Die Darstellung des Teufels in der christlichen Kunst [Reprint 2021 ed.] 9783112405529, 9783112405512

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Die Darstellung des Teufels in der christlichen Kunst [Reprint 2021 ed.]
 9783112405529, 9783112405512

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KUNSTWISSENSCHAFTLICHE STUDIEN B A N D VIII

O S W A L D A. E R I C H

DIE DARSTELLUNG DES TEUFELS IN D E R

CHRISTLICHEN KUNST

DEUTSCHER

KUNSTVERLAG

B E R L I N W8 / 1931

INHALT VORWORT

7

E I N L E I T U N G . I k o n o g r a p h i s c h e S o n d e r s t e l l u n g des T e u f e l s

.

9

1. Anastasia — Besiegter F e i n d , zorniger S a t a n 2. D a s Weltgericht — der Menschenfresser, S a t a n m i t dem Sünder auf d e m Schoß

13

I. T E I L . I N H A L T L I C H B E D I N G T E

.

TYPEN

3. D i e drei V e r s u c h u n g e n Christi — der schöne J ü n g l i n g , der B e t t l e r , der falsche Mönch 4. Luzifers Fall a m A n f a n g u n d Satans Sturz am E n d e der Dinge . 5. T e u f e l s a u s t r e i b u n g — der Eidolon-Typus 6. Die Versuchung des heiligen Antonius — Der phantastische T y p u s , das schöne Weib 7. D a r s t e l l u n g e n des biblischen Teufels, die zu keinem T y p u s g e f ü h r t haben II. T E I L : Z E I T L I C H B E D I N G T E

5. Der H ö l l e n s t a a t — Beelzebub, Luzifer, Satanas, u n d B e w a f f n u n g — Die Hölle 6. Die F a r b e n des Teufels

ANMERKUNGEN

35 40 43 50 53

TYPEN

1. Der karolingisch-ottonische Teufel — F l a m m e n h a a r u n d Büschelschoß 2. Der Teufel seit dem 12. J a h r h u n d e r t — Tiergestalt, S a t y r t y p u s , H ö r n e r , Schweif u n d K l a u e n 3. Der italienische u n d französische Teufel des 14. u n d 15. J a h r h u n d e r t s -— De minutis bestiis 4. Der f r a t z e n h a f t - s c h r e c k e n d e u n d der komisch-häßliche Teufel des hohen Mittelalters — Gorgo u n d andere Masken, mehrfache Gesichter, Rüsselnase, Curiosa

SCHLUSS. R E S U L T A T E

25

UND AUSBLICKE

56 63 73

76

Rangordnung 83 88 91 95

D

VORWORT

I E ikonographischen Angaben über den Teufel, die sich in der Literatur finden, gehen, mit ganz seltenen Ausnahmen, von dem Gesamtthema der jeweiligen Darstellung aus, in welcher Satan nur eine Figur unter vielen ist und dementsprechend mit wenigen Worten abgetan wird.

Allerdings gibt es auch grundsätzliche ikonographische Abhandlungen über den Teufel (Blomberg 1867, Wesseley 1876), aber sie entstammen einer Zeit, wo die Kenntnis der illuminierten Handschriften und besonders der byzantinischen noch im argen lag, und konnten deshalb die Gesichtspunkte, die mir die wichtigsten scheinen, nicht gewinnen. Eine neuere Arbeit geht, bei anders gestelltem Thema, lediglich auf das Groteske und Phantastische aus. (W. Michel, 1911.) In größeren Werken über die christliche Kunst, wie in denen von F. X . Kraus und Emile Mâle, finden sich sehr wesentliche Angaben ikonographischer Art auch für den Teufel, doch kann bei dem ungeheuren Stoff derartiger Kunstgeschichten natürlich nur verhältnismäßig wenig für ein so spezielles Thema abfallen. Eine B i l d g e s c h i c h t e des T e u f e l s , die dem h e u t i g e n S t a n d e der W i s s e n s c h a f t e n t s p r e c h e n d deren E r g e b n i s s e a u s w e r t e t , g i b t es n i c h t . Ich konnte mich deshalb mit dem Zitieren der benutzten Arbeiten im Rahmen der Anmerkungen begnügen. An wertvollen Hinweisen auf das Vorbild der byzantinischen Kunst fehlt es nicht; doch ist mir keine Andeutung in der Literatur bekannt, welche die Gestalten der römischen Antike für das Bild Satans mit heranzieht. Dieser Einfluß muß aber bedeutend gewesen sein. Wenn auch der Osten stets aufs neue für den Westen maßgebende Muster liefert, so ist doch etwa seit dem 12. Jahrhundert die einheimische Kunstübung des Abendlandes so weit frei und selbständig geworden, daß sie sich nun auch erkühnt, in den reichen Bilderschatz der römischen Plastik zu greifen. So waren denn besonders für den zweiten Teil der vorliegenden Arbeit, in dem der Einfluß der klassischen Antike zum Ausdruck kommen soll, eigene Wege zu gehen, und die Benutzung der Literatur mußte sich noch mehr als im ersten Teile darauf beschränken, einzelnes über Wesen und Vorkommen der römisch-antiken Vorbilder zusammenzutragen. Auch das so gewonnene Material war unter dem neuen Gesichtspunkte zu betrachten, daß, nach Meinung der Kirche, alles Heidenwerk Teufelswerk sei. Die literarische Hauptquelle bildeten die Schriften der Kirchenväter selbst, die j a vieles über die unsauberen Geister, auch über ihr Aussehen enthalten. 7

Die ikonographischen Quellen k o n n t e n n u r die K u n s t w e r k e selbst sein. I c h h a b e es mir z u m G r u n d s a t z g e m a c h t , lediglich n a c h eigener Anschauu n g zu arbeiten. Literarisch gegebene Beschreibungen h a b e ich d a n n ben u t z t , w e n n n u r d u r c h sie wesentliche L ü c k e n ausgefüllt werden k o n n t e n . Bei der Uberfülle des Stoffes w a r a n eine a n n ä h e r n d e Vollständigkeit nicht zu d e n k e n . Doch hoffe ich, die wichtigsten G e s i c h t s p u n k t e aufgestellt u n d verfolgt zu h a b e n . Dabei bin ich mir wohl b e w u ß t , d a ß diese Bildgeschichte n a c h allen Seiten hin der weiteren A u s a r b e i t u n g b e d a r f , a m meisten wohl auf den Gebieten, die sich m i t der V o l k s k u n d e u n d speziell mit d e m volkstümlichliturgischen T h e a t e r b e r ü h r e n . H e r r n G e h e i m r a t Prof. D r . Ad. Goldschmidt, der die E n t s t e h u n g dieser Arbeit mit s t e t e m Anteil begleitet u n d ihre Vollendung m i t seiner reichen E r f a h r u n g gefördert h a t , a u c h an dieser Stelle meinen aufrichtigen u n d verehrungsvollen D a n k a b z u s t a t t e n , ist mir a n g e n e h m e Pflicht. E b e n s o bin ich H e r r n Prof. D r . F . N o a c k zu l e b h a f t e m D a n k e verpflichtet f ü r das f ö r d e r n d e Interesse, das er besonders d e m zweiten Teile meiner A r b e i t d u r c h m a n c h e n wichtigen Hinweis auf die Wurzeln mittelalterlicher Teufelsdarstellung in der klassischen A n t i k e angedeihen ließ. H e r r Dir. D r . Degering e r l a u b t e mir, die B e s t ä n d e u n d P h o t o a r c h i v e der P r e u ß . S t a a t s b i b l i o t h e k , H a n d s c h r i f t e n a b t e i l u n g , zu b e n u t z e n . I h m , sowie den H e r r e n Dr. Boeckler u n d D r . Wegener d a n k e ich wertvolle U n t e r s t ü t z u n g u n d B e r a t u n g bei der B e s c h a f f u n g des Materials, desgleichen H e r r n D r . B r u h n in der Lipperheideschen K o s t ü m b i b l i o t h e k . Die A b b i l d u n g e n h a b e ich in der Regel n a c h p h o t o g r a p h i s c h e n Wiedergaben, z u m Teil direkt n a c h d e n Originalhandschriften gepaust. P o t s d a m , W e i h n a c h t e n 1930.

8

O s w . A. E r i c h .

EINLEITUNG

B

SONOGRAPHISCHE SONDERSTELLUNG DES TEUFELS

IS zu derZeit des Humanismus gibt es bei den Völkern des Abendlandes nur eine Bildung: die christliche. Ihr Verwalter ist die Kirche; von dem Schatze ihres Wissens teilt sie den Laien mit. Für die Masse des Volkes ist das Bild da, es soll möglichst einfach, eindringlich und leicht verständlich das vermitteln, was man dem Laien zu mahnender und belehrender Anschauung bringen will, sooft er das Gotteshaus betritt 1 . Bisweilen sind es Dinge, die in der Literatur der Kirchenväter schon alter Besitz sind, die man aber nicht eher hinauszustellen für richtig befand. So erklärt es sich, daß Typen, die literarisch schon längst gegeben sind, oft erst um Jahrhunderte später in der bildenden Kunst auftreten 2 . Dabei spielt dann naturgemäß die Persönlichkeit des ausführenden Künstlers eine außerordentlich bescheidene Rolle. Das Konzil von Nicäa verkündet 787 ausdrücklich, die Komposition der Bilder sei nicht Sache künstlerischer Erfindung, sondern „erprobtes Gesetz und Herkommen der katholischen Kirche". Dem Künstler gehöre „allein die Kunst" 3 . Wo Erfindung und Ausführung eines Bildes nicht in einer Hand liegen, da kann sich schwer ein Wille zu eigener Gestaltung regen. So erklärt sich die Festigkeit und Ehrwürdigkeit der ikonographischen Tradition in der christlichen Kirche. Etwa seit dem 12. Jahrhundert aber läßt die Abhängigkeit des ausführenden Künstlers von seinem Auftraggeber nach. Den Anstoß gibt die Kirche selbst. Mit dem Aufkommen einer neuen Symbolik nämlich, welche die großen Liturgiker Honorius von Autun und Sicardus ausbilden und welche Durandus „gewissermaßen für den Rest des Mittelalters besiegelt", wird der erstarkenden nationalen Phantasie des Abendlandes ein gewaltiger Einfluß auf die Liturgie und damit auch auf die Bildersprache der Kirche eingeräumt. (F. X. Kraus. II.) Auch weltliche Stoffe dringen ein in den Bereich dessen, was z. B. eine Äbtissin nun als wissenswert für ihre Nonnen halten kann: es entsteht der hortus deliciarum der Herrad von Landsperg. Die Künstler ihrerseits gewannen mit den erwachenden nationalen und individuellen Kräften an Selbstbewußtsein und strebten danach, sich und ihren Stand dem geistlichen Herrn gegenüber durchzusetzen. Dazu legte das Aufkommen des Städtewesens und des Handwerks im 13. und 14. Jahrhundert die Ausführung der künstlerischen Aufträge mehr und mehr in die Hände von Laien. Das Ergebnis war eine weitere Befreiung des bildenden Künstlers; er konnte nicht mehr so streng auf geistlichen 9

B a h n e n geleitet w e r d e n wie in f r ü h e r e r Zeit, obwohl es noch lange d a u e r t e , bis jenes gelockerte B a n d völlig zerriß 4 . Die P h a n t a s i e der u n v e r b r a u c h t e n Völker darf n u n freier u n d volksmäßiger w a l t e n . Ihre vorzüglichsten Gegenstände aber sind die Hölle u n d ihr Beherrscher. Der Teufel ist das volkstümlich I n t e r e s s a n t e schlechthin, w ä h r e n d die Engel, wie Schelling m e i n t , „die langweiligsten aller W e s e n " sind. Schiller sagt i m A n f a n g e seiner Schrift über die tragische K u n s t , d a ß gerade „der u n a n g e n e h m e Affekt den größeren Reiz f ü r uns h a b e " u n d also die m i t i h m wie m i t j e d e m Affekt v e r b u n d e n e L u s t „mit seinem I n h a l t e gerade in u m g e k e h r t e m Verhältnisse s t e h e " . „ E s ist eine allgemeine E r scheinung in unserer N a t u r " , f ä h r t er f o r t , „ d a ß uns das Traurige, das Schreckliche, das S c h a u d e r h a f t e selbst m i t unwiderstehlichem Z a u b e r a n sich lockt. 8 ." Die Kirche n u n stellt die Macht des I n t e r e s s a n t e n als S c h r e c k m i t t e l vor dem Bösen u n d seinen verderblichen Folgen klug in R e c h n u n g : a n die W e s t f r o n t ihrer K a t h e d r a l e n , die v o n der untergehenden Sonne beschienen wird, stellt sie gern jene düsteren, d r a m a t i s c h e n Szenen: H e r a u s steigen der T o t e n aus den Sargen, strenger Spruch des Weltenrichters, Heulen u n d Z ä h n e k l a p p e n der V e r d a m m t e n , deren höllische Qualen gewöhnlich einen breiteren R a u m einnehmen als die himmlischen F r e u d e n der E r w ä h l t e n . F r a g t m a n aber, woher n u n der K ü n s t l e r seine Vorbilder f ü r die Darstellung des Teufels n a h m , so ist zunächst auch hier, wie wohl in allen bildgeschichtlichen F r a g e n , auf Byzanz, die große Vermittlerin zwischen der antiken u n d der mittelalterlichen K u n s t zu verweisen. F ü r die Ikonographie des Teufels eröffnet sich d a r ü b e r hinaus noch ein weiteres Feld v o n A n k n ü p f u n g s m ö g l i c h k e i t e n , das dieser F i g u r a l l e i n v o r b e h a l t e n ist, in den D e n k m ä l e r n der r ö m i s c h e n K u n s t , die der abendländische K ü n s t l e r des Mittelalters auf dem Boden seiner H e i m a t v o r f a n d u n d g e m ä ß seinem eigenen N a t u r e l l d e u t e t e oder m i ß v e r s t a n d . Hier k o n n t e die A n t i k e u n m i t t e l b a r auf Auge u n d P h a n t a s i e der j u n g e n Völker wirken, hier w u r d e sie nicht in einer F o r m a n g e b o t e n , in die der Geschmack eines a n d e r e n Volkes sie u m g e s e t z t h a t t e . Sie m u ß t e u m so f r u c h t b a r e r werden, als die abendländische K u n s t , die neue H ü l l e n f ü r ihren stets sich v e r ä n d e r n d e n Teufel b r a u c h t e , a n d e n D e n k m ä l e r n des germanischen u n d gallischen H e i d e n t u m s , soweit sie e t w a n o c h a u f r e c h t s t a n d e n , sicher keinen Anreiz zur N a c h a h m u n g f a n d . Diese Götter u n d H a l b g ö t t e r der römischen A n t i k e n u n e r k l ä r t die Kirche schon im 5. J a h r h u n d e r t s a m t u n d sonders f ü r D ä m o n e n 8 , in der H a u p t s a c h e wohl auf G r u n d der P s a l m e n . E i n e ganze W e l t w u r d e so abgelehnt u n d der V e r a c h t u n g preisgegeben 7 . Die Folge w a r , d a ß j e d e r , der a m Rhein, an der Mosel, in der Provence, in R o m oder s o n s t w o i m A b e n d -

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l a n d e auf diese Dinge, j a ü b e r h a u p t auf irgendwelche bildliche Reste des „ H e i d e n t u m s ' ' 8 , stieß, in ihnen schlechthin Teufel sehen m u ß t e . Dasselbe gilt natürlich a u c h f ü r die F i g u r e n der einheimischen Religionen. Zugleich e r k l ä r t sich so wohl a m besten die u n g e h e u r e Mannigfaltigkeit der Gestalten, die der Teufel a n n e h m e n k o n n t e . D e n n o c h h a t diese Vielgestaltigkeit ihre Grenzen. Sie liegen da, wo sie f ü r alle Gebilde der P h a n t a s i e liegen, n ä m l i c h in ihrer Verständlichkeit u n d ihrer d a r a u s entspringenden Geltung f ü r die Allgemeinheit. So ist a u c h das Bild des Teufels etwas historisch Gewordenes, a n Tradition Gebundenes. J a m e h r : es zeigt sich, d a ß der Teufel in ein u n d derselben H a n d s c h r i f t in verschiedenen Gestalten erscheinen k a n n , je n a c h d e m A m t e , das er gerade a u s ü b t . Seine Ikonographie modifiziert sich also weiter d u r c h das T h e m a der Begebenheit, bei der er jeweils a u f t r i t t . Wie weit es geschah, soll im ersten Teile der Arbeit gezeigt werden. An den „ i n h a l t l i c h e n " T y p e n , die fast alle schon in Byzanz ausgebildet oder vorgebildet werden, hält die K u n s t in der Regel mit großer Zähigkeit fest. Es gehört n u n zu den reizvollsten A u f g a b e n der I k o n o g r a p h i e des Bösen, zu b e o b a c h t e n , wie sich das Aussehen des S a t a n a s selbst allmählich verä n d e r t , w ä h r e n d das Schema der G e s a m t d a r s t e l l u n g doch i m m e r n a c h Möglichkeit berücksichtigt wird, bis die K u n s t schließlich (fast überall) die Fesseln des T h e m a s a b w i r f t u n d der u n s a u b e r e Geist ganz das Exterieur der allgemeinen, zeitgemäßen Teufelssippe a n n i m m t . Dieses andere siegreiche u n d große Dämonengeschlecht h a t t e sich niemals u m die Grenzen eines literarisch fest gegebenen T h e m a s zu k ü m m e r n , dessen s i c h t b a r geprägte F o r m nicht f ü r alle Zeiten aktuell bleiben k o n n t e . Es d u r f t e sich von vornherein ganz der Gegenwart hingeben u n d k o n n t e u m so üppiger ins K r a u t schießen. G e s c h m a c k u n d Bildungsstand des Volkes, S t ä r k e oder Schwäche der volkstümlichen P h a n t a s i e im B e n u t z e n der Vorbilder wie im eigenen Schaffen, A u s g e s t a l t u n g der kirchlichen Lehre u n d S c h w a n k u n g e n in der A u t o r i t ä t u n d den Bedürfnissen des A u f t r a g gebers sind ihre stets wechselnden Voraussetzungen. Diesen Gegebenheiten passen sie sich jeweils an, u n d ich m ö c h t e deshalb diese T e u f e l s t y p e n die zeitgeschichtlichen n e n n e n . Sie müssen sich n a t u r g e m ä ß n a c h ganz a n d e r e n Gesetzen entwickeln als die an einen b e s t i m m t e n I n h a l t g e b u n d e n e n T y p e n . Der heilige T h o m a s v o n Aquino sagt, es h a b e m i t d e m G l a u b e n nichts zu t u n , ob die Teufel einen K ö r p e r h a b e n oder n i c h t . E r h a t sicher r e c h t ; f ü r die I k o n o g r a p h i e des Teufels aber ist die F r a g e , ob sie einen K ö r p e r h a b e n oder n i c h t , entscheidend. Die Typengeschichte des k ö r p e r h a f t e n Teufels k a n n aber, will sie nicht n a c h allen Seiten h i n ins Uferlose u n d U n b e s t i m m t e g e r a t e n , sich n u r mit i h m als P e r s ö n l i c h k e i t beschäftigen

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u n d m u ß all die S y m b o l e u n d rein t i e r i s c h e n Bilder a u s s c h e i d e n , die h ä u f i g „das Böse" darstellen. D a g e g e n g e h ö r e n z u r Bildgeschichte S a t a n s a u c h alle U n t e r t e u f e l u n d d i e n s t b a r e n Geister der Hölle. D e n n , wie s c h o n d a s E v a n g e l i u m s a g t 9 , der T e u f e l ist L e g i o n , u n d die U n t e r s c h e i d u n g zwischen T e u f e l n u n d u n r e i n e n Geistern ist - w e n i g s t e n s i n der I k o n o g r a p h i e - n i c h t d u r c h f ü h r b a r . M i t h i n soll sich die U n t e r s u c h u n g e r s t r e c k e n a u f alle A r t e n v o n b ö s e n G e i s t e r n , s o f e r n sie n u r als P e r s ö n l i c h k e i t e n a u f t r e t e n . D e r P e r s o n k o m m t die Ä h n l i c h k e i t m i t d e m M e n s c h e n zu i n s o f e r n , als zu i h r g e h ö r t der a u f r e c h t e G a n g , die G l i e d e r u n g in R u m p f u n d K o p f , A r m e u n d Beine. Mögen all diese Teile i m einzelnen tierisch sein oder sonst a u s s e h e n wie sie w o l l e n : es m u ß der K o p f sich d e u t l i c h v o m K ö r p e r t r e n n e n , die B e i n e m ü s s e n s c h r e i t e n u n d t r e t e n k ö n n e n , die A r m e greifen u n d a b w e h r e n k ö n n e n , sei es n u n m i t H ä n d e n , P f o t e n oder K l a u e n . E i n e einheitliche o d e r gar lückenlos d u r c h die J a h r h u n d e r t e g e f ü h r t e I k o n o g r a p h i e des T e u f e l s l ä ß t sich bei der u n g e h e u r e n Vielgestaltigkeit dieser F i g u r n i c h t g e b e n . D o c h sind des ö f t e r e n G e s t a l t u n g e n v o n u n s a u b e r e n G e i s t e r n f e s t z u s t e l l e n , die von einem b e s t i m m b a r e n Z e i t p u n k t a n a u f t r e t e n u n d oft noch kräftige Nachfolge h a b e n , w e n n schon längst neue T y p e n zur H e r r s c h a f t g e l a n g t sind. E r s t d a s M i t t e l a l t e r h a t d e n T e u f e l i m e n g e r e n Sinne, so wie wir i h n n o c h h e u t e v e r s t e h e n , g e s c h a f f e n . W i e d a s christliche A b e n d l a n d sein Bild a l l m ä h l i c h h e r a u s a r b e i t e t u n d w a n d e l t , soll i m z w e i t e n Teile dieser A r b e i t gezeigt w e r d e n .

Abb. 1 (Text S. 59 u. 86)

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E R S T E R TEIL INHALTLICH BEDINGTE TYPEN 1. A N A S T A S I S - B E S I E G T E R F E I N D , Z O R N I G E R S A T A N Die H ö l l e n f a h r t Christi (Anastasis, descensus ad inferos) findet sich im Bereiche der b y z a n t i n i s c h e n K u n s t i m 4. J a h r h u n d e r t in den arianischen Symbolen u n d lebt in der o r t h o d o x e n griechischen T r a d i t i o n f o r t 1 0 . Eine a u s f ü h r l i c h e E r z ä h l u n g der gewaltsamen Vorgänge in der Hölle b r i n g t das a p o k r y p h e E v a n g e l i u m des Nikodemus (Acta Pilati), das in seinem zweiten Teile, d e m descensus ad inferos, auf das 3. J a h r h u n d e r t zurückgeht. Die u m das J a h r 500 v e r f a ß t e n Homilien des Eusebius A l e x a n d r i n u s schließen sich in Inszenierung u n d W o r t l a u t der Anastasis eng an die Acta Pilati an. Die H a u p t q u e l l e f ü r die bildende K u n s t bleibt die höchst drastischanschauliche Schilderung des Nikodemus 1 1 . Wichtig sind vor allem die Vorgänge geworden, welche sich u m den d r a m a t i s c h e n H ö h e p u n k t : das siegreiche E i n d r i n g e n Christi in die Hölle, gruppieren. Vor d e m E i n t r e t e n der K a t a s t r o p h e u n t e r h ä l t sich Satan-Beelzebub mit seinem S t a t t h a l t e r I n f e r n u s - H a d e s 1 2 über die letzten Ereignisse bis z u m Tode Christi, der n u n in der Hölle erwartet wird u n d in K e t t e n gelegt werden soll. Bei N e n n u n g des N a m e n s Jesus b e k o m m t H a d e s f ü r c h t e r l i c h e Angst, d a ß dies e t w a derselbe Jesus sei, der den L a z a r u s a u f e r w e c k t h a b e : den solle S a t a n j a nicht hier hereinlassen! Schon aber e r t ö n t v o n d r a u ß e n eine gewaltige S t i m m e : „Tollite p o r t a s principes vestras et elevamini p o r t a e a e t e r n a l e s 1 3 . " Die erzenen Tore, die H a d e s schleunigst h a t t e schließen lassen, springen a u f , die P f o s t e n stürzen u m , Angeln, Riegel u n d Schlösser fallen d u r c h e i n a n d e r , Christus fesselt den Beelzebub eigenhändig an H a l s , H ä n d e n u n d F ü ß e n 1 4 , setzt i h m den F u ß auf die Kehle u n d übergibt i h n der Gewalt des I n f e r n u s : Der ergreift seinen einstigen H e r r n u n d f ä h r t m i t i h m in p r o f u n d u m abyssi. Der Erlöser reicht A d a m die r e t t e n d e H a n d , u n d a u c h die heiligen Männer des alten B u n d e s werden frei. Die darstellende K u n s t f a ß t diese E r z ä h l u n g auf eine f ü r sie f r u c h t b a r e Weise z u s a m m e n , u n d zwar i m m e r in folgender bildmäßiger A u s w a h l : Auf den zerbrochenen Toren, den ausgerissenen Angeln u n d herumliegenden Schlössern, Schlüsseln u n d Riegeln liegt S a t a n m i t einem Schurz bekleidet, an H ä n d e n u n d F ü ß e n gefesselt, in der Stellung eines Besiegten. Christus, den K r e u z e s s t a b i n der H a n d , schreitet über ihn hinweg 1 5 . Das Motiv der Acta Pilati „er setzte i h m seinen heiligen F u ß auf die K e h l e " , wird n u r 13

Abb. 2 selten genau g e n o m m e n . I n der Regel tritt. Christus auf eine Schulter, seltener auf den K o p f , bisweilen m i t d e m anderen F u ß auf einen Oberoder Unterschenkel des Besiegten. O f t v e r s u c h t S a t a n , den A d a m a n einem F u ß e f e s t z u h a l t e n . D a b e i zeigt sein Gesicht keine E r r e g u n g oder W u t , sondern er ist der ü b e r w u n d e n e F e i n d schlechthin, wie ihn die A n t i k e 1 6 darzustellen pflegte. Der sich m e h r u n d m e h r festigende T y p u s der Anastasis t r i t t etwa u m die W e n d e des ersten christlichen J a h r t a u s e n d s in der bildenden K u n s t fertig a u f 1 7 , wobei die F i g u r des ü b e r w u n d e n e n Princeps t a r t a r i einen wesentlichen F a k t o r des Bildes a u s m a c h t . Als Vorstufen f ü r diesen „ b y z a n t i n i s c h e n T y p u s " können die F r e s k e n gelten, die sich auf italienischem Boden in St. Maria A n t i q u a in R o m Abb. 2 u m 800 u n d San d e m e n t e u m 900 e r h a l t e n h a b e n 1 8 . Beide zeigen S a t a n a s als kleine F i g u r im Vergleich zu Christus, der über i h n hinwegschreitet. Auf dem älteren Beispiel ist der Besiegte eine knieende, s t a r k v o r n ü b e r bis f a s t z u m Liegen gebeugte Gestalt, in San d e m e n t e liegt er auf d e m B a u c h m i t scharf r ü c k w ä r t s , also n a c h oben gewendetem K o p f e u n d ist v o n d u n k ler F a r b e . Aber a u c h diese Darstellungen scheinen ihrerseits auf einem n o c h älter e n T y p u s zu f u ß e n , der sich in Zeichnungen zu syro-ägyptischen P s a l t e r n erhalten h a t . Sind diese Beispiele a u c h j ü n g e r als die W a n d m a l e r e i e n , so reichen ihre Vorbilder augenscheinlich in eine ältere Periode der K u n s t ü b u n g zurück. I n der Illustration des Psalters m u ß es schon vor 800 (die e r h a l t e n e n Beispiele beginnen erst m i t d e m 9. J a h r h u n d e r t ) eine R i c h t u n g gegeben h a b e n , welche die W o r t e der Schrift d u r c h ein sinnliches Bild wiederzugeben b e s t r e b t w a r . N u n sind die d r a m a t i s c h e n Vorgänge der A c t a Pilati d u r c h a u s dazu a n g e t a n , bei einigen Psalmstellen, wo v o n der Z e r s t ö r u n g der Hölle u n d v o n der Befreiung der Gerechten gesprochen w i r d , m i t a n zuklingen u n d d u r c h formale Analogie zu einer Darstellung i m Sinne der Acta Pilati einzuladen. I m 67. P s a l m h e i ß t es i m 7. V e r s : „ D e r die Gefangenen a u s f ü h r t zu rechter Z e i t " . Die Psalterillustration des 9. J a h r h u n d e r t s , sowohl d e r Abb. 3 Chludoffpsalter wie der P a n t o k r a t o r 61, bringen diese Stelle in offen-

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barer Berücksichtigung des Nikodemusevangeliums. Entsprechend der volkstümlichen und zu Personifikationen neigenden Denkweise dieser Kunst, hat die Hölle selbst als der Hades Menschengestalt angenommen 19 : Es ist ein auf dem Rücken liegender Greis mit angezogenen Knien und ausgestreckten, im Ellbogen rechtwinklig erhobenen Armen. Im Chludoffpsalter trägt die Zeichnung die Beischrift ,'Avx