Im Wandel der Zeit: Die Darstellung der Vier Jahreszeiten in der bildenden Kunst des 18. und frühen 19. Jahrhunderts 9783422801103, 9783422986862

Natural phenomena such as the four seasons have always been part of human experience and are coming to the fore increasi

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Im Wandel der Zeit: Die Darstellung der Vier Jahreszeiten in der bildenden Kunst des 18. und frühen 19. Jahrhunderts
 9783422801103, 9783422986862

Table of contents :
Inhalt
Vorwort und Dank
Einleitung
Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit
Die Vier Jahreszeiten im 18. und frühen 19. Jahrhundert
Die Welt steht Kopf: Die Hinterfragung quaternärer Ordnungen in den Four Times of Day von William Hogarth
Exprimant le froid – représentant l’été: Verkörperungen der Jahreszeiten bei Jean-Antoine Houdon
Das Ende der Jahreszeitenvorstellung? Caspar David Friedrichs Sepiazyklen der Jahreszeiten, Tageszeiten und Lebensalter
Wandel durch Popularisierung? Die Rundreliefs der Vier Jahreszeiten und Lebensalter des Menschen von Bertel Thorvaldsen
Zeitdarstellung im Wandel: Schlussbetrachtungen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Personenregister
Bildnachweis

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Im Wandel der Zeit

Kunstwissenschaftliche Studien Band 201

Friederike Voßkamp

Im Wandel der Zeit Die Darstellung der Vier Jahreszeiten in der bildenden Kunst des 18. und frühen 19. Jahrhunderts

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg.

Einbandabbildung: Jean-Honoré Fragonard, L’Hiver, um 1755, Öl auf Lw., Los Angeles, Los Angeles County Museum of Art Einbandgestaltung: Katja Peters, Berlin Satz: LVD GmbH Berlin Druck und Bindung: FINIDR, s.r.o.; Český Těšín Verlag Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München Lützowstraße 33 10785 Berlin www.deutscherkunstverlag.de Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH Berlin Boston www.degruyter.com Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München ISBN 978-3‑422-98686-2 e-ISBN (PDF) 978-3‑422-80110-3

Inhalt

Vorwort und Dank 9 Einleitung 11 Die Vier Jahreszeiten als Ordnungsmodell und Motiv der bildenden Kunst 11 Untersuchungsgegenstand und Methode 16 Quellenlage 19 Forschungsstand 19 Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit 23 Horai und Tempora anni: Die Anfänge der Jahreszeitentradition in der Antike 23 Kosmos und Heilsordnung: Das Fortleben der Jahreszeiten in der Vorstellungswelt des Mittelalters 33 Kodifizierung und Kanonbildung: Die Jahreszeiten in Renaissance und Barock 43 Die Vier Jahreszeiten im 18. und frühen 19. Jahrhundert 67 Zwischen Wiederholung und Wandel 67 Die Darstellungsformen im 18. und frühen 19. Jahrhundert 69 Wandel im ‚Mikrokosmos‘: Die Jahreszeiten in zeitgenössischen Gartenprogrammen 79 Die Jahreszeiten in Literatur und Musik des 18. und 19. Jahrhunderts 88 Die Welt steht Kopf: Die Hinterfragung quaternärer Ordnungen in den Four Times of Day von William Hogarth 93 Ein „Angriff auf die Tageszeitenikonographie“ 97 Die Tageszeiten in London 99 Die Auseinandersetzung mit der Tradition 110 Großstadt, Gravitation und die Notwendigkeit neuer Zeichen 131 „Antiquam exquirite Matrem“: Die Enthüllung der Allegorie 141

6 Inhalt

Exprimant le froid – représentant l’été: Verkörperungen der Jahreszeiten bei Jean-Antoine Houdon 151 Pour faire pendant: Sommer und Winter als Figurenpaar 159 Gegenentwürfe zur Jahreszeitentradition 165 Das Spiel mit der Ikonographie 177 Exprimer versus Représenter: Houdons Figurenpaar und die Debatte um die Bewertung der Allegorie 184 Natürliche Allegorien 191 Das Ende der Jahreszeitenvorstellung? Caspar David Friedrichs Sepiazyklen der Jahreszeiten, Tageszeiten und Lebensalter 201 Die Entfaltung des Zeitenmotivs bei Friedrich 213 Konstruierte Zeiten: Komposition, Allegorisierung und der neue Stellenwert der Landschaft bei Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge 230 Die Reformulierung der Jahreszeitenlandschaft: Zwischen religiösen Vorstellungen, wissenschaftlichem Kenntnisstand und allegorischer Aussage 243 Wandel durch Popularisierung? Die Rundreliefs der Vier Jahreszeiten und Lebensalter des Menschen von Bertel Thorvaldsen 253 Motive für den allgemeinen Geschmack: Die Jahreszeitentondi von 1835/1836 259 Thorvaldsens frühe Jahreszeitenreliefs: Zeitenreigen und anakreontische Szenen 266 Zitate einer Darstellungstradition 279 Bedeutungsverlust durch Masse? Allegorie, Relief und Reproduktionspraxis 287 Zeitdarstellung im Wandel: Schlussbetrachtungen 297 Quellen- und Literaturverzeichnis 305 Personenregister 351 Bildnachweis 355

Meinen Eltern

Vorwort und Dank

Der vorliegende Band ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Herbst 2019 an der Universität Heidelberg eingereicht wurde. Zum Entstehen und Gelingen dieser Arbeit haben eine Reihe an Personen und Institutionen beigetragen, denen ich an dieser Stelle verbindlich danken möchte: Zuvorderst gilt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Michael Hesse, der mich nicht nur während der Promotion, sondern auch durch mein gesamtes Studium hindurch begleitet hat und mir mit offenem Ohr und stetem Rat zur Seite stand. Ihm verdanke ich auch meine Begeisterung für die Bildkünste des 18. Jahrhunderts. Seine Vorlesungen zur Skulptur dieser Zeit brachten mich zur Beschäftigung mit Jean-Antoine Houdon und gaben somit auch den Anstoß zu dieser Arbeit. Ebenso herzlich sei Herrn Prof. Dr. Henry Keazor gedankt, der mich in der Wahl des Themas bestärkt und die Arbeit als Zweitgutachter betreut und auch darüber hinaus sehr unterstützt hat. Herrn Prof. Dr. Matthias Untermann danke ich für seine Bereitschaft, den Prüfungsvorsitz bei der Disputation zu übernehmen. Ein Promotionsstipendium der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg ermöglichte es mir, mich über zwei Jahre intensiv der Arbeit zu widmen und entsprechende Reisen zu unternehmen, wofür ich sehr dankbar bin. Die Universität Heidelberg unterstützte die Dissertation dankenswerterweise durch die Verleihung des August-Grisebach-Preises des Instituts für Europäische Kunstgeschichte 2021 sowie durch einen Druckkostenzuschuss der Graduiertenakademie. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Deutschen Kunstverlages, insbesondere Frau Dr. Anja Weisenseel, Herrn Dr. Pablo Schneider und Frau Arielle Thürmel, gilt mein Dank für die angenehme Zusammenarbeit bei der Entstehung des Buches. Herrn Prof. Dr. Werner Busch danke ich herzlich für wichtige Impulse bei der Entwicklung der Arbeit und den angenehmen Austausch in Berlin. Herrn Prof. Dr. Roland Kanz gilt mein aufrichtiger Dank dafür, dass er mich in seinem Doktorandenkolloquium an der Universität Bonn aufgenommen hat und den Fortgang der Arbeit durch wesentliche Anregungen beförderte. Guilhem Scherf, Conservateur en chef am Musée du Louvre Paris, und Herrn Prof. Dr. Hartmut Troll sei für wertvolle Ratschläge gedankt. Für die Möglichkeit, erste Ideen zu William Hogarth im Rahmen einer durch die Baden-Württemberg Stiftung geförderten Dozierendenmobilität im European

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Vorwort und Dank

Liberal Arts Network (ELAN) am Kunsthistorischen Institut der University of Bristol vorzustellen, danke ich den dortigen Kolleginnen und Kollegen, vor allem Prof. Robert Fowler, Prof. Simon Shaw-Miller, Prof. Dorothy Price und Dr. Peter Dent. Zu großem Dank bin ich ferner zahlreichen Institutionen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verpflichtet, die mich im Rahmen meiner Recherchen unterstützt und mir Zugang zu ihren Beständen und Archiven gewährt haben: Landesmuseum Württemberg, Aulendorf; Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg; Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen Berlin; Staatsbibliothek Berlin; Kunsthalle Hamburg; British Museum, London; Musée Fabre, Montpellier; Zentral­ institut für Kunstgeschichte, München; Archives Nationales, Paris; Musée du Louvre, Paris; Upton House, Warwickshire. Meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Europäische Kunstgeschichte Heidelberg sowie am Max Ernst Museum Brühl des LVR sei für den inspirierenden und ermutigenden Austausch sowie zahlreiche Gespräche ebenfalls Dank gesagt. Für die langjährige Begleitung, die vielen anregenden Diskussionen und nicht zuletzt die immer wieder kritische Lektüre der Arbeit danke ich Frau Jun.-Prof. Dr. Hui Luan Tran. Ebenso gilt Simona Hurst mein Dank für ihre vielfältige Unterstützung. Meiner Familie und insbesondere meinen Eltern, Ulrike Bertrams-Voßkamp und Dr. Hinrich-Werner Voßkamp, danke ich von Herzen, dass sie mich stets auf meinem Weg begleitet, unterstützt und bestärkt haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Schließlich möchte ich mich bei meinem Ehemann, Dr. Lars Bierschenk, bedanken. Ohne seinen kritischen Blick auf den Text, seinen Rückhalt und sein Verständnis dafür, dass diese Arbeit neben viel Kraft, Zeit und Entbehrungen auch die ein oder andere Reise erforderte, wäre sie nicht das, was sie ist. Bonn, im Sommer 2022

Friederike Voßkamp

Einleitung

Die Vier Jahreszeiten als Ordnungsmodell und Motiv der bildenden Kunst Im Jahr 1869 veröffentlichte die damals populäre satirische Wochenschrift Fliegende Blätter eine Illustration, die einen Professor neben zwei Studenten zeigt. Mit nachdenklicher Mine begutachtet er ein undeutlich verziertes Gefäß (Abb. 1).1 Unterhalb der Abbildung wird das Gespräch der drei wiedergegeben: „Herr Professor, welche Bedeutung mögen die drei weiblichen Figuren hier am Fuße des Pokals haben?“ Da­ rauf folgt die erst zögernd, letztlich aber mit Bestimmtheit vorgetragene Antwort des Lehrers: „Hm – das werden – ja wohl gewiß – das sind unstreitig die vier Jahreszeiten.“ Der offensichtliche Widerspruch zwischen der Anzahl der auf dem Gefäß abgebildeten Figuren und der Aussage des Lehrers wird durch den Titel der Graphik „Die vier Jahreszeiten“ zusätzlich betont. Die Zeichnung veranschaulicht auf humoristische Weise, welche Vorstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Bildmotiv der Vier Jahreszeiten verbunden wurden. Die Antwort des Professors stellt die Jahreszeiten als ein allgegenwärtiges Thema dar, das sich im 19. Jahrhundert zu einer Art Topos entwickelt hatte und bereitwillig in alles – gleich, ob die Anzahl der dargestellten Figuren übereinstimmt oder nicht  – hineingelesen werden konnte. Zugleich erweist sich das Jahreszeitenmotiv als Relikt einer fernen Vergangenheit, als nahezu archäologisches Gut, das in Vergessenheit geraten zu sein scheint und nunmehr allenfalls als ein gelehrtes Konzept begriffen wird. Blickt man hingegen auf die Beliebtheit und die gattungsübergreifend weite Verbreitung, die das Motiv der Vier Jahreszeiten noch wenige Jahrzehnte zuvor, im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der europäischen Kunst, Literatur und Musik erfuhr, stellt sich die Frage, wie es zu dieser Veränderung in der Sichtweise und der Bewertung des Zeitenmodells kam. Die Jahreszeiten sind seit jeher Teil der menschlichen Erfahrungswelt. Ihre Wahrnehmung tritt nicht zuletzt auch gegenwärtig im Zuge eines globalen Klimawandels verstärkt in das Bewusstsein. Als Naturphänomen, das sich physikalisch durch

1 N. N.: Die vier Jahreszeiten, in: Fliegende Blätter 50 (1869), Nr. 1232, S. 61.

12 Einleitung

1 Unbekannt, Die vier Jahreszeiten, 1869, in: Fliegende Blätter

die Veränderungen in der Intensität, der Dauer und dem Winkel der Sonneneinstrahlung auf die Erde in Abhängigkeit von der Neigung der Erdrotationsachse und der Position der Erde auf ihrer Umlaufbahn bestimmt,2 gliedern sie das Jahr in den gemäßigten Breiten in vier klimatisch unterschiedliche Zeitabschnitte. Der ewige Kreislauf von Frühling, Sommer, Herbst und Winter bestimmt den Rhythmus der Natur und nimmt Einfluss auf das Leben des Menschen, der sich den wechselnden klimatischen Bedingungen seiner Umgebung mehr oder weniger unmittelbar unterworfen sieht. Charakteristisches Merkmal ist dabei eine sich zyklisch wiederholende Abfolge, durch die die Jahreszeiten Prozesse von Werden und Vergehen beschreiben und den Gedanken von steter Wiederkehr und Erneuerung versinnbildlichen. Als viergliedriges Modell wurden sie traditionell in Analogie zu anderen quaternären Raum-Zeit2 Die Jahreszeiten sind sowohl meteorologisch als auch astronomisch definiert. Meteorologisch werden anhand des jährlichen Temperaturverlaufs in den gemäßigten Breiten vier Jahresviertel unterschieden, wobei der Frühling am 1. März, der Sommer am 1. Juni, der Herbst am 1. September und der Winter am 1. Dezember beginnt. Astronomisch bestimmen sich die Jahreszeiten hingegen nach dem täglichen Sonnenhöchststand und der jeweiligen Tageslänge, deren Verlaufskurve über das Jahr vier Abschnitte erkennen lässt. Der kürzeste und der längste Tag sowie die beiden Tag-und-Nacht-Gleichen gelten hier als Wendepunkte. Frühlingsbeginn ist demnach der 20./21. März, der 21. Juni leitet den Sommer ein, der 22./23. September den Herbst und der 21./22. Dezember den Winter. Zu den Definitionen siehe genauer Clemens Simmer: Warum Vier Jahreszeiten? Die klimatologische Perspektive, in: Thierry Greub (Hg.): Das Bild der Jahreszeiten im Wandel der Kulturen und Zeiten, München/Paderborn 2013 (Morphomata, Bd. 7), S. 49–56.



Die Vier Jahreszeiten als Ordnungsmodell und Motiv der bildenden Kunst

Konzepten wie den Vier Tageszeiten, den Weltzeitaltern, den Elementen, den Kontinenten, den Temperamenten oder den Lebensaltern des Menschen gesetzt und bilden insofern ein ganzheitliches kosmologisches Verweissystem, das sich als Ausdruck einer höheren, überzeitlichen Ordnung erweist. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung und allgegenwärtigen Präsenz wurden die Vier Jahreszeiten früh als Motiv in der bildenden Kunst aufgegriffen und in Gestalt allegorischer oder mythologischer Figuren oder in Form von szenischen Darstellungen veranschaulicht, die saisontypische Tätigkeiten vor einer ebenfalls jahreszeitlich geprägten, meist landschaftlichen Kulisse zeigen. Die verschiedenen Figurationen reflektieren dabei Vorstellungen von Natur und Zeit und transportieren eine Sicht auf die Welt und die kosmische Ordnung. Als Bildmotiv weisen die Vier Jahreszeiten eine relativ hohe bildsprachliche Kontinuität auf, die erste Ansätze einer festen Ikonographie bereits in der römischen Antike erkennen lässt. Die Grundlage dazu lässt sich zunächst in der Literatur wiederfinden. Als prägend für die Auffassung der Vier Zeiten und die spätere Entwicklung ihrer bildlichen Darstellung gelten insbesondere die Metamorphosen Ovids: Die quattuor anni werden darin als anthropomorphe Wesen mit individuellen Attributen – Blumen für den Frühling, Kornähren für den Sommer, Weintrauben für den Herbst und das den Winter kennzeichnende Greisenalter  – beschrieben und bereits mit anderen Viererzyklen wie den menschlichen Lebensaltern, den Weltzeitaltern oder den Elementen in einen übergeordneten kosmologischen Zusammenhang gestellt. Bei Lukrez erfolgt zudem eine Verknüpfung mit Götterfiguren: Flora wird mit dem Frühling assoziiert, Ceres mit dem Sommer und Bacchus mit dem Herbst. An diese antiken Vorbilder anknüpfend erfährt die Darstellungsweise der Vier Jahreszeiten im ausgehenden 16. Jahrhundert mit der Iconologia, dem Standardwerk Cesare Ripas zur Verbildlichung abstrakter Begriffe, ihre allgemeingültige Festschreibung, die in zahlreichen Bildzeugnissen ihren Ausdruck findet und durch nachfolgende Ikonologien bis in die späte Neuzeit weitergetragen wird. Eine besondere Beliebtheit und eine weite, die Künste übergreifende Verbreitung erlangt das Thema jedoch mit Beginn des 18. Jahrhunderts. Hier erreicht „der Triumphzug der Jahreszeiten“, wie Vera Leuschner es formuliert, „[…] einen Höhepunkt“,3 der bis in das 19. Jahrhundert anhält. Neben seiner Präsenz in Musik und Literatur tritt das Motiv vor allem in der bildenden Kunst hervor und ist dort derart geläufig, dass einzelne Ikonologien es nur der Vollständigkeit halber erwähnen, ohne die Darstellungsweise im Einzelnen zu erläutern.4 Die Jahreszeiten werden in dieser

3 Vera Leuschner: Jahreszeiten und Tageszeiten in der Kunst, in: Geburt der Zeit – Eine Geschichte der Bilder und Begriffe, hg. von Hans Ottomeyer, Sven Lüken und Micha Röhring, Ausst.-Kat., Fridericianum Kassel, Wolfratshausen 1999, S. 375–377. 4 So hielt J.‑B. Boudard Mitte des 18. Jhs in seiner Iconologie fest: „Ces sujets [= die Jahreszeiten, Anm. d. Verf.] ont été si souvent traité qu’on ne les répète ici, que pour suivre l’ordre iconologique, & pour donner connoissance des différents attributs qui leur conviennent“; JeanBaptiste Boudard: Iconologie tirée de divers auteurs, 3  Bde, Parma 1759, hier: Bd. 3, S. 111

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14 Einleitung

Zeit zu einem festen Bestandteil der malerischen und skulpturalen Ausstattung herrschaftlicher Residenzen und Gärten, erscheinen als dekorative Objekte der Kleinkunst oder finden in Form von graphischen Illustrationen Verbreitung. Betrachtet man die verschiedenen Werke, so fallen im Vergleich zu den bis dahin tradierten Bildformeln deutliche Veränderungen auf: Vormals verbindliche Darstellungsmuster werden überprüft. Motivische Vorgaben verlieren an Bedeutung, werden gelockert und zeitgemäß angepasst und die Gültigkeit des Jahreszeitenmodells im Hinblick auf eine durch Aufklärung, zunehmende Verwissenschaftlichung und veränderte Naturerfahrung geprägte Gesellschaft hinterfragt. So parodiert William Hogarth in seinen mit dem Jahreszeitenthema verbundenen Tageszeitenszenen The Four Times of Day (Abb. 42–45) bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts die traditionelle Motivik und bringt mit dem Winter beginnend die übliche Zeitenfolge durcheinander. In den 1780er-Jahren verzichtet Jean-Antoine Houdon für sein Skulpturenpaar aus Sommer und Winter (Abb. 61 und 62) auf eine Allegorisierung in Form von jahreszeitlich konnotierten Götterfiguren. Mit der Verbildlichung des Winters als eines fröstelnden, halb entblößten Mädchens löst er sich gleichzeitig sichtbar von typischen Vorstellungen der kalten Jahreszeit als eines alten Mannes oder einer alten Frau, die sich an einem Feuer wärmen. Die Auffächerung der Darstellungsmöglichkeiten und der damit einhergehende Verbindlichkeitsverlust althergebrachter Formeln werden auch bei Antoine Watteau erkennbar, der die Jahreszeiten mehrfach behandelt. Sein Schaffen weist ein Nebeneinander von traditionellen und neuen Motivlösungen auf und führt somit auch das Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Wandel vor Augen, in dem sich das Jahreszeitenmotiv im 18. Jahrhundert bewegt.5 Für den Kunstsammler Pierre Crozat schuf Watteau 1717/1718 auf Vermittlung von Charles de la Fosse vier ovale Ge­­ mälde als Esszimmerdekoration, welche die Jahreszeiten in klassischer Manier als mythologische Szenen mit den bekannten, bei Ripa aufgeführten Göttergestalten sowie mit den jeweiligen Verkörperungen der Tierkreiszeichen darstellen. Der Frühling wird durch Flora und Zephyr repräsentiert, der Sommer durch die erhaben in den Wolken thronende Göttin Ceres (Abb. 2), der Herbst durch Bacchus mit seinem Gefolge und der Winter durch einen alten Mann – Saturn oder der Windgott Äolus –,

(italienische Übersetzung nebenstehend), und K. W. Ramler schreibt 1788 in seinen Allegori‑ schen Personen: „Gemählde von den vier Jahreszeiten aus dem gemeinen Leben genommen, sind leicht zu erfinden und häufig anzutreffen“; Karl Wilhelm Ramler: Allegorische Personen zum Gebrauche der bildenden Künstler, mit Kupfern von Bernhard Rode, Berlin 1788, S. 7. 5 Zu den verschiedenen Jahreszeitendarstellungen bei Watteau siehe u. a. die Katalogeinträge in: Watteau 1684–1721, hg. von Margaret Morgan Grasselli und Pierre Rosenberg, Ausst.Kat., National Gallery of Art Washington, Galeries Nationales du Grand Palais Paris und Schloss Charlottenburg Berlin, Berlin 1985, S. 74 f. Kat. Nr. 13, S. 107 f. Kat. Nr. 40–41, S. 130 f. u. 133 f. Kat. Nr. 60 u. 62 sowie S. 324–328 Kat. Nr. 34–35.

Die Vier Jahreszeiten als Ordnungsmodell und Motiv der bildenden Kunst

2 Antoine Watteau, L’Este, um 1717/1718, Öl auf Lw., Washington, National Gallery of Art, Samuel H. Kress Collection

der sich an einem Feuer wärmt.6 In anderen Jahreszeitenzyklen, die wie die für Crozat ausgeführten mythologischen Motive durch Reproduktionsstiche weite Verbreitung fanden, weicht der Künstler hingegen von dieser Tradition ab und wählt genrehafte, profanere Lösungen. Anstelle der Götter finden sich hier galante Paare, Schäfer, Harlekine, Putten oder Kinder, die saisontypischen, aus dem Alltag gegriffenen Tätigkeiten oder Vergnügungen wie Schlittschuhlaufen oder Schlittenfahren nachgehen (Abb. 3). Zu den traditionellen Attributen Blumen, Sichel oder Weintrauben treten neue hinzu: ein Narrenstab oder modische Accessoires wie Sonnenhut oder Muff, die nunmehr zur Verdeutlichung der jeweiligen Jahreszeit beitragen. Diese auf mehreren Ebenen sichtbare Revision des Jahreszeitenmodells und die allmähliche Abkehr von klassischen Darstellungstraditionen werfen die Frage nach den Gründen für den Verlust an ikonographischer Verbindlichkeit und die zunehmende innerweltliche Verortung des Jahreszeitensystems auf. Ein enger Zusammenhang wird hierbei zu Positionen in der Ästhetik und der Kunsttheorie jener Zeit gesehen, die sich mit der Allegorie als künstlerischer Darstellungsform abstrakter Phänomene auseinandersetzten und ihre Relevanz in Frage stellten. Eine entschei-

6 Von den originalen Gemälden hat sich allein der Sommer erhalten (National Gallery of Art Washington, Samuel H. Kress Collection). Das Frühlingsgemälde ging 1966 in einem Brand verloren. Der Verbleib von Herbst und Winter ist unbekannt. Die Motive sind allerdings durch Nachstiche verschiedener Graveure überliefert, die in den 1720er- und 1730er-Jahren entstanden; siehe dazu den Eintrag in Kat. Washington/Paris/Berlin 1984/1985, S. 325–328 Kat. Nr. 35 sowie genauer zum Zyklus insgesamt, seiner Datierung und seinen Vorbildern Cordélia Hattori: De Charles de La  Fosse à Antoine Watteau, in: Revue du Louvre et des Musées de France 51/2 (2001), S. 56–65.

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16 Einleitung

3 François Boucher nach A. Watteau, L’Hiver, um 1730, Radierung, Frankfurt am Main, Städel Museum

dende Rolle spielen darüber hinaus die Entwicklungen im Bereich der Naturwissenschaften sowie die Reflexion von Natur- und Zeitvorstellungen in der zeitgenössischen Literatur und Philosophie. Das Motiv der Jahreszeiten unterliegt dabei – so die grundlegende These der vorliegenden Untersuchung  – einem allgemeinen Wandlungsprozess, der durch gesellschaftliche Umbrüche, eine zunehmende Verwissenschaftlichung und Veränderungen im Verhältnis zwischen Mensch und Natur befördert wird. Damit einher geht ein Bedeutungsverlust des Jahreszeitensystems in seiner ursprünglichen Form und Tragweite, wie es schließlich auch die eingangs beschriebene Illustration in den Fliegenden Blättern (Abb. 1) vor Augen führt.

Untersuchungsgegenstand und Methode Ausgehend von diesen Beobachtungen widmet sich die Untersuchung dem Wandel der Darstellungsweise der Vier Jahreszeiten und fragt nach den Gründen für die



Untersuchungsgegenstand und Methode

Lösung von ikonographischen Vorgaben. Ziel der Arbeit ist es, zum einen die Bildsprache des Jahreszeitenmotivs im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert anhand ausgewählter Werke in ihren verschiedenen Ausformungen zu bestimmen. Zum anderen sollen die Abweichungen von der bis dahin geltenden Darstellungstradition sowohl vor dem Hintergrund einer aufgeklärten und durch veränderte Naturwahrnehmung geprägten Gesellschaft als auch vor der Folie der damaligen kunsttheoretischen Debatten um den Stellenwert der Allegorie analysiert werden. Die Auswertung folgt dabei der Frage, inwiefern sich in den gezeigten Beispielen veränderte Zeit-, Naturund Kosmosauffassungen im Sinne eines säkularen Weltbildes offenbaren. Auf diese Weise lässt sich letztlich eine Aussage über die Tragfähigkeit des Jahreszeitensystems mit all seinen Bedeutungsdimensionen als Naturerscheinung, Zeitvorstellung, übergeordnetem Welterklärungsmodell und metaphorischem Konzept im 18. und 19. Jahrhundert treffen. Aufgrund der weiten Verbreitung des Motivs im genannten Zeitraum und der daraus resultierenden Materialfülle ist eine bewusste Beschränkung auf einzelne, besonders aussagekräftige Beispiele erforderlich, an denen die Veränderungen in der Zeitenauffassung in markanter Weise sichtbar werden. Die Untersuchung konzen­ triert sich daher zugunsten eingehender und nah am Objekt argumentierender Analysen auf vier Schlüsselwerke beziehungsweise Werkgruppen der europäischen Kunst:7 William Hogarths The Four Times of Day (Abb. 42–45), Jean-Antoine Houdons Skulpturenpaar L’Été und L’Hiver (La Frileuse) (Abb. 61 und 62), die Sepiazyklen der Jahres‑ zeiten und menschlichen Lebensalter von Caspar David Friedrich (Abb. 81–84 und 88–94) sowie die jahreszeitlichen Rundreliefs von Bertel Thorvaldsen (Abb. 101–104). Dabei handelt es sich um Werke, die sowohl zu Entstehungszeiten als auch im Nachgang eine große Prominenz und Nachwirkung erlangt haben, sei es durch den Grad ihrer Verbreitung, ihre Bewertung durch das Publikum und die Behandlung in der seinerzeitigen Kunstkritik oder durch die Bedeutung, die sie innerhalb des Gesamtwerks des jeweiligen Künstlers einnehmen. Das Spektrum ist insofern bewusst breit angelegt als sowohl verschiedene Medien als auch unterschiedliche lokale und gesellschaftliche Kontexte innerhalb der europäischen Kunst Berücksichtigung finden. Hiermit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich um ein gattungs- und länderübergreifend erkennbares Phänomen des Wandels handelt. So gilt es beispielsweise die damals neuen physikalischen Erkenntnisse Isaac Newtons in England oder das durch die Académie royale de peinture et de sculpture geprägte künstlerische Umfeld in Frankreich mit zu reflektieren. Ebenso berührt das Thema die ästhetischen Debatten der Zeit um die Frage nach der Bewertung der Allegorie und ihrer Darstellungsweise. 7 Beispiele aus dem asiatischen Kulturraum werden nicht in die Betrachtung einbezogen, wenngleich das Motiv auch dort häufig anzutreffen ist; siehe dazu u. a. Robert F. Wittkamp: Jahreszeiten und kulturelles Gedächtnis in Japan – vom Man’yōshū zur Gegenwart, in: Greub 2013, S. 99–115 oder Ryōsuke Ōhashi: Überlegungen zu östlichen und westlichen Zeitvorstellungen und Zeiterfahrungen in Philosophie und Malerei, in: Greub 2013, S. 143–159.

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18 Einleitung

In dieser Hinsicht knüpft die Arbeit an die Untersuchungen Werner Buschs und seine zentrale These von der „Krise der Kunst“ und dem Bedeutungsverlust der „tradierten und verbindlichen Bildersprache im 18. Jahrhundert“8 an. Sie bezieht methodische Anregungen aus vergleichbaren Studien, die sich mit den Umbrüchen in der sogenannten Schwellenzeit „Um 1800“ befassen.9 Erkennbar werden dabei Prozesse, die nicht nur, wie Busch sagt, „auf der Basis historischen Denkens“10 entstehen, sondern gerade im Falle der Jahreszeiten auch aus den Entwicklungen innerhalb der Naturwissenschaften und aus einer veränderten Naturwahrnehmung heraus resultieren. So wie etwa die klassische Vier-Elemente-Lehre durch neue Erkenntnisse wie die wegweisenden Arbeiten der Chemiker Robert Boyle oder Antoine Laurent de Lavoisier auf den Prüfstand gestellt wurde und sich mit Beginn des 19. Jahrhunderts ein mehrgliedriges Periodensystem chemischer Elemente herausbildet, gerät das System quaternärer Ordnungen insgesamt ins Wanken. Die vier zentralen Untersuchungsbeispiele setzen einen zeitlichen Rahmen, der von der 1736 entstandenen Tages- und Jahreszeitenfolge William Hogarths bis zu den um 1835/1836 vollendeten Rundreliefs der Jahreszeiten und Lebensalter von Bertel Thorvaldsen reicht und somit rund hundert Jahre umfasst. Die Abfolge der Werke soll dabei nicht im Sinne einer chronologischen Entwicklung verstanden werden, bei der das eine Beispiel auf dem zeitlich vorangegangenen aufbaut oder sich daraus ergibt. Vielmehr zeigen die einzelnen Werke bereits aufgrund ihrer Verschiedenheit hinsichtlich der Gattung und des lokalen Kontextes unterschiedliche Facetten der Hinterfragung und der Loslösung von tradierten Vorgaben. Mit den Reliefs Bertel Thorvaldsens liegt hier eines der vorerst letzten Beispiele eines Viererzyklus’ dieser Zeit vor, bevor die zyklische Auffassung des Jahreszeitenmotivs und sein quaternärer Rhythmus im späteren 19. Jahrhundert, insbesondere in der Kunst des Impressionismus, von momenthaft herausgegriffenen Naturaufnahmen abgelöst werden.11 8 Werner Busch: Das sentimentalische Bild. Die Krise der Kunst im 18. Jahrhundert und die Geburt der Moderne, München 1993, S. 10 sowie bereits im Titel. 9 So etwa Julia Kloss-Weber: Individualisiertes Ideal und nobilitierte Alltäglichkeit. Das Genre in der französischen Skulptur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Berlin/München 2014 (Kunstwissenschaftliche Studien, Bd. 174) (Zugl. Diss. phil. Freie Universität Berlin 2009) oder Johannes Myssok: Antonio Canova. Die Erneuerung der klassischen Mythen in der Kunst um 1800, Petersberg 2007 (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte, Bd. 48) (Zugl. Habil. Universität Münster 2004). Siehe ebenso die Arbeit von S. Tasch zur Hinterfragung des Mythos in der englischen Kunst des 18. Jhs am Beispiel des Rollenporträts: Stephanie Goda Tasch: Studien zum weiblichen Rollenporträt in England von Anthonis van Dyck bis Joshua Reynolds, Weimar 1999 (Zugl. Diss. phil. Universität Bochum 1995). 10 Busch 1993, S. 181. 11 So resümiert auch G. Heinz: „So bedeutend und beliebt die malerische Darstellung der Jahreszeiten im 17. und 18. Jahrhundert war, die Kunst des 19. Jahrhunderts hat zu diesem Thema verhältnismäßig wenig beigetragen“; Günther Heinz: Zu den Jahreszeiten in der bildenden Kunst, in: Herbert Zeman (Hg.): Die Jahreszeiten in Dichtung, Musik und bildender Kunst. Ein Kunstbrevier für Liebhaber, Graz/Wien/Köln 1989, S. 57–63, hier S. 62.

Forschungsstand 19

Quellenlage Zur Beantwortung der Frage nach Art und Umfang des Wandels der Jahreszeitenauffassung ist eine quellenorientierte Herangehensweise unerlässlich. Die Arbeit wertet in dieser Hinsicht Textquellen wie Ikonologien und emblematische Künstlerhand­ bücher sowie enzyklopädische Nachschlagewerke des 18. und 19. Jahrhunderts aus, in denen das Motiv der Vier Jahreszeiten besprochen und seine Darstellungsweise beschrieben wird. Von Bedeutung für die Vermittlung der jahreszeitlichen Bildtradition, insbesondere im Hinblick auf die mythologischen Figurationen sind außerdem illustrierte Werke wie Montfaucons L’Antiquité expliquée et représentée en figures, die antike Vorbilder sowohl in Beschreibungen als auch mittels Reproduktionen tradieren.12 Zentral ist des Weiteren der Einbezug kunsttheoretischer Traktate, darunter etwa die Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture des Abbé Du Bos,13 die sich mit der Allegorie als Kunstform auseinandersetzen und deren Bedeutung für die damalige Zeit diskutieren. In gleicher Weise finden naturwissenschaftliche und philosophische Abhandlungen Berücksichtigung, die damalige Kosmos-, Natur- und Zeitvorstellungen reflektieren, sowie ihre populärwissenschaftlichen ‚Übertragungen‘ wie etwa John Theophilus Desaguliers humoristisches Gedicht The Newtonian System of the World,14 in denen versucht wird, die komplexen physikalischen Vorgänge einem breiteren Publikum verständlich zu machen. Weiteres Quellenmaterial wie Selbstzeugnisse von Künstlern, Ausstellungsberichte oder Werkbesprechungen ergibt sich mit Blick auf die zentralen Untersuchungsbeispiele der Arbeit. Hierauf wird in den entsprechenden Kapiteln genauer einzugehen sein.

Forschungsstand Entgegen ihrer epochenübergreifenden Verbreitung in der bildenden Kunst erfahren die Vier Jahreszeiten in der kunsthistorischen Forschung bislang eine vergleichsweise geringe Beachtung. Zwar stellen sie „in der großen Familie der kosmologischen Themen“ kein „Stiefkind“ mehr dar, wie noch 1993 Karen Meetz in ihrer Dissertation über das Motiv jahreszeitlicher Prozessionsdarstellungen im 16. und 17. Jahrhundert anmerkt.15 Das Thema bleibt jedoch auch im Vergleich zu anderen Vierermodellen

12 Bernard de Montfaucon: L’Antiquité expliquée et représentée en figures, 5 Bde und 5 Suppl­ bde, Paris 1722–1724. 13 Jean-Baptiste du Bos: Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture, 2 Bde, Paris 1719. 14 John Theophilus Desagulier: The Newtonian System of the World, the best Model of Govern‑ ment: An Allegorical Poem, Westminster 1728. 15 Karen Sabine Meetz: ›Tempora triumphant‹. Ikonographische Studien zur Rezeption des antiken Themas der Jahreszeitenprozession im 16. und 17. Jahrhundert und zu seinen naturphi‑

20 Einleitung

wie den Lebensaltern des Menschen, den Weltzeitaltern oder der Temperamentenlehre16 ein weitgehend seltener Untersuchungsgegenstand und stößt erst in den letzten zehn Jahren auf vermehrtes Interesse. Als Beispiel hierfür sei die Tagung des an der Universität Köln angesiedelten Morphomata-Kollegs angeführt, die sich 2011 dem Jahreszeitenmotiv in globaler und zugleich interdisziplinärer Perspektive näherte.17 Angefangen mit James Fowlers katalogartiger Auflistung mittelalterlicher Jahreszeiten- und Monatsbilder von 187318 konzentriert sich der Großteil der seither entstandenen Forschungsbeiträge auf die jahreszeitlichen Darstellungen in (Spät‑)Antike und Mittelalter. Erste Ansätze einer darüber hinausgehenden epochenübergreifenden Erfassung der Jahreszeitenikonographie unternimmt George M. A. Hanfmann in seiner Publikation zum römischen Jahreszeiten-Sarkophag von Dumbarton Oaks innerhalb eines Ausblicks, in dem er die Entwicklung des Motivs in der europäischen Kunst bis in das 18. Jahrhundert kursorisch nachzeichnet.19 Ähnlich überblicksartig vollzieht Inge Behrmann in ihrer 1976 veröffentlichten Dissertation die Motivgeschichte von der Antike bis in das 20. Jahrhundert nach, wobei sie allerdings weniger eine kunsthistorische als vielmehr eine ethnologische Perspektive verfolgt.20 Eine kurze Bestandsaufnahme zur jahreszeitlichen Darstellungstradition findet sich außerdem in einem Aufsatz von Werner Busch zu den Jahreszeitenzyklen von Caspar David Friedrich.21 Neben diesen vornehmlich auf das Bildmotiv der Jahreszeiten konzentrierten Abhandlungen bietet der 1989 von Herbert Zeman herausgegebene ‚Kunstbrevier‘ einen gattungsübergreifenden Ansatz, der sich der Behandlung des losophischen, astronomischen und bildlichen Voraussetzungen, Bonn 2003 (Zugl. Diss. phil. Universität Bonn 1993), S. 2. Dort findet sich auch eine insgesamt kritische Auseinandersetzung mit der Forschungslage bis 1992. 16 Siehe exemplarisch zu den Lebensaltern Klaus T. Wirag: Cursus Aetatis – Lebensalterdar‑ stellungen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, München 1995 (Diss. phil. Universität München 1994); zur Weltalterlehre Bodo Gatz: Weltalter, goldene Zeit und sinnverwandte Vorstellungen, Hildesheim 1967 (Spudasmata, Bd. 16) (Zugl. Diss. phil. Universität Tübingen 1964) sowie zur Temperamentenlehre die grundlegende Darstellung von Raymond Klibansky, Erwin Panofsky und Fritz Saxl: Saturn and Melancholy. Studies in the History of Natural Philosophy, Religion and Art, London u. a. 1964. 17 Siehe den begleitenden Tagungsband von Greub 2013. 18 James Fowler: On Mediaeval Representations of the Months and the Seasons, in: Archaeo‑ logia 44 (1873), S. 137–224. 19 George Maxim Anossov Hanfmann: The Season Sarcophagus in Dumbarton Oaks, 2 Bde, Cambridge 1951 (Dumbarton Oaks Studies, Bd. 2). 20 Inge Behrmann: Darstellungen der vier Jahreszeiten auf Objekten der Volkskunst. Untersu‑ chungen zur Ikonographie und Geschichte eines Motivs, Frankfurt am Main 1976 (Europäische Hochschulschriften, Reihe XIX: Ethnologie, Bd. 10). K. Meetz merkt hierzu an, dass die Arbeit „ohne weiteren kunsthistorischen Erkenntniswert“ sei; Meetz 2003, S. 3. 21 Werner Busch: Von unvordenklichen bis zu unvorstellbaren Zeiten. Caspar David Friedrich und die Tradition der Jahreszeiten, in: Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich – im Lauf der Zeit, hg. von Andreas Blühm, Ausst.-Kat., Van Gogh Museum Amsterdam, Zwolle 1995, S. 17–32; siehe hierzu insb. S. 19–22.

Forschungsstand

Motivs in der Kunst, der Musik und der Literatur in allgemein gehaltener, breitenwirksamer Form widmet.22 Mehrere Ausstellungen der jüngeren Vergangenheit, die das Motiv entweder insgesamt oder nur anhand einzelner Jahreszeiten in den Blick nehmen, weisen schließlich auf die Aktualität des Themas, bleiben bei der Betrachtung der Werke allerdings gleichfalls an der Oberfläche.23 Zu den Darstellungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen, lassen sich hauptsächlich zwei Veröffentlichungen aus den 1980er-Jahren anführen: der 1986 erschienene Tagungsband der Arbeitsstelle 18. Jahr‑ hundert, der – soweit bekannt – als bislang einziger Beitrag die besondere Bedeutung der Vier Jahreszeiten für die Künste des 18. Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit würdigt, sowie der dazugehörige Ausstellungskatalog aus dem Jahre 1989, der die Ergebnisse der Tagung wiederholt.24 Aufgrund der zeitlich und thematisch breiten Ausrichtung und des ähnlich wie bei Zeman gattungsübergreifenden Zugriffs, der Kunst, Musik und Literatur gleichermaßen in den Blick nimmt, können auch diese beiden Publikationen das Thema insgesamt allerdings nur punktartig beleuchten. Einen Überblick zur kunsttheoretischen Bewertung allegorischer Darstellungen im 18. und 19. Jahrhundert bietet wiederum die grundlegende Untersuchung von Bengt Algot Sørensen.25 Neben diesen allgemeinen Betrachtungen liegen mehrere Einzelstudien zu jahreszeitlichen Werken des 18. und 19. Jahrhunderts vor, darunter auch – die Forschungsstände werden in den jeweiligen Kapiteln nochmals genauer behandelt – zu den Hauptbeispielen dieser Untersuchung. Zu nennen sind hier etwa Sean Shesgreens Abhandlung zu den Four Times of Day von William Hogarth oder die Beiträge von Guilhem Scherf, Maraike Bückling und Julia Kloss-Weber zu Houdons Skulpturenpaar Sommer und Winter. Eine Vielzahl an Studien widmet sich außerdem den jahreszeitlichen Darstellungen von Caspar David Friedrich.26 Andere Arbeiten wie die Jahres22 Zeman 1989a. 23 Zu nennen sind hier etwa die 1999/2000 in Kassel gezeigte Ausstellung Geburt der Zeit (Kat. Kassel 1999/2000), die Ausstellung zu den Vier Jaargetijden von 2002/2003 (De Vier Jaargetijden in de kunst van de Nederlanden 1500–1750, hg. von Yvette Bruijnen und Paul Huys Janssen, Ausst.-Kat., Noordbrabants Museum ’s-Hertogenbosch und Stedelijk Museum Vander Kelen-Mertens Leuven, Zwolle 2002) sowie die Ausstellung in Wien und Zürich zum Motiv des Winters in der bildenden Kunst (Wintermärchen. Winter-Darstellungen in der europäischen Kunst von Bruegel bis Beuys, hg. von Sabine Haag, Ronald De Leeuw und Christoph Becker, Ausst.-Kat., Kunsthistorisches Museum Wien und Kunsthaus Zürich, Köln 2011). 24 Rainer Gruenter (Mitarb.): Die Vier Jahreszeiten im 18. Jahrhundert. Colloquium der Ar‑ beitsstelle 18. Jahrhundert, Heidelberg 1986 (Beiträge zur Geschichte der Literatur und Kunst des 18. Jahrhunderts, Bd. 10) und Das Reich der Jahreszeiten, hg. von dems., Ausst.-Kat., Strauhof Zürich, Zürich 1989 (Reihe Strauhof Zürich, Bd. 1). 25 Bengt Algot Sørensen: Symbol und Symbolismus in den ästhetischen Theorien des 18. Jahr‑ hunderts und der deutschen Romantik, Kopenhagen 1963 (Zugl. Diss. phil. Universität Aarhus 1962). 26 Siehe zu Hogarth Sean Shesgreen: Hogarth and the Times‑of-the-Day Tradition, Ithaca/ London 1983; zu Houdon u. a. Houdon 1741–1828. Statues, portraits sculptés…, hg. von Guilhem

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22 Einleitung

zeitenreliefs von Bertel Thorvaldsen blieben demgegenüber von der Forschung bislang weitgehend unbeachtet. Das spezifische Phänomen des Wandels der Jahreszeitenikonographie im 18. und frühen 19. Jahrhundert wird in den einzelnen Betrachtungen zwar immer wieder konstatiert – so etwa bei Beatrix Freifrau von Wolff Metternich in ihrem Aufsatz zu motivischen Veränderungen am Beispiel der jahreszeitlichen Porzellanplastik –,27 bisher jedoch nie umfassend, etwa werkübergreifend und unter Einbezug der mentalitätsgeschichtlichen Voraussetzungen und kunsttheoretischen Kontexte untersucht. So steht eine systematisch-monographische Betrachtung des Jahreszeitenthemas im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert mit dezidierten Werkanalysen und einem Schwerpunkt auf den Veränderungen innerhalb der Darstellungstradition, wie sie hier unternommen wird, bislang aus. Damit wird nicht nur ein in der europäischen Kunst fest verankertes Bildthema motivgeschichtlich und diskursanalytisch in den Blick genommen, sondern zugleich ein Beitrag zur Erforschung der Kulturgeschichte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts geleistet. Im Folgenden wird zunächst die Entwicklung der jahreszeitlichen Bildsprache von der Antike bis in die Neuzeit in einem einführenden Kapitel nachvollzogen, um so die Darstellungstradition in ihren charakteristischen Merkmalen bestimmen zu können. Der Hauptteil beginnt mit einem kurzen Überblick über die Jahreszeitendarstellungen im 18. und 19. Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Wandel, an den sich ein gesondertes Kapitel zum Vorkommen des Motivs in zeitgenössischen Gartenprogrammen sowie ein Seitenblick auf parallele Entwicklungen in der damaligen Literatur, Dichtung und Musik anschließen. Die Betrachtung der skulpturalen Verbildlichungen der Jahreszeiten im Garten ist insofern besonders angezeigt, als sich gerade dort das Abrücken von überzeitlichen Vorstellungen und der Übergang hin zu einer genrehaften und stärker lebensnahen Auffassung der Jahreszeiten exemplarisch veranschaulichen lassen. Im Zentrum der Arbeit steht im An­schluss daran die kontextualisierende Analyse der vier Werkkomplexe. Unter Einbezug von Referenzwerken werden sie nach ihrem Verhältnis zur Darstellungstradition und dem zugrunde liegenden Zeitenverständnis befragt und mit Blick auf die kunsttheoretischen und mentalitätsgeschichtlichen Vorgaben des 18. und 19. Jahrhunderts ausgewertet.

Scherf, Ausst.-Kat., High Museum of Art Atlanta, Paris 2006, S. 212–217 Kat. Nr. 46–47 sowie zu Friedrich exemplarisch Busch 1995. 27 Beatrix Freifrau von Wolff Metternich: Kontinuität und Wandel der Jahreszeitenmythologie in der Porzellankunst des 18. Jahrhunderts, in: Gruenter 1986, S. 150–172. Ganz ähnlich später die Autorin auch zur Monatsikonographie, die sie mit der Entwicklung jahreszeitlicher Darstellungen analog setzt: Beatrix Freifrau von Wolff Metternich: Metamorphosen der Jahreszeiten – Die Monate in der Kunst, in: Wolfgang Adam (Hg.): Das achtzehnte Jahrhun‑ dert: Facetten einer Epoche, Festschrift für Rainer Gruenter, Heidelberg 1988, S. 211–232.

Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

Die Untersuchung des Jahreszeitenmotivs im 18. und frühen 19. Jahrhundert setzt einen Blick auf dessen Entwicklungsgeschichte voraus, um vor diesem Hintergrund die Veränderungen der jahreszeitlichen Bildsprache bestimmen zu können. Die in der Antike entwickelten Vorgaben sind  – zum Teil um neue Bedeutungsdimensionen ergänzt – prägend für spätere Auffassungen und wirken durch ihre Vermittlung in ikonologischen und mythographischen Werken, allen voran der Iconologia Cesare Ripas, bis in die Neuzeit fort. Die Entstehung dieser spezifischen Darstellungsweise steht dabei in engem Zusammenhang mit der literarischen Behandlung des Themas. So dient die Literatur vielfach als Inspiration für bildliche Umsetzungen, spiegelt zugleich aber auch jahreszeitliche Vorstellungen wider, die in der bildenden Kunst zum Ausdruck kommen. Der folgende Überblick umfasst daher sowohl bildkünstlerische als auch literarische Beispiele.

Horai und Tempora anni: Die Anfänge der Jahreszeitentradition in der Antike Die Bedeutung klimatischer Einflüsse für das Leben des Menschen führte früh zu einer Erfassung des Phänomens wiederkehrender Jahreszeiten. Bereits in den Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens war die Einteilung des Jahres in verschiedene Zeitabschnitte geläufig und diente als Anhaltspunkt für die Ausrichtung von Kalendern und religiösen Festen.1 Die Gliederung des Jahreslaufs beruhte auf der Beobachtung sich wandelnder Natur- und Himmelserscheinungen. In Anlehnung an die Phasen des Mondes erfolgte zunächst eine Aufteilung in zwei beziehungsweise drei

1 Zu Jahreszeitenvorstellungen in Mesopotamien siehe Julye Bidmead: Seasons of Life: Ritual and Renewal in ancient Mesopotamia, in: Greub 2013, S. 57–72. Zu Ägypten und den wenigen erhaltenen Jahreszeitendarstellungen dort siehe Joachim Friedrich Quack: Zeit, Krise und Bewältigung: ägyptische Zeiteinheiten, ihre Schutzgötter und deren bildliche Umsetzung, in: Greub 2013, S. 73–98 mit Hinweisen auf weiterführende Literatur.

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

Jahreszeiten, welche die Prozesse von Werden, Wachsen und Vergehen wiedergaben.2 Während aus jener Frühzeit nur wenige bildliche Darstellungen überliefert sind, treten die Jahreszeiten ab dem 8. Jahrhundert v. Chr. vor allem in schriftlichen Quellen auf. Durch ihre Bezeichnung mit dem Wort ὥρα (hôra, griech. für Zeitabschnitt, Jahreszeit oder Blütezeit)3 entsteht eine begriffliche Überschneidung mit den weiblichen Naturgottheiten der Horen (Ὧραι, Hôrai), wobei die Grenzen zwischen temporaler Figuration und mythologischen Wesen in einigen Texten verschwimmen.4 Den Horen kamen verschiedene Aufgaben zu: Neben ihrer vegetativen Funktion galten sie als Bewahrerinnen von Schönheit und Jugendlichkeit, als Segensbringerinnen im Kontext von Hochzeiten und Geburten, als Bereiterinnen von Opfergaben oder Götterbegleiterinnen. Bei Homer treten sie neben ihrer Verwendung als Zeitbegriff (Ilias XXI, 450; Odyssee X, 469 und XIX, 152) als Wächterinnen der olympischen Tore auf (Ilias V, 749–751 und VIII, 393–395). Zudem spannen sie den Wagen für Hera und Athene (Ilias VIII, 433). Bei Hesiod werden sie mit den Namen Eunomia (gute Ordnung), Dike (Recht) und Eirene (Frieden) als Töchter des Zeus und der Themis beschrieben und erhalten damit auch eine politisch-gesellschaftliche Dimension (Theogonie, 901–903).5 2 Siehe Roger Hinks: Myth and Allegory in Ancient Art, London 1939 (Studies of the Warburg Institute, Bd. 6), S. 45 und Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 78 f. Hanfmann begründet die Dreizahl unabhängig vom Mondkalender mit den klimatischen Gegebenheiten im damaligen Griechenland; vgl. ebd., S. 88. 3 Zur Bedeutung des Wortes hôra siehe u. a. Jean Rudhardt: Thémis et les Hôrai. Recherche sur les divinités grecques de la justice et de la paix, Genf 1999 (Recherches et Rencontres, Bd. 14), S. 59–76. 4 M. Fuhrmann macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass in der griechischen Vorstellungswelt trotz der begrifflichen Überlagerung zwischen den Horen als göttlichen Naturkräften und den Jahreszeiten als reinen Zeitpersonifikationen unterschieden wurde. Beide Vorstellungen seien erst in der späteren Rezeption des 18. Jhs zusammengebracht und die Horen als Jahreszeitengöttinnen verstanden worden; siehe Manfred Fuhrmann: Die Vier Jahreszeiten bei den Griechen und Römern, in: Gruenter 1986, S. 9–17, hierzu insb. S. 9–13. Demgegenüber sieht A. Jolles allerdings durchaus auch in der Antike Verbindungen zwischen Horen und Jahreszeiten; André Jolles: Horai, in: August Pauly (Begr.) und Georg Wissowa (Hg.): Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Reihe  1, 24  Bde, hier: Halbbd. 16, Stuttgart 1913, S. 2300–2313, hierzu S. 2300 f. In der neueren Forschungsliteratur werden Horen und personifizierte Jahreszeiten oftmals in einen direkten Zusammenhang gestellt, so etwa bei Anne de Snoo: Van Griekse Horen naar Vlaamse boeren. De Maanden en Jaargetijden in de kunst van de Oudheid tot aan het begin van de vijftiende eeuw, in: Kat. ’s-Hertogenbosch/Leuven 2002, S. 13–23, insb. S. 13 f. 5 In seinen Erga (75) beschreibt Hesiod die Horen wiederum als Blumen bringende Dienerinnen der Pandora. Zur Behandlung der Horen in der antiken Literatur siehe u. a. Rudhardt 1999, S. 82–96 und Jan N. Bremmer: The Birth of the personified Seasons (Horai) in archaic and classical Greece, in: Greub 2013, S. 161–178, insb. S. 165 ff. Die bei Hesiod formulierte genealogische Verbindung der Horen zu Themis findet sich bei Pindar wieder (Fragm. Paian I (D1); siehe dazu Ian Rutherford: Pindar’s Paeans. A Reading of the Fragments with a Survey of the Genre, Oxford/New York 2001, S. 254–257), bleibt ansonsten aber ohne Nachwirkung. Ebenso werden auch andere Vorstellungen hauptsächlich in der Literatur tradiert, ohne dass



Horai und Tempora anni

4 Attische Dreifußpyxis, 2. Viertel 6. Jh. v. Chr., Berlin, Staatliche Museen, Antikensammlung

In bildlichen Zeugnissen werden die Horen ab dem frühen 6. Jahrhundert v. Chr. als homogene, meist durch gemeinsame Kleidung verbundene Gruppe von drei jungen Frauen dargestellt.6 Häufig treten sie zusammen mit Dionysos oder chthonischen Göttern wie Demeter oder Kore auf und nehmen als Kollektivgottheiten ähnlich wie die Chariten, Moiren, Keren oder Nymphen eine eher untergeordnete Rolle ein.7 In dieser Funktion begleiten sie Prozessionen oder wohnen mythischen Ereignissen wie der Geburt der Athena oder der Hochzeit von Peleus und Thetis bei. Bildliche Zeugnisse hierfür finden sich beispielsweise auf dem Dinos des Sophilos (580/570 v. Chr.) oder der sogenannten François-Vase (um 570 v. Chr.). Anfänglich sind die Jahreszeiten-Horen nicht durch spezifische Attribute gekennzeichnet, sondern allein anhand ihrer Beischrift zu identifizieren. Eine erste Differenzierung hinsichtlich Kleidung und Attributen lässt sich auf einer schwarzfigurigen Pyxis beobachten (Abb. 4). Sie zeigt die drei Horen als Einzelfiguren mit individuellen Attributen: Die mittlere, deren Kopf mit einem Umhang bedeckt ist, trägt einen Schellenkranz. Die beiden äußeren halten

sie in der Kunst einen Niederschlag finden: Das von Homer beschriebene Motiv der Horen als Wagenspannerinnen greift Ovid auf (Metamorphosen II, 118), Pausanias erwähnt sie als Wächterinnen der Himmelstore (Periegesis V, 11, 7). 6 Einen grundlegenden Überblick über die Horen-Darstellungen in der griechischen Kunst bietet Vassiliki Machaira: Horai, in: Hans Christoph Ackermann u. a. (Red.): Lexicon Iconogra‑ phicum Mythologiae Classicae, 9 Bde, hier: Bd. 5/1, Zürich/München 1990, S. 502–510. 7 Siehe Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 80–87. Die nachrangige Bedeutung der Horen spiegelt sich auch in einer kaum ausgeprägten kultischen Verehrung wider. Als eines der wenigen Beispiele gilt der Kult der zwei Horen Thallo (die Blühende) und Karpo (die Fruchtbringende), den Pausanias (Periegesis, IX, 35, 2) für Athen bezeugt. Zu weiteren Horen-Kulten außerhalb Athens siehe u. a. Bremmer 2013, S. 174 f.

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

Zweige in den Händen. Spezifischere Beigaben wie Reben- und Granatapfelzweige treten auf einer rotfigurigen Trinkschale des Sosias-Malers (550–475 v. Chr.) hinzu.8 Im 4. Jahrhundert v. Chr. erlangt das Thema der Jahreszeiten im Zuge eines wachsenden astronomischen Interesses eine neue, deutlichere Präsenz. Mit der zunehmenden Orientierung am Sonnenzyklus entsteht die Vorstellung von einem viergliedrigen System, das durch naturphilosophische und kosmographische Schriften wie die Phainomena des Aratos von Soloi Verbreitung findet.9 So tritt das Vierermodell auch in Texten aus dem Umfeld des Hippokrates auf, in denen die Jahreszeiten mit den Körpersäften des Menschen – Frühling mit Blut, Sommer mit gelber Galle, Herbst mit schwarzer Galle und Winter mit Schleim – und den vier Qualitäten in Verbindung gesetzt werden.10 Die hier sichtbare Parallelisierung der Jahreszeiten mit anderen Viererordnungen wird später wesentlich erweitert, wie ein Schema des As­ trologen Antiochos von Athen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. verdeutlicht.11 Die Vierteilung des Jahres findet auch in bildlichen Darstellungen ihren Niederschlag, etwa in der Keramik, der Reliefkunst oder als Illustration astronomischer Texte und Kalender. Dabei lösen sich die Jahreszeiten nach und nach aus ihren mythologischen Zusammenhängen, wie sie durch die Überblendung mit den Horen bestanden, und treten

8 Hierzu genauer Machaira 1990, S. 503–508 und Alan Shapiro: Eniautos. Time, Seasons, and the Cycle of Life in the Ancient Greek World, in: Günter Blamberger und Dietrich Boschung: Morphomata. Kulturelle Figurationen: Genese, Dynamik und Medialität, München 2011 (Morphomata, Bd. 1), S. 199–222, insb. S. 204–206. Inwieweit es sich bei den genannten Darstellungen um Verbildlichungen der Horen oder der personifizierten Jahreszeiten handelt, lässt sich nicht unterscheiden. Zu den wenigen hier nicht aufgeführten und teils umstrittenen Darstellungsbeispielen der griechischen Klassik vgl. Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 98–103. 9 Zu den Phainomena Arats und ihrer Nachwirkung siehe vor allem Mechthild Haffner: Ein antiker Sternbilderzyklus und seine Tradierung in Handschriften vom frühen Mittelalter bis zum Humanismus. Untersuchungen zu den Illustrationen der „Aratea“ des Germanicus, Hildesheim/Zürich/New York 1997 (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 114) (Zugl. Diss. phil. Universität Heidelberg 1994), insb. S. 15–29. Zum Einfluss naturphilosophischer Lehren, vor allem der Stoiker auf die Entwicklung der Jahreszeitenvorstellungen siehe zudem Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 107–111. 10 Das Corpus Hippocraticum, das hippokratische und pseudo-hippokratische Texte vereint, führt die Jahreszeiten in mehreren Schriften auf: Einzeln genannt werden sie etwa in De ­diaeta (III, 68, 7–12). In De aëre, aquis et locis setzt der Autor den Wandel der Jahreszeiten und seine geographisch unterschiedliche Ausprägung zu bestimmten Krankheitsbildern in Bezug. In De natura hominis (VII) schließlich wird die Viersäftelehre in Verbindung mit den Jahreszeiten geschildert; siehe Émile Littré (Hg.): Œuvres complètes d’Hippocrate, 10  Bde, Amsterdam 1961/1962 (Reprint der Pariser Ausgabe von 1839–1861), hier: Bd. 2, Amsterdam 1961, S. 12–92 und Bd. 6, Amsterdam 1962, S. 32–68 und S. 466–662. Die Viersäftelehre wird später durch Galen weiterentwickelt; siehe dazu auch Klibansky/Panofsky/Saxl 1964, S. 8–11 und S. 97–123. 11 Siehe das Schema bei Jean Seznec: Das Fortleben der antiken Götter. Die mythologische Tradition im Humanismus und in der Kunst der Renaissance, deutsche Übersetzung des französischen Originals von 1980, München 1990, S. 39 sowie Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 155 f.

Horai und Tempora anni

als eigenständige Zeitpersonifikationen auf.12 Jahreszeitentypische Früchte, Blumen, Tiere oder Werkzeuge, die auf bestimmte saisonale Tätigkeiten verweisen, werden zu charakterisierenden Beigaben.13 Die individuelle Kennzeichnung der Jahreszeiten durch spezifische Attribute ist literarisch erstmals für den Festzug des ägyptischen Herrschers Ptolemaios  II. Philadelphos in hellenistischer Zeit verbürgt, in dem die vier Zeiten als Vorboten des Dionysos auftreten.14 In bildlichen Darstellungen werden die Jahreszeiten durch die gewachsene Beachtung des Sonnensystems vermehrt mit Helios, Apoll oder Phaeton abgebildet. Ihre Darstellungsweise verfestigt sich zunehmend, wenngleich das Repertoire an Attributen variabel bleibt: Meist werden sie stehend, schreitend oder tanzend gezeigt. Der Winter ist in ein dickeres Gewand gehüllt und mit bedecktem Haupt dargestellt, während Frühling, Sommer und Herbst leichter bekleidet sind. Typische Attribute des Frühlings sind eine Ziege, Blumen oder Früchte, die in einem Korb, einer Schale oder einem Füllhorn präsentiert werden oder zu Girlanden und Kränzen geflochten sind. Der Sommer wird mit Kornähren, Mohnblumen oder einer Sichel verbildlicht. Als Tier ist ihm ein Stier zugeordnet. Weintrauben, Weinblätter und Granatäpfel kennzeichnen den Herbst. Der Winter wird mit Schilfrohr, einem Hirtenstab und Jagdtieren wie Wildschweinen, Enten, Gänsen oder Hasen abgebildet. In späthellenistischer und frührömischer Zeit nimmt die Anzahl an überlieferten Zeugnissen des Jahreszeitenmotivs weiter zu. Vor allem in der römischen Kultur erfreut sich das Thema großer Beliebtheit. Autoren wie Varro, Cicero, Lukrez, Manilius, Vergil, Horaz und Ovid setzen sich in ihren Lehrdichtungen mit Zeitvorstellungen auseinander. Dabei werden auch die Jahreszeiten als Teil der kosmischen Ordnung thematisiert und mitunter staatsideologisch verwertet.15 Eine besondere Rolle, vor allem für die weitere Entwicklung der Jahreszeitenikonographie und die spätere Auffassung der Vier Zeiten spielen die Werke Ovids. In seinen Metamorphosen geht der Dichter an mehreren Stellen auf die Jahreszeiten ein. Im ersten Buch schildert er ihre Entstehung 12 Zur ‚Entmythologisierung‘ der Jahreszeiten siehe zudem Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 114–117. 13 Tiere kommen erst in hellenistischer Zeit als begleitende Symbole der Jahreszeiten auf; siehe ebd., S. 128–134. Ein prägnantes Beispiel der Verknüpfung von Jahreszeiten und Tieren ist ein spätantikes Mosaik des 3. Jhs n. Chr. aus St. Romain‑en-Gal (heute Saint-Germain‑enLaye, Musée d’Archéologie nationale); ebd., Bd. 2, S. 165, Nr. 338. 14 Siehe die Beschreibung von Kallixenos von Rhodos bei Athenaios (Deipnosophistai, V, 196a–203b; zu den Horen  198b). Vgl. dazu Ellen E. Rice: The Grand Procession of Ptolemy ­Philadelphus, Oxford 1983 (Oxford Classical and Philosophical Monographs), Text S. 10 f. sowie Erläuterungen S. 49–51 und Maria Teresa Marabini Moevs: Penteterìs e le tre Horai nella pompè di Tolomeo Filadelfo, in: Bolletino d’arte 72/42 (1987), S. 1–36, die allerdings nur von drei Horen im Gefolge der Personifikation des Jahrfünfts (Penteteris) ausgeht. 15 Zu den verschiedenen Zeitvorstellungen in der römischen Literatur und Kultur siehe ausführlich Anja Wolkenhauer: Sonne und Mond, Kalender und Uhr. Studien zur Darstellung und poetischen Reflexion der Zeitordnung in der römischen Literatur, Berlin/New York 2011 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte, Bd. 103) (Zugl. Habil. Universität Hamburg 2008). Vgl. zudem Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 115–127.

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

als Teil der Weltalterlehre, wonach die durch Jupiter erwirkte Viergliederung des Jahres dem Ver aeternum des goldenen Zeitalters unter Saturn ein Ende bereitet (I, 113– 118). Im zweiten Buch werden die Jahreszeiten als anthropomorphe Wesen unterschiedlichen Aussehens beschrieben. Zusammen mit anderen Zeitpersonifikationen flankieren sie den Thron des Sonnengottes (II, 27–30): Verque novum stabat cinctum florente corona, stabat nuda Aestas et spicea serta gerebat, stabat et Autumnus, calcatis sordidus uvis, et glacialis Hiems, canos hirsuta capillos.16

Aus dieser Beschreibung geht zugleich die Vorstellung von verschiedenen Altersstufen hervor, die die Jahreszeiten einnehmen können. In der Pythagoreischen Rede des 15. Buches, die die Ovidschen Lehren des ewigen Kreislaufs von Wandel und Erneuerung philosophisch einbettet und die Bedeutung der Zahl Vier unterstreicht, werden die Jahreszeiten schließlich explizit mit den vier Lebensaltern des Menschen verbunden (XV, 199–213): Quid? non in species succedere quattuor annum adspicis aetatis peragentem imitamina nostrae? 17

Zudem stellt Ovid sie in einen übergeordneten kosmologischen Zusammenhang mit anderen Vierermodellen wie den Weltzeitaltern (XV, 260 f.), den Tageszeiten (XV, 186 ff.) und den Elementen (XV, 237 ff.). Neben den Metamorphosen behandelt Ovid die Jahreszeiten, ihre Eigenschaften als Naturerscheinung und den menschlichen Umgang damit auch in seiner Liebesdichtung Remedia amoris (187 f.). Die Gliederung des Jahres ist nicht zuletzt ein zentrales Thema seiner Fasti, der Abhandlung zum römischen Festkalender. Hier verknüpft er die Horae mit Göttern wie Janus (I, 125–127) und Flora (V, 215–218). Eine noch direktere Verbindung der Jahreszeiten Frühling, Sommer und Herbst mit Götterfiguren findet sich bei Lukrez (De rerum natura V, 737–747): Venus und Flora treten hier mit der Personifikation des Frühlings auf, Ceres mit dem Sommer und Bacchus 16 Publius Ovidius Naso (Ovid): Metamorphosen, hg. und übers. von Gerhard Fink, Düsseldorf 22007 (1. Aufl. 2004) (Sammlung Tusculum), S. 65: „Da stand auch der junge Frühling, mit Blüten bekränzt, da stand nackt der Sommer, einen Ährenkranz um die Schläfen, da stand auch der Herbst, bespritzt vom Saft zertretener Trauben, und der eisige Winter mit struppigem Grauhaar.“ Zur Deutung des dieser Passage vorangestellten Begriffs „Horae“ siehe auch Wolkenhauer 2011, S. 140, insb. Anm. 421–423. 17 Ovid 2007, S. 757 (XV, 199 f.): „Und weiter: Man sieht doch, daß im Lauf des Jahres vier Zeiten einander folgen, so daß es zum Abbild unseres Lebens wird: […].“ Die Verbindung der Jahreszeiten mit den menschlichen Lebensaltern scheint erstmals in einem pythagoreischen Gedicht aus dem 6. Jh. v. Chr. aufzutreten; siehe dazu Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 89.



Horai und Tempora anni

(Euhius Euan) mit dem Herbst. Hinzukommen die Winde Zephyrus, Aquilon, Volturnus und Auster, die ebenfalls – der Winter nunmehr eingeschlossen – den einzelnen Zeiten zugeordnet werden. Eine weitere Dimension kommt in den Lehrdichtungen Vergils, vor allem in den Georgica, zum Ausdruck. Hier werden die Jahreszeiten als bestimmende Naturkräfte vorgestellt, die in Verbindung mit dem Lauf der Gestirne die ländlichen Arbeiten und Feste innerhalb des Jahres vorgeben. Obwohl die angeführten Beschreibungen in der römischen Literatur für spätere bildliche Darstellungen prägend werden, finden sie in der Kunst der eigenen Zeit nur bedingt Nachhall. Besonders die bei Ovid vollzogene Verknüpfung der Jahreszeiten mit den menschlichen Lebensaltern bleibt zunächst ohne Folgen. Bei der Betrachtung der Darstellungen in der römischen Kunst fällt jedoch eine andere Neuerung auf: Verbunden mit der im Geschlecht neutralen lateinischen Bezeichnung tempora anni werden die vier Zeiten nunmehr männlich gedacht.18 Ein frühes Zeugnis dieser Auffassung ist ein Rundaltar (20–50 n. Chr.) aus den Horti Sallustiani, den kaiserlichen Gärten in Rom.19 Das umlaufende Relief zeigt vier größtenteils nackte Eroten, die durch spezifische Früchte und Gegenstände als Jahreszeiten erkennbar sind. Weibliche Jahreszeitendarstellungen werden im Vergleich dazu seltener, bleiben vor allem aber in der Reliefkeramik, in Mosaiken oder Wandmalereien bestehen. Darüber hinaus treten auch gemischte Formen auf, bei denen männliche und weibliche Figuren oder Büsten zu einem gemeinsamen Zyklus verbunden werden.20 Ein besonderer Stellenwert wird den Jahreszeiten in der römischen Kaiserzeit zuteil, wobei sie in eine enge Beziehung zum Herrscher gesetzt und als Motiv für die

18 Auf die „veränderte Akzentuierung“ in Bezug auf Geschlecht, Aussehen, Alter und Kleidung weist auch Boschung hin; Dietrich Boschung: Tempora anni: Personifikationen der Jahreszeiten in der römischen Antike, in: Greub 2013, S. 179–200, hierzu S. 180. Zu den männlichen Jahreszeitendarstellungen in der römischen Kunst und ihren griechischen Entsprechungen, den Kairoi, siehe Lorenzo Abad Casal: Kairoi/Tempora anni, in: LIMC 1990, Bd. 5/1, S. 891–920. Der analog zu den griechischen Horai gebildete lateinische Begriff Horae wird in der römischen Zeit parallel zu Tempora anni verwendet. 19 Siehe dazu genauer u. a. Erika Simon: Der Vierjahreszeiten-Altar in Würzburg, Stuttgart 1967 (Reclams Universalbibliothek, Bd. B  9123, Werkmonographien zur bildenden Kunst, Bd. 123). Zu weiteren, heute zum Teil verlorenen Beispielen aus dem Umfeld kaiserlicher Villen und Paläste wie etwa der Domus Aurea und der Villa Hadriani siehe Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 126–131. 20 Einen Überblick über die verschiedenen Darstellungsformen der Horae gibt Lorenzo Abad Casal: Horae, in: LIMC 1990, Bd. 5/1, S. 510–538. G. Hanfmann unterscheidet in seiner Abhandlung klar zwischen „Horae“ als griechischem Konzept und „Seasons“ als römischem Modell; vgl. Hanfmann 1951, Bd. 1, insb. S. 75 f., S. 112 f. u. S. 146 f. Zum Auftreten der Jahreszeiten in der Wandmalerei siehe u. a. Ellen Schwinzer: Schwebende Gruppen in der pompeja‑ nischen Wandmalerei, Würzburg 1979 (Beiträge zur Archäologie, Bd. 11) (Zugl. Diss. phil. Universität Würzburg 1976), S. 87–98. Zur Verbreitung des Motivs in der (arretinischen) Keramik siehe u. a. Marabini Moevs 1987, insb. S. 2–7.

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Staatskunst fruchtbar gemacht werden. Ab hadrianischer Zeit erscheinen sie als tanzende Knaben auf Münzen und Medaillons. Der Zusatz temporum felicitas oder felicia tempora („Glückseligkeit der Zeiten“ beziehungsweise „glückliche Zeiten“) verweist dabei auf die Glück verheißende Regentschaft des Kaisers.21 Verbunden mit der Vorstellung von der zyklischen Wiederkehr der Zeiten, die sich auch auf die Siege der Kaiser auswirken soll, findet sich das Motiv zudem im Bildprogramm römischer Ehrenbögen.22 Der jahreszeitliche Gedanke steter Erneuerung erlangt vor allem während der Tetrarchie Bedeutung, wobei die Jahreszeiten als Sinnbild des Vier-Herrscher-Kollektivs einen festen Platz in der kaiserlichen Ideologie einnehmen.23 Der zunehmende Gebrauch jahreszeitlicher Symbolik zeigt sich aber nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch im Privaten. Hier treten die Jahreszeiten aufgrund ihrer eschatologischen Dimension ab dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert verstärkt im sepulkralen Kontext auf.24 Besonders häufig begegnet das Motiv auf Marmorsarkophagen, auf denen die vier Zeiten in Form von Girlanden aus Früchten, Blüten oder Blattwerk oder durch Kratere mit saisonspezifischen Produkten vergegenwärtigt werden.25 Die Darstellungen können auch von mythologischen Szenen oder assistierenden Figuren begleitet werden, wobei letztere als wagenlenkende Eroten oder Reiter auf die Flüchtigkeit der Zeit verweisen.26

21 Zu den verschiedenen Darstellungstypen siehe genauer Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 169 f. 22 Siehe hierzu u. a. ebd., S. 163–184 und Boschung 2013, S. 184 f. 23 Genauer zur Bedeutung des Jahreszeitenmotivs in der Tetrarchie Dietrich Boschung: Die Tetrarchie als Botschaft der Bildmedien. Zur Visualisierung eines Herrschaftssystems, in: ders. und Werner Eck (Hg.): Die Tetrarchie. Ein neues Regierungssystem und seine mediale Präsentation, Wiesbaden 2006 (Schriften des Lehr- und Forschungszentrums für die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes, Bd. 3), S. 349–380, hierzu v. a. S. 366 f. 24 Siehe Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 185–192 u. S. 230–245. Zur Rolle der Jahreszeiten im Totenkult auch Friedrich Matz: Ein römisches Meisterwerk. Der Jahreszeitensarkophag BadmintonNew York, Berlin 1958 (Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, Ergänzungsheft Nr. 19), S. 117–125. Im Gegensatz zu Hanfmann sieht Matz den Ursprung der JahreszeitenEroten in hellenistischen Sarkophagen; siehe ebd., S. 32 f. und S. 117–125. Vgl. dazu auch die kritische Würdigung bei Peter Kranz (Bearb.): Jahreszeiten-Sarkophage. Entwicklung und ­Ikonographie des Motivs der Vier Jahreszeiten auf kaiserzeitlichen Sarkophagen und Sarko‑ phagdeckeln, Berlin 1984 (Die antiken Sarkophagreliefs, Bd. 5, Abt. 4) (Zugl. Habil. Universität ­Bochum 1980), S. 18. Weibliche Jahreszeitendarstellungen in Form der Horen lassen sich bereits im 1. Jh. n. Chr. im Grabkontext beobachten, werden später jedoch seltener; siehe ebd., S. 102–105 sowie Hanfmann 1951, Bd. 1, u. a. S. 125 f. 25 Zur Ikonographie der sog. Jahreszeiten-Sarkophage und den einzelnen Typen siehe genauer Kranz 1984, S. 26–38 und S. 89–146; zu saisontypischen Früchten und Pflanzen S. 90, Anm. 539. Zu den Jahreszeiten auf Dionysos-Sarkophagen siehe auch Friedrich Matz: Die dio‑ nysischen Sarkophage, 4. Teil: Die Denkmäler 246–385, Berlin 1975 (Die antiken Sarkophag­ reliefs, Bd. 4,4), S. 439–452. 26 Als Beispiele können die Sarkophage in New York mit Szenen der Theseus-Sage (wohl nach 120 n. Chr., New York, The Metropolitan Museum of Art) und aus dem Londoner Kunsthandel mit Reiterfiguren (um 130 n. Chr., Verbleib unklar) genannt werden; siehe Helga

Horai und Tempora anni



5 Jahreszeiten-Sarkophag, 330–335 n. Chr., Marmor, Washington D. C., Georgetown, Dumbarton Oaks Collection

Mit Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. nehmen die Eroten erwachsenere Züge an und erscheinen als Genien.27 Als bekanntes Beispiel gilt der Jahreszeiten-Sarkophag von Dumbarton Oaks (1. Hälfte 4. Jh. n. Chr., Abb. 5),28 auf dem vier geflügelte Jünglinge einen Clipeus mit dem Bild des verstorbenen Ehepaares rahmen. Der Clipeus wird durch ein umlaufendes Band der zwölf Tierkreiszeichen eingefasst. Die Jahreszeitengenien tragen saisonspezifische Kränze im Haar und sind mit einem Umhang bekleidet, der Attis-ähnlich dargestellte Winter zudem mit einer lose über den Beinen geknüpften Hose. Zu ihren Füßen sind kleinere Szenen zu sehen, die jahreszeitentypische Tätigkeiten wie die Kornernte oder die Weinlese aufgreifen. Die gemeinsame Darstellung von Jahreszeiten und anderen Zeitfigurationen, wie sie hier mit der Abbildung des Tierkreises sichtbar wird, lässt sich in spätrömischer Zeit vermehrt beobachten.29 Die daran ablesbare Tendenz zur Aufgliederung Herdejürgen (Bearb.): Stadtrömische und italische Girlandensarkophage, 1. Faszikel: Die Sar­ ko­phage des ersten und zweiten Jahrhunderts, Berlin 1996 (Die antiken Sarkophagreliefs, Bd. 6, Die dekorativen römischen Sarkophage Teil 2,1), S. 90–92, Kat. Nr. 23, Taf. 13, 15 u. 18.1 (New York), S. 106 f., Kat. Nr. 44, Taf. 17 und 18 (London) sowie S. 47 zu weiteren Jahreszeiten-Girlanden-Sarkophagen; abweichende Datierung des New Yorker Exemplars bei Kranz 1984, S. 183. Zur ungewöhnlichen Zuordnung der Tiere auf dem Londoner Sarkophag (Löwe-­ Frühling und Stier-Sommer) siehe Boschung 2013, S. 189. 27 Vgl. Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 218 ff. G. Hanfmann leitet den Typus des Jahreszeitengenius’ in der Sepulkralkunst von den Jahreszeiten am Severusbogen ab (S. 219). Siehe auch Boschung 2013, S. 190. F. Matz führt die Ausbildung der erwachseneren Jahreszeiten hingegen auf die größeren Fronten der Sarkophage zurück; vgl. Matz 1958, S. 132 f. 28 Grundlegend zum Sarkophag von Dumbarton Oaks: Hanfmann 1951. Zur Entwicklung des Clipeus-Sarkophag-Typus siehe zudem Kranz 1984, S. 38–55 und S. 193 f., Kat. Nr. 34 zum vorliegenden Sarkophag und den unterschiedlichen Datierungsvorschlägen. 29 Zu Darstellungen der Tierkreiszeichen, die seit hellenistischer Zeit als feste Symbole bezeugt sind, siehe Hans Georg Gundel: Zodiakos – Tierkreisbilder im Altertum. Kosmische Bezü‑ ge und Jenseitsvorstellungen im antiken Alltagsleben, Mainz 1992 (Kulturgeschichte der antiken Welt, Bd. 54), insb. S. 16 f. sowie Françoise Gury: Zodiacus, in: LIMC 1997, Bd. 8/1,

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des Jahres und einer verbindenden Präsentation verschiedener Zeitsymbole spiegelt die besondere Bedeutung wider, die der Erfassung und Kalendarisierung von Zeit in der römischen Kultur beigemessen wurde.30 Ebenso können die Jahreszeiten zusammen mit den Monaten auftreten oder vollständig durch diese verbildlicht werden. Derartige Monatsbilder finden sich vor allem auf Mosaiken oder in kalendarischen Handschriften.31 Ihre Darstellungsweise orientiert sich an der der Jahreszeiten, greift zum Teil aber auch ländliche Tätigkeiten auf oder ist an die zugeordneter Gottheiten oder religiöser Feste angelehnt.32 Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die seitengroßen Monatsillustrationen im sogenannten Chronographen von 354. Der spätantike Kodexkalender zeigt die Monate als männliche Einzelfiguren mit spezifischen Attributen, die auf den Wandel der Jahreszeiten oder kultische Handlungen verweisen. Die durch architektonische Rahmungen eingefassten Szenen werden von erläuternden Versen begleitet, die die Darstellungen näher bestimmen.33 Die von mythologischen Zusammenhängen zunehmend befreite Betrachtung der Jahreszeiten als kosmische Erscheinungsbilder und Verkörperungen abstrakter S. 490–497. Zur Verbindung von Jahreszeiten und Tierkreis siehe auch Abad Casal 1990a, S. 535. Vgl. zu weiteren antiken „Konkretisierungen von Zeitvorstellungen“ auch Boschung 2013, S. 196–200. 30 Siehe Wolkenhauer 2011, u. a. S. 31–45 und S. 151–156. 31 Einen Überblick über die Ikonographie der Monate in der Antike bieten David Parrish: Menses, in: LIMC 1992, Bd. 6/1, S. 479–500 und James Carson Webster: The Labors of the Months in Antique and Mediaeval Art to the End of the Twelfth Century, Princeton 1938 (Princeton Monographs in Art and Archaeology, Bd. 21), S. 5–36. Zum Vorkommen der Monate auf Mosaiken siehe auch David Parrish: Season Mosaics of Roman North Africa, Rom 1984, u. a. S. 156–160, Nr. 29, Taf. 42–43 und Doro Levi: The allegories of the months in classical art, in: The Art Bulletin 23/4 (1941), S. 250–291. 32 Ein Beispiel für die Verbildlichung der Monate durch religiöse Feste ist der Kalenderfries der Kleinen Metropolis (Panagia Gorgoepikoos) in Athen; siehe dazu Ludwig Deubner: Atti‑ sche Feste, Berlin 1932, S. 248–254, Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 135 f. und Webster 1938, S. 5–13. Zur Datierung vgl. Olga Palagia: The Date and Iconography of the Calendar Frieze on the Little Metropolis, Athens, in: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 123 (2008), S. 215– 237, insb. S. 217 und 233 f.; dagegen zuletzt Erika Simon: Athen als civitas libera. Zum Kalenderfries an der Kleinen Metropolis, in: Archäologischer Anzeiger 1 (2011), S. 1–19. Anders als der Großteil der Forschungsliteratur sieht Palagia (S. 228) in dem Relieffries keine Jahreszeiten abgebildet. 33 Zum sog. Chronographen von 354 (auch als Kalender des Filocalus bekannt), der in zwei in der Darstellungsart leicht voneinander abweichenden Kopien aus dem späten 15. und dem 17. Jh. überliefert ist, siehe die Untersuchung von Josef Strzygowski: Die Calenderbilder des Chronographen vom Jahre 354, Berlin 1888 (Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts, Ergänzungsheft Bd. 1), insb. S. 44–90 sowie Michele Renee Salzman: On Roman Time. The Codex-calendar of 354 and the Rhythms of Urban Life in Late Antiquity, Berkley/Los Angeles/ Oxford 1990 und Webster 1938, S. 14–35. J. Webster zufolge leitet der Chronograph einen Paradigmenwechsel hin zu einer bewegten aktiveren Auffassung der Monatsillustrationen ein, wobei der Autor Parallelen zur Entwicklung der Jahreszeitenbilder zieht; ebd. S. 32 f.



Kosmos und Heilsordnung

Zeitbegriffe, die sich in römischer Zeit herausbildet, ermöglicht schließlich die Übernahme der jahreszeitlichen Symbolik in der christlichen Kunst.34 Hier werden die Jahreszeiten zunächst vor allem auf Fresken oder Mosaiken abgebildet und begegnen neben ihrer Verwendung im Grabkontext auch in Baptisterien.35 Darstellungen, die die Jahreszeiten zusammen mit dem Christusmonogramm, dem Guten Hirten oder dem Lamm Gottes zeigen, leiten in das frühe Mittelalter über.

Kosmos und Heilsordnung: Das Fortleben der Jahreszeiten in der Vorstellungswelt des Mittelalters In der mittelalterlichen Kunst wird die in der Spätantike verbreitete Darstellung des Jahres durch verschiedene Zeitsymbole wie die Tierkreiszeichen oder die Monate fortgeführt. Gemeinsam mit diesen Zeitfigurationen werden die Jahreszeiten in eine Art kosmologische Gesamtschau eingegliedert und treten als eigenständiges Bildthema in den Hintergrund.36 Wie ihre Erwähnung in den Libri Carolini (III, 23) belegt, sind sie als Motiv aber weiterhin präsent.37 Auch insgesamt werden antike Vorstellungen nicht verworfen, sondern vielmehr in die mittelalterliche Gedankenwelt eingefügt.38 Die Kirchenväter übernehmen die dem Jahreszeitenmodell eigene Symbolik von Werden und Vergehen und unterziehen sie einer christlichen Deutung im Kontext der Heiligen Schrift, in der die vier Zeiten beginnend mit dem Schöpfungsbericht 34 Ebenso kommt das Motiv in der jüdischen Kunst vor; siehe Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 192– 196. 35 Zur Verwendung der Jahreszeiten im Taufkontext siehe v. a. Othmar Perler: Die Taufsymbolik der vier Jahreszeiten im Baptisterium von Kelibia, in: Alfred Stuiber und Alfred Hermann (Hg.): Mullus. Festschrift Theodor Klauser, Münster 1964 (Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsbd. 1), S. 282–290. Zur Jahreszeitensymbolik in der frühchristlichen Katakomben-Malerei siehe Joseph Wilpert (Hg.): Die Malereien der Katakomben Roms, 2 Bde, hier Bd. 1: Text, Freiburg im Breisgau 1903, hierzu insb. S. 34–39, § 17. 36 So auch Susanne Wittekind: Orte der Zeit – Form, Funktion und Kontext von Kalenderbildern im Mittelalter, in: Greub 2013, S. 201–227; hierzu S. 201. Wittekind konzentriert sich in ihrem Beitrag daher vor allem auf Darstellungen der sog. Monatsarbeiten und lässt jahreszeitliche Beispiele weitgehend außer Acht. 37 Das dritte Buch der Libri Carolini (eigentl. Opus Caroli regis contra synodum) führt verschiedene heidnisch-antike Motive, darunter auch die Jahreszeiten, auf und diskutiert deren Vereinbarkeit mit der Heiligen Schrift. Der Frühling wird als „floribus vernantem“ beschrieben, der Sommer mit glühender Hitze und den Erträgen des Ackerbaus verbunden („aestibus exustam; vel etiam segetibus onustam“). Der Herbst wird als „vindemiae labris vel botris oneratam“ verbildlicht und der Winter als „frigoribus algidam, modo ignibus se calefacientem, modo animantibus pabula praebentem, modo nimiis frigoribus marcidas volucres capientem“ (PL 98, Sp. 1162B–1162D). Siehe auch die Erläuterungen bei Ann Freeman (Hg.): Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini), Hannover 1998 (Monumenta Germaniae Historica: Leges, Bd. 4: Consilia, Bd. 2, Suppl. 1), Textpassage S. 442, Kommentierung S. 581 f. 38 Siehe dazu genauer Hanfmann 1951, Bd. 1, insb. S. 196–202.

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(Genesis I, 14–17)39 an mehreren Stellen auftreten. Dabei stellen sie vor allem Bezüge zur Auferstehungslehre her. Minucius Felix dienen die Jahreszeiten als Argument für die Existenz Gottes und als Ausdruck seiner Schöpfung.40 Augustinus sieht in der Gleichmäßigkeit ihrer Abfolge einen Beleg für die von Gott eingesetzte, sinnstiftende Weltordnung.41 Auch das astronomische Wissen der Antike wird für christliche Kontexte wie die Berechnung der Daten des Kirchenjahres fruchtbar gemacht.42 Zahlreiche komputistische und enzyklopädische Schriften wie Isidor von Sevillas Etymologiae oder Bedas De natura rerum und De temporibus transportieren die Kenntnisse der antiken kosmischen Chronologie und greifen dabei auch das Jahreszeitensystem auf. Die abstrakte Struktur des Universums, in die die Jahreszeiten eingeschrieben sind, wird in die visuelle Form einer rota, eines schematisch gegliederten Kreisdiagramms, gefügt.43 Die kosmologischen Vierermodelle erfahren dabei eine umfassende Syste39 Das hebräische Alte Testament kennt abgeleitet aus der jüdischen Tradition nur zwei Jahreszeiten, die klimatischen Extreme Sommer und Winter (vgl. insb. Buch Genesis VIII, 22). In der Vulgata sind hingegen alle vier Zeiten belegt; siehe Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 192 und S. 199 sowie Barbara Maurmann-Bronder: Tempora significant. Zur Allegorese der vier Jahreszeiten, in: Hans Fromm, Wolfgang Harms und Uwe Ruberg (Hg.): Verbum et signum. Fest‑ schrift für Friedrich Ohly zum 60. Geburtstag, 2 Bde, hier Bd. 1: Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung, München 1975, S. 69–101, hierzu insb. S. 75 ff. 40 Siehe Marcus Minucius Felix: Octavius, 17 (PL 3, Sp. 286 A–287 A). Zur Verbindung der Jahreszeitensymbolik mit der Auferstehungslehre vgl. Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 190 f. 41 Siehe Augustinus von Hippo: De ordine II, 15, 42 (PL 82, Sp. 1014). Gott gilt für Augustin als Herrscher über die Zeiten (siehe auch De civitate Dei XII, 25 f.; PL 41, Sp. 375 f.). Dem Konzept zyklisch wiederkehrender Zeitabläufe, wie es die Jahreszeiten verkörpern, steht er hingegen ablehnend gegenüber; vgl. De civitate Dei XII, 14–17 (PL 41, Sp. 362–367). Zum Zeitverständnis Augustins siehe genauer Kurt Flasch: Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der Confessiones, Text-Übersetzung-Kommentar, Frankfurt am Main 22004 (1. Aufl. 1993) (Klostermann Seminar), hierzu insb. S. 92–108 und S. 226–228 sowie die für die Jahreszeiten relevanten Textpassagen aus den Confessiones S. 248 f. u. 262 f. Zum Nebeneinander von zyklischer und linearer Zeitauffassung im Mittelalter siehe Anne Higgins: Medieval notions of the structure of time, in: The Journal of Medieval and Renaissance studies 20 (1990), S. 227–250, insb. S. 229. Vgl. zum Ganzen auch Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 198 u. S. 201–203. 42 Zum Umgang des Mittelalters mit dem naturwissenschaftlichen Wissen der Antike siehe allgemein Dieter Blume: Wissenschaft und Bilder. Vom Hof Karls des Großen zur Klosterreform, in: Bruno Reudenbach (Hg.): Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, Bd. 1: Karolingische und ottonische Kunst, München u. a. 2009, S. 521–535. 43 Vgl. die Beispiele bei Wittekind 2013, S. 203–208 mit Abb. 1–4. Innerhalb des Diagramms werden die Jahreszeiten zunächst durch Schriftzüge repräsentiert, bevor sie in Form von Bildern erscheinen. Die Verbildlichung des Jahres durch die Kreisform rührt wohl aus der etymologischen Nähe zwischen annus = Jahr und annulus = Ring her, die bei Varro beschrieben und von Isidor (Etymologiae V, 36; PL 82, Sp. 222 A) aufgegriffen wird. Die Darstellungsweise selbst ist aus antiken Karten abgeleitet, auf denen der Kosmos in konzentrischer Form abgebildet wird; siehe hierzu Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 227, S. 264 f. und S. 247 zu hellenistischen Vorläufern in Form von Sonnendarstellungen.



Kosmos und Heilsordnung

matisierung, die für die spätere Jahreszeitensymbolik von Bedeutung ist. So wird das bereits bei Ovid angelegte Verweissystem quaternärer Ordnungen um christliche Analogien erweitert und die Lebenswelt des Menschen auf diese Weise an den Makro­ kosmos angebunden.44 Isidor, der die „tempora anni“ aus den vier Qualitäten abgeleitet sieht, ordnet ihnen die vier Himmelsrichtungen zu: dem Frühling den Osten, dem Sommer den Süden, dem Herbst, der mit schweren Krankheiten einhergehe, den Westen und dem Winter den Norden (Etymologiae V, 35; PL 82, Sp. 221 f.).45 Diese Verknüpfung der Jahreszeiten mit den Weltgegenden greift Rabanus Maurus für seine Auslegung der viergliedrigen Kreuzform im siebten Figurengedicht seiner Schrift De laudibus sanctae crucis auf und setzt die Jahreszeiten zudem mit den vier Winden, den vier Tageszeiten und den vier Elementen gleich (PL 107, Sp. 175–178). Sicard von Cremona sieht die Jahreszeiten schließlich als „membra“ Christi und assoziiert sie mit den vier Evangelisten, den vier Formen der ecclesia militans, den vier Pferden der Apokalypse, den vier Lebensaltern des Menschen und den Kardinaltugenden (Mitrale V, 7; PL 213, Sp. 232 C–233). Weitere Quellen stellen Bezüge zu den vier Paradiesflüssen, den vier Evangelien, den vier goldenen Rädern der Bundeslade, den vier Wesen der Ezechiel-Vision, den vier Farben des hohepriesterlichen Gewandes oder den vier Engeln der Apokalypse her.46 Neben dieser Sinnerweiterung ihrer auf der Vierzahl beruhenden Metaphorik entwickelt sich eine eigene christliche Jahreszeitensymbolik, die das zyklisch angelegte Ordnungsmodell mit der linear verlaufenden, teleologisch ausgerichteten Heilsgeschichte in Einklang zu bringen versucht. Der Frühling wird als Auferstehung des Fleisches und Erneuerung des Lebens durch die Taufe begriffen. Der Sommer präfiguriert künftige Wohltätigkeit und repräsentiert die Stärke des Glaubens. Der Herbst gilt als Zeit der Ernte, Ort der Martyrien und Mahnung an das Jüngste Gericht. Der Winter wiederum steht für Trübsal und Tod. Zudem wird er als Zeit des Unglaubens beschrieben, in der sich die Menschen infolge ihrer Vertreibung aus dem ewigen Frühling des Paradieses dem Götzendienst zuwenden.47 Eine ganz andere topische

44 Eine theoretische Festschreibung erfährt diese neoplatonische Vorstellung von der Einheit zwischen Mikro- und Makrokosmos im 12. Jh. mit der Cosmographia des Bernardus Silvestris (De mundi universitate libri duo sive megacosmus et microcosmus). 45 Siehe auch Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 197. Eine kommentierte Übersetzung der Etymologiae bietet Lenelotte Möller: Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, Wiesbaden 2008, hierzu S. 196 f. 46 Zusammenfassend in Bezug auf die Vierzahl: Isidor in seinem Liber numerorum qui in sanctis scripturis occurrunt (V, 19; PL 83, Sp. 183 A–184 B). Siehe auch Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 198 sowie allgemein zur Metaphorik der Vierersysteme Barbara Maurmann: Die Himmels‑ richtungen im Weltbild des Mittelalters. Hildegard von Bingen, Honorius Augustodunensis und andere Autoren, München 1976 (Münstersche Mittelalter-Schriften, Bd. 33) (Zugl. Diss. phil. Universität Münster 1976), hier S. 188–200. 47 So beschrieben u. a. bei Zeno von Verona (Tractatus XLV, De die Dominico Paschatis I; PL 11, Sp. 502) oder Rabanus Maurus in Anlehnung an Isidor (De universo X, 11; PL 111, Sp.

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

Verwertung erfährt das Jahreszeitenmotiv schließlich in Form der Streitgedichte, in denen die Verkörperungen von Frühling und Winter oder Sommer und Winter als Gegenpole aufeinandertreffen.48 Bildliche Umsetzungen des Jahreszeitenmotivs finden sich vor allem in illuminierten Handschriften und Kalendarien sowie auf liturgischen Objekten. 49 Als Darstellungsgrundlage wird häufig auf das Kreisschema der enzyklopädischen Schriften zurückgegriffen. Die Mitte ist mit der thronenden Personifikation des Jahres (annus) oder Christus besetzt, um die sich in den äußeren Ringen Medaillons mit Büsten oder Halbfiguren der Jahreszeiten und weiterer kosmologischer Figurationen gruppieren. Die Darstellungsweise der Jahreszeiten orientiert sich, wie Habitus und Gewandung zeigen, an antiken Vorbildern. Die Figuren werden jedoch stärker stilisiert, wobei auf die nähere Bezeichnung von Alter oder Geschlecht zunächst verzichtet wird. Auf der sogenannten Ewaldi-Decke und im Kalenderbild eines um 975 in Fulda entstandenen Sakramentars sind die Jahreszeiten weitgehend ohne Attribute abgebildet und allein anhand ihrer Beischriften zu identifizieren.50 Spezifischer ist ihre Darstellung in einer astrologischen Handschrift des 11. Jahrhunderts, in der sie in Medaillons außer-

302 D–304). Zur christlich-allegorischen Ausdeutung der Jahreszeiten siehe zudem Maurmann-­ Bronder 1975 und Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 201–206. 48 Ein Beispiel ist die meist Alkuin zugeschriebene Rangstreitdichtung Conflictus veris et hie‑ mis aus karolingischer Zeit, deren Ursprünge in den Fabeln Äsops und den bukolischen Eklogen Vergils liegen; siehe dazu Antje Schäfer: Vergils Eklogen 3 und 7 in der Tradition der latei‑ nischen Streitdichtung. Eine Darstellung anhand ausgewählter Texte der Antike und des Mittelalters, Frankfurt am Main u. a. 2001 (Studien zur klassischen Philologie, Bd. 129) (Zugl. Diss. phil. Universität Heidelberg 2001), hierzu S. 155–159, Text und Übersetzung, S. 240–245. Zur Gegenüberstellung der Jahreszeiten in Streitgesprächen siehe auch Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 208 f. sowie Maurmann-Bronder 1975, S. 90 f. 49 Eine umfassende katalogartige Auflistung mittelalterlicher Jahreszeitendarstellungen, die trotz ihres Erscheinungsdatums immer noch als grundlegend gelten kann, bieten Fowler 1873 sowie in seiner Nachfolge Charles Boutell: Symbols of the seasons and the months represented in early art, in: Art Journal 16/2 (1877), S. 49–52, Nr. 16/4, S. 113–116, Nr. 16/6, S. 177– 180 und Nr. 16/8, S. 237–240. Siehe zudem überblickshaft Raimond van Marle: Iconographie de l’art profane au Moyen-Âge et à la Renaissance et la décoration des demeures, 2 Bde, Den Haag 1931/1932; zu den Jahreszeiten: Bd. 1: La vie quotidienne, Den Haag 1931, S. 373–450 und Bd. 2: Allégories et symboles, Den Haag 1932, S. 314–324. 50 Die sog. Ewaldi-Decke, ein den Heiligen Ewalden gestiftetes Altartuch aus dem ausgehenden 9. Jh., trägt eine Darstellung des Jahreskreises auf einem ihrer Seitenstücke. Die Jahreszeiten erscheinen im inneren Ring im Wechsel mit den vier Elementen und sind chi-förmig um die mittlere annus-Gestalt herum angeordnet. Der Herbst scheint einen Becher in der Hand zu halten, die anderen Figuren sind ohne näher erkennbare Attribute dargestellt; siehe hierzu genauer Wilhelm Nyssen: Die Ewaldi-Decke aus Sankt Kunibert in Köln, in: WallrafRichartz-­Jahrbuch 18 (1956), S. 70–90 sowie Wittekind 2013, S. 216 f.; dort auch zu dem in Fulda entstandenen Göttinger Sakramentar (Göttingen, Universitätsbibliothek, Cod. theol. 231 Cim., fol. 250v), S. 210 f.

Kosmos und Heilsordnung

6 Chronikon Zwifaltense, um 1162, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. fol. 415, fol. 17v

halb der rota erscheinen.51 Als ganzfigurige Darstellungen begegnen die Jahreszeiten in einer Fuldaer Handschrift aus dem ausgehenden 10. Jahrhundert, wobei sie über schlangenartige Bänder mit dem auf das annus-Bild reduzierten Mittelrund verbunden sind.52 Frühling und Sommer, die oberhalb in kurzem Chiton und mit phrygischen Mützen dargestellt sind, halten gemeinsam ein Medaillon mit der Personifikation des Tages. In der unteren Hälfte erscheinen Herbst und Winter als bärtige Männer mit der Verkörperung der Nacht. Statt kennzeichnender Attribute sind sie durch erklärende Beischriften bezeichnet.53 Abbildungen der zwölf Monate rahmen das Kalenderblatt zu den Seiten hin ein. Differenziertere Darstellungen, die auch jahreszeitliche Tätigkeiten einschließen, finden sich in zwei Handschriften des 12. Jahrhunderts, einem Manuskript aus Verdun und dem Chronikon Zwifaltense von 1162 (Abb. 6).54 Beide zeigen die Jahres51 Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms lat. 7028, fol. 154. 52 Berlin, Staatsbibliothek, Ms. theol. lat., fol. 192, Fragment. 53 Die Beischriften verbinden die Namensbezeichnungen der Jahreszeiten mit beschreibenden Adjektiven: „Ver floridus“, „Aestas frugifer“, „Autumnus fertilis“ und „Hiemps horribilis“. 54 Siehe zu beiden Handschriften Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 267 f., der allerdings die WinterDarstellungen vertauscht. Zur Zwiefaltener Chronik (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. fol. 415, fol. 17v) siehe auch Karl Löffler: Schwäbische Buchmalerei in romanischer Zeit, Augsburg 1928, S. 40–61. Zu dem um 1100 datierten Verduner Manuskript (Verdun, Bibliothèque municipale, MS 1, Frontispiz), bei dem die Bestimmung der einzelnen Jahreszeiten nicht ganz eindeutig ist, vgl. Adelheid Heimann: The Six Days of Creation in a

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

zeiten außerhalb des Kreisdiagramms in den Ecken der äußeren Rahmung. Sie sind mit spezifischen Attributen ausgestattet oder werden bei saisontypischen Handlungen gezeigt. Ihre Kleidung ist zeitgemäß angepasst. Im Zwiefaltener Kodex sieht man links oben den Frühling mit sprießenden Zweigen in den Händen, in der rechten oberen Ecke steht der Sommer als nackte, geschlechtslos aufgefasste Figur mit Sichel und Mohnblumen. Unten links folgt der Herbst mit einem Korb Trauben, rechts der Winter als sitzender bärtiger Greis mit Mütze und Umhang, der seine Füße an einem Feuer wärmt. Im Zentrum des mittigen Kreisschemas thront annus mit den Personifikationen von sol, luna, nox und dies, umfangen von den Tierkreiszeichen im ersten und den Monaten im zweiten Ring. Am äußeren Rand der rota sind die Winde abgebildet, außerhalb der rahmenden Einfassung die vier Tageszeiten, die mit den menschlichen Lebensaltern überblendet werden. Auffällig ist die Figur des Winters als eines alten sich an einem Feuer wärmenden Mannes, die in ähnlicher Weise auch in der Verduner Handschrift und einem ebenfalls aus Zwiefalten stammenden Kollektar auftritt.55 Die Darstellungsform findet sich bereits in antiken Monatsbildern, wird im Mittelalter aber vermehrt zur Verbildlichung des Winters verwendet und besonders in der Folgezeit als Bildformel für die kalte Jahreszeit geläufig.56 Die Verduner

Twelfth Century Manuscript, in: Journal of the Warburg Institute 1/4 (1938), S. 269–275. Heimann sieht Sommer und Herbst oben, Winter und Frühling unten repräsentiert. Stimmiger erscheint die von Hanfmann und Frandon vorgeschlagene Abfolge, die beide Frühling und Sommer oben und unten Winter und Herbst ansiedeln; siehe Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 268 und Véronique Frandon: Du multiple à l’Un. Approche iconographique du calendrier et des saisons du portail de l’église abbatiale de Vézelay, in: Gesta 37/1 (1998), S. 74–87, hierzu S. 81. Betrachtet man die Attribute, so wäre allerdings auch eine x‑förmige Anordnung denkbar, bei der Frühling und Herbst oben, Winter und Sommer unten erscheinen. Zur Herleitung der Darstellung von antiken, insb. byzantinischen Vorbildern siehe Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 268 f. 55 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. brev. 128, fol. 9v. Auf dem Kalenderblatt dieses nach 1130 entstandenen Kollektars, das im Zentrum Christus in der Mandorla von den Winden umgeben zeigt, sind nur zwei Jahreszeiten (Sommer und Winter) abgebildet. Die Darstellung weist große Ähnlichkeiten zum annus-Bild einer Abschrift des Liber Scivias der Hildegard von Bingen aus der Bibliothek des Klosters Salem auf (Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Sal. X 16, fol. 2v); siehe dazu u. a. Renate Kroos: Visionen der Hildegard von Bingen (Scivias), in: Die Zeit der Staufer. Geschichte  – Kunst  – Kultur, hg. von Reiner Hausherr, Ausst.-Kat., Württembergisches Landesmuseum im Alten Schloss und Kunstgebäude Stuttgart, 5 Bde, Stuttgart 1977/1979, hier Bd. 1, Teil 2: Katalog, Stuttgart 1977, S. 553–554, Nr. 732, insb. S. 554. 56 Zur Herleitung der Figur des sich am Feuer wärmenden Winters aus antiken Darstellungen des Neujahrsopfers als Sinnbild des Monats Januar siehe Walter Endrei: Mutation d’une allégorie: l’Hiver et le sacrifice du Nouvel‑An, in: Annales. Économies, Sociétés, Civilisations 21/6 (1966), S. 982–989 sowie bereits Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 269 f., der auch einen Bezug zu byzantinischen Vorbildern herstellt (Oktateuch-Handschriften aus dem 11. und 12. Jh., Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. gr. 746, fol. 57r und Vat. gr. 747, fol. 30v). Endrei nennt als eines der ersten Beispiele für diese Darstellungsform die Zwiefaltener Chronik,



Kosmos und Heilsordnung

und die Zwiefaltener Handschrift veranschaulichen zudem die Einbettung der vier Jahreszeiten in christliche Zusammenhänge, wie sie zeitgleich auch in der Literatur vollzogen wird. Im Verduner Manuskript begleiten die Jahreszeiten das im Mittelrund abgebildete schöpfungsgeschichtliche Sechstagewerk mit Gott und Adam im Zentrum. In der Zwiefaltener Chronik geht dem annus-Blatt die Darstellung von Schöpfung, Sündenfall und Engelsturz voraus (fol. 17r), wodurch die „Einheit der heilsgeschichtlichen und kosmologischen Sicht des menschlichen Seins“57 verdeutlicht wird. Daneben können die Jahreszeiten auch losgelöst von der zyklischen Struktur der Jahreskreisbilder auftreten. In den Evangeliaren Ottos III. und Heinrichs II. bekrönen sie als Einzelfiguren die einleitenden Kanontafeln.58 In einer in Monte Cassino verwahrten Handschrift werden sie als Figurengruppe bei saisonalen Arbeiten gezeigt.59

übersieht dabei jedoch z. B. die ältere Verduner Handschrift und vergleichbare Winter-­ Illustrationen in Reichenauer Evangeliaren aus ottonischer Zeit (siehe unten Anm.  58; Clm 4453 und 4454). Darüber hinaus wird der Winter bereits in den Libri Carolini, die gängige Darstellungsformen der Zeit aufnahmen, als „frigoribus algidum, modo ignibus se calefacientem“ beschrieben (III, 23; PL 98, Sp. 1162). Die Verbindung von Winter und wärmendem Feuer tritt zudem bereits in Ovids remedia amoris auf (siehe zuvor, S. 28). Hanfmann verweist darüber hinaus auf eine entsprechende Winterdarstellung in einer Deckenmalerei der Villa Hadriani, die allerdings nur durch einen Nachstich des 18. Jhs überliefert ist (siehe das Stichwerk von Nicolas Ponce: Arabesque antiques des bains de Livie, et de la Ville Adrienne, Paris 1789) und insofern nachträglich an damals zeitgenössische Vorstellungen angepasst sein könnte; Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 270 Anm. 67. J. Kloss-Weber bringt die Auffassung des Winters als Greis wiederum mit der Personifikation der Wintersonnenwende in der Iconologia Cesare Ripas in Verbindung; Kloss-Weber 2014, S. 136. 57 Sigrid von Borries-Schulten (Bearb.): Die romanischen Handschriften der Württembergi‑ schen Landesbibliothek Stuttgart, Stuttgart 1987 (Katalog der illuminierten Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Bd. 2, Teil 1: Provenienz Zwiefalten) (Denkmäler der Buchkunst, Bd. 7), S. 102; siehe auch Kat. Nr. 64, S. 97–111. 58 Beide Handschriften (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. lat. mon. 4453, fol. 15v/ fol. 17 und Cod. lat. mon. 4454, fol. 16v/fol. 17) weisen große Ähnlichkeiten in der Darstellung der Jahreszeiten auf. Abweichungen ergeben sich lediglich in der Anordnung der Figuren. So folgt das Evangeliar Heinrichs II. (Clm 4454) der üblichen Reihenfolge von Frühling-Sommer und Herbst-Winter in der Leserichtung von links nach rechts, während das Evangeliar Ottos III. (Clm 4453) den Sommer bzw. den Winter voranstellt. Im Evangeliar Heinrichs II. werden die Jahreszeiten zudem mit den Tierkreiszeichen kombiniert: Zwilling und Krebs begleiten Frühling-Sommer, Löwe und Jungfrau Herbst-Winter. Vgl. auch Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 270 f. 59 Das um 1023 entstandene Exemplar von Rabanus Maurus’ De originibus rerum (De uni‑ verso) bildet die Jahreszeiten an zwei Stellen ab. Im elften Kapitel des zehnten Buches (Monte Cassino, Archivio dell’Abbazia, Cod. Cas. 132, X, 11, fol. 266) eröffnet der Zweige tragende Frühling die Reihe, danach folgt der als Schnitter dargestellte Sommer, daneben der Herbst mit Weinkrug und Traubenkorb und schließlich der beim Eggen gezeigte Winter. Die zweite Abbildung am Anfang des zehnten Buches (Cod. Cas. 132, X, 1, fol. 253), das die Jahreszeiten nicht im Text aufführt, unterscheidet die Figuren in Gewandung und Physiognomie. Frühling

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

Ab dem 12. Jahrhundert begegnen die Jahreszeiten neben ihrem Vorkommen in Handschriften vermehrt auch im Kirchenraum, wo sie integriert in christliche Bildprogramme die kosmische Zeitordnung vergegenwärtigen.60 Dabei erscheinen sie zum einen am Außenbau an Portalen oder Fensterrosen, wie es die Beispiele in Vézelay, Chartres, Paris oder Lausanne zeigen.61 Zum anderen sind sie wie in Cluny oder Reims auch im Innern auf Kapitellen, Bodenmosaiken oder Ausstattungsgegenständen anzutreffen.62 Häufiger als die Jahreszeiten werden zur Verbildlichung des Jahres in der mittelalterlichen Kunst jedoch die Monate in Form der sogenannten Monatsarbeiten he­ rangezogen.63 Diese Darstellungen rücken die menschliche Arbeit als Teil der göttliund Sommer sind ähnlich wie auf fol. 266 aufgefasst, während der Herbst bei der Lese und der Winter beim Pflügen dargestellt werden. Als weiteres Beispiel für die hier sichtbare aufgereihte Komposition nennt Hanfmann einen Teppich aus Quedlinburg; siehe Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 271. 60 Siehe Curt Gravenkamp: Tierkreiszeichen und Monatsbilder an französischen Kathedralen, Wilsbach u. a. 1949 (Der Kunstspiegel), S. 14. 61 In Vézelay und Paris erscheinen die Jahreszeiten jeweils am Westportal, in Vézelay zudem im Innern. In Chartres werden sie neben den Monatsarbeiten und den Tierkreiszeichen an der Nordvorhalle abgebildet; zu Vézelay siehe u. a. Frandon 1998; zu Chartres Martin Büchsel: Die Skulptur des Querhauses der Kathedrale von Chartres, Berlin 1995 (Schriften des Liebieghauses) (Zugl. Habil. Universität Freiburg im Breisgau 1990), S. 136 mit Abb. 237 (Winter) und 238 (Sommer) sowie Roland Halfen: Chartres. Schöpfungsbau und Ideenwelt im Herzen Euro‑ pas, 4 Bde, Stuttgart/Berlin 2001–2011, hier Bd. 2: Die Querhausportale, Stuttgart/Berlin 2003, S. 226–235; zu Paris schließlich William M. Hinkle: The Cosmic and Terrestrial Cycles on the Virgin Portal of Notre-Dame, in: The Art Bulletin 49/4 (1967), S. 287–296, insb. S. 287–290. Zur Lausanner Fensterrose siehe die grundlegende Untersuchung von Ellen Judith Beer: Die Rose der Kathedrale von Lausanne und der kosmologische Bilderkreis des Mittelalters, zweiter Teil, Bern 1952 (Zugl. Diss. phil. Universität Bern 1950), insb. S. 18 f. 62 Siehe Van Marle 1931/1932, Bd. 2, S. 316 f. Zu den Jahreszeiten auf Bodenmosaiken siehe auch Hiltrud Kier: Der mittelalterliche Schmuckfußboden unter besonderer Berücksichtigung des Rheinlandes, Düsseldorf 1970 (Die Kunstdenkmäler des Rheinlandes, Bd. 14), insb. S. 70. Zu Ausstattungsobjekten mit jahreszeitlichen Motiven im Kirchenraum siehe u. a. Boutell 1877. Als weiteres Beispiel sei der Sockel eines Lesepultes aus dem späten 12. Jh. mit Relieffiguren der Jahreszeiten genannt: Renate Kroos: Zur Ikonographie des Jahreszeitensockels im Schnütgen-Museum, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 32 (1970), S. 49–66. 63 Zu den Monatsarbeiten siehe die bereits erwähnten Abhandlungen von Fowler 1873 und Boutell 1877, ferner Alois Riegl: Die mittelalterlichen Kalenderillustrationen, in: Mitteilun‑ gen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung 10/1 (1889), S. 1–74; Julien Le Sénécal: Les occupations des mois dans l’iconographie du Moyen Age, in: Bulletin de la Société des Antiquitaires de Normandie 35 (1921–1923), S. 1–131 und Webster 1938. Einen allgemeinen Überblick bieten auch Van Marle 1931/1932, Bd. 1, S. 377–394 und Gerlinde StrohmaierWiederanders: Imagines anni – Monatsbilder von der Antike bis zur Romantik, Halle 1999, insb. S. 37–60. Zum Vorkommen der Monatsarbeiten in der Kathedralskulptur des 12. Jhs siehe Olga Koseleff: Die Monatsdarstellungen der französischen Plastik des 12. Jahrhunderts, Teildruck: Ikonographie, Marburg 1934 (Diss. phil. Universität Marburg) und Marjorie Jean Hall Panadero: The labors of the months and the signs of the Zodiac in twelfth-century French



Kosmos und Heilsordnung

chen Ordnung in den Vordergrund, wie es zeitgleich auch in der Literatur, etwa in Vinzenz von Beauvais’ Speculum doctrinale geschieht.64 Das irdische Schaffen, das dem Menschen als Strafe infolge des Sündenfalls auferlegt ist, zugleich aber auch seine Befreiung von der Erbsünde bedeutet, wird in den Monatsarbeiten christlichtheologisch kontextualisiert und in einen Heilszusammenhang gestellt.65 Die Verbildlichungen präsentieren typische, meist landwirtschaftliche Tätigkeiten im Lauf der Jahreszeiten wie das Bestellen der Felder in den Frühlingsmonaten, die Heu- und die Getreideernte im Sommer, die Weinlese und die Wintersaat in den Herbstmonaten sowie schließlich das Holzhacken, das Jagen oder Schlachten von Tieren und das Speisen an einem reich gedeckten Tisch im Winter.66 Wie bei den Vier Jahreszeiten folgt auch die Darstellungsweise der Monate zunächst antiken Vorbildern. So erinnern die Illustrationen im Martyrologion des Wandalbert von Prüm, einer um 848 entstandenen festkalenderartigen Schilderung der Heiligenmartyrien, in Anlage und architektonischer Rahmung an die Abbildungen im Chronographen von 354.67 In der Skulptur werden antike Motive etwa für Personifikationen der Monate April oder Mai aufgegriffen, die in Anlehnung an heidnische Frühlingsfeste häufig durch mit Blumen geschmückte Figuren verbildlicht werden.68 Der in den Monatsbildern anfänglich nur angedeutete Naturbezug der gezeigten Tätigkeiten gewinnt im Laufe der Zeit an Gewicht. Der landschaftliche Raum wird

facades, 2 Bde, Michigan 1984 (Diss. phil. Universität Michigan Ann Arbor) sowie für Italien Ute Dercks: Die Monatsarbeiten der ehemaligen Porta dei Mesi des Domes zu Ferrara, in: Verena Postel (Hg.): Arbeit im Mittelalter. Vorstellungen und Wirklichkeiten, Berlin 2006, S. 221–244. 64 Das Speculum doctrinale, das einen Teil des mehrgliedrigen enzyklopädischen Werkes Speculum maius Beauvais’ bildet, beschreibt die ländlichen Arbeiten, die im Laufe des Jahres anfallen, sowie ihre Bedeutung; siehe dazu bes. Emile Mâle: L’art religieux du XIIIe siècle en France. Étude sur l’iconographie du moyen âge et sur ses sources d’inspiration, Paris 1902, insb. S. 83 f. Mâle gliedert seine Abhandlung dabei nach den verschiedenen Specula (S. 42). Zur Bedeutung der Arbeit im Mittelalter siehe auch Christel Meier: Labor improbus oder opus nobile? Zur Neubewertung der Arbeit in philosophisch-theologischen Texten des 12. Jahrhunderts, in: Frühmittelalterliche Studien 30 (1996), S. 315–342 sowie Postel 2006. 65 Zur theologischen Überformung der Monatsarbeiten im Mittelalter und ihrer Einbettung in liturgisch-sakrale Kontexte siehe insb. Wittekind 2013, v. a. S. 201–203. 66 Die Handlungen und ihre Zuordnung zu den einzelnen Monaten können abhängig von klimatischen Gegebenheiten regional abweichen. So treten bestimmte Tätigkeiten in französischen oder italienischen Zyklen früher im Jahresverlauf auf als etwa in englischen Beispielen; siehe Webster 1938, S. 62 f., 93 u. S. 101 f. 67 Genauer zum Martyrologion, das in einer Abschrift aus dem 10. Jh. (Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Reg. lat. 438) überliefert ist, Wittekind 2013, S. 209 f. 68 Siehe die Übersicht bei Webster 1938, S. 175–179.

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

7 Gebrüder Limburg, Monat Juli, 1412– 1416, in: Les Très Riches Heures von Jean de France, Duc de Berry, ms. 65/1284, fol. 6v, Chantilly, Musée Condé

erweitert und vor allem in den Kalenderillustrationen zunehmend szenisch ausgestaltet. Prägnantes Beispiel sind die Très Riches Heures, das von den Gebrüdern Limburg entworfene Stundenbuch des Duc de Berry, in dem zeitenspezifische Monatsarbeiten und Vergnügungen des Adels in eine meist topographisch bestimmbare, jahreszeitlich gefärbte Landschaft eingebettet werden (Abb. 7).69 Die ganzseitigen Abbildungen sind dabei von einem Halbrund mit Darstellungen der Tierkreiszeichen und der den jeweiligen Monat beherrschenden Planetengottheit überfangen, die den Bezug zum Makrokosmos herstellen und die Szenen in einen übergeordneten Zusammenhang einbinden. Was anhand der Monatsdarstellungen sichtbar wird, lässt sich größtenteils auch in den vergleichsweise seltener auftretenden Verbildlichungen der Jahreszeiten beobachten. Als Beispiel seien die Tacuina Sanitatis genannt, medizinische Hand­

69 Ein Überblick über die Entwicklung der Kalenderillustrationen findet sich bei Wilhelm Hansen (Bearb.): Kalenderminiaturen der Stundenbücher. Mittelalterliches Leben im Jahres‑ lauf, München 1984, insb. S. 8–54. Zum Status der Landschaft in den Très Riches Heures siehe auch Derek Pearsall und Elisabeth Salter: Landscapes and Seasons of the Medieval World, London 1973, S. 144 f. u. S. 153–160. Die Abhandlung konzentriert sich ansonsten eher auf schriftliche Beschreibungen jahreszeitlicher Landschaften in der (englischen) Literatur und Dichtung.



Kodifizierung und Kanonbildung

bücher des späten 14. Jahrhunderts, welche die Jahreszeiten auf seitengroßen Illus­ trationen als Szenen darstellen und dabei Impulse aus den Monatsbildern beziehen. Die Wiener Tacuinum-Ausgabe verbildlicht den Sommer durch die Kornernte, den Herbst durch Weinlese und Traubenkelter. Als Winterbild erscheinen drei Personen vor einem Kamin im Innern eines Hauses, während das abschließende Frühlingsblatt eine Gesellschaft in einem Rosenhain zeigt.70 Neue Kontexte eröffnen sich schließlich mit der Einbindung der Jahreszeiten in einen weltlich-politischen Rahmen, wie sie im Palazzo Pubblico in Siena deutlich wird. In den von Ambrogio Lorenzetti um 1340 ausgeführten Fresken der Sala dei Nove begleiten Halbfiguren der Jahreszeiten die Auswirkungen des Guten und des Schlechten Regiments. Frühling und Sommer sind im Fries oberhalb des Guten Regiments positioniert, während Herbst und Winter auf der gegenüberliegenden Wand über der allegorischen Landschaft des Schlechten Regiments erscheinen. Ähnlich wie bei anderen bereits behandelten Beispielen wird damit auch hier eine Anbindung des Geschehens an den Kosmos veranschaulicht. Der als bärtiger Mann im Profil gezeigte Winter, welcher als einziges Attribut einen Schneeball in der Hand hält, verdeutlicht zugleich erneut die veränderte Naturwahrnehmung am Übergang zur Frühen Neuzeit.

Kodifizierung und Kanonbildung: Die Jahreszeiten in ­Renaissance und Barock Während die Jahreszeiten in der mittelalterlichen Kunst größtenteils im Verbund mit anderen Zeitfigurationen erscheinen, lösen sie sich ab dem 15. Jahrhundert aus übergeordneten Bindungen und treten stärker als eigenständiges Motiv hervor. Dies zeigt sich vor allem in der Tafelmalerei, in der das Thema beginnend mit italienischen Künstlern wie Francesco del Cossa, Cosmè Tura oder Matteo Balducci zunehmend aufgegriffen wird.71 Die meist in zyklischer Form präsentierten Jahreszeitendarstel-

70 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. n. 2644, fol. 54r/v und 55r/v. Das älteste überlieferte Exemplar der Tacuina (Paris, Bibliothèque nationale de France, Nouv. Acq. lat. 1673, fol. 102–103v) weist wiederum eine andere Abfolge der Jahreszeiten auf (Winter, Som‑ mer, Frühling, Herbst). Siehe zu den Tacuina und ihrer Landschaftsauffassung insb. Otto Pächt: Early Italian Nature Studies and the Early Calendar Landscape, in: Journal of the ­Warburg and Courtauld Institutes 13/1,2 (1950), S. 13–47. Die in den Tacuina präsentierten Jahreszeiten wertet Pächt zugleich als Vorbilder für szenische Monatsdarstellungen, wie sie beispielsweise der Freskenzyklus im Torre Aquila des Castello del Buonconsiglio in Trient zeigt; vgl. ebd. S. 38. 71 Zu den Jahreszeitendarstellungen in der Tafelmalerei des ausgehenden Quattrocento siehe überblicksartig Van Marle 1931/1932, Bd. 2, S. 319–321 mit entsprechenden Bildbeispielen auf S. 334–337. Zu Balduccis Rundbildern mitsamt den zugehörigen Abbildungen siehe auch Tancred Borenius: Unpublished Cassone Panels‑IV, in: The Burlington Magazine for Con‑

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

lungen knüpfen an antike und mittelalterliche Vorstellungen an, wobei sich ihre Bildsprache zunehmend verfestigt. So bilden sich vor allem zwei Darstellungsweisen he­ raus: zum einen die Verbildlichung als Personifikationen oder allegorische Figuren, die von einem wachsenden humanistisch geleiteten Interesse an der Antike getragen wird, zum anderen landschaftlich-narrative Szenen, die in der Tradition der Monatsarbeiten stehen. Das erste Modell, die personifizierende Darstellung, übernimmt die gängigen, in der Antike entwickelten Attribute wie Blumen für den Frühling, Kornähren für den Sommer oder Weintrauben für den Herbst. Für den Winter wird die Figur des sich am Feuer wärmenden alten Mannes oder einer alten Frau aufgegriffen. Hinzu kommt die Verbildlichung durch Gottheiten, die in der Antike nur literarisch bezeugt war.72 Hierdurch wird der Bezug zum Kosmos und den Gestirnen verstärkt, als deren Repräsentanten die paganen Götter verstanden werden. Flora oder Venus stehen dabei klassischerweise für den Frühling, Ceres für den Sommer und Bacchus für den Herbst. Dem Winter wird der Gott Saturn zugeordnet, der bereits in der Antike mit dem Jahresende in Verbindung gebracht und als alter Mann aufgefasst wurde.73 Einen großen Raum nehmen die personifizierten Jahreszeitendarstellungen in der niederländisch-flämischen Druckgraphik des Manierismus ein, die sich insgesamt vielfach raumzeitlichen Zyklen und kosmologischen Themen widmet. Bei Maarten van Heemskerck etwa erscheinen die Jahreszeiten als wirkmächtige noisseurs 41/232 (1922), S. 18–21. Neben diesen als Zyklen konzipierten Werken sind Darstellungen einzelner Jahreszeiten, wie sie etwa mit Sandro Botticellis viel diskutiertem Gemälde der Primavera (Sandro Botticelli: Primavera, um 1482–1487, Tempera auf Holz, 203 × 314 cm, Florenz, Galleria degli Uffizi) vorliegen, eher die Ausnahme. Siehe zudem jüngst zu Jahreszeitenallegorien in der italienischen Kunst der Frühen Neuzeit Valeria Paruzzo: Die Wiedergeburt der Allegorien der Jahreszeiten in der italienischen Renaissance: Antikenrezeption und neue Ikonographien, in: Michail Chatzidakis, Henrike Haug, Lisa Marie Roemer und ­Ursula Rombach (Hg.): Con bella maniera, Festgabe für Peter Seiler, Heidelberg 2021, S. 79–94. 72 Siehe dazu Hanfmann 1951, Bd. 1, S. 278 f. mit Anm. 109 auf S. 279. Die Jahreszeiten weisen dabei bereits durch ihre Attribute eine gewisse Nähe zu Götterfiguren wie Flora, Ceres oder Bacchus auf. Als antike Textquelle für die Verbindung der vier Zeiten mit Gottheiten kommt vor allem Lukrez (De rerum natura V, 737–747) in Betracht, dessen Vorstellungen der Neuzeit wohl durch ein in der Anthologia latina abgedrucktes Epigramm des nachantiken Dichters Euphorbius vermittelt wurden; siehe dazu Meetz 2003, S. 42 f. sowie zuvor S. 28 f. und im Folgenden S. 52. 73 Laut Macrobius sind dem Gott die Wintermonate Dezember und Januar geweiht (Satur­ nalia, I, 7, 23 f.). Zudem fand über die griechische Pendantgottheit des Saturn, Kronos, eine Überblendung mit dem nahezu gleichlautenden Namen des griechischen Gottes der Zeit, Chronos, statt, der oftmals als alter bärtiger Mann dargestellt wurde. Siehe zum Ganzen so­wie auch zur Verbindung des Gottes mit dem melancholischen Temperament Regina Deckers: Die Testa velata in der Barockplastik. Zur Bedeutung von Schleier und Verhüllung zwischen Trauer, Allegorie und Sinnlichkeit, München 2010 (Römische Studien der Bibliotheca Hertziana – Veröffentlichungen der Bibliotheca Hertziana Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom, Bd. 27) (Zugl. Diss. phil. Universität Düsseldorf 2006), S. 45 f.



Kodifizierung und Kanonbildung

8–11 Philips Galle nach Maarten van Heemskerck, Die Vier Jahreszeiten, 1563, Kupferstich, Stuttgart, Staatsgalerie

männliche und weibliche Allegorien in antikem Habitus und mit ihren charakteristischen Attributen (Abb. 8–11). Maarten de Vos wählt für seine Verbildlichungen die Götter Venus, Ceres und Bacchus.74 Die Stiche sind jeweils mit erklärenden und zugleich moralisierenden Bildunterschriften aus der literarischen Jahreszeitentra-

74 Siehe Friedrich W. H. Hollstein (Begr.): Dutch and Flemish etchings, engravings and wood‑ cuts ca.  1450–1700, 72  Bde, Amsterdam 1949–2010, hier Bd. 8, Amsterdam 1953, S. 245 Nr. 353–356 (Maarten van Heemskerck) und Bd. 4, Amsterdam 1951, S. 204 Nr. 457–460 (Maarten de Vos).

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Das Motiv der Jahreszeiten von der Antike bis in die Neuzeit

dition versehen.75 Eine spezielle Ausprägung stellen hier allegorische Jahreszeitenprozessionen dar, welche die vier Zeiten als prunkvolle Triumphzüge präsentieren, die von der jeweils herrschenden Gottheit auf einem Wagen angeführt werden. Das dem Festzug eingeschriebene Bewegungsmoment veranschaulicht den Fortgang der Zeit. Als Beispiel seien die um 1530 datierten Darstellungen von Georg Pencz angeführt, in denen die Götter Flora für den Frühling, Ceres für den Sommer, Pomona für den Herbst und Janus für den Winter erscheinen.76 Das Motiv der jahreszeitlichen Triumphe findet sich bis in das 17. Jahrhundert, wo es in Gemälden von Nicolas Poussin oder Johann Heiss aufgegriffen wird.77 Anregung für derartige allegorisch-mythologische Darstellungen boten literarische, zum Teil illustrierte Werke der Zeit, die auf das Motiv der Vier Jahreszeiten Bezug nehmen. Hervorzuheben ist etwa die Francesco Colonna zugeschriebene Romanerzählung der Hypnerotomachia Poliphili, in der die Jahreszeiten bei einem Fest zu Ehren des Fruchtbarkeitsgottes Priapus, dessen Altar mit ihren Reliefdarstellungen geschmückt ist, eine zentrale Rolle spielen.78 Erscheinungsbild und Charakteristika der Götter, die zur Verbildlichung der Jahreszeiten herangezogen wurden, wurden wiederum durch eine Fülle von Bildtraktaten und mythographischen Handbüchern der Frühen Neuzeit vermittelt. Zu nennen sind für das Quattrocento vor

75 Zu den Jahreszeitendarstellungen in der niederländischen Kunst siehe v. a. Ilja M. Veldman: Seasons, Planets and Temperaments in the Work of Maarten van Heemskerck. CosmoAstrological Allegory in Sixteenth-Century Netherlandish Prints, in: Simiolus 11/3–4 (1980), S. 149–176, hierzu v. a. S. 149–163 sowie dies.: Waaien met de mode mee. De Vier Jaargetijden in de prentkunst van de Nederlanden, in: Kat. ’s-Hertogenbosch/Leuven 2002, S. 73–81. Zu den Stichserien quaternärer Ordnungen, die in der niederländisch-flämischen Kunst in hoher Zahl produziert wurden, und ihrer Bedeutung siehe auch „Der Welt Lauf“. Allegorische Graphikserien des Manierismus, hg. von Hans-Martin Kaulbach und Reinhart Schleier, Ausst.Kat., Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart und Museum Bochum, Ostfildern-Ruit/ Stuttgart 1997, v. a. S. 116–133 mit zahlreichen Werkbeispielen. 76 Zu den triumphalen Jahreszeitenprozessionen siehe die monographische Untersuchung von Meetz 2003, darin S. 87–124 zu den Scheibenrissen von Pencz. Die Bildformeln leiten sich sowohl aus antiken, meist literarischen Vorstellungen als auch aus den Planetendarstellungen ab, wie sie bereits in den Très Riches Heures rezipiert werden. Als zeitgenössisches Vorbild dienen die Trionfi Petrarcas. 77 Nicolas Poussin: Triumph der Flora, 1628, Öl auf Lw., 165 × 241 cm, Paris, Musée du Louvre und ders.: Triumph des Bacchus, 1635–36, Öl auf Lw., 128 × 151,7 cm, Kansas City, The NelsonAtkins Museum of Art sowie Johann Heiss: Vier-Jahreszeiten-Zyklus, 1676, Öl auf Lw., 146 × 103 cm, Memmingen, Stadtmuseum; zu letzterem genauer Peter Königfeld: Der Vierjahreszei‑ tenzyklus von Johann Heiss. Barockgalerie im Stadtmuseum Memmingen, Berlin 2005 (Kulturstiftung der Länder – Patrimonia, Bd. 282). 78 Francesco Colonna [str.]: Hypnerotomachia Poliphili, Venedig 1499, im Kapitel „La Nympha per altri belli lochi, lo amoroso Poliphil conduce […]“ o. S. Die Abbildungen der Jahreszeiten sind dabei mit Bildunterschriften unterlegt: „Florido Veri.s.“ (Frühling), „Flavae Messi.s.“ (Sommer), „Mustulento Autumno.s.“ (Herbst) und „Hyemi Aeoliae.s.“ (Winter); siehe auch Meetz 2003, v. a. S. 44–46 u. S. 50–67.



Kodifizierung und Kanonbildung

12 Giuseppe Arcimboldo, Der Winter, 1563, Öl auf Lindenholz, Wien, Kunst­ historisches Museum

allem der unter dem Autorennamen „Albericus“ firmierende Libellus de imaginibus deorum und Giovanni Boccaccios Genealogiae deorum gentilium sowie in späterer Zeit die Schriften Gregorio Giraldis, Natale Contis Mythologiae oder Vincenzo Cartaris Imagini degli dei degli antichi.79 Ganz eigene Bildlösungen präsentiert im Rahmen der personifizierenden Darstellungsweise schließlich Giuseppe Arcimboldo mit seinen zwischen 1563 und 1573 in mehreren Versionen entstandenen jahreszeitlichen Kompositköpfen. Die aus saisontypischen Pflanzen und Früchten zusammengesetzten anthropomorphen Darstellungen nehmen zugleich auf die Lebensalter des Menschen Bezug. So imitiert der aus knorrigen Ästen gebildete Winter die Physiognomie eines Greises (Abb. 12), während der Frühling aus hellrosafarben strahlenden Blüten besteht.80 79 Zu den einzelnen Traktaten und ihrer Vermittlerrolle für die Frühe Neuzeit siehe genauer Seznec 1990, S. 163–193, zu Cartari auch S. 197. Unter den Schriften Giraldis erweist sich für die Jahreszeitenikonographie neben De deis gentium besonders die Abhandlung De annis et mensibus als bedeutsam; siehe Lilius Gregorius Gyraldus: De annis et mensibus, caeterisque temporum partibus, Basel 1541, zu den Jahreszeiten S. 68–70. Cartari wiederum greift in seinen Imagini die bekannte Passage aus Ovids Metamorphosen auf; Vincenzo Cartari: Le imagi‑ ni degli dei degli antichi, Venedig 1625, S. 32. An anderer Stelle verbindet er die Jahreszeiten mit den Horen; ebd. S. 406 f. mit Abb. auf S. 408, welche die Jahreszeiten als tanzende Figuren im Gefolge Apolls zeigt. 80 Siehe u. a. Francesco Porzio: Arcimboldo: le Stagioni „milanesi“ e l’origine dell’invenzione, in: Arcimboldo. Artista milanese tra Leonardo e Caravaggio, hg. von Sylvia Ferino-Pagden,

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Das zweite Modell, die landschaftlich-szenische Auffassung, veranschaulicht den Wandel des Jahres im Gegensatz zu den personifizierten Verbildlichungen durch charakteristische, in landschaftliche Kontexte eingebundene Tätigkeiten. 81 In den Szenen kommt dabei eine neue, zunehmend empirisch fundierte Naturauffassung zum Ausdruck, wie sie ab dem 14. Jahrhundert auch in literarischen Texten, etwa bei Petrarca, durchscheint.82 Die Art der Darstellung, die anders als die personifizierende Form in den ikonographischen Handbüchern kaum behandelt wird,83 steht in engem Zusammenhang zu den mittelalterlichen Monatsarbeiten. Aus diesem Grund verschwimmen mitunter die Grenzen zwischen Jahreszeiten- und Monatsbild, wie es anhand einer Gemäldefolge von Pieter Bruegel dem Älteren zu beobachten ist.84 Die 1565 entstandene, ursprünglich wohl sechsteilige Serie zeigt saisonspezifische AktiviAusst.-Kat., Palazzo Reale Mailand, Mailand 2011, S. 221–253; dort (S. 316, Kat. Nr. 325) auch ein Kopf, der alle Jahreszeiten vereint: Testa delle quattro stagioni dell’anno, zwischen 1588 und 1591, Öl auf Pappelholz, 60,4 × 44,7 cm, Washington D. C., National Gallery of Art. Sein komposites Schema wandte Arcimboldo auch bei anderen Vierermodellen wie den Vier Ele‑ menten an. 81 Zur szenischen Auffassung der Jahreszeiten siehe auch Van Marle 1931/1932, Bd. 1, S. 373– 375. 82 Dazu Werner M. Bauer: Jahreszeit – Weltzeit: Die vier Jahreszeiten in der Literatur von Renaissance und Humanismus, in: Zeman 1989a, S. 91–101, hier S. 93–96. 83 Eine Ausnahme bildet hier das Emblembuch Andrea Alciatis, in dem die quatuor tempora anni unter dem Lemma „Natura“ als landschaftliche Darstellung wiedergegeben werden. Zu sehen ist hier ein von vier verschiedenen Vogelarten bevölkerter Baum in einer sonnenbeschienenen Landschaft; Andrea Alciati: Emblemata, Lyon 1550, S. 109. In der Pariser Ausgabe von 1584 wird das Icon auf die Darstellung des Baumes reduziert; ders.: Emblemata. Les em­ blemes latin-françois, Paris 1584, S. 138 mit der zugehörigen Erklärung auf S. 139 f. Das Bild des Baumes mit vier den verschiedenen Jahreszeiten zugeordneten Vögeln findet sich auch in Geffrey Whitneys 1586 veröffentlichten Choice of Emblemes; Green, Henry (Hg.): Whitney’s ‚Choice of Emblemes‘. A Fac-simile reprint, London 1866, S. 54. Ein anderes ebenfalls landschaftliches Emblembild der Jahreszeiten erscheint in der Picta poesis von Bartholomäus Anulus. Hier werden die Jahreszeiten als viergeteilter Kreis mit vier verschiedenen Landschaftsszenen vorgestellt. Das zugehörige Epigramm schafft die Verbindung mit den vier Lebensaltern des Menschen, womit die Jahreszeiten zu einem Sinnbild des ewigen Kreislaufs von Leben und Natur werden; Barthélemy Aneau: Picta poesis. Ut pictura poesis erit, Lyon 1552, S. 26 „Aeterna Hominum Natura“. Unmittelbar zuvor greift Anulus unter dem Lemma „Poesis“ das bei Ovid im zweiten Buch seiner Metamorphosen beschriebene Bild der vier Jahreszeiten im Tempel des Sonnengottes auf; ebd. S. 25 „Divitibus, tempus omne commodum“. 84 Pieter Bruegel d. Ä.: Jäger im Schnee, 1565, Öl auf Holz, 117 × 162 cm; Der düstere Tag, 1565, Öl auf Holz, 118 × 163 cm, beide Wien, Kunsthistorisches Museum; Die Heuernte, o. J., Öl auf Holz, 117 × 161 cm, Prag, Palais Lobkowitz; Die Kornernte, wohl 1565, Öl auf Holz, 118 × 160,7 cm, New York, The Metropolitan Museum of Art; Die Heimkehr der Herde, 1565, Öl auf Holz, 117 × 159 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum; zu den Gemälden und ihrer teils umstrittenen Deutung als Monats- bzw. Jahreszeitenserie siehe genauer Inge Herold: Pieter Bruegel der Ältere. Die Jahreszeiten, München/London/New York 2002. Herold spricht aufgrund der Zuordnungsproblematik von „Jahresteile[n]“ anstatt von Monaten oder Jahreszeiten; ebd., S. 96. Zur Ikonographie der Gemäldefolge und ihren Vorbildern siehe auch Iain Buchanan:



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täten wie die Heuernte in einer Sommerlandschaft oder eine Jagd in winterlicher Umgebung, die ebenso auch einzelnen Monaten zugeordnet werden könnten. Deutlicher als Jahreszeitenbilder zu identifizieren sind demgegenüber zwei weitere Szenen Bruegels,85 die 1570 zusammen mit den von Hans Bol ergänzten Motiven Herbst und Winter als Stichserie verlegt wurden und in denen der Künstler die menschliche Arbeit besonders prominent in den Vordergrund rückt.86 Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts werden die Jahreszeiten neben ihrer Behandlung in der Graphik und der Tafelmalerei auch als Dekormotiv im Innenraum eingesetzt.87 Die Fresken Paolo Veroneses in der Villa Barbaro bei Maser, Giorgio Vasaris lagernde Jahreszeitenfiguren in der Sala di Opi des Palazzo Vecchio Florenz, das Freskenprogramm Taddeo Zuccaris im Palazzo Farnese in Caprarola oder die Ausmalungen Jacopo Zucchis im römischen Palazzo di Firenze sind prominente Beispiele für die Verbreitung des Themas in den Bildprogrammen italienischer Villen und Stadtpaläste.88 Die besondere Eignung der Jahreszeiten als Thema der Raumausstattung findet auch in den dekorativen Künsten ihren Niederschlag. Hier erscheinen The Collection of Niclaes Jongelinck: II The ‚Months‘ by Pieter Bruegel the Elder, in: The Burling­ ton Magazine 132/1049 (1990), S. 541–550. 85 So ist der von Pieter van der Heyden nach Bruegels Entwürfen ausgeführte Frühlingsstich mit einer lateinischen Bildunterschrift versehen („Martius, Aprilis, Maius, sunt tempora veris. / Vere Venus gaudet florentibus aurea fertis.“), die das Thema eindeutig ausweist. Der Bildtitel („Ver / pueritie compar“) wird zudem in einer Mittelkartusche hervorgehoben. Die Inschrift des Sommerstichs führt die Monate „Iunius, Julius, Augustus“ sowie den Zusatz „Adolescentie imago“ auf; siehe Hollstein 1953, Bd. 9, S. 30, Nr. 63–66 und Kat. Stuttgart 1997, S. 120–122. 86 So erscheinen die abgebildeten Personen größtenteils entindividualisiert, ihre Köpfe sind verborgen oder sie wenden dem Betrachter den Rücken zu. Neben der Verbreitung als graphische Serie wurden die einzelnen Motive später sowohl durch Bruegels Sohn Pieter als auch durch den Maler Abel Grimmer, in dessen Œuvre das Thema der Monate und Jahreszeiten im Übrigen häufig begegnet, in Gemälde übertragen; Herold 2002, S. 61–63. 87 Obwohl die Jahreszeiten auch in der Folgezeit ein verbreitetes Ausstattungsmotiv sind, erwähnt E. Börsch-Supan sie in ihrer Abhandlung zu landschaftlichen Darstellungen in Innenräumen überraschenderweise nur am Rande; siehe Eva Börsch-Supan: Garten-, Land‑ schafts- und Paradiesmotive im Innenraum. Eine ikonographische Untersuchung, Berlin 1967 (Zugl. Diss. phil. Universität Köln 1963), S. 11 f. Die Beliebtheit des Motivs in der Innengestaltung von Wohnhäusern zeigt sich bereits in der Antike innerhalb der pompejanischen Wandmalerei; siehe zuvor S. 29. 88 Zu Caprarola siehe Maurizio Marini: Momenti della Pittura nel Palazzo di Caprarola – Moments of Painting in Caprarola’s Palace, in: Paolo Portoghesi (Hg.): Caprarola, Rom 1996, S. 41–82. Zu den Motiven im Palazzo di Firenze in Rom siehe insb. Philippe Morel: Le Parnasse astrologique. Les décors peints pour le cardinal Ferdinand de Médicis. Étude iconologique, Rom 1991 (La Villa Médicis, Bd. 3), insb. S. 21–24 sowie allgemein zu den Bildprogrammen italienischer Villen und Palazzi Julian Kliemann und Michael Rohlmann: Wandmalerei in Italien. Die Zeit der Hochrenaissance und des Manierismus 1510–1600, München 2004, darin v. a. S. 410– 430 zur Villa Barbaro in Maser sowie zu weiteren Beispielen Eugenio Battisti: Cicli pittorici, storie profane, Mailand 1981 (Italia meravigliosa), v. a. S. 148–151 und S. 172–181.

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Frühling, Sommer, Herbst und Winter als Kunstkammerobjekte, Elfenbein- und Bronzestatuetten, an Tafelaufsätzen und Uhren sowie als Tapisseriemotive.89 Daneben wird das Thema nicht zuletzt auch in funktionalen Medien wie Kalendern, Almanachen oder Weltkarten aufgegriffen.90

Die Vier Jahreszeiten in der Iconologia Cesare Ripas Einen entscheidenden Schritt in der Formierung der jahreszeitlichen Bildsprache markiert Ende des 16. Jahrhunderts die Iconologia Cesare Ripas. Mit diesem Werk erhalten die Jahreszeiten ein allgemein gültiges Erscheinungsbild und ihnen werden feste Attribute und Eigenschaften zugewiesen. Das lexikonartige Kompendium, das Künstlern und Dichtern gleichermaßen als Vorlagenbuch dienen sollte, versammelt bildhafte Konkretisierungen abstrakter Begriffe, die Ripa mit Rückgriff auf Texte vornehmlich antiker Autoren entwirft. So überführt er auch das Naturphänomen der vier Jahreszeiten in anschauliche Figurationen von menschlicher beziehungsweise göttlicher Gestalt. Die Metamorphosen Ovids, vor allem das zweite Buch, dienen ihm dabei als Hauptreferenz. In der ersten noch nicht bebilderten Ausgabe von 1593 werden die Jahreszeiten getrennt voneinander nach der Reihenfolge ihrer Bezeichnungen im Alphabet aufgeführt.91 Als Verkörperung des Herbstes (Autunno) schlägt Ripa Bacchus mit Trauben und in Begleitung eines Tigers vor.92 Ferner eigne sich eine Bacchantin mit Weinlaub und Trauben im Haar.93 Der Sommer (Estate) wird mit Verweis auf ­Gregorio Giraldi94 durch Ceres mit Ährenbündeln und Klatschmohn repräsentiert. Als 89 Ein bekanntes Beispiel für bronzene Jahreszeitenfiguren sind die nach Entwürfen von Wenzel Jamnitzer gefertigten Statuetten von Johan Gregor van der Schardt: Allegorien der Vier Jahreszeiten (Flora, Ceres, Bacchus und Vulkan), um 1570, Bronze, feuervergoldet, H. 71,2 cm (Flora), 70,7 cm (Ceres), 71,8 cm (Bacchus) und 71 cm (Vulkan), Wien, Kunsthistorisches Museum, Kunstkammer; siehe u. a. den Katalogeintrag von Claudia Kryza-Gersch in Kat. Wien/Zürich 2011, S. 128 f. Kat. Nr. 11. Dort auch den Aufsatz zu jahreszeitlichen Tapisserien anhand des Wintermotivs von Katja Schmitz-von Ledebur: Der Lauf der Zeit – Zur Darstellung des Winters in Tapisserien, in: ebd., S. 67–81. Ein weiteres Beispiel stellen die Anfang des 17. Jhs für die Münchner Residenz ausgeführten Wandteppiche Peter Candids dar; dazu Brigitte Volk-Knüttel: Wandteppiche für den Münchener Hof nach Entwürfen von Peter Candid, München/Berlin 1976, S. 41 f., S. 64–71 sowie S. 142 f. Kat Nr. 48–51 m. Abb. 148–151. 90 Hierzu u. a. Yvette Bruijnen: Over de Twelf Maendekens en de Vier Tyden’s iaers. De Maanden en Jaargetijden in de kunst van de Nederlanden circa 1500 tot 1750, in: Kat. ’s-Herto­ genbosch/Leuven 2002, S. 51–71, hier S. 65–68. 91 Cesare Ripa: Iconologia overo descrittione dell’imagini universali cavate dall’antichita et da altri luoghi, Rom 1593. Für Ripa ist dabei keine „Neuerfindung“ notwendig, wie er allgemein im Vorwort zur Ausgabe von 1603 anmerkt: Cesare Ripa: Iconologia overo descrittione di diverse imagini cavate dall’antichità, & di propria invenzione, Rom 1603, S. III. 92 Hierzu Ripa 1593, S. 27. 93 Siehe ebd., S. 143. 94 Ripa bezieht sich hier auf die Abhandlung De deis gentium von Giraldus; siehe L­ilius ­Gregorius Gyraldus: De deis gentium libri sive syntagmata XVII, Lyon 1565, zu Ceres S. 358 f.



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weitere Attribute werden ihm Fackel und Schlange zugedacht. Sein gelbes oder – nach Vergil – leuchtend rotes Gewand verweist auf den Hafer als ein für die Jahreszeit typisches Produkt und symbolisiert die Hitze des Sommers.95 Für den Winter (Inverno) greift Ripa die mittelalterliche Vorstellung des Greises auf, der sich am Feuer wärmt. Als weibliche Verbildlichung empfiehlt der Autor eine von Falten gezeichnete, alte Frau mit grauem Haar.96 Den Frühling (Primavera) sieht Ripa schließlich durch die von jungen Tieren begleitete Göttin Flora mit Blumen im Haar und in den Händen verkörpert.97 Alle Einträge schließen mit direkten Zitaten aus dem zweiten Buch der Meta‑ morphosen, die der damals populären italienischen Übersetzung von Giovanni Andrea dell’Anguillara entnommen sind.98 Diese in Reimform präsentierte Übertragung löst sich an mehreren Stellen deutlich von der Ovidschen Vorlage. So führt Anguillara die bei Ovid jeweils nur einzeiligen Beschreibungen der Jahreszeiten zu ganzen Strophen aus.99 Hierdurch wird das Aussehen der vier Zeiten näher konkretisiert und es treten weitere Attribute hinzu – ein Spiegel für den Sommer sowie Feigen und Kastanien für den Herbst –,100 die bei Ovid in dieser Form nicht angelegt sind.101 Ab der folgenden, 1603 veröffentlichten Iconologia-Ausgabe werden die Jahreszeiten nicht mehr einzeln aufgeführt, sondern ähnlich wie andere Vierermodelle unter einem gemeinsamen Lemma (Stagioni dell’anno).102 Hierdurch wird der quaternäre Verbundcharakter, der die vier Zeiten als zusammenhängendes System ausweist, zusätzlich gestärkt. Die Verbildlichung durch die genannten Götterfiguren wird beibehalten, wobei der Herbst ergänzend durch Pomona und der Winter durch Vul95 Siehe Ripa 1593, S. 70. 96 Siehe ebd., S. 143. 97 Ebd., S. 221. 98 Dell’Anguillaras Übersetzung erschien erstmals 1561 in Venedig, wobei die Übersetzung des ersten Buches der Metamorphosen bereits Mitte der 1550er-Jahre vorlag, und wurde allein im 17. Jh. elfmal wieder aufgelegt. Die Jahreszeiten zählen im Übrigen zu den wenigen Lemmata der Iconologia, die Ripa mit längeren direkten Zitaten versieht. 99 Siehe Giovanni Andrea dell’Anguillara (Übers.): Le metamorfosi di Ovidio, Venedig 1584, hier S. 31, Strophen 19–22. In den in der Ausgabe enthaltenen Anmerkungen des Kommentators Giuseppe Horologgi werden die Abweichungen vom Ovidschen Original, die Anguillara in der Beschreibung des Palastes des Sonnengottes vornimmt, lobend hervorgehoben; vgl. ebd. S. 62 f. 100 Vgl. ebd., S. 31, zum Sommer Strophe 20: „Con un specchio, che al Sole il foco accende, […]” und zum Herbst Strophe 21: „D’vue mature son le sue ghirlande, / di fichi, e ricci di castagne, e ghiande.” 101 So erscheint der Frühling beispielsweise als schöne junge Frau mit einem bunten, von Blumen gesäumten Rock, perlengleichen Zähnen und korallenfarbenen Lippen; vgl. ebd., S. 31, Strophe 19: „[…] E’ la stagion, che verde ha la gonnella / Sparta di bianchi fior, vermigli, e gialli. / Di rose, e latte è la sua faccia bella; / Son perle i denti, e le labbra coralli: […].” 102 Ripa 1603, S. 473–477. S. Maffei stellt in ihren Anmerkungen zur Ausgabe von 1603 mit Verweis auf Caterina Volpi gewisse Ähnlichkeiten der von Ripa 1603 präsentierten Jahreszeitenpersonifikationen zu Fresken Pirro Ligorios in der Loggia Papst Pius’ IV. fest; siehe Sonia Maffei (Hg.): Cesare Ripa. Iconologia, Turin 2012, S. 823 f. Nr. 370 Anm. 1.

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kan in der Schmiede oder Äolus mit den Winden repräsentiert werden kann. Daneben sieht Ripa einfache Personifikationen mit Girlanden oder Kränzen aus saisonalen Pflanzen und weiteren Attributen vor. Als Symbol des Herbstes tritt ein Füllhorn hinzu, das den Reichtum der Jahreszeit verdeutlichen soll, für den Winter eine reich gedeckte Tafel neben einem Kamin, die die Ernteerträge am Jahresende zur Schau stellt. Deutlicher als in der ersten Ausgabe kommt nun die Überblendung der Jahreszeiten mit den menschlichen Lebensaltern zum Ausdruck: So wird der Frühling als „infantia“, der Sommer als „gioventu“, der Herbst als „virilità“ und der Winter als „vecchiezza dell’anno“ beschrieben.103 Zudem werden weitere literarische Quellen aufgeführt, darunter die Fasti Ovids und das 15. Buch der Metamorphosen, das Astro‑ nomicon des Manilius sowie die Oden des Horaz. Als zeitgenössischer Autor wird ­Pierio Valeriano mit seinen Hieroglyphica herangezogen. Neu in der Ausgabe von 1603 ist auch die Erwähnung einer Münze des Caracalla,104 auf der die Jahreszeiten als Kinder mit charakteristischen Attributen abgebildet sind, und einer im Auftrag von Francesco de’ Medici geschaffenen Festdekoration,105 auf der sie durch je drei Monatsfiguren unterschiedlichen Alters und Geschlechts verkörpert werden. Mit der paduanischen Ausgabe von 1618 treten unter dem Lemma Stagioni weitere textliche Referenzen wie die Jahreszeitenverse aus den Catalecta Joseph Scaligers oder ein Epigramm des Euphorbius hinzu, das Frühling, Sommer und Herbst zu den Göttern Venus, Ceres und Bacchus sowie den Winter zu den Winden in Bezug setzt.106 Dem Inverno ist zudem ein separater Eintrag gewidmet, in dem mit Verweis auf Pierio Valeriano Adonis als geeignete Repräsentationsfigur vorgeschlagen wird.107 103 Ripa 1603, S. 473–475. Maffei zufolge übernimmt Ripa diese Passage aus Oratio Rinaldis Specchio di scienze et compendio delle cose von 1583; siehe Maffei 2012, S. 824 f. Anm. 3, 8, 14 u. 18. 104 Ripa bezieht sich hier auf eine Beschreibung bei Sebastiano Erizzo: Discorso di M. Sebas‑ tiano Erizzo. Sopra le medaglie degli antichi, Venedig 1568, S. 625 f. 105 Es handelt sich um eine Dekoration („apparato“) zur Hochzeit von Virginia, der Schwester Francesco de’ Medicis, mit Cesare d’Este. Als Quelle diente Ripa wohl Bastiano de Rossi: Descri‑ zione del magnificentiss. apparato e de’ maravagliosi intermedi fatti per la commedia rappre‑ sentata in Firenze nelle felicissime nozze degl’illustri ed eccellentissimi signori, il signor Don ­Cesare d’Este e la signora donna Virginia Medici, Florenz 1585, S. 21r–v; siehe auch Gerlind Werner: RIPA’s Iconologia. Quellen – Methode – Ziele, Utrecht 1977 (Bibliotheca Emblematica, Bd. 7) (Zugl. Diss. phil. Universität München 1977), S. 43. 106 Siehe Pietro Paolo Tozzi (Hg.): Nova Iconologia di Cesare Ripa Perugino, Padua 1618, S. 499 sowie S. 499–502 zu den Jahreszeiten insgesamt. Das dem nachklassischen Dichter ­Euphorbius zugeschriebene Epigramm findet sich in der Anthologia latina; siehe die moderne Ausgabe von Franz Bücheler und Friedrich Alexander Riese (Hg.): Anthologia Latina sive Poe‑ sis Latinae Supplementum, 2 Bde, Leipzig 1894–1964, hier Bd. 1: Carmina in Codicibus scripta, Fasz. 1: Libri Salmasiani aliorumque carmina, Leipzig 1894, hierzu S. 77 Nr. 570 sowie S. 75–79 (VII. Tetrasticha de quattuor temporibus anni) zu weiteren Jahreszeitenversen. 107 Tozzi 1618, S. 268 ‚Inverno‘. Die zugrunde liegende Passage bei P. Valeriano bezieht sich auf eine in den Saturnalia des Macrobius geschilderte Erzählung von einer Venusstatue im Libanongebirge, die den Tod des Adonis betrauert. Valeriano wandelt die Geschichte ab und



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Ripas Iconologia erscheint im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts in mehreren, zum Teil erweiterten Ausgaben und wird in verschiedene Sprachen übertragen.108 Darüber hinaus zieht das Werk auch einzelne Neufassungen nach sich, die das Vorbild umformen oder kritisch überarbeiten.109 Auf diese Weise wirkt der Typus der ‚Ikonologie‘ bis in das 19. Jahrhundert fort.110 Das Motiv der Jahreszeiten wird alleridentifiziert die Statue als Standbild des Adonis, womit dieser zum Sinnbild des Winters wird; Giovanni Pierio Valeriano Bolzanino: Hieroglyphica sive de sacris aegyptiorum literis commentarii, Basel 1556, S. 68. Die Verbildlichung des Winters durch Adonis findet sich später auch in G. de Lairesses Het groot Schilderboek; siehe dort sowie zur Darstellung der Vier Jahreszeiten insg. Gerard de Lairesse: Groot Schilderboek, 2 Teile, Amsterdam 1712, hierzu u. a. Teil 1, S. 113, 378 f. u. S. 389 sowie Teil 2, S. 75 f. u. S. 263. Zur Verbindung von Winter und Adonis auch im Folgenden S. 56 und 81. 108 Auf das Ripasche Original folgen die italienischen Ausgaben von 1603 (Rom), 1611 (Padua), 1613 (Siena), 1618 und 1624 (beide Padua), die von Giovanni Zaratino Castellini he­ rausgegebenen erweiterten Fassungen von 1645 und 1665 (beide Venedig) sowie die von ­Cesare Orlandi editierte mehrbändige Ausgabe der Jahre 1764–1767 (Perugia); darüber hi­ naus die französischen Übersetzungen 1644, 1677, 1681 (alle Paris) und 1698 (Amsterdam); die deutschen Ausgaben 1669/1670 (Frankfurt), 1704 (Augsburg) und 1732–1734 (Nürnberg); die an den Vorlagen Castellinis orientierten niederländischen Ausgaben von 1644, 1698, 1699 (jeweils Amsterdam) und 1743–1750 (Delft) sowie die englischen Übertragungen von 1709, 1777–1779 und 1785 (alle London). Einen synoptischen Vergleich mehrerer IconologiaAusgaben des 17. Jhs (ital. Ausgaben von 1603 und 1624, ndl. Ausgaben von 1644 und 1677 und franz. Ausgabe von 1644) bietet Yassu Okayama: The Ripa Index. Personifications and their attributes in five editions of the Iconologia, Doornspijk 1992; dort zu den Jahreszeiten und ihren verschiedenen Darstellungstypen S. 263–266. Siehe zudem die Auflistung verschiedener Iconologia-Ausgaben bei Mario Praz: Studies in Seventeenth-Century Imagery, 2 Bde, Rom 21964/1974 (1. Aufl. 1939/1947) (Sussidi Eruditi, Bd. 16), hier Bd. 1, Rom 1964, S. 472–475. 109 So etwa die ebenfalls als ‚Ikonologie‘ betitelten französischen bzw. französisch-italienischen Neufassungen von Honoré Lacombe de Prezel: Dictionnaire iconologique ou introduc­ tion à la connoissance des peintures, sculptures, medailles, estampes etc., Paris 1756; Boudard 1759 sowie Charles-Nicolas Cochin (Übers.) und Hubert-François Gravelot (Ill.): Iconologie par figures ou traité complet des allégories, emblèmes & c., 4 Bde, Paris 1791 oder die späte nach dem Vorbild einer Ikonologie entwickelte deutschsprachige Version von Ramler 1788a. Eine Neufassung stellt nicht zuletzt J. J. Winckelmanns Versuch einer Allegorie von 1766 dar, der eigene Begriffsbildschöpfungen lexikonartig zusammenstellt. Winckelmann kritisierte an der Ripaschen Vorlage die fehlende Einbindung antiker Bildquellen; siehe Johann Joachim Winckelmann: Versuch einer Allegorie, besonders für die Kunst, Dresden 1766, S. 23. Winckelmanns Vorbild folgend versucht auch G. Richardson mit seiner Iconology von 1779 die emblematische Bildsprache wieder zu beleben; George Richardson: Iconology; or, a Collection of Emblematical Figures, 2 Bde, London 1779. Wie er im Vorwort anmerkt, geht es ihm dabei gerade darum, die bei Ripa fehlenden Abbildungen zu den Viererallegorien nachzuliefern; siehe ebd. Bd. 1, S. III. Eine eigene Bearbeitung legt schließlich G. B. Casanova in den 1780erJahren in seiner nicht publizierten Theorie der Malerei vor; siehe Giovanni Battista Casanova: Theorie der Malerei, hg. von Roland Kanz, München 2008 (Phantasos, Bd. 8), zur Allegorie ab Heft XXXVII, S. 631–642 sowie zu den Jahreszeiten, Heft XLI, S. 753–755. 110 Einen der letzten Reflexe stellt neben der bereits erwähnten Bearbeitung von Ramler, die im Laufe des 19. Jhs in mehreren Ausgaben erschien, die Ikonologie von F. Pistrucci dar;

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13 L’Hyver, 1644, in: Jean Baudoin und Jacques de Bie, Iconologie ou Explication nouvelle de plusieurs images

14 Invernata da Macrobio, 1645, in: Cesare Ripa, Iconologia

dings nicht in allen Fassungen aufgegriffen. So fehlt es beispielsweise in den deutschen Ikonologien von Lorenz Strauß oder Johann Georg Hertel.111 Bildliche Darstellungen der Jahreszeiten treten erst in der Iconologia von 1611 auf, in der allerdings nur der Sommer mit einer Abbildung versehen wird.112 Die Illustration zeigt eine matronenhaft wirkende Frau in wehendem Kleid mit einer brennenden Fackel in der rechten Hand und einem Ährenkranz im Haar. Der Zeigefinger ihrer linken Hand ist gen Himmel gerichtet. Vollständige bildliche Ausformungen finden sich schließlich in

Filippo Pistrucci: Iconologia ovvero immagini di tutte le cose principale a cui l’umano talento ha finto un corpo, 2 Bde, Mailand 1819/1821, dort zu den Jahreszeiten Bd. 2, Mailand 1821, S. 113 f., Nr. 177. Pistrucci behält die klassischen, bei Ripa geprägten Topoi bei, präsentiert die Jahreszeiten aber in der ungewöhnlichen Reihenfolge Winter, Frühling, Herbst und Sommer. Der Text wird von einer farbigen Abbildung begleitet, die alle vier Zeiten zusammen zeigt. 111 Bei Lorenz Strauß (Übers.): Erneuerte Iconologia oder Bildersprach, 2 Bde, Frankfurt am Main 1669/1670 werden die Jahreszeiten nur im Zusammenhang mit anderen Begriffen erwähnt, so z. B. in Bd. 1, S. 63–65 („Das Jahr“), S. 145 („Deß Jahres Wagen“ sowie „Der Wagen Cereris“); ferner in Bd. 2, S. 167 in Verbindung mit den vier Elementen. Auch bei J. G. Hertel treten sie nur innerhalb anderer Begriffsbilder auf; siehe den Nachdruck der Hertelschen Fassung von Edward A. Maser (Hg.): Cesare Ripa. Baroque and Rococo Pictorial Imagery. The 1758–60 Hertel edition of Ripa’s Iconologia with 200 Engraved Illustrations, New York 1971 (Dover Pictorial Archive Series), S. 6 („Mundus/Welt“), S. 17 („Annus/Jahr“) und S. 52 („Amicitia/Freundschaft“). 112 Cesare Ripa: Iconologia ovvero descrittione d’imagini delle virtu’, vitii, affetti, passioni hu‑ mane, corpi celesti, mondo e sue parti, Padua 1611, S. 501.



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den französischen Ikonologien von 1643, 1759 und 1791.113 Die erst genannte Fassung von Jean Baudoin und Jacques de Bie sieht abweichend von Ripa für den Winter eine Innenraumszene mit einer Frau am Kamin vor, die einen Tisch deckt (Abb. 13). Die ebenfalls illustrierte englische Ausgabe von 1709 präsentiert die Jahreszeiten durch die Ripaschen Darstellungen der Tag-und-Nachtgleichen. Der Frühling wird durch den Equinottio della primavera, einen Jüngling mit einem Widder unter dem Arm und einem Blumenstrauß in der Hand, verbildlicht. Der Equinottio dell’autunno, ein bärtiger Mann mit einer Waage und einem Strauß aus herbstlichen Früchten, steht für den Herbst.114 Für den Winter wird die aus den Saturnalien des Macrobius entlehnte Gestalt der Invernata herangezogen.115 Die Abbildung (Abb. 14) zeigt eine trauernde

113 Siehe Jean Baudoin (Übers.) und Jacques de Bie (Ill.): Iconologie ou, explication nouvelle de plusieurs images, Paris 1643, Medaillons mit Darstellungen der Vier Jahreszeiten im zweiten Teil, S. 11 sowie Cochin/Gravelot 1791, Bd. 1, Nr. 41 ‚Automne‘, Bd. 2, Nr. 21 ‚Été‘ und Nr. 97 ‚Hiver‘ sowie Bd. 4, Nr. 31 ‚Printems‘, die den Jahreszeiten ganzseitige Abbildungen widmen. Die Winterbilder zeigen im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung Ripas jeweils eine Frau. In der Umsetzung Gravelots etwa wärmt sie sich, in einer Steinruine sitzend, an einem Kohlebecken, während rechts im Hintergrund ein Junge mit seiner Jagdbeute erscheint. In der Ausgabe von Boudard sind die Jahreszeiten als weibliche und männliche Einzelfiguren dargestellt, die sich auf den entsprechenden Abschnitt des Zodiakus-Ringes stützen. Als neuer literarischer Verweis kommt Pietro Metastasio hinzu; Boudard 1759, hier Bd. 3, S. 111–114. 114 Siehe Pierce Tempest (Hg.): Iconologia or, Moral Emblems by Caesar Ripa, London 1709, S. 27, Fig. 105 ‚Equinottio della Primavera: Spring‘ und Fig. 108 ‚Equinottio dell’Autunno: ­Autumn‘. Daneben finden sich Abbildungen zu den Sommer- und Wintersonnenwenden (S. 71, Fig. 283 und 284). Der Solstitio Estivo wird durch einen jungen Mann mit Krebs und Weltkugel in den Händen und einem Sphärenring um den Kopf verkörpert, der Solstitio Hiemale durch einen bärtigen Mann mit Steinbock, Weltkugel und Sphärengürtel um die Beine. Eine dezidierte Illustration zum Sommer fehlt bei Tempest hingegen. Die Abbildungen orientieren sich an der Ripaschen Vorlage, die den Äquinoktien bereits bei ihrer ersten Erwähnung in der Ausgabe von 1603, also noch vor der Aufführung der Jahreszeiten, bildliche Darstellungen widmet; Ripa 1603, S. 131 f. Illustrationen der Sonnenwenden folgen 1611; Ripa 1611, S. 489 (Solstitio Estivo) und S. 491 (Solstitio Hiemale). 115 Siehe Tempest 1709, S. 47, Fig. 187 ‚Invernata: Winter‘. Die Figur der Invernata tritt in dieser Form erstmals in der von Castellini betreuten Iconologia-Ausgabe von 1645 auf; siehe Giovanni Zaratino Castellini (Hg.): Iconologia di Cesare Ripa Perugino cavalier di SS. Mauritio et Lazaro, Venedig 1645, S. 292–298 mit Abb. auf S. 294 (Invernata da Macrobio). Die Gestalt wird in einer Passage der Saturnalia beschrieben, die später auch Boccaccio, Cartari und ­Valeriano in ihren Mythographien aufgreifen. Darin ist von einer Venusstatue mit verhülltem Haupt und einem dunklen Umhang die Rede, die mit der Adonis-Sage in Verbindung gebracht wird. Sie betrauert den Verlust der Sonne und wird damit zum Symbol für die Winterzeit. Zur Herleitung der Figur siehe auch Cesare Orlandi (Bearb.): Iconologia del cavaliere Cesare Ripa Perugino, 5 Bde, Perugia 1764–1767, hier Bd. 3, Perugia 1765, S. 310–319, der die aufgeführten Begriffe historisch, „naturwissenschaftlich“ und moralisch ausdeutet. Die Figuration der ­Invernata erscheint auch in den niederländischen Ausgaben, die sich an Castellini orientieren; u. a. Dirck Pieterszoon Pers (Hg./Übers.): Iconologia of uytbeeldingen des Verstands, Amsterdam 1644, S. 509–512.

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Frau in einer kargen Landschaft, begleitet von einem Wildschwein. Sie trägt einen weiten Umhang, der auch ihren Kopf bedeckt.

Barocke Verbildlichungen der Jahreszeiten Mit der Festschreibung, die das Motiv durch die Ikonologien erfährt, entwickeln sich die Jahreszeiten zu einem Standardthema der Barockkunst.116 Getragen wird diese zunehmende Verbreitung von der barocken Vorliebe für emblematisch verschlüsselte Sinnbilder. Zudem gewinnen Aspekte von Zeit und Vergänglichkeit an Bedeutung, die parallel auch in der Literatur und der Dichtkunst reflektiert werden.117 Die bildkünstlerischen Umsetzungen zeigen sich von den Vorgaben der ikonographischen Kompendien geprägt und bilden sich, vor allem mit Blick auf die Attribute und die Geschlechterzuordnung, immer stärker zu Stereotypen aus. Variationen können sich allerdings beispielsweise hinsichtlich der Komposition ergeben. So werden die Jahreszeiten bei Guido Reni oder Bartolomeo Manfredi als Vierergruppe in einer Darstellung zusammengefasst. Simon Vouet vereint sie in einem Rundbild (Abb. 15), dessen Format auf den zyklischen Charakter des Jahreslaufs Bezug nimmt. In der Mitte erscheint Adonis als Jäger, der, wie bereits erwähnt, ab der Iconologia-Ausgabe von 1645 mit dem Winter in Verbindung gebracht wird, umgeben von Flora, Ceres und dem Bacchusknaben.118 Claude Lorrain präsentiert die vier Zeiten in einer Campagna ähnlichen Ideallandschaft als tanzende Frauen im Gefolge Apolls und greift damit die griechisch-antike Vorstellung des Horenreigens auf.119 Vielfach werden auch mytho-

116 Siehe nur die Auflistung von Jahreszeitenwerken der Barockkunst bei Andor Pigler: Ba‑ rockthemen. Eine Auswahl von Verzeichnissen zur Ikonographie des 17. und 18. Jahrhunderts, 2 Bde, Budapest/Berlin 1956, hier Bd. 2, S. 492–499. 117 Man denke beispielsweise an die Gedichte von Paul Fleming oder Andreas Gryphius; siehe Karl Otto Conrady (Hg.): Der neue Conrady. Das große deutsche Gedichtbuch von den ­Anfängen bis zur Gegenwart, erw. und akt. Neuausgabe, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 160 zu ­Fleming u. S. 166–170 zu Gryphius. Zu Zeitlichkeitsvorstellungen bei Gryphius siehe auch Wilhelm Voßkamp: Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung im 17. Jahrhundert bei Gryphius und Lohenstein, Bonn 1967 (Literatur und Wirklichkeit, Bd. 1) (Zugl. Diss. phil. Universität Kiel 1965), S. 63–116. 118 Vouets Rundbild liegt in zwei Versionen vor; genauer dazu William R. Crelly: Two Alle­ gories of the Seasons by Simon Vouet and Their Iconography, in: Moshe Barasch und Lucy Freeman Sandler (Hg.): Art the Ape of Nature, Studies in Honor of H. W. Janson, Festschrift für Horst W. Janson, New York 1981, S. 401–424. 119 Claude Gelée, gen. Le Lorrain: Der Tanz der Jahreszeiten, 1662, Öl auf Kupfer, 28 × 35 cm, Zürich, Kunsthaus Zürich. Die Darstellung wurde durch einen Nachstich verbreitet. Sie bildet die einzige Auseinandersetzung Claudes mit dem Jahreszeitenmotiv. Thematisch kann das Werk in Zusammenhang mit Nicolas Poussins rund dreißig Jahre zuvor entstandenem Tanz zur Musik der Zeit (1634–1636, Öl auf Lw., 82,5 × 104 cm, London, Wallace Collection) gesehen werden, das ebenfalls das Reigenmotiv der Jahreszeiten aufgreift; zur Stichfassung: Im Licht von Claude Lorrain. Landschaftsmalerei aus drei Jahrhunderten, hg., von Marcel Roethlis-



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15 Simon Vouet, Die Vier Jahreszeiten, 1644/1645, Öl auf Lw., Dublin, National Gallery of Ireland

logische Szenen zur Verbildlichung herangezogen. Bei Peter Paul Rubens wird der Winter beispielsweise durch die aus den Metamorphosen gegriffene Raptusgeschichte von Boreas und Oreithyia repräsentiert.120 Als weitere Motive sind Flora und Zephyr für den Frühling oder die Erdgöttin Kybele, die um die Rückkehr der Sonne bittet, für den Winter geläufig. Eine komplexe Darstellung bietet in diesem Zusammenhang der in den 1640er-Jahren entstandene Radierzyklus von Pietro Testa, der in seinen vielfigurigen Szenen die vor allem in der niederländischen Kunst geläufige Aufteilung in Register mit Motiven aus jahreszeitlichen Triumphdarstellungen verbindet.121 Neue und zugleich ungewöhnliche Motivlösungen liefert Nicolas Poussin. Sein zwischen 1660 und 1664 entstandener Gemäldezyklus stellt die Zeitenfolge durch alttestamentliche Szenen dar, die zugleich auf gewisse auch aus der Jahreszeitentradition bekannte Formeln wie die Kornernte im Sommer oder Weintrauben im Herbst rekurrieren.122 Gleichzeitig findet eine Parallelisierung mit den Tageszeiten statt. In berger, Ausst.-Kat., Haus der Kunst München, München 1983, S. 149 f. Kat. Nr. 87. Vgl. auch die zuvor erwähnte Jahreszeitenabbildung in den Imagini Cartaris, S. 47 Anm. 79. 120 Peter Paul Rubens: Boreas raubt Oreithyia, um 1615, Öl auf Holz, 146 × 140 cm, Wien, Akademie der bildenden Künste. Die wirkmächtig ins Bild gerückte Raptusszene wird am unteren Rand von Schneeball werfenden Putti begleitet, die den Winterbezug unterstreichen und das Motiv zugleich ins Genrehafte verkehren. 121 Zu Testas Jahreszeiten siehe die eingehende Analyse von Elizabeth Cropper: Virtue’s Wintry Reward: Pietro Testa’s Etchings of the Seasons, in: Journal of Warburg and Courtauld Institutes 37 (1974), S. 249–279. 122 Nicolas Poussin: Die Vier Jahreszeiten (Frühling oder Das Paradies, Sommer oder Ruth und Boas, Herbst oder Die Kundschafter im Lande Kanaan, Winter oder Die Sintflut), 1660–

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der am Morgen angesiedelten Frühlingsdarstellung sind Adam und Eva im Paradies zu sehen, im Sommer die im Buch Ruth geschilderte Begegnung von Ruth und Boas auf dem Getreideacker. Der Herbst wird durch die Kundschafter im Land Kanaan repräsentiert, der nächtlich-düstere Winter durch die Sintflut, womit wie in der ersten Szene erneut auf das Buch Genesis Bezug genommen wird.123 Eine ähnliche Verschränkung von kosmologischen und biblisch-heilsgeschichtlichen Themen lässt sich in der Nachfolge etwa bei Claude oder im 18. Jahrhundert bei Johann Wolfgang Baumgartner beobachten.124 1664, Öl auf Lw., 118 × 160 cm (Frühling, Sommer und Winter), 117 × 160 cm (Herbst), Paris, Musée du Louvre. Die Verbindung von Jahreszeitendarstellungen und biblischen Szenen findet sich bereits im 16. Jh. etwa bei Francesco Bassano d. J. (Die vier Jahreszeiten, um 1576, Öl auf Lw., 83 × 115 cm (Frühling), 78,5 × 110,5 cm (Sommer), 75,5 × 109 cm (Herbst), Wien, Kunsthistorisches Museum). Im Frühling wird die Vertreibung aus dem Paradies aufgegriffen, im Sommer die Opferung Isaaks und im Herbst der Empfang der zehn Gebote durch Moses. Im Gegensatz zu Poussin werden die biblischen Szenen hier jedoch nur im Hintergrund dargestellt. Eine ähnliche Parallelisierung zeigt sich auch in der niederländischen Kunst des 16. Jhs. So verknüpfen z. B. Maarten van Valckenborch oder Adrien Collaert die Monatsbilder mit altoder neutestamentlichen Motiven; Kat. ’s-Hertogenbosch/Leuven 2002, S. 131–133, Kat. Nr. 42 und 43–46. 123 Aus der Fülle an Literatur zu Poussins Jahreszeiten siehe insb. die christlich-typologische Ausdeutung von Willibald Sauerländer: Die Jahreszeiten. Ein Beitrag zur allegorischen Landschaft beim späten Poussin, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, 7 (1956), S. 169–184 sowie – seine ursprünglichen Aussagen korrigierend – ders.: Noch einmal Poussins Landschaften. Ein Versuch über Möglichkeiten und Grenzen der ikonologischen Interpreta­ tion, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, 56 (2005), S. 107–136; hierzu insb. S. 128–132. Vgl. die kritische Stellungnahme zu Sauerländers erstem Beitrag von Ulrich Rehm: Vom Anblick zur Erkenntnis. Die Vier Jahreszeiten von Nicolas Poussin, in: Marburger Jahr‑ buch für Kunstwissenschaft 29 (2002), S. 253–265. Siehe zudem den an Sauerländers Diskus­ sion verschiedener theologischer Konzepte anknüpfenden Beitrag von Bernhard Kerber: ­Zyklisch-ungeschichtliche und teleologisch-geschichtliche Geschichtsauffassung in Nicolas Poussins ‚Jahreszeiten‘, in: Die Idylle. Eine Bildform im Wandel zwischen Hoffnung und Wirklichkeit 1750–1930, hg. von Rolf Wedewer und Jens Christian Jensen, Ausst.-Kat., Städtisches Museum Leverkusen, Schloss Morsbroich und Kunsthalle Kiel, Köln 1986 (DuMont-­ Dokumente), S. 66–78, der darin einen früheren Aufsatz von 1982 reformuliert. Zu Zeitstrukturen und Geschichtsauffassungen in Poussins Jahreszeiten im Kontext seines Gesamtwerks siehe Henry Keazor: Kreis und Pfeil: Zur Struktur von Nicolas Poussins Vier Jahreszeiten, in: Greub 2013, S. 249–268; dort auch zum Forschungsstand S. 252–254. 124 Claude zeigt statt der Jahreszeiten die Tageszeiten und verbildlicht diese durch Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament. Der Morgen ist mit der Darstellung von Jakob und Rahel verbunden, der Mittag mit der Ruhe auf der Flucht, der Abend mit Tobias und dem Engel, die Nacht mit Jakob und dem Engel; siehe Marcel Roethlisberger: Claude Lorrain. The Paintings, 2  Bde, New Haven 1961, hier Bd. 1: Critical Catalogue, New Haven 1961, S. 361– 365 Kat. Nr. LV 154 (Landschaft mit der Ruhe auf der Flucht oder Der Mittag), S. 379–381 Kat. Nr. LV 160 (Landschaft mit Tobias und dem Engel oder Der Abend), S. 399–401 Kat. Nr. LV 169 (Landschaft mit Jakob, Rahel und Lea am Brunnen oder Der Morgen) und S. 426–428  Kat. Nr. LV 181 (Landschaft mit Jakob im Kampf mit dem Engel oder Die Nacht). Baumgartner stellt



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Aufgrund ihrer Bedeutung als Naturkräfte und ihrer kosmischen Verweisfunktion halten die Jahreszeiten im 17. Jahrhundert zudem Einzug in herrschaftliche Gärten, die als eine Art Repräsentationsraum die kosmische Ordnung abbilden und den Machtanspruch des Herrschers verdeutlichen.125 Ein frühes Beispiel der Vergegenwärtigung der Jahreszeiten im Garten, wenngleich nicht in figürlicher Form, ist der von Salomon de Caus entworfene, allerdings nicht umgesetzte Jahreszeitengarten im Hortus Palatinus des Heidelberger Schlosses, in dem der Lauf des Jahres anhand uhren­ ähnlich nach den zwölf Monaten bepflanzter Blumenbeete vor Augen geführt werden sollte. In skulpturaler Form treten die Jahreszeiten schließlich als Statuen, Hermen, Figurengruppen oder Vasen auf. Im Grottenhof der Münchner Residenz kommen sie als Bekrönung kleiner Wasserbecken zum Einsatz. Die Gestaltung dieser 1611 von Hans Krumpper geschaffenen bronzenen Brunnenfiguren folgt dem von Ripa vorgeschlagenen Bildvokabular, wobei menschliche und göttliche Darstellungsformen ineinander übergehen: Der Frühling ist als junge Frau mit Blumen im Gewand gebildet, die ebenso als Flora gelesen werden kann, der Sommer als Ceres ähnliche Figur mit Füllhorn, Ähren und Sichel. Der Herbst erscheint als junger bacchusgleicher Mann mit Weintrauben und Trinkschale, der Winter, den Krumpper zunächst als junge Frau in  einer weiten Tunika mit verhülltem Haupt und einem Reisigbündel unter dem Arm  konzipiert hatte (Abb. 16), als alter Mann mit Mütze, Pelzmantel und Stiefeln (Abb. 17).126 In nördlicheren Regionen findet sich für den Winter in Anlehnung an niederländische Vorbilder auch die Darstellung als alte Frau.127 Einen Höhepunkt erreichen die Jahreszeiten im Garten als programmatisches Konzept im Schlosspark von den Sommer wie Poussin durch Ruth und Boas dar. Für die anderen Szenen wählt er hingegen Motive aus dem Neuen Testament; siehe Behrmann 1976, S. 29. 125 Zur Verbreitung der Jahreszeiten in barocken Gartenprogrammen siehe genauer Irene Markowitz: Die Vier Jahreszeiten. Ikonologische und ikonographische Studien zum Figurenprogramm der Barockgärten, in: Gruenter 1986, S. 121–149 sowie zusammenfassend dies.: Die Jahreszeiten im Gefolge der Götter  – Gartenprogramme des Barock –, in: Kat. Zürich 1989, S. 213–230; dort auch zum Vorkommen der Jahreszeiten innerhalb höfischer Feste und Gartenschauspiele, S. 213. 126 Die zeichnerischen Entwürfe zu Krumppers Figuren werden im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck aufbewahrt; siehe auch Dorothea Diemer: Hans Krumper, in: Hubert Glaser (Hg.): Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I, Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1573–1657, München/Zürich 1980 (Wittelsbach und Bayern, Bd. 2,1), S. 279–311, zu den Jahreszeiten S. 291 sowie den Katalogeintrag in: Um Glauben und Reich. Kurfürst Maximilian I, hg. von Hubert Glaser, Ausst.-Kat., Residenz München, München/Zürich 1980 (Wittelsbach und Bayern, Bd. 2,2), S. 549 f. Kat Nr. 899 u. 900. 127 So etwa im Garten von Schloss Anholt im Münsterland; siehe dazu Udo Grote: Johann Mauritz Gröninger – ein Beitrag zur Skulptur des Barock in Westfalen, Bonn 1992 (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen, Bd. 20) (Zugl. Diss. phil. Universität Münster 1987), S. 270 sowie ders.: Die Statuen der Jahreszeiten und der Schloßgarten von Schwetzingen, in: ders. (Hg.): Westfalen und Italien, Festschrift für Karl Noehles, Petersberg 2002, S. 139–143. Zu den niederländischen Vorbildern Evert van Straaten: Koud tot op het bot. De verbeelding van de winter in de zestiende en zeventiende eeuw in de Nederlanden, ’s-Gravenhage 1977, S. 38–40.

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17 Hans Krumpper, Der Winter, um 1611, Bronze, München, Bayerisches Nationalmuseum 16 Hans Krumpper, Der Winter, vor 1611, ­Entwurfszeichnung, Innsbruck, Tiroler Landes­ museum Ferdinandeum

Versailles.128 Hier nehmen die Quatre Saisons zusammen mit anderen Vierermodellen eine zentrale Rolle innerhalb eines übergreifenden allegorischen Ensembles ein, welches das herrscherliche Selbstverständnis Louis’ XIV. als apollgleicher Sonnenkönig und Lenker der Zeiten zur Anschauung bringt. So besetzt das Motiv in Form von Brun128 Siehe Markowitz 1986, S. 133–138 sowie speziell zum Figurenprogramm des Wasserparterres und seinen politischen und naturwissenschaftlichen Implikationen Pablo Schneider: Die erste Ursache. Kunst, Repräsentation und Wissenschaft zu Zeiten Ludwigs XIV. und Charles Le Bruns, Berlin 2011 (Humboldt-Schriften zur Kunst- und Bildgeschichte, Bd. 13) (Zugl. Diss. phil. Humboldt-Universität Berlin 2007, u. d. T.: Die Planungen für das Parterre d’Eau von ­Versailles zwischen 1672 und 1683).



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18 Charles Le Brun, Les Quatre Saisons, um 1674, schwarze Kreide und Lavierungen, Paris, Musée du Louvre, Cabinet des dessins

nenbecken die Hauptachsenkreuzungen der Boskettzone zwischen dem Latonabecken im Osten und dem großen Apollobassin im Westen mit der Skulpturengruppe des aus dem Wasser auffahrenden Sonnengottes in der Quadriga. Auf den Mittelinseln der Fontainen werden die Jahreszeiten durch die nach Entwürfen Charles Le Bruns gestalteten lagernden Götter Flora, Ceres, Bacchus und Saturn in Begleitung von Nymphen oder Satyrn repräsentiert. Ein weiterer Zyklus, der, ebenfalls nach Vorlagen Le Bruns, im Zuge der Schlosserweiterung von 1674 und der damit verbundenen Neukonzeption des Parterre d’Eau entstand, fasst die Jahreszeiten als Teil eines umfassenden Programms quaternärer Figurationen wie den Elementen, Kontinenten, Temperamenten, Formen der Dichtung und Tageszeiten auf, das ein Abbild der Welt wiedergeben sollte.129 Der zeichnerische Entwurf Le Bruns (Abb. 18), der von verschiedenen Künstlern – der Printemps von Laurent Magnier, der Été von Pierre Hutinot, der Automne von Thomas Regnaudin und der Hiver von François Girardon – in die Skulptur überführt wurde,130 zeigt Sommer und Frühling als weibliche, Herbst und Winter als männliche Gestalten. Durch die Wendung ihrer Körper sind sie paarweise aufeinander 129 Siehe genauer Schneider 2011, S. 113–133, darunter S. 116–120 zu den Jahreszeiten; dort auch zur Gesamtaussage der Anlage, S. 235–264. Die politische Tragweite des Jahreszeitenkonzepts und seine Bedeutung für die Herrscherallegorese Ludwigs XIV. untersucht am Beispiel der vom König in Auftrag gegebenen Jahreszeiten-Tapisserien und der zugehörigen Kommentierung A. Félibiens: Volker Kapp: Félibien interprète des Quatre Saisons de Le Brun, in: Cahiers de Littérature du XVIIe siècle 7 (1985), S. 179–196, darunter insb. S. 180–185 zu jahreszeitlichen Inszenierungen am Hofe Ludwigs XIV. 130 In der Abhandlung von P. Schneider sind die Abbildungen von Frühling und Sommer falsch bezeichnet, was sich vielleicht darauf zurückführen lässt, dass die Jahreszeitenfolge im Le Brunschen Entwurf mit dem Sommer beginnt; vgl. Schneider 2011, S. 119 Abb. 42 u. 43.

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19 François Girardon, L’Hiver, vor 1692, Marmor, Versailles, Musée National du Château de Versailles, Schlosspark

bezogen. Die Personifikationen greifen die Vorgaben Ripas auf, wobei sich Le Brun auf jeweils nur ein charakteristisches Attribut konzentriert.131 Im Vergleich zum Entwurf steigern die skulpturalen Ausführungen die Wirkung der Figuren nochmals, was besonders mit Blick auf den Winter von Girardon auffällt (Abb. 19), der in der skulpturalen Fassung greisenhafter wirkt und in seiner Körperhaltung und der Verschränkung von Armen und Beinen wesentlich expressiver erscheint. Die zeichnerischen Vorlagen Le Bruns fanden durch Nachstiche weite Verbreitung und wurden für nachfolgende Figurenkompositionen vorbildhaft. Einen großen Raum nimmt das Thema der Vier Jahreszeiten im 17. Jahr­ hundert nicht zuletzt in der niederländisch-flämischen Kunst ein.132 Dabei fällt eine zunehmend genrehafte Auffassung auf, die sich allmählich von kosmologischen Ver-

131 Die Nähe der Versailler Figuren zu Ripa hält bereits E. Mâle in seinem Aufsatz zur Bedeutung der Iconologia fest; siehe Emile Mâle: La clef des allégories peintes et sculptées au 17e et au 18e siècles, in: Revue des Deux Mondes 39 (1927), S. 106–129 u. S. 375–394, hierzu S. 377–379. 132 Siehe dazu u. a. Bruijnen 2002.



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weisen wie den Tierkreiszeichen oder Götterfiguren löst.133 Erste Ansätze werden bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert in einer von Jan Saenredam nach Vorlagen von Hendrick Goltzius gestochenen Jahreszeitenfolge sichtbar, in der die klassischen Gottheiten wie Amor im Frühling oder Apoll im Sommer als Akteure in das irdische Geschehen einbezogen werden.134 In einem wenig später entstandenen, ebenfalls von Goltzius entworfenen Zyklus sind die kosmischen Referenzen weitgehend zurückgedrängt und in die Bildunterschriften verbannt. Die Jahreszeiten (Abb. 20–23) werden mit Ausnahme des Winters, der in Analogie zu den voranschreitenden Lebensaltern zwei Heranwachsene zeigt, durch Kinderpaare in pastoralen Landschaften veranschaulicht, die saisonalen Tätigkeiten nachgehen.135 Kosmologische Verweise fehlen auch bei Adriaen van Venne, der jahreszeitlich geprägte Szenen mit Paaren der höfischen Gesellschaft festhält. Bei David Teniers dem Jüngeren treten aus dem Alltag gegriffene Figuren, ein Gärtner im Frühling, ein Bauer im Sommer und ein Wirt im Herbst an die Stelle der Götter. Für den Winter wird das traditionelle Motiv des sich am Feuer wärmenden Greises beibehalten, wobei im Hintergrund Personen bei jahreszeitentypischen Vergnügungen wie dem Eislaufen zu sehen sind. Die zunehmende Anlehnung an die Alltagswelt zeigt sich auch in landschaftlichen Jahreszeitendarstellungen, etwa bei Jan van de Velde dem Jüngeren, Herman Saftleven, Joos de Momper oder Hendrick Avercamp.136 Neben Naturansichten werden immer stärker auch städtische Strukturen ins Bild gerückt. Eine besondere Motivlösung außerhalb der niederländischen Kunst präsentiert in dieser Hinsicht der böhmische Kupferstecher Wenzel Hollar, der die Jahreszeiten durch vier modisch gekleidete Frauen vor real existierenden Stadtkulissen in England vorstellt.137 Die jeweilige Jahreszeit spiegelt sich nicht nur im Stadtbild, sondern auch in der Art der 133 Auf diese Entwicklung verweist bereits Veldman 1980, S. 162 f. Siehe ebenso Christiane Lauterbach: Masked Allegory: The Cycle of the Four Seasons by Hendrick Goltzius, 1594–95, in: Simiolus 31/4 (2004/2005), S. 310–321. 134 Siehe Hollstein 1980, Bd. 23, S. 71 f. Nr. 93–96 sowie Kat. Stuttgart 1997, S. 126–128 Kat. Nr. 32.1–32.4. 135 Siehe Hollstein 1980, Bd. 23, S. 67–70, Nr. 89–92 sowie Kat. Stuttgart 1997, S. 128–130 Kat. Nr. 33.1–33.4. 136 Zu Saftleven siehe Kat. ’s-Hertogenbosch/Leuven 2002, S. 170 f. Kat. Nr. 98–101 und zu Jan van de Velde d. J. S. 80 f. Abb. Nr. 68 u. 70; zu Momper siehe u. a. Anne Charlotte Steland: De vier Tyden des Jaars van Momper. Eine motivgeschichtliche Untersuchung zu der frühbarocken Bilderfolge des Joos de Momper in Braunschweig, in: Kat. Zürich 1989, S. 47–61; zu Avercamp siehe schließlich den Eintrag in Kat. Wien/Zürich 2011, S. 191–198 Kat. Nr. 49–52. 137 Siehe Richard Pennington: A descriptive catalogue of the etched work of Wenceslaus ­Hollar 1607–1677, Cambridge u. a. 1982, S. 98 Kat. Nr. 606–609. In einer weiteren 1641 entstandenen Radierfolge von Hollar, der insgesamt sechs verschiedene Jahreszeitenzyklen schuf, werden die vier Zeiten als elegant gekleidete weibliche Halbfiguren in einem Innenraum verbildlicht. Ein Fenster im Hintergrund eröffnet jeweils den Blick auf eine saisonal geprägte Landschaft; siehe ebd., S. 99 Kat. Nr. 610–613. Ähnlich modisch und saisontypisch gekleidete Jahreszeitenpersonifikationen finden sich um 1700 auch in den Stichen von Pieter Schenk

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20–23 Jan Saenredam nach Hendrick Goltzius, Die Vier Jahreszeiten, 1601, Kupferstich, Washington, ­National Gallery of Art



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24 Wenzel Hollar, Der Winter (aus: Die Vier Jahreszeiten), 1643–44, Radierung, New York, The Metropolitan Museum of Art

Kleidung wider. So zeigt das Winterbild (Abb. 24) eine junge Frau in einem Pelzumhang mit Muff und Kapuze. Die rauchenden Schornsteine der Londoner Stadtansicht im Hintergrund verdeutlichen die kalte Jahreszeit. Mit der Wahl junger und ausschließlich weiblicher Akteure folgt Hollar weder der klassischen Parallelisierung der Jahreszeiten mit den menschlichen Lebensaltersstufen noch der seit der Renaissance üblichen Geschlechterzuordnung, die für Herbst und Winter vorrangig männliche Gestalten vorsah. Eine ähnliche Loslösung lässt sich auch bei Caesar van Everdingen beobachten, der den Winter ebenfalls als junge Frau präsentiert, die sich über ein Kohlebecken beugt. Anders als in vielen zeitgleichen Winterdarstellungen ist die Szene im Innenraum angesiedelt und ganz auf die Erscheinung der Frau reduziert, ohne weitere Staffageelemente wie den in den Ikonologien empfohlenen Kamin oder einen reich gedeckten Esstisch einzubeziehen.138 Die hier sichtbaren Abweichungen

und Jacob Gole; dazu Kat. ’s-Hertogenbosch/Leuven 2002, S. 202 f. Kat. Nr. 139–142 und 204 f. Kat. Nr. 143–146. 138 Siehe u. a. Albert Blankert: Vrouw ‚Winter‘ door Caesar van Everdingen, in: Bulletin van het Rijksmuseum 39/4 (1991), S. 505–523 sowie Dutch Classicism in seventeenth-century painting, hg. von dems., Ausst.-Kat., Museum Boijmans Van Beuningen Rotterdam und Städelsches Kunstinstitut Frankfurt am Main, Rotterdam 1999, S. 172–175 Kat. Nr. 82 mit dem Hinweis auf ein weiteres Jahreszeitengemälde van Everdingens, das die Vier Jahreszeiten in Form von Putti verbildlicht. Ein weiteres Beispiel für die Darstellung des Winters als junge Frau stellt

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von tradierten und durch die Ikonologien vermittelten Bildformeln sowie die zunehmend genrehaft und profaner erscheinenden Darstellungen deuten eine Tendenz an, die sich im 18. Jahrhundert vollständig entfalten wird.

an der Wende zum 18. Jh. ein P. de Matteis zugeschriebenes Gemälde dar, das die kalte Jahreszeit als Vestalin zeigt; dazu zuletzt der Katalogeintrag von Regina Deckers in: Caravaggios Erben. Barock in Neapel, hg. von Peter Forster, Elisabeth Oy‑Marra und Heiko Damm, Ausst.Kat., Museum Wiesbaden, München 2016, S. 548 f. Kat. Nr. 206 m. Abb. Als Vesta erscheint der Winter auch in einem um 1690 von Ottavio Mosto für den Garten von Schloss Mirabell in Salzburg geschaffenen Skulpturenzyklus; siehe dazu auch im Folgenden S. 81.

Die Vier Jahreszeiten im 18. und frühen 19. Jahrhundert

Zwischen Wiederholung und Wandel Mit Beginn des 18. Jahrhunderts avancieren die Vier Jahreszeiten zu einem die Künste übergreifend weit verbreiteten Motiv. So werden sie in Dichtung und Literatur sowie in der Musik, etwa bei Joseph Haydn oder Antonio Vivaldi, als Thema behandelt. In der bildenden Kunst sind sie allgegenwärtig und vor allem als Ausstattungsmotiv beliebt. Analog zu einer meist vierteiligen Raumstruktur erscheinen sie auf Deckenund Wanddekorationen oder kunsthandwerklichen Arbeiten in Innenräumen oder kommen als Skulpturenschmuck am Außenbau oder in Gartenanlagen zum Einsatz. Die Tendenz zu genrehaften und lebensnahen Darstellungen, wie sie sich bereits im 17. Jahrhundert vor allem in der niederländisch-flämischen Malerei und Graphik abzeichnet, lässt sich weiterhin beobachten. Damit verbunden ist auch eine allmäh­ liche Loslösung von einer überzeitlichen und erhabenen Auffassung der Jahreszeiten, wie sie im Barock vorherrschte. Auf Analogiebildungen zu anderen quaternären Ordnungen, die auf die Einheit der Weltordnung verweisen, wird zunehmend verzichtet. Kinder, Putten, höfische Paare oder einfache Figuren aus der Bevölkerung treten an die Stelle entrückter Götter oder Allegorien. Statt antikischer Gewandung oder wirklichkeitsferner Nacktheit findet sich nun vermehrt eine zeitgemäße ländliche oder bürgerliche Kleidung mit entsprechenden Mode-Accessoires, welche die klassischen Attribute nach und nach ersetzen. Gleichzeitig bestehen konventionelle Verbildlichungen fort. Zur Vermittlung der traditionellen Vorstellungen tragen die Ikonologien bei, die im 18. Jahrhundert mit zahlreichen Wiederauflagen und Übersetzungen ins Englische, Französische, Niederländische und Deutsche ihre größte Reichweite erlangen und die klassische Bildsprache präsent halten. Sie führen die Jahreszeiten weiterhin als allegorische Wesen oder Götterfiguren auf. Darüber hinaus tragen sie den Gedanken des zyklischen Verlaufs und der Verbindung mit anderen Vierermodellen weiter, wie es hinsichtlich der menschlichen Lebensalter beziehungsweise der Temperamente etwa in der Iconolo‑ gie von Cochin und Gravelot 1791 zum Ausdruck kommt:

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Die Vier Jahreszeiten im 18. und frühen 19. Jahrhundert

La vieillesse, […], signifie celle de l’année, parce qu’en Hiver la terre semble lassée des efforts qu’elle a successivement fait pendant les trois saisons précédentes. Dépouillés alors de ses ornemens, elle paroît triste & mélancolique comme cet âge.1

Neben dem bereits bei Ripa unternommenen Rückgriff auf textliche Quellen der Antike, allen voran die Metamorphosen Ovids, werden nun zunehmend auch bild­ liche Darstellungen mit einbezogen. So verweist etwa Lacombe de Prezel in seinem Dictionnaire iconologique dezidiert auf Verbildlichungen der Jahreszeiten auf antiken Monumenten.2 Antike Vorstellungen der Zeiten oder jahreszeitlich konnotierter Göttern werden darüber hinaus durch mythographische Handbücher transportiert. Beispiele sind hier die illustrierte L’Antiquité expliquée et représentée en figures Bernard de Montfaucons, der darin neben weiteren Jahreszeitenwerken etwa den Sarkophag von Dumbarton Oaks oder den Filocalus-Kalender aufführt, oder Joseph Spences Polymetis, in dem antike Textquellen zu den Jahreszeiten versammelt sind.3 Ebenfalls an antiken Quellen orientiert sich auch Karl Philipp Moritz, der in seiner vor allem für das 19. Jahrhundert bestimmenden Götterlehre die Bezüge der Jahreszeiten zu den griechischen Horen und das mit ihnen verbundene Motiv des Tanzes als Sinnbild der voranschreitenden Zeit hervorhebt.4 Durch das Fortbestehen traditioneller Vorstellungen auf der einen Seite und die Zunahme an Variationen der jahreszeitlichen Bildsprache auf der anderen Seite zeigt das 18. Jahrhundert ein Nebeneinander von klassischen Formfindungen und neuen Bildlösungen, die sich durch eine Vielfalt an Darstellungsmöglichkeiten auszeichnen.

1 Cochin/Gravelot 1791, Bd. 2, S. 97. 2 So Lacombe de Prezel 1756, S. 246 f. 3 Siehe Montfaucon 1724, Supplbd. 1, S. 19 ff., dort auch zu den mythischen Ursprüngen, sowie Joseph Spence: Polymetis: or, an Enquiry Concerning the Agreement between the Works of the Roman Poets, and the Remains of the Antient Artists, London 21755 (1. Aufl. 1747), zu den Jahreszeiten Dialogue XII „Of the Planets; Times, and Seasons“, S. 190–192. Auf Montfaucon nimmt wiederum der Eintrag zu den „Saisons“ in der Encyclopédie Diderots und D’Alemberts Bezug, wobei der Autor den von Montfaucon beschriebenen attischen Ceres-Sarkophag mit lagernden Jahreszeitenfiguren auf dem Deckel als ein positives antikes Gegenbeispiel barocken Schöpfungen gegenübergestellt; siehe dazu Louis de Jaucourt: Saisons (Mythol. Iconol. Sculpt. Poésie), in: Denis Diderot und Jean Le Rond d’Alembert: Encyclopédie, ou, Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 28 Bde, Genf/Paris/Neufchastel 1754–1772, hier: Bd. 14, Genf 1772, S. 528–530, hierzu S. 530. Zur ursprünglichen Erwähnung bei Montfaucon: Montfaucon 1722, Bd. 1, S. 89, Absatz IV. 4 Siehe Karl Philipp Moritz: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten, Berlin 1795, hier S. 241, zu den Horen bereits S. 240, Kap. „Wesen die zwischen Göttern und Menschen vermitteln“ mit der Abb. einer früchtetragenden Jahreszeiten-Hore. Vgl. dazu auch Fuhrmann 1986, S. 9 f.



Die Darstellungsformen

Die Darstellungsformenim 18. und frühen 19. Jahrhundert „Gemählde von den vier Jahreszeiten aus dem gemeinen Leben genommen, sind leicht zu erfinden und häufig anzutreffen.“5 Mit dieser Feststellung schließt Karl Wilhelm Ramler den Eintrag zu den Jahreszeiten in seinem 1788 erschienenen ikonologischen Handbuch Allegorische Personen zum Gebrauche der Bildenden Künstler. Seine Aussage verdeutlicht abermals, wie geläufig das Motiv vor allem in der Malerei des 18. Jahrhunderts war. Vielfach zieren die Jahreszeiten dabei in Form von Fresken, Stuckdekorationen, Tapisserien oder kunstgewerblichen Objekten die Residenzen der europäischen Herrscher, Stadthäuser von Adligen und wohlhabenden Bürgern oder Kloster- und Kirchenbauten.6 Einen besonderen Niederschlag findet das Thema in Frankreich. Auch hier stehen sich klassische Verbildlichungen und solche, die die Jahreszeiten als genrehafte, meist heiter-amüsante Szenen auffassen, gegenüber. In den eingangs erwähnten Werken Antoine Watteaus etwa finden sich sowohl Götterfiguren als auch Motive mit Harlekinen, Kindern oder galanten Paaren bei jahreszeitlichen Vergnügungen (Abb. 2 und 3). Jean-Bernard Restout greift in seinen Jahreszeitentondi zwar auf die zeitentypischen Götter Flora, Ceres und Bacchus sowie den alten Mann am Feuer zurück, stellt ihnen zugleich aber spielende, teils unbeholfen agierende Putten zur Seite, welche die erhabene Wirkung der göttlichen Repräsentanten aufbrechen. Fernab einer allegorischen Überhöhung zeigt Nicolas Lancret in seinem für das Château de la Muette entwickelten Zyklus von 1738 Gesellschaften bei unbeschwerten saisontypischen Unternehmungen im Freien: eine Vogeljagd im Frühling, ein Tanz im Sommer, ein ländliches Picknick im Herbst und Schlittschuhlaufen auf einem zugefrorenen Teich im Winter (Abb. 25).7 Dabei werden anekdotenhaft auch amüsante Begebenheiten oder Missgeschicke geschildert. In der Winterszene etwa ist eine Frau auf dem Eis ausgerutscht, ein Mann hilft ihr auf. Das Stolpern auf dem Eis greift auch Jean-Honoré Fragonard im Winterbild seines Supraporten-Zyklus’ auf (Abb. 26), den er 1755 für das Hôtel Matignon in Paris entwickelt.8 Ein Mädchen ist im Schnee gestürzt und stützt sich – die Arme aus dem Muff befreit – überrascht blickend auf, während zwei kleine Jungen mit dem Finger auf es zeigen. Wiederholt findet sich das Jahreszeitenmotiv auch bei François Boucher, der sich zum einen an entsprechenden 5 Ramler 1788a, S. 7. 6 Siehe hierzu auch den Überblick bei Margrit Früh: Vom galanten Fest zum Kirchenhimmel. Einige Beispiele der Jahreszeiten in der Malerei des achtzehnten Jahrhunderts, in: Kat. Zürich 1989, S. 65–78. 7 Siehe dazu u. a. den Eintrag von Ronald de Leeuw in: Kat. Wien/Zürich 2011, S. 258–260, Kat. Nr. 96. 8 Das Gemälde wird heute im County Museum of Art in Los Angeles verwahrt. Die übrigen Szenen, die ebenfalls junge, modisch gekleidete Frauen mit ihren kindlichen Begleitern vor landschaftlichem Hintergrund zeigen, befinden sich noch in situ im Pariser Hôtel Matignon, dem heutigen Amtssitz des französischen Premierministers.

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25 Nicolas Lancret, L’Hiver, 1738, Öl auf Lw., Paris, Musée du Louvre

26 Jean-Honoré Fragonard, L’Hiver, um 1755, Öl auf Lw., Los Angeles, Los Angeles County Museum of Art

Werken Watteaus orientiert und diese in Stichen kopierte, zum anderen aber auch eigene Bildlösungen entwickelt.9 Seine Zyklen präsentieren teils pastorale Idyllen mit Schäfern oder mythologischem Personal wie Daphne oder Erigone, teils Genreszenen mit Putten oder jungen Liebespaaren, wie es das Beispiel der um die Jahrhundertmitte für Madame de Pompadour geschaffenen Supraporten zur Ausstattung des Château de Crécy verdeutlicht (Abb. 27 und 28). Durch die bevorzugte Schilderung saisonaler Vergnügen treten die negativen Aspekte der Jahreszeiten wie widrige Wetterverhältnisse, das Motiv der schweren

9 Siehe zu den Bezügen zwischen Watteau und Boucher v. a. F. Hamilton Hazlehurst: The origins of a Boucher theme, in: Gazette des Beaux-Arts 102/55 (1960), S. 109–116.



Die Darstellungsformen

27 François Boucher, Le Printemps, 1755, Öl auf Lw., New York, The Frick Collection

28 François Boucher, L’Hiver, 1755, Öl auf Lw., New York, The Frick Collection

ländlichen Arbeit oder nicht zuletzt der dem Zeitenlauf eingeschriebene Vergänglichkeitsgedanke zunehmend in den Hintergrund. Der Winter wird mitunter sogar ganz ausgeblendet oder an den Rand gedrängt.10 Einzelne Künstler wie Joseph-Marie Vien, der die Jahreszeiten 1762 durch antikisierend gekleidete junge Mädchen verbildlicht (Abb. 29), entfernen sich dabei auch von der klassischen Analogiebildung zu den

10 Dazu insb. Friederike Wappenschmidt: „So verstrich der Winter im ewigen Frühling“. Die kalte Jahreszeit in der Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Kunst und Antiquitäten 1/2 (1991), S. 10–15. In seinem Dictionnaire iconologique erwähnt H. Lacombe de Prezel in diesem Zusammenhang ein von Nicolas Mignard im 17. Jh. für das Château des Tuileries ausgeführtes Fresko mit Apoll und den Vier Jahreszeiten, das den Winter verschattet und am Rand zeigt („plus éloigné d’Apollon; il paroît presqu’entierement dans l’ombre, & fait contraste avec l’Eté, qui est tout éclairé de la lumière du Soleil“); Honoré Lacombe de Prezel: Dictionnaire iconologique, 2 Bde, Paris 1779 (1. Aufl. 1756), hier: Bd. 2, S. 202.

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Die Vier Jahreszeiten im 18. und frühen 19. Jahrhundert

29 Joseph-Marie Vien, Les Quatre Saisons: La Vertueuse Athénienne – Une Prêtresse brûle de l’encens sur un Trépied (L’Hiver), 1762, Öl auf Lw., Strasbourg, Musée des Beaux-Arts

menschlichen Lebensaltern oder von geschlechtlichen Verknüpfungen, nach denen Herbst und Winter männlich aufgefasst werden. Die Veränderungen in der Auffassung der Jahreszeiten und die allmähliche Loslösung von einer repräsentativen Darstellungsweise lassen sich auch außerhalb Frankreichs beobachten, so etwa an den Fresken Giovanni Battista Tiepolos im Palazzo Archinto in Mailand. Unter den insgesamt fünf Deckenbildern, die Tiepolo 1731 fertigstellte, findet sich eine Darstellung Phaetons bei Apoll begleitet von Allegorien der Vier Jahreszeiten.11 Tiepolo bereitete die Komposition in einem Entwurf vor (Abb. 30), der mit nur wenigen Änderungen umgesetzt wurde. In der vorbereitenden Skizze erscheinen die Jahreszeiten, repräsentiert durch die klassischen Figuren Flora, Ceres, Bacchus und den frierenden Greis, in einer Reihe unterhalb des Sonnengottes. Anordnung und Habitus sind dabei ungewöhnlich. Flora lagert in ruhiger Pose und blickt fast teilnahmslos auf das Geschehen. Ceres wendet dem Betrachter12 den Rücken zu und richtet ihre die Hitze symbolisierende Fackel kraftlos zu Boden. Diese wenig erhabene Wirkung der Jahreszeitengötter ist dabei nicht dem Format des Entwurfs geschuldet. Auch in der späteren Ausführung im Fresko verharrt Ceres fernab 11 Siehe Philip L. Sohm: Giambattista Tiepolo at the Palazzo Archinto in Milan, in: Arte Lom‑ barda, Nuova Seria Nr. 68/69, 1–2 (1984), S. 70–78. Die Fresken wurden 1943 zerstört. 12 Im Interesse der Lesbarkeit wurde von geschlechtsbezogenen Formulierungen abgesehen. Die Angaben sind ausdrücklich nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern schließen Personen jeglichen Geschlechts gleichermaßen ein, auch wenn jeweils nur eines der Geschlechter angesprochen wird.



Die Darstellungsformen

30 Giovanni Battista Tiepolo, Allegorie auf den anbrechenden Tag, Entwurf für den Palazzo Archinto in Mailand, o. J., Wien, Akademie der Bildenden Künste

einer repräsentativen Erscheinung in der Rückansicht, wenngleich ihr Haltungsmotiv – die Fackel ist nun erhoben, die Pose aufrecht und dynamischer – leicht verändert ist. Auffällig ist zudem der reduzierte Einsatz der typischen, die Götter kennzeichnenden Attribute wie Blumen, Kornähren oder Weinlaub, die zwar sichtbar sind, aber kaum hervorstechen. Variationen der traditionellen Bildsprache werden auch in zwei Dekorationen aus dem späten 18. Jahrhundert sichtbar: zum einen in Jakob Philipp Hackerts ab 1783 entstandenem Zyklus für den Jagdpavillon von Ferdinand IV., König von Neapel, im Fusaro-See, zum anderen in den 1786 angefertigten Tapisserie-Entwürfen von Francisco de Goya für den Speisesaal im Palacio Real El Pardo, der Sommerresidenz des Prinzen von Asturien in Madrid. Hackert greift für seine Folge das Motiv der jahreszeitlich geprägten Landschaft auf, verbunden mit den typischen saisonalen Tätigkeiten (Abb. 31). Die Werke zeigen dabei keine idealisierten Landschaften, sondern topographisch genau bestimmbare Orte in der Umgebung Neapels. Auffällig ist das Hochformat, das auf den Anbringungsort der Gemälde zurückzuführen ist, zugleich jedoch zu einer formalen wie inhaltlichen Verdichtung der Landschaft zwingt und den Blick auf die Natur und die sie konstituierenden Elemente wie die prominent ins Bild gerückten Bäume lenkt.13 13 Die Originalgemälde wurden 1799 im Zuge der Revolution in Neapel geraubt und gelten seither als verschollen. Erhalten haben sich jedoch die detailliert ausgeführten, vorbereitenden Entwürfe aus dem Jahre 1783; siehe zum Ganzen Wolfgang Krönig: Der königliche Jagd-Pavillon im Fusaro-See bei Neapel und Philipp Hackerts Jahreszeiten-Bilder, in: Wallraf-

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Die Vier Jahreszeiten im 18. und frühen 19. Jahrhundert

31 Jakob Philipp Hackert, Der Frühling (aus: Die Vier Jahreszeiten), 1783, Öl auf Lw., Privatsammlung Schweiz

Goyas Tapisserie-Vorlagen geben die Jahreszeiten als überwiegend lebhafte, farbenfrohe Szenen wieder. Die saisontypischen Arbeiten wie die Kornernte im Sommer oder die Weinlese im Herbst werden zwar zitiert, treten jedoch eher in den Hintergrund und weichen heiteren Gesellschaften und fröhlichen Spielen (Abb. 32).14 Allein der Winter sticht durch seine ungeschönte Schilderung der widrigen Wetterverhältnisse hervor, die in zeitgleichen Winterbildern eher ausgeblendet wurden. In warme Kleidung gehüllt und die Köpfe vermummt, kämpfen fünf Männer, begleitet von einem Hund und einem Lastenesel, gegen einen Schneesturm an. Die Härte des Sturms und die eisigen Temperaturen zeichnen sich dabei in der Landschaft und an den Akteuren unmittelbar ab (Abb. 33).

Richartz-Jahrbuch 29 (1967), S. 219–242 sowie Norbert Miller: Goethes Begegnung mit Jakob Philipp Hackert. Der Jahreszeiten-Zyklus des Malers und die „Landschaft nach der Natur“ als klassizistisches Programm, in: Gruenter 1986, S. 185–224 und ders.: Landschaften nach der Natur. Der Jahreszeiten-Zyklus des Malers Jakob Philipp Hackert, in: Kat. Zürich 1989, S. 79– 87. 14 Siehe u. a. Fred Licht: Goya. Die Geburt der Moderne, deutsche Ausgabe der spanischen Originalausgabe, München 2001, hierzu S. 26–53 („Die Teppichkartons“), dort auch zur Rekonstruktion der Anbringung der Tapisserien im Speisezimmer der Residenz, S. 30 f. m. Abb. 14 u. 15 sowie S. 46 ff. zu den Jahreszeiten und Manuela B. Mena Marqués: Las Cuatro Estaciones, in: Goya en Madrid. Cartones para Tapices 1775–1794, hg. von ders. und Gudrun Mühle-Maurer, Ausst.-Kat., Museo Nacional del Prado Madrid, Madrid 2014, S. 244–283 mit Verweisen auf Vorbilder und Referenzwerke in der spanischen Kunst.



Die Darstellungsformen

32 Francisco de Goya y Lucientes, Blumenmädchen oder Der Frühling (La floreras o La Primavera) (aus: Die Vier Jahreszeiten – Las cuatro Estaciones), 1786, Tapisserie-Karton, Öl auf Lw., Madrid, Museo Nacional del Prado

Auch außerhalb der Ausstattungskunst wird das Jahreszeitenmotiv in der Malerei und Graphik der Zeit aufgegriffen, darunter etwa in allegorischen Porträts, wenngleich die vier Zeiten hier im Vergleich zu rein mythologischen Themen seltener als ‚Einkleidung‘ bemüht werden. Von Rosalba Carriera, die sich mehrfach mit dem Thema auseinandersetzt, hat sich ein Selbstbildnis erhalten, in dem sich die Künstlerin mit blauer, pelzverbrämter Mütze und wärmendem Mantel als Winter präsentiert. Häufig wurden auch Kinder als Jahreszeiten idealisiert. So stellte George Knapton die Nachkommen des Prince of Wales, Frederick, als Frühling, Sommer und Herbst dar.15 1776 porträtierte Joshua Reynolds die junge Lady Caroline Montagu-Scott, Tochter des dritten Herzogs von Buccleuch, als Winter, ihren Bruder als Sommer. Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt ein allegorisches Porträt von Edwin Landseer, das die vier Kinder der Familie Leveson-Gower als Jahreszeiten zeigt.16 In der Graphik erscheint das Jahreszeitenmotiv in Buchillustrationen oder in Nachstichen von entsprechenden Gemälden, vor allem französischer Künstler, deren Werke durch Graveure wie Nicolas de Larmessin oder Claude Duflos den Jüngeren

15 George Knapton: Die Kinder von Frederick, Prince of Wales: Prinzessin Elizabeth mit Prinz William Henry und Prinz Henry Frederick, 1748, Pastell auf Papier, 87,6 × 80 cm, Royal Collection Trust. 16 Zum Vorkommen der Jahreszeiten in allegorischen Porträts siehe u. a. den Eintrag von Roland de Leeuw in: Kat. Wien/Zürich 2011, S. 268 f. Kat. Nr. 101 sowie ebd. auf S. 30 f.

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33 Francisco de Goya y Lucientes, Schneesturm oder Der Winter (La nevada o El Invierno) (aus: Die Vier Jahreszeiten – Las cuatro Estaciones), 1786, Tapisserie-Karton, Öl auf Lw., Madrid, Museo Nacional del Prado

reproduziert wurden und so eine weite Verbreitung erlangten.17 Zum Teil dienten diese Nachstiche auch als Vorlagen für Dekors kunsthandwerklicher Arbeiten. Daneben finden sich eigenständige Werke wie die Federzeichnungen von Angelika Kauffmann, die die Jahreszeiten durch Szenen mit ausschließlich weiblichen Akteuren darstellt. Vergleichsweise selten treten die Jahreszeiten – abgesehen von Gartenanlagen – in der Skulptur auf. Zu den wenigen Bildwerken, die zumeist in dekorativen Kontexten anzutreffen sind, zählen neben dem hier näher behandelten Skulpturenpaar von Houdon (Abb. 61 und 62) die Jahreszeitenstatuen und ‑reliefs von Edmé Bouchardon für die Fontaine de Grenelle in Paris (Abb. 34) sowie, im süddeutschen Raum, die für Schloss Hohenheim konzipierten Figurenzyklen von Johann Heinrich

17 Siehe genauer zum Jahreszeitenmotiv in der Graphik Monika Lengelsen: Sein und Schein im Wechsel des Jahres. Die vier Jahreszeiten in der Graphik, in: Kat. Zürich 1989, S. 97–114.



Die Darstellungsformen

34 Edmé Bouchardon, Allegorie des Herbstes (Fontaine des Quatre-Saisons, Detail), 1739–45, Paris, Rue de Grenelle

Dannecker und Philipp Jakob Scheffauer (Abb. 75).18 Häufiger begegnen die Jahreszeiten hingegen in der Kleinplastik, insbesondere im Porzellan. Hier werden sie kurz vor der Mitte des 18. Jahrhunderts als selbstständiges Motiv in das Repertoire nahezu aller Manufakturen aufgenommen und bleiben bis zum Ende des Jahrhunderts ein Hauptthema der europäischen Porzellanproduktion. Die einzelnen Modelle weisen eine große Variationsbreite auf, wobei sich auch im Porzellan ein Abrücken von konventionellen Vorstellungen abzeichnet. So werden die anfänglich noch allegorisch oder mythologisch aufgefassten Figuren, wie sie etwa in der Tradition der barocken Skulpturen Balthasar Permosers stehen, durch Paare oder mehrfigurige Gruppen aus Kindern, Schäfern, Gärtnern, Musikanten oder zeitgemäß gekleideten galanten Gesellschaften bei saisonalen Unternehmungen ersetzt (Abb. 35). Als Vorlage für diese genre18 Bouchardons 1739 entworfene Brunnenreliefs erfuhren zur damaligen Zeit weitgehende Beachtung. 1741 wiederholte der Künstler sie in Gips und stellte die Abgüsse im Salon aus. Zudem wurden die Motive in Gemälden von Jean-Baptiste-Siméon Chardin aufgegriffen und fanden so zusätzliche Verbreitung. Zu den Arbeiten von Scheffauer und Dannecker siehe im Folgenden genauer S. 174 f.

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35 Jean Jacques Desoches, Die Vier Jahreszeiten als Bauernfiguren, 1769/1770, Porzellan, ­Fürstenberg, Werksmuseum Fürstenberg

haften Szenen dienen zumeist Kupferstiche etwa von Jacopo Amigoni oder Nicolas de Larmessin nach Gemälden französischer Künstler wie Lancret oder Boucher.19 Die Begeisterung, die den Jahreszeiten im 18. Jahrhundert entgegengebracht wird, strahlt auch in das 19. Jahrhundert aus, lässt im Verlauf jedoch allmählich nach. In der Romantik wird dem Motiv des Zeitenwandels  – begleitet von einer neuen gefühlsgeleiteten Naturbegeisterung  – mit den Werken von Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich ein prominenter Platz zuteil. Die Folgezeit allerdings hat, wie Günther Heinz in seinem kurzen Überblick über das Bildmotiv der Jahreszeiten ausführt, „zu diesem Thema verhältnismäßig wenig beigetragen“.20 An den wenigen vorhandenen Werken zeigt sich, dass die Thematik weiterhin vermehrt in dekorativen Kontexten auftritt. Als Beispiele lassen sich hier die dynamisch-bewegten, schwebenden Jahreszeitenfiguren von Anne-Louis Girodet-Trioson nennen, die der Künstler zur Ausgestaltung der Maison de plaisance König Karls IV. von Spanien in Aranjuez entwarf und wenige Jahre später für das Schlafzimmer von Kaiserin Marie Louise in Compiègne wiederholte, oder die an pompejanisch-herculaneischen Vorbildern orien­ tierten Lünetten-Ausmalungen von Eugène Delacroix (Abb. 36) im Pariser Stadtwohnhaus des Schauspielers François-Joseph Talma.21 Ebenfalls dem Bereich des Dekorativen zuzu19 Zum Jahreszeitenmotiv in der Porzellankunst des 18. Jhs siehe insb. Von Wolff Metternich 1986 sowie dies.: Spender der Tafelfreuden. Die vier Jahreszeiten in Porzellan, in: Kat. Zürich 1989, S. 181–195. 20 Heinz 1989, S. 62. 21 Zu den Jahreszeiten von Delacroix siehe genauer Friederike Voßkamp: Pompeji in Paris. Die Quatre Saisons (1821) von Eugène Delacroix, in: MDCCC 10 (2021), S. 35–46.



Wandel im ‚Mikrokosmosʻ

36 Eugène Delacroix, Le Printemps, 1821, Öl auf Lw., geklebt, Privatsammlung

rechnen sind auch die Rundreliefs von Bertel Thorvaldsen, die der Bildhauer nahezu seriell produzierte und je nach Auftragskontext und Anbringungsort anpasste. An diesen gestalterisch stark divergierenden Beispielen wird gleichzeitig deutlich, wie variantenreich und variabel die jahreszeitliche Bildsprache im 19. Jahrhundert erscheint. In den meisten Darstellungen gehen zudem der ursprünglich für die Jahreszeiten konstitutive Gedanke eines viergliedrigen, zyklisch wiederkehrenden Systems und die damit einhergehende Verweisfunktion auf übergeordnete, kosmologische Zusammenhänge verloren. So werden vielfach nur noch einzelne Jahreszeiten herausgegriffen oder der zyklische Rhythmus, wie bereits im 18. Jahrhundert anhand der atmosphärischen Studien Pierre-Henri de Valenciennes’ oder im 19. Jahrhundert bei John Constable zu beobachten, zugunsten momenthafter Naturaufnahmen und der Schilderung individueller, in unregelmäßigen zeitlichen Abständen festgehaltener Eindrücke aufgehoben.

Wandel im ‚Mikrokosmosʻ: Die Jahreszeiten in zeitgenössischen Gartenprogrammen Das Thema der Vier Jahreszeiten und der Garten als gestalteter, dem saisonalen Rhythmus unterworfener Landschaftsraum sind von Grund auf eng miteinander verbunden. Mit der Entstehung geformter Gartenanlagen und ihrer künstlerischen Ausgestaltung nehmen Bildwerke der Jahreszeiten darin immer mehr Raum ein. Während sie in den Gärten der Renaissance kaum anzutreffen sind,22 geraten sie im Laufe des 17. Jahr22 Grund dafür könnten auch fehlende antike Statuenvorbilder der Jahreszeiten gewesen sein, weil sich der Skulpturenschmuck der Renaissance-Gärten insb. in Italien im Allgemeinen an den überlieferten Bildwerken der Antike orientierte. Gängige Themen waren dabei v. a. naturmythische Figuren wie Diana, Flora, Ceres oder Venus sowie Heroengestalten. Zur plastischen Ausstattung italienischer Renaissance-Gärten siehe u. a. Günter Mader und Laila Neubert-Mader: Italienische Gärten, Stuttgart 1987, hierzu S. 64–70.

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hunderts zu einem Standardmotiv der skulpturalen Gartengestaltung. Getragen wird diese Entwicklung von der barocken Vorstellung des Gartens als „Metapher für die Ordnung der Welt“23 und Abbild des Makrokosmos’, in dem die Jahreszeiten und weitere raumzeitliche Modelle höhere Sinnzusammenhänge evozieren. Prägendes Vorbild jener Zeit sowohl für die Integration quaternärer Figurenzyklen in den Garten als auch für deren Gestaltungsweise ist Versailles.24 Hier wird die eng mit monarchischem Machtanspruch verknüpfte semantische Durchdringung des Gartens mitsamt seiner herrscherhuldigenden Funktion und der auf übergeordnete Inhalte verweisenden Aussage auf die Spitze getrieben. Mit dem von Charles Le Brun entwickelten Skulpturenschmuck, den Brunnenanlagen und dem für das Wasserparterre neu konzipierten Statuenprogramm, entsteht ein nahezu kanonisches Repertoire an plastischen Gestaltungsmöglichkeiten, das entsprechend der repräsentativen Ausrichtung des Versailler Gartens klassischen Auffassungen folgt. So wird für die Figurationen der Jahreszeiten die von Ripa formulierte Darstellungsweise als Götter beziehungsweise allegorische Gestalten aufgegriffen: Flora repräsentiert den Frühling, Ceres den Sommer, Bacchus den Herbst und die gängige Figur des frierenden alten Mannes mit einer Feuerschale den Winter. Durch Stichwerke, allen voran Simon Thomassins Recueil des Figures, Groupes, Thermes, Fontaines, Vases, Statues et Autres Ornemens de Versailles,25 verbreitet, wird das Versailler Skulpturenmodell in der Folge für zahlreiche europäische Park- und Gartenanlagen vorbildhaft. Entsprechend findet sich vor allem im 18. Jahrhundert, das dem Jahreszeitenmotiv generell eine große Popularität zukommen lässt, 23 Jürgen Wiener: Orte und Aufgaben, Typen und Themen der Gartenskulptur im Alten Reich und ihre Auswirkungen bis heute, in: Stefan Schweizer und Sascha Winter (Hg.): Gar‑ tenkunst in Deutschland. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Geschichte – Themen – Perspektiven, Regensburg 2012, S. 275–306, hier S. 282. 24 Siehe hierzu ebd., S. 289 mit Verweisen auf weiterführende Literatur. Wiener spricht zwar die Relativierung der Vorbildfunktion Versailles’ in der neueren Forschungsliteratur an, macht zugleich aber auch die Bedeutung der Anlage auf ikonologisch-semantischer Ebene deutlich. Allgemein zu Versailles siehe zudem Pierre-André Lablaude: Die Gärten von Versailles, Worms 1995, insb. S. 21–116 sowie S. 50–55 zu den Jahreszeiten. Versailles’ Vorbildcharakter belegt als zeitgenössische Quelle nicht zuletzt Jacques-François Blondel: De la distribution des maisons de plaisance et de la décoration des édifices en général, 2 Bde, Paris 1737/1738, hier: Bd. 2, Paris 1738, S. 23, der sich ansonsten kaum zu skulpturalen Gestaltungsmöglichkeiten im Garten äußert. 25 Simon Thomassin: Recueil des statues, groupes, fontaines, termes, vases et autres magnifi‑ ques ornemens du Chateau & Parc de Versailles, La Haye 1723; zu den Jahreszeiten siehe Bd. 3: Les Fontaines et autres Ornemens de Versailles, Taf. 91–94 u. Taf. 132–135. Siehe darüber hi­ naus die Versailles-Ansichten bei Jean Le Pautre: Œuvres d’architecture, 3 Bde, Paris 1751, hier: Bd. 3: Contenant divers Desseins de Fontaines, Grottes, Vûes de Jardins, Jets d’Eau, Termes, Supports, Vases, Burettes, Cuvettes, Cartouches, Salieres, Trophées d’Armes, Carosses & Chaises roulantes, Bordures de Tableau, Ecussons  & Entrées de Serrure, grands Chiffres, Vais­ seaux & Galeres, Paysages, Compositions allégoriques, & Sujets d’Histoire, tirés de la Fable, des Métamorphoses, de l’Histoire Romaine, de l’ancien & du nouveau Testament, &c, Paris 1751, S. 47 zu Jahreszeitenhermen.



Wandel im ‚Mikrokosmosʻ

kaum ein Garten, in dem die Jahreszeiten nicht in Form von Statuen, Hermen, Sphingen, Figurengruppen oder Dekorvasen vertreten sind und in das barocke Gartenanlagen gliedernde Achsensystem eingebunden werden.26 Neben aller Konventionalität, die gerade in dem auf herrscherliche Inszenierung angelegten, formalisierten Barockgarten gefordert wird, fällt insbesondere anhand der jahreszeitlichen Gartenskulptur eine allmähliche Variation beziehungsweise Emanzipation von tradierten Vorgaben und der durch Versailles geprägten Schemata auf.27 So wird der Winter im Schlossgarten Weikersheim, der sich durch ein ausgeprägtes kosmologisches Figurenprogramm auszeichnet, nicht durch Saturn oder den frierenden Greis, sondern durch Adonis als jungen Jäger verkörpert.28 Im Garten von Schloss Mirabell in Salzburg erscheinen die Jahreszeiten entgegen der üblichen geschlechtlichen Konnotation als weibliche Gottheiten Flora, Ceres, Pomona und Vesta.29 Oftmals kommen auch Putten als Verbildlichung oder Begleitfiguren jahreszeitlicher Personifikationen zum Einsatz, wodurch sich einerseits die traditionelle Gleichsetzung der Jahreszeiten mit den Lebensaltern des Menschen sowie anderer-

26 So u. a. in Deutschland: Schloss Anholt, Brühl (laut Inventar von 1761), Dresden, Großsedlitz, Schloss Linderhof in Ettal, Lysa an der Elbe, Schwerin, Seehof bei Bamberg und Wiederau; Niederlande: Het Loo; Frankreich: Jardin de Tuileries Paris, Ognon (Oise) und Saint-Cloud; Österreich: Salzburg und Palais Schwarzenberg Wien; vgl. auch die Auflistung bei Wiener 2012, S. 290 m. Anm. 74 auf S. 305, die um zahlreiche weitere Beispiele ergänzt werden könnte. Zum Vorkommen der Jahreszeiten im Garten siehe insb. Markowitz 1986, Markowitz 1989 sowie Rainer Gruenter: Die Vier Jahreszeiten in der Gartenkunst des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Zeman 1989a, S. 65–72. In der Traktatliteratur findet sich die Einbindung der Jahreszeiten in den geometrisch strukturierten Garten bei Dezallier d’Argenville, der die Figuren als Ausschmückung von Boulingrins vorsieht; siehe Antoine-Joseph Dezallier d’Argenville: La théorie et la pratique du jardinage, Paris 1709 (Nachdruck der Pariser Ausgabe von 1760, Hildesheim 1972), S. 60, Taf. D, fig. 1. Mit der Positionierung skulpturaler Werke im Garten, die sich nach ihrer Bedeutung „im Großen“ richten solle, setzt sich auch Blondel auseinander; siehe Blondel 1738, Bd. 2, S. 23. 27 Zu diesen Entwicklungen siehe auch Markowitz 1986 und Markowitz 1989 sowie Jürgen Wiener: Das Komische in der Gartenskulptur, in: Roland Kanz (Hg.): Das Komische in der Kunst, Köln/Weimar/Wien 2007, S. 110–137 zum humoristischen Umgang mit ikonographischen Konventionen im Gartenraum. 28 Zur Verbindung von Adonis und dem Winter siehe bereits zuvor S. 52. Die Weikersheimer Figuren wurden zwischen 1708 und ca. 1725 von Johann Jakob Sommer und seinen Söhnen geschaffen. Die Anlage zeichnet sich durch ein besonders reiches Ausstattungsprogramm aus, das die Gesamtheit des Kosmos’ abbildet. Der Garten ist in zwei Bereiche unterteilt, die ‚weltlichere‘ Zwergengalerie als Auftakt auf der Terrasse und das Ensemble von Götterfiguren und Allegorien im Parterre. Die Jahreszeiten besetzen die seitlichen Enden der Querachse im Zen­ trum des Parks nahe des mittleren Wasserbassins; siehe u. a. Klaus Merten und Hasso von Poser (Mitarb.): Schloß Weikersheim, Berlin/München 1984 (Staatliche Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg) sowie Hartmut Troll und Joachim Stolz (Hg.): Schlossgarten Weikersheim, Berlin/München 2013 (Kunstführer Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg). 29 Die Figuren wurden um 1690 von Ottavio Mosto geschaffen.

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Die Vier Jahreszeiten im 18. und frühen 19. Jahrhundert

37 Johann Christian Wentzinger, Der Winter (aus: Die Vier Jahreszeiten), 1748/1749, roter Sand­stein, ehemals Schloss Ebnet, Freiburg im Breisgau, Städtische Museen Freiburg

seits der repräsentative Charakter der Statuen verliert, wie er durch die Darstellung in Form antiker Götter klassischerweise erreicht wurde. Besonders deutlich zeigen sich die Veränderungen in der Auffassung der Jahreszeiten an drei etwa zeitgleich um die Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelten Beispielen aus dem süddeutschen Raum: Die 1748/1749 von Johann Christian Wentzinger geschaffenen Jahreszeitenfiguren im Garten von Schloss Ebnet bei Freiburg im Breisgau greifen zwar mit ihren Attributen geläufige Muster auf, entfalten in ihrer Körperlichkeit und Gesichtsbildung im Gegensatz zu der erhabenen Statuarik der Versailler Vorbilder jedoch eine eher ungekünstelte, lebensnahe Wirkung.30 Hervor sticht vor allem der Winter (Abb. 37), der anders als seine barocken Pendants nicht in einen knappen Umhang gehüllt und mit nackten Beinen und Füßen dargestellt, sondern der kalten Jahreszeit angemessen gekleidet ist.31 Die Figur trägt eine Fellmütze, Stulpen-

30 Genauer zu Wentzingers Jahreszeiten v. a. Ingeborg Krummer-Schroth: Die Figuren der vier Jahreszeiten Johann Christian Wentzingers im Schloßpark, in: Nikolaus von Gayling (Hg.): Barockschloß Ebnet bei Freiburg im Breisgau, München/Zürich 1989 (Oberrheinische Quellen und Forschungen, Bd. 2), S. 85–90; Sebastian Bock: Johann Christian Wentzinger. Die „Vier Jahreszeiten“, Freiburg im Breisgau 1993 (Kulturstiftung der Länder  – Patrimonia, Bd. 45) und Mane Hering-Mitgau: Gartenskulptur und Denkmalpflege: Christian Wentzingers Jahreszeiten von 1748/1749 und ihre Versetzung ins Stadtmuseum nach Freiburg im Breisgau, in: Konstanty Kalinowski (Hg.): Studien zur barocken Gartenskulptur, Posen 1999 (Seria Historia Sztuki, Bd. 26), S. 171–190. Die aus Sandstein gefertigten Figuren waren ursprünglich zusammen mit sechs Vasen wohl näher an der Gartenfassade aufgestellt. Es handelt sich um die einzigen Gartenskulpturen im Ebneter Schlosspark. 31 Aus diesem Grund bezeichnet Krummer-Schroth den Winter als die „originellste und bedeutendste Gestalt im Park von Ebnet“; Krummer-Schroth 1989, S. 88. Ganz ähnlich bewertet



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38 Pierre Ier Legros (zugeschr.), L’Hiver (Detail), spätes 17. Jh., Marmor, Paris, Musée du Louvre

stiefel und einen übergroßen Mantel mit Pelzbesatz, in dem sie fast zu versinken scheint. Der Oberkörper ist nach vorne geneigt, der Kopf gesenkt und die Arme unterhalb der Brust verschränkt, wodurch ein wirklichkeitsnaher Ausdruck von Frieren vermittelt wird. Haltung und Gewandung weisen dabei Ähnlichkeiten zu einem Tonmodell einer Winterfigur auf, das Pierre Legros dem Älteren zugeschrieben wird.32 Legros hatte Ende des 17. Jahrhunderts für den Park von Saint-Cloud eine Winterherme entwickelt (Abb. 38), die Wentzinger durch seinen Aufenthalt in Paris bekannt gewesen sein könnte. Mit ihrer winterlichen Kleidung und fröstelnden Erscheinung transportiert Wentzingers Figur eine natürlichere, stärker an der Lebenswirklichkeit orientierte Auffassung von Winterlichkeit als vergleichbare Statuen jener Zeit. Allein durch ihre Aufstellung auf einem Sockel bleibt die übliche erhabene Wirkung der Skulptur erhalten.33 Eine ähnlich lebensnahe Form der kältebedingten Ergriffenheit weist in seiner dynamischen Körperwendung auch der zwischen 1759 und 1761 vermutlich von Johann Joachim Günther gefertigte Winter (Abb. 39) im Bruchsaler Schlossgarten auf.34 ihn auch Hering-Mitgau 1999, S. 177. 32 So Bock 1993, S. 11 mit Verweis auf das Werkverzeichnis von Krummer-Schroth; siehe Krummer-Schroth 1989, S. 85 f. Beide sprechen allerdings von Pierre Legros d. J. Der im ­Louvre befindliche Bozzetto wird jedoch seinem Vater zugeschrieben. Bock nennt als weiteren Vorläufer von Wentzingers Winter zudem eine Bronzestatuette von Alessandro Vittoria (um 1585, Wien, Kunsthistorisches Museum). 33 Siehe auch Hering-Mitgau 1999, S. 189. 34 Zu Bruchsal siehe u. a. Sandra Eberle (Hg.): Schloss Bruchsal, Berlin/München 2008 (Kunstführer Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg), hierzu S. 47 f. Die Originale befinden sich heute in den USA im Museum der Harvard University; dazu Jakob Rosen-

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39 Johann Joachim Günther (zugeschr.), Der Winter, um 1760, Sandstein, Bruchsal, Schlossgarten

Zwar lässt der voluminöse, in zackig bewegten Falten fallende Umhang, den der bärtige Greis trägt, einzelne Körperpartien wie seine rechte Hüfte oder das linke Bein und den Fuß unbedeckt. Mit dem pelzverbrämten Muff, in dem er seine Hände birgt, und der hohen gefütterten Mütze zeigt er sich jedoch gegen die Kälte gewappnet. Die zeitgemäßen Accessoires Mütze und Muff verorten die Skulptur in der Gegenwart und stehen einer allegorischen Entrückung oder überzeitlichen Aussage entgegen. Irene Markowitz spricht daher in Bezug auf den Bruchsaler Winter von einem „Abschied von der Repräsentation“.35 Gleiches gilt für die übrigen, Günther zugeschriebenen Jahreszeiten, die zusammen mit den Vier Elementen die auf das Schloss zuführende Hauptachse des Gartens in Bruchsal säumen. Der Sommer trägt einen modischen, unterhalb des Kinns gebundenen Strohhut, der den genrehaften Charakter der Statue unterstreicht und sie eher wie eine Gärtnerin denn als Gottheit erscheinen lässt. Als anekdotische Beigabe sind den Jahreszeiten jeweils kleine Putti zugesellt, deren kindliche Art und unbeholfenes Agieren den Hauptfiguren eine rokokohaft verspielte Anmutung verleihen. Beim Winter etwa schaut der Putto unter dem Umhang des Alten hervor und bläht mit ernster Miene die Backen, um die Kohlen in der vor ihm stehenden Feuerschale anzufachen.

berg: The Four Seasons, in: Bulletin of the Fogg Art Museum 10/4 (1945), S. 129–142; dort auch zur lange umstrittenen Zuschreibung zu J. J. Günther. 35 Markowitz 1989, S. 225.



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Im Barockgarten von Veitshöchheim schließlich kommen die Vier Jahreszeiten mehrfach vor: als Putten mit den klassischen Beigaben Blumen, Kornähren und Granatapfel sowie Weintrauben – der Winter ist mit Pelzkappe, Muff und Cape zeit­gemäß gekleidet –, als Büsten und in Form von Zweiergruppen, die das zentrale Wasserbassin, den sogenannten Großen See, rückwärtig einfassen.36 In seiner Gesamtgestaltung, insbesondere mit den vom Bamberger Hofbildhauer Ferdinand Tietz geschaffenen Figuren, nimmt der Veitshöchheimer Garten eine Art Sonderstellung ein. Wie Jürgen Wiener festhält, präsentiert er eine „pure Farce einer barocken Ikonologie“,37 indem klassische Formeln und allegorisierende Gestaltungsprinzipien auf humoristische Weise unterwandert werden. Dies zeigt sich auch bei den Jahreszeiten. Die von Tietz um 1765 entwickelten Figurengruppen führen je zwei Akteure zusammen, die unterschiedliche ‚Realitäten‘ abzubilden scheinen: auf der einen Seite eine der allegorischen Darstellungstradition folgende, allerdings in überspitzt unnatürlicher Haltung gezeigte Jahreszeitenpersonifikation, auf der anderen Seite eine deutlich weltlicher wirkende Begleitfigur, die in Anlehnung an das motivische Konzept der Monatsarbeiten einer saisontypischen Tätigkeit nachgeht. Die Winterszene (Abb. 40) stellt den traditionellen nur spärlich mit einem Tuch bekleideten Greis einer Jägerin gegenüber, die mit einem erlegten Hasen auf ihrem Schoß rechts neben ihm kniet und sich überrascht, als habe sie eine Erscheinung, zu ihm umdreht. Die Darstellung des Alten in theatralischer Pose mit weit ausgebreiteten Armen und gen Himmel gerichtetem Blick verleiht ihm eine übertrieben komische Wirkung und führt zugleich die Wirklichkeitsferne barocker Formfindungen vor Augen, die sich bereits an seiner nicht-winterlichen Kleidung zeigt. Ähnlich erscheinen auch die anderen Gruppen: Der Sommer kombiniert eine an Ceres erinnernde Statue mit einer Bäuerin, die unbeeindruckt zu Füßen der Gottheit 36 Zur (kosmologischen) Gliederung des Gartens und den Bezügen der Figuren untereinander siehe genauer Michaela Kalusok: Der Rokoko-Garten von Veitshöchheim und sein Skulpturenprogramm als Spiegel höfischer Festkultur des 18. Jahrhunderts, in: Gartenfeste. Das Fest im Garten – Gartenmotive im Fest, hg. von Hildegard Wiewelhove, Ausst.-Kat., Museum Huelsmann, Kunstgewerbesammlung der Stadt Bielefeld  – Stiftung Huelsmann, Bielefeld 2000, S. 47–68, hierzu insb. S. 52. Die Autorin zeigt dabei gewisse Korrespondenzen zwischen dem Großen See, der von den Vier Jahreszeiten umgeben ist, und dem nahe gelegenen sog. Kleinen See auf, dem Allegorien der Vier Tageszeiten zugeordnet sind. Zu den von F. Tietz geschaffenen Jahreszeitenfiguren siehe insb. Bernd Wolfgang Lindemann: Ferdinand Tietz 1708–1777. Studien zu Werk, Stil und Ikonographie, Weißenhorn 1989 (Zugl. Diss. phil. Universität Kiel 1981, u. d. T.: Ferdinand Tietz. Studien zu Stil und Ikonographie der großen höfischen Aufträge), S. 362 Kat. Nr. 18.5 (Zweifigurengruppen, Nr. 18.5.1–18.5.4) mit S. 260–264 sowie Abb. 14 (Frühling), Abb. 15 (Sommer), Abb. 242 (Herbst) u. 243 (Winter); S. 368 Kat. Nr. 18.17 (Putten, Nr. 18.17.1–18.17.4) sowie S. 372 Kat. Nr. 18.30 (Hermen). Eine genauere Deutung der Figuren fehlt dort hingegen. Ebenso wenig kommt der Autor auf ihr humoristisches Potenzial zu sprechen. 37 Wiener 2007, S. 128. Wiener sieht damit zugleich den kunsttheoretischen Diskurs um den Stellenwert der Allegorie und den Einsatz ikonographischer Zeichen im 18. Jh. berührt, der hier „im Medium der Gartenplastik“ ausgetragen werde.

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40 Ferdinand Tietz, Der Winter (aus: Die Vier Jahreszeiten), um 1765, Sandstein, Veitshöchheim, Rokokogarten

Kornähren aufsammelt. Im Frühling trifft die in gezierter Pose dargestellte ‚Flora‘ auf eine Gärtnerin, im Herbst eine bacchantische Figur auf einen Satyrn. In ihrer gekünstelt erscheinenden Interaktion und den manierierten Körperbewegungen greifen die Akteure höfische Umgangsformen auf, die sie parodierend überzeichnet zu imitieren scheinen.38 Dabei bleibe, wie Jürgen Wiener ausführt, unklar, ob es sich bei den an antike Götter angelehnten Gestalten um Allegorien oder um Mitglieder des Hofes handelt, die sich lediglich als mythologische Figuren verkleidet haben und diese schauspielerisch nachahmen: Tietz’ Figuren changieren zwischen den Realitäten eines Gartens als einem mythologischen und als einem lebensweltlichen Ort des Vergnügens, in dem Mythos die Verkleidung für das Spiel ist, bei dem die älter gewordenen Heroen die Lust verlieren, immer nur Staffage für Verkleidung, Maskerade und Galanterie zu sein.39

Durch die Gegenüberstellung der allegorischen Figuren mit ihren weltlicher erscheinenden Begleitern erfahren die Allegorien eine ironische Brechung, die ihre eigene ‚Unweltlichkeit‘ vor Augen führt. Der Zyklus in Veitshöchheim verdeutlicht damit auf humorvolle und durchaus selbstreflexive Weise den Übergang von einer traditionel-

38 Siehe insb. Kalusok 2000, S. 51 f. u. S. 62, die den Veitshöchheimer Skulpturenapparat als „Spiegel der höfischen Gesellschaft“ (S. 51) sieht. 39 Wiener 2007, S. 129.



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len Vorgaben folgenden Auffassung der Jahreszeiten zu einer stärker genrehaften und lebensweltlichen Ausrichtung. Blickt man auf die spätere Gartenkunst, verlieren die klassischen Figurenprogramme im Zuge der Ablösung formal-barocker Gartenkonzepte durch den Landschaftsgarten zunehmend an Relevanz. Die Anzahl der Statuen nimmt ab oder erfährt eine thematische Umdeutung.40 Statt skulpturaler Ausstattungen rückt die gestaltete Natur mehr und mehr in den Vordergrund, wie es zeitgleich auch in der Literatur, etwa bei Christian Cay Lorenz Hirschfeld, gefordert wird, der sich gegen einen übermäßigen Gebrauch von Statuen wendet und inhaltliche Aspekte stattdessen in entsprechenden Naturbildern zum Ausdruck gebracht wissen will.41 Statt verweisender Figuren solle der Garten vielmehr für sich stehen und die Jahreszeiten darin direkt erfahren werden.42 An die Stelle der barocken Skulpturenprogramme treten im Landschaftsgarten häufig Staffagebauten, die Göttern, allegorischen Begriffen oder Naturthemen gewidmet sind. Ein Beispiel im Kontext der Jahreszeiten ist der Tempel der Waldbotanik im Schlossgarten Schwetzingen.43 Der von Nicolas de Pigage entworfene Rundbau mit seiner eigentümlichen, die Rinde eines Baumes imitierenden Außenhaut wurde zwischen 1778 und 178044 innerhalb der landschaftlich gestalteten Partien im Norden des Parks errichtet. Das Tempelinnere nimmt eine Ceres-Statue in einer Wandnische

40 Siehe auch Wiener 2012, S. 294–297. 41 C. Hirschfeld spricht dabei vom jeweiligen „Charakter“ der Gärten; siehe dazu Christian Cay Lorenz Hirschfeld: Theorie der Gartenkunst, 5 Bde, Leipzig 1779–1785, hier: Bd. 3, Leipzig 1780, S. 131 zur Bewertung jahreszeitlicher Allegorien im Garten sowie Bd. 4, Leipzig 1782, S. 27 u. S. 139–172 zur „Charakterlehre“ des Gartens und dem Jahreszeitengarten. Vorbehalte gegen umfangreiche Figurenprogramme im Garten finden sich auch in der Encyclopédie; siehe Louis de Jaucourt: Jardin (Arts), in: Diderot/D’Alembert 1772, Bd. 8, S. 459 f. Der Autor zieht dabei landschaftlich gestaltete Anlagen nach englischem Vorbild deutlich dem als gekünstelt beschriebenen Skulpturenschmuck zeitgenössischer französischer Gärten vor. 42 Siehe Hirschfeld 1782, Bd. 4, S. 139. Diese Auffassung ist in der Literatur der Zeit insgesamt weit verbreitet und findet sich etwa auch bei Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden, Artikeln abgehandelt, 4  Bde, Leipzig 1771–1774, hier: erster Teil, Leipzig 1771, S. 421–424 (Gartenkunst). 43 Insgesamt betrachtet spielt das Jahreszeitenthema in Schwetzingen vor allem im Vergleich zu anderen Gärten eine eher untergeordnete Rolle. So finden sich Figurationen der Vier Jahreszeiten nicht an prominenter Stelle, sondern lediglich am Rande des Hauptparterres in der Nähe der Orangerie; siehe dazu Grote 2002. Stattdessen steht der Garten vielmehr im Zeichen der Vier Weltzeitalter, die mit der Vorstellung vom ewigen Frühling im goldenen Zeitalter verbunden sind und insofern keinen Jahreszeitenwandel kennen. Vier reliefierte Weltzeitaltervasen auf der Schlossterrasse bilden zu diesem Gartenprogramm den entsprechenden Auftakt. 44 Die Zahl 1778, zugleich das Jahr des Wegzuges des kurfürstlichen Hofes von Mannheim nach München, erscheint als Weihedatum am Portal des Rundtempels. Wie C. Reisinger ausführt, wurde der Bau jedoch wohl erst nach 1778 fertig gestellt; siehe Carl Ludwig Fuchs und Claus Reisinger: Schloss und Garten zu Schwetzingen, Worms 2008, S. 174.

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ein. Die nachträglich umgearbeitete Figur trug ursprünglich ein Papierbündel mit der Aufschrift „Caroli Linnei Sistema Plantarum“ unter ihrem rechten Arm.45 Die Innenwände des Tempels sind mit Girlanden, Stuckapplikationen und einem Fries aus Rundreliefs verziert, die Bildnisse antiker und neuzeitlicher Naturforscher wie Theophrast oder Carl von Linné zeigen. Förmlich an den Rand gedrängt werden demgegenüber die Jahreszeiten, die zusammen mit den Tierkreiszeichen in einem umlaufenden Band von Reliefmedaillons unterhalb der Kuppel erscheinen. Durch diese Positionierung sind sie in dem ohnehin unzugänglich wirkenden, fensterlosen Bau kaum sichtbar. In der Forschungsliteratur wurde der Gartentempel aufgrund des darin vollzogenen Aufeinandertreffens von dem durch Ceres verkörperten Mysterienkult und der mit den Reliefs der Wissenschaftler vergegenwärtigten Naturforschung als Manifestation der Überwindung naturmystischer und abergläubi­scher Vorstellungen durch wissenschaftliche Erkenntnis gedeutet. So beschreibt Claus Reisinger das Bildprogramm als „Sieg der Vernunft über das Irrational-Dunkle, der Sieg der Aufklärung über das Mysterium.“46 Hierauf deutet auch die Anbringung der Jahreszeiten, die als bloße Reminiszenz an die tradierten kosmologischen Lehren zwar zitiert werden, jedoch keinen prominenten Platz erhalten. Stattdessen herrscht der Glaube an eine wissenschaftliche Erschließung der Natur vor. Die Vier Jahreszeiten sind aus diesem aufklärerisch durchdrungenen Reich weitgehend verbannt.

Die Jahreszeiten in Literatur und Musik des 18. und 19. Jahrhunderts Nature! great Parent! whose directing Hand Rolls round the Seasons of the changeful Year, How mighty! how majestick are thy Works!47

Bei der Betrachtung des Jahreszeitenmotivs im 18. und 19. Jahrhundert kann ein Seitenblick auf die Rezeption in der Literatur, Dichtung und Musik jener Zeit nicht aus-

45 Siehe u. a. die Beschreibung bei Hirschfeld 1785, Bd. 5, S. 346 sowie die historische Aufnahme bei Fuchs/Reisinger 2008, S. 177. 46 Ebd., S. 178. Siehe zu dieser Verbindung von Naturmystik und neuzeitlicher Naturforschung auch Michael Hesse: Tempel, Thermen, Aquädukte – Antikerezeption in den Schwetzinger Parkbauten, in: Der Pfälzer Apoll – Kurfürst Carl Theodor und die Antike an Rhein und Neckar, hg. von Max Kunze, Ausst.-Kat., Winckelmann-Museum, Ruhpolding/Mainz 2007, S. 175–181, hierzu S. 177 f. 47 James Thomson: Winter. A Poem, London 31726, S. 7. In späteren Fassungen wird die Wendung „directing“ durch andere Begriffe ersetzt, darunter „continual“ (Ausgabe von 1730) oder „unceasing“ (u. a. Ausgabe von 1820).



Die Jahreszeiten in Literatur und Musik

bleiben. Schließlich erlangte das Thema auch hier große Popularität.48 Zudem lassen sich Parallelen zu motivischen Veränderungen erkennen, die zeitgleich in der bildenden Kunst auftreten. In den literarischen und dichterischen Behandlungen zeichnen sich im Vergleich zu den barocken Vorlagen eine allmähliche Herauslösung der Jahreszeiten aus ihren zyklischen Zusammenhängen sowie die Distanzierung von Ewigkeitsvorstellungen ab. Stattdessen werden der einzelne Moment und das individuelle Erleben der Natur durch den Menschen, losgelöst von möglichen kosmologischen Verweisen, stärker in den Vordergrund gerückt. Ein zentrales Beispiel hierfür, das für spätere Umsetzungen wegweisend werden sollte und bis in das 19. Jahrhundert zahlreiche Neuauflagen, Übersetzungen und Nachahmungen nach sich zog,49 ist der Gedichtzyklus The Seasons des schottischen Autors James Thomson. Das ausschließlich in Blankversen gehaltene Werk erschien ab 1726 in mehreren Etappen. Nach dem Winter von 1726 folgte ein Jahr später der Sommer, 1728 der Frühling und 1730 schließlich der Herbst zusammen mit der ersten Gesamtausgabe aller vier Gedichte, die Thomson bis zu den Neuauflagen von 1744–1746 fortlaufend überarbeitete, ergänzte und mehrfach neu veröffentlichte. Beginnend mit den Motiven von William Kent in der Quart-Ausgabe von 1730 waren die Editionen zumeist mit Illustrationen (Abb. 41) versehen, welche die in den Versen geschilderten Gedanken auch visuell vermittelten.50 48 Zur Verbreitung des Motivs in der Literatur, Dichtung und Musik siehe nur Zeman 1989a, dort auch insb. den Aufsatz von E. Trunz zur wiederholten Auseinandersetzung Goethes mit den Jahreszeiten, etwa in seinen Werken Die Leiden des jungen Werther oder Wahlverwandt‑ schaften; Erich Trunz: Die Jahreszeiten in Goethes Lyrik, in: ebd., S. 123–128. 49 Thomson veröffentlichte allein zu Lebzeiten rund ein Dutzend revidierter und zum Teil deutlich erweiterter Fassungen sowohl der einzelnen Gedichte als auch des gesamten Zy­ klus’. Hinzu kommen seine letzten Überarbeitungen, die posthum herausgegeben wurden (Winter 1757, Sommer 1761, Frühling und Herbst 1764). Daneben erschienen im englischsprachigen Raum mehrere illustrierte Prachtausgaben, darunter die Großoktav-Ausgabe von 1793, eine kolorierte Folio-Ausgabe von 1798 (beide London) sowie eine Quart-Ausgabe 1793 (Perth/Schottland). Die erste deutsche Übersetzung von Barthold Heinrich Brockes, die für nachfolgende Fassungen vorbildgebend werden sollte, erschien 1745 in Hamburg. Es folgten im deutschsprachigen Raum 1757 bzw. 1764 eine Züricher Ausgabe mit Vignetten Salomon Gessners (Neuauflage 1781), die Rostocker Ausgabe von 1757, die Basler Ausgabe von 1768 sowie die Berliner Ausgabe von 1789 mit einer zweiten Auflage 1796 und einer dritten 1805. Eine erste französische Fassung stammt aus dem Jahr 1759 von Marie-Jeanne de Châtillon Bontemps, die bis zum Beginn des 19. Jhs mehrfach aufgelegt wurde, gefolgt von nachahmenden Gedichten von François-Joachim de Pierre, Cardinal de Bernis, und Nicolas-Germain ­Léonard. Weite Popularität erlangte jedoch insb. die Übertragung von Jean-François de SaintLambert aus dem Jahre 1769. 50 Kents Illustrationen erschienen in der gestochenen Umsetzung von Nicolas Tardieu in der von Andrew Millar verlegten Ausgabe von 1730; dazu u. a. Rudolf Sühnel: James Thomsons The Seasons mit William Kents Illustrationen, in: Gruenter 1986, S. 18–29. Zur Entwicklung der Illustrationen in den einzelnen Ausgaben der Seasons und den Veränderungen in der Aussage bzw. im Verständnis des Thomson-Textes siehe genauer Ralph Cohen: Literary criti-

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41 Nicolas Tardieu nach William Kent, Summer (aus: James Thomson, The Seasons, London: A. Millar), 1730, Kupferstich, Göttingen, Universitätsbibliothek

Stellt man Thomsons Zyklus in die Tradition jahreszeitlicher Naturdichtung, zeigt sich das Gedicht ambivalent. Durch die Schilderung landschaftlicher Idylle und die Verklärung des Landlebens und der ländlichen Arbeit knüpft der Dichter einerseits an die klassische Topik antiker und barocker Vorlagen wie Vergils Georgica oder John Miltons Paradise Lost an. Andererseits nimmt er jedoch aktuelle geistesgeschichtliche Entwicklungen innerhalb der Naturwissenschaften und der Philosophie auf. Deutlich wird vor allem der Einfluss Isaac Newtons, dessen Erkenntnisse zur Schwerkraft oder zur Lichtbrechung an mehreren Stellen durchscheinen. 51 Die Beschreibung eines Regenbogens in Spring beruht zum Beispiel auf Newtons 1704 in den Opticks festgehaltenen Theorien zum Farbenspektrum des Lichts.52 Gleichzeitig greift Thomson die Gedanken des Earl of Shaftesbury auf, der davon ausging, dass sich die Erfahrung einer durch Harmonie und Schönheit geprägten Natur auf das Vercism and artistic interpretation. Eighteenth-century English illustrations of The Seasons, in: Joseph A. Mazzeo (Hg.): Reason and the imagination. Studies in the history of ideas 1600–1800, New York/London 1962, S. 279–306; Heinke Wunderlich: James Thomsons Jahreszeiten  – Dichtung und ihre Illustratoren, in: Kat. Zürich 1989, S. 115–136 sowie Sandro Jung: James Thomson’s „The Seasons“, print culture, and visual interpretation, 1730–1842, Bethlehem/ Pennsylvania 2015 (Studies in text and print culture). 51 Thomson widmete Newton später ein eigenes Gedicht (A Poem Sacred to the Memory of Isaac Newton), das er, angefangen mit der Edition von 1730, den Ausgaben seiner Seasons beifügte. 52 Siehe James Thomson: The Seasons, London 1730, Spring, S. 13, Z. 229–232: „Bestriding earth, the grand aetherial bow / Shoots up immense! And every hue unfolds, / In fair proportion, running from the red, / To where the violet fades into the sky.“



Die Jahreszeiten in Literatur und Musik

halten des Menschen und sein moralisches Handeln auswirke. Ablesen lässt sich dies bereits in Thomsons Vorwort zum Winter: I know no Subject more elevating, more amusing; more ready to awake the poetical Enthusiasm, the philosophical Reflection, and the moral Sentiment, than the Works of Nature.53

Der Natur und ihrer Erfahrung durch den Menschen kommt dementsprechend eine tragende Rolle in den Seasons zu. Die Natur gerät zum bestimmenden Akteur („Nature! great Parent! whose directing hand […]“) und wird in ihren Eigenwerten herausgestellt. Eine göttliche Kraft tritt daneben kaum in Erscheinung und scheint hauptsächlich in den Werken der Natur durch, wobei Thomson insgesamt einen eher allgemeinen und im Sinne der Aufklärung konfessionsunabhängigen Gottesbegriff vertritt. Im Mittelpunkt stehen vielmehr der Mensch und sein Verhältnis zur Natur, deren Kreislauf mit dem menschlichen Leben parallelisiert wird, wie auch seine Wahrnehmung natürlicher Phänomene und deren Wirkung auf ihn. So verbinden sich in den Seasons klassische Motivik, detaillierte Naturbeobachtung, deistische Vorstellungen sowie physikalische und moralphilosophische Erkenntnisse zu einem aufklärerischen Lob der Natur. Über Thomson lässt sich der Brückenschlag zu den musikalischen Umsetzungen des Themas im 18. und frühen 19. Jahrhundert vollziehen. Schließlich prägten die Seasons nicht nur nachfolgende poetische und bildkünstlerische Naturauffassungen, sondern dienten auch als Vorlage für Kompositionen wie die zwischen 1799 und 1801 entstandene Vertonung Joseph Haydns.54 Haydn wählte für seine Übertragung die eigentlich biblischen Themen vorbehaltene Form des Oratoriums in vier Teilen für großes Orchester, Chor und drei Solostimmen, wobei er an sein vorangegangenes Oratorium Die Schöpfung von 1798 anknüpfte. Das zugrunde liegende Libretto stammte wie bei der Schöpfung von Gottfried van Swieten, der sich, vermittelt durch die deutsche Übersetzung von Barthold Heinrich Brockes, unmittelbar an den Sea‑ sons orientierte. Wie die dichterische Vorlage Thomsons transportiert auch Haydns 53 Thomson 1726, S. 15, The Preface [Hervorhebungen im Original]. Als ein Gedicht über Menschlichkeit und Tugendliebe werden die Seasons im Übrigen auch in der Encyclopédie gedeutet; siehe De Jaucourt 1772c, S. 530. 54 Die Uraufführung fand am 24. April 1801 im Palais Schwarzenberg in Wien statt. Die Parti­ tur wurde 1802 bei Breitkopf und Härtel in Leipzig veröffentlicht; siehe genauer u. a. Herbert Zeman: Von der irdischen Glückseligkeit: Gottfried van Swietens und Joseph Haydns Utopie vom natürlichen Leben des Menschen im Bild der Jahreszeiten, in: Zeman 1989a, S. 199–213 und Armin Raab: Der musikalische Ton in Haydns Schöpfung und Jahreszeiten, in: Theophil Antonicek und Christian K. Fastl (Hg.): „Und eine neue Welt entspringt auf Gottes Wort“. Haydns und van Swietens späte Oratorien – Aspekte ihres geistigen Hintergrunds und musika‑ lischen Tons, Wien 2012 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte, Bd. 830), S. 77–94, insb. ab S. 89.

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Die Vier Jahreszeiten im 18. und frühen 19. Jahrhundert

musikalische Fassung ein deistisches Weltbild und die Vorstellung von der Analogie zwischen Natur- und Menschenleben, verklärt in heiteren Naturbildern jedoch stärker als Thomson die Idylle des ländlichen Alltags. Eine Abwandlung präsentiert auch der Schluss, der anders als in den Seasons Hoffnung auf etwas Zukünftiges, Überzeitliches birgt. Die klassische Form des Oratoriums wird dabei durch lautmalerische Passagen wie das Flattern der Vögel und das Surren der Insekten im Frühling oder das unruhige Scharren des Jagdwilds im Herbst aufgelockert.55 Knapp 80 Jahre vor Haydn hatte Antonio Vivaldi eine musikalische Interpretation des Jahreszeitenthemas vorgelegt.56 Vivaldi präsentiert die Quattro Stagioni in Form von Violinkonzerten, denen er später Sonette voranstellte. Obwohl es sich formal um vier Einzelkonzerte handelt, weisen die Partien deutliche Bezüge untereinander auf, wobei die gemäßigteren Zeiten Frühling und Herbst und die unwirtlicher formulierten Extreme Sommer und Winter kreuzweise verschränkt sind und im Ausdruck jeweils gesteigert werden. Die Noten sind mit textlichen Anmerkungen versehen, die das musikalisch vorgestellte Geschehen genauer bezeichnen. Ähnlich wie später Haydn verarbeitet Vivaldi konventionelle Motive der Jahreszeitentradition, darunter Hirten im Frühling, eine Jagd im Herbst oder das wärmende Kaminfeuer im Winter, schildert aber ebenso, wie es zeitgleich auch in Werken der bildenden Kunst zu beobachten ist, saisonspezifische Vergnügungen wie einen Bauerntanz oder Eislaufen. Mit der Wiedergabe des Schlafs eines Betrunkenen im Herbst kommen eine ge­wisse Komik und Ironisierung hinzu, die die klassischen Motive in Frage stellen. Be­­ sonders kennzeichnend sind jedoch die musikalische Imitation und bildhafte Schilderung jahreszeitentypischer Naturerscheinungen oder Umweltgeräusche, die Vivaldis Stagioni von barocken Vorlagen unterscheiden. So werden natürliche Phänomene wie die ermattende Hitze im Sommer, die in zögerlichen Akkorden vorgetragen wird, Regen, Gewitter, Stürme und die eisige Kälte im Winter oder Tierlaute wie das Zwitschern der Vögel im Frühling oder das Schwirren von Mückenschwärmen im Sommer tonmalerisch nachempfunden. Diese „sprechende Musik“57 lässt das Geschehen und die geschilderten Naturstimmungen für den Zuhörer unmittelbar nachvollziehbar werden, ein Vorgang, der etwa zeitgleich Parallelen in der bildenden Kunst findet.

55 Siehe Raab 2012, S. 92. 56 Die vier Konzerte entstanden 1725 und wurden in Vivaldis Sammlung unter Opus 8 geführt (La Primavera, Ryom-Verzeichnis 269, L’Estate, Ryom-Verzeichnis 315, L’Autunno, Ryom-­ Verzeichnis 293 und L’Inverno, Ryom-Verzeichnis 297); zu Vivaldis Jahreszeiten siehe genauer u. a. Werner Braun: Antonio Vivaldi. Concerti grossi, op. 8, Nr. 1 – 4, die Jahreszeiten, München 1975 (Meisterwerke der Musik, Bd. 9) sowie Bernhard Moosbauer: Antonio Vivaldi – Die Vier Jahreszeiten, Kassel u. a. 2010 (Bärenreiter-Werkeinführungen). 57 Otto Brusatti: Meteorologie und Transzendenz  – Jahreszeiten-Musik, in: Zeman 1989a, S. 189–198, hier S. 193.

Die Welt steht Kopf: Die Hinterfragung ­quaternärer Ordnungen in den Four Times of Day von William Hogarth

Die Begegnung von Nachtschwärmern und einer Kirchgängerin an einem Wintermorgen auf dem Londoner Covent Garden Market, der Blick in die Gassen von Soho an einem Mittag im Herbst, eine Familie bei ihrem Abendspaziergang im sommerlichen Islington, nächtliche Tumulte Ende Mai bei Charing Cross  – so präsentiert William Hogarth seine Folge der Vier Tageszeiten (Abb. 42–45), in die, wie auf den zweiten Blick deutlich wird, auch die Jahreszeiten eingeschrieben sind.1 Die vier Gemälde, die Hogarth 1736 zunächst in Öl ausführt und ähnlich wie viele andere seiner Werke wenig später in das Medium der Druckgraphik überträgt, formen die einzige Bilderfolge im Œuvre des Künstlers, die ein Motiv der klassischen Ikonographie aufgreift. Es handelt sich jedoch nicht um eine einfache Wiederholung bekannter Darstellungsmuster der Tages- und Jahreszeitentradition. Vielmehr schafft Hogarth eine eigenständige Version, die in humoristisch-parodierender Weise auf tradierte Vorstellungen Bezug nimmt und sich vor dem Hintergrund einer veränderten Lebenswirklichkeit kritisch mit der gängigen Bildsprache quaternärer Ordnungen auseinandersetzt. Dies wird bereits in der Ankündigung der graphischen Fassung von 1738 deutlich, in der Hogarth ausdrücklich auf die „humorous Manner“ hinweist, die seine Tageszeitenfolge kennzeichne.2 Auch in den Besprechungen der Werke durch Autoren in der

1 Bezeichnenderweise betitelt W. Busch den Zyklus in seiner Abhandlung zu Hogarths motivi­ schen Entlehnungen, den sog. „borrowings“, versehentlich als die „Vier Jahreszeiten“; Werner Busch: Nachahmung als bürgerliches Kunstprinzip. Ikonographische Zitate bei Hogarth und in seiner Nachfolge, Hildesheim/New York 1977 (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 7) (Zugl. Diss. phil. Universität Tübingen 1973), S. 124. 2 Siehe etwa die Anzeige im London Daily Post and General Advertiser vom 23. Januar 1737/8 (Nr. 1009): „Mr. Hogarth proposes to Publish by Subscription, FIVE large Prints from CopperPlates, now engraving (and in great forwardness) after his own Painting, viz. four representing, in a humorous Manner, Morning, Noon, Evening, and Night; and the fifth, a Company of Strolling Actresses dressing themselves for the Play in a Barn […].“ In der Ausgabe vom 29. April 1738 (Nr. 1092) ist der Zusatz „in a humorous Manner“ zudem kursiv hervorgehoben. Die erste Presseankündigung der Serie erschien bereits im Mai 1737 in der St. James’s Evening Post. Der Anzeigentext wurde – zum Teil mit leichten Abwandlungen – vor allem zu Beginn des Jahres 1738 mehrfach und in zahlreichen Zeitungen abgedruckt, darunter The

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42 William Hogarth, Morning (aus: The Four Times of Day), 1736, Öl auf Lw., Warwickshire, Upton House, Bearsted Collection (National Trust)

43 William Hogarth, Noon (aus: The Four Times of Day), 1736, Öl auf Lw., Lincolnshire, Grimsthorpe Castle, Ancaster Collection



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44 William Hogarth, Evening (aus: The Four Times of Day), 1736, Öl auf Lw., Lincolnshire, Grimsthorpe Castle, Ancaster Collection

45 William Hogarth, Night (aus: The Four Times of Day), 1736, Öl auf Lw., Warwickshire, Upton House, Bearsted Collection (National Trust)

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unmittelbaren zeitlichen Nachfolge Hogarths kommt dieser Aspekt zur Sprache. So nennt John Trusler die Werke 1768 eine „humorous representation“ und deutet sie als „burlesque“ auf die dichterischen Behandlungen des Themas.3 Genauer noch fasst wenig später Georg Christoph Lichtenberg in seiner Ausführlichen Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche die Andersartigkeit des Zyklus’ mit Blick auf die erste Szene, Morning: Hogarth, der wohl fühlte, was so mancher Schriftsteller und Künstler nicht fühlen will, nämlich wozu ihn die Natur eigentlich bestimmt hatte, wählete sich zur Darstellung dieser Tages-Zeit, keine der großen Seeleerhebenden Scenen eines Frühlingsoder Sommer-Morgens, sondern den Winter, und auch da nicht den Leichenprunk des reifcandirten Gebüsches, worin es seiner Auferstehung entgegen schläft, oder den unter seiner flockigen Last seufzenden Fichtenwald, sondern  – den Gemüse-Markt, Coventgarden in London.4

Lichtenberg zufolge sind es vor allem zwei Elemente, die in der Hogarthschen Tageszeitenversion irritieren: zum einen die ungewöhnliche Verknüpfung der Abfolgen von Tag und Jahr – der Morgen ist nicht, wie üblich, im Frühling, sondern im Winter angesiedelt –, zum anderen die Verortung der Szenen in der Großstadt, – ein Aspekt, den der Kommentator auch sprachlich nachzuempfinden versucht, indem er dem „Leichenprunk des reifcandirten Gebüsches“5 die weniger poetisch beschriebene Realität des Londoner Gemüsemarktes gegenüberstellt. Mit diesen Abweichungen von der Darstellungstradition nimmt Hogarth, den Lichtenberg als „fühlenden“

Daily Gazetteer, die Daily Post oder das Country Journal or The Craftsman. Die Jahresangabe „1737/8“ bezieht sich auf die unterschiedlichen damals geläufigen Kalendersysteme, den julianischen und den gregorianischen Kalender. Nach dem julianischen System, das in England erst 1752 vom gregorianischen abgelöst wurde, begann das Jahr erst am 25. März. Die Schreibweise „1737/8“ bedeutet demnach, dass es sich um das Jahr 1737 nach der julianischen Zeitrechnung und um das Jahr 1738 nach dem gregorianischen System handelt. 3 John Trusler: Hogarth Moralized. Being a complete Edition of Hogarth’s Works, London 1768, S. 153; wortgleich wiederholt in ders.: The Works of William Hogarth, 2 Bde, London 1821, hier: Bd. 1, London 1821, o. S. Trusler behandelt die Four Times of Day erstaunlicherweise erst weit hinten in seinem Buch, ordnet sie also nicht chronologisch ein und gibt anderen Werken von Hogarth den Vorrang. Zu dem von Trusler verwendeten Begriff der „Burleske“ siehe kritisch Werner Busch: William Hogarths Angriff auf die Tageszeitenikonographie, in: Greub 2013, S. 269–286, hierzu S. 269 f. Busch schlägt zu Recht „Travestie“ als passendere Bezeichnung für den Hogarthschen Zyklus vor, weil der Inhalt beibehalten, aber in einer humoristischen Form gezeigt werde. 4 Georg Christoph Lichtenberg: G. C. Lichtenbergs ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche, mit verkleinerten aber vollständigen Copien derselben von E. Riepenhausen, 13 Bde, Göttingen 1794–1833, hier: Bd. 1, Göttingen 1794, S. 141 f. Der Tageszeiten-Zyklus erscheint bei Lichtenberg an prominenter Stelle im ersten Band seiner Erklärung. 5 Ebd., S. 141.



Ein „Angriff auf die Tageszeitenikonographie“

Künstler deutlich von seinen Maler- und Autorenkollegen abhebt, eine eigene Position ein, die im Kontext der sich verändernden jahreszeitlichen Bildsprache im 18. Jahrhundert besondere Relevanz erhält.

Ein „Angriff auf die Tageszeitenikonographie“ Was Lichtenberg rund sechzig Jahre nach Entstehen der Hogarthschen Serie feststellt, scheint treffender als zahlreiche nachfolgende Deutungen der Four Times of Day. Angefangen bei Zeitgenossen wie Trusler, der zwar Hogarths burleskenhaften Umgang mit dem Thema anspricht, sein Augenmerk aber vielmehr auf den städtischen Charakter der Szenen richtet, konzentrieren sich viele Autoren zunächst auf das Bild der Großstadt, das in den Gemälden vermittelt wird. Statt die Werke in den Kontext vorangegangener Tages- oder Jahreszeitenzyklen zu stellen, rücken sie einen möglichen dokumentarischen Wert der Szenen in den Vordergrund und begreifen die Bilderfolge als realitätsnahe, wenngleich humoristische Schilderung der Lebensumstände im London des frühen 18. Jahrhunderts. Für John Ireland etwa formen die in der Stadt angesiedelten Episoden Morning, Noon und Night „a picture which will give a very correct idea of the dresses and pursuits of London in 1738“.6 Eine ähnliche Einordnung nehmen auch spätere Betrachtungen des 20. Jahrhunderts vor. So nutzt Henry Wheatley die Folge als sprechendes Beispiel für seine 1909 erschienene Abhandlung über Hogarth’s London, denn „such a view of the streets of London as we see in ‚The Four Times of the Day‘ is not elsewhere to be seen“,7 und Marjorie Bowen beschreibt die Bilder als „essentially London scenes, treated very satirically“.8 Die Hervorhebung der ‚städtischen‘ Perspektive wird schließlich im Katalog der großen Londoner Hogarth-Ausstellung von 2006/2007 fortgesetzt, der den Tageszeitenzyklus unter der Kapitelüberschrift „Street Life“ behandelt.9 Wird im Vergleich dazu die Darstellungstradition der Tageszeiten oder anderer Vierermodelle bemüht, so geschieht dies zunächst nur mit Blick auf literarische

6 John Ireland: Hogarth Illustrated, 3  Bde, London 1793–1798, hier: Bd. 1, London 21793, S. 129. 7 Henry Benjamin Wheatley: Hogarth’s London. Pictures of the Manners of the Eighteenth Century, London 1909, S. 15. 8 Marjorie Bowen: William Hogarth. The Cockney’s Mirror, New York 1936, S. 190 f. Vgl. zum Ganzen auch R. Porter, der die beschriebene Tendenz, Hogarths Werke als Dokumente damals gegenwärtiger Lebensumstände in London zu lesen, relativiert: Roy Porter: Capital art: Hogarth’s London, in: Frédéric Ogée (Hg.): The Dumb show. Image and society in the works of William Hogarth, Oxford 1997 (Studies on Voltaire and the eighteenth century, Bd. 357), S. 47– 64, hierzu insb. S. 50–52. 9 Siehe Christine Riding: Street Life, in: Hogarth, hg. von ders. und Mark Hallett, Ausst.-Kat., Musée du Louvre Paris, Tate Britain London und La Caixa Madrid, London 2006, S. 119– 138 Kat. Nr. 67/68.

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Vorbilder. Neben Trusler, der seine Besprechung der Four Times of Day mit dem Verweis auf die Parallelen zwischen den Sister Arts Dichtung und Malerei einleitet, hält auch John Ireland wenig später fest: In the series before us, he [= Hogarth, Anm. d. Verf.] treads poetic ground. A description of the day, particularly the morning, has been generally deemed the bard’s peculiar provenance.10

Eine dezidierte Auseinandersetzung mit den bildkünstlerischen Vorlagen und die Einordnung der Serie in ihren kunsthistorischen Kontext erfolgen hingegen erst 1983 mit der bislang einzigen monographischen Studie zu den Four Times of Day von Sean Shesgreen, die eine wichtige Grundlage für nachfolgende Betrachtungen bildet.11 Anhand eines Vergleichs mit druckgraphischen Zyklen niederländischer und flämischer Künstler des Manierismus und des Barock arbeitet der Autor in detailreichen Analysen ein nahezu ‚ikonoklastisches‘ Potenzial der Serie heraus, das er als Ausdruck einer bei Hogarth vielfach konstatierten antiklassischen Haltung versteht.12 Eine direkte ursächliche Verbindung zu einem Wandel im damaligen Weltbild und Zeitenempfinden zieht er dabei nicht. Die für Hogarth typische Motivdichte und die Vieldeutigkeit seiner Bildsprache verleiten Shesgreen vielmehr dazu, sein Augenmerk eher auf motivische Details und deren Bezug zur Tradition zu richten als übergeordnete, in der Serie selbst thematisierte Zusammenhänge wie die Veränderungen der Lebenswelt durch die zunehmende Präsenz der Großstadt, soziokulturelle Umbrüche oder den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt in den Blick zu nehmen, die zu einer Hinterfragung des traditionellen Zeitenmodells führen. Derartige Aspekte rückt dreißig Jahre später Werner Busch in einem Aufsatz in den Vordergrund. Anknüpfend an Shesgreens Beobachtungen wertet er die Serie als regelrechten „Angriff auf die Tageszeitenikonographie“.13 Anders als Shesgreen reißt Busch dabei auch die Ursachen an, die wie insbesondere das neue Umfeld der Stadt für die Überprüfung der bisherigen Darstellungskonventionen verantwortlich sind, und zeigt parallele Entwicklungen in der zeitgenössischen populären Literatur und Dichtung auf. Den Beitrag naturwissenschaftlicher Neuerungen, die mit den Entdeckungen Isaac Newtons gerade im damaligen England besonders präsent waren, spricht

10 Ireland 1793, Bd. 1, S. 127. 11 Siehe Shesgreen 1983. Shesgreens Ergebnisse zum Hogarthschen Tageszeitenzyklus werden in der Folge von zahlreichen Autoren aufgegriffen; so u. a. bei Ronald Paulson: Hogarth, 3 Bde, New Brunswick 1991–1993, hier: Bd. 2: High art and low 1732–1750, New Brunswick 1992, S. 135 f. oder Jenny Uglow: Hogarth. A life and a world, London 21998 (1. Aufl. 1997), S. 302–315 mit Anm. 14 auf S. 739. 12 Hierzu Shesgreen 1983, u. a. S. 19 und 108. 13 Busch 2013, S. 269.



Die Tageszeiten in London

Busch in diesem Zusammenhang nur kurz an, ohne ihn anhand der Bilderfolge näher zu erläutern. Aus ähnlich weitwinkliger Perspektive nähert sich auch die folgende Betrachtung den Four Times of Day. Ausgehend von den bisher geleisteten Untersuchungen von Shesgreen und Busch soll Hogarths Standpunkt im Verhältnis zur Darstellungstradition der Tages- beziehungsweise der Jahreszeiten ermittelt werden, wobei der Blick sowohl auf die Art und die Mittel der Hinterfragung gerichtet wird als auch auf die Ursachen für die Überprüfung der tradierten Bildsprache. Neben dem Anteil der Stadt werden auch die neuen physikalischen Erkenntnisse angesprochen, und betrachtet, wie sich ihr Einfluss in der Bilderfolge äußert. Von Bedeutung für das Verständnis der Four Times of Day sind schließlich auch ein fünfter Stich, Strolling Actres‑ ses Dressing in a Barn, den Hogarth gemeinsam mit der vierteiligen Serie in einem zusammenhängenden „Set“ veröffentlichte, sowie die beiden Subskriptionstickets, die er für den Verkauf der gemalten beziehungsweise der gestochenen Fassung verwendete.14 Auch sie werden in die Untersuchung einbezogen. Die Hogarthsche Serie wird dabei als prägnantes Beispiel für die Kritik an der Überkommenheit quaternärer Motive und die Suche nach neuen, geeigneteren Darstellungsmitteln begriffen.

Die Tageszeiten in London Die Four Times of Day bilden die dritte große Folge im Hogarthschen Œuvre nach den stärker moralisch ausgerichteten Serien A Harlot’s Progress und A Rake’s Progress. Wie diese beiden vorangegangenen Arbeiten entstanden auch die Tageszeiten 1736 zunächst in gemalter Form (Abb. 42–45),15 bevor sie im Frühjahr 1738 zudem als graphische Version (Abb. 46–49) erschienen und auf diese Weise einem breiten Publikum

14 Dazu insb. auch Friederike Voßkamp: ‚Necesse est indiciis monstrare recentibus abdita rerum‘: William Hogarth’s The Four Times of Day and the Challenge to Past Models in Eigh­ teenth-Century Art, in: Jacques Bos und Jan Rotmans (Hg.): The Long Quarrel. Past and Present in the Eighteenth Century, Leiden 2022 (Brill’s Studies in Intellectual History, Bd. 332), S. 138– 158. 15 Die Gemäldefolge wurde bei ihrer Versteigerung im Frühjahr 1744/5 auseinander gerissen und ist bis heute auf zwei Standorte verteilt: Morning und Night wurden zunächst von Sir William Heathcote erworben, 1938 dann an Walter Samuel, 2nd Viscount Bearsted, verkauft und in dessen Landsitz Upton House (Warwickshire) verbracht, der seit 1948 vom National Trust verwaltet wird; siehe u. a. In Trust for the Nation. Paintings from National Trust Houses, hg. von Alastair Laing, Ausst.-Kat., National Gallery London, London 1995, S. 58–60 Kat. Nr. 19. Die Gemälde Noon und Evening gingen an den Duke of Ancaster und sind heute Teil der Ancaster Collection in Grimsthorpe Castle (Lincolnshire). Anlässlich der großen Hogarth-­ Ausstellung in London, Paris und Madrid wurden die Werke 2006/2007 letztmalig zusammen präsentiert.

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46–49 William Hogarth: The Four Times of Day, 1738, Kupferstich und Radierung, New York, The Metropolitan Museum of Art



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zugänglich gemacht wurden.16 Zusätzliche Bekanntheit erlangten die Motive durch ihre Anbringung im populären Londoner Vergnügungspark Vauxhall Gardens.17 Die großformatigen, leicht vereinfachten Wiederholungen, die der Maler und Freund Hogarths Francis Hayman nach den Stichvorlagen anfertigte, dienten hier als Dekoration der supper boxes, der Essnischen, die sich entlang des zentralen Grove erstreckten.18 Nicht zuletzt trugen auch die bereits erwähnten Besprechungen der Werke von Autoren wie Trusler, Ireland oder Lichtenberg zur Bekanntheit der Serie bei, wenngleich sie in Popularität und Nachwirkung bis heute nicht an die großen Progresses und späteren Folgen des Künstlers wie die Marriage à‑la-Mode oder die Four Stages of 16 Siehe die Ankündigungen in verschiedenen Tageszeitungen, u. a. The London Daily Post and General Advertiser vom 4. Mai 1738 (Nr. 1096) oder Country Journal or The Craftsman vom 27. Mai 1738 (Nr. 620). Genauer zur graphischen Fassung und den verschiedenen Zuständen siehe insb. Ronald Paulson: Hogarth’s Graphic Works, 2 Bde, New Haven/London 1965, hier: Bd. 1, S. 178–182  Nr. 152–155 sowie Frederic George Stephens (Bearb.): Catalogue of Prints and Drawings in the British Museum, 4 Bde, London 1870–1883, hier: Bd. 2, Division I: Political and Personal Satires (No. 1236 to No. 2015) – June 1689 to 1733, London 1873, S. 257– 275 Nr. 2357–2402. Bei der Umsetzung der druckgraphischen Fassung wurde Hogarth durch den in London ansässigen französischen Kupferstecher Bernard Baron unterstützt. So geht das dritte Blatt, Evening, maßgeblich auf Baron zurück, wie die Bildunterschrift „Engraved by B. Baron“ zeigt. Zur Adressaten- und Käuferschaft und der Reichweite der Motive, die bei dem in den Anzeigen angegebenen Verkaufspreis von fünf Shilling pro Stück für die Mittelschicht erschwinglich waren, siehe auch Ronald Paulson: Popular and Polite Art in the Age of Hogarth and Fielding, Notre Dame/London 1979 (Ward-Phillips Lectures in English Language and Literature, Bd. 10), S. 7 m. Anm. 11 auf S. 245. 17 Siehe die Erwähnung der supper boxes paintings in verschiedenen Stadtführern, u. a. N. N.: The Ambulator; or, the Stranger’s Companion in a Tour round London, London 21782 (1. Aufl. 1774), zu Vauxhall S. 193–206, hierzu insb. S. 200 f. Zum Ganzen siehe auch Laurence Gowing: Hogarth, Hayman, and the Vauxhall Decorations, in: The Burlington Magazine 95/598 (1953), S. 4–17 und S. 19. 18 Haymans Version des Evening befindet sich heute im Victoria and Albert Museum London. In der Literatur ist umstritten, ob Hogarth die Four Times of Day ursprünglich direkt für Vauxhall entwarf und seine Gemälde zunächst dort hingen, bis sie durch die Kopien Haymans ersetzt wurden, oder ob die Bilder losgelöst von einem Auftrag für Vauxhall entstanden. Für eine Entstehung im Zusammenhang mit Vauxhall spricht sich u. a. R. Paulson aus; siehe Paulson 1965, Bd. 1, S. 178 Nr. 152–155; dagegen wenden sich allerdings zu Recht der Katalog Hogarth, hg. von Laurence Gowing, Ausst.-Kat., Tate Gallery London, London 1971, S. 36 f. Kat. Nr. 77–80 und Shesgreen 1983, S. 132. Dass es sich in Vauxhall um Kopien Haymans nach den Hogarthschen Originalen handelt, notiert zudem bereits John Nichols: Biographical Anecdotes of Wil‑ liam Hogarth, London 31785 (1. Aufl. 1780), S. 29. Die jüngste Publikation zu Vauxhall Gardens geht wiederum davon aus, dass Hogarth seine Tageszeiten anlässlich der feierlichen Wiedereröffnung der Gärten durch den Eigentümer des Parks, Hogarths Freund Jonathan Tyers, im Jahre 1732 entwickelte, und datiert die Entwürfe entsprechend auf 1730–1732 vor; vgl. David Coke und Alan Borg: Vauxhall Gardens. A History, New Haven/London 2011, insb. S. 99 f. mit Abb. 65 sowie S. 364 Nr. 3 u. S. 374 f. Nr. 26. Da sich die gezeigten Vauxhall-Dekorationen aber deutlich an den seitenverkehrt gehaltenen Stichen von Hogarth orientieren, ist eine Entstehung vor der Veröffentlichung der graphischen Fassung im Jahre 1738 unwahrscheinlich.

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Cruelty heranreicht.19 Weitaus stärker rezipiert wurden die Four Times of Day hingegen in parodistischen Zusammenhängen, etwa bei Paul Sandby, Thomas Rowlandson oder in Henry Fieldings Roman Tom Jones, was ihr besonderes humoristisches Potenzial abermals unterstreicht.20 Hogarths Tageszeitenfolge (Abb. 42–45 und 46–49) setzt sich aus vier Szenen zusammen, die vier verschiedene, konkret erkennbare Orte in London und der näheren Umgebung zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten abbilden. Die gestochene Fassung, die ein schwarz-weißes Äquivalent zu den farbigen Gemälden darstellt, gibt die gemalten Vorlagen mit Ausnahme weniger Details seitenverkehrt wieder. Hierbei wird auch die topographische Situation gespiegelt.21 Die Stiche sind darüber hinaus in den Einzelheiten klarer, so dass auch Inschriften besser zu erkennen sind. Im Gegensatz zu den Gemälden ist die graphische Fassung zudem mit Bildtiteln versehen, die das Motiv direkt benennen.22 Anders als das Thema erwarten lässt, beschreiben die Four Times of Day keine kontinuierliche Erzählung. Dies unterscheidet sie auch von den vorangegangenen und den nachfolgenden Bilderfolgen des Künstlers, die wie A Harlot’s Progress oder die Four Stages of Cruelty in mehreren aufeinander aufbauenden Episoden den Wer-

19 So listet der erste Hogarth-Kommentator, der Schweizer Emaillekünstler J.‑A. Rouquet die Tageszeitenfolge lediglich am Ende seiner Besprechung der wichtigsten graphischen Werke Hogarths auf. Die Szenen werden dabei jeweils mit nur einem kurzen Satz bedacht; siehe Jean André Rouquet: Lettres de Monsieur ** à un de ses amis à Paris, pour lui expliquer les Es‑ tampes de Monsieur Hogarth, London 1746, S. 43. 20 Der Zeichner P. Sandby griff einzelne Motive aus dem Zyklus für seine Hogarth-Persiflage The Painters March from Finchley von 1754 auf, während sich H. Fielding und T. Rowlandson auf die Figur der Kirchgängerin aus der Morning-Szene konzentrieren. So zieht Fielding sie für die Beschreibung der Miss Bridget Allworthy heran; siehe Henry Fielding: The History of Tom Jones, a Foundling, 3 Bde, Dublin 1749, hier: Bd. 1, S. 42. Rowlandson verwendet sie in seiner Karikatur A Cat in Pattens von 1812. Darüber hinaus erscheint sie in einer humoristischen Illustration in Thackerays Roundabout Papers; siehe William Makepeace Thackeray: Roundabout Papers, London 1863, S. 166 (On a chalk-mark on the door). Zur Rezeption von Morning auch Busch 1977, S. 187–189. Die Popularität der Kirchgängerin hängt wohl mit einer bei J. Nichols festgehaltenen Anekdote zusammen, der sie für eine ehemalige Bekanntschaft Hogarths hielt; vgl. Nichols 1785, S. 249. Außerhalb eines parodierenden Kontexts zitiert J. Ireland das Morning-Blatt auf dem Frontispiz seines Hogarth Illustrated, auf dem der Stich zusammen mit anderen Hogarthschen Werken wie dem Enraged Musician und einer Ausgabe der Analysis of Beauty zu Füßen von Irelands Porträt abgebildet ist; Ireland 1793, Bd. 1, Frontispiz. In der neueren Literatur übernimmt J. Uglow die Aufteilung des Zyklus’ als Gliederung für ihr Buch über Hogarth; Uglow 1998. 21 Dies wird in mehreren Besprechungen kritisiert, denen die graphische Version zugrunde liegt; siehe beispielsweise Nichols 1785, S. 250. 22 Bei den Bildunterschriften handelt es sich jedoch nicht um Bildlegenden, wie sie aus der niederländischen Tradition bekannt sind, sondern lediglich um die Angabe des Titels. Zu den Unterschieden zwischen der gemalten und der graphischen Version siehe auch Ronald Paulson: Hogarth: His Life, Art, and Times, 2 Bde, New Haven/London 1971, hier: Bd. 1, S. 405.



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degang einer Hauptfigur nachzeichnen. Vielmehr handelt es sich um vier erzählerisch eigenständige Szenen mit wechselndem Bildpersonal. Auch das zugrunde liegende Motiv des voranschreitenden Tages verbindet nur bedingt. Da die einzelnen Szenen zu unterschiedlichen Jahreszeiten spielen, wird nicht der Ablauf eines einzigen Tages geschildert, sondern punktuell einzelne Tagesabschnitte zu verschiedenen Zeiten im Jahr herausgegriffen. In den Szenen offenbart sich dabei ein komplexes, figurenreiches Geflecht voller ambivalenter Zeichen und unterschwelliger Anspielungen auf die Darstellungstradition quaternärer Ordnungen. Die erste Szene, Morning (Abb. 42), zeigt Covent Garden im Morgengrauen. Der Bildausschnitt gibt den Blick auf die Nordwestecke des von Inigo Jones gestalteten Marktplatzes frei.23 Am linken Bildrand sieht man St. Paul’s Church, davor Tom King’s Coffee House, das durch die gewählte Perspektive unmittelbar vor der Kirche erscheint.24 Die Schnee bedeckten Dächer der umgebenden Wohnhäuser, der rauchende Schornstein und die Eiszapfen am Dach des Coffee House verorten die Szene im Winter. Die Uhr im Giebelfeld der Kirche zeigt fünf nach sieben an.25 Darunter ist die Inschrift „Sic transit gloria mundi“ zu lesen. In der graphischen Fassung erkennt man zudem eine Figur mit Sensenstab und Stundenglas, die als Personifikation der

23 Zur Architektur der Covent Garden Piazza siehe genauer Francis Henry Wollaston Sheppard (Hg.): The Parish of St. Paul Covent Garden, London 1970 (Survey of London, Bd. 36), S. 1 f. und S. 64–82. Die im Hintergrund abgebildeten Häuser (Nr. 1 und Nr. 43 King Street) wurden im ausgehenden 17. Jh. abweichend von Jones’ ursprünglicher Platzgestaltung verändert; siehe ebd., S. 80 und S. 166 f. 24 In der Literatur wird vielfach angenommen, dass Hogarth Tom King’s Coffee House aus dramaturgischen Gründen vor die Kirche rückt und es sich eigentlich auf der gegenüberliegenden Seite, also im Süden des Platzes befand; so etwa Paulson 1965, Bd. 1, S. 179, Riding 2006, S. 130 und Busch 2013, S. 268. Dabei könnte es sich jedoch um eine Verwechslung mit Tom’s Coffee House handeln, das sich ebendort befand. H. Wheatley lokalisiert Tom King’s Coffee House hingegen auf der Mitte des Platzes unterhalb von St. Paul’s Church; vgl. Henry Benjamin Wheatley: London. Past and Present – its history, associations, and traditions, 3 Bde, London 1891, hier: Bd. 2, S. 343; dort auch zu Tom’s Coffee House, Bd. 3, S. 383–384. Siehe zudem bereits Lichtenberg 1794, S. 159. Tom King’s Coffee House zählte zu den populären und zugleich berüchtigten Lokalen im damaligen London. So findet es auch in mehreren Stücken von Fielding wie etwa The Covent Garden Tragedy (1732) oder Pasquin (1736) Erwähnung. Nichols berichtet, dass Moll King, die Witwe Tom Kings und spätere Inhaberin des Coffee House, wegen mehrerer Zwischenfälle in ihrem Lokal zu einer Geldstrafe verurteilt wurde und das Geschäft daher später aufgeben musste; siehe Nichols 1785, S. 249 f. Zu Hogarth und der englischen Coffee House-Kultur siehe bereits Frederick Antal: Hogarth and His Place in European Art, London 1962, S. 92. 25 Zur Uhrzeit finden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben, was wohl auch mit der seitenverkehrten Wiedergabe in der graphischen Fassung zusammenhängen mag: G. C. Lichtenberg geht von 8 Uhr aus, während J. Ireland und R. Paulson – wohl angesichts des seitenverkehrten Stichs – 6:55 Uhr lesen; vgl. Lichtenberg 1794, S. 143, Ireland 1793, Bd. 1, S. 134 und Paulson 1965, Bd. 1, S. 179.

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Zeit die Uhr bekrönt. Der darunter aus dem Schornstein des Coffee House aufsteigende Rauch unterstreicht die angedeutete Vergänglichkeitsthematik. Auf dem Platz im Vordergrund treffen zwei gegensätzliche Welten aufeinander: Eine ältere Dame in einem wenig winterlichen weit dekolletierten Kleid ist auf dem Weg zur Kirche vor einer Gruppe zweier Jünglinge stehen geblieben, die nach durchzechter Nacht zwei zum Markt eilenden Frauen deutliche Avancen machen. Die im Schnee sichtbaren Spuren der Holzpantinen der Kirchgängerin deuten darauf hin, dass sie beim Anblick des sich ihr bietenden Spektakels einen Schritt zurück gewichen sein muss. Dicht hinter ihr folgt ihr sichtlich frierender Laufbursche mit einem Gebetbuch unter dem Arm. Die Nase vor Kälte gerötet, den Mund bibbernd verzogen und die Augen zusammengekniffen, hat er eine Hand in der Hosentasche, die andere in der Brusttasche verborgen. Die Körper der beiden werfen der morgendlichen Tageszeit entsprechend lange Schatten.26 Die Kirchgängerin hat ihre Hände aus dem Muff genommen. Ihre Linke ruht auf der rosafarbenen Schürze, die vom Wind nach oben zu fliegen droht. In der rechten hält sie – angesichts der Kälte ungewöhnlich – einen zusammengeklappten Fächer, den sie nachdenklich an den eingefallenen Mund geführt hat.27 Erst bei näherer Betrachtung wird ihr fortgeschrittenes Alter sichtbar. Ihr im Profil gezeigtes hageres Gesicht weist mehrere Schönheitsflecke an Stirn und Wange auf. Der Anblick der Wüstlinge nimmt sie derart ein, dass sie die Marktleute und die Bettlerinnen nicht zu bemerken scheint, die zu ihren Füßen an einem Feuer sitzen und um Almosen bitten. Hinter dieser klassisch pyramidal angeordneten Gruppe aus Nachtschwärmern und Bettlern sieht man durch die geöffnete Tür einen Streit in Tom King’s Coffee House. In der graphischen Fassung wird der Tumult aus Menschen mit erhobenen Degen noch deutlicher erkennbar. Eine Perücke fliegt in weitem Bogen nach draußen. Auf dem Marktplatz selbst herrscht derweil geschäftiges Treiben, das von zwei Kindern am rechten Bildrand beobachtet wird, die auf dem Weg zur Schule angehalten haben: Marktfrauen bringen ihre Ware heran, ein Arzt – Dr. Miller im Gemälde, Dr. Rock in der graphischen Version28 – preist auf einem großen Banner seine Arzneien an, dahinter steigt Rauch empor. In der rechten unteren Ecke sieht man ein Bündel Karotten und weiße Rüben, die zusammen mit dem Korb mit Kohlköpfen auf der linken Seite als typisches Wintergemüse den Jahreszeitenbezug unterstützen. Das zweite Bild, Noon (Abb. 43), führt den Betrachter nach Soho, dem unweit von Covent Garden gelegenen hugenottisch geprägten Viertel und zugleich einer der ärmeren Gegenden der Stadt. Der Blick fällt in die Hog Lane, deren dichte Bebauung 26 Der Schattenwurf entspricht allerdings nicht der tatsächlichen topographischen Situa­ tion, der zufolge die Sonne auf der anderen Seite des Platzes aufgehen müsste. 27 Das besonders für den Winter kurios anmutende Accessoire bemerkte bereits Lichtenberg 1794, S. 148. 28 Siehe u. a. Nichols 1785, S. 249. Dr. Richard Rock, der auch in A Harlot’s Progress auftritt, war ein bekannter Quacksalber; siehe dazu auch Riding 2006, S. 130.



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nur einen kleinen Ausschnitt des mit Wolken durchzogenen Himmels freilässt.29 Im Hintergrund erscheint der Kirchturm von St. Giles‑in-the-Fields. Die Turmuhr zeigt dem Bildmotiv entsprechend fünf nach zwölf an.30 Aus einem Schornstein steigt Rauch auf. Ähnlich wie in Morning ist die Komposition auch hier kontrastierend angelegt. Eine Abwasserrinne teilt die Szene in zwei Hälften: Auf der linken Seite verlässt eine Menschenmenge den schlichten, von Rissen gezeichneten Backsteinbau der Église des Grecs.31 Die Gesellschaft wird von einem Paar mit wohlbeleibtem Sohn angeführt, das sich in geziert-tänzelnden Bewegungen einander zuwendet. Ihre auffällige Kleidung, der dunkelgelbe Gehrock des Mannes, die mit Blumen geschmückte hellgraue Robe der Frau und die den Erwachsenen ähnliche Tracht des Jungen setzen sie deutlich von der in dunkle Kutten gehüllten Gemeinde ab.32 Der Schleier, den die

29 Die Straße ist heute Teil der Charing Cross Road. Zu Soho siehe genauer Francis Henry Wollaston Sheppard (Hg.): The Parish of St. Anne Soho, London 1966 (Survey of London, Bd. 33), insb. S. 1–20 und S. 170 f. 30 Auch hier gibt es im Hinblick auf die Uhrzeit abweichende Lesarten. Mehrere Autoren, darunter R. Paulson, meinen – vor allem mit Blick auf die graphische Fassung – 12.30 Uhr zu erkennen; siehe Paulson 1965, Bd. 1, S. 179, Nr. 153. Diese Lesart, die sich wohl auf die auch heute noch sichtbaren stark hervorgehobenen Trennstege des Ziffernblattes zurückführen lässt, erweist sich bei genauer Betrachtung des Originals als falsch. Im Vergleich zum Mor‑ ning-Blatt fällt des Weiteren auf, dass die Uhren im Hogarthschen Tageszeitenzyklus kurioserweise nie exakt die volle Stunde anzeigen. Gleiches lässt sich auch bei der Standuhr im Stich The Battle of the Pictures von 1744/5 beobachten, der als Subskriptionsticket für die Gemäldefassung der Four Times of Day diente. Eine Erklärung dafür lässt sich nicht abschließend finden. Siehe zur Bedeutung der Uhren bei Hogarth auch Samuel L. Macey: Hogarth and the Iconography of Time, in: Studies in Eighteenth-Century Culture 5 (1976), S. 41–53, insb. S. 47 und Peter Wagner: Representations of time in Hogarth’s paintings and engravings, in: ders., David Bindman und Frédéric Ogée (Hg.): Hogarth. Representing nature’s machines, Manchester/New York 2001 (The Barber Institute’s critical perspectives in art history series), S. 102–122, die beide allerdings nicht auf diesen Aspekt eingehen; siehe ferner Gerhard Dohrn-van Rossum: Clocks, Clock Time and Time Consciousness in the Visual Arts. William Hogarth’s Modern Moral Subjects, in: Gianenrico Bernasconi und Susanne Thürigen (Hg.): Material Histories of Time. Objects and Practices, 14th–19th Centuries, Berlin/Boston 2020 (Object Studies in Art History, Bd. 3), S. 71 – 88, der die Four Times of Day in diesem Zusammenhang aber nicht erwähnt. 31 Zur Église des Grecs, die zur damaligen Zeit von der hugenottischen Gemeinde genutzt wurde, siehe genauer Sheppard 1966, S. 278–284, v. a. S. 282. Soho galt seinerzeit im Allgemeinen als Viertel französisch-hugenottischer Einwanderer. 32 Die überspitzte Schilderung des Paares sowie ihre Verortung in der „Hog Lane“ (dt.: „Schweinegasse“) wertete Lichtenberg als Beleg für „Hogarth’s Franzosenhaß“ und seine kritische Haltung gegenüber französischen Sitten; Lichtenberg 1794, S. 173. Vgl. auch Ireland 1793, Bd. 1, S. 137, der ebenfalls auf Hogarths Abneigung gegenüber Franzosen eingeht und diese Vorurteile in der karikierenden Darstellung des Paares hervorscheinen sieht.

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Frau trägt, lässt eine Hochzeit vermuten.33 Links neben dem Paar küssen sich zwei ältere schwarz gewandete Frauen auf den Mund. Spiegelbildlich zu dem ausstaffierten Hochzeitszug sieht man in der rechten Bildhälfte eine einfach gekleidete Magd, deren natürlich gerötetes Gesicht mit den auffällig geschminkten Wangen der Braut auf der linken Seite kontrastiert. Auch ihr Verhalten bildet einen Gegensatz zum affektierten Umgang des Ehepaares. Die Magd wird von einem dunkelhäutigen Mann bedrängt, der von hinten an ihre halb entblößte Brust fasst. Hiervon abgelenkt bemerkt sie nicht, wie Flüssigkeit aus ihrer noch heißen Pastete tropft und einen Jungen mit blonder Lockenmähne trifft. Davon überrascht setzt dieser seine Servierplatte so schwungvoll auf einem Pfosten vor ihm auf, dass sie zerbricht. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fasst er sich an den Kopf. Ein in Lumpen gehülltes Mädchen liest eilig die herabgefallenen Teigreste vom Boden auf. Zeitgenössische Kommentatoren sahen in der Figur des weinenden Jungen eine Entlehnung aus Nicolas Poussins Raub der Sabinerinnen (Abb. 50).34 Mit seiner ärmlichen, einfachen Kleidung und emotionalen Expressivität schafft der Knabe ein kon­ trastierendes Pendant zu dem ausstaffierten, feisten Jungen auf der linken Seite, der ohne jegliche Gefühlsregung auf eine im Rinnstein liegende tote Katze blickt. Die Zweiteilung der Szene setzt sich auch in der umgebenden Architektur fort. So findet die Backsteinkirche ihren Gegenpart in zwei mit Krügen gesäumten Wirtshäusern auf der rechten Seite, denen ein Teil der Gemeinde zustrebt. Das Schild der vorderen Gaststätte mit Namen „Good Eating“ zeigt das Haupt Johannes des Täufers, das auf ironische Weise mit dem dahinter sichtbaren Schild des zweiten Wirtshauses namens „The Good Woman“ korrespondiert, auf dem eine Frau ohne Kopf zu sehen ist. Zwischen beiden Schildern wirft eine Frau anscheinend im Streit das Mittagessen aus dem Fenster. Am linken oberen Bildrand fällt schließlich ein Papierdrachen auf, der sich an der Dachrinne der Kirche verfangen hat und reglos herabhängt. Die dritte Szene, Evening (Abb. 44), spielt in Islington, einem beliebten Ausflugsort nordöstlich von London.35 Über den Hügeln am Horizont deutet sich bereits

33 So etwa in Manners & Morals. Hogarth and British Painting 1700–1760, hg. von Elizabeth Einberg, Ausst.-Kat., Tate Gallery London, London 1987, hier S. 110 Kat. Nr. 92. Das Motiv des manieriert auftretenden Ehepaares scheint Hogarth später in seinem 1742 entstandenen Gemälde Taste in High Life (Öl auf Lw., 63 × 75 cm, Privatsammlung) wieder aufzugreifen, was die Annahme einer Hochzeit in Noon verstärkt; hierzu auch Riding 2006, S. 130. 34 So etwa Nichols 1785, S. 250 und Lichtenberg 1794, S. 190. Poussins Gemälde, das heute im Metropolitan Museum New York verwahrt wird, befand sich zum damaligen Zeitpunkt in der Sammlung von Henry Hoare in dessen Landsitz Stourhead. Zur Bedeutung dieser in Anlehnung an Joshua Reynolds als „borrowing“-Methode bezeichneten Entlehnung Hogarths auch Busch 1977, S. 186 f. 35 Zu Islington siehe genauer Walter Thornbury: Old and New London. A Narrative of its History, its People, and its Places, 2 Bde, London u. a. 1878, hier: Bd. 2, S. 251–257 und S. 289– 296 sowie in der neueren Literatur Philip Temple (Hg.): Northern Clerkenwell and Pentonville, New Haven und London 2008 (Survey of London, Bd. 47), insb. S. 86–89 und S. 141–145.



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50 Nicolas Poussin, Der Raub der Sabinerinnen, um 1633–1634, Öl auf Lw., New York, The Metropolitan Museum of Art

der nahende Sonnenuntergang an. Auf der rechten Seite sieht man Sadler’s Wells, ein populäres Musik- und Vergnügungstheater, im Vordergrund den Islington durchziehenden New River und links ein Wirtshaus, das nach dem Initiator des Kanals, Sir Hugh Middleton benannt ist. Obwohl auf dem Land angesiedelt, erscheint die Szene nicht weniger belebt als die beiden städtischen Episoden zuvor. Inmitten der zahlreichen Ausflügler, die sich rauchend und trinkend in der Gaststätte niedergelassen haben, sucht man die für einen Ausflugsort erhoffte ländliche Idylle vergebens. Einzelne Wirtshausgäste haben ihre Perücke abgenommen, – ein Hinweis auf die auch am Abend noch drückend erscheinende Hitze, die die Szene deutlich in den Sommer einordnen lässt. Im Vordergrund sieht man eine Familie bei ihrem Spaziergang. Die matronenhafte, sichtlich schwangere Frau hat Hut und Handschuhe ihres deutlich schmächtiger wirkenden Mannes in der Hand und stützt sich auf seine Schulter. Ihr tiefrotes Gesicht, das in der druckgraphischen Fassung zum Teil zusätzlich farbig hervorgehoben ist,36 der offene Mund und der Fächer in ihrer rechten Hand unterstreichen den Eindruck sommerlicher Hitze. Auch der gemeinsame Hund trottet ermattet vorweg. Ihr blässlicher, um einen Kopf kleinerer Ehemann trägt eines der gemeinsamen Kinder auf dem Arm. Es hat einen Schuh verloren, der sich nun auf dem Boden wiederfindet, und zeigt seinen löchrigen Strumpf. Die dunkelblauen Hände des Vaters 36 So sind in den ersten Zuständen des Evening-Stiches, der hauptsächlich durch den französischen Kupferstecher Bernard Baron ausgeführt wurde, der Kopf der Frau mit auffällig roter Farbe markiert und die Hände des Ehemannes blau hervorgehoben.

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weisen ihn als Färber aus. Hinter dem Paar wird der abendlichen Stunde entsprechend eine Kuh gemolken. Der Kopf des Tieres erscheint ironischerweise direkt hinter dem des Färbers, so dass letzterem bildlich die Hörner aufgesetzt werden. Passend zu dem Motiv des gehörnten Ehemannes sieht man neben seinem Kopf die Geschichte von Venus und ihrem Geliebten Adonis auf dem geöffneten Fächerblatt seiner Frau.37 In der rechten Bildhälfte spiegeln zwei erwachsenhaft gekleidete Kinder die eheliche Rollenverteilung der Eltern wider. Mit energisch erhobenem Fächer drängt das Mädchen den Jungen, der den weinenden Knaben aus der Noon-Szene zu wiederholen scheint, ihm seinen Honigkuchen beziehungsweise in der graphischen Version seine kleine Spielzeugfigur zu überlassen.38 Hinter den beiden Streitenden ist eine junge Frau mit dem Aufknüpfen eines Kinderschuhs beschäftigt.39 Das letzte Gemälde, Night (Abb. 45), eröffnet den Blick in eine schmale Gasse im Südwesten von Charing Cross. Im Hintergrund ist Hubert Le Sueurs Reiterstandbild Charles’ I. zu sehen.40 Zwischen den Wolken tritt der Vollmond hervor, der die nächtliche Szenerie zusammen mit einer Fülle weiterer Lichtquellen, darunter Feuerwerkskörper, Kerzen und Fackeln, taghell erscheinen lässt. Entgegen der Ruhe versprechenden Tageszeit herrschen auf der Straße nahezu chaotische Zustände. Am Horizont scheint ein Haus zu brennen. Auf der Kreuzung bahnt sich ein hoch mit Hausrat beladener Karren seinen Weg. Davor ist eine Kutsche, im Stich ironischerweise als fliegender „Salisbury Flying Coach“ benannt, neben einem Straßenfeuer umgestürzt. Verzweifelt versuchen sich die Insassen aus dem Wagen zu befreien, woran sie zwei Jungen mit Holzstöcken und Leuchtfeuern zu hindern scheinen. Rechts im Vordergrund wird ein kampfeslustiger und bereits sichtlich angeschlagener älterer Mann, den das um seinen Hals hängende Winkelmaß als Freimaurer auszeichnet, nach Hause begleitet. Zusätzlich zu seiner Wunde an der Stirn trifft ihn der Inhalt eines Nachttopfes, der aus einem Fenster über ihm ausgeleert wird. Hogarths Zeitgenossen sahen in dem Nachtschwärmer den Richter und Magistraten Sir Thomas

37 In der (neueren) Literatur wurde das auf dem Fächer sichtbare Motiv vielfach als Darstellung von Diana und Aktäon gedeutet; so u. a. bei Shesgreen 1983, S. 113, Uglow 1998, S. 303 oder Riding 2006, S. 135. Bereits Lichtenberg bestimmte die Abbildung jedoch zutreffend als Venus und Adonis; siehe Lichtenberg 1794, S. 200. Ebenso auch Stephens 1873, Bd. 2, S. 268 Nr. 2382. Busch hat in diesem Zusammenhang bereits auf den am Fächerrand deutlich erkennbaren Amor hingewiesen, der das Thema eindeutig als Venus und Adonis ausweist; siehe Busch 2013, S. 277 f. Dazu auch im Folgenden S. 118 f. 38 Laut J. Nichols wurde das Mädchen als „after-thought“ später in die Szene eingefügt, um eine Erklärung für das Verhalten des Jungen zu liefern; Nichols 1785, S. 250. Siehe auch Paulson 1965, Bd. 1, S. 180, Nr. 154. 39 G. Lichtenberg bezeichnet die schwer zu deutende Frau als „Wäschermädchen“, wobei sich ihm die Funktion des Schuhs jedoch nicht erschließt; Lichtenberg 1794, S. 215. 40 Das Standbild wurde 1675 aufgestellt; siehe dazu genauer George H. Gater und Walter H. Godfrey (Hg.): Charing Cross. The Parish of St. Martin‑in-the-Fields, Part I, London 1935 (Survey of London, Bd. 16), u. a. S. 247–252 und S. 263–268.



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De Veil, der für sein strenges Vorgehen gegenüber Gin-Händlern bekannt und maßgeblich an der Entwicklung des Gin Act von 1736 beteiligt war.41 Der Mann, der hinter De Veil unbeeindruckt von den nächtlichen Tumulten ein Fass befüllt, wurde dementsprechend oftmals als Gin-Verkäufer gedeutet und in der Zusammenführung beider Figuren eine ironische Geste Hogarths gesehen.42 Zahlreiche Tavernen und zwielichtige Etablissements, sogenannte Bagnios, säumen die als Bordellgegend ausgewiesene schmale Straße: Links erkennt man den „Earl of Cardigan“, gegenüber „The Rummer Tavern“, daneben den Hinweis „The New Bagnio“.43 Die erst genannten zwei Lokale fungierten in den 1730er-Jahren auch als Freimaurerlogen. Rechts im Vordergrund sieht man durch ein geöffnetes Fenster einen Barbier bei seiner Arbeit, der, wie sein Ladenschild „Shaving Bleeding & Teeth Drawn wth a Touch. Ecce Signum“ angibt, auch Zähne zieht. Vor seinem Laden hat sich unter einem Verschlag eine Familie zur Nachtruhe niedergelassen. Die Schlafenden bilden einen Gegenpol zum lärmenden Chaos, das sich in ihrer direkten Umgebung auf der Straße abspielt. Unmittelbar neben ihnen entfacht ein Link boy mit geblähten Backen seine Fackel, um nächtlichen Passanten den Weg zu leuchten. Während die Tageszeit gut zu erkennen ist, erschließt sich die dargestellte Jahreszeit erst auf den zweiten Blick. Die mit Kerzen erleuchteten Fenster und das Eichenlaub, das an den Häuserfronten und den Hüten einzelner Passanten angebracht ist, deuten auf den 29. Mai hin, den sogenannten Oak Apple Day oder Restora‑ tion Day, der an die Wiedereinsetzung der Stuart-Monarchie im Jahre 1660 durch Charles II. erinnert, den Sohn des im Hintergrund als Standbild präsenten Charles’ I. Das Eichenlaub spielt auf die Schlacht von Worcester 1651 an, nach deren Niederlage sich Charles II. in einer hohlen Eiche versteckt haben soll und auf diese Weise überlebte. Die Feier des Tages war unter dem Nicht-Stuart-Monarchen George I. zwar verboten. Jakobitische Anhänger umgingen das Verbot jedoch und feierten den Anlass unter dem Deckmantel von Georges Geburtstag am Vortag, dem 28. Mai.44

41 So etwa Ireland 1793, Bd. 1, S. 146; gegen diese Deutung allerdings Nichols 1785, S. 251. Zur Person De Veils siehe auch die von einem unbekannten Autor verfasste Biographie: N. N.: Me‑ moirs of the Life and Times of Sir Thomas Deveil, Knight, one of His Majesty’s Justices of the Peace, London 1748. Laut Paulson bediente sich Fielding der Person De Veils für seine Figur des Justice Squeezum in The Coffee-House Politician von 1730; siehe Paulson 1965, Bd. 1, S. 181, Nr. 155 sowie zum Ganzen auch Paulson 1971, Bd. 1, S. 398–403. 42 Siehe u. a. Riding 2006, S. 135. Andere Deutungen sehen ihn als Nightman, der nachts Fäkalien und Abfälle einsammelt. Lichtenberg deutet das Fass Ireland folgend wiederum als Bierfass; vgl. Lichtenberg 1794, S. 220–222. 43 Siehe genauer zur topographischen Verortung der Szene Hugh Phillips: Mid-Georgian London: A topographical and social survey of central and western London about 1750, London 1964, S. 101 f. Vgl. auch Riding 2006, S. 135. 44 Siehe Busch 2013, S. 278 und Paulson 1979, S. 28; Paulson weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass jakobitische Symbole damals bewusst als „imagery of dissent“ eingesetzt wurden. Zum örtlichen Zusammenhang zwischen Charing Cross und dem Restoration Day

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Die Auseinandersetzung mit der Tradition Mit der Wahl des Themas der Vier Tageszeiten greift Hogarth ein klassisches Motiv auf, das ihm als ausgebildetem Kupferstecher und akademisch geschultem Künstler, der 1720 in die von Louis Chéron und John Vanderbank geleitete erste St. Martin’s Lane Academy eingetreten war, 1724 zudem in die private Mal- und Zeichenschule seines späteren Schwiegervaters James Thornhill, wohlvertraut war.45 Dies zeigt bereits die in der Ankündigung der graphischen Serie verwendete Formulierung „in a humorous Manner“, die die Kenntnis konventioneller Darstellungen voraussetzt. Spätestens 1727 setzte sich Hogarth schon einmal konkret mit der Bildsprache quaternärer Ordnungen auseinander, als ihn der Tapissier Joshua Morris mit einem Entwurf zum Motiv Erde für einen Zyklus der Vier Elemente beauftragte.46 Die Aufgabe legt nahe, dass er sich in diesem Rahmen auch mit anderen Vierermodellen näher befasst haben wird. 1732 findet sich zudem ein kurzer Eintrag zum Motiv der Vier Jahreszeiten in den Aufzeichnungen zu seiner Five Days’ Peregrination, während derer ihm und seinen mitreisenden Freunden jahreszeitliche Reliefs an einem Haus in Rochester auffielen.47 Kosmologische Motive wie das der eng mit der Tages- und Jahreszeitentradition verbundenen Tierkreiszeichen verwendete der Künstler auch später im zweiten seiner beiden 1762 entstandenen The Times-Blätter.48 Ähnlich wie das Tageszeitenthema in den Four Times of Day verkehrt er hier die Tierkreissymbole ins Komische, indem er ihre Reihenfolge verändert und den Wassermann aus dem zodiakalen Band heraus Wasser vom Himmel herabgießen lässt. Ferner kam Hogarth aber auch durch die Auftragsarbeiten seines Schwiegervaters, des Hofmalers James Thornhill, an denen er zeitweise selbst beteiligt war, mit dem Motiv in Berührung. Besonders die Ausmalungen im Greenwich Hospital und in Hampton Court weisen nach barocker

siehe ferner Gater/Godfrey 1935, S. 262. Die Datierung der Szene auf den 29. Mai ist in der neueren Literatur zum Teil umstritten; siehe dazu im Folgenden S. 127 f. 45 Hierzu genauer Shesgreen 1983, S. 105–108. Zum hohen ikonographischen Kenntnisstand Hogarths siehe auch bereits Busch 1977, u. a. S. 10. 46 Siehe Paulson 1971, Bd. 1, S. 177–179. 47 Siehe Charles Mitchell (Hg.): Hogarth’s Peregrination, Oxford 1952, S. 5. Die Aufzeichnung der Five Days’ Peregrination wird allgemein als Satire auf die Reiseberichte der Zeit gewertet; siehe ebd., S. xi f. Insofern könnte die nahezu beiläufige Erwähnung der Jahreszeitenreliefs in humoristischer Weise auf die Auflistung berühmter klassischer Werke und Bauten anspielen, die man in den damaligen Berichten zusammentrug, um zu demonstrieren, was man gesehen hatte. 48 In Hogarths Besitz befand sich ein Set Delfter Teller mit Abbildungen der Tierkreiszeichen, das hierfür als Anregung gedient haben könnte; siehe die Bestandsliste der Hogarthschen Sammlung im Katalog zur Versteigerung seines Nachlasses im April 1790 nach dem Tod seiner Ehefrau Jane Thornhill N. N.: Editorial – Mrs. Hogarth’s Collection, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs 85/499 (1944), S. 237–239, hierzu S. 237 u. 239 Losnr. 66. Wann die Teller in den Besitz des Künstlers gelangten, lässt sich allerdings nicht mehr genau feststellen.



Die Auseinandersetzung mit der Tradition

Manier zahlreiche quaternäre Motive und verwandte allegorische Themen auf.49 Thornhill verfügte darüber hinaus über eine umfangreiche Sammlung an klassischer europäischer Kunst der Renaissance und des Barock, aus der Hogarth seine Motivkenntnisse schöpfen konnte.50 Der traditionelle Ripasche Formenkanon war nicht zuletzt spätestens durch die 1709 erschienene Iconologia-Ausgabe von Pierce Tempest auch in England allgemein verbreitet.51 In der englischen Kunst selbst war das Thema der Tages- oder Jahreszeiten hingegen kaum vertreten. Meist handelte es sich entsprechend der damaligen Lage der dortigen Kunstproduktion um Werke auswärtiger, kontinentaleuropäischer Künstler.52 Genuin ‚englische‘ Beispiele waren weniger in der bildenden Kunst als vielmehr in Dichtung und Literatur anzutreffen. Zu nennen sind hier beispielsweise die barocken Quaternion-Gedichte von Thomas Nash oder der bereits erwähnte populäre Gedichtzyklus The Seasons von James Thomson, der zwischen 1726 und 1730, das heißt wenige Jahre vor dem Erscheinen der Hogarthschen Zeitenfolge veröffentlicht wurde.53 Insofern mag es nicht verwundern, dass mehrere Hogarth-Kommentatoren wie Trusler oder Ireland die Four Times of Day in ihren Besprechungen vorrangig mit dichterischen Umsetzungen des Stoffes verglichen, zumal im Augustan Age gerade die pastora-

49 Siehe hierzu genauer Edward Croft-Murray: Decorative painting in England 1537–1837, 2  Bde, London 1962/1970, hier: Bd. 1: Early Tudor to Sir James Thornhill, London 1962, S. 69–78 sowie die Auflistung der Dekorationsmalereien Thornhills mit Kurzbeschreibungen auf S. 265–274. Zu Greenwich Hospital, wo Thornhill in den Fresken der Painted Hall die meisten quaternären Modelle verarbeitete, darunter die Vier Winde, die Vier Jahreszeiten, die Vier Flüsse Englands und die Vier Kontinente, siehe N. N.: An Explanation of the Painting in the Royal-Hospital at Greenwich by Sir James Thornhill, London 1730, S. 4–16. 50 S. Shesgreen weist in diesem Zusammenhang auf Thornhills weite Bestände an europä­ ischer Druckgraphik hin, die auch quaternäre Allegorien umfassten; siehe Shesgreen 1983, S. 106. 51 Tempest 1709. 52 Siehe die exemplarische Auflistung bei Pigler 1956, Bd. 2, die zu den Tageszeiten keine englischen Beispiele aufführt (S. 499 f.) und zu den Jahreszeiten nur wenige Werke (S. 492– 499). Zur Verbreitung quaternärer Themen in der englischen Dekorationsmalerei des späten 17. und frühen 18. Jhs siehe auch den Katalog bei Croft-Murray 1962, Bd. 1, S. 244–250, S. 254 f. u. 259 sowie ebd., Bd. 2: The Eighteenth and Early Nineteenth Centuries, London 1970, S. 165, 173 f., 186, 214, 233–235, 278 f. u. S. 297–300 mit späteren Beispielen. Zur Dominanz ausländischer Künstler im damaligen England siehe die zeitgenössischen Kommentare bei Du Bos 1719, Bd. 2, S. 144 f. sowie Jean André Rouquet: The Present State of the Arts in England, London 1755, S. 13 f. Siehe auch Busch 1977, S. 129 f. 53 Zu Thomson siehe zuvor S. 88 ff. E. Einberg verweist im Hinblick auf das literarische Umfeld zudem auf die Werke der englischen Dichterin Anne Bradstreet, die wie etwa The Tenth Muse Lately Sprung up in America quaternäre Zyklen zum Thema haben. In ihnen sieht sie ein mögliches Vorbild für die Hogarthsche Folge; vgl. Elizabeth Einberg: The true darkness of Hogarth’s „Night“ and some thoughts on his quaternions, in: British Art Journal 17/1 (2016), S. 3–7, hierzu S. 5–7. Um die Mitte des 17. Jhs entstanden, sind sie als direktes Vorbild jedoch eher abzulehnen.

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len Dichtungen der römischen Antike, etwa von Horaz oder Vergil, präsent vor Augen standen. Folgt man den Ausführungen Sean Shesgreens, so waren es im Bereich der bildenden Kunst insbesondere druckgraphische Werke niederländisch-flämischer Künstler des ausgehenden 16. und des 17. Jahrhunderts, die zur Bekanntheit des Tages- und Jahreszeitenmotivs in England beitrugen. Die Stiche kursierten auf dem Kunstmarkt, wurden in Buchläden gehandelt und waren bei Auktionen in den populären Londoner Coffee Houses öffentlich ausgestellt.54 In englischen Sammlungen befanden sich darüber hinaus einzelne Gemälde, so beispielsweise die beiden ebenfalls mit dem Tageszeitenthema verbundenen großformatigen Werke Sommer und Winter von Peter Paul Rubens, die seit 1627 im Besitz des Duke of Buckingham waren und später in die Königliche Sammlung gelangten.55 Neben diesen niederländischen Arbeiten waren auch Zeitenfolgen von französischen Künstlern wie François Boucher oder Nicolas Lancret bekannt, die nahezu zeitgleich mit der Hogarthschen Version entstanden und in Nachstichen Verbreitung fanden.56 Auffälligerweise zeigen diese Werke eine ähnliche Tendenz hin zu einer zeitgemäßen, profaneren Bildsprache, wie sie auch bei Hogarth zutage tritt. So wählt Boucher in seinem 1734 entworfenen Zy­ klus der Vier Tageszeiten als Darstellung des Mittags eine junge Frau mit Sonnenschirm, die ihre Taschenuhr an einer Sonnenuhr ausrichtet (Abb. 51). Lancret wiederum verbildlicht den Morgen in seiner Folge der Heures du Jour statt durch eine erhabene Landschaft durch eine Frühstücksszene in einem Innenraum.57 Zwar wurden Lancrets Tageszeiten erst nach den Four Times of Day entwickelt, vergleichbare Alltagsmotive weisen aber auch seine anderen Viererzyklen wie die Lebensalter des Menschen von 1735 oder die Vier Elemente von 1732 auf, die als Nachstiche im Mercure

54 Siehe Shesgreen 1983, S. 105 f. und Paulson 1971, Bd. 1, insb. S. 60. 55 Peter Paul Rubens: Sommer – Bauern auf dem Weg zum Markt, um 1618, Öl auf Lw., 143,4 × 223 cm und Winter – Das Innere einer Scheune, 1618–1619, Öl auf Lw., 121,4 × 223 cm, beide Royal Collection, London, Buckingham Palace. Die beiden Motive fanden auch durch Nachstiche Verbreitung; siehe die Beispiele in Kat. ’s-Hertogenbosch/Leuven 2002, S. 148 f. Kat. Nr. 75 f. Zu Hogarths Vertrautheit mit der klassischen Historienmalerei und den Werken in damaligen englischen Sammlungen siehe auch Antal 1962, v. a. S. 139–143. 56 Zur Verbreitung französischer Kunst in England und Hogarths Bezügen zum Kunstschaffen in Frankreich siehe genauer Robin Simon: Hogarth, France and British art. The rise of the arts in 18th century Britain, London 2007, insb. S. 93 mit konkretem Verweis auf Hogarths Four Times of Day sowie Kat. London 1995, S. 58. Auch F. Antal weist bereits auf die Verbindung Hogarths zur französischen Kunst hin; siehe Antal 1962, u. a. S. 93 und S. 109–111 sowie kritisch zur Abhängigkeit von der niederländischen Kunst des 17. Jhs u. a. S. 98–101 und S. 104 f. 57 Nicolas Lancret: Les Heures du Jour, 1739, Öl auf Kupfer, je ca. 28 × 36 cm, London, The National Gallery; hierzu sowie auch zur Serie Bouchers Paul Ackroyd, Ashok Roy und Humphrey Wine: Nicolas Lancret’s ‚The Four Times of Day‘, in: National Gallery Technical Bulletin 25 (2004), S. 48–61.



Die Auseinandersetzung mit der Tradition

51 Gilles-Edmé Petit nach François Boucher, Le Midy. La dame reglant sa montre, 1734, Kupferstich, New York, The Metropolitan Museum of Art

de France veröffentlicht wurden und dadurch auch Hogarth bekannt gewesen sein dürften. Ungeachtet dieser französischen Beispiele sieht Sean Shesgreen die genannten niederländisch-flämischen Zyklen als Hauptreferenzquelle für die Hogarthsche Tageszeitenfolge an, geben sie doch die Tradition vor, mit der sich Hogarth auseinandersetzt.58 Shesgreen zufolge kommen vor allem die Werke von Crispijn de Passe dem Älteren oder Jan van de Velde in Betracht, die in England zu Beginn des 18. Jahrhunderts besonders verbreitet waren.59 Vermutlich kannte Hogarth darüber hinaus aber auch die populären Jahreszeitenfolgen des zeitweise in England tätigen böhmischen Kupferstechers Wenzel Hollar, der – ähnlich wie Hogarth – zunehmend die städtische Umgebung in seine Szenen einbezog. Die niederländischen Zyklen stellen die Tageszeiten, ebenso wie es zuvor bereits für die Jahreszeiten beschrieben wurde,60 vornehmlich durch Götter oder allegorische Figuren dar. De Passe etwa wählt für seine wohl um 1635 geschaffene 58 Siehe dazu ausführlich Shesgreen 1983, S. 25–88. Ebenso beschreibt auch R. Paulson die Serie als „Hogarth’s closest approximation to the Dutch style“; Paulson 1992, Bd. 2, S. 135. Die Nähe Hogarths zur niederländischen Tradition sowie insb. zu Rembrandt wurde auch an anderer Stelle beschrieben; siehe Busch 1977, u. a. S. 9 f. 59 Siehe Shesgreen 1983, S. 105 f. 60 Hierzu zuvor S. 44–47.

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Folge die weiblichen Gottheiten Aurora, Venus, Diana und Proserpina mit ihren jeweiligen Attributen. In den im Hintergrund abgebildeten Landschaften werden in deutlich kleinerem Maßstab tageszeitenspezifische Tätigkeiten sichtbar.61 Ein weiterer Zyklus De Passes’ zeigt die einzelnen Zeiten als männliche und weibliche Gestalten, die statuenhaft in rechteckigen Nischen erscheinen. Unterhalb der Figuren sind Kartuschen angebracht, die zur jeweiligen Tageszeit passende Szenen zeigen: eine Jagdgesellschaft am Morgen, am Mittag einen Mann und eine Frau beim Mahl, am Abend ein Paar beim Spaziergang und eine Schlafende zur Verbildlichung der Nacht.62 Mehr Raum nehmen diese Tätigkeiten in einem früheren Zyklus von Maarten de Vos ein.63 In der Tradition mittelalterlicher Planetenbilder ist die Szenerie in zwei Register geteilt: eine obere himmlische Sphäre, die von einer die jeweilige Tageszeit repräsentierenden Gottheit beherrscht wird, und eine untere Sphäre, in der sich das irdische Geschehen abspielt. Die göttlichen Verkörperungen, Aurora für den Morgen, Sol-Apoll für den Mittag, Luna-Diana für den Abend und Nox-Saturn für die Nacht, nehmen eine dem jeweiligen Tagesabschnitt entsprechende Körperhaltung ein, ähnlich wie es in den vorbildhaften Grabmalsskulpturen Michelangelos in der Florentiner MediciKapelle zum Ausdruck kommt: Aurora stützt sich mit einer Hand von ihrem Wolkenlager ab und richtet sich auf. Sol schwebt in dynamisch-bewegter Pose über der Szenerie. Luna bettet sich zur Nacht, während Nox, den Kopf auf die Hand gestützt, bereits in den Schlaf gesunken ist. Das untere Bildregister ist den zeitenspezifischen irdischen Aktivitäten vor dörflicher Kulisse gewidmet. Am Morgen wird die Herde auf die Weide getrieben, Jäger rufen zur Jagd, Angler gehen auf Fischfang, Kinder sind auf dem Weg zur Schule. Die Mittagsszene zeigt eine ähnliche Zweiteilung, wie sie auch bei Hogarth in Noon zu beobachten ist. Das höfische Leben auf der linken Seite wird dem bäuerlichen auf der rechten gegenübergestellt. Während die Bauern ihre Arbeit auf dem Feld unterbrechen und im Schatten der Bäume pausieren, sieht man links eine feine Gesellschaft beim Speisen und Lustwandeln im Garten einer ländlichen Villa. Am Abend (Abb. 52) streben die Dorfbewohner aus der Kirche und die Herden werden in die Ställe getrieben. Die Nacht zeigt einen Fackelzug. Die metaphorisch mit dem Tagesende verbundene Vorstellung vom Tod wird durch den Hausbesuch eines Pfarrers bei einem Sterbenden verdeutlicht. Rechts daneben sieht man, vergleichbar mit dem Barbier bei Hogarth, einen Bäcker bei seiner nächtlichen Arbeit. Die zugehörigen lateinischen Bildunterschriften parallelisieren den gezeigten Ablauf des Tages dabei mit den Lebensaltern des Menschen. Eine ähnliche Zweiteilung in eine obere himmlische und eine untere irdische Sphäre findet sich im Übrigen auch später in den Jahreszeiten-Illustrationen William 61 Siehe Hollstein 1981, Bd. 25, S. 204 Nr. 593–596 sowie Shesgreen 1983, S. 74 ff. mit Abb. 25 ff. und Abb. 29–32. 62 Siehe Hollstein 1981, Bd. 25, S. 203 Nr. 589–592. 63 Zur Serie von Maarten de Vos siehe auch Hollstein 1951, Bd. 4, S. 204 Nr. 457–460 (Maarten de Vos) und Stuttgart 1997, S. 134–136 Kat. Nr. 35.1–4.



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52 Adriaen Collaert nach Maarten de Vos, Der Abend (aus: Die Vier Tageszeiten), um 1560, Kupferstich, Stuttgart, Staatsgalerie

Kents (Abb. 41) zur 1730 veröffentlichten Gesamtausgabe von Thomsons Seasons wieder, die Shesgreen unerwähnt lässt. Zeitlich näher als die Werke De Vos’ könnten sie Hogarth eher als Vorlage und Beispiel der Darstellungstradition gedient haben als die niederländisch-flämischen Verbildlichungen. Vergleicht man die barocken Zyklen und die Illustrationen Kents mit der Hogarthschen Umsetzung, so lassen sich bei Hogarth zahlreiche subtile Verweise und Anspielungen auf die Bildtradition der Tages- und Jahreszeiten erkennen. Dabei wird deutlich, wie sehr sich der Künstler von der konventionellen Darstellungsweise löst beziehungsweise diese in humoristischer Weise unterläuft.64 Es beginnt mit der Verlagerung der ursprünglich in der Natur angesiedelten Szenen in die Stadt, auf die schon Lichtenberg in seiner eingangs zitierten Ausführlichen Erklärung hinweist. Zwar waren städtische Ansichten auch in vorangegangenen Zeitenfolgen präsent, wie es bei der Serie von Maarten de Vos zu beobachten war. Anders als De Vos nutzt Hogarth die Stadt jedoch nicht als bloße Staffage, sondern dringt gleichsam in sie ein und zeigt Straßen, Plätze und Gebäude sowie letztlich auch die Stadtbewohner in der Nahansicht. Die Stadt wird zum eigentlichen Ort der Handlung. Damit löst sich Hogarth von den pastoralen Landschaftsidyllen der Zeitentradition und erschafft,

64 Siehe hierzu auch Voßkamp 2022, S. 148–152.

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wie Roland Paulson es nennt, eine „urban pastoral“.65 Bei der gezeigten Stadt handelt es sich darüber hinaus nicht um ein beliebiges urbanes Gefüge, sondern um die Me­ tropole London und darin um konkrete Orte, an denen sich der Künstler selbst aufhielt und die ihm sehr gut vertraut waren.66 Der städtische Raum scheint dabei neue Bedingungen zu setzen, denen die Hogarthschen Tageszeiten unterworfen werden. Dies betrifft zum Beispiel die Wahrnehmung tages- und jahreszeitlicher Phänomene anhand der umgebenden Natur. Während in den traditionellen Zyklen das Fortschreiten von Tag und Jahr ausgehend von sich verändernden Erscheinungen der Landschaft und des Wetters nachvollzogen werden konnte, scheint der städtische Raum bei Hogarth in dieser Hinsicht kaum Orientierung zu bieten. Die Natur ist aus den in der Stadt angesiedelten Szenen verdrängt. Selbst in der auf dem Lande verorteten Evening-Episode scheint der Betrachter gezwungen, nach anderen Anhaltspunkten zur Bestimmung der Tages- oder der Jahreszeit zu suchen. So schlussfolgert der Hogarth-Kommentator Ireland mit Blick auf den Abend: „From a woman milking a cow, we conjecture the hour to be about five in the afternoon“.67 In den städtischen Szenen versperrt die urbane Bebauung den Blick in den Himmel, wie es im zweiten Bild Noon deutlich wird. Wettereinflüsse wie Wind, Schnee oder Dunkelheit werden durch die städtischen Gebäude und Strukturen abgefangen und verlieren an Wirkkraft und Erfahrbarkeit. So hängt der Papierdrachen im Mittagsbild (Abb. 43) reglos vom Kirchdach herab und die Kirchgängerin in Morning (Abb. 42) scheint in ihrem sommerlichen weit dekolletierten Kleid – ungeachtet möglicher Eitelkeiten  – von der offensichtlichen winterlichen Kälte nahezu unbeeindruckt. In der letzten Szene Night (Abb. 45) verdrängt die Fülle an Lichtquellen die nächtliche Dunkelheit und ermöglicht den Fortgang des städtischen Lebens, wie am Barbier sichtbar wird, der seine Arbeit ungehindert fortsetzen kann.68 Die neuen Bedingungen der Stadt wirken sich aber auch auf die Tätigkeiten aus, die die einzelnen Abschnitte des Tages oder des Jahres typischerweise vorstellen. Den Austrieb der Viehherde am Morgen ersetzt der Gang zum Markt. Die Stadtbewohner streben nicht aufs Feld oder zur Jagd, sondern zum Einkaufen oder zur Kirche oder sind gar nach durchzechter Nacht noch wach. Das Mittagessen wird in den Gasthäusern der Stadt eingenommen. Am Abend versucht man vergebens der Stadt zu entfliehen, wobei der besinnlich gewähnte Spaziergang zudem durch andere Aus-

65 Paulson 1992, Bd. 2, S. 127; siehe auch ders.: The Art of Hogarth, London 1975, S. 12 („town pastorals“). Paulson greift damit wohl Irelands Bezeichnung „London pastoral“ auf, die letzterer zur Beschreibung der außerhalb der Stadt angesiedelten Abend-Szene verwendete; Ireland 1793, S. 129. 66 Siehe auch Porter, der London als „inspirational genius loci“ für Hogarth bezeichnete; Porter 1997, S. 47–64, hier S. 47. 67 Ireland 1793, Bd. 1, S. 143. 68 Hierauf weist bereits Lichtenberg hin; Lichtenberg 1794, S. 219 f.



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flügler gestört wird. Das beständig anhaltende städtische Treiben zerstört schließlich auch jegliche Ruhe in der Nacht. Wie Shesgreen aufzeigt, werden die zeitentypischen Aktivitäten bei Hogarth aber nicht nur den Gegebenheiten der Stadt angepasst, der Künstler verkehrt sie da­­ rüber hinaus – man denke an seine in den Zeitungsankündigungen verwendete Formulierung „in a humorous Manner“  – ins Komische.69 Die damit einhergehende Abkehr von der emblematisch-allegorischen Darstellungsweise stellte bereits Horace Walpole heraus, indem er in seinen Anecdotes zu Hogarth festhielt: „If he had an emblematic thought, he expressed it with wit, rather than by a symbol.“70 Die humoristischen Wendungen konterkarieren dabei auch die eigentlich erhabene Aussage der Zeitenzyklen. Kennzeichnend für die Morning-Szene ist nicht etwa die mit dem Tagesanbruch verbundene Geschäftigkeit. Die Abläufe, vor allem die, die im Vordergrund sichtbar werden, wirken eher gehemmt: Die Kirchgängerin hat ihren Weg zur Kirche unterbrochen. Die Marktleute und Bettlerinnen auf der linken Bildseite erscheinen untätig, während in der rechten Bildhälfte zwei Jungen auf dem Weg zur Schule angehalten haben und sich durch das Marktgeschehen von ihrer eigentlichen Aufgabe abhalten lassen. In der nächsten Szene, Noon, wird das für den Mittag charakteristische Essen eher verschüttet oder gar aus dem Fenster geworfen als dass es jemand zu sich nimmt. Außer dem ärmlich gekleideten Mädchen am rechten Bildrand, das die herabgefallenen Teigreste von der Straße aufliest, isst hier niemand. Auch das für den Abend gewählte Motiv des Spaziergangs im Evening-Bild, das von allen Szenen wohl das meiste allgemein erkennbare humoristische Potenzial birgt, wird persifliert. Die Akteure sind durch die Hitze gehemmt; eines der Kinder hat zudem seinen Schuh verloren und muss getragen werden. Mit den nächtlichen Unruhen auf der Straße zeigt die letzte Szene schließlich in übertriebener Form die Belebtheit und Dynamik, die man eher in Morning erwartet hätte. Ein weiteres Merkmal der barocken Zyklen neben der Schilderung spezifischer Tätigkeiten sind die Götter, die, wie bei Crispijn de Passe gezeigt, die jeweilige Tages- oder Jahreszeit repräsentieren und zugleich eine Anbindung der Szene an den Kosmos erzeugen. In den Hogarthschen Four Times of Day scheinen diese Gottheiten, die bei De Passe prominent ins Bild gesetzt sind, jedoch zu fehlen oder, wie Sean Shesgreen es formuliert, als „ordinary city dwellers“71 im städtischen Geschehen aufgegangen zu sein. So meinen Shesgreen und, ihm folgend, Werner Busch in den Prota­ gonisten der verschiedenen Szenen versteckte Anspielungen auf die Tageszeitengöt-

69 Siehe hierzu sowie zum Folgenden Shesgreen 1983, S. 114–122. 70 Horace Walpole (Hg.): Anecdotes of Painting in England, with some Account of the Princi‑ pal Artists; and Incidental Notes on Other Arts, 4 Bde, London 1796, hier Bd. 4, S. 156. Zum wit-Begriff, der nicht primär im Sinne von „Scherz“ oder „Witz“ zu verstehen ist, sondern bei dem meist auch die Bedeutung einer geistreichen Idee mitschwingt, siehe genauer Busch 1977, S. 41–43. 71 Shesgreen 1983, S. 109.

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ter zu erkennen:72 Die Kirchgängerin der Morning-Szene (Abb. 42) wird für beide wegen ihrer hellen, farblich an die Morgenröte erinnernden Kleidung zu einer modernen Aurora. Ähnlich wie die Göttin mit steter Regelmäßigkeit den Tag ankündige, erscheine auch die Alte allmorgendlich zur Kirche. Shesgreen sieht diese Deutung durch eine Passage in Henry Fieldings wenig später entstandenem Roman Tom Jones bestärkt, der für die Beschreibung der Miss Bridget Allworthy auf die Hogarthsche Figur zurückgreift und sie als „no improper Emblem“73 für den Wintermorgen bezeichnet. Wie bei den abgebildeten zeitenspezifischen Tätigkeiten kommt auch hier Hogarths humoristische Verkehrung zum Ausdruck. Bei näherer Betrachtung erscheint die Londoner Aurora nämlich nicht wie die Göttin üblicherweise jung und schön, sondern ältlich und eingefallen. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Bild. Hier sehen Shesgreen und Busch die den Mittag repräsentierende Göttin Venus durch die halb entblößte Magd auf der rechten Seite verkörpert, wobei sie sich auf eine Äußerung Hogarths in seinem unter dem Pseudonym „Britophil“ verfassten Essay beziehen. In diesem Text, in dem Hogarth die Abhängigkeit des englischen Kunstmarktes von auswärtiger Kunst kritisiert und sich für eine stärkere Wertschätzung der eigenen englischen Kunst ausspricht, wie sie durch die Werke seines Schwiegervaters Thornhill vertreten werde, positioniert er eine „English Cook-Maid“ als Gegenbild einer „Grand Venus“ der italienischen Meister. Erstere stehe der letzteren dabei an Schönheit in nichts nach.74 Die erhabene Gestalt der Göttin lasse sich also, wie in Noon geschehen, in Form einer einfachen Londoner Küchenmagd wiedergeben,  – ein humoristischer Kommentar auf die mythologischen Allegorien der Darstellungstradition. In der folgenden Szene, Evening (Abb. 44), identifiziert Shesgreen die hochschwangere Frau im Vordergrund als Abendgöttin Diana. Auch hierin meint der Autor eine parodierende Zuspitzung und Kritik an der Bildtradition zu erkennen, weil die matronenhafte Ehefrau, die ihrem Mann sichtlich die Hörner aufsetzt, nicht mit den klassischen Eigenschaften Dianas als agiler Jagdgöttin einerseits und keuscher Patronin der Jungfrauen andererseits übereinzustimmen scheint. Seine Deutung sieht Shesgreen durch das Motiv auf dem Fächerblatt der Frau bestätigt, das seiner Meinung nach die Begegnung von Diana und Aktäon zeige.75 Werner Busch hat diese Interpretation bereits relativiert, wie es im Übrigen auch zeitgenössische Betrachter bereits erkannten. Da auf dem Fächerbild am rechten Blattrand Amor zu sehen ist, 72 Hierzu Shesgreen 1983, S. 108–114 und Busch 2013, S. 275–278. 73 Siehe Fielding 1749, Bd. 1, S. 42. Ebenso nannte sie auch ein anderer Zeitgenosse, Ireland, „a perfect symbol of the season“; Ireland 1793, Bd. 1, S. 130. 74 William Hogarth in seinem sog. Britophil-Essay; Erstveröffentlichung in St. James’s Eve‑ ning Post vom 6./7. Juni 1737, wiederabgedruckt in The London Magazine 6 (Juli  1737), S. 385 f., hier S. 385 [Hervorhebungen im Original]. Siehe dazu auch Shesgreen 1983, S. 110 oder Paulson 1992, Bd. 2, S. 138. 75 Vgl. Shesgreen 1983, S. 112 f. Diese Deutung findet sich auch bei Paulson 1992, Bd. 2, S. 139 und Riding 2006, S. 135.



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kann es sich nicht um Diana und Aktäon handeln, sondern vielmehr um die Geschichte von Venus und Adonis, die schließlich auch eher mit der Jahreszeitentradition in Verbindung steht.76 In der matronenhaften Frau findet sich also die Göttin Venus wieder, die ebenso den Abend repräsentieren kann; ihr Ehemann wird zum betrogenen Göttergemahl Vulkan. Zu den Göttern im letzten Bild, Night (Abb. 45), liegen schließlich verschiedene Deutungen vor. So glauben einzelne Autoren in der Insassin der umgestürzten Kutsche die bereits in der Antike mit der Nacht verbundene Herrscherin der Unterwelt, Proserpina, zu erkennen, den ebenfalls die Nacht repräsentierenden Gott Saturn oder den Herrscher der Unterwelt, Pluto, wiederum in dem streitsüchtigen Freimaurer im Vordergrund des Bildes.77 Unabhängig davon, ob überhaupt und wie die Götter letztlich in der Hogarthschen Serie zu verorten sind, legt das Spektrum all dieser in der Literatur vorgestellten Deutungen einen wesentlichen Aspekt der Four Times of Day offen, nämlich die Uneindeutigkeit der Bildsprache Hogarths, die er hier bewusst anzustreben scheint.78 Dies wird vor allem am Beispiel der Venus-Diana in der Eve‑ ning-Szene deutlich. Sobald der Künstler von bekannten Darstellungsmustern abweicht, auf typische Attribute verzichtet oder andere Kennzeichen für seine Figuren wählt, wird die Zuordnung erschwert. Der Betrachter sucht vergebens nach festen Deutungshilfen. Hogarth scheint genau mit diesen Doppeldeutigkeiten zu spielen und sie absichtlich im Werk anzulegen. Im Zusammenspiel mit der beschriebenen humoristisch-parodierenden Art der Schilderung der Szenen dient ihm die Offenheit seiner Bildsprache als Mittel, um die Relevanz der tradierten Darstellungsweise zu prüfen.

Mythos als Verkleidung Die in den Four Times of Day zum Ausdruck gebrachte kritische Haltung gegenüber der klassischen mythologisierenden Darstellungsweise der Tages- und der Jahreszeiten findet in einem weiteren Werk von Hogarth ihre Bestätigung. Es handelt sich um die Strolling Actresses Dressing in a Barn (Abb. 53), die der Künstler im März 1738 als fünften Stich gemeinsam mit den Four Times of Day in einem zusammenhängenden „Set of 76 Siehe Busch 2013, S. 277 f. Zu demselben Ergebnis kam seinerzeit bereits Lichtenberg 1794, S. 200. 77 Siehe u. a. Shesgreen 1983, S. 113 f., Paulson 1992, Bd. 2, S. 140 oder Uglow 1998, S. 303. 78 Die Vieldeutigkeit der Hogarthschen Bildsprache beobachtete in Anlehnung an eine Äußerung Lichtenbergs bereits Werner Busch: Lektüreprobleme bei Hogarth: Zur Mehrdeutigkeit realistischer Kunst, in: Joachim Möller (Hg.): Hogarth in context. Ten Essays and a Biblio‑ graphy, Marburg 1996, S. 17–35, insb. S. 17–19. Busch nahm dabei jedoch vor allem die Verwendung traditioneller Bildschemata in neuen Kontexten und den damit zusammenhängenden Verbindlichkeitsverlust dieser Formeln in den Blick, weniger allerdings die wohl bewusst hervorgerufene und beabsichtigte Verwirrung des Betrachters durch den Einsatz mehrdeutiger Zeichen.

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53 William Hogarth, Strolling Actresses Dressing in a Barn, 1738, Radierung, New York, The Metropolitan Museum of Art

Prints“ veröffentlichte.79 Die der Graphik zugrunde liegende Gemäldefassung entstand zwischen 1736 und 1737 wohl unmittelbar im Anschluss an die Tageszeitenserie. 1874 ging das Gemälde in einem Feuer verloren, so dass sich das Verhältnis zwischen gemalter Version und graphischer Umsetzung nicht mehr rekonstruieren lässt.80 79 Siehe Hogarths Ankündigungen in der Tagespresse, u. a. die Anzeige im London Daily Post and General Advertiser vom 25. April 1738 (Nr. 1088): „Mr. HOGARTH HAVING finish’d a Set of Prints, four of which represent, in a humorous Manner, the four Times of the Day, and the fifth a Company of Strolling Actresses dressing themselves for the Play in a Barn […]“ [Hervorhebung im Original] sowie vom 4. Mai 1738 (Nr. 1096): „Mr. HOGARTH HATH just pub­ lish’d, at Il. 5 s. a Set, Five Prints, four of which represent in an humorous Manner the Four Times of the Day, and the fifth a Company of Strolling Actresses dressing themselves for the Play in a Barn […].“ In den ersten Ankündigungen aus dem Januar fehlt der Begriff „Set“ noch, alle fünf Werke werden aber dennoch zusammen angekündigt; vgl. ebd. den Anzeigentext vom 23. Januar 1737/8: „Mr. Hogarth Proposes to Publish by Subscription, FIVE large Prints from Copper-Plates […]“. Neben der gemeinsamen Edition der Stiche wurden auch alle fünf Gemäldefassungen zusammen zur Versteigerung gebracht. H. Walpole bezeichnete die Strolling Actresses im Übrigen als „[…] for wit and imagination, without any other end, I think the best of all his works“ im Gegensatz zu den Four Times of Day, die er bis auf Night als „inferior to few of his works“ ansah; Walpole 1796, Bd. 4, S. 156 u. S. 158. 80 Siehe u. a. Ronald B. Beckett: Hogarth, London 1949 (English master painters), S. 74. Laut Beckett war das Gemälde im Besitz eines gewissen Mr. Wood und fiel am 18. Dezember 1874



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Außer dem gemeinsamen Editionsdatum scheint die fünf Werke auf den ersten Blick nichts zu verbinden: Die Four Times of Day bilden einen thematisch in sich abgeschlossenen Zyklus. Ihr Hochformat trifft auf das Querformat der Strolling Actresses. Den in der Stadt unter freiem Himmel angesiedelten Episoden steht eine Szene im Innenraum gegenüber. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch deutliche Bezüge, die eine gemeinsame Veröffentlichung der Stiche als „Set“ erklären.81 Zu sehen ist eine fahrende Schauspieltruppe, die, wie bereits der Bildtitel angibt, hauptsächlich aus weiblichen Mitgliedern besteht.82 Der Blick fällt in eine alte Scheune mit brüchigem Dach, die in eine provisorische Garderobe umgewandelt wurde. Im Innern herrscht hektisches Treiben: Letzte Vorbereitungen werden getroffen, Kostüme angepasst und Rollen einstudiert. Aus dem Wirrwarr an Personen, Tieren, Requisiten und Bühnenapparaten sticht eine junge Frau in der Bildmitte hervor, die den Betrachter direkt anblickt. Den linken Arm nach oben gestreckt, den rechten in die Hüfte gestemmt, hat sie eine ungewöhnliche Pose eingenommen, deren Bewegungen ins Leere zu führen scheinen. Auch ihr Kostüm wirkt unfertig. Ihr Unterrock ist zu Boden gerutscht und das locker sitzende Obergewand scheint jeden Moment einem Brand in dessen Haus in Lyttleton zum Opfer. Durch den Verlust des originalen Ölgemäldes ist nicht zu klären, ob die Stichfassung wie bei den Tageszeiten seitenverkehrt angelegt war. Bei Ireland, dessen Stichillustrationen der Four Times of Day sich nach den Gemäldefassungen richten, erscheint die Abbildung der Strolling Actresses wie die graphische Fassung; dies würde dafür sprechen, dass der Stich das Gemälde nicht seitenverkehrt wiedergab; siehe die Abb. bei Ireland 1793, Bd. 1, vor S. 155. Zur graphischen Fassung der Strolling Actresses siehe auch Paulson 1965, Bd. 1, S. 182 f., Nr. 156. Laut Paulson weist besonders der vierte Zustand zahlreiche Veränderungen und Überarbeitungen auf. So wurden ganze Partien verdunkelt, mehrere Löcher im Scheunendach gefüllt und das Inkarnat der Personifikation der Nacht geschwärzt. Auf die durch die Verschattungen entstehenden malerischen Qualitäten des Stichs weist Kiaer hin; siehe Christina Kiaer: Professional Femininity in Hogarth’s Strolling Actresses Dressing in a Barn, in: Bernadette Fort und Angela Rosenthal (Hg.): The Other Hogarth. Aesthetics of Difference, Princeton, New Jersey 2001, S. 76–99, S. 79 f. 81 Auf die enge Verbindung zwischen den Four Times of Day und den Strolling Actresses hat bereits Shesgreen hingewiesen; siehe Shesgreen 1983, insb. S. 133 f. Die von ihm in diesem Zusammenhang angeführte besonders enge Verbindung des Werks zum Evening-Blatt erscheint hingegen nicht ganz schlüssig; vgl. ebd. S. 136 f. Betrachtet man alle fünf Werke als Ensemble, sind die Strolling Actresses der 1734 entstandenen Arbeit Southwark Fair vergleichbar, die eine Art Epilog und Kommentar zur Serie A Rake’s Progress darstellt; ebd. S. 133. Dafür, die Werke gemeinsam zu behandeln, spricht im Übrigen auch, dass die Strolling Actresses in den Werkbesprechungen in der unmittelbaren zeitlichen Nachfolge Hogarths meist zusammen mit den Four Times of Day erwähnt wurden; so u. a. bei Ireland 1793, Bd. 1, S. 150–170. In jüngerer Zeit wird der Stich bei der Analyse des Tageszeitenzyklus’ jedoch nicht immer einbezogen; so etwa bei Busch 2013. 82 Dass sich der Titel allein auf weibliche Akteure bezieht, fiel bereits Lichtenberg als ungewöhnlich auf; siehe Lichtenberg 1794, Bd. 1, S. 5 f. Kiaer nimmt diese Tatsache zum Anlass, das Werk unter genderspezifischen Aspekten zu analysieren und es in den Kontext misogyner Tendenzen im 18. Jh. zu stellen, die auch Formen von Homosexualität tabuisierten. Einen Bezug zu den Four Times of Day diskutiert sie dabei nicht; siehe Kiaer 2001.

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den Blick auf die entblößte Brust freizugeben. Ein kleiner Halbmond, den sie als Teil eines aufwendigen Federschmucks im Haar trägt, weist die Figur als Göttin Diana aus.83 Ein heimlicher Beobachter, der fast unmerklich rechts oben durch ein Loch im Dach in die Scheune blickt, ruft Reminiszenzen an das klassische Motiv des Bades der Diana hervor.84 Um Diana herum sind weitere mythologische Wesen versammelt, die, wie sie selbst, ebenfalls der Tages- und Jahreszeitentradition entstammen:85 Links vor ihr kniet Flora vor einem als Frisiertisch dienenden Korb, dahinter sieht man den geflügelten Amor auf einer Leiter, der für eine in Rückansicht gezeigte, Apoll oder Jupiter darstellende Figur mit einem Sonnenkranz Strümpfe von einer Kulissenwolke herunterholt. Links daneben erscheint eine Dreiergruppe aus Aurora, einer Sirene und einer in der Forschungsliteratur oft als Ganymed beschriebenen Hosenrolle.86 Vor ihnen in der linken Ecke des Bildes füttert eine mit einer Adlermaske verkleidete Schauspielerin einen Säugling. Die rechte Hälfte des Bildes wird von Juno und Nox im Vordergrund eingenommen. Hinter den beiden versuchen zwei ältere hexenartige Frauen aus dem Schwanz einer sich heftig sträubenden Katze Blut zu gewinnen, während neben ihnen zwei als Teufel verkleidete Kinder ihr Unwesen treiben.87 Die göttliche Besetzung findet sich auf zwei Theaterzetteln wieder, die halb ausgerollt auf einem Bett am linken Bildrand liegen.88 Sie nennen auch das Stück, das gezeigt werden soll. Der Titel des fiktiven Werks, The Devil to Pay in Heaven, übersetzt „dem Teu83 Die Körper- und Armhaltung der Figur erinnert insofern an die der im Musée du Louvre verwahrten römischen Marmorskulptur Diana von Versailles, die im 18. Jh. durch zahlreiche Stichwerke bekannt war; so u. a. Montfaucon 1724, Supplbd. 1, S. 108 f. u. Taf. 42; zu Diana auch: Bd. 1,1: Les dieux des Grecs & des Romains, Paris 1722, S. 147 f. u. Taf. 87 sowie Thomassin 1723, hier Bd. 1: Les Statues Antiques & Modernes de Versailles, Taf. 5 (Diane d’Ephese). Bei Thomassin findet sich zudem die nach dem Vorbild der Diana gebildete Personifikation des Abends, siehe ebd. Bd. 3, Taf. 89 (Le Soir). Im Gegensatz zum antiken Vorbild fehlen Hogarths Figur allerdings der mit Pfeilen gefüllte Köcher und der Hirsch an ihrer Seite. 84 Siehe auch Lichtenberg 1794, S. 26. Paulson zufolge wies die Graphik in den ersten Zuständen zudem weitere Löcher im Gebälk der Scheune auf; siehe Paulson 1965, Bd. 1, S. 182, Nr. 156. 85 Hierauf verweist auch Paulson 1992, Bd. 2, S. 140. 86 So bereits bei Lichtenberg 1794, S. 46. Siehe auch Paulson 1965, Bd. 1, S. 183 Kat. Nr. 156. Zur Geschlechteridentität der Figur vgl. außerdem Kiaer 2001, S. 95–97. 87 Antal sieht in den beiden Kindern eine Anlehnung an die Jungen hinter dem Altar aus Raffaels Opfer von Lystra; siehe Antal 1962, S. 73. Zur Vorbildhaftigkeit der Raffael-Kartons, die zur damaligen Zeit in Hampton Court ausgestellt waren, für die englische Malerei des 18. Jhs siehe zusammenfassend auch Busch 1977, S. 82 f. 88 Der eine Theaterzettel, auf dem die Besetzung sichtbar wird, führt an erster Stelle auffälligerweise eine männliche Rolle (Jupiter) auf und nennt hierbei auch den Namen des Schauspielers, Mr. Bilkvillage, während die Namen der weiteren ausschließlich weiblichen Rollen unkenntlich bleiben bzw. durch Punkte ersetzt sind. Ironischerweise enthält dieser Name das englische Wort „bilk“, das für „betrügen“ steht. Wie Paulson erwähnt, wurde der Name „Bilkvillage“ in einem späteren Zustand der graphischen Fassung geschwärzt; Paulson 1965, Bd. 1, S. 182 Kat. Nr. 156. Siehe dazu auch Kiaer 2001, S. 90 f.



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fel im Himmel seinen Tribut entrichten“, was im Englischen sprichwörtlich auch „das gibt eine schöne Bescherung“ oder „das wird übel enden“ bedeutet,89 erinnert an Charles Coffeys komische Operette The Devil to Pay: or, the Wives Metamorphos’d.90 In diesem 1731 uraufgeführten populären Stück über das Verhalten verheirateter Frauen heißt es zu Beginn der zweiten Szene: „But here’s a House turn’d topsy turvy, from Heaven to hell“,91 – ein Szenario, wie es sich dem Betrachter auch in den Strol‑ ling Actresses bietet. Im Anschluss an den Titel des Stücks ist auf den Theaterzetteln zu lesen: „Being the last time of Acting Before ye Act Commences“. Dieser Zusatz spielt auf den im Sommer des Jahres 1737 erlassenen Licensing Act an, der eine staatliche Genehmigungspflicht von Schauspielhäusern vorsah und damit Aktivitäten fahrender Truppen unterband. Ein entsprechend beschriftetes Papier („The Act against Strolling Players“) findet sich ebenfalls im Bild auf einer Requisitenkrone links neben den Theaterzetteln.92 Hogarths Stich lässt sich aber nicht nur als Reaktion auf den restriktiven Erlass verstehen. Wie Sean Shesgreen ausführt, ist das Werk, das mit den Graphiken der Four Times of Day als zusammenhängendes Ensemble erschien, vielmehr als eine Art „Epilog“ zur Tageszeitenfolge zu werten und liefert einen Schlüssel zu ihrem Verständnis, indem es die Überkommenheit der mythologisierenden Bildsprache in konzentrierter Form vor Augen führt.93 Ähnlich wie die Four Times of Day präsentieren die Strolling Actresses nämlich keine idealisierten Allegorien oder erhabenen Gottheiten. In ihren unfertigen, zum Teil notdürftig geflickten Kostümen, ihren linkischen Posen und ihrer amateurhaften Erscheinung im Provisorium der Scheune als

89 Siehe dazu u. a. Ebenezer Cobham Brewer: Dictionary of phrase and fable, giving the de­ rivation, source, or origin of common phrases, allusions, and words that have a tale to tell, London u. a. 1898, S. 347 (‚The Devil to Pay‘). 90 Hogarth erwähnt Coffeys Werk später auch in seinen Autobiographical Notes; siehe William Hogarth: The Analysis of Beauty, with the rejected passages from the manuscript drafts and autobiographical notes, hg. von Joseph Burke, Oxford 1955, S. 180. Paulson vermutet da­ rüber hinaus einen Bezug zu der John Arbuthnot zugeschriebenen Erzählung The Devil to Pay at St. James von 1727, die einen auf der Bühne ausgetragenen Streit zweier Primadonnen zum Thema hat; siehe Paulson 1965, Bd. 1, S. 182 Nr. 156. 91 Charles Coffey: The Devil to Pay; or, the Wives Metamorphos’d, London 1731, S. 4. 92 Mit dem Verweis auf den Act against Strolling Players zeigt Hogarths Werk Parallelen zu einem 1735 veröffentlichten Stich mit dem Titel The Player’s Last Refuge: Or the Strollers in Distress, der die sogenannte Playhouse Bill satirisch kommentierte, die 1735 dem Licensing Act vorausging. In diesem Stich finden sich auch die römische Standarte und weitere Uten­ silien wieder, die in den Strolling Actresses als Requisiten erscheinen; siehe zur Graphik Stephens 1873, Bd. 2,1, S. 90–94 Kat. Nr. 2146. 93 Shesgreen 1983, S. 134. Auch Paulson sieht den Stich als Kommentar zu den Four Times of Day, der die künstlerische Aussage der Serie unterstreichen soll; siehe Paulson 1991, Bd. 2, S. 127. Andere Autoren wie R. Simon konzentrieren sich allein auf eine mögliche politische Bedeutung des Werks im Zusammenhang mit dem Erlass des Licensing Act; vgl. Simon 2007, S. 120 ff., insb. S. 124; ebenso auch Antal 1962, S. 72 f.

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Umkleide- und Requisitenraum erweisen sich die Figuren sichtbar als Schauspieler. Die olympischen Götter entpuppen sich als zum Teil dilettantisch verkörperte Theaterrollen. Dianas Pose erscheint in ihrer Unbeholfenheit und ‚Menschenhaftigkeit‘ gänzlich unideal und entspricht durch ihre Entblößung nicht den eigentlich mit der Göttin verbundenen Eigenschaften der Keuschheit und Sittlichkeit. 94 Amors Flügel sind bloße Verkleidung; schließlich muss er auf eine Leiter steigen, um in die Höhe zu gelangen.95 Ebenso wird der Fischschwanz der Sirene durch die sichtbare Kordel, die ihn nach oben hält, als Kostümierung enttarnt. Durch die jeweiligen Attribute und die Verkleidung wird den Akteuren lediglich eine Rolle zuteil. Die Götterfiguren werden nicht repräsentiert, sondern nur gespielt. Darüber hinaus kommt das Theaterhafte auch im Aufbau des Bildes zum Ausdruck. So erscheinen die Personen in der Scheune wie auf einer Bühne angeordnet.96 Verstärkt wird dieser Eindruck durch Figuren wie Juno am rechten Bildrand, die eine theatralische Geste einübt und dabei einen Gesichtausdruck einnimmt, der Charles Le Bruns Expressions des passions entlehnt sein könnte.97 Auch die Gruppe aus Sirene und Ganymed scheint bereits ihren Dialog zu spielen. Hinzu kommen die durch die rechte Bildhälfte gespannten Wäscheleinen mit herabhängenden Kleidungsstücken und die auf dem Heuboden darüber liegende Fahne, die einem Vorhang ähneln. In ihrer Bühnenhaftigkeit erinnert die Szene an die bekannte Aussage Hogarths aus seinen Autobiographical Notes, die die besondere Bedeutung des Theaters für den Künstler herausstellt: „my Picture was my Stage and men and women my actors who were by Mean of certain Actions and express[ions] to Exhibit a dumb shew“.98 In den Strolling Actresses vermischen sich dabei Theater- und alltägliche Welt: In der Garderobe trocknet die Wäsche, eine Schauspielerin füttert ihr Kind, Alltagsgegenstände wie der Nachttopf auf einem Tisch oben rechts finden sich neben Requisiten wieder. Der Aspekt des Theaters schafft zugleich eine weitere inhaltliche Verbindung zu den Four Times of Day, in denen sich mehrere Anspielungen auf die Theaterwelt erkennen lassen. So spielt die erste Szene in der als Schauspielviertel bekannten Gegend um Covent Garden; im Evening-Bild erscheint das Musiktheater Sadler’s Wells. Das mit Schauspiel und Theater verbundene Motiv der Täuschung und Illusion wird im Bild der Strolling Actresses nicht zuletzt durch einen Affen rechts im Vordergrund 94 Siehe hierzu auch bereits Lichtenberg 1794, S. 20 f., der in diesem Zusammenhang von einer „verkehrte[n] Diana“ spricht. 95 So auch Ireland 1793, Bd. 1, S. 159. 96 Ähnlich auch Kiaer 2001, S. 84. 97 Man denke etwa an die Verbildlichung von Douleur. Le Bruns vorbildhaftes Traktat erschien 1734 im Übrigen auch in einer englischsprachigen Fassung. Zu Hogarths Kenntnis dieses Werkes siehe auch Simon 2007, S. 97. 98 Hogarth 1955, S. 209 [f.10] [Ergänzung in der Textvorlage]. Zur Bedeutung des Theaters für Hogarth siehe genauer auch Mary F. Klinger: William Hogarth and London theatrical life, in: Studies in Eighteenth-Century Culture 5 (1976), S. 11–27, hierzu insb. S. 13 sowie S. 16–18 zu den Strolling Actresses.



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aufgegriffen, der als klassisches Symbol der Imitatio gilt.99 Er ist mit einem Cape bekleidet und uriniert in einen Requisitenhelm. Neben diesem Affen bevölkern zahlreiche Tiere als eigentliche Bewohner der Scheune die Szenerie und unterstützen das vermittelte Bild von Chaos und Unordnung. Katzen spielen im Vordergrund mit verschiedenen Requisiten wie einem Zepter und einer Leier. Im Hintergrund haben Hühner Kulissenteile für sich eingenommen, die durch ihre Anordnung – die mechanischen Bühnenapparate, die Strauchwerk oder Seewellen nachahmen, sind aus ihren Verankerungen genommen und stehen senkrecht – den Eindruck einer verkehrten Welt verstärken.100 Damit setzen die Strolling Actresses die Aussage der Tageszeitenserie fort. Wie in den Four Times of Day offenbart sich dem Betrachter auch hier ein turbulenter ins Wanken geratener Kosmos.101 Die allegorischen Wesen und Götterfiguren der Darstellungstradition werden bloßgestellt und als Kostümierungen und leere rollenhafte Hüllen enttarnt, die keine Wirkkraft oder Relevanz für die Gegenwart besitzen. Nicht das Theater oder die Schauspielerinnen sind dabei Hogarths Angriffsziel, sondern vielmehr die von ihnen verkörperten mythologischen Figuren, die an Bedeutung eingebüßt haben. Unterstützt wird dieser Eindruck durch ein ähnliches Verwirrspiel mit Attributionen und Identitäten, wie es sich auch in der Tageszeitenserie abzeichnet. So finden sich in der Scheune zwar zahlreiche Requisiten, die den aus der klassischen Mythologie bekannten Götterattributen entsprechen; diese sind hier jedoch durchei­ nander gebracht und nicht ihren eigentlichen Besitzern zugeordnet: Zu Dianas Füßen etwa lehnt der Medusa-Schild der Minerva.102 Jupiters Blitzbündel liegt neben Juno, und Apolls Lyra wird von einer Katze als Spielzeug vereinnahmt. Mit dieser parodierenden Verkehrung der klassischen Götterwelt und ihrer Instrumente ruft der Anblick der Szenerie die Theatersatiren des Hogarth-Freundes Henry Fielding in Erinnerung, die sich auch oftmals des hier sichtbaren Rehearsal-Formates, also eines

99 So führt die englische Fassung der Ripaschen Iconologia den Affen zusammen mit einem Bündel Stiften und einer Maske als typisches Attribut der Imitatio auf; Tempest 1709, S. 40, Fig. 159. Zur Entlehnung des Affen-Motivs aus der französischen Kunst, etwa aus Werken Charles Antoine Coypels, siehe auch Simon 2007, S. 31–35. 100 So auch Shesgreen 1983, S. 139–141. 101 Ähnlich wie in der dritten Szene von Hogarths früherer Serie A Rake’s Progress erkennt der Betrachter auch hier eine brennende Kerze, durch die Floras aus einem Flechtkorb bestehender Frisiertisch in Flammen aufzugehen droht und nahendes Unglück angedeutet wird. 102 Ironischerweise sieht Medusa mit entsetztem Blick dabei der Göttin unter den Rock. Eine Version von Caravaggios Medusa befand sich in der Sammlung von Hogarths Schwiegervater Thornhill, siehe N. N.: Editorial  – Sir James Thornhill’s Collection, in: The Burlington Magazine for Connoisseurs 82/483 (1943), S. 133–137, hierzu S. 133 u. S. 135 Nr. 85. Eine ähnliche Einbindung des entsetzt blickenden Medusenkopfes findet sich auch in der ersten Szene von Hogarths späterer Bilderfolge Marriage‑à‑la-mode.

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Blicks hinter die Kulissen, bedienten.103 Deutliche Parallelen lassen sich vor allem zu Fieldings burleskenhaftem Stück Tumble-Down Dick, or Phaeton in the Suds von 1736 erkennen.104 Auch dort werden die Götter in die Gegenwart geholt, als Beteiligte eines Bühnenstücks kenntlich gemacht und der Mythos profanisiert.105 Unterstützt wird dieser Bezug zu Fielding schließlich auch durch die Bücher, die in einem Korb im Bildvordergrund liegen und durch die Aufschriften „Tragedys“ und „Farce“ auf ihren Rücken einen Verweis auf Fieldings Werke The Tragedy of Tragedies oder The Author’s Farce darstellen.106

Zeichen der Zeit Angesichts der Überprüfung, die die mythologischen Allegorien der Tages- und Jahreszeitentradition bei Hogarth erfahren, sowie der Loslösung von festgefügten Darstellungsformen ergibt sich für den Künstler die Notwendigkeit, neue, zeitgemäße Bildformeln zu finden, die an die Stelle der tradierten Zeichen treten. Hogarth bedient sich hierzu alltäglicher Zeichen, die der städtischen Erfahrungswelt entstammen und die die in der Stadt ausbleibenden Zeichen der Natur kompensieren. Sie treten zu den beschriebenen konventionellen und aus der Bildtradition bekannten Motiven wie dem in Morning gezeigten Wärmen am Feuer als traditionellem Symbol für den Winter und den Anbruch des Tages. Diese neuen, „städtischen“ Zeichen sind beispielsweise die Kirchturmuhren in Morning und Noon, die als unmittelbare Zeitindikatoren dienen und durch die sich die jeweilige Tageszeit exakt bestimmen lässt.107 In 103 Genauer zu den Stücken Fieldings, die im Übrigen teilweise auch vom Licensing Act betroffen waren, siehe u. a. Robert D. Hume: Henry Fielding and the London Theatre 1728–1737, Oxford 1988, hierzu insb. S. 61–73 u. S. 209–215 sowie zur charakteristischen „rehearsal structure“ auch Albert J. Rivero: The Plays of Henry Fielding: A Critical Study of His Dramatic Career, Charlottesville 1989, S. 127 f. Die hier sichtbar werdenden Bezüge zwischen Hogarth und Fielding lässt P. De Voogd in seiner grundlegenden Arbeit zum Verhältnis der beiden erstaunlicherweise außer Acht; vgl. Peter Jan De Voogd: Henry Fielding and William Hogarth. The correspondences of the arts, Amsterdam 1981 (Costerus, New Series, Bd. 30) (Zugl. Diss. phil. Universität Groningen 1981), insb. S. 40 f. 104 Auf Parallelen zwischen Fieldings Theaterstück und Hogarths Four Times of Day weist bereits R. Paulson; siehe Paulson 1971, Bd. 1, S. 398 sowie Paulson 1991, Bd. 2, S. 128 f. Das Titelblatt von Fieldings Stück führt im Übrigen den Zusatz „Being (’tis hop’d) the last Entertainment that will ever be exhibited on any Stage“, der an Hogarths Formulierung „Being the last Time of Acting“ auf den abgebildeten Theaterzetteln erinnert. 105 So sagt etwa Phoebus Apoll „My Watch informs me it is Time to rise“; Henry Fielding: Tumble-Down Dick: or, Phaeton in the Suds, London 1736, S. 6. 106 Der Bezug zur klassisch-antiken Tragödie wird schließlich auch durch die fast unmerkliche Darstellung von Ödipus und Iokaste in einer Kulissenwolke in der oberen Bildhälfte hergestellt, die ausgehend von Sophokles’ Vorlage eine Traditionslinie bis zu den Umsetzungen des 17. Jhs von Pierre Corneille oder John Dryden und Nathaniel Lee aufgreift. 107 Zur Bedeutung der Uhren bei Hogarth siehe auch Jochen Bedenk: Verwicklungen. Wil‑ liam Hogarth und die deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts (Lessing, Herder, Schiller, Jean



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Night wiederum wird die Jahreszeit durch einen weltlichen Feiertag angezeigt. Mit diesen profanen, an der Wirklichkeit orientierten Kennzeichen ähneln die Hogarthschen Bildfindungen den bereits erwähnten, nahezu zeitgleich entstandenen Umsetzungen französischer Künstler wie Boucher, der ebenfalls Uhren in seine Tageszeitenzyklen integrierte (Abb. 51). Die Wahl derartiger Zeichen erhöht dabei die allgemeine Verständlichkeit auch für diejenigen Betrachter, denen die Darstellungstradition der Tages- und Jahreszeiten weniger vertraut war.108 Die Lösung von der Darstellungstradition und die Reformulierung des Tagesund Jahreszeitenkonzepts, wie Hogarth sie in seinen Four Times of Day verfolgt, machen schließlich auch vor der Struktur der Zeitenfolge nicht Halt. Während konventionelle Zyklen als Ausdruck einer harmonischen Welt- und Naturordnung die Parallelisierung aller Zeitläufe vorsahen, der Morgen also mit dem Frühling, der Mittag mit dem Sommer, der Abend mit dem Herbst und die Nacht mit dem Winter verbunden wurden, wird das System bei Hogarth nahezu auf den Kopf gestellt. Wie Lichtenberg in seiner eingangs zitierten Beschreibung feststellte, findet die Morning-Szene nämlich nicht, wie üblich, im Frühling, sondern im Winter statt. Das Evening-Bild lässt sich wiederum deutlich im Sommer ansiedeln. Weniger eindeutig ist hingegen die Zuordnung der beiden übrigen Episoden. Besonders zur Lokalisierung des letzten Bildes hält die Forschungsliteratur unterschiedliche Positionen bereit. Wie bereits aufgezeigt, deutet das überall präsente Eichenlaub auf den am 29. Mai begangenen Oak Apple Day hin und spricht damit für eine Verortung der Szene im Frühling. Diese Einordnung findet sich auch bei mehreren Hogarth-Kommentatoren des 18. Jahrhunderts.109 Mit demselben Argument siedelt Sean Shesgreen die Episode jedoch im Herbst an, wobei er den Brauch, Eichenlaub zu tragen, mit dem 3. September, dem Tag der Niederlage Charles’ II. in der Schlacht von Worcester, in Verbindung bringt.110 Paul), Würzburg 2004 (Stiftung für Romantikforschung, Bd. 28) (Zugl. Diss. phil. Universität München 2003), insb. Kap. I.1.2. Der Autor bezeichnet Hogarths Werke dabei als „wahres Experimentierfeld von Temporalität“ (S. 46) und sieht die Präsenz von Uhren als ein „narratives Hilfsmittel“ (S. 49) an. In seiner Beschreibung und Deutung der Zeitsymbolik bei Hogarth lehnt sich Bedenk allerdings sehr eng an den früheren Aufsatz von Macey 1976 an. Zu Zeitmotiven bei Hogarth siehe darüber hinaus auch Wagner 2001b, S. 102–122. 108 Siehe dazu auch Uglow 1998, S. 303 f. sowie Busch 1996a, v. a. S. 22 u. S. 27–29. 109 So etwa bei Trusler 1768, S. 159; Ireland 1793, Bd. 1, S. 148 oder Lichtenberg 1794, S. 223. Dieser Ansicht folgt auch die neuere Literatur, u. a. Peter Quennell: Hogarth’s progress, London 1955, S. 151; Paulson 1965, Bd. 1, S. 182 Kat. Nr. 155; Kat. London 1971, S. 37 Kat. Nr. 80; Kat. London 1995, S. 58 und Riding 2006, S. 133. 110 Siehe Shesgreen 1983, S. 120 f. Shesgreen bezieht sich dabei auf eine Beobachtung des Schweizer Schriftstellers César-François de Saussure, der in seinen Briefen aus England die Sitte, Eichenblätter an der Kleidung zu tragen, in Zusammenhang mit dem 3. September beschreibt; siehe De Saussure in seinem Brief aus dem Juni 1728 veröffentlicht in Madame van Muyden (Übers. und Hg.): A Foreign View of England in the Reigns of George I. & George II. The letters of Monsieur César de Saussure to his Family, London 1902, S. 298. Ein Argument gegen die Verortung der Szene im Mai bringt Shesgreen dabei nicht vor. In einer vorangegangenen

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Dieser Interpretation folgt Elizabeth Einberg, die als weiteres mögliches Datum zudem den 5. November, Bonfire Night oder Gunpowder Treason Day, vorschlägt.111 Die Debatte um die jahreszeitliche Einordnung der Szene und die Tatsache, dass mehrere Lesarten hier möglich zu sein scheinen, verdeutlichen abermals die bewusst angelegte Offenheit der Hogarthschen Bildsprache. Dadurch dass klassische ikonographische Anhaltspunkte fehlen, werden die Lesbarkeit der Darstellungen und ihre eindeutige Bestimmung erschwert. Die Szenen verlieren an Evidenz. Auch die gestochene Fassung bietet keine weitere Orientierung, schließlich fehlen erklärende Begleitverse, wie sie in den barocken Graphikserien üblich waren. Dessen ungeachtet spricht für eine Verortung der Night-Szene im Frühling neben den Äußerungen der zeitgenössischen Autoren jedoch, dass sich die Hogarthsche Serie vor allem damit in einen deutlichen Gegensatz zu traditionellen Modellen stellt. Die Abfolgen von Tag und Jahr erscheinen dadurch nämlich genau gegenläufig. Während die Tageszeitenfolge dem Uhrzeigersinn gehorcht, läuft das Jahr in exakt entgegengesetzter Richtung, wodurch das von Hogarth gezeichnete Bild einer auf den Kopf gestellten Welt unterstützt wird: Der Morgen spielt im Winter, der Mittag im Herbst, der Abend im Sommer und die Nacht im Frühling. Diese Anordnung findet schließlich in der Mittagsszene ihre Bestätigung. So liegt es nahe, den Papierdrachen am Dach der Kirche, für den die Literatur verschiedene Deutungen vorsieht, als Verweis auf den Herbst als Jahreszeit des Drachensteigens zu sehen.112 Auch der rauPublikation datierte der Autor die Szene noch auf den 29. Mai; vgl. Sean Shesgreen: Engra‑ vings by Hogarth  – 101 prints, New York 1973, Abb. Nr. 45. Gegen eine Datierung auf den 29. Mai spricht sich im Übrigen auch der von E. Einberg verantwortete Katalog zur Londoner Ausstellung von 1987 aus; siehe Kat. London 1987, S. 112 Kat. Nr. 94. 111 Siehe Einberg 2016, S. 3. Die sog. Bonfire Night erinnert an die Schwarzpulververschwörung gegen Jakob I. im Jahre 1605. Zudem verweise das Datum Einberg zufolge auf die Landung der Truppen Wilhelms von Oranien am 5. November 1688 und die damit verbundene Verdrängung der katholischen Stuart-Monarchie im Zuge der Glorious Revolution. Das in der Szene präsente Eichenlaub sieht Einberg als allgemeines Symbol für den Monat November. Ein weiterer Verweis auf den November sei auch der Barbier am rechten Bildrand, der dadurch, dass er seinen Kunden mit dem Rasiermesser verletze, die in Monatsdarstellungen traditionell mit dem November verbundene Tätigkeit des Schlachtens aufgreife. 112 So auch Busch 2013, S. 275 u. 277. Das gleiche Argument führt Einberg allerdings für die Verortung im Frühling an, den sie als „the time of dalliance and for flying kites“ sieht; vgl. Einberg 2016, S. 5. Daneben finden sich in der Literatur die unterschiedlichsten Deutungen: Nichols sieht den Drachen als bloßes Dekorelement („only to break the disagreeable uniformity of a wall“); Ireland und Lichtenberg bringen ihn mit der hugenottischen Gemeinde in Verbindung; für Paulson verweist er wiederum auf eine nahe gelegene Windmühle und konkretisiert insofern die topographische Situation; siehe im Einzelnen Nichols 1785, S. 250; Ireland 1793, Bd. 1, S. 139; Lichtenberg 1794, S. 171 f. und Paulson 1965, Bd. 1, S. 179, Nr. 153. An anderer Stelle stellt Paulson zudem die Verbindung zu John Newberrys etwas später entstandenem Gedicht Flying the Kite her; dazu Paulson 1979, S. 32 mit Anm. 1 auf S. 250. Zugleich könnte es sich bei dem Drachen aber auch um einen Verweis auf das Element Luft handeln, wie etwa in einem Gemäldezyklus Lancrets zu sehen; Nicolas Lancret: Air (aus: Les



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54 Jan Lievens, Feuer und Kindheit (aus: Die Vier Lebensalter des Menschen und der Elemente), um 1625, Öl auf Lw., Kassel, Schloss Wilhelmshöhe, Gemäldegalerie Alte Meister

chende Schornstein im Hintergrund deutet eher auf eine kältere Jahreszeit hin. Die Krüge, die die Dachrinnen der Wirtshäuser säumen, könnten in dieser Hinsicht als moderne Referenz auf den Weingott Bacchus gelesen werden, der traditionellerweise mit dem Herbst verknüpft wurde. Nicht zuletzt vermittelt auch die gelblich-braune Farbigkeit des Gemäldes einen eher herbstlichen Eindruck. Neben den Zeitenzyklen von Tag und Jahr lassen sich in der Serie auch Bezüge zu anderen quaternären Ordnungsmodellen erkennen.113 So verweist die Nacht mit ihren zahlreichen Lichtquellen auf das Element des Feuers. Der rechts unten abgebildete Link boy greift das aus Lebensalterzyklen bekannte Motiv des Feuer entfachenden Jungen auf, das vor allem in niederländischen Werken des Barock, etwa bei Jan Lievens, das Kindheitsalter repräsentiert (Abb. 54).114 Morning steht mit der Darstellung eines Gemüsemarktes für das Element Erde, Noon mit dem gestrandeten Papier-

Quatre Éléments), um 1730–32, Öl auf Lw., 38,1 × 31,5 cm, Aylesbury, Waddesdon Rothschild Collection (National Trust). 113 So vor allem Shesgreen 1983, u. a. S. 146–148. 114 Siehe zu Lievens’ Gemälde: Jan Lievens – ein Maler im Schatten Rembrandts, hg. von Rüdiger Klessmann, Ausst.-Kat., Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Braunschweig 1979, S. 42 Kat. Nr. 2 m. Abb. auf S. 44 und Farbabb. zwischen S. 24 u. 25. Das Motiv des Feuer entfachenden Jungen findet sich auch im Winterbild von Rubens wieder; siehe zuvor S. 112 Anm. 55.

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drachen für das Element Luft und Evening mit dem im Vordergrund sichtbaren New River Kanal für das Element Wasser. Auch die Temperamente scheinen in der Bilderfolge zum Vorschein zu kommen. Die Nacht mit ihren Tumulten stellt das cholerische Temperament dar, der Abend mit den durch die Hitze gelähmten Spaziergängern das phlegmatische. Die nachdenklich sinnende Kirchgängerin am Morgen scheint auf das melancholische Temperament anzuspielen und die Liebespaare in Noon auf das sanguinische. Alle diese quaternären Zyklen werden bei Hogarth jedoch voneinander entkoppelt und nicht nach traditioneller Vorstellung parallelisiert. Die Four Times of Day präsentieren damit eine Welt, die aus den Fugen geraten zu sein scheint. Die natürliche Ordnung ist gestört und von Grund auf durcheinander gebracht. Mit der aufgezeigten gegenläufigen Verschränkung der einzelnen Vierermodelle geht schließlich auch eine allgemein gegensätzliche Anlage der Szenen einher, deren Kontrastreichtum an die Gegenüberstellungen der Tugenden-und-Laster-­ Tradition erinnert. Die Gegensätze offenbaren sich dabei in allen Lebensbereichen: Am Morgen treffen die Prüderie und Frömmelei der Kirchgängerin auf die Zügellosigkeit der nachtschwärmenden Wüstlinge. Am Mittag begegnen sich – einander auch bildlich gegenübergestellt – Affektiertheit und Natürlichkeit, Emotionalität und Ge­­ fühllosigkeit, Arm und Reich, Kirche und Wirtshäuser. Am Beispiel des Ehepaares führt die Abendszene verdrehte Geschlechterrollen vor Augen, während sich im letzten Bild wiederum nächtliche Ruhe und lärmendes Chaos gegenüberstehen. Die Kinder, die im Vergleich zu anderen Hogarthschen Werken besonders in den Four Times of Day auffallend häufig und in jeder Szene vorkommen, verstärken jeweils die mit den Erwachsenen verbundene Aussage.115 Der vor Kälte zitternde Laufbursche in Morning unterstreicht die Untauglichkeit und Paradoxie der sommerlichen Kleidung der Kirchgängerin angesichts der winterlichen Temperaturen. Die beiden kontrastierend gegenübergestellten Jungen in Noon heben die jeweiligen Eigenschaften ihrer erwachsenen Begleiter hervor. Die streitenden Geschwister in Evening spiegeln das Kräfteverhältnis ihrer Eltern wider, und die beiden Kinder, die in Night drohend vor der umgestürzten Kutsche stehen, tragen, statt – wie zu der Tageszeit angemessen – zu schlafen, unmittelbar zu den chaotischen Zuständen auf der Straße bei. Die inhaltlichen Brüche setzen sich schließlich auch auf der narrativen Ebene fort. Wie beschrieben, präsentieren die vier Szenen im Gegensatz zu anderen Hogarthschen Bilderfolgen keine durchgehende Erzählung. Durch den ständigen Wechsel der Akteure, der Handlungsorte sowie der Jahreszeit bauen die Episoden nicht direkt aufeinander auf.116 Damit fügt Hogarth auch in die Binnenstruktur bewusst Brüche ein, die das disparate Erscheinungsbild des Handlungsgefüges ver115 Paulson sieht das Auftreten von Kindern bei Hogarth stets mit einem Verweis auf Naturgesetze verbunden, wie er anhand der Conversation Pieces festhält; siehe Paulson 1991, Bd. 2, S. 3. Zur Rolle der Kinder in Night auch Shesgreen 1983, S. 121 f. 116 Ähnlich auch bei Paulson 1992, Bd. 2, S. 136 sowie bereits zuvor Paulson 1971, Bd. 1, S. 403 f.



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stärken und zugleich einen Eindruck von Momenthaftigkeit entstehen lassen. In dem in der letzten Szene gezeigten infernalen Chaos lässt sich außerdem eine Tendenz zur Linearisierung ablesen, die die für klassische Darstellungen typische Zyklusform aufzubrechen scheint. Ob sich der tägliche Kreislauf angesichts der tumultartigen zerstörerischen Zustände in Night wiederholen kann, ist ungewiss. Hogarth geht es dabei allerdings nicht um die Schilderung einer pessimistischen Weltsicht.117 Vielmehr steht die Überprüfung und Neufassung bisheriger Bildtraditionen angesichts veränderter Lebensumstände im Vordergrund. So präsentieren die Four Times of Day  – unterstützt durch die fünfte Szene der Strolling Actresses  – das Bild einer auf den Kopf gestellten Welt der Gegensätze. Konventionelle Darstellungsformeln haben an Relevanz verloren. Sie scheinen den neuen Bedingungen nicht gerecht zu werden und müssen durch eine neue zeitgemäße Bildsprache ersetzt werden.

Großstadt, Gravitation und die Notwendigkeit neuer Zeichen Einer der Gründe für die Hinterfragung der Darstellungstradition und die Suche nach neuen adäquaten Bildformeln liegt in den veränderten Bedingungen der Großstadt, die in den Four Times of Day – mit Ausnahme des Evening – selbst zum Schauplatz wird. Handlungsort ist mit London eine der damals bevölkerungsreichsten Städte Europas.118 Die urbanen Einwirkungen, die diese Ausmaße auch in gesellschaftlicher Hinsicht mit sich bringen, werden dabei nicht nur in den städtischen Episoden, sondern auch in der außerhalb der Stadt angesiedelten Abendszene sichtbar. Der Bildausschnitt wird von Häusern eingefasst. Die Natur ist, wie am Beispiel des New River Kanals zu sehen, in geordnete Bahnen gelenkt und die Szenerie ähnlich wie die in der Stadt verorteten Episoden von Menschen bevölkert.119 Selbst in der ‚ländlichsten‘ 117 So sind damit keine grundsätzlichen „Zweifel am optimistischen platonischen Weltbild“ verbunden, wie V. Faßhauer sie dem Künstler unterstellt; vgl. Vera Faßhauer: Wahre Charak‑ tere, gute Karikaturen, schöne Ungeheuer. Zur Poetik des Hässlichen im 18. Jahrhundert, Heidelberg 2016 (Jenaer germanistische Forschungen, Neue Folge, Bd. 38) (Zugl. Diss. phil. Universität Jena 2014), S. 180–184, insb. S. 184. Die Autorin sieht in der Tageszeitenserie mit Rückgriff auf die Deutungen Bernd Krysmanskis bewusst gegen bestimmte Gruppen gerichtete klischeehafte Anspielungen sowie ins Böse gewendete Karikaturen, die von Hogarth absichtlich eingesetzt wurden, um den Verkauf der Werke zu fördern. 118 Laut J. De Vries zählte London um 1700 rund 575.000 Einwohner; siehe Jan De Vries: Eu‑ ropean Urbanization 1500–1800, London 1984, S. 152 u. 270. Vgl. hierzu auch die Beobachtung César de Saussures in seinem Brief vom 17. September 1725: „I have often heard travellers and scholars declare that London is undoubtedly the largest and most populous city in the whole of Europe”; aus der englischen Übersetzung von Madame van Muyden 1902, S. 36. 119 Diesen Umstand kommentierte bereits Lichtenberg: „Das lustige hierbey ist (denn ­Hogarth thut nichts umsonst), daß diese Leute eine Rauch-Stadt ausdrücklich in der Absicht verlassen haben, um der Landluft zu genießen, und sich hier nun in eine Rauch-Kammer einsperren“; Lichtenberg 1794, S. 214.

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Szene der Serie können sich die Großstadtbewohner dadurch nicht dem urbanen Treiben entziehen. Die Stadt bleibt auch hier allgegenwärtig und verändert die Wahrnehmung; sie beschleunigt den Alltag und wirft die natürliche Ordnung durcheinander. Mit der Thematisierung derartiger urbaner Eindrücke und der Verankerung der Szenen in der Metropole London schreibt sich die Hogarthsche Tageszeitenfolge in ein geistesgeschichtliches Umfeld aus populärer Literatur und satirischen Dichtungen ein, die London als Großstadt und ihre veränderten Bedingungen zum Thema erheben. Zu nennen sind hier insbesondere die Beschreibungen Edward ‚Ned‘ Wards und John Gays, Texte wie Hell upon Earth or the Town in an Uproar oder A Trip through the Town sowie die Schilderungen in den sogenannten Moralischen Wochenschriften The Tatler, The Spectator und The Guardian. Sie alle präsentieren, mal satirisch, mal sachlich beschreibend, dieselbe großstädtische Erfahrungswelt, wie sie auch den Four Times of Day zugrunde liegt. Besonders sprechend sind Edward Wards Beobachtungen kurioser Begebenheiten in und um London, die er in seinem zwischen 1699 und 1701 erschienenen Monatsjournal The London Spy zusammenträgt. Wie Hogarth schildert Ward darin die „Vanities and Vices of the Town“ und gewährt kundige Einblicke von seinen Streifzügen in die „topsy-turvy“-Welt des Londoner Großstadtalltags.120 Der Autor wählt dafür dieselben Handlungsorte, darunter Covent Garden oder Charing Cross, wie sie dem Betrachter dreißig Jahre später bei Hogarth begegnen. Auch Wards 1699 verfasste Kurzerzählung A Walk to Islington lässt unmittelbar an die Hogarthsche Tageszeitenserie denken, darunter  – bereits dem Titel nach – besonders an die Evening-Szene.121 Die in Wards Text vollzogene, versartige Gesellschaftsstudie des Islingtoner Publikums, das sich aus betrügerischen Ehefrauen, gehörnten Ehemännern und streitenden Kinder zusammensetzt, scheint den Figuren in Hogarths Abendbild vorzugreifen. Gesellschaftliche Abgründe und die Kehrseiten des Londoner Großstadtlebens werden auch in sachlicher angelegten Beschreibungen wie A Hell upon Earth or the Town in an Uproar deutlich, die London als „great, wicked, unwieldy, overgrown Town, one continued hurry of Vice and Pleasure“ vorstellen.122 Der Text beginnt mit der Schilderung eines typischen Londoner Sonntages, die auffallend nach Stunden untergliedert ist. Durch diese Strukturierung führt die Erzählung die zunehmende Beschleunigung und Verzeitlichung des Alltags vor Augen, die die Schnelllebigkeit der 120 Edward Ward: The London-Spy Compleat, in Eighteen Parts, 2 Bde, London 1699–1707, hier: Bd. 1, Part I, S. 3. 121 Edward Ward: A Walk to Islington: with a Description of New Tunbridge-Wells, and Sad‑ ler’s Musick-House, London 1699. Als weitere Referenz lässt sich in diesem Zusammenhang auch Wards The Merry Travellers: or, A Trip upon Tentoes, from Moorfields to Bromley von 1721 anführen. 122 N. N.: Hell upon Earth: or the Town in an Uproar. Occasion’d by the late horrible Scenes of Forgery, Perjury, Street-Robbery, Murder, Sodomy, and other shocking Impieties, London 1729, S. 1.



Großstadt, Gravitation und die Notwendigkeit neuer Zeichen

Großstadt mit sich bringt. Derartige Aspekte spielen auch in den Four Times of Day eine hervorgehobene Rolle, wie die bereits erwähnte Präsenz der Uhren in Morning und Noon zeigt.123 Das städtische Leben gehorcht mehr und mehr einer zeitlichen Taktung und Momenthaftigkeit, die der Überzeitlichkeit traditioneller Zeitenfolgen entgegensteht. Parallelen zu Hogarths Tageszeitenserie lassen sich auch in John Gays Trivia: or, The Art of Walking the Streets of London erkennen. Ende der 1720er-Jahre hatte sich Hogarth bereits mit Gay auseinandergesetzt und Hauptszenen aus dessen Beg‑ gar’s Opera in seinen Gemälden festgehalten. Das zuvor, 1716 entstandene in Reimform gehaltene Werk Gays, das Trivia, der Göttin der Wegkreuzungen (von lateinisch trivium = Dreiweg, Kreuzung)124 und zugleich dem römischen Pendant der griechischen Göttin der Zauberkunst, Hekate, gewidmet ist, bietet in drei Büchern eine Art Gebrauchsanleitung, um sich im labyrinthgleichen Londoner Großstadtgetümmel zurecht zu finden. Gleichzeitig nimmt der Text satirisch Bezug auf antike Vorlagen wie die Georgica Vergils oder die 3. Satire des Juvenal sowie dem Titel „The Art of …“ nach auch auf die Ars Poetica von Horaz.125 Während sich der Autor im ersten Buch dem Londoner Wetter und dem Umgang der Stadtbewohner damit zuwendet, schildert er in den beiden folgenden Büchern Widrigkeiten und Gefahren auf Londons Straßen bei Tag (Buch 2) und bei Nacht (Buch 3). Ein zentrales Motiv sind dabei die Zeichen des Wetters („signs“) und die damit verbundenen Hinweise auf die Jahreszeiten, die sich Gay zufolge in der Stadt nicht anhand bestimmter Himmelserscheinungen ablesen lassen, sondern sich aus dem Verhalten der Passanten, ihrer Kleidung oder aus körperlichen Befindlichkeiten („You’ll judge the Season by your shooting Corn“)126 sowie aus der städtischen Architektur („Church-Monuments foretell the changing Air“)127 ergeben.128 Was in den klassischen augusteischen Vorbildern, etwa bei Vergil, mit dem Walten der Götter in Verbindung gebracht wurde, ist bei Gay an die Stadtbewohner und ihre Verhaltensweisen gekoppelt. Ähnlich wie später bei 123 Siehe auch Macey 1976, S. 47 sowie bereits zuvor in diesem Kapitel, S. 126 f. 124 Zugleich ergibt sich ein Wortspiel mit der Bezeichnung für Nebensächlichkeiten, belangloses oder kurioses Wissen bzw. Triviales, die sich vom lateinischen trivialis (= gewöhnlich) ableitet. 125 Siehe hierzu auch Henry Power: Epic into Novel. Henry Fielding, Scriblerian Satire, and the Consumption of Classical Literature, Oxford 2015, Kap. 2, insb. S. 77–82 zu Vergils Georgica, die 1697 in der populären Übersetzung von John Dryden erschienen. Zu antiken und zeitgenössischen Vorbildern wie Samuel Johnsons London: A Poem, In Imitation of the Third Satire of Juvenal von 1738 siehe zudem Hogarth and his Times: Serious Comedy, hg. von David Bindman, Ausst.-Kat., British Museum London, Berkeley Art Museum der University of California, National Gallery of Canada Ottawa und Miriam and Ira D. Wallach Art Gallery der Columbia University New York, London 1997, S. 36–40. 126 John Gay: Trivia: or, the Art of Walking the Streets of London, London 1716, S. 4. 127 Ebd., S. 11. 128 Siehe zu den „Signs“ auch Power 2015, S. 79–82, der auf die Doppeldeutigkeit des Wortes in Verbindung mit aushängenden Ladenschildern in den Londoner Straßen verweist.

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Hogarth wird hierin die zunehmende Entfernung von den Zeichen der Natur zugunsten einer wachsenden Orientierung an alltäglichen, städtischen Kennzeichen sichtbar.129 Die Elemente oder die Gestirne scheinen weder bei Gay noch bei Hogarth noch einen Platz zu haben. Nicht die Natur bestimmt das menschliche Leben, vielmehr geben die Aktivitäten der Menschen den Rhythmus der Natur vor. Neben diesen Übereinstimmungen zwischen Hogarth und Gay lässt auch Gays Rat zu angemessener Kleidung („Be thou, for ev’ry Season, justly drest, / Nor brave the piercing Frost with open Breast.“)130 unweigerlich an Hogarths Kirchgängerin aus der Morning-Szene (Abb. 42) denken, die diesen Hinweis augenscheinlich nicht befolgt. Auch ihre Holzpantinen, die sogenannten Pattens, finden bei Gay Erwähnung, wobei er ihnen einen nahezu mythologischen Ursprung andichtet.131 Bekannte Motive, die man später in Hogarths Four Times of Day antrifft, darunter verschmutzte Abwasserrinnen, umgestürzte Kutschen, Link boys oder nächtliche Feuer setzen sich auch in den Büchern 2 und 3 fort. Im zweiten Buch wird zudem der Gedanke der „Signs“ weiterentwickelt. So lässt sich in Gays schnelllebiger Großstadtwelt vom Verhalten und den Tätigkeiten der Stadtbewohner nicht nur auf das Wetter, sondern auch auf die Wochentage schließen: „Experienc’d Men, inur’d to City Ways, / Need not the Calendar to count their Days“.132 Besonders markant sind zudem die Marktschreie der Händler, die bei Gay den Rhythmus der Jahreszeiten anzeigen: „Successive Cries the Season’s Change declare, / And mark the Monthly Progress of the Year“.133 Das hier aufgegriffene Motiv der Kaufrufe findet sein bildkünstlerisches Vorbild in den populären Graphikserien der Cries, die Vertreter bestimmter Berufsstände in ihrer typischen Kleidung und mit ihren jeweiligen Straßenrufen abbildeten. Das zu Gays und Hogarths Zeiten bekannteste und in England am stärksten verbreitete Beispiel waren The Cryes of the City of London, Drawne after the Life von Marcellus Laroon, die ab 1687 in mehreren Auflagen erschienen und auf zahlreiche Nachahmer trafen.134 Unter den einzelnen Versionen 129 Power spricht in diesem Zusammenhang von einem „marked detachment from the elements“; ebd., S. 80. Mit dieser Loslösung von Naturphänomenen geht Gay in Trivia einen Schritt weiter als sein Vorbild Swift etwa in Description of a City Shower; siehe dazu ebd., S. 81. 130 Gay 1716, S. 9. 131 Hierzu auch Power 2015, S. 83 f. 132 Gay 1716, S. 39. 133 Ebd., S. 40. Ähnlich wie Gay thematisiert auch sein Zeitgenosse J. Swift die damals allgegenwärtigen Straßenrufe mehrfach, so etwa im Journal to Stella oder in dem 1732 verfassten Text City Cries, Instrumental and Vocal; siehe dazu auch Power 2015, S. 86 f. 134 Hierzu v. a. Sean Shesgreen: Images of the outcast. The urban poor in the Cries of London, Manchester 2002, insb. S. 78 f. u. 177–195. Die Tradition hat ihre Ursprünge im frühen 16. Jh. in Deutschland, Frankreich und Italien. Zu nennen sind vor allem die in den 1580er-Jahren entstandenen Arti di Bologna von Annibale Carracci oder die Cris de Paris der 1640er-Jahre von Pierre Brebiette und Abraham Bosse sowie die 1686 kurz vor Laroons Serie veröffentlichte Version von Jean-Baptiste Bonnart; siehe hierzu u. a. auch Busch 2013, S. 276 und Riding 2006, S. 121 u. 124.



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55 John Overton, Broadside of Hawkers with Four Seasons (aus: The Cryes of the City of London), spätes 17. Jh., London, British Museum

finden sich auch solche, die wie Gay die Händlerrufe mit den Vier Jahreszeiten verknüpfen. So ergänzte der Verleger John Overton in seiner um 1690 entstandenen Fassung die Bilderreihe der verschiedenen Berufsstände durch einen unteren Streifen mit allegorischen Jahreszeitendarstellungen nach Motiven Wenzel Hollars (Abb. 55), der die Jahreszeiten als modisch und saisongemäß gekleidete junge Frauen präsentiert.135 Noch deutlichere Bezüge zur Hogarthschen Tageszeitenserie vor allem im Hinblick auf die zugrunde liegende Zeitenauffassung finden sich jedoch in den satirischen Dichtungen Jonathan Swifts. Hogarths Wertschätzung des Dichters und Swifts Bedeutung für ihn werden im Selbstbildnis The Painter and his Pug von 1745 deutlich, in dem Hogarth sein eigenes Porträtgemälde auf Buchbände von Shakespeare, Swift und Milton stellt. Mit Blick auf das Stadterleben und die Zeitentradition kommen insbesondere zwei Gedichte von Swift in Betracht, A Description of the Morning und The Description of a City Shower, die der Autor 1709/1710 verfasste und unter dem Pseudo­ nym Humphrey Wagstaff von Richard Steele im Tatler veröffentlichen ließ. Das letztgenannte Werk, das nach eigener Aussage auch John Gay wichtige Anregungen zu seinen Trivia lieferte,136 schildert das Aufkommen eines heftigen Regenschauers und

135 Siehe zu der Laroon kopierenden Fassung von Overton Shesgreen 2002, S. 79. 136 So J. Gay im Vorwort; Gay 1716, S. II.

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dessen Auswirkungen in der Stadt. Im vorangestellten Tatler-Text von Steele, in den Swifts Verse eingebettet sind, wird der Vergleich zu Vergils Beschreibungen eines ländlichen Gewitters in den Georgica gezogen. Im Gegensatz zur antiken augusteischen Literatur verlagert Swift die Szenerie in die Stadt und unterwirft sie den dortigen Bedingungen. Wie bei Gay beobachtet, lassen sich auch hier die Anzeichen des drohenden Unwetters nicht an den Veränderungen der Natur, sondern vielmehr am Verhalten der Stadtbewohner ablesen („Brisk Susan whips her Linen from the Rope, / While the first drizz’ling Shower is born aslope“) oder gar am eigenen Leibe erfahren („A coming Shower your shooting corns presage, / Old Aches throb, your hollow Tooth will rage“).137 Von größerer Bedeutung für die Zeitenauffassung in Hogarths Four Times of Day ist allerdings das frühere Gedicht, A Description of the Morning, in dem sich Swift mit der literarischen Tradition der Tageszeiten auseinandersetzt und sich – ähnlich wie Hogarth rund dreißig Jahre später auf künstlerischer Ebene – davon löst und die Vorbilder modernisiert. Steele, der auch in diesem Falle Swifts Verse im Rahmen seines Artikels im Tatler aufführt, berichtet zunächst vom Besuch einer Vorstellung von William Congreves The Old Bachelor. Diese von Steele wegen der Lebhaftigkeit ihrer Charaktere hoch gelobte Komödie stehe, wie dieser schreibt, den Werken zahlreicher „Easy Writers“ gegenüber, die die Stadt mit ihren den Mythos und die Historie imitierenden Stücken quälten. Von letzteren hebe sich Steele zufolge auch das Werk des ihm nahe stehenden Humphrey Wagstaff alias Jonathan Swift ab. Dieser nämlich […] has, to avoid their [= „Easy Writers“, Anm. d. Verf.] strain, run into a way perfectly new, and described things exactly as they happen ; he never forms fields, or nymphs, or groves, where they are not ; but makes the incidents just as they really appear.138

Als Beispiel führt Steele Swifts Description of the Morning an, die er dem Autor unbemerkt habe entwenden können. Die übrigen Tageszeiten  – die Beschreibung des Abends handele von Dirnen, der Mittag von feinen Damen und Beaus, die sich gähnend aus ihren Betten erheben – wolle er, um Nachahmern vorzubeugen, hingegen nicht abdrucken. Ähnlich wie für die spätere Description of a City Shower bemüht Swift auch in diesem Gedicht nicht den klassischen locus amoenus morgendlicher Naturschilderungen, sondern wählt die Stadt als Schauplatz. Die typischen Motive

137 Jonathan Swift: The Description of a City Shower, in: The Tatler Nr. 238 vom 17. Oktober 1710; abgedruckt bei Angus Ross: Selections from The Tatler and The Spectator of Steele and Addison, Harmondsworth 1982 (Penguin English Library), S. 179–182 (The Description of a City Shower, From my own Apartment, October 16: No. 238, Saturday, 14 October to Tuesday, 17 October 1710). 138 Richard Steele in The Tatler Nr. 9 vom 30. April 1709, abgedruckt in Ross 1982, S. 76–78 (A Description of the Morning, Will’s Coffee-house, April 28: No. 9 Steele with Swift, Thursday, 28 April to Saturday, 30 April 1709).



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werden auf die Wirklichkeit der Stadt übertragen und durch neue, aus dem urbanen Alltag gegriffene Phänomene ersetzt. Statt Apoll oder Aurora, die in den traditionellen Zyklen den Tag beginnen lassen, kündigt in Swifts städtischer Fassung eine ein­ fache Pferdedroschke den Morgen an. Im Anschluss wird das Erwachen der Stadt geschildert: Eine Dienstmagd entflieht dem Bett ihres Herren, ein schludriger Lehrling lungert vor der Tür seines Meisters herum, Hauseingänge und Treppen werden geputzt, Kohlenmann und Schornsteinfeger übertönen sich in ihren Rufen und der Gefängniswärter sperrt seine als „flock“, also Herde, bezeichnete Diebesbande nach ihren in seinem Auftrag ausgeführten nächtlichen Raubzügen wieder ein. Letztere persiflieren, wie bereits Werner Busch festhält, den aus der Tageszeitentradition bekannten Austrieb der Tierherden am Morgen.139 Den Abschluss bilden trödelnde Kinder auf dem Schulweg, wie man sie später in Hogarths Morning wiederfindet. Erneut sind es damit also auch hier die Aktivitäten der Stadtbewohner, die die Tageszeit bestimmen und anzeigen. Mit seiner an der Lebenswirklichkeit orientierten Verssprache erreicht Swift das, was Joseph Addison etwa zeitgleich als Forderung für die damalige Literatur und Dichtkunst formuliert.140 In zwei 1710/1 und 1712 im Spectator erschienenen Artikeln wendet sich dieser mehrfach gegen die Verwendung klassischer Formeln und spricht sich stattdessen für eine zeitgemäße, realitätsgebundene und damit auch allgemein verständliche Sprache aus.141 Zahlreiche seiner Zeitgenossen, die in Addisons Be­­ schreibung an die von Steele erwähnten „Easy Writers“ erinnern, kämen seiner Beobachtung nach nämlich nicht ohne einen Rekurs auf den Mythos und die allegorische Tradition aus: Many of our Modern Authors, whose Learning not often extends no farther than Ovid’s Metamorphosis, do not know how to celebrate a Great Man, without mixing a parcel of School-boy Tales with the Recital of his Actions. If you read a Poem on a fine Woman, among the Authors of this Class, you shall see that it turns more upon Venus or Helen, than on the Party concerned.142

Addison hingegen empfindet gerade diese „antiquated fables“ als trügerisch und sieht sie als „Effusion of Nonsense“ an. Das einzige Genre, in dem sie ihren Platz hätten, seien die sogenannten „Mock-Heroick Poems“, denn hier würde der gesamte mythologische Apparat, die „fabulous Machines of the Ancients“, der Lächerlichkeit preisgegeben und somit die Unangemessenheit seiner Elemente aufgedeckt.143 Für Addison – und man erkennt die Bezüge zu Hogarth, vor allem zu seinen Strolling Actresses – sind 139 Siehe Busch 2013, S. 285. 140 Hierzu auch Voßkamp 2022, S. 154 f. 141 Siehe The Spectator Nr. 5 vom 6. März 1710/1 sowie Nr. 523 vom 30. Oktober 1712. 142 Joseph Addison, in: The Spectator Nr. 523 vom 30. Oktober 1712. 143 Ebd.

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die Götter nicht mehr geeignet, um gegenwärtige Verhältnisse abzubilden. Vielmehr gelte es, sich der Wirklichkeit zu stellen und keine vergangenen Fiktionen wiederzugeben. Neben der Erfahrung der Großstadt sind es aber auch die neuen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Physik, die sich auf die Vorstellungen von Zeit und Raum auswirken und die althergebrachte Ordnung durcheinander bringen. An erster Stelle lassen sich besonders im England der damaligen Zeit die Theorien Isaac Newtons und die darin vollzogene rationalistisch-empirische Durchdringung der Welt anführen. Mit seinen Werken, allen voran den 1687 zunächst auf Latein, später auch auf Englisch veröffentlichten Principia, bot Newton eine Neukonzeption der Kosmosauffassung und legte den Grundstein der neuzeitlichen Mechanik.144 Zentraler Gedanke der Principia ist die anhand der Planetenbewegung entwickelte Gravitationslehre und mathematisch beschriebene Theorie von der Entstehung und Übertragung von Kräften, wobei Newton die Schwerkraft als ursächliches Prinzip für die Himmelsordnung verstand.145 Seine Erkenntnisse erlangten schnell allgemeine Bekanntheit. Hierzu trugen nicht zuletzt zahlreiche populäre Darstellungen sowie vor allem in England ein System öffentlicher Lectures bei, in denen die Newtonschen Theorien auch für ein Laienpu­blikum verständlich vermittelt wurden.146 Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Aktivitäten des hugenottischen Geistlichen, Naturphilosophen und Freimaurers John Theophilus Desaguliers, der Newtons Lehren sowohl als Lecturer als auch durch seine Schriften einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machte. In seinem 1728 erschienenen Gedicht The Newtonian System of the World, einem Loblieb auf Newton, präsentierte er dessen komplexe physikalische Theorien in anschaulichen Reimen, nicht ohne dem Leser zusätzlich detaillierte Erläuterungen in den Anmerkungen sowie entsprechende Illustrationen im Anhang an die

144 Die Philosophiae Naturalis Principia Mathematica erschienen ab 1687 in mehreren Auflagen zunächst auf Latein, bevor sie 1729 auch in englischer Übersetzung veröffentlicht wurden. Zu den Theorien Newtons im Einzelnen und ihrer Bedeutung für die Physik der Neuzeit siehe genauer Jürgen Teichmann: Wandel des Weltbildes. Astronomie, Physik und Messtechnik in der Kulturgeschichte, Stuttgart/Leipzig/Zürich 31996 (Einblicke in die Wissenschaft, Astronomie), u. a. S. 106–114 sowie S. 130 f. 145 I. Newton unterschied dabei deutlich zwischen „primary causes“ und „secondary causes“, wodurch er die Frage nach dem, wie W. Busch es formuliert, „Urgrund der Schöpfung“ allerdings unangetastet ließ; siehe Werner Busch: „Wenn die Luft kein Gewicht besäße, würde sie davon fliegen“. Ästhetische Reaktionen auf die Erkenntnisse der Gasforschung, in: Paragrana 5 (1996), S. 59–77, hierzu S. 62 f. 146 Zur allgemeinen Popularisierung physikalischer Erkenntnisse im 18. Jh. sowie zur Reichweite der Newtonschen Theorien siehe Werner Busch: Materie und Geist. Die Rolle der Kunst bei der Popularisierung des Newtonschen Weltbildes, in: Mehr Licht. Europa um 1770 – Die bildende Kunst der Aufklärung, hg. von Herbert Beck, Ausst.-Kat., Städelsches Kunstinstitut und Liebieghaus Frankfurt am Main, München 1999, S. 401–418, hier S. 407–409.



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Hand zu geben.147 Neben diesem wissenschaftlichen Vermittlungsanspruch hat das Gedicht zugleich eine politische Dimension, indem Desaguliers die Newtonschen Lehren zu einem Modell für die Ausübung königlicher Herrschaft und die Strukturierung einer Monarchie stilisiert: But boldly let thy perfect Model be, NEWTON’s (the only true) Philosophy: Now sing of Princes deeply vers’d in Laws, And Truth will crown thee with a just Applause.148

Grundlegendes Prinzip ist auch hier die Lehre von der Schwer- beziehungsweise der Anziehungskraft, die die Welt bestimme und ebenso die politischen Kräfte in ein Gleichgewicht bringen solle: „By Newton’s help, ’tis evidently seen / Attraction governs all the World’s Machine.“149 So schließt das Gedicht mit den Worten: „ATTRACTION now in all the Realm is seen, / To bless the Reign of GEORGE and CAROLINE“.150 Die bei Desaguliers geäußerte Faszination für die Newtonschen Ideen teilte auch William Hogarth, in dessen Besitz sich eine Büste des Gelehrten befand.151 Seine Theorien waren ihm wohlvertraut. Newton hatte Hogarths Schwiegervater, James Thornhill, mehrfach Porträt gesessen und auch John Vanderbank, an dessen Akademie sich Hogarth 1720 einschrieb, fertigte mehrere Porträtskizzen von ihm an.152 Der Frage, inwieweit Hogarth Newtons Theorien in seinen Werken verarbeitete und zum Ausdruck brachte, ist die Forschungsliteratur jedoch selten nachgegangen. Mögliche Verweise auf das Newtonsche Weltbild wurden bislang hauptsächlich am Beispiel des Gemäldes The Indian Emperour or The Conquest of Mexico (Abb. 56) erörtert, in dem der Wissenschaftler durch eine Büste auf einem Kaminsims auch visuell präsent ist und die Szenerie gleichsam überblickt.153 Das Werk zeigt eine private, von Kindern gespielte Aufführung des Titel gebenden Dramas von John Dryden im Haus John Conduitts, der 147 So heißt es auch im Untertitel der Publikation „With a plain and intelligible Account of the System of the World, by Way of Annotations“; Desagulier 1728. In diesem Zusammenhang lässt sich auch das zeitgleich entstandene Lobgedicht auf Newton von Richard Glover A Poem on Sir Isaac Newton anführen, das der Veröffentlichung von H. Pemberton zu den Newtonschen Theorien vorangestellt ist: Henry Pemberton: A view of Sir Isaac Newton’s philosophy, London 1728. 148 Desagulier 1728, S. 32 Z. 175–178. 149 Ebd., S. 30 Z. 153 f. [Hervorhebung im Original]. 150 Ebd., S. 34 Z. 191 f. [Hervorhebungen im Original]. 151 Siehe Collection 1944, S. 238 Nr. 56 sowie Paulson 1991, Bd. 2, S. 2 mit Anm. 7 auf S. 388. 152 Dazu Milo Keynes: The Iconography of Sir Isaac Newton to 1800, Cambridge 2005, u. a. S. 6 f. und 18 f. zu den Porträts von Thornhill. Siehe hierzu auch Kat. London 1987, S. 40 f. Kat. Nr. 12. 153 Das Gemälde wurde mehrfach nachgestochen. Siehe zum Werk u. a. Kat. London 2006, S. 108 f. Kat. Nr. 53. Die Aufführung fand im Jahre 1732 statt. Zu den im Gemälde erkennbaren Bezügen zu Newton siehe bereits Paulson 1991, Bd. 2, S. 1–4, v. a. S. 2 f. sowie eingehender

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56 William Hogarth, The Indian Emperour or The Conquest of Mexico, 1732–1735, Öl auf Lw., Privatsammlung

nach Newtons Tod dessen Position als Meister der Londoner Münze übernahm und zugleich mit Newtons Nichte verheiratet war. Auf der Bühne ist das Aufeinandertreffen des spanischen Generals Cortez und der beiden Frauen Almeria und Cydaria im Kerker in der vierten Szene des vierten Aktes zu sehen. Die Bühne nimmt die rechte Hälfte des Bildes ein, während auf der linken Seite und zum Teil mit dem Rücken zum Betrachter gewandt das Publikum aus Erwachsenen und Kindern, darunter auch Mitglieder der Königsfamilie, zu erkennen ist.154 Abgesehen von den engen Bezügen zwischen Newton und dem Auftraggeber des Gemäldes wurde in der Forschung vor allem eine beinahe nebensächlich erscheinende Begebenheit im Bildvordergrund mit den Theorien des Gelehrten in Verbindung gebracht: Ein Fächer ist zu Boden gefallen. Eine in zweiter Reihe sitzende junge Frau weist mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf ihn. Ein kleines Mädchen in vorderster Reihe ist dabei, der Ermahnung zu folgen, dreht sich nach ihm um und versucht, ihn aufzuheben. Ronald Paulson und Amal Asfour sehen in dieAmal Asfour: Hogarth’s Post-Newtonian Universe, in: Journal of the History of Ideas 60/4 (1999), S. 693–716. 154 Eine genauere Auflistung der anwesenden Zuschauer sowie der Kinderschauspieler findet sich u. a. bei Paulson 1991, Bd. 2, S. 1 f.



„Antiquam exquirite Matrem“: Die Enthüllung der Allegorie

ser Episode Newtons zentrale Erkenntnis der Schwerkraft thematisiert, die auf diese Weise unmittelbar im Bild zur Anschauung gebracht werde.155 Paulson verbindet dies mit der Beobachtung, dass Kinder, die auch im vorliegenden Gemälde auffallend präsent sind, in Hogarths Conversation Pieces meist in Zusammenhang mit natürlichen Gesetzmäßigkeiten, wie eben auch der Schwerkraft, stehen und auf die Einwirkungen dieser Naturgesetze hindeuten.156 Überträgt man diese Beobachtungen auf die Four Times of Day, ließe sich, wenngleich weniger offensichtlich, eine ähnliche Szene hervorheben. Es handelt sich um die in der rechten Hälfte des Noon-Bildes gezeigte Kettenreaktion (Abb. 43), die als solche innerhalb der Bilderfolge heraussticht. Im Herabtropfen der Pastetenflüssigkeit, die den kleinen Jungen trifft und damit eine Kausalkette auslöst – seine Servierplatte bricht entzwei, deren Scherben mitsamt den Teigresten ebenfalls zu Boden fallen –, drücken sich die Newtonschen Gesetze sowohl der Erdanziehung als auch insbesondere der Kraftübertragung unmittelbar aus. Auch hier sind, folgt man der Beobachtung Paulsons, Kinder involviert. Neben dieser Begebenheit wird der Einfluss der Schwerkraft in der Szene auch an anderen Stellen sichtbar: Der Papierdrachen, der sich auf der linken Seite an der Dachrinne der Kirche verfangen hat, hängt herab. Auf der rechten Seite fällt das aus dem Fenster geworfene Mittagessen auf die Erde. Anhand dieser aus der Lebenswirklichkeit gegriffenen Ereignisse zeigt die Szene den bestimmenden Einfluss der Gravitation und verdeutlicht, dass und wie nicht nur die städtische Umgebung, sondern auch die neuen physikalischen Erkenntnisse im Alltag konkret erfahrbar werden und die bisherige Naturordnung durcheinander bringen.

„Antiquam exquirite Matrem“: Die Enthüllung der Allegorie Die neuen Gegebenheiten, das Umfeld der Großstadt, die zunehmende Verzeitlichung und Momenthaftigkeit des Alltags sowie die veränderte Naturerfahrung scheinen zu einer Hinterfragung der bisherigen Vorstellungen zu führen und gleichzeitig die Suche nach geeigneteren Darstellungsformen erforderlich zu machen, die die Wirklichkeit angemessen beschreiben. Die Infragestellung der Tradition, wie sie in den Four Times of Days und den Strolling Actresses zum Ausdruck kommt, und die damit verbundene Notwendigkeit nach neuen, zeitgemäßen Bildformeln bringt Hogarth schließlich in seinen beiden Bietertickets auf den Punkt, die er zum Verkauf der Gemälde- beziehungsweise der Graphikfassung einsetzte. Ronald Paulson zufolge zeigen sich gerade in diesen Subskriptionsblättern Hogarths kunsttheoretische Positio155 So Paulson 1991, Bd. 2, S. 2 f. und Asfour 1999, S. 696 f. Asfour sieht das Gemälde dabei als allgemeine Darstellung der Newtonschen Erkenntnistheorien in Abgrenzung zur Tabula rasa-­ Vorstellung von John Locke. 156 Siehe Paulson 1991, Bd. 2, S. 3. Diese Beobachtung führt der Autor allerdings nicht näher aus.

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nen in ihrer prägnantesten Form.157 Beide Tickets sollen daher abschließend genauer in den Blick genommen werden. Für die Edition der Druckgraphiken der Tageszeiten 1737/8 verwendete Hogarth die Darstellung Boys Peeping at Nature wieder (Abb. 57), die er bereits 1730/1 als Subskriptionsticket für die Bilderfolge A Harlot’s Progress entwickelt hatte.158 Den ur­sprünglichen Entwurf behielt er unverändert bei. Die Illustration zeigt drei puttenhafte Knaben und einen jungen Satyr vor dem Standbild der Diana Ephesia. Der Kopf der zum Torso verkürzten Statue ist mit einem Schleier bedeckt, ihr Unterleib durch ein rockartiges Tuch verhüllt. Um den Hals trägt sie gänzlich unantik eine moderne Perlenkette mit einem Kreuz als Anhänger. Die Abbildung der Figur erinnert an Werke wie Rubens’ Nature Adorning the Three Graces (Abb. 58), in denen die vielbusige ephesische Gottheit als Sinnbild der Natura, der Allegorie der nährenden Mutter Natur erscheint.159 Das Gemälde befand sich zum damaligen Zeitpunkt im Besitz von Hogarths Schwiegervater Thornhill und mag die vorliegende Komposition inspiriert haben.160 Die Darstellung der ephesischen Göttin blickt auf eine lange Tradition sowohl in der Emblemliteratur als auch in kunsttheoretischen Traktaten etwa bei Gérard de Lairesse oder Roger de Piles zurück, in denen Diana das natürliche Prinzip sowie – damit verbunden – das Streben nach Erkenntnis durch unmittelbare Naturanschauung verkörpert.161 Der Schleier, den die Göttin bei Hogarth trägt, rückt die Figur in die 157 Siehe Paulson 1971, Bd. 2, S. 414: „These were polemical prints, in which Hogarth drew off his aesthetic arguments from his histories“. Ähnlich auch Busch 1977, S. 124 f. 158 Es handelt sich um den dritten Zustand. Das Ticket wurde 1751 erneut, nun allerdings verändert, für Paul before Felix genutzt; siehe Paulson 1965, Bd. 1, S. 140 f., Nr. 120. Die Schreibweisen „1737/8“ und „1730/1“ nehmen, wie bereits erläutert, auf den Wechsel des Kalendersystems von der julianischen zur gregorianischen Zeitrechnung Bezug; siehe dazu zuvor S. 93 m. Anm. 2. 159 Von Brueghel stammen die umgebenden Früchte, Blumen und Ornamente. Hogarths Satyr mag den Silen im Rubenschen Vorbild aufgreifen, der unterhalb des Standbildes zu sehen ist. Zu späteren Variationen der Bildformel der drei Grazien siehe auch die Rollenpor­ träts der 1760er- bis 1780er-Jahre von Joshua Reynolds; dazu genauer Tasch 1999, S. 106 f. sowie S. 145–157. 160 Siehe den Katalog zur Versteigerung der Thornhillschen Sammlung im Februar 1734/5: Catalogue of the Intire Collection belonging to Sir James Thornhill, Late Principal History Pain‑ ter to His Majesty, & Consisting of several very Capital Pictures, London 1734/5 sowie den Abdruck in Thornhill 1943, zum Gemälde S. 134 u. S. 136, Second Day’s Sale, Nr. 99. Der Katalog führt das Werk, das Thornhill 1717 in Paris erwarb, unter dem Titel „The Graces unveiling nature“ auf. Thornhill besaß von Rubens zudem eine entsprechende Vorzeichnung (S. 135, Second Day’s Sale, Nr. 18). Ein in Format und Details leicht abweichender Nachstich des Gemäldes war nicht zuletzt auf dem Titelblatt des Auktionskatalogs abgebildet. Zum Ganzen auch Bärbel Küster: Natura auf dem Kunstmarkt. Ein fiktiver Dialog zwischen Kunsttheorie und Graphik, in: Markus A. Castor u. a. (Hg.): Druckgraphik. Zwischen Reproduktion und In‑ vention, Berlin/München 2010 (Passagen/Passages, Bd. 31), S. 341–361, insb. S. 341–345. 161 Siehe ebd., S. 349–351 zur englischen Emblem- und Traktatliteratur, darunter auch zu Roger de Piles’ besonders in England verbreiteter Schrift De Arte Graphica (The Art of Pain‑



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57 William Hogarth, Boys Peeping at Nature, 1737/8, Radierung, New York, The Metropolitan Museum of Art

ting), sowie dies.: The English Ripa. Wissens- und Sammlerkultur am Beispiel der Natura in der britannischen Emblemtradition des 18. Jahrhunderts, in: Cornelia Logemann und Michael Thimann (Hg.): Cesare Ripa und die Begriffsbilder der Frühen Neuzeit, Zürich 2011 (BilderDiskurs), S. 117–147, hierzu insb. S. 117–131. Genauer zur Diana Ephesia als Verkörperung der Natura siehe die Arbeiten von Wolfgang Kemp: Natura. Ikonographische Studien zur Ge‑ schichte und Verbreitung einer Allegorie, Tübingen 1973 (Zugl. Diss. phil. Universität Tübin-

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58 Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä., Nature Adorning the Three Graces, um 1615, Öl auf Lw., Glasgow, Kelvin­ grove Art Gallery and Museum

Nähe allegorischer Darstellungen, bei denen die Verhüllung symbolisch für das Rätselhafte und Geheimnisvolle steht, das es zu entdecken gilt.162 Getreu der lateinischen Inschrift „Antiquam exquirite Matrem“ („Suchet die alte Mutter“),163 die auf einer Mauer hinter dem Standbild zu lesen ist, versuchen die Jungen in Hogarths Stich die Göttin genauer zu ergründen: Auf der linken Seite malt einer der Putten ihr Konterfei an der Staffelei, auf der rechten Seite fertigt ein anderer mit dem Rücken zur Statue gewandt eine Skizze von ihr an. Den direktesten Versuch unternimmt der Satyr in der

gen) und Andrea Goesch: Diana Ephesia. Ikonographische Studien zur Allegorie der Natur in der Kunst vom 16.–19. Jahrhundert, Frankfurt am Main u. a. 1996 (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXVIII: Kunstgeschichte, Bd. 253) (Zugl. Diss. phil. Universität Mainz 1995). 162 Zum Motiv des Schleiers und seinen verschiedenen Bedeutungen siehe genauer Deckers 2010, hierzu insb. S. 117–163. In der englischen Ausgabe seiner De Arte Graphica erwähnt De Piles den Schleier zudem bereits in Zusammenhang mit der Natur und ihrem Verhältnis zur Kunst. Für ihn ist „Affectation“ dabei ein „Veil which disguises Truth“; Roger de Piles: The Art of Painting, and the Lives of the Painters, London 1706, Kap. 3, S. 14. 163 Übersetzung durch die Verfasserin. Zur Textpassage Publius Vergilius Maro (Vergil): ­Aeneis. Lateinisch-deutsch, hg. und übers. von Johannes Götte, München/Zürich 1994 (Sammlung Tusculum), S. 98, Buch III, V. 96. Dabei handelt es sich um die Antwort, die Äneas und sein Vater Anchises auf die Befragung des Delischen Apollon-Orakels erhielten. Gemeint war damit die alte Heimat, die sie aufsuchen sollten.



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59 Simon Gribelin, Frontispiz (zu: Anthony Ashley Cooper, 3rd Earl of Shaftesbury, Charakteristicks of Men, Manners, Opinion, Times, Bd. 3: Miscellaneous Reflections), London 1714/5

Bildmitte, der unter den Rock der Göttin schauen will, woran ihn der dritte Knabe zu hindern sucht. Durch die sprachliche Nähe der Wörter „Satyr“ und „Satire“ wurde ersterer in der Literatur vielfach als Identifikationsfigur des Künstlers gedeutet, dem die Satire als Erkenntnismittel diene.164 Der Satyr führt den Topos des Naturenthüllens vor Augen, indem er getrieben von empirischer und gleichzeitig erotischer Neugier die wahren Qualitäten der Natur zum Vorschein bringen will. Das Motiv des „aufdeckenden“ Satyrn in Verbindung mit der Diana von Ephesos findet sich bereits in einer Illustration (Abb. 59) in den Miscellaneous Reflections der Characteristicks of Men, Manners, Opinions, Times Shaftesburys, der sich in seinen Schriften deutlich gegen emblematisch-verrätselte Darstellungen wendete.165 Der Stich zeigt zwei er­­ wachsene Satyrn, die zu den Seiten der zentralen hermenartig präsentierten Diana­ statue einen Vorhang hinwegziehen, ganz ähnlich wie der Hogarthsche Satyr den Rock der Göttin hochhebt.

164 So u. a. Paulson 1971, Bd. 1, S. 259. 165 Den Stich, der erstmals in der zweiten posthum veröffentlichten Ausgabe der Charac­ teristicks von 1714 erscheint, fertigte der französische Kupferstecher Simon Gribelin nach Vorgaben Shaftesburys an; siehe hierzu auch Küster 2011, S. 127 f. m. Abb. 7. Zu den Theorien Shaftesburys siehe genauer Johannes Dobai: Die Kunstliteratur des Klassizismus und der Ro‑ mantik in England, 4 Bde, Bern 1974–1984, hier Bd. 1: 1700–1750, Bern 1974 (Zugl. Habil. Universität Zürich 1972), S. 47–91, insb. S. 64. Eine ähnlich allegoriekritische Haltung vertritt auch Horace Walpole; siehe dazu Tasch 1999, S. 106.

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Unterhalb der Vignette des Hogarthschen Tickets folgt als Subscriptio ein weiteres lateinisches Zitat, das aus der damals weithin bekannten Ars Poetica von Horaz gegriffen ist und hier leicht verkürzt wiedergegeben wird: „necesse est / Indiciis monstrare recentibus abdita rerum, / – dabiturque Licentia Sumpta pudenter. Hor“.166 Die Verse unterstreichen Hogarths zentrale Forderung, im Verborgenen liegende Inhalte („abdita rerum“),167 wie sie – man denke an den Schleier – die konventionellen Allegorien darstellen, durch moderne, unverbrauchte Zeichen („indiciis recenti‑ bus“) zu verbildlichen. So wie der Satyr im Bild die verhüllten Partien der Statue offen legen will, den Schleier der Allegorie lüftet und empirisch nach der Wahrheit der Natur sucht, so versucht Hogarth die Wirklichkeit zu ergründen und entsprechende Formen der Darstellung zu finden, um sie „unverschleiert“ und damit auch verständlicher wiederzugeben.168 Dieses Bestreben Hogarths, neue Bildfindungen zu entwickeln, die sich von ihren klassischen Vorbildern abheben und allgemein zugängliche Alternativen dazu bilden, führt auch das zweite Ticket, The Battle of the Pictures (Abb. 60), vor Augen, das als Eintrittskarte für die Versteigerung der gemalten Fassungen der Four Times of

166 Zur Textpassage Quintus Horatius Flaccus (Horaz): Sämtliche Werke. Lateinisch-deutsch, hg. von Hans Färber, Teil II übers. von Wilhelm Schöne, München/Zürich 1982 (Sammlung Tusculum), S. 232, V. 48–51; Übersetzung S. 233. Einhergehend mit seiner allgemeinen Verbreitung wurde Horaz’ selbstreflexives Lehrgedicht zu Beginn des 18. Jhs vor allem in England zum Gegenstand satirischer Nachahmungen. Davon zeugt eine Fülle an Werken, die in An­­ lehnung an die antike Vorlage den Zusatz „The Art of…“ im Titel tragen, darunter die bereits erwähnten Trivia: or, The Art of Walking the Streets von J. Gay oder William Kings 1709 entstandenes Gedicht The Art of Cookery, eine parodistische Adaption der Ars Poetica auf die englische Küche, die auch die lateinischen Originalverse enthielt; siehe dazu auch Power 2015, S. 69–73 mit weiteren Beispielen. King bringt dabei im Übrigen kurz nach der bei Hogarth zitierten Passage auch die Jahreszeiten zur Sprache; William King: The Art of Cookery. In Imita‑ tion of Horace’s Art of Poetry, London 1709, S. 63. Zur Bekanntheit und Rezeption von Horaz in England siehe u. a. auch Rudolf Sühnel: Ars Horatiana in England, in: Helmut Krasser und Ernst A. Schmidt (Hg.): Zeitgenosse Horaz: Der Dichter und seine Leser seit Jahrtausenden, Tübingen 1996, S. 153–181, hierzu insb. S. 173–175. Vgl. zur Deutung der Horazschen Verse sowie v. a. zum „Licentia“-Nachsatz auch Paulson 1971, Bd. 1, S. 261. 167 Die Bezeichnung „abdita“ im Zusammenhang mit Allegorien findet sich bereits in Jean Jacques Boissards Emblematum Liber von 1588 unter der Devise „Velo latet abdita“; für eine Abb. und nähere Erläuterungen siehe auch Küster 2011, S. 124–126 mit Abb. 6. Auch hier erscheint im Übrigen wieder die ephesische Diana. 168 P. Wagner gelangt in diesem Zusammenhang zu einer leicht abweichenden Deutung des Begriffes „abdita“. Für ihn sind damit nicht verborgene, sondern vielmehr schwierige Inhalte („difficult subjects“, im Sinne von unschicklich) gemeint wie etwa bei der Bilderfolge A Harlot’s Progress, für die das Ticket entstand. Da das Blatt hier aber für ein anderes Werk verwendet wird, erweitert sich zumindest das mögliche Bedeutungsspektrum des Begriffs, wenn er nicht sowieso von Anfang an eher auf verborgene Themen bezogen war; vgl. Peter Wagner: Hogarthian frames: the ‚new‘ eighteenth-century aesthetics, in: Bindman/Ogée/ Wagner 2001, S. 23–46, hierzu S. 28.



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60 William Hogarth, The Battle of the Pictures, 1744/5, Radierung, New York, The Metropolitan Museum of Art

Day und der Strolling Actresses im Frühjahr 1745 diente. Durch das Aufgreifen der Morgenszene im Vordergrund werden die Tageszeiten hier sogar explizit als Bild im Bild zitiert. Der Titel des Stichs, der auf einem Zettel am unteren linken Bildrand zu lesen steht, ist an die satirische Erzählung The Battle of the Books von Jonathan Swift angelehnt, in der im Nachgang der Querelle des Anciens et Modernes ein Büchergefecht zwischen antiken und modernen Autoren geschildert wird.169 Die Bücherschlacht wird bei Hogarth zu einem Kampf der Bilder, der zwischen traditionellen Motiven alter Meister und seinen eigenen Werken, den so bezeichneten „moder[n] moral Subject[s]“,170 ausgetragen wird. Auf der linken Seite sieht man endlos erscheinende Bilderreihen immer gleicher klassischer Sujets, darunter Der Raub der Europa, Die Schindung des Marsyas und Der Heilige Andreas,171 die sich wie eine Phalanx vor 169 Zu Swifts Text und seinem geistesgeschichtlichen Hintergrund siehe u. a. Elke Wawers: Swift zwischen Tradition und Fortschritt. Studie zum ideengeschichtlichen Kontext von ‚The Battle of the Books‘ und ‚A Tale of a Tub‘, Frankfurt am Main 1989 (Trierer Studien zur Literatur, Bd. 16) (Zugl. Diss. phil. Universität Trier 1987), insb. S. 72–94 sowie Howard D. Weinbrot: ‚He Will Kill Me Over and Over Again‘: Intellectual Contexts of the Battle of the Books, in: Hermann J. Real und Helgard Stöver-Leidig: Reading Swift. Papers from the Fourth Münster Symposium on Jonathan Swift, München 2003, S. 225–248. Wie bereits Antal feststellt, weist der Hogarthsche Stich in Aufbau und Gestaltung deutliche Parallelen zur Frontispiz-Darstellung der Battle of the Books auf; siehe Antal 1962, S. 141. Die Illustration ist abgedruckt bei Jonathan Swift: A Tale of a Tub, to which is added The Battle of the Books and the Mechanical Operation of the Spirit, hg. von A. C. Guthkelch and D. Nichol Smith, Oxford 1958, Abb. zwischen S. 216 und 217. 170 Hogarth 1955, S. 216. 171 Die gezeigten Darstellungen des Raubs der Europa und der Schindung des Marsyas erinnern in der Art ihrer Gestaltung an Illustrationen Antonio Tempestas zu den entsprechenden Episoden in den Metamorphosen Ovids (Ausgabe von 1606); siehe dazu die Abbildungen in Sebastian Buffa (Hg.): Antonio Tempesta. Italian Masters of the Sixteenth Century, New York

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einem durch Risse gezeichneten Auktionshaus aufgestellt haben. Das Kürzel „Dto.“ in der rechten oberen Ecke der Leinwände verdeutlicht die Redundanz der Motive und weist auf den Kopiencharakter der Gemälde hin. Inmitten der Werke sticht als Standarte eine Fahne mit dem Hammer des Auktionators hervor. Welche Art von Gegnern Hogarths Werken hier gegenübersteht, gibt der Wetterhahn auf dem Dach des Auk­ tionshauses an, der als Windrichtungen die Buchstaben P‑V‑F‑S aufführt. Es handelt sich um „puffs“, was im Englischen neben Windstoß auch für etwas Aufgeblasenes, Inhaltsleeres, kurz: für Luftnummern steht.172 Aus den Bilderreihen haben sich bereits einzelne dieser Auktionshauswerke gelöst und sind in die Luft gestiegen, um dort auf ihre Hogarthschen Konkurrenten zu treffen, die ihnen thematisch zugeordnet sind. Am Boden durchsticht eine Darstellung des Heiligen Franziskus Hogarths Morning, darüber wird die dritte Szene aus A Harlot’s Progress von einer büßenden Maria Magdalena aufgespießt, rechts daneben trifft die römische Aldobrandini-Hochzeit, das Paradebeispiel antiker Malerei, das zweite Bild aus der Marriage à‑la-Mode, das gerade vollendet noch auf einer Staffelei steht. In den oberen Gefilden sind die Hogarthschen Motive erfolgreicher: Die Tavernenszene aus A Rake’s Progress zerstört ein Göttermahl und die Midnight Modern Conversation einen rubenesken Bacchantenzug. Neben der in diesem Blatt geäußerten Kritik am englischen Kunsthandel, der sich Hogarth zufolge zu sehr auf die Werke auswärtiger, kontinentaleuropäischer Künstler konzentrierte und die nationale Kunst vernachlässigte,173 verdeutlicht das Ticket Hogarths generellen Angriff auf traditionelle Motivfindungen. Mit seinen Modern moral subjects liefert er sowohl formal als auch inhaltlich Gegenentwürfe zu altbekannten klassischen Themen und zeigt in den im Stich sichtbaren Zweikampfpaaren, wie moderne Formen von Religiosität und Frömmigkeit, von Weiblichkeit, von Hochzeit, Gesellschaft und Ehe aussehen, in denen Mythos und Allegorie keinen Platz mehr haben.174 In den 1730er-Jahren entstanden, beschreiben Hogarths The Four Times of Day ein besonders frühes Beispiel sowohl der kritischen Hinterfragung quaternärer Ordnungen als auch der Reflexion ihrer Bildsprache. Hogarth wählt dafür das klassische, von festen Darstellungskonventionen geprägte Motiv der Vier Tageszeiten, das er eng mit dem ebenso klassischen Motiv der Jahreszeiten verbindet. In den Szenen löst er sich von dieser Tradition, die allenfalls versatzstückartig – man denke an das Feuer in der Morning-Szene (Abb. 42) – aufgegriffen wird, und verzichtet auf die üblichen allegorischen Darstellungsformen oder kosmologischen Verweise. Stattdessen verlagert 1983 (The illustrated Bartsch, Bd. 36, zuvor Bd. 17, Teil  3), S. 20 Nr. 658 (151), S. 117 Nr. 819 (154) u. S. 38 Nr. 694 (151). 172 So auch Busch 1993, S. 251 f. 173 Siehe dazu bereits S. 89 sowie zusammenfassend John Brewer: The Pleasures of the Ima‑ gination. English Culture in the Eighteenth Century, London 1997, S. 202–215. 174 Zum Ganzen siehe insb. auch Busch 1993, S. 250–253.



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er die Episoden aus der pastoralen landschaftlichen Umgebung in die Stadt, verkehrt die Handlung ins Komische und erzeugt damit unterstützt durch die gegenläufige Verknüpfung der einzelnen Vierersysteme und die Schilderung von Gegensätzen innerhalb der Szenen das Bild einer auf den Kopf gestellten Welt. In Ermangelung adäquater Symbole fügt er an der Wirklichkeit orientierte und somit jedem zugängliche Motive ein, wie die Uhren in der ersten und der zweiten Szene, den Papierdrachen in Noon oder andere aus dem städtischen Kontext gegriffene Zeichen, die auf die jeweilige Tages- oder Jahreszeit hinweisen. Durch das Abrücken von bekannten Schemata entsteht aber auch eine gewisse Verunklärung der Ikonographie, die sich in den unterschiedlichen in der Forschungsliteratur zutage tretenden Deutungen widerspiegelt. Diese wohl bewusst von Hogarth angelegte Unbestimmtheit, die zu einer Verunsicherung des Betrachters führt, dient dem Künstler als Mittel, die Relevanz festgefügter Formeln zu überprüfen und ihre Verbindlichkeit zu hinterfragen. Motiviert ist dieser kritische Umgang mit quaternären Vorstellungen und ihrer Darstellungsweise zum einen durch Hogarths eigenen künstlerischen Anspruch, als Zeichen einer allgemeinen Auseinandersetzung mit der Kunsttradition sowie seiner Behauptung gegenüber seinen Künstlerkollegen. Mit der Implementierung der Szenen in London schafft er dabei ein genuin ‚englisches‘ Beispiel des Tages- und Jahreszeitenthemas und kommt insofern seinem zentralen Anliegen nach, die nationale englische Kunst zu stärken. Zum anderen sind die veränderten Bedingungen und die neue Sicht auf die Welt als Gründe zu nennen, die sich durch die tradierte Bildsprache nicht mehr angemessen beschreiben lassen. Letzteres wird in den Four Times of Day durch die Einbettung der Szenen in die Stadt und die im Bild sichtbar werdenden Verweise auf die neuen physikalischen Erkenntnisse veranschaulicht, welche die Vorgänge in der Natur vornehmlich empirisch erschließen. Die Stadt und die nun beschreibbaren physikalischen Phänomene verändern die Wahrnehmung von Zeit und Raum und fordern einen strikten Aktualitäts- und Gegenwartsbezug ein. Die in den Werken abgebildete zunehmende Dynamisierung und zeitliche Strukturierung des Alltags stehen dabei der Überzeitlichkeit quaternärer Ordnungen und dem mit ihnen verbundenen Gedanken von steter zyklischer Wiederkehr entgegen. Die kunsttheoretische Aussage der Tageszeitenfolge tritt schließlich konzen­ triert in den Strolling Actresses hervor, die die Four Times of Day wie ein Kommentar ergänzen. In der Bloßstellung und Enttarnung der Götterfiguren als Schauspieler verdeutlicht der Stich die Überkommenheit und Inhaltsleere des mythologisch-allegorischen Apparates. Die beiden Bietertickets Boys Peeping at Nature und The Battle of the Pictures, die dem Verkauf der Graphik- und der Gemäldefassung der Tageszeiten dienten, vertiefen diesen Gedanken. Sie führen den Bedeutungsverlust der althergebrachten quaternären Darstellungstradition vor Augen und unterstreichen Hogarths übereinstimmend mit der populären Literatur und Kunsttheorie à la Swift, Steele und Addison formulierte Forderung nach einer modernen und gegenwartsbezogenen Bildsprache.

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Exprimant le froid – représentant l’été: ­Verkörperungen der Jahreszeiten bei ­Jean-Antoine Houdon

Zu Beginn der 1780er-Jahre entwirft Jean-Antoine Houdon zwei Figuren der jahreszeitlichen Extreme Sommer und Winter (Abb. 61 und 62). Die beiden Statuen, L’Été und L’Hiver, letztere besser bekannt unter dem ihr bereits vom Künstler zugedachten Beinamen „La Frileuse“, „die Frierende“, sind als junge Mädchen dargestellt: das eine sommerlich lebhaft, raumgreifend und mit unterschiedlichen Attributen beladen, das andere in der Erscheinung reduzierter, spürbar verfroren und trotz der winterlichen Thematik auf eigenartige Weise entblößt. Damit stechen auch sie innerhalb der Jahreszeitentradition hervor, indem sie deutlich von gewohnten Mustern abweichen und durch die besondere ins Genrehafte gehende Art ihrer Gestaltung den Jahreszeitenbezug mitunter sogar ganz ablegen. Auftraggeber beider Figuren war Anne-Charles Modenx de Saint-Waast, Ratssekretär des Königs und Generalverwalter der königlichen Ländereien in Poitiers, der die nahezu lebensgroßen Marmorskulpturen in der Bibliothek seines Pariser Stadtpalais in der Rue Saint-Honoré aufstellte.1 Die Entwürfe sind in einer um 1784 von 1 Zur Person Saint-Waasts siehe genauer Thierry Claeys: Dictionnaire biographique des finan‑ ciers en France au XVIIIe siècle, 2 Bde, Paris 2009, hier: Bd. 2: K‑Z, S. 461–464. Dass beide Skulpturen in der Privatbibliothek Saint-Waasts aufgestellt waren, lässt sich anhand einer Erinnerung seines Großneffen, des Baron de Frénilly François-Auguste Fauveau, rekonstruieren, der über den Besuch bei Saint-Waast Folgendes berichtet: „L’oncle de ma mère, M. de SaintWaast, administrateur général des domaines, extrêmement riche, et dont elle devait seule hériter, était un excellent homme, simple, gai, spirituel, généreux, aimant la magnificence, mais avec goût et discernement. Je n’ai jamais rencontré dans aucun palais un luxe à la fois plus riche et plus élégant que dans le salon de la maison qu’il avait bâtie sur les Tuileries. Il avait dans sa bibliothèque la célèbre Frileuse, que Houdon avait faite pour lui“; zit. nach Arthur Chuquet (Hg.): Souvenirs du Baron de Frénilly, Pair de France (1768–1828), Paris 1908, S. 5. Hierbei handelt es sich zugleich um den einzig bekannten Beleg, der Saint-Waast namentlich als Auftraggeber des Statuenpaares ausweist. Houdon selbst notiert zur Bestimmung der beiden Skulpturen lediglich (Notiz aus seinen Erinnerungen vom 20 vendémiaire an III): „Une Frileuse et l’Été, grandeur naturelle, en marbre, à un particulier“; zit. bei Louis Réau: Houdon. Sa vie et son œuvre, 2  Bde, Paris 1964, hier: Bd. 1: Sources, S. 238. Aus dieser Notiz geht zudem hervor, dass beide Figuren für Saint-Waast vorgesehen waren, auch wenn der Baron de Frénilly in seinen Erinnerungen lediglich die Frileuse erwähnt. Gestützt wird dies auch

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Exprimant le froid – représentant l’été: ­Verkörperungen der Jahreszeiten bei ­Jean-Antoine Houdon

61 Jean-Antoine Houdon, L’Été, 1785, Marmor, Montpellier, Musée Fabre

62 Jean-Antoine Houdon, L’Hiver oder La Frileuse, 1783, Marmor, Montpellier, Musée Fabre



Exprimant le froid – représentant l’été: ­Verkörperungen der Jahreszeiten bei ­Jean-Antoine Houdon

Houdon verfassten Werkliste für das Jahr 1781 wie folgt vermerkt: „[93.] Modelle d’une frileuse representant l’hiver pour être exécuté en marbre sur quatre pieds de haut“ und „[94.] Modelle d’une autre figure pour faire pendant représentant l’été“.2 Die marmorne Umsetzung des Winters wurde zuerst ausgeführt und 1783 fertig gestellt. Obwohl mit dem Winter zusammen konzipiert, folgte die Marmorfassung des Sommers erst zwei Jahre später.3 Die Winterfigur wurde noch im Jahr ihrer Fertigstellung im Rahmen des Salons erstmals öffentlich präsentiert. Hier war sie allerdings nicht in der Ausstellung selbst zu sehen, sondern wurde am Rande derselben im Atelier des Künstlers gezeigt. Im Livret du Salon heißt es dazu: „une jeune fille en marbre de grandeur naturelle exprimant le froid, surnommé la Frileuse. Elle est chez l’auteur à la Bibliothèque du Roi“.4 Die Beweggründe für diese separate Präsentation der Frierenden scheinen in der besonderen Art ihrer Gestaltung zu liegen. Louis Réau weist zwar darauf hin, dass großformatige Skulpturen wie die Houdonsche Figur aufgrund der begrenzten Räumlichkeiten in der Regel eher außerhalb des Salons ausgestellt wurden.5 Als Grund wahrscheinlicher ist jedoch die provokante Form ihrer Nacktheit, die sich in der vollständigen Entblößung des Unterleibes äußert, während Kopf und Oberkörper in einen dicken Schal gehüllt sind. Als Houdon 1785 nämlich kleinere Marmorreduktionen von beiden Figuren im Salon zeigen wollte, blieb ihm die Ausstellung aufgrund eben dieser paradox anmutenden und für das Thema als unpasdurch eine Bemerkung des Comte d’Angiviller in einem Brief an Houdon vom 3. Juni 1785, der das Figurenpaar vor der Überstellung an den Auftraggeber noch einmal sehen wollte: „Je ferai mon possible, la première fois que j’irai à Paris, pour passer à votre atelier et y voir les deux figures en marbre que vous devez livrer au propriétaire avant que de partir“; zit. ebd., S. 238. Siehe zum Ganzen auch Louis Réau: Documents sur Houdon, in: Bulletin de la Société de l’Histoire de l’Art français (1922), S. 367–394, hierzu S. 382 f. 2 So Houdon in seiner Werkliste von 1784, als Ganzes wiedergegeben bei Paul Vitry: Une liste d’œuvres de J.‑A. Houdon, rédigée par l’artiste lui-même vers 1784, in: Archives de l’Art fran‑ çais, Nouvelle Période 1 (1907), S. 193–209, hier S. 206. 3 Die Marmorfassungen sind seit 1828 Teil der Sammlung des Musée Fabre in Montpellier und dort durch Dossiers d’œuvre dokumentiert. Zur genauen Provenienz siehe u. a. den Katalogeintrag von G. Scherf in Houdon 1741–1828. Sculpteur des Lumières, hg. von Anne L. Poulet, Ausst.-Kat., National Gallery Washington, J. Paul Getty Museum Los Angeles und Musée National du Château de Versailles, Paris 2004, S. 239 f. Kat. Nr. 39 u. 41. 4 Livret du Salon 1783; zit. bei Jules J. Guiffrey (Hg.): Collection des livrets des anciennes expo‑ sitions depuis 1673 jusqu’en 1800, 42 Bde, Paris 1869–1872, hier: Bd. 32: Exposition de 1783, Paris 1870, S. 52, nach Nr. 251; zu den von Houdon ausgestellten Werken insgesamt ab S. 51 f. Neben der Frileuse wurden auch Houdons Bronzefassung der Diana sowie ein Brunnenensemble dem Livret-Eintrag zufolge außerhalb des Salons gezeigt. In der Ausstellung selbst waren lediglich seine Porträtbüsten zu sehen. Das Atelier Houdons befand sich seit 1775 im Gebäude der Bibliothèque du Roi in der Rue Richelieu. 5 Siehe Réau 1922, S. 380 f. Großformatige Werke am Rande des Salons zu zeigen, beschreibt auch W. McAllister Johnson als damals gängige Praxis; siehe William McAllister Johnson: Visits to the Salon and Sculptors’ Ateliers during the Ancien Régime, in: Gazette des Beaux-Arts, 6. Per. 120 (1992), S. 17–35, hierzu insb. S. 18 f.

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send empfundenen Entblößung verwehrt.6 So schrieb der damalige Akademiedirektor Jean-Baptiste Pierre, der zugleich Jurymitglied des Salons war, im Vorfeld der Ausstellung an den für die Künste zuständigen Directeur des bâtiments du roi, den Comte d’Angiviller: Demain l’on examinera les morceaux qui seront admis au Salon. On a apporté deux petites figures de M. Houdon demie-nature: l’une, qui est drappée, n’est pas merveilleuse, l’autre pourrait bien ne pas passer à cause de son genre de nudité. Une figure toute nue n’est pas si indécente que celles qui sont drappées avec une fausse modestie. […] Il faut pourtant observer que cette figure est la meilleure des deux et que l’on pourra la nicher dans un angle. On pourrait se demander pourquoy la Vénus, ditte aux belles fesses, ne blesse pas et que celle‑cy montre bêtement un derrière [sic] qui peut être bien.7

Wie deutlich wird, kritisierte Pierre vor allem die auf „fausse modestie“, falscher Sittsamkeit, gründende Entkleidung der Winterfigur, die zwar in gleicher Weise wie die sogenannte Vénus aux belles fesses, die Venus Kallipygos, ihr entblößtes Gesäß zeige, in ihrer Nacktheit jedoch aufgrund einer fehlenden mythologischen Legitimation anstößiger und ungelenker („bêtement“) wirke als das antike Vorbild. Auch das durch die Figuren repräsentierte Jahreszeitenthema, das Pierre bezeichnenderweise gänzlich unerwähnt lässt, schien als Rechtfertigung der Nacktheit nicht zu greifen. Die Antwort D’Angivillers fiel entsprechend aus. Er stellte die Entscheidung über die Präsentation der Akademie anheim und erklärte sich mit der von Pierre angeregten Aufstellung der Frileuse in einer Nische einverstanden, zu der es offensichtlich aber nicht mehr kam.8 Erst 1791 konnte Houdon eine 1787 für den Duc d’Orléans geschaffene Bronzeversion der Frierenden (Abb. 63) im nachrevolutionären, allen Künstlern offen stehenden Salon zeigen, hier ähnlich wie 1783 ohne ihr sommerliches Pendant.9 6 Aus demselben Salon wurde im Übrigen – wohl auf Veranlassung des Gemeindepfarrers der Louvre-nahen Pfarrkirche Saint-Germain-l’Auxerrois – Augustin Pajous Statue der Psyche abandonnée entfernt. Grund dafür war auch hier die als anstößig erachtete Art der Nacktheit; siehe ebd., S. 18. Zur Psyche Pajous siehe u. a. Augustin Pajou. Royal Sculptor (1730–1809), hg. von James David Draper und Guilhem Scherf, Ausst.-Kat., Musée du Louvre Paris und Metro­ politan Museum of Art New York, New York 1998, S. 333–346, Kap. VIII m. Kat. Nr. 134–137. 7 Jean-Baptiste Pierre in seinem Brief an den Comte d’Angiviller vom 9. August 1785; abgedruckt bei Réau 1922, S. 381 nach den originalen Unterlagen in den Archives Nationales Paris (Correspondances des Beaux-Arts, AN O/1/1918, Nr. 284). 8 Siehe den Antwortbrief D’Angivillers an Pierre vom 12. August 1785; zit. bei Réau 1922, S. 381 f. nach den originalen Unterlagen in den Archives Nationales Paris (Correspondances des Beaux-Arts, AN O/1/1918, Nr. 283). 9 Zur Bronzefassung und ihrer Provenienz siehe genauer u. a. Washington/Versailles 2004, S. 239 f. Kat. Nr. 40 sowie zum Werk insb. John Goldsmith Phillips: Monsieur Houdon’s Frileuse, in: The Metropolitan Museum of Art Bulletin 22 (1963), S. 29–36. Eine Bronzeversion des



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63 Jean-Antoine Houdon, L’Hiver oder La Frileuse, 1787, Bronze, New York, The Metropolitan Museum of Art

Erneut wurde die Nacktheit der Winterfigur, die in der Bronzefassung durch den Verzicht auf das in der Marmorversion vorhandene Attribut einer zersprungenen Vase noch stärker auf ihre körperliche Erscheinung reduziert ist, in den Kritiken zum Thema erhoben. Neben eher nüchternen Beschreibungen, die die Frileuse zumeist losgelöst von ihrem jahreszeitlichen Kontext lediglich als bloße Darstellung eines frierenden Mädchens wahrnahmen, – so sprach das Journal général de France von einer „jeune fille qui se couvre les épaules en frissonnant et laisse voir à nud tout le reste de son corps“10  – fanden sich kritischere Kommentare, die die Nacktheit zwar nicht Sommers entstand erst nachträglich im 19. Jh. (1873) durch die Pariser Bronzegießerei Barbedienne; siehe Réau 1964, Bd. 2, S. 14 Kat. Nr. 10 mit Abb. 9B auf Taf. XII. 10 Journal général de France vom 21. Oktober 1791; zit. bei Réau 1922, S. 383.

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direkt als anstößig werteten, sie angesichts der dargestellten Thematik jedoch als wenig überzeugend und eher wirklichkeitsfern beschrieben. So hieß es in den Petites Affiches de Paris: „La Frileuse en bronze de M. Houdon semble manquer d’effet. Quand on a bien froid, on cherche à ramasser tous ses membres et l’on se couvre plutôt le corps que la tête“.11 Und in La Béquille de Voltaire au Salon konstatierte man spöttisch: Il paraît que M. Houdon n’a eu en vue que d’exercer tout son talent sur une belle descente de reins. Pourquoi donc cette figure est-elle tournée de manière qu’on ne peut rien voir? Au surplus il faut convenir que l’hiver serait une saison bien desirable, si les jolies frileuses ne se couvraient pas autrement.12

Trotz oder gerade wegen dieser aus der Ungewöhnlichkeit und Radikalität der Motivfindung heraus resultierenden Reaktionen erwies sich die Frileuse schnell als die populärere der beiden Skulpturen und erzielte eine wesentlich größere Nachwirkung. Wie aus der Aussage Jean-Baptiste Pierres hervorgeht, galt sie im Vergleich zu ihrem sommerlichen Gegenstück bereits zu Entstehungszeiten als die qualitätvollere. Der ungleiche Erfolg des Figurenpaares spiegelt sich in einer Vielzahl an Wiederholungen der Frierenden und nur wenigen des Sommers wider. Neben der bereits erwähnten Bronzefassung von 1787 existieren zahlreiche Nachbildungen in Gips, Terrakotta oder Papiermaché, dem sogenannten Ludwigsluster Karton, die meist losgelöst vom Sommer entstanden.13 In gleicher Weise richtet auch die Forschungsliteratur ihren Fokus eher auf die Winterfigur, anstatt den Sommer oder das Skulpturenpaar als zusammenhängendes Ganzes zu betrachten.

11 Zit. nach Réau 1922, S. 383 f. 12 N. N.: La Béquille de Voltaire au Salon, seconde et dernière promenade, contenant, par ordre de numéros, l’explication et la critique la plus complète de tous les ouvrages de peinture, sculp‑ ture, etc., Paris An III (= 1791), S. 42 f. Nr. 788. 13 Zu den einzelnen Reproduktionen siehe die von G. Scherf zusammengestellte Übersicht in Kat. Washington/Versailles 2004, S. 240–242. Nachbildungen v. a. des Winters aus Ludwigsluster Karton finden sich im Übrigen auch in deutschen Sammlungen wie Gotha oder Weimar; siehe nur Allmuth Schuttwolf (Hg.): Sammlung der Plastik Schlossmuseum Gotha 1150–1850, Gotha 1995, S. 155 Kat. Nr. 63. Eine moderne Rezeption außerhalb der Skulptur erfährt die Frierende in den surrealistischen Collagen Georges Hugnets, der im siebten Abschnitt seines „Poèmes-découpages“-Werkes La septième face du dé von 1936 auf die Figur Bezug nimmt. Vom Sommer existieren hingegen hauptsächlich Wiederholungen in Form von Büsten, die sich bei der Frileuse aufgrund der besonderen Verhüllung ihres Kopfes motivisch nicht anbieten. Auf die größere Bekanntheit der Frierenden weisen nicht zuletzt die Gemälde LouisLéopold Boillys mit Ansichten von Houdons Atelier, in denen Boilly den Winter ohne sein sommerliches Pendant im Bild platziert: Louis-Léopold Boilly: L’Atelier de Houdon, 1808, Öl auf Lw., 85 × 105 cm, Cherbourg, Musée Thomas-Henry.



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Blickt man auf den Forschungsstand, so sind neben mehreren kürzeren Besprechungen und Katalogeinträgen14 im Wesentlichen zwei Autorinnen zu nennen, die sich den beiden Werken mit jeweils anderer Schwerpunktsetzung zuwenden: zum einen Maraike Bückling, die die Skulpturen in zwei Aufsätzen, zunächst 2006 und wenige Jahre später in leicht erweiterter Fassung im Katalog zur umfangreichen Houdon-Ausstellung von 2009 behandelt;15 zum anderen Julia Kloss-Weber, die der Frileuse ein Kapitel in ihrer Dissertation zur französischen Genreskulptur der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts widmet.16 Ausgehend von ausführlichen Werkbeschreibungen konzentriert sich Maraike Bückling in erster Linie auf die ikonographische Ausdeutung der beiden Statuen. Die von den Zeitgenossen kritisierte besondere Form der Ver- beziehungsweise Enthüllung der Frileuse dient der Autorin als Ausgangspunkt, um zur Bedeutungsvielfalt des Figurenpaares, vor allem aber der Frierenden zu gelangen, die sie zwischen den Polen Eros, Vergänglichkeit und Moralverlust ansiedelt. So rückt sie die Winterstatue auf der einen Seite in die mitunter zweifelhafte Nähe zu Klage- oder Marienfiguren, stellt auf der anderen Seite aufgrund des sinnlichen Erscheinungsbildes und erotischen Anspielungsreichtums aber auch Bezüge zu Darstellungen „gefallener“ Mädchen und den Moralvorstellungen des Ancien Régime her, wie sie etwa in den Sittlichkeitsbildern von Jean-Baptiste Greuze der 1760er- und 1770er-Jahre (Abb. 64) zum Ausdruck kommen.17 Im Gegensatz zu diesem hauptsächlich ikonographisch argumentierenden Zugang richtet Julia Kloss-Weber ihr Augenmerk auf die von Bückling allenfalls am Rande erwähnten „sensualistischen Qualitäten“18 der beiden Skulpturen. Dabei hebt sie vor allem die sprechende Körperlichkeit der Frileuse hervor, deren bereits im Werktitel angelegte Genrehaftigkeit und menschlich-natürliches Ausdruckspotenzial die Autorin für ihre Aussagen zur Genreskulptur der Zeit fruchtbar macht. Im Vor14 Siehe insb. Réau 1964, Bd. 1, S. 238–244; Hjørvardur Harvard Arnason (Bearb.): The sculp‑ tures of Houdon, London 1975, S. 67 f., S. 87, 92 sowie S. 128, Appendix 2, Jahr 1781, Nr. 93 u. 94; Kat. Washington/Versailles 2004, S. 225–235 Kat. Nr. 38–40; Kat. Paris 2006, S. 212–217 Kat. Nr. 46–47 und Deckers 2010, S. 183–188. Zur 1787 entstandenen Bronzefassung der Frileuse siehe zudem Phillips 1963 sowie den Katalogeintrag von G. Scherf in Kat. Frankfurt 1999, S. 144 f. Kat. Nr. 85. 15 Siehe Maraike Bückling: Die „Frileuse“. Ein Bildwerk von Jean-Antoine Houdon, in: Roland Kanz und Hans Körner (Hg.): Pygmalions Aufklärung. Europäische Skulptur im 18. Jahrhun‑ dert, Berlin/München 2006, S. 165–183 sowie dies.: Sinn und Sinnlichkeit (Kat.-Nr. 1–19), in: Jean-Antoine Houdon. Die sinnliche Skulptur, hg. von ders. und Guilhem Scherf, Ausst.-Kat., Liebieghaus Skulpturensammlung Frankfurt am Main und Musée Fabre Montpellier, München 2009, S. 31–65. 16 Siehe Kloss-Weber 2014, Kap. III.1.2, S. 132–173. Bei Abschluss ihrer Dissertation lag KlossWeber nach eigener Angabe lediglich der erste Aufsatz von Bückling vor; siehe ebd., S. 134 f. Anm. 406. 17 Siehe Bückling 2006, insb. S. 176–180 und Bückling 2009, S. 49 f. 18 Kloss-Weber 2014, S. 145.

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64 Jean-Baptiste Greuze, La Cruche Cassée, 1771, Öl auf Lw., Paris, Musée du Louvre

dergrund steht für Kloss-Weber die im Motiv des Frierens vollzogene Zusammenführung von psychischen und physischen Dimensionen, durch die die Statue zu einer ‚Verkörperung‘ winterlichen Empfindens werde und als solche im Sinne einer Gebärdenfigur weit in die Moderne weise.19 Mit Blick auf das Verhältnis zur Darstellungstradition der Vier Jahreszeiten argumentiert Kloss-Weber vorwiegend gattungsimmanent, während sich Maraike Bückling eher auf zeitgleiche Entwicklungen in der französischen Malerei stützt. Die zeichentheoretischen Implikationen der Figuren und ihre konkreten Verweise auf zeitgenössische Debatten zur Bewertung der Allegorie als Kunstform werden in diesem Zusammenhang allerdings weitgehend außer Acht gelassen.20 Zudem konzentrieren sich beide Analysen in weiten Teilen hauptsächlich auf die Frileuse, auch wenn Maraike Bückling die Zusammengehörigkeit der beiden Statuen an mehreren Stellen anspricht.21 Die vorliegende Analyse geht hingegen davon aus, dass Houdon beide Figuren als Pendantpaar konzipierte, wie er selbst es in seiner Werk-

19 Siehe Kloss-Weber 2014, S. 173. 20 Bei M. Bückling kommt der Allegorieaspekt erst im zweiten Aufsatz zur Sprache; siehe Bückling 2009, S. 55–60. J. Kloss-Weber geht allgemein auf die zeitgenössischen Allegoriedebatten ein, konzentriert sich letztlich aber eher auf die körperliche Zeichenhaftigkeit und die psychologischen Aspekte der Frileuse, ohne die zeichentheoretischen Dimensionen des Figurenpaares als Ganzes einzubeziehen; vgl. Kloss-Weber 2014, insb. S. 154 u. S. 155. 21 So etwa Bückling 2006, S. 165 u. 170 f. sowie Bückling 2009, S. 31.



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liste von 1784 festhielt, und sie daher unabhängig vom ungleichen Verlauf ihrer späteren Rezeption als solches zu betrachten sind. Gerade die wechselseitige Bezugnahme der beiden Statuen, die auf formaler wie inhaltlicher Ebene zum Ausdruck kommt, wird hier als wesentlich für das Verständnis der Werke und für ihre kunsttheoretische Aussage im Kontext der Jahreszeitenallegorie erachtet. Die beiden Interpretationen von Bückling und Kloss-Weber zeigen jedoch das Bedeutungsspektrum des Figurenpaares auf, das von der von Bückling beschriebenen ikonographischen Mehrdeutigkeit bis hin zu der von Kloss-Weber zu Recht konstatierten unmittelbar erfahrbaren körperlichen Ausdruckskraft reicht. Nur in der Zusammenschau beider Skulpturen kann deutlich werden, inwiefern das Houdonsche Paar als eine Art selbstreferentieller Kommentar auf zeitgenössische Diskurse zum Stellenwert des Allegorischen und dem Einsatz ikonographischer Zeichen reagiert und sich darin einschreibt. L’Été und L’Hiver sollen daher im Folgenden stärker in ihrem kunsttheoretischen Kontext betrachtet werden, wobei der Schwerpunkt auf der dichotomischen Gestaltung des Skulpturenpaares, den Ausdrucksqualitäten der beiden Figuren und Houdons Umgang mit Attributen und Zeichen liegt.

Pour faire pendant: Sommer und Winter als Figurenpaar Dass beide Figuren sowohl durch verbindende als auch gegensätzliche Elemente eng aufeinander bezogen sind und insofern als Paar zusammengedacht werden müssen, wird bereits bei der Betrachtung ihres Erscheinungsbildes deutlich. Beiden gemein ist die Darstellung als junge Mädchen. Der Sommer (Abb. 61) steht aufrecht in leicht ponderiertem Stand. Seine Füße weisen auseinander, wobei der linke an der Ferse angehoben ist und nur mit dem Ballen die Plinthe berührt. Der Kopf ist erhoben und zur Seite gewandt, der Blick deutet in die Ferne. Das Gesicht des Mädchens erscheint ruhig und unbewegt (Abb. 65). Nur der Mund ist leicht geöffnet und erweckt den Eindruck, als würde die Figur atmen. Auch die Behandlung der Augenpartie vermittelt einen lebendigen Ausdruck. Die Pupillen sind durch tiefe Bohrungen markiert, flachere Einkerbungen bilden die umliegende Iris. Unterhalb der leicht herabhängenden Lider deuten stegartige Aussparungen Lichtreflexe an. Das Mädchen trägt ein schlichtes nach vorne hin ungefähr knielanges Kleid aus leichtem durchscheinendem Stoff, das über den Schultern geknüpft ist und nach hinten als Umhang in starren V- und Längsfalten herab fällt. Auf der rechten Seite ist das hemdartige Gewand leicht von der Schulter gerutscht, so dass die linke Brust entblößt wird. Mit der linken Hand, in der die Figur zugleich eine Gießkanne hält, rafft sie den Stoff am Oberschenkel. Mit der rechten umgreift sie eine Sichel. Unter ihrem Arm trägt sie ein Bündel ausgedörrt wirkender Ähren und Mohnblüten. Um das Haar hat sie ein Tuch gewunden, dessen eines Ende auf der entblößten linken Schulter zum Liegen kommt. Die Kopfbedeckung lässt den strähnigen Haaransatz sichtbar werden, in dem auf der linken Seite einzelne Ähren und sommerliche Blüten wie Klatschmohn ste-

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65 Jean-Antoine Houdon, L’Été (Detail), 1785, Marmor, Montpellier, Musée Fabre

66 Jean-Antoine Houdon, L’Été (Detail), 1785, Marmor, Montpellier, Musée Fabre

cken. Bei näherem Hinsehen fällt die besondere Behandlung der Hautpartien im Marmor auf. Feine Ritzungen und Schraffuren in der Oberfläche lassen eine aufgeraute grobporige Struktur entstehen, die einen rauen und zugleich atmenden Eindruck vermittelt. Die Maserung des Marmors weist darüber hinaus besonders am linken Arm eine gewisse Ähnlichkeit zur Äderung der menschlichen Haut auf. Zu den Füßen des Mädchens findet sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Gegenständen, die zu den Attributen, die es in den Händen und unter dem Arm hält, hinzutreten: An seinem linken Bein lehnt ein Schellen-Tamburin, daneben sieht man Weinblätter, Trauben, Äpfel und Granatäpfel (Abb. 66). Unabhängig von diesen zum Teil traditionell mit dem Sommer verbundenen Attributen transportiert das gesamte Erscheinungsbild der Skulptur ein Gefühl von Sommerlichkeit. Die gesenkten Lider, das wie unbemerkt von der Schulter rutschende Kleid sowie das ausgedörrt und erschlafft herabhängende Ährenbündel und die zu Boden gerichtete Gießkanne erwecken einerseits den Eindruck von einem Zustand hitzebedingter Ermattung, der sich andererseits – die funkelnde Lebendigkeit der Augen und die aufrechte, raumgreifende Haltung der Figur machen es deutlich – mit einer positiven Ausstrahlung von Leichtigkeit und Lebensfreude verbindet. Unterstützt wird diese sommerliche Wirkung durch die aufgeraute und dadurch sonnenverbrannt erscheinende Textur der Haut, den halb geöffneten ‚atmenden‘ Mund und die klebrige Strähnigkeit des Haaransatzes. Die Auswirkungen sommerlicher Hitze spiegeln sich insofern in allen Einzelheiten der Skulptur wider; der Ausdruck von Sommerlichkeit lässt sich bis ins kleinste Detail nachvollziehen.



67 Jean-Antoine Houdon, L’Hiver oder La Frileuse (Detail), 1783, Marmor, Montpellier, Musée Fabre

Pour faire pendant: Sommer und Winter als Figurenpaar

68 Jean-Antoine Houdon, L’Hiver oder La Frileuse (Detail), 1783, Marmor, Montpellier, Musée Fabre

Der Winter (Abb. 62) erscheint daneben als sichtlich frierendes, in sich zusammengekauertes Mädchen. Sein Kopf und sein Oberkörper sind weit nach vorne geneigt, die Arme schützend um die Brust gelegt und die Beine fest aneinander geschmiegt, wobei sich durch das Anheben des rechten Beins eine leichte Ponderation abzeichnet. Um den Kopf und die gesamte obere Körperpartie hat die Frierende einen Schal aus festem Stoff mit fransiger Borte geschlungen, der ihren linken Unterarm, die Ellbogen sowie den gesamten Unterleib, namentlich die Beine und das Gesäß allerdings unbedeckt lässt. Die unterhalb der Brust gekreuzten Arme markieren den Übergang zwischen verhüllten und entblößten Partien. Das eine Ende des schalartigen Tuchs verdeckt die Scham, das andere ist über die linke Schulter geworfen und endet v‑förmig in der Mitte des unteren Rückens. Durch die starke Neigung des Oberkörpers liegt das Gesicht der Figur (Abb. 67) nahezu vollständig verschattet. Ihr Blick ist gesenkt und kaum auszumachen. Die Nase wirkt nach unten hin rundlich, wie durch die Kälte angeschwollen, was den verfrorenen Eindruck verstärkt. Der Mund ist im Gegensatz zu dem der Sommerfigur geschlossen. Neben der Statue, leicht links versetzt, erkennt man als einziges Attribut eine hohe antik anmutende Vase, über die ein Tuch geworfen ist, das zu den Seiten hin herabfällt. Die Skulptur schmiegt sich dicht an das zierliche, mit Wasser gefüllte Gefäß. Ihre Füße stehen auf den am Boden aufliegenden Stoffenden des Tuches, so als wollte sie die Erde nicht berühren, die durch die aufgeraute Oberfläche der Plinthe wie gefroren erscheint. An der vom Tuch nicht verdeckten Seite ist die Vase durch das im Innern gefrorene Wasser gesprungen. Die sichtbar klaffende Fehlstelle gibt den

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Blick auf das Eis frei, das das Gefäß nunmehr ausfüllt. Einzelne abgeplatzte Scherben liegen vor dem Mädchen auf der Plinthe (Abb. 68). Ähnlich wie beim Sommer sticht auch beim Winter die besondere Materialbearbeitung an den Hautpartien hervor. Die Marmoroberfläche ist nun allerdings nicht grob gearbeitet, sondern glatt poliert, so dass ein kristalliner Glanz entsteht, der den winterlichen Ausdruck der Statue unterstreicht. Die feine Maserung des Marmors erinnert auch hier an menschliche Haut. Die besondere Nähe der marmornen Fassung zum menschlichen Inkarnat wird noch deutlicher, wenn man sie mit der 1787 entstandenen Bronzeausführung (Abb. 63) vergleicht. Bei letzterer entfällt das Attribut der Vase, die anders als im Marmor aus statischen Gründen hier nicht erforderlich ist. Zudem wird die Neigung des Oberkörpers verstärkt, so dass die Figur allein auf die Silhouette ihres Körpers und das Motiv des Fröstelns konzentriert erscheint. Die dunkel glänzende, kühle Bronze erreicht jedoch nicht dieselbe sensualistische Wirkung wie die Marmorversion, deren Materialität der menschlichen Haut stärker ähnelt, und schafft daher eher eine Distanz zum Betrachter.22 Die vergleichende Betrachtung der beiden Figuren L’Été und L’Hiver zeigt die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede in der Komposition auf. Nicht umsonst notierte Houdon in seiner eingangs zitierten Werkliste, dass der Sommer als „pour faire pendant“ zur Frierenden entstand, er den Winter also als komplementäres Gegenstück ergänzt.23 Dem raumgreifenden offenen Kontur der Statue L’Été steht die geschlossene, nach innen gekehrte Silhouette des Winters gegenüber. Der Sommer tritt seinem Pendant in aufrechtem Stand und mit erhobenem Haupt entgegen, während letzterer den Kopf gesenkt hat und ganz in sich versunken scheint. Auch das Spiel zwischen bedeckten und unbekleideten Körperpartien ist bei beiden gegensätzlich angelegt. Der Sommer ist vorne teilweise entblößt, dafür jedoch in der Rückansicht vollständig bedeckt. Der Winter ist hingegen nur zur Hälfte verhüllt, wobei vor allem der untere Rücken und das Gesäß vollständig frei bleiben. Darüber hinaus tragen beide zwar eine Kopfbedeckung; doch während der Schal beim Winter tief in das Gesicht gezogen ist, kommen beim Sommer sowohl Gesicht als auch Haaransatz deutlich zum Vorschein. Der dicke Schal der Winterfigur findet dabei sein kontrastierendes Gegenüber in dem sommerlich-leichten durchscheinenden Gewandstoff des Kleides der Schwesterfigur. Die Gegensätzlichkeit des Statuenpaares lässt sich, wie gezeigt wurde, bis hin zur Oberflächenbehandlung des Marmors verfolgen.24 Die hautimitierenden Partien des Sommers weisen grobe Ritzungen auf und vermitteln eine sommerlich aufgeraute, lederne Struktur, während die des Winters fein poliert sind und wie Eispartikel kristallin schimmern. Der sommerlichen lebensfrohen Ausstrahlung der einen Figur steht das kauernde Frieren der anderen gegenüber, deren gesamter 22 Anders hierzu M. Bückling, die die Marmorfassung durch ein hohes Maß an Artifizialität gekennzeichnet sieht; vgl. Bückling 2006, S. 170 und Bückling 2009, S. 35. 23 Siehe zuvor S. 153 m. Anm. 2. 24 So bereits Kloss-Weber 2014, S. 145.



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69 Jean-Antoine Houdon, L’Hiver oder La Frileuse (Entwurf), o. J., Terrakotta, Montpellier, Musée Fabre

Körper vor Kälte ergriffen und den Widrigkeiten des Winters schutzlos ausgesetzt zu sein scheint. Die Wirkung des Fröstelns wird durch die pikante Art der Verhüllung, die den Blick auf den Oberkörper und die angespannt verkrampfte Haltung der Arme lenkt, zusätzlich verstärkt. Verkörpert die eine Figur ein alles erfüllendes Gefühl von Sommerlichkeit, so wird bei der anderen die winterliche Jahreszeit sinnlich erfahrbar. Nicht zuletzt trifft die Fülle an attributiven Beigaben auf der einen Seite auf einen weitgehenden Attributverzicht auf der anderen Seite. Was der Sommer zu viel hat, hat der Winter zu wenig. Die wasserspendende Gießkanne der Figur L’Été findet dabei, wie bereits Louis Réau und später Guilhem Scherf angemerkt haben, ihr winterliches Gegenstück in der Vase mit gefrorenem Wasser.25 Wie sehr der Künstler seine ursprüngliche Motivfindung veränderte, um zu dieser besonderen Gestaltung und Ausdruckskraft der Figuren zu gelangen, verdeutlicht ein Vergleich mit einem Terrakottamodell zum Winter (Abb. 69), das sich zusammen mit den beiden marmornen Fassungen heute im Musée Fabre in Montpellier

25 Siehe Réau 1964, Bd. 1, S. 244 f. sowie G. Scherf in Kat. Washington/Versailles 2004, S. 238. Das moderne Attribut der Gießkanne erscheint interessanterweise bereits als Accessoire einer Ceres-Statuette und zugleich Personifikation des Sommers in einem Jahreszeiten-Zy­ klus des Diepper Künstlers J. A. Belleteste; Jean Antoine Belleteste: Ceres (aus einem Zyklus der Vier Jahreszeiten), um 1770, Elfenbein, H: 17 cm, Dieppe, Musée du Château. Zuvor findet sich das Motiv der Gießkanne auch bei einer Statue im Garten von La Muette, Paris; siehe die Beschreibung bei Antoine-Nicolas Dézallier d’Argenville: Voyage pittoresque des environs de Paris, ou description des maisons royales, Paris 1755, S. 15.

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70 Étienne-Maurice Falconet, L’Hiver, 1771, Marmor, Sankt Petersburg, Staatliche Eremitage

befindet.26 Ein Entwurf zum Sommer, wie er etwa in der Werkliste von 1784 erwähnt wird, hat sich, soweit bekannt, nicht erhalten. Der Blick auf die Tonstatuette zeigt, dass Houdon in der endgültigen Marmorausführung besonders in der Gewandung von seiner anfänglichen Konzeption abwich und sie deutlich gewagter formulierte, um so den Aspekt des Frierens stärker hervorzuheben. Im Gegensatz zum fertigen 26 Siehe zum Modell u. a. L’esprit créateur de Pigalle à Canova. Terres cuites européennes 1740–1840, hg. von James David Draper und Guilhem Scherf, Ausst.-Kat., Musée du Louvre Paris, Metropolitan Museum of Art New York und Nationalmuseum Stockholm, Paris 2003, S. 57–60 Kat. Nr. 15 u. 16. Eine weitere im Musée du Louvre verwahrte Tonstatuette mit entsprechender Umsetzung in Bronze, die sich in ihrer vollständigen Nacktheit und radikalen Körperbehandlung deutlich von den anderen Modellen der Frileuse absetzt, wurde vor wenigen Jahren von G. Scherf zu Recht als moderne Nachahmung erkannt; siehe Kat. Paris 2006, S. 212–217 Kat. Nr. 46–47. Ebenfalls als nicht-eigenhändige Umsetzung ist eine Bronzestatu­ ette aus Berlin zu werten; vgl. Heinrich Zimmermann: Eine unbekannte Bronzestatue Jean Antoine Houdons, in: Berliner Museen. Berichte aus den ehem. Preußischen Kunstsammlun‑ gen, N. F. 7/1 (1957), S. 26–30 mit Abb. auf S. 27.



Gegenentwürfe zur Jahreszeitentradition

Marmor trägt die Figur im Entwurf einen Umhang, der nicht nur den Kopf bedeckt, sondern insgesamt wesentlich weiter fällt und auch die Rückseite des Körpers verhüllt. Lediglich die Ansätze des Dekolletés sowie die vordere Partie des rechten Beins und das linke Schienbein bleiben unbedeckt. Auch die Haltung der Figur wirkt mit der leichten Ponderation der Beine und der vergleichsweise lockeren Verschränkung der Arme wesentlich gelassener und weniger ausdrucksstark als die stärker geneigte und in sich zusammengezogene Pose der späteren Marmorversion, in der der Körper deutlich angespannter und insgesamt vom Frösteln erfüllt zu sein scheint. Als Attribut der Tonfigur erkennt man rechts neben ihr eine flache Schale anstelle der hohen antikischen Vase der Marmorfassung. Das niedrige Gefäß erinnert an das aus konventionellen Winterdarstellungen bekannte Kohlenbecken.27 Bei näherer Betrachtung fällt jedoch eine seitliche Einkerbung auf, wodurch es sich auch um eine gesprungene Wasserschale handeln könnte, die in diesem Fall die Vase der Marmorausführung vorbereiten würde. Diese Lesart brächte, wie zu sehen sein wird, das Houdonsche Werk außerdem bereits im Entwurf einer Winterskulptur Étienne-Maurice Falconets nahe (Abb. 70), die der Frileuse unmittelbar zeitlich vorangeht. Falconet verbildlichte die kalte Jahreszeit nämlich ebenfalls als junge Frau, der eine flache gesprungene Tonschale als Attribut beigegeben ist.

Gegenentwürfe zur Jahreszeitentradition Die Vier Jahreszeiten hatten sich im Frankreich des 18. Jahrhunderts zu einem gängigen Motiv der bildenden Kunst entwickelt. Zeugnis darüber gibt etwa Jean-Baptiste Boudard im Eintrag zu den Saisons in seiner Ripa folgenden Iconologie: Ces sujets [= die Jahreszeiten, Anm. d. Verf.] ont été si souvent traité qu’on ne les répète ici, que pour suivre l’ordre iconologique, & pour donner connoissance des différents attributs qui leur conviennent.28

Ikonologien wie die Boudards oder anderer Herausgeber, die in Frankreich weit verbreitet waren,29 lehnten sich in der Wiedergabe der Jahreszeiten eng an Ripa an. So beschreiben sie den Sommer als junge Frau mit Ährenkranz, Sichel und einer brennenden Fackel oder in Gestalt der Göttin Ceres, den Winter als alten Mann oder alte Frau mit bedecktem Haupt, die sich an einem Feuer wärmen, über das Ende des Jahres trauern oder an einem gedeckten Tisch neben einem Kamin stehen (Abb. 13), 27 So u. a. auch Bückling 2009, S. 38. 28 Boudard 1759, hier: Bd. 3, S. 111 (italienische Übersetzung nebenstehend). 29 Für das 18. Jh. sind hier neben Boudard besonders die Ausgaben von Lacombe de Prézel 1756 und Cochin/Gravelot 1791 zu nennen. E. Mâle zufolge war auch Houdon im Besitz einer Ikonologie; siehe Mâle 1927, S. 394.

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sowie wahlweise in Gestalt der Götter Vulkan oder Äolus.30 In der französischen Malerei wurde das Jahreszeitenmotiv häufig und meist in Form des klassischen Viererzyklus’ aufgegriffen. Besonders präsent war das Thema in der Ausstattungskunst, wo es in Form von Dekorationsmalereien oder Porzellanfiguren sowie als Skulpturen an Fassaden oder in Gartenanlagen auftrat. Mit den von Le Brun entwickelten Figuren (Abb. 18) in Versailles bestand hier ein prägendes und zugleich konventionelles Vorbild im Bereich der Großskulptur, das allgemeine Geltung beanspruchte. Eine in dieser Hinsicht gestalterisch abweichende Ausnahme bieten die Statuen Edmé Bouchardons für die Louis  XV. gewidmete Fontaine des Quatre-Saisons in der Rue de Grenelle in Paris, also im direkten räumlichen Umfeld Houdons. Bouchardon präsentiert seine Figuren in antiker Manier als geflügelte genienhafte Jünglinge (Abb. 34); der Winter hat ein Tuch um den Kopf gelegt. Unterhalb der Statuen sind, ebenfalls aus der Hand Bouchardons, Reliefszenen mit Putten angebracht.31 Vergleicht man die an der Tradition orientierten Jahreszeitendarstellungen der damaligen französischen Kunstproduktion mit Houdons L’Été und L’Hiver, heben sich die Houdonschen Formfindungen deutlich davon ab. Zum einen handelt es sich nicht um den üblichen Viererzyklus der Jahreszeiten. Vielmehr greift der Künstler nur die zwei Hauptjahreszeiten heraus, stellt sie einander gegenüber und spitzt das Motiv somit auf den Gegensatz der Extreme Sommer und Winter zu. Zum anderen nimmt er Abstand von einer Allegorisierung durch jahreszeitlich konnotierte Götterfiguren und stellt beide stattdessen genrehaft als einfache Mädchen mit alltäglichen, zum Teil nahezu modernen und funktionalen Attributen dar. Als weibliche Figurationen wenden sie sich darüber hinaus gegen die typische, seit der römischen Antike bestehende geschlechtliche Verknüpfung der Zeiten, der zufolge der Winter vorrangig männlich aufgefasst wurde. Durch ihre Jugendlichkeit negieren sie zudem die traditionelle Verbindung der Jahreszeiten mit den Lebensaltern des Menschen und die dieser Analogiebildung eingeschriebene Vergänglichkeitsthematik, was erneut vor allem mit Blick auf den Winter ungewöhnlich erscheint. Schließlich entsprechen auch die Attribute nicht den Gegenständen, die den Jahreszeiten traditionell beigegeben wurden. So fehlt der Frileuse beispielsweise die winterliche Feuerschale. Die Figur L’Été wiederum führt Attribute zusammen, die wie etwa das Tamburin oder die Weintrauben klassischerweise nicht dem Sommer zugeordnet wurden. Mit der Verbildlichung der Jahreszeiten als junge Mädchen stand Houdon nicht allein. Neben den von Maraike Bückling in diesem Zusammenhang genannten Beispielen aus der französischen Malerei wie Fragonard mit seiner Winterszene eines stolpernden Mädchens (Abb. 26) oder Boucher, der die Vier Jahreszeiten ähnlich wie 30 Siehe im Einzelnen: Baudoin/De Bie 1643, Seconde Partie, S. 12 (L’Este) u. S. 13 (L’Hyver); Lacombe de Prézel 1756, S. 107 (Été) u. S. 148 f. (Hyver); Boudard 1759, hier: Bd. 3, S. 112 u. 114 sowie Cochin/Gravelot 1791, Bd. 2, S. 21 (Été) u. S. 97 (Hiver). Auffälligerweise wird in den späteren Ausgaben die Darstellung durch Götterfiguren nicht mehr aufgegriffen. 31 Hierzu bereits zuvor S. 76 f.



Gegenentwürfe zur Jahreszeitentradition

vor ihm die niederländischen Künstler des 17. Jahrhunderts als junge Paare darstellt und in der Winterszene vor allem den weiblichen Part prominent ins Bild rückt (Abb. 27 und 28),32 lassen sich auch die Gemäldezyklen von Nicolas Fouché oder Joseph-Marie Vien anführen. Letzterer wählte für seine rund zwanzig Jahre vor den Houdonschen Figuren entstandenen Jahreszeitenszenen à l’antique ebenfalls Mädchen als Protagonistinnen, die die antike Vorstellung von den Jahreszeiten als Opferund Gabenbringern aufgreifen.33 Im Frühling bietet eine junge antikisch gekleidete Frau vor einem Tempel Blumenkränze feil, im Sommer schmücken zwei Mädchen eine Ceres-Statue. Der Herbst wird ebenfalls durch zwei Mädchen verbildlicht, die Tauben an einem Altar opfern, der Winter schließlich durch eine junge vestalinähnliche Priesterin,34 die Weihrauch in einem Dreifuß zum Brennen bringt (Abb. 29). Wie bei Houdon gehen auch bei Vien die Verbindung zu den Lebensaltern und die geschlechterspezifische Zuordnung der einzelnen Zeiten verloren, wenngleich typische Attribute und Motive wie die Blüten im Frühling, die Anspielung auf das Feuer im Winter sowie die Nähe zur mythologisierenden Darstellungsform erhalten bleiben. Die Wiedergabe der Jahreszeiten in Form von Frauenfiguren mag darüber hi­ naus mit einer generellen Rückbesinnung auf die vornehmlich griechische Antike zusammenhängen, in der, wie der Eintrag zu den Saisons in der Encyclopédie Diderots und D’Alemberts festhält, die Jahreszeiten „en femmes“ repräsentiert wurden, „parce que le mot grec ὥρα est du genre féminin“.35 Vor Vien verbildlichte Nicolas Fouché 32 Zu den Bezügen zum Bild Fragonards siehe Bückling 2009, S. 49 sowie S. 38–41 u. 44 zu weiteren Referenzbeispielen aus der französischen Malerei, die die Autorin mit dem Houdon­ schen Figurenpaar trotz einer zeitlichen Differenz von rund 30 Jahren in Verbindung bringt. Die bei Boucher formulierte Verbildlichung der Jahreszeiten in Form von Genreszenen mit jungen Paaren findet sich im Übrigen bereits bei Hendrick Goltzius; siehe zuvor S. 63 m. Abb. 20–23. 33 Siehe genauer zu Viens Gemälden Thomas W. Gaehtgens und Jacques Lugand: Joseph-­ Marie Vien. Peintre du Roi (1716–1809), Paris 1988, S. 170–172 Kat. Nr. 181–184 u. Kat. Nr. 185 zur Wiederholung des Winters in Straßburg. Zur antikisierenden Darstellungsweise siehe ebd., S. 78. Die Gemälde entstanden im Auftrag der Madame Geoffrin als Ausstattung für ihr Schlaf- und Arbeitszimmer in ihrem Pariser Stadthaus in der Rue Saint-Honoré Nr. 372. Zu der bei Vien zitierten Funktion der Jahreszeiten als Überbringer von Gaben siehe auch zuvor S. 24. 34 Die Darstellung des Winters als Göttin Vesta war in rein weiblich aufgefassten Jahreszeitenzyklen durchaus geläufig; siehe etwa das Beispiel im Garten von Schloss Mirabell in Salzburg S. 65 Anm. 138 und S. 81. 35 De Jaucourt 1772c, S. 530. Dem Eintrag geht die Schilderung der Jahreszeiten aus kosmologischer Sicht voran (S. 528–530). Die Beobachtung, dass die Jahreszeiten im antiken Griechenland als Frauen dargestellt wurden, ist im Artikel mit einem kurz zuvor entdeckten attischen Grabmal verknüpft, bei dem es sich um den bereits erwähnten Ceres-Sarkophag handelt; siehe dazu zuvor S. 68 m. Anm. 3. Der Sarkophag wird bei Montfaucon reproduziert, der ebenfalls betont, dass die Jahreszeiten in griechischer Zeit durch Frauen personifiziert wurden; siehe Montfaucon 1722–1724, Bd. 1, Paris 1722, S. 89 und Supplbd. 1, Paris 1724, S. 21. Montfaucon wiederum bezieht sich dabei auf C. G. de Bozes Beschreibung des Sarko-

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71 Louis Desplaces nach Nicolas Fouché, L’Hiver (aus: Les Quatre Saisons), 1. Hälfte 18. Jh., Radierung und Kupferstich, Genf, MAH Musée d’art et d’histoire, Ancien fonds

die Jahreszeiten in einer um 1700 geschaffenen Gemäldefolge, die durch die Nachstiche Louis Desplaces’ Verbreitung fand,36 ebenfalls ausschließlich durch weibliche Gestalten. Vor allem für den Winter wählte er dabei eine ungewöhnliche Bildlösung (Abb. 71). Dargestellt ist eine halb nackte Badende, die inmitten einer kargen, ansonsten aber wenig winterlichen, felsigen Uferlandschaft bis zu den Oberschenkeln im Wasser steht und sich – ähnlich wie die Frileuse – ein Tuch um den Kopf und die Hüften legt. Die Wendung ihres Oberkörpers erinnert an das hellenistische Vorbild der kauernden Venus. Anders als das Houdonsche Figurenpaar erscheint die Badende aber von den sie umgebenden jahreszeitlichen Temperaturen und Wettereinflüssen gänzlich unbeeindruckt. Sieht man von diesen Beispielen in der Malerei ab und bleibt im Bereich der Skulptur, sticht als Vorbild für die jugendliche weibliche Auffassung im Falle des Win‑ ters die bereits erwähnte Statue Falconets (Abb. 70) hervor.37 Dieser zeigt den Winter phags; vgl. Claude Gros de Boze: Description d’un Tombeau de Marbre antique (13. November 1716), in: Mémoires de Littérature tirez des Registres de l’Académie Royale des Inscriptions et Belles Lettres 4 (1746), S. 648–664 m. Abb. nach S. 648, zu den auf dem Deckel abgebildeten Jahreszeiten dort S. 658 f. Auf antike Monumente beziehen sich auch die Ikonologien von Lacombe de Prezel 1756, S. 246–248 (Saisons) und Cochin/Gravelot 1791, Bd. 2, S. 97. 36 Von den originalen Vorlagen in Öl hat sich allein der Sommer in Gestalt der Pomona erhalten, der heute im Museum der Schönen Künste in Budapest verwahrt wird (Nicolas Fouché: Porträt einer Frau als Pomona (Der Sommer), um 1700, Öl auf Lw., 147,5 × 114,5 cm, Budapest, Szépmüvészeti Múzeum). Der Verbleib der weiteren Gemälde ist unbekannt. 37 Die Falconetsche Skulptur scheint die erste Konkretisierung des Winters als junge Frau in der Großskulptur zu sein, sieht man von Gartenskulpturen ab, in denen der Winter bei-



Gegenentwürfe zur Jahreszeitentradition

72 Étienne-Maurice ­Falconet, L’Hiver (Detail), 1771, Marmor, Sankt Petersburg, Staatliche Eremitage

als junge anmutige, im Gegensatz zur Frileuse allerdings nicht mehr mädchenhafte Frau, die auf einem quaderförmigen Steinsockel sitzt. Sie ist in ein schlichtes, kunstvoll drapiertes Gewand gehüllt, das ihr auf der linken Seite leicht von der Schulter gerutscht ist und so ihre rechte Brust freilegt. Kopf und Oberkörper sind seitlich nach vorne geneigt, ihre Beine sind überschlagen. Ihr Blick deutet zur Seite auf eine Ansammlung von Blumen, die der Frost teilweise bereits angegriffen hat und um die sie schützend einen Teil ihres Gewandtuches legt. Konzentriert auf diese Geste scheint sie, ganz in sich versunken, die sie umgebende Kälte nicht zu spüren. Rechts neben ihr erkennt man eine flache runde Schale, die  – ähnlich wie später bei Houdon  – durch das enthaltene gefrorene Wasser geplatzt ist und einen sichtbaren Sprung aufweist (Abb. 72). Auch hier fehlt also das aus der Tradition geläufige Kohlenbecken oder die Feuerschale, die die winterliche Kälte symbolisiert. Zusammen mit den Eiszapfen, die sich am unteren Rand ihres Sitzes abzeichnen, und den Tierkreissymbolen Steinbock, Wassermann und Fische, die auf den drei nicht verdeckten Seiten des Quaders erscheinen, bildet das Gefäß einen direkten Verweis auf die kalte Jahreszeit.

spielsweise als Göttin Vesta personifiziert wurde. M. Bückling verweist in diesem Zusammenhang auch auf vier 1774 geschaffene Marmorreliefs von André Brenet, auf denen die Jahreszeiten ebenfalls in weiblicher Gestalt erscheinen; siehe Bückling 2009, S. 36 m. Anm. 14 auf S. 64. Frühling und Herbst sind Teil der Sammlung der Fundação Calouste Gulbenkian in Lissabon, Sommer und Winter befinden sich im Musée d’Art et d’Histoire de Provence in Grasse; siehe auch den Eintrag in Maria Rosa Figueiredo (Hg.): Catálogo de escultura europeia, 2 Bde, Lissabon 1993/1999, hier: Bd. 1: A escultura francesa, Lissabon 1993, S. 102–105 Kat. Nr. 20 u. 21. Als weiteres frühes Beispiel eines weiblichen Winters in der Skulptur wäre zudem der Entwurf einer Brunnenskulptur von Hans Krumpper aus der ersten Hälfte des 17. Jhs zu nennen, der letztlich jedoch nicht umgesetzt wurde; siehe dazu bereits zuvor S. 59 m. Abb. 16.

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Falconet entwarf den Winter 1764 vermutlich für Madame de Pompadour als solitäre aus zyklischen Zusammenhängen herausgelöste Terrakottafigur. Ein Jahr später wurde die Statue im Salon gezeigt. Die Marmorfassung entstand erst zu Beginn der 1770er-Jahre und wurde von Katharina der Großen erworben.38 Houdon hat den Falconetschen Winter wohl selbst nie gesehen, weil er sich zum Zeitpunkt des Salons 1765, in dem er selbst im Übrigen erst ab 1769 ausstellte, in Rom befand und außerdem nie nach Russland reiste. Die Motivschöpfung wird ihm jedoch aus zeitgenössischen Beschreibungen etwa im Livret du Salon oder durch Vermittlung Denis Diderots bekannt gewesen sein, der die Figur als „chef d’œuvre de beau caractère, de belle position et de draperie“ lobte und dabei besonders die Gewandung hervorhob, die den Körper zwar vollständig bedecke, zugleich aber „d’une manière aussi claire et peut-être plus piquante que si elle était toute nue“39 sei. Im Livret du Salon wird zudem die die Statue begleitende, geborstene Wasserschale erwähnt („On a mis pour attribut un Vase que l’eau gelée dedans a brisé.“40), von der Houdons Idee des vasenartigen Gefäßes herrühren könnte. Wie beschrieben, scheint dieses schließlich bereits im Entwurf zur Frileuse aus dem Jahr 1781 angelegt zu sein (Abb. 69). Abgesehen von diesen Ähnlichkeiten in der Wahl der Attribute und der Art der Gestaltung, vor allem was die Darstellung als junge Frau und den Verzicht auf eine Allegorisierung durch Götterfiguren betrifft, schildert Falconets Figur jedoch eine vollkommen andere Auffassung von Winter als die Frileuse. In ihrer grazilen Haltung und der Konzentration auf die Fürsorge für die Blumen wirkt sie von den winter­ lichen Temperaturen, deren Intensität sich nicht zuletzt an den Eiszapfen an ihrem Sitz ablesen lässt, gänzlich unbeeindruckt und somit der Wirklichkeit enthoben. Zwar schreibt der Falconet-Biograph Pierre-Charles Levesque 1808 über die Statue, „qu’on ne pouvait la voir sans greloter“.41 Ihr Anblick lässt den Betrachter jedoch allenfalls frieren, weil die Figur keine der Kälte angemessene Kleidung trägt. Houdons Frileuse hingegen transportiert das Wintergefühl auf andere, eindringlichere Weise. Sie lässt den Betrachter das Frösteln durch das Kälte bedingte Ergriffensein ihres Körpers gleichsam miterleben. Wie sich in der Formulierung „exprimant le froid“ im Livret du Salon von 1783 anlässlich der ersten Präsentation der Houdonschen Winterfigur widerspiegelt,42 repräsentiert die Statue die Jahreszeit nicht nur, sondern verkörpert sie unmittelbar. 38 Siehe insb. Louis Réau: L’«Hiver» de Falconet, in: Gazette des Beaux-arts 60 (1918), S. 247– 256. Die Skulptur galt Ende des 19. Jhs für kurze Zeit als verschollen, bevor sie zu Beginn des 20. Jhs im Palais Gatchina bei Sankt Petersburg wiederentdeckt wurde. 39 Denis Diderot in seinem Bericht zum Salon von 1765; zit. nach ebd., S. 250. Diderots Beschreibung der Gewandung könnte Houdon, sofern sie ihm bekannt war, vielleicht zur besonderen Art der Ver- bzw. Enthüllung der Frileuse angeregt haben. 40 Livret du Salon 1765; zit. bei Guiffrey 1870, hier Bd. 23: Exposition de 1765, S. 33 f. Nr. 194. 41 Pierre-Charles Levesque (Red.): Œuvres complètes d’Etienne Falconet, 3 Bde, hier: Bd. 1, Paris 1808, S. 15. 42 Livret du Salon 1783; zit. bei Guiffrey 1870, Bd. 32, S. 52, nach Nr. 251.



Gegenentwürfe zur Jahreszeitentradition

73 Augustin Pajou, Ceres, um 1765–1770, Terrakotta, New York, The Metropolitan Museum of Art

Blickt man auf den Sommer, so findet sich die jugendliche Auffassung wiederum in der ungefähr zeitgleich mit dem Winter Falconets entstandenen Ceres von Augustin Pajou vorgebildet (Abb. 73). Pajou präsentiert die traditionell eher als reife Frau dargestellte Göttin als zierliches junges Mädchen mit Sichel und Ährengarbe und blendet somit ebenfalls die Verbindung zu den Lebensaltern aus.43 Wie Falconets Winter war auch die Ceres von Pajou, die zunächst als Tonfigur erschaffen und später erst in Marmor umgesetzt wurde, im Salon von 1765 ausgestellt.44 Die Figur scheint dieselbe Jugendlichkeit wie Houdons Sommer zu versprühen und auch die an antiken Statuen orientierte Art der Drapierung ihres Gewandes, das eine Schulter entblößt lässt, weist gewisse Ähnlichkeiten zu L’Été auf. Durch ihre genrehaft-menschliche, an ein Bauernmädchen erinnernde Erscheinung legt Houdons Statue Bezüge zur mythologischen Auffassung der Jahreszeiten jedoch weitgehend ab. Der Kontrast wird umso deutlicher, vergleicht man Pajous Figur mit einer Ceres-Statue von Houdon (Abb. 74), die letzterer 1781, also etwa zeitgleich mit den Modellen zum Statuenpaar und ebenfalls im Jahreszeitenkontext für den Comte d’Artois, den Bruder Louis’ XVI. und späteren König Charles X., entwickelte. 45 L’Été

43 Die Figur von Pajou ist in Teilen, etwa bei der Ausarbeitung der Ährengarben, unvollendet; siehe dazu auch Kat. Paris/New York 1998, S. 181–186 Kat. Nr. 69. 44 Pajous Terrakottaversion der Ceres erscheint nicht im Katalog zum Salon 1765. Dass sie dort ausgestellt war, bezeugt jedoch eine Zeichnung von Gabriel de Saint-Aubin; siehe Kat. Paris/New York 1998, S. 181–186 Kat. Nr. 68, zur Zeichnung Saint-Aubins S. 183 m. Abb. Nr. 118. 45 Siehe Houdons Werkliste aus dem Jahre 1784, die den Entwurf zur Ceres unweit hinter den Modellen von L’Été und L’Hiver verzeichnet: „[96.] Modelle d’une statue de Cérès de 6

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74 Jean-Antoine Houdon, Cérès oder L’Hiver, 1781, Gips, Yvelines, Château de Maisons, Maison-Laffitte

und L’Hiver stellen insofern nicht die erste Auseinandersetzung des Bildhauers mit dem Jahreszeitenthema dar. Die überlebensgroße Figur war Teil eines Zyklus’ der Vier Jahreszeiten, der als Ausstattung des Sommerspeisesaals im Château de Maisons, Maisons-Laffitte Aufstellung fand.46 Für die ursprünglich in Sandstein geplante, schließlich in Gips ausgeführte Statue wählte Houdon eben jene Gestaltung, die Pajous Ceres fehlt. Die Göttin erscheint als römische Matrona in würdevoller, gravitätischer Haltung und ausladender antikischer Gewandung. Über ihre hochgegür-

pieds pour être exécuté en pierre pour la salle à mangé de Maison a M. le comte Dartois“; zit. nach Vitry 1907, S. 207. 46 Die Figuren wurden vom Architekten François-Joseph Bélanger, der mit der Gestaltung des Schlossinnern betraut war, in Auftrag gegeben. Zu der anfänglich geplanten Ausführung in Sandstein kam es wohl aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht; siehe zum Ganzen Jean Stern: Le Château de Maisons – Maisons-Laffitte – (Châteaux, décors de l’histoire), Paris 1934, S. 130–132, dort auch zum Sommerspeisesaal, dem sog. „salle à manger des nobles“.



Gegenentwürfe zur Jahreszeitentradition

tete Tunika hat sie eine weite Stola gewunden, wovon sie ein Ende einer Velatio capi‑ tis gleich über den Kopf führt. Unter dieser kapuzenartigen Verhüllung kommt als typisches Attribut der Ährenkranz in ihrem Haar zum Vorschein. In ihrer rechten, in die Taille gestützten Hand hält sie ein stabähnliches Objekt, das sich bei näherer Betrachtung als Griff einer Fackel erweist, die die Göttin als Personifikation des Sommers typischerweise mit sich führt. So sehr ihre matronenhafte Erscheinung und antikische Gestaltung der Darstellungstradition folgen mögen, so ungewöhnlich ist hier jedoch ihre Rolle im Kontext der Jahreszeiten. Im Viererreigen der für Château de Maisons geschaffenen Figuren nimmt sie nämlich nicht wie üblich den Platz des Sommers ein, sondern repräsentiert den Winter. Dies erklärt auch den umgedrehten Stab der Fackel, die erloschen ist und somit die Antithese zur brennenden, die Glut des Sommers verdeutlichenden Flamme in konventionellen Verbildlichungen darstellt. Die Verhüllung ihres Kopfes greift wiederum die für die Personifikation des Winters typische Bedeckung des Hauptes auf, die auf die Kälte, aber auch auf die Dunkelheit der Jahreszeit verweist.47 Ähnlich wie bei seinem wenig später entstandenen Jahreszeitenpaar folgt Houdon damit auch hier nicht der tradierten Auffassung, wenngleich weniger explizit gezeigt als bei den etwa zeitgleichen Motivlösungen von Sommer und Winter. Die restlichen Statuen dieses ausschließlich durch Frauengestalten repräsentierten Zyklus’ entsprechen im Übrigen zum Teil ebenfalls nicht den gewöhnlich zur Verbildlichung der Jahreszeiten herangezogenen Figuren:48 Während der Frühling durch eine Flora von Jean-Joseph Foucou vergleichsweise klassisch repräsentiert wird, nimmt die von Louis-Simon Boizot geschaffene Pomona, die in der Regel den Herbst vertritt, hier anstelle von Ceres die Position des Sommers ein. Ungewohnt erscheint im Kontext der Jahreszeiten schließlich auch die von Clodion entwickelte Darstellung des Herbstes, der durch Erigone versinnbildlicht wird.49 47 Dazu auch R. Deckers, die die Bedeckung des Kopfes in einen Zusammenhang mit der mit dem Winter assoziierten Figur des Kronos/Saturn und den damit verbundenen Unterweltund Mysterienkulten stellt; siehe Deckers 2010, S. 46 f. 48 Die unübliche Rollenverteilung der Figuren innerhalb des Zyklus’ führte in der Literatur bereits zu Fehldeutungen und Verwechslungen. So hielt L. Deshairs Houdons Ceres für den eigentlich von Boizot gestalteten Sommer; siehe Léon Deshairs: Le château de Maisons, (Maisons-­Laffitte). Architecture, sculpture, décoration, notice historique et descriptive, Paris 1907, Taf. 33. Hierzu auch Kloss-Weber 2014, S. 141 f. m. Anm. 425. 49 Siehe dazu auch genauer Clodion 1738–1814, hg. von Anne L. Poulet und Guilhem Scherf, Ausst.-Kat., Musée du Louvre Paris, Paris 1992, S. 252–264 Kat. Nr. 52–54. Der Bezug Erigones zur herbstlichen Jahreszeit lässt sich über ihren Mythos herleiten, demzufolge der Weingott Bacchus, der zumeist mit dem Herbst assoziiert wird, Erigones Vater Ikarios die Kunst des Weinbaus beibrachte. Bauern, die hinter dem von Ikarios hergestellten Wein Gift vermuteten, ermordeten ihn, woraufhin Erigone Selbstmord beging. Nach ihrem Tod verwandelte ­Jupiter sie in das mit dem Herbst verbundene Sternbild der Jungfrau. Den Jahreszeitenaspekt Erigones greift auch ein Gemälde Bouchers auf, das durch Nachstiche von Claude Duflos d. J. verbreitet war und sich heute in der Wallace Collection in London befindet; François Boucher:

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Hinsichtlich der jahreszeitlichen Darstellungstradition verdeutlicht das Beispiel des für den Speisesaal in Maisons geschaffenen Zyklus’, dass man sich im Innenraum, wie es scheint, leichter von konventionellen Schemata lösen konnte als in semantisch stärker aufgeladenen und repräsentativen Zwecken dienenden Bereichen wie dem barocken Garten mit seinen festen Formvorgaben.50 Dies mag auch damit einhergehen, dass die Jahreszeiten in skulpturaler Form im Innenraum viel später Einzug hielten als im Außenraum. Auch L’Été und Frileuse waren letztlich für eine Aufstellung in einem privaten Umfeld vorgesehen, nämlich für die Bibliothek SaintWaasts in dessen Pariser Privathaus.51 Dass sich ein solcher Kontext tatsächlich auf den Umgang mit ikonographischen Vorgaben auswirken kann und Abweichungen oder Anpassungen der üblichen Darstellungsweise ermöglicht, belegt auch ein Blick auf zwei etwa zeitgleich mit dem Houdonschen Statuenpaar entstandene Jahreszeitenzyklen von Johann Heinrich Dannecker und Philipp Jakob Scheffauer, die ebenfalls für eine Aufstellung im Innern konzipiert wurden. Beide waren ursprünglich für Schloss Hohenheim vorgesehen: der erste zwischen 1786 und 1788 im Auftrag von Herzog Carl Eugen ausgeführte Zy­klus für die dortige Bibliothek,52 der zweite um 1790 entstandene für das obere Vestibül des Schlosses. Kurz nach ihrer Fertigstellung wurden sie allerdings nach Ludwigsburg in die Residenz beziehungsweise nach Schloss Favorite verbracht, wo sie heute noch zu sehen sind.53 Auch sie lösen sich in Teilen von tradierten Vorstellungen und passen sich damit ihrem Bestimmungsort an. Heraus sticht jeweils vor allem der Winter. So entspricht im früheren Zyklus die von Scheffauer entwickelte Winterstatue (Abb. 75) zwar dem mit der kalten Jahreszeit typischerweise verbundenen Bild des greisen Man-

Erigone vaincue (L’Automne), 1745, Öl auf Lw. 99 × 134,5 cm, London, Wallace Collection. Klassischerweise galten als Verbildlichung des Herbstes jedoch Bacchus oder Pomona; so u. a. beschrieben in der Ikonologie von Cochin/Gravelot 1791, Bd. 1, S. 41 (Automne). 50 Ähnlich bereits Kloss-Weber 2014, S. 151. 51 Siehe zuvor S. 151. V. Bajou geht fälschlicherweise von einer ursprünglichen Aufstellung der Skulpturen im Garten aus; vgl Valérie Bajou: Houdon in the Musée Fabre, in: Apollo 129 (1989), S. 23–29 und S. 67 f., hierzu S. 29. 52 Interessanterweise besteht auch hier, genauso wie bei den Figuren Houdons, ein Aufstellungskontext in einer Bibliothek. Geläufiger war im 18. Jh. hingegen die Anbringung des Jahreszeitenmotivs als Dekorelement im Speisesaal. Die Verbindung zwischen Jahreszeiten und Bibliothek könnte daher rühren, dass das Motiv als klassisches Bildungsgut begriffen wurde und insofern auch seine Berechtigung im Rahmen einer Bibliothek erhielt. 53 Siehe zum Ganzen auch Schwäbischer Klassizismus zwischen Ideal und Wirklichkeit 1770–1830 – zeichnen, malen, bilden, hg. von Christian von Holst, Ausst.-Kat., Staatsgalerie Stuttgart, 2 Bde, Stuttgart 1993, hier: Bd. 1: Katalog, S. 125–129 Kat. Nr. 34–37. Die deutlich unterlebensgroße Ausführung der Figuren unterstreicht ihren dekorativen Charakter. Für weitergehende Hinweise zum Skulpturenzyklus sei den Mitarbeiterinnen der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Schlösserverwaltung Bruchsal, insb. Frau Simona Hurst gedankt. Der Zyklus ist heute im Assembléezimmer der Königin im ersten Obergeschoss von Schloss Ludwigsburg zu sehen.



Gegenentwürfe zur Jahreszeitentradition

75 Philipp Jakob Scheffauer, Winter (aus: ders. und Johann Heinrich Dannecker, Allegorien der Vier Jahreszeiten), 1788, Marmor, Ludwigsburg, Residenz

nes. Die Figur wirkt dem winterlichen Kontext ansonsten jedoch gänzlich enthoben. Allein die Reiser, die der Greis als einziges Attribut nahezu unmerklich in seiner linken Hand hält, bilden einen Hinweis auf die Jahreszeit.54 Vielmehr nimmt die Skulptur einen fast stoischen Habitus ein, der eher an das Standbild eines Philosophen erinnert als an eine Winterpersonifikation. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass der Kopf der Statue einer antiken Porträtbüste des Euripides ähnelt. In seiner Entwurfszeichnung skizzierte Scheffauer demgegenüber noch die konventionell barocke Vor54 Die Statuengruppe erscheint in den Attributen insgesamt sehr reduziert und auf ein Mindestmaß beschränkt. Flora trägt nur einen Blumenkranz bei sich, den sie sich über den Kopf hält. Bei Ceres fallen die wenigen Ähren und die Sichel in ihren Händen kaum auf. Bacchus ist zwar mit einem Thyrsosstab und einem Kranz aus Weinlaub ausgestattet, der Fokus liegt aber auch hier auf der Haltung und dem Ausdruck der Figur, die eher sinnierend und in sich ruhend als rauschhaft-bacchantisch wiedergegeben ist.

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stellung des frierenden alten Mannes in der Nachfolge Le Bruns und Girardons, deren Versailler Skulptur (Abb. 19) der Künstler wahrscheinlich während eines FrankreichAufenthaltes gesehen hatte. Für die endgültige Umsetzung veränderte er letztlich aber seine Konzeption im Sinne der geplanten Aufstellung in einer Bibliothek, für die er eine philosophenähnliche Darstellung wohl als angemessener erachtete.55 In gleicher Weise scheint sich auch der spätere, ausschließlich weiblich aufgefasste Jahreszeitenzyklus seinem Bestimmungsort anzupassen.56 Hier schuf Dannecker den Winter in Gestalt der eher aus der Tageszeitenikonographie geläufigen Jagdgöttin Diana, was dem Rahmen der Hohenheimer Sommerresidenz entsprach und sich später unproblematisch in den Jagdkontext von Schloss Favorite einfügen ließ. Der Weg zu einer Emanzipation von tradierten Darstellungskonzepten sowie vor allem zu einer eher genrehaften Auffassung der Jahreszeiten, wie sie sich bei den beiden Houdonschen Figuren beobachten lässt, scheint im Innenraum noch an anderer Stelle geebnet worden zu sein, nämlich im Bereich der Porzellanplastik, in der das Jahreszeitenmotiv vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allgemeine Beliebtheit erfuhr.57 Zwar finden sich, wie gezeigt wurde, auch im Porzellan die jahreszeitentypischen Götterfiguren und erhabenen Allegorien des Barock wieder. Dem dekorativen Charakter des Mediums folgend, treten aber zunehmend alltäglichere Verbildlichungen hinzu, die saisonspezifische Tätigkeiten, ländliche Arbeiten oder jahreszeitliche Vergnügungen zum Thema haben (Abb. 35).58 Ähnlich wie bei Houdons 55 Die Abweichung von der Tradition wurde auch von zeitgenössischen Beobachtern wahrgenommen und die Statue Scheffauers daher stark kritisiert; siehe in diesem Zusammenhang nur Alois Hirt: Über zwey Statuen von den Herrn Dannecker und Scheffauer (mit Illustr.), in: Italien und Deutschland in Rücksicht auf Sitten, Gebräuche, Litteratur und Kunst. Eine Zeit‑ schrift 1/2 (1789), S. 14–29, zu Scheffauer insb. S. 21–26. Hirt bemängelte dabei die deutliche Loslösung von antiken Darstellungsweisen sowie die seiner Ansicht nach wenig überzeugende Verbildlichung des Alters. 56 Die Figuren wurden im Jahre 1800 unter Herzog Friedrich II. von Württemberg in den 1799 von N. F. Thouret im klassizistischen Stil umgestalteten Speisesaal von Schloss Favorite verbracht und dort in Wandnischen aufgestellt. 57 Ebenso auch Kloss-Weber 2014, S. 150 f. sowie vor ihr bereits Hans Körner: Statuenstützen im Werk Jean-Antoine Houdons, in: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 259–277, hierzu S. 269 f. Körner zieht dabei eine Verbindung zum verspielten, zugleich auch erotisch konnotierten Putto der Porzellanplastik, den er wiederum aus einer Passage aus den Ikonologien hergeleitet sieht, in der eine antike Münze des Caracalla mit Darstellungen der Vier Jahreszeiten als spielenden Kinder erwähnt wird; siehe hierzu auch zuvor S. 52. Insofern erachtet Körner die erotisch aufgeladene jugendliche Darstellung des Winters bei Houdon nicht als Bruch mit der Tradition der Ikonologien. Die wechselseitigen Bezüge zwischen Gartenskulptur und Porzellankunst behandelte in anderem Zusammenhang bereits Annemarie Tomforde: Die fränkische Gartenskulptur und ihre Ikonographie im 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1941 (Diss. phil. Universität Frankfurt am Main), hierzu S. 60. 58 Zum Auffassungswandel in der Porzellankunst siehe die grundlegenden Aufsätze von Von Wolff Metternich 1986, S. 150–172 und Von Wolff Metternich 1989, S. 181–211. Die Autorin beschreibt dabei interessanterweise auch wechselseitige Bezüge zwischen der Garten-



Das Spiel mit der Ikonographie

Sommer und Winter werden dabei auch die geschlechtliche Konnotation der Zeiten und ihre Gleichsetzung mit den menschlichen Lebensaltern sowie die damit verbundene Vergänglichkeitsmetaphorik nach und nach abgelegt.

Das Spiel mit der Ikonographie So sehr Houdon bei L’Été und L’Hiver – vielleicht begünstigt durch die Auftragssituation und die damit verbundene Aufstellung der Werke im Innenraum – von klassischen Jahreszeitendarstellungen abweicht, so sehr scheint er sich gleichzeitig sowohl mit Blick auf die Gesamterscheinung des Skulpturenpaars als auch auf einzelne Attribute zahlreicher konventioneller Motive zu bedienen, die aus unterschiedlichen Darstellungszusammenhängen gegriffen sind und hier versatzstückartig zusammengeführt werden.59 Wie auch die Analyse von Maraike Bückling deutlich gemacht hat, spiegeln sich etwa in der Frileuse gleich mehrere ikonographische Formeln: Erstens weist die Figur mit ihrer augenfälligen Nacktheit eine deutliche Nähe zu Darstellungen der Göttin Venus auf. Wie bereits Jean-Baptiste Pierre in seinem zu Beginn zitierten Brief feststellte, erinnert die Entblößung der Rückansicht an die der Venus Kallipygos, bei der das unbedeckte Gesäß wie ein festes Attribut zu ihrem Erscheinungsbild gehört.60 Durch die der Marmorfassung beigegebene Vase mit Tuchüberwurf ruft die Houdonsche Skulptur ferner das hellenistische Vorbild der Knidischen Venus des Praxiteles auf.61 Mit diesen Anspielungen auf die Venusikonographie eröffnet sich gleichzeitig auch ein Jahreszeitenbezug über den Vers des römischen Dichters Terenz „Sine Cerere et Baccho friget Venus“, der mit Rubens’ Gemälde Frierende Venus

skulptur und der Porzellanplastik im Bereich der Jahreszeiten; so v. a. Von Wolff Metternich 1986, S. 162 f. Siehe auch zuvor S. 77 f. 59 Hierzu auch Kloss-Weber 2014, S. 143, die Houdon eine „unkonventionell selektive[r]“ Vorgehensweise attestiert. In die gleiche Richtung geht auch der von M. Bückling beschriebene Anspielungsreichtum der Figuren; siehe Bückling 2009, u. a. S. 44 u. S. 60–64. 60 Einen Überblick über die Rezeption der Venus Kallipygos im 18. Jh. bietet Klaus Parlasca: Aphrodite Kallipygos – Ihre kunstarchäologische Stellung und Aspekte ihrer Rezeption, in: Kathrin Schade, Detlef Rößler und Alfred Schäfer (Hg.): Zentren und Wirkungsräume der Antike­rezeption. Zur Bedeutung von Raum und Kommunikation für die neuzeitliche Transfor‑ mation der griechisch-römischen Antike, Münster 2007, S. 223–234. Der Autor erwähnt dabei ein russisches Relief aus dem frühen 19. Jh., auf dem die Venus Kallipygos als Allegorie des Winters erscheint. 61 H. Körner sieht hier eine konkrete Verbindung zu einer von Francesco Primaticcio für François I. angefertigten Bronzekopie der Praxitelischen Venus aus den 1540er-Jahren, die Houdon in Fontainebleau gesehen und als Anregung für seine Bronzeumsetzung der Frileuse genutzt haben könnte. Körner meint insb. eine übereinstimmende Beinhaltung zwischen den zwei Bronzen zu erkennen. Zudem verbinde beide, dass die Hydria mit dem Tuchüberwurf fehle; siehe Körner 2009, S. 273 u. 276 f.

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76 Peter Paul Rubens, Frierende Venus, 1614, Öl auf Lw., Antwerpen, Koninklijk Museum voor schone Kunsten

(Abb. 76) eine weithin bekannte Verbildlichung erhielt.62 In der sinnlichen Wiedergabe der nackten Rückenpartie und des in sich zusammengezogenen Oberkörpers der am Boden hockenden Göttin zeigt Rubens eine ähnlich erotisch aufgeladene Pose des Frierens wie sie auch Houdons Winter einnimmt.63 Zweitens sticht in ikonographischer Hinsicht das vieldeutige Motiv des verhüllten Kopfes hervor, das zwar auch im Rahmen der Winterikonographie geläufig ist, darüber hinaus, wie Maraike Bückling mit Blick auf die Frileuse ausführt, aber auch in anderen Kontexten auftreten und verschiedene Assoziationen hervorrufen kann.64 So lässt sich die Bedeckung des Hauptes zum Beispiel als Zeichen der Trauer werten. Dabei verweist Bückling auf Klage- und Beweinungsfiguren, die sogenannten Pleurants, wie sie etwa im Werk Clodions vorkommen,65 und stellt zugleich den angesichts der Gesamtanmutung der Frierenden eher fragwürdig erscheinenden Bezug zur Marienikonographie her.66 62 Zum Jahreszeitenbezug des Rubens-Gemäldes siehe auch Franz Adrian Dreier: Anmerkungen zur „Frierenden Venus“ von Peter Paul Rubens, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 16 (1977), S. 45–52, hierzu insb. S. 46. Das Gegenstück bildet Rubens’ in Kassel befindliches Gemälde, auf dem Ceres und Bacchus anwesend sind, Venus also nicht friert; Peter Paul Rubens: Venus, Amor, Ceres und Bacchus, 1612/1613, Öl auf Lw., 141 × 200 cm, Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister. Der berühmte Satz des Terenz stammt aus seiner Komödie Eu‑ nuchus (4. Akt, 5. Szene; im Original steht der lateinische Ursprungsname des Gottes, Liber bzw. Libero). 63 In diesem Zusammenhang lässt sich ein Bezug zu einem weiteren Gemälde von Rubens herstellen, nämlich zu seiner auch als „Het Pelsken“ bekannten ganzfigurigen Darstellung seiner zweiten Ehefrau Helena Fourment, die sich ähnlich halbnackt wie die Frileuse präsentiert, bei der die erotisch-sinnliche Ausstrahlung jedoch deutlich stärker im Vordergrund steht. 64 Dazu eingehend Deckers 2010. 65 Siehe hierzu den Eintrag in Kat. Paris 1992, S. 110–114 Kat. Nr. 9 u. 10. 66 Bückling 2006, S. 180–182 und Bückling 2009, S. 47–50. Mit dem Zusammentreffen von Jugendlichkeit und Trauer sieht Bückling zugleich das Motiv ‚Tod und Mädchen‘ angesprochen,



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77 Philips Galle nach Maarten de Vos, Der Winter (Hyems), 2. Hälfte 16. Jh., Kupferstich, o. O.

Dass sich mit der bei Ripa beschriebenen Invernata des Macrobius, die das Absterben der Natur im Winter und das Erreichen des Jahresendes beklagt, auch im Kontext der Jahreszeiten eine trauernde Figur findet, die durch einen Schleier gekennzeichnet ist, berücksichtigt Bückling nicht. Wie die Erwähnung dieser Figuration in Giovanni Battista Casanovas Theorie der Malerei belegt, war die Invernata auch im ausgehenden 18. Jahrhundert noch als Gestalt präsent.67 Die Darstellungsform der verschleierten Frau findet sich nicht zuletzt bereits in Winterszenen des späten 16. und des 17. Jahrhunderts (Abb. 77). Darüber hinaus erinnert die Verschleierung an die aus der Antike bekannte sakrale Geste der Velatio capitis, der rituellen Bedeckung des Kopfes bei Opferhandlungen. In diesem Kontext ist der Schleier zudem als fester Bestandteil der Vesta­ linnenikonographie verbürgt, wie ihn auch Houdon für seine eigenen Umsetzungen dieses damals populären Sujets übernimmt.68 Hiermit ist zugleich eine weitere Bedeutungsdimension des Schleiers verbunden, nämlich seine Funktion als Zeichen wie es etwa in Totentanzdarstellungen der Renaissance begegnet. Die der Frileuse beigegebene hohe Vase ließe sich insofern auch als Anspielung auf antike Urnen in der typischen Form der Lekythen lesen. 67 Siehe Casanova 2008, S. 754 f. Zur Figur der Invernata siehe bereits zuvor S. 55. 68 Siehe u. a. den Katalogeintrag von M. Bückling in: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 116– 119 Kat. Nr. 18 sowie zudem die Abb. einer antiken Vorlage bei Thomassin 1723, Bd. 1, Taf. 9

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der Keuschheit oder der Schamhaftigkeit.69 Aufgrund dieser unterschiedlichen Konnotationen zwischen Eros, Trauer und Scham, die die Figur aufruft, wertet Maraike Bückling die Frierende als Kommentar beziehungsweise Angriff auf die Weiblichkeitsund Moralvorstellungen des Ancien Régime, wobei sie die Skulptur in die Nähe der Darstellungen gefallener Mädchen von Greuze stellt. Für diese Verwandtschaft spreche nicht zuletzt die ähnliche Gesichtsbildung der Houdonschen und der Greuzeschen Mädchen. Ihre Interpretation sieht Bückling durch das der Marmorversion beigegebene Attribut des zerbrochenen Gefäßes bestätigt, der cruche cassée, welche die Autorin zwar auch als Zeichen der Vergänglichkeit und der Fragilität des menschlichen Lebens versteht, die sie ausgehend von den sexuellen Implikationen vielmehr jedoch wie bei Greuze (Abb. 64) als Symbol für den Verlust der Jungfräulichkeit deutet.70 Ähnlich ordnet aufgrund dieses Attributs auch Regina Deckers die Frierende ein, wobei sie allerdings die von Bückling aufgerufenen Allusionen zu Trauerfiguren ablehnt. Das Zu‑Boden-Blicken des Mädchens, seine Introvertiertheit und die damit einhergehende Nichtbeachtung seiner Umgebung unterstreichen für Deckers den Ausdruck der Schamhaftigkeit, den Houdon zwar weniger deutlich als Greuze, aber dennoch sowohl durch das Attribut der Vase als auch durch die Körperhaltung der Figur vor Augen führe.71 Julia Kloss-Weber hat bereits herausgestellt, dass sich der Gehalt der Frileuse nicht in diesen ikonographischen Zugängen erschöpft, sondern eher in ihren Ausdrucksqualitäten liegt, zumal fraglich ist, inwieweit Greuzes moralisierende Gemälde in den 1780er-Jahren allgemein noch von Belang waren.72 Im Gegensatz zu den eindeutig das Sittlichkeitsempfinden ansprechenden Inhalten der Greuzeschen Bilder ist eine vergleichbare Deutung bei Houdons L’Hiver weniger offensichtlich und lediglich ein Interpretationsangebot von vielen. Die Figur scheint vielmehr mit all diesen ihr (Vestale, antique). Zur Popularität des Motivs siehe auch Anne L. Poulet: Les années romaines de Clodion, in: Kat. Paris 1992, S. 15–34, insb. S. 25–28. 69 Siehe dazu Deckers 2010, S. 119 f. u. S. 130–140. Entsprechend etwa die französischsprachige Ikonologie von Cochin/Gravelot 1791, Bd. 1, S. 57 (Chasteté) und Bd. 4, S. 47 (Pudeur und Pureté). 70 Siehe zum Ganzen Bückling 2006, S. 176–180 und Bückling 2009, S. 56–60, dort insb. S. 56 u. S. 112–115 Kat. Nr. 17 zur Ähnlichkeit in der Darstellung zwischen den Mädchen von Greuze und Houdon. Zum Motiv des zerbrochenen Kruges und seiner aus den niederländischen Emblembüchern abgeleiteten Bedeutung als Deflorationszeichen siehe auch Gisela Zick: Der zerbrochene Krug als Bildmotiv des 18. Jahrhunderts, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 31 (1969), S. 149–204 sowie Hans Körner: Das Mädchen mit dem zerbrochenen Krug und sein Betrachter. Zum Problem der Allegorie im Werk des Jean-Baptiste Greuze, in: ders. u. a. (Hg.): Empfin‑ dung und Reflexion. Ein Problem des 18. Jahrhunderts, Hildesheim/Zürich/New York 1986 (Münchner Beiträge zur Geschichte und Theorie der Künste, Bd. 1), S. 239–272. 71 Vgl. Deckers 2010, insb. S. 185–187. 72 Greuze hatte bereits Mitte der 1760er-Jahre den Höhepunkt seiner Karriere erreicht. Nach der erfahrenen Demütigung durch die Académie im Zuge seiner Aufnahme 1769 stellte er zudem nicht mehr öffentlich aus; siehe dazu auch Körner 1986, S. 250.



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eigenen ikonographischen Andeutungen zu spielen. Auch hier zeigt sich erneut das bereits im Zusammenhang mit Hogarth beschriebene Phänomen der ikonographischen Unschärfe und Mehrdeutigkeit, sobald von bekannten Mustern abgewichen wird. Hinzu kommt, dass die Vase, wie auch Kloss-Weber hervorhebt, allein in der Marmorfassung auftritt und dabei gleichzeitig die Funktion einer für Steinskulpturen notwendigen Stütze übernimmt.73 In Ausführungen aus anderen Materialien fehlt sie hingegen. Demnach kann sie für die Interpretation der Figur nicht von entscheidender Bedeutung sein  – anders als im Übrigen beim Winter Falconets, bei dem das gesprungene Gefäß als fester Bestandteil zur Komposition gehört. Stattdessen unterstreicht die zerborstene Vase der Frierenden in unmittelbarer Sinnfälligkeit die Intensität und die Einwirkungen der frostigen Temperaturen, denen sich die Frileuse ausgesetzt sieht. Damit bietet sie eine Art natürliches Symbol des Winters und steigert nicht zuletzt auch den Ausdruck der Figur.74 Wie deutlich wird, vereint Houdon in der Gestaltung seiner Statue L’Hiver mehrere ikonographische Formeln. Seine eklektisch-entlehnende Vorgehensweise und die Art der Motive, die herausgegriffen werden, lassen an den von Jan Białostocki Ende der 1950er-Jahre in Zusammenhang mit Gemälden Rembrandts geprägten Begriff der „Rahmenthemen“ denken.75 Diese bezeichnen prägnante und festgefügte Darstellungsformeln, „Bilder von außerordentlich großer menschlicher Bedeutung“76 beziehungsweise „Grundbilder“,77 die mit bestimmten Inhalten belegt sind und in diesen Zusammenhängen immer wieder tradiert werden. Białostocki spannt damit den Bogen zu den Archetypen von C. G. Jung, den „Inhalte[n] des kollektiven Unbewußten“,78 die in der menschlichen Psyche verankert sind und Grunderfahrungen des Menschen beschreiben. Zugleich grenzt er beide Termini jedoch insofern voneinander ab, als ihm zum einen der Jungsche Begriff für eine Übertragung auf die Kunst zu unbestimmt erscheint, zum anderen die Gültigkeit seiner „Rahmenthemen“ im Gegensatz zu den Archetypen zeitlich begrenzt sein könne.79 Blickt man auf die Winterdarstellung Houdons, ist zu fragen, inwiefern der Białostockische Begriff in diesem Falle Anwendung finden kann. Durch die aufgerufene Verbindung zu den Jungschen Urbildern bergen die „Rahmenthemen“ eine gewisse Nähe zu allgemeingültigen Erfahrungsbildern des Menschen, auf die Houdon mit seiner Auswahl der Einzelmo73 Hierzu ausführlich Körner 2009, S. 267–270. 74 So auch Kloss-Weber 2014, S. 155 f. 75 Siehe Jan Białostocki: Die «Rahmenthemen» und die archetypischen Bilder (1965), in: ders.: Stil und Ikonographie. Studien zur Kunstwissenschaft, Köln 1981 (DuMont-Taschen­ bücher, Bd. 113), S. 144–160. 76 Ebd., S. 147. 77 Ebd., S. 150. 78 C. G. Jung; zit. nach ebd., S. 151. 79 W. Busch hat an anderer Stelle die Anwendung des Białostockischen Begriffs der „Rahmenthemen“ auf Hogarths borrowings diskutiert, verwirft diese Möglichkeit letztlich jedoch; Busch 1977, S. 63–65.

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tive und ihrer Zusammenführung nicht zu rekurrieren scheint. Im Vordergrund steht für den Bildhauer nicht die Evozierung allgemeiner Inhalte oder die Rückführung auf bestimmte menschliche Urerfahrungen, die sich in den beschriebenen Formeln wie Nacktheit oder Schleier ausdrücken. Vielmehr geht es ihm um eine konkrete Reformulierung und Verarbeitung der aus der Tradition bekannten ikonographischen Muster, hinter der eine kunsttheoretische Aussage steht. Durch die Zusammenführung und die Überblendung verschiedener aus unterschiedlichen Kontexten gegriffener Darstellungsschemata ruft Houdon  – ähnlich wie es bei Hogarth zu beobachten ist  – schließlich eher eine Verwirrung des Betrachters hervor, der die einzelnen Motive in ihrer Gesamtheit gerade nicht auf bestimmte Grundthemen zurückführen kann. Verunklart die Verwendung der unterschiedlichen Formeln auf diese Weise die Entschlüsselung der Figur, so eröffnet die Skulptur selbst jedoch einen anderen, nicht-ikonographischen Zugang zu ihrem Verständnis, nämlich mittels ihrer reinen physischen Erscheinung. In der starken Neigung ihres Körpers, der Verschränkung der Arme sowie der angespannten Beinhaltung vermittelt sie den Eindruck des Frierens und damit auch den Ausdruck von Winterlichkeit wesentlich natürlicher und für den Betrachter direkter nachvollziehbar als dies über die üblichen Attribute und Darstellungsmuster möglich wäre. Wie der Winter vereint auch die Statue L’Été mehrere ikonographische Anspielungen, wenngleich weniger durch sein Erscheinungsbild als vielmehr durch die Wahl der Attribute. Diese entstammen der konventionellen Ikonographie, sind jedoch aus unterschiedlichen Kontexten gegriffen und weisen abgesehen von den typischerweise mit dem Sommer verknüpften Beigaben wie Sichel oder Kornähren in verschiedene Richtungen. Maraike Bückling sieht hier erneut einen Bezug zum Sittlichkeitsdiskurs der Zeit aufgrund der vornehmlich erotischen Konnotationen, welche die Attribute der Autorin zufolge eröffnen. Laut Bückling unterstreichen sie ihre Deutung des Statuenpaares als erotisch-sinnliche Figurationen im Zusammenspiel von Eros, Tod und Scham. So würden Gießkanne und Sichel das männliche Geschlecht symbolisieren, Korngarben und Früchte stünden für Fruchtbarkeit. Der Granatapfel sei wiederum ein Kennzeichen der Liebesgöttin Venus.80 Neben diesen sexuellen Anspielungen lassen sich aber auch andere Bedeutungen der Attribute festhalten: Das Tamburin, das am rechten Bein des Mädchens lehnt, ist etwa als Attribut von Bacchantinnen bekannt, den Begleiterinnen des Weingottes Bacchus, der den Herbst personifiziert.81 In dieser Funktion erscheint es zum Beispiel bei einer Skulptur von Pajou.82 Ebenso ist es in der Musenikonographie geläufig, beispielsweise als Kennzeichen für Terpsichore, die Muse des 80 So Bückling 2006, S. 176 und Bückling 2009, S. 47; dazu ebenfalls bereits kritisch Kloss-­ Weber 2014, S. 144 f. Anm. 429. 81 Auch die Ikonologie von Cochin und Gravelot führt das Tamburin als Kennzeichen des Herbstes auf; siehe Cochin/Gravelot 1791, Bd. 1, S. 41 (Automne). 82 Augustin Pajou: Bacchantin mit Tamburin und zwei Kindern, 1774, Stein (Pierre de Tonnerre), 182 × 94 × 73 cm, Paris, Musée du Louvre.



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Tanzes.83 Das Weinlaub und die Trauben zu Füßen der Figur gelten klassischerweise als Symbole für den Herbst. Die Blüten, die das Mädchen im Haar trägt, könnten auch als Verweis auf den Frühling gedeutet werden. Die Gießkanne wiederum stellt ein modernes, in der Tradition der Jahreszeiten bis dahin nicht verbürgtes Accessoire dar.84 Aufgrund der Zusammenstellung der Attribute und ihrer Vieldeutigkeit vermutete Bückling zunächst, dass der Sommer mehrere Jahreszeiten in sich vereine und sich auf diese Weise zusammen mit der Frileuse ein vollständiger Zyklus ergebe, verwarf diese Idee aber letztlich wieder, weil der Werktitel, L’Été, dies nicht anzeige.85 Tatsächlich weist nichts darauf hin, dass Houdon einen vollständigen Viererzyklus plante. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass er seine ursprüngliche Konzeption des Sommers vielleicht aufgrund der im Rahmen der Salonausstellungen erfahrenen Kritik an der Ungewöhnlichkeit der Formfindung seines Winters nachträglich überarbeitete und dahingehend schärfte, dass die Statue auf den ersten Blick als höchst konventionelles und zugleich vorgeblich unverfängliches Gegenmodell zu seiner ‚skandalösen‘ Schwesterskulptur erscheint. Diese Annahme ließe sich auch dadurch stützen, dass die Sommerfigur später als der Winter in Marmor ausgeführt wurde. Anders als bei der Frierenden hat sich zudem kein Tonmodell zum ursprünglichen Entwurf erhalten, anhand dessen man mögliche Überarbeitungen oder Änderungen nachvollziehen könnte. Die suggerierte ‚Über-Konventionalität‘ der Sommerfigur wird nicht zuletzt durch ihr traditionell anmutendes, letztlich aber phantasiehaft gebildetes Kleid unterstützt, das keine kostümgeschichtliche Vorlage hat. Hinter der vermeintlich näher an der Tradition orientierten Gestaltung seiner Sommerstatue scheint nicht zuletzt auch die Absicht Houdons zu stehen, auf die vor allem im damaligen Frankreich präsenten kunsttheoretischen Diskussionen hinzuweisen, die die Gestaltung allegorischer Darstellungen und ihrer Zeichen und Symbole reflektierten und sie zugleich in Frage stellten. So führt die „Geschwätzigkeit“86 des Sommers, die durch die Vielzahl an unterschiedlichen Attributen hervorgerufen wird, eine ikonographische Betrachtung im Grunde ad absurdum. Stärker noch als bei der Frileuse läuft hier nämlich der Versuch, ausschließlich die attributiven Zeichen der Figur zu lesen, ins Leere. Die Attribute von L’Été lassen sich gerade nicht insgesamt auf die Darstellungstradition des Sommers zurückführen und zu einem ikonographisch stimmigen Gesamtbild verbinden, sondern wecken ähnlich wie die in der Gestaltung des Winters zitierten Motive unterschiedliche Assoziationen. Damit entzieht sich auch der Sommer gewissermaßen einer rein ikonographischen Deutung, wie es letztlich auch die Analyse von Maraike Bückling ungewollt vor Augen führt. 83 Siehe nur Cochin/Gravelot 1791, Bd. 4, S. 105 (Terpsichore). 84 Eine Ausnahme ist hier die bereits erwähnte Ceres von Belleteste; siehe zuvor S. 163 m. Anm. 25. 85 Siehe Bückling 2009, S. 44. 86 Ebd., S. 55 in Anlehnung an eine Aussage Diderots über Boucher und deren Wiedergabe bei Körner 1986, S. 258.

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Demonstriert der Sommer die Sinnlosigkeit ‚gelehrter‘ Allegorien, die allein durch ihre Attribute verständlich sein wollen, so sucht sich die Frileuse als Gegenpol durch ihre reine Körperlichkeit auszudrücken, die keine erklärenden Attribute braucht. Genau hier zeigt sich auch die Relevanz des Zusammenwirkens beider Figuren und ihrer gemeinsamen Betrachtung als Pendantpaar; denn angesichts der Attributfülle des Sommers, die dem Attributverzicht des Winters konträr gegenübersteht und ihn gleichsam kompensiert, stößt eine mögliche, sich aus den Ikonologien und den ihnen zugrunde liegenden literarischen Quellen speisende Vorbildung des Betrachters an ihre Grenzen. Das Figurenpaar spiegelt damit die Debatte der Zeit um den Stellenwert von Allegorien und die damit verbundene Suche nach neuen angemesseneren Gestaltungsformen wider, die im Folgenden genauer betrachtet werden soll.

Exprimer versus Représenter: Houdons Figurenpaar und die Debatte um die Bewertung der Allegorie Die kunsttheoretischen Verwicklungen des Houdonschen Statuenpaares wurden in der Forschungsliteratur bereits mehrfach angesprochen, kaum jedoch näher ausgeführt.87 Keinerlei Berücksichtigung fanden in diesem Zusammenhang die Bezüge der Figuren zu ästhetischen Theorien der Zeit, der Zeichenlehre auf der einen und der Wirkungsästhetik auf der anderen Seite, wie sie der Abbé Jean-Baptiste du Bos’ in seinen Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture von 1719 entwickelte, sowie ebenso wenig zu der daraus resultierenden Ablehnung allegorischer Darstellungsformen.88 Generell wird die Bedeutung der Du Bosschen Schrift als wichtiger Ausgangspunkt für die kritische Hinterfragung der traditionellen Allegorie für das 18. Jahrhundert nach wie vor zu gering eingeschätzt und nur selten in diesem Kontext thematisiert.89 Dabei nahmen seine Réflexions auch über Frankreich hinaus entschei87 Siehe bereits zuvor S. 158 m. Anm. 20. M. Bückling etwa attestiert den Figuren – allerdings nur in ihrem zweiten Aufsatz – eine „programmatische Teilhabe am kunsttheoretischen Diskurs, der um die Auseinandersetzung mit der barocken Allegorie und um die Suche nach einer modernen Ausdrucksform kreiste“, ohne dies jedoch näher zu erläutern; Bückling 2009, S. 56. Ebenso kurz verweist auch J. Kloss-Weber auf die „gattungs- und kunsttheoretischen Diskussionen seiner Zeit“, bevor sie sich eingehend der damals einsetzenden Erforschung psychischer Phänomene zuwendet; Kloss-Weber 2014, S. 155 u. 154. 88 Du Bos 1719. 89 Dies bemerkte bereits in anderem Zusammenhang Christina Grummt: Adolph Menzel – Zwischen Kunst und Konvention. Die Allegorie in der Adressenkunst des 19. Jahrhunderts, Berlin 2001 (Zugl. Diss. phil. Freie Universität Berlin 1999), S. 60. In jüngerer Vergangenheit wurde v. a. in der französischsprachigen Forschung der Versuch unternommen, die Bedeutung von Du Bos für die Ästhetik des 18. Jhs stärker hervorzuheben; siehe insb. Daniel Dauvois und Daniel Dumouchel (Red.): Vers l’esthétique. Penser avec les Réflexions critiques sur la poésie et sur la peinture (1719) de Jean-Baptiste Du Bos, Paris 2015 (Collection Symposiums) sowie Christian Michel und Carl Magnusson (Hg.): Penser l’art dans la seconde moitié du



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denden Einfluss auf die Beurteilung allegorischer Ausdrucksformen im 18. Jahrhundert und waren durch zahlreiche Ausgaben – auf die 1719 in zwei Bänden erschienene Erstausgabe folgten die erweiterten dreibändigen Pariser Editionen von 1733, 1740, 1746, 1755 und 1770 sowie die Übersetzungen und Ausgaben außerhalb Frankreichs, darunter Utrecht aus den Jahren 1732 und 1732–36, London 1748, Kopenhagen 1760 sowie Dresden 1760 und 1762 – das gesamte 18. Jahrhundert hindurch präsent. Wie relevant die Du Bosschen Theorien noch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts waren, wird nicht zuletzt in den kunsttheoretischen Ausführungen Giovanni Battista Casanovas deutlich, der Du Bos für seine Überlegungen zur Allegorie als Referenz heranzog.90 Kennzeichnend für die Wirkungsästhetik Du Bos’ ist die neue zentrale Position des Betrachters, den es über das Gefühl, also verstandesunabhängig einzubeziehen gelte.91 Die Kunst müsse – so das von Du Bos erklärte Ziel – derart konzipiert sein, dass sie den Rezipienten berühren und durch unmittelbare Ansprache in ihm einen Effekt auslösen könne. Werk und Betrachter gehen damit eine neue, engere Verbindung ein, die bis dahin nicht in diesem Ausmaß beschrieben wurde.92 Du Bos’ Ausführungen zur Allegorie sind nach Malerei und Dichtung getrennt, wobei er den Gebrauch allegorischer Ausdrucksformen vor allem letzter Kategorie zuspricht.93 Innerhalb der bildenden Kunst unterscheidet Du Bos zwei Arten von allegorischen Darstellungen, zum einen die sogenannte „composition mixte“, die Wiedergabe eines historischen Ereignisses, das tatsächlich stattgefunden hat, in das aber allegorische Figuren eingebunden werden, sowie zum anderen die „composition purement allégorique“, die Darstellung einer vollständig erfundenen Handlung, die als Emblem eine

XVIIIe siècle: théorie, critique, philosophie, histoire, Tagungsband, Université Lausanne, Deutsches Forum für Kunstgeschichte Paris sowie Istituto Svizzero Rom und Académie de France à Rome  – Villa Médicis, Rom/Paris 2013 (Collection d’histoire de l’art, Bd. 15); darin v. a. Jacqueline Lichtenstein: L’argument de l’ignorant: de la théorie de l’art à l’esthétique, S. 81– 92. Siehe zudem bereits die Biographie über Du Bos von Alfred Lombard: L’Abbé Du Bos, un initiateur de la pensée moderne (1670–1742), Genf 1969 (Reprint der Pariser Ausgabe von 1913), die jedoch weitgehend ohne Nachhall blieb. Vgl. nur E. Mâle, der keinerlei Nachwirkung der Du Bosschen Allegoriekritik im 18. Jh. feststellt; Mâle 1927, S. 393 f. Für wichtige Hinweise zur Auseinandersetzung der französischsprachigen Forschung mit Du Bos sei Herrn Guilhem Scherf, Conservateur en chef du patrimoine im Musée du Louvre, verbindlich gedankt. 90 Siehe Casanova 2008, S. 638 f. 91 Du Bos’ Theorien ähneln in diesem Punkt den zeitlich früheren Überlegungen Roger de Piles’; siehe dazu Thomas Kirchner: L’expression des passions. Ausdruck als Darstellungspro­ blem in der französischen Kunst und Kunsttheorie des 17. und 18. Jahrhunderts, Mainz 1991 (Berliner Schriften zur Kunst, Bd. 1) (Zugl. teilweise Diss. phil. Universität Bonn 1987), S. 60 sowie S. 62 f. zum Stellenwert des Betrachters bei Du Bos. 92 Hierzu auch ebd., S. 67–72. 93 Siehe Du Bos 1719, Bd. 1, S. 172–201 Section XXIV zur Malerei und S. 201–209 Section XXV zur Dichtung.

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bestimmte Aussage verdeutlichen soll.94 Und genau hier, bei den rein-allegorischen, allein der Gedankenwelt des jeweiligen Künstlers entsprungenen Darstellungen, die der Abbé mit den Hieroglyphen der Ägypter vergleicht, setzt seine Kritik an: Il est rare que les Peintres réussissent dans les compositions purement allegoriques, parce qu’il est presque impossible que dans les compositions de ce genre, ils puissent faire connoître distinctement leur sujet, & mettre toutes leurs idées à portée des spectateurs les plus intelligents. Encore moins peuvent-ils toucher le cœur peu disposé à s’attendrir pour des personnages chimeriques en quelques situation qu’on les represente.95

Die rein-allegorischen Kompositionen verschließen sich demnach dem Betrachter durch ihre intellektuelle Abgehobenheit und vermögen ihn nicht zu rühren („toucher le cœur“). Aufgrund eben dieser durch die fehlende Ansprache des Gefühls erschwerten Zugänglichkeit der Werke rät Du Bos von ihrem Gebrauch ab und sieht sie nur als Ausnahme vor. Seine ablehnende Haltung erstreckt sich gleichermaßen auf allegorische Figuren an sich, die „personnages allégoriques“, die er ebenfalls als ausschließliche Produkte künstlerischer Phantasie beschreibt: Les personnages allegoriques sont des estres qui n’existent point, mais que l’imagination des Peintres a conçûs & qu’elle a enfantez en leur donnant un nom, un corps & des attributs.96

Zu diesen so gebildeten Allegorien rechnet der Autor auch die Jahreszeiten: C’est ainsi que les Peintres ont personifié les vertus, les vices, les Royaumes, les Provinces, les Villes, les Saisons, les passions, les vents & les fleuves.97

Die „personnages allégoriques“ unterteilt er wiederum – man fühlt sich an die Que‑ relle des Anciens et Modernes erinnert – in alte Figurationen, die seit jeher bestehen, allgemein bekannt sind und somit einen gewissen Existenzanspruch haben, und neue, welche die „modernen“ Künstler nach eigenen Vorstellungen geschaffen und mit entsprechenden, beliebig gewählten Attributen versehen haben. Erneut kritisiert der Abbé die mangelnde Zugänglichkeit dieser modernen Schöpfungen, weshalb er sich in seiner Abhandlung allein auf die Allegorien der Alten konzentriere:

94 Du Bos 1719, S. 172 u. S. 183. 95 Ebd., S. 184. 96 Ebd., S. 173. 97 Ebd. [Hervorhebung durch die Verf.].



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Je ne parleray que des personnages allegoriques de la premiere espece, c’est à dire des aînez ou des anciens. Leurs cadets qui depuis une centaine d’années sont sortis du cerveau des Peintres, sont des inconnus & des gens sans aveu, qui ne meritent pas qu’on en fasse aucune mention. Ils font des chiffres dont personne n’a la clef, & même peu de gens la cherchent.98

Dabei wendet er sich insbesondere gegen die zumeist als emblematisch empfundenen Attribute der modernen Figurationen, die ohne Erklärung in der Regel nicht zu entschlüsseln seien. Zentraler Grund für die Ablehnung der Allegorie ist bei Du Bos also ihre mangelnde Verständlichkeit, womit er sich in eine Reihe mit anderen Theoretikern wie Addison oder später Sulzer und Winckelmann stellt, die ebenfalls eine größere Klarheit allegorischer Darstellungen forderten.99 Die von Du Bos geäußerte Kritik an den Allegoriebildungen neuzeitlicher Künstler findet mit Blick auf die Jahreszeiten interessante Parallelen in der Encyclopédie, in der die Ikonographie der Saisons sowohl insgesamt als auch in Bezug auf die einzelnen Zeiten ausführlich besprochen wird. Im Eintrag „Hiver“ heißt es dort: Quelques modernes, qui ont crû faire des merveilles de s’éloigner de la simplicité de l’antique, représentent l’hiver sous la figure d’un vieillard qui se chauffe  ; ou d’un homme couvert de glaçons, avec la barbe & les cheveux d’une grande blancheur, & dormant dans une grotte ; ou finalement, sous la forme d’une femme vêtue d’habit doubles d’une peau de mouton, & assise auprès d’un grand feu.100

Die traditionelle Personifikation des Winters in Form eines alten Mannes oder einer alten Frau an einem Feuer, wie sie etwa mit den Versailler Figuren Le Bruns eine prominente Umsetzung findet, wird hier als moderne Schöpfung gekennzeichnet, die sich von der simplicité, der Einfachheit und der Klarheit antiker Figurationen entferne. Zu dieser Einfachheit, so die implizite Forderung, gelte es jedoch wieder zurückzukehren. Die hier laut werdende Kritik richtet sich also nicht per se gegen die allegorische Darstellungsform der Jahreszeiten, sondern bezieht sich vielmehr auf ihre ‚modernen‘ Auswüchse, wie sie in den barocken Figurationen zu finden seien. Blickt man zurück auf Du Bos, empfiehlt dieser auch für die soeben genannten etablierten Allegorien der Alten einen lediglich sparsamen Einsatz. Sie dürften in den Werken allenfalls als Nebenfiguren auftreten, weil sie als reine Gedankenschöpfun-

98 Du Bos 1719, Bd. 1, S. 174. 99 So etwa J. G. Sulzer, der postulierte, dass Allegorien „ohne Unterricht über die Bedeutung, verständlich seyn“ sollten; Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, 4 Bde, Leipzig 21792–1794 (1. Aufl. 1771/1774), hier: Bd. 1, Leipzig 21792, S. 95. Ebenso zeitlich früher bereits Winckelmann 1766, u. a. S. 2 u. S. 30. 100 Louis de Jaucourt: Hiver (Iconograph.), in: Diderot/D’Alembert 1772, Bd. 8, S. 231.

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gen keine natürlich-menschlichen Emotionen verkörperten und somit der Wirkungsästhetik des Abbé folgend auch keinerlei Effekt beim Betrachter hervorrufen könnten: Je ne pense pas que les personnages allegoriques y doivent estre eux-mêmes des acteurs principaux. Des personnages que nous connoissons pour des phantômes imaginez à plaisir à qui nous sçaurions prester des passions pareilles aux nôtres, ne peuvent pas nous interesser beaucoup à ce qui leur arrive.101

Entscheidend ist für Du Bos dabei der Grad der vraisemblance, der Plausibilität beziehungsweise der Wahrscheinlichkeit des Dargestellten. Diese vraisemblance sei mit erdachten Wesen wie den Allegorien von vornherein nicht gegeben; sie sei jedoch notwendig, damit das Geschehen den Betrachter berühre.102 Neben der vraisem‑ blance betont der Autor zudem die Wichtigkeit der „l’expression des passions“103 für die Wirkung des Dargestellten auf den Betrachter. Erst die Schilderung von Leidenschaften erlaube es nämlich, eine Emotion im Betrachter zu wecken. Nur durch sie werde ein Werk für alle verständlich, weil ihre Sprache allen bekannt und unmittelbar zugänglich sei. Es geht Du Bos also um eine gefühlsgetragene Vermittlung und unmittelbare Ansprache des Betrachters, die das Verständnis des Werkes ungeachtet des vorhandenen Hintergrundwissens ermöglicht. Der Ausdruck von Leidenschaften stellt insofern für Du Bos ein Mittel dar, um der enigmatischen, allein der Phantasie des Künstlers entsprungenen Allegorie zu begegnen. In diesem Sinne kritisiert er vor allem die Künstler, die sich von der Schilderung der passions entfernen, was zu obskuren, dem Rätsel der Sphinx gleichenden Allegoriekonstrukten führe: Aulieu de s’attacher à l’imitation des passions, ils [= die Künstler, Anm. d. Verf.] se sont pleus à donner l’effort à une imagination capricieuse  & à forger des chimeres dont l’allegorie misterieuse est un enigme plus obscur que le furent jamais ceux du Sphinx. Aulieu de nous parler la langue des passions qui est commune à tous les hommes, ils ont parlé un langage qu’ils avoient inventé eux-mêmes, dont les expressions proportionnées à la vivacité de leur imagination, ne sont point à la portée du reste des hommes. Ainsi tous les personnages d’un tableau allegorique sont souvent muets pour les spectateurs dont l’imagination n’est point du même étage que celle du Peintre.104

101 Du Bos 1719, Bd. 1, S. 176. 102 Ebd., S. 176 f. Du Bos führt sein Konzept der vraisemblance am Beispiel des Medici-Zyklus’ von Rubens aus, der durch den Gebrauch erdachter, allegorischer Wesen wie den Nereiden oder Tritonen in der Szene der Ankunft Maria de Medicis in Marseille gegen das Gebot der vraisemblance verstoße. Siehe dazu auch Kirchner 1991, S. 65 f. sowie S. 58 f. zum Begriff des vrai bei De Piles. 103 Du Bos 1719, Bd. 1, S. 199; zudem Kirchner 1991, v. a. S. 63–65. 104 Du Bos 1719, Bd. 1, S. 190 f.



Exprimer versus Représenter

Auch wenn sich Du Bos in seinen Ausführungen hauptsächlich auf die Malerei bezieht, lassen sich im Hinblick auf das Houdonsche Skulpturenpaar folgende zentrale Gedanken der ästhetisch begründeten Allegoriekritik des Abbé festhalten: zum einen die Beobachtung, dass allegorische Darstellungen als enigmatische Gebilde künstlerischer Imagination begriffen werden, deren Sinn sich dem Betrachter durch die ihnen im Grunde beliebig zugedachten Attribute nur schwer erschließt, sowie die damit einhergehende Forderung nach mehr Klarheit und Verständlichkeit; zum anderen die neue Bedeutung des Ausdrucks von Empfindungen, das heißt der expression, des exprimer, für die zu erzielende Wirkung des Werks und seine Vermittlung an den Betrachter. In diesem Zusammenhang sei noch ein anderer zentraler Aspekt der Du Bosschen Réflexions erwähnt, der hier relevant wird, nämlich seine Unterscheidung zweier verschiedener Formen von Zeichen, derer sich die Gattungen Malerei und Dichtung jeweils bedienen. So trennt der Abbé zwischen den „signes naturels“, die die Malerei kennzeichneten, und den „signes artificiels“ bzw. „signes arbitraires“, die hauptsächlich in der Dichtkunst vorkämen. Den in der Malerei verwendeten „signes naturels“ spricht er dabei eine wesentlich größere Aussagekraft und Wirkung zu.105 Diese Form der gattungsspezifischen Unterscheidung ist eng mit einer weiteren ebenfalls ästhetisch getragenen Theorie verwandt: Es handelt sich um die sogenannte Lehre von den „natürlichen“ und den „willkürlichen“ Zeichen, deren besondere Bedeutung für die Bewertung der Allegorie im 18. Jahrhundert bereits Bengt Algot Sørensen in seiner Abhandlung zum Symbol- und Allegoriebegriff hervorgehoben hat.106 Wie die Begriffe der natürlichen und willkürlichen Zeichen zu verstehen sind, fasst der Baumgarten-Schüler Georg Friedrich Meier wie folgt zusammen: Durch ein Zeichen verstehen wir alles dasjenige, welches ein Mittel ist, die Würklichkeit einer andern Sache zu erkennen. Und ein jedwedes Ding, dessen Würklichkeit wir aus einem Zeichen erkennen, wird in dieser Absicht die bezeichnete Sache genannt. Diese verhält sich demnach zu dem Zeichen, wie ein Zweck zu seinem Mittel, und es ist also, zwischen einer jeden bezeichneten Sache und ihrem Zeichen, eine Verknüpfung, ein Zusammenhang. Dieser Zusammenhang beruhet entweder auf der Natur des Zeichens und der bezeichneten Sache, und alsdenn ist das Zeichen ein natürliches Zeichen (signum naturale); oder er beruhet auf der willkührlichen Wahl eines denkenden Wesens, welches eine Sache zu einem Zeichen einer andern gemacht hat, und alsdenn heißt es ein willkührliches Zeichen (signum arbitrarium artificiale). So ist eine jede Ursach ein natürliches Zeichen ihrer Würkung, und eine jede Würkung ist ein natürliches Zeichen ihrer würklichen Ursachen.107

105 Siehe Du Bos 1719, S. 375–377. Aufgrund der Verwendung natürlicher Zeichen sieht Du Bos die Malerei im Vergleich zur Poesie auch als wirkmächtigere Gattung an. 106 Siehe Sørensen 1963, S. 32. 107 Georg Friedrich Meier: Anfangsgründe aller schönen Wissenschaften, 3 Teile, Halle 1748– 1750, hier: Teil 2, Halle 1749, 13. Abschnitt, § 513: Von dem Bezeichnungsvermögen, S. 609 f.

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Kennzeichnend für die „natürlichen“ Zeichen ist demnach die direkte, im Grunde naturgegebene Übereinstimmung von Zeichen und Bezeichnetem, Signifikant und Signifikat, sowie ihre dadurch begründete unmittelbare, nahezu intuitiv erfahrbare Sinnhaftigkeit. Die „willkürlichen“ Zeichen zeichnen sich demgegenüber durch eine beliebig festgelegte, künstlich hergestellte Verbindung zum bezeichneten Gegenstand aus, die sich nur über den Verstand erschließen lässt und keine unmittelbare Wirkung beim Betrachter auslöst.108 Wie bei Du Bos steht auch hier die Orientierung an der Natur im Vordergrund.109 Die an die Natur angelehnten, sie imitierenden Zeichen werden daher als höherwertig erachtet als die willkürlich gewählten symbolischen Zeichen: Alle willkürlichen Zeichen müssen also den natürlichen, in einem so hohen Grad nachahmen, als es möglich ist, wenn sie recht schön seyn sollen… Je natürlicher die willkürlichen und künstlichen Zeichen sind, desto schöner sind sie. Diese Regel ist die Regel der Natur.110

Um verständlich zu sein, müssen Allegorien auf jene Zeichen zurückgreifen, die sinnlich und damit direkt erfahren werden können.111 Erneut zeigt sich hier die Distanz zu barocken Formschöpfungen, die sich durch eine Vielzahl willkürlich festgelegter Attribute auszeichnen und dadurch ein gewisses Maß an Vorbildung – etwa mit Blick auf die den Ikonologien zugrunde liegenden literarischen Quellen oder Mythographien – voraussetzen. Die auch hier durchscheinende Ablehnung der traditionellen, ‚gelehrten‘ Allegorie und die damit verbundene Forderung nach unmittelbar anschaulichen Darstellungsformen, die unabhängig vom Bildungsgrad des Rezipienten verständlich sind, erlangen schließlich im aufklärerischen Diskurs der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine neue Relevanz, prominent vertreten durch die Ansichten Diderots. Auch er verurteilte die Bildungsgelehrtheit der Allegorie, welche er als zumeist „kalt und unklar“ beschreibt.112 In seinen Verstreuten Gedanken, den Pensées détachées sur la peinture riet er daher zu einem maßvollen Umgang mit alle-

Eine ähnliche Definition gibt später auch Moses Mendelssohn in seinen Philosophischen Schriften; Moses Mendelssohn: Philosophische Schriften, 2 Teile, Karlsruhe 1780, S. 118 f. 108 Siehe dazu auch Sørensen 1963, S. 33. 109 Vgl. Du Bos 1719, Bd. 1, S. 216. 110 Meier 1749, 2. Teil, S. 626 u. 635. 111 Zu den Bezügen zwischen der Zeichenlehre und der Allegoriekritik siehe genauer Sørensen 1963, S. 35–40. 112 Denis Diderot in seinen Pensées détachées sur la peinture, la sculpture, l’architecture et la poésie (Verstreute Gedanken über Malerei, Skulptur, Architektur und Poesie), dt. Übersetzung nach Friedrich Bassenge (Hg.): Denis Diderot. Ästhetische Schriften, 2 Bde, Frankfurt am Main 1968, hier: Bd. 2, Abt. 36, S. 574–645, hierzu Abschnitt III. Von der Komposition und von der Wahl des Sujets, S. 585, Nr. 64: „Die Allegorie ist selten erhaben, fast immer aber kalt und unklar.“ Für den französischen Wortlaut siehe Jules Assézat (Hg.): Œuvres complètes de Diderot,



Natürliche Allegorien

gorischen Formen und zu einer Bevorzugung ‚realer‘ Gestalten: „N’inventez de nouveaux personnages allégoriques qu’avec sobriété, sous peine d’être énigmatique“ – „Préférez, autant qu’il vous sera possible, les personnages réels aux êtres symboliques“.113 Auch an anderer Stelle kritisierte er wiederholt Allegorien, etwa als „ressource ordinaire des esprits stériles“,114 wenig geistreiche und wirkungslose Kunstformen. Anstatt diese nur schwer entschlüsselbaren Zeichen, die Hieroglyphen im negativen Sinne,115 zu verwenden, plädiert auch Diderot – der Tradition von Du Bos folgend – für eine Vermittlung des Dargestellten über Ausdrucksqualitäten, deren Tragweite er mit Blick auf die den Menschen gemeinsame Sprache der Gebärden in seinem Lettre sur les sourds et muets hervorhebt. Durch die Kontrastierung verschiedener Ausdrucksformen ließe sich dabei eine Steigerung des Effekts erzielen.116

Natürliche Allegorien Wie äußern sich diese seinerzeit präsenten kunsttheoretischen Positionen nun im Hinblick auf Houdons L’Été und L’Hiver? Betrachtet man das Gesamtwerk des Künstlers, so ist ihm laut Willibald Sauerländer alles Allegorische weitgehend fremd: „[…], fast ganz fehlt in seinem Schaffen die allegorisierende Skulptur.“117 Sauerländer führt dies auf die „Modernität“ Houdons zurück, die darin bestehe, „daß er, den empirischen Strömungen der Aufklärung nahestehend, kein pictor doctus mehr war“.118 Statt sich herkömmlicher Attribute und traditioneller allegorischer Darstellungsweisen zu

20  Bde, Paris 1875–1877, hier: Bd. 12: Beaux-Arts III, Arts du Dessin, Musique, Paris 1876, S. 84: „L’allégorie, rarement sublime, est presque toujours froide et obscure“. 113 Denis Diderot in seinen Pensées détachées; zit. nach Assézat 1876, Bd. 12, S. 80 ff.: De la composition, et du choix des sujets, hierzu S. 84; dt. Übersetzung nach Bassenge 1968, Bd. 2, S. Nr. 62: „Erfinden Sie neue allegorische Gestalten nur mit Maß: Sie werden sonst rätselhaft“ und Nr. 63: „Ziehen Sie, soweit es Ihnen irgend möglich ist, reale Gestalten symbolischen Wesen vor“. 114 Denis Diderot, Jacques le fataliste et son maître (Jacques der Fatalist); zit. nach Assézat 1875, Bd. 6, S. 9–287, hier S. 30. Eine ähnliche Aussage findet sich auch in Diderots Aufzeichnungen zum Salon von 1767: „Jamais je ne cesserai de regarder l’allegorie comme la ressource d’une tête stérile, faible, incapable de tirer parti de la réalité et appelant l’hieroglyphe a son secours […].“; Denis Diderot: Œuvres de Denis Diderot. Salons, Bd. 3, Paris 1821, S. 95. 115 Zur Entwicklung und der damit einhergehenden Bewertung des Begriffs der „Hieroglyphe“ bei Diderot siehe genauer Körner 1986, S. 256–258. 116 Siehe dazu auch Kirchner 1991, S. 295–298. Diderot führt dies am Beispiel von Rubens’ Geburt des Dauphin aus dem Medici-Zyklus aus, den bereits Du Bos zur Veranschaulichung seiner Überlegungen nutzte. 117 Willibald Sauerländer: Ein Versuch über die Gesichter Houdons. Thomas W. Gaehtgens zum 24. Juni 2000, München/Berlin 2002 (Passerelles, Bd. 1), S. 9. 118 Ebd., S. 9 [Hervorhebung im Original].

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bedienen, versuche Houdon den Inhalt eher über den körperlichen Ausdruck seiner Figuren zu vermitteln, wie Sauerländer am Beispiel der 1766/1767 geschaffenen Skulptur des Saint Bruno ausführt: Er [= Houdon, Anm. d. Verf.] verzichtete bei der Darstellung des Heiligen auf alle traditionellen Attribute […]. Er zeigte auch nicht den auf die Lippen gelegten Finger, also jene Geste, welche an das Schweigegebot des Kartäuserordens erinnert und verschiedentlich an Statuen des heiligen Bruno begegnet. An die Stelle der überlieferten Attribute setzte er die vor der Brust gekreuzten Arme, welche auf Gebet und Meditation deuten, sowie vor allem die geschlossenen Augen, die das fromme Schweigen nicht mehr gestisch, sondern physiognomisch andeuten.119

Allein die körperliche Erscheinung, das stille In‑Sich-Versunken-Sein des ganz der einsiedlerischen Einsamkeit und dem Schweigen verpflichteten Heiligen transportiere die Aussage der Figur, ohne dass dafür die üblichen, aus der Tradition bekannten Attribute und Darstellungsformeln notwendig wären. Ähnliches lässt sich auch bei Houdons berühmter Diana (Abb. 78) beobachten, die entgegen der üblichen Ikonographie als nackte Jägerin erscheint und damit zwei ikonographische Typen, nämlich Diana als Jägerin und Diana im Bade, in sich vereint.120 Die Göttin ist in vollem Lauf dargestellt und berührt nur mit dem linken Fußballen den Boden, was ihr eine dynamische Wirkung verleiht. Zwar hält sie als traditionelle Attribute Pfeil und Bogen in den Händen.121 Das für Diana typische Symbol der Mondsichel hebt sich jedoch kaum als attributives Kennzeichen ab, sondern verschwindet einer Haarspange gleich in ihrer Frisur. Statt über die Attribute wird auch hier die Aussage vornehmlich über die physische Erscheinung der Figur transportiert. Die grazile Eleganz ihrer Körperhaltung lässt sie göttinnenhaft erscheinen. Ihre Leichtfüßigkeit und Agilität vermitteln in Verbindung mit ihrer Nacktheit das Bild einer naturverbundenen

119 Sauerländer 2002, S. 10 u. 13. 120 Houdon entwickelte die Figur ab Mitte der 1770er-Jahre und führte sie ähnlich wie später die Frileuse in verschiedenen Materialien aus; zur besonderen ikonographischen Gestaltung siehe auch M. Bückling in: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 108–111 Kat. Nr. 16; ebenso bereits Guilhem Scherf: Houdon. Diane chasseresse, Paris 2000 (Collection solo, Département des Sculptures, Bd. 15), S. 10–14. Ähnlich wie später bei der Frileuse wurde auch die Diana 1777 nur am Rande des Salons in Houdons Atelier ausgestellt. Grund dafür war bereits hier die spezielle Art der Nacktheit, insb. die sichtbare Schamfalte; siehe ebd., S. 4 f. u. S. 35–37. Als legitimierende Ergänzung der Diana und zur Vervollständigung des mythologischen Geschwisterpaares schuf Houdon in den 1780er-Jahren nachträglich einen Apoll als Bronzestatue. 121 In der Marmorfassung trägt sie zudem einen Köcher über der Schulter. Ein SchilfgrasBüschel bildet die erforderliche Stütze; siehe auch Körner 2009, S. 262–264 m. Abb. 157–159 auf S. 268 f.



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78 Jean-Antoine Houdon, Diana, 1780, Marmor, Lissabon, Fundaçao Calouste Gulbenkian

Jägerin. Dass dies durchaus auch damalige Betrachter wahrnahmen, belegen zeitgenössische Besprechungen der Figur. So lobte ein Kritiker im Mercure de France: Cette Déesse, d’une taille svelte  & légere, taille qui convient si bien à une Divinité, dont la chasse est l’exercice favori, est représentée dans le moment qu’elle part pour la chasse.122

Und der Verfasser eines Leserbriefes im Journal de Paris aus dem Jahre 1778, der die „superbe figure de Diane“123 im Atelier des Künstlers sah, schrieb: Je ne peux vous peindre l’effet qu’elle produit : élégance, légereté, noblesse, elle a tout. Posée sur la seule pointe d’un de ses pieds, l’autre suspendu en l’air, on la voit courir ; il faut que l’œil se hâte de la suivre  ; dans l’instant elle aura disparu, […]. C’est‑là, 122 N. N.: Exposition, au Sallon du Louvre, des Peintures, Sculptures et autres Ouvrages de M. M. de l’Académie Royale, in: Mercure de France 1/13 (Oktober 1777), S. 162–198, hier S. 189. 123 Laus de Boissy: Lettre aux Auteurs du Journal, in: Journal de Paris, Nr. 104 (14. April 1778), S. 415. Der Verfasser beklagt zugleich, dass die Figur nicht im Salon ausgestellt war.

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80 Féréol de Bonnemaison. Une Jeune Femme s’étant avancée dans la campagne se trouve surprise par l’orage, 1799, Öl auf Lw., New York, Brooklyn Museum

79 Pierre Travaux, Frileuse, 1867, Marmor, Montpellier, Musée Fabre

c’est‑là vraiment Diane la Déesse. Elle remplit parfaitement l’idée que les Poëtes en ont donnée. Ce ne sont point seulement les formes vrayes d’une belle femme. C’est cette perfection dans la beauté, au‑dessus de la nature, même choisie, cette pureté de forme, qui annonce un Etre céleste. Enfin légere, svelte, noble, simple & imposante, on diroit de Diane elle-même, de la sœur d’Apollon, ce divin Apollon du Vatican, la seule figure de la terre qui nous donne l’idée d’un Dieu.124

Eine derartige sprechende Körperlichkeit kennzeichnet auch die Frileuse, deren gesamter Leib vom Frösteln ergriffen ist. Die Intensität ihres Frierens wird besonders im Vergleich mit einer ebenfalls als „Frileuse“ betitelten Skulptur deutlich, die der Bildhauer Pierre Travaux rund achtzig Jahre nach Houdon und unabhängig von einem Jahreszeitenkontext erschuf. Die Statue (Abb. 79), die sich heute im Musée

124 De Boissy 1778, S. 415.



Natürliche Allegorien

Fabre in Montpellier befindet und auch insofern mit den Houdonschen Figuren in einen Dialog tritt, zeigt eine junge Frau, deren gesamter Körper einschließlich der Arme und der Hände in Stoff gehüllt ist. Allein ihr Gesicht und die Füße bleiben frei. Die antik anmutende Gewandung weist ein bewegtes Faltenspiel auf. Der Oberkörper der jungen Frau ist leicht nach vorne geneigt, als würde sie gegen einen Sturm ankämpfen. Anders als bei der Frileuse Houdons zeichnet sich bei dieser Frierenden der Akt des Fröstelns jedoch kaum in ihrer körperlichen Erscheinung ab. Ihre Mimik ist nahezu unberührt. Die nackten Füße stehen nach Art einer antiken Gewandstatue locker auf dem Boden. In ihrem Frieren erreicht Travaux’ Figur damit nicht dieselbe gesamtkörperliche Expressivität wie die Winterskulptur Houdons; dies mag nicht zuletzt auch mit der sichtbaren Körnung des Marmors und der gröberen Oberflächenbehandlung bei Travaux zusammenhängen, durch die die Skulptur eine weniger sinnliche Wirkung als die Houdons entfaltet. Demgegenüber zeigt sich der Winter Houdons den winterlichen Temperaturen unmittelbar unterworfen. Die Figur erscheint der Kälte schutzlos ausgeliefert, ähnlich wie sich dies mit Blick auf die Malerei in den ungefähr zeitgleichen Werken von Féréol de Bonnemaison (Abb. 80) oder – innerhalb des Jahreszeitenthemas – bei Goya (Abb. 33) äußert, in deren Gemälden die Akteure ebenfalls sichtlich von der Witterung und den Naturgewalten erfasst werden. Mit dieser unmittelbaren, auch nach außen hin sichtbaren Betroffenheit setzt sich Houdons Frileuse deutlich von anderen Winterpersonifikationen ab, die meist zwar ähnlich spärlich bekleidet sind, aber nicht in gleicher Weise frieren, sondern der Lebenswirklichkeit vielmehr entrückt erscheinen. Bei ihnen drückt sich die sie umgebende winterliche Kälte nicht in ihrer körperlichen Verfasstheit, sondern eher mittelbar über das ihnen beigegebene Attribut des Feuers aus, an dem sie sich wärmen. Als eine Ausnahme mag hier, wie bereits Julia Kloss-Weber festhält, die Ende des 17. Jahrhunderts für den Park von Saint Cloud geschaffene Winterherme von Pierre Legros dem Älteren (Abb. 38) gelten, die Houdon vermutlich kannte.125 Der Tradition folgend präsentiert Legros die vierte Jahreszeit als alten bärtigen Mann, allerdings ohne die typische Feuerschale sowie im Übrigen ohne jegliches andere Attribut, wodurch die Figur allein auf die körperliche Empfindung der Kälte konzen­ triert ist. In seiner Gesamterscheinung, der Art, wie sich der Greis den Pelzumhang um den Körper wickelt, durch seine Mimik sowie vor allem durch die verkrampfte Haltung der Arme, der Hände und der gespreizten Finger, an denen sich die Kälte bedingte Anspannung durch das Hervortreten der Sehnen sichtbar abzeichnet, verkörpert Legros’ Winter eine ebenso eindringliche und lebensnahe Auffassung der kalten Jahreszeit wie die Frileuse Houdons. Der wirklichkeitsnahe Eindruck wird auch durch den Hermenstumpf der Figur Legros’ nicht geschmälert, zumal dessen Ansätze durch einen Teil des Pelzumhangs kaschiert werden. 125 Die Skulptur, die Teil eines vollständig Legros zugeschriebenen Hermenzyklus’ der Vier Jahreszeiten im Park von Saint-Cloud war, befindet sich seit 1872 im Musée du Louvre Paris. Siehe auch Kloss-Weber 2014, S. 157 f. sowie zuvor S. 83.

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Im Vergleich zu anderen Winterdarstellungen lässt sich das Frieren bei Houdons L’Hiver in Verbindung mit der partiellen, angesichts der Kälte paradox erscheinenden Nacktheit auch als eine ironische Anspielung auf die trotz leichter Bekleidung mangelnde Ergriffenheit und somit Realitätsferne der barocken Winterpersonifika­ tionen verstehen. Im Gegensatz zu diesen allenfalls bedingt fröstelnden Figurationen friert Houdons Winter tatsächlich. Insofern repräsentiert die Figur nicht nur den Winter, sondern strahlt vielmehr, wie bereits ihr Beiname „Frileuse“ anzeigt, den Gefühlszustand des Fröstelns auf nahezu menschlich-natürliche Weise aus. Hierdurch löst sie sich aus dem allegorischen Jahreszeitenkontext und wird, wie auch KlossWeber treffend feststellt, zu einer Verkörperung winterlichen Empfindens,126 die sich für den Betrachter auf physisch-sensualistischer Ebene in unmittelbarer Sinnfälligkeit erschließt. Mit dieser ‚aus sich selbst heraus sprechenden‘, im Grunde autonomieästhetischen Ausdruckskraft nimmt die Frileuse das vorweg, was Karl Philipp Moritz 1789 in seinem Essay Über die Allegorie forderte: Die Figur, in so fern sie schön ist, soll nichts bedeuten, und von nichts sprechen, was außer ihr ist, sondern sie soll nur von sich selber, von ihrem inneren Wesen durch ihre äußere Oberfläche gleichsam sprechen, soll durch sich selbst bedeutend werden.127

Diese expressiven Qualitäten der Winterfigur entgingen auch den Zeitgenossen Houdons nicht, wie ein Gedicht in der damals populären Zeitschrift Les Rapsodistes au Salon, ou les Tableaux en vaudevilles über eine 1796 ausgestellte kleinere Marmorversion der Frileuse verdeutlicht: On ne peut sans émotion Fixer cette fille adorable : Le sentiment, l’expression En elle, tout est admirable Et, semblable à Pygmalion, Sans doute l’auteur se désole Qu’à ce chef-d’œuvre merveilleux Un dieu puissant et généreux Ose refuser (bis.) la parole. (bis.)128

126 Siehe Kloss-Weber 2014, insb. S. 162 sowie bereits S. 170. 127 Karl Philipp Moritz: Über die Allegorie, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften 2. Jg. (1789), S. 51–54, hier S. 51 [Hervorhebung im Original]. Aus Moritz’ Ausführungen entwickeln Hegel und Schelling später ihren Symbolbegriff. KlossWeber datiert die Quelle wohl durch eine Verwechslung mit Moritz’ Roman Andreas Hart‑ knopf. Eine Allegorie versehentlich auf 1786; siehe Kloss-Weber 2014, S. 171. 128 N. N.: LA FRILLEUSE, par Houdon, petite statue en marbre, in: Les Rapsodistes au Salon, ou les Tableaux en vaudevilles 1 (1796), S. 4 Nr. 617 [Hervorhebungen im Original].



Natürliche Allegorien

Die Verse führen vor Augen, dass bereits der Anblick der Frileuse im Betrachter ein Gefühl auslöst. Man spürt förmlich die Kälte des Winters, ebenso wie sich bei L’Été durch die Art seiner Körperhaltung und das Erscheinungsbild der Marmorepidermis die sommerliche Leichtigkeit und Hitze nachempfinden lassen, ohne dass dafür weitere erklärende Attribute notwendig wären, die insbesondere im Falle des Sommers nur in die Irre führen. Bei der Frileuse wiederum unterstreicht das ihr beigegebene Attribut der gesprungenen Vase als Gegenstück zum eigentlichen, indirekten Symbol der Feuerschale ihre Aussage zusätzlich: Beide Skulpturen werden damit zu Ausdrucksfiguren, in die sich der Rezipient sowohl aufgrund ihrer natürlichen Einfachheit als auch aufgrund ihrer die Sinne ansprechenden skulpturalen Qualitäten hi­ neinversetzen und die von ihnen verkörperten Jahreszeiten nachvollziehen kann. Der Verfasser des Gedichts in den Rapsodistes geht in seiner Beobachtung dabei so weit, der Frierenden einen ähnlichen Verlebendigungseffekt zuzusprechen wie er aus dem um 1800 populären Pygmalion-Mythos bekannt ist. Im direkten Vergleich wird allerdings deutlich, dass die Frileuse in der Art ihrer Gestaltung nicht darauf angelegt ist, durch den Betrachter mittels Anschauung und Versenkung beseelt zu werden. Die Statue appelliert zwar an das Einfühlungsvermögen des Rezipienten, verlangt jedoch kein Hineinprojizieren seiner Gefühlszustände im Sinne einer Einfühlungsästhetik.129 Vielmehr strahlt die Figur auf der Grundlage ihres unmittelbar anschaulichen, ausdrucksstarken und auf Wirkung zielenden Erscheinungsbildes eine Befindlichkeit auf sinnlich-erfahrbarer Ebene aus und bietet sie dem Betrachter gleichsam an. In ihrer körperlichen Ausdruckskraft und der Expressivität ihres Frierens kommt Houdons Winterskulptur insofern den in der Ästhetik, etwa bei Du Bos, formulierten Forderungen nach einer Erregung des Gefühls beim Betrachter nach. Ebenso entspricht sie dem aufklärerischen Postulat nach größerer Natürlichkeit und Verständlichkeit, während der Sommer mit seiner Attributfülle eher mit den von Du Bos und Diderot als enigmatisch kritisierten barocken Allegorien zu vergleichen ist. Hier wird nun auch der Anknüpfungspunkt zur Debatte um die Bewertung der Allegorie im Kontext der ästhetischen Lehren und der Zeichentheorie deutlich: Bei der Frileuse fallen Ausdruck und Bedeutung zusammen. Ihre Körperlichkeit gerät selbst zu einem Zeichen. Verkörpert der Winter die natürliche Zeichenhaftigkeit, so führt sein Pendant, der Sommer, mit der Wahl und Fülle seiner Attribute die Sinnlosigkeit willkürlich gewählter Zeichen vor Augen. Gleichzeitig bringt aber auch er durch seine körperliche Erscheinung das Gefühl von Sommerlichkeit anschaulich zum Ausdruck. Abermals sei hier auf die Relevanz des Zusammenspiels beider Figuren hingewiesen, 129 Aus der Fülle der Literatur zum sog. ‚Pygmalion-Effekt‘ seien nur genannt: Oskar Bätsch­ mann: Belebung durch Bewunderung: Pygmalion als Modell der Kunstrezeption, in: Mathias Mayer und Gerhard Neumann (Hg.): Pygmalion. Die Geschichte des Mythos in der abendländi‑ schen Kultur, Freiburg im Breisgau 1997 (Rombach Wissenschaften, Reihe Litterae, Bd. 45), S. 325–370 sowie Victor I. Stoichiţă: The Pygmalion effect – from Ovid to Hitchcock, Chicago 2008 (The Louise Smith Bross lectures, Bd. 2).

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Exprimant le froid – représentant l’été: ­Verkörperungen der Jahreszeiten bei ­Jean-Antoine Houdon

die sich in der Gegenüberstellung zweier so konträrer und zugleich intensiver Empfindungen wie winterlicher Kälte auf der einen und sommerlicher Hitze auf der anderen Seite besonders deutlich zeigen lässt.130 Die gegensätzlichen Auffassungen, die das Statuenpaar verdeutlicht, spiegeln sich interessanterweise auch sprachlich in den Begrifflichkeiten wider, die für die beiden Figuren zu Entstehungszeiten verwendet wurden. So spricht das Livret du Salon im Jahre 1783 mit Blick auf die Frileuse von „exprimant le froid“, und wählt nicht den Terminus „représentant“, ein Ausdruck, der wiederum vielmehr in Verbindung mit der Figur L’Été gebraucht wird.131 Die verschiedenen Bezeichnungen fassen treffend zusammen, welche Positionen die beiden Skulpturen im Kontext der Jahreszeitenalle­ gorie einnehmen, und belegen zugleich, dass dies auch in der zeitgenössischen Wahrnehmung erkannt wurde: auf der einen Seite das Exprimer, der unmittelbare Ausdruck von Winterlichkeit bei L’Hiver,132 auf der anderen Seite das Représenter, die repräsentierende Darstellung von Sommer durch Attribute und ikonographische Zeichen bei L’Été. Wie gezeigt wurde, wendet sich Houdon mit seinen Figuren Sommer und Win‑ ter deutlich von der jahreszeitlichen Darstellungstradition ab. Dabei geht es jedoch nicht nur um eine kritische Auseinandersetzung mit vergangenen, vor allem barocken Jahreszeitenvorstellungen oder um deren Neufassung. Durch die besondere Art der Gestaltung und die kontrastierende Gegenüberstellung der zwei Schwesterfiguren spielen die Skulpturen zugleich auf kunsttheoretische Debatten der Zeit um den Stellenwert allegorischer Darstellungen an. Mit ihren subtilen Verweisen auf traditionelle Jahreszeitenfigurationen  – man denke zum Beispiel an die Attributfülle von L’Été oder die paradoxe Verhüllungsstrategie von L’Hiver, die ironisch auf die Realitätsferne der wenig bekleideten klassischen Winterpersonifikationen Bezug nimmt – bieten sie eine Art selbstreferenziellen Kommentar auf die Darstellungstradition und den Umgang mit festgefügten Formeln und Zeichen, den der Künstler anhand eines hoch konventionalisierten Themas, wie es die Vier Jahreszeiten darstellen, entwickelt. Statt auf die aus der Tradition bekannten Gestaltungsweisen zurückzugreifen, scheinen in den Figuren verschiedene ikonographische Vorstellungen übereinander gelegt zu werden, wodurch der unmittelbare körperliche Ausdruck umso stärker hervortritt und sich sozusagen vor die Zeichen schiebt. In dieser Hinsicht demonstriert das Statuenpaar auch das Bewusstsein über das Spannungsverhältnis von Körper und Zeichen als Bedeutungsträger.

130 In der Encyclopédie werden gerade die Empfindungen von Hitze und Kälte als besonders wesentliche und starke Sinneseindrücke hervorgehoben; siehe N. N.: Sensations (Métaphysiq.), in: Diderot/D’Alembert 1772, Bd. 15, S. 35 u. S. 38. 131 So etwa in der zitierten Werkliste Houdons; siehe die Beispiele zu Beginn des Kapitels, S. 153. 132 J. Kloss-Weber benennt dieses Phänomen in der Überschrift ihres Kapitels zur Frileuse treffend mit „Von der Personifikation zur Verkörperung“; Kloss-Weber 2014, S. 132.



Natürliche Allegorien

In ihrem einfachen Erscheinungsbild und der Wendung zum Genrehaften und Natürlich-Menschlichen legen Houdons Sommer und Winter ihre allegorischen Bezüge in Teilen sogar gänzlich ab, was nicht zuletzt an dem jahreszeitenunabhängigen Beinamen der Winterfigur „La Frileuse“ deutlich wird. Das Jahreszeitenkonzept erfährt damit eine innerweltliche Verortung. Durch die Konzentration auf die beiden Hauptjahreszeiten und die damit verbundene Durchbrechung des Viererzyklus’ entfernt sich Houdon von einem jahreszeitlichen Denken im eigentlichen Sinne, das durch die quaternäre Vorstellung von einer zyklischen Wiederkehr geprägt ist. Das Houdonsche Skulpturenpaar verdeutlicht damit in eindringlicher Weise die Hinfälligkeit des Jahreszeitenmodells und seiner Bildsprache am Übergang zum 19. Jahrhundert, zeigt zugleich aber auch die besondere Eignung des Motivs für kunsttheoretische Reflexionen.

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Das Ende der Jahreszeitenvorstellung? Caspar David Friedrichs Sepiazyklen der ­Jahreszeiten, Tageszeiten und Lebensalter

Im Werk Caspar David Friedrichs nehmen Zeitenläufe wie die Tages- oder die Jahreszeiten und ihre Verbildlichung in Form von Landschaftsdarstellungen einen zentralen Platz ein.1 Helmut Börsch-Supan erklärt sie gar zu einem „Leitmotiv seiner Kunst“.2 Angefangen mit dem Zyklus der Jahreszeiten, Tageszeiten und Lebensalter von 1803 (Abb. 81–84)3, der lange als vermisst geführt und zu Beginn der 2000erJahre zum überwiegenden Teil wiederentdeckt wurde, befasst sich der Künstler in Bilderfolgen, Pendantpaaren oder Einzelwerken wiederholt mit Zeitvorstellungen und ihrer Erfahrung durch und in der Natur. In diesem ersten Viererzyklus, auf den 1826 eine erweiterte siebenteilige Fassung (Abb. 88–94)4 folgt, sind bereits zahlreiche seiner späteren Motive angelegt. Zu den in Sepia ausgeführten Jahreszeitenwerken treten ab 1807 gemalte Versionen hinzu (Abb. 95 und 96), die zu den frühesten

1 So bereits K. Jähnig mit Blick auf Friedrichs Ölfassungen von Sommer und Winter, die der Autor als grundlegend für das weitere Schaffen des Künstlers ansieht; Karl Wilhelm Jähnig: C. D. Friedrichs früheste Bilder „Sommer“ und „Winter“, in: Die Kunst für alle 42 (1927/1928), S. 255–257, hierzu S. 257. Zum Zeitenmotiv und seiner besonderen Bedeutung im Œuvre des Künstlers siehe zudem Wieland Schmied: Caspar David Friedrich – Zyklus, Zeit und Ewigkeit, München/London/New York 1999 (Pegasus-Bibliothek), hierzu insb. Kap. III. und IV., S. 25–41. 2 Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrichs Zeiten-Zyklus von 1803 – Leitmotiv seiner Kunst, in: An der Wiege der Romantik. Caspar David Friedrichs Jahreszeiten von 1803, hg. von Hein-Thomas Schulze Altcappenberg, Ausst.-Kat., Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Berlin 2006 (Kulturstiftung der Länder  – Patrimonia, Bd. 317), S. 25–38, hier S. 25 als Untertitel seines Aufsatzes. 3 Zu diesem Zyklus siehe u. a. Helmut Börsch-Supan und Karl Wilhelm Jähnig: Caspar David Friedrich – Gemälde, Druckgraphiken und bildmäßige Zeichnungen, München 1973 (Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Sonderband; Jahresgabe des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, 1974–75), S. 275 f. Kat. Nr. 103–106 mit Abb. auf S. 276; Hans H. Hofstätter (Hg.): Caspar David Friedrich. Das gesamte graphische Werk, München 1974, S. 350–353 sowie Christina Grummt: Caspar David Friedrich. Die Zeichnungen – Das gesamte Werk, 2 Bde, München 2011, S. 365–369, Kat. Nr. 365–368. 4 Hierzu Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 402 f. Kat. Nr. 338–344 u. S. 449–451 Kat. Nr. 428–434; Hofstätter 1974, S. 283, 349, 354–357 u. S. 699 sowie Grummt 2011, hier Bd. 2, S. 806–813, Kat. Nr. 892–898.

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81 Caspar David Friedrich, Der Frühling – Der Morgen – Die Kindheit (aus dem Jahreszeiten-, Tageszeiten- und Lebensalterzyklus), 1803, Pinsel in Sepiatusche über Vorzeichnung mit Graphitstift auf Velinpapier, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett

82 Caspar David Friedrich, Der Sommer – Der Mittag – Die Jugend (aus dem Jahreszeiten-, Tageszeiten- und Lebensalterzyklus), 1803, Pinsel in Sepiatusche auf Velinpapier (verschollen)



Das Ende der Jahreszeitenvorstellung? Caspar David Friedrichs Sepiazyklen

83 Caspar David Friedrich, Der Herbst – Der Abend – Die Reife (aus dem Jahreszeiten-, Tageszeitenund Lebensalterzyklus), 1803, Pinsel in brauner Tusche, Sepia und Beinschwarz über Vorzeichnung mit Graphitstift auf Velinpapier, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett

84 Caspar David Friedrich, Der Winter – Die Nacht – Das Alter (aus dem Jahreszeiten-, Tageszeitenund Lebensalterzyklus), 1803, Pinsel in Sepiatusche über Vorzeichnung mit Graphitstift auf Velinpapier, Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett

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Ölbildern des Malers gehören.5 Jahres-, tages- oder lebenszeitliche Motive finden sich daneben auch in vielen weiteren Landschaftsdarstellungen Friedrichs, die wie das Gemälde Winterlandschaft mit Kirche von 1811 sowohl dem Titel nach als auch motivisch entweder einzelne Tages- oder Jahreszeiten herausgreifen oder wie die um 1820/1821 entstandenen Tageszeiten oder Die Lebensstufen von 1835 vollständig diesem Sujet gewidmet sind. Als Darstellungsraum für seine Jahreszeiten wählt Friedrich die auf den ersten Blick konventionell erscheinende jahres- beziehungsweise tageszeitlich geprägte Landschaft, die an tradierte Topoi wie die Analogie von Natur- und Zeitenkreislauf, die Vorstellung vom Frühling als paradiesgleichem locus amoenus oder an den Gedanken des Verfalls im Winter anknüpft.6 Vergleicht man seine Motive jedoch mit vo­ran­ ­gegangenen Jahreszeitendarstellungen, werden deutliche Unterschiede offenbar, die die zunächst beobachtete Konventionalität in Frage stellen. So fehlen bei Friedrich – mit Ausnahme des Sommers, der sich an das für den Mittag geläufige Motiv sich liebender Paare anzulehnen scheint – die typischen Attribute der Tages- oder Jahreszeiten­ ikonographie wie Kornähren oder Weintrauben. Bei den wenigen ikonographischen Zeichen, die überhaupt in seinen Werken zum Einsatz kommen, handelt es sich stattdessen eher um Vergänglichkeitssymbole oder religiös konnotierte Verweise wie Kreuze oder die Ruine eines Klosters in den Winterszenen von 1803 und 1826 (Abb. 84 und 92). Ebenso verzichtet Friedrich auf die Darstellung zeitenspezifischer Tätigkeiten oder Vergnügungen, wie sie zuvor etwa in den Jahreszeitenveduten von Jakob Philipp Hackert ins Bild gerückt werden, die rund zwanzig Jahre vor Friedrichs erstem Zyklus entstanden (Abb. 31). Statt wie Hackert die menschliche Arbeit, das Weiden der Herde im Frühling, die Getreideernte im Sommer, die Rebenlese im Herbst oder die Jagd im Winter, zu thematisieren, lenkt Friedrich den Blick auf den Menschen selbst und sein Empfinden, das sich unterstützt durch die modale Gestaltung und Komposition der Szenen in der jeweiligen Landschaft widerzuspiegeln scheint. Die Themen der Vier Jahreszeiten und der Lebensalter des Menschen gehen dabei eine besonders enge Verbindung ein, die innerhalb der Jahreszeitentradition in dieser Form zuvor nicht verbürgt ist.7 Hein-Thomas Schulze Altcappenberg wertet Friedrichs ersten Jahreszeitenzyklus aus diesem Grund als „Wende von einem großen Stoff der Tradition zu einem Konzept der Moderne“, werde die Landschaft darin doch „zum Spiegel, zum Abbild

5 Siehe zu den beiden Gemälden auch Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 299 f., Kat. Nr. 164 u. 165. 6 Hierzu genauer zuvor S. 35 f. 7 Siehe Suse Barth: Lebensalter-Darstellungen im 19. und 20. Jahrhundert. Ikonographische Studien, München 1971 (Zugl. Diss. phil. Universität München 1970), insb. S. 93. Die Verbindung von Jahreszeiten und Lebensaltern ist im Übrigen spätestens seit Ripas Iconologia-Ausgabe von 1603 verbürgt. Hier wird der Frühling erstmals explizit als „l’infantia dell’anno“, der Sommer als „giouentù dell’anno“, der Herbst als „virilità dell’anno“ und der Winter als „vecchiezza dell’anno“ bezeichnet; siehe Ripa 1603, S. 473–475.



Das Ende der Jahreszeitenvorstellung? Caspar David Friedrichs Sepiazyklen

85 Claude Gellée, gen. Le Lorrain, Küstenlandschaft mit Acis und Galatea, 1657, Öl auf Lw., Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Gemäldegalerie Alte Meister

86 Jacob Isaacksz. van Ruisdael, Jüdischer Friedhof, um 1655, Öl auf Lw., Dresden, ­Staatliche Kunstsammlungen, Gemäldegalerie Alte Meister

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von Geist und Gemüt des Subjekts“.8 Noch deutlicher wird dieser Bezug auf den Menschen, sein Fühlen und das Bewusstsein über die Verfasstheit und vor allem die Endlichkeit seiner Existenz in der späteren Jahreszeitenfolge von 1826, welche die vier Ausgangsmotive des ersten Zyklus’ leicht abgewandelt übernimmt und um drei weitere ergänzt: ein vorgeschaltetes Blatt, das ein wogendes Meer bei Sonnenaufgang zeigt (Abb. 88), und zwei am Ende eingefügte Szenen, eine Darstellung zweier Skelette in einer Tropfsteinhöhle (Abb. 93) sowie das Schlussbild mit zwei betenden Engeln in den Wolken (Abb. 94). Die Ungewöhnlichkeit dieser Bildfindungen im Rahmen der Jahreszeitentradition und die darin zum Ausdruck kommende Distanznahme von konventionellen Verbildlichungen, die eine eindeutige Bestimmung der Werke mitunter erschwert, veranlasste Werner Busch hinsichtlich der 1826 entstandenen Jahres‑ zeiten zu folgender Feststellung: Die Kunst ist in einem Dilemma: ruft sie Zeichen auf, die keinen wirklichen Sinn mehr haben, so ist sie verständlich. Vermeidet sie Zeichen angesichts des geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Erfahrungsdrucks, so überantwortet sie die Probleme, die existentieller Natur sind, an den Betrachter, ohne selbst eine Antwort vorschlagen zu können. Die Jahreszeitenvorstellung ist an ihrem Ende angelangt.9

Tatsächlich stellt sich angesichts des bei Friedrich zu beobachtenden Spannungsverhältnisses zwischen allegorischer Aussagekraft auf der einen und interpretatorischer Offenheit auf der anderen Seite, dem Rückgriff auf konventionelle Zeichen und einem gleichzeitigen Abrücken von der tradierten Ikonographie, die Frage nach dem Verhältnis des Künstlers zur jahreszeitlichen Bildtradition.10 Markiert die für sein Schaffen zentrale Auseinandersetzung mit dem Thema das Ende der Jahreszeitenvorstellung? Die Ambivalenzen, die sich hier zeigen, kennzeichnen im übertragenden Sinne auch die nach wie vor – je nach politischer, religiöser oder naturmystischer Ausrichtung – in widerstreitende Lager gespaltene Friedrich-Forschung, die sich mit den Zeiten- und Naturzyklen als dem bestimmenden Thema im Werk des Künstlers vielfach auseinandergesetzt hat. Wie Werner Busch 2003 festgehalten hat, wurden „über kaum einen anderen deutschen Künstler […] so viele Bücher wie über Caspar David Friedrich“ geschrieben, „und man kann fragen: Warum noch eines?“.11 Weite Teile dieser schier ausufernden Literatur beschäftigen sich dabei mit den verschiedenen

8 Hein-Thomas Schulze Altcappenberg: An der Wiege der Romantik. Die Jahreszeiten Caspar David Friedrichs von 1803, in: Kat. Berlin 2006, S. 15–24, hier S. 15. 9 Busch 1995, S. 29. 10 Ein derartiges Spannungsverhältnis zwischen reiner Naturbeobachtung und allegorischer Aufladung beschreibt auch H. Hofstätter mit Blick auf Friedrichs Landschaften; siehe Hofstätter 1974, S. 806. 11 Werner Busch: Caspar David Friedrich. Ästhetik und Religion, München 2003, S. 7.



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87 Caspar David Friedrich, Klosterruine und Kirchhof am Meer (Entwurf), um 1803, Bleistift und Ritzungen auf Velin, Hamburg, Hamburger Kunsthalle

88 Caspar David Friedrich, Meer mit aufgehender Sonne – Schöpfungsmorgen (aus: Die Lebensalter, Blatt 1), um 1826, Pinsel in Braun über Bleistift, Hamburg, Hamburger Kunsthalle

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89 Caspar David Friedrich, Frühling – Morgen – Kindheit (aus: Die Lebensalter, Blatt 2), um 1826, Pinsel in Braun über Bleistift, Hamburg, Hamburger Kunsthalle

90 Caspar David Friedrich, Sommer – Mittag – Jugend (aus: Die Lebensalter, Blatt 3), um 1826, Pinsel in Braun über Bleistift, Hamburg, Hamburger Kunsthalle



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91 Caspar David Friedrich, Herbst – Abend – Reife (aus: Die Lebensalter, Blatt 4), um 1826, Pinsel in Braun über Bleistift, Hamburg, Hamburger Kunsthalle

92 Caspar David Friedrich, Winter – Nacht – Alter – Klosterruine und Kirchhof am Meer (aus: Die Lebensalter, Blatt 5), um 1826, Pinsel in Braun über Bleistift, Hamburg, Hamburger Kunsthalle

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93 Caspar David Friedrich, Skelette in der Tropfsteinhöhle (aus: Die Lebensalter, Blatt 6), um 1826, Pinsel in Braun über Bleistift, Hamburg, Hamburger Kunsthalle

94 Caspar David Friedrich, Engel in Anbetung (aus: Die Lebensalter, Blatt 7), um 1826, Pinsel in Braun über Bleistift, Hamburg, Hamburger Kunsthalle



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Deutungsmöglichkeiten der Jahreszeitenfolgen, darunter insbesondere ihren politisch-historischen, symbolischen oder autobiographischen Dimensionen.12 Daneben steht aber auch wiederholt die Frage nach der Datierung der Blätter und der Zusammensetzung der einzelnen Zyklen im Zentrum der Betrachtung.13 Die lange Zeit als einzig greifbare Version vorliegende Folge in der Hamburger Kunsthalle definierte erstmals Erika Platte 1961 in ihrer Zusammenstellung und ihrer Entstehungszeit um 1826.14 Autoren wie Helmut Börsch-Supan halten hingegen an einer anderen Zuordnung und Datierung fest.15 Die Wiederentdeckung des früheren, nunmehr im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin verwahrten Zyklus’ gab hier einen neuerlichen Anstoß, das Verhältnis der Zyklen untereinander und ihre Chronologie genauer zu beleuchten.16 Neben diesen Datierungsfragen nehmen Abhandlungen der jüngeren Vergangenheit zunehmend die Erfahrung von Zeitlichkeit in den Blick, wie sie in den einzelnen Zyklen zum Ausdruck kommt.17 Friedrichs Verhältnis zur allego12 Hierzu, in der Reihenfolge ihres Erscheinens, u. a. Herbert von Einem: Caspar David Friedrich, Berlin 1938, S. 46, 78, 110 m. Anm. 7 u. S. 112; Barth 1971, zu Friedrichs Jahreszeiten S. 90–92; William Vaughan: Caspar David Friedrich, in: Caspar David Friedrich 1774–1840. Romantic Landscape Painting in Dresden, hg. von dems., Ausst.-Kat., Tate Gallery London, London 1972, S. 9–44, hierzu S. 27 f. sowie S. 82 f. Kat. Nr. 78–85; Börsch-Supan/Jähnig 1973, v. a. S. 227 (mit einem festen Deutungskatalog der von Friedrich verwendeten Zeichen); Peter Rautmann: Der Hamburger Sepiazyklus  – Natur und bürgerliche Emanzipation bei Caspar David Friedrich, in: Berthold Hinz u. a. (Hg.): Bürgerliche Revolution und Romantik. Natur und Gesellschaft bei Caspar David Friedrich, Gießen 1976 (Kunstwissenschaftliche Untersuchungen des Ulmer Vereins, Verband für Kunst- und Kulturwissenschaften, Bd. 6), S. 73–109; Friedrich Gross: Fremde Natur. Caspar David Friedrichs Landschaften gestern und heute, in: Caspar David Friedrich – Winterlandschaften, hg. von Kurt Wettengl, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Heidelberg 1990, S. 7–19, insb. S. 16; Jens Christian Jensen: Caspar David Friedrich. Leben und Werk, überarbeitete Neuausgabe, Köln 1999 (1. Aufl. 1974), S. 200, 203 u. 207; William Vaughan: Friedrich, London 2004, insb. S. 65–67; Börsch-­ Supan 2006, v. a. zu einer biographischen Deutung; ferner zu einer Deutung im Sinne einer „Geschichtsanalogie“ Peter Märker: Caspar David Friedrich. Geschichte als Natur, Heidelberg 2007 (Zugl. Diss. phil. Universität Kiel 1974), S. 78–91 und Momoko Ochiai: Die Tages- und Jahres­zeitenzyklen von Caspar David Friedrich, Frankfurt am Main 2015 (Zugl. Diss. phil. Universität Bremen 2014) (mit wenig neuen Erkenntnissen). 13 Siehe zusammenfassend bereits Werner Sumowski: Caspar David Friedrich-Studien, Wiesbaden 1970 (Zugl. Habil. Universität Stuttgart 1967), S. 149 f. 14 Erika Platte: Caspar David Friedrich  – Die Jahreszeiten, Stuttgart 1961 (Werkmonographien zur Bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 65). 15 Vgl. Börsch-Supan/Jähnig 1973, v. a. S. 224–231 sowie Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich – Gefühl als Gesetz, München/Berlin 2008, v. a. S. 155–175. Zur Datierung siehe auch Sumowski 1970, S. 142–144 sowie S. 149 f. (dort auch zu einem kritischen Überblick über die Forschungslage für die ältere Literatur, S. 1–44). 16 Siehe dazu die Begleitpublikation zur Ausstellung: Kat. Berlin 2006. 17 So Schmied 1999; Johannes Grave: Caspar David Friedrich, München/London/New York 2012, insb. Kap. XII „Zeit und Bild“, S. 227–233; Reinhard Wegner: Zeiterfahrung und historisches Bewusstsein bei Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich, in: Markus Bertsch,

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rischen Darstellungstradition, das hier im Fokus steht, wird demgegenüber gerade in der neueren Forschung zwar oftmals thematisiert, kaum jedoch im Zusammenhang mit seinen Jahreszeiten behandelt. Die Debatte um die Frage nach einer allegorischen Bedeutung seiner Landschaften bestimmen dabei vor allem zwei sich konträr gegenüberstehende Positionen: auf der einen Seite diejenigen Autoren, die den Werken des Künstlers die Erzeugung eines allegorischen Sinns beimessen, den Einzelmotiven, wie Helmut Börsch-Supan es unternimmt, sogar konkrete Bedeutungen zuschreiben und somit darin einen Anschluss an die allegorisch-emblematische Darstellungstradition erkennen; auf der anderen Seite das entgegengesetzte Lager, das von einer eher bedeutungsoffenen Anlage seiner Werke ausgeht und anstelle ikonographischer Zeichen die bildkünstlerische Gestaltung als bedeutungsgebend hervorhebt.18 So spricht Werner Busch von einem „Ende der Ikonographie“19 und konstatiert einen Bruch mit der ikonographischen Tradition, die für Friedrich keine Tragkraft mehr besitze und die er daher durch sinnstiftende, ästhetische Mittel zu ersetzen versuche.20 Kritisch und zugleich relativierend gegenüber beiden Positionen verhält sich Christian Scholl, der die Umbrüche innerhalb der klassischen Ikonographie um 1800 zwar nicht gänzlich in Frage stellt, unter Einbezug von schriftlichen Quellen der damaligen Zeit in Friedrichs Kunst wie in der der Romantiker insgesamt jedoch eine bewusste allegorische Bedeutungsgebung im Sinne einer „neue[n] Sinnbildkunst“ 21 erkennt. Dabei Hubertus Gaßner und Jenns Howoldt (Hg.): Kosmos Runge. Das Hamburger Symposium, Tagungsband, Hamburger Kunsthalle, München 2013, S. 323–327 sowie Helmut Hühn: Zeit und Zeitdarstellung in Caspar David Friedrichs Lebensstufen, in: Michael Gamper und Helmut Hühn (Hg.): Zeit der Darstellung. Ästhetische Eigenzeiten in Kunst, Literatur und Wissenschaft, Hannover 2014 (Ästhetische Eigenzeiten, Bd. 1), S. 27–50. 18 Letztere Position vertreten neben W. Busch oder W. Hofmann etwa auch M. Brötje oder R. Prange, die sich auf die bei Friedrich verwendeten bildästhetischen Mittel fokussieren und die Absolutheit ihrer Aussagekraft hervorheben. Zusammenfassend zur Forschungsdiskus­ sion siehe auch Christian Scholl: Romantische Malerei als neue Sinnbildkunst. Studien zur Be‑ deutungsgebung bei Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich und den Nazarenern, München/Berlin 2007 (Zugl. Habil. Universität Göttingen 2005), S. 188–193. Kritisch gegenüber der „unnötigen Polarisierung“, die die Debatte durch eine derartige Lagerbildung erfährt, auch Schulze Altcappenberg 2006, S. 19. 19 Werner Busch: Friedrichs Bildverständnis, in: Caspar David Friedrich – Die Erfindung der Romantik, hg. von Hubertus Gaßner, Ausst.-Kat., Museum Folkwang Essen und Hamburger Kunsthalle, München 2006, S. 32–47, hier S. 46 sowie bereits grundlegend ders.: Die notwen­ dige Arabeske. Wirklichkeitsaneignung und Stilisierung in der deutschen Kunst des 19. Jahr‑ hunderts, Berlin 1985, S. 13 f. Die Formulierung „Ende der Ikonographie“ wählte auch J. L. ­Koerner mit Blick auf Friedrichs Tetschener Altar; Joseph Leo Koerner: Caspar David Friedrich. Landschaft und Subjekt, München 1998 (Bild und Text, Epochen der deutschen Kunst, Bd. 3, Romantik), S. 159. 20 So formuliert W. Busch: „Zugespitzt gesagt: An die Stelle der Ikonographie tritt die Ästhetik als eine kunstimmanente Verweisform“; Busch 2006, S. 46. 21 Scholl 2007, so bereits der Titel der Arbeit; siehe dort auch die kritische Würdigung der Forschungslage zu dieser Frage, S. 184–195 sowie S. 342 f. Eine ähnliche Positionierung ver-



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wendet er sich sowohl gegen eine intentional angelegte Deutungsoffenheit der Werke als auch gegen eine Auslegung, die den Motiven einen aus sich selbst heraus sprechenden, rein ästhetischen Gehalt zuspricht. Vor dem Hintergrund dieser gegensätzlichen Herangehensweisen, die die Diskussion um die Interpretation der Kunst Caspar David Friedrichs für sich beanspruchen, werden im Folgenden die Jahreszeitenwerke des Künstlers und sein ambivalentes Verhältnis zur allegorischen Darstellungstradition im Spannungsfeld von Konventionalität, Bedeutungsgebung und der Suche nach neuen Ausdrucksformen beleuchtet. Im Hinblick auf die Frage nach dem „Ende der Jahreszeitenvorstellung“ lässt sich auf diese Weise schließlich eine Positionsbestimmung vornehmen.

Die Entfaltung des Zeitenmotivsbei Friedrich So viel Raum das Thema zeitlicher Abläufe im Werk von Caspar David Friedrich einnimmt, so häufig haben die tatsächliche Anzahl der diesem Sujet gewidmeten Zyklen, ihre Zusammenstellung und chronologische Reihung auf der Grundlage der überlieferten Originale Anlass zu Diskussionen gegeben. Die in der Literatur gemeinhin auf 1803 datierte vierteilige Jahreszeitenfolge, die mit Ausnahme des weiterhin verschollenen Sommers 2004 im Kunsthandel wiederauftrat und sich nun im Berliner Kupferstichkabinett befindet,22 markiert den Beginn der intensiven Auseinandersetzung des Künstlers mit diesem Thema. Auf ihr beruhen auch spätere Umsetzungen wie die 1826 entstandene Sepiaserie der Hamburger Kunsthalle, die noch im Jahr ihrer Voll-

tritt auch Thomas Noll: Die Landschaftsmalerei von Caspar David Friedrich. Physikotheologie, Wirkungsästhetik und Emblematik. Voraussetzungen und Deutung, München/Berlin 2006. 22 Der Zyklus galt knapp siebzig Jahre als verschollen. So führt das Werkverzeichnis von H. Börsch-Supan und K. Jähnig ihn etwa als „Kriegsverlust“; Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 275. Im Jahr 2004 wurden drei der vier Zeichnungen in Privatbesitz wiederentdeckt und wenig später über die Düsseldorfer Kunsthandlung C. G. Boerner durch die Staatlichen Museen zu Berlin erworben. Nach aufwendiger Restaurierung der zum Teil erheblich beschädigten Blätter und genauer kunsttechnologischer Untersuchung konnten die drei wiedergefundenen Sepien im Rahmen der Berliner Ausstellung von 2006/2007 erstmals wieder öffentlich präsentiert werden; siehe dazu insb. Hein-Thomas Schulze Altcappenberg: Caspar David Friedrich – Die «Jahreszeiten». Eine Neuerwerbung für das Kupferstichkabinett, in: Jahrbuch Preußi‑ scher Kulturbesitz 43 (2006/2007), S. 389–398 sowie den Ausstellungskatalog Kat. Berlin 2006. Vor ihrer Wiederentdeckung waren die Zeichnungen der Forschung durch verschiedene Quellen sowie fotografische Aufnahmen der 1930er-Jahre bekannt, wie es auch heute noch für den weiterhin verschollenen Sommer der Fall ist. 1906 waren die Werke auf der Jahrhundertausstellung in der Berliner Nationalgalerie zu sehen; siehe dazu den teils beschreibenden Eintrag in: Deutsche Jahrhundertausstellung. Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit von 1775–1875. Zeichnungen, Aquarelle, Pastelle, Ölstudien, Miniaturen und Möbel, Ausst.Kat., Königliche Nationalgalerie Berlin, München 1906, S. 40 f., Kat. Nr. 2432–2435. Bei der Beschreibung wurden die Blätter Frühling und Sommer vertauscht.

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Das Ende der Jahreszeitenvorstellung? Caspar David Friedrichs Sepiazyklen

endung auf der Akademieausstellung in Dresden zu sehen war.23 Die ursprüngliche Viererfolge „birgt“ in dieser Hinsicht als Initialwerk, wie Schulze Altcappenberg festhält, „die Matrix für die weitere Entwicklung der Kunst Friedrichs und verwandter Strömungen“.24 Ihre Datierung auf das Jahr 1803 ist entgegen der von Otto Schmitt 1931 geäußerten Zweifel25 insofern gesichert, als die Rückseite des Frühlingsblattes dieses Datum aufweist.26 Unter derselben Jahreszahl werden alle vier Blätter auch im Katalog der Berliner Jahrhundertausstellung von 1906 geführt, in der sie gemeinsam präsentiert wurden.27 Zudem spricht ein Tagebucheintrag von Friedrich aus dem August 1803 für diese Datierung, den erstmals Werner Sumowski auf das Frühlingsbild bezogen hat:28 Sanft sich hebende Hügel hemmen die Aussicht ins Weite; gleich dem Wünschen und Wollen der Kinder, sie geniessen der Gegenwart köstliche Zeit nicht anders, noch wollend was ferner liegt. Blühende Büsche, nährende Kräuter; duftende Blumen schliessen den stillen klaren Bach ein, in dem sich die reine lichte Bläue des unbewölkten Himmel [sic] spiegelt; wie in den Seelen der Kinder der Gottheit herrliches Bild. Kinder spielen, küssen und freuen sich, und das eine Kind begrüsst mit frohem Händeklatschen die kommende Sonne. Lämmer weiden im Thal und auf den Hügeln. Kein Stein ist hier zu sehen, kein dürrer Zweig, kein abgefallen Laub, Friede, Freude und Unschuld und Leben athmet die ganze Natur.29

23 Siehe dazu den Eintrag im Verzeichnis der am 3. August 1826 in der Königl. Sächsischen Akademie der Künste zu Dresden öffentlich ausgestellten Kunstwerke (1826), S. 57, Nr. 664 sowie die Besprechungen von B. (=  Carl August Böttiger): Blicke auf die Ausstellung der K. S. Academie der Künste in Dresden, 1826, in: Artistisches Notizenblatt, Nr. 17 (September 1826), S. 65–68, hier S. 66; N. (= Unbekannt): Die Dresdner Kunstausstellung, in: Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode, Nr. 77 (September  1826), S. 609–614, hier S. 612 und N. N.: Bemerkungen über die diesjährige dresdner Kunstausstellung. Zweiter Besuch, in: Blät‑ ter für literarische Unterhaltung, Nr. 90 (1826), S. 358–360, zu Friedrichs Jahreszeiten S. 359. 24 Schulze Altcappenberg 2006, S. 22. 25 Vgl. Otto Schmitt: Die Ruine Eldena im Werk von Caspar David Friedrich, in: Greifswalder Kollegen (Hg.): Von der Antike zum Christentum. Untersuchungen als Festgabe für Victor Schultze zum 80. Geburtstag am 13. Dezember 1931, Stettin 1931, S. 169–190, hierzu S. 169. 26 Mein Dank gilt Frau Dr. Anna Pfäfflin, Kuratorin im Kupferstichkabinett Berlin, und der Graphikrestauratorin Anne Pencz, die mir die Sichtung der Originale ermöglicht und Fotografien der Rückseiten vorgelegt haben. Seit ihrer Restaurierung und der Ausstellung im Jahre 2006 werden die Sepien ausschließlich gerahmt aufbewahrt. 27 Siehe Kat. Berlin 1906, S. 40 f., Kat. Nr. 2432–2435. 28 Siehe Sumowski 1970, S. 142. 29 Caspar David Friedrich in seinem Tagebuch, Eintrag vom 5. August 1803 während seines Aufenthaltes in Loschwitz; erstmals abgedruckt bei Andreas Aubert: Caspar David Friedrich, in: Kunst und Künstler 3 (1905), S. 197–204 und S. 253–260, hier S. 203 f. Aubert zitiert an selber Stelle ein kurzes Gedicht Friedrichs über den „Morgen“ sowie Gedanken zum „Winter“, die aus derselben Zeit wie die Tagebuchnotiz stammen.



Die Entfaltung des Zeitenmotivs

Abgesehen von dieser Notiz Friedrichs wird der Zyklus in schriftlichen Quellen allerdings erst vier Jahre später, also 1807, namentlich in der April-Ausgabe des Journals des Luxus und der Moden, zum ersten Mal erwähnt. Der Autor des Artikels berichtet darin über seinen Atelierbesuch bei Friedrich, bei dem er die Bilderfolge sah: Zur Aufheiterung zeigte uns Fr. einen Cyclus von vier Landschaften, reich an poetischer Erfindung, worin er die vier Tages- und Jahreszeiten, so wie die vier Perioden des menschlichen Lebens vom Kinde bis zur Auflösung im Alter durch eingeflochtene Staffage, so wie durch die ganze Haltung der Landschaften, höchst genialisch bezeichnete. Bitte unsern verehrten F –– w [= wohl Carl Ludwig Fernow, Anm. d. Verf.] darum, sein beredter Mund wird sie Dir besser als ich entwickeln.30

Im selben Jahr greift auch der mit Friedrich befreundete Naturforscher und Theologe Gotthilf Heinrich von Schubert den Zyklus zur Illustration seiner Theorien von einer „Bildungsgeschichte unsrer Natur“31 auf und liefert im Rahmen seiner Wintervorlesung von 1807/1808 eine ausführliche Interpretation und Beschreibung der Werke: Wie kann ich aber hierbey besser thun, als wenn ich mich treu an die Arbeit eines meiner Freunde (des Landschaftsmahlers Friedrich) anschließe, und treulich die Bildungsgeschichte unsrer Natur, wie sie von ihm in den 4 Jahres- und Lebenszeiten dargestellt ist, erzähle; sollte es auch geschehen, daß die Worte hinter seinem Pinsel weit zurückbleiben.32

Ein Jahr später wird die Zeitenfolge schließlich in einem Reisebericht des Altphilologen Karl Morgenstern erwähnt, der den Künstler im Oktober 1808 in seinem Atelier aufsuchte.33 Aufgrund der zeitlichen Differenz, die zwischen der um 1803 vermuteten 30 C. B. (= wohl Carl Bertuch): Kunst-Erinnerungen aus Dresden, in: Journal des Luxus und der Moden 22 (1807), S. 264–270, hier S. 270. Das Kürzel steht mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Herausgeber der Zeitschrift, Carl Bertuch. Der etwa bei H. Börsch-Supan als Verfasser angeführte Karl August Böttiger (vgl. u. a. Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 294) kürzte sich in der Regel nur mit „B.“ ab. 31 Gotthilf Heinrich von Schubert: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft, ­Dresden 1808, hierzu „Zwölfte Vorlesung. Ueber die in einem jetzigen Daseyn schlummernden Kräfte eines künftigen“, S. 303. 32 Schubert 1808, S. 303. Als erster wies H. von Einem auf die Bezüge zwischen Schuberts Beschreibungen und den Jahreszeiten von Friedrich hin; siehe Herbert von Einem: Caspar David Friedrich, Berlin 31950 (1. Aufl. 1938), S. 53, 56, 93, 124 u. 126. 33 Karl Morgenstern, Aufzeichnungen zu seinem Aufenthalt in Dresden im Herbst 1808, abgedruckt in: Dorothee von Hellermann: „Künstlerneid ist auch in Dresden nicht fremd…“. Die Aufzeichnungen Karl Morgensterns zu seinem Aufenthalt in Dresden im Herbst des Jahres 1808, in: Jahrbuch Staatliche Kunstsammlungen Dresden 29 (2001), S. 75–89, hierzu insb. S. 82. Weitere Erwähnungen des Zyklus’ finden sich 1810, zum einen im Bericht über die Dresdner Kunstausstellung im Journal des Luxus und der Moden (C. B. (= wohl Carl Bertuch): Kunst-Aus-

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Entstehung des Zyklus’ und der ersten textlichen Erwähnung in den Jahren 1807 und 1808 liegt, sowie geringfügigen Abweichungen der Beschreibung Schuberts vom visuellen Bestand der Bildvorlagen34 nimmt Helmut Börsch-Supan die Existenz zweier verschiedener Fassungen an: So unterscheidet er zwischen einer geschlossen um 1803 entstandenen Version, die er in dem wiederentdeckten Berliner Zyklus erkennt,35 und einer um 1807 entwickelten Variante, die sich nicht erhalten habe, sondern nur in den genannten Textquellen überliefert sei. In gleicher Weise trennt er auch die spätere Hamburger Jahreszeitenfolge, die aufgrund ihrer Präsentation auf der Dresdner Akademieausstellung allgemein auf 1826 datiert wird. Für BörschSupan besteht dabei eine tatsächlich 1826 entstandene siebengliedrige Fassung, zu der er die ersten drei der in Hamburg verwahrten Blätter rechnet, und eine spätere Variante, die er im Jahr 1834 ansetzt und zu der er die letzten vier Hamburger Sepien zählt.36 Die jeweils fehlenden Blätter seien verloren. Für die Datierung der letzten Version auf 1834 zieht Börsch-Supan eine Reisenotiz des französischen Bildhauers Pierre-Jean David heran, der bei seinem Atelierbesuch fünf jahreszeitliche Motive

stellung in Dresden, am Friedrichstage den 5ten März 1810, in: Journal des Luxus und der Moden 25 (1810), S. 346–354, hierzu S. 350) und in den Erinnerungen der Künstlerin Louise Seidler (siehe Hermann Uhde (Hg.): Erinnerungen der Malerin Louise Seidler, Berlin 1922, S. 4). 34 Bei den Abweichungen handelt es sich lediglich um Details, die Schubert größtenteils zudem nur in nachträglich hinzugefügten Anmerkungen beschreibt. Börsch-Supan vermisst in der Darstellung des Sommers etwa die bei Schubert erwähnten „Hütten auf blühenden Hügel“ oder die Rosen und Lilien sowie im Herbst den genannten Adler; vgl. Schubert 1808, S. 305 f. Die Verlässlichkeit von Schuberts Angaben ist allerdings etwa dadurch in Zweifel zu ziehen, als er auch Farbangaben macht („das Blau des Himmels“), die in den Sepien in dieser Form per se nicht gegeben sind. Insofern steht zu fragen, inwiefern sich Schubert in seinen Angaben mitunter nicht auch auf die 1807 entstandenen Ölfassungen beziehen könnte. Vgl. zum Ganzen Börsch-Supan 2006, S. 27 f. 35 In seiner Dissertation nimmt Börsch-Supan hingegen für den damals nur aus fotografischen Abbildungen bekannten Berliner Winter aus stilistischen Gründen noch 1808 als Entstehungsjahr an; vgl. Helmut Börsch-Supan: Die Bildgestaltung bei Caspar David Friedrich, München 1960 (Zugl. Diss. phil. Freie Universität Berlin 1958), S. 85 f. u. 102. Schultze Altcappenberg hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass es sich bei Schuberts Text nicht zwangsläufig um eine detailgetreue, exakte Bildbeschreibung handeln müsse, sondern sie auf dichterischen Freiheiten fuße und „auch metaphorisch“ verstanden werden könne; siehe Schulze Altcappenberg 2006, S. 17 mit Anm. 14 auf S. 23 f. 36 Zu dieser Datierung und chronologischen Auffächerung der Zyklen siehe Börsch-Supan/ Jähnig 1973, S. 275 f. Kat. Nr. 103–106 mit Abb. auf S. 276 (Zyklus von 1803), S. 294 Kat. Nr. 153– 156 (Zyklus von 1807), S. 402 f. Kat. Nr. 338–344 (Zyklus von 1826) und S. 449–451 Kat. Nr. 428– 434 (Zyklus von 1833/1834) oder auch Kat. London 1972, S. 82 f. Kat. Nr. 78–85. Seine These von insgesamt vier verschiedenen Versionen wiederholte Börsch-Supan zuletzt in Börsch-­ Supan 2008, S. 155–168. Vgl. im Gegensatz dazu Schulze Altcappenberg, der die Beschreibungen Schuberts „zweifellos“ dem Zyklus von 1803 zuordnet; Schulze Altcappenberg 2006, S. 17.



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sah, die Friedrich „vient de terminer“,37 also gerade fertiggestellt hätte. Mit diesen gemäß Börsch-Supan insgesamt vier Jahreszeitenserien käme dem Thema nochmals ein weitaus größerer Raum im Schaffen Friedrichs zu. Der Aufteilung der Hamburger Blätter auf zwei separate Folgen wird jedoch entgegengehalten, dass es sich zum einen um dieselbe Sorte Papier handele und zum anderen die von Börsch-Supan zur Begründung angeführten stilistischen Argumente aufgrund des teilweise schlechten konservatorischen Erhaltungszustands nicht griffen.38 Dass es darüber hinaus eine weitere, nicht mit der Hamburger Folge identische Fassung gab, die David 1834 als ‚gerade vollendet‘ in Friedrichs Atelier sah, ist hierdurch allerdings nicht vollkommen auszuschließen. Auch mit Blick auf den ersten Jahreszeitenzyklus lässt sich gegenüber BörschSupans Annahme zweier verschiedener Folgen eine anders gelagerte Erklärung für den zeitlichen Abstand zwischen der Jahreszahl, die durch das Frühlingsblatt gesichert ist, und der ersten Besprechung des Zyklus’ anführen. So hat bereits Werner Sumowski ausgehend vom Erscheinungsbild der Werke vermutet, dass die Blätter in mehreren zeitlichen Etappen entwickelt wurden. Dabei weist er vor allem auf die Unterschiede zwischen den ersten beiden Motiven, die in einer eher lockeren, fast tupfenden Zeichenweise gehalten seien, und dem Herbst hin, der sich durch ein breites Lavis und einen kräftigen Farbauftrag auszeichne.39 Daraus folgt für Sumowski eine Datierung von Frühling und Sommer auf das Jahr 1803. Herbst und Winter seien hingegen erst 1807 entstanden, was die erstmalige Erwähnung des gesamten Zyklus’ in der Zeit um 1807/1808 erklären würde. Sumowskis Beobachtungen werden insofern durch die Ergebnisse der 2005 nach der Wiederentdeckung durchgeführten kunsttechnologischen Analyse der Zeichnungen gestützt, als im Herbstbild hauptsächlich Beinschwarz und nur wenig Sepia erkannt wurde und sich der Herbst somit auch in der Technik von den vorangegangenen Blättern unterscheidet.40 Aufgrund

37 Pierre-Jean David, gen. David d’Angers 1834; abgedruckt in: Léon Cerf (Hg.): Souvenirs de David d’Angers sur ses contemporains. Extraits de ses carnets de notes autographes, Paris 1928, S. 105; dt. Übersetzung bei Sumowski 1970, S. 232 Nr. 343–347. David beschreibt dabei die Motive Frühling, Sommer, Herbst, Skelette in der Tropfsteinhöhle und Engel in Anbetung, wie sie auch in der Hamburger Folge zu finden sind. Aufgrund dieser Beschreibung datierte Ch. von Prybram-Gladona die Hamburger Folge vollständig auf 1834; vgl. Charlotte von Prybram-­ Gladona: Caspar David Friedrich, Paris 1942 (Zugl. Diss. phil. Universität Paris 1942), S. 115 f. 38 Siehe den Katalogeintrag von Eckhard Schaar: Die Lebensalter, in: Caspar David Friedrich 1774–1840, hg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat., Hamburger Kunsthalle, München 1974, S. 274–277 Kat. Nr. 184–191, hier S. 275. 39 Siehe Sumowski 1970, S. 143 f. 40 Hierzu Irene Brückle und Eva Glück: Caspar David Friedrichs künstlerische Technik im Sepia-Jahreszeitenzyklus von 1803, in: Kat. Berlin 2006, S. 39–46, hier S. 40 f. sowie zu den Ergebnissen der Restaurierung insgesamt Irene Brückle: Die Restaurierung von Caspar David Friedrichs Sepia-Jahreszeitenzyklus von 1803, in: Kat. Berlin 2006, S. 47–57. Auch im Winterblatt wurden im Übrigen Spuren von Beinschwarz entdeckt, nicht hingegen im Frühling.

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dieser Ergebnisse hat auch Werner Busch eine Entstehung der Bilderfolge über den Zeitraum von 1803 bis 1806/1807 hinweg als Lösung der Datierungsfrage vorgeschlagen.41 Ein mehrjähriger Prozess der Entwicklung und Fertigstellung der Jahreszeitensepien würde in gleicher Weise wie Börsch-Supans Vermutung mehrerer Werkvarianten abermals die besondere Bedeutung betonen, die dem Jahreszeitenthema im Schaffen Friedrichs zukommt. Letztlich kann die Chronologie auf der Grundlage der vorliegenden Quellen nicht abschließend geklärt werden und muss weiterhin offen bleiben.42 In Ermangelung der Originale, die die Existenz weiterer Zyklen belegen könnten, wird hier mit Werner Busch von lediglich zwei Bilderfolgen ausgegangen, einer früheren in den Jahren ab 1803 entstandenen, die in dem in Berlin verwahrten Zyklus zu finden ist, und einer späteren 1826 entwickelten Serie, die der Hamburger Folge entspricht. Die im Zuge der Debatte um die chronologische Reihung der Werke angeführten stilis­ tischen und technischen Merkmale, die insbesondere im Herbstbild zu Tage treten, sind nicht nur für die Datierungsfrage relevant. Der hier erkennbare bewusste Einsatz formal-ästhetischer Gestaltungsmittel, wie er etwa im Wechsel des Zeichenmediums oder der Art und Intensität des Farbauftrags zum Ausdruck kommt, scheint vielmehr auch mit der inhaltlichen Aussage der Motive zusammenzuhängen und diese zu unterstützen. Welche zentrale Rolle die gestalterischen Elemente dabei spielen, macht eine nähere Betrachtung der einzelnen Blätter deutlich.

Sanft sich erhebende Hügel: Die Jahreszeitenfolge von 1803 Friedrichs um 1803 entwickelter erster Zeitenzyklus setzt sich aus vier Zeichnungen in Sepiamanier zusammen, die überwiegend über genauen, meist noch durchscheinenden Bleistiftvorzeichnungen entstanden sind (Abb. 81–84).43 Inhaltlich vereint er die großen Themen der Jahreszeiten, Tageszeiten und Lebensalter des Menschen. Das 41 Siehe Werner Busch: Caspar David Friedrichs frühe Sepien als Vorstufe zur romantischen Landschaft, in: Roger Fayet, Regula Krähenbühl und Bernhard von Waldkirch (Hg.): Wissen‑ schaft, Sentiment und Geschäftssinn. Landschaft um 1800, Zürich 2017 (Outlines, Bd. 10), S. 118–150, hierzu S. 134. 42 So räumt auch Busch zur Frage der Datierung ein: „Das Problem ist vorderhand nicht zu lösen.“; ebd., S. 134. 43 Die vier Sepiazeichnungen waren ursprünglich Teil der Kunstsammlung des Großhändlers und bayerischen Generalkonsuls Heinrich Wilhelm Campe in Leipzig, in dessen Besitz sie wohl in den 1820/1830er-Jahren direkt vom Künstler aus gelangten. Deutlich erkennbare Prägestempel, die auf allen Blättern zu finden sind, belegen die Zugehörigkeit zur Campeschen Sammlung. Auf Campe gehen auch die Montage und Rahmung der Blätter zurück. Über Campes Tochter Sophie und ihren Ehemann, den Göttinger Medizinprofessor Karl Ewald Hasse ging der damals noch vollständige Zyklus 1902 an den gemeinsamen Schwiegersohn, den Zoologen Ernst Ehlers in Göttingen, dessen Erben die Blätter im November  1935 bei C. G. Boerner in Leipzig zur Versteigerung brachten. Hier wurden die Sepien im Auftrag der Reichskammer der Bildenden Künste von Carl Meder angekauft, bevor sich wenig später bis



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erste Blatt, Der Frühling – Der Morgen – Die Kindheit (Abb. 81), zeigt eine sonnenbeschienene, mit niedrigen Bäumen, Sträuchern und Stauden bewachsene Uferlandschaft. Die linke Bildhälfte nehmen fünf nackte, puttenhaft wirkende Kinder ein. Zwei von ihnen umarmen und küssen sich im Vordergrund. Hinter ihnen haben sich die restlichen drei unter einem Baum niedergelassen, wobei ein Junge mit ausgestreckten Armen von der Gruppe weg nach rechts der Sonne entgegenläuft.44 Entlang des Bachlaufs sieht man einzelne Lämmer, deren Herde auf den durch feine Lavierungen angedeuteten Anhöhen rechts im Hintergrund grast. In ihrer Unbeschwertheit und idyllischen Schilderung vermittelt die Szene die klassische Vorstellung des locus amoenus als eines paradiesgleichen Ortes. Die Elemente der Natur und die Körper der Figuren sind in einem Nebeneinander von zarten Lavierungen, kräftigeren Strichen und papiersichtigen Aussparungen modelliert. Der reduzierte Einsatz der Farbe lässt die zugrunde liegende Bleistiftzeichnung an mehreren Stellen hervortreten. Durch den insgesamt sparsamen Gebrauch der Sepiatinte und den lockeren, tupfenden Farbauftrag, der Pflanzen, Kinder und Tiere nahezu gleich behandelt, heben sich die Figuren kaum von der sie umgebenden Natur ab, sondern scheinen vielmehr in ihr aufzugehen und mit ihr zu verschmelzen. Der weiß belassene Himmel, der mehr als die Hälfte des querformatigen Bildes einnimmt, trägt zu dieser hellen und lichtdurchfluteten Stimmung bei.45 Erscheinung und Komposition der weiterhin als verschollen geltenden zweiten Szene, Der Sommer – Der Mittag – Die Jugend, lassen sich nur auf Grundlage einer Fotografie aus den 1930er-Jahren (Abb. 82) untersuchen. Der Blick fällt in eine weite Hügellandschaft, durch deren talartige Vertiefung sich in der Mitte ein Fluss schlängelt. Auf der linken Seite sind Felder und bewaldete Anhöhen zu erkennen. Rechts nehmen zwei hoch aufragende Bäume, eine Birke und eine Pappel, sowie eine Gruppe von Sträuchern den Vordergrund ein. Anstelle der Kinder der ersten Szene trifft der Betrachter nun auf ein junges, sich küssendes und in enger Umarmung versunkenes Paar aus Mann und Frau, das an das Motiv der sich umarmenden Kinder aus dem Frühling anzuknüpfen scheint. Zum Schutz vor der Mittagssonne sitzen die beiden in einer bewachsenen Laube. Links neben ihnen setzen zwei schnäbelnde Tauben am unteren Bildrand das Liebesthema fort. Die Szene ist in ähnlich flüchtig-fleckiger Manier wie das Frühlingsblatt gehalten. Auch hier nimmt der Himmel, an dem sich nun einzelne Wolkenstreifen abzeichnen, den Großteil des Bildes ein. Im Vergleich zu ihrer Wiederentdeckung 2004 ihre Spur verlor. Ausführlich zur Provenienz auch Schulze Altcappenberg 2006, S. 15 f. sowie Grummt 2011, Bd. 1, S. 365–369, Kat. Nr. 365–368. 44 Wie die kunsttechnologische Analyse angesichts der unterlegten Bleistiftvorzeichnung ergeben hat, hatte Friedrich zwischen den Armen des Jungen wohl ursprünglich eine Sonnenblume vorgesehen, die er letztlich jedoch wieder entfernte; siehe dazu Brückle/Glück 2006, S. 42 mit Abb. 30 auf S. 43. 45 Die kunsttechnologische Untersuchung hat hier gezeigt, dass sich sehr feine Lavierungen auch in der Himmelszone feststellen lassen, die mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind; siehe dazu Brückle/Glück 2006, S. 40 f.

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zum Frühling ist die Landschaft insgesamt jedoch stärker auf Fernsicht angelegt und erscheint dem Betrachter ebenso wie die Figuren weniger greifbar. Das Motiv der Laube in der Landschaft, das sich auch bei Philipp Otto Runge in seinem Zyklus der Tageszeiten findet, erinnert in Verbindung mit dem Liebespaar an Idyllendarstellungen von Salomon Gessner. Zudem zeigt die Szene Anleihen an Claude Lorrains Gemälde Acis und Galatea (Abb. 85), das sich seit 1754 in Dresden befand.46 Das dritte Blatt, Der Herbst – Der Abend – Die Reife (Abb. 83), lenkt den Blick wiederum in ein mit Laubbäumen bewachsenes felsiges Flusstal. Im Hintergrund zeichnet sich schemenhaft eine alpine Hochgebirgskette mit einer zentralen dreizackigen Erhebung ab. Die schneebedeckten Berge sind von Wolkenschleiern umgeben. Das Massiv links der mittleren Erhebung kehrt in verschiedenen Zeichnungen Friedrichs aus der Zeit um 1804 wieder,47 was die Vermutung von einer schrittweise erfolgenden Entstehung des Zyklus’ in der Zeit nach 1803 bestärken würde. Ein breiter Fluss zieht sich bildparallel durch den Mittelgrund. Rechts in der Ferne ist die Silhouette einer Stadt zu erkennen, die sich entlang des Flusses erstreckt. Ihr Erscheinungsbild, vor allem der markante kuppelförmige Bau in der Mitte und das lang gestreckte durch regelmäßige Fensterreihen charakterisierte Gebäude links davon, erinnern an Dresden mit seiner Frauenkirche und der Brühlschen Galerie. Ähnlich wie im Sommerbild sticht auch hier ungefähr an gleicher Stelle eine Baumgruppe rechts im Vordergrund hervor. Vor den drei dicht beieinander stehenden Bäumen ragen zwei senkrecht aufgerichtete spitze Felsblöcke empor, von denen der höhere fast unmerklich mit einem schmalen Kreuz bekrönt ist. In der Forschungsliteratur wird oftmals darauf hingewiesen, dass das Herbstblatt in mehrfacher Hinsicht aus dem Zyklus heraussticht.48 So fällt zum einen auf inhaltlicher Ebene auf, dass die Szene als einzige der Folge menschenleer ist. Aus diesem Grund beschreibt Peter Märker das Werk insgesamt als erzählerisch „äußerst ‚inkonsequent’“, weil im Herbst „zum Beispiel die entsprechende Stufe des menschlichen Lebens und ebenso, da die Bäume sämtlich belaubt sind, die eigentliche Veranschaulichung der Jahreszeit“49 fehle. Zum anderen zeichnet sich die Darstellung vor allem im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen auch formal durch eine andere Gestaltungsweise aus. Kennzeichnend sind hier nämlich eine wesentlich dunklere, sattere Farbigkeit und ein flächiger, stärker lavierender Farbauftrag, welcher der Zeichnung einen eher malerischen Charakter verleiht. Die Intensität der Farbe nimmt

46 Siehe bereits die Gegenüberstellung in Kat. London 1972, S. 27 f. 47 Siehe Grummt 2011, Bd. 1, S. 374 f., Kat. Nr. 378 oder S. 376 f., Kat. Nr. 381. Das in den Zeichnungen sichtbare Massiv wurde in der Literatur als Honigsteinmassiv in der Sächsischen Schweiz identifiziert. Die Zeichnungen könnten als vorbereitende Studien für das Herbstblatt gedient haben. 48 So etwa Börsch-Supan 2008, S. 157: „Die Komposition des Herbstes […] steht fremdartig neben dem Sommer.“ Ebenso u. a. auch Wegner 2013, S. 325 f. 49 Märker 2007, S. 78.



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zum Hintergrund hin stufenweise ab, wodurch eine fernsichtige Wirkung entsteht. Die Gebirgsformation am Horizont wird nur durch leichte Lavierungen angedeutet und ist dadurch fast nicht mehr erkennbar. Wie die im Zuge der Restaurierung der Werke vorgenommene kunsttechnologische Analyse ergeben hat, geht das veränderte Erscheinungsbild der Szene mit einem Wechsel des Zeichenmittels einher, der sich mit bloßem Auge lediglich erahnen lässt. So verwendet Friedrich für dieses Blatt hauptsächlich Beinschwarz und nur für manche Partien Sepiatusche.50 Im Vergleich zu den vorangegangenen Blättern tritt darüber hinaus auch die Bleistiftvorzeichnung fast vollständig zurück. Weite Teile der Landschaft sowie die Stadt am Flussufer sind direkt mit dem Pinsel angelegt. Die letzte der vier Szenen, Der Winter – Die Nacht – Alter und Tod (Abb. 84), zeigt eine hoch aufragende Klosterruine am Meer vor einem mit gleichmäßigen Wolkenschwaden durchzogenen Nachthimmel. Der mit Unkraut bewachsene Bau, der nur noch aus wenigen stumpfartig emporgerichteten Pfeilern besteht, ist übergroß ins Bild gesetzt. Durch das mittlere Lanzettfenster tritt der Vollmond hindurch, der auf einen Friedhof im Vordergrund scheint und die Szenerie erleuchtet.51 Inmitten der verschiedenen unregelmäßig angeordneten Grabsteine und ‑kreuze erkennt man einen bärtigen Greis, der sich neben einem geöffneten Grab niedergelassen hat. Auf seinen Schultern liegt ein Umhang. Sein Haupt ist kahl. Mit verschränkten Armen blickt er nachdenklich-sinnierend auf das leere Grab zu seiner Linken. Die rechte Bildhälfte füllen zwei blattlose Bäume, von denen einer oberhalb umgeknickt ist. Die zerborstenen Teile seines knorrigen Stammes weisen zerklüftet empor und greifen in ihrer Gestalt die ruinenhafte Erscheinung der nebenstehenden Architektur auf. Diese wiederum erinnert an das bei Greifswald gelegene Zisterzienserkloster Eldena, das Friedrich wiederholt als Motiv wählte.52 Wie im Falle des Sommerbildes, das mit dem Motiv der Laube Bezüge zu Claudes Acis und Galatea (Abb. 85) aufweist, scheint Friedrich für seinen Winter ein anderes, damals ebenfalls in Dresden präsentes Werk aufzugreifen, nämlich Ruisdaels Jüdischer Friedhof (Abb. 86).53 Darin finden sich dieselben Elemente wie Gräber, ein absterbender, blattloser Baum am rechten Bildrand, das

50 Siehe Brückle/Glück 2006, S. 40 f. 51 In der Literatur findet sich, insb. mit Blick auf den Hamburger Winter von 1826, der nur in wenigen Details von der Berliner Fassung abweicht, auch z. T. die Deutung als untergehende Sonne; vgl. etwa Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 450 Kat. Nr. 432 oder Kat. London 1972, S. 83 Kat. Nr. 82. 52 Siehe grundlegend zum Eldena-Motiv Schmitt 1931, S. 173–175 sowie ders.: Die Ruine ­Eldena im Werk von Caspar David Friedrich, Berlin 1943 (Der Kunstbrief, Bd. 25), S. 12–15, 21 u. 24. Zu weiteren Zeichnungen der Ruine auch Grummt 2011, Bd. 1, S. 284–286 Kat. Nr. 289. 53 So bereits Vaughan in Kat. London 1972, S. 27 f. und wenig später Peter Rautmann: Caspar David Friedrich. Landschaft als Sinnbild entfalteter bürgerlicher Wirklichkeitsaneignung, Frankfurt am Main u. a. 1979 (Kunstwissenschaftliche Studien, Bd. 7), hierzu S. 38. Siehe dazu auch Jähnig 1927/1928, S. 257, der Friedrichs Werk als „erste tragische Landschaft“ nach Ruisdaels Jüdischer Friedhof bezeichnet.

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Motiv des Wassers sowie eine Ruine im Hintergrund, die auch bei Friedrich erscheinen. Verweisen sie bei Ruisdael auf die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens als objektive Tatsache, vermitteln sie verbunden mit der Figur des gedankenvoll versunkenen Greises bei Friedrich hingegen eine eher subjektive Perspektive. Blickt man auf die Gestaltung der Winterszene, so ist sie ähnlich wie der Herbst durch einen kräftigen und flächigen Farbauftrag bestimmt. Ihre dunkeltonige Erscheinung wird durch den dem Nachtthema entsprechend mit breiten Lavierungen ausgefüllten Himmel verstärkt, der in den vorangegangenen Zeichnungen meist frei belassen oder nur mit einem zarten Lavis versehen ist. Im Gegensatz zum Herbstbild kommt allerdings bis auf wenige Partien wie das Grab, an dem eine Beimischung von Beinschwarz festgestellt wurde, nun vornehmlich wieder Sepia zum Einsatz.54 Hinsichtlich der Gesamtkomposition und der Wiedergabe der landschaftlichen Umgebung ist der Winter anders als die drei ersten Blätter deutlich stärker auf Nahsicht angelegt, wenngleich die Figur des alten Mannes entfernter erscheint als die spielenden Kinder im Frühling. Der Bildraum wird nahezu vollständig durch die mächtige, die Szene beherrschende Gestalt der Klosterruine und das nebenstehende in den Himmel ausgreifende Baumpaar ausgefüllt. Wie sehr Friedrich den Aufbau des Bildes durchdachte, macht eine Vorzeichnung deutlich, die sich zum Winter erhalten hat (Abb. 87). Es handelt sich um einen detailgenau angelegten Entwurf, der Konstruk­ tionslinien und Ritzungen aufweist, so etwa im Bereich der Horizontlinie. Er zeigt eine zweite Person neben dem Grab, wie sie im Hamburger Winterblatt von 1826 auftritt. Sie könnte für die spätere Folge nachträglich hinzugefügt worden sein, worauf auch der Gebrauch einer anderen Bleistiftstärke hinweist. Die Ritzungen und Graphitreste auf der Rückseite sowie Übereinstimmungen im Format lassen auf eine Verwendung dieser Vorzeichnung als Karton, sehr wahrscheinlich sogar für beide Winterbilder, schließen.55 Betrachtet man alle Blätter des Berliner Zyklus’ als zusammenhängendes Ganzes, lässt sich der dem Zeitenwandel eingeschriebene Verlauf nicht nur an den Veränderungen der Natur im Wechsel der Tages- und der Jahreszeiten oder am voranschreitenden Alter des Bildpersonals ablesen. Eine Entwicklung wird auch an anderen, die Szenen verbindenden Elementen wie etwa dem Motiv des Wassers sichtbar, das im Frühling zunächst in Form eines kleinen Baches präsent ist, in Sommer und Herbst zu einem breiten Strom heranwächst und im Winter schließlich in ein

54 Siehe Brückle/Glück 2006, S. 40. 55 Dazu u. a. Busch 2017, S. 135 und Grummt 2011, Bd. 1, S. 364 f., Kat. Nr. 364, hier insb. S. 365. Ebenso sieht Sumowski es als Vorzeichnung für beide Fassungen; Sumowski 1970, S. 150 sowie ders.: Zur Frage der Repliken bei Caspar David Friedrich, in: Kat. Dortmund 1990, S. 42–33, hierzu S. 47. Von Einem wertet das Blatt lediglich als Vorstudie für den Winter von 1803 (Von Einem 1938, S. 49), Börsch-Supan als Anlage der von ihm auf 1807 datierten zweiten Zyklusfassung (Börsch-Supan 2006, S. 37 m. Anm. 12), Von Prybram-Gladona wiede­ rum als Entwurf der Hamburger Sepiazeichnung (Von Prybram-Gladona 1942, S. 115).



Die Entfaltung des Zeitenmotivs

Meer mündet. Derartige Beobachtungen hielten auch bereits Friedrichs Zeitgenossen fest.56 Während das Motiv des Wassers im Laufe des Zyklus’ anwächst, verringert sich demgegenüber die Anzahl der abgebildeten Figuren von anfänglich fünf auf schließlich eine Person in Gestalt des einsam am Grab sitzenden Greises. Als ein weiteres, sich im Ablauf des Zyklus’ entwickelndes Motiv lässt sich da­­ rüber hinaus die in den Szenen sichtbare Architektur anführen, die im Frühling noch fehlt, sich dann aber von einer Laube im Sommer, die an das von Vitruv geprägte Konzept der ‚Urhütte‘ als Ausdruck eines naturverbundenen Ursprungszustandes denken lässt,57 über das Bild einer prachtvollen Stadt im Herbst bis zu einer übergroßen, verfallenen Ruine steigert und insofern auch einen zivilisatorischen Prozess nachzeichnet.58 Eine besondere Rolle spielen auch die Elemente der Natur und ihre Anordnung innerhalb der Bilderfolge. So ist jede Szene durch eine Gruppe von Bäumen jeweils anderer Art gekennzeichnet, die kompositionell der üblichen Leserichtung folgend von der linken Bildhälfte im Frühling zur rechten im Winter wandern und sich in ihrem Erscheinungsbild der jeweiligen Jahreszeit und dem fortschreitenden Lebensalter anpassen: von jungen Sträuchern im Frühling über das hochaufragende schlanke Baumpaar aus Pappel und Birke im Sommer und die dickstämmigen Bäume mit voller Krone im Herbst bis hin zu den kahlen, skelettartigen und knorrigen Stümpfen im abschließenden Winterblatt. Nicht zuletzt entfaltet sich auch die Landschaft zunehmend und wird komplexer. Beginnend mit einer flachen Ebene über ein hügeliges Tal bis zu einem felsigen Gebirge wächst sie kontinuierlich an und erobert den Bildraum, während die Himmelszone nach und nach kleiner wird. Ein Verlauf zeichnet sich darüber hinaus aber auch im Einsatz der gestalterischen Mittel ab, der mit der inhaltlichen Ebene in Bezug gesetzt wird. So nimmt die Farbintensität der monochromen Sepien ausgehend von einer lichten, nahezu blassen Erscheinung bis hin zu einer wesentlich kräftigeren und dunkeltonigen Anmutung graduell zu, wodurch die Ausdrucksqualitäten der jeweiligen Jahreszeit auch formal unterstützt werden. Mit der Abstufung der Tonwerte ändern sich auch Zeichenweise und Farbauftrag; die Szenen erfahren eine zunehmende Verdichtung. Während der Frühling nur zarte Lavierungen und einen insgesamt reduzierten, tupfenden Einsatz der Farbe aufweist, gewinnen die nachfolgenden Szenen an Farbkraft und sind durch einen stärker flächigen Auftrag der Tinte gekennzeichnet. Das Lavis entwickelt sich hier im Grunde analog zum Motiv des Wassers, das von Blatt zu Blatt

56 Siehe etwa die Aufzeichnungen der Malerin L. Seidler bei Uhde 1922, S. 42 oder die Deutung von Schubert 1808, S. 304 u. 306 f. 57 Siehe dazu genauer Joachim Gaus: Die Urhütte. Über ein Modell in der Baukunst und ein Motiv in der bildenden Kunst, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 33 (1971), S. 7–70. Im 16. und 17. Jh. findet sich das Motiv der Hütte oftmals in Verbildlichungen des Silbernen Zeitalters; siehe ebd., S. 49–51. Zum Vorkommen bei Friedrich siehe dort zudem S. 57 f. 58 P. Märker interpretiert diese Beobachtung kulturhistorisch als Abfolge verschiedener Epochen der Menschheitsgeschichte; siehe Märker 2007, S. 79.

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anwächst und mehr Fläche einnimmt. Insgesamt erscheinen die einzelnen Szenen, wie bereits am Beispiel der Baumgruppen deutlich wurde, vor allem hinsichtlich ihrer Gestaltung sowie der Anordnung und der proportionalen Verhältnisse der jeweils dargestellten Naturelemente stark durchkomponiert. Unterstützt wird dieser Eindruck durch eine jeweils variierende Lichtführung und einen Perspektivwechsel, der innerhalb der Abfolge der Szenen zwischen Nah- und Fernsicht, Breiten- und Tiefenraum changiert.59 Aufgrund dieser besonderen Bildstruktur und gestalterischen Anlage der Motive bezeichnet Schulze Altcappenberg den Zyklus als „Schnittstelle im Werk Friedrichs von der abbildhaften zu einer ästhetisch durchdachten, allegorisch aufgeladenen und konstruktiv durchgeformten Landschaft“.60

Die Erweiterung des Zyklus’: Die Bilderfolge von 1826 Die rund zwanzig Jahre später ebenfalls in Sepiamanier ausgeführten Jahreszeiten und Lebensalter des Menschen in der Hamburger Kunsthalle fügen der ersten Umsetzung drei weitere Szenen hinzu, eine am Anfang und zwei am Schluss (Abb. 88, 93 und 94). Hierdurch wird die zyklische Viererstruktur der früheren Fassung aufgebrochen. Die vier Kernmotive der erweiterten Folge, Frühling – Morgen – Kindheit, Sommer  – Mittag  – Jugend, Herbst  – Abend  – Reife und Winter  – Nacht  – Alter (Abb. 89–92), sind an die Bildfindungen der Version von 1803 angelehnt, variieren diese in Teilen aber auch. So ändert sich beispielsweise die Anzahl der abgebildeten Figuren, die im Berliner Zyklus von fünf auf letztlich eine Person sukzessive abnimmt, nun zugunsten einer durchgehenden Darstellung von Zweierpaaren. Im Frühling (Abb. 89) strecken zwei kleine Kinder am Ufer eines Bachlaufes, das eine sitzend, das andere hinter ihm stehend, ihre Arme der Sonne entgegen. Im Hintergrund erheben sich mittig drei nebeneinander angeordnete fast blattlose, hohe Sträucher, hinter denen sich eine flache regelmäßige Hügellandschaft abzeichnet. Vögel und Schmetterlinge fliegen zwischen den Sträuchern hindurch. Im Sommer (Abb. 90) erkennt man das einander zugewandte Liebespaar wieder, hier allerdings nicht in einer Laube, sondern unter zwei hochaufragenden Bäumen, die das Paar zu den Seiten hin einrahmen. Links vor den beiden erscheinen erneut die zwei bereits aus dem früheren Zyklus bekannten schnäbelnden Tauben. Durch die Bäume, die die Bildmitte einnehmen, wird der Blick auf zwei Häuser im Hintergrund sowie eine weite, leicht hügelige Flusslandschaft gelenkt. Die ähnlich dem Berliner Blatt wesentlich dunkler anmutende Herbstszene (Abb. 91) weicht motivisch am deutlichsten von der früheren Version von 1803 ab. Im Gegensatz zu der menschenleeren Szene des ersten Zyklus’ zeigt sie nun ein Paar aus Mann und Frau in einer Gebirgslandschaft. Hand in Hand wandern die beiden in Rückansicht dargestellten Figuren einer Stadt mit einem mar-

59 Siehe dazu auch Hofstätter 1974, S. 826. 60 Schulze Altcappenberg 2006, S. 22.



Die Entfaltung des Zeitenmotivs

kanten Kirchenbau an einem breiten Fluss oder See entgegen.61 Die Frau hebt grüßend beziehungsweise auf die Anhöhen weisend ihren linken Arm.62 Rechts am Wegesrand sieht man ein Kriegerdenkmal in Form eines von Statuen umgebenen Obelisken mit einem Sarkophag. Der Mann ist mit Helm und einer Lanze gerüstet, die ihm zugleich als Spazierstock dient. Anders als im Berliner Blatt wird der Ausblick hier nicht weitläufig in die Ebene geöffnet, sondern ist durch die Berge auf der linken Seite verstellt. Die zerklüftete, spärlich mit Tannen bewachsene Landschaft wird deutlich stärker an den Betrachter herangerückt als im früheren Zyklus. Als Weiterführung der beiden schnäbelnden Tauben in der Sommerszene erkennt man nun zwei Adler am wolkendurchzogenen Himmel, die den die Folge bestimmenden Ge­­ dan­ken des Menschenpaares aufgreifen. Das Winterbild (Abb. 92) schließlich unterscheidet sich am wenigstens von der Berliner Fassung. Es ist lediglich eine weitere Person hinzugekommen, die in Kaftan und Turban vor der dominierenden Klosterruine neben dem kahlköpfigen Greis der früheren Version am Grab sitzt. Das Paar wird vom einfallenden Mondlicht angestrahlt und wirft kurze Schatten. Aus dem offenen Grab ragt der Griff einer Schaufel hervor. Nur leicht variiert wird außerdem das Erscheinungsbild der Ruine im Hintergrund. Im Vergleich zum Viererzyklus von 1803 treten drei zusätzliche Motive hinzu, die die vier Kernszenen erweitern. Den Auftakt bildet die Ansicht eines Gischt schäumenden Meeres, über dem die Sonne aufgeht (Abb. 88). Der Bilderfolge nachgeschaltet sind die Darstellung einer Tropfsteinhöhle mit zwei Skeletten (Abb. 93), die inmitten strukturreicher Gesteinsformationen aus Stalagmiten und Stalaktiten nebeneinander in einer lichten Aussparung liegen und von der Höhle wie in einem Grab umschlossen werden, sowie das Schlussmotiv zweier in Andacht gezeigter Engel in den Wolken (Abb. 94). Mit Blick auf die erzählerische Abfolge der Szenen stellt ­Werner Hofmann hier eine deutliche „Diskontinuität“ fest, die er als charakteristisches Merkmal des späteren Zyklus’ bestimmt. So ließen sich etwa zwischen dem ersten und dem zweiten Blatt, zwischen Sommer und Herbst sowie zwischen dem vorletzten und dem letzten Motiv Einschnitte im Sinne eines Umschlagens von einer unbelebten Urmaterie in belebte Natur, von Idylle in düstere Selbstreflexion, von irdischer in himmlische Sphäre und von Vergänglichkeit in Erlösung erkennen, die der Serie einen „zwiespältige[n] Eindruck“ verliehen.63 Auf formaler Ebene wird wie beim Berliner Zyklus auch in der rund zwanzig Jahre später entstandenen Version eine modale Durchbildung der Szenen etwa

61 Im Gegensatz zum Herbst von 1803 ist laut Sumowski in der abgebildeten Kirche keine Kirche in Dresden, sondern der Meißner Dom dargestellt; Sumowski 1970, S. 150. 62 Aus diesem Grund wurde die Szene mehrfach auch als Abschied gedeutet; so etwa von Koerner 1998, S. 251. Hofmann deutet die Darstellung christlich im Sinne des sich trennenden menschlichen Lebensweges und Tugendpfades; siehe Werner Hofmann: Caspar David Friedrich. Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit, München 2000, hierzu S. 209. 63 Ebd., S. 218 f.

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anhand der Veränderung der Pinselführung oder der Zunahme an Farbintensität sichtbar, die mit der inhaltlichen Entwicklung einzelner Motive einhergeht.64 Ebenso zeigen sich erneut Friedrichs wohlkalkulierte Kompositionsweise und ordnende Strukturierung des Bildaufbaus. So sind die Bäume in Frühling und Sommer auffallend an der vertikalen Mittelachse des Bildes ausgerichtet. Besonders deutlich wird die konstruktive Anlage der Darstellungen im Anfangsmotiv (Abb. 88). Himmel und Wasser teilen die Ansicht hier waagerecht in zwei gleich große Hälften. Entlang des mittig verlaufenden, die beiden Bereiche scheidenden Horizonts sind bei näherer Betrachtung feine, mit Bleistift gezeichnete Konstruktionslinien zu erkennen, die von der Mittellinie aus nach oben und unten ausstrahlen und sich in zunehmend spitzer werdenden Winkeln pfeilartig zu den äußeren Rändern der Zeichnung hin bewegen. Geometrisch abstrahiert vergegenwärtigen sie die Strahlwirkung und Brechungen des Sonnenlichts.

Sommer und Winter als Gegensatz: Die Ölgemälde von 1807/1808 Neben den Zeichnungen in Sepiamanier griff Caspar David Friedrich das Motiv der Jahreszeiten auch in gemalten Ausführungen auf, die kurze Zeit nach dem Berliner Zyklus in den Jahren 1807 und 1808 entstanden. Dabei konzentrierte er sich auf die Hauptjahreszeiten Sommer und Winter, die er als Gegensatzpaar kontrastierend gegenüberstellte.65 Zugleich handelt es sich um zwei der ersten, großformatigen Versuche Friedrichs auf dem Gebiet der Ölmalerei, weshalb die beiden Werke, wie bereits Karl Wilhelm Jähnig hervorgehoben hat, „von besonderer Bedeutung für das Werden seiner Kunst [sind]“.66 Der Sommer (Abb. 95) nimmt in seiner Anlage unmittelbaren Bezug auf die Sepiafassung von 1803 mit ihrer weiten, talartigen Flusslandschaft und dem Liebespaar in der Laube, die der Künstler mit nur leichten Variationen nahezu übereinstimmend wiederholt. So erscheint der Bildausschnitt insgesamt nach rechts erweitert, wodurch die zentrale Baumgruppe aus Birke und Pappel weiter nach links in Richtung Bildmitte rückt. Zudem werden die Proportionen und die Verhältnisse der Naturelemente untereinander geschärft: Das zentrale Baumpaar ragt höher und deutlich schlanker in den Himmel; der Hügel in der rechten Bildhälfte gewinnt an Größe, während die ihn bekrönenden Sträucher verkleinert werden. Im Gegensatz

64 Siehe auch die Beschreibung von Platte 1961, insb. S. 12 f. 65 Es ist unklar, ob Friedrich auch für die übrigen Szenen eine Umsetzung in Öl plante. Zumindest suggeriert dies Ch. A. Semler in seiner Besprechung der beiden Gemälde; siehe Christian August Semler: Klinsky’s allegorische Zimmerverzierungen und Friedrichs Landschaften in Dresden, in: Journal des Luxus und der Moden 23 (März 1808), S. 179–184, hier S. 184. Zur Wirkung der Gemälde als Pendantpaar siehe auch Rautmann 1979, S. 31–47 sowie Koerner 1998, S. 247–251. 66 Jähnig 1927/1928, S. 257.



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95 Caspar David Friedrich, Der Sommer, 1807, Öl auf Lw., München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek

zur Sepiazeichnung ist die die Bildfläche ausfüllende Flora nun detaillierter ausgearbeitet und wird differenziert wiedergegeben, wodurch sich einzelne Pflanzen wie Sonnenblumen, Apfelbüsche oder Weinreben genau ausmachen lassen. Ebenso verändert ist die Positionierung des Liebespaares in der Laube, dessen Umarmung noch inniger wirkt. Hinzu kommt schließlich die gegenüber der monochromen Sepiafassung nun farbige Gestaltung der Szene, die ihren Ausdruck verändert.67 Das Gemälde weist dabei eine zarte und warme Farbigkeit auf, die eine atmosphärische Wirkung entfaltet und den Betrachter die für die Jahreszeit typische Hitze, die flirrende Luft und das milde Licht nachspüren lässt. Anders als das Sommerbild setzt sich das Wintergemälde (Abb. 96), das 1931 dem Brand des Münchner Glaspalastes zum Opfer fiel und allein durch SchwarzWeiß-Fotografien bekannt ist,68 kompositionell deutlich von der Berliner Sepiafassung ab. Als Gegenstück zum Sommer konzipiert, zeigt es in frappantem Kontrast einen gebückt in einer winterlichen Landschaft wandernden Mönch. Im Hintergrund

67 Dass Friedrich nach dem Wechsel zur Ölmalerei über die Farbe bestimmte Bedeutungen zu transportieren versuchte, beschreibt Semler: „Seitdem Friedrich in Oel malt, hat er an den Farben ein neues Mittel zu allegorischen Andeutungen gewonnen, wovon er sich viel verspricht.“; Semler 1808, S. 183. 68 Angaben zur Farbigkeit des Bildes finden sich bei Jähnig, der die zurückhaltende Farbgestaltung des Sommers nicht etwa auf die Wiedergabe einer sommerlichen Atmosphäre bezieht, sondern darin vielmehr Friedrichs Debütantentum in der Technik der Ölmalerei erkennen will; siehe Jähnig 1927/1928, S. 257.

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96 Caspar David Friedrich, Der Winter (1931 verbrannt), 1807–1808, Öl auf Lw., ehemals München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek

wird die Ruine wieder aufgegriffen, deren wirkmächtige Größe in Verbindung mit der dominierenden Präsenz der sie umgebenden kahlen Baumstümpfe die Figur des einsamen Mönches vergleichsweise klein erscheinen lässt. Der Ausdruck von Einsamkeit, Melancholie und der Übermacht der Natur steht dabei der lebensbejahenden Ausstrahlung des Pendantbildes gegenüber, die aus der Zweisamkeit des Paares im Einklang mit der umgebenden, aufblühenden Natur herrührt, wodurch die heitere Stimmung des Sommers zugleich wieder getrübt wird. Die Landschaftsauffassung Friedrichs, wie sie in den beiden Gemälden zu Tage tritt, unterscheidet sich dabei deutlich von der barocker Künstler, allen voran den idealen Landschaftsbildern Claude Lorrains, der wohl als erster tageszeitlich geprägte Naturstimmungen in Form von Gegensatzpaaren wiedergab. Ein bekanntes Beispiel sind in dieser Hinsicht zwei Szenen aus dem Alten Testament, Die Verstoßung der Hagar (Abb. 97) sowie Hagar und Ismael in der Wüste. Claudes eigene Titelbezeichnungen, die zu beiden Werken überliefert sind, benennen die jeweils abgebildete Tageszeit: „Abraham et Agar qui est le soleil Levan“ und „L’Ange qui montre la fontaine a Agar qui rapresente apres midy“.69 Gegenübergestellt werden zwei unterschiedlich aufgefasste Naturszenen, auf der einen Seite eine bebaute und von Menschen kultivierte Ebene bei Sonnenaufgang, auf der anderen Seite eine kaum erschlossene, felsige und wildnisartige Landschaft am Nachmittag bei Dämmerlicht. Die spiegelbildliche Anordnung der Figurenstaffage schafft dabei eine zusätzliche Verklammerung des Bildpaares. Während Friedrich in seinen Pendantgemälden aus Sommer und Winter die Gegensätzlichkeit der Szenen und der landschaftlichen Stim69 Siehe dazu Johann Joseph Morper: Johann Friedrich Graf von Waldstein und Claude ­Lorrain, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, 12 (1961), S. 203–217, hier S. 206; zu den Werken auch Roethlisberger 1961, Bd. 1, S. 406–409 Kat. Nr. LV 173 und 174.



Die Entfaltung des Zeitenmotivs

97 Claude Gellée, gen. Le Lorrain, Die Verstoßung der Hagar, 1668, Öl auf Lw., München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek

mungen hervorhebt, geht es bei Claude vielmehr um den Ausgleich der inhaltlichen Spannungen und die Überwindung der Kontraste. So weist die Szene der Verstoßung (Abb. 97) durch die kompositionelle Anordnung der Figuren bereits auf die Errettung der Hagar und ihres Sohnes voraus. Das positive Ereignis der Erlösung ist zudem in der kargen Umgebung der Wüste angesiedelt, während die negative Tat der Verstoßung durch eine positiv konnotierte, fruchtbare Landschaft aufgefangen wird. Nicht zuletzt zeigt sich der Unterschied zwischen Friedrich und Claude auch in der Art der Wiedergabe der Landschaft. Während bei Friedrich eine eher flächige Auffassung vorherrscht, die den Bildraum in verschiedene nicht miteinander verbundene Ebenen staffelt, präsentiert Claude die Landschaft als geschlossenes harmonisches Ganzes. So verfolgt er durch die integrierende Einbettung der figürlichen Staffage und die ausgewogene Lichtregie, die beide Szenen in gleicher Weise erhellt, das Raumkontinuum jeweils gleichmäßig durchdringt und so Nah- und Tiefenraum miteinander verschränkt, die Einheit von Ort, Zeit und Handlung, die durch die biblische Erzählung zugleich eine Überhöhung erfährt.70 Betrachtet man bei Friedrich wiederum die Komposition der beiden Ölgemälde genauer, so lassen sich ähnlich wie im Sepiazyklus auch hier Auffälligkeiten in 70 Zu einem Vergleich der Landschaftsauffassungen beider Künstler siehe auch bereits Börsch-Supan 1960, S. 22–25 und Rautmann 1979, S. 41 f. Zur Abgrenzung Friedrichs von der klassischen Landschaftstradition siehe ferner Schulze Altcappenberg 2006, S. 19.

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der Bildstruktur beobachten. Werner Busch merkt in diesem Zusammenhang an, dass im Vergleich zur zeichnerischen Ausführung gerade in der Sommerszene „die Dinge in der gemalten Variante zurechtgerückt worden sind“.71 Insbesondere weist er da­rauf hin, dass sich das zentrale Baumpaar im Ölgemälde im Goldenen Schnitt befinde, wodurch der Bildaufbau „als angenehm empfunden“72 und der Eindruck von Harmonie und Idylle auch auf formaler Ebene unterstrichen werde. Wenngleich Christian Scholl eine derartige verallgemeinernde Deutung des Goldenen Schnitts, auf die sich Busch auch bei anderen Werken Friedrichs stützt, in Zweifel zieht,73 lässt sich dennoch aufgrund der Verwendung eines solchen Gestaltungsmittels festhalten, dass der Künstler die Komposition seiner Jahreszeitenwerke, sowohl in den Zeichnungen als auch in den gemalten Versionen, sichtbar kalkulierte und derartige Mittel bewusst zur Hervorhebung bestimmter Elemente nutzte. Welches Potenzial Friedrich selbst in der formalen Erscheinung von Bildern sah, kommt in einer seiner Äußerungen in Bezug auf das Werk eines nicht näher benannten Künstlers zum Ausdruck, dass nämlich „hier in diesem Bilde [ist] durch Farbe und Gestaltung ausgesprochen [werde], was das Wort nicht wiederzugeben vermag.“74 Dieser Aspekt wird umso deutlicher, stellt man Friedrichs Werke dem Zeitenzyklus seines drei Jahre jüngeren Malerkollegen Philipp Otto Runge gegenüber, der Friedrich mit der Thematik zyklischer Zeitabläufe in Berührung brachte.

Konstruierte Zeiten: Komposition, Allegorisierung und der neue Stellenwert der Landschaft bei Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge Bei der Betrachtung der Friedrichschen Jahreszeitenbilder kann ein Vergleich mit den Motivschöpfungen Runges nicht ausbleiben, stehen die Werke der beiden Künstler nicht nur zeitlich in einem engen Zusammenhang.75 Von Runge erhielt Friedrich wohl auch den Impuls zu einer Auseinandersetzung mit dem Zeitenthema. So lässt sich auf Runge etwa das Motiv der nackten Kinder zurückführen, die in Friedrichs Frühlingsdarstellungen von 1803 und 1826 auftreten, ansonsten aber, wie Helmut 71 Busch 2017, S. 135. Siehe auch bereits Busch 2006, S. 35 f. 72 Busch 2017, S. 136. Gleiches gelte im Übrigen auch für den Winter des Berliner Zyklus’, in dem sich laut Busch die Horizontlinie auf der unteren Waagerechten des Goldenen Schnitts befinde. In gleicher Weise macht der Autor das Kompositionsschema des Goldenen Schnitts in zahlreichen weiteren Werken Friedrichs fest und erklärt es zum „wichtigste[n] Teilungsprinzip“ von Friedrichs Schaffen; Busch 2003, S. 27 f. sowie auch S. 101 f. 73 Vgl. Scholl 2007, S. 133. 74 Caspar David Friedrich zit. nach Aubert 1905, S. 259. 75 Siehe zur Rezeption des Verhältnisses der beiden Künstler in der Literatur auch Scholl 2007, S. 186–188.



Konstruierte Zeiten

98 Philipp Otto Runge, Der Tag (aus: Die Zeiten), 1807, Radierung und Kupferstich, New York, The Metropolitan Museum of Art

Börsch-Supan bemerkt,76 im Œuvre des Künstlers nicht vorkommen. In der Sommerszene von 1803 (Abb. 82) scheint Friedrich zudem das Motiv der Laube aufzugreifen, das Runge für seine Darstellung Der Tag (Abb. 98) entwickelte. Runge wiederum erwarb 1803 von Friedrich zwei als „Morgen“ und „Abend“ betitelte Zeichnungen mit Ansichten der Insel Rügen.77 Beide Künstler treffen erstmals im Mai 1801 in Greifswald, der Heimatstadt Friedrichs, aufeinander, bevor sie sich ab Juli  1802 regelmäßig in Dresden begegnen.78 Im Winter 1802 beginnt Runge mit der Arbeit an seinem Zyklus der Vier Zeiten.

76 Siehe Börsch-Supan 2006, S. 25. In einer früheren Publikation sah Börsch-Supan hingegen noch keine „direkte künstlerische Beeinflussung“ Friedrichs durch Runges Zyklus: Börsch-­ Supan/Jähnig 1973, S. 22. Auf die Bezüge zwischen den Bildideen Runges und dem Frühlingsblatt von Friedrich weist zudem bereits Sumowski hin; siehe Sumowski 1970, S. 142 f. Siehe ferner Busch 1995, S. 25. 77 So Runge in einem Brief vom 6. April 1803 an seinen Bruder Daniel; Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hg. von dessen ältestem Bruder, 2 Teile, Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1840/1841, Göttingen 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des 19. Jahrhunderts), hier: Teil 2, S. 208. Jähnig und Börsch-Supan erkennen in den im Brief erwähnten Sepien die Aussichten von Rugard nach Jasmund und Putbus; vgl. Börsch-Supan/Jähnig 1973, S. 274 f., Kat. Nr. 100 u. 101. 78 So u. a. Börsch-Supan 2006, S. 25. Siehe zudem Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975 (Jahresgabe des Deutschen Vereins

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Bis Juli  1803 entstehen zahlreiche detaillierte Zeichnungen, die er 1805 und 1807 zudem in zwei Kupferstich-Auflagen umsetzen ließ.79 Ab 1808 beginnt er darüber hinaus, die zeichnerischen Vorlagen zum Morgen in leicht abgewandelter Form in Öl zu übertragen, wobei die zweite Ausfertigung, der sogenannte Große Morgen, durch seinen frühen Tod unvollendet blieb. Entgegen ihrer ursprünglichen Konzeption als einfache Wanddekorationen wurden die Zeiten bald zu der zentralen Schöpfung im Œuvre des Künstlers und dem „wohl komplexeste[n] bildkünstlerische[n] Werk der deutschen Romantik“,80 in das der Maler nach eigener Aussage seine „ganze Idee der Kunst“81 legte. In einem Brief vom März 1806 bringt Runge zum Ausdruck, wie sehr ihn das Thema des Zeitenlaufs und sein Erleben im Wandel der Natur beschäftigten: Mir rauscht das Jahr in seinen vier Abwechselungen: blühend, erzeugend, gebärend und vernichtend, wie die Tageszeiten so beständig durch den Sinn, daß meine einzige Sehnsucht nach diesem ewig fortwährenden Wunder sich ebenso immer von neuem erzeugt, und nach Künstlerweise sollte dann das lezte [sic] immer der Frühling seyn, die blühende Zeit, welche gerettet aus der vernichtenden hervorgegangen, und irdischer Weise wieder andre Zeiten erzeugt.82

Wie die Passage deutlich macht, verstand der Künstler die Abfolge der Zeiten als sich stetig erneuernden, zyklischen Prozess, was er auch in seinen Darstellungen umzusetzen versuchte. Als thematischen Ausgangspunkt wählte er das Motiv der Vier Tageszeiten, das er wie später Friedrich durch andere quaternäre Ordnungen ergänzte. Laut Runges Bruder Daniel spiegeln sich auf diese Weise in den Werken ins-

für Kunstwissenschaft 1976/77; Studien zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Sonderband), S. 16 u. S. 18 mit genaueren Angaben zur Biographie Runges. Zur Begegnung beider Künstler in Dresden siehe auch Runges Brief an seinen Bruder Daniel vom 27. Juli 1802; abgedruckt in Runge 1965, Teil 2, S. 143. 79 Zu Runges Zeiten und ihrer Genese siehe u. a. Stephan Waetzoldt: Philipp Otto Runges „Vier Zeiten“. Die Radierungen und die Gemälde des „Kleinen“ und „Grossen Morgen“, Hamburg 1951 (Diss. phil. Universität Hamburg), S. 1–118; ders.: Philipp Otto Runges „Vier Zeiten“ und ihre Konstruktionszeichnungen, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (1954– 1959), S. 234–247; Traeger 1975, v. a. S. 343–361; Jens Christian Jensen: Philipp Otto Runge. Leben und Werk, Köln 1977, S. 114–130; Heike Scheel: Die erlösende Kraft des Lichts. Philipp Otto Runges Botschaft in den vier Blättern der „Zeiten“, Bern u. a. 1993; Hanna Hohl: Philipp Otto Runge. Die Zeiten, in: Kat. Amsterdam 1995, S. 9–16; dies.: Philipp Otto Runge. Die Zeiten – Der Morgen, Hamburg 1997 und Christian Scholl: Die Zeiten 1802–1807, in: Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik, hg. von Markus Bertsch u. a., Ausst.-Kat., Hamburger Kunsthalle und Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, München 2010, S. 138–154 Kat. Nr. 88–105. 80 Scholl 2010, S. 138. 81 Philipp Otto Runge in einem Brief vom 13. Januar 1803 an seinen Vater; Runge 1965, Teil 1, S. 29. 82 Runge an Karl Schildener, Hamburg im März 1806; ebd., Teil 1, S. 66.



Konstruierte Zeiten

gesamt fünf Ebenen wider: Neben den Tageszeiten scheinen, wenngleich weniger deutlich, die Jahreszeiten durch, ferner die „Lebenszeiten“ und die „Weltzeiten […] zusammen mit 5. Zeit und Ewigkeit, oder dem religiösen Standpuncte für das Ganze“.83 Die einzelnen Szenen setzen sich aus verschiedenen, größtenteils floralen Elementen zusammen, die der Künstler unter Verzicht auf eine Erzeugung landschaftlicher Räumlichkeit ins Ornamentale und Arabeskenhafte stilisiert. Kernmotiv ist jeweils eine mittig aufsteigende Säule aus Pflanzenteilen und Blüten, die sich oberhalb zu den Seiten hin entfaltet und wieder absinkt. Sie wird wahlweise mit kindlichen Genien, Engeln oder erwachsenen weiblichen Gestalten belebt, die die Blätter besetzen oder selbst die Säule formen. Im Morgen wächst mittig eine Lilie empor, die sich unterhalb in Rosen ergießt. Im Tag (Abb. 98) wird dieses Motiv durch eine Laube in der unteren Bildhälfte ergänzt, in der eine Mutter mit ihren Kindern Caritas-­ ähnlich thront. In Abend und Nacht wird die Lilie durch Rosen und – in Analogie zum Schlaf – durch Mohnblumen ersetzt, zu denen in der Nacht eine Fülle weiterer Blüten hinzutritt. Mit Lilie und Rose greift Runge auf eine Symbolik Ludwig Tiecks zurück, der die beiden Pflanzen als Sinnbilder der irdischen und der himmlischen Liebe auffasste.84 Eine ähnliche Symbolik scheint im Übrigen auch bei Friedrich durch, folgt man der Beschreibung Schuberts zum Sommer.85 Kompositionell rhythmisiert Runge den Zyklus, indem er Morgen und Abend sowie Tag und Nacht kontrastierend aufeinander bezieht. Die Rosen, die im Morgen fast unmerklich aus den herabsinkenden Lilienkelchen fallen, treten im Abend dominierend hervor. Die vom Morgenstern bekrönte Dreiergruppe aus Genien, die im Morgen in der oberen Bildhälfte erscheint, wird im Pendantmotiv nach unten verlagert, während oberhalb die Personifikation des Abends schützend ihren Mantel über der Szene ausbreitet. Ebenso sind Tag und Nacht als Gegenstücke angelegt. Hier wiederholt sich beispielsweise das Motiv der Laube, das Runge 1803 in einer Ölstudie und der Federzeichnung Mutter Erde mit ihren Kindern nochmals isoliert darstellte.86 Die im Tag dominierende Personifikation der Erde als nährende Mutter, welche die untere Bildhälfte einnimmt, findet ihre Entsprechung im Pendantbild in der oberhalb

83 Daniel Runge: Nachrichten von dem Lebens- und Bildungsgange des Mahlers Philipp Otto Runge, in: ebd., Teil  2, S. 443–512, hier S. 472–474. Zu einer eigenen Erklärung des Zeiten­ zyklus’ durch den Künstler selbst siehe seinen Brief vom 30. Januar 1803 an seinen Bruder Daniel; ebd., Teil 1, S. 31–33. 84 Siehe dazu insb. Tiecks Stück Kaiser Octavianus; Ludwig Tieck: Kaiser Octavianus. Ein Lustspiel in 2 Theilen, Kreuznach 1805, hierzu v. a. S. 25. Siehe zudem Runges Brief an Ludwig Tieck vom 1. Dezember 1802 über die Aussagekraft der Blumensymbolik; Runge 1965, Teil 1, S. 24 f. Zum späteren Wandel im Verhältnis zwischen Tieck und Runge und der zunehmenden Entzweiung ihrer Ansichten siehe genauer Scholl 2007, S. 231. 85 So Schubert 1808, S. 304 f.: „Dort wo die Lilie der Rose sich vermählt, wo jene schlanken Bäume mit dunkelgrünen Zweigen sich umfassen, schlingt die jugendliche Liebe ihren Arm um uns.“ 86 Siehe dazu u. a. den Eintrag in Kat. Hamburg/München 2010, S. 155–157 Kat. Nr. 106–107.

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thronenden Verkörperung der Nacht. Darüber hinaus wechselt auch die Perspektive von einem weiter entfernten Standpunkt in Morgen und Abend, der einen Teil der Erdkugel am unteren Bildrand sichtbar werden lässt, zu einem nahsichtigeren Ausschnitt in Tag und Nacht. Die Binnendarstellungen werden dabei von aufwendig gestalteten, ornamentalen Rahmenkompositionen umgeben, die als erläuternder Kommentar fungieren. Durch Symbole wie das Tetragramm im Morgen, das Auge Gottes im Mittag, den Kelch der Eucharistie im Abend oder die Taube in der Nacht erweitern sie den Zyklus christologisch und verleihen den Szenen eine transzendente Dimension. Die Beschreibung der Blätter macht deutlich, dass das Erscheinungsbild der Zeiten das Ergebnis einer intensiven motivischen Auseinandersetzung Runges ist, in deren Verlauf er seine Bildschöpfungen immer wieder überarbeitete, ihre Komposition schärfte und zunehmend verdichtete. Die besondere stilisierende Durchbildung der Szenen zeigt, welche Bedeutung der Künstler dem ausgewogenen Gesamtaufbau und der mathematischen Regeln folgenden, bedeutungsvollen Anordnung der Bildelemente beimaß. In nochmals gesteigerter Form äußert sich dies in seinen Konstruktionszeichnungen und Pflanzenstudien, die er in Vorbereitung der graphischen beziehungsweise der gemalten Umsetzungen entwickelte. Auf regelmäßigen Rastern aus orthogonalen Feldern und Kreislinien vollzieht Runge darin eine geometrische Zerlegung und Schematisierung der Motive. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Linie zu, mit deren Hilfe er die Komposition erschließt und das ‚Charakteristische‘ einer Form zu konkretisieren versucht, wie er es aus seiner Beschäftigung mit der Technik des Scherenschnitts kannte.87 Vergleicht man Runges Zeitenzyklus mit den wenig später entstandenen Sepien Caspar David Friedrichs, gelangen beide Künstler – ungeachtet der erwähnten motivischen Bezüge wie den Kindern in Morgen und Frühling oder der Laube in Tag und Sommer  – sowohl formal als auch inhaltlich zu unterschiedlichen Lösungen: Während für Runge die geometrisch-ornamentale Durchdringung der Natur in Form der von ihm entwickelten abstrahierenden Arabeskenmotive im Vordergrund steht, ist es bei Friedrich die stärker an der Wirklichkeit orientierte, konkretisierte Landschaft. Die Herauslösung und die separate Behandlung der Einzelelemente bei Runge treffen auf eine synthetisierende Raumerschließung bei Friedrich. Die Betonung der Umrisslinie auf der einen Seite steht einer eher malerischen Auffassung auf der anderen Seite gegenüber. Neben diesen Unterschieden auf formaler Ebene erscheinen die Werke auch inhaltlich anders ausgerichtet. Beschwört Runge die harmonische Einheit von Mensch, Natur und Welterfahrung durch das dargestellte Aufgehen des Menschen im Kosmos sowie die Überbrückung der Distanz zwischen Mensch und Gott mit Hilfe der Natur, verweist Friedrich den Betrachter insbesondere im Winterbild

87 Hierzu auch Hohl 1995, S. 14.



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(Abb. 84 und 92) auf die Endlichkeit seiner Existenz und rückt das auf sich allein gestellte Subjekt in seiner Reflexion über sein Dasein in den Mittelpunkt.88 Hinsichtlich der Gestaltung der beiden Zyklen entfernt sich Runge durch das große Gewicht, das er auf das kompositorische Gefüge und die strukturierende Durchbildung seiner Motive legt, allerdings nur vermeintlich von seinem Malerkollegen. Wie die Betrachtung der Friedrichschen Landschaften gezeigt hat, spielt das ästhetischen Prinzipien folgende, kompositorisch durchkalkulierte Erscheinungsbild der Szenen auch bei ihm eine mindestens ebenso große Rolle. So weisen auch seine Werke ein besonderes Arrangement und einen Montage-Charakter auf. Wie Werner Busch treffend festhält, „baut“ Friedrich gleichsam „seine Bilder. Die Bausteine jedoch sind sorgfältig vor der Natur studiert.“89 Mehr noch als bei Runge dienen Friedrich dabei Naturstudien als Grundlage seiner Werke, die er in eine „ästhetische Ordnung“,90 ein Netz aus gestalterischen Mitteln, einfügt und versatzstückartig immer wieder in neue Kontexte überführt. Ein Beispiel hierfür ist das Bergmassiv in der linken Bildhälfte des Herbstblattes seiner Jahreszeiten (Abb. 83), das auch in seinen Sepiaton-Zeichnungen der Zeit um 1804/1805 Gebirge im Nebel und Gebirgslandschaft mit Kreuz erscheint und später im Gemälde Morgennebel im Gebirge von 1808 wiederholt wird.91 Ebenso ist auch die Baumgruppe, die den Vordergrund im Herbst einnimmt, in einer Studie aus dem Juli 1799 vorbereitet.92 Diese integrierende, collageartige Einbettung stets wiederkehrender Einzelmotive lässt sich nicht nur mit Blick auf die Bestandteile der Natur, sondern auch auf den Einsatz ikonographischer Zeichen feststellen, die er in seinen Werken verarbeitet. So hielt Carl Bertuch 1807 in einer Besprechung der Landschaften Friedrichs fest: „sein tiefbewegter Sinn beschäftigt sich vorzüglich gern mit Gräbern, Crucifixen und heiligen Bildern, die er stets auf eine überraschende Art in seine herrliche [sic] Landschaften verwebt.“93 Neben der großen Bedeutung, die Friedrich und Runge der Komposition und wohlkonstruierten Gestaltung ihrer Zeitenfolgen beimessen, ist beiden schließlich noch ein weiterer Aspekt gemein, nämlich die generelle Hinwendung zur Natur und zur Landschaft sowie deren bewusste Aufwertung, selbst wenn Runge den zusam-

88 So auch Börsch-Supan 2006, S. 25. 89 Busch 2006, S. 32. 90 Ebd. 91 Siehe dazu auch Busch 2003, S. 83 f. und ders.: Trennendes und Verbindendes in der Zeichnungsauffassung von Caspar David Friedrich und Julius Schnorr von Carolsfeld, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 29 (2001), S. 99–109, hierzu S. 100–106. Die in Friedrichs Werken vollzogene versatzstückartige Kombination verschiedener Elemente und seine synthetische Landschaftsauffassung beschreibt auch Hofstätter 1974, S. 813. Siehe zudem zuvor S. 220. 92 Siehe die Federzeichnung aus dem Berliner Skizzenbuch I von 1799 bei Grummt 2011, Bd. 1, S. 154 f. Kat. Nr. 131 (Baumgruppe, 24. Juli 1799). 93 Bertuch 1807, S. 268. Scholl spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Friedrichs Gestaltungsweise „an die Herstellung von Collagen“ denken lasse; Scholl 2007, S. 221.

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menhängenden Naturraum in seinen Bildfindungen in dessen Einzelteile aufzulösen sucht.94 Dieses Bedürfnis nach einer Stärkung der Landschaft formulierte Runge in einer viel zitierten Notiz aus dem Februar 1802, also bevor beide Künstler mit der Arbeit an ihren Zeiten begannen. Dabei betonte er vor allem die besondere Rolle und das Potenzial der Landschaftsmalerei für die Entwicklung der Kunst: Die Griechen haben die Schönheit der Formen und Gestalten auf’s höchste gebracht in der Zeit, da ihre Götter zu Grunde gingen; die neuern Römer brachten die historische Darstellung am weitesten, als die Katholische Religion zu Grunde ging: bey uns geht wieder etwas zu Grunde, wir stehen am Rande aller Religionen, die aus der Katholischen entsprangen, die Abstractionen gehen zu Grunde, alles ist luftiger und leichter, als das bisherige, es drängt sich alles zur Landschaft, sucht etwas bestimmtes in dieser Unbestimmtheit und weiß nicht, wie es anzufangen? […] Ist denn in dieser neuen Kunst –– der Landschafterey, wenn man so will, –– nicht auch ein höchster Punct zu erreichen? der vielleicht noch schöner wird wie die vorigen?95

Wenngleich von Friedrich keine Aussagen bekannt sind, die der Landschaft einen derart verheißungsvollen und zukunftsweisenden Rang zusprechen wie Runge ihn sieht, lässt sich durch seinen beständigen Rückgriff auf landschaftliche Szenen und sein Festhalten an diesem Sujet auf eine ähnlich gelagerte Sichtweise schließen.96 Zumindest kritisierte Friedrich den damaligen Zustand der Landschaftsmalerei wie folgt: Ich glaube nicht, dass die Landschaftsmalerei je so würdig aufgefasst und dargestellt worden ist, als es ihrem Wesen nach geschehen könnte und müsste. Aber ich glaube auch, dass sie ihrem Ziele schon näher gestanden als gegenwärtig. […] Noch habe ich kein Bild der neueren Schule (von dem grossen historischen Stil) gesehen, so auf mich einen günstigen Eindruck gemacht hätte, wohl einen quälenden durch das Zusammenpressen der Gegenstände. […] Und endlich einen widrigen Eindruck, weil man nirgends den reinen Willen sieht, die Natur einfach, edel und gross darzustellen wie sie ist, wenn man Sinn, Gemüt und Gefühl hat es zu erkennen und aufzufassen. Wohl aber glaube ich überall das leidige Streben wahrzunehmen alte Gemälde und Kupferstiche nachzuäffen. O! heilige Natur, wie oft musst du der Mode weichen und Menschensatzungen Platz machen – –97 94 Zur Stellung der Landschaftsmalerei in der damaligen Zeit und ihrer programmatischen Aufwertung durch Runge und Friedrich siehe auch Christian Scholl: Revisionen der Romantik. Zur Rezeption der „neudeutschen Malerei“ 1817–1906, unter Mitarbeit von Kerstin Schwedes und Reinhard Spiekermann, Berlin 2012 (Ars et Scientia – Schriften zur Kunstwissenschaft, Bd. 3), S. 79–85. 95 Philipp Otto Runge im Februar 1802 über die Kunstausstellung in Weimar; Runge 1965, Teil 1, S. 7. Siehe zum Landschaftsbegriff Runges auch genauer Hohl 1995, S. 9 f. 96 Dazu auch Scholl 2012, S. 85 f. Zu den Unterschieden in der Landschaftsauffassung bei Friedrich und Runge siehe zudem Scholl 2007, S. 177. 97 Aubert 1905, S. 258.



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Dass Friedrich dies verändern wollte und gegenüber der kritisierten ‚Überfrachtung‘ der Landschaft in den ‚alten‘ Gemälden eine sichtbar andere Richtung einschlug, nahmen auch seine Zeitgenossen wahr, die ihm mehr noch als seinem Künstlerkollegen Runge eine die Landschaftsmalerei erneuernde Position zuschrieben.98 So sei Friedrich „bisher noch immer der einzige geblieben, welcher in landschaftliche Gemälde und Zeichnungen mystisch-religiöse Bedeutungen zu legen versuchte. Er unterscheidet sich übrigens von denen so ähnliches mit Figuren beabsichtigen darin, daß er nicht alte Meister, sondern unmittelbar die Natur nachzuahmen beflissen ist.“99 In gleicher Weise bezeichnete Carl August Böttiger den Künstler als einen „wahre[n] Repräsentant[en] der landschaftlichen Gefühlsmalerei“100 und der Arzt und Naturforscher Carl Gustav Carus unterstrich in seinem Nachruf zum Tode des befreundeten Malers, dessen Bekanntschaft sein Kunstverständnis entscheidend prägte: […], daß in der Landschaftsmalerei namentlich Friedrich es war, welcher mit einem durchaus tiefsinnigen und energischen Geiste, und auf absolut originale Weise, in den Wust des Alltäglichen, Prosaischen, Abgestandenen hineingriff, und, indem er ihn mit einer herben Melancholie niederschlug, aus dessen Mitte eine eigenthümlich neue, leuchtende poetische Richtung hervorhob.101

Diese „poetische Richtung“, also der über das Dargestellte hinausweisende, allegorische Gehalt, den Carus hier für Friedrichs Landschaftsbilder konstatiert, und die Aufladung mit Bedeutung sieht auch Runge als das Potenzial der von ihm postulierten neuen Form der Landschaft an. Die Elemente der Natur sollen dabei die anthropomorphen Personifikationen der Darstellungstradition als Sinnbilder ablösen.102 Schließlich würden die Bestandteile der Landschaft einen „lebendigen Geist, den der Mensch hineinlegt“,103 aufweisen: 98 So z. B. im Nachruf zum Tode Friedrichs von Carl Gustav Carus: Friedrich der Landschaftsmaler, mit Fragmenten aus nachgelassenen Papieren desselben, in: Morgenblatt für gebildete Stände, Kunstblatt, Nr. 86 (27. Oktober 1840), S. 357 f. und Nr. 87 (29. Oktober 1840), S. 362 f. 99 W[eimarer] K[unst] F[reunde]: Neu-deutsche religiös-patriotische Kunst, in: Ueber Kunst und Alterthum in den Rhein- und Mayn-Gegenden 3/2 (1817), S. 49. 100 Böttiger 1826, S. 66. 101 Carus 1840, Nr. 86, S. 357. Zum Verhältnis zwischen Friedrich und Carus, die zunächst befreundet waren, sich später dann aber, auch was das Kunstverständnis betrifft, entzweiten, siehe auch Scholl 2012, S. 219 f. 102 Siehe dazu Runge in einem Brief vom 7. November 1802 an Daniel; Runge 1965, Teil 1, S. 16: „Zuerst bannten die Menschen die Elemente und die Naturkräfte in die menschliche Gestalt hinein, sie sahen nur immer im Menschen sich die Natur regen; das ist das eigentliche historische Fach […]. Jetzt fällt der Sinn mehr auf das Gegentheil.“ Einen Monat später präzisiert Runge diesen Gedanken nochmals in seinem Brief vom 1. Dezember 1802 an Ludwig Tieck; ebd., Teil 1, S. 24. 103 Runge in einem Brief vom 7. November 1802 an Daniel; ebd., Teil 1, S. 16.

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und dadurch wird die Landschaft entstehen, denn alle Thiere und die Blumen sind nur halb da, sobald der Mensch nicht das Beste dabey thut; so dringt der Mensch seine eignen Gefühle den Gegenständen um sich her auf, und dadurch erlangt Alles Bedeutung und Sprache.104

In der Natur sieht Runge menschliche Empfindungen gespiegelt. Die Landschaft und ihre Elemente werden zum Träger und zur Projektionsfläche von Gemütsregungen, sie erhalten Bedeutung, wobei ihre gefühlsmäßige Aufladung und Beseelung aus dem Innern des Menschen heraus erfolgen. Zugleich eröffne die Natur, wie Runge anklingen lässt, dem Betrachter die Möglichkeit zur Erkenntnis des Göttlichen: […] es wird mir bey allen Blumen und Bäumen vorzüglich deutlich und immer gewisser, wie in jedem ein gewisser menschlicher Geist und Begriff oder Empfindung steckt und wird es mir so klar, daß das noch vom Paradiese her seyn muß; es ist grade so das reinste, was noch in der Welt ist, und worin wir Gott, oder sein Abbild […] erkennen können.105

Anknüpfen konnte der Künstler mit diesen Gedanken an die in der damaligen Diskussion allgemein verbreitete Vorstellung von der unmittelbaren Wirkung der Natur auf den Menschen, wie sie etwa bei Johann Georg Sulzer oder Christian Lorenz Hirschfeld zum Ausdruck kommt.106 Besonders deutlich findet sich diese Analogie zwischen Stimmungen im Menschen und in der Natur auch bei Carus, vor allem in seinen Neun Briefen über Landschaftsmalerei wieder, die zwischen 1815 und 1824 zunächst durchaus unter dem Eindruck der Werke Friedrichs entstanden und 1831 veröffentlicht wurden.107 In der ersten Beilage zum dritten Brief „Von dem Entsprechen zwischen Gemüthsstimmungen und Naturzuständen“ benennt Carus in Analogie zum Kreislauf der Jahres- und der Tageszeiten vier „Stadien des Naturlebens“, „welche als Entwickelung und vollendete Darstellung, Verwelkung und völlige Zerstörung sich unterscheiden lassen“.108 Diese vier Zustände korrespondieren beim Menschen mit den vier „Äußerungen des Gemütslebens“, „das Gefühl des Aufstrebens, der Ermuthigung, der 104 Runge 1965, Teil 1, S. 16. 105 Runge in dem bereits zitierten Brief an Tieck vom 1. Dezember 1802; ebd., Teil 1, S. 24. 106 Siehe dazu zusammenfassend auch Noll 2006, S. 65–68 sowie ders.: Die allegorische Landschaft bei Caspar David Friedrich. Möglichkeiten und Grenzen der Interpretation, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 72 (2011), S. 281–296, hierzu S. 284 f. 107 Dass sich Carus in seinen späteren Briefen von Friedrichs Vorstellungen löste und gerade mit Blick auf das Verständnis der Natur als Ausdruck des Göttlichen einen anderen, von Friedrich abweichenden Standpunkt einnahm, nämlich dass die Natur „kein Mittel der Gotteserkenntnis“ sei, hat Scholl treffend herausgestellt; Scholl 2007, S. 229 f. [Hervorhebung im Original]. 108 Carl Gustav Carus: Neun Briefe über Landschaftsmalerei, geschrieben in den Jahren 1815– 1824, Leipzig 1831, S. 45.



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Entwickelung, das Gefühl wahrer innerer Klarheit und Ruhe, das Gefühl des Hinwel‑ kens, der Schwermuth und die Fühllosigkeit, Apathie“,109 wobei sich beide, Natur und menschliches Gemüt, wechselseitig durchdringen und aufeinander wirken: Das unbefangene Gemüth wird daher vom angeregten, aufstrebenden Naturleben, reinem Morgenlicht, heiterer Frühlingswelt ermuthigt und belebt, von reiner, blauer Sommerluft und voller, ruhiger Blätterfülle der Waldung erheitert und beruhigt, vom Erstarren der Natur im trüben Herbst schwermüthig gestimmt, und von den Leichentüchern der Winternacht in sich selbst gewaltsam zurückgedrängt und gelähmt.110

In der Wahrnehmung und Aufnahme der in den Naturerscheinungen angelegten Stimmungen erhält auch der Betrachter eine neue, aktive Rolle und wird in den Prozess unmittelbar involviert, wie es beispielsweise bei Sulzer anklingt: Auch bestimmtere Empfindungen von sittlicher und leidenschaftlicher Art, entwikeln sich durch Betrachtung der leblosen Natur: Sie zeiget uns Scenen, wo wir das Große, das Neue, das Außerordentliche bewundern lernen. Sie hat Gegenden, die Furcht und Schauder erweken; andre, die zur Andacht und einer feyerlichen Erhöhung des Gemüthes einladen; Scenen einer sanften Traurigkeit, oder einer erquikenden Wollust. […] Wer fühlet nicht die fröhlichsten Regungen der Dankbarkeit, wenn er den Reichthum der Natur in fruchtbaren Gegenden vor sich verbreitet findet?111

Übertragen auf die bildkünstlerische Wiedergabe der Landschaft spitzte Friedrich Schelling diesen Einbezug des Betrachters und die damit einhergehende Subjektivierung insofern zu, als „in der Landschaftsmalerei […] überall nur subjektive Darstellung möglich [ist], denn die Landschaft hat nur im Auge des Betrachters Realität.“112 Erst durch den Rezipienten werde die Landschaft vervollständigt. Zuvor sei sie lediglich eine „Hülle“, „und es ist von dem Betrachter abhängig gemacht, sie aus dem duftigen und formlosen Wesen herauszufinden.“113 In der Idee von der Landschaft als Ausdrucksträger, die auf den Betrachter und seine Seele wirken soll und gleichzeitig durch ihn erst Gestalt annimmt, schwingt, wie zuvor angedeutet, nicht zuletzt auch das physikotheologisch begründete Verständnis der Natur als „göttliches Mitteilungssystem“114 und Zeugnis von Gottes

109 Carus 1831, S. 46 f. [Hervorhebungen im Original]. 110 Ebd., S. 47 f. 111 Sulzer 1793, Teil 3, S. 115. 112 Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Philosophie der Kunst, Stuttgart 1859 (Sämtliche Werke, Abt. 1, Bd. 5), S. 544. 113 Ebd. 114 Scholl 2007, S. 55.

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Schöpfungswerk mit, wie es in den von Wilhelm Heinrich Wackenroder herausgegebenen Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders von Ludwig Tieck geschildert wird: Das Säuseln in den Wipfeln des Waldes, und das Rollen des Donners, haben mir geheimnißvolle Dinge von ihm erzählet, die ich in Worten nicht aufsetzen kann. Ein schönes Thal, von abentheuerlichen Felsengestalten umschlossen, oder ein glatter Fluß, worin gebeugte Bäume sich spiegeln, oder eine heitere grüne Wiese von dem blauen Himmel beschienen,  – ach diese Dinge haben in meinem inneren Gemüthe mehr wunderbare Regungen zuwege gebracht, haben meinen Geist von der Allmacht und Allgüte Gottes inniger erfüllt, und meine ganze Seele weit mehr gereinigt und erhoben, als es je die Sprache der Worte vermag.115

Die Natur äußert sich dabei in ‚hieroglyphischen‘ Zeichen, dem für die Romantik zentralen Begriff im Sinne Friedrich Schlegels, der von den Hieroglyphen als „wahrhafte[n] Sinnbilder[n] […] aus Naturgefühlen und Naturansichten oder Ahnungen willkürlich zusammengesetzt“116 beziehungsweise als „göttliches Sinnbild“117 sprach, dem das Rätselhafte, das Verborgene und Geheimnisvolle anhaftet. Ganz ähnlich findet sich dieser Gedanke auch in Franz Sternbalds Wanderungen von Tieck wieder: So hat sich der großmächtige Schöpfer heimlich- und kindlicherweise durch seine Natur unsern schwachen Sinnen offenbart, er ist es nicht selbst, der zu uns spricht, weil wir dermalen zu schwach sind, ihn zu verstehn; aber er winkt uns zu sich, und in jedem Moose, in jeglichem Gestein ist eine geheime Ziffer verborgen, die sich nie hinschreiben, nie völlig errathen läßt, die wir aber beständig wahrzunehmen glauben.118

Dass auch Caspar David Friedrich diese Ansicht teilte, legt eine Aussage nahe, die er selbst gegenüber dem Malerkollegen Peter Cornelius bei dessen Besuch im Atelier im Jahre 1820 getroffen haben soll: „Das Göttliche ist überall, […] auch im Sandkorn; da habe ich es einmal im Schilfe dargestellt.“119 In dieser Sichtweise lässt sich zugleich Friedrichs Nähe zu den sogenannten „Alten Tröstern“, Werken der christlichen Erbauungs- und Frömmigkeitsliteratur, erkennen, darunter vor allem den Vier beziehungsweise Sechs Büchern Vom Wahren Christentum von Johann Arndt, die der Theo115 Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck: Herzensergießungen eines kunstlie‑ benden Klosterbruders, Berlin 1797, S. 133 f. 116 Friedrich Schlegel: Dritter Nachtrag alter Gemählde, in: Europa. Eine Zeitschrift 2/2 (1805), S. 109–145, hier S. 144. 117 Ebd. 118 Ludwig Tieck (Hg.): Franz Sternbalds Wanderungen. Eine altdeutsche Geschichte, 2 Teile, Berlin 1798, hier: Teil 2, S. 113. 119 Caspar David Friedrich; überliefert bei Leberecht Gotthilf Förster: Biographische und li‑ terarische Skizzen aus dem Leben und der Zeit Karl Förster’s, Dresden 1846, S. 157.



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loge Christian Neddens jüngst als wichtige Quelle für Friedrich beschrieben hat.120 Arndts um 1610 verfasstes Kompendium erschien bis 1800 in allein knapp 100 Auflagen und fand besonders im nordischen Raum, darunter auch im orthodox ausgerichteten Schwedisch-Pommern sowie in Friedrichs Heimatstadt Greifswald, weite Verbreitung. Zentrale Gedanken der Schrift sind die Einheit von Natur, Mensch und Gott sowie eine verinnerlichende Glaubensvorstellung, die von der Präsenz Gottes im Innern des Menschen ausgeht.121 Neben diesen inhaltlichen Bezügen lassen sich, wie Neddens gezeigt hat, im Übrigen auch motivische Parallelen zu den emblematischen Darstellungen in den illustrierten Ausgaben des Arndtschen Werks beobachten.122 So erinnert die Landschaftsdarstellung des Emblems „Allen Einerley“ (Abb. 99) mit der sichtbar ins Bild gerückten Baumgruppe rechts im Vordergrund und dem Ausblick auf eine an einem See gelegene Stadt im Hintergrund in ihrer Anlage an die Bildstruktur der Herbstszene von 1803 (Abb. 83).123 Blickt man vor diesem Hintergrund auf Friedrichs Jahreszeitenfolgen als Ganzes, so fließen die Vorstellungen von der Landschaft als einem wirkungs- und bedeutungsvollen Träger von Empfindungen sowie Ausdruck des Göttlichen hier zusammen. Natur- und Menschenleben werden unmittelbar miteinander verknüpft und ineinander geblendet, wobei Inhalt und Gestaltung eine enge Synthese eingehen. So wird die Stimmung der jeweiligen Landschaft durch die Art des Farbauftrages und die tonale Abstufung von einem lichten Erscheinungsbild im Frühling bis zu einer dunkeltonigen Anmutung im Winter unterstützt. Die Kinder im Frühling des ersten 120 Siehe Christian Neddens: Neubestimmte Wirklichkeit. Caspar David Friedrichs Theologie des Bildes zwischen Spätorthodoxie und Frühromantik, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 74 (2020), 131–158, hierzu insb. S. 137 und 139 f. sowie ders.: Ästhetik des Kreuzes. Zur Theologie des Bildes bei Caspar David Friedrich – auch im Blick auf Schleiermachers ‚Reden‘, in: Jörg Dierken und Arnulf Scheliha (Hg.): Der Mensch und seine Seele: Bildung – Frömmigkeit – Ästhetik. Akten des Internationalen Kongresses der Schleiermacher-Gesellschaft in Münster im September  2015, Berlin 2017 (Schleiermacher-Archiv, Bd. 26), S. 673–704, v. a. S. 688–693. Zu Arndt als Quelle für Friedrich bereits Noll 2006, S. 85. 121 So schildert Arndt in seiner Vorrede zum dritten Buch und später insb. im vierten Buch, „wie die Schrift, Christus, mensch und ganze natur übereinstimme, und wie alles in den einigen, ewigen, lebendigen Ursprung, welcher Gott selbst ist, wieder einfliesse und zu demselben leite.“; Johann Arndt: Sechs Bücher vom Wahren Christenthum, Züllichau 1750, hierzu S. 578, Vorrede zum dritten Buch vom wahren Christentum, Abschnitt I. Dort beschreibt er zudem, „wie du das Reich Gottes in dir suchen und finden mögest“; ebd. 122 Dazu eingehend Neddens 2020, S. 139–150 und Neddens 2017, S. 679–688. Die Ausgaben wurden ab 1678/1679 mit Emblemen versehen, die in ihrer Gestaltung bis in das 19. Jh. nahezu unverändert blieben. 123 Siehe Arndt 1750, 1. Buch, Cap. 27, S. 134. Hinter dem Lemma „Allen Einerley“ verbirgt sich die Allgegenwart der Sonne, die jedem Licht spendet so wie der Christ in Nächstenliebe und Treue zu Gott den christlichen Glauben verbreitet. Als weiteres Beispiel ließe sich das Icon zum Lemma „Dem, der Ihm nachjaget, fleucht’s“ anführen, das durch die Darstellung eines nackten Kindes, das der Sonne entgegenstrebt, Ähnlichkeiten zum Morgenblatt von 1803 aufweist; ebd., 4. Buch, Cap. 39, S. 821.

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99 Allen Einerley, in: Johann Arndt, Sechs Bücher vom Wahren Christenthum, Züllichau 1750

Zyklus’ scheinen aufgrund der tupfenden Zeichenweise, in der sie und die Natur in nahezu gleicher Weise behandelt werden, förmlich in der umgebenden Landschaft aufzugehen und werden dadurch mit ihr in eins gesetzt. Ebenso antworten in den übrigen Szenen die Elemente der Natur auf die menschliche Staffage und werden zum Spiegel des jeweiligen Lebensalters und damit verbundenen Gemütszustandes. Die Tiere etwa, die Tauben in den Sommerdarstellungen oder das Adlerpaar im Herbst von 1826, geben in ihrem Verhalten die zwischenmenschlichen Beziehungen des Bildpersonals wieder. Die im früheren Zyklus dargestellten Baumarten, junge Sträucher im Frühling, Pappel und Birke im Sommer, Eichen im Herbst und knorrige, blattlose Baumskelette im Winter, vermitteln wiederum Charaktereigenschaften, die der jeweiligen Altersstufe der Natur, aber auch der des Menschen entsprechen.124 Durch die Überblendung mit den Stufen des menschlichen Lebens erfahren die landschaftlichen Szenen eine allegorische Aufladung. Was für Runge die Arabeske ist, ist für Friedrich die Landschaft, die, wie Sumowski es formuliert, zu einem „Ideenträger“ wird.125 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die zu Beginn zitierte Aussage im Journal des Luxus und der Moden über Friedrichs Berliner Zeitenfolge verstehen, nämlich dass der Künstler in seinem „Cyclus von vier Landschaften, reich an poetischer Erfindung, […] die vier Tages- und Jahreszeiten, so wie die vier Perioden des menschlichen Lebens vom Kinde bis zur Auflösung im Alter durch eingeflochtene 124 Hierzu auch Semler, der in seinen Untersuchungen Bäumen generell eine menschenähnliche Gestalt und nahezu sinnliche Wirkung zuspricht; siehe Christian August Semler: Unter‑ suchungen über die höchste Vollkommenheit in den Werken der Landschaftsmalerey, 2 Bde, Leipzig 1800, hier: Bd. 1, S. 219. 125 Sumowski 1970, S. 143.



Die Reformulierung der Jahreszeitenlandschaft

Staffage, so wie durch die ganze Haltung der Landschaften, höchst genialisch bezeichnete.“126 Die „ganze Haltung der Landschaften“ verdeutlicht dabei die enge Zusammenführung von inhaltlicher Aussage und formalem Ausdruck, die Friedrich in seinen Jahreszeiten vollzieht.

Die Reformulierung der Jahreszeitenlandschaft: Zwischen religiösen Vorstellungen, wissenschaftlichem ­Kenntnisstand und allegorischer Aussage In seinem Aufsatz zur allegorischen Landschaft bei Friedrich stellt Thomas Noll einleitend fest, dass „die Interpretationsversuche von Caspar David Friedrichs Landschaften […] erstaunlich vielfältig und verschieden“ seien und „die Diskussion über das inhaltliche Verständnis und die Deutungsmöglichkeiten von Friedrichs Kunst, anstatt in einen gewissen Konsens zu münden, vielmehr immer neue Alternativen hervor[bringe]“.127 Tatsächlich scheinen Friedrichs Werke gerade durch die Reduktion ikonographischer Zeichen und das Abrücken von gewohnten Darstellungsmustern, das auch am Beispiel der Jahreszeiten- und Lebensalterfolgen deutlich wird, in ihrer Deutung mehrere und zum Teil gegenläufige Positionen zuzulassen. Dass insbesondere Friedrichs Jahreszeiten dem Betrachter bereits zu Entstehungszeiten Schwierigkeiten auferlegten und nicht eindeutig zu bestimmen waren, verdeutlicht auch das Urteil eines Kritikers der Dresdner Kunstausstellung über die 1826 entstandene Fassung: Sie [= die Jahreszeiten, Anm. d. Verf.] scheinen eine Lebensbeschreibung darstellen zu sollen, […]. Ob übrigens Prof. Friedrich wirklich dies so gemeint hat, möge dahingestellt bleiben, denn eigentlich könnten seine Skizzen ebenso gut Kunsthieroglyphen oder Räthselspiele heißen, die ein Jeder erklären kann wie er will; sie beschäftigen die Phantasie weit mehr als sie das Auge befriedigen.128

Die hier durchscheinende vordergründige Deutungsoffenheit der Werke, „die ein Jeder erklären kann wie er will“,129 ist letztlich auch Ausgangspunkt für die aktuelle, kontrovers geführte Debatte um die Einordnung der Kunst Friedrichs und ihr Verhältnis zur allegorischen Darstellungstradition. Die Diskussion kreist dabei um die Frage, ob die Arbeiten des Künstlers an die traditionelle Ikonographie anschließen 126 Bertuch 1807, S. 270. 127 Noll 2011, S. 281. 128 Kunstausstellung 1826, hier S. 358 f. 129 Ebd. In ähnlicher Weise beschreibt auch H. Hofstätter mit Blick auf das graphische Werk eine mehrdeutige Anlage als charakteristisches Merkmal der Kunst Friedrichs; siehe dazu Hofstätter 1974, S. 824 u. 827 f.

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und durch konkrete Zeichen auf übergeordnete Inhalte verweisen oder ob ihre Aussage nicht vielmehr bereits in der rein ästhetischen Gestaltung zum Ausdruck komme und gerade in dieser Abkehr von der klassischen Ikonographie die besondere Modernität Friedrichs liege. Damit knüpft die Debatte im Kern an die historische Allegoriekritik des 18. Jahrhunderts an, die zwischen einer unmittelbar anschaulichen und sich selbst aussprechenden, also autonomieästhetisch aufgefassten Kunst auf der einen und einer symbolisch verweisenden auf der anderen Seite unterschied. Wie bei Houdon am Beispiel der Äußerungen Karl Philipp Moritz’ zu sehen war, wurde der erst genannten Kategorie ästhetisch der Vorrang eingeräumt und damit die Ablehnung der Allegorie als Kunstform befördert. Diese ästhetisch geleitete negative Bewertung allegorischer Werke steht jedoch, wie Christian Scholl gezeigt hat, einer durchaus positiven Beurteilung der Allegorie im Denken der Romantik, etwa bei Tieck oder Schlegel, gegenüber.130 Schließlich spreche sich in der Allegorie im Sinne einer Hieroglyphe das Göttliche und Bedeutungsvolle aus, eine Vorstellung, die sich nicht zuletzt in dem weithin bekannten ‚romantischen‘ Diktum der Romanfigur Ludwig Tiecks, Franz Sternbald, wiederfindet, dass nämlich „alle Kunst […] allegorisch“ sei.131 Blickt man auf die Rezeption der Werke Caspar David Friedrichs, so wurde ihnen ein allegorischer Gehalt von zeitgenössischen Betrachtern jedenfalls nicht abgesprochen.132 Gerade in den Jahreszeitenzyklen erkannten viele eine nahezu ‚poetische‘ Aussage. So bemerkte der bereits zitierte Rezensent des Journals des Luxus und der Moden, die 1803 entstandenen Sepien seien „reich an poetischer Erfindung“, während Pierre-Jean David auch die Motive der späteren Folge als „bien poétique“ beschrieb.133 Ähnliche Einschätzungen finden sich auch im Hinblick auf das Gesamtwerk des Künstlers. Wie die Malerin Louise Seidler festhielt, „liebte [Friedrich] es, seinen Kunstschöpfungen einen höheren Gedanken unterzulegen; erst das Verständnis dieser Tendenz machte seine Bilder dem Betrachter wert“.134 Ebenso hob Christian August Semler die besondere allegorische Aussagekraft der Landschaftsszenen Friedrichs hervor: In einer ganz andern Kunstregion beschäftigt die Allegorie den Landschafter Friedrich, der bisher nur in Sepia zeichnete, aber seit einiger Zeit auch sehr glücklich in Oel malt. Er hat uns schon mehrere Male gezeigt, wie gut sich auch in die Landschaft ein allegorischer Sinn legen läßt. Meistens deutete er schwermüthige und religiöse Ideen an, zu deren Darstellung die düstere und duftige Natur des Nordens, wohin er uns gewöhnlich versetzt, so vorzüglich geeignet ist.135 130 Siehe Scholl 2007, S. 195 f. u. S. 226–229 sowie Scholl 2012, S. 232. 131 Tieck 1798, Teil 2, S. 124. 132 Siehe dazu u. a. die Einschätzungen von Goethe und Meyer sowie weitere Aussagen anderer Autoren; zusammengefasst bei Scholl 2007, S. 227–231. 133 Bertuch 1807, S. 270 und Pierre-Jean David in: Cerf 1928, S. 105. 134 Louise Seidler in ihren Erinnerungen; wiedergegeben bei Uhde 1922, S. 42. 135 Semler 1808, S. 182 f.

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100 Caspar David Friedrich, Das Kreuz im Gebirge (Tetschener Altar), 1807/1808, Öl auf Lw., Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Galerie Neue Meister

Diese in zahlreichen seiner Bildfindungen konstatierte Sinngebung geriet Friedrich mit Blick auf eines seiner Hauptwerke, den viel beachteten Tetschener Altar (Abb. 100), schließlich sogar zum zentralen Vorwurf, der sich in der als „RamdohrStreit“ bekannten Auseinandersetzung manifestierte. Die am Altarbild unmittelbar nach dessen Erscheinen geäußerte Kritik des preußischen Kammerherrn Wilhelm Basilius Ramdohr zielte nämlich genau auf die sinnhafte Aufladung der gezeigten Gebirgslandschaft mit übergeordneten, religiösen Inhalten. Hierdurch würde laut Ramdohr sowohl die eigentliche Aufgabe der Landschaftsmalerei verfehlt und der Rahmen ihrer Darstellungsmöglichkeiten in unzulässiger Weise überschritten als auch die ästhetische Eigenwertigkeit der Landschaft missachtet.136 Kritisiert wurde außerdem der Bildaufbau, der klassische Regeln der Perspektive und der Raumerschließung dadurch verletze, dass der im Gegenlicht gezeigte Felsen mit dem Kruzifix und der vom Betrachter abgewandte Gekreuzigte prominent in den Mittelpunkt gerückt würden.137 Der Tetschener Altar, der 1807/1808 kurz nach den Ölfassungen von Sommer und Winter entstand, wird in der Forschungsliteratur oftmals als Paradebei136 Zum Tetschener Altar und dem sog. „Ramdohr-Streit“ siehe genauer u. a. Werner Busch: Caspar David Friedrichs ‚Tetschener Altar‘, in: Marek J. Siemek (Hg.): Natur, Kunst, Freiheit. Deutsche Klassik und Romantik aus gegenwärtiger Sicht, Amsterdam 1998, S. 263–280 sowie Scholl 2007, S. 224–226. 137 Siehe zur damals vorherrschenden Theorie der klassischen Landschaftsmalerei auch Noll 2006, S. 12–24 sowie zum „Ramdohr-Streit“ S. 25–37.

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spiel für den endgültigen Bruch Friedrichs mit der ikonographischen Tradition be­­ handelt. So sieht Werner Busch darin die Überwindung der christlichen Ikonographie, die nunmehr durch ästhetische Strukturen kompensiert werde.138 Thomas Noll und Christian Scholl haben demgegenüber auch und gerade anhand des Tetschener Altars gezeigt, dass Friedrichs Werke den ikonographisch-emblematischen Vorstellungen des ihnen vorangegangenen Jahrhunderts nicht gleichgültig gegenüberstanden, sondern im Gegenteil von einer großen Nähe zu und aktiven Auseinandersetzung mit der barocken Emblematik zeugen.139 Noll zieht etwa Parallelen zu Illustrationen in den religiös ausgerichteten Handbüchern von Johann Michael Dilherr oder Jan Luyken, aus denen Friedrich mehrere Motive nahezu collageartig in seine Werke eingeflochten habe.140 Gleiches ließ sich auch bereits am Beispiel der Erbauungsbücher Johann Arndts beobachten. Die hier sichtbare bewusste Bezugnahme und Verarbeitung der barocken Emblemliteratur in Friedrichs Bildfindungen verdeutlicht, dass seine Motive in ikonographischer Hinsicht durchaus nicht voraussetzungslos entstanden und eben nicht nur rein ästhetisch zu deuten sind. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund das Verhältnis der Friedrichschen Sepiafolgen der Jahreszeiten und menschlichen Lebensalter zur allegorischen Darstellungstradition bewerten? Zur Beantwortung dieser Frage ist es wichtig, sich nochmals den Unterschied zwischen der Berliner und der Hamburger Fassung zu vergegenwärtigen: Die wesentliche, auch inhaltliche Änderung ist dabei, dass die später entstandene Folge die klassische viergliedrige Zyklusstruktur der ersten Fassung aufbricht und sie um drei vor- beziehungsweise nachgelagerte Szenen erweitert, die auch die Zustände vor der Geburt und nach dem Tode des Menschen vor Augen führen. Die siebenteilige Folge eröffnet damit zum einen eine religiöse Perspektive, die sowohl den biblischen Schöpfungsgedanken zu Beginn als auch eine Jenseitsvorstellung im abschließenden Himmelsbild einfließen lässt. Die Schöpfungsszene (Abb. 88) wird dabei allerdings ausschließlich durch Naturelemente dargestellt, wie es auch in einer zeitgenössischen Beschreibung des Motivs in den Blättern für literarische Unter‑ haltung deutlich wird: Auf Nr. 1 erleben wir das Meer als Urelement des Daseins, das Licht, die aufgehende Sonne, taucht hervor, gährende Stoffe scheinen sich in der Mitte der Wogen chaotisch zu regen und nach Gestaltung zu ringen.141

Sinnbilder, die das Göttliche repräsentieren, fehlen. Eine Ahnung von Gott wird allenfalls abstrakt in den durch Bleistift angedeuteten Lichtstrahlen zum Ausdruck 138 Siehe nur Busch 2003, insb. S. 34–45. Vgl. auch Scholl 2007, S. 188 f. 139 Dazu Noll 2006, insb. S. 49–51 u. S. 71–89 sowie Scholl 2007, insb. S. 170–177, 223 f. u. S. 298–323. 140 Siehe Noll 2006, S. 49 f. u. S. 81–89. 141 Kunstausstellung 1826, S. 359.



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ge­bracht. Zum anderen wird deutlicher als im früheren Zyklus durch die Abfolge der Szenen ein Entwicklungsmodell beschrieben, das von den Urelementen über die Stadien des menschlichen Lebens bis zur himmlischen Engelsvision reicht. Dieser entwicklungsgeschichtliche Gedanke scheint ebenfalls bereits in den damaligen Besprechungen der Blätter anzuklingen. So sieht der Rezensent der Dresdner Kunstausstellung in den Sepien eine „Lebensbeschreibung“ ausgedrückt, „die über das Beginnen und Enden dieses Erdenlebens hinausreicht“.142 Carl August Böttiger spricht von einem „Cyclus des Menschendaseyn, der uns vom Isthmus dieses irdischen Lebens auch noch rückwärts und vorwärts blicken läßt“: […] Am meisten hat uns die Stalactitengrotte mit den zwei Skeletten der Menschen, die wir als Kinder spielen, als Knabe und Mädchen sich den Psychekuß geben, im erstarkten Alter bei Sonnenschwüle scheiden, endlich zwischen Ruinen ihr Grab graben sehen, durch die sinnvolle Andeutung, wie selbst das unorganische sich hinaufläutert, angesprochen.143

Auch die eingangs erwähnte Interpretation Gotthilf Heinrich von Schuberts setzt, wenngleich nur auf das Beispiel des Berliner Zyklus’ bezogen, an diesem Entwicklungsgedanken an, in dessen stufenartiger Abfolge Schubert etwas Zukünftiges und Vorausweisendes sieht: Für das menschliche Gemüth ist die Betrachtung eines solchen Zusammenhanges der verschiednen Stufen des Daseyns von einem ganz vorzüglichen Interesse, da sich nirgends so deutlich und innig als in seiner Natur, eine künftige Welt, mit ihren tiefen noch unenthüllten Kräften, als bloßes Streben, und eine jetzige als blühender frölicher Genuß vermischt zeigen.144

Hilmar Frank hat in seiner 2004 erschienenen Abhandlung zu Caspar David Friedrich das Prinzip der Aussicht als typisches Motiv und häufig wiederkehrende Metapher der Friedrichschen Kunst benannt.145 Die siebenteilige Jahreszeitenfolge stellt Frank dabei in einen Zusammenhang mit dem naturphilosophischen Konzept der Scala naturae, der Vorstellung von der klassifikatorischen Stufenleiter der Lebewesen und Naturelemente, die im 18. Jahrhundert als wissenschaftliches Ordnungsmodell und spekulative Denkfigur mit den Schriften Jean-Baptiste de Lamarcks, Richard Bradleys oder Charles Bonnets sowie gleichzeitig auch in der christlichen Erbauungsliteratur

142 Kunstausstellung 1826, S. 359. 143 Böttiger 1826, S. 66. 144 Schubert 1808, S. 302. 145 Hilmar Frank: Aussichten ins Unermessliche. Perspektivität und Sinnoffenheit bei Caspar David Friedrich, Berlin 2004 (LiteraturForschung).

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allgemeine Popularität erlangte.146 Diese aufsteigend gedachte Reihe scheint hier das zyklisch wiederkehrende Prinzip der Jahreszeiten abzulösen. Einen festen Platz in dieser hierarchischen Stufenfolge erhalten dabei kurioserweise auch religiöse Figurationen wie Engel, wobei die Grenzen zwischen himmlischen Wesen und dem Menschen verschwimmen. Die biblische Schöpfungsidee wird damit an biologische Erkenntnisse angebunden. Bonnet etwa sieht die Scala naturae als eine fortlaufende Kette, „deren erstes Glied der Atomus, das letzte aber der erhabenste Cherub ist.“ 147 In dieser Hinsicht lässt sich auch die auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinende Schlussszene der 1826 entstandenen Bilderfolge mit den in Andacht gezeigten Engeln in den Wolken (Abb. 94) erklären, die als Motiv bei Friedrich ansonsten nur selten vorkommen.148 Die Anregung zu dieser Darstellung könnte Friedrich durch Schubert oder den befreundeten Carus erhalten haben. Letzterer entwickelte in seinem Aufsatz Von der Bedeutung der besondern Bildung des Auges auf manchen alten Gemälden, der 1825, also ein Jahr vor Friedrichs Zyklus, erschien, eine hierarchische Gliederung verschiedener Tierarten anhand ihrer Augenmaße, in die er auch christliche Figuren wie Christus, Maria und die Engel einordnete.149 Als Anlass für diese Untersuchung diente Carus die Kritik Friedrich Schellings an Fra Angelicos Darstellung der Krönung Mariens, in der die Augen der Engel anatomisch fehlerhaft wiedergegeben seien. Wissenschaftliche Erkenntnis und religiöse Vorstellungen gehen dabei eine eigentümliche Verbindung ein, die eine fortgeschrittene Säkularisierung erkennen lässt. Die christlichen Wesen werden wissenschaftlich erfasst und auf ein Naturgesetz bezogen, wodurch auch der Glaube eine innerweltliche Verortung erfährt. Neben dem Modell der Scala naturae zeigt sich die Verarbeitung des seinerzeitigen naturwissenschaftlichen Kenntnisstandes zudem an einem anderen Blatt, näm146 Siehe Frank 2004, S. 176–180. Grundlegend zum Ideenkonzept der Scala naturae zudem Arthur O. Lovejoy: Die große Kette der Wesen. Geschichte eines Gedankens, dt. Ausgabe des engl. Originals, Frankfurt am Main 1985 (Suhrkamp-Reihe). 147 Charles Bonnet: Betrachtung über die Natur, Leipzig 21772 (1. Aufl. 1766), hierzu S. 29, XI. Hauptstück, Folgerung. 148 Weitere Darstellungen Friedrichs, in denen Engel erscheinen, sind Die Kathedrale (1818, Öl auf Lw., o. M., Schweinfurt, Museum Georg Schäfer) und Der Traum des Musikers (Pause nach einer verschollenen Sepiazeichnung, um 1830, Kreide, 72,2 × 51,5 cm, Hamburg, Kunsthalle). Vgl. demgegenüber die Aussage zu dieser Szene von C. A. Böttiger: „Die zwei im Em­ pyreum anbetenden Flügelgestalten sind alte Lieblingsfiguren des Künstlers“; Böttiger 1826, S. 66. 149 Siehe Carl Gustav Carus: Von der Bedeutung der besondern Bildung des Auges auf manchen alten Gemälden, in: ders.: Mnemosyne. Blätter aus Gedenk- und Tagebüchern, Pforzheim 1848, S. 18–26 [ursprünglich abgedruckt 1825 im Kunstblatt des Morgenblattes]. Dazu sowie zum allgemeinen Phänomen der wissenschaftlichen Erfassung von Engelswesen im 18. Jh. z. B. durch die Schrift Vergleichende Anatomie der Engel von Gustav Theodor Fechner zudem genauer Sigrid Weigel: Die Vermessung der Engel – Bilder an Schnittpunkten von Kunst, Poesie und Naturwissenschaften in der Dialektik der Säkularisierung, in: Zeitschrift für Kunstge‑ schichte 70 (2007), S. 237–262, hierzu insb. S. 242–245.



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lich in der dem Engelsbild vorgelagerten Darstellung zweier Skelette in einer Tropfsteinhöhle (Abb. 93). Das Bild der Höhle, die als Motiv bei Caspar David Friedrich besonders nach seiner Harzreise 1811 vermehrt auftritt, trägt der Höhlenbegeisterung der Zeit um 1800 Rechnung, die derartigen Gesteinsformationen als Naturwunder und geheimnisvollem Unterweltsort eine allgemeine Faszination entgegenbrachte.150 Als geologisches Phänomen rekurriert die Höhlendarstellung zugleich auf damalige naturkundliche Forschungen zum Alter der Erde und ihrer Beschaffenheit im Innern, mit denen auch Überlegungen zum Alter der Menschheit verbunden waren.151 Insofern ergibt sich ein weiterer Anknüpfungspunkt an das den Zyklus bestimmende Thema der menschlichen Lebensalter. Friedrichs Darstellung der Höhle mit den beiden Skeletten bildet sowohl durch ihre Gestaltung als auch ihre inhaltliche Aussage ein Pendant zum Engelbild. Auf die von Werner Hofmann konstatierten Brüche innerhalb der Sepiafolge wurde bereits hingewiesen. So stehen sich in diesen letzten beiden Blättern der dunkle abgeschlossene Raum, der lediglich in der Mitte einen Durchblick auf das Skelettpaar gewährt, und der weite, lichte Himmelsausschnitt gegenüber. Die unterirdische Welt schlägt in eine überirdische Vision um, das Dunkel in Helligkeit. Die tote Materie wandelt sich zu lebendigen Wesen; aus der weltimmanenten Darstellung der Grabeshöhle entwickelt sich das transzendente Bild der Engel, wobei zugleich der aufklärerische Gedanke des Strebens nach einer höheren Erkenntnis durch den Übergang von der Dunkelheit zum Licht mit anklingt. Diese Form des Wandels und des ‚Umschlagens‘, die in der Zusammenschau der beiden Szenen deutlich wird, beschreibt bereits Semler 1808 mit Blick auf Friedrichs Hünengrab: Auch kömmt man zu dieser allegorischen Auslegung, […]; denn hier, so wie in den meisten Friedrich’schen Bildern, ziehen schon das Unbestimmte und Schwebende der Umrisse nebst dem heimlichen Dunkel der Beleuchtung, jeden, der nicht bloß an der Sinnenwelt hängt, fast unwillkührlich vom Sichtbaren zum Unsichtbaren, von der Körper- zur Geisterwelt, vom Endlichen zum Unendlichen hin.152

150 Siehe dazu insb. Sabine Röder: Höhlenfaszination in der Kunst um 1800. Ein Beitrag zur Ikonographie von Klassizismus und Romantik in Deutschland, Remscheid 1985 (Zugl. Diss. phil. Freie Universität Berlin), v. a. S. 117 zu Caspar David Friedrich sowie Tina Grütter: Me‑ lancholie und Abgrund. Die Bedeutung des Gesteins bei Caspar David Friedrich. Ein Beitrag zum Symboldenken der Frühromantik, Berlin 1986 (Zugl. Diss. phil. Universität Zürich 1984), hierzu insb. S. 40–49. Das Motiv der Höhle spielt auch in Franz Sternbalds Wanderungen eine Rolle, wobei die unterirdische Grotte als Sinnbild des Goldenen Zeitalters beschrieben wird; siehe auch dazu Röder 1985, S. 68. 151 Dazu genauer ebd., S. 71–98. 152 Semler 1808, S. 183.

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Zugleich erinnert der dichotomische Charakter der beiden Blätter an Karl Philipp Moritz’ 1786 erschienenen Aufsatz Das Skelett,153 in dem er am Beispiel des menschlichen Knochengerippes die Opposition von Leben und Tod sowie Körper und Geist reflektiert: Leben und Tod steht im fürchterlichen Gegensatz nebeneinander  – Diese Knochengestalt ist die furchtbare Trümmer einer zerstörten Welt – Anfang – Ende des Daseyns ist beides für uns in gleiches Dunkel gehüllt – Hier ist der Schlußpunkt alles unsers Denkens von zwei Seiten – Hier senkt sich der Horizont bis auf den Boden nieder – und die Aussicht ist gehemmt – […].154

Die hoffnungslos erscheinende Perspektive wandelt sich dabei unerwartet in „einen erhabenen Gedanken“:155 „Aus der dunklen Mitternacht dämmert das Morgenroth – aus der zerstörten Körperwelt steigt die Geisterwelt empor –“.156 Die bei Moritz anklingende Vorstellung drückt jedoch nicht zwangsläufig einen Jenseitsgedanken aus. Vielmehr wird der Mensch an die Endlichkeit seiner Existenz erinnert und begreift sich durch die Erfahrung des Gefühls der Erhabenheit beim Anblick seiner sterblichen Überreste als unabhängiges, denkendes Wesen.157 In Caspar David Friedrichs Bilderfolgen der Jahreszeiten, Tageszeiten und Lebensalter, die im Schaffen des Künstlers einen großen Raum einnehmen, fließen verschiedene Vorstellungen zusammen. Zwischen dem ersten um 1803 entstandenen Zyklus und der rund 20 Jahre später datierenden, erweiterten Fassung offenbart sich dabei ein deutlicher Unterschied. Während die frühere Version dem klassischen Viererrhythmus folgt, führt Friedrich in seiner späteren, mehrteiligen Folge vor Augen, dass sich das menschliche Leben seiner Ansicht nach nicht auf vier Stufen beschränken lässt. Durch die Anspielung auf das naturphilosophische Denk- und Ordnungsmodell der Scala naturae und das Aufgreifen damals aktueller geologischer Forschungen verarbeiten die Sepien von 1826 darüber hinaus den wissenschaftlichen Kenntnisstand der Zeit und erweisen sich so als Ausdruck einer voranschreitenden Säkularisierung. Das Verhältnis von Mensch und Natur erfährt in beiden Zyklen eine Zuspitzung, die sich in der Spiegelung des menschlichen Gemütszustandes beziehungsweise der Stimmung des jeweiligen Lebensalters in der Landschaft äußert. Mensch, Natur 153 Karl Philipp Moritz: das Skelett, in: ders. (Hg.): Denkwürdigkeiten, aufgezeichnet zur Be‑ förderung des Edlen und Schönen, Berlin 1786, S. 73–78. Siehe zu Moritz’ Aufsatz u. a. auch Frank 2004, S. 71 f. 154 Moritz 1786, S. 75. 155 Ebd., S. 76. 156 Ebd., S. 77. 157 Vgl. im Gegensatz dazu Scholl, der zwischen der bei Moritz anklingenden ästhetischen Bewältigung des Todes über die Kategorie der Erhabenheit und Friedrichs „Bildstrategie“ keine Übereinstimmung sieht; Scholl 2007, S. 303–308.



Die Reformulierung der Jahreszeitenlandschaft

und göttliches Schöpfungswerk werden dabei ineinander geblendet und eng miteinander verknüpft. Die Landschaft gerät auf diese Weise zu einem Resonanz- und Reflexionsraum, in dessen Fokus der Mensch selbst steht und nicht, wie in den Zyklen der jahreszeitlichen Darstellungstradition, die in den Kreislauf von Natur und Kosmos eingegliederte menschliche Arbeit. In der Natur erfährt der Mensch eine Ahnung von der Verfasstheit seines Daseins, wobei er mit existenziellen Fragen konfrontiert und zum Nachdenken über die Endlichkeit seines Lebens angeregt wird. Dieser Prozess der Subjektivierung und der Verinnerlichung, der besonders in den Winterszenen zum Ausdruck kommt, steht der überindividuellen Auffassung des klassischen Zeitenmodells entgegen. Dennoch beschreiben Friedrichs Sepien kein ‚Ende der Jahreszeitenvorstellung‘. Vielmehr handelt es sich um eine Reformulierung tradierter Konzepte, ihre Anpassung an damals gegenwärtige Verhältnisse und ihre Übertragung in die Landschaft, die in Bezug auf den Menschen neu gefasst wird. Hinzu tritt die besondere Form der ästhetischen Durchbildung und wohlkalkulierten collagenartigen Kompositionsweise der Szenen, die auch in den Ölfassungen zum Vorschein kommt und die inhaltliche Aussage auf einer für den Betrachter sinnlich erfahrbaren Ebene unterstützt. Allegorischer Gehalt und formaler Ausdruck gehen dabei eine enge Verbindung ein, die sich als ein „besonderes Verhältnis von Gedanklichem und Sinnlichem“158 erweist, das Christian Scholl als wesenhaft für die Kunst der Romantik beschreibt. Der Betrachter ist gefordert, diesen Gehalt zu erkennen und sich ihn, wie Scholl es formuliert, „im wörtlichen Sinne ‚zu Gemüte‘ [zu] führe[n].“ 159 Diese Haltung spricht schließlich auch gegen die vielfach vermutete interpretatorische Offenheit und Mehrdeutigkeit der Friedrichschen Werke, die durch die Neufassung und das Abrücken von den klassischen ikonographischen Formeln befördert wird. Vielmehr liegt es am Rezipienten, die vorhandenen Bedeutungsebenen zu erfassen. So wie Friedrich in Bezug auf sein 1815 geschaffenes Gemälde Kreuz an der Ostsee kommentierte: „Am nackten steinigten Meeresstrande steht hoch aufgerichtet das Kreutz, denen so es sehn, ein Trost, denen so es nicht sehn, ein Kreutz“,160 ist es am Betrachter, nicht nur die ikonographischen Zeichen formal zu rezipieren, sondern eine allegorische Sichtweise einzunehmen.

158 Scholl 2007, S. 337. 159 Ebd. 160 Caspar David Friedrich in einem Brief an die Malerin Louise Seidler vom 5. Mai 1815; zit. nach Herrmann Zschoche (Hg.): Caspar David Friedrich. Die Briefe, Hamburg 2005, S. 96–99, Nr. 43.

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Wandel durch Popularisierung? Die Rund­ reliefs der Vier Jahreszeiten und Lebensalter des Menschen von Bertel Thorvaldsen

An letzter Stelle soll der Blick auf ein Beispiel gerichtet werden, das sich sowohl zu Entstehungszeiten einer großen Beliebtheit erfreute als auch später eine hohe Nachwirkung erzielte, in verschiedenen Materialien, Formaten und Kontexten wiederholt wurde und so das Motiv der Jahreszeiten weit in das 19. Jahrhundert transportiert. Es handelt sich um die Reliefdarstellungen der Vier Jahreszeiten und Lebensalter des Menschen (Abb. 101–104), die Bertel Thorvaldsen Mitte der 1830er-Jahre entwickelte. Auch bei diesem auf den ersten Blick eher klassisch erscheinenden Werk, das wie die Sepiafolgen von Caspar David Friedrich die Themen vom jahreszeitlichen Zyklus der Natur und dem Lauf des menschlichen Lebens zusammenführt, gilt es gerade aufgrund seiner Beliebtheit nach dem Verhältnis zur allegorischen Darstellungstradition zu fragen und die in den Reliefs zum Ausdruck kommende Zeitenauffassung zu untersuchen. Die kunsthistorische Forschung hat sich der Relieftondi des dänischen Bild­ hauers ungeachtet ihrer hohen Popularität im 19. Jahrhundert bislang kaum angenommen. Abgesehen von wenigen kurzen Erwähnungen in Monographien meist älteren Datums zum Leben und Schaffen des Künstlers sowie einzelnen Katalogbesprechungen aus den 1970er- und 1980er-Jahren1 haben die Medaillons bis dato keine eingehendere

1 Siehe Just Mathias Thiele: Thorvaldsen’s Leben nach den eigenhändigen Aufzeichnungen, nachgelassenen Papieren und dem Briefwechsel des Künstlers, in der deutschen Übersetzung von Henrik Helms, 3  Bde, Leipzig 1852–1856, hier: Bd. 2, Leipzig 1856, S. 306–308; Eugène Plon: Thorvaldsen – sa vie et son œuvre, Paris 21874 (1. Aufl. 1867), S. 455 f.; Adolf Rosenberg: Thorwaldsen, Bielefeld/Leipzig 21901 (1. Aufl. 1896) (Künstler-Monographien, Bd. 16), S. 102 f. mit Abb. 123–126 auf S. 99 f.; Bertel Thorvaldsen. Skulpturen, Modelle, Bozzetti, Handzeichnungen, Gemälde aus Thorvaldsens Sammlungen, hg. von Gerhard Bott, Ausst.-Kat., WallrafRichartz-Museum in der Kunsthalle Köln, Köln 1977, S. 238 f. Kat. Nr. 87–90; Bertel Thorvaldsen 1770–1844. Scultore danese a Roma, hg. von Elena Di Majo, Bjarne Jørnæs und Stefano Susinno, Ausst.-Kat., Galleria Nazionale d’Arte Moderna Rom, Rom 1989, S. 206 Kat. Nr. 70 u. 70 a–c; Künstlerleben in Rom. Bertel Thorvaldsen (1770–1844) – Der dänische Bildhauer und seine deutschen Freunde, hg. von Gerhard Bott und Heinz Spielmann, Ausst.-Kat., Germanisches Nationalmuseum Nürnberg und Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig, Nürnberg 1991, S. 561 f. Kat. Nr. 5.8 a–d. Auch in der neueren Literatur wie etwa in

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Wandel durch Popularisierung? Die Rundreliefs von Bertel Thorvaldsen

101 Bertel Thorvaldsen, Die Kindheit oder Der Frühling, (aus: Die Vier Jahreszeiten und Lebensalter), 1835/1836, Marmor, Aulendorf, Schlossmuseum (Württembergisches Landesmuseum)



Wandel durch Popularisierung? Die Rundreliefs von Bertel Thorvaldsen

102 Bertel Thorvaldsen, Der Sommer oder Die Jugend (aus: Die Vier Jahreszeiten und Lebensalter), 1835/1836, Marmor, Aulendorf, Schlossmuseum (Württembergisches Landesmuseum)

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Wandel durch Popularisierung? Die Rundreliefs von Bertel Thorvaldsen

103 Bertel Thorvaldsen, Die Reife oder Der Herbst (aus: Die Vier Jahreszeiten und Lebensalter), 1835/1836, Marmor, Aulendorf, Schlossmuseum (Württembergisches Landesmuseum)



Wandel durch Popularisierung? Die Rundreliefs von Bertel Thorvaldsen

104 Bertel Thorvaldsen, Das Alter oder Der Winter (aus: Die Vier Jahreszeiten und Lebensalter), 1835/1836, Marmor, Aulendorf, Schlossmuseum (Württembergisches Landesmuseum)

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Analyse erfahren. Auch die ikonographisch ausgerichtete Arbeit von Suse Barth zum Motiv der Lebensalter widmet ihnen nur einen knappen Eintrag.2 In den wenigen Abhandlungen zu Thorvaldsens Reliefkunst, mit der sich die Forschungsliteratur im Vergleich zu den vollplastischen Werken des Künstlers insgesamt wesentlich seltener befasst, werden die Jahreszeiten ebenfalls nur am Rande behandelt.3 Hier gilt die größere Aufmerksamkeit meist dem thematisch verwandten, in der Nachwirkung aber noch erfolgreicheren Reliefpaar Der Tag und Die Nacht.4 Generell lässt sich zudem fest-

der mit einem detaillierten Werkkatalog versehenen Abhandlung von Grandesso erfahren die Jahreszeitenreliefs keine tiefergehende Behandlung; vgl. Stefano Grandesso: Bertel Thorvaldsen (1770–1844), Mailand 22015 (1. Aufl. 2010), S. 247 f. mit Abb. Nr. 313–316 auf S. 251. Siehe demgegenüber Friederike Voßkamp: Bertel Thorvaldsen’s „The Four Seasons and Ages of Man“: Reproduced Allegories, in: Studi Neoclassici 8 (2020), S. 67–71. 2 Barth 1971, S. 80 f. Im Kontext des Lebensaltermotivs werden die Rundreliefs bereits bei Wackernagel erwähnt, allerdings auch hier ohne eine nähere Betrachtung; siehe Wilhelm Wackernagel: Die Lebensalter. Ein Beitrag zur vergleichenden Sitten- und Rechtsgeschichte, Basel 1862, S. 18. 3 So klammert die zentrale Arbeit von K. Hemmeter zu Thorvaldsens Reliefwerken die Jah‑ reszeiten fast vollständig aus und beleuchtet vornehmlich die historisch-mythologischen Sujets sowie die Grab- und Denkmalreliefs; siehe Karlheinz Hemmeter: Studien zu Reliefs von Thorvaldsen. Auftraggeber-Künstler-Werkgenese: Idee und Ausführung, München 1984 (Beiträge zur Kunstgeschichte, Bd. 1) (Zugl. Diss. phil. Universität München 1983); dort auch ausführlich zur spärlichen Forschungslage bis 1983, S. i–xv. Zu Thorvaldsens Reliefkunst siehe darüber hinaus Bjarne Jørnæs: ‚Il patriarca del bassorilievo‘. Uno sguardo al Thorvaldsen dei rilievi, in: Kat. Rom 1989, S. 45–50 und Jürgen Wittstock: Zur Voraussetzung und zur Entwicklung des Reliefstils bei Thorvaldsen, in: Bertel Thorvaldsen. Untersuchungen zu seinem Werk und zur Kunst seiner Zeit, hg. von Gerhard Bott, Ausst.-Kat., Kunsthalle Köln, Köln 1977 (Kölner Berichte zur Kunstgeschichte, Begleithefte zum Wallraf-Richartz-Jahrbuch 1977, Bd. 2), S. 39–47 sowie ders.: Zur Reproduzierbarkeit der künstlerischen Idee: Die Skulptur Bertel Thorvaldsens, in: Herbert Beck, Peter C. Bol und Eva Maek-Gérard (Hg.): Ideal und Wirklichkeit der bildenden Kunst im späten 18. Jahrhundert, Berlin 1984 (Frankfurter Forschungen zur Kunst, Bd. 11), S. 105–117. 4 Der größere Erfolg des Pendantpaares Der Tag und Die Nacht zeigt sich bereits an der höheren Anzahl von Wiederholungen und Nachbildungen. So weist der von L. Skjøthaug zusammengetragene Werkkatalog allein zum Nachttondo 17 Marmorausführungen auf; siehe dazu Grandesso 2015, S. 274 Kat. Nr. 155 sowie S. 134–136. Auch in der Ausstellungspraxis werden die Tageszeiten den Vier Jahreszeiten zumeist vorgezogen; so etwa 2013 in der Frankfurter Ausstellung Schönheit und Revolution. Klassizismus 1770–1820, hg. von Maraike Bückling und Eva Mongi-Vollmer, Ausst.-Kat., Städel Museum und Liebieghaus Frankfurt am Main, München 2013, siehe v. a. den Katalogeintrag von M. Floryan, S. 270–272. Genauer zu den beiden Tageszeitenreliefs auch Christian Blinkenberg: Søvn og Død, det antikke Motiv i Thorvaldsens Relief Natten, in: Kunstmuseets Åarsskrift 4 (1917), S. 131–154; Peter Brask: Naten & Dagen – og digterne. Poetisk rundskue om to tondi, in: Meddelelser fra Thorvaldsens Museum (2011), S. 75–101 zur Nachwirkung der zwei Relieftondi in der Dichtung sowie Meïr Stein: Thorvaldsen og Allegorien, in: Meddelelser fra Thorvaldsens Museum (1947), S. 15–22 und dies.: Motivet „Natten“ i Villa Montalto i Frascati, in: Meddelelser fra Thorvaldsens Mu‑ seum (1956), S. 93–99 zu den kunsthistorischen Vorbildern.



Motive für den allgemeinen Geschmack

stellen, dass sich die Forschung stärker auf die mythologischen Sujets Thorvaldsens konzentriert und deren Verhältnis zur Darstellungstradition sowie die Bezugnahme auf antike Vorbilder untersucht als die allegorischen Motive in den Blick zu nehmen.5 Thorvaldsens Umgang mit dem Allegorischen, insbesondere vor dem Hintergrund der allegoriekritischen Debatten des vorangegangenen Jahrhunderts, spielt dabei vergleichsweise selten eine Rolle. Die Aufsätze von Meïr Stein und Else Marie Bukdahl bieten hier lediglich erste Anhaltspunkte, die es zu vertiefen gilt.6 Den jahreszeitlichen Darstellungen des Künstlers kommt dabei in mehrfacher Hinsicht eine besondere Bedeutung zu: zum einen aufgrund ihrer großen Popularität im 19. Jahrhundert und ihrer weiten, auf verschiedene Rezipientenkreise verteilten Verbreitung, die durch eine kontextunabhängige Vervielfältigung und allgemeine Zugänglichmachung der Motive ermöglicht wurde. Zum anderen erhalten die Jahres‑ zeiten aufgrund ihrer Bildsprache Relevanz, die sich durch ein auffallend klassisches Erscheinungsbild und eine traditionelle Motivik etwa in Form der typischen jahreszeitlichen Attribute Blumen, Kornähren, Weintrauben und Feuerschale auszeichnet. Angesichts eben dieser hohen formalen Konventionalität stellt sich die Frage, ob und inwiefern die Reliefs als Versuch einer Wiederbelebung des allegorischen Jahreszeitenbildes zu werten sind und inwieweit die jahreszeitliche Allegorie als welterklärendes Modell damit noch tragfähig ist. Dabei gilt es auch zu klären, wie sich ein solcher Wiederbelebungsversuch zur Popularisierung der Motivfindungen sowie zu Thorvaldsens Vervielfältigungspraxis verhält und welchen Weg das Motiv der Jahreszeiten im 19. Jahrhundert nimmt.

Motive für den allgemeinen Geschmack: Die Jahreszeitentondi von 1835/1836 Die vier Rundreliefs der Jahreszeiten und Lebensalter des Menschen entstanden in Thorvaldsens fortgeschrittener Schaffensphase der 1830er-Jahre während eines

5 Grundlegend zur Antikenrezeption bei Thorvaldsen Jørgen Birkedal Hartmann: Antike Mo‑ tive bei Thorvaldsen. Studien zur Antikenrezeption des Klassizismus, Tübingen 1979 (Deutsches Archäologisches Institut). 6 Siehe den Aufsatz von Stein 1947 sowie jüngeren Datums Else Marie Bukdahl: The French and German Debate on „Allegory“ in the 18th Century: Allegory and Symbol in the Works of Wiedewelt, Carstens and Thorvaldsen, in: Lorenz Enderlein und Nino Zchomelidse (Hg.): Fic‑ tions of Isolation. Artistic and Intellectual Exchange in Rome during the First Half of the Nine‑ teenth Century, Tagungsband, Accademia di Danimarca Rom, Rom 2006 (Analecta Romana Instituti Danici, Supplementum, Bd. 37), S. 59–66. Der Aufsatz reißt Thorvaldsens Allegoriebegriff und seine Verortung innerhalb der damaligen kunsttheoretischen Debatten lediglich an und konzentriert sich vorrangig auf die Freiskulpturen des Künstlers, nicht aber auf die Reliefs. Zum Allegorieverständnis des Bildhauers im Zusammenhang mit seinen Grabmalreliefs siehe zudem Hemmeter 1984, S. 294–305.

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erneuten Aufenthalts in Rom. Folgt man Just Mathias Thiele, einem der ersten Biographen des Bildhauers, wurden die Entwürfe, angefangen mit dem Winter, unmittelbar zu Beginn des Jahres 1836 geschaffen.7 Einer anderen Quelle zufolge, die in der Forschungsliteratur bislang kaum Berücksichtigung gefunden hat, sollen sie jedoch bereits im November des Vorjahres im Atelier des Künstlers zu sehen gewesen sein, was auf eine Entstehung im Jahr 1835 schließen lässt.8 Wenige Jahre später wurden die Gipsmodelle im Auftrag König Wilhelms I. von Württemberg, der die Medaillons als Dekoration für den Sommerspeisesaal im Neuen Schloss in Stuttgart bestellte, in Marmor umgesetzt.9 Die Darstellungen gewannen schnell an Popularität und fanden, in verschiedene Formate und Materialien übertragen, nicht nur in Adelskreisen, sondern auch im Bürgertum zahlreiche Abnehmer. Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die Jahreszeiten auch über den Tod Thorvaldsens hinaus zu einem beliebten und vor allem im deutschen Raum weit verbreiteten Dekormotiv entwickelt, das sich nicht selten auch als Verkleinerung im Porzellan, auf kunsthandwerklichen Objekten oder im Außenraum als Fassadenschmuck wiederfand.10 Von diesem weitreichenden 7 Vgl. Thiele 1856, Bd. 2, S. 306. Thiele erwähnt dabei eine Skizze zum Winterrelief, die auf einem Zirkularschreiben vom 21. Dezember 1835 erscheint. Dass Thorvaldsen Thiele zufolge mit dem Winter begonnen haben soll und den Zyklus damit wahrscheinlich in umgekehrter Reihenfolge modellierte, mag die motivischen Unterschiede der Reliefs Sommer, Herbst und Winter zum Frühling erklären, der als einziger nicht durch ein Menschenpaar verbildlicht wird. 8 Siehe den Tagebucheintrag der damals 13‑jährigen Marie Puggaard, Tochter des dänischen Kaufmannes Hans Puggaard, vom 2. November 1835; Marianne Saabye: Puggaardske studier. En grossererfamilie i Rom 1835–1836, in: Meddelelser fra Thorvaldsens Museum (1978), S. 72– 115. Siehe dazu auch, allerdings ohne nähere Referenzangabe Bjarne Jørnæs: The sculptor Bertel Thorvaldsen, Kopenhagen 2011 (Erstveröffentlichung 1993), S. 195 sowie Voßkamp 2020, S. 67. 9 Zum Auftrag des württembergischen Königs siehe u. a. Katharina Bott: Wechselbeziehungen zwischen Thorvaldsen und seinen deutschen Auftraggebern, in: Kat. Nürnberg 1991, S. 327–339, hierzu S. 333 f. Laut Thiele erfolgte die Bestellung im Jahre 1837; siehe Thiele 1856, Bd. 2, S. 308. An anderer Stelle (Thiele 1856, Bd. 3, S. 91) spricht er jedoch davon, dass der König 1839 in Abwesenheit Thorvaldsens dessen Atelier in Rom besuchte und erst danach die Rundreliefs in Auftrag gab. Der Kölner Katalog führt wiederum 1841 als Jahr der Bestellung an; vgl. Kat. Köln 1977a, S. 238 Kat. Nr. 87–90. Mit der Ausführung der Marmorfassung wurde K. Bott zufolge Thorvaldsens Werkstattmitarbeiter Johannes Scholl betraut; siehe den Katalogeintrag in Nürnberg 1991, S. 561 Kat. Nr. 5.8. Zusammen mit den Jahreszei‑ ten bestellte der König zudem drei weitere Werke, namentlich eine Gruppe der Drei Grazien sowie die Reliefarbeiten Venus und Amor von 1809 und Hirtin mit Amoretten von 1831; siehe Thiele 1856, Bd. 3, S. 91. Die Marmortondi der Jahreszeiten befinden sich heute im Besitz des Landesmuseums Württemberg und sind dauerhaft in dessen Zweigstelle im Schlossmuseum Aulendorf ausgestellt. 10 Siehe u. a. die Beispiele in Kat. Nürnberg 1991, S. 648 f. Kat. Nr. 7.18 a–d (Eisengussteller der Fürstlich-Stolbergischen Hütte Ilsenburg) und S. 649 f. Kat Nr. 7.20 (Prunkvase der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin). Zur Aufnahme der Motive in das Repertoire der Kopenhagener Porzellanmanufaktur und ihrer Übertragung in Bisquitporzellan siehe u. a. Ursula



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Erfolg der vier Werke zeugt auch eine Passage bei Adolf Rosenberg, der um die Wende zum 20. Jahrhundert schreibt: Bei einer Nachlese unter seinen Werken, […], begegnen uns zunächst die berühmten Reliefs der vier Jahreszeiten […], die im Verein mit den Reliefs des Tages und der Nacht Thorwaldsens Kunst dem Verständnis und dem Herzen unseres Volkes am nächsten gebracht haben und im Schmuck des deutschen Hauses noch durch keine anderen Darstellungen ähnlicher Art verdrängt worden sind.11

Die Frage, weshalb sich die Werke einer derart großen Beliebtheit erfreuten, erfordert zunächst einen genaueren Blick auf die Motivfindungen selbst. Die vier Rundreliefs verbinden die quaternären Themen der Jahreszeiten und Lebensalter. Ähnlich wie bei den Sepiazyklen Caspar David Friedrichs wird damit auch hier der Mensch in das Zentrum der Darstellung gerückt. Die Abfolge der Zeiten und der menschlichen Altersstufen wird in Form von Paaren aus Mann und Frau präsentiert, die in genrehafte Szenen eingebunden sind. Allein das erste Relief, Die Kindheit oder Der Frühling, sticht in dieser Hinsicht heraus (Abb. 101). Statt eines Paares zeigt Thorvaldsen hier eine junge Frau, die von zwei Kindern eingerahmt wird, einem puttenhaften Knaben auf der rechten und einem älteren Jungen auf der linken Seite. Die ungestüme Art des kleinen in ausgreifender Pose dargestellten Kindes steht dabei der ruhigeren Haltung des erwachsener wirkenden Jungen gegenüber. Die Frau lehnt halb sitzend halb stehend vor einem Felsen. Das linke Bein ist leicht angewinkelt, das rechte ausgestreckt. Um die Hüfte hat sie ein bauschiges Tuch geschlungen, das nur ihr linkes Bein und die Scham bedeckt, während das rechte Bein vollständig frei bleibt. Der Oberkörper ist ebenfalls entblößt. In der linken Hand hält sie einen gerade fertig gebundenen Blumenkranz. Das Kind, das rechts von ihr auf dem Felsen sitzt, reicht ihr eine Blume. Der ältere Junge bringt ihr weitere Blüten, die er in seinem Gewand gesammelt hat. Neben der jungen Frau steht ein hoher mit Blumen gefüllter Korb, an dem ein Schellentamburin lehnt. Eine Blütengirlande gleitet zu Boden herab. Die klassischen Kompositionsregeln folgende pyramidale Anordnung der drei Figuren mit der jungen Frau in der Mitte, die die beiden Kinder an Größe überragt, Peters: Erfinden ist göttlich – multiplizieren ist menschlich. Bertel Thorvaldsen und die Vervielfältigung der künstlerischen Idee, in: Andrea M. Kluxen (Hg.): Ästhetische Probleme der Plastik im 19. und 20. Jahrhundert, Nürnberg 2001 (Schriftenreihe der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, Bd. 9), S. 143–150, hierzu S. 149. Darüber hinaus dienten die Rundreliefs der Ausschmückung von Innenräumen oder wurden im Außenbereich angebracht, so etwa im Pergolagarten des von Fürst Pückler gestalteten Landschaftsparks von Schloss Branitz bei Cottbus. Hier hängen sie in Form von terrakottafarbenen Großmedaillons an den Außenwänden der Pergola. Als Fassadenschmuck sind sie auch an städtischen Wohnhäusern der Gründerzeit anzutreffen; siehe hierzu das Bonner Beispiel bei Richard Schopp (Ill.) und Helena Haß (Text): Gebaute Poesie. Jugendstil und Gründerzeit in Bonn, Bonn 2000, S. 162. 11 Rosenberg 1901, S. 102.

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fügt sich harmonisch in die Kreisform des Reliefs ein. Die Szene ruht auf einer unterhalb eingezogenen vorspringenden Waagerechten, die der runden Form eine Ausrichtung gibt und auch in den nachfolgenden Tondi wiederkehrt. Die Fußspitze der jungen Frau ragt leicht über die Basis hinaus. Die frei belassene Partie unterhalb der Kante weist sichtbare Schraffuren und Bearbeitungsspuren auf. In den übrigen drei Reliefs lässt sich der parallele Verlauf des Jahres und des menschlichen Lebens anhand der Entwicklung eines Menschenpaares nachvollziehen. Auf dem Sommermedaillon (Abb. 102) sieht man eine junge Frau und einen jungen Mann vor einem Kornfeld. Rechts hinter ihnen ist eine Schnitterin bei der Ernte dargestellt. Auf dem Boden kniend blickt sie zu den beiden empor, wobei sie gerade zum Schnitt einer Garbe ansetzt. Auf der linken Seite liegen mehrere Bündel mit bereits abgeschnittenen Ähren. Das zentrale Paar aus Mann und Frau erinnert mit seiner antikischen Gewandung und innigen Vertrautheit an die Liebenden aus Friedrichs Sommer-Sepien (Abb. 82 und 90). Beide Figuren stehen seitlich nebeneinander. Ihre Köpfe sind einander zugewandt, wobei sich die Stirnen berühren. Der Jüngling hält als klassisches Symbol des Sommers einen Granatapfel in der linken Hand, den er neckend von der Frau weg zu führen scheint. Mit der anderen umfasst er ihre Taille. Sie wiederum streckt ihre Hand nach der Frucht aus. In der anderen hält sie eine Sichel als typischen Verweis auf die Jahreszeit. Wie beim Frühling weist die Bearbeitung des Marmors auch hier an mehreren Stellen gröbere Spuren und Schraffuren auf. Auffällig sind demgegenüber jedoch sowohl bei der jungen Frau im Vordergrund als auch bei der Schnitterin die präzise Ausarbeitung von Details wie der kunstvoll geflochtenen Frisuren der beiden und die feine Behandlung der Barthaare des Jünglings. Auch die dritte Szene, Die Reife oder Der Herbst (Abb. 103), wird durch ein Paar verbildlicht, das im Vergleich zum Sommermotiv deutlich älter erscheint. Die Gesichtszüge der beiden wirken sichtbar gereift. Der Bart des Mannes ist im Vergleich zu dem im Sommer nur leicht angedeuteten Flaum voller geworden. Der Mann ist gerade von der Jagd zurückgekehrt. Er trifft auf seine Frau, die auf einem Mauervorsprung sitzt und das gemeinsame Kind stillt. Die Anordnung von Frau und Kind erinnert dabei an Darstellungen der Caritas. Über der Schulter des Mannes liegt ein Beute­ stab, an dem ein erlegter Vogel und ein Hase hängen. Ein Hund begleitet ihn, der mit seiner Zunge die Hand der Frau berührt. In der linken, auf dem Stab ruhenden Hand hält der Mann als typisches Attribut der Jahreszeit eine Weintraube, von der er eine Beere abpflückt und zum Mund führt. Im Hintergrund durchzieht eine Weinranke die Szenerie, die am linken Rand durch eine Mauer eingefasst wird. Das letzte Relief, Das Alter oder Der Winter (Abb. 104), zeigt das Paar nun sichtlich gealtert. Die im Herbsttondo vollzogene Anordnung der beiden Akteure, der Mann auf der linken, die Frau auf der rechten Seite, wird beibehalten. Der Mann sitzt nun allerdings, während die Frau steht. Beide befinden sich in einem spärlich eingerichteten, nicht näher definierten Innenraum. Zwischen ihnen steht ein Tisch mit einer hochaufragenden Öllampe und einem Krug. Der nun als Greis dargestellte,



Motive für den allgemeinen Geschmack

durch einen langen Bart gekennzeichnete Mann hat sich auf einem Hocker neben einem großen Kohlebecken niedergelassen und wärmt seine Hände. Das Becken ist gegen die Perspektive leicht zum Betrachter hin geneigt, so dass die im Innern liegenden Kohlen sichtbar werden. Der Alte ist in einen weiten, schlichten Umhang gehüllt und trägt ein turbanartiges Tuch auf dem Kopf. Ihm gegenüber zündet seine Frau die auf dem Tisch stehende Öllampe an. Auch sie trägt ein wärmendes langärmliges Gewand und einen mit mehreren Bändern fixierten Schleier.12 Eine Katze, die unmittelbar vor der Alten auf dem Rand der Feuerschale sitzt, schmiegt sich an ihre Beine und unterstreicht damit den Eindruck von Häuslichkeit.13 Oberhalb ist eine dünne Wäscheleine durch das Kreisrund gespannt, von der ein Tuch herabhängt. Die durch die Öllampe angedeutete Dunkelheit legt eine Verortung der Szene zur Nachtzeit nahe. Zusammen mit dem für den Mittag typischen Motiv der Unterbrechung der Arbeit, das im Sommer (Abb. 102) deutlich wird, klingt hierin neben den Jahreszeiten und den Lebensaltern nicht zuletzt auch ein Bezug des Zyklus’ zum quaternären Thema der Vier Tageszeiten an. Der Verlauf, den die Reliefs – mit Ausnahme des Frühlings – anhand des zen­ tralen Paares nachzeichnen, lässt sich nicht nur am fortschreitenden Alterungsprozess der Figuren und der damit verbundenen Veränderung ihres Erscheinungsbildes ablesen. Wie Suse Barth festhält, zeichnet sich auch mit Blick auf die Interaktion zwischen Mann und Frau und ihre „zwischenmenschlichen Beziehungen“ 14 eine Entwicklung ab. So zeigt das Sommermotiv die allmähliche Annäherung der beiden, wobei der Mann die Frau mit der symbolisch aufgeladenen Frucht des Granatapfels zu verführen sucht. Im Herbst werden beide der Lebensaltersstufe entsprechend als Familie abgebildet, wobei sie gesellschaftliche Idealvorstellungen der damaligen Zeit zur Aufgabenverteilung der Geschlechter aufgreifen. Im Winterrelief erscheinen sie schließlich als Paar auf sich alleine gestellt in häuslich-privater Atmosphäre. Als einzige der vier Szenen zeigt diese letzte – abgesehen von der Katze, welche die beiden Alten begleitet – auffälligerweise nur zwei statt der drei Akteure der vorangegangenen Szenen. Hierdurch wird der Aspekt der zunehmenden Einsamkeit und Zurückgezogenheit im Alter zusätzlich betont. Mit der Entwicklung des Paares geht auch eine Veränderung im Verhältnis von Nähe und Distanz einher, das Thorvaldsen von Szene zu Szene variiert:15 Werden Mann und Frau im Sommerrelief dicht nebeneinander gezeigt, hat sich ihr Abstand 12 Die Ähnlichkeit der Greisin mit der Heiligen Anna in Parmigianinos Bad des Christus­ kindes mag zufällig sein; Girolamo Francesco Maria Mazzola (gen. Parmigianino): Bad des Christuskindes, 1530, Öl auf Lw., o. Maße, Kaunas, Mikalojus-Konstantinas-Čiurlionis-Museum für bildende Kunst. 13 Das Motiv der Katze findet sich häufig in Winterdarstellungen der niederländischen Kunst; siehe dazu Van Straaten 1977, S. 20 m. Abb. Nr. 27. 14 Barth 1971, S. 80 f., die anhand der geschilderten Beziehungen einen Vergleich zu Caspar David Friedrichs Sepiafolge von 1826 zieht. 15 Zur Entwicklung innerhalb der Szenen siehe auch Voßkamp 2020, S. 68 f.

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105 Bertel Thorvaldsen, Das Alter oder Der Winter, 1835, Bleistift auf Papier, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum

im Herbstmotiv vergrößert. Im abschließenden Winterbild wird diese räumliche Trennung durch den zwischen ihnen positionierten Tisch auch bildlich manifestiert. Dass Thorvaldsen derartige kompositorische Mittel bewusst einsetzte und ihre Wirkung kalkulierte, macht ein Blick auf die Vorzeichnung zum Winter deutlich (Abb. 105). Hier erscheint die Greisin noch unmittelbar neben ihrem Mann stehend und zu ihm hingewandt. Der Tisch, der die beiden in der skulpturalen Umsetzung trennt, befindet sich in der Skizze auf der rechten Seite neben und nicht zwischen dem Paar. In der Gestaltung der Reliefs orientiert sich Thorvaldsen an der Einfachheit und kühlen formalen Strenge antiker Werke. Die klassizistisch-antikisierende Darstellungsweise lässt sich dabei auch an der Gewandung der Figuren sowie in der Winterszene zudem am Mobiliar erkennen. Damit verbunden ist eine hohe kompositorische Klarheit und starke Betonung der Umrisse. Figuren und Gegenstände sind größtenteils im Flachrelief ausgearbeitet. Vertiefungen, wie sie etwa in den Bohrungen an den Blüten im Frühling, den Locken des Mannes im Sommer oder den Weintrauben im Herbst sichtbar werden, bilden die Ausnahme. Die Kompositionen bleiben dabei auf das Wesentliche reduziert und verzichten weitgehend auf Details, wenngleich die unterschiedlichen Stofflichkeiten wie die der Haare der abgebildeten Personen oder das Fell der Tiere in Herbst und Winter differenziert wiedergegeben werden. Der Hintergrund ist jeweils glatt belassen. Der umgebende Raum, die Felsen im Frühling oder das Interieur im Winter werden allenfalls angedeutet, ohne dass sich



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die Szenen näher verorten lassen.16 Auch hier verdeutlicht der Blick auf die Vorzeichnung zum Wintertondo, dass Thorvaldsen seine ursprüngliche Komposition für die endgültige Fassung veränderte und dabei weitgehend vereinfachte. In der Entwurfsskizze ist der Innenraum noch wesentlich detailreicher aufgefasst. Links sieht man ein Fenster, in der Mitte eine pfeilerartige Stütze. Auch das Mobiliar ist aufwendiger gestaltet. So ist der Sessel des Alten mit einer Kissenrolle versehen, die in den skulpturalen Ausführungen fehlt. Diese zeigen stattdessen einen schlichten, kaum eingerichteten Innenraum. Auf dem Tisch finden sich nur wenige Gegenstände. Die übliche Darstellung des für die winterliche Jahreszeit typischen opulenten Mahls bleibt aus. Die hier sichtbare Tendenz hin zu einer reduzierteren Formensprache und Vereinfachung kommt in den späteren Werken des Bildhauers zunehmend zum Vorschein. Deutlich wird dies auch anhand eines Vergleichs der zentralen Frauengestalten im Frühlingstondo von 1835/1836 und in einem rund 25 Jahre zuvor entstandenen, ebenfalls für den württembergischen König angefertigten Relief, das Venus und den von einer Biene gestochenen Amor zeigt.17 In beiden Darstellungen sind die zen­ tralen Frauenfiguren vor einem Felsen zu sehen. Das Sitzmotiv der Venus im Relief von 1809 ist dabei wesentlich komplexer angelegt als das der Personifikation des Frühlings, ihr Oberkörper ist stärker nach vorne geneigt und die Gliedmaßen sind deutlicher in die Bewegung mit einbezogen. Die Haltung der jungen Frau im späteren Frühlingstondo (Abb. 101) ist demgegenüber weitgehend begradigt. Ihr Körper wirkt sichtbar gestreckt und erscheint anmutiger, wodurch die dekorative Wirkung der Szene gesteigert wird. In der allgemeinen Beruhigung und Reduktion der Formen, welche Thorvaldsens Jahreszeitenmedaillons auszeichnet, stellt Suse Barth Ähnlichkeiten zu Grabreliefs der griechischen Klassik fest.18 Näherliegend scheint jedoch eine Orientierung an römischen Reliefwerken, die eine vergleichbare Zurücknahme in Detail und Ausdruck aufweisen. Sie waren Thorvaldsen etwa durch das Stichwerk Bassirilievi antichi seines Mentors, des Antikenforschers und dänischen Generalkonsuls im Vatikan, Georg Zoëga, geläufiger als die von Barth genannten griechischen Vorbilder.19

16 Die Abstrahierung der Landschaft, wie sie in den vorliegenden Jahreszeitentondi zum Ausdruck kommt, kennzeichnet auch viele andere Reliefarbeiten des Künstlers. Zwei Ausnahmen sind die beiden 1831 und 1833 entstandenen Relieftafeln, die den Raub des Hylas durch die Nymphen zeigen. Die Landschaft wird hier stärker ausgestaltet und in die Handlung einbezogen: Bertel Thorvaldsen: Hylas und die Wassernymphen, 1833, Marmor, 68 × 109,5 cm, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum; siehe auch Jørnæs 1989, S. 46. 17 Siehe dazu auch Kat. Köln 1977a, S. 238. Bei dem zum Vergleich herangezogenen Relief handelt es sich um Venus und Amor, 1809, Marmor, 67,5 cm × 59 cm, Aulendorf, Schlossmuseum (Württembergisches Landesmuseum). 18 Vgl. Barth 1971, S. 81. 19 Siehe Pietro Piranesi (Hg.), Georg Zoëga (Beschr.) und Tommaso Piroli (Ill.): Li bassirilievi antichi di Roma, 2 Bde, Rom 1808. Thorvaldsen besaß ein Exemplar der Bassirilievi in seiner Bibliothek; siehe den Katalog zur umfangreichen, teilweise aus dem Besitz des befreundeten

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Inhaltlich greifen die Tondi Motive auf, die der Bildsprache der Ikonologien in der Tradition Cesare Ripas entlehnt sind. Dies betrifft zum einen die typischen Attribute, Blüten für den Frühling, Sichel und Korngarben für den Sommer, Weinlaub und Trauben für den Herbst und Feuer für den Winter, zum anderen Bildformeln wie die zentrale Frauengestalt im Frühlingsrelief, die an Venus oder Flora erinnert und in der sich die personifizierende Darstellungsweise in Form von mythologischen Figuren wiederfindet. Ebenso klassisch ist auch die Parallelisierung von Jahreszeiten und Lebensaltern, die vor allem in den Paaren in Sommer, Herbst und Winter sichtbar wird.20 Daneben scheinen zudem andere ikonographische Formeln einzufließen wie das Caritas-Motiv, das sich in der stillenden Mutter im Herbstbild widerspiegelt und hier in den profanen Bereich übertragen wird. Die große Nähe der Relieftondi zur jahreszeitlichen Darstellungstradition und der Bildsprache der Ikonologien wird besonders im Vergleich zu früheren Jahreszeitenwerken von Thorvaldsen deutlich, die demgegenüber eher ungewöhnliche Szenen zur Verbildlichung der Jahreszeiten heranziehen.

Thorvaldsens frühe Jahreszeitenreliefs: Zeitenreigen und anakreontische Szenen Ähnlich wie bei Caspar David Friedrich tritt das Thema der Vier Jahreszeiten auch in Thorvaldsens Schaffen mehrfach auf. Die 1835/1836 entwickelten Medaillons bilden hier die letzte Etappe dieser Auseinandersetzung, die sich über einen Zeitraum von knapp 40  Jahren erstreckt. Die erste Beschäftigung mit dem Thema erfolgte gegen Ende der Ausbildung Thorvaldsens an der Kopenhagener Akademie, an der der Künstler seit 1781 studierte. Auf Vermittlung eines seiner Lehrer, des Malers und Akademieprofessors Nicolai Abraham Abildgaard wurde er 1794 mit der Ausführung zweier Reliefs zu den Tages- und den Jahreszeiten sowie zweier Musenstatuen für das Palais Levetzau auf Amalienborg beauftragt, das nach dem Brand des königlichen Schlosses Christiansborg als neue Residenz für Erbprinz Frederik eingerichtet wer-

Archäologen P. O. Brøndsted hervorgegangenen oder mit dessen Hilfe erworbenen Büchersammlung des Bildhauers von Ludvig Müller: Catalogue des livres et ouvrages d’estampes au Musée Thorvaldsen, französische Ausgabe des dänischen Originals, Kopenhagen 1850 (MuséeThorvaldsen, Sektion 5), S. 16 Nr. 155. Im Vergleich dazu befanden sich nur wenige Publikationen zu Werken der griechischen Antike in seinem Besitz; siehe ebd., u. a. S. 15 Nr. 146 oder S. 16 Nr. 148 f. 20 Zur Verbindung von Jahreszeiten und Lebensaltern siehe auch zuvor S. 201–251.



Thorvaldsens frühe Jahreszeitenreliefs

106 Bertel Thorvaldsen, Die Jahreszeiten, 1794, Gips, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum

den sollte.21 Die Grundlage für die beiden Zeitendarstellungen bildeten Entwurfszeichnungen Abildgaards, die Thorvaldsen in länglichen Gipsreliefs umsetzte.22 Beide Motive sind in starkem Hochrelief ausgeführt.23 Der Hintergrund bleibt jeweils neutral. Während die Tageszeiten als Prozessionszug von vier Figuren gestaltet sind – eine weibliche und eine männliche Gestalt im Wechsel mit zwei Genien, die hintereinander her schreiten und sich an den Schultern fassen –, erscheinen die Jahreszeiten als Viererreigen (Abb. 106). Der zur Seite gewandte Herbst markiert das rechte Ende des Kreistanzes. Sein über den Kopf geführter Arm ergreift die Hand des Winters links hinter ihm. Auf der linken Seite schafft der in tänzelnder Pose darge21 Siehe u. a. Thiele 1852, Bd. 1, S. 25 und Thomas Lederballe: Künstler des Königs, 1767 bis 1794, in: Nicolai Abildgaard. Der Lehrer von Friedrich und Runge, hg. von Jenns E. Howoldt, Ausst.-Kat., Hamburger Kunsthalle, Hamburg 2009, S. 33–43, hierzu S. 39; die Involvierung Thorvaldsens wird hier allerdings nicht erwähnt. Die beiden Zeitentafeln waren für das Audienzzimmer des Prinzen bestimmt. Es handelt sich um die letzten Reliefarbeiten, die Thorvaldsen während seiner Ausbildungszeit anfertigte, bevor er sich erst 1809 mit dem Entwurf zu Die Wegführung der Briseïs wieder dem Medium zuwenden sollte. Die originalen Werke befinden sich seit 1925 zusammen mit den vorbereitenden Modellen im Thorvaldsens Museum Kopenhagen; siehe auch den Katalogeintrag bei Grandesso 2015, S. 269 Kat. Nr. 31. 22 Abildgaards Entwürfe zu den beiden Relieftafeln haben sich, soweit bekannt, nicht erhalten. Ohne diese Vorlagen zu erwähnen, weist H. Froning auf Ähnlichkeiten der Thorvaldsenschen Jahreszeiten zu einem 1786 von Asmus Jacob Carstens entworfenen Bacchantenzug; vgl. Hubertus Froning: Thorvaldsen und Carstens, in: Kat. Köln 1977a, S. 41–45, hierzu S. 43. 23 Hemmeter hebt hervor, dass Thorvaldsen das Hochrelief nur für wenige seiner während der Studienzeit entwickelten Reliefarbeiten wählte. Auch hieran zeigt sich also die Einflussnahme Abildgaards; siehe Hemmeter 1984, S. 25 f.

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stellte Frühling die Verbindung zum Sommer, der dem Betrachter den Rücken zuwendet. Die vier Jahreszeiten sind als nackte geflügelte Jünglinge verbildlicht. Allein der frontal zum Betrachter gerichtete Winter ist in ein Gewand gehüllt. Auf dem Kopf tragen sie Kränze aus verschiedenen saisontypischen Pflanzen und Früchten, die sie als Jahreszeiten kennzeichnen. Das Erscheinungsbild der Figuren erinnert an Geniendarstellungen auf römischen Jahreszeiten-Sarkophagen des 3. und 4. Jahrhunderts n. Chr. wie dem zuvor besprochenen Exemplar aus Dumbarton Oaks (Abb. 5).24 Bekannt waren die antiken Motive zur Zeit Thorvaldsens durch zahlreiche Stichwerke, die sich zum Teil auch im Besitz des Bildhauers befanden.25 Das Relief orientiert sich damit weniger an der in den Ikonologien beschriebenen Darstellungsweise als vielmehr an antiken Bildquellen. Allein das Motiv des Kreistanzes, dessen Wiedergabe hier in dem zwischen Flächigkeit und Dreidimensionalität angesiedelten Medium des Reliefs ein wenig ungelenk wirkt, unterscheidet die Jahreszeitengenien von antiken Vorlagen, auf denen sie meist in einer Reihe nebeneinander präsentiert wurden. Auch Thorvaldsens zweite Auseinandersetzung mit dem Thema weist kaum Bezüge zu der in den Ikonologien präsentierten Darstellungstradition auf. Während die erste Jahreszeitenarbeit noch durch die Vorgaben seines Lehrers Abildgaard bestimmt war, handelt es sich nun um die erste eigene Komposition. Die Entwürfe, zunächst nur zu zwei szenischen Reliefdarstellungen der Jahreszeiten Sommer und Herbst (Abb. 107 und 108), entwickelte der Bildhauer 1810/1811 in Rom, wo er sich seit dem Frühjahr 1797 als Akademiestipendiat aufhielt. Die Modelle entstanden sehr wahrscheinlich während eines Aufenthaltes auf dem Landsitz Baron von Schubarts, des dänischen Gesandten am neapolitanischen Hof, in Montenero bei Livorno oder kurze Zeit später wieder in Rom.26 Den Kontakt zu Von Schubart hatte der dänische Altertumsforscher Georg Zoëga hergestellt, der sich des jungen Künstlers in Italien angenommen hatte und dessen zunächst nur rudimentär vorhandene Antikenkenntnisse schulte. Von Schubart lud Thorvaldsen daraufhin regelmäßig in den Sommermonaten nach Montenero ein. Zoëga und das weitere römische Umfeld, darunter der früh verstorbene Künstlerkollege Asmus Jacob Carstens, waren es auch, die Thorvaldsen mit den Werken der griechisch-römischen Antike vertraut machten.27 Dazu zählten auch die zahlreichen Stichwerke und Schriften zur antiken Kunst, welche die damalige Abwesenheit der antiken Originale in den römischen Sammlungen infolge 24 Siehe zuvor S. 31. 25 So treten sie etwa in dem zentralen Reproduktionswerk von Bartoli und De Rossi auf: Pietro Santo Bartoli und Giovanni Giacomo de Rossi (Hg.): Admiranda Romanarum Antiquita‑ tum ac Veteris Sculpturae Vestigia, Rom 1693, Taf. 78 (sog. Sarkophag aus Dumbarton Oaks) und Taf. 79 (Jahreszeiten-Dionysos-Sarkophag). Ein Exemplar dieses Stichwerks erscheint in Thorvaldsens Büchersammlung; siehe Müller 1850, S. 16 Nr. 151. 26 Siehe dazu die Ausführungen von Thiele 1852, Bd. 1, S. 196 f. 27 Zum römischen Umfeld des Bildhauers siehe den Überblick von Bjarne Jørnæs: Thorvaldsen in Rom, in: Kat. Köln 1977a, S. 47–50.



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ihres Abtransports durch die napoleonischen Truppen kompensierten. Viele dieser illustrierten Werke, darunter Giovanni Battista Piranesis Della magnificenza e d’archi‑ tettura de’ Romani, Tommaso Pirolis Le Antichità di Ercolano, Baron D’Hancarvilles Antiquités Etrusques, Grecques et Romaines, tirées du Cabinet de M. Hamilton oder Johann Joachim Winckelmanns Monumenti antichi inediti, erwarb Thorvaldsen auf Rat Zoëgas für seine Bibliothek.28 Winckelmanns Theorien waren ihm zudem bereits aus seiner Kopenhagener Studienzeit durch die Vermittlung des Bildhauereiprofessors Johannes Wiedewelt geläufig, für den Thorvaldsen als Gehilfe tätig war. Wiedewelt hatte Winckelmanns Theorien in seiner 1762 entstandenen Schrift Tanker om Smagen udi Kunsterne i Almindelighed (Gedanken über den Geschmack und die Künste im Allge‑ meinen) zum Teil nahezu wortgleich rezipiert. Die verschiedenen Reproduktionswerke und Publikationen zur antiken Kunst wurden für Thorvaldsen zusammen mit seiner Sammlung antiker Vasen, Kleinbronzen, Münzen, Gemmen und nachantiker Abgüsse zu einem wichtigen Motivfundus.29 Rund zehn Jahre nach der Entstehung der Gipsmodelle wurden die beiden Jahreszeitentafeln auf Bestellung des Grafen Franz Erwein von Schönborn-Wiesentheid, der die Entwürfe bei seinem Rom-Besuch Anfang des Jahres 1823 in Thorvaldsens Atelier gesehen hatte, in Marmor überführt.30 Dabei gab Von Schönborn zudem ein

28 Ein Inventar der Büchersammlung des Bildhauers, wie sie dem Thorvaldsens Museum übergeben wurde, findet sich bei Müller 1850. Die von Müller zusammengetragene Liste enthält u. a. zahlreiche Bestandskataloge musealer Sammlungen in Rom und anderen europäischen Städten; siehe ebd., insb. S. 7 Nr. 44–52, S. 14 f. Nr. 134–145 sowie S. 32 f. Nr. 336–339. Siehe zu Thorvaldsens Bibliothek zudem Bjarne Jørnæs: Thorvaldsens Bogsamling, in: Bog‑ vennen (1978), S. 41–60. Bei einzelnen Büchern sind die Seiten allerdings noch unangeschnitten. Eine Erinnerung des dänischen Dichters Adam Gottlob Oehlenschläger legt jedoch dar, dass Thorvaldsen die Literatur für die Wahl seiner Motive durchaus heranzog, wenngleich er nicht viel las; Adam Oehlenschläger: Lebenserinnerungen, hg. von Willibald Franke, München 1925, S. 508. 29 Siehe zum Ganzen auch Hartmann 1979, S. 40–47, darunter insb. S. 43–45 zu Thorvaldsens Bibliothek sowie S. 21 zu den Bezügen zwischen Wiedewelt und Winckelmann. Vgl. zum Verhältnis beider auch Bukdahl 2006, insb. S. 62–65. Zur Kunstsammlung des Bildhauers siehe den Bericht bei Just Mathias Thiele: Leben und Werke des dänischen Bildhauers Bertel Thorwaldsen, 2 Bde, Leipzig 1834, hier: Bd. 2/1: Text, S. 74–77 sowie die Übersicht bei Gerhard Bott: Aus der Gemäldesammlung Thorvaldsens in der Casa Buti, in: Kat. Köln 1977a, S. 51–55 und den Aufsatz von Torben Melander: Thorvaldsens Verhältnis zur Antike, in: Kat. Nürnberg 1991, S. 295–305, insb. S. 296 f. 30 Der Auftrag geht aus zwei vertragsartigen Schriftstücken Von Schönborns vom 25. Januar 1823 hervor, in denen die bestellten Werke mit ihren Preisen aufgeführt sind; Archiv des Thorvaldsens Museums, m8 1823, Nr. 4 und Nr. 5 („zwey Basrelief’s mit kindlich bacchischen Vorstellungen ebenfalls von weißen karrarischen Marmor“). Vgl. auch den Brief des Kunstagenten und bayerischen Gesandten in Rom, Martin von Wagner, an Kronprinz Ludwig von Bayern vom 19. Januar 1823; zit. bei Ludvig von Urlichs: Thorwaldsen in Rom. Aus Wagner’s Papieren, zwanzigstes Programm zur Stiftungsfeier des von Wagner’schen Kunstinstituts für 1887, Würzburg 1887, S. 12. Siehe zudem Thiele 1856, Bd. 2, S. 101 f. Zum Ganzen auch Hella

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drittes Relief in Auftrag, das den Winter verbildlichen sollte.31 Darüber hinaus war wohl auch eine Frühlingsdarstellung geplant, die jedoch nicht überliefert ist.32 An­­ hand des Auftrags Von Schönborns lässt sich die besondere Arbeitsweise Thorvaldsens verdeutlichen, die auch bei den späteren Reliefs von 1835/1836 zum Tragen kommt: Zahlreiche Werke Thorvaldsens entstanden zunächst ohne einen bestimmten Auftrags- oder Bestimmungskontext lediglich als Entwurf, in dem eine bestimmte Bildidee konkretisiert wurde. Die auf dieser Grundlage erzeugten Modelle wurden da­ raufhin im Atelier des Künstlers, das gleichzeitig als Verkaufsraum und Lager diente, ausgestellt und konnten von möglichen Käufern besichtigt werden. Erst auf die Bestellung eines Käufers hin wurden die Werke schließlich fertig ausgeführt und

Robels und Hubertus Froning: Thorvaldsen und sein Auftraggeber Franz Erwein von Schönborn, Graf und Herr zu Wiesentheid, in: Kat. Köln 1977b, S. 237–245 mit einem Quellenanhang auf S. 240–243. Neben den bei Thorvaldsen bestellten Reliefs gab Von Schönborn weitere Jahreszeitenwerke bei anderen in Rom ansässigen Künstlern in Auftrag. So ließ er von den Bildhauern D. José Alvarez (Vertumnus-Winter), Hermann Ernst Freund (Pomona-Sommer), Matthias Kessels (Bacchus-Herbst) und Eduard Schmidt von der Launitz, einem Mitarbeiter Thorvaldsens, (Flora-Frühling) einen Zyklus in Hermenform anfertigen; siehe hierzu u. a. ­Katharina Bott: Ein deutscher Kunstsammler zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Franz Erwein von Schönborn (1776–1840), Alfter 1993, S. LVI. Der Sammler plante wohl die Aufstellung aller Werke in einem von Jakob Ignaz Hittorff entworfenen „Kunsttempel“; dazu Robels/Froning 1977, S. 238–240. 31 Siehe den Brief Martin von Wagners vom 4. April 1823 an Kronprinz Ludwig: „Th. hat unterdessen ein kleines Bassorilievo modelliert, welches für Grafen von Schönborn bestimmt ist und den Anacreon zum Gegenstand hat, welcher den Amor bei sich aufnimmt und trocknet.“; zit. nach Von Urlichs 1887, S. 12. In den Schriftstücken Von Schönborns aus dem Januar 1823 taucht das Relief hingegen nicht auf. Insofern ist auch unklar, wann genau der Entwurf zur Wintertafel entstand und ob er zum Zeitpunkt der Bestellung nicht bereits vorlag. Der Bericht von Thiele legt nahe, dass die Wintertafel erst auf den Auftrag Von Schönborns hin ausgeführt wurde; siehe Thiele 1856, Bd. 2, S. 101. Im Register verzeichnet er das Relief dementsprechend erst unter dem Jahr 1823; vgl. ebd., Bd. 3, S. 216. Einzelne Vorzeichnungen zum Winter erscheinen jedoch auf Blättern, die auch Skizzen zu Arbeiten der Zeit um 1807– 10 aufweisen. Der Winter-Entwurf kann jedoch auch nachträglich diesen Zeichnungen hinzugefügt worden sein; vgl. den Katalogeintrag in Thorvaldsen. Drawings and Bozzetti, hg. von Heim Gallery, Ausst.-Kat., Heim Gallery London, London 1973 (Heim Exhibition Catalogues, Bd. 18), S. 21 f. Kat. Nr. 21. 32 Siehe Bott 1993, S. LI (Apoll und die Hirten) sowie genauer zur Beziehung zwischen Thorvaldsen und Von Schönborn und der verworrenen Auftragsgenese dies.: Sammler zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Italienreise des Franz Erwein von Schönborn und seine Begegnung mit Thorvaldsen, in: Ulrich Schneider (Hg.): Festschrift für Gerhard Bott zum 60. Geburtstag, 14. Oktober 1987, Darmstadt 1987, S. 139–158, zum Frühlingsrelief insb. S. 147 f. Bott erwähnt als einzige, dass ein derartiges Frühlingsbild in Planung war und der Zyklus somit vervollständigt werden sollte. In späteren Briefen wird zudem ein weiteres Relief aufgeführt, das Ceres und Triptolemos darstellt und somit ebenfalls in einem jahreszeitlichen Kontext stehen könnte; siehe ebd. S. 148 (Brief Von Schönborns an den Bildhauer Eduard Schmidt von der Launitz).



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gegebenenfalls nach dessen Vorstellungen modifiziert.33 So bestellte Von Schönborn zusammen mit den Jahreszeiten bei Thorvaldsen eine Version des bereits 1817 entwickelten Hirtenknaben, die für ihn um eine Syrinx zu Füßen der Figur ergänzt werden sollte, damit sie sich von den bisherigen Fassungen unterschied. Die Ausführung der durch Von Schönborn bestellten Werke, insbesondere der Jahreszeitentafeln, verzögerte sich jedoch erheblich – auch dies ein Merkmal von Thorvaldsens Werkprozess –, so dass nicht klar ist, ob die Arbeiten ihren Auftraggeber vor seinem Tod im Jahre 1840 überhaupt noch erreichten.34 Die drei für Von Schönborn bestimmten Reliefs zeigen mythologische Szenen mit Amor als Hauptfigur. Damit greift Thorvaldsen eine für die Jahreszeiten bis dato eher unübliche Darstellungsweise auf, die nicht auf die in den Ikonologien zitierte Literatur, etwa Ovid oder Vergil, zurückgeht, sondern auf die amoresken Gesänge des griechischen Dichters Anakreon. Die anakreontischen Dichtungen erfreuten sich im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert aufgrund ihrer heiteren, unbeschwerten Thematik allgemeiner Beliebtheit und fanden vor allem in der deutschsprachigen Lyrik mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Karl Wilhelm Ramler, Christoph Martin Wieland oder Eduard Mörike zahlreiche Übersetzer und Nachahmer.35 Un­­ gefähr zeitgleich mit dieser Anakreon-Mode entwickelte Thorvaldsen neben den jahreszeitlichen Tafeln eine ganze Reihe an mythologisch-allegorischen Werken, die ­thematisch um die anakreontische Figur des Liebesgottes kreisen.36 Für die Jahreszeitenreliefs griff der Bildhauer dabei diejenigen Episoden heraus, die bestimmte jah33 Zu Thorvaldsens Arbeitsweise siehe u. a. Peters 2001, S. 146–149. Mit einer solchen Modifikation der bestellten Werke wurde Thorvaldsen z. B. von Fürst Metternich beauftragt, der wünschte, „der Künstler möchte an diesen Exemplaren irgendeine kleine Veränderung vornehmen und denselben seinen Namen beifügen, um ihnen dadurch einigen Originalwerth zu verleihen.“; zit. nach Thiele 1852, Bd. 1, S. 255. 34 In den Inventarlisten zur Schönbornschen Sammlung werden die Werke nicht aufgeführt; siehe auch Robels/Froning 1977, S. 238–240 und S. 241–243. Mehrere Schriftstücke zeugen von den wiederholt über unterschiedliche Personen an Thorvaldsen herangetragenen Nachfragen des Grafen nach dem Verbleib der Werke, so etwa ein Brief Johan Bravos an Thorvaldsen vom 10. Oktober 1839 (Kopenhagen, Archiv des Thorvaldsens Museum, m23 1839, Nr. 24). In einem undatierten, wohl nach 1831 verfassten Brief Von Schönborns an den Bildhauer beklagt der Graf zudem, dass er bereits in mehreren Stichwerken als Besitzer der Reliefs geführt werde, und bittet nochmals eindringlich um deren Fertigstellung. Zu den genannten Kupferwerken zählt nicht zuletzt Thieles Publikation von 1834, die Von Schönborn explizit als Eigentümer nennt; Thiele 1834, Bd. 2/1, S. 72 Taf. 143. Siehe zum Ganzen auch Bott 1987, S. 148–153. 35 Zur Beliebtheit anakreontischer Themen und der deutschen Anakreon-Rezeption im 18. und frühen 19. Jh. siehe genauer Herbert Zeman: Die deutsche anakreontische Dichtung. Ein Versuch zur Erfassung ihrer ästhetischen und literarhistorischen Erscheinungsformen im 18. Jahrhundert, Stuttgart 1972 (Germanistische Abhandlungen, Bd. 38) (Zugl. Habil. Universität Wien 1972). In Thorvaldsens Büchersammlung findet sich eine Textausgabe der Gedichte Anakreons von 1793; siehe Müller 1850, S. 37 Nr. 386. 36 Siehe die Beispiele bei Hartmann 1979, S. 162–187 („Venus und Amoretten“).

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reszeitliche Elemente oder Tätigkeiten wie die Ernte im Sommer, das Traubenkeltern im Herbst oder das Wärmen an einem Feuer im Winter erkennen lassen. Das dem Sommer gewidmete Relief (Abb. 107) zeigt Amor, der seine Arme um den Hals eines Schwans geschlungen hat. Neben ihm pflücken zwei nackte Jungen Äpfel von einem Baum. Der eine Knabe hat den anderen dabei auf seine Schultern genommen. Durch die Last deutlich gebückt stehend, stützt er sich an einem hohen Korb ab, der mit dem bereits gesammelten Obst gefüllt ist. Die Darstellung des Herbstes rückt ebenfalls Amor ins Zentrum, nun mit Köcher und Bogen ausgestattet und in Begleitung des Bacchusknaben (Abb. 108). Die Szene ist an die 17. Ode der Carmina Anacreontea angelehnt, in der die Anfertigung eines Silberbechers durch Vulkan und dessen Ausgestaltung mit bacchantischen Motiven beschrieben werden. Sie schließt mit den Zeilen: Dafür mach einen Weinberg, Und in demselben Trauben, Und nebst dem schönen Bacchus Die allerliebsten Knaben, Bathyll und Amorn, kelternd.37

In Anlehnung an die anakreontische Vorlage stehen Amor und Bacchus im Thorvaldsenschen Relief dicht nebeneinander in einer länglichen mit Trauben gefüllten Wanne und zertreten die Weinbeeren zu Saft. Der Liebesgott hat seine Hände auf die Schultern des jungen Bacchus gelegt, der wiederum mit seinem Arm um Amors Hüfte greift, wobei er sich zusätzlich mit seinem Thyrsosstab in der Traubenmasse abstützt. Beide blicken nach links auf einen Jungen in kurzem Chiton, den Dichterliebling ­Bathyllus, der weitere Trauben in den Bottich schüttet. Als kompositorisches Gegengewicht dazu lehnt rechts neben dem Trog eine Spitzamphora. Weinlaubranken rahmen die Szene zu den Seiten hin ein. Das dritte Relief, Amor bei Anakreon oder Der Winter (Abb. 109), führt die Reihe anakreontischer Themen fort. Während Sommer und Herbst durch jeweils drei Figuren verbildlicht werden, ist die Winterszene auf zwei Akteure, Amor und den Dichter Anakreon, reduziert. Mit der Figur des greisen Dichters schwingt im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Tafeln in diesem Relief die Vorstellung von den

37 Anakreon, Carmina, XVII, in der Übersetzung von Johann Nikolaus Götz: Die Gedichte Anakreons und der Sappho Oden, Faksimiledruck nach der Karlsruher Ausgabe von 1760, mit einem Nachwort von Herbert Zeman (Deutsche Neudrucke, Texte des 18. Jahrhunderts), Stuttgart 1970, S. 44. Die Zählung der anakreontischen Gesänge in den Textsammlungen des 18. und 19. Jhs unterscheidet sich von der in modernen textkritischen Ausgaben; vgl. Alexia Zotou: Carmina anacreontea 1–34. Ein Kommentar, Berlin/Boston 2014 (Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 332) (Zugl. Diss. phil. Universität Göttingen 2010), S. 37–43. Hier wird der XVII. Gesang als Nr. 4 aufgeführt.



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107 Bertel Thorvaldsen, Amor med en svane og drenge, der plukker frugt, Sommeren (Amor mit einem Schwan und Obstpflückenden Knaben, Sommer), 1810/1811 (Gipsmodell) und 1825 (Marmor), Kopenhagen, Thorvaldsens Museum

108 Bertel Thorvaldsen, Amor og Bacchus, Høsten (Amor und Bacchus, Ernte), 1810/1811 (Gipsmodell) und 1825 (Marmor), Kopenhagen, Thorvaldsens Museum

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109 Bertel Thorvaldsen, Amor hos Anakreon, Vinteren (Amor bei Anakreon, Winter), 1823, Gipsmodell und Marmor, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum

menschlichen Lebensaltern mit, deren Verknüpfung mit den Jahreszeiten in den späteren Tondi von 1835/1836 durchgehend vollzogen wird. Die Darstellung greift eine Begebenheit aus dem dritten Gesang der Anacreontea auf.38 Der Erzählung nach wird Anakreon eines Nachts von einem frierenden, vom Regen durchnässten Jungen aufgesucht, den er bei sich aufnimmt. Wieder aufgewärmt gibt sich der Knabe als Amor zu erkennen, greift zu seinem Bogen und schießt dem greisen Dichter einen seiner Pfeile ins Herz, wodurch dieser ungeachtet seines hohen Alters von Liebe erfüllt wird. Thorvaldsens Umsetzung stellt die beiden Protagonisten nah nebenei­ nander und einander zugewandt in das Zentrum der Tafel. Der auf einer Kline sitzende Anakreon – durch den Lorbeerkranz auf seinem Kopf und die ihn umgebenden bacchischen Attribute Thyrsosstab, Pantherfell, Weinkrug und Lyra als Dichter ge­­ kennzeichnet – legt ein wärmendes Tuch um den Liebesgott, der mit seiner rechten Hand einen Pfeil an die Brust des Dichters führt. Seine linke ruht über einer glühenden Feuerschale, die sich in der rechten unteren Ecke der Tafel befindet. Dahinter ragt eine antik anmutende Öllampe auf. Das in dieser Szene angedeutete Thema der Flüchtigkeit der Liebe und deren Verbindung zu den Altersstufen des Menschen führt der Bildhauer wenig später in seinem Fries der Liebesalter von 1824 weiter aus. Das

38 Siehe Götz 1970, S. 7–13. Bei Zotou wird die Ode als 33. Gesang aufgeführt; siehe dort für den Originaltext sowie zur dt. Übersetzung mitsamt Kommentierung Zotou 2014, S. 178–182.



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längliche Relief zeigt in umgekehrter Leserichtung von rechts nach links das antike Motiv der Verteilung von Liebesgöttern an Frauen und Männer unterschiedlichen Alters. Den linken Abschluss der friesartigen Tafel bildet ein auf einen Stock gestützter Greis, dem, anders als in der anakreontischen Darstellung, die Liebe in Gestalt eines Putto wieder entfliegt.39 Ein Blick auf die Vorzeichnungen zu den drei anakreontischen Jahreszeitentafeln lässt eine ähnliche Tendenz zur Vereinfachung erkennen, wie sie auch in den späteren Medaillons von 1835/1836 zum Vorschein kommt. So sehen die Skizzen zum Sommer ursprünglich einen weiteren Knaben vor, der den beiden anderen Jungen durch das Anreichen eines Korbes bei der Ernte hilft.40 Auch die Entwürfe zum Herbst weisen deutlich mehr Figuren auf, die das zentrale Paar aus Amor und Bacchusknabe umgeben. Für die endgültige Fassung beruhigte Thorvaldsen zudem die Pose der beiden Hauptfiguren, die in den vorbereitenden Skizzen noch wesentlich bewegter und stärker raumgreifend ausfällt. Nicht zuletzt veränderte er auch ihre Anordnung: Während Amor in den Vorzeichnungen durchgehend links neben Bacchus erscheint, steht er in der fertigen Ausführung rechts.41

39 Bertel Thorvaldsen: Die Liebesalter, 1824, Gips, 40 × 123,5 cm, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum. Das Motiv geht auf ein 1759 in Stabiae entdecktes antikes Wandgemälde zurück, das wenig später in den Antichità di Ercolano abgedruckt und im Anschluss von J.‑M. Vien in seinem Gemälde La Marchande à la toilette bzw. La Marchande d’amours (1763, Öl auf Lw., 98 × 122 cm, Fontainebleau, Musée national du Château) aufgegriffen wurde; N. N. (= Tommaso Piroli): Le pitture antiche d’Ercolano. Le antichità di Ercolano esposte, 7 Bde, Neapel 1757– 1792, hier: Bd. 3, Neapel 1762, Taf. 7 mit Erläuterungen auf S. 37–40. Thorvaldsen besaß die römische Ausgabe der Antichità; siehe Müller 1850, S. 13 Nr. 121. Das Motiv der Amorettenverkäuferin war zur damaligen Zeit sehr beliebt. Neben Thorvaldsen, der sich diesem Thema mehrfach zuwandte, behandelten es auch Künstler wie Clodion (im Salon von 1773 ausgestellt, siehe den Katalog bei Guiffrey 1870, Bd. 27, S. 44, Nr. 249), François Joseph Bosio (Salon von 1793, siehe Guiffrey 1871, Bd. 37, S. 51, Nr. 548) sowie nicht zuletzt Antonio Canova. Der Schriftsteller Adam Oehlenschläger verarbeitete Thorvaldsens Version später in einem Gedicht. Siehe zum Motiv der Amorettenverkäuferin auch Hartmann 1979, S. 171–176 sowie Hans Wille: Wer kauft Liebesgötter?, in: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 11 (1972), S. 157–190 und Dietrich Gerhardt: Wer kauft Liebesgötter? Metastasen eines Motivs, Berlin 2008 (Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-historische Klasse, N. F., Bd. 1), S. 78–86. 40 Bertel Thorvaldsen: Sommer, 1811, Bleistift auf blau-grauem Papier, 20,6 × 14,9 cm, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum (Inv. Nr. C3v). Das Motiv des einen Schwan umarmenden Amors erscheint darüber hinaus losgelöst auf einem anderen Skizzenblatt, auf dem sich neben verschiedenen Skizzen auch eine Vorstudie zum Relief Amor bei Anakreon befindet (Amor und Anakreon, Sommer, Winter, um 1823, Bleistift und braune Tusche auf Papier, 36,2 × 25,2 cm, Inv. Nr. C261r). 41 Siehe die Zeichnungen Amor und der Bacchusknabe bei der Traubenkelter, Herbst (1810, Bleistift auf hellbraunem Papier, 20,3 × 27,3 cm, Inv. Nr. C113; Bleistift auf hellbraunem Papier, 21,8 × 26,6 cm, Inv. Nr. C114r und Bleistift auf Papier, 12,7 × 19 cm, Inv. Nr. C470br). Diese ersten Skizzen sahen zudem eine Auffangschale rechts neben dem Keltertrog vor.

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Im Vergleich zu Thorvaldsens ersten, 1794 geschaffenen Jahreszeitenstücken sind die Formen in den anakreontischen Tafeln klarer umrissen und ähnlich wie bei den späteren Tondi stärker konturbetont modelliert. In der hier deutlich hervortretenden Formenstrenge kommt die zwischenzeitliche Bekanntschaft und Auseinandersetzung mit den Werken des dänischen Malers Jacob Asmus Carstens zum Ausdruck, den Thorvaldsen nach seiner Ankunft in Rom persönlich kennen lernte und mit dem ihn bis zu Carstens’ frühem Tod 1798 eine enge Freundschaft verband. Carstens regte Thorvaldsen zu einer stärkeren Betonung der Umrisslinie an,42 wie sie in den anakreontischen Reliefs zum Beispiel in der Herausarbeitung der umgebenden Natur, dem Schilfgras und dem Apfelbaum im Sommer oder dem Weinlaub im Herbst, sichtbar wird. Die durch die Anlehnung an die Texte Anakreons gegebene Orientierung an der Antike bleibt jedoch nicht auf den Inhalt beschränkt. Auch in der Gestaltung verarbeitet Thorvaldsen in seinen Reliefs nahezu eklektisch antike Motive. So zitiert der den Schwan umarmende Amor der Sommerszene die als „Ganswürger“ bekannte hellenistische Figurengruppe, die sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Kapitolinischen Sammlungen befand.43 Die Figur wurde bereits vor Thorvaldsens Motivschöpfung schon einmal mit den Jahreszeiten in Verbindung gebracht. So deutete sie der Antikenforscher Giovanni Gaetano Bottari in seinen Beschreibungen der Bestände der Kapitolinischen Museen als Symbol für den Winter.44 Es liegt nahe, dass Thorvaldsen Bottaris Deutung entweder aus eigener Kenntnis oder durch die daran

42 Zur engen künstlerischen wie freundschaftlichen Beziehung zwischen Carstens und Thorvaldsen, der die Werke seines Künstlerkollegen sammelte und zum Teil auch kopierte, siehe genauer Froning 1977, S. 41–45. 43 Siehe dazu Henry Stuart Jones: A Catalogue of the Ancient Sculptures preserved in the Mu‑ nicipal Collections of Rome. The sculptures of the Museo Capitolini, Oxford 1912, S. 321 f. Kat. Nr. 16 mit Abb. Taf. 80. Die Skulptur wurde 1741 bei der Abtragung des sog. Monte Cipollaro in der Gegend zwischen dem Lateran und Santa Croce in Gerusalemme entdeckt und von ­Benedikt XIV. dem Museum übergeben. Weitere zum Teil leicht abweichende Repliken befinden sich u. a. im Musée du Louvre Paris und in der Glyptothek München. In seiner Geschich‑ te der Kunst des Alterthums beschreibt Winckelmann die Skulptur bezeichnenderweise als „Kinde im Campidoglio, welches mit einem Schwan spielet“ und legt damit vielleicht die Grundlage für die Umsetzung Thorvaldsens; Johann Joachim Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums, 2 Teile, Dresden 1764, hier Teil 1, Kap. 4, S. 234. Vgl. auch die erweiterte italienische Fassung in der Übersetzung Carlo Feas, in der von einem „puttino che giuoca con un cigno“ die Rede ist; ders.: Storia delle arti del disegno presso gli antichi, ins Italienische übers. und erweitert unter Beteiligung von Carlo Fea, 3 Bde, Rom 1783/1784, hier: Bd. 2, Rom 1783, S. 121, § 25. An gleicher Stelle wird die Figur auch als „fra i più bei puttini“ gelobt. Thorvaldsen besaß sowohl die deutsche Ausgabe als auch die italienische Übersetzung von Fea; siehe Müller 1850, S. 8 Nr. 54 f. 44 Siehe Giovanni Gaetano Bottari und Nicolao Foggini: Il Museo Capitolino, 3 Bde, Mailand 1819–1821, hier: Bd. 3, Mailand 1821, S. 350 f. mit Taf. 64 („Può essere che simboleggi l’inverno […]. E che l’oca sia uno de’simboli dell’inverno, l’ho dimostrato distesamente altrove.“).



Thorvaldsens frühe Jahreszeitenreliefs

geäußerte Kritik Winckelmanns bekannt war.45 Ungeachtet dessen setzt der Bildhauer die Gruppe hier jedoch für die Darstellung des Sommers ein – eine Neukombination und Verschmelzung von Einzelmotiven unterschiedlicher Quellen, die sich auch bei den späteren Rundreliefs zeigt. In gleicher Weise werden auch in der Herbstdarstellung Antikenzitate sichtbar. Die von Thorvaldsen gewählte Szene der Trauben zertretenden Jungen bildete, wie bereits Jørgen Hartmann herausgestellt hat, ein geläufiges Motiv auf römischen Sarkophagen und wurde als solches auch in Stichwerken des 18. und 19. Jahrhunderts abgebildet.46 Als Beispiel seien erneut die Bassirilievi antichi von Zoëga genannt, in denen sich die Reproduktion eines entsprechenden Sarkophags aus der Villa Albani findet.47 Das antike Thema der Weinkelter erfreute sich zu Thorvaldsens Zeiten  – getragen von der damaligen Anakreon-Mode – großer Beliebtheit und wurde vielfach besonders für dekorative Kontexte genutzt. Eine damals bekannte bildliche Konkretisierung stellt ein Gemälde von Friedrich Rehberg dar, das Amor und Bacchus in ganz ähnlicher Weise wie die wenige Jahre später datierende Umsetzung von Thorvaldsen beim Zertreten von Trauben zeigt. Bei Rehberg sind beide zudem in eine idealtypische Landschaft eingebettet.48

45 Eine Ausgabe von Bottaris und Fogginis Werk findet sich in Thorvaldsens Büchersammlung; siehe Müller 1850, S. 15 Nr. 137. Gegen die 1741 erstmals erschienene jahreszeitliche Deutung der Figur durch Bottari äußerte Winckelmann in der italienischen Ausgabe seiner Storia delle Arti Zweifel; siehe Winckelmann 1783/1784, Bd. 2, S. 121, § 25, Anm. (c). 46 Zum Herbstrelief siehe genauer Hartmann 1979, S. 184–186, Nr. 44. Als direkte Vorlagen führt der Autor insb. zwei Beispiele an, die sich zu Thorvaldsens Zeiten in Rom befunden haben, namentlich einen Sarkophagdeckel aus dem Konservatorenpalast sowie eine ehemals im Palazzo Rondanini verwahrte Reliefplatte; siehe ebd. S. 184 mit Anm. 5 und 6 sowie Abb. 4 auf Taf. 126. Darüber hinaus verweist er auf Thiele, der weitere mögliche antike Vorbilder auflistet; Just Mathias Thiele: Den danske billedhugger Bertel Thorvaldsen og hans værker, 2 Bde, Kopenhagen 1831/1832, hier Bd. 1, Kopenhagen 1831, S. 171 Anm. 184. Zu Beispielen des Weinkeltermotivs auf bacchantischen Sarkophagen der römischen Antike siehe auch Friedrich Matz: Die dionysischen Sarkophage, 1. Teil: Die Typen der Figuren, die Denkmä‑ ler 1–71b, Berlin 1968 (Die antiken Sarkophagreliefs, Bd. 4,1), S. 135–138, Nr. 37 m. Abb. auf Taf. 34 u. S. 140 f. Nr. 39 m. Taf. 37. 47 Siehe Piranesi/Zoëga/Piroli 1808, Bd. 1, S. 129 f. mit Taf. 26. 48 Friedrich Rehberg: Amor und Bacchus Wein kelternd, 1797 (Replik des 1795/1796 für Friedrich Wilhelm II. von Preußen geschaffenen Gemäldes), Öl auf Lw., 119,5 × 94 cm, Wörlitz, Schloss, Gemäldesammlung. Zum Gemälde Rehbergs siehe insb. Ingo Pfeifer: Friedrich Rehbergs Gemälde ‚Amor und Bacchus beim Weinkeltern‘, in: Axel Rügler (Red.): Italien in Preußen  – Preußen in Italien, Kolloquium, Winckelmann-Gesellschaft, Forschungszentrum Europäische Aufklärung und Philosophische Fakultät der Universität Potsdam, Stendal 2006 (Schriften der Winckelmann-Gesellschaft, Bd. 25), S. 96–101; dort auch zu den antiken Vor­ lagen, S. 99 f. Die kompositorischen Ähnlichkeiten zwischen dem Rehbergschen Gemälde und Thorvaldsens knapp fünfzehn Jahre später entstandenem Relief legen nahe, dass Thorvaldsen Rehbergs Werk kannte, zumal der Bildhauer die Figuren zumindest in den ersten Vorzeichnungen auch identisch anordnete.

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Anders als bei Sommer und Herbst lassen sich in der Wintertafel keine direkten Bezüge zu antiken Bildwerken erkennen, wenngleich Hartmann gewisse kompositorische Parallelen zu einem Dädalus-und-Ikarus-Relief aus der Villa Albani festmachen will.49 Mehr noch als antike Quellen könnte Thorvaldsen eine zeitgenössische Darstellung als Vorbild gedient haben, nämlich das 1806 entstandene Gemälde des befreundeten und ebenfalls in Rom ansässigen dänischen Malers Christian Fædder Høyer.50 Høyer, der wie Thorvaldsen ein Schüler Abildgaards war, stellt die Begegnung zwischen dem Dichter und dem Liebesgott ganz ähnlich wie wenige Jahre später der Bildhauer in einem Innenraum dar. Die Anregung zu dieser Szene erhielt der Maler, wie er seinem Lehrer Abildgaard schrieb,51 durch Zoëga, der auch Thorvaldsen auf das Thema gebracht haben könnte. Im Vergleich zu Høyer verändert der Bildhauer für seine skulpturale Umsetzung die Anordnung der beiden Hauptfiguren und rückt sie näher zusammen, wodurch eine intimere Atmosphäre entsteht. Dass Thorvaldsen auf die angemessene Positionierung der Figuren besonderen Wert legte, zeigen erneut die Vorzeichnungen zur Wintertafel, in denen er den Abstand zwischen den beiden Akteuren immer wieder variiert und neu zu überprüfen scheint.52 Ähnlich wie die späteren Rundreliefs wurden auch die drei mit dem Jahreszeitenthema verwobenen anakreontischen Tafeln mehrfach wiederholt.53 Besonders das Winterrelief erfreute sich dabei einer großen Nachfrage. Neben dem für den Grafen von Schönborn bestimmten Exemplar führte Thorvaldsen eine Version für den englischen Sammler Thomas Hope aus, die er ihm 1828 zusammen mit weiteren Stücken als Entschädigung für die lange Wartezeit auf die von ihm bestellte Statue des Jason zukommen ließ. Darüber hinaus schuf der Künstler eine Fassung in Lünettenform für Lord Norton, Charles Bowyer Adderley.54 Die Anzahl der Wiederholungen verdeutlicht 49 Vgl. Jørgen Birkedal Hartmann: Motivi antichi nell’arte di Thorvaldsen, in: Kat. Rom 1989, S. 62–74, hierzu S. 69 f. Das Relief war in den Bassirilievi antichi abgebildet; siehe Piranesi/ Zoëga/Piroli 1808, Bd. 1, Taf. 44 und S. 207–209. 50 Christian Fædder Høyer: Amor optaget hos Anakreon (Amor bei Anakreon), 1806, Öl auf Lw., 74,5 × 98,8 cm, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum. 51 Siehe den Brief C. F. Høyers vom 6. September 1806 an N. Abildgaard („Jeg har i den senere Tiid malt Anacreon og Amor som egentlig Zoega forførte mig til at udføre“), Nationalbibliothek Dänemark Kopenhagen (Det Kongelige Bibliotek), Handschriftenabteilung, NKS 2337, 2°. 52 Siehe beispielsweise die Skizze Amor und Anakreon, Winter, o. J., Bleistift auf Papier, 18,9 × 24,4 cm (Kopenhagen, Thorvaldsens Museum, Inv. Nr. C1071) oder Amor und Anakreon, Win‑ ter, um 1823, Bleistift und braune Tusche auf Papier, 36,2 × 25,2 cm (Kopenhagen, Thorvaldsens Museum, Inv. Nr. C261v). 53 Eine Übersicht über die verschiedenen bekannten Ausführungen bietet der Katalog bei Grandesso 2015, S. 272 f. Nr. 131 und Nr. 132 zu Sommer und Herbst sowie S. 280 Nr. 329 zum Winter. Der Katalog listet allein sechs verschiedene Varianten des Winterreliefs auf, die zum Teil in Einzelheiten leicht voneinander abweichen. 54 Zu den einzelnen Wiederholungen des Winterreliefs siehe u. a. den Eintrag in Kat. Köln 1977a, S. 192 Kat. Nr. 57 und Bott 1987, S. 150; zur Lünettenfassung für das Anwesen Lord Nortons in Hams Hall zudem William S. Childe-Pemberton: Life of Lord Norton (Right Hon.



Zitate einer Darstellungstradition

die allgemeine Beliebtheit der heiteren, genrehaft verspielten Reliefszenen, der sich auch Künstlerkollegen wie der Architekt Leo von Klenze nicht entziehen konnten.55 Zur Popularität und Verbreitung der anakreontischen Motive trug nicht zuletzt auch ihre Wiedergabe in zahlreichen Stichwerken zum Œuvre Thorvaldsens bei wie die 1811 erschienene Ausgabe mit Reproduktionen Fernando Moris und der Gebrüder Franz und Johannes Riepenhausen.56 Die Konturbetontheit der Thorvaldsenschen Reliefs kam der Übertragung in Umrissstiche dabei besonders entgegen. Auch der italienische Dichter Angelo Maria Ricci nahm in seiner mehrfach aufgelegten anakreontischen Gedichtsammlung, deren spätere Ausgaben mit Illustrationen der Arbeiten von Thorvaldsen versehen wurden, direkten Bezug auf die drei Reliefs.57 Die Winterdarstellung erfuhr darüber hinaus einen direkten literarischen Nachhall im Gedicht Den uartige Dreng (Der unartige Knabe) von Hans Christian Andersen.

Zitate einer Darstellungstradition Der Blick auf die Jahreszeitenwerke Thorvaldsens, die den Rundreliefs der 1830erJahre vorausgehen, hat deutlich gemacht, dass der Bildhauer in seinen früheren

Sir Charles Adderley, K. C. M. G., M. P.) 1814–1905, Statesman & Philanthropist, London 1909, S. 22. Vgl. in diesem Zusammenhang auch das im Thorvaldsens Museum Kopenhagen verwahrte Exemplar von Amor bei Anakreon, Winter (um 1823, Marmor, 54 × 90,3 cm, Inv. Nr. A416). 55 So erbittet Von Klenze in einem Brief an Thorvaldsen vom 31. März 1831 „eines der schönen kleinen Anakreontischen Reliefs“; Archiv des Thorvaldsens Museum, m16 1831, Nr. 23. 56 Fernando Mori, Franz Riepenhausen und Johannes Riepenhausen (Ill.): Le statue e li bassi­ rilievi inventati e scolpiti in marmo dal cavaliere Alberto Thorwaldsen, scultore danese, Rom 1811, hier Taf. 59  „Scherzo di Putti“ (Sommer) und Taf. 60  „Amore e Baccho“ (Herbst). Als weitere Reproduktionswerke sind zu nennen Angelo Carnevalini: Collezione di alcune statue e di alcuni basso-rilievi del Signor Cavaliere Alberto Thorwaldsen, Rom 1826 und die Stichpu­ blikation des ‚Abate Misserini‘ Melchiorre Missirini: Intera collezione di tutte le opere inventate e scolpite dal cav. Alberto Thorwaldsen, 2 Bde, Rom 1831, hierzu Bd. 1, Nr. 23 (‚La Vendemmia‘) sowie Bd. 2, Nr. 83 (‚La Raccolta de’ Pomi‘) und Nr. 90 (‚Anacreonte, e Amore‘). 57 Siehe die weitgehend nicht-illustrierte Erstausgabe Angelo Maria Ricci: L’Anacreonte di Thorwaldsen in XXIV bassorilievi descritti, Rieti 1828 sowie die späteren Auflagen ders.: Ana‑ creonte novissimo del Commendatore Alberto Thorwaldsen in XXX bassorilievi anacreontici tradotti sulla lira italiana, Rom 1832 (darin S. 3 f. zum Winterrelief) und ders.: L’Anacreonte nuovissimo del Commendatore Alberto Thorwaldsen in XXXI bassorilievi, Rom 1836. In die letzte Ausgabe sollten auch dichterische Beschreibungen der Jahreszeitentondi von 1835/1836 aufgenommen werden; siehe dazu sowie insgesamt zur engen Verbindung zwischen dem Bildhauer und Ricci, durch den Thorvaldsen später auch eigene motivische Anregungen erhielt: Angelo Sacchetti Sassetti: Angelo Maria Ricci e Alberto Thorwaldsen. Ricerche archivistiche per la storia dell’arte, in: Archivi. Archivi d’Italia e Rassegna Internazionale degli Archivi 23/2–3 (1956), S. 243–264, hierzu insb. S. 251–253 u. S. 259 sowie auch Thiele 1856, Bd. 2, S. 249–254.

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Arbeiten für die Jahreszeitentradition eher unübliche Motive wählte, die sowohl inhaltlich als auch formal – sei es durch die Anlehnung an anakreontische Texte oder durch die konkrete Verarbeitung antiker Bildwerke – an die Antike anschließen. Diese Bezugnahme auf die Antike lässt sich in der Tradition Winckelmanns sehen, der in seinem 1766 verfassten Versuch einer Allegorie die Neuschöpfung allegorischer Darstellungen aus dem Motivschatz der Antike heraus forderte.58 Zugleich offenbart sie mit der Wiedergabe der verspielten amoresken Szenen, die der damaligen AnakreonMode Rechnung tragen, Thorvaldsens Orientierung am Geschmack des Publikums. In den späteren Rundreliefs von 1835/1836 knüpft der Bildhauer wiederum stärker an die bildsprachlichen Topoi der Ikonologien an, die trotz der im 18. Jahrhundert allgemein geäußerten Kritik an konventionellen allegorischen Verbildlichungen bis in das 19. Jahrhundert hineinwirkten.59 Eines der zentralen deutschsprachigen Werke, welche die Tradition der Ikonologien fortschrieben, war das in mehreren Ausgaben veröffentlichte Handbuch Alle‑ gorische Personen zum Gebrauche der Bildenden Künstler von Karl Wilhelm Ramler, das 1788 zunächst als Fortsetzungsreihe mit Illustrationen des Berliner Akademiedirektors Christian Bernhard Rode in der Monats-Schrift der Königlichen Akademie der Künste abgedruckt wurde,60 bevor es im selben Jahr auch in Buchform erschien. 1791 wurde der Text dem ebenfalls von Ramler verfassten mythographischen Werk Kurz‑ gefaßte Mythologie oder Lehre von den fabelhaften Göttern, Halbgöttern und Helden des Alterthums von 1790, das Karl Philipp Moritz’ Götterlehre voranging, als Anhang beigefügt. Der zweiteilige Band wurde in der Folgezeit mehrfach aufgelegt, was nicht zuletzt seinen breiten Erfolg verdeutlicht.61 Auch Thorvaldsen besaß sowohl ein

58 Winckelmann 1766; dazu insb. Günter Niklewski: Versuch über Symbol und Allegorie (Winckelmann – Moritz – Schelling), Erlangen 1979 (Erlanger Studien, Bd. 21) (Zugl. Diss. phil. Freie Universität Berlin 1978), S. 17–36 sowie zur allgemeinen Einordnung der Schrift auch Sørensen 1963, S. 41–54. Winckelmanns Versuch einer Allegorie stellt, anders als in der Forschungsliteratur mitunter dargelegt, keine generelle Kritik an allegorischen Formen dar. Vielmehr differenzierte der Autor zwischen antiken Allegorien und den nachantiken, verrätselten Sinnbildern des Barock, gegen die allein er sich wendete. Mit seiner lexikonartigen Zusammenstellung verschiedener Begriffsbilder strebte er eher eine Art „Aufwertung“ und Wiederherstellung allegorischer Bildsprache nach dem Vorbild antiker Motivschöpfungen an; siehe hierzu auch Grummt 2001, S. 74 f. 59 Siehe auch Voßkamp 2020, S. 70. 60 Karl Wilhelm Ramler: Allegorische Personen von Herrn Prof. Ramler, mit Kupf. von B. Rode, in: Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften zu Berlin (1788), Bd. 1, S. 9–24, 51–66, 99–114, 197–204 und Bd. 2, S. 4–11, 97–118, 281 f. 61 Karl Wilhelm Ramler: Kurzgefaßte Mythologie; oder Lehre von den fabelhaften Göttern, Halbgöttern und Helden des Alterthums, in zwei Teilen, Berlin 1790. Der ersten Auflage von 1790 folgten die Ausgaben von 1792, 1794 und 1798 sowie die posthumen Drucke der Jahre 1808, 1816, 1820, 1821, 1833, 1840 und 1873; siehe dazu die Übersicht bei Anett Lütteken: Verzeichnis der zeitgenössischen Drucke Karl Wilhelm Ramlers, in: Laurenz Lütteken, Ute Pott und Carsten Zelle (Hg.): Urbanität als Aufklärung. Karl Wilhelm Ramler und die Kultur des



Zitate einer Darstellungstradition

Exemplar der Allegorischen Personen von 1791 als auch eine, allerdings nicht-illustrierte Ausgabe der Kurzgefaßten Mythologie von 1821 mit dem Anhang der Allegori‑ schen Personen.62 Dem Vorbild ‚Ikonologie‘ folgend stellt Ramlers Nachschlagewerk die Darstellungsweise verschiedener Begriffsbilder vor, die stärker als bei Ripa thematisch geordnet und systematisiert werden. Im Unterschied zu vielen Vorläuferikonologien beruft sich Ramler zudem weniger auf literarische als vielmehr auf bildkünstlerische Quellen und bezieht vornehmlich Beispiele der damals zeitgenössischen Kunst mit ein, allen voran die Werke Rodes.63 Mit Blick auf die Jahreszeiten, die zusammen mit anderen Kosmos- und Zeitmotiven einen prominenten Platz am Anfang des Buches erhalten, wiederholt der Dichter die klassischen Topoi, die sich auch in Thorvaldsens Rundreliefs wiederfinden lassen: Auch kann der Frühling ein Körbchen mit Bluhmen in der Hand halten; der Sommer eine Handsichel und einige Aehren, oder auch einige Arten von Gartenfrüchten, die im Sommer zeitig werden; der Herbst ein Rebenmesser in der einen, und eine Traube in der andern Hand; und der Winter eine Kohlpfanne, oder ein Paar Schrittschuhe.64

Ebenso findet sich bei Ramler die Verknüpfung von Jahreszeiten und Lebensaltern, wobei er zur Verbildlichung die Einbeziehung der Tierkreiszeichen vorschlägt: Auch kann man, nach der Angabe eines sinnreichen Künstlers, mit diesen Stufen des menschlichen Alters die vier Jahreszeiten verbinden; […] und zu jeder Jahreszeit drey Bilder des Thierkreises hinzuthun, oder auch nur ein einziges, welches sowohl die 18. Jahrhunderts, Göttingen 2003 (Schriften des Gleimhauses Halberstadt, Bd. 2), S. 435–506, hierzu v. a. S. 453–459. 62 Siehe Müller 1850, S. 42 Nr. 463 f. Hartmann geht fälschlicherweise davon aus, Thorvaldsen habe eine Ausgabe von 1826 besessen; vgl. Hartmann 1979, S. 44. 63 Siehe genauer zu Ramlers Werk und den Neuerungen gegenüber den vorangegangenen Ikonologien Sybille Badstübner-Gröger: Zu Karl Wilhelm Ramlers Schrift ‚Allegorische Personen zum Gebrauch der Bildenden Künstler‘ von 1788, in: Peter-Eckhard Knabe und Johannes Thiele (Hg.): Über Texte. Festschrift für Karl-Ludwig Selig, Tübingen 1997 (Schnittpunkte. Greifswalder Studien zur Literaturwissenschaft und Kulturgeschichte, Bd. 1), S. 31–38, hierzu insb. S. 35 f. sowie ihren in Teilen wortgleichen Beitrag dies.: Karl Wilhelm Ramler und die Königliche Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften. Zur Bedeutung von Ramlers Schrift ‚Allegorische Personen zum Gebrauch der Bildenden Künstler‘ für die damals zeitgenössische Kunst in Berlin, in: Lütteken/Pott/Zelle 2003, S. 275–307, hierzu insb. S. 286– 288. 64 Karl Wilhelm Ramler: Allegorische Personen zum Gebrauche der bildenden Künstler, als ein Anhang zu K. W. Ramlers kurzgefaßten Mythologie, Berlin 1791, S. 5. Neben den mit spezifischen Attributen ausgestatteten Personifikationen schlägt Ramler im selben Kapitel noch andere Darstellungsweisen für die Jahreszeiten vor, die bei Thorvaldsen allerdings kein Echo finden: so etwa die Verbildlichung durch Götterfiguren (Flora, Ceres, Bacchus und Boreas), Jahreszeitenknaben mit saisonalen Kränzen sowie in Form von mythologischen oder, mit Verweis auf Poussin, biblischen Szenen.

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110 Bertel Thorvaldsen, Der Genius des Neuen Jahres, 1840, Gips, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum

Jahreszeit, als das verschiedene Alter bezeichnet: nehmlich zum Frühlinge die Zwillingskinder, zum Sommer die Aehren lesende Jungfrau, zum Herbst den Schützen, und zum Winter den alten Wassermann.65

Besonders deutlich treten die Parallelen zwischen Ramlers Beschreibungen und den Motivschöpfungen Thorvaldsens an einem anderen den Jahreszeiten thematisch nahestehenden Reliefbeispiel zutage, das Thorvaldsen Anfang 1840, also wenige Jahre nach den Jahreszeitentondi entwarf. Es handelt sich um ein Gipsmedaillon, das den Genius des neuen Jahres als schwebenden geflügelten Knaben mit Attributen der Vier Jahreszeiten in einem Ring der zwölf Tierkreiszeichen zeigt (Abb. 110).66 Die Darstellung entspricht nahezu wortgleich einer Passage in den Allegorischen Personen zum Sinnbild Jahr: Ein anderer Künstler hat es [= das Jahr, Anm. d. Verf.] als einen fliegenden Genius abgebildet, der mit einem Bluhmenkranze gekrönt ist, Garben auf der Schulter, Früchte im Schooße des Gewandes und Schrittschuhe an den Füßen trägt, und über welchem ein Theil des Zodiacus zu sehen ist.67 65 Ramler 1791, S. 44, Nr. 18. 66 Zu diesem Relief existieren mehrere Ausführungen in Gips sowie eine Fassung in Terrakotta; siehe Grandesso 2015, S. 287 Kat. Nr. 613. 67 Ramler 1791, S. 3, Nr. 3 ‚Das Jahr‘. Der Urheber dieser Figuration wird nicht genannt; es könnte sich eventuell um ein Werk von B. Rode handeln; vgl. Badstübner-Gröger 2003, S. 286.



Zitate einer Darstellungstradition

111 Nozze di Peleo, Umzeichnung eines Sarkophagreliefs aus den Bassirilievi antichi, 1808

Bei aller Nähe der Motive Thorvaldsens zum Repertoire der Ikonologien ergeben sich aber auch Variationen der konventionellen Bildsprache.68 Dies zeigt sich vor allem im Herbsttondo (Abb. 103). Hierfür wählt der Künstler im Gegensatz zu den anderen vergleichsweise klassischen Jahreszeitenszenen das Motiv des Jägers, das sowohl nach antiker Vorstellung als auch in ikonologischer Tradition nur bedingt für den Herbst als vielmehr für den Winter verwendet wurde. Besonders die Art der Darstellung, der über der Schulter getragene Stab mit der erlegten Jagdbeute und die Wahl der Beutetiere, Vogel und Hase, erinnert an antike Personifikationen des Winters. Als Beispiel sei die Darstellung einer Winter-Hore auf einem Sarkophagrelief in der Villa Albani genannt, die dem Bildhauer auch durch Reproduktionen in den Bassirilievi antichi bekannt gewesen sein dürfte (Abb. 111).69 Bei Ripa tritt das Motiv des heimkehrenden 68 Hierzu auch Voßkamp 2020, S. 70. 69 Siehe Piranesi/Zoëga/Piroli 1808, Bd. 1, Taf. 52 ‚Nozze di Peleo‘ sowie die Erläuterung auf S. 253 f. Eine Stichreproduktion des Werkes findet sich auch in Winckelmanns Monumenti antichi inediti, worauf in den Bassirilievi antichi (S. 253, Anm. 12) verwiesen wird; Johann ­Joachim Winckelmann: Monumenti antichi inediti, 2 Bde, Rom 1767, hier: Bd. 1, Abb. 111 mit näheren Erläuterungen zum Erscheinungsbild der abgebildeten Jahreszeiten-Horen in Bd. 2, S. 57–62 und S. 153. Thorvaldsen besaß sowohl ein Exemplar der Monumenti als auch die italie­ nische Ausgabe von Winckelmanns Gesammelten Werken in seiner Bibliothek; siehe Müller 1850, S. 8 f. Nr. 56, 61 u. 63. Winckelmann bezieht sich zudem bereits in seinem Versuch einer Allegorie von 1766 auf besagtes Relief; siehe Winckelmann 1766, S. 68 u. S. 85 f. Im zweiten Band der Bassirilievi ist darüber hinaus eine weitere Reliefdarstellung der Jahreszeiten zu sehen; Piranesi/Zoëga/Piroli 1808, Bd. 2, Taf. 94 mit Erläuterungen auf S. 218–229. Zu weite-

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Jägers ebenfalls ausschließlich in Verbindung mit dem Winter auf und wird in dieser Form noch in der 1791 erschienenen französischen Ikonologie-Ausgabe von Cochin und Gravelot explizit wiederholt.70 Thorvaldsen scheint den Jäger hingegen für die Verbildlichung des Herbstes und des menschlichen Lebensalters der Reife – eventuell verbunden mit Ramlers Hinweis auf das Sternzeichen des Schützen71 – als passender empfunden zu haben. Schließlich wird hiermit das Bild eines Mannes transportiert, der für seine Familie sorgt, während die Frau das Haus verwaltet und das gemeinsame Kind hütet. Die Szene bringt damit ein Familienideal zum Ausdruck, das seinerzeitigen ‚biedermeierlichen‘ Vorstellungen von familiärer Idylle und der Rollenverteilung der Geschlechter entsprach und in dieser Hinsicht auch dem Geschmack des Publikums nachkam.72 Eine ähnliche Motivfindung lässt sich außerhalb eines Jahreszeitenkontextes auch in einem Gemälde von Lorenzo Quaglio dem Jüngeren erkennen, das ungefähr zeitgleich zu Thorvaldsens Relief entstand. Quaglio zeigt eine Familie im Garten vor ihrem Haus am Starnberger See (Abb. 112). Der Mann ist soeben von der Jagd zurückgekehrt. Das Gewehr lastet noch auf seiner Schulter. Eine Frau erwartet ihn auf der Bank vor dem Haus. Neben dem Paar sieht man jüngere und ältere Kinder im Vorgarten beim gemeinsamen Spiel. Wie bei T ­ horvaldsen wird der Jäger von einem Hund begleitet, der, gemeinhin als Symbol der Treue geltend, 73 die Bildaussage verstärkt. Neben diesen jahreszeitlich konnotierten Motiven verarbeitet Thorvaldsen im Herbst weitere Darstellungsformeln, die er in das Gesamtbild integriert. So findet sich in der stillenden Mutter etwa das Motiv der Caritas wieder.74 Ähnren antiken Beispielen, die den Winter mit Beutestab und Jagdtieren darstellen, siehe die Abbildungen im LIMC 1990, Bd. 5/2, S. 349 f. Abb. 3, 6, 8, 9 u. 11 u. S. 352 Abb. 29. 70 Siehe die bei Ripa beschriebene Winterdarstellung auf einer Münze des Caracalla; Ripa 1603, S. 476 sowie bei Cochin/Gravelot 1791, Bd. 2, S. 97 (Hiver). Winckelmann führt in seinem Versuch einer Allegorie als Versinnbildlichung des Herbstes hingegen eine Bronzefigur aus Herculaneum an, die einen Hasen als Jagdbeute in den Händen hält; vgl. Winckelmann 1766, S. 67. Ebenso erwähnt K. Wirag eine im 17. Jh. entstandene ndl. Herbstdarstellung, in der die Personifikation des Autumnus als Jäger erscheint; siehe Wirag 1995, S. 86. 71 Siehe die zuvor zitierte Passage bei Ramler 1791, S. 44. 72 Eine Verbindung der Thorvaldsenschen Werke der Zeit nach 1820 zur Kunst des Biedermeier zieht auch Jørnæs 1989, S. 49. Zur Rolle der ‚bürgerlichen‘ Mutter in der damaligen Zeit siehe die grundlegende Studie von Elisabeth Badinter: Die Mutterliebe. Geschichte eines Ge‑ fühls vom 17. Jahrhundert bis heute, München/Zürich 1981, hierzu insb. S. 159–162 u. S. 169– 173. 73 Siehe nur die Beschreibung des Begriffsbildes ‚Treue‘ in der italienischen Ikonologie von Pistrucci 1819, S. 221 f., Nr. 111 (Falsità e Fedeltà). Eine gewisse Nähe zu Pistruccis Sinnbildern weist im Übrigen auch Thorvaldsens Frühlingstondo auf. Die Gruppe aus ungestüm sich bewegendem Kleinkind und erwachsener Frau findet sich in ähnlicher Form im Bild ‚Puerizia e Adolescenza‘ wieder; vgl. ebd. Bd. 1, Nr. 4. Eine Ausgabe von Pistruccis Ikonologie besaß Thorvaldsen, soweit ersichtlich, allerdings nicht. 74 Zu einer Verbindung des Bildes der nährenden Mutter mit den Lebensaltern bzw. dem Leben des Menschen siehe den Eintrag in der an Boudard orientierten Ikonologie von Ulrich Freiherr von Schlippenbach: Ikonologie des jetzigen Zeitalters oder Darstellung einiger allego‑



Zitate einer Darstellungstradition

112 Lorenzo Quaglio d. J., Am Starnberger See, 1832, Öl auf Lw., Düsseldorf, Kunstpalast

lich wie Houdon verbindet auch er damit hier Elemente aus unterschiedlichen ikonographischen Quellen. Durch die Schilderung der Familienidylle in der Herbstszene lässt Thorvaldsen bürgerliche Projektionen und Idealvorstellungen der Zeit in die antikisch gehaltenen Szenen einfließen und modifiziert die klassischen Darstellungsformeln der Jahreszeiten- und Lebensalterthematik.75 Gleiches lässt sich im Sommerrelief und der darin zum Ausdruck gebrachten gefühlsgetragenen Zuneigung zwischen Mann und Frau beobachten, die – der in diesem Zusammenhang angeführte Verweis auf Friedrich macht es deutlich – Ansätze romantischer Tendenzen erkennen lässt.76

rischer Personen nach heutiger Sitte, Riga 1807, hierzu S. 79–86 (Das menschliche Leben) mit entsprechender Abb. 75 Siehe genauer zur konventionellen, bei Ripa vorgestellten Lebensalterikonographie Wirag 1995, u. a. S. 4–10 und S. 72–74. 76 Diese „romantische“ Dimension des Klassizismus bei Thorvaldsen wurde in der Forschungsliteratur bereits mehrfach thematisiert; siehe dazu u. a. die Beiträge von Bjarne Jørnæs: Thorvaldsens ‚klassische‘ Periode 1803–1819, in: Kat. Köln 1977b, S. 49–76, hierzu S. 64 f.; Andrea M. Kluxen: Transformierte Antike, in: Kat. Nürnberg 1991, S. 279–285; Harald Tesan: Thorvaldsen und seine Bildhauerschule in Rom, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 30–44, insb. S. 33 f. (Tesan betont dabei allerdings, dass es bei Thorvaldsen keine „unmittelbare Auseinandersetzung mit der Kunst der deutschen Frühromantik“ gab; ebd. S. 43) sowie Jürgen Wittstock: Thorvaldsen und der romantische Klassizismus Wilhelm von Humboldts, in: Birgit Kümmel und Bernhard Maaz (Hg.): Kolloquium zur Skulptur des Klassizismus, Bad Arolsen 2004, S. 157–164.

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Wandel durch Popularisierung? Die Rundreliefs von Bertel Thorvaldsen

Gleichzeitig erfolgt eine Idealisierung der genrehaften Szenen durch die an der Antike orientierte Stilisierung der Darstellungen, die die Alltäglichkeit der abgebildeten Handlungen überhöht und zeitlos erscheinen lässt. Die einzelnen Motive sind dabei durch wenige, dafür aber wesentliche und aus der jahreszeitlichen Tradition bekannte Attribute wie Blumen im Frühling, Ähren im Sommer, Weintrauben im Herbst und das Feuer im Winter gekennzeichnet und dadurch eindeutig zu identifizieren. Damit folgt Thorvaldsen Forderungen, die Winckelmann und später auch Ramler für die Gestaltung von Allegorien postulierten: Die Einfalt bestehet in Entwerfung eines Bildes, welches mit so wenig Zeichen als möglich ist, die zu bedeutende Sache ausdrücke, und dieses ist die Eigenschaft der Allegorien in den besten Zeiten der Alten. […] Durch die Einfalt entstehet die Deutlichkeit, welche jedoch Verhältnißweise zu nehmen ist, und man kann nicht fordern, daß einem ganz ungelehrten Menschen ein Gemählde bey dem ersten Anblicke völlig verständlich werde. […] Lieblich sollen die Bilder seyn, dem Entzwecke der Kunst gemäß, welche zu ergötzen und zu belustigen suchet.77

Durch die Verwendung der klassischen Formeln, die allgemein mit Darstellungen der vier Jahreszeiten verbunden wurden und somit auch eine Wiedererkennbarkeit beförderten, wird nicht zuletzt die Lesbarkeit und breite Verständlichkeit der Szenen erhöht. So stellte bereits Bjarne Jørnæs mit Blick auf das Gesamtwerk Thorvaldsens fest, dass „ausgehend vom ikonographischen Aspekt [ist] Thorvaldsens Kunst recht unkompliziert“ sei. „Die klassischen Mythen und Sagen sind einfach und überschaubar dargestellt, die Symbolik […] ist jedermann verständlich.“78 Dabei geht es Thorvaldsen allerdings nicht um eine Wiederbelebung der jahreszeitlich-allegorischen Bildsprache in der Form, wie sie rund siebzig Jahre zuvor 77 Winckelmann 1766, S. 30. Vgl. dazu auch die in die gleiche Richtung weisenden Anmerkungen von Ramler im Vorbericht seiner Kurzgefaßten Mythologie: Karl Wilhelm Ramler: Kurzgefaßte Mythologie oder Lehre von den fabelhaften Göttern, Halbgöttern und Helden des Alterthums, 5. verbesserte Aufl., Berlin 1821 (1. Aufl. 1788), hierzu S. XIV: „Bey allen diesen mythologischen und allegorischen Personen ist noch anzumerken, daß nicht alle angeführte [sic] Kennzeichen ihrer Ämter und Eigenschaften, sondern oft nur ein einziges von den Künstlern, besonders von den Bildhauern, gebraucht wird“. Auch Hemmeter weist in Zusammenhang mit Thorvaldsens Denkmalreliefs und der dort sichtbaren Allegorieauffassung darauf hin, dass sich in den Allegorien des Bildhauers „jene[r] Trias des Ausdruckes“ wiederfindet, „die der Altertumsforscher [= J. J. Winckelmann, Anm. d. Verf.] in seinem ‚Versuch einer Allegorie‘ mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor, 1766, festgelegt hat: Einfalt, Deutlichkeit, Lieblichkeit“; Hemmeter 1984, S. 303. Kurioserweise kehrt Winckelmann aber gerade bei den Jahreszeiten zu emblematischen Verbildlichungen zurück. So schlägt er für den Sommer bzw. den August die Darstellung eines Adlers mit seinen flüggen Jungen vor; Winckelmann 1766, S. 147. 78 Jørnæs 1977b, S. 65. Zum hohen Grad an Lesbarkeit und Verständlichkeit der Szenen siehe auch Voßkamp 2020, S. 70.



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Winckelmann aus der Betrachtung antiker Werke heraus anstrebte und später auch Ramler sie unternahm. Vielmehr scheint der Bildhauer die bekannten und sinnfälligen Formeln der Darstellungstradition mit anderen passenden Motiven zu verbinden, sie zu adaptieren und – ausgerichtet auf den Geschmack der Käuferschaft – mit gesellschaftlichen Idealvorstellungen der Zeit zu unterlegen. Seine Jahreszeitenszenen erscheinen dadurch wie bloße Zitate eines klassischen Bildungsguts, das allerdings nicht an seine ursprüngliche Tragweite und seine Bedeutung als welterklärendes Modell anknüpfen kann. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die Gestaltungsweise der Motive und ihre antikisch-klare, idealisierende und zugleich dekorative Formensprache. Die Wahl des Reliefs als Darstellungsmedium verstärkt diesen Dekorationscharakter, mit dem sich Thorvaldsen abermals am Geschmack des Publikums orientierte. Motivwahl und ‚Sinnentleerung‘ des Jahreszeitenmodells scheinen dabei eine Verbindung mit dem Medium Relief, Thorvaldsens Arbeitsweise und seiner Vervielfältigungspraxis einzugehen, die abschließend näher beleuchtet werden soll.

Bedeutungsverlust durch Masse?Allegorie, Relief und Reproduktionspraxis Für alle seine Jahreszeitenarbeiten – wie im Übrigen für den Großteil seiner allegorischen Darstellungen insgesamt – wählte Thorvaldsen auffälligerweise die Form des Reliefs. Durch die Vielzahl seiner in diesem Medium ausgeführten Werke wurde der Bildhauer nicht ohne Grund bereits zu Lebzeiten als „Patriarch des Basreliefs“ bezeichnet.79 Die zwischen malerischer Flächigkeit und skulpturaler Dreidimensionalität angesiedelte Gattung gewann im 19. Jahrhundert nicht zuletzt als Reflex auf die allgemeine Antikenbegeisterung und Altertumsforschung des vorangegangenen Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung. Dies spiegelte sich auch in einer verstärkten theoretischen Auseinandersetzung mit dem Medium und seinen Eigenschaften wider. So diskutierten Autoren wie Johann Gottfried Herder, Carl Ludwig Fernow, Friedrich Wilhelm Schelling oder August Wilhelm Schlegel den Stellenwert des Reliefs und reflektierten die gattungseigenen Darstellungsmöglichkeiten.80 Bereits Herder verwies dabei auf die besondere Eignung für allegorische Themen:

79 So die Malerin Louise Seidler in ihren Erinnerungen; veröffentlich von Uhde 1922, S. 129. Siehe ebenso N. N. (= eventuell Carl Grass): Korrespondenz-Nachrichten. Rom, in: Morgenblatt für gebildete Stände 6 (1812), Nr. 254 (22. Oktober 1812), S. 1015 f., hierzu S. 1016. Im Relief wurde Thorvaldsen im Vergleich zu seinem italienischen Bildhauerkollegen Antonio Canova mitunter als überlegen angesehen; siehe z. B. den Brief des Frankfurter Kupferstechers und Kunsthändlers Christian Erdmann Gottlieb Prestel vom 16. September 1816 an Von Schönborn; abgedruckt bei Bott 1993, S. 118 f., Randnr. 257, hierzu S. 119. 80 Siehe u. a. August Wilhelm Schlegel: Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst, 1. Teil: Die Kunstlehre, Heilbronn 1884 (Deutsche Literaturdenkmal des 18. und 19. Jahrhunderts,

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Wo Ein Grund ist, auf Gemme, Münze, Tafel, da bindet die Natur schon durch das Continuum Einer Fläche. Gemme, Münze, Bas-Relief, Denkmahl, kann nicht viel mehr als eine Allegorie geben, dazu sind sie da und die geben sie unnachahmlich. Warum sie von da wegreißen? mit ihr die großen Bilder der Wahrheit, Götter- und Heldengestalten, oder die Zaubertafel historischer Wahrheit, das Gemählde, verwirren und zu Schatten verscheuchen?81

Das Relief wird demnach von Herder als Hauptort des Allegorischen begriffen, die Allegorie als adäquater und hauptsächlicher Gegenstand der reliefierenden Kunst. An dieser thematischen Eingrenzung orientiert sich auch die Funktion, die der Gattung vielfach zugesprochen wird. Bedingt durch den jeweiligen Anbringungsort läge deren Bestimmung in erster Linie im Bereich des Dekorativen, wobei das Relief stets in einen bestimmten Kontext eingebunden sei und als Kunstwerk keine Eigenständigkeit genieße. So stellt Carl Ludwig Fernow, dessen Theorien Thorvaldsen durch das gemeinsame römische Umfeld bekannt waren, fest: Selten ist ein erhobenes Bildwerk ganz frei und selbstständig, wie ein rundes Standbild oder ein Gemälde, das seinen Zwek ganz und allein in sich selbst hat. Öfter hat es da, wo es sich befindet, den Zwek der Verzierung, und eine ausser ihm liegende sinnbildliche Beziehung, sei es als Allegorie, oder als Denkmal, oder als blosse Bezeichnung.82

In dem hier aufgezeigten Spannungsfeld von Relief, Allegorie und Dekoration bewegen sich auch die Reliefarbeiten von Thorvaldsen, deren dekorative Eignung verbunden mit ihrer klaren, unmittelbar sinnfälligen Bildsprache und dem allgemein geschätzten Sujet der Jahreszeiten entscheidend zu ihrem Erfolg beitrug. Der hohen Nachfrage, die vielen seiner Motivschöpfungen aus diesem Grund entgegengebracht wurde, begegnete Thorvaldsen mit einer nahezu seriellen Fertigung der populärsten Stücke,83 wie es Just Mathias Thiele am Beispiel von Thorvaldsens weithin beliebtem Reliefpaar Der Tag und Die Nacht verdeutlicht:

Bd. 17), S. 150–155, der das Relief als „Mittelglied“ (S. 150) zwischen Malerei und Skulptur definiert, oder Schelling 1859, hierzu S. 599–602 §§ 119–121. 81 Johann Gottfried Herder: Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus ­Pygmalions bildendem Traume, Riga 1778, S. 140 f. 82 Carl Ludwig Fernow: Römische Studien, 3 Bde, Zürich 1806–1808, hier: Bd. 3, Zürich 1808, S. 45. 83 Der Umfang der Kataloglisten zum Œuvre Thorvaldsens ist Ausweis seiner hohen Produktivität; siehe nur die ersten Werkregister bei Thiele 1856, Bd. 3, S. 190–206 (alphabetisch) und S. 207–223 (chronologisch) sowie die neuere Zusammenstellung bei Grandesso 2015, S. 268– 290.



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Später verstrich kaum irgend ein Jahr, wo nicht die Nacht und der Tag im Atelier in Ausführung begriffen gewesen wäre, und ins Unendliche sind diese Bilder nach allen Richtungen der Kunst und Industrie hin vervielfältigt.84

Und an anderer Stelle heißt es zu den beiden Werken: Nur wenige Basreliefs der neuern Zeit haben Kenner und Nichtkenner so durch tiefen poetischen Geist hingerissen, als diese durch den, welchen der Künstler in dieselben zu legen gewusst hat; sie sind mit vorzüglichem Interesse nicht allein in der Kunstwelt, sondern auch in der Modewelt aufgenommen worden. Dies bezeugen wenigstens die Strassen und die Märkte Roms. Fast in jedem Ladenfenster im Corso, in Condotti, Babuina, auf der Piazza di Spagna sieht man sie in Stein oder Conchylien geschnitten, in Pasten oder in Gyps abgegossen, als weiblichen Schmuck oder als eine einfache und werthe Erinnerung des lieblichsten Werkes von dem geliebten Künstler.85

Thorvaldsen erreichte die beschriebene Vervielfältigung seiner Werke dank eines voll entwickelten Atelierbetriebs, den er ab 1815 kontinuierlich ausbaute und auf einen arbeitsteiligen Herstellungsprozess hin ausrichtete.86 In der Hochphase zählte seine Werkstatt fast vierzig Mitarbeiter, die zum Teil auf bestimmte Bereiche der Steinbearbeitung spezialisiert waren.87 Nicht anders lässt sich schließlich sein etwa eintausend Arbeiten umfassendes Gesamtwerk erklären, das ihn als besonders produktiven Künstler ausweist. Dabei griff er allerdings kaum selbst in die Ausführung seiner Werke ein, sondern nahm allenfalls letzte Korrekturen vor. Meist konzipierte Thorvaldsen, wie bereits anhand der Bestellung Von Schönborns deutlich wurde, lediglich die Motividee, die er losgelöst von einem konkreten Auftrags- oder Bestimmungskontext zunächst in flüchtigen Ton- oder Bleistiftskizzen festhielt.88 Auf dieser 84 Thiele 1856, Bd. 1, S. 255. 85 Thiele 1834, Bd. 2/1, S. 10. 86 Siehe zur Arbeitsweise des Bildhauers v. a. Dyveke Helsted: Thorvaldsens Arbeitsmethode, in: Kat. Köln 1977b, S. 7–17, insb. S. 10–13 und Wittstock 1984 sowie zu den Produktionsmechanismen Peter Springer: Thorvaldsen zwischen Markt und Museum, in: Kat. Nürnberg 1991, S. 211–221. Eine Gesamtdarstellung zu Thorvaldsens Atelierbetrieb bietet Tesan 1998. 87 August Hagen: Die Deutsche Kunst in unserem Jahrhundert. Eine Reihe von Vorlesungen mit erläuternden Beischriften, 2 Teile, Berlin 1857, hier Teil 2: Über die Künstler in den letzten sechzig Jahren, Vorlesungen XI.–XVII, S. 117. Für das Jahr 1821 notierte Hagen 39 Werkstattmitarbeiter. 88 Ausführlich zum Arbeitsprozess und den Produktionsverfahren siehe Helsted 1977, S. 10– 13; dort auch S. 11 zur Herstellung von Reliefs, zu denen Tonbozzetti auf Schiefertafeln angelegt wurden. Zu Thorvaldsens Arbeitsweise bemerkte auch sein Landsmann, der dänische Dichter Oehlenschläger: „Um dies zu verstehen, muß man wissen, daß Thorwaldsen mit dem reichen Genie und der großen Erfindungsgabe lieber seine Gestalten in Ton modellierte, was dann doch das eigentliche Kunstwerk war, als eine Kopie davon in Marmor zu hauen, was eine beschwerliche und fast ängstliche Arbeit ist“; Oehlenschläger 1925, S. 509.

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Grundlage fertigten seine Mitarbeiter Gipsmodelle an, die der potenziellen Käuferschaft bei Besuchen im öffentlich zugänglichen Atelier des Künstlers nahe der Piazza Barberini als Schauobjekte dienen sollten. Von diesem Modellrepertoire ausgehend konnten die Interessenten wie aus einem Katalog ihre Motive auswählen und Bestellungen aufgeben. Im Zuge des konkreten Auftrags wurden die in Originalgröße gefertigten musterartigen Entwürfe dann in Marmor überführt und mitunter entsprechend der Vorstellungen des Käufers angepasst. Etwaige Ergänzungen oder Überarbeitungen verliehen den Werken, wie im Falle des für Von Schönborn bestimmten Hirten‑ knaben, einen gewissen Einmaligkeitswert innerhalb der ansonsten vorrangig seriellen Produktion.89 Die Ausführung der fertigen Bildwerke oblag fast ausschließlich den Ateliergehilfen und wurde mit Hilfe der sogenannten Punktiermethode voll­ zogen. Die hohe formale Klarheit und Konturbetontheit der Kompositionen Thorvaldsens förderte die Übertragbarkeit der Motive erheblich. Die Kreisform, die der Bildhauer sowohl für sein beliebtes Reliefpaar Der Tag und Die Nacht als auch für die Jahreszeiten von 1835/1836 wählte, eignete sich dabei in besonderem Maße für das Reproduzierverfahren, weil sie sich in der Größe einfach skalieren und auf verschiedene Formate übertragen ließ. Dieses weitgehend von der Person des Künstlers emanzipierte Produktionsverfahren unterscheidet Thorvaldsen von der Arbeitsweise seines 13 Jahre älteren italienischen Bildhauerkollegen Antonio Canova, der ihm schon zu Lebzeiten als Künstlerkonkurrent vergleichend gegenübergestellt wurde, was auch durch die Wahl überwiegend gleicher Themen nahelag.90 Canova verfügte zwar ebenfalls über ein arbeitsteilig organisiertes Großatelier, brachte seine Werke im Gegensatz zu Thorvaldsen häufig jedoch größtenteils eigenhändig zur Vollendung, wie auch Athanasius Graf Raczynski nach dem Besuch der römischen Werkstatt Thorvaldsens 1821 berichtet: Thorwaldsen bearbeitet fast niemals selber den Marmor. Es giebt eine große Anzahl seiner Bildwerke, an welche er nicht die Hand gelegt hat. Er macht das Modell für sie und beaufsichtigt die Ausführung. […] Es ist übrigens allgemein bekannt, daß Thorwaldsen die aus seiner Werkstätte hervorgehenden Bildwerke nicht selber anrührt: anders verhielt es sich dagegen mit Canova, der, wenn seine Arbeiter eine Statue nach seinem Gypsmodell ausgeführt hatten, sich einen Monat oder länger mit ihr einschloß, um die letzte Hand daran zu legen.91 89 Siehe zuvor S. 271 sowie das Beispiel Fürsts von Metternich, das Thiele schildert; dazu genauer Peters 2001, S. 147. 90 So auch Myssok 2007, S. 300. 91 Athanasius Raczyński: Geschichte der neueren deutschen Kunst, 3 Bde, Berlin 1836–1841, hier: Bd. 3: Berlin, Dresden, Hamburg, Mecklenburg, Weimar, Halberstadt und Göttingen, Berlin 1841, S. 277 unten. D. Helsted erwähnt in diesem Zusammenhang, dass Thorvaldsen aufgrund mangelnder Ausbildung die Arbeit in Marmor tatsächlich nur kaum beherrschte; siehe Helsted 1977, S. 8 f.; dort auch S. 13 zu weiteren Äußerungen der Zeitgenossen über



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Ähnliches hält auch die Künstlerin Louise Seidler nach ihrem Atelierbesuch bei Thorvaldsen fest: Der Künstler hatte jedoch nicht nur dies eine Atelier, sondern deren vier bis fünf, in denen er viele Arbeiter beschäftigte. Er fertigte die Skizzen zu seinen Werken gewöhnlich nur einen Fuß hoch an und ließ sie darauf von einem geschickten Schüler oft über Lebensgröße modellieren. Dies Tonmodell wurde sodann abgegossen und in Marmor kopiert. […] Die einzige Statue, die er ganz allein vollendet hat, ist der Adonis, den man in der Münchener Glyptothek bewundert, und der ein Zeugnis davon ablegt, daß er, ebenso wie Canova, den Marmor vortrefflich zu bearbeiten verstand. Die gröberen Arbeiten, wie das Aushauen der Figuren aus dem rohen Marmorblock, waren untergeordneten Bildhauern anvertraut; die feinere Arbeit ging dann in geschicktere Hände über.92

Wie aus den Beobachtungen hervorgeht, legte Thorvaldsen vor allem auf die finale Etappe des Werkprozesses keinen so großen Wert wie sein Künstlerkontrahent Canova, der im eigenhändig ausgeführten letzten Arbeitsschritt die Oberflächenerscheinung des Marmors bis zu einer illusionistischen Materialwirkung hin perfektionierte.93 In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Werke beider Künstler deutlich: Während die Marmorepidermis bei Canova vor allem in seinen früheren Werken fein poliert ist, verbleiben bei Thorvaldsen, wie an den Tondi von 1835/1836 gezeigt, sichtbare Schraffuren und Kratzspuren, wodurch der Steincharakter stärker zum Vorschein kommt. Die Unterschiede zwischen beiden Bildhauern zeigen sich auch in der kompositorischen Anlage und der formalen Gestaltung ihrer Arbeiten. Dies lässt sich anhand eines Vergleichs zweier Reliefs nachvollziehen, die beide das iliadische Thema der Wegführung der Sklavin Briseïs von Achilles behandeln und mit einem

seine Arbeitsweise. Zum Umgang des Bildhauers mit Marmorarbeiten siehe ebenso Thiele 1834, Bd. 2/1, S. 80 f. Die Tatsache, dass Thorvaldsen die Ausführung in Marmor meist an Mitarbeiter delegierte, brachte ihm 1828 so große Kritik ein, dass er das Grabrelief für den Arzt Andrea Vaccà Berlinghieri „fra første til sidste Meisel“ (vom ersten bis zum letzten Meißel) eigenhändig ausgeführt haben soll; vgl. den Brief des Architekten Frederik Ferdinand Friis vom 16. Dezember 1829 an Thiele; Archiv des Thorvaldsens Museum, Thieles Excerpter, 1830, nr. 2. 92 Louise Seidler in ihren Erinnerungen; veröffentlicht von Uhde 1922, S. 122. 93 Zur Arbeitsweise Canovas siehe die grundlegenden Aufsätze von Hugh Honour: Canova’s Studio Practice‑I: The Early Years, in: The Burlington Magazine 114/828 (1972), S. 146–156 u. 159 sowie ders.: Canova’s Studio Practice‑II: 1792–1822, in: The Burlington Magazine 114/829 (1972), S. 214 u. 216–229; letzteren v. a. zu Canovas Prinzip der ‚ultima mano‘. Zum Verhältnis zwischen den beiden Antipoden und ihrer (auch kulturellen) Gegensätzlichkeit siehe Fred Licht: Canova und Thorvaldsen, in: Kat. Nürnberg 1991, S. 45–51. Die Unterschiedlichkeit beider Künstler in der Oberflächengestaltung und deren zeitgenössische Bewertung behandelt M. Bückling exemplarisch anhand der Hebe-Statuen; Maraike Bückling: Marmorne Mädchen. Die Heben von Canova und Thorvaldsen, in: Kat. Frankfurt 2013, S. 235–243.

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Abstand von ungefähr 15 Jahren entstanden.94 Die beiden zunächst jeweils in Gips ausgeführten friesartigen Werke weisen die gleiche Anzahl und parataktische Anordnung der Personen auf. Briseïs, die sich zu Achill umdreht, befindet sich in der Mitte der Szene. Rechts neben ihr erscheinen die Boten des Agamemnon, der die Sklavin der homerischen Erzählung zufolge gegenüber Achill einforderte; links von ihr Achills Gefährte Patroklos, der ihr das Geleit gibt. Am äußeren linken Rand erkennt man Achill, der sich in zornig-emotionaler Geste von ihr und den Gesandten abwendet. Während sich Canovas zwischen 1787 und 1790 entworfene Version des Themas (Abb. 113) durch eine weiche Modellierung der Körper auszeichnet, die sie teilweise nur in Ansätzen vom Hintergrund abheben lässt, findet sich bei Thorvaldsen eine wesentlich härtere Konturierung und strengere Wiedergabe der Umrisslinien (Abb. 114). Die Figuren treten kontrastreich aus dem Reliefgrund hervor, ihre Körper sind stärker ausformuliert. Auch die Gewandbehandlung ist in Thorvaldsens Fassung von 1803 anders. So weisen die Gewänder hier eine scharf konturierte Fältelung auf, während die Stoffe bei Canova fließender erscheinen und filigraner herausgearbeitet werden. Auch hier wird die Perfektionierung in der Behandlung und Glättung der Oberfläche sichtbar, die Canova weitgehend selbst vornahm. Mit der beschriebenen Aufgabenverteilung und der Übertragung nahezu aller Arbeitsschritte auf seine Werkstattmitarbeiter ging Thorvaldsen, „eine Generation jünger und bereits ein Kind der beginnenden industriellen Revolution“, wie Harald Tesan formuliert, „einen Schritt weiter als Canova“95 und näherte sich einer Vervielfältigungspraxis, wie sie etwa auch im Falle der Wedgwood-Ware betrieben wurde.96 Damit verbunden war eine weitgehende Mechanisierung des Herstellungsverfahrens, wie sie 1820 auch der dänische Schriftsteller Christian Molbech mit Blick auf die Arbeitsweise Thorvaldsens beschreibt: „Dette Billedhuggerens egentlige Arbeide er imidlertid for en stor Deel ganske mechanisk“.97 Durch diese Objektivierung im Werkprozess wurde die fertige Arbeit zunehmend von ihrem Meister und der ursprüngli94 Zur Reliefkunst Canovas siehe u. a. den Überblick bei Fred Licht: Antonio Canova. Beginn der modernen Skulptur, München 1983, S. 244–267 sowie Myssok 2007, S. 120–184, zum Briseïs-­ Relief insb. S. 142–148. 95 Harald Tesan: Vom häßlichen Entlein zum umworbenen Schwan: Ein dänischer Künstlerunternehmer in Rom, in: Kat. Nürnberg 1991, S. 223–240, hierzu S. 237. 96 Zu den ‚industrialisierten‘ Produktionsmechanismen Josiah Wedgwoods und der damit verbundenen Zusammenarbeit mit dem Maler John Flaxman, der die Entwürfe zu den Dekormotiven lieferte, siehe u. a. die Beiträge von David Bindmann: John Flaxman – Kunst und Kommerz, in: John Flaxman – Mythologie und Industrie, hg. von Werner Hofmann, Ausst.Kat., Kunsthalle Hamburg, München 1979, S. 46–52, hierzu v. a. S. 51 sowie Werner Hofmann: Der Tod der Götter, in: ebd., S. 20–30. Zu einem Jahreszeiten-Gefäß der Wedgwood-Produk­ tion siehe im Übrigen ebd., S. 70 Kat. Nr. 23. 97 Christian Molbech: Rejse gennem en Deel af Tyskland, Frankrige, England og Italien i Aare‑ ne 1819 og 1820, 3 Bde, Kopenhagen 1821/1822, hier: Bd. 3, Kopenhagen 1822, S. 209 [Hervorhebung im Original]: „Diese eigentliche Arbeit des Bildhauers ist freilich zu einem großen Teil ganz mechanisch“; dt. Übersetzung nach Wittstock 1984, S. 105.



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113 Antonio Canova, Achilles übergibt Briseïs an die Herolde des Agamemnon, 1787/1790, Gipsrelief, Possagno, Gypsotheca e Museo Antonio Canova

114 Bertel Thorvaldsen, Briseïs und Achilles, 1803, Gipsrelief, Kopenhagen, Thorvaldsens Museum

chen Idee entkoppelt. Wie weit diese Entfremdung zwischen Urheber und finaler Ausführung bei Thorvaldsen gehen konnte, zeigt eine Passage bei Thiele, der über den 1824 entstandenen Relieffries der Liebesalter Folgendes berichtet: Da es [= das Relief, Anm. d. Verf.] in einem so hohen Grade alle Beschauer ansprach, wurde es später zu wiederholten Malen ausgeführt, und bei diesen Wiederholungen, die dem Atelier ein guter Artikel gewesen zu sein scheinen, verlor unser Künstler es gleichsam aus den Augen. So erklärt es sich, daß Thorvaldsen in seinen letzten Lebenstagen, einmal ganz zufällig den Unterschied bemerkte, welcher wenigstens zwischen

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einem der letzten Exemplare in Marmor und der ursprünglichen Arbeit obwaltete, in welcher er mit eigener Hand seine Gedanken ausgesprochen hatte.98

Diese Distanz, die durch die Mechanisierung der Produktionsweise und die beliebige Reproduzierbarkeit der Werke entsteht, verleiht den so geschaffenen Arbeiten eine Schablonenhaftigkeit. Verstärkt wird dieser Eindruck im Falle der Jahreszeitentondi durch ihre reduzierte, abstrahierende Formensprache und stilistische Kühle. Die Motive erscheinen wie leere Hüllen, bei denen weniger der Inhalt als vielmehr die dekorative Wirkung im Vordergrund steht. Sie können beliebig ausgetauscht und in unterschiedliche Anbringungskontexte überführt werden.99 So eignen sie sich, wie zu sehen war, sowohl zur Ausstattung herrschaftlicher Residenzen als auch zur Ausschmückung bürgerlicher Wohnzimmer. Andrea Kluxen spricht in diesem Zusammenhang von einer „Kunst ohne Auftraggeber“ und fasst treffend zusammen: Thorvaldsen hat sich von der aristokratischen Kunst, die die Plastik bisher war, entfernt und den Weg bereitet zum bürgerlichen Spätklassizismus und der bürgerlichen Massenproduktion von Plastik, d. h. zu einer Skulptur, die nach Katalog ausgesucht werden kann, die ortsunabhängig und den Originalgrößenverhältnissen gegenüber gleichgültig ist sowie dem Betrachter nur im Gefühl, der rein subjektiven Intuition eine Rezeptionsmöglichkeit gibt, die keine ikonographische Verbindlichkeit besitzt.100

Die Rundreliefs der Vier Jahreszeiten und Lebensalter des Menschen (Abb. 101–104), die Bertel Thorvaldsen 1835/1836 erschafft, zeigen eben diese Prozesse beginnender, auf eine wachsende Käuferschaft ausgerichteter Massenproduktion im 19. Jahrhundert. Das traditionsreiche Modell der Vier Jahreszeiten, das hier mit den menschlichen Altersstufen verbunden wird, erweist sich nur mehr als klassisches Bildungsgut, das in einer antikisch-reduzierten und zugleich dekorativen Formensprache präsentiert wird. Dabei zeichnen sich die Motivfindungen aufgrund ihres klaren und klassischen Erscheinungsbildes sowie der Verwendung konventioneller, aus der Darstellungstradition bekannter Formeln und Attribute, die nur zum Teil modifiziert oder, wie im Falle des Herbstreliefs, durch andere Vorstellungen ergänzt werden, durch eine hohe Lesbarkeit und Verständlichkeit aus. Gleichzeitig spiegeln sich in den Szenen biedermeierliche Sehnsuchtsorte und Idealbilder der verbürgerlichten Gesellschaft wider, die nicht zuletzt eine Orientierung an der Lebenswelt der Adressatenkreise und der Käuferschaft erkennen lassen. Auf diese Weise werden Werke für den gebildeten Geschmack von Adel und Bürgertum geschaffen, deren motivische Grundlage kein Welterklärungsmodell mehr zu sein beansprucht. Durch die beschriebene mechanisierte Herstellungsweise und beliebig erscheinende Multiplizierbarkeit der 98 Thiele 1856, Bd. 2, S. 111. 99 Siehe dazu auch Voßkamp 2020, S. 71. 100 Kluxen 1991, S. 284.



Bedeutungsverlust durch Masse?

Motive deuten die Reliefs vielmehr in Richtung einer industriell gefertigten Massenware, vergleichbar mit den damals ähnlich beliebten und verbreiteten Stücken der Wedgwood-Manufaktur. Ihr stilisiertes Erscheinungsbild und die Vereinfachung der Formensprache trägt dabei maßgeblich zur ‚Sinnentleerung‘ der jahreszeitlichen Darstellungen bei. Die Jahreszeitenvorstellung hat damit ihren Kern verloren, ihre allegorische Dimension hat an Wirkkraft eingebüßt.

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Zeitdarstellung im Wandel: Schlussbetrachtungen

Die vorliegende Untersuchung verfolgte die motivischen Entwicklungen jahreszeitlicher Darstellungen im 18. und frühen 19. Jahrhundert mit dem Ziel, den Wandel in der Auffassung der Vier Jahreszeiten herauszustellen und mit Blick auf gesellschaftliche Veränderungen, eine zunehmende Verwissenschaftlichung sowie – in kunsttheoretischer Hinsicht – die sogenannte ‚Krise der Kunst‘ und die Hinterfragung allegorischer Bildfindungen auszuwerten. Kennzeichnend für das Motiv der Vier Jahreszeiten ist dabei zum einen eine lange und vergleichsweise kontinuierliche Darstellungstradition, die in der Antike vornehmlich durch Textquellen wie die Metamorphosen Ovids geprägt wurde, mit den Ikonologien des 16. und 17. Jahrhunderts eine allgemein verbindliche Fixierung erfuhr und so in bildlichen Darstellungen bis in die späte Neuzeit hinein nachwirkte. Zum anderen beschreiben die Jahreszeiten, die von ihrem Ursprung her im Verbund mit anderen quaternären Systemen wie den Vier Tageszeiten, den Weltzeitaltern, den Elementen, den Kontinenten und den Lebensaltern des Menschen gesehen wurden, ein Modell kosmologischer Zeiterfahrung und ein welterklärendes, zyklisches Ordnungskonzept, das als Naturphänomen für den Menschen unmittelbar wahrnehmbar ist. So stehen die Jahreszeiten sinnbildlich stets auch für ein spezifisches Zeit-, Kosmos- und Naturverständnis. Im beschriebenen Zeitraum des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, der hier im Mittelpunkt der Betrachtung stand, erreichte das Motiv den Höhepunkt seiner Popularität. Zeitgleich zu dieser die Künste übergreifend weiten Verbreitung und Beliebtheit treten Prozesse der Loslösung von tradierten Darstellungsmodi hervor, die die Gültigkeit des Jahreszeitenkonzepts als raumzeitliches Vorstellungsmodell insgesamt in Frage stellen. Die Arbeit konzentrierte sich daher auf bildkünstlerische Werke, in denen diese Veränderungen der Bildsprache und  – damit verbunden  – auch der zugrunde liegenden Zeitenauffassung in exemplarischer Weise Ausdruck finden. In dem Bewusstsein der Eigenständigkeit und Verschiedenheit der untersuchten Werke im Hinblick auf ihre Gattung und ihren Entstehungskontext sollen die Ergebnisse der einzelnen Analysen nun werkübergreifend zusammengeführt werden, um auf diese Weise die Frage nach Art und Umfang des Wandels der Jahreszeitenauffassung abschließend zu beleuchten und charakteristische Tendenzen der Entwicklung dieses Modells und seiner Tragfähigkeit herauszuarbeiten.

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Zeitdarstellung im Wandel: Schlussbetrachtungen

Bereits der Überblick über die Entfaltung des Motivs von der Antike bis in die Neuzeit konnte aufzeigen, dass die Darstellungsvielfalt im ausgehenden 16. und im 17. Jahrhundert zunimmt, ikonographische Vorgaben an Verbindlichkeit einbüßen und althergebrachte Bildformeln verlassen werden. Im 18. Jahrhundert lässt sich daran anknüpfend ein Nebeneinander von traditionellen Darstellungen und motivischen Variationen beobachten. Eine Hinterfragung der Jahreszeitenvorstellung wird dabei auf verschiedenen Ebenen sichtbar: Vor allem in der Betrachtung der jahreszeitlichen Gartenskulptur im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wurde deutlich, dass bis dato gültige Konventionen wie eine klassische Statuarik, eine repräsentative Darstellung und allegorische Überhöhung nach und nach vornehmlich genrehaften Elementen weichen. So verändert sich der Charakter der Figuren, die nunmehr eine stärker lebensnahe und an der Alltagswelt orientierte Wirkung entfalten. Traditionelle Attribute wie Blumen für den Frühling, Sichel und Kornähren für den Sommer, Weintrauben für den Herbst oder die Feuerschale für den Winter, die vielfach zugleich mit der Darstellungsweise als Götterfiguren in Verbindung stehen, werden durch zeitgemäße und profane, meist modische Accessoires ergänzt oder vollständig ersetzt. Neben dem repräsentativen Charakter verliert sich oftmals auch die zyklische Struktur. Einzelne Jahreszeiten werden losgelöst herausgegriffen oder der ursprüngliche Viererrhythmus um zusätzliche Abschnitte erweitert. Negative Aspekte der Jahreszeiten wie widrige Wetterverhältnisse werden vielfach ausgeblendet. An die Stelle der aus der Bildtradition bekannten saisonalen Arbeiten treten in szenischen Darstellungen zeitentypische Vergnügungen, darunter Ausflüge aufs Land, Spiele im Freien oder Schlittenfahren und Schlittschuhlaufen. Ähnliche Entwicklungen wie eine lebensnähere Auffassung und die Hinwendung zum Allgemein-Menschlichen und Natürlichen ließen sich zeitgleich auch in der Dichtung und der Musik festmachen, wie die Betrachtung von Thomsons Gedichtzyklus The Seasons oder Haydns und Vivaldis Kompositionen gezeigt hat. Die Abkehr von tradierten Verbildlichungsformen geht demnach mit einer zunehmend innerweltlichen Verortung des Jahreszeitensystems und seiner Anbindung an die alltägliche Erfahrungswelt des Menschen einher, die sich auch in der Art der Darstellung abzeichnet. Damit verbunden ist ein allmählicher Verlust des tieferen, weltzeitlich-allegorischen Sinns, der den Vier Jahreszeiten mit der Evokation einer höheren Ordnung und idealistischen Weltvorstellung vor allem im Barock, nicht zuletzt im Zuge herrscherlicher Repräsentation zukam. So stehen die stärker an der Lebenswirklichkeit orientierten Verbildlichungen der ursprünglich überzeitlichen und überindividuellen Auffassung des Jahreszeitenkonzepts entgegen. Mit dieser Loslösung von traditionellen Vorstellungen erweist sich das der profanen Ikonographie zugehörige Modell als Teil der von Werner Busch mit Blick auf die Krise des Mythos im 18. Jahrhundert konstatierten Säkularisierung,1 die sich auch in den Ver-

1 Dazu insb. die zentrale Arbeit von Busch 1993.



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115 Bernhard Rode, Das Jahr, in: Karl Wilhelm Ramler, Allegorische Personen, 1788

änderungen der Bildsprache manifestiert. Busch weist in diesem Zusammenhang auf die von Bernard Rode entworfene Figuration zum Sinnbild Jahr (Abb. 115) in Karl Wilhelm Ramlers Allegorischen Personen, die in ihrer kaum noch repräsentativen Wiedergabe, der Zusammenstellung und Überhäufung mit verschiedenen Attributen und ihrem mangelnden Ausdruck „an Trostlosigkeit nicht zu überbieten“2 sei und insofern sprechend für den Verlust der Tragfähigkeit des jahreszeitlichen Vorstellungsmodells im ausgehenden 18. Jahrhundert: „Derartigem war keine Zukunft mehr beschieden.“3 Dieser Bedeutungswandel wird durch die Verwendung des Jahreszeitenmotivs in dekorativen Kontexten unterstützt, die im 18. und 19. Jahrhundert vermehrt zu beobachten ist. So treten die Jahreszeiten als raumbezogenes Ausstattungsthema in herrschaftlichen Residenzen oder Wohnhäusern des Bürgertums auf sowie in Form von Porzellanfiguren oder anderen Dekorgegenständen. Besonders das Beispiel der Rundreliefs der Jahreszeiten und Lebensalter des Menschen von Bertel Thorvaldsen führt diesen Zusammenhang von dekorativer Nutzung und einer zunehmenden Sinnentleerung des Jahreszeitenmodells für das 19. Jahrhundert in markanter Weise vor Augen. Sowohl bei Thorvaldsen als auch in den weiteren drei zentralen Werken der vorliegenden Untersuchung offenbart sich ein jeweils unterschiedlicher Umgang mit der jahreszeitlichen Thematik. Eine kritische Auseinandersetzung lässt sich insbesondere in den beiden ersten Beispielen von William Hogarth und Jean-Antoine Houdon

2 Busch 1995, S. 25. 3 Ebd.

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erkennen. Bei Hogarth werden die Überprüfung von Darstellungskonventionen und die Suche nach neuen Ausdrucksformen auf die Spitze getrieben. Die Abkehr von der klassischen Ikonographie und die Hinterfragung der Relevanz quaternärer Ordnungsmodelle greifen dabei ineinander. In ihrer kontrastreichen Inszenierung, ihrem humoristischen Anspielungsreichtum auf traditionelle Bildformeln und der inversiven Verschränkung der Zeitenfolgen beschreiben die Four Times of Day das Bild einer verkehrten Welt, die durch tradierte Zeichensysteme nicht mehr in angemessener Weise erfasst werden kann. Als Werk der 1730er-Jahre führt das Beispiel zugleich vor Augen, dass die Revision der jahreszeitlichen Bildsprache nicht erst mit den gesellschaftlichen Umbrüchen im Zuge der Französischen Revolution einsetzte, wie es mit Blick auf die generelle Kritik des 18. Jahrhunderts an althergebrachten Ikonographien und hinsichtlich des allgemeinen Verbindlichkeitsverlustes der Zeichen vielfach in der Forschungsliteratur angenommen wird.4 Somit handelt es sich nicht (nur) um ein Phänomen der sogenannten Schwellenzeit, das auf die nachrevolutionäre Phase und den Beginn des 19. Jahrhunderts, also die Zeit „Um 1800“ begrenzt ist. Vielmehr zeichnen sich erste Ansätze bereits früher ab, wie auch die Betrachtung der jahreszeitlichen Darstellungen des 17. Jahrhunderts nahelegt. Wie die Four Times of Day selbst zum Ausdruck bringen, liegen die Ursachen für eine kritische Überprüfung des Jahreszeitenkonzepts weniger in den mit der Revolution verbundenen gesellschaftlichen Umwälzungen als in einer anderen Wahrnehmung der Natur und einem veränderten Verhältnis zwischen Mensch und Natur, ausgelöst durch einen naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn etwa in Form der Newtonschen Lehren, die bisher gültige Kosmosauffassungen in Frage stellten. Eine ebenso große Rolle spielen ferner die Erfahrung des Lebensraums Stadt und die damit verbundene wachsende Verzeitlichung des Alltags. Hierdurch wird der Mensch mehr und mehr vom Kreislauf der Natur entfernt. Er emanzipiert sich aus naturzeitlichen Zusammenhängen und erscheint nicht mehr unmittelbar in eine übergeordnete Ordnung eingebunden. Die Abhängigkeit des Menschen vom kosmischen Geschehen und sein In‑die-Welt-geworfen-Sein geraten in den Hintergrund; stattdessen rückt der Mensch als eigenständiges Individuum stärker in den Fokus der Betrachtung. Sowohl in Hogarths Four Times of Day als auch anhand des rund fünfzig Jahre später entstandenen Skulpturenpaares von Houdon zeigt sich darüber hinaus ein spielerischer Umgang mit ikonographischen Versatzstücken, der sich gerade aufgrund der hohen Konventionalität des Jahreszeitenmotivs, seines starren Formenkorsetts und seiner mit dem Verbreitungsgrad wachsenden Banalität anzubieten scheint. Klassische Bildformeln werden aufgegriffen und in andere Kontexte überführt, tradierte Attribute reduziert oder bewusst angehäuft und übereinander geblendet. 4 Siehe nur Hans H. Hofstätter: Symbolismus und die Kunst der Jahrhundertwende. Voraus‑ setzungen, Erscheinungsformen, Bedeutungen, Köln 1965 (DuMont-Dokumente Reihe 1: Kunstgeschichte, Deutung, Dokumente), S. 167.



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Durch das Abrücken von konventionellen Schemata entstehen eine ikonographische Mehrdeutigkeit und eine semantische Unschärfe, die zu einer Verwirrung des Betrachters führen. Besonders Hogarth scheint mit diesen Elementen zu spielen und die daraus resultierende fehlende Klarheit als strategisches Mittel zu nutzen, um die bis dahin verbindliche Bildsprache zu überprüfen und ihre ‚Schwachstellen‘ bei der Wiedergabe der Lebenswirklichkeit aufzuzeigen. Das Fehlen von erklärenden Bilduntertiteln oder Begleitversen, wie sie noch in den jahreszeitlichen Graphikzyklen des 16. und 17. Jahrhunderts üblich waren, verstärken dieses Phänomen. Bei Jean-Antoine Houdon erfährt dieser kritische Umgang mit der klassischen Jahreszeitenikonographie insofern eine Steigerung, als in seinen beiden Figuren eine Bezugnahme auf damalige Debatten um den Stellenwert der Allegorie als Kunstform und ihre adäquate bildkünstlerische Darstellungsform zum Ausdruck kommt. Die Reduktion der Attribute auf Seiten der Frileuse trifft bei L’Été auf eine Fülle an ikonographischen Zeichen, die bei näherer Betrachtung jedoch ebenso wenig wie bei der winterlichen Schwesterfigur der konventionellen Darstellungsweise der Jahreszeit entsprechen und insofern eine attributgeleitete Deutung der Skulptur ins Leere laufen lassen. Vielmehr legt der Künstler ein besonderes Gewicht auf das sinnliche Ausdruckspotenzial und die körperliche Erscheinung beider Figuren. So spiegeln sich in ihrer skulpturalen Gestaltung, bis hin zur Behandlung des Marmors, spezifische, mit den Jahreszeiten verbundene Empfindungen wie winterliche Kälte und sommerliche Hitze unmittelbar anschaulich und für den Betrachter nachvollziehbar wider, ohne dass dafür weitere erklärende Attribute erforderlich wären oder es der Kenntnis der traditionellen Ikonographie und ihrer literarischen Quellen bedürfte. Das Bild der Jahreszeiten wird damit nicht primär über Attribute, sondern über die reine Körperlichkeit vermittelt, die selbst zum Zeichen wird. Besonders deutlich lässt sich dieser Perspektivwechsel an dem bereits vom Künstler gewählten Beinamen der Winterskulptur, „La Frileuse“, ablesen, der die Figur von einer jahreszeitlichen Bedeutung entfernt und den Fokus stattdessen auf das physiologische Phänomen des Frierens lenkt, das durch die Einwirkung der winterlichen Temperaturen hervorgerufen wird. Das Pendantpaar führt in dieser Hinsicht das Bewusstsein über das Verhältnis zwischen Körper und Zeichen vor Augen, dessen Grenzen ausgelotet werden. Zugleich spielen beide Skulpturen damit auf die von Du Bos begründete ästhetische Lehre von den „natürlichen“ und den „willkürlichen“ Zeichen an, die seinerzeitige Diskussionen um die angemessene Wiedergabe allegorischer Darstellungen bestimmte. Ähnlich wie Hogarths Four Times of Day erweist sich Houdons Skulpturenpaar somit als ein selbstreferentielles Werk, das die Ausdrucksmöglichkeiten der eigenen Gattung und die Relevanz der allegorischen Bildsprache hinterfragt. Gleichzeitig äußert sich in beiden Figuren eine gezielte Auseinandersetzung mit barocken Verbildlichungen der Jahreszeiten, von denen sie sich bewusst abgrenzen. Die besondere Form der Nacktheit und unzulängliche Verhüllung der Frileuse ist dabei als ironische Anspielung auf die Wirklichkeitsferne ihrer barocken Pendants zu werten, die den Winter meist ähnlich leicht bekleidet, jedoch kaum frierend und damit der Realität entrückt darstell-

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ten, – ein Aspekt, der zeitgleich auch in kunsttheoretischen Abhandlungen kritisiert wurde, wie der zitierte Eintrag De Jaucourts in der Encyclopédie oder die Überlegungen Diderots deutlich gemacht haben. L’Été und La Frileuse bilden in dieser Hinsicht aufklärerische Gegenentwürfe, die sich von barocken Idealen abwenden. Natürlichkeit, Einfachheit und Lebensnähe werden der Manieriertheit vorangegangener Motivfindungen entgegengesetzt. Während bei den Werken von Hogarth und Houdon die kritische Reflexion des Jahreszeitenkonzepts und seiner Bildsprache im Vordergrund stehen, führen die ausgewählten Beispiele aus der Zeit nach 1800, die Sepiazyklen Caspar David Friedrichs und die Relieftondi Bertel Thorvaldsens, die Reaktion auf die Kritik am klassischen Zeitenmodell und den Umgang mit den veränderten Bedingungen und erschütterten Zeichensystemen vor Augen. Bei Caspar David Friedrich zeigt sich die Suche nach neuen Darstellungsformen in besonders deutlicher Weise. Die tradierten ikonographischen Vorgaben werden dabei nicht per se abgelehnt, sondern neu gefasst. So verfolgt der Künstler durch die Wahl landschaftlicher Szenen einerseits eine Rückbesinnung auf die Natur. Andererseits verzichtet er jedoch auf die für konventionelle Jahreszeitenlandschaften typische Darstellung saisonaler Arbeiten und hebt stattdessen, unterstützt durch die Verbindung mit dem Motiv der Lebensalter, den Menschen als eigenständiges Individuum und seine Erfahrung der umgebenden Natur hervor. Friedrichs Jahreszeiten transportieren damit nicht zuletzt eine existenzielle Komponente. Sie beschreiben einen Prozess der Verinnerlichung, indem sie das Verhältnis von Mensch und Natur im Bewusstsein der Endlichkeit des menschlichen Daseins reflektieren. Gleichzeitig wird die Landschaft zu einem Resonanzraum menschlicher Empfindungen und Gemütszustände. Die Abbildung der Natur erfährt dabei eine besondere ästhetische Durchdringung, die in einer wohlkalkulierten Kompositionsweise und einem bewusst nuancierten Einsatz der Farbe ihren Ausdruck findet. Die sinnliche Erfahrbarkeit der Szenen, die durch die Art der Gestaltung erreicht wird, spielt somit auch hier eine wichtige Rolle. Inhalt und Form werden eng miteinander verknüpft, wobei Friedrichs Bilderfolgen nicht dezidiert Abstand von einem allegorischen Denken nehmen, sondern dahingehend vielmehr die aktive Beteiligung und Erkenntnisfähigkeit des Betrachters erfordern. Der Verlust der ursprünglichen Bedeutung der Jahreszeiten als überzeitliches und überindividuelles kosmisches Ordnungssystem wird in den Rundreliefs von Bertel Thorvaldsen schließlich in konzentrierter Form sichtbar. Durch die Ausrichtung seiner Reliefs auf vornehmlich dekorative Kontexte führt der Bildhauer letztlich fort, was im 17. und 18. Jahrhundert mit der Verwendung der Vier Jahreszeiten als Ausstattungsmotiv angelegt wurde, nun allerdings übertragen und erweitert auf den Geschmack des aufstrebenden Bürgertums. Seine mechanisierte Vervielfältigungspraxis, das damit verbundene Abstraktionsmoment in der Stilisierung seiner Motive sowie der kontext- und auftraggeberunabhängige Herstellungsprozess führen dabei die zunehmende Bedeutungslosigkeit des Konzepts vor Augen und befördern sie zugleich. Anders als bei den vorangegangenen Beispielen, die sich kritisch mit der



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traditionellen Jahreszeitenikonographie auseinandersetzen und sich von ihr distanzieren, werden die klassischen, in den Ikonologien beschriebenen Attribute hier wiederum bewusst aufgegriffen, um eine größere Wiedererkennbarkeit und bessere Lesbarkeit der Motive zu erreichen und somit auch die Vermarktung der Werke zu steigern. Eine Wiederbelebung der Jahreszeitenvorstellung in ihrer ursprünglichen Tragweite wird nicht angestrebt. Vielmehr erhält das Motiv, ähnlich wie es in der zu Beginn zitierten humoristischen Darstellung der Fliegenden Blätter (Abb. 1) zum Ausdruck kommt, den Charakter eines gelehrten Konzepts, das auf humanistische Traditionen verweist und damit den Vorstellungen des gebildeten Bürgertums nachkommt. Es wird jedoch nicht mehr im Sinne eines Welterklärungsmodells herangezogen, sondern dient nunmehr vorrangig dekorativen Zwecken. Wie auch George Hanfmann 1951 in seiner Abhandlung zum römischen Jahreszeiten-Sarkophag von Dumbarton Oaks festhält, haben die Jahreszeiten ihre ursprüngliche Bedeutung verloren: „The Seasons have become an utterly insignificantly theme in our civilization, which has largely detached itself from the cycle of nature and lives by scientifically controlled units of time.“5

5 Hanfmann 1951, Bd. 2, S. 122, Anm. 104.

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Sekundärliteratur 347

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350

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Personenregister

Abildgaard, Nicolai Abraham ​266–268, 278 Adderley, Charles Bowyer, Lord Norton ​278 Addison, Joseph ​137, 149, 187 Alciati, Andrea ​48 Alkuin ​36 Amigoni, Jacopo ​78 Anakreon ​271 f., 274–280 Andersen, Hans Christian ​279 Aneau, Barthélemy ​48 Anguillara, Giovanni Andrea dell’ ​51 Antiochos von Athen ​26 Aratos von Soloi ​26 Arcimboldo, Giuseppe ​47 f. Arndt, Johann ​240–242, 246 Äsop ​36 Athenaios ​27 Augustinus von Hippo ​34 Avercamp, Hendrick ​63 Balducci, Matteo ​43 Baron, Bernard ​101, 107 Bassano, Francesco d. J. ​58 Baudoin, Jean ​54 f. Baumgartner, Johann Wolfgang ​58 Belleteste, Jean Antoine ​163, 183 Bernardus Silvestris ​35 Bie, Jacques de ​54 f. Boccaccio, Giovanni ​46, 55 Boilly, Louis-Léopold ​156 Boizot, Louis-Simon ​173 Bol, Hans ​49 Bonnemaison, Féréol de ​194 f. Bottari, Giovanni Gaetano ​276 f. Botticelli, Sandro ​43 Böttiger, Carl August ​214 f., 237, 247 f. Bouchardon, Edmé ​76 f., 166

Boucher, François ​16, 69–71, 78, 112 f., 127, 166 f., 173, 183 Boudard, Jean-Baptiste ​13, 55, 165, 285 Boyle, Robert ​18 Bradstreet, Anne ​111 Brockes, Barthold Heinrich ​89, 91 Bruegel, Pieter d. Ä. ​48 f. Bruegel, Pieter d. J. ​49 Buonarroti, Michelangelo ​114 Candid, Peter ​50 Canova, Antonia ​275, 287, 290–293 Caracalla ​52, 176, 284 Carl Eugen, Herzog von Württemberg ​174 Carriera, Rosalba ​75 Carstens, Asmus Jacob ​267 f., 276 Cartari, Vincenzo ​47, 55, 57 Carus, Carl Gustav ​237 f., 248 Casanova, Giovanni Battista ​53, 179, 185 Caus, Salomon de ​59 Cesare d’Este, Herzog von Modena ​52 Chardin, Jean-Baptiste-Siméon ​77 Charles I., König von England, Schottland und Irland ​108 f. Charles II., König von England, Schottland und Irland ​109, 127 Chéron, Louis ​110 Cicero ​27 Coffey, Charles ​123 Collaert, Adrien ​58, 115 Colonna, Francesco ​46 Comte d’Artois, Charles X., König von Frankreich ​ 171 f. Conduitt, John ​139 Congreve, William ​136 Constable, John ​79

352 Personenregister

Conti, Natale ​47 Cooper, Anthony Ashley, 3. Earl of Shaftesbury ​ 90, 145 Cornelius, Peter ​240 Crozat, Pierre ​14 f. Dannecker, Johann Heinrich ​77, 174–176 David, Pierre-Jean, gen. David d’Angers ​216 f., 244 De la Fosse, Charles ​14 De Lavoisier, Antoine Laurent ​18 De Passe, Crispijn d. Ä. ​113 f., 117 De Piles, Roger ​142, 144, 185, 188 De Veil, Thomas ​109 Del Cossa, Francesco ​43 Delacroix, Eugène ​78 f. Desaguliers, John Theophilus ​19, 138 f. Desplaces, Louis ​168 Diderot, Denis ​68, 167, 170, 183, 190 f., 197, 302 Dilherr, Johann Michael ​246 Dryden, John ​126, 133, 139 Du Bos, Jean-Baptiste ​19, 184–191, 197 Duflos, Claude d. J. ​75, 173 Euphorbius ​44, 52 Everdingen, Caesar van ​65 Fauveau, François-Auguste, Baron de Frénilly ​151 Ferdinand IV., König von Neapel ​73 Fernow, Carl Ludwig ​215, 287 f. Fielding, Henry ​102 f., 109, 118, 125 f. Flahaut de La Billarderie, Charles Claude, Comte d’Angiviller ​153 f. Fleming, Paul ​56 Fouché, Nicolas ​167 f. Foucou, Jean-Joseph ​173 Fragonard, Jean-Honoré ​69 f., 166 f. Francesco de’ Medici, Großherzog der Toskana ​ 52 Frederick, Prince of Wales ​75 Friedrich, Caspar David ​17, 20 f., 78, 201–251, 253, 266, 302 Galen ​26 Gay, John ​132–136, 146 Gebrüder Limburg ​41 f. Gelée, Claude, gen. Le Lorrain ​56, 205, 220, 228 f. George I., König von Großbritannien ​109

Gessner, Salomon ​89, 220 Giraldi, Gregorio Lilio ​47, 50 Girardon, François ​61 f., 176 Girodet-Trioson, Anne-Louis ​78 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig ​271 Goltzius, Hendrick ​63 f., 167 Goya, Francisco de ​73–76, 195 Greuze, Jean-Baptiste ​157 f., 180 Grimmer, Abel ​49 Gryphius, Andreas ​56 Günther, Johann Joachim ​83 f. Hackert, Jakob Philipp ​73 f., 204 Hadrian ​29 f., 39 Haydn, Joseph ​67, 91 f., 298 Hayman, Francis ​101 Heemskerck, Maarten van ​44 f. Heinrich II., römisch-deutscher Kaiser ​39 Heiss, Johann ​46 Herder, Johann Gottfried ​287 f. Hertel, Johann Georg ​54 Hesiod ​24 Heyden, Pieter van der ​49 Hildegard von Bingen ​38 Hippokrates ​26 Hirschfeld, Christian Cay Lorenz ​87, 238 Hogarth, William ​14, 17 f., 21, 93–149, 181 f., 299–302 Hollar, Wenzel ​63, 65, 113, 135 Homer ​24 f., 292 Hope, Thomas ​278 Horaz ​27, 52, 112, 133, 146 Houdon, Jean-Antoine ​14, 17, 21, 76, 151–199, 244, 285, 299–302 Høyer, Christian Fædder ​278 Hugnet, George ​156 Hutinot, Pierre ​61 Isidor von Sevilla ​34 f. Jamnitzer, Wenzel ​50 Jean de Valois, Duc de Berry ​41 f. Jones, Inigo ​103 Jung, Carl Gustav ​181 Juvenal ​133 Kallixenos von Rhodos ​27 Katharina II., gen. die Große, Zarin von Russland ​ 170

Personenregister

Kauffmann, Angelika ​76 Kent, William ​89 f., 115 King, William ​146 Klenze, Leo von ​279 Knapton, George ​75 Krumpper, Hans ​59 f., 169 Lairesse, Gerard de ​53, 142 Lancret, Nicolas ​69 f., 78, 112, 128 Landseer, Edwin ​75 Larmessin, Nicolas de ​75, 78 Laroon, Marcellus ​134 f. Le Brun, Charles ​61 f., 80, 124, 166, 176, 187 Le Sueur, Hubert ​108 Legros, Pierre d. Ä. ​83, 195 Lichtenberg, Georg Christoph ​96 f., 101, 103–105, 108 f., 115 f., 119, 121, 127 f., 131 Lievens, Jan ​129 Ligorio, Pirro ​51 Linné, Carl von ​88 Lorenzetti, Ambrogio ​43 Louis XIV., König von Frankreich ​60 Louis XV., König von Frankreich ​166 Lukrez ​13, 27 f., 44 Luyken, Jan ​246

Otto III., römisch-deutscher Kaiser ​39 Overton, John ​135 Ovid ​13, 25, 27–29, 35, 39, 47 f., 50–52, 68, 137, 147, 271, 297 Pajou, Augustin ​154, 171 f., 182 Pausanias ​25 Pencz, Georg ​46 Permoser, Balthasar ​77 Petrarca, Francesco ​46, 48 Pierre, Jean-Baptiste ​154, 156, 177 Pigage, Nicolas de ​87 Pindar ​24 Piroli, Tommaso ​269 Pius IV., Papst ​51 Pompadour, Jeanne-Antoinette, Madame de ​70, 170 Poussin, Nicolas ​46, 56–59, 106 f., 281 Praxiteles ​177 Ptolemaios II. Philadelphos, Pharao von Ägypten ​ 27 Pythagoras ​28 Quaglio, Lorenzo d. J. ​284 f.

Macrobius ​44, 52, 55, 179 Magnier, Laurent ​61 Manfredi, Bartolomeo ​56 Manilius ​27, 52 Matteis, Paolo de ​66 Meier, Georg Friedrich ​189 Michel, Claude, gen. Clodion ​173, 178, 275 Mignard, Nicolas ​71 Milton, John ​90, 135 Minucius Felix ​34 Modenx de Saint-Waast, Anne-Charles ​151 Momper, Joos de ​63 Montagu-Scott, Lady Caroline ​75 Montfaucon, Bernard de ​19, 68, 167 Morgenstern, Karl ​215 Mori, Fernando ​279 Mörike, Eduard ​271 Moritz, Karl Philipp ​68, 196, 244, 250, 280 Morris, Joshua ​110 Mosto, Ottavio ​66, 81

Rabanus Maurus ​35, 39 Ramdohr, Wilhelm Basilius ​245 Ramler, Karl Wilhelm ​14, 53, 69, 271, 280–282, 284, 286 f., 299 Regnaudin, Thomas ​61 Rehberg, Friedrich ​277 Reni, Guido ​56 Restout, Jean-Bernard ​69 Reynolds, Joshua ​75, 106, 142 Ricci, Angelo Maria ​279 Richardson, George ​53 Riepenhausen, Franz ​279 Riepenhausen, Johannes ​279 Ripa, Cesare ​13 f., 23, 39, 50–56, 59, 62, 68, 80, 111, 125, 165, 179, 204, 266, 281, 283–285 Rode, Christian Bernhard ​280–282, 299 Rowlandson, Thomas ​102 Rubens, Peter Paul ​57, 112, 129, 142, 144, 177 f., 188, 191 Ruisdael, Jacob Isaackszoon van ​205, 221 f. Runge, Philipp Otto ​78, 220, 230–243

Nash, Thomas ​111 Newton, Isaac ​17, 19, 90, 98, 138–141, 300

Saenredam, Jan ​63 f. Saftleven, Herman ​63

353

354 Personenregister

Saint-Aubin, Gabriel de ​171 Sandby, Paul ​102 Saussure, César-François de ​127, 131 Scaliger, Joseph ​52 Scheffauer, Philipp Jakob ​77, 174–176 Schelling, Friedrich Wilhelm ​196, 239, 248, 287 Schlegel, August Wilhelm ​287 Schlegel, Karl Wilhelm Friedrich ​240, 244 Schönborn-Wiesentheid, Franz Erwein, Graf von ​ 269–271, 278, 287, 289 f. Schubart, Herman, Baron von ​268 Schubert, Gotthilf Heinrich von ​215 f., 233, 247 f. Seidler, Louise ​216, 223, 244, 251, 287, 291 Semler, Christian August ​226 f., 242, 244, 249 Shakespeare, William ​135 Sicardus von Cremona ​35 Sommer, Johann Jakob ​81 Spence, Joseph ​68 Steele, Richard ​135–137, 149 Strauß, Lorenz ​54 Sulzer, Johann Georg ​187, 238 f. Swift, Jonathan ​134–137, 147, 149 Talma, François-Joseph ​78 Tempest, Pierce ​55, 111 Tempesta, Antonio ​147 Teniers, David d. J. ​63 Terenz ​177 f. Testa, Pietro ​57 Thackeray, William ​102 Theophrast ​88 Thomassin, Simon ​80, 122 Thomson, James ​89–92, 111, 115, 298 Thornhill, James ​110 f., 118, 125, 139, 142 Thorvaldsen, Bertel ​17 f., 22, 79, 253–295, 299, 302 Tieck, Ludwig ​233, 237 f., 240, 244 Tiepolo, Giovanni Battista ​72 f.

Tietz, Ferdinand ​85 f. Travaux, Pierre ​194 f. Tura, Cosmè ​43 Tyers, Jonathan ​101 Valckenborch, Maarten van ​58 Valenciennes, Pierre-Henri de ​79 Valeriano, Pierio ​52 f., 55 Van de Velde, Jan d. J. ​63, 113 Vanderbank, John ​110, 139 Varro ​27, 34 Vasari, Giorgio ​49 Venne, Adriaen van ​63 Vergil ​27, 29, 36, 51, 90, 112, 133, 136, 271 Veronese, Paolo ​49 Vien, Joseph-Marie ​71 f., 167, 275 Vinzenz von Beauvais ​41 Vivaldi, Antonio ​67, 92, 298 Vos, Maarten de ​44 f., 114 f., 179 Vouet, Simon ​56 f. Wackenroder, Wilhelm Heinrich ​240 Walpole, Horace ​117, 120, 145 Wandalbert von Prüm ​41 Ward, Edward ‘Ned’ ​132 Watteau, Antoine ​14–16, 69 f. Wentzinger, Johann Christian ​82 f. Whitney, Geffrey ​48 Wiedewelt, Johannes ​269 Wieland, Christoph Martin ​271 Wilhelm I., König von Württemberg ​260, 265 Winckelmann, Johann Joachim ​53, 187, 269, 276 f., 280, 283 f., 286 f. Zeno von Verona ​35 Zoëga, Georg ​265, 268 f., 278 Zuccari, Taddeo ​49 Zucchi, Jacopo 49

Bildnachweis

Einband und Abb. 26: Los Angeles County Museum of Art, Gift of Hearst Magazines (47.29.9), Foto: © Museum Associates/LACMA. Abb. 1: Universitätsbibliothek Heidelberg / Fliegende Blätter 1869, Heft 50, Nr. 1232, S. 61 (https://doi.org/10.11588/diglit.3303#0065). Abb. 2, 20–23: Courtesy National Gallery of Art, Washington. Abb. 3: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 81, Abb. 55. Abb. 4: © Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Foto: Fotowerkstatt Staatliche Museen zu Berlin, F 3989. Abb. 5: Hanfmann 1951, Bd. 2, Taf. 2, Nr. 498. Abb. 6: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart (http://digital.wlb-stuttgart. de/purl/bsz349406464). Abb. 7: The Très Riches Heures of Jean, Duke of Berry. Musée Condé, Chantilly, Faksimile, bearb. von Jean Longnon, New York 1969, fol. 6v. Abb. 8–11: Kat. Stuttgart 1997, S. 118 f. Abb. 12: Arcimboldo. 1526–1593, hg. von Sylvia Ferino-Pagden, Ausst.-Kat., Musée du Luxembourg Paris und Kunsthistorisches Museum Wien, Ostfildern 2008, S. 131. Abb. 13: Kloss-Weber 2014, S. 135. Abb. 14: Universitätsbibliothek Heidelberg / Castellini 1645, S. 294 (https://doi.org/10.11588/diglit.3278). Abb. 15: Von Poussin bis Monet. Die Farben Frankreichs, hg. Eva Fischer-Hausdorf, Ausst.-Kat., Arp Museum Bahnhof Rolandseck Remagen und Bucerius Kunst Forum Hamburg, München 2015, S. 94, Abb. 9. Abb. 16: Kat. Zürich 1989, S. 217, Abb. 8. Abb. 17: Kat. Wien/Zürich 2011, S. 137. Abb. 18: bpk / RMN – Grand Palais / Gérard Blot. Abb. 19: Kloss-Weber 2014, S. 137. Abb. 24: The Metropolitan Museum of Art, New York, Gift of Barbara E. Fox, in memory of Howard A. Fox MD, 2018 (www.metmuseum.org). Abb. 25: Kat. Wien/ Zürich 2011, S. 258. Abb. 27, 28: David Wakefield: Boucher, London 2005. Abb. 29: © Musées de Strasbourg / M. Bertola. Abb. 30: Zeman 1989a, Abb. 9. Abb. 31: Kat. Zürich 1989, S. 89. Abb. 32, 33: © Photographic Archive Museo Nacional del Prado. Abb. 34: Moonik, CC BY‑SA 3.0 , via Wikimedia Commons. Abb. 35: Kat. Zürich 1989, S. 189, Abb. 6. Abb. 36: Voßkamp 2021, S. 46, Abb. 1. Abb. 37: © Städtische Museen Freiburg, Foto: Axel Killian. Abb. 38, 40, 66, 72, 79: Archiv der Autorin. Abb. 39: © Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Dr. Martin Schneider, Nussloch; www.monumente‑im-bild.de. Abb. 41: Kat. Zürich 1989, S. 119, Abb. 3. Abb. 42, 45: © National Trust Images/John Hammond. Abb. 43, 44: © The Grimsthorpe & Drummond Castle Trust. Abb. 46–49, 60: The Metropolitan Museum of Art, New York, Gift of Sarah Lazarus, 1891 (www.metmuseum.org). Abb. 50: The Metropolitan Museum of Art, New York, Harris Brisbane Dick Fund, 1946 (www.metmuseum.org). Abb. 51: The Metropolitan Museum of Art, New York, Harris Brisbane Dick Fund, 1953 (www.metmuseum.org). Abb. 52: Kat. Stuttgart 1997, S. 135, Abb. Nr. 35.3. Abb. 53: The Metropolitan Museum of Art, New York, Harris Brisbane Dick Fund, 1932 (www.metmuseum.org). Abb. 54: Jan Lievens – ein Maler im Schatten Rembrandts, hg. von Rüdiger Klessmann, Ausst.-Kat., Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, Braunschweig 1979, S. 25. Abb. 55: Shesgreen 2002, S. 80, Abb. 3.23. Abb. 56: Kat. London 2006, S. 109, Abb. 53. Abb. 57: The Metropolitan Museum of Art, New York, Gift of Bella C. Landauer, 1926 (www.metmuseum.org). Abb. 58: Rubens. L’atelier du génie – autour des

356 Bildnachweis

œuvres du maître aux Musées royaux des Beaux-arts de Belgique, hg. von Joost Vander Auwera, Ausst.-Kat., Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique Brüssel, Tielt 2007, S. 115, Kat. 24. Abb. 59: Küster 2011, S. 128, Abb. Nr. 7. Abb. 61: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 67, Abb. 2a. Abb. 62: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 275, Abb. 164. Abb. 63: The Metropolitan Museum of Art, New York, Bequest of Kate Trubee Davison, 1962 (www.metmuseum.org). Abb. 64: Kat. Frankfurt/ Montpellier 2009, S. 58, Abb. 45. Abb. 65: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 10. Abb. 67: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 104, Abb. 64. Abb. 68: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 258. Abb. 69: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 73, Abb. 4. Abb. 70: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 54, Abb. 41. Abb. 71: © Musée d’art et d’histoire, Ville de Genève. Abb. 73, 98: The Metropolitan Museum of Art, New York, Purchase, C. Michael Paul Gift, Josephine Bay Paul and C. Michael Paul Foundation Inc. Gift, and Charles Ulrick and Josephine Bay Foundation Inc. Gift, 1978 (www. metmuseum.org). Abb. 74: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 48, Abb. 36. Abb. 75: Kat. Stuttgart 1993, S. 128, Kat. Nr. 37, Abb. 108. Abb. 76: Collectie KMSKA – Vlaamse Gemeenschap. Abb. 77, 115: Rijksmuseum, Amsterdam. Abb. 78: Kat. Frankfurt/Montpellier 2009, S. 241, Abb. 133. Abb. 80: Brooklyn Museum. Abb. 81, 83: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Volker‑H. Schneider CC BY‑NC‑SA 4.0. Abb. 82: Kat. Berlin 2006, S. 14, Abb. 7. Abb. 84: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Jörg P. Anders CC BY‑NC‑SA 4.0. Abb. 85: Margaretha Rossholm Lagerlöf: Ideal landscape. Annibale Carracci, Nicolas Poussin and Claude Lorrain, New Haven 1990, Abb. 97. Abb. 86: Norbert Schneider: Geschichte der Landschaftsmalerei – vom Spätmittelalter bis zur Romantik, Darmstadt 1999, S. 145, Abb. 104. Abb. 87: Grummt 2011, Bd. 1, S. 364, Abb. 364. Abb. 88–94: © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Christoph Irrgang. Abb. 95: Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München (https://www.sammlung.pinakothek.de/ de/artwork/8eGVjAYGWQ). Abb. 96: Koerner 1998, S. 247, Abb. 126. Abb. 97: Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek München, URL: (https://www.sammlung.pinakothek. de/de/artwork/8eGVj5YGWQ). Abb. 99: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (DIPF). Abb. 100: Grave 2012, S. 90, Abb. 85. Abb. 101–104: Landesmuseum Württemberg, P. Frankenstein / H. Zwietasch. Abb. 105: © Thorvaldsens Museum, Foto: Jakob Faurvig, https:// kataloget.thorvaldsensmuseum.dk/en/C411r. Abb. 106: © Thorvaldsens Museum, Foto: Unbekannt, https://kataloget.thorvaldsensmuseum.dk/en/AX470. Abb. 107: © Thorvaldsens Museum, Foto: Jakob Faurvig, https://kataloget.thorvaldsensmuseum.dk/en/A411. Abb. 108: © Thorvaldsens Museum, Foto: Jakob Faurvig, https://kataloget.thorvaldsensmuseum.dk/en/A413. Abb. 109: © Thorvaldsens Museum, Foto: Jakob Faurvig, https://kataloget.thorvaldsensmuseum. dk/en/A415. Abb. 110: © Thorvaldsens Museum, Foto: Jakob Faurvig, https://kataloget. thorvaldsensmuseum.dk/en/A548. Abb. 111: Universitätsbibliothek Heidelberg / Piranesi/Zoëga/ Piroli 1808, Bd. 1, Taf. 52 (https://doi.org/10.11588/diglit.7586#0317). Abb. 112: Kunstpalast – Horst Kolberg – ARTOTHEK. Abb. 113: Myssok 2007, S. 142, Abb. 94. Abb. 114: © Thorvaldsens Museum, Foto: Jakob Faurvig, https://kataloget.thorvaldsensmuseum.dk/en/A490.