre de Saint-Thomas 212 Nr. 8 u. 9. Zu S.’ Autorschaft s. M. de Kroon, ‘In Christophorum quendam Buceriastrum epigramma’. Eine Schmähschrift aus der Zeit der Kölner Reformation, in: M. de Kroon / M. Lienhard (Hgg.), Horizons europe´ens de la Re´forme en Alsace, Me´langes Jean Rott, Strasbourg 1980, S. 253⫺266, hier S. 256, 260 Anm. 33, 265. Ausgabe der ‘Depulsio’ und der ‘Palinodia’: J. V. Pollet, Martin Bucer, E´tudes sur les relations de Bucer avec les Pays-Bas. l’E´lectorat de Cologne et l’Allemagne du Nord, Bd. 2, Leiden 1985, S. 155 u. 159⫺162 (ohne Nennung des Autors S.). Ausgabe der Bezugstexte von S.’ Repliken: de Kroon, S. 262⫺264 u. 265. f) Zwei Distichen auf die standhafte Verteidigung Magdeburgs gegen die katholische Übermacht i. J. 1550, in: Heinrich Merckel, Warhafftie e ger | Aussfurlicher vnd | grundlicher Bericht/ von der | Altenstadt Magdeburgk Belagerung/ | so | e die Rom: Key: May: Carolus Quintus/ sampt | e Churfursten […] Anno 50 […] angefangen […]. Magdeburg: Paul Donat, 1587. VD 16, M 4798. Bl. S iijv: Folgende Carmina haben | Johannes Sturmius Orator zu | Straßburgk Sapidus/ ein Alter Poet/ | vnd andere Gelerten in Conuiuio | ex tempore recitiret. [… ].

B . K le in er e p oe ti sc he Be it rä ge zu S ch ri ft en un d D ru ck en an de re r. 1. Ad Leo|nem decimum | pontificem | Maximum Carmen Iacobi | Vuinphelingij contra pro-|

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digos in scorta in tanta | pauperum, pustulatorum | et puerorum expo|sitorum mul⫽|titudi⫽| ne. [Straßburg: Matth. Schürer, 1514]. VD 16, W 3331. Am Ende (Bl. [4]r) ein Trostgedicht (6 Dist.) von S. an Wimpfeling. 2. Jakob Wimpfeling, ‘Catalogus archiepiscoporum Moguntinorum’. Hs.: Aschaffenburg, Hofbibl., Ms. 22, Dedikationsexemplar v. J. 1515. Bl. 1v: Panegyrische Interpretation des viergeteilten Wappens des Mainzer Eb.s Albrecht von Brandenburg, 6 Dist. Ausgabe mit dt. Übers.: von der Gˆnna, S. 174 f. Das Gedicht ist in S.’ ‘Epigrammata’ (s. II.A.2., Bl. b ijv) aufgenommen, wird dort aber ohne Anschauung des Wappens kaum verständlich. 3. Aphorismi | institutionis | puerorum | Othone | B*runfelsio+. Moguntino, Carthusiano, autore […]. Straßburg: Joh. Schott, 30. Aug. 1519. VD 16, B 8466. Titelepigr. (2 Dist.) von S. 4. In episto/|lam Pauli ad Galatas, | F. Martini Lvtheri | Augustiniani | commenta|rivs. […]. [Basel: Adam Petri], 1520. VD 16, B 5067. Bl. [6]v: Io. Sapidi. Selestadii bonas literas | docentis, epigramma. | Liber loquitur […]. 7 Dist., entschiedenes Bekenntnis zu Luthers Kommentar. Wiederholt in den ‘Epigrammata’, Bl. f v⫺f ijr. 5. Epistola | V. Fabritii Capitonis, ad | Huldrichum Zuinglium […]. [Straßburg: Wolfg. Köpfel], 1526, VD 16, C 822. Vermutlich ist S. der Autor des spöttischen Titelepigramms (in griech. u.lat. Version), das Johannes Fabri, den scharfen Widersacher der Reformatoren, mit Hephaistos/Vulcanus, der Figur des olympischen Gelächters, vergleicht, sowie zweier weiterer Spottepigramme auf Faber (Bl. [C5]v⫺[C6]r, 9 u. 3 Dist.); vgl. Rott, Ausg., S. 248 Anm. 2. Ausgabe. J. Rott (Hg.), Correspondance de Martin Bucer, Bd. 2 (1524⫺1526), Leiden 1989, S. 249 u. 265 f. 6. Jacopo di Porcia e Poreiglia, Jacobi Co-| mitis Purlilia-|rum, De Re Mili-|tari Libri II. | Iam Recens Editi. [...]. Straßburg: Joh. Knobloch, 1527. VD 16, P 4270. Hg. von Jak. Spiegel. Titelepigr. von S. (3 Dist., Inhaltsangabe des Buches). 7. Πoλυβιoυ Mεγαλoπoλιτoυ, | ιστoριων βι-| βλιαε. | Polybii hi|storiarvm libri quinque, opera Vincenti Ob|sopoei in lucem editi. | Iidem La|tini Nicolao Perotto Episco-|po Sipontini Interprete. | […]. Hagenau: Joh. Setzer, März 1530. VD 16, P 4082. Titelbl.v: S. an den Leser (7 Dist.). 8. Herba|rum | vivae eicones | ad nature˛ imitationem, summa cum | diligentia et arti|ficio effigiate˛ […] per Oth. Brunfelsium | recens editae. […]. Bd. 1: Straßburg: Joh. Schott, 1530. VD 16, B 8499. Bl. [A4]r: 12 empfehlende Distichen von S., Lob des Botanikers Brunfels, des Zeichners der Abb. Johannes Guidictius und des Druckers Johann Schott.

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9. Ioannis Oe|colampadii, doctoris | vndecvnqve doctissimi, in | librum Iob exegema|ta […]. Basel: Heinr. Petri, März 1532. VD 16, B 3080. Bl. [a4]r⫺v: Colloquium iambicum Theologiae atque Lectoris, Io. Oecolampadio, Theologorum principi sacrum, autore Ioan. Sapido. Nachruf auf Oecolampadius in Form eines Dialogs zwischen der Theologie und dem Leser, 27 Senare. Unverändert in zwei weiteren Drucken: In episto|lam ad Hebraeos, Io|annis Oecolampadij, explanationes […]. Straßburg: Matthias Apiarius, Aug. 1534 (VD 16, B 5199), Bl. [181]r⫺v, und DD. Ioannis Oeco|lampadii et Huldrichi Zvinglii epistolarum | libri quatuor […]. Basel: Th. Platter u. Balth. Lasius, März 1536 (VD 16, O 319), Bl. u 4 r. 10. Annotationes | Othonis Brunfelsii, Rei me⫽|dices doctoris peritissimi […] in quatuor Euan⫽|gelia et Acta Apostolorum […]. Straßburg: Georg Ulricher, Sept. 1535. VD 16, B 4612. Bl. [A6]r: Expostulatio cum Me⫽|dicina ob mortem Otthonis Brunfelsij | eximij Medici. | Ioan. Sapido Autore, 8 Dist., Totenklage um den am 23. Nov. 1534 verstorbenen Brunfels in der Form einer Anklage gegen die Medizin, daß sie ihren treuen Diener im Stich gelassen habe. In der Vorrede des Druckers ist der Straßburger Freundeskreis, der Brunfels in seinen letzten Lebenstagen beistand, genannt: Capito, Bucer, Hedio, Engelbrecht, Bedrottus, Sapidus, Gerbel, Michael Herr, Johann Schott. 11. Des. Eras. | Roterodami viri | incomparabilis vita, | et Epitaphia quaedam. Antwerpen: Joh. Steels, Okt. 1536. NK 872. Am Ende (Bl. [C8]r): Epitaphium Thomae Mori | per Ioan. Sapidum, 4 Dist., Klage um Morus’ unverdiente Hinrichtung. 12. Dictionarium | latinogermanicum, et vice ver⫽|sa Germanicolatinum ex optimis | latinae linguae scriptoribus | concinnatum. | […] Autore Petro Dasypodio […]. Straßburg: Wend. Rihel, 1537. VD 16, D 243. Bl. ijr: Ioannes Sapidus | iuuentuti Germanicae, 3 Dist. ⫺ Wiederholt in 12 weiteren Drucken (VD 16, D 244⫺254, 256). 13. Jakob Spiegel, Iuris civilis | lexicon | ex varijs probatorum autorum | Commentarijs congestum […]. Straßburg: Joh. Schott, 1538. VD 16, S 8309. Bl. [dd5]v: 7 (1.) asklepiadeische Strr. von S. zum Lob von Spiegels Werk. 14. De litera|rum | ludis recte ape-|riendis. | liber. | Ioannis Sturmij. Straßburg: Wend. Rihel, 1538. VD 16, S 9945. Am Ende 4 Dist. von S. an den Leser (Lob der Straßburger Schule). ND ebd., März 1539. VD 16, S 9946. 15. Thargvm, | hoc est, | paraphrasis | Onkeli Chaldaica in sa⫽|cra biblia, ex Chaldaeo | in Latinvm fidelissime ver⫽|sa […] avtore | Pavlo Fagio. | […]. Straßburg: Georg Messerschmidt, März 1546. VD 16, B 2978. Bl. [3]v: Io. Sapidvs Chri⫽| stiano Lectori S., 13 Dist.

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Sapidus, Johannes

16. De Gram-|matica, seu | octo orationis partibus | institutiones […] conscriptae a` | Iona Bitnero Argen-|toratensi. Straßburg: Wolfg. Köpfel, April 1550. VD 16, B 5648. Titelbl.v: Io. Sapidvs pue-|ritiae Argentoratensi, 5 Dist. 17. Historia | belli Ivdaici ex | Iosepho Hebraeo, quem | Iudaei hodie uocant Iosiphon, | translata per | Davidem Kybervm | Argentinensem. Straßburg: Jak. Frölich, Juli 1550. VD 16, J 946. Titelepigr., 3 Dist. 17. Beati Rhenani | Selestadiensis rerum Ger⫽| manicarum libri tres […]. Basel: Hier. Froben u. Nik. Episcopius, März 1551. VD 16, R 2065. Bl. Bv: Monumentum Beati Rhenani Ioanne Sapido autore. 8 Dist. (Rhenanus’ ‘Res Germanicae’ eine Germania illustrata). 18. Σχηματισμoι, διαλεκτικoι. | Tabvlae dv⫽| orvm librorum partitio⫽|nvm dialecticarvm Ioannis | Sturmij […] confectae a Valentino Erythraeo […]. Straßburg: Chr. Mylius, 1. Sept. 1551. VD 16, E 3905. Titelbl.v: Ode Ioannis Sapidi, ad lectorem, 11 alkäische Strr. auf Johann Sturm und Valentin Erythraeus (Roth), den Bearbeiter seiner Dialektik. 19. Bartholomäus Westheimer, Troporvm, | schematvm, idiomatvmque commvnivm liber, ex omnibus or-|thodoxis Ecclesiae patribus […] collectus […]. Basel: Joh. Herwagen, 1551. VD 16, W 2239. Titelepigr., 8 Dist. 20. Ioannis Stur⫽|mii Consolatio ad Sena⫽| tum Argentinensem. | De morte clarissimi et nobilissimi | uiri D. Iacobi Sturmij. […]. Straßburg: Wend. Rihel. 1553. VD 16, S 9917. Bl. C iijv⫺ [C4]r: Sylva de Felici D. Iacobi Stur-|mij exitu per Joan. Sapidum (16 Dist.). Bl. [C4]r: Idem de Iacobo Sturmio (2 Dist.). Beide Epigramme auf den Straßburger Stettmeister wiederholt in: Simon Schardius (Hg.), Tertius tomus | orationum | ac elegiarum funebri-|um, prosequens celebrationem memoriae […]. Frankfurt a. M.: Georg Rab u. a., 1567. VD 16, S 2285. Bl. [q7]r⫺v. 21. Giovanni Bianchini, Gregor Peuerbach: Luminarium atque Planetarum | motuum Tabulae octoginta quinque, | omnium ex his quae Alphonsum sequuntur qua`m faciles. Basel: Joh. Herwagen, Aug. 1553. VD 16, B 2548. Titelbl.v: Ioannes Sapidus lectori, 8 Dist.: Das astronomische Studium offenbart Gottes maiestas. 22. Varia opuscula. | de exercita-|tione iurisconsul/|torum. […]. Straßburg: Wend. Rihel, 1554. VD 16, R 2198. Bl. **iijv⫺[**4]r: Ioannes Sapidus Lectori, 31 Senare, Empfehlung des juristischen Sammelwerks. 23. Constitutio |sev ordinatio, | super officii nota/|riatus exercitio, quondam a` sacra Romana Caesarea Maiestate aedita […]. Straßburg: Jak. Frölich, 1555. VD 16, D 830. Titelepigr. (3 Dist.) von S.

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24. Kreüter Bu˚ch. | Darinn Vnderscheidt/ Nammen | vnnd Würckung der Kreutter/ Stauden/ Heck⫽|en vnnd Beumen […] Durch H. Hieronymum Bock […] beschriben […]. Straßburg: Josias Rihel, 1556. VD 16. B 6018. 4 Dist. an den Leser zum Lobe des Autors. 25. Ioan. Sleidani | de statu re⫽|ligionis et rei⫽|publicae, Carolo | quinto, caesare, | Commentarij. […]. Straßburg: Gebr. Rihel, Sept. 1556. VD 16, S 6677. Bl. [a4]v: Epicedium Ioannis Sleidani | per Ioannem Sapidum, 10 Dist. auf Sleidan, die dessen historiographischen Stil hervorheben: den nüchternen, jeden literarischen Aufwand meidenden Bericht der Geschehnisse, “wie sie gewesen sind”. 26. Lycophronis | Chalcidensis Cas⫽|sandra, siue Alexandra, nunc primum e` Graeco in Latinum sermonem ad uer|bum fideliter uersa, et multis in locis | castigata, per Bernardum Ber-|trandum […]. Basel: Joh. Oporinus, Juni 1558. VD 16, L 7726. S. 15 f.: Ioan. Sapidus ad | lectorem, 28 Senare zum Geleit. 27. Coenae sa|cro sanctae Domini | nostri Iesv Christi, et Missae Papisti|cae, Comparatio […] avtore Thoma Beco-|no Anglo. […]. Basel: Joh. Oporinus, Juni 1559, VD 16, B 1413. S. 252 f.: vehementes, teils unflätiges Pamphlet von S. gegen die Messe, 11 Dist. (inc. Missa, malum, peius quo secula nulla tulerunt). 28. Historia | uera: | de vita, obitu, | sepultura, accusatio-|ne haereseos, condemnatione, exhu⫽|matione, combustione, honorificaque | tandem restitutione […] Marti-|ni Buceri et Pauli Fa-|gii […]. Straßburg: Paul Messerschmidt, 1561. VD 16, H 5631. S. 213: Monumentum D. | Martini Buceri theologi in⫽|comparabilis. Authore | Iohanne Sapido. | Colloquuntur Viator et Religio. 9 Dist. ⫺ S. 213 f.: Eiusdem in eundem exhu⫽| matum et crematum. 11 Dist. 29. Hippocra-|tis Coi, medico/|rum principis, de natura ho/|minis, Liber: Graece` | et Latine`. Basel: Joh. Oporinus, Mai 1562. VD 16, H 3810. Titelbl.v: 4 Dist. zum Geleit.

C . ‘ An ab io n s iv e L az ar us re di vi v us ’. Das 1539 zur Eröffnung des Straßburger Gymnasiums verfaßte und aufgeführte Stück ist eine Dramatisierung von Io 11,1⫺44, der Erzählung vom Tod und der Wiedererweckung des Lazarus. Im Sinne der protestantischen Lehre von der Erlösung allein kraft des Glaubens ist es im ‘Anabion’ der unerschütterliche Glaube an das Wort Jesu, dem Lazarus seine Rückkehr aus dem Grabe verdankt. Die Eintei-

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Sapidus, Johannes

lung in fünf Akte und diese in Szenen verschiedener Zahl, die dramatische Technik, Versform und Sprache sind ungeachtet der materia sacra antikisch modelliert. Dagegen entsprechen Personenverhalten, Lebensweise, Kommunikation, Gottesverehrung und damit auch die gesamte szenische Ausgestaltung, die S. vorgenommen hat, bewußt der zeitgenössischen Lebenswelt. Die Beachtung der Alterität von Antike und eigener Gegenwart als Bedingung seiner Comoedia noua hat S. im Prolog seines Spiels (v. 109⫺116) nachdrücklich betont. Zu den besonderen Vorzügen des Stücks gehört die Überwindung typisierender Personenentwürfe zugunsten einer individuellen Entfaltung von Charakteren (s. Michael). Drucke. 1. Anabion | sive | Lazarvs redivi⫽| uus, Comoedia noua et | sacra. Ioanne Sapido Selestadi⫽|ensi autore. Straßburg: Kraft Müller, Sept. 1539. VD 16, S 1653. 2. Anabion, | sive Laza|rus redivivus, co|moedia nova et sacra […]. Köln: Joh. Gymnicus, 1539. VD 16, S 1652. 3. Anabion | sive Lazarvs redi⫽|uiuus, Comoedia noua et sa⫽|cra Ioanne Sapido | autore. | Item historia de divi|te et de egeno Lazaro Lucae 16, reddita | uersibus a` quodam studioso. | […]. Straßburg: Kraft Müller, März 1540. VD 16, S 1654. 4. Köln 1541. VD 16, ZV 22105. 5. Augsburg 1565. VD 16, S 1655. Ausgabe. Faksimile des Druckes Straßburg 1540 mit dt. Übers. (fehlerhaft): W. F. Michael / D. Parker (Hgg.), J. S., Anabion, 1991. Vier zeitgenössische dt. Bearbeitungen: 1. Lazarus Vom Tode durch Christum am vierden tage erwecket [...] durch Joachim Greff. Wittenberg 1545. ⫺ 2. Ein trostlich besserlich Spyl/ uß dem eilfften Capitel Johannis/ vom Lazaro […] Gemachet durch Jacob Funckelin/ Anno 1552 […]. Zürich: Chr. Froschauer, 1552. ⫺ 3. Ein Euangeli⫽| e sche, vnd gantz trostliche | Comoedia, oder Spil, | von Lazaro, den Christus wi⫽|der vom todte ere wecket, | […] Vormalß, durch den | weytberumbten Poeten, Iohan⫽| nem Sapidum, im Latein beschri⫽|ben, yetzt aber inn Deutsche | reymen gebracht […]. Nürnberg: Joh. vom Berg u. Ulr. Neuber, [1557]. VD 16, S 1656. ⫺ 4. Die Auferweke e kung | Lazarj. | Ain schone/ tro⫽|stliche/ Euangelische Historj/ | auß dem xj. cap. Johannis gezogen […] durch Anthonium Obernberger. […]. Augsburg: Matthäus Franck, 1558. VD 16, S 1657.

D . P ro sa . 1. Eine unter dem Pseudonym Sonnentaller 1524 erschienene reformatorische Streitschrift hat

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Rott (1986, S. 632 Anm. 70) aufgrund eigenhändiger Widmung des Graf Ulrich von Rappoltstein zugedachten Exemplars (heute: Colmar, Bibl. mun.) S. zugewiesen. Sollte seine Autorschaft zutreffen ⫺ weitere Indizien wurden für sie bisher nicht beigebracht ⫺, wäre die Schrift die einzige volkssprachliche, die von S. bekannt ist.

Druck. Johannes Sonnentaller, Vrsach/ warumb der vermeint | geystlich huff mit yren patronen/ das Euangeli|on Jesu Christi nit annimpt/ sunder schen|det […] Allen liebhabern der | warheyt nützlich zu˚ lesen/ | durch Doctor | Johan. | Sonnentaller. [Straßburg: Joh. Prüß d. J.], 1524. VD 16, S 7027.

2. ‘Paraclesis sive consolatio de morte Alberti marchionis Badensis’. Die an den befreundeten Wilhelm Böcklin, Vogt des Ober-Mundats, gerichtete ‘Paraclesis’ knüpft an ein Gespräch an, das S. mit ihm nach einem kleinen Gastmahl in seinem bescheidenen Hause geführt hatte. Dabei erhielt er Aufschluß über die tiefe Betrübnis, die Böcklin bei Tische nicht ganz hatte verbergen können: Es war sein Schmerz über den Tod eines sehr nahen Freundes, des jungen Mgf. Albrecht von Baden. Ziel der Trostschrift ist die Überwindung der Trauer über den Verlust des Freundes Albrecht anhand eines massierten Materials von Argumenten und Exempla, die alle dem Affekt der Trauer die Berechtigung abzusprechen, ihn als verfehlt, ja gegenstandslos zu decouvrieren trachten. S.’ Ansatz ist nicht philosophisch, sondern rhetorisch. Gipfel des Versuchs, dem Tod einzig nur gute und glückliche Seiten abzugewinnen, ist die als Sermocinatio eingeführte Selbstfeier des Todes, der das Leben als einen düsteren Kerker unablässiger Mühsal, als Auslieferung an die Welt, das Fleisch und den Teufel denunziert, sich dagegen als Tor zur ursprünglichen Freiheit des Menschen anpreist. Vieles hat S. einschlägigen Quellen entnommen, und so spricht die ‘Paraclesis’ größtenteils allgemein, nicht zum besonderen Fall. Erst gegen Ende, wo der Sinn des so frühen Todes Albrechts zur Frage steht, kommt die Person des Verstorbenen zum Zuge: sein kurzes Leben war glücklich und ehrenhaft, war bereits ein erfülltes Leben. Der ⫺ ganz und gar nicht erasmische ⫺ Stoizismus

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Sapidus, Johannes

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dieser Trostschrift ist vielleicht vom ausgiebig und bewundernd vor Augen geführten Beispiel des Freundes Martin Bucer bestimmt, der in einem Jahr Frau und vier Kinder verlor und dennoch unerschütterlich und ohne Säumen seinen Amtspflichten nachging.

von Lc 3,1. Die Abhandlung war durchaus für Erasmus bestimmt, doch wollte Peutinger, wie er abschließend bekennt, sie nicht ohne eine kompetente stilistische Durchsicht an Erasmus geben und bat Sapidus daher um entsprechende Revision (… si quid minus elegans et concinnum vel etiam superuacaneum est, expungas et demum, si tibi videbitur, Erasmo nostro mittas).

Druck. Paraclesis | sive consolatio de morte | illustrissimi Principis Alberti Marchionis Ba|densis […]. Straßburg: Kraft Müller, Aug. 1543. VD 16, S 1660. Dt. Übersetzung von P. Sch‰ffer, 1996.

Ausgaben (mit Quellenangabe) und Handschriften/Drucke. 1. An Bruno Amerbach, 1508, 1512: AmerbachKorr., Nr. 405, 471; Dill, S. 24−27. 2. An und von Bonifacius Amerbach, 1511⫺12, 1515⫺16, 1519⫺20: Amerbach-Korr., Nr. 455. 472, 473, 513, 541, 566, 576, 683, 725; Dill, S. 27⫺41. 3. Von Beatus Rhenanus, 1509⫺1511: Rhenanus-Br., Nr. 432, 436, 437. 4. Von Sebastian Murrho d. J., 1512: M. T. Cice|ronis de Officijs, libri Tres, | cum Indice Auctorum, | Adagiorumque suo lo/|co citatorum. […]. [Straßburg]: Matth. Schürer, [1512]. VD 16, C 3030. Titelbl.v. Weitere Drucke: VD 16, C 3031, 3932, 3159⫺61, 3166, 3169, 3178. 5. An und von Erasmus von Rotterdam, 1515⫺ 16, 1520⫺21: Erasmus, Op. epist., Nr. 323, 353, 354. 364, 399, 1110. 1251. 6. An und von Michael Hummelberg, 1515, 1523: A. Horawitz, Analecten z. Gesch. d. Humanismus in Schwaben, 1877, S. 53 f. (Nr. XXXIV); ders., Analecten z. Gesch. d. Reformation u. d. Humanismus in Schwaben, 1878, S. 70 f., 71 f., 78 f. (Nr. LVI, LVII, LXI). 7. An Martin Bucer, 1511/17, 1522, 1526⫺27: J. Rott (Hg.), Correspondance de Martin Bucer, Bd. 1⫺3, 1979⫺1995, Nr., 1, 42, 136, 138, 147. 8. Von Jakob Spiegel, 1516: Koch, 1990, S. 26. 9. An Nikolaus von Kniebis, 1520⫺21: Kopenhagen, Kgl. Bibl., Ms. Thott 497 2°, Bl. 86 (J. Rott, Un recueil de correspondances Strasbourgeoises du XVI e sie`cle a` la Bibliothe`que de Copenhague (Ms. Thott 497, 2°), Bulletin philologique et historique, 1971, S. 758 u. 782; O. Clemen, Die Hamburger Hs. Supellex epistolica 1 fol., ARG 26 (1929) 1⫺29, hier S. 10 f. 10. Von Konrad Peutinger, 1523: Basel, UB, G2 I 37, Bl. 14 r⫺17 v. 11. Von Sandi Zeller, 1524: Koch, 1990, S. 31 f. 12. An Wolfgang Capito (und Martin Bucer), 1527: O. Meillet, Correspondance de Wolfgang Capiton (1478⫺1541). Analyse et index, Strasbourg 1982, Nr. 323 u.324.

E . B ri ef we ch se l. Von S.’ Korrespondenz sind, soweit bisher bekannt, 38 Briefe (Briefgedichte nicht einbegriffen) überkommen, 22 von S. und 16 an ihn; etwa 15 weitere, die verschollen sind, lassen sich erschließen. Erhalten sind sie meist in den Brief-Corpora namhafter Zeitgenossen, die noch zu deren Lebzeiten zustandekamen. Für die Annahme, daß der kleine überlieferte Bestand höchst fragmentarisch ist, spricht schon die Tatsache, daß Briefe von S. an Rhenanus oder an Wimpfeling fehlen. Ein stets eifriger Briefschreiber war S. allerdings wohl nicht; der Freund Michael Hummelberg und der Schüler Sandi Zeller beschweren sich, daß er auf mehrfache Briefe nicht antworte, nicht einmal durch andere überbrachte Grüße erwidere. Als Teile einer zusammenhängenden Korrespondenz sind nur die sieben mit Erasmus und die neun mit Bonifacius Amerbach, vielleicht noch die drei 1523⫺1525 mit Hummelberg und die vier 1522 bis 1527 mit Martin Bucer gewechselten Briefe erkennbar. Unter den Briefen aus S.’ Feder findet man keine thematischen, gar programmatischen Schreiben; es handelt sich meist um Alltagskorrespondenz. Nähere Aufmerksamkeit verdient der noch ungedruckte Brief Peutingers an S. vom 8. Jan. 1523. Er ist im ersten Abschnitt ein Kondolenzbrief zum Tode von S.’ Frau, von dem Peutinger durch einen Brief S.’ an seinen Sohn Claudius Pius erfahren hatte, in der Hauptsache aber eine ausgreifende Abhandlung über die Bedeutung von lat. praeses, veranlaßt durch die Kritik Stunicas an der Ersetzung von procurante Pontio Pilato (Vulgata) durch Pontio Pilato praeside in Erasmus’ Übersetzung

Literatur. H. Pantaleon, Prosopographia heroum atque illustrium virorum totius Germaniae, Bd. 3, Basel 1565, S. 233; M. Adam, Dignorum laude virorum […] immortalitas, Frankfurt 1706, S. 205 f.; W. Str¸ver, Die Schule zu Schlettstadt

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Sbrulius, Richardus

von 1450⫺1560. Ein Beitrag z. Culturgesch. d. MAs, 1880, S. 40⫺55; G. Knod, Die Stiftsherren von St. Thomas zu Strassburg (1518⫺1548), 1892, S. 36; J. Ge´ ny, Die Reichsstadt Schlettstadt u. ihr Anteil an d. socialpolit. u. religiösen Bewegungen d. Jahre 1490⫺1536, 1900, Reg.; J. Knepper, Wimpfeling, S. 223, 275, 280, 282, 314 f., 321⫺323 u. ö. (Reg.); ders., Das Schul. u. Unterrichtswesen im Elsaß von den Anfängen bis gegen das Jahr 1530, 1905, S. 193 f., 239 f., 335⫺337 u. ö. (Reg.); P. Merker, Der elsässische Humanist J. S., in: H. Gumbel (Hg.), Beitr. z. Geistes- u. Kulturgesch. d. Oberrheinlande. F. Schultz z. 60. Geburtstag gewidmet, 1938, S. 79⫺111; Amerbach-Korr., Bd. 1⫺2, Reg.; P. Adam, L’humanisme a` Se´lestat, Se´lestat 41978, S. 21⫺23 u. ö. (Reg.); J. Lebeau, De la come´die des humanistes a` la ‘Divine come´die’. Aux origines du the´atre biblique luthe´rien, in: Humanisme allemand, S. 477⫺491; M. de Kroon, ‘In Christophorum Quendam Buceriastrum epigramma’. Eine Schmähschrift aus d. Zeit d. Kölner Reformation (1543), in: ders./M. Lienhard (Hgg.), Horizons Europe´ens de la Re´forme en Alsace, Strasbourg 1980, S. 253⫺266; F. Rapp, Die Lateinschule von Schlettstadt ⫺ eine große Schule für eine Kleinstadt, in: B. Moeller u. a. (Hgg.), Stud. z. städt. Bildungswesen d. späten MAs u. d. frühen Neuzeit, 1983, S. 215⫺234, bes- S. 228⫺ 233; J. Rott, Investigationes historicae, Bd. 1⫺2, Strasbourg 1986, Reg.; Br¸ggemann, Hdb., S. 1175 f. u. Reg.; Wimpfeling-Br. (Reg.); A. Koch, Relations e´pistolaires entre humanistes se´lestadiens, Annuaire des Amis de la Bibliothe`que Humaniste de Se´lestat 40 (1990) 25⫺34; P. Sch‰ffer, Zur Erasmus-Apotheose des J. S., ebd., S. 17⫺24; W. F. Michael / D. Parker (Hgg.), J. S., Anabion sive Lazarus redivivus, 1991; P. Sch‰ffer, J. S. im Hirtenkleid. Die Bucolicae Querelae des Eucharius Synesius, Annuaire des Amis de la Bibliothe`que Humaniste de Se´lestat 42 (1992) 27⫺35; ders., S. Consolator, ebd. 46 (1996) 81⫺98; ders., J. S. (Hans Witz), in: J. Hardin / M. Reinhart (Hgg.), German Writers of the Renaissance and Reformation 1280⫺1580 (Dictionary of Literary Biography, Bd. 179), Detroit u. a. 1997, S. 253⫺ 259; U. Dill, J. S. u. d. Familie Amerbach, in: U. Dill / B. R. Jenny (Hgg.), Aus d. Werkstatt d. Amerbach-Edition, 2000, S. 13⫺50; R. Walter, B. Rh. et Sapidus. Les avatars d’une amitie´ d’enfance, Annuaire des amis de la Bibliothe`que Humaniste de Se´lestat 50 (2000) 11⫺16; S. de Raguenel, Le Poe`me de Jean S. sur la coupe offerte par Erasme a` Paul Volz: un te´moigne d’amitie´ entre humanistes du cercle de B. Rh., in: Antiquite´ tardive et humanisme. De Tertullien a` Beatus Rhenanus, Turnhout 2005, S. 509⫺525; S. von der Gˆnna (Hg.), Jakob Wimpfeling, Catalogus archiepisco-

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porum Moguntinorum, 2007, S. 14 f., 16 f., 85 f., 174 f.

F. J. Worstbrock

Sbrulius, Richardus (Sbrolius; Sbruglio, Sbroglio, Riccardo, Rizzardo) Foroiulianus I . L eb en . Geb. um 1480 in Cividale bei Udine (Grafschaft Friaul). Seine Lebensdaten und -stationen sind zumeist aus seinen Schriften nachzuweisen. Nach einem Studium in Bologna, abgeschlossen mit dem Doktor der Philosophie, geht er 1506 über Venedig und Ferrara, woher seine ersten erhaltenen Dichtproben datieren (Liruti, S. 89, sowie in II.B.4.), nach Deutschland. Er ist 1507 auf dem Konstanzer Reichstag, wo er erste Kontakte zum Kaiserhof knüpft. Letztlich geht er aber auf Vermittlung Christoph J Scheurls, den er bereits aus Italien kennt, mit Kf. Friedrich dem Weisen nach Wittenberg (daß Maximilian S. an Friedrich den Weisen vermittelt habe, wie Ludolphy, S. 324, schreibt, ist offenbar ein Irrtum). Es schließen sich einige Jahre im deutschen Nordosten an: In Wittenberg lehrt er von 1507⫺1513 an der Universität, 1508 wird er auf Betreiben des Kurfürsten zum Magister promoviert. 1511 ist er in Leipzig immatrikuliert. 1512 bemüht sich Christoph Scheurl, seinen Weg nach Nürnberg zu lenken, stattdessen ist S. ab Frühjahr 1513 bis 1515 in Frankfurt/O. Er wird dort mit der Bemerkung insignis poeta an der Universität immatrikuliert (gleichzeitig mit Eobanus J Hessus) und bemüht sich um Anschluß an den brandenburgischen Hof. In der folgenden Zeit ist S. auf Reisen und an unterschiedlichen Orten, tendenziell aber eher süddeutsch und rheinisch nachgewiesen: Im Herbst 1516 wird er an der Univ. Köln in der juristischen Fakultät immatrikuliert, außerdem ist er in Trier, anschließend wohl auch in Freiburg und in Ingolstadt in Kontakt mit Ulrich J Zasius bzw. mit Urbanus Rhegius. 1517 gelingt es ihm, neuerlich Verbindungen zu den ksl.en Dienern, besonders zu Blasius Hoelzel, zu

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knüpfen. Der Erfolg zeigt sich zum einen in der Krönung zum Poeta laureatus, als der er in den Drucken seiner Schriften seit 1518 auftritt, und der (aufgrund seiner Ritterbürtigkeit wahrscheinlich gleichzeitigen) Ernennung zum Eques auratus; zum anderen in konkreten Aufträgen, die ihn zur Mitarbeit an der maximilianeischen Memoria verpflichteten, es aber kaum rechtfertigen, ihn als “Literatensekretär” zu bezeichnen und ihm eine stabile Position im inneren Zirkel des maximilianeischen Hofes zuzuschreiben. Nach dem Bericht des J Stabius über den literarischen Nachlaß Ks. Maximilians (Steinherz, S. 152⫺155) sollte er Reisen u. a. nach Brabant und Flandern unternehmen, um die Namen der Heiligen zu überprüfen, die Jakob D Mennel für den habsburgischen Stammbaum angegeben hatte. Seine herausragende, ihm direkt übertragene Aufgabe aber, von der Stabius an gleicher Stelle schreibt, sollte neben der lat. Übersetzung von Tituli der ‘Ehrenpforte’ die Umformung des ‘Theurdank’ in ein lat. Epos werden, das er als ‘Magnanimus’ auch in Angriff nahm. Nach dem Tod Maximilians unternimmt S. bereits in der Phase des Wahlkampfes um die Nachfolge des Kaisers Anstrengungen, sich den Habsburgern Karl und Ferdinand zu empfehlen, womit er aber zumindest zunächst erfolglos bleibt. Nach einer Reise nach Löwen (1519/1520), die von einem Konflikt mit den dortigen Theologen geprägt wird, ist er 1522 in Meißen, wo er offensichtlich an der Fürstenschule in Freiberg lehrt, aber wieder nicht lange bleibt. Gleichzeitig erneuert er seine Anstrengungen, Bindung an den habsburgischen Hof zu bekommen; sie führen ihn u. a. 1522 zum Nürnberger Reichstag, 1523 nach Wien und 1524 nach Salzburg zum Kardinallegaten Lorenzo Campeggio und in seinem Gefolge im Frühjahr 1525 mit Michael Sander und Friedrich Nausea nach Ungarn. In Ofen wird er zum Dr. utr. iur. promoviert (Abschrift der Urkunde erhalten, bei Liruti, S. 92, und nach diesem bei Schubert/ Schubert, S. XII f., zitiert); die Urkunde nennt ihn praestantissimum Philosophiae Doctorem, illustrem Poetam laureatum,

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splendidum Equitem Auratum, Caesareumque Historiographum longe excellentem. Dies ist ⫺ neben dem geringen dichterischen Ertrag dieser Reise (s. II.B.19.) ⫺ sein letztes Lebenszeugnis. Das Todesjahr ist unbekannt. S. hat sich meistens nur in losem Kontakt mit anderen humanistischen Literaten bewegt und war nur unvollkommen in die unterschiedlichen Gruppierungen integriert, wie auch an den wenigen belegten brieflichen Kontakten erkennbar wird (Briefwechsel mit J Erasmus: Opus epist., Nrr. 1001 und 1159). Conrad J Mutian, mit dem er 1507 und 1515 Kontakt aufnimmt, schätzt seine literarischen Fähigkeiten nicht sehr hoch ein, Ulrich von J Hutten diffamiert ihn und Riccardus J Bartholinus 1520 in einem Brief an Bonifacius Amerbach als leichtsinnige Italiener. Eobanus Hessus macht ihn in seiner 10. Ekloge des ‘Bucolicon’ als Fastus verächtlich (Vredeveld, Bd. 1, S. 350 ff.), der nach Italien zurückkehren solle. Dagegen stehen die gute Aufnahme am maximilianeischen Hof, die Anerkennung durch Erasmus, der in seinem ‘Convivium poeticum’ (ASD I-3, S. 344⫺359) S. als einen der Unterredner wählte, sowie v. a. die positiven Äußerungen von Christoph Scheurl, der ihn allerdings auch gelegentlich auffordert, eine offensichtlich unstatthafte Beziehung zu einer Frau zu lösen und seinen Lebenswandel für ihn unvorteilhaft mit dem des Georg J Sibutus vergleicht. Johannes J Hadeke bezeichnet ihn als seinen Lehrer in Leipzig, Frankfurt und Wittenberg. Wirklich gelungen erscheint ausweislich der Drucke und ihrer Beiträger die Einbindung in lokale, universitäre Gelehrtenzirkel in Wittenberg. Dort ist eindeutig Christoph Scheurl der dominierende Förderer, Gesprächs- und später Korrespondenzpartner, der auch die Kontakte zu Otto J Beckmann, Andreas J Krapp und Georg J Spalatin unterstützte. In Frankfurt/O. und Köln zeigen ihn seine gedruckten Schriften weniger in Verbindung zu humanistischen Gelehrten, sondern eher zu Geistlichen: so in Frankfurt zum Domdekan von Lebus, Georg von Blumenthal und zum dortigen B. Dietrich von Bülow,

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zum gelehrten Propst Johannes Potken in Köln sowie zu Richard von Greiffenklau, dem B. von Trier. Daß Dürer ein Bild von S. gemalt habe, wie die ältere Dürerforschung vermutete, beruht auf dem Mißverständnis eines Lobgedichts auf Dürer von S. in Scheurls ‘Libellus de laudibus Germaniae’ (s. II.B.4.). I I. We rk . Für das literarische Werk S.s lassen sich zwei Schwerpunkte konstruieren, die allerdings weder in den Schriften noch in den Drucken eine eindeutige Trennung möglich machen: Zum einen hat S. Gedichte zu geistlichen Themen, zum anderen panegyrische Werke verfaßt. In der Folge werden deshalb die Schriften chronologisch aufgeführt. A . E ig en e S ch ri ft en . 1. ‘Panegyricus ad illustrissimum Saxoniae ducem’, 1507. Der Titel bezeichnet zugleich das wichtigste Stück wie auch das Buch insgesamt: Es handelt sich um eine Sammlung von Schriften, die S.’ Versuche dokumentieren, sich anläßlich des Konstanzer Reichstags am kursächsischen und am ksl.en Hof einzuführen. Im ‘Panegyricus’ werden Friedrichs fürstliche Tugenden gefeiert (pietas, clementia, iustitia, constantia), in denen er auch von Cato und Nestor nicht überragt werde. Seine mannigfachen Dienste für das Reich, die ihn zu einem Führer des Reiches machen, und seine glänzende Herrschaft werden ebenso beschrieben wie Wittenberg und die Universität. Seine Brüder Ernst, Eb. von Magdeburg und Johann der Beständige, sowie der albertinische Hzg. Georg der Bärtige vervollständigen das Bild, um ein glückliches Sachsen zu zeichnen. In einem kurzen Gedicht wird Christoph Scheurl als berühmter Jurist, den Ruhm Friedrichs mehrender Diener und den Musen ergebener Mann gefeiert. In der abschließenden Elegie für Maximilian schreibt S. für den auf dem Reichstag geplanten Italienzug Maximilians zum Empfang der Kaiserkrönung in Rom. Im Ver-

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gleich mit Hannibal bestätigt er Maximilians Recht und Pflicht, nach Italien aufzubrechen und gegen venezianische Zumutungen die römische Kaiserkrönung zu erlangen. Druck. Ricardi Sbrulij Panegy⫽|ricus Ad illustrissimum Saxonie ducem: sacrique | romani Imperij Electorem etc. Federicum: Pal⫽|ladii Columen Chori. Leipzig: Martin Landsberg, 1507. VD 16, S 2071.

2. ‘Cleomachia’. Liber Primus, 1510. Der Titel faßt eine heterogene Reihe von 76 kürzesten bis längeren Gedichten meistens in elegischem Versmaß als Einheit zusammen. Ein ‘Liber secundus’ ist nie erschienen. Die Gedichte sind an Personen aus mindestens vier nicht scharf zu trennende soziale Gruppierungen gerichtet: Der kurfürstlich-sächsische Hof und die Witttenberger Universität sowie weitere mitteldeutsche Räte, Geistliche und Gelehrte, der kgl.-ksl.e Hof, S.s Familie und italienischer Adel. Einzelne Gedichte aus dieser durch den Titel, die Person des Autors wie des Widmungsträgers Friedrich den Weisen und den Druck hergestellten Einheit werden deshalb auch an anderer Stelle gedruckt. Die große Anzahl an Gedichten an Kf. Friedrich den Weisen ragt heraus: vierzehn Gedichte an ihn eröffnen die Sammlung, Gedichte an ihn und seinen Bruder Johann den Beständigen beschließen sie. Friedrich wird, vor allem in dem programmatisch eröffnenden Gedicht, das keinen eigenen Titel trägt, die Sammlung angetragen als ein Monument, das aber seiner Größe kaum gerecht wird. In den Gedichten bemüht S. zahlreiche Vergleiche aus der Antike, um die Größe Friedrichs herauszustellen. Ebenfalls mehrere Gedichte sind an Christoph Scheurl sowie an Otto Beckmann (auch als Otto Wartbergius bezeichnet) gerichtet, der selber mit zwei Beiträgen beteiligt ist. In ihrer Ausführlichkeit stechen zwei Gedichte heraus: Die 72 Distichen umfassende Elegie an Dietrich Block bei Antritt seines Rektorats im SS 1508 (Bl C iii r⫺[C5]v), das mit einem Epigramm Otto Beckmanns an Block und einem Tetrastichon S.’ Ad Scolasticam iu-

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ventutem eine kleine Gruppe bildet; S. schildert die Studien Blocks in Erfurt und Bologna, seine Bekanntschaft mit Scheurl, seine Zeit als Professor an der Rostocker Universität und hebt seine Verbundenheit mit Friedrich dem Weisen hervor. Das zweite, nochmals deutlich längere Gedicht ist an Margarete von Bünau gerichtet, deren Gelehrsamkeit in 153 Distichen gelobt wird (Bl. Dr⫺[D6]v). S. vergleicht sie mit Frauen der Antike ebenso wie mit Hrotsvith; ihre Kenntnisse erstrecken sich ebenso auf die antiken Autoren und die Philosophie wie auf die Bibel. Als einziges längeres Gedicht, das keinen direkten Adressaten hat, erhält auch S.’ Dankgedicht zur Erlangung der Magisterwürde einen besonderen Rang. In ihm werden die akademischen Würdenträger besonders hervorgehoben, denen sich S. verpflichtet fühlt. Druck. Ad divum Fridericum principem | Saxoniae ducem: Misnae Marchionem: Turingiae | comitem: Sacri Imperii Electorem & guber|natorem &c. Vnicum Musarum columen | decus atque praesidium. | Ricardi Sbrulii equitis Foro-|Iuliensis Liberalium Artium doctoris ac | professoris in Academia Wittenburgensi/ | Poetae clarissimi Cleomachiae | liber primus […]. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1510. VD 16, S 2059. Titelepigr. von Otto Beckmann.

3. ‘Camoenae’ / ‘Neocharis’. Diese Sammlung geistlicher Gedichte ist in drei verschiedenen Fassungen gedruckt. Außer einem Gedicht auf Christi Geburt sind besonders hervorhebenswert ein Eulogium an die hl. Katharina, eine Anrufung des Evangelisten Johannes und mehrere Mariengedichte. Unter dem Titel Camene bzw. Camoenae ist die Sammlung in zwei auf unterschiedliche soziale Zusammenhänge bezogenen und quantitativ deutlich unterschiedenen Fassungen 1512 noch in Wittenberg, 1514 schließlich im brandenburgischen Frankfurt/O. erschienen. Wiederum zwei Jahre später widmete S. sie in nahezu unveränderter Form als Neocharis in Köln dem gelehrten Propst Johannes Potken. Für die Erstausgabe 1512 sind folgende Elemente besonders erwähnenswert: Die einleitende In natalem Christianum Cantilena umfaßt hier le-

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diglich 19 sapph. Strophen: Die 1514 und 1516 gleichlautende Fassung ist um sieben Strophen länger und auch in einzelnen Formulierungen überarbeitet. Widmungsempfänger von Gedichten sind die Brüder des Adelsgeschlechts von Schleinitz: Ein Gedicht ist gemeinsam an Johann von Schleinitz und seinen Bruder Wolf, ein anderes an Ernst, den späteren B. von Prag, gerichtet, die alle als Meißner Kanoniker angesprochen werden. Schließlich widmet S. Margarethe von Bünau, dem Rektor der Wittenberger Universität Sebastian Kuchenmeister, Balthasar Fabricius Phacchus und Otto Beckmann gemeinsam Gedichte an die Jungfrau Maria. 1514 sind die Camoenae in ihrer längsten Fassung mit 20 Gedichten Dietrich von Bülow, B. von Lebus und Kanzler der Univ. Frankfurt, gewidmet. Im Widmungsbrief werden katalogartig seine Tugenden (pietas, clementia, sapientia, caritas) und sein bischöfliches Handeln gelobt. Die bischöfliche Synode in Fürstenwalde wird ebenso angesprochen wie Georg von Blumenthal als Dekan in Fürstenwalde, dem nicht nur selber Gedichte gewidmet sind, sondern auch das Lob seiner Schwester und ein Epitaph seiner Mutter. Der Druck unter dem Titel Neocharis unterscheidet sich von dieser zweiten Fassung durch den Wegfall der auf Brandenburg bezogenen Gedichte, ansonsten aber nur unwesentlich: Das 1514 an die bischöfliche Synode in Fürstenwalde gerichte Gedicht richtet sich nun an Johannes Potken, der Text des Gedichts und die weiteren Empfänger des Gedichts bleiben gleich. Ergänzt sind u. a. der Widmungsbrief an Johannes Potken, in dem S. über dessen Tugenden und seine Kenntnis der ‘chaldäischen’ Schrift handelt, und eine Ode an Johann Albrecht von Brandenburg. Drucke. a) Sacre Richardi Sbrulij | Foroiulei Camene. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1512. VD 16, S 2073. ⫺ b) Christianae Richardi | Sbrulij Foroiuliani | Camoenae. | T. B. | […]. Frankfurt/O.: Joh. Hanau, [1514]. VD 16, S 2074. ⫺ c) Richardi Sbrulii | Foroiuliani Neocharis. | […]. Ohne O. u. J. [Widmungsbrief: Köln 1516]. VD 16, ZV 13743.

4. ‘Theocharis’, 1514. Mit diesem Passionsepos (476 eleg. Distichen) führte sich S. beim neugewählten Eb. von Magdeburg, Albrecht von Brandenburg, ein. Der Widmungsbrief vom 15. März 1514 ist sowohl an Albrecht als auch an Dietrich von Bülow, B. von Lebus, gerichtet, der als Mitbegründer und Kanzler der Univ. Frankfurt/O. angesprochen wird, wohin S. von Wittenberg gewechselt ist. Im beigefügten Gedicht des Hermann J Trebelius wird die geistliche Dichtung

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als vornehmste Aufgabe des Dichters gepriesen, der sich S. in der ‘Theocharis’ unterzieht. S. zeigt seine Kunst darin, antike Elemente im christlichen Kontext zu verwenden. Er beklagt das Fehlen von Zeugnissen antiker Dichter und Philosophen über Christus, die er namentlich aufführt. Christus wird mit Apoll ineins gesetzt. Druck. Richardi Sbrulii Foroiuliani | Equitis liberalium disciplinarum doctoris: | & professoris. in Academia Franck-|fordiana: poetae & Oratoris | clariss. Theocharis. | […]. Frankfurt/O.: Joh. Hanau, 1514. VD 16, S 2075.

5. ‘Triumphus principalis Marchiae Brandenburgensis’, 1514. Der Panegyricus, verfaßt anläßlich Albrechts feierlichen Einzugs in seine Residenz in Magdeburg im Frühjahr 1514, schildert seinen Einritt und die Anreise und verherrlicht das Haus Brandenburg, das bis auf Romulus zurückgeführt wird. Albrechts bischöfliche Tugenden werden gelobt, so besonders seine Demut. Druck. Principalis Marchiae Brandeburgensis triumphus | Richardi Sbrulij Foroiuliani Equitis il⫽||lustrium disciplinarum doctoris & professoris/ Poete˛ | clarissimi. Frankfurt/O.: Joh. Hanau, 1514. VD 16, S 2072.

6. ‘Chrysocharis’. Die ‘Chrysocharis’ steht im Zusammenhang mit den Heilig-Rock-Wallfahrten nach Trier, die seit dem Reichstag 1512 bis 1517 jährlich veranstaltet wurden, und wird zu den Heiltumsdrucken gezählt. 432 Verse, im Druckbild gegliedert durch häufige Marginalien, in denen auf Personen, ‘Sentenzen’, Vaticinien und Ereignisse aufmerksam gemacht wird. Gegenstand ist die antike Geschichte Triers mit Konzentration auf Helena und den Hl. Rock, die in eine Schilderung gegenwärtiger Zustände mündet und die Verbindung zwischen Maximilian, dem Bischof und Papst Leo X. nachzeichnet. Am Ende steht eine Anrede an den Trierer B. Richard von Greiffenklau und den Hl. Rock. Hervorzuheben ist neben Beigaben für den Propst Johannes Potken vor allem S.’ einziges italienischsprachiges Gedicht, ein Gebet am Ende des Bandes (Ad Christum op. Max. Italica precatio, Bl. [B4]v).

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Druck. Chrysocha⫽|ris Treberica Richardi Sbrulij | Foroiuliani vrbis Treuirum et Tunicae do minicae | aliarumque sacrarum reliquiarum laudes continens. | […]. Köln: Quentel, 1516. VD 16, S 2064. Ausführliche Beschreibung des Drucks: Hennen, S. 486-488, Nr. I, A 4; Seibrich Nr. 34.

7. ‘Magnanimus’. Für die undatierte Handschrift, den einzigen erhaltenen, wahrscheinlich autographen Textzeugen der im heroischen Hexameter gehaltenen Dichtung führt der Katalog der ÖNB Wien als Titel Poema de variis Maximiliani I. imperatoris periculis an. Er entspricht ungefähr dem Untertitel der dt. Vorlage, des ‘Theurdank’. Im einleitenden Gedicht und im Schlußepigramm wird Magnanimus als Werktitel verwendet. S. hat offensichtlich allein den Druck des ‘Theurdank’ (1517, 2. Aufl. 1519) verwendet. Für seine Abfassung hat er nach Johann Stabius’ Bericht einen direkten Auftrag Maximilians erhalten (Steinherz, S. 153 f.). Mit der lat. Fassung konnte ein anderer Adressatenkreis angesprochen werden. In der Konstruktion der Autorschaft löst er sich von der Vorlage; Melchior D Pfinzing wird nicht genannt. Die Hs. ist eine Reinschrift, sie umfaßt aber lediglich die beiden ersten Teile (es fehlen die Episode Neidelhart-Lividius und die Ereignisse am Hof Erenreichs) und wurde so Erzhzg. Ferdinand überreicht, in der ausgesprochenen, aber vergeblichen Hoffnung, einen Folgeauftrag zu erhalten. Die Entwürfe für alle Teile sind unauffindbar. Der Inhalt ist weitgehend durch die Vorlage bestimmt (ausführlich hierzu Schubert/Schubert, Ausg., S. XV⫺XXXII; Knapp, passim). Die Werbungsfahrt Theurdanks (Magnanimus : Maximilian) zu Erenreich (Erenrica : Maria von Burgund) wird durch eine Reihe ritterlicher Geverlichkeiten, in denen sich Magnanimus bewähren muß, allegorisch gefaßt (M¸ller, S. 108⫺ 130, und 2VL, Bd. 6, Art. Maximilian). Die lat. Fassung integriert den Text, die Bilder und die Clavis. Die Übersetzung der Namen und ihr Gebrauch ist gemischt gehandhabt, auf den allegorischen Gehalt wird nicht durchwegs geachtet. So wird der Vater Erenreichs, König Romreich zu Rumricus, Erenrica wird als Bezeichnung

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gemieden, durch Nata (‘Tochter’) als Namensäquivalent eingeführt. Die Lautung wird bei Fürwittig als Fervidus und Unfalo als Infoelix nachgeahmt; Theurdanks hauptsächliche Bezeichnung ist von Beginn an Magnanimus, dazu treten umschreibende Begriffe wie iuvenis oder heros. Nur zur Sicherung der Identität erscheint Theurdank als Namensform. Neben dem ‘Theurdank’ steht für das Epos Vergils ‘Aeneis’ Modell, in sprachlich-stilistischer Hinsicht ebenso wie motivisch, ideell. Durch die Umformung wird die Ritterfahrt problematisch, der Frauendienst ist nicht mehr selbstverständliches standesgemäßes Motiv; der adressierte doctus orbus teilt nicht die Erfahrungen und Passionen, die Detailgenauigkeit rechtfertigten. S. greift deshalb in jeder Hinsicht verändernd in den Textbestand ein. Alles unepische (funktionslos gewordene) wie z. B. weidmännische Details werden gestrichen. Spätmal.e soziale und kulturelle Praktiken wie Geschäftsgänge, Modalitäten der Testamentseröffnung erscheinen als Fremdkörper. Die topographischen Angaben werden pauschalisiert, das Epos spielt in einer mythischen Welt. Der historische Hintergrund, den das Heldenbuch intendierte, verschwimmt. Liebe rückt als Motiv ins Zentrum, so daß die Abenteuer als lästiger Aufenthalt erscheinen. Der brüchig gewordene Erzählrahmen der isolierten Abenteuer wird durch die Anlagerung neuer Erzählkomplexe stabilisiert. Ein neuer sinnstiftender Erzählzusammenhang wird aber nicht in einem epischen Strukturmuster, sondern im sensus moralis des ‘Theurdank’ gefunden (M¸ller, S. 163), der Held verkörpert in der Behauptung gegen das Schicksal auf dem steilen Weg zur vorherbestimmten Herrschaft eine der zentralen Tugenden der Fürstenspiegel, die durch die geverlichkeiten belegt wird. Magnanimus wird als zweiter Aeneas gezeichnet, der seine Siege dem fatum verdankt; er ist ein tendenziell passiver Held (Knapp, S. 78). tolerare labores signalisiert eine Neuorientierung des Verhaltens, ein neues Ideal heroischer Virtus. Gefahr wird nicht gesucht, sondern gemieden, wenn eine Bewährung in Tollkühnheit umschla-

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gen würde. Die temporäre Macht des unglücklichen Zufalls und der dämonischen Kräfte ermöglicht auch zufällige Gefahren. Als epische Bauelemente fügt S. ein Proömium mit Musenanruf und thematischer Vorschau, ein Binnenproömium vor dem ersten Auftritt des Helden und dem Beginn der Abenteuer (Kap 7, 1⫺7) ein. Seestürme werden in vergilischer Imitatio geschildert (V. 1569 ff., V. 2177 ff., V. 3722 ff., vgl. Knapp, S. 32⫺40), ausgewählte Örtlichkeiten erhalten eine kurze Ekphrasis. Durch mythologische-historische Vergleiche und Exempel, Sentenzen, einen epischen Tageslauf und lange Monologe der Hauptleute wird das Epos geprägt. Auktoriale Einschübe fallen weg, Motivationsprobleme werden durch Tagesläufe und Monologe gelöst. Durch die Handlung (Gefährdung des Helden durch Pulverexplosion und Aufenthalt in einer Stube) wird eine singuläre Sprengung des antikischen Rahmens im Hinweis auf den Pulvererfinder Berthold Schwartz (50, 45⫺52) und die Aufnahme des dt. Wortes Stube in den Text mit expliziter Übersetzung (thermotopos: 73, 48 f.) erzwungen. Handschrift. Wien, ÖNB, Cod. 9976. Ausführliche Beschreibung bei Schubert/Schubert, Ausg., S. XXXIII⫺XL. Ausgabe. Schubert/Schubert.

8. ‘Nenia’. Ohne den Wahlkampf zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich offen einzubeziehen, schreibt S. eine Reihe von Trauergedichten, zwei davon gerichtet an Margarete und Ferdinand und alle eingeleitet durch einen Brief an Karl (10. Febr. 1519). Die Texte sind anscheinend in großer zeitlicher Nähe zu Maximilians Tod verfaßt; im Brief an den spanischen König schreibt S., er habe mit der ‘Nenia’ gleich nach dem beklagenswerten Tod Maximilians begonnen. In der 50 Distichen (Hekatostichon) umfassenden Nänie werden die Nachfolge und das Weiterleben Maximilians in seinen Erben angesprochen, Margarete, Ferdinand und Karl (als Carolus Hispani Rex invictissimus orbis) danach in jeweils eigenen Gedichten auch persönlich. Maximilian, so das Fazit, könne in Frieden ruhen,

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da die Herrschaft bei ihnen in guten Händen sei. Drucke. a) Richardi Sbrulii Foroiuliani | Poetae Caesarei in diui MAXIMI|LIANI Caesaris P.F. Aug. | obitum Nenia | Holzschnitt mit einer Trauerszene: In der Mitte die aufgebahrten Herrschaftsinsignien, darum sitzend sieben Mitglieder der habsburgischen Familie, darunter Karl, Ferdinand und Margarete. Augsburg: S. Grimm u. M. Wirsung, 1519. VD 16, S 2069. ⫺ b) Mit dem gleichen Titel: Augsburg: Hans von Erfurt, 1519, VD 16, S 2070. ⫺ c) Ad divum Carolum Hispaniarum Regem etc. | Invictissimum Rich. Sbrulii Foriuliani | Poete Cesarei Epistola. [Augsburg: Hans von Erfurt, 1519]. VD 16, S 2058.

9. ‘Moduli aliquot’. Diese Sammlung kleinerer Gedichte gehört ebenfalls zu den Publikationen, mit denen S. versuchte, nach der Kaiserwahl Karls Zugang zu den sich neu formierenden habsburgischen Räten zu erlangen. Gewidmet ist sie deshalb mit einem Brief (datiert: 8. Nov. 1519) dem Rat Maximilian van Zevenberghen, in dem S. auch auf seinen ‘Magnanimus’ hinweist. Die Sammlung enthält Gedichte über Karl V., Ferdinand sowie Zevenberghen, die jeweils als Akrostichon deren Namen bilden (carolus rex, ferdinandus princeps optimus, maximilianus). Eine weitere, längere Ele-

gie für Zevenberghen sowie eine Ode auf den hl. Arnulf von Metz und kleinere Gedichte vervollständigen den Band.

Druck. Richardi Sbrulii Equi|tis Foroiuliani. Cesareique Poete ad Ma|gnificum atque Illustrem Maximi/|lianum Seuenbergensem: Diui | Caroli Ro*mani+. et Hispania|rum Regis etc. Orato|rem vndique Or-|natiss*imum+. Mo/|duli ali/|quot. Augsburg: Hans von Erfurt, 1519. VD 16, S 2060.

10. ‘Elegia in reditus Caroli Maximi Caesaris in Germaniam’. S. schreibt anläßlich der Ankunft Karls zur Krönung in Aachen eine Elegie auf den Caesar Augustus genannten Karl V. Es ist ein Lob der kaiserlichen Eigenschaften, die seine Herrschaft als ein neues goldenes Zeitalter erwarten lassen: Karl wird als neuer Atlas dargestellt. Der auf den 1. Sept. 1520 datierte Widmungsbrief ist entsprechend an Mercurino di Gattinara gerichtet. Gleichzeitig wird der künftige Kaiser auf die verschiedenen Grundlagen sei-

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ner Herrschaft hingewiesen. Auf dem Titelblatt schon ist der Anlaß des Druckes in einem Holzschnitt abgebildet, der König thront vor den ihm mit ihren Wappen gegenüberstehenden Kurfürsten. In der Elegie werden die Kurfürsten und jene genannt, die im Wahlkampf und in der Folgezeit locumtenentes der Habsburger waren. Druck. In divi Caroli maximi | Caesaris Augusti. &c. Foelicem ex Hispania in Germa⫽|niam Reditum, Richardi Sbrulij ForoIuli⫽|ani, C. P. Elegia. Cui Titulus,| Vaticinium Protei | Holzschnitt mit den Kurfürsten und dem thronenden König. Augsburg: S. Grimm u. M. Wirsung, 1520. VD 16, S 2068.

11. ‘Epithalamium in nuptiis Gabrielis Salamancae’. Verfaßt anläßlich der Hochzeit des Generalschatzmeisters des Erzhzg.s Ferdinand, Gabriel Salamanca, mit Elisabeth zu Eberstein am 20. Juli 1523. S. bemüht zahlreiche antike Allusionen, um die Würde Salamancas ebenso wie die der Familie von Eberstein hervorzuheben und ihre Liebe zu feiern. Druck. Richardi | Sbrulii equitis Fo⫽|roiuliani, Caesarei ac principalis Po-|etae et Historiographi. etc. | Epithalamium in Nuptiis Ga⫽|brielis Salamancae. Invicti Au|strii Principis et quaestoris | et Consiliarii undecun-|que ornatissimi. Etc.| atque Elisabetae Eber|staniae Comitis |uirginis pul-|cherri-|mae.| […]. Wien: Joh. Singriener, 1523. VD 16, S 2067.

B . K le in e B ei tr äg e. 1. Orationes Doctoris Chri|stophori Scheurli Nurenbergensis: et magistri | Wolfgangi Polichii Mellerstadij. habite in gym|nasio Wittenburgensi: Rectoribus scholasticam | prefecturam ineuntibus. Anno domini 1507. | M | Fortes Fortuna Formidat | C. S. D. [Wittenberg 1507]. VD16, ZV 13864. Titelbl.v: Epigramm von S. auf Martin Horleben. Am Ende, Bl. C iii r: Epigramm und Tetrastichon auf Scheurl, gemischt mit anderen Beiträgen. C v⫺C ii : Gedicht auf Jodocus J Trutfetter, für dessen Lob er die Musen anruft und der in seiner Weisheit selbst Aristoteles übertreffe. 2. Andreae Crappen Vuittenburgensis Carmen | de duobus amantibus capite amarum | exitu iucundissimum […]. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1508. VD 16, ZV 9200. Bl. C iii v⫺ [C4]r: Richardi Sbrulii Itali Epigramma Extemporale.

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3. Andreas Bodenstein, Distinctiones | Thomistarum: | pollaki kai khpvro anhr mala kairion eipen | hoc est: latino carmine | Saepe etiam est olitor valde opportuna locutus […]. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 30. Dez. 1508. VD 16, B 6150. Titelepigr. von S, Titelbl.v: Ad Lectorem Richardus Sbrulius. 4. Libellus De Laudibus | Germanie et ducum Saxo|nie editus a Christophoro Scheurlo Nurem| bergensi Iurisutriusque Doctore.| Fortes Fortuna Formidat. Leipzig: Martin Landsberg, 1508. VD16 S 2794. Die überarbeitete Leipziger Ausgabe des ‘Libellus’ beginnt mit einem Widmungsgedicht S.s an Friedrich den Weisen (Titelbl.v). Mehrfach sind Verse S.s der Rede eingefügt (Bl. Bv: Ein Distichon, Er: vier Verse; Gr⫺v: aus Ferrara, 8 Verse). Besondere Beachtung hat ein ausführliches Lob Dürers gefunden, das durch Gedichte S.s ergänzt und unterstrichen wird ([H5]v: ein Tetrastichon, ein Distichon und ein weiteres ad celeberrimum pictorum principem Albertum Durerum mit den ersten beiden Versen: Ut me pictura facies volitare per orbem | Sic tua carminibus fama perennis erit). Die Formulierung S.s, sein Lob werde Dürer ebenso zum Nachruhm verhelfen wie ein von Dürer gemaltes Bildnis ihm selber, hat zu der fälschlichen Annahme geführt, Dürer habe S. in Ferrara gemalt. Hervorzuheben ist desweiteren die sapphische Ode (6 Strr.) auf Nürnberg, für die Scheurl S. als neuen Ovid lobt (Bl. H ii v⫺H iijr. Außerdem liefert S. auf 1507 und 1508 datierte, der Rede angehängte Beiträge (Bl. L ijv⫺[L4]v), die an Friedrich den Weisen, an den sächsischen Rat Degenhard Pfeffinger, an den Breslauer Leonhart Fogel (Vogel) und an Scheurl selbst gerichtet sind und sämtlich die Verbindung S.’ mit Scheurl hervorheben. 5. Oratio doctoris Scheurli at-|tingens litterarum prestantiam / nec non laudem Ecclesie | Collegiate Vittenburgensis | M. | Fortes fortuna Formidat | C. S. D. Leipzig: Martin Landsberg, 1509. VD16, S 2803. Titelepigr. von S. an den Leser. Bl. [C4]v: Ad Doctorem Scheurlum Richardi Sbrulii Liberalium artium professoris et Epigramma (12 Dist.) mit einem Lob Dürers und Lucas Cranachs und Ad Lucam Chronum [Cranach], Ducale Saxonie Pictorem ingeniosum subtilem prospicissimumque Ricardi Sbrulii Tetrastichon. 6. Modus Vitandi peccata Ad nobilem & rare | expectationis adulescentem Ioachim von | Latorff per Andream Crappum V. succisiuis | horis deductus. | Eiusdem ad Eundem Praeceptum Bene Viuendi. | extemporaliter decantatum. | Eiusdem ad Ioannem Hessum Insani amoris | Medela | [...]. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1514. VD16, K 2279 (Erstdruck: 1509). Titelbl.v: Ad Andream Crappum Richardus Sbrulius Italus ex tempore. 7. Oratio Othonis Beckman Vuart|bergii artium ac philosophiae doctoris in laudem | philoso-

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phiae ac humanioru˜ litterarum ad patres | conscriptos & pubem famigeratissimae | Academiae Wittenbergensis habita | Anno M.D.X.| [...]. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1510. VD 16, B 1404. Titelepigr. von S. an den Leser. 8. Christophori Scheurli | I.U. Doctoris libellus: de Sacerdo⫽|tum ac rerum ecclesiasticarum praestantia / tam Christianis quam eth-|nicis exemplis / abunde demonstrans / […]. Nürnberg: Joh. Weissenburger 1512. VD 16, S 2797. Erstmals Leipzig 1511 (VD 16, S 2796), weitere Auflagen (VD 16, S 2797⫺2801). Titelblv: 12 Hendecasyllabi von S. an Chr. Scheurl. 9. Sedulii Hymnus de Nativitate | Christi usque ad ascensionem. | Certamen Virtutis & Voluptatis ex XV. Silii | Italici. | Baptistae Mantuani | Antonii Codri epigrammata nonnulla castissima. | Admonitio Lactantii ad colendu, deum sanctissima | Ioannis Pici principis rarum Regulae duodecim & | utilissime & pulcherrime excitantes & dirigentes | homines in spunali pugna. | [...] |. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1513. VD 16, ZV 14305. Bl. A ii r: Carmen Ad nobiles Ioannes Herczheymeros Richardus Sbrulius Foroiuleius. 10. Chyromancia doctoris Andree | Henrici. Frankfurt/O.: Joh. Hanau d. Ä., 1514. VD 16, H 2061. Mit einem einleitenden Gedicht des S. 11. Ioannis Tritemii | Abbatis sancti Iacobi apud Herbipolim: quondam vero Span⫽|hemensis: Liber Octo questionum ad Maximilianum Cesarem. Oppenheim: [Jak. Köbel], 1515. VD 16, T 1986. Titelbl.v: Richardi Sbrulii Foroiuliani Epigramma. 12. Inlustriss*imi+. Et opt. Principis Volfgangi | Comitis Palatini Rheni: Ba*variae+: Ducis &c. ad pubem | Vuittenbergensem exhortatio vt varia sic & erudita. | In Eundem Principem Ferrei Montani | Panegyricus. | […]. Wittenberg: Joh. RhauGrunenberg, 1516. VD 16, ZV 15605. Bl. [4]v⫺Ar: Ad illustrissimum Principem Volfgangum / Bavariae Ducem Comitemque Palatinum &c. D. D. ubique Graciosissimum: Mittit servitium tempus in omne pium R. Sbrulius Foroiulianus. 13. De diuina prouidentia: contra | mundi sapientum circa haec va|ria [et] mirabilia erramenta.| Libri tres.[. .] Conradi Vuimpine de fagis.[...] . Frankfurt/O.: Joh. Hanau d. Ä., 1516. VD 16, K 1512. Bl. [M6]v: Distichon auf das Wappen der Brandenburger (S. von Bauch, Frankfurt, S. 54, als Autor identifiziert). 14. Complurium | eruditorum uatum carmi-| na, ad magnificum virum | D. Blasium Hoelcelium, | sacri Caesaris Maximili|ani consiliarium Moecena|tem eorum precipuum. Hg. v. Petrus J Bonomus. Augsburg: Silvan Otmar, 1518. VD 16, B 6645. In der Sammlung für Blasius Hoelzel ist neben Celtis S. mit den meisten Gedichten vertreten. Er nutzt die Gelegenheit des Augsburger

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Sbrulius, Richardus

Reichstags 1518, um nach gut zehnjähriger Pause, wie er schreibt, den Kontakt mit Hoelzel wieder aufzunehmen. Damit verweist er auf seine Anfänge in Deutschland am Konstanzer Reichstag von 1507 zurück. Die Gedichte von S.: Titelbl.v: Richardus Sbrulius ad lectorem; F v⫺F ii v: Vier Gedichte; [G6]v⫺ H ii v: Zwei Gedichte; H ii v⫺[H5]v: R. Sbrulius de vita et gestis Blasii Hoelcelii ist besonders hervorzuheben, da es ausführlich die Dienste Hoelzels für Friedrich III. und Maximilian I. schildert und Hoelzels Lebensweg bis zur Heirat thematisiert. Bl. [H5]v ein weiteres Gedicht von S. 15. Excellen/|tissimi uiri Vdalrici Zasij LL. Doct. | earundemque in percelebri Friburgensium | Academia professoris ordinarij lucu/|brationes aliquot sane quam elegantes, | nec minus eruditae [...]. Basel: Froben, 1518. VD 16, Z 128. Titelbl.v: In laudem illustrissimi Iuris interpretis Udalrici Zasii Germani, Richardus Sbrulius Foroiulianus, Poeta Caesareus. 16. Johann Has: Prefatio Laudatoria in Ar|tem Chiromanticam. Augsburg: Hans von Erfurt 1518. VD 16, H 729. Mit einem Begleitgedicht von S. 17. Flores sive Elegantie ex diuer|sis libris Hochstrati Magistri nostri haere|tici &c. per Nicolaum Quadum Saxo|nem collectae. | [...] Carmen Ricardi Sbrulii poetae Caesarii in | quosdam Theologastros Louan|ienses Sycophantas, extemporale. Köln, 1520. VD 16, H 4800 (S 2062). Das Gedicht von S. Bl. d i v⫺d ii v: VD 16, S 2062. ⫺ Wieder in: Apologia | Erasmi Roterodami palam | refellens quorundam seditiosos clamo⫽|res apud Populum ac Magnates […]. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1520. VD 16, E 2062 (S 2063). Vgl. P. Kalkoff, Erasmus von Rotterdam u. seine Schüler W. Nesen u. Nicolaus von Herzogenbusch im Kampfe mit den Löwener Theologen, in: Zwinglis Werke Bd. 7, S. 402⫺420, zu Sbrulius S. 415 f., dazu auch der Brief des Erasmus, Op. epist. Nr. 1159 (1520). 18. Bernardini de Frangepanibus Comi-|tis Segniae | Vegliae | Modrusiique etc. Oratio pro Croatia/ Nüren-|bergae in Senatu Princi-|pum Germaniae habita/ | XIII. Calendas Decembris. | Anno Christi M.| D.XXII. […]. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1522. VD 16, F 2258. Titelepigr. von S. 19. Friderici | Nauseae Blancicampi-|ani LL. Sacrarum doctoris perquam profi|cue˛ & a` multis plurimium desideratae | in librum Tobie˛ Enarrationes, | nunquam ante hac ty|pis excusae […]. Köln: Joh. Prael, Aug. 1532. VD 16, B 4031 u. N 258. Nach Brief und Index (ungez. S. 16): Richardus Sbrulius, Ad Fridericum Nauseam doctorem undecunque probatissimum, mit der Angabe: Budae in Hungaria. ⫺ Wieder in: Epistolarum miscellanearum ad Fridericum Nauseam Blancicampianum, Episcopum Viennensemm et singularium

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personarum Libri X. Basel: Joh. Oporinus, 1550. VD 16, N 251. S. 27 f. 20. Fribergum | in Misnia, | Ioannis Boceri, | Huic accesserunt | Richardi Sbrulii Forliuiensis Elegia in laudem | Fribergae. | Eiusdem Elegia de Mira potentia Naturae, in rebus subter-|raneis procreandis. | Ioachimi Camerarii Elegia […]. Leipzig: Joh. Beyer, 1577. VD 16, B 5983 (S 2065 u. 2066). S.’ Lob der Stadt Freiberg entstand während seines dortigen Aufenthalts 1522. Literatur. A. Mollerus [Mˆller], Theatrum Freibergense Chronicum. Beschreibung der alten löblichen BergHauptstadt Freyberg in Meißen, Freyberg 1653, Theil I, S. 291; G.-G. Liruti, Notizie delle vite ed opere scritte da’ Letterati del Friuli, Bd. 2, Venedig 1762, S. 89⫺96; Scheurl-Br., Bd. 1, S. 84⫺87 (Nr. 58 f.); G. Hennen, Eine bibliographische Zusammenstellung der Trierer Heiligtumsbücher, deren Drucklegung durch die Ausstellung des hl. Rockes im Jahre 1512 veranlasst wurde, ZfB 4 (1887) 481⫺550, zur ‘Chrysocharis’ S. 486⫺488; G. Bauch, Zu Chr. Scheurls Briefbuch, Neue Mitt. aus d. Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen 19 (1898) 400-456; ders., Die Anfänge d. Univ. Frankfurt a. O. u. d. Entwicklung d. wiss. Lebens an d. Hochschule (1506⫺1540), 1900, S. 116 ff.; ders., Erfurt, S. 114 ff.; S. Steinherz, Ein Bericht über d. Werke Maximilians I., MIÖG 27 (1906) 152⫺155; K. Schottenloher, Ksl.e Dichterkrönungen im hl. röm. Reich dt. Nation, in: Papsttum u. Kaisertum. Forschungen z. polit. Gesch. u. Geisteskultur d. MAs, 1926, S. 66; C. G. Brandis, Ital. Humanisten in sächsisch-thüringischen Landen. Dante u. Boccacio, ZfB 46 (1929) S. 277⫺296, hier S. 283 f.; Ellinger, Neulat. Lit., Bd. 1, S. 347⫺355, 496, Bd. 2, S. 7, 58⫺64. M. Grossmann, Humanism in Wittenberg 1485⫺ 1517, 1975, S. 57, 70⫺73; I. Guenther, in: CoE, Bd. 3, S. 211; M¸ller, Gedechtnus, S. 48⫺65, 159⫺169 u. ö. (Reg.); I. Ludolphy, Friedrich d. Weise, Kf. von Sachsen. 1463⫺1525, 1984; St. F¸ssel, Dichtung u. Politik um 1500. Das “Haus Österreich“ in Selbstdarstellung, Volkslied u. panegyrischen Carmina, in: F. P. Knapp / H. Zeman (Hgg.), Die Österreichische Literatur, 1986, S. 803⫺831, hier S. 824 ff.; ders., Riccardus Bartholinus Perusinus. Humanistische Panegyrik am Hofe Ks. Maximilians I. 1987, S. 29⫺31 u. ö. (Reg.); S. von der Gˆnna, Albrecht v. Brandenburg als Büchersammler u. Mäzen d. gelehrten Welt, in: F. J¸rgensmeier (Hg.), Eb. Albrecht v. Brandenburg (1490⫺1545). Ein Kirchen- u. Reichsfürst der Frühen Neuzeit, 1991, S. 381⫺477, zu S. in Frankfurt/O. S. 433 f., 463. C. Knapp, Das Heldenleben Ks. Maximilians im humanistischen Gewande eines Carmen heroicum Vergilianum, Diplomarbeit Wien 1994; C. Schubert, Il Teuerdank

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Schedel, Hartmann

dell’Imperatore Massimiliano I, trasformato in un carmen heroicum virgilianum, Studi Umanistici Piceni 22 (2002) S. 169⫺179; Claudia u. Christoph Schubert (Hgg.), Richardus Sbrulius, Magnanimus. Die lat. Fassung des Theurdank Ks. Maximilians I., 2002; H. Kathe, Die Wittenberger Philos. Fakultät 1502⫺1817, 2002, S. 23 [mit d. irrigen Mitteilung, S. sei 1505 auf d. Kölner Reichstag zum Poeta laureatus erhoben worden]; A. Schirrmeister, Triumph d. Dichters. Gekrönte Intellektuelle im 16. Jh., 2003 (Reg.); D. Mertens, Laudes Germaniae in Bologna u. Wittenberg. Zu Chr. Scheurls Libellus de laudibus Germaniae et Ducum Saxoniae 1506 u. 1508, in: F. Forner u. a. (Hgg.), Margarita amicorum. Studi di cultura europea per Agostini Sottili, 2005, Bd. 2, S. 717⫺ 731; J. L. Flood, Poets laureate in the Holy Roman Empire: A bio-bibliographical handbook, 2006, Bd. 3, S. 1811⫺1814.

Albert Schirrmeister

Schedel, Hartmann Inhalt. I. Leben. ⫺ II. Briefwechsel. ⫺ III. Werk. A. Medizinisches. ⫺ B. Sammlungen. 1. Bibliothek. 2. Graphiksammlung. 3. ‘Schedels Liederbuch’. 4. Inschriftensammlungen. ⫺ C. ‘Schedelsche Weltchronik’. ⫺ D. Kleine historische Schriften. ⫺ Literatur.

I . L eb en . Grundlegende biographische Quellen: 1. Sch.s ‘Liber genealogie et rerum familiarium’ (Berlin, SBPK, Ms. germ. fol. 447, Abschrift aus Familienbesitz. Zu einer neuentdeckten, gegenwärtig aber nicht greifbaren zweiten Hs., die z. T. vollständiger als die Berliner Hs. ist, s. Wetscherek); er enthält auch eine kurze Autobiographie (Abdruck b. Kirnbauer, S. 361 f.). 2. seine Hauskalender (‘Libri annales’, Clm 533 u. Clm 624), die aber erst ab 1467 erhalten sind. 3. für die Jahre 1456⫺1473 der Briefwechsel mit Hermann Sch. (s. u. II.). 4. sein Testament (Stauber, S. 256 f.). Hinzukommen zahlreiche eigenhändige Einträge in seinen Hss. und Büchern.

Geb. am 13. Febr. 1440 in Nürnberg als Sohn des wohlhabenden Großhandelskaufmanns Hartmann Sch. d. Ä. († 1451) und seiner aus begütertem Hause stammenden Ehefrau Anna Grabner († 1445). Nach dem frühen Tod der Eltern lebte er in der Obhut und Vormundschaft seines Onkels Markus, eines ebenfalls vermögenden Nürnberger Kaufmanns. In seinem 30 Jahre älteren Vetter Hermann D Schedel

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hatte er, als er mit dem Studium begann, einen sorgsamen Förderer und Berater, der, selber humanistisch orientiert, seinen gelehrten Eifer für die bonae litterae lenkte und lange Jahre hindurch unterstützte. Am 20. April 1456 immatrikulierte Sch. sich für das Artesstudium an der Univ. Leipzig, wurde dort bereits 1457 Baccalaureus und am 11. Juli 1460 (nicht 1459!) Magister. Das Studium in Italien fortzusetzen, wie ihm sein Vetter Hermann empfahl (Briefw., S. 54), fühlte er sich noch nicht gerüstet (Briefw., S. 59 f.). Er blieb vorerst in Leipzig und wandte sich dem Studium des kanonischen Rechts zu. Zeitweilig hatte er wohl auch klerikale Neigungen; schon im März 1461 erhielt er in Bamberg die Dimissorien und ein Jahr später in Merseburg die Niederen Weihen (s. Stauber, S. 252). Gleichzeitig aber traten zunehmend die Studia humanitatis in sein Blickfeld. 1459 begann er humanistische Texte abzuschreiben, und damals setzte auch die Veränderung seiner Schriftzüge von einer spätgotischen Kursive zu einer Humanistica ein (Kirnbauer, S. 56⫺60). Anregend wirkte wohl Servatius Göswein, ein Schüler Peter D Luders, der seit dem Herbst 1459 in Leipzig die Humaniora lehrte, und im Kreis um Heinrich D Stercker hatte Sch. gleichgesinnte Freunde. Weiteren Auftrieb erhielt sein humanistisches Bildungsinteresse durch Luder selbst, der von Anfang 1462 bis zum Okt. in Leipzig las. Sch.s Abschriften und Sammlungen von Luders Unterrichtstexten sind das ergiebigste Zeugnis von dessen Leipziger Tätigkeit. Im Spätsommer 1462 reifte sein Entschluß, nach Italien zu gehen, da es in Leipzig an geeigneten Lehrern und an Büchern der Rhetorik und Poesie fehle (Briefw., S. 93), doch der Aufbruch nach Padua, der nicht minder der Aufnahme des Medizinstudiums galt, zog sich bis zum 1. Dez. 1463 hin. In Padua traf er Luder wieder, hörte bei ihm und bei italienischen humanistischen Lehrern zusammen mit vertrauten Nürnberger Kommilitonen (Johannes D Pirckheimer, Georg Pfinzing, Georg Tetzel u. a. [Reimann, S. 122 f.]) und widmete sich bei Demetrios Chalkondyles (1463⫺72 in Padua) dem Griechischen. In

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Schedel, Hartmann

der medizinischen Fakultät studierte mit ihm sein Freund Sebald D Mulner (Stauber, S. 47). Ein Verzeichnis der medizinischen Vorlesungen, die er hörte, notierte er im Clm 13, Bl. 223 r⫺v (Abdruck bei Hˆpfner, 1915, S. 50⫺52; Fischer, 1996, S. 255 f.; Schnell, S. 16 f.). Im März 1465 wohnte er der Anatomie eines menschlichen Körpers bei. Am 17. April 1466 erwarb er in Padua den Grad des Dr. med. und kehrte danach, spätestens im September, nach Nürnberg zurück. Eine geregelte ärztliche Tätigkeit scheint er zunächst nicht ausgeübt zu haben. Im Sommer 1468 bereiste er im Zusammenhang des Besuchs der Aachener Heiltumsschau die Rheinlande, Flandern und Brabant; in Maastricht ließ er sich in die Bruderschaft des Antoniterordens aufnehmen; in Brügge war er bei den Feierlichkeiten der Hochzeit Karls d. Kühnen mit Margarete von York zugegen. 1470 wurde er Stadtarzt in Nördlingen. Im Jan. 1475 heiratete er die Nürnbergerin Anna Heugel, mit der er sechs Kinder hatte; fünf von ihnen verstarben früh. Seit Aug. 1477 praktizierte er als Stadtarzt in Amberg, seit Nov. 1481 schließlich in Nürnberg. Hier blieb er fest ansässig, verließ die Stadt nur noch für kurze Reisen, mehrfach für Besuche bayerischer und fränkischer Klöster. 1482 wurde er zum Genannten des Größeren Rates gewählt. 1489 ist er als Gassenhauptmann belegt. Er gehörte zur Oberschicht der Ehrbaren, verfügte über Grund- und Lehensbesitz und lebte in gesichertem Wohlstand. Nach dem Tod seiner ersten Frau (1485) heiratete er 1487 Magdalena Haller; auch aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor. Seit 1510 zeigten sich Symptome einer schweren Krankheit. Er starb am 28. Nov. 1514. Sch. war einer der prominenten Nürnberger Humanisten, die ungeachtet ihrer beruflichen oder amtlichen Beanspruchungen die Beschäftigung mit Literatur, Wissenschaft, Kunst zur Mitte ihrer Lebensform machten. Er stand mit allen bekannten Namen der Nürnberger Bildungselite in Austausch, u. a. mit den J Pirckheimern, Sebald Schreyer, Sixtus Tucher, Peter J Danhauser, Anton Koberger, mit

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Hieronymus D Münzer, Dietrich J Ulsenius, Martin Behaim, Konrad D Heinfogel, Sigismund D Meisterlin, Konrad J Celtis, hatte enge Verbindungen nicht minder zu den gelehrten Mönchen der Stadt, zu Stephan D Fridolin und dem ihm aus gemeinsamer Leipziger und Amberger Zeit bekannten Nikolaus D Glasberger im Barfüßerkloster, zu dem Kartäuserprior Georg Pirckheimer, zu Johannes Radenecker, dem Abt von St. Ägidien, der mit ihm ebenfalls seit den Leipziger Studienjahren befreundet war. Darüber hinaus war er mit Ärzten, Humanisten, gelehrten Mönchen auch außerhalb Nürnbergs bekannt. Zusammen mit Sebastian J Brant und anderen war er unter den Gründern der 1497 von Johannes J Trithemius initiierten Joachim-Bruderschaft. I I. Br ie fw ec hs el . 1. Von Sch.s erhaltener Korrespondenz ist die zwischen ihm und seinem Vetter Hermann geführte, die 33 Briefe, davon aber nur vier Hartmanns, vor allem aus seiner Leipziger und Paduaner Zeit umfaßt, die mit Abstand reichste und aussagekräftigste, ist nach ihren Themen und Diskussionen ein für die Kenntnis der Herausbildung des deutschen Humanismus erstrangiges Dokument. Ausgabe. P. Joachimsen (Hg.), Hermann Schedels Briefwechsel (StLV 196), 1893 (mit Nachweisen der Überlieferung in den Münchener Hss. Clm 224 und Clm 418). Ein weiterer Brief Hartmanns an Hermann bei Stauber, S. 244.

2. Die nur spärlich überlieferte Korrespondenz mit anderen betrifft vorwiegend die Beschaffung und Entleihung von Büchern (u. a. Hieronymus Holzschuher, Danhauser, Trithemius, Ivo J Wittich, Abt Georg Napurg in Reichenbach), daneben ärztlichen Rat, ist im übrigen Alltagskorrespondenz mit Freunden und Kollegen (Celtis, Münzer, Meisterlin, Ulsenius, D Burkhard von Horneck). Ausgaben (jeweils mit Überlieferungsnachweisen). A. Ruland, Serapeum 15 (1854) 143 (Münzer); ders., Serapeum 16 (1855) 268⫺272 (Trithe-

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mius); Joachimsen (wie 1.), Nr. 82 (Joh. Haser); ders., 1895, S. 277⫺279 (Meisterlin); Stauber, S. 242⫺251; Celtis-Br., S. 99 f.

I II . Wer k. A . Med iz in is ch es . Sch. hat eigene medizinische Abhandlungen nicht hinterlassen, wohl aber umfangreiche eigenhändige lat. Rezeptare und zahlreiche Einzelrezepte, ärztliche Konsilien und Gutachten, die über seine ärztliche Praxis und den Personenkreis seiner Patienten unterrichten. Eine vollständige Heuristik von Sch.s Rezepten, Konsilien, Regimina etc. steht noch aus. 1. Rezeptare und Einzelrezepte. a) Clm 290. Rezeptar. Bl. 1r⫺124 v: Verschreibungen der Jahre 1470⫺74 für Patienten aus Nördlingen und Umgebung. Bl. 126 r⫺183 r: Verschreibungen aus der Amberger Zeit 1477⫺81. Ausgabe des Nördlinger Teils: Fischer, 1996, S. 267−493.

b) München, Clm 263, Bl. 7 r⫺40 r. Rezeptar, Nürnberg 1486. c) Clm 263, 1r⫺3 r u. 4 r⫺5 v: kleinere Rezeptreihen; Nürnberg 1501. Clm 441, Bl. 104 r⫺105 v und Bl. 114 r⫺115 v: je zwei Rezepte. 2. Konsilien. a) Clm 441, Bl. 51r⫺v und 54 r⫺v: Pestkonsilium für den Nürnberger Rat, abgefaßt um 1480 in dt. Sprache zusammen mit Hermann Sch., Johannes Kramer und Hieronymus Münzer. Autographe Abschrift. b) Clm 224, Bl. 91r⫺94 v, und Clm 25060, Bl. 185 r⫺188 v (Konzept): Konsilien über Paralyse für Sch.s Schwiegervater Anton Haller, Clm 224, Bl. 68 v für den Mönch Johannes von Fulda in Kloster Heilsbronn. Abdruck beider Konsilien: Hˆpfner, S. 11⫺25. c) Clm 224, Bl. 70 r⫺71r: Konsilium für den Nürnberger Dominikanerprior Johannes Henlein. d) Clm 441, Bl. 221: Konsilium contra febres erraticas et quartanam vom 12. Okt. 1500 für Abt Andreas von Michelsberg. 3. Clm 441, Bl. 176 v u. 178 r: zwei Lepraschaubriefe, verfaßt 1483 zusammen mit seinem Vetter Hermann; Bl. 177ar ein weiterer, verfaßt gemeinsam mit den Nürnberger Ärzten Mulner, Pinder und Rosenzweig. Ausgabe. K. Sudhoff, Lepraschaubriefe aus dem 15. Jh., Sudhoffs Archiv 4 (1911) 370⫺378, hier S. 372⫺75. 4. Clm 441, Bl. 177 v⫺178 r: Gutachten über die Gesundheit des Lektors im Nürnberger Karmelitenkloster Konrad Frey, erstellt zusammen mit Pinder und Rosenzweig.

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B . S am ml un ge n. 1 . B ib li ot he k. Mit Sch.s Namen ist eine universale Büchersammlung verbunden, die als Privatbibliothek nach Umfang, Inhalt und Ausstattung in Deutschland um 1500 nicht ihresgleichen hatte. Durch eine große Zahl eigener Abschriften, mit denen Sch. schon 1456 begonnen hatte ⫺ auch Gedrucktes schrieb er ab ⫺, durch stetige Käufe, durch Tausch, Schenkung und Erbe ⫺ beim Tod Hermanns 1485 gingen ihr Teile auch von dessen Bibliothek zu ⫺ kam sie bis zum Jahre 1507 ausweislich ihres damals abgeschlossenen autographen Katalogs auf 667 Bände, überwiegend Sammelbände, handschriftliche und gedruckte, mit drei und mehr Titeln, und sie wuchs bis zu Sch.s Tod laufend weiter. Über Erwerb, Einbinden, ergänzende Ausstattung seiner Bücher hat Sch. mancherlei Notizen hinterlassen; instruktives Beispiel ist sein Bericht auf einem eingehefteten Blatt in Clm 5 (dazu Merkl, 1999).

Sch. legte testamentarisch fest, daß seine Bibliothek geschlossen seinen Nachkommen erhalten bleiben solle. 1552 wurde sie in ihrem ererbten Zustand von seinem Enkel Melchior Schedel, dem letzten Nachkommen, an Johann Jakob Fugger verkauft. Als Teil der Fuggerschen Bibliothek erwarb sie 1571 Hzg. Albrecht V. von Bayern für die 1558 von ihm gegründete Hofbibliothek in München. Bei weitem nicht vollständig, aber zu ihrem größeren Teil befindet sie sich daher noch heute in der Bayer. SB München.

Zu den Kostbarkeiten von Sch.s Bibliothek gehören an die 30 Codices des 9.⫺12. Jh.s. Elf davon waren zuvor schon in Hermanns Besitz; die übrigen erwarb Sch. von Klöstern, allein sieben um 1487 aus den Beständen des Klosters Prüll, darunter eine um 800 in Saint-Amand geschriebene Cyprian-Hs. (Clm 208) und eine zwischen 820 und 840 in St. Emmeram (Regensburg) entstandene Hs. der ‘Recognitiones’ des Ps.-Clemens (Clm 52). Das Sammeln früh- und hochmal. Hss. entsprang bei den beiden Schedel nicht nur dem allgemeinen humanistischen Interesse an alter Überlieferung, es kam ihnen nicht minder auf Zeugen einer Gelehrsamkeit und Buchkultur der deutschen Frühzeit an.

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In diesem Interesse an einer deutschen Antiquitas schrieb Sch. als erster im deutschen Humanismus 1463 einen frühmal. Text ab, D Walahfrids um 830 verfaßten ‘Hortulus’ (Clm 666, Bl. 1r⫺12 v ⫹ Bl. IV r⫺v), und zwar mit den lat. und einem Teil der ahd. Glossen der Vorlage (Leipzig, UB, Cod. Rep. I. n. 53, Bl. 1r⫺10 r, Mitte 10. Jh.). Er eröffnete damit die humanistische Erschließung des MAs, die freilich erst mit Celtis, Peutinger, Wimpfeling dauerhaft zum Zuge kam. Da Sch.s Bibliothek nur gut zur Hälfte erhalten ist, unterrichten allein seine Kat al og e über ihren ehemaligen Umfang und Aufbau. Sie dokumentieren ein umfassendes enzyklopädisches Spektrum und als herausragende Teile die humanistische und die medizinische Literatur. Von den insgesamt sechs Katalogen seiner Bibliothek, die Sch. angelegt hat, sind zwei vollständig erhalten, A ⫽ Clm 263, Bl. 126 r⫺149 v: Index librorum bibliothece familie Schedel Nuremberge von 1498, dem er 1507 unter dem Titel Tabula secunda einen umfänglichen Nachtrag anfügte (Bl. 151r⫺160 r), und B ⫽ Berlin, SBPK, Ms. germ. fol. 447, Bl. 255 r⫺277 r: der einige Jahre jüngere Index librorum qui in bibliotheca mea repositi sunt (Abschrift v. J. 1552). Die beiden Kataloge stimmen, wie sich versteht, nicht ganz überein; B übertrifft A ⫺ bei einigen Lücken ⫺ in der Zahl der Titel, doch fehlen sämtliche Titel des Nachtrags von A. Die sachliche Ordnung jedoch, die Sch. für seine Bibliothek entwarf, ist in beiden Verzeichnissen die gleiche. Ausgaben. Stauber, 1908, S. 103⫺145; Mal. Bibliothekskataloge Dtld.s u. d. Schweiz, Bd. 3, bearb. v. P. Ruf, 1933, S. 805⫺839.

Sch.s Bücherverzeichnisse haben eine diachronische und eine synchronische Dimension. Sie dokumentieren die Schichtungen eines über mehr als 40 Jahre gewachsenen Bestandes, das Abgelegte (z. B. Lehrbücher des scholastischen Leipziger Artesstudiums) und das Neue und stetig weiterentwickelte Schwerpunkte. In ihrer synchronischen Dimension geben sie Sch.s Ordnungsentwurf des Jahres 1498 wieder. Dieser gliedert sich in einen systematischen Hauptteil mit 16 Rubriken und in einen kleineren Teil mit 6 Rubriken für solche Bücher, die sich der Ordnung des Hauptteils nicht einfügen; zu diesen zählen u. a.

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Gebetbücher, alchemistische Schriften und, unter der letzten Rubrik, Bücher in dt. Sprache. Das System des Hauptteils entspricht in aufsteigender Linie der Hierarchie der universitären Fakultäten und Disziplinen der Zeit: Artes (6 Rubriken: Fächer des Trivium, der Philosophia naturalis und moralis), Medizin, Jurisprudenz, Theologie. Nicht gesprengt, aber kategorisch erweitert ist das traditionelle System durch die 6 Rubriken In arte humanitatis libri, die zwischen die Rubriken der Artes und die der drei höheren Fakultäten rückten. Diese Neuerung reflektiert die sich verbreitende Einrichtung humanistischer Lekturen an den deutschen Universitäten. Beachtung verdient, daß Sch. humanistische Lehrbücher der Grammatik, Rhetorik und Moralphilosophie nicht bei den In arte humanitatis libri einordnet, sondern sie den entsprechenden Fächern des Triviums unterstellt; hier bilden sie, geradezu praxiskonform, neben den alten scholastischen Büchern ein reformierendes Textprogramm. 2 . G ra ph ik sa mm lu ng . Sch. legte hohen Wert auf eine bibliophile Gestalt seiner Bücher. Er ließ ihnen Einbände anfertigen, versah sie mit kalligraphischem Besitzeintrag und Ex libris (Mohrenkopf), ließ sie mit Buchschmuck ausstatten, rubrizierte sie vielfach mit eigener Hand. Vor allem aber inserierte er ihnen Zeichnungen, Miniaturen, Einblattholzschnitte, Buchholzschnitte, Metallschnitte, Teigdrucke und Kupferstiche, die er ihnen einkleben oder beibinden ließ. Es entstand auf diese Weise eine Sammlung, die zu den frühesten in Europa zählt. Ihre einzigartige Geschlossenheit ist bis heute bewahrt, da sich die Blätter größtenteils noch an ihrer ursprünglichen Stelle in den Büchern befinden; ein kleinerer Teil ist seit dem 19. Jh. im Besitz der Münchener Staatl. Graphischen Sammlung. Rekonstruktion und Beschreibung: Hernad, 1990.

3 . ‘ Sc he de ls Li ed er bu ch ’. D ‘Sch.s Liederbuch’ ist eine frühe autographe Sammlung von Abschriften polyphoner Musik unter dem hexametrischen

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Titel Carmina francigenum liber hic predulcia claudit. Sch. begann mit der Anlage des Buchs 1459 oder 1460 und schloß es im Sommer oder Herbst 1463 ab; 1467 folgten Nachträge. Anfangs nahm er Liedtexte und Musik auf, bald aber vor allem dreistimmige Kompositionen ohne Texte, “die fast zu gleichen Teilen aus einem internationalen und einem deutschen Repertoire stammen” (Kirnbauer, S. 211). 4 . I ns ch ri ft en sa mm lu ng en . Als Sammler von Inschriften ist Sch. erstmals auf seiner Reise nach Tangermünde, Wilsnack und Magdeburg im Juni 1462 zu beobachen (Clm 215, 49 rb). Er verfolgte seine epigraphischen Interessen lebenslang mit ähnlicher Energie wie den Aufbau seiner Bibliothek. Epitaphien und andere Inschriften zeichnete er 1463, bevor er Padua erreichte, in Venedig auf, 1464 zusammen mit Georg Pfinzing in Conegliano und Treviso, 1468 im Verlauf seiner ausgiebigen Aachener Heiltungsfahrt in Speyer, Köln, Lüttich, Brügge. Jede weitere Reise, die er unternahm, trug Frucht. Vieles steuerten Freunde bei; noch 1512 brachte ihm Willibald Pirckheimer vom Trierer Reichstag rheinische Inschriften mit. In beträchtlichem Umfange aber schrieb er auch aus Inschriftensammlungen italienischer Humanisten (Poggio, Cyriacus von Ancona, Petrus Sabinus u. a.) ab. Die von Sch. aufgezeichneten Inschriften finden sich einerseits in kleineren Gruppen oder als verstreute Einträge in seinen Hss. (Clm 263, 369, 414, 418, 472 u. a.). 1502⫺ 1505 aber vereinigte er einen Großteil seiner Sammlungen mit denen anderer in dem auch als Buchschöpfung glanzvollen ‘ Li b er an ti qu it at um cu m e pi ta ph ii s e t e pi gr am ma ti bu s’ (Clm 716; zum Titel s. Worstbrock, 1998, S. 229). Das seit 1502 in vier Stufen entstandene Werk umfaßt zwei Opera, das 1504 abgeschlossene Opus de antiquitatibus cum epitaphiis (‘Opus I’, Bl. 4 r⫺296 v neuer Zählung), dessen führender Gegenstand Rom, das antike und das christliche, ist, und das nachträglich begonnene, erst 1505 vollendete weitaus schmalere Opus de antiquitatibus cum epigrammatibus inclite

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Germanie (‘Opus II’, Bl. 298 r⫺344 r). Dem Gesamtwerk hat Sch. vorn einen zweiseitigen Holzschnitt Roms und am Ende einen solchen Nürnbergs beifügen lassen; beide sind von den entsprechenden Stöcken der ‘Weltchronik’ (s. u. C.) genommen. Bei der Wahl und Ordnung des Materials waltete im ‘Liber antiquitatum …’ kein strikter Ordnungssinn. Das epigraphische Material, das von der griechischen Antike bis in Sch.s Gegenwart reicht, hat er immer wieder mit rein literarischen Carmina angereichert, hat nicht selten auch die lokale Ordnung verlassen. Der schweifende Sammler, der auch Zufälliges und Abseitiges und allerlei Persönliches einflicht, hatte vor allem im großen ersten Teil des ‘Opus I’ recht freien Lauf. Trotz aller störenden Diffusionen hat das monumentale Werk seinen Bau. Das große ‘Opus I’ ist weiter unterteilt in zwei Partes. Das Material der ersten Pars (Bl. 6 r⫺179 v) konzentriert sich auf Rom und die Antike; es eröffnet sie ein Ensemble von Texten italienischer Humanisten (Poggio, Campano, Boccaccio, Petrarca, Aeneas Silvius, Galeottus Martius) über Rom in seinen Ruinen; die folgenden Antiquitates und Epigrammata sind ausschließlich aus Sammlungen anderer kompiliert, darunter der des Nürnbergers Lorenz Beheim. Dieser Teil, versehen mit eigenem Kolophon, war von Sch. ursprünglich als selbständiges Werk gedacht, das wohl für sich einmal in den Druck gehen sollte. Die zweite Pars ist nochmals geteilt, in eine größere erste Hälfte mit Antiquitates und Epigrammata sieben italienischer Städte (Bl. 181r⫺243 v, wiederum mit Kolophon) und in eine kleinere zweite mit Epitaphia ac Epigrammata auf berühmte Männer und Frauen sowohl der Antike als auch neuerer Zeiten (Bl. 245 r⫺296 v, ebenfalls mit Kolophon); zu den Antiquitates der italienischen Städte trug Sch. mit eigenen Aufzeichnungen von Inschriften bei, während er die Epitaphien und Epigramme auf berühmte Personen, die auch wenig mit echten Inschriften zu schaffen haben, nur Früchte von Sch.s Belesenheit sind. Das ‘Opus II’ mit den deutschen Antiquitates, Beschreibungen 16 deutscher und burgundischer Städte jeweils mit zugehörigen Epitaphen und Epigrammen, knüpft an Sch.s frühere eigene Sammlungen an. Zum Inhalt im einzelnen und zu Sch.s Quellen s. Worstbrock, 1998. Als auffälligstes Stück des ‘Liber antiquitatum …’ sei hier der umfangreiche Auszug aus den Aufzeichnungen des Ciriaco d’An-

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cona von seinen 1443⫺46 unternommenen Reisen nach Griechenland und in die Ägäis genannt (Bl. 32 r⫺62 v), das erste Stück in der Dokumentation der Antiquitates. Schedel hat seiner (verschollenen) Vorlage neben den griech. Inschriften in großer Zahl Zeichnungen von Tempelruinen, Säulen, Kapitellen, Reliefs, Torsi entnommen. Der Großteil der übrigen Ciriaco-Überlieferung kennt solche Abbildungen nicht. Im deutschen Humanismus war Sch.s archäologische Dokumentation ohne Vorgang. Albrecht Dürer hat Sch.s Ciriaco-Kopien gekannt (s. Worstbrock, S. 234, Anm. 60).

Sch. verfolgte mit seinem Großwerk der Antiquitates, wie er im Prolog erläutert, den Gedanken einer neuen Memorialkultur, der Bewahrung des Vergangenen, der Überwindung seiner Vergänglichkeit, des Überlebens menschlicher Virtus durch das schriftlich gesicherte Gedächtnis, die rerum inscriptio. Es handelt sich nicht um die christliche Memoria, sondern um eine säkulare geschichtliche, tendenziell über ihren humanistischen Ausgangspunkt Rom hinausgreifende menschheitlich universelle. Mit dem nachträglichen ‘Opus II’ floß ein weiteres, neues Thema ein, ausgebreitet in der wohl von Celtis inspirierten Vorrede und in dem ausgreifenden, weithin aus Aeneas Silvius’ Frankfurter Türkenrede und der Campanos gezogenen Epilog, das Thema ‘Deutsche Nation’. Um Rang und Rolle der Deutschen zu würdigen, kann er zwar nicht schon auf ihren kulturellen Primat verweisen, doch auf das römische Kaisertum, durch das Gott sie über alle anderen Völker erhoben und auch zum Schutze der Christenheit bestellt habe, kann ihre virtus und nobilitas preisen, durch die sie zu Ahnherrn des europäischen Adels geworden seien. Sch. hat, anscheinend noch vor 1500, einen zweiten Codex mit Inschriften angelegt, der aber Fragment geblieben ist (Clm 27313, Bl. 2 r⫺35 r: Liber epigraphicus). Soweit erhalten, bringt er ausschließlich römische und einige griech. Epitaphe und Epigramme. Reichlicher noch als im ersten Teil von ‘Opus I’ des ‘Liber antiquitatum …’ hat Sch. in ihm Zeichnungen der Inschriftenträger (Gefäße, Grabsteine etc.) vorgenommen.

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C . ‘ Sc he de ls ch e Wel tc hr on ik ’. 1. Der Erstdruck der lat. ‘Sch.schen Weltchronik’ (ohne Titelseite, dem Registertitel nach: Liber cronicarum cum figuris et ymaginibus ab inicio mundi), erschien unter dem 12. Juli 1493 bei Anton Koberger in Nürnberg (Hain 14508). Auf wen in Nürnberg die Idee einer großen bebilderten Weltchronik zurückging, ist nicht bekannt (vgl. R¸cker, 1980, S. 191 f.). Ihre Verwirklichung nahm der Handelsherr Sebald Schreyer in die Hand, der seinen vermögenden Schwager Sebastian Kammermeister mit ins Geschäft zog; sie waren imstande und bereit, das kostspielige Unternehmen zu finanzieren, und schlossen am 29. Dez. 1491 mit den Illustratoren und am 16. März 1492 mit dem Drucker ⫺ und damals oder zuvor vermutlich auch mit Sch. ⫺ die Verträge ab. Das 326 Bll. im Format von 32,4 ⫻ 22,6 cm umfassende Großwerk wird seit langem unter Sch.s Namen geführt, wiewohl er an maßgeblicher Stelle des Druckes, im Kolophon, im Kreise der anderen Hauptbeteiligten nicht genannt ist. Einen eigentlichen Autor hat die Chronik auch nicht. Sch.s Name ist mit ihr unlöslich verbunden, weil er ihr Kompilator war; als solcher ist er auf Bl. CCLXVI r, am Ende des 7. Weltzeitalters, aufgeführt. Er hat für den Stoff des Werks und seine Komposition, vom Gesamtaufbau bis in die Einzelheiten, gesorgt, hat den Text aus einer Fülle verschiedenster Quellen zusammengetragen und ⫺ eine weitere hohe Organisationsleistung ⫺ zusammen mit kompetenten Helfern die Druckvorlage mit allen ihren Zuordnungen von Text und Bild hergestellt. Die Chronik wurde mit mehr als 1800 Holzschnitten ausgestattet, die von 652 Holzstöcken genommen sind. Die Zeichnungen für die Holzstöcke stammen aus der Werkstatt des Malers Michael Wolgemut, Dürers Lehrer, und seines Schwiegersohns Wilhelm Pleydenwurff; vielleicht war an den Zeichnungen auch der junge Dürer beteiligt (vgl. Zahn, 2001, u. Reske, 2003). Unter dem 23. Dez. 1493 erschien bei Koberger die von dem Nürnberger Losungsschreiber Georg D Alt (NB) übersetzte dt. Ausgabe, Buch der Croniken vnd geschich-

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ten mit figuren vnd pildnussen von anbeginn der welt bis auf diese vnnsere zeit (Hain 14510). Sie war von vornherein als Parallelausgabe der lat. vorgesehen. Für ihre Holzschnitte wurden die Stöcke der lat. Ausgabe erneut verwendet. Die Vorbereitungen des Werks gehen bis in die letzten 1480er Jahre zurück. Zu den Mitarbeitern Sch.s ist auch sein Freund Hieronymus D Münzer zu rechnen; Sch. versicherte sich seiner Kennerschaft in geographischen Fragen, so für die korrekte Gestaltung der doppelseitigen Deutschlandkarte (Bl. 286 v⫺287 r), nutzte auch seine Berichte über jüngste Ereignisse auf der iberischen Halbinsel. Sch.s. Handexemplar der lat. Ausgabe: München, Bayer. SB, Rara 287. Faksimiles der lat. Ausgabe: Liber cronicarum, Puchheim 1967⫺70; Registrum huius operis libri cronicarum […], Ostfildern [um 2000]. Die Druckvorlage der lat. Ausgabe (‘Archetypus’), nur teilweise von Sch.s Hand, mit Korrekturen von Georg Alt und Hieronymus Münzer: Nürnberg, StB, Cent. II 98. Die Beteiligung weiterer Hände stellt Sch.s leitende Regie nicht in Frage. Zu den Verträgen, die zwischen den an der Herstellung des Druckwerks Beteiligten geschlossen wurden, s. G¸mbel, 1902; R¸cker, 1988, S. 84−89.

Das aufwendige Großwerk hatte nicht den erwarteten Erfolg, anders die gekürzten und vereinfachten, jedoch um gut 350 Holzschnitte vermehrten Nachdrucke, ein lat. (Hain 14509) und zwei dt. (Hain 14511⫺12), die 1496, 1497 und 1500 bei Johann Schönsperger in Augsburg herauskamen. Schönspergers billigere Nachdrucke ließen den Verkauf der Nürnberger Originalausgaben offenbar stagnieren. Schreyer und Kammermeister mußten 1509 eine geschäftlich höchst unbefriedigende Bilanz ziehen (s. Zahn, 1991). Bereits kurze Zeit nach Erscheinen der lat. Ausgabe waren beträchtliche Kritik an ihr und Forderungen einer entsprechenden Überarbeitung, für die sich vor allem Johann Löffelholz, Justitiar der Stadt, einsetzte, laut geworden. Für die erwünschte gründliche Revision, nämlich das werk der Cronica […] von newen zu corrigieren vnd in ainen andern form zu prynngen mit sampt ainer Newen Europa, hatte man Konrad Celtis gewonnen, mit dem Schreyer sich darüber am 23. Nov. 1493 vereinbarte (Text des Vertrags: Bˆsch, 1886). Doch kam das Vorhaben nicht zur Ausführung.

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2. Die ‘Sch.sche Weltchronik’ ist eine Text-Bild-Einheit. Erfüllen die kleineren Holzschnitte, voran die zahlreichen nur typischen Personenbildnisse, die auch sehr häufig mehrmals (bis zu 18mal) verwendet wurden, zwar meist wenig mehr als eine dekorative Aufgabe, sind die größeren inhaltlichen (Kosmosbild, Bundeslade, ein Teil der Städtebilder u. a.) jedoch vielfach inhaltliche Komplemente des Textes. Die Chronik ist nach Anlage und Inhalt nicht Werk eines historiographischen Kopfes, sondern eines beständig studierenden und sammelnden Kompilators, der nahezu das gesamte Material in seinen Bücherschätzen vorfand und sich auch für die Ordnungsmuster seiner Darstellung auf geläufige Vorbilder stützte. Der Tradition mal. Weltchronistik folgend gliedert sich die Chronik, die von der Schöpfung bis zum Jahr 1493 reicht, in die sechs Weltzeitalter; ihnen schließt sich ein siebtes eschatologisches an. Die Schöpfung ist Gegenstand einer ausgedehnten Einleitung, in der Sch. antike naturphilosophische Theorien über den Ursprung des Lebens und der Menschheit anhand von Diodor-Exzerpten referiert (s. Vogel, S. 79⫺84), um diesen “Irrtümern” den mosaischen Schöpfungsbericht folgen zu lassen. Vom dritten Weltalter an, das mit Abraham beginnt, tritt neben die biblische Geschichte, ihr synchronisiert, zunehmend die Profangeschichte, voran die griechische und römische. Das sechste Weltalter, die Zeit nach Christus, zwei Drittel der gesamten Chronik einnehmend, hat als Ordnungsprinzip die Reihe der Kaiser und Päpste. Das Werk schließt mit einem Anhang der Beschreibung europäischer Länder, der größtenteils der ‘Europa’ des Aeneas Silvius D Piccolomini entnommen ist, anläßlich Portugals aber auch die neuen Entdeckungsreisen vermerkt. 3. Im Spektrum der von Sch. gewählten Quellen dominiert die Historiographie des ital. Humanismus. Hauptquelle ist, wie schon Trithemius wußte, das ‘Supplementum chronicarum’ des Jaobus Foresta von Bergamo, seinerseits eine Weltchronik. Die Biographien der Päpste und Kaiser sind zumeist Flavio Biondos ‘Decades’ und Plati-

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nas ‘Vitae pontificum’ entnommen, die Beschreibung Roms Biondos ‘Roma instaurata’, die der übrigen italienischen Städte seiner ‘Italia illustrata’. Auch Petrarca, Boccaccio, Poggio, Palmieri, Leonardo Bruni waren Sch. zur Hand. Die stärkste spezifische Prägung aber ging von Aeneas Silvius aus. Seine ‘Historia Bohemica’, ‘Historia Austrialis’ und ‘Europa’ bestimmten die Darstellung der jüngeren Geschichte von Karl IV. bis Friedrich III.; die Frankfurter Türkenrede und die ‘Germania’ wurden zur Stimme seines patriotischen Eifers, der ‘Tractatus de ortu et auctoritate imperii Romani’ seines reichspolitischen Engagements; die Widmung des ‘Commentarius in libros Antonii Panormitani’ schrieb Sch. in einen Panegyricus auf Kg. Maximilian (am Ende des sechsten Weltalters) um. Neben der beherrschenden Rezeption der Italiener ließ Sch. mal. Geschichtsschreibern (D Vinzenz von Beauvais, D Gottfried von Viterbo, D Burchard von Ursberg, D Martin von Troppau) nur geringen Raum. An die Italiener und wiederum zuerst an Aeneas Silvius knüpft auch die starke geographische Ausrichtung der Chronik an. Länder- und in großer Zahl vor allem Städtebeschreibungen ziehen sich von der Darstellung des zweiten Weltalters an durch das ganze Werk; auf ihnen liegt auch das besondere Gewicht der Illustrationen. Merkmale der ‘Sch.schen Weltchronik’, die ihren Gesamtcharakter bestimmen und auch als ihre spezifischen Schwächen zur Frage stehen: Anders als die mal. Weltchronistik behandelt sie Weltgeschichte nicht mehr als sinntragend strukturierten Zusammenhang, “fragmentiert” die Historie vielmehr in eine ⫺ chronologisch sorgfältig ausgearbeitete ⫺ riesige Fülle von “Einzelbildern und Einzelszenen”, liefert nur mehr ein universales “illustriertes Handbuch der historischen Stätten und Gestalten” (G‰rtner, 1994, S. 70 f.). Zusammenhängender Geschichte in dem von G‰rtner erläuterten Sinne enträt freilich bereits Jacobus Forestas ‘Supplementum chronicarum’. ⫺ Fragwürdig ist für Sch.s Zeit nicht bereits das von ihm durchweg gehandhabte Prinzip der Kompilation; es

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verweigert sich auch nicht neuen Konstruktionen und thematischer Akzentuierung. Prekär für einen humanistischen Anspruch ist jedoch die Montage von Exzerpten gleich welcher Herkunft, wenn diese wie unter Sch.s Hand weitgehend in ihrem Wortlaut belassen bleiben. Montage von Exzerpten in deren unveränderten Wortlaut bedeutet Verzicht auf sprachliche Einheit und stilistisches Gesicht. 4. Die in der kunstgeschichtlichen Forschung schon lange geführte Debatte über die Anteile Wolgemuts und Pleydenwurffs (und vielleicht auch des jungen Dürer) an den Illustrationen sowie die Aufweise benutzter Vorlagen sind noch nicht zum Abschluß gekommen. Von den 32 Städteansichten, die heute als die ‘authentischen’ gelten, sind indes nur wenige nach dem Augenschein gezeichnet; selbst bei ihnen lassen sich mehrheitlich maßgebliche Anregungen durch Illustrationen in zeitgenössischen Drucken nachweisen. Bei den übrigen Städteansichten handelt es sich um Phantasiegebilde, und nicht wenige wurden mehrfach, für gänzlich verschiedene Städte verwendet. 5. Die von Georg Alt besorgte d eu ts ch e Ausgabe, die er abgeschlossen hatte, bevor die lat. ausgedruckt war, und deren letzte Korrekturen er daher nicht mehr aufnahm, folgte der Vorlage nicht ohne Freiheiten, nicht ohne Kürzungen und Vereinfachungen und eine Reihe kleiner erklärender Zusätze. Schon bei den Zeitgenossen war Alts dt. Version in Deutschland verbreiteter als das lat. Original ⫺ dieses hatte einen europäischen Markt ⫺ und ist es ausweislich der Zahl der Faksimiles in noch stärkerem Maße heute. Es fehlt bislang die einläßliche Untersuchung, die zu einem genaueren Urteil über Alts dt. Version befähigte. Druckvorlage von Alts dt. Ausgabe: Nürnberg, StB, Cent. II 99. Neun Faksimiles der dt. Ausgabe seit 1933, zuletzt: H. Sch., Weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493. Einl. u. Komm. von St. F¸ssel, Köln 2001; Augsburg, Weltbild, 2004. D. Kleine historische Schriften. Was unter Sch.s Autographen als bloße Abschrift, als eigene Kompilation oder als originäre

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Abfassung zu gelten hat, bedarf bisweilen noch der Klärung. Auch seine Autorschaft an den drei kleinen Chroniken, die A. F. Oefele (Rerum Boicarum Scriptores I, Augsburg 1763) unter Sch.s Namen veröffentlichte, ist nicht ohne weiteres als gesichert zu betrachten. Am wenigsten Handhabe für eine feste Zuschreibung an Sch. bietet die ‘Historia rerum memorabilium ab anno MCCCCXXXIX ad annum MCCCCLX’ (Oefele, S. 392⫺398), eine chronistische Reichsgeschichte vom Tod Kg. Albrechts II. bis zur Mainzer Stiftsfehde, die aber der Nürnberger Angelegenheiten mit beonderem Interesse gedenkt. Dagegen wird die kleine Chronik des Nürnberger Predigerkonvents vom Gründungsjahr 1271 bis um 1505, ‘De ortu ac laudabili progressu conventus fratrum ordinis Predicatorum Nuremberge’ (Clm 414, Bl. 217 r⫺220 v, inc. Celeberrimus ac frugiferus ordo; Oefele, S. 374−376), Sch. gehören, da von seiner Hand auch ein älteres, noch unvollständiges Konzept vorliegt (Clm 472, Bl. 236 r⫺238 r, inc. Sacer ac celeberrimus ordo). Auch die nach 1504, dem Todesjahr Abt Johann Radeneckers, verfaßte Chronik von St. Ägidien (Clm 23877, Bl. 192 3r⫺4v, inc. Conradus Suevorum rex; Oefele, S. 348⫺352) ist in einer Vorstufe von Sch.s Hand greifbar (Clm 472, Bl. 101r⫺103 v u. 114 r⫺118 r).

IV. Die Schedel-Forschung war bisher fast ganz auf die populäre illustrierte ‘Weltchronik’ fixiert, auf das Nürnberger Gemeinschaftswerk, das man ⫺ nicht schon zu seiner Zeit ⫺ mit dem Namen Sch.s, des Text-Kompilators und Redaktors, wie mit dem eines Autors und Urhebers versah. Sein Lebenswerk ist mit den Leistungen für die ‘Weltchronik’ bei weitem nicht erfaßt, und auch seiner humanistischen Physiognomie gibt das Kompilat der Chronik eher mäßige Konturen, nicht vergleichbar deutliche, wie seine Bibliothek und deren Ordnung, seine Sammlung mal. Handschriften und der monumentale ‘Liber antiquitatum’ sie vermitteln. Ein eigentlicher Schriftsteller war Sch. bei alledem nicht, vielmehr ein Sammler mit enzyklopädischem Horizont für die Welt gelehrten Wissens. Doch als Sammler und allein als solcher gelangte er zu respektablen Konzeptionen, welche eine nur reproduzierende Gelehrsamkeit imponierend überschritten. Literatur. W. Wattenbach, H. Sch. als Humanist, Forschungen z. dt. Gesch. 11 (1871) 351⫺ 374; M. Herrmann, Die Reception d. Humanis-

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mus in Nürnberg, 1898, S. 30⫺35 u. ö.; R. Stauber, Die Sch.sche Bibliothek, 1908 (dazu: H. Grauert, Die Entdeckung eines Verstorbenen zur Gesch. d. großen Länderentdeckungen. Ein Nachtrag z. Dr. R. Staubers Monographie über d. Sch.sche Bibl., Hist. Jb. 29 [1908] 304⫺333, u. E. Reicke, Die Sch.sche Bibliothek. Krit. Betrachtung d. Monographie R. Staubers, MVGN 19 [1911] 271⫺278); J. Schnitzer, Der Nürnberger Humanist H. Sch. u. Savonarola, Beitr. z. bayer, Kirchengesch. 19 (1913) 212⫺224; E. M. Sanford, Some Literary Interest of Fifteenth Century German Students, Transactions and Proceedings of the American Philological Association 59 (1928) 72⫺98; K. Schottenloher, H. Sch. (1440⫺1514). Ein Gedenkbl. z. 400. Geburtstag d. Nürnberger Humanisten, Philobiblion 12 (1940) 279⫺291; A. Reimann, Die älteren Pirckheimer, 1944, S. 122 f., 152 f., 163⫺168 u. ö.; O. Meyer, H. Sch., in: Unbekanntes Bayern 7: Land der Franken, 1962, S. 177⫺192, wieder in: Medizinhist. Journal 4 (1969) 55⫺68; A. Sottili, I codici del Petrarca nella Germania occidentale (Censimento dei Codici Petrarcheschi 4 u. 7), Padova 1971/78, Reg.; W. Zorn, Die soziale Stellung d. Humanisten in Nürnberg u. Augsburg, in: O. Herding / R: Stupperich (Hgg.), Die Humanisten in ihrer politischen u. sozialen Umwelt (Mitt. d. Kommission f. Humanismusforschung 3), 1976, S. 35⫺48; F. Machilek, Klosterhumanismus in Nürnberg um 1500, MVGN 64 (1977) 10⫺45, hier S. 19 f., 23⫺ 30, 33; H. Schneider, H. Sch., ein Antoniterfreund im dt. Humanismus, in: P. Friess (Hg.), Auf den Spuren d. hl. Antonius. Fs. f. A. Mischlewski z. 75. Geb., 1994, S. 237⫺248; H. Wetscherek, H. Sch.s Liber Genealogiae et rerum familiarium. Ein unpubliziertes Ms. aus Fuggerbesitz, 2000; R. Stauber, H. Sch., d. Nürnberger Humanistenkreis u. d. ‘Erweiterung d. dt. Nation’, in: J. Helmrath u. a. (Hgg.), Diffusion d. Humanismus. Stud. z. nationalen Gesch.schreibung europ. Humanisten, 2002, S. 159⫺185; F. Fuchs, Ein unbekanntes Reisetagebuch H. Sch.s aus d. J. 1488, in: H. Beilner / M. Langer-Pl‰n (Hgg.), Quellen in Gesch.wissenschaft u. Gesch.unterricht (Regensburger Beitr. z. Gesch.lehrerfortbildung 3), 2004, S. 40⫺50; ders., in: NDB, Bd. 22, 2005, S. 600⫺602; F. Fuchs, H. Sch. auf Wallfahrt nach St. Wolfgang im Salzkammergut, in: H. Flachenecker / D. Grypa (Hgg.), Schule Univ. u. Bildung, Fs. f. H. Dickerhof z. 65. Geburtstag, 2007, S. 19⫺28; M. Bauer, Studenten aus Franken im 15. Jh. an d. Univ. Padua, Diss. Erlangen 2009; F. Fuchs, Frühhumanismus in Amberg, in: J. Laschinger (Hg.), Aus Ammenberg wird Amberg, 2010, S. 90⫺101; P. Zahn, Nürnberger Ärtzte d. 15.⫺17. Jh.s in ihren humanistischen Gedenkinschriften, Pirckheimer-Jb. 24 (2010) 145⫺195, hier S. 145⫺152.

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Schedel, Hartmann

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Scheurl, Christoph

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Early Modern Translation. Notes on the ‘Nuremberg Chronicle’, Fifteenth Century Studies 33 (2008) 114⫺132.

F. J. Worstbrock / Be´ atrice Hernad

Scheurl (Schewrllius, Scheuerleyn), Christoph (II.) Inhalt. I. Leben. ⫺ II. Werk. A. Publikationen aus dem Studium in Bologna. ⫺ B. Herausgeberschaften und Übersetzungen. ⫺ C. Reden. ⫺ D. Historische Schriften. ⫺ E. Juristische Werke. ⫺ F. Kleine Beiträge. ⫺ G. Briefe. ⫺ Literatur.

I . L eb en . Für Sch.s Biographie ist umfangreiches Quellenmaterial überliefert, das sich z. T. noch heute im Besitz seiner Nachkommen befindet und von der Forschung bislang nur unzureichend ausgewertet wurde. In der von der Freiherrlich v. Sch.schen Familienstiftung getragenen Sch.-Bibl. in Nürnberg (ein hsl. Kat. in Kopie im GNM, Hs. 167332, 3 Bde.; knappe Beschreibung des Bestands bei v. Scheurl, 1996, S. 182 f., J¸rgensen, S. 33 f.) ist Sch.s Büchersammlung trotz einiger Verluste noch weitgehend erhalten; vor allem die von ihm angelegten und mit Großbuchstaben (Cod. Aa⫺O u. W) bezeichneten Kollektaneenbände überliefern auch viele Selbstzeugnisse zu seiner Vita. Die im Sch.-Archiv (ebenfalls im Besitz der Freiherrlich v. Sch.schen Familienstiftung; das Archiv der erloschenen jüngeren Linie Sch. v. Schwarzenbruck im Stadtarch. Nürnberg, Rep. E 20) aufbewahrten Urkunden und Akten dokumentieren fast lückenlos Sch.s Besitzstand und Vermögensverhältnisse sowie seine vielfältigen Stiftungen und Vormundschaften; neben der Eingangskorrespondenz von Fürsten und Städten sind hier auch Steuerlisten, Rechnungen und Inventare sowie die ältesten Bibliothekskataloge überliefert (Akten XI, 1 B.3.b, dazu Wagner, S. 74 f.). Sch.s amtliche Tätigkeit im Dienst der Stadt Nürnberg ist in Quellenreihen im Staatsarchiv Nürnberg bestens dokumentiert (Ratsbücher, Ratsverlässe, Ratschlagbücher, Rechnungen). Hinzu kommen autobiographische Schriften in den Familienbüchern und Genealogien (II D 4 u. 5), von denen besonders die ausführliche Selbstdarstellung im Rahmen des sogenannten ‘Scheurlbuchs’ (Sch.-Bibl., Cod. Ab, 144 v⫺190 v), sowie eine umfangreiche bislang nur z. T. erschlossene Korrespondenz (II.G.) hervorzuheben sind.

Sch. wurde am 11. Nov. 1481 um die Mittagszeit in Nürnberg geboren; noch am selben Tag hob ihn der Rechenmeister Michael Joppel, der ehemalige Lehrer seines Vaters, während der Nachmittagsvesper in

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Scheurl, Christoph

der Sebalduskirche aus der Taufe. Sch.s gleichnamiger Vater (Christoph I.), der einer von Lauingen nach Breslau übersiedelten Kaufmannsfamilie entstammte, war 1467 als neunjährige Vollwaise nach Nürnberg gekommen, wo er sich nach dem Schulbesuch bereits im Alter von 18 Jahren selbstständig machte und im Venedighandel große Gewinne erzielte. Dies war die Voraussetzung dafür, daß er am 2. Aug. 1480 die 18jährige Helene Tucher heiraten konnte, die als Tochter Herdegen Tuchers und Elisabeth Pfinzings einer der angesehensten Nürnberger Patrizierfamilien entstammte. Aus dieser Ehe ging außer Christoph nur noch der am 27. Nov. 1482 geborene Albrecht hervor. Sch.s Vater erwarb 1486 das ansehnliche Haus ‘unter der Veste’ (Burgstr. 10), das schon während Sch.s Kindheit Kg. Maximilian und anderen Fürsten als Herberge diente und bis zu seiner Zerstörung am 2. Jan. 1945 im Besitz der Familie blieb. Im Alter von sechs Jahren kam Sch. zunächst zu deutschen Schreibmeistern in die Schule; im Jahre 1491 verpflichtete der Vater Leonhard Vogel aus Coburg als Hauslehrer, der seinen Söhnen außer Latein auch gewisse Grundkenntnisse des Griechischen beibrachte, das er selbst bei Bernhard Walther, einem Schüler D Regiomontans, gelernt hatte (Leret unns baid unnd annder knaben … aynen kriechischen vocabulari, Sch.-Bibl., Cod. Ab, 77 v). Im März 1496 wurde Sch. zusammen mit seinem jüngeren Bruder nach Heidelberg geschickt, wo die beiden Knaben zunächst unter der Aufsicht des damaligen Dominikanerpriors Peter Siber im Pedagogium des Magisters Peter Widmann unterrichtet wurden. Aufzeichnungen und Schulbücher Sch.s zum Heidelberger Unterricht sind erhalten geblieben (Sch.-Bibl., Bd. 371/305 u. Bd. ⫺/ 395). Am 27. Sept. 1497 ließen sich die Brüder an der dortigen Universität immatrikulieren und begannen, betreut vom Magister Peter Günther, einem Schüler Jakob J Wimpfelings (Sch.-Bibl., Bd. 371/ 305, 296 r⫺316 r, überliefert hsl. eine In artes carminum Petri Guntheri exhortatio), das Artes-Studium an der Bursa modernorum; sie wurden aber noch vor dem Ab-

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schluß des Baccalaureats im Mai 1498 vom Vater nach Nürnberg zurückbeordert. Während nun der jüngere Bruder zur kaufmännischen Ausbildung nach Venedig geschickt wurde, begab sich Sch. auf den Rat seines Verwandten Sixtus Tucher am 27. Okt. 1498 nach Bologna, wo er am 15. Nov. eintraf, um sich hier über acht Jahre dem Studium der Humaniora und der Rechte zu widmen. Als seine wichtigsten juristischen Lehrer nennt Sch. Ludovico Bolognigi, Giovanni Croto de Monteferrato und Giovanni Campeggio; auch dessen Sohn Lorenzo, dem er als Legaten und Kardinal später mehrfach wiederbegegnen sollte, unterwies ihn an Sonntagen im römischen Recht. Bei Filippo Beroaldo d. Ä. hörte er Vorlesungen in Rhetorik und Poetik; vor allem genoß er Privatunterricht bei dem schon betagten Giovanni Garzoni, aynem grossen Ciceronianer unnd Livianer, der ihn auch in die Brieflehre einführte (Sch.-Bib., Cod. Ab, 149 v). Auch Bd. 361/ 310 der Sch.-Bibl. enthält dazu reiches Material; neben Auszügen aus Garzonis Werken, Briefregeln und Übungen, die dem Lehrer zur Beurteilung vorgelegt wurden, überliefert er auch 159 noch ungedruckte lat. Briefe bzw. Briefentwürfe Sch.s aus den Jahren 1499 bis 1505. Unter den meist deutschen Empfängern ⫺ darunter Heidelberger Lehrer und Schulfreunde sowie mehrere Mitglieder des Dominikanerordens ⫺ nimmt Sixtus Tucher eine besondere Stellung ein, der Sch.s Studium kritisch begleitete und ihm 1500 ein fünfjähriges Stipendium der Nürnberger KunhoferStiftung besorgte, als sein Vater eines großen Teils seines Vermögens verlustig ging. Dieses Desaster führte zwar in der Familie zu Überlegungen, daß Sch. eine geistliche Karriere anstreben sollte, hatte aber für den Studenten kaum Einschränkungen beim Bucherwerb zur Folge; ein bislang unbeachteter Index librorum, den Sch. am 1. Jan. 1504 anlegte (Sch.-Bibl., Bd. 266/ 290, 2 r⫺3 r), verzeichnet z. T. mit genauen Preisangaben etwa 130 juristische, klassische und humanistische Werke; darunter befinden sich auch einige in Deutschland erschienene Drucke. Sch.s Aufenthalt in Bologna wurde durch mehrere Reisen in-

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nerhalb Italiens unterbrochen. Im Herbst 1499 besuchte er seinen Bruder in Venedig, wo er schwer erkrankte. Mit zwei anderen Studenten wanderte er im Okt. 1500 zu Fuß über Loreto nach Rom, um hier den Jubiläumsablaß zu erwerben, und kehrte über Florenz wieder nach Bologna zurück. Am 30. März 1506 ritt er zusammen mit dem Theologen Dr. Johannes Stollberg wiederum über Loreto nach Neapel, um das khongrich unnd den grossen capitonio Consalvirando zw besehen (Sch.-Bibl., Cod. Ab, 151v, gemeint ist der grancapitano Gonzalo Ferna´ndez de Co´rdoba); auf der Rückreise empfing er am 21. April in Rom die niederen Weihen. Kurz nach seiner Rückkehr ließ er sich von einer Gesandtschaft Maximilians als Dolmetscher verpflichten; diese Legation führte ihn nach Modena, Ferrara und ins nahe Kastell San Pietro, wo sich damals der Markgraf Francesco Gonzaga von Mantua aufhielt. Sch., der bereits am 24. April 1505 in Bologna zum Syndikus der Universität gewählt worden war und dieses nach dem Rektor höchste Amt bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland innehatte, wurde hier am 23. Dez. 1506 zum Doktor beider Rechte promoviert; an dem feierlichen Akt nahmen fast die gesamte deutsche Nation und die kaiserlichen Gesandten teil, beim anschließenden Mahl war auch der Gesandte des sächsischen Kf., Dr. Johannes v. J Staupitz, anwesend. Um die Kosten für die Promotion aufzubringen, mußte Sch. Bücher und Hausrat verpfänden, zumal er zuvor durch eine Bürgschaft für einen Nürnberger Landsmann in zusätzliche finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Am 7. Jan. 1507 kehrte er endgültig nach Deutschland zurück; mit nicht wenigen seiner Bologneser schulgesellen, zu denen u. a. Johannes J Rhagius Aesticampianus (dessen Epigramm an den Studenten Sch. hsl. in Sch.-Bibl., Bd. 361/310, 3 v, 9 Dist.) und Sebastian von J Rotenhan sowie der spätere Bischof von Trient, Bernhard von Cles, gehörten, sollte er auch später noch in Verbindung bleiben. Auch seinen Landsmann Albrecht Dürer hat Sch. im Herbst 1506 in Bologna getroffen und für ihn gedolmetscht.

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Bereits im Sommer 1505 hatte Sch.s Vater mit dem sächsischen Kurfürsten darüber verhandelt, daß sein Sohn eine Professur an der 1502 gegründeten Univ. Wittenberg erhalten sollte. Durch die Vermittlung des sächsischen Rates Degenhart Pfeffinger und seines Oheims Anton Tucher erhielt Sch. die dortige Lektur für Kirchenrecht mit einem Jahresgehalt von 80 Gulden und begann am 13. April 1507 mit der ersten juristischen Vorlesung; in der ArtesFakultät bot er zusätzlich eine Lehrveranstaltung über Sueton an. Nur wenige Tage später, am 1. Mai, wurde er zum Rektor gewählt und sollte in diesem Amt erheblich zur Attraktivität der jungen Universität beitragen, indem er mit dem Rotulus Doctorum Vittenbergae profitentium (gedruckt bei Friedensburg, 1926, S. 14⫺ 17), einem gedruckten Verzeichnis der Lehrveranstaltungen und Dozenten, für die Neugründung warb und durch das Verbot des Waffentragens das Verhältnis der Universität zur Bürgerschaft beruhigte. 1508 wurde er vom Kurfürsten zum Rat und Beisitzer des vierteljährlich in Leipzig und Altenburg tagenden sächsischen Hofgerichts ernannt und mit der Redaktion der Universitätsstatuten betraut (gedruckt bei Friedensburg, 1926, S. 18⫺58). Als Dekan der juristischen Fakultät legte er im selben Jahr das erste Dekanatsbuch an. Auch gelang es ihm in Wittenberg bald, einen humanistisch gesinnten Freundeskreis um sich zu versammeln, dessen Aktivitäten nicht zuletzt durch Sch.s Briefe und Reden dokumentiert sind; zu dieser Gruppe zählten außer Staupitz u. a. Otto J Beckmann, Georg J Sibutus, Ricardus J Sbrulius, den Sch. um Verse für sein Exlibris bat, Jodok J Trutfetter und Philipp J Engelbrecht, von dem zwei an Sch. gerichtete hsl. Gedichte überliefert sind (Sch.-Arch., Akten II, 36). Auch mit Lucas Cranach d. Ä., der ihn 1509 portraitierte, war Sch. freundschaftlich verbunden. Von Wittenberg aus unternahm Sch. im Auftrag seines Landesherrn zahlreiche Reisen, die ihn u. a. nach Erfurt, Halle, Naumburg, Leipzig und Torgau, aber auch in die Mark Brandenburg und nach Schlesien führten (eine Auflistung aller Dienstreisen findet

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sich in Sch.-Bibl., Bd. 400/497, 157 v). Mit der Erlaubnis des Kurfürsten ritt er im Febr. 1510 nach Bologna, um dort seine Schulden zu begleichen, die Bücher auszulösen und neue Drucke zu erwerben. Auf dem Hinund Rückweg machte er auch kurz Station in Nürnberg, wo er von Dürer und J Pirckheimer eingeladen und mit Geschenken bedacht wurde (Sch.-Arch., Akten II, 15a). Sch. hat seine insgesamt fünfjährige Tätigkeit in Wittenberg, während der seine literarische Produktion einen Höhepunkt erreichte, bestens dokumentiert; seine Vorlesungen aus den Jahren 1507 bis 1508 sind in Sch.-Bibl., Bd. 293/281, 50 r⫺504 r, erhalten geblieben; außerdem hat er ein Verzeichnus, was ich Doctor Ch. Schewrl zw Wittenberg verdienet unnd gewunnen hab, seiner Autobiographie beigefügt (Sch.-Bibl., Cod. Ab, 445 v⫺451v). Nach Vorverhandlungen mit dem Nürnberger Rat zum Jahreswechsel 1511/12 kehrte Sch. am 3. April 1512 mit 16 zennten buchern (Sch.-Bibl., Cod. Ab, 161r) endgültig in seine Geburtsstadt zurück und wurde zwei Tage später als Ratskonsulent vereidigt, ein Amt, das er bis zu seinem Tode innehaben sollte. Zu seinem Aufgabenbereich im Dienste der Stadt zählten sowohl die juristische Beratung des Rats bei den täglichen Geschäften als auch dessen diplomatische Vertretung nach außen. Außerdem war er als Beisitzer an den verschiedenen Nürnberger Gerichten tätig und hatte bei den Empfängen von Kardinälen und Fürsten die Begrüßungsreden zu halten. In zahlreichen Legationen vertrat er die Interessen Nürnbergs auf Reichstagen und bei auswärtigen Potentaten. Am 12. Sept. 1519 brach er mit einer Nürnberger Delegation zu Karl V. nach Aragon auf und hielt am 21. Okt. in Molins de Rei nahe Barcelona vor dem neugewählten König die Glückwunschrede. Im Mai 1522 wurde Sch. als Mitglied einer Delegation des Reichsregiments, der auch sein Freund Sebastian von Rotenhan angehörte, zu Erzhzg. Ferdinand nach Österreich entsandt und fungierte im Juli auf persönlichen Wunsch des Habsburgers als Beisitzer beim ‘Wiener Neustädter Blutgericht’ gegen die Rädelsführer der österreichischen Ständerevolte.

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In Wien festigte er damals die Freundschaft zu Johannes J Cuspinian, mit dem er schon seit 1515 in Korrespondenz stand. Im Jahr darauf gelangte er anläßlich einer zweiten Gesandtschaft nach Spanien sogar bis nach Kastilien und Portugal. Auf der Hinreise besuchte er am 21. Mai 1523 J Erasmus und Beatus J Rhenanus in Basel (Sch.-Bibl., Bd. 400/497, 206 r: Ich redt an den grosn Erasmum von Roterdam, Beatum Rhenanum). Sch. war auch die treibende Kraft der sog. Sodalitas Staupitziana, der neben vielen Patriziern der einflußreiche Ratsschreiber Lazarus J Spengler und Albrecht Dürer angehörten; diese Gesellschaft hatte sich gebildet, nachdem Staupitz während der Advents- und Fastenzeit 1516/17 mit großem Erfolg in Nürnberg gepredigt hatte. Über Staupitz trat Sch. im Jan. 1517 mit Luther in Korrespondenz, den er vielleicht schon seit seiner Wittenberger Zeit persönlich kannte (Luther-Br. 32). Über seine Vermittlung gelangten Luthers 95 Thesen zum Ablaß schon im Nov. 1517 nach Nürnberg; er hat sie auch an seinen Freund Johann J Eck nach Ingolstadt weitergeleitet. Sch. stand der Reformation zunächst sehr positiv gegenüber und versuchte zwischen 1518 und 1520 vergeblich einen Ausgleich zwischen Eck und Luther zu vermitteln. Eoban J Hessus feierte Sch. schon 1520 in einem längeren Gedicht (56 Dist.; Soden, S. 111⫺ 118; hsl. Sch.-Bibl., Cod. O, 269 r⫺270 v) als Historiographen, von dem das große Werk über die Zeitgeschichte zu erwarten sei. Am 25. Nov. 1525 waren zur Feier des Katharinenfestes Philipp J Melanchthon und Joachim Camerarius Gäste in Sch.s Haus (Kamann, Sp. 333 f.). Schon im März desselben Jahres hatte er im Auftrag des Rats das Nürnberger Religionsgespräch geleitet, das der Reformation in der Reichsstadt zum Durchbruch verhalf. Im späteren Verlauf der Auseinandersetzungen wandte Sch. sich aber von der reformatorischen Bewegung ab und wurde vor allem durch seine Nähe zu Hzg. Georg von Sachsen zu ihrem erklärten Gegner. Als er im Zusammenhang mit den sog. Packschen Händeln im Nov. 1528 ein kompromittierendes Schreiben Luthers an Wenzel

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Linck dem sächsischen Gesandten in die Hände spielte, mußte er sich vor dem Rat verteidigen und geriet dadurch erneut mit Pirckheimer in Konflikt, der ihn schon 1520 im Eckius dedolatus verhöhnt hatte. Sein ehemaliger Freund Lazarus Spengler schmähte Sch. 1533 als einen der hochsten veruolger … Evangelischer warhait und als offenlichen delatorem seins vatterlannds (Mayer, S. 127 f.). Nachdem Sch. sich lange die Möglichkeit einer geistlichen Karriere offengelassen hatte, heiratete er am 29. Aug. 1519, unmittelbar vor seiner ersten Spanienreise, die Patriziertochter Katharina Fütterer; aus der Ehe gingen zwei das Kindesalter überlebende Söhne hervor. Die Patenschaft für den am 19. April 1532 geborenen Sohn Jörg übernahm Hzg. Georg von Sachsen, der sich bei der Taufe von seinem Rat Simon Pistorius vertreten ließ; den am 3. Aug. 1535 geborenen Sohn Christoph hob der Nürnberger Schreib- und Rechenmeister Johann Neudörffer d. Ä. aus der Taufe, mit dem Sch. in seinen letzten Lebensjahren in enger geschäftlicher und freundschaftlicherVerbindung stand. Am 6. April 1540 wurde Sch. zusammen mit seinen beiden Söhnen und seinem Neffen Albrecht von Kg. Ferdinand in den erblichen Adelsstand erhoben, Ks. Karl V. bestätigte die Standeserhöhung im Jahr darauf; beide Habsburger und einige andere Fürsten hatten ihn zuvor zu ihrem Rat ernannt. Zeitlebens interessierte sich Sch., für den schon bei der Geburt Bernhard Walther im Auftrag des Vaters eine Nativität erstellte (Sch.-Bibl., Cod. Ab, 144 v), lebhaft für Wahrsagerei, Chiromantie und Astrologie. Seine Sammelbände überliefern verschiedene Prognostica, die er bei berühmten Sterndeutern wie Lucas Gauricus, Johann Schöner, Johannes D Virdung von Haßfurt oder Johannes J Werner für sich und seine Familienmitgglieder in Auftrag gab (eine Aufzählung der Weissagungen findet sich in Sch.-Bibl., Bd. 275/337, 165 v⫺171v). Ein umfangreiches Horoskop, das Johannes Carion mit einem Begleitgedicht (13 Dist.) am 26. Sept. 1530 aus Berlin an Sch. schickte, ist in Sch.-Bibl.,

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Bd. 400/497, 71r⫺99 r tradiert. Weitere Iudicia, die Sch. für seinen Neffen Albrecht VI. anfertigen ließ, sind in ‘Sch.s Lehenbuch’ (Staatsbibl. Bamberg, Cod. J.H.Msc.jur.3) erhalten (vgl. Reisinger, 1994, S. 199⫺ 204; ders., 1997, S. 99⫺103 u. ö.). Sch. starb am 14. Juni 1542 und wurde gemäß einer letztwilligen Verfügung von armen Briefboten zu Grabe getragen, dieweil ich mit botten viel zu thun gehabt (Soden, 1855, S. 502). Seine letzte Ruhe fand Sch. in der Nürnberger St. Johanniskirche. In seinem umfangreichen Testament, das zahlreiche Legate für wohltätige Zwecke enthält, traf er auch Bestimmungen für den dauerhaften Erhalt seiner Büchersammlung. I I. We rk . Im Folgenden werden nur die vor 1520 abgefaßten Werke einzeln aufgeführt. Von den späteren Schriften sind allein solche aufgenommen, die historische und humanistische Themen zum Inhalt haben. Auf eine vollständige Erschließung des nur archivalisch überlieferten amtlichen Schrifttums Sch.s mußte beim gegenwärtigen Stand der Forschung verzichtet werden, obgleich einige seiner Rechtsgutachten von erheblichem Umfang sind. Ein Verzeichnis seiner gedruckten Schriften bei Graf, S. 153⫺159, und bei Grossmann, 1970, S. 373⫺396; VD 16, S 2727⫺2818, ZV 13863⫺ 13865 und 27652, vgl. H.-J. Kˆhler, Bibliographie d. Flugschr. d. 16. Jh.s, Teil 1, Bd. 3, 1996, 4074⫺4077.

A . P ub li ka ti on en au s d em St ud iu m i n B ol og na . Bereits in der Bologneser Studentenzeit brachte Sch. akademische Disputationen, Repetitionen und Gutachten seiner juristischen und rhetorischen Lehrer Giovanni Croto de Monteferrato, Ulpiano Zani und Filippo Beroaldo zum Druck. Diese Schriften umfassen z. T. nur wenige Blätter; den Erdbebentraktat seines Lehrers Beroaldo, der nur auf dem Titelblatt den Nürnberger Studenten als Hg. nennt, verschickte Sch. auch an Gönner nördlich der Alpen (Scheurl-Br., Nr. 1). Drucke. 1. Elegans atque erudita Disputatio J.U. can|didati D. Christoferi Scheurli […] in presentia […] doctissimi praeceptoris sui Do. | Joan-

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Scheurl, Christoph

nis Monteferrati. Bologna: Giustiniano da Ruberia, 1505. Serra-Zanetti 469; Grossmann, 1970, 1. 2. Opusculum Philippi beroaldi de | Terremotu et Pestilentia cum | annotationibus Galeni Editum per | D. C. Scheurlum Nurembergensem. Bologna: Giustiniano da Ruberia, 1505. Serra-Zanetti 86; Grossmann, 1970, 2. 3. Questio disputanda sic proponit | testator quidam filium heredem i*n+sti|tutum grauavit de hereditate restituenda […]. Bologna: Giustiniano da Ruberia, 1505. Serra-Zanetti 470; Grossmann, 1970, 3. 4. Secunda Disputatio J. V. Candidati D. Chris-|toferi Scheurli Nurembergensis Studii Bononiensis Sindici […] in presentia […] Consultissimi | preceptoris sui. D. Joannis monteferrati […]. Bologna: Giustiniano da Ruberia, 1505. Serra-Zanetti 471; Grossmann, 1970, 4. 5. Subtilis et perutilis Repetitio & omnes populi ff. | de iustitcia et iure per celeberrimum. I.U. doc|torem. D. Joannem Crotum de Monteferrato. […] Ad Nobilissimos et Eruditissimos commilitones suos | Dominos Scholasticos germanos Christoferi | Scheurli Nurenbergensis Epistola. Bologna: Giustiniano da Ruberia, 1505. Grossmann, 1970, 5. 6. Tractatus et Repetitio tituli de Justitia et iure in institutionibus per acutissimum iuris Cesarei interpretem D. Ulpianum de za|nis […] per D. C. scheurlum publicata. Bologna: Giustiniano da Ruberia 1505. Grossmann, 1970, 6. 7. Elegans repetitio. Frater a fra|tre ff. de condi. inde. Per. D. | Ioannem monteferratum. | Ad Clarissimum et eruditissimum dominum Georgium Trautembergum Germanum | Christoferi Scheurli Nurenbergensis V. V. studii Bononiensis Sindici Epistola. Bologna: Benedictus Hectoris, 1506. Serra-Zanetti 154; Grossmann, 1970, 7. 8. Excellentissimi Iuris. U. Doctoris domini Joannis Crati de Monteferrato repetitio in difficillimo. Cato de verbo oblig. […]. Ad Nobilem et eruditum virum Petrum Pernstainum Misnensem Iuris licentiatum Christoferi Scheurli Nurenbergensis Studii Bononiensis Sindici Epistola […] Bologna: Joannes Antonius de Benedictis, 1506. SerraZanetti 155; Grossmann, 1970, 8 (Kein Exemplar nachgewiesen).

B. H er au sg eb er sc ha ft en Ü be rs et zu ng en .

und

1. ‘Utilitates Missae’. Am 1. Sept. 1506 widmete Sch. der Äbtissin des Nürnberger Klarissenklosters, Caritas D Pirckheimer, eine Anthologie, in welcher er Zitate aus den Kirchenvätern und mal. Autoritäten zusammenstellte, die

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den Nutzen der Messe und des Gebets für die Verstorbenen erörtern. Auf den Dedikationsbrief, in dem die gelehrte Äbtissin mit der Venezianerin Cassandra Fedele verglichen und ihr Bruder Willibald und andere Mitglieder der Familie in den höchsten Tönen gepriesen werden, folgen die apokryphen Abgar-, Lentulus- und Pilatusbriefe, die Sch. zwar Drucken entnommen, aber erstmals zu einer kleinen Sammlung vereinigt hat (Backus, 1998, S. 136). Die Väterzitate werden von Sch. durch ein zeitgenössisches Exemplum über die Wirkmacht des Gebetes aus dem Bologneser Dominikanerkloster und den Text der Sequenz ‘Dies irae’ ergänzt. Daran schließt sich ein Gedicht auf Sch.s Namenspatron an (inc. Christophore o divum grandissime vertice maior; 23 Hex.). Das auf der ersten Seite angekündigte Exemplum Enee Silvii de vendente missam fehlt in allen Drucken. Von der in Bologna bei Benedictus Hectoris erschienenen Editio princeps (Grossmann, 1970, 9), die Sch. der Äbtissin zum Dank für ihre Anteilnahme an seinem Schicksal durch Sixtus Tucher überreichen ließ, ist kein Exemplar erhalten, der Druck ist aber durch eine Abschrift gut bezeugt (Pfanner, S. 5, Anm. 1). Sch. gab den Text, der bis 1516 mindestens sechs z. T. ergänzte Auflagen erlebte, bereits 1507 in Leipzig erneut unter Beigabe mehrerer an ihn gerichteter Gedichte des Georg Sibutus heraus. Seit der dritten Aufl. 1513 wird das Werk von der Ode des Konrad J Celtis an Caritas Pirckheimer (Celtis-Br., Nr. 273) eingeleitet. Der Drucker Friedrich Peypus bereicherte die Ausgabe von 1515 um fünf weitere Schreiben der Äbtissin. Sowohl das Celtis-Gedicht als auch die Caritas-Briefe sind nur durch diese Drucke überliefert. Drucke. Epistola Christophori scheur|li ad Charitatem Pirchameram […]. Leipzig: Martin Landsberg, 1507. VD 16, S 2781. ⫺ Epistola D. Schewrli | ad Charitatem Pirchameram | Carmen Conradi Celtis ad eandem […]. Nürnberg: Joh. Weißenburger, 1513. VD 16, S 2782/2783. ⫺ Epistola D. Schewrli | ad Charitatem Pirchameram. | Carmen Conradi Celtis […]. Landshut: Joh. Weißenburger, o. J. VD 16, S 2784. ⫺ Epistola Doctoris | Scheurli ad Charitatem Abbatissam | Sanctae Clarae de laudibus familiae Pyrckheymer […]. Ex

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Iosepho & Eusebio de vita Christi […]. Epistole reuerende matris Charitatis […]. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1515. VD 16, S 2785. ⫺ Vtilitates | Misse D. Scheurli. Landshut: Joh. Weißenburger, 1516. VD 16, S 2817; VD 16, ZV 13863. Ausgabe. Pfanner, 1966, Nr. 66 (Brief Sch.s an Caritas mit dt. Übers.); Nr. 33, 34, 45, 47 (Brief der Caritas aus dem Druck von 1515); Text der apokryphen Briefe bei Backus, 1998.

2. Der apostolische Protonotar und Naumburger Dekan Günther v. Bünau hatte von Massimo Corvinos Rede (Okt. 1511) über den Bund des Papstes mit Spanien und Venedig (gegen Frankreich) eine Kopie erhalten. Sch. leitete sie weiter an Martin Landsberg in Leipzig und veranlaßte ihn, damit die Rede rasche Verbreitung fände, zum Druck. Druck. Oratio sanctissimi fede|ris initi inter pontificem: Hispanum | et Venetos. habita Rhome tercio | Nonas Octobris Anno vndecimo | Breue Julij secundi pon. max. ad | reges duces et principes christianos… | Leipzig: Martin Landsberg, 1511. VD 16, C 5321. Titelbl.v: Schreiben Sch.s an Günther v. Bünau (Leipzig, 8. Dez. 1511).

3. ‘Viertzig Sendbriefe’. Am 19. Okt. 1514 teilte Sch. seinem Freund Jodok Trutvetter mit, er plane, die Briefe des sieben Jahre zuvor verstorbenen Sixtus Tucher an Nürnberger Klarissen, die er mit den Episteln des hl. Hieronymus an Paula und Eustochium verglich, als Erbauungsbuch in dt. Übersetzung zu veröffentlichen (Scheurl-Br., Nr. 87; Hamm, 2004, S. 58 f.; Hamm, 2011, S. 213 f.). Ein Jahr später erschien seine Ausgabe der ‘Viertzig Sendbriefe’, die 28 Schreiben Tuchers an Caritas Pirckheimer, vier an Apollonia Tucher, zwei an beide gemeinsam, zwei an unbekannte Empfänger sowie drei von Caritas an Celtis und andere und einen weiteren Brief Sch.s an den Klarissenkonvent enthält. Tuchers pastorale Briefe stammen aus den Jahren 1498 bis 1506 und behandeln vorwiegend Fragen der klösterlichen Askese, Gewissenserforschung und Frömmigkeit sowie der sprachlichen und theol. Bildung der Nonnen. Sch. hat, unterstützt vom Ratsschreiber Lazarus Spengler, dessen Hilfe bei der Übersetzung des siebten Briefs besonders hervorgehoben wird, den Text mit über

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700 lat. Exzerpten aus Bibel, Patristik und einigen Klassikern versehen und dem Propst von St. Lorenz, Georg Beheim, gewidmet. Druck. Viertzig sendbriefe | aus dem Latein in das Teutsch | gezogen durch etlich gelert gotsforchtig vnd | gaistlich personen zueinander geschriben | vnd mit vil hailsamen Christenlichen | leren vermengt. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1515. VD 16, T 2183. Ausgabe. Pfanner, 1966, Nr. 1⫺32, der 32 Br. ohne die Autoritätenzitate Sch.s aus dem Druck von 1515 wiedergibt.

4. Mit Erasmus J Stella, Arzt in Zwikkau, stand Sch. lange Jahre, spätestens seit 1510, in Verbindung. Er besuchte ihn mehrfach (Scheurl-Br., Nr. 140; Bauch, 1898 I, Nr. 45a), unterstützte seine historischen Interessen durch Mitteilung von Inschriften (Scheurl.-Br., Nr. 132 ), war ihm für Bücherkäufe zur Hand. Er bemühte sich angelegentlich um einen Drucker für Stellas Edelsteinbuch (ebd., Nr. 132, 135, 136), als dessen Hg. er sich im Begleitschreiben an ihn (13. Aug. 1517) ausdrücklich nennt. Auf Sch.s Anerbieten, die Herausgabe weiterer Werke Stellas zu betreiben ([…] ut tandem vela ventis permittas, et hec omnia nos edere sinas), ging dieser nicht ein, sondern sorgte selber für ihren Druck. Druck. Erasmi Stellae | Libonothani | interprae-|tamenti gemma-|rum li-|bellus uni-|cus. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1517. VD 16, S 9793 (S 9794).

5. Johann von Staupitz, ‘Libellus de executione eterne predestinationis‘. Das dem Nürnberger Losunger Hieronymus Ebner gewidmete theol. Hauptwerk des Augustinereremiten Staupitz geht auf einen Predigtzyklus zurück, den dieser in der Adventszeit 1516 in der Nürnberger Augustinerkirche gehalten und später zu einem Traktat in lat. Sprache umgearbeitet hat. Sch. war seit Dez. 1516 mit der Übersetzung ins Deutsche beschäftigt, die bereits im Jan. 1517 einige Wochen vor dem lat. Original bei Friedrich Peypus erschien, wobei er bei der relativ freien Übertragung theol. Fachtermini “umschreibend verdeutlicht” hat (z. Dohna/Wetzel/Endriss,

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S. 41). Mit dieser Ausgabe wurde ein zentraler Text der Rechtfertigungslehre, welcher der Reformation in Nürnberg den Boden bereitete, einem breiten Laienpublikum erschlossen. Drucke. Libellus de Execu|tione eterne predestinationis […]. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1517. VD 16, S 8702. ⫺ Ein nutzbarliches | buchlein von der entlichen volzie-|hung ewiger f*ue+rsehung […]. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1517. Ausgabe. z. Dohna/Wetzel, 1979, S. 67⫺309.

6. Die posthume Veröffentlichung von Cuspinians nachgelassenen Hauptwerken, den ‘Consules’ und den ‘Caesares’, geht auf die Initiative Sch.s zurück. Er hatte 1539 wegen der Übergabe der Manuskripte mit Cuspinians Erben langwierig zu verhandeln. Vorerst aber kamen, unter Mithilfe von Joachim Camerarius, der den Drucker gewinnen konnte, nur die ‘Caesares’ zum Zuge. Die editorische Arbeit an dem immer wieder unleserlichen und mitunter entstellten Manuskript leistete Nikolaus J Gerbel. Die Widmung der ‘Caesares’ an Karl V. verfaßte Sch.; ihre gedruckte Version weicht von der hsl. erhaltenen ursprünglichen (Sch.-Br., Nr. 281) stark ab. Zur Drucklegung der ‘Caesares’ vgl. Ankwicz-Kleehoven, S. 266⫺271. Druck. Ioannis Cuspi|niani viri clarissimi, poetae | et medici, ac divi Maximiliani Augusti | Oratoris, de Caesaribus atque Imperatori⫽|bus Romanis opus | insigne.| […]. Straßburg: Kraft Müller, 1540. VD 16, C 477 (VD 16, C 6479).

C . Red en . Schon als Student in Bologna konnte sich Sch. durch öffentliche akademische Reden hervortun. Vom 24. und 26. April 1505 sind kurze Ansprachen überliefert, mit denen sich der neu gewählte Syndikus Sch. der Universität präsentierte (Sch.Bibl., Bd. 361/310, 202 v⫺203 v). Diese blieben ebenso ungedruckt wie Sch.s Rede vom 23. Dez. 1506 anläßlich seiner juristischen Promotion (Sch.-Bibl., Bd. 362/306, 343 v⫺344 v). Größeren Ruhm als Orator erwarb er sich durch die gedruckte Ansprache zur Einführung des neuen Rektors vom 1. Mai 1505, für deren Verbreitung er selbst Sorge trug. Als Sch. 1507 nach Wit-

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tenberg kam, eilte ihm bereits der Ruf voraus, ein begnadeter Redner zu sein. Schon im 1508 erschienenen ‘Dialogus’ des Andreas J Meinhardi wird der BeroaldoSchüler und neue Rektor als optimus orator gepriesen (VD 16, M 2251, 103 r), in Lobgedichten desselben Jahres von Ricardus Sbrulius als Cicero germanus gefeiert (VD 16, ZV 13864, 140 v). Von den ungedruckten Wittenberger Universitätsreden sei hier die in Meinhardis ‘Dialogus’ rühmend erwähnte Oratio habita ad Universitatem Vittenbergensem de abiicendis armis vom 21. Aug. 1507 (Sch.-Bibl., Bd. 362/ 306, 358 r⫺360 r) angeführt. Als Ratskonsulent gehörte es zu Sch.s Dienstaufgaben, ausländische Gäste bei ihrem Einritt in die Stadt mit lat. Prunkreden zu empfangen. Seine am 17. Jan. 1513 zur Begrüßung des Kardinals Ippolito d’Este gehaltene Rede ist in Cod. K, 80 v⫺81v, der Sch.-Bibl. erhalten (Bebb, 1971, S. 48); über die Vorgänge selbst liegt ein ausführlicher Bericht Sch.s an Otto Beckmann vor (Sch.-Br., Nr. 69/70). Auch für den Einzug des Kardinals Cajetan am 25. Febr. 1519 sind zwei Reden Sch.s überliefert (Sch.-Bibl., Cod. C, 254 r⫺256 r und 260 r; Bebb, 1971, S. 50). Zwei lat. Reden, die Sch. am 21. Okt. 1519 in Molins de Rei und am 9. Aug. 1523 in Valladolid vor Karl V. hielt, sind in der Nürnberger archivalischen Überlieferung erhalten; für den Rat wurden sie von Sch. auch ins Dt. übersetzt (StAN, Rst. N., Ratskanzlei, A-Laden Akten 32, Nr. 18; Rst. N., Ratskanzlei, B-Laden Akten 72, Nr. 2). Im folgenden werden die gedruckten Reden Sch.s einzeln aufgeführt. 1. ‘Libellus de laudibus Germaniae’. Als Syndikus der Universität hielt Sch. am 1. Mai 1505 in der Dominikanerkirche zu Bologna anläßlich der Amtseinführung des neu gewählten Rektors Wolfgang Kettwig eine Rede, die er neun Monate später stark erweitert in der hohen Auflage von 2000 Exemplaren in Bologna drucken ließ. Er selbst sorgte für ihre Verbreitung in Italien und Deutschland. Der Widmungsbrief an seinen künftigen Dienstherrn Friedrich den Weisen war wohl nicht zufällig auf

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den 11. Nov. 1505, Sch.s 24. Geburtstag, datiert (Mertens, S. 721). Auf die Beschreibung und das mit vielen Autoritäten untermauerte Lob Deutschlands folgt ein Abschnitt über Nürnberg, in dem neben der angeblich römischen Gründung und anderen Vorzügen der Stadt die Pröpste Erasmus Toppler und Sixtus Tucher rühmend hervorgehoben werden. Der Text steht in der Tradition italienischer Universitätsreden und weist den eloquentiae et iuris utriusque candidatum Sch. als Schüler Beroaldos aus. Er dürfte neben den Deutschlandbeschreibungen Enea Silvio D Piccolominis und Gianantonio Campanos auch die 1505 in Straßburg erschienenen ‘Epitome rerum Germanicarum’ Jakob J Wimpfelings benutzt haben (Mertens, S. 725). Trotz der hohen Stückzahl folgte bereits 1508 in Leipzig die zweite Auflage, die neben anderen inhaltlichen Veränderungen einen längeren Passus über Albrecht Dürer, den Sch. im Okt. 1506 in Bologna kennengelernt hatte, und Gedichte des Ricardus Sbrulius enthält. Eine Entwurfsskizze mit der Überschrift Oratio habita prima die Maii per Ch. Schewrlum ad universitatem ist in Sch.Bib., Bd. 361/310, 203 v⫺204 v überliefert. Drucke. Libellus de laudibus Ger|manie et ducum Saxonie. Bologna: Benedictus Hectoris, 1506. Serra-Zanetti 472, 473. ⫺ Libellus De Laudibus | Germanie et ducum Saxo|nie […]. Leipzig: Martin Landsberg, 1508. VD 16, S 2794 und S 2795.

2. ‘Orationes in gymnasio Vittenburgensi habitae’. Der Druck enthält nur die umfangreiche Rede, die Sch. am 16. Nov. 1507 in der Wittenberger Kollegiatskirche anläßlich der Einführung seines Amtsnachfolgers Jodok Trutvetter in das Rektorat ⫺ mit dem üblichen Lob des künftigen Rektors und der Universität ⫺ gehalten hat. Die im Titel angekündigte Rede des Wolfgang Pollich fehlt, sie wird in zwei Briefen Sch.s an den Sohn Martin J Polichs erwähnt (ScheurlBr., Nr. 37; Bauch, 1898 I, S. 406 f.). Druck. Orationes doctoris Chri|stophori Scheurli […] Nurenbergensis: et magistri | Wolf-

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gangi Polichij Mellerstadij habite in gym|nasio Vittenburgensi: Rectoribus scholasticam | prefecturam ineuntibus. Leipzig: Martin Landsberg, 1507. VD 16, ZV 13864.

3. ‘Oratio attingens laudes virtutis’. Die weitgehend aus Zitaten zum Lob der Tugend kompilierte Rede hielt Sch. am 18. Juli 1508 bei der Promotion des Markus von Leimbach, Sohn des sächsischen Rates und Schatzmeisters Johann von Leimbach, zum Bakkalaureus im Kirchenrecht. Markus war Sch.s discipulus contubernalis (Bauch, 1898 I, S. 409). Druck. Oratio doctoris Scheur|li attingens laudes vir|tutis […]. Leipzig: Martin Landsberg, 1508. VD 16, S 2802.

4. ‘Oratio attingens litterarum prestantiam necnon laudem Ecclesie Collegiate Vittenburgensis’. Diese wohl wichtigste der Wittenberger Reden Sch.s, welche anläßlich der juristischen Promotion Ulrich von Dinstedts und Kaspar Schickers, zweier Kanoniker des Wittenberger Allerheiligenstiftes, am 16. Nov. 1508 gehalten wurde, ist Lukas Cranach gewidmet, dessen Holzschnitt von der Wittenberger Schloßkirche die Ausgabe beschließt. Das Dedikationsschreiben rühmt Cranach als den nach Albrecht Dürer hervorragendsten Maler Europas und erwähnt auch sein Porträt Sch.s mitsamt der Inschrift des Bildes. Der Redner behandelt im ersten Teil seiner Ausführungen über die Vorzüge der Wissenschaften ein zentrales humanistisches Thema. Ausgehend von dem bekannten Diktum Platos, daß die Kg.e Philosophen sein sollten, stellt Sch. eine Reihe gebildeter Fürsten vor, unter ihnen den anwesenden sächsischen Kurfürsten, und betont den Wert der Redekunst und der Geschichtsschreibung, die allein den Taten der Herrscher dauerhaften Ruhm sichern können. Der zweite Teil der Rede widmet sich dem eng mit der Universität verbundenen Wittenberger Allerheiligenstift, dem die Doktoranden angehören. Den Hintergrund für diesen festlichen Akt bildet ein von den sächsischen Hzg.en Friedrich und Johann am 15. und 16. Nov. 1508 abgehaltenes Turnier, das von Lukas Cranach in mehreren Holzschnitten darge-

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stellt und von Georg Sibutus in einem Epos geschildert wurde. Nach Sch.s Angaben in der Autobiographie waren bei diesem akademischen Akt vil Adels von Mannen, Frawen und Jungfrawen anwesend, die Herzöge selbst hätten verborgen mit grossem Wolgefallen die Rede verfolgt (Bauch, 1903, S. 37). Druck. Oratio doctoris Scheurli at|tingens litterarum prestantiam necnon laudem Ecclesie | Collegiate Vittenburgensis […]. Leipzig: Martin Landsberg, 1509. VD 16, S 2803.

5. ‘Libellus de sacerdotum et rerum ecclesiasticarum praestantia’. Von Sch.s Wittenberger Reden hat die Verteidigung des Priesterstandes bei den Zeitgenossen den größten Anklang gefunden und bis 1516 mindestens sechs Auflagen erlebt. Nach seiner eigenen Aussage war die Schrift 1513 in Nürnberg in 1000 Exemplaren verbreitet (Scheurl-Br., Nr. 81). Die am 10. Febr. 1511 bei der Promotion eines Priesters Andreas aus Schlesien gehaltene Rede hat Sch. seinem Vetter, dem Breslauer Kanoniker Dr. Johann Sch., gewidmet, den er bei einem Besuch in der Heimatstadt seines Vaters 1510 persönlich kennengelernt hatte. Anhand einer Reihe von historischen Beispielen vom alten Orient bis in die Gegenwart versucht Sch. zu zeigen, daß die Priester noch nie so verachtet worden seien wie zu seiner Lebenszeit und daß die Verletzung des Kirchenguts durch weltliche Herrscher sowohl zeitliche als auch ewige Strafen nach sich ziehe. Als besondere Verehrer des Priesterstandes werden neben Rudolf von Habsburg und Maximilian auch die sächsischen Hzg.e genannt. Der Leipziger Erstdruck enthält noch eine Reihe von Gedichten, darunter auch Inschriften auf Sch.s Verwandte in Breslau. Drucke. Libellus | Doctoris Christoferi Scheurli Nu|rembergensis de sacerdotum et rerum | ecclesiasticarum praestantia […]. Leipzig: Wolfgang Stöckel, 1511. VD 16, S 2796. ⫺ VD 16, S 2797⫺ S 2800 sind Nachdrucke der Jahre 1512⫺1515. ⫺ Sacerdotum defensorium Christo|phori Scheurli […]. Landshut: Weißenburger, 1516. VD 16, S 2801 (es wurden nur die im VD 16 dokumentierten Drucke berücksichtigt, nicht Grossmann,

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1970, 27, 29, 30, für die keine Exemplare nachgewiesen sind). Ausgabe. Goldast, S. 356-369.

6. ‘Oratio habita ad congregationem Fratrum Minorum’. Zusammen mit Staupitz reiste Sch. im Sept. 1511 im Auftrag Friedrichs des Weisen nach Berlin, um dort auf dem Kapitel der sächs. Ordensprovinz der Franziskaner den schon lange schwelenden Streit zwischen den Konventualen (Martinianern) und Observanten beizulegen. Sch.s dort am 28. Sept. auch im Namen seines Mitgesandten vorgetragene Rede ist ein beachtlicher Beitrag zur Kenntnis dieses Unionsversuches; unter Berufung auf die Kirchenväter und antike Autoritäten und mit Vernunftgründen wollte Sch. die Martinianer überzeugen, sich den Observanten anzuschließen, das er doch, wie sues er oriret, nit erhalten mocht (Bauch, 1903, S. 39). Handschrift. Sch.-Bibl., Cod. K, 457 r⫺461r. Ausgabe. Doelle, S. 242⫺246.

D . H is to ri sc he Sc hr if te n. 1. ‘Vita Anthonii Kressen’. Die dem zweiten Losunger Hieronymus Ebner, einem Jugendfreund des Dargestellten, gewidmete Biographie erschien laut Dedikationsschreiben vom 24. Juli 1515 in einer Auflage von 1000 Exemplaren; sie verbindet die persönlich gefärbte Lebensbeschreibung des am 7. Sept. 1513 im Alter von 35 Jahren verstorbenen und durch Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und Nächstenliebe gleichermaßen ausgezeichneten Propstes mit Lobeserhebungen auf die mit Sch. verwandten Losunger Anton Tucher, Hieronymus Ebner und ihre Familien. Der Vertrieb des Büchleins, für das sich ein Werbezettel des Druckers erhalten hat (GNM, Hist. Arch., Fam. Archiv Kress, XXVII D Nr. 29), sollte gerade wegen der einseitigen Hervorhebung dieser Geschlechter bald von der Nürnberger Obrigkeit unterbunden werden; ein scharfer Ratsverlaß vom 22. Aug. 1515 untersagte sowohl dem Verfasser als auch dem Drukker die weitere Verbreitung der Lebensbeschreibung und verlangte die Vernichtung der noch vorrätigen Stücke (Bebb, 1971,

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S. 65, Anm. 51). Nur hsl. überliefert sind zwei voneinander unabhängige Übersetzungen der Vita ins Dt.; eine Übertragung wurde von Sch. selbst noch vor dem Verbreitungsverbot des Rats für seine Cousine Helena Kress, geb. Tucher, die Schwägerin des Propstes, angefertigt (GNM, Hist. Arch., Fam. Archiv Kress, XXVII D Nr. 29), wobei Sch. im Widmungsschreiben betont, daß er die dt. Fassung ausschließlich für die Empfängerin verfaßt habe (Bl. 2 v: … sonder allein daßselb latein dir und niemandts anderst vonn wort zu wort teutschen hab wollen). Eine andere, nicht von Sch. herrührende und nur wenig jüngere Übertragung (ohne die Widmungsepistel an Ebner) ist im Archiv der Familie Praun erhalten geblieben (Stadtarchiv Nürnberg, E 28/ II, Nr. 1261). Druck. Vita Reuerendi pa|tris Dni Anthonii Kressen.| I.V.D. & praepositi Sancti | Laurentii Nurenbergn. per | Christophorum Schewrl Iu|ris vtriusque Doctorem condita. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1515 VD16, S 2818. Ausgabe. Goldast, S. 350-355.

2. Epistola ad Staupitium de rei publicae Norimbergensis regimine. Nach dem Schlußvermerk soll Sch. die Abhandlung über die Regierungsform der Reichsstadt Nürnberg, mit welcher er am 15. Dez. 1516 eine entsprechende Anfrage des damals in Nürnberg weilenden Staupitz beantwortete, in nur 10 Stunden niedergeschrieben haben. Die in 26 Kapitel gegliederte Schrift ist die erste Darstellung der Nürnberger Verfassung überhaupt und liefert eine eingehende Beschreibung der städtischen Rats-, Ämter- und Gerichtsordnung; das vorletzte Kapitel befaßt sich mit Sch.s eigenem Berufsstand, den Ratskonsulenten (Boockmann, S. 197⫺204; Isenmann, 2007, S. 273 f.). Wie der Verf. betont, konnte er wegen der drängenden Zeit seinen Gegenstand keineswegs vollständig abhandeln und mußte die Schilderung des Stiftungs- und Almosenwesens aussparen. Während die ursprüngliche lat. Fassung des Briefes an Staupitz nur in Drucken und Abschriften des 17. und 18. Jh.s erhalten geblieben ist, erlangte die nur wenig später entstandene, aber vielleicht nicht von Sch. selbst herrührende dt. Übersetzung “eine

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Art von amtlicher Werthschätzung” (Hegel, S. 782) und wurde häufig als Einleitung zu offiziellen Rats- und Ämterverzeichnissen verwendet. Seit der Mitte des 16. Jh.s waren auch ital. Übersetzungen im Umlauf. Noch nicht untersucht ist eine zweite, in 18 Kapitel eingeteilte Redaktion von ‘De republica Norica’, die Sch. dem Bf. v. Arras und Diplomaten Ks. Karls V., Antoine Perennot de Granvelle, widmete (Venedig, Bibl. Nazionale Marciana, Cod. L.X, CCCII, 2 r⫺10 v (16. Jh.); vgl. J. Valentinelli, Bibl. manuscripta ad S. Marci Venetiarum, Bd. VI, 1873, S. 291 f.). Dieser war im Febr. 1541 während des Aufenthalts Karls V. in Nürnberg in Sch.s Haus einquartiert (Sch.-Bibl., Bd. 275/337, 232 r). Ausgaben. Lat. Fassung: Ch. Gastelius, Tractatus de statu publico Europae, Nürnberg 1675, S. 191⫺201; J. Ch. Wagenseil, De sacri Romani imperii libera civitate Noribergensi commentatio, Altorf 1667, S. 191⫺201; Werminghoff, S. 214⫺ 227 (nach Wagenseil); v. Scheurl, 1999, S. 27⫺ 35 (nach der um 1700 entstandenen Hs. Stadtarch. Nürnberg, E 20/ Nr. A 79). ⫺ Dt. Fassung: Hegel, S. 785⫺804 (zur Überlieferung hier S. 783 f.). Ital. Übersetzungen (ohne Praefatio und Conclusio). Valerio Faenzi, I diece circoli dell’ imperio … con una particolar descrittione della Republica di Norimbergo […], Venedig 1558, 26 r⫺35 r, danach wiederholt bei Francesco Sansovino, Del governo et amministratione di diversi regni et repvbliche, cosi antiche come moderne, Venedig 1578, 176 v⫺181v (Buch 21) (Nachdrucke: Venedig 1583 und 1607).

3. ‘Geschichtsbuch der christenhait von der iarzal christi 1511 bis auff disses gegenwurtig achtvndzwaintzig iar’. Sch.s 1528 begonnenes zeitgeschichtliches Werk in dt. Sprache ist unvollendet geblieben; ohne Vorrede und Widmung beginnt der Text mit einer Aufzählung aller 1511 regierenden europäischen Monarchen sowie der Kurfürsten im Reich und bricht bereits im Mai 1521 mit der Darstellung des Wormser Reichstags und der Verurteilung von Luthers Lehre ab. Das in 227 mit Überschriften versehene Artikel unterteilte ‘Geschichtsbuch’ ist von einer abendländischen Warte aus geschrieben und verzeichnet Jahr für Jahr wichtige politische Ereignisse aus ganz Europa, wobei vor allem die von Sch. eifrig gesammelten

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‘Neuen Zeitungen’ als Quellen ausgewertet wurden. Im Zentrum der Berichterstattung stehen zwar die Begebenheiten um Maximilian und seinen Enkel Karl V., aber Sch.s Blickfeld reicht vom osmanischen Reich bis nach England und von der iberischen Halbinsel bis zu den Moskowitern. Neben Kriegen und Aufständen, dynastischen Heiraten, Todesfällen und Vertragsabschlüssen werden die Politik der Päpste Julius II. und Leo X. in Italien und die Anfänge der Reformation in Deutschland ausführlich gewürdigt. Städtische Belange spielen dagegen kaum eine Rolle, Nürnberg wird nur selten erwähnt. Überlieferung. Sch.-Bibl., Cod. N, 420 r⫺ 547 v (von Sch. durchgesehen und ergänzt). Ausgabe. Knaake, S. 5⫺179 (ohne Inhaltsangabe und Register).

4. Autobiographisches. a) ‘Scheurlbuch’. Sch.s in dt. Sprache abgefaßtes historiographisches Hauptwerk, an dem er von 1523 bis kurz vor seinem Tod arbeitete, ist eine dokumentierte Geschichte seiner Familie auf über tausend Seiten im Kleinfolioformat. Die in 117 Titel unterteilte Darstellung ist mit einem umfassenden Quellenanhang versehen, auf den im Textteil verwiesen wird. Sch. hat nach eigenen Angaben kayn arbait, vleys, noch costten gespart (17 v), um alle über seine Familie verfügbaren Nachrichten zusammenzutragen. Auf eine umfangreiche christenliche vorrede (17 r⫺29 r), die auf viele Bibel- und Väterzitate gegründete Ermahnungen an die Nachkommen enthält, folgen Kurzbiographien aller quellenmäßig faßbaren Familienmitglieder, die von dem 1385 in Gundelfingen bezeugten Konrad Sch. bis zu den beiden Söhnen und dem Neffen des Verf.s reichen. Den größten Umfang nehmen dabei die Lebensbeschreibungen Christophs I. und seiner Frau Helene Tucher (78 v⫺144 r) sowie die Selbstdarstellung des Verf.s und seiner Frau Katharina Fütterer ein (144 v⫺195 v). Der umfangreiche Dokumentenanhang (215 r⫺584 r) bietet neben vielen Urkundenabschriften (darunter Sch.s Doktoratsurkunde) unter anderem auch Auszüge aus den Stadtbüchern von Gun-

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delfingen und Breslau sowie Einnahmenverzeichnisse und Rechnungen. Der gesamte Text ist durch Inhaltsverzeichnisse und Sachregister erschlossen. Handschrift. Sch.-Bibl., Cod. Ab (von Sch. durchgesehen und ergänzt). Teilausgaben. v. Scheurl, 1884, S. 13⫺33 (Inhaltsangabe v. Titel 54⫺86; 78 r⫺128 v) und S. 39⫺41 (Abdruck v. Titel 76, 108 v⫺110 r); Bauch, 1903, S. 34⫺42 (Abdruck v. Titel 101, 154 v⫺160 v); J. M. v. Welser, Die Welser, Bd. 2, 1917, S. 25 f. (Abdruck v. Titel 79, 113 v⫺115 r).

b) ‘Der Schewrl gepurt-, hairat-, tottenund begrebnus puch’. Diese Schrift ist im wesentlichen ein am 15. März 1541 fertiggestellter Auszug aus dem ‘Scheurlbuch’ und bietet in sechs Generationen untergliedert Kurzbiographien von 95 Familienangehörigen. Handschrift. Sch.-Bibl., Cod. Aa, 4 r⫺53 r.

c) Tagebuch. Das von seinem Großvater Albrecht dem Schönen ererbte Manuale nutzte Sch., um dort vom 1. Jan. 1534 bis kurz vor seinem Tod Festlichkeiten, Familienfeiern und Einladungen, Gästelisten und Geschenke und andere Ereignisse aus dem Familienleben zu verzeichnen. Handschrift. Sch.-Bibl., Bd. 596/492 (rückläufig, 173 v⫺38 r; autograph). Teildruck. Vier Notizen ü. Beherbergung von Fürsten bei v. Scheurl, 1884, S. 34 f.

d) Haushaltsaufzeichnungen und Rechnungen. An seinem 50. Geburtstag, dem 11. Nov. 1531, legte Sch. ein umfangreiches Schuldund Rechnungsbuch an, das er selbst Georgius Schewrl puch nannte, während sein Sohn Christoph III. es später als gehaimbuch (260 r) seines Vaters bezeichnete. In der Form eines fortlaufend geführten Tagebuchs verbucht es Sch.s private Ausgaben und Einnahmen, enthält daneben aber auch Anschaffungen für Haushalt und Kinder sowie zahlreiche autobiographische Einträge. Die letzte Notiz stammt vom 19. Mai 1542 (257 v), die Aufzeichnungen wurden später von seinem Sohn Christoph III. und seinem Enkel Hans Christoph fortgesetzt.

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Handschrift. Sch.-Bibl., Bd. 275/337, 1r⫺ 257 v (autograph). Teildruck. Heerwagen, 1906, S. 96⫺116; Heerwagen, 1908, S. 106⫺124.

e) ‘Scheurlisches Hausbuch’. Das für die Kinder seines am 13. Juni 1531 ermordeten Bruders Albrecht, für die Sch. die Vormundschaft übernahm, 1532 angelegte Buch dokumentiert die Geschichte des Sch.schen Anwesens ‘unter der Veste’. Neben Kopien der das Haus betreffenden Urkunden enthält es vollständige Inventare, Listen der im Haus beherbergten fürstlichen Personen und detaillierte Aufzeichnungen über die Ausgaben für Umbaumaßnahmen und Teilungen. Das Buch wurde bis ins 17. Jh. von Sch.s Nachkommen fortgesetzt. Handschrift. Sch.-Bibl., Bd. o. Signatur (Bibl.Katalog S. 436, Erg. 3); ein zweites, nur z. T. übereinstimmendes Exemplar: Berlin, SBPK, Mgf 672 (z. T. autograph, von Sch. 1533 seinem Neffen Albrecht VI. gewidmet). Teildruck. Auszüge bei Soden, 1837, S. 99⫺ 128.

f) ‘Rayspuchlein’. Sch. betont in seiner Autobiographie, daß er von jugent auff uberaus grossen lust und neygung zum reitten, raisen unnd wandern verspürt habe (Sch.-Bibl., Cod. Ab, 184 r); die dort angekündigte Auflistung aller seiner Reisen findet sich aber nicht im Dokumentenanhang dieses Werkes. Das in einer anderen Sammelhs. überlieferte Rayspuchlein enthält ausführliche, tagebuchähnliche Aufzeichnungen über alle zwischen Aug. 1519 (von zeit meins eelichen beischloffens) und Aug. 1538 unternommenen Reisen. Die durchgehend in dt. Sprache abgefaßten Einträge liefern genaue Entfernungsangaben über die einzelnen Reisestationen sowie Bemerkungen zu den Straßenverhältnissen, Gasthäusern und Herbergen und bieten gelegentlich auch Beschreibungen der besuchten Orte und Landschaften. Es finden sich auch Angaben über Mitreisende und Reisebekanntschaften (z. B. traf er mehrfach mit Johannes J Eck, Kilian J Leib, Konrad J Peutinger u. a. zusammen) sowie Informationen zu besuchten Kirchen, Wallfahrtsorten und Sehenswürdigkeiten. Gelegentlich notierte

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sich Sch. auch Inschriften an Bauwerken und Denkmälern. Neben vielen kleineren Reisen nach Augsburg, München und in die Umgebung Nürnbergs werden vor allem die beiden großen Gesandtschaften nach Spanien in den Jahren 1519/1520 und 1522 sowie die Ritte nach Österreich 1522 und Schlesien 1533 ausführlich geschildert. Für die erste Spanienreise ist zusätzlich ein umfangreicher autographer Schlußbericht Sch.s an den Nürnberger Rat erhalten (StAN, Rst. N., Ratskanzlei A-Laden Akten 32, Nr. 18, 293 r⫺331r, alte Foliierung). Die in der Forschung bisher unbeachteten Reisetagebücher sind von erheblichem kulturgeschichtlichem Quellenwert und bieten eine Fülle von neuen Nachrichten. Handschrift. Sch.-Bibl., Bd. 400/497, 158 r⫺ 282 r (autograph).

5. Genealogien. Von seiner literarischen Produktion fand Sch. in der Autobiographie neben den “Zeitungen” nur noch seine Freude an der Beschäftigung mit genealogie, mit geschlechten und dero gepurt erwähnenswert (Sch.-Bibl., Cod. Ab, 189 r). In der Tat hat er sich in den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens vorwiegend mit familiengeschichtlichen Arbeiten befaßt und neben dem ‘Scheurlbuch’ auch umfangreiche genealogische Werke zu mit ihm verwandten Nürnberger Patriziergeschlechtern angelegt. In seinen Collectaneenbänden und im Sch.-Arch. (Akten XVI, Nr. 1 bis 44) findet sich reiches Material zur Geschichte vieler ratsfähiger und ehrbarer Nürnberger Familien; Sch. exzerpierte dafür nicht nur Urkunden und Memorialzeugnisse, sondern zog auch die in den Familien selbst geführten Aufzeichnungen über Geburten, Hochzeiten und Todesfälle heran, welche z. T. nur durch die für ihn angefertigten Abschriften erhalten sind. Hervorzuheben sind dabei vor allem der Cod. H (seit 1935 im Archiv der Frh.en Haller v. Hallerstein in Nürnberg-Großgründlach unter der Signatur CHH-III aufbewahrt, vgl. dazu die Inhaltsangabe bei Meyer, S. 529⫺542), der neben Hans Hallers Beschreibung der im Jahr 1490 lebenden ehrbaren Ge-

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schlechter Nürnbergs auch Aufzeichnungen zur Genealogie anderer Familien enthält, und der Cod. D der Sch.-Bibl., der u. a. Exzerpte aus Hartmann J Schedels Familienbuch (278 r⫺279 v) und Auszüge aus der verlorenen Autobiographie des Lizentiaten Johann Löffelholz (379 r⫺383 v) überliefert. Die genealogischen Arbeiten zeichnen sich durch gründliche Dokumentation der Quellen aus, so daß Sch. nach dem Urteil Hegels “der Nürnbergischen Geschichtsschreibung, wenn auch nur auf genealogischem Gebiet, den Weg und die Methode wissenschaftlicher Forschung zeigte” (Hegel, 1862, S. XXXIV f.). a) ‘Pfinzing-Löffelholzisches Stammbuch’. Die am 8. Sept. 1526 seinen Oheimen Martin und Paul Pfinzing und Thomas Löffelholz gewidmete Schrift ist die erste größere genealogische Arbeit Sch.s, der über seine Großmutter Elisabeth Pfinzing mit beiden Geschlechtern verwandt war und seine eigene Kurzbiographie in das Werk einfügte (48 r). Der Band enthält auch Aufzeichnungen über Sch.s Hochzeit mit Katharina Fütterin (432 r⫺450 r, gedruckt bei Lˆffelholz, S. 154-168) und eine Auflistung der bei den Feierlichkeiten anwesenden Gäste (vgl. dazu Kuhn, 2010, S. 16⫺22). Handschriften. Nürnberg, Stadtarch., E 17/ I, Nr. 3, 2 r⫺155 r (Sch. ⫺Exlibris, z. T. autograph); Sch.-Bibl., Cod. D, 170 r⫺224 r (Vorarbeiten, z. T. autograph); Nürnberg, StB, Amb. 479.4° (18. Jh.);

b) ‘Ordenliche beschreybung deß erbern geschlechts der Fütterer’. In den heißen Sommertagen 1539 verfaßte Sch. diese am 3. Aug. fertiggestellte Genealogie zu seiner eigenen ergetzlichkeit (1r), um für seine beiden Söhne Jörg und Christoph ir mutterlich geschlecht von 1390 bis zur Gegenwart darzustellen. In der Vorrede wies er auf die Lückenhaftigkeit seiner Quellen hin und forderte zu Ergänzungen auf (unnd ich aber nit genaigt bin, ungewise unnd zweiffelliche dingk zw setzenn, will ich zw forderst meinne mengell dieser zeit, was ich noch irgehe unnd nit gewies bin, meldenn, andern unnd mir selbst ursach zu gebenn, solichem fernner nach zugedennckenn unnd suchen, die mengell zu erstatten …, 1r).

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Handschriften. Nürnberg, Stadtarch., E 56/ VI, Nr. 460, 1r⫺39 v; Sch.-Bibl., Cod. Aa. 170 r⫺ 191r.

c) ‘Ein vleisig gepurt, hairat und tottenbuch des erbarn Herdegen Tuchers, Elizabeth Pfintzingin seiner ehewirtin und aller dero, die von inen geporn und abgestigen sein’. Am 1. Aug. 1540 dedizierte Sch. seinem Vetter Sigmund Fürer diese Genealogie, welche die Nachkommenschaft von Fürers und Sch.s gemeinsamen Großvater Herdegen Tucher und seiner zweiten Frau Elisabeth Pfinzing von 1440 bis 1540 verzeichnet. Es handelt sich dabei im wesentlichen um Auszüge aus dem Tucherbuch, mit dessen Fertigstellung Sch. damals beschäftigt war. Daran schließt sich eine ‘Kurtze beschreibung der Fhürer stammens, geschlechts, hairaten und freundtschafft’ an (71r⫺102 r), die Sch. am 16. Febr. 1541 seinem Neffen Christoph Fürer widmete. Aus der Vorrede zu diesem Werk geht hervor, daß Sch. bereits 1531 ein erstes ‘Fürerbuch’ verfaßt und dem gleichnamigen Vater Christoph Fürers gewidmet hatte (71v). Handschriften. Nürnberg, StB, Amb. 53. 4 o (Perg. mit illuminierten Wappenzeichnungen und Sch.-Exlibris); Sch.-Bibl., Cod. Aa, 132 r⫺168 r.

d) ‘Beschreibung des erbern geschlechts der Zingel’. Sch. widmete diese Genealogie am 3. Febr. 1542 seinem Neffen und Pflegesohn Albrecht VI., der sich damals als Student in Paris aufhielt und über seine Mutter Anna, einer geborenen Zingel, diesem Patriziergeschlecht entstammte. Dem Text ist eine Notiz über die Abnahme der Totenmaske Albrecht Dürers beigefügt (gedruckt bei Rupprich, S. 297 f.), der Albrecht VI. aus der Taufe gehoben hat. Handschriften. Nürnberg, GNM, Hs. 6976a, 2 r⫺35 r (das von Sch. seiner Schwägerin Anna vermachte Exemplar); Wien, ÖNB, Cod. 12809 (Kuhn, 2010, S. 498).

e) ‘Tucherbuch’. Das genealogische Hauptwerk, das Sch. der Familie seiner Mutter widmete, bildet ein Gegenstück zum Sch.-Buch; auch in diese Schrift konnte er seine eigene Vita und die Daten seiner Kinder einfügen. Die

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Dedikation an den Losunger Linhart Tucher und die anderen Agnaten der Familie datiert in allen Hss. auf den 1. August 1542, also auf einen Tag etwa sechs Wochen nach Sch.s Tod. Dieses Datum dürfte jedoch noch von Sch. selbst festgelegt worden sein, da es mit der Vigil des Hochzeitstages seiner Eltern zusammenfällt. Sch., der sich selbst in der Vorrede als guetter Tuecher (Vat. Ross. 546, 2 v) bezeichnet, wollte mit diesem umfangreichen Werk nit allain ein Tucherbuch, sonder auch ein cleine chronika (2 r) erstellen. Für die Biographien sämtlicher seit dem Beginn des 14. Jh.s faßbarer Tucher und Tucherinnen und ihrer Ehegatten hat er umfassende archivalische Recherchen angestellt und neben bereits vorhandenen Familienbüchern auch Urkunden, Testamente und Rechnungsbücher seiner Verwandten ausgewertet. Neben den Daten zu Geburt, Hochzeit und Tod liefert er mitunter detaillierte Angaben zur Ausbildung, zu den Karrieren und den äußeren Erscheinungsmerkmalen einzelner Familienvertreter. Dabei spart er gelegentlich auch nicht mit Kritik; so erfahren wir etwa aus der Kurzvita des Aschaffenburger Kanonikers Hieronymus Tucher, daß dieser ein weltmennsch ohne naygunng zum betten horas canonicas gewesen sei und seinem Vater bei seinem Tod über 700 Gulden Schulden hinterlassen habe (112 v⫺113 r). Hervorgehoben sei ferner die etwas ausführlichere Biographie von Sch.s Förderer Sixtus Tucher (73 r⫺ 76 r). Sch.s Text bildet die Grundlage für das sog. ‘Große Tucherbuch’, eine 1590 von der Familie in Auftrag gegebene, reich illuminierte Prunkhandschrift. Handschriften. 1. Bibliotheca Apostolica Vaticana, Ross. 546 (illuminierte Perg.-Hs.). 2. London, BL, Add. Ms. 19475 (2°). 3. Nürnberg, Stadtarch., E 29/III Nr. 258 (‘Großes Tucherbuch’); Sch.-Arch. Akten, XVI, Nr. 41 (Vorarbeiten). Zwei weitere Exemplare aus Familienbesitz wurden 1945 schwer beschädigt (Nürnberg, Stadtarch. E29/III Nr. 16 u. 17). Ausgabe. M. Diefenbacher / H.-D. Beyerstedt (Hgg.), Das Große Tucherbuch. Eine Hs. zum Blättern, eine CD-Rom, hg. v. Haus d. Bayer. Geschichte u. dem Stadtarch. Nürnberg, 2004.

6. ‘Neue Zeitungen’. Sch. gilt als einer der “ersten neuzeitlichen Zeitungsschriftsteller” (Schottenlo-

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her, S. 172). Schon als Student in Bologna

erstattete er seinen Briefpartnern ausführlich Bericht über die politischen Verhältnisse in Italien und übermittelte so wichtige Details über die Kriege Papst Julius’ II. und den Prozeß gegen Savonarola. Als Ratskonsulent belieferte Sch. regelmäßig Fürsten wie z. B. Eb. Albrecht von Mainz und Hzg. Georg von Sachsen mit neuen politischen Meldungen aus der Nachrichtenbörse Nürnberg (Sum enim in emporio rerum novarum; Sch.-Br., Nr. 60). Sch. war ein eifriger Sammler der ‘Neuen Zeitungen’ aus ganz Europa, die in seinen Sammelbänden (v. a. Cod. B, G, K neu und O) in großer Anzahl überliefert sind. Nachdem er bereits 1512 den Vertrag zwischen Julius II. und Ks. Maximilian in dt. Übersetzung und im Jahr darauf den Augenzeugenbericht des Pierio Valeriano über den Einzug des ksl. Gesandten Matthäus Lang in Rom zum Druck gebracht hatte, gab er v. a. in den Jahren 1535 bis 1537 eine ganze Reihe von Flugschriften über wichtige Ereignisse der Politik Karls V. heraus; diese wurden von Sch. meist aus dem Lat. oder Ital. übertragen und sind oft nur mit seinen Initialen und seinem Wahlspruch signiert. In vielen dt. Städten wurden diese ‘Zeitungen’ nachgedruckt, wobei neben Nürnberg und Dresden auch Breslau, Erfurt, Leipzig, Magdeburg, Speyer, Straßburg und Wien als Druckorte nachgewiesen sind.

Drucke. 1. Das ausschreyen vnd eroffnung der | heyligisten Pu˚ntnus zwischen vnserm heyligen Vater | Babst Julio dem andern Vnd dem allerdurch-|leuchtigisten [...] hern Hern | Maximilian erwelten Keyser [...] | Jungst verwilligt vnd | abgeredt [...] | Den xxv. tag | Nouembris. M.D.xij [...] |.C.S.D.| Traducebat.| Nürnberg: Friedr. Peypus, 1512. VD 16, K 234. 2. Giovanni Pierio Valeriano Bolzanio, Ein Epistel von | den Eererpiettungen dem | hochwirdigen von Gurgk | Keyserlichen Vicarien in | allen welschlanden besche|hen als sein Furstlich gnad | zu Rom eingeritten ist am | funfften tag Nouembris.| Anno.M.CCCCC.Xij.| C.S.D. | Traducebat. |. Nürnberg: Friedr. Peypus, 1513. VD 16, V 120. 3. Copey etlicher brieff | so ausz Hispania kummen | seindt anzaygent die eygenschafft des | Newen Lands so newlich von Kay.| May. Armadi auff

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e dem newen | Mor gefunden ist worden | durch die Hispanier. Christoph Scheurl. Nürnberg: Joh. Petreius, 1535. VD 16, S 2793. 4. Romischer Keyser-|licher Maiestat Christenlichste Kriegs Rus-|tung wider die vnglaubigen anzug in Hispanien vnd Sar|dinien Ankunfft in e Africa vnd eroberung des Ports | zu Thunisi im monat Junio Anno 1535.| […] C.S.D.| 24. Julij. 1535. Breslau: Kaspar Libisch, 1535. VD 16, S 2804 (VD 16, S 2805⫺S 2811). 5. Vortragsartickel Romischer | Key. Ma. vnd des restituirten | Konigs von Thunisi.| Sampt jrer Maiestet ankunfft | in Jtalien vnd ettlichen andern zeittungen. [...] 30. Septembris. 1535.|. Übers. v. Christoph Scheurl. Dresden: Wolfg. Stöckel, 1535. VD 16, D 1160 (VD 16, D 1162). 6. Verteutscht schreiben von | Kayserlicher Maiee stat wunderbarlicher erobe|rung der Koniglichen Statt Tunis in | Africa do selbst den xxiij. Julij. 1535.| an herrn Fernanden des Hertzogen | von Mantua etc. brudern aus | gangen.| Ferrante Gonzaga, übers. v. Christoph Scheurl. Nürnberg: Joh. Petreius, 1535. VD 16, G 2652 (VD 16, G 2653). 7. Neü Zeittung von | der Römischen Kayserlichen Maiestät | Zug, und Eroberung des Künigreichs Thunisse, kürtzlich von Venedig | inn Teütsch land ge-|schrieben | Christoph Scheurl. Ulm: Hans Varnier, 1535. VD 16, S. 2786 (VD 16, S 2786⫺2792; ZV 13865). e 8. Sendtbrief so die Romisch | Keiserlich vnd Hispanisch | Kunigclich Maiestat jres erlangten Sygs gegen | dem Barbarossa im Kunigreich Thue nis sei-|ner Kayserlichen Maiestat Bruder | dem e Romischen Kunig den. xxiij.| Julij. Anno. 1535. aus | Affrica zuegeschrieben hat.| Übers. v. Christoph Scheurl. Wien: Joh. Singriener d. Ä., 1535. VD 16, D 1129 (VD 16, D 1130⫺D 1135; ZV 27652). 9. Die grosse erlegunng des | Turkischen heers Vom Sophi in Persien be-|schehen. Von Constantinopel glaublich | zugschriben ausz Jtalianischer | Sprach neuw verteutschet.| v. C.S.D.| Meylendische vnd Genue-|siche Schrifften Der Kaiserlichen vnd | Christlichen Armata anzug vnd | Kriegs Rustung in Affrica | betreffende.| Bearb. v. Christoph Scheurl. Nürnberg: Hans Guldenmund 1535. VD 16, G 2786 (VD 16, S. 2787⫺2789). 10. Mit was Ehrerpietung | des Heiligen Reychs Statt Senis vnd | der Hertzog von Florentz jren e Keiser den 24. vnd | Herrn | den Romischen 28. Aprilis. 1536. empfangen | haben.| Summarie aus Welschem verteutscht.| Interprete Doct. Christoph Scheurl. Nürnberg: Joh. Petreius, 1536. VD 16, M 5657. 11. Desz Groszmechtigenn | Herrn Keyser Carles des funfften | Entschuldigung des furgenom-| men Kriegs gegen dem Kunig von Franckreich | vor dem Bapst Paulo dem dritten vnd | den Cardi-

e

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naln zu˚ Rom beschehen.| M.D.XXXVI.| […] inn Jtalianischer zungen be-|schrieben vnd verdolmetscht.| Jtem ein gesprech Pasquilli vnd | der e Cardinal des Bapsts vnd Keysers | handlung nach o seinem abschied | zu Rom betreffendt.| Interprete Doct.Christ.Scheurl.| s. l., 1536. VD 16, K 26. e 12. Des Christilichsten Ko-|nigs von Frankkreich etc. werbung vnnd | hilffpittung an gemeine Aydgnossen zu | Baden im Ergow versamelt den | letzten tag Junij. 1536.| Der Aydgnossen antwort vnd abschid.| [...] Übers. v. Christoph Scheurl. Nürnberg: Joh. Petreius, 1536. VD 16, F 2358. 13. Verteutschte Copia eines schrei-|bens aus Constantino|pel innhaltent.| Des Sophi Victori e wider den grossen Turcken.| Seiner Heuptleut vnd e volcks gefencknus.| Die anzal des gewonnen e e Turckischen Geschutzs.| Die eroberten Stett vnd Land.| Des Barbarossa ankunfft zu Constantinopel mit sey-|nem weib kindern vnd cleinoten | Sampt der anzal Galeern vnd Fursten seiner Armata.| Übers. v. Christoph Scheurl. Dresden: Wolfg. Stöckel, 1536. VD 16, V 588 (VD 16, V 589). 14. Vnsers Herren Keysers | Protestation vnd e abschid von | Bapstlicher H. vnnd dem Consistoo rio | der Cardinel zu Rom den | 18.Aprilis.| 1536.| [...] Johann Mastro Conyo, interprete Doct. Cristoph. Scheurl. Augsburg: Melchior Ramminger, 1536. VD 16, C 4987 (VD 16, C 4988⫺C 4991). 15. Keyser Carln red frid-|bieten vnd handlung mit Bapst | Paulus vnd den Cardineln zu | Rom am andern Ostertag.| M.D.xxxvj.| Nach lenges in Jtalianischer Zungen be-|schrieben vnd verdolmetscht.| Jtem ein gesprech | Pasquilli vnd der Cardinel | des Bapsts vnd Keysers handlung nach | seinem abschied zu Rom betreffent.| Interprete Doct. Christ. Scheurl. Erfurt: Wolfg. Stürmer, 1536. VD 16, K 25 (VD 16, K 28⫺K 29). 16. Einrit Keyser Carlen | in die alten Keyserlichen haubtstatt | Rom den 5 Aprilis 1536.| Aus allerley Welschen vnd Teutschen Missiuen an Her| tzogen von Florentz vnd andere Herrn geschriben | fleissig auszogen vnd vergleichen.| Christoph Scheurl. Nürnberg: Joh. Petreius, 1536. VD 16, S 2779 (VD 16, S 2780). 17. Verteutschung des An-|stands zwischen vnser al-|ler Herrn dem Romischen | Keyser vnd e Konig von Franckreych etc.| den xxvij. Nouembris.| M.D.XXXvij.| [...] Übers. v. Christoph Scheurl. Augsburg: Heinr. Steiner, 1537. VD 16, D 1138 (VD 16, S 1139). 18. Verdeutschte verruff-|ung des Anstandts in Picar-|dien Zuo Lyon beschehen.| Verteutschte Missif Herrn | Erasmus von Oria von erob-|rung der Schiffschlacht | Mit den Turcken.| Des Turkken fluchtiger | abzug aus Apulien.| Erasmo Do-

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Scheurl, Christoph

ria, übers. v. Christoph Scheurl. Augsburg: Melchior Ramminger, 1537. VD 16, F 2341 (VD 16, F 2342⫺F 2345).

E . J ur is ti sc he We rk e. Als Ratskonulent der Stadt Nürnberg hatte Sch. für diverse juristische Fälle schriftliche Gutachten abzufassen, die u. a. in den Ratschlagbüchern des Nürnberger Rats (StAN, Rst. N., Rep. 51, Ratschlagbücher) und in Sch.s Kollektaneenbänden in großer Zahl erhalten sind (Bebb, 1971, S. 27⫺45; Isenmann, 2005, S. 46⫺53; Isenmann, 2007, S. 273⫺303). Daneben war Sch. auch als Anwalt für Privatpersonen tätig und vertrat die Städte Weißenburg und Windsheim, aber auch Adlige wie die Marschälle von Pappenheim, in Rechtsstreitigkeiten. Das wohl umfangreichste Gutachten, das einen ganzen Band füllt (192 Folia) und mit Vorred und Nachwort versehen ist, erstellte er 1529 für die Stadt Passau in ihrem Prozeß gegen den wittelsbachischen Bf. Ernst und die bayerischen Herzöge (Orig.: HStAM, HL Passau 1121; Konz.: Sch.-Bibl., Cod. N, 27 r⫺ 175 r; zum gleichen Fall auch Sch.-Bibl., Cod. D, 420 r⫺434 v). Ein von Sch. selbst angelegtes Verzeichnis seiner Consilia ist erhalten (Sch.-Arch., Akten, II Nr. 38; autograph). F. K le in e B ei tr äg e. 1. Fratris Baptiste Man-|tuani Carmelite Theo-|logi Carmen de Fortuna illustris Francisci | Gonzage Marchionis Mantue.|. Leipzig: Martin Landsberg, 1510. VD 16, S 7281. Widmungsschreiben von Sch. 2. Ad divum Fridericum principem | Saxoniae ducem ... Ricardi Sbrulii equitis Foro/| Liberalium Artium doctoris ac | *pro+fessoris in Academia Witteburgensi | Poetae clarissimi Cleomachiae | liber primus. Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1510. VD 16, S 2059. Titelepigr. von O. Beckmann. Titelbl.v: Brief Sch.s an Sbruglio (Wittenberg, 1. Aug. 1510), den er als deutschen Dichter, dessen patria nicht Friul und Udine, sondern Sachsen und Wittenberg sei, zu feiern bemüht ist. Auf Sch.s Rat, die Neider nicht zu beachten, antwortete Sbruglio Bl. [F4]r verzagt mit zwei Distichen. Bl. Er⫺v: 21 Distichen Sbruglios an Sch. 3. Oratio Prima Synodi siue concilij | Lateranensis habita per Reuerendum. P. Egidium | Viterbiensem Augustiniani Ordinis | Generalem.| […]

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Wittenberg: Joh. Rhau-Grunenberg, 1512. VD 16, C 659. Kurzer Brief Sch.s an Nikolaus von Amsdorf, in dem er Aegidius von Viterbo würdigt.

G . B ri ef e. Sch.s Korrespondenz wird durch zwei Briefe seines Vaters an den Heidelberger Schüler aus den Jahren 1496 und 1497 eröffnet (Sch.-Arch., Akten I, Nr. 72 u. 73) und reicht bis kurz vor seinem Tod. Bereits als Student in Bologna hat Sch. Abschriften seiner auslaufenden Briefe gesammelt; in seinem Bibliotheksindex vom 1. Jan. 1504 ist ein Titel Epistole Christoferi Schewrli verzeichnet (Sch.-Bibl., Bd. 266/290, 3 r), der mit Bd. 361/310 der Sch.-Bibl. identisch ist. Allein aus der Studentenzeit sind über 200 Briefe erhalten, die in Sch.s gedrucktem Briefbuch, das erst im September 1505 einsetzt und insgesamt 282 Schreiben, zum Teil mit Auslassungen, mitteilt, nicht berücksichtigt wurden. Für den Zeitraum von 1507 bis 1521 hat Bauch weitere 166 Schreiben Sch.s in der Form von Kurzregesten erfaßt (Bauch, 1898 I, 402⫺ 455) und zwei kurze Schreiben an Nikolaus Amsdorf und Andreas Bodenstein von Karlstadt vollständig abgedruckt (Bauch, 1898 II, S. 397). 13 Briefe Sch.s an Caritas Pirckheimer hat Pfanner abgedruckt (Pfanner, Nr. 32, Nr. 65⫺76), und auch die Briefausgaben von Cuspinian, Eck, Luther, Melanchthon, Peutinger und Pirckheimer enthalten Einzelstücke aus seiner Feder. Für die letzten 14 Jahre liefern die Tagebücher genaue Informationen über die Anzahl der ein- und ausgegangenen Briefe und deren Aufbewahrung; in einem Eintrag vom 3. Jan. 1539 resümiert Sch. seine Korrespondenz der vergangenen zehn Jahre und notiert, um ein Beispiel anzuführen, daß er im Jahr 1533 580 Schreiben verfaßt und 517 empfangen habe: Solch prief an wen und an welichem tag ich di geschriben hab, sein eingezaichnt im priefregister; und thut di summa in disen zehen jarn, als von 1529 bis auf 1539, prief 5014. Der gleichen ligen die prief, so ich in 8 jarn entphangen hab, zusammen gepunden in ainer verschlossen welischen fuestruhe und thut die summa 3185 (Sch.-Bibl., Bd. 275/ 337, 202 r). Für die Jahre 1529 bis 1542

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Scheurl, Christoph

sind vollständige Brieflisten mit den Namen der Adressaten überliefert; das letzte Schreiben stammt vom 8. Juni 1542 (Sch.Bibl., Bd. ⫺/287, 168 r⫺191 r u. 241 r⫺ 344 v). Der überwiegende Teil der Briefe ist in Latein abgefasst, es sind aber auch dt. und einige wenige ital. Stücke erhalten. Sch.s Korrespondenzpartner, unter denen sich neben Gelehrten, Humanisten und Astrologen auch Kaufleute, Staatsmänner und Fürsten finden, sind über ganz Europa verstreut. Bereits die Briefe aus der Bologneser Zeit sind reich an geschichtlichen Nachrichten. Von den vielen Schreiben an seine Wittenberger Freunde zeichnen sich vor allem die Briefe an Jodokus Trutvetter und Otto Beckmann durch eine Fülle an persönlichen und tagespolitischen Informationen aus. Nicht wenige Schreiben aus der Nürnberger Zeit stehen in Zusammenhang mit dem Sammeln und Weitergeben von ‘Neuen Zeitungen’; unter den von Sch. mit politischen Nachrichten versorgten Fürsten hat sein Bologneser Studienfreund, der Bf. von Trient und Kardinal, Bernhard von Cles, eine besondere Stellung inne; von ihm sind 49 Originalbriefe an Sch. erhalten (Sch. Arch., Akten V, Nr. 112⫺ 161). Literatur. M. Goldast, Viri illustris Bilibaldi Pirckheimeri […] opera politica, historica, philologica […], 1610 (ND 1969); J. G. Weller, Ein Buch von dem berühmten Rechtsgelehrten Chr. Sch. von 1511, in: J. G. Weller, Altes aus allen Theilen d. Gesch. 1 (1762), S. 666⫺673; G. E. Waldau, Ein Brief von Veit Dietrich, Prediger zu St. Sebald, an D. Chr. Sch., in: ders., Vermischte Beyträge z. Gesch. d. Stadt Nürnberg 4 (1789), S. 458⫺463; M. M. Mayer, Spengleriana, 1830; F. Frhr. v. Soden, Chr. d. Zweite u. sein Wohnhaus, Nürnberg 1837; J. K. Seidemann, Zwei Briefe des Dr. Chr. Sch. zu Nürnberg, 1528/1529, in: ders., Erläuterungen z. Reformationsgesch., 1844, S. 129⫺151; F. Frhr. v. Soden, Beitr. z. Gesch. d. Reformation u. d. Sitten jener Zeit mit besonderem Hinblick auf Chr. Sch. II., 1855; K. Hegel, Die Chroniken d. Stadt Nürnberg, in: Die Chroniken d. fränk. Städte. Nürnberg, Bd. 1, 1862 (ND 1961), S. XIII⫺XLII; Th. Muther, Politische u. kirchliche Reden aus d. Anfange d. 16. Jh.s, in: ders., Aus d. Universitäts- u. Gelehrtenleben im Zeitalter d. Reformation, 1866 (ND 1966), S. 64⫺94; ScheurlBr.; J. K. F. Knaake (Hg.), Geschichtsbuch der

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Christenheit von 1511 bis 1521, Jb. d. dt. Reichs u. d. dt. Kirche im Zeitalter d. Reformation 1, 1872, S. 1⫺179; K. Hegel, Christoph Sch.s Epistel über d. Verfassung d. Reichsstadt Nürnberg 1516, in: Die Chroniken d. fränk. Städte. Nürnberg, Bd. 5, 1874, S. 781⫺804 (ND 1961); E. Frhr. v. Lˆffelholz, Dr. Chr. II. Sch.s Hochzeit mit Katharina Füttererin am 29. Aug. 1519, MVGN 3 (1881) 155⫺168; J. Kamann, Zwei Gastmähler bei Dr. Chr. Sch. 1525 und 1528, Anz. f. Kunde d. dt. Vorzeit, NF. 29 (1882), Sp. 333⫺336; Th. Kolde, Der Bruderschaftsbrief des Johann v. Staupitz für Chr. Sch. den Älteren u. seine Familie 1511, 6. Okt., Zs. f. Kirchengesch. 6 (1883-1884) 296⫺ 298; A. v. Scheurl, Chr. Sch., Dr. Chr. Sch.s Vater, MVGN 5 (1884) 13⫺46; E. Mummenhoff, in: ADB 31 (1890), S. 145⫺155; G. Bauch, Beitrr. z. Gesch. d. schlesischen Humanismus. I., Zs. d. Ver. f. Gesch. u. Alterthum Schlesiens 26 (1892) 213⫺ 248, hier S. 225⫺228; F. Warnecke / G. A. Seyler / H. Boesch, Bücherzeichen des Chr. Sch., Zs. f. Bücherzeichen, Bibliothekenkunde u. Gelehrtengesch. 2 (1892), III, S. 4⫺5, S. 9⫺10; IV, S. 24, 3 (1893), S. 6; G. Bauch, Zur Cranachforschung, Repertorium f. Kunstwiss. 17 (1894) 421⫺435; Th. Kolde, Drei Briefe aus d. Reformationszeit, Beitr. zur bayer. Kirchengesch. 3 (1897) 74⫺85; G. Bauch, Zu Chr. Sch.s Briefbuch, in: Neue Mitt. aus d. Gebiet hist.-antiquar. Forsch. 19 (1898) 400⫺456; G. Bauch, Zu Luthers Briefwechsel, Zs.f. Kirchengesch. 18 (1898), 391⫺412; R. Kautzsch, Des Christoph Sch. Libellus de laudibus Germaniae, Repertorium f. Kunstwiss. 21 (1898) 286-287; Knod, Bologna, 3311; G. Bauch, Christoph Sch. in Wittenberg, Neue Mitt. aus d. Gebiet hist.-antiquar. Forsch. 21 (1903) 33⫺42; H. Heerwagen, Bilder aus d. Kinderleben in den Dreissiger Jahren d. Sechzehnten Jh.s, Mitt. aus d. GNM 1906, S. 93⫺116; J. M¸ller, Nürnbergs Botschaft nach Spanien zu Ks. Karl V. im Jahre 1519, HZ 98 (1907) 302⫺328; H. Heerwagen, Beitr. zur Geschichte der Kunst und des Kunsthandwerks in Nürnberg 1532⫺42. Aus dem sog. Schuld- u. Rechnungsbuche Dr. Christoph Sch.s, Mitt. aus d. GNM 1908, S. 106⫺124; F. Streit, Christoph Sch., der Ratskonsulent von Nürnberg, u. seine Stellung zur Reformation, 1908; W. Friedensburg, Gesch. d. Univ. Wittenberg, 1917, S. 58⫺ 63 u. ö.; F. Doelle, Die Observanzbewegung in d. sächsischen Franziskanerprovinz (Mittel- u. Ostdeutschland) bis zum Generalkapitel von Parma 1529, 1918, S. 108⫺112; 242⫺246; A. Werminghoff, Conrad Celtis u. sein Buch ü. Nürnberg, 1921; K. Schottenloher, Flugblatt u. Zeitung, 1922; S. 172⫺178; W. Friedensburg (Hg.), Ukb. d. Univ. Wittenberg Teil I (1502⫺1611), 1926, S. 14⫺58; W. Graf, Doktor Chr. Sch. von Nürnberg, 1930; F. W. Ellinger, Die Juristen d. Reichs-

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Scheurl, Christoph

stadt Nürnberg vom 15. bis 17. Jh., in: F. Solleder (Hg.), Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954, S. 130⫺222; H. Rupprich (Hg.), Dürers Schriftlicher Nachlass, Bd. 1, 1956, S. 248⫺298; H. Ankwicz-Kleehoven, Der Wiener Humanist Joh. Cuspinian, 1959; A. Serra-Zanetti, L’arte della stampa in Bologna nel primo ventennio del Cinquecento, 1959; J. Pfanner, Briefe von, an u. über Caritas Pirckheimer (aus d. Jahren 1498⫺1530), 1966; G. Pfeiffer (Hg.), Quellen z. Nürnberger Reformationsgesch., 1968; F. X. Prˆll / S. Frhr. v. Scheurl (Bearb.), Die Sch. von Defersdorf. Aus d. Gesch. einer Nürnberger Patrizierfamilie. Ausstellungskatalog d. Stadtbibl. Nürnberg 62, 1969; M. Grossmann, Bibliographie d. Werke Chr. Sch.s, Arch. f. Gesch. d. Buchwesens 10 (1970) 371⫺396; F. Merzbacher, Dr. Anton Kress, Probst von St. Lorenz (1478⫺1513), in: MVGN 58 (1971) 121⫺138; Ph. N. Bebb, Christoph Sch.’s role as legal adviser to the Nürnberg city council 1512⫺1525, 1971; Ph. N. Bebb, The Lawyers, Dr. Chr. Sch., and the Reformation in Nürnberg, in: L. P. Buck / J. W. Zophy (Hg.), The Social History of the Reformation, 1972, S. 52⫺72; H. Wachauf, Nürnberger Bürger als Juristen, 1972, S. 53 f.; S. Frhr. v. Scheurl, Die Sch. von Defersdorf. Eine Nürnberger Patrizierfamilie hält Rückschau, MVGN 61 (1974) 283⫺292; G. Seebass, Der Nürnberger Rat u. d. Religionsgespräch vom März 1525 (mit den Akten Chr. Sch.s u. anderen unbekannten Quellen), Jb. f. fränk. Landesforsch. 34/35 (1974/75) 467⫺499; H. Frhr. Haller v. Hallerstein, Nürnberger Geschlechterbücher, MVGN 65 (1978) 112⫺235; L. Graf z. Dohna / R. Wetzel / A. Endriss (Hgg.), Johann von Staupitz: Libellus de exsecutione aeternae praedestinationis. Ein nutzbarliches Büchlein von der entlichen Volziehung ewiger Fürsehung (Johann v. Staupitz, Sämtl. Schriften 2), 1979; Grossmann, Wittenberg, S. 55⫺75; S. Frhr. v. Scheurl, Geschichtsbuch d. Christenheit 1511⫺1521 des Dr. Christoph (II.) Sch. (1481⫺1542). Eine (fast) verschollene Geschichtsquelle, in: F. Brusniak / H. Leuchtmann (Hgg.), Quaestiones in musica. Fs. z. 65. Geburtstag v. Franz Krautwurst, 1988, S. 569⫺ 578; M. Scharoun, Willibald Pirckheimer u. Chr. Sch. Beobachtungen z. Ambivalenz einer humanistischen Freundschaft im Spannungsfeld d. beginnenden Reformation, in: St. F¸ssel / G. H¸bner / J. Knape, Artibus. Kulturwissenschaft u. dt. Philol. d. MAs u. d. frühen Neuzeit, Fs. f. Dieter Wuttke z. 65. Geburtstag, 1994, S. 179⫺196; B. Wagner, Nürnberger Büchersammler um 1500. Inkunabeln aus d. Besitz von Christoph Sch. u. einigen seiner Zeitgenossen in Oxforder Bibliotheken, MVGN 82 (1995) 69⫺87; M. Wriedt, in: BBKL 9 (1995), Sp. 178⫺185; S. Frhr. v. Scheurl, Sch.-Bibliothek, in: E. D¸nninger (Hg.), Hdb. d. hist. Buch-

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Siberti, Jacobus

ziat in Nürnberg, Bd. 2, 2009, S. 890⫺896 u. ö.; A. Dietz, Sixtus Tucher (1459⫺1507), in: E. Schneider (Hg.), Fränkische Lebensbilder, Bd. 22, 2009, S. 15⫺40; Ch. Kuhn, Generation als Grundbegriff einer historischen Geschichtskultur, Die Nürnberger Tucher im langen 16. Jh., 2010; A. de Benedictis, Un umanista tedesco tra Bologna e Norimberga, tra le due guerre d’Italia e la Riforma in Germania: Chr. Sch. (1481⫺1542), in: S. Frommel (Hg.), Crocevia e capitale della migrazione artistica. Forestieri a Bologna e bolognesi nel mondo (secoli XV⫺XVI), 2010, S. 81⫺90; Ch. Kuhn, Von “Wohl, Ehre und Größe” der Familie zu “Generation”. Der Generationsdiskurs in Albertis Della Famiglia (1433/41) u. in d. Nürnberger Familiengeschichtsschreibung Chr. Sch.s (1542), in: M. H‰berlein / Ch. Kuhn (Hgg.), Generationen in spätmal. u. frühneuzeitlichen Städten (ca. 1250⫺1750), 2011, S. 93⫺115.

Franz Fuchs

Schmerlin, Gregor J Vigilantius Schwalbe J Chelidonius, Benedictus Schwenter J Bernhaubt, Pangratz Scintilla J Funck, Engelhard Siberti, Jacobus I . L eb en . S., geb. 1485 in Münstereifel, gehört zur Gruppe der rheinischen Humanisten aus dem Benediktinerorden im Umkreis des Sponheimer Abtes Johannes J Trithemius. Nach der Schulzeit bei den Brüdern des gemeinsamen Lebens in Emmerich am Niederrhein, wo er zeitweise auch als coadiutor tätig war, trat S. 1503 auf Anregung des Priors Johannes J Butzbach als Novize in die Abtei Laach in der Eifel ein, die der Kongregation von Bursfelde angeschlossen war. Um 1507 übernahm er von Butzbach das Amt des Novizenmeisters, 1516 oder 1517 wurde er wie dieser Prior. S. starb am 28. Juli 1519. S. bildete zusammen mit Butzbach und dem Laacher Konventualen Benedikt Fabri “den literarischen Höhepunkt” in der Geschichte Laachs “überhaupt” (Resmini,

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1993a, S. 225). Aus dieser Zeit sind 18 Laacher Sammelcodices überliefert (Resmini, 1999, S. 293), darunter 5 mit Werken S.s, die den regen Austausch zwischen der Abtei Laach und benachbarten Kongregationsklöstern wie außer Sponheim etwa auch Johannisberg im Rheingau (s. Petrus J Sorbillo) und St. Jakob bei Mainz (s. Hermannus J Piscator und Wolfgang J Trefler) belegen. Zu den Widmungsträgern und Korrespondenten S.s gehören außer dem eng mit ihm befreundeten Butzbach, Trithemius und Sorbillo unter anderen auch Butzbachs Stiefbruder Philipp Drunck (Haustulus) im Zisterzienserkloster Bronnbach, die Benediktinerin Aleidis Raiskop in Rolandswerth sowie die westfälischen Humanisten Hermann J Buschius, Rudolf von J Langen und Johannes J Murmellius. Die Hauptquelle zu S. bildet der Abschnitt in Butzbachs ‘Auctarium de scriptoribus ecclesiasticis’, gedr. bei Krafft/Crecelius, Mitt., S. 38⫺40, Nr. 11; auch in: Hutten, Opera, Erg.-Bd. 2, S. 467 f. (vgl. ebd., S. 437⫺442).

I I. We rk . Butzbach führt im ‘Auctarium’, das 1508 unter Beteiligung S.s entstand und Nachträge bis 1513 enthält, 25 Schriften S.s in Prosa und Vers mit Titel und ggf. auch Incipit auf und außerdem quedam alia; que tam ad me quam ad diuersos alios de varijs rebus edidit et materijs tempore suo in lucem emergenda. Dabei hebt er S.s Bemühungen um die lat. Sprache, die Kenntnis des Griechischen und das Interesse an der Altertumskunde im Ganzen hervor (purioris Rhomane lingue omnisque antiquitatis indagator et cultor solertissimus, Grece quoque lingue oppido studiosus). Eine Auswahl dieser Schriften und ein weiterer Titel S.s finden sich auch schon in einem Zusatz des Trithemius zum ‘Catalogus illustrium virorum Germaniae’ (gedr. in: Silbernagel, S. 254 f.). Schwerpunkte der schrifstellerischen Tätigkeit S.s lagen offenbar auf der regionalen Geschichte und der Abfassung von formal antikisierenden Gedichten insbesondere auch religiösen Inhalts.

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Siberti, Jacobus

Eingehende systematische Forschungen zu S.s Werk fehlen. Die meisten der in Butzbachs ‘Auctarium’ und bei Trithemius verzeichneten Titel S.s aus der Zeit vor 1513 sind in den erhaltenen Laacher Handschriften nachweisbar, anders als u. a. von Richter, S. 293 f., 315 ff., und noch von Resmini 1993b, S. 125 f., angenommen. Im folgenden sind zuerst die in den Laacher Codices überlieferten Schriften S.s verzeichnet, anschließend weitere erhaltene Titel; die sichere Identifizierung der überlieferten Texte mit den im ‘Auctarium’ genannten Titeln ist durch den Zusatz “BA” gekennzeichnet (vgl. auch Johannes Butzbach, Odeporicon, hg. v. A. Beriger, 1991 [Reg.]). 1. Bonn, ULB, S 247. Sammelhs. S.s mit Briefen und Gedichten S.s (auch an S.). Variorum carminum libri tres (I r; BA nennt den Gesamttitel sowie etliche Einzelstücke daraus, s. unten), Butzbach gewidmet (ebd.), abgeschrieben und erweitert aufgrund einer verlorenen ersten Redaktion (vgl. S.s. Schreiben Bl. 2 r⫺6 v) zwischen 1512 u. 1519 im Auftrag S.s durch den Laacher Bruder Valerius von Mayen. Vorangestellt sind ein Widmungsbrief S.s an Butzbach vom 30. Sept. 1505 (Bl. 2 r⫺6 v) und 4 Dedikationsepisteln sowie Preisgedichte von Aleidis Raeskop an Butzbach u. S. (Bl. 1v⫺2 r), von Butzbach an S. (Bl. 7 r⫺8 v) und von Philipp Drunck (Haustulus) an S. (Bl. 8 v⫺9 v) aus den Jahren 1505 bis 1507 (vgl. Beriger: B.3, S. 51, u. M.4, S. 46). Buch I (Bl. 10 r⫺48 v) enthält u. a.: 2 Eklogen De Situ et amenitate monasterii sancti Joannis Baptiste in rinckauia (in BA unter d. Titel Bucolicorum carminum li i), Bl. 10 r⫺14 r (vgl. Goerlitz, S. 43, mit längerem Textauszug von Bl. 13 v); Silva de bello inter Clivenses et Gelrienses (BA), Bl. 23 r⫺ 34 v, mit Widmungsbrief, Bezug nehmend “auf den Krieg zwischen Hzg. Karl von Egmond (von Geldern) und Hzg. Johannes II. von Kleve, v. a. auf die Belagerung der klevischen Stadt Huissen bei Arnheim (1506)” (J. Geiss, [Permalink]); De bello inter Lantgrauium et Palatinum (BA), Bl. 35 r⫺44 v, mit drei Widmungsgedichten an den Laacher Mitbruder S.s Tilmann von Bonn, Bezug nehmend “auf die Auseinandersetzungen zwischen Landgraf Wilhelm II. von Hessen und Pfalzgraf Philipp d. Aufrichtigen im Landshuter Erbfolgekrieg, v. a. auf die Zerstörung des Benediktinerklosters Limburg/Pfalz (1504)” (ebd.); Lucubratiuncula prima de fundatione monasterii Lacensis (in BA unter d. Titel Allegoria de fundatione laci li), Bl. 44 v⫺48 v (von Resmini, 1993a, S. 421 f., irrtümlich als verloren bezeichnet). Buch II (Bl. 49 r⫺91v) enthält zahlreiche Gelegenheitsgedichte S.s aus den Jahren 1504 bis 1512 an Mitbrüder S.s in Laach, darunter ein panegyri-

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sches Gedicht für Butzbach (Bl. 49 r⫺52 r [BA], auch in Köln, Hist. Archiv, W 352, vgl. unten, II.3.c.a), sowie Gedichte an Vertreter des rheinischniederländischen (Kloster-)Humanismus wie Philipp Drunck (Bl. 52 r⫺53 v: Didascalion ad Philippum Haustulum [BA]), Rudolf von Langen (Bl. 53 v⫺54 v), Johannes Murmellius (Bl. 54 v⫺55 v), Johannes Trithemius (Bl. 62 v⫺63 v), und Aleidis Raeskop in Rolandswerth (Bl. 68 r). Hervorzuheben sind u. a. auch “Gedichte über ein Erdbeben am 24. Aug. 1504 (59 r⫺v), über die Kriegszerstörungen im Kloster Limburg 1504 (65 v⫺66 v, s.o.), über theologisch-monastische Themen (59 v⫺62 r, 71v⫺73 r) sowie Epitaphien der Jahre 1504⫺1512 (80 r⫺91v)” (Geiss, a. a. O.). Die Sammlung dürfte bei genauerer Untersuchung mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Identifikation weiterer der in BA genannten Titel führen, darunter auch mehrfach überlieferter; vgl. Arnold, S. 220 mit Anm. 97. Buch III (Bl. 93 r⫺133 r) bietet eine “Sammlung verschiedener Heiligengedichte und -hymnen mit Bezug auf Sibertis Herkunfts- und Wirkungsorte Münstereifel und Maria Laach sowie auf Stift Münstermaifeld” (Geiss, a. a. O.), darunter die auch in BA aufgeführten Gedichte De beata Maria virgine (Bl. 93 r⫺96 r), De Sancta Anna (Bl. 96 r⫺ 97 r, vermutlich identisch mit dem in BA ohne Incipit genannten De sancta Anna Rosarium li i), De Sanctis Chrisanto et Daria (Bl. 97 r⫺98 r), Rosarium in natalem Jesu Christi (Bl. 101r⫺110 v, in BA unter dem Titel Genetliacon saluatoris li i), De Sancto Benedicto (Bl. 112 r⫺113 v), De Sancta Scholastica (Bl. 113 v⫺116 r) oder auch das Rosarium de Sancta Catherina (Bl. 117 r⫺121v, vermutlich identisch mit dem in Trithemius’ ‘Catalogus’ bei Silbernagel, S. 254 f., genannten Gedicht S.s über die hl. Katharina). Die Hs. enthält außerdem einen “sehr wahrscheinlich von Siberti” (Geiss, a. a. O.) selbst kopierten Brief des Trithemius an S. vom 6. März 1508 (Abschrift von Bonn, ULB, S. 357, Bl. II v, vgl. Arnold, S. 281). Vgl. die detaillierte (aber nicht alle Einzelstücke erfassende) Hss.beschreibung mit den Incipits v. Geiss, a. a. O., u. vgl. Resmini, 1993a, S. 71, Nr. 45. Digitalisierte Auszüge der Hs: URL (Permalink). 2. Bonn, ULB, S 359. Sammelhs. S.s mit Briefen, Gedichten und anderen Schriften S.s (auch an S.). Abschrift, entstanden zwischen 1509 u. 1519 im Auftrag S.s durch Valerius von Mayen, zum geringen Teil auch Autograph S.s. a) Bl. 1r⫺23 v: Schriften S.s in Vers u. Prosa zur Regula Benedicti. Zu unterscheiden sind: α. Epitoma metricum in regulam diui Benedicti abbatis

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Siberti, Jacobus

(BA, auch im ‘Cat. ill. vir.’ des Trithemius, gedr. Silbernagel, S. 254 f.), ein in Hexametern abgefaßter Auszug aus der Benediktinerregel mit griech. Einsprengseln (Bl. 1r⫺15 r); vorangestellt sind eine Dedikationsepistel S.s an Trithemius vom 28. Sept. 1508 (Bl. 1r⫺2 v; vgl. Arnold, S. 217 mit Anm. 82) sowie zwei Versprologe (Bl. 2 v⫺3 r u. 3 r⫺4 r); Bl. 15 r folgt ein wahrscheinlich von S. selbst (J. Geiss, [Permalink]) kopiertes Hexastichon [...] in epitoma metricum von Johannes Corvello aus dem Kloster Johannisberg im Rheingau. ⫺ β. Memoriale capitulorum regule sancti Benedicti abbatis, eine von S. vorgenommene Bearbeitung (vgl. Bl. 19 r: revisum et emendatum pluribus in locis) der Merkverse zur ‘Regula Benedicti’ des D Petrus von Rosenheim (Bl. 15 v⫺21v); vorangestellt sind eine Dedikationsepistel S.s an seine Mitbrüder vom 15. Dez. 1508 (Bl. 15 v⫺17 v), eine Prefatio in canonem isagogica (Bl. 17 v⫺18 v) und ein Canon metricus (Akrostichon Leonardo abbati, Bl. 18 v); Bl. 19 r⫺21v folgt das Memoriale (4 alphabetische Akrosticha zu den Kapiteln 1⫺20, 21⫺40, 41⫺60 und 61⫺73 der Regula Benedicti). ⫺ γ. Duodecim [...] regularis vite argumenta, que in monasteriis observata magnam pacem generant (Bl. 21v⫺22 r), aufgrund des Überlieferungskontextes S. zuzuschreiben. ⫺ d. De duodecim gradibus humilitatis et superbiae secundum regulam sancti Benedicti (Bl. 22 r⫺23 r u. 23 r⫺v; identisch mit BA: De commendatione humilitatis li i ?), Valerius von Mayen gewidmet (Bl. 22 r). Vgl. Richter, S. 281 f. b. Bl. 24 r⫺104 r: Liber de calamitatibus huius temporis (BA), mit einer Dedikationsepistel S.s an Trithemius (fol. 24r⫺25r). Schrift gegen den sittlichen Verfall der Geistlichen, in der sich S. “insbesondere [gegen] die auch von dem Abt [Trithemius] wiederholt beklagte Umwandlung von Klöstern in Chorherrenstifte” wendet (Arnold, S. 219 f.; vgl. Brann, S. 357 ff.). Ed. des Textes mit geringen Kürzungen unter dem Titel De calamitatibus huius temporis liber v. J. K. L. Giseler in: Kirchenhistorisches Archiv von K. F. St‰udlin, H. G. Tzschirner u. J. S. Vater für 1826, Heft 2, Halle 1826, S. 109⫺211, hier S. 113⫺211. Vgl. zu den Incipits die detaillierte Hss.beschreibung v. Geiss, a. a. O., u. vgl. Resmini 1993a, S. 74 f., Nr. 52 (II.2.b dort unter dem Titel ‘De flagitiis clericorum’). Digitalisierte Auszüge der Hs: URL (Permalink). 3. Briefe und Gedichte S.s (u. anderer) im (Überlieferungs-)Kontext von Schriften Johannes Butzbachs (vgl. J Butzbach, wie im folgenden, sowie ebd., II.A.4 u. II.C.). a. Gedicht S.s an Butzbach zur ersten Fassung von dessen Microstroma [...] de laudibus Trithe-

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mianis (1508; J Butzbach II.A.6 u. Beriger: M.4., M.6a/M.6b, S. 46 f., 70 f.) in der 1509 von Butzbach in Auftrag gegebenen, überwiegend von Valerius von Mayen unter Beteiligung auch S.s geschriebenen Hs. Bonn, ULB, S 357, Bl. 44 v (Contra Tritemiomastigem [...] epigramma incultum sed mordax, 6 Distichen; Parallelüberlieferung in der zweiten, erweiterten Fassung von Butzbachs Microstroma in Köln, Hist. Archiv, W 352, Bl. 58 v, vgl. unten, II.3.c⫺d); in derselben Hs. auch Briefe und Gedichte von Butzbach und Trithemius an Siberti, vgl. genauer, ggf. mit den Incipits, J. Geiss, (Permalink), Arnold, S. 281, Resmini, 1993a, S. 73, Nr. 48. b. Brief S.s an Butzbach zur ersten, unvollständigen Fassung von dessen S. gewidmetem ‘Macrostroma [...] de philosophicis laudibus Trithemianis’ (1509; J Butzbach II.B.6 u. Beriger: P.6a/P.6b, S. 49 f., 69) in Berlin, SB, Ms.lat.fol. 189, Bl. 1v⫺4 r (Epistula partim excusatoria partim exhortatoria; Parallelüberlieferung im Kontext der zweiten Fassung von Butzbachs Macrostroma in Bonn, ULB, S 357, Bl. 69 r⫺72 v, vgl. Geiss, wie unter II.3.a, u. Resmini, 1993a, S. 73, Nr. 48). S. verbindet in dem Brief das Lob auf Trithemius mit dessen Verteidigung gegen die Gegner des Abtes. Vgl. Arnold, S. 220 mit Anm. 97. c. Gedichte S.s an Butzbach in der teils autographen Sammelhs. von Butzbach in Köln, Hist. Archiv, W 352 (1510/15). Zu unterscheiden sind: α. Carmen panegiricum (BA, auch in Bonn, ULB, S 247, Bl. 49 r, vgl. oben, II.1 [Buch II]), Tetrastichon und Odula Saphica endecasillaba an Butzbach (Bl. 41r⫺43 r). ⫺ β. Elegia [...] ad eundem [sc. Butzbach] pro tunc in itinere ex patria revertentem, de eo quod duo novicii discipuli eius noviciatus habitum relinquentes claustrum exierunt (Bl. 43 v⫺ 44 v). ⫺ γ. Carmen [...] ad Ioannem Boutzbagium [...] ad patriam suam et Wirtziburgium proficiscentem anno domini millesimo quingentesimo 12 0, mense junio (Bl. 46 r). In derselben Hs., Bl. 100 r⫺ 103 v, auch ein panegyrisches Gedicht Butzbachs an S. (wie Bonn, UB S 247, Bl. 7 r⫺8 v, vgl. II.1). Vgl. J. Vennebusch, Die theol. Hss. d. Stadtarchivs Köln, Teil 4, 1986, S. 175⫺181 (ebd. auch die Incipits zu S.s Gedichten), Resmini, 1993a, S. 87, Nr. 42, u. J Butzbach II, Sp. 338. d. Auszüge aus 2 undat. Briefen von S. an Trithemius in Köln, Hist. Archiv, W 352, Bl. 56 v⫺ 57 r. Vgl. Arnold, S. 217 mit Anm. 82. Es folgen in der Hs. Briefe des Trithemius (Bl. 57 r) u. Hermannus Buschius (Bl. 57 v) an S. Vgl. Vennebusch, wie zu II.3.c. 4. Heptametrum S.s zu Paul J Langs ‘Contra deliramenta Jacobi Wimpfelingii’. Würzburg, UB, M.ch.q. 63, Bl. 3 r (Hs. aus dem Besitz des Trithemius). Einleitendes Gedicht S.s zur

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Replik des Bosauer Benediktiners Paul Lang von ca. 1509 auf Butzbachs ‘Microstroma’, in der Lang das Mönchtum gegenüber Wimpfeling verteidigt und preist (Bl. 2 r⫺77 v).

Reg.; U. Goerlitz: Humanismus u. Gesch.schreibung am Mittelrhein, 1999, S. 43 f., 56⫺58 u. Reg.; H. M¸ller, Habit u. Habitus, 2006, S. 233⫺ 237, 242⫺244 u. Reg.

5. Verlorene Schriften. Bezeugt ist eine drei Bücher umfassende, erste Redaktion der in Bonn, ULB, S 247 überlieferten ‘Variorum carminum libri tres’ S.s (vgl. ebd., Bl. 2 r⫺6 v, wie oben zu II.1 angegeben). Unter den von Butzbach im ‘Auctarium’ (s. I.) genannten Titeln S.s sind folgende bisher nicht nachgewiesen; insbes. f und h sind jedoch möglicherweise in der oben unter II.1, Buch II, aufgeführten Gedichtsammlung enthalten: a) In Panepistemon fratris Crisanti li vi (Cum nuper mihi iubendo); b) Meditationum post completorium li. i (Cum diui Bernhardi); c) De veneratione s. virginum Ca. et Bar. li. iij (Reuerendo in Christo patri); d) De vtilitate silentij li. ij (Si Pithagoricis forem institutus); e) De compassione beate Marie li i; f) Panigiricon ad doctorem Bensrot li i (Splendide virtutum cultor); g) Panigiricon ad Rodolphum Langium li i (Quem genus approauis); h) De commendatione humilitatis li i [Nachtrag von anderer Hand des frühen 16. Jh.s; evtl. identisch mit II.2.a.δ, s. oben]; i) Meditatorium dominicae passionis li ii [Nachtrag wie bei h]; j) De sanctis fide spe et charitate li i [Nachtrag wie bei h].

Uta Goerlitz

Literatur. Die ältere Literatur ist zusammengestellt bei Goerlitz, S. 56, Anm. 128. Vgl. Resmini 1993a, S. 421 f., u. Beriger, S. 34 f. Krafft/Crecelius, Mitt., S. 213⫺288; I. Silbernagel, Joh. Trithemius, 21885, S. 254 f.; H. Reusch, in: ADB, Bd. 34. 1892, S. 135 f.; P. Richter, Die Schriftsteller d. Benediktinerabtei MariaLaach (Studien z. rhein. Kloster- u. Litteraturgesch., mit Textbeilagen, III), Westdt. Zs. f. Gesch. u. Kunst 17 (1898) 277⫺340; N. L. Brann, The abbot Trithemius (1462⫺1516), Leiden 1981, S. 357⫺359 u. Reg.; Joh. Butzbach, Odeporicon, Zweisprachige Ausg. Einl., Übers. u. Komm. v. A. Beriger, 1991 (Reg.); K. Arnold, Joh. Trithemius (1462⫺1516), 21991, S. 141, 217⫺220, 281 u. Reg.; N. L. B. Resmini, Die Benediktinerabtei Laach (Germania Sacra NF 31,7), 1993, S. 71⫺74, 87 f., 221⫺228, 421 f. u. Reg. [⫽ 1993a]; ders., Der Laacher Prior Joh. Butzbach u. d. Humanismus rhein. Benediktinerabteien, in: B. Andner / E. v. Severus (Hgg.), Ecclesia Lacensis, Beitrr. aus Anlaß d. Wiederbesiedlung d. Abtei Maria Laach [...] (Beitrr. z. Gesch. d. alten Mönchtums u. d. Benediktinerordens, Suppl.bd. 6), 1993, S. 111⫺135 [⫽ 1993b], hier S. 125 f.; ders., Laach, seit 1863 Maria Laach (Laach bis 1802), in: F. J¸rgensmeier in Verb. mit E. Schwerdtfeger (Bearbb.), Die Männer u. Frauenklöster d. Benediktiner in RheinlandPfalz u. Saarland, 1999, S. 269⫺307, hier S. 293 u.

Sibutus, Georg (Daripinus) I . L eb en . Bei der Rekonstruktion der Vita des Dichters ist man weitgehend auf Selbstaussagen und Indizien angewiesen, die sich aus dokumentierten Äußerungen seiner Zeitgenossen ergeben und zuvorderst seine Position im Netzwerk verschiedener humanistischer Kreise betreffen. Sein Geburtsjahr wird zwischen 1475 und 1480 vermutet. Da Ulrich von J Hutten ihn in seiner Elegie ‘Ad poetas Germanos’ (v. 61 f.) einen Thüringer nennt, wurde sein Beiname Daripinus auf Tannroda (b. Weimar) als Herkunftsbezeichnung bezogen (Hutten, Opera, Suppl. Bd. 2, S. 469). S. nennt in der Vorrede zu seinem Stadtlob auf Wittenberg J Konrad Celtis seinen ersten humanistischen Lehrer. Die Annahme, daß er in den späten 1490er Jahren dessen Vorlesungen zur Poetik und Rhetorik an der Univ. Wien hörte, wird durch eine Bemerkung in den J ‘Epistolae obscurorum virorum’ (II 51) gestützt. Ein Aufenthalt in Nürnberg um die Jahrhundertwende wird u. a. auf Grund eines Gedichts an Heinrich J Grieninger (Machilek, S. 215, Anm. 31), den Leiter der 1496 gegründeten Poetenschule daselbst, und des Lobgedichts auf JWillibald Pirckheimer (Pirckheimer-Br., Bd. 1, Nr. 69bis, S. 235⫺244) angenommen. Beide Texte verraten präzise Kenntnis der dortigen Verhältnisse und ergreifen gezielt die humanistische Partei in dem zu dieser Zeit mit den Nürnberger Dominikanern geführten Streit um die Studia humanitatis. Als sicher gilt sein Aufenthalt in Köln, wo er, nach Hamelmann, Hermann J Buschius im Lehramt für Rhetorik abgelöst haben soll (Hutten, Opera, Bd. 3, S. 67). S. unterhielt in diesen Jahren Beziehungen auch zu Johannes J Trithemius. In Köln wurde er am 24. Juni 1505 durch Maximilian zum Poeta laureatus gekrönt. Er hatte anläßlich des Reichstags zu Köln einen

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Panegyricus auf Maximilian verfaßt. Eine Beschreibung des Brüsseler Turniers, das im gleichen Jahr unter aktiver Beteiligung Maximilians stattfand, legt einen Aufenthalt des Dichters im Gefolge des Kaisers in den Niederlanden nahe. Vielleicht begünstigt durch einen bereits in Köln angebahnten Kontakt zu Kf. Friedrich d. Weisen (Tewes, S. 620), immatrikulierte sich S. im WS 1505/06 zusammen mit seinem engen Freund Kilian J Reuter an der von Friedrich 1502 gegründeten Univ. Wittenberg als ordinarius lector humaniorum litterarum (Foerstemann, S. 18), an welcher die Humanisten innerhalb der Artistenfakultät eine eigene Abteilung unterhielten (Steinmetz, S. 110 f.). Hierfür hatte der Gründungsrektor der Universität, Martin J Polich von Mellerstadt, gesorgt, der 1502 Buschius als ersten artis oratorie atque poetice lector für Wittenberg gewann (Friedensburg, S. 69). Weitere Lektoren, die u. a. die griech. Studien förderten, waren Nikolaus J Marschalk und Hermann J Trebelius, später Johannes J Rhagius Aesticampianus und schließlich Philipp Melanchthon. Originärer Einfluß des italienischen Humanismus erreichte Wittenberg zuvorderst durch Petrus Ravennas und Christoph J Scheurl, unter dessen Rektorat ab 1507 die humanistische Bewegung merklich erstarkte. Unter den 13 Mitgliedern der humanistischen Abteilung sind Balthasar Phacchus als Inhaber des Lehrstuhls für Poetik, Christoph Scheurl selbst und S. als Exponenten hervorzuheben. S. las über die Punica des Silius Italicus (Friedensburg, S. 71) und das von ihm selbst verfaßte Lobgedicht auf die Stadt Wittenberg, nachdem dieses bereits im Wittenberger Schloß vor dem Kurfürsten zur Aufführung gelangt war (Bauch, S. 158). Zusammen mit S., der in der Folge zum Hofpoeten avancierte, begann auch Lucas Cranach d. Ä. seine Arbeit im Dienste des Fürsten. Beide verband in der Folge eine fruchtbare Zusammenarbeit, die u. a. in der Illustration des gelehrten Gedichts durch Cranach ihren Niederschlag fand, welches S. anläßlich des Wittenberger Turniers von 1508 verfaßte (vgl. Schucan, Matsche). Unter den Vertretern einer hö-

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fischen Gebrauchsliteratur (M¸ller, S. 170) zeichnet er sich durch ein recht hohes Niveau humanistischer Latinität im Hinblick auf Stil und Gattungssicherheit aus (Ellinger, S. 64). Er zählte zu jener Gruppe jüngerer Dichter, die der seit 1507 in Wittenberg wirkende Riccardus Sbrulius an sich gezogen hatte und der u. a. Otto J Beckmann, Tilmann J Conradi, Andreas J Krapp, Wolfgang J Cyclopius und Johannes Ferrarius Montanus angehörten (Ellinger, S. 58). Zudem war S. der wichtigste Lehrer Philipp J Engelbrechts. Einige poetische Beiträge zu Drucken zeigen S. in Kontakt zu Vertretern unterschiedlicher wissenschaftlicher Denkrichtungen, zu Thomisten und auch zu der gerade erst etablierten Via moderna (Jodocus J Trutfetter). Um das Jahr 1510 ging S. die Ehe mit der Tochter des civis Schmidbergensis Matthias Auner (Luther-Br., Bd. 5, S. 551) ein, die ihm materielle Absicherung verschaffte. In den Folgejahren zog er sich vom Dichteramt merklich zurück und widmete sich medizinischen Studien (vgl. ‘Epist. obsc. vir.’ II 9, v.3). Gründe für S.’ Rückzug liegen möglicherweise in der um das Jahr 1512 sich abzeichnenden Wende innerhalb der humanistischen Entwicklung (Grossmann, S. 76), in deren Folge die Humanisten klassisch-italienischer Prägung sukzessive aus Wittenberg verdrängt wurden. 1513 wurde S.s Dichterkollege Riccardus Sbrulius, ein enger Freund Scheurls und von diesem als “sein Ovid” verehrt, zum Verlassen der Stadt veranlaßt (Grossmann, S. 73). Scheurl selbst verließ im gleichen Jahr Wittenberg, sein universitäres Aufbauwerk sowie seinen humanistischen Zirkel ohne Führungspersönlichkeit zurücklassend. Auch S. kehrte der Stadt den Rücken und immatrikulierte sich am 15. Juli 1520 an der von reformatorischen Einflüssen noch unberührten Univ. Rostock. Der Versuch einer Rückkehr nach Wittenberg um das Jahr 1522, der von Luther und Spalatin gefördert wurde, war nur von temporärem Erfolg. 1526/27 war er als Arzt in Brünn tätig und unterhielt enge Kontakte zum Olmützer Humanistenkreis um Bischof Stanislaus Thurzo. 1528 suchte er sich mit Hilfe einflußreicher

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Personen des Wiener Hofes dem ein Jahr zuvor zum böhmischen König gekrönten Erzhzg. Ferdinand mit einem Panegyricus zu empfehlen. Zugleich war ihm daran gelegen, in seinem Streit mit den Wittenbergern, den er in der Widmungsvorrede zum Panegyricus ausführlich schildert (s. u.), Ferdinands Unterstützung vor Ks. Karl V. zu gewinnen. Mit seinem Lobgedicht auf die Stadt Olmütz, offenbar einem Auftragswerk des Rates der Stadt, in dessen Widmungsvorrede er nunmehr als Doktor der Medizin erscheint, erneuerte und befestigte S. seine Beziehungen zum dortigen Gelehrtenkreis. Daß sich S. zur Zeit der Drucklegung dieses Werks in Wien selbst dort aufhielt (Machilek, S. 234), ist nicht zwingend notwendig (Wˆrster, S. 105). Ziemlich sicher kehrte er jedoch nach 1528 nach Wittenberg zurück. Seine letzten Lebensjahre liegen im Dunkeln. I I. We rk . A . P an eg yr ic a. 1. ‘De divi Maximiliani Caesaris adventu in Coloniam’. In dem anläßlich des Kölner Reichtags im Frühjahr 1505 verfaßten Gedicht (407 Hex.), das signalhaft mit einer vergilischen Wendung einsetzt (Arma tremenda cano …), setzt S. seine an Celtis geschulte und in den Stadtgedichten bereits praktizierte Methode der Erhöhung des Gegenstands durch antikisierende Inszenierung fort, hier durch die mythologische Einkleidung der Reichsversammlung als Zusammenkunft der olympischen Götter. Die den Druck des Panegyricus begleitende Sammlung von S.’ Gedichten an Gönner und Freunde bzw. von deren Gedichten an ihn enthält u. a. Gedichte an und von Petrus J Bonomus (Bl. b ijr⫺v), dem das Buch gewidmet ist, zuvor (Titelbl.v) die Verse Jakob J Spiegels an S. zu seiner Dichterkrönung, Gedichte an Konrad J Peutinger ([b4]r), Blasius Hölzel ([b4]r⫺v), von und an Nikolaus Marschalk ([b5]r), an Johannes J Murmellius (c i r), Jakob J Canter (c i r), Heinrich Grieninger (c ijv), Willibald Pirckheimer ([c3]r⫺v) und Johannes Trithemius ([c5]r). Die 2. Aufl. des Pan-

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egyricus zeigt eine veränderte Zusammensetzung: Es fehlen das Gedicht Jakob Spiegels und S.’ Gedichte an Pirckheimer und Grieninger. Neu hinzu kommen u. a. Gedichte an Buschius ([C6]r u. D ijv⫺iijr) und den Tannrodaer Dekan Jakobus Jakobi (D i v⫺ijv), Gedichte von Johannes J Caesarius (F iijr⫺v) und Johannes Murmellius (F iij⫺[F4]v) sowie S.’ Widmungsgedicht an Heinrich Bucholt. Im Anschluß an die Gedichtsammlung sind S.’ ’Carmen in vitam s.Annae’ ([F4]v⫺([G4]r) und seine ‘Ars memorativa’ (H i r⫺[H6]r) aufgenommen, die Urkunde Maximilians über S.’ Dichterkrönung dagegen nicht. Drucke. De diui Maximi|liani Ce˛saris aduentu in Coloniam. […] Geor|gij Sibuti Daripini Poete˛ Laureati Panegiricus. | Eiusdem de reditu et Vrsula Maximiliane˛a a Gelrien*sibus+ | in Coloniam […] sapphicus | Varia ad he˛roas carmina in illa dieta pariter effusa. Köln: Heinr. Quentel, 5. Aug. 1505. VD 16, S 6268. Bl. [c5]v⫺[c6]r: Urkunde Maximilians über S.’ Dichterkrönung vom 24. Juni 1505. ⫺ 2., veränderte Aufl. Leipzig: Martin Landsberg, 1506. VD 16, S 6269. Das Gedicht auf Blasius Hölzel erneut in der von Petrus J Bonomus veranstalteten Hölzl-Festschrift, Augsburg 1518, Bl. [F4]v. Das Gedicht auf Willibald Pirckheimer abgedr. in Pirckheimer-Br., Bd. 1, Nr. 69bis, S. 235⫺244.

2. ‘Ad Saxoniae Principem ducis Joannis filium’. Das 68 Hexameter umfassende Gedicht entstand 1508 anläßlich der Vorstellung des damals fünfjährigen Johann Friedrich, des ältesten Sohnes Johanns des Beständigen und späteren sächsischen Herzogs, durch Kf. Friedrich d. Weisen am Wittenberger Hof. Es legt in einer antikisierenden Hommage an den Vater und Mitregenten Friedrichs und an den Kurfürsten selbst die Namengebung des Prinzen aus. Druck. Ad Illustris*simum+ Saxoniae Principem : Magnificen ⫽|tis*simi+ ducis Ioannis Filium: pro primo suo aduentu | in vrbem Albiorenam Georgii Sibuti Poetae et | Oratoris laureati: Carmen et deprecatorium pro | prospera valitudine sertum. Wittenberg: Joh. Grunenberg, 1508. VD 16, S 6259. Bl. Ar: Holzschnitt mit Porträt des Dichters. Bl. Av⫺A ijr: Nominis excusatio (rechtfertigende Auslegung des Namens). Bl. A ijr⫺[A6]r: Carmen eiusdem in vitam sanctae Annae. Bl. [A6]r: Hexastichon.

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Sibutus, Georg

3. ‘Ad potentissimum atque invictissimum Ferdinandum panegyricus’. Auf Anraten von Johannes Fabri, dem Koadjutor von Wiener Neustadt und späteren Bischof von Wien, der als strenger Luther-Gegner bekannt war, widmete S. sein Gedicht Bernhard von Cles, dem Ratgeber und engsten Vertrauten des Königs. In der in Prosa abgefaßten Widmungsvorrede [A 2 r⫺A 4 r] beklagt er, auf Grund seiner Differenzen mit den Lutheranern und deren fälschlichen Beschuldigungen durch den sächsischen Kurfürsten der Stadt Wittenberg verwiesen und gezwungen worden zu sein, nachdem er zwanzig Jahre Bürger der Stadt gewesen war, sein großes Haus und seine Besitzungen zu verlassen. Da seine Wurzeln im Reich des Fürsten lägen, sei dies einem Heimatverlust gleichzusetzen. Wenngleich er dies getreu dem stoischen Grundsatz trage, in schlechten Zeiten nicht zu verzweifeln sowie in glücklichen nicht dem Überschwang zu verfallen, hege er doch die Hoffnung, der böhmische König sei durch seinen Berater von der dringenden Notwendigkeit zu überzeugen, sich vor dem Kaiser selbst für S. zu verwenden.

Der Panegyricus selbst (885 Hex.), der anläßlich der Krönung Ferdinands zum böhmischen König 1527 in Prag verfaßt wurde, setzt mit einem Lobpreis auf das Haus Habsburg ein, beschreibt sodann den Empfang des Monarchen in Böhmen und hält ihm schließlich den Krieg gegen die Türken sowie die Bekämpfung der Wiedertäufer als dringendste politische Aufgaben vor Augen. Er stellt Ferdinand und seine Ahnen in eine Reihe mit den großen Herrschern der Antike (Alexander, Cäsar u. a.), nach deren Vorbild er als idealer Herrscher die Aufgaben der Kultivierung und Pazifizierung der ihm untergebenen Reiche sowie der Durchsetzung des Rechts, auch mit der Waffe, zu bewältigen habe. Der Text gilt als ein wichtiger Zeuge von S.’ Bekenntnis zur alten Kirche (Ellinger, Bd. 2, S. 64). Die im Titelblatt als eigenständig ausgewiesene ‘Exhortatio in Thurcum’ sowie die ‘Confutatio in Anababtistas’ sind integrierte Abschnitte des Panegyricus. Die Verbindung des Fürstenlobs mit diesen speziellen politischen Themen zeigt ein Gesamtkonzept, das den Druck von 1528 in den zeitgeschichtlichen Zusammenhang des Landtages zu Znaim im März/April

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desselben Jahres stellt, welcher dem verstärkten Kampf gegen Reformation und Wiedertäuferbewegung gewidmet war (Wˆrster, S. 112). Drucke. Ad poten⫽|tissimum atque invic⫽| tissimum Ferdinandum | Hungariae et Bohemie˛, Dalmatie˛,| ac Croatiae etc. Regem, Hispania⫽| rum Infantem, Archiducem Au⫽|striae et Burgundiae etc. | Georgii Sibuti Me⫽|dici Poetae et Ora⫽|toris Pane⫽|gyricus | Eiusdem exhortatio in Thurcum. | Eiusdem confutatio in Anabaptistas | Eiusdem illustratio in Olomuncz. […] Eiusdem Sibuti Epitho[!]lamium ad Vuolfgangum Festinantium […]. Wien: Joh. Singriener, 16. März 1528. VD 16, S 6260. Ein weiterer Druck des Panegyricus (o.O., o.J.; VD 16, ZV 22550) bricht mit V. 557 ab; die Widmungsvorrede, die ‘Illustratio’ sowie das Epithalamium fehlen. In der Anrede des Fürsten fehlen die Titel rex Dalmatiae ac Croatiae und archidux Burgundiae. Im Unterschied zum erstgenannten Druck erscheint S. hier im Werktitel als Doktor der Medizin.

B . S tä dt el ob . 1. ‘Silvula in Albiorim illustratam’. Das Städtelob auf Wittenberg, mit dem sich S. dem Kurfürsten Friedrich empfehlen wollte, ist nicht allein an den bereits in der Antike entwickelten gattungskonstitutiven Prinzipien Descriptio und Laus orientiert. Konzeptionelles Vorbild waren die von Celtis für die ‘Germania illustrata’ entwickelten und in dessen ‘Norimberga’ umgesetzten Grundsätze der thematischen Gestaltung (Verbindung geographischer, ethnologischer und institutioneller Aspekte mit einer neuartigen Raumkonstruktion). Darüber hinaus finden sich vor allem hinsichtlich der Inszenierung des Gegenstandes Anklänge an Celtis’ antikisierende Festspiele. In einer Art Elf-Personen-Stück tritt der Dichter selbst im Kreise der Götter Merkur, Calliope, Apollo, Silvanus, Chloris, Bacchus, Diana, Neptun, Calliopius und eines Parasitus mit seinem Gedicht auf. Vor allem Calliope empfiehlt ihn dem Fürsten, denn er werde durch diese Pionierleistung und auch durch ein geplantes Gedicht auf die Reliquiensammlung Friedrichs das Lob des Fürstentums in die Welt hinaustragen. Integriert sind Lobgedichte u. a. von Andreas J Krapp bzw. solche von S. selbst an Christoph Scheurl, Wolf-

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gang Stähelin, Johann von J Staupitz, an Mitglieder des Rates, an die Fürsten Friedrich und Johann und deren Ratgeber. Druck. Georgij Sibuti Daripini | Poete et oratoris laurea⫽|ti: Siluula in Albiorim il|lustratam. Leipzig: Martin Landsberg, [um 1505] (nach VD 16, ZV 14406). Da Scheurl als Rektor genannt wird, kann der Druck jedoch nicht vor 1507 erschienen sein. Stark glossierte Abschrift des Drucks: Wolfenbüttel, HAB, 228 Extravag., 39 r⫺ 58 r, frühes 16. Jh.

2. ‘Illustratio in Olomuncz’. Das 381 Hexameter umfassende Lobgedicht auf die Stadt Olmütz ist ebenfalls an Celtis’ konzeptionellen Vorgaben orientiert. Dies gilt nicht zuletzt für die Übernahme von dessen Vorstellung eines ⫺ bei aller klassischen Begründung ⫺ eigenständigen Humanismus nördlich der Alpen. Das Gedicht erschien im Anhang zu seinem Panegyricus auf Erzhzg. Ferdinand 1528 in Wien. Daß Olmütz (traditionsgemäß etymologisiert aus Iulimons, d. h. vorgebliche Gründung durch Julius Caesar; Wˆrster, S. 108, A. 381) ein vorderer Platz unter den Königsstädten gebühre und selbst Wien nahezu ebenbürtig sei, begründet S. nicht allein mit der stattlich-repräsentativen Anlage der Stadt, ihrer fruchtbaren Region und der bewahrten Rechtgläubigkeit als Bischofssitz, sondern immer wieder auch mit ausführlichem Hinweis (103 Vv.) auf die hier wirkenden Gelehrten. Er beschwört das intakte Gemeinwesen, das er an die Stärke von Stadtherrn und Rat, tugendhaftes Verhalten und Sozialfürsorge gebunden sieht; hierin übertreffe Olmütz sogar Rom, dessen Niedergang durch eine entsprechende Schwäche seiner inneren Institutionen bedingt worden sei. Druck, in: Ad poten⫽|tissimum atque invic⫽|tissimum Ferdinandum | Hungariae et Bohemie˛, Dalmatie˛,| ac Croatiae etc. Regem […] Pane⫽|gyricus. [wie A.3.]. Bl. [E4]r: Ad sapientissimum prudentis⫽|simumque Senatum Olomuncensem Georgii Si⫽|buti, Medicinae Doctoris, Poetae et Ora⫽|toris Laureati, carmen, quo et Chri⫽|stianam et regiam illam Vrbem | mirifice illustrauit.

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Neutschechische Übertragung in: Humaniste´ o Olomouci. Sbornı´k sest. E. Petru˚ . Lat. Texty za jazykove´ spolupr. M. Horny do cˇesˇt. prˇel. E. Petru˚ . Doslov naps. I. Hlobil, Prag 1977, S. 23⫺35.

C . ‘ Ar s m em or at iv a’ . Seine ‘Ars memorativa’, mit der S. Anschluß an die seit dem Ende des 15. Jh.s vornehmlich von Humanisten (Petrus Ravennas, Celtis, Buschius u. a.) gepflegten Gattung des Gedächtnistraktats sucht, hat S. dem Lübecker Propst und Rechtsgelehrten Heinricus Bucholt gewidmet. Der Traktat, der nach bisheriger Quellenkenntnis (Heimann-Seelbach, passim) selbständig zu sein scheint, zeichnet sich nicht durch eine konsistente Gedankenführung aus. Die wiederholte Berufung auf das 11. Buch der ‘Institutio oratoria’ des Quintilian und das 3. Buch der noch immer Cicero zugeschriebenen ‘Rhetorica ad Herennium’ erzeugt lediglich den Schein einer Legitimation durch klassische Autoritäten. An die Stelle einer geschlossenen Örter- und Bilder-Lehre treten vielmehr Loci-communesSammlungen zur poetischen Bildung von Räumen, die vor allem Ovid und Vergil, aber auch der Bibel entnommen sind. Diese werden jedoch nur ansatzweise zu den in der Gattung vielfrequentierten alpha-numerischen Gedächtnisräumen umgebildet. Die Bedürfnisse des Redners sind klar als Zielgrößen der Gedächtniskunst gesetzt. Lediglich im kurzen letzten Abschnitt über das wörtliche Memorieren von Textvorlagen klingen die Imaginationsmethoden Quintilians an (Inst. orat. 11,2,30⫺31). Drucke. Ars memora⫽|tiva Gero[!]gij Sibuti da⫽|ripini concionatoribus et iu⫽|risperitis multum vtilis et fructuosa | Carmen eiusdem in vitam sancte˛ Anne˛ Heroicum | Saphico annexum | Saphicum Ioannis Murmellij | Saphicum Ioannis cesarij. Köln: Heinr. Quentel, 27. März 1505. VD 16, S 6261. Titelbl.v⫺A ijr: Lobgedichte auf S. von Johannes Caesarius u. Johannes Murmellius u. Widmungsgedicht von S. an Heinrich Bucholt. Bl. B ii r⫺[B4]v: Carmen in vitam s. Annae. Weitere Drucke: Köln: Heinr. Quentel, 7. Aug. 1506; Anhang zur 2., Leipziger Ausgabe des Panegyricus auf Maximilian (s. o. A.1.); Lübeck: Georg Richolff d. Ä., 1507. VD 16, ZV 14405. Bei dem vielfach in der Literatur erwähnten angeblichen Lübecker

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Sibutus, Georg

Richolff-Druck von 1497, der den Traktat zusammen mit Gedichten und der ‘Quaestio de poetis a re publica minime pellendis’ des Matthäus J Lupinus Calidomius bieten soll, handelt es sich offenbar um ein bibliographisches Phantom.

D . G el eg en he it sg ed ic ht e. 1. ‘Carmen de musca Chilianea’. Heimliches Zentrum des nach S.’ eigener Angabe innerhalb von drei Stunden improvisierten Gedichts (165 Hex.) ist eine Hommage an Lucas Cranach, den der Dichter vor allen anderen zeitgenössischen Malern, selbst Dürer, verehrte. Das Bindeglied zum Anlaß des Gedichts ist ein kunstgeschichtlich relevantes Detail, nämlich die von antiken Vorbildern abgeschaute Manier, in möglichst naturalistischer Form eine Fliege ⫺ quasi als Trugbild ⫺ auf dem eigenen Gemälde zu platzieren. Derart optische Täuschungen finden sich bei Dürer, Hans Baldung Grien und auch bei Cranach. S. tadelt in scherzhafter Weise Kilian Reuter, der sich mit mäßigem Erfolg am Abzeichnen einer Fliege von einem Buchzeichen geübt hatte. Cranach hat das Carmen mit einem Holzschnitt nach Reuters Zeichnung illustriert. Der Reiz des Gedichts besteht gerade im Kontrast zwischen dem (scheinbar) banalen Gegenstand und seiner Behandlung in klassischem Versmaß und Decor. Gerade darin zeigt sich S. auch noch als Meister des antiken Enkomions. Druck. Georgij Sibuti Daripini | Poete et Oratoris laureati Carmen in tribus horis | editum de musca Chilianea. […] | Eiusdem Sibuti Carmen | in hora editum de protectione Maximilianea in vrbem | pro corona imperatoria [a6]r⫺[a7]r | Eiusdem Extemporale ad | Heinricum Gruber de Sancto Gallo qui sublimati | vini repertorem dixit ingeniosissimum hominem fuisse [a7]r⫺[a7]v | Eiusdem Tetrastichon | Pro Cesare Maximiliano [a7]v. Leipzig: Martin Landsberg, 1507. VD 16, S 6264. Abb. des Holzschnitts bei D. Koepplin / T. Falk, Lukas Cranach, 1974, Abb. 118.

2. ‘Carmen puelle que summam felicitatem in matrimonio dixit’. Das hexametrische Gedicht ist Ausdruck der von Ricardus Sbrulius eingeleiteten frühen lyrischen Anfangsphase, die den jungen Wittenberger humanistischen

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Dichterkreis zunächst auf die Bahn der erotischen Poesie führte. S. zeigt darin in drastischer Weise auf, wie sehr die Wonnen, die die Weiblichkeit zu spenden verstehe, selbst die Freuden der Wissenschaft weit in den Schatten stelle. Druck. Georgius Sibutus Dari|pinus Poeta et Orator Imperatorijs manibus | laureatus astipulator puelle que hesterna luce sum⫽|mam felicitatem in matrimonio dixit: gaudium | vero in Studentibus. Leipzig: Martin Landsberg, 1507. VD 16, ZV 20389.

3. ‘Carmen in vitam sanctae Annae’. Das Gedicht besteht aus dreimal zehn sapphischen Odenstrophen, die jeweils mit zwölf Hexametern eingeleitet werden; den Abschluß bilden weitere vierzehn Hexameter. Der von Machilek (S. 218 f.) nahegelegte humanistische Kontext seiner Abfassung bleibt fraglich. Sicherer läßt sich vermuten, daß der Wiederabdruck des Gedichts im Anhang des Panegyricus auf Johann Friedrich, in dem es nunmehr ausdrücklich Friedrich d. Weisen gewidmet ist (A ii r), durch die Annenverehrung des wettinischen Hauses motiviert war (Machilek, S. 229). Drucke im Anhang zu seiner ‘Ars memorativa’ (s. o. C.), zur 2. Aufl. seines Panegyricus auf die Ankunft Maximilians auf dem Kölner Reichstag (s. o. A.1.) und zu seinem Panegyricus auf den sächsischen Prinzen Johann Friedrich (s. o. A.2.).

4. ‘Friderici et Joannis Saxoniae Principum torniamenta’. Vom 14.⫺16. Nov. 1508 fand in Wittenberg ein festliches Turnier statt. S. schildert dieses Ereignis in einem erst 1511 gedruckten Gedicht. Von einer voraufgegangenen Aufführung desselben ist nichts bekannt. Anspielungen auf Ereignisse des Jahres 1511 deuten vielmehr darauf hin, daß es tatsächlich erst in diesem Jahr entstand. Schucan (S. 37 f.) vermutet den aktuellen Anlaß des Gedenkens an jenes Turnier in dem 1511 herbeigeführten Friedensschluß, durch welchen die voraufgegangenen Feindseligkeiten zwischen Bürgerschaft und Universität beigelegt wurden. In dem 1020 Hexameter umfassenden Gedicht erscheinen Kurfürst Friedrich und sein Bruder und Mitregent Johann in mythologischer

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Einkleidung als Apoll und Mars. Jener versammelt die Universitätsgelehrten hinter sich, dieser die Turnierritter ⫺ ein Wettstreit also zwischen Wissenschaft und Waffenkunst, den die Wissenschaft klar gewinnt. Der vorteilhafte Einfluß der Wissenschaft auf die Entwicklung der Stadt wird abschließend unterstrichen. Das Gedicht, das aus dem reichen Fundus rhetorischer Konventionen schöpft, schildert nicht nur die Waffengänge, sondern auch die akademischen Feiern und Festivitäten, die diese begleiteten, was zu gelegentlichen Ausuferungen und strukturellen Disproportionen führt. Es wird nach humanistischer Manier von Gedichten aus dem Freundeskreis des Dichters, z. B. von Martin Polich von Mellerstadt, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Christian Beyer, Kilian J Reuter, Otto J Beckmann und Andreas J Krapp begleitet. Lucas Cranach steuerte eine Darstellung des Wappens Kursachsens und ein Porträt des Dichters bei. Drucke. Friderici et Ioannis Illustrissimorum Saxoniae principum | torniamenta per Georgium Sibutum Poetam et Oratorem | Laureatum heroica celebritate decantata […]. Wittenberg: Joh. RhauGrunenberg 1511. VD 16, S 6270. Ausgabe. Teiledition mit kursorischer ProsaÜbersetzung bei Schucan, S. 36-52. 5. Kleine Beiträge. S. hat wie andere seinesgleichen kleine poetische Beiträge zu Drucken anderer Autoren hinterlassen, u. a. zu Publikationen Jodocus Trutfetters (VD 16, T 2122 [wieder in T 2123⫺2125 u. ZV 13863]), Christoph Scheurls (S 2781 [wieder in S 2782⫺ 2785, 2817]) und Tilmann J Conradis (H 4610). Literatur. F. G. Freytag, Adparatus litterarius […], Leipzig 1753, Bd. 2, S. 982⫺987; Hutten, Opera, Suppl. Bd. 2, S. 469⫺471; K. Hartfelder , in: ADB, Bd. 34, 1892, S. 140 f.; K. Wotke, Der Olmützer Bischof Stanislaus Thurzo´ (1497⫺1540) u. dessen Humanistenkreis, Zs. d. Ver. f. d. Gesch. Mährens u. Schlesiens 3 (1899) 337⫺388, hier S. 346⫺348; W. Friedensburg, Gesch. d. Univ. Wittenberg, 1917, S. 71; Luther-Br., Nr. 1688; Ellinger, Neulat. Lit., Bd. 2, S. 63 f.; PirckheimerBr., Bd. 1, S. 235 f., 239 f.; M. Steinmetz, Die Univ. Wittenberg u. d. Humanismus, in: 450 Jahre Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Bd. 1, 1952, S. 103⫺139; Trithemius, Bd. 1, Nr. I 61, S. 488⫺ 490; Michael, Drama, S. 262; L. Schucan, Das Turniergedicht des G. S., in: Akten d. Kolloquiums z. Basler Cranach-Ausstellung 1974, 1977, S. 36⫺

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52; Humaniste´ o Olomouci. Sbornı´k sest. E. Petru˚ . Lat. Texty za jazykove´ spolupr. M. Horny do cˇesˇt. prˇel. E. Petru˚ . Doslov naps. I. Hlobil, 1977, S. 23⫺35; Grossmann, Wittenberg, S. 95⫺ 97 u. ö. (Reg.); M¸ller, Gedechtnus, S. 169 f. u. ö. (Reg.); J. Marti´nek, in: Rukove˘t’ humanisticke´ho ˇ echa´ch a na Morave˘, zalozˇ. A. Truhba´snictvı´ v C la´rˇ a K. Hrdina 5, 1982, S. 87 f.; F. Machilek, Georgius S. Daripinus u. seine Bedeutung f. d. Humanismus in Mähren, in: H.-B. Harder / H. Rothe (Hgg.), Stud. z. Humanismus in d. böhmischen Ländern, Teil II, 1988, S. 207⫺241; G.-R. Tewes, Die Bursen d. Kölner Artisten-Fakultät bis z. Mitte d. 16. Jh.s, 1993, S. 619⫺623, 626 f., 629⫺632 u. ö.; P. Wˆrster, Humanismus in Olmütz. 1994, S. 35 f., 39⫺43, 103⫺112, 115⫺118, 121⫺123 u. ö.; F. Matsche, Humanistische Ethik am Beispiel d. mythologischen Darstellungen von Lucas Cranach, in: W. Eberhard / A. A. Strnad (Hgg.), Humanismus u. Renaissance in Ostmitteleuropa, 1996, S. 29⫺70, bes. S. 40⫺42; S. Heimann-Seelbach, Ars u. scientia. Genese, Überlieferung u. Funktionen d. mnemotechn. Traktatliteratur im 15. Jh., 2000; A. Schirrmeister, Triumph d. Dichters. Gekrönte Intellektuelle im 16. Jh., 2003, S. 83⫺86, 162⫺167 u. ö. (Reg.); J. L. Flood, Poets laureate in the Holy RomanEmpire, Bd. 4, 2006, S. 1950⫺52.

Sabine Seelbach

Sieder, Johann I . L eb en . Die wichtigsten Quellen zu S.s Leben und Werk: 1. Der bisher nicht berücksichtigte Nachruf Jakob J Spiegels auf S. im Widmungsbrief an dessen Stiefbruder Johann Lucas in seiner Ausgabe von Giovanni Pontanos ‘De immanitate’ (Augsburg: S. Grimm u. M. Wirsung, 1519. VD 16, P 4214. Bl. a ijr⫺v). 2. Das Druckprivileg für Johann Lucas im Erstdruck von S.s Apuleius-Übersetzung (s. u. II.A.1., Bl. a ijr⫺v). Daneben sind nur wenige urkundliche Bezeugungen bekannt: Matr. Köln, Bd. 2, 1919, S. 54 m. Anm.; A. Zumkeller, Urkunden u. Regesten z. Gesch. d. Augustinerklöster Würzburg u. Münnerstadt, 1966, S. 328; A. Wendehorst, Das Bistum Würzburg, 4: Das Stift Neumünster in Würzburg (Germania Sacra NF 26,4), 1989, S. 543.

S., geb. um 1460 oder wenig früher, stammte aus Würzburg. Johann Lucas, unter Ks. Maximilian hoher Beamter in der ksl. Finanzverwaltung, später Reichspfennigmeister und dann Rat Kg. Ferdinands, war sein Stiefbruder (frater uterinus). S.

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Sieder, Johann

immatrikulierte sich am 15. Sept. 1478 als Würzburger Kleriker an der Univ. Köln (J. Sieder de Herbipoli, cl. Herb.); ein zweiter Eintrag erfolgte am 3. April 1479 (Joh. de Erbipoli). 1481 wurde er Baccalaureus, 1487 Magister artium. 1484 ist er als Kanonikus des Würzburger Stifts Neumünster genannt, 1489 als Zeuge eines Schiedsspruchs des Würzburger Generalvikars Kilian von Bibra. In den Widmungsvorreden seiner Übersetzungen der Jahre 1500 und 1501 zeichnet er als Sekretär (des Würzburger B.s Lorenz von Bibra). Als solchen nennt ihn auch die Titelseite der posthumen Ausgabe seiner Apuleius-Übersetzung. Ob S. bis zum Tode des Lorenz von Bibra am 6. Febr. 1519 in dessen Diensten tätig war, steht dahin. S. selber starb zwischen Anfang Mai und dem späten Sept. 1519. Wer wie S. Ende des 15. Jh.s in Deutschland bis zu Apuleius und Lukian vorzustoßen und aus den ‘Metamorphosen’ und den ‘Wahren Geschichten’ ein Ensemble zu bilden vermochte, dürfte über eine beträchtliche Kennerschaft antiker Literatur verfügt haben; auch war eine Übersetzung des Apuleius mit nur herkömmlichen Lateinkenntnissen nicht zu bestreiten. Es hat sich jedoch bislang kein sicheres Indiz gefunden, wo und unter welchen Umständen S. sich ⫺ gewiß nach dem Kölner ArtesStudium ⫺ seine moderne sprachliche und literarische Bildung angeeignet hat. I I. We rk . Im Nachlaß S.s befanden sich, als sein Stiefbruder 1535 das Druckprivileg erhielt, sechs Übersetzungen, die das Privileg namentlich verzeichnet, und weitere dort ohne Namen genannte. Es führt an: (1) Lucium Apulegium/ von dem gulden Esel/ sampt (2) seinen darüber gemachten Comentarien vnd außlegung des hoche berumbten Schribenten Phillipi Beroaldi. Item (3) Lucianum von der waren Sag/ Desgleichen (4) Plinium (5) Eusebium. Auch (6) Plutarchum/ vnd andere mer der Philosophey vnnd Histori Schreiber e Bucher. Das kleinere Verzeichnis in Jakob Spiegels Nachruf teilt mit dem des Privilegs nur die Plutarch-Übersetzungen; es

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nennt außerdem Übersetzungen aus dem Geschichtsschreiber Flavius Josephus und aus Laktanz. Von diesen mindestens acht Übersetzungen sind nur drei erhalten, die Übersetzung der ‘Wahren Geschichten’ Lukians, die der ‘Metamorphosen’ des Apuleius und die einiger (pseudo-)plutarchischer Biographien. 1 . A pu le iu s- und Lu ki an -Ü be rs et z un g. Die Übersetzung von Apuleius’ ‘Metamorphosen’ (‘Goldener Esel’) war S.s Erstling. Er stellte dem als Ich-Erzählung inszenierten Roman, der die Abenteuer des durch Zauber in einen Esel verwandelten Lucius erzählt, die mannigfache Bestrafung seiner Neugier (Buch 4⫺10) bis zu seiner Erlösung (Buch 11), als rechten anfangk Lukians parodierende ‘Wahre Geschichten’ voran, ausdrücklich erfundene Geschichten, die mit ihren unglaublichen Begebenheiten zu Lande und zu Wasser, in kosmischen Sphären und jenseitigen Gefilden den Roman des Apuleius im Spiel phantastischen Fingierens keineswegs unterbieten. Er dedizierte die Übersetzung beider Werke mit gemeinsamer Widmungsvorrede unter dem 29. Sept. 1500 dem Wormser Bischof Johann von Dalberg, dem prominenten Freund und Förderer bedeutender Humanisten. S. macht in seiner poetologisch gehaltvollen Vorrede kein Hehl aus der Mühe, die ihm die asianistische Kunstsprache der ‘Metamorphosen’ bereitet hat, ihre schwierige Lexik, die, zu wechselnden Effekten, mit dem Entlegenen und dem Pretiösen, mit Archaismen und einer Fülle von Neologismen, mit Alltagssprachlichem und metaphorischen Transfers aller Art zu schillern und zu überraschen versteht. Den Sprachstil des Apuleius vermochte S. seiner Übersetzung nicht zu adaptieren; ihr fehlt daher viel an Farbe und Relief der Vorlage. Im übrigen aber, in der Satzkonstruktion und der Satzverknüpfung, hielt S. sich durchweg möglichst eng an den lat. Text (Plank, 2004, S. 90⫺105), ohne indes sein Deutsch syntaktisch zu latinisieren (kein AcI, keine Nachahmung des Abl. abs.), war sparsam

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Sieder, Johann

mit den gängigen Zwillingsformeln, hielt sich mit erklärenden Zusätzen zurück. Hauptthemen seiner Vorrede sind die Rechtfertigung der Wahl des Abenteuerromans und die Frage, ob der Bericht zaubrischer Verwandlung eines Menschen in ein Tier ⫺ wie Lucius in einen Esel ⫺ Glauben verdiene. Nach S.s Meinung hat Apuleius sein kunst vnd lere hintern furhangk der erdichten fabeln verborgen, und er rechnet ihn daher mere zur Poetrey dann philosophey. Der Schleier der Dichtung gilt ihm als der Reiz, der zu einer fortgesetzten tieferen, aus seiner Sicht beständig moralisierenden Bedeutungsfindung leiten soll. Mit diesem Verständnis schloß er sich nur einem zentralen Argument der humanistischen, patristisch vermittelten Dichterapologie an. Mit der Art seiner Übersetzung verlieh er dem Roman bisweilen gar christliche Transparenz (dazu H‰fner, S. 111⫺ 120). Allerdings verweigerte er die Übersetzung, wo ihm der erotisch unbekümmerte antike Autor zu anstößig wurde. Zwar nannte S. den Roman eine erdichtete fabel, griff desungeachtet aber die Diskussion auf, die D Niklas von Wyle in der Vorrede seiner Übersetzung von Lukians ‘Asinus’ (13. Translatze) über die Möglichkeit eines Verwandlungszaubers geführt hatte, vermehrte dabei die Beispiele, welche die Tatsächlichkeit von Fällen einer Verwandlung behaupten, doch nicht, um ihnen beizupflichten. Handschrift. Berlin, SBPK, Ms. Germ. Fol. 1239. Bl. 2 r⫺4 v: Widmungsvorrede an Johann von Dalberg (Würzburg, 29. Sept. 1500). Bl. 7 r⫺46 v: Übers. von Lukian, ‘Verae historiae’. Bl. 47 r⫺223 r: Übers. von Apuleius, ‘Metamorphoses’. H. Degering, Neue Erwerbungen d. Hss.abteilung I: Lat. u. dt. Hss., erworben 1911 (Mitt. aus d. kgl. Bibliothek 2), 1914, S. 73 f. Abdruck der Vorrede bei H‰fner, S. 133⫺136. e Drucke. a) Ain Schon Lieblich/ | auch kurtzweylig gedichte Lu⫽|tij Apuleij von ainem gulden Esel/ […]. Augsburg: Alex. Weissenhorn, 1538. VD 16, A 3179. ⫺ Worstbrock, Antikerez., Nr. 27. Der Druck bringt allein die Apuleius-Übers., die der ‘Verae historiae’ Lukians blieb ausgespart, die Widmung an Dalberg wurde zur Vorrede an den Leser redigiert, die Übersetzung durchgehend

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sprachlich glättend überarbeitet und u. a. von Hans Schäufele reich illustriert. ⫺ b) Frankfurt: Zacharias Palthenius, 1605.

2 . P lu ta rc h- Üb er se tz un ge n. Von den vier Biographien antiker Fursten vnnd kriegsherren, deren Übersetzung S. unter dem 1. März 1501 Kg. Maximilian widmete, gehören in Wahrheit nur zwei Plutarch, die Vita Alexanders d. Gr., die S. nach der lat. Version des Guarino Veronese, und die Vita des römischen Feldherrn Q. Sertorius (123⫺72 v. Chr.), die er nach der lat. Version Leonardo Brunis übersetzte, nicht aber die Biographien Hannibals und Scipios, die er beide in der lat. Fassung des Donato Acciaiolo kannte. Die lat. Vorlagen waren sämtlich zugänglich in dem zuerst 1470/71 (Rom: Ulrich Han) erschienenen, bis 1500 siebenmal wiederholten Druck der lat. Gesamtübersetzung der plutarchischen Biographien, zu der seit dem frühen 15. Jh. eine Reihe namhafter italienischer Humanisten beigetragen hatte. Vgl. HC 13124⫺13131.

Die Widmungsvorrede an Maximilian skizziert Entstehungsgeschichte und Programm. Danach hat S., angeregt durch Lukians 12. Totengespräch, in dem Alexander, Hannibal und Scipio vor Minos, dem Richter in der Unterwelt, einen Rangstreit austragen, zunächst die Biographien dieser drei übersetzt, die Übersetzung dann aber beiseite gelegt. Erst durch einen Traum, in welchem Hannibal, Alexander und Scipio selber vor ihn traten und ihn aufforderten, ihren Rangstreit der Nachwelt vorzulegen, will er veranlaßt worden sein, die Biographien bekannt zu machen und Maximilian, den besten Richter über die Kriegskunst, um sein Urteil über die drei Großen anzugehen; die Vita des Feldherrn Sertorius sei als Beigabe angefügt. Die dergestalt inszenierte Widmung enthält auch ein panegyrisches Porträt Maximilians selber, das die Freigebigkeit, Großmut, rastlose Tätigkeit, weitgespannte Herrschaft, das militärische Genie und die Jagdkunst des Königs herausstreicht. S.s Interesse hatte nicht der geschichtliche Taten- und Ereignisbericht ⫺ vom Alexanderroman jeder Spielart, erst recht von der vorgetruckte*n+ tewtsche*n+ hi-

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Silvanus Germanicus, C(aius) / Georgius

stori Alexanders (Johannes D Hartlieb), die er als fabulös betrachtet, rückt er ausdrücklich ab ⫺, sondern das Personenbild berühmter Großer. So geht in der Hs. auch jeder Biographie eine ganzseitige kolorierte Zeichnung des jeweiligen Titelhelden voran. Mit der Übersetzung der ausgewählten Biographien diente S. nicht belehrende Vorbilder an, suchte vielmehr durch sie eine vergleichende Diskussion über historische Größe einzuleiten und spielte dieses Thema durch die Art seiner Widmung Maximilian zu. Handschrift. Wien, ÖNB, Cod. 2856*, v. J. 1501, vermutlich Widmungsexemplar für Maximilian. Vgl. H. Menhardt, Verzeichnis d. altdt. lit. Hss. d. österr. Nationalbibl., Bd. 1, 1960, S. 478 f.; Worstbrock, Antikerez., Nr. 295.

3. S.s Übersetzungswerk war zu seinem Zeitpunkt nach Art und Umfang in Deutschland ohnegleichen (Dietrich von D Pleningen begann erst 1511). Welche besonderen Anstöße und Anlässe ihn zu seinen Übersetzungen gerade antiker Autoren bewogen, welche persönliche Beziehungen ihn dabei beeinflußt oder begleitet haben, läßt sich nicht erkennen. Auf diese Fragen geben auch die Personen seiner Adressaten keine Antwort. Gewiß konnte sich ihm als Adressat Johann von Dalberg empfehlen, der bereits in den späten 1480er Jahren zu den Anregern deutscher Antikeübersetzung gehörte (Johannes D Gottfried, Johannes J Reuchlin), doch allein daraus ⫺ wie Plank (S. 44−46) − auf enge Verbindungen S.s zum Heidelberger Humanismus zu schließen, wäre nur Spekulation. Die Würdigung, die ihm durch Jakob Spiegel zuteil wurde, bezeugt, daß der Übersetzer S. am Wiener Hof Resonanz und Ansehen gefunden hatte. Die Wirkung von S.s Übersetzungen blieb zu seinen Lebzeiten insgesamt sehr begrenzt, da sie nicht gedruckt wurden. Sicherlich hat S.s Würzburger Amtskollege Johann J Pfeiffelmann an ihn angeknüpft. Literatur. W. Abele, Die antiken Quellen d. Hans Sachs, Progr. Cannstatt 1897/99, S. 74 f.; F. F. Leitschuh, Stud. u. Quellen z. dt. Kunstgesch. d. 15.⫺16. Jh.s, 1912, S. 73 f.; R. Ha¨ fner, ein schones confitemini.J. S.s Übersetzung von Apuleius’ ‘Goldenem Esel’ […], PBB 125 (2003) 94⫺

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132. B. Plank, J. S.s Übersetzung des ‘Goldenen Esels’ u. d. frühe dt. ‘Metamorphosen’-Rezeption. Ein Beitrag z. Wirkungsgesch. von Apuleius’ Roman (Frühe Neuzeit 92), 2004 [Druckfassung d. Regensburger Diss. von 2000]; dies., des wirdet der esel nu´ tewtsch reden. J. S.s Übersetzung von Apuleius’ ‘Goldenem Esel’, in: H. Brunner (Hg.), Würzburg, d. Große Lo¨wenhof u. d. dt. Lit. d. Spa¨tMAs (Imagines medii aevi 17), 2004, S. 515⫺ 533; F. J. Worstbrock, Zu Leben u. Werk d. Übersetzers J. S., ZfdA 141 (2012).

F. J. Worstbrock

Silvanus Germanicus, C(aius) / Georgius I . L eb en . Eine Biographie des S. läßt sich aus den bisher bekannten Quellen nicht einmal in dürftigen Umrissen gewinnen. Welcher dt. Familienname der Latinisierung ‘Silvanus’ zugrundeliegt (Waldner, Forster ?), hat sich nicht erkunden lassen. Daher ist auch ein evtl. Matrikeleintrag kaum auszumachen. In den zeitgenössischen Drucken, in denen seit 1512 lat. Gedichte S.’ erscheinen, und in den ‘Coryciana’ (s. u. II.B.) tritt sein Vorname regelmäßig abgekürzt als C., selten als Caius auf. Nach einer Erwähnung in einem Brief seines Landsmannes Logau (Lehmann, Bd. 2, S. 12) hieß er Georg. Zuverlässig bezeugt ist seine Herkunft aus Schlesien. Einer Notiz Franciscus Fabers von 1592 zufolge (s. Bauch, 1885) stammte er aus dem niederschlesischen Strehlen (Georgius Sylvanus Strelensis). In der Widmung seines ‘Panegyricus’ auf Matthäus Lang (s. u. II.A.1.a) gibt S. selber allerdings Breslau als seinen Geburtsort an ([…] cum me Vratislauia metropolis Slessiae […] genuit). Er war ein studierter Mann, ein beschlagener Kenner antiker Autoren und ein versierter Verfasser lat. Gedichte in Sprache und Form nach humanistischer Manier. Wo er seine Bildung erwarb, ist jedoch unbekannt. Er ging als junger Mann nach Rom, lebte nach Moncallero (S. 175) dort seit 1509. Für die naheliegende Annahme, daß er dort wie viele andere Deutsche in Diensten der Kurie, eines Kurialen oder eines Geschäftsträgers des Kaisers gestanden hat, fehlt jeder Beleg. Offensichtlich suchte er immer wie-

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der durch literarische Gaben sich hochmögenden Mäzenen zu empfehlen, an erster Stelle den Päpsten. In Rom zählte er lange Jahre zum Gelehrten- und Literatenzirkel des Johannes Goritz (Coritius, Corycius) und war, nach seinen zahlreichen Beiträgen zu den ‘Coryciana’ (II.B.) zu schließen, etliche Jahre mit Goritz selbst besonders eng verbunden. Unter den deutschen Mitgliedern des Goritz-Kreises, die sich damals in Rom aufhielten, konkurrierte er, wie Franciscus Arsillus in ‘De poetis urbanis’ (IJsewijn, S. 353, v. 227 f.) festhält, als Dichter mit seinem schlesischen Landsmann Ursinus Velius (in Rom 1512⫺14). Nah befreundet war er mit Giano Vitale (Ianus Vitalis Panormitanus), der wie er stetig zu den ‘Coryciana’ beitrug; 1512 und noch 1524 arbeiteten beide zusammen (II.A.1., C.1., C.2., A.3.). Um 1520 gehörte er zum römischen Bekanntenkreis Anton Fuggers, dem er 1520 seine Ausgabe der ‘Historia Ferdinandi regis Aragonum’ widmete. Mit der spätestens 1524 verfaßten ‘Panegyris’ auf Clemens VII. brechen S.’ eigene Lebenszeugnisse ab. Rückblickend auf ihre früheren Zusammenkünfte zur Zeit Leos X. erinnerte Georg von Logau 1534 Anton Fugger ausdrücklich an S. und an Georg Sauermann (Lehmann, Bd. 2, S. 12); Sauermann hatte in ksl.en und kurialen Diensten Karriere gemacht, kam aber 1527 beim Sacco di Roma um. Ob Logau 1534 S. noch zu den Lebenden rechnete, geht aus seiner Äußerung nicht hervor. Nach Franciscus Faber (s. o.) starb S. in einem römischen Hospiz in tiefster Armut. I I. We rk . Der Dichter S. verschrieb sich, nach seiner erhaltenen Hinterlassenschaft zu urteilen, nahezu ganz der Panegyrik. Alle Päpste seiner Zeit bedachte er mit epideiktischen Gedichten. Auch seine in den ‘Coryciana’ erhaltenen Epigramme und Oden gehören weit überwiegend dem Genus laudativum an. Nicht von ungefähr knüpfte er mit Vorzug an Dichter der römischen Kaiserzeit, an Claudian und Statius, an. Beachtlich kontrastiert der eigenen Panegyrik seine Erstausgabe von Senecas ‘Apo-

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colocyntosis’, der Schmähschrift wider den römischen Kaiser Claudius. Seiner Charakterisierung in Arsillus’ ‘De poetis Urbanis’ (IJsewijn, S.353, v. 231 f.) zufolge verfaßte er auch Liebesdichtung. A . P an eg yr ik . Nicht alle panegyrischen Gedichte des S. sind erhalten. In seinem Panegyricus auf Matthäus Lang spricht S. von praeconia Iuli, offenbar einem Panegyricus auf Papst Julius II., dessen Abfassung er zugunsten des Gedichts auf Lang unterbrochen habe; er ist, falls er überhaupt vollendet wurde, anscheinend verloren. 1523, bei dem jährlich am St. Anna-Tag von Johannes Goritz veranstalteten Gastmahl, hat er offenbar ein Gedicht zu Ehren Hadrians VI. vorgetragen (IJsewijn, S. 332 f., v. 93⫺104, 137), von dem ebenfalls nichts überliefert ist. 1. Panegyricus auf Matthäus Lang. Das unter dem 13. Nov. 1512 Matthäus Lang gewidmete Preisgedicht bezeichnet der noch junge Autor als sein erstes Werk (v. 2: Primus … libellus). Er will es bereits zwei Jahre zuvor verfaßt (v. 3) und seine Scheu, es zu veröffentlichen, erst auf Drängen seiner Freunde überwunden haben. Das Preisgedicht (288 Hex.), dem eine praefatio in 36 Dist. vorangeht, feiert Lang, der damals noch Bischof von Gurk war, aktuell aber als Maximilians praefectus Italiae auftrat, als den wichtigsten politischen Berater des Kaisers, als seinen fidus Achates und den Ruhm der Deutschen. Es bleibt nicht aus, daß mehr Glanz auf die Taten Maximilians im ersten Jahrzehnt des 16. Jh.s als auf die Leistungen Langs fällt; dessen pompöser Einzug in Rom am 5. Nov. 1512 erscheint als Höhepunkt seiner Karriere. Auffällig verweilt S. beim Gedenken an den Tod Philipps des Schönen. Druck. .C. Sylvani Germa*nici+: panegyris. | ill*ustrissimo+ prin*cipi+. Matheo Longo imp. | caes. Maximiliani Aug. | legato dicta. Ohne O. u. J. [1512]. Den Druck eröffnen neun Epigramme verschiedener befreundeter Poetae (Octavius Sylvius, Ianus Vitalis u. a.) auf S. und seine Panegyris (Bl. A ii r⫺[A3]r); Bl. [A4]r die Widmung an Lang (Rom, 13. Nov. 1512).

2. Sylva auf die Statue Leos X. Die 1520/21 im Auftrag des römischen Senates verfaßte ‘Sylva’ sollte im Herbst

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1521 anläßlich der feierlichen Aufstellung einer Statue Leos X. im Palazzo dei Conservatori auf dem Campidoglio vorgetragen werden. Dazu kam es jedoch nicht, da der Senat und danach auch der Papst selber den Termin des Festakts verschoben und Leo X. bereits am 1. Dez. 1521 starb. Der Druck des Panegyricus auf Clemens VII. bot ihm 1524 Gelegenheit, zusammen mit diesem auch die ‘Sylva’ zu veröffentlichen. Das sich in drei Partien gliedernde Gedicht (630 Hex.) setzt ein mit einem Preis Roms, Leos X. und seiner Verdienste um die Stadt; es schließen sich die Rühmungen der Statue ⫺ kein überragendes Werk, vgl. Brummer / Janson, S. 91 ⫺, ihrer Stifter und des Bildhauers Domenico Amio an (v. 1⫺231). Der umfangreiche Mittelteil (v. 232⫺576) geht beschreibend die Fresken in den Räumlichkeiten des Palazzo entlang, die Szenen aus der älteren römischen Geschichte darstellen, angefangen bei Romulus und Remus bis zum Triumph des L. Aemilius Paulus nach seinem Sieg über König Perseus i. J. 168 v. Chr. Das Schlußstück (v. 577⫺630) kehrt zum Lobpreis des Papstes zurück, feiert ihn als Repräsentanten der alten römischen Tugenden, knüpft daran die Erwartung, daß ein neues machtvolles Rom sich erhebe, ein neues Goldenes Zeitalter anbreche. Die Beschreibung des Freskenzyklus ist nicht als Abschweifung vom panegyrischen Anliegen der ‘Sylva’ zu betrachten; S. deutet den Zyklus im Blick auf Leos Pontifikat als dessen Entsprechung zur glanzvollen Ära des Aufstiegs des alten Rom zur Weltmacht (Reineke, S. 264 f.). ⫺ Abb. der Statue Leos X.: Brummer / Janson, S. 88; Gnoli, Taf. XXV (nach S. 338). Druck. Zweites Stück des Druckes von S.’ Panegyricus auf Clemens VII. (s. Ziff. 3). Ausgabe. Reineke, S. 301⫺318.

3. Panegyricus auf Clemens VII. Der Panegyricus auf Papst Clemens VII. zu seiner Wahl am 19. Nov. 1523 hat die Form eines mythologischen Epyllions (1076 Hex.). Nach einer Praefatio setzt das Gedicht zunächst mit einer ausgiebigen Rühmung des Hauses Medici ein (v. 1⫺

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202), die insbesondere Giulio, den neuen Papst, herausstellt, dabei die von ihm erwartete Eindämmung der osmanischen Expansion beschwört. Hauptteil ist eine mythologisch inszenierte Erzählung von der Bestimmung Giulios de’ Medici zum neuen Papst auf der überirdischen Bühne (v. 203⫺1054). Die Göttin Fortuna zeigt sich nach der Bestrafung Roms durch den Verlust von Rhodos an die Türken (1488) bereit, ihren Zorn zu vergessen und ihre Gunst wieder Rom zuzuwenden. Einig mit Jupiters Plänen, eine bessere Ordnung der Welt herzustellen, und überzeugt von der Fähigkeit Giulios de’ Medici, Garant einer glücklicheren Zukunft zu sein, entschließt sie sich, die weite Seereise zur Göttin Virtus, der Patronin Giulios, zu unternehmen, um im Verein mit ihr den Medici in die römische Herrschaft einzusetzen. Der neuen freundlichen Zuwendung zu Rom widersetzt sich indes Neptun, der auf einer Versammlung der europäischen Gewässer Klage über Jupiters nachsichtige Duldung der Götterverachtung der Menschen führt und eine vernichtende Überschwemmung der Länder androht; doch läßt er sich schließlich von Proteus gütlicher stimmen und zum Einvernehmen mit Jupiters Plänen bewegen. So kann Fortunas Reise vom Tiber an zur Insel der Virtus, die im äußersten Westen des Atlantik liegt, vonstatten gehen. Um dort zum Palast der Virtus, der sich auf dem Gipfel eines Berges inmitten eines paradiesischen Parks erhebt, zu gelangen, sind noch mancherlei Mühsale zu bestehen. Virtus selber, der Fortuna naturgemäß nicht freundlich gesonnen, gibt sich zunächst abweisend, läßt sich dann aber, das Wohl der Menschheit bedenkend und um ihres Schützlings willen, auf gemeinsame Sache mit Fortuna ein. Mit dem Bündnis von Virtus und Fortuna ist Giulio von den Göttern zum neuen Papst bestimmt.

Der kurze Schluß des Gedichts (v. 1055⫺1076) berichtet vom bejubelten ersten öffentlichen Auftritt Clemens’ VII. in Rom und überbringt den persönlichen Glückwunsch des Dichters. Das Epyllion ist entworfen und formuliert in souveräner Kenntnis der Sprache und des darstellerischen Inventars der römischen Epik, ist ein Specimen vor allem der Claudian-Rezeption (Reineke, S. 252− 255). Gewidmet ist es mit einer gehaltvollen Epistel, die gegen die Ansicht streitet, daß Epochen in ihrem Ablauf naturgemäß dem Niedergang zustreben, dem B. von

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Verona und päpstlichen Ratgeber Gian Matteo Guiberti. Mit der Bezeichnung des Panegyricus im Titel als panegyris prima stellt S. in Aussicht, ein weiteres Preisgedicht auf Clemens einmal folgen zu lassen. Druck. C. Silvani Germanici in pontificatum Clementis septimi pont. opt. max. panegyris prima. Rom: Lodovicus Vicentinus u. Lautitius Perusinus, 21. Dez. 1524. Argumentum (12. Hex.) zu S.’ Gedicht von Giano Vitale (Reineke, S. 272). Ausgabe. Reineke, S. 271⫺301.

B . ‘ Co ry ci an a’ . Ende 1510 kam Johannes Goritz (Corycius, Coritius), apostolischer Protonotar und Receptor supplicationum, in Rom mit den Augustinern überein, in San Agostino einen Altar zu Ehren der hl. Anna mit einer Skulptur der Anna Selbdritt zu errichten. Der Bildhauer war Andrea Sansovino (Abb. der Skulptur: Gnoli, Taf. XIV [vor S. 153]; IJsewijn, vor der Titelseite). Seit etwa 1512 lud Goritz jährlich jeweils am Namensfest der hl. Anna (26. Juli) Freunde, Gelehrte und Literaten, zur Meßfeier in San Agostino ein. Nachmittags waren sie in Goritz’ Villa zu einem Gastmahl geladen. Als Dankesgabe spendeten sie ihrem großzügigen Gastgeber kleine Gedichte zu Ehren der hl. Anna, der Anna Selbdritt-Skulptur und Goritz’ selbst. Bei den Gastmählern wurden aber auch andere und größere Gedichte vorgetragen (vgl. IJsewijn, S. 370−372). Die Gedichte heftete man am Anna-Altar an Tafeln, sie wurden aber auch in Goritz’ Villa angebracht. Unter den mehr als 120 Beiträgern der ’Coryciana’, der umfangreichsten Anthologie ihrer Zeit, waren prominente Italiener wie Jacopo Sadoleto, Pietro Bembo, Filippo Beroaldo iun., Balthasar Castiglione, Paolo Giovio, aber auch deutsche Humanisten, die sich bei ihren kürzeren oder längeren Aufenthalten in Rom an einem der Anna-Tage bei Goritz eingefunden und brauchgemäß ihre Epigramme hinterlassen hatten: Peter J Eberbach, Johannes J Hadecke, Ulrich von J Hutten, Jakob Aurelius J Questenberg (Nr. 367F, Autor vom Hg. nicht erkannt), Silvanus, Christoph von J Suchten, Caspar Ursinus Velius.

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Die Gedichte der einzelnen Jahresfeste wurden von Goritz sorgfältig aufgehoben. Ihre ansehnlich wachsende Zahl und ihre illustren Verfasser ließen nach einigen Jahren den Plan einer Veröffentlichung aufkommen. Es entstanden verschiedene hsl. Corpora der ‘Carmina Coryciana’, eines von S.’ Hand. Der Druck von 1524, der sich in drei Bücher gliedert, enthält in Buch I (Nr. 1⫺372) die eigentlichen ‘Coryciana’ der Jahresfeste, nach Umfang und Faktur durchweg Epigramme, in Buch II (Nr. 373⫺388) vorwiegend Hymni, in Buch III eine sehr gemischte Sammlung, deren Hauptstück des Franciscus Arsillus ‘De poetis Urbanis libellus’ (Nr. 400) ist, eine Revue in 193 Distichen über gut 60 Dichter, die damals in Rom lebten. Die Aufnahme von Arsillus’ Gedicht in die ‘Coryciana’ ist seinem werbendem Briefwechsel mit Goritz zufolge (IJsewijn, S. 341⫺344) offenbar S. zu verdanken. Neben dem Druck von 1524 sind die ‘Coryciana’ in zwei Hss. überliefert, die aber nicht seine Vorlage waren; sie stimmen mit ihm wie auch untereinander im Bestand und in der Ordnung der Texte nicht überein. Handschriften. C ⫽ Rom, Bibl. Corsiniana, Cod, Rossi 207, geschr. mit größter Akkuratesse von S., um 1518. V ⫽ Rom, Cod. Vat. lat. 2754, geschr. von Giano Vitale, S.’ Freund. Druck. Coryciana. | Rom: Ludovicus Vicentinus u. Lautitius Perusinus, Juli 1524. Titelbl.v: Druckprivileg Clemens VII. Bl. A ijr⫺B ijr: Der Hg. Blossius Palladius an Joh. Goritz (o. D.). Ausgabe. J. IJsewijn.

Neben Giano Vitale war S. mit ingesamt 34 Stücken der rührigste Beiträger zu den ‘Coryciana’. An die 25 Epigramme in Buch I dokumentieren sein Vermögen der Variation über dasselbe Thema, den Preis der Anna-Selbdritt-Statue. S. verfügt über epigrammatischen Witz, spielt mit Paradoxien, Verkehrungen, überraschenden Überbietungen, mit der durch die Statue vorgegebenen Dreizahl. Immer wieder läßt er die den antiken Götterdarstellungen überlegene Beseeltheit der Figuren in Sansovinos Werk bewundern. Der Hg. stand nicht an, auch jene Gedichte S.’ aufzunehmen, die um seine Anfänge und erste Anerken-

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nung als Dichter bei Goritz kreisen (Nr. 271, 272, 280). Buch II bringt fünf größere Gedichte des S.: ein Goritz gewidmeter Hymnus auf die hl. Anna (Nr. 382, 34 sapph. Strr.), eine In statuas Corycianas silva, die auch die Fülle der von Goritz angeregten Carmina preist und Goritz selbst als Stifter der Skulptur (Nr. 388, 145 Hex.), ein Gebetsgedicht für den erkrankten Alberto Pio, Fürst von Carpi und ksl. Diplomat (Nr. 385), ein Dankgedicht für seine Genesung (Nr. 386), ein Bittgebet an die hl. Anna, daß sie Christus bewegen möge, die Strafe des Krieges in Italien zu beenden und Frieden zu gewähren (Nr. 387). In Buch III beschreibt das sich an Statius, Silv. I 6 (IJsewijn, S. 334) anlehnende Gedicht In annales Corycianos (Nr. 398, 137 Hendacasyllabi) das Jahresfest, das Goritz 1522 oder 1523 mit einer erlesenen Gesellschaft von Dichtern und Gelehrten feierte. C. Poetische Beiträge zu Werken und Drucken anderer. 1. Imperiae | panaegyricus | per Ioannem Fran|ciscum Vita/|lem Panormita|num. [Rom ?, 1512]. Zum Druck des panegyrischen Nachrufs auf Imperia de Paris, eine vielbesungene römische Schönheit von zweifelhaftem Leumund, die am 25. Aug. 1512 jung, mit 26 Jahren, gestorben war, trug S. ein Preisepigramm auf Giano Vitale und sein Gedicht (5 Dist., Bl. [A2]r) und eine Elegie in morte Imperiae (35 Dist., Bl. [A5]r⫺[A6]r) bei. Die Elegie bietet ein mythologisch inszeniertes Spiel, in dem Jupiter, anders als sich einst der Herrscher des Olymp seiner Geliebten durch Trug und Raub (Leda, Europa usf.) bemächtigte, die schöne Imperia durch ein Unwetter zu sich in den Himmel holt. Zuvor hatte er daran gedacht, Julius II. das Himmelsregiment zu übertragen, gab aber Venus’ Bedenken nach, die Julius als für Rom unentbehrlich betrachtete, und als er im Blick auf die Stadt die schöne Imperia entdeckte, nahm er statt Julius sie zu sich. 2. Pane|gyris. R. Domini | Mathei Epi⫽|scopi Gurcensis | per Ianum Fran⫽|ciscum Vitalem. | Panormitanum |. [Nürnberg: Friedr. Peypus, 1512]. VD 16, V 1753. Titelbl.v: Erstes von sieben Preisepigrammen verschiedener Autoren zur ‘Panegyris’ des Giano Vitale auf Matthäus Lang, 6 Distichen, wiederholt in: Pierii Valeriani de hono⫽|ribus illustrissimo ac reuerendissimo Gur|censi Caesareo totius Italiae vicario | vrbem ingredienti habitis | Epistola. | Panegyris R. D. Matthei Epis-

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copi Gurc. | Per Ian. Fran. Vitalem […]. Straßburg: Matth. Schürer, Febr. 1513. VD 16, V 119. Bl. B ijr. 3. Ioannis Baptiste Ruberti Pegasei | poete iucundissimi carmen in deforme mon|strum nuper vij. nonas Marcij iuxta | vrbem Romam progenitum. | . [s.l., um 1520]. VD 16, R 3401. Titelbl.v: S. gratuliert in 12 Elfsilblern dem sodalis Rubertus zu seinem Gedicht. D. Herausgeber. 1. Basinio Basini, ‘Meleagris’. Florenz, Bibl. Medicea Laurentiana, Cod. Laurentianus 33, 29. Bl. 4 v⫺66 v. Pergament. Dedikationsexemplar für Papst Leo X. Geschrieben, wahrscheinlich von S., 1513 in Rom. Bl. 1r⫺3 v: Widmungsbrief von S. an Leo X. (Rom, 23. Mai 1513). S. verfaßte zu jedem der drei Bücher von Basinis Epos Argumenta in jeweils 12 Hexametern. Ausgabe des Widmungsbriefs und der Argumenta: L. Drudi, Basinii Parmensis poetae opera praestantiora nunc primum edita […], Rimini 1794, Bd. 1, S. 341⫺344; nur der Argumenta: A. Berger, Die Melagris des Basinio Basini: Einl., krit. Edition, Übers., Komm., 2002, S. 54⫺57. 2. Lucii Annaei Sene/|cae in morte | Claudii | Caesa/|ris lu|dus | nuper repertus. [Rom 1513]. Editio princeps. Bl. A iii r [recte A ii r]⫺[A3]r: Widmungsvorrede an Alberto Pio, Fürst von Carpi, ksl. Geschäftsträger und Diplomaten in Rom (Rom, 2. Aug. 1513). Am Ende eine kurze editorische Notiz: S. will die hsl. Vorlage des ‘Ludus’ aus Deutschland mitgebracht, ihre spärlichen Fehler aber respektvoll nicht korrigiert haben. Nach Bruun ist S.’ Einlassung, seine Ausgabe folge einer jüngst in Deutschland aufgefundenen Hs., eine Fiktion, die verdecken sollte, daß S. den Text der Ausgabe nach zwei hsl. Traditionen rekonstruiert und ihn überdies mit zahlreichen kleineren und größeren Interpolationen, teilweise Lesefrüchten aus Sueton und Juvenal, angereichert hat. Kritisch zu Bruuns Untersuchung de Smet. Auf S.’ Ausg. fußt nicht nur unmittelbar die des Beatus J Rhenanus von 1515, ihre Interpolationen blieben auch in allen weiteren Ausgaben bis zu der kritischen F. Buechelers (1864) Bestandteile des Textes. 3. Laurentii Vallensis patricii Romani historiarum Ferdinandi regis Aragoniae libri treis. Rom: Marcellus Silber, Febr. 1520. Panzer, Ann., Bd. 8, S. 263, Nr. 155. Editio princeps. Widmungsvorrede an Anton Fugger: Rühmung Vallas als eines Wiederherstellers der lat. Sprache, seines literarischen Werks, seines Rangs als Geschichtsschreiber. Abdruck der Widmungsvorrede: Lehmann , Bd. 2, S. 2 f. Literatur. G. Bauch, Ritter Georg Sauermann, der erste adelige Vorfahr d. Grafen Saurma-

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Simler, Georg

Jeltsch, Zs. f. Gesch. u. Alterthum Schlesiens 19 (1885) 146⫺181, hier S. 175 f., Anm. 5; D. Gnoli, La Roma di Leon X, Milano 1938, S. 151⫺160; P. Lehmann, Eine Gesch. d. alten Fuggerbibliotheken, Bd. 1, 1956, S. 21; Bd. 2, 1960, S. 3 f. 12; G. Frh. v. Pˆlnitz, Anton Fugger, Bd. 1, 1958, S. 378, Anm. 106; G. L. Moncallero, Imperia de Paris nella Roma del Cinquecento e i suoi cantori funebri, Roma 1962, S. 149, 154, 162, 174⫺176; H. H. Brummer / T. Janson, Art, Literature and Politics: An Episode in the Roman Renaissance, Konsthistorisk Tidskrift 45 (1976) 79⫺93; N. W. Bruun, Zur editio princeps der Apocolocyntosis u. ihren Textverhältnissen, Classica et Mediaevalia 39 (1988) 209⫺216; I. A. R. de Smet, The Legacy of the Gourd Re-examined: the Fortune of Seneca’s Apocolocyntosis and Its Influence on Humanistic Satire, in: R. de Smet (Hg.), La satire humaniste, Löwen 1994, S. 49⫺75, hier S. 52⫺54; I. Reineke, C. Silvani Germanici in pontificatum Clementis septimi pont. opt. max. panegyris prima. In Leonis decimi pont. max. statuam sylva. Text mit Einl., Hum. Lov. 45 (1996) 245⫺318; J. IJsewijn (Hg.), Coryciana, Rom 1997; A. Berger, Die Melagris des Basinio Basini: Einl., krit. Edition, Übers., Komm., 2002, S. 31, 36⫺38 [keinerlei informierende Notiz zu S. “Die Person des C. Sylvanus Germanicus ist unbekannt” (S. 32. Anm. 46)].

F. J. Worstbrock

Simler, Georg Neben Simler (lat. Simlerus, Simlerius) erscheint auch die Namensform Symler; dagegen ist die mancherorts anzutreffende Schreibweise “Simmler” nicht zeitgenössisch und geht auf J. G. F. Pfl¸ger , Gesch. d. Stadt Pforzheim, 1862, zurück.

I . L eb en . S., geb. um 1474 in Wimpfen am Nekkar, studierte seit dem WS 1490/91 die Artes an der Univ. Leipzig. Ein seit Hermann Hamelmann (1526⫺1595) angenommener vorangehender Besuch der Schule in Schlettstadt ist nicht nachweisbar und beruht auf Verwechslung mit dem Straßburger Johannes S. Nach Erwerb des Baccalaureats (23. Febr. 1493) unter dem Magister Konrad J Wimpina wechselte S. am 13. Nov. 1493 an die Univ. Köln und 1495 nach Heidelberg, wo er in der Burse Wenck studierte (Ellenbog-Br., I Nr. 89). Dabei folgte S. stets der Via antiqua. 1496/97 dürfte S. in Heidelberg die Bekanntschaft Johannes J Reuchlins gemacht

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haben, mit dem er Briefe wechselte (s. II.D. sowie Reuchlin-Br., Bd. 2, Nr. 139) und das Interesse am Griechischen und Hebräischen teilte; S. nannte Reuchlin später verehrungsvoll praeceptor, schrieb einen Kommentar zu Reuchlins Komödie ‘Sergius’ (s. II.C.1.) und unterstützte ihn im Judenbücherstreit mit den Kölner Dominikanern (Brief S.s vom 20. Juni 1509; Reuchlin-Br., Bd. 2, Nr. 155). Durch Veröffentlichung in Drucken sind zwei weitere lobende oder ermunternde Briefe S.s an Reuchlin, zum ‘Sergius’ 1507 und zu ‘De literis Graecis’ 1512 (s. II.C.1. u. 2.), erhalten (Reuchlin-Br., Bd. 2, Nr. 144 u. 199). Mitte oder Ende 1497 wurde S. auf Empfehlung Reuchlins als Rektor der Lateinschule von Pforzheim berufen, wohin ihm sein Heidelberger Studienkollege Johannes J Hiltebrant als Mitarbeiter folgte. S. gestaltete die Schule durch Lektüre der lat. Klassiker und Erhebung des Griechischen zum Unterrichtsfach (Camerarius, Kap. 2) im humanistischen Geiste um und begründete so ihren im 16. Jh. bedeutenden Rang. Anstelle rein theoretischer Aneignung der lat. Grammatik vertrat S. im Sinne der didaktischen Reformvorstellungen Jakob J Wimpfelings eine möglichst frühe Sprachpraxis und Übungen im selbständigen Verfassen von Texten. Dem Sprachtraining wie zeitkritischer Reflexion dienten Lektüre und gelegentliche Aufführung von Reuchlins Komödien ‘Sergius’ und ‘Henno’. Berühmtester Schüler S.s in Pforzheim war 1507⫺1509 Philipp Melanchthon, der mit anderen Begabten von S. persönlich und zunächst noch in Privatstunden das Griechische erlernte (s. Melanchthons rühmende Erinnerung an S., Corpus Reformatorum, Bd. 4, Sp. 715; irrtümlich wird in Bd. 10, Sp. 259, Hiltebrant als Griechischlehrer genannt); S. schätzte ihn überaus (Camerarius, Kap. 7) und nannte ihn später in Tübingen “gelehrter als den Lehrer” (ebd., Bd. 10, Sp. 297). Ferner zählen zu den Schülern S.s die Theologen Johannes Unger (später der Hauslehrer Melanchthons), Kaspar Glaser (1512⫺14/15 Rektor der Schule), Wolfgang Capito, Franciscus J Irenicus, der S. als geborenen Pädagogen rühmte (‘Germaniae exegesis’ II 41), Johannes Schwebel, Berthold Haller, Matthias Erb, Simon Grynaeus und Kaspar Hedio, die

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Simler, Georg

Juristen Nikolaus J Gerbel (1511/12 Rektor der Schule), Hieronymus J Vehus und Johannes Kingsattler (später Juristenkollege S.s in Tübingen) sowie der Buchdrucker Bartholomäus Westheimer, Martin Mercator und ein Schüler namens Guntius (Vadian-Br., Nr. 703).

Neben seiner Lehr- und Leitungstätigkeit arbeitete S. 1502⫺1507 als Korrektor (Castigator) für den Pforzheimer Drucker Thomas Anshelm und gab Lehrbücher und humanistische Werke, teils mit eigenem Kommentar, heraus (vgl. II.A.). 1510 ging S. nach Tübingen (immatr. 1. Juli, Magister artium 15. Juli), wohin ihm 1511 Hiltebrant und 1512 Melanchthon folgten; er studierte Römisches Recht und lehrte zugleich an der Artistenfakultät. Im Nov. 1515 erhielt S. als Lizentiat der Rechte einen außerordentlichen Lehrauftrag für ein Jahr, der am 9. Jan. 1516 um ein weiteres Jahr verlängert wurde. 1516 promovierte er zum Doktor der Rechte und wurde am 12. Febr. 1518 zum ordentlichen Professor für Römisches Recht berufen (1. März 1522 Anstellung auf Lebenszeit). Auch in Tübingen wurde S. als Pädagoge gerühmt (z. B. von Lukas Klett: Erasmus, Op. epist., Nr. 1709) und als Vertreter des Humanismus in Schwaben bekannt (Rhenanus-Br., Nr. 24). Auch bei Mutianus Rufus hatte er, zumal als ‘Schüler’ Reuchlins, einen Namen (Mutian-Br., Nr. 205, 294, 306). Eine reiche Freundschaftskorrespondenz, von der elf Stücke erhalten sind, entfaltete sich seit 1510 zwischen S. und Nikolaus J Ellenbog (Ottobeuren); dieser zählte S. noch 1543 neben Reuchlin, Bernhard JAdelmann und Johann J Eck zu seinen ehemals besten Freunden (Ellenbog-Br., S. 476). Einen Tübinger Freund hatte S. in dem Astronomen und Mitprofessor Johannes J Stöffler (vgl. II.B.5. u. 6.). 1533 vertrat S. in Stuttgart die Interessen der Universität gegen Beschwerden der Stadt Tübingen über die Studenten (R. Roth, Urkunden z. Gesch. d. Univ. Tübingen aus d. J. 1476 bis 1550, 1877, S. 138). 1535 wurde S. noch Dekan, erlitt aber im selben Jahr einen Schlaganfall (erwähnt von Ambrosius Bla-

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rer am 15. Febr. 1535: Blarer-Br., Bd. 1, S. 654) und dürfte bald darauf (noch 1535 oder 1536) gestorben sein. I I. We rk . S.s Schriften, die sämtlich lateinisch verfaßt sind, haben trotz seiner juristischen Professur ihren Schwerpunkt nicht auf juristischem, sondern auf humanistisch-philologischem Gebiet, so daß S. auch nur als Humanist bekannt und bedeutend ist. Von S.s eigenen Werken sind solche Schriften zu unterscheiden, die er in seiner Korrektortätigkeit bei Thomas Anshelm in Pforzheim herausgegeben und/oder mit kleinen Beiträgen versehen hat. A. Herausgeber und Übersetzer. 1. ‘Rationarium evangelistarum’, Hexastichon Sebastiani Brant in memorabi- /|les evangelistarum figuras [...]. [Pforzheim]: Th. Anshelm, 1502, VD 16, P 1904; Alberts, Nr. 8a.b. Titelepigramme von Seb. J Brant und S. (unter dem Anagramm Georgius Relmisius Anipimius ⫽ Georgius Simlerius *W+impianius); Bl. a ijr: Vorrede S.s an den Leser. Vielfach neu aufgelegt, später bekannt als ‘Ars memorandi’ oder ‘Rationarium Evangelistarum’. Ausgabe von Holzschnittbildern (nach dem Blockbuch der ‘Ars memorandi per figuras evangelistarum’ [um 1470]) mit einem von S. gekürzten und veränderten Prosatext und metrischen Kapitelsummarien zu den vier Evangelien aus dem ‘Roseum memoriale divinorum eloquiorum’ des D Petrus von Rosenheim. Die weiteren Drucke: Ebd., 1502, 1503, 1504, 1505, 1507, 1508, 1510 u. 1522. VD 16, P 1905⫺1912; Alberts, Nr. 13, 16, 22, 38, 39, 66, 74. 2. Regula puerorum Remigij. et Regule | congruitatum minores. [Pforzheim: Th. Anshelm, um 1502]. VD 16, R 1097; Alberts, Nr. 12. In seiner Neubearbeitung dieser gebräuchlichen lat. Schulgrammatik stellt S. den Stoff korrekter, übersichtlicher und verständlicher als bisher dar. Sechs weitere NDe 1503⫺1522 in Basel, Mainz, Straßburg, Tübingen. Von 1503 an mit Titelepigrammen von Carinthus, S., Hiltebrant, Gerbel und einem Vorwort S.s an den Leser. VD 16, R 1098⫺1100, 1102, 1106, ZV 13075. 3. Rabani Mauri | Archiepiscopi Maguntini. | De institutione cleri⫽|corum. opusculum | aureum [...]. Pforzheim: Th. Anshelm, 28. Sept. 1504. VD 16, H 5270; Alberts, Nr. 19. Titelepigramme von Ulricus Carinthus und S.; Bl. a ijr⫺v: Vorrede S.s an den Leser. S. gab die Schrift des D Hrabanus in Zusammenarbeit mit dem Korrektorkollegen Carinthus zunächst nach einer unvollst. Hs., die

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Simler, Georg

nicht mehr als einen kleinen Auszug bot, heraus, wofür er sich am Schluß des Büchleins beim Leser entschuldigt. Die Auffindung einer vollst. Hs. in Hirsau erforderte eine Neuausgabe, die S. umgehend besorgte: Rabanus De institutione | clericorum. ad Heistulphum Archiepiscopum. libri tres […]. Ebd., 27. Aug. 1505. VD 16, H 5268; Alberts, Nr. 24. Zur Stellung der beiden Ausgaben und ihrer Vorlagen in der Überlieferungs- und Textgeschichte vgl. D. Zimpel, Hrabanus Maurus, De institutione clericorum. Studien u. Edition, 1996, S. 144 f. 4. [Hucbald von St. Amand], Carmen de laude | Caluorum. cuius singule dictiones a .C. littera | incipiunt. […]. [Pforzheim: Th. Anshelm, 1502 ?]. VD 16, H 5657. Titelepigramme von Carinthus, S. und Hiltebrant. ND: [o. O. u. Dr., um 1505]. VD 16, H 5658. 5. Joannis Reuchlin | Phorcensis. LL. doctoris Liber Congesto⫽| rum de arte pre˛dicandi. Pforzheim: [Th. Anshelm], 1504. VD 16, R 1250; Alberts, Nr. 17. Titelepigramme von Carinthus u. S., der den Druck korrigiert hat. Weitere Drucke: Ebd., 1508. VD 16, R 1251; Alberts, Nr. 50. Basel 1540. 6. Roberti Gaguini | de arte metrificandi libelli [...]. Pforzheim: Th. Anshelm, Mai 1505. VD 16, G 41; Alberts, Nr. 23. Titelepigramme von Carinthus und S., die zusammen die Verslehre des Pariser Reuchlin-Lehrers Gaguin betreuten. NDe: Ebd. 1506 u. Straßburg 1515. VD 16, G 42 u. 43. 7. Erotemata Guarini ex Chrysolorae libello maiusculo cum interpretatione latina. Ein Auszug des Guarinus von Verona aus der griech. Grammatik des Manuel Chrysoloras. S. stellt dem griech. Text eine wortgetreue lat. Übersetzung zur Seite. Gedruckt zusammen mit II.C.2. Tübingen: Th. Anshelm, März 1512. VD 16, S 6496 u. 6497. B. Beiträger. 1. Cato in latin durch | Sebastianum Brant getütst. |, […]. Pforzheim: [Th. Anshelm, um 1502]. VD 16, C 1687. Lat. Titelepigramme von Carinthus u. S. Weitere Drucke: Ebd., 1506. VD 16, ZV 27090. Nürnberg, 1507, 1512, 1515, 1519. VD 16, C 1691, 1698, 1702, 1706. 2. Magnencii Rabani | Mauri De Laudibus sancte Crucis | opus, erudicione versu prosaque | mirificum. Pforzheim: Th. Anshelm, 1503. VD 16, H 5271; Alberts, Nr. 14. Prunkausgabe des berühmten mal. Figurengedichts, zu der Anshelm wahrscheinlich durch Reuchlin und S. bewogen wurde. Unter den einleitenden Beigaben zwei preisende Gedichte S.s (13 bzw. 2 Dist.). Vgl. Schmitz. 3. [Letzte Seite:] Principium | libri [Titelbl.v:] Johannis Reuchlin Phorcensis | LL. Doc. ad Dionysium fratrem | suum germanum de rudimentis | hebraicis […]. Pforzheim: Th. Anshelm 1506. VD

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16, R 1252; Alberts, Nr. 29. Das Werk, dessen Herausgabe S. betreute, schließt mit einem begeisterten Brief S.s an Anshelm vom 27. März 1506. 4. Petri Schotti | Argen*tinensis+ Epithoma De sillabarum | quantitate ac versuum connexione. | […]. [Straßburg]: Matth. Hüpfuff, 1506. VD 16, S 3999. Beiträge von Adelphus Muling, S., Ph. Fürstenberg u. a. 5. Elucidatio fa/|bricae ususque astrolabii. | Ioanne Stoflerino Iustingensi [...] edita. […]. Oppenheim: Jak. Köbel, 1513 (Kolophon: 1512). VD 16, S 9191 (⫽ ZV 14707). Bl. II v acht Distichen an Johann Stöffler und Empfehlung seines Werks, Bl. XII v drei Distichen an den Drucker. NDe: Oppenheim 1524, Tübingen 1531 u. 1533. VD 16, S 9192, 9197, 9198. e 6. Joannis Stofler Justingensis | germani Tabulae Astronomicae.| […]. Tübingen: Th. Anshelm, 1514. VD 16, S 9204. Titelepigr. von S.

C . E ig en e S ch ri ft en . 1. Kommentar zu Reuchlins ‘Sergius’. S. gab der bissigen Komödie über den kirchlichen Reliquienkult einen ausführlichen grammatischen Kommentar bei, der dem ‘Sergius’ maßgeblich zu seinem großen Erfolg als Schuldrama verhalf. Nach einer Einleitung über Gattung, Zweck und Geschichte der Komödie werden ungewöhnliche Wörter erklärt und mittels eines Glossars erschlossen. S. übergibt den Kommentar abschließend mit einem sich bescheiden gebenden Brief an Reuchlin (ReuchlinBr., Nr. 144). Bei der oft zu lesenden Behauptung, S. habe ebenso auch Reuchlins ‘Henno’ (1508) kommentiert, liegt eine Verwechslung mit dem Kommentar Jakob J Spiegels vor (Tübingen 1512 u. Hagenau 1519). Druck. Joannis Reuchlin Phor|censis Sergius uel Capitis ca|put cum commentario | Georgij Symler. Pforzheim: Th. Anshelm, Sept. 1507. VD 16, R 1286; Alberts, Nr. 46. Weitere Drucke: Ebd., 1508 (VD 16, R 1287; Alberts, Nr. 53) u. Tübingen: Th. Anshelm, 1513 (VD 16, R 1289).

2. ‘Observationes de arte grammatica’. Die lat. Grammatik (Morphologie und Syntax) für den Schulgebrauch erschien als Konvolut mit grammatischen Schriften anderer Autoren und S.s eigener griech. Grammatik (vgl. II.C.3.). Das Sammelwerk wird eingeleitet von einem Distichon Nikolaus Gerbels, einem Gedicht Jakob Spiegels,

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Simler, Georg

Dankworten des Autors (in Form eines Briefes und eines Gedichts in 28 Dist.) sowie einem Empfehlungsbrief Hiltebrants. In einer anschließenden Vorrede rühmt S. Reuchlin als den “Vater der Gebildeten” und betont unter Anführung antiker Zitate die Bedeutung des Griechischen. Die lat. Grammatik selbst fußt auf den spätantiken Grammatikern Priscian und Donat und nimmt eine konventionelle Gliederung in Buchstaben (orthographia), Lautlehre (prosodia), Formenlehre (etymologia) und Satzlehre (syntaxis) vor; zugleich versucht S. einen völligen Neuansatz, indem er durchgängig mit einer Vielzahl von Herleitungen und Vergleichen auf griech. Wörter und Autoren Bezug nimmt. Zudem treten bei den Satzbeispielen Bibel und Kirchenväter ganz hinter den klassischen antiken Autoren zurück. In allen Abschnitten achtet S. durch Untergliederungen, Regelbildungen und besondere Gestaltung des Druckbildes auf Übersichtlichkeit und Benutzbarkeit für jugendliche Leser, die er mit Rat und Ermahnungen auch direkt anspricht. Nach Erscheinen der Grammatik entspann sich eine langjährige Kontroverse mit S.s Tübinger Kollegen Heinrich J Bebel, da S. sich mit der etymologischen Herleitung des Wortes paedotriba (Kindererzieher, von griech. paidotri¬bhw) gegen Ansichten Bebels und dessen Schülers Johannes J Brassicanus stellte. Druck. Quae hoc libro continentur | Georgij Simler Vuimpinensis observationes de arte | grammatica. | [Aldus Manutius, Anhang zur Grammatik des Konstantin Laskaris:] De literis gre˛cis ac diphthongis & quemadmodum | ad nos ueniant. | [Aldus Manutius:] Abbreuiationes quibus frequentissime graeci utuntur | [Guarinus von Verona:] Erotemata Guarini ex Chrysolorae libello maiusculo | cum interpretatione latina | [Georg Simler:] Isagogicum sive introductorium in literas graecas [...]. Tübingen: Th. Anshelm, März 1512. VD 16, S 6496 u. 6497. Harlfinger (Hg.), Graecogermania. Griech.stud. dt. Humanisten [...], 1989, S. 138⫺139, Nr. 74, mit Abb. (Titels.), S. 131.

3. ‘Isagogicon sive introductorium in literas Graecas’. Einführung in die altgriech. Formenlehre und als solche die erste gebrauchs-

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fähige in Deutschland erschienene griech. Grammatik. S. setzt sich zum Ziel, gegen die “halbgebildete Barbarei” aus “Unkenntnis des Griechischen” (so in der Vorrede des Sammeldruckes) vorzugehen. S. behandelt ausführlich die Buchstaben, Betonung und Akzente ⫺ bei der Aussprache vertritt er die reuchlinsche (neugriech.) Aussprache des Altgriechischen ⫺, die Wortarten, den Artikel, 5 Deklinations- und 13 Konjugationsarten mit gründlicher Besprechung der Tempusbildung. Nach einer Auflistung aller Partizipien schließt das Werk mit Kapiteln über das Pronomen, das Adverb und die Konjunktionen. Als Quelle dient neben Konstantinos Laskaris (ÅEpitomh¡ tv˜ n toy˜ lo¬goy merv˜ n, Mailand 1476) und Manuel Chrysoloras (ÅErvth¬mata, gedruckt Venedig 1484) in erster Linie Theodoros Gazes, aus dessen umfangreicher Grammatik (‘Institutionis grammaticae libri IV’, Venedig 1495) S. zahlreiche Sätze und Beispielwörter wörtlich übernimmt, zugleich jedoch eine sinnvolle und handliche Zusammenfassung vornimmt. Kennzeichnend ist ein pädagogischer Stil S.s, der dem Leser methodische Entscheidungen erläutert, ihn geschickt in neue Themen einführt, ihn vor häufigen Fehlern warnt und ihm bei Formenvielfalt Trost zuspricht; beständig wird auf Parallelen und Unterschiede zum Lateinischen verwiesen. Auf dem didaktischen Anspruch, auf dem Konzept (Beschränkung auf die Morphologie, Unterscheidung von 13 Konjugationen) sowie auf vielen Details baute S.s Schüler Melanchthon mit seiner sechs Jahre später erschienenen Grammatik auf (‘Institutiones Graecae grammaticae’, Hagenau 1518), die in Deutschland weite Verbreitung erfuhr. Druck. Zusammen mit II.C.2. Binnentitel: Isagogicum in literas graecanicas. Tübingen: Th. Anshelm, März 1512. VD 16, S 6496 u. 6497.

4. ‘Interpretatio legis si quis maior’. Eine im Autograph überlieferte ausführliche Auslegung ausgewählter Rechtstexte aus dem 2. und 3. Buch des ‘Codex Iustinianus’, beginnend mit der aus dem Jahre 395 stammenden Rechtsverordnung Si quis maior annis viginti et quinque [...]

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Sommerfeld, Johannes

über die Konsequenzen bei mutwilligem Bruch von Verträgen oder Geschäftsvereinbarungen (Cod. Iust. 2,4,41); die Notizen sind in der Überschrift auf den 7. Jan. 1527 datiert. Überlieferung. München, Clm 3797, Bl. 1⫺ 43. A. Ruland, Geschichtl. Nachricht über d. ehemalige Domstiftsbibl. zu Augsburg, mit einer kurzen Beschreibung d. in München noch vorhandenen Hss. derselben, 1854, S. 134, Nr. 197. Literatur. J. Camerarius, De vita Philippi Melanchthonis narratio rec. G. Th. Strobel, Halle/S. 1777, S. 8⫺11; A. Horawitz, Analecten z. Gesch. d. Humanismus in Schwaben, WSB 86, H. 2, 1877, S. 217⫺278, bes. S. 221⫺224; ders., Griech. Stud. Beitr. z. Gesch. d. Griech. in Dtld. I. Stück, 1883; H. Holstein, Reuchlins Komödien, 1888, S. 60 f., 131⫺133; Ellenbog-Br., Reg.; K. K. Finke, Die Tübinger Juristenfakultät 1477⫺1534 (Contubernium 2), 1972, S. 185⫺189 u. ö.; D. Mertens, Joh. Hiltebrant, ein Humanist aus d. Umkreis Reuchlins, ZGO 120 (1972) 247⫺268; H. Scheible, Melanchthons Pforzheimer Schulzeit. Stud. z. humanist. Bildungselite, in: H.-P. Becht (Hg.), Pforzheim in d. frühen Neuzeit, 1989, S. 9⫺ 50, hier S. 15⫺21; W. Schmitz, Zur Drucklegung v. Hrabans ‘Liber de laudibus s. crucis’ i. J. 1503, in: U. Ernst / B. Sowinski (Hgg.), Architectura poetica. Fs. J. Rathofer, 1990, S. 389⫺400; G.-R. Tewes, Die Bursen d. Kölner Artisten-Fakultät bis zur Mitte d. 16. Jh.s, 1993, S. 561⫺563, 566 f. u. ö. (Reg.); H. Alberts, Reuchlins Drucker Th. Anshelm unter bes. Berücksichtigung seiner Pforzheimer Presse, in: Joh. Reuchlin (1455⫺1522), ND d. 1955 v. M. Krebs hg. Fg., neu hg. u. erw. v. H. Kling / St. Rhein, 1994, S. 205⫺265; H. J. Kremer, ‘Lesen, Exercieren u. Examinieren’. Die Gesch. d. Pforzheimer Lateinschule [. . .], 1997, S. 30⫺35 u. 113 f.; Reuchlin-Br., Bd. 1⫺3, Reg.

Reinhard Pohlke

Sommerfeld (Sumer-, Zummerfelt, -welth u. ä.; Aesticampianus, Janus Terinus), Johannes G. Bauch hat 1883 Johannes Sommerfeld und Johannes J Rhagius Aesticampianus (aus Sommerfeld), die bis dahin für ein und dieselbe Person gehalten wurden, mit exakten Nachweisen als zwei Personen unterschieden. Die in der seriösen Forschung seither anerkannte und durch weitere Nachweise bestätigte Verschiedenheit der beiden hat allein E. Lachmann zu bestreiten versucht,

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allerdings mit nur willkürlichen Annahmen und ohne Kenntnis wesentlicher Quellen. Den latinisierten Namen Aesticampianus verwendeten S. selbst (z. B. in Bucheinträgen) und andere. Den gräzisierten Namen Terinus (nach ue¬row ‘Sommer’) findet man nur bei J Celtis in der S. gewidmeten Elegie über seinen Besuch der Salzgruben in Wielicka (‘Amores’ I 6) und in einem Epigramm an ihn (II 3).

I . L eb en . Der nach seinem Geburtsort Sommerfeld (Niederlausitz) genannte S. nahm im SS 1479 in Krakau das Studium der Artes auf (Johannes Mathie de Zommerfeld), wurde im SS 1481 Baccalaureus und im WS 1485/86 Magister. Er blieb an der Universität (mit Rektoratsbeschluß vom 21. Mai 1488 wurde ihm auf drei Jahre ein Haus vermietet) und wurde ein angesehenes Mitglied der Artistenfakultät, zuständig, wie die Fakultätsakten (‘Liber diligentiarum’) belegen, für das Artesstudium in seiner ganzen Breite. Nachdem er zunächst, vom WS 1487/88 bis zum SS 1490, als Extraneus de facultate gelesen hatte, war er seit dem WS 1490/91 als Collega minor und seit dem SS 1494 als Collega maior tätig. Im WS 1494/95 versah er das Amt des Dekans. Den größten Anteil seines Lehrprogramms hatte der Studienordnung gemäß das Corpus Aristotelicum (mit Ausnahme von Ethik, Politik, Ökonomik); besonderer eigener Neigung entsprach offenbar die ‘Metaphysik’, über die er 1497⫺1499 in einem viersemestrigen Zyklus las (vgl. u. II.4.). Bevorzugt wurden von ihm sodann Grammatik (1487 Priscianus maior; 1488 u. 1500 D Alexander de Villa Dei, ‘Doctrinale’, Syntax; 1490 u. 1501 Donatus minor), Briefkunst (1492 Augustinus Datus; 1493, 1499 u. 1501 Franciscus Niger), Rhetorik (1491, 1494), Poetik (1490), im SS 1495 freilich noch anhand von Galfrids ‘Poetria nova’. Über antike Autoren las er nur sporadisch (1492 Cicero, ‘De amicitia’; 1493 Seneca, ‘Epistulae’).

Spätestens Anfang der 1490er Jahre hat S. neben seiner Tätigkeit als Magister das theol. Studium ergriffen. 1497 wurde er Baccalaureus der Theologie und war seither Lector extraordinarius in der theol. Fakultät (Markowski). Sein Einkommen bezog er in seinen letzten Lebensjahren aus einem Kanonikat bei St. Florian in Krakau.

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Sommerfeld, Johannes

Als sein Todestag ist der 22. Okt. 1501 belegt, ist dennoch nicht gesichert, denn mit diesem Datum konkurriert die unter dem 23. März 1504 verfaßte Widmung zur Ausgabe der Libaniusbriefe (s. u. II.3.). Daß seine Bibliothek dem Krakauer Collegium maius theologorum, dem er sie vermacht hatte, erst 1508 inkorporiert wurde, nähme sich für einen bereits i. J. 1501 eingetretenen Vermächtnisfall ebenfalls recht spät aus. Zu seinen Freunden in Krakau zählte S. an erster Stelle Philippus Callimachus, dessen Todes im Nov. 1496 er im Kommentar zum ‘Priscianus metricus’ gedenkt (Bl. 416r: mihi singularis erat amicus) und dem er ein Epitaph dichtete (Celtis-Br., S. 356), sodann Albert J Blar und Johannes Baer (Ursinus). Unter Celtis’ Krakauer Freunden war S. derjenige, mit dem er am längsten, bis mindestens 1499, brieflich Kontakt hielt (Celtis-Br., Nr. 185; 202, 213, 219 u. S. 416). S.s namhaftester Schüler war Heinrich J Bebel, dem er als “glänzender Vertreter jeder Wissenschaft, als zu seiner Zeit von niemandem übertroffener Redner und Dichter und gleichermaßen bedeutender Philosoph und Astronom” (referiert von Hermann von Eptingen in Bebels Ausgabe von J Corvinus’ ‘Cosmographia’, 1496, Bl. [e4]v) galt. S.s breite Bildung wurzelte in den spätmal. Schulwissenschaften, doch war er, sicherlich unter dem Eindruck des Freundes Callimachus, aufgeschlossen für die Neuerungen der humanistischen Bewegung. Dies erhellt weniger aus seinem den Statuten verpflichteten Lehrprogramm als aus seiner Korrespondenz mit Celtis und v. a. aus seiner imponierenden Bibliothek, die großenteils erhalten ist (240 Inkunabeln, viele mit autographem Besitzvermerk, vgl. Wislocki, 1900, S. 466−471; Szelinska, Sommerfeldt. Hss.: Krakau, Bibl. Jagell.,

Cod. 644, 651, vielleicht auch Cod. 646). Es dominieren in ihr zwar die Theologie (voran Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Bonaventura, Gregor d. Gr.), und auffällig ist ihre große Zahl juristischer Standardwerke, doch nicht minder prägend wirken die gut 30 antiken Autoren, vornehmlich Geschichtsschreiber (Thukydides, Dionys von Halikarnass, Appian, Tacitus,

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Scriptores historiae Augustae, Justin) und Fachschriftsteller (Scriptores rei rusticae, Manilius, Strabo, u. a.), und mit ihnen italienische Humanisten (Bruni, Biondo, Filelfo, Pomponio Leto, Poliziano, Ficino u. a.). I I. We rk . Die Zuweisung des ‘Modus epistulandi’ an S. ⫺ statt an Rhagius Aesticampianus († 1520) ⫺ ist dadurch gesichert, daß der Verf. in der Erstausgabe 1510 ausweislich des Epitaphs als bereits verstorben geführt wird; bestätigend die Ausgabe 1514. Die Zuweisung des Kommentars zum ‘Priscianus metricus’ und der Libanius-Ausgabe sichern die Widmungsbriefe, in denen S. beide Male als Baccalaureus der Theologie zeichnet.

1. Kommentar zum ‘Priscianus metricus’ (Ps.-Petrus Helie). Die umfangreiche, mehr als 5000 Hexameter umfassende versifizierte Grammatik, die S. kommentierte, ist nicht ein Werk des Petrus Helie, der ca. 1135⫺1160 in Paris lehrte und einen im 12. und 13. Jh. renommierten Priscian-Kommentar verfaßte, sondern ein späterer, ihm nur zugeschriebener ‘Priscianus metricus’ (inc. Sicut ab esse rei soliti rem promere dicunt). Dieser, der ältesten bekannten Hs. (Prag, UB, VIII.H.19 [Truhlar, Nr 1637], 1r⫺72r, 13. Jh.) zufolge noch im 13. Jh. entstanden, hatte seit dem späten 14. Jh. im Osten und Südosten, in Prag, Krakau, Wien, Leipzig, Erfurt, aber auch nur hier, größere Verbreitung. G. L. Bursill-Hall, A Census of Medieval Latin Grammatical Manuscripts, 1981, S. 352, verzeichnet 36 Hss. des ‘Priscianus metricus’, darunter 5 heutige Prager, 4 Erfurter, 4 Münchener, je 3 in Breslau, Krakau, Melk, Wien, 2 in Leipzig. Von den Zuschreibungen an Petrus Helie (‘Summa metrica Petri Helie’ u. ä.) weicht der Clm 15140 mit der Nennung eines Eberhardus Hyspanus (Bl. 1va) als Autor ab; der ‘Priscianus metricus’ fuße zwar auf dem Priscian-Kommentar des Petrus Helie, sei aber nicht dessen Werk. Der ‘Priscianus metricus’ ist nicht eine metrisch gefaßte Summe der gesamten ‘Institutio grammatica’ Priscians, sondern nur der Bücher 1⫺16 (‘Priscianus maior’), stofflich durchweg in ihrer Reihenfolge. Er unterrichtet somit über die Orthographie und die gesamte Formenlehre bis hin zu den indeklinablen Wortarten.

923

Sommerfeld, Johannes

Die Bücher 17 und 18 (‘Priscianus minor’) mit der Syntax läßt er aus, exzerpiert sie nur sporadisch bei der Behandlung des Verbs. Über den Text und seinen Autor fehlt jede Untersuchung.

Auch für S. war der Verfasser des ‘Priscianus metricus’ Petrus Helie, von dem er im übrigen nichts wußte. Bei dem Entschluß, die mühselige Anfertigung des Kommentars zu übernehmen und ihn zusammen mit dem Verstext drucken zu lassen, leitete ihn die Überzeugung, daß der vermeintliche Petrus Helie ein sachlich adäquates Kompendium Priscians und damit eine korrekte Grundlage des Grammatikunterrichts liefere, wie sie sonst nicht zu finden sei (s. die Praefatio an seinen Schüler Johannes Haunolt vom 16. Mai 1497). Diese Ansicht schloß Distanz zum ‘Doctrinale’ Alexanders de Villa Dei und seinen Kommentatoren ein und zugleich das Monitum, daß es ⫺ um 1497 ⫺ immer noch an einer geeigneten zeitgemäßen Grammatik fehle. Vielleicht waren ihm Perottis ‘Rudimenta grammatices’ wenn nicht unbekannt, so doch zu knapp. Wie sehr er das Verskompendium als Medium Priscians betrachtet wissen wollte, zeigt sich darin, daß er Blatt für Blatt das jeweils korrespondierende Buch der ‘Institutio’ angibt und im Kommentar dann am häufigsten Priscian selbst beizieht. Der Kommentar, gespeist wohl aus S.s langjährigem Grammatikunterricht, erreicht etwa den 15fachen Umfang des in 14 Tractatus geteilten Grundtextes. Er ist als Glossenkommentar angelegt, erläutert den Grundtext abschnittsweise, geht dabei regelmäßig in zwei Schritten vor, klärt zunächst Wortlaut und Sinn des zitierten Textabschnitts und schließt daran mit einem Expono die weitergreifende Kommentierung an. Inhaltlich und methodisch ist der Kommentar noch von ‘frühhumanistischem’ Format. Er arbeitet, v. a. bei Erörterungen und Definitionen der Grundbegriffe, durchaus noch mit einem scholastisch-sprachlogischen Instrumentar (vgl. Bl. LIIIIr: Tales relationes purus grammaticus sine logicis doctrinis vix accipiet), beschränkt es aber doch deutlich. Der grundsätzlichen Orientierung an Priscian entsprechend, wird lat. Sprachgebrauch zwar

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mit Beispielen aus römischen Dichtern, voran Vergil und Terenz, belegt, nicht aber aus dem Umgang mit den Auctores selbst, etwa mit Cicero, gewonnen, und unter den zitierten Auctores findet sich häufiger als Cicero die Vulgata. Selten nur beruft sich S. auf andere antike, nachantike und neuere Grammatiker; spärlich tauchen Tortellius und Valla auf, aber ebenso Remigius, Papias und die modistae. Zwar bemerkt S.: Sermo latinus id est romanus (Bl. XCr), doch die Kategorie der Elegantia kommt bei ihm nicht zu Wort. Dem 417 gez. Bll. starken Druck von Text und Kommentar stellte S. ein Inuentarium vocabulorum voran, ein alphabetisches und mit Seitenzahlen versehenes Register von nahezu 3100 im Kommentar besprochenen Wörtern. Druck. Grammatica Petri He|lie vtilissima. veri Pri⫽|sciani imitatoris; cum magistri Johannis Sommer-|felt breui quadam commentatione in eundem. Straßburg: Martin Flach, 9. April 1499. Hain 8422. Wer den Druck des voluminösen Werks für den Krakauer Autor in Straßburg vermittelt und finanziert hat, ist unbekannt.

2. ‘Modus epistolandi’. S.s posthum, zuerst 1510, gedruckter ‘Modus epistolandi’ fußt vollständig und in unveränderter Terminologie auf dem System der Briefgattungen und -arten des verbreiteten ‘Modus epistolandi’ des Franciscus Niger. Er begnügt sich damit, zu jeder von Niger angesetzten und beschriebenen Species ein Beispiel zu liefern, somit insgesamt 47 Muster guter brieflicher Latinität. Unter den fiktiven Korrespondenten begegnen die Freunde Philippus Callimachus († 1. Nov. 1496) und Johannes Baer (Ursinus), Albert J Blar, Kg. Kasimir (IV.) von Polen († 7. Juni 1492). Da Nigers ‘Modus epistolandi’ nach den Drucken 1488 (Venedig) und 1490 (Modena) nördlich der Alpen erstmals um 1490/1495 in Leipzig erschien, zum andern S. erstmals 1493 über Nigers ‘Modus epistolandi’ las, wird sein Briefsteller um 1493 entstanden sein. Drucke. 1. Modus epistolandi | Magistri Ioannis Esticam-|piani alias, Sumerfelt, viginti gene|ra epistolarum complectens. Krakau: Joh. Haller, 1510. Titelbl.v: Epitaphium Ioannis Esticampiani

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Sommerfeld, Johannes

per Ioannem Lupulum [Wölfflin] Bodmanensem (3 Dist.). 2. Modus epistolandi Ioannis Aesti/|campiani. Viginti genera epistolarum complectens [...]. Wien: Hier. Vietor, März 1515. VD 16, R 1667 (irrige Zuweisung an Rhagius Aesticampianus). Von Rudolf J Agricola Iunior besorgte korrigierte Neuaufl. der Ausgabe von 1510. Widmungsbrief Agricolas an den Krakauer Verleger Markus Scharpffenberger, einen Schüler S.s; rühmend wird der Lehre S.s im Fach Rhetorik und Poetik sowie seiner Bibliothek gedacht. Von Agricola auch das Titelepigramm und ⫺ am Ende ⫺ ein weiteres Epitaph auf S. ⫺ Weitere Drucke: Krakau 1513, 1515 u. 1519 (Pol. typ., Bd. 3, S, 41, 66; Bd. 4, S. 187).

3. Libanius-Briefe. S.s Ausgabe von 412 Briefen des Libanius in der lat. Übersetzung des Francesco Zambeccari lag eine Hs. zugrunde, die ihm vor längerer Zeit schon der Krakauer Verleger Jan Klemesz zur Vorbereitung eines Drukkes übergeben hatte. Die nach S.s Angabe von roher Hand und sehr fehlerhaft geschriebene Hs. bereitete ihm ungewöhnliche Mühen der Korrektur; er beansprucht nicht, aller Fehler Herr geworden zu sein. Besondere Beigabe S.s sind die sorgfältigen Regesten (argumenta) zu jedem Brief. Seiner Widmung an den polnischen Vizekanzler Mathias Drebicius (Krakau, 23. März 1504) folgt auf Bl. a iir⫺v eine an einen Ungenannten adressierte und auch ihrerseits anonyme Vorrede, die aber S. ebenfalls zum Autor haben muß. Sie geht wiederum, aber weit präziser, auf die Schwierigkeiten einer zureichend emendierten Ausgabe, auch einer zureichenden Übersetzung, ein und liefert danach eine Skizze von Libanius’ Leben und Schaffen. Drucke. 1. Libanii greci declamatoris disertissimi beati Iohan⫽|nis Crysostomi preceptoris epistole: cum adiectis Io|hannis Sommerfelt argumentis et emendatione et ca⫽|stigatione clarissimis. [Krakau: Joh. Haller?, um 1504]. Hain 10069. Titelepigramm von Johannes Speiser, dessen Exhortatio ad adulescentulos (zunehmende Vitalität der Musen nun auch in der Germania) den Druck beschließt (10 Dist.). 2. Joh. Christoph Wolf (Hg.), Libanii Sophistae Epistolae graece et latine [...], Amsterdam 1738, S. 729⫺814. Philologisch gründlich überarbeitete und stark ergänzte Ausgabe. Wolf verzichtete auf S.s Regesten und fügte aus dem Mailänder Cod. Ambrosianus C 12 inf. hinzu:

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1. die Widmungsvorrede des Francesco Zambeccari an Hzg. Federigo von Montefeltro und Urbino (o. D.), 2. Ep. I 90, 3. den Widmungsbrief Zambeccaris zu Buch II an Johannes Bentivolus, 4. weitere 74 Briefe (II 324⫺397). 4. Nicht zur Veröffentlichung ausgearbeitet hat S. seinen Ende 1499 abgeschlossenen Kommentar zu Aristoteles’ ‘Metaphysik’ I⫺X und XII. Er trug ihn auf den breiten Rändern der ebenfalls von ihm selbst geschriebenen Hs. des Grundtextes ein. Überlieferung. Krakau, Bibl. Jagellonica, Cod. 510, Bl. 2r⫺128r. Die Hs. kam nach S.s Tod in den Besitz Michael Falkeners (von Breslau), der sie mit eigenen Glossen und anderen Einträgen versah. Vgl. Catalogus codicum manuscriptorum medii aevi Latinorum qui in bibliotheca Jagellonica Cracoviae asservantur, Bd. 3, Wroclaw u. a. 1984, S. 161⫺163. Literatur. J. Muczkowski, Statuta nec non Liber promotionum philosophorum ordinis in universitate studiorum Jagellonica ab anno 1402 ad annum 1849, Krako´w 1849, S. 88, 93, 118 f.; G. Bauch, Joh. Rhagius Aesticampianus in Krakau [...], Archiv f. Litteraturgesch. 12 (1883) 321⫺370, hier S. 322⫺325; ders., Krakau, S. 23⫺25 bzw. S. 124⫺126; W. Wislocki (Hg.), Liber diligentiarum facultatis artisticae universitatis Cracoviensis, Pars I, Krako´w 1886, S. 496 (Reg.); G. Sommerfeldt, Magister Johannes Matthiä von Sommerfeld, Professor d. Univ. Krakau um 1500, ZKG 20 (1900) 599⫺602; W. Wislocki, Incunabula typographica Bibliothecae Universitatis Jagellonicae Cracoviensis, Krako´w 1900, S. 465⫺471; H. Barycz (Hg.), Conclusiones universitatis Cracoviensis ab anno 1441 ad annum 1589, Krako´w 1933, S. 58 u. 83; I. Winniczuk, Epistolografia. Lacinskie podreczniki epistolograficzne w Polsce w XV⫺XVI wieku, Warszawa 1952, S. 39⫺54; W. Szelinska, Biblioteki profesoro´w uniwersytetu Krakowskuego x XV i poszatkach XVI wieju, Wroclaw 1966, S. 152⫺176 u. ö.; E. Lachmann, Rhagius Aesticampianus (1457). Ein Lebensbild, 1961 [unwissenschaftlich]; H. Barycz, Slask w polskiej kulturze umyslowej, Katowicze 1979, S. 94⫺96; I. Hajdukiewicz, Die Krakauer Univ. zur Zeit d. frühen Renaissance, in: J. Wyrozumski (Hg.), The Jagiellonian University in the Evolution of European Culture, Krakau 1992, S. 25⫺48, hier S. 36; M. Markowski, Dzieje wydzialu teologii uniwersytetu Krakowskiego w latach 1397⫺1525. De theologiae facultatis univ. Cracoviensis rebus a. 1397⫺1525 gestis, Krako´w 1996, S. 201 u. 248; M. Zwiercan, in: Polski Slownik Biograficzny, Bd. 40, Warszawa/ Krako´w 2000/01, S. 469 f.

F. J. Worstbrock

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Sorbillo, Petrus

Sorbillo (Sorbilio; Schlarppe, Slarppe, Schlarpff, Schlapff, Schlarf; Schlarpius, Slarpius, -io), Petrus I . L eb en . S. wurde um 1450 in Geisenheim im Rheingau geboren; das ungefähre Geburtsjahr ergibt sich aus einer Bemerkung des Johannes J Butzbach im Jahr 1509, S. sei sexagenarius ferme (s. II.B.). Er stammte aus einem verzweigten Geisenheimer Geschlecht von Schultheißen und Schöffen. Mehrere Mitglieder sind als Studenten in Mainz, Heidelberg, Freiburg und Erfurt nachweisbar; der in der Forschung des 19. Jh.s erwähnte Heidelberger Student Petrus Sorbillo aus Geisenheim ist mit S. jedoch nicht identisch, sehr wahrscheinlich aber verwandt (Goerlitz, 1999, S. 27⫺ 32). Unter den Verwandten ist insbesondere der 1513 in Mainz promovierte Arzt und Humanist Johannes Sorbillo zu nennen, von dem sich unter den Beigaben der von Jakob J Wimpfeling hg. Vita Johann D Geilers von Kaysersberg (Oppenheim: Jakob Köbel, 1510) drei Gedichte erhalten haben (Goerlitz, ebd., S. 31, 47⫺50).

1497 wird S. von Butzbach als senior (s. II.B.; vgl. II.A.1.d) des zur Kongregation von Bursfelde gehörenden Benediktinerklosters Johannisberg im Rheingau bezeichnet; in dieser, in der ‘Regula Benedicti’ beschriebenen Funktion betreute er die Novizen und jüngeren Mönche. 1514 und 1524 ist er zudem als Pfarrer in Geisenheim bezeugt. S. starb sehr wahrscheinlich 1524 (nach 15. Nov. 1524, vgl. Goerlitz, 1999, S. 42 f. mit Anm. 67). I I. We rk un d Wir ku ng . S. war im Humanistenkreis der Benediktinerklöster am historischen Mittelrhein als Verfasser von Gedichten, Briefen und Reden bekannt, der jüngere Mönche und Laienbrüder zu poetischen und historiographischen Werken anregte. Wirkungsgeschichtlich bedeutsam ist ein kurzer Brieftraktat von ihm über die Gründung von Mainz an Hermannus J Piscator aus dem Kloster St. Jakob b. Mainz von wahrscheinlich 1517, durch den Piscator zu ei-

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ner ausführlichen Antwort und mittelbar zu einer umfangreichen Chronik angeregt wurde (J Piscator, II.1.⫺2.). In St. Jakob stand S. außerdem mit dem Klosterbibliothekar Wolfgang J Trefler in Kontakt, in der Abtei Laach mit Johannes Butzbach sowie Jacobus J Siberti. In Johannisberg selbst förderte er die Mönche Johannes von Lahnstein oder Saxo († nach 1514) und Johannes Corvello (1475⫺1543/44) (s. u. II.A.1.a). Darüber hinaus korrespondierte S. mit dem bekannten Sponheimer Abt Johannes J Trithemius. A . E rh al te ne We rk e. 1. Briefe und Gedichte (chronologisch, nach Goerlitz, 1999, S. 59⫺68, ergänzend S. 44⫺59).

a) Zwei Distichen (inc. Quisquis es abbatis cultor quondam Spanhemensis) zu Butzbachs ‘Microstroma [...] de laudibus Tritemianis’ (ca. 1508). Köln, Hist. Archiv, W 352, Bl. 50 v (Abschrift, um 1510/15; hier Petrus Slarpi[us] genannt). J. Vennebusch, Die theol. Handschriften d. Stadtarchivs Köln, Bd. 4, 1986, S. 175⫺181, hier S. 178. b)⫺c) Gedicht auf den hl. Pantaleon (inc. Salve Panthaleon qui celsa per astra refulgens), einen der in St. Jakob b. Mainz verehrten vierzehn Nothelfer, mit Geleitbrief an Wolfgang Trefler, 1514. Überlieferung. Berlin, SBPK, Lat. fol. 666, Bl. 150 v. Schillmann, Ausg., S. 10⫺14. Ausgabe. F. Schillmann, Wolfgang Trefler u. d. Bibliothek d. Jakobsklosters zu Mainz (ZfB Beih. 43), 1913, S. 215 f.

d) Brieftraktat über die Gründung von Mainz an Hermannus Piscator in St. Jakob b. Mainz, Johannisberg im Rheingau, wahrscheinlich 1517. Ausgehend vom lat. Stadtnamen Maguntia diskutiert der Johannisberger senior (Bl. 7 r) S. verschiedene Versionen des Ursprungs von Mainz, den er in Anbindung an die mal. Troja-Sage auf einen Trojaner namens Maguntius aus dem Gefolge des Antenor zurückführt. Anschließend sei Mainz von dem Römer Drusus Nero [...] quasi de nouo (Bl. 9 v) gegründet worden; beim (im Gebiet der ‘Zitadelle’ noch heute sichtbaren) Eichelstein auf dem Jakobsberg handele es sich um das Grabmonument dieses Feldherrn, wie u. a. aus dem römischen Geschichtsschreiber Florus hervorgehe. Der Brief entstand anläßlich einer Benediktiner-Versammlung in St. Jakob b.

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Sorbillo, Petrus

Mainz, an deren Rande sich eine Gruppe interessierter Mönche, darunter Piscator und sehr wahrscheinlich auch Trithemius, über Fragen der Mainzer Frühgeschichte unterhielt. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Treffen um das BenediktinerProvinzialkapitel der Provinz Mainz-Bamberg am 29. April 1515 (Goerlitz, 1999, S. 64 f., 255 mit Anm. 298). Überlieferung. Aus dem Brieftraktat geht der Plan hervor, das Schreiben jedenfalls in den Klöstern Johannisberg u. St. Jakob abschriftlich zirkulieren zu lassen. Erhalten ist er als Einfügung in Piscators ‘Chronicon urbis et ecclesiae Maguntinensis’ (s. zum Folgenden J Piscator II.2.): Halle, ULB Sachsen-Anhalt, Hs. Stolb.-Wern. Zh 69, Bl. 7 r⫺10 v (H, um 1550); München, BSB, Clm 28200, Bl. 7 r⫺11r (M, v. J. 1553, zit.); Wien, ÖNB, Cod. 8996, Bl. 5 r⫺8 r (V, um 1550). Verloren ist eine gekürzte dt. Übers. in der Hs. d. Chronik Piscators *Ma2 (Ende 16. Jh.), die im 17. Jh. im ‘Chronicon Moguntinum Helwichii’ (Pommersfelden, Graf von Schönborn’sche Schloßbibl., Hs. 286, Bl. 1r⫺ 11r ) verwendet worden ist. Ausgabe zusammen mit der Antwort Piscators durch U. Goerlitz in Vorbereitung. B. Verlorene Werke. Die beiden Hauptquellen über S. sind außer dem ‘Odeporicon’ (1505) des Johannes Butzbach (hg. von A. Beriger, 1991; v. a. Kap. 3,8) insbesondere dessen ‘Auctarium de scriptoribus ecclesiasticis’ (1509), in dem es heißt, S. schreibe derzeit an Vielem (pluraque componens; vgl. oben, II.A.1.; der einschlägige Passus aus Butzbachs ‘Auctarium’ abgedr. bei Krafft/Crecelius, Mitt. S. 277 f., Nr. 59). Butzbach erwähnt dort neben Gedichten und Reden insbes. epistolas multas et elegantes sine numero. Siberti preist S. als Günstling des Apoll (Zitat bei Goerlitz, 1999, S. 43). 1. Briefe. Bezeugt sind a) ein Empfehlungsschreiben zum Studium Butzbachs in Deventer an Alexander D Hegius (Johannisberg im Rheingau, 1497); b) ein dt. Empfehlungsschreiben für das von Butzbach in Deventer geplante Studium (Johannisberg, 1497); c) ein Brief an Johannes Trithemius (Johannisberg, Sommer 1506), der mit den Ereignissen zusammenhängt, die Trithemius 1506 zum Verzicht auf das Amt des Abtes in Sponheim veranlaßten. Es handelt sich um eine Invektive, die S. auf Betreiben des Sponheimer Priors Nicolaus verfasst hatte und die vor ihrer Übermittlung an Trithemius von einem der Anhänger des Abtes vernichtet wurde. Im Febr./März 1508 schrieb Trithemius S. als Abt des Klosters St. Jakob in Würzburg und bat offenbar

erfolgreich um Erneuerung der alten Freundschaft (Exzerpt in einem Brief Butzbachs an den Bopparder Pfarrer Johannes J Flemming (Flamingius) vom 15. März 1512, abgedr. bei Arnold, Ergänzungen, S. 193 f., Nr. VII; vgl. ebd., S. 183 f., 281; ders., Trithemius, S. 203 f.; ergänzend Goerlitz, 1999, S. 50 ff. mit Anm. 110. 2. Lateinische Gedichte. Butzbach zählt im ‘Auctarium’ neun Gedichte S.s auf: a) De amando deum; b) De amore sacri sponsi; c) De conceptione illibatae virginis; d) De puritate illibatae virginis; e) De illibatae virginis amabilitate; f) De amore illibatae virginis; g) De sancta Anna; h) De sancta Ursula (Inc. Candidus Christus rubicundus atque); h) De sancto Georgio (Inc. O lux christigenum o celi). Mit einigen Titeln nahm S. an der damals aktuellen literarischen Auseinandersetzung um die unbefleckte Empfängnis Marias teil. Außerdem waren Maria und Anna Patrone der Bursfelder Kongregation. 3. Reden. a) Rede anläßlich des Besuches des päpstlichen Legaten und Ablaßkommissars Raimund Peraudi im Kloster Eberbach im Rheingau, 1502. Zur Datierung bzw. Peraudis Besuch in Eberbach vgl. N. F. Palmer, Zisterzienser u. ihre Bücher, 1998, S. 177. b) Rede an Trithemius vermutlich aus der Zeit nach Beilegung der Auseinandersetzungen zwischen S. u. Trithemius, wahrscheinlich 1508/09. Vgl. Goerlitz, 1999, S. 53, u. oben II.B.1.c. Literatur. K. Arnold, Ergänzungen z. Briefwechsel d. Joh. Trithemius, Stud. Mitt.OSB 83 (1972) 176⫺204; ders., Joh. Trithemius (1462⫺ 1516) (QF z. Gesch. d. Bistums u. Hochstifts Würzburg 23), 21991, S. 203 f., 272; M. M¸ller, Die spätmal. Bistumsgesch.schreibung (AKuG, Beih. 44), 1998, S. 424 f. (dazu U. Goerlitz, Rez. in: Archiv f. hess. Gesch. u. Altertumskunde NF 58 [2000] 359⫺362); U. Goerlitz, Humanismus u. Gesch.schreibung am Mittelrhein (Frühe Neuzeit 47), 1999, S. 27⫺68, 359⫺364, 384 ff. u. ö. (Reg.); dies., Mainzer Antiquitas u. dt. Nation. Der Briefwechsel d. Benediktinerhumanisten Hermannus Piscator u. P. S. aus d. Jahr 1517, in: P. Johanek (Hg.), Städtische Gesch.schreibung im SpätMA u. in d. Frühen Neuzeit, 2000, S. 157⫺180, hier S. 157 ff., 161⫺165, 180; dies., Facetten lit. Lebens in Mainz zwischen 1250 u. 1500, in: M. Matheus (Hg.), Lebenswelten Johannes Gutenbergs, 2005, S. 59⫺87, 189⫺214, hier S. 69 f., 71⫺77, 86 f.; H. M¸ller, Habit u. Habitus. Mönche u. Humanisten im Dialog, 2006, S. 30 f., 233 f., 242⫺244.

Uta Goerlitz

Spalatin, Georg s. Nachträge

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Spangel, Pallas

Spangel (Spannagel), Pallas I . L eb en . Sp. aus Neustadt (Hardt) immatrikulierte sich im Sommer oder Herbst 1460 in Heidelberg für das Studium der Artes (Pallas de Noua ciuitate), ging 1462 nach Köln, kehrte als Kölner Bakkalar nach Heidelberg zurück und erwarb dort am 6. Nov. 1466 den Grad des Magisters (Via antiqua). Er lehrte anschließend im Heidelberger Artesstudium und gehörte bis 1478 der artistischen Fakultät an. 1473 war er ihr Dekan und Vizekanzler. 1469 ließ er den Magister Martin Rentz von Wiesensteig in einer quodlibetarischen Disputation die Quaestio principalis ‘Utrum deus simplex et perpetuus in genere principali sit collocandus’ behandeln (Cod. Vat. Pal. lat. 1053, 104 v). Spätestens um 1470 nahm er neben seiner Lehrtätigkeit in den Artes das Studium der Theologie auf, erscheint 1473 als theol. Bakkalar, im Juni 1477 als Lizentiat, im Jan. 1479 als Dr. theol. Er lehrte fortan in der theol. Fakultät und hatte 1481⫺1508 die zweite, 1508⫺1512 die erste theol. Professur inne. Er diente seiner Universität in zahlreichen Ämtern, trat in wichtigen Angelegenheiten als ihr Sprecher auf, war 1477, 1484/85, 1490/91, 1501/02 ihr Rektor. 1487 hielt er beim Einzug Kg. Maximilians in Heidelberg auf der kurfürstlichen Burg die Begrüßungsansprache. Sp. war seit 1469 an verschiedenen Orten bepfründet (s. Dr¸ll, S. 432). Seit 1487 hatte er ein Kanonikat am Dom zu Worms und an der Heiliggeistkirche in Heidelberg inne. Sp. war als Theologe ein Mann von scholastischem Herkommen (s. u. II.C.), das er bewahrte, war Thomist, doch aufgeschlossen für die neue humanistische Gelehrtenkultur und ein Bewunderer Rudolf D Agricolas, der ihn seinerseits schätzte. Philipp Melanchthon, der als sehr junger Heidelberger Student vom WS 1509/10 bis zum Sommer 1512 in seinem Hause gewohnt hatte, hob später hervor, Sp. habe über eine bessere Latinität verfügt als alle seine theologischen Kollegen (Corpus Reformatorum, Bd. 3, S. 673). Er gehörte zur

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rheinischen Sodalitas literaria, die J Celtis und Dalberg 1495 in Heidelberg um sich sammelten, war ihr ältestes Mitglied. Eng befreundet war er bes. mit Jakob Wimpfeling, der auch sein Schüler war. Mit Wimpfeling, einem Vertreter der universitären Via moderna, teilte er, der der Via antiqua angehörte, das Interesse an möglichster Eintracht der beiden ‘Wege’ (vgl. dazu II.A.4.). Sp. starb am 17. Juli 1512 und wurde in der Heidelberger Heiliggeistkirche bestattet. I I. We rk . Sp. war kein Gelehrter, der als wissenschaftlicher Autor die Öffentlichkeit gesucht hätte. Was sich von ihm neben der Ausgabe des Sentenzenkommentars Thomas’ von Straßburg, an der er mitarbeitete, an Gelegenheitsreden und Resten der Korrespondenz erhalten hat, ist hauptsächlich der Aufmerksamkeit Wimpfelings für seinen einstigen Lehrer zu verdanken. Vgl. die Wimpfeling-Hss. Uppsala, UB, Cod. 687, und Chicago, Newberry Library, Ms. 63. A . Red en . 1. Trauerreden. Sp.s Trauerreden sind den rednerischen Prunkstücken, die das Genus im italienischen Quattrocento in großer Zahl aufweist, nicht vergleichbar. Ihr besonderes Merkmal ist ihre Inszenierung als Gespräch zwischen zwei Partnern. Die dialogische Anlage könnte von dialogisch gefaßten Epitaphien angeregt sein. a) Rede auf Erhard Knab von Zwiefalten. Die Anfang Febr. 1480 bei den Exequien des Mediziners Erhard Knab in der Heidelberger Heiliggeistkirche gehaltene Oratio funebris unterrichtet über das Leben des Verstorbenen nur knapp und allgemein. Ihr eigentliches Thema, ausgeführt als Dialog zweier allegorischer Figuren, der Fuga mortis (später gewandelt zur Patientia) und ihrer Schwester Discretio, ist das Verhalten zur menschlichen Sterblichkeit. Unter Führung der Discretio klärt sie in der Art einer Ars moriendi auf, wie ein gut

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Spangel, Pallas

geführtes Leben zu gelassener Erwartung des Todes befähigt. Handschrift. Uppsala, UB, Cod. 687, 91v⫺ 93 r; Rom, Bibl. Vaticana, Cod. Pal. lat. 1583, 128 r⫺129 v, anonym, “kürzerer und weniger guter Text” (Ausg., S. 97). Ausgabe. C. Jeudy / L. Schuba, Erhard Knab u. d. Heidelberger Univ. im Spiegel von Hss. u. Akteneinträgen, Quellen u. Forschungen aus ital. Archiven u. Bibl.en 61 (1981) 60⫺107, hier S. 96⫺ 106.

b) Rede auf Herwich von Amsterdam. Der am 15. Mai 1481 verstorbene Herwich, prominenter Theologie der Heidelberger Universität, hatte sich zu Lebzeiten Sp. als Trauerredner gewünscht. In seiner vor der Universität gehaltenen Rede läßt Sp. zwei Schwestern ins Gespräch treten, von denen die eine die artistische Fakultät, die andere die drei oberen Fakultäten vertritt. Der ersten obliegt die Klage über den Verlust Herwichs, der zweiten die Tröstung und die Mahnung, dem Verstorbenen durch Askese, fromme Übungen, Messen und Gebet das Fegefeuer zu ersparen. Handschrift. Uppsala, UB, Cod. 687, 112 r⫺ 114 r.

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den des Begräbnisses an. Titelbl.v: Epigramme auf den Tod der Pfalzgräfin von den Studenten Leonhard Pellikan (5 Dist.) und Johannes Volmann (4 Dist.). Abschrift des Druckes: Salzburg, UB, M I 460. ⫺ 2. Funebris oratio magistri pal|lantis Spangel Theologie professoris ad Vniuersitatem Hei-| delbergensem facta de Illustrissime domine Margarethe mor-|te Conthoralis quondam […] Philippi Comitis palatini Rheni […]. Heidelberg: [Jak. Stadelberger, 1501]. VD 16, S 7463. Titelepigr. von Joh. Volmann (Dank für die candida dicta Sp.s). Von Sp.s Titelepigramm nur die beiden ersten Verse. Titelbl.v: Die Epigramme von Volmann und Pellikan (in dieser Reihenfolge). Zeitgenöss. dt. Übers.: Basel, UB, A.IX.27, Bl. 314 r⫺324 v. Überschrift: Meister Pallant Spangel | der heiligen geschrifft lerer | von der begrept vnd volge | frow Margreten der pfalzgrefin.

2. An König Maximilian. Unbedeutende kurze Begrüßungsansprache 1489 bei Kg. Maximilians Besuch der Heidelberger Universität. Der Angabe des Titels, Sp. habe seine Rede auf der pfalzgräflichen Burg gehalten, widerspricht die Rede selber, in der Sp. eingangs dafür dankt, daß der König die Universität mit seinem Besuch beehre. Druck. Modus Predicandi subtilis | et compendiosus Stephani Hoest theologi | uiae modernae Heidelbergensis. | […] Oratio Pallantis Spangel theologi Heidelbergensis ad | Caesarem Maximilianum, in arce illustrissimi principis Comitis Palatini habita extempore. […]. Straßburg: Joh. Prüß d. J., 1513. VD 16, H 4100. Hg. von Jakob Wimpfeling. Bl. [B5]r⫺[B6]r: Oratio extemporalis habita ad Maximilianum Romano-|rum regem inuictissimum, a Pallante Spangel theologo Hei-| delbergensis. nomine eiusdem universitatis. | Anno .M.CCC.L XXXIX. |

c) Rede auf Pfalzgräfin Margareta. Nach kurzer Einleitung über die Person der Verstorbenen und über die Vergänglichkeit des Leibes setzt ein Dialog zwischen Herus (Pfalzgraf) und Hera (Pfalzgräfin) ein. Herus preist die Tugenden der Gattin, doch diese bittet wieder und wieder, er möge sich ihrer armen Seele annehmen. Einig sind beide in der Frage, wie das Begräbnis und die Zeit der Trauer vonstatten gehen sollen. Er nimmt von ihr Abschied, nachdem sie ihm empfohlen hat, die Tugenden des guten Herrschers zu wahren.

Handschrift. Uppsala, UB, Cod. 687, 78 v⫺ 81v.

Drucke. 1. Funebris oratio magistri | pallantis Spangel Theologie professoris ad vniuersi|tatem Heydelbergensem facta de Illustrissime domine | Margarethe morte Conthoralis quondam Serenissimi | Principis et domini Domini Philippi Comitis pa/|latini Rheni […]. [Heidelberg: Heinr. Seligmann, 1501]. VD 16, S 7462. Sp.s Titelepigramm (2 Dist.) gibt durch das Chronogramm des ersten Verses M ccccc i das Todesjahr Margaretes, durch die Heiligen des dritten Verses den Todestag und

4. Rede auf Marsilius von Inghen. Im Vorwort an den Leser zum Druck der Questiones Marsilij super | quattuor libros sententiarum ([Straßburg]: Martin Flach d. J., 1501. VD 16, M 1127. Titelbl.v) erinnert (der ungenannte) Jakob Wimpfeling ausführlich an eine Rede, die Sp. (seinerseits Thomist) einst als Vizekanzler der Universität bei einer Verleihung artistischer Lizentiate zu Lob und Ehre des Marsilius von Inghen, des Begründers der Heidelberger Via moderna, gehalten

3. Predigt zu Mariä Himmelfahrt. Eine undatierte thematische Predigt über Ct 8,5.

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Spiegel, Jakob

habe. Den Marsilius habe er dort, ausgehend vom Thema ‘Ortus est sol’ (Ps 103,22), mit der alle Sterne überstrahlenden Sonne verglichen. Sp.s Marsilius-Rede ist nicht überliefert.

5. ‘Quaestio curialis’. Der Münchener Clm 589, 16 v⫺17 r, überliefert unter Sp.s Namen eine i. J. 1478 verfaßte vermutlich quodlibetarische Erörterung der scherzhaften Frage nach dem Inhalt von Judas’ Geldbeutel (Questio curialis | Qualis thesaurus in bursa iude ipsius collo suspensa | contentus fuerit et an monetatus sit et qua moneta). Die von H. Holstein (Zs. f. vergl. Litteraturgesch. NF 5 [1892] 391) geplante Ausgabe ist nicht erschienen. B . H er au sg eb er. Acutissimi Thome de Argen|tina scripta super quattuor | libros sententiarum. Straßburg: Martin Flach, 1490. Cop. 603. Vier Teile in zwei Bänden. Titelbl.v: Brief Sp.s an den Martin Flach, mit dem er ihm die beiden ersten Teile der Ausgabe zuleitet: Lob der Sorgfalt der Offizin von Martin Flach und inständige Bitte, durch den Druck von Thomas’ Sentenzenkommentar, der ein gutes Geschäft sein werde, der Wissenschaft einen Dienst zu erweisen. Abdruck des Briefs bei K. Hartfelder, Zur Gelehrtengesch. Heidelbergs am Ende d. MAs, ZGO 45 (1891) 141⫺171, wieder in: K. H., Stud. z. pfälzischen Humanismus, 1993, S. 215⫺245, hier S. 236 f. ⫺ Sp. hat an der Ausgabe mitgewirkt, als ihr verantwortlicher Hg. wird indes Peter D Schott zu gelten haben; dieser bat Sp. unter dem 23. März 1490 um die noch ausstehenden Abschriften des restlichen Teils von Thomas’ Sentenzenkommentar, damit die vorbereitete Edition korrigiert werden könne (M. A. u. M. L. Cowie [Hgg.], The Works of Peter Schott (1460⫺1490), Bd. 1, Chapel Hill 1963, S. 157 f., Nr. 142). Literatur. K. Hartfelder, Heidelberg u. d. Humanismus, Zs. f. Allgemeine Gesch. 2 (1885) 671⫺696, wieder in: K. H., Studien z. pfälzischen Humanismus, hg. von W. K¸hlmann u. H. Wiegand, 1993, S. 47⫺72, hier S. 62, 69 f.; ders., Philipp Melanchthon als Praeceptor Germaniae, 1889, S. 18⫺20; H. Holstein, Zur Gelehrtengesch. Heidelbergs beim Ausgang d. MAs, (Progr. d. Kgl. Gymnasiums Wilhelmshaven), 1893, S. 12⫺17; Knepper, Wimpfeling, S. 19, 133, 191, 221 f. u. ö. (Reg.); G. Ritter, Via antiqua u. Via moderna auf d. dt. Univ.en d. XV. Jh.s, 1922 (ND 1963), S. 130; Ritter, Heidelberg, S. 468, 477, 491, 502; W. Maurer, Der junge Melanchthon, Bd. 1, 1967, S. 23⫺29; Wimpfeling-Br., Nr. 50, 51, 95, 196; G.-

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R. Tewes, Die Bursen d. Kölner Artisten-Fakultät bis zur Mitte d. 16. Jh.s, 1993, S. 498, 507 f., 562, 570; V. Probst, Philipp Melanchthons Studienjahre in Heidelberg, Mannheimer Gesch.bll. NF 4 (1997) 83⫺105, hier S. 94⫺97; Agricola-Br., S. 166, 188, 340; D. Dr¸ll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1386⫺1651, 2002, S. 431 f. (s. v. Pallas); D. Walz / R. D¸chting (Hgg.), Marsilius von Inghen. Gedenkschrift 1499 zum einhundertsten Todestag d. Gründungsrektors d. Univ. Heidelberg, 2008, Reg.

F. J. Worstbrock

Spiegel (de Speculis, Specularis, Spegellius, Spiegelius, Spi-; auch Wimpfeling junior), Jakob Inhalt. I. Leben. ⫺ II. Werk. A. Herausgeber. ⫺ B. Kommentare. ⫺ C. Eigene Schriften. 1. ‘Oratio Germaniae’. 2. ‘Posteritati’. 3. ‘Lexicon iuris’. 4. ‘De scribendi modestia’. ⫺ D. Kleine literarische Beiträge. ⫺ Literatur.

I . L eb en . Sp., geb. Ende 1483 in Schlettstadt, Sohn des Bäckers Jakob Sp. († 1493) und der Magdalena Wimpfeling († 1532), einer Schwester Jakob J Wimpfelings, in zweiter Ehe verheiratet mit Hans Meyer, von dem sie drei Kinder hatte: Johann Meyer (1502⫺1536), Sp.s engen Mitarbeiter, Andreas und Ursula. Sp. heiratete 1511 in erster Ehe Clara Drach aus Colmar (Scherlen, S. 180); um 1542 hielt er um die Hand der Steinmetzwitwe Anna Braun aus Dambach an, die jedoch Beatus J Rhenanus heiratete (Kaiser, S. 48⫺51). Sp. heiratete in zweiter Ehe N. N., die ihn überlebte. Ein Sohn Jakob aus erster Ehe lebte 1542 in Sp.s Haushalt. Nach Besuch der Lateinschule in Schlettstadt wechselte Sp. 1493 an die Domschule nach Speyer, wo Wimpfeling seine Ausbildung förderte. 1496 zog er nach Heidelberg (1500 Bacc. art.). Er war einer der Studenten, die am 31. Jan. 1497 an der Aufführung von Reuchlins ‘Scaenica progymnasmata’ mitwirkten. Gegen den Willen des Onkels verlegte er sein Interesse auf die Rechtswissenschaft; er hörte bei J Reuchlin, Johannes J Wacker (Vigilius) und Florenz von Venningen und setzte diese Studien unter Ulrich J Zasius in Freiburg fort. 1504 trat Sp. als Candidatus

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in die ksl. Kanzlei ein. 1508 suchte Maximilian I. über das Recht der Ersten Bitten für Sp., der ursprünglich Kleriker war, und für seinen Halbbruder Johann Meyer eine Pfründe am Straßburger Münster zu erlangen (Santifaller, S. 645, Nr. 508 u. 510). Die akademische Laufbahn erlitt durch den Eintritt in die Kanzlei eine Zäsur. Sp. nennt sich nur ein einziges Mal, und zwar 1511 bei seiner Immatrikulation in Tübingen, Magister; dies deutet darauf hin, daß er (ähnlich wie Zasius) den Magistergrad erst jetzt im Hinblick auf sein Lizenziat per saltum erworben hat. 1513 promovierte er in Tübingen zum Legum Licentiatus. Wenig später setzte ihn der Kaiser auf eine Professur in Wien als Sextisten (neueres Kirchenrecht) ein. Diese Aufgabe erfüllte er nur bis 1514. Den Grad eines Juris utriusque Doctor erwarb Sp. erst 1526 per saltum durch Bernhard Cles und einen Basler Domherrn, die dazu von Papst Clemens VII. ermächtigt worden waren, da Sp. propter expensas in Friburgensi et aliis universitatibus generalibus doctoratus gradum suscipere commode non potest. 1506 war er Sekretär des Bischofs von Triest Petrus J Bonomus, 1510 ksl. Sekretär, 1513 in Wien ksl. Rat sowie lat. Sekretär der niederösterreichischen Kanzlei. 1520 wurde er unter Karl V. ksl. Rat, blieb aber auch Sekretär der österreichischen Kanzlei und wechselte 1522 ganz zu Ferdinand I. über. Der Sturz des Kanzlers Salamanca beendigte 1526 Sp.s Laufbahn; Amtsnachfolger wurde sein Stiefbruder Johann Meyer, Sp. zog sich als Privatgelehrter nach Schlettstadt zurück. Wiederholt war er Botschafter des elsässischen Zehnstädtebundes. Er blieb Karl V. und Ferdinand I. verbunden und nahm an Reichstagen teil. 1532, 1535 und 1544 wurde er (jeweils mit erweiterten Befugnissen) von Karl V. zum Pfalzgrafen erhoben. Letztes Lebenszeichen Sp.s, der an schwerer Gicht litt, ist eine mit zitternder Hand unterfertigte Quittung vom 17. Okt. 1547. Sp. hatte eine bedeutende Bibliothek, die er Ende 1543 dem Bischof von Straßburg nach Zabern schenkte, wo sie in den Revolutionswirren verloren ging (Reste in der Bibl. Nationale et Universitaire [⫽ BNU]

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Strasbourg). Erhalten ist ein 1543 von Sp. selbst geschriebener Katalog mit ca. 1700 Titeln (Strasbourg, Archives De´partementales, G 949). Etwa die Hälfte der Bücher sind der Poetik ⫺ eine von Sp. selbst gewählte Sammelbezeichnung ⫺ zuzurechen, deren Mittelpunkt antike und humanistische Autoren ausmachen, jeweils ein Viertel der Theologie und Jurisprudenz. 96 % der Bücher sind lat., 3 % dt. Sp. legte Wert auf das äußere Erscheinungsbild. Die Bücher waren nach Formaten, Großformate nach Fachgebieten aufgestellt. Sie wiesen einen kalligraphischen Besitzvermerk auf, seit 1538 ein Exlibris mit Sp.s Wappen, der Devise Tecum habita und dem autobiographischen Gedicht ‘Posteritati’ (s. II.C.2.). Sp. nahm am Zeitgeschehen lebhaften Anteil. Obwohl er wie J Erasmus oder Zasius judenfeindlich war, auch das Hebräische ablehnte, gehörte er zu den Verteidigern Reuchlins. Anfangs trat er für eine von Rom unabhängige deutsche Kirche ein, nach dem Durchbruch der Reformation schwenkte er 1521, angeblich gekauft, auf die päpstliche Seite über. Er blieb ein Gegner der Reformation, folgte aber der erasmianischen Linie und pflegte Kontakte zu reformierten Humanisten. Als Gelehrter von umfassender Bildung, Rechtslehrer und Dichter, weitgereister Hofmann unterhielt er lebhafte Beziehungen zur ganzen humanistischen Welt. Johannes J Sapidus nannte er seinen bei weitem engsten und treuesten Freund (Widmung seines Kommentars zur ‘Austrias’, s. u. II.B.7., Bl. Gg 4 v). Briefpartner waren u. a. Bernhard J Adelmann von Adelsmannfelden (Pirckheimer-Br. Nr. 685, Z. 36 f.), Hieronymus Aleander (Friedensburg, S. 494 f., Nr. 12), Johannes Alexander Brassicanus, Otto Brunfels (ebd., Nr. 11), Martin Bucer, Lorenzo Campeggio, Wolfgang Capito (O. Millet [Hg.], Correspondance de W. Capiton, Nr. 134); Bernhard Cles (Trento, Archivio di Stato), Erasmus von Rotterdam, Martin Ergersheimer (Knod, Bd. 1, S. 49⫺51, 54), Johannes Fabri (ebd., S. 56 f.), Otmar J Luscinius (Gratulation zur Berufung durch Karl V. in: ‘Problema Plutarchi Chaeronaei, num in conuiuio philosophandi sit locus’, Straßburg [1519]; Aldo Manuzio (P. de Nolhac, Les correspondants d’Alde Manuce, 1887⫺88, ND Turin 1961, S. 217 f., Nr. 58); Friedrich Nausea (‘Epi-

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stolae’, Basel 1550, S. 288 f., 322 f., 393 f.), Johannes Oekolampad (E. Staehelin, Briefe u. Akten z. Leben Oekolampads, Bd. 1, 1927, Nr. 54), Konrad J Peutinger (Widmung von Sapidus’ ‘Epigrammata’), Willibald J Pirckheimer (Pirckheimer-Br., Bd. 7, Nr. 1206), Reuchlin (Reuchlin-Br., Nr. 229), Beatus Rhenanus (Rhenanus-Br., Nr. 140, 155, 170, 435), Jacopo Sadoleto (Jacobi Sadoleti epistolae, Bd. 1, Rom 1760, Nr. 40), Johannes J Sapidus (Knod, Bd. 1, S.49⫺51), Heinrich Stromer (ebd., S. 51 f.), Joachim J Vadian (Vadian-Br., Nr. 29, 123, 245), Florenz von Venningen (ZGO 40 [1886] 333⫺335), Jakob Wimpfeling (Wimpfeling-Br., Nr. 317, 339, 342, 346, 348), Zasius (Zasius-Br., S. 397⫺99, 502; Knod, Bd. 1, S. 55 f.).

I I. We rk . Sp.s Bedeutung liegt auf literarischem Gebiet: er förderte durch zahlreiche Editionen, Kommentare und lat. Gedichte den deutschen Humanismus sowie mit seinem ‘Lexicon iuris’ die humanistische Reform der Rechtswissenschaften. Er hielt wie Wimpfeling oder J Brant im Unterricht an der lat. Sprache fest, bes. in den juristischen Fächern, und verwendete in seinen Publikationen nur Latein. Sp. hat ca. 25 Werke humanistischen, historischen, politischen und juristischen Inhalts herausgegeben und häufig auch kommentiert. In einer großen Zahl seiner Schriften, v. a. in der Kommentierung der ‘Austrias’ des Riccardus J Bartholinus, zeigt sich die politische Tendenz, die Machtansprüche des Hauses Österreich auf die Vormachtstellung in Europa zu beweisen und das Kaiserhaus zu verherrlichen. Verzeichnis der Drucküberlieferung bei Knod, Bd. 1, S. 35⫺45, Bd. 2, S. 29⫺31.

A. Herausgeber. 1. Epistola [...] Emanuelis Regis Portugaliae, […] De Victoriis ha/|bitis in India, & Malacha. […]. Wien: Hier. Vietor u. Joh. Singriener, 16. Sept. 1513. VD 16, P 4371. Bl. 1v: Vorwort des Hg.s Sp. an den Leser (o. D.). 2. Sammeldruck […] Isocratis, De Regno Gubernando | ad Nicoclem liber […].Wien: Hier. Vietor u. Joh. Singriener, 1514. VD 16, I 523. Sammeldruck in sechs Teilen. a) Isokrates, ‘De regno gubernando’ in lat. Übersetzung des Martinus Phileticus, gewidmet Ks. Friedrich III. Titelbl.v: Widmung Sp.s an den ksl. Rat Jakob de Bannissis (Wien, 31. Dez. 1513). Sp.,

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der die hsl. Vorlage von dem ksl. Rat Joh. Krachenberger geschenkt erhalten hatte, gab den Text auf Fürsprache Nikolaus J Gerbels, Joachim J Vadians und Georg J Tannstetters heraus. b) Giovanni Stefano Emiliano (Q. Aemilius Cimbriacus), ‘Epicedion tetracolon in divum Fridericum III.’. Bl. Dr⫺E 2 r: Widmungsbrief Sp.s an den ksl. Rat Sebastian Sprenz (Wien, 1. Jan. 1514). c) Luigi Marliano, ‘Navigatio’, gewidmet dem ksl. Rat Jakob de Bannissis. Bl. F 4 r⫺[F5]v: Widmungsbrief Sp.s an den ksl. Rat und Vitzdum von Niederösterreich Lorenz Saurer (Wien, 5. Jan. 1514). d) Vadian, ‘Carmen maximorum caesarum Friderici tertii patris et Maximiliani filii laudes continens’, mit Widmung Vadians an B. Georg von Wien (Wien, 5. Jan. 1514). e) Wimpfeling, ‘Expurgatio contra detractores’. Bl. Lr⫺L 2 r: Widmungsbrief Sp.s an den ksl. Rat und apostolischen Protonotar Petrus de Motta (Wien, 1. Febr. 1514). Bl. L 2 v⫺L 3 r: Brief Wimpfelings an Sp. mit der Aufforderung, seine Verteidigungsschrift überall zu verbreiten (17. Okt. 1512; Wimpfeling-Br., Nr. 296). ND des gesamten Sammeldrucks: Straßburg: Joh. Prüß d. J., 1514. VD 16, I 522. Hier am Ende ein Epitaph auf den Würzburger B. Rudolf von Scherenberg († 1495) von seinem Neffen Peter von Maspach. 3. Ad Divum Maximi⫽|lianum Caesarem Augustum, | Riccardi Bartholini, de bel|lo Norico Austriados | Libri duodecim. Straßburg: Math. Schürer, Febr. 1516. VD 16, B 562. Bl. ii r⫺v: Druckprivileg des Kaisers. Bl. iijr⫺[6]r: Brief Vadians an Matthäus Lang (Wien, 4. Okt. 1515). Bl. Cc i r⫺[Cc6]r: Do. Iacobi Spiegel Selesten. Emendationes Nonnullorum Locorum, Austriadae. Do. Riccardi Bartholini […] mit Widmungsbrief Sp.s an den ksl. Rat Erasmus Strenberger (Colmar, 5. März 1516). Die ‘Emendationes’ sind ein erster Ansatz zu den später stark ausgeweiteten Scholien zu Bartholinus, beschränken sich jedoch auf Druckfehler, Verstöße gegen das Versmaß und latinisierte Ortsnamen. Es folgt ein Brief Sp.s an Vadian (Innsbruck, 1. April 1516). 4. Episto⫽|la Ferdinandi | Catholici Regis | Arragonum etc. | ad Carolum Re|gem Castiliae | etc. nepotem. per | Riccardum Bar|tholinum foe| liciter trans|lata. [Augsburg: Silvan Othmar, 1516]. VD 16, B 567. Das von Bartholinus in 59 Distichen verfaßte fiktive Schreiben, das von höchster politischer Aktualität war, erhielt durch den Widmungsbrief Sp.s (Titelbl. v) an den spanischen Botschafter Pedro de Urrea offiziellen Charakter. Ein weiterer Druck: [Rom: Marcellus Silber, um 1516]. VD 16, B 568. 5. Erazm Ciołek, Oratio Per. R. | Patrem Domi|num Erasmum Vitellium | Episcopum Plocen. in celebe|rrimo Augusten. Conventu ad Ce|

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sarem Maximilianum […]. Augsburg: Joh. Miller, [1518]. VD 16, C 3932 u. 3933. Titelbl.v: Widmung Sp.s an Erasmus von Rotterdam (Augsburg, 31. Aug. 1518). Eine weitere Ausg.: Basel: Pamph. Gengenbach, [1518]. VD 16, C 3934. 6. Imp. Caesar. D. | Maximilianus | Defunctus | Bartholomaeo Latomo | Arlunen: Germano | Autore, mit Widmung an Karl V. und Ferdinand I. (Freiburg, 6. Mai 1519). [Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung], 27. Okt. 1519. VD 16, L 628. Bl. a ijr⫺v: Widmungsbrief Sp.s an den kgl. Rat Hieronymus Prunner (Augsburg, 15. Okt. 1519). Ein weiterer Druck: Straßburg: Joh. Knobloch, 1519. VD 16, L 629 u. 630. 7. Epigramma|ta Ioannis Sapidi, […]. Schlettstadt: Laz. Schürer, 1520. VD 16, S 1658. Titelbl.v: Widmung Sp.s an Konrad J Peutinger (Schlettstadt, 1. April 1520). Bl. bv⫺b ijr: Ein Epigramm des Sapidus an Sp. 8. Jakob Wimpfeling, Gravamina | Germanicae Nationis cum remedijs et auisamentis ad Cae⫽| saream Maiestatem. Schlettstadt: Laz. Schürer, [1519]. VD 16, R 739. Sp. unterstützte Wimpfeling bei der Herausgabe. Die Appendix wurde vermutlich von Sp. zusammengestellt. 9. Jakob Wimpfeling, Divo | Maximiliano Iu| bente | Pragmaticae sancti-|onis Medulla ex| cerpta. | [...]. Schlettstadt: Laz. Schürer, Mai 1520. VD 16, 3353. Auf der Titelrahmung unten die Jahreszahl 1519. Bl. A ijr⫺A iijv: Widmung Sp.s an den ksl. Rat Maximilian von Sevenberg (Schlettstadt, 15. Mai 1520). Sp. ist Hg. des von Wimpfeling bereits 1510 für Ks. Maximilian erstellten Gutachtens (erster Teil: Auszug aus der frz. Pragmatischen Sanktion mit Zusätzen Wimpfelings; zweiter Teil: Klage über das Treiben der römischen Kurtisanen). Vgl. Bl. [A4]r⫺B ijr das Schreiben Maximilians an Wimpfeling (Überlingen, 18. Sept. 1510) und Wimpfelings Antwort an Maximilian (Straßburg, 1. Nov. 1510). Wimpfeling-Br., Nr. 266⫺ 267. 10. Oratio habi|ta coram Carolo Au|gusto designato, in praesentatione de-|creti electionis, cum responsiua, ac quibusdam aliis. [Schlettstadt: Laz. Schürer, 1520]. VD 16, ZV 15628. Titelbl.v: Sp. an das Schlettstädter sodalitium litterarium, insbes. an Paul Volz, Wimpfeling, Phrygio, Beatus Rhenanus und Sapidus (1. März 1520; Wimpfeling-Br., Nr. 342). Als Hg. der Rede Bernhard Wurmsers vom 30. Nov. 1519 vor der Wahl Karls V. und der Antwort Mercurinos di Gattinara vom selben Tage (sowie des Dankschreibens Karls an die Kurfürsten und des Briefs Leos X. an Karl vom 16. Aug. 1519) ist Sp. insoweit anzusehen, als er sich die Texte durch Bernhard Adelmann beschaffte, sie durch seinen Stiefbruder Johann Meyer abschreiben ließ und die Kopien nach Schlettstadt schickte. ⫺ ND als erstes Stück in: Gravamina Germani|cae natio-

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nis ad Carolum electum | Ro. Regem. Quibus addita est […]. Köln: Euch. Cervicornus u. Hero Fuchs, Aug. 1520. VD 16, R 740. Sp.s Brief an die Schlettstädter Sodalen hier auf Bl. [b4]r. 11. Jacopo di Porcia e Poreiglia, Jacobi Co-| mitis Purlilia-|rum, De Re Mili-|tari Libri II. | Iam Recens Editi. [...]. Straßburg: Joh. Knobloch, 1527. VD 16, P 4270. Bl. 2: Widmung von Sp. an den kgl. Rat Nikolaus Rabenhaupt (Schlettstadt, 25. Juli 1527). Titelepigr. des Joh. Sapidus (3 Dist.) mit Inhaltsangabe des Buches. Mit einem Index. 12. Ioannis Tri|temii Abbatis Spanhe|mensis Epistolarum familiarium libri duo [...]. Hagenau: Peter Burbach, 1536. VD 16, T 1978. Titelbl.v⫺A 2 r: Druckprivileg Karls V., Palermo 14. Sept. 1535. Bl. A 2 v⫺[A4]r: Widmungsbrief Sp.s an Vizekanzler Mathias Held (Schlettstadt, 3. März 1536). Bl. [A4]v: Brief Sp.s an den Drucker Peter Burbach (Schlettstadt, 5. Jan.1536). 13. Ambr. | Calepini | Lexi|con | Recens, candori pristino | restitutus. […]. Straßburg: Joh. Schott, 1537. VD 16, C 239. In seinem Vorwort an den Leser (Titelbl.v) erklärt Sp., das berühmte Lexicon erscheine hier in seiner guten ursprünglichen Gestalt, ohne die Zusätze und Streichungen, die es sich inzwischen habe gefallen lassen müssen, ergänzt aber um ein alphabetisches lat.-griech. Glossar (mehr als 9600 Lemmata). B. Kommentare. 1. Gianfrancesco Pico della Mirandola, Staurostichon | hoc est carmen de mysteriis dominicae crucis nuper in | germaniam delapsis […] | Cum Jacobi Spiegel Selestani enarratione | […]. Tübingen: Th. Anshelm, Juli 1512. VD 16, P 2660. Titelbl.v: Widmung von Pico della Mirandola an Maximilian. Bl. a ii r: Widmung Sp.s an den ksl. Schatzmeister Jakob Villinger. Sp.s historischer, geographischer und theologischer Kommentar stützt sich auf das ganze antike und humanistische Schrifttum. 2. Ioannis Reuchlin Phorcensis | scaenica progymnasmata, [...] cum explanati|one Iacobi Spiegel Selestani. Tübingen: Th. Anshelm, Okt. 1512. VD 16, R 1260. Titelbl.v: Widmungsbrief Sp.s an den Tübinger Theologen Jakob Lemp (Tübingen, 24. Jan. 1512). Sp.s ausführlicher Kommentar, in den er Reuchlins eigene Kommentarnotizen aufnahm, enthält vorwiegend philologische und historische Erklärungen. Seine ersten Kommentare fanden den Beifall luculentae doctrinae suae, in demjenigen zum ‘Staurostichus’ die physices cognitio, im Reuchlin-Kommentar v. a. sein grammatikalisches Wissen; doch stieß auch die Weitschweifigkeit frühzeitig auf Kritik. Vgl. Rhenanus-Br.,

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Nr. 140 u. 163. ⫺ Weiterer Druck: Hagenau: Th. Anshelm, Mai 1519. VD 16, R 1270. 3. In Hymnum Aviae | Christi Annae dictum ab | Erasmo Roterodamo | Scholia Jacobi | Spiegel Se⫽|lestadi|ensis. Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 4. März 1519. VD 16, E 3022. Titelbl.v: Widmung Sp.s an den ksl. Sekretär Johann Vinsterwalder (Linz, 9. Dez. 1518). 4. Threnodia Seu La⫽|mentatio Petri Aegidij in o|bitum Maximiliani Caesaris Aug. | Et in hanc scholia Iacobi Spiegel | Selestadien. | […] Oratio Germaniae ad Deum Opt. | Max. Et principes, pro libertate Germaniae […]. Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 26. Juli 1519. VD 16, A 315. Titelbl. v⫺Aa ijr: Widmung Sp.s an den kgl. Schatzmeister Johann Lukas (Straßburg, 1. Mai 1519). Widmung des Petrus Aegidius an Jakob Tutor, Syndikus von Antwerpen. Bl. Bb iijv⫺[Bb4]v: Briefe Johann D Geilers von Kaysersberg an Wimpfeling (Füssen, 2. Aug. 1503) und Wimpfelings an Sp. (Schlettstadt, 1519), Wimpfeling-Br., Nr. 141a u. 339. Lob Maximilians aus Bartholinus’ ’Hodeporicon’. Bl. Cc ijr: Sp. zum Tod Maximilians. Bl. Cc ijr⫺v: ‘Oratio Germaniae’, anonym; Verfasser ist Sp. (s. u. II.C.1.). ⫺ Eine weitere Ausgabe: Straßburg: Joh. Schott, 1519. VD 16, A 316. 5. Giovanni Gioviano Pontano, Pontani | De immanitate liber | vnus cum scho-|liis Iacobi Spie| gel Slet-|stadi|en*sis+. Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 19. Okt. 1519. VD 16, P 4214. Bl. a ijr⫺[a3]r: Widmung Sp.s an Johannes Lukas (Augsburg, 1. Okt. 1519). Am Ende von Sp.s Kommentar eine bedeutsame Reflexion über die Studia humanitatis. 6. In Aurelii | Prudentii Clementis | Caesaraugustani. V. C. De mira|culis Christi Hymnum ad | omnes horas, Iacobi | Spiegel Sele|stadiensis in| terpretatio | […]. Schlettstadt: Laz. Schürer, 1520. VD 16, P 5149. Druckprivileg Maximilians I. (Linz, 1. Jan. 1512). Bl. 3: Widmung der Mitglieder der Schlettstädter Sodalitas an den ksl. Schatzmeister Jakob Villinger (Schlettstadt, 1. Mai 1520; Wimpfeling-Br., Nr. 343). Sp.s Kommentar ist philologisch; er widmet sich der Textkritik, zieht zahlreiche Editionen sowie die gesamte Literatur heran (auch seine eigenen Scholien zu Pico und Reuchlin), bezieht aber auch Rechtsfragen und die Theologie mit ein, worauf seine Freunde der Schlettstädter Sodalitas den Akzent legten: theologum se esse declarat. Vgl. Rhenanus-Br., Nr. 163. ⫺ ND im Rahmen einer Gesamtausgabe der Carmina des Prudentius, hg. v. Markus Hopper: Basel: Heinr. Petri, 1562. VD 16, P 5131. 7. Guntheri | Poetae clarissimi | Ligurinus, […]. Richardi | Bartholini, Perusini, | Austriados | Lib. XII. [...] | Cum Scholiis | Jacobi Spiegelij [...]. Straßburg: Joh. Schott, 26. Aug. 1531. VD 16, G 4137, B 563. Titelbl.v: Joh. Schott Lec-

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tori; Druckprivileg Karls V. (Augsburg, 25. Aug. 1531). Bl. a 2 r⫺A 3 r: Sp.s Widmung seiner stark emendierten Ausg. des ‘Ligurinus’ und seiner Scholien an Kg. Ferdinand I. (Schlettstadt, 31. Jan. 1531). Sp. hat stillschweigend, schon mit dem Titel seiner Ausg., Celtis’ Irrtum korrigiert, Ligurinus sei ein Beiname des Dichters D Gunther (von Pairis). Bl. A 3 r⫺v stellt er in der Censura Iac. Spiegel de Autore Carminis Ligurini treffend fest, daß Gunther noch Heinrich VI., Barbarossas Sohn, erlebt habe und der Verfasser auch des ‘Solimarius’ sei. ⫺ Erst nach dem Text der ‘Austrias’, Bl. Gg 3 v⫺Gg 4 v, ist Sp.s Widmung seiner Scholien zu Bartholinus’ Epos an den Brixner B. Georg von Österreich (Schlettstadt, 1. Aug. 1531) eingerückt. ⫺ Ein zweiter Druck, hg. v. Justus Reuber: Frankfurt a. M. 1584. VD 16, R 1230. Gemeinsamer Nenner von Gunther von Pairis’ ‘Ligurinus’ (Verherrlichung der ersten Regierungsjahre Ks. Friedrichs I. Barbarossas) und Bartholinus’ ’Austrias’ (Verherrlichung Ks. Maximilians I.) ist die panegyrische Darstellung deutscher Kaiser in epischer Form. Die breit angelegte philologische, historische, politische, juristische, theologische Kommentierung Sp.s enthält zahlreiche Exkurse (Länderbeschreibungen, naturwissenschaftliche Fragen), daneben auch persönliche Reminiszenzen. Während die Scholien zum ‘Ligurinus’ dem Leser die geschichtlichen Ereignisse näherbringen sollen, suchen die zur ‘Austrias’ die zeitgeschichtlichen Ereignisse verständlicher machen. Sp. stellt eine Verbindung zu zahlreichen antiken Autoren her, bezieht sich aber auch auf eine Vielzahl humanistischer Schriftsteller. Seine Scholien zeugen von großer Belesenheit und tiefer Bildung. Der Kommentar hat, wie zahlreiche Querverweise zeigen, eine dienende Funktion; er erschließt dem Leser erst das rechte Verständnis des mythologisch verschlüsselten Werkes. 8. Antonio degli Beccadelli, Antonii Panormi| tae De Dictis Et Factis Alphon|si Regis Aragonum li|bri Quatuor. | […] adiecta sunt singulis libris Scholia per Jaco|bum Spiegelium. […]. Basel: Joh. Herwagen u. Joh. Erasmus Froben, 1538. VD 16, B 1315. Bl. a 2 r⫺a 3 r: Widmung Sp.s an Karl V. und Ferdinand I. (Schlettstadt, 3. Mai 1538).

C . E ig en e S ch ri ft en . 1. ‘Oratio Germaniae’. Im Wahlkampf um die deutsche Krone zwischen dem Habsburger Karl von Spanien und Franz I. von Frankreich forderte Sp. mit diesem an Gott und die Kurfürsten gerichteten Gebet der Germania, keinen Franzosen zum Herrn über Deutschland zu machen. Zwischen Deutschland und Frank-

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Spiegel, Jakob

reich gebe es keine Übereinstimmung, keine gemeinsamen Vorfahren, keine gemeinsame Kultur. Frankreich habe wiederholt, wie die Germania an historischen Beispielen (Kämpfe gegen Karl VII. 1444/45, Brautraub 1491/93) aufzeigt, deutsche Lande verwüstet. Nur ein König de meo germanico sanguine werde ein vom Volk geliebter Regent werden. F¸ssel, S. 254⫺256. Handschrift. Strasbourg, BNU, Cod. 230/ Latin 233, Autograph. Druck. Threnodia (wie II.B.4.a). Augsburg: Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 1519. Bl. Cc ijr⫺v.

2. ‘Posteritati’. Autobiographisches Gedicht über seine Beamtenkarriere (15 Dist.). Seit 1538 als Exlibris verwendet. Vgl. von Zur Westen, S. 8⫺11. Druck. Posteritati.| [...] | Iacobus Spiegel | Selestadiensis dicavit, aetatis suae anno LVI. | Salutis, M.D.XXXVIII. Einblattdruck o. O. u. Dr.

3. ‘Lexicon iuris’. Dieses eigentliche Lebenswerk Sp.s entstand aus einer Sammlung von Vokabeln, die er für seinen Stiefbruder Johann Meyer aus juristischen Schriftstellern zu Lernzwecken zusammengestellt hatte. Später übertrug er sie in ein Büchlein, das viel Beifall fand, so daß er dieses unter Rückgriff auf alle älteren und neueren Autoren des Zivilrechts zu einem umfassenden Standardwerk der Jurisprudenz ausarbeitete. Zahlreiche Lemmata sind von Sp. persönlich gezeichnet. Dabei nimmt er auch immer wieder auf eigene Lebensereignisse Bezug. Das nach den lat. Rechtsbegriffen alphabetisch angelegte Lexikon gewährleistete eine rasche Orientierung und führte in das wichtigste Schrifttum ein. Den ursprünglichen Charakter eines Hilfsmittels für den Studenten wahrte Sp. dadurch, daß er eine Reihe von einführenden Traktaten in die Rechtswissenschaft beifügte. Hervorzuheben bleibt die 15 Spalten umfassende ‘Nomenclatura iurisperitorum’, ein Juristenlexikon, in dem Sp. einige Zeitgenossen herausstreicht (u. a. Brant, Sebastian Derrer, Christoph Hegendorf, Johann Oldendorp, Johannes Sichardus, Viglius van Zuichem, Zasius).

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Drucke. a) Iuris Civilis | Lexicon Ex uarijs probatorum autorum | Commentarijs congestum per Cl. V. D. Iac. Spiegel […]. Straßburg: Joh. Schott, 1538. VD, S 8309. Bl. [A 2]r⫺A 3 v: Autobiographisch geprägte Vorrede an Adam Carolus, Vorsteher der lat. Kanzlei am Hof Ferdinands I. (Straßburg, 1. Sept. 1538). Bl. [A4]r: Druckprivileg Karls V. (Palermo, 16. Sept. 1535). Am Ende 7 Erste asklepiadeische Strr. zum Preis von Sp.s Werk von Johannes Sapidus und ein Epigramm Sp. s über seine ehrenvolle Stellung bei Maximilian und Karl V. und seine ebenso honorable Besoldung und Versorgung. Sp. bearbeitete drei weitere Auflagen: b) Straßburg: Joh. Schott, 1539. VD 16, S 8310. Am Ende Brief Sp.s an die kgl. Räte Seb. Tunckel und Joh. Ostner (am Hof, 31. Aug. 1539). Beigefügt: Christoph Hegendorf, ‘De Compendiaria discendi Iura Civilia Ratione Consilium’; Claudius Cantiuncula, ‘De ratione studij legalis’; Hegendorf, ‘In Tit. C. Iustiniani Exegeses’. c) Straßburg: Joh. Schott, 1541. VD 16, S 8311. d) Sp.s letzte eigene Bearbeitung (6. März 1546): Basel: Joh. Herwagen, 1549. VD 16, S 8312. Beigefügt Joh. Oldendorp, ‘In XII Tabulas Scholia’; Hegendorf, ‘Epitome tyrocinij iuris civilis’; Cantiuncula, ‘De ratione studii legalis paraenesis’; Ph. Melanchthon, ‘Censura de legibus’; Hegendorf, ‘Exegeses in xij. libros codicis’. ⫺ Die 5. bis 8. Aufl. (Basel 1554, 1564, 1569 u. 1577. VD 16, S 8313⫺8316) wurden nicht mehr von Sp. weitergeführt. Weitere NDe, von Sp. als venustis quidem characteribus, sed mendose eingeschätzt, erschienen in Lyon: Seb. Gryphius, 1541, 1543, 1545, 1549, 1552 u. 1553. H. u. J. Baudrier, Bibliographie Lyonnaise, Bd. 8, Paris 1964 (ND Genf 1999), Bd. 8, S. 148, 180, 196, 232, 261, 265.

4. ‘De scribendi modestia’. Antwort Sp.s auf eine gegen Alciato, Bude´, Zasius und ihn selbst gerichtete Invektive des Franceso Florido. Sie wurde in alle späteren Auflagen des ‘Lexicon iuris’ unter dem Stichwort Imperator aufgenommen. Druck. Iacobi Spiegelii […] de scribendi modestia, ad Fran|ciscum Floridum epistola. Straßburg: Wendelin Rihel, [1540]. VD 16, S 8317. D. Kleine literarische Beiträge. 1. [...] Adolescentia Wympfelingij [...]. Straßburg: Martin Flach d. Ä., 1500. Tetrastichon Sp.s Ad adolescentem ut sit frugalis et parcus. O. Herding (Hg.), Jakob Wimpfelings Adolescentia, 1965, S. 351. 2. Georg J Sibutus, De diui Maximi|liani Caesaris aduentu in Coloniam. […]. Köln: Heinr. Quentell Erben, Aug. 1505. VD 16, S 6268. Ti-

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Stabius, Johannes

telbl. v: Jakob Spiegel an Sibutus zu dessen Dichterkrönung (6 Dist.). Bl. [C5]r⫺v: Epigramm des Sibutus, Preis Spiegels und Aufforderung, seinem Onkel Wimpfeling nachzueifern (5 Dist.), und Dank Spiegels an Sibutus für das Epigramm (5 Dist.). Das Gedichtpaar auch in dem Druck [Leipzig: Martin Landsberg, 1506], Bl. F ijr⫺v. 3. Wimpfeling, Contra turpem libellum Philomusi | Defensio theologiae scholasticae et neotericorum [...]. [Straßburg: Joh. Prüß d. Ä.], 1510. VD 16, W 3350. Unter den zahlreichen Beiträgern Sp. auf Bl. [D5]v mit einem Distichon. 4. [...] Georgij Simler Vuimpinensis observationes de arte | grammatica […]. Tübingen: Th. Anshelm, März 1512. VD 16, S 6496 u. 6497. Titelbl. v: 20 empfehlende Distichen Sp.s. 5. Tabulae Eclypsium Magistri | Georgij Peurbachij. | Tabula Primi mobilis Jo-|annis de Monte regio. | […], hg. v. Georg J Tannstetter. Wien: Joh. Winterburger, 13. April 1514. VD 16, P 2056. Bl. [aa7]v: Gedicht Sp.s Ad Germaniam ingeniosam (3 Dist.): drei große deutsche Leistungen: die Erfindung der Kanone (bombarda), des Buchdrucks und Peuerbachs Werk der ‘Tabulae’. 6. Complurium | eruditorum uatum carmi-|na, e ad magnificum uirum | D. Blasium Holcelium, [...]. Augsburg: [Silvan Otmar], 1518. (J Bonomus, II.B.). Am Ende 6 Dist. Sp.s an Hölzel: Sp.applaudiert der für Hölzel veranstalteten Epigrammslg., könne aber nicht mehr beitragen, da er ganz von der Kommentierung der ‘Austrias’ Bartholinos beansprucht werde. 7. De Ratio|ne Disputandi, Praesertim | in re Theologica, Petri Mo|sellani [...]. Augsburg, Sigm. Grimm u. Marx Wirsung, 1519. VD 16, S 2171. Titelbl. v: Brief Sp.s an den Drucker Grimm. 8. Dionysii Areo|pagitae De Mystica Theo|logia […]. Joan. Eckius Commentarios adiecit pro Theologia Negativa | [...]. Augsburg: Joh. Miller, 25. Mai 1519. VD 16, D 1854. Unter den zahlreichen Epigrammen im Anhang sechs Distichen von Sp. 9. Spiegls Copey. Konzept eines juristischen Gutachtens zur Erhebung Österreichs zum Königreich. Wien, ÖNB, Cod. 8117, Bl. 49⫺50. Druck: Wiesflecker, S. 542. Literatur. A. Rivier, La Nomenclatura Jurisperitorum de Jacques Sp. 1540, Nieuwe Bijdragen voor Regtsgeleerdheid en Wetgeving N.R. 1/2 (1873) 219⫺249; Schmidt, Hist. litt. (Reg.); G. Knod, J. Sp. aus Schlettstadt, Beilage z. Progr. d. Realgymnasiums zu Schlettstadt, Bd. 1⫺2, 1884⫺ 86; H. Holstein, Joh. Reuchlins Komödien, 1888 (ND 1973), S. 60⫺64 u. ö. (Reg.); W. Friedensburg, Beitr. z. Briefwechsel d. kath. Gelehrten Dtld.s im Reformationszeitalter, ZKG 16 (1896) 470−499; J. Ge´ ny, Die Reichsstadt Schlettstadt u.

ihr Antheil an d. socialpolit. u. religiösen Bewegungen d. Jahre 1490⫺1536, 1900, S. 30⫺32, 60⫺ 64, 69⫺74, 93⫺104 u. ö. (Reg.); Knepper, Wimpfeling, S. 252⫺267 u. ö. (Reg.); W. von Zur Westen, J. Sp. aus Schlettstadt u. seine Exlibris, Exlibris. Buchkunst u. angewandte Graphik 17 (1907) 8⫺11; H. Kaiser, Aus d. letzten Jahren d. Beatus Rhenanus, ZGO 70 (1916) 30⫺52; A. Semler, Die Bibl. d. Humanisten J. Sp., ZGO 71 (1917) 85⫺ 97; L. Santifaller, Die Preces primariae Maximilians I., in: Fs. z. Feier d. zweihundertjährigen Bestands d. Haus-, Hof- u. Staatsarchivs, Bd. 1, 1949, S. 578⫺661; F. Geldner, Hsl.e Einträge in Drukken d. 15. u. 16. Jh.s, Archiv f. Gesch. d. Buchwesens 10 (1969) Sp. 309⫺318, hier Sp. 311⫺314 [Briefgedicht an Jak. Villinger, 1510]; Th. Burger, J. Sp., Ein humanist. Jurist d. 16. Jh.s, Diss. Freiburg i. Br. 1973; K. H. Burmeister, Die Bibl. d. J. Sp., in: F. Krafft / D. Wuttke (Hgg.), Das Verhältnis d. Humanisten z. Buch, 1977, S. 163⫺183; P. Sch‰ffer, Zur Menschlichkeit d. Humanisten: Das Buch ‘De Immanitate’ Joviano Pontanos mit d. Scholien J. Sp.s, Annuaire des amis de la Bibl. humaniste de Se´lestat 28 (1978) 17⫺24; St. Rowan / G. Scholz Williams, J. Sp. on Gianfrancesco Pico and Reuchlin, BHR 44 (1982) 291⫺305; Bonorand I, S. 207 f.; M¸ller, Gedechtnus, Reg.; St. F¸ssel, Riccardus Bartholinus Perusinus. Humanistische Panegyrik am Hofe Ks. Maximilians I., 1987 (Reg.); M. U. Chrisman, in: CoE, Bd. 3, 1987, S. 270⫺272; H. Wiesflecker, Neue Beiträge zu Ks. Maximilians I. Plänen eines Königreiches “Österreich”, in: H. Ebner u. a. (Hgg.), Forschungen z. Landes- u. Kirchengesch. Fs. H. J. MezlerAndelberg, 1988, S. 529⫺542; P. Sch‰ffer, J. Sp.: Reflections and Shadows, Daphnis 19 (1990) 363⫺ 377; A. Scherlen, topographie du vieux Colmar, 1996, S. 209, 217, 468; F. Heim, La sodalite´ de Se´lestat est la lecture de Prudence: Cathemerinon IX explique´ par Jak. Spiegel (1483/1484 apre`s juin 1547), in: J. Hirstein (Hg.), Beatus Rhenanus (1485⫺1547). Lecteur et e´diteur des textes anciens, 2000, S. 173⫺194; H. Meyer, in: Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, Lfg. 35, 2000, S. 3690 f.; A. Schirrmeister, Triumph d. Dichters. Gekrönte Intellektuelle im 16. Jh., 2003 (Reg.).

Karl Heinz Burmeister

Spießheimer J Cuspinianus Stabius (Stöberer), Johannes I . L eb en . St. wurde nach 1460 in Hueb bei Steyr (Oberösterr.) geboren. 1482 immatriku-

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Stabius, Johannes

lierte er sich an der Univ. Ingolstadt, erwarb hier das artistische Bakkalaureat, nicht jedoch das Magisterium. Bereits in Ingolstadt, wo er als Nachfolger Johannes J Engels 1498 eine besoldete mathematische Fachprofessur erhielt, schloß sich St. eng mit Konrad J Celtis zusammen, dem er 1502 nach Wien folgte. Zweifellos war es Celtis, der St. für das vertiefte Studium der naturwissenschaftlichen humanistischen Fächer gewann und offenbar auch dessen Interesse für Poesie weckte. Noch im selben Jahr wurde St. für eine von zwei mathematischen Lehrstellen, die sowohl für die Wiener Universität als auch für das von Maximilian 1501 gestiftete und von Celtis 1502 eröffnete Wiener Collegium poetarum (et mathematicorum) eingerichtet wurden, vorgesehen ⫺ die zweite Stelle erhielt Andreas J Stiborius. St. wurde im Winter 1502/03 im Collegium von J Cuspinianus zum Poeta laureatus gekrönt. Unstimmigkeiten mit Stiborius, aber auch ein Konflikt, der dadurch heraufbeschworen wurde, daß ursprünglich nicht St., sondern Stephan J Rosinus, gleichfalls ein Schüler des Celtis, die zweite Mathematikerstelle am Collegium wie an der Universität zugesprochen worden war, wurden durch St.’ Abgang in den Dienst Kg. Maximilians I. gelöst. Es ist aber ungewiß, ob St. auch an der Wiener Universität tatsächlich unterrichtet hat. Als Hofhistoriograph ⫺ konkret nachweisbar erst durch eine Arbeit im Jahre 1509 ⫺ hatte sich St. damals vornehmlich mit der Genealogie des Hauses Österreich und literarischen Texten des Herrschers (‘Theuerdank’) zu befassen. In dieser Zeit, insbesondere nach 1510, nahm er auch Kontakte mit Nürnberger Humanisten auf, wobei sich St. neben seinen hofhistoriographischen Tätigkeiten auch wieder mathematisch-astronomischen Arbeiten zuwandte. Gemeinsam mit Albrecht Dürer und Konrad Heinfogel brachte St. eine Erdkarte in stereographisch-perspektivischer Projektion sowie Karten des nördlichen und südlichen Sternhimmels als Holzschnitte heraus. In Nürnberg hatte er bereits gegen Ende seiner Ingolstädter Zeit auf Anregung Johannes J Werners auch

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die mathematisch-astronomische Einrichtung der heute noch erhaltenen, vom Astronomen und Geographen Siegmund Günther (1848⫺1923) im 19. Jh. restaurierten Sonnenuhr auf der Südseite des Ostchores von St. Lorenz geschaffen. Seine letzten Lebensjahre waren ausgefüllt mit Arbeiten im Dienste des Herrschers. Er schuf u. a. den historisch-genealogischen Teil des ‘Triumphzuges’ Maximilians. In den Jahren von 1517 bis 1519, in welchen er hauptsächlich in Nürnberg weilte, war St. als Hofhistoriograph vor allem durch die aufwendigen Recherchen und redaktionellen Arbeiten an der ‘Ehrenpforte’, für die er den Begleittext schrieb, voll ausgelastet. St., der die Priesterweihe empfangen und um 1500 die Pfarre Karlstetten (Niederösterr.) innehatte, wurde von Maximilian im Jahre 1515 in den Ritterstand erhoben. Nach dem Tode des Kaisers (1519) bezog er in Augsburg Quartier und verwaltete vorübergehend den literarischen und xylographischen Nachlaß Maximilians, bevor er in den Dienst Erzhzg. Ferdinands übernommen wurde. 1521 wurde ihm das Domdekanat von St. Stefan in Wien übertragen, Ende dieses Jahres hielt er sich beim Erzherzog in Graz auf. St. starb in Graz am 1. Jan. 1522 an den Folgen eines Schlaganfalls. I I. We rk . St.’ bedeutendste wissenschaftliche Leistung liegt im Bereich der mathematischen Geographie. Mit der sogenannten StabiusWerner-Projektion wird er als ein Wegbereiter der modernen kartographischen Projektionslehre angesehen. Es handelt sich bei dieser Projektion um eine Abbildung des Gradnetzes der Erdkugel in der Ebene, nach moderner Bestimmung um eine abweitungs- und flächentreue Azimutalabbildung, auf die der Name Gradnetzentwurf und nicht der Begriff Projektion zutrifft. Johannes Werner hat diesen Entwurf unter Hinweis auf St. als Urheber erstmals 1514 veröffentlicht. Nach demselben Konstruktionsprinzip hatte vor St. bereits der Venezianer Bernardo da Sylva (Bernardus Sylvanus) in ei-

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Stabius, Johannes

ner Ptolemaeus-Ausgabe von 1511 eine Weltkarte veröffentlicht. St. soll diese Art des Gradnetzentwurfes aber schon im Jahre 1502 vorgeschlagen haben. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß schon im 15. Jh. ⫺ ein Hinweis darauf findet sich bei Georg von D Peuerbach ⫺ die herzförmige Gradnetzabbildung bekannt war. A . Kar to gr ap hi sc he Ar be it en . 1. Stabius-Werner-Projektion. Mit dieser Art des Gradnetzentwurfes werden jene markanten herzförmigen Weltkarten hergestellt, die vornehmlich in der 1. Hälfte des 16. Jh.s aufkamen und in Europa viel rezipiert wurden. Als einer der ersten verwendete Peter Apian diesen Gradnetzentwurf für seine Weltkarte von 1520. Es folgten die Karten von Orontius Finaeus (1531), Gerhard Mercator (1538) und Kaspar Vopelius (um 1540). Die durch die Herzspitze des Gradnetzentwurfes bedingte radikale Verzerrung der Länder der südlichen Erdhemisphäre ließ die StabiusWerner-Projektion gegen die Zylinderprojektion Mercators ins Hintertreffen geraten. In der 2. Hälfte des 16. Jh.s wurde sie nicht mehr angewandt. Erstdruck. Libellus de quatuor terrarum orbis in plano figurationibus [mit der St.-Werner-Projektion], in: [...] Noua translatio primi libri geographiae Cl. Ptolomaei: [...] Ioanne Vernero Nurembergensi interprete. [...]. Nürnberg: [Joh. Stuchs], 1514. VD 16, P 5208.

2. Weltkarte von 1515. Der Druckstock dieser Imago mundi befand sich offensichtlich im Nachlaß St.’ und wurde 1847 von dem Geographen Carl Ritter (1779⫺1859) in der Wiener Hofbibl. wiederaufgefunden. Ritter ließ in einer zweiten Edition neue Abzüge machen. Der Anteil Albrecht Dürers an dieser Weltkarte ist auf die Abbildung der Wappen von Kardinal Matthäus Lang und St., Umrahmungen von Widmung und Druckprivileg sowie die Windblaserköpfe beschränkt (bei Panofsky nicht erwähnt). Die Weltkarte ist in orthogonaler Projektion dargestellt, wobei anzunehmen ist, daß S. diese nicht wissenschaftlich entwi-

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ckelt sondern von einem Erdglobus (etwa dem Behaim-Globus von 1492) abgeschaut hat. Die Karte ist hinsichtlich der Ausrichtung auf den Nullmeridian durch Teneriffa längenmäßig noch sehr ungenau ⫺ Gibraltar etwa liegt westlich des Nullmeridians ⫺ und längenüberdimensioniert. So zeigt der durch das Kaspische Meer verlaufende Hauptmeridian 90 Grad ö. L. gegenüber dem Meridian von Greenwich bereits eine Längendifferenz von ⫹ 30 Grad. Grundlage der Weltkarte ist die Ptolemaeus- Karte, doch hat St. seiner Vorlage (Behaim-Globus?) wahrscheinlich einige Erweiterungen, vor allem im Norden Europas und im Eismeer, entnommen und dargestellt. Ausgaben. Bartsch, Taf. XII; ND durch C. Ritter: Wien 1847.

3. Himmelskarten von 1515. Der Anteil St.’ an dieser Arbeit, die er gemeinsam mit Konrad Heinfogel und Albrecht Dürer edierte, ist durch den Eindruck Stabius ordinavit (Gradnetzeinrichtung) auf der rechten Hälfte der südlichen Hemisphäre gesichert. St. hat im Falle dieser Himmelskarten als erster die stereographische Projektion mit dem Pol der Ekliptik als Mittelpunkt angewandt. Heinfogel hat die Positionen der Sterne fixiert, Dürer die Sternbilder gezeichnet. Erstdrucke. Ohne Titel. Widmung: Matheo S. Angeli Diacono Cardinali […]. [Nürnberg] 1515.⫺ Imagines coeli Septentrionales cum duodecim imaginibus zodiaci. | [...]. [Nürnberg] 1515. ⫺ Imagines coeli meridionales. | [...]. [Nürnberg] 1515. Faksimilia: T. Seifert, Dokumente z. Gesch. d. Kartographie, 1973, Nr. 6⫺8.

4. Karte der österreichischen Erbländer. Cuspinianus schreibt im Epilogus ad lectorem seines Werkes ‘Austria’: [...] superest ut nunc omnes fluvios, montes, oppida, castra et villas pro complemento subiiciamus, quae omnia sua peregrinatione Joannes Stabius oculis lustravit et iussu Maximiliani Caesaris descripsit, Georgius Collimitius auxit et in pulchram tabulam redegit, quam nunc subiungam [...] (in: ‘De consulibus Romanorum commentarii’, Basel 1553 [VD 16, C 6486], S. 667). St. hat diese Karte inhaltlich beschrieben und

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Stabius, Johannes

wohl auch die geographischen Koordinaten der Orte, Berge und Flussläufe festgelegt; J Tannstetter hat die Karte dann teilweise ergänzt und gezeichnet. Obwohl Cuspinian davon spricht, daß er die Karte seiner ‘Austria’ anfüge, fehlte sie schon in der posthumen Editio princeps von 1553. Die originale Manuskriptkarte ist in Verlust geraten; vermutlich wurde sie nie gedruckt. B. Astronomisch-astrologische Arbeiten. 1. Iudicia. Iudicia sind, gelegentlich poetisch-metrisch gehaltene, astronomisch-astrologische Abhandlungen in Kalenderform (Almanach) für ein bestimmtes, in der Regel das kommende Jahr oder die zwei nachfolgenden Jahre. Das gegenständliche ‘Iudicium Ingolstadiense’ hat St. nach dem Weggang von Johannes Engel übernommen und für das Jahr 1485 erstellt. Drucke. Iudicium Ingolstadiense Ioannis Stabij philo|sophi ac mathematici [...]. [Bamberg: Joh. Sensenschmidt, 1484]. Hain 14973; GW-Ms. 43220. Empfehlungsgedicht des Dietrich J Ulsenius pro nouo Astrologo ([b4]r). ⫺ Practica Teutsch von Ingoldstadt [...] auff Tausent funffhundert und ain Jar. [Ulm: Joh. Zainer(?), 1500]. Cop. 5606. ⫺ Divo Maximiliano Cesari Sem/|per Augusto dedicatum. | Pronosticon […] ad annos Domini M:D:iii: & iiii. Nürnberg: Joh. Weißenburger, [1502]. VD 16, ZV 23196; auch als Einblattdruck (München, BSB, 4° Einbl. IV,7 u. IV,7a).

2. Gnomonik. Wien, ÖNB, Cod. 5280: Hsl., zum Großteil autographe, Abhandlungen und Beiträge hauptsächlich zur Sonnenuhrenkunde und Zeitrechnung als Vorarbeiten für die Horoskopholzschnitte und Gradnetzentwürfe mit Orientierung auf die Nürnberger geographische Breite. Dieser Codex kann im großen und ganzen als ein Kompendium der Gnomonik angesehen werden, in welchem das Wissen des beginnenden 16. Jahrhunderts über Sonnenuhrenkunde zusammengefaßt ist. 3. Horoskopholzschnitte von 1512. Die Horoskopholzschnitte dienten in erster Linie astrologischen Zwecken für die Berechnung von Nativitäten. Mit Hilfe

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dieser Holzschnitte konnte man die sehr verschieden gezählten Zeiteinheiten des Tages in die astronomische, für die Astrologie wichtige Stundenzählweise (z. B. Sternzeit) umwandeln. a) Horoscopion universale pro multiplici diversarum gentium ritu diei noctisve horas et momenta distinguens [Universalhoroskop nach vielfältiger Art verschiedener Völker zur Bestimmung der Stunden und Zeitabschnitte bei Tag und Nacht]. Nürnberg: Hier. Höltzel, 1512. Widmung an Ks. Maximilian I. (31. Mai 1512). ND: Bartsch, 1781, Taf. X. Vgl. Hayton, S. 74-77. b) Horoscopion omni generaliter congruens climati I. [Horoskop I, mit jeder geographischen Breite allgemein übereinstimmend]. Nürnberg: Hier. Höltzel, 30. Juli 1512. ND: Bartsch, 1781, Taf. IX. Vgl. Hayton, S. 84 f. c) Horoscopion omni generaliter congruens climati II. Nürnberg: Hier. Höltzel, 1512. Widmung an Jakob de Bannissis, Domdechanten von Trient, Sekretär und späteren Kanzler Maximilians (8. Aug. 1512). ND: Bartsch, 1781, Taf. VIII. Vgl. Hayton, S. 86 f.

C . G en ea lo gi sc he Ar be it en . 1. ‘Scriptum […] super conclusionibus genealogiae illustrissimi domus Austriae’. Verfaßt 1515/1516. St. reiste dazumal in Sachen unser genealogei im Auftrag des Kaisers nach Würzburg, um den Nachlaß des Johannes J Trithemius, Abtes von St. Jakob in Würzburg, zu sichten. In diesem Zusammenhang ist das ‘Scriptum’ entstanden. Überlieferung. Wien, ÖNB, Cod. 3327. Autograph.

2. ‘Excerpta ex libris Chronicis abbatis Spanhamiensis cum Glosa Stabii’. Verfaßt 1517. Gegen Trithemius, der eine fiktive Frankenchronik in die Diskussion gebracht hatte, ist St. äußerst scharf, je geradezu böswillig vorgegangen. Er hatte in Trithemius’ Nachlaß vergeblich nach dieser Frankenchronik, die für den habsburgischen Stammbaum als sehr bedeutend hingestellt wurde, gesucht. Überlieferung. Wien, ÖNB, Cod. 9045*. Mit Ausnahme des Titels kein Autograph.

3. ‘Ehrenpforte’. St. hat das literarische und genealogische Programm für diesen Riesenholz-

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Stabius, Johannes

schnitt (ca. 350 ⫻ 290 cm) auf 198 Stökken erstellt und die dt. Texte und Erklärungen geschrieben, wobei er die Absicht geäußert hatte, den Text nachträglich auf einen größeren Umfang zu bringen. Die künstlerische Ausführung geht auf Jörg Kölderer, die Umsetzung durch Holzschnitt auf Dürer und dessen Werkstätte zurück. Die Abfassung des Kommentars, der sog. Clavis, ist, wie St. feststellt, oftmals durchkreuzt von Seiner Majestät Sinn worden (bei Panofsky, S. 235). St.’ dt. Kommentar ist von Benedictus J Chelidonius ins Lateinische gebracht worden. Auch Willibald J Pirckheimer hat textliche Anteile in Form von lat. Anmerkungen für einige Entwürfe. Drucke. Dem Allerdurchleuchtigesten grosmechtigesten | Fursten vnd Herren herren Maximilian erwelten | Romischen Kaiser [...] | [...] ist diese porten der eeren [...] | [...] auffgericht | [...] | [...] 1515 | [...]. [Nürnberg: Hier. Andreae, 1517/18]. Ein ND: [Wien 1526⫺28]; 2. Aufl.: Wien: Raph. Hofhalter, 1559; 3. Abdruck nach d. 2. Aufl., hg. v. A. v. Bartsch, Wien 1799. St.’ dt. Text wurde dreimal in Separatausgaben der Historiendarstellungen (zweimal [Nürnberg, um 1520] sowie [Wien 1559]) gedruckt. Vgl. zusammenfassend Schauerte, S. 455⫺466 (mit Hinweis auf weitere Reproduktionen). Ausgaben. H. Glax, Über d. vier Ausg.n d. geschichtl. Vorstellungen d. Ehrenpforte d. Ks.s Maximilians I. v. Albr. Dürer. Ein Beitr. z. Kunstgesch. d. XVI. Jh.s, in: QF z. vaterländ. Gesch. Lit. u. Kunst, Wien 1849, S. 259⫺282, hier S. 279⫺282 (Text zu d. Historiendarstellungen); die Clavis bei Schauerte, S. 399⫺406, die Tituli im Katalogteil ebd., S. 207⫺284.

D . G ed ic ht e. St. hat, abgesehen von seinen im einzelnen nicht eindeutig zuordenbaren literarischen Arbeiten im Dienste Maximilians (hier sind die Anteile anderer Autoren wie Konrad J Peutinger, Jacob D Mennel, Marx D Treitzsaurwein, Siegmund von Dietrichstein, Melchior D Pfintzing u. a. zu berücksichtigen) keine wesentlichen und überdauernden dichterischen Leistungen erbracht. Bei seinen Gedichten, zumeist lat. hexametrischen, handelt es sich um Panegyrik und Dedikationen, die nicht einmal historischen Quellenwert besitzen.

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Verzeichnis der Gedichte bei Grˆssing, 1964, S. 61⫺65. Literatur. Allgemein: H. Grˆssing, J. St. Ein Beitr. z. Kulturgesch. d. Zeit Ks. Maximilians I., Diss. (masch.) Wien 1964; ders., J. St. Ein Oberösterreicher im Kreis d. Humanisten um K. Maximilian I., Mitt. d. Oberösterreich. Landesarchivs, 9 (1968) S. 239⫺264; E. Panofsky, Das Leben u. d. Kunst A. Dürers, 1977, S. 234⫺238, 256 f.; Bonorand I, S. 209 f.; M¸ller, Gedechtnus, Reg.; Grˆssing, Naturwiss., S. 170⫺174; ders., Archiv d. Gesch. d. Naturwiss. 8/9 (1983) 453⫺455; H. Kaiser / W. Nˆbauer, Gesch. d. Mathematik für d. Schulunterricht, 1984, S. 34; Schˆner, Ingolstadt, S. 199, 201, 207, 272⫺286 u. ö. (Reg.); F. Graf-Stuhlhofer, Humanismus zwischen Hof u. Univ. G. Tannstetter (Collimitius) u. sein wissenschaftl. Unfeld im Wien d. frühen 16. Jh.s, 1996, S. 60, 152⫺154; A. B‰umer, J. Werners Abhandlung ‘Über d. Bewegung d. achten Sphäre’ (De motu octavae sphaerae, Nürnberg 1522), Wolf.Ren.Mitt. 12 (1988) 49⫺61; C. Schˆner, in: Biogr. Lex. LMU, S. 406 f.; M. Diefenbacher / R. Endres (Hgg.), Stadtlex. Nürnberg, 22000, S. 1016. Zu II.A.: C. Ritter, Ueber St.’ Weltkarte, Monatsber. d. Ges. f. Erdkunde in Berlin N.F. 5 (1848) 230; M. Thausing, Dürer. Gesch. seines Lebens u. seiner Kunst, 2 Bde., 1878⫺1884, S. 123; W. Wolkenhauer, Leitfaden z. Gesch. d. Kartographie in tabellar. Darstellung, 1895, S. 23; H. AnkwiczKleehoven, Der Wiener Humanist J. Cuspinian, 1959, Reg.; V. Heissler / G. Hake, Kartographie, 1970; G. Hamann, A. Dürers Erd- u. Himmelskarten, in: A. Dürers Umwelt. Fs. z. 500. Geb. [...], 1971, S. 152⫺177; ders., Die St.-Dürer-Karte v. 1515, Kartograph. Nachrichten 21 (1971), H. 6, S. 121⫺223; G. Hamann, Der Behaim-Globus als Vorbild d. St.-Dürer-Karte v. 1515, Der Globusfreund 25/27 (1977/79) 135⫺147; I. Kretschmer / J. Dˆrflinger / F. Wawrik, Lexikon z. Gesch. d. Kartographie v. d. Anfängen bis z. Ersten Weltkrieg, Bd. C/2, 1986, S. 765 f.; K. Rˆttel, Weltkarten u. astronomische Instrumente des Humanisten J. St., Globulus 8 (2000) 68⫺81; ders., J. St., Humanist u. Kartograph, in: R. Gebhardt (Hg.), Verfasser u. Hg. mathematischer Texte d. frühen Neuzeit, 2002, S. 289⫺298. Zu II.B.: Zinner, Astronom. Lit., Reg.; D. Hayton, Astrologers and Astrology in Vienna during the era of emperor Maximilian I (1493⫺1519), Diss. Notre Dame/Ind. 2004, S. 72⫺90. Zu II.C.: A. v. Bartsch, Slg. verschiedener alter Holzschnitte grösstentheils nach A. Düreres Zeichnungen, wovon sich d. Originalplatten auf d. k. k. Hofbibl. befinden, Wien 1781; ders., Le Peintre Graveur, Septie`me Vol., Wien 1808, S. 149⫺154,

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Stamler, Johannes

161 f.; S. Laschitzer, Die Genealogie Ks. Maximilians I., Jb. d. kunsthist. Slg.en d. allerhöchsten Kaiserhauses 7 (1888) 1⫺200, bes. S. 21, 25; E. Weiss, A. Dürers geograph., astronom. u. astrolog. Tafeln, ebd., S. 209; St. F¸ssel, Ks. Maximilian u. d. Medien seiner Zeit. Der Theuerdank v. 1517. Eine kulturhist. Einführung, S. 17 f. Beiheft zu: Ks. Maximilian I., Die Abenteuer d. Ritters Theuerdank. Kolorierter ND v. 1517, 2003, S. 17 f.; Th. U. Schauerte, Die Ehrenpforte für Ks. Maximilian I. Dürer u. Altdorfer im Dienste d. Herrschers, 2001, S. 26 f., 95⫺104, 114 u. ö. (Reg.);

Hellmuth Grˆssing

Stamler (Stammeler), Johannes I . L eb en . Die in der Literatur (u. a. bei Stammler, Burger, Rupprich) ohne Nachweis umlaufende Angabe, St. sei Sohn einer Ulmer Patrizierfamilie gewesen, ist irrig. Er bezeichnet sich selber mehrfach als Augsburger (Augustensis); daß er nicht patrizischer Herkunft war, ist zureichend durch seine Kölner und Tübinger Immatrikulation als pauper belegt. Zur Verwirrung über seine Person trug zuerst Johann Eck bei, der ihn in ‘Ains Juden Büchlins Verlegung […]’ (Ingolstadt: Alex. Weissenhorn, 1541. VD 16, E 383. Bl. ijv) als Doctor Johans Stamler Thumherr zu˚ Brixen zitiert, ihn dabei offenbar mit dem Brixner Domherrn Dr. iur. utr. Georg Stamler verwechselt; einen Johann St. kennen die Akten des Brixner Domkapitels nicht (vgl. K. Wolfsgruber, Das Brixner Domkapitel in seiner persönlichen Zusammensetzung in der Neuzeit. 1500⫺1803 [Schlern-Schriften 80], 1951, S. 210, Nr. 185: Georg Stamler). Ob er, wie Zoepfl vermutet, ein Sohn der Augsburger Kaufmannsfamilie Stamler (vgl. Augsburger Stadtlexikon, 21998, S. 843 f.) war, steht dahin. Vor allem aber ist er nicht, wie Nugent (S. 997) annimmt, identisch mit dem weit jüngeren Johann Stamler, von dem ein an Joachim Camerarius d. J. (1534⫺ 1598) gerichtetes Gedicht bekannt ist (München, Clm 10365, n. 201).

St.s Biographie ist nur in wenigen Daten greifbar. Am 19. Nov. 1487 immatrikulierte er sich in Ingolstadt für das Studium der Artes (Iohannes Stamler de Augusta). Im SS 1491 ist er in Wien eingeschrieben, im WS 1491/92 in Köln; hier liest er bereits als prof. artis humanitatis (Matr. Köln, Bd. 2, S. 302). Zum SS 1492 ging er an die Univ. Tübingen. Jakob J Locher charakterisierte ihn, den er als besten Freund bezeichnet, 1507 als einen zweiten Odysseus,

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als weitgereisten Wanderer, der vieler Völker Lebensweise gesehen. Damit könnte er mehr als nur St.s Wechsel von einer Universität zur andern gemeint haben. Konkretes jedoch über ein ausgedehntes Wanderleben St.s erfährt man nicht. Schon 1493 war er als Pfarrer in Dasing b. Augsburg tätig. 1504 übernahm er die Pfarrei Kissing b. Augsburg, hatte aber gleichzeitig die von Laimering inne, in der er sich durch einen Vikar vertreten ließ (Zoepfl). Auch 1506 zeichnet er (brieflich, an Locher, s. II.A.) als Pfarrer in Kissing. St. war Schüler Lochers, wie er dankbar betont. Er könnte dies 1492/93 in Tübingen gewesen sein, vielleicht aber erst während Lochers Tätigkeit seit 1498 in Ingolstadt. 1507 erwartete Locher, er könne von St. Mitteilungen über die neuen überseeischen Entdeckungen erhalten, da er informierte Männer in seiner Nähe wußte, erhielt von ihm stattdessen aber (wohl Augsburger) Drucke des D Columbus- und der D Vespucci-Briefe (s. II.A.). Nach dem Widmungsbrief des ‘Dialogus’ an Matthäus Lang (20. Aug. 1507) will er damals noch ein iuuenis gewesen sein; doch zählte er mindestens bereits 35 Jahre. Spätere zutreffende Lebenszeugnisse liegen für St. nicht vor. I I. We rk . Aus St.s Feder sind einzig zwei jeweils als Dialogus betitelte Stücke erhalten. Ihre Besonderheit ist die Beimischung ‘komischer’ Elemente im Gefolge der Komödien des D Terenz: sprachliche Färbung durch Interjektionen wie ach, ech, echodum, hui, Wortformen wie faxit, dixti, siem, commorarier, Floskeln wie probe, cedo, (h)orsus, minime gentium, rasche alltagssprachliche Wortwechsel, Einfügung einer burlesken Figur. Der kürzere ‘Dialogus in religionis et iuris detractores’ ließ der Terenzrezeption weiteren Spielraum als der ‘Dialogus de diversarum gentium sectis et religionibus’. Die beiden Dialogi sind nicht nur thematisch benachbart, es tauchen in ihnen einige Male auch dieselben Zitate aus Cicero und Ovid auf, und einen Gelehrten namens Calimachus, führenden Unterred-

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Stamler, Johannes

ner hier, trifft man dort am Hof des Tatarenkönigs an. Während der ‘Dialogus de … religionibus’ durch seinen Druck, die Widmung und begleitende Briefe datiert ist, gibt die Hs. des ‘Dialogus in religionis et iuris detractores’ keinerlei Auskünfte über den Zeitpunkt seiner Entstehung. Klare Indizien, welcher der beiden der ältere ist, fehlen. 1 . ‘ Di al og us de di ve rs ar um ge nt iu m s ec ti s e t r el ig io ni bu s’ . Dieser Dialogus ist ein unter sechs Personen geführtes Religionsgespräch, in dem der Muslim gewordene Arnestes für den christlichen Glauben wiedergewonnen und zugleich der Jude Samuel zur christlichen Konversion gebracht wird. Er gliedert sich in 13 Gesprächsszenen ⫺ von St. jeweils drama genannt ⫺ mit wechselnden Personengruppen. Teilnehmer sind Arnestes und sein Ziehvater Rudolphus, dessen Bruder Oliverius, der als überlegener Theologe das Gespräch zunehmend dominiert, der Arzt Tryphon, der historisch bewanderte Balbus und der vom 6. drama an hinzugezogene Jude Samuel. Das Gespräch nimmt seinen Ausgang von der Rückkehr des lange Jahre verschollen geglaubten Arnestes. Arnestes wurde einst von Räubern entführt und an einen wohlhabenden Handelsherrn verkauft. Dieser gab ihn nach einjährigem Dienst frei und vermittelte ihn an den Tatarenkönig, an dessen Hof der hochtalentierte Arnestes als Nachfolger des gelehrten Genuesers Calimachus in eine privilegierte Stellung aufstieg, nach zwei Jahren aber, da ihm die unkultivierte und kriegslüsterne Lebensweise der Tataren widerstand, an den Hof des türkischen Fürsten Calapinus wechselte. Hier tat er fünf Jahre Dienste und nahm die Religion des Gastlandes an. So kehrt er nach gut achtjähriger Abwesenheit als Muslim in seine Heimat zurück.

Der Heimkehrer wird von Rudolphus herzlich empfangen (drama 1). Bei dem zum Abend vereinbarten Essen, an dem auch Tryphon und Oliverius teilnehmen, bleibt nicht verborgen, daß Arnestes kein Christ mehr ist. Während Rudolphus den Ziehsohn nun empört von sich weist, möchte der freundlich besonnene Oliverius ihn zur Rede kommen lassen und von sei-

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nen Erlebnissen und Erfahrungen hören (2). Dazu hat Arnestus am folgenden Tag ausgiebig Gelegenheit. Die große, ethnographisch kenntnisreiche Schilderung seines Aufenthalts bei den Tataren (3) macht starken Eindruck; Balbus und Tryphon fürchten, man könnte Arnestes beim Disput über die Religionen nicht gewachsen sein (4). Nachdem Arnestes am folgenden Tag den Bericht über seinen Aufenthalt bei den Tataren und dann bei den Türken und Sarazenen, deren iusticiam, polliciam et bonitatem er mit höchstem Lob bedenkt (Bl. IX v), fortgesetzt und abgeschlossen hat (5), beginnt mit dem 6. drama das eigentliche Streitgespräch über die Religionen, über Islam, Christentum und Judentum; es zieht sich hin bis zum 9. drama, an dessen Ende Samuel, nach dem massiven Redefluß des Oliverius einsichtig geworden, sich zum Christentum bekennt und auch Arnestes’ islamische Überzeugungen gebrochen sind. Das 11. drama ist nur noch eine von Balbus besorgte ergänzende Erledigung der antiken “griechischen” Götterwelt. Das Streitgespräch ist in seinen zentralen Stükken, den dramata 6 und 9, erwartungsgemäß apologetisch angelegt. Arnestes kommt nur anfangs länger zu Wort, wird dann aber von den Vorstellungen seiner Kontrahenten gänzlich überschüttet; nicht anders Samuel, auf dessen Hilfe Arnestes setzte. Der Islam und das Christus verkennende Judentum werden als Religionen absurder Irrtümer und verwerflicher Praktiken denunziert, Mohammed, den Arnestes für einen ehrwürdigen Propheten gehalten hatte, als Verbrecherexistenz geschmäht. Hauptargumente gegen die Juden sind ihre angeblichen Fehldeutungen der Prophetien des AT, ihre anthropomorphe Gottesvorstellung, ihr als Strafe Gottes verstandenes Schicksal seit der Zerstörung Jerusalems durch Titus.

Die großen Schlußpartien (12, 14) sind nur noch äußerlich dialogischer Art: Oliverius hat das Wort zur Darlegung christlicher Lehre. Zunächst aber versichert er Arnestes, den reuigen verlorenen Sohn, und Samuel Gottes verzeihender Barmherzigkeit und nimmt sie förmlich in die christliche Gemeinschaft auf, erklärt seinen Hörern sodann das Geheimnis der Trinität und die Christologie. Dabei flicht er ein verbreitetes Eucharistie-Gedicht (inc.